Rechtspflichten im Verfassungsstaat: Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Aspekte der Dogmatik öffentlich-rechtlicher Pflichten Privater [1 ed.] 9783428518852, 9783428118854

Der Begriff der Rechtspflicht hat umfassende rechts- und normtheoretische Behandlung erfahren, in der neueren staats- un

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German Pages 469 Year 2005

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Rechtspflichten im Verfassungsstaat: Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Aspekte der Dogmatik öffentlich-rechtlicher Pflichten Privater [1 ed.]
 9783428518852, 9783428118854

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1003

Rechtspflichten im Verfassungsstaat Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Aspekte der Dogmatik öffentlich-rechtlicher Pflichten Privater

Von Matthias Wehr

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

MATTHIAS WEHR

Rechtspflichten im Verfassungsstaat

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1003

Rechtspflichten im Verfassungsstaat Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Aspekte der Dogmatik öffentlich-rechtlicher Pflichten Privater

Von

Matthias Wehr

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Würzburg hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Habilitationsschrift angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-11885-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Gabriela, Else und Dr. h.c. Gerhard Wehr

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2003/04 von der Juristischen Fakultät der Universität Würzburg unter dem Titel „Rechtsgüterschutz. Öffentlich-rechtliche Pflichten Privater vor dem Hintergrund von Opportunitätsund Legalitätsprinzip“ als Habilitationsschrift angenommen. Sie entstand im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unter demselben Titel geförderten, von Herrn Prof. Dr. F.-L. Knemeyer geleiteten Forschungsprojekts. Den ersten Anstoß für die Themenstellung gab der Bayerische Landtag mit der auf den ersten Blick eher unscheinbaren Änderung des Art. 112 der Bayerischen Gemeindeordnung vom 26.07.1997, mit der die bislang bestehende Pflicht zur Beanstandung rechtswidriger gemeindlicher Entscheidungen in das Ermessen der Aufsichtsbehörde gestellt wurde. Der in der Gesetzesbegründung propagierte Wechsel vom Legalitäts- zum Opportunitätsprinzip im Recht der Kommunalaufsicht wies über die Gesetzesnovelle hinaus auf Strukturfragen des Öffentlichen Rechts hin. Im Ergebnis wurde aus dem Anfangsthema ein Annex der weit übergeordneten Fragestellung nach Inhalt, Umfang und Grenzen von Rechtspflichten im Verfassungsstaat. Herrn Prof. Dr. F.-L. Knemeyer bin ich zu Dank verpflichtet, weil er mir die Möglichkeit gab, als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem von ihm geführten Lehrstuhl diese Studie zu erstellen. Herrn Prof. Dr. Horst Dreier, der das Zweitgutachten erstattet hat, danke ich für eine Reihe von hilfreichen Anregungen und kritischen Anmerkungen sowie nicht zuletzt auch für das „Copyright“ an dem Haupttitel, unter dem diese Arbeit erscheint. Die Bereitschaft zu Lektüre und Diskussion, zu weiterführenden Hinweisen sowie Zu- und Widerspruch von Herrn Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Dr. J. Hofmann-Hoeppel, Würzburg, und Herrn Prof. Dr. Robert Uerpmann-Wittzack, Regensburg, hat mir in Vielem geholfen. Beiden gilt mein herzlicher Dank. Würzburg, im Frühjahr 2005

Matthias Wehr

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

§ 1 Die Vernachlässigung der Pflichtendiskussion im öffentlichen Recht . . . . . . . A. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 23 24 27

§ 2 Ausgangspunkt und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Gegenseitige Bezüge von Staats- und Bürgerpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28 28 29

1. Teil Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

33

§ 3 Die Rechtsordnung als Pflichtordnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Imperativentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Primäre und sekundäre Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rechtspflicht und subjektives Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 34 37 39

§ 4 Rechtswidrigkeit als Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bemerkungen zur Lehre vom Zustandsunrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Einheitlichkeit oder Vielfalt des Rechtswidrigkeitsbegriffs . . . . . . . . . . . .

42 42 43 50

§ 5 Die Relativität der Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Pflichtsubjekte des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Staat als Pflichtsubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Staatliches Unrecht als Verletzung staatlicher Pflichten . . . . . . . . . . . . . . .

61 62 70 81

§ 6 Die Einheit der Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Unterscheidung von Verhaltens- und Sanktionsnorm . . . . . . . . . . . . . . B. Das Problem fehlerhafter Genehmigungen und die verwaltungsrechtliche Verbotsmaterie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Der Begriff der Rechtswidrigkeit in der Strafrechtsdogmatik . . . . . . . . . .

122 123 126 134

10

Inhaltsübersicht 2. Teil Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

148

§ 7 Öffentlich-rechtliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 A. Zur Problematik der Abgrenzung von Privatrecht und öffentlichem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 B. Die Qualifizierung von Rechtspflichten Privater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 § 8 Die Begründung von Rechtsgüterschutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 A. Pflichten des Staates und der Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 B. Verfassungsrechtliche Rechtsgüterschutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 § 9 Die Grundrechtsrelevanz der Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 A. Die Reichweite der Freiheitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 B. Eigentums(grund)recht und Eigentümerpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 § 10 Verfassungsrechtliche Determinanten der Verpflichtung Privater . . . . . . . . . . . A. Der Eingriffsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Das allgemeine Rechtfertigungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die doppelte Grundrechtsrelevanz von Rechtsgüterschutzpflichten . . . . .

227 227 240 258

§ 11 Die Polizeipflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die „materielle“ Polizeipflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Verhaltensverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Zustandsverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

273 275 282 317

3. Teil Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

343

§ 12 Opportunität und Legalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 A. Begriff, Herkunft und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 B. Der materiellrechtliche Gehalt von Opportunitäts- und Legalitätsprinzip 360 § 13 Geltungsbereiche von Opportunitäts- und Legalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Begründung öffentlich-rechtlicher Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Ahndung von Pflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Grenzen des Legalitätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

367 368 383 385 388

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

§ 1 Die Vernachlässigung der Pflichtendiskussion im öffentlichen Recht . . . . . . . A. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 23 24 27

§ 2 Ausgangspunkt und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Gegenseitige Bezüge von Staats- und Bürgerpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28 28 29

1. Teil Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

33

§ 3 Die Rechtsordnung als Pflichtordnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Imperativentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Primäre und sekundäre Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Defizite der Imperativentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Materielles und formelles Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verhaltens- und Sanktionsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rechtspflicht und subjektives Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 34 37 37 37 39 39

§ 4 Rechtswidrigkeit als Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bemerkungen zur Lehre vom Zustandsunrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Recht als Bewertungs- und Bestimmungsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Rechtswidrigkeitsbegriff Baumeisters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der „rechtswidrige Zustand“ als Anknüpfungspunkt der Pflicht oder Folge einer Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Einheitlichkeit oder Vielfalt des Rechtswidrigkeitsbegriffs . . . . . . . . . . . . I. Beispiele und Probleme divergierender Rechtswidrigkeitsbeurteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Strafrechtliche Rechtfertigung hoheitlichen Handelns? . . . . . . . . . 2. Amtspflichten und Rechtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwaltungsaktakzessorietät des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Handlung als Bezugspunkt der Rechtswidrigkeit? . . . . . . . . . . . .

42 42 43 44 47 49 50 51 51 54 56 59

12

Inhaltsverzeichnis

§ 5 Die Relativität der Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Pflichtsubjekte des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Außenrecht und Innenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pflichtsubjekte des Innen- und des Außenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Amtspflichten und Staatspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Folgerungen für den Begriff der Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterscheidung von Pflichtsubjekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterscheidung nach Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Staat als Pflichtsubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung: Pflichtwidrigkeit und Verhaltensunrecht . . . . . . . . . . . II. Grundrechtsnormen als Grundlage staatlicher Pflichten . . . . . . . . . . . 1. Grundrechtliche Unterlassungspflichten des Staates . . . . . . . . . . . 2. Grundrechtliche Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnisorientierung grundrechtlicher Pflichtenstellung . . . . . . . . a) Grundrechtliche Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundrechtliche Unterlassungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Ergebnisorientierung des materiellen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Staatliches Unrecht als Verletzung staatlicher Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtswidrigkeit im Staatshaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . 2. Enteignungsgleicher und enteignender Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Rechtswidrigwerden staatlicher Regelungsakte . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Maßgeblichkeit der Regelungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die relevanten Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Veränderung des höherrangigen Rechts als Derogation . . . . . b) Veränderung der Sachlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Wegfall der Regelungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Exkurs: Zur Möglichkeit des Rechtmäßigwerdens . . . . . . . . . . . . . III. Insbesondere: Die nachträgliche Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Materiellrechtliche und prozessuale Problemstellung . . . . . . . . . . . 2. Nachträgliche Rechtswidrigkeit als rechtswidrige Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die zeitliche Erstreckung der Regelungswirkung . . . . . . . . . . . . . . a) Verwaltungsakte mit Dauerwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungsdauer und Wirksamkeitsdauer des Verwaltungsakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Bedeutung des materiellen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Pflichtenbegründende Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . (2) Genehmigungen, Erlaubnisse etc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61 62 63 64 65 67 67 69 70 70 72 73 74 75 76 77 79 81 81 81 85 88 91 93 93 95 96 99 100 102 103 106 109 110 112 113 114 116

Inhaltsverzeichnis (3) Aufhebung von Genehmigungen, Entzug von Rechtspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Antragsablehnende Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 6 Die Einheit der Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Unterscheidung von Verhaltens- und Sanktionsnorm . . . . . . . . . . . . . . B. Das Problem fehlerhafter Genehmigungen und die verwaltungsrechtliche Verbotsmaterie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Maßgeblichkeit der materiellen Verwaltungsrechtslage . . . . . . . . . . . . II. Unterscheidung nach der Funktion der Genehmigung . . . . . . . . . . . . . III. (Strafrechtliche) Relevanz rechtswidriger Genehmigungen . . . . . . . . . C. Der Begriff der Rechtswidrigkeit in der Strafrechtsdogmatik . . . . . . . . . . I. Unterscheidung von Normwidrigkeit und Pflichtwidrigkeit? . . . . . . . 1. Der Inhalt der Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Inhalt der Verhaltensnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur Verhaltenssteuerungsfunktion des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Mehrdimensionalität rechtlicher Verhaltenssteuerung . . . b) „Pflichtwidrigkeit“ und polizeirechtliche Sanktionsnorm . . . . c) „Pflichtenüberschuss“ bei mehrfacher Sanktionierung . . . . . . 4. Funktionsverlust des Primärrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ableitung der Pflicht aus der Verhaltensnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtspflichten und Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 118 119 121 122 122 123 126 126 128 131 134 134 135 136 138 138 140 141 141 142 142 146

2. Teil Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater § 7 Öffentlich-rechtliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Zur Problematik der Abgrenzung von Privatrecht und öffentlichem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Unterscheidung nach dem Zuordnungssubjekt von Rechtssätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Qualifizierung von Rechtspflichten Privater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Notwendigkeit der Qualifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der begrenzte Schutz privater Rechte durch Gefahrenabwehrbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grenzen der subsidiären Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtssatz und Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abhängigkeit der Subjektstheorien von der Regelungstechnik . . . 2. Das Rechtsverhältnis als Bezugspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

148 148 149 150 151 153 154 155 157 157 157 158

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Inhaltsverzeichnis III. Öffentlichrechtliche und privatrechtliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die „Normverwirklichungskompetenz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Strafrechtliche“ Rechtsgüterschutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die strafrechtliche Sanktionsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Strafrechtliche“ Verhaltensnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Teleologische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit: Öffentlich-rechtliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 8 Die Begründung von Rechtsgüterschutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Pflichten des Staates und der Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zwei Aspekte staatlicher Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundrechtliche Unterlassungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundrechtliche Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Drei Modelle der Pflichtenbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Verhältnis von (Grund-)Rechten und (Grund-)Pflichten . . . . . . . IV. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verfassungsrechtliche Rechtsgüterschutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundpflichten als verfassungsrechtliche Kategorie . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Rechtsgrund der Grundpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rechtsgrundlage der Grundpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundpflichten und Grundrechtsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgüterschutz als Grundpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Friedenspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsgrund und Rechtsgrundlagen der Friedenspflicht . . . . . b) Grundrechtsgeltung nach Maßgabe der Friedenspflicht? . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die allgemeine Nichtstörungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die besondere Nichtstörungspflicht des Eigentümers . . . . . . . . . . III. Fazit und Ausblick: Rechtsgüterschutz- und Rechtsgehorsamspflicht

164 166 166 166 167 170 171 173 173 173 174 175 176 178 178 179 181 184 184 185 187

§ 9 Die Grundrechtsrelevanz der Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Reichweite der Freiheitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechte Dritter als „immanente“ Schutzbereichsbegrenzung . . . . . . . . 1. Strafbewehrte „sozialschädliche“ Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechte anderer als Grenzen grundrechtlicher Gewährleistungen . II. Grundrechtskollisionen oder Pflichtenkollisionen? . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Grundrechtskollisionen“ im Horizontalverhältnis . . . . . . . . . . . . . 2. „Pflichtenkollisionen“ im Vertikalverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Eigentums(grund)recht und Eigentümerpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Normprägung des Eigentums(grund)rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Eigentumsrecht als vermögenswertes Recht . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Eigentumsgrundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Privateigentum und öffentliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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II. Die Unterscheidung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen . . . . 1. Das Eigentumsrecht als Gegenstand der Inhaltsbestimmung . . . . 2. Das Eigentumsgrundrecht als Gegenstand der Schrankenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Unterschied der verfassungsrechtlichen Maßstäbe . . . . . . b) Die Unterscheidbarkeit von Inhalts- und Schrankenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schrankenbestimmung und Enteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eigentums- und eigentümerbezogene Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eigentumsbezogene Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigentümerbezogene Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Art. 14 Abs. 2 GG als Differenzierungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wen verpflichtet das Eigentum? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigentum als Rechtsgrund der Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 10 Verfassungsrechtliche Determinanten der Verpflichtung Privater . . . . . . . . . . . A. Der Eingriffsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unmaßgeblichkeit verfassungsprozessualer Erwägungen . . . . . . . . . . . II. Die Reduzierung des Abwehrrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Beschränkung der Schutzgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Gewährleistung der Handlungsfreiheit und ihre Beschränkung III. Die Allgemeinheit des Gesetzes und die Konkretheit der Pflicht . . . 1. Die Wechselbezüglichkeit von Grundrechtsschranke und konkreter Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkretisierungsbefugnis und verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine „doppelte“ Verfassungsmäßigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Verteilung der Rechtfertigungslasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Das allgemeine Rechtfertigungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Zweckbezug der Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Rechtsgrund der Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Zweck-Pflicht-Relation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine und besondere Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine und besondere Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Allgemeine und besondere Rechtsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgrund und Gleichheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das allgemeine Staat-Bürger-Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsgründe als Differenzierungsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Steuer- und Abgabenrecht als Beispiel . . . . . . . . . . . (2) Differenzierungsverbote und Differenzierungsgebote . . . c) Die Begrenzungsfunktion des Rechtsgrundes . . . . . . . . . . . . . .

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235 236 237 238 240 240 241 243 244 244 244 245 245 245 247 247 250 251

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Inhaltsverzeichnis 3. Verhaltenspflicht und Kostenlast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundrechtliche „Schranken-Schranken“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die doppelte Grundrechtsrelevanz von Rechtsgüterschutzpflichten . . . . . I. Horizontaler Interessenausgleich und Eingriffsdogmatik . . . . . . . . . . . 1. Die Eingriffstauglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Exkurs: Privatrechtliche Rechtsgüterschutzpflichten . . . . . . . . . . . 3. Modifizierung des Übermaßverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Beidseitigkeit der Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die „Schutzpflichtenlösung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die abwehrrechtliche Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundrechtsbeschränkung und Rechtsgutbeeinträchtigung . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 11 Die Polizeipflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die „materielle“ Polizeipflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die materielle Polizeipflicht als Nichtstörungspflicht . . . . . . . . . . . . . II. Die materielle Polizeipflicht als Gefahrenabwehrpflicht . . . . . . . . . . . III. Ableitung von Pflichten Privater aus exekutiven Eingriffsbefugnissen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Verhaltensverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verursachungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Adäquate Verursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unmittelbare Verursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtswidrige Verursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Akzessorietät der Verhaltensverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Begründung der Rechtswidrigkeits-These . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeine Rechtsgüterschutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Polizeirechtliche Verantwortlichkeit und Privatrecht . . . . . . . . b) Erfolgsbezogene Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsgut und Rechtsgüterschutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der prognostische Gehalt erfolgsbezogener Verhaltenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Objektive Rechtswidrigkeit und „ex-post-Betrachtung“ . . . . . f) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Exkurs: Verhaltensverantwortlichkeit und öffentliche Ordnung . . III. Der Umfang der Verhaltensverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Rechtsgrund der Verhaltensverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . 2. Die Grenze der Verpflichtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begrenzung auf die Abwehr „verursachter“ Gefahren . . . . . . b) Die Mehrheit von Verursachern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

273 275 275 278 280 282 282 283 284 285 286 287 288 291 291 292 294 295 297 301 301 304 304 304 306 306

Inhaltsverzeichnis

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3. Konnexität von Primär- und Sekundärebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Trennung von primärer und sekundärer Ebene in Anscheinsund Verdachtslagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Probleme des subjektiven Gefahrbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Austausch der Pflichtsubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Zustandsverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Sachherrschaftsmodell nach O. Lepsius . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Verhältnis von Rechten und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Zustandsverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Sozialbindung des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachherrschaft als Rechtsgrund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Nutzungsmöglichkeit als Rechtsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eigentum als Rechtsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Tatsächliche Sachherrschaft als Pflichtengrund? . . . . . . . . . . . 3. Fazit: Die Akzessorietät der Zustandsverantwortlichkeit . . . . . . . . II. Der Umfang der Zustandsverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begrenzung nach der Ursache der Gefährlichkeit der Sache . . . . 2. Begrenzung durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . 3. Die Begrenzung durch den Rechtsgrund der Pflicht . . . . . . . . . . . a) Die Korrelation von Nutzen und Lasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Korrelation von Sachwert und Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Verkehrswert als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Berücksichtigung der Aufwendungen und Nutzungsvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Verantwortlichkeit des Alteigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Verantwortlichkeit des Derelinquenten . . . . . . . . . . . . . . . . b) Exkurs: Die Verantwortlichkeit des früheren Eigentümers nach § 4 Abs. 6 BBodSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

310 310 312 315 317 317 319 320 320 321 322 324 325 326 326 327 329 330 330 332 334 334 335 336 337 338 339 339 341

3. Teil Opportunitäts- und Legalitätsprinzip § 12 Opportunität und Legalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Begriff, Herkunft und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die ungeklärte Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der historische Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Reform des Strafprozessrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis in der StPO . . . . . . . . . . . . . . . . .

343 344 344 345 349 349 351

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Inhaltsverzeichnis III. Die Übernahme in das Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vom Polizeistrafrecht zum Polizeirecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Einordnung in Kategorien des Verwaltungsrechts . . . . . . . . . . a) Opportunität als Entschließungsermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Opportunität als Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Opportunität und Legalität als gegensätzliche Prinzipien der Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Legalität als Gesetzmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der materiellrechtliche Gehalt von Opportunitäts- und Legalitätsprinzip I. Die Verbindung von Verfahrensrecht und materiellem Recht – Der „Geburtsfehler des Legalitätsprinzips“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Öffentlich-rechtliche Pflichten als materiellrechtlicher Anknüpfungspunkt von Opportunitäts- und Legalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . 1. Der Pflichtenbezug von Opportunitäts- und Legalitätsprinzip . . . 2. Opportunität und Legalität als Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 13 Geltungsbereiche von Opportunitäts- und Legalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mittel und Formen der Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Zielorientierung der Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwaltungsaktbefugnis zur Durchsetzung gesetzlicher Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Duldung rechtswidrigen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zwingende Befugnisnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermessensnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Modifizierungen aus der Perspektive des subjektiv-öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Paradigmenwechsel im öffentlichen Baunachbarrecht . . b) Gegenreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vom subjektiven zum objektiven Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das behördliche (Entschließungs-)Ermessen bei der Durchsetzung von Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ermessen im dreipoligen Kompetenzverhältnis . . . . . . . . . . . . b) Der Umfang der Konkretisierungsbefugnis bei der Durchsetzung von Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Intendiertes Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Begründung öffentlich-rechtlicher Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Ahndung von Pflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Parlamentsvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Verfolgungspflicht im Ordnungswidrigkeitenrecht . . . . . . . . . . . . D. Grenzen des Legalitätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

352 352 353 353 355 357 359 360 360 360 364 364 366 367 368 368 368 368 370 371 371 372 372 373 376 378 378 379 381 383 383 385 386 386 388 388

Inhaltsverzeichnis I. II. III. IV. V.

Funktionsfähigkeit der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsschutzmöglichkeiten im Horizontalverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . Der Ordnungsauftrag der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 389 392 393 395 395

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459

Abkürzungsverzeichnis a. a. O. AcP AO AöR AuslG BauGB BauO NRW BauR BayBO BayGT BayLStVG BayNatSchG BayPAG BayVBl. BBodSchG BDG BDO BGB BGBl. BGH BGHZ BImSchG BK BremPolG BRRG BT-Drs. BtMG BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE BW LBO DAR

am angegebenen Ort Archiv für die civilistische Praxis Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts (Z) Ausländergesetz Baugesetzbuch Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht (Z) Bayerische Bauordnung Bayerischer Gemeindetag (Z) Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz Bayerisches Naturschutzgesetz Bayerisches Polizeiaufgabengesetz Bayerische Verwaltungsblätter (Z) Bundes-Bodenschutzgesetz Bundesdisziplinargesetz Bundesdisziplinarordnung Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesimmissionsschutzgesetz Bonner Kommentar zum Grundgesetz Bremisches Polizeigesetz Beamtenrechtsrahmengesetz Bundestags-Drucksache Betäubungsmittelgesetz Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Landesbauordnung für Baden-Württemberg Deutsches Autorecht (Z)

Abkürzungsverzeichnis DJT DÖV DVBl. EuGRZ FStrG GA GastG GewArch GewO GG GS GWB HBO HdbStR HkWP HwO JA JöR Jura JuS JZ KrWaffG KWG LKV m. w. N. MEPolG NBauO Nds. SOG NdsVBl. NJW NStZ NuR NVwZ NVwZ OBG NRW OVG OVGE OWiG PBefG PolG NRW

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Deutscher Juristentag Die öffentliche Verwaltung (Z) Deutsches Verwaltungsblatt (Z) Europäische Grundrechtszeitschrift (Z) Bundesfernstraßengesetz Goldtammers Archiv für Strafrecht (Z) Gaststättengesetz Gewerbearchiv (Z) Gewerbeordnung Grundgesetz Der Gerichtssaal (Z) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Hessische Bauordnung Handbuch des Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis Handwerksordnung Juristische Arbeitsblätter (Z) Jahrbuch des öffentlichen Rechts Juristische Ausbildung (Z) Juristische Schulung (Z) Juristenzeitung (Z) Kriegswaffenkontrollgesetz Kreditwesengesetz Landes- und Kommunalverwaltung (Z) mit weiteren Nachweisen Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder Niedersächsische Bauordnung Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung Niedersächsische Verwaltungsblätter (Z) Neue Juristische Wochenschrift (Z) Neue Zeitschrift für Strafrecht (Z) Natur und Recht (Z) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Z) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport (Z) Ordnungsbehördengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen Oberverwaltungsgericht Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Münster und Lüneburg Ordnungswidrigkeitengesetz Personenbeförderungsgesetz Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen

22 PrPVG PrVBl. RStPO SaarPolG SächsVBl. Schl.-HLVwG SGb SOG LSA SprengG StÄR StGB StPO ThürVBl. UKlG UTR UWG VersR VerwArch VG VGH VVDStRL VwGO VwVfG WaffG WHG WiVerw ZBR ZfSH/SGB ZG ZRP ZStW

Abkürzungsverzeichnis Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz Preußisches Verwaltungsblatt (Z) Reichsstrafprozessordnung Saarländisches Polizeigesetz Sächsische Verwaltungsblätter (Z) Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein Die Sozialgerichtsbarkeit (Z) Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt Sprengstoffgesetz Strafrechtsänderungsgesetz Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Thüringer Verwaltungsblätter (Z) Unterlassungsklagengesetz Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Versicherungsrecht (Z) Verwaltungsarchiv (Z) Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Waffengesetz Wasserhaushaltsgesetz Wirtschaft und Verwaltung (Z) Zeitschrift für Beamtenrecht (Z) Zeitschrift für Sozialhilfe und Sozialgesetzbuch (Z) Zeitschrift für Gesetzgebung (Z) Zeitschrift für Rechtspolitik (Z) Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (Z)

Einleitung § 1 Die Vernachlässigung der Pflichtendiskussion im öffentlichen Recht „Es entspricht demokratischem Denken, die Pflichten in den Vordergrund zu stellen“1. – Mit diesem Satz leitet Hans Peters in seinem 1949 erschienenen „Lehrbuch der Verwaltung“ den Abschnitt über (subjektiv) öffentliche Pflichten ein und bezeichnet dabei die Pflichten des Einzelnen gegen den Staat als Hauptbestandteil der öffentlichen Pflichten überhaupt. Diese Einschätzung kontrastiert in bemerkenswerter Weise zu der Entwicklung, welche die Dogmatik des öffentlichen Rechts im Allgemeinen, die des Verwaltungsrechts im Besonderen seither genommen hat. Mit der (öffentlich-rechtlichen) Pflicht wird eine Thematik angesprochen, die zwar umfangreiche rechts- und normtheoretische Behandlung2 erfahren, in der neueren verwaltungsrechtlichen Systembildung aber wenig Beachtung gefunden hat3. Anders als das subjektiv-öffentliche Recht, ein Kardinalthema des Staats- und Verwaltungsrechts, bildet die öffentlich-rechtliche Verpflichtung keine eigenständige dogmatische Kategorie, obwohl sie doch nicht nur dessen Gegenstück, sondern in gewisser Weise dessen Konstituante bildet. Das ist vor dem Hintergrund einer umfassend grundrechtlich ausgerichteten Rechtsordnung durchaus nachvollziehbar, wenngleich gerade die Pflicht als Ausdruck der „Beziehungen von Gleichen, deren gleichberechtigte Freiheitssphären gegen einander abgegrenzt werden sollen“4, verstanden werden kann. Freiheit und Gleichheit erscheinen so als die zentralen Bezugspunkte öffentlich-rechtlicher Pflichten Privater.

A. Verfassungsrecht Die verfassungsrechtliche Diskussion hat sich, angeregt von der herausragenden Stellung, welche die Grundrechte im Text des Grundgesetzes und kraft der umfassenden Absicherung ihrer Geltungskraft durch materielle Bindungen (Art. 1 Abs. 3, 79 Abs. 3 GG) und Instrumentarien zu ihrer Durchsetzung 1

H. Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 143 (Hervorhebung im Original). Vgl. zur Ideengeschichte des Pflichtbegriffs H.-L. Schreiber, Der Begriff der Rechtspflicht, 1966; ferner V. Kubes, Die Rechtspflicht, 1981. 3 Kritisch auch H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 40 Rdnr. 3. 4 K. Waechter, Kooperationsprinzip, Der Staat 38 (1999), 279, 287. 2

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Einleitung

(Art. 19 Abs. 4, 93 Abs. 1 Nr. 4a GG)5 innehaben, geradezu (wie mit durchaus kritischem Unterton angemerkt wird) zu einer Grundrechtswissenschaft entwickelt6; in ihrem Rahmen werden Pflichten vor allem als solche des Staates verstanden, der als in mehrfacher Weise Grundrechtsverpflichteter Gefährdungen des geschützten Freiheitsbereichs des Einzelnen zu bannen hat7. Demgegenüber führt die Diskussion um Grundpflichten als verfassungsrechtliche Kategorie eher ein Schattendasein; auch die Thematisierung dieses Fragenkreises auf der Konstanzer Staatsrechtslehrertagung8 hat das Interesse an einer vertieften Auseinandersetzung mit der verfassungsgeprägten Pflichtenstellung des Einzelnen im Staat und gegenüber dem Staat kaum nachhaltig befördert9. Das mag daran liegen, dass diese Thematik im Zeichen zunehmender Individualisierung und wachsenden „Anspruchsdenkens“ als unzeitgemäß oder „unmodern“ gilt10, kann jedoch auch damit in Zusammenhang stehen, dass Grundpflichten angesichts ihres eher punktuellen Charakters11 weder nach Umfang noch nach rechtlicher Wirkungsweise ein Pendant zu den Grundrechten darstellen und, wenn sie auch nicht der tatsächlichen Bedeutung ermangeln, sich doch einer dogmatischen Kategorisierung auf verfassungsrechtlicher Ebene entziehen. In dem Sinne, in dem von Grundrechten die Rede ist, kann von Grundpflichten nicht gesprochen werden!

B. Verwaltungsrecht Begibt man sich dagegen auf die Ebene unterverfassungsrechtlichen Rechts, so ergibt sich ein gegensätzlicher Befund. Das einfache Gesetzesrecht ist, wie Hartmut Bauer treffend formuliert, „von Pflichten und Pflichtigkeiten des Einzelnen förmlich übersät“12. In nur geringer Überspitzung lässt sich die These aufstellen, dass das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Freiheit und Verpflichtung, wie es der grundgesetzlichen Systematik entspricht, im Verwaltungs5 Umfangreiche Systematik des Sicherungsinstrumentariums bei K. Stern, Staatsrecht III/2, § 90, S. 1137 ff. 6 A. Randelzhofer, Die Pflichtenlehre bei Samuel von Pufendorf, S. 10. 7 Vgl. nur J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR V, § 111, Rdnrn. 6 ff. 8 Dazu die Vorträge von V. Götz und H. Hofmann, Grundpflichten als verfassungsrechtliche Dimension, VVDStRL 41 (1983), S. 7 ff., 42 ff. 9 Umfangreichere Bearbeitungen seither lediglich von H. Hofmann, Grundpflichten, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 114; O. Luchterhandt, Grundpflichten als Verfassungsproblem in Deutschland, 1988; K. Stern, Staatsrecht III/2, § 88, S. 985 ff. sowie jüngst Th. I. Schmidt, Grundpflichten, 1999. 10 R. Stober, Rezension, JZ 2000, 302; vgl. auch J. Isensee, Freiheit ohne Pflichten, S. 10: „Demokratische Pflichtenprüderie“. 11 K. Stern, Staatsrecht III/2, § 88 IV 3. c) a), S. 1064. 12 H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, S. 165.

§ 1 Die Vernachlässigung der Pflichtendiskussion

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recht wenn nicht umgekehrt, so doch durch ein Geflecht einander ergänzender Regeln aus Rechten und Pflichten ersetzt wird. Dies zeigt sich auch daran, dass in verschiedenen Disziplinen des Besonderen Verwaltungsrechts Pflichten Privater eine geradezu zentrale Stellung einnehmen. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang nur auf die Pflicht zur Steuerzahlung, die Schul- und die Wehrpflicht sowie insbesondere die sogenannte Polizeipflicht. Dieser rechtlichen und faktischen Bedeutung öffentlich-rechtlicher Pflichten entsprach es, wenn in älteren Darstellungen des (allgemeinen) Verwaltungsrechts neben den subjektiv-öffentlichen Rechten auch die Pflichten Privater nicht nur Erwähnung fanden, sondern als selbstverständlicher Teil des Verwaltungsrechtsverhältnisses zwischen Bürger und Staat in knapper Systematisierung erläutert wurden13. Otto Luchterhandt hat demgegenüber darauf hingewiesen, dass die neuere Literatur die Pflicht als dogmatische Kategorie des Verwaltungsrechts weitgehend aus dem Blick verloren hat14. Einzig Rolf Stober hat in Fortführung des Standardwerkes von H. J. Wolff und O. Bachof die Darstellung der Pflichten Privater beibehalten15 und bemängelt die „stiefmütterliche“ Behandlung der verwaltungsrechtlichen Verpflichtungen16. Diese trifft freilich in eine Phase der reformerischen Umgestaltung des Verwaltungsrechts, das sich den Wandlungen im Staatsverständnis17, der Veränderung der realen Lebensbedingungen, dem rapiden Fortschreiten wissenschaftlich-technischer Erkenntnis und den damit verbundenen Risiken stellen muss. Der konstatierten Vermehrung der Staatsaufgaben18 entspricht eine Veränderung der rechtlichen Instrumentarien und Handlungsformen des Staates, was vorderhand den Befund stützt, das regulative, mit (ggf. strafbewehrten) Ge- und Verboten operierende Recht sei in die Krise geraten19. Indes: Von einem Bedeutungsverlust imperativer Steuerungsformen und damit einer geminderten Bedeutung verwaltungsrechtlicher Pflichtenstellungen Privater kann keine Rede sein. Selbst im Umweltverwaltungsrecht, dem als Referenzgebiet20 für die gesamte 13 Vgl. etwa F. Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, S. 164 ff., E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 224 ff.; W. Jellinek, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 193 ff.; O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht II, S. 135 ff.; W. Merk, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 1492; R. Nebinger, Verwaltungsrecht Allgemeiner Teil, S. 224 ff.; H. Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 141 ff. 14 O. Luchterhandt, Grundpflichten, S. 40 f. 15 H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, §§ 40, 42. 16 H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 40 Rdnr. 3. 17 Vgl. etwa U. Volkmann, Der dezente Staat, JuS 2001, 521, 526 ff. m. w. N. 18 Statt aller D. Grimm, Wandel der Staatsaufgaben, in: ders., Staatsaufgaben, S. 613, 623. 19 Vgl. dazu A. Voßkuhle, Schlüsselbegriffe, VerwArch. 92 (2001), 184, 185 m. w. N. 20 E. Schmidt-Aßmann, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, in: W. Hoffmann-Riem/E. Schmidt-Aßmann/G. F. Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 11, 26.

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Einleitung

Steuerungsdiskussion herausragende Bedeutung zukommt, wird mittlerweile die spezifische Leistungsfähigkeit des Ordnungsrechts herausgestellt21, das nach wie vor eine große Rolle spielt, wenngleich es durch nicht-imperative Handlungsformen ergänzt wird. Tatsache ist, dass das Verwaltungsrecht insgesamt in erster Linie unter dem Aspekt der Verpflichtungen des Staates und der Berechtigungen Privater betrachtet wird. Diese Sichtweise wird geradezu als die Eigenart des Verwaltungsrechts angesehen22: Die Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Bürger – d.h. die Erfüllung ihrer Pflichten – sei hier anders als im Zivil- oder Strafrecht „weitgehend ohne Bedeutung“23. Als beschreibende Darstellung des Standes der Dogmatik wäre dies zwar sicherlich zutreffend. Dass es sich dabei jedoch insoweit um eine Fehleinschätzung handelt, die gerade auch auf der mangelnden Thematisierung öffentlich-rechtlicher Pflichten beruht, liegt dieser Untersuchung als These zugrunde. Dabei wird nicht verkannt, dass wesentliche Aspekte der Pflichtenthematik bereits im Rahmen anderer „anerkannter“ Problemkreise zur Sprache kommen. Verbote und Gebote, die sich an den Einzelnen richten, stellen sich häufig lediglich als materiellrechtliche Determinanten staatlichen Handelns dar. Je nach Ausgestaltung der Pflichtenstellung wird beispielsweise ihre Erfüllung oder Nichterfüllung als Tatbestandsmerkmal für Erteilung, Versagung oder Entzug von Genehmigungen oder für die Verwaltungsvollstreckung relevant. Pflichten oder Pflichtverletzungen Privater fungieren als Abwägungsmaterial im Rahmen der Ermessensentscheidung über behördliches Einschreiten. Die „Pflichtigkeit“ oder Verantwortlichkeit hat Bedeutung für die Adressierung von Maßnahmen bzw. für die Lastenverteilung im Rahmen des Gefahrenabwehrrechts. In der einseitigen Ausrichtung auf das Verwaltungshandeln aber werden Bedeutung und Gehalt publizistischer Pflichten Privater nicht vollständig abgebildet. Die „Verwaltungspflichtblindheit“24 der Lehre hat in mehrfacher Weise Rückwirkungen auf das Verständnis der Rechtsbeziehungen des Einzelnen zum Staat. Einerseits wird die Befürchtung geäußert, die Vernachlässigung der Pflichtendiskussion habe negativen Einfluss auf das Pflichtbewusstsein der Rechtsgemeinschaft25. Auf der anderen Seite aber sind durch die fehlende Thematisierung der Bürgerpflichten auch ihre Grenzen der Gefahr ausgesetzt, überdehnt zu werden26. Dies wird bei der gefahrenabwehrrechtlichen Verhaltens21 Vgl. etwa G. Lübbe-Wolff, Instrumente des Umweltrechts, NVwZ 2001, 481, 483 ff. 22 So explizit D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 321. 23 D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 320. 24 H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 40 Rdnr. 3. 25 H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 40 Rdnr. 3. 26 Für die sog. Polizeipflicht in gleichem Sinne J. Martensen, Materielle Polizeipflicht, DVBl. 1996, 286, 292.

§ 1 Die Vernachlässigung der Pflichtendiskussion

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und Zustandsverantwortlichkeit27 in besonderem Maße sichtbar. So wandelt etwa die „Subjektivierung des Gefahrenbegriffs“28 ein Verständnis der polizeirechtlichen Verhaltensverantwortlichkeit als materielle Polizeipflicht29 von der Gefahrenvermeidungs- bzw. Gefahrenbeseitigungspflicht in die Verpflichtung, bereits den Anschein einer Gefahr zu vermeiden30. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in Lehre und Rechtsprechung verbreitet angenommene unbegrenzte Zustandsverantwortlichkeit insbesondere des Eigentümers sind erst durch ein Machtwort des Bundesverfassungsgerichts31 wirksam in die Praxis gelangt, das indes nicht alle Streitfragen abschließend beantworten konnte. In der an das tradierte System anknüpfenden, diese aber weiterentwickelnden Normierung von Pflichten im neuen Bundes-Bodenschutzgesetz32 wird die von solch unsicherem Ausgangspunkt ausgehende Pflichtenstellung Privater weiter ausgedehnt33.

C. Strafrecht In der Strafrechtswissenschaft werden öffentlich-rechtliche Pflichten ganz überwiegend34 nur punktuell thematisiert, etwa als Garantenpflichten bei den sog. unechten Unterlassungsdelikten35 oder als Sorgfaltspflichten bei Fahrlässigkeitsdelikten36. Die traditionelle Ausrichtung auf den (zumal den finalen) Handlungsbegriff hat die Ausbildung einer Pflichtendogmatik, jedenfalls einer solchen, die für das öffentliche Recht insgesamt fruchtbar gemacht werden kann, naturgemäß nicht befördert, obwohl die Pflicht eher als alle Handlungslehren geeignet wäre, als gemeinsame Bezugsgröße aller Straftaten zu fungieren37. Dies setzte allerdings voraus, dass der Dialog zwischen Verfassungs- bzw. Verwaltungsrecht einerseits, Strafrecht andererseits intensiver geführt würde, als es gegenwärtig der Fall38 ist. Die strafrechtliche Dogmatik orientiert sich an den 27

Dazu unten 2. Teil, § 11 B. und C. R. Poscher, Gefahrenabwehr, S. 29 ff. 29 Vgl. W.-R. Schenke, Gefahrenverdacht, in: Festschrift f. Friauf, S. 455, 486 ff.; ders./J. Ruthig, Rechtsscheinhaftung, VerwArch 87 (1996), 329, 348 f.; differenzierend aber J. Martensen, Materielle Polizeipflicht, DVBl. 1996, 286, 289 ff. 30 R. Poscher, Gefahrenabwehr, S. 203. 31 BVerfG, B. v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91 u. a. –, BVerfGE 102, 1, 14 ff. 32 Art. 1 des Gesetzes zum Schutz des Bodens vom 17.3.1998, BGBl. I S. 502. 33 Zur Kritik vgl. etwa W. Kahl, Sanierungsverantwortlichkeit, Die Verwaltung 33 (2000), 29, 33 ff. 34 Vgl. aber A. Kaufmann, Bindings Normentheorie, S. 138 ff.; U. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, insbes. S. 50 ff.; J. Vogel, Norm und Pflicht, passim. 35 Vgl. etwa W. Stree, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 13 Rdnrn. 7 ff. 36 Dazu etwa P. Cramer/D. Sternberg-Lieben, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 15 Rdnrn. 121 ff. 37 Vgl. auch unten 1. Teil, § 4 C. II. 28

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Einleitung

Kategorien Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld, in die sich die Pflichtenlehre einfügen muss. Damit werden allerdings spezifisch strafrechtliche Systemelemente Bestandteil des Pflichtbegriffs39, die eine Übertragung auf das übrige öffentliche Recht, das andere Kategorien besitzt, erschweren. Verfassungs- und Verwaltungsrechtslehre befassen sich hingegen nur vereinzelt mit strafrechtlichen Fragestellungen, ohne die strukturellen Verwandtschaften beider Rechtsgebiete näher zu untersuchen. Dass solche bestehen, kann nicht erst seit der Diskussion um die Verwaltungsakzessorietät speziell des Umweltstrafrechts40 als gesichert gelten.

§ 2 Ausgangspunkt und Gang der Untersuchung A. Gegenseitige Bezüge von Staats- und Bürgerpflichten In den einführend angedeuteten Beispielen41 spiegeln sich Strukturfragen öffentlich-rechtlicher Pflichtenstellungen. Dabei besteht zwischen publizistischen Verpflichtungen Privater und denen des Staates ein enger Zusammenhang, weshalb es sich verbietet, als Reaktion auf die beschriebene Einseitigkeit der herkömmlichen Sichtweise in das andere Extrem zu verfallen und nunmehr die Pflichtenstellung des Einzelnen isoliert zu betrachten. Dies ist schon deshalb nicht möglich, weil das öffentliche Recht nach der wohl wichtigsten, weil die Besonderheiten gegenüber dem Privatrecht am markantesten heraushebenden Abgrenzungstheorie42 als das Sonderrecht des Staates43 verstanden wird44. Es sind gerade die Interdependenzen zwischen Staats- und Bürgerpflichten, die die dogmatische Relevanz der Thematik begründen. Bezugspunkt für die Darstellung dieser gegenseitigen Abhängigkeit sind Geund Verbote, die dem Schutz von Rechtsgütern dienen. Darin drückt sich der gemeinsame Zweck einer Klasse von Pflichten sowohl Privater als auch des Staates aus. Die Rechtsgüter, zu deren Schutz die öffentliche Gewalt und Pri38 Vgl. aber aus neuester Zeit O. Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, 1996; ferner (bezogen auf das Sanktionenrecht) I. Appel, Verfassung und Strafe, 1998. 39 Näher unten 1. Teil, § 6 C. 40 Vgl. unten 1. Teil, § 4 C. I. 3. und § 5 B. 41 Oben § 1. 42 Vgl. näher unten 1. Teil, § 7. Zu den Abgrenzungstheorien im einzelnen vgl. etwa H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3, Rdnrn. 14 ff.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I; § 22 Rdnrn. 13 ff. 43 Zur Sonderrechtstheorie und ihren Ausprägungen (formelle/materielle Abgrenzung) vgl. D. Ehlers, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner, VwGO, § 40 Rdnrn. 225 ff. 44 Zur Problematik der Qualifizierung von Pflichten Privater als öffentlich-rechtlich vgl. unten 1. Teil, § 7 B.

§ 2 Ausgangspunkt und Gang der Untersuchung

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vate gleichermaßen in die Pflicht genommen werden, ergeben sich zunächst und in erster Linie aus dem Grundgesetz und hier wiederum vorrangig aus den Grundrechtsgarantien des 1. Abschnitts. Rechtsgüterschutzpflichten werden dabei nicht nach ihrem Rechtsgrund, sondern nach ihrem Gegenstand definiert. Die Grundrechtsnormen der Verfassung bezeichnen schützenswerte Rechtsgüter, verpflichten aber unmittelbar nur den Staat45. Ob es eine dementsprechende verfassungsunmittelbare Pflicht des Einzelnen mit gleicher Zweckrichtung gibt, die etwa als allgemeine Nichtstörungspflicht zu den Grundpflichten zu zählen wäre, ist zweifelhaft, muss aber an dieser Stelle noch nicht entschieden werden46. Jedenfalls aber wird der Schutz derjenigen Rechtsgüter, die im BürgerStaat-Verhältnis durch Grundrechte gewährende Normen abgesichert werden, auf einfach- und untergesetzlicher Ebene durch Gebote und Verbote auch dem Einzelnen auferlegt. Darin erweist sich ein weiterer Aspekt der gegenseitigen Bezüge privater und staatlicher Pflichten. Sie thematisieren nicht nur das zweipolige Verhältnis Bürger-Staat, sondern begründen das „Rechts-Dreieck“47 Bürger-Staat-Bürger. Diese Problematik ist bislang vorrangig unter zwei Gesichtspunkten behandelt worden: Einerseits unter dem Aspekt der grundrechtlichen Schutzpflichten, auf der anderen Seite als Problem- und Anwendungsfall des subjektiv-öffentlichen Rechts. Die Verpflichtung Privater stellt sich als eine mögliche Folge der erstgenannten und als Voraussetzung der zuletzt genannten Thematik dar und bildet insofern das Verbindungsglied zwischen beiden. Ein dritter Aspekt der Wechselbezüglichkeit eröffnet sich bei der Betrachtung des Gesetzesvollzugs und damit aus der Perspektive der verwaltungs- (oder justiz-)behördlichen Pflichten. Diese können die Begründung und/oder Durchsetzung von Pflichten Privater ebenso zum Inhalt haben wie die Ahndung von Pflichtverletzungen. Wie auch immer die entsprechenden Eingriffsnormen ausgestaltet sind – als Ermessen Einräumende oder strikt zum Einschreiten Verpflichtende –, stets besitzen sie im Blick auf die staatlichen Akteure Pflichtencharakter, der sich nicht zuletzt nach dem Zweck und Inhalt derjenigen Verpflichtungen Privater bemisst, auf die sie bezogen sind.

B. Der Gang der Untersuchung Der dogmatische Gehalt der Rechtspflicht ist damit jedenfalls angedeutet, ihre grundsätzliche systematische Bedeutung im öffentlichen Recht aber nicht 45 Zum Problem der sogenannten unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte vgl. näher etwa C.-W. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201, 202 ff. m. w. N. 46 Näheres unten 1. Teil, § 8 B. 47 So die Formulierung von J. Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 34.

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Einleitung

ausgeschöpft. Im ersten Teil der Untersuchung soll daher dem Systemelement „Rechtspflicht“ näher nachgegangen werden. Dabei kann zunächst an normentheoretische Überlegungen der sogenannten Imperativentheorie angeknüpft werden, die die gesamte Rechtsordnung von der Pflicht her zu deuten versuchen48. Dass damit wesentliche Gehalte von Normen nicht oder nur unzulänglich erfasst werden, ist nahezu rechtstheoretisches und rechtsdogmatisches Allgemeingut. Doch folgt aus der Kritik an den Defiziten der Imperativentheorie nicht, dass alle aus ihr zu ziehenden Folgerungen unrichtig sind. Das wird an dem Begriff der Rechtswidrigkeit beispielhaft aufgezeigt49. Da seine Bedeutung gerade im öffentlichen Recht nur selten diskutiert wird, kann es nicht verwundern, dass die Rechtsdogmatik sich vor einige Probleme gestellt sieht, insbesondere wenn sie unter Heranziehung der aus dem Zivil- und dem Strafrecht überkommenen Rechtswidrigkeitsbegriffe manche Phänomene nicht zu erklären vermag50. Demgegenüber soll erläutert werden, dass ein Verständnis der Rechtswidrigkeit als Verstoß gegen Rechtspflichten zunächst auf notwendige Differenzierungen hinweist, die sich gerade im öffentlichen Recht als hilfreich, wenn nicht unumgänglich erweisen. So kann etwa aufgezeigt werden, dass der Begriff der Rechtswidrigkeit nur relativ zu einem Pflichtsubjekt und einer ihm auferlegten Rechtspflicht zu verstehen ist51. Dies nötigt zu einer Abkehr von einem auf menschliches Verhalten begrenzten Rechtswidrigkeitsverständnis, wenn und weil die Rechtsordnung nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen, insbesondere den Staat, in die Pflicht nimmt52. Auf der anderen Seite formuliert der Grundsatz der Einheit der Pflichtwidrigkeit53 die Tatsache, dass ein Rechtssubjekt zu einem bestimmten Zeitpunkt eine ihm auferlegte Pflicht nur entweder verletzt oder nicht verletzt hat. Diese banal anmutende Erkenntnis gewinnt in all jenen Fällen erhebliche Bedeutung, in denen die Verletzung ein- und derselben Pflicht als Tatbestandsmerkmal unterschiedlicher Rechtsnormen fungiert. Das wird zunächst in einem speziellen Fall der Verwaltungs(akt-)akzessorietät des Strafrechts – der Strafbarkeit der Inanspruchnahme rechtswidriger Genehmigungen54 –, und schließlich am Beispiel des strafrechtlichen Rechtswidrigkeitsbegriffs55 näher in Augenschein genommen. Der zweite Teil der Untersuchung widmet sich im Anschluss an Überlegungen zur öffentlich-rechtlichen Qualifizierung von (Rechtsgüterschutz-)Pflichten56 der Frage nach ihren Entstehungs- und Rechtmäßigkeitsbedingungen. Ent48 49 50 51 52 53 54 55

Unten 1. Teil, § 3. Unten 1. Teil, § 4. Beispiele unten 1. Teil, § 4 C. Unten 1. Teil, § 5. Unten 1. Teil, § 5 B. Unten 1. Teil, § 6. Unten 1. Teil, § 6 B. Unten 1. Teil, § 6 C.

§ 2 Ausgangspunkt und Gang der Untersuchung

31

stehungsgrund und materielle Legitimation werden im Hinblick auf verfassungsunmittelbare Grundpflichten des Bürgers und Rechtsgüterschutzpflichten des Staates in ihrer doppelten Ausprägung als grundrechtliche Unterlassungs- und grundrechtliche Schutzpflicht analysiert57. Art und Maß der Verpflichtbarkeit werden weitgehend bestimmt von (Art und) Reichweite des Grundrechtsschutzes, die gerade im „Dreiecksverhältnis“ strittig ist. Das wird zunächst an den Freiheitsrechten aufgezeigt58, bevor das aus vielen Gründen besondere Verhältnis von Eigentumsgrundrecht und Eigentümerpflichten betrachtet wird59. Die Grundrechtsrelevanz jeder vom Staat auferlegten Pflicht leitet über zu den verfassungsrechtlichen Determinanten der Verpflichtung Privater, insbesondere zu dem allgemeinen Rechtfertigungsmodell, in dem sich freiheits- und gleichheitsrechtliche Anforderungen bündeln60. An den sich hieraus ergebenden Maßstäben wird ein zentraler Aspekt des Gefahrenabwehrrechts gemessen, die sogenannte Polizeipflichtigkeit in ihren Ausprägungen als Verhaltensverantwortlichkeit und Zustandsverantwortlichkeit61. Der gegenwärtige Stand der Dogmatik ist unbefriedigend, orientieren sich Rechtsprechung und Lehre doch zunehmend weniger an den relativ klaren Strukturen der gesetzlichen Regelungen als vielmehr an einzelnen Fallgruppen, die erst vor dem Hintergrund einer gesetzesfernen Systematik eigenständige Bedeutung gewinnen konnten. Es soll dabei versucht werden, vor dem Hintergrund der allgemeinen Pflichtendogmatik strukturelle Aussagen über Grund und Grenze dieser Polizeipflichtigkeit zu treffen. Im dritten Teil schließlich wird untersucht, welche Rückschlüsse sich aus der Verpflichtung Privater für das staatliche Handeln im Rahmen des Gesetzesvollzugs ziehen lassen. Es entspricht lange gepflegter Überzeugung, dass sich das Verwaltungshandeln insgesamt nach den bereichsspezifisch geltenden Prinzipien von Opportunität bzw. Legalität bemisst. Das ist in einem Maße Allgemeingut geworden, dass im Verwaltungsrecht mittlerweile schon gar nicht mehr der Versuch gemacht wird, den Geltungsgrund dieser Prinzipien anzugeben oder gar ihren Inhalt zu definieren. Die inneren Widersprüche, in die sich die überkommene Anschauung geradezu zwangsläufig verwickelt, werden offenbar, wenn man sich der entsprechenden Diskussion in der Strafprozessrechtslehre nähert, die maßgebliche Anstöße nicht zuletzt durch die Entwicklung der verwaltungsrechtlichen Ermessenslehre erfahren hat. Das ist Anlass, die Begriffe „Opportunitäts-“ und „Legalitätsprinzip“ näher zu betrachten und auf ihren sachlichen Gehalt hin zu untersuchen62. Der hieraus folgenden Konsequenz der Re-Formu56 57 58 59 60 61 62

Unten Unten Unten Unten Unten Unten Unten

2. 2. 2. 2. 2. 2. 3.

Teil, Teil, Teil, Teil, Teil, Teil, Teil,

§ § § § § § §

7. 8. 9 A. 9 B. 10. 11. 12.

32

Einleitung

lierung und -Definierung der Prinzipien entsprechend63 wird abschließend die Interdependenz von öffentlich-rechtlicher Pflicht Privater und der auf diese bezogene Pflicht gesetzesvollziehenden Staatsorgane zum Einschreiten hinsichtlich der Durchsetzung und der Begründung von Pflichten sowie der Ahndung von Pflichtverletzungen dargelegt64.

63 64

Unten 3. Teil, § 12 B. II. Unten 3. Teil, § 13.

1. Teil

Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts Die eingangs skizzierte Vernachlässigung der Pflichtendiskussion1 ist nicht auf Pflichten Privater beschränkt, sondern bezieht sich insgesamt auf die Rechtspflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts überhaupt. Pflichten stellen sich im Wesentlichen lediglich als Funktionen anderer Systemelemente – etwa des Rechtsverhältnisses, des subjektiv-öffentlichen Rechts, der Handlungsformen- und Maßstabslehre – dar. Das kontrastiert augenfällig mit der Bedeutung, welcher der Rechtspflicht in Rechtsphilosophie und Normentheorie beigemessen wird. Dabei soll es im Folgenden nicht darum gehen, die Entwicklung des Pflichtbegriffs in historisch-philosophischer Perspektive2, das Verhältnis von Rechtspflichten und ethischen Pflichten3, die Frage nach einem rechtsphilosophischen Begriff der Rechtspflicht, die an Grundfragen der Geltung des Rechts überhaupt rührt4, abzuhandeln. So bedeutsam diese Fragestellungen für das Verständnis von Recht sind, so wenig eignen sie sich für eine dogmatisch orientierte Untersuchung, die, von der konkreten Rechtsordnung ausgehend, ihre Geltung voraussetzen muss. Die vielfältigen Versuche etwa, den Begriff der Rechtspflicht aus dem Recht zu eliminieren5, setzen einen Standpunkt voraus, der außerhalb der durch geltendes Recht geschaffenen Ordnung liegt. Der Bezugspunkt der öffentlich-rechtlichen Pflicht6, soweit sie für das hier behandelte Thema relevant ist, sind die Ge- und Verbote, die durch einen Rechtssatz oder aufgrund eines solchen an ein Rechtssubjekt adressiert sind. Rechtspflichten werden somit zum einen durch ihren Rechtsgrund definiert, so 1

Oben § 1. Vgl. dazu die Quellenstudie von H.-L. Schreiber, Der Begriff der Rechtspflicht, 1966. 3 J. Schapp, Ethische Pflichten und Rechtspflichten, 1993. 4 Vgl. den Überblick bei R. Zippelius, Rechtsphilosophie, §§ 6, 7; K. F. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 298 ff. m. w. N. 5 Vgl. die Zusammenfassung bei H.-L. Schreiber, Der Begriff der Rechtspflicht, S. 149 ff.; pointiert etwa J. Binder, Rechtsnorm und Rechtspflicht, S. 47: „Das Recht verpflichtet rechtlich zu nichts“. 6 Die bei H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 40 Rdnr. 1, getroffene Unterscheidung zwischen „Pflicht“ als Inbegriff von Rechtsbeziehungen und „Verpflichtung“ als daraus hergeleitete und aktualisierte Beziehung wird hier nicht übernommen. 2

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

dass etwa vertraglich begründete Pflichten in die weitere Betrachtung nicht mit einbezogen werden. Die gebräuchliche Formulierung, eine Verpflichtung bestehe, wenn einem Rechtssubjekt ein Verhalten (Tun, Dulden, Unterlassen) geboten werde7, kann hier im Wesentlichen zugrunde gelegt werden8. Allerdings, das sei bereits an dieser Stelle angemerkt, ist diese Umschreibung nur in denkbar weitem Sinne zu verstehen. Was jeweils ge- oder verboten ist, bestimmt sich nach der Geoder Verbotsnorm, die zwar durchaus ein bestimmtes Verhalten zum Inhalt haben kann, aber keineswegs haben muss. Die den strafrechtlichen erfolgsqualifizierten Straftatbeständen zugrunde liegenden „Verhaltensnormen“ verbieten etwa die Herbeiführung eines Erfolgs. Damit ist aber nicht präjudiziert, ob dem Verbot, diesen Erfolg zu bewirken, durch ein Tun oder Unterlassen Folge zu leisten ist. Solche erfolgsorientierten Normen geben auch keine Auskunft darüber, ob eine bestimmte Handlung schon alleine deshalb verboten ist, weil sie den Erfolg herbeiführt. Diesem Umstand verdankt die Rechtslehre etwa den vor allem im Zivilrecht ausgetragenen Streit um Handlungs- oder Erfolgsunrecht. Auch kann mit dieser Formel nicht vorweg genommen werden, was mit dem „Verhalten“ eines Rechtssubjekts gemeint sein soll, wenn es Adressat einer Pflichtnorm ist. Dass es sich um menschliches Verhalten handelt, wenn eine natürliche Person in die Pflicht genommen wird, ist gewiss nicht zu leugnen. Bei juristischen Personen dagegen lässt sich dies nicht ohne weiteres widerspruchsfrei darstellen. Darauf wird noch ausführlich zurück zu kommen sein9.

§ 3 Die Rechtsordnung als Pflichtordnung? A. Die Imperativentheorie Es hat nicht an Ansätzen gemangelt, die Kategorie der Rechtspflicht auch im öffentlichen Recht zu verankern. Als am weitestgehenden sind diejenigen Überlegungen in Erinnerung, die die gesamte Rechtsordnung von der Pflicht her zu deuten versuchen10. Sie fußen auf der sogenannten Imperativentheorie11. Nach dieser ist jede vollständige Norm ein Sollenssatz, der eine rechtliche Verpflichtung begründet, oder, wie auch formuliert wird, ein Imperativ12. Im Recht 7

H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 40 Rdnr. 4. Zu „Duldungspflichten“ s. aber unten 2. Teil, § 9. 9 Vgl. unten § 5 B. I. 10 Vgl. dazu vor allem H. H. Rupp, Grundfragen, etwa S. 162 ff. 11 Vgl. zum folgenden auch die ausführliche Darstellung und Kritik bei P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 125 ff. 12 Zur Kritik der Identifizierung von Norm und Imperativ vgl. etwa H. L. A. Hart, Der Begriff des Rechts, S. 37 ff.; H. Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 8

§ 3 Die Rechtsordnung als Pflichtordnung?

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drückt sich der Wille des Staates oder der Rechtsgemeinschaft aus, die Rechtsunterworfenen zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen. Das Mittel hierzu ist der Imperativ. „Das gesammte Recht einer Gemeinschaft ist nichts als ein Complex von Imperativen [. . .]“13. Das Korrelat des Imperativs ist auf Seiten des Adressaten die Rechtspflicht14. Hiervon ausgehend ist es nur ein kleiner Schritt zu der Forderung, anstatt von Rechtslehre, Rechtsordnung, Rechtssystem etc. von Pflichtlehre, Pflichtordnung und Pflichtsystem zu sprechen15. Dieses Postulat beruht freilich aus einem semantischen „Trick“, der sich den Umstand zunutze macht, dass die deutsche Sprache nicht substantivisch zwischen objektivem und subjektivem Recht unterscheidet16. Doch erscheint es nur folgerichtig, wenn auf der Grundlage dieser Normentheorie formuliert wird: „Der Pflichtbegriff ist der Mittelpunkt des Rechtssystems“17. Versteht man die Imperativentheorie als Versuch, die Struktur der Rechtsordnung zu erfassen, so gehen Kritiken fehl, die das Recht durch die Betonung des Pflichtencharakters zur „unerträglichsten Zwangsanstalt“18 umfunktioniert sehen19. Die Imperativentheorie ist nicht autoritär, sondern analytisch20. Sie erfasst das Recht als Verhaltensordnung und leugnet die positiven Leistungen der Rechtsordnung keineswegs. Vielmehr sieht sie diese durch den sinnreichen Einsatz von Imperativen erbracht21. Dabei ist von Bedeutung, dass Imperativ nur die „vollständige Norm“ ist, nicht der einzelne (grammatikalische) Satz eines Gesetzbuches22. Andere Regelungsmodi als Ge- oder Verbote (etwa: Erlaubnisse, Freistellungen oder Ermächtigungen23) werden als nur unselbstständige Teile von Normen betrachtet. Das mag konstruiert erscheinen24, ist aber auch S. 203 ff.; H. Koriath, Grundlagen strafrechtlicher Zurechnung, S. 282 f. sowie unten § 3 B. II. S. 38, Fußn. 42. 13 A. Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, S. 8; ferner E. R. Bierling, Juristische Prinzipienlehre, Bd. 1, S. 26. 14 K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 20. 15 So R. Piloty, Verwaltungsrechtliche Gedanken, in: Festgabe f. O. Mayer, S. 93, 98. 16 Vgl. auch H. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 130 f. unter Hinweis auf die Differenzierung in der englischen Rechtssprache zwischen „law“ und „right“. 17 A. Hold v. Ferneck, Die Rechtswidrigkeit, Bd. 1, S. 94. 18 So K. Binding, Zu Thon, in: ders., Strafrechtliche und strafprozessuale Abhandlungen, Bd. I, S. 522, 532. 19 Vgl. A. Hold v. Ferneck, Die Rechtswidrigkeit, Bd. 1, S. 107. 20 So K. F. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 236; vgl. auch D. Oehler, Das objektive Zweckmoment, S. 17, wonach es A. Thon „auf die Funktion des Rechts in bezug auf den Unterworfenen“ ankam. 21 K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 24; immerhin konzediert Engisch a. a. O. der Kritik, die Imperativentheorie stelle sich als eine Art philosophischer Pessimismus dar. 22 K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 20; A. Hold v. Ferneck, Die Rechtswidrigkeit, Bd. 1, S. 107 f.; vgl. auch E. R. Bierling, Juristische Prinzipienlehre, Bd. 1, S. 30, 71 ff.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

von einem Kritiker der Imperativentheorie wie Karl Larenz als „logisch unangreifbar“ anerkannt worden25. Zwingend ist diese Betrachtungsweise jedoch keineswegs. Das einfache Befehlsmodell bildet vielmehr die Komplexität einer Rechtsordnung nicht hinreichend ab26, da es die unterschiedlichen Funktionen verschiedener Regelungstypen durch ihre Reduktion auf „Imperative“ überspielt27. Das wird (gerade im öffentlichen Recht) besonders an Ermächtigungs- bzw. Kompetenznormen deutlich28, die von Vertretern der Imperativentheorie insofern als „unselbstständig“ betrachtet werden, als sie die Voraussetzungen regeln, unter denen überhaupt Pflichten entstehen können29. Walter Jellinek30 etwa hat dieser Position die nahe liegende Überlegung entgegengesetzt, dass es ebenso gut möglich ist, die Imperative als bloße Folge von Ermächtigungen anzusehen, weil die pflichtenbegründende Wirkung dieser Normen auf „machtverleihenden Rechtssätzen“ beruht, die deshalb „sogar von höherer Bedeutung (seien) als die befehlenden. Denn jeder Befehl geht zwar zurück auf eine Machtverleihung, aber nicht jede Machtverleihung mündet aus in einen Befehl“31. Der Zweck von Ermächtigungsnormen erschöpft sich nicht in der Begründung von Pflichten. Dass etwa die staatliche Kompetenzordnung darauf abzielt, „dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen“32, kommt in der rein formalen Charakterisierung durch die Imperativentheorie auch nicht ansatzweise zum Ausdruck33.

23 Zu diesen Kategorien K. Adomeit, Rechtstheorie für Studenten, S. 34 ff.; ausführlich P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 146 ff. m. w. N. 24 In diesem Sinne H. Koriath, Grundlagen strafrechtlicher Zurechnung, S. 282. 25 K. Larenz, Der Rechtssatz als Bestimmungssatz, in: Festschrift f. Karl Engisch, S. 150, 152; vorsichtiger ders., Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 255: „Es ist vielleicht logisch möglich [. . .]“ (Hervorhebung nur hier); vgl. auch F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 198. 26 Vgl. F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 198. 27 H. L. A. Hart, Der Begriff des Rechts, S. 340. 28 Vgl. auch F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 197. 29 A. Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, S. 346; K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 22, Fußn. 18. 30 W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 129 ff. 31 W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 131. 32 So etwa BVerfG v. 18.12.1984 – 2 BvE 13/83 – BVerfGE 68, 1, 86; BVerfG v. 17.7.1996 – 2 BvF 2/93 – BVerfGE 95, 1, 15 zum grundgesetzlichen Prinzip der Gewaltenteilung. 33 Vgl. auch R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 217, im Hinblick auf grundrechtliche „Kompetenzen“.

§ 3 Die Rechtsordnung als Pflichtordnung?

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B. Primäre und sekundäre Normen I. Defizite der Imperativentheorie Das Defizit dieser Normentheorie ist insbesondere von H. L. A. Hart eindrucksvoll analysiert worden34, der drei Hauptmängel einer solchen eindimensionalen Betrachtungsweise ausgemacht hat: Innerhalb eines nur aus Verhaltensregeln aufgebauten Systems können Zweifel über Inhalt oder Geltung der Regeln nicht behoben werden; sie haben „statischen Charakter“, da sie sich nicht über Möglichkeit und Verfahren der Abänderung oder Beseitigung alter sowie der Schaffung neuer Regeln verhalten; schließlich entbehren sie der Bestimmung, wer autoritativ über die Einhaltung oder Verletzung der Verhaltensregeln entscheidet. Notwendige „Elemente des Rechts“35 sind deshalb neben den primären oder Verhaltensnormen die sekundären Normen, die als Metaregeln („Regeln über Regeln“36) die primären Normen zum Gegenstand haben. Die Klasse der sekundären Normen setzt sich nach dem Hart’schen System37 aus drei Gruppen zusammen38: den „Erkenntnisregeln“, welche bestimmen, wann eine primäre Regel rechtliche Gültigkeit besitzt; den „Änderungsregeln“, welche die Voraussetzungen für die Änderung und Abschaffung primärer Regeln bestimmen, sowie die „Entscheidungsregeln“, aus denen hervorgeht, welche Institutionen oder Individuen in welchem Verfahren autoritativ über den Inhalt sowie darüber zu entscheiden haben, ob eine primäre Regel gebrochen wurde und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. II. Materielles und formelles Recht Die rechtstheoretische Differenzierung zwischen primären und sekundären Regeln findet in der Rechtsdogmatik ihre Entsprechung in der hergebrachten Unterscheidung von materiellem und formellem Recht39, Ersteres als die Gesamtheit der Regelungen, welche die Berechtigungen und Verpflichtungen von Rechtssubjekten betrifft, Letzteres als Regelung von Organisation und Verfahren der Rechtsetzung, Rechtsfindung und Rechtsdurchsetzung verstanden40. Diese 34 H. L. A. Hart, Der Begriff des Rechts, insbes. S. 131 ff.; vgl. auch F. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, S. 108 ff. 35 H. L. A. Hart, Der Begriff des Rechts, S. 131. 36 H. L. A. Hart, Der Begriff des Rechts, S. 135. 37 H. L. A. Hart, Der Begriff des Rechts, S. 135 ff. 38 Vgl. zum folgenden F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 199 f.; F. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, S. 108 ff. 39 Vgl. dazu ausführlich A. Kollmann, Begriffs- und Problemgeschichte, 1996. 40 Vgl. F. E. Schnapp, Theorie des Organisationsrechts, AöR 105 (1980), 243, 249; zur Differenzierung zwischen formellem und materiellem Verwaltungsrecht z. B. C. H. Ule/H.-W. Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 2 Rdnr. 2.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

Einteilung ist gerade im öffentlichen Recht von besonderer Bedeutung, da hier regelmäßig mehrere staatliche Organe über Geltung, Inhalt und Befolgung primärer Regeln entscheiden können und mögliche Divergenzen solcher Entscheidungen letztlich nur unter Rückgriff auf die Kompetenzverteilung aufgelöst werden können41. Das materielle Recht wird über solche sekundären Regeln erst erschlossen, „ins Werk gesetzt“ und so verwirklicht. Zugleich zeigt sich, dass die Qualifizierung einer Norm als primär oder sekundär, als materielloder formellrechtlich eine durchaus relative, weil standortbedingte ist, da Rechtsnormen regelmäßig mehrere Funktionen für unterschiedliche Adressaten erfüllen42, 43. Die Regelungen der Prozessordnungen etwa (um ein Beispiel von F. E. Schnapp44 aufzugreifen) stellen sich aus Sicht des Rechtsschutz suchenden Bürgers als Entscheidungsregeln, also formelles Recht, dar, weil sie die Zuständigkeit und das Verfahren zur Beurteilung der Verhaltensregeln bestimmen; aus der Perspektive des urteilenden Richters handelt es sich dagegen um Verhaltensregeln, materielles Recht, welches Anweisungen für die von ihm vorzunehmenden prozessualen Handlungen enthält45. 41 Zur „Entscheidungsrichtigkeit“ als Kompetenzproblem näher M. Wehr, Inzidente Normverwerfung, S. 153 ff. m. w. N.; vgl. zur „Präponderanz von Entscheidungsregeln“ F. E. Schnapp, Dogmatik und Funktion des staatlichen Organisationsrechts, Rechtstheorie 9 (1978), 275, 297 ff. 42 Zur Multifunktionalität von Rechtsnormen F. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, S. 115; ders., Theorie des Organisationsrecht, AöR 105 (1980), 243, 254, hat darauf hingewiesen, dass diese „Polyvalenz“ der Rechtsnorm den Streit um den Adressaten als müssig erscheinen lasse. Tatsächlich aber beruht das vor allem im Anschluß an K. Bindings Normentheorie (vgl. K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung, Bd. 1, S. 98 ff.; 243 ff.) und manche Vertreter der Imperativentheorie diskutierte Adressatenproblem auf der Vorstellung, Normen seien Imperative und also Befehle, die sich an Befehlsempfänger richteten (vgl. etwa A. Hold v. Ferneck, Die Rechtswidrigkeit, Bd. 1, S. 358). Hieraus resultieren zwei Schwierigkeiten, die auch durch die Erkenntnis der Multifunktionalität von Rechtsnormen alleine nicht beseitigt werden: Zum einen die Frage, ob auch Unzurechnungsfähige und Handlungsunfähige Adressaten der Norm seien (vgl. dazu auch A. Kaufmann, Bindings Normentheorie, S. 121 ff.; H. A. Fischer, Die Rechtswidrigkeit, S. 23 ff., ferner aus strafrechtsdogmatischer Sicht ausführlich D. Oehler, Das objektive Zweckmoment, S. 21 ff.); zum anderen setzt die Identifizierung von Norm und Imperativ eine „Art der Kommunikation“ (H. L. A. Hart, Der Begriff des Rechts, S. 39; H. Koriath, Grundlagen strafrechtlicher Zurechnung, S. 283 f.) voraus, die zwar – versteht man den Begriff der Norm in einem weiten, auch individuelle Anordnungen einschließenden Sinne – vorliegen kann, doch bei abstrakt-generellen Rechtssätzen regelmäßig nicht gegeben ist. Daraus wurde (und wird) vereinzelt der Schluß gezogen, dass die (Straf-)Gesetze nicht an jedermann, sondern nur an die staatlichen Organe gerichtet sein können. Vgl. dazu etwa die Kontroverse zwischen N. Hoerster, Das Adressatenproblem im Strafrecht, JZ 1989, 10 ff., und E. Schmidhäuser, Illusionen in der Normentheorie, JZ 1989, 419 ff., sowie wiederum N. Hoerster, Wer macht sich Illusionen?, JZ 1989, 425 ff. 43 Vgl. auch zur strittigen Einordnung des Verwaltungsakts und des öffentlich-rechtlichen Vertrags als materielles Verwaltungsrecht C. H. Ule/H.-W. Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 2 Rdnrn. 7 f. 44 F. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, S. 115; ders., Theorie des Organisationsrechts, AöR 105 (1980), 243, 249.

§ 3 Die Rechtsordnung als Pflichtordnung?

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III. Verhaltens- und Sanktionsnormen Eine Differenzierung zwischen primären und sekundären Normen war auch bereits bei der Formulierung der Imperativentheorie durch August Thon46 angelegt; sie geht zurück auf die Binding’sche Normentheorie mit der Unterscheidung von Normen und Strafgesetzen47 und liegt (allerdings mit umgekehrten Vorzeichen) der „Zwangstheorie“ Hans Kelsens48 zugrunde, bezeichnet jedoch dort jeweils die Differenz von (primärer) Verhaltensnorm und (sekundärer) Sanktionsnorm49, welch letztere die Rechtsfolgen der Verletzung der Ge- und Verbote der Verhaltensordnung regelt50. Diese Unterscheidung bewegt sich normtheoretisch allerdings auf einer anderen Ebene, nämlich auf derjenigen der primären Normen im Hart’schen Sinne51, jedenfalls insofern, als Sanktionsnormen Verhaltensnormen für diejenigen staatlichen Organe darstellen, die über die Sanktionierung einer Verhaltensnormwidrigkeit zu entscheiden haben. Ihre rechtsdogmatische Bedeutung erlangt diese Differenzierung im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Pflichten insbesondere im Strafrecht52.

C. Rechtspflicht und subjektives Recht Als weiterer Gesichtspunkt für die Vorrangstellung der Rechtspflicht innerhalb einer Rechtsordnung ist ihr Verhältnis zum subjektiven Recht angeführt worden. R. Piloty hat dies in die Worte gefasst: „Hält man einmal bei dem Gedanken an, daß die Pflicht das potius (– natürlich nicht der Zeit nach das prius), das Recht aber das minus sei, daß also der Akzent auf der Pflicht ruhe und das Recht nur der Reflex der Pflicht sei und überträgt man diese Umkehrung von dem Inhalte des einzelnen Rechtsverhältnisses auf alle und schließlich auf die 45 Umgekehrt sind die Normen, die das Verhalten der Prozessparteien leiten, aus Sicht des Richters Entscheidungsregeln, vgl. etwa K. A. Bettermann, Verwaltungsakt und Richterspruch, in: Gedächtnisschrift f. Walter Jellinek, S. 361, 363 f. 46 A. Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, z. B. S. 3; ferner etwa E. R. Bierling, Juristische Prinzipienlehre, Bd. 1, S. 135. 47 K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung, Bd. 1, S. 4 ff., 36 ff., insbes. S. 42 ff. 48 H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1. Aufl., S. 30; 2. Aufl., S. 55 f. 49 Vgl. K. F. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 217 f. 50 Nach H. Kelsen wird ein bestimmtes Verhalten dadurch ver- oder geboten, dass eine Rechtsnorm an das gegenteilige Verhalten eine Sanktion knüpft (H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., z. B. S. 55 f., 120); von diesem Verständnis der Rechtsordnung als Zwangsordnung ausgehend bestimmt er konsequenter Weise die Sanktionsnorm als die primäre, die in ihr ausgedrückte Verhaltensnorm als lediglich sekundär (Reine Rechtslehre, 1. Aufl., S. 30) und unselbstständig (Reine Rechtslehre, 2. Aufl., S. 56). 51 Nach A. Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, S. 5, bestehen auch die Rechtsfolgen im Neueintritt bzw. in der Zurücknahme von Imperativen; gleichwohl seien sie von den Imperativen „begrifflich (. . .) zu scheiden“. 52 Dazu näher unten § 6 A.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

ganze Rechtsordnung und das ganze Rechtssystem, so gewinnt man eine völlig andere Grundanschauung der Dinge. Es ist eine völlige Neuorientierung, die sich daraus ergibt, ähnlich derjenigen, welche nach Kopernikus eintrat, als erkannt war, daß nicht die Sonne um die Erde, sondern diese um jene kreise“53. Diese Folgerung aus der Imperativentheorie scheint, auch wenn man ihr aus den angeführten Gründen im übrigen nicht folgen mag, weithin anerkannt. Das Bestehen einer eine andere Person treffenden Rechtspflicht wird als rechtslogische Voraussetzung eines jeden subjektiven Rechts bezeichnet54. Dass es Pflichten ohne korrespondierende Rechte gibt, hingegen keine Rechte ohne korrespondierende Pflichten55, ist eine verbreitete Annahme, die allerdings nur bei Zugrundelegung eines engen Begriffs des subjektiven Rechts zutrifft. Denn es ist durchaus fraglich, ob sich in der Verpflichtung jeder Gehalt widerspiegelt, der das subjektive Recht ausmacht. Die gegenseitige Entsprechung von Recht und Pflicht trifft streng genommen nur zu, wenn es um Ansprüche im Sinne von § 194 BGB geht56, 57. Darin aber erschöpfen sich subjektive Rechte im Allgemeinen, subjektiv-öffentliche Rechte im Besonderen und hier insbesondere die Grundrechte nach verbreiteter Ansicht58 nicht59. Die überkommene Einteilung subjektiver Rechte in Ansprüche, Beherrschungs- und Gestaltungsrechte60 53

R. Piloty, Verwaltungsrechtliche Gedanken, in: Festgabe f. Otto Mayer, S. 93, 99. Vgl. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rdnr. 6; ders., Staatsrecht, § 9 Rdnr. 17; J. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 13; vgl. auch H. J. Wolff/O. Bachof/ R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 43 Rdnr. 50: „. . . Abhängigkeit der Berechtigungen von Verpflichtungen . . .“. S. aber auch unten Fußn. 68. 55 Vgl. K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 18; H. Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, S. 515; H. H. Rupp, Grundfragen, S. 162 f. 56 A. Scherzberg, Grundlagen und Typologie des subjektiv-öffentlichen Rechts, DVBl. 1988, 129, 130. 57 Anders aber P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 156 ff., der das dem subjektiven Recht immanente Element der Rechtsmacht als Inkongruenz von Recht und Pflicht darstellt. Zumindest mißverständlich ist es, aus der Tatsache, dass die „Pflicht nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Existenz eines subjektiven Rechts“ ist, den Schluss zu ziehen, das Recht sei der Pflicht „übergeordnet“ (a. a. O., S. 159). 58 Vgl. M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 65 IV, S. 558 ff. m. w. N.; A. Scherzberg, Grundlagen und Typologie des subjektiv-öffentlichen Rechts, DVBl. 1988, 129, 130; W.-R. Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, S. 68. 59 Anders J. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 19 ff., 43 ff.; der aber den Anspruch als Pendant der Pflicht begreift (zu Recht kritisch gegen diesen weiten Anspruchsbegriff W.-R. Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, S. 68, Fußn. 170); vgl. auch H. Dreier, in: ders., GG Bd. I, Vorb. Rdnr. 44 sowie Ch. Starck, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, GG Bd. 1, Art. 1 Abs. 3, Rdnr. 173, die als Inhalt des subjektiven (Grund-)Rechts offenbar nur Ansprüche anerkennen; H. H. Rupp, Grundfragen, S. 146 ff., bei dessen auf der Rechtspflicht aufbauenden Konzeption die Problematik im Rahmen seiner status-Lehre auftaucht, wenn er den status als „einen, durch ein Bündel normativer ,Enthaltungspflichten‘ der Verwaltung gesetzlich umrissenen Zustand“ beschreibt. 60 H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 43 Rdnr. 5. 54

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lässt sich durch Existenz oder Fehlen von Imperativen weder ihrem sachlichen Gehalt noch ihrer Funktion nach abschließend erfassen61. Das gilt jedenfalls für Gestaltungsrechte (Rechte zu unmittelbarer Einwirkung auf eine Rechtslage62), die insoweit mit Ermächtigungs- bzw. Kompetenznormen vergleichbar sind63: Werden sie als bloße Vorbedingung für das In-KraftTreten oder den Wegfall von Pflichten gedeutet, wird die Rechtsposition des Berechtigten vernachlässigt64. Seine Rechtsmacht zur Gestaltung der Rechtslage lässt sich weder durch das Fehlen an ihn gerichteter Ge- oder Verbote, noch durch Pflichten anderer65 umschreiben66. Bei der Rechtsstellung, die mit den Begriffen „Beherrschungsrecht“, „Freiheit“, „Abwehrrecht“ oder ähnlich beschrieben wird, mag sich dies auf den ersten Blick anders darstellen. Denn ihr korrespondieren zugleich Unterlassungs- oder „Enthaltungspflichten“ 67, die den Schutz dieser Rechtsstellung effektuieren und gegen deren Verletzung wiederum Unterlassungsansprüche des Berechtigten entstehen können68. Dass deshalb aber eine Erlaubnisse erteilende oder Freiheiten gewährende Norm „ein völlig zweckloser und müssiger Satz“69 ist, kann man nur behaupten, wenn man die Prämissen der Imperativentheorie zu akzeptieren bereit ist. Dann ist das subjek61 Gleiches gilt für die vergleichbaren Einteilungen etwa bei M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 65 IV 2–4, S. 558 ff. – Abwehrrecht, Abwehr- und Leistungsanspruch, Bewirkungsrecht –; bei R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 171 ff. – Rechte auf etwas, Freiheiten, Kompetenzen –. 62 H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 43 Rdnr. 7; die Terminologie ist uneinheitlich, vgl. M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 65 IV 4. b), S. 572 f. (Bewirkungsrechte); R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 211 (Kompetenzen). 63 Vgl. oben bei Fußn. 28. 64 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 217; M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 65 IV 4. c), S. 573. 65 Vgl. E. Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, S. 91 zu privatrechtlichen Gestaltungsrechten. 66 Auf die Bedeutung der Kombination aus Rechtspflichten Dritter und fehlenden Rechtspflichten des Berechtigten hat insbesondere J. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 45, 47 ff. hingewiesen. 67 H. H. Rupp, Grundfragen, S. 162, der allerdings den subjektiv-rechtlichen Charakter dieser Rechtsstellung leugnet. 68 Vgl. aber die Untersuchung von E. Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, 1965, der aus zivilistischer Sicht nicht die Existenz, sondern erst die Ausübung absoluter oder Beherrschungsrechte zur Grundlage des Bestehens von („aktuellen“) Pflichten bestimmt (a. a. O., S. 61 f.), da erst die Rechtsausübung des Berechtigten das konkret ge- oder verbotene Verhalten des Verpflichteten bestimme. – Über die Stichhaltigkeit dieser These ist hier (noch) nicht zu urteilen, da sie jedenfalls nicht auf das subjektiv öffentliche Recht im allgemeinen und die Grundrechte im besonderen übertragbar ist: Die Grundrechtsbindung staatlicher Gewalt (Art. 1 Abs. 3 GG) ist nicht abhängig von der Grundrechtsausübung, sondern objektiv-rechtliche Verpflichtung; vgl. auch R. Alexy, Grundrechte als subjektive Rechte, Der Staat 29 (1990), 49, 53. 69 A. Thon, Rechtsnorm und subjektives Recht, S. 292.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

tive Recht in der Tat ein „Loch im Zentrum eines Normenkreises“70 und der Berechtigte lediglich ein Nicht-Verpflichteter unter Verpflichteten. Der Unterschied aber, der zwischen dem bloßen Fehlen einer Pflicht und der positiv eingeräumten Rechtsmacht71, zwischen „Reflexwirkungen“ und subjektiven Rechten72 besteht, wird nicht erfasst73. Aus dem Blickwinkel des Normbegünstigten74, häufig auch nach der sprachlichen Fassung der Norm75, werden Rechte oder Freiheiten gewährt, deren Umformulierung in das Bestehen oder Nichtbestehen von Pflichten von dieser Warte aus zumindest als konstruktiver Umweg erscheint, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass Ge- und Verbote vielfach (insbesondere bei den Grundrechten) in erster Linie den Schutz des Freiheitsbereichs des Einzelnen bezwecken76. So betrachtet liegt es beinahe näher, das Bedingungsverhältnis zwischen diesen Pflichten und den subjektiven Rechten geradezu in dem herkömmlichen Verständnis entgegengesetzter Weise zu formulieren und diese zur „rechtslogischen Voraussetzung“ jener zu erklären77. Tatsächlich aber resultiert der vermeintliche Vorrang der einen über die andere Kategorie lediglich aus der jeweiligen Perspektive, die wiederum davon abhängt, welche unter mehreren Funktionen der Rechtsnorm betrachtet wird.

§ 4 Rechtswidrigkeit als Pflichtwidrigkeit A. Vorbemerkung Nach alledem besteht kein Anlass, den Begriff der Rechtsnorm auf Bestimmungen imperativen Inhalts zu begrenzen78, da dies die Erschließung unterschiedlicher Normgehalte erschwert und ihren spezifischen Funktionen nicht gerecht wird79. Dennoch stellt die Rechtspflicht ein wesentliches, wenn auch nicht 70 K. Binding, Zu Thon, in: ders., Strafrechtliche und strafprozessuale Abhandlungen, Bd. I, S. 522. 539. 71 Vgl. auch R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 207, mit dem Hinweis auf die Funktion grundrechtlicher Erlaubnisnormen im Rahmen des Stufenbaus der Rechtsordnung; zu daraus zu ziehenden Folgerungen im Hinblick auf das Verhältnis von Grundrecht und einfachgesetzlicher Verpflichtung s. unten 2. Teil, § 10 A. II. 2. 72 Vgl. etwa O. Bachof, Reflexwirkungen und subjektive Rechte im öffentlichen Recht, in: Gedächtnisschrift f. W. Jellinek, S. 287 ff. 73 H. A. Fischer, Die Rechtswidrigkeit, S. 50 fasst dieses in die prägnante Formulierung, die Imperativentheorie „respektiert nicht das Subjekt des subjektiven Rechts“. 74 Auf die Sichtweise des Grundrechtsträgers stellt auch Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 208 ab. 75 M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 65 I 2. c), S. 480 f. zu Grundrechtsbestimmungen. 76 Vgl. auch P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 161. 77 So in der Tat für alle subjektiven Rechte J. Nagler, Lehre von der Rechtswidrigkeit, in: Festschrift f. K. Binding, Bd. II, S. 273, 312. 78 M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 65 I 2. d), S. 481.

§ 4 Rechtswidrigkeit als Pflichtwidrigkeit

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das einzige Systemelement des Rechts dar, dem nicht nur eminente praktische, sondern auch rechtstheoretische und rechtsdogmatische Bedeutung zukommt. Dies zeigt sich im Begriff der Rechtswidrigkeit. Für ein Verständnis der Rechtswidrigkeit als Pflichtwidrigkeit hat aus Sicht des öffentlichen Rechts in neuerer Zeit vor allem Hans Heinrich Rupp80 geworben. Diese Sichtweise ist eng mit der Imperativentheorie verbunden81, wird jedoch von der an dieser zutreffend geäußerten Kritik nicht berührt82. Dies jedenfalls in dem Sinne, dass es eines über die Pflichtwidrigkeit hinausgehenden Rechtswidrigkeitsbegriffs aus der Perspektive der Rechtsdogmatik nicht bedarf. Umgekehrt lässt sich mit der Anknüpfung an die Rechtspflicht das Phänomen vermeintlich „unterschiedlicher Rechtswidrigkeiten in einer einheitlichen Rechtsordnung“83 hinreichend erklären.

B. Bemerkungen zur Lehre vom Zustandsunrecht Der näheren Erläuterung und Exemplifizierung dieses Ansatzes sind einige Bemerkungen zur Lehre vom Zustandsunrecht voranzustellen. Die rechtstheoretische Dimension des Streits um den „richtigen“ Rechtswidrigkeitsbegriff muss dabei an dieser Stelle nicht ausführlich nachgezeichnet werden. Die ihm zugrundeliegende Kontroverse zwischen Adolf Merkel84 und Rudolf von Jhering85 ist vielfach dargestellt und kommentiert worden86. Soweit sie die Frage der Trennbarkeit von Unrecht und Schuld thematisiert, ist sie durch die nachfolgende Rechtsentwicklung erledigt worden, die sie bekanntermaßen sowohl in der Straf- und Zivilgesetzgebung als auch in der herrschenden Lehre in bejahendem Sinne beantwortet hat87. Aus ihr aber resultiert das bleibende Problem des „objektiven Unrechts“ bzw. die Frage, ob nur menschliches Verhalten88 79

Vgl. auch F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 198. Grundfragen, S. 14, 224 ff., 273; ders., Der maßgebende Zeitpunkt, in: Rechtsschutz im Sozialrecht, S. 173, 181 ff. 81 Vgl. P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 131 ff. 82 In diesem Sinne aber wohl U. Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 72 f., deren zweigliedriger Rechtswidrigkeitsbegriff (Gesetzesverstoß oder Verletzung subjektiver Rechte) indes, wie sie selbst konzediert (a. a. O., S. 74 f.), auch „imperativisch“ als Pflichtverletzung fassen lässt. 83 Vgl. P. Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten, 1978. 84 Kriminalistische Abhandlungen I, S. 42, 46. 85 Das Schuldmoment im römischen Privatrecht, in: Vermischte Schriften juristischen Inhalts, S. 155 ff. 86 Vgl. etwa P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 142 ff.; H. Koriath, Grundlagen strafrechtlicher Zurechnung, S. 260 ff.; D. Oehler, Das objektive Zweckmoment, S. 16 ff.; C. Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rdnrn. 91 ff. 87 Vgl. nur H.-H. Jescheck/Th. Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, § 39 I, S. 425 f.; Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 13 ff., Rdnr. 20; C. Ro80

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

oder auch davon unabhängige Vorgänge oder Zustände Gegenstand des Rechtswidrigkeitsurteils sein können. In dieser allgemeinen Fassung klingt bereits „das von Merkel beschworene Gespenst der widerrechtlich waltenden Natur“89 an, das nach P. Baumeister90 schon R. v. Jhering91, der den Begriff des objektiven Unrechts geprägt hat92, auf halbem Wege umkehren ließ93. Die doch eher merkwürdig anmutende Vorstellung, Naturereignisse sinnvoller Weise mit dem Prädikat „rechtswidrig“ versehen zu können, wird denn auch wohl nicht mehr94 verfochten95. Anders aber scheint es sich mit der Frage zu verhalten, ob der durch ein Naturereignis herbeigeführte Zustand einer Bewertung als „rechtswidrig“ zugänglich ist. Dies wird – gerade im öffentlichen Recht – vereinzelt angenommen96, wie sich etwa in der Kennzeichnung des „polizeiwidrigen“ als rechtswidrigen Zustands zeigt97. I. Recht als Bewertungs- und Bestimmungsnorm Die Lehre von der „objektiven Rechtswidrigkeit“98 begreift das Recht primär von seiner Funktion her als „vollständige Ordnung des sozialen Lebens“99, das xin, Strafrecht AT I, § 10 Rdnr. 93; kritisch hingegen H. Koriath, Grundlagen strafrechtlicher Zurechnung, S. 254 ff., 329. 88 Zur Kritik der Anknüpfung an (menschliches) Verhalten vgl. unten § 5 A. IV. 89 J. Nagler, Lehre von der Rechtswidrigkeit, in: Festschrift f. K. Binding, Bd. 2, S. 273, 334 unter Anspielung auf A. Merkel, Kriminalistische Abhandlungen, Bd. 1, S. 47. 90 Rechtswidrigwerden, S. 143. 91 Das Schuldmoment im römischen Privatrecht, in: Vermischte Schriften juristischen Inhalts, S. 155 ff. 92 R. v. Jhering, Das Schuldmoment im römischen Privatrecht, in: Vermischte Schriften juristischen Inhalts, S. 155, 159. 93 Zur entsprechenden Passage R. v. Jherings (Das Schuldmoment im römischen Privatrecht, in: Vermischte Schriften juristischen Inhalts, S. 155, 161) vgl. auch H. Koriath, Grundlagen strafrechtlicher Zurechnung, S. 258 ff., 265. 94 Anders noch A. Löffler, Unrecht und Notwehr, ZStW 21 (1901), 537, 555 f.: er hält es „nicht nur nicht für absurd, sondern für das einzig richtige, den Angriff von Tieren und unbeseelten Sachen auf Rechtsgüter als rechtswidrig, als Unrecht zu bezeichnen“ (a. a. O., S. 556). 95 Vgl. J. Nagler, Der heutige Stand der Lehre von der Rechtswidrigkeit, in: Festschrift f. K. Binding, Bd. II, S. 273, 328 f. 96 Vgl. etwa P. Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten, S. 6. 97 Etwa bei K. A. Bettermann, Über die Rechtswidrigkeit von Staatsakten, in: Festschrift f. H. Huber, S. 25, 28; U. Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 74; P. Olivet, Erfolgsunrechtslehre und Handlungsunrechtslehre, S. 31 f. 98 Dazu insbesondere J. Nagler, Lehre von der Rechtswidrigkeit, in: Festschrift f. K. Binding, Bd. 2, S. 275, 315 ff. – Der Begriff der „objektiven Rechtswidrigkeit“ ist überaus mehrdeutig, da er in Opposition sowohl zum subjektiven Recht als auch zum Rechtssubjekt gebracht werden kann. Im Rahmen der Lehre von der Bewertungsnorm bezeichnet er den Verstoß gegen das objektive Recht ohne notwendige Beteiligung

§ 4 Rechtswidrigkeit als Pflichtwidrigkeit

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sich nicht in bloßen Befehlen erschöpfe. Das Unwerturteil, das mit dem Begriff „rechtswidrig“ ausgedrückt werde, bestehe in der rechtlichen Missbilligung des Beurteilten. Einer derartigen Bewertung durch das Recht seien neben menschlichen Handlungen auch Zustände zugänglich. Hieran anknüpfend entwickelte Edmund Mezger100 seine auf der Trennung von Norm und Imperativ basierende Normentheorie. Den Imperativen oder Bestimmungsnormen stellte er als logisches Prius das Recht als Bewertungsnorm, als objektive Ordnung gegenüber. „Denn wer jemanden zu etwas ,bestimmen‘ will, der muß zuvor wissen, zu was er ihn bestimmen will: er muß jenes Etwas in bestimmtem positiven Sinne ,bewerten‘“101. Unrecht ist für ihn Widerspruch gegen das Recht als Bewertungsnorm102. Nun ist nicht zu verkennen, dass der Rechtsordnung derartige „Bewertungen“ zugrunde liegen. Die Begründung von Ge- oder Verboten wäre ohne sie „ein unvernünftiger Willkürakt“103. Als Motiv für Verhaltensanordnungen und als Zweck auferlegter Pflichten gewinnen sie Bedeutung für die Auslegung und Anwendung von Pflichtnormen. Ob deshalb aber aus normtheoretischer Sicht diese Bewertung als Norm zu verstehen sein soll, mit der Folge, dass die Rechtswidrigkeit auch oder gar primär in der Abweichung des tatsächlichen vom gesollten Zustand besteht104, ist eine andere Frage105. Wenn die Rechtsord-

eines Rechtssubjekts, so dass es „rechtswidrige Zustände“ geben kann. Vom Boden der Imperativentheorie aus ist dies nicht möglich: Die Rechtswidrigkeit setzt immer ein wider das Recht handelndes Rechtssubjekt voraus. Hier erscheint die „subjektive Rechtswidrigkeit“ als Verletzung subjektiver Rechte, die „objektive Rechtswidrigkeit“ als sonstiger Rechtsverstoß (vgl. etwa A. Hold v. Ferneck, Die Rechtswidrigkeit, Bd. I, S. 276, der letzteres als „normwidrig“ bezeichnet). Dieser Begriffsvielfalt erliegt auch P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 161 f., wenn er die Position A. Hold v. Fernecks mit derjenigen von H. H. Rupp identifiziert. Rupps Ablehnung eines Verstoßes gegen die „objektive Rechtsordnung“ (Der maßgebende Zeitpunkt, in: Rechtsschutz im Sozialrecht, S. 173, 181) kann sich seiner gesamten Konzeption nach nur auf die Rechtswidrigkeit ohne Beteiligung eines Rechtssubjekts beziehen und darf nicht mit der „Normwidrigkeit“ Hold v. Fernecks verwechselt werden. Das Subjektive an Rupps Rechtswidrigkeitsbegriff ist das Rechts- (=Pflicht-)subjekt, nicht das subjektive Recht. Deshalb besteht die von Baumeister (a. a. O., S. 164 f.) gezogene Verbindungslinie zur Status-Lehre Rupps in dieser Form nicht. Eher umgekehrt lässt sich sagen, dass diese Lehre der deutlichste Hinweis darauf ist, dass Rupp einen anderen Begriff der Rechtswidrigkeit verwendet als Hold v. Ferneck. 99 So J. Nagler, Lehre von der Rechtswidrigkeit, in: Festschrift f. K. Binding, Bd. 2, S. 275, 315 f. 100 Die subjektiven Unrechtselemente, GS 89 (1924), S. 207 ff. 101 E. Mezger, Die subjektiven Unrechtselemente, GS 89 (1924), 207, 241. 102 E. Mezger, Die subjektiven Unrechtselemente, GS 89 (1924), 207, 245 f. 103 W. Münzberg, Verhalten und Erfolg, S. 64. 104 Vgl. E. Mezger, Die subjektiven Unrechtselemente, GS 89 (1924), 207, 245 f.: „Unrecht ist [. . .] Veränderung eines rechtlich gebilligten bzw. Herbeiführung eines rechtlich mißbilligten Zustandes, nicht rechtlich mißbilligte Veränderung eines Zustandes“ (Hervorhebung im Original gesperrt).

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

nung bestimmte Zustände in diesem Sinne positiv oder negativ bewertet, so ist damit noch nicht viel getan. Der „missbilligte Zustand“ selbst wandelt sich durch die Missbilligung nicht, und gegen eine negative Veränderung ist auch der positiv gewertete Zustand nicht gefeit. Anders gewendet: Ohne die Flankierung durch Pflicht- oder Verhaltensnormen ist die Bewertung lediglich ein Appell, der zudem ins Leere geht, weil die Bewertungsnorm keinen Adressaten hat106. Die objektive Ordnung des Rechts bedarf der Umsetzung in die Wirklichkeit. Man mag den negativ gewerteten Zustand als rechtswidrig bezeichnen, doch bleibt diese Rechtswidrigkeit folgenlos und die „objektive Lebensordnung“ bloßes Postulat. Die „isolierte“ Bewertungs„norm“ ist ein theoretisches Konstrukt ohne Rechtswirkung107. Damit ist allerdings der zutreffende Kern dieser Normentheorie in negativer Umschreibung dargelegt. Die Bewertung von Zuständen erfolgt durch die Steuerung des Verhaltens, insbesondere durch die Auferlegung von Pflichten, sei es, dass ein Verhalten verboten ist, weil der aus dem Verhalten resultierende Erfolg missbilligt wird, sei es, dass ein Verhalten geboten ist, weil dadurch ein bestehender negativ bewerteter Zustand beendet108 oder ein positiv bewerteter Zustand herbeigeführt wird109. Dieser Zusammenhang klingt bereits bei Edmund Mezger an110: Er verstand Bewertungs- und Bestimmungsnormen als zwar „verschiedene Dinge“, jedoch durchaus zusammengehörig, nicht nur in dem Sinne, dass das Recht als Bestimmungsnorm ohne das Recht als Bewertungsnorm „gar nicht denkbar“111, sondern dass auch umgekehrt die Bestimmungsnorm als Mittel zur Durchsetzung der Bewertungsnorm notwendig sei112. Die Bestimmungsnorm ist für ihn „Normverwirklichungsmittel“ 113. In der heutigen Strafrechtslehre – die gegenüber der hier thematisierten Fragestellung im Rahmen des drei- (bzw. zwei-)stufigen Verbrechensaufbaus114 ei105 Vgl. zur Kritik an E. Mezger insbes. H. Koriath, Grundlagen strafrechtlicher Zurechnung, S. 293 ff. 106 E. Mezger, Die subjektiven Unrechtselemente, GS 89 (1924), 207, 244. 107 Vgl. auch M. Heghmanns, Dogmatik der Straftatbestände, S. 45: „. . . die Bewertung eines Verhaltens impliziert die Bestimmung“. 108 In diesem Sinne K. A. Bettermann, Über die Rechtswidrigkeit von Staatsakten, in: Festschrift f. H. Huber, S. 25, 29. Ähnlich P. Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten, S. 6: „ Die Rechtswidrigkeit wird auf objektive Gegebenheiten bezogen, um den normbefolgungsfähigen Bürger für diese Lage und nicht nur für eigenes Verhalten in Pflicht zu nehmen“. 109 P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 168 f.; ferner W. Münzberg, Verhalten und Erfolg, S. 62 f., Fußn. 123. 110 Er kann und soll damit freilich nicht als Kronzeuge für die hier vertretene Ansicht angeführt werden. 111 E. Mezger, Die subjektiven Unrechtselemente, GS 89 (1924), 207, 240. 112 E. Mezger, Die subjektiven Unrechtselemente, GS 89 (1924), 207, 245. 113 E. Mezger, Die subjektiven Unrechtselemente, GS 89 (1924), 207, 245.

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nen sachspezifisch begründeten eigengearteten Problemzugang besitzt – wird eine (nur) relative Eigenständigkeit des Erfolgsunrechts dadurch anerkannt, dass der Handlungserfolg als zusätzliches Unrecht bewertet wird115. Allerdings wird die zwingende Verbindung von Bestimmung und Bewertung konzediert, wenn zwar zwischen Handlungs- und Erfolgsunwert unterschieden, jedoch die Möglichkeit eines Erfolgsunrechts116 ohne Handlungsunrecht verneint wird117. II. Der Rechtswidrigkeitsbegriff Baumeisters Dieser Zusammenhang – die Bewertungs„norm“ als logische Voraussetzung der Bestimmungsnorm118, diese als teleologische Folge jener – kann nicht beliebig aufgelöst werden, soll der Rechtswidrigkeitsbegriff nicht bloße Dezision oder Definition werden. Das wird deutlich an der von P. Baumeister119 versuchten Synthese von Verhaltens- und Zustandsunrechtslehre, der sich gerade auf die Bewertungsfunktion des Rechts stützt, um die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens von Staatsakten rechtstheoretisch zu untermauern. Nach seinem zweigliedrigen Rechtswidrigkeitsbegriff ist Rechtswidrigkeit Pflichtwidrigkeit oder ein nachträglicher Widerspruch zum höherrangigen Recht120. Er anerkennt die Lehre von der Bewertungsnorm als Ergänzung der Verhaltensunrechtslehre, modifiziert sie jedoch in zweierlei Hinsicht: Das Rechtswidrigkeitsurteil soll sich 114 Vgl. J. Baumann/U. Weber/W. Mitsch, Strafrecht AT, § 12 Rdnrn. 6 ff.; Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 13 ff., Rdnrn. 15 ff. 115 Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 13 ff., Rdnrn. 57 f.; in: C. Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rdnr. 93. – Eine nur auf den Handlungsunwert abstellende Konzeption – allerdings auf dem Boden der finalen Handlungslehre – findet sich bei D. Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert, insbes. S. 128 ff. – Die dagegen erhobene Kritik Roxins, Strafrecht AT I, § 10 Rdnrn. 95 ff., in diesem Falle müsste die Bestrafung von Versuch und Vollendung gleichgestellt werden und die Fahrlässigkeitstat auch ohne Erfolgseintritt strafbar sein, vernachlässigt den auf der Trennung von Verhaltens- und Sanktionsnorm basierenden Unterschied zwischen rechtswidriger und strafbarer Handlung. Zudem löst Roxin die Differenzierung zwischen Handlung und Erfolg auf, wenn er einerseits (Rdnr. 97) „den Tötungserfolg sogar als Bestandteil der Tötungshandlung“ ansieht und umgekehrt jede Erscheinungsform strafrechtlichen Unrechts mit einem äußeren Erfolg verbindet. „Auch der Versuch setzt einen Erfolg (den Anfang der Ausführung) voraus [. . .]“ (Rdnr. 99). Ist dies aber der Fall, so unterscheiden sich Versuch und Vollendung gerade nicht durch das Merkmal des Erfolgsunrechts, sondern durch den jeweils resultierenden tatsächlichen Erfolg, der in beiden Fällen Unrecht darstellt. 116 Genau genommen müsste von Zustandsunrecht die Rede sein, da die Erfolgsunrechtslehre dazu dient, anhand des missbilligten Erfolgs auf die Rechtswidrigkeit der ihn verursachenden Handlung zu schließen. Vgl. auch unten § 4 C. II. 117 Vgl. etwa U. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 60; C. Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rdnrn. 93, 96; J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 45. 118 S. auch H. Otto, Pflichtenkollision und Rechtswidrigkeitsurteil, S. 18. 119 Rechtswidrigwerden, S. 142 ff. 120 P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 172

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nicht generell auf alle Zustände, sondern nur auf solche beziehen, die „Folgen menschlichen Verhaltens“ sind121. Und: Diese Folgen sollen unabhängig von der Rechtswidrigkeit menschlichen Handelns als rechtswidrig bewertet werden können122. Die erste Modifikation schließt etwa die Folgen von Naturereignissen (und damit z. B. den „polizeiwidrigen Zustand“) als Gegenstand des Rechtswidrigkeitsurteils aus. Doch mit welcher Begründung? Alleine die Tatsache, dass eine derartige Bezeichnung „merkwürdig“ ist123 oder ein „sprachliches Unbehagen“ hinterlässt124, kann wohl nicht ausreichen, zumal P. Baumeister bei seiner affirmativen Darstellung der Bewertungsfunktion des Rechts allgemein (d.h. unabhängig von ihrem Zustandekommen) von „missbilligte(n) oder negativ bewertete(n)“ Zuständen spricht, die Gegenstand von Verhaltensnormen sein können125. Ist die Grundlage für ein Gebot zur Veränderung eines Zustandes dessen rechtliche Missbilligung, so ist in der Tat unerheblich, ob der Zustand die Folge menschlichen Verhaltens ist oder nicht, es sei denn, man differenziert zwischen rechtlich missbilligten und zugleich rechtswidrigen Zuständen und solchen, die zwar rechtlich missbilligt werden, aber dem Rechtswidrigkeitsurteil entzogen sind. In diesem Fall aber beruhte die Qualifizierung nicht mehr (alleine) auf der Bewertungsfunktion des Rechts. Eine weitere Fundierung dieses Rechtswidrigkeitsbegriffs könnte in der Funktion des Rechts als „Regelung zwischenmenschlicher Beziehungen“ zu erblicken sein (was aber wohl nicht im Sinne Baumeisters wäre126), so dass hierdurch die gesetzliche Bewertung in den Kategorien „rechtmäßig“ oder „rechtswidrig“ sich nur auf menschliches Verhalten und dessen Folgen bezöge. Dann aber ist die (logische und teleologische) Verbindung zwischen „Bewertungs- und Bestimmungsnorm“ notwendig und unausweichlich. „Das Recht kann nicht einen Zustand als solchen verbieten, aber all das erlauben, was zu seinem Eintritt geführt hat“127. Dieser Zusammenhang wird jedoch mit der zweiten Modifikation im Rechtswidrigkeitsbegriff Baumeisters aufgelöst. Damit aber handelt es sich allenfalls um eine Definition der Rechtswidrigkeit, die nicht auf ihre rechtstheoretische Grundlage – Recht als „Bewertungsnorm“ – zurückgeführt werden kann. Dabei ist bereits fraglich, ob die Fälle, die P. Baumeister hierdurch erfassen will – nachträglich rechtswidrig gewordene Staatsakte, insbesondere Rechtsnormen – „Zustände“ im Sinne der Zustandsunrechtslehre sind128, die ihrer gesam121 122 123 124 125 126 127

P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 171. P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 172. P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 169. P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 144. P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 169. Vgl. P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 145 f. H. H. Rupp, Grundfragen, S. 230, Fußn. 405.

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ten Konzeption (wie auch ihrer Genese) nach auf tatsächliche, nicht normative Gegebenheiten bezogen ist. Damit in engem Zusammenhang steht die von Baumeister (wie auch von H. H. Rupp) zugrundegelegte Verkürzung des Begriffs der Pflichtwidrigkeit, der im Hinblick auf Staatsakte mit dem pflichtwidrigen Erlass identifiziert und auf ihn beschränkt wird. Darauf wird zurückzukommen sein129. III. Der „rechtswidrige Zustand“ als Anknüpfungspunkt der Pflicht oder Folge einer Pflichtverletzung Zuvor ist aber der oben entwickelte Gedanke zu Ende zu führen, wonach der „rechtswidrige Zustand“ als durch Pflichtnormen flankierte negative Bewertung tatsächlicher Umstände verstanden werden kann. Der Begriff wäre damit lediglich ein Synonym für das Bestehen einer Pflicht zur Beseitigung bzw. die Verletzung einer Pflicht zur Verhinderung eines Zustands130 und damit letztlich unschädlich (wenngleich entbehrlich), seine Verwendung allenfalls eine Frage terminologischer Zweckmäßigkeit. Sie kann etwa bei der Formulierung von Normen eine Rolle spielen, wenn der Begriff „rechtswidriger Zustand“ als Tatbestandsmerkmal als Abbreviatur für anderweitig begründete Pflichtenstellungen dient. Das mag in Einzelfällen nachweisbar sein131. Im rechtsdogmatischen Kontext aber muss die negative Bewertung des Zustandes als differentia specifica generell gerade in der Pflicht deutlich werden, soll mit dieser Terminologie eine eindeutige Abgrenzung der „rechtswidrigen“ von den „rechtmäßigen“ Zuständen vorgenommen werden können. Das aber ist nicht möglich. Die der Begründung von Pflichten zugrunde liegenden Wertungen des Gesetzes erschöpfen sich nicht in der Kategorien von Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit132. Nicht jeder Umstand (und nicht jeder Zustand), der Anknüpfungspunkt für Gebote oder Verbote ist, ist dies wegen dessen rechtlicher Missbilligung, die ein 128 Bejahend K. A. Bettermann, Über die Rechtswidrigkeit von Staatsakten, in: Festschrift f. H. Huber, S. 25, 34. 129 Vgl. unten § 5 C. II. 130 Vgl. H. H. Rupp, Der maßgebende Zeitpunkt, in: Rechtsschutz im Sozialrecht, S. 173, 182; s. auch B. Bender, Staatshaftungsrecht, Rdnr. 458. 131 So erfasst § 80 Abs. 1 BauGB mit der Erwähnung „baurechtswidriger Zustände“ nur Bauwerke, die unter Verstoß gegen materielles Baurecht errichtet wurden (zum maßgeblichen Zeitpunkt vgl. BVerwG, Urt. vom 28.6. 1956 – IC 93/54 – BVerwGE 3, 351; Urt. vom 14.11.1957 – 1 C 168/56 – BVerwGE 5, 351; W. Ernst/E. Otte, in: W. Ernst/W. Zinkahn/W. Bielenberg, BauGB, § 80 Rdnrn. 12 f.) und nimmt also Bezug auf Pflichtverletzungen des Bauherrn. – Dagegen handelt es sich bei dem „rechtswidrigen Vermögensvorteil“ in § 263 StGB nicht um einen Hinweis auf entsprechende Pflichten, sondern auf das Fehlen eines entsprechenden subjektiven Rechts, also um einen „Vermögensvorteil, auf den man kein Recht hat“ (vgl. H. Tröndle/Th. Fischer, StGB, § 263 Rdnr. 43). Das Beispiel zeigt, dass der Gesetzgeber in der Wahl seiner Begriffe relativ frei ist; freilich lässt sich auf solcher Grundlage kein stringentes dogmatisches System aufbauen. 132 Vgl. auch P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 169.

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Rechtswidrigkeitsurteil erlauben würde133. Dies zeigen beispielsweise die Sachverhalte, die Steuer- und Abgabenpflichten bedingen: Soweit bei ihnen der Zweck der Einnahmeerzielung im Vordergrund steht, ist dies evident, doch auch für Lenkungsabgaben134 gilt nichts anderes. Auch der speziellere Fall des Gebotes, einen bestimmten Zustand zu beseitigen, kann nicht generell auf dessen Rechtswidrigkeit zurückgeführt werden. Dies zeigt sich etwa in der Pflicht zur Aufhebung rechtmäßiger Verwaltungsakte135, (sofern, was noch zu diskutieren ist136, durch den gesetzlich angeordneten „Widerruf“ nicht eine nachträglich eingetretene Rechtswidrigkeit beseitigt werden soll). Der Schluss von der Pflicht auf die Rechtswidrigkeit des zu beseitigenden Zustandes ist somit nicht möglich. Auch in der gleichsam spiegelbildlichen Konstellation des durch eine Pflichtverletzung geschaffenen Zustandes findet sich eine derartige Inkongruenz. Die Rechtsordnung kann auf Pflichtverletzungen in ganz unterschiedlicher Weise reagieren und Zustände auch dann legalisieren, wenn ihr Eintritt unerwünscht und ihre Herbeiführung verboten ist137. Die Probe auf die Zweckmäßigkeit der Qualifizierung von Zuständen in den Kategorien von Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit fällt daher jedenfalls insofern negativ aus, als ein solcher Begriff nicht dogmatisch verwendbar ist. Er erweist sich als zu unspezifisch, um der Vielfalt rechtlicher Bewertungen und der daraus folgenden Reaktionen gerecht zu werden. Demgegenüber kann, wie bereits angeklungen ist, der rechtsdogmatische Begriff der Rechtswidrigkeit mit dem Verstoß gegen Rechtspflichten hinreichend erfasst werden.

C. Einheitlichkeit oder Vielfalt des Rechtswidrigkeitsbegriffs Die Problematik des Rechtswidrigkeitsbegriffs ist nicht auf die Gegenüberstellung von Verhaltens- und Zustandsunrecht beschränkt. Das nur vereinzelt 133

K. Hölzle, Störungsverbot, S. 21. Zu ihnen etwa R. Hendler/J. Heimlich, Lenkung durch Abgaben, ZRP 2000, 325 ff. 135 Vgl. z. B. § 15 Abs. 2 GastG. 136 Zum Problem vgl. unten § 5 C. III. 2. und 3. c) (2). 137 Vgl. das Beispiel des rechtswidrigen Überbaus nach §§ 912 ff. BGB bei K. A. Bettermann, Über die Rechtswidrigkeit von Staatsakten, in: Festschrift f. H. Huber, S. 25, 29; im öffentlichen Recht finden sich vergleichbare Konstellationen in Fällen, in denen ein Folgenbeseitigungsanspruch wegen Mitverantwortlichkeit des Berechtigten nicht durchsetzbar ist (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 14.4.89 – 4 C 34/88 – DVBl. 1989, 876, 877) und an Stelle der Wiederherstellung analog § 251 Abs. 2 BGB ein Folgenentschädigungsanspruch in Betracht kommt (erwogen von BVerwG, Urt. v. 26.8.1993 – 4 C 24/91 – BVerwGE 94, 100, 117; gewährt vom VGH München, Urt. v. 27.10.1998 – 8 B 97.1604 – NVwZ 1999, 1237, dazu W. Erbguth, Folgenentschädigungsanspruch, JuS 2000, 336 ff.). 134

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beklagte138 Fehlen einer öffentlich-rechtlichen Rechtswidrigkeitslehre wirkt sich in der Rechtsdogmatik aus. Unter der Überschrift „Einheit der Rechtsordnung“ werden etwa seit langem tatsächliche oder vermeintliche Divergenzen der Rechtsmäßigkeitsbeurteilung zwischen verschiedenen Teilbereichen der Rechtsordnung kontrovers diskutiert139; die Debatte kreist im Wesentlichen um die Frage, ob innerhalb einer einheitlichen Rechtsordnung ein- und dasselbe Verhalten sowohl rechtmäßig als auch rechtswidrig, sowohl erlaubt als auch verboten sein kann. Dahinter verbergen sich in einzelnen Fallgruppen durchaus heterogene Fragestellungen. Eine Reihe der hierbei angesprochenen Streitfragen hat D. Felix140 unter vorrangig verfassungsrechtlichen Aspekten untersucht und dabei die geringe Relevanz der Argumentationsfigur „Einheit der Rechtsordnung“ nachgewiesen. Dies gilt auch für die innerhalb der Rechtsordnung „gespaltene“ Rechtswidrigkeitsbeurteilung141. Doch ist es bezeichnend, dass sich in der ansonsten überaus ertragreichen Schrift keine nähere Auseinandersetzung mit dem Begriff der Rechtswidrigkeit findet. Im hier behandelten Zusammenhang genügt es zunächst, die Bandbreite der Thematik anhand einiger typischer Beispiele zu illustrieren, die die dogmatische Relevanz des Rechtswidrigkeitsbegriffs aufzeigen und den Hintergrund für eine pflichtenorientierte Konzeption bilden. I. Beispiele und Probleme divergierender Rechtswidrigkeitsbeurteilungen 1. Strafrechtliche Rechtfertigung hoheitlichen Handelns? Ein Beispiel hierfür ist die Divergenz zwischen hoheitlichen Eingriffsbefugnissen und strafrechtlicher Notwehr- oder Notstandsrechtfertigung. Anerkanntermaßen handelt ein Amtsträger trotz objektiv straftatbestandsmäßigen Verhaltens nicht rechtswidrig, wenn zwar kein strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund eingreift, er sich aber auf eine staatliche Eingriffsbefugnis stützen kann142. Problematisch ist hingegen der umgekehrte Fall der Überschreitung der Grenzen hoheitlicher Befugnisse in Notwehr- oder Notstandssituationen143. Die einschlägigen Rechtsgrundlagen insbesondere des Polizeirechts behandeln die Frage nach 138 F. Schad, Zur Notwendigkeit einer Rechtswidrigkeitslehre im öffentlichen Recht, in: Festschrift f. A. Pikalo, S. 247 ff., der allerdings nur auf Staatsunrecht rekurriert. 139 Vgl. den ausführlichen Überblick über den Meinungsstand seit dem 19. Jahrhundert bei H.-L. Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluss, S. 9–81 m. w. N. 140 D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, 1998. 141 D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 233 ff. sowie das Resümee S. 293 f. 142 D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 58; H.-H. Jescheck/Th. Weigend, Lehrbuch des Strafrechts AT, § 35 I 1., S. 390; Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 32 ff. Rdnr. 84.

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der Rechtmäßigkeit des Verhaltens souverän, aber ineffizient – sie lassen sie offen144: So bindet § 35 MEPolG145 die Polizei bei Anwendung unmittelbaren Zwangs an die „Vorschriften dieses Gesetzes“, lässt aber „die zivil- und strafrechtlichen Wirkungen nach den Vorschriften über Notwehr und Notstand [. . .] unberührt“. Wegen der Unterschiede zwischen Eingriffsbefugnis und strafrechtlicher Rechtfertigungsnorm146 kann eine einheitliche Rechtswidrigkeitsbeurteilung des Verhaltens nur entweder aufgrund des Verwaltungsrechts oder des Strafrechts erfolgen147. Doch stoßen beide denkbaren Konstruktionen auf erhebliche Bedenken: Eine auf den Vorrang des Strafrechts abzielende Lösung148 gerät in Konflikt mit den Bestimmtheitsanforderungen, die im Rahmen des Vorbehalts des Gesetzes an staatliche Eingriffsermächtigungen aufgestellt werden149. Außerdem würden die verwaltungsrechtlich ausdrücklich normierten Schranken hoheitlicher Zwangseinwirkung durch den Rückgriff auf das Strafgesetzbuch übergangen150, was nicht nur aus systematischen Gründen nicht überzeugt, sondern 143 Vgl. dazu die ausführliche Darstellung von D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 58 ff., sowie F. Mußgnug, Recht des polizeilichen Schußwaffengebrauchs, S. 146 ff. 144 P. Lerche, Der gezielt tödlich wirkende Schuss, in: Festschrift f. F. A. von der Heydte, S. 1033, 1036. 145 Vgl. etwa Art. 60 BayPAG. 146 Vgl. etwa D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 61 ff.; J. Schwabe, Notrechtsvorbehalte, S. 17 ff. 147 Vgl. demgegenüber P. Lerche, Der gezielt tödlich wirkende Schuss, in: Festschrift f. F. A. von der Heydte, S. 1033, 1046 ff., mit der Überlegung, die Notwehrund Notstandsregelungen in das Polizeirecht zu inkorporieren. Indes liegt das Problem gerade darin, dass die Polizeigesetze insoweit ausdrückliche abweichende Regelungen enthalten, die eine gleichzeitige Geltung strafrechtlicher Rechtfertigungsnormen ausschließen; vgl. auch J. Schwabe, Notrechtsvorbehalte des Polizeirechts, S. 38 ff. 148 Vgl. etwa J. Schwabe, Zur Geltung von Rechtfertigungsgründen, NJW 1977, 1902, 1906 f.; ders., Notrechtsvorbehalte, S. 42 ff.; D. Merten, Zum polizeilichen Schußwaffengebrauch, in: ders., Aktuelle Probleme des Polizeirechts, S. 85, 101; Th. Lenckner/W. Perron, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 32 Rdnrn. 42a ff. m. w. N.; G. Spendel, in: Leipziger Kommentar z. StGB, § 32 Rdnrn. 268 ff. 149 Vgl. etwa E.-W. Böckenförde, Der verdrängte Ausnahmezustand, NJW 1978, 1881, 1883 f.; H.-U. Erichsen, Grundgesetz und Gewalt, Jura 1979, 449, 454; R. Riegel, §§ 32, 34 StGB als hoheitliche Befugnisgrundlage, NVwZ 1985, 639, 640 f.; K. Rogall, Das Notwehrrecht des Polizeibeamten, JuS 1992, 551, 558; F. Sydow, § 34 StGB – kein neues Ermächtigungsgesetz, JuS 1978, 222, 224. – Demgegenüber offenbart K. H. Gössel ein recht eigengeartetes Norm-, Staats- und Rechtsverständnis, wenn er äußert: „Die Verwaltung muß auf allen Gebieten die Möglichkeit haben, im Rahmen der ihr durch ein förmliches Gesetz zugewiesenen Aufgaben auch ohne konkrete Eingriffsbefugnis dann in Rechte anderer einzugreifen, wenn und soweit dieser Eingriff nach irgendeinem der Gesamtrechtsordnung zugehörigen Rechtssatz erlaubt ist“ (Über die Rechtmäßigkeit befugnisloser strafprozessualer rechtsgutsbeeinträchtigender Maßnahmen, JuS 1979, 162, 164 – Hervorhebungen im Original). 150 K. Amelung, Die Rechtfertigung von Polizeivollzugsbeamten, JuS 1986, 329, 331; M. Seebode, Polizeiliche Notwehr und Einheit der Rechtsordnung, in: Festschrift f. U. Klug, Bd. II, S. 359, 369.

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– soweit dadurch Landesgesetze tangiert werden – auch unter dem Aspekt fehlender Gesetzgebungskompetenz des Bundes Probleme aufwirft151. Vergleichbares gilt aber auch für die Annahme eines Vorrangs des öffentlichen Rechts, soweit152 sie zur Strafbarkeit eines die hoheitlichen Befugnisse überschreitenden Amtsträgers führt153. Eine landesrechtliche Modifizierung bundesrechtlich geregelter Rechtfertigungsgründe stößt im Hinblick auf Art. 31 GG auf Bedenken154. Wenig überzeugend sind auch die Ergebnisse dieser Position, die dem Amtsträger jenseits der Eingriffsermächtigungen Nothilfebefugnisse versagen, die ihm als Privatem zustünden. Der von einem rechtswidrigen Angriff betroffene Dritte muss gewissermaßen hoffen, die Polizei möge nicht zur Stelle sein155. Das aber ist eine überaus merkwürdige, um nicht zu sagen fragwürdige Konsequenz. Die Folgerungen, die aus dieser Problemlage gezogen werden (können), bestehen in einer Differenzierung der Rechtswidrigkeitsbeurteilung je nach Rechtsbereichen156: Die Strafbarkeit des Amtsträgers wird wegen des Vorliegens strafrechtlicher Rechtfertigungsgründe verneint, sein Eingreifen aus verwaltungsrechtlicher Sicht wegen Überschreitung der hoheitlichen Eingriffsbefugnis als rechtswidrig angesehen. Diese „gespaltene“ Rechtswidrigkeit aber ist ein Hauptargument gegen diese differenzierende Betrachtungsweise überhaupt157. Offenbar widerspricht sie dem Postulat, „dass eine Handlung des A 151 J. Deger, Waffeneinsatz, NVwZ 2001, 1229, 1231; K. Rogall, Das Notwehrrecht des Polizeibeamten, JuS 1992, 551, 558. 152 Teilweise wird der Vorrang des öffentlichen Rechts für die Notwehr, also die Selbstverteidigung des Amtsträgers zurückgenommen (etwa J. Deger, Waffeneinsatz, NVwZ 2001, 1229, 1231; V. Krey/W. Meyer, Zum Verhalten von Staatsanwaltschaft und Polizei bei Delikten mit Geiselnahme, ZRP 1973, 1, 4; K. Amelung, Die Rechtfertigung von Polizeivollzugsbeamten, JuS 1986, 329, 333; R. Krüger, Die Bedeutung der Menschenrechtskonvention für das deutsche Notwehrrecht, NJW 1970, 1483, 1484). Die kompetenzrechtliche Problematik bleibt aber für die Nothilfe bestehen. 153 Zuletzt F. Mußgnug, Recht des polizeilichen Schußwaffengebrauchs, S. 164 ff. 154 Vgl. dazu M. Seebode, Polizeiliche Notwehr und Einheit der Rechtsordnung, in: Festschrift f. U. Klug, Bd. II, S. 359, 368. 155 So auf den Punkt gebracht von J. Schwabe, Notrechtsvorbehalte, S. 58. 156 So etwa H.-U. Erichsen, Grundgesetz und Gewalt, Jura 1979, 449, 455; V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 414; D. Heckmann, Polizei- und Sicherheitsrecht, in: U. Becker/D. Heckmann/B. Kempen/G. Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, Rdnr. 256; H. Honnacker/P. Beinhofer, PAG, Art. 60 Rdnr. 4, P. Kirchhof, Notwehr und Nothilfe, in: D. Merten, Aktuelle Probleme des Polizeirechts, S. 67, 69 ff.; R. Riegel, §§ 32, 34 StGB als hoheitliche Befugnisgrundlage, NVwZ 1985, 639, 640; K. Rogall, Das Notwehrrecht des Polizeibeamten, JuS 1992, 551, 558 f.; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 302; W. Schmidbauer, in: ders./U. Steiner/E. Roese, PAG, Art. 60 Rdnr. 6; E. Schmidhäuser, Notwehr und Nothilfe, in: D. Merten, Aktuelle Probleme des Polizeirechts, S. 53, 59; M. Seebode, Polizeiliche Notwehr und Einheit der Rechtsordnung, in: Festschrift f. U. Klug, Bd. II, S. 359, 371 ff.; F. Sydow, § 34 StGB – kein neues Ermächtigungsgesetz, JuS 1978, 222, 224; K. Vogel, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 28 8 b), S. 547 f.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

dem B gegenüber (!) nicht sowohl rechtmäßig wie auch rechtswidrig genannt werden darf“158. Dass damit aber nicht die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung159 jenseits bloß terminologischer Einheitlichkeit betroffen ist, erhellt daraus, dass in den hier diskutierten Fällen keine widersprüchlichen Verhaltensgebote existieren: Der Amtsträger ist zur strafrechtlich gerechtfertigten Notwehrhandlung nicht verpflichtet und vermag so ohne eigenen Rechtsverstoß die Rechtswidrigkeit der staatlichen Maßnahme zu vermeiden160. 2. Amtspflichten und Rechtspflichten Zu einer gespaltenen Rechtswidrigkeitsbeurteilung eines Verhaltens kann es (etwa im Rahmen der Amtshaftung) durch die Trennung von Innen- und Außenrecht kommen, die es ermöglicht, dass eine intern amtspflichtgemäße Handlung eine extern (gegenüber dem Bürger) rechtswidrige staatliche Maßnahme sein kann und umgekehrt. Dies scheint sogar weitgehend konsentiert zu sein161, selbst bei denjenigen, die ansonsten vehement gegen Differenzierungen im Rechtswidrigkeitsurteil streiten162. Im Zusammenhang mit § 839 BGB, Art. 34 GG wird der Konflikt in gewisser Weise dadurch verschleiert, dass terminologisch zwischen Amtspflichtwidrigkeit und Rechtswidrigkeit unterschieden 157 J. Deger, Waffeneinsatz, NVwZ 2001, 1229, 1231; D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 79; K. H. Gössel, Über die Rechtmäßigkeit befugnisloser strafprozessualer rechtsgutsbeeinträchtigender Maßnahmen, JuS 1979, 162, 165; Th. Lenckner/W. Perron, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 32 Rdnr. 42b, § 34 Rdnr. 7; K. Rogall, Das Notwehrrecht des Polizeibeamten, JuS 1992, 551, 559; G. Spendel, in: Leipziger Kommentar z. StGB, § 32 Rdnr. 273 („Diese Auffassung muss für einen Laien geradezu ,schizoid‘ wirken“), selbst P. Kirchhof, Notwehr und Nothilfe, in: D. Merten, Aktuelle Probleme des Polizeirechts, S. 67, 69, räumt ein, dass das Ergebnis befremdlich erscheint. 158 J. Schwabe, Notrechtsvorbehalte, S. 42 (Ausrufungszeichen im Original). 159 So J. Schwabe, Notrechtsvorbehalte, S. 42. 160 Vgl. auch D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 250 f.; M. Seebode, Polizeiliche Notwehr und Einheit der Rechtsordnung, in: Festschrift f. U. Klug, Bd. II, S. 359, 368; K. Vogel, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 28 8 b), S. 548. 161 Kritisch aber gegenüber der gesamten Konstruktion H.-J. Papier, in: Th. Maunz/ G. Dürig, GG, Art. 34 (1998) Rdnr. 160; ders., in: Münchener Kommentar z. BGB, § 839 Rdnr. 10 („rechtspolitisch untragbar“); S. Pfab, Staatshaftung in Deutschland, S. 74 ff., 76: „. . . es kann nicht angehen, dass ein im Verhältnis zum Bürger als rechtswidrig erklärter Eingriff im Verhältnis zum Dienstherren als rechtmäßig einzustufen ist“; zustimmend H. D. Jarass, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 34 Rdnr. 11. 162 Vgl. Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem §§ 32 ff. Rdnr. 89, ders., Der „rechtswidrige verbindliche Befehl“ im Strafrecht, in: Festschrift f. W. Stree und J. Wessels, S. 223, 224; G. Spendel, in: Leipziger Kommentar z. StGB, § 32 Rdnr. 269; J. Schwabe, Zur Geltung von Rechtfertigungsgründen, NJW 1977, 1902, 1904 f.; ders., Notrechtsvorbehalte, S. 24 mit Fußn. 46, S. 45 f. begründet dies mit unterschiedlichen Rechte- und Pflichtenrelationen.

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wird163. Diese im System des geltenden Amtshaftungsrechts begründete Differenzierung wird indes der Sache nach aufgegeben164, wenn zu den Amtspflichten die Pflicht zu rechtmäßigem Verhalten (im Außenverhältnis) gezählt wird165. Das wird deutlich in den Fällen der dienstlichen Weisung zu außenrechtswidrigem Handeln, die nach erfolgter und erfolgloser Remonstration verbindlich ist (vgl. etwa § 38 Abs. 2 S. 2 BRRG). Die Befolgung der Weisung ist dann konsequenter Weise als intern amtspflichtgemäß, aber extern amtspflichtwidrig zu qualifizieren166. Im Kontext der Amtshaftung mag dies wegen der Haftungsüberleitung auf den Staat (Art. 34 S. 1 GG) und aus der Perspektive des von staatlichen Unrechts betroffenen Bürgers vorderhand als billig erscheinen, führt aber rechtskonstruktiv zu gehörigen Problemen. Denn der angewiesene Amtswalter ist, folgt man dieser Konstruktion, zu nicht weniger verpflichtet, als extern das zu unterlassen, was ihm intern aufgegeben wurde. Mit einer solchen „Amtspflicht zur Amtspflichtverletzung“ aber wird das gesamte System aus den Angeln gehoben, sofern man nicht, wie dies in der strafrechtlichen Diskussion um den „rechtswidrigen bindenden Befehl“ befürwortet wird167, in der Pflichtenkollision einen Rechtfertigungsgrund erblickt. Doch dies brächte den Amtshaftungsanspruch, zu dessen Begründung die gesamte Konstruktion dient, ebenso zu Fall wie die in der Strafrechtswissenschaft alternativ vertretene Lösung168 der Entschuldigung des pflichtwidrigen Verhaltens. Die wohl überwiegende Meinung löst den Konflikt, indem sie auf die Person des Anweisenden abstellt169, was ggf. zu einer Verschiebung der Passivlegitima163 Etwa W. Kluth in: H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 67 Rdnrn. 63 f.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rdnr. 17; F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 489 f. mit Fußn. 25; ders., Staatshaftungsrecht, 2. Teil, III 2 d), S. 55.; K. Windthorst, in: S. Detterbeck/K. Windthorst/H.D. Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rdnrn. 87 ff.; ders., Staatshaftungsrecht, JuS 1995, 892, 893. 164 So spricht P. Dagtoglou, in: R. Dolzer/K. Vogel/K. Graßhof, BK (Zweitbearb.), Art. 34 Rdnr. 110, von „Umdeutungen (. . .), die am Wortlaut der Bestimmungen nicht immer festhalten können und teleologisch orientiert sein müssen“. 165 P. Dagtoglou, in: R. Dolzer/K. Vogel/K. Graßhof, BK (Zweitbearb.), Art. 34 Rdnr. 116; Th. v. Danwitz, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, GG Bd. 2, Art. 34 Rdnrn. 77 f.; W. Kluth in: H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 67 Rdnr. 53; F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 2. Teil, III 2 b) aa), S. 43 f.; H.-J. Papier, in: Th. Maunz/G Dürig, GG, Art. 34 (1998) Rdnr. 161, ders., in: Münchener Kommentar z. BGB, § 839 Rdnr. 167; K. Windthorst, in: S. Detterbeck/K. Windthorst/H.D. Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rdnr. 65. 166 So F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 2. Teil, III 2 d), S. 56. 167 H.-H. Jescheck/Th. Weigend, Lehrbuch des Strafrechts AT, § 35 II 3., S. 394 f. m. w. N.; Th. Lenckner, Der „rechtswidrige verbindliche Befehl“ im Strafrecht, in: Festschrift f. W. Stree und J. Wessels, S. 223, 224; ders., in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 32 ff. Rdnr. 89. 168 J. Baumann/U. Weber/W. Mitsch, Strafrecht AT, § 23 Rdnrn. 50 ff.; ausführlich W. Küper, Grundsatzfragen der „Differenzierung“ zwischen Rechtfertigung und Entschuldigung, JuS 1987, 81, 91 f.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

tion führt. Dies lässt sich allerdings nur noch teleologisch begründen170 und nähert die Amtshaftung der (rechtspolitisch erwünschten) unmittelbaren Staatsunrechtshaftung an171. Denn der Haftungstatbestand des § 839 Abs. 1 BGB wird in diesem Fall nicht nur nicht in der Person eines Amtsträgers erfüllt172, sondern genau genommen überhaupt nicht. Tatbestandliche Voraussetzung ist nämlich die Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht. Die Anknüpfung an den weisunggebenden Amtsträger setzt aber im Grunde voraus, dass der Angewiesene eine solche nicht verletzt, was auf irgend eine Form der Suspendierung der sonst postulierten Pflicht173 zu (außen-)rechtmäßigem Handeln wegen der anderslautenden Weisung hinausläuft. Auch wenn man nun dem Weisungsgeber das Verhalten des Angewiesenen zurechnet174, handelt es sich eben um rechtmäßiges Verhalten, das diese Qualität auch durch die Zurechnung nicht verliert. 3. Verwaltungsaktakzessorietät des Strafrechts Zu Schwierigkeiten bei der einheitlichen Beurteilung der Rechtswidrigkeit eines Verhaltens kommt es auch im Zusammenhang mit der Verwaltungsakzessorietät des Strafrechts175. Problematisch ist insoweit weniger die Strafbarkeit einer Zuwiderhandlung gegen rechtswidrige belastende Verwaltungsakte176, son169 BGH, Urt. v. 16.12.1976 – III ZR 3/74 – NJW 1977, 713; Urt. v. 7.2.1985 – III ZR 212/83 – NVwZ 1985, 682 f.; Urt. v. 5.12.1985 – III ZR 154/84 – VersR 1986, 372, 373; B. Bender, Die Rechtsprechung des BGH zum Staatshaftungsrecht, JZ 1986, 838, 839; W. Kluth, in: H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 67 Rdnr. 65; W. Rüfner, Schadensersatz- und Entschädigungsleistungen, in: H. U. Erichsen/D. Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 47 Rdnr. 16; K. Windthorst, in: S. Detterbeck/K. Windthorst/H.-D. Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rdnrn. 91 ff.; ders., Staatshaftungsrecht, JuS 1995, 892, 893. 170 Deutlich bei K. Windthorst, Staatshaftungsrecht, JuS 1995, 892, 893, der die Haftungsverschiebung nicht mit der Haftungsnorm (§ 839 BGB), sondern mit der Gesetzesbindung der Verwaltung begründet. § 839 BGB fordert jedoch eine Amtspflichtverletzung eines Beamten; vgl. auch das Zitat von P. Dagtoglou oben in Fußn. 164. 171 Für Deckungsgleichheit von Staatsunrecht und Amtspflichtverstoß dezidiert H.J. Papier, in: Münchener Kommentar z. BGB, § 839 Rdnr. 12; S. Pfab, Staatshaftung in Deutschland, S. 74 ff.; vgl. schon K. A. Bettermann, Schutz der Grundrechte, in: ders./H.C. Nipperdey/U. Scheuner, Die Grundrechte, Bd. III/2, S. 779, 841 f.; „zumindest de lege ferenda“ auch K. Windthorst, in: S. Detterbeck/K. Windthorst/H.-D. Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rdnr. 93. 172 Hierauf stellt F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 2. Teil, III 2 d), S. 56, ab. 173 Vgl. die Nachweise oben in Fußn. 165. 174 So K. Windthorst, in: S. Detterbeck/K. Windthorst/H.-D. Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rdnr. 92. 175 Zum Begriff vgl. D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 18 ff., U. Rühl, Grundfragen der Verwaltungsakzessorietät, JuS 1999, 521 f.; K. Rogall, Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts, GA 1995, 299, 302 f. 176 Dazu etwa K. Kühl, Probleme der Verwaltungsakzessorietät, in: Festschrift f. Lackner, S. 815, 827 ff.; W. Winkelbauer, Verwaltungsakzessorietät, S. 39 ff.

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dern vielmehr die Frage nach der Strafbarkeit eines Verhaltens, das durch eine (rechtswidrige) behördliche Genehmigung gedeckt ist. Diese vor allem im Umweltstrafrecht diskutierte Fragestellung scheint nur eine Umkehrung der oben angesprochenen Problematik divergierender Rechtswidrigkeitsbeurteilungen zwischen Verwaltungsrecht und Strafrecht zu sein. Wird dort teilweise im Sinne eines einheitlichen Rechtswidrigkeitsbegriffs gefordert, dass ein Verhalten nicht zugleich rechtmäßig und rechtswidrig genannt werden dürfe, so liest man hier den Satz: Was verwaltungsrechtlich erlaubt ist, kann strafrechtlich nicht verboten sein177. Kann dort die Unterschiedlichkeit öffentlich-rechtlicher und strafrechtlicher Beurteilung sachlich auch dadurch gerechtfertigt werden, dass der Widerspruch der rechtlichen Bewertungen nicht durch widersprüchliche Verhaltensanweisungen bedingt ist, so gilt scheinbar Vergleichbares hier, da die erteilte Genehmigung regelmäßig nicht dazu verpflichtet, von ihr Gebrauch zu machen. Dennoch wird verbreitet die (zutreffende178) Auffassung geäußert, dass dieser Fall anders zu bewerten sei179. Für die im 29. Abschnitt des StGB angesiedelten Straftaten gegen die Umwelt ist dem Streit über Art und Maß der Verwaltungsakzessorietät des Strafrechts durch die Einfügung der Nr. 5 in § 330 d StGB180 vieles an Bedeutung genommen worden. Danach181 wird die Inanspruchnahme einer durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen (materiell rechtswidrigen182) Genehmigung, Planfeststel177 R. Breuer, Änderungen des strafrechtlichen Umweltschutzes, NJW 1988, 2072, 2076; ders., Probleme der Zusammenarbeit, AöR 115 (1990), 448, 454; H. Dahs/K. Redeker, Änderungen im strafrechtlichen Umweltschutz, DVBl. 1988, 803, 804; G. Heine/V. Meinberg, Umweltstrafrecht, GA 1990, 1, 13; E. Horn, Umweltschutz durch Strafrecht, NuR 1988, 63 f.; F. Ossenbühl, Verwaltungsrecht als Vorgabe für Zivil- und Strafrecht, DVBl. 1990, 963, 973; H.-U. Paeffgen, Verwaltungsakt-Akzessorietät, in: Festschrift f. W. Stree und J. Wessels, S. 587, 599; R. Rengier, Öffentlich-rechtliche Genehmigung, ZStW 101 (1989), 874, 895; K. Rogall, Gegenwartsprobleme, in: Festschrift Universität Köln, S. 505, 521; M. Schröder, Verwaltungsrecht als Vorgabe für Zivil- und Strafrecht, VVDStRL 50 (1991), 196, 204; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 22 Rdnr. 76; Verwaltungsrecht II, § 65 Rdnr. 2. 178 Näher dazu unten § 6 B. 179 D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 294 f.; H.-U. Paeffgen, VerwaltungsaktAkzessorietät, in: Festschrift f. W. Stree und J. Wessels, S. 587, 599. 180 Durch das 31. StÄG/2. UKG vom 27.6.1994, BGBl. I, 1440, ber. durch G. vom 20.2.1995, BGBl. I 249. 181 Ähnliche Regelungen enthalten § 34 Abs. 8 AußenwirtschaftsG i. d. F. vom 28.2.1992, BGBl. I, S. 372 (dazu H.-U. Paeffgen, Verwaltungsakt-Akzessorietät, in: Festschrift f. W. Stree und J. Wessels, S. 587, 608; K. Wimmer, Strafbarkeit des Handelns, JZ 1993, 67 ff.) sowie § 16 Abs. 4 AusführungsG zum Chemiewaffenübereinkommen, BGBl. I, 1994, 1954. 182 Zu diesem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal vgl. P. Cramer/G. Heine, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 330d Rdnr. 30; A. Schmidt/Th. Schöne, Das neue Umweltstrafrecht, NJW 1994, 2514; K. Wimmer, Strafbarkeit des Handelns, JZ 1993, 67, 72.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

lung oder sonstigen Zulassung strafrechtlich wie ein Handeln ohne die entsprechende behördliche Entscheidung behandelt. Damit ist jedenfalls mit Wirkung für die in Bezug genommenen Straftatbestände klargestellt, dass die verwaltungsrechtliche Wirksamkeit von Genehmigungen grundsätzlich auch der strafrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen183 und die Beachtlichkeit verwaltungsbehördlicher Entscheidungen nicht unabhängig davon nach spezifisch strafrechtlichen Kriterien184 oder alleine nach der materiellrechtlichen Verwaltungsrechtslage185 zu bewerten ist. Das Gesetz folgt nunmehr insoweit dem Konzept der eingeschränkten Verwaltungsaktakzessorietät, das – trotz beachtlicher Gegenstimmen186 – auch in der Literatur verbreitet Zustimmung gefunden hat187. Doch bleibt die Frage jenseits der §§ 324 ff. StGB als generelles Problem existent, da die Verwaltungsakzessorietät des Strafrechts nicht auf das Umweltrecht beschränkt ist, sondern weit darüber hinaus etwa das Waffenrecht oder das Wirtschaftsverwaltungsrecht betrifft. Zudem stellen sich im Recht der Ordnungswidrigkeiten strukturell dieselben Fragen. Und selbst im Rahmen des § 330d Nr. 5 StGB sind Divergenzen mit dem Verwaltungsrecht, das in § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG das schutzwürdige Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts nur im Hinblick auf die Rücknahme, nicht auf die Wirksamkeit verneint, unübersehbar.

183 J. Baumann/U.Weber/W. Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rdnr. 131; P. Cramer/G. Heine, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 324 ff. Rdnr. 16a; vgl. auch K. Rogall, Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts, GA 1995, 299, 307, 311; U. Rühl, Grundfragen der Verwaltungsakzessorietät, JuS 1999, 521, 526; für tatbestandsausschließende Verwaltungsakte S. Fortun, Behördliche Genehmigung, S. 66 ff.; W. Winkelbauer, Verwaltungsakzessorietät, S. 67 f. 184 So B. Schünemann, Strafbarkeit von Amtsträgern, wistra 1986, 235, 239. 185 So etwa H. G. Goldmann, Die behördliche Genehmigung, S. 153; für „rechtfertigende Verwaltungsakte“ S. Fortun, Behördliche Genehmigung, S. 93 ff.; W. Winkelbauer, Verwaltungsakzessorietät, S. 68 ff., 72 f.; für den Fall der behördlichen Verpflichtung zur Rücknahme der Genehmigung C. Hübenett, Rechtswidrige behördliche Genehmigung, insbes. S. 83 ff.; vgl. auch D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 321 ff. 186 Vgl. R. Breuer, Änderungen des strafrechtlichen Umweltschutzes, NJW 1988, 2072, 2080; M. Heghmanns, Dogmatik der Straftatbestände, S. 209 ff.; Th. Lenckner, Behördliche Genehmigungen, in: Festschrift f. G. Pfeiffer, S. 27 ff.; F. Ossenbühl, Verwaltungsrecht als Vorgabe für Zivil- und Strafrecht, DVBl. 1990, 963, 973; R. Rengier, Die öffentlich-rechtliche Genehmigung, ZStW 101 (1989), 874, 893 ff.; K. Rogall, Gegenwartsprobleme, in: Festschrift Universität Köln, S. 505, 526 ff.; R. Scheele, Bindung des Strafrichters, S. 56 ff., 134 ff.; M. Schröder, Verwaltungsrecht als Vorgabe für Zivil- und Strafrecht, VVDStRL 50 (1991), 196, 225. 187 W. Frisch, Verwaltungsakzessorietät, S. 72 ff.; H.-U. Paeffgen, VerwaltungsaktAkzessorietät, in: Festschrift f. W. Stree und J. Wessels, S. 587, insbes. 600 ff.; K. Sach, Genehmigung als Schutzschild?, S. 254 ff.

§ 4 Rechtswidrigkeit als Pflichtwidrigkeit

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II. Die Handlung als Bezugspunkt der Rechtswidrigkeit? Es gehört, wie sich auch aus den soeben zitierten Beispielen ergibt, zu den Charakteristika des aus dem Zivil- wie dem Strafrecht in das öffentliche Recht übernommenen Rechtswidrigkeitsbegriffs, dass er zunächst die Handlung oder das Verhalten in den Mittelpunkt stellt. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass Rechtswidrigkeit (auch oder ausschließlich) ein Urteil über das Verhalten (von Menschen) ist188. Der aus dem Zivilrecht stammende, im Rahmen der §§ 823, 1004 BGB bedeutsame Streit um Handlungs- oder Erfolgsunrecht189 spiegelt dies trotz der insofern irreführenden Terminologie wider. Er dreht sich nicht darum, ob Gegenstand des Rechtswidrigkeitsurteils die Handlung oder (nach Art der Lehre vom Zustandsunrecht190) der daraus resultierende Erfolg ist, sondern darum, ob sich die Rechtswidrigkeit einer schadensverursachenden Handlung (zumindest indiziell) aus dem Erfolg ableiten lässt oder alleine auf die Sorgfaltspflichtwidrigkeit der Handlung191 abzustellen ist192. Erfolgsunrechtslehre und Zustandsunrechtslehre sind also nicht gleich zu setzen193. Vor allem in der Entwicklung der Strafrechtsdogmatik nimmt der Handlungsbegriff eine herausragende Rolle ein. Lange Zeit wurde er als ein Fundamentalbegriff der Verbrechenslehre betrachtet194 und auch heute noch wird er ganz im Sinne dieser Tradition in systematischen Darstellungen des Allgemeinen Teils vielfach der Lehre vom Tatbestand vorangesetzt195. Die dem Handlungsbegriff zugeschriebene Funktion196 einmal als Grundelement, unter den sich alle Erscheinungsformen strafbaren Verhaltens subsumieren lassen (sollen), als Verbindungselement zwischen den Straftatmerkmalen sowie als Grenzelement zur 188 J. Baumann/U. Weber/W. Mitsch, Strafrecht AT, § 16 Rdnr. 11; P. Hanau, in: Münchener Kommentar z. BGB, § 276 Rdnr. 26; Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 13 Rdnr. 49; P. Olivet, Erfolgsunrechtslehre und Handlungsunrechtslehre, S. 8 und passim; ders., Rechtswidrigkeitsbegriff, S. 19 f.; Bemerkungen in diesem Sinne auch etwa bei D. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 131; U. Ramsauer, Bestimmung des Schutzbereichs, VerwArch 72 (1981), 89, 98 f. 189 Vgl. die zusammenfassende Darstellung bei G. Wagner, Öffentlich-rechtliche Genehmigung, S. 54 ff.; zur Problematik bei § 1004 BGB F. Baur, Der Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB, AcP 160 (1961), 465, 467 ff. 190 Vgl. oben § 4. 191 Dazu sogleich unten § 6 C. II. 192 Vgl. G. Wagner, Öffentlich-rechtliche Genehmigung, S. 60. 193 Vgl. P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 101 f. 194 Vgl. etwa den Überblick bei E. Schmidhäuser, Begehung, Handlung und Unterlassung im Strafrecht, in: Gedächtnisschrift f. A. Kaufmann, S. 131, 137 ff. 195 Etwa bei J. Baumann/U. Weber/W. Mitsch, Strafrecht AT, § 13; H.-H. Jescheck/ Th. Weigend, Lehrbuch des Strafrechts AT, § 23, S. 217; C. Roxin, Strafrecht AT I, § 8. 196 C. Roxin, Strafrecht AT, § 8 Rdnrn. 1 ff.; vgl. auch J. Baumann, Handlungsbegriff, in: Gedächtnisschrift f. A. Kaufmann, S. 181, 184 ff.; H.-H. Jescheck/Th. Weigend, Lehrbuch des Strafrechts AT, § 23 I 2., S. 219.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

Ausschließung all dessen, was von vornherein für eine strafrechtliche Beurteilung nicht in Betracht kommt, hat indes keiner der zahlreich entwickelten Vorschläge197 erfüllt. Zunehmend wird deshalb ein Bedeutungsverlust der Handlungslehren konstatiert, da es kein strafrechtliches Sachproblem mehr gebe, das von der Entscheidung für die eine oder andere Lehre abhinge198. Das ist nur konsequent: Denn nicht der oder ein Handlungsbegriff sondert das erlaubte vom verbotenen Verhalten, sondern die pflichtenbegründende Norm199. Die Handlung ist daher nicht ein dem (Straf-)Rechtssystem vorgelagerter Begriff200, sondern überhaupt nur insoweit rechtlich relevant, als sie Gegenstand einer Pflichtnorm ist201. Das allen Erscheinungsformen (nicht nur strafrechtlicher) Rechtswidrigkeit Gemeinsame ist die Verletzung einer Rechtspflicht202, 203. 197 Vgl. die zusammenfassenden Darstellungen etwa bei J. Baumann/U. Weber/W. Mitsch, Strafrecht AT, § 13, Rdnrn. 22 ff.; Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 13 ff., Rdnrn. 25 ff.; C. Roxin, Strafrecht AT I, § 8, Rdnrn. 7 ff. 198 Vgl. J. Baumann, Handlungsbegriff, in: Gedächtnisschrift f. A. Kaufmann, S. 181, 186; J. Baumann/U. Weber/W. Mitsch, Strafrecht AT, § 13 Rdnr. 95; Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 13 ff., Rdnrn. 23/24; W. Mitsch, Fahrlässigkeit und Straftatsystem, JuS 2001, 105, 106; C. Roxin, Strafrecht AT I, § 8 Rdnr. 25. 199 Vgl. auch H. H. Rupp, Grundfragen, S. 226. 200 Vgl. auch R. D. Herzberg, Handlungsbegriff, GA 1996, 1, 9. 201 Das zeigt sich insbesondere im Bereich der Unterlassungsdelikte, bei denen sich „die Handlung“ in Form der Unterlassung nur aus einer entsprechenden Verpflichtung ergeben kann. Die Inkorporation der Pflicht in den Handlungsbegriff führt aber zu schwer überbrückbaren Friktionen. Im Rahmen seines „personalen Handlungsbegriffs“ führt etwa C. Roxin (Strafrecht AT I, § 8 Rdnr. 54) aus, ein Unterlassen werde zur Persönlichkeitsäußerung nur durch eine Handlungserwartung. Diese aber ist nicht Teil der Persönlichkeit, sondern wird von außen an sie herangetragen. 202 Zum Verständnis der Straftat als Pflichtverletzung auch Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 13 ff., Rdnrn. 8, 11, allerdings mit einem auf Handlungs- und Gesinnungsunwert abstellenden Pflichtwidrigkeitsbegriff. 203 Von allen Handlungslehren ist dieser Position wohl (mit Ausnahme der „Sorgfaltswidrigkeit“) der „negative Handlungsbegriff“ R. D. Herzbergs am nächsten, der die Handlung im Strafrecht als „das vermeidbare Nichtvermeiden in Garantenstellung“ bezeichnet (Unterlassung im Strafrecht, S. 174, mittlerweile aber modifiziert zum „sorgfaltspflichtwidrigen und strafrechtlich missbilligten Unterlassen“, vgl. R. D. Herzberg, Handlungsbegriff, GA 1996, 1), jedenfalls wenn man konzediert, dass mit der Garantenstellung eine Pflichtenrelation gekennzeichnet wird; instruktiv auch ders., Das vollendete vorsätzliche Begehungsdelikt, JuS 1996, 377 ff., mit der These, dass zwischen vollendeten und versuchten Begehungs und Unterlassungsdelikten sowie Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten nicht „Aliud-Verhältnisse“, sondern „Plus-Minus-Beziehungen“ bestehen (a. a. O., S. 378, wenngleich Herzberg Pflichten nur als Sorgfaltspflichten versteht; dazu unten § 6 C. II.). Betrachtet man rechtswidriges (auch „strafrechtswidriges“) Verhalten generell als Pflichtverletzung, so ist dem nur zuzustimmen, allerdings mit der Anmerkung, dass die jeweiligen Unterscheidungsmerkmale Elemente nicht der Pflicht-, sondern der Sanktionsnorm sind (zu dieser Unterscheidung oben § 3 B. III. sowie unten § 6 A.). Vgl. auch schon K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung, Bd. I, S. 80: „Die Norm lautet ohne jede Rücksicht auf die Schuldart der Uebertretung stets in ganz gleicher Allgemeinheit, einerlei ob nur die vorsätzliche oder auch die fahrlässige Uebertretung mit Strafe ausgestattet ist. Das

§ 5 Die Relativität der Rechtswidrigkeit

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Im öffentlichen Recht werden die Grenzen eines auf das Handeln abstellenden Rechtswidrigkeitsbegriffes überall dort sichtbar, wo ein rechtswidriges Verhalten nicht aufweisbar ist. So setzt etwa der Folgenbeseitigungsanspruch204 nach weithin herrschender Auffassung nicht rechtswidriges Hoheitshandeln, sondern (zumindest alternativ205) die Rechtswidrigkeit des (auch durch rechtmäßiges Handeln herbeigeführten) Zustands voraus206; ein Anspruch aus enteignendem Eingriff wird gewährt bei einem rechtswidrigen (weil unzumutbaren) Eingriff in eine als Eigentum geschützte Rechtsposition als Folge „an sich“ rechtmäßigen Hoheitshandelns207. Auch die Fälle des Rechtswidrigwerdens von Staatsakten sind hier zu nennen, die sich per definitionem nicht auf rechtswidriges Handeln bei Erlass des jeweiligen Aktes zurückführen lassen. Gemeinsam ist diesen Fallgruppen, dass der Begriff der Rechtswidrigkeit losgelöst und unabhängig von einem als rechtswidrig zu betrachtendem Verhalten zu sein scheint und so die schon oben208 angesprochene zwingende Verbindung von normativer Bewertung und Verpflichtung auflöst209. Ein pflichtenorientierter Rechtswidrigkeitsbegriff vermag diese Unstimmigkeit aufzulösen.

§ 5 Die Relativität der Rechtswidrigkeit Die Abkehr von einem auf das Verhalten rekurrierenden zugunsten des pflichtenbezogenen Begriffs der Rechtswidrigkeit hat nicht nur den theoretischen Vorzug, mit der auf der pflichtenbegründenden Norm fußenden RechtsVernünftige, die Untersagung der rechtsschädlichen Handlung in ihrer Allgemeinheit, ist auch allein das Wirkliche“. 204 Darauf weist auch P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 89, hin. 205 Vgl. F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 7. Teil, IV. 3.a), S. 313 im Hinblick auf nur formell rechtswidrige Hoheitsakte; ferner I. Richter/G. F. Schuppert/Ch. Bumke, Casebook Verwaltungsrecht, S. 293. 206 Vgl. etwa H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rdnrn. 7 ff.; F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 7. Teil, IV. 3. a), S. 312 f.; H.-D. Sproll, in: S. Detterbeck/K. Windthorst/H.-D. Sproll, Staatshaftungsrecht, § 12 Rdnr. 38; ebenso H. H. Rupp, Folgenbeseitigungsanspruch, JA 1979, 506, 510, der damit seine zuvor (etwa in ders., Grundfragen, S. 229 f., Fußn. 405; ders., Der maßgebende Zeitpunkt, in: Rechtsschutz im Sozialrecht, S. 173, 182 f.) völlig zu Recht vertretene Kritik an der Zustandsunrechtslehre außer Acht lässt. 207 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26, Rdnr. 110; F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 6. Teil, III.1., S. 276; F. Schoch, Haftung, Jura 1990, 140, 141; H.-D. Sproll, in: S. Detterbeck/K. Windthorst/H.-D. Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rdnr. 54; vgl. nunmehr aber Ch. Külpmann, Enteignende Eingriffe, S. 243 ff., der enteignende Eingriffe nicht als Fälle des Zustands- sondern des Erfolgsunrechts versteht und der staatlichen Unrechtshaftung zurechnet. 208 § 4 B. II. 209 Deshalb lassen sich die genannten Fälle nicht nach der herkömmlichen Lehre von Handlungs- oder Erfolgsunrecht zuordnen; so aber für den Folgenbeseitigungsanspruch etwa H. P. Köckerbauer, Folgenbeseitigungsanspruch, JuS 1988, 782, 784.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

pflicht unmittelbar den Maßstab rechtlicher Beurteilung anstelle des Handelns als eines möglichen Gegenstands derselben in den Vordergrund zu stellen210. Sie weist darüber hinaus auf notwendige Differenzierungen hin, bei deren Beachtung sich einerseits die rechtstheoretisch zweifelhafte Annahme „rechtswidriger Zustände“ erübrigt, andererseits „gespaltene“ Rechtswidrigkeitsurteile vermieden werden können. Schlagwortartig lässt sich dies mit den Begriffen „Relativität der Rechtswidrigkeit“ und „Einheit der Pflichtwidrigkeit“ kennzeichnen. Mit dem Grundsatz der Relativität der Rechtswidrigkeit wird formuliert, dass diese ein Relationsbegriff ist211, der sich immer nur auf ein Pflichtsubjekt und eine dieses treffende Rechtspflicht beziehen kann. Auch die Frage, ob ein „Verhalten“ nun rechtmäßig ist oder nicht, kann stets nur in Relation zu diesen beiden Bezugspunkten gestellt und beantwortet werden. Es bedarf deshalb der doppelten Differenzierung nach Verpflichtetem und Pflicht.

A. Pflichtsubjekte des öffentlichen Rechts Gerade im öffentlichen Recht erweist sich die Unterscheidung nach dem Pflichtigen als besonders bedeutsam. Denn hier gibt es eine Mehrheit von Pflichtsubjekten, die jeweils ihrer Art nach unterschiedlichen Pflichtenstellungen unterworfen sind. Außer den Pflichten Privater existieren neben Amtswalterpflichten auch Staatspflichten, letztere lediglich als Kurzbezeichnungen für komplexe, teilweise ineinander verschränkte Bündel von Pflichten und Pflichtenrelationen212, die sorgfältig auseinander gehalten werden müssen. Im Kontext des Verfassungs- und Verwaltungsrechts ist es eine übliche und zutreffende Ausdrucksweise, von Pflichten des Staates, seiner Funktionen oder einzelner Institutionen zu sprechen. Das öffentliche Recht als Sonderrecht gerade des Staates enthält eben auch staatsadressierte Sonderpflichten. So binden (d.h. verpflichten) etwa nach Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte des Grundgesetzes Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung. Diese staatlichen Funktionen werden von den jeweils nach dem Grundgesetz vorgesehenen bzw. kraft einfach- bzw. untergesetzlicher Organisations- und Kompetenzordnung zuständigen Organen und Ämtern wahrgenommen. Soll aber der Normimpuls wirksam werden, bedarf es letztlich handlungsfähiger natürlicher Personen, die für die Umsetzung der Norminhalte in die Realität Sorge tragen213. Die den 210 Vgl. auch F. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, S. 182 mit dem Hinweis, dass „Rechtmäßigkeits- und Rechtwidrigkeitsurteile auf die vorhandene oder fehlende Übereinstimmung mit Rechtssätzen zurückgehen“. 211 Vgl. auch H. H. Rupp, Grundfragen, S. 273. 212 S. dazu auch die Studie von B. Steinacher, Staatspflichten und Grundgesetz, 1986.

§ 5 Die Relativität der Rechtswidrigkeit

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Staat treffenden Verpflichtungen müssen demzufolge über die Organe und Ämter an die einzelnen Organ- und Amtswalter weitergeleitet werden. I. Außenrecht und Innenrecht Für die begriffliche Erfassung dieses Weiterleitungseffekts kann zunächst auf die überkommene Gegenüberstellung von Außenrecht und Innenrecht zurückgegriffen werden214, eine Bezeichnung, die unterschiedliche Funktionen und Geltungsbereiche von Rechtssätzen215 zum Ausdruck bringen soll. Die Grundlage dieser Differenzierung liegt in der Vorstellung des Staates als juristischer Person begründet216. Eine auf die „Rechtspersönlichkeit“ abstellende Definition bestimmt denn auch das Außenrecht als die Summe der Rechtssätze, die das Verhältnis zwischen (natürlichen und/oder juristischen) Personen regelt, das Innenrecht hingegen als die Gesamtheit der Rechtssätze, die die Beziehungen zwischen den Organen und ihren Untergliederungen innerhalb juristischer Personen zum Gegenstand hat217. Sie besitzt (auf den ersten Blick) den Vorteil, die Differenzierung nach verschiedenen Hoheitsträgern, wie sie durch den föderalen Staatsaufbau nach dem Grundgesetz sowie durch die Vielzahl verselbstständigter Verwaltungseinheiten bedingt ist, aufzunehmen und deren Beziehung untereinander als außenrechtlich darzustellen. Allerdings lässt sie in Zweifelsfragen gerade offen, ob eine rechtliche Beziehung dem Innen- oder Außenrecht angehört218. Denn die Rechtsfähigkeit, die die Rechtspersönlichkeit konstituiert, ist nur im Hinblick auf bestimmte Rechtssätze gegeben219, so dass auch die „Selbstständigkeit“ von Verwaltungsträgern nicht weiter reicht, als die Rechtssätze, die sie begründen220. 213 Vgl. zum Folgenden v. a. F. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, S. 162 ff.; ferner H. H. Rupp, Grundfragen, S. 19 ff. 214 Vgl. etwa H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rdnr. 26; W. Krebs, Verwaltungsorganisation, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR III, § 69 Rdnrn. 26 ff. 215 H.-U. Erichsen, Der Innenrechtsstreit, in: Festschrift f. C.-F. Menger, S. 211, 214 f.; F. E. Schnapp, Theorie des Organisationsrechts, AöR 105 (1980), 243, 250. 216 Zur Kritik vgl. insbesondere E.-W. Böckenförde, Organ, Organisation, Juristische Person, in: Festschrift f. H. J. Wolff, S. 269, 287 ff.; es handelt sich dabei lediglich um eine von mehreren komplementären Sichtweisen zur Erfassung des Organisationsrechts, vgl. F.-E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, S. 93 ff.; ders., Dogmatik und Funktion des staatlichen Organisationsrechts, Rechtstheorie 9 (1978), 275, 281 ff. 217 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rdnr. 26. 218 Vgl. auch H.-J. Freund, Innenrecht und Außenrecht, S. 36. 219 Vgl. nur W. Krebs, Verwaltungsorganisation, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR III, § 69 Rdnr. 28 a. E.; ders., Grundfragen des verwaltungsrechtlichen Organstreits, Jura 1981, 569, 574; W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 516 ff. 220 Deshalb kann etwa die (für § 35 VwVfG bzw. § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO relevante) Außenwirkung fachaufsichtlicher Maßnahmen gegenüber Kommunen nicht alleine damit begründet werden, dass letztere eigenständige Rechtspersönlichkeiten seien. So aber wohl K. Lange, Innenrecht und Außenrecht, in: W. Hoffmann-Riem/E.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

Eine andere Trennlinie zwischen innen und außen ziehen diejenigen, die den Begriff „Innenrecht“ dem „organschaftlichen Funktionablauf zwischen Organwalter, Organen und Organismus“ vorbehalten und zum Außenrecht diejenigen Rechtsverhältnisse zählen, „durch welche das Verhältnis von Verwaltungsorganisation einerseits zu Subjekten, die nicht in der Wahrnehmung einer Organfunktion begriffen sind, andererseits bestimmt wird221. Damit wird die jeweilige Funktion der innerorganisatorischen Einheiten in den Mittelpunkt gestellt. Als Organe sind sie „Subjekte transitorischer Wahrnehmungszuständigkeiten“222 und nehmen Funktionen der Organisation, der sie angehören, im Verhältnis zu außerhalb dieser stehenden Dritten wahr. Im Verhältnis zu anderen innerorganisatorischen Einheiten dagegen können ihnen Eigenzuständigkeiten zukommen, die sie nicht als Organ, sondern als eigenes (Innen-)Rechtssubjekt wahrnehmen223. II. Pflichtsubjekte des Innen- und des Außenrechts Der Staat, der als Rechts- und Pflichtsubjekt nach außen als Einheit erscheint, entfaltet sich im Inneren in einer Vielzahl mit begrenzter (nämlich Innen-)Rechtsfähigkeit ausgestatteter Funktionseinheiten. Qua Organisationsrecht werden die den Staat nach außen treffenden Pflichten auf diese „verteilt“ und so prozedural abgewickelt. Doch werden damit Staatspflichten nicht gleichsam Schmidt-Aßmann/G. F. Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 307, 311 f.; vgl. auch F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 14 Rdnr. 42; ferner F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rdnr. 431 (mit Hinweis darauf, dass auch übertragene Angelegenheiten Aufgaben der Kommune seien); zur Gegenansicht H.-J. Freund, Innenrecht und Außenrecht, S. 45 ff.; J. Pietzcker, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/ R. Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rdnr. 56; P. und U. Stelkens, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 35 Rdnr. 105 jew. m. w. N. 221 So H. H. Rupp, Grundfragen, S. 34 f.; ihm folgend H.-U. Erichsen, Der Innenrechtsstreit, in: Festschrift f. C.-F. Menger, S. 211, 215; H.-J. Freund, Innenrecht und Außenrecht, S. 36 f.; W. Krebs, Grundfragen des verwaltungsrechtlichen Organstreits, Jura 1981, 569, 573; vgl. ferner J. Schwabe, Innenrecht und Außenrecht, JA 1975, 45 f.; F. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, S. 160, ders., Theorie des Organisationsrechts, AöR 105 (1980), 243, 251 unter Ausklammerung des Amtswalters. 222 H.-U. Erichsen, Der Innenrechtsstreit, in: Festschrift f. C.-F. Menger, S. 211, 215 im Anschluss an H.-J. Wolff/O. Bachof, Verwaltungsrecht II, § 74 I f, S. 48. 223 Vgl. etwa N. Achterberg, Verwaltungsorganisationsrecht, JA 1980, 701, 702; E.W. Böckenförde, Organ, Organisation, Juristische Person, in: Festschrift f. H. J. Wolff, S. 269, 277 f.; F. E. Schnapp, Dogmatik und Funktion des staatlichen Organisationsrechts, Rechtstheorie 9 (1978), 275, 284; umfassend W. Roth, Organstreitigkeiten, insbes. S. 646 ff. – Daraus ergibt sich, dass die (herkömmliche) Definition des Innenrechts insoweit missverständlich ist, als sie den Organbegriff verwendet, da die Innenrechtssubjekte als solche funktional gerade keine Organe sind, vgl. H.-U. Erichsen, Der Innenrechtsstreit, in: Festschrift f. C.-F. Menger, S. 211, 216 – Mangels anderer gebräuchlicher Oberbegriffe wird im folgenden dennoch an dieser Bezeichnung festgehalten, zur Kennzeichnung der Eigenzuständigkeit wird der Begriff jedoch in Anführungszeichen gesetzt.

§ 5 Die Relativität der Rechtswidrigkeit

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zu „Organ“-Pflichten umgemünzt oder transformiert224. Das Organisationsrecht lässt die Pflichtenstellung des Staates im Außenverhältnis unberührt; es schafft vielmehr neue Pflichtsubjekte mit je eigener Pflichtenstellung innerhalb des organisatorischen Zusammenhangs. Staats- und „Organ“-Pflichten unterscheiden sich deshalb zumindest in der „Person“ des Verpflichteten, im Pflichtsubjekt225. Doch auch der Inhalt der jeweiligen Pflichten ist nicht notwendiger Weise identisch. Zwar muss in der Summe der (internen) Wahrnehmungszuständigkeiten die gesamte Außenrechtsstellung des Staates abgebildet sein, damit das Außenrecht überhaupt ins Werk gesetzt werden kann. Doch wird man im Vergleich von Staatspflicht und „Organ“-Pflicht regelmäßig nur von einer Teilidentität ausgehen können, da der Staat arbeitsteilig organisiert ist und seinen Aufgaben gerade durch das Zusammenwirken der unterschiedlichen Organe nachkommt226. Pflichten einzelner Funktionseinheiten können deshalb grundsätzlich nur einen Ausschnitt der Außenpflicht des Staates, auf die sie jeweils bezogen sind, ausmachen, der durch vorgängige oder nachfolgende Pflichten anderer Organe komplettiert wird227. Doch auch Friktionen zwischen Außen- und Innenrecht sind insofern möglich, als einer Funktionseinheit, die nach außen für den Staat agiert, intern Grenzen ihrer Entscheidungszuständigkeit gesetzt sein können, die es ihr verwehren, der Staatspflicht zu genügen228. III. Amtspflichten und Staatspflichten Mit der Schaffung organisationsinterner Innenrechtssubjekte kann es für die Bewältigung der Staatsaufgaben nicht sein Bewenden haben, da alles Recht zu seiner Verwirklichung handlungsfähiger natürlicher Personen bedarf, um Wirkungen in der sozialen Realität zu zeitigen229. An der Schnittstelle zwischen 224 F. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, S. 173, Fußn. 65 gegen H. H. Rupp, Grundfragen, S. 54 ff. 225 Vgl. auch F. Schoch, Kommunalverfassungsstreit, JuS 1987, 783, 786: „Organ(teil)e im Binnenbereich eines Trägers öffentlicher Gewalt sind [. . .] Zurechnungsendsubjekte eines Rechtssatzes infolge einer Pflichtenadressierung“. 226 Vgl. auch H. H. Rupp, Grundfragen, S. 48 mit dem Hinweis darauf, dass der ganze Organismus in einen einzigen Kompetenzstreit zerfiele, würde jeder Organwalter die den Gesamtorganismus treffende Außenpflicht auf sich beziehen. 227 Insofern ist greift die modellhafte Darstellung bei F. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, S. 164, zu kurz, wenn ausgeführt wird: „Bei dieser Komplexität kann ,Staat‘ [. . .] nur jeweils auf das Organ oder Amt bezogen sein, das sich letztlich aufgrund der weiteren Kompetenz- und Ämterordnung [. . .] als zuständig ergibt“. 228 Etwa: Fehlen notwendiger Mitwirkung anderer Ämter, wie z. B. das gemeindliche Einvernehmen nach § 36 BauGB, soweit es nicht ersetzt werden kann; amtsadressierte verbindliche Weisungen zu außenrechtswidrigem Handeln; Bindung an rechtswidrige Normen; in den letztgenannten Fällen geht es in erster Linie darum, wessen Auffassung von Rechtmäßigkeit den Vorrang besitzt, vgl. zur Weisung F. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, S. 174; zur fehlerhaften Rechtsnorm M. Wehr, Inzidente Normverwerfung, S. 153 ff.; 180 ff.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

Innen- und Außenrecht agiert der Inhaber des jeweiligen Amtes. In seinem Handeln treffen (internes) „Organ“-Handeln und (qua Organ) externes Staatshandeln zusammen. Die ihn „persönlich“ treffende Verpflichtung zur Amtswahrnehmung230 leitet die dem Amt obliegenden Pflichten an den Amtswalter weiter. Er ist zugleich neben dem Staat als Außenrechtssubjekt und der innerorganisatorischen Einheit das dritte Pflichtsubjekt. Seine Pflichtenstellung ist somit von der des Amtes, das er wahrnimmt und der des Staates, für den er es wahrnimmt, unterschieden231. Das gilt auch, wenn man zwischen dem Beamten und dem Amts- oder Organwalter differenziert und diesen als „Funktionssubjekt“ als Teil der Organisation ansieht, während jener als in einer verwaltungsrechtlichen Sonderverbindung stehendes Außenrechtssubjekt der Organisation gegenübertritt232. Dies wird zwar mit der Überlegung bestritten233, ein Mensch lasse sich nicht „in einen personell-individuellen und einen technisch-mechanischen Teil zerlegen“234. Doch ist die Kontroverse wohl vor allem ein Ausdruck für die Tatsache, dass die bildhafte Ausdrucksweise von Innen und Außen die Komplexität der Rechtsbeziehungen nicht exakt wiederzugeben vermag235: Verweist die Unterscheidung zwischen Außen- und Innenrechtssubjekt auf unterschiedliche Funktionen der Organisation und ihrer internen Einheiten, lässt sich dies auch auf den Einzelnen übertragen, der in verschiedenen „Rollen“ tätig werden kann236, ohne dass er in eine Mehrheit von Rechtssubjekten aufgespalten werden müsste237.

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Vgl. auch H.-J. Wolff/O. Bachof, Verwaltungsrecht II, § 73 III a, S. 34. Vgl. F. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, S. 173 f. 231 Vgl. auch F. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, S. 161 Fußn. 11 mit dem Hinweis, dass die Identifikation von Staats- und Amtspflichten eine Wiederbelebung der Impermeabilitätstheorie wäre. 232 So H.-U. Erichsen, Der Innenrechtsstreit, in: Festschrift f. C.-F. Menger, S. 211, 217; ders., Die Umsetzung von Beamten, DVBl. 1982, 95, 97. 233 Ablehnend P. Krause, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, S. 250; W. Krebs, Verwaltungsorganisation, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. III, § 69 Rdnr. 28 Fußn. 97 mit der Erwägung, Art. 1 Abs. 1 GG könne einer derartigen Instrumentalisierung des Menschen entgegenstehen; differenzierend H.-J. Freund, Innenrecht und Außenrecht, S. 93 ff., insbes. S. 100 ff. 234 So die Formulierung von H. H. Rupp, Grundfragen, S. 25. 235 Vgl. auch W. Krebs, Verwaltungsorganisation, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. III, Rdnr. 28. 236 H.-J. Freund, Innenrecht und Außenrecht, S. 94. 237 Damit ist das der terminologischen Differenz zugrunde liegende sachliche Problem allerdings noch nicht gelöst, das in der Qualifizierung der Rechtsnatur von verbindlichen Weisungen liegt: Vgl. zur Unterscheidung von amts- und beamtenadressierten Weisungen insbes. H.-J. Freund, Innenrecht und Außenrecht, S. 95 ff.; ferner H.-U. Erichsen, Die Umsetzung von Beamten, DVBl. 1982, 95, 98. 230

§ 5 Die Relativität der Rechtswidrigkeit

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Die aus dem Amtshaftungsrecht geläufige Unterscheidung von Amtspflichten und Rechtspflichten238 ist deshalb grundsätzlich berechtigt239, wenn auch terminologisch verfehlt, da sie suggeriert, dass die Pflichten des Amtsinhabers keine Rechtspflichten seien. Dabei ist nicht die Qualität der jeweiligen Pflichten verschieden, sondern nur das jeweilige Pflichtsubjekt, das bezüglich der Amtspflichten den Amtswalter, im übrigen den Staat betrifft. Es ist also zwischen Amtspflichten und Staatspflichten, die allesamt Rechtspflichten sind, zu unterscheiden240. IV. Folgerungen für den Begriff der Rechtswidrigkeit 1. Unterscheidung von Pflichtsubjekten Betrachtet man die Aufgliederung nach Pflichtsubjekten unter dem Aspekt der Rechtswidrigkeit, so wird deutlich, dass ein Rechtswidrigkeitsbegriff, der allein auf „menschliches Verhalten“ abstellt, sehr schnell an seine Grenzen stößt. Wenn es richtig ist, dass einerseits jeder Verstoß gegen Rechtspflichten rechtswidrig ist, andererseits ein Verhalten, das keiner Rechtspflicht zuwider läuft, als rechtmäßig betrachtet werden muss, so zeigt sich, dass ein verhaltensbezogener Begriff der Rechtswidrigkeit allenfalls trägt, solange ein und dasselbe Pflichtsubjekt in Rede steht. Treffen aber im Verhalten einer natürlichen Person mehrere Verpflichtete mit inhaltlich unterschiedlichen Pflichtenstellungen zusammen, wie bei amtlichem Handeln von Amtsträgern, so kann die 238

Vgl. oben § 4 C. I. 2. bei Fußn. 163. Aus ihr ergeben sich aber zugleich die inneren Widersprüche des geltenden Amtshaftungsrechts, das mit dem Begriff der „einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht“ (§ 839 Abs. 1 S. 1 BGB) einander im Grunde ausschließende Rechtsbegriffe verwendet (vgl. dazu grundlegend H. H. Rupp, Grundfragen, S. 35 ff., ferner etwa P. Dagtoglou, in: R. Dolzer/K. Vogel/K. Graßhof, BK [Zweitbearb.], Art. 34 Rdnrn. 109 f.), die sich historisch durch die längst überwundene Lehre von der Unrechtsunfähigkeit des Staates erklären lassen (vgl. J. Kohl, Die Lehre von der Unrechtsunfähigkeit des Staates, insbes. S. 93 ff.). Jenseits der terminologischen Frage ist aber zu erwägen, ob und inwieweit Art. 34 GG/§ 839 BGB einer interpretatorischen Gleichsetzung von Amts- und Staatspflichten zugänglich sind (vgl. die Nachweise oben § 4 C. I. 2. , Fußn. 171 sowie W.-R. Schenke, Haftung des Staates, DVBl. 1975, 121, 125, Fußn. 45); dann aber bildet das Amtshaftungsrecht die innere Staatsorganisation nicht mehr ab. Vor allem aber ist in diesem Fall die Restriktion des Anspruchsinhalts auf dasjenige, „was der Beamte selbst zu leisten vermag“ (BGH GS, Beschl. v. 19.12.1960 – GSZ 1/60 – BGHZ 34, 99, 105; vgl. auch F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 2. Teil, II, S. 11) nicht mehr begründbar. Nach H. H. Rupp, Grundfragen, S. 299 ff. gilt dies aber auch für die herkömmliche Konstruktion der Schuldübernahme: Sei der Beamte persönlich nicht zur Naturalrestitution befähigt, so müsse dies genauso für die Erfüllung der verletzten Pflicht gelten, die eben aus diesem Grunde nicht existieren könne. 240 Vgl. auch W. Rüfner, Schadensersatz- und Entschädigungsleistungen, in: H. U. Erichsen/D. Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 47 RN 16. 239

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit nur in Bezug auf das jeweilige Pflichtsubjekt und dessen Rechtspflicht sinnvoll gestellt und beantwortet werden. Darin liegt die Tatsache begründet, dass zwischen der rechtlichen Bewertung eines (staatlichen) Hoheitsakts und der rechtlichen Bewertung des Verhaltens eines Amtsträgers bei der Vornahme eben dieses Aktes zu differenzieren ist241. Das aber gilt nicht nur für das Verhältnis von Innenrecht und Außenrecht242, sondern geradezu zwangsläufig auch insoweit, als mehrere Verpflichtete uno actu innerhalb desselben Rechtskreises agieren243. Eben dies ist aber in Fällen hoheitlichen Handelns von Amtsträgern, das sowohl dem Staat als auch der Person des Beamten zugerechnet wird, immer der Fall. Der jeweilige Amtswalter ist nicht nur innenrechtlich gebunden, er besitzt auch im Außenverhältnis grundsätzlich dieselbe Rechtsstellung, die sonst jedem Privaten zukommt. Sie ist durch die amtliche Stellung in gewisser Weise modifiziert244, bleibt aber im übrigen unberührt. Deshalb ist es erforderlich, bei der Bewertung einer Maßnahme zwischen dem Beamten und dem Staat zu unterscheiden245. Damit erweist sich aber die scheinbar „gespaltene“ Rechtswidrigkeit in den Fällen strafrechtlicher Rechtfertigung hoheitlichen Handelns246 lediglich als vergröbernde Darstellung, die auf einem unrichtigen Bezugspunkt des Rechtswidrigkeitsurteils beruht. Sie ist nur eine andere Bezeichnung dafür, dass eine Pflichtverletzung des Staates nicht notwendigerweise auch ein Verstoß eines Amtsträgers gegen durch Kriminalstrafe bewehrte247 Verbote sein muss248, da Staats- und Bürgerpflichten nicht kongruent sind249. 241 Vgl. R. Poscher, Gefahrenabwehr, S. 100, der daraus allerdings die Unterscheidbarkeit von Rechtswidrigkeit und Pflichtwidrigkeit folgert. 242 So erklärt sich aus der Unterschiedlichkeit der Pflichtsubjekte, dass es für die Rechtmäßigkeit staatlicher Akte nur auf das sog. Außenrecht ankommen kann (vgl. für Verwaltungsakte etwa U. Knoke, Rechtsfragen, S. 44 f.). Denn das Innenrecht ist nicht an den Staat als solchen adressiert und vermag ihn deshalb nicht zu verpflichten; vgl. auch F. E. Schnapp, Rücknahme, SGb 1993, 1, 4. 243 Anders offenbar J. Schwabe, Notrechtsvorbehalte, S. 45 f., der zwar unterschiedliche Rechte- und Pflichtenrelationen anerkennt, soweit es um dass Innenrechtsverhältnis des Beamten zum Dienstherrn einerseits, des Staates zum Bürger andererseits geht, aber im Außenverhältnis nicht mehr zwischen dem Staat und dem für ihn handelnden Beamten unterscheidet. 244 Beispielsweise durch diejenigen Verbote, die den echten (zur Unterscheidung vgl. P. Cramer, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 331 ff., Rdnrn. 7 f.) Amtsdelikten zugrundeliegen; zur strafrechtlichen Rechtfertigung bei Inanspruchnahme staatlicher Befugnisse vgl. oben § 4 C. I. 1., Fußn. 142. 245 So auch H.-U. Erichsen, Grundgesetz und Gewalt, Jura 1979, 449, 454; F. Sydow, § 34 – kein neues Ermächtigungsgesetz, JuS 1978, 222, 224. 246 Vgl. oben § 4 C. I. 1. 247 Es ließe sich allenfalls daran denken, dass der Amtsträger gegen eine Amtspflicht zur Wahrung der staatlichen Eingriffsbefugnisse verstößt, sofern der strafrechtliche Rechtfertigungsgrund nicht auch die Amtspflichtverletzung beseitigt (vgl. J.

§ 5 Die Relativität der Rechtswidrigkeit

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2. Unterscheidung nach Pflichten Der soeben beschriebene Umstand, dass von Rechtswidrigkeit immer nur im Hinblick auf ein Rechtssubjekt und seine jeweilige Pflichtenstellung gesprochen werden kann, zwingt nicht nur zur Unterscheidung nach dem jeweils Verpflichteten, sondern im Hinblick auf ein bestimmtes Pflichtsubjekt auch zur Unterscheidung nach einzelnen Pflichten und Pflichtenrelationen. Die Tatsache, dass ein und dasselbe Verhalten etwa verwaltungsrechtlich rechtmäßig, zivilrechtlich aber rechtswidrig sein kann250, wie bei der Inanspruchnahme einer Baugenehmigung251, drückt nur aus, dass die rechtlichen Anforderungen im Staat-BürgerVerhältnis andere sein können, als diejenigen, die zwischen Privaten untereinander bestehen252. Unter diesem Blickwinkel ist es keineswegs grotesk, wie F. Ossenbühl253 meint, die durch den Schuss eines Polizeibeamten verursachte Tötung eines Straftäters als rechtmäßig, die durch den selben Akt herbeigeführte Verletzung eines unbeteiligten Passanten als rechtswidrig zu betrachten. Auch hier wird deutlich, dass ein und dasselbe Verhalten von der Rechtsordnung unter unterschiedlichen Blickwinkeln und Zwecksetzungen erfasst werden und durch eine Mehrzahl von Verhaltensanforderungen gesteuert werden kann, so dass die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit stets nur in Relation zu diesen bestimmt zu werden vermag.

Schwabe, Notrechtsvorbehalte, S. 44 f.); dies wäre aber nur disziplinarrechtlich zu ahnden, wenn nicht der strafrechtliche Rechtfertigungsgrund sich auch auf die Verletzung der Dienstpflicht erstreckt. 248 Es handelt sich lediglich um eine Umkehrung des Satzes, dass „eine Handlung dem A gegenüber rechtmäßig und dem B gegenüber rechtswidrig sein kann“ (J. Schwabe, Notrechtsvorbehalte, S. 45), mit dem Unterschied, dass die Personenmehrheit (unter Einschluss der juristischen Person „Staat“) nunmehr auf der Aktivseite steht. Dazu, dass die Bezugnahme auf die Handlung missverständlich ist, s. sogleich. 249 Vgl. auch C. D. Classen, Ableitung von Schutzpflichten, JöR n. F. 36 (1987), 29, 36. 250 K. A. Bettermann, Über die Rechtswidrigkeit von Staatsakten, in: Festschrift f. H. Huber, S. 25, 27. 251 Vgl. etwa J. Schwabe, Notrechtsvorbehalte, S. 43 f. 252 Anders J. Schwabe, Notrechtsvorbehalte, S. 43 f., der dies nur unter dem Aspekt unterschiedlicher Rechtsfolgen betrachtet. Wenn aber das Verwaltungsrecht Verhaltenspflichten des einzelnen normiert, die in concreto erfüllt werden, so ist nicht ersichtlich, warum das verwaltungsrechtliche „Erlaubtsein“ kein Rechtmäßigkeitsurteil des Verwaltungsrechts darstellen soll. Freilich kann etwa die „Baurechtmäßigkeit“ sinnvoller Weise immer nur ein Urteil über Sachverhalte sein, die vom Baurecht auch tatbestandlich erfasst sind, für die es also Regelungen bereithält und deshalb auch Rechtsmaßstab ist. So ist denn, um das Beispiel von J. Schwabe (a. a. O., S. 44) aufzugreifen, ein Ehebruch nicht baurechtmäßig, sondern baurechtlich irrelevant. 253 Staatshaftungsrecht, 9. Teil, I. 3.b), S. 367; s. auch F. Schack, Gefährdungshaftung, DÖV 1961, 728, 730.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

B. Der Staat als Pflichtsubjekt I. Vorbemerkung: Pflichtwidrigkeit und Verhaltensunrecht Die Verfassung konstituiert den Staat als Pflichtsubjekt254. Das Grundgesetz enthält vielfältige Pflichtengehalte unterschiedlicher Konkretisierungsgrade und – der föderalen und gewaltenteilenden Organisationsstruktur entsprechend – verschiedener Adressatenrichtung. Dies ist in der verfassungsdogmatischen und verfassungstheoretischen Untersuchung von B. Steinacher255 aufgezeigt worden und muss hier nicht im einzelnen nachvollzogen werden. Im hiesigen Kontext interessieren Staatspflichten vielmehr im Hinblick auf den Begriff der Rechtswidrigkeit, insbesondere in den oben genannten256 Fällen staatlichen Unrechts, die nach wohl allgemeiner Auffassung nicht mit dem Merkmal der Pflichtwidrigkeit erklärt werden können, da ihnen kein rechtswidriges Verhalten zugrunde liegt. Dies beruht jeweils auf der Prämisse, dass Inhalt einer Pflicht nur menschliches Verhalten sein kann. Pflichtwidrigkeit und Verhaltensunrecht (sei es als Handlungs- oder Erfolgsunrecht) werden dabei gleich gesetzt257. Hier offenbart sich allerdings eine Diskrepanz zwischen allgemeiner rechtstheoretischer und auf eine konkrete Rechtsordnung bezogener rechtsdogmatischer Betrachtungsweise. Im rechtstheoretischen Sinn verpflichtbar ist nur, wer durch die Anordnungen der Rechtsordnung motivierbar ist, also fähig, einen Willen zu bilden und ihm entsprechend zu handeln258. Diese reale Willens- und Handlungsfähigkeit kann nur Menschen zukommen259, nicht aber einer juristischen Person260. Dabei kann man indes nicht stehen bleiben, wenn man aus rechtsdogmatischer Sicht anerkennt261, dass neben natürlichen Personen auch Organisationen, insbesondere der Staat (und „innerhalb“ desselben sogar einzelne Funktionseinheiten) Zurechnungsendsubjekte pflichtenbegründender Normen sein können.

254 Vgl. auch J. Isensee, Freiheit ohne Pflichten, S. 31: „Der Verfassunggeber nimmt nur ein einziges Rechtssubjekt unmittelbar in die Pflicht: die Staatsgewalt“; ders., Vorbehalt der Verfassung, in: Festschrift f. W. Leisner, S. 359, 387. 255 B. Steinacher, Staatspflichten und Grundgesetz, S. 21 ff. 256 Vgl. oben § 4 C. II. 257 Etwa bei P. Olivet, Rechtswidrigkeitsbegriff, S. 19 f. 258 H. H. Rupp, Der maßgebende Zeitpunkt, in: Rechtsschutz im Sozialrecht, S. 173, 181: Recht „als gemeinschaftsbedingtes ideelles Steuerungsphänomen menschlicher Motivationen“. 259 Dabei gibt es Menschen, die nicht über diese Fähigkeit verfügen; dieser Tatsache verdankt das sogenannte Adressatenproblem seine Existenz, vgl. dazu oben § 3 B. II. Fußn. 42, m. w. N. 260 Vgl. H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd. 1, S. 152. 261 Vgl. auch H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd.2, S. 253 f., der die „rechtstechnische“ Verpflichtung der juristischen Person und ihrer Organe ihrer rechtselementaren Pflichtunfähigkeit gegenüberstellt.

§ 5 Die Relativität der Rechtswidrigkeit

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Zwar ist die Verwirklichung der Pflichtengehalte, auch soweit sie den Staat in seinem Verhältnis zu anderen Rechtssubjekten binden, letztlich auf menschliches Verhalten angewiesen. Deshalb bedarf es eines rechtlichen „Subsystems“262, welches die Organisation durch Organe strukturiert, diesen Aufgaben und Befugnisse zuweist und ferner die Verbindung herstellt zu denjenigen natürlichen Personen, die als Organwalter in Erfüllung ihrer eigenen Amtspflicht zugleich für die Erledigung der staatlichen Obliegenheiten Sorge zu tragen haben. Das freilich mag zunächst den Anschein erwecken, als sei es letztlich doch menschliches Verhalten, das dem Staat aufgetragen ist, da anderenfalls eine organisationsrechtliche Weiterleitung seiner Pflichtenstellung auf einzelne Amtswalter nicht möglich wäre. Anders formuliert: Eine Pflicht, der nicht durch ein bestimmtes menschliches Verhalten Genüge getan werden kann, liefe ins Leere, da auch eine Weiterleitung an eine natürliche Person zu ihrer Erfüllbarkeit nichts beitrüge. Doch ist dies eine eindimensionale Sichtweise. Sie setzte eine Rechtsordnung voraus, die alleine auf die Befolgung der Pflichtnormen angewiesen ist, um Wirksamkeit zu erlangen. Doch kapituliert das Recht nicht vor der Pflichtverletzung. Es bildet vielmehr, um die rechtstheoretische Begrifflichkeit aufzugreifen263, neben den primären Pflichtnormen ein System sekundärer Sanktionsnormen, das die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung zum Gegenstand hat. Hierdurch können neue Pflichten erzeugt werden, die, soweit sie die öffentliche Gewalt treffen, erneut durch organisationsrechtliche Regelungen über die staatlichen Organe an den einzelnen Amtswalter weitergeleitet werden müssen, um Verwirklichung zu finden. Der Begriff der Pflichtwidrigkeit gewinnt auf diese Weise systematische Bedeutung. In ihm drückt sich nicht nur die „Bewertungsfunktion“ des Rechts im Hinblick auf das „Verhalten“ eines Rechtssubjekts aus. Er füllt zugleich (als Rechtswidrigkeit) den Tatbestand jener Normen aus, die die „Sanktionierung“ von Pflichtverletzungen regeln. Von dieser Warte aus betrachtet, besteht jedenfalls aus rechtsdogmatischer Sicht keine Notwendigkeit, an den Staat als juristische Person adressierte primärrechtliche Pflichteninhalte zum Verhalten natürlicher Personen in unmittelbare Beziehung zu setzen und eine als Pflichtwidrigkeit gedeutete Rechtswidrigkeit zu leugnen, wenn menschliches Fehlverhalten offensichtlich ausscheidet. Die der Struktur der staatlichen Ordnung folgende Mehrheit von Pflichtsubjekten mit je eigenen Pflichtenkreisen erfordert somit schon von sich aus die Abkehr von einem auf menschliches Verhalten bezogenen Rechtswidrigkeitsbegriff264. Wenn, wie oben265 angesprochen, die für den Staat handelnden Akteure 262 263 264 265

F. E. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, S. 163. Vgl. oben § 3. B. III. Vgl. schon oben § 5 A. IV. § 5 A.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

nur in ihrer Gesamtheit die staatliche Außenrechtsstellung repräsentieren, wenn ferner ihre Pflichtenstellung nicht nur rechtskonstruktiv, sondern auch inhaltlich von der des Staates (im Außenverhältnis) zu unterscheiden ist, so besteht (nicht nur theoretisch, wie die im Folgenden zu behandelnden Problemkreise aufweisen) die Möglichkeit staatlichen Unrechts ohne Pflichtverletzung auch nur eines Amtswalters266; – jedenfalls kommt es auf diese nicht an, vielmehr ist entscheidend, welche Rechtspflichten gerade den Staat treffen. II. Grundrechtsnormen als Grundlage staatlicher Pflichten Ein besonders bedeutsames, wenn nicht das wichtigste Beispiel überhaupt267 für die grundgesetzliche268 Begründung staatlicher Pflichten insgesamt, aber gleichermaßen für ihre gewaltenspezifische Ausprägung und inhaltliche Differenzierung bieten die Grundrechte gewährenden Normen. Der verpflichtende Charakter der Grundrechtsnormen wird in Art. 1 Abs. 3 GG für alle drei Gewalten und damit für jedwede Ausübung von Staatsgewalt269 festgeschrieben. Das darin liegende Potential staatlicher Pflichten erschließt sich jedoch erst in Verbindung mit den inhaltlichen Aussagen der einzelnen Grundrechtsvorschriften270 und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Grundrechtsgehalte271. Bei aller Vielgestaltigkeit grundrechtlicher Dimensionen subjektiv- wie objektiv-rechtlicher Art bildet die aus ihnen resultierende staatliche Verpflichtung – wenn auch in unterschiedlichen Konkretisierungsgraden – den gemeinsamen Nenner. Dies gilt nicht nur für die im Folgenden näher zu betrachtenden Funktionen der Grundrechte als Abwehrrechte sowie als Quelle grundrechtlicher 266 Zurückhaltender H. H. Rupp, Grundfragen, S. 154, mit der Prämisse, „dass es sich bei diesem Unrecht [d.h. des Staates, M. W.] nicht [. . .] allein um Pflichtverstöße der Organwalter [. . .] handle (Hervorhebung nicht im Original). 267 Das ergibt sich nicht nur aus der Bedeutung der Grundrechte, sondern auch daraus, dass die Grundrechtsnormen im Regelungskontext des Grundgesetzes den weitaus größten Teil derjenigen Bestimmungen ausmachen, die die gesamte Staatsgewalt verpflichten; daneben finden sich eine Reihe verpflichtender Regelungen, die nur an einzelne Staatsfunktionen, Staatsorgane, an den Bund oder die Länder etc. gerichtet sind. Vgl. dazu M. Sachs, Normtypen im deutschen Verfassungsrecht, ZG 6 (1991), 1 ff., insbes. S. 14. 268 Daneben besteht mit zunehmender Bedeutung die europarechtlich begründete Pflichtigkeit des Staates. 269 Zur formellen – nicht funktionellen – Interpretation des Art. 1 Abs. 3 GG vgl. H. Dreier, in: ders., GG Bd. I, Art. 1 III, Rdnr. 36; W. Höfling, Die Grundrechtsbindung der Staatsgewalt, JA 1995, 431, 432, 434 f.; F. E. Schnapp, Die Grundrechtsbindung der Staatsgewalt, JuS 1989, 1, 2; zur Ausübung von Hoheitsgewalt durch nichtstaatliche Korporationen F. E. Schnapp/M. Kaltenborn, Grundrechtsbindung nichtstaatlicher Institutionen, JuS 2000, 937 ff. 270 M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 65 I 3. d), S. 488. 271 Ausführlich hierzu M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, §§ 65 ff., S. 477 ff.; Überblick etwa bei H. Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rdnrn. 43 ff.

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Schutzpflichten272. Auch die weiteren subjektiven (etwa Grundrechte als originäre273 oder derivative274 Leistungsrechte des Bürgers) und objektiven275 Grundrechtsgehalte bergen entsprechende staatliche Verpflichtungen276. 1. Grundrechtliche Unterlassungspflichten des Staates „Grundrechte sind in erster Linie dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern; sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat“277. In Anlehnung an Georg Jellinek278 ist damit der status negativus als Inbegriff der rechtlichen Freiheiten eines Individuums im Verhältnis zum Staat bezeichnet279, der Bereich in dem er „in Ruhe gelassen werden muss“280 und gegen dessen (drohende) Verletzung Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche geltend gemacht werden können281. Die staatliche Position, die dem grundrechtlichen Freiheitsrecht des Bürgers korreliert, wird gemeinhin und schlagwortartig mit dem Begriff der Unterlassungspflicht gekennzeichnet282: Der Staat ist in allen seinen Funktionen und 272 Vgl. auch J. Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 33, mit dem Hinweis darauf, dass es sich bei der positiven Schutzpflicht und der (abwehrrechtlichen) Achtungspflicht des Staates „um zwei Pflichtenaspekte derselben Grundrechte“ handelt. 273 Hierzu vgl. nur H. Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rdnrn. 50 f. 274 Zu den Gleichbehandlungsrechten H. Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rdnrn. 52 ff. 275 Dazu etwa H. D. Jarass, Grundrechte als Wertentscheidungen, AöR 110 (1985), 363; zum Verhältnis subjektiver und objektiver Grundrechtsgehalte R. Alexy, Grundrechte als subjektive Rechte, Der Staat 29 (1990), 49 ff., insbes. 60 ff. (Vermutung zugunsten der subjektiven Dimension); speziell zu den Einrichtungsgarantien insoweit H. de Wall, Einrichtungsgarantien des Grundgesetzes, Der Staat 38 (1999), 377 ff.; vgl. zur Kritik insbes. E.-W. Böckenförde, Grundrechte als Grundsatznormen, in: ders., Staat, Verfassung, Demokratie, S. 159, 191 ff. 276 Vgl. die Zusammenfassung bei B. Steinacher, Staatspflichten und Grundgesetz, S. 266 ff. 277 BVerfG, Urt. v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/51 – BVerfGE 7, 198, 204. 278 System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 81 ff., 87. 279 Vgl. R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 233 ff.; F. Schoch, Folgenbeseitigung und Wiedergutmachung, VerwArch 79 (1988), 1, 34; zur Terminologie vgl. M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 65 IV 2. c), S. 563 ff.; den subjektiv-rechtlichen Charakter dieses status ablehnend v. a. H. H. Rupp, Grundfragen, S. 146 ff.; ihm folgend etwa H.-W. Laubinger, Unterlassungsanspruch, VerwArch 80 (1989), 261, 290 f. 280 Ch. Starck, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, GG Bd. 1, Art. 1 Abs. 3, Rdnr. 148. 281 Zur notwendigen Unterscheidung von status und dem aus seiner (drohenden) Verletzung folgenden Anspruch vgl. R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 236, H. H. Rupp, Grundfragen, S. 160; M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 66 III 1, S. 671 ff.; A. Scherzberg, Grundlagen und Typologie des subjektiv-öffentlichen Rechts, DVBl. 1988, 129, 133.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

Erscheinungsformen verpflichtet, ungerechtfertigte Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche zu unterlassen283. Diese Pflicht wirkt nicht absolut. Die Verfassungsordnung formuliert diejenigen Bedingungen, die zur Rechtfertigung staatlich verursachter Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Lebensbereiche erfüllt sein müssen, unter kompetenziellen, formellen und materiellen Aspekten. So ist primär der demokratische Gesetzgeber zuständig, den Umfang staatlicher Eingriffswirkungen zu bestimmen. Insofern aktivieren die Abwehrrechte den Vorbehalt des Gesetzes284 bzw. die speziellen grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte285. In formeller Hinsicht unterliegt das parlamentarische Gesetz, durch das bzw. aufgrund dessen der Eingriff bewirkt wird, dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Rechtserzeugung286, der ein in den verfassungsrechtlich vorgesehenen Verfahren zustande gekommenes Gesetz erfordert. Inhaltlich bindet das Grundgesetz wiederum primär die Gesetzgebungsorgane an die besonderen Zweck-Mittel-Relationen einzelner Grundrechte, die in den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausmünden287. Für Eingriffe der vollziehenden Gewalt „verdoppeln“ sich die Rechtmäßigkeitsanforderungen durch die Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG): Einfachgesetzliche Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften verpflichten sie ebenso wie die inhaltlichen Voraussetzungen, mit denen der Gesetzgeber die zulässigen Wirkungen exekutiver Akte determiniert und limitiert. 2. Grundrechtliche Schutzpflichten Ein zweiter Aspekt staatlicher Grundrechtsbindung trägt den Pflichtenaspekt bereits im Titel: In der Bezeichnung als grundrechtliche Schutzpflichten spiegelt sich noch die Tatsache, dass sie im Ursprung zumeist288 aus den objektiv282 J. Isensee, Vorbehalt der Verfassung, in: J. Isensee/H. Lecheler, Festschrift f. W. Leisner, S. 359, 373; D. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 88; F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 7. Teil, II. 4., S. 298; J. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 13 ff.; F. Schoch, Folgenbeseitigung und Wiedergutmachung, VerwArch 79 (1988), 1, 36; vgl. auch B. Steinacher, Staatspflichten und Grundgesetz, S. 266; die Terminologie ist nicht einheitlich, vgl. etwa H.-U. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 126 f. (Beeinträchtigungsverbot); H. H. Rupp, Grundfragen, S. 162 (Enthaltungspflicht). 283 H. Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Vorb. Rdnr. 45. 284 J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 111 Rdnr. 70, allerdings beschränkt auf den finalen Eingriff. 285 Zu deren Verhältnis zueinander vgl. etwa M. Sachs, Gesetzesvorbehalte, JuS 1995, 693; K.-P. Sommermann, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, GG Bd. 2, Art. 20 Abs. 3 Rdnrn. 266 ff.; M. Wehr, Grundfälle, JuS 1997, 419, 420. 286 Vgl. J. Isensee, Vorbehalt der Verfassung, in: J. Isensee/H. Lecheler, Festschrift f. W. Leisner, S. 359, 368 ff. 287 Vgl. auch B. Schlink, Freiheit durch Eingriffsabwehr, EuGRZ 1984, 457, 459 ff. 288 Anders aber (Ableitung aus den Abwehrrecht) D. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 61 ff., 89 ff.; B. Schlink, Freiheit durch Eingriffsabwehr, EuGRZ 1984,

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rechtlichen Grundrechtsgehalten abgeleitet werden289, wenngleich mittlerweile ihr auch subjektiv-rechtlicher Gehalt nunmehr aber anerkannt ist290. Gewähren Grundrechte als Abwehrrechte im Rahmen der skizzierten Bedingungen gemäß der liberalen Grundrechtstheorie die Freiheit des Einzelnen vom Staat, ist die öffentliche Gewalt zudem verpflichtet, die Freiheit des Einzelnen vor Übergriffen Privater291 zu bewahren und die Unversehrtheit derjenigen Lebensbereiche und Rechtsgüter, die im Verhältnis zum Staat durch Grundrechte geschützt und durch negatorische Ansprüche bewehrt sind, auch im Verhältnis der Bürger untereinander zu gewährleisten. Nicht die Pflicht zum Unterlassen ungerechtfertigter Eingriffe ist Inhalt der Schutzpflicht, sondern gegenläufig „die Pflicht der staatlichen Organe, sich schützend und fördernd vor die (. . .) Rechtsgüter zu stellen und sie insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen von seiten anderer zu bewahren“292. 3. Ergebnisorientierung grundrechtlicher Pflichtenstellung Die aus den Grundrechten folgende Pflichtenstellung des Staates ist ganz auf die Wahrung der Integrität der grundrechtlichen Schutzgüter bezogen293. Das zeigt sich bei den grundrechtlichen Schutzpflichten, vor allem aber bei den 457, 464; J. Schwabe, Drittwirkung, S. 62 ff.; ders., Grundrechtsdogmatik, S. 211 ff.; vgl. auch J. Pietzcker, Drittwirkung, in: Festschrift f. G. Dürig, S. 345 ff.; zur „abwehrrechtlichen“ Ableitung einer staatlichen Pflicht, Eingriffe in grundrechtlich geschützte Güter zu verbieten, s. unten § 10 C. II. 3. 289 BVerfG, Urt. v. 25.2.1975 – 1 BvF 1.74 u. a.– BVerfGE 39, 1, 41, 43; Beschl. v. 8.8.1978 – 2 BvL 8/77 – BVerfGE 49, 89, 140; vgl. auch die Würdigung der (älteren) Judikatur durch K. Stern, Staatsrecht III/1, § 69 VI 3. b) b), S. 984 ff.; Überblick über die Anknüpfungspunkte grundrechtlicher Schutzpflichten z. B. bei M. Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 154–164; P. Unruh, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 26–50. 290 BVerfG, Beschl. v. 29.10.1987 – 2 BvR 624/83 u. a. – BVerfGE 77, 170, 214; Beschl. v. 30.11.1988 – 1 BvR 1301/84 – BVerfGE 79, 174, 201; R. Alexy, Grundrechte als subjektive Rechte, Der Staat 29 (1990), 49, 60 ff.; H.-U. Erichsen, Grundrechtliche Schutzpflichten, Jura 1997, 85, 89; J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR V, § 111 Rdnrn. 183 ff.; H. D. Jarass, Grundrechte als Wertentscheidungen, AöR 110 (1985), 363, 380; zur prozessualen Durchsetzung M. Möstl, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung, DÖV 1998, 1029 ff. 291 Zur Frage, ob auch der Schutz vor natürlichen Gefahren Gegenstand der Schutzpflicht ist vgl. bejahend J. Dietlein, Schutzpflichten, S. 102 ff.; G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 124; M. Sachs, in: K: Stern, Staatsrecht III/1, § 67 V 2. a) b), S. 735; verneinend J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR V, § 111 Rdnr. 112, u. a. mit dem Argument, die Kategorie der Rechtswidrigkeit sei auf Naturereignisse nicht anwendbar. 292 So zu Art. 2 Abs. 2 GG BVerfG, Beschl. v. 20. 12.1979 – 1 BvR 385/77 – BVerfGE 53, 50, 57. 293 So im Hinblick auf die grundrechtlichen Abwehrrechte M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 78 III 1. c) bb), S. 152; allgemein auch M. Winkler, Kollisionen, S. 44 f.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

Pflichtengehalten der Abwehrrechte. Diese Zielorientierung folgt bereits aus dem textlichen Befund; nur sie entspricht letztlich auch dem Gewicht und der Bedeutung der Grundrechte. Hingegen ist eine an der zivilrechtlichen Lehre vom Handlungsunrecht orientierte Betrachtungsweise294 wie erwähnt295 verfehlt und mit der Grundrechtsbindung der Staatsgewalt (Art. 1 Abs. 3 GG) nicht vereinbar296. a) Grundrechtliche Schutzpflichten Aus grundrechtlichen Schutzpflichten folgen, wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung vertritt297, regelmäßig nicht bestimmte Handlungsvorgaben; sie eröffnen vielmehr den staatlichen Organen einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum bei Beantwortung der Frage, wie der Schutzpflicht Genüge getan werden soll298. Die Grundrechte verpflichten den Staat insoweit auf einen bestimmten Erfolg299, nämlich einen angemessenen und als solchen wirksamen Schutz. Der Umfang der Pflicht wird dabei mit dem Begriff des Untermaßverbotes300 gekennzeichnet, das – in Parallele zum Übermaßverbot301 konzipiert – die Effektivität von Schutzmaßnahmen und 294

Dazu P. Olivet, Erfolgsunrechtlehre, S. 22; F. Schack, Gefährdungshaftung, DÖV 1961, 728, 730. 295 Soeben B. I. 296 A. v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 96 f. 297 BVerfG, Beschl. v. 14.1. 1981 – 1 BvR 612/72 – BVerfGE 56, 54, 80 f.; Beschl. v. 29.10.1987 – 2 BvR 624/83 u. a.– BVerfGE 77, 170, 214 f.; Beschl. v. 30.11.1988 – 1 BvR 1301/84 – BVerfGE 79, 174, 202; Urt. v. 28.1.1992 – 1 BvR 1025/82 u. a. – BVerfGE 85, 191, 212; Urt. v. 10.1.1995 – 1 BvF 1/90 – BVerfGE 92, 26, 46; Beschl. v. 9.2.1998 – 1 BvR 2234/97 – BayVBl. 1998, 274; Beschl. v. 2.12.1999 – 1 BvR 1580/91 – DVBl. 2000, 479; Beschl. v. 26.3.2001 – 2 BvR 943/99 – DVBl. 2001, 984 f.; Beschl. v. 28.2.2002 – 1 BvR 1676/01 – DÖV 2002, 521. 298 Vgl. auch J. Dietlein, Schutzpflichten, S. 180 f.; G. Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 261; J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR V, § 111 Rdnr. 152. 299 Allgemein Ch. Brüning, Grundrechtlicher Schutzanspruch, JuS 2000, 955, 957; D. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 105; A. Pietrzak, Die Schutzpflicht im verfassungsrechtlichen Kontext, JuS 1994, 748, 752; in Bezug auf Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG G. Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 261. 300 Vgl. BVerfG, Urt. v. 28.5.1993 – 2 BvF 2/90 u. a. – BVerfGE 88, 203, 254; Beschl. v. 27.4.1995 – 1 BvR 729/93 – NJW 1995, 2343; Beschl. v. 29.11.1995 – 1 BvR 2203/95 – NJW 1996, 651; aus der Literatur vgl. C.-W. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201, 228; J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR V, § 111 Rdnr. 165. 301 Vgl. aber K.-E. Hain, Übermaß- und Untermaßverbot, DVBl. 1993, 982, 983 f. mit der Erwägung, dass in Dreieckskonstellationen aus dem Untermaßverbot nichts folge, was sich nicht schon aus dem Übermaßverbot ergebe. Dagegen ist indes zutreffend eingewandt worden, dass das Übermaßverbot nur die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Maßnahme, nicht jedoch ihre Gebotenheit thematisiere; vgl. J. Dietlein, Das Untermaßverbot, ZG 10 (1995), 131, 136 ff.; M. Möstl, Probleme der verfassungs-

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die Abwägung mit gegebenenfalls entgegenstehenden privaten oder öffentlichen Interessen in sich aufnehmen kann302 und zur Bestimmung des verfassungsgebotenen Schutzniveaus führt. b) Grundrechtliche Unterlassungspflichten Auch die aus Abwehrrechten folgende Pflichtenstellung des Staates ist auf bestimmte Wirkungen hin ausgerichtet. Die – durch die verfassungsrechtlichen Kautelen der Eingriffsrechtfertigung als bedingte ausgestaltete – Unterlassungspflicht knüpft an die tatsächliche Beeinträchtigung der Grundrechte bzw. der grundrechtlichen Schutzgüter303 an, die dem Staat als Eingriff zurechenbar ist. Die „Prozedur der Rechtfertigung“304 setzt mit diesem Effekt ein. Umgekehrt wird der Schutz der Grundrechtsträger vor staatlichen Ingerenzen in diesem Bereich, wie er vom Grundgesetz intendiert ist305, nur dadurch gesichert, dass jedwede Beeinträchtigungen der Schutzgegenstände durch die öffentliche Gewalt verbindlich ausgeschlossen werden306, sofern nicht die Voraussetzungen erfüllt sind, die das Grundgesetz für ihre Zulässigkeit normiert307. Dies führte zu der Erkenntnis, dass der klassisch genannte Begriff des Grundrechtseingriffs308, die durch Rechtsakt unmittelbar und final bewirkte Beschränkung von Freiheit oder Eigentum, nicht die Grenze grundrechtlicher Verbote309, sondern allenfalls diejenigen Fälle bezeichnet, die ohne Zweifel rechtfertigungsbedürftig sind310. Im übrigen aber werden nicht die Schutzgüter durch den Eingriff definiert, sondern umgekehrt dieser durch jene311. Die Notwendigkeit und die Schwierigkeit312, Kriterien für die Zurechnung von faktischen, nicht-finalen oder mittelbaren prozessualen Geltendmachung, DÖV 1998, 1029, 1038; ferner Ch. Brüning, Grundrechtlicher Schutzanspruch, JuS 2000, 955, 958. 302 Zu entsprechenden Konzepten vgl. L. Michael, Argumentationsstrukturen, JuS 2001, 148, 151 f; M. Möstl, Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung, DÖV 1998, 1029, 1038 f.; ders., Staatliche Garantie, S. 99 ff., insbes. S. 108. 303 Zur notwendigen Unterscheidung von Recht und Rechtsgut vgl. unten § 10 A. II. 304 J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR V, § 111 Rdnr. 69. 305 Vgl. A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit, S. 139 ff. 306 M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 78 III 1, S. 128. 307 D. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 129. 308 Dazu D. Grimm, Grundrechtsverständnis, in: ders., Zukunft, S. 221, 224–227; Th. Koch, Grundrechtsschutz, S. 18 ff.; A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit, S. 134 ff.; M. Sachs, in: K. Stern. Staatsrecht III/2, § 78 II, S. 82 ff.; ders., Die relevanten Grundrechtsbeeinträchtigungen, JuS 1995, 303 f., jeweils mit dem Hinweis, dass sich eine entsprechende Verwendung des Eingriffsbegriffs in dieser Form historisch nicht nachweisen lässt. 309 Das ist mehrfach nachgewiesen worden; vgl. etwa H.-U. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 51 ff.; B. Weber-Dürler, Der Grundrechtseingriff, VVDStRL 57 (1998), 57, 74 ff. 310 M. Sachs, Die relevanten Grundrechtsbeeinträchtigungen, JuS 1995, 303, 304.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

Beeinträchtigungen der grundrechtlichen Schutzgegenstände zum Staat zu finden313, ist eine Folge dieser Ergebnisorientierung der grundrechtlichen Pflichtenstellung. Ist diese Zurechnung jedoch erfolgt, setzt der Rechtfertigungsdruck ein, der, wenn, sobald und solange314 ihm nicht standgehalten wird, das Urteil der staatlichen Pflichtverletzung und damit der Rechtswidrigkeit des Eingriffs im Gefolge hat315. Die ergebnisorientierte Unterlassungspflicht kann deshalb nicht, wie es verbreitet geschieht316, mit der Pflicht zum Unterlassen von bestimmten Handlungen gleichgesetzt und dadurch von der grundrechtlichen 311 Vgl. auch M. Albers, Faktische Grundrechtsbeeinträchtigungen, DVBl. 1996, 233, 238 ff.; kritisch zum Begriff des „Eingriffs“ deshalb J. Ipsen, Gesetzliche Einwirkungen, JZ 1997, 473, 478: er sei „von der Tendenz gekennzeichnet, die Grundrechtsrelevanz von der Maßnahme her zu definieren, während sie prinzipiell nur von ihren Auswirkungen her begriffen werden kann“ (Hervorhebung im Original); s. auch BVerfG, Beschl. v. 25.3.92 – 1 BvR 1430/88 – BVerfGE 85, 386, 397: „Eingriffsorientierte Gesichtspunkte haben aber bei der Definition des Schutzbereichs keinen Platz“. 312 Dazu A. v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 101; H. Bethge, Der Grundrechtseingriff, VVDStRL 57 (1998), 7, 40 f. 313 Vgl. etwa A. Scherzberg, Grundrechtsschutz, DVBl. 1989, 1128, 1129; einen umfassenden Überblick bietet M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 78 III, S. 128 ff. 314 Eingriff und Eingriffsrechtfertigung stehen in keinem zeitlichen Verhältnis zueinander. Die erfolgte Beeinträchtigung grundrechtlicher Schutzgüter kann auch nachträglich legalisiert werden. 315 Umstritten ist allerdings in Fällen jenseits des „klassischen“ Eingriffsbegriffs, ob bzw. inwieweit am Erfordernis des Gesetzesvorbehalts festzuhalten ist. Vgl. zu entsprechenden Ansätzen (mit Differenzierungen im einzelnen) H. Bethge, Der Grundrechtseingriff, VVDStRL 57 (1998), 7, 37, 41; H.-U. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 94 ff.; J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR V, § 11 Rdnr. 68; D. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 129 ff.; P. Kirchhof, Verwalten, S. 77 ff., 81 ff.; einschränkend A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit, S. 352 ff. – Doch ist schwerlich einzusehen, weshalb der vom Grundgesetz beabsichtigte Schutz der Grundrechtsträger seinem Umfang nach von der Art der Beeinträchtigung abhängen soll. Grenzen der Normierbarkeit sind wohl faktisch nicht erreicht. „Was gewollt ist, ist auch normierbar“ (M. Heintzen, Staatliche Warnungen, VerwArch 81 (1990), 532, 537); für das, was nicht normiert, weil nicht gewollt, ist, fehlt es an der formalen Legitimation; vgl. auch M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 78 III 1. c) a) bb), insbes. S. 154 f., sowie § 80 I 5, S. 391 ff.; wegen fehlender Normierbarkeit faktisch-mittelbarer Wirkungen von regierungsamtlichem Informationshandeln lässt nunmehr auch das Bundesverfassungsgericht die grundgesetzliche Aufgabenzuweisung ausreichen, vgl. Beschl. v. 26.6.2002 – 1 BvR 670/91 – BVerfGE 105, 279, 304 f. 316 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 420 f.; Ch. Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 62; M. Burgi, Persönlichkeitsentfaltung, ZG 9 (1994), 341, 350; M. Gellermann, Grundrechte, S. 235; D. Grimm, Grundrechtsverständnis, in: ders., Zukunft, S. 221, 238; H. D. Jarass, Grundrechtsdogmatik, AöR 120 (1995), 345, 349 und öfter; G. Lübbe-Wolff, Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 40; M. Möstl, Staatliche Garantie, S. 101; R. Wahl, Abhängigkeit, DVBl. 1996, 641, 646 f.; R. Wahl/J. Masing, Schutz durch Eingriff, JZ 1990, 553, 558; vgl. auch G. Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 73.

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Schutzpflicht abgegrenzt werden. Handlung und Unterlassung als verhaltensbezogene Kategorien sind im Hinblick auf die Integrität der grundrechtlichen Schutzgüter austauschbar, weil nicht der Eingriff an sich, sondern nur derjenige dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit unterliegt, der nicht gerechtfertigt werden kann317. III. Die Ergebnisorientierung des materiellen Rechts Die soeben erläuterte Ergebnisorientierung der staatlichen Pflicht ist kein Spezifikum gerade der Grundrechte, sondern im Grunde ein typisches Merkmal des materiellen Rechts überhaupt318. Alle staatliche Tätigkeit zielt ab auf die Gestaltung der Wirklichkeit, die Umsetzung von Zielen und Zwecken in die soziale Realität319, die durch das Recht in unterschiedlichem Maße determiniert werden. Die Zuordnung von Kompetenzen zu unterschiedlichen Entscheidungsträgern verteilt auf verfassungsrechtlicher wie einfach-gesetzlicher Ebene Wirkbefugnisse mit dem Ziel, die Erfüllung der jeweiligen Aufgaben sicherzustellen320. Zugleich wird die Aufgabenerfüllung als zu erreichender Zweck verpflichtend zugewiesen321 und hinsichtlich der Mittelauswahl durch verliehene Befugnisse sowohl gelenkt als auch limitiert. Die Rechtsbindung der Staatsgewalt verpflichtet sie dementsprechend dazu, (nur) unter den rechtlich vorgesehenen Voraussetzungen bestimmte Erfolge zu erzielen322. Auf Verfassungsebene verbleibt es freilich im Wesentlichen bei den Grundrechten und der durch sie intendierten Integrität der Schutzgegenstände, da sie den Schwerpunkt materiellrechtlicher Verfassungsbestimmungen bilden323. Doch auch das einfache materielle Gesetzesrecht unterwirft primär Wirkungen seinen sie legitimierenden Voraussetzungen, einzelne Handlungen nur insofern und deshalb, weil sie bestimmte Wirkungen hervorrufen. In diesem Sinne kann man davon sprechen, dass das materielle Recht und mit ihm die den Staat treffende Pflicht eine finale Ausrichtung aufweist. Eine solche Ausdrucksweise gerät aber möglicherweise in Gefahr, mit der auf Niklas Luhmann324 zurückgehenden, insbesondere in der planungsrechtlichen Litera317 Dazu auch M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 114 ff., 118 f.; ferner B. Vogler, Genehmigungsanspruch, S. 153 f. 318 Vgl. auch P. Kirchhof, Verwalten, S. 86. 319 G. Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, S. 76 ff. 320 Zur Problemlösungskompetenz als Maßstab für die Aufgabenzuweisung vgl. etwa Th. v. Danwitz, Organstruktur, Der Staat 35 (1996), 329, 335 ff. 321 Vgl. auch F.-L. Knemeyer, Aufgabenzuweisung, DÖV 1978, 11, 12 f. 322 s. auch M. Morlok, Folgen von Verfahrensfehlern, S. 58; A. Voßkuhle, Duldung rechtswidrigen Verwaltungshandelns, Verwaltung 29 (1996), 511, 530; M. Wehr, Ermessen der Rechtsaufsicht, BayVBl. 2001, 705, 707. 323 M. Sachs, Normtypen im deutschen Verfassungsrecht, ZG 6 (1991), 1, 10 f.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

tur325 aufgegriffenen verwaltungswissenschaftlichen Unterscheidung von konditionaler und finaler Programmierung von Entscheidungen in Zusammenhang gebracht zu werden. Doch ist diese bezogen auf den Entscheidungsprozess und die Art der Determinierung seiner Ergebnisse durch das jeweils anwendbare Recht326. Die hier gemeinte Finalität indes formuliert sich aus der Perspektive der Faktizität; sie misst Wirkungen, nicht Prozesse, am Maßstab des Rechts und behandelt nicht die Art und Weise der rechtlichen Steuerung, sondern die Frage der rechtlichen Begründbarkeit auf den Staat zurückführbarer tatsächlicher Erfolge. Das materielle Recht kann zwar neben der Ergebnisorientierung Anforderungen an die Art und Weise der Entscheidungsfindung stellen, die für die Rechtmäßigkeit des Entscheidungsergebnisses konstitutiv sind. Im Unterschied zum dem formellen Recht zugehörigen „äußeren Verfahren“ lässt sich hierbei vom „inneren Verfahren“ als einer Methodik der Entscheidungsfindung327 sprechen328. Beispiele hierfür sind etwa die verwaltungsbehördliche Ermessensausübung329 oder das Erfordernis der Abwägung bei Planungsentscheidungen330. Aber auch in diesen Fällen ist der Bezug zu dem jeweiligen Erfolg dadurch hergestellt, dass diese besonderen Anforderungen neben der Begründbarkeit als materielle Begründung des konkreten Entscheidungsergebnisses fungieren331.

324 N. Luhmann, Lob der Routine, VerwArch 55 (1964), 1, 7 ff.; ders., Recht und Automation, S. 35 ff.; ders., Legitimation durch Verfahren, S. 130 ff.; 325 Grundlegend W. Hoppe, Normen des Planungsrechts, DVBl. 1974, 641, 643 f.; vgl. auch W. Brohm, Situative Gesetzesanpassung, NVwZ 1988, 794, 797 f.; dens., Dogmatik des Verwaltungsrechts, VVDStRL 30 (1972), 245, 258 ff. 326 Kritisch zu dieser Unterscheidung mit der Erwägung, dass alle Rechtsfindung, auch die konditional programmierte, an Zwecken und damit final orientiert ist, H. J. Koch, Die normtheoretische Basis der Abwägung, in: Abwägung im Recht, S. 9, 15 f. 327 G. Schwerdtfeger, Optimale Methodik der Gesetzgebung, in: Festschrift f. H. P. Ipsen, S. 173; K. Stern, Staatsrecht III/2, § 90 II 4, S. 1150 ff.; zur Übertragung dieses in der Gesetzgebungslehre entwickelten Begriffs auf alle staatlichen Entscheidungen vgl. M. Wehr, Inzidente Normverwerfung, S. 146 f. 328 Zur Unterscheidung von (formeller) Verfahrensordnung und (materiellem) Entscheidungsprozess vgl. N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 174 f. 329 Statt aller H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnrn. 19 ff. 330 F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 114 Rdnr. 35. 331 Zur Unterscheidung von Begründung und Begründbarkeit sowie ihrer Bedeutung bei Vorgangs- bzw. Ergebniskontrolle vgl. v. a. H.-J. Koch, Abwägungsgebot im Planungsrecht, DVBl. 1983, 1125, 1126 ff.; dens., Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis, DVBl. 1989, 399, 400 ff. mit der These, dass es der Ergebniskontrolle neben der Vorgangskontrolle grundsätzlich nicht bedarf, da bei fehlerfreier Begründung auch die Begründbarkeit zu bejahen sei. Damit wird aber der Zeitfaktor vernachlässigt: Ein Wandel der Sach- oder Rechtslage vermag an der Rechtmäßigkeit des Vorgangs nichts mehr zu ändern, wohl aber an der Rechtmäßigkeit des Ergebnisses; vgl.– zu Bebauungsplänen – P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 369 mit Fußn. 325; ders., Rechtswidrigwerden statt Funktionslosigkeit, GewArch 1996, 318, 323 ff. sowie unten § 5 C. II. Für die generelle Notwendigkeit beider Kontrollen auch H. Schulze-Fielitz, Das Flachglas-Urteil, Jura 1992, 201, 206 m. w. N.

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C. Staatliches Unrecht als Verletzung staatlicher Pflichten Die Ergebnisorientierung der staatlichen Pflichtenstellung abstrahiert, soweit sie reicht, von Zeit und Form einzelner Handlungen, ja von der Handlung selbst. Das ist durchaus konsequent, wenn nicht gar zwingend unter der hier zugrunde gelegten Prämisse, dass der Staat, der als solcher gar nicht im natürlichen Sinne handlungsfähig ist, überhaupt Adressat von Pflichten sein kann. Daher muss man sich vor Augen halten, dass die Begriffe „Handlung“ oder „Verhalten“ in Bezug auf den Staat ohnehin nur im übertragenen Sinn verwendet werden können332. Für das Problem staatlichen Unrechts ergibt sich als Kehrseite der ergebnisorientierten Pflichten, dass sich auch die Pflichtverletzung nach Erfolgen bemisst, die dem Staat zuzurechnen sind. I. Rechtswidrigkeit im Staatshaftungsrecht Relevant wird dies etwa im Recht der Staatshaftung (im weiteren Sinne), in dem nach geltender Dogmatik mit ganz unterschiedlichen Rechtswidrigkeitsbegriffen operiert wird. Auch darin zeigen sich die nur historisch zu erklärende Zersplitterung sowie die dogmatischen wie praktischen Unzulänglichkeiten dieses Rechtsgebietes333, die sich in Unsicherheiten über Rechtsgrund und Reichweite einzelner Haftungsinstitute ebenso niederschlägt wie in Kompetenzstreitigkeiten der obersten Gerichte334. Dabei setzt jede staatliche Haftung zunächst die Verletzung eines Rechts voraus, die in jedem Falle als Pflichtverletzung darstellbar ist. 1. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs Davon scheint die ganz herrschende Ansicht zum Folgenbeseitigungsanspruch aber deutlich entfernt zu sein. Dieser setzt nach der von der Rechtsprechung geprägten Formel335 voraus, dass durch hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein rechtswidriger Zustand geschaffen wurde, der noch andauert336. Frü332 Vgl. auch W. Pauly, Handlungsformenlehre, in: K. Becker-Schwarze/W. Köck/ Th. Kupka/M. v. Schwanenflügel, Wandel der Handlungsformen, S. 25, 27: „normativer Handlungsbegriff“. 333 Zum Stand des Staatshaftungsrechts vgl. nur W. Höfling, Primär- und Sekundärrechtsschutz, VVDStRL 61 (2002), 260, 262 ff.; F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 1. Teil, III.1., S. 3 f.; K. Windthorst, in: S. Detterbeck/K. Windthorst/H.-D. Sproll, Staatshaftungsrecht, § 1 Rdnrn. 14 ff. 334 Vgl. zur Frage des Rechtswegs bei „ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmungen“ des Eigentums (Art. 36 BayNatSchG) BVerwG, Urt. v. 24.6.1993 – 7 C 26/92 – BVerwGE 94, 1, 7 f. einerseits, BGH, Beschl. v. 15.12.1994 – III ZB 49/94 – BGHZ 128, 204, 207 f., andererseits. Mittlerweile ist die Frage vom Gesetzgeber entschieden worden, vgl. § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO n. F.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

here Ansätze337, die ausschließlich an die Rechtswidrigkeit des Eingriffsaktes anknüpften338, werden heute (wohl) nicht mehr vertreten. Stattdessen wird auf die Rechtswidrigkeit der Eingriffsfolgen abgestellt339. Das wird verbreitet mit der Unterscheidung von Handlungs- und Erfolgsunrecht in Verbindung gebracht340. Damit aber wäre gegenüber der früher vertretenen Ansicht letztlich nichts gewonnen: Erfolgs- und die Handlungsunrechtslehre unterscheiden sich, wie bereits erwähnt341, nicht im Gegenstand des Rechtswidrigkeitsurteils, sondern nur in seiner Begründung. Vom Boden der Erfolgsunrechtslehre aus betrachtet, könnte die Maßnahme, die zum Rechtseingriff führt, eben wegen dieser Eingriffswirkung (nachträglich) als rechtswidrig bezeichnet werden. Doch an dieser Feststellung ist, wie F. Weyreuther zu Recht bemerkte342, für den Folgenbeseitigungsanspruch nichts gelegen. Man muss noch einen Schritt weiter gehen und hinzufügen: Der Folgenbeseitigungsanspruch soll auch und gerade Konstellationen erfassen, in denen der Schluss von der Eingriffswirkung auf die Rechtswidrigkeit des sie verursachenden Aktes offensichtlich ausgeschlossen ist. Das sind gerade die Schulbeispiele rechtmäßiger Verwaltungsakte, in denen ein durch sie geschaffener Zustand auch nach ihrer Aufhebung (bzw. nach Ab335 BVerwG, Urt. v. 6.9.1988 – 4 C 26/88 – BVerwGE 80, 178, 179; Urt. v. 26.8.1993 – 4 C 24/91 – BVerwGE 94, 100; 104; Urt. v. 30.10.1997 – 3 C 35/96 – BVerwGE 105, 288, 297. 336 Vgl. auch M. Gerhard, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb. § 113 Rdnr. 6, 8; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rdnr. 7; F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 7. Teil, IV, S. 307; H. H. Rupp, Folgenbeseitigungsanspruch, JA 1979, 506, 510; F. Schoch, Folgenbeseitigung und Wiedergutmachung, VerwArch 79 (1988), 1, 39; H.-D. Sproll, in: S. Detterbeck/K. Windthorst/H.-D. Sproll, Staatshaftungsrecht, § 12 Rdnr. 27; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 52 Rdnr. 13; 337 Vgl. aber H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rdnr. 9, der einerseits „rechtswidriges Handeln der Verwaltung (positives Tun)“ fordert, andererseits davon ausgeht, dass ein von der Behörde geschaffener Zustand nachträglich rechtswidrig werden kann. In diesem Fall sei an das (notabene rechtmäßige) vorangegangene Tun der Verwaltung anzuknüpfen. 338 Vgl. W. Böß, Vergleich des Folgenbeseitigungsanspruchs, S. 72 f.; K. Obermayer, Rechtsstellung des Nachbarn, JuS 1963, 110, 113 f.; anders aber ders., in: J. Mang/Th. Maunz/F. Mayer/K. Obermayer, Staats- und Verwaltungsrecht, 3. Aufl., S. 221 (sowie in den beiden folgenden Auflagen). 339 Aus dem umfangreichen Schrifttum seien nur erwähnt H. P. Köckerbauer, Folgenbeseitigungsanspruch, JuS 1988, 782, 784 f.; F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 7. Teil, IV.3.a), S. 312 f.; G. Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 296 ff.; H.-D. Sproll, in: S. Detterbeck/K. Windthorst/H.-D. Sproll, Staatshaftungsrecht, § 12 Rdnr. 42; ders., Staatshaftungsrecht, JuS 1996, 219, 222; F. Weyreuther, Gutachten, S. 67 ff. 340 Grundlegend F. Weyreuther, Gutachten, S. 67 ff.; ferner B. Bender, Staatshaftungsrecht, Rdnr. 458; H. P. Köckerbauer, Folgenbeseitigungsanspruch, JuS 1988, 782, 784 f.; T. Schneider, Folgenbeseitigung, S. 82. 341 Vgl. oben § 4 C. II. S. 59 f.; W. Böß, Vergleich des Folgenbeseitigungsanspruchs, S. 72, begründet sein Postulat der rechtswidrigen Handlung als Haftungsgrund mit der Ablehnung der Zustandsunrechtslehre. 342 F. Weyreuther, Gutachten, S. 69.

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lauf der in ihnen gesetzten Frist) fortbesteht: Die beschlagnahmte Sache befindet sich nach Aufhebung der (rechtmäßigen) Beschlagnahmeanordnung weiterhin im Besitz der Behörde343; der befristet in die Wohnung des Eigentümers eingewiesene Obdachlose zieht auch nach Ablauf der Frist nicht aus344. Hier ist unter keinem denkbaren Aspekt eine nachträglich eingetretene Rechtswidrigkeit der jeweiligen Verwaltungsakte begründbar, da sich diese auf einen Zeitraum beziehen müsste, der jenseits ihrer Regelungsgehalte liegt345. Kommt es somit auf die Rechtswidrigkeit der einen bestimmten Zustand verursachenden hoheitlichen Maßnahme nicht an, so bleibt noch die Möglichkeit, den Zustand selbst als rechtswidrig zu bezeichnen. Doch dieser Rekurs auf die Lehre vom Zustandsunrecht begegnet all den Bedenken, die sich gegen diese Lehre im Allgemeinen richten346. Ein Rechtswidrigkeitsurteil ist nur gerechtfertigt, wenn sich ein Rechtssatz findet, mit dem der Zustand nicht in Einklang steht. Die Suche nach einem solchen führt an die dogmatische Grundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs überhaupt347. Mittlerweile darf es als weitgehend gesichert gelten348, dass der Rechtsgrund (nicht notwendig schon die Rechtsgrundlage349) dieses Anspruchs in den Grundrechten als Abwehrrechten zu finden ist350. Sieht man von der Frage des subjektiven Rechts, also des Anspruchs,

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Vgl. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rdnr. 9. U. Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 338. 345 Zur zeitlichen Erstreckung der Regelungswirkung von Verwaltungsakten noch unten § 5 C. III. 3. 346 Vgl. oben § 4 B. 347 Die Entwicklung in Rechtsprechung und Lehre ist wiederholt ausführlich dargestellt worden, etwa bei G. Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 58–73; Th. Rösslein, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 20–49; T. Schneider, Folgenbeseitigung, S. 26– 80; F. Schoch, Folgenbeseitigung und Wiedergutmachung, VerwArch 79 (1988), 1, 15–24. 348 Anders aber Ch. Enders, Exmittierung von Obdachlosen, Die Verwaltung 30 (1997), 29, 38, unter Berufung auf K. A. Bettermann, Folgenbeseitigungsanspruch, DÖV 1955, 528, 535: Analogie zu § 1004. 349 So wird hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung von Tatbestand und Rechtsfolge gelegentlich neben der Grundrechtsverletzung eine Analogie zu § 1004 (bzw. ergänzend zu §§ 12, 862) BGB befürwortet, vgl. etwa W. Brugger, Folgenbeseitigungsanspruch, JuS 1999, 625, 630 f.; G. Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 119 ff. 350 Vgl. aus der Literatur W. Brugger, Folgenbeseitigungsanspruch, JuS 1999, 625, 629 f.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rdnr. 5; F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 7. Teil, II. 4., S. 298 ff.; G. Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 102 ff.; I. Richter/G. F. Schuppert/Ch. Bumke, Casebook Verwaltungsrecht, S. 288 f.; Th. Rösslein, Folgenbeseitigungsanspruch, S 65 ff.; M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 66 III 1. a) a), S. 675; W.-R. Schenke, Folgenbeseitigungsanspruch, DVBl. 1990, 328, 330; ders., Folgenbeseitigungsanspruch, JuS 1990, 370, 372; T. Schneider, Folgenbeseitigung, S. 73 ff.; F. Schoch, Folgenbeseitigung und Wiedergutmachung, VerwArch 79 (1988), 1, 34 ff.; H.-D. Sproll, in: S. Detterbeck/K. Windthorst/H.-D. Sproll, Staatshaftungsrecht, § 12 Rdnr. 23; F. Weyreuther, Gutachten, S. B 78 ff. 344

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ab351, so gelangt man zu der (ergebnisorientierten) Unterlassungspflicht des Staates, die sich auf alle ihm zuzurechnenden Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Rechtsgüter erstreckt, soweit die verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsbedingungen nicht erfüllt sind352. Diese Pflicht aber endet nicht (notwendig353) mit dem Eintritt des Erfolges. So lange der Zustand andauert, der die Beschränkung von Freiheit oder Eigentum ausmacht, ist (jedenfalls354) eine in die Zukunft wirkende Erfüllung möglich. „Die Fortdauer der Beeinträchtigung ist eine permanente Verletzung der Unterlassungspflicht“355, die Beseitigung ein Mittel zu ihrer Erfüllung356. Unterlassungs- und Beseitigungspflicht beruhen auf identischem Rechtsgrund und sind lediglich aus unterschiedlichen zeitlichen Perspektiven formuliert. – Von dieser Warte aus betrachtet ist auch Widerspruch gegen die These zu erheben, das Merkmal der Rechtswidrigkeit habe durch die Entwicklung vom Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch357 zum allgemeinen (Folgen-)Beseitigungsanspruch eine Veränderung erfahren358. Zwar liegt ist es zunächst nahe, in erstgenanntem einen Anwendungsfall der Handlungsunrechtslehre zu erblicken, weil der Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch, wie er auch in § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO359 vorausgesetzt wird, zunächst einen rechtswidrigen Verwaltungsakt voraussetzt. Doch geht dies erstens an der Tatsache vorbei, dass auch ein rechtmäßiger Verwaltungsakt rechtswidrig werden kann360 und man dann allenfalls die in ihm enthaltene Regelung als „Hand351 Zur teleologischen Verknüpfung von Abwehrrecht und Unterlassungsanspruch F. Schoch, Folgenbeseitigung und Wiedergutmachung, VerwArch 79 (1988), 1, 35 f. 352 Vgl. oben § 5 B. II. 1. und § 5 B. II. 3. b). 353 Insoweit kommt es auf die Art der Beeinträchtigung an: Mit der Zerstörung einer Sache endet das Eigentumsrecht an dieser mangels Substrat endgültig und für die Zukunft besteht deshalb auch eine Unterlassungspflicht nicht. Der bloße Entzug einer Sache dagegen ist eine fortdauernde Beeinträchtigung, die für die Zukunft beseitigt werden kann. 354 Auch dies ist abhängig von der Art der Beeinträchtigung: Rein faktische Beschränkungen können nur prospektiv unterlassen werden, während rechtswidrige Eingriffe, die durch Rechtsakte erfolgen, regelmäßig durch deren rückwirkende Beseitigung auch für die Vergangenheit beseitigt werden können. So ist beispielsweise die (rückwirkende) Aufhebung rechtswidriger und rechtsverletzender Verwaltungsakte (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO) als Fall des grundrechtlichen Beseitigungsanspruchs zu betrachten, vgl. W.-R. Schenke, Konkurentenrechtsschutz, NVwZ 1993, 718, 721 f.; s. auch M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 66 III 1. a) a), S. 673 ff. 355 So treffend F. Schoch, Folgenbeseitigung und Wiedergutmachung, VerwArch 79 (1988), 1, 36; vgl. auch T. Schneider, Folgenbeseitigung, S. 83. 356 W. Höfling, Primär- und Sekundärrechtsschutz, VVDStRL 61 (2002), 260, 270; F. Schoch, Folgenbeseitigung und Wiedergutmachung, VerwArch 79 (1988), 1, 36; J. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 198 f. 357 Grundlegend O. Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, S. 98 ff. 358 F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 7. Teil, IV. 3. a), S. 312; F. Weyreuther, Gutachten, S. B 67. 359 Vgl. nur F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 113 Rdnrn. 80 ff. 360 Näher unten § 5 C. III.

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lung“ der Verwaltung ansehen muss; zweitens und vor allem entsteht dieser Anspruch nicht bereits mit dem Vollzug, sondern erst mit der Aufhebung des Verwaltungsakts, da erst dann der Rechtsgrund für die tatsächliche Beeinträchtigung entfällt. Daraus ergibt sich drittens, dass auch die Aufhebung eines bereits vollzogenen rechtmäßigen Verwaltungsakts361, und zwar auch dann, wenn sie rechtswidrig sein sollte, exakt denselben Anspruch entstehen lässt. Das vorgängige „Handeln“ des Staates, sei es nun rechtmäßig oder nicht, fungiert insofern nur als Element der Zurechnung. Die Erklärung hierfür liegt in der grundrechtlichen Unterlassungspflicht, deren Verletzung das Rechtswidrigkeitsmerkmal ausfüllt. Der Begriff des „andauernden rechtswidrigen Zustands“ als Tatbestandsmerkmal der Folgenbeseitigungsanspruchs dient deshalb nur als Umschreibung für eine andauernde staatliche Pflichtverletzung362. 2. Enteignungsgleicher und enteignender Eingriff Ein weiteres Beispiel für Unklarheiten des Rechtswidrigkeitsbegriffs sind die Haftungsinstitute des enteignungsgleichen sowie des enteignenden Eingriffs. So gelingt es nach der Aufgabe des Finalitätserfordernisses für die Begründung des enteignungsgleichen Eingriffs363 nicht mehr364, diesen mit Hilfe des Merkmals der Rechtswidrigkeit vom enteignenden Eingriff abzugrenzen365. Zwar soll im ersten Fall rechtswidriges hoheitliches Handeln, im zweiten dagegen „an sich rechtmäßiges“ Staatshandeln vorliegen366. Gerade aber bei Realakten lässt sich die Rechtmäßigkeit häufig nur danach bestimmen, welche Auswirkungen sie haben; insbesondere also danach, ob sie in grundrechtlich geschützte Bereiche wie etwa das Eigentum ungerechtfertigt eingreifen. Bezieht sich jedoch die Rechtswidrigkeit auf den Erfolg367, liegen beide Fälle insoweit gleich, da dann auch der enteignende Eingriff – eben wegen des Erfolges – als rechtswidrig anzusehen ist368. Man mag darin einen Anwendungsfall der Erfolgsunrechts361

Etwa im oben (bei Fußn. 343) genannten Fall die Beschlagnahmeanordnung. Vgl. auch oben § 4 B. III. 363 F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Teil, III. 3 a), S. 248 ff. 364 Vgl. auch D. Ehlers, Eigentumsschutz, VVDStRL 51 (1992), 211, 246, der den Anspruch aus enteignendem Eingriff als Folge staatlicher Unrechtshaftung ansieht, da die Grundrechte auf das Einstehenmüssen für den Erfolg abstellten. 365 Vgl. dazu auch M. Jaschinski, Fortbestand, S. 54 f.; F. Schoch, Haftungsinstitute, Jura 1989, 529, 536; A. Schmitt-Kammler, Der Aufopferungsgedanke, JuS 1995, 473, 478 f. 366 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26 Rdnr. 111; F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 6. Teil, III. 2., S. 276 f.; H.-D. Sproll, in: S. Detterbeck/K. Windthorst/ H.-D. Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rdnr. 53; 367 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26 Rdnr. 94. 368 Deshalb für die Aufgabe dieses Rechtsinstituts plädierend Ch. Külpmann, Enteignende Eingriffe, insbes. S. 238 ff. 362

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lehre sehen, die vom Beeinträchtigungseffekt auf die Rechtswidrigkeit des hoheitlichen Handelns schließt369. Doch überzeugt dies in den Fällen nicht, in denen der Eingriff in das Eigentum eine unvorhergesehene zufällige Folge einer rechtlich gebotenen Maßnahme ist370. Gerade die mit dem enteignenden Eingriff zu erfassenden Konstellationen, die sich als Unterfall der Aufopferung für das Gemeinwohl darstellen371, zeichnen sich dadurch aus, dass das Eigentumsrecht den jeweiligen, übergeordneten öffentlichen Interessen dienenden Maßnahmen an sich nicht entgegensteht372. Das Rechtswidrigkeitsurteil bezieht sich deshalb nicht auf die Maßnahme, die zur Beeinträchtigung des Eigentums führt, sondern auf den Eingriff ohne Gewährung eines Ausgleichs373. Die Entschädigung stellt also das Recht wieder her374 und ist nicht Ersatzleistung für erlittenes Unrecht375. In diesen Fällen hilft aus diesem Grunde auch nicht der Kunstgriff einer Trennung von ex-ante- und ex-post-Betrachtung weiter376, bei der

369 So jedenfalls der Terminologie nach M. Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 52; W. Kluth, in: H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 72 Rdnrn. 7, 27; Ch. Külpmann, Enteignende Eingriffe, S. 243 ff.; M. Jaschinski, Fortbestand, S. 222; J. Rozek, Unterscheidung, S. 239; M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 78 III 1. c) a) bb), S. 152 ff.; erwogen auch von F. Schoch, Haftungsinstitute, Jura 1989, 529, 536; A. Schmitt-Kammler, Der Aufopferungsgedanke, JuS 1995, 473, 478 f. 370 Gleiches kann bei schädigendem Verhalten Dritter gelten, das dem Staat als Eingriff zugerechnet wird, vgl. etwa BGH, Urt. v. 9.11.1995 – III ZR 226/94 – BGHZ 131, 163 ff. Hier dient das staatliche Verhalten nur als Zurechnungsgrund. 371 BGH, Urt. v. 29.3.1984 – III ZR 11/83 – BGHZ 91, 20, 27 f.; Urt. v. 25.3.1993 – III ZR 60/91 – BGHZ 122, 76, 77; U. Hösch, Staatshaftung und Aufopferung, DÖV 1999, 192, 197 f. 372 A. v. Arnauld, Enteignender und enteignungsgleicher Eingriff, VerwArch 93 (2002), 394, 412 f.; U. Hösch, Staatshaftung und Aufopferung, DÖV 1999, 192, 198. 373 Vgl. auch I. Richter/G. F. Schuppert/Ch. Bumke, Casebook Verwaltungsrecht, S. 324. 374 F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 6. Teil, I. 3., S. 273. 375 Darin liegt auch die Vergleichbarkeit des enteignenden Eingriffs mit der ausgleichspflichtigen Schrankenbestimmung des Eigentums begründet, die zur Forderung nach vollständiger Aufgabe des richterrechtlich entwickelten Instituts des enteignungsgleichen Eingriffs geführt haben, vgl. M. Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 215; M. Jaschinski, Fortbestand, S. 246 ff.; W. Kluth, in: H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 72 Rdnr. 27; H. Maurer, Der enteignende Eingriff, DVBl. 1991, 781, 785 f.; für eine weitgehende Ablösung der Institute im Falle gesetzlicher Eingriffe überzeugend A. v. Arnauld, Enteignender und enteignungsgleicher Eingriff, VerwArch 93 (2002), 394, 404; mittlerweile wird teilweise noch ein restlicher Anwendungsbereich für den enteignenden Eingriff anerkannt, soweit die Eigentumsbeeinträchtigungen vom Gesetzgeber nicht vorhersehbar sind, H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26 Rdnr. 109; F. Ossenbühl, Ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmungen, in: Festschrift f. K. H. Friauf, S. 391, 400 f.; dazu, dass entgegen der herkömmlichen Terminologie nicht die Inhalts-, sondern nur die Schrankenbestimmung ausgleichspflichtig sein kann, vgl. noch unten 2. Teil, § 9 B. II. 2. 376 So Ch. Külpmann, Enteignende Eingriffe, S. 244 ff. unter anzuzweifelnder Berufung auf N. Luhmann, Öffentlich-rechtliche Entschädigung, S. 140 ff.

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das Rechtswidrigkeitsurteil je nach Beurteilungszeitpunkt unterschiedlich ausfällt377. Diese „Doppelspurigkeit“378 der Betrachtung aber ist ohnehin abzulehnen, da sie mit der Vorhersehbarkeit einer Schadensfolge ein Element des Verschuldens zum Rechtswidrigkeitsmerkmal macht379. – Die weitere verbleibende Möglichkeit, bei „an sich“ rechtmäßigen Maßnahmen nur auf die Rechtswidrigkeit des Erfolgs abzustellen, führt nicht nur deshalb nicht weiter, weil sie sich auf die Zustandsunrechtslehre380 stützt381, sondern weil der Zustand – die Beeinträchtigung des Eigentums – vom Eigentümer wegen überwiegender Allgemeinwohlgründe hinzunehmen (und deshalb nicht „rechtswidrig“) ist382 und sich auch durch die Entschädigungsleistung nicht ändert. Löst man hingegen die Rechtswidrigkeit, die beiden Haftungsinstituten jedenfalls wegen der nicht gerechtfertigten Eigentumsbeeinträchtigung gemeinsam ist, nach Pflichten bzw. Pflichtverletzungen hin auf, so wird der Unterschied zwischen den jeweiligen Fallgruppen deutlich: Als enteignungsgleicher Eingriff wird diejenige dem Staat zuzurechnende Beeinträchtigung der von Art. 14 Abs. 1 GG erfassten Schutzgüter zu werten sein, die den Rechtfertigungsanforderungen endgültig nicht genügt. Sie stellt somit einen Verstoß gegen die grundrechtliche Unterlassungspflicht dar und ist aus diesem Grunde rechtswidrig383. Im Unterschied dazu ist in den Fällen des enteignenden Eingriffs mit der 377

Zu diesen Begriffen vgl. auch unten 2. Teil, § 11 B. II. 2. e). W. Leisner, Gefährdungshaftung, VVDStRL 20 (1963), 185, 205. 379 So auch W. Leisner, Gefährdungshaftung, VVStRL 20 (1963), 185, 206. – Diese Betrachtung ist auch insofern inkonsequent, als die Vorhersehbarkeit auch ex post nicht anders zu beurteilen ist als ex ante [näher dazu unten 2. Teil, § 11 B. II. 2. e)]. Daher ist ein weiterer Kunstgriff notwendig: ex ante soll es auf die Vorhersehbarkeit durch die Behörde, ex post auf einen objektiven allwissenden Beobachter ankommen (so Ch. Külpmann, Enteignende Eingriffe, S. 244 f.). – Nach einer rechtlichen Begründung hierfür wird man lange suchen müssen. 380 Dazu oben § 4 B. 381 Vgl. F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 6. Teil, I. 3., S. 272 f., der zwar von „Erfolgsunrecht“ spricht, aber (im Sinne der „Zustandsunrechtslehre“) ausschließlich die Rechtswidrigkeit des Ergebnisses meint. 382 Vgl. auch A. v. Arnauld, Enteignender und enteignungsgleicher Eingriff, VerwArch 93 (2002), 394, 413 f. 383 Daher ist die jüngst von W. Höfling, Primär- und Sekundärrechtsschutz, VVDStRL 61 (2002), 260, 277 sowie Thesen II.10 und 11 geforderte Harmonisierung des Staatshaftungsrechts mit der grundrechtlichen Eingriffsdogmatik nur zu berechtigt. Ungerechtfertigte Eingriffe in grundrechtliche Schutzgüter stellen in jedem Fall staatliches Unrecht dar. Für einschränkende Haftungsmerkmale, etwa die „Unmittelbarkeit“ beim enteignungsgleichen Eingriff ist jedenfalls dann kein Raum, wenn sie zum tatbestandlichen Ausschluss zurechenbarer Beeinträchtigungen führen und nicht lediglich eine Umschreibung der allgemeinen Zurechnungskriterien darstellen (in diesem Sinne nun wohl BGH, Urt. v. 9.11.1995 – III ZR 226/94 – BGHZ 131, 163, 166 f.). Dann aber knüpft die staatliche Haftung nicht einschränkend nur an „unmittelbare Eingriffe“ an, vielmehr liegt jenseits der „Unmittelbarkeit“ mangels Zurechenbarkeit schon ein Eingriff nicht vor. 378

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Eigentumsbeeinträchtigung (noch) nicht die Unterlassungspflicht verletzt, sondern die Ausgleichspflicht zur Entstehung gelangt384. Hier folgt die Rechtmäßigkeit des Eingriffs aus der Entschädigung, während beim enteignungsgleichen Eingriff die Entschädigung aus der Rechtswidrigkeit des Eingriffs resultiert. II. Das Rechtswidrigwerden staatlicher Regelungsakte Die Tatsache, dass der Staat durch das materielle Verfassungs- und Gesetzesrecht nicht (nur) zu bestimmten Handlungen verpflichtet wird, sondern dass die von ihm ausgelösten oder ihm sonst zuzurechnenden Wirkungen am Maßstab materiellrechtlicher Pflichtnormen zu messen sind, löst auch die Frage nachträglicher Rechtswidrigkeit von Regelungsakten, also etwa einfachgesetzlicher oder untergesetzlicher Normen sowie Verwaltungsakten385. Bei aller Unterschiedlichkeit, welche die verschiedenen Arten von Rechtsnormen untereinander und im Vergleich zu Verwaltungsakten auszeichnet, ist doch die rechtliche Bewertung dieser Frage einheitlich vorzunehmen. Denn sie knüpft gerade an die Gemeinsamkeiten an, die den genannten Handlungsformen eigen ist386: Das Merkmal der Regelung als zukunftsgewandte und (wenn auch in unterschiedlichen Maßen) dauerhafte Gestaltung rechtlicher Positionen387 sowie die Art der rechtlichen Bindung der jeweiligen staatlichen Organe als Urheber, die insoweit ohne-

384 Dabei soll nicht verkannt werden, dass die Zuerkennung von Kompensationsansprüchen als Voraussetzung der Rechtmäßigkeit von Eingriffen dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Entschädigung widerstreitet, der nach dem BVerfG (v. 2.3.1999 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226, 245) „grundsätzlich“ auch im Bereich des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gilt (a. A. BGH, Urt. v. 29.3.1984 – III ZR 11/83 – BGHZ 91, 20, 27; Urt. v. 25.3.1993 – III ZR 60/91 – BGHZ 122, 76, 78). Bezieht man dieses Gesetzlichkeitsprinzip auch auf die dem enteignenden Eingriff zufallenden Konstellationen, so ist entweder die Rechtsgrundlage für die Eigentumsbeeinträchtigung wegen des Fehlens einer Entschädigungsregelung verfassungswidrig (wie etwa in BVerfG, Beschl. v. 14.7.1981 – 1 BvL 24/78 – BVerfGE 58, 137, 147 ff.) oder diese zwar verfassungsgemäß, ihre Anwendung im Einzelfall wegen der unzumutbaren Eigentumsbeeinträchtigung aber rechtswidrig, weil die Ausgleichspflicht mangels Rechtsgrundlage nicht entsteht und der Eingriff deshalb nicht rechtfertigungsfähig ist (vgl. auch W. Kluth, in: H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 72 Rdnr. 27; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 40 Rdnr. 61). In beiden Fällen liegt dann aber ein Verstoß gegen die grundrechtliche Unterlassungspflicht vor, also ein Fall des enteignungsgleichen Eingriffs. Schärfer formuliert: Fälle des enteignenden Eingriffs können rechtlich gar nicht vorkommen. Eines Rückgriffs auf das die Lehre vom Erfolgsunrecht bedarf es dazu aber nicht (so aber W. Kluth, in: H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 72 Rdnr. 27). 385 Für (generelle oder Einzelfall-)Regelungen, die nicht auf Außenwirkung gerichtet und deshalb weder Gesetze im materiellen Sinn noch Verwaltungsakte sind, gilt dasselbe. Sie bleiben im folgenden unerwähnt, da ihr Urheber nicht „der Staat“ als solcher, sondern eine seiner Funktionseinheiten ist. 386 Zur Vergleichbarkeit s. a. P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 69 f 387 Ähnlich Ch. Sieger, Maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 67.

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hin „als“ Staat agieren388 und gegenüber Dritten keine eigenständige rechtliche Stellung einnehmen. In der Problematik des Rechtswidrigwerdens spiegelt sich ein weiteres Mal die Unzulänglichkeit eines verhaltensbezogenen Rechtswidrigkeitsurteils, das auf den Regelungserlass fixiert bleiben und die Wirkungen erlassener Regelungen jedenfalls dann und insoweit für unbeachtlich halten muss, wenn und als sie erst in einem späteren als dem Erlasszeitpunkt389 eintreten. Dann aber bleibt wohl nur die Wahl, das Rechtswidrigwerden überhaupt für unmöglich zu halten390 oder auf die Lehre vom Zustandsunrecht zurückzugreifen391. Die zuletzt genannte Möglichkeit scheint auf den ersten Blick – sieht man von den allgemein zu erhebenden Bedenken gegen diese Lehre einmal ab392 – insoweit terminologisch jedenfalls nachvollziehbar, als es üblich ist, davon zu sprechen, eine Norm oder ein Verwaltungsakt „verstoße“ gegen Verfassung oder Gesetz und sei aus diesem Grunde rechtswidrig. Daran ist soviel richtig, dass staatliche Regelungen Gegenstand rechtlicher Beurteilungen sind, gleichwohl sind sie – natürlich – nicht Adressaten derjenigen Vorschriften, die als Maßstab für die Rechtmäßigkeit fungieren. In der Bezeichnung von Normen oder Einzelakten als rechtswidrig, die auch in die Gesetzessprache (vgl. etwa § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO) Eingang gefunden hat, ist in gewisser Weise eine Verselbstständigung der Handlungsform von dem Staat, der sich seiner bedient, angelegt393. Der Grund wird darin gesehen, dass es nicht darauf ankommen soll, ob dem Staatsorgan oder den für dieses handelnden Personen rechtswidriges Verhalten vorgeworfen werden kann394. Das 388 Genauer: Rechtlich gebunden ist im Verhältnis zum Bürger nicht das einzelne Staatsorgan, sondern der Staat, der „durch“ das Organ handelt. 389 Bei Rechtsnormen wird gelegentlich insoweit auf den Zeitpunkt der Verkündung abgestellt (vgl. etwa M. Gerhardt, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner, VwGO, § 47 Rdnr. 111 a. E.; F. Mayer/F. O. Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 (S. 251). Ein verhaltensbezogener Rechtswidrigkeitsbegriff müsste deshalb konsequenter Weise den Rechtsfehler im Akt der Verkündung erblicken und dem Verkündungsorgan zuweisen. 390 Für Verwaltungsakte in diesem Sinne H. H. Rupp, Der maßgebende Zeitpunkt, in: Rechtsschutz im Sozialrecht, S. 173, 183; K. Schweiger, Maßgebende Sach- und Rechtslage, DVBl. 1964, 205, 210. 391 So P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 170 ff.; K. A. Bettermann, Über die Rechtswidrigkeit von Staatsakten, in: Festschrift f. H. Huber, S. 25, 34 („Rechtszustand“). 392 Oben § 4 B. 393 Vgl. etwa M. Sachs, in P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 44 Rdnr. 14. 394 M. Sachs, in P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 44 Rdnr. 14; A. Scherzberg, Nachschieben einer kommunalen Abgabensatzung, BayVBl. 1992, 426, 428; s. a. H. Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 398, der dies mit der Unterscheidung von subjektiver Pflichtwidrigkeit und objektiver Rechtswidrigkeit begründet. Nun ist die Pflichtwidrigkeit stets insofern „subjektiv“, als sie den Pflichtenverstoß eines Rechtssubjekts voraussetzt. Was aber eine als Gegensatz dazu verstandene „objektive

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freilich trifft zu, geht es doch bei der Beurteilung von Staatsakten darum, ob die Anforderungen gewahrt sind, welche die Rechtsordnung gerade an den Staat als Pflichtsubjekt stellt. Diese Anforderungen sind, wie erwähnt, von denen einzelner Funktionseinheiten innerhalb der Staatsorganisation ebenso zu unterscheiden, wie von denen der jeweiligen Amtsinhaber395. Gesetze oder Verwaltungsakte interessieren deshalb nur aus der Perspektive staatlicher Pflichten. Oder, um es auf die Spitze zu treiben: Sie sind nur aus der Perspektive des Staates Gesetze oder Verwaltungsakte. Vom Staat indes können die Regelungen nicht abstrahiert werden. Mit der Qualifizierung einer staatlichen Regelung als rechtswidrig wird die Tatsache umschrieben, dass eine Befugnis des Staates für die entsprechende Anordnung nicht besteht396. Der Rechtsverstoß kann nur in der Pflichtverletzung des Urhebers von Norm oder Verwaltungsakt bestehen; deren Rechtswidrigkeit hingegen ist mit dem Begriff der (förmlichen bzw. sachlichen) Unvereinbarkeit 397 mit den Maßstabsnormen hinreichend und präzise ausgedrückt. Staatliche Entscheidungen sind nur rechtmäßig, wenn das jeweilige Staatsorgan die entsprechende Entscheidungskompetenz besitzt, die Entscheidung unter Einhaltung der formellen Voraussetzungen, also insbesondere im dafür vorgeschriebenen Verfahren zustande gekommen ist und weiter die materiellrecht-

Rechtswidrigkeit“ sein soll, ist unklar (vgl. zur Mehrdeutigkeit des Begriffs schon oben § 4 B. I. in Fußn. 98). 395 Dazu, dass im Hinblick auf die den Staat treffenden Pflichten nicht auf dessen Organe und Amtswalter abgestellt werden darf, vgl. oben § 5 A. IV. 1. 396 Deshalb ist beispielsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts gem. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO als Feststellung des (Nicht-)Bestehens eines Rechtsverhältnisses – der fehlenden Befugnis der für den Staat handelnden Behörde und der Rechtsverletzung des Klägers – zu verstehen; vgl. dazu etwa M. Gerhardt, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner, VwGO, § 113 Rdnr. 77; S. Lascho, Erledigung des Verwaltungsakts, S. 394, 419; J. Pietzcker, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rdnr. 86; ferner die Erwägungen des BVerwG, Urt. v. 14.7.1999 – 6 C 7/98 – BVerwGE 109, 203, 208 f. sowie M. Wehr, Abschied von der Fortsetzungsfeststellungsklage, DVBl. 2001, 785, 787 f.). Das hiergegen gerichtete Argument, die Feststellung des (Nicht-)Bestehens eines Rechtsverhältnisses entspräche nicht dem klägerischen Begehren (z. B. A. Göpfert, Fortsetzungsfeststellungsklage, S. 33; ders., Rechtswidrigkeitsfeststellungsklage, BayVBl. 2000, 300, 304; F. Fechner, Rechtswidrigkeitsfeststellungsklage, NVwZ 2000, 121, 128; J. Rozek, Neues zur Fortsetzungsfeststellungsklage, JuS 2000, 1162, 1166), ist wegen der inhaltlichen Identität dieser Feststellung mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts ebenso wenig überzeugend wie die begriffsjuristisch anmutende Behauptung, ein Verwaltungsakt sei kein Rechtsverhältnis (F. Fechner, a. a. O., S. 127; J. Rozek, Grundfälle, JuS 1995, 414, 415); denn in gleicher Weise ist auch ein (erledigter) Realakt kein Rechtsverhältnis, ohne dass deshalb eine allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO ausscheiden muss. (Insoweit) wie hier R. P. Schenke, Vorprozessual erledigte Verwaltungsakte, NVwZ 2000, 1255, 1257; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rdnr. 325; ausführlich S. Lascho, a. a. O., S. 391 ff. 397 Vgl. auch Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG; § 47 Abs. 3 VwGO.

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lichen Bedingungen für die Entscheidungswirkungen vorliegen. Ob nun – und aus welchen Gründen – eine Entscheidung rechtswidrig werden kann, bestimmt sich danach, wann die jeweiligen Rechtmäßigkeitsbedingungen erfüllt sein müssen. Für den Gang des äußeren Verfahrens als formeller Rechtmäßigkeitsbedingung ergibt sich schon aus den einschlägigen Verfahrensvorschriften, dass die einzelnen Verfahrensschritte vor dem Erlass des jeweiligen Aktes absolviert werden müssen398. Gesetzlich eingeräumte Möglichkeiten der Nachholung versäumter Verfahrensanforderungen (z. B. § 45 Abs. 1 VwVfG) bestätigen als Ausnahme diese Regel. Unzweifelhaft gilt dasselbe für die materiellrechtlichen Anforderungen an das Zustandekommen von Staatsakten, das „innere Verfahren“399, die in den Fällen, in denen das Entscheidungsergebnis imperfekt determiniert, also nicht durch das anzuwendende Recht abschließend bestimmt ist, eine bestimmte Art und Weise der Entscheidungsfindung erfordern können. Für die übrigen materiellrechtlichen Voraussetzungen und für die Organzuständigkeit gilt dies jedoch nicht. 1. Die Maßgeblichkeit der Regelungswirkung Regelungsakte verändern unmittelbar nicht tatsächliche Umstände, sondern die rechtliche Stellung von Rechtssubjekten im Hinblick auf ihren Status, ihre Berechtigungen oder Verpflichtungen, sei es durch Begründung, Veränderung oder Aufhebung derselben. Rechtmäßigkeit einer Regelung, verstanden als Befugnis des Staates, bedeutet, dass diejenigen rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, unter denen solche Wirkungen herbeigeführt werden dürfen oder müssen. Der durch das materielle Recht verpflichtete Staat darf durch Regelungsakte nur diejenigen rechtlichen Veränderungen bewirken, für die alle Bedingungen erfüllt sind, welche die Rechtsordnung an ihren Eintritt und ihren Bestand stellt; er muss sie bewirken, wenn und sobald die Voraussetzung erfüllt sind, deren Folge eine entsprechende Verpflichtung ist. Die in dieser Weise an Wirkungen orientierte Verpflichtung des Staates ist zeitoffen und nicht auf ein tatsächliches Geschehen bezogen. Anders gewendet: Das „Verhalten“ des Staates400 ist nicht nur der tatsächliche Vorgang des Regelungserlasses, sondern auch der jeweilige Regelungsinhalt. In ihm liegt die ver398 Vgl. auch D. Heckmann, Geltungskraft, S. 281. – Nachträgliche Änderungen des Verfahrensrechts haben deshalb regelmäßig keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit zuvor ergangener Entscheidungen; vgl. K. A. Bettermann, Über die Rechtswidrigkeit von Staatsakten, in: Festschrift f. H. Huber, S. 25, 38 f. 399 Vgl. mit Beispielen oben § 5 B. III. bei Fußn. 327 ff. 400 Diese Anleihe bei der Lehre vom Verhaltensunrecht sei hier erlaubt. Aus Sicht des Adressaten einer Regelung ist dies offenbar: Für ihn ordnet der Staat das als Rechtsfolge gesollte Verhalten erst zu dem Zeitpunkt an, zu welchem die tatbestandlichen Voraussetzungen der Regelung vorliegen.

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bindliche Rechtsfolgenanordnung beschlossen, die den Adressaten zu jeder Zeit „treffen“ kann, in der die tatbestandliche Situation vorliegt, an welche die Regelung anknüpft401. Dementsprechend kommt es für die (materielle) Rechtmäßigkeit staatlicher Regelungen weniger402 auf den Zeitpunkt ihres Erlasses, als vielmehr darauf an, wann die Regelungswirkungen (nicht nur erstmals eintreten, sondern generell) auftreten, der Inhalt der Regelung also wirksam ist403. Damit kann ein Zeitpunkt ebenso bezeichnet sein wie ein Zeitraum. Verwaltungsakte erschöpfen sich vielfach in „punktuellen“ Regelungen, ihre Wirkungen entfalten sich in diesem Falle nur in der „juristischen Sekunde“, die für den Eintritt der Regelungswirkung erforderlich, aber auch ausreichend ist. Rechtsnormen hingegen sind regelmäßig auf Dauer angelegt, ihre Regelungswirkungen treten während der Geltungsdauer der Norm in jedem Fall ein, der von ihr tatbestandlich erfasst wird. Doch sind damit nur die typischen Wirkungsweisen charakterisiert. Denn ebenso, wie es Verwaltungsakte gibt, die sich nicht in der einmaligen Gestaltung einer Rechtslage erschöpfen, sondern Wirkungen von gewisser Dauer zeitigen, sind punktuelle Regelungen durch Rechtsnormen möglich404. Für die Frage des Rechtswidrigwerdens von Normen oder Verwaltungsakten ist die Orientierung an der zeitlichen Erstreckung der Regelungswirkung elementar. Denn nur innerhalb des so umrissenen Zeitraums eintretende Veränderungen können überhaupt zu einer veränderten Beurteilung der Vereinbarkeit einer Regelung mit höherrangigem Recht veranlassen. Jenseits dieser zeitlichen Grenze fehlt es, was die Regelung betrifft, an einem Gegenstand, an den der Maßstab der Rechtsordnung angelegt werden kann405, es ermangelt mit der Re401 Vgl. auch, am Beispiel von Verwaltungsakten, O. Bachof, Der maßgebende Zeitpunkt, JZ 1954, 416, 420; P. Bähr, Rechts- und Sachlage, S. 49 f. 402 Es wurde bereits oben § 5 B. III. S. 79 f. darauf hingewiesen, dass auch materielles Recht Anforderungen an die Methodik der Entscheidungsfindung stellen kann, die an den tatsächlichen Erlassvorgang anknüpfen und deshalb nach dessen Abschluss entweder erfüllt oder nicht erfüllt sind. Ein Wandel der Rechts- oder Sachlage vermag an diesem Faktum nichts zu ändern. 403 Für Rechtsnormen ebenso D. Heckmann, Geltungskraft, S. 281; am Beispiel belastender Verwaltungsakte vgl. bereits O. Bachof, Der maßgebende Zeitpunkt, JZ 1954, 416, 420: „Der VA muss in jedem Zeitpunkt dieser seiner Existenz rechtmäßig sein und das Verlangen an das Verhalten des Betroffenen aus dem Gesetz zu rechtfertigen vermögen“; ferner P. Lerche, Anmerkung, DVBl. 1955, 776, 777, der zutreffend auf die Fortdauer des „Befehlsinhalts“ und seiner Rechtswirkungen abstellt. 404 Vgl. auch P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 219. 405 Es ist zwar denkbar, dass eine Beschränkung des zeitlichen Anwendungsbereichs einer sachlichen Regelung (durch eine Befristung oder Bedingung, aber auch durch eine Aufhebung der Regelung ex nunc oder durch den verspäteten Erlass) deshalb rechtswidrig ist, weil eine Verpflichtung zu zeitlich weiter ausgreifender Regelung besteht. In diesem Fall ist aber nicht die Sachregelung, sondern die Regelung der zeitlichen Beschränkung mit der Maßstabsnorm unvereinbar. Auch diese Rechtswidrigkeit ist eine Pflichtverletzung, doch bezieht sie sich auf eine positive Regelungspflicht, nicht auf die oben angesprochene Pflicht, Regelungen zu unterlassen, die den rechtlichen Bedingungen nicht genügen.

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gelungswirkung an dem Substrat, dessen Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit mit den Maßstabsnormen festgestellt werden kann406. 2. Die relevanten Änderungen Ist das materielle Recht in der beschriebenen Weise Maßstab für die durch staatliche Regelungen ausgelösten Wirkungen, so ist zunächst jede Veränderung relevant, die zur Unvereinbarkeit der Regelung mit den Maßstabsnormen führt. Eine derartige Unvereinbarkeit liegt grundsätzlich407 dann vor, wenn bzw. sobald eine Regelung gleichen Inhalts nicht erneut rechtmäßiger Weise erlassen werden könnte. Eine solch ausgreifende Formulierung allerdings ist einer Reihe von Einwänden ausgesetzt. Dies wird vor allem bei Verwaltungsakten thematisiert und ablehnend kommentiert408. Doch auch bei Normen, bei denen die Möglichkeit nachträglicher Rechtswidrigkeit an sich nicht streitig ist409, finden sich abweichende Positionen. a) Veränderung des höherrangigen Rechts als Derogation So wird insbesondere die Ansicht vertreten410, eine Änderung des höherrangigen Rechts, die zur Folge habe, dass eine bestehende Norm411 mit gleichem Inhalt nunmehr nicht mehr erlassen werden dürfte, nicht zu deren Rechtswidrigkeit, sondern zu ihrer konkludenten Aufhebung (materiellen Derogation412) führe413. Der damit vollzogene Rückgriff auf den historisch überkommenen Satz „lex posterior derogat legi priori“ ist aber keineswegs so unproblematisch, 406 Dies ist im Grunde eine Selbstverständlichkeit, deren Erwähnung nur dadurch gerechtfertigt werden kann, dass bei der Diskussion um das Rechtswidrigwerden von Verwaltungsakten diesem Umstand nicht die notwendige Beachtung geschenkt wird; vgl. näher unten § 5 C. III. 3. 407 Zu (scheinbaren) Ausnahmen vgl. unten § 5 C. II. 3. 408 Vgl. dazu noch unten § 5 C. III. 3. 409 Vgl. etwa D. Heckmann, Geltungskraft, S. 466 ff. m. w. N. Anders aber H. H. Rupp, Der maßgebende Zeitpunkt, in: Rechtsschutz im Sozialrecht, S. 173, 183 ff., der (a. a. O., S. 184) ausgehend vom Nichtigkeitsdogma von der „als selbsttätig aufgefasste(n) Vermichtungsautomatik“ spricht, die zur Auflösung von Normenkollisionen einsetze und von einem Pflichtverstoß des Normsetzers unabhängig sei. 410 P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 223 ff.; vgl. auch H. H. Rupp, Der maßgebende Zeitpunkt, in: Rechtsschutz im Sozialrecht, S. 173, 183 ff. 411 Für Verwaltungsakte lässt sich die Position dagegen nicht vertreten; ihre Wirksamkeit bleibt von der Veränderung höherrangigen Rechts unberührt. Das gilt auch, wenn die Rechtsgrundlage des Verwaltungsakts für nichtig erklärt wird, vgl. § 79 Abs. 2 BVerfGG, § 183 S. 1 VwGO analog (zur Anwendbarkeit auf Verwaltungsakte vgl. F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 183 Rdnr. 5). 412 Vgl. P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 274 f.

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wie man es glauben machen möchte414. Im Gegenteil: Als regulärer Weg der Geltungsbeendigung von Normen ist die Aufhebung – auch die konkludente – dem Zuständigkeits- und Verfahrensregime unterworfen, das auch für den Normerlass gilt. Das ist lediglich im Rahmen der Verordnungsgebung unproblematisch, die auf einer die Kompetenz des parlamentarischen Gesetzgebers „konservierenden Delegation“415 beruht. In diesem Fall kann eine konkludente Aufhebung416 mit der Neuregelung unvereinbarer Rechtsnormen durchaus vorliegen417. Soweit im übrigen aber die Rechtssetzungsbefugnis an sich von der nachträglich erlassenen höherrangigen Rechtsnorm unberührt bleibt und sich nur die Anforderungen an die inhaltliche Gestaltung der Regelung ändern, wächst die Zuständigkeit zur Aufhebung der Norm niedrigeren Ranges nicht zugleich auch dem Urheber der (neuen) Maßstabsnorm zu. Von einer konkludenten Aufhebung kann deshalb schon aus kompetenziellen Gründen nur bei Identität der jeweiligen Normgeber und damit bei Gleichrangigkeit von früherem und späterem Gesetz ausgegangen werden418. Auf diesen Fall beschränkt sich denn auch der Geltungsbereich des „lex posterior-Satzes“419. 413 P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 223 ff.; vgl. auch H. H. Rupp, Der maßgebende Zeitpunkt, in: Rechtsschutz im Sozialrecht, S. 173, 183 ff. 414 Tatsächlich bietet P. Baumeister keine wirkliche sachliche Begründung für seine Ansicht an: Zwar stellt er im Zusammenhang mit § 123 Abs. 1 GG die Frage, ob es sich dabei um eine nur deklaratorische Bestimmung handele, doch er beantwortet sie nicht (Rechtswidrigwerden, S. 223). Stattdessen stimmt das von ihm gefundene Ergebnis – Unterscheidung von Derogation und Rechtswidrigkeit – exakt und kaum überraschend mit der Prämisse überein, unter der er die Frage erst aufwirft. Ferner verweist er auf den engen Zusammenhang der konkludenten mit der ausdrücklichen Aufhebung (a. a. O., S. 275) und will daraus ableiten, dass eine nachträgliche Änderung höherrangigen Rechts nicht zur Rechtswidrigkeit führt. In der Tat: Wenn dieser Umstand zur materiellen Derogation i. S. Baumeisters führt, kann von einem Rechtswidrigwerden nicht die Rede sein. Die Frage aber, ob dem so ist, bleibt offen. 415 Begriff nach H. Triepel, Delegation und Mandat, S. 58. 416 Dies lässt sich aber aus den im Text genannten Gründen nicht auf den „lexposterior-Satz“ gründen; im übrigen ist es mehr als fraglich, ob alleine der Normwiderspruch zur Annahme einer gleichsam automatischen Geltungsbeendigung führt, wie dies P. Baumeister und auch H. H. Rupp (Der maßgebende Zeitpunkt, in: Rechtsschutz im Sozialrecht, S. 173, 184) für die hier besprochenen Konstellationen vertreten, oder ob nicht die Geltungsbeendigung stets einer Entscheidung des hierfür zuständigen Staatsorgans bedarf (so mit guten Gründen D. Heckmann, Geltungskraft, z. B. S. 115 f.). 417 Vgl. etwa S. Studenroth, Einflussnahme des Bundestages, DÖV 1995, 525, 535; einschränkend – Aufhebungsrecht nur bei Aufhebungsvorbehalt – M. Lepa, Verfassungsrechtliche Probleme, AöR 105 (1980), 337, 350. 418 Der „lex-posterior-Satz“ kennzeichnet also die Änderungsmacht des Normgebers, vgl. D. Heckmann, Geltungskraft, S. 162. 419 Vgl. auch D. Heckmann, Geltungskraft, S. 158 („horizontale Derogation“); J. Ipsen, Rechtsfolgen, S. 164; F. Ossenbühl, Gesetz und Recht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR III, § 61 Rdnr. 71; L. Renck, Lex posterior, JZ 1970, 770 f.; K. Stern, Staatsrecht III/2, § 82 I 1, S. 604; B. Vogler, Genehmigungsanspruch, S. 125; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 27 Rdnr. 4.

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Auch für Rechtsänderungen gilt deshalb, dass jede nachträglich eintretende Unvereinbarkeit mit den Maßstabsnormen zur Rechtswidrigkeit der jeweiligen Regelung führt. Allerdings ist damit keine Aussage darüber getroffen, welche Normen als Maßstab heranzuziehen sind. Das ist Gegenstand des „intertemporalen Rechts“, das gegebenenfalls durch Überleitungsvorschriften die (begrenzte) Anwendung des bisherigen Rechts auf bereits erlassene Regelungen anordnen kann. Dies ist im Rahmen etwaiger verfassungsrechtlicher Grenzen zulässig oder – etwa im Hinblick auf den Grundrechtsschutz erworbener Rechtspositionen oder den allgemeinen Vertrauensschutzgrundsatz420 – gar geboten. Insoweit liegt also eine Veränderung der Maßstabsnormen gar nicht vor, so dass sich die Frage nachträglicher Rechtswidrigkeit überhaupt nicht stellt421. b) Veränderung der Sachlage Die Zeitdimension rechtlicher Regelungen wird vor allem in der Veränderung der tatsächlichen Sachlage erkennbar. Auf eine gewisse Dauer angelegte Regelungen sind tendenziell statisch; ihre (gleichbleibenden) Wirkungen treten in einer sich verändernden Umwelt ein. „Dynamisierungen“ der Rechtsordnung – befristete oder sonst vorläufige Regelungen, die Anknüpfung an den jeweiligen Stand (etwa der Technik) und ähnliches – können die Folgen dieser Tatsache mindern, aber nicht beseitigen. Der Wandel der tatsächlichen Verhältnisse aber beeinflusst nicht die rechtlichen Anforderungen an regelnde Staatsakte. Das wird in seiner Tragweite offenbar, wenn man sich verdeutlicht, dass jede (außenwirksame) Regelung in jedem Zeitpunkt ihrer Geltung eine Rechtsfolgenanordnung des Staates ist. So unterliegt, um ein prägnantes Begriffspaar zu verwenden422, nicht alleine der „Befehlsvorgang“ als „historisches Ereignis“, sondern auch der „Befehlsinhalt“ rechtlichen Bedingungen. Am markantesten lässt sich dies wohl anhand der grundrechtlichen Unterlassungspflicht des Staates illustrieren: Die Rechtmäßigkeit belastender Staatsakte – gleich welcher Handlungsform – hängt stets davon ab, dass die grundgesetzlichen Rechtfertigungsbedingungen gerade zu dem Zeitpunkt vorliegen, in dem das jeweilige Grundrecht beeinträchtigt ist. Für eine Anknüpfung (nur) an den Zeitpunkt, zu dem der Staatsakt erlassen wurde, geben die Normen des Grundgesetzes nicht nur nichts her, diese wäre auch teleologisch nicht zu begründen, da sie letztlich zu einer schleichenden Entwertung der Grundrechte führte. 420

Vgl. B. Vogler, Genehmigungsanspruch, S. 106 ff. Bei derartigen Überleitungsvorschriften ist allenfalls die Besonderheit zu verzeichnen, dass der Satz, wonach sich die Rechtmäßigkeit einer Regelung zu jedem Zeitpunkt danach bemisst, ob er nunmehr mit diesem Inhalt erneut erlassen werden könnte, nicht gilt, da für neu zu erlassende Regelungsakte das Altrecht nicht mehr maßgeblich ist. 422 Im Anschluss an P. Lerche, Anmerkung, DVBl. 1955, 776, 777. 421

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Daraus erhellt auch, dass alleine das Verfehlen der materiellen Rechtmäßigkeitsbedingungen – zu welchem Zeitpunkt während der Regelungsdauer auch immer – die Pflichtverletzung des Staates begründet423 und zur Rechtswidrigkeit der Regelung führt424. Weitere einschränkende Voraussetzungen für die nachträgliche Rechtswidrigkeit, etwa die Evidenz der Unvereinbarkeit oder der Ablauf einer Anpassungsfrist425, sind vor diesem Hintergrund nicht begründbar426. c) Der Wegfall der Regelungskompetenz Neben den jeweiligen Voraussetzungen an ihren Inhalt sowie den besonderen Anforderungen an ihr Zustandekommen gehört auch die Kompetenz des jeweiligen Staatsorgans zu den Bedingungen für die Rechtmäßigkeit eines staatlichen Aktes. Die Kompetenzordnung knüpft an unterschiedliche Aspekte staatlichen Handelns an: Den Inhalt und damit die Wirkungen von Staatsakten, ihren Gegenstand sowie die Handlungsform. Alle drei Aspekte sind eng miteinander verbunden, doch lassen sich typische Beispiele für jeden der genannten Anknüpfungspunkte finden. Inhalt und Wirkung staatlicher Akte sind in kompetenzieller Hinsicht im Rahmen des Vorbehalts des Gesetzes für die vollziehende Gewalt von Bedeutung. Innerhalb seines Geltungsbereichs, bei Eingriffen in Freiheit und Eigentum und sonstigen, insbesondere für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Akten, bedarf die Exekutive stets der formell-gesetzlichen Ermächtigung427. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen im Bundesstaat 423 In diesem Zusammenhang steht auch die vom BVerfG angenommene „Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers“; vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 18.12.1968 – 1. BvL 5/64 u. a. – BVerfGE 25, 1, 13; Urt. v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77 u. a. – BVerfGE 50, 290, 335 f.; Beschl. v. 14.1.1981 – 1 BvR 612/72 – BVerfGE 56, 54, 78 f.; Beschl. v. 24.11.1981 – 2 BvC 1/81 – BVerfGE 59, 119, 127; P. Badura, Nachbesserung von Gesetzen, in: Festschrift f. K. Eichenberger, S. 481 ff.; R. Stettner, Verpflichtung des Gesetzgebers, DVBl. 1982, 1123 ff. Sie steht mit dem Rechtswidrigwerden von Gesetzen in engem Zusammenhang (vgl. auch P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 205), sei es, weil die betreffenden Normen ohne Nachbesserung rechtswidrig zu werden drohen, sei es, weil sie es bereits geworden sind. Vor dem Hintergrund der hier vertretenen dogmatischen Bestimmung des Rechtswidrigwerdens als Verletzung ergebnisorientierter Pflichten lässt sich diese Verpflichtung auch verfassungsrechtlich verankern [zweifelnd K. Stern, Staatsrecht III/1, § 73 IV 4. c) g), S. 1316]. Die Pflicht zur Nachbesserung ist mit den genannten ergebnisorientierten Pflichten identisch und fußt letztlich in der Verfassungsbindung der Gesetzgebung nach Art. 20 Abs. 3 GG. 424 Vgl. auch (im Hinblick auf Verwaltungsakte) P. Bähr, Rechts- und Sachlage, S. 51. 425 Zu entsprechenden Ansätzen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vgl. P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 232 ff. 426 So im Ergebnis zu Recht P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 255 f.

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(Art. 30, 70 ff. GG) knüpft hingegen an den Gegenstand der Legeferierung an: Der Bundesgesetzgeber besitzt nur die Kompetenz zur Gesetzgebung in den Bereichen, die ihm grundgesetzlich ausdrücklich oder konkludent428 zugewiesen sind, im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung gilt dies auch nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG. Im übrigen sind die Länder zuständig. Die Handlungsform als solche wird in reinster Form in Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG zum Anknüpfungspunkt der Kompetenzordnung gemacht: Des Instruments der Rechtsverordnung darf sich die vollziehende Gewalt nur aufgrund spezieller gesetzlicher Ermächtigung bedienen. Weniger strikt, aber auch von der gesetzlichen429 Verleihung abhängig ist die Satzungsbefugnis juristischer Personen des öffentlichen Rechts430. Umstritten ist hingegen, ob ein solcher Gesetzesvorbehalt auch für Verwaltungsakte gilt. Fraglich ist, welche Auswirkung der nachträgliche Wegfall der Regelungskompetenz auf die Rechtmäßigkeit des Regelungsaktes hat. Soweit die Rechtsgrundlage des Regelungsinhalts wegen erforderlich ist, wird man diesen Fall mit dem nachträglichen Wegfall der inhaltlichen Voraussetzungen schon deshalb gleichsetzen müssen, weil insoweit auch die Regelungsbefugnis Rechtmäßigkeitsbedingung nicht nur des Regelungserlasses sondern auch der Regelungswirkung ist431. Für den Fortfall oder die Änderung der Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Rechtsverordnungen und Satzungen hat sich das Bundesverfassungsgericht432 dahin gehend geäußert, dass eine Rechtsverordnung nicht von Verfassungs wegen durch den Wegfall der Ermächtigungsnorm in ihrer Gültigkeit berührt werde. Dem wird in der Literatur433 ganz überwiegend434 mit der Ein427

Vgl. nur H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rdnrn. 3 ff. Zur Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs und zur Annexkompetenz vgl. etwa H. D. Jarass, Allgemeine Probleme, NVwZ 2000, 1089, 1090; J. Rozek, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, GG Bd. 2, Art. 70 Abs. 1, Rdnrn. 36 ff. 429 Soweit nicht das Grundgesetz selbst die Satzungsautonomie gewährt, wie dies in Art. 28 Abs. 2 GG für die Gemeinden geschehen ist, vgl. nur H. Dreier, in: ders., GG, Bd. II, Art. 28 Rdnr. 133. 430 Vgl. nur F. Ossenbühl, Satzung, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR, Bd. III, § 66 Rdnr. 17 ff. 431 Das ergibt sich bei Grundrechtseingriffen aus der Tatsache, dass schon das Fehlen einer gesetzlichen Ermächtigung die Grundrechtsverletzung bewirkt. 432 BVerfG, Beschl. v. 3.12. 1958 – 1 BvR 488/57 – BVerfGE 9, 3, 12; Beschl. v. 16.5.1961 – 2 BvF 1/60 – BVerfGE 12, 341, 347; Besch. v. 25.7.1962 – 2 BvL 4/62 – BVerfGE 14, 245, 249; Beschl. v. 18.3.1970 – 2 BvO 1/65 – BVerfGE 28, 119, 143; Beschl. v. 23.3.1977 – 2 BvR 812/74 – BVerfGE 44, 216, 226; Beschl. v. 10.5.1988 – 1 BvR 482/87 – BVerfGE 78, 179, 198. 433 M. Lepa, Verfassungsrechtliche Probleme, AöR 105 (1980), 337, 368; Th. Maunz, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 80 (1978) Rdnr. 24; F. Mayer/F. O. Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 (S. 251); F. Ossenbühl, Rechtsverordnung, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR, Bd. III, § 64 Rdnr. 71; B. Pieroth, in: H. D. Jarass/B. 428

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schränkung zugestimmt, dass dies nur gelte, wenn nicht die Rechtsverordnung mit dem ihm zugrunde liegenden Gesetz eine funktionelle Einheit435 bilde, die eine selbstständige Geltung der untergesetzlichen Norm ausschließe. Die Stellungnahmen zu dieser Frage sind allerdings insoweit ungenau, als lediglich die Frage der Geltung bzw. des Geltungsfortfalls thematisiert wird. Die Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts lassen sich auch so verstehen, dass die Aufhebung der Ermächtigungsnorm nicht verfassungsrechtlich zwingend die (konkludente) Aufhebung der darauf gestützten Rechtsverordnung beinhaltet. In Fällen der funktionellen Einheit mit der Ermächtigung könnte allerdings ein solcher Fall der Aufhebung vorliegen436; alternativ dazu vermag gegebenenfalls die nunmehr eingetretene Funktionslosigkeit der Rechtsverordnung ihren Geltungsverlust begründen437. Über die Rechtmäßigkeit der übrigen Rechtsverordnungen wäre aber damit nicht entschieden438. Einen Fall des nachträglichen Wegfalls einer nach dem Gegenstand bestimmten Kompetenz regelt Art. 125a Abs. 1 S. 1 GG: Durch Änderungen der Art. 74 Abs. 1 oder Art. 75 Abs. 1 GG entfallende Bundesgesetzgebungskompetenzen lassen die Geltung – und wie man ergänzen darf: die Rechtmäßigkeit – des vor der Änderung erlassenen Rechts unberührt439. Hingegen wird der Wegfall der Landeskompetenz durch den Erlass eines im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis des Bundes ergehenden Bundesgesetzes440 als Derogation im Sinne eines Geltungswegfalls beschrieben441. Da hier eine konkludente Aufhebung des Landesrechts durch den Bundesgesetzgeber ausscheidet442, muss Pieroth, GG, Art. 80 Rdnr. 15; U. Ramsauer, AK-GG, Bd. 3, Art. 80 Rdnr. 77; S. Studenroth, Einflussnahme des Bundestages, DÖV 1995, 525, 535. 434 Für Ungültigkeit aber M. Kotulla, Fortgeltung von Rechtsverordnungen, NVwZ 2000, 1263 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 13 Rdnr. 7. 435 Zur Einheit von Gesetz und Rechtsverordnung BVerfG, Beschl. v. 9.10.1968 – 2 BvE 2/66 – BVerfGE 24, 184, 198. 436 D. Heckmann, Geltungskraft, 368 f. 437 Ob allerdings die Funktionslosigkeit von Rechtsnormen ein eigenständiger Grund für ihren Geltungsfortfall ist, wird mit guten Gründen bestritten, vgl. P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 305 ff.; ders., Rechtswidrigwerden statt Funktionslosigkeit, GewArch 1996, 318 ff.; D. Heckmann, Geltungskraft, S. 471 ff. 438 Dabei wird davon abgesehen, dass häufig die Geltungsfrage mit der Rechtmäßigkeitsfrage verbunden wird: Auf der Grundlage des Nichtigkeitsdogmas wird von der ipso-iure-Nichtigkeit rechtswidriger Rechtsnormen ausgegangen, so dass „Nichtgeltung“ und „Rechtswidrigkeit“ synonym verwendet werden (zur Gegenansicht vgl. D. Heckmann, Geltungskraft, z. B. S. 58 ff.; M. Wehr, Inzidente Normverwerfung, S. 38 ff.) – Darauf kommt es hier aber nicht an, da nicht die Rechtsfolgen der Rechtswidrigkeit, sondern ihre Voraussetzungen zu untersuchen sind. 439 Zum Problem der Bundeskompetenz zur Änderung des solcherart „übergeleiteten“ Altrechts vgl. D. Heckmann, Geltungskraft, S. 284 ff. 440 Unterdessen wird im Anschluss an BVerfG, Urt. v. 27.10.1998 – 1 BvR 2306/96 u. a. – BVerfGE 98, 265 ff. diskutiert, ob die Sperrwirkung der Bundesgesetzgebung auch bei verfassungswidrigem Bundesrecht eingreift, vgl. F. Gärditz, Landesrecht aufhebende Geltungskraft verfassungswidriger Bundesgesetze?, DÖV 2001, 539 ff.

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wohl damit die Nichtigkeit als Rechtsfolge der nachträglichen Rechtswidrigkeit des nunmehr kompetenzlosen Landesgesetzes angenommen werden. Ausgehend von dem Grundgedanken, dass Rechtswidrigkeit einer Regelung ein Ausdruck für die fehlende Befugnis und damit eine Pflichtverletzung des Regelungssubjekts ist, kann unter dem Blickwinkel der Pflichtwidrigkeit die Beurteilung der Rechtmäßigkeit bei nachträglichem Fortfall der Regelungskompetenz nicht fraglich sein. Das Verbot der Inanspruchnahme nicht zustehender Kompetenzen ist nicht auf den Zeitpunkt beschränkt, in dem eine Regelung erlassen wird. Die intendierten Rechtswirkungen sind stets dem Urheber der generellen oder individuellen Anordnung zuzurechnen; folglich müssen nicht nur die jeweils geltenden materiellrechtlichen Bedingungen während der gesamten Dauer der (intendierten) Geltung der Regelung vorliegen, sondern auch die Befugnis zur Regelung Bestand haben. Auch hier verbleibt natürlich die Möglichkeit, Ausnahmen von diesem Grundsatz zu normieren, wie Art. 125a Abs. 1 GG zeigt443. Wo dies aber nicht geschehen ist, ist die Rechtswidrigkeit die Konsequenz der nachträglichen Aufhebung oder Änderung der jeweiligen Ermächtigungsnorm. 3. Zusammenfassung Fasst man die bisherigen Ergebnisse zusammen, so lässt sich folgendes feststellen: „Rechtmäßigkeit einer Regelung“ ist ein sprachlicher Ausdruck für die Regelungsbefugnis des Staates und damit für die Erfüllung all jener Pflichten, welche die Rechtsordnung der öffentlichen Gewalt im Hinblick auf Zustandekommen und Inhalt der in Rede stehenden Regelung auferlegt. Pflichten, die auf das Zustandekommen der Regelung bezogen sind – Anforderungen an das äußere und das innere Verfahren –, müssen vor ihrem Erlass erfüllt werden. Pflichten, die auf den Inhalt der Regelung bezogen sind, müssen zu jedem Zeitpunkt erfüllt sein, in dem sich die Regelungswirkungen entfalten. Das betrifft die Entscheidungskompetenz des Staatsorgans und die materiellen Bedingungen für die Rechtsfolgenanordnung gleichermaßen. Grundsätzlich gilt also, dass eine pflichtgemäß erlassene Regelung rechtswidrig wird, sobald sie nicht erneut rechtmäßig von demselben Organ erlassen werden könnte. Eine nur scheinbare Ausnahme erfährt dieser Grundsatz bei Veränderungen der – sei es der kompetenziellen, sei es der materiellen – Rechtslage, die für bereits erlassene Staatsakte aufgrund von Überleitungsvorschriften keine Geltung besitzen.

441 W. März in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, GG, Bd. 2, Art. 31 Rdnr. 55; S. Oeter, ebd., Art. 72 Abs. 1, Rdnr. 83. 442 Vgl. oben § 5 C. II. 2. a). 443 Vgl. auch R. Stettner, in: H. Dreier, GG, Bd. III, Art. 125a Rdnr. 3.

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4. Exkurs: Zur Möglichkeit des Rechtmäßigwerdens Das aber wirft die umgekehrte Frage auf, ob Veränderungen der Sach- oder Rechtslage auch die nachträgliche Rechtmäßigkeit von Regelungen bewirken können. Davon geht – vorrangig im Hinblick auf Verwaltungsakte – in der Tat ein Teil der Rechtsprechung444 unter Zustimmung von Stimmen der Literatur aus445. Diese Annahme findet allerdings auch Widerspruch, der u. a.446 auf den Begriff der Rechtswidrigkeit gestützt wird447. Nach U. Mager bedeutet Rechtswidrigkeit entweder einen Verstoß gegen das „Gebot richtigen Verwaltungshandelns“ oder die Verletzung subjektiver Rechte448; P. Baumeister definiert sie als Pflichtwidrigkeit oder den nachträglichen Widerspruch zum höherrangigen Recht449. Die Verneinung der Möglichkeit einer nachträglichen Rechtmäßigkeit stützen beide auf das Element, das ihren Rechtswidrigkeitsbegriffen gemeinsam ist: den rechtswidrigen Erlass(vorgang). Unabhängig davon, dass nach der hier vertretenen Auffassung diese zweigliedrigen Rechtswidrigkeitsbegriffe nicht zutreffen, hat die Konsequenz, die aus ihnen in diesem Zusammenhang gezogen wird, auf den ersten Blick einiges für sich. Eine Pflichtwidrigkeit beim Erlass einer Regelung, die deren Rechtswidrigkeit zur Folge hat, ist als „historisches Ereignis“ wegen der Unumkehrbarkeit des Zeitablaufs nicht mehr rückgängig zu machen. Aus diesem Grunde

444 Zum Rechtmäßigwerden von Beitragsbescheiden durch nachfolgenden Erlass einer nicht rückwirkenden Beitragssatzung vgl. BVerwG, Urt.v. 25.11.1981 – 8 C 14/81 – BVerwGE 64, 218, 220 ff.; Urt. v. 27.4.1990 – 8 C 87/88 – NVwZ 1991, 360, 361; VGH München, Beschl. v. 6.4.2000 – 23 CS 99.3748 – BayVBl. 2000, 472, 473 unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung; vgl. aber schon zuvor VGH München, Urt. v. 26.3.1984 – 6 B 82 A. 1075 – BayGT 1985, 60 (obiter dictum); zum Rechtmäßigwerden einer Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 GewO OVG Lüneburg, Urt. v. 15.9.1993 – 7 L 5832/92 – NVwZ 1995, 185 f. 445 Allgemein K. A. Bettermann, Über die Rechtswidrigkeit von Staatsakten, in: Festschrift f. H. Huber, S. 25, 41 ff.; R. Piendl, Sach- und Rechtslage, S. 163 ff.; Ch. Sieger, Die maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 104 f.; zum nachträglichen Erlass einer nicht rückwirkenden Abgabensatzung H.-J. Driehaus, in: ders., Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnrn. 172 ff.; zur Gewerbeuntersagung H.-W. Laubinger, Gewerberechtliche Unzuverlässigkeit, VerwArch 89 (1998), 145, 168 ff. 446 Aus anderen Gründen, nämlich auf der Basis der Auffassung, die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts bestimme sich grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit der behördlichen Entscheidung, etwa F. O. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG, § 48 Rdnr. 34; A. Scherzberg, Nachschieben einer kommunalen Abgabensatzung, BayVBl. 1992, 426 ff.; kritisch ferner M. Sachs, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 44 Rdnr. 18. 447 P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 175 ff.; U. Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 76 f.; dies., Der maßgebliche Zeitpunkt, NVwZ 1996, 134, 135; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rdnr. 804 mit Fußn. 58; anders aber zuvor ders., Veränderung der Rechts- oder Sachlage, NVwZ 1986, 522, 524. 448 U. Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 75. 449 P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 172.

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sind schließlich auch Verfahrensfehler Rechtswidrigkeitsgründe für die jeweils getroffenen Entscheidungen. Die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit, versäumte Verfahrensschritte mit heilender Wirkung nachzuholen (vgl. § 45 Abs. 1 VwVfG, § 214 Abs. 4 BauGB) bestätigt diesen Grundsatz nur und kann deshalb nicht als Beleg für die generelle Möglichkeit nachträglich eintretender Rechtmäßigkeit herangezogen werden450. Dennoch kann dieser Ansicht im Ergebnis nicht gefolgt werden. Sie ist letztlich Ausdruck der bereits kritisierten Verselbstständigung der Handlungsform vom jeweiligen Staatsorgan451. Die nachträglich eintretende inhaltliche Vereinbarkeit mit dem höherrangigen Recht wird als ungenügend angesehen, weil (ursprüngliche) Fehlerfreiheit des Entscheidungsvorgangs gefordert sein soll, damit das Entscheidungsergebnis rechtlich gebilligt wird. Dass dies Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeitsbeurteilung staatlicher Entscheidungen insgesamt hätte, liegt auf der Hand. Das materielle Recht verpflichtete danach generell, also nicht nur in den oben genannten Fällen imperfekter Determinierung452, nicht nur zur inhaltlichen Vereinbarkeit staatlicher Entscheidungen mit den zugrunde liegenden Rechtsnormen, sondern zur fehlerlosen Subsumtion453; nicht nur zur rechtlich einwandfreien Begründbarkeit, sondern zur rechtlich einwandfreien Begründung. Wegen fehlerhafter Begründung müssten deshalb beispielsweise auch solche Staatsakte als rechtswidrig angesehen werden, die ursprünglich gegen das zum Erlasszeitpunkt geltende Recht verstießen, aber mit dem rückwirkend erlassenen Neurecht inhaltlich vereinbar sind. Der Gedanke liegt natürlich nahe, dass der Erlass materiell rechtswidriger Regelungen doch kaum als pflichtgemäß bezeichnet werden kann und deshalb pflichtwidrig ist, was gerade nach dem hier favorisierten Verständnis nicht anders als rechtswidrig zu nennen wäre. Doch ist die Bezugnahme auf den Erlass nur eine façon de parler, die zudem ungenau ist, kann sie doch den tatsächlichen Vorgang der Entscheidungsfindung ebenso bezeichnen, wie den förmlichen Akt der Inkraftsetzung oder das In-Kraft-Treten als erstmaligen Eintritt der Rechtswirkungen. Zwischen diesen möglichen Bezugspunkten kann bei zeitlich gestreckten Verfahren oder bei aufschiebend befristeten oder bedingten Regelungen ein längerer Zeitraum liegen, der eine nähere Bestimmung dessen erfor-

450 So aber (im Hinblick auf § 45 VwVfG) wohl H.-W. Laubinger, Gewerberechtliche Unzuverlässigkeit, VerwArch 89 (1998), 145, 169. 451 Vgl. oben § 5 C. II. 452 s. § 5 B. III. bei Fußn. 327 – Insofern ist es zutreffend, dass im Ermessen einer Behörde stehende Verwaltungsakte grundsätzlich nicht rechtmäßig werden können, da die Rechtmäßigkeit des Entscheidungsinhalts von der Art und Weise seines Zustandekommens abhängt (vgl. auch W.-R. Schenke, Veränderung der Rechts- oder Sachlage, NVwZ 1986, 522, 530). Das ist bei gebundenen Verwaltungsakten jedoch anders. 453 In diesem Sinne im Hinblick auf Verwaltungsakte wohl in der Tat K. Kleinlein, Der maßgebliche Zeitpunkt, VerwArch 81 (1990), 149, 158.

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dert, was mit „Erlass“ denn jeweils gemeint sein soll454. Der durch das materielle Recht vorgegebenen ergebnisorientierten Pflichtenstellung der öffentlichen Gewalt entsprechen die erstgenannten Zeitpunkte nicht, der letztgenannte nur dann abschließend, wenn sich in ihm die Regelungswirkung erschöpft. „Erlass“ in diesem Sinne bezeichnet deshalb nicht ein bestimmtes tatsächliches Verhalten, sondern den Zeitpunkt einer rechtlichen Folge. Denkbar ist allenfalls, dass im fehlerhaften Subsumtionsvorgang eine Pflichtverletzung der Behörde bzw. der beteiligten Amtswalter begründet ist. Doch auf deren Pflichten kommt es im Außenverhältnis des Staates zu Dritten nicht an455. Ist somit für die Frage der Pflicht- und damit der Rechtswidrigkeit in Bezug auf das materielle Recht nur der Inhalt einer Regelung relevant, kann ihre Vereinbarkeit mit den jeweiligen Maßstabsnormen zu jeder Zeit neu bestimmt werden. Veränderungen der Sach- oder Rechtslage können damit nicht nur rechtmäßige Staatsakte rechtswidrig werden lassen, sondern auch den spiegelbildlichen Umschlag von der Rechtswidrigkeit zur Rechtmäßigkeit bewirken456. III. Insbesondere: Die nachträgliche Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten Die allgemeine Fragestellung des Rechtswidrigwerdens staatlicher Regelungen kann nicht ohne einen näheren Blick auf den Fall abgeschlossen werden, an dem sich die Problemdiskussion in erster Linie orientiert: die nachträgliche Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten. Es gibt nur wenige Themen des allgemeinen Verwaltungsrechts, des Sozialverwaltungs(verfahrens)rechts oder – weil es in diesem Kontext eine entscheidende Rolle spielt – des Verwaltungsprozessrechts, die sich wie dieses über mehrere Jahrzehnte ununterbrochene Aktualität bewahrt haben457. Dies freilich ist vor allem Ausdruck der Tatsache, dass die 454 Beispielsweise verneint A. Knipping, Kann ein Verwaltungsakt rechtswidrig werden, SGb 1994, 514, 515, die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens, weil es den Denkgesetzen widerspreche, „eine Entscheidung deswegen für (nachträglich!) falsch zu erklären, weil sie Normänderungen oder Sachverhaltsentwicklungen der Zukunft (!) nicht berücksichtigt hat“. Mit „Entscheidung“ meint er allerdings den Tag der Bekanntgabe, nicht den Tag, an dem die Entscheidung selbst getroffen wird. 455 Vgl. dazu bereits oben § 5 A. II. 456 Bei Rechtsnormen gelingt dies freilich nur, wenn man das Nichtigkeitsdogma, nach dem Unvereinbarkeiten mit höherrangigem Recht gleichsam automatisch (ipso iure) zur Nichtigkeit der lex inferior führen, ablehnt. 457 Aus der Literatur (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): O. Bachof, Der maßgebende Zeitpunkt, JZ 1954, 416 ff; ders., Zur maßgeblichen Rechts- und Sachlage, JZ 1958, 301 ff.; ders., Verfassungsrecht II, S. 227 ff.; ders., Anmerkung, JZ 1966, 140 f.; P. Bähr, Rechts- und Sachlage, 1967; U. Brede, Der Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, 1997; H. Bronnenmeyer, Widerruf, S. 53 ff.; F. Czermak, Beurteilungszeitpunkt, NVwZ 1987, 116 f.; H. Frohn, Korrektur von Verwaltungsakten, Jura 1993, 393, 394 ff.; Haueisen, Vom rechtmäßigen zum rechtswidrigen Verwaltungsakt, NJW

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dogmatischen Grundlagen des Rechtswidrigwerdens ebenso umstritten sind wie die daraus zu ziehenden Folgerungen. Hinzu kommt, dass sich die Diskussion in einen materiellrechtlichen und einen prozessualen Teil aufgespalten hat. 1. Materiellrechtliche und prozessuale Problemstellung Materiellrechtlich ist angesichts der §§ 48, 49 VwVfG umstritten, ob Veränderungen der Sach- oder Rechtslage einen ursprünglich rechtmäßigen Verwaltungsakt mit der Folge rechtswidrig werden lassen können, dass sich seine Aufhebung nach § 48 VwVfG richtet458. Das ist vor allem im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Rechtsfolgen beider Normen – Rücknahme ex tunc, Widerruf ex nunc – streitig459, was sich auch durch die auf zweckgebundene Leistungsbescheide (§ 49 Abs. 3 VwVfG) begrenzte Zulassung des rückwirkenden Widerrufs460 nicht geändert hat461. Verbreitet ist die Annahme, dass § 49 Abs. 2 1965, 201 ff.; ders., Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, NJW 1958, 1065 ff.; U. Heilemann, Korrektur, SGb 1994, 15 ff.; K. H. Klein, Zum maßgebenden Zeitpunkt, NVwZ 1990, 633 ff.; K. Kleinlein, Der maßgebliche Zeitpunkt, VerwArch 81 (1990), 149 ff.; A. Knipping, Kann ein Verwaltungsakt rechtswidrig werden, SGb 1994, 514 ff.; H. Köhler, Der maßgebliche Zeitpunkt, DVBl. 1959, 650 ff.; F. Kopp, Beurteilung der Sach- und Rechtslage, in: Festschrift f. C.-F. Menger, S. 693 ff.; ders., Widerruf oder Rücknahme, BayVBl. 1989, 652 ff; ders., Nochmals: Widerruf oder Rücknahme, BayVBl. 1990, 524 f.; M. Lehner, Der rückwirkende Widerruf, Die Verwaltung 26 (1993), 183 ff.; V. Lemke, Zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt, JA 1999, 240 f.; U. Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, 1994; dies., Der maßgebliche Zeitpunkt, NVwZ 1996, 134 f.; G. Manssen, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, ZfSH/SGB 1991, 225, insb. 233 ff.; R. Piendl, Sach- und Rechtslage, 1992; B. Preusche, Begriff des Verwaltungsakts, JuS 1997, 639 ff.; H. H. Rupp, Der maßgebende Zeitpunkt, in: Rechtsschutz im Sozialrecht, S. 173 ff.; M. Sauthoff, Sach- und Rechtslage, in: FG 50 Jahre BVerwG, S. 599 ff.; W.-R. Schenke, Veränderung der Rechts- oder Sachlage, NVwZ 1986, 522 ff.; ders., Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, WiVerw 1988, 145, 164 ff.; ders., Der maßgebliche Zeitpunkt, JA 1999, 580 ff.; ders./P. Baumeister, Der rechtswidrig gewordene Verwaltungsakt, JuS 1991, 547 ff.; K. Schweiger, Maßgebende Sach- und Rechtslage, DVBl. 1964, 205 ff.; Ch. Sieger, Maßgebende Sach- und Rechtslage, 1995. 458 Für die Anwendung des § 48 VwVfG in Fällen nachträglicher Rechtswidrigkeit H. Bronnenmeyer, Widerruf, insbes. S. 66 ff.; K. Lange, Vertrauensschutz, Jura 1980, 456, 659 f.; W.-R. Schenke, Verwaltungsbehördliche Aufhebung, DVBl. 1989, 433, 434 ff.; ders./P. Baumeister, Der rechtswidrig gewordene Verwaltungsakt, JuS 1991, 547, 549 ff.; F. E. Schnapp/S. Henkenötter, Verwaltungsakt, JuS 1998, 624, 626; C. H. Ule/H.-W. Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 61 Rdnrn. 21 f. 459 F. Kopp, Widerruf oder Rücknahme, BayVBl. 1989, 652, 653; K. Lange, Vertrauensschutz, Jura 1980, 456, 459 f.; M. Lehner, Der rückwirkende Widerruf, Die Verwaltung 26 (1993), 183 ff. 460 Durch das Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 2.5.1996, BGBl. I, S. 656. Dazu ausführlich Ch. Gröpl, VerwArch 88 (1997), 23 ff. 461 P. Baumeister, Novellierung, NVwZ 1997, 19, 21; a. A. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rdnr. 11.

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Nr. 3 und 4 VwVfG eine (gegenüber § 48 VwVfG spezielle) positivrechtliche Regelung des Problems darstellten462, wenngleich teilweise konzediert wird, dass das Verbot der rückwirkenden Aufhebung in manchen Fällen nicht sachgemäß ist463. Die Verbindung der materiellrechtlichen Frage mit der prozessualen Situation, in der sie sich (auch) stellt, hat bereits die Problemformulierung beeinflusst. Hier wird regelmäßig „der maßgebliche Zeitpunkt“ für die gerichtliche Beurteilung thematisiert, der mit dem Rechtswidrigwerden unmittelbar nichts zu tun hat464, was mittlerweile aber in der Sache weitgehend465 anerkannt ist466. Die 462 H.-U. Erichsen, Verwaltungshandeln, in: H. U. Erichsen/D. Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 Rdnr. 11; U. Knoke, Rechtsfragen, S. 26 ff.; F. O. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG, § 48 Rdnr. 33; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rdnr. 43; B. Pieroth, Interpretationsproblem, NVwZ 1984, 681, 683; H.-U. Richter, Aufhebung von Verwaltungsakten, JuS 1990, 719, 720; M. Sachs, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 44 Rdnr. 25; vgl. auch H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 51 Rdnr. 46. 463 Vgl. F. Kopp, Widerruf oder Rücknahme, BayVBl. 1989, 652, 653; M. Lehner, Der rückwirkende Widerruf, Die Verwaltung 26 (1993), 183, 204 ff.; H.-U. Richter, Aufhebung von Verwaltungsakten, JuS 1990, 719, 721. 464 Das sei in Kürze erläutert: Hinsichtlich des Streitgegenstands kommt es stets auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an. Das Gericht darf einer Klage nur stattgeben, wenn dem Kläger zu diesem Zeitpunkt der mit der Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch zusteht (BVerwG, Urt. v. 3.11.1986 – 9 C 254/86 – BVerwGE 78, 243, 244; Urt. v. 3.11.1994 – 3 C 17/92 – BVerwGE 97, 79, 81 f.; vgl. auch F. Weyreuther, Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts, in: Festschrift f. C.-F. Menger, S. 681, 683 f.). Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts hängt davon ab, in welcher Beziehung dieser zum Streitgegenstand steht. So kommt es im Rahmen der Anfechtungsklage darauf an, ob der Kläger zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsakts hat, was nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung zu diesem Zeitpunkt voraussetzt. Bei der Fortsetzungsfeststellungsklage hingegen soll festgestellt werden, dass der Aufhebungsanspruch in der Vergangenheit, nämlich bis zu dem Zeitpunkt der Erledigung bestanden hat (vgl. M. Wehr, Abschied von der Fortsetzungsfeststellungsklage, DVBl. 2001, 785, 787 f.). Deshalb ist für die Rechtmäßigkeitsbeurteilung des Verwaltungsakts dieser vergangene Zeitpunkt maßgeblich. – Hingegen ist es eine rein materiellrechtliche Frage, ob zu dem prozessrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt der in Rede stehende Verwaltungsakt rechtmäßig ist bzw. war; ebenso nach materiellem Recht zu beurteilen ist, ob ein ursprünglich rechtmäßiger Verwaltungsakt bis zu dem prozessrechtlich relevanten Zeitpunkt rechtswidrig werden konnte oder nicht; im Wesentlichen wie hier W.-R. Schenke, Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, WiVerw. 1988, 145, 164 ff.; ders., Verwaltungsprozessrecht, Rdnrn. 782 ff.). – Gegen diese Unterscheidung materiellrechtlicher und prozessualer Fragestellungen kann auch nicht das Prinzip der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) angeführt werden, das die Gerichtsbarkeit auf die Kontrolle des Verwaltungshandelns beschränken soll, weshalb für das Gericht stets nur die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung maßgeblich sei (so L. Fröhler, Effektiver Rechtsschutz, in: Festschrift f. C. H. Ule, S. 55, 70 f.; F. O. Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 255 f.; ders., Beurteilung der Sach- und Rechtslage, in: Festschrift f. C.-F. Menger, S. 693, 701 f.). Denn der Funktionsbereich der Judikative wird auch durch ihren Rechtsschutzauftrag (Art. 19 Abs. 4 GG) ausgestaltet

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grobe Leitlinie467, an der sich Rechtsprechung und Literatur überwiegend468 orientieren, lautet: Die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts bemisst sich, sofern das materielle Recht nicht etwas anderes gebietet, grundsätzlich nach der Rechts- und Sachlage, wie sie sich zur Zeit der letzten Behördenentscheidung dargestellt hat469. Ausnahmen von diesem Grundsatz werden angenommen bei sog. Verwaltungsakten mit Dauerwirkung470 und teilweise bei noch nicht vollzogenen Verwaltungsakten471.

und bedarf der Konkretisierung durch den Gesetzgeber (vgl. dazu auch U. Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 40 ff.; W.-R. Schenke, Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, WiVerw 1988, 145, 166; Ch. Sieger, Maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 122 ff.). 465 Gegen die Trennung von prozessualer und materiellrechtlicher Fragstellung aber F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 24 Rdnr. 7; auch in der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts finden sich Formulierungen, die auf eine unzulässige Vermengung dieser voneinander zu trennenden Rechtsfragen hinauslaufen, vgl. z. B. BVerwG, Urt. v. 16.10.1997 – 2 C 7/97 – BVerwGE 105, 267, 269: „Das materielle Recht gebietet hier keine Abweichung von der prozessrechtlichen Regel, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung bei einer Anfechtungsklage die letzte Verwaltungsentscheidung ist“. Dazu ist anzumerken: Das materielle Recht gebietet nie Abweichungen von prozessrechtlichen Regelungen; nach der prozessrechtlichen Regel aber ist bei Anfechtungsklagen der maßgebliche Zeitpunkt stets derjenige der gerichtlichen Entscheidung (vgl. soeben Fußn. 464). 466 BVerwG, Urt. v. 21.5.1976 – 4 C 80/74 – BVerwGE 51, 16, 24; Urt. v. 25.11.1981 – 8 C 14/81 – BVerwGE 64, 218, 221 f.; Urt. v. 29.9.1982 – 8 C 138/81 – BVerwGE 66, 178, 182; Urt. v. 27.4.1990 – 8 C 87/88 – NVwZ 1991, 360; Beschl. v. 23.11.1990 – 1 B 155/90 – NVwZ 1991, 372, 373; Urt. v. 3.11.1994 – 3 C 17/92 – BVerwGE 97, 79, 81 f.; U. Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 42 ff.; A. Scherzberg, Nachschieben einer kommunalen Abgabensatzung, BayVBl. 1992, 426, 427; Ch. Sieger, Maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 138; vgl. auch oben Fußn. 464. Zur Notwendigkeit der Unterscheidung materiellrechtlicher und prozessualer Fragen bereits O. Bachof, Der maßgebende Zeitpunkt, JZ 1954, 416, 418; ders., Zur maßgeblichen Rechts- und Sachlage, JZ 1958, 301, 302; H. Köhler, Der maßgebende Zeitpunkt, DVBl. 1959, 650, 652, mit Hinweis darauf, dass der Begriff „Beurteilungszeitpunkt“ nur prozessuale Bedeutung besitzt. 467 F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 24 Rdnr. 7 spricht von „prozessualen Faustregeln“. 468 Grundsätzlich gegen die Möglichkeit nachträglicher Rechtswidrigkeit aber z. B. H. Köhler, Der maßgebende Zeitpunkt, DVBl. 1959, 650 ff.; R. Piendl, Sach- und Rechtslage, insbes. S. 109 ff.; K. Schweiger, Maßgebende Sach- und Rechtslage, DVBl. 1964, 205, 207 ff. 469 BVerwG, Beschl. v. 19.11.1953 – 1 B 95/53 – BVerwGE 1, 35, 36; Urt. v. 3.11.1986 – 9 C 254/86 – BVerwGE 78, 243, 244; Urt. v. 6.4.2000 – 3 C 6/99 – DVBl. 2000, 1614, 1616; H.-U. Erichsen, Verwaltungshandeln, in: H. U. Erichsen/D. Ehlers , Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 Rdnr. 11; K. H. Klein, Zum maßgebenden Zeitpunkt, NVwZ 1990, 633; F. O. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG, § 48 Rdnrn. 33 f.; M. Sauthoff, Sach- und Rechtslage, in: FG 50 Jahre BVerwG, S. 599, 601 f.; A. Scherzberg Nachschieben einer kommunalen Abgabensatzung, BayVBl. 1992, 426, 428; K. Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, Rdnr. 567. 470 BVerwG, Urt. v. 29.11.1979 – 3 C 103/79 – BVerwGE 59, 148, 160; Urt. vom 27.01.1993 – 11 C 35/92 – NJW 1993, 1729, 1730; F. Hufen, Verwaltungsprozess-

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

Die scheinbare Übereinstimmung im Ergebnis verdeckt jedenfalls teilweise, dass über den Geltungsgrund der postulierten Regel weitgehend Unklarheit herrscht472. Immerhin ist es bezeichnend, dass die Ausnahmen ganz im Sinne der hier verfochtenen These gerade an den Wirkungen erlassener Verwaltungsakte ansetzen, während die Regel auf den Zeitpunkt des letzten behördlichen Handelns abstellt, der mit demjenigen der Entfaltung der Regelungswirkung – bei Verwaltungsakten sogenannte „innere Wirksamkeit“473 – nicht identisch ist474. 2. Nachträgliche Rechtswidrigkeit als rechtswidrige Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts? Bereits O. Bachof hat angesichts der Ausnahmen die Frage aufgeworfen, was denn von dem „angeblichen Grundsatz“ übrig bleibe, und die treffliche Antwort darauf gegeben: „Es bleibt überhaupt nichts übrig, denn einen derartigen ,Grundsatz‘ gibt es nicht!“475. – Dass das materielle Recht Voraussetzungen für Rechtsfolgen und Entscheidungswirkungen aufstellt, wie oben ausgeführt, erweist, dass schon der Grundsatz anders zu formulieren ist. Doch ist gerade dies umstritten. Der hier favorisierten Beschreibung, dass ein Verwaltungsakt (wie jede andere Regelung auch) zu einem bestimmten Zeitpunkt, zu dem die Regerecht, § 24 Rdnr. 9; F. E. Schnapp/S. Henkenötter, Verwaltungsakt, JuS 1998, 624, 625. 471 O. Bachof, Der maßgebende Zeitpunkt, JZ 1954, 416, 419; K. Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, Rdnr. 568; wohl auch B. Preusche, Begriff des Verwaltungsakts, JuS 1997, 639, 642; ausführliche Kasuistik bei M. Sauthoff, Sach- und Rechtslage, in: FG 50 Jahre BVerwG, S. 599, 602 ff. 472 Vgl. auch F. Weyreuther, Bemerkenswertes, DÖV 1989, 321, 329. Zu Recht konstatiert und moniert K. Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, Rdnr. 570, das Fehlen einer klaren Linie. 473 Vgl. nur H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rdnr. 66. – Kritisch und mit guten Gründen gegen die Differenzierung von „äußerer“ und „innerer“ Wirksamkeit R. Schmidt-De Caluwe, Wirksamkeit, VerwArch 90 (1999), 49, 54 ff. 474 Das wird vor allem daran deutlich, dass die „letzte Behördenentscheidung“ im Anfechtungsprozess grundsätzlich die Entscheidung der Widerspruchsbehörde ist, die in aller Regel erst nach dem Beginn der „inneren“ Wirksamkeit ergeht. Der Grund für die Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts ist vordergründig § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO sowie die Annahme, die Widerspruchsbehörde sei nicht nur reine Kontrollinstanz, sondern besäße grundsätzlich die volle Sachkompetenz der Ausgangsbehörde (vgl. nur F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 68 Rdnr. 9). Diese Annahme ist schon für sich genommen nicht unproblematisch (vgl. etwa M. Oerder, Widerspruchsverfahren, S. 170 ff.; R. Piendl, Sach- und Rechtslage, S. 45 ff.); im Anfechtungsprozess könnte aber dann eine Aufhebung des Verwaltungsakts ex tunc nur auf den Zeitpunkt zurückwirken, hinsichtlich dessen eine gerichtliche Überprüfung stattgefunden hat. Damit aber ist dem Kläger regelmäßig nicht gedient – und es wird deshalb auch anders entschieden. 475 O. Bachof, Zur maßgeblichen Rechts- und Sachlage, JZ 1958, 301, 302 (Hervorhebung im Original).

§ 5 Die Relativität der Rechtswidrigkeit

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lungswirkungen eintreten, nur dann rechtmäßig ist, wenn er zu diesem Zeitpunkt vom selben Staatsorgan rechtmäßiger Weise erlassen werden könnte, wird teilweise scharf widersprochen. Stattdessen soll es nicht auf die Möglichkeit des Neuerlasses, sondern darauf ankommen, ob nach der zugrunde liegenden materiellen Rechtslage die Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist476: „. . . denn deutlicher als durch die Anordnung der Aufhebung des Verwaltungsakts kann die Rechtsordnung die Mißbilligung der durch den Verwaltungsakt herbeigeführten Regelung nicht ausdrücken“477. Freilich stellt sich dabei die Frage nach dem Rechtsgrund der Aufhebungspflicht. Da sie die Ursache der nachträglichen Rechtswidrigkeit sein soll, kann sie nicht umgekehrt erst aus der Rechtswidrigkeit gefolgert werden. Allerdings existieren einige verwaltungsrechtliche Normen, die zur Aufhebung von Verwaltungsakten wegen nachträglicher Veränderungen der Rechts- bzw. Sachlage verpflichten. Dass darunter auch Vorschriften sind, die diese Aufhebung als Widerruf bezeichnen478, was nach der im VwVfG verwendeten Terminologie einen rechtmäßigen Verwaltungsakt voraussetzt, wird man für sich genommen479 nicht als zwingendes Argument gegen die genannte Ansicht anführen können, da der Gesetzgeber sich insofern ohnehin nicht einer einheitlichen Terminologie bedient480. Problematisch aber wird die Folgerung der nachträglichen Rechtswidrigkeit aus der rechtswidrigen Aufrechterhaltung in den Fällen, in denen sich die Aufhebung nach §§ 48, 49 VwVfG bemisst. Denn diese Vorschriften verpflichten nicht nur nicht zur Aufhebung, sie schließen sie sogar teilweise (§ 48 Abs. 2 VwVfG) aus. Außerdem regelt § 48 VwVfG nur die Rechtsfolgen der 476 So O. Bachof, Der maßgebende Zeitpunkt, JZ 1954, 614, 418; ders., Zur maßgeblichen Rechts- und Sachlage, JZ 1958, 301, 302; ders., Anmerkung, JZ 1966, 140, 141; ders., Verfassungsrecht II, S. 229; H. Bronnenmeyer, Widerruf, S. 61 ff.; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 113 Rdnr. 41; W.-R. Schenke, Veränderung der Rechtsoder Sachlage, NVwZ 1986, 522, 524; ders., Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, WiVerw 1988, 145, 167; ders., Verwaltungsbehördliche Aufhebung, DVBl. 1989, 433, 434 f.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 49 Rdnr. 57; dagegen bezeichnen W.-R. Schenke/P. Baumeister, Der rechtswidrig gewordene Verwaltungsakt, JuS 1991, 547, 548, die Identifizierung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts mit seiner rechtswidrigen Aufrechterhaltung als verfehlt, plädieren aber für eine „dogmatische Gleichbehandlung“; vgl. auch P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 91 ff., insbes. S. 98 ff. 477 W.-R. Schenke, Verwaltungsbehördliche Aufhebung, DVBl. 1989, 433, 435. 478 Vgl. z. B. §§ 33d Abs. 4 S. 2, 33e Abs. 2, 69b Abs. 2 S.2 GewO; § 15 Abs. 2 GastG; § 47 Abs. 2 S. 1 WaffG; § 34 Abs. 2 S. 1 SprengG; § 7 Abs. 2 KrWaffG etc. 479 Dazu, dass in den in Fußn. 478 genannten Fällen des nachträglichen Wegfalls einzelner Genehmigungsvoraussetzungen dennoch keine nachträgliche Rechtswidrigkeit vorliegt, s. noch unten § 5 C. III. 3. c) (2). 480 s. W.-R. Schenke/P. Baumeister, Der rechtswidrig gewordene Verwaltungsakt, JuS 1991, 547, 551; Ch. Sieger, Maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 59 f.; a. A. aber K. Kleinlein, Der maßgebliche Zeitpunkt, VerwArch 81 (1990), 149, 163; vgl. auch R. Piendl, Sach- und Rechtslage, S. 110 f.; A. Scherzberg, Nachschieben einer kommunalen Abgabensatzung, BayVBl. 1992, 426, 429.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

Rechtswidrigkeit, die sich folglich aus anderen Normen ergeben muss481. Setzt man aber nun das nachträgliche Rechtswidrigwerden mit der rechtswidrigen Aufrechterhaltung gleich und akzeptiert zudem die weitere (durchaus problematische) Bedingung, dass ein Verwaltungsakt auch dann rechtswidrig aufrechterhalten wird, wenn er zwar aktuell nicht aufgehoben werden muss (oder gar darf), aber „zumindest für eine juristische Sekunde eine Pflicht zur Aufhebung wegen einer Veränderung der Sach- und Rechtslage bestand“482, dann wird das Dilemma offenbar, in das diese Argumentation führt: Denn zum einen müsste überhaupt eine Vorschrift jenseits der §§ 48, 49 VwVfG existieren, die eine solche Aufhebungspflicht begründet hat. Zum anderen dürfte diese Norm nur in der juristischen Sekunde gelten, die für das rechtswidrige Aufrechterhalten notwendig und ausreichend sein soll, weil sie anderenfalls nämlich eine die Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG ausschließende lex specialis wäre483 und so die Prämisse, nämlich die Maßgeblichkeit des § 48 VwVfG für die Aufhebung rechtswidrig gewordener Verwaltungsakte, hinfällig würde. Es ist zu bezweifeln, dass eine solche Konstellation überhaupt praktische Relevanz besitzt. Ein noch größeres Problem zeigt sich aber auch bei der Anwendung des § 49 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwVfG selbst: Wenn das Ermessen ausnahmsweise auf Null reduziert ist und die Behörde deshalb zum Widerruf verpflichtet ist, handelt es sich definitionsgemäß um einen rechtswidrig gewordenen Verwaltungsakt484, auf den § 48 VwVfG anzuwenden wäre485. Wenn aber der Verwaltungsakt rechtswidrig geworden ist, scheidet ein Widerruf nach § 49 VwVfG aus486. Doch auch eine Rücknahme nach § 48 VwVfG wäre ausgeschlossen, denn die hierfür vorausgesetzte Rechtswidrigkeit kann sich nicht aus einer Vorschrift (nämlich § 49 VwVfG) ergeben, die schon tatbestandlich nicht einschlägig ist. Folglich ist der Verwaltungsakt rechtmäßig und nach § 49 VwVfG zu widerrufen. – Dieser Kreislauf findet kein Ende. Jedenfalls zeigt sich an diesen Überlegungen, dass 481 Das sehen auch H. Bronnenmeyer, Widerruf, S. 62 f.; W.-R. Schenke, Verwaltungsbehördliche Aufhebung, DVBl. 1989, 433, 435; W.-R. Schenke/P. Baumeister, Der rechtswidrig gewordene Verwaltungsakt, JuS 1991, 547, 548, 551. 482 W.-R. Schenke/P. Baumeister, Der rechtswidrig gewordene Verwaltungsakt, JuS 1991, 547, 550; ebenso H. Bronnenmeyer, Widerruf, S. 66. 483 Vgl. auch die in diese Richtung gehenden Überlegungen von F. Kopp, Widerruf oder Rücknahme, BayVBl. 1989, 652, 653, die allerdings wieder aufgegeben wurden, vgl. dens., Nochmals: Widerruf oder Rücknahme, BayVBl. 1990, 524, 525; s. auch R. Piendl, Sach- und Rechtslage, S. 139 f. 484 So auch H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rdnr. 52, der allerdings nur den ursprünglich rechtswidrigen Verwaltungsakt den Rücknahmeregelungen unterwirft, vgl. a. a. O., § 10 Rdnr. 3. 485 W.-R. Schenke/P. Baumeister, Der rechtswidrig gewordene Verwaltungsakt, JuS 1991, 547, 550, Fußn. 23. 486 Der denkbare Einwand, § 49 VwVfG sei entsprechend auf rechtswidrige Verwaltungsakte anwendbar, verfängt dagegen nicht, sondern führt nur zu einer Pirouette im Teufelskreis, in den man sich begibt, wenn man die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts aus einer Norm ableitet, die seine Rechtmäßigkeit voraussetzt.

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Rechtswidrigkeit und rechtswidrige Aufrechterhaltung eines Verwaltungsakts nicht identisch und auch nicht dogmatisch gleich zu behandeln487 sind488. Der Grund liegt darin, dass hier die Verletzung unterschiedlicher Pflichten in Rede steht, deren Gleichsetzung gegen den Grundsatz der Relativität der Rechtswidrigkeit489 verstößt. 3. Die zeitliche Erstreckung der Regelungswirkung Dieses Problem stellt sich bei dem hier verfolgten Ansatz nicht, der generell die Erfüllung der gesetzlich normierten Tatbestandsmerkmale für die im Verwaltungsakt verfügte Rechtsfolge als Bedingung der Rechtmäßigkeit des Regelungsinhalts betrachtet und deshalb den bzw. jeden Zeitpunkt, in dem die Regelung Wirkung entfaltet, als für die Prüfung der Vereinbarkeit des Verwaltungsakts mit den jeweiligen Maßstabsnormen maßgeblich ansieht. Die Betonung liegt dabei notabene auf dem Merkmal der Regelungswirkung, der „inneren Wirksamkeit“490. Ihre zeitliche Erstreckung bestimmt und begrenzt den Zeitraum, dessen Sach- und Rechtslage für die Rechtmäßigkeitsbeurteilung des Verwaltungsakts überhaupt von Interesse sein kann491. Denn jenseits des Regelungszeitraums „regelt“ der Verwaltungsakt nichts mehr; er (oder genauer: der durch die Behörde agierende Staat) ordnet keine Rechtsfolge (mehr) an, deren Voraussetzungen vorliegen müssten. Damit aber gelangt man zu der Frage, was unter „Regelungswirkung des Verwaltungsakts“ zu verstehen ist und woraus sich ergibt, ob sie sich nur „punktuell“ zu einem bestimmten Zeitpunkt oder für eine gewisse Dauer entfaltet. In dieser Problemstellung zeigt sich ein wichtiger Unterschied zu Rechtsnormen, deren zeitlicher Regelungsgehalt normalerweise keiner näheren Untersuchung bedarf. Bei Verwaltungsakten aber entscheidet sich hieran, ob sie überhaupt rechtswidrig werden können.

487 So der Ansatz von W.-R. Schenke/P. Baumeister, Der rechtswidrig gewordene Verwaltungsakt, JuS 1991, 547, 548. 488 So bereits P. Lerche, Anmerkung, DVBl. 1955, 776, 777; ferner K. Kleinlein, Der maßgebliche Zeitpunkt, VerwArch 81 (1990), 149, 163 f.; G. Manssen, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, ZfSH/SGB 1991, 225, 237; R. Piendl, Sach- und Rechtslage, S. 115. 489 Vgl. oben § 5 vor A. 490 Ch. Sieger, Maßgebende Sach- und Rechtslage, z. B. S. 65, 81. 491 Ähnlich P. Bähr, Rechts- und Sachlage, S. 52, der jedoch zu weitgehende Folgerungen daraus zieht, da er Regelungsgehalt und Existenz des Verwaltungsakts gleichsetzt; vgl. dazu sogleich unten b).

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a) Verwaltungsakte mit Dauerwirkung Die Frage nach der zeitlichen Erstreckung der Regelungswirkung liegt auch – unausgesprochen – den Bemühungen zu Grunde, Verwaltungsakte, deren Rechtmäßigkeit von nachträglichen Änderungen der Rechts- oder Sachlage nicht berührt wird, von denjenigen abzugrenzen, bei denen dies – ausnahmsweise – doch der Fall sein kann. Das gilt in besonderem Maße für den Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Alle Versuche, ihn positiv zu definieren, sind mehr oder minder starker berechtigter Kritik ausgesetzt492. Das gilt vor allem für die geradezu klassische Umschreibung, wonach Verwaltungsakten Dauerwirkung zukommt, deren Rechtswirkungen sich nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpfen, sondern die ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründen oder inhaltlich verändern493. In ihrem ersten, negativ abgrenzenden Teil schließt diese Definition beispielsweise noch nicht vollzogene Verwaltungsakte aus, insbesondere solche, die einmalige, aber noch nicht erfüllte Gebote enthalten. Diese sollen sich von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung strukturell unterscheiden494 – aber eben nicht im Hinblick auf die Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens. Grund der Differenzierung ist wohl die Vorstellung, ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung sei im Gegensatz zu nicht vollzogenen Verwaltungsakten eine Summierung mehrerer behördlicher Anordnungen in einem einzigen Bescheid495. Dies mag Unterschiede begründen, doch liegen sie gerade nicht in der Dauerhaftigkeit der Regelungswirkung. Das wird auch daran deutlich, dass der zweite, positiv bestimmende Teil der oben genannten Definition auch auf nicht vollzogene Verwaltungsakte zutrifft, da wohl jeder Verwaltungsakt ein Rechtsverhältnis begründet oder inhaltlich verändert, das notwendiger Weise „in der Zeit“ und damit auf eine gewisse Dauer wirkt496. Eine andere, und zwar die hier entscheidende Frage ist es, ob dies gerade auf dem Regelungsinhalt des Verwaltungsakts beruht497.

492 (Auch) deshalb erachtet D. Felix, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, NVwZ 2003, 385 ff., den Dauerverwaltungsakt als im Allgemeinen Verwaltungsrecht entbehrliche Kategorie. 493 Vgl. O. Bachof, Der maßgebende Zeitpunkt, JZ 1954, 416, 419; Haueisen, Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, NJW 1958, 1065; BVerwG, Urt. v. 17.9.1987 – 5 C 26/84 – BVerwGE 78, 101, 111. 494 F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 113 Rdnr. 45; vgl. auch O. Bachof, Der maßgebende Zeitpunkt, JZ 1954, 416, 419. 495 So F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 113 Rdnr. 43. 496 G. Manssen, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, ZfSH/SGB 1991, 225, 229; F. E. Schnapp, Rücknahme, SGb 1993, 1, 6; vgl. auch P. Bähr, Rechts- und Sachlage, S. 53; zuletzt D. Felix, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, NVwZ 2003, 385, 386. 497 Dazu sogleich unten b).

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Die Unmöglichkeit, mit Hilfe des Begriffs des Rechtsverhältnisses Dauerverwaltungsakte von Verwaltungsakten ohne Dauerwirkung abzugrenzen, ist zum Anlass genommen worden, stattdessen auf den Tatbestand der Rechtsgrundlage abzustellen: Dauerwirkung wird danach solchen Verwaltungsakten beigemessen, deren innere Legitimation für die Dauer der Regelungswirkung498 bzw. der Wirksamkeit499 vom Fortbestand der Erlassvoraussetzungen abhängt. Diese Definition gerät aber, weil sie bereits die Dauerhaftigkeit voraussetzt, in die Gefahr, zirkelschlüssig zu werden500. Tatsächlich ergibt sich aus ihr nicht, was ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist, sondern gibt nur die Voraussetzungen an, unter denen ein solcher rechtmäßig bleibt oder rechtswidrig werden kann501. Insoweit ist sie allerdings konturenlos, weil jede Dauerregelung zu jedem Zeitpunkt ihrer Geltung nur gerechtfertigt ist, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen jeweils aktuell vorliegen502. 498 So U. Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 82. – Sie unterscheidet dabei, ob der Tatbestand ein „punktuelles Ereignis wie z. B. das Vorliegen eines Dienstunfalls“ voraussetzt oder „einen Zustand beschreibt, wie z. B. „Gefahr“, „(Un)Zuverlässigkeit“, „Übereinstimmung mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften“. Das aber trifft keine Aussage über die Dauer der Regelung, weil diese Kriterien keinen Bezug zum Regelungsinhalt besitzen. Wird ein „punktuelles Ereignis“ tatbestandlich vorausgesetzt, ist damit nur entschieden, dass nachträgliche Ereignisse insofern die Rechtmäßigkeitsbeurteilung nicht zu beeinflussen vermögen, wenn das Ereignis einmal eingetreten ist. Umgekehrt lässt auch die Bezugnahme auf den „Zustand“ keinen Rückschluss über die Regelungsdauer zu: Das Merkmal der „Zuverlässigkeit“ ist z. B. regelmäßig Voraussetzung für die Erteilung gewerberechtlicher Genehmigungen, die aber nicht dadurch zu Dauerregelungen werden, wie auch U. Mager, a. a. O., S. 133 f., anerkennt. 499 H. Frohn, Korrektur von Verwaltungsakten, Jura 1993, 393, 398; G. Manssen, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, ZfSH/SGB 1991, 225, 234; F. E. Schnapp, Rücknahme, SGb 1993, 1, 6; zustimmend C. H. Ule/H.-W. Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 61 Rdnr. 21. 500 Vgl. auch U. Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 72. 501 Ähnlich U. Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 73. 502 Dagegen kann man nicht umgekehrt vom Wegfall der Tatbestandsvoraussetzungen auf die Beendigung der Regelungswirkung schließen. Eine solche „tatbestandliche Erledigung“ (U. Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 135) soll sich aus dem „Geltungswillen des Verwaltungsakts“ ergeben, der nach seinem erkennbaren Sinn und Zweck nur für eine bestimmte Situation gelten soll und bei Änderungen der Sachlage unwirksam wird (vgl. auch F. O. Kopp, Nochmals: Widerruf oder Rücknahme, BayVBl. 1990, 524; U. Mager, a. a. O.). Damit wird neben § 43 Abs. 2 und 3 VwVfG ein weiterer, allerdings außergesetzlicher Unwirksamkeitsgrund geschaffen, dessen Grundlage unklar ist: Beruht der mangelnde „Geltungswille“ auf einer Entscheidung der Behörde, so handelt es sich der Sache nach um eine Bedingung oder Befristung, die aber nur wirksam ist, wenn sie auch bekanntgegeben wurde (§ 43 Abs. 1 VwVfG). Beruht er dagegen auf dem gesetzlichen Tatbestand, werden die Tatbestandsmerkmale nicht nur als Rechtmäßigkeits-, sondern als Wirksamkeitsvoraussetzungen interpretiert (vgl. auch U. Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 150). Dann könnte ein solcher Verwaltungsakt aber nicht nur nicht rechtswidrig werden, sondern auch nicht (ursprünglich) rechtswidrig sein, da er trotz Bekanntgabe und fehlender Nichtigkeit unwirksam wäre. Zudem ist unklar, bei welchen Verwaltungsakten eine solche außergesetzliche Wirksamkeitsbegründung eingreifen soll.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

b) Regelungsdauer und Wirksamkeitsdauer des Verwaltungsakts Die Kritik an der herkömmlichen Definition des Verwaltungsakts mit Dauerwirkung führt allerdings zu einer bedeutsamen Unterscheidung, nämlich derjenigen zwischen der Dauer der Regelung und der Dauer der Wirksamkeit eines Verwaltungsakts. Die hierfür im Rahmen des § 43 VwVfG gebräuchliche Unterscheidung zwischen „innerer“ und „äußerer“ Wirksamkeit503 ist „terminologisch nicht ganz glücklich“504 und auch sachlich durchaus angreifbar505. Doch auch ihr liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die in § 43 VwVfG geregelte Wirksamkeit des Verwaltungsakts mit der Entfaltung seiner Regelungswirkung nicht identisch ist506. Zwar kann eine Regelungswirkung nur eintreten, wenn der Verwaltungsakt wirksam ist, doch wird dieser nicht deshalb unwirksam, weil sich die Regelungswirkung erschöpft hat507. Insbesondere ist die Erschöpfung der Regelungswirkung nicht gleichbedeutend mit der Erledigung des Verwaltungsakts i. S. d. § 43 Abs. 2 VwVfG508. Beispielsweise begründet ein Geldleistungsbescheid ein Schuldverhältnis, das mit Erfüllung der Schuld erlischt. Dennoch ist der Verwaltungsakt nicht unwirksam geworden, da er weiterhin Rechtsgrund für die Leistung und somit das Recht des Gläubigers, dieselbe zu behalten, ist509. Dieses Recht ist aber ebenso wenig Teil der Regelung, wie etwa die Vollstreckbarkeit durch einen zu voll503

Seit BVerwG, Urt. v. 21.6.1961 – 8 C 398/59 – BVerwGE 13, 1, 6 f. O. Bachof, Verfassungsrecht II, S. 326. 505 R. Schmidt-de Caluwe, Wirksamkeit, VerwArch 90 (1999), 49, 54 ff. 506 M. Randak, Bindungswirkungen, JuS 1992, 33, 36, mit dem klärenden Hinweis, dass die „innere Wirksamkeit“ sich nicht auf den Verwaltungsakt, sondern auf die in ihm getroffene Regelung bezieht. 507 Zu diesem Problembereich vgl. insbesondere S. Lascho, Erledigung des Verwaltungsakts, S. 59 ff. mit zahlreichen Nachweisen. 508 Anders P. Bähr, Rechts- und Sachlage, S. 46 ff.; vgl. auch H. J. Wolff/O. Bachof/ R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 51 Rdnr. 56: Der Widerruf eines Verwaltungsakts sei nur möglich, solange dieser noch verwaltungsrechtliche Wirkungen äußere. Dies sei nur der Fall bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung sowie solchen, die sich zwar (!) in einer einmaligen Befolgung, Vollziehung oder Rechtsgestaltung erschöpften, aber noch nicht befolgt oder vollzogen wurden oder deren gestaltende Wirkungen noch nicht eingetreten sind. 509 Vgl. auch M. Ruffert, Erledigung von Verwaltungsakten, BayVBl. 2003, 33, 37; M. Sachs, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 43 Rdnr. 201. Gleiches gilt etwa für den Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch, der durch einen wirksamen Verwaltungsakt als Rechtsgrund für den zu beseitigenden „Zustand“ ausgeschlossen wird (vgl. etwa H.-D. Sproll, in: S. Detterbeck/K. Windthorst/H.-D. Sproll, Staatshaftungsrecht, § 12 Rdnr. 40). Die im Ergebnis anders lautende Entscheidung des VGH München, Urt. v. 26.7.1995 – 22 B 93.271 – DÖV 1996, 82 f. überzeugt dagegen nicht (zu Recht kritisch M. Winkler, Folgenbeseitigungsanspruch, JA 1996, 543, 545; vgl. nunmehr auch VGH München, Beschl. v. 14.9.2001 – 20 ZB 01.2394 – DÖV 2001, 1052, 1053) und ist nur durch die nach ex-ante- und ex-post-Sicht gespaltene Rechtswidrigkeitsbeurteilung gefahrenabwehrender Maßnahmen zu erklären. 504

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streckenden Verwaltungsakt selbst begründet wird. In all diesen Fällen, die hier nur beispielhaft genannt werden sollen, ist der wirksame Verwaltungsakt Tatbestandsmerkmal von Normen, die zwar an den Inhalt der Regelung anknüpfen, aber nicht (zwingend510) an die Fortdauer der Regelungswirkung511. Derartige gesetzliche Folgen eignen sich, schon weil sie wohl von jedem Verwaltungsakt ausgehen (können), nicht zur Abgrenzung zwischen Verwaltungsakten mit und solchen ohne Dauerwirkung512. Für die Möglichkeit nachträglicher Rechtswidrigkeit sind sie außerdem unergiebig, weil diese Folgen jeweils auf einem Gesetz beruhen, das alleine die Wirksamkeit des Verwaltungsakts voraussetzt, die aber durch den Wegfall einzelner seiner Erlassvoraussetzungen regelmäßig513 nicht berührt wird514. Die „Dauerwirkung“ des Verwaltungsakts bezeichnet also sinnvoller Weise nur die Regelungsdauer, nicht die Wirksamkeitsdauer. c) Die Bedeutung des materiellen Rechts Mit der Ausklammerung der gesetzlichen Folgen ist bezeichnet, was nicht zu den relevanten Wirkungen von Verwaltungsakten und ihrer zeitlichen Erstreckung gehört. Positiv zu bestimmen ist die Regelungswirkung und ihre Dauer jeweils nur unter Bezugnahme auf das materielle Recht. Es gibt gewissermaßen den Rahmen vor, der die Gestaltungsmöglichkeiten der Behörden begrenzt. Dabei steht weniger die Rechtsgrundlage, auf die der Verwaltungsakt sich stützt, im Vordergrund, als vielmehr die gesamte Rechtslage, in die er regelnd eingreift. Von dieser hängt es ab, welchen Regelungsgehalt eine behördliche Entscheidung hat und ob sie nur punktuelle oder Dauerwirkung besitzt. Nur im letztgenannten Fall kann ein Verwaltungsakt überhaupt rechtswidrig werden. Das kann an einigen typischen Arten von Regelungen aufgezeigt werden. 510 So ist in den genannten Beispielen die Wirksamkeit des Leistungsbescheids negatives Tatbestandsmerkmal des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs („ohne rechtlichen Grund“); die Erfüllung der Rechtsfolgeanordnung, mit der sich der Regelungsgehalt „erledigt“ hat, ist dagegen positives Tatbestandsmerkmal („Vermögensverschiebung“); die Vollstreckung setzt dagegen nicht nur die Wirksamkeit des Verwaltungsakts, sondern die Nichtvornahme der angeordneten Handlung, Duldung oder Unterlassung voraus. 511 In diesem Sinne versteht R. Schmidt-De Caluwe, Wirksamkeit, VerwArch 90 (1999), 49, 66, unter „Wirksamkeit“ i. S. d. § 43 VwVfG „die Summe der auf das Tatbestandsmerkmal der Wirksamkeit rekurrierenden Rechtsfolgeanordnungen“. 512 Im Ergebnis ebenso P. Bähr, Rechts- und Sachlage, S. 55; auch U. Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 133, weist darauf hin, dass die Regelung eines Verwaltungsakts nicht mit den gesetzlichen Folgen seiner Existenz verwechselt werden darf. 513 Nämlich solange daraus nicht die Nichtigkeit des Verwaltungsakts folgt. 514 Allenfalls kann im Einzelfall die (dann schon anfängliche) Recht- oder Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes hinterfragt werden, wenn es für belastende Regelungen (etwa die Vollstreckbarkeit) das Vorliegen eines wirksamen Verwaltungsakts ohne Rücksicht auf seine Rechtmäßigkeit ausreichen lässt. Dies hat aber für die nachträgliche Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts keinerlei Bedeutung.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

(1) Pflichtenbegründende Verwaltungsakte Verwaltungsakte, die den Adressaten zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verpflichten – Gebote und Verbote –, sind gewissermaßen das klassische Beispiel für Regelungen, die über eine gewisse Dauerwirkung verfügen. Hierunter fällt insbesondere – und nach nahezu515 einhelliger Ansicht516 – die Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO, die ein Verbot der Gewerbeausübung vom Zeitpunkt der Bekanntgabe bis zu dem Zeitpunkt beinhaltet, zu dem die Untersagung aufgehoben wird bzw. die Ausübung des Gewerbes nach § 35 Abs. 6 S. 1 GewO wieder gestattet wird517. Als Schulbeispiel für durch Verwaltungsakt begründete Gebote dient die Baubeseitigungsanordnung518. Auch wenn sie nicht den Dauerverwaltungsakten zugerechnet wird – was aber lediglich der unzulänglichen Definition dieser Kategorie zuzuschreiben ist –, besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass ihr Regelungsgehalt sich nicht in der einmaligen Begründung der Baubeseitigungspflicht erschöpft, sondern solange weiter wirkt, bis dem Gebot tatsächlich Folge geleistet bzw. der Verwaltungsakt aufgehoben wurde519. Dass der Bestand der Pflicht über den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsakts hinaus reicht, ist aber keine hinreichende Begründung dafür, auch eine dauernde Wirkung der Regelung anzunehmen. In Analogie zu Verwaltungsakten, die eine einmalige Gestaltung der Rechtslage bewirken, wie etwa statusverleihende Akte wie Einbürgerung520, Beamtenernennung521, (straßenrechtliche) Widmung522, könnte auch der pflichtenbegründende Verwaltungsakt 515 A.A. auf der Grundlage ihrer Definition von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung U. Mager, Der maßgebende Zeitpunkt, S. 108. 516 H.-W. Arndt, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, VII, Rdnr. 271 f.; P. Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: E. SchmidtAßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 139; W. Frotscher, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rdnr. 183; H.-W. Laubinger, Gewerberechtliche Unzuverlässigkeit, VerwArch 89 (1998), 145, 168. 517 Die spezielle Problematik des § 35 GewO insbesondere nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2.2.1982 (– 1 C 146/80 – BVerwGE 65, 1) kann hier nicht vertieft werden. Wegen der Dauerwirkung ist aber die Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung an den Fortbestand der Tatbestandsvoraussetzungen gebunden. Auch die Verfahrensregelung des § 35 Abs. 6 GewO kann hieran nichts ändern, da der einfache Gesetzgeber nicht über die Rechtfertigungsbedingungen für Grundrechtseingriffe disponieren kann. Er vermag aber das Verfahren zu regeln, in dem die Rechtsverletzung geltend gemacht werden kann. Ob aber aus der Regelung des Wiedergestattungsverfahrens folgt, dass nachträgliche Änderungen der Sachlage, die zur Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung führen, nicht im Anfechtungsprozess geltend gemacht werden können (so das BVerwG, a. a. O., BVerwGE 65, 1, 2) ist eine andere Frage, die mit dem Rechtswidrigwerden nichts zu tun hat. 518 So schon O. Bachof, Der maßgebende Zeitpunkt, JZ 1954, 416, 420. 519 U. Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 88; Ch. Sieger, Maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 88 f. 520 Vgl. §§ 85 ff. AuslG 1990.

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als einmalig rechtsgestaltend und sein Regelungsgehalt als Veränderung des Rechtsstatus des Adressaten verstanden werden. Dies wird etwa für die Ausweisung eines Ausländers nach § 45 AuslG 1990 mit folgender Begründung angenommen523: Die Ausweisungsverfügung entzieht das Aufenthaltsrecht des Ausländers und bewirkt damit eine Umgestaltung seines Rechtsstatus. Die bis zu ihrer Erfüllung fortbestehende Ausreisepflicht ist, mangels Aufenthaltsrechts, nicht auf die dauernde Wirkung der Regelung, sondern auf die nunmehr einmalig veränderte Rechtsstellung des betroffenen Ausländers zurückzuführen. Dieser auf den ersten Blick überaus plausible Argumentation kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Die Umgestaltung der Rechtsstellung, der Entzug der Aufenthaltsgenehmigung, ist nicht Regelungsgehalt der Ausweisungsverfügung, sondern nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG gesetzliche Folge ihrer Wirksamkeit. Alleine524 aus dem Wegfall des Rechts zum Aufenthalt lässt sich ferner noch keine Pflicht zur Ausreise folgern, wie generell im Verhältnis Staat-Bürger525 das Fehlen eines subjektiven Rechts und das Bestehen einer Pflicht nicht deckungsgleich sind526. Das ergibt sich aus dem rechtsstaatlichen „Verteilungsprinzip“527, das von der prinzipiell unbeschränkten Freiheit und der grundsätzlich begrenzten Staatsgewalt ausgeht528. Angesichts der Weite des Schutzbe521 Vgl. § 5 BRRG – Allerdings wird die Beamtenernennung z. T. zu den Verwaltungsakten mit Dauerwirkung gerechnet (vgl. etwa P. Stelkens/U. Stelkens, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 35 Rdnr. 150a). Das beruht wohl auf der ausgreifenden Definition [oben a) bei Fußn. 493] sowie darauf, dass nicht zwischen den Regelungswirkung der Ernennung und den gesetzlichen Folgen des Verwaltungsaktes unterschieden wird. 522 Vgl. z. B. § 2 Abs. 1 FStrG. 523 Von U. Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 89. 524 Im Ergebnis könnte die genannte Position dennoch richtig sein. Denn ebenso, wie das Erlöschen der Aufenthaltsgenehmigung nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG gesetzliche Folge der Ausweisung ist, ist die Ausreisepflicht nach § 42 Abs. 1 AuslG gesetzliche Folge des Erlöschens der Aufenthaltsgenehmigung. Wenn aber gesetzliche Folgen der Wirksamkeit von Verwaltungsakten nicht Bestandteil ihrer Regelungen sind, könnte zu schließen sein, dass die Ausweisungsverfügung selbst nicht die Pflicht begründet, sondern nur feststellt. Dann hätte sie in der Tat keine andauernde Wirkung (und könnte auch nicht nachträglich rechtswidrig werden, vgl. U. Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 89). Doch folgt das AuslG offenbar einer anderen Konzeption: § 42 Abs. 2 S. 2 AuslG geht davon aus, dass die Ausreisepflicht durch einen Verwaltungsakt begründet wird. Insoweit ist § 42 Abs. 1 AuslG für die Ausreisepflicht nicht konstitutiv, sondern übernimmt nur deklaratorisch die durch die Ausweisungsverfügung geregelte Rechtsfolge. Dann aber ist die Rechtsgrundlage der Pflicht der Verwaltungsakt und sein Regelungsgehalt hat – aus den im Text genannten Gründen – Dauerwirkung. 525 Der Begriff wird hier untechnisch und nicht im Sinne von „Staatsbürger“ verwendet. 526 Vgl. dazu noch unten 2. Teil, § 8 A. II., III. 527 Begriff von C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 158.

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reichs der allgemeinen Handlungsfreiheit529 ist nicht jedes Tun oder Unterlassen eines Grundrechtsträgers in der Weise rechtfertigungsbedürftig, dass dieser sich auf ein spezielles Recht berufen können müsste. Die Inanspruchnahme der prinzipiell unbegrenzten Freiheit bedarf keiner weiteren Rechtsverleihung530. Umgekehrt ist es richtig, dass die Einschränkung dieser Freiheit begründungsbedürftig ist und dies, soweit es um eine Verpflichtung geht, im doppelten Sinne des Wortes: Zunächst muss es eine staatliche Anordnung geben, welche die Verpflichtung konstitutiv auferlegt, sodann muss diese Verpflichtung formell und materiell mit der Verfassung vereinbar sein. Das Bestehen oder Nichtbestehen eines subjektiven Rechts ist nur für die letztgenannte rechtliche Begründbarkeit der Verpflichtung von Bedeutung, nicht für die Auferlegung der Pflicht als solcher. Das Nichtbestehen eines subjektiven Aufenthaltsrechts hat im Beispielsfall zur Folge, dass im Rahmen der materiellen Rechtfertigung der Ausreisepflicht keine weitere Rechtsposition zu Gunsten des Betroffenen in die Abwägung eingebracht werden muss. Es kann aber nicht selbst den Eingriff darstellen, der zu rechtfertigen ist. Anders formuliert: Eine Pflicht existiert nur, sofern und solange sie durch einen förmlichen Akt auferlegt wird. Das Fehlen eines subjektiven Rechts verpflichtet zu nichts531. Aus dieser Perspektive ergibt sich aber auch, dass jede Regelung, die eine Pflicht für einen Grundrechtsträger begründet, nicht nur einmalige rechtsgestaltende Wirkung besitzen kann, wenn die Verpflichtung über einen gewissen Zeitraum Bestand haben soll. Eine lediglich punktuelle Veränderung des Rechtsstatus des Verpflichteten müsste nämlich die Beseitigung seiner Grundrechtsposition – die (partielle) Aufhebung der allgemeinen Handlungsfreiheit – zum Inhalt haben. Solange aber ein Grundrechtsträger sich auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen kann (also jederzeit!), kann er nur durch jeweils aktuell wirkende Geoder Verbote verpflichtet sein. (2) Genehmigungen, Erlaubnisse etc. Genehmigungen, Erlaubnisse, Konzessionen etc. sind auf den ersten Blick vermeintlich ebenfalls der Kategorie der Dauerregelungen zuzuordnen532, da,

528 H. Bethge, Grundrechtseingriff, VVDStRL 57, 7, 11; J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR, Bd. V, § 111 Rdnr. 7. 529 Vgl. nur H. Dreier, in: ders., GG Bd. I, Art. 2 I, Rdnrn. 20 ff. 530 Vgl. auch H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 33 Rdnr. 55. 531 Dazu noch unten 2. Teil, § 8 A. III. („Tatbestandsmodell“). 532 Haueisen, Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, NJW 1958, 1065; zur wasserrechtlichen Erlaubnis nach § 7 WHG ebenso BGH, Urt. v. 3.2.2000 – III ZR 296/98 – NVwZ 2000, 1206, 1208.

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wie man argumentieren könnte, ihre Regelung die Befreiung von einem gesetzlichen Verbot beinhalte, die während der gesamten Zeit Bestand haben müsse, während der die fragliche Tätigkeit ausgeübt werde533. So geht die ganz h. M. etwa davon aus, dass etwa eine Baugenehmigung neben einem feststellenden einen verfügenden Teil besitze534: Der verfügende Teil hebe das Bauverbot auf und erlaube dem Bauherren die Herstellung und Nutzung des Vorhabens. Doch auch hier ist die materielle Rechtslage entscheidend, die durch den Verwaltungsakt gestaltet wird. Eine Befreiung von einem gesetzlichen Verbot durch die Verwaltung kann es rechtmäßiger Weise nicht geben. Dies setzte voraus, dass der Verwaltungsakt im Einzelfall die Geltung oder Anwendbarkeit der Verbotsnorm aufheben dürfte. Derartiges ist aber wegen der Gesetzesbindung der vollziehenden Gewalt schlechterdings ausgeschlossen535. Die Ansicht, eine Genehmigung müsse selbst die Erlaubnis zur Ausführung der genehmigten Tätigkeit regeln, lässt zudem außer Betracht, dass der Einzelne im Verhältnis zum Staat für seine Betätigungen prima facie gar keiner besonderen Genehmigung bedarf. Vielmehr ist es umgekehrt so, dass er alles darf, was nicht verboten ist536. Nicht die Genehmigung ist für das Dürfen, sondern das Verbot ist für das Nicht-Dürfen konstitutiv. Eine Erlaubnis beseitigt deshalb nicht ein gesetzliches Verbot, vielmehr steht das Verbot unter dem Vorbehalt der erteilten Erlaubnis537. „Das Dürfen des Begünstigten ist also nicht Folge der Verwaltungsaktsregelung, sondern der Gesetze, für die die Existenz der Genehmigung Tatbestandsvoraussetzung ist“538. Daher erschöpft sich die Regelungswirkung der Genehmigung im Zeitpunkt der Bekanntgabe539. Damit ist zugleich ausgesagt, dass eine nachträgliche Rechtswidrigkeit von ursprünglich rechtmäßigen Genehmigungen nicht möglich ist. So beruht die Tatsache, dass ein Bauvorhaben auch dann zulässig bleibt, wenn sich zwischen533

So Ch. Sieger, Maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 93 f. BVerwG, Urt. v. 23.5.1975 – 4 C 28/72 – BVerwGE 48, 242, 245; W. Brohm, Öffentliches Baurecht, § 28 Rdnr. 25; W. Krebs, Baurecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 209; M. Oldiges, Baurecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, IV, Rdnr. 307a; A. Simon, BayBO, Art. 79 BayBO 1994, Rdnr. 3. 535 Das übersieht mit der h. M. etwa M.-J. Seibert, Bindungswirkung, S. 343. 536 BVerfG, Beschl. v. 9.10.91 – 1 BvR 397/87 – BVerfGE 84, 372, 380: „Was nicht verboten ist, ist erlaubt“; J. Ipsen, Gesetzliche Einwirkungen, JZ 1997, 473, 476; J. Pietzcker, Grundrechtsbetroffenheit, in: Festschrift f. O. Bachof, S. 131, 145. 537 Anderes würde nur bei Verboten gelten, für die eine Genehmigung rechtmäßiger Weise gar nicht (auch nicht ausnahmsweise) erteilt werden darf. Sofern solch absolute gesetzliche Verbote überhaupt verfassungskonform sind, kann ihre Überwindung nicht die gesetzlich vorgesehene Folge einer gleichwohl erteilten Genehmigung sein. 538 U. Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 133; vgl. auch K.-M. Ortloff, Baugenehmigung, NJW 1987, 1665, 1667 f. 539 Vgl. auch z. B. BVerwG, Urt. v. 6.4.2000 – 3 C 6/99 – DVBl. 2000, 1614, 1616 zu einer Linienverkehrsgenehmigung nach § 2 PBefG. 534

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zeitlich das Baurecht geändert hat, weder auf der Feststellungs- oder Tatbestandswirkung540 der Baugenehmigung, noch auf einem spezifisch baurechtlichen Bestandsschutz541 oder auf der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie, sondern ist nur gesetzliche Folge der erteilten Baugenehmigung542. Ferner ergibt sich daraus, dass die in einzelnen Normen auftauchende Bezeichung der Aufhebung erteilter Genehmigungen bei nachträglichem Eintritt von Versagungsgründen als „Widerruf“543, keineswegs terminologisch verfehlt544, sondern im Gegenteil die Konsequenz der auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe begrenzten Regelungswirkung ist545. Umgekehrt lassen sich diese Vorschriften nicht gegen die generelle Möglichkeit des Rechtswidrigwerdens ins Feld führen, das sie eben nicht dauerhaft wirkende Verwaltungsakte betreffen. (3) Aufhebung von Genehmigungen, Entzug von Rechtspositionen In gleicher Weise punktuell wirkt die Aufhebung von Genehmigungen, sei es als Rücknahme oder Widerruf. Ihre Folge, nämlich das Verbot der vormals genehmigten Tätigkeit, beruht nicht auf der Regelung des Verwaltungsakts, sondern alleine auf dem gesetzlichen Verbot, das durch das Fehlen einer Genehmigung bedingt ist546. Dasselbe gilt für den Entzug von Rechtspositionen, die 540

So J. Fluck, Legalisierungswirkung, VerwArch 79 (1988), 406, 409 ff. Vgl. etwa W. Brohm, Öffentliches Baurecht, § 28 Rdnr. 26; Ch. Sieger, Maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 99. 542 Daraus erhellt auch, warum eine wirksame Baugenehmigung einer Abrissverfügung entgegensteht (vgl. zum Problem M.-J. Seibert, Bindungswirkung, S. 346 ff.): Voraussetzung für die Baubeseitigungsanordnung ist, dass die Anlage „im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert“ wurde (vgl. etwa Art. 89 S. 1 BayBO). Das ist nicht der Fall, wenn eine wirksame Baugenehmigung vorliegt, weil das an den Bauherren gerichtete Verbot durch das Fehlen der Genehmigung bedingt ist. Die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung betreffen nur staatliche (behördliche) Pflichten, die vom Bauherren nicht erfüllt werden müssen und deshalb auch nicht verletzt werden können. Der „Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften“ liegt deshalb nur vor, wenn eine wirksame Baugenehmigung fehlt, nicht aber dann, wenn diese rechtswidrig ist. Die Inanspruchnahme einer wirksamen, wenn auch rechtswidrigen Genehmigung ist somit nicht nur „formell legal“ (offengelassen von J. Fluck, Legalisierungswirkung, VerwArch 79 (1988), 406, 417). 543 Vgl. die Beispiele oben 2. in Fußn. 478. 544 Der harsche Vorwurf der fehlenden dogmatischen Durchdringung der Problematik durch den Gesetzgeber (W.-R. Schenke/P. Baumeister, Der rechtswidrig gewordene Verwaltungsakt, JuS 1991, 547, 551) fällt so auf seine Urheber zurück. 545 Zugleich bestätigt sich die oben § 4 B. III. getroffene Feststellung, dass von einer Beseitigungspflicht nicht auf die Rechtswidrigkeit geschlossen werden kann. 546 Vgl. P. Bähr, Rechts- und Sachlage, S. 53; K. Kleinlein, Der maßgebliche Zeitpunkt, VerwArch 81 (1990), 149, 179; U. Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 102; Ch. Sieger, Maßgebende Sach- und Rechtslage, S. 99 ff.; a. A. hinsichtlich des Entzugs der Fahrerlaubnis F. Czermak, Beurteilungszeitpunkt, NVwZ 1987, 116 f.; allge541

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nach dem zugrunde liegenden Gesetz durch Verwaltungsakt erst begründet worden waren. Gleichgültig ist dabei, ob der Entzug durch die Aufhebung des sie begründenden Aktes oder durch einen sonstigen gleichwertigen actus contrarius bewirkt wird547: Die Tatsache, dass nach dem Wirksamwerden des entziehenden Verwaltungsakts die Rechtsposition nicht mehr besteht, beruht alleine darauf, dass das jeweilige Gesetz für ihren Bestand den wirksamen Begründungsakt fordert, der aber nun nicht mehr existiert. (4) Antragsablehnende Verwaltungsakte Für Verwaltungsakte, mit denen ein Antrag abgelehnt wird, gilt im Ergebnis nichts anderes. Ihre Rechtswirkung erschöpft sich darin, den Antrag zu erledigen548 und das Verwaltungsverfahren zu beenden549. Dies aber hat keine über den Zeitpunkt der Bekanntgabe hinausreichende Regelungswirkung550. Zwar ist es richtig, dass eine Antragsablehnung in den Fällen, in denen ein (grundrechtlicher) Anspruch auf positive Entscheidung besteht, diesen Anspruch (und damit das Grundrecht) verletzt551. Doch anders als bei pflichtenbegründenden Verwaltungsakten, die bis zu ihrer Aufhebung oder bis zur Erfüllung der Pflicht einen Grundrechtseingriff bewirken und deshalb dauerhafte Wirkung zeitigen552, sind Leistungen versagende Verwaltungsakte nicht selbst die dauerhafte Grundlage für das Fehlen der Anspruchserfüllung553. Das Verbot, einer genehmigungsbemein auch (wegen der Gleichsetzung von Regelungsdauer und Wirksamkeitsdauer) D. Felix, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, NVwZ 2003, 385, 386. 547 So wird das Beamtenverhältnis durch eine Ernennung begründet (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BRRG), kann aber durch Entlassung beendet werden (§ 23 BRRG). 548 Deshalb kommt es auch nicht auf die Gründe für die Ablehnung an, vgl. etwa K. A. Bettermann, Zuständigkeitsfragen, in: Festgabe BVerwG, S. 61, 64. 549 Das allerdings ist höchst umstritten, wie insbesondere die Reaktionen auf die Entscheidung des BVerwG (Urt. v. 6.6.1975 – 4 C 15/73 – BVerwGE 48, 271 = NJW 1976, 340) zeigen, vgl. etwa M. Drexelius, Anmerkung, NJW 1976, 415 f.; F. Kopp, Bestandskraft, DVBl. 1983, 392, 399; W. Krebs, Bindungswirkung, VerwArch 67 (1976), 415 ff.; wie hier (im Hinblick auf die Versagung einer Baugenehmigung) G. Gaentzsch, Konkurrenz, NJW 1986, 2787, 2792; K.-M. Ortloff, Baugenehmigung, NJW 1987, 1665, 1670. 550 Haueisen, Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, NJW 1958, 1065, Fußn. 6, unter Aufgabe seiner zuvor (vgl. dens., Vom rechtmäßigen zum rechtswidrigen Verwaltungsakt, NJW 1956, 201) vertretenen Auffassung. 551 Vgl ausführlich dazu B. Vogler, Genehmigungsanspruch, S. 150 ff. 552 Vgl. oben § 5 C. III. 3. c) (1). 553 Vgl. etwa U. Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 102: „Da der Anspruch auf die Herstellung der grundrechtlichen Betätigungsfreiheit gerichtet ist, hat der versagende Bescheid – auch wenn er zunächst rechtmäßig war – diesen Anspruch jedenfalls nicht erfüllt“. Damit ist über die Dauerwirkung der Ablehnung nichts ausgesagt. Zwar kann man erwägen, die Fortdauer der Rechtsverletzung auf die Regelung zurückzuführen, wenn sie Dauerwirkung besitzt. Damit wird die Dauerwirkung aber nicht begründet, sondern vorausgesetzt.

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dürftigen Tätigkeit ohne Genehmigung nachzugehen, beruht stets (also vor wie nach der Ablehnung des Antrags) auf der Norm, welche an das Fehlen der Genehmigung das Verbot als Rechtsfolge knüpft554. Allgemeiner formuliert: Die Tatsache, dass der Antragsteller die mit der beantragten Verwaltungsentscheidung erstrebte Rechtsposition nach der Ablehnung seines Antrags nicht innehat, ist nicht auf den (dauernden) Regelungsgehalt der Antragsablehnung, sondern darauf zurückzuführen, dass ein stattgebender Verwaltungsakt als gesetzliche Voraussetzung dieser Rechtsposition nicht existiert und somit auch die gesetzlichen Folgen einer positiven Entscheidung nicht eintreten. Auch der Hinweis, die Ablehnung eines Antrags ziele darauf ab, gegenüber einer erneuten Verfolgung des Begehrens den Einwand der res iudicata zu begründen555, trägt bei Lichte besehen nicht. Denn das Fehlen des Sachentscheidungsinteresses556 bei bestandskräftiger Versagung557 ist nur eine Einrede, die dem generell bestehenden Anspruch auf Verbescheidung entgegen gehalten werden kann. Es ergibt sich aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben558 und ist also (gesetzliche) Folge einer ablehnenden Entscheidung, nicht deren Regelungsinhalt559. Deshalb steht einer eventuell nachfolgenden positiven Entscheidung auch nicht eine „Tatbestandswirkung“ der Ablehnung entgegen560. 554 Vgl. auch B. Vogler, Genehmigungsanspruch, S. 156; anders aber wohl U. Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 102, im Hinblick auf die Versagung einer Genehmigung: Sie mache aus dem (gesetzlich vorgesehenen) vorläufigen Verbot ein endgültiges. 555 So M.-J. Seibert, Bindungswirkung, S. 529; vgl. auch F. Kopp, Bestandskraft, DVBl. 1983, 392, 400. 556 Überblick über unterschiedliche Fallgruppen bei G. Foerster, Sachbescheidungsinteresse, NuR 1985, 58 ff. 557 Vgl. P. Stelkens/H. Schmitz, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 9 Rdnr. 147. 558 Zur Geltung dieses Grundsatzes im Verwaltungsrecht vgl. nur H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 25 Rdnr. 3 m. w. N. 559 Dementsprechend ist es auch zutreffend, dass diese Einrede bei einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht mehr erhoben werden kann (vgl. F. Kopp, Bestandskraft, DVBl. 1983, 392, 400). Dies beruht aber nicht auf dem Wegfall der Bindungswirkung (so aber M.-J. Seibert, Bindungswirkung, S. 533 ff.), sondern auf der fehlenden Treuwidrigkeit der erneuten Antragstellung. Ferner wird ersichtlich, warum in diesen Fällen ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens nach § 51 VwVfG nicht erforderlich ist (vgl. nur C. H. Ule/H.-W. Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 65 Rdnr. 17 m. w. N.): Es liegt nicht an der Tatsache, dass die ablehnende Entscheidung für diesen Fall keine Geltung mehr beansprucht [gegen einen derartigen außergesetzlichen Unwirksamkeitsgrund schon oben a) Fußn. 502], sondern daran, dass die Regelungswirkung keine zeitliche Erstreckung besitzt (zur Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 51 VwVfG auf Verwaltungsakte mit Dauerwirkung vgl. M. Sachs, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 51 Rdnr. 91; C. H. Ule/ H.-W. Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 65 Rdnr. 17). 560 Das ist der Grund dafür, warum es bei der Verpflichtungsklage keiner Aufhebung des ablehnenden Verwaltungsakts bedarf (vgl. M. Wehr, Versagungsgegenklage, Jura 1998, 575, 579): Da sich die Regelungswirkung der Antragsablehnung im Zeit-

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d) Zusammenfassung Mit diesen Beispielen für die Bedeutung der materiellen Rechtslage soll es sein Bewenden haben. Der Regelungsinhalt und seine zeitliche Erstreckung ist jeweils von den gesetzlichen Folgen der Wirksamkeit von Verwaltungsakten abzugrenzen. Dieser Ansatz vermag, das sei nebenbei bemerkt, auch zur Reduzierung der Problemfülle beitragen, die mit der Frage der Bindungswirkung von Verwaltungsakten561 einher geht, die auch nicht über deren Regelungsgehalt hinaus greifen kann562. Dem kann hier nicht weiter nachgegangen werden. Von Bedeutung ist im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls, dass die Regelungsdauer den Zeitraum umgrenzt, innerhalb dessen Veränderungen der Sach- und Rechtslage zu einer veränderten Rechtmäßigkeitsbeurteilung führen können563. Schon die oben erwähnten Entscheidungs„typen“ haben gezeigt, dass dies bei einem großen Teil von Verwaltungsakten bereits ihrer Art nach nicht möglich ist, weil die Regelung keine Dauerwirkung besitzt. Unter diesem Blickwinkel wird auch deutlich, dass ein ursprünglich rechtmäßiger Verwaltungsakt nicht alleine deshalb zu einem beliebigen Zeitpunkt rechtswidrig geworden ist, weil er nunmehr nicht mehr rechtmäßig ergehen könnte564. Dem gegen eine derart ausgreifende, die zeitliche Begrenzung der Regelungswirkung außer Acht lassende Formulierung565 erhobenen Widerspruch566 ist unbedingt beizupflichten.

punkt ihrer Bekanntgabe erschöpft, kann eine auf einen späteren Zeitpunkt bezogene gegenteilige Regelung nicht mit ihr unvereinbar sein (das übersieht W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rdnr. 851 mit Fußn. 10). Mit der späteren Entscheidung endet lediglich die über die Regelungswirkung hinausreichende Wirksamkeit des Verwaltungsakts: Dieser erledigt sich. 561 Dazu etwa E. Haaf, Fernwirkungen, S. 81 ff.; J. Ipsen, Verbindlichkeit, Die Verwaltung 17 (1984), 169 ff.; F. Kopp, Bestandskraft, DVBl. 1983, 392 ff.; M. Randak, Bindungswirkungen, JuS 1992, 33 ff.; M.-J. Seibert, Bindungswirkung, passim. 562 Vgl. J. Ipsen, Verbindlichkeit, Die Verwaltung 17 (1984), 169, 195. 563 Vgl. auch U. Brede, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, S. 112. 564 Zu pauschal deshalb die Aussage von K. Lange, Vertrauensschutz, Jura 1980, 456, 460, dessen angeführte Beispiele allerdings Fälle betreffen, in denen die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen während der Regelungswirkung entfallen sind, so dass bei ihnen tatsächlich von einer nachträglichen Rechtswidrigkeit gesprochen werden kann; unklar B. Preusche, Begriff des Verwaltungsakts, JuS 1997, 639, 641. 565 Sie dient häufig dazu, die Unmöglichkeit des Rechtswidrigwerdens zu illustrieren, vgl. etwa F. Kopp, Widerruf oder Rücknahme, BayVBl. 1989, 652, 653; ferner das Beispiel bei C. H. Ule, Verwaltungsprozessrecht, § 57 II 2: Eine ursprünglich rechtmäßige Entlassung eines trunksüchtigen Beamten auf Probe wird nicht nachträglich rechtswidrig, wenn der Entlassene geheilt ist und deshalb nun nicht mehr entlassen werden dürfte. Das ist nur Ausdruck der auf den Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe begrenzten Regelungswirkung der Entlassungsverfügung. 566 Vgl. v. a. W.-R. Schenke, Veränderung der Rechts- oder Sachlage, NVwZ 1986, 522, 525; dens. Verwaltungsbehördliche Aufhebung, DVBl. 1989, 433, 436; dens., Widerruf oder Rücknahme, BayVBl. 1990, 107, 108.

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Welche Änderungen der Sach- oder Rechtslage bei einem Verwaltungsakt mit andauernder Regelungswirkung im hier bezeichneten Sinne eine nachträgliche Rechtswidrigkeit begründen können, ergibt sich vorrangig aus dem Tatbestand der Rechtsgrundlage, auf die sich der Verwaltungsakt stützt, darüber hinaus aber auch aus den Anforderungen des höherrangigen Rechts, insbesondere des Übermaßverbots, die für die rechtliche Begründbarkeit der Rechtsfolgen zu beachten sind. 4. Fazit Folgt man der Erkenntnis, dass das materielle Recht primär Wirkungen seinen sie rechtfertigenden Voraussetzungen unterwirft567, ist die gebräuchliche Formulierung, es komme grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses an, deshalb richtiger Weise so zu verstehen, dass damit der erstmalige Eintritt der ausgesprochenen Rechtsfolge bezeichnet wird. Die (scheinbaren) Ausnahmen betreffen hingegen diejenigen Fälle, in denen sich die Rechtsfolge nicht alleine in der „juristischen Sekunde“ des Wirksamwerdens erschöpft, sondern über einen gewissen Zeitraum Wirkung entfaltet. So vermag der Grundsatz auf das materielle Recht zurückgeführt zu werden und die „Ausnahmen“ erweisen sich als Anwendungsfälle eben dieses Grundsatzes. Zugleich wird damit dem Grundsatz der Relativität der Rechtswidrigkeit Rechnung getragen, da die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts ausschließlich an den Pflichten des Staates im Verhältnis zu anderen Rechtssubjekten gemessen wird.

§ 6 Die Einheit der Pflichtwidrigkeit Findet das Rechtswidrigkeitsurteil seinen Bezugspunkt in der Rechtspflicht eines Pflichtsubjekts, so ist notwendiger Weise die Pflichtwidrigkeit nur einheitlich zu bestimmen: Es ist ausgeschlossen, aus der Perspektive unterschiedlicher Rechtsbereiche insoweit zu voneinander abweichenden Beurteilungen zu gelangen. Damit ist nicht die faktische Unmöglichkeit divergierender Rechtswidrigkeitsurteile gemeint, die – soweit sie auftritt – nur durch die Kompetenzordnung aufzulösen ist568. Man muss auch nicht auf den vielbeschworenen Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung zurückgreifen; vielmehr formuliert der Grundsatz der Einheit der Pflichtwidrigkeit ein schlichtes Gebot der Logik: Ein und dieselbe Pflicht eines Verpflichteten ist nur entweder verletzt oder nicht verletzt – tertium non datur. 567 568

Vgl. oben § 5 B. III. Vgl. schon oben § 3. B. II.

§ 6 Die Einheit der Pflichtwidrigkeit

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Die Konsequenzen dieses Grundsatzes sollen an dem Beispiel der Verwaltungsakzessorietät des Strafrechts, hier insbesondere bei der Strafbarkeit der Inanspruchnahme rechtswidriger Genehmigungen skizziert werden.

A. Die Unterscheidung von Verhaltens- und Sanktionsnorm Hierbei ist zunächst an die oben569 erwähnte Unterscheidung von Verhaltensund Sanktionsnorm anzuknüpfen. Strafrecht ist Sanktionsrecht570 und insofern sekundär571 und akzessorisch572. Die Androhung der Strafe für ein bestimmtes Verhalten knüpft an eine (außerstrafrechtliche) Pflichtenordnung an, die ihrerseits (zumindest der öffentlich-rechtlichen Sanktionierung wegen) dem öffentlichen Recht angehört573. Zwar lässt sich nicht generell von einer rechtlich vorgesehenen Folge eines bestimmten Verhaltens auf dessen Ge- oder Verbotensein schließen574. Die beiden Aspekte des strafrechtlichen Sanktionenrechts aber, der staatliche Vorwurf und die Auferlegung eines materiellen Übels575, setzen ebenso wie das verfassungsrechtlich fundierte Schuldprinzip576 die Rechtswidrigkeit des Verhaltens, an das die Strafe anknüpft, und damit den Verstoß gegen ein durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes begründetes Ge- oder Verbot zwingend voraus577. Materiellrechtlich (wenn auch nicht rechtstheoretisch578) 569

§ 3. B. III. Gleiches gilt naturgemäß für das Ordnungswidrigkeitenrecht. 571 Nach M. Heghmanns, Dogmatik der Straftatbestände, S. 125, besitzt das Strafrecht nur teilweise sekundären Charakter, nämlich nur insoweit, als es auf außerstrafrechtliche Regeln zurückgreifen kann; soweit diese fehlen, sei es zu originären Bewertungen und Interessenentscheidungen befähigt. Das ist insofern zutreffend, als sich die Verhaltensnorm auch ausschließlich aus der Strafrechts- (der Sanktions-)norm ergeben kann. Diese Verhaltensnorm aber ist dann nicht eine spezifisch strafrechtliche, sondern gehört insgesamt dem öffentlichen Recht an. Funktional ist sie nicht dem Strafrecht als Sanktionsrecht, sondern der Verhaltensordnung zuzurechnen, auf die das Strafrecht nur Bezug nimmt; vgl. auch M. Heghmanns, a. a. O., S. 77 f. 572 Ausführlicher dazu I. Appel, Verfassung und Strafe, S. 431 ff. 573 Zur Begründung vgl. unten 2. Teil, § 7 B. III. 2. 574 Dazu schon oben § 4 B. III. Vgl. auch K. Hölzle, Störungsverbot, S. 90 ff., der aber (S. 20 f.) zutreffend darauf hinweist, dass dieser Schluss im Strafrecht zwingend ist. 575 Vgl. O. Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 96 ff., 129 ff.; I. Appel, Verfassung und Strafe, S. 466 ff. 576 BVerfG, Beschl. v. 25.10.1966 – 2 BvR 506/63 – BVerfGE 20, 323, 331; Beschl. v. 14.7.1981 – 1 BvR 575/80 – BVerfGE 58, 159, 163; Beschl. v. 15.6.1989 – 2 BvL 4/87 – BVerfGE 80, 244, 255. 577 I. Appel, Verfassung und Strafe, S. 434 ff.; J. Baumann/U. Weber/W. Mitsch, Strafrecht AT, § 16 Rdnr. 1; G. Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 28 f., 120; F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 495; ferner D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 306 f., freilich mit der problematischen Verknüpfung von Verbotensein der fraglichen Handlung mit der Erforderlichkeit der Verhaltenskriminalisierung i. S. des Übermaßverbotes. Bei rechtmäßigem, also nicht verbotenem Verhal570

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

ausgeschlossen ist es deshalb, die Strafrechtsnorm als Vorschlag zu einem „Geschäft“ anzusehen, bei dem der Adressat die Wahl habe, die Strafbarkeit als „Preis“ eines im Übrigen erlaubten riskanten Verhaltens579 hinzunehmen oder das riskante Verhalten zu unterlassen580. Aus dem gleichen Grund ist die Ansicht nicht haltbar, die Verhaltensnormen seien nicht notwendiger Weise der staatlichen Rechtsordnung, sondern auch der Sozialmoral zu entnehmen581, während Strafgesetze ausschließlich Ermächtigungsnormen für die Strafverfolgungsorgane seien582. Unerheblich ist dabei, ob eine Vorschrift expressis verbis bestimmte Ge- oder Verbote aufstellt, auf die die strafrechtliche Sanktionsnorm lediglich Bezug nimmt583, oder ob nur eine Strafvorschrift existiert, aus der die zugrunde liegende Verhaltensnorm durch Auslegung erst gewonnen werden muss584. Die durch Strafbewehrung flankierten pflichtenbegründenden Verhaltensnormen stellen einen Ausschnitt aus der Gesamtheit der öffentlich-rechtlichen Ge- und Verbote dar. Sie sind also auch ohne die strafrechtliche Sanktionierung denkbar, was umgekehrt aus den genannten Gründen nicht gilt. Die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens als Voraussetzung der Strafbarkeit muss sich dementsprechend ohne spezifisch strafrechtliche Erwägungen begründen lassen585. Im Gegenzug kommt eine Strafbarkeit nur in Betracht, wenn ein entsprechendes Ge- oder Verbot existiert, das auch vor der Verfassungsordnung legitimierbar ist586. Dieser Zusammenhang von Verhaltens- und Sanktionsnorm ist weitgehend anerkannt587 (wenngleich insbesondere in der strafrechtlichen Literatur588 und ten scheidet eine Strafbarkeit von vornherein aus, so dass sich die Frage ihrer Verhältnismäßigkeit gar nicht erst stellt. 578 Vgl. auch M. Heghmanns, Dogmatik der Straftatbestände, S. 48 f. 579 A. Hoyer, Strafrechtsdogmatik nach Armin Kaufmann, S. 46 f. 580 So aber A. Hoyer, Strafrechtsdogmatik nach Armin Kaufmann, S. 265. 581 E. Schmidhäuser, Illusionen in der Normentheorie, JZ 1989, 419 ff., 424. 582 Zur Kritik aus normentheoretischer Perspektive N. Hoerster, Das Adressatenproblem im Strafrecht, JZ 1989, 10 ff.; ders., Wer macht sich Illusionen?, JZ 1989, 425; aus rechtsdogmatischer Sicht J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 31 f.; M. Heghmanns, Dogmatik der Straftatbestände, S. 52 ff. 583 Vgl. etwa §§ 311 Abs. 1, 330d Nr. 4 StGB. 584 I. Appel, Verfassung und Strafe, S. 433 f.; G. Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 119 f. 585 Vgl. W. Frisch, An den Grenzen des Strafrechts, in: Festschrift f. W. Stree und J. Wessels, S. 69, 82 f. 586 Zur Notwendigkeit der Trennung von Verhaltensnorm- und Sanktionsnormebene bei der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung I. Appel, Verfassung und Strafe, S. 436 f.; O. Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, z. B. S. 77 f.; vgl. auch G. Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 120; sie bleibt unberücksichtigt bei G. Manssen, Grundrechte, § 10 Rdnr. 187. 587 Etwa bei J. Baumann/U. Weber/W. Mitsch, Strafrecht AT, § 8 Rdnrn. 7 ff.; M. Heghmanns, Dogmatik der Straftatbestände, S. 42 ff.; H. H. Jescheck/Th. Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, AT., § 24 II 2., S. 237; O. Lagodny, Strafrecht vor den

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Judikatur589 nicht immer die notwendigen Konsequenzen daraus gezogen werden). So ist auch die Verwaltungsakzessorietät nur ein Beispiel für die Pflichtenakzessorietät des Sanktionenrechts überhaupt590, mit dem Charakteristikum, dass die zugrunde liegende Verhaltensordnung eine des Verwaltungsrechts ist. Insoweit kommt die strafrechtliche Ahndung nicht verbotenen Verhaltens in der Tat nicht in Betracht591. Missverständlich ist die oben592 zitierte Formel, wonach nicht strafrechtlich verboten sein kann, was verwaltungsrechtlich erlaubt ist, allenfalls deshalb, weil sie suggeriert, dass es neben der verwaltungsrechtlichen eine spezifisch strafrechtliche Verhaltensordnung gibt. Denkbar ist allenfalls, dass ein Straftatbestand (auch) Verhaltensweisen unter Strafe stellt, die von keiner Verwaltungsrechtsnorm untersagt sind593. Das bedeutet aber nur, dass die der Sanktionsnorm zugrunde liegende Verhaltensnorm die explizite Schranken der Grundrechte, S. 78 ff.; Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, Vorbem. §§ 13 ff. Rdnrn. 54/55. 588 Beispielsweise plädiert F. Zieschang, Die Gefährdungsdelikte, S. 380 ff., für eine Streichung der abstrakten Gefährdungsdelikte aus dem Kriminalstrafrecht, weil die Verhängung einer Kriminalstrafe nicht zu rechtfertigen sei, wenn das tatbestandsmäßige Verhalten im Einzelfall für das geschützte Rechtsgut ungefährlich ist; gleichzeitig aber bejaht er (wenngleich zurückhaltend) die Normierung dieser Delikte im Ordnungswidrigkeitenrecht (S. 392 f.), ohne die der Bestrafungsmöglichkeit vorgelagerte Frage zu stellen, ob überhaupt ein Verbot des ungefährlichen Verhaltens rechtmäßig sein kann. 589 Vgl. etwa BGH, Urt. v. 22.7.1999 – 4 StR 90/99 – NJW 1999, 3132 f. mit der ebenso erstaunlichen wie bedenklichen Erkenntnis, dass ein äußerlich verkehrsgerechtes Verhalten als gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 Nr. 2, 3 StGB) zu qualifizieren sein kann, wenn es in der Absicht erfolgt, die Unaufmerksamkeit anderer Verkehrsteilnehmer auszunutzen und einen Verkehrsunfall herbeizuführen. Der BGH erkennt zwar die Gefahr, alleine die „böse Gesinnung“ des Täters zu bestrafen, erliegt ihr aber dennoch (S. 3133): „Die Feststellung, der Täter habe einen Unfall absichtlich herbeigeführt, enthält notwendigerweise, dass er seine verwerfliche Gesinnung in ein unfallverursachendes Verhalten umgesetzt hat, dass es also nicht bei dem bösen Gedanken geblieben ist“. G. Freund (Äußerlich verkehrsgerechtes Verhalten als Straftat?, JuS 2000, 754, 755) verweist zu Recht auf die Parallele zum Schulfall des habgierigen Neffen, der seinen Erbonkel in der sich erfüllenden Hoffnung auf einen Absturz der Maschine auf eine Flugreise schickt. 590 W. Frisch, Verwaltungsakzessorieät, S. 7 ff.; M. Heghmanns, Dogmatik der Straftatbestände, S. 38 ff.; vgl. auch K. Rogall, Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts, GA 1995, 299, 303. 591 Darin liegt auch ein Unterschied zu den oben behandelten Fällen strafrechtlicher Rechtfertigung verwaltungsrechtlicher Rechtswidrigkeit: Wenn ein rechtlich gebilligtes Verhalten nicht bestraft werden darf, folgt daraus nicht, dass umgekehrt ein Verhalten, das nicht strafbar ist, rechtlich gebilligt wird, vgl. P. Kirchhof, Notwehr und Nothilfe, in: D. Merten, Aktuelle Probleme des Polizeirechts, S. 67, 69; auch O. Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 83. 592 Oben§ 4 C. I. 3. m. w. N. in Fußn. 177. 593 Vgl. etwa § 29 Abs. 1 i. V. m. Abs. 6 BtMG, der das unerlaubte Handeltreiben mit Stoffen, die keine Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden, unter Strafe stellt, während die Erlaubnispflicht nach § 3 BtMG nur Betäubungsmittel erfasst.

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(verwaltungsrechtliche) Pflichtenordnung ergänzt; an der Akzessorietät des Strafrechts ändert dies nichts.

B. Das Problem fehlerhafter Genehmigungen und die verwaltungsrechtliche Verbotsmaterie Unter diesem Aspekt ist die Problematik der Strafbarkeit der Inanspruchnahme materiell rechtswidriger Genehmigungen näher zu betrachten. Sie kommt nach dem bisher Gesagten nur in Betracht, soweit das Gebrauchmachen von einer materiell fehlerhaften Genehmigung, also nicht genehmigungsfähiges, aber genehmigtes Handeln, auch verwaltungsrechtlich verboten ist. Insoweit ist nach der verwaltungsrechtlichen Verbotsmaterie zu fragen. I. Maßgeblichkeit der materiellen Verwaltungsrechtslage So stellt etwa D. Felix594 auf die gesetzliche Pflichtenstellung ab. Ihr zufolge kann die Verwaltung die materielle Rechtslage nicht durch eine rechtswidrige Erlaubnis verändern595. Die gesetzlichen Pflichten des Bürgers würden durch eine unter Verstoß gegen materielles Verwaltungsrecht erteilte Genehmigung nicht aufgehoben; die Inanspruchnahme einer materiell rechtswidrigen Genehmigung sei deshalb ebenfalls materiell rechtswidrig. Bedeutung besitze diese lediglich in formeller Hinsicht: Solange die Erlaubnis wirksam, also insbesondere nicht zurück genommen worden sei, komme ein behördliches Einschreiten gegen das materiell rechtswidrige Handeln nicht in Betracht. Für das Strafrecht sei diese bloß formelle Legalisierung dagegen unerheblich; wenn es (wie etwa in § 330d Nr. 5 StGB) unter bestimmten Umständen ein Handeln mit rechtswidriger Genehmigung dem Handeln ohne Genehmigung gleichstelle, so knüpfe es an die materielle Rechtslage und damit an den Verstoß gegen verwaltungsrechtliche Pflichten an. Träfe diese Argumentation zu, so müsste wohl generell ein Gebrauchmachen von einer rechtswidrigen Genehmigung als rechtswidriges Handeln angesehen werden. Doch sind hiergegen Bedenken anzumelden. Sicherlich ist es richtig, dass die Verwaltung Gesetze nicht ändern kann. Gegen das Gesetz verstoßende Entscheidungen sind rechtswidrig. Durch sie wird der materielle Inhalt der Gesetze nicht berührt. Es trifft auch zu, dass die Verwaltung wegen ihrer Gesetzesbindung Entscheidungen nicht treffen darf, die mit den Gesetzen nicht im Einklang stehen. Unzutreffend aber ist es, wenn D. Felix hieraus folgert, dass die Verwaltung die „materielle Rechtslage“596 nicht ändern könne. Mit der Hand594

Einheit der Rechtsordnung, S. 321 ff. So wohl auch W. Frisch, Verwaltungsakzessorietät, S. 58 mit Fußn. 166 bezüglich der „Legalisierungswirkung“ rechtswidriger Genehmigungen. 595

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lungsform Verwaltungsakt steht den Behörden ein Instrument zur Verfügung, das genau dieses zu bewirken vermag, und zwar, wie § 43 VwVfG zeigt, auch contra legem. Davon geht (bei der Erörterung des § 330d Nr. 4 StGB) auch Felix aus597: Sie weist zu Recht darauf hin, dass auch der rechtswidrige belastende Verwaltungsakt für den Bürger eine Befolgungspflicht begründet. Diese Pflicht, die rechtswidrig in den Freiheitsraum des Einzelnen eingreift, ist gegenüber dem Gesetz eine Veränderung der materiellen Rechtslage des Bürgers. Felix unterscheidet bei § 330d Nr. 5 (anders als bei § 330d Nr. 4) StGB nicht zwischen Fehler und Fehlerfolge. Sie setzt Gesetz und materielle Rechtslage gleich und schließt von der mangelnden Fähigkeit des Verwaltung, ersteres zu ändern, auf die Unveränderbarkeit der zweiten. Doch die Folge der Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten ist nicht Unwirksamkeit, sondern nur Aufhebbarkeit. Ein Weiteres ist anzuführen: Felix setzt bei ihrer Argumentation voraus, dass sämtliche materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung verwaltungsrechtlicher Genehmigungen zugleich Pflichten desjenigen sind, der die genehmigungspflichtige Tätigkeit ausübt598. Das Verbot, dessen Übertretung unter Strafe steht, beträfe nicht das Handeln ohne Genehmigung, sondern dasjenige ohne Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen. Nur unter dieser Prämisse kann das Gebrauchmachen von materiell unrichtigen Erlaubnissen zugleich (stets) materiell rechtswidriges Handeln sein. Dagegen aber spricht zunächst die sprachliche Fassung der jeweiligen Genehmigungsvoraussetzungen oder Versagungsgründe. Sie haben regelmäßig die Form „Die Erlaubnis/Genehmigung/Bewilligung ist zu versagen, wenn . . .“599 bzw. „Die Erlaubnis etc. ist zu erteilen, wenn“600 und richten sich ihrem Wortlaut nach an die jeweilige Behörde, die über die Genehmigungserteilung zu entscheiden hat. Schon das weckt erhebliche Zweifel an einer Interpretation der jeweiligen Normen als Pflichtnormen für den Inhaber der Genehmigung. Zudem spricht die Systematik mancher Gesetze deutlich gegen eine derartige Auslegung601. Insbesondere ist eine Reihe von Genehmigungen von Prognosen oder Beurteilungen der Behörde abhängig, etwa überall dort, wo das Gesetz ihre Erteilung an die Zuverlässigkeit des Antragstellers knüpft602. Leitete man hieraus eine „Rechtspflicht“ ab, die dem Inhaber einer Genehmigung das Gebrauchmachen von der Genehmigung verböte, 596

Zum Begriff des materiellen Rechts vgl. oben § 3. B. II. D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 332. 598 Zur Parallelproblematik der „materiellen“, d.h. kraft Gesetzes bestehenden Polizeipflicht vgl. unten 2. Teil, § 11 A. III. 599 Z. B. § 4 GastG; § 33 KWG; § 8 WaffG; § 6 WHG. 600 Z. B. § 6 BImSchG; § 8 WHG. 601 So differenziert etwa das Bundesimmissionsschutzgesetz in §§ 5 und 6 zwischen den Pflichten des Betreibers und den Genehmigungsvoraussetzungen; das Kriegswaffenkontrollgesetz zwischen Genehmigungsbedürftigkeit (§§ 2–4a) und Pflichten bei der Vornahme genehmigungsbedürftiger Handlungen (§ 12). 597

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

wenn er unzuverlässig ist, so hätte dies merkwürdige Folgen: Denn materiell rechtswidrig verhielte sich auch derjenige, dessen Zuverlässigkeit erst nachträglich entfiele, der aber dennoch im Besitz einer (rechtmäßigen603) Genehmigung ist. Dann aber wäre nur schwerlich zu rechtfertigen, dass bei sonst gleichem Sachverhalt nur derjenige eine Strafe zu gewärtigen hätte, der ohne Genehmigung seine Pflichten nicht erfüllte604; genau dies aber ist regelmäßig der Fall605. Wie das Beispiel zeigt, lassen sich jedenfalls nicht alle Voraussetzungen für die Erteilung von Genehmigungen zugleich als gesetzliche Pflichten seines Inhabers formulieren. Damit würde im übrigen auch die Funktion der Genehmigung – eben etwas zu genehmigen – ad absurdum geführt, wenn es schließlich doch verboten sein kann, der Genehmigung „nachzuleben“. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass die verwaltungsrechtliche Verbotsmaterie beim „Handeln ohne Genehmigung“ nicht mit dem Handeln bei Fehlen der Genehmigungsvoraussetzungen gleichgesetzt werden kann. II. Unterscheidung nach der Funktion der Genehmigung In der Strafrechtswissenschaft wird bei dem Bemühen, die verwaltungsrechtliche Fragestellung in die strafrechtliche Dogmatik des Deliktsaufbaus einzupassen, verbreitet zwischen der tatbestandsausschließenden und der rechtfertigenden Genehmigung unterschieden606. Die Abgrenzung erfolgt im Wesentlichen danach607, ob die Genehmigungspflicht lediglich eine behördliche Präventivkon602 Vgl. etwa § 5 Abs. 1 Nr. 3 BtMG; §§ 30 Abs. 1 Nr. 1, 33a Abs. 2 Nr. 1, 33c Abs. 2 S. 1, 33d Abs. 3 S. 1, 34 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, 34a Abs. 1 S. 3 Nr. 1, 34b Abs. 4 Nr. 1, 34c Abs. 2 Nr. 1, 57, 69a Abs. 1 Nr. 2 GewO; § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG, §§ 8 Abs. 1, 30 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, § 8 Abs. 1 Nr. 1 SprengG; § 6 Abs. 3 Nr. 3 KrWaffG; § 33 Abs. 1 Nr. 2 KWG. 603 Zur Rechtmäßigkeit von Genehmigungen trotz nachträglichen Wegfalls ihrer Erteilungsvoraussetzungen vgl. oben § 5 C. III. 3. c) (2). 604 Hiergegen wende man nicht ein, dass die Genehmigung den Pflichtenverstoß rechtfertigen könnte, da ja – so die Prämisse – die Verwaltung von gesetzlichen Pflichten nicht contra legem dispensieren kann; anderenfalls müsste im übrigen jede wirksame, also auch die rechtswidrige Genehmigung rechtfertigend wirken. 605 Vgl. etwa zu den in Fußn. 602 genannten Genehmigungserfordernissen § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG; §§ 144 Nr. 1, 145 Abs. 1 Nr. 1; 3 28 Abs. 1 Nr. 1 GastG; § 53 Abs. 1 Nr. 1, 3, 3a WaffG; § 40 Abs. 1 SprengG; § 22a Abs. 1 Nr. 1–5 KrWaffG; § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG. 606 Vgl. etwa P. Cramer/G. Heine, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 324 ff., Rdnr. 14; S. Fortun, Behördliche Genehmigung, S. 66 ff., 93 ff.; H. G. Goldmann, Die behördliche Genehmigung, S. 84 ff., 128 ff.; W. Winkelbauer, Verwaltungsakzessorietät, z. B. S. 67 ff.; s. auch R. Breuer, Probleme der Zusammenarbeit, AöR 115 (1990), 448, 457. 607 Anders M. Jünemann, Rechtsmißbrauch im Umweltstrafrecht, S. 36, der die Genehmigung grundsätzlich als Rechtfertigungsgrund betrachtet, sofern sie nicht nach der tatbestandlichen Ausgestaltung bereits den Tatbestand entfallen lässt.

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trolle ermöglichen soll, oder ob es sich bei der genehmigungspflichtigen Tätigkeit um eine grundsätzlich zu unterbindende handelt, die nur im Ausnahmefall zugelassen werden kann608. Dies wird in Parallele zur verwaltungsrechtlichen Unterscheidung von präventivem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und repressivem Verbot mit Befreiungsvorbehalt609 gesetzt610. Die straf- wie die verwaltungsrechtliche Differenzierung legt den Gedanken nahe, dass beiden Regelungsformen unterschiedliche Verbotsmaterien zugrunde liegen, die sich in unterschiedlichen Funktionen der Genehmigung ausdrücken. Wird im ersten Fall lediglich die allgemeine Handlungsfreiheit wieder hergestellt611, in dem durch die Kontrollerlaubnis612 „die Schranke hochgezogen wird“613, so führt die Erlaubnis beim repressiven Verbot zu einer Erweiterung des Rechtskreises des Bürgers. Allerdings setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass (jedenfalls614) auf der Ebene der Rechtsanwendung eine qualitative Unterscheidung zwischen den genannten Regelungstypen nicht zu treffen ist615. Ebenso, wie eine im All608 So etwa S. Fortun, Behördliche Genehmigung, S. 40; H. G. Goldmann, Die behördliche Genehmigung, S. 81; C. Hübenett, Rechtswidrige behördliche Genehmigung, S. 46 f. 609 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rdnrn. 51 ff.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 46 Rdnrn. 36, 44. 610 Vgl. neben den in Fußn. 608 Genannten etwa G. Heine/V. Meinberg, Umweltstrafrecht, GA 1990, 1, 14; Th. Lenckner, Behördliche Genehmigungen, in: Festschrift f. Pfeiffer, S. 27; R. Scheele, Bindung des Strafrichters, S. 30 f.; R. Schmitz, Verwaltungshandeln und Strafrecht, S. 12 f. mit Fußn. 4; W. Winkelbauer, Verwaltungsakzessorietät, S. 20; distanziert gegenüber dieser Gleichsetzung R. Rengier, Öffentlichrechtliche Genehmigung, ZStW 101 (1989), 874, 878; kritisch auch K. Wimmer, Strafbarkeit des Handelns, JZ 1993, 67, 69. 611 A. Gromitsaris, Unterscheidung, DÖV 1997, 401, 402. 612 Begriff von H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rdnr. 51. 613 Anschaulich H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rdnr. 51. 614 Teilweise gilt das auch für die Ebene der Gesetzgebung: So kann etwa die wasserrechtliche Erlaubnis bzw. Bewilligung nach §§ 7, 8 WHG zwar als Befreiung von einem repressiven Verbot, aber nicht als ausnahmsweise Zulassung einer von der Rechtsordnung grundsätzlich missbilligten Gewässerbenutzung verstanden werden (so aber wohl E. Horn, Umweltschutz durch Strafrecht, NuR 1988, 63, 66); vgl. K. Sach, Genehmigung als Schutzschild, S. 43; J. Salzwedel, Harmonisierung des Umweltrechts, in: Festschrift f. Sendler, S., 321, 323; die Auslegung des Merkmals „unbefugt“ in § 324 Abs. 1 StGB als allgemeines Verbrechensmerkmal (vgl. P. Cramer/G. Heine, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 324 Rdnr. 11) führt dazu, dass jede Gewässerbenutzung dem Grunde nach kriminalisiert und nur ausnahmsweise gerechtfertigt ist; kritisch hierzu R. Breuer, Änderungen des strafrechtlichen Umweltschutzes, NJW 1988, 2072, 2079. 615 A. Gromitsaris, Unterscheidung, DÖV 1997, 401, 408 f.; Ch. Gusy, Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, JA 1981, 80, 81; F. Schreiber, Regelungsmodell, S. 33 ff., 37; J. Schwabe, Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, JuS 1973, 133, 135; vgl. auch M. Heghmanns, Dogmatik der Straftatbestände, S. 147 ff.; K. Sach, Genehmigung als Schutzschild, S. 40 ff.; ferner K. Wimmer, Strafbarkeit des Handelns, JZ 1993, 67, 69; vgl. auch U. Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt, S. 98 ff.

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gemeinen positiv bewertete oder grundrechtlich geschützte Betätigung im Einzelfall überwiegenden gegenläufigen Interessen widersprechen kann, kann auch umgekehrt die generell missbilligte Tätigkeit in concreto durchaus erwünscht sein616. In beiden Fällen soll nicht die Handlung an sich verboten werden, sondern nur die im Einzelfall schädliche oder gefährliche617. Dies aber ist jeweils im behördlichen Erlaubnisverfahren zu überprüfen. Damit bezieht sich das generelle Verbot also weniger auf die durch das genehmigungspflichtige Verhalten ausgelöste als vielmehr auf die abstrakte Gefahr, die aus dem Fehlen eines Prüfungsverfahrens resultiert618. Die Funktion der Genehmigung ist somit jeweils dieselbe. Das lässt sich auch anhand einer anderen Überlegung verdeutlichen: Wird ein qualitativer Unterschied zwischen den beiden Regelungsformen mit dem „Rechtskreis“ des Bürgers begründet, der durch die Genehmigung beim präventiven Verbot nur wieder hergestellt, beim repressiven Verbot dagegen erweitert wird, so fungiert nicht das Verbot, sondern das Grundrecht als Bezugspunkt619. Für eine Differenzierung der jeweiligen Verbotsinhalte wäre das nur ausreichend, wenn Bestand oder Fehlen eines subjektiven Rechts zugleich eine Aussage über das Erlaubt- oder Verbotensein der entsprechenden Betätigung enthielten. Doch ist eben dieser Schluss im Verhältnis des Bürgers zum Staat nicht möglich620. Das bedeutet, dass jenseits der Grenzen der Grundrechte des Bürgers nicht gleichsam automatisch die Pflicht beginnt621. Sie wird vielmehr erst durch gesetzliche Anordnung begründet622, die also konstitutiv ist und nur durch die Erteilung einer Genehmigung beseitigt werden kann623. Das beiden Regelungsformen zugrunde liegende Verbot kann nach allem nur einheitlich bestimmt werden624. Da es nicht die materiellrechtlichen Genehmi616 Vgl. das Beispiel bei J. Schwabe, Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, JuS 1973, 133, 134: Trotz des repressiven Verbots, Waffen zu tragen, ist es durchaus erwünscht, dass Begleiter von Geldtransporten Waffen mit sich führen. 617 Ch. Gusy, Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, JA 1981, 80, 81; J. Schwabe, Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, JuS 1973, 133, 134. 618 A. Gromitsaris, Die Lehre von der Genehmigung, VerwArch 88 (1997), 52, 54. 619 Doch selbst dies erlaubt keine trennscharfe Unterscheidung, da auch beim repressiven Verbot ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung nicht ausgeschlossen ist, vgl. Ch. Gusy, Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, JA 1981, 80, 81; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rdnr. 55; J. Schwabe, Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, JuS 1973, 133, 134. 620 Anders kann dies in Privatrechtsverhältnissen sein, wenn mit den Grenzen subjektiver Rechte im Verhältnis zu anderen Privaten zugleich Verbote errichtet sind, die mit entsprechenden subjektiven Rechten anderer korrelieren. 621 Vgl. dazu näher unten 2. Teil, § 8 A. III. („Tatbestandsmodell“). 622 Insoweit greift der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes, vgl. H.-U. Erichsen, Allgemeine Handlungsfreiheit, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR VI, § 152 Rdnr. 51; J. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 30 f. 623 Vgl. schon oben § 5 C. III. 3. c) (2).

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gungsvoraussetzungen in sich aufnehmen kann625, ist folglich nur die Aufnahme der jeweiligen Betätigung ohne Genehmigung untersagt626. Das stimmt auch mit den oben angestellten Überlegungen zum Regelungsgehalt von Genehmigungen überein: Sie besitzen selbst keine erlaubniserteilende Wirkung, vielmehr ist ihr Fehlen Tatbestandsvoraussetzung des Verbots627. III. (Strafrechtliche) Relevanz rechtswidriger Genehmigungen Die Anforderungen, die an eine in diesem Sinne verbotsbeseitigende628 Genehmigung zu stellen sind, ergeben sich aus den Vorschriften über die Wirksamkeit von Verwaltungsakten. Aus Sicht des Verwaltungsrechts ist damit nur die nichtige Genehmigung unbeachtlich, während sonst rechtswidrige wie rechtmäßige Verwaltungsakte Wirksamkeit entfalten629. Dies gilt nicht nur für das Verwaltungsrecht, sondern weil und soweit das Strafrecht darauf Bezug nimmt, auch für dieses. Die „Einheit der Pflichtwidrigkeit“ für das Rechtswidrigkeitsurteil besagt lediglich, dass die Frage der Verletzung einer Pflicht durch einen Verpflichteten nicht aus strafrechtlicher Sicht anders beurteilt werden kann als aus der Perspektive des Verwaltungsrechts. An dieser „materiellrechtlichen“, also auf die Verhaltensnorm bezogenen Formulierung wird deutlich, dass es sich nicht um die (kompetenzrechtliche) Frage der Bindung des Strafrichters an rechtswidrige Verwaltungsakte handelt630. Insbesondere kann in diesem Zusammenhang nicht die Rede davon sein, dass rechtswidrigen Verwaltungsakten höhere Verbindlichkeit zukommt als Rechtsnormen631. Die Tatsache, dass das Gebrauchmachen von einer rechtswidrigen 624

M. Heghmanns, Dogmatik der Straftatbestände, S. 154. Vgl. oben I. 626 M. Heghmanns, Dogmatik der Straftatbestände, S. 154 ff. 627 Vgl. § 5 C. III. 3. c) (2). 628 Einen anderen Ansatz wählt M. Jünemann, Rechtsmißbrauch im Umweltstrafrecht, S. 96 ff., der die „befugnisverleihende Wirkung“ erteilter Genehmigungen anhand der §§ 43, 48 VwVfG untersucht. Abgesehen davon, dass §§ 43, 48 VwVfG hierzu keine Aussagen treffen (so im Ergebnis auch M. Jünemann, a. a. O., S. 106), bedarf es keiner „Befugnis“ Privater für die Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens. Umgekehrt gilt: Rechtswidrig ist ein Verhalten nur, wenn es verboten ist. 629 Anders M. Jünemann, Rechtsmißbrauch im Umweltstrafrecht, S. 113 ff., der aufgrund allgemeiner Kompetenzüberlegungen erschlichenen Genehmigungen die „befugnisverleihende Wirkung“ abspricht. Der Gesetzgeber hat sich indes, wie § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG zeigt, anders entschieden. 630 So aber U. Rühl, Grundfragen der Verwaltungsakzessorietät, JuS 1999, 521, 524 f.; vgl. auch R. Scheele, Bindung des Strafrichters, S. 95 ff. 631 In diesem Sinn aber U. Rühl, Grundfragen der Verwaltungsakzessorietät, JuS 1999, 521, 524 f. unter Verweis auf E. Haaf, Fernwirkungen, S. 96 f.; vgl. auch K. Kühl, Probleme der Verwaltungsakzessorietät, in: Festschrift f. Lackner, S. 815, 848 für den anders gelagerten Fall strafbewehrter Verwaltungsakte. 625

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

aber wirksamen Genehmigung nicht strafbar ist, liegt darin begründet, dass dadurch kein gesetzliches Verbot verletzt wird632. Betrachtet man vor diesem Hintergrund diejenigen strafrechtlichen Normen, die ausnahmsweise ein Handeln mit irregulär erlangter Genehmigung dem Handeln ohne Genehmigung gleichstellen, wie insbesondere § 330d Nr. 5 StGB, so ist zunächst eine Diskrepanz zwischen der strafrechtlichen und der verwaltungsrechtlichen Lage festzustellen, die nach dem bisher Gesagten nicht bestehen kann, weil sie dem Grundsatz der Einheit der Pflichtwidrigkeit widerspricht633. Denn nach materiellem Verwaltungsrecht ist, wie sich aus § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 VwVfG ergibt, der durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erlangte Verwaltungsakt nicht von vornherein nichtig, sondern nur unter Wegfall des Vertrauensschutzes aufhebbar634. Bei isolierter Betrachtung der verwaltungsrechtlichen Verbotsnorm ist deshalb die Inanspruchnahme der so zustande gekommenen Genehmigung rechtmäßig und ihre Kriminalisierung verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen635. Es ist also in jedem Fall ausgeschlossen, § 330d Nr. 5 StGB als strafrechtsspezifischen Nichtigkeitsgrund für eine verwaltungsrechtlich wirksame Erlaubnis zu interpretieren636; dies würde zu dem Ergebnis führen, dass die Pflicht, eine bestimmte Betätigung zu unterlassen, sofern keine Genehmigung vorliegt, sowohl verletzt als auch nicht verletzt wäre. Der Grundsatz der Einheit der Pflichtwidrigkeit lässt sich vor diesem Hintergrund nur wahren, wenn man § 330d Nr. 5 StGB eine auch das materielle Verwaltungsrecht einbeziehende Verhaltensnorm entnimmt, der zufolge die Inanspruchnahme rechtsmissbräuchlich erlangter Genehmigungen, soweit sie in 632 Vgl. auch BVerfG, Beschl. vom 6.5.1987 – 2 BvL 11/85 – BVerfGE 75, 329, 346; K. Sach, Genehmigung als Schutzschild, S. 253. 633 Zur Notwendigkeit der Harmonisierung von Straf- und Verwaltungsrecht insoweit auch M. Jünemann, Rechtsmißbrauch im Umweltstrafrecht, S. 98; R. Scheele, Bindung des Strafrichters, S. 134. 634 M. Sachs, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 44 Rdnr. 113; vgl. auch K. Wimmer, Strafbarkeit des Handelns, JZ 1993, 67, 70; a. A. für Fälle der Drohung und der Bestechung R. Rengier, Öffentlich-rechtliche Genehmigung, ZStW 101 (1989), 874, 897 f. – Rengier wendet sich gegen den Umkehrschluss aus § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 VwVfG mit der Behauptung, das Konkurrenzverhältnis zwischen § 48 und § 44 VwVfG werde offengelassen. Das ist nicht ganz nachvollziehbar, setzt doch § 48 Abs. 2 VwVfG grundsätzlich die Wirksamkeit des Verwaltungsakts voraus (nach H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rdnr. 16, soll § 48 bei nichtigen Verwaltungsakten überhaupt nicht anwendbar sein). Auch die Frage, wie schwer denn Fehler sein müssen, wenn Drohung und Bestechung für die Nichtigkeit nicht ausreichen (R. Rengier, a. a. O., S. 898), geht an der Sache vorbei. Denn sie impliziert, dass ein Verwaltungsakt schon alleine deshalb rechtswidrig ist, weil er durch Fehlverhalten eines Antragstellers zustande gekommen ist. 635 Vgl. oben § 6 A. 636 So aber P. Cramer/G. Heine, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 330d Rdnr. 28; U. Rühl, Grundfragen der Verwaltungsakzessorietät, JuS 1999, 521, 526; K. Rogall, Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts, GA 1995, 299, 317 f.

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§§ 324 ff. StGB angesprochen werden, verboten ist637. Insoweit wäre diese Norm nicht mehr verwaltungsrechtsakzessorisch, sondern ergänzte und modifizierte vielmehr die nach Verwaltungsrecht bestehenden Verbote. Das ist an sich nicht ausgeschlossen, da die Pflichtenordnung, auf die das Strafrecht Bezug nimmt, sich auch im Wege der Auslegung aus der Sanktionsnorm selbst ergeben kann638. Für das Verwaltungsrecht hätte diese Interpretation allerdings weitreichende Konsequenzen: Das „Erschleichen“ rechtswidriger Genehmigungen wäre als spezieller Unwirksamkeitsgrund für diejenigen Genehmigungen und sonstigen Zulassungen anzusehen, auf die §§ 324 ff. StGB Bezug nehmen. Dieser würde sich aber nur schwer in die im übrigen geltenden Nichtigkeitsgründe nach §§ 44 Abs. 1 und 2 VwVfG einpassen, da er nicht (nur) an behördliches Fehlverhalten, sondern an das des Bürgers anknüpfte. Denn es ist sehr fraglich, ob ein Verwaltungsakt schon alleine deshalb rechtswidrig ist, weil er durch Drohung und Bestechung zustande gekommen ist639. Verneint man dies640 etwa mit der Begründung, dass das Fehlverhalten eines Antragstellers oder eines Amtswalters nicht zugleich eine Pflichtwidrigkeit des Staates (und damit die Rechtswidrigkeit des Staatsakts) bedingt, so kommt in diesen Fällen die Nichtigkeit als Folge gesteigerter Rechtswidrigkeit 641 ohnehin nicht in Betracht. Was aber einen ansonsten fehlerfreien Verwaltungsakt nicht rechtswidrig macht, steigert auch die Rechtswidrigkeit eines fehlerhaften nicht. Hinzu kommt, dass der Gedanke des Rechtsmissbrauchs, der § 330d Nr. 5 StGB zugrunde liegt, eine mögliche Unwirksamkeitsfolge nur für denjenigen rechtfertigt, der den Verwaltungsakt erschleicht. Sie träfe aber, da die Unwirksamkeit nicht „teilbar“ ist, auch den gutgläubigen Inhaber der Genehmigung (etwa den Rechtsnachfolger) oder Dritte642. Das mag aus strafrechtlicher Sicht hinnehmbar sein643, da insoweit mit dem Vorsatz- bzw. Fahrlässigkeitserfordernis weitere Korrektive eingreifen, wirft aber doch die Frage auf, ob so weitreichende verwaltungsrechtliche Konsequenzen vom Zweck des § 330d Nr. 5 StGB noch erfasst644 und mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot vereinbar sind645. 637

So Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 32 ff. Rdnr.

63b. 638

Vgl. oben § 6 A. Für die Drohung bejahend R. Hoke, Willensmängel beim Verwaltungsakt, DÖV 1962, 281, 290, mit der Begründung, es sei für die Wahrung der Staatsautorität erforderlich, dass die Drohung für die Geltung des durch sie erzwungenen Verwaltungsakts nicht irrelevant sei. 640 Jedenfalls für gebundene Verwaltungsakte M. Sachs, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/ M. Sachs, VwVfG, § 48 Rdnr. 158; vgl. auch W. Scheerbarth, Musterentwurf, DVBl. 1966, 780, 782. 641 Vgl. M. Sachs, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 44 Rdnr. 1. 642 Vgl. auch H. Otto, Das neue Umweltstrafrecht, Jura 1995, 134, 139. 643 Vgl. P. Cramer/G. Heine, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 330d Rdnr. 39. 639

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

Insofern liegt es in der Tat näher, § 330d Nr. 5 StGB und vergleichbaren Vorschriften eigene primärrechtliche Gehalte und damit Auswirkungen auf die verwaltungsrechtliche Verhaltensordnung abzusprechen. Dann aber ist die Folgerung unausweichlich, dass durch sie Verhaltensweisen kriminalisiert werden, für die kein Verbot besteht und die deshalb nicht als rechtswidrig anzusehen sind646. Es handelt sich bei ihnen deshalb, wie treffend formuliert wurde, um „unhaltbare Alleingänge des Strafrechts“647, die keinen Bestand haben können.

C. Der Begriff der Rechtswidrigkeit in der Strafrechtsdogmatik Die (partielle) Verwaltungsakzessorietät des Strafrechts lenkt den Blick auf den generell sekundären Charakter der strafrechtlichen Sanktionsordnung, die an ein außerstrafrechtliches Pflichtenregime anknüpft. In diesem Kontext aber wird der Begriff der Rechtswidrigkeit im Sinne des strafrechtlichen Verbrechensaufbaus interessant, da er nur diejenigen Verhaltensweisen erfassen darf, die auch nach der zugrunde liegenden Verhaltensordnung rechtswidrig sind. Die systematische Trennung von Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld im herkömmlichen Deliktsaufbau lässt die Frage aufscheinen, inwieweit die Gleichsetzung von Pflicht- und Rechtswidrigkeit auch für diese Disziplin Geltung beanspruchen kann bzw. ob davon abweichend spezielle strafrechtssystematische Überlegungen es geboten oder zweckmäßig erscheinen lassen, den Rechtswidrigkeitsbegriff mit zusätzlichen Merkmalen anzureichern und so einen spezifischen Begriff der „Strafrechtswidrigkeit“ zu bilden648. I. Unterscheidung von Normwidrigkeit und Pflichtwidrigkeit? Vor dem Hintergrund der finalen Handlungslehre Hans Welzels ist im strafrechtlichen Schrifttum die Unterscheidung von Norm und Pflicht entwickelt worden, die im Ergebnis zwar ebenfalls zu einer Identifizierung von Pflichtund Rechtswidrigkeit führt, dies jedoch aus spezifisch sanktionsrechtlicher Per644 Verneinend P. Cramer/G. Heine, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 330d Rdnr. 28. 645 Diese Problematik ist § 330d Nr. 5 StGB ohnehin immanent, der mit dem Begriff der Kollusion ein Tatbestandsmerkmal unbestimmter Reichweite verwendet (vgl. auch P. Cramer/G. Heine, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 330d Rdnrn. 37 f.), das sich verwaltungsrechtlich als Ungewissheit über Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Genehmigung auswirken würde. 646 M. Heghmanns, Dogmatik der Straftatbestände, S. 214. 647 So M. Heghmanns, Dogmatik der Straftatbestände, S. 213. 648 Vgl. zu diesem Konzept H.-L. Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluss, S. 83 ff.; krit. Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 13 ff., Rdnr. 51.

§ 6 Die Einheit der Pflichtwidrigkeit

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spektive. Die von Normen aufgestellten Ge- und Verbote bedürfen, um ihre verpflichtende Wirkung zu entfalten, nach dieser Sicht der „Konkretisierung“, womit allerdings nicht (nur) das tatsächliche Vorliegen von Umständen gemeint ist, die den Tatbestand der Ge- oder Verbotsnorm erfüllen. Vielmehr konkretisiere sich die Norm „auf einen bestimmten Einzelnen, der für einen konkreten Akt, der Gegenstand des Verbotes ist, in Frage kommt“649. Das ist nach Armin Kaufmann nur derjenige, der über die psychischen und physischen Voraussetzungen zur Vollziehung des verbotenen Aktes angesichts der konkreten Situation verfügt. Diese als „Handlungsfähigkeit“ bezeichneten Voraussetzungen erschöpfen sich nicht in der faktischen Möglichkeit, normwidrig zu handeln, sondern beinhalten darüber hinaus die Kenntnis der Tatumstände und die Fähigkeit, den Ablauf der verbotenen Handlung vorauszuberechnen650. Normwidrigkeit ist in dieser Konzeption eine objektive, Pflichtwidrigkeit eine personale Kategorie651, die mit der Rechtswidrigkeit im Sinne des dreistufigen Deliktsaufbaus übereinstimmt652. 1. Der Inhalt der Pflicht Bemerkenswert an diesem Ansatz ist die Tatsache, dass eine Pflicht nicht nur durch die Fähigkeit zur Normbefolgung, sondern grundsätzlich durch die Fähigkeit zur Normverletzung konstituiert wird, wobei indes maßgeblich auf das „Wissen und Können“ des „Täters“ abgestellt wird. Normen sind danach und insoweit „Verpflichtungsgründe für Handlungen, als sie jedermann verpflichten, im Rahmen seines Wissens und Könnens normgemäß zu handeln“653. Die aus der (ein bestimmtes Handeln ge- oder verbietenden) Norm fließende Pflicht habe nicht die Vornahme oder Unterlassung der Handlung zum Gegenstand, sondern den Willen, der Norm entsprechend zu agieren654. Normwidrigkeit und Pflichtwidrigkeit könnten deshalb auseinanderfallen, mehr noch: (strafrechtlich relevantes) Unrecht könne durch eine Pflichtverletzung auch dann konstituiert werden, wenn ein Normverstoß nicht vorliegt (namentlich beim Versuch)655. Umgekehrt bestehe die Möglichkeit, dass normwidriges Handeln nicht als Pflichtverletzung zu werten sei, nämlich dann wenn der Täter unfähig sei, sich „um der Erfolgsvermeidung bzw. -verhinderung willen“656 normgemäß zu ver649

A. Kaufmann, Bindings Normentheorie, S. 139. Vgl. A. Kaufmann, Bindings Normentheorie, S. 139 ff. 651 J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 43. 652 A. Kaufmann, Bindings Normentheorie, S. 156 ff. 653 J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 42; U. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 13. 654 Vgl. U. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 13: „Die Norm beispielsweise, die Tötung eines anderen vermeiden zu sollen, ist Grund der Pflicht, die Tötung eines anderen vermeiden zu wollen“. 655 U. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 57 f. 656 U. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 57 (Hervorhebung nicht im Original). 650

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

halten; nach dem Grundsatz ultra posse nemo obligatur schließe die Unfähigkeit, die Norm zu befolgen, die Pflichtverletzung aus657. Damit aber ist ein zentrales Problem dieses Konzepts offengelegt, das auf einem besonderen Verständnis von Verhaltens- und Sanktionsnorm basiert und für eine allgemeine Dogmatik öffentlich-rechtlicher Pflichten nicht tauglich ist. Mit der oben (kursiv) zitierten Einschränkung wird nämlich deutlich gemacht, dass eine Pflichtverletzung nicht durch die faktische Unmöglichkeit anderen als normwidrigen Handelns, sondern durch die fehlende Erkennbarkeit der Normwidrigkeit ausgeschlossen sein soll. Wer nicht in der Lage ist, gerade „um der Erfolgsvermeidung willen“ normgemäß zu handeln, entbehrt einer bestimmten Motivation, nicht der alternativen Handlungsmöglichkeit schlechthin. Wenn die Pflicht darin besteht, normgemäß handeln zu wollen, kann zwar die Unkenntnis der Tatumstände einen Pflichtenverstoß ausschließen, obwohl die Handlung den Erfolg herbeiführt, der durch die Norm gerade verhindert werden soll. Das ergibt sich aber nicht aus dem Grundsatz ultra posse nemo obligatur, sondern aus dem Inhalt der Pflicht. Anders wäre es nur, wenn es logisch, rechtlich oder faktisch ausgeschlossen wäre, konkrete Verhaltenspflichten des Einzelnen in einer bestimmten Situation unabhängig von entsprechenden „Wollenspflichten“ zu begründen, wenn es also nicht möglich wäre, den Einzelnen zu verpflichten, normgemäß zu handeln658. 2. Der Inhalt der Verhaltensnorm Der Grund für die Diskrepanz zwischen Norm- und Pflichtwidrigkeit wird von der hier vorgestellten Lehre darin gesehen, dass über ihr Vorliegen zu unterschiedlichen Zeitpunkten geurteilt werde: Die Pflicht werde induktiv ex ante bestimmt, dagegen lasse sich die Frage der Normwidrigkeit nur ex post beantworten, da erst nachträglich bekannt sei, ob das Gesollte eingetreten ist oder nicht. „Bevor ein Mensch gestorben ist, kann nicht gesagt werden, dass ein Verhalten eine normwidrige Tötung sei.“659. Wenn hier von Normwidrigkeit die Rede ist, so ist damit nur der Verstoß gegen eine Verhaltensnorm gemeint. Bei den Straftatbeständen, auf deren Grundlage die kritisierte Auffassung diskutiert wird, handelt es sich indes um Sanktionsnormen, aus denen die jeweilige Verhaltensnorm erst deduziert werden muss. Diese bestimmt, welches Verhalten ge- oder verboten ist660. Die Rechtswidrigkeit im Sinne des strafrechtlichen Deliktsaufbaus (und damit die 657

U. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 57; J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 43. Vgl. auch unten § 6 C. II. 659 U. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 59; vgl. ferner J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 49. 660 Vgl. in diesem Zusammenhang J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 44. 658

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„Pflichtwidrigkeit“) bezeichnet dagegen die Voraussetzungen, unter denen jemand für ein Verhalten (strafrechtlich) haftet oder verantwortlich gemacht werden kann661; sie ergibt sich deshalb nicht aus der Verhaltens-, sondern aus der Sanktionsnorm662 und formuliert die Bedingung für die strafrechtliche Zurechnung663. Ein so verstandener Pflichtbegriff ist aber lediglich für die Rechtsfolgen relevant, welche die Sanktionsnorm an ein bestimmtes Verhalten knüpft. Eine Pflicht existiert deshalb nur insoweit, als das gegenteilige Verhalten Bedingung für die Anwendung der Sanktionsnorm ist664. Die auf das „Wissen und Können des Täters“ abstellende Lehre fügt sich in die strafrechtliche Dogmatik deshalb ein, weil die strafrechtliche Rechtsfolge Vorsatz oder Fahrlässigkeit des „Täters“ voraussetzt. Besteht dagegen eine Haftung oder Verantwortlichkeit für ein Verhalten auch ohne die Erfordernisse des „Wissens und Könnens“ (wie es etwa im Polizeirecht665 und bei einigen Instituten des Staatshaftungsrechts der Fall ist), so ist notwendiger Weise auch der Pflichtinhalt ein anderer. Er kann sich in diesem Fall nur aus den Anforderungen ergeben, die die zugrundeliegende Verhaltensnorm aufstellt. Normwidrigkeit und Pflichtwidrigkeit wären folglich in diesem Fall identisch. Diese Konsequenz aber gerät in Widerspruch zu der oben666 skizzierten Ansicht, der Beurteilungszeitpunkt für Norm- und Pflichtwidrigkeit sei nicht derselbe. Sie basiert darauf, dass die aus der Sanktionsnorm deduzierte Verhaltensnorm mit der „kontradiktorischen Formulierung“667 des Straftatbestandes gleichgesetzt wird. Anders ausgedrückt: „Normwidrig [. . .] ist ein Verhalten, das sich unter die Tatbestandsseite des jeweiligen Straftatbestands im Besonderen Teil668 subsumieren lässt“669. Nicht die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache ist verboten (§ 242 StGB), sondern nur die Wegnahme mit Zueignungsabsicht670; nur die Tötung eines Menschen ist normwidrig (§§ 212, 222), nicht aber der Versuch der Tötung671. Mit anderen Worten: Es gibt keine Verhaltens661 J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 28 f., U. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 29 f. 662 J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 42; vgl. auch S. 55 a. E. (Sanktionsnormwidrigkeit). 663 J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 57 ff. 664 Insofern nähert sich die hier kritisierte Auffassung der These H. Kelsens (Reine Rechtslehre, z. B. S. 34 f., 51 f.), wonach eine Rechtspflicht dadurch begründet werde, dass das gegenteilige Verhalten als Bedingung eines Zwangsaktes (Sanktion) normiert ist. 665 Dazu näher unten 3. 666 Oben 2. bei Fußn. 659. 667 So I. Appel, Verfassung und Strafe, S. 433. 668 Gemeint ist des Besondere Teil des Strafgesetzbuchs (Anm. d. Verf.). 669 J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 49. 670 U. Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 99. 671 J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 72 ff.

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

norm, die den Versuch eines Tötungsdelikts untersagt. Dieser ist deshalb zwar strafbar (§ 22 StGB), aber nicht verboten. Ein solches Verständnis der den Straftatbeständen zugrunde liegenden Verhaltensnormen ist zu Recht auf Ablehnung gestoßen. Verhaltensnormen müssen, um als Faktoren der Verhaltenssteuerung überhaupt in Frage zu kommen, an eine Situation anknüpfen, die vor der jeweiligen Handlung liegt672. Der Handlungserfolg kann deshalb nicht Bestandteil der Norm sein, die seine Herbeiführung verbietet673. Verboten ist aus diesem Grunde nicht (erst) die Herbeiführung des Erfolges, sondern bereits ein Handeln, das zu seiner Herbeiführung geeignet ist674. Daran vermögen auch die von J. Vogel675 vorgetragenen Argumente nichts zu ändern. Der gegen die hier vertretene Position erhobene Vorwurf, es handele sich dabei um die „Umdeutung“ von Verletzungs- in Gefährdungsverbote, geht am Problem vorbei. Die Frage lautet vielmehr, ob man aus Normen, die an die Verletzung von Rechtsgütern strafrechtliche Sanktionen knüpfen, Verletzungsoder Gefährdungsverbote deduziert. Einer Umdeutung bedarf es in keinem Fall. Richtig aber ist, dass nach der hier vertretenen Ansicht der Umfang des verbotenen Verhaltens nicht davon abhängt, ob die Sanktionsnorm die Strafbarkeit an die Verletzung oder bereits an die (konkrete) Gefährdung eines Rechtsguts knüpft676. 3. Zur Verhaltenssteuerungsfunktion des Rechts a) Die Mehrdimensionalität rechtlicher Verhaltenssteuerung Gewichtiger scheint das Argument, ein Gefährdungsverbot setze eine Prognose über die Eignung eines Verhaltens, die Verletzung des jeweiligen Rechtsguts herbeizuführen, voraus; es sei aber nicht ersichtlich, wessen Eignungsurteil auf wessen Wissensbasis hierfür entscheidend sein soll677. Damit wird eine 672 Vgl. etwa G. Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 10, 22; W. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 71 f.; M. Heghmanns, Dogmatik der Straftatbestände, S. 67; L. Kuhlen, Rezension, GA 1990, 477, 480; aus zivilrechtlicher Sicht ebenso W. Münzberg, Verhalten und Erfolg, S. 64 f. 673 Vgl. auch G. Freund, Richtiges Entscheiden, GA 1991, 387, 390. 674 Es liegt auf der Hand, dass diese Formulierung im Hinblick auf den mit dem Verbot einhergehenden Grundrechtseingriff weiterer Präzisierung bedarf; das Verbot jeder Handlung, die zur Herbeiführung des Todes eines Menschen geeignet ist, wäre ohne weitere Eingrenzung nicht legitimierbar. Darauf wird zurückzukommen sein [unten 2. Teil, § 11 B. II. 2. b)–d)]. An dieser Stelle interessiert indes nur die „allgemeine“ Fassung von aus Sanktionsnormen deduzierten Verhaltensnormen. 675 Norm und Pflicht, S. 55 f. 676 Vgl. auch O. Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 200 f. 677 J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 56.

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Problematik angesprochen, die generell der Verhaltenssteuerung durch Rechtsnormen eigen ist und deshalb nicht ausschließlich aus der Perspektive strafrechtlicher Sanktionierung betrachtet werden kann678: Die (z. B. den Strafgesetzen zugrunde liegenden) Verhaltensnormen haben nicht nur die Funktion, das Verhalten eines Einzelnen zu steuern; gleichzeitig regeln sie die Handlungsmöglichkeiten desjenigen, der von diesem Verhalten betroffen ist. Ob etwa Notwehr oder Nothilfe gegen einen „Angriff“ auf ein Rechtsgut zulässig ist, hängt davon ab, ob dieser Angriff rechtswidrig ist oder nicht (§ 32 Abs. 2 StGB). Dies wiederum hängt vom Verständnis des Merkmals „Rechtswidrigkeit“ ab: Ob es sich um einen rechtswidrig schuldhaften679, einen im Sinne des strafrechtlichen Deliktsaufbaus „rechtswidrigen“, also zumindest fahrlässigen Angriff handeln muss680, oder ob die Rechtswidrigkeit alleine durch den (objektiven) Verstoß gegen Verhaltenspflichten konstituiert wird – je mehr Voraussetzungen für das Vorliegen einer Notwehrlage gefordert werden, desto geringer werden die Handlungsmöglichkeiten des Angegriffenen bzw. des Nothelfers und – da Vorsatz, Fahrlässigkeit und Schuld subjektive, nicht notwendiger Weise erkennbare, Aspekte in der Person des Angreifers darstellen – desto ungewisser seine Einschätzung der Rechtmäßigkeit seiner Rettungshandlung. Stellte man hierfür umgekehrt alleine auf die Einschätzung des Angegriffenen oder Nothelfers ab681, so ginge ein (unvermeidlicher) Irrtum zu Lasten des vermeintlichen Angreifers. Neben dem Verhalten des „Täters“ und gegebenenfalls des Angegriffenen muss die Rechtsordnung aber auch das der staatlichen Institutionen und ihrer Amtswalter steuern. Öffentlich-rechtliche (wie privatrechtliche) Verhaltensnormen, auch solche, die letztlich nur aus Sanktionsnormen deduziert werden, sind Bestandteil der öffentlichen Sicherheit im Sinne des Polizeirechts682; Verstöße gegen diese Verhaltensnormen können, sofern nicht besondere Eingriffsermächtigungen bestehen, auf der Grundlage der polizeilichen Generalklausel verhindert oder unterbunden werden. Bei den oben angesprochenen Gefährdungsverboten muss deshalb der eingreifende Beamte die Eignung eines Verhaltens zur Rechtsgutsverletzung zunächst auf der Grundlage des ihm zur Verfügung stehenden Wissens beurteilen. Die Rechtmäßigkeit einer evtl. ergehenden polizeilichen Verbotsverfügung und somit auch die „Richtigkeit“ der getroffenen Prognose als tatbestandliche Voraussetzung der Eingriffsnorm kann wiederum gerichtlich überprüft werden. Die Verhaltensnorm, also etwa das Gefährdungs-

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Zum folgenden (aus anderer Perspektive) R. Poscher, Gefahrenabwehr, S. 100 f. So A. Hoyer, Das Rechtsinstitut der Notwehr, JuS 1988, 89, 95 f. 680 J. Baumann/U.Weber/W. Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rdnr. 17; Th. Lenckner/W. Perron, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 32 Rdnrn. 19 ff. 681 Vgl. etwa G. Freund, Richtiges Entscheiden, GA 1991, 387, 406 ff. 682 Vgl. auch O. Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 85 ff.; zur Begründung s. unten 2. Teil, § 7 B. III. 2. c). 679

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1. Teil: Die Pflicht als Grundbegriff des öffentlichen Rechts

verbot, ist in diesem Sinne Entscheidungsmaßstab für den Richter und steuert insoweit auch sein Verhalten. b) „Pflichtwidrigkeit“ und polizeirechtliche Sanktionsnorm Diese Mehrdimensionalität der rechtlichen Verhaltenssteuerung macht in der Tat deutlich, dass es sich bei der Frage, wer auf der Basis welchen Wissens über die Gefährlichkeit einer Handlung für ein Rechtsgut urteilen soll, um eine zentrale Frage handelt. Nur ist dies kein Spezifikum der hier vertretenen Dogmatik der Verhaltensnorm, sondern ein sachliches und tatsächliches Problem, dem sich jede Dogmatik stellen muss683. Gerade an dem Beispiel präventiv-polizeilichen Einschreitens wird aber deutlich, dass die Unterscheidung von Normund Pflichtwidrigkeit außerhalb des Strafrechts nicht trägt. Die Eingriffsbefugnisse (z. B. § 8 Abs. 1 MEPolG) des Polizeirechts stellen in Verbindung mit den jeweiligen Adressatennormen (z. B. § 4 Abs. 1 MEPolG) im Verhältnis zu öffentlich-rechtlichen Verhaltensnormen ebenso Sekundärnormen dar, wie die Sanktionsvorschriften des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs684. Wer gegen eine Verhaltensnorm verstößt, verursacht zugleich eine Störung der öffentlichen Sicherheit und kann deshalb Adressat einer entsprechenden Verbotsverfügung sein. Da es bei der Frage der Verursachung auf Vorsatz, Fahrlässigkeit oder Verschulden nicht ankommt, andererseits eine rechtswidrige Verursachung jedenfalls ausreicht685, könnte der Pflichtbegriff nach der oben zitierten Lehre nicht auf das Wissen und Können des Handelnden abstellen, da die polizeirechtliche Sanktionsnorm dies eben nicht fordert. Selbst wenn man an dieser Stelle die zeitliche Differenzierung in der Beurteilung von Norm- und Pflichtwidrigkeit aufrecht erhalten würde, müsste deshalb die ex ante zu bestimmende Pflicht nun auf einem Eignungsurteil basieren, das nicht auf den Erfahrungshorizont des Handelnden zurückgreift, da es auf ihn für die „Sanktionsnormwidrigkeit“686 nicht ankommt. Mit anderen Worten: Sub specie polizeirechtlicher Sanktionsnorm stellen sich für den diskutierten Pflichtbegriff exakt dieselben Schwierigkeiten, mit denen J. Vogel687 seine Ablehnung der hier vertretenen 683

Zum Problem s. noch unten 2. Teil, § 11 B. II. 2. d). Diese Einsicht hat maßgeblich dazu beigetragen, die materielle Polizeipflicht als kraft Gesetzes bestehende Nichtstörungspflicht zu betrachten, die durch polizeiliche Verfügung lediglich konkretisiert werde; vgl. O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, S. 207; Scholz-Forni, Verantwortlichkeit des Urhebers, VerwArch 32 (1925), 11, 37 m. Fußn. 100; vgl. dazu auch A. Gromitsaris, Unterscheidung, DÖV 1997, 401, 406, sowie unten 2. Teil, § 11 A. 685 Zur Theorie der rechtswidrigen Verursachung ausführlich unten 2. Teil, § 11 B. II. 1. 686 Vgl. J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 55; der Begriff ist freilich missverständlich, weil hier nicht der Verstoß gegen die Sanktionsnorm in Rede steht, sondern das Vorliegen ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen. 684

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Position begründet. Dem „Verletzungsverbot“ der Verhaltensnorm entspricht eine „objektive“, d.h. von Wissen und Können des jeweiligen Normadressaten unabhängige, „Nichtgefährdungspflicht“ der (polizeirechtlichen) Sanktionsnorm688. Auch daran wird ersichtlich, dass theoretische dogmatische Standpunkte nicht die Existenz realer Probleme beseitigen, sondern allenfalls zu ihrer Bewältigung beitragen können689. c) „Pflichtenüberschuss“ bei mehrfacher Sanktionierung Die Unterscheidung von Norm- und Pflichtwidrigkeit hat, bezieht man die polizeirechtlichen Sanktionsnormen mit ein, weitere Konsequenzen: Da sämtliche aus Straftatbeständen abzuleitenden Verhaltensnormen Bestandteil der öffentlichen Sicherheit sind, entstehen aus allen „Verletzungsverboten“ aus polizeirechtlicher Sicht „objektive Nichtgefährdungspflichten“, die zu den Pflichten hinzutreten, die sich aus dem strafrechtlichen Sanktionensystem ergeben, nämlich die Pflicht, nach Wissen und Können „normgemäß handeln zu wollen“. Der objektiven Nichtgefährdungspflicht tritt eine subjektive zur Seite, die, soweit sie über jene hinausgeht, nicht für den Zweck der Verhaltensnorm (d.h. den Schutz von Rechtsgütern) erforderlich ist690, da dieser bereits durch die (Erfüllung der) Pflicht zur objektiven Vermeidung der Gefahrenschaffung erreicht wird. Hier stellt sich dann das Problem der Legitimation solcher „überschüssiger“ Pflichten und insbesondere die Frage, wie eine Bestrafung des normgemäßen, aber pflichtwidrigen Verhaltens verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein soll. 4. Funktionsverlust des Primärrechts? Von dieser Warte aus lässt sich, in Ergänzung der oben691 genannten ein weiteres, diesmal eher pragmatisches Argument für die hier favorisierte Formulierung von Verhaltensnormen anführen: Welche eigenständige Funktion soll eine Verhaltensnorm, die (nur) die Rechtsgutverletzung verbietet, gegenüber einer 687

Norm und Pflicht, S. 56. Damit ist auch J. Vogels Argument (Norm und Pflicht, S. 56) hinfällig, die hier vertretene Ansicht erweitere den Bereich des Verbotenen um ein Vielfaches und sei „legitimationstheoretisch besonders problematisch“. Denn Gleiches gilt natürlich für die Pflicht i. S. Vogels. Das hat seine Ursache nicht in der jeweiligen dogmatischen Konstruktion, sondern in der unbestimmten gesetzlichen Verhaltenssteuerung durch Sanktionsnormen, welche die Präzisierung des jeweils Gesollten in weitem Umfang an den Rechtsanwender delegiert. 689 Die Identität der Sachfragen bei unterschiedlicher dogmatischer Einkleidung betont auch G. Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 122. 690 Vgl. auch G. Freund, Richtiges Entscheiden, GA 1991, 387, 393 f. 691 Vgl. § 6 C. I. 2. 688

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sanktionsrechtlichen Nichtgefährdungspflicht noch erfüllen, wenn jede Normverletzung zugleich eine Pflichtverletzung bedingt (nicht aber umgekehrt, da nicht aus jeder Gefährdung ein Schaden erwächst) und sowohl die Verhaltenssteuerung (ex ante) als auch die Sanktion alleine an die Pflicht bzw. ihre Verletzung anknüpft? Dieser Funktionsverlust des Primärrechts steht im Widerspruch zum eigentlichen Erscheinungsbild des Rechts, dem es zur Erreichung der von ihm verfolgten Zwecke gerade auf das normierte Verhalten ankommt, zu dessen Sicherung oder Durchsetzung die Sanktionsnormen nur ein Hilfsmittel darstellen. Die Unterscheidung von Norm- und Pflichtwidrigkeit kehrt dieses Verhältnis geradezu um, ohne, wie gezeigt, entscheidende Vorteile für sich in Anspruch nehmen zu können. 5. Ableitung der Pflicht aus der Verhaltensnorm Damit ist der Weg frei für eine Ableitung der Rechtspflicht unmittelbar aus der Verhaltensnorm und für die Identifizierung von (Verhaltens-)Normwidrigkeit und Pflichtwidrigkeit. Dasjenige, was aus der Perspektive der Verhaltensnorm als Rechtsfolge „gesollt“ wird, stellt sich bei Erfüllung der Tatbestandsmerkmale aus Sicht ihres Adressaten als Pflicht dar. Einer – schon sprachlich merkwürdig anmutenden – Differenzierung zwischen verbotenem Verhalten und Pflichtverletzung bedarf es hingegen nicht. II. Rechtspflichten und Sorgfaltspflichten Doch stellt sich die Frage nach dem Inhalt der Pflicht. Ganz überwiegend wird in der Strafrechtslehre das Rechtswidrigkeitsurteil von der Erfüllung des subjektiven Tatbestandes692 bzw. von einer Sorgfaltspflichtverletzung abhängig gemacht693. „Verboten sind daher nur solche Verhaltensweisen, durch die der Handelnde bewußt und gewollt [. . .] oder unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt einen im Hinblick auf die Unversehrtheit des fraglichen Guts negativ bewerteten und deshalb nicht-sein-sollenden Sachverhalt verwirklicht“694. Das bedeutet, da auch der vorsätzlich Handelnde die „gebotene Sorgfalt“ außer Acht lässt695, im Ergebnis die Reduktion von Rechtspflichten auf bloße Sorgfaltspflichten. Dahinter steht die Erwägung, dass Verhaltensnormen als Faktoren der 692 Anders etwa J. Baumann/U. Weber/W. Mitsch, Strafrecht AT, § 12 Rdnr. 5, § 13 Rdnr. 95, die beim Aufbau des vorsätzlichen Delikts alle subjektiven Elemente der Schuld zurechnen. 693 H. H. Jescheck/Th. Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, AT, § 24 III 4. c), S. 242, § 55 I 1., S. 577 f.; Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 13 ff., Rdnrn. 54/55; C. Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rdnrn. 61 ff. 694 Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 13 ff. Rdnrn. 54/ 55 (Hervorhebung im Original).

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Verhaltenssteuerung nur auf Daten rekurrieren können, die dem jeweiligen Adressaten in concreto tatsächlich zur Verfügung stehen696. Mehr als die Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, so die Argumentation, könne die Rechtsordnung von niemandem verlangen697. Diese generelle, also schon auf der Ebene der Verhaltensnorm vorgenommene, Anknüpfung des Pflicht- bzw. Rechtswidrigkeitsurteils an jeweils subjektive Erkenntnismöglichkeiten entwertet jedoch nicht nur die systematische Funktion des Rechtswidrigkeitsbegriffs, sondern führt zu einem Verstoß gegen das Postulat der Einheit der Pflichtwidrigkeit698. Dies zeigt sich in Fällen, in denen Bestand oder Wegfall eines Verbotes vom pflichtgemäßen Verhalten eines Dritten abhängig ist, das irrtümlich, aber ohne Sorgfaltswidrigkeit als rechtswidrig angesehen wird, etwa bei der Notwehr gegen einen vermeintlich rechtswidrigen Angriff699: Die Rechtfertigung des (vermeintlich) Angegriffenen hängt von der Rechtswidrigkeit des Angriffs ab, also von der Beurteilung des Verhaltens des (vermeintlichen) Angreifers. Dieses aber kann schon aus Gründen der Logik nicht als zugleich rechtmäßig und rechtswidrig bezeichnet werden700. Für die „Notwehr“handlung des Verteidigers gilt dasselbe. Zieht man zudem außer der Frage der strafrechtlichen Ahndung701 die Möglichkeit gefahrenabwehrenden polizeilichen Einschreitens ins Kalkül, so wird deutlich, dass die Inanspruchnahme des Verteidigers als Verhaltensverantwortlicher nur möglich ist, wenn man seine irrtümliche Vorstellung von der Notwehrlage nicht zugrunde legt; umgekehrt würde eine Anerkennung dieses Irrtums im Hinblick auf etwaige Entschädigungsansprüche702 gar anspruchbegründend wirken. Eine Verhaltensnorm wird somit nicht deshalb funktionslos (und damit nicht zu rechtfertigen), weil sie an einen Umstand anknüpft, der aus der Perspektive „des“ 695 R. D. Herzberg, Das vollendete vorsätzliche Begehungsdelikt, JuS 1996, 377, 381; W. Mitsch, Fahrlässigkeit und Straftatsystem, JuS 2001, 105, 107; vgl. ferner G. Freund, Richtiges Entscheiden, GA 1991, 387, 404. 696 Ausführlich G. Freund, Richtiges Entscheiden, GA 1991, 387 ff. 697 Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 13 ff. Rdnr. 31; H. Welzel, Das Deutsche Strafrecht, S. 134 f.; vgl. auch G. Freund, Richtiges Entscheiden, GA 1991, 387, 393; dens., Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 56 f. 698 Vgl. oben § 5 B. 699 Bei der polizeirechtlichen Frage nach dem Anscheinsstörer ist strukturell dieselbe Problemlage vorhanden; dazu, im Zusammenhang mit dem „subjektiven Gefahrbegriff“ noch unten 2. Teil, § 11 B. III. 3. b). 700 Vgl. demgegenüber D. Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunwert, S. 294 ff., mit dem Hinweis darauf, dass mangels einander widersprechender Rechtsfolgen der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung nicht verletzt sei; ähnlich G. Freund, Richtiges Entscheiden, GA 1991, 387, 409, der jedoch nicht die widersprüchliche Qualifizierung ein und desselben Verhaltens anspricht. 701 Sie alleine wird von G. Freund, Richtiges Entscheiden, GA 1991, 387, 406 ff., behandelt. 702 Vgl. § 45 MEPolG; Art. 70 Abs. 1 BayPAG.

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Normadressaten nicht bekannt ist oder bekannt sein kann, wie G. Freund703 annimmt, da es jeweils mindestens soviele Normadressaten gibt wie Rechtssätze, die an eine Verhaltensnorm anknüpfen. Berücksichtigt man also die Mehrdimensionalität rechtlicher Verhaltenssteuerung704, so ist durchaus unsicher, auf wessen Wissenshorizont (z. B. des „Angreifers“, des „Angegriffenen“, des Polizeibeamten oder des Richters) es nun ankommen soll. Ein solcherart subjektivierter und damit relativierter Begriff der Rechtswidrigkeit verliert an Kontur und wird mit einem „Vorwurfselement“705 überfrachtet706, das allenfalls für die Rechtsfolgen relevant ist, die ein Verstoß gegen normierte Verhaltensanforderungen nach sich zieht. Doch selbst insoweit muss im öffentlichen Recht die Frage der Rechtswidrigkeit nicht nur in Bezug auf Staatsakte707, sondern – wie bei der polizeirechtlichen Frage der rechtswidrigen Verursachung deutlich wird708 – auch hinsichtlich des Verhaltens Einzelner ohne Rücksicht auf Sorgfaltsmaßstäbe beantwortet werden709. Entsprechende Ansätze in der Strafrechtslehre710 führen – dogmatisch gesprochen – letztlich zu einer Vermischung von Verhaltens- und (spezieller, näm703

G. Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 56 f. Vgl. soeben § 6 C. I. 3. a). 705 Vgl. G. Freund, Richtiges Entscheiden, GA 1991, 387, 406 f., wonach es „dem Betroffenen gegenüber ungerecht“ sein soll, bei der Beurteilung seines Verhaltens auf Daten zurückzugreifen, die aus seiner Perspektive nicht verfügbar sind, „weil ihm etwas zur Last gelegt wird, wofür er gar nichts kann“ (Hervorhebung nicht im Original). 706 So auch P. Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 136; vgl. auch A. Roth, Verwaltungshandeln mit Drittbetroffenheit, S. 296 ff. (zur Frage des Grundrechtseingriffs); ferner G. Wagner, Öffentlich-rechtliche Genehmigung, S. 68 ff. (Ablehnung eines „pönalen Charakters“ des zivilrechtlichen Rechtswidrigkeitsbegriffs). 707 So etwa. H. H. Rupp, Grundfragen, S. 227; vgl. auch M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 78 III 1. c) a) bb), S. 152. 708 Dazu näher unten 2. Teil, § 11 B. II. 709 Vgl. dazu auch M. Heghmanns, Dogmatik der Straftatbestände, S. 63 ff., der strafrechtlich relevante Verhaltensnormen (nur) auf finale Handlungen ausgerichtet sieht, aber anerkennt, dass dies bei verwaltungsrechtlichen Pflichtnormen anders ist. Soweit aber derartige Verhaltensnormen sowohl verwaltungsrechtliche als auch strafrechtliche Bedeutung besitzen, ist schwerlich einzusehen, dass ihr Inhalt (und damit die jeweilige Pflicht) je nach Rechtsgebiet unterschiedlich sein soll, zumal jeder „finale“ Pflichtenverstoß immer zugleich eine „objektive“ Verhaltensnormwidrigkeit beinhaltet und damit alle subjektiven Elemente an ein Verhalten anknüpfen, das bereits als rechtswidrig ausgewiesen ist. Dass es sich insoweit um Fragen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, also sanktionsrechtliche Überlegungen handelt, wird letztlich auch bei M. Heghmanns (a. a. O., S. 63, vgl. auch S. 65: „Verhaltenszurechnung im Sinne schuldhafter Pflichtverletzung“) deutlich. 710 Gleiches gilt im Zivilrecht für entsprechende Formulierungen der sog. Handlungsunrechtslehre (vgl. W. Münzberg, Verhalten und Erfolg, etwa S. 191 ff. – „Prinzip des Könnens“). Zudem werden durch diese, wie H. H. Rupp (Grundfragen, S. 226 mit Fußn. 395) bereits zutreffend ausgeführt hat, Schuld und Pflichtwidrigkeit „unentwirrbar miteinander verquickt“ und zudem das System der „absoluten“ subjektiven Rechte gesprengt; dazu auch G. Wagner, Öffentlich-rechtliche Genehmigung, S. 66 f. 704

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lich auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit rekurrierender) Sanktionsnorm711. Das gilt insbesondere, soweit aus der Fassung der Straftatbestände darauf geschlossen wird, dass das Gesetz selbst vom Vorsatz als Element des tatbestandlichen Unrechts ausgeht712. Hierbei wird der gesetzliche Tatbestand der Sanktionsnorm mit der Verhaltensnorm gleichgesetzt und somit impliziert, dass (abgesehen vom Erfordernis der Schuld) verbotenes und strafbares Verhalten identisch sind. Das ist zwar nicht normlogisch ausgeschlossen, hat aber zur Folge, dass der von der Verhaltensnorm intendierte Schutz des Rechtsguts weit zurückgenommen wird. Ob und inwieweit dies gerechtfertigt ist, vermag allerdings erst die Auslegung der Verhaltensnorm zu erweisen; durch die Sanktionsnorm wird insofern nichts präjudiziert. Deutlich wird die Verquickung beider Normebenen auch bei dem Argument, der Versuch eines Delikts (§ 22 StGB) setze den Vorsatz als Teil des Tatbestandes zwingend voraus, weshalb für die vollendete Tat nichts anderes gelten könne713. Das ist nur stichhaltig, wenn man § 22 StGB (auch) als Verhaltensnorm betrachtet, die neben diejenigen Ge- oder Verbote tritt, welche sich aus den einzelnen Straftatbeständen ergeben714, wofür aber wenig spricht715. Durch ein „Versuchsverbot“ wird nichts untersagt, was nicht bereits durch ein entsprechendes Gefährdungsverbot716 als rechtswidrig ausgewiesen ist717. Wenn ferner argumentiert wird, alleine der Vorsatz des Handelnden entscheide darüber, ob mit dem Revolverschuss, der niemanden trifft, der Tatbe-

711 Deutlich etwa bei G. Freund, Richtiges Entscheiden, GA 1991, 387, 408, mit dem Hinweis auf die „spezifische Aufgabenstellung des Strafrechts“ und die Straflosigkeit desjenigen, der irrtümlich, aber ohne Sorgfaltsverstoß vom Vorliegen einer Notwehrlage ausgeht. Hier gilt der Satz von W. Frisch, An den Grenzen des Strafrechts, in: Festschrift f. W. Stree und J. Wessels, S. 69, 83: „Wer bereits hier mit Strafe argumentiert, droht falsch zu argumentieren“. 712 Vgl. Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 13 ff. Rdnrn. 54/55; C. Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rdnrn. 62 ff. 713 Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 13 ff. Rdnrn. 54/ 55; C. Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rdnr. 64. 714 So wohl C. Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rdnr. 97. 715 Eine solche Interpretation gerät zudem in Gefahr, die Grenzen der Strafbarkeit auszudehnen und auf solche Verhaltensweisen zu erstrecken, deren Verbot schon nicht legitimierbar ist. Das gilt etwa beim untauglichen Versuch, insbesondere bei unechten Unterlassungsdelikten; vgl. etwa das Beispiel bei J. Rath, Grundfälle zum Unrecht des Versuchs, JuS 1999, 32, 36: Versuchsstrafbarkeit des Vaters, der es (mit Tötungsvorsatz) unterlässt, seinen am Baggersee spielenden kleinen Sohn vor einem ungefährlichen Baumstamm zu „retten“, den er für ein Krokodil hält. – Es sei nur angemerkt, dass die strafrechliche Literatur gerade beim Problem des untauglichen Versuchs sehr häufig mit Beispielen operiert, die die Frage provozieren, ob dabei die „Tat“ bestraft werden soll oder doch eher die „böse Gesinnung“ des „Täters“. 716 Vgl. oben § 6 C. I. 2. 717 O. Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 202 ff.; vgl. auch K. Tiedemann, Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem Teil des Strafrechts, in: Festschrift f. J. Baumann, S. 7, 11, der aber nur auf den Vorsatz abstellt und beim Versuch den „Bruch einer Verhaltensnorm“ gänzlich verneint (a. a. O., S. 12).

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stand des versuchten Totschlags, der versuchten Körperverletzung, der versuchten Sachbeschädigung oder überhaupt kein Tatbestand erfüllt sei718, so ist das aus sanktionsrechtlicher Sicht zweifellos zutreffend. Eine andere Frage ist, ob der Revolverschuss nicht schon deshalb rechtswidrig (wenn auch eventuell nicht strafbar) ist, weil durch ihn Leben und Gesundheit eines Menschen oder eine Sache gefährdet und damit die – den entsprechenden Straftatbeständen zugrunde liegenden – Pflichten verletzt wurden, ganz unabhängig von Vorsatz oder Fahrlässigkeit719. Die hier vertretene „objektive“, d.h. von subjektiven Erkenntnismöglichkeiten unabhängige Fassung der Rechtspflicht ist auch nicht nach dem Grundsatz ultra posse nemo obligatur720 ausgeschlossen. Die oben im Rahmen der Unterscheidung von Norm und Pflicht referierte Argumentation721 kehrt hier im Zusammenhang mit der Verhaltensnorm wieder722, vermag aber, wie dort, nicht zu überzeugen. Aus der fehlenden Vorhersehbarkeit der Folgen einer Verhaltensweise kann nicht auf die Unmöglichkeit geschlossen werden, diese Folgen (z. B. durch die Wahl einer anderen Verhaltensweise) zu vermeiden. Die Erkennbarkeit einer Pflicht mag ihre Sinnhaftigkeit stärken und ihre Befolgung erleichtern, ist jedoch weder logische, noch rechtliche oder tatsächliche Voraussetzung ihrer Existenz723. III. Fazit Der strafrechtliche Rechtswidrigkeitsbegriff erweist sich damit als besondere, auf die Voraussetzungen der Strafbarkeit ge- oder verbotswidrigen Verhaltens ausgerichtete strafrechtliche Zweckschöpfung, die auf das anderen Zwecken dienende übrige öffentliche Recht nicht übertragen werden kann. Freilich bleibt das Anliegen, das der Gleichsetzung von Rechts- mit Sorgfaltspflichten zugrunde liegt, berechtigt, nicht jede beliebige Verursachung unerwünschter Zustände zu verbieten724; dies wäre in der Tat nicht legitimierbar725. Da außerhalb des Strafrechts, soweit es nicht um die Sanktionierung des Fehlverhaltens, son718

C. Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rdnr. 64. Das setzt freilich voraus, dass diese Pflichten als objektive zu verstehen sind und nicht nur Sorgfaltspflichten darstellen. Nähme man letzteres an, wäre es zwar in der Tat notwendig, die Rechtswidrigkeit der Versuchshandlung vom Vorsatz abhängig zu machen. Damit wären im oben genannten Argument allerdings Prämisse und Folgerung ausgetauscht worden. 720 Zur zivilrechtlichen Handlungsunrechtslehre in diesem Sinne W. Münzberg, Verhalten und Erfolg, S. 2, 191 ff. 721 Vgl. oben § 6 C. I. 1. 722 G. Freund, Richtiges Entscheiden, GA 1991, 387, 393; W. Münzberg, Verhalten und Erfolg, S. 191. 723 So zutreffend M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 78 III 1. c) a) aa), S. 151. 719

§ 6 Die Einheit der Pflichtwidrigkeit

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dern bereits um seine Verhinderung geht, die subjektiven Erkenntnismöglichkeiten des Pflichtigen als Korrektive ausscheiden, ist die Trennung des erlaubten vom verbotenen Verhalten, die Grenzlinie zwischen Freiheit und Verpflichtung anhand anderer Kriterien zu bestimmen726.

724 Vgl. Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem. §§ 13 ff., Rdnrn. 54/55; H. Welzel, Das Deutsche Strafrecht, S. 135. 725 G. Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 123. 726 Weiter dazu unten § 11 B. II. 2.

2. Teil

Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater Die Rechtsordnung gestaltet die Pflichtenstellung Privater in vielfältigen Facetten aus. Schulpflicht, Wehrpflicht, Steuerpflicht, elterliche Fürsorge- und Erziehungspflicht sowie die Pflichtenstellung des Eigentümers sind Beispiele für grundgesetzlich begründete oder durch das Grundgesetz vorausgesetzte oder zugelassene Pflichten. Das einfache Gesetzesrecht und auf seiner Grundlage untergesetzliches Recht erweitert diese Pflichtenpositionen um ein Vielfaches. Unter all diesen Pflichten zeichnen sich diejenigen in besonderer Weise aus, die unmittelbar dem Schutz von Rechtsgütern Dritter dienen. Denn sie weisen eine enge Beziehung zu gleichgerichteten Pflichten des Staates auf, die denselben Zweck verfolgen. Als Rechtsgüter in diesem Sinne werden diejenigen Interessen Einzelner verstanden, die im Verhältnis zum Staat durch Grundrechtsnormen geschützt sind. Diese verpflichten aber unmittelbar nur die Staatsgewalt, nicht die Bürger untereinander. Deren Pflichten hingegen basieren (jedenfalls) auf unterverfassungsrechtlichem Recht und sind Teil der Verhaltensordnung, die die Rechtssphären Privater voneinander abgrenzen. Sie liegt den privatrechtlichen Restitutionsregelungen (z. B. § 823 BGB) ebenso zugrunde wie den strafrechtlichen Sanktionsnormen. Im Verwaltungsrecht erhalten diese Pflichten ihre allgemeinste Ausprägung in Gestalt der „materiellen Polizeipflicht“. Inhalt, Umfang und Grenzen solcher Verpflichtungen stehen denn auch im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen, während die Rückwirkungen, die sich daraus für den Staat, insbesondere die vollziehende Gewalt ergeben, im 3. Teil untersucht werden.

§ 7 Öffentlich-rechtliche Pflichten Die eingangs erwähnten Aspekte deuten bereits an, dass es sich bei Pflichten zum Schutz von Rechtsgütern um solche der gesamten Rechtsordnung handelt. Im Folgenden interessieren vorrangig die Pflichten des öffentlichen Rechts. Diese Qualifizierung verweist auf die Unterscheidung zu privatrechtlichen Verpflichtungen und damit auf die Zweiteilung der Rechtsordnung in öffentliches und privates Recht überhaupt. Sie teilt deshalb wenn auch nicht alle, so doch etliche Probleme, die dieser Abgrenzung eigen sind.

§ 7 Öffentlich-rechtliche Pflichten

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A. Zur Problematik der Abgrenzung von Privatrecht und öffentlichem Recht Die Versuche, abschließende Kriterien für die Bestimmung der Grenze zwischen öffentlichem und privatem Recht zu formulieren, sind Legion1, ihr Scheitern – gemessen an diesem umfassenden Anspruch – ist im Grunde außer Streit2 und ihre rechtspraktische Bedeutung, vergegenwärtigt man sich ihren Stellenwert in der gerichtlichen Praxis3, gering. Je nach Wohlwollen des Betrachters schwankt die Beurteilung dieser Bemühungen zwischen ihrer Kennzeichnung als „Stapel von Theorien, der dazu dient, junge Juristen zu peinigen“4 und der Vermutung, in ihnen allen stecke ein richtiger Kern, keine enthielte jedoch die ganze Wahrheit5. Immerhin besteht Einigkeit darüber, dass die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht nichts apriorisch Vorgegebenes, sondern ein Produkt der positiven Rechtsordnung ist6, weshalb sie – auch dies ist weitgehend anerkannt – nur im Hinblick auf Rechtssätze getroffen werden kann7. Die Überlegung, es gehe somit weniger um die Bildung dogma1 Zu den verschiedenen Abgrenzungstheorien, die hier nicht im einzelnen aufgeführt werden sollen, vgl. z. B. D. Ehlers, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner, VwGO, § 40 Rdnr. 222–237; F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 11 Rdnr. 17– 23; J. Ipsen/Th. Koch, Öffentliches und privates Recht, JuS 1992, 809, 810 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rdnr. 14–18; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdnrn. 100–111a. 2 Vgl. etwa F. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 11 Rdnrn. 15, 27; W. Krebs, Verwaltungsorganisation, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR, Bd. III, § 69 Rdnr. 5; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rdnr. 20; R. Pietzner/M. Ronellenfitsch, Assessorexamen, § 5 Rdnr. 23; ferner W. Hoffmann-Riem, Öffentliches Recht und Privatrecht, in: ders./E. Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 261, 265: „im Erfolgsniveau stagnierend“. 3 Vgl. G. Manssen, Privatrechtsgestaltung, insbes. S. 75 ff. m. w. N.; die ältere Rechtsprechung (nicht nur) des BVerwG erfährt dieselbe Einschätzung bei O. Bachof, Über öffentliches Recht, in: Festgabe BVerwG, S. 1, 3 f. 4 F. Ossenbühl, Rechtsprechung des BGH, NJW 2000, 2945, 2946. 5 O. Bachof, Über öffentliches Recht, in: Festgabe BVerwG, S. 1, 6; D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 61; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rdnr. 19. 6 O. Bachof, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), 37, 65 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rdnr. 12; C.-F. Menger, Stand der Meinungen, in: Festschrift f. H. J. Wolff, S. 149; H. J. Wolff, Unterschied, AöR 76 (1950/51), 205, 207. 7 D. Ehlers, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner, VwGO, § 40 Rdnr. 220; H.-U. Erichsen, Öffentliches und privates Recht, Jura 1982, 537, 358; G. Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 53 ff.; a. A. M. Zuleeg, Anwendungsbereiche, VerwArch 73 (1982), 384, 387 f., ders., Öffentliches Kollisionsrecht, in: Festschrift f. H. Maurer, S. 1067, 1068 f., der den hauptsächlichen Sinn der Abgrenzung darin erblickt, die Rechtsnormen zu ermitteln, die auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis Anwendung finden. – Die Zuordnung eines Sachverhalts zu bestimmten Normen ist zwar in vielen Fällen in der Tat weitaus problematischer als deren Qualifizierung als öffentlich- oder privatrechtlich (vgl. nur H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rdnr. 20), sie

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

tischer Begriffe als vielmehr um die Auslegung von Normen, die tatbestandlich an die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht anknüpfen8, ist deshalb nicht von der Hand zu weisen9. Die Defizite der Theoriebildungen beruhten demnach darauf, dass sie jeweils Antwort auf eine Frage geben wollten, die sich in dieser Form gar nicht stellt. Die Grenzlinie zwischen beiden Rechtsbereichen wäre nicht generell zu bestimmen, sondern verliefe jeweils dort, wo sie durch eine konkrete Norm gezogen wird. Doch droht man sich hier im Kreise zu drehen, wenn der jeweilige Gesetzgeber sich bei der Formulierung der Normen wiederum an den Abgrenzungstheorien orientiert10. Der Zirkelschlussverdacht, dem nahezu alle Theorien unterliegen, erfasst dann auch, wenn auch unter anderen Aspekten, die Position, die die Theoriesuche in Frage stellt11. Jedenfalls zeigt sich auch bei dieser die Notwendigkeit, diejenigen Merkmale zu ermitteln, die das spezifisch Privat- bzw. Öffentlichrechtliche ausmachen. Insoweit ist man wiederum – wenngleich womöglich auf niedrigerem Abstraktionsniveau – beim Ausgangspunkt angelangt. Hier erweist es sich als problematisch, dass die zu findenden Kriterien ihrerseits begründungsbedürftig sind, sollen sie nicht lediglich eine Definition des öffentlichen oder privaten Rechts ermöglichen, die von bereits vorausgesetzten Ergebnissen deduziert. Vielmehr geht es um eine inhaltlich an der Rechtsordnung orientierte Aussage, die der Funktion der Unterscheidung, wie sie im positiven Recht getroffen wird, gerecht wird. Dies ist schon deshalb erforderlich, weil die Qualifikation von Rechtssätzen nicht nur rechtssystematische Bedeutung besitzt, sondern über die Abgrenzung von Kompetenzen staatlicher Organe entscheidet. Diese aber kann grundrechtliche Relevanz erlangen, wie etwa bei der Entscheidung über den Rechtsweg zur ordentlichen oder Verwaltungsgerichtsbarkeit (§§ 40 VwGO, 13 GVG), bei der das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) berührt wird. I. Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft Hinter der Trennung von öffentlichem und privatem Recht in seiner heutigen Form12 steht die Unterscheidung von staatlicher und gesellschaftlicher Sphäre, die im 19. Jahrhundert ihren Anfang nahm und in ihrem Ursprung auf einer ist aber ein Folgeproblem, das die Qualifizierung als solche nicht überflüssig macht, sondern voraussetzt. 8 So G. Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 92 ff. 9 Kritisch aber z. B. D. Ehlers, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner, VwGO, § 40 Rdnr. 220 mit Fußn. 698. 10 Vgl. O. Bachof, Teilrechtsfähige Verbände, AöR 83 (1958), 208, 229; G. Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 62 f. 11 So will auch G. Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 98, im Rahmen seines norminterpretatorischen Ansatzes auf die Abgrenzungstheorien als Orientierungshilfe zurück greifen.

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auch personellen Trennung von bürgerlicher Gesellschaft und monarchischer Herrschaft beruhte13. Die fehlende politische Mitwirkungsmöglichkeit des sich bildenden Bürgertums forderte und förderte die Ausbildung eines „staatsfreien“ Raumes, in dem sich wirtschaftliche Tätigkeit ungehindert entfalten konnte. Die bereits aus dem Römischen Recht überlieferte Dichotomie von ius publicum und ius privatum, die ursprünglich keine rechtssystematische Funktion besaß14, wurde in der Folge als rechtliche Kategorisierung Ausdruck dieser „politischen Sphärentrennung“15. Die Ablösung der monarchischen durch die demokratische Staatsform, die Auflösung der personellen Trennung von Regierenden und Regierten, die zunehmende wechselseitige Durchdringung staatlicher und gesellschaftlicher Interessen und nicht zuletzt die prägende Kraft einer beiden vorrangigen und beide formenden Verfassungsordnung hat zur Überwindung der strikten Entgegensetzung – wenngleich nicht ihrer Unterscheidung an sich16 – von Staat und Gesellschaft geführt und ihren sachlichen Gehalt verändert. Sie ist nunmehr Ausdruck einer „Funktionen- und Rollendifferenzierung“17 zwischen der begrenzten, in ihrer Begründung legitimationsbedürftigen, in ihrer Ausübung rechtfertigungsbedürftigen und in der Zielsetzung rechtsbestimmten Autorität öffentlicher Gewalt einerseits und der Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit der Einzelnen im Verhältnis zum Staat sowie ihrer Gleichberechtigung untereinander andererseits. II. Die Unterscheidung nach dem Zuordnungssubjekt von Rechtssätzen Hieran vermag die Unterscheidung von privatem und öffentlichem Recht anzuknüpfen18. Das Privatrecht gewährt als „Rahmenordnung privatautonomen Handelns normativ gleichberechtigter Subjekte“19 die prinzipiell freie Wahl von 12 Zur Entwicklungsgeschichte vgl. M. Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 13 ff.; D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 30 ff. 13 Vgl. dazu E.-W. Böckenförde, Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, S. 209, 213 ff.; D. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 34 ff.; R. Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 58 f. 14 M. Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 13 ff. 15 M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 2, S. 51. 16 Zur bleibenden Bedeutung der Unterscheidung vgl. E.-W. Böckenförde, Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, S. 209, 219 ff. m. w. N.; H. H. Rupp, Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR I, § 28, Rdnrn. 29 ff. 17 R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 27 II 1, S. 258 ff. 18 D. Schmidt, Unterscheidung, S. 166 ff.; R. Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 209. 19 H.-H. Trute, Selbstregulierung, DVBl. 1996, 950, 958.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

Zielen und Mitteln durch den Bürger20. Das öffentliche Recht hingegen kennzeichnet die am Gemeinwohl orientierte Vorgabe von Zielen und Mitteln für die demokratisch legitimierte und (verfassungs-)rechtlich limitierte Staatlichkeit21. Die Abgrenzung bezieht sich damit auf die jeweiligen Rechtssubjekte oder „Akteure“, deren unterschiedlich ausgestaltete Rechtsstellung durch die Verfassung vorgeprägt ist und sich in der einfach-gesetzlichen Ausformung widerspiegeln muss22. Dem entspricht jedenfalls im Ansatz wie im Grundsatz die Subjektstheorie, die heute im Wesentlichen in zwei Modifikationen vertreten wird: Die von Hans J. Wolff23 geprägte Fassung kennzeichnet das öffentliche Recht als den Inbegriff derjenigen Rechtssätze, deren berechtigtes oder verpflichtetes Zuordnungssubjekt ausschließlich ein Träger hoheitlicher Gewalt ist. Sie bestimmt das öffentliche Recht als Sonderrecht des Staates24, weil es nur an die öffentliche Gewalt adressiert ist und aus diesem Grunde die spezifischen für sie geltenden Handlungsformen und Handlungsmaßstäbe in sich aufnehmen kann. Umgekehrt berechtigt und verpflichtet das private Recht jedermann; das kann auch der Staat sein, doch nicht, weil er Träger öffentlicher Gewalt, sondern weil er, wie Private auch, Rechtssubjekt ist. Mag dem Staat als Privatrechtssubjekt auch eine spezifisch öffentlich-rechtliche Bindung obliegen, ändert sich doch nicht die Qualifizierung der Privatrechtsnorm, da diese Bindung nicht Inhalt der für jedermann geltenden Bestimmungen ist. Demgegenüber liegt nach der Zuordnungslehre öffentliches Recht vor, wenn und soweit ein Rechtssatz einen Träger hoheitlicher Gewalt als solchen berechtigt oder verpflichtet25. Demzufolge wird der Sonderrechtscharakter des öffentlichen Rechts – sofern er zu einer ausschließlichen Qualifizierung von Rechtssätzen im Sinne eines Entweder-Oder zwingt – bestritten und die formale Abgrenzung alleine nach dem Rechtssubjekt aufgegeben. Die dadurch erforderliche Ergänzung durch materielle Kriterien bringt diese, aus diesem Grunde auch materielle Subjektstheorie genannte26 Lehre in die Nähe sowohl zur Sub20 Vgl. C.-W. Canaris, Vertragsfreiheit, in: Festschrift f. P. Lerche, 873, 875; ferner F. Bydlinski, Kriterien, AcP 194 (1994), 319, 341 f.; zu den Prinzipien des Privatrechts näher D. Schmidt, Unterscheidung, S. 173 ff. 21 Dazu insgesamt W. Hoffmann-Riem, Öffentliches Recht und Privatrecht, in: ders./ E. Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 261, 268 f. 22 W. Hoffmann-Riem, Öffentliches Recht und Privatrecht, in: ders./E. Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 261, 270. 23 H. J. Wolff, Unterschied, AöR 76 (1950/51), 205, insbes. 208 f.; ders., Verwaltungsrecht I, § 22 II c, S. 99. 24 So die Kennzeichnung von H. J. Wolff, Unterschied, AöR 76 (1950/51), 205, 208. 25 O. Bachof, Über öffentliches Recht, in: Festgabe BVerwG, S. 1, 9 ff.; D. Ehlers, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner, VwGO, § 40 Rdnrn. 235 ff.; ähnlich K. A. Bettermann, Rechtsschutz und Rechtsweg, NJW 1977, 513, 515 f.

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ordinations-27 als auch zur Interessentheorie28 und unterliegt deshalb allen Einwänden, die diesen Theorien begegnen29. Dem soll hier indes nicht weiter nachgegangen werden, da diese Modifizierung der Sonderrechtstheorie durch die Zuordnungslehre im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle spielt.

B. Die Qualifizierung von Rechtspflichten Privater Vom Boden der Subjektstheorien aus erscheint die Bestimmung der Rechtsnatur von Pflichten, die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes begründet werden, zunächst kein weiteres Problem aufzuwerfen: Privatrechtsnormen sind die Grundlage privatrechtlicher Pflichten, Rechtssätze des öffentlichen Recht liegen öffentlich-rechtlichen Pflichten zugrunde. Danach lassen sich zunächst Pflichten des Staates als öffentlich-rechtlich einordnen, wenn Adressat der pflichtenbegründenden Norm nur ein Träger öffentlicher Gewalt sein kann. Pflichten Privater, die durch einseitige verbindliche Einzelfallanordnung eines staatlichen Organs entstehen, können nur dem öffentlichen Recht angehören, sofern sie nicht im Rahmen einer zivilrechtlichen Sonderverbindung und in Inanspruchnahme eines auch Privaten eingeräumten einseitigen Bestimmungsrechts begründet werden30. Die Qualifizierung gesetzlicher Pflichten Privater als öffentlich-rechtlich erscheint jedoch vom Boden beider Theorien aus als problematisch und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum einen in Anbetracht der sprachlichen Fassung von Pflichtnormen, die ausschließlich an Private adressiert sind und aus diesem Grunde als Jedermann-Recht zu qualifizieren wären31. Dazu gehören im Grunde 26 D. Ehlers, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner, VwGO, § 40 Rdnrn. 235 ff. 27 H.-J. Koch/R. Rubel, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdnr. 54; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rdnr. 18. 28 O. Bachof, Über öffentliches Recht, in: Festgabe BVerwG, S. 1, 15 ff. 29 Vgl. H.-U. Erichsen, Öffentliches und privates Recht, Jura 1982, 537, 538 ff., J. Ipsen/Th. Koch, Öffentliches und privates Recht, JuS 1992, 809, 810 ff.; ausführlich D. Schmidt, Unterscheidung, S. 86–100. 30 Etwa als Weisungsrecht im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses. – Die einseitige Bestimmungsmacht des Trägers öffentlicher Gewalt scheint im Rahmen der Sonderrechtslehre auch der Subordinationstheorie einen beschränkten Anwendungsbereich zu belassen: Da das Privatrecht von der prinzipiellen Gleichordnung der Rechtssubjekte ausgeht, kann eine einseitige Bestimmungsmacht des Staates sich nur aus öffentlichem Recht ergeben, vgl. R. Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 208. Diese aber beruht wiederum auf öffentlich-rechtlichen Vorschriften, sei es in Gestalt der jeweiligen Befugnisnorm, sei es – bei Fehlen einer solchen – in Gestalt der Fehlerfolgenregelungen, die auch rechtswidrigen Anordnungen Wirksamkeit zumessen. 31 Anders aber J. Schwabe, Drittwirkung, S. 32, nach dem „berechtigtes Zuordnungsobjekt“ von an Private gerichteten Pflichtnormen „stets und ausschließlich der Staat (ist), da ihm gegenüber die Pflicht zur Normbefolgung besteht“. Diese Ansicht

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sämtliche „verwaltungsrechtlichen“ Verbotsnormen, die ein bestimmtes Verhalten untersagen, solange und sofern eine behördliche Genehmigung nicht erteilt wurde. Auch die Normen des Straßenverkehrsrechts müssten insgesamt als Privatrecht angesehen werden32 usw. Ein weiteres Problem stellt sich (nur) der Sonderrechtstheorie, sofern diese erste Schwierigkeit überwunden werden könnte, bezüglich der Abgrenzung von öffentlichrechtlichen und privatrechtlichen Pflichten: In der Formulierung der Wolff ’schen Subjektstheorie angelegt ist die Ausschließlichkeit der Zuordnung von Rechtssätzen entweder zum öffentlichen oder zum privaten Recht. An Private adressierte Ge- oder Verbotsgesetze können nun aber sowohl gegenüber dem Staat als auch gegenüber Privaten Pflichten begründen. Das ist etwa der Fall bei den meisten derjenigen Normen, die den strafrechtlichen Sanktionsnormen zugrunde liegen: Dass sie zum öffentlichen Recht gehören, wird zumeist stillschweigend vorausgesetzt33; zugleich sind sie, nämlich dann, wenn sie Rechtsgüter Privater schützen, Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB, deren Verletzung nicht nur deliktische Schadensersatzansprüche, sondern vorbeugend quasinegatorische Unterlassungsansprüche nach § 1004 Abs. 1 BGB auslösen kann34. Eine (doppelte) Qualifizierung dieser Normen als sowohl privat- wie auch öffentlichrechtlich wäre auf der Grundlage der Sonderrechtstheorie aber nicht möglich35. I. Die Notwendigkeit der Qualifizierung Das könnte auf sich beruhen, wenn und soweit eine Qualifizierung von Pflichtnormen nach der geltenden Rechtslage überhaupt nicht notwendig wäre. In diesem Sinne argumentiert Jürgen Schwabe36: Die Abgrenzung von Privatund öffentlichem Recht könne nicht anhand der primären Pflichtnorm, sondern nur im Hinblick auf die sekundäre Norm, die die Rechtsfolgen der Nichterfülaber verkennt den Ansatzpunkt der Subjektsstheorien, die eben nicht das allgemeine Staat-Bürger-Verhältnis in den Blick nehmen und somit die öffentlich-rechtliche Qualität einer Norm aus der Urheberschaft des Staates und der Gesetzesunterworfenheit des Bürgers folgert, sondern das durch eine Norm angesprochene Rechtssubjekt. J. Schwabe (Grundrechtsdogmatik, S. 84 Fußn. 11) hat denn auch später seine ursprüngliche Ansicht in Frage gestellt und auf Basis der Sonderrechtstheorie H. J. Wolffs die privatrechtliche Natur aller an den Bürger gerichteten Verbote erwogen, freilich mit dem Ausdruck größter Ratlosigkeit: „Wo führt das hin?“. 32 G. Barbey, Wahrnehmung staatlicher und gemeindlicher Aufgaben, WiVerw 1978, 77, 85; G. Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 64. 33 Dazu sogleich III. 2. 34 Vgl. auch J. Schwabe, Drittwirkung, S. 34 f. 35 O. Bachof, Teilrechtsfähige Verbände, AöR 83 (1958), 208, 230 f.; H.-U. Erichsen, Öffentliches und privates Recht, Jura 1982, 537, 541; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 40 Rdnr. 11 a. E.; F. Mayer/F. Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 III 1., S. 79; (tendenziell) ebenso D. Schmidt, Unterscheidung, S. 238 ff. 36 J. Schwabe, Drittwirkung, S. 32 ff.

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lung oder Verletzung von Pflichten bestimmt, sinnvoll durchgeführt werden. Dies sei allerdings auch ausreichend, da in der Regel die Qualifikation von Normen nur für die Bestimmung des Rechtswegs von Bedeutung sei. In diesem Zusammenhang käme es aber nur auf Berechtigungen und Ansprüche und damit auf die sekundären Normen an37. Damit ist ein wichtiger Anwendungsfall der Unterscheidung beider Rechtsmaterien – die Abgrenzung von § 40 VwGO und § 13 GVG – genannt, bei dem es sich in der Tat so verhält: Die Eröffnung des Zivil- bzw. Verwaltungsrechtswegs bemißt sich grundsätzlich38 nach denjenigen Normen, aus denen sich die vom Kläger begehrte Rechtsfolge ergibt39. Doch erschöpft sich die Bedeutung der Unterscheidung nicht in diesem Beispiel40. Vielmehr legt das geltende Recht an vergleichbar zentraler Stelle die Qualifizierbarkeit auch der Pflichtnormen zugrunde, nämlich beim Schutz privater Rechte durch die Gefahrenabwehrbehörden. Dies betrifft nur vordergründig ebenfalls eine Kompetenzabgrenzung zu den Gerichten des ordentlichen Rechtswegs. 1. Der begrenzte Schutz privater Rechte durch Gefahrenabwehrbehörden Nach den Aufgabenbestimmungen der Polizei- bzw. Gefahrenabwehrgesetze der Länder41 obliegt es den Polizeibehörden, Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren. Dieser Begriff wird denkbar weit ausgelegt. Ihm unterfallen die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie der Bestand und das Funktionieren des Staates und seiner Einrichtungen42. Hinsichtlich „privater Rechte“ erfährt die Aufgabenzuweisung allerdings eine Einschränkung43: Ihnen drohende Gefahren abzu37 J. Schwabe, Drittwirkung, S. 34. – Hinsichtlich der Terminologie (der sich insoweit auch O. Bachof, Über öffentliches Recht, in: Festgabe BVerwG, S. 1, 13, bedient) ist anzumerken, dass das Begriffspaar „primäres“ und „sekundäres“ Recht hier nicht angebracht ist: Das subjektive Recht ist im Verhältnis zu der ihr korrespondierenden Pflicht nicht „sekundär“ (zum fehlenden Vorrang der Pflicht vor dem subjektiven Recht vgl. oben 1. Teil, § 3 C.) und die Rechtsmacht zu ihrer Durchsetzung keine „Sanktion“ für die Nichterfüllung (vgl. dazu oben 1. Teil, § 3 B. III.); Recht und Pflicht stehen insoweit auf einer Stufe. 38 Also vorbehaltlich gesetzlicher Sonderzuweisungen, etwa nach Art. 14 Abs. 3 S. 4, 34 S. 3 GG. 39 D. Ehlers, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner, VwGO, § 40 Rdnr. 213; F. O. Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, § 40 Rdnr. 6b. 40 Vgl. auch G. Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 57. 41 § 1 Abs. 1 S. 1 MEPolG. 42 F.-L. Knemeyer, Schutz der Allgemeinheit, VVDStRL 35 (1977), 221, 241 m. Fußn. 51; ders., Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 100; W. Martens, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 15 1; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, II, Rdnr. 30; vgl. auch die Legaldefinitionen in § 2 Nr. 2 BremPolG, § 3 Nr. 1 SOGLSA.

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wehren ist nur dann Aufgabe der Polizei, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert würde44. „Private Rechte“ im Sinne dieser Einschränkung sind nur subjektive Rechte des Privatrechts. Damit scheidet zweierlei aus: Zum einen die subjektiv-öffentlichen Rechte, die sich gegen einen Träger öffentlicher Gewalt richten. Zwar sind auch insoweit die Polizei- und Ordnungsbehörden nicht uneingeschränkt zuständig, doch ergibt sich dies aus der Verteilung von Kompetenzen, die eine Überordnung der Polizei- und Ordnungsbehörden über andere Hoheitsträger oder ihre Organe ausschließt45. Die Abgrenzung von Zuständigkeiten der Verwaltungsbehörden untereinander ist – anders als die Abgrenzung zur Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit – jedenfalls nicht Gegenstand der hier interessierenden Normen. Zum anderen bezieht sich die Subsidiarität der polizeilichen Zuständigkeit nicht auf den Schutz von privaten Rechtsgütern an sich, d.h. solcher, die nur überhaupt Gegenstand einer Schutznorm sind, unabhängig davon, wodurch ihnen Gefahr droht46. So fallen etwa reine Selbstgefährdungen, soweit sie überhaupt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen47, naturgemäß nicht unter die Subsidiaritätsklausel, da sie kein subjektives Recht bedrohen und ein gerichtlicher Schutz des Betroffenen vor sich selbst nicht in Frage kommt. Die Vorrangzuständigkeit der Gerichtsbarkeit kann sich also nur auf gerichtlich durchsetzbare private Rechte beziehen48. Das aber sind Ansprüche, denen eine Pflicht eines anderen Rechtssubjekts entspricht49. Diese Pflicht kann in 43 Nach F.-L. Knemeyer, Schutz der Allgemeinheit, VVDStRL 35 (1977), 221, 241 mit Fußn. 51; dems., Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 135, soll es sich dagegen um eine Aufgabenerweiterung handeln. Das setzt voraus, dass private Rechte dem Begriff der öffentlichen Sicherheit i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 1 MEPolG nicht unterfallen. Gleiches müsste dann aber für den gleichlautenden Begriff in § 8 Abs. 1 MEPolG gelten. Das hätte zur Folge, dass die Polizei zum Schutz privater Rechte, auch wenn sie dafür zuständig ist, keine Eingriffsbefugnis besitzt. Dann aber könnte sie ihrer Schutzaufgabe insoweit wohl kaum wirksam nachkommen. Wie hier etwa W. Schmidbauer, in: W. Schmidbauer/U. Steiner/E. Roese, PAG, Art. 11 PAG Rdnr. 60. 44 § 1 Abs. 2 MEPolG. 45 Zur „formellen Polizeipflicht“ von Hoheitsträgern in diesem Sinne W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, II, Rdnr. 147. 46 Zur Unterscheidung von Rechtsgütern und Rechten Privater s. a. K. Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 230. 47 E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E, Rdnr. 21; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, II, Rdnr. 34; F. Schoch, Grundfälle, JuS 1994, 570, 573 f.; allgemein dazu aus grundrechtsdogmatischer Sicht Ch. Hillgruber, Schutz des Menschen, insbes. S. 111 ff. 48 W. Kowalzik, Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 107; B. Pieroth/ B. Schlink/M. Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 5 Rdnr. 45.

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einer vorläufigen Charakterisierung, eben weil sie einem privaten Recht entspricht, als privatrechtlich bezeichnet werden. 2. Grenzen der subsidiären Zuständigkeit Die Subsidiarität der polizeilichen Zuständigkeit findet allerdings dort ihre Grenze, wo nicht nur ein privates Recht gefährdet ist, sondern zugleich Normen des öffentlichen Rechts verletzt zu werden drohen50. Eine Rechtsverletzung in diesem Sinne kann nur in der Zuwiderhandlung gegen öffentlich-rechtliche Geoder Verbotsnormen bestehen, also in der Verletzung von öffentlich-rechtlichen Pflichten51. Fasst man die Subsidiaritätsklausel unter diesem Aspekt zusammen, so könnte sie lauten: Der Schutz privater Rechte vor der Verletzung privatrechtlicher Pflichten, die nicht zugleich eine Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten darstellt, obliegt der Polizei nur, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist usw. An dieser Ableitung ist zweierlei bemerkenswert: Einmal zeigt sich an ihr, dass das Recht der Gefahrenabwehr die Qualifizierung und damit die Qualifizierbarkeit von Pflichtnormen als öffentlich-rechtlich voraussetzt und daran die Unterscheidung von Regel- und Eilzuständigkeit von Polizeibehörden knüpft. Ein Weiteres ist die Tatsache, dass die Verletzung privatrechtlicher mit der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten zusammen fallen kann, die auf derselben Pflichtnorm beruhen. Beide Folgerungen lassen sich mit der Sonderrechtstheorie nicht vereinbaren. II. Rechtssatz und Rechtsverhältnis 1. Abhängigkeit der Subjektstheorien von der Regelungstechnik Das „Versagen“ der Sonderrechts- wie der Zuordnungstheorie im Hinblick auf die Qualifizierung von an Private adressierte Pflichtnormen ist kein Zufall. Oder, um es entgegengesetzt zu formulieren: Ob sie im Einzelfall tauglich ist oder nicht, entscheidet sich an der konkreten Gestalt von Rechtssätzen, die, ohne Änderung des sachlichen Gehalts, auch ebenso gut anders lauten könnten. Die auf die einzelne Norm bezogene Formulierung macht sich gewissermaßen abhängig von der jeweils gewählten Regelungstechnik. Dies zeigte bereits in 49

Vgl. schon oben 1. Teil, § 3. C. E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E, Rdnr. 19; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, II, Rdnr. 32; F. Schoch, Grundfälle, JuS 1994, 570, 573; vgl. auch F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 135, der allerdings auf die Verletzung öffentlicher Interessen abstellt. 51 s. a. K. Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 223. 50

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jenen Fällen eine Schwäche dieser Theorien auf, in denen sowohl der Staat als auch Private angesprochen werden: Für die Qualifizierung solcher Normen als öffentlich-rechtlich ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass nur eines der Zuordnungssubjekte Hoheitsträger ist52. Bei alleine an Private gerichtete Pflichtnormen stellt sich das Problem gewissermaßen umgekehrt: Ob etwa eine pflichtenbegründende Norm zugleich das Rechtssubjekt bezeichnet, dem gegenüber die Pflicht besteht, ist für die Zielsetzung der Pflichtnorm unerheblich, da sich diese Berechtigung eben so gut aus anderen Rechtssätzen ergeben kann. Ob eine „verwaltungsrechtliche“ Pflichtnorm, deren Befolgung von staatlichen Organen überwacht werden muss, zugleich als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB im Dienste des Privatrechts aktiviert werden kann, oder ob es einen gleichlautenden Rechtssatz im privatrechtlichen Deliktsrecht gibt, der nur im Verhältnis Privater untereinander Wirkung entfaltet, ist eine Frage zweckmäßiger Gesetzgebung. An den rechtlichen Folgen ändert sich nichts: In beiden Fällen kann die Pflicht sowohl auf Betreiben der staatlichen Behörde als auch des geschützten Privaten durchgesetzt werden. 2. Das Rechtsverhältnis als Bezugspunkt Dieses Problem ist bereits von O. Bachof53 aufgezeigt worden. Zu seiner Lösung zieht er den Zusammenhang, in dem eine „Jedermann-Pflicht“ steht, zur Bestimmung der Rechtsnatur des pflichtenbegründenden Rechtssatzes heran und qualifiziert diesen dann als öffentlich-rechtlich, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt zu einem Verhalten berechtigt oder verpflichtet wird, das inhaltlich durch die Pflichtnorm bestimmt wird: „Der Hoheitsträger erscheint hier gewissermaßen in der Stellung eines Garanten der Erstnorm, in die er als garantierendes Berechtigungs- und Verpflichtungssubjekt durch die Zweitnorm (Sanktionsnorm) mit einbezogen wird“54. Gegen diese Formulierung lässt sich freilich der Einwand erheben, dass der Staat letztlich die Geltung jeder zwingenden Norm garantiert55. Vor allem aber fehlt eine Begründung dafür, warum in den betroffenen Fällen von der Regel abgewichen wird, nach der es alleine auf das Zuordnungssubjekt eines Rechtssatzes ankommen soll56. Dass es sich bei den genannten Pflichtnormen um 52 Vgl. O. Bachof, Teilrechtsfähige Verbände, AöR 83 (1958), 208, 229; D. Ehlers, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner, VwGO, § 40 Rdnr. 228; D. Schmidt, Unterscheidung, S. 113, 255. 53 Über öffentliches Recht, in: Festgabe BVerwG, S. 1, 13. 54 O. Bachof, Über öffentliches Recht, in: Festgabe BVerwG, S. 1, 13. 55 G. Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 64. 56 Das gilt auch für die Subjektstheorie in der Formulierung D. Schmidts (Unterscheidung, S. 255), derzufolge Rechtssätze dem Privatrecht angehören, die sich ausschließlich an Bürger oder juristische Personen des Privatrechts richten, insbesondere

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einen atypischen Ausnahmefall handelt, kann jedenfalls schwerlich behauptet werden57. Vielmehr deutet die offenbare Notwendigkeit einer Korrektur der Zuordnungs- (wie auch der Sonderrechts-)theorie auf einen Mangel in ihrer Formulierung hin, der sich, wie angedeutet, hinter der Bezugnahme auf den „Rechtssatz“ und damit hinter der Abhängigkeit von den Zufälligkeiten bloßer Regelungstechnik verbirgt. Aus der Tatsache, dass ein Privater verpflichtet ist, darauf zu schließen, ob er es nun kraft Privatrechts oder kraft öffentlichen Rechts ist, ist nicht möglich, solange nicht bekannt ist, wem gegenüber die Pflicht besteht58. Gleiches gilt im übrigen für das subjektive Recht eines Privaten59. Entscheidend ist also das Rechtsverhältnis, dessen Teil das Ge- oder Verbot (oder das subjektive Recht) ist60. Werden durch die Rechtssätze, die das Rechtsverhältnis begründen und bestimmen, ausschließlich Private berechtigt oder verpflichtet, ist das Rechtsverhältnis und insoweit auch alle Rechte und Pflichten dem Privatrecht zuzurechnen. Wird durch einen der Rechtssätze ausschließlich ein Träger öffentlicher Gewalt berechtigt oder verpflichtet, ist das Rechtsverhältnis und mit ihm alle Rechte und Pflichten61 dem öffentlichen Recht zugehörig62. Öffentliches Recht kann so bezeichnet werden als die Gesamtheit der Rechtssätze, die Rechtsverhältnisse determinieren, an denen ein Träger hoheitlicher Gewalt notwendig beteiligt ist63. Daran wird deutlich, dass die Anknüpfung an das Rechtsverhältnis zur Bestimmung der Rechtsnatur von Rechtssätzen keineswegs einen Umweg darstellt64. Vielmehr bietet es den dogmatischen Rahmen für den Kontext, in dem der einzelne Rechtssatz steht. ausschließlich diese Rechtssubjekte berechtigen oder verpflichten. Warum aber ausgerechnet die hier behandelten Pflichtnormen „(n)icht unmittelbar eingeordnet werden können“ (D. Schmidt, a. a. O., S. 256), bleibt ohne Begründung. 57 In diesem Zusammenhang steht aber die Kritik G. Manssens, Privatrechtsgestaltung, S. 64 58 Darauf stellt letztlich auch D. Schmidt, Unterscheidung, S. 256, ab. 59 Zur Einordnung des subjektiv-öffentlichen Rechts in die Rechtsverhältnislehre vgl. etwa H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht, S. 161 ff. 60 Für eine Heranziehung des Rechtsverhältnisses auch F. Bydlinski, Kriterien, AcP 194 (1994), 319, 336; vgl. auch schon O. Bachof, Teilrechtsfähige Verbände, AöR 83 (1958), 208, 228; in der Sache ähnlich K. A. Bettermann, Rechtsschutz und Rechtsweg, NJW 1977, 513, 515 f. 61 Zur Obliegenheit zur Schadensminderung nach § 254 BGB im Rahmen des „öffentlich-rechtlichen Staatshaftungsverhältnisses“ ebenso BVerfG, Beschl. v. 26.8.2002 – 1 BvR 947/01 – NJW 2003, 125, 125 f. 62 Die Sonderrechtstheorie in der Wolff ’schen Fassung formuliert, wie sich daraus ergibt, für die Kennzeichnung des öffentlichen Rechts nur ein hinreichendes, aber kein notwendiges Kriterium. 63 J. Ipsen/Th. Koch, Öffentliches und privates Recht, JuS 1992, 809, 812. 64 So G. Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 58; D. Schmidt, Unterscheidung, S. 34, die – im Grundsatz zutreffend – von dem Befund ausgehen, dass die Rechtsnatur des

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III. Öffentlichrechtliche und privatrechtliche Pflichten 1. Die „Normverwirklichungskompetenz“ Dieser qualitative Unterschied von öffentlichem und privatem Recht erweist sich bei Rechtssätzen, die Pflichten Privater begründen, daran, wem die Rechtsordnung die Rechtsmacht oder Befugnis zuweist, die Erfüllung der Pflicht gegenüber dem Verpflichteten durchzusetzen. Ein Privater kann frei entscheiden, ob er von dieser Befugnis, sei sie nun als materielles Recht oder im Rahmen zivilgerichtlicher Verbandsklagen65 nur als gesetzliche Prozessstandschaft66 ausgestaltet, Gebrauch macht oder nicht67. Ist die Befugnis Trägern von Hoheitsgewalt zugewiesen, ist ihre Ausübung hingegen rechtsgebundene Wahrnehmung übertragener Aufgaben. Die Zuordnung der Pflichtnorm zur einen oder anderen Teilrechtsordnung entscheidet sich hieran: an der Zuweisung der Kompetenz68 zur Normverwirklichung, an der Herrschaft über die Durchsetzung der Verhaltensnorm. Die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht ist so Ausdruck einer funktionellen Scheidung innerhalb der Gesamtrechtsordnung69, die in unterschiedlichen Rechtsverhältnissen Wirkung entfaltet. Die von der Sonderrechtstheorie nach H. J. Wolff70 postulierte Ausschließlichkeit der Zuordnung bezieht sich demzufolge nur auf diese, nicht auf den einzelnen Rechtssatz. Ein und dieselbe (Pflicht-)Norm kann je nach Rechtsverhältnis sowohl in die Kompetenz eines Trägers öffentlicher Gewalt als auch in den Dienst eines Privaten gestellt sein71. Eine daraus resultierende doppelte Funktionalität, die dementRechtsverhältnisses von der Rechtsnatur des ihn regelnden Rechtssatzes abhängt. Damit lässt sich aber nicht mehr argumentieren, wenn das Rechtsverhältnis von mehreren Rechtssätzen bestimmt wird, die (je für sich betrachtet) nicht dieselbe Rechtsnatur aufweisen. 65 Überblick über die neueste Entwicklung bei E. Schmidt, Verbraucherschützende Verbandsklagen, NJW 2002, 25 ff. 66 Etwa nach §§ 13 Abs. 1 UWG, §§ 22, 22a UKlG. 67 Vgl. auch J. Pietzcker, Drittwirkung, in: Festschrift f. G. Dürig, S. 345, 351 f. 68 R. Uerpmann (Das öffentliche Interesse, S. 205 ff., insbes. S. 208) spricht hingegen von einer Kompetenzabgrenzung als Hintergrund der Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht. Dies trifft zu für das Verhältnis der Staatsorgane untereinander. Der hier gewählte Begriff der Zuweisung vermeidet demgegenüber den Anschein der Ausschließlichkeit von Kompetenzen im Staat-Bürger-Verhältnis. 69 Zum „Denken (auch) in funktionalen Bezügen statt in normativen Ab- und Ausgrenzungen“ vgl. W. Hoffmann-Riem, Öffentliches Recht und Privatrecht, in: ders./E. Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 261, 272. 70 Die hier von J. Ipsen/Th. Koch (Öffentliches und privates Recht, JuS 1992, 809, 812) übernommene Definition des öffentlichen Rechts wird von ihren Urhebern ebenfalls der Sonderrechtslehre zugerechnet. 71 Vgl. auch O. Bachof, Über öffentliches Recht, in: Festgabe BVerwG, S. 1, 13 f.; K. A. Bettermann, Anmerkung, DVBl. 1977, 180, 183.

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sprechend zu einer doppelten Qualifikation von Normen als je nach Kontext dem öffentlichen bzw. privaten Recht zugehörig führt, ist im geltenden Recht auch durchaus angelegt72. Rechtspflichten Privater sind hierfür ein wichtiges, Rechtgüterschutzpflichten ein typisches Beispiel, wie sich etwa an der Verzahnung des Strafrechts mit dem Gefahrenabwehrrecht einerseits, mit dem privaten Deliktsrecht andererseits zeigt. 2. „Strafrechtliche“ Rechtsgüterschutzpflichten Die Zugehörigkeit „des“ Strafrechts zum öffentlichen Recht ist allgemein anerkannt. Das wird im hier interessierenden Kontext vor allem an der Abgrenzung der polizeilichen Zuständigkeit zu derjenigen der (ordentlichen) Gerichtsbarkeit relevant, die ihren Ausdruck in der bereits angesprochenen Subsidiaritätsklausel73 findet. Sie greift nicht, wenn eine Verletzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften in Rede steht. Das Schulbeispiel hierfür sind (neben dem Ordnungswidrigkeitenrecht, für das die folgenden Überlegungen in gleicher Weise gelten) Strafrechtsnormen74. a) Die strafrechtliche Sanktionsnorm Normen des materiellen Strafrechts geben für sich genommen für die Qualifizierung nichts her, da sie kein Zuordnungssubjekt bestimmen. Seit Karl Binding ist bekannt, dass ein Straftäter das Strafgesetz nicht etwa verletzt, sondern im Gegenteil (seinen Tatbestand) erfüllt75. Als Sanktionsrecht richtet sich das Strafrecht nicht an diesen, sondern an denjenigen, der zur Verwirklichung des Normbefehls berufen ist, also die staatliche Strafgerichtsbarkeit samt der Strafvollstreckungsorgane. Das aber ergibt sich erst unter Heranziehung der Vorschriften von StPO, GVG, StVollzG und sonstiger Normen, die an das materielle Strafrecht anknüpfen. Da eine entsprechende Normverwirklichungskompetenz ausschließlich staatlichen Organen übertragen ist, handelt es sich bei dem sanktionsrechtlichen Teil der Strafrechtsnormen auch ausschließlich um öffentliches Recht.

72 Vgl. auch K. A. Bettermann, Rechtsschutz und Rechtsweg, NJW 1977, 513, 515, mit Beispielen. 73 § 1 Abs. 2 MEPolG. Vgl. oben § 7 B. I. 74 E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnr. 19; W. Frotscher, Schutz der Allgemeinheit, DVBl. 1976, 695, 699; F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 135; B. Pieroth/B. Schlink/M. Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 5 Rdnrn. 43 f.; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungrecht, II, Rdnr. 32; F. Schoch, Grundfälle, JuS 1994, 570, 573. 75 K. Binding, Die Normen und ihre Übertretung, Bd. I, S. 4 ff.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

b) „Strafrechtliche“ Verhaltensnormen Die Sanktionsnorm allerdings kann im Zusammenhang mit der polizeirechtlichen Subsidiaritätsklausel als „Verletzung von Strafrechtsnormen“ naturgemäß nicht gemeint sein, da nicht ein Fehlverhalten des Staates, sondern des Bürgers in Rede steht. Vielfach erschöpft sich aber die Bedeutung strafrechtlicher Vorschriften nicht in der Funktion als Sanktionsnorm, da und soweit sie nicht auf anderweitig niedergelegte Ge- oder Verbote Bezug nehmen. In diesen Fällen enthalten sie zugleich die primärrechtlichen Pflichtnormen76. Diese aber teilen nicht gleichsam automatisch die Qualifikation des Sekundärrechts. Denn die Rechtsverhältnisse, die durch die Verhaltensnormen (mit)bestimmt werden, sind mit demjenigen nicht identisch, das durch die Sanktionsnorm determiniert wird77. Das gleiche gilt erst recht, wenn die strafbewehrte Pflicht besonders geregelt ist. Teilweise wird denn auch die polizeiliche Subsidiaritätsklausel auf die Verletzung „pönalisierter Privatrechtsnormen“78 erstreckt79. Allerdings bleibt dabei offen, anhand welcher Kriterien die Abgrenzung (auch) öffentlichrechtlicher von (nur) privatrechtlichen Normen getroffen wird. Betont man den Vorrang der Zivilgerichtsbarkeit für den Schutz der Privatrechtsordnung80, so wird diese Abgrenzung nicht getroffen, sondern bereits vorausgesetzt. Soweit die dem Strafrecht zugrunde liegenden Verhaltensnormen den Schutz bestimmter Interessen oder Rechtsgüter des Einzelnen bezwecken, sind sie jedenfalls Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Die Durchsetzung der jeweiligen Pflichten kann deshalb von dem geschützten Privaten nach § 1004 BGB betrieben werden, weshalb nach den oben begründeten Kriterien die Pflichtnormen als privatrechtlich zu beurteilen sind. Dagegen ist die (auch) öffentlich-rechtliche Qualifikation dieser den Sanktionsnormen zugrunde liegenden Ge- und Verbote nicht so selbstverständlich, wie es in der (zumal polizeirechtlichen) Literatur angenommen wird. Da durch sie 76

Vgl. dazu bereits oben 1. Teil, § 6 A. Kritisch zur Bezugnahme auf die staatliche Sanktionierung auch D. Ehlers, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner, VwGO, § 40 Rdnr. 234. 78 F. Baur, Schutz privater Rechte, JZ 1962, 73, 76 ; E. Rasch, Allgemeines Polizeiund Ordnungsrecht, § 1 MEPolG, Rdnr. 58. 79 K. Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 224, will hinsichtlich der Subsidiaritätsklausel danach unterscheiden, ob der Schutzzweck der (Verhaltens-)Norm vorrangig in der Sicherung privater Rechte liegt oder nicht. Den Vorrang entnimmt er am Beispiel des § 247 StGB der Tatsache, dass die Sanktionierung durch das Strafantragserfordernis vom Willen des Geschädigten abhängt, der in einer grundrechtlich geschützten Sonderbeziehung zum Schädiger steht. Nun kann aber die Zuständigkeit der Polizei zur Verhinderung der Tat kaum vom Verhalten des Geschädigten nach ihrer Vollendung abhängen. Für alle Antragsdelikte formulieren gar Th. Jochum/D. G. Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, D Rdnr. 21: „Ein solcher Strafantrag ist Voraussetzung auch für ein präventives, polizeirechtliches Tätigwerden des Staates“. 80 So F. Baur, Schutz privater Rechte, JZ 1962, 73, 76. 77

§ 7 Öffentlich-rechtliche Pflichten

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jedermann in die Pflicht genommen wird, kommt ihre Qualifizierung als öffentlich-rechtlich nur in Betracht, soweit einem Träger öffentlicher Gewalt die Kompetenz zur Normverwirklichung zugewiesen ist. Das ist unproblematisch, wenn spezialgesetzliche Befugnisnormen vorhanden sind. Gerade für das Kernstrafrecht mit seinen allgemeinen Verboten (z. B. §§ 211 f., 222; 223 ff., 242, 263 StGB) aber bestehen derartige Durchsetzungsbefugnisse allenfalls aufgrund der polizeilichen Generalklausel. Ein (drohender) Verstoß gegen gesetzliche Pflichten ist jedenfalls eine Gefahr für die Unversehrtheit der Rechtsordnung und damit für die öffentliche Sicherheit. Doch besteht das Problem gerade in der Subsidiarität der sicherheitsbehördlichen Zuständigkeit beim Schutz privater Rechte vor der Verletzung privatrechtlicher Pflichten, die nicht zugleich solche des öffentlichen Rechts sind81. Sie setzt die Qualifizierung von Pflichten bereits voraus. Mit anderen Worten: Die polizeiliche Generalklausel dient der Durchsetzung von Pflichten, weil sie (jedenfalls auch) dem öffentlichen Recht zugehören82. Deshalb kann nicht umgekehrt eine Pflicht öffentlich-rechtlich genannt werden, weil sie durch die polizeiliche Generalklausel durchgesetzt werden kann. Umgekehrt schließt die Möglichkeit der doppelten Qualifikation von gesetzlichen Pflichten es aus, den öffentlich-rechtlichen Charakter der den strafrechtlichen Sanktionsnormen zugrund liegenden Ge- und Verbote mit dem Hinweis auf ihre (auch) privatrechtliche Qualifikation zu verneinen. c) Teleologische Betrachtung Die Begründung für die Zugehörigkeit der strafbewehrten Verhaltensnormen zum öffentlichen Recht lässt sich allerdings teleologisch begründen. Zwar kann die Tatsache, dass öffentlich-rechtliche Vorschriften als Sekundärrecht überhaupt Rechtsfolgen an die Verletzung gesetzlicher Pflichten knüpfen, wie erwähnt dazu nicht ausreichen, da es sich insoweit um zumindest inhaltlich unterschiedliche Rechtsverhältnisse handelt, die je für sich betrachtet einer der Teilrechtsordnungen zugewiesen werden müssen. So ist es durchaus möglich, das das öffentliche Recht an rein privatrechtliche Rechtsverhältnisse anknüpft83 und umgekehrt. Die Strafbewehrung von Verhaltensnormen stellt aber nicht nur eine sachliche Verknüpfung von Ge- oder Verboten mit einer staatlichen Befugnis im Falle 81

Vgl. oben § 7 B. I. 2. Das gilt jedenfalls für die Generalklausel in der Fassung des MEPolG und im Wesentlichen identische Formulierungen der Gesetze der Länder. Anders hingegen Art. 11 Abs. 2 Nr. 1 BayPAG, der die Verhütung oder Unterbindung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten explizit erwähnt und so die Qualifizierung der zugrunde liegenden Verhaltensnormen vordergründig erübrigt. 83 Das gilt beispielsweise für die Normen der Zivilprozessordnung, die die hoheitliche Streitentscheidung an das Privatrecht bindet. 82

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

ihrer Verletzung dar. Vielmehr ist es gerade der primäre Zweck der Strafandrohung, die Befolgung des Primärrechts zu sichern. Strafrecht ist Schutzrecht für staatliche Verhaltensnormen84 und bezieht seine Legitimation in erster Linie hieraus. Es ist nicht nur aus rechtssystematischer Sicht „sekundär“, sondern funktional ganz auf die Gewährleistung der Geltung von Verhaltensnormen bezogen85. Unter diesem Aspekt aber kann die auf der Primärrechtsebene liegende Kompetenz zur Normverwirklichung nicht alleine Privaten überlassen und die Durchsetzung der jeweiligen Pflicht in deren freie, rechtlich ungebundene Entscheidung gestellt sein. Die Flankierung durch Strafandrohung weist die jeweiligen Ge- und Verbote als (auch) dem Staat gegenüber bestehend aus86, der im Rahmen bestehender Eingriffsbefugnisse und durch das zu ihrem Vollzug zuständige Organ ihre Erfüllung zu erzwingen vermag. Der öffentlich-rechtliche Charakter der „strafrechtlichen“ Verhaltensnormen ergibt sich daher aus der ratio der Strafbewehrung. IV. Fazit: Öffentlich-rechtliche Pflichten Auf dieser Basis können öffentlich-rechtliche in Abgrenzung zu privatrechtlichen Pflichten bestimmt werden als Pflichten, die innerhalb eines Rechtsverhältnisses bestehen, an denen ein Träger öffentlicher Gewalt notwendig beteiligt ist. Öffentlich-rechtliche Pflichten Privater sind solche, die innerhalb eines derartigen Rechtsverhältnisses dem Staat gegenüber bestehen. Ein und dieselbe Pflicht kann dabei sowohl privat- als auch öffentlich-rechtlicher Natur sein. Das ist dann der Fall, wenn zu ihrer Durchsetzung nicht nur ein Hoheitsträger, sondern auch ein Privater berechtigt ist.

§ 8 Die Begründung von Rechtsgüterschutzpflichten Wesen und Funktion des öffentlichen Rechts sind prägnant beschrieben worden als „Ausgleichs- und Konfliktentscheidung über private Interessen“87, die im Vorgang der Publifizierung „in einen anderen Aggregatzustand überführt 84

So I. Appel, Verfassung und Strafe, S. 431. Zur „Durchsetzungsfunktion“ des Strafrechts vgl. H.-C. Arbeiter, Durchsetzung gesetzlicher Pflichten, S. 55 f; zum Ordnungswidrigkeitenrecht ebd. S. 57 ff. 86 Nach M. Oldiges, Grundrechtsgeltung im Privatrecht, in: Festschrift f. K. H. Friauf, S. 281, 283, soll der strafrechtliche Schutz von Rechtsgütern aber „in erster Linie“ Verbote im Verhältnis der Bürger untereinander aufstellen. Für ein Rangverhältnis zwischen den Durchsetzungsbefugnissen des Bürgers und denen des Staates geben die entsprechenden Normen indes nichts her; sie bestehen rechtlich selbstständig nebeneinander; vgl. auch (aus anderer Perspektive) R. Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 213. 85

§ 8 Die Begründung von Rechtsgüterschutzpflichten

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und als Kollektivgut definiert und konstituiert werden“88. Die staatliche Autorität wird an Interessenkollisionen Privater beteiligt und übernimmt (Mit-)Verantwortung für deren notwendigen Ausgleich. Öffentlich-rechtliche Pflichten Privater zum Schutz von Rechtsgütern Privater sind ein Ausdruck dieser Bündelung von privaten zu öffentlichen Interessen. Der Konflikt bleibt in der Sache ein solcher zwischen Privaten, seine Auflösung aber vollzieht sich über den Staat. Er ist aus der Pflicht „Berechtigter“ in dem Sinne, dass er über die Rechtsmacht zur Durchsetzung der Pflicht verfügt. Der Private hingegen, dessen Rechtsgüter zu schützen der Zweck der öffentlich-rechtlichen Pflicht ist, ist zwar materiell Begünstigter, nicht aber gegenüber dem Verpflichteten berechtigt (und soweit er es doch ist, ist die Pflicht – auch – eine privatrechtliche 89). Es findet insofern keine Reprivatisierung der Verpflichtungen oder Berechtigungen statt. Der Rechtswahrungsanspruch des geschützten und begünstigten Bürgers richtet sich nicht gegen den verpflichteten Privaten, sondern wiederum gegen den Staat. Dies ist die Grundlage der Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht in „multipolaren“ Konfliktlagen90. Hält man sich diese Konstellation in der idealtypischen, aber anschaulichen Darstellung eines „Rechts-Dreiecks“ Bürger-Staat-Bürger vor Augen91, so lassen sich drei rechtliche Beziehungen ermitteln: (1) Das „Horizontalverhältnis“ der Privaten untereinander, freilich ohne gegenseitige öffentliche Rechte und Pflichten92; (2) Das „vertikale“ Verhältnis zwischen dem Staat (als Pflichtsubjekt) und dem mit subjektiv öffentlichen Rechten ausgestatteten Bürger; sowie (3) das ebenfalls „vertikale“ Verhältnis zwischen dem Staat (als „Berechtigtem“) und dem ihm gegenüber verpflichteten Privaten. Im Rahmen des zuletzt genannten Rechtsverhältnisses interessiert zunächst die Pflichtenbegründung. Der Terminus „Begründung“ verweist dabei auf zwei voneinander zu unterscheidende, jedoch vielfältig miteinander verbundene Problemkreise. „Begründung“ ist auf der einen Seite die materielle Legitimation für 87 R. Wahl, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner, VwGO, Vorb. § 42 Abs. 2 Rdnr. 56; vgl. auch zum Verwaltungsrecht R. Schmidt, Reform, VerwArch 91 (2000), 149, 150 f.: „Es ist vielmehr auch und vor allem als Distributionsrecht zu begreifen, das private Belange unter öffentlicher Verwaltung reguliert“ (Hervorhebung im Original). 88 R. Wahl, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner, VwGO, Vorb. § 42 Abs. 2 Rdnr. 57. 89 Vgl. oben § 7 B. III. 1. 90 Vgl. den Überblick bei M. Schmidt-Preuß, Das Allgemeine des Verwaltungsrechts, in: Festschrift f. H. Maurer, S. 777, 791 f. 91 Zum Bild des Dreiecks vgl. etwa J. Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 34; M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 18 f.; R. Wahl/J. Masing, Schutz durch Eingriff, JZ 1990, 553, 556. 92 Vgl. auch M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 132 ff. mit der Unterscheidung von Rechtszuweisung im Horizontal- und Anspruchsrichtung im Vertikalverhältnis.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

die Auferlegung einer Pflicht, auf der anderen Seite der (formale) Akt, der die Pflicht zur Entstehung bringt. Im ersten Falle wird danach gefragt, warum eine Verpflichtung und ob sie rechtmäßiger Weise begründet wird oder worden ist, im zweiten Falle danach, wodurch dies geschieht oder geschehen ist. Dem entspricht die Unterscheidung zwischen Rechtsgrund und Rechtsgrundlage. Beide Fragestellungen thematisieren das Verhältnis von Rechten und Pflichten, einmal in bezug auf das Rangverhältnis der formalen Begründungsakte von Rechten und Pflichten untereinander, zum anderen, damit verbunden, im Hinblick auf Art und Maß der notwendigen materiellen Legitimation.

A. Pflichten des Staates und der Bürger Rechtsgüterschutzpflichten Privater stehen in einem engen, nicht nur auf dasselbe Ziel bezogenen (teleologischen), sondern auf denselben Grund zurückführbaren (genetischen) Zusammenhang mit entsprechenden Rechtsgüterschutzpflichten des Staates. Sie finden ihren gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrund in den Grundrechten. I. Zwei Aspekte staatlicher Schutzpflichten 1. Grundrechtliche Unterlassungspflichten Das Grundgesetz sieht im Staat-Bürger-Verhältnis zunächst und primär den Staat in die Pflicht genommen, den Bürger hingegen berechtigt durch die weitgreifende Gewährleistung von Freiheitsrechten, die neben Einzelverbürgungen in speziellen Grundrechtsnormen in Art. 2 Abs. 1 GG als umfassender, nicht durch qualitativ-wertende Merkmale eingeschränkter Garantie allgemeiner Handlungsfreiheit Ausdruck gefunden hat93. Dessen Funktion als Auffangtatbestand94 führt zu einem grundsätzlich lückenlosen Grundrechtsschutz95, der durch die im Staat-Bürger-Verhältnis unmittelbar anwendbaren Grundrechtsnormen (Art. 1 Abs. 3 GG) auch unmittelbar bewirkt wird. In der abwehrrechtlichen Funktion der Grundrechte ist dem Staat das Unterlassen ungerechtfertigter Eingriffe in die grundrechtlichen Schutzbereiche aufgegeben. 93 Vgl. aus der Rechtsprechung BVerfG, Urt. v. 16.1.57 – 1 BvR 253/56 – BVerfGE 6, 32, 36; Beschl. v. 6.6.89 – 1 BvR 921/85 – BVerfGE 80, 137, 152; Beschl. v. 9.3.1994 – 2 BvL 43/92 u. a. – BVerfGE 90, 145, 171; Beschl. v. 7.12.94 – 1 BvR 1279/94 – BVerfGE 91, 335, 338; ferner H. Dreier, in: ders., GG, Bd. 1, Art. 2 I Rdnrn. 15, 20. 94 H.-U. Erichsen, Allgemeine Handlungsfreiheit, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 13. 95 Zu systematischen Ausnahmen K.-A. Schwarz, Postulat lückenlosen Grundrechtsschutzes, JZ 2000, 126.

§ 8 Die Begründung von Rechtsgüterschutzpflichten

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2. Grundrechtliche Schutzpflichten Doch erschöpfen sich hierin die Schutzpflichten des Staates nicht. Rechtsgüterschutz steht am Anfang aller Staatlichkeit, nicht als Schutz des Menschen vor, sondern vielmehr als Schutz durch den Staat, insbesondere vor (rechtswidrigen) Übergriffen der Mitmenschen. Die Gewährleistung der Sicherheit der Bürger – ursprünglich im Begriff des Rechtsstaats enthalten96 – ist der fundamentale Zweck des Staates97, wohingegen die Gewährleistung der Freiheit vor dem Staat nur der Begrenzung seiner Mittel dient98. Im Schutzauftrag liegt die Notwendigkeit begründet, Gewaltanwendung unter Privaten grundsätzlich zu verbieten, Regelungen für die Bereinigung von Konflikten Privater untereinander bereitzustellen und für ihre Durchsetzung Sorge zu tragen. Voraussetzung für diese Verstaatlichung der Lösung von Interessenkollisionen ist die Verrechtlichung der Interessen selbst, die Entscheidung darüber, welche Belange Privater unter rechtlichen Schutz gestellt werden99. Sicherheit durch den Staat ist in elementarer Weise Rechts-Sicherheit100. Der Begriff der Sicherheit ist allerdings zunächst ein Blankettbegriff, der durch diejenigen Normen aufgefüllt werden muss, die erst die schutzwürdigen und schutzbedürftigen Rechtsgüter konstituieren101. Die allgemeine Schutzgewährleistungspflicht des Staates wird hinsichtlich ihres Gegenstandes durch die Grundrechtsnormen als ranghöchste Inhaltsnormen der Rechtsordnung102 konkretisiert103. Ihre Schutzgüter, insbesondere Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit, sind integraler Bestandteil der Personalität des Menschen104, der Eigentumsgarantie kommt ergänzend die Aufgabe zu, dem Grundrechtsträger einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu ermöglichen105. Der Relativität der Grundrechte als staatsgerichtete Abwehrrechte liegt die „absolute“ Zuordnung der von ihnen geschützten Güter zu ihren 96 E.-W. Böckenförde, Rechtsstaatsbegriff, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, S. 143, 145 f.; E. Schmidt-Aßmann, Rechtsstaat, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. I, § 24 Rdnrn. 10 ff. 97 Dazu Ch. Calliess, Sicherheit im freiheitlichen Rechtsstaat, ZRP 2002, 1 ff.; V. Götz, Innere Sicherheit, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. III, § 79 Rdnr. 7–9; J. Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 3 ff.; ders., Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 111 Rdnrn. 25 ff., 83. 98 D. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 105. 99 Vgl. auch (aus soziologischer Perspektive) G. Dürig, Generalermächtigung, AöR 79 (1953/54), 57, 72. 100 Zur historischen Ausprägung vgl. E. Schmidt-Aßmann, Rechtsstaat, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. I, § 24 Rdnr. 11. 101 J. Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 22. 102 D. Grimm, Grundrechtsverständnis, in: ders., Zukunft, S. 221, 230. 103 J. Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 22 f. 104 E. Klein, Grundrechtliche Schutzpflicht, NJW 1989, 1633, 1636.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

Trägern als eigentlicher Grund des Schutzes voraus106. Die Freiheit von staatlichen Eingriffen ist aus dieser Perspektive nur eine Rechtsfolge des rechtlichen Schutzes, der diesen Gütern zuteil wird107. Mit anderen Worten: Dieses subjektive (Abwehr-)Recht basiert auf der Anerkennung der Gegenstände grundrechtlicher Gewährleistung als Rechtsgüter108, die es an sich, also unabhängig davon, woher ihnen Gefahren drohen, zu schützen gilt109. Durch die Grundrechte hat das Grundgesetz, wie das Bundesverfassungsgericht im insoweit bahnbrechenden „Lüth-Urteil“ formuliert hat, eine „eine objektive Wertordnung aufgerichtet“, in der „eine prinzipielle Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte zum Ausdruck kommt“110. Durch diese „objektiv-rechtlichen“ Grundrechtsgehalte erlangen die Grundrechte – genauer: die durch Grundrechte geschützten Rechtsgüter – auch im Verhältnis der Menschen untereinander Bedeutung. Die vom Grundgesetz vorausgesetzte, dem Staat gegenüber grundsätzlich umfassend geschützte Freiheit des Einzelnen kann gegenüber seinen Mitmenschen indes nicht als umfassend gewährte Freiheit verstanden werden. Ihre Ausübung trifft jeweils auf die gleiche und gleichwertige Freiheit anderer Grundrechtsträger und muss mit dieser in Einklang gebracht werden. Das Menschenbild des Grundgesetzes ist, wie das Bundesverfassungsgericht mehrfach hervorgehoben hat, nicht das eines isolierten und selbstherrlichen, sondern das eines gemeinschaftsbezogenen und gemeinschaftsgebundenen Individuums111. In der Erwähnung der „Rechte anderer“ als Schranken der allgemeinen Handlungsfreiheit drückt sich exemplarisch aus, dass die Freiheit des einen ihre Grenzen stets in der Freiheit des anderen findet112. 105 BVerfG, Urt. v. 18.12.68 – 1 BvR 638/64 u. a. – BVerfGE 24, 367, 389; Urt. v. 1.3.79 – 1 BvR 532/77 u. a. – BVerfGE 50, 290, 339; Beschl. v. 22.6.95 – 2 BvL 37/ 91 – BVerfGE 93, 121, 140. 106 Vgl. auch J. Dietlein, Schutzpflichten, S. 63; D. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 94, 96. 107 Vgl. auch H. D. Jarass, Grundrechte als Wertentscheidungen, AöR 110 (1985), 363, 366. 108 E.-W. Böckenförde, Grundrechte als Grundsatznormen, in: ders., Staat, Verfassung, Demokratie, S. 159, 180 (zur Kritik hieran vgl. a. a. O., S. 191 ff.); konstruktive Begründung bei R. Alexy, Theorie der Grudrechte, S. 478 f.; vgl. auch J. Dietlein, Schutzpflichten, S. 61. 109 D. Grimm, Grundrechtsverständnis, in: ders., Zukunft, S. 221, 230; K. Stern, Staatsrecht III/1, § 76 IV 5. b) b, S. 1575. 110 BVerfG, Urt. v. 15. 1.58 – 1 BvR 400/51 – BVerfGE 7, 198, 205. 111 BVerfG, Urt. v. 20.7.54 – 1 BvR 459/52 u. a. – BVerfGE 4, 7, 15 f.; Beschl. v. 16.7.1969 – 1 BvL 19/63 – BVerfGE 27, 1, 7; Beschl. v. 15.1.70 – 1 BvR 13/68 – BVerfGE 27, 344, 351; Urt. v. 15.12.70 – 2 BvF 1/69 u. a. – BVerfGE 30, 1, 20; Beschl. v. 8.3.72 – 2 BvR 28/71 – BVerfGE 32, 373, 379; Urt. v. 21.6.77 – 1 BvL 14/ 76 – BVerfGE 45, 187, 227; Urt. v. 15.12.83 – 1 BvR 289/83 u. a. – BVerfGE 65, 1, 44; vgl. auch K. Stern, System der Grundrechte, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 109 Rdnr. 78. 112 K. Stern, Staatsrecht III/2, § 82 II 1, S. 610.

§ 8 Die Begründung von Rechtsgüterschutzpflichten

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Mögliche Kollisionen individuellen Freiheitsgebrauchs werden durch die Normen des Grundgesetzes allerdings nicht selbst oder jedenfalls nicht abschließend gelöst. Sie stellen sich – aus der Perspektive der Verfassung – im Horizontalverhältnis zunächst nicht als Rechts-, sondern als Interessenkollisionen113 dar, da die Grundrechtsnormen in diesem Verhältnis weder Rechte begründen noch Pflichten auferlegen114. Im Aufeinandertreffen kollidierender Interessen Privater wird ein wesentlicher Aspekt des staatlichen Schutzauftrags sichtbar. Es ist eine der grundlegenden Funktionen der gesamten Rechtsordnung, die Grenzen individueller Freiheit durch Abgrenzung der Rechtssphären Einzelner zu bestimmen115 oder doch diese Grenzziehung zu ermöglichen und so den grundrechtlich geschützten Rechtsgütern auch im Verhältnis der Grundrechtsträger untereinander zur Wirksamkeit zu verhelfen116. Zusammenfassend spricht H. H. Klein von „der Verpflichtung des Staates, seine Rechtsordnung so zu gestalten, dass in ihr und durch sie die Grundrechte gesichert sind und die von ihnen gewährleisteten Freiheiten sich wirksam entfalten können“117. Wenn sich auch die grundrechtlichen Schutzpflichten des Staates hierin nicht erschöpfen118, ist doch die Koordinierung grundgesetzlich gewährleisteter Freiheitsbetätigung 119 durch Verrechtlichung der jeweiligen Individualinteressen eine notwendige Voraussetzung für die innere Ordnung des Staates und das friedliche Zusammenleben seiner Bürger.

113 H. Dreier, in: ders., GG Bd. I, Vorb. Rdnr. 98; Ch. Starck, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, GG Bd. I, Art. 1 Abs. 3 Rdnr. 274: „Rechtsgüterkollisionen“. 114 Vgl. nur H. H. Klein, Grundrechtliche Schutzpflicht, DVBl. 1994, 489, 493; dezidiert a. A. A. Bleckmann, Neue Aspekte, DVBl. 1988, 938 ff., 942 (Drittwirkung als Primärfunktion der Grundrechte). 115 Vgl. auch Ch. Starck, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, GG Bd. I, Art. 1 Abs. 3 Rdnr. 174. 116 J. Dietlein, Schutzpflichten, S. 81; M. Gellermann, Grundrechte, S. 226; H. H. Klein, Grundrechtliche Schutzpflicht, DVBl. 1994, 489, 491. 117 H. H. Klein, Grundrechtliche Schutzpflicht, DVBl. 1994, 489, 491. 118 Teilweise werden die grundrechtlichen Schutzpflichten nur auf den Schutz vor rechtswidrigen Übergriffen Privater bezogen; die Abgrenzung der Freiheitssphären Privater ist von dieser Warte aus Voraussetzung, nicht Inhalt der Schutzpflicht; so J. Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 36; Strukturierungen der grundrechtlichen Schutzpflichten, die auch den Bereich der Abgrenzung der Rechtssphären von Grundrechtsträgern untereinander erfassen, finden sich dagegen bei D. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 108 ff. (primäre Schutzpflichten zur rechtlichen Abschirmung grundrechtlicher Schutzgüter gegen Eingriffe Dritter; sekundäre Schutzpflichten zur Durchsetzung des Eingriffsverbotes), ferner bei Ch. Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 75 ff., 79 ff., sowie I. Richter/G. F. Schuppert/Ch. Bumke, Casebook Verfassungsrecht, S. 33 f. (Verbotspflicht als Schutz vor unzumutbaren Störungen; Sicherheitspflicht als Schutz vor rechtswidrigen Übergriffen; Risikovorsorgepflicht als Pflicht zur Ergreifung von Vorsorgemaßnahmen hinsichtlich rechtmäßiger Verhaltensweisen mit Schädigungspotential). 119 H. Dreier, in: ders., GG Bd. I, Vorb. Rdnr. 98.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

Allerdings lässt sich aus solch allgemeinen Erwägungen heraus noch nichts darüber aussagen, auf welche Weise die Abgrenzung von Rechtspositionen in der Rechtsordnung verwirklicht wird oder zu verwirklichen ist. Doch ist die Inpflichtnahme des Einzelnen zugunsten der Rechtsgüter anderer ein elementares Mittel für die Erfüllung der staatlichen Schutzaufgabe, sei es als Verbot, über die Grenzen des eigenen Rechtskreises hinaus zu agieren, sei es als Gebot, sich positiv schützend und fördernd für die rechtlich anerkannten Interessen anderer einzusetzen. Die materielle Legitimation – der Rechtsgrund – für die Verpflichtung Privater auf den Schutz von grundrechtlich geschützten Interessen Dritter liegt somit in der normativen Anerkennung dieser Interessen als Rechtsgüter durch den Grundrechtskatalog des Grundgesetzes. Art und Maß der Verpflichtung bestimmen sich im übrigen nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben. II. Drei Modelle der Pflichtenbegründung Konstruktiv lassen sich drei Modelle der Pflichtenbegründung darstellen, die jeweils auf das Verhältnis von Rechten und Pflichten eines Rechtssubjekts ausstrahlen. Diese Modelle sind vielfältig miteinander kombinierbar; ihr systematischer Wert wird daran deutlich werden, dass sich an ihnen Probleme abschichten und einzelnen Ebenen innerhalb des Stufenbaus der Rechtsordnung zuordnen lassen. (1) Schon auf Verfassungsebene kann dem Einzelnen die Wahrung und Achtung der Rechte oder Rechtsgüter Dritter (als Grundpflicht) aufgegeben sein. Ein solches Pflichtenmodell löst die Kollision privater Interessen insoweit rechtlich abschließend. In dem Maße, in welchem in der Verfassung selbst unmittelbar wirkende Pflichten begründet werden, ist der Geltungsanspruch der Grundrechte zurückgenommen. Ihre Reichweite erstreckt sich – anders als bei Grundrechtsschranken120 – von vornherein nicht auf den Gegenstand der Pflicht121. Denn es wäre widersprüchlich und mit dem Gedanken der Einheit der Verfassung nicht zu vereinbaren, wenn man annähme, das Grundgesetz verpflichte den Einzelnen durch die Auferlegung von Grundpflichten zu einem bestimmten Gemeinwohlbeitrag und stelle ihn zugleich durch grundrechtliche Gewährleistungen von einer solchen Verpflichtung frei.

120 Nach H. Hofmann, Grundpflichten, VVDStRL 41 (1983), 42, 76, sind Grundpflichten von Grundrechtsschranken unter dem Gesichtspunkt der Einengung individueller Freiheit ununterscheidbar. Das lässt sich nicht gleichermaßen in Bezug auf Freiheitsrechte sagen: (Verfassungsunmittelbare) Grundpflichten stehen außerhalb dessen, was durch Grundrechte gewährt wird. Durch Grundrechtsschranken wird hingegen zum Eingriff in den Schutzbereich ermächtigt; vgl. auch Th. I. Schmidt, Grundpflichten, S. 47. 121 So letztlich auch H. Hofmann, Grundpflichten, VVDStRL 41 (1983), 42, 77.

§ 8 Die Begründung von Rechtsgüterschutzpflichten

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(2) Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass der Rechtsgüterschutz dem Einzelnen zwar nicht verfassungsunmittelbar aufgegeben wird, sich jedoch der Grundrechtsschutz von vornherein nicht auf solche menschlichen Verhaltensweisen und Interessen erstreckt, die Rechte oder Rechtsgüter anderer beeinträchtigen. Nach diesem Tatbestandsmodell wird der Interessenkonflikt durch die Verfassung partiell dadurch gelöst, dass einem privaten Interesse, welches zwar dem Wortlaut nach dem Normbereich eines Grundrechts unterfällt, die rechtliche Anerkennung um eines anderen Interesses willen versagt bleibt. Doch mündet diese grundrechtsimmanente Begrenzung nicht schon auf Verfassungsebene in eine Pflicht. (3) Das Schrankenmodell schließlich geht von einem prima facie umfassenden Grundrechtsschutz aus, der auch durch Rechtsgüter Dritter nicht beschränkt wird. Der Notwendigkeit, die Freiheitsbereiche Privater untereinander abzugrenzen, wird dadurch Rechnung getragen, dass nach Maßgabe der grundgesetzlichen Einschränkungsmöglichkeiten durch unterverfassungsrechtliches Recht Pflichten begründet werden, die der Grundrechtsausübung Schranken setzen122. Insofern sind allerdings der Gesetzgeber seinerseits Schranken der Pflichtenbegründung gezogen, die sich vor allem aus den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit ergeben. III. Das Verhältnis von (Grund-)Rechten und (Grund-)Pflichten In der Dogmatik der Pflichtenbegründung wirken sich die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten auf das Verhältnis von Rechten und Pflichten eines Rechtssubjekts aus, insbesondere bei Berücksichtigung der Rechtsordnung unterhalb der Verfassungsebene. Im Pflichtenmodell stehen sich (Grund-)Rechte und (Grund-)Pflichten gleichrangig und inhaltlich komplementär gegenüber: Die Pflicht begrenzt das Recht und umgekehrt. Beide entfalten unmittelbar Wirkung, ohne auf weitere Aktualisierung durch das Gesetz angewiesen zu sein. Der Gesetzgeber ist aber an die verfassungskräftig gezogene Grenze zwischen Recht und Pflicht gebunden. Eine Erweiterung der Pflicht in den Schutzbereich der Grundrechtsnorm hinein ist nur nach Maßgabe der grundrechtlichen Beschränkungsmöglichkeiten zulässig. Umgekehrt ist es (vorbehaltlich besonderer Ermächtigung) nach dem Pflichtenmodell ausgeschlossen, durch einfaches Gesetz von verfassungsunmittelbaren Pflichten zu dispensieren. Beispielweise könnte die auch den Bürger tref122 Diese Formulierung soll vorläufig zur Kennzeichnung des Modells ausreichen. Sie ist im Hinblick auf den sach- und normlogischen Zusammenhang von Grundrechtsbeschränkung und einfach-gesetzlicher Verpflichtung ungenau, wie unten § 10 A. II. zu begründen ist.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

fende123 Friedenspflicht nach außen nicht durch eine gesetzliche Gestattung der in Art. 26 Abs. 1 GG beschriebenen Handlungen aufgehoben werden. Im Tatbestandsmodell werden durch die Verfassung hingegen nur Grenzen der Grundrechtsgewährleistung gezogen, die als solche keinen den Grundrechtsträger verpflichtenden Gehalt haben, insbesondere kein Verbot von Verhaltensweisen jenseits der tatbestandlichen Reichweite grundrechtlicher Garantien begründen124. Sofern man etwa mit dem Bundesverfassungsgericht125 der Annahme zuneigt, bewußt unwahre Tatsachenbehauptungen seien schon tatbestandlich nicht vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst, ergibt sich daraus nur deren verfassungsrechtliche Schutzlosigkeit, nicht aber ein „Verbot der Lüge“ oder gar eine „Wahrheitspflicht“126. Zwar können Pflichten Grenzen des Rechts bilden, doch gilt dies, zumal im Rahmen des Stufenbaus der Rechtsordnung, nicht umgekehrt: Die Grenzen des Rechts begründen selbst keine Pflichten127. Ein auf der Grundlage einfachen Rechts begründetes Verbot, die Grenzen des Grundrechts zu überschreiten, ist als formelle Pflichtenbegründung konstitutiv. Im Gegenzug gilt: Was nicht Gegenstand einer grundrechtlichen Gewährleistung ist, kann Inhalt eines einfachgesetzlichen subjektiven Rechts sein, ohne dass eine dem Grundrecht immanente Pflicht dadurch beseitigt werden müßte. (Grund-)Recht und Pflicht sind im Tatbestands- wie im Pflichtenmodell komplementär, doch im Unterschied zu diesem nicht gleichrangig: Die Pflicht muss auf unterverfassungsrechtlicher Ebene eigens begründet werden. Und anders als bei der verfassungsrechtlich begründeten Pflicht vermag der einfache Gesetzgeber auch Rechtspositionen zu gewähren, die der Verfassungsgeber versagt hat. Das Schrankenmodell schließlich hat mit dem Tatbestandsmodell die Rangverschiedenheit von Grundrecht und Pflicht gemeinsam. Allerdings erfasst die Pflicht einen Bereich, der auf Verfassungsebene vom Grundrechtstatbestand umfasst ist. Recht und Pflicht sind insoweit nicht komplementär, vielmehr stellt die

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Vgl. nur H. D. Jarass, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 26 Rdnr. 4. Tendenziell a. A. A. v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 126; vgl. ferner O. Luchterhandt, Grundpflichten, S. 467 m. Fußn. 31, der eine rechtstheoretische Identität von Pflichten und Grundrechtsschranken als „unstreitig“ behauptet. Für Grundrechtsschranken gilt aber nichts anderes als für „immanente“ Schutzbereichsgrenzen: Was nicht Gegenstand eines subjektiven Rechts ist, ist deshalb noch nicht in negativer Formulierung Inhalt einer Pflicht; die Verbietbarkeit ersetzt nicht das Verbot; vgl. auch M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 79 I 2. b), S. 231 mit Fußn. 16. 125 BVerfG, Beschl. v. 3.6.80 – 1 BvR 797/78 – BVerfGE 54, 208, 219 f., Beschl. v. 10.11.98 – 1 BvR 1531/96 – BVerfGE 99, 185, 197; zur Kritik vgl. etwa H. Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, GG Bd. I, Art. 5 I, II, Rdnr. 47; R. Wendt, in: I. v. Münch/Ph. Kunig, GGK I, Art. 5 Rdnr. 10. 126 So aber wohl BVerfG, Beschl. v. 3.6.80 – 1 BvR 797/78 – BVerfGE 54, 208, 219. 127 Vgl. aber P. Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 179 f. 124

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Pflichtenbegründung einen Eingriff in das Recht dar, der nur zulässig ist, wenn hierfür eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung gefunden werden kann. IV. Ausblick Für den weiteren Fortgang der Untersuchung kommt es somit darauf an, in welcher Weise der Schutz von Rechtsgütern durch entsprechende Pflichten Privater in der Rechtsordnung nach dem Grundgesetz verwirklicht oder zu verwirklichen ist. Die Frage nach der Begründung von Rechtsgüterschutzpflichten ist insofern vor allem eine Frage nach der Reichweite der grundrechtlichen Gewährleistung.

B. Verfassungsrechtliche Rechtsgüterschutzpflichten An erster Stelle einer möglichen Pflichtenbegründung steht das Grundgesetz selbst mit den grundlegenden Regelungen des Verhältnisses zwischen Bürger und Staat128. Unter der Bezeichnung „Grundpflichten“ werden solche Pflichtbeiträge des Einzelnen zum Gemeinwohl diskutiert, die ihre Grundlage in der Verfassung selbst haben129. Im Unterschied zur Weimarer Reichsverfassung, deren Zweiter Hauptteil mit „Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen“ überschrieben war, in deutlichem Kontrast auch zu etlichen Verfassungen der Länder mit ähnlichen Einteilungen130 kennt das Grundgesetz den Begriff der Grundpflicht zwar nicht. Wohl aber benennt es in unterschiedlicher Akzentuierung Verpflichtungen auch der Einzelnen131. I. Grundpflichten als verfassungsrechtliche Kategorie Dabei besteht über grundlegende Fragen keine Einigkeit, insbesondere darüber nicht, ob nach der geltenden Verfassungsordnung Grundpflichten des Bürgers gegenüber dem Staat überhaupt anzuerkennen sind132 und, wenn doch, ob 128 H. Bethge, Grundpflichten, NJW 1982, 2145, 2146, bezeichnet Grundpflichten als „eine der beiden Seiten der menschlichen Grundposition im Verfassungsstaat“. 129 Vgl. zu dieser Umschreibung V. Götz, Grundpflichten, VVDStRL 41 (1983), 7, 12; ferner R. Stober, Grundpflichten und Grundgesetz, S. 13; ders., Grundpflichten, NVwZ 1982, 473. 130 Vgl. die Nachweise bei Th. I. Schmidt, Grundpflichten, S. 30. 131 Vgl. Art. 5 Abs. 3 S. 2 (Verfassungstreuepflicht); Art. 6 Abs. 2 S. 1 (Pflegeund Erziehungspflicht der Eltern); Art. 12 Abs. 2 (öffentliche Dienstleistungspflicht); Art. 12a Abs. 1 (Wehrpflicht); Art. 14 Abs. 2 S. 1 (Eigentum verpflichtet); Art. 26 (Friedenspflicht nach außen). 132 Ablehnend Ch. Gusy, Grundpflichten, JZ 1982, 657, 661; B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 192 ff.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

es sich dabei um eine eigene rechtsdogmatische Kategorie handelt und wie sie inhaltlich zu definieren ist. Sofern in Parallele zu den Grundrechten nur solche Pflichten darunter subsumiert werden, die selbst unmittelbar durch Verfassungsnormen begründet werden133, ist der Kreis der in Frage kommenden Pflichten auf den ersten Blick sehr begrenzt134. Doch wird der Begriff der Grundpflicht regelmäßig in einem weiteren, auch die von der Verfassung nur vorausgesetzten oder in ihr verankerten Pflichten erfassenden Sinne verwendet135. Dies ist keineswegs nur eine terminologische Frage, sondern führt zu derjenigen nach dem „Grund der Grundpflichten“136 sowie nach ihrer jeweiligen Rechtsgrundlage hin. Einerseits ist aus der Zurückhaltung des Grundgesetzes bei der Normierung von Pflichten des Einzelnen nicht zwingend das gänzliche Fehlen von Grundpflichten zu folgern137. Einer extensiven Ausdeutung des Grundgesetzes als einer Pflichtenordnung für den Einzelnen steht indes andererseits die positive Ausgestaltung der Grundrechte entgegen. 1. Der Rechtsgrund der Grundpflichten Die materiale Rechtfertigung eines Pflichtenstatus des Einzelnen unter einer dem Prinzip der Freiheit und der Gleichheit verpflichteten Verfassung kann sich nur aus diesem Prinzip selbst ergeben138 und ist von diesem her zu bestimmen139. Deshalb kann es eine eigene Kategorie materieller Grundpflichten nur im Rahmen der Lehre von den Grundrechten geben140. Die Gewährleistung einer für alle gleichermaßen geltenden Freiheitsordnung schließt nicht nur Begrenzungen der Freiheitsrechte zu dem Zweck ein, „die gleichen Freiheitsansprüche aller miteinander verträglich zu machen“141, sie ist auch auf die posi133 Ch. Gusy, Grundpflichten, JZ 1982, 657, 658; nach H. H. Klein, Grundpflichten, Der Staat 14 (1975), 153, 158, können Grundpflichten im Rahmen der grundgesetzlichen Ordnung nur durch die Verfassung selbst legitimierte, aber gesetzlicher Vermittlung bedürftige Schranken der Grundrechte sein. 134 Vgl. auch E.-W. Böckenförde, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 41 (1983), 114 f.; nach Ch. Gusy, Grundpflichten, JZ 1982, 657, 661, enthält das Grundgesetz keine Grundpflichten im Sinne unmittelbar vollziehbarer Verpflichtungen, weil es keine Regelungen für ihre Durchsetzung enthalte; hiergegen O. Luchterhandt, Grundpflichten, S. 439. 135 O. Luchterhandt, Grundpflichten, S. 587; Th. I. Schmidt, Grundpflichten, S. 36, 299; K. Stern, Staatsrecht III/2, § 88 I 5. b), S. 999; R. Stober, Grundpflichten, NVwZ 1982, 473. 136 H. Hofmann, Grundpflichten, VVDStRL 41 (1983), 42, 71. 137 So jedoch Ch. Gusy, Grundpflichten, JZ 1982, 657, 658, 662. 138 H. Hofmann, Grundpflichten, VVDStRL 41 (1983), 42, 54. 139 V. Götz, Grundpflichten, VVDStRL 41 (1983), 7, 12. 140 Vgl. auch P. Badura, Grundpflichten, DVBl. 1982, 861, 862; H. Bethge, Grundpflichten, NJW 1982, 2145; ders., Grundpflichten, JA 1985, 249, 250; K. Stern, Staatsrecht III/2, § 88 III 3. b), S. 1023.

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tive Mitwirkung der Bürger angewiesen, die den Staat erst in die Lage versetzt, seinen grundrechtlich verankerten Schutz- und Förderungsverpflichtungen nachzukommen142. Die vom Bundesverfassungsgericht geprägte – wenngleich nicht explizit mit Grundpflichten in Verbindung gebrachte – Formel von der „Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person“143 drückt einen allgemeinen Grundgedanken über das Verhältnis von Staat und Bürger aus144. Ihre Herleitung aus einer Zusammenschau der Art. 1, 2, 12, 14, 15, 19 und 20 GG stellt eine Synthese aus unterschiedlichen Begründungsansätzen145 her, die mit Hasso Hofmann auf folgenden Nenner gebracht werden kann: „Gemeinsamer verfassungsrechtlicher Grund aller gesetzlich entfalteten Sozialpflichtigkeiten des Individuums und Grund insbesondere der nicht explizierten Pflicht zu verfassungsmäßigem Rechtgehorsam sind daher hinter der Entscheidung für den sozialen Rechtsstaat subjektivrechtlich Art. 2 I mit dem darin ausgesprochenen Gegenseitigkeitsprinzip und der allgemeine Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG“146. 2. Die Rechtsgrundlage der Grundpflichten Allerdings können alleine aus der materiellen Legitimation der Kategorie „Grundpflicht“ noch keine Folgerungen für den konkreten Inhalt derartiger Pflichten gezogen werden. Nicht jede Verpflichtung, die unter dem oben genannten Aspekt der Gewährleistung gleicher Freiheit legitimierbar wäre, ist deshalb schon Grundpflicht. Hinzu kommen muss eine Norm des positiven Verfassungsrechts, welche die Inpflichtnahme des Einzelnen aktualisiert, also mindestens dem Grunde und ihrer Art147 nach regelt, vorsieht oder voraussetzt.

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H. Hofmann, Grundpflichten, VVDStRL 41 (1983), 42, 74. Auf den Zusammenhang von Grundpflichten und staatlichen Aufgaben weisen auch V. Götz, Grundpflichten, VVDStRL 41 (1983), 7, 36 f.; G. F. Schuppert, Diskussionsbeitrag, ebd., S. 106 f., hin; vgl. auch H. H. Klein, Grundpflichten, Der Staat 14 (1975), 153. 143 BVerfG, Urt. v. 20.7.54 – 1 BvR 459/52 u. a. – BVerfGE 4, 7, 15 f.; Beschl. v. 16.7.1969 – 1 BvL 19/63 – BVerfGE 27, 1, 7; Beschl. v. 15.1.70 – 1 BvR 13/68 – BVerfGE 27, 344, 351; Urt. v. 15.12.70 – 2 BvF 1/69 u. a. – BVerfGE 30, 1, 20; Beschl. v. 8.3.72 – 2 BvR 28/71 – BVerfGE 32, 373, 379; Urt. v. 15.12.83 – 1 BvR 289/83 u. a.– BVerfGE 65, 1, 44. 144 Vgl. auch R. Stober, Grundpflichten und Grundgesetz, S. 22. 145 Vgl. den Überblick bei O. Luchterhandt, Grundpflichten, S. 437–444. 146 H. Hofmann, Grundpflichten, VVDStRL 41 (1983), 42, 75; ders., Grundpflichten, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 114 Rdnr. 37; zustimmend K. Stern, Staatsrecht III/2, § 88 III 3. b), S. 1024; demgegenüber geht die Kritik von W. Frenz, Verursacherprinzip, S. 129 f. ins Leere, da er nicht zwischen Rechtsgrund und Rechtsgrundlage unterscheidet. 147 Th. I. Schmidt, Grundpflichten, S. 297 ff., spricht von einer „vertypten Inanspruchnahme“. 142

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

Erfasst sind damit Pflichten, die im Grundgesetz in unterschiedlicher Weise ausgeformt und in unterschiedlichem Maße präzisiert sind: Verfassungsunmittelbare Grundpflichten bestimmen schon auf der Ebene des Grundgesetzes den Status des Einzelnen im Staat. Die Verfassungstreuepflicht des wissenschaftlichen Lehrers (Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG), die elterliche Fürsorge- und Erziehungspflicht (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG), die Friedenspflicht nach außen (Art. 26 Abs. 1 GG) haben unmittelbar verpflichtenden Gehalt, ohne dass es einer gesetzlichen Aktualisierung bedürfte. Der Gesetzgeber kann (und muss gegebenenfalls148) diese Pflichten allerdings konkretisieren und durch die Schaffung von Mechanismen der Rechtsdurchsetzung ihre Erfüllung gewährleisten oder ihre Verletzung sanktionieren. Verfassungsmittelbar sind Grundpflichten, die erst durch einfaches Gesetz umgesetzt werden müssen, um die Inpflichtnahme des Einzelnen zu begründen, die aber, wie etwa die Wehrpflicht (Art. 12a Abs 1 GG) ihrer Art nach vom Grundgesetz vorgesehen sind. Die damit erfolgte Einbeziehung solcher Pflichten in den Begriff der Grundpflicht, die im Grundgesetz lediglich angelegt sind und der aktualisierenden und konkretisierenden Entscheidung des Gesetzgebers bedürfen, rechtfertigt sich aus der Gemeinsamkeit, dass sie nach Rechtsgrund und Rechtsgrundlage verfassungsrechtlich verankert sind149. 3. Grundpflichten und Grundrechtsschranken Aus dogmatischer Sicht wirft das jedoch das Problem auf, ob und inwiefern Grundpflichten von Grundrechtsschranken abzugrenzen sind150. Bei verfassungsunmittelbaren Pflichten, die keiner gesetzlichen Umsetzung bedürfen, stellt sich die Frage in dieser Form allerdings nicht. Sie entsprechen dem oben151 skizzierten Pflichtenmodell, nach dem die in der Verfassung begründeten Pflichten außerhalb der tatbestandlichen Reichweite grundrechtlicher Garantien stehen. So wird durch die in Art. 26 Abs. 1 GG niedergelegte Friedenspflicht nach außen kein Grundrecht (etwa nach Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG) eingeschränkt: Die Vorbereitung eines Angriffskrieges ist verfassungsunmittelbar verboten152 und damit schon von vorneherein nicht Teil grundrechtlicher Garantien153. 148

Vgl. etwa Art. 26 Abs. 1 S. 2 GG. R. Stober, Grundpflichten, NVwZ 1982, 473. 150 Dazu H. Hofmann, Grundpflichten, VVDStRL 41 (1983), 42, 76 f.; ders., Grundpflichten, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 114 Rdnrn. 46 ff.; O. Luchterhandt, Grundpflichten, S. 463 ff.; Th. I. Schmidt, Grundpflichten, S. 46 f.; K. Stern, Staatsrecht III/2, § 88 IV 2, S. 1053 ff. 151 § 8 A. II. 152 M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 81 III 1. b) a), S. 507; im Ansatz ähnlich Ch. Gusy, Grundpflichten, JZ 1982, 657, 659 f., der aber eine gesetzliche 149

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Dieser Gedanke ist verallgemeinerbar: Soweit Grundpflichten eine unmittelbare Verankerung in der Verfassung aufweisen – und sie ist nötig, damit es sich überhaupt um Grundpflichten handelt –, teilen sie den Rang der Grundrechte und der aus ihnen folgenden Grundsätze154. Sie sind deshalb in diesem Rahmen nicht am Maßstab der übrigen Verfassungsnormen zu messen. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Beispiel der Wehrpflicht erst jüngst wieder hervorgehoben155. Zwar verpflichtet Art 12a Abs. 1 GG nicht unmittelbar zur Ableistung des Wehrdienstes, sondern gibt dem Gesetzgeber nur die Möglichkeit (ohne ihn freilich dazu zu verpflichten156), eine allgemeine Wehrpflicht für Männer einzuführen und im einzelnen auszugestalten. Nimmt er jedoch diese Möglichkeit in Anspruch, so aktualisiert er lediglich die grundgesetzliche Entscheidung für eine wirksame Landesverteidigung (Art. 12a, 73 Nr. 1, 87a Abs. 1, 115b GG157) durch ein vom Grundgesetz selbst vorgesehenes Mittel. Diese verfassungsrechtliche Verankerung der Wehrpflicht hat zur Folge, dass ihre einfach-gesetzliche Umsetzung als solche keiner Rechtfertigung bedarf: Weder ist sie selbst am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen158, noch ist die Beschränkung der Pflicht auf männliche Bürger ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG159. In diesem Sinne wegen der Ranggleichheit „grundrechtsfest“160 können Grundpflichten aber nur in dem Maße sein, in dem sie durch das Grundgesetz präformiert sind. Darüber hinaus bietet die Kategorie der Grundpflichten keine Handhabe, mittels eines allgemeinen Grundpflichtenstatus die FreiheitsverbürKonkretisierung für erforderlich hält und deshalb Art. 26 Abs. 1 GG unmittelbar für den Bürger weder für anwendbar noch für vollziehbar hält. 153 Vgl. auch Th. I. Schmidt, Grundpflichten, S. 47, der allerdings die Friedenspflicht insgesamt als Begrenzung des Schutzbereichs der Grundrechte ansieht. Dazu sogleich unten II. 1. 154 Zur verfassungsrechtlichen Gleichrangigkeit – im Unterschied zur verfassungstheoretischen Vorrangigkeit der Grundrechte – vgl. H. Hofmann, Grundpflichten, VVDStRL 41 (1983), 42, 69. 155 BVerfG, Beschl. v. 20.2.2002 – 2 BvL 5/99 – BVerfGE 105, 61 ff.; Beschl. v. 27.3.2002 – 2 BvL 2/02 – DVBl. 2002, 771 f. 156 Vgl. BVerfG, Urt. v. 13.4.78 – 2 BvF 1/77 u. a. – BVerfGE 48, 127, 160 f. 157 BVerfG, Beschl. v. 26.5.70 – 1 BvR 83/69 u. a. – BVerfGE 28, 243, 261; Urt. v. 13.4.78 – 2 BvF 1/77 u. a. – BVerfGE 48, 127, 159 f.; Urt. v. 24.4.85 – 2 BvF 2/83 u. a. – BVerfGE 69, 1, 21; dazu etwa M. Gubelt, in: I. v. Münch/Ph. Kunig, GGK I, Art. 12a Rdnr. 1; R. Scholz, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 12a (2001), Rdnr. 2. 158 BVerfG, Beschl. v. 20.12.60 – 1 BvL 21/60 – BVerfGE 12, 45, 52; Beschl. v. 20.2.2002 – 2 BvL 5/99 – BVerfGE 105, 61, 71. 159 BVerfG, Beschl. v. 20.12.60 – 1 BvL 21/60 – BVerfGE 12, 45, 52 f.; Beschl. v. 27.3.2002 – 2 BvL 2/02 – DVBl. 2002, 771, 772; zustimmend etwa M. Gubelt, in: I. v. Münch/Ph. Kunig, GGK I, Art. 12a Rdnr. 26; W. Heun, in: H. Dreier, GG Bd. 1, Art. 12a Rdnr. 36; R. Scholz, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 12a (2001), Rdnrn. 37, 195. 160 H. Hofmann, Grundpflichten, VVDStRL 41 (1983), 42, 78.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

gungen des Grundgesetzes und die ausdifferenzierte Schrankensystematik unter Einschluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu unterlaufen161. Konkrete Einzelpflichten, die sich erst aus der gesetzlichen Ausgestaltung und ihrer Anwendung im Einzelfall ergeben, sind nach den allgemeinen Regeln der Pflichtenbegründung zu beurteilen162. Das macht die Kategorie der Grundpflichten zwar nicht entbehrlich163, weist ihr im Rahmen des Rechtfertigungsmodells jedoch eine sehr eingeschränkte spezifische Rolle zu. Grundpflichten definieren Gemeinschaftszwecke164, die als solche wegen ihrer Grundlegung in der Verfassung keiner weiteren Rechtfertigung mehr bedürfen. Die Inanspruchnahme des Einzelnen ist, weil von Verfassungs wegen vorgesehen, ein zulässiges Mittel der Zweckverwirklichung. Im übrigen dienen Grundpflichten wegen der Zweckbindung gesetzlich begründeter Verpflichtungen im Rahmen des Übermaßverbotes als Grenzen der Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber165. II. Rechtsgüterschutz als Grundpflicht Innerhalb des so skizzierten Rahmens werden teilweise auch Rechtsgüterschutzpflichten als Grundpflichten betrachtet, die in der Verfassung mindestens dem Grunde nach angelegt sind. Sie werden in der Literatur unter drei Aspekten angesprochen: als Friedenspflicht, als allgemeine sowie als besondere Nichtstörungspflicht des Eigentümers als Ausfluss der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG. 1. Die Friedenspflicht Der in Art. 26 Abs. 1 GG normierten Friedenspflicht nach außen wird in der Literatur die Friedenspflicht nach innen als allgemeines Verbot privater Gewalt zur Seite gestellt. Sie wird als Kehrseite des Gewaltmonopols des Staates verstanden166, das diesen als einzigen zur Ausübung physischer Gewalt legitimiert. Als Ausgleich für diesen Verzicht auf private Selbsthilfe stellt der Staat dem Einzelnen rechtlich geordnete Verfahren der Rechtsdurchsetzung zur Verfügung167. In der Korrelation von Gewaltverbot und Gewaltmonopol findet sich 161

J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 55. Das wird für die Wehr- (und Ersatz-)dienstpflicht in Art. 17a Abs. 1 GG vorausgesetzt. 163 So aber Ch. Gusy, Grundpflichten, JZ 1982, 657 ff., 663. 164 Vgl. auch H. Hofmann, Grundpflichten, VVDStRL 41 (1983), 42, 77. 165 Wie hier H. Hofmann, Grundpflichten, VVDStRL 41 (1983), 42, 77. 166 Ausführlich J. Isensee, Friedenspflicht, in: Festschrift f. K. Eichenberger, S. 23 ff.; ferner O. Luchterhandt, Grundpflichten, S. 478 f. 167 J. Isensee, Grundrechtsvoraussetzungen, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V. §. 115 Rdnr. 110; O. Luchterhandt, Grundpflichten, S. 479; D. Murswiek, Staat162

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der Grundgedanke der staatlichen Rechtsgüterschutzpflicht als Legitimation des modernen Staates verkörpert. Die Friedenspflicht wird als „elementarste aller materialen Grundpflichten“ bezeichnet168, da sie eine nicht wegzudenkende Bedingung der Staatlichkeit des Verfassungsstaates darstelle. a) Rechtsgrund und Rechtsgrundlagen der Friedenspflicht Allerdings ist fraglich, ob es sich bei dieser Grundpflicht um eine verfassungsunmittelbare Verpflichtung des Einzelnen handelt, wie verbreitet angenommen wird169. Danach bedarf es keiner aktualisierenden einfach-gesetzlichen Norm, um das Verbot privater Gewalt zu begründen170, sondern umgekehrt der gesetzlichen Erlaubnis, um im Einzelfall ausnahmsweise Selbsthilfe üben zu dürfen171. Dies läuft gewissermaßen auf ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt auf Verfassungsebene hinaus, das das rechtsstaatliche Verteilungsprinzip – freilich begrenzt auf die Anwendung privater Gewalt – geradezu auf den Kopf stellt und die Frage nach der verfassungsrechtlichen Verankerung einer in diesem Sinne verstandenen Friedenspflicht provoziert. Eine ausdrückliche Erwähnung der Friedenspflicht nach innen findet sich im Grundgesetz ebensowenig wie die förmliche Garantie des staatlichen Gewaltmonopols172. Als textlicher Anhaltspunkt wird lediglich der Friedlichkeitsvorbehalt des Art. 8 Abs. 1 GG genannt, in dem beide Elemente als Verfassungsbzw. Grundrechtsvoraussetzungen zum Ausdruck kommen sollen173. Friedenspflicht des Bürgers und Gewaltmonopol des Staates liegen danach jeder Pflicht und jedem Recht der staatlichen Ordnung voraus, da erst sie die Bedingungen liche Verantwortung, S. 102 ff.; Th. I. Schmidt, Grundpflichten, S. 77; ferner Ch. Calliess, Sicherheit im freiheitlichen Rechtsstaat, ZRP 2002, 1, 3. 168 J. Isensee, Grundpflichten, DÖV 1982, 609, 616; zustimmend K. Kröger, Friedenspflicht, JuS 1984, 172, 173; O. Luchterhandt, Grundpflichten, S. 478; K. Stern, Staatsrecht III/2, § 88 III 3. d) a), S. 1026. 169 J. Dietlein, Schutzpflichten, S. 26; J. Isensee, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 41 (1983), 130, 131; O. Luchterhandt, Grundpflichten, S. 558; Th. I. Schmidt, Grundpflichten, S. 202–204; K. Stern, Staatsrecht III/2, § 88 IV 3. c) x), S. 1065. 170 J. Isensee, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 41 (1983), 130, 131; vgl. aber dens., Gewaltmonopol, in: Festschrift f. H. Sendler, S. 39, 41, 59 f.: Geltung des Vorbehalts des Gesetzes für das Verbot der unfriedlichen Betätigung; so auch D. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 106, Fußn. 20. 171 K. Stern, Staatsrecht III/2, § 88 III 3. d) a), S. 1026. 172 J. Isensee, Grundrechtsvoraussetzungen, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 115 Rdnr. 109. 173 J. Dietlein, Schutzpflichten, S. 27; J. Isensee, Friedenspflicht, in: Festschrift f. K. Eichenberger, S. 23, 31; ders., Grundpflichten, DÖV 1982, 609, 616 f.; ders., Gewaltmonopol, in: Festschrift f. H. Sendler, S. 39, 55; zustimmend K. Kröger, Friedenspflicht, JuS 1984, 172, 173; Th. I. Schmidt, Grundpflichten, S. 203; W. Schmitt Glaeser, Privatgewalt, in: Festschrift f. G. Dürig, S. 91, 97 f.; K. Stern, Staatsrecht III/2, § 88 III 3. d) a), S. 1026.

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für die Rechtsordnung als einer Friedensordnung schaffen. So ist es die Staatlichkeit selbst, welche das Verbot privater Gewalt mit dem Gebot staatlicher Rechts- und Sicherheitsgewährleistung verknüpft. Hier fließen indes verfassungstheoretische und verfassungsrechtliche Argumentationslinien ineinander. Aus dem in der Staatsbildung selbst begründeten Gegenseitigkeitverhältnis von Gewaltverzicht auf Seiten des Individuums und Gewaltmonopol auf Seiten des Staates, das als Kernbestand neuzeitlichen europäischen Staatsdenkens auch vom Grundgesetz vorausgesetzt wird174, kann zwar begründet werden, dass eine – wie auch immer konturierte – Friedenspflicht für den Bürger in der Rechtsordnung verankert werden muss. Die notwendige Abgrenzung der Rechtssphären der Individuen ist ohne sie nicht verwirklicht. In welcher Weise jedoch die auf solchem Rechtsgrund fußende Verfassungsvoraussetzung in unmittelbar geltendes Recht umgesetzt ist und was als konkrete Rechtsgrundlage für das an das Individuum gerichtete Verbot gewaltsamer Selbsthilfe gelten kann, ist damit nicht präjudiziert175. Auch kann die ideengeschichtliche und staatstheoretische Herleitung alleine die Reichweite der Friedenspflicht nicht in einer Weise konkret bestimmen, die für die Annahme einer verfassungsunmittelbaren Rechtspflicht erforderlich wäre176. So zeigt beispielsweise ein Blick in das einfache Gesetzesrecht, dass die staatliche Rechtsordnung kein umfassendes Gewaltverbot statuiert, dessen Kehrseite ein Monopol des Staates auf die Anwendung physischer Gewalt wäre177. Neben privatund strafrechtlichen Notwehr- und Selbsthilferechten (z. B. §§ 227–229, 859 f., 904 BGB, §§ 32, 34 StGB, § 127 StPO) ist hier etwa § 240 Abs. 2 StGB zu nennen, wonach die Anwendung von Gewalt und die Drohung mit einem empfindlichen Übel nur dann rechtswidrig sind, wenn sie zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen sind. Hier ist nicht ein generelles einfach-gesetzliches Gewaltverbot durch eine ausnahmsweise Zulassung, wie etwa bei den Notwehr- und Selbsthilferechten, durchbrochen, sondern von vorneherein nur ein Verbot „verwerflicher“ Gewalt bzw. Drohung statuiert, das als Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine einzelfallbezogene Abwägung kollidierender Rechtsgüter ebenso ermöglicht wie erforderlich macht178. Aus der Perspektive einer verfassungsunmittelbar und „vorgrundrechtlich“ verstandenen Friedenspflicht ließe sich dies schwerlich rechtfertigen, insbesondere deshalb, weil diese auf einer Erstreckung des Friedlichkeitsvorbehalts des Art. 8 Abs. 1 GG auf alle grundrechtlichen Gewährleistungen basiert179, die zur Folge 174 175

540. 176 177 178

293 f.

Vgl. auch D. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 102 f. Kritisch auch M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 81 IV 4. b) d), S. 537– So auch M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 81 IV 4. b) d), S. 539. Dazu auch Ch. Gusy, Rechtsgüterschutz, DÖV 1996, 573, 576. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 – 1 BvR 1190/90 u. a. – DÖV 2002, 292,

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181

hat, dass Anwendung von Gewalt durch Private schon dem Grunde nach keinen grundrechtlichen Schutz genießt. So wird formuliert: „Gewaltsame Grundrechtsausübung ist ein Widerspruch in sich“180. b) Grundrechtsgeltung nach Maßgabe der Friedenspflicht? Allerdings kann alleine die Begrenzung grundrechtlicher Schutzbereiche durch den Vorbehalt der Friedlichkeit nicht eine verfassungsunmittelbare Friedenspflicht begründen. Wie oben181 im Rahmen des Tatbestandsmodells erläutert, ergäbe sich daraus nur die (verfassungsrechtliche) Schutzlosigkeit unfriedlichen Verhaltens. Für die Annahme einer verfassungsimmanenten Friedenspflicht ist die Ausgrenzung der Gewalt aus dem Grundrechtsschutz folglich nur eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung. Damit aber ist die Kernfrage angesprochen, die zugespitzt lautet: Gelten die Grundrechte nur nach Maßgabe der Friedenspflicht182 oder gilt die Friedenspflicht nur nach Maßgabe der Grundrechte? Auch wenn man der verfassungstheoretischen Herleitung der Friedenspflicht nicht mehr entnehmen will als eine Grundentscheidung des Rechtsstaates, die erst nach Maßgabe der konkreten Verfassungsordnung in die Wirklichkeit umgesetzt wird, weist der Gedanke der Schutzbereichsreduktion zunächst ein hohes Maß an Plausibilität auf. Die Vorstellung eines „Grundrechts auf Töten, Stehlen, Rauben etc.“ wirkt, um das mindeste zu sagen, befremdlich. Den gewaltsamen Übergriff in den Rechtskreis des anderen unter den Schutz der Verfassung zu stellen und dadurch das einfach-gesetzliche Verbot solchen Tuns dem rechtsstaatlichen Rechtfertigungszwang zu unterwerfen, erscheint problematisch183. Dies nicht nur, weil damit auf Tatbestandsseite ein Freiheitsschutz postuliert wird, der „notwendig auf der Schrankenebene dementiert werden muss“184. Bedenken gegen eine umfassende Tatbestandsauslegung werden vor allem erhoben, weil die Weite der Garantie 179 J. Isensee, Friedenspflicht, in: Festschrift f. K. Eichenberger, S. 23, 31 f.; ders., Gewaltmonopol, in: Festschrift f. H. Sendler, S. 39, 58; ders., Grundrechtsvoraussetzungen, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 115 Rdnr. 114; K. Kröger, Friedenspflicht, JuS 1984, 172, 173; Th. I. Schmidt, Grundpflichten, S. 203 f.; W. Schmitt Glaeser, Privatgewalt, in: Festschrift f. G. Dürig, S. 91, 98. 180 W. Schmitt Glaeser, Privatgewalt, in: Festschrift f. G. Dürig, S. 91, 99. 181 § 8 A. III. 182 So J. Isensee, Grundrechtsvoraussetzungen, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 115 Rdnr. 114. 183 J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 111 Rdnr. 172; Ch. Starck, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 3 Rdnrn. 278 f.; vgl. auch M. Gellermann, Grundrechte, S. 221, 223. 184 J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 111 Rdnr. 174; gegen diesen Einwand der Unredlichkeit R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 294.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

auf eine unbegrenzte Güterabwägung hinauslaufe, die in Ermangelung gesicherter objektiver Bewertungsmaßstäbe der subjektiven Wertung der Abwägungsbeteiligten überantwortet werde185. Doch fällt es jenseits der „eindeutigen“ Fälle, in denen die mangelnde Schutzbedürftigkeit einer Handlungsweise evident und ihre Herausnahme aus der Freiheitsgewährleistung plausibel ist, schwer, das Postulat einer abwägungsfreien Tatbestandsauslegung einzulösen186. Die der Abwägung zugegebenermaßen immanente Subjektivität ist auch der Auslegung keineswegs fremd187. Das gilt zunächst für den Begriff der (physischen) Gewalt selbst, der den Umfang der tatbestandlichen Restriktion und den Gegenstand des verfassungsunmittelbar begründeten Verbots bezeichnet. Der konstruktiven Begründung nach geht das Gewaltverbot den Grundrechten voraus, körperliche Gewalt in privater Hand wird als an sich illegitimes Mittel verstanden188. Der unfriedliche Charakter ergebe sich alleine aus der Betrachtung des Täterverhaltens, ohne dass die Auswirkungen auf andere Rechtsgüter berücksichtigt werden müssten189. Doch genau dies ist nicht möglich. Das von Th. I. Schmidt190 angeführte Beispiel des „steinewerfenden Demonstranten“ ist nur deshalb auf den ersten Blick plausibel, weil gerade impliziert wird, dass der Steinwurf Leib, Leben oder Eigentum Dritter gefährdet. Allgemein gesprochen: Das Merkmal der Unfriedlichkeit lässt sich nicht „apriorisch“ bestimmen, sondern nur in Beziehung zu einer gefährdeten Schutzposition191. Ob Gewalt vorliegt oder nicht, „hängt

185 J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 111 Rdnr. 175; ders., Gewaltmonopol, in: Festschrift f. H. Sendler, S. 39, 57. 186 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 289 f. 187 Man kann auch weiter gehen und der „prekären“ Abwägung die Rechtfertigungsbedürftigkeit ihrer Ergebnisse als Pluspunkt einer „nur“ inhaltsermittelnden Auslegung gegenüber stellen, die dem Rechtsanwender in weit höherem Maße die Möglichkeit eröffnen, subjektive Wertungen und Vorverständnisse einfließen zu lassen, die sich nicht an der Wertigkeit evtl. gegenläufiger Interessen messen lassen müssen (für einen Vorrang der „Schranken“ vor den „Grenzen“ von Grundrechten deshalb auch M. Winkler, Kollisionen, S. 181 ff., 183 f.). Dass etwa Sitzdemonstrationen („Sitzblockaden“) oder kommunikationsstörender Lärm „Gewalt“ im Sinne des Friedlichkeitsvorbehalts sind (J. Isensee, Gewaltmonopol, in: Festschrift f. H. Sendler, S. 39, 62), ist keineswegs evident; wie hier auch M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 81 IV 4. b) d), S. 537 ff., 539; zu Sitzblockaden vgl. auch die Bewertung R. Herzogs, in: Th. Maunz/ G. Dürig, GG, Art. 8 (1987), Rdnr. 76 („ihrem Wesen nach weder gewalttätig noch aufrührerisch und damit auch nicht unfriedlich“). 188 J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, Rdnr. 102. 189 J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, Rdnr. 102; Th. I. Schmidt, Grundpflichten, S. 204. 190 Grundpflichten, S. 204. 191 So letzlich auch J. Isensee, Gewaltmonopol, in: Festschrift f. H. Sendler, S. 39, 61.

§ 8 Die Begründung von Rechtsgüterschutzpflichten

183

ab von der Beschaffenheit des Objekts, seiner Robustheit oder Empfindlichkeit, der Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit der Hinnahme einer Gefährdung“192. Diese Korrelation von gegenläufigen Rechtspositionen zeigt sich in gleicher Weise bei den anerkannten Ausnahmen vom Verbot privater Gewalt193, insbesondere beim rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB), der die Rechtfertigungswirkung vom Ergebnis der Abwägung der widerstreitenden Interessen abhängig macht. „Wenn aber die Ausnahme nicht abwägungsfrei bestimmt werden kann, dann folgt notwendig daraus, dass dies auch für die Regel nicht möglich ist“194. Damit ist aber die Notwendigkeit der Abwägung gegenläufiger Positionen nicht reduziert, sondern allenfalls von den Grundrechtsschranken auf den Grundrechtstatbestand verschoben. Dies aber verfehlt das erklärte Ziel der Verfechter einer verfassungsunmittelbaren Friedenspflicht und steht nicht im Einklang mit ihrer notwendigen Prämisse, das Gewaltverbot sei „apriorische Tatbestandsgrenze“195. Schließlich fehlt es für die Annahme einer verfassungsunmittelbar statuierten Grundpflicht an der notwendigen textlichen Verankerung im Grundgesetz selbst. Dass ein Verbot privater Gewalt grundsätzlich legitimierbar ist, lässt das Erfordernis seiner Normierung nicht entfallen. Die argumentative Tragfähigkeit des Verweises auf den Friedlichkeitsvorbehalt des Art. 8 Abs. 1 GG, auch wenn man einer Erstreckung auf alle Grundrechtsgewährleistungen das Wort redet196, ist durchaus begrenzt. Denn dieser begründet als solcher keine Pflicht zum Unterlassen unfriedlichen Verhaltens, sondern nimmt lediglich unfriedliche Versammlungen vom grundrechtlichen Schutz aus197.

192

J. Isensee, Gewaltmonopol, in: Festschrift f. H. Sendler, S. 39, 61. J. Isensee, Gewaltmonopol, in: Festschrift f. H. Sendler, S. 39, 52; W. Schmitt Glaeser, Privatgewalt, in: Festschrift f. G. Dürig, S. 91, 98 mit Fußn. 31. 194 O. Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 94. 195 Begriff bei J. Isensee, Gewaltmonopol, in: Festschrift f. H. Sendler, S. 39, 59. – Wie hier auch R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 290; O. Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 92. 196 Dagegen aber zu Recht M. Winkler, Kollisionen, S. 191 f., mit dem Hinweis, dies liefe auf einen allgemeinen einfachen Gesetzesvorbehalt hinaus (S. 192). 197 Nach überwiegender Ansicht stellt dies eine Begrenzung des Schutzbereichs dar, vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.5.85 – 1 BvR 233/81 u. a. – BVerfGE 69, 315, 360; Urt. v. 11.11.86 – 1 BvR 713/83 u. a. – BVerfGE 73, 206, 248; Beschl. v. 24.10.2001 – 1 BvR 1190/90 u. a. – DÖV 2002, 292, 293; R. Herzog, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 8 (1987), Rdnr. 69; Ph. Kunig, in: I. v. Münch/Ph. Kunig, GGK I, Art. 8 Rdnr. 22; I. v. Münch, ebd., Vorb. Art. 1–19, Rdnr. 49; B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte, Rdnr. 696; nach der Gegenansicht ist der Friedlichkeitsvorbehalt der Schrankenebene zuzuordnen, vgl. R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 259 f.; A. v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 114. 193

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

c) Fazit Aus diesen Überlegungen folgt, dass sich Inhalt und Umfang der Friedenspflicht nicht aus einem (vor)verfassungsrechtlichen Verbot privater Gewalt und damit korrelierend aus einem materiell fixierten Begriff des staatlichen Gewaltmonopols ergeben198, sondern nach Maßgabe der konkreten verfassungsmäßigen Ordnung bestimmt werden müssen. Sie unterliegt deshalb den formellen und materiellen Bedingungen, die das Grundgesetz an die Auflösung von grundrechtlichen Kollisionslagen stellt. Sie ist aus diesem Grunde nicht eine verfassungsunmittelbar begründete Pflicht, sondern bedarf zu ihrer Aktualisierung des Mediums des Gesetzes. 2. Die allgemeine Nichtstörungspflicht Beinhaltet die Friedenspflicht die Verpflichtung zum Schutz von Rechtsgütern vor gewaltsamen Übergriffen, so greift die allgemeine Nichtstörungspflicht darüber hinaus und zielt generell auf die Wahrung der Integrität fundamentaler Rechtsgüter der Allgemeinheit und der Individuen199. Sie wird teilweise mit der allgemeinen Polizeipflicht identifiziert200 und inhaltlich als Pflicht verstanden, die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht zu stören201. In ihr kommt der Gedanke der gleichen Freiheit aller im sozialen Rechtsstaat in allgemeinster Form zum Ausdruck. Ihren normativen Niederschlag hat diese Grundpflicht vor allem in der Schranken-Trias des Art. 2 Abs. 1 GG gefunden202. Schon hieraus ergibt sich, dass die allgemeine Nichtstörungspflicht nicht als verfassungsunmittelbare Grundpflicht angesehen werden kann203. Die gegentei198 Vgl. auch die formelle (Re-)Konstruktion des staatlichen Gewaltmonopols bei Ch. Gusy, Rechtsgüterschutz, DÖV 1996, 573, 576: Danach muss der Staat berechtigt sein, über Legitimität bzw. Illegitimität von Gewalt selbst zu entscheiden, über den Umfang der legitimen Gewalt zu bestimmen und in der Lage sein, illegitime Gewaltausübung mit eigenen Mitteln zu verhindern. 199 O. Luchterhandt, Grundpflichten, S. 469. 200 W. Merk, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 58 II a) 2), S. 1588; teilweise auch O. Luchterhandt, Grundpflichten, S. 469; vgl. ferner J. Pietzcker, Polizeirechtliche Störerbestimmung, DVBl. 1984, 457, 458; sowie M. Griesbeck, Materielle Polizeipflicht, S. 88 f., 97 f., der allerdings unter Polizeipflicht eine Gefahrenabwehrpflicht versteht. 201 G. Dürig, Generalermächtigung, AöR 79 (1953/54), 57, 79, 80; ders., in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 (1958), Rdnr. 22. 202 G. Dürig, in: Th. Maunz/G. Dürig, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 22; ders., Generalermächtigung, AöR 79 (1953/54), 57, 65 ff.; K. Stern, Staatsrecht III/2, § 88 IV 3. c) g), S. 1065 – demgegenüber bezweifelt Th. I. Schmidt, Grundpflichten, S. 283 f., den Grundpflichtencharakter. 203 Anders aber G. Dürig, Generalermächtigung, AöR 79 (1953/54), 57, 77 ff.; ders., in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 (1958), Rdnrn. 79 f.; K. Stern, Staatsrecht III/2, § 88 IV 3. c) x) S. 1065.

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lige Ansicht muss von der schon von Otto Mayer204 aufgestellten Prämisse ausgehen, es gehöre „von vornherein nicht zur Freiheit des Einzelnen, daß er auch die gute Ordnung des Gemeinwesens, in das er hineingestellt ist, durch sein Verhalten stören dürfe; jeder (habe) vielmehr die gesellschaftliche Pflicht, solche Störungen zu unterlassen“205. Jedenfalls unter der Geltung des Grundgesetzes kann jedoch von einer in der Verfassung selbst verankerten Verpflichtung auf die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung keine Rede sein206. Insbesondere kann keine ohne einfach-gesetzliche Vermittlung wirksame immanente Begrenzung grundrechtlicher Schutzbereiche durch Rechtsgüter Dritter angenommen werden, da die Grundrechtsnormen im Verhältnis der Grundrechtsträger untereinander keine unmittelbar verpflichtende Wirkung erzeugen207. Die in Art. 2 Abs. 1 GG genannten „Rechte anderer“ gehen in der Schranke der „verfassungsmäßigen Ordnung“ vollständig auf208 und kommen deshalb nur auf der Grundlage des einfachen Gesetzes zum Tragen. 3. Die besondere Nichtstörungspflicht des Eigentümers Unter den wenigen Regelungen des Grundgesetzes, in denen der Begriff der Pflicht verwendet wird, ist Art. 14 Abs. 2 S. 1 – Eigentum verpflichtet – in seiner sprachlichen Dichte und Knappheit eines der rätselhaftesten Gebote, die das Grundgesetz kennt. Die Bestimmung enthält sich bereits einer Aussage darüber, wen das Eigentum verpflichtet. Der nahe liegende Gedanke, dass die Norm (jedenfalls auch) an den Eigentümer adressiert ist209, wird vorderhand durch Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG gestützt, der seiner Entstehungsgeschichte nach als Erläuterung der Sozialpflichtigkeit verstanden wurde210. Doch fällt daran auf, dass diese Präzisierung nur als Soll-Vorschrift ausgestaltet ist211. Das mag 204

Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, S. 207. O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, S. 207; im Anschluß daran G. Dürig, Generalermächtigung, AöR 79 (1953/54), 57, 78; vgl. auch W. Merk, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 58 II a) 2), S. 1588. 206 Vgl. auch M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 81 IV 4. b) x), S. 536 f.; anders K. Stern, ebd., § 88 III 3. d) d), S. 1028: „Insofern ist jeder Grundrechtsberechtigte in Pflicht genommen, Verfassungsrechtsgüter nicht zu verletzen“. 207 W. Frenz, Verursacherprinzip, S. 129; vgl. auch K. Stern, Staatsrecht III/2, § 88 III 3. d) d), S. 1028; zum Problem näher unten § 9 A. 208 H. Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Art. 2 I Rdnr. 37. 209 B.-O. Bryde, in: I. v. Münch/Ph. Kunig, GGK I, Art. 14 Rdnr. 69; H. Hofmann, Grundpflichten, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 114 Rdnr. 18; O. Kimminich, in: R. Dolzer/K. Vogel/K. Graßhof, BK, Art. 14 (1992), Rdnr. 154; Ch. Pestalozza, Eigentum verpflichtet, NJW 1982, 2169, 2170. 210 K.-B. v. Doemming/R. W. Füsslein/W. Matz, Entstehungsgeschichte, JöR N. F. 1 (1951), 147; V. Götz, Grundpflichten, VVDStRL 41 (1983), 7, 33 m. Fußn. 113; O. Kimminich, in: R. Dolzer/K. Vogel/K. Graßhof, BK, Art. 14 (1992) Rdnr. 162, F. K. Kübler, Eigentum verpflichtet, AcP 159 (1960/61), 236, 241. 205

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seinen Grund darin haben, dass eine Gemeinwohlbindung des Eigentums und seiner Nutzung nicht bei jedem Gegenstand des Eigentumsrechts denkbar ist, sondern vorrangig dem Eigentum der Boden- und Wirtschaftsordnung zugeordnet ist212. Allerdings bleibt dabei zusätzlich offen, wozu das Eigentum verpflichten soll213. Dennoch wird Art. 14 Abs. 2 GG verbreitet als Grundpflichtennorm mit unmittelbar verpflichtender Wirkung für den Eigentümer betrachtet214. Zuweilen wird die Sozialpflichtigkeit gar in einem ganzen Bündel von Pflichten entfaltet215, die dem Eigentümer schon von Verfassungs wegen obliegen sollen. Unter dem Aspekt der Rechtsgüterschutzpflichten kommt hier vor allem dasjenige in den Blick, was in kleinerer – nämlich verwaltungsrechtlicher – Münze als Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers bezeichnet wird. Danach soll Art. 14 Abs. 2 GG den Eigentümer dazu verpflichten, dafür Sorge zu tragen, dass sein Eigentum in polizeimäßigem Zustand ist216. Der schon bei der allgemeinen Nichtstörungspflicht grundlegende Gedanke, die Gemeinschaftsgebundenheit des Menschen bedinge die Verpflichtung, sich gefährdender, störender oder schädigender Übergriffe auf Rechtsgüter anderer zu enthalten, findet so in der besonderen Nichtstörungspflicht des Eigentümers als immanenter Sozialbindung217 einen weiteren Anwendungsfall. Doch ebenso wie dort fehlt es hier an einer Positivierung in der Verfassung. Schon der textliche Befund bleibt defi211 Das spricht nach A. Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr, S. 80, gegen die Annahme einer in Art. 14 Abs. 2 GG statuierten Rechtspflicht. 212 V. Götz, Grundpflichten, VVDStRL 41 (1983), 7, 32; dagegen O. Kimminich, in: R. Dolzer/K. Vogel/K. Graßhof, BK, Art. 14 (1992), Rdnr. 152. 213 Vgl. A. Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr, S. 80; M. Griesbeck, Materielle Polizeipflicht, S. 69; J. Isensee, Grundpflichten, DÖV 1982, 609, 613; K. Stern, Staatsrecht III/2, § 88 III 4. c), S. 1044. 214 B.-O. Bryde, in: I. v. Münch/Ph. Kunig, GGK I, Art. 14 Rdnr. 69; H. Hofmann, Grundpflichten, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 114 Rdnr. 18; O. Kimminich, in: R. Dolzer/K. Vogel/K. Graßhof, BK, Art. 14 (1992), Rdnr. 154; J. Wieland, in: H. Dreier, GG Bd. I, Art. 14 Rdnr. 82; einschränkend E. Gassner, Situationsgebundenheit, NVwZ 1982, 165, 167; W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. VI, § 149 Rdnr. 140; für privatrechtliche Geltung F. K. Kübler, Eigentum verpflichtet, AcP 159 (1960/61), 236, 260 ff. 215 K. Nüßgens/K. Boujong, Eigentum, Rdnr. 141 („Gebrauchs-, Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen“); vgl. auch O. Luchterhandt, Grundpflichten, S. 517; zur Steuerpflicht als (auch) auf Art. 14 Abs. 2 GG gestützte Grundpflicht vgl. v. a. P. Kirchhof, Steuergerechtigkeit, JZ 1982, 305, 307; kritisch dazu etwa M. Rodi, Rechtfertigung von Steuern, S. 158–161. 216 G. Dürig, Generalermächtigung, AöR 79 (1953/54), 57, 79; H. Quaritsch, Eigentum und Polizei, DVBl. 1959, 455, 458; J. Wieland, in: H. Dreier, GG Bd. I, Art. 14 Rdnr. 83; vgl. auch Ch. Pestalozza, Eigentum verpflichtet, NJW 1982, 2169, der hinsichtlich dieser Pflicht allerdings das Erfordernis der gesetzlichen Konkretisierung anerkennt (a. a. O., S. 2170); ferner E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/ E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnr. 60: „Die Polizeipflicht aktualisiert insoweit die Sozialbindung des Eigentums, Art. 14 II GG“. 217 Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 17.11.66 – 1 BvL 10/61 – BVerfGE 20, 356, 361.

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zitär. Auch dogmatisch vermag die Annahme einer so weitreichenden verfassungsunmittelbaren Grundpflicht nicht zu überzeugen. Sieht man einmal von der Tatsache ab, dass eine „Zustandsstörerhaftung“, die auch durch höhere Gewalt und Verhalten Dritter ausgelöst wird, nach dem Grundsatz ultra posse nemo obligatur nicht als Folge der Verletzung einer Rechtspflicht begreifbar ist218, stünde unter der Prämisse einer so verstandenen immanenten Sozialpflichtigkeit des Eigentums die Verfassungsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG unter dem Vorbehalt der – einfachgesetzlichen – Polizeirechtsordnung. Deren Schutzgütern käme ein genereller Vorrang vor der grundrechtlichen Eigentumsgewährleistung zu, der sachlich nicht zu begründen219 und vor dem Hintergrund des Regelungsauftrags des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, der dem Gesetzgeber die Aufgabe zuweist, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, nicht plausibel ist220. Schon hieraus ergibt sich, dass auch die inhaltliche Konkretisierung dessen, was das Wohl der Allgemeinheit jeweils bedeutet, der Legislative zugewiesen ist221. Art und Maß der Sozialbindung, das folgt aus diesen Erwägungen, können nicht aus der Verfassung selbst gewonnen werden, sondern bedürfen der konstitutiven gesetzlichen Bestimmung. Art. 14 Abs. 2 GG kann insoweit als Direktive an den Gesetzgeber betrachtet werden, bei der Ausgestaltung der Eigentumsordnung222 „die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen“223. Eine verfassungsunmittelbare Grundpflicht wird dagegen von dieser Norm nicht begründet. III. Fazit und Ausblick: Rechtsgüterschutz- und Rechtsgehorsamspflicht Auch bei Anerkennung von Grundpflichten als verfassungsrechtlicher Kategorie fällt der Ertrag, jedenfalls im Hinblick auf Rechtsgüterschutzpflichten, eher gering aus. Das Grundgesetz selbst begründet solche Pflichten – sieht man 218

H. H. Rupp, Grundfragen, S. 230 (Fußn. 405). Vgl. auch K. H. Friauf, Problematik des Rechtsgrundes, in: Festschrift f. G. Wacke, S. 293, 300 f. 220 Vgl. auch M. Gellermann, Grundrechte, S. 105; J. Rozek, Unterscheidung, S. 67 mit dem Hinweis auf die Funktionentrennung zwischen Legislative einerseits, Judikative andererseits. 221 Vgl. auch M. Gellermann, Grundrechte, S. 105. 222 Zum Verhältnis von Eigentumsrecht und Eigentümerpflicht vgl. noch unten § 9 B. III. 3. 223 BVerfG, Beschl. v. 2.3.1999 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226, 240; vgl. ferner Beschl. v. 12.6.79 – 1 BvL 19/76 – BVerfGE 52, 1, 29; Urt. v. 10.3.81 – 1 BvR 92/71 u. a. – BVerfGE 56, 249, 260; Beschl. v. 14.7.81 – 1 BvL 24/78 – BVerfGE 58, 137, 151; O. Depenheuer, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, GG, Bd. 1, Art. 14 Rdnr. 206 f.; H.-J. Papier, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 14 (2002), Rdnr. 306; Th. Schönfeld, Eigentumseingriff, BayVBl. 1996, 673, 675. 219

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von der Friedenspflicht nach außen ab – nicht unmittelbar. Zu ihrer Entstehung bedarf es vielmehr eines besonderen formalen Begründungsaktes unterverfassungsrechtlichen Ranges, sei es in Form eines Gesetzes, sei es als Einzelakt, der aber – schon wegen der belastenden Wirkung – auf einer gesetzlichen Grundlage ergehen muss; insoweit gilt, sofern nicht ohnehin besondere grundrechtliche Gesetzesvorbehalte eingreifen224, jedenfalls der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes225. Die aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten abzuleitende Notwendigkeit, die Rechtssphären Einzelner durch die Begründung von Rechtsgüterschutzpflichten abzugrenzen, trifft deshalb unmittelbar zunächst den Gesetzgeber. Aus der Qualifizierung solcher auf einfachem Recht basierenden Pflichten als Grundpflichten ergeben sich indes keine Folgerungen, die nicht auch ohne sie zu ziehen wären. Der Verweis auf das einfache Gesetz lenkt den Blick auf eine weitere Grundpflicht, die allerdings nur formalen Charakter besitzt: Die allgemeine Rechtsgehorsamspflicht, in der alle Rechtsgüterschutzpflichten des Bürgers aufgehen226 und die als solche unbestrittene Voraussetzung der rechtsstaatlichen Demokratie ist227. Sie wird deshalb auch als „Apriori des modernen Staates schlechthin“228 bezeichnet. Dem kann zugestimmt werden, wenn damit nicht mehr gemeint sein soll, als dass den verfassungsmäßigen Entscheidungen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers Folge zu leisten ist. Über die Maßstäbe der Verfassungsmäßigkeit und damit die Reichweite der Gesetzesgehorsamspflicht ist damit freilich noch nichts ausgesagt. Dem ist im Folgenden nachzugehen.

§ 9 Die Grundrechtsrelevanz der Pflicht Ge- und Verbote als Instrumente direkter Verhaltenssteuerung besitzen grundrechtliche Relevanz, wenn und soweit die jeweils betroffene Verhaltensmöglichkeit unter grundrechtlichem Schutz steht. Als Maßstab imperativer Regelungen scheiden dagegen diejenigen Grundrechte aus, durch die andere Rechtsgüter vor staatlicher Einwirkung geschützt werden. Die Vielfalt grundrechtlicher Schutzgüter kann in drei Grundkategorien erfasst werden229. So werden durch die Freiheitsrechte in erster Linie natürliche

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Zur Grundrechtsrelevanz der Pflicht s. sogleich. Vgl. H.-U. Erichsen, Allgemeine Handlungsfreiheit, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 51; J. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 31. 226 Vgl. auch M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 79 IV 3. d) b) aa), S. 331. 227 J. Isensee, Grundpflichten, DÖV 1982, 609, 612; K. Stern, Staatsrecht III/2, § 88 III 3. d) b), S. 1027; nach R. Stober, Grundpflichten und Grundgesetz, S. 30 f., ist sie aus dem Begriff der „verfassungsmäßigen Ordnung“ in Art. 2 Abs. 1 GG abzuleiten. 228 H. Bethge, JA 1985, 249, 256. 225

§ 9 Die Grundrechtsrelevanz der Pflicht

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Handlungsmöglichkeiten des Menschen geschützt, die ihm als solchem eigen sind und von der Rechtsordnung nicht erst verliehen werden (können und) müssen. Andere Grundrechte schützen bestimmte Eigenschaften oder Situationen als Elemente der natürlichen Persönlichkeit der Grundrechtsträger230: Menschenwürde, Leben und körperliche Unversehrtheit bilden als Lebensgüter deren materielle Basis, die ergänzt wird durch die Privatsphäre231 als Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und besonderer, einzelne Aspekte desselben herausgreifender232 Grundrechte233. Schließlich können durch Grundrechte auch Rechte geschützt werden, wie dies insbesondere beim Eigentumsgrundrecht der Fall ist234. Nach dieser Grobgliederung sind Pflichtenbegründungen in erster Linie an den Freiheitsrechten (im engeren Sinne) zu messen, die in ihrer weitesten Fassung mit der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) grundsätzlich jedwedes menschliche Verhalten tatbestandlich erfassen. Lebensgüter und Privatsphäre scheiden hingegen als Maßstab prinzipiell aus, weil sie keinen Verhaltensbezug aufweisen, der durch Verpflichtungen unmittelbar tangiert werden könnte. Angesichts der gebräuchlichen Einteilung von Verhaltensmöglichkeiten in Tun, Dulden und Unterlassen mag es indes so scheinen, als seien imperative Einwirkungen auf diese Schutzgüter durch die Auferlegung von Duldungspflichten möglich. Es entspricht sogar der überkommenen Dogmatik des Polizeirechts, dass faktische Beeinträchtigungen solcher Rechtsgüter (etwa im Rahmen von unmittelbarer Ausführung, Sofortvollzug bzw. unmittelbarem Zwang) durch (konkludente) Duldungsanordnungen flankiert sein können und ihre Hinnahme dem Betroffenen dadurch verpflichtend aufgegeben sei235. Zu welch be229 J. Ipsen, Gesetzliche Einwirkungen, JZ 1997, 473, 477; M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 66 II 2–4, S. 624 ff.; vgl. ferner R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 174; M. Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 170 ff., 173 ff., erweitert dies um die Kategorien „Grundrechtsgüter mit überindividuellem Bezug“ sowie Gleichheitsrechte. 230 M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 66 II 3, S. 644. 231 Begriffe nach J. Ipsen, Gesetzliche Einwirkungen, JZ 1997, 473, 477. 232 Vgl. dazu auch J. Lücke, Die spezifischen Schranken, DÖV 2002, 93, 99 ff., mit dem Vorschlag, die Schrankenregelungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf diejenigen vorbehaltlos gewährten Grundrechte analog anzuwenden, die besondere Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen. 233 Etwa das Briefgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG); die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG); vgl. dazu ausführlich M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 66 II 3. d), S. 649 ff. 234 Dazu unten § 9 B. 235 BVerwG, Urt. v. 9.2.1967 – 1 C 49/64 – BVerwGE 26, 161, 164; E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 199; V. Götz, Rechtsschutz, JuS 1985, 869; F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 364; E. Rasch, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 5a MEPolG, Rdnr. 4; ders., Realakt, DVBl. 1992, 207, 210; K. Vogel, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 25 7 a), S. 439 f., § 28 3 b) g), S. 530 f.

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denklichen Folgerungen allerdings die Annahme einer solchen Duldungspflicht führt, hat etwa F. Rachor am Beispiel der zwangsweisen Durchsetzung polizeilicher Platzverweise durch den Einsatz von Schlagstöcken aufgezeigt236: Der Betroffene, der zur Duldung der Schläge verpflichtet wäre, dürfte sich nicht gegen sie schützen oder ihnen ausweichen und somit auch dem Platzverweis nicht Folge leisten. Ein solch ausgreifender Begriff der Duldungspflicht stiftet mehr Schaden als Nutzen, da er faktischen Zwang zur rechtlichen Pflicht erhöht. Tatsächlich ist aber diese Lehre in ihrem Ursprung nicht von Überlegungen zu Rechtspflichten geprägt, sondern entstammt einer Zeit, da Rechtsschutz nur gegen polizeiliche Verfügungen gewährt wurde237. Zugunsten des betroffenen Bürgers wurde deshalb der in der Zwangsanwendung liegende Verwaltungsakt „nötigenfalls erdichtet“238. Mittlerweile ist ein praktisches Bedürfnis für derartige Verformungen der Handlungsformenlehre entfallen239, da nach geltendem Recht weder die Rechtsschutzgewährleistung an sich noch die Art des Rechtsschutzes240 entscheidend von der Qualifizerung staatlicher Zwangsanwendung als Verwaltungsakt abhängt. Damit aber entfällt auch die Basis für die Annahme von so weit gehenden Rechtspflichten. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass unter dem Begriff der Duldungspflicht unterschiedliche Konstellationen staatlicher oder privater Einwirkungen auf grundrechtlich geschützte Rechtsgüter erfasst werden241. Sie bezeichnet zum einen das Fehlen eines grundrechtlichen Abwehrrechts beispielsweise gegen die Ausübung einer gesetzlichen Eingriffsermächtigung242; zum

236 F. Rachor, Polizeihandeln, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, F, Rdnr. 45 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 9.2.1967 – 1 C 49/64 – BVerwGE 26, 161 ff. („Schwabinger Krawalle“); vgl. auch B. Pieroth/B. Schlink/M. Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 23 Rdnr. 41. 237 Vgl. R. Pietzner, Unmittelbare Ausführung, VerwArch 82 (1991), 291, 296 ff. 238 So die bekannte Formulierung O. Mayers, Deutsches Verwaltungsrecht I, S. 97 Fußn. 9. 239 F. Rachor, Polizeihandeln, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, F, Rdnr. 44; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, II, Rdnr. 307; F. Schoch, Grundfälle, JuS 1995, 215, 218; K. Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 820. 240 So ist nach einer im Vordringen begriffenen Meinung bei (vorprozessual) erledigten Verwaltungsakten ebenso wie bei Realakten die allgemeine Feststellungsklage statthaft; vgl. neben den Erwägungen des BVerwG, Urt. v. 14.7.1999 – 6 C 7/98 – BVerwGE 109, 203, 208 f., R. Lange, Fortsetzungsfeststellungsklage, SächsVBl. 2002, 53 ff.; S. Lascho, Erledigung des Verwaltungsakts, S. 416 ff.; M. Wehr, Abschied von der Fortsetzungsfeststellungsklage, DVBl. 2001, 785, 787 ff. m. w. N.; ablehnend aber z. B. H. Sodan/S. Kluckert, Verwaltungsprozessuale Feststellungsfähigkeit, VerwArch 94 (2003), 3, 20 f. 241 Vgl. auch Th. Koch, Grundrechtsschutz, S. 181 ff. 242 Etwa behördliche Betretungsrechte, vgl. als Beispiel § 17 Abs. 2 HwO: Hier ist neben der Betretungsbefugnis (S. 1) auch noch die Duldungspflicht (S. 2) normiert, was aber nur deklaratorisch sein kann, da nicht zugleich die Befugnis der Behörde

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anderen, unabhängig vom Bestehen eines solchen Abwehrrechts243, die Pflicht zur Hinnahme privater Einwirkungen aufgrund einer Einzelfallanordnung („Duldungsverfügung“)244, oder schließlich das Verbot privater Selbsthilfe nach § 113 StGB bzw. außerhalb des Anwendungsbereichs der zivil- oder strafrechtlichen Notwehr- oder Notstandsregelungen. Die fraglichen Konstellationen lassen sich dogmatisch in der Rechtsfigur des Grundrechtseingriffs hinreichend erfassen. Im übrigen kann der Begriff des Duldens verstanden werden als „das Tun eines anderen nicht hindern oder abwehren“245 und ist somit letztlich nur ein Unterfall des Unterlassens246, also wiederum verhaltensbezogen und nur im Hinblick auf diejenigen Grundrechte von Bedeutung, die ihrerseits Handlungsmöglichkeiten schützen. Pflichten können neben grundrechtlich geschützten Handlungsmöglichkeiten auch Rechte als Schutzgüter von Grundrechten betreffen, und zwar dann, wenn Gegenstand dieser Rechte wiederum Handlungsmöglichkeiten sind. Im Unterschied zu den vorgenannten Schutzgütern, die als Fähigkeiten, Eigenschaften oder Situationen von Grundrechtsträgern in dem Sinne vorstaatlich sind, dass sie von der Rechtsordnung vorgefunden und als Rechtsgüter anerkannt werden, bedürfen Rechte der normativen Begründung durch die Rechtsordnung. Daraus resultiert eine konstruktive Besonderheit, die darin besteht, dass Ge- und Verbote Rechte als Schutzgüter nicht nur beschränken, sondern auch in ihrem Umfang erst definieren können. Das erfordert eine gesonderte Betrachtung über das Verhältnis solcher Grundrechte zu Pflichten247. Zuvor ist jedoch die Reichweite der Handlungsmöglichkeiten schützenden Grundrechte zu thematisieren.

A. Die Reichweite der Freiheitsrechte Die Statuierung von an Private adressierten Ge- oder Verboten durch Gesetz oder aufgrund gesetzlicher Ermächtigung enthält auf den ersten Blick alle Merkmale des „klassischen“ Eingriffsbegriffs: Imperativität, Finalität und Unmittelbarkeit248. Das Ge- oder Verbot reduziert nach herkömmlicher Lesart249 und ein Weigerungsrecht des Betroffenen bestehen kann; vgl. auch R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 256. 243 Diese Duldungspflicht beruht auf der Wirksamkeit von Verwaltungsakten und kann deshalb sowohl bei rechtmäßigen wie bei rechtswidrigen Anordnungen Platz greifen; im letzten Fall besteht sie trotz der Existenz eines Abwehrrechts. 244 Dazu H. v. Kalm, Duldungsverfügung, DÖV 1996, 463 ff. 245 H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 40 Rdnr. 4. 246 J. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 15; P. Stelkens/U. Stelkens, in: P. Stelkens/ H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 36 Rdnr. 27. 247 Dazu unten § 9 B. 248 Vgl. M. Sachs, Grundrechtsbeeinträchtigungen, JuS 1995, 303. 249 Vgl. dazu die unten § 10 A. II. angestellten Überlegungen.

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als staatliche Pflichtenbegründung die Verhaltensfreiheit gezielt und unmittelbar250. Diese ist deshalb grundsätzlich an den Maßstäben zu messen, die das Grundgesetz für staatliche Eingriffe in das jeweils betroffene Grundrecht aufstellt. Der Eingriffsbegriff aber kann nicht bestimmen, ob ein Grundrecht negativ betroffen ist, sondern fungiert nur als Zurechnungsmoment, das die „Prozedur der Rechtfertigung“251 in Gang setzt, wenn dies der Fall ist. Der gesetzliche (oder aufgrund Gesetzes ergehende) Befehl ist nicht bereits kraft der Imperativität ein Eingriff, sondern nur unter der Voraussetzung, dass die betroffene Verhaltensfreiheit überhaupt grundrechtlichen Schutz genießt. Das scheint zunächst angesichts der umfassenden Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit im Staat-Bürger-Verhältnis keine besonderen Probleme aufzuwerfen. Doch bewegt sich die Problematik von Rechtsgüterschutzpflichten Privater nicht alleine in diesem zweipoligen Verhältnis, sondern bezieht den durch die Pflicht Begünstigten als Träger des Schutzguts mit ein. Die Annahme, dieses „Dreiecksverhältnis“ unterscheide sich fundamental von der rein abwehrrechtlichen Staat-Bürger-Konstellation252 ist verbreitet253, wenngleich die Ansätze und die Vorschläge zur dogmatischen Bewältigung dieser (vorgeblichen?) Besonderheit durchaus unterschiedlich sind254. Das mag auch daran liegen, dass die Thematik, um die es hier geht, eine Schnittmenge aus einer Fülle von drängenden Problemen des öffentlichen Rechts insgesamt bildet, die untereinander gerade durch das Merkmal der „Multipolarität“ verbunden sind. Als Stichworte sollen an dieser Stelle nur die Begriffe „Grundrechtskollision“, „Grundrechtliche Schutzpflichten“, „Drittwirkung der Grundrechte“, „Grundrechte und Privatrecht“255 sowie – als verwaltungsrechtlicher Aspekt – das „subjektiv-öffentliche Recht“ genannt werden. Auch wenn manche dieser Begriffe (teil-)synonym sind (so wird der Zusammenhang zwischen den Fragen der Drittwirkung und der Grundrechtsgeltung im Privatrecht und der Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten immer häufiger hervorgehoben256), ist damit doch die Komplexität der Fragestellung angedeutet. 250 Die Merkmale der Finalität und der Unmittelbarkeit gehen nach M. Sachs, Grundrechtsbeeinträchtigungen, JuS 1995, 303, 304, deshalb in der Imperativität auf. 251 J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 111 Rdnr. 69. 252 So Ch. Brüning, Grundrechtlicher Schutzanspruch, JuS 2000, 955, 956. 253 Vgl. etwa M. Gellermann, Grundrechte, z. B. S. 213, 218; P. Preu, Freiheitsgefährdung, JZ 1991, 265, 267. 254 Dazu sogleich I. sowie unten § 10 C. 255 Überblick über das Verhältnis der genannten Problembereiche zueinander bei L. Martins, Grundrechtskollision, S. 31–63. 256 C.-W. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201, 225 ff.; ders., Grundrechte und Privatrecht, z. B. S. 38; H. D. Jarass, Grundrechtsdogmatik, AöR 120 (1995), 345, 352 f.; H. H. Klein, Grundrechtliche Schutzpflicht, DVBl. 1994, 489, 492; M. Oldiges, Grundrechtsgeltung im Privatrecht, in: Festschrift f. K. H. Friauf, S. 281, 299 ff.; Ch. Starck, Grundrechte, JuS 1981, 237, 244 f.; ders., Verfas-

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I. Rechte Dritter als „immanente“ Schutzbereichsbegrenzung Die (öffentlich-)rechtliche Auflösung grundrechtlich radizierter Konfliktlagen zwischen Grundrechtsträgern kann – den drei Modellen der Pflichtenbegründung entsprechend257 – theoretisch auf jeder normativen Ebene bis hinunter zur exekutiven oder judikativen Einzelfallentscheidung erfolgen. Die – dem Pflichtenmodell folgenden – Ansätze zu einer Begründung verfassungsunmittelbarer, den Grundrechten gleichrangiger und ihren Gewährleistungsgehalt begrenzender Grundpflichten konnten, wie gesehen, nicht überzeugen. Der maßgebliche Grund hierfür war das Fehlen entsprechender Verpflichtungsnormen im Grundgesetz selbst. Damit ist aber nur eine Seite dieser Position verworfen – die Pflichtenbegründung unmittelbar durch die Verfassung. Die andere Seite hingegen – die Reduzierung der Reichweite grundrechtlicher Garantien – ist davon zunächst unberührt. Sie entspricht dem Tatbestandsmodell, nach welchem die Rechtsgüter anderer zwar keine verfassungsunmittelbare verpflichtende, jedoch den Schutzbereich der Grundrechte begrenzende Wirkung besitzen. Im Rahmen verschiedener „Immanenzlehren“ werden oder wurden in unterschiedlichem Umfang derartige Positionen zu begründen versucht258, deren Hauptargument letztlich stets in der unabweisbaren – auch den oben genannten Grundpflichtenpositionen zugrunde liegenden – Forderung nach der Wahrung eines Mindestmaßes an gegenseitiger Rücksichtnahme besteht, die unerläßlich ist, um ein gedeihliches Zusammenleben der Menschen erst zu ermöglichen. 1. Strafbewehrte „sozialschädliche“ Handlungen In einer abgeschwächten (und argumentativ weniger auf den individuellen Rechtsgüterschutz als auf die Sozialverträglichkeit bezogenen) Form werden dabei Verhaltensweisen aus dem Grundrechtsschutz ausgenommen, die offensichtlich sozialschädlich und strafbewehrt sind259. Die den entsprechenden Straftatbeständen zugrunde liegenden Verbotsnormen stellen deshalb keine Einschränkung eines Grundrechts dar, sondern besitzen vielmehr „eine allgemeine Sperrwirkung gegenüber jeglicher Grundrechtsausübung“260. Damit wird allerdings ein höchst unsicheres Kriterium zur Begrenzung der grundrechtlichen sungsauslegung, S. 66–68; K. Stern, Staatsrecht III/1, § 76 III 4. b), S. 1560 f., IV 5, S. 1572 ff.; P. Unruh, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 71–73; a. A. J. Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 35. 257 Oben § 8 A. II. 258 Überblick und Kritik bei M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 81 IV 4, S. 528 ff.; ferner A. v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 68 ff. 259 G. Dürig, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 (1958), Rdnr. 76; Ch. Starck, Grundrechte, JuS 1981, 237, 245 f.; ders., in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 3, Rdnr. 279. 260 So G. Dürig, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 (1958), Rdnr. 76.

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Schutzbereiche herangezogen. Die Strafbewehrung selbst gibt dafür keinen Maßstab ab, da sonst der Gesetzgeber durch die Schaffung neuer Straftatbestände über die immanenten Begrenzungen der Grundrechte entscheiden könnte261. Ob stattdessen die Sozialschädlichkeit einer unter Strafe stehenden Handlung als Abgrenzungsmerkmal hinreichend praktikabel ist, darf füglich bezweifelt werden. Wenn die Entscheidung des Gesetzgebers, einen Verbotsverstoß dem strafrechtlichen Sanktionsregime zu unterwerfen, keinen Bedenken unterliegt, muss wohl auch von der Sozialschädlichkeit des jeweiligen Verhaltens ausgegangen werden262, zumindest aber davon, dass sie nach nicht zu beanstandender Ansicht der Legislativorgane gegeben ist. Dann müsste jedes Verhalten, das einen verfassungsgemäßen Straftatbestand erfüllt, vom Grundrechtsschutz ausgenommen sein. Doch soweit wollen die Vertreter dieser eingeschränkten Immanenzlehre gar nicht gehen263. Nach G. Dürig sollen nur diejenigen Strafrechtsnormen immanente Begrenzungen der Grundrechte darstellen, die „materiellrechtlich Kriminalunrecht sind, also sich im Bewußtsein der Rechtsgenossen als ,crimen‘ darstellen“264. Auch Ch. Starck rekurriert letztlich hierauf, wenn er den „Wandel des Rechtsbewußtseins in einem großen Teil der Bevölkerung“ (sic!) zur Begründung dafür heranzieht, dass der Konflikt zwischen dem Lebensrecht des ungeborenen Kindes und dem Recht der werdenden Mutter auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit „nicht mehr auf der Tatbestandsseite“ (im Sinne einer immanenten Grundrechtsbegrenzung) zu lösen ist265. Doch abgesehen davon, dass sich das „Rechtsbewußtsein“ durchaus auch daran ausbilden kann, was der Gesetzgeber für strafwürdig erachtet, bietet es – wie auch immer es zu ermitteln sein soll – weder ein ausreichend bestimmbares Abgrenzungskriterium, noch findet sich (mit gutem Grund) im Grundgesetz ein Anhaltspunkt dafür, dass es zur Maßgabe für den Umfang des Grundrechtsschutzes werden sollte266. Schließlich muss aber die Relevanz der so getroffenen Unterscheidung überhaupt in Frage gestellt werden. Nach Ch. Starck soll zwar vermieden werden, dass durch einengende Interpretationen des Grundrechtstatbestands die Reichweite des Grundrechtsschutzes eingeschränkt wird, 261 G. Dürig, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 (1958), Rdnr. 76; u. a. wegen dieser Gefahr ablehnend zu dieser Konstruktion U. Di Fabio, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 (2001), Rdnr. 16. 262 Vgl. auch BVerfG, Urt. v. 28.5.93 – 2 BvF 2/90 u. a. – BVerfGE 88, 203, 258, wonach der Einsatz des Strafrechts erforderlich ist, „wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist“. 263 Anders wohl H. Blaesing, Grundrechtskollisionen, S. 170. 264 G. Dürig, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 (1958), Rdnr. 76 (Hervorhebung im Original gesperrt). 265 Ch. Starck in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 3, Rdnr. 279 a. E. 266 Vgl. auch M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 81 IV 4. b) b) xx), S. 536.

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ohne den besonderen Begründungsanforderungen gerecht zu werden, die Grundrechtseinschränkungen unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten erfordern267. Er „definiert“ mit dem Ausschluss „offensichtlich sozialschädlicher Handlungen“ deshalb nur solche menschlichen Aktivitäten aus dem Grundrechtstatbestand „hinaus“, denen im Falle einer Abwägung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Vorrangstellung zukommt268. Das aber deutet bereits darauf hin, dass damit nicht die Ebene des normativen Verbots, sondern die seiner situationsbedingten Anwendung angesprochen ist. Mit der polemischen Zuspitzung auf ein anderenfalls gewährtes „Grundrecht auf Töten, auf Stehlen und Hehlen sowie auf Hausfriedensbruch“ sind letztlich nur Verhaltensweisen gemeint, die alle Merkmale erfüllen, die für die Anwendung der Sanktionsnorm relevant sind. Die Normen, die diesen Sanktionsnormen zugrunde liegen, verbieten aber nicht nur dasjenige Verhalten, das auch die Verhängung einer Strafe rechtfertigt269. Schon der strafrechtliche Rechtswidrigkeitsbegriff kann auf sie nicht übertragen werden270. Das bedeutet, dass nach der hier kritisierten Ansicht diese Normen jedenfalls insofern Eingriffscharakter besitzen müssten, als sie über die Strafbarkeit hinaus Verbotswirkung äußern. Können sie aber (auch) insofern gerechtfertigt werden, ist die Frage, ob ein Teil ihres Anwendungsbereichs „eigentlich“ keinen Grundrechtsschutz genießt, allenfalls von (auch nur geringem) akademischem Interesse. Sind sie aber insoweit nicht zu rechtfertigen, ist die Norm insgesamt hinfällig. Denn die Reduzierung des Verbotsgehalts auf den auch sanktionsrechtlich relevanten Teil – die vorsätzliche oder fahrlässige sowie schuldhafte Vornahme der Handlung – wäre nicht nur von systemsprengender Kraft (weil durch sie das Schuldmerkmal zum Bestandteil der Rechtswidrigkeit gemacht würde), sondern hätte vor allem zur Konsequenz, dass in Wahrheit nicht ein bestimmtes Verhalten, sondern eine darin zum Ausdruck kommende Gesinnung verboten wird. Das aber kann auch durch ein allgemeines Rechtsbewußtsein nicht legitimiert werden. 2. Rechte anderer als Grenzen grundrechtlicher Gewährleistungen Noch deutlich weiter ausgreifend und radikaler, d.h. an die Wurzeln der grundrechtlichen Systematik gelangend, stellen sich Positionen dar, die Rechten (Rechtsgütern, Rechtsstellungen) Dritter schutzbereichsbegrenzende Wirkung 267 Ch. Starck in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 3, Rdnr. 276. 268 Ch. Starck, Grundrechte, JuS 1981, 237, 245; ders., in: H. v. Mangoldt/F. Klein/ Ch. Starck, GG, Bd. 1, Art. 1 Abs. 3, Rdnr. 277. 269 Anders im Ausgangspunkt allerdings Ch. Starck, Grundrechte, JuS 1981, 237, 245, der strafbares und verbotenes Verhalten offenbar gleichsetzt. 270 Vgl. dazu oben 1. Teil, § 6 C.

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zuschreiben. In diesem Sinne hat G. Dürig in den Rechten anderer eine „geradezu rechtslogisch immanente Schranke“ aller Grundrechte gesehen271, die auf der Gegenseitigkeit des Rechts beruht, wonach jeder seine Freiheit nur soweit gebrauchen darf, als er hierdurch nicht die Freiheit der anderen beeinträchtigt. In kaum abgeschwächter Form finden sich auch heute noch Varianten dieser Position, nach denen die Grundrechte „von vornherein“ nicht zur Verletzung oder Inanspruchnahme von Rechtsgütern Dritter berechtigten272. Selbst in einer – insoweit allerdings vereinzelt gebliebenen – Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts („Sprayer von Zürich“) findet sich dieser Gedanke, wenn darin für die Gewährleistung der Freiheit der Kunst formuliert wird, „ihre Rechtweite erstreck(e) sich aber von vorneherein nicht auf die eigenmächtige Inanspruchnahme oder Beeinträchtigung fremden Eigentums zum Zwecke der künstlerischen Entfaltung“273. Ein einfach-gesetzliches Verbot des Zugriffs auf fremde Güter ist demnach nur deklaratorisch und stellt keinen Eingriff in Grundrechte des Verbotsadressaten dar: Alleine die Fremdheit des Gutes rechtfertigt das Verbot274. Die Grundlage einer solchen Argumentation ist die Ansicht, es handele sich beim Aufeinandertreffen widerstreitender grundrechtlich geschützter Interessen um eine (wie auch immer begründete) Grundrechtskollision, die von der Verfassung selbst aufgelöst werde275. Das muss jedenfalls in den Fällen auf Bedenken stoßen, in denen wie beim Eigentum das grundrechtliche Schutzobjekt, das zur Begrenzung der Gewährleistung anderer Grundrechtsgüter herangezogen wird, nicht schon vom Grundgesetz selbst inhaltlich bestimmt wird, sondern auf die Ausgestaltung durch die einfache Rechtsordnung angewiesen ist (vgl. Art. 14 Abs 1 S. 2 GG). Es ist damit nicht von Verfassungs wegen eine unveränderliche Größe, die von vornherein die Freiheitssphären anderer zu beschränken geeignet wäre276. Ein „Übergriff“ in fremdes Eigentum liegt vielmehr nur vor, 271 G. Dürig, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 (1958), Rdnr. 73 (vor a); ihm im Wesentlichen folgend H. Blaesing, Grundrechtskollisionen, S. 103 ff., 115. 272 Vgl. etwa D. Lorenz, Wissenschaft darf nicht alles, in: Festschrift f. P. Lerche, S. 267, 270; ders., Zulassungsfreie Sondernutzung, JuS 1993, 375, 376; D. Murswiek, Privater Nutzen, DVBl. 1994, 77, 80; hinsichtlich „massiver Übergriffe“ und „erkennbar rücksichtslosen Freiheitsgebrauchs“ auch M. Gellermann, Grundrechte, S. 224. 273 BVerfG, Beschl. v. 19.3.1984 – 2 BvR 1/84 – NJW 1984, 1293, 1294; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 13.4.1995 – 4 B 70/95 – DVBl. 1995, 1008, 1009; zustimmend Ch. Bamberger, Vorbehaltlose Grundrechte, Der Staat 39 (2000), 355, 372; J. Hoffmann, Kunstfreiheit und Sacheigentum, NJW 1985, 237, 238 f.; J. Isensee, Gewaltmonopol, in: Festschrift f. H. Sendler, S. 39, 58; D. Lorenz, Wissenschaft darf nicht alles, in: Festschrift f. P. Lerche, S. 267, 271. 274 So D. Murswiek, Privater Nutzen, DVBl. 1994, 77, 80; vgl. ferner G. Dürig, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 (1958), Rdnr. 73 (b). 275 Vgl. Ch. Bamberger, Vorbehaltlose Grundrechte, Der Staat 39 (2000), 355, 372 f. 276 BVerfG, Beschl. v. 6.6.89 – 1 BvR 921/85 – BVerfGE 80, 137, 152.

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wenn eigenmächtig Rechtspositionen in Anspruch genommen werden, die der einfache Gesetzgeber ausschließlich dem Eigentümer vorbehalten hat. Die gesetzliche Inhaltsbestimmung aber ist am Maßstab der Verfassung zu messen und kann nicht ihrerseits die Reichweite anderer Grundrechte bestimmen277. Einen konstruktiv anderen Weg wählt neuerdings M. Gellermann im Rahmen seiner Ausgestaltungsdogmatik278: Auch er geht von der Annahme aus, dass die Kollision grundrechtlich geschützter Freiheiten im Verhältnis der Grundrechtsträger untereinander schon als solche verfassungsrechtliche Relevanz besitzt. Im Unterschied zu den oben genannten „Immanenzlehren“ aber sieht er den Ausgleich nicht bereits im Grundgesetz selbst vorgenommen, sondern nur „angelegt“279. Den Grundrechten ist danach eine Begrenzungsschicht immanent, die aus dem Erfordernis der Koordinierung sich wechselseitig überschneidender Freiheitsbereiche erwächst und besagt, „dass eine Ausübung der im Gewährleistungssatz umschriebenen Freiheit keinen Anteil an den abwehrrechtlichen Sicherungen hat, wenn sie es an der notwendigen Rücksichtnahme im Verhältnis zu anderen Grundrechtsträgern fehlen läßt“280. Wo aber die Grenzen dieses grundrechtlichen Rücksichtnahmegebots liegen und wann sie überschritten sind, lasse sich dem Grundgesetz nicht entnehmen. Stattdessen sieht Gellermann im Grundrecht eine Rechtsschicht geborgen, die den Auftrag zur normativen Konturierung des Schutzgegenstandes im Verhältnis der Grundrechtsträger untereinander erteilt281. Die auftragsgemäße Abgrenzung der Rechtssphären ist deshalb keine Verkürzung, sondern eine inhaltliche Bestimmung grundrechtlicher Garantien, die deshalb nicht an den für Grundrechtseingriffe geltenden Maßstäben zu messen ist282. Nimmt man diese Lehre beim Wort und bezieht sie auf den gesamten Bereich, in dem die Koordinierung und gegenseitige Abgrenzung widerstreitender Freiheitsausübungen erforderlich erscheint, so ist das Konzept der „normativen Konturierung“ durchaus geeignet, der Figur des Grundrechtseingriffs dogmatisch und faktisch den Rang abzulaufen, insbesondere wenn man es über „echte Grundrechtskollisionen“ hinaus auf Konflikte zwischen grundrechtlichen Positionen und sonstigen Werten von Verfassungsrang anwendet283 (und bei Aner277 Vgl. auch M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 79 IV 2. b) a), S. 308 f. mit Fußn. 326; § 81 IV 4. b) d) S. 539 f.; ferner M. Uechtritz, Nachbarschutz, NJW 1995, 2606, 2607; zur Kritik an der „Sprayer“-Entscheidung (oben Fußn. 273) vgl. ferner E. Denninger, Freiheit der Kunst, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. VI, § 146 Rdnrn. 39 f.; M. Winkler, Kollisionen, S. 240–243. 278 M. Gellermann, Grundrechte, S. 177 ff. 279 M. Gellermann, Grundrechte, S. 222 f. 280 M. Gellermann, Grundrechte, S. 182, Zitat S. 223. 281 M. Gellermann, Grundrechte, S. 182, 225. 282 M. Gellermann, Grundrechte, S. 183, 226. 283 So M. Gellermann, Grundrechte, S. 228 f.

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kennung der letzteren so großzügig ist wie das Bundesverfassungsgericht284). Wenn Rechtsgüterkollisionen in so weitem Umfang durch einfach-gesetzliche „Inhaltsbestimmungen“ wegdefiniert werden, stellt sich zwangsläufig die Frage nach dem verbleibenden Anwendungsbereich expliziter Schrankenregelungen285. Dies muss als Folge dieser Konzeption aber nur näher betrachtet werden, wenn sich ihre Prämissen als zutreffend erweisen. II. Grundrechtskollisionen oder Pflichtenkollisionen? Wer wollte sich der Einsicht verschließen, dass in einem rechtlich geordneten Gemeinwesen, welches das friedliche Zusammenleben gleichberechtigter Individuen bewirken und ermöglichen will, die Freiheit des Einzelnen durch die Freiheit der anderen begrenzt wird286 und auch nur innerhalb des so gezogenen (oder zu ziehenden) Rahmens rechtlich gewährleistet sein kann? Die daraus folgende Notwendigkeit, die Rechtskreise Einzelner zu beschränken und voneinander abzugrenzen, formuliert ein bestimmtes Ergebnis, das durch die Ausgestaltung der Rechtsordnung erreicht werden muss. In einer hierarchisch gegliederten, nach Rang und Vorrang einzelner Stufen konstruierten Rechtsordnung ist allerdings noch nicht präjudiziert, auf welcher normativen Ebene dieses Ergebnis erreicht wird. Ohne diese Zuordnung bleibt bereits offen, ob es sich bei den Kollisionen um den Widerstreit von bloßen Interessen oder von auch gerade im gegenseitigen Aufeinandertreffen rechtlich geschützten Interessen als subjektiven Rechten ihrer Träger handelt. Immanenzlehren der hier vorgestellten Art siedeln den zu lösenden Konflikt unmittelbar auf Verfassungsebene an und lösen ihn durch eine – sei es verfassungsunmittelbare, sei es gesetzlich vermittelte – Reduzierung der Reichweite grundrechtlicher Schutzbereiche. Das basiert auf der Annahme, dass die notwendige Begrenzung der Freiheit des Einzelnen eine Begrenzung gerade der Grundrechtsgewährleistung erfordert.

284 Vgl. dazu M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 81 IV 5. b), S. 552–555 m. w. N.; K. Stern, ebd., § 84 IV 5. c), S. 825 f. 285 Vgl. B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte, Rdnr. 323; ferner P. Lerche, Schutzbereich, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 121 Rdnr. 40, mit der Warnung davor, durch gesetzliche „Konkretisierung“ die Schutzbereiche der Grundrechte zu verkürzen und dadurch die Gesetzesvorbehalte und die damit verbundenen rechtsstaatlichen Sicherungen zu überspielen. 286 Ch. Bamberger, Vorbehaltlose Grundrechte, Der Staat 39 (2000), 355, 372; H. Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 256, 321; H. Blaesing, Grundrechtskollisionen, S. 18 f.; M. Gellermann, Grundrechte, S. 216; K. Stern, Staatsrecht III/2, § 82 II 1., S. 610.

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1. „Grundrechtskollisionen“ im Horizontalverhältnis Das lenkt den Blick zunächst auf den Regelungsgehalt der Grundrechtsnormen in Bezug auf das Verhältnis der Grundrechtsträger untereinander. Es herrscht mittlerweile weitgehend Konsens darüber, dass Grundrechte, sofern nicht das Grundgesetz selbst, wie in Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG, ausnahmsweise auch den einzelnen in die Pflicht nimmt287, sich „unmittelbar“ ausschließlich gegen den Staat und seine Organe richten288. Die sie begründenden Normen gewähren Freiheiten und Rechte, die ihren Inhabern nur im Verhältnis zu Trägern hoheitlicher Gewalt zustehen. Umgekehrt treffen die aus ihnen resultierenden Pflichten lediglich den Staat, nicht aber auch die einzelnen Grundrechtsträger. Diese Gegenseitigkeit und Ausschließlichkeit289 von Rechten und Pflichten verdeutlicht, dass Grundrechtsnormen ganz auf das „bipolare“ Staat-BürgerVerhältnis bezogen sind, es als Rechtsverhältnis konstituieren und inhaltlich definieren. Diese bipolare Ausrichtung wird von den Immanenzlehren jedenfalls insofern erweitert, als Begrenzungen grundrechtlicher Schutzbereiche nicht aus der staatlichen Verpflichtung abgeleitet werden, sondern aus den Freiheitsverbürgungen selbst. Exemplarisch dafür sind die Ausführungen M. Gellermanns, bei dem diese Lesart der Grundrechte besonders anschaulich zum Ausdruck kommt. Sie beinhaltet eine um die Pflichtenbegründung reduzierte unmittelbare Dritt- oder Horizontalwirkung290 der Grundrechte, die sich in einer Rechtsbegrenzung manifestiert. Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG werden als „Indiz“ dafür herangezogen, dass Freiheit und Gleichheit der Menschen untereinander Regelungsthema der Grundrechte sei291. Da aber in diesem Verhältnis eine unbeschränkte Freiheit nicht möglich ist, kann sie nur als beschränkte gewährleistet sein. Den Grundrechtsnormen werden auf diesem Wege nicht nur Maßstäbe für die Regelungen zur Abgrenzung der Rechtssphären entnommen, sondern diese Regelungen selbst. In Kollisionsfällen sind aber – nach M. Gellermann – die Schutzbereiche „insoweit (. . .) offen, als es die Reichweite der von ihnen erfassten Freiheit in der Drittrichtung anbetrifft“292. Die Grundrechtsnormen regeln also 287 Zum Ausnahmecharakter dieser Vorschrift vgl. nur H. Bauer, in: H. Dreier, GG Bd. I, Art. 9 Rdnr. 82. 288 H. Dreier, in: ders., GG Bd. I, Vorb. Rdnr. 59; W. Rüfner, Grundrechtsadressaten, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 117 Rdnr. 60. 289 „Gegenseitigkeit“ und „Ausschließlichkeit“ sind nicht tautologisch: Bei der Annahme einer allgemeinen Nichtstörungspflicht als verfassungsunmittelbarer Grundpflicht (vgl. oben § 8 B. II. 2. ) wird die Gegenseitigkeit von Rechten und Pflichten im Staat-Bürger-Verhältnis nicht geleugnet, wohl aber die Ausschließlichkeit, da Grundrechte auch Pflichten von Grundrechtsträgern begründeten. Diese stehen aber nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zu Rechten von Grundrechtsberechtigten. 290 Zur Terminologie vgl. K. Stern, Staatsrecht III/1, § 76 I 2, S. 1513. 291 M. Gellermann, Grundrechte, S. 216.

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intentional auch das Horizontalverhältnis, aber nicht abschließend. Ohne gesetzliche Konturierung können die Grundrechtsträger deshalb von ihrer grundrechtlich garantierten Freiheit „keinen rechtlich gesicherten Gebrauch machen“293. Das bedeutet nicht weniger, als dass die Grundrechte dem Grunde nach Freiheiten gegen den Mitbürger gewähren. Sie sind nicht länger nur Rechte gegen den Staat, sondern – insofern allerdings nur imperfekt geregelte und auf gesetzliche Ergänzung angewiesene – Rechte gegen jedermann. Den grundrechtlichen Gewährleistungen werden Rechtsfolgen beigelegt, die bei einer weiten Schutzbereichsinterpretation zu „Grundrechtskollisionen“ führen und deshalb eine tatbestandliche Reduktion erforderlich machen. Diese Erweiterung der Schutzrichtung führt so geradezu zwangsläufig zu einer Reduzierung des Schutzumfangs. Das verdeutlicht, dass die Grundrechte nicht aus dem bipolaren Staat-BürgerVerhältnis gelöst und auf das Horizontalverhältnis erstreckt werden können, ohne ihre Funktion, Wirkungsweise und Reichweite grundlegend zu verändern. Den Regelungen des Grundgesetzes lässt sich eine solche Erstreckung jedenfalls nicht entnehmen294. „Grundrechtskollisionen“ in dem Sinne, dass die Grundrechtsausübung des einen mit derjenigen des anderen Grundrechtsträgers nicht vereinbar ist295, kann es wegen der bipolaren Ausrichtung der Grundrechte auf das Staat-Bürger-Verhältnis nicht geben296, weil ein Recht – auch ein Grundrecht – außerhalb des Rechtsverhältnisses, in dem es wirkt, gar nicht existiert297. Im Horizontalverhältnis der Grundrechtsberechtigten untereinander ist die Rede von Grundrechtskollisionen deshalb überaus mißverständlich298, da nicht „Grundrechte“ gegeneinander stehen, sondern allenfalls „Freiheiten“ oder „Rechtsgüter“, die im Verhältnis ihrer Träger zum Staat, nicht aber zu Privaten grundrechtlich geschützt sind299. Von der normativen Ebene der Verfassung aus gesehen, handelt es sich in der Bürger-Bürger-Relation lediglich um Kollisionen von Interessen, die rechtlich noch nicht konstituiert sind. Das leistet erst das einfache Gesetz durch die rechtliche Anerkennung privater Belange in ihrem Verhältnis zueinander. Erst und frühestens auf dieser normativen Ebene wird entschieden, welche Belange und Interessen dem Einzelnen im Verhältnis zum 292

M. Gellermann, Grundrechte, S. 218. M. Gellermann, Grundrechte, S. 225. 294 Vgl. auch J. Dietlein, Schutzpflichten, S. 81. 295 In diesem Sinne aber M. Gellermann, Grundrechte, S. 214. 296 Vgl. auch J. Ipsen, Gesetzliche Einwirkungen, JZ 1997, 473, 476, mit dem Hinweis, dass Freiheitsgebrauch nicht gleichbedeutend ist mit dem Gebrauch des Freiheitsrechts. 297 Vgl. auch M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 79 IV 2. b) b), S. 309; J. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 90 f. 298 H. Dreier, in: ders., GG Bd. I, Vorb. Rdnr. 98. 299 Vgl. auch H. Bauer, Schutznormtheorie, in: D. Heckmann/K. Meßerschmidt, Gegenwartsfragen, S. 113, 153 (zum Baunachbarrecht): „Probleme konkurrierender Ausübung (subjektiv-)grundrechtlich abgestützter Eigentumsnutzungsfreiheit“. 293

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anderen als Rechtsgüter zugewiesen sind. Und erst dadurch wird die Entscheidung getroffen, was die „Inanspruchnahme fremder Rechtsgüter“ oder den „Übergriff in den Rechtskreis anderer“ überhaupt ausmacht. Von sekundärer Bedeutung ist demgegenüber die Frage, ob das einfache Recht die Auflösung dieser Konflikte durch die Begründung von Rechten und Pflichten der Privaten untereinander – also durch Normen des Privatrechts300 – bewirkt oder sie durch staatliche Organe reguliert, denen gegenüber Pflichten (und gegebenenfalls auch Rechte) Privater bestehen. 2. „Pflichtenkollisionen“ im Vertikalverhältnis Dennoch ist damit nicht die Notwendigkeit einer tatbestandlichen Reduktion grundrechtlicher Gewährleistungen vollständig widerlegt. Wenn es auch „Grundrechtskollisionen“ im Wortsinne nicht gibt, kann es doch bei einer weiten Schutzbereichsinterpretation zu Grundrechtsnormenkollisionen kommen, die möglicherweise im Sinne oder doch in der Tendenz der Immanenzlehren aufzulösen sind. Normenkollisionen treten auf, wenn auf einen Sachverhalt mehrere Normen anwendbar sind und bei ihrer Anwendung zu einander widersprechenden Ergebnissen führen301. Es ist also nach den Rechtsfolgen zu fragen, die sich aus den Grundrechtsgewährleistungen ergeben. Sie bestehen in den Pflichten, die sich für den Staat im „vertikalen“ Verhältnis zu den Grundrechtsträgern ergeben. Grundrechtsnormenkollisionen sind Pflichtenkollisionen der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt302. Ihr zentrales Thema ist die Abgrenzung der jeweiligen Rechtssphären der Menschen untereinander und gegenüber der Gemeinschaft303. Die Schutzpflicht, in deren Erfüllung der Staat – und hier vor allem der Gesetzgeber – diese Abgrenzung vollzieht, kann ohne Beschränkungen der (staatsgerichteten) Freiheitsrechte insbesondere durch Ge- und Verbote nicht erfüllt werden, hinsichtlich derer aber eine gegenläufig wirkende Unterlassungspflicht besteht304. In diesem Spannungsverhältnis von Schutz und Eingriff können Pflichtenkollisionen verborgen sein, die unter Umständen auf die tatbestandliche Reichweite der grundrechtlichen Gewährleistungen zurück zu wirken vermögen. Indes besteht die Unterlassungspflicht nicht absolut. Sie ist beschränkt auf das Unterlassen ungerechtfertigter Eingriffe. Soweit der Schutzpflicht im Rah300 Zur Bedeutung des Rechtsverhältnisses für die Qualifizierung von Normen vgl. oben § 7 B. II. 2. 301 K. Stern, Staatsrecht III/2, § 82 I 1, S. 603; allgemein auch M. Wehr, Inzidente Normverwerfung, S. 29 f. 302 s. auch Ch. Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 83. 303 K. Stern, Staatsrecht III/2, § 82 II 1, S. 609. 304 Vgl. oben 1. Teil, § 5 B. II.

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men der Koordination der Freiheitsinteressen hingegen durch gerechtfertigte Eingriffe Genüge getan werden kann, liegt auch eine Pflichtenkollision nicht vor. Rechtfertigung bedeutet die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Eingriffen in Grundrechte überhaupt, ferner gerade zu dem Zweck des Schutzes der Rechte anderer sowie die Zulässigkeit des Maßes, in dem im Verhältnis zu dem geschützten Rechtsgut in das Grundrecht eingegriffen wird. Insoweit werden echte Pflichtenkollisionen vielfach bereits durch die grundrechtlichen Schrankenregelungen vermieden305. Problematisch sind allerdings diejenigen Grundrechte, die nach dem Wortlaut des Grundgesetzes vorbehaltlos gewährleistet sind. Eine weite Schutzbereichsinterpretation, der eine ebenso weitgehende staatliche Unterlassungspflicht korrelierte, führte im Aufeinandertreffen mit entgegenstehenden einschränkbaren Grundrechten zu einem nicht zu begründenden306 abstrakten und konkreten Vorrang der vorbehaltlos gewährten Grundrechte und ließe den Konflikt mit ebenfalls vorbehaltlos gewährten Grundrechten ungelöst. Die als Alternative denkbare Annahme immanenter Schutzbereichsgrenzen hätte dagegen zur Konsequenz, dass die tatbestandliche Reichweite von Grundrechten ohne Gesetzesvorbehalt davon abhinge, ob und in welchem Maße Einschränkungen entgegenstehender Grundrechte möglich sind. Doch sind die Möglichkeiten, Pflichtenkollisionen des Staates zu vermeiden, damit nicht ausgeschöpft. Die wohl herrschende Lehre siedelt die Lösung des Problems im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts307 nicht auf der Schutzbereichs-, sondern auf der Schrankenebene an308. Die vorbehaltlose Gewährleistung eines Grundrechts kann danach nicht mit Schrankenlosigkeit gleichgesetzt werden309, vielmehr ergeben sich die Schran-

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Vgl. auch K. Stern, Staatsrecht III/2, § 82 II 1, S. 609. H. Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 268 f.; P. Lerche, Grundrechtsgarantien, in: Festschrift f. E. G. Mahrenholz, S. 515, 523; I. v. Münch, in: I. v. Münch/Ph. Kunig, GGK I, Vorb. Art. 1–19, Rdnr. 46. 307 BVerfG, Beschl. v. 26.5.70 – 1 BvR 83/69 u. a. – BVerfGE 28, 243, 261; Beschl. v. 24.2.71 – 1 BvR 435/68 – BVerfGE 30, 173, 193; Beschl. v. 27.11.90 – 1 BvR 402/87 – BVerfGE 83, 130, 139; Beschl. v. 26.6.91 – 1 BvR 779/85 – 84, 212, 228; zur dogmatischen Einordnung deutlich BVerfG, Beschl. v. 25.3.92 – 1 BvR 1430/ 88 – BVerfGE 85, 386, 397. 308 H. Dreier, in: ders., GG Bd. I, Vorb. Rdnr. 88; H. D. Jarass, Bausteine, AöR 120 (1995), 345, 372; I. v. Münch, in: I. v. Münch/Ph. Kunig, GGK, Vorb. Art. 1–19, Rdnr. 56; M. Sachs, Grundrechtsbegrenzungen, JuS 1995, 984, 989; ders., in: ders., GG, Vor Art. 1 Rdnrn. 127 f. mit Hinweis auf die kompetenziellen Konsequenzen dieser Zuordnung im Verhältnis Bundesverfassungsgericht – Gesetzgeber; J. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 33 f. 309 Vgl. aber zur Unterscheidung von vorbehaltlos und ausnahmslos gewährleisteten Grundrechten H. Maurer, Staatsrecht, § 9 Rdnr. 63; P. Lerche, Grundrechtsgarantien, in: Festschrift für E. G. Mahrenholz, S. 515, insbes. S. 522 ff.; kritisch dazu H. Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 264. 306

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ken direkt aus der Verfassung. So sind insbesondere310 „kollidierende Grundrechte Dritter“ geeignet, Eingriffe auch in Grundrechte ohne (geschriebenen311) Gesetzesvorbehalt zu rechtfertigen. Damit aber ist das Instrumentarium zur Harmonisierung von Schutzpflicht und Unterlassungspflicht komplettiert, ohne die Notwendigkeit einer restriktiven Schutzbereichsinterpretation aufzuwerfen. III. Fazit Die rechtliche Konstruktion zur Erfassung von Pflichten Privater entspricht demnach dem oben312 skizzierten Schrankenmodell, nach welchem die einfachgesetzliche pflichtenbegründende (oder zur Begründung von Pflichten ermächtigende313) Norm als Schranke von „außen“ an die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Grundrechts herangetragen wird. Ihr liegt das methodische Verständnis der „weiten Tatbestandstheorie“ zugrunde, die zwischen prima facie und definitiv gewährten Freiheitspositionen unterscheidet314. Geschützt sind danach prima facie alle Verhaltensweisen, die nach dem Wortlaut der Grundrechtsnormen unter ihren Tatbestand fallen. Begrenzungen der, wegen der Weite des Art. 2 Abs. 1 GG umfassenden, Gewährleistung werden auf der Ebene der Schranken eingeführt, deren Umfang über den verbleibenden – definitiven – Freiheitsbereich entscheiden. Auf dieser Ebene findet die nach allem ohnehin unvermeidliche Abwägung des geschützten Interesses mit „kollidierenden“ (Grund-)Rechten Dritter oder sonstigen Rechtsgütern statt. Schon insofern ist es irreführend315, von einem „Grundrecht auf Töten“316 etc. zu sprechen317, weil damit nicht der definitive, sondern der beschränkbare Umfang

310 Zur Tauglichkeit anderer mit Verfassungsrang ausgestatteter Rechtswerte, Einschränkungen vorbehaltlos gewährter Grundrechte zu rechtfertigen, umfassend M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 81 IV, S. 513 ff.; generell ablehnend Ch. Bamberger, Vorbehaltlose Grundrechte, Der Staat 39 (2000), 355, 362 ff.; zu Kompetenznormen differenzierend. J. Becker, Materielle Wirkung, DÖV 2002, 397, 400 ff.; ablehnend M. Selk, Einschränkung von Grundrechten, JuS 1990, 895, 897 ff. 311 Zur Erstreckung des Vorbehalts des Gesetzes auf die Auflösung der Kollisionslage M. Winkler, Kollisionen, S. 345 ff. 312 § 8 A. II. 313 Zur Ermächtigungsnorm als Eingriffsakt s. sogleich § 10 A. II. 314 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 294; A. v. Arnauld, Freiheitsrechte, z. B. S. 15 f., 64; normstrukturelle Entfaltung bei M. Borowski, Grundrechte als Prinzipien, zustimmend auch Ph. Kunig, in: I. v. Münch/Ph. Kunig, GGK I, Art. 2 Rdnr. 14 (S. 130); in der Sache auch J. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 33 f. 315 Im übrigen auch deshalb, weil mit (Freiheits-)Grundrechten nicht die Freiheitssphären der Grundrechtsträger konstituiert, sondern im Verhältnis zum Staat lediglich anerkannt werden; sie sind deshalb (in ihrem abwehrrechtlichen Gehalt) nicht als Rechtszuteilungen an den Bürger, sondern als Kompetenzgrenzen des Staates zu lesen; vgl. E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie, in: ders., Staat, Verfassung, Demokratie, S. 115, 119 f.

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grundrechtlicher Gewährleistung bezeichnet ist, und zwar in einem Fall, in dem die Beschränkbarkeit evident ist. Die weite Tatbestandstheorie hat darüber hinaus den (systematischen) Vorzug, die Auflösung der jeweiligen Interessenkollisionen nach einem einheitlichen Modell zu bewältigen, ohne Akte der öffentlichen Gewalt in solche einteilen zu müssen, die auf Schrankenebene dem Schutz einfach-gesetzlich begründeter Rechtsgüter, auf Tatbestandsebene dem Schutz von Verfassungsgütern dienen318. Auch die evidenten Fälle lassen sich als das darstellen, was sie in Wahrheit sind: Ergebnis einer Abwägung bei „eindeutigem“ Überwiegen des beeinträchtigten Interesses gegenüber dem Interesse an der Beeinträchtigung319. Es kann damit festgehalten werden, dass auch Verhaltensweisen, die zu einer Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Interessen Dritter führen, prima facie Teil an der grundrechtlichen Gewährleistung haben. Ge- und Verbote, die durch Gesetz oder auf gesetzlicher Grundlage begründet werden, sind demzufolge als Einschränkungen solcher Grundrechte zu qualifizieren, deren Schutzgut die allgemeine oder eine spezielle Handlungsfreiheit ist. Die Begründung von Pflichten, die dem Schutz von Rechtsgütern anderer dienen, muss deshalb den allgemeinen Anforderungen genügen, die nach dem Grundgesetz an Grundrechtseingriffe gestellt werden.

B. Eigentums(grund)recht und Eigentümerpflichten Der Grundrechtsschutz, der durch Freiheitsgrundrechte gewährleistet wird, umfasst nicht nur natürliche Handlungsmöglichkeiten, sondern vermag sich auch auf Positionen zu erstrecken, die erst durch einfaches Gesetz geschaffen werden320. So wird beispielsweise die Vertragsfreiheit der allgemeinen Handlungsfreiheit zugeordnet, soweit nicht spezielle Grundrechte – etwa Art. 12 Abs. 1 oder Art. 14 Abs. 1 GG – vorrangig sind321. Zwar können Private – im Prinzip – untereinander vereinbaren, was sie wollen. Als willensfähige Wesen

316 Ch. Starck, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, GG Bd. 1, Art. 1 Abs. 3, Rdnr. 279; ähnlich J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 111 Rdnr. 172. 317 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 297; vgl. auch H. Dreier, in: ders., GG, Bd. I, Art. 2 I Rdnr. 27 zum „Recht auf Rausch“ etc. 318 A. v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 125. 319 s. P. Preu, Freiheitsgefährdung, JZ 1991, 265, 266. 320 Zu einfach-gesetzlich begründeten Rechtspositionen als Schutzgut von Freiheitsrechten vgl. M. Burgi, Persönlichkeitsentfaltung, ZG 9 (1994), 341, 351 ff.; R. Herzog, Grundrechte aus der Hand des Gesetzgebers, in: Festschrift f. W. Zeidler, Bd. 2, S. 1415 ff.; G. Lübbe-Wolff, Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 75 ff.; ausführlich dazu M. Gellermann, Grundrechte, S. 90 ff. 321 Zur Vertragsfreiheit M. Gellermann, Grundrechte, S. 131 ff.

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sind sie in der Lage, einen gemeinsamen Willen zu bilden, ihn zur Grundlage einer Absprache machen und sich hierdurch gegenseitig zu binden. Sie vermögen jedoch nicht alleine kraft ihrer Personalität den Staat zu verpflichten, solcherart geschlossene Verträge als rechtlich verbindlich anzuerkennen und ihren jeweiligen Inhalt nötigenfalls mit staatlicher Autorität durchzusetzen. Diese Fähigkeit setzt vielmehr ein (unterverfassungsrechtliches) Regelwerk voraus, das Art und Umfang solcher rechtlicher Handlungsmöglichkeiten erst definiert und ihre Inanspruchnahme auch für den Rechtsverkehr verbindlich macht. Ein besonders bedeutsames Beispiel für die Abhängigkeit grundrechtlichen Schutzes von der einfachgesetzlichen Ausgestaltung ihres Schutzgutes stellt die Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG dar, die auch auf dem Boden der weiten Tatbestandstheorie einen Sonderfall bildet322, der daraus resultiert, dass ihr Schutzgut primär323 ein Recht ist, das erst der gesetzlichen Begründung bedarf. Dieses Recht kann zwar eine Handlungsfreiheit (im vermögensrechtlichen Bereich), etwa als Nutzungs- oder Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand, zum Gegenstand haben, es ist aber nicht mit dem Grundrecht identisch324. Umgekehrt können Ge- und Verbote schon den Inhalt des Schutzgutes mitbestimmen, so dass die daraus resultierenden Pflichten keine Beschränkung grundrechtlich gewährleisteten Eigentums darstellen. Auf diese Besonderheit ist im Folgenden aus zwei Gründen näher einzugehen: Zum einen bildet das Eigentum einen typischen Anknüpfungspunkt für Rechtsgüterschutzpflichten Privater, deren Prototyp im öffentlichen Recht die gefahrenabwehrrechtliche Zustandsverantwortlichkeit bildet. Zum anderen hält Art. 14 GG selbst die Strukturen einer allgemeinen Pflichtendogmatik bereit, die von der vorherrschenden Sichtweise in dieser Form nicht wahrgenommen werden, weil sie die Regelungsbefugnisse und -direktiven dieser Norm auf die Alternativen „Inhalts- und Schrankenbestimmung“ oder „Enteignung“ reduziert. I. Die Normprägung des Eigentums(grund)rechts Auch wenn die grundrechtliche Eigentumsgewährleistung systematisch den Freiheitsrechten zugeordnet werden kann, da ihr die Aufgabe zukommt, den Grundrechtsträgern „einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich zu ermöglichen“325 und so die grundrechtlichen Freiheiten zu ergänzen326, liegt ihre 322

A. v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 135; s. auch R. Lutz, Eigentumsschutz, S. 161. Daneben gewährt Art. 14 GG einen Schutz des Eigentumswertes, vgl. A. v. Arnauld, Enteignender und enteignungsgleicher Eingriff, VerwArch 93 (2002), 394, 395 ff., mit Nachw. zum Streitstand in Fußn. 11. 324 Vgl. auch J. Ipsen, Gesetzliche Einwirkungen, JZ 1997, 437, 477 mit Fußn. 74. 325 BVerfG, Urt. v. 18.12.68 – 1 BvR 638/64 u. a. – BVerfGE 24, 367, 389; Urt. v. 1.3.79 – 1 BvR 532/77 u. a. – BVerfGE 50, 290, 339; Beschl. v. 22.6.95 – 2 BvL 37/ 323

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Besonderheit in der soeben angesprochenen Normprägung des Schutzgutes327. Während Freiheitsrechte primär Handlungsmöglichkeiten schützen, die dem Einzelnen als solchem eigen und von der Form und der Verfassung des staatlichen Verbandes, in dem er lebt, unabhängig sind328, ist Eigentum notwendig auf die normative Begründung und Ausgestaltung angewiesen329. Die inhaltliche Bestimmung dessen, was Eigentum ist und was als Eigentum gegenüber dem Staat abwehrgrundrechtlich geschützt ist, weist Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dem Gesetzgeber zu. Die daraus folgende Differenzierung zwischen Eigentumsrecht und Eigentumsgrundrecht wird durch die einheitliche Verwendung des Eigentumsbegriffs erschwert, der zudem als spezifisch verfassungsrechtlicher von dem gleichlautenden Begriff des bürgerlichen Rechts zu unterscheiden ist330. 1. Das Eigentumsrecht als vermögenswertes Recht Nach vorherrschender Anschauung331 umfasst der Begriff „Eigentum“ im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG grundsätzlich jedes vermögenswertes Recht332, das dem Berechtigten von der Rechtsordnung dergestalt zugeordnet ist, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf333. Das Bundesverfassungsgericht kennzeichnet dies als „Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand“334. Da Eigentum als subjektives 91 – BVerfGE 93, 121, 140; Beschl. v. 22.5.2001 – 1 BvR 1512/97 u. a. – BVerfGE 104, 1, 8 = DÖV 2001, 996. 326 B.-O. Bryde, in: I. v. Münch/Ph. Kunig, GGK I, Art. 14 Rdnr. 3; O. Depenheuer, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, GG Bd. 1, Art. 14 Rdnr. 28; D. Ehlers, Eigentumsschutz, VVDStRL 51 (1992), 211, 213; J. Rozek, Unterscheidung, S. 3; J. Wieland, in: H. Dreier, GG, Bd. I, Art. 14 Rdnr. 26. 327 Ausführlich dazu M. Gellermann, Grundrechte, S. 92–125. 328 J. Ipsen, Gesetzliche Einwirkungen, JZ 1997, 473, 476. 329 W. Böhmer, Gewährleistung des Eigentums, NJW 1988, 2561, 2568; D. Ehlers, Eigentumsschutz, VVDStRL 51 (1992), 211, 214; M. Gellermann, Grundrechte, S. 94. 330 F. Ossenbühl, Eigentumsschutz, in: Festschrift f. W. Zeidler, Bd. 1, S. 625, 637; zur Eigenständigkeit des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs unter dem Aspekt des Vorrangs der Verfassung vgl. R. Wahl, Vorrang der Verfassung, NVwZ 1984, 401, 405. 331 Vgl. demgegenüber neuerdings O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, z. B. S. 15 ff., der das Schutzgut der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie in der (faktischen) Sachherrschaft erblickt. 332 B.-O. Bryde, in: I. v. Münch/Ph. Kunig, GGK I, Art. 14 Rdnr. 11; D. Ehlers, Eigentumsschutz, VVDStRL 51 (1992), 211, 214 ff.; J. Rozek, Unterscheidung, S. 46 ff. 333 BVerfG, Beschl. v. 9.1.91 – 1 BvR 929/89 – BVerfGE 83, 201, 209; Beschl. v. 22.11.94 – 1 BvR 351/91 – 91, 294, 307. 334 BVerfG, Beschl. v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91 u. a. – BVerfGE 102, 1, 15; Beschl. v. 22.5.2001 – 1 BvR 1512/97 u. a. – BVerfGE 104, 1, 8 = DÖV 2001, 996.

§ 9 Die Grundrechtsrelevanz der Pflicht

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Recht auf die positive Begründung durch die Rechtsordnung angewiesen ist, kann es auch nur in dem Umfang bestehen, in dem es konkret ausgestaltet ist. Nicht jede denkbare (abstrakt eigentumsfähige), sondern nur die von der Rechtsordnung vorgesehene Verfügungs- oder Nutzungsmöglichkeit ist Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinne. Schließt das Gesetz hinsichtlich bestimmter Gegenstände bestimmte Formen oder Arten der Verfügung oder Nutzung aus, liegt darin grundsätzlich keine Beschränkung eines Rechts, sondern vielmehr die nur begrenzte Konstituierung der daraus resultierenden Rechtsposition335. Das „Dürfen“ des Berechtigten bezeichnet dabei weniger ein Recht „an“ einem Gegenstand336, sondern, da rechtliche Beziehungen zwischen Personen und Sachen nicht bestehen können, vielmehr ein Recht gegenüber anderen Rechtssubjekten hinsichtlich eines Gegenstandes337. Eigentumsrechte stellen eine rechtliche Relation zwischen Rechtssubjekten her, indem sie bestimmte rechtliche oder faktische Handlungsmöglichkeiten dem Berechtigten ausschließlich zuordnen und Dritte von ihnen ausschließen338 bzw. Dritten eine Störung der Inanspruchnahme dieser Handlungsmöglichkeiten untersagen339. Sie grenzen auf diese Weise Rechtssphären von Rechtssubjekten im Hinblick auf Vermögensrechte voneinander ab340 und zwar in erster Linie die Rechtssphären von „Privatrechtssubjekten“341. Dieser Begriff ist hier in untechnischem Sinne zu verstehen: „Privatrechtssubjekt“ sind nicht nur Private, sondern auch juristische Personen des öffentlichen Rechts, wenn und soweit sie die jeweilige einfachgesetzliche Rechtsposition innehaben können. Sie können etwa Eigentum im zivilrechtlichen Sinne erwerben, veräußern und nutzen und sich gegenüber Störungen durch andere Private im Rahmen der Gesetze zur Wehr setzen. Eigentum als vermögenswertes Recht ist in diesem Sinne Privateigentum342. 335 Dagegen wird gelegentlich die Leitbildfunktion des § 903 BGB betont, nach dem der Eigentümer ein grundsätzlich umfassendes Verfügungs- und Nutzungsrecht besitzt (besonders deutlich bei O. Depenheuer, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, GG, Bd. 1, Art. 14 Rdnr. 33; dems., Zwischen Verfassung und Gesetz, in: Festschrift f. W. Leisner, S. 277, 292 f.) Das aber trifft bereits für die bürgerlichrechtliche Regelung nicht zu, wie sich aus § 903 („soweit nicht. . .) und den weiteren eigentumsbeschränkenden Normen (etwa §§ 904–906 BGB) ergibt, die ebenfalls das bürgerlichrechtliche Eigentum prägen; vgl. auch D. Ehlers, Eigentumsschutz, VVDStRL 51 (1992), 211, 225. 336 Vgl. auch H. H. Rupp, Grundfragen, S. 166 f. 337 U. Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 123 ff.; O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 20 ff.; R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 65 f. 338 Vgl. auch D. Hecker, Eigentum als Sachherrschaft, S. 260 f. 339 Prägnant U. Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 147: „Eigentum regelt das Konkurrenzproblem, wer in welchem Maß vorhandene Güter nutzen darf“. 340 W. Böhmer, Gewährleistung des Eigentums, NJW 1988, 2561, 2568; M. Gellermann, Grundrechte, S. 104; R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 65 f. 341 Vgl. auch BVerwG, Urt. v. 23.8.96 – 4 C 13/94 – BVerwGE 101, 364, 371 f.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

2. Das Eigentumsgrundrecht Im Unterschied dazu erfolgt die Abgrenzung zum hoheitlich handelnden Staat durch das Eigentumsgrundrecht. Dieses aber kommt nicht jedem Inhaber privaten Eigentums zugute, sondern nur Trägern des Eigentumsgrundrechts. Mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts: „Art. 14 als Grundrecht schützt nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum Privater“343. Das Grundrecht auf Eigentum schließt sachlich an den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff an, ist aber – entsprechend der Differenzierung zwischen Schutzgut und Grundrecht344 – von ihm zu unterscheiden345. Die in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gebrauchte Formulierung: „Das Eigentum [wird] gewährleistet“ verbindet Recht (Eigentum) und Grundrecht (Gewährleistung) miteinander346. Die verschiedenen grundrechtlichen Gewährleistungsgehalte stehen dabei in je unterschiedlicher Beziehung zum Eigentumsrecht als ihrem Gegenstand. Auf einer gewissermaßen elementaren Ebene bedeutet Gewährleistung die Setzung und Aufrechterhaltung eines Grundbestandes von Normen, die Eigentumsrechte begründen347. Wegen der Rechtsgeprägtheit des grundrechtlichen Schutzgutes ist die Wirksamkeit des Grundrechts nur gesichert, wenn Existenz und Funktionsfähigkeit privaten Eigentums durch die Rechtsordnung geschaffen und ausgestaltet werden348. Diese „leistungsrechtliche“ Komponente349 geht nach der grundgesetzlichen Konzeption über die unter der Weimarer Reichsverfassung entwickelte Lehre von den Einrichtungsgarantien350 hinaus, da sie dem Gesetzgeber nicht nur eine äußerste Grenze bei der (Ab-)Schaffung eigentumsrechtlicher Positionen setzt, sondern ihm darüber hinaus inhaltliche Vorgaben bei der Ausgestaltung dieser Positionen macht351, die auf die Sicherung der Freiheit im vermögensrechtlichen Bereich ausgerichtet sind352. 342

Vgl. auch H.-J. Papier, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 14 (2002), Rdnr. 55. BVerfG, Beschl. v. 8.7.82 – 2 BvR 1187/80 – BVerfGE 61, 82, 108 f. (Hervorhebung nicht im Original). 344 Unten § 10 A. II. vor 1. 345 W. Böhmer, Gewährleistung des Eigentums, NJW 1988, 2561, 2563. 346 W. Böhmer, Gewährleistung des Eigentums, NJW 1988, 2561, 2563 f. 347 BVerfG, Urt. v. 18.12.68 – 1 BvR 638/64 u. a. – BVerfGE 24, 367, 389. 348 Prägnant deshalb die Qualifizierung solcher Normen als „Grundrechtsvoraussetzungen“ bei J. Isensee, Grundrechtsvoraussetzungen, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 115 Rdnrn. 138 f. 349 Die Qualifizierung als „grundrechtliches Leistungsrecht im materiellen Sinne“ findet sich bei M. Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S. 170 f., Fußn. 29; ähnlich M. Gellermann, Grundrechte, S. 118 ff. (S. 120: „staatsaktivierende Rolle“ der Institutsgarantie). 350 M. Wolff, Reichsverfassung und Eigentum, Festgabe für W. Kahl, S. 3, 5 f.; C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 170 ff. 351 Zum spezifisch grundrechtlichen Verständnis der Institutsgarantie M. Gellermann, Grundrechte, S. 117 ff. 343

§ 9 Die Grundrechtsrelevanz der Pflicht

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Ergänzend hierzu353 tritt der abwehrrechtliche Gehalt des Eigentumsgrundrechts, der an die auf der Grundlage des einfachen Gesetzes begründeten Eigentumspositionen anknüpft. Definiert dieses diejenigen Rechtspositionen, die dem Einzelnen als Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinne zustehen können, spezifiziert jener die Art und Weise, in der diese Rechtspositionen vor staatlichem Zugriff und staatlichen Einwirkungen geschützt werden. Als Abwehrrecht vermittelt das Eigentumsgrundrecht im Sinne einer Bestandsgarantie Schutz gegenüber staatlichen Maßnahmen, welche die einfach-gesetzlich begründeten vermögenswerten Rechte in der Hand des Grundrechtsträgers ungerechtfertigt verkürzen354. Darüber hinaus wird im Rahmen des Art. 14 Abs. 3 GG Wertersatz für den gemeinwohlorientierten Entzug von Eigentumsrechten gewährleistet. Das gesetzlich begründete und ausgestaltete Eigentumsrecht im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG gewinnt deshalb eine doppelte Wirkungsrichtung: Als Privateigentum grenzt es die Rechtssphären von Rechtssubjekten durch die Zuordnung von Verfügungs- und Nutzungsmöglichkeiten an den Gegenständen des Eigentumsrechts und durch Störungsabwehrrechte voneinander ab, als Eigentum Privater definiert es es diejenige subjektive Rechtsposition von Grundrechtsträgern, die vor staatlichen Ingerenzen geschützt ist. Im Unterschied dazu ist das Eigentumsgrundrecht nur für das letztgenannte Verhältnis von Bedeutung, indem es den Staat als Grundrechtsadressaten zur Herstellung einer gesetzlichen Eigentumsordnung und zur Wahrung der dadurch begründeten Rechtspositionen verpflichtet. 3. Privateigentum und öffentliches Recht Wie auch sonst bei der Abgrenzung der Rechtssphären der Individuen untereinander355 ist es bei der eigentumsrechtlichen Abgrenzung ebenfalls von nur sekundärer Bedeutung, ob die Ausgestaltung der Eigentumsrechte unmittelbare Rechtsbeziehungen Privater herstellt oder ob staatliche Organe „dazwischengeschaltet“ werden, die die Wahrung der Eigentümerrechte durch Dritte einerseits, die Einhaltung ihrer Grenzen durch den Berechtigten andererseits zu über352 Vgl. auch B.-O. Bryde, in: I. v. Münch/Ph. Kunig, GGK I, Art. 14 Rdnr. 32 sowie Rdnr. 36 mit dem Hinweis auf die Bedeutung dieses Gewährleistungsgehalts etwa im Bau- und Planungsrecht. 353 Auf der Grundlage der Gleichsetzung von Inhalts- und Schrankenbestimmung (dazu sogleich unten II.) wird der abwehrrechtliche Gehalt auch auf die eben genannten inhaltlichen Anforderungen bei der Konstituierung eigentumsrechtlicher Positionen bezogen (etwa von B.-O. Bryde, in: I. v. Münch/Ph. Kunig, GGK I, Art. 14 Rdnr. 33). Doch setzt das Abwehrrecht bereits einen konkreten Bestand solcher Eigentumsrechte voraus, der vor ungerechtfertigten Eingriffen des Staates abwehrrechtlich geschützt ist; vgl. auch M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 80 III 2. b) a) bb), S. 408. 354 W. Böhmer, Gewährleistung des Eigentums, NJW 1988, 2561, 2564. 355 Vgl. dazu oben § 9 A. II. 1. a. E.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

wachen berufen sind356. „Privatrechtliche“ und „öffentlich-rechtliche“ Eigentumsrechte sind insofern komplementär357 und füllen erst in ihrer Gesamtheit den verfassungsrechtlichen Begriff des Eigentums aus358. Dies umso mehr, als es sich bei dieser Unterscheidung nicht um eine alternative Zuordnung von Rechtsnormen, sondern um die Qualifizierung von Rechtsverhältnissen handelt359, die es bedingt, dass inhaltsbestimmende Normen sowohl privatrechtlicher als auch öffentlich-rechtlicher Natur sein können. Allerdings besteht bei öffentlich-rechtlich geprägten vermögenswerten Rechten die Besonderheit, dass die das Eigentumsrecht bestimmenden Regelungen mit solchen, die das Eigentumsgrundrecht betreffen, regelungstechnisch eng verbunden sind und sich deshalb nur schwer unterscheiden lassen. Zur Verdeutlichung kann aber auch hier das Bild des „Rechtsdreiecks“ verwendet werden: Das Horizontalverhältnis Privater untereinander wird durch das Eigentumsrecht gestaltet, während das vertikale Verhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Staat grundrechtlich geprägt ist. Paradigmatisch hierfür kann das Baunachbarrecht herangezogen werden, das mit den Regelungen etwa über Art und Maß der zulässigen baulichen Nutzung von Grundstücken Nutzungsrechte den jeweiligen Inhabern zivilrechtlichen Eigentums ausschließlich zuweist und insofern den Inhalt des Grundeigentums gerade auch im Verhältnis der Nachbarn untereinander bestimmt. Zuweisungsgehalt und Ausschließlichkeit als Essentialia der eigentumsrechtlichen Abgrenzung von Vermögenssphären im Horizontalverhältnis können einerseits im Rahmen privatrechtlicher Störungsabwehrrechte nach §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. den baurechtlichen Eigentumsinhaltsbestimmungen zur Geltung kommen360. Sie entfalten aber andererseits, vermittelt über die Vertikalverhältnisse der beteiligten Nachbarn zur staatlichen Bauaufsicht, horizonale Wirkung, indem etwa ein Abwehranspruch des Nachbarn gegen die behördliche Genehmigung eines baurechtskonformen Vorhabens ebenso entfällt wie ein Anspruch auf behördliches Einschreiten gegen eine gesetzeskonforme bauliche Nutzung des Grundstücks361. Der Ausgleich gegenläufiger Privatinteressen wird hier ledig356 Anders J. Chlosta, Wesensgehalt, S. 32, der den inhaltsbestimmenden Charakter öffentlich-rechtlicher Normen verneint. 357 Vgl. etwa zur Zweigleisigkeit des Nachbarrechts F.-J. Peine, Öffentliches und Privates Nachbarrecht, JuS 1987, 169 ff. 358 Vgl. zur Gleichrangigkeit von Privatrecht und öffentlichem Recht bei der Inhaltsbestimmung des Eigentums BVerfG, Beschl. v. 15.7.81 1 BvL 77/78 – BVerfGE 58, 300, 336; Beschl. v. 12.3.86 – 1 BvL 81/79 – BVerfGE 72, 66, 77; J. Wieland, in: H. Dreier, GG, Bd. I, Art. 14 Rdnr. 30; ferner (zur Baufreiheit) D. Ehlers, Eigentumsschutz, VVDStRL 51 (1992), 211, 217; Ch. Enders, Neubegründung des öffentlichrechtlichen Nachbarschutzes, AöR 115 (1990), 610, 622. 359 Dazu oben § 7 B. II. 2. und III. 360 Zu den Voraussetzungen, Regelungen der Landesbauordnungen als privatrechtliche Schutzgesetze anzuerkennen vgl. E. Steffen, in: RGRK, § 823 BGB, Rdnr. 555.

§ 9 Die Grundrechtsrelevanz der Pflicht

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lich verfahrensrechtlich über den hoheitlich handelnden Staat verwirklicht, betrifft aber materiell das Horizontalverhältnis der Nachbarn untereinander. Demgegenüber zählen subjektiv-öffentliche Rechte, weil nur das Staat-Bürger-Verhältnis betreffend, grundsätzlich nicht zum verfassungsrechtlich geschützten Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG. Für sozialversicherungsrechtliche Ansprüche macht das Bundesverfassungsgericht hiervon freilich dann eine Ausnahme, wenn sie (auch) auf einer Eigenleistung des Berechtigten beruhen362. Diese in der Spezifik der Sozialversicherung und ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationsform wurzelnde Rechtsprechung363 kann indes nicht verallgemeinert werden. Soweit subjektiv-öffentliche Rechte aus einfach-gesetzlichen Eigentumsrechten fließen, sind sie Ausdruck der grundrechtlich gebundenen Rechtsbeziehung Privater zum Staat. Ihre generelle Einbeziehung in den Kreis vermögenswerter Rechte führte demgegenüber gewissermaßen zur Konfusion, da hierdurch ein aus dem Grundrecht resultierendes Recht selbst grundrechtlichen Schutz genösse und dadurch gleichsam das Grundrecht zum Schutzgut seiner selbst erhoben würde364.

361 Aus der Systematik des grundgesetzlichen Eigentumsschutzes ergibt sich, dass in diesen Fällen auch ein Anspruch unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 GG – etwa in den Fällen „schwerer und unerträglicher Beeinträchtigung“ des benachbarten Grundstückseigentümers (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.6.69 – 4 C 234/65 – BVerwGE 32, 173, 179; Urt. v. 29.7.77 – 4 C 51/75 – BVerwGE 54, 211, 222; Urt. v. 5.8.83 – 4 C 96/79 – BVerwGE 67, 334, 336) – ausscheidet, da das Eigentumsgrundrecht sich nur auf Rechtspositionen erstrecken kann, welche durch inhaltsbestimmende Normen konstituiert sind; vgl. dazu R. Wahl, Abschied, in: Festschrift f. K. Redeker, S. 245, 255 ff.; BVerwG, Urt. v. 23.8.96 – 4 C 13/94 – BVerwGE 101, 364, 373; Urt. v. 12.3.98 – 4 C 10/97 – BVerwGE 106, 228, 233 f. Aus dem gleichen Grund vermag auch das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme nicht unmittelbar aus dem Grundrecht abgeleitet (so F. Weyreuther, Gebot der Rücksichtnahme, BauR 1975, 1 und 11) und auch sonst nicht gesetzesunabhängige Geltung im Baurecht besitzen, vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.9.84 – 4 B 181/84 – DVBl. 1985, 122; Urt. v. 19.9.86 – 4 C 8/84 – DVBl. 1987, 476 f. 362 BVerfG, Urt. v. 28.2.80 – 1 BvL 17/77 u. a. – BVerfGE 53, 257, 291; Urt. v. 16.7.85 – 1 BvL 5/80 u. a. – BVerfGE 69, 272, 300 f.; Beschl. v. 12.2.86 – 1 BvL 39/83 – BVerfGE 72, 9, 18 f.; Urt. v. 28.4.1999 – 1 BvL 39/95 u. a. – BVerfGE 100, 1, 32. 363 Vgl. dazu F. Ossenbühl, Eigentumsschutz, in: Festschrift f. W. Zeidler, Bd. 1, S. 625, 626 ff. 364 Von hier aus löst sich auch etwa die Frage, ob öffentlich-rechtliche Genehmigungen als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG anzusehen sind [prinzipiell befürwortend etwa O. Kimminich, in: R. Dolzer/K. Vogel/K. Graßhof, BK, Art. 14 (1992), Rdnrn. 95 ff.]. Soweit Genehmigungen die Erfüllung eines aus dem Abwehrrecht fließenden Anspruchs darstellen (vgl. B. Vogler, Genehmigungsanspruch, S. 154) sind sie jedenfalls nicht selbst Schutzgut von Grundrechten. Nicht grundrechtlich fundierte, sondern lediglich auf einfach-gesetzlicher Grundlage erteilte Genehmigungen können nicht durch ihre bloße Existenz Verfassungsrang erlangen.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

II. Die Unterscheidung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen Auf der Basis der Differenzierung zwischen Eigentumsrecht und Eigentumsgrundrecht erweist sich auch die Unterscheidung von Inhaltsbestimmungen und Schrankenbestimmungen365 als ebenso notwendig wie nach dem Wortlaut des Art. 14 Abs 1 S. 2 GG naheliegend366. Dies freilich wird von der ganz überwiegenden Ansicht in Abrede gestellt367. Inhalts- und Schrankenbestimmungen werden als einheitliche Regelungsmasse verstanden, die darüber hinaus nicht nur berechtigenden, sondern auch verpflichtenden Inhalts sein können: „Solche Normen legen generell und abstrakt die Rechte und Pflichten des Eigentümers fest, bestimmen also den ,Inhalt‘ des Eigentums (BVerfGE 52, 1 [27]). Der Gesetzgeber schafft damit auf der Ebene des objektiven Rechts diejenigen Rechtssätze, die die Rechtsstellung des Eigentümers begründen und ausformen“368. Die Formel „Inhalt und Schranken“ in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG wird letztlich als Pleonasmus verstanden, da jede Inhaltsbestimmung notwendig Schranken enthalte, jede Schrankenbestimmung gleichzeitig den Inhalt bestimme369. Darüber hinaus wird durch die generelle Einbeziehung von Pflichten des Eigentümers in den Regelungsbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG der subjektiv-rechtliche Bezug transzendiert, wodurch sich Inhalts- (und Schranken-)Bestimmungen von 365 Diese Unterscheidung wird in der Literatur anhand unterschiedlicher Abgrenzungsmerkmale durchgeführt, angeführt seien nur: (nur) zeitliche bzw. logische Relation (so M. Burgi, Persönlichkeitsentfaltung, ZG 9 (1994), 341, 349; D. Ehlers, Eigentumsschutz, VVDStRL 51 (1992), 211, 225; W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. VI, § 149 Rdnrn. 71, 134; U. Ramsauer, Inhaltsbestimmung, DVBl. 1980, 539, 541; M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 80 III 2. b) a) bb), S. 408; J. Seitz, Planungshoheit, S. 120; wohl auch A. v. Arnauld, Freiheitsrechte, S. 135 ff.); Eingriffsintensität (M. Hoeft, Entschädigungsansprüche, S. 140 ff., 146); Befugniszuteilung oder Konfliktregelung (R. Lutz, Eigentumsschutz, S. 163; R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 147 ff., 157 f.; ders., in: M. Sachs, GG, Art. 14 Rdnr. 55; zustimmend J. Schwabe, Facetten des Eigentums, Der Staat 27 (1988), 93, 97 f.); Privatrecht/Privatinteresse oder öffentliches Recht/öffentliches Interesse (E. Stein/G. Frank, Staatsrecht, S. 343; J. Chlosta, Wesensgehalt, S. 31 ff., 32). 366 M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 80 III 2. b), S. 405. 367 M. Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 105 ff.; W. Böhmer, Gewährleistung des Eigentums, NJW 1988, 2561, 2572 f.; B.-O. Bryde, in: I. v. Münch/ Ph. Kunig, GGK I, Art. 14 Rdnrn. 50 f.; E. Haas, Baulandumlegung, NVwZ 2002, 272, 273; H. D. Jarass, Inhalts- und Schrankenbestimmung, NJW 2000, 2841, 2843; P. Lerche, Übermaß, insbes. S. 140 ff.; O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 60; K. Nüßgens/K. Boujong, Eigentum, Rdnr. 128; H.-J. Papier, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 14 (2002), Rdnr. 307; H. Rittstieg, in: AK-GG, Bd. 2, Art. 14/15, Rdnrn. 165–167; J. Rozek, Unterscheidung, S. 55 ff., H.-D. Sproll, in: S. Detterbeck/K. Windthorst/H.-D. Sproll, Staatshaftungsrecht, § 15 Rdnr. 4; J. Wieland, in: H. Dreier, GG, Bd. I, Art. 14 Rdnr. 68; für sinnvoll, aber nicht erforderlich erachtet Ch. Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 194, die Unterscheidung. 368 BVerfG, Beschl. v. 15.7.81 1 BvL 77/78 – BVerfGE 58, 300, 330. 369 B.-O. Bryde, in: I. v. Münch/Ph. Kunig, GGK I, Art. 14 Rdnr. 51; J. Rozek, Unterscheidung, S. 59; J. Wieland, in: H. Dreier, GG, Bd. I, Art. 14 Rdnr. 68.

§ 9 Die Grundrechtsrelevanz der Pflicht

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Regelungen des Eigentumsrechts zu Regelungen der Eigentümerstellung insgesamt erweitern. Diese angenommene Untrennbarkeit von Rechten und Pflichten hat neuerdings O. Lepsius aufgegriffen und seinem Sachherrschaftsmodell zugrunde gelegt370. Er führt sie auf die „Normprägung des Eigentums als interpersonelles Rechtsverhältnis“ zurück371. Rechte und Pflichten seien subjektivrechtlich dergestalt aufeinander bezogen, dass jede subjektive Berechtigung an anderer Stelle eine Pflicht auslöse372. Die Grundlage dieses als „Reflexmodell“ vorgestellten, den Vorstellungen der Imperativentheorien verhaftete Konzeption wurde bereits oben kritisch betrachtet373: Für ihre Stimmigkeit kommt es, wie ausgeführt, auf den jeweiligen Gehalt an, der dem subjektiven Recht beigelegt wird. Jedenfalls bei Gestaltungsrechten – wozu auch die eigentumsrechtlichen Verfügungsbefugnisse zu zählen sind – wird sich eine korrelierende Verpflichtung nicht so leicht finden lassen. Der eigentlich kritische Punkt der Lepsius’schen Argumentation ist indes der unvermittelte Wechsel der Perspektive: Wenn nämlich ein subjektives Recht nur existiert, weil an anderer Stelle eine Verpflichtung besteht, so wird damit ein Rechtsverhältnis zwischen mindestens zwei Rechtssubjekten vorausgesetzt. Insofern kann man zwar auch bei Eigentumsrechten jedenfalls zum Teil von einer „Symbiose von Rechten und Pflichten“ sprechen374, doch nur im Verhältnis des berechtigten Eigentümers zu Dritten. Diese haben beispielweise die Pflicht, Substanz und Nutzung des Eigentumsgegenstands nicht zu beeinträchtigen, während der Berechtigte das damit korrelierende Recht besitzt, derartige Beeinträchtigungen zu verbieten und ggf. abzuwehren. Hieraus375 kann aber nicht abgeleitet werden, dass auch die Pflichten des Eigentümers aus seiner Berechtigung folgen und – um so weniger – dass diese Pflichten Teil des Eigentumsgrundrechts sind376. Kann demnach die Notwendigkeit der Verbindung von Eigentumsrecht und Eigentümerpflicht nicht als rechtstheoretische Notwendigkeit dargestellt werden, überspielt diese vereinheitlichende Betrachtungsweise darüber hinaus einerseits den Unterschied zwischen dem Grundrecht (als Abwehrrecht) und seinem Schutzgut377, andererseits die Unterscheidung zwischen dem Eigentum als (tat370 O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, insbes. S. 55, 107 ff.; ausführlich dazu noch unten § 11 C. I. 1. 371 O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 55. 372 O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 107. 373 Vgl. oben 1. Teil, § 3 C. 374 O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 55. 375 Zum Eigentum als Rechtsgrund von Eigentümerpflichten noch unten § 9 B. III. 3. b). 376 So aber O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 57: „Das Eigentumsgrundrecht entsteht in seinen Befugnissen und seinen Pflichten erst durch die einfachgesetzliche Ausfüllung“.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

bestandlichem) Anknüpfungspunkt für Pflichten und der durch die Auferlegung einer Pflicht (als Rechtsfolge) beeinträchtigten Rechtsposition. 1. Das Eigentumsrecht als Gegenstand der Inhaltsbestimmung Schon das herkömmliche Verständnis des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs als vermögenswertes Recht sowie die insbesondere vom Bundesverfassungsgericht herausgestellte Funktion des Eigentums als wesentliches Mittel der Freiheitssicherung im vermögensrechtlichen Bereich sprechen dafür, unter Eigentumsinhaltsbestimmungen nur die Gesamtheit derjenigen Normen zu verstehen, die subjektive Verfügungs- und Nutzungsrechte begründen, inhaltlich ausgestalten und ihre Reichweite bestimmen. Eventuelle Pflichtenstellungen des Eigentümers sind dagegen nicht erfasst und auch nicht nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistet. Mit „Gesamtheit der Normen“ wird ausgedrückt, dass es nicht auf die reine Normierungstechnik ankommen kann, insbesondere also nicht darauf, ob ein Rechtssatz eine umfassende Befugnis zuteilt, die in einem anderen Rechtssatz wieder beschränkt wird378, oder ob schon die Befugniszuteilung nur eingeschränkt erfolgt. Die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt aus den Rechte gewährenden und die Gewährung begrenzenden Regelungen insgesamt ergebenden subjektiv-rechtlichen Positionen sind Inhalt des Eigentumsrechts; und jede Norm, die sie begründend oder begrenzend konstituieren, ist Inhaltsbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. So betrachtet, können auch Normen, die Pflichten auferlegen, (negativ) inhaltsbestimmenden Charakter haben379, nämlich wenn und weil sie definieren, was nicht zum Eigentumsinhalt gehört. Doch gilt das nicht für jede den Eigentümer treffende Pflicht, und soweit es doch gilt, wird dadurch die Pflicht nicht Teil des Eigentumsrechts380. 2. Das Eigentumsgrundrecht als Gegenstand der Schrankenbestimmung Sind Inhaltsbestimmungen nur vermögenswerte Rechte begründende, definierende, begrenzende, kurz: ausgestaltende Rechtsnormen, die in erster Linie das Verhältnis Privater untereinander betreffen, so verweist der Begriff der Schran377

So auch M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 80 III 2. a), S. 405. Vgl. zum Verhältnis von § 903 und § 906 BGB gleichsinnig M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 80 2. b) a) aa), S. 407; dabei verweist bereits § 903 BGB mit seinem „soweit nicht“-Satzteil auf der umfassenden Nutzungs- und Ausschließungsbefugnis entgegenstehende Gesetze oder Rechte Dritter und inkorporiert gewissermaßen dadurch schon die Beschränkungen, die sich aus ihnen ergeben. 379 Anders R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 155 f.; ders., in: M. Sachs, GG, Art. 14 Rdnr. 55; zuvor schon R. Lutz, Eigentumsschutz, S. 165; dem im Grundsatz folgend M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 80 III 2. b) a) aa), S. 407. 380 Dazu unten § 9 B. III. 378

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ken des Eigentums auf das Bürger-Staat-Verhältnis und ist im Sinne eines Einschränkungsvorbehalts zu verstehen381, der nicht das Eigentum als Schutzgut, sondern das Grundrecht als Abwehrrecht betrifft. Wegen der Normgeprägtheit des Schutzgutes mag es allerdings so scheinen, als wäre die Unterscheidung beider Regelungsarten rein theoretischer oder nur begrifflicher Art382, da jede Begrenzung, Verkürzung oder Beseitigung eines zuvor geschaffenen Eigentumsrechts sowohl für die Zukunft den Inhalt (und damit auch die Grenzen) des Eigentums bestimmt, als auch – wegen der Einschränkung des Schutzguts383 – dem Grundrecht Schranken setzt. Dass in vielen Fällen Inhalts- mit Schrankenbestimmungen zusammentreffen werden, ist denn ebenso zu konzedieren wie die Tatsache, dass eine Schrankenbestimmung nur im Hinblick auf bestehende Eigentumsrechte denkbar ist, was in der besonderen Struktur der Eigentumsgewährleistung als gesetzesakzessorischem Grundrecht begründet ist. Die Unterscheidung ist dennoch keineswegs willkürlich oder sinnlos384, sondern jedenfalls aus zwei Gründen auch sachlich geboten: a) Der Unterschied der verfassungsrechtlichen Maßstäbe Zum einen zwingen die unterschiedlichen Maßstäbe, denen Inhaltsbestimmungen einerseits, Schrankenbestimmungen andererseits genügen müssen, dazu, dogmatisch an der Unterscheidung festzuhalten385. Auch das Bundesverfassungsgericht unterscheidet (neuerdings) sehr genau zwischen der zukunftsgerichteten inhaltlichen Ausgestaltung des Eigentums einerseits und der Rechtfertigung der (gegebenenfalls dadurch zugleich bewirkten) Beseitigung oder Beschränkung nach früherem Recht bestehender Rechtspositionen andererseits386. Die abwehrrechtliche Prüfung von Schrankenziehungen konzentriert sich ganz auf Art und Maß der Reduzierung von subjektiven Rechtspositionen und verwirft vor allem im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes letztlich nur Ergebnisse, die (im Übermaß) zu Lasten des Berechtigten gehen387. Ein Eingriff M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 80 III 2. b) g), S. 409. Etwa H.-J. Papier, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 14 (2002), Rdnr. 307; J. Rozek, Unterscheidung, S. 61. 383 Zur Einschränkung des Grundrechts durch die Beschränkung des Schutzguts vgl. noch unten § 10 A. II. vor 1. 384 So der Vorwurf von H.-J. Papier, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 14 (2002), Rdnr. 307. 385 Zur Trennung der Prüfungsmaßstäbe auch Ch. Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 106 f., 190; U. Ramsauer, Inhaltsbestimmung, DVBl. 1980, 539, 541. 386 BVerfG, Beschl. v. 9.1.91 – 1 BvR 929/89 – BVerfGE 83, 201, 212; Beschl. v. 10.10.1997 – 1 BvR 310/84 – NJW 1998, 367, 368. 387 Aus der Rechtfertigungsbedürftigkeit von Eingriffen in bestehende Eigentumsrechte kann nicht auf die „verfassungsrechtliche Versteinerung einmal festgelegter Rechte-Pflichten-Verhältnisse“ geschlossen werden (so in seiner Kritik am vorherr381 382

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in nach früherem Recht entstandene Rechte muss durch Gründe des öffentlichen Interesses gerechtfertigt sein. Die zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit gegebenenfalls erforderliche Gewährung eines finanziellen Ausgleichs ist sinnvoller Weise nur bei Schrankenregelungen zu verorten, so dass die Rede von der „ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung“ terminologisch ungenau ist. Die inhaltliche Konstituierung und Ausgestaltung eigentumsrechtlicher Positionen dagegen muss sich im Rahmen der Institutsgarantie an den Kriterien messen lassen, die für die Abwägung zwischen Privatnützigkeit und Sozialbindung gelten388. Der Gesetzgeber steht bei der Schaffung solcher inhaltsbestimmender Normen vor einer umfassenden Ausgleichsaufgabe389. Er hat einerseits die Rechtssphären Privater voneinander abzugrenzen und die tendenziell gegenläufigen Interessen hinsichtlich des Eigentumsgegenstands auszugleichen, indem er bestimmt, in welchem Maße Verfügungs- und Nutzungsmöglichkeiten am Eigentumsgegenstand dem Berechtigten ausschließlich zugeordnet werden. Andererseits ist er gehalten, den sozialen Bezug des Eigentumsgegenstands und seiner Nutzung in der Ausgestaltung des Eigentumsrechts zum Tragen kommen zu lassen. So kann der Ausschluss möglicher Nutzungen bei der Konstituierung des Eigentumsinhalts ebenso geboten sein wie etwa die Begrenzung denkbarer Verfügungsmöglichkeiten (etwa durch Verkehrsverbote etc.). Auch solche Begrenzungen stellen jedoch keine Einschränkung eines als umfassend gedachten Eigentumsrechts dar, sondern bestimmen nur die Reichweite des konstituierten Rechts390. Deshalb lassen sich Inhalts- und Schrankenbestimmungen auch nicht mit dem Begriffspaar „Befugniszuteilung – Konfliktregelung“ charakterisieren391, da bereits die inhaltliche Ausformung von Eigentumspositionen dem Ausgleich konfligierender Privat- und Gemeinwohlinteressen dienen muss392. Aus dem gleichen Grund kann die Unterscheidung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen nicht danach erfolgen, ob Normen Privatinteressen voneinander oder von öffentlichen Interessen abgrenzen393. Ein solches Verschenden Verständnis O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 57, 63 f.). Auch „sollen“ daran legislatorische Maßnahmen nicht „scheitern“ (S. 60 f.), sondern an den jeweiligen für Grundrechtseingriffe geltenden Maßstäben gemessen werden. 388 U. Ramsauer, Inhaltsbestimmung, DVBl. 1980, 539, 541. 389 Vgl. auch BVerwG, Urt. v. 16.5.1991 – 4 C 17/90 – BVerwGE 88, 191, 194. 390 Vgl. auch B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte, Rdnr. 901, die jedoch nicht zwischen Inhaltsbestimmungen und Schrankenbestimmungen unterscheiden. 391 So R. Lutz, Eigentumsschutz, S. 163; R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 157; ders., in: M. Sachs, GG, Art. 14 Rdnr. 55. 392 Im untergesetzlichen Planungsrecht, das z. T. auch eigentumsinhaltsbestimmende Normen setzt, gilt das Gebot der Konfliktbewältigung denn auch als abwägungserheblicher Belang, dessen Verletzung zur Fehlerhaftigkeit des jeweiligen Plans führen kann, vgl. nur W. Brohm, Öffentliches Baurecht, § 14 Rdnr. 7. 393 So E. Stein/G. Frank, Staatsrecht, S. 343; noch deutlicher J. Chlosta, Wesensgehalt, S. 32: Privatrecht als Inhaltsbestimmung, öffentliches Recht als Schrankenbestimmung. Hiergegen sprechen sämtliche Gründe, die bei der Diskussion um die Unter-

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ständnis verwechselt das konkrete (im Horizontalverhältnis Privater untereinander wirkende) Eigentumsrecht als ein Ergebnis der Abwägung öffentlicher und privater Belange mit den inhaltsbestimmenden Normen, die in ihrer Gesamtheit dieses Ergebnis erst hervorbringen. Diese – im Spannungsverhältnis von Privatnützigkeit und Gemeinwohlbindung zu treffende – Abwägungsentscheidung über den Inhalt von Eigentumsrechten lässt sich nicht abwehrrechtlich konstruieren, da es an einer beeinträchtigten Rechtsposition des „Eigentümers“ fehlt, die schließlich erst durch das Entscheidungsergebnis begründet wird394. Zudem sind hierbei nicht nur die Interessen Privater von Belang, sondern grundsätzlich gleichrangig auch Gemeinwohlinteressen zu berücksichtigen, so dass die Verfehlung eines ausgewogenen Interessenausgleichs auch dann verfassungswidrig ist, wenn sie zu Gunsten des privaten Rechts den sozialen Bezug des Eigentums vernachlässigt395 und dem Eigentümer dadurch ein „Mehr“ an Rechten zubilligt, als es widerstreitende öffentliche Interessen zulassen. b) Die Unterscheidbarkeit von Inhalts- und Schrankenbestimmungen Zum anderen darf die Tatsache, dass eigentumsausgestaltende Regelungen häufig zugleich dem Grundrecht Schranken setzen, nicht den Blick dafür verstellen, dass es sowohl Inhaltsbestimmungen gibt, die keine Schrankenbestimmungen sind, als auch umgekehrt gesetzliche Eingriffe in das Grundrecht möglich sind, die den Bestand und den Umfang der einfachgesetzlich begründeten Rechtsposition unberührt lassen. Das folgt aus der notwendigen Unterscheidung von Grundrecht und grundrechtlichem Schutzgut. Reine Inhaltsbestimmungen sind nicht nur Regelungen, die erstmalig eine Eigentumsposition ausgestalten und damit schon sachlich keine (beschränkende) Auswirkung auf den vorhandenen Bestand von Eigentumsrechten haben können396, sondern gleichermaßen solche Normierungen, die Altrechte unberührt lassen und ausschließlich für zukünftig entstehende Eigentumsrechte Geltung besitzen397, sowie schließlich solche, die den bisherigen Bestand erweitern, indem sie etwa bislang versagte Nutzungs- oder Verfügungsmöglichkeiten eröffnen. scheidung von öffentlichem und privatem Recht der Interessentheorie entgegen gehalten werden können, insbesondere die Anerkennung subjektiv-öffentlicher Rechte (vgl. nur H.-U. Erichsen, Öffentliches und privates Recht, Jura 1982, 537, 538 f.). 394 D. Ehlers, Eigentumsschutz, VVDStRL 51 (1992), 211, 227, Fußn. 87; s. auch J. Wieland, in: H. Dreier, GG Bd. I, Art. 14 Rdnr. 66. 395 Vgl. auch B.-O. Bryde, in: I. v. Münch/Ph. Kunig, GGK I, Art. 14 Rdnr. 34; diese Möglichkeit übersieht J. Wieland, in: H. Dreier, GG Bd. I, Art. 14 Rdnr. 66. 396 So aber J. Rozek, Unterscheidung, S. 61. 397 U. Ramsauer, Inhaltsbestimmung, DVBl. 1980, 539, 541.

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Angesichts der Tatsache, dass Eigentumsrechte primär das Verhältnis von (Privat-)Rechtssubjekten untereinander im Hinblick auf den Eigentumsgegenstand regeln, das Eigentumsgrundrecht als Abwehrrecht ausschließlich das Verhältnis von Grundrechtsträgern zum Staat im Hinblick auf diese Eigentumsrechte betrifft, sind Regelungen, die nur das letztgenannte Verhältnis berühren, nicht als Inhaltsbestimmungen zu qualifizieren. Einen typischen Fall nur schrankensetzender Regelung, der das Eigentumsrecht selbst nicht antastet, stellen gesetzliche Ermächtigungen zum Eingriff in vermögenswerte Rechte dar. Sie betreffen, wie alle Eingriffsermächtigungen, nicht das grundrechtliche Schutzgut als solches, da alleine durch ihre Normierung die bestehenden Nutzungs- und Verfügungsbefugnisse des Berechtigten in vollem Umfang erhalten bleiben. Vielmehr begrenzen sie die Abwehrrechte gegen staatliche Maßnahmen, die in ihrem Vollzug ergehen, da ihnen das betroffene Eigentumsrecht nicht mehr entgegengesetzt werden kann398. c) Fazit Daraus folgt, dass das Verhältnis von Inhalts- und Schrankenbestimmungen kein rein zeitliches399 oder logisches400 sondern materiellrechtlicher, den unterschiedlichen Wirkungsrichtungen von Eigentumsrecht und Eigentumsgrundrecht Rechnung tragender Art ist. Sie haben jeweils unterschiedliche Funktionen und unterliegen unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Maßstäben. Insoweit kann von einer „begrifflichen Ausschließung“401 gesprochen werden, wenngleich sich in ein und derselben Regelung beide Regelungsarten bündeln können. 3. Schrankenbestimmung und Enteignung Ebenso wie Schrankenbestimmungen nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG betrifft auch die Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG das grundrechtliche Verhältnis zwischen Bürger und Staat und ist deshalb als eine Sonderform der Eigentumsbeschränkung anzusehen402. Über das die Besonderheit ausmachende Merkmal allerdings herrscht Unsicherheit, insbesondere seitdem das Bundesverfassungsgericht die „materiellen“, am Gewicht bzw. am Sonderopfercharakter der jeweiligen Eigentumsbeeinträchtigungen orientierten Abgrenzungskriterien403 zu

398 399 400

Dazu (am Beispiel der allgemeinen Handlungsfreiheit) näher unten § 10 A. II. 2. D. Ehlers, Eigentumsschutz, VVDStRL 51 (1992), 211, 225. W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. VI, § 149 Rdnr.

134. So M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 80 III 2. b) g) bb), S. 410. Ch. Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 192; M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 80 III 2. b) g) gg), S. 410. 401 402

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Gunsten eines formellen Enteignungsbegriffs verworfen hat404. In der Gegenüberstellung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen als genereller und abstrakter Festlegung der Rechte und Pflichten des Eigentümers einerseits, dem gesetzlichen Entzug konkreter Eigentumsrechte (Legalenteignung) bzw. der Ermächtigung hierzu (Administrativenteignung) andererseits, schien zwar die Abgrenzung zwischen den Anwendungsbereichen von Art. 14 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 GG theoretisch vollziehbar zu sein, doch nur auf der Basis der Annahme, Inhalts- seien von Schrankenbestimmungen nicht zu unterscheiden. Doch auch diese – wie gezeigt unrichtige – Prämisse beseitigt nicht das sachliche Problem der Einordnung abstrakt-genereller Festlegung von Eigentümerbefugnissen, die zugleich bestehende Eigentumspositionen verkürzen oder beseitigen. Denn mittlerweile405 steht die Rechtsprechung auf dem Standpunkt, dass eine Regelung nur entweder eine Inhalts- und Schrankenbestimmung oder eine Enteignung(sermächtigung) darstellen könne und dass auch eine die verfassungsrechtlichen Grenzen überschreitende Schrankenbestimmung406 sich nicht in eine Enteignungsnorm wandle407. In jüngster Zeit hat das Bundesverfassungsgericht seine Position hierzu korrigiert und präzisiert. Danach ist der Entzug konkreter Rechtspositionen zwar eine notwendige, doch nicht hinreichende Voraussetzung für eine Enteignung408. Unter Rückgriff auf die ältere Rechtsprechung409 wird die Enteignung nunmehr als ein Fall bezeichnet, in dem „Güter hoheitlich beschafft werden, mit denen ein konkretes, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienendes Vorhaben durchgeführt werden soll“410. Diese – in Teilen der Literatur schon früher geforderte411 – Rückkehr zum klassischen Enteig403 Zur älteren Rechtsprechung und Lehre vgl. etwa den Überblick bei H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26 Rdnrn. 12 ff. 404 Spätestens seit BVerfG, Beschl. v. 15.7.1981 – 1 BvL 77/78 – BVerfGE 58, 300, 330 f. 405 Anders noch BVerfG, Beschl. v. 15.7.1981 – 1 BvL 77/78 – BVerfGE 58, 300, 330 f., 338. 406 Das Bundesverfassungsgericht spricht dagegen regelmäßig von „Inhaltsbestimmungen“ Aus dem zum Verhältnis von Inhalts- zu Schrankenbestimmungen Gesagten ergibt sich, dass dies terminologisch ungenau ist: Inhaltsbestimmungen können als solche mit Enteignungsregelungen gar nicht kollidieren; Ausgleichspflichten können nur aus Schrankenregelungen erwachsen; das Problem liegt deshalb bei der Abgrenzung von Schrankenregelungen nach § 14 Abs. 1 S. 2 und solchen nach Art. 14 Abs. 3 GG. 407 BVerfG, Beschl. v. 9.1.91 – 1 BvR 929/89 – BVerfGE 83, 201, 211 f.; Beschl. v. 10.10.1997 – 1 BvR 310/84 – NJW 1998, 367, 368; Beschl. v. 2.3.99 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226, 240. 408 Anders noch BVerfG, Beschl. v. 9.1.91 – 1 BvR 929/89 – BVerfGE 83, 201, 211. 409 BVerfG, Beschl. v. 12.11.74 – 1 BvR 32/68 – BVerfGE 38, 175, 179 f. 410 BVerfG, Beschl. v. 22.5.2001 – 1 BvR 1512/97 – BVerfGE 104, 1, 10 = DÖV 2001, 996. 411 Vgl. etwa M. Deutsch, Planungsschadensrecht, DVBl. 1995, 546, 549; R. Hendler, Inhalts- und Schrankenbestimmung, in: Festschrift f. H. Maurer, S. 127, 131; U.

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nungsbegriff412 ist zwar insofern terminologisch ungenau, als Gegenstand der Enteignung nur sein kann, was auch Inhalt des Eigentums ist, also nicht ein „Gut“, sondern ein Recht413. Sie stellt aber klar, dass die Enteignung nicht durch die bloße Entziehung eines Rechts, sondern zusätzlich durch dessen Übertragung auf den Enteignungsbegünstigten zur Erfüllung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe gekennzeichnet ist414. Regelungen der Enteignung lassen sich durch diese Merkmale von Schrankenbestimmungen i. S. d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG trennscharf und formal abgrenzen415. III. Eigentums- und eigentümerbezogene Pflichten Die verfassungsrechtliche Beurteilung von Eigentümerpflichten kann vor diesem Hintergrund nicht anhand der Abgrenzung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen erfolgen416, sondern folgt insoweit eigenen, bzw. den allgemein für Rechtspflichten geltenden Regeln. Dem liegt einerseits die Erwägung zugrunde, dass unter Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG nur subjektive Rechte, nicht aber auch Pflichten zu verstehen sind417. Ferner gilt auch für das EigenHösch, Eigentum und Freiheit, S. 224 f.; J. Lege, Enteignung, NJW 1993, 2565, 2567; L. Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 267 f.; dies., Eigentumsschutz, DVBl. 1991, 906, 911 ff. 412 Vgl. H.-J. Papier, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 14 (2002), Rdnrn. 355, 361; anders E. Haas, Baulandumlegung, NVwZ 2002, 272, 274, mit der Einschätzung, das Bundesverfassungsgericht habe „seit jeher den Entzug des Eigentums alleine (. . .) keinesfalls ausreichen lassen (. . .)“. Im Beschluss vom 9.1.91 – 1 BvR 929/89 – BVerfGE 83, 201, 211, liest sich dies anders (zuvor schon BVerfG, Urt. v. 18.12.68 – 1 BvR 638/64 u. a. – BVerfGE 24, 367, 394) und ist auch in der Literatur anders verstanden worden, vgl. etwa R. Hendler, Inhalts- und Schrankenbestimmung, in: Festschrift f. H. Maurer, S. 127, 129; H. D. Jarass, Inhalts- und Schrankenbestimmung, NJW 2000, 2841, 2843; J. Lege, Enteignung, NJW 1993, 2565, 2566; F. Ossenbühl, Inhaltsbestimmung, JuS 1993, 200, 201; H.-J. Papier, Weiterentwicklung, DVBl. 2000, 1398, 1399; J. Rozek, Unterscheidung, S. 200 f. 413 Nach J. Rozek, Unterscheidung, S. 201, spricht gegen den klassischen Enteignungsbegriff, dass nicht jede Eigentumsposition übertragbar sein soll, so dass der Eigentumsbegriff des Art. 14 Abs. 3 GG enger sei als der des Art. 14 Abs. 1 GG. Sein Beispiel der Konfusion bei Forderungsrechten aber überzeugt nicht, da sie nicht jedwede Übertragung von Forderungen betrifft, sondern nur Übertragungen an den Schuldner. 414 Vgl. auch U. Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 235; H. D. Jarass, Inhalts- und Schrankenbestimmung, NJW 2000, 2841, 2844; J. Lege, Enteignung, NJW 1993, 2565, 2567; zur Abgrenzung von Fällen bloßer Entziehung vgl. E. Haas, Baulandumlegung, NVwZ 2002, 272, 274 f. 415 s. aber J. Wilhelm, Enteignungsbegriff, JZ 2000, 905, 910, der es für unmöglich hält, „Inhaltsbestimmung und Enteignung in Gegensatz zu bringen“. Die Unterschiedlichkeit der Regelungsarten – Rechtsübertragung hier, (bloße) Rechtsbeschränkung oder -entziehung dort, zeigt, dass es wenn nicht um Gegensätze, so doch um qualitativ unterschiedliche Maßnahmen geht. 416 So R. Lutz, Eigentumsschutz, S. 163 ff., 165.

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tumsrecht, dass seine Grenzen nicht zugleich in dem Sinne verpflichtenden Charakter besitzen, dass etwa eine Nutzungsmöglichkeit, die nicht Teil des subjektiven Rechts ist, schon alleine aus diesem Grunde verboten ist418. Schließlich kann die Eigentümerstellung durch Pflichten geprägt werden, die das Eigentumsrecht als solches unberührt lassen. Generell lässt sich unterscheiden zwischen Pflichtnormen, die tatbestandlich an ein Eigentumsrecht anknüpfen und deshalb nur den Rechtsinhaber treffen (eigentümerbezogene Pflichten) und solchen, die der Rechtsfolge nach Eigentumsrechte inhaltlich bestimmen oder beschränken (eigentumsbezogene Pflichten). 1. Eigentumsbezogene Pflichten Eigentumsbezogene Pflichten sind dadurch charakterisiert, dass die durch sie eingeschränkte Handlungsmöglichkeit Gegenstand eines Eigentumsrechts sein kann. Sie betreffen abstrakt eigentumsfähige Positionen, also solche, die im Falle ihrer positiven gesetzlichen Konstituierung als vermögenswertes Recht Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinne bildeten. Mit der Verpflichtung wird das Eigentumsrecht inhaltlich begrenzt, weil die durch sie rechtlich ausgeschlossene Nutzungs- oder Verfügungsmöglichkeit nicht zugleich Teil des subjektiven Rechts sein kann. Pflichtenbegründende Normen, die eine in diesem Sinne „eigentumsregelnde Tendenz“419 besitzen, bestimmen somit (negativ) den Inhalt des Eigentums und sind deshalb an der Institutsgarantie zu messen420. Als Abwehrrecht ist das Eigentumsgrundrecht erst dann betroffen, wenn die von der Pflicht erfasste Handlungsmöglichkeit zuvor bereits Gegenstand eines durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten vermögenswerten Rechts war und nunmehr wegen der gegenläufigen Verpflichtung aus dem Kreis der Eigentumsrechte ausgeschlossen wird, die Pflichtnorm also nicht nur Inhalts- sondern zugleich Schrankenbestimmung ist. Ist dies hingegen nicht der Fall, erfasst die Pflicht eine Verhaltensmöglichkeit, die nicht eigentumsrechtlich geschützt ist und somit schon tatbestandlich nicht von Art. 14 Abs. 1 GG erfasst wird. Dann ist der Schutzbereich nicht des Eigentumsgrundrechts, sondern eines Freiheitsrechts berührt.

417

Vgl. oben § 9 B. II. 1. Dazu oben § 8 A. III. mit Fußn. 124. 419 Begriff nach M. Ibler, Eigentumsdogmatik, AcP 197 (1997), 565, 571. 420 Vorausgesetzt wird dabei freilich, dass die ausgeschlossene Handlungsmöglichkeit ohne die Pflichtnorm zum Eigentum gehört. So schließt etwa § 1a Abs. 3 Nr. 1 WHG erlaubnis- und bewilligungspflichtige Gewässerbenutzungen vom Inhalt des Grundeigentums aus. Das aus § 2 Abs. 1 WHG folgende Verbot solcher Benutzungen ist deshalb keine Inhaltsbestimmung (vgl. auch R. Lutz, Eigentumsschutz, S. 166 Fußn. 420, der allerdings mit Eigentumsschranken argumentiert). 418

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

Gerade im Bereich solcher eigentumsbezogenen Pflichten ist die Abgrenzung zu den Freiheitsrechten, insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG schwierig und nicht frei von Zufälligkeiten421. Das betrifft insbesondere Einschränkungen und Verbote von Nutzungsmöglichkeiten an Gegenständen, die regelmäßig nicht nur den Rechtsinhaber, sondern jedermann treffen, der über die tatsächliche Möglichkeit der Nutzung des Eigentumsobjekts verfügt. So gelten Geschwindigkeitsbeschränkungen für die Nutzung jedes Kraftfahrzeugs422, gleich ob der Fahrer als (zivilrechtlich gesprochen) Eigentümer, Mieter, Entleiher etc. über ein Nutzungsrecht an diesem verfügt oder (wie etwa der bösgläubige Erwerber oder der Dieb423) nicht. Derartige Nutzungsbeschränkungen werden denn auch (wenngleich nicht unbedingt deshalb424) bei beweglichen Sachen als Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit verstanden. Dagegen werden Beschränkungen der Nutzung von Grund und Boden als Inhalts- und Schrankenbestimmungen an Art. 14 GG gemessen, obwohl auch sie nicht nur den Nutzungsberechtigten treffen (müssen)425. Diese Besonderheit gehört allerdings zur allgemeinen Problematik der Konkurrenz von Eigentums- und Freiheitsgrundrechten, die nur im Einzelfall anhand der konkret betroffenen Position gelöst werden kann. Sie lässt aber das Verhältnis von eigentumsbezogenen Pflichten zum Eigentumsgrundrecht unberührt, das wie folgt zusammengefasst werden kann: Durch Ge- oder Verbote, die sich auf abstrakt eigentumsfähige Positionen beziehen, wird jedenfalls der Inhalt des Eigentums (negativ) bestimmt. Beschränkungen des Eigentumsgrundrechts können nur dann daraus folgen, wenn durch die Pflicht ein bestehendes Verfügungs- oder Nutzungsrecht beseitigt oder begrenzt wird. Anderenfalls liegt ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit oder ein spezielles Freiheitsrecht vor.

421

Vgl. auch B.-O. Bryde, in: I. v. Münch/Ph. Kunig, GGK I, Art. 14 Rdnr. 109. Beispiel von H. Rittstieg, AK-GG, Bd. 2, Art. 14/15, Rdnr. 85. 423 Zum verfassungsrechtlichen Schutz des unberechtigten Besitzes zu Recht ablehnend O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 91 f.; doch selbst wenn man aus den Besitzschutzregelungen des BGB (§§ 858, 861, 862) insoweit eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Position ableitete, wäre die Geschwindigkeitsbeschränkung für den unberechtigten Besitzer keine Inhalts- und schon gar keine Schrankenbestimmung, weil der unberechtigte Besitz kein Nutzungsrecht beinhaltet. 424 So soll nach B.-O. Bryde, in: I. v. Münch/Ph. Kunig, GGK I, Art. 14 Rdnr. 13, die Nutzung beweglicher Sachen durch den zivilrechtlichen Eigentümer eine besonders enge Beziehung zur persönlichen Freiheit aufweisen, die dazu führt, dass die Nutzung des Eigentumsobjekts nicht als Eigentumsnutzung, sondern als Freiheitsausübung erscheint. Immerhin ließe sich fragen, warum die Nutzung von Grundeigentum nicht dieselbe enge Beziehung zur perönlichen Freiheit soll aufweisen können. Man mag dazu einen Fall konstruieren, in dem eine bestimmte Nutzung beweglicher Sachen auf einem Grundstück verboten ist. 425 Vgl. auch U. Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 2 f. mit Fußn. 16. 422

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2. Eigentümerbezogene Pflichten Eigentümerbezogene Pflichten sind solche, die nur die Inhaber vermögenswerter Rechte treffen, weil die Pflichtnormen tatbestandlich an die Eigentümerstellung anknüpfen. Derartige Sonderpflichten des Eigentümers sind nicht per se an Art. 14 Abs. 1 GG zu messen, da der Inhalt der Pflicht nicht eine abstrakt eigentumsfähige Position betreffen muss426, also nicht notwendiger Weise auch eigentumsbezogen ist. So betreffen beispielsweise Auskunftspflichten des Eigentümers nicht sein Eigentumsrecht, sondern seine allgemeine Handlungsfreiheit427. Gleiches gilt für Geldleistungspflichten, die dem Eigentümer auferlegt werden, etwa als Erschließungsbeitrag nach §§ 127 ff. BauGB, jedenfalls dann428, wenn man das Vermögen als solches als nicht von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt betrachtet429. Demgegenüber wird aber teilweise gerade die Tatsache, dass Eigentumsrechte Anknüpfungspunkt von (insbesondere Geldleistungs-) Pflichten sind, für die Maßgeblichkeit des Art. 14 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab ins Feld geführt430. Das beruht auf der Annahme der Ununterscheidbarkeit von Inhalts- und Schrankenbestimmungen sowie auf der Ansicht, Regelungen, die die Eigentümerstellung insgesamt betreffen, also Rechte und Pflichten des Eigentümers begründen, unterfielen gleichermaßen dem Gesetzgebungsauftrag des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG431. Der in Art. 14 angelegten Unterscheidung zwischen einfach-gesetzlich begründetem und grundrechtlich geschütztem Eigentumsrecht (Abs. 1) und der an dieses Recht anknüpfenden Eigentümerpflicht (Abs. 2) wird damit indessen nicht Rechnung getragen432.

426 Zur polizeirechtlichen Zustandsverantwortlichkeit in diesem Sinne J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 83, sowie U. Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 186 f., der im Rahmen seiner Verbotsrechtstheorie allerdings schon den Umfang des Eigentums restriktiv bestimmt und deshalb Handlungspflichten des Eigentümers generell an Art. 2 Abs. 1 GG messen will; vgl. auch O. Lepsius, Grenzen der Zustandshaftung, JZ 2001, 22, 23. 427 Vgl. das Beispiel bei J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 83. 428 Anderenfalls wäre zwar Art. 14 Abs. 1 GG einschlägig, doch handelte es sich nicht um einen Eingriff in dasjenige Eigentumsrecht, an das die Pflicht tatbestandlich geknüpft ist (z. B. das Grundeigentum bei Erschließungsbeiträgen, vgl. § 134 Abs. 1 BauGB). 429 So das BVerfG in st. Rspr.; vgl. etwa Urt. v. 8.4.1997 – 1 BvR 48/94 – BVerfGE 95, 267, 300; Beschl. v. 12.11.1997 – 1 BvR 479/92 u. a. – BVerfGE 96, 375, 397; J. Wieland, in: H. Dreier, GG, Bd. I, Art. 14 Rdnrn. 45 ff., 48. 430 B.-O. Bryde, in: I. v. Münch/Ph. Kunig, GGK I, Art. 14 Rdnr. 23; H.-J. Papier, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 14 (2002) Rdnr. 170. 431 Vgl. oben § 9 B. II. 432 Bezeichnend dafür ist die alle Unterschiede nivellierende Formulierung bei W. Spannowsky, Prinzip gerechter Lastenverteilung, DVBl. 1994, 560, 562: „Der Gesetzgeber wird durch die inhaltsbestimmende Schrankenziehung dem Regelungsauftrag des Art. 14 Abs. 2 gerecht (. . .)“.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

Mit der Auferlegung solcher eigentümer-, aber nicht zugleich eigentumsbezogenen Pflichten wird deshalb jedenfalls nicht der Inhalt des Eigentumsrechts bestimmt. Auch ein unmittelbarer Eingriff in das Eigentumsgrundrecht liegt nicht vor, da der Bestand der Eigentumsrechte durch die Pflichten unangetastet bleibt. Allenfalls kann das Grundrecht aus Art. 14 GG mittelbar betroffen sein, doch genügt dafür nicht die tatbestandliche Anknüpfung als solche433, sondern nur eine Belastung des Eigentums und seiner Nutzung von einer gewissen Intensität, die eine Gleichstellung mit einem „klassischen“ Eigentumseingriff rechtfertigt434. Maßstab für solche eigentümerbezogenen Pflichten sind deshalb in erster Linie diejenigen Grundrechte, deren Schutzgut durch die Verpflichtung unmittelbar betroffen ist435. Insoweit gilt für den verpflichteten Eigentümer nichts anderes als für jeden sonstigen Adressaten einer Pflicht. 3. Art. 14 Abs. 2 GG als Differenzierungsgebot Allerdings wird durch eine derartige Pflichtenbindung des Eigentümers diesem im Vergleich zu Nichteigentümern eine besondere Belastung auferlegt, die als personenbezogene Differenzierung besonderer Rechtfertigung bedarf. In diesem Kontext kann Art. 14 Abs. 2 GG ein eigenständiger Anwendungsbereich erschlossen werden436. Wie oben437 erläutert, begründet er keine verfassungsunmittelbare Grundpflicht des Eigentümers. Vor dem Hintergrund der aufgezeigten dogmatischen Struktur des Art. 14 GG wird dies zusätzlich untermauert: Wenn schon der Inhalt des Eigentums nicht durch die Verfassung selbst, sondern erst vom einfachen Gesetzgeber bestimmt wird, können auch die Pflichten, die an erst zu konstituierende Eigentumsrechte geknüpft werden, nicht unmittelbar schon dem Grundgesetz zu entnehmen sein. Wozu das Eigentum verpflichten kann, hängt davon ab, wozu es jeweils berechtigt. Die ganz überwiegende Ansicht, die demgegenüber Art. 14 Abs. 2 GG als Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums begreift und ihn (nur) als Leitlinie für den inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetzgeber ansieht, kann allerdings dieser Vorschrift kaum einen Regelungsgehalt entnehmen, der sich nicht auch ohne sie aus dem Gesamtkontext des Grundgesetzes ergäbe438. Dass sich 433 So für Abgabenpflichten aber wohl H.-J. Papier, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 14 (2002), Rdnr. 170. 434 So auch H. D. Jarass, in: H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 14 Rdnr. 15. 435 J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 83. 436 Vgl. auch W. Frenz, Grenzen privater Verantwortung, VerwArch 90 (1999), 208, 220. 437 § 8 B. II. 3. 438 Vgl. auch O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 123–125.

§ 9 Die Grundrechtsrelevanz der Pflicht

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der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (auch) am Gemeinwohl zu orientieren439 und einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen der Betroffenen und der Allgemeinheit herbeizuführen hat, ist im Grunde kein Spezifikum der Eigentumsgesetzgebung, sondern allgemeine Anforderung an jedwedes Hoheitshandeln. Durch die Abkehr von der materiellen, an der Sozialbindung des Eigentums orientierten Abgrenzung zwischen Schrankenbestimmungen i. S. d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG und der Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG zugunsten eines formalen Enteignungsbegriffs ist Art. 14 Abs. 2 GG schließlich auch insoweit eine selbstständige Bedeutung nicht mehr zuzuerkennen. a) Wen verpflichtet das Eigentum? In der Beschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 14 Abs. 2 GG auf Inhalts- oder Schrankenbestimmungen, wie sie von der ganz herrschenden Meinung vertreten wird, kommt weniger die Sozialpflichtigkeit des Eigentümers als vielmehr die Sozialbindung des Eigentums zum Ausdruck. Diese aber ist vom einfachen Gesetzgeber zu verwirklichen, der die gemeinwohlverträgliche Eigentumsordnung erst bereitstellen muss. Bestimmt man das Eigentum als vermögenswertes Recht im Sinne einer ausschließlichen Zuordnung von Verfügungsund Nutzungsmöglichkeiten am jeweiligen Eigentumsgegenstand, so folgt hieraus jedoch, dass durch das gesetzlich geschaffene Eigentumsrecht primär der Nichteigentümer verpflichtet wird. Denn ihm werden diejenigen Handlungsmöglichkeiten rechtlich verwehrt, die das Eigentumsrecht seinem Inhaber exklusiv zuweist. Als Schutzgut grundrechtlicher Gewährleistung begründet es des weiteren staatliche Unterlassungspflichten im Sinne des Verbots, in das Eigentumsrecht von Grundrechtsträgern ungerechtfertigt einzugreifen. Diese Verpflichtungen der Nichteigentümer und des Staates sind aber ersichtlich nicht gemeint, wenn Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG lautet: Eigentum verpflichtet. Vielmehr zielt dieser Ausdruck, wie auch der daran anschließende Satz im Hinblick auf den Gebrauch des Eigentums verdeutlicht, auf Pflichten gerade des Eigentümers ab, die ihm eben wegen seiner Rechtsinhaberschaft auferlegt sind. Die dadurch postulierte Verknüpfung von Eigentumsrecht und Eigentümerpflicht liegt indes jenseits des Regelungsauftrags, den Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dem Gesetzgeber hinsichtlich der Inhaltsbestimmung des Eigentums erteilt. Denn soweit Ge- und Verbotsnormen den Eigentumsinhalt (negativ) bestimmen, wird durch sie der jeweilige Eigentümer lediglich in die Grenzen seines solchermaßen konstituierten Rechts verwiesen: Er wird nicht verpflichtet, weil er ein Eigentumsrecht inne hat, sondern er besitzt dieses nur, soweit er nicht verpflichtet

439

BVerfG, Beschl. v. 16.1.2000 – 1 BvR 242/91 u. a. – BVerfGE 102, 1, 17.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

ist. Das Eigentum ist nicht Grund der Pflicht, diese vielmehr Begrenzung des Rechts. b) Eigentum als Rechtsgrund der Pflicht Anders als bei eigentumsbezogenen Pflichten fungiert bei diesen eigentümerbezogenen Pflichten das vermögenswerte Recht als Rechtsgrund für die Verpflichtung, als „Pflichtengrund“. Die Eigentümerstellung insgesamt wird nicht nur durch die Ausgestaltung und Zuweisung von subjektiven Rechten, sondern auch durch die Auferlegung von Pflichten geprägt, die den im Vergleich zu Dritten und zur Allgemeinheit besonderen Vorteilen, welche sich aus der Rechtsposition ergeben, auch eine besondere Verantwortung hinsichtlich des Eigentumsgegenstandes zur Seite stellen. Den Verfügungs- und Nutzungsrechten sowie dem Recht, andere von der Nutznießung des Gegenstandes auszuschließen entspricht, dass der Eigentümer – nicht die Allgemeinheit – auch die sich aus dem Gebrauch und dem Zustand der Sache ergebenden Lasten zu tragen hat440. Nach dieser Lesart ist dem Gesetzgeber nicht nur aufgegeben, nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG Eigentümerrechte zu bestimmen, sondern, daran anschließend, nach Art. 14 Abs. 2 GG auch Eigentümerpflichten441, die in der besonderen Gemeinwohlverantwortung des Inhabers vermögenswerter Rechte gründen. Art. 14 Abs. 2 GG rechtfertigt die im Vergleich zu Nichteigentümern besondere Verpflichtung des Eigentümers mit seinem Eigentumsrecht. Das Wohl der Allgemeinheit stellt dabei den Grund für die Beschränkung des Eigentümers da, zugleich ist es auch (relative, weil auf das Verhältnis zum nicht gleichermaßen in die Pflicht genommenen Nichteigentümers bezogen) Grenze seiner Verpflichtung442. Art und Maß der eigentümerbezogenen Verpflichtungen hängen daher von Art und Umfang sowie von dem speziellen Gemeinwohlbezug desjenigen Rechts ab, an das sie anknüpfen. In der lapidaren Formel „Eigentum verpflichtet“ kommt jedoch mehr zum Ausdruck als nur die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Differenzierung nach Maßgabe des Eigentumsrechts, die es dem Gesetzgeber freistellte, ob er sich der dadurch eröffneten Möglichkeit bedient. Eigentum, weil mangels verfassungsunmittelbarer Grundpflicht von der Pflichtenbegründung durch oder aufgrund eines Gesetzes abhängig, verpflichtet nur dann, wenn entsprechende 440 Vgl. auch U. Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 152 f.; O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 110. 441 Im Sinne einer Ermächtigung des Gesetzgebers U. Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 187. 442 So für „Inhalts- und Schrankenbestimmungen“ BVerfG, Beschl. vom 2.3.1999 – 1 BvL 7/91– BVerfGE 100, 226, 241.

§ 10 Verfassungsrechtliche Determinanten der Verpflichtung Privater

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Normen auch tatsächlich geschaffen werden. Der normative Gehalt des Art. 14 Abs. 2 GG erschließt sich erst ganz, wenn man ihn als an den Gesetzgeber adressiertes Differenzierungsgebot 443 liest, das zur Begründung von speziellen, an das Eigentum anknüpfenden Pflichten auffordert. Art. 14 Abs. 2 GG besitzt somit auf der Pflichtenseite dieselbe Funktion, die Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG auf der Seite des subjektiven Rechts ausfüllt. Fordert die Institutsgarantie vom Gesetzgeber, einen Grundbestand von Normen zur Verfügung zu stellen, die als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG bezeichnet werden444, so enthält Art 14 Abs 2 GG nicht nur die Ermächtigung, sondern zugleich den bindenden Verfassungsauftrag, die grundgesetzlich vorgezeichnete besondere Gemeinwohlverantwortung des Eigentümers durch entsprechende Vorschriften zur Geltung zu bringen.

§ 10 Verfassungsrechtliche Determinanten der Verpflichtung Privater Die Grundrechtsrelevanz bedingt die Rückführbarkeit der Pflicht auf ein formelles Gesetz; der Imperativ als „klassischer“ Grundrechtseingriff steht unter dem Vorbehalt des Gesetzes und der Wahrung der materiellen Voraussetzungen der Beschränkung grundrechtlicher Gewährleistungen unter freiheits- und gleichheitsrechtlichen Aspekten, die sich in einem allgemeinen Rechtfertigungsmodell zusammenfassen lassen445. Rechtsgüterschutzpflichten im hier behandelten Kontext weisen allerdings die Besonderheit doppelter grundrechtlicher Relevanz auf, da sowohl auf der Seite des Verpflichteten als auch auf der Seite des materiell Begünstigten grundrechtlich geschützte Positionen betroffen sind, die gegenläufig auf die inhaltliche Ausgestaltung der Pflichten einwirken446. Vor der Auseinandersetzung mit diesen beiden Themenkreisen ist jedoch ein Blick auf die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen von Pflichten zu werfen, um die Frage zu beantworten, welche staatlichen Akte an den Rechtfertigungsbedingungen zu messen sind.

A. Der Eingriffsakt Der durch den Vorbehalt des Gesetzes begründete Primat des Gesetzgebers lässt grundsätzlich die Möglichkeit, unterschiedliche Modi der Pflichtenbegründung zu wählen447: Unmittelbar durch Gesetz auferlegte Pflichten treffen jeden, in dessen Person die tatbestandlichen Voraussetzungen der Pflichtnorm erfüllt 443 444 445 446

So auch J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 84, Fußn. 90. BVerfG, Urt. v. 18.12.1968 – 1 BvR 638, 673/64 u. a. – BVerfGE 24, 367, 389. Dazu unten B. Dazu unten C.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

sind, ohne dass es eines besonderen konkretisierenden Vollzugsaktes bedürfte. Gesetzesauslegung und -anwendung liegen zunächst in der Hand und des Privaten als Gesetzesadressaten448. Daneben kommt die Begründung der Pflicht durch die gesetzlich hierzu ermächtigte Exekutive in Betracht, die die erforderliche Konkretisierung der legislativen (Vor-)Entscheidung zur Inpflichtnahme Privater vorzunehmen hat. Hier ist das Gesetz an die vollziehende Gewalt adressiert und die Pflicht gelangt erst in einem zweistufigen (zunächst Gesetzgebungs-, dann Verwaltungs-)Verfahren zur Entstehung. Dem entspricht es, dass als Eingriffsakt, der staatlicherseits rechtfertigungsbedürftig ist, im erstgenannten Fall unmittelbar das Gesetz, im zweiten Fall der exekutive Einzelakt verstanden wird. Zweifel über die Eingriffswirkung treten indes hinsichtlich der gesetzlichen Eingriffsermächtigung auf. Zwar ist eine gewisse Tendenz erkennbar, diese ebenfalls den Anforderungen zu unterwerfen, wie sie für unmittelbar verpflichtende Gesetze gelten449, was im Ergebnis auch überaus plausibel ist, da anderenfalls die Ermächtigung zu einem grundrechtswidrigen Ge- oder Verbot als verfassungsgemäß betrachtet werden müßte, ihre Inanspruchnahme aber – die zumal im Falle einer gebundenen Ermächtigung unvermeidlich ist – als verfassungswidrig. Gleichwohl ist die Frage aufzuwerfen, ob es sich dabei um Eingriffe handelt450. I. Unmaßgeblichkeit verfassungsprozessualer Erwägungen Diese Frage kann jedenfalls nicht unter Rückgriff auf verfassungsprozessuale Erwägungen verneint werden. Bekanntlich ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine (Rechtssatz-)Verfassungsbeschwerde nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer geltend machen kann, durch den angegriffenen Akt der öffentlichen Gewalt „selbst, gegenwärtig und unmittelbar“ in seiner grundrechtlich geschützten Rechtsposition beeinträchtigt zu werden451. Die Un-

447 Zu den Gründen für die Wahl der jeweiligen Regelungsformen H.-C. Arbeiter, Durchsetzung gesetzlicher Pflichten, S. 24 ff. 448 H.-C. Arbeiter, Durchsetzung gesetzlicher Pflichten, S. 22. 449 G. Lübbe-Wolff, Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 51 f.; J. Pietzcker, Drittwirkung, in: Festschrift f. G. Dürig, S. 345, 354; M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 66 II. 4. e) b), S. 667 sowie Staatsrecht III/2, § 78 II 3. c) b) bb), S. 126; J. Schwabe, Drittwirkung, S. 126 f.; ders., Grundrechtsdogmatik, S. 25; hinsichtlich des Übermaßverbotes auch P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 106, 262. 450 Verneint von B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte, Rdnr. 207; nach R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 254 f., ist der einschränkende Charakter von Ermächtigungsnormen nur „potentieller und mittelbarer Art“. 451 Seit BVerfG, Beschl. v. 19.12.51 – 1 BvR 220/51 – BVerfGE 1, 97, 101; vgl. ferner BVerfG, Beschl. v. 20.12.79 – 1 BvR 385/77 – BVerfGE 53, 30, 48; aus neuerer Zeit BVerfG, Beschl. v. 14.1.98 – 1 BvR 1995/94 u. a. – BVerfGE 97, 157, 164.

§ 10 Verfassungsrechtliche Determinanten der Verpflichtung Privater

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mittelbarkeit der Beeinträchtigung soll regelmäßig452 nur dann vorliegen, wenn ein Gesetz ohne weiteren Vollzugsakt453 auf die Rechtsstellung des Betroffenen einwirkt. In der (früheren) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wurde im Hinblick auf vollziehungsbedürftige Normen erläutert, „in der Regel (greife) erst dieser Vollziehungsakt in die Rechtssphäre des Bürgers ein“454. Dies deutet auf ein materiellrechtliches Problemverständnis hin455, nach welchem im Grundsatz dem nur an die Verwaltung adressierten Gesetz die Eingriffswirkung abzusprechen ist. Mittlerweile aber ist zu Recht der prozessuale Charakter des Unmittelbarkeitserfordernisses herausgestellt worden: Es ist, so das Bundesverfassungsgericht, „im Lichte der Funktion dieser Verfahrensordnung zu erfassen“456. Dies zielt wohl vor allem auf die Notwendigkeit der Rechtswegerschöpfung sowie auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde ab457, in erster Linie prozessuale Instrumente zum Schutz der Verfassungsgerichtsbarkeit sowie zur Gewährleistung des Vorrangs der Fachgerichtsbarkeit, sofern der von ihr zu gewährende Rechtsschutz sachlich und zeitlich hinreichend effektiv ist. Die Vollzugsbedürftigkeit einer Norm ist daher lediglich ein Indiz für das Fehlen der so verstandenen unmittelbaren Grundrechtsbetroffenheit458. Ob und wie jedoch an die Verwaltung adressierte Ermächtigungsnormen auf die Rechtsstellung der 452 Zur ausnahmsweisen Zulassung der Rechtssatzverfassungsbeschwerde trotz Vollzugsbedürftigkeit vgl. BVerfG, Urt. v. 8.2.77 – 1 BvF 1/76 u. a. – BVerfGE 43, 291, 386; Beschl. v. 14.1.98 – 1 BvR 1995/94 u. a. – BVerfGE 97, 157, 164; K. Schlaich/ S. Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rdnr. 231 ff. 453 Nur eine scheinbare Ausnahme stellt die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen Straf- oder Ordnungswidrigkeitengesetze dar (sofern sie sich nicht alleine gegen die Strafandrohung als solche richtet). Die der Sanktionsnorm zugrunde liegende Verhaltensnorm (vgl. oben 1. Teil, § 6 A.) begründet unmittelbar mit InKraft-Treten des Gesetzes Pflichten, die den jeweiligen Adressaten unmittelbar treffen. Die gebräuchliche Argumentation mit der „Unzumutbarkeit der vorherigen Begehung einer Straftat/Ordnungswidrigkeit“ geht an dieser Tatsache vorbei; vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 14.11.89 – 1 BvL 14/85 u. a. – BVerfGE 81, 70, 82 f.; D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 299 mit Fußn. 666; R. Zuck, Zulässigkeitsvoraussetzungen, JuS 1988, 370, 374; wie hier wohl auch O. Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 85 mit Fußn. 46; D. Lorenz, Rechtsschutz des Bürgers, S. 154 f.; K. Stern, in: R. Dolzer/K. Vogel/K. Graßhof, BK, Art 93 (1982), Rdnr. 219; R. Warmke, Subsidiarität, S. 104 f.; am Beispiel von Steuergesetzen auch W.-R. Schenke, Subsidiarität, NJW 1986, 1451, 1453. 454 BVerfG, Urt. v. 8.2.77 – 1 BvF 1/76 u. a. – BVerfGE 43, 291, 386. 455 So auch E. Klein, Subsidiarität, in: Festschrift f. W. Zeidler, Bd. 2, S. 1305, 1309. 456 BVerfG, Beschl. v. 14.5.85 – 2 BvR 397/82 u. a. – BVerfGE 70, 35, 51. 457 E. Benda, in: E. Benda/E. Klein, Verfassungsprozessrecht, Rdnr. 568; H. Klein, Rechtssatzverfassungsbeschwerde, in: Festschrift f. W. Zeidler, Bd. 2, S. 1325, 1333 f.; W.-R. Schenke, Subsidiarität, NJW 1986, 1451, 1453 (zur Entbehrlichkeit des Kriteriums der „unmittelbaren Betroffenheit a. a. O., S. 1460); K. Schlaich/S. Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rdnr. 232. 458 BVerfG, Beschl. v. 14.5.85 – 2 BvR 397/82 u. a. – BVerfGE 70, 35, 51.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

Bürger einwirken, ist mit der Ablehnung der unmittelbaren Betroffenheit nicht präjudiziert, sondern im Einzelfall anhand des materiellen Regelungsgehalts der Norm zu ermitteln459. Allenfalls kann festgehalten werden, dass entsprechende Vorschriften nicht im Sinne des „klassischen“ Begriffs Eingriffe darstellen, doch ist dies für die Rechtfertigungsbedürftigkeit solcher Normen und für den an sie anzulegenden Prüfungsmaßstab für sich betrachtet unerheblich. II. Die Reduzierung des Abwehrrechts Eine Lösung der Problematik hat bei der allgemeinen Frage anzusetzen, was denn Inhalt einer freiheitsgrundrechtlichen Rechtsposition ist und ob und in welcher Weise sie durch einen Rechtsakt negativ betroffen sein kann. Die gebräuchliche Fixierung auf den Imperativ als Paradigma des Grundrechtseingriffs verleitet zu der Annahme, Recht und Pflicht seien in dem Sinne komplementär, dass sie gleichsam nahtlos aneinander anschließen müssen. Dass sich dies anders verhält, ist mehrfach angesprochen worden und daraus erschließt sich auch die Eingriffsqualität von Eingriffsermächtigungen. Auszugehen ist dabei zunächst von der notwendigen Unterscheidung von grundrechtlichem Schutzgut einerseits und dem Grundrecht andererseits460. Das Schutzgut ist als Gegenstand des Schutzes sachliche Voraussetzung des Grundrechts; dieses wiederum formt das Rechtsverhältnis zwischen dem Bürger als Grundrechtsberechtigtem und dem Staat als Grundrechtsadressaten im Hinblick auf das Schutzgut aus. Beide, Schutzgut wie Grundrecht, können durch staatliches Handeln negativ betroffen sein461. Eine Beeinträchtigung des Schutzgutes stellt regelmäßig zugleich einen Eingriff in das Grundrecht dar; nicht (nur) deshalb, weil Grundrechte einen möglichst weitgehenden Schutz der Schutzgüter verlangen462, sondern weil sich das Grundrecht nur auf vorhandene Schutzgüter beziehen kann. Daneben sind Beschränkungen nur des Grundrechts möglich, die das Schutzgut als solches unangetastet lassen. Beide Varianten unterfallen dem Begriff des Grundrechtseingriffs. 1. Die Beschränkung der Schutzgüter Die Möglichkeiten staatlicher Einwirkung auf die grundrechtlichen Schutzgüter sind abhängig von deren spezifischer Eigenart, die oben463 durch die Unter459 R. Warmke, Subsidiarität, S. 103; ferner H. Klein, Rechtssatzverfassungsbeschwerde, in: Festschrift f. W. Zeidler, Bd. 2, S. 1325, 1332, der allerdings (S. 1334 f.) die Eingriffswirkung von Ermächtigungen zur Inpflichtnahme des Bürgers verneint. 460 J. Ipsen, Gesetzliche Einwirkungen, JZ 1997, 473, 475 f.; M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 66 II 1, S. 623. 461 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 253. 462 So aber R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 254.

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scheidung von Handlungsmöglichkeiten, Lebensgütern und Privatsphäre sowie Rechten charakterisiert worden ist. Durch Rechtsakte können nur Rechte (begründet oder) beschränkt werden464. Tatsächliche Gegebenheiten werden durch staatliche Regelungen gleich welcher Handlungsform selbst nicht unmittelbar verändert. Das gilt für Lebensgüter und Privatsphäre ebenso wie für die hier vorrangig interessierenden Handlungsmöglichkeiten als Schutzgegenstände der Freiheitsgrundrechte. Auf sie kann nur durch tatsächliches Handeln zugegriffen werden, das freilich auf einem Rechtsakt basieren kann und (sofern es zur Beschränkung des Schutzgutes führt), in aller Regel auch muss. Rechtsakte können nur zur Veränderung der rechtlichen Beurteilung tatsächlicher Vorgänge, Situationen und Verhaltensweisen führen. Der „klassische“ Imperativ ist dafür ein typisches Beispiel: Er reduziert nicht die faktische Möglichkeit pflichtwidrigen, sondern lediglich die Alternativen rechtmäßigen Verhaltens; daher ist nicht die Handlungsmöglichkeit als Schutzgut, sondern dasjenige Grundrecht tangiert, welches das fragliche Verhalten rechtlich gewährleistet. Auch die bloße Ermächtigung zur Pflichtenbegründung beschränkt nicht das Schutzgut, sondern allenfalls das Grundrecht, das sich auf dieses bezieht. 2. Die Gewährleistung der Handlungsfreiheit und ihre Beschränkung Angesichts der „Vorstaatlichkeit“ oder Faktizität tatsächlicher Verhaltensmöglichkeiten können diese von der Rechtsordnung nicht „gewährt“, sondern nur gewährleistet werden465. Ihre Existenz hängt hiervon nicht ab, wohl aber ihr rechtlicher Schutz. Das Spezifikum grundrechtlicher Gewährleistung kann dabei mit dem Begriff des „rechtlichen Dürfens“466 oder der Erlaubnis nicht hinreichend erfasst werden. Erlaubt ist bereits alles, was nicht verboten ist467, mag nun ein bestimmtes Verhalten grundrechtlichen Schutz erfahren oder nicht. Solange also kein Verbot besteht, ist im Hinblick auf das Erlaubt-Sein einer Verhaltensweise die rechtliche Situation des Grundrechtsberechtigten im Verhältnis zum Staat dieselbe wie diejenige des Nichtberechtigten. Gewährleistung der Handlungsfreiheit bedeutet vielmehr den verfassungsrechtlichen Schutz des Interesses am Bestand der Verhaltensmöglichkeit, nicht nur deren Anerkennung oder Hinnahme als Faktum. Der Unterschied zwischen beiden, an dem die besondere Wirkungsweise der Grundrechte hervor tritt, zeigt sich deshalb nicht im Erlaubt-Sein eines Verhaltens, sondern beispielsweise in der rechtlichen Mög463

§ 9 vor A. M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 66 II 4. a) a), S. 654. 465 So zutreffend J. Ipsen, Gesetzliche Einwirkungen, JZ 1997, 473, 476. 466 So aber A. Scherzberg, Grundrechtsschutz, DVBl. 1989, 1128, 1130: „Zuweisung freiheitlicher Betätigung als ,rechtliches Dürfen‘“. 467 Dazu bereits oben 1. Teil, § 5 C. III. 3. c) (2) in und bei Fußn. 536. 464

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

lichkeit, es zu ge- oder zu verbieten, also in der Verpflichtbarkeit. Ist eine Verhaltensweise nicht grundrechtlich geschützt, vermag eine auf sie bezogene Verpflichtung naturgemäß kein Grundrecht zu beeinträchtigen468. Ist sie dagegen von der prima-facie-Position, die ein Grundrecht gewährt, umfasst, steht die Grundrechtsgewährleistung der Verpflichtung zunächst entgegen bzw. kann das durch die Gewährleistung rechtlich geschützte Interesse der Verpflichtung entgegen gehalten werden. Schon aus Gründen der Logik können insoweit Berechtigung und Verpflichtung nicht zugleich bestehen. Im Verhältnis von verfassungsmäßigem Recht und unterverfassungsrechtlich begründeter Pflicht löst sich dies angesichts des Vorrangs der Verfassung vorderhand gar zugunsten des Rechts auf. Soweit eine Handlungsmöglichkeit grundrechtlich gewährleistet ist, kann nicht gleichzeitig eine gegenläufige einfach-gesetzlich begründete Verpflichtung bestehen. Die Auferlegung einer Pflicht ist, mit anderen Worten, auch normlogisch nur dann rechtmäßiger Weise möglich, wenn das vorrangige Recht in entsprechendem Umfang reduziert ist und die von der Pflicht betroffene Position dem grundrechtlichen Schutz entzogen wurde. Der Verpflichtung im grundrechtsrelevanten Bereich geht somit, soll sie den Vorrang der Verfassung wahren, die Beschränkung des Grundrechts zwingend voraus, d.h. die (partielle) Rechtlosstellung des an sich (grund)rechtlich geschützten Interesses an der betroffenen Verhaltensmöglichkeit im Verhältnis zum Staat. Wenn unter dem Einfluss des „klassischen Eingriffsbegriffs“ demgegenüber gerade der Befehl oder Imperativ als einseitige verbindliche Verhaltensanordnung gegenüber dem jeweiligen Adressaten469 als maßgebliche Grundrechtsbeeinträchtigung identifiziert470 und in diesem Sinne die „Identität von Regelung und Beeinträchtigung“471 konstatiert wird, ist damit nur ein typischer Fall bezeichnet, in dem die Beschränkung des Grundrechts und die Auferlegung einer Pflicht zusammenfallen. Insoweit können pflichtenbegründende Normen als Grundrechtseingriffe bezeichnet werden. Doch auch für diese gilt, dass nicht das Grundrecht eingeschränkt ist, weil eine Pflicht begründet wird, sondern umgekehrt die Pflicht nur in dem Maße (rechtmäßig) begründet werden kann, in dem das Grundrecht eingeschränkt ist. 468 Fallen etwa bewußt unwahre Tatsachenbehauptungen nicht unter den (prima-facie-)Schutz der Meinungsfreiheit (vgl. dazu die Nachweise oben § 8 A. III. in Fußn. 125) greift ihr Verbot (etwa die den §§ 153 ff. StGB zugrunde liegenden Verbotsnormen) nicht in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG ein. 469 So die Formulierung von M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 78 II 3. a) a), S. 104. 470 M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 78 II 3. a) a) aa), S. 105; ders., Die relevanten Grundrechtsbeeinträchtigungen, JuS 1995, 303, 304; in der Sache ebenso B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte, Rdnr. 207, die den Grundrechtseingriff dadurch charakterisiert sehen, dass dem einzelnen ein Verhalten, das vom Schutzbereich eines Grundrechts umfasst ist, durch den Staat verwehrt wird. 471 H.-U. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 140.

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Führt also der Weg von der (Grundrechts-)Berechtigung zur Verpflichtung notwendig über die Beschränkung des Grundrechts, löst sich die Frage des Eingriffscharakters von Befugnisnormen gleichsam von selbst. In dem Maße, in dem ein Gesetz Vollzugsorgane zum Zugriff auf prima facie grundrechtlich geschützte Positionen ermächtigt, schränkt es das jeweils betroffene Grundrecht bereits ein, weil es den grundrechtlichen Schutz dieser Positionen gegenüber denjenigen Maßnahmen entzieht, zu denen das Gesetz befugt. In dieser normativen Ermächtigung zur Pflichtenbegründung liegt die Reduzierung des Abwehrrechts gegen den untergesetzlichen pflichtenbegründenden Akt und damit die Bestimmung des Umfangs der definitiv geschützten Handlungsfreiheit begründet. Dem Grundrecht werden Schranken gesetzt, die unabhängig davon Wirkung entfalten, ob von der Befugnis Gebrauch gemacht wird oder nicht472. Insofern stellen Akte der Exekutive (wie auch der Judikative), die in rechtmäßiger Inanspruchnahme verfassungsmäßiger Eingriffsermächtigungen ergehen, keine originären Grundrechtsbeschränkungen im Sinne der Minderung der rechtlichen Substanz eines Grundrechts dar, weil dieses in seiner Reichweite durch die Ermächtigungsnorm bereits reduziert ist und deshalb dem Eingriffsakt auch nicht entgegengehalten werden kann. So kann man gewissermaßen davon sprechen, dass der Adressat einer entsprechenden Verfügung lediglich in die Grenzen seines Rechts verwiesen wird. Derartige Erwägungen sind der Formulierung nach aus der Diskussion um die polizeirechtliche Verantwortlichkeit bekannt: Dort dienen sie indessen nur als Schlussfolgerung aus der – nicht zutreffenden – Prämisse, jedem Einzelnen sei eine allgemeine, jedem Eigentümer eine besondere verfassungsrechtliche Nichtstörungspflicht aufgegeben473, die durch die Polizeiverfügung nur wiederholt, nicht aber begründet werde. Hier kennzeichnet sie hingegen die Wirkungsweise von Ermächtigungsnormen und darauf gestützter Verpflichtungsakte im Hinblick auf das betroffene Grundrecht.

472 Vgl. auch das Beispiel bei R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 256: Die in § 17 Abs. 2 HwO erteilte Ermächtigung zum Betreten von Geschäftsräumen stellt eine Grundrechtsschranke dar, weil sie das prima-facie-Recht auf Unterlassen durch ein „definitives Nicht-Recht“ ersetzt. Unklar bleibt indes, warum demgegenüber die Ermächtigung zum Erlass von Verwaltungsakten – anders als die zu Realakten, etwa nach § 17 Abs. 2 HwO – nicht ebenfalls Grundrechtsschranken, sondern nur die rechtliche Möglichkeit von Schranken darstellen sollen (so R. Alexy, a. a. O., S. 254 f.). Der Hinweis, dass eine Schrankensetzungskompetenz bestehen kann, ohne dass von ihr Gebrauch gemacht wird überzeugt insofern nicht (schon weil er voraussetzt, dass die in Rede stehenden Ermächtigungsnormen nicht schon selbst Schranken setzen). So ist auch § 17 Abs. 2 HwO alleine deshalb eine Grundrechtsschranke, weil er zum Betreten von Geschäftsräumen befugt und nicht erst dann, wenn die Befugnis in Anspruch genommen wird. 473 Dazu bereits oben § 8 B. II. 2. und 3.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

III. Die Allgemeinheit des Gesetzes und die Konkretheit der Pflicht Diese Wirkungsweise lässt die Frage aufscheinen, welcher der beiden für das Entstehen der Pflicht erforderlichen Akte – Ermächtigungsnorm oder Einzelakt oder beide zusammen – den Gegenstand der verfassungsrechtlichen Überprüfung bildet. Die Antwort hierauf ist vor allem474 in den Fällen von Bedeutung, in denen die Pflicht nicht bereits durch das Gesetz, sondern aufgrund gesetzlicher Ermächtigung auferlegt wird: Muss der untergesetzliche Verpflichtungsakt, der auf einer verfassungskonformen Ermächtigung beruht, seinerseits verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden oder „genügt“ bei ihm die bloße Gesetzmäßigkeit? Vorderhand jedenfalls erweckt die Zweistufigkeit der juristischen Konstruktion – erst Reduzierung des Abwehrrechts, sodann Begründung der Pflicht – den Eindruck, dass der eigentliche Verpflichtungsakt, sofern er sich nur in den Grenzen des Gesetzes bewegt, jedenfalls keine grundrechtliche Relevanz besitzt, da er selbst keine originär grundrechtsbeschränkende Wirkung entfaltet. Diese Fragestellung wird, wenn überhaupt475, unter dem Aspekt der „doppelten Verhältnismäßigkeitsprüfung“ von Gesetz und Einzelakt diskutiert476 und somit auf ein typisches Problemfeld (Verhältnis von Gesetz und Gesetzesvollzug) anhand des in diesem Rahmen wichtigsten Maßstabs (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) begrenzt. Sie lässt sich aber sachlich und maßstäblich generalisieren: Sachlich kann sie – wie in der Überschrift angedeutet – auf die Differenz zwischen der Allgemeinheit des Gesetzes und seiner (Aus-)Wirkung im Einzelfall hin ausgerichtet werden. Hinsichtlich der Maßstäbe kann ganz allgemein, d.h. über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hinaus, danach gefragt werden, ob sie, wenn das grundrechtsbeschränkende Gesetz ihnen genügt, zusätzlich an den Verpflichtungsakt angelegt werden müssen (sofern dies der Rechtsnatur dieses Aktes nach überhaupt möglich ist477).

474 Für gesetzliche Pflichten gilt jedoch im Hinblick auf die notwendige Konkretisierung durch die normanwendenden Instanzen nichts anderes. 475 Im verwaltungsrechtlichen Schrifttum wird regelmäßig ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass behördliche Einzelfallentscheidungen, die auf der Grundlage eines verfassungskonformen (also insbesondere verhältnismäßigen) Gesetzes ergehen, ihrerseits verhältnismäßig sein müssen; vgl. etwa L. Michael, Argumentationsstrukturen, JuS 2001, 148, 150 f. 476 Befürwortend M. C. Jakobs, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 146 ff.; ablehnend H. Schneider, Verhältnismäßigkeits-Kontrolle, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, S. 390, 402 ff.; für ungeklärt erachtet D. Ehlers, Eigentumsschutz, VVDStRL 51 (1992), 211, 228 m. Fußn. 90, das Verhältnis von „großer“ und „kleiner“ Verhältnismäßigkeit. 477 Diese salvatorische Klausel soll die im Folgenden zugrunde zu legende Selbstverständlichkeit erfassen, dass speziell für Gesetze geltende Anforderungen (etwa: Kompetenz und Verfahren der Gesetzgebung, Allgemeinheit des Gesetzes nach Art. 19 Abs. 1 S. 1, Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG etc.) natürlich nicht auf den

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1. Die Wechselbezüglichkeit von Grundrechtsschranke und konkreter Pflicht Zur Beantwortung dieser Frage ist auf das Verhältnis von Grundrechtsschranke und konkret bestehender Verpflichtung einzugehen. Sie sind einerseits jeweils aufeinander in dem Sinne bezogen, dass das Grundrecht gerade im Hinblick auf die Begründung einer Pflicht im konkreten Fall eingeschränkt wird und umgekehrt die Verpflichtung nur auf der Basis des grundrechtsbeschränkenden Gesetzes erfolgt bzw. erfolgen darf. Andererseits beschränkt das Gesetz – wegen Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG notwendiger Weise – das Grundrecht allgemein und gilt deshalb in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen und (jedenfalls soweit es direkt an den Bürger adressiert ist) für eine unbestimmte Vielzahl von Normadressaten478. Die Pflicht aber ist immer konkret. Sie trifft ein bestimmtes Rechtssubjekt in einer räumlich und zeitlich bestimmten Situation, in der das der Pflicht entgegenstehende Interesse des Verpflichteten mit seinem spezifischen Gewicht erst messbar wird. So wird nur in der konkreten Situation deutlich, in welchem Umfang das betroffene Grundrecht eingeschränkt sein muss, damit es der Verpflichtung nicht entgegengehalten werden kann. Und erst hieran lässt sich ermitteln, ob das Grundrecht dieses Grundrechtsberechtigten in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls auch in diesem Umfang eingeschränkt werden darf. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Einschränkung des jeweils betroffenen Grundrechts müssen deshalb stets in der konkreten Situation gewahrt sein479. Sie knüpfen, wie es allgemein der Ergebnisorientierung der grundrechtlichen Pflichtenstellung des Staates entspricht480, nicht an bestimmte „Handlungen“ oder Handlungsformen, sondern an die grundrechtsbeschränkende Wirkung an. Deshalb kann es im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung keinen Unterschied machen, ob eine Verpflichtung unmittelbar kraft Gesetzes oder erst vermittelt durch einen Vollzugsakt begründet wird. Alle Akte, die zusammen den Grundrechtseingriff bewirken, müssen in ihrer Gesamtheit, nicht etwa jeder für sich, alle Rechtfertigungsmerkmale aufweisen. Über die Verteilung der Rechtfertigungslasten entscheidet, sofern dies nicht bereits im Grundgesetz vorweg genommen ist481, der Gesetzgeber.

konkretisierenden Einzelakt zu übertragen sind; umgekehrt gilt dasselbe etwa für den Vorbehalt des Gesetzes. 478 Vgl. auch H. Krüger, in: M. Sachs, GG, Art. 19 Rdnr. 14. 479 Zur Einzelfallbezogenheit der Grundrechtsauslegung P. Lerche, Grundrechtsgarantien, in: Festschrift f. E. G. Mahrenholz, S. 515. 480 Vgl. oben § 5 B. II. 3. 481 Beispiele hierfür oben in Fußn. 477.

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2. Konkretisierungsbefugnis und verfassungsrechtliche Rechtfertigung Die Differenz zwischen der Allgemeinheit der Norm und der Konkretheit der Pflicht besteht in jedem Falle und ist unabhängig davon zu überbrücken, worauf die Pflicht im Einzelnen basiert. Das Gesetz, sei es als gesetzliche Pflichtnorm, sei es als Ermächtigung zur Pflichtenbegründung, ist nur ein Schritt auf dem Weg zum Einzelfall. Die Vollendung dieses Weges liegt in der Konkretisierung482 des allgemeinen Gesetzes durch seine Anwendung auf tatsächliche, personell, zeitlich und räumlich bestimmte Sachverhalte als gesetzesgeleitete und gesetzesabgeleitete Setzung konkreten Rechts483. Das gilt selbst dann, wenn es an sich keines Vollzugaktes bedarf, um die gesetzlich intendierten Wirkungen eintreten zu lassen, wie dies etwa bei gesetzlichen Pflichten der Fall ist. Denn auch hier kann die fragliche Norm zur Anwendung zu bringen sein, etwa im Rahmen konkretisierender Verfügungen, die die Möglichkeit zur Durchsetzung des Normbefehls im Wege des Verwaltungszwangs erst eröffnen, oder durch exekutive oder judikative Entscheidungen hinsichtlich der Rechtsfolgen, die an eine Nichterfüllung solcher Pflichten geknüpft sind. Die bereits in der Normgebung mitzudenkende Konkretisierungsermächtigung an diejenigen Organe, die für die situationsbezogene Anwendung der Norm zuständig sind, kann zugleich eine Delegation der Entscheidungsmacht über die Wahrung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe im Anwendungsfall beinhalten. Das ist dann der Fall, wenn die Gesetzesformulierung implizit – insbesondere484 durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe oder Generalklauseln – oder explizit – etwa durch die Einräumung von Ermessen485 – auf die Umstände des Einzelfalls verweist. Eine kategorische Scheidung zwischen den beiden Arten der Delegation ist wohl nicht durchführbar, da sie jedenfalls zum Teil gegeneinander austauschbar sind486. Typischerweise verpflichten implizite 482 Zum Konzept der Konkretisierung allgemein M. Wehr, Inzidente Normverwerfung, S. 143 ff. m. w. N.; zur „Unhintergehbarkeit der Konkretisierung“ als Charakteristikum der Eigenständigkeit der Verwaltung s. H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 165–168. 483 Zu diesem Prozess abstrakter und konkreter Rechtsbildung vgl. insbesondere R. Scholz, Verwaltungsverantwortung, VVDStRL 34 (1976), 145, 161 f. 484 Implizite Delegationen stellen auch (Sanktions-)Normen dar, aus denen die Pflichtnormen erst deduziert werden müssen. Hier stellt sich das Problem verfassungsorientierter Konkretisierung in besonderer Weise. Vgl. auch W. Frisch, An den Grenzen des Strafrechts, in: Festschrift f. W. Stree und J. Wessels, S. 69, 83; dazu noch unten § 11 B. II. 2., S. 291 ff. 485 Als „Zuständigkeit zur Rechtskonkretisierung im Rahmen einer vorgegebenen Zweckbestimmung“ charakterisert Ch. Starck, Verwaltungsermessen, in: Festschrift f. H. Sendler, S. 167, das Ermessen; den „delegatorischen Charakter der Ermessensnorm“ stellen auch K.-E. Hain/V. Schlette/Th. Schmitz, Ermessen und Ermessensreduktion, AöR 122 (1997), 32, 37, heraus.

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Delegationen den Normanwender zur verfassungsorientierten Gesetzesauslegung487; explizite Delegationen hingegen zur verfassungsgemäßen Ausfüllung von Entscheidungsspielräumen. Soweit sie bestehen, verlagert sich die Rechtfertigungslast hin zu den konkretisierenden Entscheidungen488. Das Gesetz selbst ist nur insofern an den verfassungsrechtlichen Maßstäben zu messen, als es in Bezug auf sie eine eigene Regelung trifft; im übrigen kann lediglich überprüft werden, ob der Gesetzgeber die nicht von ihm selbst geregelten Fragen an die normanwendenden Organe delegieren darf, oder ob diese nicht – etwa unter dem Aspekt der (fehlenden) Bestimmtheit der Norm oder der Forderung nach Regelung aller (grundrechts-)wesentlichen Fragen – dem Gesetzgeber vorbehalten sind489. 3. Keine „doppelte“ Verfassungsmäßigkeitsprüfung Der konkrete Grundrechtseingriff muss nur einmal gerechtfertigt werden. Die gegenteilige Ansicht, die eine nach Handlungsformen unterschiedene doppelte Überprüfung ein- und desselben Rechtfertigungsmerkmals, insbesondere des Übermaßverbotes, postuliert490, vermag nicht zu überzeugen. Ihr zufolge ist zwischen der dem allgemeinen Gesetz vorbehaltenen abstrakt-generellen und der auf den Einzelakt bezogenen konkreten Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterscheiden. Der Gesetzgeber könne die Verhältnismäßigkeit nur in Bezug auf den typischen Fall beurteilen und das Gesetz müsse dementsprechend nur für diesen Fall auch verhältnismäßig sein. Dahinter verbirgt sich die Vorstellung, typische und atypische Fälle ließen sich kategorisch voneinander abgrenzen und dieser Abgrenzung eigne verfassungsrechtliche Relevanz. Tatsächlich aber gibt es zum einen keine trennscharfen Maßstäbe dafür, was der Gesetzgeber als Regelfall seiner Regelung zugrunde legt491. Zum anderen ändert auch dessen Ty486 Dazu etwa H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 51; ferner Ch. Starck, Verwaltungsermessen, in: Festschrift f. H. Sendler, S. 167, 168 f. 487 Der Begriff der verfassungsorientierten Auslegung (M. Sachs, in: ders., GG, Einführung Rdnr. 52; K. Stern, Staatsrecht I, S. 136) verweist auf die Notwendigkeit, den Sinngehalt von Gesetzen unter Berücksichtigung ihres systematischen und sachlichen Zusammenhangs mit den Normen des Grundgesetzes zu ermitteln und dadurch die verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen „normintern“ [zum Begriff vgl. E. Schmidt-Aßmann, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 19 IV (1985), Rdnr. 123] zur Geltung zu bringen. Einen Sonderfall der verfassungsorientierten stellt die verfassungskonforme Auslegung dar. 488 Vgl. auch Ch. Starck, Verwaltungsermessen, in: Festschrift f. H. Sendler, S. 167, 172. 489 Zum Verständnis von Bestimmtheitsgrundsatz und Parlamentsvorbehalt als Delegationsverbote (sowie zum Verhältnis beider zueinander) vgl. M. Nierhaus, Bestimmtheitsgebot und Delegationsverbot, in: Festschrift für K. Stern, S. 717 ff. 490 Insbesondere M. Ch. Jakobs, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 139, 145 ff.; hieran anknüpfend J. Martensen, Erlaubnis zur Störung, S. 132 ff.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

pisierungsbefugnis nichts daran, dass der Bürger als Grundrechtsträger verfassungsrechtlich geschützte Interessen geltend machen kann, deren Minderung nicht alleine durch die Atypik seines Falles gerechtfertigt wird. Wenn das auf einen Regelfall zugeschnittene Gesetz zugleich den Ausnahmefall erfasst, muss es eben auch für diesen verfassungsgemäß sein. Verfehlt es insoweit die verfassungsrechtlichen Anforderungen, ist dies ein Grund, seinen Regelungsgehalt entsprechend zu reduzieren, Dispensmöglichkeiten einzuräumen oder sonstige Ausgleichsregelungen492 vorzusehen493. Die Unterscheidung von Regel- und Ausnahmefall ist deshalb zwar nicht obsolet. Sie betrifft allerdings unterschiedliche Kontrollverfahren, die prozessual etwa in der Verschiedenartigkeit von abstrakter und konkreter Normenkontrolle (zu letzterer auch die Rechtssatzverfassungsbeschwerde zu zählen ist494) Ausdruck finden. Wird bei jener die Verfassungsmäßigkeit der Norm „an sich“ überprüft, die den anzunehmenden Regelfall zugrunde legen darf und Unvorhersehbares ebenso wenig vorhersehen muss wie der die allgemeine Regel aufstellende Gesetzgeber, ist bei dieser die Norm im Hinblick auf ihre Auswirkung im konkreten, und sei es „atypischen“ Einzelfall zu beurteilen, vor dem sie sich dann auch konkret rechtfertigen lassen muss. 4. Die Verteilung der Rechtfertigungslasten Darüber hinaus kann, wie erwähnt, ein Rechtfertigungsmerkmal nur dann Maßstab einer Normprüfung sein, wenn das Gesetz diesbezüglich auch tatsächlich eine Regelung trifft und diese nicht den normanwendenden Instanzen überlässt. So vermag ein Gesetz nur dann am Übermaßverbot gemessen zu werden, wenn es selbst Zwecke und Mittel zueinander in Beziehung setzt. Eine Norm, die – wie beispielsweise die polizeiliche Generalklausel – nur dazu ermächtigt, verhältnismäßige Maßnahmen zu ergreifen495, kann nicht unverhältnismäßig sein, weil sie keine entsprechende Rechtsgüterzuordnung enthält, die Entscheidung hierüber vielmehr delegiert, und kein Fall denkbar ist, in dem die gesetzeskonforme Anwendung der Norm ein unverhältnismäßiges Resultat hervorbringt. 491

Vgl. auch R. Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 126. Ein Beispiel sind ausgleichspflichtige Schrankenbestimmungen nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. 493 Vgl. auch R. Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 132 f. mit dem zutreffenden Hinweis darauf, die für den vom Gesetz noch erfassten Ausnahmefall festzustellende Disproportionalität sei ein Hinweis auf das Fehlen einer notwendigen Differenzierung und damit ein Problem des allgemeinen Gleichheitssatzes. Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 16.3.1971 – 1 BvR 52/66 u. a. – BVerfGE 30, 292, 331 ff. 494 E. Benda/E. Klein, Verfassungsprozessrecht, Rdnr. 647. 495 Vgl. § 8 i. V. m. § 2 MEPolG. 492

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Soweit jedoch der Gesetzgeber eine abschließende Entscheidung getroffen hat und also die Entscheidungsmacht über die Wahrung der verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht implizit oder explizit auf die normanwendenden Organe delegiert hat, greift die Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 GG ein. Sie verwehrt grundsätzlich496 eine Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls im Rahmen der Normanwendung497 selbst dann, wenn das Ergebnis der Gesetzesanwendung mit höherrangigem Recht nicht vereinbar ist. Bedenken, die hiergegen für diejenigen Fälle geäußert werden, dass die Gesetzesbindung mit der Grundrechtsbindung kollidiert498, lassen die Differenz zwischen primären und sekundären Regeln499 und den Vorrang der letzteren außer Acht. Da das materielle Recht erst über das formelle erschlossen wird500, ist der Rückschluss von jenem auf eine bestimmte Entscheidungsbefugnis – etwa über die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe – nicht möglich. Lediglich der Judikative ist durch Art. 100 Abs. 1 GG die Möglichkeit eingeräumt, entscheidungserhebliche förmliche Gesetze nicht anzuwenden, wenn sie für verfassungswidrig gehalten werden501. Zu einer Entscheidung contra legem ist aber auch sie nicht befugt, sondern verpflichtet, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Der Exekutive steht diese Möglichkeit hingegen nicht zu Gebote502. Die Verfehlung dessen, was die Verfassung im Einzelfall gebietet, geht dann allerdings zu Lasten des Gesetzes. Die Verteilung der Rechtfertigungslasten auf Gesetzgeber und Gesetzesanwender ist in dem Sinne immer ausschließlich, dass ein und dasselbe Rechtfertigungsmerkmal nur dem einen oder dem anderen zugewiesen ist: Was der Gesetzgeber delegiert, regelt er nicht selbst, was er selbst regelt, delegiert er nicht. Dies hat insoweit zugleich eminent kompetenzielle Bedeutung, nicht nur, was die Entscheidungsbefugnisse der durch Gesetz ermächtigten und gesetzesgebundenen Organe angeht, sondern darüber hinaus für die Abgrenzung der Zuständigkeiten von Bundesverfassungsgericht und Fachgerichten im Hinblick auf die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Einzelfallmaßnahmen. Defizite der 496 Zu eng begrenzten Ausnahmen vgl. M. Wehr, Inzidente Normverwerfung, S. 189 ff., 191 ff. 497 Vgl. auch H. Schneider, Verhältnismäßigkeits-Kontrolle, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, S. 390, 403. 498 Vgl. etwa H. D. Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, S. 228 ff., 269 ff., der sich auf die Beschreibung der – vermeintlichen – Kollision beschränkt und für ihre Auflösung selbst keine Lösungsvorschläge anbietet. 499 Dazu oben 1. Teil, § 3 B. I. 500 Vgl. oben 1. Teil, § 3 B. II. 501 Zu Art. 100 Abs. 1 GG als Modifizierung der richterlichen Gesetzesbindung vgl. M. Wehr, Inzidente Normverwerfung, S. 182 f. 502 So im Ergebnis auch A. Bleckmann, Dispens, DÖV 2003, 155, 158; R. Dechsling, Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 130–133; ausführlich M. Wehr, Inzidente Normverwerfung, insbes. S. 180 ff., 183 ff.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

ihnen zugrunde liegenden Gesetze kann nur das Bundesverfassungsgericht autoritativ entscheiden; über Mängel in der Gesetzesanwendung befinden hingegen die Fachgerichte in eigener Verantwortung. IV. Zusammenfassung Der Grundrechtseingriff, der die Prozedur der Rechtfertigung in Gang setzt, liegt weniger im Akt der Verpflichtung als solchem, als vielmehr in der diesem Akt notwendig vorausgehenden Reduzierung des Abwehrrechts. Diese kann grundsätzlich uno actu mit der Verpflichtung einher gehen, sie kann aber auch in einem mehraktigen Verfahren, etwa durch eine gesetzliche Eingriffsbefugnis und ihre Inanspruchnahme im Einzelfall erfolgen. Schon die Ermächtigung zur Inpflichtnahme von Grundrechtsträgern schränkt Grundrechte ein, wenn, weil und insoweit sie Handlungsmöglichkeiten, die prima facie grundrechtlichen Schutz genießen, im Verhältnis zu denjenigen staatlichen Organen diesen Schutz entziehen, die zur Inanspruchnahme der Ermächtigung befugt sind. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen müssen durch die Gesamtheit der staatlichen Akte gewahrt werden, welche die Grundrechtsbeschränkung ermöglichen und im Einzelfall bewirken. Über die Verteilung der Rechtfertigungslasten entscheidet im Rahmen des verfassungsrechtlich Möglichen der Gesetzgeber.

B. Das allgemeine Rechtfertigungsmodell Die materiellen Maßstäbe für die Pflichtenrechtfertigung ergeben sich aus den Anforderungen, die nach dem Grundgesetz ganz allgemein für Beschränkungen von Grundrechten gelten. Dadurch wird unter dem Leitmotiv der Gewährleistung von Gleichheit und Freiheit der Inpflichtnahme Privater ein äußerster Rahmen gesetzt, innerhalb dessen der Gesetzgeber – und nach seiner Maßgabe auch Exekutive und Judikative – einen weiten Gestaltungsspielraum besitzen. Die insoweit relevanten verfassungsrechtlichen Direktiven sind in einem allgemeinen Rechtfertigungsmodell zu verarbeiten, das dem Grunde nach auf alle gesetzlichen oder aufgrund Gesetzes begründeten Pflichten übertragbar sein muss. Ein solch allgemeines Rechtfertigungsmodell öffentlich-rechtlicher Pflichten hat J. F. Lindner entworfen und mit bemerkenswertem Differenzierungsvermögen anhand der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit im einzelnen entfaltet503. Ausgehend von der Grundrechtsrelevanz jeder öffentlich-rechtlichen Verpflichtung benennt er drei Strukturelemente, die verfassungsrechtliche Dimensionen aufweisen: Den Bezugszweck als Ziel, zu dessen Verwirklichung die Pflicht 503

J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 26 ff., 35 ff.

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auferlegt wird, das Zuordnungskriterium als tatsächlichen sowie den Zurechnungsgrund als rechtlichen Anknüpfungspunkt, der die Auferlegung einer Pflicht legitimiert504. Zuordnung und Zurechnung sind nach Lindner grundlegende Faktoren der Pflicht-Zweck-Relation als Konstituante jedes Pflichtrechtfertigungsmodells. Der Ertrag der Überlegungen Lindners sollte nicht unterschätzt werden. Der besondere Wert seiner Analyse und seines Strukturmodells besteht darin, dass die für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung öffentlichrechtlicher Pflichten maßgebliche Fragestellung deutlich herausgearbeitet wird: Wer darf zu welchem Zweck aus welchem Grund in welchem Maße wozu verpflichtet werden? In seiner Ausführung allerdings erweist er sich als überaus schwierig. Zum einen ist das in seiner Entfaltung fein ziselierte Modell von erheblicher Kompliziertheit, die auf den ersten Blick die Komplexität der bei einer Pflichtendogmatik zu berücksichtigenden Umstände widerzuspiegeln scheint, doch im Ergebnis wenig handhabbar ist. Zum anderen sind die genannten Elemente zwar Kurzformeln für diese Umstände, doch wird an ihnen nicht deutlich, welche verfassungsrechtliche Prüfung ihnen jeweils zugrunde liegt505. Sie erschweren den Anschluss an die konsensfähigen Argumentationsstrukturen der Grundrechtsdogmatik, zu welcher sie aber thematisch gehören. Das ist in der Sache nicht zu beanstanden, verstärkt aber das Verständlichkeitsdefizit und mindert die Akzeptanz seines Vorschlags506. Deshalb wird im Folgenden der Entwurf einer Pflichtendogmatik entwickelt, der auf den Überlegungen Lindners aufbaut, doch die genannten Beschwernisse zu vermeiden versucht. Ausgehend von der Zweckgebundenheit allen staatlichen Handelns stellt er, wie schon einleitend erwähnt507, Freiheit und Gleichheit als zentrale Bezugspunkte der Pflicht in den Mittelpunkt. I. Der Zweckbezug der Pflicht Staatliches Handeln dient der Realisierung bestimmter Zwecke als in der Lebenswirklichkeit herzustellender oder aufrechtzuerhaltender Zustände508. Die Zweckbezogenheit und Zweckgebundenheit ist Charakteristikum und Legitimation des rechtlich verfassten und rechtlich gebundenen Staates. In der allgemeinsten Fassung können die jeweiligen Zwecke unter dem Begriff des Gemeinwohls als „umfassendste und abstrakteste aller Zielvorgaben“509 zusam504

J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 27 ff. So wird beispielsweise die üblicherweise dreistufige Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auseinander gerissen, wenn die Eignung der Zuordnungsebene, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Zurechnungsebene zugewiesen werden; vgl. J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 29 einerseits, S. 33 andererseits. 506 Vgl. auch G. Gornig, Rezension, NVwZ 1999, 1324. 507 Oben § 1 vor A. 508 J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 28. 505

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mengefasst werden, einem Begriff, in dem die gemeinsamen Interessen aller Bürger über ihre privaten Interessen hinaus Ausdruck finden510. Das Grundgesetz selbst benennt einige solcher Zielvorgaben konkreter, etwa den Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG), der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (z. B. Art. 10 Abs. 2 S. 2, 11 Abs. 2 GG511), die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet (Art. 72 Abs. 2 GG) etc., schließt aber andererseits auch bestimmte Zielsetzungen als absolut unzulässig aus (etwa die Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker durch Art. 26 Abs. 1 GG) und stellt insofern Rahmendaten zur Verfügung, die von den staatlichen Organen innerhalb ihrer jeweiligen Zuständigkeit512 ausgefüllt werden können und müssen. Die inhaltliche Offenheit der Verfassung für die Formulierung und Konkretisierung von Gemeinwohlbelangen bewirkt juristisch-konstruktiv die grundsätzliche Zulässigkeit von Zwecksetzungen und Zielbestimmungen staatlicher Organe, die sich innerhalb dieses Rahmens bewegen. Das Grundgesetz „geht (. . .) von der generellen Befugnis des Staates zum Handeln im Gemeinwohlinteresse aus, erlegt ihm dabei aber sowohl formell als auch materiell bestimmte Beschränkungen auf“513. Diese Beschränkungen beziehen sich in erster Linie auf die jeweiligen Mittel, deren sich der Staat in Verfolgung der Zwecke bedient. Zum einen steht ihm rechtlich nicht jedes Mittel zur Verfügung, welches der Erreichung einer zulässigen oder zulässig gesetzten Zielvorgabe förderlich sein kann. Zum anderen können an sich zulässige Mittel zur Realisierung bestimmter Zwecke ausgeschlossen sein und schließlich ist es möglich, dass ein generell für die Verfolgung eines bestimmten Zwecks zulässiges Mittel im Einzelfall unzulässig ist. Dem liegt eine Zweck-Mittel-Struktur als theoretischer Ordnungsrahmen allen staatlichen Handelns zugrunde, die in der Rechtsbindung des Staates grundgelegt ist und die rechtliche Kontrolle ermöglicht514. Die Inpflichtnahme Privater stellt ein besonderes Mittel dar, dessen sich der Staat bedient, um die von ihm definierten Gemeinwohlziele zu erreichen oder doch zu fördern. Die allgemeine Zweck-Mittel-Struktur gewinnt angesichts der Grundrechtsrelevanz dieser Inpflichtnahme eine in den Grundrechtsnormen selbst angelegte spezielle Ausprägung515. Für jede Pflicht muss angegeben wer509 J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. III, § 57 Rdnr. 134. 510 J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. III, § 57 Rdnr. 18. 511 Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung als Integrationsziel Ch. Gusy, Freiheitliche demokratische Grundordnung, AöR 105 (1980), 279, 294 ff. 512 Zum Gemeinwohl als Kompetenzfrage vgl. J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. III, § 57 Rdnr. 88; R. Stettner, Kompetenzlehre, S. 203 ff.; R. Uerpmann, Das öffentliche Interesse, insbes. S. 175 ff. 513 BVerfG, Urt. v. 14.7.1998 – 1 BvR 1640/97 – BVerfGE 98, 218, 246. 514 Vgl. auch B. Schlink, Freiheit durch Eingriffsabwehr, EuGRZ 1984, 457, 459.

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den können, welches zulässige sachliche Ziel mit ihrer Auferlegung erreicht oder doch befördert werden soll. Die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte begrenzen dabei in unterschiedlichem Umfang die Zulässigkeit der mit der Verpflichtung verfolgten Zwecke. Auch die Inpflichtnahme als solche ist Beschränkungen unterworfen. So formulieren beispielsweise Art. 12 Abs. 2 und 3 GG mit dem Verbot von Arbeitspflicht und Zwangsarbeit absolute „Pflichtauferlegungsverbote“516. Den Mittelpunkt der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bildet indes die nachfolgend näher zu betrachtende „Pflicht-Zweck-Relation“, also der spezifische Zusammenhang zwischen dem verfolgten sachlichen Ziel und der hierzu auferlegten Pflicht. Diese Relation wird bestimmt durch den Rechtsgrund der Pflicht und das durch die Verpflichtung beschränkte Grundrecht. II. Der Rechtsgrund der Pflicht Der Rechtsgrund der Pflicht gibt an, warum ein Rechtssubjekt für die Erreichung oder Förderung eines Zweckes überhaupt in Anspruch genommen werden darf. Er stellt die materielle Begründung für die Verpflichtung dar und somit die Verbindung zwischen dieser und dem Zweck her. Die Beziehung zwischen dem Rechtssubjekt und dem jeweiligen Gemeinwohlziel muss so beschaffen sein, dass sie aufgrund einer wertenden Zurechnung eine spezifische Verantwortlichkeit für die Zielerreichung begründet517. Im Unterschied zu dieser materiellen Zurechnung des Zwecks mittels des Rechtsgrundes erfolgt die formelle Zuordnung der Pflicht zum Pflichtsubjekt durch die Rechtsgrundlage. Diese bestimmt, unter welchen tatsächlichen oder rechtlichen, sachlichen oder persönlichen Voraussetzungen und mit welchem Inhalt die Pflicht zur Entstehung gelangt, was indes die Zulässigkeit der Inpflichtnahme und damit den Rechtsgrund bereits voraussetzt518. Ferner legitimiert der Rechtsgrund nur die Inanspruchnahme für einen Zweck „an sich“ und gibt Antwort darauf, ob sie überhaupt erfolgen darf. Er trifft deshalb keine Aussagen darüber, was zulässiger Inhalt von Ge- und Verboten sein kann. Dies wird durch diejenigen Anforderungen bestimmt, welche für die Einschränkung des jeweils betroffenen Grundrechts gelten, insbesondere durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der die Ausgewogenheit der durch den Rechtsgrund vermittelten Verbindung von Pflicht und Zweck sicherstellt.

515

Näher dazu B. Schlink, Freiheit durch Eingriffsabwehr, EuGRZ 1984, 457, 459. J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 33. 517 Vgl. auch J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 28. 518 Vgl. auch J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 16 f., der zu Recht darauf hinweist, dass der Rechtsgrund die notwendige Basis einer Pflichtendogmatik darstellt. 516

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

1. Die Zweck-Pflicht-Relation Für eine allgemeine Darstellung der durch den Rechtsgrund vermittelten Verbindung zwischen Pflicht und Zweck ist es sinnvoll, sie nach einem gemeinsamen Kriterium zu ordnen und damit ein mittleres Abstraktionsniveau zu wählen, das es einerseits erlaubt, Zusammenhänge zwischen Zweck, Pflicht und Rechtsgrund darzustellen, ohne andererseits notwendigerweise auf den Inhalt oder Gegenstand dieser Elemente im Einzelnen eingehen zu müssen. Als Ordnungskriterium soll das der Allgemeinheit (Generalität) bzw. Besonderheit (Spezialität) fungieren, nicht im Sinne eines Gegensatzpaares, sondern im Sinne einer Reihung von Zwecken bzw. Pflichten und Rechtsgründen anhand ihres jeweiligen Grades der Generalität oder Spezialität. a) Allgemeine und besondere Zwecke Die oben wiedergegebene Charakterisierung des Gemeinwohls als abstrakteste und umfassendste Zielvorgabe deutet bereits auf die Möglichkeit hin, es je nach Sachthema in einer Viel- oder doch Mehrzahl besonderer Zwecksetzungen zu entfalten und die so definierten Zwecke in eine Reihung nach dem jeweiligen Grade ihrer Spezialität zu bringen. Um die rechtliche Steuerungswirkung des Gemeinwohlzieles zu gewährleisten, ist es ohnehin notwendig, die allgemeine in besondere Zwecksetzungen aufzugliedern, die sich umgekehrt ihrerseits als Ausprägungen des Gemeinwohls verstehen lassen. Auch solche „Unterzwecke“ können wiederum Oberbegriffe für noch speziellere Ziele darstellen etc. Daraus resultiert modellhaft eine Skala von Zwecken, geordnet nach dem Grad ihrer jeweiligen Generalität oder Spezialität, der sich durch die Anzahl derjenigen Oberbegriffe definieren lässt, als deren Ausprägung der einzelne Zweck jeweils erscheint. b) Allgemeine und besondere Pflichten Auch Pflichten können anhand des Ordnungskriteriums in eine entsprechende Reihung gebracht werden, wobei sich die Generalität oder Spezialität am jeweiligen Kreis der Verpflichteten ausrichtet. Der Grad der Generalität oder Spezialität einer Pflicht bemisst sich danach, an wieviele personenbezogene Umstände die Rechtsgrundlage das Entstehen der Pflicht knüpft. Den höchsten Grad der Allgemeinheit hat eine Pflicht dann, wenn es solche qualifizierenden Umstände gar nicht gibt und deshalb jedermann, der der Rechtsordnung unterworfen ist, ohne weitere Voraussetzung in die Pflicht genommen wird. Besondere Pflichten werden hingegen begründet, wenn darüber hinaus weitere, an persönliche Merkmale oder Eigenschaften anknüpfende Voraussetzungen vorliegen müssen; je mehr solche Voraussetzungen die Pflicht zur Entstehung bringen, desto spezieller ist sie.

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c) Allgemeine und besondere Rechtsgründe Die gleitende Skala von generellen und speziellen Zwecken bzw. Pflichten findet ihre Entsprechung in generellen und speziellen Rechtsgründen für die jeweilige Inpflichtnahme. Der Grad der Generalität bzw. Spezialität eines Rechtsgrundes bemisst sich nach der Art der spezifischen Beziehung zwischen dem Pflichtsubjekt und dem zu erreichenden Zweck. Je enger diese Beziehung ist, desto spezieller ist der Rechtsgrund. Die dreistellige Relation Zweck-PflichtRechtsgrund lässt sich anhand des Kriteriums der Generalität bzw. Spezialität dergestalt präzisieren, dass zur Erreichung eines allgemeinen Zwecks nur die Begründung einer allgemeinen Pflicht in Frage kommt, weil diese nur durch einen allgemeinen Rechtsgrund rechtlich begründbar ist. Je spezieller hingegen der Zweck ist, desto spezieller muss auch die Pflicht sein, weil sie nur durch einen speziellen Rechtsgrund legitimierbar ist. Werden jedoch spezielle Pflichten zu generellen Zwecken auferlegt, gerät die Inpflichtnahme in Gefahr, mit dem allgemeinen Gleichheitssatz in Konflikt zu geraten. 2. Rechtsgrund und Gleichheitsrecht a) Das allgemeine Staat-Bürger-Verhältnis Die Grundlage dieser Relation von Zwecken, Pflichten und Rechtsgründen findet sich in dem durch die Grundrechte konstituierten allgemeinen Staat-Bürger-Verhältnis und der darin enthaltenen Gewährleistung der gleichen Freiheit aller Bürger. Der den Grundrechtsverbürgungen explizit oder implizit beigegebenen Möglichkeit, die Freiheitsrechte zugunsten konkurrierender Gemeinwohlzwecke einzuschränken, liegt, wie in der Diskussion über Grundpflichten deutlich geworden ist519, der Gedanke der „Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit“ des Individuums zugrunde: Dem Einzelnen können wegen seiner Zugehörigkeit zur Allgemeinheit Beiträge zur Verwirklichung des allgemeinen Wohls abverlangt werden. Die spezifische Beziehung zum bonum commune, die diese Pflichtigkeit materiell rechtfertigt, wird durch diese Zugehörigkeit begründet und als solche vom Grundgesetz bereits vorausgesetzt. Der allgemeine Rechtsgrund für die Inpflichtnahme des Einzelnen zugunsten des Gemeinwohls ist, so verstanden, nicht selbst Regelungsinhalt der Grundrechte, sondern verfassungstheoretischer Hintergrund der grundrechtlichen Schrankensystematik. Der Funktion des Rechtsgrundes als Bindeglied zwischen Pflichtsubjekt und Zweck entspricht es, dass damit über den zulässigen Inhalt konkreter Pflichten noch keine Aussage getroffen ist. Dies ist abhängig von tatsächlichen und recht519

Zum Rechtsgrund der Grundpflichten oben § 8 B. I. 1.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

lichen Faktoren, welche die Ausgestaltung der Pflichten steuern. Mit der Bestimmung des Rechtsgrundes ist lediglich die Grundfrage, ob das Individuum überhaupt zu gemeinwohlfördernden Beiträgen verpflichtet werden kann, in bejahendem Sinne beantwortet. Das allgemeine Rechtsverhältnis zwischen Bürger und Staat legitimiert die Beschränkung der grundrechtlich garantierten Freiheiten zugunsten überindividueller Zwecke. Darin erweist sich die Allgemeinheit dieses Rechtsgrundes: Das Staat-Bürger-Verhältnis betrifft nicht nur den Einzelnen, sondern jeden Einzelnen. Durch die in Art. 3 Abs. 1 GG formulierte Gleichheit vor dem Gesetz wird dafür Sorge getragen, dass die Gemeinwohllasten auf alle in diesem allgemeinen Rechtsverhältnis befindlichen Grundrechtsberechtigten gleichmäßig verteilt werden, da insoweit jeder dieselbe allgemeine Beziehung zu dem zu erreichenden und zu förderndem Zweck aufweist. Der allgemeine Rechtgrund für die Inanspruchnahme der Bürger zugunsten des Gemeinwohls als Ausdruck der Gebundenheit und Verantwortlichkeit jedes Einzelnen gegenüber dem Staat schlägt sich formal in der Pflicht zum Gesetzesgehorsam nieder und richtet sich inhaltlich an den gesetzlich begründeten Anforderungen aus520. Der allgemeine Gleichheitssatz begründet und gewährleistet dabei die „Gleichheit in der Pflicht“521, nicht nur als allgemeines Gerechtigkeitspostulat, sondern als subjektives Recht auf Gleichbehandlung, das sich in erster Linie gegen den die Pflicht begründenden oder durch Eingriffsermächtigungen ermöglichenden Gesetzgeber wendet. In Anlehnung an den Grundsatz der Lastengleichheit als Ausprägung des Gleichheitssatzes im Abgabenrecht522 kann man insoweit von dem allgemeinen, über die Auferlegung finanzieller Lasten hinaus gehenden, weil alle öffentlichrechtlichen Pflichten umfassenden „Grundsatz der Belastungsgleichheit“ 523 sprechen. Die Unterscheidung von allgemeinen und besonderen Rechtsgründen für die Verpflichtung Privater zu Gemeinwohlzwecken gewinnt aus dieser Perspektive rechtliche Relevanz, zum einen im Hinblick auf die Zulässigkeit von Ungleichbehandlungen überhaupt, ferner hinsichtlich des Maßes der Ungleichbehandlung und schließlich bezüglich der Frage des Ausgleichs nicht gerechtfertigter Ungleichbehandlungen.

520 Vgl. auch P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 124 Rdnrn. 78, 81. 521 P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 124 Rdnr. 77. 522 K. Vogel/Ch. Waldhoff, in: R. Dolzer/K. Vogel/K. Graßhof, BK, Vorbem. z. Art. 104a–115 (1997), Rdnr. 405; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. IV, § 88 Rdnr. 46. 523 Der Begriff wird allerdings vom Bundesverfassungsgericht auch hinsichtlich finanzieller Lasten verwendet, vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 11.10.1994 – 2 BvR 633/86 – BVerfGE 91, 186, 202; Beschl. v. 7.11.1995 – 2 BvR 413/88 – BVerfGE 93, 319, 343.

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b) Rechtsgründe als Differenzierungsmerkmale Das grundgesetzliche Gleichheitsgebot fordert nicht eine formale Gleichbehandlung, sondern begründet (lediglich) eine Rechtfertigungslast für Ungleichbehandlungen524. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an diese Rechtfertigung sind dabei je nach Eigenart des zu regelnden Sachbereichs und den jeweiligen Differenzierungsmerkmalen unterschiedlich und reichen vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse525. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterliegt der Gesetzgeber der strengsten Bindung, wenn er Personengruppen ungleich behandelt, insbesondere dann, wenn sich diese Ungleichbehandlung auf die Wahrnehmung von grundrechtlich geschützten Freiheiten nachteilig auswirkt526. Hier ist im einzelnen nachzuprüfen, „ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können“527. Personenbezogene Differenzierungen liegen immer dann vor, wenn besondere Pflichten begründet werden, weil in diesem Falle die Ge- oder Verbote nicht an jeden als Teil der Allgemeinheit adressiert sind, sondern dem jeweiligen Personenkreis eine Sonderbelastung auferlegt wird, die an den strengen gleichheitsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen zu messen ist. Hierbei kommt der materiellen Begründung der Pflicht insofern eine tragende Rolle zu, als sie nicht nur die Verpflichtung als solche, sondern auch die Ungleichbehandlung legitimieren können muss. Dies ist immer dann der Fall, wenn der verpflichtete Personenkreis eine besonders enge Beziehung zu dem mit der Pflicht verfolgten Zweck besitzt, wenn die Pflicht sachlich an Merkmale anknüpft, die eine spezifische Verantwortlichkeit für diesen Zweck begründen, wenn also ein besonderer Rechtsgrund für die Inpflichtnahme vorliegt528. (1) Das Steuer- und Abgabenrecht als Beispiel Paradigmatisch für das Verhältnis von allgemeinen zu besonderen Pflichten und ihre Rechtfertigung durch den allgemeinen oder einen besonderen Rechtsgrund ist die im Steuer- und Abgabenrecht anzutreffende Unterscheidung von 524 W. Heun, in: H. Dreier, GG Bd. I, Art. 3 Rdnr. 23; B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte, Rdnr. 428. 525 BVerfG, Urt. v. 8.4.1997 – 1 BvR 48/94 – BVerfGE 95, 267, 316. 526 BVerfG, Beschl. v. 30.5.1990 – 1 BvL 2/83 u. a. – BVerfGE 82, 126, 146; Beschl. v. 26.1.1993 – 1 BvL 38/92 u. a. – BVerfGE 88, 87, 96. 527 BVerfG, Beschl. v. 30.5.1990 – 1 BvL 2/83 u. a. – BVerfGE 82, 126, 146; Beschl. v. 26.1.1993 – 1 BvL 38/92 u. a. – BVerfGE 88, 87, 96; Urt. v. 8.4.1997 – 1 BvR 48/94 – BVerfGE 95, 267, 316; Beschl. v. 28.10.1998 – 1 BvR 2349/96 – BVerfGE 99, 129, 139. 528 So auch K. Waechter, Zurechnungsgründe, LKV 2000, 388.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

Gemeinlasten einerseits, Vorzugslasten und Sonderabgaben andererseits529. Sie basiert zwar auf den Regelungen der grundgesetzlichen Finanzverfassung und wird deshalb vielfach unter dem Gesichtspunkt der Gesetzgebungskompetenz thematisiert530, kommt aber nicht alleine objektiv-rechtlich zum Tragen, sondern ist auch unter dem Aspekt der Lastengleichheit als eines der grundlegenden Prinzipien der Finanzverfassung531 von Belang und weist so über die Auferlegung finanzieller Lasten hinaus: Die Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben wird im Rahmen der Steuerpflicht allen Bürgern als Gemeinlast auferlegt. Das bestimmende Merkmal der Steuer ist, mit Otto Mayer gesprochen532, die „Voraussetzungslosigkeit“, die „Losgelöstheit von bedingenden Zusammenhängen“, also die Tatsache, dass sie in keiner Weise Entgelt- oder Gegenleistungscharakter besitzt533. Die Steuerpflicht findet dem Grunde nach in der Allgemeinheit des Zwecks und der Gleichheit der Lastenzuteilung ihre Rechtfertigung534. Weiter gehende finanzielle Lasten in Form von nichtsteuerlichen Abgaben535 bedürfen eines besonderen Legitimationsgrundes, da der Abgabenschuldner in der Regel bereits im Rahmen seiner Steuerpflicht zur Finanzierung der die Gemeinschaft treffenden Lasten herangezogen wird536. Dieser Grund kann nur im Hinblick auf den Zweck ermittelt werden, der mit Erhebung der Abgabe verfolgt wird. Gebühren und Beiträge als „klassische“ Abgaben nichtsteuerlicher Art dienen typischerweise537 dazu, spezielle Kosten individuell zurechenbarer öffentlicher Leistun529 Vgl. auch den Überblick bei W. Kluth, in: H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 72 Rdnr. 39. 530 Die Zulässigkeit nichtsteuerlicher Abgaben dem Grunde und dem Umfang nach überprüft das Bundesverfassungsgericht primär unter diesem Gesichtspunkt, vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 8.6.1988 – 2 BvL 9/85 u. a. – BVerfGE 78, 249, 266 – 271 (Fehlbelegungsabgabe); Beschl. v. 24.1.1995 – 1 BvL 18/93 u. a. – BVerfGE 92, 91, 115 (Feuerwehrabgabe); Beschl. v. 7.11.1995 – 2 BvR 413/88 – BVerfGE 93, 319, 338 f. (Wasserpfennig); zuletzt BVerfG, Urt. v. 19.3.2003 – 2 BvL 9/98 u. a. – NVwZ 2003, 715 f. (Rückmeldegebühren). 531 BVerfG, Beschl. v. 11.10.1994 – 2 BvR 633/86 – BVerfGE 91, 186, 202 f.; Beschl. v. 7.11.1995 – 2 BvR 413/88 – BVerfGE 93, 319, 343. 532 Deutsches Verwaltungsrecht I, S. 316. 533 H. Siekmann, in: M. Sachs, GG, vor Art. 104a, Rdnr. 53. 534 Dazu etwa BVerfG, Beschl. v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91 – BVerfGE 93, 121, 134. 535 Für die Erstreckung auf alle finanziellen Lasten jenseits von Steuern und Abgaben W. Kluth, in: H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 72 Rdnr. 37. 536 BVerfG, Urt. v. 10.12.1980 – 2 BvF 3/77 – BVerfGE 55, 274, 302; Beschl. v. 7.11.1995 – 2 BvR 413/88 – BVerfGE 93, 319, 343; Urt. v. 19.3.2003 – 2 BvL 9/98 u. a. – NVwZ 2003, 715, 716; Beschl. v. 17.7.2003 – 2 BvL 1/99 – DVBl. 2003, 1388, 1390; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. IV, § 88 Rdnr. 29; L. Osterloh, in: M. Sachs, GG, Art. 3 Rdnr. 172. 537 Zur Zulässigkeit der Verfolgung weiterer Zwecke vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.2.1979 – 2 BvL 5/67 – BVerfGE 50, 217, 226 f.; Beschl. v. 11.10.1988 – 1 BvR

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gen ganz oder teilweise zu decken und/oder dazu, Vorteile auszugleichen, die dem Einzelnen aufgrund öffentlicher Leistungen zufließen oder sonst gewährt werden. Der besondere Rechtfertigungsgrund für Gebühren- und Beitragspflichten liegt dementsprechend hinsichtlich des Finanzierungszwecks in der Verursachung der Kosten, hinsichtlich der Ausgleichsfunktion in dem besonderen Vorteil, den der Einzelne aufgrund einer staatlichen Leistung genießt538. Jenseits dieser klassischen Abgabenarten und ihrer dem Grunde nach anerkannten sachlichen Rechtfertigung sind Sonderabgaben nur unter besonders strengen Voraussetzungen zulässig, wenn und weil sie in Konkurrenz zur Steuererhebung treten und so einerseits zur Umgehung der Art. 104a ff. GG führen, andererseits mit dem Grundsatz der Lastengleichheit in Konflikt geraten können. Erforderlich ist zunächst, dass mit der Abgabe ein besonderer, über die bloße Mittelbeschaffung hinaus gehender Sachzweck verfolgt wird539. Die Abwälzung der Finanzierungslast auf eine von der Allgemeinheit zu unterscheidende Personengruppe ist nur möglich, wenn auch eine spezielle Gruppenverantwortung für die jeweils zu finanzierende Aufgabe besteht540. Dieses Zurechnungskriterium verdeutlicht die Notwendigkeit eines besonderen Rechtsgrundes für die Auferlegung besonderer (Finanzierungs-)Pflichten, der etwa darin bestehen kann, dass das Aufkommen aus der Abgabe gruppennützig verwendet wird541. Insgesamt dienen die besondere Lasten rechtfertigenden Sachgründe gerade der Herstellung oder Wahrung der Lastengleichheit, weil die Allgemeinheit nicht zur Finanzierung eines öffentlichen Zwecks herangezogen wird, für den eine spezifische Verantwortlichkeit einer nach allgemeinen Merkmalen abgrenz777/85 – BVerfGE 79, 1, 28; BVerfG, Beschl. v. 10.3.1998 – 1 BvR 178/97 – BVerfGE 97, 332, 346. 538 BVerfG. Beschl. v. 7.11.1995 – 2 BvR 413/88 – BVerfGE 93, 319, 343; BVerfG, Urt. v. 19.3.2003 – 2 BvL 9/98 u. a. – NVwZ 2003, 715, 716; Beschl. v. 17.7.2003 – 2 BvL 1/99 – DVBl. 2003, 1388, 1391; dabei kommt es aber im Grunde nicht auf die Art der Abgabe an, zumal es einen verfassungsrechtlichen Gebühren(oder Beitrags-)begriff nicht gibt (so BVerfG, Beschl. v. 10.3.1998 – 1 BvR 178/97 – BVerfGE 97, 332, 344 f.); beispielsweise hat das BVerfG (Beschl. v. 8.6.1988 – 2 BvL 9/85 u. a. – BVerfGE 78, 249, 267 f.) den Gedanken des Vorteilsausgleichs als Rechtfertigung für die Auferlegung einer besonderen (Abschöpfungs-)Abgabe gelten lassen. 539 BVerfG, Urt. v. 6.11.1984 – 2 BvL 19/83 u. a. – BVerfGE 67, 256, 275; Beschl. v. 31.5.1990 – 2 BvL 12/88 u. a. – BVerfGE 82, 159, 179; Beschl. v. 7.11.1995 – 2 BvR 413/88 u. a. – BVerfGE 93, 319, 343; Beschl. v. 17.7.2003 – 2 BvL 1/99 – DVBl. 2003, 1388, 1391. 540 BVerfG, Urt. v. 10.12.1980 – 2 BvF 3/77 – BVerfGE 55, 274, 305 f.; Besch. v. 31.5.1990 – 2 BvL 12/88 u. a. – BVerfGE 82, 159, 180; Beschl. v. 24.1.1995 – 1 BvL 18/93 u. a. – BVerfGE 92, 91, 120; Beschl. v. 17.7.2003 – 2 BvL 1/99 – DVBl. 2003, 1388, 1391. 541 Zusammenfassend BVerfG, Beschl. v. 7.11.1995 – 2 BvR 413/88 u. a. – BVerfGE 93, 319, 344 m. w. N.; zu den Kriterien im einzelnen etwa G. Britz, Verfassungsmäßigkeit des Wasserpfennigs, JuS 1997, 404, 407 ff.; W. Kluth, Sonderabgaben, JA 1996, 260, 262 ff.

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baren Personengruppe besteht. Der besondere Rechtsgrund begründet die Belastung und rechtfertigt zugleich die Ungleichbehandlung. Das gilt aber nicht nur für die Auferlegung von Geldleistungspflichten, sondern kann sinngemäß auf alle besonderen Verpflichtungen übertragen werden. (2) Differenzierungsverbote und Differenzierungsgebote Problematisch ist freilich die Bestimmung derjenigen Kriterien, anhand derer zu entscheiden ist, ob ein spezieller Rechtsgrund vorliegt oder nicht. Die allgemein der Beurteilung der Sachgerechtigkeit und Angemessenheit von Differenzierungsgründen immanente Notwendigkeit wertender Entscheidung findet in der Zurechnung besonderer Verantwortlichkeiten eine spezielle Ausprägung. Ein abschließender Katalog existiert insofern nicht und es kann ihn auch – da der Rechtsgrund sich auf den jeweiligen Zweck beziehen muss – angesichts der Vielfalt der denkbaren Zwecke nicht geben. Die materiellen Anknüpfungspunkte müssen jedenfalls mit den Wertungen des Grundgesetzes vereinbar sein, das allerdings nur vereinzelt konkrete Aussagen hierzu trifft. Eine negative Bestimmung von Rechtsgründen findet sich in den Differenzierungsverboten, die in Art. 3 Abs. 3 GG formuliert sind. Die darin genannten Merkmale scheiden als materielle Begründung besonderer Pflichten prinzipiell542 aus543. Umgekehrt enthält das Grundgesetz auch Differenzierungsgebote und bestimmt damit positiv, an welche Merkmale spezielle Pflichtenstellungen anknüpfen sollen. Neben der besonderen Elternverantwortung für ihre Kinder (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) und der zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) gehörenden besonderen Treuepflicht des Beamten ist hier vor allem Art. 14 Abs. 2 GG zu nennen, der die Ausgestaltung der Eigentümerstellung durch die Auferlegung von Pflichten verlangt und so das Eigentumsrecht als Anknüpfungspunkt besonderer Verpflichtungen verfassungsrechtlich absichert544. Die Zweckrichtung solcher Eigentümerpflichten ist allerdings mit dem bloßen Verweis auf das Gemeinwohl grundgesetzlich nur ganz allgemein vorgezeichnet und auf die Bestimmung und Präzisierung durch den Gesetzgeber angewiesen. Als Rechtsgrund kann auch das Eigentum Pflichten nur rechtfertigen, wenn sich eine spezifische Verantwortung gerade des Eigentümers für den jeweils verfolgten Zweck ermitteln lässt. 542 Soweit nicht das Grundgesetz selbst Differenzierungen trifft (z. B. durch die Unterscheidung von Menschenrechten und Deutschengrundrechten, die für das Maß der zulässigen Grundrechtsbeschränkung von Belang sein kann) oder vom Differenzierungsverbot dispensiert, wie das etwa für die auf Männer beschränkte Wehrpflicht nach Art. 12a GG der Fall ist; vgl. dazu bereits oben § 8 B. I. 3. bei Fußn. 159. 543 Zum Verständnis der Differenzierungsverbote als Begründungsverbote vgl. W. Heun, in: H. Dreier, GG, Bd. I, Art. 3 Rdnr. 110. 544 Dazu schon oben § 9 B. III. 3. b).

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c) Die Begrenzungsfunktion des Rechtsgrundes Der Rechtsgrund legitimiert nicht nur die Pflicht, er limitiert sie zugleich. Die Pflicht kann nicht weiter reichen als die sie rechtfertigende Verantwortlichkeit des Verpflichteten für den Zweck, dem sie dient545. Zwischen dem Rechtsgrund und dem Umfang der Pflicht besteht deshalb eine Korrelation, die auf der begrenzten Legitimationswirkung jeder materiellen Begründung beruht. Eine Verpflichtung, die diese Begrenzung nicht wahrt, ist durch den Rechtsgrund nicht mehr gedeckt. Rechtsgrund und Pflichtenumfang sind daher in ein Verhältnis zu setzen, das diesem Umstand Rechnung trägt. Der Korrelationsgrundsatz546 ist ein wesentlicher Pfeiler der Ausgestaltung von Pflichten. Diese Relation von Grund und Grenze der Pflicht ist in bestimmten Zusammenhängen anerkannt, ohne auf ein allgemeines, im Rechtsgrund der Pflicht wurzelndes Prinzip zurück geführt zu werden. Sie wird etwa angesprochen in den Bemühungen um eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit547, die aus dem Eigentum als materieller Begründung der Pflicht folgt. In vergleichbarer Weise wird zum Teil auch bei der Verhaltensverantwortlichkeit der Umfang der Inanspruchnahme nach dem jeweiligen Verursachungsbeitrag als Rechtsgrund der Polizeipflichtigkeit bemessen548. Der Gedanke, dass die Verpflichtung auf den sie tragenden Grund bezogen ist und durch ihn begrenzt wird, ist insbesondere bei der Bemessung von Gebühren und Beiträgen durch die Geltung des Äquivalenzprinzips anerkannt549. Stellt der Vorteil, der dem Einzelnen durch besondere Leistungen des Staates zufließt, den Rechtsgrund für diese Art finanzieller Pflichten dar, dürfen sie in ihrer Höhe über den Sondervorteil nicht hinausgehen, da es insoweit an einer materiellen Legitimation fehlt550. Das hat nicht (nur) in der Finanzverfassung liegende Gründe, sondern folgt in erster Linie aus der Begrenzungswirkung des Rechtsgrundes und ist deshalb verallgemeinerbar. 545 Vgl. auch O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 118 ff., der – auf der Basis einer anderen Konzeption – die Begründungs- und Begrenzungsfunktion des Rechtsgrundes am Beispiel von an Sachherrschaftsrechten anknüpfenden Pflichten umfänglich entfaltet hat. 546 Begriff nach O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 112. 547 Mit unterschiedlichen Folgerungen im Einzelnen z. B. E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E, Rdnrn. 106 f.; W.R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, II, Rdnr. 174 ff. m. w. N.; näher dazu unten § 11 C. II. 548 Dazu unten § 11 B. III. 2. 549 W. Brohm, Einkommensabhängige Gebühren, Festschrift f. F. Knöpfle, S. 57, 61; P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. IV, § 88 Rdnr. 198. 550 H. Siekmann, in: M. Sachs, GG, vor Art. 104a, Rdnr. 80; allgemein auch K. Vogel/Ch. Waldhoff, in: R. Dolzer/K. Vogel/K. Graßhof, BK, Vorbem. z. Art. 104a– 115 (1997), Rdnr. 406: die Rechtfertigung begrenzt das Ausmaß.

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Der Korrelationsgrundsatz – und auch das Äquivalenzprinzip als spezielle Ausprägung desselben – kann nicht ohne weiteres mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gleichgesetzt werden551. Das Übermaßverbot fordert eine Abwägung der betroffenen Grundrechte mit dem jeweiligen Gemeinwohlziel und begrenzt die Inanspruchnahme des Grundrechtsberechtigten unabhängig von ihrer materiellen Legitimation. Der Korrelationsgedanke folgt hingegen aus der begrenzten Verantwortlichkeit des einzelnen für das Gemeinwohl und setzt der Inanspruchnahme eine vom jeweiligen Rechtsgrund abhängige Grenze, gleichgültig, ob eine weiter gehende – auf einem anderen Rechtsgrund basierende – Verpflichtung verhältnismäßig wäre oder nicht. Man kann insofern von einer durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gezogenen absoluten im Gegensatz zur rechtsgrundbezogenen relativen Begrenzung sprechen. Relative und absolute Grenze fallen lediglich bei allgemeinen Pflichten zusammen, die auf dem allgemeinen Rechtsgrund des Staat-Bürger-Verhältnisses basieren. Die in den Grundrechtsgewährleistungen zum Ausdruck kommende Gemeinwohlverantwortlichkeit jedes einzelnen wird durch die Möglichkeit der Grundrechtsbeschränkung konstituiert und zugleich durch deren Schranken ihrem Umfang nach bestimmt. Die grundrechtliche Schrankensystematik enthält daher Grund und Grenze der allgemeinen Verpflichtbarkeit der Bürger. Die Unterscheidung von Korrelationsgrundsatz und Verhältnismäßigkeit ist hingegen für auf speziellen Rechtsgründen fußende Pflichten von Bedeutung, zumal im Hinblick auf den Grundsatz der Belastungsgleichheit. Unter Gleichheitsaspekten zu rechtfertigen ist die in der Begründung besonderer Pflichten liegende Ungleichbehandlung nicht nur dem Grunde, sondern auch dem Maße nach. Werden die durch den Korrelationsgrundsatz gezogenen Grenzen überschritten, geht die Belastung über die spezifische Sachverantwortung hinaus. Dem Einzelnen werden Lasten aufgebürdet, die grundsätzlich von der Allgemeinheit zu tragen sind. Es liegt dann ein Gleichheitsverstoß vor, auch wenn bzw. unabhängig davon, ob die Grundrechtsbeschränkung zu dem in Rede stehenden Zweck die Verhältnismäßigkeit wahrt. Das Korrelationsprinzip vermag allerdings das Maß der Pflicht nur eingeschränkt zu determinieren, weil und insofern als der materielle Anknüpfungspunkt der Verpflichtung und ihr jeweiliger Inhalt keine unmittelbar vergleichbaren Größen darstellen (müssen)552. Das exakte Gleichgewicht zwischen Rechts551 Zum Äquivalenzprinzip in diesem Sinne BVerfG, Beschl. v. 7.2.1991 – 2 BvL 24/84 – BVerfGE 83, 363, 392; BVerwG, Urt. v. 14.4.1967 – 4 C 179/65 – BVerwGE 26, 305, 309; Urt. v. 25.8.1999 – 8 C 12/98 – BVerwGE 109, 272, 274; Urt. v. 19.1.2000 – 11 C 5/99 – NVwZ-RR 2000, 533, 535; aus der Literatur z. B. W. Brohm, Einkommensabhängige Gebühren, Festschrift f. F. Knöpfle, S. 57, 61; F. Kirchhof, Die Verleihungsgebühr, DVBl. 1987, 554, 559; vgl. auch O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 120, der Aussagen des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 2.3.1999 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226, 243) zur Unverhältnismäßigkeit von Eigentumseinschränkungen im Zusammenhang mit dem Korrelationsgrundsatz zitiert.

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grund und Pflichtenumfang zu bestimmen, ist deshalb regelmäßig nicht möglich. Derartige „Unwägbarkeiten“ können nicht materiell (und das heißt hier: kraft materiellen Verfassungsrechts) entschieden, sondern nur kompetenziell aufgelöst werden. Deshalb besteht eine vorrangige Entscheidungsmacht des Gesetzgebers oder der von ihm zur Begründung oder Bemessung der Pflicht ermächtigten Staatsorgane, den Umfang der Pflicht nach dem Pflichtengrund zu bemessen und die Korrelation herzustellen553. 3. Verhaltenspflicht und Kostenlast Die Erfüllung von Handlungs- oder Unterlassungspflichten kann mit besonderen finanziellen Belastungen verbunden sein, die sich nicht in das System von Steuern und Abgaben einfügen, weil es sich beispielsweise entweder nicht um Geldleistungen handelt (etwa bei entgangenem Gewinn) oder diese nicht dem Staat zufließen, sondern etwa einem privaten Dienstleister, der von dem Verpflichteten beauftragt wurde. Kosten können auch der öffentlichen Hand entstehen, wenn sie eine Maßnahme trifft oder veranlasst, die dem Grunde nach einem Privaten obliegt, von diesem aber aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht vorgenommen wird oder vorgenommen werden kann. Im ersten Falle stellt sich die Frage, ob der Einzelne die ihm entstandenen Kosten selbst zu tragen hat, oder ob er nicht einen Anspruch auf Kostenerstattung besitzt und so die finanziellen Lasten auf den Staat und damit die Allgemeinheit abzuwälzen vermag. Im zweiten Falle ist die gegenläufige Überlegung anzustellen, ob nicht der Private für die dem Staat entstandenen Kosten einzustehen hat. In der Literatur wird hierzu gelegentlich die Notwendigkeit der Unterscheidung von Freiheitsbeschränkung und Lastenabwälzung hervorgehoben554, die ein Doppelbegründungsgebot zur Folge haben soll555: Danach ist nicht nur die Aufbürdung der Verhaltenspflicht rechtfertigungsbedürftig, sondern zusätzlich die Kostentragungspflicht. Von W. Kluth stammt der Vorschlag, die Kriterien, die für die Auferlegung besonderer Abgaben gelten, auch auf solche Kostenlasten anzuwenden556. Dies liegt in der Tat in der Logik der speziellen Begründungspflicht für nichtsteuerliche Abgaben, wenn man diese Kriterien nicht (nur) 552 Vgl. auch O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 122; zum gebührenrechtlichen Äquivalenzprinzip ebenso W. Brohm, Einkommensabhängige Gebühren, Festschrift f. F. Knöpfle, S. 57, 61. 553 Dem entspricht auch die nur beschränkte verfassungrechtliche Prüfung der Bemessung von Gebühren darauf hin, ob sie in einem „groben Missverhältnis“ zu den verfolgten Gebührenzwecken steht, vgl. zuletzt BVerfG, Urt. v. 19.3.2003 – 2 BvL 9/ 98 u. a. – NVwZ 2003, 715, 717. 554 W. Kluth, in: H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 72 Rdnr. 32. 555 H.-U. Gallwas, Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, BayVBl. 1971, 245, 247; F. Ossenbühl, Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL 29 (1971), 137, 182.

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unter dem Aspekt der Vereinbarkeit mit dem finanzverfassungsrechtlichen System des Grundgesetzes betrachtet, sondern sie auch darüber hinaus als Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes der Belastungsgleichheit versteht. Die Kostenlast kann, wenn sie bei dem Privaten entsteht, naturgemäß nicht mit dem Institut der Steuer kollidieren, schon weil sie nicht vom Staat erhoben wird und die Mittel ihm auch nicht zufließen. Andererseits ist der Effekt beim Kostenschuldner grundsätzlich der gleiche und die Interessenlage vergleichbar. Wird er durch eine Handlungsverpflichtung für einen öffentlichen Zweck in Anspruch genommen, übernimmt er (zunächst) auch die finanziellen Lasten, die anderenfalls, bei staatlicher Eigenvornahme, der öffentlichen Hand und damit der Allgemeinheit entstanden wären und nur unter den besonderen Voraussetzungen der Abgabenerhebung auf den Privaten abwälzbar wären. Zudem kann es in Einzelfällen auch möglich sein, dass die Formen der Aufgabenerfüllung austauschbar sind. Ob beispielsweise die Aufgabe der Reinigung der öffentlichen Straßen und Wege von den Gemeinden selbst wahrgenommen und die anfallenden Kosten den Bürgern als Gebühr auferlegt wird, oder diese direkt verpflichtet werden, die Reinigung auf eigene Kosten vorzunehmen, ist verfassungsrechtlich nicht vorentschieden. Im Hinblick auf den Grundsatz der Belastungsgleichheit kann dies denn auch keinen Unterschied begründen. Wie das Beispiel zeigt, ist es zu kurz gegriffen, die Frage der Kostentragung primär unter finanzverfassungsrechtlichen Aspekten zu behandeln und die Handlungsverpflichtung, als deren Folge die Kosten erst entstehen, hierbei außer Betracht zu lassen. Die spezielle Finanzierungsverantwortung, die besondere Geldleistungspflichten zu rechtfertigen vermag, ist schließlich nur eine Ausprägung der besonderen Sachverantwortung, welche die Inanspruchnahme für einen bestimmten Zweck dem Grunde nach legitimiert und zugleich eine im Vergleich zur Allgemeinheit erhöhte Pflichtigkeit sachlich begründet. Insofern bedarf es keiner „doppelten“ Rechtfertigung von Verhaltenspflicht und Kostenlast, da sie auf demselben besonderen Rechtsgrund basieren. Ohne solch speziellen Rechtsgrund hingegen kann der Einzelne zwar für die Förderung von Gemeinwohlzwecken in Anspruch genommen werden, jedoch nur im Rahmen gleicher und gleichmäßiger Verpflichtungen. Etwaige Sonderlasten („Sonderopfer“) sind auf dieser Grundlage mit dem Grundsatz der Belastungsgleichheit nicht in Einklang zu bringen. Ein Gleichheitsverstoß kann allerdings regelmäßig auf verschiedenen Wegen vermieden werden, da nicht die Belastung an sich, sondern nur die ungleiche Belastung ausgeschlossen ist557. Der Gleichheitssatz ist insofern offen für kompensatorische Lösungen, die die 556 W. Kluth, in: H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 72 Rdnrn. 37 ff.; umgekehrt für die Übertragung dieser Kriterien auch auf Naturalleistungspflichten M. Elicker, Grundsatz der Lastengleichheit, NVwZ 2003, 304, 306 f. 557 Vgl. auch H. Maurer, Verfassungswidrigerklärung, in: Festschrift f. W. Weber, S. 345, 354 („relative Verfassungswidrigkeit“).

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Ungleichbehandlung ausgleichen, indem sie die finanziellen Lasten einer speziellen Inanspruchnahme ohne besonderen Rechtsgrund nicht bei dem Pflichtigen belassen, sondern ihm einen entsprechenden Entschädigungsanspruch gegen die öffentliche Hand einräumen558. Das entspricht dem gewohnheitsrechtlichen Aufopferungsgedanken, der durch Art. 3 Abs. 1 GG Verfassungsrang gewonnen hat559. III. Grundrechtliche „Schranken-Schranken“ Neben dem Gemeinwohlzweck, auf den die Pflicht bezogen ist und dem Rechtsgrund, der die Inanspruchnahme zu diesem Zweck rechtfertigt, ist das Grundrecht das durch bzw. im Hinblick auf die Verpflichtung beschränkt wird, die dritte verfassungsrechtliche Determinante für die Auferlegung von Pflichten. Der dem Staat, und hier primär dem Gesetzgeber vorbehaltenen Möglichkeit, zugunsten legitimer Zwecke die Freiheitssphäre des Einzelnen zu beschränken, sind ihrerseits Grenzen gesetzt, die ein Leerlaufen der Grundrechtsgarantien verhindern und so auch einer unbegrenzten Sozialpflichtigkeit des Bürgers entgegenstehen. Solche „Schranken-Schranken“560 tauchen die allgemeine ZweckMittel-Struktur staatlichen Handelns in ein besonderes, grundrechtlich gefärbtes Licht. Explizit kommt dies in den qualifizierten Gesetzesvorbehalten zum Ausdruck, die bei einzelnen Grundrechten bestimmte Zwecke oder bestimmte Mittel ge- oder verbieten561. Vorbehaltlos gewährte Grundrechte können nicht zu jedem Zweck, sondern nur zugunsten verfassungsrechtlich geschützter Güter eingeschränkt werden. Über diese, den besonderen Freiheitsgrundrechten zu entnehmenden Zweck- und Mittelverbote hinaus steht jede Grundrechtseinschränkung unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit von Gemeinwohlzweck und betroffener Rechtsposition562. Der dahinter liegende Gedanke des Ausgleichs von Interessen, Rechtsgütern oder Werten ist ein der Gerechtigkeitsidee verbundener allgemeiner Rechtsgrundsatz563, der selbst aber keine Maßstäbe für die Bestimmung des rechten Verhältnisses enthält. Seine nähere Strukturierung er558

F. Ossenbühl, Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL 29 (1971), 137,

181 f. 559 Vgl. auch Ch. Brüning, Aufopferung, JuS 2003, 2, 3; W. Schmidt, Aufopferung vermögenswerter Rechte, NJW 1999, 2847, 2827 f. 560 So die gebräuchliche Terminologie, vgl. etwa B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte, Rdnr. 274; K. Stern, Staatsrecht III/2, § 83 I 1, S. 693 m. w. N. 561 B. Schlink, Freiheit durch Eingriffsabwehr, EuGRZ 1984, 457, 459; J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 31 f., spricht von der „relativen Verfassungsmäßigkeit“ von Zwecken. 562 B. Schlink, Freiheit durch Eingriffsabwehr, EuGRZ 1984, 457, 459. 563 F. Ossenbühl, Maßhalten mit dem Übermaßverbot, in: Festschrift f. P. Lerche, S. 151, 152; K. Stern, Entstehung, ebd., S. 165, 169; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 25 Rdnr. 3.

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langt er im jeweiligen Regelungskontext, in dem konfligierende Interessen auszugleichen sind. Die intensivste methodische Durchdringung hat dieses Prinzip – bedingt durch seine erstmalige Positivierung im Polizeirecht564 – in den auch hier in Rede stehenden Fällen des Eingriffs in Freiheit und Eigentum erfahren. Seine Entfaltung in die Teilgehalte der Eignung, der Erforderlichkeit und der Angemessenheit (Proportionalität) ist ganz auf die Reduzierung subjektiver Rechtspositionen zugeschnitten565 und lässt sich normativ auf das in den Grundrechtsnormen zum Ausdruck kommende Regel-Ausnahme-Verhältnis von individuellem Freiraum und staatlicher Inanspruchnahme zurückführen566. Dadurch wird die allgemeine Zweck-Mittel-Relation problemspezifisch strukturiert und zugleich sachlich individualisiert, weil sie ganz auf das in seinem Umfang prima facie bestimmbare subjektive Recht des Einzelnen ausgerichtet ist. Das „abwehrrechtliche“ Übermaßverbot konstituiert die eingriffsfeste Grundrechtsposition, die den Mindeststandard bürgerlicher Freiheit gegenüber dem beschränkenden und verpflichtendem Staat definiert567. Wie der Rechtsgrund ist auch das Verhältnismäßigkeitsgebot auf den jeweiligen Zweck bezogen568. Anders als jener stellt er die Verbindung zwischen dem Grundrechtsträger und dem Zweck aber nicht her, sondern setzt sie bereits voraus und limitiert die dem Grunde nach gerechtfertigte Inanspruchnahme nach Maßgabe des jeweils betroffenen Rechtsguts. In Ermangelung einer verbindlichen allgemeinen Wertrangordnung, die das spezifische Gewicht einzelner grundrechtlicher Schutzgüter an sich oder in ihrem Verhältnis zu jeweils zu fördernden Gemeinwohlbelangen anzugeben vermöchte, ist das Übermaßverbot stark auf den Einzelfall bezogen569, in dem erst die Intensität des Grundrechts564 Zur Dogmengeschichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes etwa K. Stern, Entstehung, in: Festschrift f. P. Lerche, S. 165, insbes. 168 ff.; ausführlich B. Remmert, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen, 1995; zur Entwicklung des rechtsstaatlichen Polizeirechts im 19. Jh. etwa H. Boldt, Geschichte der Polizei, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, A, Rdnrn. 44 ff. 565 M. Gellermann, Grundrechte, S. 336 f.; M. Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rdnr. 146. 566 A. v. Arnauld, Normtheoretische Begründung, JZ 2000, 276, 278 ff.; K. Stern, Staatsrecht III/2, § 84 III 4, S. 794 f. 567 Auf andere Fälle verhältnismäßigen Ausgleichs von widerstreitenden Interessen, denen kein solches Regel-Ausnahme-Verhältnis zugrunde liegt, lässt sich hingegen das abwehrrechtliche Übermaßverbot nicht oder nicht ohne Modifizierung seiner Teilgehalte übertragen, so etwa bei der Grundrechtsausgestaltung [z. B. bei „reinen“ Inhaltsbestimmungen des Eigentums, vgl. oben § 9 B. II. 2. a)] oder bei der Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten, vgl. etwa M. Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S. 150; M. Gellermann, Grundrechte, S. 337 f.; P. Lerche, Grundrechtsschranken, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 122 Rdnr. 18; vgl. aber unten § 10 C. II. 568 M. Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rdnr. 149. 569 Zum Gebot der Erforderlichkeit in diesem Sinne P. Lerche, Grundrechtsschranken, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 122 Rdnr. 18; zum Abwägungsgebot K. Stern, Staatsrecht III/2, § 84 IV 4, S. 818.

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eingriffs erfassbar ist und zu dem gegenläufigen öffentlichen Interesse in Beziehung gesetzt werden kann. Es kommt deshalb weniger auf den pflichtenbegründenden Akt, als vielmehr auf dessen Auswirkung auf Rechte oder Rechtgüter des Betroffenen an. Das folgt bereits aus der Ergebnisorientierung der grundrechtlichen Unterlassungspflichten des Staates, die nicht handlungs-, sondern wirkungsbezogene Anforderungen stellt570. Anders formuliert: Nicht der Eingriffsakt, sondern der Eingriff muss verhältnismäßig sein. Dementsprechend kann das Übermaßverbot anhand desjenigen Mittels formuliert werden, das den Einzelfallbezug herstellt und Art und Maß der Grundrechtsbeschränkung konkretisiert. Es ist deshalb die Pflicht, die den Teilgehalten des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entsprechen muss. Dies setzt zunächst ihre Eignung für die Erreichung oder Förderung des Zwecks voraus, zu dem sie auferlegt wird. Damit scheiden lediglich solche Pflichten aus, die keinerlei Zweckbezug aufweisen, was unterschiedliche Gründe haben kann: Ungeeignet sind Pflichten etwa dann, wenn ihre Erfüllung auf die Zweckerreichung keinerlei Einfluss hat. Die Eignung fehlt auch, wenn der Zweck bereits erreicht ist571. Schließlich muss dem Pflichtigen die Erfüllung tatsächlich möglich sein572, woran es – von Fällen objektiver Unmöglichkeit abgesehen – letztlich nur bei unvertretbaren Handlungen mangeln kann. Der Grundsatz der Erforderlichkeit verlangt, dass der Zweck nicht durch ein gleichermaßen geeignetes Mittel erreicht werden kann, dass den Betroffenen weniger belastet als die konkret auferlegte Pflicht. Das Erfordernis der Wahl des „mildesten Mittels“ ist bereits individualisiert und setzt die Verpflichtbarkeit dem Grunde nach voraus. Damit ist dem Verpflichteten der Einwand abgeschnitten, er sei weniger belastet, wenn ein anderer in die Pflicht genommen würde. Der dritte Teilaspekt des Verhältnismäßigkeitsprinzips stellt den Zweck des Eingriffs selbst zur Disposition: Mit der Angemessenheit (Proportionalität; Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) wird angestrebt, das relative Gewicht von „Kosten und Nutzen“ zu ermitteln. Die Auferlegung einer Pflicht ist dann nicht mehr angemessen, wenn sie zwar geeignet und erforderlich ist, aber das damit verbundene Ausmaß der Grundrechtseinschränkung zu dem erzielten und beabsichtigten Zweck außer Verhältnis steht. Damit wird eine individualisierte Gewichtung und Abwägung der betroffenen Rechtsgüter notwendig. Diese Gewichtung wiederum ist keine mathematische Gleichung, auch nicht, wie der Begriff der Abwägung es vermuten ließe, ein physikalisch zu beschrei570

Oben 1. Teil, § 5 B. II. 3. b). Vgl. VGH München, Urt. v. 15.3.1999 – 22 B 95.2164 – BayVBl. 2000, 149: Pflicht zur Durchführung von Maßnahmen, die bereits von der Behörde vorgenommen worden waren. 572 J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 28 f., der dies in die Frage nach dem „zweckkonformen Zuordnungskriterium“ kleidet. Ein sachlicher Gewinn wird durch diese Verklausulierung m. E. nicht erzielt. 571

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

bendes Verhältnis von Gewicht und Gegengewicht, das es ermöglichte, die „einzig richtige“ Austarierung konfligierender Güter zweifelsfrei zu ermitteln. Wie schon bei der Korrelation von Rechtsgrund und Pflichtenumfang steht auch hier eine Relation inkommensurabler Größen in Rede, die eine gewisse Bandbreite verhältnismäßiger Ausgleichslösungen beinhaltet573, deren Auswahl primär dem pflichtenbegründenden Staatsorgan obliegt

C. Die doppelte Grundrechtsrelevanz von Rechtsgüterschutzpflichten Die Verpflichtung Privater zum Schutz von Rechtsgütern Anderer weist die Besonderheit der doppelten grundrechtlichen Relevanz auf. Auf der „Passiv-“ wie auf der „Aktivseite“ der Pflicht-Zweck-Relation sind Grundrechte bzw. grundrechtliche Schutzgüter betroffen. Das gilt im Besonderen für die Auflösung „grundrechtlicher“ Konfliktlagen, in denen die Wahrnehmung eines grundrechtlich geschützten Interesses der Verwirklichung eines anderen entgegensteht. Entsprechende Ge- und Verbote gleichen nicht alleine öffentliche und private Interessen im „vertikalen“ Staat-Bürger-Verhältnis aus, sondern bestimmen zugleich über das „horizontale“ Verhältnis der Bürger untereinander, indem sie deren Rechtssphären voneinander abgrenzen und so konkurrierende Freiheitsausübungen regulieren und koordinieren. Dieses „Dreiecksverhältnis“ ist als Sonderfall der Grundrechtsdogmatik seit längerem in der Diskussion und bedarf auch unter dem Pflichtenaspekt näherer Betrachtung. Denn es ist durchaus strittig, ob und vor allem in welchem Umfang die allgemeine Eingriffsdogmatik Geltung besitzt, wenn es um Regelungen geht, die materiell dem Ausgleich kollidierender Privatinteressen dienen. I. Horizontaler Interessenausgleich und Eingriffsdogmatik 1. Die Eingriffstauglichkeit Die Fragestellung geht zunächst von dem Befund aus, dass das Grundgesetz den Interessenausgleich zwischen den Bürgern selbst nicht herstellt, sondern nur die Instrumente und Maßstäbe für diesen bereithält. Grundrechtsnormen binden die staatliche Gewalt, enthalten aber weder Rechtszuweisungen im Verhältnis der Grundrechtsberechtigten zueinander574 noch verfassungsunmittelbare Grundpflichten, die auf die Wahrung der Grundrechtspositionen anderer gerichtet sind575. Aufgabe der Rechtsordnung unterhalb der verfassungsrechtlichen Ebene 573 Vgl. auch P. Lerche, Grundrechtsschranken, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 122 Rdnr. 16. 574 J. Dietlein, Schutzpflichten, S. 43.

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ist deshalb nicht nur die Abgrenzung der Rechtssphären der Bürger untereinander, sondern zunächst deren konstitutive Begründung, ohne welche Rechtsbeziehungen zwischen den Menschen gar nicht entstehen können und eventuelle Konflikte nur solche in diesem Verhältnis rechtlich nicht geschützter Interessen darstellen. Aus dem Fehlen einer verfassungsrechtlichen Regelung des BürgerBürger-Verhältnisses kann allerdings, wie bei der Behandlung der „Grundrechtskollisionen“ deutlich geworden ist576, nicht eine Reduzierung des Grundrechtsschutzes gegenüber dem Staat abgeleitet werden. Dieser wird aus dem durch die Grundrechtsgewährleistungen begründeten Verhältnis nicht deshalb entlassen, weil er Interessen Privater ausgleicht. Man mag ihm insofern zwar die Rolle eines Schiedsrichters zuweisen, wird seiner Ordnungsaufgabe damit aber kaum gerecht, weil er nicht nur über die Einhaltung der Regeln wacht, sondern sie selbst aufstellt und hierbei seinerseits gegenüber den Beteiligten gleichermaßen verfassungsrechtlich gebunden ist. Den zu unterscheidenden – vertikalen und horizontalen – Rechtsverhältnissen entsprechen deshalb auch unterschiedliche Bindungen des Staates einerseits, der Privaten andererseits, die freilich nicht unverbunden nebeneinander stehen, sondern durch den normativen Zusammenhang von Verfassung und einfachem Gesetz aneinander geknüpft sind. Dieser Zusammenhang aber erweist, dass unterverfassungsrechtliche Regelungen des Horizontalverhältnisses dem Vorrang der Verfassung unterliegen und nicht umgekehrt über die Art dieses Vorrangs entscheiden können. Wenn der Staat das Verhältnis der Bürger untereinander regelt, ihren Freiheitsraum im gegenseitigen Verhältnis bemisst und die Reichweite des rechtlichen Schutzes ihrer Interessen bestimmt, schließt dies deshalb für sich genommen nicht aus, dass darin zugleich eine Beschränkung grundrechtlicher Gewährleistung liegen kann577, zumal bereits der Wortlaut einiger grundrechtlicher Schrankenvorbehalte, insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG mit dem Verweis auf die „Rechte anderer“, explizit Individualinteressen als Eingriffsrechtfertigung benennt578. Ob aber ein Eingriff vorliegt, bestimmt sich, wie auch sonst, nicht nach dem Gegenstand und der Funktion einer Regelung, sondern nach ihrem Inhalt und deren Wirkungen auf die Grundrechte der Adressaten.

575

Oben § 8 B. II. Oben § 9 A. II. 1. 577 A. A. F. Ossenbühl, Maßhalten mit dem Übermaßverbot, in: Festschrift f. P. Lerche, S. 151, 160; ders., Abwägung im Verfassungsrecht, in: W. Erbguth/J. Oebbecke/H.-W. Rengeling/M. Schulte, Abwägung im Recht, S. 25, 30; P. Preu, Freiheitsgefährdung, JZ 1991, 265, 267 f.; D. Suhr, Freiheit vom staatlichen Eingriff, JZ 1980, 166, 169. 578 Dazu R. Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 64 ff. 576

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

2. Exkurs: Privatrechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Wenn bei den bisherigen dogmatischen Überlegungen generell von Pflichten die Rede war, ohne sie näher als öffentlich- oder privatrechtlich zu bezeichnen, so liegt das weniger an der thematischen Beschränkung dieser Untersuchung, die speziell öffentlich-rechtliche Pflichtenstellungen Privater zum Gegenstand hat, als vielmehr daran, dass es insoweit auf die Qualifizierung nicht ankommt, weil Eingriffswirkung, Rechtfertigungsbedürftigkeit und Rechtmäßigkeitsmaßstäbe zwingende Ge- und Verbote beider Teilrechtsordnungen gleichermaßen betreffen. Soweit Ge- und Verbote dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind, ist die abwehrrechtliche Perspektive gewissermaßen vorgegeben, weil in diesen Fällen unmittelbare Rechtsbeziehungen nur zwischen Bürger und Staat bestehen und der Einzelne (nur) dem Staat gegenüber verpflichtet wird. Die publizistische Austarierung privater Interessen durch staatliche Verhaltensanordnungen stellt, zumal eine strikte Trennlinie zwischen öffentlichen und privaten Interessen ohnehin nicht zu ziehen ist579, ebenso wie die Freiheitsbeschränkung zugunsten eines Gemeinwohlzwecks einen Grundrechtseingriff dar. Der Schutz von Rechtsgütern Dritter ist hier Grund und Zweck der Pflicht und damit Bezugspunkt der Zweck-Mittel-Relation im Kontext der Eingriffsrechtfertigung. Nicht anders verhält es sich dort, wo das Gesetz Pflichten statuiert, die nicht dem Staat, sondern anderen Privaten gegenüber bestehen und unmittelbar im Bürger-Bürger-Verhältnis auch durchgesetzt werden können580. Sie sind Grundrechtseingriffe581 und als solche nach allgemeinen Maßstäben rechtfertigungsbedürftig. Die in Art. 1 Abs. 3 GG angeordnete Grundrechtsbindung trifft auch den – weder organisatorisch noch funktional von der „übrigen“ Legislative zu trennenden582 – „Privatrechtsgesetzgeber“ 583 und aktiviert auch hier die abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte584. Dies kann nicht mit dem Hinweis darauf in Frage gestellt oder relativiert585 werden, dass Grundrechtsnor579

Vgl. nur R. Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 64 ff., 69. Zur Qualifizierung von Pflichten als privatrechtlich vgl. schon oben § 7 B. III. 581 Vgl. auch S. Oeter, Drittwirkung, AöR 119 (1994), 529, 535 f. 582 s. auch J. Hager, Grundrechte im Privatrecht, JZ 1994, 373, 374. 583 C.-W. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201, 212; ders., Grundrechte und Privatrecht, S. 11 f.; J. Hager, Grundrechte im Privatrecht, JZ 1994, 373, 374; M. Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 90; K. Stern, Staatsrecht III/1, § 76 IV 3. a), S. 1566. 584 Es ist zumindest missverständlich, wenn U. Diederichsen, Bundesverfassungsgericht, AcP 198 (1998), 171, 225 f., formuliert, der abwehrrechtliche Gehalt der Grundrechte gehe „völlig am Zivilrecht vorbei“. Die Grundrechte „gelten“ in allen Teilrechtsordnungen, doch sie verpflichten darin jeweils nur den Staat. Auch nach U. Diederichsen unterliegt es keinem Zweifel, „dass gesetzliche Regelungen des Privatrechts als Eingriffe in Grundrechte wirken (. . .) können“ (a. a. O., S. 212). 580

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men im Verhältnis Privater untereinander keine Rechte und Pflichten erzeugten, da auch hier die jeweiligen Rechtsverhältnisse voneinander zu trennen und nach den jeweils für sie geltenden Bestimmungen zu beurteilen sind586. Auf das Verhältnis Privater untereinander wirken Grundrechte nicht unmittelbar, sondern nur durch die Gesetze vermittelt ein587. Eine differierende Behandlung öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Pflichten kann auch nicht damit begründet werden, dass das grundrechtliche Schrankengefüge auf die für das Privatrecht charakteristische Abgrenzung der Rechtssphären von Grundrechtsträgern nicht zugeschnitten sei588, da der Ausgleich kollidierender Interessen Privater auch mit dem Instrumentarium des öffentlichen Rechts bewirkt wird589; zudem könnte der Gesetzgeber angesichts der in weitem Maße bestehenden Möglichkeit, Pflichten privat- oder öffentlichrechtlich auszugestalten, bei gleicher Wirkung für den Einzelnen sich den strengen abwehrrechtlichen Bindungen entziehen590. Und schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass pflichtenbegründende Normen in verschiedenen Rechtsverhältnissen wirksam werden und deshalb, je nach Zusammenhang, sowohl öffentlich-rechtlicher als auch privatrechtlicher Natur sein können591 und deshalb die kontextabhängige Differenzierung grundrechtlicher Maßstäbe nicht aufrecht zu erhalten wäre592. 3. Modifizierung des Übermaßverbotes Steht somit nicht die Eingriffstauglichkeit von Regelungen, insbesondere Geund Verboten, die der Abgrenzung der Rechtssphären der Bürger untereinander dienen, in Frage, so wird doch teilweise der Eingriffsrechtfertigung in diesen Fällen eine besondere Ausprägung bescheinigt. Insbesondere werden Bedenken geäußert, das abwehrrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip mit seinen Teilgehalten der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit auf den Ausgleich privater Interessen anzuwenden593. Der Grund dafür wird darin erblickt, 585

So F. O. Kopp, Fiskalgeltung, in: Festschrift f. W. Wilburg, S. 141, 149. M. Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 91 f. 587 Vgl. auch G. Lübbe-Wolff, Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 176 f. 588 In dieser Richtung M. Oldiges, Grundrechtsgeltung im Privatrecht, in: Festschrift f. K. H. Friauf, S. 281, 289. 589 C.-W. Canaris, Grundrechte und Privatrecht; J. Hager, Grundrechte im Privatrecht, JZ 1994, 373, 375; Th. Koch, Grundrechtsschutz, S. 456 f.; M. Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 93. 590 Vgl. auch K. Stern, Staatsrecht III/1, § 76 IV 3. a) a), S. 1567. 591 Oben § 7 B. III. 1. 592 Vgl. auch J. Hager, Grundrechte im Privatrecht, JZ 1994, 373, 374, mit dem Beispiel strafrechtlichen und bürgerlichrechtlichen Ehrenschutzes; insofern ist J. Schwabe, Drittwirkung, S. 26 ff., zuzustimmen, wenn er die die „Ausrichtung an dem Dualismus ,öffentliches – privates Recht‘“ kritisiert (zur Argumentation J. Schwabes bereits oben § 7 B. vor I. in Fußn. 31 sowie § 7 B. I.). 586

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

dass das Übermaßverbot als Eingriffsschranke in dem jeweiligen Gesetzeszweck ihren festen Bezugspunkt finde594 und insofern auf eine Maximierung des Freiheitsschutzes im Staat-Bürger-Verhältnis angelegt sei, wohingegen es bei der rechtszuteilenden Ausgleichung grundrechtlich geschützter Interessen im Verhältnis der Bürger untereinander um eine Optimierung der betroffenen, in ihrer Wirkungsrichtung aber gegenläufigen Grundrechtsgüter gehe595. Angesichts dieser Ausgleichsaufgabe, die das rechte Maß zweier im Grundsatz gleichwertiger, auf größtmögliche Verwirklichung drängender Prinzipien zum Ziel hat, scheint in der Tat das Raster der Eingriffsrechtfertigung nicht mehr zu greifen. Das gilt bereits für den Erforderlichkeitsgrundsatz, der keine Maßstäbe für eine gleichmäßige Rechtszuteilung bereithält596 und in dieser Konstellation als Frage nach dem beide Grundrechte am wenigsten beanspruchenden, milderen Mittel, wenn nicht ganz funktionslos, so doch seiner hergebrachten Funktion entkleidet wird. Doch auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne kann erstem Anschein nach nicht ohne Modifikation auf den Interessensausgleich übertragen werden597, da vor dem Hintergrund normativ gleichrangiger Rechte die – negativ ausgrenzende – Frage nach dem „Außer-Verhältnis-Stehen des Eingriffs zu dem durch ihn erreichten Zweck“598 nicht adäquat erscheint. Ergänzend könnte auf die grundrechtliche Fundierung des abwehrrechtlichen Übermaßverbotes hingewiesen werden, das auf dem Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Freiheitsgewähr und Freiheitsbeschränkung beruht599, während hier aus der Sicht des regelnden Staates zwei miteinander unverträgliche Freiheitsrechte konkurrieren, also ein „Regel-Regel-Verhältnis“ (oder besser: -Mißverhältnis) aufzulösen ist. Der letztgenannte Aspekt untermauert einerseits, dass es bei dem Interessenausgleich um die Herstellung eines angemessenen Verhältnisses gleichwertiger Rechte geht, eine „Angemessenheits-Verhältnismäßigkeit“600, die mit dem abwehrrechtlichen Übermaßverbot (nur) das Ziel eines rechten Ausgleichs zwi593 E.-W. Böckenförde, Grundrechte als Grundsatznormen, in: ders., Staat, Verfassung, Demokratie, S. 159, 183 f.; M. Oldiges, Grundrechtsgeltung im Privatrecht, in: Festschrift f. K. H. Friauf, S. 281, 289 f. (für das Privatrecht); F. Ossenbühl, Maßhalten mit dem Übermaßverbot, in: Festschrift f. P. Lerche, S. 151, 160 (allerdings unter der Prämisse fehlender Eingriffsqualität); P. Preu, Freiheitsgefährdung, JZ 1991, 265, 267 f. 594 E.-W. Böckenförde, Grundrechte als Grundsatznormen, in: ders., Staat, Verfassung, Demokratie, S. 159, 183. 595 M. Oldiges, Grundrechtsgeltung im Privatrecht, in: Festschrift f. K. H. Friauf, S. 281, 290; vgl. auch P. Preu, Freiheitsgefährdung, JZ 1991, 265, 268. 596 M. Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 100. 597 E.-W. Böckenförde, Grundrechte als Grundsatznormen, in: ders., Staat, Verfassung, Demokratie, S. 159, 184. 598 E.-W. Böckenförde, Grundrechte als Grundsatznormen, in: ders., Staat, Verfassung, Demokratie, S. 159, 184, Fußn. 81. 599 In anderem Zusammenhang (Geltungsbereich der Grundrechte) M. Gellermann, Grundrechte, S. 218.

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schen konkurrierenden Rechtsgütern gemein hat601. Andererseits zeigt er auf, dass die an sich zutreffenden Überlegungen auf einem Wechsel der Perspektive basieren. Die „Angemessenheits-Verhältnismäßigkeit“ bezeichnet eine Aufgabe, eine Zielbestimmung also, die Gesetzgeber und gesetzesausführende Organe zu erfüllen haben: den nach beiden Seiten hin schonendsten Ausgleich widerstreitender Grundrechtsgüter im Sinne praktischer Konkordanz zur „Herstellung allgemeiner Bedingungen, unter denen alle ihre Freiheit in gemeinverträglicher Weise ausüben können“602. Im Unterschied dazu ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzelfallbezogen603 und ganz aus der Perspektive des jeweils eingeschränkten Grundrechts formuliert und dient insoweit als Maßstab604, anhand dessen entschieden werden kann, ob das Ziel im Hinblick auf eine bestimmte Grundrechtsposition erreicht worden ist. Da die Einschränkung von Grundrechten auch in Fällen der Abgrenzung privater Rechtssphären voneinander dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegt, kann insoweit die Zweck-Mittel-Relation durch die Berücksichtigung der gegenläufigen Position im Gesetzeszweck ermittelt und bewertet werden605. II. Die Beidseitigkeit der Abgrenzung Die rechtliche Koordination der Wahrnehmung grundrechtlich gewährleisteter Freiheiten, soweit sie im Bürger-Bürger-Verhältnis konfligieren, hat regelmäßig Auswirkungen auf beide betroffenen Positionen. Nach Art „kommunizierender Röhren“ steht im Aufeinandertreffen widerstreitender Interessen die Verwirklichung des einen der Realisierung des anderen entgegen, weshalb die ausgleichende Regelung dem einen nur gewähren kann, was dem anderen genommen wird606. Mit der Ausgestaltung des Horizontalverhältnisses werden somit grundrechtliche Entfaltungschancen verteilt607 und darüber entschieden, ob und in welchem Umfang ein Privater seine Interessen auf Kosten eines anderen ver600 E.-W. Böckenförde, Grundrechte als Grundsatznormen, in: ders., Staat, Verfassung, Demokratie, S. 159, 184. 601 M. Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 101; negativer („allenfalls einige sprachliche Gemeinsamkeiten“) F. Ossenbühl, Maßhalten mit dem Übermaßverbot, in: Festschrift f. P. Lerche, S. 151, 160. 602 D. Murswiek, in: M. Sachs, GG, Art. 2 Rdnr. 28. 603 Diesen Unterschied erwähnt auch E.-W. Böckenförde, Grundrechte als Grundsatznormen, in: ders., Staat, Verfassung, Demokratie, S. 159, 184, Fußn. 81. 604 So zum Verhältnis von praktischer Konkordanz und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch K. Stern, Staatsrecht III/2, § 84 IV 7. a), S. 835. 605 M. Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 101 f. 606 Zur „Doppelseitigkeit“ des Ausgleichs J. Dietlein, Schutzpflichten, S. 40; Th. Koch, Grundrechtsschutz, S. 387; R. Wahl/J. Masing, Schutz durch Eingriff, JZ 1990, 553, 558. 607 R. Wahl/P. Schütz, in: F. Schoch/E. Schmidt-Aßmann/R. Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rdnr. 57: „Verteilung realer Freiheitschancen“.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

wirklichen darf608. Dieses Spannungsverhältnis von Verhaltensfreiheit und Freiheit von störenden Einwirkungen Privater609 (Realisierungsinteressen und Nichtstörungsinteresse) ist der Ausgangspunkt der gesetzlichen Konfliktlösungsentscheidung, die nach beiden Seiten hin verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen muss. Die Einschränkung der Verhaltensfreiheit unterliegt den erwähnten verfassungsrechtlichen Determinanten Zweck, Rechtsgrund, Grundrecht. Dem Verbot, grundrechtlich geschützte Rechtsgüter anderer zu beeinträchtigen wird deshalb dort eine Grenze gezogen, wo das Interesse an einer grundrechtlich geschützten Verhaltensweise das Nichtstörungsinteresse des anderen überwiegt. Das „Dreiecksverhältnis“ ist damit allerdings nur nach einer Seite hin aufgelöst. Umstritten ist hingegen, ob die abwehrrechtlichen Maßstäbe auch nach der anderen Seite hin zur Anwendung zu bringen sind. 1. Die „Schutzpflichtenlösung“ Die ganz herrschende Meinung verneint dies und sieht die Position des Trägers von Nichtstörungsinteressen (nur) durch die staatliche Pflicht unterstützt, ihn vor Übergriffen Dritter zu schützen610. Diese, dem Grunde nach außer Streit stehende grundrechtliche Schutzpflicht des Staates allerdings ist allein hinsichtlich ihres Gegenstandes, der grundrechtlichen Schutzgüter, bestimmt611, ihrer Art und ihres Umfangs nach hingegen weitgehend offen, was nicht zuletzt dem Umstand geschuldet ist, dass sie schon tatbestandlich durch Gefährdungslagen unterschiedlichster Art ausgelöst wird612, denen nur ein gefährdungsspezifisches Instrumentarium gerecht werden kann. Hinzu kommt, dass die allgemein an „den Staat“ adressierte Schutzpflicht funktionengerecht erfüllt werden muss und für Legislative, Exekutive und Judikative auch inhaltlich unterschiedliche Anforderungen stellt613. Dennoch steht hier vor allem der Gesetzgeber in der Pflicht, weil er die anderen Gewalten grundsätzlich mit dem rechtlichen Hand608

M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 130. Th. Koch, Grundrechtsschutz, S. 387. 610 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 415 ff.; C.-W. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201, 229 ff.; ders., Grundrechte und Privatrecht, S. 37 f.; J. Dietlein, Schutzpflichten, z. B. S. 102 ff.; J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 111 Rdnrn. 97 ff.; E. Klein, Grundrechtliche Schutzpflicht, NJW 1989, 1633, 1639; S. Oeter, Drittwirkung, AöR 119 (1994), 529, 536 ff.; A. Pietrzak, Schutzpflicht, JuS 1994, 748, 751; G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 121 ff. 611 J. Dietlein, Schutzpflichten, S. 74 ff.; J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 111 Rdnrn. 93 ff.; M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 67 V 2. b) a), S. 736. 612 Überblick bei J. Dietlein, Schutzpflichten, S. 102 ff.; J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 111 Rdnrn. 97 ff. 613 J. Dietlein, Schutzpflichten, S. 109 ff.; K. Stern, Staatsrecht III/1, § 69 IV 6, S. 950 ff. 609

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lungsarsenal ausstatten muss, das sie in die Lage versetzt, ihrem Schutzauftrag nachzukommen. Das gilt insbesondere dort, wo die Erfüllung der Schutzpflicht Eingriffe in Grundrechte bedingt, die materiell zwar durch den staatlichen Schutzauftrag legitimiert sein können (so dass die Schutzpflicht als „Eingriffstitel“ 614 fungiert), formell aber dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegen615. Als (kleinster) gemeinsamer Nenner aller grundrechtlichen Schutzpflichten kristallisiert sich mehr und mehr das sogenannte Untermaßverbot616 heraus, das, gewissermaßen in Analogie zum abwehrrechtlichen Übermaßverbot, dasjenige Schutzniveau bestimmt, das zu gewährleisten der Staat verpflichtet und das einzufordern der schutzbedürftige Private gegebenenfalls berechtigt sein soll. Dieser, nach wie vor in Entwicklung begriffene, Ansatz hat in seiner Offenheit das unbestreitbare Verdienst, den Blick auf die Gesamtheit der Gefährdungen zu richten, die die Realisierung grundrechtlich geschützter Freiheit vereiteln können, und zugleich Raum zu lassen für jeweils gefährdungsadäquate staatliche Reaktionen, die insbesondere den Gesetzgeber nicht seiner Aufgabe, aber auch nicht seiner Möglichkeit beraubt, nach eigenen politischen Vorstellungen sozialgestaltend tätig zu werden, ohne zum „Verfassungsvollzugsorgan“ degradiert zu werden und einer letztlich ubiquitären verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterworfen zu sein. Die Flexibilität des Untermaßverbotes ist aber nicht nur eine Stärke, sondern zugleich seiner Unbestimmtheit wegen eine Schwäche der Konzeption617, solange sie nicht auf unterschiedliche Anwendungsfelder der Schutzpflicht konkretisiert wird. So ist es beispielsweise kaum vorstellbar, dass eine staatliche Verpflichtung, ein Rechtsgüter gefährdendes Verhalten zu verbieten einerseits, das verbotswidrige Verhalten unter Strafe zu stellen andererseits, sich nach denselben Maßstäben richten soll, da dies darauf hinaus liefe, dass jedes zu untersagende Verhalten zugleich zu bestrafen wäre und nicht strafwürdiges Verhalten nicht dennoch verboten werden müsste. Speziell bei dem Schutz von Nichtstörungsinteressen fällt die Diskrepanz zwischen Zielvorgabe und Ausgleichsmaßstäben auf. Gegenläufige private Interessen sollen nach dem Leitbild der praktischen Konkordanz auf beide Seiten schonende Weise ausgeglichen werden, dabei aber einerseits die übermäßige Freiheitsbeschränkung vermeiden und andererseits nur ein Mindestmaß an Schutz gewährleisten. Ob 614

J. Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 28. J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 111 Rdnrn. 151 ff.; R. Wahl/J. Masing, Schutz durch Eingriff, JZ 1990, 553, 559; K. Stern, Staatsrecht III/1, § 69 IV 6. c) b), S. 951 f. 616 C.-W. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201, 228; J. Isensee, Grundrechte als Abwehrrechte, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 111 Rdnrn. 90, 165; M. Möstl, Staatliche Garantie, S. 103 ff., ders., Probleme der verfassungsprozessualen Geltendmachung, DÖV 1998, 1029, 1038; M. Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 216 ff. 617 Für aus diesem Grunde verzichtbar hält das Untermaßverbot M. Gellermann, Grundrechte, S. 347 ff. 615

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

durch ein Maximum an (Verhaltens-)Freiheit und ein Minimum an Schutz tatsächlich das Optimum der Ausgewogenheit erreicht werden kann, ist doch sehr fraglich. Hier zeigt sich eine gewisse Asymetrie bei Anwendung der postulierten verfassungsrechtlichen Kontrollmaßstäbe im Konflikt immerhin abstrakt gleichwertiger privater Interessen618, die zugespitzt auf eine Privilegierung desjenigen hinausläuft, der zur Realisierung seiner Interessen diejenigen seiner Mitbürger beeinträchtigt619. 2. Die abwehrrechtliche Lösung Diese Konsequenz wird vermieden, wenn man die Grundrechte in ihrer Funktion als Eingriffsabwehrrechte auch zugunsten desjenigen aktiviert, der in seinen Nichtstörungsinteressen durch (nicht verbotene) Aktivitäten anderer Privater beeinträchtigt wird. Dies wird insbesondere620 in den Konzeptionen von J. Schwabe621 und D. Murswiek622 vertreten, denen sich in jüngster Zeit Th. Koch623 angeschlossen hat. Danach ist der Staat, wenn er Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Güter durch Private erlaube, am Verletzungsvorgang durch rechtliche Regelung, gerichtliche Entscheidung und ihre Vollstreckung stets und notwendig in einer Weise beteiligt, die als staatlicher Grundrechtseingriff zu qualifizieren ist. Für J. Schwabe ist die Erlaubnis „das „Entscheidende“624, D. Murswiek hingegen schlägt den Bogen zum „klassischen Eingriffsbegriff“, indem er auf die der Erlaubnis entsprechende Pflicht der Bürger, das erlaubte Verhalten zu dulden, abstellt625. Diese Duldungspflicht sei zwar zumeist nicht ausdrücklich normiert, sie ergebe sich aber aus denjenigen Normen, mit denen der Staat seinen Bürgern das allgemeine Gewaltverbot auferlege, sowie aus dem Fehlen einer rechtlichen, gerichtlich durchsetzbaren Vertei618

Th. Koch, Grundrechtsschutz, S. 393. Kritisch J. Hager, Grundrechte im Privatrecht, JZ 1994, 373, 381; M. Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 219, führt dies auf die schwächere Prägung der Schutzpflichten gegenüber den Abwehrrechten zurück. 620 Mit Abweichungen in Einzelfragen auch vertreten von B. Schlink, Freiheit durch Eingriffsabwehr, EuGRZ 1984, 457, 464; G. Lübbe-Wolff, Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, insbes. S. 103 ff.; ihr folgend D. Grimm, Grundrechtsverständnis, in: ders., Zukunft, S. 221, 235 ff.; J. Pietzcker, Drittwirkung, in: Festschrift f. G. Dürig, S. 345, 353 ff. 621 J. Schwabe, Drittwirkung, insbes. S. 62 ff.; ders., Bundesverfassungsgericht und Drittwirkung, AöR 100 (1975), 442 ff.; ders., Grundrechtsdogmatik, S. 211 ff.; ders., Grundrechtlich begründete Pflichten, NVwZ 1983, 523 ff. 622 D. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 89 ff.; ders., Entschädigung, NVwZ 1986, 611. 623 Th. Koch, Grundrechtsschutz, S. 365 ff. 624 J. Schwabe, Grundrechtlich begründete Pflichten, NVwZ 1983, 523, 524. 625 D. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 91; ders., Entschädigung, NVwZ 1986, 611 f. 619

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digungsmöglichkeit gegen den privaten Übergriff626. Ihre Verfassungsmäßigkeit bemesse sich prinzipiell nach den gleichen Kriterien, wie sie auch für Eingriffsermächtigungen der Exekutive gelten627. Diese abwehrrechtliche Lösung ist in der Lehre auf weitgehende Ablehnung gestoßen, gestützt auf eine Reihe von Argumenten unterschiedlicher Überzeugungskraft628. Beispielweise wird mit Blick auf die Rechtsfolgen der Eingriffskonstruktion gerügt, dass sie mit „Abwehr‘ und ,Unterlassung‘ nichts mehr zu tun“ habe629, weil Folge eines unzulässigen Eingriffs die Negation des beeinträchtigenden Staatshandelns sei, womit aber im Falle der Erlaubnis nichts gewonnen sei, da es auch nach ihrer Beseitigung an dem notwendigen positiven Verbot fehle630. Das geht freilich an der Tatsache vorbei, dass die aus den Grundrechten fließende Unterlassungspflicht des Staates nicht auf „Handlungen“ sondern auf Wirkungen bezogen ist631 und sich deshalb die Rechtsfolge danach zu orientieren hat, wie ein grundrechtskonformes Ergebnis herzustellen ist. Das aber ist (auch) abhängig von der einfach-gesetzlichen Ausgestaltung, wie sich etwa daran zeigt, dass im Falle von Genehmigungspflichten der Antragsteller einen aus dem Abwehrrecht fließenden Anspruch auf Erteilung der Genehmigung besitzen kann632. Umgekehrt muss auch eine an den Kategorien von Handlung und Unterlassung orientierte Auffassung davon ausgehen, dass der Staat seine Schutzpflicht gegenüber dem von der Genehmigung Drittbetroffenen durch ein Unterlassen, nämlich die Nichterteilung der Genehmigung, erfüllen muss633. Eine weitere Argumentation stellt das Bestehen einer solchen Duldungspflicht überhaupt in Frage: Zum einen soll es an einer solchen schon deshalb fehlen, weil die deliktsrechtliche Generalklausel des Zivilrechts (§ 823 BGB) Verletzungen grundrechtlicher Schutzgüter ohnehin untersage634. Damit wird zutreffend darauf hingewiesen, dass Rechtsgüterschutzpflichten solche der gesamten Rechtsordnung sind und es auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten 626

D. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 92. D. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 99 f. 628 Ausführliche Darstellung bei Th. Koch, Grundrechtsschutz, S. 378 ff. 629 G. Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 73; ebenso M. Gellermann, Grundrechte, S. 235; M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 76 V 2. a) a) bb), S. 731; auch R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 420, sieht einen „fundamentalen strukturtheoretischen Unterschied“ zu Abwehrrechten. 630 So jedenfalls M. Gellermann, Grundrechte, S. 235. Das Argument ist schon in sich nicht ganz schlüssig, weil die Erlaubnis grundsätzlich nicht ausdrücklich normiert sein muss, sondern sich aus dem Fehlen eines Verbotes ergibt. Eine „bloße“ Negation der Erlaubnis ist dann anders als durch Aufstellung eines Verbotes gar nicht denkbar. 631 Dazu oben 1. Teil, § 5 B. II. 3. b). 632 B. Vogler, Genehmigungsanspruch, S. 153 ff. 633 Vgl. J. Schwabe, Grundrechtlich begründete Pflichten, NVwZ 1983, 523, 524. 634 J. Dietlein, Schutzpflichten, S. 46 ff.; Ch. Starck, Verfassungsauslegung, S. 73. 627

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

nicht angängig ist, nur die öffentlich-rechtliche Koordinierung grundrechtlicher Freiheitsbetätigung zu betrachten. Wenn also beispielsweise kein spezielles (öffentlich-rechtliches) Verbot der Verwendung (etwa gesundheits-)gefährdender Stoffe oder Mittel besteht, wird alleine dadurch weder die straf- noch die zivilrechtliche Verantwortung des Verwenders außer Kraft gesetzt. Es bedarf im Grunde keiner speziellen Verhaltensvorschriften, weil sich ohne solche die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Rechtsgüter aus den allgemeinen ihrem Schutz dienenden Normen ergibt. So richtig diese Überlegung ist, so wenig vermag sie die Konzeption der Duldungspflichten zu erschüttern. Die abwehrrechtliche Lösung geht davon aus, dass überall dort, wo die Rechtsordnung keine Verbote bereithält, eine korrespondierende Pflicht zur Duldung des Erlaubten besteht635. Dieser Prämisse kann man nicht damit begegnen, dass es solche Verbote bereits gibt. Dadurch wird nicht die Existenz einer staatlichen Verbotspflicht geleugnet, sondern – im Gegenteil – ihre Erfüllung attestiert. Es läge näher, aus dem positiv-rechtlichen Befund den Schluß zu ziehen, dass die abwehrrechtliche Lösung deshalb keine praktische Relevanz besitzt636. Doch auch dieser Schluss wäre voreilig. Denn einerseits können durch öffentliches Recht die allgemeinen Regelungen außer Anwendung gesetzt werden, so dass im Einzelfall zivilrechtliche Abwehrmöglichkeiten tatsächlich entfallen. Andererseits – und vor allem – ist die rechtliche Begründung bedeutsam für die Interpretation der jeweiligen Verbotsnormen. Gerade die allgemeinen zivil- und öffentlich-rechtlichen Rechtgüterschutzpflichten sind nur aus den Sanktionsnormen des bürgerlichen und des Strafrechts deduzierbar637. Diese legen lediglich den Grund für die Abgrenzung der Rechtssphären der Bürger, überlassen die genaue Grenzziehung im Einzelfall den staatlichen Behörden und Gerichten, die für ihre Anwendung jeweils zuständig sind. Die Frage, ob diese Regelungen nur Abwehrrechte des Verpflichteten oder auch des Geschützten aktivieren, wird hier in weitaus höherem Maße relevant als bei präziser gesetzlicher Bestimmung des jeweiligen Pflichtenumfangs. Darüber hinaus wird der „notorisch dunkle Begriff“638 der Duldungspflicht639 zur argumentativen Falle: Dem Betroffenen werde keine Pflicht auferlegt, da er berechtigt sei, dem Übergriff auf seine Rechtsgüter auszuweichen oder auf andere, unverbotene Weise zu begegnen640. Das trifft zu, wenn man davon ab635 So weist auch D. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 92, auf die bestehenden Eingriffsverbote hin. 636 Dazu tendiert M. Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 163, im Hinblick auf das Zivilrecht. 637 Allgemein dazu oben 1. Teil, § 6 A. 638 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 418. 639 Zur Problematik bereits oben § 9 vor A. bei Fußn. 236 ff. 640 G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 128; M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/1, § 67 V 2. a) a) bb), S. 730; ebenso M. Gellermann, Grundrechte, S. 235; M. Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 162.

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sieht, dass dies in manchen Fällen faktisch nicht möglich sein wird, etwa bei Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht durch abträgliche Äußerungen, bei denen der Beeinträchtigungserfolg zwar durch Gegendarstellungen gemildert, aber – weil bereits eingetreten – nicht ungeschehen gemacht werden kann. Die Duldungspflicht kann nur darin bestehen, dass der Betroffene nicht über ein Recht zur Abwehr verfügt, sei es im Wege der Selbsthilfe oder unter Inanspruchnahme staatlicher, insbesondere gerichtlicher Hilfe: Er muss nicht dulden oder hinnehmen, sondern darf und kann rechtlich nicht hindern. Den gewichtigsten Einwand gegen die abwehrrechtliche Lösung hat bereits R. Alexy formuliert641: Die Beeinträchtigung grundrechtlicher Schutzgüter hat in den hier behandelten Fällen ihre Ursache in dem Verhalten Privater, die darüber autonom und willkürlich entscheiden können, ohne dass der Staat hierfür irgendwelche positiven Anreize im Sinne einer direkten oder indirekten Verhaltenssteuerung gibt. Eine Zurechnung privater „Eingriffe“ zum Staat bedürfte aber einer besonderen Rechtfertigung, die letztlich in eine allgemeine Verantwortung des Staates für das Verhalten seiner Bürger mündete642, womit aber im Ergebnis eine staatliche Schutzpflicht bereits vorausgesetzt würde643. Anderes könnte allenfalls gelten, wenn die grundrechtliche Freiheit dem Staat nicht vorgegeben sei, sondern auf seiner Delegation beruhe644. Das aber ist nicht der Fall: Der private „Störer“ handelt nicht in Ausnutzung einer staatlichen Erlaubnis, sondern in Ausübung eines Freiheitsrechts645. Das gilt auch dann, wenn das jeweilige Verhalten einem präventiven Verbot unterliegt, das im Einzelfall durch eine behördliche Gestattung „aufgehoben“ ist646. Auch hier ist das Erlaubt-Sein kein Resultat staatlicher Gewährung, sondern nur die Konsequenz aus dem Fehlen eines Verbots647 und also wiederum grundrechtlich fundiert. 3. Grundrechtsbeschränkung und Rechtsgutbeeinträchtigung Damit ist allerdings das letzte Wort über die Berechtigung der abwehrrechtlichen Lösung nicht gesprochen, sondern allenfalls über eine Variante ihrer Be-

641

R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 417. R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 417 mit Fußn. 88; 643 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 417; G. Hermes, Grundrecht auf Schutz, S. 97; G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 129; Ch. Starck, Verfassungsauslegung, S. 74; K. Stern, Staatsrecht III/1, § 69 IV 5. b) b), S. 947 f.; P. Unruh, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 47. 644 J. Isensee, Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 111 Rdnr. 119. 645 Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 26.5.1998 – 1 BvR 180/88 – NJW 1998, 3264. 646 Anders wohl J. Isensee, Grundrecht auf Sicherheit, S. 50. 647 Zum Verständnis derartiger Verbotsnormen vgl. bereits oben 1. Teil, § 5 C. III. 3. c) (2) sowie § 6 B. II. 642

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

gründung. Diese erweist sich deshalb als problematisch, weil sie das Verhalten Privater dem Staat zurechnet und die Unterscheidung der Verantwortungsbereiche der Bürger und des Staates einebnet648. Ihr zufolge ist also der Grundrechtseingriff in der Beeinträchtigung des grundrechtlichen Schutzgutes zu erblicken. Das ist zwar insofern durchaus konsequent, als ein Privater nur in dieses Schutzgut, nicht aber in das Grundrecht eingreifen kann649. Ist dieser Eingriff aber nicht dem Staat zuzurechnen, dann betrifft er nur das Horizontalverhältnis Privater untereinander, das als solches grundrechtlich irrelevant ist. Eine an der grundrechtlichen Funktion der Eingriffsabwehr ausgerichtete Lösung kann folglich nur tragfähig sein, wenn sie auf das Staat-Bürger-Verhältnis fokussiert ist und das Verhalten der Bürger, das deren privatautonomer Entscheidung entspringt, unberücksichtigt lassen kann. Das aber bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Beeinträchtigung des Schutzgutes keine Rolle spielen darf, weil der Staat an diesem tatsächlichen Vorgang nicht beteiligt ist. Und in der Tat sind staatliche Grundrechtseingriffe ohne bzw. unabhängig von Schutzgutbeeinträchtigungen möglich und, soweit sie durch den Gesetzgeber erfolgen, sogar der Regelfall. Oben650 ist aufgezeigt worden, dass eine gesetzliche Ermächtigung zum Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtsgüter selbst einen Grundrechtseingriff darstellt, weil sie den grundrechtlich prima facie gegebenen Schutz gegenüber staatlichen Maßnahmen entzieht, die unter Inanspruchnahme der Ermächtigung getroffen werden und Beeinträchtigungen an den Schutzgütern bewirken oder ermöglichen. Schon diese Reduzierung des Abwehrrechts ist eine Beschränkung des Grundrechts, die das Schutzgut als solches unberührt lässt. Ob es im Einzelfall hingegen tatsächlich zu den vom Gesetz ermöglichten Einbußen am Schutzgut kommt, ist für dessen Qualifizierung als Grundrechtsschranke unerheblich. Damit aber ist ein konstruktiver Ansatzpunkt zugunsten einer abwehrrechtlichen Lösung gefunden651, der ohne Bezugnahme auf das Verhalten Privater auskommt. Was aus eingriffsdogmatischer Sicht „abzuwehren“ ist, ist nicht dieses Verhalten selbst, sondern sind diejenigen staatlichen Entscheidungen und Maßnahmen, die Einbußen an dem grundrechtlichen Schutzgut rechtlich ermöglichen. Das ist in erster Linie das gesetzliche Konfliktschlichtungsprogramm, das die Rechtskreise Privater voneinander abgrenzt. Dieses ist wiederum die rechtliche Gundlage für exekutive und judikative Akte, die es einzelfallbezogen konkretisieren und nach seiner Maßgabe über die Kollision zwischen einem Realisierungs- und einem Nichtstörungsinteresse entscheiden. Dass es sich um einen 648 J. Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. V, § 111 Rdnr. 119. 649 D. Murswiek, Staatliche Verantwortung, S. 94. 650 § 10 A. II. 2. 651 Er geht zurück auf die Überlegungen von J. Pietzcker, Drittwirkung, in: Festschrift f. G. Dürig, S. 345, 354.

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Grundrechtseingriff handelt, wenn dieser Konflikt zu Lasten des Realisierungsinteresses aufgelöst wird, wird kaum zu bestreiten sein. Denn in diesem Fall spricht der Staat ein Verbot solcher Verhaltensweisen aus, die das entgegenstehende Interesse beeinträchtigen und wirkt somit imperativ auf die Handlungsfreiheit ein, ohne freilich die Handlungsmöglichkeit als grundrechtliches Schutzgut selbst zu schmälern. Geht die Entscheidung hingegen zu Ungunsten des Nichtstörungsinteresses aus, fehlt es in aller Regel an einem Ge- oder Verbot. Das aber vermag im Ergebnis keinen Unterschied zu begründen, weil der Begriff des Grundrechtseingriffs nicht auf imperative Einwirkungen beschränkt ist. Vielmehr ist es so, dass auch ein Ge- oder Verbot nur dann rechtmäßiger Weise ausgesprochen werden kann, wenn das betroffene Interesse keinen (definitven) grundrechtlichen Schutz genießt, dem Grundrecht also bereits Schranken gesetzt sind652. Fehlt ein Verbot, grundrechtlich geschützte Interessen anderer zu beeinträchtigen, so ist demzufolge allein schon dadurch das betroffene Grundrecht eingeschränkt. Dies aber nicht deshalb, weil der (potentiell) Geschädigte das Handeln des (potentiellen) Störers nicht zu hindern vermag, sondern weil der Betroffene nicht die Möglichkeit besitzt, sich gegen diejenigen staatlichen Maßnahmen zur Wehr zu setzen, die das Verhalten des privaten Störers rechtlich absichern. Damit wird das Gesetz, das die Rechtskreise Privater voneinander abgrenzt, zum maßgeblichen Bezugspunkt der abwehrrechtlichen Prüfung. Der Unterschied dieser Konzeption gegenüber den Positionen J. Schwabes und D. Murswieks liegt in der stärkeren Akzentuierung der Unterscheidung und Trennung von Vertikal- und Horizontalverhältnis. So nahe liegend es ist, an dasjenige Verhältnis anzuknüpfen, in dem die realen Interessenkonflikte bestehen, so irreführend wird es im Kontext der grundrechtlichen Prüfung, weil sich aus dem einfachgesetzlich gestalteten Horizontalverhältnis keine Rückschlüsse auf das verfassungsrechtlich determinierte Staat-Bürger-Verhältnis ziehen lassen. Das ist bereits oben im Zusammenhang mit den sog. Immanenzlehren angeklungen: Weil die Grundrechte nur das Bürger-Staat-Verhältnis regeln, können sie im Bürger-Bürger-Verhältnis nicht kollidieren653. Vielmehr ist der Bedingungszusammenhang genau umgekehrt: Weil der Staat bei der Lösung von Interessenkollisionen beiden Positionen gleichermaßen grundrechtlich verpflichtet ist, ist er gezwungen, sie in der Ausgestaltung der rechtlichen Beziehungen Privater untereinander (sei sie nun privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich) gleichermaßen zu berücksichtigen. Das Horizontalverhältnis spiegelt deshalb gewissermaßen das Vertikalverhältnis wider, ohne mit ihm jedoch identisch zu sein. Die „Erlaubnis“ zur Beeinträchtigung grundrechtlicher Schutzgüter und die mit dieser korrespondierende „Duldungspflicht“ sind derar652 653

Oben § 10 A. II. 2. Vgl. § 9 A. I. 2. und II. 1.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

tige Spiegelungen auf der Gleichordnungsebene, die aber außerhalb des Regelungsbereichs der Grundrechtsnormen liegt. Deshalb kann hier nicht in ein Grundrecht eingegriffen, sondern nur ein Grundrechtsgut beeinträchtigt werden. Von dieser Warte aus ist es deshalb richtig, gegen die (drohende) Einbuße an grundrechtlich geschützten Rechtsgütern die staatliche Schutzpflicht zu aktivieren. Die normative Beschränkung des Grundrechts im Vertikalverhältnis ist von der tatsächlichen Beeinträchtigung hingegen unabhängig, liegt ihr voraus und ist am Maßstab des Abwehrrechts zu messen. Das aber verdeutlicht, dass der vermeintliche Gegensatz zwischen der abwehrrechtlichen Lösung und der Schutzpflichtenkonstruktion bei der gesetzlichen Abgrenzung von Rechtssphären Privater in dieser Form nicht existiert654. Das hat seinen Grund darin, dass das Abwehrrecht den Schutz des Grundrechts, die Schutzpflicht hingegen den Schutz des Rechtsguts bezweckt und bei dieser Problemlage ein (staatlicher) Grundrechtseingriff ohne Rechtsgutsbeeinträchtigung und eine (private) Rechtsgutsbeeinträchtigung ohne Grundrechtseingriff zusammentreffen können. Freilich kann der hier vorgeschlagene abwehrrechtliche Ansatz nicht von seinen Prämissen gelöst werden. Er setzt den grundrechtlichen Schutz der gegenläufig aufeinandertreffenden privaten Interessen voraus, was zum einen – ebenso wie bei staatlichen Einwirkungen auf das Grundrechtsgut – eine sorgfältige Ermittlung des jeweiligen Schutzbereichs erforderlich macht655; zum anderen aber kann die normative Abgrenzung der Rechtssphären nicht an den abwehrrechtlichen Maßstäben gemessen werden, wenn, wie es insbesondere beim Eigentum der Fall ist, das grundrechtliche Schutzgut dadurch erst inhaltlich ausgestaltet wird656. Nicht verbotene Einwirkungen Privater können hier zwar „Interessen“ des „Eigentümers“ beeinträchtigen, aber nicht das Eigentum als subjektives Recht, da dieses nicht weiter reicht als die gesetzliche Inhaltsbestimmung es vorsieht. 4. Fazit Die Auflösung grundrechtlich radizierter Spannungslagen im Dreiecksverhältnis ist in einer Weise rechtlich zu gestalten, die den kollidierenden Interessen Privater gleichermaßen Rechnung trägt. Der primär an den Gesetzgeber gerich654 Das wird, mit unterschiedlichen Erwägungen im Einzelnen, auch von Vertretern der „Schutzpflichtenlösung“ (G. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 127) wie der „abwehrrechtlichen Lösung“ (Th. Koch, Grundrechtsschutz, S. 390; D. Murswiek, in: M. Sachs, GG, Art. 2 Rdnr. 35) vertreten. 655 Vgl. auch zu Problemen der Auslegung des Art. 2 Abs. 2 GG im Bereich des Immissionsschutzrechts E. Schmidt-Aßmann, Anwendungsprobleme, AöR 106 (1981), 205, 208 ff. („Strukturproblem der Grundrechtskonkretisierung“). 656 So zu Recht J. Dietlein, Schutzpflichten, S. 45.

§ 11 Die Polizeipflicht

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tete Auftrag, eine Ausgleichslösung zu treffen, welche den betroffenen Grundrechten die größtmögliche Verwirklichung erlaubt, bedingt es, dass hinsichtlich beider Rechtspositionen, soweit sie durch die Konfliktschlichtungsentscheidung beeinträchtigt sind, dieselben – abwehrrechtlichen – Maßstäbe angelegt werden müssen. Im Ergebnis resultiert hieraus eine Pflicht des Staates, Eingriffe in grundrechtlich geschützte Rechtsgüter Dritter zu verbieten, die verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sind, da er anderenfalls seiner Pflicht, ungerechtfertigte Eingriffe in Grundrechte zu unterlassen, nicht nachkommt657.

§ 11 Die Polizeipflicht Das klassische Beispiel verwaltungsrechtlicher Rechtsgüterschutzpflichten Privater stellt die sogenannte Polizeipflicht dar, die neben dem Begriff der Gefahr und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu den „Essentials“ des rechtsstaatlichen Gefahrenabwehrrechts zählt658. Sie gehört sozusagen zu dessen „Allgemeinem Teil“, der trotz mannigfacher Spezialisierung in zahlreichen Sonderverwaltungsrechten und trotz der Tendenz, angesichts neuer und neuartiger Gefährdungslagen verstärkt Gefahrenvorbeugung und -vorsorge in den Vordergrund zu stellen, an Bedeutung kaum eingebüßt hat659. Als ein Strukturelement der traditionellen Dogmatik hat die polizeirechtliche Verantwortlichkeit Teil an deren Vorbildfunktion für Sonderordnungsgesetze, in denen sie den Ausgangspunkt allfälliger sachspezifischer Modifizierungen bildet. Neben der systembildenden Bedeutung des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts ist auch ihre „Reserve- und Auffangfunktion“660 für all diejenigen Sachbereiche hervorzuheben, die (noch) keine spezialgesetzliche Regelung erfahren haben. Ungeachtet ihrer erprobten Leistungsfähigkeit wirft diese traditionelle Dogmatik etliche Einzelfragen auf, die in ihrer Summe den Schluss zulassen, dass sich dahinter Unklarheiten über Grundlagen und Grundfragen verbergen. Das betrifft den polizeirechtlichen Gefahrenbegriff nicht weniger als die Polizeipflicht insgesamt. Teilweise spiegeln sich in beiden Systemelementen dieselben Fragestellungen. So führt beispielweise die als „Subjektivierung“ beschriebene661 Tendenz, den Begriff der Gefahr nach Maßgabe der Erkenntnismöglichkeiten der Verwaltung oder der handelnden Amtswalter zu interpretieren, not-

657

Vgl. D. Murswiek, in: M. Sachs, GG, Art. 2 Rdnr. 29. s. M. Kniesel, Polizeirechtliche Störerbestimmungen, DÖV 1997, 905. 659 R. Poscher, Gefahrenabwehr, S. 9 ff. 660 O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 11. 661 Ausführlich R. Poscher, Gefahrenabwehr, S. 25 ff.; ders., Der Gefahrverdacht, NVwZ 2001, 141 ff.; B. Schlink, Gefahrbegriff, Jura 1999, 169 ff.; B. Pieroth/B. Schlink/M. Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rdnrn. 31 ff. 658

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wendig zur Subjektivierung auch des Verursacherbegriffs bei der Verhaltensverantwortlichkeit, damit generell auch zur Ausweitung polizeilicher Eingriffsbefugnisse662 und ergänzt die Begriffe „Anscheinsgefahr“ und „Gefahrverdacht“ um die Termini „Anscheinsstörer“ und „Verdachtsstörer“. Probleme polizeirechtlicher Verantwortlichkeit finden sich daneben nicht nur in der – nicht als Beispiel gelungener Begriffsbildung dienenden663 – Figur des sogenannten „Zweckveranlassers“, sondern bereits bei der grundlegenden Frage, ob die Polizeipflicht eine materielle gesetzliche Pflicht ist, oder erst durch eine Polizeiverfügung zur Entstehung gelangt. Letzteres ist durchaus keine rein akademische Fragestellung, sondern z. B. von Bedeutung für die Übergangsfähigkeit einer solchen Pflicht im Wege der Rechtsnachfolge664. Kombiniert mit der Subjektivierung von Gefahr und Verursachung wandelt sie sich von einer Gefahrenvermeidungspflicht zu dem Gebot, bereits das Entstehen des Anscheins einer Gefahr zu vermeiden665. Zu den Ungewissheiten über die Rechtsgrundlage treten Unsicherheiten über den Rechtsgrund der Pflicht, was sich einerseits in der Frage nach dem Begriff der „Verursachung“ äußert (die jedenfalls dann als „rechtswidrige Verursachung“ verstanden werden müsste, wenn die Polizeipflicht als Nichtstörungspflicht kraft Gesetzes besteht666), andererseits generell in die Problematik der Begrenzung insbesondere der Zustandsverantwortlichkeit mündet. Insgesamt bietet die nicht zuletzt durch die Rechtsprechung vorangetriebene Lehre eher das Bild einer zunehmend atomisierten Dogmatik als ein konsistentes, an den – relativ klaren – gesetzlichen Regelungen ausgerichtetes Konzept. Als öffentlich-rechtliche Pflicht ist die Polizeipflicht aber denselben Maßstäben unterworfen wie andere öffentlich-rechtliche Verhaltensbindungen auch. Von den bislang gewonnenen Ergebnissen ausgehend soll deshalb versucht werden, die angesprochenen Aspekte in eine Systematik zu bringen, die den Boden für ihre gesetzes- und verfassungskonforme Bewältigung bereitet.

662 Vgl. auch K. Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 372, der konstatiert, dass Eingriffe in die Handlungsfreiheit dadurch nach Effizienz, nicht nach Gerechtigkeit verteilt werden. 663 G. Erbel, Polizeipflichtigkeit, JuS 1985, 257, 258: „. . . eine der Sprachlogik und -ästhetik Hohn sprechende Mißgeburt“. 664 Darin erblickt J. Dietlein, Nachfolge im Öffentlichen Recht, S. 94, nicht zu Unrecht die primäre Bedeutung der materiellen Polizeipflicht; zum Problem vgl. ferner M. Nolte/M. Niestedt, Grundfälle zur Rechtsnachfolge, JuS 2000, 1071, 1074 f.; F. Ossenbühl, Haftung des Gesamtrechtsnachfolgers, S. 56 f.; M. Rau, Rechtsnachfolge, Jura 2000, 37, 43. 665 R. Poscher, Gefahrenabwehr, S. 82. 666 Vgl. auch K. Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 395.

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A. Die „materielle“ Polizeipflicht Das setzt zunächst eine Verständigung über Rechtsgrundlagen und Inhalt dieser Polizeipflicht voraus. Nach durchaus verbreiteter Auffassung667 basieren die polizeirechtlichen Eingriffsbefugnisse gegenüber dem Verantwortlichen auf einer diesen treffenden materiellen, d.h. unabhängig von und bereits vor einer polizeilichen Verfügung bestehenden, Verpflichtung, deren Nichterfüllung die materielle Rechtfertigung, den Rechtsgrund also, für die (entschädigungslose) Inanspruchnahme bietet. I. Die materielle Polizeipflicht als Nichtstörungspflicht Die materielle Polizeipflicht wird herkömmlich inhaltlich als die jeden treffende Pflicht definiert, sein Verhalten und sein Eigentum so einzurichten, dass keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung entsteht668. Dieses, auf der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts und auf Vorarbeiten der frühen Polizeirechtswissenschaft669 aufbauende, Verständnis wirft die Frage auf, worin diese Pflicht begründet ist und zwar in einem formellen Sinn: als Frage nach der Rechtsgrundlage. Dass von verfassungsunmittelbaren Grundpflichten insoweit nicht ausgegangen werden kann, ist bereits oben670 er667 S. Czeczatka, Einfluss privater Rechtsverhältnisse, S. 45 ff.; V. Gantner, Verursachung und Zurechnung, S. 10; M. Griesbeck, Materielle Polizeipflicht, S. 82 ff.; M. Kloepfer, Verantwortlichkeit für Altlasten, UTR Bd. 1, S. 17, 27; M. Kniesel, Polizeirechtliche Störerbestimmungen, DÖV 1997, 905, 906; J. Lege, Polizeieinsätze, VerwArch 89 (1998), 71, 82 f.; W. Martens, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 19 3, S. 293; J. Martensen, Materielle Polizeipflicht, DVBl. 1996, 286, 287 ff.; A. v. Mutius, Der Störer, Jura 1983, 298, 299; F.-J. Peine, Rechtsnachfolge, DVBl. 1980, 941, 948; ders., Rüstungsaltlasten, DVBl. 1990, 733, 736; J. Pietzcker, Polizeirechtliche Störerbestimmung, DVBl. 1984, 457, 459; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 143; ders., Gefahrenverdacht, in: Festschrift f. K. H. Friauf, S. 454, 486 f.; ders./J. Ruthig, Rechtsscheinhaftung, VerwArch 87 (1996), 329, 348; A. Schink, Grenzen der Störerhaftung, VerwArch 82 (1991), 357; 386 f.; P. Selmer, Verhaltensverantwortlichkeit, in: Gedächtnisschrift f. W. Martens, S. 483, 485 f.; ders., Begriff der Verursachung, JuS 1992, 97; H. Stadie, Rechtsnachfolge, DVBl. 1990, 501, 505; H. J. Wolff/O. Bachof, Verwaltungsrecht III, § 127 Rdnr. 1; Th. Würtenberger/D. Heckmann/R. Riggert, Polizeirecht, Rdnr. 456; unklar V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 192, der der Verantwortlichkeit den „Charakter“ einer materiellen Pflicht zuweist, die aber der Praktikabilität als Handlungsanweisung für den Bürger entbehre. 668 W. Martens, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 19 3., S. 293; J. Pietzcker, Polizeirechtliche Störerbestimmung, DVBl. 1984, 457, 459; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 143; F. Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 121. 669 O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, S. 207; Scholz-Forni, Verantwortlichkeit des Urhebers, VerwArch 32 (1925), 11, 37 f.; zur Entwicklung des Begriffs der „materiellen“ Polizeipflicht W. Wagner, Polizeipflicht von Hoheitsträgern, S. 25 ff.

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läutert worden. Ganz überwiegend wird denn auch eine einfach-gesetzliche Begründung gesucht und in der polizeilichen Generalklausel und/oder den „Störerbestimmungen“ gefunden. Das basiert letztlich auf einem Verständnis dieser Vorschriften als Sekundärnormen, die die Verhaltensnorm implizit enthalten671. Eine solche Annahme ist normtheoretisch durchaus möglich und dogmatisch teilweise unverzichtbar672. Im Zusammenhang mit den polizeilichen Eingriffsbefugnissen und Adressatennormen wirft sie aber etliche Fragen auf. Schon die Ableitung von Nichtstörungspflichten aus diesen Vorschriften ist regelmäßig von einer gewissen Unbestimmtheit geprägt. Die Generalklausel, die zumeist herangezogen wird673, nennt keinen Adressaten674, setzt (deshalb) tatbestandlich keine Verletzung einer Nichtstörungspflicht voraus, ist ihrer Rechtsfolge nach nicht auf die Durchsetzung einer solchen Pflicht bezogen und kommt im übrigen auch bei einem Vorgehen gegen einen Nichtverantwortlichen zur Anwendung. Es liegt deshalb nicht unbedingt nahe, sie im Sinne eines „immanenten“ Störungsverbots zu interpretieren. Anders mag es mit den Normen über die polizeiliche Verantwortlichkeit aussehen, die als „Ausdruck materieller Polizeipflichten“675 interpretiert werden könnten676: Die polizeilichen Maßnahmen wären demzufolge gegen den Verursacher bzw. gegen denjenigen zu richten, der die (tatsächliche oder rechtliche) Sachherrschaft über die Gefahrenquelle hat, weil dieser seine Nichtstörungspflicht verletzt hat. Doch wie lässt sich die Pflicht als solche begründen? Zunächst gilt auch für die materielle Polizeipflicht, dass sie ein prima facie grundrechtlich geschütztes Verhalten betrifft und sich verfassungsrechtlich rechtfertigen lassen muss. Diese Rechtfertigung aber mündet in die Abwägung zwischen bedrohten und beschränktem Rechtsgut. Deshalb kann die Pflicht nicht so generell gefasst werden, wie es nach der oben ziterten Formulierung geschieht. Das mag durch eine Reformulierung, die die verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsmerkmale in sich aufnimmt, behebbar 670

§ 8 B. II. 2. und 3. Explizit F.-J. Peine, Rechtsnachfolge, DVBl. 1980, 941, 948; Scholz-Forni, Verantwortlichkeit des Urhebers, VerwArch 32 (1925), 11, 37 mit Fußn. 100. 672 Vgl. dazu oben 1. Teil, § 6 A. 673 J. Pietzcker, Polizeirechtliche Störerbestimmung, DVBl. 1984, 457, 459; P. Selmer, Verhaltensverantwortlichkeit, in: Gedächtnisschrift f. W. Martens, S. 482, 485 f.; ders., Begriff der Verursachung, JuS 1992, 97. 674 Das konzediert auch J. Pietzcker, Polizeirechtliche Störerbestimmung, DVBl. 1984, 457, 459. 675 W.-R. Schenke, Gefahrenverdacht, in: Festschrift f. K. H. Friauf, S. 455, 486 f.; die Formulierungen Schenkes differieren: die eben zitierte Wendung deutet auf die Abhängigkeit der Verantwortlichkeit von der Nichterfüllung der Nichtstörungspflicht hin; an gleicher Stelle ist davon die Rede, „mit der Annahme der Störereigenschaft [seien] (. . .) materielle Polizeipflichten verbunden“, was das Bedingungsverhältnis geradezu umdreht; schließlich werden a. a. O., S. 493, „Störereigenschaft“ und materielle Polizeipflicht gleichgesetzt. 676 M. Nolte/M. Niestedt, Grundfälle zur Rechtsnachfolge, JuS 2000, 1071, 1074 f., die allerdings Gefahrenabwehrpflichten deduzieren. 671

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sein. Doch auch die Annahme, es könne im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ein derart allgemeines gesetzliches Verbot der Gefährdung von polizeilichen Schutzgütern oder ein Gebot zur Gefahrenabwehr geben, ist schon für die Verhaltensverantwortlichkeit kaum haltbar. Ihre Konsequenz wäre eine weitgehende Entwertung des Vorbehalts des Gesetzes als Folge einer Selbstentmachtung des Gesetzgebers. Die Grenzziehung zwischen den Rechtskreisen der Bürger untereinander bzw. der Allgemeinheit, die in erster Linie Sache der Legislative ist, würde im Ergebnis pauschal auf Exekutive und Judikative übertragen, die letztlich in einer jeweils einzelfallbezogenen Abwägung Billigkeitsentscheidungen treffen müssten, die sich nicht auf Verlässlichkeit und Rechtssicherheit gewährleistende allgemein geltende Gesetze stützen könnten. Die polizeiliche Generalklausel als Verhaltensnorm kommt mit den speziellen Regelungen, die die Rechtssphären der einzelnen umreißen, in Konflikt677. Ein Vorrang des Polizeirechts aber lässt sich – lex specialis derogat legi generali – schon methodisch nicht begründen; als landesrechtliche Regelung wäre sie zudem nicht in der Lage, spezielle bundesrechtliche Verhaltensnormen zu derogieren. Gerade aber das Bundesrecht enthält mit den aus strafrechtlichen und bürgerlichrechtlichen (v. a. § 823 BGB) Sanktionsnormen zu ermittelnden Pflichtnormen die grundlegenden Bestimmungen, die aus öffentlichen und privaten Interessen erst auch mit Wirkung für die Bürger Rechtsgüter machen, indem sie Art und Reichweite ihres rechtlichen Schutzes konstituieren. Soweit man aber den Vorrang der spezielleren und ranghöheren Verhaltensnormen anerkennt, bliebe von der materiellen Polizeipflicht nichts übrig, was nicht auch ohne sie existierte. Allenfalls könnte ihr eine Reservefunktion zuzuerkennen sein, soweit die übrige Rechtsordnung den Schutz polizeilicher Schutzgüter nicht abschließend normiert678. Doch inwieweit ein „Gut“ rechtliche Anerkennung erfährt und dadurch zum rechtlich geschützten Gut, zum Rechtsgut wird, kann durch das Polizeirecht nicht beantwortet werden. Anders formuliert: Ein öffentliches oder privates Interesse ist nicht deshalb rechtlich geschützt, weil es dem Begriff der öffentlichen Sicherheit unterfällt, sondern es ist Teil der öffentlichen Sicherheit, weil und soweit es rechtlich geschützt ist679. Drehte man diesen Bedingungszusammenhang um, fungierte die Polizei nicht nur als gesetzesanwendendes und -konkretisierendes Organ, sondern als Ersatzgesetzgeber680. Unter Berücksichtigung dessen bleibt die implizite, eine Nichtstörungspflicht begründende Verhaltensnorm entweder ohne eigenen Anwendungsbereich oder enthielte nur die Pflicht,

677

Vgl. auch J. Eschenbach, Die materielle Polizeipflicht, NdsVBl. 1998, 1, 4. K. Waechter, Schutzgüter des Polizeirechts, NVwZ 1997, 729, 735. 679 Vgl. auch E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnr. 55. 680 So in der Tat A. Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr, S. 158; zustimmend zitiert von J. Pietzcker, Polizeirechtliche Störerbestimmung, DVBl. 1984, 457, 460; J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 71 f. 678

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

die Gesetze zu befolgen und nicht zu verletzen681. Diese Bedenken sprechen nicht nur gegen eine auf das Verhalten abstellende Polizeipflicht, denn auch die Gefährdung eines Interesses durch eine Sache ist polizeirechtlich nur relevant, wenn dieses Interesse rechtlich geschützt ist. Für die Zustandsverantwortlichkeit müsste die Nichtstörungspflicht darüber hinaus um diejenigen Sachgefahren reduziert werden, die durch höhere Gewalt oder das Verhalten Dritter ausgelöst werden und deren Vermeidung wegen Unmöglichkeit deshalb nicht als Rechtspflicht aufgegeben werden kann682. Dann aber handelte es sich im Wesentlichen um eine Verhaltensverantwortlichkeit, die nicht gesondert normiert zu werden brauchte. II. Die materielle Polizeipflicht als Gefahrenabwehrpflicht Manche Autoren stellen demgegenüber weniger auf das Verbot der Gefahrschaffung als auf das Gebot der Gefahrenabwehr ab, das kraft Gesetzes wirksam werden soll, sobald eine konkrete Gefahr besteht683. Diese Version akzeptiert hinsichtlich der Begründung von Rechtsgütern den Vorrang der übrigen Rechtsordnung und ist im Hinblick auf die in der polizeilichen Generalklausel vorgesehene Rechtsfolge684 plausibler, wenngleich auch hier der Vorrang spezieller Normen zu einer teilweisen Verdrängung der an das Verhalten anknüpfenden materiellen Polizeipflicht führt. Das ergibt sich daraus, dass im Begriff der öffentlichen Sicherheit auch die Unversehrtheit der Rechtsordnung und damit zugleich die besonderen Pflichtnormen enthalten sind, weshalb die Abwehr einer Gefahr oder Störung für dieses polizeiliche Schutzgut durch Unterlassen oder Beenden eines pflichtwidrigen Verhaltens bereits dem Regelungsgehalt dieser Normen unterfällt. Insbesondere aber für die Zustandsverantwortlichkeit, für die es an derartigen speziellen Primärnormen vielfach685 fehlt, könnte die materielle Gefahrenabwehrpflicht eine wirkliche eigenständige Bedeutung erlangen. Die polizeiliche Verfügung ist nach diesem Verständnis nicht für die Entstehung der Pflicht konstitutiv, sondern konkretisiert lediglich die Modalitäten ihrer Erfüllung686 und hat in erster Linie die Funktion, der Polizeibehörde einen Titel 681

B. Pieroth/B. Schlink/M. Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9 Rdnr. 4. Vgl. H. H. Rupp, Grundfragen, S. 230 (Fußn. 405). 683 M. Griesbeck, Materielle Polizeipflicht, S. 82 ff., 88 f.; J. Martensen, Materielle Polizeipflicht, DVBl. 1996, 286, 288; M. Nolte/M. Niestedt, Grundfälle zur Rechtsnachfolge, JuS 2000, 1071, 1074; F. Ossenbühl, Haftung des Gesamtrechtsnachfolgers, S. 57; F.-J. Peine, Rechtsnachfolge, DVBl. 1980, 941, 948 („Störungsbeseitigungspflicht“); H. Stadie, Rechtsnachfolge, DVBl. 1990, 501, 505, verbindet beide Ansätze miteinander. 684 M. Griesbeck, Materielle Polizeipflicht, S. 84. 685 Vgl. aber für die Maßgeblichkeit zivilrechtlicher Störungsbeseitigungspflichten nach § 1004 BGB K. Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnrn. 405, 408. 686 F.-J. Peine, Rechtsnachfolge, DVBl. 1980, 941, 948. 682

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zu ihrer Durchsetzung zu verschaffen687. Freilich ist die Titelfunktion des Verwaltungsakts nicht vom Bestehen einer materiell verstandenen Polizeipflicht abhängig. Die eigentlich problematische Frage ist bei einer als Gefahrenabwehrpflicht verstandenen materiellen Polizeipflicht aber, ob die polizeiliche Generalklausel im Verbund mit den Adressatennormen sie auch tatsächlich begründet und so als eigenständiger Rechtmäßigkeitsmaßstab fungieren kann. Anders als bei der Ableitung von Pflichtnormen aus strafrechtlichen Sanktionsvorschriften fehlt es hier nämlich an der zwingenden verfassungsrechtlichen Notwendigkeit für eine solche Annahme688. Einer originären exekutiven Pflichtenbegründung steht, sofern sie auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruht, nichts entgegen; die Verwaltung ist von Verfassungs wegen nicht darauf beschränkt, gesetzliche Pflichten Privater zu konkretisieren. Aus dem Befund alleine, dass man eine Norm als Sekundärnorm, die eine Primärnorm enthält, verstehen kann, lässt sich nicht folgern, dass man sie als solche verstehen muss. Der Wortlaut und die Systematik der Polizeigesetze aber deuten nicht auf eine implizite gesetzliche Verpflichtung des einzelnen hin689. Wenn darauf verwiesen wird, dass die heutigen Polizei- und Ordnungsgesetze in der Tradition der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts stünden, die im Preußischen Polizei-Verwaltungsgesetz vom 1.7. 1931 „gesetzlichen Niederschlag“690 gefunden habe, besagt dies für sich genommen wenig, da auch in diesem eine Rechtspflicht des Bürgers nicht (explizit) verankert war. Weiterführend ist der Versuch, aus dem Normzweck von Generalklausel und Störerbestimmungen die Notwendigkeit einer gesetzesunmittelbaren Pflicht abzuleiten. In diese Richtung argumentiert J. Martensen691: Der beherrschende polizeirechtliche Grundsatz sei wegen des hohen Stellenwerts der „elementaren Staatsaufgabe“ Gefahrenabwehr derjenige der Effektivität. Diese werde aber vor allem dadurch maximiert, dass möglichst viele für die Abwehr von Gefahren Verantwortung tragen, schon weil es den Ordnungsbehörden nicht möglich sei, alle Gefahren abzuwehren und der Störer dies durch seine Sachnähe regelmäßig schneller und effektiver bewirken könne692. Diese Überlegung setzt freilich voraus, dass damit der Zweck der Adressatennormen zutreffend erfasst ist. Diese Annahme ist schon deshalb zweifelhaft, weil es schließlich der Staat, nicht der Bürger ist, der für eine effektive Gefah687

F. Ossenbühl, Haftung des Gesamtrechtsnachfolgers, S. 57. Es überzeugt deshalb nicht, wenn F.-J. Peine, Rechtsnachfolge, DVBl. 1980, 941, 948, den Vergleich zum Strafrecht zieht und die Verhaltenspflicht „aus der Natur der Sache“ herleitet. 689 J. Dietlein, Nachfolge im Öffentlichen Recht, S. 95. 690 J. Martensen, Materielle Polizeipflicht, DVBl. 1996, 286, 287; F.-J. Peine, Rechtsnachfolge, DVBl. 1980, 941, 948. 691 J. Martensen, Materielle Polizeipflicht, DVBl. 1996, 286, 287 f. 692 So auch M. Griesbeck, Materielle Polizeipflicht, S. 81. 688

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

renabwehr zu sorgen hat. Auch ist Sachnähe kein Ausweis für eine vorrangige Eignung. Um es ins Bild zu setzen: Wer in der Lage ist, ein Feuer zu legen, ist nicht alleine deshalb schon ein guter Feuerwehrmann. Die Generalklausel ist zudem nicht die einzige Norm, an welche die Störerbestimmungen anknüpft. Vielmehr zeigt der Kontext mit den Vorschriften über die Kostentragung693, dass mit der Zuweisung der Verantwortlichkeit eine Entscheidung über die Verteilung der Lasten der Gefahrenabwehr zwischen der Allgemeinheit und dem Einzelnen getroffen werden soll. Diese Normen greifen auch dann, wenn es dem Verantwortlichen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen gar nicht möglich war, die Gefahr abzuwehren, also nach dem Grundsatz ultra posse nemo obligatur auch eine originäre Gefahrbeseitigungspflicht nicht bestanden haben kann694. Es lässt sich in diesen Fällen demzufolge nicht mit der Nichterfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung argumentieren, welche die Lastenverteilung zu Ungunsten des Störers rechtfertigt. Die notwendige Verknüpfung von Verantwortlichkeit und gesetzlich begründeter Verpflichtung, wie sie dem Verständnis der materiellen Polizeipflicht zugrunde liegt, kann schon aus diesem Grunde nicht bestehen. III. Ableitung von Pflichten Privater aus exekutiven Eingriffsbefugnissen? Generell ist es fraglich, ob aus exekutiven Eingriffsbefugnissen auf dadurch zugleich gesetzlich begründete Pflichten des (potentiellen) Adressaten geschlossen werden kann. Eine vergleichbare, gewissermaßen reziproke Fragestellung ist schon oben bei der Erörterung der Pflichtenstellung des Bürgers im Hinblick auf die Erteilung von Genehmigungen angesprochen worden695. Dabei geht es zwar nicht um Eingriffsnormen, sondern um Genehmigungstatbestände, doch kann dies keinen relevanten Unterschied begründen. Denn die Genehmigungsbedürftigkeit eines Vorhabens ist vielfach Ausdruck seines besonderen Gefährdungspotentials, das aus diesem Grunde einer vorherigen staatlichen Kontrolle unterzogen werden muss. Die behördliche Entscheidung über Erteilung oder Versagung der Genehmigung ist deshalb das (präventive) Pendant zur Entscheidung über das (repressive) Eingreifen bei fehlender Genehmigungspflicht. Können aber die Genehmigungsvoraussetzungen nicht zum Gegenstand einer Pflicht des Vorhabenträgers uminterpretiert werden, gilt Gleiches (erst recht) für die Eingriffsvoraussetzungen. Gegenteiliges kann auch nicht mit der allgemeinen 693

§§ 5a, 30, 50 MEPolG. J. Dietlein, Nachfolge im Öffentlichen Recht, S. 94, dreht dieses Argument (in Bezug auf die rechtliche Unmöglichkeit) um: Die Annahme einer materiellen Polizeipflicht schließe aus der Verantwortlichkeit auf die materielle Berechtigung und sei deshalb fehlerhaft. 695 Oben 1. Teil, § 6 B. I. 694

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funktionalen Erwägung begründet werden, das Verwaltungsrecht habe sich unter dem Grundgesetz von einer Kompetenzordnung in eine subjektive Rechtsordnung gewandelt, weshalb es folgerichtig sei, dort, wo es um Forderungen an den Bürger gehe, auch entsprechende Pflichtpositionen anzunehmen696. Die Ableitung subjektiver Rechte aus der objektiven Rechtsordnung ist ganz maßgeblich dem prägenden Einfluss grundrechtlicher Gewährleistungen zuzuschreiben, für die es auf der Pflichtenseite keine verfassungsrechtliche Entsprechung gibt. Somit bieten weder Wortlaut, Systematik oder Normzweck von polizeilicher Generalklausel und Adressatennormen hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme einer kraft Gesetzes bestehenden materiellen Polizeipflicht, die durch die Verwaltung nur konkretisiert werden müsste. Es handelt sich bei den genannten Bestimmungen vielmehr (lediglich) um Eingriffsermächtigungen, die vor ihrer Inanspruchnahme keine Pflicht, sondern nur die Verpflichtbarkeit begründen697. Dies gilt aber auch für die Norm, die zur Heranziehung des Nichtverantwortlichen ermächtigt698. Das Spezifikum der Vorschriften über die Verantwortlichkeit wird mit ihrer Charakterisierung als Eingriffsermächtigungen deshalb nicht erfasst, sondern ergibt sich aus dem Gesamtkontext der Regelungen, die auf sie Bezug nehmen. Das erfordert eine Einbeziehung der „Sekundärebene“, auf der die Verteilung der finanziellen Lasten der Gefahrenabwehr einschließlich etwaiger Schäden geregelt ist. Der Verantwortliche hat, soweit er nicht selbst die Gefahrenabwehrmaßnahme durchgeführt hat, die der Behörde entstandenen Kosten zu ersetzen699 bzw. kann zum Ersatz derjenigen Aufwendungen herangezogen werden, die die Behörde an einen in Anspruch genommenen Nichtverantwortlichen leisten musste700. Dieser Konnex von Verpflichtbarkeit und Kostentragung zeigt, dass die Verantwortlichkeit einen speziellen Zurechnungsgrund für den Zweck der jeweiligen Maßnahme umschreiben muss, also dafür, dass dem betroffenen Rechtsgut kein Schaden erwächst. Der Nichtverantwortliche, der nur subsidiär herangezogen werden darf, steht der Gefahr hingegen rechtlich nicht näher als die Allgemeinheit. Er muss aber faktisch eine gewisse Nähe zur Gefahr aufweisen, die es ihm ermöglicht, zu ihrer Abwehr beizutragen, weil anderenfalls 696

F. Ossenbühl, Haftung des Gesamtrechtsnachfolgers, S. 57. Ebenso J. Dietlein, Nachfolge im Öffentlichen Recht, S. 95; K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 82b; W. Hurst, Handlungshaftung, AöR 83 (1958), 43, 65; H.-J. Papier, Verantwortlichkeit für Altlasten, UTR Bd. 1, S. 59, 78; ders., Verantwortlichkeit für Altlasten, NVwZ 1986, 256, 262; ders., Rückwirkende Haftung, DVBl. 1996, 125, 127 f.; B. Pieroth/B. Schlink/M. Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9 Rdnr. 4; M. Rau, Rechtsnachfolge, Jura 2000, 37, 43; W. Wagner, Polizeipflicht von Hoheitsträgern, S. 76 f. 698 § 6 MEPolG. 699 § 5a Abs. 2 MEPolG. 700 § 50 Abs. 1 MEPolG. 697

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

seine Verpflichtung ungeeignet und deshalb unverhältnismäßig wäre. Dies wiederum belegt, dass die bloße Fähigkeit, an der Gefahrenabwehr mitzuwirken, – das „Innehaben des Gegenmittels“701 – nach der gesetzlichen Systematik nicht den Rechtsgrund für die Inanspruchnahme darstellen kann702, weil sie für die Verantwortlichkeit unerheblich ist und für die Heranziehung des Nichtverantwortlichen nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung ist.

B. Die Verhaltensverantwortlichkeit Die Verantwortlichkeit für die Abwehr einer Gefahr trifft nach der gesetzlichen Regelung zunächst denjenigen, der für das Verhalten der Person verantwortlich ist, welche die Gefahr verursacht hat. Dies ist nach § 4 Abs. 1 MEPolG zunächst der Verursacher selbst. Daneben verweist § 4 Abs. 2 und 3 MEPolG auf eine anderweitig rechtlich zugewiesene Verantwortlichkeit für das Verhalten von Personen, die gesetzlich oder rechtsgeschäftlich begründet sein kann. Gemeinsamer Ansatzpunkt der Verhaltensverantwortlichkeit ist demnach das Verursachen einer Gefahr. Die Zentralität der Frage nach dem Begriff des Verursachers im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht ist vor allem dadurch begründet, dass sich an ihr entscheidet, ob und in welchem Maße eine Inanspruchnahme wegen eines Verhaltens für Zwecke der Gefahrenabwehr materiell gerechtfertigt ist. Die tatbestandliche Anknüpfung an ein wie auch immer geartetes ursächliches Verhalten muss auf einem Rechtsgrund basieren, aus dem sich ergibt, warum an dieses Verhalten die Verantwortlichkeit anschließen darf. Das hat, wie oben dargestellt worden ist703, mit dem Verbot übermäßiger Inanspruchnahme im Einzelfall, an dem die auferlegte Pflicht zu messen ist, zunächst nichts zu tun. Auch der Nichtverantwortliche darf nur im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zur Gefahrenabwehr herangezogen werden. I. Verursachungstheorien Welche Merkmale ein Verhalten aufweisen muss, um einer Person einen „Erfolg“ zurechnen zu können, ist in allen Teilbereichen des Rechts eine zentrale und brisante Frage, die in der Art der rechtlichen Verhaltenssteuerung begründet liegt. Da die Rechtsordnung nicht jede Lebensregung normieren kann, begnügt sie sich vielfach damit, bestimmte Zustände zu beschreiben, die herbeizuführen oder zu verhindern sind. Dadurch wird die autoritative Bestimmung des ge- oder verbotenen Verhaltens im Einzelfall auf die normanwendenden und 701 702 703

Dazu J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 43 ff. Vgl. auch M. Kloepfer, Verantwortlichkeit für Altlasten, UTR Bd. 1, S. 17, 27. § 10 B. II. 2. c).

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-konkretisierenden Instanzen verlagert. Sie müssen Kriterien für die Beziehung zwischen einem tatsächlichen Verhalten und einem normativen Ziel entwickeln, die letztlich über den Anwendungsbereich einer Norm entscheiden. Das gilt auch für das Recht der Gefahrenabwehr. Der schillernde Begriff der Verursachung hat seit jeher Gesetzesinterpreten und -anwendern Probleme bereitet und zu einer Reihe von Theorieansätzen geführt, die, wie häufig betont wird704, sich in den praktischen Ergebnissen nicht oder wenig unterscheiden. Doch ist die rechtliche Begründung gerade in Zweifelsfällen, die zumal bei der Frage nach der Begrenzung der Verantwortlichkeit angesiedelt sind, von Bedeutung. 1. Kausalität Für den Bereich der polizeirechtlichen Gefahrenzurechnung besteht Einigkeit darüber, dass der Begriff der Verursachung nicht oder nicht nur im Sinne naturwissenschaftlicher Kausalität verstanden werden kann705. Ein solcher Verursachungsbegriff wäre sowohl zu weit als auch zu eng. Zu weit insofern, als jedes Element in einer prinzipiell unendlichen Kette der Ursachen eine gleichwertige Bedingung für den Erfolgs-(= Gefahr-)eintritt setzt und eine Zurechnung noch so entfernter Folgen rechtlich nicht begründbar wäre706. Insofern kann dem Ansatz von S. Muckel707 dem Grunde nach zugestimmt werden, der den Verantwortlichen nach der um Effektivitätsgebot und Übermaßverbot angereicherten Äquivalenztheorie bestimmen will und letztlich denjenigen innerhalb der Kausalkette als Verursacher ausmacht, durch dessen Inanspruchnahme die Gefahr 704 E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnr. 63; B. Pieroth/B. Schlink/M. Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9 Rdnr. 19; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 156; H. J. Wolff/O. Bachof, Verwaltungsrecht III, § 127 Rdnr. 11. 705 E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnr. 63 f.; F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 323; B. Pieroth/B. Schlink/M. Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9 Rdnr. 10; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 154; F. Schoch, Grundfälle, JuS 1994, 932. 706 Die Ablehnung der Äquivalenztheorie wird erstaunlicher Weise kaum rechtlich begründet. Regelmäßig wird lediglich darauf hingewiesen, dass sie „für das Polizeirecht zu weit“ wäre, weil sie nicht durch Korrektive wie etwa „Schuld“ eingegrenzt wird (vgl. z. B. E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnr. 64; K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 75; F.-L. Knemeyer, Polizeiund Ordnungsrecht, Rdnr. 323; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 154; F. Schoch, Grundfälle, JuS 1994, 932; ders., Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 127). 707 S. Muckel, Abschied vom Zweckveranlasser, DÖV 1998, 18, 23.

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im Einzelfall effektiv abgewehrt werden kann, ohne unverhältnismäßig in seine Rechte einzugreifen. Muckels Vorschlag ist aber insofern zu undifferenziert, als Effektivität und Verhältnismäßigkeit im Einzelfall auch ohne äquivalente Kausalität maßgebliche Determinanten der Inanspruchnahme sind (nämlich bei der Heranziehung des Nichtstörers) und zudem die Verantwortlichkeit nicht deshalb entfällt, weil die Verpflichtung zu einem bestimmten Gefahrenabwehrbeitrag in concreto den Verantwortlichen übermäßig belasten würde, da in diesem Falle die Frage der Kostentragung wiederum nach den Adressatennormen zu beurteilen ist. Zu eng ist das Abstellen auf einen naturwissenschaftlichen Kausalbegriff, weil damit nur physikalisch beschreibbare Vorgänge erfasst werden und somit rein normative Wirkungen nicht hinreichend Beachtung finden können708. So setzt beispielsweise ein Unterlassen gerade keinen Kausalverlauf in Gang und nimmt auch keinen Einfluss auf einen bereits in Gang befindlichen Geschehensablauf709, ohne dass deshalb die Zurechnung von Gefahren qua Verursachung ausgeschlossen wäre, nämlich dann, wenn eine Handlungspflicht bestanden hat. Da zu den polizeilichen Schutzgütern auch die Unversehrtheit der Rechtsordnung gehört, stellt ohnehin jede Verletzung einer gesetzlichen Pflicht bereits eine Störung dar, nicht erst her. 2. Adäquate Verursachung Ähnlich liegt es bei der Bestimmung des Verursachungsbegriffs anhand der Adäquanztheorie, die als kausal alle Ursachen ansieht, die nach der Lebenserfahrung generell geeignet sind, eine Gefahr herbeizuführen. Gegen diese Theorie wird üblicherweise angeführt, das Gefahrenabwehrrecht müsse auch auf untypische Geschehensabläufe reagieren können710. So zutreffend diese Feststel708 Vgl. auch K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 73, mit dem Hinweis, die Kausalität des Polizeiund Ordnungsrechts bilde eine normative, nicht naturwissenschaftliche Kategorie; ferner J. Vollmuth, Unmittelbare und rechtswidrige Verursachung, VerwArch 68 (1977), 45, 48; dagegen wird der naturgesetzliche Kausalzusammenhang als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung angesehen etwa von E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnr. 64; Ch. Gusy, Polizeirecht, Rdnr. 333. 709 Zu den vergeblichen Bemühungen der Strafrechtslehre, die Kausalität der Unterlassung als ontologisches Problem zu begreifen vgl. G. Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 18 ff., der zutreffend darauf hinweist, dass es sich um eine axiologische Fragestellung handelt. 710 K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 74; M. Kloepfer, Verantwortlichkeit für Altlasten, UTR Bd. 1, S. 17, 24; F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 324; W. Martens, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 20 3, S. 312; A. v. Mutius, Der Störer, Jura 1983, 298, 304; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 154; F. Schoch, Grundfälle, JuS 1994,

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lung ist, so wenig lässt sie die zitierte Schlussfolgerung zu. Dass der Einzelne auch in Fällen außergewöhnlicher Sachverhaltsentwicklung zur Gefahrenabwehr soll herangezogen werden können, mag richtig sein, begründet aber noch nicht, dass er gerade als Verantwortlicher einen Beitrag hierzu leisten muss711. Der Grund für die Untauglichkeit der Adäquanztheorie, als Zurechnungslehre der polizeilichen Verhaltensverantwortlichkeit zu dienen, liegt vielmehr in der fehlenden Berücksichtigung normativer Kriterien. Denn die Rechtsordnung erlaubt – teilweise ausdrücklich – auch Verhaltensweisen, die generell geeignet sind, zu einer Beeinträchtigung privater oder öffentlicher Interessen führen und insoweit als adäquat kausal für tatsächlich eintretende Gefahren oder Störungen angesehen werden müssen712. Auch die durch den Adäquanzgedanken begrenzte Kausalität kann den polizeirechtlichen Verursachungsbegriff nicht konkretisieren, weil alleine die generelle Vorhersehbarkeit der Folgen von Verhaltensweisen die konkrete Verantwortlichkeit für diese Folgen nicht zu begründen vermag. 3. Unmittelbare Verursachung Den nachhaltigsten Einfluss auf Theorie und Praxis übt die Theorie der unmittelbaren Verursachung aus, die in durchaus unterschiedlichen Ausprägungen vertreten wird. Nach ihr ist Verursacher, wer durch sein Verhalten die Gefahrengrenze selbst unmittelbar überschreitet713. In ihrer Grundform ist damit der zeitlich letzte oder räumlich nächste Verursachungsbeitrag714 als verantwortlichkeitsbegründend bezeichnet715. Nach P. Selmer716 soll mit diesem Verständnis der Unmittelbarkeit ein „wertungsfreier Grundansatz“ gefunden sein, der für den Regelfall Sachgerechtigkeit und Rechtsgerechtigkeit gleichermaßen zur Wirksamkeit gelangen lässt. Doch ist die Bemessung der „Gefahrengrenze“ nach dem äußeren Wirkungszusammenhang gerade wegen seiner Wertungsfreiheit nicht in der Lage, rechtliche Aspekte hinreichend ins Kalkül zu nehmen717, insbesondere die Rechtsposition desjenigen zu berücksichtigen, dem die Verant932; ders., Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 127. 711 Vgl. Th. Brandner, Gefahrenerkennbarkeit, S. 81; V. Gantner, Verursachung und Zurechnung, S. 80 f.; ferner K. Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 377. 712 V. Gantner, Verursachung und Zurechnung, S. 77 f. 713 Grundlegend G. Wacke, Begriff der Verursachung, DÖV 1960, 93, 94. 714 W. Hurst, Handlungshaftung, AöR 83 (1958), 43, 77, bezeichnet es plastisch als diejenige Bedingung, die „sozusagen das Faß zum Überlaufen gebracht hat“. 715 So wohl G. Wacke, Begriff der Verursachung, DÖV 1960, 93, 96; in diesem Sinne deutet die Theorie auch G. Erbel, Polizeipflichtigkeit, JuS 1985, 257, 261; ferner P. Selmer, Begriff der Verursachung, JuS 1992, 97, 99. 716 P. Selmer, Begriff der Verursachung, JuS 1992, 97, 99. 717 Dazu auch N. Herrmann, Verantwortlichkeit, DÖV 1987, 666, 668; J. Vollmuth, Unmittelbare und rechtswidrige Verursachung, VerwArch 68 (1977), 45, 49 ff.

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wortung für Gefahrenlagen zugewiesen wird. Auch aus diesem Grunde wird das Kriterium der Unmittelbarkeit von anderen Vertretern dieser Theorie nicht (nur) als faktisches, sondern als wertendes Merkmal verstanden, das eine rechtliche Relation zwischen einem Verhalten und der Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut herzustellen geeignet sein soll718. Diese Formulierung erlaubt es zwar, rechtliche Bewertungen in die Feststellung der Verantwortlichkeit einfließen zu lassen, was insbesondere daran deutlich wird, dass derjenige, der lediglich die ihm von der Rechtsordnung zugewiesenen Befugnisse ausübt, nach diesem materiellen Verständnis die Gefahrengrenze nicht überschreitet und deshalb nicht als Verantwortlicher angesehen wird719. Er ist, wie treffend formuliert wurde, „nicht etwa tatsächlich an der Gefahr nicht nahe genug dran, er ist es rechtlich nicht“720. Er ist tatsächlicher Verursacher ohne rechtliche Verantwortlichkeit. Auf der anderen Seite aber ist „Unmittelbarkeit“ in diesem Kontext nicht mehr als eine „Verlegenheitsformel“721, weil sie lediglich besagt, dass es Zurechnungskriterien jenseits der faktischen Kausalität gibt, ohne angeben zu können, welche es sein sollen722. Die Unmittelbarkeit ergibt sich nach ihr nicht mehr aus dem Überschreiten der Gefahrengrenze, sondern umgekehrt: Die Gefahrengrenze ist nur überschritten, wenn die Gefahr nach wertender Betrachtung „unmittelbar“ verursacht worden ist723. 4. Rechtswidrige Verursachung Diese wertende Betrachtung durch rechtliche Maßstäbe aufzufüllen und so einen an der Rechtsordnung orientierten Verursachungsbegriff zu bilden, ist das Anliegen der in unterschiedlichen Spielarten vertretenen Rechtswidrigkeitslehren724, die – teilweise ergänzt um Aspekte rechtlicher Risikozuweisung725 oder außerrechtlicher Sozialadäquanz726 – zu einer normativ jedenfalls vorgeprägten 718 K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 76; V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 198; W. Martens, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 20 3, S. 313 f.; E. Rasch, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rdnr. 17; F. Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 128. 719 K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 79; W. Martens, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 20 3., S. 316; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 156. 720 B. Pieroth/B. Schlink/M. Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9 Rdnr. 19 (Hervorhebung nur hier). 721 So treffend J. Lege, Polizeieinsätze, VerwArch 89 (1998), 71, 78. 722 Kritisch aus diesem Grunde auch E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/ E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnr. 65; N. Herrmann, Verantwortlichkeit, DÖV 1987, 666, 668. 723 V. Gantner, Verursachung und Zurechnung, S. 98.

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Bestimmung des Verursachungsbegriffs gelangen. Das ist vom Ergebnis her überaus sachgerecht und systemkonform, weil die Zuteilung von Verantwortlichkeit im Verhältnis des Staates zu den Bürgern und der Bürger untereinander von der Verfassung und nach ihrer Maßgabe vom einfachen Gesetzesrecht bestimmt wird727. Was den Verstoß gegen spezielle Verhaltensnormen anbetrifft, wird der Lehre von der rechtswidrigen Verursachung auch weithin beigepflichtet; und auch die (materiell verstandene) Theorie der unmittelbaren Verursachung kann insoweit den Rechtswidrigkeitsaspekt in sich aufnehmen728. Problematisiert werden allerdings diejenigen Fälle, in denen es an speziellen Verhaltensnormen fehlt729; die Rechtswidrigkeit und damit die Verantwortlichkeit mit der Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu begründen, wäre jedenfalls zirkelschlüssig730. II. Die Akzessorietät der Verhaltensverantwortlichkeit In der Tat lässt sich zeigen, dass die Verhaltensverantwortlichkeit nur als Folge einer rechtswidrigen Verursachung zutreffend erfasst werden kann. Sie ist insofern akzessorisch zu den Normen, die zum Schutz von Rechtsgütern Geund Verbote statuieren. Man kann in diesem Sinne sagen, dass die Verantwort724 Z. B. E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnrn. 69 ff.; H.-U. Erichsen, Schutz der Allgemeinheit, VVDStRL 35 (1977), 171, 201 ff.; J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 70 ff.; R. Schnur, Störerbegriff, DVBl. 1962, 1, 3 ff.; J. Vollmuth, Unmittelbare und rechtswidrige Verursachung, VerwArch 68 (1977), 45, 51 ff.; K. Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnrn. 395 ff. 725 V. Gantner, Verursachung und Zurechnung, S. 166 ff.; N. Herrmann, Verantwortlichkeit, DÖV 1987, 666, 670 ff.; J. Pietzcker, Polizeirechtliche Störerbestimmung, DVBl. 1984, 457, 459; A. Schink, Grenzen der Störerhaftung, VerwArch 82 (1991), 357, 372 ff. 726 Grundlegend W. Hurst, Handlungshaftung, AöR 83 (1958), 43, 75 ff., der allerdings nicht explizit auf die Rechtswidrigkeit der Verursachung eingeht; ganz im Sinne einer die Rechtswidrigkeitslehre ergänzenden Zurechnung sozial inadäquaten Verhaltens Ch. Gusy, Polizeirecht, Rdnrn. 338 f. 727 H.-U. Erichsen, Schutz der Allgemeinheit, VVDStRL 35 (1977), 171, 205. 728 Etwa bei K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 77; V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 198; Ch. Schmelz, Entwicklung, BayVBl. 2001, 550, 552. 729 V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 198; M. Kloepfer, Verantwortlichkeit für Altlasten, UTR Bd. 1, S. 17, 25; W. Martens, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 20 3, S. 313; W.-R. Schenke, Polizeiund Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 156; Ch. Schmelz, Entwicklung, BayVBl. 2001, 550, 552; F. Schoch, Grundfälle, JuS 1994, 932, 933; ders., Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 129. 730 J. Lege, Polizeieinsätze, VerwArch 89 (1998), 71, 80; J. Pietzcker, Polizeiliche Störerbestimmung, DVBl. 1984, 457, 459; A. Schink, Grenzen der Störerhaftung, VerwArch 82 (1991), 357, 373.

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lichkeit eine – und zwar die polizeirechtliche – Sanktion für Pflichtverletzungen darstellt, die in der Polizeiverfügung als Gefahrenabwehr- oder Kostentragungspflicht aktualisiert wird. 1. Die Begründung der Rechtswidrigkeits-These Neben der Systemkonformität der Theorie der rechtswidrigen Verursachung lässt sich ihre Berechtigung aus dem Kontext von polizeilicher Generalklausel und Adressatennorm ableiten. Dies erschließt sich, wenn man abstrahierend und typisierend Gefahrenursache und Gefahrenabwehrmaßnahme zueinander in Beziehung setzt. Eine Gefahr ist eine Sachlage, die bei ungehindertem Ablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Eintritt eines Schadens für ein polizeilich geschütztes Rechtsgut erwarten lässt731. Es handelt sich also regelmäßig um einen Vorgang „in der Zeit“, nicht lediglich um einen Zustand732. Die jeweilige Gefahrenabwehrmaßnahme richtet sich deshalb danach, in welchem Stadium des Geschehensablaufs die Behörde eingreift. J. F. Lindner, der dies analysiert hat, teilt die möglichen „Gegenmittel“ in drei Kategorien ein733: Die Beseitigung der Ursache, das Setzen einer Gegenursache und die Unterbindung einer Störung. Die Gefahrenursache ist zeitlich der erste Anknüpfungspunkt der Gefahrenabwehr, ihre Beseitigung daher grundsätzlich die vordringlichste Aufgabe. Das ist aber dann nicht mehr ausreichend, wenn ein Geschehensablauf in Gang gesetzt ist, der unabhängig von dem Verursachungsmoment weiter wirkt. In diesem Falle ist auf den Geschehensablauf einzuwirken, eben durch das Setzen einer Gegenursache, die den schadensträchtigen Ablauf unterbricht734. Ist hingegen eine Störung bereits eingetreten, so kann es nur darum gehen, diese zu unterbinden, sofern dies tatsächlich noch möglich ist735. Maßnahmen gegen den (Verhaltens-)Verantwortlichen können in jedem Stadium dieses Gefahrenvorgangs getroffen werden. Dem Grunde nach kann er zu jeder der „Gegenmittelformen“ verpflichtet werden, insbesondere zur Beseitigung der Gefahrenursache. Diese liegt aber in dem Verhalten, das zugleich seine Verantwortlichkeit für den Schutz des gefährdeten Rechtsguts begründet. Die Polizeigesetze scheinen folglich dazu zu ermächtigen, ein Verhalten zu untersagen, weil es zu einer Gefährdung von polizeilichen Schutzgütern führt. Das aber kann in dieser Allgemeinheit nicht richtig sein. Da jedes Verhalten prima facie grundrechtlichen Schutz genießt und nur zu Gunsten anderer 731 Vgl. nur E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnr. 29; Ch. Gusy, Polizeirecht, Rdnr. 107; B. Pieroth/B. Schlink/M. Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rdnr. 31. 732 Missverständlich deshalb F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 87. 733 J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 63. 734 J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 94 f. 735 J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 96 f.

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Rechtsgüter im Rahmen des Übermaßverbots untersagt werden darf, ist eine solch weit reichende Interpretation nicht möglich. Zwar ließe sich argumentieren, die Polizei sei zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit bereits nach § 3 MEPolG verpflichtet, so dass die notwendige Abwägung ganz auf der Ebene der Normanwendung stattzufinden habe736. Dann aber wäre eine Abgrenzung zwischen Verhaltensverantwortlichem und Nichtverantwortlichem nicht mehr möglich. Denn auch dieser kann durch sein Verhalten in einem tatsächlichen Sinn eine Ursache für eine Gefahr gesetzt haben, ohne aber deshalb rechtlich verantwortlich zu sein737. Und auch dem Nichtverantwortlichen kann ein Verhalten nur nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes untersagt werden. Deshalb muss die Abwägung zwischen Verhaltens- und Schutzinteresse bereits in die Interpretation desjenigen Begriffs einfließen, der die Unterscheidung von Verantwortlichem und Nichtverantwortlichem trifft, also der „Verursachung“. Das Gesetz geht davon aus, dass dem jeweiligen Handlungs- (oder Unterlassungs-)Interesse aus grundrechtlicher Sicht generell weniger Gewicht beizumessen ist, wenn das Verhalten eine Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut „verursacht“. Da jedoch das Handlungsinteresse und das Schutzinteresse von den Befugnisnormen nicht selbst gewichtet werden, ist eine solche Annahme nur gerechtfertigt, wenn das gefahrenverursachende Verhalten keinen aktuellen (definitiven) Grundrechtsschutz genießt, weil die Handlungsfreiheit in Bezug auf das gefährdete Rechtsgut bereits eingeschränkt ist. Das kann in diesem Kontext aber nur bedeuten, dass eine wirksam begründete Pflicht besteht, das jeweilige Schutzgut nicht zu gefährden. „Verursachung“ einer Gefahr bedeutet deshalb Verletzung einer Rechtspflicht, die dem Schutz des Rechtsgutes dient. Eine solche Rechtsgüterschutzpflicht kann aber nur durch bzw. aufgrund eines Gesetzes738 außerhalb der polizeilichen Generalklausel bzw. der Adressatennormen auferlegt werden739, weil diese die Existenz (sowie die Verletzung) der Pflicht schon voraussetzen. Das trifft sich auch mit den oben740 angestellten Überlegungen zur materiellen Polizeipflicht: Der Maßstab für die Rechtmäßig736 Darauf läuft der Vorschlag S. Muckels, Abschied vom Zweckveranlasser, DÖV 1998, 18, 21 ff., hinaus. 737 Vgl. oben § 11 B. I. 3. bei Fußn. 720. 738 Fraglich kann aber sein, ob eine durch Verwaltungsakt begründete Pflicht aufgrund der polizeilichen Generalklausel durchgesetzt werden kann. Doch ist dies wohl weniger eine Frage der Verantwortlichkeit oder der Gefahr als Voraussetzung polizeilichen Einschreitens, sondern eher ein Problem polizeilicher Zuständigkeit, da es hierbei in der Sache um eine Vollstreckung geht, die von der Behörde zu betreiben ist, welche den Verwaltungsakt erlassen hat; vgl. zu dieser Fragestellung B. Remmert, Rechtsdogmatische Probleme, NVwZ 2000, 642, 644. 739 So auch E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnr. 57; K. Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 397. 740 Oben § 11 A. III.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

keit des Verhaltens Privater ergibt sich nicht aus dem Polizeirecht, sondern muss in der übrigen Rechtsordnung aufgestellt und aufgefunden werden. Daraus resultiert eine strenge Akzessorietät der Verhaltensverantwortlichkeit. Sie setzt anderweitig begründete Rechtsgüterschutzpflichten voraus und ist die Grundlage einer spezifisch verwaltungsrechtlichen „Sanktionierung“ von Pflichtverletzungen. Dieses Verständnis vermeidet auch gewisse Ungereimtheiten der Theorie der unmittelbaren Verursachung sowie solcher Konzeptionen, die dem Polizeirecht selbst einen Rechtmäßigkeitsmaßstab entnehmen wollen. Beispielsweise wird durch die Ausrichtung an Rechtspflichten die ohnehin prekäre Abgrenzung von Handeln und Unterlassen obsolet741, die für die Unmittelbarkeits-Lehre aber insofern eine Rolle spielt, als sie das Unterlassen nur bei einer Handlungspflicht als Verursachung ansieht, bei der Handlung aber eine Unterlassungspflicht nicht fordert742. Ferner kann es nicht überzeugen, wenn die Wahrnehmung einer rechtlich zugewiesenen Befugnis zum Abgrenzungsmerkmal zwischen Nichtverursachung und Verursachung gemacht wird743, weil es für die Rechtmäßigkeit des Verhaltens Privater keiner solchen (expliziten) Befugnis bedarf; auch zwischen dem Gebrauchmachen von einer behördlichen Erlaubnis und der Ausübung einer lediglich nicht verbotenen Tätigkeit besteht ein qualitativer Unterschied bei Lichte besehen nicht, da die Genehmigung nicht eine besondere Rechtsstellung einräumt, sondern nur negatives Merkmal des Verbotstatbestandes ist744. Darin erschöpft sich auch die „Legalisierungswirkung“ von Genehmigungen: Sie schließt nur einen Verstoß gegen die Norm aus, die für ein bestimmtes Vorhaben eine Genehmigungspflicht statuiert, „erlaubt“ aber darüber hinaus nichts, was nach anderen Vorschriften verboten ist. Schließlich ist auch die Rechtsstellung des Trägers des geschützten bzw. gefährdeten Rechtsguts in die Betrachtung miteinzubeziehen: Gegen ein rechtmäßiges (im Sinne von: nicht verbotenes) Verhalten, das eine Gefahr „unmittelbar“ verursacht, stehen ihm weder Notwehrrechte noch gerichtlich durchsetzbare Abwehransprüche zu, schaltet sich hingegen die Polizei ein, soll er mit ihrer Hilfe seine rechtlich nicht geschützten Interessen auf Kosten des anderen behaupten können.

741 Dazu schon im Zusammenhang mit den strafrechtlichen Handlungslehren oben§ 4 C. II. 742 Kritisch auch K. Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 378. 743 Vgl. etwa F. Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 130; die Theorie der unmittelbaren Verursachung muss demnach davon ausgehen, dass die „Unmittelbarkeit der Verursachung“ die Rechtmäßigkeit auch dann ausschließt, wenn es an einer entsprechenden Verhaltensnorm fehlt. Das gelingt aber nur auf der Basis der Annahme einer „materiellen Polizeipflicht“ im Sinne des Verbots, eine Gefahr „unmittelbar“ zu verursachen (hiergegen bereits oben § 11 A. I.). 744 Dazu oben 1. Teil, § 5 C. III. 3. c) (2) sowie § 6 B. II.

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Die Rechtswidrigkeitslehre hingegen übernimmt die Wertungen der übrigen Rechtsordnung und kann sich deshalb nicht zu ihr in Widerspruch setzen. Polizeirecht ist insofern systemakzessorisch und mit seinen Mitteln systemstabilisierend, aber selbst nicht systembildend im Hinblick auf die Konstituierung von Rechtsgütern durch die rechtliche Absicherung öffentlicher oder privater Interessen gegenüber Beeinträchtigungen durch Private745. 2. Allgemeine Rechtsgüterschutzpflichten Die Akzessorietät der Verhaltensverantwortlichkeit scheitert nicht, wie von Kritikern der Rechtswidrigkeitslehre vorgebracht wird746, am Fehlen spezieller Verhaltensnormen. Soweit solche fehlen, greifen die allgemeinen Rechtsgüterschutzbestimmungen, auch soweit sie in der Rechtsordnung keinen expliziten Ausdruck gefunden haben, sondern den Sanktionsregelungen des Strafrechts wie des Privatrechts zugrunde liegen747. Da alle polizeilichen Schutzgüter durch entsprechende Normen flankiert sind, ergibt sich neben der fehlenden Begründbarkeit auch die fehlende Notwendigkeit, der Generalklausel und/oder den Adressatennormen selbst Verhaltensmaßstäbe zu entnehmen. a) Polizeirechtliche Verantwortlichkeit und Privatrecht Gegen die Maßgeblichkeit auch privatrechtlicher Verpflichtungen wird freilich geltend gemacht, die gesetzliche Risiko- und Lastenverteilung zwischen Privaten könne nicht kurzerhand auf das Staat-Bürger-Verhältnis übertragen werden und somit zugleich die Verantwortungsbereiche zwischen dem Einzelnen und der Allgemeinheit abgrenzen748. Der dieser Überlegung zugrunde liegende Gedanke der Trennung von Vertikal- und Horizontalverhältnis ist hier bereits im Zusammenhang mit der Abgrenzung der Rechtskreise Privater fruchtbar gemacht worden749, wobei allerdings auch die Abhängigkeit der Regelungen des Bürger-Bürger-Verhältnisses von der grundrechtlichen Pflichtenstellung des Staates deutlich geworden ist. Das aber gilt in gleicher Weise für öffentlichrechtlich organisierte Pflichtenstellungen, die sich von privatrechtlichen schließlich nicht funktional unterscheiden müssen, sondern ebenso der Ausbalancierung von Privatinteressen dienen können, wie dies im Privatrecht typischer745

s. auch H.-U. Erichsen, Schutz der Allgemeinheit, VVDStRL 35 (1977), 171,

205 f. 746 747

Vgl. die Nachweise oben in Fußn. 729. Wie hier im Wesentlichen K. Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnrn.

397 f. 748

So insbesondere H.-J. Papier, Verantwortlichkeit für Altlasten, UTR Bd. 1, S. 59,

72. 749

Oben § 10 C. II. 3.

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weise der Fall ist. Das Spezifikum privatrechtlicher Pflichten liegt deshalb, wie ausgeführt750, nicht etwa in ihrem Inhalt oder in den verfassungsrechtlichen Maßstäben, sondern in der Zuteilung der Kompetenz an Private, die Pflicht durchzusetzen. Ob aber diese Befugnis auch der Polizei zukommt, ist keine Frage der Verursachung und damit der Verantwortlichkeit, sondern wird durch die Norm (§ 1 Abs. 2 MEPolG) geregelt, die die Zuständigkeit der Polizei von derjenigen der (ordentlichen) Gerichtsbarkeit abgrenzt751 und ist im Sinne einer Vorrangzuständigkeit der Gerichte und einer Eilzuständigkeit der Gefahrenabwehrbehörden entschieden. Als Einschränkung des polizeilichen Aufgabenbereichs setzt sie im Grunde ohnehin voraus, dass auch privatrechtliche Pflichten dem Anwendungsbereich der polizeilichen Generalklausel und der Adressatenbestimmungen unterfallen752. Dann aber ist es nicht „willkürlich“ und unstatthaft753, sondern systemimmanent, bei der Frage der Verhaltensverantwortlichkeit auf die gesamte Rechtsordnung zurückzugreifen754. Dabei kann freilich nicht auf die Sanktionsnormen rekurriert werden, die, wie etwa § 823 BGB, eine verschuldensabhängige Pflicht zum Schadensersatz begründen, sondern auf die ihnen zugrunde liegenden Rechtsgüterschutzpflichten, die im übrigen auch zivilrechtlich nach bzw. analog § 1004 BGB755 unabhängig von Vorsatz oder Fahrlässigkeit durchgesetzt werden können. b) Erfolgsbezogene Pflichten Mit dem Verweis auf die allgemeinen Rechtsgüterschutzpflichten kann zwar dem Vorwurf begegnet werden, eine streng akzessorische Rechtswidrigkeitstheorie könne mangels entsprechender Verhaltensnormen die Verhaltensverantwortlichkeit nicht hinreichend erfassen. Andererseits ist damit nur eine Lösung für ein polizeirechtsdogmatisches Problem gefunden, die innerhalb der gesetzlichen Systematik Folgewirkungen hat. Die Frage aber, wozu die allgemeinen Rechtsgüterschutzbestimmungen verpflichten, ist damit nur aufgeworfen, nicht beantwortet. Das liegt in erster Linie an der (fehlenden) gesetzlichen Normierung bzw. Präzisierung der entsprechenden Verpflichtungen. Der Gesetzgeber begnügt sich damit, die allgemeinen Voraussetzungen für eine Sanktionierung 750

Oben § 7 B. III. sowie § 10 C. I. 2. Dazu oben § 7 B. I. 1. 752 Zur Begründung s. oben § 7 B. I. 1. in Fußn. 43. 753 So aber H.-J. Papier, Verantwortlichkeit für Altlasten, UTR Bd. 1, S. 59, 72. 754 Auch für die Reduktion eines solchen Rückgriffs auf „gemeinwohlbezogene“ privatrechtliche Verpflichtungen gibt das System der Verantwortlichkeit nichts her, so aber M. Kloepfer, Verantwortlichkeit für Altlasten, UTR Bd. 1, S. 17, 29; dem zustimmend N. Herrmann, Verantwortlichkeit, DÖV 1987, 666, 671; ähnlich A. Schink, Grenzen der Störerhaftung, VerwArch 82 (1991), 357, 375. 755 Zu Wertungswidersprüchen zwischen der Theorie der unmittelbaren Verursachung und § 1004 BGB vgl. K. Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 405. 751

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von Rechtsgutverletzungen anhand des betroffenen Rechtsguts zu umschreiben. Die Sanktion, sei es als Kriminalstrafe oder Schadensersatzhaftung, wird (primär756) an die rechtswidrige und schuldhafte Verletzung von Leben, Körper, Freiheit, Eigentum oder sonstigen Rechtsgütern geknüpft, ist also in erster Linie auf einen Erfolg bezogen, nicht auf ein Verhalten. Gerade auf dieses aber muss es ankommen757, will man nicht einer allgemeinen „Garantiehaftung“ für Rechtsgüter aller Art das Wort reden (was auch niemand tut), die in ihrer unabsehbaren Ausweitung mit keiner Grundrechtsgewährleistung zu vereinbaren wäre. Die implizierten Pflichten müssen als durch menschliches Verhalten erfüllbare bzw. verletzbare verstanden werden und können nicht durch bloße „kontradiktorische Formulierung“758 des Sanktionstatbestandes („Es ist verboten, ein Rechtsgut zu verletzen“) ermittelt werden759. Das aber ist keineswegs nur oder gar vorrangig ein Problem des öffentlichen Rechts respektive des Polizeirechts, das auf diese Pflichten Bezug nimmt, sondern in erster Linie innerhalb derjenigen Teilrechtsordnungen zu klären, welcher die Verhaltensordnung entstammt. Der nahe liegende Einwand, gerade in diesen käme es nicht auf die Pflicht, sondern lediglich auf die gesetzlichen Voraussetzungen für die Sanktionierung der Pflichtwidrigkeit an, geht fehl. Er basiert auf dem (Vor-)Urteil, im Strafrecht „gelte“ oder „herrsche“ die Äquivalenz-, im Privatrecht die Adäquanztheorie760, die jeweils durch das Verschuldenserfordernis hinreichende Korrekturen erführen, welches im Polizeirecht nicht zur Verfügung stünde. Das freilich ist als Argument schon in sich nicht stimmig, weil auch der hartnäckigste Vorsatz erlaubtes Verhalten nicht rechtswidrig macht, vielmehr das Verschulden die Rechtswidrigkeit bereits voraussetzt und eine Formulierung der den Sanktionsnormen zugrunde liegenden Pflichten nach Maßgabe der Äquivalenz- bzw. Adäquanztheorie aus grundrechtlicher Sicht im Strafrecht wie im Zivilrecht aus den gleichen Gründen ausscheidet wie im Polizeirecht. Darüber hinaus ist es keineswegs zutreffend, dass sich die genannten Teilrechtsordnungen mit der „reinen“, verschuldensunabhängigen Pflicht- und damit Rechtswidrigkeit nicht zu befassen bräuchten. Im Zivilrecht 756 Im Strafrecht kommt freilich auch eine Sanktion für den Versuch eines Delikts hinzu (§§ 22–24 StGB). 757 Vgl. auch G. Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 5. mit Fußn. 25, der zu Recht auf die Problematik der Bezeichnung „Erfolgsdelikt“ und den damit assoziierten Gegensatz zu „Tätigkeitsdelikten“ hinweist. 758 So I. Appel, Verfassung und Strafe, S. 433. 759 Vgl. oben 1. Teil, § 6 C. I. 2. 760 Vgl. etwa K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnrn. 74 f.; F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnrn. 323 f.; W. Martens, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 20 3., S. 310 f.; A. v. Mutius, Störer, Jura 1983, 298, 303 f.; F. Schoch, Grundfälle, JuS 1994, 932; zum Zivilrecht Th. Würtenberger/D. Heckmann/R. Riggert, Polizeirecht, Rdnr. 443.

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etwa dienen die aus § 823 Abs. 1 BGB hergeleiteten Verkehrs(sicherungs-) pflichten761 dazu, „das erlaubte vom verbotenen Verhalten zu unterscheiden“762, und auch im Rahmen von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen nach bzw. analog § 1004 BGB kommt es ausschließlich auf die Rechtswidrigkeit, nicht auf das Verschulden an. In der Strafrechtsdogmatik gibt es ebenfalls eine Reihe von Anknüpfungspunkten, die die Bestimmung von Rechtspflichten voraussetzen, etwa das Erfordernis einer „Garantenpflicht“ bei den „unechten Unterlassungsdelikten“ oder bei der Bestimmung der Rechtswidrigkeit eines Angriffs im Rahmen des Notwehrrechts. c) Rechtsgut und Rechtsgüterschutzpflicht Das öffentliche Recht im Allgemeinen und das Polizeirecht im Besonderen kann diesen bereichsspezifischen Ansätzen zur Deduktion von Verhaltensnormen aus Sanktionsregelungen nichts hinzufügen, sondern knüpft im Gegenteil an diese an. Vorgegeben ist mit den verfassungsrechtlichen Determinanten763 – der Grundrechtsposition des Verpflichteten und, bei personalen Schutzgütern, derjenigen des Geschützten – nur der Rahmen, innerhalb dessen sich die in den anderen Teildisziplinen gefundenen Lösungen bewegen müssen. Daraus ergibt sich, dass die Bestimmung des jeweils Verbotenen von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen abhängt764, die gleichermaßen zu berücksichtigen, d.h. nach gleichen (abwehrrechtlichen) Maßstäben zu beurteilen sind765. Die Schwierigkeit näherer Präzisierung des Inhalts solcher Pflichten liegt in dem Zusammenhang von Rechtsgut und Rechtsgüterschutzpflicht begründet. Ein Interesse wird dadurch zum Rechtsgut, dass es rechtlichen Schutz erfährt, insbesondere durch rechtlich durchsetzbare Achtungspflichten und Verletzungsverbote. Der Begriff des „Rechtsguts“ ist ebenso ein Relationsbegriff wie derjenige der Pflicht bzw. Pflichtwidrigkeit766. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Ist ein Interesse nicht rechtlich geschützt, so stellt seine (drohende) Beeinträchtigung keine (Gefahr oder) Verletzung eines Rechtsgutes dar. Wer in einer Notwehrlage einem Angreifer einen Faustschlag versetzt, verletzt dessen Körper, aber kein Rechtsgut, weil der Angreifer gegenüber dem Angegriffenen im Rahmen des Notwehrrechts kein Recht auf Wahrung seiner körperlichen Integrität besitzt. Das bei erfolgsbezogenen Verhaltensnormen zu fällende Urteil über die 761 Zur differierenden Terminologie, der aber keine sachliche Bedeutung zukommt, vgl. nur Th. Raab, Die Bedeutung der Verkehrspflichten, JuS 2002, 1041, 1043. 762 Ch. v. Bar, Entwicklungen und Entwicklungstendenzen, JuS 1988, 169, 173. 763 Oben § 10. 764 Vgl. auch E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnr. 72. 765 Dazu oben § 10 C. II. 3. 766 Oben 1. Teil, § 5 vor A.

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Eignung eines Verhaltens zur Beeinträchtigung eines Interesses trifft deshalb zugleich eine Aussage über den Umfang des rechtlichen Schutzes, das dieses Interesse in Relation zu dem Verhalten genießt. Die Problematik der Deduzierung von Verhaltenspflichten aus erfolgsbezogen formulierten Sanktionsnormen liegt also gerade darin, dass die Bestimmung des Rechtsguts und das Verbot, es zu schädigen, gegenseitig aufeinander bezogen sind. Ob eine Pflicht besteht, hängt davon ab, in welchem Umfang ein Gut rechtlich geschützt ist und entscheidet zugleich über diesen Umfang. Innerhalb der Relation von Rechtsgut und Pflicht mündet dies in einen Zirkelschluss. Aus diesem Grund führt eine auf der Ebene des einfachen Rechts geführte Diskussion um „Handlungs-“ oder „Erfolgsunrecht“ nicht weiter. Denn auf dieser Ebene lassen sich die gegenläufigen Interessen nicht abwägen, weil ihr relatives Gewicht von der gesetzlichen Bewertung abhängt, die aber wiederum erst als Ergebnis der Abwägung zu ermitteln ist. Eine Annäherung an die Problemlösung kann es deshalb nur geben, wenn man das einfachgesetzliche Horizontalverhältnis in zwei Vertikalverhältnisse auflöst und aus ihnen die Grenzen des horizontalen Interessenausgleichs ermittelt, innerhalb derer jedes im Einzelfall erzielte Ergebnis verfassungsrechtlich unbedenklich ist, weil es auch Inhalt eines speziellen gesetzlichen Ge- oder Verbotes sein könnte. d) Der prognostische Gehalt erfolgsbezogener Verhaltenspflichten Auf einige Eckdaten zur Bestimmung des jeweiligen Pflichteninhalts ist schon oben767 hingewiesen worden. Als Faktoren der Verhaltenssteuerung können Verhaltensnormen nicht erst an den Erfolg anknüpfen, dessen Vermeidung sie dienen, sondern müssen auf den Zeitpunkt bezogen sein, zu dem die Pflicht zu erfüllen ist und zu dem sie verletzt werden kann. Nachfolgend eintretende Ereignisse vermögen an der Beurteilung eines Verhaltens nichts mehr zu ändern. Gegenstand dieser Normen ist deshalb nicht ein Verhalten, das eine Rechtsgutverletzung bewirkt (hat), sondern eines, das dazu geeignet ist, eine solche herbeizuführen. Der Inhalt der Pflicht kann darin bestehen, ein Verhalten wegen seiner Schädigungseignung zu unterlassen. Vielfach wird jedoch ein Verbot von Verhaltensweisen deshalb nicht legitimierbar sein, weil der von ihnen zu erwartende Nutzen höher zu bewerten ist als der Nachteil damit einher gehender Gefahren. In diesen Fällen kann es nur darum gehen, diejenigen Vorkehrungen zu schaffen, die notwendig sind, um eine Realisierung der Gefahren zu vermeiden768.

767

Oben 1. Teil, § 6 C. I. 2. Vgl. auch das Plädoyer für ein rechtsfunktional eigenständiges Gefahrenrecht, das den zivilrechtlichen Haftungsregelungen vorausliegt, bei R. Bartlsperger, Deliktsrechtliche Gefahrenverantwortung, in: Festschrift f. W. Leisner, S. 1003, 1005 ff. 768

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Erfolgsbezogenen Pflichten eignet deshalb stets ein prognostisches Element, das, wie jede Prognose, auf einen bestimmten Wissens- oder Erfahrungshorizont rekurrieren muss769. Es kommt aus diesem Grunde ganz maßgeblich darauf an, auf welchen Wissenshorizont und auf wessen Eignungsurteil abzustellen ist770. Die Strafrechtslehre tendiert dazu, die Perspektive des „Täters“ für maßgeblich zu halten771; im Rahmen der Erfolgsunrechtslehre nimmt das Zivilrecht eher den Blickwinkel des „Opfers“ ein; im Polizeirecht wird hingegen verbreitet auf der Primärebene polizeilichen Handelns die Sicht des („gewissenhaft, besonnen und sachkundig“772) handelnden Amtswalters, auf der Sekundärebene der Kostentragung hingegen ein grundsätzlich „objektivierter“, gewissermaßen richterlicher Wissenshorizont zugrunde gelegt. Das führt dazu, dass es bis zu vier unterschiedliche Perspektiven gibt, aus denen über Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Verhaltens geurteilt zu werden vermag. Nach dem Grundsatz der Einheit der Pflichtwidrigkeit773 kann es aber nur auf eine dieser Perspektiven ankommen, da ein und dieselbe Pflicht eines Rechtssubjekts nicht zugleich verletzt und nicht verletzt sein kann. Mit jeder Entscheidung für eine bestimmte Perspektive wird stets darüber entschieden, wer das Risiko situativ und subjektiv unvermeidlicher Fehleinschätzung eines der Beteiligten trägt. Die Verteilung dieses Risikos aber muss den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen genügen, die sich zugunsten des Verpflichteten wie des Geschützten aus den Grundrechten ergeben. Stellt man auf den Wissenshorizont des „Täters“ ab, werden die Interessen des „Opfers“ insoweit schutzlos gestellt, als ihre Beeinträchtigung rechtlich nicht abgewehrt werden kann, selbst wenn die Abwägung der gegenläufigen Interessen auf der Basis der objektiv gegebenen Situation zu Lasten des Beeinträchtigers geht774. Nimmt man hingegen die Perspektive des „Opfers“ oder, was in die769 Das übersieht R. Poscher, Gefahrenabwehr, S. 128 f., nach dem die Verursachung einer Gefahr sich ohne Rückgriff einen bestimmten Wissenshorizont soll beschreiben lassen. 770 Zum Problem der Mehrdimensionalität rechtlicher Verhaltenssteuerung schon oben 1. Teil, § 6 C. I. 3. a) und b). 771 Oben 1. Teil, § 6 C. II. 772 Vgl. nur F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 95; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 57. 773 Oben 1. Teil, § 6. 774 Die Täterperspektive kann freilich auch zu seinen Lasten gehen, wenn man den nach § 22 Abs. 3 StGB strafbaren untauglichen Versuch berücksichtigt (so in der Tat W.-R. Schenke/J. Ruthig, Rechtsscheinhaftung, VerwArch 87 (1996), 329, 344). Es ist aber höchst zweifelhaft, ob ein Verbot ungefährlichen Verhaltens alleine deshalb verfassungsrechtlich legitimiert werden kann, weil es der Täter für gefährlich hält. Ein derartiges Verbot kann jedenfalls nicht mit dem Schutz derjenigen Rechtsgüter begründet werden, die es de facto nicht gefährden kann. W.-R. Schenke/J. Ruthig (a. a. O.) rechtfertigen es mit der Verursachung des Anscheins einer Gefahr, was darauf hinausläuft, den Irrtum des Täters deshalb zu seinen Lasten für relevant zu halten, weil sich auch die Polizei geirrt hat.

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sem Zusammenhang wichtiger ist, der eingreifenden Behörde ein, kann im Einzelfall ein Verhalten als rechtswidrig gelten, das nicht über die Eignung zur Rechtsgutverletzung verfügt und das zu verbieten zum Schutz des jeweiligen Interesses deshalb, wenn nicht schon ungeeignet, so jedenfalls nicht erforderlich ist. Diese grundrechtlichen Implikationen subjektiver Einschätzungen deuten darauf hin, dass sie, wenn nicht generell, so doch tendenziell zu einer Interpretation von Verhaltensnormen führen, die entweder dem Verhaltensinteresse oder dem Nichtstörungsinteresse nicht hinreichend Rechnung tragen, weil sie in Zweifelsfällen nicht der tatsächlichen, sondern einer vermuteten Sachlage entsprechen. Das aber spricht dafür, dass, wie bereits oben775 angedeutet wurde, insoweit ein objektiver, von den subjektiven Erkenntnismöglichkeiten des Einzelnen unabhängiger Wissenshorizont zugrunde zu legen ist, der allein beiden Seiten gerecht zu werden vermag776. e) Objektive Rechtswidrigkeit und „ex-post-Betrachtung“ Das Problem dabei ist – und bleibt – freilich, diese objektive Perspektive näher zu bestimmen. Das ist allerdings kein Spezifikum eines objektiv verstandenen Rechtswidrigkeitsbegriffs im Rahmen erfolgsbezogener Rechtsgüterschutzpflichten, sondern ist juristisch in all den Fällen zu bewältigen, in denen eine staatliche Prognoseentscheidung zu treffen und zu kontrollieren ist. Vielfach wird das Fehlen eindeutiger bzw. die Unmöglichkeit der Benennung abschließender Kriterien dadurch kompensiert, dass die Lösung nicht auf der Basis des Entscheidungsergebnisses, sondern des Entscheidungsprozesses gesucht wird. Ein fehlerfreies „inneres Verfahren“ im Sinne eines methodengerechten Rechtsfindungsprozesses gilt so als Ausweis für ein rechtlich „richtiges“ Ergebnis. Bei den hier in Rede stehenden Pflichten scheidet eine solche „Prozeduralisierung der Objektivität“ allerdings aus, weil sie unabhängig von einer staatlichen Entscheidung erfüllt oder verletzt werden können. Der private Verpflichtete aber schuldet keine „methodengerechte Rechtsfindung“, sondern nur das rechtmäßige Verhalten. In der Polizeirechtsdogmatik wird die Bestimmung der Objektivität prognostischer Entscheidungen insbesondere777 bei dem Begriff der Gefahr virulent. 775 s. § 6 C. II.; zu dem (vermeintlichen) Gegenargument, dem Verpflichteten werde etwas Unmögliches aufgegeben, ebd. 776 In diese Richtung auch N. Herrmann, Verantwortlichkeit, DÖV 1987, 666. 674; F. Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 88; vgl. auch P. Selmer, Verhaltensverantwortlichkeit, in: Gedächtnisschrift f. W. Martens, S. 483, 494, der den Gedanken der objektiven Vorhersehbarkeit von Schadensfolgen immerhin zur Begrenzung der Verhaltensverantwortlichkeit heranziehen will. 777 Dasselbe gilt natürlich für die Verantwortlichkeit, soweit die Rechtswidrigkeit der Verursachung von der o. g. Prognose abhängt. Im übrigen kann zwar auch sonst

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Die Einschätzung, ob eine zum Schadenseintritt führende Sachlage vorliegt oder nicht, hängt stets davon ab, welche Daten demjenigen verfügbar sind, der über ihr Vorliegen zu entscheiden hat. Dabei werden auf der primären Ebene polizeilichen Handelns nicht die subjektiven Erkenntnismöglichkeiten der in concreto entscheidenden Person für maßgeblich gehalten, sondern diejenigen, die ein gewissenhafter, besonnener und sachkundiger Amtswalter in der fraglichen Situation („ex-ante-Betrachtung“) hätte haben können und müssen. Die Anforderungen an die Richtigkeit der Prognose werden dadurch bereits in einem bestimmten Maße „objektiviert“778. Dabei bleibt die wohl überwiegende Ansicht in der Rechtsprechung und der Polizeirechtswissenschaft779 jedoch nicht stehen, sondern führt für die Sekundärebene, auf der über die Kosten und Lasten der Gefahrenabwehrmaßnahme entschieden wird, eine „ex-post-Betrachtung“ ein, nach der aus einer von den situationsbedingten Erkenntnisgrenzen befreiten, nachträglich erlangtes Wissen einbeziehenden objektiven Perspektive über das Vorliegen einer Gefahr geurteilt wird780. Die Unterscheidung zwischen „ex-ante-“ und „ex-post-Betrachtung“ scheint der Formulierung nach nicht (nur) einen Unterschied im maßgeblichen Wissenshorizont, sondern vor allem im zeitlichen Bezugspunkt der Beurteilung auszumachen. Das aber ist sachlich und terminologisch irreführend, weil der Zeitpunkt oder Zeitraum, der für die Beurteilung einer Gefahr (und allgemein: für die Erstellung einer Prognose) maßgeblich ist, von der Wirkung der Maßnahme abhängt, die auf sie gestützt wird. Eine Polizeiverfügung ist nur (insgesamt) rechtmäßig, wenn ihre gesetzlichen Voraussetzungen zu jedem Zeitpunkt erfüllt sind, in dem sich ihre Regelungswirkung entfaltet. Hat sie „Dauerwirkung“781, so ist das der Zeitraum dieser Dauer782, im Übrigen der Zeitpunkt, für den sie eine Regelung trifft783. Das gilt unabhänein Irrtum über die Verantwortlichkeit existieren, das ist dann aber kein Problem der Prognose, sondern der Diagnose. 778 O. Schneider, Grundsätzliche Überlegungen, DVBl. 1980, 406. 779 BGH, Urt. v. 12.3.1992 – III ZR 128/91 – BGHZ 117, 303, 307; Urt. v. 23.6.1994 – III ZR 54/93 – NJW 1994, 2355 f. = BGHZ 126, 279, 285; R. Breuer, Umweltschutz und Gefahrenabwehr, in: Gedächtnisschrift f. W. Martens, S. 317, 335 ff.; H.-U. Erichsen/R. Wernsmann, Anscheinsgefahr, Jura 1995, 219, 222; K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnrn. 53, 100c ff.; F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnrn. 95, 97, 383; J. Kokott, Dogmatische Einordnung, DVBl. 1992, 749, 751 ff.; J. Martensen, Materielle Polizeipflicht, DVBl. 1996, 286, 291; F. Rachor, Ausgleichs- und Ersatzansprüche, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, L Rdnrn. 42 ff.; F. Schoch, Entschädigung, JuS 1993, 724, 726 f.; ders., Grundfälle, JuS 1995, 504, 507. 780 Gegen die daraus resultierende Inkongruenz von primärer und sekundärer Ebene in Anscheins- und Verdachtslagen allerdings W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 165; ders., Gefahrenverdacht, in: Festschrift f. K. H. Friauf, S. 454, 490 ff.; ders./J. Ruthig, Rechtsscheinhaftung, VerwArch 87 (1996), 329, 349 ff.; Anders V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 165: Kritik am Auseinanderfallen beider Ebenen bei der Anscheinsgefahr, die entweder eine Gefahr oder ein Gefahrverdacht sein soll; beim Gefahrverdacht hingegen befürwortet V. Götz (a. a. O., Rdnr. 155) die unterschiedliche Behandlung von Primär- und Sekundärebene.

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gig davon, wann die tatsächliche Entscheidung über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen getroffen wird, also auch dann, wenn erst nach beendeter Regelungswirkung über die Kostenverteilung zu entscheiden ist oder die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme überprüft wird784. Die Rechtmäßigkeit einer Prognose kann deshalb nicht davon abhängen, ob sie sich nachträglich als „richtig“ erweist, sondern nur davon, ob sie in dem vom Gesetz geforderten Umfang diejenigen Tatsachen und Erfahrungssätze einbezieht und zutreffend würdigt, die bereits zum Zeitpunkt der Prognostizierung verfügbar waren. Ex-ante- und ex-post-Betrachtung können deshalb nicht im zeitlichen Bezugspunkt auseinander fallen, sondern nur in ihrer sachlichen, den jeweiligen Wissenshorizont zum damaligen Zeitpunkt betreffenden Dimension. Eine nachträglich erfolgte andere Bewertung einer Gefahrenlage, die ein Rechtswidrigkeitsurteil bezüglich der ursprünglichen Einschätzung rechtfertigen würde, kann nur auf Erkenntnisse gestützt werden, die „an sich“ zum maßgeblichen Prognosezeitpunkt bzw. -zeitraum bereits verfügbar waren, auch wenn sie dem Entscheidungsträger in der Situation tatsächlich nicht bekannt waren oder bekannt sein konnten785. Das Urteil, eine Einschätzung zukünftiger Entwicklungen sei unrichtig und damit rechtswidrig gewesen, ist folglich nicht dadurch gerechtfertigt, dass „man“ hinterher immer klüger ist, sondern nur dadurch, dass „man“ es schon vorher war. Mit der Einbeziehung der „tatsächlichen“ Sachlage bei der Entscheidung über die Kosten der Gefahrenabwehrmaßnahme wird deshalb ein „objektivierter“, von subjektiven und situationsabhängigen Erkenntnisbeschränkungen befreiter Gefahrenbegriff verwendet, der sich dennoch nur auf den Zeitpunkt oder Zeitraum „ex ante“ beziehen kann. Das entspricht auf der einen Seite der Formulierung des Gesetzes, das mit dem Begriff der Gefahr einen zukunftsgewandten, Prognosespielräume wie -ungewissheiten einschließenden Terminus verwendet, der notwendiger Weise nur relativ zu einem bestimmten Zeitpunkt oder Zeitraum ausgefüllt werden kann. Auf der anderen Seite fügt sich die Verwendung 781 Gemeint ist die Regelungsdauer, nicht die Wirksamkeitsdauer; zu dieser Differenzierung vgl. oben 1. Teil, § 5 C. III. 3. b). 782 Vgl. auch § 2 Abs. 3 MEPolG. 783 Zur Ergebnisorientierung des materiellen Rechts, auf die sich diese Sichtweise stützt, vgl. allgemein oben 1. Teil, § 5 B. III. 784 Zumindest missverständlich R. Poscher, Gefahrenabwehr, S. 114 ff., der aus der Tatsache, dass es sich um ein Wahrscheinlichkeitsurteil handelt, schlussfolgert, dass das zu beurteilende Ereignis nicht in den maßgeblichen Wissenshorizont aufgenommen werden könne. Wenn etwa feststeht, dass ein Schaden nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, also eine ungefährliche Situation vorliegt, ist nicht etwa eine Prognose unmöglich, sondern es liegt keine Gefahr vor. 785 Diese Erkenntnis liegt auch der allgemein konsentierten Differenzierung zwischen dem konkret entscheidenden Amtswalter und dem (auf der Primärebene nach h. M. maßgeblichen) „gewissenhaften, besonnenen und sachkundigen“ Amtswalter zugrunde.

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eines objektiven, quasi richterlichen Wissenshorizonts in die Kompetenzordnung nach dem Grundgesetz ein, nach der die Kontrolle über die Verwaltung der Gerichtsbarkeit zugewiesen ist, die bei der Feststellung der tatsächlichen Grundlagen exekutiver Entscheidungen nicht an das Vorbringen der Beteiligten gebunden ist (vgl. auch § 86 Abs. 1 VwGO)786. Schließlich ist damit auch den grundrechtlichen Gewährleistungen der von polizeilichen Maßnahmen Betroffenen Rechnung getragen, deren Beschränkung nicht durch Gründe gerechtfertigt sein kann, die bereits durch besseres Wissen widerlegt sind. Damit ist aber ein Maßstab verfügbar, an dem auch die Verletzung allgemeiner, erfolgsbezogen formulierter Rechtsgüterschutzpflichten gemessen werden kann. Er ist auf denjenigen Zeitpunkt fokussiert, zu dem die Pflicht zu erfüllen war bzw. verletzt wurde und bezieht sachlich die zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Tatsachen und Erfahrungswerte ein. Dieser Rechtswidrigkeitsbegriff ist insofern „objektiv“, als er nicht an ein bestimmtes Rechtssubjekt und dessen Wissensmöglichkeiten und -begrenzungen gebunden ist, zugleich aber zeitlich relativ, weil die Gefahrenerkennbarkeit nicht einem „Laplace’schen Weltgeist“ überantwortet wird787, sondern sich nach dem begrenzten menschlichen Wissen zu einem bestimmten Zeitpunkt bemisst788. Diese Relativität des objektiven Rechtswidrigkeitsbegriffs hat eine weitere bemerkenswerte Konsequenz: Rechtsgüterschutzpflichten, die auf (auch seit Jahrzehnten unverändert gebliebenen) erfolgsbezogen formulierten Normen basieren, ändern wegen ihres prognostischen Gehalts ihren Inhalt mit der Vermehrung (und der Verringerung789) des Weltwissens. Vormals als ungefährlich eingeschätzte Verhaltensweisen können durch genauere Kenntnis etwa naturwissenschaftlicher Zusammenhänge als schadensträchtig erwiesen werden, wie auch umgekehrt eine früher verankerte Überzeugung von der Schädlichkeit mancher Handlungen durch neue Erkenntnisse widerlegt zu werden vermag. So lässt sich der Inhalt der Verpflichtungen nicht absolut, sondern nur zu einem bestimmten Zeitpunkt festlegen. Die in den betreffenden Regelungen angelegte dynamische Verweisung auf den jeweiligen Stand gesicherter Erkenntnis schließt es aus, nachträglich erworbenes Wissen zu Lasten eines Privaten heranzuzuziehen, ohne mit dem Rückwirkungsverbot in Konflikt zu geraten790. Dies bedeutete,

786 Deshalb ist es unzutreffend, wenn behauptet wird, die Generalklauseln des Polizei- und Ordnungsrechts stellten hinsichtlich des Wissenshorizonts auf den Handelnden ab (so jüngst D. Ehlers, Anmerkung, DVBl. 2003, 336). Mit diesem Argument könnte man die behördliche Inanspruchnahme von Eingriffsermächtigungen in weitem Umfang richterlicher Kontrolle entziehen, weil sie natürlich immer ein Exekutivorgan als Adressaten haben. 787 Das verkennt O. Schneider, Grundsätzliche Überlegungen, DVBl. 1980, 406, 407 f. 788 Vgl. zu allem auch R. Poscher, Gefahrenabwehr, S. 125 ff. 789 Vgl. R. Poscher, Gefahrenabwehr, S. 117 f.

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ein ursprünglich erlaubtes Verhalten, das zum Zeitpunkt seiner Vornahme mangels Gefahrenerkennbarkeit nicht hätte verboten werden können, nachträglich für rechtswidrig zu erklären791, und damit Folgelasten zu begründen, die auch objektiv zum damaligen Zeitpunkt weder vorhersehbar noch angeordnet waren. f) Fazit Mit der (begründeten) Annahme der Akzessorietät der Verhaltensverantwortlichkeit kommt den allgemeinen Rechtsgüterschutzbestimmungen eine besondere Bedeutung zu. An ihnen wird zugleich sichtbar, dass die Bemühungen der Lehre um eine angemessene Verteilung von Risiken und Verantwortlichkeiten, wie sie den unterschiedlichen Verursachungstheorien zugrunde liegt, auch innerhalb der hier vertreten Rechtswidrigkeitslehre eine Rolle spielen, wenngleich nicht bei der Verhaltensverantwortlichkeit selbst, sondern im Rahmen derjenigen Pflichtnormen, auf die das Polizeirecht mit dem Verursachungsbegriff Bezug nimmt. Die Fragestellung ist also, bei jeweils unterschiedlichem Anknüpfungspunkt, jeweils dieselbe. Dennoch erweist sich die Rechtswidrigkeitslehre als vorteilhaft, weil sie ohne Änderungen an ihrer Grundkonzeption auch in den Fällen zu einer streng normativen Begründung der Gefahrenzurechnung verpflichtet und in der Lage ist, in denen es an einer speziellen Verhaltensnorm mangelt. Der Begriff der Verursachung wird auf diese Weise transparent, weil er anhand der Regelungen und Wertungen der übrigen Rechtsordnung ermittelt werden muss und seine Anwendung an diesen Maßstäben gemessen werden kann. 3. Exkurs: Verhaltensverantwortlichkeit und öffentliche Ordnung Neben der öffentlichen Sicherheit ist im MEPolG und der Mehrzahl der Landespolizei- und -ordnungsgesetze792 die öffentliche Ordnung als Schutzgut behördlicher Gefahrenabwehr benannt. Nach der überkommenen Definition umfasst er „die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beobachtung nach den jeweils herrschenden 790 So auch H.-J. Papier, Verantwortlichkeit für Altlasten, UTR Bd. 1, S. 59, 70; ders., Verantwortlichkeit für Altlasten, NVwZ 1986, 256, 259 f. 791 Anders, aber nicht überzeugend, A. Schink, Grenzen der Störerhaftung, VerwArch 82 (1991), 357, 377, der diese Lösung als Einführung eines Verschuldenserfordernisses wertet und stattdessen nur eine Veränderung in der Rechtsanwendung annimmt. Man mag zwar konzedieren, dass auch eine objektiv unerkennbare Gefahr eine Gefahr darstellt (das hält W. Frenz, Verursacherprinzip, S. 329, für maßgebend), diese kann aber, solange sie objektiv unerkennbar ist, nicht Gegenstand einer Gefahrvermeidungspflicht sein. 792 Mit Ausnahme von § 1 Abs. 1 BremPolG, §§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 1 Nds. SOG, § 1 PolG NRW, § 1 Abs. 2 SaarPolG, § 162 Abs. 1 SchlHLVwG.

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Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen Gemeinschaftslebens betrachtet wird“793. Seine rechtspolitische und rechtsdogmatische Brisanz entfaltet die öffentliche Ordnung dort, wo sie als Tatbestandsmerkmal polizeilicher oder ordnungsbehördlicher Befugnisnormen eingesetzt ist, wie dies regelmäßig794 in den Generalermächtigungen des Polizei- und Ordnungsrechts der Fall ist. Dadurch wird unter Verweis auf Sozialnormen, deren genauer Inhalt mangels empirischer Erhebungen, vor allem aber wegen der Vielfalt und Heterogenität sozio-kultureller Bestimmungsfaktoren und des Verlusts an allgemein anerkannten Wertvorstellungen kaum annähernd zu ermitteln ist795, die Möglichkeit eröffnet, dem Einzelnen die Ausübung grundrechtlich garantierter Freiheiten zu verwehren. Die historisch gefestigte Definition vermag dem unbestimmten Begriff keine inhaltlichen Konturen zu verleihen796. Dennoch – oder vielleicht eher deshalb – erfährt die „öffentliche Ordnung“ nicht zuletzt in Zeiten raschen gesellschaftlichen Wandels geradezu eine Renaissance797. Auf der Basis des zitierten Verständnisses kann allerdings nur solchen Erscheinungen entgegen getreten werden, bezüglich derer sich bereits eine „herrschende Anschauung“ gebildet hat. Darauf aber beschränkt sich die Praxis nicht, sondern erkennt eine Gefahr für die öffentliche Ordnung auch in Ereignissen oder Verhaltensweisen, die weiten Kreisen der Bevölkerung unbekannt sind798. Begründet wird dies damit, dass die herrschenden Anschauungen über die unabdingbaren Voraussetzungen eines geordneten Gemeinschaftslebens durch die Wertmaßstäbe des Grundgesetzes geprägt würden799. Dabei erfährt der Begriff durch das Austauschen von Sein und Sollen800 einen Bedeutungs793 Statt vieler E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnr. 25; F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 102. 794 Eine Ausnahme stellt Art. 7 BayLStVG dar. 795 s. K. Waechter, Schutzgüter des Polizeirechts, NVwZ 1997, 729, 731; ferner W. Martens, Gefahrenabwehr, DÖV 1982, 89, 91 f.; H.-H. Trute, Polizei- und Ordnungsrecht, Die Verwaltung 32 (1999), 73, 78. 796 Vgl. auch V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 127; F.-J. Peine, Öffentliche Ordnung, Die Verwaltung 12 (1979), 25, 30 ff. 797 Zum Versammlungsrecht G. Erbel, Öffentliche Sicherheit und Ordnung, DVBl. 2001, 1714, 1716; M. Kniesel, Versammlungswesen, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, H Rdnr. 514; allgemein R. Störmer, Renaissance der öffentlichen Ordnung, Die Verwaltung 30 (1997), 233 ff. mit aktuellen Beispielen (S. 238). 798 So insbesondere bei den „Laserdrome“-Entscheidungen, vgl. OVG Koblenz, Beschl. v. 21.6.1994 – 11 B 11428/94 – DÖV 1994, 965 f.; OVG Münster, Beschl. v. 28.6.1995 – 5 B 3187/94 – DÖV 1995, 1004 f.; BVerwG, Beschl. v. 24.10.2001 – 6 C 3/01 – BVerwGE 115, 189, 198 ff.; vgl. auch F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 104, der die öffentliche Ordnung insbesondere bei neuartigen, noch nicht gesetzlich geregelten Gefahren für einschlägig erachtet; ebenso G. Erbel, Öffentliche Sicherheit und Ordnung, DVBl. 2001, 1714, 1718. 799 OVG Koblenz, Beschl. v. 21.6.1994 – 11 B 11428/94 – DÖV 1994, 965; OVG Münster, Beschl. v. 28.6.1995 – 5 B 3187/94 – DÖV 1995, 1004, 1005.

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wandel, der die Problematik fehlender empirischer Feststellung herrschender Anschauungen beseitigt801, aber nur weitere Probleme aufwirft. Denn dadurch werden die vormals auf Sozialnormen basierenden Verhaltensmaßstäbe auf das Grundgesetz, insbesondere die Grundrechte zurückgeführt, die dadurch ihre Adressatenrichtung verändern und von Begrenzungen staatlicher Machtentfaltung zu exekutiven Eingriffstiteln mutieren802. Über den Begriff der öffentlichen Ordnung werden die auf verfassungsrechtlicher Ebene nicht begründbaren Grundpflichten durch einfaches Gesetz eingeführt803, die aber, wenn es sie denn gäbe, bereits vom Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst wären804. Bei der Frage nach der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit für Gefährdungen der öffentlichen Ordnung setzt sich diese Problematik fort. Sie ist, wie nicht zuletzt die Verbote gewerblicher Veranstaltungen zeigen, unter anderem deshalb von Bedeutung, weil damit zugleich darüber entschieden ist, ob gegen den Staat ein Schadensausgleichsanspruch805 besteht oder nicht. Der Begriff der Verursachung verweist, wie ausgeführt806, auf die Verletzung außerhalb des Polizeirechts begründeter Pflichten. Nach tradiertem Verständnis konnte bei der „öffentlichen Ordnung“ insofern zwar immerhin dem Grunde nach auf gesellschaftliche Verhaltens„normen“ zurückgegriffen werden, sofern, was aber genau das Problem des überkommenen Begriffs war, solche Verhaltensregeln empirisch belegbar waren. In seiner gewandelten, an die Wertungen des Grundgesetzes anknüpfenden Form aber ist dieser Rückgriff nur in dem Maße möglich, in dem das Grundgesetz solche Pflichten enthält. Auch der grundrechtlich „angereicherte“ Begriff der öffentlichen Ordnung vermag solche Pflichten nicht selbst zu begründen807 und aus dem Grundgesetz Verhaltensregelungen ableiten, 800 Kritisch auch G. Erbel, Öffentliche Sicherheit und Ordnung, DVBl. 2001, 1714, 1718 f.; F. Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 83. 801 So auch R. Störmer, Renaissance der öffentlichen Ordnung, Die Verwaltung 30 (1997), 233, 244. 802 R. Störmer, Renaissance der öffentlichen Ordnung, Die Verwaltung 30 (1997), 233, 249. 803 Vgl. R. Störmer, Renaissance der öffentlichen Ordnung, Die Verwaltung 30 (1997), 233, 251; K. Waechter, Schutzgüter des Polizeirechts, NVwZ 1997, 729, 734. 804 Vgl. auch F. Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 83. 805 § 45, 46 MEPolG. 806 Oben § 11 B. II. 1. 807 Explizit a. A. J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 71 f., der die „öffentliche Ordnung“ einerseits zwar als ungeschriebene Verhaltensregel ansieht, sie aber andererseits im Sinne einer polizeilichen „Kompetenzreserve“ deutet und Gefährdungen der öffentlichen Ordnung als rechtswidrig ansieht. Damit wird die Polizei zum Ersatzgesetzgeber; der den Inhalt der Verhaltensregeln bestimmt (so sinngemäß J. F. Lindner, a. a. O. im Anschluss an H.-U. Gallwas/H. A. Wolff, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, Rdnr. 79 f.). Da aber die polizeiliche Maßnahme nicht ausschließlich auf die Unterlassung dieses Verhaltens gerichtet ist, bedeutet dies im Ergebnis, dass ein

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die darin nicht enthalten sind. Sofern daran festgehalten wird, den Sicherheitsorganen den Schutz der öffentlichen Ordnung aufzugeben, lässt sich eine Verhaltensverantwortlichkeit für ihr drohende Gefahren deshalb rechtlich nicht begründen. III. Der Umfang der Verhaltensverantwortlichkeit 1. Der Rechtsgrund der Verhaltensverantwortlichkeit Mit der Bestimmung des Verursacherbegriffs ist präzisiert, woran der Gesetzgeber die Verpflichtbarkeit des Einzelnen knüpft. Damit ist aber streng genommen noch nicht der Rechtsgrund für die Inanspruchnahme bestimmt. Die Adressatennorm gibt lediglich an, dass der Verursacher zum Zwecke der Abwehr einer Gefahr für ein Rechtsgut herangezogen werden kann; der Rechtsgrund hingegen muss begründen, warum der Verursacher herangezogen werden darf 808. Das ist allerdings, im Unterschied zur Zustandsverantwortlichkeit809, unschwer zu bestimmen, wenn die Verursachung durch die Verletzung einer Rechtsgüterschutzpflicht gekennzeichnet ist: Der Verursacher wird für den Schutz des Rechtsguts verantwortlich gemacht, weil er seinen gesetzlich umrissenen Rechtskreis überschritten und eine Gefahr herbeigeführt hat, die zu verhindern Grund des verletzten Gesetzes war. Gerechtfertigt ist die Übertragung der Verantwortlichkeit für die Schadlosigkeit des Rechtsguts auf den Verursacher auch vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes: Dass ihm eine im Vergleich zur Allgemeinheit besondere Pflicht auferlegt werden kann, liegt darin begründet, dass er die allgemein geltenden Regelungen übertreten und sich damit selbst gleichheitswidrig verhalten hat810. Die auf der rechtswidrigen Verursachung basierende besondere Verantwortung stellt daher die Gleichheit wieder her. 2. Die Grenze der Verpflichtbarkeit Die Bestimmung des Rechtsgrundes ist nicht nur von Bedeutung für die Legitimierung der Inpflichtnahme überhaupt. Wie sich aus den früher811 angestellten Überlegungen ergibt, können Pflichten zur Erreichung oder Förderung legiVerhalten rückwirkend als rechtswidrig anzusehen ist, weil die Polizei nachträglich eine entsprechende Verhaltensregel aufstellt. 808 Zur Unterscheidung von rechtlichem Anknüpfungspunkt und Rechtsgrund am Beispiel der „Zustandshaftung“ vgl. auch K. H. Friauf, Problematik des Rechtsgrundes, in: Festschrift f. G. Wacke, S. 294, 298. 809 Unten § 11 C. I. 810 J. F. Lindner, Adressatenpflichten, S. 73. 811 Oben § 10 B. II. 2. a).

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timer öffentlicher Zwecke grundsätzlich jedem auferlegt werden, der (und weil er) an dem allgemeinen Staat-Bürger-Verhältnis Teil hat. Die an die „Verursachung“ anknüpfende Verantwortlichkeit erweist sich aber für die Bemessung des zulässigen Umfangs derjenigen Sonderpflichten als wesentlich, die dem Verursacher als solchem auferlegt werden können, da der Umfang der Pflicht an den Grund der Pflicht gebunden ist812. Das hat Konsequenzen für die Unterscheidung von Verantwortlichem und Nichtverantwortlichem: Beide können zwar – im Rahmen des Übermaßverbots – zur Gefahrenabwehr herangezogen werden, wenn sie über das „Gegenmittel“ verfügen, doch nur der Verursacher hat auch die Kosten zu tragen. Die Regelungen über die polizeiliche Verantwortlichkeit scheinen erstem Anschein nach von einer strikten Dichotomie von Verantwortlichem und Nichtverantwortlichem auszugehen. Der Verursacher trägt die Gefahrenbeseitigungslast in voller Höhe, der Nichtverantwortliche hingegen, sofern er überhaupt in die Pflicht genommen wird, ist dafür notfalls zu entschädigen. P. Selmer hat darauf aufmerksam gemacht, dass dies unter einer verfassungsrechtlichen Ordnung auf Befremden stoßen muss, die bei der Auflösung des Spannungsverhältnisses von individueller Gemeinwohlverpflichtung und rechtsstaatlicher Bindung der öffentlichen Gewalt sonst auf den angemessenen und ausgewogenen Interessensausgleich setzt und deshalb differenzierende Ergebnisse erzielt813. Er schlägt daher einen „fließenden“ Verursachungsbegriff vor, der zwischen der „Verursachung dem Grunde nach“ und weiteren Gefahren- bzw. Störungsfolgen unterscheidet, welch letztere nur dann dem Verursacher zuzurechnen sind, wenn sie objektiv vorhersehbar waren. Das ist auch durchaus plausibel, wenn man seine Prämisse übernimmt und den Tatbestand der Verantwortlichkeit – die Verursachung – von den Rechtsfolgen her interpretiert: Wenn eine Gefahr besteht und der Verursacher zu deren Beseitigung herangezogen werden soll, dann hat dieser wegen seiner Verursachung auch in vollem Umfang für die Gefahrenabwehr einzustehen. Doch der Schluss von der Gefahr auf die vollständige Verantwortlichkeit, der erst die Notwendigkeit einer Begrenzung der Folgenverantwortung begründet, dreht das gesetzliche Bedingungsverhältnis geradezu um. Umgekehrt ist primär zu fragen, in welchem Maße eine Verantwortlichkeit besteht. Der Umfang der Verantwortlichkeit – und nicht das Ausmaß der Gefahr – bestimmt den Umfang der Pflichtigkeit. Der Verursacher ist nicht generell für eine Gefahr verantwortlich, sondern nur, soweit er sie verursacht hat. Die Verantwortlichkeit bildet insofern eine relative Grenze der Verpflichtbarkeit, die nicht ausschließt, dass eine darüber hinaus gehende Pflicht auferlegt werden kann, sondern nur besagt, dass eine solche nicht auf den besonderen 812

Zu dieser Korrelation schon oben § 10 B. II. 2. c). P. Selmer, Verhaltensverantwortlichkeit, in: Gedächtnisschrift f. W. Martens, S. 483, 487; ders., Begriff der Verursachung, JuS 1992, 97, 101. 813

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Rechtsgrund der Verursachung gestützt werden kann. Der genaue Umfang wird durch diejenigen Normen bestimmt, die die Verantwortlichkeit rechtlich begründen, also durch die polizeirechtlichen Rechtsgrundlagen sowie die Pflichtenbestimmungen, deren Verletzung die Verursachung ausmachen. a) Begrenzung auf die Abwehr „verursachter“ Gefahren Der normative Zusammenhang von polizeilicher Generalermächtigung und Adressatenbestimmung gibt bereits einen allgemeinen Rahmen vor, der für die Bestimmung der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit maßgeblich ist. Diese wird begrenzt auf die Abwehr von Gefahren. Das Polizeirecht bietet keine über diesen Zweck hinaus reichende Handhabe gegen den Verursacher und kann insbesondere keine Pflichten begründen, die dem Ausgleich eines bereits entstandenen Schadens dienen. Ferner wird das Bestehen einer konkreten Gefahr, die abzuwehren ist, vorausgesetzt. Das hat Konsequenzen etwa für Anscheins- und (unbestätigte) Verdachtslagen, wenn es mit der Gefahr auch an ihrer Verursachung fehlt814. Schließlich wird durch die polizeirechtlichen Rechtsgrundlagen eine Beziehung zwischen Gefahr und Verursachung dergestalt hergestellt, dass nur solche Gefahren relevant sind, die rechtswidrig herbeigeführt (verursacht) worden sind. Die Rechtswidrigkeit muss sich deshalb auf die konkret abzuwehrende Gefahr beziehen und kann nicht generell zum Anlass genommen werden, eine allgemeine „Haftung“ für alle tatsächlichen Folgen eines Pflichtenverstoßes zu begründen. Dieser Rechtswidrigkeitszusammenhang wird durch den Schutzzweck der verletzten Pflichtnorm hergestellt. Die objektive Vorhersehbarkeit des Gefahreneintritts hingegen, die P. Selmer als verantwortlichkeitsbegrenzendes Merkmal zusätzlich einführen will, ist, wie oben näher ausgeführt wurde815, bereits Voraussetzung für das Bestehen allgemeiner Rechtsgüterschutzpflichten und – bei speziellen Verhaltensnormen – regelmäßig der Grund für ihre Normierung, da sie anderenfalls im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz nicht legitimierbar wären. Sie ist deshalb bereits im Begriff der Verursachung enthalten. b) Die Mehrheit von Verursachern Diese rechtsgrundabhängige Begrenzung der Verantwortlichkeit greift auch und insbesondere bei einer Mehrheit von Verursachern816 ein. Hier ist allerdings streitig, ob dies schon bei der Heranziehung zur Gefahrenabwehr817 oder erst bei der Entscheidung über die Kosten zu berücksichtigen ist und ob im 814 815

Dazu sogleich unten § 11 B. III. 3. Oben § 11 B. II. 2. e).

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letztgenannten Fall die Begrenzung im Verhältnis zum Träger der Polizeibehörde818 oder erst durch einen Ausgleich im Innenverhältnis der Verursacher untereinander zum Tragen kommt819. Manche Polizeigesetze sehen in der Tat im Rahmen der Rückgriffsansprüche der öffentlichen Hand eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Mitverursacher vor. Unabhängig von diesen speziellen Normierungen ist aber fraglich, ob die Regelungen über die Gesamtschuld der rechtlichen Problematik gerecht werden. Die von der überwiegenden Ansicht befürwortete Analogie zum zivilrechtlichen Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB im Innenverhältnis ist Ausdruck eines Unbehagens darüber, dass anderenfalls die (Kosten-)Last bei demjenigen endgültig verbleiben soll, den die Polizeibehörde aus Gründen effektiver Gefahrenabwehr zur Beseitigung der Gefahr oder wegen finanzieller Leistungsfähigkeit zur Erstattung von Kosten und Auslagen herangezogen hat820. Mit Blick auf andere Verursacher ist dieses Unbehagen begründet: Weder die tatsächliche Möglichkeit, die Gefahr abzuwehren, noch die finanzielle Potenz sind hinreichende Gründe für eine solch ungleiche Lastenverteilung. Es entspricht daher dem Gerechtigkeitsgedanken, die Verursachungsbeiträge anderer jeweils mit zu berücksichtigen. Allerdings ist in Frage zu stellen, dass der gesamtschuldnerische Innenausgleich das geeignete Instrument hierfür ist. Für eine Analogie zu den zivilrechtlichen Vorschriften fehlt es bereits an einer Verpflichtung (vgl. § 421 BGB) der nicht durch die Polizei in Anspruch genommenen Mitverursacher821. Die polizeirechtliche Verantwortlichkeit kann sie nicht erset816 Bei einer Mehrheit von Verantwortlichen, die nicht aus dem gleichen Rechtsgrund verpflichtet sind, bemisst sich die Grenze der Verantwortlichkeit hingegen nach dem jeweiligen Rechtsgrund; eine Lastenteilung ist hier nicht angezeigt. 817 So L. Giesbert, Lastenverteilung, S. 79 ff.; der Sache nach auch Th. Würtenberger/D. Heckmann/R. Riggert, Polizeirecht, Rdnr. 514; zustimmend V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 259. 818 In diesem Sinne M. Hoeft, Entschädigungsansprüche, S. 193 ff. 819 So die h. M., vgl. etwa E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnrn. 123 f.; Th. Finkenauer, Der gesamtschuldnerische Ausgleich, NJW 1995, 432, 433 f.; K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 100a; Th. Garbe, Störerauswahl, DÖV 1998, 632, 635 f.; G. Gornig/G. Hokema, Störerauswahl, JuS 2002, 21, 23; E. Kohler-Gehrig, Der gesamtschuldnerische Innenausgleich, NVwZ 1992, 1049 ff; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 182; F. Schoch, Grundfälle, JuS 1995, 504, 508; M.-J. Seibert, Gesamtschuld, DÖV 1983, 964, 971 ff., 973; K. Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 422. 820 E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnrn. 123 f.; K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. SchmidtAßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 100a; M.-J. Seibert, Gesamtschuld, DÖV 1983, 964, 971. 821 H.-J. Papier, Verantwortlichkeit für Altlasten, UTR Bd. 1, S. 59, 80 f.; ders., Verantwortlichkeit für Altlasten, NVwZ 1986, 256, 263; J. F. Schwachheim, Gesamtschuldnerausgleich, NVwZ 1988, 225, 226; gegen die Annahme einer Gesamtschuld auch F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 340; V. Götz, Allgemeines

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zen, weil sie nur einen Zurechnungsgrund darstellt, aber keine Pflicht begründet. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Verantwortlichkeit durch eine Pflichtverletzung hergestellt wird822. Denn bei dieser – verletzten – Pflicht handelt es sich nicht um diejenige, die gegenüber der Behörde im Rahmen des Kostenausgleichs zu erfüllen ist. Die Verantwortlichkeit gründet nicht auf der Verletzung der Pflicht, für die Kosten der Gefahrenabwehr aufzukommen. Kaum überzeugend ist es auch, einen Innenausgleich der Mitverursacher untereinander zu befürworten, die unmittelbare Berücksichtigung des jeweiligen Verursachungsbeitrags durch die Polizeibehörde selbst aber mit dem Argument abzulehnen, die Verursachung begründe die volle Verantwortlichkeit für die Gefahr823. Denn auch der Ausgleich im Innenverhältnis kann nur gelingen, wenn man von einer anteiligen Verantwortlichkeit ausgeht. Es geht folglich um die Frage, innerhalb welchen Rechtsverhältnisses eine Verantwortungsteilung besteht. Der Verweis auf zivilrechtliche Haftungsregelungen (§ 830, 840 BGB)824 ist jedenfalls kein zwingendes Argument dafür, im öffentlich-rechtlichen Polizeirecht ebenso zu verfahren. Das Deliktsrecht verfolgt mit dem Ausgleich von Schäden andere Zwecke, es basiert mit dem Verschuldensprinzip auf anderen Zurechnungsgründen und ist ausschließlich auf privatrechtliche Rechtsverhältnisse bezogen. Das Gefahrenabwehrrecht hingegen bestimmt, in welchem Maße ein Privater zu einem Beitrag für die Erledigung der staatlichen Aufgabe des Rechtsgüterschutzes in Anspruch genommen werden kann und regelt deshalb einen Ausschnitt des Staat-Bürger-Verhältnisses. Der durch die Annahme einer Gesamtschuld vorgenommene Perspektivenwechsel hingegen ist durch den unvermittelten Übergang vom Vertikal- auf das Horizontalverhältnis systemfremd. Vor allem aber setzt die Ablehnung der Berücksichtigung der jeweiligen Verursachungsbeiträge im Verhältnis zum Träger der Polizeibehörde bereits voraus, dass eine vollständige Verantwortlichkeit besteht825. Diese aber ist vorrangig zu

Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 259, der dies aber (a. a. O., Rdnr. 260) als „unbefriedigend“ empfindet; E. Kohler-Gehrig, Der gesamtschuldnerische Innenausgleich, NVwZ 1992, 1049, 1050, vernachlässigt diesen Gesichtpunkt; Th. Garbe, Störerauswahl, DÖV 1998, 632, 635, plädiert deshalb – wenig realitätsnah – dafür, stets alle Verantwortlichen schon auf Primärebene zu verpflichten. 822 So wohl E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnr. 124, der davon spricht, dass die Polizeipflicht „dem Grunde nach“ mit der Mitverursachung der Gefahr entstehe. Damit wird „Polizeipflicht“ zur Gefahrenabwehrpflicht, während sie zuvor (a. a. O., Rdnr. 57) als Gefahrenvermeidungspflicht charakterisiert worden ist, deren Verletzung den Grund der Verpflichtbarkeit bilde. 823 W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 182. 824 W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 182. 825 Bezeichnend G. Gornig/G. Hokema, Störerauswahl, JuS 2002, 21, 22, die nach Ablehnung einer anteiligen Verantwortlichkeit formulieren: „Soweit jeder die Gefahr

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ermitteln und kann sich nur aus dem Merkmal ergeben, das die Gefahr einer Person zurechnet. Der Begriff der Verursachung ist ein normativer Begriff, folglich sind auch seine Grenzen und damit die Grenzen der Zurechnung normativ zu bestimmen. Deshalb hat die Berücksichtigung der Verursachungsbeiträge anderer auch bereits auf der Primärebene anzusetzen. Offensichtlich wird dies, wenn die polizeiliche Maßnahme bereits an der rechtswidrigen Verursachung selbst ansetzt und so diejenige Verpflichtung durchsetzt, deren Verletzung die Verantwortlichkeit begründet. Insoweit kann jeder als Verursacher nur zur Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten angehalten und also nur nach seinem Verursachungsbeitrag herangezogen werden826. Er trägt die volle Verantwortlichkeit zwar für die Störung der öffentlichen Sicherheit, die bereits in der Pflichtverletzung liegt, aber nur die anteilige Verantwortung hinsichtlich der dadurch herbeigeführten Gefahr für ein anderes polizeilich geschütztes Rechtsgut. Der Zeitpunkt der Inanspruchnahme ist jedoch kein verantwortungsbegründendes oder -erweiterndes Kriterium. Deshalb muss die Beschränkung der Verantwortlichkeit nach Maßgabe des Verursachungsbeitrags auch dann berücksichtigt werden, wenn die Gefahrenabwehrmaßnahme erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt wird oder über die Kosten zu entscheiden ist. Damit erweist sich auch die polizeirechtliche „Dichotomie Störer/Nichtstörer“ nicht als starres Zurechnungsschema, das für differenzierende Beurteilungen keinen Raum ließe, sondern im Gegenteil als flexibler Maßstab für die Bemessung der jeweiligen Verantwortlichkeit. Als Ausdruck einer normativen Zurechnung darf er nicht „personal“ in dem Sinne verstanden werden, dass ein Rechtssubjekt für eine Gefahr nur entweder verantwortlich oder nicht verantwortlich ist. Somit spricht auch nichts dagegen, im Hinblick auf eine unteilbare Gefahrenabwehrmaßnahme davon auszugehen, dass eine Inanspruchnahme je nach Verantwortlichkeitsumfang sowohl auf die Störer- als auch auf die Nichtstörereigenschaft gestützt wird827 und hinsichtlich des „überschießenden“ Beitrags der in Anspruch Genommene wie ein Nichtstörer entschädigt wird. Das Maß der jeweiligen Verantwortung wird von den Zurechnungskriterien bestimmt, die für die Legitimation der Inanspruchnahme maßgeblich sind. Nur dadurch wird auch der Grundsatz der Belastungsgleichheit gewahrt, da auf diese verursacht hat, kann jeder in vollem Umfang zur Verantwortung gezogen werden“ (Hervorhebung nicht im Original). 826 M.-J. Seibert, Gesamtschuld, DÖV 1983, 964, 970, will (hinsichtlich der Gesamtschuld) danach differenzieren, ob die jeweiligen Pflichten vertretbar oder unvertretbar sind. Für die Primärmaßnahme ist das unerheblich; auf der Sekundärebene hingegen geht es um die Gesamtlasten der Gefahrenabwehr, nicht nur die Kosten einzelner Handlungen. 827 Th. Würtenberger/D. Heckmann/R. Riggert, Polizeirecht, Rdnr. 514 mit Fußn. 610; für die Zustandsverantwortlichkeit früher ebenso W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Aufl., Rdnr. 175.

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Weise eine Ausweitung der Verantwortung über den Verursachungsbeitrag hinaus vermieden wird. 3. Konnexität von Primär- und Sekundärebene Der Verursachungsbegriff und die ihm zugrunde liegende materielle Rechtfertigung haben Folgewirkungen innerhalb der polizeirechtlichen Regelungsstruktur. Die Verantwortlichkeit für die Gefahr rechtfertigt dem Grunde nach nicht nur die Inanspruchnahme für ihre Abwehr, sondern als auf besonderem Rechtsgrund beruhende Pflichtigkeit auch die damit verbundene Kostenbelastung828. Dem entspricht die gesetzliche Regelung, die dem in Anspruch genommenen Verursacher keinen Ausgleichsanspruch gewährt, hingegen den Verursacher, der selbst keinen Gefahrenabwehrbeitrag geleistet hat, zur Übernahme derjenigen Kosten und Aufwendungen für verpflichtet bzw. verpflichtbar hält, die dem Verwaltungsträger der Polizei- oder Ordnungsbehörde entstanden sind829. Die Zuordnung von Gefahrenabwehrpflicht und Kostentragung ist eindeutig: Nur wer auf der Primärebene verantwortlich ist, ist es auch auf der sekundären Ebene. a) Trennung von primärer und sekundärer Ebene in Anscheins- und Verdachtslagen Demgegenüber wird verbreitet der in der Systematik des Gesetzes angelegte Konnex zwischen primärer und sekundärer Ebene in Frage gestellt830. Dies setzt zwar vornehmlich bei dem Begriff der Gefahr an, wirkt aber auf die Verantwortlichkeit fort. Angesprochen sind damit die Anscheins- und Verdachtslagen, die entweder durch einen subjektiv-situationsbedingt unvermeidlichen Irrtum über das Vorliegen einer Gefahr („Anscheinsgefahr“) bzw. die Verantwortlichkeit („Anscheinsstörer“), oder durch die auf Tatsachen basierende, aber (noch) unbestätigte Vermutung einer Gefahr („Gefahrverdacht“) oder Verantwortlichkeit („Verdachtsstörer“) gekennzeichnet sind. Die Begriffe „Anscheinsgefahr“ und „Anscheinsstörer“ können nur auf der Grundlage unterschiedlicher Beurteilungen ein und derselben Sachlage sinnvoller Weise verwendet werden. Die herrschende Terminologie will dies an der zeitlichen Differenz festmachen, die zwischen den Entscheidungen auf der primären und der sekundären Ebene bestehen. Während es für die Rechtmäßigkeit der Gefahrenabwehrmaßnahme darauf ankommen soll, ob ein pflichtbewusster und gewissenhafter Beamter „ex ante“ vom Vorliegen einer Gefahr bzw. von 828 829 830

Vgl. schon oben § 10 B. II. 3. §§ 5a Abs. 2, 50 Abs. 1 MEPolG. Vgl. die Nachweise oben Fußn. 779.

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der Verantwortlichkeit für eine Gefahr ausgehen durfte831, wird im Rahmen der Kostenentscheidung nach der insoweit maßgeblichen „ex-post-Betrachtung“ auf die mittlerweile ermittelte „objektive“ Sachlage abgestellt. Die Rechtmäßigkeit der Primärmaßnahme bleibt von diesen nachträglich erlangten Kenntnissen ebenso unberührt wie die Inanspruchnahme einer Person als Verantwortliche. Bei der Zuteilung der finanziellen Lasten wird dagegen darauf abgestellt, ob der Anschein (der Gefahr oder der Verantwortlichkeit) dem in Anspruch Genommenen zurechenbar ist. (Nur) wenn dies nicht der Fall ist, wird er wie ein (bzw. als) Nichtverantwortlicher entschädigt832. Die Rechtfertigung für eine so differenzierte Lesart gesetzlicher Tatbestandsmerkmale wird in den unterschiedlichen Zwecken von Primär- und Sekundärmaßnahme gesehen833: Bei der Erstgenannten gehe es um die effektive Abwehr von Gefahren in zeitlich begrenztem Rahmen, der eine umfassende Sachverhaltsaufklärung nicht zulasse, ohne den Zweck zu gefährden. Situativ bedingte Beschränkungen der Erkenntnismöglichkeiten seien deshalb auch bei der Normauslegung und -anwendung zu berücksichtigen. Auf der Sekundärebene hingegen sei die Frage der gerechten Lastenverteilung zu entscheiden, die nicht unter Zeitdruck stehe und bei der auf die objektive Sachlage abgestellt werden könne und wegen des Grundsatzes der Lastengleichheit auch müsse. Noch differenzierter wird die rechtliche Situation in den Fällen betrachtet, in denen aus Sicht der handelnden Behörde unsicher ist, ob eine Gefahr vorliegt oder nicht, aber tatsächliche Umstände darauf hinweisen, dass dies der Fall sein könnte. Hier ist bereits umstritten, auf welcher Basis die Primärmaßnahme ergehen kann. Teilweise wird der Gefahrenverdacht als Gefahr834 oder als Gefahr mit geminderter Schadenswahrscheinlichkeit betrachtet835, teilweise die polizeiliche Generalklausel als Eingriffsgrundlage für Gefahrerforschungsmaßnahmen 831 Hier lässt sich mit R. Breuer, Umweltschutz und Gefahrenabwehr, in: Gedächtnisschrift f. W. Martens, S. 317, 335 f., 337 f., noch weiter differenzieren: Die Anscheinsverantwortlichkeit kann sich auf eine reale Gefahr beziehen, für die der Anschein der Verantwortlichkeit erweckt worden ist („echter Anscheinsstörer“); sie kann sich auf eine reale Gefahr beziehen, ohne dass der Anschein erweckt worden ist („anscheinsbetroffener Nichtstörer“); beide Varianten lassen sich des Weiteren auf die Anscheinsgefahr beziehen. – Die Vielfalt der Kombinationsmöglichkeiten beruht auf einer differenzierungsfreudigen, aber gesetzesfernen Begriffsbildung, die mehr Probleme schafft, als sie löst. 832 Vgl. K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 100c; F. Schoch, Grundfälle, JuS 1995, 504, 507; Th. Würtenberger/D. Heckmann/R. Riggert, Polizeirecht, Rdnr. 915. 833 K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 201a; J. Martensen, Materielle Polizeipflicht, DVBl. 1996, 286, 290 f.; M. Möstl, Staatliche Garantie, S. 169 ff.; F. Rachor, Ausgleichs- und Ersatzansprüche, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, L Rdnr. 43; F. Schoch, Entschädigung, JuS 1993, 724, 727; ders., Grundfälle, JuS 1994, 932, 934. 834 F. Hansen-Dix, Gefahr im Polizeirecht, S. 66 f.; O. Schneider, Grundsätzliche Überlegungen, DVBl. 1980, 406, 408.

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teleologisch erweitert836, teilweise werden unabhängig vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen die Eingriffsbefugnisse auf vorläufige Maßnahmen reduziert837. Soweit danach Eingriffe zur Ermittlung der Gefahrenlage auf polizeirechtliche Rechtsgrundlagen gestützt werden können, wird im Rahmen der Kostenentscheidung vielfach838 nach dem Ermittlungsergebnis differenziert und bei nicht bestätigter Gefahr die Kostenlast zu Gunsten der ursprünglich als verantwortlich angesehenen Person auf die Behörde verlagert839. b) Probleme des subjektiven Gefahrbegriffs Die Trennung von Primär- und Sekundärebene basiert auf der unterschiedlichen Verwendung des Begriffs der Gefahr, die grob mit der Unterscheidung von subjektivem und objektivem Gefahrenbegriff charakterisiert werden kann840. Subjektiv ist der Gefahrbegriff auf der Ebene der Gefahrenabwehr bzw. Gefahrenerforschung insofern, als es auf die pflichtgemäß erlangte Kenntnis und Prognose des handelnden Beamten ankommen soll. Dem steht das „objektive“ Verständnis von Gefahr gegenüber, die „ex-post-Betrachtung“, die insofern objektiv ist, als sie die „wirkliche“ Sachlage zugrunde zu legen hat. Wegen seiner Bindung an ein Wahrscheinlichkeitsurteil handelt es sich allerdings stets um einen 835 E. Brandt/U. Smeddinck, Gefahrenbegriff, Jura 1994, 229 f.; C. D. Classen, Gefahrerforschung und Polizeirecht, JA 1995, 608, 610; Th. Darnstädt, Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge, S. 95 f.; F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 96; W. Martens, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 13 2 c), S. 226; W. Weiß, Gefahrerforschungseingriff, NVwZ 1997, 737, 743; ähnlich E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnr. 40; die Formulierung ablehnend, das Vorliegen einer Gefahr bei Gefahrverdacht gleichwohl für möglich haltend W.-R. Schenke, Gefahrenverdacht, in: Festschrift f. K. H. Friauf, S. 455, 459 f. 836 K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 52a; V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 155. 837 Vgl. U. Di Fabio, Vorläufiger Verwaltungsakt, DÖV 1991, 629, 634 ff.; er verweist lediglich (S. 636) darauf, dass das Vorliegen einer Ermächtigungsgrundlage verbreitet angenommen werde; ferner B. Losch, Dogmatik der Gefahrenerforschungsmaßnahme, DVBl. 1994, 781, 782 f., der „die Zweifelhaftigkeit hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen als solche zur Grundlage für die Rechtfertigung des Vorgehens macht“. 838 Anders z. B. C. D. Classen, Gefahrerforschung und Polizeirecht, JA 1995, 608, 612, der eine Kostentragung des „Verantwortlichen“ auch bei unbegründetem Verdacht befürwortet. 839 R. Breuer, Umweltschutz und Gefahrenabwehr, in: Gedächtnisschrift f. W. Martens, S. 317, 348; K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnrn. 52a, 100e; V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 154; F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 97; Th. Würtenberger/D. Heckmann/R. Riggert, Polizeirecht, Rdnr. 915. 840 Zu Differenzen bei der Formulierung des subjektiven Gefahrbegriffs R. Poscher, Der Gefahrverdacht, NVwZ 2001, 141, 144.

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subjektiv geprägten Begriff841, wird er nun „ex ante“ oder „ex post“ als Tatbestandsmerkmal relevant. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass nicht der Entscheidungszeitpunkt, sondern nur der unterschiedliche Wissenshorizont eine differenzierende Beurteilung einer Gefahrenlage trägt842. Die irreführende Bezeichnung verleitet zu dem Fehlschluss (bzw. umgekehrt: basiert auf der Fehlvorstellung), wenn es auf den „Zeitpunkt ex ante“ ankomme, könne auch nur die subjektive Einschätzung des handelnden Beamten maßgeblich sein843. Damit hebt sich das Gefahrenabwehrrecht vom übrigen Verwaltungsrecht ab, in dem die Rechtmäßigkeit staatlicher Maßnahmen, zumal von Eingriffsakten, nicht durch (selbst unvermeidliche) Irrtümer der staatlichen Bediensteten gerechtfertigt werden kann, sondern, man möchte sagen: selbstverständlich, vom objektiven Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Befugnisnorm jeweils zum Zeitpunkt bzw. im Zeitraum der Wirksamkeit des Staatsakts abhängt844. Die Besonderheit kann nicht mit dem prognostischen Element des Gefahrenbegriffs erklärt werden845. Würde dieser sich zwingend auf den Wissenshorizont der jeweils in der gefährlichen Situation handelnden Behörden beziehen, könnten primäre und sekundäre Ebene nicht auseinanderfallen, weil dann die „ex-post-Sicht“ zu keinem anderen als dem „ex ante“ gefundenen Ergebnis führen dürfte846. Denn im Ergebnis führt der subjektive Gefahrbegriff dazu, dass den Polizeibehörden bezüglich der Frage, ob eine Gefahr vorliegt oder 841 So zutreffend E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnr. 36; insoweit auch O. Schneider, Grundsätzliche Überlegungen, DVBl. 1980, 406, 407. Die Begriffe „objektiv“ und „subjektiv“ sind in Bezug auf Wahrscheinlichkeitsurteile in gewissem Maße austauschbar, weil sie beide gleichermaßen relativ sind. 842 Vgl. dazu oben § 11 B. II. 2. e) bei Fußn. 781 ff. 843 Vgl. etwa D. Ehlers, Anmerkung, DVBl. 2003, 336; W.-R. Schenke/J. Ruthig, Rechtsscheinhaftung, VerwArch 87 (1996), 329, 336; F. Schoch, Entschädigung, JuS 1993, 724, 725; ders., Grundfälle, JuS 1994, 667, 668. 844 Vgl. auch J. Schwabe, Fürmöglichhalten, in: Gedächtnisschrift f. W. Martens, S. 419, 436 f. 845 Anders nunmehr M. Möstl, Staatliche Garantie, S. 169 ff.: Seiner Ansicht nach muss der Gefahrbegriff von der Entscheidungssituation des Polizisten ausgehen, der jeweils seine Maßnahmen unter Ungewissheitsbedingungen zu treffen hat. Soll der Begriff in der Lage sein, sein Handeln zu steuern, müsse er in einer Weise ausgelegt werden, die der Eigenart der Situation gerecht wird, also aus Sicht der Polizeibehörden. Ferner sei die staatliche Sicherheitsaufgabe miteinzubeziehen, die das Interesse an effektivem Rechtsgüterschutz verfassungsrechtlich fundiere und gegebenenfalls grundrechtlich fundierte Rechte auf Schutz gewähre, was aber voraussetze, dass die zu ihrer Erfüllung ergriffenen Maßnahmen auch rechtmäßig seien. Das erste Argument basiert auf der Gleichsetzung von Amts- und Staatspflichten [dazu sogleich unter c) S. 315], das zweite Argument vernachlässigt die ebenfalls grundrechtlich fundierte Position dessen, der zur „Abwehr“ scheinbar oder möglicherweise bestehender Gefahren herangezogen wird. 846 Insofern ist es konsequent, wenn C. D. Classen, Gefahrerforschung und Polizeirecht, JA 1995, 608, 612, dem „Verantwortlichen“ auch bei unbestätigtem Gefahrverdacht die Kostenlast auferlegt.

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nicht, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum eingeräumt wird847. Das aber ist vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG rechtfertigungsbedürftig. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass es durchaus polizeirechtliche Normen gibt, die explizit auf die Beurteilung einer Sachlage ex situatione verweisen848 und somit einen Anhaltspunkt für eine gesetzlich übertragene Beurteilungsermächtigung bieten. Das ist bei der polizeilichen Generalklausel nicht der Fall. Die Subjektivierung des Gefahrbegriffs führt in Fällen der Anscheinsgefahr zwangsläufig zur Subjektivierung des Verantwortlichkeitsbegriffs. Die Zurechnungslehren etwa bei der Verhaltensverantwortlichkeit können dann nicht mehr greifen, weil eine tatsächlich nicht bestehende Gefahr nicht äquivalent, adäquat, unmittelbar, sozialinadäquat oder rechtswidrig, sondern gar nicht verursacht worden sein kann. Hier wird dann stattdessen auf die „Verursachung des Anscheins“ abgestellt. Das aber ist durchaus etwas anderes als die Verantwortlichkeit für eine Gefahr. Vor allem muss die Zurechnung des Anscheins auf eine Zurechnungsnorm gestützt werden, die aber im allgemeinen Polizeirecht nicht vorhanden ist, insbesondere nicht in den allgemeinen Adressatenbestimmungen, die eben eine Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut voraussetzen. Zwar wird insofern, vom Boden der Theorie der unmittelbaren Verursachung aus849, auf die Schaffung eines „Irreführungsrisikos“ abgestellt. Damit ist aber die Subjektivierung des Verantwortlichkeitsbegriffs erst recht offengelegt. Außerdem kann die Zurechnung der dadurch geschaffenen „Gefahr“ allenfalls Pflichten rechtfertigen, die zur Aufklärung des Irrtums führen. Nach der hier vetretenen, auf die Rechtswidrigkeit des Verhaltens rekurrierenden Verursachungslehre könnte eine Verhaltensverantwortlichkeit für Anscheinsgefahren nur bestehen, wenn eine Rechtspflicht existierte, den Anschein einer Gefahr zu vermeiden, da der bloße Anschein, eine Rechtspflicht verletzt zu haben, jedenfalls eine Verantwortlichkeit nicht zu begründen vermag850. Doch ein solches allgemeines Verbot wäre verfassungsrechtlich kaum haltbar, umso weniger, wenn es sich auf einen subjektiven Erkenntnishorizont derer beziehen sollte, bei denen der Irrtum ausgelöst wird. Dann aber verbleibt es bei der durch Adressaten- und Befugnisnorm

847 F. Rachor, Polizeihandeln, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, F Rdnr. 150. 848 Vgl. z. B. die Formulierung „. . . wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen . . .“ in §§ 11 Abs. 1 Nr. 1, 17 Abs. 1 Nr. 2, 18 Abs. 1 Nr. 2, 19 Abs. 1 Nr. 1 und 2 MEPolG. 849 So W.-R. Schenke/J. Ruthig, Rechtsscheinhaftung, VerwArch 87 (1996), 329, 338 ff.; der Rekurs auf die Unmittelbarkeitslehre ist insofern inkonsequent, als die Autoren von einer materiellen Polizeipflicht ausgehen, „deren Nichterfüllung die innere Rechtfertigung für die (entschädigungslose) polizeiliche Inanspruchnahme liefert“ (a. a. O., S. 348). 850 Vgl. auch J. Schwabe, Gefahrenabwehr, DVBl. 2001, 968.

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hergestellten Verbindung von Verursachung und Gefahr851. Das allgemeine Polizeirecht kennt keinen „Verursacher“ von Anscheinsgefahren. Zu ähnlichen Schwierigkeiten führt der subjektive Gefahrbegriff in Fällen des Gefahrverdachts. Hier liegen Diagnose- oder Prognoseunsicherheiten der handelnden Behörde vor, die an sich mit dem Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Gefahr nichts zu tun haben. Das Gefährdungspotential einer Situation ist davon unabhängig, dass es „ex ante“ wahrgenommen wird. Die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts hängt davon nicht ab, sie wird weder durch Unkenntnis vermindert noch durch Kenntnisnahme erhöht852. Insofern ist es missverständlich, wenn der Gefahrenverdacht als „Gefahr mit verringerter Schadenswahrscheinlichkeit“ bezeichnet wird. Zu einer solchen wird sie erst (scheinbar853) durch die Subjektivierung, wenn zwei Wahrscheinlichkeiten – hinsichtlich der ungewissen tatsächlichen Lage und hinsichtlich des Schadenseintritts – „zusammengerechnet“ werden. Tatsächlich aber ist die Ungewissheit über das Vorliegen einer Gefahr eine Unsicherheit über die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm, auf die eine Eingriffsmaßnahme gestützt werden soll854. Diese kann für die Frage von Bedeutung sein, ob eine Regelung oder sonstige Maßnahme getroffen werden darf855; für die Rechtmäßigkeitsbeurteilung des gleichwohl erlassenen Aktes spielt aber nicht die (ursprüngliche) Ungewissheit, sondern die Verteilung der Beweislast eine Rolle, die im Falle belastender Verwaltungsakte bei dem Träger der Behörde liegt. Wird nun aber der Verdacht nicht bestätigt, kann die Verwaltung nicht die Erfüllung aller tatbestandlichen Voraussetzungen für das Einschreiten nachweisen. Nach allgemeinen Regeln geht das nicht zu Lasten des Bürgers. c) Der Austausch der Pflichtsubjekte Damit wird aber deutlich, dass der subjektive Gefahrbegriff sich nicht auf die staatliche Pflicht, (nur) rechtmäßige Regelungen zu treffen, bezieht, sondern auf die beamtenrechtliche Pflicht des Amtswalters, nur bei subjektiv bestehender Überzeugung von der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermächtigungsnorm die darin vorgesehenen Entscheidungen zu fällen. Bei der 851

Oben § 11 B. III. 2. a). O. Schneider, Grundsätzliche Überlegungen, DVBl. 1980, 406, 407, will hingegen nachgewiesen haben, dass es Fälle gibt, in denen das Vorhandensein einer Gefahr von rein subjektiven Merkmalen abhängt. Tatsächlich zeigt er lediglich, dass sich subjektiver und objektiver Gefahrbegriff einander annähern, je mehr Informationen die Beteiligten über die Fakten haben. 853 Vgl. K. Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 248. 854 Vgl. zu allem R. Poscher, Gefahrenabwehr, S. 151 ff.; ders., Der Gefahrverdacht, NVwZ 2001, 141, 142. 855 Vgl. C. H. Ule/H.-W. Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 27 Rdnr. 16. 852

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Anscheinsgefahr wird die Anknüpfung an die dienstrechtliche Pflichtenstellung bereits in den Formulierungen deutlich, die auf den „gewissenhaften, sachkundigen und besonnenen“ Beamten abstellen. Das erinnert an den „pflichtgetreuen Durchschnittsbeamten“, der den Maßstab für Sorgfaltspflichten im Rahmen des Amtshaftungsrecht darstellt856. Dort ist allerdings, sofern man nicht Art. 34 GG eine unmittelbare Staatsunrechtshaftung entnimmt857, der Rekurs auf Amtspflichten konsequent, weil ihre Verletzung den Rechtsgrund für den Amtshaftungsanspruch ergibt. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit staatlicher Maßnahmen aber muss an diejenigen Pflichten angeknüpft werden, die gerade dem Staat obliegen. Diese Unterscheidung folgt, wie schon erwähnt858, aus der gerade im öffentlichen Recht bestehenden Mehrzahl der Pflichtsubjekte mit je eigenen Pflichtenstellungen, die durch einen verhaltensbezogenen Rechtswidrigkeitsbegriff nicht adäquat abgebildet werden können859. Das materielle Recht, das die staatliche Pflichtenstellung begründet, spricht aber deutlich für ein objektives Verständnis des Gefahrenbegriffs, schon deshalb, weil es zu Grundrechtseingriffen ermächtigt, die nicht durch widerlegte Einschätzungen der handelnden Personen gerechtfertigt werden können. Außerdem kann nur auf solcher Grundlage der sachliche Zusammenhang von polizeirechtlicher Verantwortlichkeit und Lastenverteilung gewahrt werden. Schließlich werden dadurch auch merkwürdige interpretatorische Verrenkungen bei Anwendung der polizeirechtlichen Regelungen vermieden, deren Berechtigung vom Boden des subjektiven Gefahrbegriffs aus nie hinreichend begründet worden sind860. Auch die Effektivität der Gefahrenabwehr muss hierunter nicht leiden. In Fällen der Anscheinsgefahr haben die handelnden Beamten die ihnen obliegenden Amtspflichten auch dann erfüllt, wenn sie hinterher bezüglich ihrer Gefahreinschätzung eines Besseren belehrt werden und sich die polizeiliche Maßnahme als rechtswidrig 856 F. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 2. Teil, III. 5.d), S. 76; K. Windthorst, in: S. Detterbeck/K. Windthorst/H.-D. Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rdnr. 177. 857 Vgl. oben 1. Teil, § 4 C. I. 2. m. w. N. in Fußn. 171. 858 Oben 1. Teil, § 5 A. III. sowie § 5 B. I. 859 Das verkennt K. Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 247, der in der Unterscheidung von Handlungs- und Erfolgsunrecht (oder meint er Zustandsunrecht?) einen Lösungsweg für die rechtliche Bewältigung von Anscheins- und Verdachtslagen erblickt. 860 Das betrifft z. B. die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage ein als Verantwortlicher Herangezogener doch einen Entschädigungsanspruch erhalten soll, wenn die Inanspruchnahme rechtmäßig war. Eine analoge Anwendung des § 45 Abs. 1 MEPolG kommt nur bei einer Regelungslücke in Betracht. Doch das Recht der Entschädigungsund Ersatzleistungen deckt alle Möglichkeiten – rechtmäßige/rechtswidrige Maßnahmen; Verantwortlicher/Nichtverantwortlicher – ab. Wie steht es mit der Entschädigung bei unmittelbarer Ausführung nach § 5a Abs. 1 MEPolG angesichts der gegenteiligen Anordnung in § 5a Abs. 2 S. 1 MEPolG? Kann man bei „Zurechnung des Anscheins“ die Kostentragungspflicht des „Verantwortlichen“ tatsächlich mit Argumenten – Fehlen einer tatsächlichen Gefahr – begründen, die letztlich doch die Rechtswidrigkeit der Primärmaßnahme belegen? usw.

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erweist. Problematisch ist freilich der Gefahrenverdacht, bei dem der Amtswalter gerade nicht sicher ist, ob der Tatbestand der Eingriffsnorm erfüllt ist. Dem kann aber, wie R. Poscher861 gezeigt hat, durch die Annahme einer Beweismaßreduktion abgeholfen werden, die vermeidet, dass die staatlichen Bediensteten im Spannungsfeld zwischen Amtsauftrag und tatsächlicher Ungewissheit die Wahl zwischen einer möglichen Amtspflichtverletzung durch Untätigkeit und einer möglichen Amtspflichtverletzung durch ihr Eingreifen haben862. Der subjektive Gefahrbegriff und alle damit zusammenhängenden Folgeprobleme basieren also letztlich auf einem Austausch der Pflichtsubjekte, der den Unterschied zwischen der rechtlichen Bewertung eines staatlichen Aktes und der rechtlichen Bewertung des Verhaltens eines Amtsträgers bei Vornahme dieses Aktes negiert. d) Fazit Mit der Ablehnung des subjektiven Gefahrbegriffs entfällt auch die Notwendigkeit, einen – kaum zu rechtfertigenden – subjektiven Verursachungsbegriff zu fingieren. Die Verantwortlichkeit bildet die gemeinsame Grundlage für Pflichten zur Gefahrenabwehr wie auch für die Kostenlast. Eine Trennung zwischen primärer und sekundärer Ebene ist rechtlich weder gefordert noch begründbar. Das Gesetz ist zuweilen klüger als die Dogmatik, die es auslegen will.

C. Die Zustandsverantwortlichkeit Neben dem Verursacher werden nach allgemeinem Polizeirecht Gefahren, die von einer Sache ausgehen, demjenigen zugerechnet, der für den Zustand dieser Sache verantwortlich ist. § 5 MEPolG benennt neben dem Inhaber der tatsäch861 R. Poscher, Gefahrenabwehr, S. 164 ff.; ders., Der Gefahrverdacht, NVwZ 2001, 141, 144 ff.; R. Poscher spricht in diesem Zusammenhang (NVwZ 2001, 141, 144) von einer „verfahrensrechtlichen Lösung“. Das ist missverständlich und auf berechtigte Kritik gestoßen (vgl. D. Ehlers, Anmerkung, DVBl. 2003, 336, Fußn. 4). Denn das „Verfahren“, in dem die Beweismaßreduktion eingreift, ist nicht das Verwaltungsverfahren i. S. d. § 9 VwVfG, sondern die Führung der Amtsgeschäfte durch den jeweiligen Beamten. 862 Diesen Unterschied übersieht auch M. Möstl, Staatliche Garantie, S. 172 f. mit Fußn. 78, der davon ausgeht, die beamtenrechtlichen Dienstpflichten würden nach der hier vertretenen Konzeption von der Rechtmäßigkeit des Handelns des Beamten abgekoppelt und führten zu Dienstpflichten auf Vornahme von rechtswidrigen Handlungen. – Es ist gerade die in diesen Überlegungen zu Tage tretende Konsequenz, die die Notwendigkeit einer Unterscheidung nach Pflichtsubjekten verdeutlicht. Weder können, insbesondere vor dem Hintergrund grundrechtlicher (Unterlassungs-)Pflichten, die Pflichtenstellungen des Staates auf die Möglichkeiten seiner Beamten reduziert, noch deren Amtspflichten auf den Pflichtenstatus des Staates erweitert werden.

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lichen Gewalt den Eigentümer oder einen anderen Berechtigten sowie für herrenlose Sachen denjenigen, der das Eigentum an der Sache aufgegeben hat. Diese Sachverantwortlichkeit unterscheidet sich grundlegend von der Verhaltensverantwortlichkeit. Ein wie auch immer gearteter „Verursachungsbeitrag“ des Verantwortlichen wird für seine Verpflichtbarkeit nicht gefordert863. Die für die Verantwortlichkeit relevante Beziehung zwischen Ursache und Gefahr wird nicht rechtlich hergestellt, sondern faktisch festgestellt. Wenn zur Beschreibung dieser faktischen Beziehung der Begriff der Verursachung verwendet wird, dann kann dies nur in einem tatsächlichen Sinne verstanden werden, weil der Zustand einer Sache conditio sine qua non für die Gefährdung eines Rechtsguts sein muss. Die Verursachungslehren, die für die Verhaltensverantwortlichkeit entwickelt worden sind864, können nicht, wie es verbreitet geschieht865, auf die Zustandverantwortlichkeit übertragen werden866. Deren Funktion ist es, aus der unbegrenzten Vielzahl menschlicher Verhaltensweisen diejenigen herauszufiltern, die die Zurechnung von Gefahren an Personen rechtfertigen867; es sind Zurechnungs-, nicht Kausalitätstheorien868. Einer Sache lässt sich eine Gefahr nicht zurechnen, sondern nur zuordnen. Sie „verursacht“ nicht eine Gefahr, sondern sie bildet sie869. Eine Begrenzung der durch die Kausalität vermittelten Beziehung zwischen Sache und Gefahr erfolgt einerseits durch das Erfordernis, dass die Gefahr „konkret“ sein, andererseits dadurch, dass sie von der Sache ausgehen muss, die Sache selbst also die Gefahrenquelle bildet. So ist die Gefahr einer mißbräuchlichen Verwendung oder Nutzung einer Sache keine von der Sache selbst ausgehende Gefahr870.

863 Die Zustandsverantwortlichkeit lässt sich deshalb auch nicht auf das Verursacherprinzip zurückführen, wie W. Frenz, Verursacherprinzip, S. 253 ff., ders., Grenzen privater Verantwortung, VerwArch 90 (1999), 208, 219, meint. 864 Oben § 11 B. I. 865 E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnr. 63; V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 195; B. Pieroth/B. Schlink/M. Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9 Rdnr. 45; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 171; F. Schoch, Grundfälle, JuS 1994, 932, 937; H. J. Wolff/O. Bachof, Verwaltungsrecht III, § 127 Rdnr. 15; Th. Würtenberger/D. Heckmann/R. Riggert, Polizeirecht, Rdnr. 441. 866 Wie hier K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 83; O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 229 f. 867 Vgl. auch O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 225. 868 So aber bezeichnet von F. Schoch, Grundfälle, JuS 1994, 932, 937; ders., Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnrn. 117, 119, 131, scheint nun Kausalität als notwendige Bedingung der Zurechnung anzusehen; das kann für das Unterlassen aber nicht gelten. 869 Zutreffend K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 83; ferner W. Martens, in: B. Drews/G. Wacke/ K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 21 1 a), S. 318, der indes eine Verbindung zur Theorie der unmittelbaren Verursachung herstellt.

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I. Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit Die Zurechnung der Gefahr zu einer Person erfolgt über die Verantwortlichkeit für den Zustand der gefährlichen Sache, die durch die oben benannten Sachbeziehungen hergestellt wird. Die Möglichkeit, den Inhaber der Sachherrschaft zur Gefahrenabwehr heranzuziehen, entspricht dem Grundsatz effektiver Gefahrenabwehr, da die tatsächliche oder rechtliche Sachherrschaft regelmäßig den Zugriff auf die Gefahrenquelle eröffnet. Die tatbestandliche Anknüpfung der Zustandsverantwortlichkeit beantwortet allerdings nur die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Zustandsverantwortlichkeit besteht. Sie trägt aber ihre Rechtfertigung nicht bereits in sich871. Die Effektivität der Gefahrenabwehr selbst kann die Heranziehung einer Person nicht begründen872, weil dies wiederum die Frage aufwirft, warum der Einzelne zur effektiven Gefahrenabwehr verpflichtet sein soll. Aus Sicht der Polizeibehörden ist der Effektivitätsgrundsatz ein eminent wichtiger entscheidungsleitender Gesichtspunkt, der sich aus ihrer Aufgabenstellung der Sicherung der öffentlichen Sicherheit ergibt873. Das aber hat mit der Verantwortlichkeit des einzelnen nichts zu tun, da anderenfalls der Nichtverantwortliche schon deshalb zum „Störer“ würde, weil er im Einzelfall über das „Gegenmittel“ verfügt und die Gefahr am effektivsten beseitigen kann. Die Verantwortlichkeit entsteht mit der Gefahr und nicht erst mit der Gefahrenabwehr. Es stellt sich deshalb die Frage, warum tatsächliche oder rechtliche Sachherrschaft eine Verantwortlichkeit zu begründen und somit dem Grunde nach die Auferlegung besonderer Pflichten zu rechtfertigen vermögen. Die Verbindung mit dem Eigentumsgrundrecht, insbesondere der Sozialpflichtigkeitsklausel in Art. 14 Abs. 2 GG, spielt für die sachliche Rechtfertigung der Zustandsverantwortlichkeit seit jeher die zentrale Rolle, wobei, kaum überraschend, die Art und Weise dieser Verbindung sich mit dem jeweiligen Stand der Eigentumsdogmatik wandelt. Spätestens seit die Polizeigesetze unter dem Einfluss der Formulierung in § 5 des Musterentwurfs eines einheitlichen Polizeigesetzes die Verantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Gewalt an erster Stelle erwähnen, kommt allerdings die Problematik hinzu, dessen Inanspruchnahme in eine 870 Vgl. zu sog. Eigensicherungspflichten gegen Störungen durch Dritte BVerwG, Urt. v. 4.10.1985 – 4 C 76/82 – DVBl. 1986, 360 f. 871 Vgl. auch K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 86, Fußn. 275; anders A. Schink, Grenzen der Störerhaftung, VerwArch 82 (1991), 357, 379 mit der Identifizierung von Anknüpfungspunkt und Rechtsgrund. 872 So aber M. Griesbeck, Materielle Polizeipflicht, S. 79. 873 Vgl zur Effektivität der Gefahrenabwehr (jeweils in Bezug auf die Störerauswahl) W. Martens, in: W. Martens, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 19 6, S. 301 f.; J. Martensen, Erlaubnis zur Störung, S. 109 f.; B. Pieroth/B. Schlink/M. Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9 Rdnrn. 86 ff.

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Bestimmung des Rechtsgrundes der Zustandsverantwortlichkeit mit einzubeziehen. 1. Das Sachherrschaftsmodell nach O. Lepsius Eine in sich geschlossene Theorie der Zustandsverantwortlichkeit, die auf dem Eigentumsgrundrecht beruht und die Verantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Gewalt mit berücksichtigen kann, hat O. Lepsius entwickelt874. Sie beruht auf einem von der herkömmlichen Dogmatik abweichenden verfassungsrechtlichen Begriff des Eigentums. Nach Lepsius ist das Schutzgut der Eigentumsgarantie nicht das vom Gesetzgeber erst auszugestaltende Recht, sondern die vorrechtliche faktische Sachherrschaft als einer tatsächlichen Beziehung zwischen Mensch und Sache875. Als subjektives Recht wird das Eigentumsrecht von der Rechtsordnung geschaffen und lässt sich nach normgeprägter tatsächlicher (z. B. zivilrechtlicher Besitz nach §§ 854 ff. BGB) und normgeprägter rechtlicher Sachherrschaft (z. B. zivilrechtliches Eigentum nach §§ 903 ff. BGB) unterscheiden876. Die vielfältigen tatsächlichen Sachherrschaftsverhältnisse werden somit durch die Rechtsordnung ausgestaltet und damit in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie einbezogen. Während die vorrechtliche faktische Sachherrschaft eine tatsächliche Beziehung zwischen Mensch und Sache bezeichnet, wird durch die normgeprägte Sachherrschaft ein interpersonelles Rechtsverhältnis in Bezug auf eine Sache begründet. a) Das Verhältnis von Rechten und Pflichten Wesentlich für das Verständnis des Sachherrschaftsmodells und die daraus folgende Theorie der Zustandsverantwortlichkeit ist das Verhältnis von Rechten und Pflichten. Rechte ohne Pflichten seien normtheoretisch undenkbar. „Jede subjektive Berechtigung löst an anderer Stelle eine Pflicht aufgrund des subjektiven Rechts aus“877. Es komme beim subjektiven Recht auf beide Seiten der Normprägung an. Daraus zieht O. Lepsius den Schluss, dass wegen der Normprägung des Eigentumsrechts Rechte und Pflichten des Eigentümers sich aus der Normprägung der Sachherrschaft ergeben und entwickelt ein Modell der Pflichtenbegründung, das auf der Sachherrschaft als subjektivem Recht basiert878. Sachherrschaftsbezogene Pflichten gründen danach in der Nutzbarkeit 874

O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, 2002. O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 17 ff. 876 O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 30 ff. 877 O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 107, unter Berufung auf H. Kelsen, z. B. in: Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, S. 311, 435 f.; dens., Reine Rechtslehre, 1. Aufl., S. 39 ff., 2. Aufl., S. 130 ff. 878 O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 110 ff. 875

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und Beherrschbarkeit durch den Sachherrn: „Wer die Sache beherrscht, darf Nutzungen aus ihr ziehen und über sie verfügen, muß aber auch die damit verbundenen Gefahren tragen“879. Den individuell gewählten und gewollten Nutzungen entspringen Gefahren, die nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt werden können, unter anderem deshalb, weil diese die Nutzungsentscheidungen nicht zu beeinflussen vermag. Es besteht deshalb eine Korrelation von Nutzen und Lasten: „Vorteile und Nachteile der Herrschaft über die Sache müssen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen“880, das nach Lepsius rein rechtlich zu verstehen ist, weil Nutzbarkeit und Pflichtigkeit auf derselben rechtlichen Begründung basieren und nur unterschiedliche Ausprägungen der Sachherrschaftsstellung darstellen. Die Pflichten, die aus der Sachherrschaft folgen, müssen deshalb immer an entsprechende Rechte anknüpfen. Der Pflichtige kann nur auf seinen Rechtskreis beschränkt und nicht mit Pflichten belastet werden, die darüber hinaus gehen. Daraus ergibt sich die (einzige?) Grenze der Pflichtigkeit: Pflichten können nicht weiter reichen als die Rechte, auf die sie bezogen sind881. b) Die Zustandsverantwortlichkeit Daraus folgt eine Theorie der Zustandsverantwortlichkeit, die die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte der Polizeigesetze als normgeprägte Sachherrschaftsstellungen begreift und neben der rechtlichen auch die tatsächliche Sachherrschaft, weil bzw. soweit sie normativ ausgestaltet ist, als verfassungsrechtlich durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Position anerkennt882. Die aus diesen Sachherrschaftspositionen folgenden Pflichten sind strikt an die Berechtigungen gebunden, so dass jeweils bestimmt werden muss, an welche normgeprägte Sachherrschaft (faktische oder rechtliche) die Pflichtenbegründung jeweils anschließt883. Der zivilrechtliche Eigentümer als Inhaber einer rechtlichen Sachherrschaft kann zu anderen Gefahrenabwehrbeiträgen verpflichtet werden als der Mieter oder Pächter oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt. Im Ergebnis sind nach O. Lepsius Pflichten, die dem Inhaber (normgeprägter) tatsächlicher oder rechtlicher Sachherrschaft auferlegt werden, durch die Sachherrschaft selbst legitimiert. Er nennt dies die „beidseitige Normprägung“ der Sachherrschaft, die in Rechts- und Pflichtenstellungen ausgestaltet und verfassungsrechtlich verankert ist. Weil die Rechtsordnung zu einer Sachnutzung berechtigt, kann sie auch zu ihr verpflichten. Weiteren Restriktionen der Zustandsverantwortlichkeit erteilt O. Lepsius eine klare Absage884. Der Gesetzgeber kann sie 879 880 881 882 883

O. O. O. O. O.

Lepsius, Lepsius, Lepsius, Lepsius, Lepsius,

Besitz Besitz Besitz Besitz Besitz

und und und und und

Sachherrschaft, Sachherrschaft, Sachherrschaft, Sachherrschaft, Sachherrschaft,

S. 110. S. 112. S. 119 ff. S. 254 ff. z. B. S. 323.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

zwar vorsehen, ist aber verfassungsrechtlich nicht dazu verpflichtet. Die Zustandsverantwortlichkeit wird nach dieser Konzeption bis an die Grenzen der rechtlichen Unmöglichkeit ausgedehnt. Sie hat als Konstruktion den Vorzug, einerseits auch die tatsächliche Sachherrschaft miteinzubeziehen, was sonst auf der Basis der Eigentumsdogmatik Schwierigkeiten bereitet, andererseits eine strikte Korrelation von Rechtsgrund und Pflicht herzustellen, wie sie im Ansatz auch hier befürwortet wird885: Je nachdem, an welches Sachherrschaftsverhältnis angeknüpft wird, sind auch die möglichen Pflichten unterschiedlich auszugestalten, weil die Pflicht nicht weitergehen kann als das Recht. Damit ist freilich nur konstatiert, dass niemandem eine Pflicht auferlegt werden darf, die zu erfüllen er rechtlich nicht in der Lage ist. Diese „absolute“ Grenze der Verpflichtbarkeit aber ist nach O. Lepsius zugleich die einzige. Relativierungen, etwa durch das Übermaßverbot, sind seiner Konzeption fremd, weil der Pflichtige nur etwas tun muss, was er ohnehin darf und weil Pflicht wie Recht gleichermaßen die grundrechtlich geschützte Sachherrschaft ausfüllen. c) Kritik Das Sachherrschaftsmodell nach O. Lepsius ist sicherlich das kreativste und zugleich „revolutionärste“ Eigentumsmodell, das für die polizeirechtliche Verantwortlichkeit seit langem entwickelt worden ist. Ob sein grundsätzlicher Ansatz, die Sachherrschaft als verfassungsrechtliches Schutzgut der Eigentumsgarantie zu begreifen, vollends überzeugt, wenn Rechte ohne Gegenstandsbezug nur im Wege der Analogie oder gar nicht886 in den Schutzbereich des Art. 14 GG einzubeziehen sind, mag hier dahinstehen. Immerhin wird nach dem Eigentumsverständnis Lepsius’ die schon von der vorherrschenden Ansicht befürwortete Gleichsetzung von Inhalts- mit Schrankenbestimmungen887 untermauert; und auch Art. 14 Abs. 2 GG kommt nach ihr keine eigenständige Funktion mehr zu888. Die unterschiedlichen Regelungsaufträge und -befugnisse des Art. 14 GG, die das Bundesverfassungsgericht im Verhältnis von Abs. 1 und Abs. 3 nach und nach voneinander zu unterscheiden gelehrt hat889, werden im Verhältnis von Abs. 1 und Abs. 2 über einen Kamm geschoren. Das allerdings hat bei Lepsius seine Ursache nicht in der Bestimmung des verfassungsrechtlichen Schutzguts der Eigentumsgarantie, sondern in der Art und Weise, in der er Rechte und Pflichten des Eigentümers miteinander verknüpft. Darauf ist schon oben hingewiesen worden890: Die Entsprechung von Recht und Pflicht, auf die 884 885 886 887 888 889

O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 282. Oben § 10 B. II. 2. c). So für Forderungen O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 35. Dazu oben § 9 B. II. m. w. N. in Fußn. 367. O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 123 ff. Oben § 9 B. II. 3.

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sich Lepsius von seinem Ausgangspunkt her stützt, wird in einem Rechtsverhältnis zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem wirksam, nicht in der Identität beider. Der Pflichtige ist nicht verpflichtet, weil er, sondern weil ein anderer ein Recht hat und umgekehrt. O. Lepsius formuliert hingegen unvermittelt891 eine ganz andere Kategorie des subjektiven Rechts. Rechte und Pflichten sind nach ihm nicht auf einander bezogen, sondern auf den Berechtigten. Er wird verpflichtet, weil er berechtigt ist. Die interpersonelle Wirkung des subjektiven Rechts wandelt sich zur intrapersonellen. Deshalb versteht es sich auch, dass als Inhalt einer Rechtspflicht, die an ein subjektives Recht anknüpft, nichts anderes herauskommen kann, als in dem Recht schon enthalten ist. Der Inhalt der Pflicht besteht in dem Gebrauchmachen von dem Recht. Auf dieser Verengung der imperativischen Vorstellung der Korrelation von Rechten und Pflichten ist das gesamte System aufgebaut892 und von daher erklärt sich auch die weitreichende Verantwortungszuweisung an den Zustandsverantwortlichen. Er ist kraft Sachherrschaft verantwortlich, soweit er darf, was er soll. Dem Einwand, dass alleine das Innehaben des Gegenmittels die Verantwortlichkeit nicht zu begründen vermag, entgeht Lepsius vordergründig nur dadurch, dass er die rechtliche oder tatsächliche Sachherrschaft in ihrer berechtigenden und verpflichtenden Seite als Inhalt des Eigentums(grund)rechts ausgibt893. Damit werden Rechte in Pflichten zu ihrer Ausübung umgewandelt und diese zugleich Teil des Rechts. Das ist schon in sich nicht stimmig und auch mit der in Art. 14 Abs. 1 und 2 GG angelegten Unterscheidung von Eigentumsrechten und daran anknüpfenden Eigentümerpflichten894 nicht vereinbar. Der gegenseitige Bezug von Rechten und Pflichten des Eigentümers muss vor diesem Hintergrund einer anderen Logik folgen und auch der Umfang seiner Verantwortlichkeit ist anders zu bestimmen. 890

Vgl. § 9 B. II. vor 1. bei Fußn. 371 ff. Auch O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 107 ff., spricht wiederholt von der Intersubjektivität, vom Eigentum als interpersonellem Rechtsverhältnis, davon, dass sich die Berechtigung bei einer anderen Person als Pflicht äußere etc. und zitiert H. Kelsen mit dem Beispiel, dass „neben dem subjektiven Recht des Darlehensgläubigers immer die subjektive Rechtspflicht des Darlehensschuldners stehe“ (a. a. O., S. 107). Daran schließt sich das Modell der Pflichtenbegründung aus subjektivrechtlicher Sachherrschaft an (a. a. O., S. 110 ff.), das die Pflichten plötzlich auf den Berechtigten bezieht. 892 O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, insbes. S. 104 ff., 366 ff., verbindet mit seinem Sachherrschaftsmodell eine Fundamentalkritik an der unterschiedlichen Behandlung von Rechten und Pflichten in der Staatsrechtslehre, der er vorwirft, erst Rechte und Pflichten subjektiv-rechtlich voneinander getrennt zu haben, um sie dann über Grundpflichten, Schutzpflichten, Staatsaufgaben etc. auf ungewisser verfassungsrechtlicher Basis objektiv-rechtlich wieder einzuführen. Doch diese vorgebliche Trennung kann nur behaupten, wer Rechte und Pflichten aus dem Rechtsverhältnis zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem löst und sie unvermittelt gleichermaßen dem Rechtsinhaber zuweist. 893 O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 55 f. 894 Oben § 9 B. III. 2. 891

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

2. Die Sozialbindung des Eigentums Die Zustandsverantwortlichkeit wird in unterschiedlichen Spielarten auf die Sozialbindung des Eigentums zurückgeführt. In der älteren Literatur dominierte ein Verständnis des Art. 14 Abs. 2 GG als Grundpflichtennorm895, die eine dem Eigentum „immanente Sozialbindung“ statuiere, welche durch die Zustandsverantwortlichkeit nur konkretisiert werde896. Der Eigentümer wird, nach diesem Verständnis, nur in die Schranken seines Rechts verwiesen, womit auch schon der Rechtsgrund für seine polizeiliche Inanspruchnahme bezeichnet ist. Aufgrund der Erkenntnis, dass es ohne gesetzliche Inhaltsbestimmung kein Eigentumsrecht und damit auch keine „immanente Sozialbindung“ geben kann897, haben sich die Akzente nunmehr insofern verschoben, als sedes materiae nicht mehr die Sozialbindungsklausel, sondern Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG sein soll. Die Regelungen über die Zustandsverantwortlichkeit werden als (Inhalts898- und) Schrankenbestimmungen des Eigentums angesehen, in deren Rahmen die Sozialpflichtigkeit des Eigentümers zum Tragen komme899. Das kann freilich nur insoweit überzeugen, als die Polizeibehörden ermächtigt sind, in Eigentumsrechte einzugreifen. Nicht jede Polizeiverfügung aber betrifft das Eigentumsgrundrecht. Insbesondere Handlungsverpflichtungen im Rahmen der Gefahrenabwehr werden vielfach (nur) die allgemeine Handlungsfreiheit tangieren. Im Hinblick auf eine Sanierungsanordnung hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt, dass durch sie weder Substanz noch Verfügungs- oder Nutzungsbefugnisse rechtlich beeinträchtigt werden900 und ist dennoch davon ausgegangen, dass der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG berührt ist. Das ist inkonsequent, solange nicht dargelegt wird, dass ein mittelbarer oder faktischer Eingriff in das Eigentumsgrundrecht vorliegt901. Die aus der Zustandsverant895 K. H. Friauf, Problematik des Rechtsgrundes, in: Festschrift f. G. Wacke, S. 294, 299; H. Quaritsch, Eigentum und Polizei, DVBl. 1959, 455, 458; vgl. ferner oben § 8 B. II. 3. m. w. N. 896 BVerfG, Beschl. v. 17.11.66 – 1 BvL 10/61 – BVerfGE 20, 356, 361. 897 Sie wird gleichwohl gelegentlich weiterhin formelhaft herangezogen, etwa von BVerwG Beschl. v. 14.11.1996 – 4 B 205/96 – NVwZ 1997, 577, 578; Beschl. v. 31.7.1998 – 1 B 229/97 – NJW 1998, 231. 898 Nach den Ausführungen oben § 9 B. II. ergibt sich, dass eine bloße Ermächtigung zum Eingriff in ein Eigentumsrecht nur eine Schrankenbestimmung darstellen kann. 899 BVerfG, Beschl. v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91 u. a. – BVerfGE 102, 1, 15, 17; BVerwG, Beschl. v. 31.7.1998 – 1 B 229/97 – NJW 1999, 231; W. Martens, in: W. Martens, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 21 1. b) a), S. 321; H.-J. Papier, Zustandshaftung, in: Festschrift f. H. Maurer, S. 255, 257; ders., in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 14 (2002), Rdnrn. 509, 518; A. Schink, Grenzen der Störerhaftung, VerwArch 82 (1991), 357, 379 f.; F. Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 145; W. Spannowsky, Prinzip gerechter Lastenverteilung, DVBl. 1994, 560, 562. 900 BVerfG, Beschl. v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91 u. a. – BVerfGE 102, 1, 17, 20.

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wortlichkeit folgenden Pflichten sind also nicht notwendigerweise eigentumsbezogen902. Vielmehr ist das Eigentum (bzw. die tatsächliche Sachherrschaft) Anknüpfungspunkt für die Verantwortlichkeit. Schon das aber bedingt eine besondere Rechtfertigung für in diesem Rahmen auferlegte Pflichten903, da es sich bei ihnen nicht mehr um eine bloß deklaratorische Beschränkung des Eigentümers oder Sachherrn auf seinen Rechtskreis handelt, sondern um konstitutive Eingriffe in sein (Eigentums-)Recht904 durch Sonderbelastungen, die nur im Rahmen des Gleichheitsrechts Bestand haben können. a) Sachherrschaft als Rechtsgrund? In seiner Entscheidung zur Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit im Rahmen der Altlastensanierung hat das Bundesverfassungsgericht ihre Auferlegung primär mit der „durch die Sachherrschaft vermittelten Einwirkungsmöglichkeit“ gerechtfertigt und ergänzend auf die Verbindung von Vorteilen und Lasten der Sache hingewiesen905. In welcher Weise aber vermag die Einwirkungsmöglichkeit eine Verantwortlichkeit zu begründen? Man könnte sie mit der Gefahr in Verbindung bringen und den Sachherrn deshalb für verantwortlich halten, weil er kraft seiner rechtlichen oder tatsächlichen Sachherrschaft einen Beitrag zu ihrer Abwendung leisten kann906. Damit aber wäre wiederum der Schluss von der Gefahrenabwehrmöglichkeit auf die Pflichtigkeit gezogen, der mit der Unterscheidung von Verantwortlichem und Nichtverantwortlichem nicht in Einklang zu bringen ist907. Umgekehrt müsste man den Sachherrn aus der Verantwortlichkeit entlassen, wenn er trotz Sachherrschaft nicht in der Lage wäre, eine konkrete Gefahr abzuwehren. Doch auch dies lässt sich mit den poli901

Vgl. auch O. Lepsius, Grenzen der Zustandshaftung, JZ 2001, 22, 23. Zum Begriff oben § 9 B. III. 1., S. 221; vgl. auch W. Frenz, Grenzen privater Verantwortung, VerwArch 90 (1999), 208, 226, mit dem Hinweis, dass die Verantwortlichkeit nicht nur deshalb besteht, weil es sich um eine verfassungsgemäße Inhalt- und Schrankenbestimmung handle. 903 So zutreffend, wenngleich zu Unrecht kritisch O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 133. 904 Widersprüchlich insoweit H.-J. Papier, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 14 (2002), Rdnr. 509 einerseits („Durch das an den Eigentümer gerichtete ordnungsrechtliche Verbot weiterer Störungen büßt dieser nichts ein, was ihm rechtlich zusteht“), Rdnr. 518 andererseits („gesetzliche Schrankenbestimmung“). 905 BVerfG, Beschl. v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91 u. a. – BVerfGE 102, 1, 17, 18 f.; das Verhältnis zwischen Einwirkungsmöglichkeit und Vorteilsausgleich für die Legitimation der Zustandsverantwortlichkeit wird nicht ganz deutlich: Einmal (a. a. O., S. 17) ist die Möglichkeit der Nutzziehung eine lediglich ergänzende Erwägung („überdies“), an anderer Stelle (S. 18 f.) gleichwertiger Grund („sowie“). 906 F. Schoch, Grundfälle, JuS 1994, 932, 935; ders., Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 143. 907 Vgl. auch M. Heintzen/Ch. Druschel, Besitz verpflichtet, UTR Bd. 36, S. 361, 376 f. 902

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zeirechtlichen Rechtsgrundlagen nicht vereinbaren: Die Polizeibehörden können im Einzelfall auch ohne Heranziehung des Verantwortlichen – sei es im Wege unmittelbarer Ausführung (§ 5a MEPolG), sei es durch Inanspruchnahme eines Nichtverantwortlichen (§ 6 MEPolG) – einschreiten, ohne dass die Verantwortlichkeit entfiele. Die „Beherrschung der Gefahrenquelle“ durch rechtliche oder tatsächliche Sachherrschaft kann deshalb nicht als Rechtsgrund für die Verantwortlichkeit, sondern nur als Bedingung für die Heranziehung zur Gefahrenabwehr verstanden werden908, die aber gleichermaßen für den Nichtverantwortlichen maßgeblich ist. b) Die Nutzungsmöglichkeit als Rechtsgrund Der Begriff der Sachherrschaft kann deshalb nur eine bestimmte tatsächliche oder rechtliche Position einer Person im Hinblick auf eine Sache kennzeichnen, die als solche, d.h. unabhängig von der Gefahr und der Fähigkeit, sie abzuwenden, die Verantwortlichkeit für die Sache begründet909. Sachherrschaft bedeutet dann die Möglichkeit, die Sache unter Ausschließung Dritter für eigene Zwecke zu nutzen und somit Vorteile aus ihr zu ziehen, die anderen nicht zugute kommen910. Die Nutzungsmöglichkeit als Ausfluss der im Vergleich zu Dritten und zur Allgemeinheit besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Verbindung zwischen Person und Sache rechtfertigt es, dem Sachherrn auch die sich aus der Sache ergebenden Lasten aufzubürden911. c) Eigentum als Rechtsgrund Soweit die Zustandsverantwortlichkeit an ein Eigentumsrecht im verfassungsrechtlichen Sinne anknüpft, wird dadurch dem Regelungsauftrag des Art. 14 Abs. 2 GG912 für das Gefahrenabwehrrecht Genüge getan. Eigentum fungiert insofern als Pflichtengrund, unabhängig davon, welches Grundrecht im Einzelfall von einer konkreten Polizeiverfügung betroffen ist. Die an das verfassungsrechtliche Eigentum anschließende Sonderpflicht des Eigentümers findet im Differenzierungsgebot des Art. 14 Abs. 2 GG dem Grunde nach eine verfassungsrechtliche Verankerung, die gerade auf der Verbindung von Vorteilen und 908 Ähnlich M. Heintzen/Ch. Druschel, Besitz verpflichtet, UTR Bd. 36, S. 361, 377, die allerdings von der „Erfüllbarkeit“ der Verantwortlichkeit sprechen. 909 So auch H.-U. Gallwas/H. A. Wolff, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, Rdnr. 456; V. Gantner, Verursachung und Zurechnung, S. 208; M. Heintzen/Ch. Druschel, Besitz verpflichtet, UTR Bd. 36, S. 361, 377. 910 In diesem Sinne bereits BVerwG, Urt. v. 4.10.1985 – 4 C 76/82, DVBl. 1986, 360, 361. 911 BVerfG, Beschl. v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91 u. a. – BVerfGE 102, 1, 17. 912 Dazu oben § 9 B. III. 3. b).

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Lasten beruht, welche auch für die Zustandsverantwortlichkeit maßgeblich ist. Dabei sind über das zivilrechtliche Eigentum hinaus, das die Polizeigesetze explizit erwähnen (vgl. § 5 Abs. 2 MEPolG)913 auch andere Rechte an der Sache vom verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentumsgrundrechts umfasst. Dazu gehören neben dinglichen Rechten an Sachen auch obligatorische Rechte, wie es etwa für das Besitzrecht des Mieters höchstrichterlich anerkannt ist914; für das entsprechende Recht des Pächters wird man nichts anderes annehmen können915. Diese Rechte werden über den Begriff des „anderen Berechtigten“ polizeirechtlich aufgenommen916 und bilden in gleicher Weise wie das zivilrechtliche Eigentum den Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit. d) Tatsächliche Sachherrschaft als Pflichtengrund? Es liegt nahe, die Verbindung von Vorteilen und Lasten bei dem Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft ebenso wie beim Eigentümer (im verfassungsrechtlichen Sinne) als Rechtsgrund heranzuziehen. Dessen bedarf es nicht, soweit der Sachherr zugleich Eigentümer oder sonst Berechtigter ist. Denn in diesem Falle leitet sich der Umfang seiner Sachherrschaft von dem Recht ab, das er inne hat. Eigenständige Bedeutung hat die tatsächliche Sachherrschaft deswegen nur in den Fällen, in denen der Betroffene nicht über ein Recht in Bezug auf die Sache verfügt, das ihm, ähnlich wie dem Eigentümer, die rechtliche Möglichkeit eröffnet, unter Ausschließung der Allgemeinheit oder Dritter die Sache für seine Zwecke zu nutzen. Das sind Fälle der Sachherrschaft ohne Nutzungsrecht bzw. der Nutzungsmöglichkeit ohne Sachherrschaftsrecht. In all diesen Fällen ist aber zu prüfen, ob und inwieweit eine Gefahrenzurechnung durch den Gedanken des durch die Nutzungsmöglichkeit bestehenden Sondervorteils tatsächlich gerechtfertigt ist. Zur ersten Fallgruppe gehört etwa der Besitzdiener nach § 855 BGB, der zwar die tatsächliche Gewalt über eine Sache innehat, sie aber für einen anderen ausübt917. Bei ihm ist der Gedanke des Vorteilsausgleichs nicht tragfähig, weil die Nutzungsmöglichkeit nicht ihm, sondern dem Besitzherrn zugute kommt. Seine Inanspruchnahme kann lediglich dadurch gerechtfertigt werden, dass er den unmittelbaren Zugriff auf die Sache hat. Das jedoch ist nur für die Möglichkeit der Gefahrenabwehr von Bedeutung, nicht für die Verantwortlich913 Zur Zivilrechtsakzessorietät der Adressatennormen O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 292 ff. 914 BVerfG, Beschl. v. 26.5.1993 – 1 BvR 208/93 – BVerfGE 89, 1, 16. 915 W. Frenz, Grenzen privater Verantwortung, VerwArch 90 (1999), 208, 228. 916 Soweit der Kreis nicht gesetzlich enger gefasst ist, wie etwa in Art. 9 Abs. 2 S. 2 BayLStVG, der nur den dinglich Verfügungsberechtigten nennt und obligatorisch Berechtigte dadurch ausschließt. 917 M. Heintzen/Ch. Druschel, Besitz verpflichtet, UTR Bd. 36, S. 361, 381.

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keit. Ein darüber hinaus reichender rechtfertigender Grund, dem Besitzdiener die Lasten der Sache aufzubürden, ist aber nicht ersichtlich. Deshalb ist es konsequent, ihn trotz seiner tatsächlichen Sachherrschaft nicht als Zustandsverantwortlichen anzusehen918. Zur zweiten Fallgruppe sind zunächst solche Fälle zu zählen, in denen die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit bzw. einzelne Nutzungen rechtlich nicht dem Eigentümer oder einem sonstigen Berechtigten ausschließlich zugewiesen, sondern jedermann gestattet sind. Zu denken ist beispielsweise an den Gemeingebrauch an öffentlichen Sachen, der das zivilrechtliche Eigentum der öffentlichen Hand überlagert919 oder an Grenzen zivilrechtlichen Eigentums, die tatsächliche Nutzungen des Eigentumsgegenstands jedermann ermöglichen920. Hier ist der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft lediglich Teil der nutzungsberechtigten Allgemeinheit, er genießt insoweit keinen Sondervorteil, der es rechtfertigen könnte, ihm Sonderlasten aufzuerlegen. Auch insoweit ist die Verantwortlichkeit des Inhabers der tatsächlichen Gewalt zu beschränken. Die soeben erörterten Fälle deuten bereits darauf hin, dass die bloße tatsächliche Sachherrschaft ohne Rücksicht auf die rechtliche Sachherrschaft nicht generell ausreichen kann, um den Einzelnen für den Zustand des Sache und damit für Gefahren verantwortlich zu machen, die während der Dauer seiner faktischen Gewalt von der Sache ausgehen921. Dabei muss man sich erneut vor Augen führen, dass die Verantwortlichkeit nicht Bedingung für die Inanspruchnahme an sich ist, sondern Bedingung für die Begründung einer besonderen Pflicht, die sowohl in einem Beitrag zur Gefahrenabwehr, als auch in der Kostentragung liegen kann. Von der Zurechnung der Gefahr hängt deshalb nicht die Effektivität der Gefahrenabwehr, sondern nur die Lastenverteilung zwischen dem Einzelnen und der Allgemeinheit ab. Vor diesem Hintergrund ist die allseits befürwortete Zustandsverantwortlichkeit des unberechtigten Besitzers922 kritisch zu hinterfragen. Dieser ist zwar tatsächlich in der Lage, die Sache zu 918 M. Heintzen/Ch. Druschel, Besitz verpflichtet, UTR Bd. 36, S. 361, 381 f.; M. Hoeft, Entschädigungsansprüche, S. 214, Fußn. 616; vgl. auch W.-R. Schenke, Polizeiund Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 181. 919 Zur „dualistischen“ Konstruktion des Rechts der öffentlichen Sachen vgl. etwa H.-J. Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 9 f.; A. Peilert, in: H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 77 Rdnrn. 2 ff. 920 So z. B. die Betretungsrechte an Teilen der freien Natur, auch soweit die Grundstücke im Privateigentum stehen, etwa nach Art. 22 BayNatSchG. 921 Auch O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 323, konstatiert, dass es nur in Ausnahmefällen zur Zustandshaftung aus tatsächlicher Sachherrschaft kommen wird, die nicht durch eine rechtliche Sachherrschaft begleitet ist, ohne allerdings diese Ausnahmen näher zu bestimmen. 922 K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 85; M. Heintzen/Ch. Druschel, Besitz verpflichtet, in; UTR Bd. 36, S. 361, 381; W. Martens, in: W. Martens, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/ W. Martens, Gefahrenabwehr, § 21 3 a), S. 329; W.-R. Schenke, Polizei- und Ord-

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nutzen, doch rechtlich sind die Nutzungen grundsätzlich dem Eigentümer zugewiesen (vgl. auch §§ 987 ff. BGB923). Wenn der Gedanke des „Vorteilsausgleichs“ zur Begründung der Sachverantwortung tragfähig sein soll, dann kann er es nur in dem Maße sein, in dem den Belastungen auch tatsächlich Vorteile gegenüberstehen924. Hinzu kommt, dass der unberechtigte Besitzer auch grundsätzlich zu Einwirkungen auf die Sache nicht berechtigt ist, so dass seine rechtliche Fähigkeit, Gefahren abzuwehren, ohnehin beschränkt ist, da er nicht zu etwas verpflichtet werden kann, was ihm (zivilrechtlich) untersagt ist. Das führt zwar nach ganz herrschender Ansicht nur zu einem Vollstreckungshindernis, das durch Erlass einer Duldungsverfügung gegen den Berechtigten behoben werden kann, nicht zur Rechtswidrigkeit der Inanspruchnahme an sich925, doch ist diese Erwägung für die Verantwortlichkeit ohnehin nicht entscheidend, weil dasselbe auch für den nichtberechtigten Nichtverantwortlichen gilt. 3. Fazit: Die Akzessorietät der Zustandsverantwortlichkeit Somit spricht einiges dafür, die Zustandsverantwortlichkeit ganz an die rechtliche Sachherrschaft zu binden, weil bei ihr der auch Art. 14 Abs. 2 GG zugrunde liegende Gedanke der Verbindung von Vorteilen und Lasten als Rechtfertigung polizeirechtlicher Pflichten uneingeschränkt zum Tragen kommt. Dies bedingt freilich eine restriktive Auslegung der Adressatennormen in dem Sinne, dass der Inhaber tatsächlicher Sachherrschaft nur wegen und im Rahmen seiner Berechtigung an der Sache für diese und die von ihr ausgehenden Gefahren verantwortlich ist. Die Zustandsverantwortlichkeit ist deshalb ebenso wie die Verhaltensverantwortlichkeit akzessorisch. Knüpft diese Pflichten an, so basiert jene auf subjektiven Rechten.

nungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 181; F. Schoch, Grundfälle, JuS 1994, 932, 935. 923 Zwar kann der unberechtigte Besitzer für notwendige Verwendungen, zu denen auch (öffentlich-rechtliche) Lasten zählen, vom Eigentümer Ersatz verlangen (§§ 994, 995 BGB) und könnte insofern die ihm aus dem Sachzustand erwachsenen Lasten an den Eigentümer weitergeben. Doch einerseits kann man diese Bestimmungen ebenso als Indiz dafür nehmen, dass für die Lasten der Sache auch zivilrechtlich der Inhaber der rechtlichen, nicht der tatsächlichen Sachherrschaft einzustehen hat. Andererseits muss der Besitzer die Aufwendungen als Lasten der Sache nur tragen, wenn er polizeirechtlich zustandsverantwortlich ist, da er anderenfalls als Nichtverantwortlicher von den Kosten freigestellt ist. 924 Vgl. auch M. Hoeft, Entschädigungsansprüche, S. 214, Fußn. 616, der allerdings mit dem Eigentumsgrundrecht argumentiert. Dies ist aber nicht zwingend, da der Vorteilsausgleich auch darüber hinaus als Pflichtenrechtfertigung dienen kann (so auch M. Heintzen/Ch. Druschel, Besitz verpflichtet, UTR Bd. 36, S. 361, 380), wie dies etwa im Abgabenrecht der Fall ist [vgl. oben § 10 B. II. 2. b) (1).]. 925 Zum Problem H. v. Kalm, Duldungsverfügung, DÖV 1996, 463 ff.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

II. Der Umfang der Zustandsverantwortlichkeit Die Zustandsverantwortlichkeit ist nach den Polizeigesetzen nur dadurch begrenzt, dass die Pflichten, die auf ihrer Grundlage begründet werden können, auf die (Kosten der) Abwehr von Gefahren beschränkt sind, die von der Sache ausgehen. Die Gesetzgeber haben sich auch nach den Erfahrungen mit kriegsbedingten Gebäudeschäden926, Tanklasterunfällen927, Natureinwirkungen928 sowie Altlastenfällen929 nicht dazu verstehen können, Haftungsbegrenzungen einzuführen, obwohl sie von großen Teilen der Literatur seit langem gefordert worden waren. Im Beschluss vom 16.2.2000930 hat allerdings das Bundesverfassungsgericht die aus dem Grundgesetz folgende Notwendigkeit konstatiert, das Ausmaß dessen, was dem Eigentümer zur Gefahrenabwehr abverlangt werden darf, einzuschränken931; eine Feststellung der sich auch die Gesetzgebung nicht sollte entziehen können932, zumal es hierbei um die Abgrenzung von Verantwortungsbereichen Privater und der Allgemeinheit geht, die zu den (grundrechts-)wesentlichen Fragestellungen gehört, deren Entscheidung in erster Linie der Legislative zukommt. 1. Begrenzung nach der Ursache der Gefährlichkeit der Sache Die rechtlichen Ansatzpunkte für eine Begrenzung der aus der Zustandsverantwortlichkeit folgenden Pflichten sind vielfältig. So wird teilweise bereits am Tatbestand der Verantwortlichkeit angesetzt und die Verantwortlichkeit nur auf bestimmte Gefahren erstreckt. So wollen beispielsweise933 J. Köpfer/H. Kaltenegger934 im Anschluss an die zivilgerichtliche Rechtsprechung zu § 1004 BGB935 die Verantwortlichkeit des Grundstückseigentümers für solche Gefahren 926

Z. B. BVerwG, Urt. v. 9.5.1960 – 1 C 55/59 – BVerwGE 10, 282, 283 ff. OVG Münster, Urt. v. 3.10.1963 – 8 A 309, 62 – OVGE 19, 101, 102 ff. 928 BVerwG, Beschl. v. 31.7.1998 – 1 B 229/97 – NJW 1999, 231 f.; OVG Koblenz, Urt. v. 1.10.1997 – 11 A 12542/96 – NJW 1998, 625; VGH München, Beschl. v. 6.9.2001 – 24 ZB 00.1797 – BayVBl. 2002, 341. 929 Zur Entstehungsgeschichte des Bundesbodenschutzgesetzes (v. 17.3.1998, BGBl. I, S. 502), das ursprünglich eine Haftungsbegrenzung des Zustandsverantwortlichen vorsah, vgl. nur W. Kahl, Sanierungsverantwortlichkeit, Die Verwaltung, 33 (2000), 29, 35 ff. 930 Az. 1 BvR 242/91 u. a. – BVerfGE 102, 1 ff. 931 BVerfG, Beschl. v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91 u. a. – BVerfGE 102, 1, 19. 932 Vgl. auch die kritischen Bemerkungen im Hinblick auf das Bundesbodenschutzgesetz bei H.-J. Papier, Zustandshaftung, in: Festschrift f. H. Maurer, S. 255, 267; H.J. Müggenborg, Begrenzung der Zustandshaftung, NVwZ 2001, 39, 41, deutet den Beschluss des BVerfG als „Appell an den Gesetzgeber, selber für eine klarere Haftungsbegrenzung des Zustandsverantwortlichen zu sorgen“. 933 Vgl. auch M. Hoeft, Entschädigungsansprüche, S. 214 ff., der die Verantwortlichkeit auf solche Gefahren begrenzt sieht, die auf eine tatsächlich ausgeübte Nutzung zurückgehen. 927

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ausschließen, die von ihrem Grundstück ausschließlich durch das Einwirken von Naturgewalten ausgehen. Ihre Begründung ist vorrangig auf die Einheit der Rechtsordnung bezogen936, die es ausschließen soll, dass die öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit die zivilrechtliche übersteigt. Mit diesem Argument freilich könnte auch umgekehrt die Übernahme der im öffentlichen Recht vorherrschenden Sichtweise in das Zivilrecht gefordert werden937, die einer tatbestandlichen Reduktion ablehnend gegenüber steht. Doch unabhängig davon, ob eine Parallelisierung der Haftungssysteme überhaupt geboten ist, was wegen der unterschiedlichen Zweckrichtungen des bürgerlichen und des Polizeirechts jedenfalls nicht zwingend ist938, wird die privatrechtliche Haftungsbegrenzung nicht (negativ) durch den Ausschluss von Natureinwirkungen definiert, sondern (positiv) dadurch, dass sich die Beeinträchtigung des Eigentums auf menschliches Tun zurück führen lassen muss939. Das führt bereits im Rahmen des § 1004 BGB zu Problemen der Abgrenzung von Handlungs- und Zustandshaftung940, was dort aber insofern weniger ins Gewicht fällt, als die Unterscheidung von Handlungs- und Zustandsstörer im Zivilrecht rein dogmatischer Natur ist, während sie im Gefahrenabwehrrecht auf gesetzlichen Zurechnungsnormen basiert, die sich nicht unter Rückgriff auf eine allgemeine Argumentationsfigur wie die „Einheit der Rechtsordnung“ überspielen lässt. Eine tatbestandliche Reduktion der Verantwortlichkeit wird unter dem Aspekt der Risikozuweisung in unterschiedlichen Ausprägungen vertreten. K. H. Friauf hat die Grenzen der Verantwortlichkeit dort zu ziehen versucht, wo die abzuwendende Gefahr in keiner Beziehung zur Sachherrschaft des Eigentümers 934 J. Köpfer/H. Kaltenegger, Pflicht zur Gefahrenbeseitigung, BayVBl. 1992, 260, 263 ff.; für die Angleichung an § 1004 BGB auch K. Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnrn. 405, 408. 935 BGH, Urt. v. 12.2.1985 – VI ZR 193/83 – NJW 1985, 1773, 1774; Urt. v. 7.7. 1995 – V ZR 213/94 – NJW 1995, 2633, 2634. 936 J. Köpfer/H. Kaltenegger, Pflicht zur Gefahrenbeseitigung, BayVBl. 1992, 260, 263. 937 In diesem Sinne, aber mit anderer Begründung B. Stickelbrock, Angleichung zivilrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Haftungsmaßstäbe, AcP 197 (1997), 456, 487 ff. 938 Vgl. auch W. Frenz, Grenzen privater Verantwortung, VerwArch 90 (1999), 208, 212 f.; ferner P. Beinhofer/G. Heimrath, Pflicht zur Gefahrenbeseitigung, BayVBl. 1992, 748, 749, die die im Allgemeininteresse liegende Gefahrenabwehr in den Vordergrund stellen, was allerdings deshalb nicht ganz überzeugt, weil der Zweck an sich zwar die Inanspruchnahme an sich, aber noch nicht die Verantwortlichkeit zu begründen vermag. 939 Vgl. dazu schon F. Baur, Der Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB, AcP 160 (1960), 465, 476 ff. 940 B. Stickelbrock, Angleichung zivilrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Haftungsmaßstäbe, AcP 197 (1997), 456, 489; eine ganz auf Pflichtverletzungen basierende Position vertritt denn auch E. Herrmann, Haftungsvoraussetzungen, JuS 1994, 273, 277 ff.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

mehr steht, sondern auf Ereignissen beruht, die der Allgemeinheit zugerechnet werden müssen941. W.-R. Schenke plädiert daran anschließend dafür, sie dann entfallen zu lassen, wenn der gefahrverursachende Zustand der Sache durch außergewöhnliche, außerhalb der Risikosphäre des Eigentümers liegende Ereignisse herbeigeführt wurde942. Freilich gelingt es nicht, jenseits einer Kasuistik943 an allgemeinen Kriterien festzumachen, wodurch die Risikosphäre des Eigentümers begründet und begrenzt wird944. Gefahren des Straßenverkehrs etwa stehen die Nutzungsvorteile des Grundstückseigentümers durch die Anbindung an das Straßennetz gegenüber; klimatische Einflüsse können nicht nur im negativen Fall zerstörerisch wirken, sondern im positiven Fall auch den Ertrag des Bodens mehren; besondere Kriegsschäden an Grundstücken werden womöglich durch die Wertbeständigkeit aufgrund der Unvermehrbarkeit von Grund und Boden aufgewogen etc. In allen diesen Fällen bedürfte es einer spezifischen Begründung dafür, warum die Allgemeinheit die Lasten ungünstiger Einwirkungen tragen soll, während der Nutzen günstiger Ereignisse dem Eigentümer verbleibt945. Das Bundesverfassungsgericht hat es auf den Punkt gebracht: „Wie dem Eigentümer nach geltendem Recht die Vorteile der Sache auch dann zufließen, wenn sie ohne sein Zutun entstehen, muss er die Lasten der Sache auch dann tragen, wenn die Gefahr nicht durch ihn verursacht worden ist“946. Dies stimmt auch mit der gesetzlichen Regelung überein, die generell an die Verantwortlichkeit für die Sache anknüpft, ohne nach dem Grund für ihre Gefährlichkeit zu differenzieren. 2. Begrenzung durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Es entspricht denn auch der überwiegenden Ansicht, dass nicht die Verantwortlichkeit als solche tatbestandlich auf (bzw. um) bestimmte Gefährdungslagen reduziert wird, sondern auf der Rechtsfolgenseite entweder nur die Kostentragungspflicht947 oder – was wegen der Konnexität von primärer und

941

K. H. Friauf, Problematik des Rechtsgrundes, in: Festschrift f. G. Wacke, S. 294,

301. 942 W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 175; ähnlich auch E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E., Rdnrn. 106 f. 943 So gehören für K. H. Friauf, Problematik des Rechtsgrundes, in: Festschrift f. G. Wacke, S. 294, 301, Naturkatastrophen zur Risikosphäre des Eigentümers, für W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 175, hingegen nicht. 944 Vgl. auch die Überlegungen J. Pietzckers, Polizeirechtliche Störerbestimmung, DVBl. 1984, 457, 463. 945 Vgl. auch O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 252 ff. 946 BVerfG, Beschl. v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91 u. a. – BVerfGE 102, 1, 19; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 31.7.1998 – 1 B 229/97 – NJW 1999, 213.

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sekundärer Ebene948 alleine systemgerecht ist949 – bereits die Gefahrenabwehrverpflichtung auf ein angemessenes Maß zu beschränken ist950. In den wegen der massiven Auswirkungen wirklich problematischen Fällen der Sicherung oder Sanierung von Grundstücken allerdings ist der Unterschied zwischen beiden Lösungen indes gering, weil der Verantwortliche die notwendigen Maßnahmen im Regelfall nicht mit eigener Hand wird durchführen können und deshalb jedenfalls im Ergebnis schon auf Primärebene mit einer Geldleistungspflicht (allerdings nicht der Behörde, sondern einem beauftragten Unternehmen gegenüber) belastet ist951. Wegen der Annahme, die normative Zuweisung der Zustandsverantwortlichkeit sei eine Schrankenbestimmung des Eigentums, wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als maßgeblicher Ansatzpunkt für eine Pflichtenbegrenzung angesehen952. Dieser ist ein Instrument zur Herstellung eines angemessenen Ausgleichs zwischen dem Wohl der Allgemeinheit als Grund und Grenze der Verpflichtung des Eigentümers einerseits und dessen schutzwürdigen Interessen andererseits. Es vermag allerdings nicht dem Grundsatz der Belastungsgleichheit im Verhältnis zu anderen Privaten gerecht zu werden, der bei besonderen, auf speziellen Rechtsgründen basierenden Verpflichtungen stets eine herausgehobene Rolle spielt. Das Übermaßverbot bezeichnet, anders formuliert, nur die absolute Grenze, bis zu der jedermann zugunsten des Gemeinwohls in Anspruch genommen werden kann und gilt deshalb – selbstverständlich – auch für den Eigentümer einer Sache, von der eine Gefahr ausgeht. Ob dieser jedoch innerhalb der dadurch ermittelten Grenzen als Zustandsverantwortlicher in die Pflicht genommen werden kann, darüber ist damit nicht entschieden.

947 M. Griesbeck, Materielle Polizeipflicht, S. 105 ff.; M. Hoeft, Entschädigungsansprüche, S. 193 ff., 226; W. Spannowsky, Prinzip gerechter Lastenverteilung, DVBl. 1994, 560, 562. 948 Oben § 11 B. III. 3. 949 So noch W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Aufl., Rdnr. 174. 950 Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91 u. a. – BVerfGE 102, 1, 14. 951 Ch. Bickel, Grenzen der Zustandshaftung, NJW 2000, 2562. 952 BVerfG, Beschl. v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91 u. a. – BVerfGE 102, 1, 19 f.; W. Frenz, Grenzen privater Verantwortung, VerwArch 90 (1999), 208, 225 f.; W. Martens, in: W. Martens, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 21 1. b) a), S. 321; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 173; A. Schink, Grenzen der Störerhaftung, VerwArch 82 (1991), 357, 380; W. Spannowsky, Prinzip gerechter Lastenverteilung, DVBl. 1994, 560, 562.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

3. Die Begrenzung durch den Rechtsgrund der Pflicht a) Die Korrelation von Nutzen und Lasten Deshalb kommt es in erster Linie darauf an, diejenige Grenze zu ermitteln, die sich durch die materielle Begründung der Pflicht ergibt. Darüber hinaus gehende Lasten hat der Verantwortliche nur als Teil der Allgemeinheit zu tragen, also entweder im Rahmen gleicher und gleichmäßiger Belastung aller oder durch einen entsprechenden Ausgleich der ansonsten vorhandenen Ungleichbehandlung, wie sie für den in Anspruch genommenen Nichtverantwortlichen vorgesehen ist. Durch diese Begrenzung wird die Verpflichtung auf ihren Grund zurück geführt und so der Grundsatz der Belastungsgleichheit verwirklicht953. Die Grenze der normativen Zurechnung von Gefahren und die daraus folgende Begrenzung für die Auferlegung besonderer Pflichten ist deshalb nicht durch allgemeine Billigkeitserwägungen zu ermitteln, sondern aus den Legitimationsgründen, die die Zurechnungsnorm tragen. Dabei kann es aber regelmäßig, wenn und weil der Zurechnungsgrund und der jeweilige Inhalt der Pflicht inkommensurable Größen sind, nur auf ein bewertendes Gleichgewicht ankommen, nicht auf die ohnehin nicht zu ermittelnde völlige Entsprechung von Grund und Pflicht. Die Bestimmung des „rechten Maßes“ ist aus diesem Grunde nur durch Typisierung und Generalisierung zu erreichen, die auf der Ebene des Normvollzugs und seiner Kontrolle insbesondere durch Fallgruppenbildung erreicht werden kann, aber im Grunde jedenfalls dort, wo sich der Gesetzgeber eines spezifischen Gefahrenbereichs angenommen hat, in erster Linie legislativ vorzugeben ist954. Basiert die Zustandsverantwortlichkeit auf dem auch hinter Art. 14 Abs. 2 GG stehenden Gedanken der Pflichtigkeit des Eigentümers wegen der ihm aus seiner Rechtsstellung zustehenden Vorteile, so muss für die Bemessung der Pflicht eine Korrelation zwischen Nutzen und Lasten hergestellt werden. Die Belastungen dürfen die Vorteile, die aus der Rechtsposition fließen, nicht überwiegen oder gar beseitigen. Der Nutzen, der auf der Aktivseite in die vergleichende Bewertung einzustellen ist, ist dabei nicht ein individuelles Sonder- oder Affektionsinteresse des Eigentümers, sondern ergibt sich aus der normativen Ausgestaltung der Rechtsposition, an welche die Pflicht anknüpft. Auf diese Weise ist nach dem jeweiligen Eigentumsrecht zu differenzieren. Dem zivilrechtlichen Eigentümer, der eine grundsätzlich umfassende Nutzungs- und Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand besitzt (§ 903 BGB), können höhere Lasten auferlegt werden als dem Inhaber eines beschränkten dinglichen Rechts oder dem Inhaber eines nur obligatorischen Nutzungsrechts.

953 954

Vgl. bereit oben § 10 B. II. 2. c). Vgl. H.-J. Papier, Zustandshaftung, in: Festschrift f. H. Maurer, S. 255, 267.

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b) Die Korrelation von Sachwert und Kosten Dass mit der Korrelation von Nutzen und Lasten keine leicht zu handhabende griffige Formel zur Ermittlung der vom Gesetz nicht vorgesehenen, aber von der Verfassung geforderten Beschränkung der Zustandsverantwortlichkeit zur Verfügung steht955, ist dem Umstand zuzuschreiben, dass das Eigentumsrecht als Differenzierungsmerkmal fungiert, welches im Verhältnis zu Dritten und zur Allgemeinheit besondere Pflichten zu rechtfertigen vermag und deshalb in seiner auf die Verpflichtung bezogenen Reichweite rechtlich bewertet werden muss. Als gemeinsamer Maßstab für diese Bewertung bietet sich in den Fällen, in denen auch auf Primärebene die Gefahrenabwehrpflicht wirtschaftlich betrachtet eine Geldleistungsverpflichtung darstellt, an, diese Korrelation als Verhältnis zwischen dem Wert des Rechts an der gefährdenden Sache und den Kosten der Gefahrenabwehr darzustellen. Das ist umso naheliegender, als das Eigentumsrecht als vermögenswertes Recht definiert ist und sich schon deshalb regelmäßig (auch) als wirtschaftliche Größe darstellen lässt. In diesem Sinne hat auch das Bundesverfassungsgericht für den zivilrechtlichen Eigentümer956 eines Altlastengrundstücks dem Verhältnis von Verkehrswert (nach der Sanierung) und Gefahrenabwehrkosten maßgebliche Bedeutung beigemessen, freilich nur als Anhaltspunkt für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme des Zustandsverantwortlichen, von dem im Einzelfall nach oben wie nach unten soll abgewichen werden können957. Die Ausnahmen von der Maßgeblichkeit des Verkehrswertes leitet es von den persönlichen Verhältnissen des Eigentümers bzw. von subjektiven Merkmalen wie Kenntnis, fahrlässiger bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis von der Gefährdung ab958. Nach der hier vertretenen dogmatischen Begründung der Zustandsverantwortlichkeit kann diese Entscheidung weder von ihrem Ausgangspunkt noch in ihren Konsequenzen überzeugen: Dem Grunde nach deshalb nicht, weil die Grenzen der Pflicht nicht auf den Rechtsgrund zurückgeführt werden, ihrer Folge nach unter anderem deshalb nicht, weil damit ein Sonderrecht für Grundstücke geschaffen wird, das jeden-

955 Das gilt freilich auch für die anders begründeten Grenzen der Zustandsverantwortlichkeit nach den Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts, kritisch deshalb Ch. Bickel, Grenzen der Zustandshaftung, NJW 2000, 2562 („Steine statt Brot“); H.-J. Müggenborg, Begrenzung der Zustandshaftung, NVwZ 2001, 39, 40. 956 Bei einem sonst dinglich oder obligatorisch Berechtigten könnte demgegenüber nicht der Verkehrswert der Sache als Ausdruck für den Verkehrswert des Eigentumsrechts, sondern nur der Verkehrswert des jeweiligen Rechts angesetzt werden. 957 BVerfG, Beschl. v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91 u. a. – BVerfGE 102, 1, 20 ff. 958 Vgl. dazu im einzelnen Ch. Bickel, Grenzen der Zustandshaftung, NJW 2000, 2562 f.; V. Klüppel, Zustandsstörerhaftung, Jura 2001, 26, 27 f.; O. Lepsius, Grenzen der Zustandshaftung, JZ 2001, 22, 25 f.; H.-J. Müggenborg, Begrenzung der Zustandshaftung, NVwZ 2001, 39, 40 f.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

falls aus der allgemeinen polizeirechtlichen Zustandsverantwortlichkeit (um die es in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ging) nicht ableitbar ist959. Stellt man hingegen auf den Rechtsgrund zur Bestimmung der Obergrenze der Verpflichtbarkeit wegen der Zustandsverantwortlichkeit ab, so wird deutlich, wie sogleich skizziert werden wird, dass die vom Bundesverfassungsgericht angestellten Erwägungen zu einer finanziellen Überbelastung des Eigentümers führen, andererseits aber eine gesetzliche Entscheidung über die Grenzen der Verantwortlichkeit jedenfalls in den Fällen erforderlich ist, die absehbar erhebliche Risiken bergen. (1) Der Verkehrswert als Ausgangspunkt Dabei ist dem Bundesverfassungsgericht darin zu folgen, dass der Verkehrswert der Sache im Hinblick auf die Verantwortung des Eigentümers einen geeigneten Anknüpfungspunkt darstellt, da sich in ihm der konkrete und vom Eigentümer grundsätzlich wirtschaftlich auch realisierbare Nutzen widerspiegelt, als dessen Korrelat die Verpflichtung auferlegt wird. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist dieser Wert das Äquivalent für das Recht, an das die Verantwortlichkeit anknüpft, weil er auch von den konkreten Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten einer Sache abhängig ist. Die von O. Lepsius960 monierte Merkwürdigkeit, dass ein Grundstückseigentümer im unbeplanten Außenbereich besser gestellt sei, als im beplanten Innenbereich, lässt sich deshalb darauf zurückführen, dass der auch rechtliche Vorteil von Immobiliareigentum maßgeblich davon abhängt, in welcher Weise ein Grundstück genutzt werden kann. Der Eigentümer eines Außenbereichsgrundstücks ist deshalb nicht besser, sondern anders gestellt, weil seiner (nach Maßgabe des Verkehrswertes) geringeren Verpflichtbarkeit auch die geringere Nutzbarkeit des Grundstücks gegenübersteht. Allerdings wird der Marktwert eines Sache, von der eine Gefahr ausgeht, durch die damit verbundene Pflichtigkeit belastet und kann im Einzelfall gegen Null tendieren. Der Eigentümer würde dann von seiner Verantwortlichkeit gerade deshalb (teilweise) befreit, weil die Sache gefährlich ist, was aber widersinnig wäre. Das Bundesverfassungsgericht stellt hingegen für kontaminierte Grundstücke auf den Verkehrswert nach der Sanierung ab961, wodurch auch künftige sanierungsbedingte Wertsteigerungen dem Eigentümer als ausgleichsfähiger Vorteil zugerechnet werden962. Dieser Ansatz aber lässt sich auf Fahrnis 959 Vgl. auch F. Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 149 (Privilegierung des Grundeigentums gegenüber Fahrnis). 960 O. Lepsius, Grenzen der Zustandshaftung, JZ 2001, 22, 25. 961 BVerfG, Beschl. v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91 u. a. – BVerfGE 102, 1, 20.

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nicht übertragen, weil bei beweglichen Sachen im Regelfall nicht deren Wiederherstellung oder Instandsetzung verlangt werden kann, sondern nur deren Beseitigung. Der Wert beweglicher Sachen muss deshalb durch die Abwehr der Gefahr, die von ihr ausgeht, keineswegs erhöht werden. Stellt eine bewegliche Sache beispielweise deshalb eine Gefahr dar, weil sie durch Blitzschlag zerstört wurde, wäre der Eigentümer wegen der Wertlosigkeit der Sache nicht mehr für die (Kosten der) Beseitigung verantwortlich zu machen963. Das Risiko des zufälligen Rechts- und Sachverlustes trüge dann aber nicht mehr der Eigentümer, sondern die Allgemeinheit964. Kann also einerseits nicht auf den Wert nach Gefahrenabwehr abgestellt werden und muss andererseits die Wertminderung durch die Gefährlichkeit der Sache außer Betracht bleiben, so kann als Verkehrswert nur der Wert angesetzt werden, den eine nicht gefährliche Sache in vergleichbarer Lage, Größe, Ausstattung etc. besitzt. (2) Berücksichtigung der Aufwendungen und Nutzungsvorteile Dem rechtlichen und wirtschaftlichen Nutzen einer Sache, die sich im Verkehrswert ausdrückt, stehen aber regelmäßig Aufwendungen des Eigentümers gegenüber, die er für den Erwerb der Sache und/oder für Erhaltungs- bzw. Erweiterungsmaßnahmen getätigt hat. Stellt man alleine auf den Verkehrswert der Sache ab, führt das dazu, dass der Eigentümer sein Eigentum im Gefahrenfall ein zweites Mal bezahlen muss965. Das ist rechtlich deshalb relevant, weil mit der Zustandsverantwortlichkeit eine Korrelation von Nutzen und Lasten hergestellt wird, der wirtschaftliche Nutzen einer Sache aber durch derartige Aufwendungen gemindert wird. Deshalb ist zu Recht gefordert worden, die Kosten des Sacherwerbs haftungsbegrenzend zu berücksichtigen966. Dadurch kann auch der vom Bundesverfassungsgericht als relevant erachteten Erwägung Rechnung getragen werden, dass ein Eigentümer weniger schutzwürdig ist, wenn er ein Grundstück in Kenntnis von Gefährdungen erworben hat967, da in einem sol962 Vgl. auch Ch. Bickel, Grenzen der Zustandshaftung, NJW 2000, 2562, mit dem Hinweis auf „polizeilich aufgedrängte Wertsteigerungen“. 963 Beispiel nach O. Lepsius, Grenzen der Zustandshaftung, JZ 2001, 22, 25, der daraus eine Privilegierung des Grundeigentums ableitet. Das Gegenteil ist der Fall: Weil Grund und Boden nicht gänzlich zerstört werden können, würde nur der Fahrniseigentümer befreit. 964 Vgl. auch Ch. Bickel, Grenzen der Zustandshaftung, NJW 2000, 2562. 965 Ch. Bickel, Grenzen der Zustandshaftung, NJW 2000, 2562, der deshalb vorschlägt, kontaminierte Grundstücken durch den Staat übernehmen und sanieren zu lassen und anschließend dem Eigentümer bevorzugt zum Verkehrswert anzubieten. Das mag ein Modell für Altlastenfälle sein, lässt sich aber auf die allgemeine Zustandsverantwortlichkeit nicht übertragen; ebenso H.-J. Müggenborg, Begrenzung der Zustandshaftung, NVwZ 2001, 39, 41. 966 Vgl. H.-J. Müggenborg, Begrenzung der Zustandshaftung, NVwZ 2001, 39, 41. 967 BVerfG, Beschl. v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91 u. a. – BVerfGE 102, 1, 21 f.

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chen Fall jedenfalls typischerweise dem bewusst übernommenen Risiko ein geringerer Kaufpreis entspricht und somit von der Verkehrswertgrenze ein geringerer Abzug zu machen ist. Dabei kann aber ein allgemein polizeirechtliches Modell der Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit nicht stehen bleiben, weil es auf bewegliche Sachen nicht sinnvollerweise übertragen werden kann. Denn anders als Immobilien unterliegt Fahrnis der Abnutzung und dadurch regelmäßig auch einer alters- und gebrauchsabhängigen Werteinbuße, die dazu führen würde, dass die Zustandsverantwortlichkeit immer dann entfällt, wenn der Kaufpreis den aktuellen Verkehrswert übersteigt. Der vollständige Abzug der Erwerbskosten zieht nicht die Tatsache in Betracht, dass mit dem Eigentumserwerb zugleich Nutzungsvorteile und -möglichkeiten verbunden sind, die über den Verkehrswert hinaus gehen. In welchem Umfang sie zu berücksichtigen und wie sie zu berechnen sind, ist durch das Verfassungsrecht und den Grundsatz der Belastungsgleichheit nicht vorgegeben. Das liegt auch daran, dass die Gebrauchsvorteile nicht kapitalisierbar sein müssen und, sofern sie es doch sind, unterschiedlich berechnet werden können und nicht ausschließlich auf dem Recht beruhen müssen, sondern etwa besonderen Fähigkeiten oder Kenntnissen des Eigentümers zu verdanken sind, die für die Gefahrenabwehr irrelevant sein müssen. Der Rechtsordnung sind aber derartige Berechnungen nicht unbekannt, wie etwa die steuerlichen Regelungen über die Abschreibung für Abnutzung (§§ 7 ff. EStG) zeigen, die den Kaufpreis für hochwertige und langlebige Wirtschaftsgüter auf die regelmäßige Nutzungsdauer verteilen und so einen allgemeinen Maßstab für die Bewertung von Mobilien wie Immobilien abgeben. Hieran anschließend ließe sich ein Modus zur Bestimmung der Grenze der Zustandsverantwortlichkeit entwickeln, nach welchem vom Verkehrswert nur der „steuerliche“ Restwert abziehbar wäre. Dies wäre zumindest ein Modell, das einer – ohnehin erforderlichen – gesetzlichen Regelungen zugrunde gelegt werden könnte. Denn es orientierte sich am Maßstab der durch den Geldwert zum Ausdruck kommenden Vorteile desjenigen Rechts, an das zur Bestimmung der Pflichtigkeit angeknüpft wird. Damit würde der Umfang der Pflicht ins Verhältnis zu ihrem Rechtsgrund gesetzt und so dem Korrelationsgrundsatz968 Rechnung getragen. (3) Fazit Die Bemessung der Zustandsverantwortlichkeit alleine am Verkehrswert der gefährlichen Sache kann die Korrelation zwischen Nutzen und Lasten nicht hinreichend herstellen, weil sie dem Eigentümer wirtschaftliche Vorteile zurechnet, die in diesem Umfang nicht bestehen müssen. Ein vollständiger Abzug der Er968

Oben § 10 B. II. 2. c).

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werbskosten stellte wegen der gebrauchsbedingten Wertminderung den Eigentümer einer beweglichen Sache regelmäßig gänzlich frei. Die Bewertung tatsächlich bestehender, aus dem Recht fließender Vorteile hingegen ist problematisch, weil die Art ihrer Bemessung verfassungsrechtlich nicht vorgegeben ist. Das unterstreicht die Notwendigkeit einer gesetzlichen Bestimmung der Grenzen dessen, was einem Eigentümer alleine wegen seiner Rechtsinhaberschaft, also verursachungs- und verschuldensunabhängig, an Gefahrenabwehrlasten auferlegt werden kann. 4. Die Verantwortlichkeit des Alteigentümers a) Die Verantwortlichkeit des Derelinquenten Die polizeirechtliche Zustandsverantwortlichkeit wird in den meisten Polizeiund Ordnungsgesetzen nach dem Vorbild des § 5 Abs. 3 MEPolG auf den Derelinquenten einer herrenlosen Sache erstreckt. Damit soll verhindert werden, dass derjenige, der bisher den Nutzen aus der Sache gezogen hat, die aus ihr folgenden Lasten durch Eigentumsaufgabe auf die Allgemeinheit soll abwälzen können. Nach dem Wortlaut der Gesetze kommt es für die Verantwortlichkeit nicht einmal darauf an, wann die Gefahr zur Entstehung gelangt ist, so dass der Alteigentümer, der eine ungefährliche Sache derelingiert, auch für erst nachträglich entstehende Gefahren einzustehen hätte. Teilweise wird die Fortdauer der Verantwortlichkeit bereits auf die allgemeine Zustandsverantwortlichkeit gestützt, so dass entsprechende Regelungen nur als deklaratorisch verstanden werden969. Dagegen werden Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes ins Feld geführt, ersteres mit dem Wortlaut der allgemeinen Regelung, die auf den aktuellen Eigentümer abstellt970, letzteres mit der Notwendigkeit gesetzlicher Bestimmung des Inhalts des Eigentumsrechts nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG begründet971. Es ist indes fraglich, wie eine solche nachwirkende Verantwortlichkeit materiell zu rechtfertigen ist. Wenig Überzeugungskraft besitzt der Hinweis darauf, dass die Verantwortlichkeit bereits vor der Eigentumsaufgabe entstanden sei972. Das ließe sich allenfalls auf eine kraft Gesetzes bestehende materielle Polizei969 OVG Bremen, Beschl. v. 16.8.1988 – 1 BA 25/88 – NVwZ-RR 1989, 16, wobei aus den Entscheidungsgründen nicht eindeutig hervor geht, ob die – vorgebliche – Dereliktion schon vor oder erst nach der behördlichen Inanspruchnahme erfolgte; K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 89; H.-U. Gallwas/H. A. Wolff, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, Rdnr. 484; H. J. Wolff/O. Bachof, Verwaltungsrecht III, § 127 Rdnr. 24. 970 W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 180. 971 F. Schoch, Grundfälle, JuS 1994, 1026, 1027. 972 K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Rdnr. 89; F. Schoch, Grundfälle, JuS 1994, 1026, 1027.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

pflicht stützen, die aber, wie gezeigt, den Adressatennormen nicht zu entnehmen ist973. Sie enthalten vielmehr Zurechnungsgründe, die zwar eine Verpflichtung rechtfertigen, aber eben nicht selbst auferlegen. Eine Pflicht aber kann nur auf Zurechnungsgründe gestützt werden, solange solche vorhanden sind, während sich die Verpflichtbarkeit des Derelinquenten nur974 darauf bezieht, dass solche Gründe vor der Eigentumsaufgabe bestanden haben. Zudem müsste einerseits nach dieser Argumentation die weiter wirkende Verantwortlichkeit unabhängig davon bestehen, ob die Sache nun herrenlos ist oder ob sie mittlerweile im Eigentum eines anderen steht975, wenngleich der Gesetzgeber insoweit gegebenenfalls eine Beschränkung der Verpflichtbarkeit vorsehen kann. Andererseits bestünde die Verantwortlichkeit nicht nur dessen, der zivilrechtliches Eigentum aufgibt, sondern auch jedes anderen, der früher ein Recht an der Sache inne gehabt hat. Dann aber bedürfte es einer speziellen Rechtfertigung dafür, dass nur der Eigentümer über seine Eigentumsstellung hinaus für Gefahren aus der Sache haftet. Erblickt man den Rechtsgrund für die Zustandsverantwortlichkeit in der Korrelation von Nutzen und Lasten, so muss man konstatieren, dass der Alteigentümer zum Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme keine Vorteile aus der Sache ziehen kann, die eine besondere Pflichtigkeit begründen könnte. Er steht der Sache und damit auch der von ihr ausgehenden Gefahr nicht (mehr) näher als jeder andere Nichtberechtigte. Sofern nicht die Gefahr gerade durch die Aufgabe des Eigentums entsteht – dann allerdings kann bereits die Verursachungshaftung eingreifen – werden dem Alteigentümer Lasten aufgebürdet, die nicht durch einen besonderen Rechtsgrund gedeckt sind. Die Verantwortlichkeit des Derelinquenten lässt sich vor diesem Hintergrund verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen976. Freilich ist nicht zu leugnen, dass es unbillig erscheint, dem Eigentümer die Möglichkeit einzuräumen, sich durch Aufgabe des Eigentums seiner Verantwortlichkeit für bereits bestehende Gefahren auf Kosten der Allgemeinheit zu entziehen977. Doch bedarf es für die Erfassung dieser Fälle keiner spezifisch polizeirechtlichen Regelung, da ebenso wie die Anknüpfung an das Eigentum 973

Oben § 11 A. Anders hingegen B. Pieroth/B. Schlink/M. Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9 Rdnr. 35, die die „nachwirkende“ Zustandsverantwortlichkeit systematisch der Verhaltensverantwortlichkeit zuordnen, weil die Eigentumsaufgabe so erfolgen müsse, dass von ihr keine Gefahr ausgehe. 975 Vgl. auch § 4 Abs. 3 S. 4 2. HS BBodSchG, der nur die Eigentumsaufgabe, aber nicht die Herrenlosigkeit des Grundstücks voraussetzt; nach W. Kahl, Sanierungsverantwortlichkeit, Die Verwaltung 33 (2000), 29, 54, soll dies der „verfassungskonformen Reduzierung“ auf die Fälle bedürfen, in denen kein neuer Eigentümer vorhanden ist. 976 Vgl. auch Ch. Bickel, BBodSchG, § 4 Rdnr. 33: „Die Haftung nur aus dem Grunde, einmal Eigentümer gewesen zu sein (. . .) ist genauso willkürlich wie der Anknüpfungspunkt, Nachbar zu sein“. 974

§ 11 Die Polizeipflicht

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auch die Aufgabe des Eigentums zivilrechtsakzessorisch ist und der für die Dereliktion nach §§ 928, 959 BGB erforderlichen Willenserklärung die rechtliche Anerkennung versagt werden kann, wenn sie sich als gegen Treu und Glauben verstoßende oder sittenwidrige Ausnutzung einer Rechtsstellung (§ 138 Abs. 1 BGB) darstellt978. Der „Flucht aus der Zustandsverantwortung“979 kann demnach systemkonform begegnet werden, ohne dass die Korrelation von Nutzen und Lasten als Zurechnungsgrund aufgegeben werden muss. b) Exkurs: Die Verantwortlichkeit des früheren Eigentümers nach § 4 Abs. 6 BBodSchG Über die nach allgemeinem Polizeirecht vorgesehene Nachhaftung des Alteigentümers in Fällen der Eigentumsaufgabe hinaus hat das Bundesbodenschutzgesetz vom 17.3.1998 in § 4 Abs. 6 eine nochmalige Erweiterung der Verantwortlichkeit ehemaliger Eigentümer eingeführt, die vor dem Hintergrund der überkommenen polizeirechtlichen Systematik als „ordnungsrechtlich spektakulär“ bezeichnet worden ist980. Danach besteht eine Sanierungsverantwortlichkeit dessen, der das Eigentum übertragen hat, fort, wenn er die schädliche Bodenveränderung oder Altlast bei Übertragung kannte oder kennen musste. Die Regelung verschärft die der Nachhaftung bei Dereliktion immanente Problematik, weil sie den Kreis der Zustandsverantwortlichen, die über keinerlei rechtliche Sachherrschaft verfügen, noch ausdehnt. Ausgehend von der herkömmlichen Einordnung der Zustandsverantwortlichkeit als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums wird diese Ausdehnung damit gerechtfertigt, dass sie lediglich eine bestehende Verantwortlichkeit zeitlich verlängere und den Inhalt des Eigentums für die Zukunft neu bestimme981. Nach der hier entwickelten Dogmatik des Art. 14 GG kann aber die Ermächtigung zur Pflichtenbegründung selbst keine Inhalts-, sondern lediglich (auch) eine Schrankenbestimmung des Eigentums darstellen982, die sich nur auf existente Rechte zu beziehen vermag. Mit der Übertragung des Eigentums aber entfällt bereits die beschränkungsfähige Rechtsposition983. Daraus folgt auch, dass eine aufgrund des § 4 Abs. 6 BBodSchG auferlegte Pflicht unter keinen Umständen in das Eigentumsrecht 977 Vgl. auch E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, R Rdnr. 100 f. 978 Vgl. auch W. Kahl, Sanierungsverantwortlichkeit, Die Verwaltung 33 (2000), 29, 54, der allerdings daraus nicht den Schluss auf die Nichtigkeit der Eigentumsaufgabe zieht. 979 Vgl. L. Knopp, Flucht aus der Zustandsverantwortung, DVBl. 1999, 1010 ff. 980 W. F. Spieth/B. Wolfers, Die neuen Störer, NVwZ 1999, 355, 356. 981 J. Sanden/S. Schoeneck, BBodSchG, § 4 Rdnr. 49; A. Schink, Verantwortlichkeit für die Gefahrenabwehr, DÖV 1999, 797, 805. 982 Oben § 9 B. II. 2. b). 983 Vgl. auch Ch. Bickel, BBodSchG, § 4 Rdnrn. 32, 56.

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2. Teil: Öffentlich-rechtliche Rechtsgüterschutzpflichten Privater

des Verpflichteten am Grundstück eingreifen kann984, weil sie erst realisiert wird, wenn dieses bereits übertragen ist. Wie schon soeben in den Fällen der Zustandsverantwortlichkeit des Derelinquenten ist deshalb vorrangig der Rechtsgrund für die Verpflichtung zu ermitteln985. Ebenso wie dort kann er nicht in der Korrelation von Nutzen und Lasten gefunden werden, weil der Alteigentümer keinen rechtlichen Vorteil aus dem ihm nicht mehr gehörenden Grundstück zu ziehen vermag986. § 4 Abs. 6 BBodSchG ist im Zusammenhang mit der Dereliktionsregelung des § 4 Abs. 3 S. 4, 2. HS mit dem Ziel entstanden, Spekulations- und Umgehungsgeschäften sowie den Dereliktionsfällen zu begegnen987. Von der Zustandsverantwortlichkeit sollte weder die Aufgabe des Eigentums noch dessen Übertragung auf einen insolventen Neueigentümer befreien können. Die ausgreifende Formulierung des § 4 Abs. 6 BBodSchG aber schießt weit über das Ziel hinaus. Wie schon bei der Eigentumsaufgabe kann der Gesetzeszweck bereits durch das zivilrechtliche Instrumentarium erreicht werden, wenn der Übertragungsakt bei kollusivem Zusammenwirken von Veräußerer und Erwerber nach § 138 Abs. 1 BGB als nichtig angesehen wird, weil er darauf abzielt, Rechtsverhältnisse zum Schaden der Allgemeinheit zu regeln988. Dann verbleibt es bei der allgemeinen, an die rechtliche Sachherrschaft geknüpften Zustandsverantwortlichkeit. Für eine „nachwirkende“ Haftung des Alteigentümers im Falle eines wirksamen Übertragungsaktes aber ist kein Raum, weil eine besondere Verpflichtung mangels spezifischer Beziehung zum gefährdenden Grundstück materiell nicht begründbar ist.

984 Anders z. B. B. Grzeszick, Eigentum verpflichtet, NVwZ 2001, 721, 723, dem zufolge an die Eigentumsübertragung angeknüpft und deshalb in die Fähigkeit zur freien Eigentumsübertragung eingegriffen wird; wieder anders W. Kahl, Sanierungsverantwortlichkeit, Die Verwaltung 33 (2000), 29, 58, der den normativen Anknüpfungspunkt und die Grundstücksbezogenheit der Regelung mit der beeinträchigten Rechtsposition identifiziert; wie hier etwa W. F. Spieth/B. Wolfers, Die neuen Störer, NVwZ 1999, 355, 356 mit Fußn. 7. 985 Eine „Verlängerung der Verantwortlichkeit“ ist nichts anderes als eine zeitliche Ausdehnung des Rechtsgrundes. Dies kann aber durch Gesetz nicht angeordnet werden, weil der Gesetzgeber nicht über die Rechtfertigungsbedingungen seines Handelns zu disponieren vermag. 986 Vgl. auch W. Kahl, Sanierungsverantwortlichkeit, Die Verwaltung 33 (2000), 29, 66 f.; L. Knopp, Flucht aus der Zustandsverantwortung, DVBl. 1999, 1010, 1013; O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 344; W. F. Spieth/B. Wolfers, Die neuen Störer, NVwZ 1999, 355, 356 f. 987 Vgl. BT-Drs. 13/6701, S. 51; BT-Drs. 13/8182, S. 3. 988 So BVerwG, Beschl. v. 14.11.1996 – 4 B 205/96 – NVwZ 1997, 577; vgl. auch W. Kahl, Sanierungsverantwortlichkeit, Die Verwaltung 33 (2000), 29, 61 f.; anders noch in einem Eilverfahren VGH Mannheim, Beschl. v. 4.8.1995 – 10 S 828/95 – NVwZ 1996, 1036; korrigiert in der Hauptsacheentscheidung, Urt. v. 20.1.1998 – 10 S 233/97, mitgeteilt von L. Knopp, Flucht aus der Zustandsverantwortung, DVBl. 1999, 1010, 1011.

3. Teil

Opportunitäts- und Legalitätsprinzip Nach den Überlegungen zu Entstehungs- und Rechtmäßigkeitsbedingungen öffentlich-rechtlicher, insbesondere auf den Schutz von Rechtsgütern gerichteter Pflichten Privater ist abschließend ein Blick auf ihre Wechselwirkung mit den staatlichen Pflichten auf der Ebene des Gesetzesvollzugs zu richten. Gilt für die Begründung öffentlich-rechtlicher Pflichten wegen des Vorbehalts des Gesetzes das Primat des Gesetzgebers, so ist die Umsetzung der legislativen Vorentscheidungen die Domäne der Exekutive. Welche Rückwirkung Pflichten Privater auf die objektiv-rechtliche Gebundenheit der Verwaltung besitzen, wird regelmäßig nur im Rahmen des subjektiv-öffentlichen Rechts auf behördliches „Einschreiten“ erörtert. Im übrigen bleibt es bei der schon einleitend1 vermerkten Position, dass Verpflichtungen der Bürger im Verwaltungsrecht „weitgehend ohne Bedeutung“ seien2. Des Weiteren wird in Abhängigkeit von der gesetzlichen Ausgestaltung des „Eingriffs-“Instrumentariums bereichsspezifisch differenziert von Prinzipien gesprochen, die das Verwaltungshandeln determinieren sollen, genauer: von Opportunitäts- und Legalitätsprinzip. Was ist Inhalt dieser Prinzipien und was folgt aus ihnen, was ist der Grund ihrer Geltung und woran entscheidet sich, welches Prinzip im einzelnen gilt? Von diesen Fragestellungen ausgehend soll im Anschluss an einen Überblick über die unterschiedlichen Aspekte der genannten Prinzipien, nach einem historischen Abriss ihrer Entstehung und in Einbeziehung der strafprozessualen Diskussion um Inhalt und Umfang des dort herrschenden Legalitätsprinzips eine terminologische Klärung versucht werden. Hieraus wird sich die Relevanz öffentlich-rechtlicher Pflichten für das Verwaltungshandeln ergeben. Abschließend werden auch die Begründung von Pflichten durch die Verwaltung sowie die Ahndung von Pflichtverletzungen unter diesem Aspekt betrachtet.

1 2

Oben § 1 B. bei Fußn. 23. D. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 320.

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3. Teil: Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

§ 12 Opportunität und Legalität A. Begriff, Herkunft und Bedeutung Zu den Konstanten verwaltungsrechtlicher Terminologie zählen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die Begriffe der Opportunität und der Legalität als Kennzeichnung das Handeln staatlicher Organe leitender Prinzipien. Ursprünglich entstanden die Begriffe in den Reformdiskussionen um die Schaffung einer einheitlichen Strafprozessordnung3, doch wurden schon bald zunächst das Polizeirecht und davon ausgehend andere Gebiete des besonderen Verwaltungsrechts dem einen oder anderen Prinzip zugeordnet. So gehört es heute scheinbar zum weithin unangefochtenen Befund, wenn von der Geltung des Opportunitätsprinzips nicht nur im Polizeirecht4, sondern auch im Verwaltungsverfahrensrecht5, im Umweltrecht6, im Kartellrecht7 oder im Ordnungswidrigkeitenrecht8 gesprochen wird. Dagegen gilt etwa im Steuer-(verfahrens-)recht9, neuerdings wohl auch im Disziplinarrecht10, vor allem aber im Strafverfahrensrecht11 das 3

Dazu unten § 12 A. II. Etwa W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 66; K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 58; F. Rachor, Polizeihandeln, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, F Rdnr. 112; K. Vogel, in: B. Drews/ G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 24 1., S. 370 f. 5 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rdnr. 16; P. Stelkens/H. Schmitz, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 22 Rdnr. 2. 6 R. Breuer, Probleme der Zusammenarbeit, AöR 115 (1990), 448, 460 ff.; M. Kloepfer, Umweltrecht, § 7 Rdnr. 13. 7 K. Schmidt, in: U. Immenga/E.-J. Mestmäcker, GWB, § 54 Rdnr. 7; vgl. auch H.H. Trute, Verzahnungen von öffentlichem und privatem Recht, in: W. Hoffmann-Riem/ E. Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 176, 193 f. m.w.N. 8 P. Baisch, Schutz des Opportunitätsprinzips, S. 1 ff.; E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnr. 202; E. Göhler, OWiG, § 47 Rdnr. 1; K. Rebmann/W. Roth/S. Herrmann, OWiG, § 47 Rdnr. 1; G. Rosenkötter, Recht der Ordnungswidrigkeiten, Rdnr. 246; aus Sicht der Praxis vgl. J. Würzberg, Opportunitätsprinzip im Ordnungswidrigkeitenrecht, DAR 1995, 265 f.; zu kartellrechtlichen Ordnungswidrigkeiten G. Dannecker/J. Biermann, in: U. Immenga/ E.-J. Mestmäcker, GWB, vor § 81 Rdnr. 148; anders nur J. Bohnert, in: K. Boujong, KK-OWiG, Einleitung, Rdnrn. 148 ff. sowie § 47 Rdnr. 2. 9 Etwa H. Helsper, in: K. Koch/R.-D. Scholtz, AO, § 86, Rdnrn. 9 ff.; K. Tipke, in: ders./H. W. Kruse, AO, § 86 Rdnr. 1. 10 Vgl. R. Urban, Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts, NVwZ 2001, 1335, 1337; zur Problematik der Geltung des Legalitätsprinzips für Vorermittlungen nach § 26 BDO (a. F.) (entspricht § 17 Abs. 1 BDG) vgl. aber W. Hoffmann-Riem, Grenzen der Pflicht zur Durchführung von disziplinarrechtlichen Vorermittlungen, DÖV 1978, 781 ff.; H. Steinbach, Die Problematik des Legalitätsprinzips in § 26 BDO, ZBR 1974, 185 ff.; zu Geltung und Umfang des Opportunitätsprinzips nach § 3 BDO (a. F.) K. Dau, Das Opportunitätsprinzip im Disziplinarrecht, 1963. 11 A. Schoreit, in: G. Pfeiffer, KK-StPO, § 152 Rdnr. 13; L. Meyer-Goßner, StPO, § 152, Rdnr. 2; P. Rieß, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 152 Rdnr. 8. 4

§ 12 Opportunität und Legalität

345

Legalitätsprinzip als zugrundeliegend. Im Recht der Staatsaufsicht schließlich ist es nach wie vor umstritten, welches der Prinzipien handlungsleitend ist12. I. Die ungeklärte Terminologie Gegenüber dieser kategorischen Zuordnung bleibt indes die inhaltliche Ausformung der genannten Prinzipien merkwürdig unbestimmt. Verbreitet ist die Verbindung des Opportunitätsprinzips mit dem Ermessen, des Legalitätsprinzips hingegen mit der gebundenen Verwaltung. Diese Gegenüberstellung unter dem Aspekt des Ermessens hat Tradition; sie spielt seit den Anfängen der Begriffsprägung eine Rolle. Die scheinbare Konstanz nicht nur der Terminologie, sondern auch der inhaltlichen Ausgestaltung bekommt aber deutliche Brüche, berücksichtigt man den Wandel des Ermessensbegriffs und die Entwicklung der Dogmatik unbestimmter Rechtsbegriffe im vergangenen Jahrhundert: Wenn es eine notwendige Verbindung zwischen Ermessen und Opportunität gibt, so ist das heutige Opportunitätsprinzip auch inhaltlich nicht mehr dasselbe, das im Kaiserreich thematisiert wurde! Die Diskussion im Verwaltungsrecht hat sich solcher Differenzen im Gegensatz zur Straf-(prozess-)rechtslehre kaum angenommen. Dort aber wurde der Wandel der verwaltungsrechtlichen Dogmatik teilweise geradezu zum Auslöser dafür, sich des Begriffs und der Bedeutung des Legalitätsprinzips zu vergewissern – allerdings mit höchst unterschiedlichen Ergebnissen, die von der Forderung nach Aufgabe der Entgegensetzung von Legalität und Opportunität13 bis zu dem zuletzt vorgelegten Versuch reichen, beide Grundsätze als unterschiedliche Prinzipien der Rechtsanwendung näher zu konturieren14. Diese – in gewisser Weise „von außen“ an das Verwaltungsrecht herangetragenen – Anstöße sind nur ein Grund, sich auch aus verwaltungsrechtlicher Sicht näher mit der Problematik auseinanderzusetzen. Genese und aktuelle Verwendung der Termini „Legalitäts-“ bzw. „Opportunitätsprinzip“ schließen es jeden12 Für die Geltung des Opportunitätsprinzips etwa H.-U. Erichsen, Kommunalrecht, § 15 B 3 b), S. 354; U. Lübking/K. Vogelgesang, I.-M. Ulbrich, Die Kommunalaufsicht, Rdnrn. 122, 191; E. Schmidt-Aßmann, Kommunalrecht, in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 43; R. Stober, Kommunalrecht, § 9 III 1 c) und e), S. 151, 154; zur Gegenansicht H. Borchert, Legalitätsprinzip oder Opportunitätsgrundsatz, DÖV 1978, 721, 726; J. Klimant, Kommunalaufsicht, S. 27 ff., 35 ff.; F.-L. Knemeyer, Staatsaufsicht in: G. Püttner, HkWP, Bd. 1, S. 265, 268 f. (vgl. aber nunmehr dens., Rechtsaufsicht, BayVBl. 1999, 193, 195 f.); K. Waechter, Kommunalrecht, Rdnr. 198; vermittelnd A. Voßkuhle, Duldung rechtswidrigen Verwaltungshandelns, Die Verwaltung 29 (1996), 511, 536; zum Problem auch M. Wehr, Ermessen der Rechtsaufsicht, BayVBl. 2001, 705, 707 f. 13 Etwa F.-C. Schroeder, Legalitäts- und Opportunitätsprinzip heute, in: Festschrift f. K. Peters, S. 411, 425 f.; H. Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen, S. 60. 14 V. Erb, Legalität und Opportunität, insbesondere S. 52 ff.

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3. Teil: Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

falls aus, die sich insoweit vollziehende Entwicklung im Strafverfahrensrecht als „fachfremd“ und damit irrelevant anzusehen. Sie ist es schon deshalb nicht, weil durch die doppelte Funktion der Polizei im institutionellen Sinne als Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsorgan auch jenseits der Justizverwaltung im organisatorischen Sinn eine enge Verbindung zwischen beiden Rechtsmaterien besteht15. Außerdem existieren sachliche Verknüpfungen, soweit ein Sachverhalt sowohl verwaltungsrechtlich als auch strafrechtlich relevant ist. Hierbei werden, insbesondere im Umweltrecht, Kollisionen zwischen verwaltungsrechtlichem Opportunitäts- und strafprozessualem Legalitätsprinzip konstatiert, wenn auf der einen Seite die Verwaltungsbehörde aus „Opportunitätserwägungen“ davon absehen können soll, gegen rechtswidriges Verhalten vorzugehen, auf der anderen Seite die Strafverfolgungsbehörde nach § 152 Abs. 2 StPO zum Einschreiten verpflichtet ist16. Dies deutet darauf hin, dass eine Verständigung über den Inhalt der Prinzipien nicht lediglich eine Frage der Definition, sondern zunächst im Interesse einer konkreten Problemformulierung notwendig ist. Auch aus rechtsdogmatischer Sicht besteht Klärungsbedarf beispielsweise hinsichtlich des Geltungsgrundes der Prinzipien in den einzelnen Rechtsgebieten: Ob Legalitäts- oder Opportunitätsprinzip allein kraft gesetzgeberischer Dezision gelten, oder ob nicht auch verfassungsrechtliche Gründe den Ausschlag geben, ist noch nicht erörtert – gewiß auch eine Folge mangelnder inhaltlicher Bestimmtheit der Prinzipien. Ebensowenig ist die Frage geklärt, aus welchen Normen sich die Geltung des jeweiligen Prinzips ergibt. F.-L. Knemeyer hat aus dem zwingenden Charakter der Aufgabenzuweisungsnormen17 eine Handlungspflicht der (Sicherheits-)Verwaltung abgeleitet18. Diese Abkehr vom Entschließungsermessen19, ist als Absage an das Opportunitätsprinzip verstanden und nahezu einhellig unter Hinweis auf das Ermessen in den Befugnisnormen verworfen worden20. Dass umgekehrt das Legalitätsprinzip im Rahmen der Strafverfolgung nur den Aufgabennormen der §§ 152 Abs. 2, 163 Abs. 1 StPO, nicht den Befugnissen (die allesamt im Ermessen stehen), entnommen wird21, ist immerhin bemerkenswert. Der Versuch, diese Diskrepanz dadurch aufzulösen, dass der 15

Vgl. auch E. Schmidt-Jortzig, Möglichkeiten einer Aussetzung, NJW 1989, 129,

130. 16 Vgl. etwa R. Breuer, Probleme der Zusammenarbeit, AöR 115 (1990), 448, 460 ff. 17 Insoweit zustimmend R. Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, S. 269 f.; R. Stettner, Kompetenzlehre, S. 165 f.; K. Waechter, Polizeiliches Ermessen, VerwArch 88 (1997), 298, 303, 318. 18 Zustimmend M. Kniesel, Prinzipien, Die Polizei 1989, 179, 183. 19 F.-L. Knemeyer, Schutz der Allgemeinheit, VVDStRL 35 (1977), 221, 236 sowie Leitsätze 5 und 14. 20 Vgl. etwa die Diskussionsbeiträge in VVDStRL 35 (1977) von O. Bachof (S. 330 ff.) R. Mußgnug (S. 334 ff.), V. Götz (S. 342).

§ 12 Opportunität und Legalität

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(polizeirechtlichen) Aufgabennorm der zwingende Charakter abgesprochen wird22, kann aber wohl nicht damit begründet werden, dass anderenfalls ein „permanentes Vollzugsdefizit“ die Folge sei23. Dass nämlich ein idealiter verstandenes Legalitätsprinzip eine allumfassende, lückenlose Aufgabenerfüllung erzwinge, ist angesichts der faktischen Zwänge und begrenzter Ressourcen jedenfalls im Strafverfahrensrecht längst als „ideologisches Oktroy“ entlarvt24, ohne dass die Geltung des Prinzips in Frage gestellt würde. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass umgekehrt, wenngleich eher aus „verwaltungspsychologischer“ Sicht, das allenthalben diagnostizierte Vollzugsdefizit im Umweltrecht auch auf die Geltung des Opportunitätsprinzips zurückgeführt und zu dessen Beseitigung die Einführung des Legalitätsprinzips vorgeschlagen wurde25. All dies sind Indizien dafür, dass sich die Verwaltungsrechtslehre einer überkommenen Terminologie bedient, ohne sich über deren Bedeutung im Klaren zu sein. „Legalität“ bzw. „Opportunität“ mutieren auf diese Weise zum Argumentationsersatz, was etwa in der Behauptung deutlich wird, es sei „das Opportunitätsprinzip“, welches einen Entscheidungsspielraum der Behörde eröffne26. Im günstigsten Falle dienen die Begriffe allenfalls als (überflüssige) Synonyme für das Maß der Bindung der Verwaltung durch den Gesetzgeber. Das mag – weil terminologische Fragen solche der Definition sind – unschädlich sein, selbst wenn nicht ganz einsichtig ist, was das Prinzipielle etwa an einem Opportunitätsprinzip sein soll, wenn es mit Ermessen gleichzusetzen ist. In die Irre führt es aber dennoch, weil zumindest das strafprozessuale Legalitätsprinzip jenseits solcher Definitionsbemühungen auf die Durchsetzung des materiellen Strafrechts bezogen, also materiell und final konzipiert ist und eben nicht modal und kompetenziell. Käme es tatsächlich (nur) auf Ermessen oder Bindung der Strafverfolgungsorgane an, wäre jede Norm, die kein Ermessen eröffnet, dem Legalitätsprinzip zuzuordnen, und zwar unabhängig davon, wozu sie verpflichtet. Dazu zählte dann auch beispielsweise § 153 Abs. 1 StPO, der bei geringer 21 Zur Abgrenzung von Aufgaben- und Befugnisnormen vgl. F. L. Knemeyer, Funktionen der Aufgabenzuweisungsnormen, DÖV 1978, 11 ff. 22 F. Schoch, Grundfälle zum Polizei- und Ordnungsrecht, JuS 1994, 754. 23 So W. Martens, Gefahrenabwehr, DÖV 1982, 89, 97; F. Schoch, Grundfälle zum Polizei- und Ordnungsrecht, JuS 1994, 754; A. Voßkuhle, Duldung rechtswidrigen Verwaltungshandelns, Die Verwaltung 29 (1996), 511, 520. 24 W. Bottke, Polizeiliches Legalitätsprinzip, JuS 1990, 81, 82. 25 G. Lübbe-Wolff, Vollzugsprobleme der Umweltverwaltung, NuR 1993; 217, 220 f.; vgl. auch A. Voßkuhle, Duldung rechtswidrigen Verwaltungshandelns, Die Verwaltung 29 (1996), 511, 520, 523, der im Ergebnis Vollzugsdefizite sowohl auf das Legalitätsprinzip (S. 520), als auch auf das Opportunitätsprinzip (S. 523) zurückführt. 26 Vgl. F. Schoch, Grundfälle zum Polizei- und Ordnungsrecht, JuS 1994, 754, 755; ähnlich U. Di Fabio, Die Ermessensreduzierung, VerwArch 86 (1995), 214, 215: „. . . das ermessensspendende Opportunitätsprinzip . . .“; B. Pieroth/B. Schlink/M. Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 2 Rdnr. 8: „. . . das Opportunitätsprinzip, das den Polizei- und Ordnungsbehörden Ermessen einräumt . . .“

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3. Teil: Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

Schuld und mangelndem öffentlichem Interesse an der Strafverfolgung letztlich keinen Raum mehr für eine Ermessensausübung lässt27 und somit zur Einstellung des Verfahrens zwingt. Damit wäre aber der Inhalt des Legalitätsprinzips geradezu auf den Kopf gestellt28, der eben nicht irgendeine Verpflichtung, sondern gerade die zur Strafverfolgung kennzeichnet. Dieses Beispiel mag zeigen, dass zu den skizzierten begrifflichen Unschärfen in den Definitionen von Legalitäts- und Opportunitätsprinzip noch deren Untauglichkeit hinzukommt, die zu bezeichnende Problematik tatsächlich zu erfassen. Das freilich spricht nur gegen die Definition, nicht gegen die Begriffe und schon gar nicht gegen die zugrundeliegende Fragestellung. Diese muss allerdings erst herausgearbeitet werden. Die reine Begrifflichkeit erleichtert ein solches Vorhaben indes nicht. Gerade der Terminus der Opportunität transportiert immer noch Assoziationen, von denen sich die Ermessenslehre längst befreit hat: Vom Ermessen als dem „trojanischen Pferd des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts“29 ist heutzutage nicht mehr die Rede. Dagegen bietet die geringe sprachliche Distanz zwischen Opportunität und Opportunismus bis in die Gegenwart einen Vorwand, auch eine sachliche Nähe zwischen beiden anzunehmen: „Von der Opportunität zum Opportunismus ist der Weg kurz; der Opportunist beschreitet ihn“30. In derartigen Einschätzungen spiegelt sich auch heute noch die Tatsache, dass ursprünglich der Begriff der Legalität dem der Opportunität mit einem nicht geringen Maß an Polemik entgegengesetzt worden war31. Begrifflichen Deduktionen sind schon aus diesem Grunde enge Grenzen gesetzt, zumindest dann, wenn das Opportunitätsprinzip nicht lediglich als hinzunehmender „Kompromiß zwischen der Rechtsstaatsidee und staatlicher Wirklichkeit“32, mithin als tendenziell illegal verstanden, sondern geradezu als „allgemeine[s] Strukturprinzip der Verwaltung“33 bezeichnet wird.

27

Vgl. etwa L. Meyer-Goßner, StPO, § 152 Rdnr. 7. So auch V. Erb, Legalität und Opportunität, S. 46. 29 H. Huber, Niedergang des Rechts und Krise des Rechtsstaates, in: Festgabe für Z. Giacometti, S. 59, 66. 30 J. Bohnert, Abschlußentscheidung, S. 135 f. U. Vultejus, Legalitäts- und Opportunitätsprinzip, ZRP 1999, 135 ff. stellt das „rechtsstaatliche“ Legalitätsprinzip dem „politischen“ Opportunitätsprinzip gegenüber. 31 H. Marquardt, Entwicklung des Legalitätsprinzips, S. 13; F.-C. Schroeder, Legalitäts- und Opportunitätsprinzip heute, in: Festschrift für K. Peters, S. 411, 412. 32 K.-H. v. Köhler, Rechtsstaat und Opportunitätsprinzip, DÖV 1956, 744, 745. 33 H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 31 Rdnr. 31. 28

§ 12 Opportunität und Legalität

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II. Der historische Kontext Ein Blick auf den sachlichen und historischen Kontext, in dem die Gegenüberstellung von Legalität und Opportunität in die rechtswissenschaftliche Terminologie eingeführt worden ist, offenbart, dass sich hinter ihr eine Grundsatzfrage verbarg, die vordergründig zwar zunächst durch die Legislative entschieden wurde, ohne dass dadurch jedoch die Hintergründe von Inhalt, Grund und Reichweite der Prinzipien wirklich geklärt werden konnten. 1. Die Reform des Strafprozessrechts Ausgangspunkt waren die Überlegungen über die Reformierung des Strafprozessrechts, die Mitte des 19. Jahrhunderts nach der Abkehr vom Inquisitionsprozess im Zuge der Einrichtung der Staatsanwaltschaften angestellt wurden34. Hierzu gehörte auch die Frage, ob der Staat bzw. die zur Ermittlung von Straftaten zuständige Stelle35 zur Verfolgung jeder Straftat verpflichtet oder berechtigt sein sollte, wegen Geringfügigkeit oder aus staatlichem Interesse die Strafverfolgung zu unterlassen. In diesem Zusammenhang brachte Julius Glaser im Jahre 1860 den Begriff der Opportunität in die Diskussion ein36. Er differenzierte zwischen der „Rechtsfrage“, ob ein bestimmtes Strafgesetz übertreten sei, und der „Opportunitätsfrage“, „ob es zweckentsprechend sei, das im Allgemeinen als geeignet anerkannte, durch das Strafgesetz zur Verfügung gestellte Mittel auch im gegebenen Falle wirklich anzuwenden“37. Das Recht der Staatsgewalt zur Verfolgung von Verbrechen beruhe zwar auf der staatsrechtlichen Verpflichtung, für eine wirksame Strafrechtspflege Sorge zu tragen; von ihm sei jedoch „nach pflichtmäßiger Erwägung“ Gebrauch zu machen38. Glasers Überlegungen betrafen Fälle, in denen die Anwendung der Strafgesetze „mit höheren Bedürfnissen der öffentlichen Rechtsordnung selbst geradezu in Conflict“ kommen, der Strafverfolgung „beachtenswerte Interessen“ entgegenstehen oder die mit ihr verbundenen Opfer zum Ertrag außer Verhältnis stehen könnten39. – Die 34 Vgl. U. Kapahnke, Opportunität und Legalität, S. 3 f.; H. Marquardt, Entwicklung des Legalitätsprinzips, S. 16 ff.; Th. Weigend, Anklagepflicht und Ermessen, S. 25 ff.; zur Entwicklung bis 1908 vgl. den Bericht von Graf Gleispach, in: Verhandlungen des 29. DJT, Bd. 5, S. 435 ff. 35 Die Rechtslage in den deutschen Staaten war durchaus unterschiedlich: teilweise war das Ermittlungsverfahren noch weitgehend in der Hand des Richters verblieben, teilweise der Staatsanwaltschaft übertragen worden. Vgl. dazu den Überblick von W. Wagner, Zum Legalitätsprinzip, in: Festschrift 45. DJT, 1964, S. 149, 152 ff. 36 J. Glaser, Das Prinzip der Strafverfolgung, in: ders., Gesammelte kleinere juristische Schriften, S. 523, 533. 37 J. Glaser, Prinzip der Strafverfolgung, in: ders., Gesammelte kleinere juristische Schriften, S. 523, 533. 38 J. Glaser, Replik, in: ders., Gesammelte kleinere juristische Schriften, S. 539, 545.

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begriffliche Charakterisierung und noch mehr der Vorschlag, die jeweilige Interessenbewertung und -abwägung der Staatsanwaltschaft zu übertragen40, erleichterten es den Befürwortern einer strikten Anwendung der Strafgesetze, mit dem Ruf „Legalität, nicht Opportunität“41 die Gegenposition polemisch in einen Gegensatz zur Gesetzmäßigkeit zu bringen42. Die Furcht vor einem (politischen) Missbrauch eines der weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft einzuräumenden Entscheidungsspielraums zu Lasten der Bürgerrechte war maßgeblich durch das Anklagemonopol der Strafverfolgungsbehörde und die sehr restriktive Zulassung der Privatklage motiviert43. Die Verpflichtung, „wegen aller gerichtlich strafbaren und verfolgbaren Handlungen einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen“44, sollte als Korrektiv des Offizialprinzips eine gleichmäßige und willkürfreie Strafjustiz gewährleisten45. In den Beratungen um die Einführung der Reichsstrafprozessordnung setzte sich diese Position schließlich durch46 und fand in dem bis heute nahezu unveränderten § 152 Abs. 2 RStPO seinen gesetzlichen Ausdruck. In den Motiven zum Regierungsentwurf von 1874 heißt es dazu: „Die allgemeine [. . .] Pflicht des Staats, bei strafbaren Handlungen die Bestrafung des Schuldigen herbeizuführen, [. . .] ist durch § 134 Abs. 247 festgestellt. Es ist dadurch das sog. Legalitätsprinzip zur ausdrücklichen Anerkennung gelangt“48. Die Begriffe „Legalität“ und „Opportunität“ werden seither als begriffliche Gegensätze verstanden und in Bezug auf § 152 Abs. 2, 153 ff. StPO weiterhin angewandt. Zugleich ist aber auch eine fortschreitende Aushöhlung der ursprünglichen Grundsatzentscheidung durch eine zunehmende Lockerung der Strafverfolgungspflicht zu konstatieren. Sie hat, möchte man sagen, Julius Glaser und seinen Kombattanten gewissermaßen zu einem späten Sieg verholfen49, 39 J. Glaser, Prinzip der Strafverfolgung, in: ders., Gesammelte kleinere juristische Schriften. 523, 533; ders., Replik, ebd., S. 539, 544. 40 Vgl. J. Glaser, Prinzip der Strafverfolgung, in: ders., Gesammelte kleinere juristische Schriften. 523, 535. 41 v. Groß, Gutachten, in: Verhandlungen des 2. DJT, Bd. 1, S. 129, 142. 42 Vgl. auch F.-Ch. Schroeder, Legalitäts- und Opportunitätsprinzip heute, in: Festschrift f. K. Peters, 1974, S. 411, 412. 43 H. Faller, Grenzen des Opportunitätsprinzips, in: Festgabe f. Th. Maunz, S. 69– 71. 44 So die ursprüngliche Fassung des § 152 Abs. 2 RStPO. 45 Vgl. Kapahnke, Opportunität und Legalität, S. 7. 46 Zur Diskussion der Reichstagskommission vgl. C. Hahn, Materialien, Bd. 3, 1. Abt., S. 710 ff.; ferner die Darstellung bei W. Wagner, Zum Legalitätsprinzip, in: Festschrift 45. DJT, S. 149, 158 f. 47 Der dem § 152 Abs. 2 des späteren RStPO entspricht. 48 C. Hahn, Materialien, Bd. 3, 1. Abt., S. 147. 49 H. Marquardt, Entwicklung des Legalitätsprinzips, S. 8, spricht davon, dass „das Legalitätsprinzip einen geraden Weg zum Opportunitätsprinzip zu beschreiten“ scheine.

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wenngleich § 152 Abs. 2 StPO und das Legalitätsprinzip als solches nicht angetastet wurden50. 2. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis in der StPO Die „Legalität“ besteht nach herkömmlicher Anschauung in dem damit als Grundsatz festgeschriebenen Verfolgungszwang51. Demgegenüber werden diejenigen Vorschriften, die im Einzelfall dazu ermächtigen, nach Ermessen von einer Strafverfolgung abzusehen (insbesondere §§ 153 ff. StPO), als Ausdruck des Opportunitätsprinzips betrachtet52. Gegenstand des Begriffspaares ist somit das Bestehen oder Nichtbestehen der Pflicht zur Strafverfolgung. Dabei werden die Opportunitätsvorschriften lediglich als Ausnahmen von der Verfolgungspflicht verstanden53. Daran wird deutlich, dass es sich in diesem Kontext nicht um grundsätzlich gleichwertige „Prinzipien“ im Sinne von – nach der Definition R. Alexys54 – Optimierungsgeboten handelt55, „die dadurch charakterisiert sind, daß sie in unterschiedlichen Graden erfüllt werden können und daß das gebotene Maß ihrer Erfüllung nicht nur von den tatsächlichen, sondern auch von den rechtlichen Möglichkeiten abhängt“. Die Normen, die das strafprozessuale „Opportunitätsprinzip“ konstituieren, setzen daher in ihrem Anwendungsbereich nicht das „Legalitätsprinzip“ außer Kraft, sie schränken nur das Maß seiner Verwirklichung im Bereich der Strafverfolgung insgesamt ein. „Dabei wird nicht mehr inhaltlich gewertet, was nun das Opportunitätsprinzip überhaupt heißt, sondern lediglich auf ein Regel-Ausnahme-Verhältnis abgestellt“56. Es ist demnach zutreffender, sie nicht als Gegensatz, sondern lediglich als funk50 Vgl. H. Zipf, Legalitätsprinzip, in: Festschrift f. K. Peters, S. 487, 488: „(. . .) man rüttelt dann nicht am Grundsatz, schränkt ihn aber faktisch immer weiter ein“, 51 L. Meyer-Goßner, StPO, § 152 Rdnr. 2; K. Geppert, Das Legalitätsprinzip, Jura 1982, 139, 141; F. Jeutter, Sinn und Grenzen, S. 7; E. Schmidt-Jortzig, Möglichkeiten einer Aussetzung, NJW 1989, 129, 131. 52 J. Bohnert, Abschlußentscheidung, S. 134; H. Faller, Grenzen des Opportunitätsprinzips, in: Festgabe f. Th. Maunz, S. 69, 74 ff.; K. Geppert, Das Opportunitätsprinzip, Jura 1986, 309, 310. 53 U. Kapahnke, Opportunität und Legalität, S. 1; G. Pfeiffer, in: ders., KK-StPO, Einleitung Rdnr. 6; L. Meyer-Goßner, StPO, § 152 Rdnr. 7; P. Rieß, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 152 Rdnr. 9. 54 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 75 f. 55 Den Prinzipiencharakter des „sogenannten Opportunitätsprinzips“ stellte bereits v. Ullmann, Gutachten, in: Verhandlungen des 29. DJT, Bd. 1, S. 63, 71, in Frage, unter Hinweis darauf, dass die „Forderung, daß die Verfolgung von Straftaten überhaupt durch Erwägungen der Zweckmäßigkeit bestimmt werde“, von niemandem erhoben worden sei (Hervorhebung im Original); insoweit zustimmend Graf Gleispach, Bericht, in: Verhandlungen des 29. DJT, Bd. 5, S. 435, 443, nach dem es bedeutungslos sein soll, ob es sich um ein Prinzip handle oder nicht. 56 Zutreffend F. Jeutter, Sinn und Grenzen, S. 8; H. Marquardt, Entwicklung des Legalitätsprinzips, S. 13 f.

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tionale Begrenzungen des „Legalitätsprinzips“ im Sinne einer Verfolgungspflicht zu bezeichnen57. III. Die Übernahme in das Verwaltungsrecht 1. Vom Polizeistrafrecht zum Polizeirecht Über das Strafprozessrecht fanden die Begriffe „Legalitäts-“ bzw. „Opportunitätsprinzip“ Eingang auch in die verwaltungsrechtliche Terminologie. Ausgangspunkt hierfür war eine der strafprozessualen „Prinzipienfrage“ vergleichbare Situation im Recht der Polizeistrafverfügung58. Soweit die Länder von der durch §§ 6 EGStPO, § 453 StPO 1877 eingeräumten bzw. belassenen59 Kompetenz Gebrauch gemacht hatten, konnten Polizeibehörden bei Übertretungen selbstständig ohne Mitwirkung eines Gerichts Strafen festsetzen. Auch hier war zu entscheiden, ob eine Verpflichtung zur Ahndung bestand oder nicht60. Die Wendung vom Polizeistraf- zum Polizeirecht lag deswegen nahe, weil zu den Übertretungen, die mit Strafe zu belegen waren, insbesondere Zuwiderhandlungen gegen Polizeiverordnungen zählten. Deshalb stellte sich ganz allgemein die Frage, ob nur der staatliche Strafanspruch durch Polizeistrafverfügungen durchgesetzt werden muss, oder nicht bereits das in den Verordnungen enthaltene staatliche Verhaltensgebot durch Polizeiverfügungen61. Von hier aus war es scheinbar nahe liegend, die Problematik über die Ahndung von Übertretungen bzw. die Durchsetzung von Verpflichtungen allgemein auf die polizeiliche Tätigkeit auszudehnen. So wurde das Problem in einer allgemeinen Fassung durch § 10 II 17 PrALR aufgeworfen62, bei dem strittig war, „ob die Polizei bei jeder Polizeiwidrigkeit einschreiten muß, oder ob sie es nur kann und ihr freies Ermessen darüber belassen ist [. . .], m. a. W. ob das Legalitätsprinzip auf dem Gebiet des Polizeiverfügungsrechts herrscht, oder das Opportunitätsprinzip“63. Damit war ein allgemeines Problem64 mit einer ebenso bekannten wie griffigen 57

H. Schöch, in: AK-StPO, 1992, § 152 Rdnr. 15. Vgl. K. Reuter, Rechtsaufsicht, S. 5 f. 59 Vgl. dazu C. Hahn, Materialien, Bd. 3, 1. Abt., S. 288. 60 s. etwa – die Verpflichtung bejahend – H. Rosin, Polizeiverordnungsrecht, S. 103 ff.; sie verneinend R. Thoma, Der Polizeibefehl im Badischen Recht, S. 87. 61 In diesem Sinne H. Rosin, Polizeiverordnungsrecht, S. 102; R. Thoma, Polizeibefehl, S. 78, der zwischen diesen „vollziehenden“ und „verpflichtenden“ Verfügungen unterscheidet, die erst eine Pflicht begründen; gegen ihn ausdrücklich W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 276, Fußn. 38: „. . . hat ein derartiges Legalitätsprinzip im Polizeiverfügungsrecht ebensowenig eine gesetzliche Grundlage wie im Polizeistrafverfügungsrecht“; vgl. auch dens., Legalitäts- oder Opportunitätsprinzip, PrVBl. 46 (1924/25), 490; dens., Verwaltungsrecht, S. 36. 62 H. P. Schmatz, Grenzen des Opportunitätsprinzips, S. 87 ff., 63 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, S. 181 (Hervorhebungen im Original gesperrt). 58

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„Formel“ versehen, die seither im Verwaltungsrecht verankert ist65. Gleichwohl kann von einer einheitlichen – und was den Wortsinn betrifft, auch von einer besonders überzeugenden – Terminologie keine Rede sein. 2. Die Einordnung in Kategorien des Verwaltungsrechts Obwohl gelegentlich Bemühungen sichtbar werden, eine Verbindung zum Strafprozessrecht herzustellen und so die Einheitlichkeit der Begriffsbildung zu gewährleisten66, lässt sich doch feststellen, daß das verwaltungsrechtliche Schrifttum eine enge Anbindung an vorhandene verwaltungsrechtliche Kategorien bevorzugt und auf diesem Wege den gemeinsamen Ausgangspunkt weitgehend aus dem Blick verloren hat. a) Opportunität als Entschließungsermessen Ausgehend von der geschilderten Begriffsentwicklung hat sich eine Sicht entwickelt, die den Bezugspunkt der beiden Prinzipien in der „Freiheit“ oder Verpflichtung zum behördlichen Handeln bzw. „Einschreiten“ erblickt67. Diese Lösung hat auf den ersten Blick den Vorzug, dass damit Legalitäts- und Opportunitätsprinzip in den unterschiedlichen Rechtsgebieten – Strafprozessrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht, Verwaltungsverfahrensrecht (§ 22 VwVfG68), Polizei- und Ordnungsrecht – denselben Bezugspunkt, nämlich die Frage nach „Freiheit“ oder Verpflichtung zum Handeln bzw. zum „Einschreiten“, zu besitzen scheinen und sich somit als Gegensatzpaar verstehen ließen. Zugleich aber wird die Handlungspflicht mit einem kompetentiellen Aspekt verknüpft, nämlich dem Verhältnis zwischen Gesetzgeber und Verwaltung69. Das Opportunitätsprinzip wird nämlich in diesem Sinne identifiziert mit dem sogenannten 64 Das durch § 14 des PrPVG vom 1. 6. 1931 – wenngleich mißverständlich formuliert – eine einfachgesetzliche Lösung fand. Vgl. dazu K. Vogel, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 24 1, S. 371; zur Entstehungsgeschichte ausführlich H. P. Schmatz, Grenzen des Opportunitätsprinzip, S. 98 ff. 65 Zur weiteren Entwicklung der Diskussion im Anschluß an O. Bühler vgl. H. P. Schmatz, Opportunitätsprinzip, S. 90 ff. 66 Etwa bei K. Reuter, Rechtsaufsicht, S. 4 ff.; A. Voßkuhle, Duldung rechtswidrigen Verwaltungshandelns, Die Verwaltung 29 (1996), 511, 514 f. 67 H. Borchert, Legalitätsprinzip oder Opportunitätsgrundsatz, DÖV 1978, 721, 723; G. Hermes/J. Wieland, Staatliche Duldung, S. 18 ff.; J. Klimant, Kommunalaufsicht, S. 27; H. Peters, Lehrbuch der Verwaltung, S. 379; K. Reuter, Rechtsaufsicht, S. 11; A. Voßkuhle, Duldung rechtswidrigen Verwaltungshandelns?, Verwaltung 29 (1996), 511, 514 f.; K. Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 427. 68 Vgl. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rdnr. 16. 69 Zum kompetentiellen Charakter der Einräumung von Ermessens als „administrative Letztentscheidungsermächtigung“ vgl. E. Schmidt-Aßmann, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 19 Abs. IV (1985), Rdnrn. 185 ff.

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„Entschließungsermessen“, einer auf Hans Julius Wolff zurückgehenden Kennzeichnung für die vom Gesetz eröffnete Möglichkeit der Verwaltung, bei Erfüllung des Tatbestandes einer Norm nach Ermessen darüber zu entscheiden, ob eine Maßnahme zu treffen ist oder nicht70. Diese Ermessenskategorie wird strikt getrennt von der als „Auswahlermessen“ bezeichneten Möglichkeit, zwischen mehreren gesetzlich zulässigen Maßnahmen zu wählen. Die Differenzierung beschränkt sich jedoch nicht nur darauf, Arten von Ermessensnormen systematisch zu erfassen, sondern soll ein doppeltes Handlungsermessen kennzeichnen. Danach sind zwei Entscheidungen zu treffen, zunächst diejenige, ob überhaupt eingeschritten wird, sodann diejenige, wie das geschieht71. Diese Projizierung von Normstrukturen auf tatsächliche Entscheidungsabläufe ist allerdings überaus problematisch. Denn sie suggeriert, dass über das „Ob“ unabhängig vom „Wie“ entschieden werden kann. Tatsächlich aber hängt der Handlungsimpuls entscheidend von den realen Handlungsmöglichkeiten ab72; eine Entscheidung zum Eingreifen ist nur dann sinnvoll, wenn sie durch verfügbare Eingriffsmaßnahmen umgesetzt werden kann; eine Entscheidung über das anzuwendende Mittel macht umgekehrt eine isolierte Eingriffsentscheidung überflüssig. Gegenüber der Lehre von Entschließungsermessen als dogmatischer Kategorie ist demgegenüber die Einheit der Ermessensentscheidung zu betonen73. Diese ist in den entsprechenden Ermessensermächtigungen auch angelegt. Wenn sie keine Verpflichtung enthalten, bei Erfüllung des gesetzlichen Tatbestands überhaupt tätig zu werden, dann ist das Absehen von einer Maßnahme auf der Ebene des Gesetzes eine Reaktionsmöglichkeit, die in abstracto dem Ergreifen einer gesetzlich bezeichneten Maßnahme rechtlich gleichwertig ist. Es handelt sich also um ein mögliches Ergebnis der Ausübung des Auswahlermessens74. Von dieser Warte aus geht die Identifizierung des Opportunitätsprinzips mit dem Entschließungsermessen ins Leere.

70 H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 31 II c) 1, S. 171; vgl. nunmehr H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 31 Rdnr. 35. 71 Vgl. H. Borchert, Legalitätsprinzip oder Opportunitätsgrundsatz, DÖV 1978, 721, 723; F. Schoch, Grundfälle, JuS 1994, 754, 755; ders., Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 62; K. Vogel, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 24 1., S. 371; von einem „zweistufigen“ Ermessen spricht W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 67. 72 Ähnlich K.-E. Hain/V. Schlette/Th. Schmitz, Ermessen und Ermessensreduktion, AöR 122 (1997), 32, 38 f.; V. Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 349; ders., Diskussionsbeitrag, VVDStRL 35 (1977), 342. 73 V. Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 349. 74 R. Rieger, Ermessen und innerdienstliche Weisung, S. 87 f.; K. Waechter, Polizeiliches Ermessen, VerwArch 88 (1997), 298, 304, 316; M. Wehr, Ermessen der Rechtsaufsicht, BayVBl. 2001, 705, 706 f.

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b) Opportunität als Ermessen Schon in der Genese des Begriffs „Opportunitätsprinzip“ ist die allgemeine Gleichsetzung mit dem Ermessen75 angelegt. Verstanden als Zweckmäßigkeitsgrundsatz ist dies vor dem Hintergrund der (freilich auch streitigen und bis heute ungeklärten76) Dichotomie von Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit bei der Ermessensausübung zumindest nachvollziehbar. Verborgen bleibt dabei allerdings der Wandel des Ermessensbegriffs und -verständnisses im Verlauf der letzten hundert Jahre77, so dass eine unmittelbare definitorische Anknüpfung an die Ursprünge der Begriffsbildung problematisch erscheint. Die Reduktion auf die Rechtsfolgenwahl, die das heutige Verständnis – trotz beachtlicher Gegenstimmen78 – prägt79, war dem Verwaltungsrecht des Konstitutionalismus ebenso fremd, wie die rechtsstaatliche Strukturierung und Limitierung der Freiräume, die der Verwaltung mit Ermessensermächtigungen eingeräumt werden. Es verwundert nicht, dass der Strafprozessrechtslehre, die sich mit Begriff und Bedeutung des Legalitätsprinzips ungleich stärker auseinandergesetzt hat, als die Verwaltungsrechtslehre mit dem Opportunitätsgrundsatz, diese Diskrepanz schon einige Zeit bekannt ist80. Die Reaktionen hierauf sind allerdings uneinheitlich. Einerseits wird nach Art einer Problemvermeidungsstrategie ver75 So untersucht H. P. Schmatz, Grenzen des Opportunitätsprinzips, 1966, tatsächlich die Grenzen der Ermessensausübung, vgl. a. a. O. etwa S. 42, 214; zur Gleichsetzung vgl. ferner etwa V. Erb, Legalität und Opportunität, z. B. S. 66 f.; H.-U. Erichsen, Schutz der Allgemeinheit, VVDStRL 35 (1977), 171, 198; H.-U. Gallwas/H. A. Wolff, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, Rdnr. 266; V. Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 349; R. Loeser, System des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 8 Rdnr. 162; U. Lübking/K. Vogelgesang/I.-M. Ulbrich, Die Kommunalaufsicht, Rdnr. 121; Michael Kniesel, Prinzipien, Die Polizei 1989, 179, 180; H.-R. Malluche, Opportunitätsprinzip, S. 2 f.; B. Pieroth/B. Schlink/M. Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 2 Rdnr. 8; F. Rachor, Polizeihandeln, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, F Rdnr. 112; F. Schoch, Grundfälle zum Polizei- und Ordnungsrecht, JuS 1994, 754; Th. Weigend, Anklagepflicht und Ermessen, S. 21; wohl auch W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 66 f.; K. Vogel, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 24 1., S. 370. 76 Gegen eine solche Unterscheidung H. H. Lohmann, Zweckmäßigkeit der Ermessensausübung, insbes. S. 45 ff.; für § 68 Abs. 1 VwGO in gleichem Sinne R. Klüsener, Bedeutung der Zweckmäßigkeit, NVwZ 2002, 816, 819; als nur graduell, nicht kategorial bezeichnet diesen Unterschied K.-E. Hain, Frage des Zusammenhangs, DVBl. 1999, 1544, 1547. 77 Zum Wandel des Ermessensbegriffs ausführlich U. Held-Daab, Das freie Ermessen, insbes. S. 139 ff. – Beispielsweise begründete noch 1931 W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 36 die Geltung des Opportunitätsprinzips im Polizeirecht auch mit dem „Tatbestandsermessen“, das durch den Begriff „Gefahr“ eröffnet sei. 78 Zum Konzept vom Ermessen als Ermächtigung zur Tatbestandsergänzung vgl. etwa H.-J. Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 126 ff.; ders./R. Rubel, Allgemeines Verwaltungsrecht, V. Rdnr. 80. 79 Vgl. statt vieler H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 7.

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sucht, der Frage auf definitorische Weise Herr zu werden und nur diejenigen Normen (der StPO) dem Opportunitätsprinzip zuzurechnen, die auch tatsächlich Rechtsfolgeermessen einräumen, andere Vorschriften, die die Ausnahmen von der Verfolgungspflicht durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe steuern, dagegen lediglich als Begrenzungen des Legalitätsprinzips zu bezeichnen81. Pragmatischer, aber inhaltlich ebenso unbefriedigend, ist die Differenzierung nach dem Opportunitätsprinzip im engeren Sinne als Beurteilungsermächtigung, im weiteren Sinne als Ermessensentscheidung82. Dagegen ist zutreffend konstatiert worden, dass die Gegensätzlichkeit von Legalitäts- und Opportunitätsprinzip, soweit sie auf strikte gesetzliche Bindung einerseits, eingeräumte Entscheidungsfreiräume andererseits abstellt, nicht aufrechtzuerhalten ist83. Das liegt nicht nur daran, dass die sogenannten Opportunitätsvorschriften teilweise an Begriffe gebunden sind, die für „Zweckmäßigkeitserwägungen“ wenig Raum lassen84, sondern auch daran, dass der Verfolgungszwang in § 152 Abs. 2 StPO an das unbestimmte Merkmal85 der „zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte“ geknüpft ist, für den bislang noch nicht einmal eine handhabbare abstrakte Definition gefunden wurde86, durch welche die Subjektivität der Verdachtsbildung objektiviert und damit auch überprüfbar würde87. Der scheinbare Gegensatz, ausgeprägt im sprachlichen Unterschied zwischen Rechtsfolgenbindung und Rechtsfolgeermessen, „verblasst [. . .] zur bloßen Variation der Konkretisierung des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes [. . .]“88. Vor diesem Hintergrund ist auch der Ansatz Franz Mayers89 kritisch zu betrachten, der den Begriff der Opportunität stärker beim Wort nimmt90 als die herkömmliche Lehre. Da diese mehr oder minder auf den Ermessensbegriff 80 Vgl. bereits W. Mittermaier, in: P. F. Aschrott, Reform des Strafprozesses, S. 148, 153; Dietz, Gutachten, in: Verhandlungen des 29. DJT, Bd. 3, S. 51, 65. 81 So explizit F. Jeutter, Sinn und Grenzen, S. 8 ff. 82 L. Meyer-Goßner, StPO, § 152 Rdnrn. 7 f. 83 Vgl. vor allem F.-Ch. Schroeder, Legalitäts- und Opportunitätsprinzip heute, in: Festschrift f. K. Peters, S. 411, 415 ff.; H. Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen, S. 57 ff.; U. Kapahnke, Opportunität und Legalität, S. 29 f.; für das Verwaltungsrecht vgl. W. Hoffmann-Riem, Disziplinarrechtliche Vorermittlungen, DÖV 1978, 781, 784. 84 Vgl. P. Rieß, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 153 Rdnr. 35; L. Meyer-Goßner, StPO, § 152 Rdnr. 7; F.-Ch. Schroeder, Legalitäts- und Opportunitätsprinzip heute, in: Festschrift f. K. Peters, S. 411, 415 ff. 85 Vgl. bereits Dietz, Gutachten, in: Verhandlungen des 29. DJT, Bd. 3, S. 51, 65: „. . . mindestens so unbestimmt wie das ,öffentliche Interesse‘ bei der Opportunität“. 86 Zum Problem vgl. U. Eisenberg/S. Conen, Legalitätsprinzip im gerichtsfreien Raum, NJW 1998, 2241, 2243 ff. 87 Zur Frage nach dem Maßstab der gerichtlichen Kontrolle insbes. R. Störmer, Beurteilungsspielräume im Strafverfahren, ZStW 108 (1996), 494 ff., 512 ff. 88 H. Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen, S. 59. 89 F. Mayer, Das Opportunitätsprinzip in der Verwaltung, S. 13 ff.; in Bezug genommen auch von F.-L. Knemeyer, Schutz der Allgemeinheit, VVDStRL 35 (1977), 221, 236 f., Fußn. 44.

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festgelegt ist, nimmt sie lediglich diejenigen Entscheidungsfreiräume wahr, die gesetzlich eröffnet, d.h. tatbestandlich fixiert und in der Rechtsfolge limitiert sind91. Die „frei gestaltende Verwaltung“, also ausgerechnet der Bereich jenseits des Gesetzesvollzugs, der nicht dem Gesetzesvorbehalt unterliegt und in dem der Verwaltung der größte Gestaltungsspielraum belassen ist, der unter der Geltung des Verfassungs- und Gesetzesvorrangs denkbar ist, wird ausgespart. Demgegenüber umfasst nach Ansicht Franz Mayers das Opportunitätsprinzip sowohl das (Handlungs-)Ermessen als auch den „ursprünglichen Freiheitsbereich der Verwaltung“92. Anknüpfend an verbindliche Normierung von bestimmten Rechtsfolgen in Normen, die kein Ermessen eröffnen, spricht er in Abgrenzung zum Opportunitätsprinzip von der „Automatik der Entscheidung“, die das Legalitätsprinzip kennzeichne93. Spätestens, seitdem Erkenntnisse der Entscheidungstheorien Eingang in die juristische Dogmatik gefunden und den prozesshaften Charakter jeder rationalen Entscheidung erwiesen haben94, ist dieser Ausdruck als contradictio in adjecto entlarvt95. Das Problem der unbestimmten Rechtsbegriffe wird hingegen ausgespart. c) Opportunität und Legalität als gegensätzliche Prinzipien der Rechtsanwendung Ganz auf die Art der Eingriffsermächtigung bezogen ist auch der Vorschlag V. Erbs, Legalität und Opportunität als gegensätzliche Prinzipien der Rechtsan90 Vgl. auch H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I , § 31 Rdnrn. 31, 57 ff.: wenn dort die Rede davon ist, Ermessen und Gestaltungsfreiheit seien „Ausfluß des sog. Opportunitätsprinzips“, so wird zwar die vom Wortsinn her bedenkliche Beschränkung des Prinzips auf das Ermessen aufgegeben, ohne dass jedoch versucht wird, das Prinzip selbst inhaltlich zu bestimmen. 91 Zur für die Rede vom Ermessen begriffsnotwendigen gesetzlichen Ermächtigung vgl. für die h. M. etwa M. Sachs, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 40 Rdnrn. 21, 31; C. H. Ule/H.-W. Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 55 Rdnr. 2; zur näheren Begründung s. etwa R. Rieger, Ermessen und innerdienstliche Weisung, S. 19 ff.; a. A. etwa O. Bachof, Neue Tendenzen, JZ 1972, 641, 642; aus neuerer Zeit W. Nagel, Die Rechtskonkretisierungsbefugnis der Exekutive, S. 175 f. 92 F. Mayer, Das Opportunitätsprinzip in der Verwaltung, S. 14; vgl auch F.-L. Knemeyer, VVDStRL 35 (1977), 221, 236 f., Fußn. 44: In der „frei gestaltenden Verwaltung“ sei das Opportunitätsprinzip am reinsten verwirklicht, da dort Ermessensschranken keine Rolle spielten. – Ablehnend zu dieser (Begriffs-)Erweiterung K. Reuter, Rechtsaufsicht, S. 12 f. 93 F. Mayer, Das Opportunitätsprinzip in der Verwaltung, S. 11; zustimmend F. Jeutter, Sinn und Grenzen, S. 5; H. Marquardt, Entwicklung des Legalitätsprinzips, S. 10. 94 Dazu etwa W. Brohm, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der Verwaltung, VVDStRL 30 (1972), 245, 286; vgl. den Überblick bei M. Wehr, Inzidente Normverwerfung, S. 145 ff. m. w. N. 95 Kritisch zur Formel von der „Automatik der Entscheidung“ auch H. Borchert, Legalitätsprinzip oder Opportunitätsgrundsatz, DÖV 1978, 721, 723.

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3. Teil: Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

wendung zu verstehen, die auf der Unterscheidung von Ordnungs- und Klassenbegriffen basiert96. Unbestimmte Rechtsbegriffe sollen danach Anknüpfungspunkte abstrakter dogmatischer Überlegungen sein, unter die der Rechtsanwender zu subsumieren hat, wohingegen das Ermessen die Möglichkeit eröffnet, eine den Besonderheiten des Einzelfalles entsprechende, daher nicht abstrakt vorformulierbare, Entscheidung zu treffen. Das Legalitätsprinzip ist nach V. Erb dadurch gekennzeichnet, dass die „Entscheidungsvorgabe stets ein abschließender Katalog von Tatbestandsmerkmalen [ist], die auch bei erheblicher Unbestimmtheit einer abstrakt-generellen Auslegung fähig und bedürftig sind“97, während unter der Geltung des Opportunitätsprinzips der Entscheidungsprozess nur zum Teil eine solche Strukturierung aufweise, nämlich nur, soweit die Entscheidungsvoraussetzungen durch auslegungsfähige Merkmale beschrieben sind98. Nicht zu solchen Merkmalen gehört danach etwa der Begriff des „öffentlichen Interesses“, weil sich dieses nicht abstrakt und subsumtionsfähig bestimmen lasse. Wie es sich aber mit dem Merkmal der „zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte“ in § 152 Abs. 2 StPO – dem Ausdruck des Legalitätsprinzips schlechthin – verhält, darüber äußert sich V. Erb nicht. Er verweist stattdessen auf die Formulierung der materiellrechtlichen Straftatbestände99, die aber eben nur einen Teil der Voraussetzungen für die Strafverfolgung ausmachen. Gerade der Umstand, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs100 wie des Bundesverfassungsgerichts101 der Staatsanwaltschaft bezüglich des Anfangsverdachts ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zugebilligt wird, weil die Entscheidung maßgeblich von subjektiven Wertungen abhängig sei102, wirft doch erhebliche Zweifel an der Tragfähigkeit der von V. Erb getroffenen Unterscheidung auf. Abgesehen davon lassen sich mit dem Rechtsanwendungskonzept wohl einige strafprozessuale Streitfragen dogmatisch bewältigen, weil dieses von der (herrschenden) verwaltungsrechtlichen Ermessenslehre abweichende Verständnis auch solche Normen dem Opportunitätsprinzip zurechnen lässt, die ihrer Formulierung nach keine Rechtsfolgenwahl eröffnen. Mit der historisch überkommenen Unterscheidung beider Prinzipien hat dies aber nur der Begrifflichkeit nach noch etwas gemein, weil es alleine auf die gesetzliche Steuerung des Entschei96

V. Erb, Legalität und Opportunität, S. 52 ff. V. Erb, Legalität und Opportunität, S. 66. 98 V. Erb, Legalität und Opportunität, S. 66 f. 99 V. Erb, Legalität und Opportunität, S. 68 f. 100 BGH, Urt. v. 21.4.1988 – III ZR 255/86 – NJW 1989, 96, 97. 101 BVerfG (Vorprüfungsausschuss), Beschl. v. 8.11.1983 – 2 BvR 1138/83 – NJW 1984, 1451, 1452. 102 Kritisch dazu U. Eisenberg/S. Conen, Legalitätsprinzip im gerichtsfreien Raum, NJW 1998, 2241, 2247 ff.; R. Störmer, Beurteilungsspielräume im Strafverfahren, ZStW 108 (1996), 494, 515. 97

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dungsprozesses abstellt, aber den Inhalt der Entscheidung außer Betracht lässt. Insofern ist der Vorschlag V. Erbs zwar dogmatisch interessant, aber sachlich unbefriedigend, weil er auch nicht weiter führt, als ein früherer Definitionsversuch, wonach das Legalitätsprinzip durch den rechtlichen Zwang gekennzeichnet sei, dass „bei Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts ein bestimmtes Handeln der Verwaltung die zwangsläufige Folge ist“103. Eine strafprozessuale Vorschrift etwa, die – und sei es durch unbestimmte, aber auslegungsfähige Rechtsbegriffe – die Staatsanwaltschaft verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen einzustellen, müsste eben wegen dieser Verpflichtung als Ausdruck des Legalitätsprinzips angesehen werden. Damit aber wäre auch der letzte Bezug zum ursprünglichen Sinngehalt des Begriffs „Legalitätsprinzip“ aufgegeben104. Das Beispiel mag illustrieren, dass die auf der Verbindung mit dem Ermessen gründenden Definitionsbemühungen daran kranken, dass sie sich auf die Frage konzentrieren, ob oder in welchem Maße die Verwaltung durch Gesetz gebunden ist, dabei aber den Gegenstand von „Freiheit“ oder „Bindung“ aus den Augen verlieren. d) Legalität als Gesetzmäßigkeit Bevor der damit angesprochenen Frage nachgegangen wird, sei noch eine weitere Verwendung des Wortes erwähnt: Das – vereinzelt als „staatsrechtlich“ gekennzeichnete – Legalitätsprinzip als Gesetzmäßigkeitsgrundsatz. Teils wird es auf die Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 GG beschränkt105, teils darüber hinaus auch auf den Vorbehalt des Gesetzes erstreckt106. – Auf dieser verfassungsrechtlichen Ebene findet allerdings das Legalitätsprinzip keine Entsprechung in einem als rechtmäßig vorstellbaren Opportunitätsprinzip. Das betrifft auch dessen allgemeine Identifizierung mit dem Ermessen, soweit dies zuweilen fälschlicherweise als „Entscheidungsfreiraum der Verwaltung gegenüber dem Gesetz“107 oder missverständlich als „Freistellung von strikter Gesetzesbindung“108 charakterisiert wird. Ein der Bindung an das Gesetz entgegenstehendes handlungsleitendes Prinzip ist als verfassungsmäßiger Grundsatz nicht denk103 F. Mayer, Das Opportunitätsprinzip in der Verwaltung, S. 11; F. Jeutter, Sinn und Grenzen, S. 5. 104 Vgl. auch J. Bohnert, Abschlußentscheidung, S. 203 f. 105 Z. B. F. Heyden, Begriff, Grundlagen und Verwirklichung S. 9 f.; E. SchmidtJortzig, Möglichkeiten einer Aussetzung, NJW 1989, 129, 130; vgl. auch I. Pernice, Billigkeit und Härteklauseln, S. 403. 106 Etwa bei M. Fajnor, Staatliche Haftung für rechtmäßig verursachten Schaden, S. 61 ff.; M. Kniesel, Prinzipien, Die Polizei 1989, 179 f.; K. Tipke, in: ders./H. W. Kruse, AO, § 85 Rdnr. 4; in diesem Sinne wohl auch M. Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 128 ff. 107 So R. Loeser, System des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 8 Rdnr. 112.

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bar. Tatsächlich betrifft die Frage des Ermessens ebenso wie die der sogenannten gebundenen Verwaltung auch nicht die Bindung an das Gesetz, sondern das Maß der Bindung durch das Gesetz. Beide sind also mögliche Ausprägungen des „staatsrechtlichen Legalitätsprinzips“, nicht Gegensätze109. IV. Fazit Die vielfältigen Versuche, Opportunität bzw. Legalität als staatliche Handlungsprinzipien mit Inhalt zu füllen, erweisen sich als Problem. Weil die von Beginn an mit Zweifelsfragen behafteten Begriffe sich quasi verselbstständigt haben, überdeckt die Übereinstimmung in der Terminologie die dahinter verborgene Disparität der Bedeutungen. Dabei besteht im Grunde kein sachlicher Bedarf an ungefähren Synonymen für weithin klar konturierte dogmatische Begriffe wie „Ermessen“ oder „Vorrang“ und „Vorbehalt des Gesetzes“. Auch bleibt im Dunkeln, was vor diesem Hintergrund das Prinzipielle an diesen Prinzipien sein soll, wenn schon keine Übereinstimmung darüber besteht, ob sie nun Gegensätze bezeichnen, oder doch nur das eine „Prinzip“ eine Ausnahme des anderen bildet. Dem Vorschlag, die Begriffe künftig nicht mehr zu verwenden110, wird man zwar wenig Chancen auf Beachtung einräumen können, ihn aber für berechtigt halten müssen, wenn es nicht gelingt, Opportunität und Legalität mit eigenständigen Bedeutungsgehalten zu versehen.

B. Der materiellrechtliche Gehalt von Opportunitätsund Legalitätsprinzip I. Die Verbindung von Verfahrensrecht und materiellem Recht – Der „Geburtsfehler des Legalitätsprinzips“ Die Tatsache, dass die begrifflichen Konturen des Opportunitätsprinzips „in gewisser Weise unscharf geblieben“111 sind, lässt sich bis in die Entstehungsgeschichte des Begriffs zurückverfolgen. Die skizzierte Uneinheitlichkeit – ja Un108 F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 129; M. Kniesel, Prinzipien, Die Polizei 1989, 179, 183. 109 Hinsichtlich des Ermessens a. A. F. Heyden, Begriff, Grundlagen und Verwirklichung, S. 13, unter der Voraussetzung eines „freien Ermessens“ im Sinne der „Verneinung der materiellen Legalität“. Diese Ansicht ist nach heutigem Stand der Ermessenslehre freilich nicht mehr haltbar; vgl. auch H. Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen, S. 55 ff. 110 H. Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen, S. 60; U. Kapahnke, Opportunität und Legalität, S. 78 f.; F.-Ch. Schroeder, Legalitäts- und Opportunitätsprinzip heute, in: Festschrift f. K. Peters, S. 411, 425. 111 So A. Voßkuhle, Duldung rechtswidrigen Verwaltungshandelns, Verwaltung 29 (1996), 511, 514.

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gereimtheit – der Ergebnisse rein definitorischer Bemühungen verdeckt die ursprünglich damit umschriebene Problemstellung. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass die Entgegensetzung von Legalität und Opportunität im Strafverfahrensrecht schon im Ursprung mit Missverständnissen behaftet war112, die auf einer – wenngleich historisch erklärbaren – Vermischung zweier zu unterscheidender Problemkreise beruhten. Der erste betraf die Frage, ob der Staat bzw. die Staatsgewalt in jedem Falle verpflichtet sein sollte, eine Übertretung der Strafgesetze zu verfolgen und zu ahnden, oder ob nicht Rechtsgüter oder „Interessen“ einer Strafverfolgung im Einzelfall engegenstehen könnten. Der zweite Problemkreis, derjenige, an dem sich die Prinzipienfrage entzündete, hatte die Gleichmäßigkeit der Strafjustiz und damit das für die Berücksichtigung dieser widerstreitenden Interessen zuständige Organ zum Gegenstand. Julius Glaser ging es vor allem um die erste Frage. Er stellt in Abrede, „daß das Interesse der öffentlichen Rechtsordnung der Staatsgewalt die absolute Pflicht auferlege, die Strafgesetze in jedem einzelnen Falle, wo dieselben verletzt sein mögen, zur Anwendung bringen zu lassen“113. Denn Strafe diene nicht einem über den Staat hinausreichenden Zweck, sondern sei lediglich „das normale Mittel zur Wiederherstellung des gestörten Rechtszustandes“. Ob es aber auch im Einzelfall zweckentsprechend sei, bleibe offen. Das eben sei die Opportunitätsfrage. Sie komme etwa im Begnadigungsrecht zum Ausdruck. Stehe jedoch der Staatsgewalt das Recht zu, eine bereits verhängte Strafe unvollstreckt zu lassen, so könne ihr umso weniger das Recht bestritten werden, „aus guten Gründen und so weit es sich nur um ihr Recht und ihre Interessen handelt, von der Verfolgung eines Verbrechens Umgang zu nehmen“114. Die Zuständigkeit für die Beurteilung der Opportunität stellt dagegen für Glaser kein wirkliches Problem dar. Lediglich eine gerichtliche Kompetenz zu Zweckmäßigkeitsüberlegungen lehnt er ab, da der Richter nur zu reinen Rechtsanwendung berufen sei. Da allerdings neben der Rechtsfrage (der Strafbarkeit) die Frage der Opportunität in jedem Prozess, und zwar gleich zu dessen Beginn, zu stellen sei, sei es auch nicht möglich, „ihre Stellung und Beantwortung für dieselben erhabenen Hände aufzubewahren, in denen das Recht der Begnadigung ruht“115. Sei aber der Staatsanwalt der Wahrer des öffentlichen Interesses 112 Vgl. schon J. Glaser, Replik, in: ders., Gesammelte kleinere juristische Schriften, S. 539, 544: „Allein der Gegensatz, der hier besteht, ist eben gar nicht der von Legalität und Willkür (. . .)“. 113 J. Glaser, Prinzip der Strafverfolgung, in: ders., Gesammelte kleinere juristische Schriften, S. 523, 532 (Hervorhebungen im Original). 114 J. Glaser, Prinzip der Strafverfolgung, in: ders., Gesammelte kleinere juristische Schriften, S. 523, 533 (Hervorhebungen im Original). 115 J. Glaser, Prinzip der Strafverfolgung, in: ders., Gesammelte kleinere juristische Schriften, S. 523, 534.

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3. Teil: Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

an der Strafverfolgung, so sei er auch der „naturgemäße Träger der Opportunitätsfrage“116. In seinem dem 2. Deutschen Juristentag erstatteten Gutachten wandte sich v. Groß keineswegs generell gegen die Berücksichtigung etwaiger einer Strafverfolgung entgegenstehender öffentlicher Interessen. Er plädierte indessen entschieden dagegen, gerade der Staatsanwaltschaft die Konkretisierung derselben anzuvertrauen, denn: „Der Begriff ,durch das öffentliche Interesse geboten‘ ist ein viel zu vager und dehnbarer, als dass er brauchbar erschiene, um auf denselben eine Beschränkung der Pflicht der Justiz zur Ausführung der bestehenden Strafgesetze zu bauen“117. Hingegen anerkannte er, dass das „öffentliche Interesse“ ein sehr berechtigter und empfehlenswerter Maßstab für die Gesetzgebung, nämlich bei der Begrenzung des staatlichen Strafrechts sei118. Eine Beschränkung der Strafverfolgung wollte er lediglich im Hinblick auf die Verfolgung unerheblicher, geringfügiger Gesetzesübertretungen zugelassen wissen, als „praktische Anwendung des Satzes [. . .] ,Minima non curat praetor‘“. Denn die Geringfügigkeit sei ein sicherer Maßstab, der dem Missverständnis wie auch dem Missbrauch weniger Raum lasse, als der des „öffentlichen Interesses“. Diese Ausnahme von der Verfolgungspflicht der Staatsanwaltschaft betrachtete v. Groß jedoch keineswegs als Ausnahme von der von ihm so bezeichneten Legalität. Werde sie nämlich durch das Gesetz angeordnet, sei die „diskretionäre Gewalt“ eine vollständig legale119. Die Tatsache, dass materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Aspekte, die in der Normierung der Verfolgungspflicht zusammentreffen, auch als notwendigerweise miteinander verbunden begriffen wurden, ist zutreffend als „Geburtsfehler des Legalitätsprinzips“ bezeichnet worden120; eine Charakterisierung, die vice versa auch auf das verwaltungsrechtliche „Opportunitätsprinzip“ zutrifft. Dass der eigentliche Kern des Legalitätsprinzips in der Ausgestaltung und Durchsetzung des materiellen (Straf-)Rechts liegt, ist seit den Anfängen immer wieder betont worden121 und wird auch heute weithin akzeptiert122. Eine Folge 116 J. Glaser, Prinzip der Strafverfolgung, in: ders., Gesammelte kleinere juristische Schriften, S. 523, 535. 117 v. Groß, Gutachten, Gutachten, in: Verhandlungen des 2. DJT, Bd. 1, S. 129, 139. 118 v. Groß, Gutachten, Gutachten, in: Verhandlungen des 2. DJT, Bd. 1, S. 129, 140. 119 Vgl. die „Bemerkung des Herrn Dr. v. Groß“ zu J. Glasers Replik, in: ders., Gesammelte kleinere juristische Schriften S. 539, 543, Fußn. 6. 120 Th. Weigend, Opportunitätsprinzip, ZStW 109 (1997), 103, 104. 121 Vgl. etwa den Bericht der Reichstagskommission bei C. Hahn, Materialien, Bd. 3, 1. Abt., S. 710 ff., insbes. die Ausführungen des Abgeordneten v. Gneist (S. 710) und die Replik von Völk (S. 712); ferner etwa Graf Gleispach, Bericht, in: Verhandlungen des 29. DJT, Bd. 5, S. 435, 445 f. 122 Vgl. etwa V. Erb, Legalität und Opportunität, S. 68; H. Faller, Grenzen des Opportunitätsprinzips, in: Festgabe f. Th. Maunz, S. 69, 71; P. Rieß, Die Zukunft des Legalitätsprinzips, NStZ 1981, 2, 4 ff.; Th. Weigend, Opportunitätsprinzip, ZStW 109

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davon ist die Tatsache, dass die Reichweite des Legalitätsprinzips keine über den Wandel der Rechtsordnungen erhabene Konstante rechtswissenschaftlicher Dogmatik ist, sondern nur in Relation zu den jeweiligen verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen bestimmt werden kann. Die strafprozessuale Diskussion um die Ausweitung der Ausnahmen von § 152 Abs. 2 StPO ist nicht zufällig unter verfassungsrechtlichen Aspekten – etwa Rechtsstaatsprinzip123, Gleichheitssatz124, Übermaßverbot125, Richtervorbehalt126 – geführt worden127. Damit ist erneut die Frage aufgeworfen, was mit „Legalitäts-“ bzw. „Opportunitätsprinzip“ gemeint sein kann, wenn man damit eine materiellrechtliche Bedeutung verknüpfen möchte. Dies mag auf den ersten Blick für die verwaltungsrechtliche Diskussion überflüssig erscheinen, da sie ohnehin regelmäßig anhand von Befugnisnormen, also „materiellem“ Recht, die Frage der Geltung des Opportunitätsprinzips (nicht aber des Legalitätsprinzips, das auf Aufgabennormen gestützt wird) zu entscheiden vorgibt. Indes ist die Unterscheidung von formellem und materiellem Recht relativ. Soll als „materiell“ dasjenige Recht gelten, das Anordnungen für das Verhalten von Rechtssubjekten enthält, „formell“ dagegen dasjenige, welches Organisation und Verfahren bei der Rechtsfindung und -durchsetzung regelt128, so kann eine Norm je nach Perspektive durchaus sowohl zur einen als auch zur anderen Kategorie gezählt werden. Die Ermessensnormen, in denen regelmäßig das Opportunitätsprinzip verankert gesehen wird, sind zwar „an sich“ materielles Recht. Aber, und eben dies ist der Punkt, der die Identifizierung von Ermessen und Opportunität fehlerhaft macht, sie sind es nicht, weil sie Ermessen einräumen, sondern weil sie staatliche Ent(1997), 103, 104. Zur Problematik der Verlagerung der Verantwortung des Strafrechtsgesetzgebers auf die Staatsanwaltschaft vgl. J. Baumann, Grabgesang für das Legalitätsprinzip, ZRP 1972, 273 ff.; in gleichem Sinne G. Dürig, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 (1973), Rdnrn. 413 f.: „Worum es hier geht, ist die Flucht in das Opportunitätsprinzip, die Flucht aus der Eigenverantwortlichkeit (z. B. des Gesetzgebers) eben aus ,Opportunismus‘“. 123 H. Faller, Grenzen des Opportunitätsprinzips, in: Festgabe f. Th, Maunz, S. 69, 77 ff.; F. Jeutter, Sinn und Grenzen, S. 47 ff.; U. Kapahnke. Opportunität und Legalität, S. 71 ff.; E. Schmidt-Jortzig, Möglichkeiten einer Aussetzung, NJW 1989, 129, 132; Th. Weigend, Anklagepflicht und Ermessen, S. 71 ff. 124 H. Faller, Grenzen des Opportunitätsprinzips, in: Festgabe f. Th, Maunz, S. 69, 80 ff.; F. Jeutter, Sinn und Grenzen, S. 51 ff.; U. Kapahnke, Opportunität und Legalität, S. 76 ff.; E. Schmidt-Jortzig, Möglichkeiten einer Aussetzung, NJW 1989, 129, 133; W. Wagner, Zum Legalitätsprinzip, Festschrift 45. DJT, S. 149, 173 f.; Th. Weigend, Anklagepflicht und Ermessen, S. 74 ff. 125 F. Jeutter, Sinn und Grenzen, S. 58 ff., 144 ff. 126 U. Kapahnke, Opportunität und Legalität, S. 73 ff.; Th. Weigend, Anklagepflicht und Ermessen, S. 78 ff. 127 Zu allem auch H. Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen, S. 54 ff., 60 ff. 128 Vgl. F. E. Schnapp, Organisationsrechts, AöR 105 (1980), 243, 249 sowie oben § 3 B. II.

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3. Teil: Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

scheidungen leiten. Das Ermessen selbst hat nur Kompetenzen verteilende, also „formellrechtliche“ Bedeutung für das Verhältnis der Verwaltung zur Gesetzgebung einerseits, der Gerichtsbarkeit andererseits. II. Öffentlich-rechtliche Pflichten als materiellrechtlicher Anknüpfungspunkt von Opportunitäts- und Legalitätsprinzip In der verwaltungsrechtlichen Diskussion über die Geltung des Opportunitätsprinzips in der einen oder anderen Disziplin des besonderen Verwaltungsrechts wird regelmäßig auf den Gegensatz zum Strafverfahrensrecht verwiesen. Dem Begriffsverständnis ist somit immanent, dass es einen gemeinsamen Bezugspunkt beider Prinzipien geben muss, an dem sich die Unterschiedlichkeit ihrer Wirkungsweise festmachen lässt. Dass es nicht, wie verbreitet angenommen, der unterschiedliche Wortlaut der Normen sein kann, ist bereits oben deutlich geworden, da die zum Vergleich herangezogenen Bestimmungen als (strafprozessuale) Aufgaben- bzw. (verwaltungsrechtliche) Befugnisnormen unterschiedliche Funktionen besitzen und insofern nicht vergleichbar sind. 1. Der Pflichtenbezug von Opportunitäts- und Legalitätsprinzip Betrachtet man vor diesem Hintergrund diejenigen Disziplinen als Referenzgebiete, in denen sich in der historischen Entwicklung die Diskussion um die gegensätzlichen Prinzipien entfaltet hat, nämlich Strafprozess- und Polizeirecht, bzw. heute noch strittig weiter geführt wird, wie im Recht der Staatsaufsicht129, so liegt es nahe, als materiellrechtlichen Dreh- und Angelpunkt der Prinzipiendiskussion öffentlich-rechtliche Pflichten zu betrachten130. Dieser Ansatz trägt dem herkömmlichen Sprachgebrauch Rechnung, bei dem Legalitäts- bzw. Opportunitätsprinzip mit dem Bestehen bzw. Nichtbestehen einer Pflicht zum „Einschreiten“ oder „Eingreifen“ identifiziert werden, die nicht irgend eine staatliche Maßnahme bezeichnen, sondern einen Eingriffsakt, der sich gegen ein Rechtssubjekt wendet. Verknüpft man dies mit dem materiellen Recht, so kommen drei unterschiedliche Problemkreise zum Vorschein: (1) die Begründung und (2) die Durchsetzung von Pflichten sowie (3) die Ahndung von Pflichtverletzungen. Im Strafverfahrensrecht ergibt sich das bereits aus § 152 Abs. 2 StPO: Die Verpflichtung zum Einschreiten setzt einen Anfangsverdacht bezüglich der Be129

Vgl. die Nachweise oben in Fußn. 12. Vgl. auch A. Reich, GG, Art. 20 Rdnr. 1 (S. 173), der den Opportunitätsgrundsatz als Einschränkung der staatlichen Pflicht begreift, die „legitim begründeten Verpflichtungen der Menschen gegenüber dem Staat“ durchzusetzen. 130

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gehung einer (verfolgbaren) Straftat voraus. Straftaten sind aber Verstöße gegen strafbewehrte Pflichten. Die strafrechtliche Sanktion(smöglichkeit) knüpft an die Verletzung einer Verhaltenspflicht an, die sich (zumindest implizit131) aus dem Straftatbestand ergibt. Für das Tätigwerden der Strafverfolgungsorgane ist das insofern relevant, als für den nach § 152 Abs. 2 StPO maßgeblichen Anfangsverdacht hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen, dass jemand einer strafbewehrten Verhaltensnorm zuwider und somit pflichtwidrig gehandelt hat132. Auf Pflichtverletzungen rekurrieren auch andere Sanktionsverfahrensregelungen, wie etwa das Disziplinar- und das Ordnungswidrigkeitenrecht. Doch auch jenseits der Ahndung von Pflichtverletzungen steht das Verhältnis des Staates zu gesetzlichen oder aufgrund Gesetzes bestehenden Pflichten in Frage, soweit es um deren Durchsetzung geht. Das gilt beispielsweise für das Recht der Staatsaufsicht, in dem die Frage nach der Geltung von Legalitätsoder Opportunitätsprinzip auch in die Frage umformuliert werden kann, ob die staatliche Verwaltung rechtswidriges Verwaltungshandeln der ihrer Aufsicht unterliegenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts dulden dürfe133, oder die Erfüllung der diesen obliegenden Pflichten betreiben müsse. Gleiches ist im Steuerverfahrensrecht im Hinblick auf die Durchsetzung der Steuerpflicht zu konstatieren. Im Recht der Gefahrenabwehr bietet sich ein etwas differenzierteres Bild. Hier hat sich der Wandel von einer ursprünglich (auch) materiell begründeten zu einer kompetentiell formulierten Prinzipienfrage am nachhaltigsten vollzogen – von der Sanktionierung von Pflichtverstößen durch Polizeistrafverfügungen über die Durchsetzung dieser Pflichten durch die Polizei bis zur Handlungspflicht der Polizei selbst134. In eben diesem Wandel wurzelt auch die Verbindung von Opportunität mit dem Ermessen in ihren verschiedenen Ausprägungen, die für die Widersprüchlichkeit der Begriffsbildung verantwortlich ist. Solange man freilich noch von einer materiellen Polizeipflicht im Sinne einer allgemeinen Nichtstörungspflicht ausging135, war die Verbindung zur Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Pflichten noch durchaus vorhanden. Wie bei der Erörterung der „materiellen Polizeipflicht“ deutlich wurde, kann jedoch von einer generellen Polizeipflicht, die lediglich durch Verwaltungsakt konkretisiert wird, nicht ausgegangen werden. Auch das Einschreiten gegen den Verhaltensverant131

Vgl. oben 1. Teil, § 6 A. Vgl. auch U. Eisenberg/S. Conen, Legalitätsprinzip im gerichtsfreien Raum, NJW 1998, 2241, 2243; K. Geppert, Das Legalitätsprinzip, Jura 1982, 139, 142. 133 Vgl. A. Voßkuhle, Duldung rechtswidrigen Verwaltungshandelns, Die Verwaltung 29 (1996), 511 ff.; M. Wehr, Das Ermessen der Rechtsaufsicht, BayVBl. 2001, 705, 707. 134 Dazu bereits oben § 12 A. III. 1. 135 Dazu oben 2. Teil, § 8 B. II. 2. sowie § 11 A. I. 132

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3. Teil: Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

wortlichen, der dies schließlich nur wegen der Rechtswidrigkeit seines Verhaltens ist136, kann zwar, muss jedoch nicht der Durchsetzung anderweitig begründeter Pflichten dienen. Deren Verletzung ist lediglich der Anknüpfungspunkt für die Inanspruchnahme. Immerhin kann das „Einschreiten“ der Polizei Pflichten begründen, so dass im Hinblick darauf die Frage nach Opportunitäts- oder Legalitätsprinzip sinnvoll zu stellen ist. Dass damit nicht der gesamte Tätigkeitsbereich der Gefahrenabwehrbehörden erfasst ist, liegt auf der Hand. Nicht jede Maßnahme, auch nicht jedes „Eingreifen“ begründet Pflichten, allenfalls „Duldungspflichten“ zur Hinnahme von Realakten, die aber entweder rein faktischer Natur sind oder sich aus dem gesetzlichen Verbot (§ 113 StGB) ergeben, gegen Amtshandlungen Widerstand zu leisten137. Für eine allgemeine Charakterisierung des Gefahrenabwehrrechts durch „Opportunität“ oder „Legalität“ besteht aber auch kein Bedürfnis, sofern man nicht einen Vorrang der Tradition vor der Dogmatik postuliert und an einer Terminologie festhält, die im besten Falle nichtssagend ist. Um das, was herkömmlich als „Opportunitätsprinzip“ bezeichnet wird, präzise auszudrücken, kann es mit dem Begriff des Ermessens sein Bewenden haben. Mit diesem Ansatz lässt sich auch die oben vermerkte Diskrepanz auflösen, die darin liegt, dass das (strafprozessuale) Legalitätsprinzip der Aufgabenzuweisungsnorm, das (polizeirechtliche) Opportunitätsprinzip hingegen den Befugnisnormen entnommen wird. Die Prinzipien ergeben sich weder aus der einen noch aus der anderen Normart, diese können allenfalls als Ausdruck eines anderweitig begründeten Prinzips angesehen werden. 2. Opportunität und Legalität als Prinzipien Mit öffentlich-rechtlichen Pflichten als materiellem Bezugspunkt kann der Inhalt von Opportunität und Legalität dergestalt präzisiert werden, dass sie jeweils angeben, ob die Verwaltung zum Zwecke der Begründung oder Durchsetzung von Pflichten bzw. der Ahndung von Pflichtverletzungen einschreiten muss oder nicht. Diese Fragestellung wird nicht mit einem Ja oder Nein beantwortet werden können, sondern nach mehreren Seiten hin für Relativierungen offen sein, die auf rechtlichen oder tatsächlichen Gründen beruhen können. Was als Ergebnis der näheren Betrachtung von Opportunität und Legalität im hier verwendeten materiellen Sinne zu erwarten ist, sind deshalb eher übergeordnete Leitmotive exekutiver Entscheidungen im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Pflichten. Insoweit ist die traditionelle Begrifflichkeit in doppeltem Sinne glücklich gewählt: Einerseits sachlich vorteilhaft, weil sie sich als anschlussfä136

Oben 2. Teil, § 11 B. II. 1. Zum Problem des Begriffs der Duldungspflichten vgl. oben 2. Teil, § 9 vor A. bei Fußn. 235 ff. 137

§ 13 Geltungsbereiche von Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

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hig an die Unterscheidung von Regeln und Prinzipien138 erweist, was andererseits eher zufällig erscheint, weil nach dem ursprünglichen Verständnis das Legalitätsprinzip eher als Regel, denn als Prinzip verstanden wurde. Regeln sind wie Prinzipien im rechtstheoretischen Sinne Normen, weil beide angeben, was gesollt ist139. Regeln sind zwingende Normen, die keine Abweichungen von ihrem Sollensgebot zulassen. Regelkollisionen werden auf der Geltungsebene entschieden: Die Unvereinbarkeit zweier Regeln führt dazu, dass eine der beiden für ungültig erklärt werden muss140. Prinzipien hingegen formulieren Grundsätze, von denen Ausnahmen zugelassen werden, wenn ein gegenläufiges Prinzip unter bestimmten Umständen das höhere Gewicht besitzt. Prinzipien verteilen Begründungslasten in dem Sinne, dass Abweichungen von dem grundsätzlich Gesollten einer besonderen Rechtfertigung bedürfen. Übertragen auf die Prinzipien der Legalität bzw. Opportunität bedeutet dies: Unter der Geltung des Legalitätsprinzips ist es grundsätzlich geboten, Pflichten zu begründen, durchzusetzen oder ihre Verletzung zu ahnden. Gilt hingegen das Opportunitätsprinzip, so ist es grundsätzlich nicht geboten, Pflichten zu begründen, durchzusetzen oder ihre Verletzung zu sanktionieren. Die Geltung des einen oder anderen Prinzips begründet ein der Gesetzesanwendung zugrunde zu legendes Regel-Ausnahme-Verhältnis. Es schließt Entscheidungen, die nicht dem Grundsatz entsprechen, nicht generell aus, sondern setzt sie unter besonderen Rechtfertigungszwang141.

§ 13 Geltungsbereiche von Opportunitätsund Legalitätsprinzip Mit dieser materiellrechtlichen Reformulierung ist es möglich, Legalitätsund Opportunitätsprinzip mit Inhalt zu füllen und ihnen eine dogmatische Funktion (zurück) zu geben. Zu untersuchen bleibt noch, in welchen Bereichen die Geltung welchen Prinzips nachzuweisen ist. Das wird zunächst für die Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, sodann für ihre Begründung untersucht werden, bevor abschließend auf die Ahndung von Pflichtverletzungen einzugehen ist.

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Vgl. R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 71 ff. R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 71 ff.; vgl. auch W. Hoppe, Ziele und Grundsätze, in: Festschrift f. W. Stree und J. Wessels, S. 1153, 1160; allgemein zur Unterscheidung von Regeln und Prinzipien M. Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S. 61 ff. 140 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 77. 141 Ähnlich J. Bohnert, in: K. Boujong, KK-OWiG, Einleitung, Rdnr. 148. 139

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3. Teil: Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

A. Die Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Pflichten I. Mittel und Formen der Durchsetzung 1. Die Zielorientierung der Durchsetzung In welchem Maße die Verwaltung verpflichtet sein kann, für die Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Pflichten Sorge zu tragen, hängt auch von den zur Verfügung stehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten ab, auf den Pflichtigen einzuwirken. Der Begriff der „Durchsetzung“ birgt keine Festlegung auf ein bestimmtes Mittel142, sondern lediglich auf ein bestimmtes Ziel: die Erfüllung der Pflicht. Vorausgesetzt ist, soweit es die Durchsetzung durch die Verwaltung betrifft, lediglich, dass die Pflicht nicht freiwillig erfüllt wird. So stehen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten alle an sich zulässigen – d.h. nicht von vorneherein als rechtswidrig ausgeschlossenen Mittel – zur Verfügung. Sie reichen von lediglich erläuternden Hinweisen auf den Bestand einer Pflicht über vertragliche Vereinbarungen, pflichtenkonkretisierende Verfügungen bis hin zur zwangsweisen Durchsetzung im Wege der Verwaltungsvollstreckung. Die zuletzt genannte Möglichkeit setzt nach den Vollstreckungsgesetzen (vgl. etwa § 6 VwVG) grundsätzlich den vorherigen Erlass eines Verwaltungsakts voraus. Das ist unproblematisch, wenn die Pflicht durch eine behördliche Verfügung begründet worden ist, die sich auf eine entsprechende Befugnisnorm stützen kann. 2. Verwaltungsaktbefugnis zur Durchsetzung gesetzlicher Pflichten Umstritten ist freilich, ob die Verwaltung generell berechtigt ist, gesetzliche Pflichten durch Verfügungen zu konkretisieren und auf diesem Wege zugleich die Grundlage für ihre zwangsweise Durchsetzung zu schaffen. Dieser Teilaspekt der allgemeineren Fragestellung143, ob sich der Vorbehalt des Gesetzes nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form behördlichen Handelns, insbesondere auf die Handlungsform Verwaltungsakt144, erstreckt, bleibt für die allgemeinen Rechtsgüterschutzpflichten wegen der Existenz der polizeilichen 142 Anders, unter Hinweis auf einen allgemeinen Sprachgebrauch, der angeblich die Zwangsanwendung beinhalten soll, H.-C. Arbeiter, Durchsetzung gesetzlicher Pflichten, S. 47. 143 Zu den verschiedenen Teilaspekten vgl. Ch. Druschel, Verwaltungsaktbefugnis, S. 149 ff.; H. Kracht, Feststellender Verwaltungsakt, S. 248 ff. 144 Vgl. H.-Ch. Arbeiter, Durchsetzung gesetzlicher Pflichten, S. 121 ff.; H. Bauer, Gesetzesvorbehalt, NVwZ 1987, 112; Ch. Druschel, Verwaltungsaktbefugnis, 1998; H. Kracht, Feststellender Verwaltungsakt, S. 299 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rdnr. 5; H. Hill, Das hoheitliche Moment, DVBl. 1989, 321, 323; L. Osterloh, Erfordernis gesetzlicher Ermächtigung, JuS 1983, 280 ff.; M. Sachs, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 44 Rdnrn. 54 ff.; P. Stelkens/U. Stelkens,

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Generalklausel ohne praktische Bedeutung. Hinsichtlich besonderer gesetzlicher Pflichten allerdings ist deren Anwendbarkeit145 neben speziellen Eingriffsbefugnissen nicht immer gewährleistet; außerhalb der Zuständigkeit der Polizei- und Ordnungsbehörden schließlich ist sie ausgeschlossen. Ein „Handlungsform-Vorbehalt“146 ergibt sich vor allem aus den für den Adressaten belastenden Folgen, die alleine147 aus dem Handeln durch Verwaltungsakt resultieren148: Die Wirksamkeit des Verwaltungsakts ist nicht an seine Rechtmäßigkeit gebunden149 (§ 43 VwVfG), wegen der Möglichkeit der formellen Bestandskraft werden Anfechtungslasten begründet150 und die Behörde vermag aufgrund der Titelfunktion des Verwaltungsakts ohne Einschaltung einer neutralen gerichtlichen Instanz einseitig die Vollstreckung zu betreiben151. Die materielle Rechtslage des Adressaten bleibt zwar, sofern die Pflicht in dem durch Verwaltungsakt bestimmten Umfang kraft Gesetzes tatsächlich besteht, unberührt, doch wird seine „verfahrensrechtliche“ Stellung zu Gunsten der einseitigen Bestimmungsmacht der Verwaltung verschlechtert. Eine entsprechende Befugnis muss deshalb der Verwaltung durch Gesetz übertragen sein. Nicht zu überzeugen vermag freilich der Vorschlag, in § 43 VwVfG die erforderliche Rechtsgrundlage zu erblicken152. Anders als etwa in § 54 VwVfG für den verwaltungsrechtlichen Vertrag werden darin keine Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Erlass von Verwaltungsakten benannt, sondern lediglich Regelungen über deren Wirksamkeit getroffen, die auch für „unzulässige“ Verwaltungsakte

ebd., § 35 Rdnrn. 22 f.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 45 Rdnr. 14. 145 Zum Anwendungsbereich der Generalklausel F. Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnrn. 57 ff. 146 J. Dietlein, Handlungsform-Vorbehalt, JA 1992, 220 f. 147 Hiergegen H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rdnr. 5, der den Vorbehalt des Gesetzes nur auf den Inhalt des Tätigwerdens der Verwaltung erstreckt. Dem ist insoweit zuzustimmen, als die gesetzlichen Folgen der Handlungsform, die gerade bei belastenden Verwaltungsakten für den Adressaten eine Beschwer enthalten, bei begünstigenden Verwaltungsakten entweder gar nicht zum Tragen kommen (so die Vollstreckungsmöglichkeit oder die Anfechtungslast) oder dem Adressaten günstig sind (so die Bestandskraft). Das ändert aber nichts daran, dass diese Folgen eine über den Inhalt hinaus reichende Belastung darstellen. 148 So auch H. Hill, Das hoheitliche Moment, DVBl. 1989, 321, 323; M. Sachs, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 44 Rdnr. 55. 149 H. Kracht, Feststellender Verwaltungsakt, S. 310 unter Hinweis auf die fehlende Letztentscheidungskompetenz der Verwaltung. 150 Vgl. auch H. Bauer, Gesetzesvorbehalt, NVwZ 1987, 112; R.-D. Drescher, Anmerkung, DVBl. 1986, 727, 729; H. Kracht, Feststellender Verwaltungsakt, S. 332 ff.; ferner BVerwG, Urt. v. 9.5.2001 – 3 C 2/01 – BVerwGE 114, 226, 228. 151 Vgl. auch J. Dietlein, Baulast, JuS 1994, 381, 382; H. Kracht, Feststellender Verwaltungsakt, S. 350 ff.; L. Osterloh, Erfordernis gesetzlicher Ermächtigung, JuS 1983, 280, 283. 152 So aber Ch. Druschel, Verwaltungsaktbefugnis, S. 258 ff.

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3. Teil: Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

gelten. Deshalb bestimmt diese Vorschrift einige wesentliche Besonderheiten der Handlungsform im Zusammenhang mit der Bestandskraft und geht in dieser Funktion auf, gibt aber als Ermächtigungsgrundlage selbst nichts her153. Die Pflichtnorm selbst ist, weil nicht an die Verwaltung adressiert, an sich keine ausreichende Rechtsgrundlage154, 155. Das schließt zwar nicht aus, im Wege der Auslegung zu ermitteln, dass sie zugleich eine Ermächtigung an die Behörde enthalten soll, das gesetzliche Verhaltensgebot durch Verwaltungsakt zu konkretisieren156. Das aber bedarf besonderer Begründung im Einzelfall und kann nicht ganz allgemein angenommen werden. II. Die Duldung rechtswidrigen Verhaltens Entscheidend für die Geltung von Opportunitäts- bzw. Legalitätsprinzip ist die Frage, ob bestehende Pflichten durch die Verwaltung durchsetzt werden müssen oder nicht. In der Umkehrung lässt sich die Frage stellen, ob die Duldung rechtswidrigen Verhaltens rechtmäßig ist oder nicht. Üblicherweise wird diese Fragestellung anhand der Formulierung der jeweiligen Befugnisnormen entschieden157. Das allerdings ist in mehrfacher Hinsicht zu kurz gegriffen. Einerseits ist die Durchsetzung von Pflichten nicht an eine bestimmte Handlungsform gebunden und deshalb nicht von demjenigen Mittel abhängig, das die Befugnisnorm zur Verfügung stellt (wenngleich vielfach eine effektive Durchsetzung durch nichtförmliches Handeln an der fortgesetzten Weigerung des Pflichtigen wird scheitern können). Andererseits muss die Befugnisnorm die materiellen Entscheidungskriterien keineswegs abschließend normieren, so dass sich die Frage nur unter Rückgriff auf die weiteren Determinanten der behördlichen Entscheidung abschließend beantworten lässt158.

153 Vgl. auch H. Geiger, Rezension, NVwZ 2000, 1274, 1275; H. Kracht, Feststellender Verwaltungsakt, S. 425 ff. 154 P. Stelkens/U. Stelkens, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 35 Rdnr. 23. 155 Dies ist gewissermaßen die Umkehrung der oben (§ 11 A. III. , S. 280 f.) getroffenen Feststellung: Ebenso wenig, wie aus Eingriffsbefugnissen gesetzliche Pflichten Privater abzuleiten sind, ist die Ableitung von Eingriffsbefugnissen aus Pflichtnormen möglich. 156 Wobei die Rechtsprechung allerdings sehr großzügig ist; vgl. etwa (zur Anzeigepflicht nach § 14 Abs. 1 S. 1 GewO) BVerwG, Urt. v. 24.6.1976 – 1 C 56/74 – NJW 1977, 772; Urt. v. 1.7.1987 – 1 C 25/85 – BVerwGE 78, 6, 7 f. 157 Vgl. G. Hermes/J. Wieland, Staatliche Duldung, S. 18 ff. 158 Vgl. auch H.-H. Trute, Verzahnungen von öffentlichem und privatem Recht, in: W. Hoffmann-Riem/E. Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 167, 194.

§ 13 Geltungsbereiche von Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

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1. Zwingende Befugnisnormen Relativ unproblematisch sind Fälle zwingender Normen, die mit der behördlichen Ermächtigung zugleich deren Verpflichtung normieren, die Einhaltung des materiellen Rechts zu gewährleisten. Sie legen die Verwaltung auf einen bestimmten Erfolg, gegebenenfalls zugleich auf ein bestimmtes Mittel fest. Im Rahmen ihres Anwendungsbereichs verbleibt grundsätzlich kein Entscheidungsspielraum, der es gestatten würde, von der Durchsetzung der Pflicht Abstand zu nehmen. Das gilt, wie oben159 ausgeführt wurde, auch bei Zweifeln über die Einhaltung verfassungsrechtlicher Direktiven durch das durchzusetzende Gesetz, da insoweit der Verwaltung angesichts der abschließenden Entscheidung des Gesetzgebers keine eigenständige Konkretiserungskompetenz zusteht. Grenzen der bindenden Wirkung zwingender Normen können sich allenfalls durch teleologische Reduktion ihres Anwendungsbereichs ergeben, etwa wenn der Zweck, den die durchzusetzende Pflicht erfüllen soll, bereits erreicht oder nicht mehr erreichbar ist160. Im übrigen aber gilt das Legalitätsprinzip kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung. 2. Ermessensnormen Eine Duldung rechtswidrigen Verhaltens scheint aber in den Fällen rechtmäßig zu sein, in denen der Verwaltung Ermessen bereits bezüglich der Frage eingeräumt ist, ob sie von einer bestimmten Befugnis zur Durchsetzung von Pflichten Gebrauch macht. Das gilt für die polizeiliche Generalklausel, wenngleich deren Anwendungsbereich erheblich weiter ist, weil sie sich nicht darauf beschränkt, auf die Erfüllung gesetzlicher Pflichten hinzuwirken, sondern generell zu Gefahrenabwehrmaßnahmen ermächtigt. In speziellen ordnungsbehördlichen Regelungen, so z. B. in den bauordnungsrechtlichen Eingriffsnormen161, im Umweltrecht, etwa im Bundesimmissionsschutzgesetz162, aber auch im öffentlichen Wirtschaftsrecht, etwa im Kartellrecht163, ist der Pflichtenbezug stärker ausgeprägt, das Eingreifen jedoch in das pflichtgemäße Ermessen der Verwaltung gestellt. Dieses bereits oben erwähnte, verbreitet mit dem Opportunitätsprinzip gleichgesetzte Entschließungsermessen164 legt die Vermutung nahe, der Verzicht auf das Einschreiten sei rechtmäßig165. Zwar wird zu Recht darauf 159

Oben 2. Teil, § 10 A. III. 4. Vgl. zur parallelen Argumentation im Recht der Kommunalaufsicht (zu Art. 112 BayGO a. F.) M. Wehr, Ermessen der Rechtsaufsicht, BayVBl. 2001, 705, 706. 161 Vgl. etwa die Regelungen der Bayerischen Bauordnung: Art. 60 (Generalklausel), 81 (Baueinstellung), 82 (Beseitigungsverfügung und Nutzungsuntersagung). 162 Vgl. § 20 Abs. 1 BImSchG. 163 Vgl. § 12 Abs. 1 GWB. 164 Oben § 12 A. III. 2. a). 165 Stellvertretend für die h. M. G. Hermes/J. Wieland, Staatliche Duldung, S. 21 f. 160

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3. Teil: Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

hingewiesen, dass dieser Verzicht mit der bloßen Untätigkeit nicht gleichgesetzt werden dürfe, sondern das (Entschließungs-)Ermessen auch ausgeübt werden müsse166. Im Ergebnis aber wird angenommen, dass die Gesetzesanwendung in dem Sinne „ergebnisoffen“ ist, dass das Gesetz eine bestimmte Entscheidung nicht präjudiziert, sondern von den Umständen des Einzelfalles abhängig macht. Dies setzt voraus, dass auf der Ebene des gesetzlichen Entscheidungsprogrammes die zur Auswahl stehenden Alternativen prinzipiell gleichwertig sind, so dass der gesetzesvollziehenden Verwaltung eine umfassende Konkretisierungskompetenz zukommt. Für polizeiliche Maßnahmen wird dies gemeinhin vertreten; die Grenzen dieser Konkretisierungskompetenz werden im Wesentlichen den Maßstäben entnommen, die bereits Walter Jellinek formuliert hat: Schädlichkeitsgrenze und Verhältnismäßigkeit167. 3. Modifizierungen aus der Perspektive des subjektiv-öffentlichen Rechts Die Konsequenzen der Annahme einer derart „ergebnisoffenen“ gesetzlichen Ermächtigung zur Durchsetzung von Pflichten finden vor allem in den Fällen eine größere Aufmerksamkeit, in denen nicht nur das Vertikalverhältnis zwischen dem Pflichtigen und dem Verwaltungsträger in Rede steht, sondern zusätzlich die subjektive Rechtsstellung Dritter betroffen ist, weil die Verpflichtung zugleich dem Ausgleich kollidierender Individualinteressen im Horizontalverhältnis dient. a) Der Paradigmenwechsel im öffentlichen Baunachbarrecht Dies gilt insbesondere für das Baunachbarrecht, in dem aufgrund der umfangreichen Deregulierungs- und Beschleunigungsnovellen der Landesbauordnungen168 ein Paradigmenwechsel stattgefunden zu haben scheint. Denn durch den weitgehenden Wegfall der Genehmigungsbedürftigkeit von Bauvorhaben haben sich die Koordinaten des Nachbarschutzes verlagert. Verwaltungsprozessual tritt an die Stelle von Anfechtungswiderspruch und Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung169 die Geltendmachung eines Anspruchs auf baubehördliches 166 Vgl. etwa W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 69; F. Schoch, Grundfälle, JuS 1994, 754, 755; K. Vogel, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 24 4., S. 379. 167 W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 267 ff.; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 70; K. Vogel, in: B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, § 24 8.a), S. 397. 168 Überblick bei K.-M. Ortloff, Abschied von der Baugenehmigung, NVwZ 1995, 112, 113 ff.

§ 13 Geltungsbereiche von Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

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Einschreiten170. Materiellrechtlich wandelt sich der bei einem Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften gegebene Anspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung wegen der („Kann“-)Formulierung der Befugnisnormen in einen bloßen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung171, der lediglich im (Ausnahme-)Fall der Ermessensreduzierung auf Null die Rechtsmacht einräumen soll, die Behörde zum Eingreifen zu verpflichten. Davon wird aber nur ausgegangen, wenn ein wesentliches Rechtsgut verletzt wird oder eine Störung hoher Intensität vorliegt172. Damit führt im Ergebnis die Lockerung der formellen Anforderungen an die Zulässigkeit von Bauvorhaben zu einer Verringerung des (öffentlich-rechtlichen 173) Nachbarrechtsschutzes, obwohl die das Nachbarrechtsverhältnis regelnden materiellen Baurechtsnormen an sich unverändert geblieben sind174. b) Gegenreaktionen Diese Entwicklung hat Gegenreaktionen unterschiedlicher Art ausgelöst. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang der Vorschlag K. M. Ortloffs175, den öffentlich-rechtlichen Nachbarschutz unmittelbar zwischen Privaten zu gewährleisten. Der sich selbst kontrollierende Bauherr trete in dem Maße, in dem der Staat sich aus der Kontrolle zurückziehe, an die Stelle der Bauaufsichtsbehörde und werde insoweit unmittelbar dem Abwehr- bzw. Unterlassungsanspruch des Nachbarn ausgesetzt, der sich auf nachbarschützende Normen beruft176. Diese Konstruktion zeigt auf, dass mit dem „Abschied von der Baugenehmigung“177 nicht (nur) Veränderungen der Rechte des Nachbarn, sondern vor allem Verän-

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Vgl. den Überblick bei H. Dürr, Entwicklung, DÖV 2001, 625, 637 f. Vgl. dazu nur M. Martini, Baurechtsvereinfachung, DVBl. 2001, 1488, 1490; zu Veränderungen im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes Ch. Bamberger, Einstellung genehmigungsfreier Bauvorhaben, NVwZ 2000, 983, 984 ff.; M. Uechtritz, Vorläufiger Rechtsschutz, BauR 1998, 719, 722 ff. 171 Ch. Degenhart, Genehmigungsfreies Bauen, NJW 1996, 1433, 1436; U. Sacksofsky, Privatisierung des baurechtlichen Nachbarschutzes, DÖV 1999, 946, 950. 172 Vgl. dazu U. Di Fabio, Die Ermessensreduzierung, VerwArch 86 (1995), 214, 218 ff.; K.-E. Hain/V. Schlette/Th. Schmitz, Ermessen und Ermessensreduktion, AöR 122 (1997), 32, 60 f.; I. Kraft, Entwicklungslinien, VerwArch 89 (1998), 264, 284 f.; S. Muckel, Nachbarschutz im öffentlichen Baurecht, JuS 2000, 132, 135. 173 Zur Verweisung auf den Zivilrechtsweg vgl. noch unten § 13 D. III. 174 Das betonen auch Ch. Degenhart, Genehmigungsfreies Bauen, NJW 1996, 1433, 1437; Ch. Bamberger, Einstellung genehmigungsfreier Bauvorhaben, NVwZ 2000, 983, 985; U. Sacksofsky, Privatisierung des baurechtlichen Nachbarschutzes, DÖV 1999, 946, 951; vgl. auch M. Uechtritz, Nachbarrechtsschutz, NVwZ 1996, 640, 643. 175 K. M. Ortloff, Verwaltungsrechtsschutz zwischen Privaten, NVwZ 1998, 932 ff. 176 K. M. Ortloff, Verwaltungsrechtsschutz zwischen Privaten, NVwZ 1998, 932, 933. 177 K. M. Ortloff, Abschied von der Baugenehmigung, NVwZ 1995, 112. 170

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derungen der Pflichten des Bauherren einhergehen. Die Genehmigungsbedürftigkeit baulicher Anlagen verbietet dem Bauherrn lediglich, solche Anlagen ohne Genehmigung zu errichten oder zu nutzen. Eine Pflicht zur Wahrung der materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung ist damit nicht verbunden178. Das Gebrauchmachen von einer wirksamen Baugenehmigung ist, auch wenn diese (materiell) rechtswidrig ist, mangels Verbotes, rechtmäßig. Der Wegfall der Genehmigungspflicht wandelt die vormaligen Genehmigungsvoraussetzungen in Pflichtendeterminanten für den Bauherren um. Ihm ist nun untersagt, bauliche Anlagen zu errichten oder zu nutzen, die nicht mit dem materiellen Baurecht in Einklang stehen. Darauf basiert der Vorschlag K. M. Ortloffs. Doch die damit verbundene Reduzierung des Dreiecksverhältnisses Bürger-Staat-Bürger auf ein dem öffentlichen Recht unterliegendes Bürger-Bürger-Verhältnis ist zu Recht auf Bedenken gestoßen. So ist nicht nur unklar, woraus sich der öffentlich-rechtliche Charakter der Rechtsbeziehungen im Horizontalverhältnis ergeben soll179, sondern bereits fraglich, aus welchen Normen derartige Rechtsbeziehungen folgen sollen, mit anderen Worten: auf welche Rechtsgrundlage der Abwehr- oder Unterlassungsanspruch des Nachbarn gegen den Bauherrn gestützt werden kann180. Dass der Bauherr nunmehr verpflichtet ist, das materielle Baurecht einzuhalten, gibt dem Nachbarn selbst dann keinen unmittelbaren Anspruch darauf, wenn es sich um drittschützende Normen handelt, weil diese nicht als Anspruchsgrundlagen ausgestaltet sind. Solche finden sich etwa in §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB, doch dann handelt es sich um privatrechtliche Rechtsbeziehungen, innerhalb derer auch die Normen des „öffentlichen“ Baurechts dem Privatrecht zuzuordnen sind181. Auf der Basis der herkömmlichen Dogmatik hat demgegenüber die Rechtsprechung182 unter dem Beifall eines Teils der Literatur183 die Lösung in der 178

Dazu bereits oben 1. Teil, § 6 B. I. D. Mampel, Kein Verwaltungsrechtsschutz zwischen Privaten, NVwZ 1999, 385; M. Martini, Baurechtsvereinfachung, DVBl. 2001, 1488, 1490; U. Sacksofsky, Privatisierung des baurechtlichen Nachbarschutzes, DÖV 1999, 946, 952; vgl. auch Ch. Calliess, Öffentliches und privates Nachbarrecht, Die Verwaltung 34 (2001), 169, 194 f. 180 D. Mampel, Kein Verwaltungsrechtsschutz zwischen Privaten, NVwZ 1999, 385, 386. 181 Zum Rechtsverhältnis als Anknüpfungspunkt der Qualifizierung von Normen als privat- bzw. öffentlich-rechtlich vgl. oben 2. Teil, § 7 B. II. 2. 182 VGH Mannheim, Beschl. v. 26.10.1994 – 8 S 2763/94 – NVwZ-RR 1995, 490, 491; bestätigt im Beschl. v. 18.2.1997 – 3 S 3419/96 – DÖV 1997, 1056; VGH München, Beschl. v. 26.7.1996 – 1 CE 96/2081 – NVwZ 1997, 923; VG München, Beschl. v. 24.5.1996 – M 1 E 96/2516 – NVwZ 1997, 928, 929; VG Meiningen, Beschl. v. 13.12.1996 – 5 E 1006/96.Me – NVwZ 1997, 926, 928. 183 Ch. Bamberger, Einstellung genehmigungsfreier Bauvorhaben, NVwZ 2000, 983, 986 ff.; W. Brohm, Öffentliches Baurecht, § 30 Rdnr. 24; Ch. Degenhart, Genehmigungsfreies Bauen, NJW 1996, 1433, 1477 f.; M. Martini, Baurechtsvereinfachung, DVBl. 2001, 1488, 1492; M. Uechtritz, Nachbarrechtsschutz, NVwZ 1996, 640, 643 f. 179

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Absenkung der Anforderungen an den Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gesucht und gefunden. Dieser wird bei Verstößen gegen nachbarschützende Vorschriften in aller Regel bejaht, wenn die nachbarlichen Belange dadurch mehr als geringfügig negativ berührt sind. Auf diese Weise wird die Schwäche der nachbarlichen Abwehrposition infolge des Wegfalls der präventiven Kontrolle durch eine Stärkung des Rechts auf repressives Einschreiten kompensiert und der Nachbar jedenfalls weitgehend so gestellt, wie er es im Falle der Anfechtung einer rechtswidrigen Baugenehmigung wäre. Die Harmonisierung der Rechtsschutzintensität unterschiedlicher verfahrensrechtlicher Konstellationen ist angesichts der Identität der Interessenlage sowie der materiellen Rechtslage durchaus begrüßenswert. Doch werden mit dem Kompensationsgedanken neue Gräben aufgerissen. Denn er ist in den Fällen nicht tragfähig, in denen ein Vorhaben unter Umgehung der Genehmigungspflicht und unter Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften verwirklicht wird („Schwarzbau“). Eine unterschiedliche Behandlung dieser Konstellationen ist kaum begründbar184. Gegen den Vorschlag einer generellen Absenkung der Anforderungen an einen Anspruch auf baubehördliches Einschreiten mit der Folge, dass er im Regelfall zu bejahen ist185, scheint die Einräumung von Ermessen in den jeweiligen Befugnisnormen zu sprechen186. Ein anderes, wegweisendes Konzept hat demgegenüber D. Mampel vorgestellt187. Er geht davon aus, dass die ordnungsrechtlichen Befugnisnormen auf das zweipolige Staat-Bürger-Verhältnis zugeschnitten sind, sich jedoch für das dreipolige öffentlich-rechtliche Nachbarrechtsverhältnis nicht eignen. Der Interessenausgleich zwischen Bauherrn und Nachbar werde nicht durch die Eingriffsermächtigung, sondern durch die nachbarschützenden Normen verwirklicht. Diese konstituierten im „horizontalen Grundverhältnis“ deren Rechte und Pflichten, zu deren Wahrung und Durchsetzung die Verwaltung durch die Aufgabenzuweisung berufen sei188. Die Rechtsgrundlage für die Verwirklichung des in nachbarschützenden Normen angelegten Konfliktschlichtungsprogramms seien die drittschützenden Normen selbst, die behördliche Pflicht zu ihrer 184 G. Borges, Nachbarrechtsschutz, DÖV 1997, 900, 901; H. Koch/P. Molodovsky/ G. Famers, BayBO, Art. 64 Rdnr. 6.4.2; M. Oldiges, Baurecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 357; Ch. Preschel, Abbau, DÖV 1998, 45, 53; U. Sacksofsky, Privatisierung des baurechtlichen Nachbarschutzes, DÖV 1999, 946, 953; anders wohl W. Brohm, Öffentliches Baurecht, § 30 Rdnr. 24, unter nicht näher erläutertem Hinweis auf die „unterschiedlichen Rechtslagen“. 185 So bereits OVG Münster, Urt. v. 17.5.1983 – 7 A 330/81 – NJW 1984, 883, 884; G. Borges, Nachbarrechtsschutz, DÖV 1998, 900, 902; M. Martini, Baurechtsvereinfachung, DVBl. 2001, 1488, 1493. 186 Vgl. W. Brohm, Öffentliches Baurecht, § 30 Rdnr. 24. 187 D. Mampel, Anspruch Dritter, DVBl. 1999, 1403, 1407 f. 188 D. Mampel, Anspruch Dritter, DVBl. 1999, 1403, 1408, unter Berufung auf F.-L. Knemeyer, Schutz der Allgemeinheit, VVDStRL 35 (1977), 221, 233 f.

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3. Teil: Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

Durchsetzung ergebe sich aus der verbindlichen Zuweisung der Aufgabe, die Einhaltung des materiellen Baurechts zu überwachen189. Die baurechtlichen Eingriffsermächtigungen seien dagegen nur für die abwehrrechtliche Perspektive relevant. Das darin eingeräumte Ermessen befuge die Behörde, über den staatlichen Anspruch auf Normbefolgung zu verfügen und gegebenenfalls auch darauf zu verzichten. Ein Verfügungsrecht über subjektive Rechte stehe ihr jedoch nicht zu. Es müsse deshalb „bei ihrer strikten Bindung durch die aufgabenzuweisende Norm verbleiben“190. 4. Vom subjektiven zum objektiven Recht Es ist nicht verwunderlich, dass die Impulse für ein verändertes Verständnis des exekutiven Entscheidungsspielraums von der Warte des subjektiven Rechts ausgehen. Dies ist nur ein weiterer Schritt in der zunehmenden Subjektivierung des öffentlichen Rechts, die von der grundrechtszentrierten Verfassung ausgehend auch das einfache Gesetzesrecht lange schon erreicht hat. Das subjektive Recht fungiert als Motor für die Weiterentwicklung des Verwaltungsrechts und wirkt so naturgemäß auf das objektive Recht zurück. Systematisch muss sich dies freilich auch in umgekehrter Richtung begründen lassen, weil das subjektive Recht nur einen – wenn auch wesentlichen – Teil des objektiven Rechts abdeckt. Die Subjektivierung muss, anders formuliert, sich in die objektiv-rechtliche Dogmatik einfügen und mit dem positiven Recht in Einklang bringen lassen. Von dieser Perspektive aus kann auch dem Vorschlag D. Mampels entgegnet werden, dessen Ausgangspunkt und Ergebnis freilich geteilt werden. Zu kritisieren ist lediglich der konstruktive Weg, auf dem Mampel beide miteinander verbindet. Mit der Ableitung von Eingriffsbefugnissen aus den materiellen Normen des Baurechts setzt er voraus, dass der Vorbehalt des Gesetzes nur für den Inhalt des Verwaltungshandelns gilt191. Zwar kann im Einzelfall auch die Auslegung der an den Privaten gerichteten Pflichtnorm ergeben, dass sie zugleich eine Ermächtigung der Verwaltung zu ihrer Verwirklichung enthält192. Dieser Weg ist aber verschlossen, wenn es explizite Befugnisnormen bereits gibt, in deren Rahmen auch die Pflichten durchgesetzt werden können. Genau dies ist aber im Baurecht der Fall. Nach D. Mampel müssten diese Normen so gelesen werden, als setzten sie tatbestandlich nicht einen Widerspruch von Bauvorhaben zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften insgesamt, sondern nur zu Vorschriften 189 Vgl. auch D. Mampel, Kein Verwaltungsrechtsschutz zwischen Privaten, NVwZ 1999, 385, 387. 190 D. Mampel, Anspruch Dritter, DVBl. 1999, 1403, 1408. 191 D. Mampel, Kein Verwaltungsrechtsschutz zwischen Privaten, NVwZ 1999, 385, 387. 192 Oben § 13 A. I. 2.

§ 13 Geltungsbereiche von Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

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voraus, die keinen nachbarschützenden Charakter besitzen, da die Ermächtigung zur Durchsetzung drittschützender Normen in diesen selbst enthalten wäre. In dem Umfang, in dem Eingriffsbefugnisse in das materielle Recht „hineingelesen“ werden, wird also das materielle Recht aus den bestehenden Eingriffsbefugnissen „herausgelesen“. Es handelt sich also vorderhand um ein „Nullsummenspiel“, das aber mit den Tatbestandsformulierungen der bauaufsichtlichen Eingriffsnormen ebenso wenig in Einklang zu bringen ist, wie mit den materiellrechtlichen Normen, die schon ihrer Funktion nach „Rechtszuweisungen im Horizontalverhältnis“193, jedoch keine Befugniszuweisung im Staat-Bürger-Verhältnis enthalten. Sieht man jedoch von der Rechtsgrundlage für das behördliche Einschreiten ab, ist die materiellrechtliche Argumentation D. Mampels zielführend: Die Vorschriften des materiellen Baurechts definieren den Inhalt des Eigentums und enthalten die normative Bestimmung des Interessenausgleichs zwischen Privaten untereinander sowie im Verhältnis zur Allgemeinheit. Dieses materielle Konfliktschlichtungsprogramm wird zunächst auf den Bauherrn bezogen, dem nicht nur mit dem Inhalt auch die Grenzen seines Eigentumsrechts aufgezeigt werden, sondern zugleich zum Schutz der kollidierenden Interessen das Verbot auferlegt wird, diese Grenzen zu überschreiten. Diese Pflicht aber beinhaltet wegen ihrer Bezugnahme auf die Eigentumsinhaltsbestimmung das Ergebnis der gesetzlichen Abwägung aller abstrakt formulierbaren Interessen im Hinblick auf die Nutzung des Grundstücks. Dieser Ansatz lässt sich verallgemeinern und über die Grenzen des Baurechts hinaus sowie jenseits der Besonderheiten des Eigentums(grund)rechts fruchtbar machen. Denn alle Rechtsgüterschutzpflichten basieren auf entsprechenden Konfliktschlichtungsentscheidungen, welche die gegenläufigen Interessen bewerten, gewichten und ausgleichen und auf diese Weise im Horizontalverhältnis die Rechtsstellung Privater untereinander bzw. zur Allgemeinheit erst konstituieren194. Hieran zeigt sich der (nicht normtheoretisch195, sondern rechtsdogmatisch zu verstehende) Vorrang des objektiven vor dem subjektiven Recht und er wird insbesondere in der Verpflichtung des Einzelnen deutlich. Die gesetzlich begründete Pflicht ist in jedem Falle Ergebnis einer Abwägung divergierender Interessen, auch wenn ihr kein individualisierbares Privatinteresse und damit kein Träger eines subjektiven Rechts gegenüber steht. In der Pflicht kommt der normierte Interessenausgleich objektiv-rechtlich zum Tragen. An diese normative Entscheidung aber ist die Verwaltung gebunden, soweit sie Normen zu vollziehen hat, die auf diesen Ausgleich Bezug nehmen196. Ist ihr also die Auf193 194 195 196

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

M. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 132. dazu oben 2. Teil, § 10 C. I. 1. oben 1. Teil, § 3 C. auch B. Remmert, Behördliche Aufhebung, VerwArch 91 (2000), 209, 214.

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3. Teil: Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

gabe übertragen, die Einhaltung des objektiven Rechts zu überwachen, ist sie im Rahmen der ihr eingeräumten Befugnisse verpflichtet, der vorrangigen gesetzlichen Interessenbewertung zur Wirksamkeit zu verhelfen. Dies aber bedingt Maßnahmen, welche die Erfüllung der gesetzlichen Pflichten sicherstellen. Mit anderen Worten: Für die Durchsetzung von Pflichten gilt das Legalitätsprinzip. 5. Das behördliche (Entschließungs-)Ermessen bei der Durchsetzung von Pflichten Das scheint allerdings nicht damit vereinbar zu sein, dass die jeweiligen Befugnisnormen Ermessen und damit der Verwaltung einen Entscheidungsfreiraum einräumen, der auch gerichtlich nur eingeschränkt, nach Maßgabe des § 114 S. 1 VwGO, überprüfbar ist. a) Ermessen im dreipoligen Kompetenzverhältnis Das aber liegt zunächst daran, dass im Begriff des Ermessens zwei Problemkreise zusammengefasst sind, die nicht zwingend zusammengehören197. Der erste betrifft das Verhältnis der Exekutive zur Legislative. Mit der Einräumung von Ermessen verzichtet der Gesetzgeber darauf, die Verwaltung zu einer bestimmten Maßnahme zu veranlassen, sondern ermächtigt sie vielmehr durch die der Rechtsfolge nach offenere Fassung der Befugnisnorm zur Rechtskonkretisierung innerhalb des eingeräumten Entscheidungsspielraums198 (explizite Delegation)199. Der zweite ist beim Verhältnis der Exekutive zur Legislative angesiedelt und betrifft die Frage, welche der beiden Gewalten bezüglich der Rechtskonkretisierung die Letztentscheidungsbefugnis besitzt. Beide Fragestellungen sind voneinander zu trennen, weil sie nach je unterschiedlichen Maßstäben zu beurteilen sind. Im Verhältnis von Gesetzgebung und Verwaltung richtet sich die Zulässigkeit einer Übertragung zur Rechtskonkretisierung nach dem Bestimmtheitsgrundsatz, den Gesetzesvorbehalten und der „Wesentlichkeitstheorie“200. Für das Verhältnis zwischen Verwaltung und Gerichtsbarkeit hingegen gilt wegen der Rechtsschutzgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG der Grundsatz der vollständigen rechtlichen Überprüfung behördlicher Akte201, womit prinzipiell die Zuweisung der Letztentscheidungskompetenz an die Gerichte 197 198

K. Waechter, Polizeiliches Ermessen, VerwArch 88 (1997), 298, 299. Vgl. auch Ch. Starck, Verwaltungsermessen, in: Festschrift f. H. Sendler, S. 167,

169. 199

Oben 2. Teil, § 10 A. III. 2. nach Fußn. 487. Vgl. zum Zusammenhang dieser Kriterien U. M. Gassner, Parlamentsvorbehalt, DÖV 1996, 18, 21 ff. 201 E. Schmidt-Aßmann, in: Th. Maunz/G. Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 (1985), Rdnr. 183. 200

§ 13 Geltungsbereiche von Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

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verbunden ist. Diese Differenz bedingt es, die unterschiedlichen Funktionen des Ermessens voneinander zu trennen und nicht, wie es verbreitet geschieht202, aus der „Kann“-Formulierung sowohl auf eine Delegation der Rechtskonkretisierungsbefugnis als auch auf einen nur beschränkt gerichtlich nachprüfbaren Entscheidungsspielraum zu schließen203. Ermessen ist also in abstracto eine Rechtsfigur im dreipoligen Kompetenzverhältnis Legislative – Exekutive – Judikative, doch nicht jede konkrete Einräumung von Ermessen durch den Gesetzgeber modifiziert zugleich das prinzipielle Verhältnis der Verwaltung zur Gerichtsbarkeit. Wegen der Bindung der ermessensausübenden Verwaltung an den Zweck des Gesetzes (§ 40 VwVfG) und die Ermessensgrenzen, die sich auch aus dem höherrangigen Recht ergeben204, kommt ein nicht überprüfbarer Entscheidungsspielraum der Verwaltung nur in Betracht, wenn eine Auswahl zwischen rechtlich gleichwertigen Entscheidungsalternativen besteht, unter denen nur nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten auszuwählen ist205. Das sogenannte Entschließungsermessen, das nach dem Wortlaut der Befugnisnorm darin besteht, dass zu den gesetzlich eingeräumten Entscheidungsalternativen auch der Verzicht auf eine außenwirksame Maßnahme gehört, kann deshalb auf das Verhältnis zwischen Verwaltung und Gerichtsbarkeit keinen Einfluss nehmen, weil „Einschreiten“ und „Nichteinschreiten“ im Hinblick auf den Zweck der Ermessensnorm sowie die jeweils betroffenen Interessen niemals rechtlich gleichwertig sind206. b) Der Umfang der Konkretisierungsbefugnis bei der Durchsetzung von Pflichten Eine der gerichtlichen Überprüfung entzogene Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung setzt demnach eine entsprechende gesetzliche Delegation der Konkretisierungskompetenz an die Verwaltung als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung voraus. Sie ist in jedem Falle abhängig davon, dass und in welchem Umfang der Verwaltung überhaupt auf abstrakt-genereller Ebene207 202 M. Bullinger, Das Ermessen der öffentlichen Verwaltung, JZ 1984, 1001; I. Richter/G. F. Schuppert/Ch. Bumke, Casebook Verwaltungsrecht, S. 36; M. Sachs, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 40 Rdnr. 13, Ch. Starck, Verwaltungsermessen, in: Festschrift f. H. Sendler, S. 167, 172. 203 So auch K. Waechter, Polizeiliches Ermessen, VerwArch 88 (1997), 298, 299 f. 204 Vgl. die Übersicht bei M. Sachs, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 40 Rdnrn. 82 ff. 205 Vgl. auch M. Sachs, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 40 Rdnr. 13, der darin das Kennzeichen des Ermessens überhaupt erblickt. 206 So auch K. Waechter, Polizeiliches Ermessen, VerwArch 88 (1997), 298, 314, 316. 207 Grenzen eines gesetzlich eingeräumten Ermessenspielraums können sich auch aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls ergeben. Das ist ein Fall der Ermessensre-

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3. Teil: Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

Entscheidungsfreiheit eingeräumt worden ist. Bevor über Fragen der Ermessensreduzierung im Einzelfall diskutiert werden kann, muss der gesetzlich eingeräumte Entscheidungsspielraum der Verwaltung ausgelotet werden208. Dabei ist anerkannt, dass das behördliche Entscheidungsprogramm sich nicht alleine aus der Norm ergibt, die das Ermessen einräumt209. § 40 VwVfG gibt mit dem Zweck der Ermächtigung und den gesetzlichen Grenzen des Ermessens in allgemeiner Form die Entscheidungsfreiheit begrenzende Determinanten vor. Die bei der Ermessensausübung zur Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit vorzunehmende Abwägung der von den Folgen der Entscheidung betroffenen Interessen kann deshalb nicht freie rechtsschöpferische Bewertung sein, sondern ist wegen des Vorrangs des Gesetzes an die legislativen Vorentscheidungen gebunden210. Derartige gesetzliche Vorentscheidungen liegen bei Ermächtigungen zur Durchsetzung von Pflichten in Form der Pflichtnormen als Ergebnis einer Interessenabwägung stets vor. In ihnen wird das relative Gewicht derjenigen Interessen zueinander bestimmt, deren Ausgleich die Pflicht dient. Das in der Befugnisnorm eingeräumte Ermessen ist deshalb insoweit von vornherein begrenzt, als es um die Lösung desjenigen Interessenskonflikts geht, der bereits legislativ vollzogen ist211. Die Existenz subjektiver Rechte auf die Durchsetzung dieser Pflichten stabilisiert diese systematische Implikation, weil sie ihre Justiziabilität verbürgt. Konstitutiv für den Auftrag an die Verwaltung ist sie indes nicht. Mit der Bindung der Verwaltung an die legislative Interessenbewertung ist ihr ein Ziel vorgegeben, das seinerseits als Mittel der Aufgabenerfüllung im Einzelfall dient. Die Art und Weise der Zielerreichung ist hierdurch nicht vorbestimmt. Insoweit lassen die Befugnisnormen ein den tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten anzupassendes weites Auswahlermessen. Das bedeutet nicht zwingend, dass von der Durchsetzung der Pflicht in keinem Falle abgewichen werden darf. Vielmehr wird ein normatives Regel-Ausnahme-Verhältnis duktion, der den Entscheidungsspielraum dem Grunde nach voraussetzt, vgl. K.-E. Hain/V. Schlette/Th. Schmitz, Ermessen und Ermessensreduktion, AöR 122 (1997), 32, 39; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 24. 208 Vgl. (im Zusammenhang mit dem sogenannten „intendierten“ Ermessen) auch H.-J. Pabst, Intendiertes Ermessen, VerwArch 93 (2002), 540, 545. 209 Vgl. nur H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 23 (mit dem Hinweis auf Verfassungsrecht); M. Sachs, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 40 Rdnrn. 74 ff. 210 M. Sachs, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 40 Rdnrn. 73, 82; zur polizeilichen Ermessensausübung vgl. K. Waechter, Polizeiliches Ermessen, VerwArch 88 (1997), 298, 314, mit der Bemerkung, die Polizei habe hinsichtlich der Wertigkeit gesellschaftlicher Interessen keine Gestaltungsaufgabe. 211 Vgl. auch H.-H. Trute, Verzahnungen von öffentlichem und privatem Recht, in: W. Hoffmann-Riem/E. Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 167, 194, der – am Beispiel des Drittschutzes im Kartellrecht – nicht das Ermessen für entscheidend hält, sondern diejenigen Interessen, die „vom Normenprogramm des zugrundeliegenden Tatbestandes erfaßt werden“.

§ 13 Geltungsbereiche von Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

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zugunsten der Pflichtdurchsetzung begründet. Abweichungen von der Regel müssen durch Gründe gerechtfertigt sein, die jenseits der gesetzlichen Ausgleichsentscheidung liegen. Das Ermessen eröffnet so die Möglichkeit, Belange und Interessen des Einzelfalls mit ins Kalkül zu ziehen, die auf der abstraktgenerellen Ebene keine Berücksichtigung finden konnten. Sie fließen in die Abwägungsentscheidung mit ein und können, wenn sie hinreichend gewichtig sind, das von der Pflichtnorm vorgezeichnete Entscheidungsergebnis modifizieren. c) Intendiertes Ermessen Mit der Einbeziehung der in der Pflichtnorm manifestierten gesetzlichen Interessenausgleichsentscheidung in das behördliche Entscheidungsprogramm bei der Ermessensausübung wird hier für die Durchsetzung von Pflichten etwas postuliert, was unter dem (etwas irreführenden) Schlagwort des „intendierten Ermessens“ auch in die Entscheidungspraxis der Verwaltungsgerichtsbarkeit Eingang gefunden hat212 und (vordergründig) bei der formellen Begründung von Verwaltungsakten nach § 39 Abs. 1 S. 3 VwVfG angesiedelt ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt ein solch gelenktes Ermessen vor, wenn „eine ermessenseinräumende Vorschrift dahin auszulegen (ist), dass sie für den Regelfall von einer Ermessensausübung in einem bestimmten Sinne ausgeht (. . .)“. Dann „müssen besondere Gründe vorliegen, um eine gegenteilige Entscheidung zu rechtfertigen. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, versteht sich das Ergebnis der Abwägung von selbst. Versteht sich aber das Ergebnis der Abwägung von selbst, so bedarf es insoweit auch keiner das Selbstverständliche darstellenden Begründung“213. Diese Rechtsfigur ist in der Literatur überwiegend214 zurückhaltend bis ablehnend215 aufgenommen worden. Insbesondere wurde eingewandt, die Annahme eines solcherart begrenzten Entscheidungsspielraums okkupiere gesetzlich begründete Entscheidungsspielräume der Verwaltung zugunsten der Gerichte216. Dies beruht freilich auf dem schon oben217 kritisierten Fehlschluss, die Verwendung 212 Grundlegend BVerwG, Urt. v. 5.7.1985 – 8 C 22/83 – BVerwGE 72, 1, 6; Urt. v. 25.9.1992 – 8 C 68/90 u. a. – BVerwGE 91, 82, 90; Urt. v. 16.6.1997 – 3 C 22/96 – BVerwGE 105, 55, 57; Urt. v. 16.6.1997 – 3 C 22.96 – DVBl. 1998, 145, 146; VGH München, Urt. v. 15.3.2001 – 7 B 00.107 – NVwZ 2001, 931, 933; OVG Weimar, Beschl. v. 27.6.1996 – 1 EO 425/95 – LKV 1997, 370, 371; Urt. v. 16.2.1999 – 2 KO 61/96 – ThürVBl. 1999, 161, 163. 213 BVerwG, Urt. v. 16.6.1997 – 3 C 22/96 – BVerwGE 105, 55, 57; zu früheren Formulierungen, nach denen es im Regelfall bereits keiner Abwägung bedürfen sollte, vgl. M. Borowski, Intendiertes Ermessen, DVBl. 2000, 149, 151 ff. 214 Zustimmend aber J. Schwabe, Anmerkung, DVBl. 1998, 147. 215 Zuletzt H.-J. Pabst, Intendiertes Ermessen, VerwArch 93 (2002), 540 ff. 216 M. Sachs, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 40 Rdnr. 30; in die gleiche Richtung U. Volkmann, Das „intendierte“ Verwaltungsermessen, DÖV 1996, 282, 286.

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3. Teil: Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

des Wortes „kann“ ziehe in jedem Falle eine Minderung der gerichtlichen Kontrolldichte nach sich. Auf diese Weise werden Ursache und Wirkung verwechselt: Entscheidungsspielräume der Verwaltung lassen sich nicht aus der partiellen Kontrollfreiheit ableiten, sondern nur umgekehrt diese aus jenen. Ist durch das Entscheidungsprogramm aber das Entscheidungsergebnis prinzipiell vorgezeichnet, so besteht der Spieraum im Verhältnis zur Rechtsprechung von vornherein nicht218. Für das hier in Rede stehende Entschließungsermessen kann zudem deshalb davon keine Rede sein, da selbst bei der Ablehnung eines prinzipiell präformierten Entscheidungsergebnisses mangels rechtlicher Gleichwertigkeit von Einschreiten und Nichteinschreiten ein kontrollfreier Bereich ohnehin ausscheidet. Zutreffend ist allerdings, dass das „intendierte“ Ermessen die Grenze zwischen „Kann“- und „Soll“-Vorschriften verwischt219. Doch ist dies nur die Folge der im übrigen unbestrittenen Tatsache, dass ermessensdirigierende und -begrenzende Faktoren auch außerhalb der Ermessensnorm angesiedelt sein können. Ein prima-facie-Vorrang eines bestimmten Entscheidungsergebnisses muss deshalb auch nicht zwingend in der Ermessensnorm selbst zum Ausdruck kommen220. Freilich mag das Problem häufig darin liegen, den rechtlichen Grund für die Annahme einer vorgezeichneten, den Regelfall bestimmenden Entscheidungsintention zu benennen221. Doch auch dies trifft den Fall der Durchsetzung von Pflichten gerade nicht, weil hier mit der Pflichtnorm ein expliziter Ausdruck der gesetzlichen Intendierung vorhanden ist. Damit bleibt noch die Kritik an der Formulierung der Rechtsfigur des „intendierten Ermessens“ an sich, die zu einer vorschnellen Festlegung auf eine bestimmte Entscheidung und deshalb zu oberflächlichen Sachverhaltsermittlungen führen kann222. Und in der Tat ist an der Rechtsfigur selbst nichts gelegen, weil sie über keinen eigenständigen Erklärungswert verfügt. Die mit ihr verbundenen Konsequenzen lassen sich denn auch aus dem sachlich-systematischen Kontext des Verwaltungsrechts erschließen, in dem sie wurzeln, und für die der Begriff des „intendierten Ermessens“ nur eine Abbreviatur darstellt.

217

Oben a). M. Borowski, Intendiertes Ermessen, DVBl. 2000, 149, 159; wohl ebenso J. Schwabe, Anmerkung, DVBl. 1998, 147, 148; zugestanden auch von H.-J. Pabst, Intendiertes Ermessen, VerwArch 93 (2002), 540, 559. 219 W. Erbguth, Rücknahmefrist und „intendiertes“ Ermessen, JuS 2002, 333, 334; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 12. 220 Vgl. aber U. Volkmann, Das „intendierte“ Verwaltungsermessen, DÖV 1996, 282, 287. 221 Vgl. die Kritik bei M. Borowski, Intendiertes Ermessen, DVBl. 2000, 149, 159; W. Erbguth, Rücknahmefrist und „intendiertes“ Ermessen, JuS 2002, 333, 334; H.-J. Pabst, Intendiertes Ermessen, VerwArch 93 (2002), 540, 547. 222 M. Borowski, Intendiertes Ermessen, DVBl. 2000, 149, 159 f. 218

§ 13 Geltungsbereiche von Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

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6. Fazit Das gesetzliche Entscheidungsprogramm für die Durchsetzung von Pflichten nimmt auf die Pflichtnorm und die in ihr getroffene Interessenabwägung Bezug, über die sich die normanwendende Verwaltung nicht hinwegsetzen kann. Das Ermessen ist dadurch schon auf abstrakt-genereller Ebene eingeschränkt und nicht erst aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls reduziert. Die Duldung rechtswidrigen Verhaltens durch die Behörde ist deshalb grundsätzlich rechtswidrig, weil die Ermessenseinräumung auf das Ziel der Durchsetzung bestehender Verpflichtungen ausgerichtet ist. Es gilt das Legalitätsprinzip. Dennoch können im Einzelfall Gründe vorliegen, die in der gesetzlichen Abwägungsentscheidung keinen Niederschlag gefunden haben, aber von solchem Gewicht sind, dass sie es in Abweichung von der gesetzlich vorgesehenen Regel zu rechtfertigen vermögen, von der Durchsetzung der Pflicht abzusehen.

B. Die Begründung öffentlich-rechtlicher Pflichten Kann die prinzipielle Ausrichtung der Verwaltung auf die Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Pflichten mit ihrem Rechtswahrungsauftrag begründet und auf die Bindung an vorrangige gesetzliche Interessenbewertungen zurück geführt werden, lässt sich Gleiches für die Begründung von Pflichten in dieser Allgemeinheit nicht konstatieren. Entsprechende Befugnisnormen nehmen nicht generell Bezug auf eine anderweitig vorgenommene Interessenabwägung, sondern – sieht man von zwingenden Normen ab – ermächtigen vielmehr die Verwaltung dazu, eine solche selbst vorzunehmen. Ob Ge- oder Verbote für die Erfüllung der Verwaltungsaufgabe zielführend und dem Einzelnen zumutbar sind, ist vielfach eine Frage, die sich abstrakt nicht beantworten lässt, weil sie von den konkreten situativen Gegebenheiten abhängt. Der Verwaltung wird lediglich ein Eingriffsinstrumentarium an die Hand gegeben, um ihrem Amtsauftrag auch gegen Individualinteressen gerecht werden zu können. Insofern ist das Gesetz ergebnisoffen, weil es nicht eine bestimmte Entscheidung präjudiziert, sondern alleine von den Umständen des Einzelfalles abhängig macht. Das aber schließt nicht aus, dass einzelne zur Begründung von Pflichten ermächtigende Normen im Sinne eines normativen Regel-Ausnahme-Verhältnisses grundsätzlich zu ihrer Inanspruchnahme verpflichten und es rechtfertigungsbedürftig machen, wenn im Einzelfall von ihrer Anwendung abgesehen wird. Unbestritten ist dies im Falle von „Soll-Vorschriften“, da hier eine ausdrückliche gesetzliche Begrenzung des Ermessensspielraums vorliegt. Doch kann eine solche auch aus dem materiellen Recht folgen. Davon wird man insbesondere ausgehen müssen, wenn ein Widerspruch zu den Anforderungen des materiellen Rechts vorliegt, der nicht nur im Einzelfall, sondern generell nur durch die Inpflichtnahme des Einzelnen behoben werden kann.

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3. Teil: Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

Ein solcher Fall liegt beispielsweise den bauordnungsrechtlichen Regelungen über die Beseitigung (materiell) baurechtswidriger Anlagen223 zugrunde. Sie sind auf die Herstellung der plan- und gesetzmäßigen städtebaulichen Ordnung gerichtet, durch welche die Rechtspositionen der Grundstückseigentümer hinsichtlich der Grundstücksnutzung in Abwägung zu privaten und öffentlichen Belangen (vgl. etwa § 1 Abs. 7 BauGB) fixiert werden. Hinsichtlich dieser Belange kann der normvollziehenden Bauaufsichtsbehörde wegen ihrer Gesetzesbindung im Rahmen der Ermessensausübung kein eigener Abwägungsspielraum zustehen. Aufgrund ihrer Verpflichtung auf die Wahrung und Herstellung baurechtmäßiger Zustände kann sie im Regelfall ihre Aufgabe nur erfüllen, wenn sie von der Befugnis Gebrauch macht und die Baubeseitigung anordnet224. Es bedarf deshalb, um eine Verpflichtung hierzu anzunehmen, nicht besonderer Umstände, die das Ermessen auf Null reduzieren225 und eine Pflicht zum bauaufsichtlichen Einschreiten begründen, sondern, im Gegenteil, spezieller Gegengründe, die es rechtfertigen, dass davon abgesehen wird. Die entsprechenden Befugnisnormen können deshalb wegen ihres Verweises auf die Durchsetzung des materiellen Rechts dem Legalitätsprinzip zugeordnet werden. Die Zuordnung von Verpflichtungsermächtigungen zu den Prinzipien von Opportunität bzw. Legalität hängt somit maßgeblich davon ab, ob das für die Ermessensausübung maßgebliche Entscheidungsprogramm bereits anderweitig gesetzlich fixiert ist, so dass für den Regelfall schon der gesetzlich eingeräumte Abwägungsspielraum auf die Begründung der Pflicht begrenzt ist. Liegt eine derartige bindende gesetzliche Vorentscheidung nicht vor, so können Pflichten im Rahmen der Grenzen des Ermessens (§ 40 VwVfG) nach Opportunitätsgesichtspunkten begründet werden.

223 Vgl. etwa § 65 BW LBO; Art. 82 BayBO; § 78 HBO; § 89 NBauO; in Nordrhein-Westfalen fehlt es an einer speziellen Regelung, so dass auf die bauordnungsrechtliche Generalklausel (§ 61 BauO NRW) zurückgegriffen werden muss; vgl. M. Oldiges, Baurecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 328; zuweilen wird aber in Frage gestellt, ob diese Generalklausel zu Eingriffsmaßnahmen ermächtigt; dann sind Beseitigungsanordnungen auf die ordnungsbehördliche Generalklausel (§ 14 OBG NRW) zu stützen (W. Krebs, Baurecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 219); an den materiellen Entscheidungsmaßstäben ändert dies allerdings nichts. 224 Zum „intendierten Ermessen“ in diesem Fall vgl. OVG Weimar, Beschl. v. 27.6. 1996 – 1 EO 425/95 – LKV 1997, 370, 371; M. Borowski, Intendiertes Ermessen, DVBl. 2000, 149, 154 f.; vgl. auch W. Brohm, Öffentliches Baurecht, § 29 Rdnr. 13. 225 So aber die herkömmliche Betrachtungsweise, vgl. etwa W. Brohm, Öffentliches Baurecht, § 29 Rdnr. 13; W. Krebs, Baurecht, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 220; M. Oldiges, Baurecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 332.

§ 13 Geltungsbereiche von Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

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C. Die Ahndung von Pflichtverletzungen Das öffentliche Recht kennt mit dem Strafrecht und dem Recht der Ordnungswidrigkeiten zwei allgemeine226 Sanktionsordnungen für Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Pflichten. Dabei wird über die Geltung von Legalitäts- und Opportunitätsprinzip fast ausschließlich nur in Bezug auf das Straf(verfahrens-) recht diskutiert. Für das Ordnungswidrigkeitenrecht hingegen ist es nahezu einhellige Meinung, dass hier das Opportunitätsprinzip gelte227. Dies lässt sich einerseits auf die Fassung der Tatbestände der Ordnungswidrigkeiten zurückführen, die – im Unterschied zu strafrechtlichen Normen – regelmäßig bestimmen, dass bei einer Pflichtverletzung eine Geldbuße verhängt werden kann, zum anderen aber auf die Formulierung des § 47 Abs. 1 OWiG, wonach die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten „im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde“ liegt228. Dass jedoch alleine die Einräumung von Ermessen über die Geltung des einen oder anderen Prinzips nicht entscheidet, ist schon bei der Frage der Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Pflichten deutlich geworden. Vielmehr ist ausschlaggebend, ob das Entscheidungsprogramm bereits gesetzlich vorentschieden ist. Werden die Prinzipien der Opportunität und der Legalität auf das materielle Recht bezogen, so erübrigen sich insoweit Fragen danach, ob Regelungen über die Verfolgung von Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten oder Ermessen einräumen dürfen. Sie können letztlich nur zu dem Ergebnis führen, dass es verfassungsrechtlich weder ver- noch geboten ist, auch in diesem Rahmen (begrenzte) Entscheidungsspielräume vorzusehen229. Damit aber wird der Inhalt der jeweiligen Prinzipien nicht erfasst, wie bereits anhand des § 152 Abs. 2 StPO aufgezeigt wurde230. Die Fragestellung muss vielmehr lauten, ob den Verfolgungsorganen prinzipiell aufgegeben ist, innerhalb ihrer Zuständigkeit die Durchsetzung des materiellen Rechts zu betreiben oder nicht231. Die Prinzipienfrage ist deshalb unabhängig von den verfahrensrechtlichen Regelungen und der organisationsrechtlichen Ausgestaltung der Ahndung von Pflichtverstößen zu stellen.

226

Das Disziplinarrecht als Sonderrecht für Dienstpflichtverstöße bleibt im Folgenden außer Betracht. 227 Vgl. die Nachweise oben § 12 A. Fußn. 8. 228 Vgl. auch J. Bohnert, in: K. Boujong, KK-OWiG, Einleitung Rdnr. 145; E. Denninger, Polizeiaufgaben, in: H. Lisken/E. Denninger, Handbuch des Polizeirechts, E Rdnr. 202; E. Göhler, OWiG, § 47 Rdnr. 1; K. Rebmann/W. Roth/S. Herrmann, OWiG, § 47 Rdnr. 1. 229 V. Erb, Legalität und Opportunität, S. 149; H. Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen, S. 58 f.; Th. Weigend, Anklagepflicht und Ermessen, S. 81. 230 Oben § 12 A. III. 2. b) und c). 231 Vgl. auch Th. Weigend, Opportunitäsprinzip, ZStW 109 (1997), 103, 104: „Die Essenz des Legalitätsprinzips liegt (. . .) in der unbedingten Strafpflicht“.

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3. Teil: Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

I. Der Parlamentsvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG Die Entscheidung über die Sanktionierung von Pflichtverletzungen durch Strafe ist nach Art. 103 Abs. 2 GG der Entscheidung des Gesetzgebers vorbehalten. Er kann durch die staatliche Pflicht zum Schutz der Grundrechte im Einzelfall zwar sogar verpflichtet sein, Ge- und Verbote mit einer Strafbewehrung auszustatten, wenn anders ein effektiver Schutz des jeweiligen Rechtsguts nicht zu erreichen ist232. Im übrigen aber hat er einen durch die Grundrechte als Abwehrrechte begrenzten233 Einschätzungsspielraum, ob Verhaltensgeboten durch Strafandrohung besonderer Nachdruck zu verleihen ist und ob dies mit den Mitteln des Strafrecht oder des Ordnungswidrigkeitenrechts geschehen soll234. Das in § 103 Abs. 2 GG normierte Gesetzlichkeitsprinzip stellt als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips einen besonderen – und besonders strengen235 – Gesetzesvorbehalt auf, der zwei Funktionen besitzt. Einerseits dient er dem Schutz des Normadressaten: Es soll vorhersehbar sein, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Andererseits soll er sicherstellen, dass der Gesetzgeber selbst über die Strafbarkeit entscheidet236. In dieser objektiv-rechtlichen Funktion stellt er eine spezielle Ausprägung der grundgesetzlichen Gewaltenteilung dar, die nicht nur zugunsten des Bürgers eine Begründung der Strafbarkeit durch Organe der Exekutive oder Judikative ausschließt, sondern die Grundentscheidung über das Ob und das Wie der Sanktionierung generell der Legislative überantwortet. Der Vorbehalt bedingt somit, dass Voraussetzungen und Umfang einer Pönalisierung im Gesetz selbst geregelt sind und dieses die verfassungsrechtlichen Grenzen für die Androhung und Verhängung von Sanktionen wahrt. II. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis Der Parlamentsvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG drängt insofern einerseits auf einen restriktiven Gebrauch gesetzlicher Strafandrohung237 und begrenzt an232

BVerfG, Urt. v. 25.2.1975 – 1 BvF 1/74 u. a. – BVerfGE 39, 1, 47. Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen staatlicher Strafen vgl. O. Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 275 ff.; I. Appel, Verfassung und Strafe, S. 514 ff. 234 Zur Abgrenzung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sowie zur Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.7.1969 – 2 BvL 2/69 – BVerfGE 27, 18, 28 ff.; Beschl. v. 21.6.1977 – 2 BvR 70/75 u. a. – BVerfGE 45, 272, 288 f.; Beschl. v. 27.3.1979 – 2 BvL 7/78 – BVerfGE 51, 60, 74. 235 BVerfG, Beschl. v. 23.10.1985 – 1 BvR 1053/82 – BVerfGE 71, 108, 114; Beschl. v. 6.5.1987 – 2 BvL 11/85 – BVerfGE 75, 329, 341; Beschl. v. 22.6.1988 – 2 BvR 243/87 u. a. – BVerfGE 78, 374, 382. 236 So die ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 17.1.1978 – 1 BvL 13/76 – BVerfGE 47, 109, 120; Beschl. v. 6.5.1987 – 2 BvL 11/85 – BVerfGE 75, 329, 341; Beschl. v. 17.11.1992 – 1 BvR 168/89 u. a. – BVerfGE 87, 363, 391. 233

§ 13 Geltungsbereiche von Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

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dererseits die Möglichkeit der Legislative, für die Strafbarkeit maßgebliche Entscheidungen an die Organe der Exekutive oder Judikative zu delegieren. Das kann aber nicht auf die abstrakten Voraussetzungen beschränkt bleiben, unter denen ein bestimmtes Verhalten sanktioniert werden kann, sondern muss auf die einzelfallbezogene Anwendung der Sanktionsnormen durchschlagen, da durch sie die Strafwürdigkeit des jeweiligen Verhaltens bereits verbindlich festgelegt ist. Deshalb folgt aus Art. 103 Abs. 2 GG als Grundsatz die Pflicht der gesetzesauführenden Organe zur Ahndung derjenigen Verhaltensweisen, die der Gesetzgeber für strafwürdig erachtet238. Rein (straf-)verfahrensrechtliche Lösungen, die funktional zur Reduzierung übermäßiger Strafvorschriften eingesetzt werden, stoßen vor diesem Hintergrund auf Kritik239, sind aber vom Bundesverfassungsgericht für verfassungsrechtlich unbedenklich, weil materiellrechtlichen Regelungen gleichwertig erklärt worden240. Die Bedenken sind freilich wegen ihrer grundrechtlichen Fundierung von einigem Gewicht, da schon der staatliche Vorwurf als Eingriffsakt rechtfertigungsbedürftig ist241. Das aber betrifft die hier behandelte Prinzipienfrage letztlich nicht, da sie zu den Straftatbeständen akzessorisch ist. Wenn der Gesetzgeber, wie das bereits vorgeschlagen wurde242, sich dazu verstehen könnte, die strafverfahrensrechtlichen Ausnahmen der staatsanwaltschaftlichen Verfolgungspflicht als materiellrechtliche Strafverzichtsregelungen auszugestalten, reduzierte sich die verfassungsrechtliche Diskussion um die „Opportunitätsregelungen“ auf die Frage, ob und in welchem Umfang solche Regelungen schon im Ermittlungsverfahren berücksichtigt werden können (wie es heute nach § 153b Abs. 1 StPO – mit Zustimmung des Gerichts – bereits der Fall ist). Damit aber wird deutlich, dass materiellrechtliche und prozessuale Lösung im Hinblick auf die Durchsetzung des Strafrechts ergebnisäquivalent sind243.

237

Vgl. auch V. Erb, Legalität und Opportunität, S. 149. Im Ergebnis auch K. H. Gössel, Bedeutung des Legalitätsprinzips, in: Festschrift f. H. Dünnebier, S. 121, 129. 239 Vgl. Sommer, abweichende Meinung in BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994 – 2 BvL 43/92 u. a. – BVerfGE 90, 145, 212, 224 f.; ferner V. Erb, Legalität und Opportunität, S. 117 f., für den Fall, dass es sich – wie im „Cannabis-Beschluss“ – um eine besondere Fallgruppe handelt und nicht lediglich um die Frage der Strafwürdigkeit in Einzelfällen. 240 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.1.1979 – 2 BvL 12/77 – BVerfGE 50, 205, 213 f.; Beschl. v. 9.3.1994 – 2 BvL 43/92 u. a. – BVerfGE 90, 145, 189, 190. 241 O. Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 460 ff. 242 Th. Weigend, Opportunitätsprinzip, ZStW 109 (1997), 103, 106 ff. 243 K. H. Gössel, Bedeutung des Legalitätsprinzips, in: Festschrift f. H. Dünnebier, S. 121, 135, weist darauf hin, dass z. B. §§ 153 ff. StPO an die Regelungsfunktion des materiellen Rechts angrenzen. 238

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3. Teil: Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

III. Die Verfolgungspflicht im Ordnungswidrigkeitenrecht Der Parlamentsvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG gilt für Strafrecht wie Ordnungswidrigkeitenrecht gleichermaßen244. Auch für dieses muss demnach, entgegen der überwiegenden Ansicht, von der Geltung des Legalitätsprinzips im Sinne einer grundsätzlichen Verpflichtung zur Ahndung von bußgeldbewehrten Pflichtverstößen ausgegangen werden245. Dagegen spricht nicht die gesetzliche Fassung der Ordnungswidrigkeiten-Tatbestände. Die Annahme, mit der „Kann“Formulierung habe der Gesetzgeber einen Ermessensspielraum eingeräumt, ohne eine bestimmte Präferenz zu normieren246, geht an dem Delegationsverbot vorbei, das aus dem Parlamentsvorbehalt folgt. Auch § 47 Abs. 1 OWiG, der die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten ins pflichtgemäße Ermessen stellt, kann kaum im Sinne einer Ergebnisoffenheit interpretiert werden, wenn die Bestimmung über Voraussetzungen und Umfang staatlicher Strafen dem Gesetzgeber vorbehalten ist. Das „pflichtgemäße Ermessen“ scheidet nur unsachliche Erwägungen aus, ohne jedoch darüber hinaus Kriterien für oder gegen die Verfolgung anzugeben247. Unter der Prämisse eines „ergebnisoffenen“ Ermessens bedürfte es bei Verwirklichung einer Ordnungswidrigkeit stets eines zusätzlichen, über die gesetzliche Ermächtigung zur Ahndung hinaus gehenden Grundes für die Verfolgung248, der aber selbst nicht gesetzlich niedergelegt ist. Das durch die Bußgeldbewehrung festgelegte Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten einer Verfolgungs- und Ahndungspflicht wird auch durch § 66 Abs 3 OWiG bestätigt: Mehr als die Bezeichnung der zur Last gelegten Tat und die Angabe der Beweismittel muss als Begründung nicht gegeben werden, weil es eines zusätzlichen Grundes eben nicht bedarf.

D. Grenzen des Legalitätsprinzips In Anbetracht der weitreichenden Geltung des Legalitätsprinzips stellt sich die Frage, welche Faktoren eine Abweichung von der gesetzlich vorgezeichneten prinzipiellen Verpflichtung, materiellrechtliche Vorentscheidungen zu verwirklichen, zu rechtfertigen vermögen. Angesichts der Tatsache, dass das insoweit eingeräumte Ermessen gerade eine den Besonderheiten des Einzelfalles an244

Vgl. Ch. Degenhart, in: M. Sachs, GG, Art. 103 Rdnr. 52. Dazu J. Bohnert, in: K. Boujong, KK-OWiG, Einleitung Rdnrn. 145 ff., § 47 Rdnr. 2. 246 P. Baisch, Schutz des Opportunitätsprinzips, S. 157 ff, unterscheidet zwar zwischen einem verwaltungsrechtlichen und einem strafrechtlichen Ermessensbegriff, hält beide im Ordnungswidrigkeitenrecht aber für weitgehend deckungsgleich (a. a. O., S. 188) und kann vor allem für die Ermessensentscheidung keine Kriterien angeben, die über die „Vertretbarkeit der Entscheidung“ hinaus reichen. 247 Vgl. BGH, Urt. v. 3.12.1998 – 1 StR 240/98 – NJW 1999, 1122. 248 Ebenso J. Bohnert, in: K. Boujong, KK-OWiG, Einleitung Rdnr. 149. 245

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gepasste Entscheidung ermöglichen soll, sind generalisierten Erwägungen natürliche Grenzen gesetzt. Die Verwurzelung des Legalitätsprinzips in der grundgesetzlich verankerten Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) bzw. im Parlamentsvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG setzt jedenfalls voraus, dass die eine Regelabweichung rechtfertigenden Gegengründe ebenfalls verfassungsrechtlich fundiert sind. I. Funktionsfähigkeit der Verwaltung Der aus dem Legalitätsprinzip zu ziehenden Folgerung einer Verpflichtung zur grundsätzlich lückenlosen Durchsetzung gesetzlicher Verhaltensgebote und der Ahndung im Falle ihrer Verletzung kann auf den ersten Blick mit dem kaum zu widerlegenden Argument der tatsächlichen Unmöglichkeit begegnet werden. Die Anzahl (um nicht zu sagen: Unzahl) öffentlich-rechtlicher Pflichten macht den Pflichtenverstoß zwar nicht zur Regel, aber doch – man denke etwa an das Straßenverkehrsrecht – zu einem Massenphänomen. Die praktische Durchsetzung wie die Sanktionierung aller nicht freiwillig befolgten Ge- und Verbote erforderte einen geradezu gigantischen Überwachungsaufwand, der einem freiheitlichen Gemeinwesen nicht angemessen wäre und selbst in anderen Prinzipien verpflichteten Staaten (bei aller dabei erreichten Perfektion) niemals erreicht worden ist. Der einfache Praxistest widerlegt so scheinbar mühelos das Ergebnis dogmatischer Überlegungen. Auf der anderen Seite ist das Phänomen, dass hohe gesetzliche Erwartungen realiter zur Überforderung der Behörden tendieren und deshalb zu Alternativstrategien selektiver Gesetzmäßigkeit249 im Sinne „brauchbarer Illegalität“250 führen, kein Spezifikum des Legalitätsprinzips im Sinne einer grundsätzlichen Zielbindung, sondern auch ohne solche Prämisse den Befugnisnormen immanent. Das darin eingeräumte Ermessen ist nicht nur Ausdruck für einen Entscheidungsfreiraum der Verwaltung, sondern hinsichtlich der Ermessensausübung verpflichtend251. Selbst unter der Geltung des Opportunitätsprinzips kann aus dem geltenden Recht die „bloße Untätigkeit“ nicht als rechtmäßig ausgewiesen werden252. So müsste wegen der bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der Befugnisnorm rechtlich begründeten Entscheidungsnotwendigkeit ebenso einer Omnipräsenz der Verwaltung das Wort geredet werden wie bei einer auf ein bestimmtes Ergebnis ausgerichteten Ermessensbindung. Dies gründet letztlich in der konditionalen Fassung der Ein249

H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 30 Rdnr. 5. Sinngemäß N. Luhmann, Lob der Routine, VerwArch 55 (1964), 1, 15. 251 Zum polizeilichen Eingreifen W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Rdnr. 69: „(. . .) Verpflichtung, beim Vorliegen von Gefahren in ermessensfehlerfreier Weise zu überprüfen, ob eingeschritten werden soll“ (Hervorhebung im Original fettgedruckt). 252 Vgl. auch K. Waechter, Polizeiliches Ermessen, VerwArch 88 (1997), 298, 322; M. Wehr, Ermessen der Rechtsaufsicht, BayVBl. 2001, 705, 708. 250

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3. Teil: Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

griffsermächtigungen und ist somit normstrukturell bedingt. Zudem darf nicht übersehen werden, dass die Ermächtigungsnormen primär die Verwaltung als Staatsfunktion verpflichten, nicht (unmittelbar) die einzelnen Beamten, die für den Verwaltungsträger jeweils tätig werden253. Deshalb ist es letztlich nicht angezeigt, Defizite im Gesetzesvollzug auf die Geltung des einen oder anderen Prinzips zurückzuführen254. Juristisch gefasst firmiert der Einwand der faktischen Überforderung unter dem Titel der Funktionsfähigkeit der Verwaltung255. Ihr geordneter Gang wäre unter einem rigorosen Durchsetzungsdiktat womöglich gefährdet, weil ein der Begrenztheit der verfügbaren Ressourcen entsprechender, nach dem sachlichen Gewicht der Regelverstöße selektierender Einsatz der vorhandenen Mittel rechtlich nicht zu rechtfertigen wäre. Damit aber wäre die Erledigung der staatlichen Aufgaben durch die Verwaltung selbst in Gefahr, weil sie zu einer problemorientierten Bündelung ihrer Kräfte nicht in der Lage wäre. Von dieser Warte aus betrachtet „steckt das Gebot der Funktionsfähigkeit (. . .) den notwendigen Realitätsrahmen ab, innerhalb dessen eine effektive staatliche Gemeinwohlkonkretisierung erst möglich wird“256. Freilich lässt sich unter den Begriff der „Funktionsfähigkeit“ kaum subsumieren. Wenn einerseits eine ubiquitäre Verwaltung weder möglich noch wünschenswert ist, so sind andererseits konkrete rechtliche Kriterien für ein Mindestmaß exekutiver Präsenz kaum zu finden. Das reale Leistungsvermögen der Organe der Zweiten Gewalt hängt von vielen heterogenen Faktoren ab, etwa der personellen, finanziellen und instrumentellen Ausstattung oder der Effizienz ihrer Nutzung, etwa im Blick auf Entscheidungsstrukturen und Verwaltungsabläufe257. Die Rede von der Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen ist im übrigen ambivalent, wird sie doch auch im Sinne einer notwendigen Voraussetzung des freiheitssichernden Rechtsstaats geführt258. Danach liegt ihr materieller Kern darin, dass die Organe der vollziehenden Gewalt zu einer raschen, wirksamen und rationellen Erfüllung ihrer Aufgaben imstande sind259 und so 253 Zur Unterscheidung von Staatspflichten und Amtspflichten bereits oben 1. Teil, § 5 A. III. 254 Vgl. die Nachweise oben § 12 A. I. in Fußn. 23 und 25. 255 Vgl. auch A. Voßkuhle, Duldung rechtswidrigen Verwaltungshandelns, Die Verwaltung 29 (1996), 511, 531; zu unterschiedlichen Deutungsgehalten vgl. auch P. Lerche, Funktionsfähigkeit, BayVBl. 1991, 517 ff.; vor einer Überstrapazierung des Argumentationsgehalts zu Lasten der Freiheit der Bürger warnt B. Fischer, Funktionieren öffentlicher Einrichtungen, DVBl. 1981, 517, 521. 256 A. Voßkuhle, Duldung rechtswidrigen Verwaltungshandelns, Die Verwaltung 29 (1996), 511, 531. 257 R. Wahl, Aufgabenabhängigkeit, in: W. Hoffmann-Riem/E. Schmidt-Aßmann/G. F. Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 177, 185. 258 K.-A. Schwarz, Funktionsfähigkeit als Abwägungstopos, BayVBl. 1998, 710, 711; M. Sachs, in: K. Stern, Staatsrecht III/2, § 79 IV 3. a) b), S. 322.

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zur bestmöglichen Verwirklichung rechtsstaatlicher, sozialer und demokratischer Prinzipien beitragen260. J. Isensee hat dies treffend mit dem Ettikett des „sekundären Staatsziels“ versehen, das aus sich heraus über keine legitimierende Kraft verfüge, sondern vielmehr auf die Legitimation durch die primären Staatsziele angewiesen sei, denen es jeweils dient261. Insoweit liegt eher der Gedanke nahe, dass die Funktionsfähigkeit gerade umgekehrt ebenso die Durchsetzung solcher Pflichten fordert, die dem Ausgleich widerstreitender Interessen dienen und damit zugleich die Sicherung der Freiheitssphäre bezwecken, wie auch die Durchsetzung des materiellen Strafrechts262. Jedenfalls wäre es bedenklich, aus der Begrenztheit der faktischen Möglichkeiten zugleich Grenzen subjektivöffentlicher Rechte herzuleiten263, um dadurch der mangelhaften Durchsetzung legislativer Vorentscheidungen die Aura des verfassungsrechtlich Gebotenen zu verleihen. Diese Überlegung aber mahnt zur Vorsicht gegenüber dem prima facie naheliegenden Gedanken, den Topos der Funktionsfähigkeit in unmittelbare Opposition zur Gesetzesbindung der Verwaltung zu bringen264 und aus ihm sodann konkrete Folgerungen für die Entscheidung von Einzelfällen abzuleiten265. Als verfassungsrechtliches soft law ist er in besonderer Weise auf die Konkretisierung durch den parlamentarischen Gesetzgeber angewiesen, der dem Problem defizitären Gesetzesvollzugs mit einer Immunisierung des Verwaltungsverfahrens266 gegen Rechtsverstöße267 oder der Zurücknahme der materiellen Regelungsdichte begegnen kann, denen freilich dort enge Grenzen gesetzt sind, wo es sich um Schutzrecht zugunsten grundrechtlich abgesicherter Interessen handelt268.

259 260

M. Niedobitek, Rechtsbindung der Verwaltung, DÖV 2000, 761, 763. P. Stelkens/H. Schmitz, in: P. Stelkens/H. J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 9 Rdnr.

76. 261 J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben, in: J. Isensee/P. Kirchhof, HdbStR Bd. III, § 57 Rdnr. 118. 262 Zur Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege vgl. auch K. H. Gössel, Bedeutung des Legalitätsprinzips, in: Festschrift f. H. Dünnebier, S. 121, 129. 263 Vgl. H.-H. Trute, Verzahnungen von öffentlichem und privatem Recht, in: W. Hoffmann-Riem/E. Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 167, 196. 264 Zurückhaltend auch A. Voßkuhle, Duldung rechtswidrigen Verwaltungshandelns, Die Verwaltung 29 (1996), 511, 532. 265 Vgl. auch K.-A. Schwarz, Funktionsfähigkeit als Abwägungstopos, BayVBl. 1998, 710, 712. 266 Zur Fortsetzung solcher Tendenzen im gerichtlichen Verfahren vgl. die Zusammenstellung und Kritik bei A. Tschentscher, Indienstnahme der Gerichte, in: M. Demel u. a., Funktionen und Kontrolle der Gewalten, S. 165, 189 ff. 267 Kritisch aber gegenüber solchen Immunisierungstendenzen M. Niedobitek, Rechtsbindung der Verwaltung, DÖV 2000, 761, 767 f. 268 Vgl. oben 2. Teil, § 10 C. II. 3.

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II. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Eine Grenze der Pflicht zur Rechtsdurchsetzung könnte sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, wenn die Rechtsdurchsetzung den Einzelnen im konkreten Falle übermäßig belastet. Das Übermaßverbot stellt eine allgemeine Grenze des Ermessens dar269, so dass seine Berücksichtigung nicht nur möglich, sondern sogar geboten erscheint. Hinsichtlich seiner Anwendung aber ist nach unterschiedlichen Fallgruppen zu unterscheiden: Bei der Durchsetzung gesetzlicher Pflichten stellt sich das Problem, dass die Frage der Verhältnismäßigkeit der Pflicht bereits vom Gesetzgeber vorentschieden worden ist. Der Verzicht auf ihre Durchsetzung stellte sich dann in Widerspruch zur gesetzlichen Interessensbewertung und käme mit der Gesetzesbindung der Verwaltung in Konflikt. Deren Konsequenz ist es ja gerade, dass eine eigenständige behördliche Konkretisierungskompetenz auch im Hinblick auf die relative Wertigkeit konfligierender Interessen nicht besteht, wenn und soweit eine abschließende gesetzliche Regelung vorliegt. Umgekehrt dient aber die Möglichkeit, die Einhaltung von Ge- und Verboten im Einzelfall sicherzustellen, nicht dazu, einen „blinden Gesetzesgehorsam“ durchzusetzen, sondern ist sachlich durch die mit der Auferlegung der Pflicht verfolgten Zwecke begründet. Sind diese aber entweder durch die Nichterfüllung der Pflicht nicht gefährdet270, was aber nur in Bagatellfällen geringfügiger Übertretungen der Fall sein kann, oder können sie auch durch ihre Erfüllung nicht (mehr) erreicht werden, so ist ihre Durchsetzung – ebenso wie bei zwingenden Befugnisnormen271 – nicht angezeigt. Im Unterschied dazu gilt für die Ermächtigung zur Pflichtenbegründung, dass die Rechtsposition des zu Verpflichtenden nicht abschließend gesetzlich präformiert, sondern nur der Regelfall normiert ist. Damit aber ist die dem materiellen Recht immanente Interessenabwägung nicht „komplett“, sondern nur hinsichtlich des zu erreichenden Zustands vorentschieden. Deshalb lassen sich hier Überlegungen der Verhältnismäßigkeit anstellen, soweit sie sich auf Rechtspositionen beziehen, die situationsbedingt und deshalb nicht bereits im gesetzlichen Interessenausgleich enthalten sind. Im oben272 genannten Beispiel der Baubeseitigungsanordnung besagt der Widerspruch zum materiellen Baurecht, dass eine bestimmte bauliche Nutzung des Grundstücks zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht zum Inhalt des Eigentumsrechts gehört und insoweit rechtlich nicht ge269

Statt aller H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rdnr. 23. Vgl. W. Brohm, Öffentliches Baurecht, § 29 Rdnr. 5: Die Ermächtigung zum Erlass einer Baueinstellungsverfügung verlangt grundsätzlich, dass die Fortführung unzulässiger Bauarbeiten verhindert wird. Davon kann bei geringfügigen Abweichungen abgesehen werden, wenn diese voraussichtlich nachträglich genehmigt werden können. 271 Oben § 13 A. II. 1. 272 Oben § 13 B. 270

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schützt ist273. In den Eigentumsinhaltsbestimmungen nicht berücksichtigt sind aber diejenigen Belastungen, die durch die Verpflichtung zum Abriss eines existierenden Bauwerks entstehen. Insoweit hat eine Beseitigungsanordnung jedenfalls im Hinblick auf die allgemeine Handlungsfreiheit Eingriffscharakter und muss deshalb dem Übermaßverbot entsprechen. Diese auf den Einzelfall bezogenen Gegengründe setzen nicht das normative Regel-Ausnahme-Verhältnis außer Kraft, sondern steigern nur die Möglichkeiten, Ausnahmen zu rechtfertigen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vermag insoweit das Legalitätsprinzip zu relativieren. Die Verhängung von Strafen oder Bußen unterliegt ebenfalls dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dem Grunde nach muss bereits die gesetzliche Sanktionsdrohung das Übermaßverbot wahren, wenngleich das Bundesverfassungsgericht, wie erwähnt, auch verfahrensrechtliche Relativierungen zulässt274. Für das Strafverfahren ist dies etwa durch § 153 Abs. 1 StPO auch gesetzlich abgesichert. Im Ordnungswidrigkeitenverfahren fehlt es an einer speziellen Ausnahmevorschrift, so dass übermäßige Inanspruchnahmen, wenn sie nicht durch die Bemessung der Buße vermieden werden können, im Rahmen der Ermessensausübung verhindert werden können275. III. Rechtsschutzmöglichkeiten im Horizontalverhältnis Einen weiteren Ansatzpunkt könnte die Möglichkeit Privater darstellen, die Durchsetzung des materiellen Rechts durch Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegen den Einzelnen selbst zu betreiben und somit die Notwendigkeit eines behördlichen Einschreitens wenn nicht beseitigen, so doch verringern. Derartige Überlegungen sind bereits vor geraumer Zeit im Rahmen des Kommunalaufsichtsrechts entwickelt276 und insbesondere277 im Zuge der Novellierungen der Bauordnungen erneut angestellt worden278. In diesem Rahmen 273 Ein materieller Bestandsschutz eines vormals materiell rechtmäßigen Bauwerks kann nach der Dogmatik des Art. 14 GG auch nicht contra legem aus dem Eigentumsgrundrecht abgeleitet werden; vgl. etwa D. Mampel, Bauordnungsverfügungen, BauR 2000, 996, 1003; zur Begründung s. etwa R. Wahl, Abschied, in: Festschrift f. K. Redeker, S. 245, 255 ff.; zum Meinungsstand vgl. den Überblick bei H. Dreier, Grundrechtsdurchgriff, Die Verwaltung 36 (2003), 105, 122 ff. 274 Vgl. oben § 13 C. II. bei Fußn. 240. 275 Nach J. Bohnert, in: K. Boujong, KK-OWiG, § 47 Rdnrn. 107 ff., sollen die §§ 153 ff. StPO analoge Anwendung finden können, um „den Umfang von Willkür (Opportunität) im rechtsstaatlichen Sinn zu begrenzen“. 276 Im Sinne eines Verbots, nur im Interesse des Einzelnen einzuschreiten OVG Münster, Urt. v. 23.1.1963 – III A 355/57 – OVGE 18, 227, 228 ff.; F. E. Schnapp, Funktionswandel, DVBl. 1971, 480, 483 f.; bezogen auf den Verstoß gegen die Privatrechtsordnung ebenso G. Schmitt, Staatsaufsicht und Rechtsverfolgung, BayVBl. 1973, 478, 482 f.; ablehnend A. Voßkuhle, Duldung rechtswidrigen Verwaltungshandelns, Die Verwaltung 29 (1996), 511, 534.

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wird insbesondere darauf hingewiesen, dass der Rückzug des Staates aus der präventiven Kontrolle Anlass für einen Rückzug auch auf der repressiven Ebene sein könne279. Diese speziell auf die Verfahrensvereinfachung im Baurecht zugeschnittene Argumentation lässt sich nicht ohne Weiteres verallgemeinern und auf die gesamte Bandbreite der Rechtsdurchsetzung durch die Verwaltung beziehen. Doch selbst in dem besonderen Fall vermag eine solche „Privatisierung“ des Nachbarschutzes280 nicht zu überzeugen. Man muss hierzu nicht einmal auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG abstellen281: Selbst wenn eine zivilgerichtliche Geltendmachung unter Umständen höhere Kostenrisiken birgt, die den Zugang zum Gericht faktisch erschweren282, ist die verfassungsrechtliche Gleichwertigkeit der Gerichtszüge nicht in Frage zu stellen. Doch wird die Verwaltung durch die bloße Verfahrensvereinfachung, die neben dem materiellen Recht auch ihren Aufgabenbereich und ihre Befugnisse im übrigen unberührt lässt283, weder aus ihrem Rechtsschutzauftrag noch ihrer Gemeinwohlverpflichtung entlassen284. Der genuin hoheitliche Auftrag, im öffentlichen Interesse über die Einhaltung des materiellen Verwaltungsrechts zu wachen, kann deshalb nicht auf das Horizontalverhältnis der Privaten untereinander übertragen und dort von dem freien Entschluss des Einzelnen abhängig gemacht werden, gegen die Pflichtverletzung vorzugehen oder nicht285. 277 Allgemein für einen „Grundsatz der Subsidiarität“ eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs auf behördliches Einschreiten gegenüber der zivilgerichtlichen Geltendmachung M. Just, Nachbarrecht in Bayern, BayVBl. 1985, 289, 290; H. Konrad, Verwaltungsrechtsschutz im Nachbarschaftsverhältnis, BayVBl. 1984, 70, 71 f.; A. Simon, BayBO 1994, Art. 66 Rdnr. 20b; H. Taft, in: A. Simon/J. Busse, BayBO, Art. 64 Rdnr. 29. 278 H. K. Schmaltz, Freistellung, NdsVBl. 1995, 241, 247; S. Oeter, Baurechtsvereinbarung, DVBl. 1999, 189, 195; nach BVerwG, Beschl. v. 10.12.1997 – 4 B 204/97 – NVwZ 1998, 395, kann die Möglichkeit zivilgerichtlichen Rechtsschutzes ein beachtlicher Ermessensgesichtspunkt sein. 279 H. Koch/P. Molodovsky/G. Famers, BayBO, Art. 64 Rdnr. 6.4.2; H. K. Schmaltz, Freistellung, NdsVBl. 1995, 241, 247; ferner S. Muckel, Nachbarschutz, JuS 2000, 132, 136; ähnliche Überlegungen auch bei H.-H. Trute, Verzahnungen von öffentlichem und privatem Recht, in: W. Hoffmann-Riem/E. Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 167, 196. 280 U. Sacksofsky, Privatisierung des baurechtlichen Nachbarschutzes, DÖV 1999, 946, 950. 281 So aber Ch. Degenhart, Genehmigungsfreies Bauen, NJW 1996, 1433, 1437; hiergegen unter Hinweis auf das materielle Recht S. Oeter, Baurechtsvereinbarung, DVBl. 1999, 189, 194 f. 282 G. Borges, Nachbarrechtsschutz, DÖV 1997, 900, 903 f.; Ch. Degenhart, Genehmigungsfreies Bauen, NJW 1996, 1433, 1437; Uechtritz, Vorläufiger Rechtsschutz, BauR 1998, 719, 732; ders., Nachbarrechtsschutz, NVwZ 1996, 640, 646. 283 Ch. Calliess, Öffentliches und privates Nachbarrecht, Die Verwaltung 34 (2001), 169, 191. 284 Vgl. auch D. Mampel, Nachbarschutz, BayVBl. 2001, 417, 418; M. Martini, Baurechtsvereinfachung, DVBl. 2001, 1488; 1491; U. Sacksofsky, Privatisierung des baurechtlichen Nachbarschutzes, DÖV 1999, 946, 951.

§ 13 Geltungsbereiche von Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

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IV. Der Ordnungsauftrag der Verwaltung Eine Relativierung der Pflicht zur Durchsetzung des materiellen Rechts kann allerdings aus einer Gesamtbetrachtung des exekutiven Ordnungsauftrags folgen, der bei einer Fokussierung auf das Rechtsverhältnis zwischen Staat und Pflichtigem, wie er durch die Befugnisnormen nahegelegt wird, aus dem Blick gerät. Die Zielfestlegungen der Verwaltung umfassen regelmäßig mehr als die Summe der Einzelfälle, in denen sich die Frage des „Einschreitens“ stellt. So kann nicht nur die Duldung, sondern auch die Verhinderung oder Unterbindung rechtswidrigen Verhaltens mit rechtlich geschützten Interessen in Konflikt geraten286, wenn etwa wegen der Besonderheit der Situation das einzig in Frage kommende Mittel der Rechtsdurchsetzung Unbeteiligte gefährdet. Auch sind die rechtsstaatlichen Folgekosten eines Eingreifens in Rechnung zu stellen, wenn absehbar ist, dass sie den kurzfristig erreichbaren Erfolg relativieren. Das eröffnet beispielsweise Raum für polizeitaktische Erwägungen über das Vorgehen in komplexen Gefahrensituationen, die sich in unterschiedlichen Handlungsstrategien niederschlagen kann287. Der Gesamtauftrag der Verwaltung kann in concreto zu Zielkonkurrenzen oder Zielkonflikten führen, die nicht bereits in der Pflichtnorm verarbeitet sind und nur im Rahmen einer „Gesamtverhältnismäßigkeit“288 aufgelöst werden können. Hieraus ergeben sich Entscheidungsspielräume nicht trotz, sondern angesichts divergierender Zweckverfolgungspflichten289 gerade wegen der Verfassungs- und Gesetzesbindung. V. Fazit Das auf der Gesetzesbindung der Verwaltung basierende Legalitätsprinzip ist Ausdruck der exekutiven Verantwortung für die Durchsetzung des Rechts im Interesse seiner faktischen Wirksamkeit. Rechtliche Ansatzpunkte für eine Rela285 Vgl. auch Ch. Calliess, Öffentliches und privates Nachbarrecht, Die Verwaltung 34 (2001), 169, 193: „Es kann daher nicht überzeugen, wenn das Baugeschehen einerseits in umfassender öffentlich-rechtlicher Bindung gehalten wird, andererseits aber deren Durchsetzung ,privatisiert‘ wird“. 286 Vgl. auch den Praxisbericht von M. Bulling, Kooperatives Verwaltungshandeln, DÖV 1989, 277, 282 ff. 287 Vgl. etwa zum polizeilichen Vorgehen gegen Hausbesetzungen VG Berlin, Beschl. v. 6.4.1981 – 1 A 87/81 – NJW 1981, 1748, 1749, das den Verzicht auf Einschreiten (auch) wegen der Gefahr massiver Ausschreitungen als Folge einer polizeilichen Räumungsaktion gebilligt hat; B. Schlink, Polizeiliche Räumung, NVwZ 1982, 529, 533; kritisch gegenüber solchen „Opportunitätserwägungen“ aber W. Martens, Gefahrenabwehr, DÖV 1982, 89, 97 f. 288 Begriff nach W. Hoffmann-Riem, Ermöglichung von Flexibilität, in: ders./E. Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität, S. 9, 50, unter Hinweis auf multipolare Konfliktlagen, für welche die am bipolaren Eingriffsdenken orientierten Rechtmäßigkeitsmaßstäbe zu kurz greifen. 289 Vgl. auch P. Lerche, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 35 (1977), 329 f.

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3. Teil: Opportunitäts- und Legalitätsprinzip

tivierung der Rechtsdurchsetzungspflicht der Verwaltung sind hingegen rar. In Ausnahmefällen ist ein begrenzter Abwägungsspielraum anzuerkennen, der auch einen Verzicht auf die Durchsetzung oder Begründung öffentlich-rechtlicher Pflichten oder die Ahndung ihrer Verletzung führen kann. Defizite in der praktischen Umsetzung mögen kaum vermeidbar sein. Das Verdikt der Rechtswidrigkeit, soweit es auf kapazitätsbedingten Vollzugsmängeln beruht, trifft die Verwaltung als Staatsfunktion, nicht die einzelnen Amtswalter. Sie bleibt nicht folgenlos, wenn eine staatliche Pflichtverletzung als Tatbestandsmerkmal „sekundärer“ Sanktionsnormen fungiert290, die, soweit sie existieren, den objektivrechtlichen Ordnungsauftrag der Verwaltung absichern. Jenseits der Betroffenheit subjektiv-rechtlicher Positionen ist das Arsenal der Kontroll- und damit auch der Sanktionsmöglichkeiten begrenzt und mündet letztlich in die parlamentarische Kontrolle der Exekutive. Dies aber entspricht der Systementscheidung des Grundgesetzes für eine vorrangig dem Schutz subjektiver Rechte dienende Gerichtsbarkeit291.

290 Zur insoweit systematischen Bedeutung des Begriffs der Pflichtwidrigkeit und der Unterscheidung von Pflichtsubjekten vgl. oben § 5 B. I. S. 70 ff. 291 Dazu W. Krebs, Subjektiver Rechtsschutz, in: Festschrift f. C.-F. Menger, S. 191, 197 ff.

Zusammenfassung 1. Den Ausgangspunkt der Untersuchung bildet die Feststellung, dass im öffentlichen Recht die Rechtspflicht als Systemelement eine ihrer tatsächlichen Bedeutung nicht entsprechende untergeordnete Rolle spielt. Das gilt für Pflichten des Staates, in weitaus höherem Maße aber für (öffentlich-rechtliche) Pflichten Privater. Unterschiede, Gemeinsamkeiten und Interdependenzen zwischen Staats- und Bürgerpflichten lassen sich insbesondere am Beispiel jener Pflichten aufzeigen, die in ihrer Zielrichtung identisch sind, nämlich derjenigen Pflichten, die den Schutz von Rechtsgütern bezwecken. 2. Die Rechtspflicht bildet eine Grundkategorie jeder rechtlichen Ordnung. Allerdings lassen sich nicht alle Erscheinungsformen rechtlicher Geltungsanordnungen auf Rechtspflichten zurückführen, wie es vor allem nach der sogenannten Imperativentheorie der Fall sein soll1. Man schmälert ihre große analytische Leistung nicht, wenn man gleichwohl ihre Defizite konstatiert. Sie liegen vor allem in dem eindimensionalen Verständnis des Rechts, das zu Geltungsgrund, Gültigkeitsbedingungen und Entscheidungsbefugnissen hinsichtlich der Befolgung oder Verletzung von Rechtspflichten nichts auszusagen vermag2. Ferner kann der Zusammenhang von Pflichten und den rechtlichen Folgen ihrer Verletzung nicht angemessen erklärt werden. Schließlich bildet die Imperativentheorie, wie am Beispiel des subjektiven Rechts sichtbar wird, nicht jeden Gehalt rechtlicher Regelungen hinreichend ab3. Die Imperativentheorie wird, mit einem Wort, der Multifunktionalität von Rechtsnormen nicht gerecht. 3. Daraus kann nicht der Schluss gezogen werden, dass alle Aussagen und Folgerungen der Imperativentheorie, die die Rechtspflicht als „Mittelpunkt des Rechtssystems“ begreift, zu verwerfen sind. Insbesondere ist es nicht gerechtfertigt, der Pflicht keine Bedeutung für die Systembildung des Rechts überhaupt und speziell des öffentlichen Rechts zuzuweisen. Das zeigt sich im Begriff der Rechtswidrigkeit. Er kann als dogmatischer Begriff mit dem Verstoß gegen Rechtspflichten hinreichend erfasst werden. Auch die Lehre vom „Zustandsunrecht“ ist nur insofern berechtigt, als der „rechtswidrige Zustand“ eine Abbreviatur entweder für den tatsächlichen Anknüpfungspunkt einer Pflicht oder für die tatsächlichen Folgen einer Pflichtverletzung ist. Damit aber lässt sich eine

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Oben 1. Teil, § 3 A. Oben 1. Teil, § 3 B. Oben 1. Teil, § 3 C.

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Zusammenfassung

eindeutige Abgrenzung „rechtswidriger“ von „rechtmäßigen“ Zuständen nicht erreichen4. 4. Besonders im öffentlichen Recht besteht das Problem, den Begriff der Rechtswidrigkeit zu bestimmen. Das hat seinen Grund in der Vielzahl der Akteure und der Vielfalt der ihnen obliegenden Rechtspflichten, nicht hingegen in der Unmöglichkeit einer allgemeinen und einheitlichen Formulierung des Rechtswidrigkeitsbegriffs. a) Beispielhaft wurde das dargestellt an drei typischen Problembereichen5: Einerseits ist es nicht möglich, strafrechtliche Rechtfertigungsgründe und hoheitliche Eingriffsbefugnisse zu harmonisieren. Das führt zu der Frage, ob ein Amtswalter strafrechtlich gerechtfertigt sein kann, wenn er eine öffentlich-rechtlich rechtswidrige Eingriffsmaßnahme vornimmt. Eine ähnliche Fragestellung taucht bei der rechtswidrigen beamtenrechtlichen Weisung auf, die den Angewiesenen scheinbar vor die Aufgabe stellt, im Außenrechtsverhältnis das zu unterlassen, wozu er im Innenrechtskreis verpflichtet ist. Schließlich wurde am Beispiel der Verwaltungsaktakzessorietät des Strafrechts die Strafbarkeit der Inanspruchnahme von (rechtswidrigen) Genehmigungen diskutiert. In diesen Fällen wird verbreitet mit einem nach Rechtsbereichen „gespaltenen“ Rechtswidrigkeitsbegriff operiert, der stets an menschliches (Fehl-)Verhalten anknüpft. Diesem Verständnis sind allerdings dann Grenzen gesetzt, wenn es (nur) um die Verantwortlichkeit des Staates geht. So ist ein Folgenbeseitigungsanspruch ebenso wie der Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff nicht von dem Nachweis abhängig, dass sich ein Amtswalter rechtswidrig verhalten hat. Gleiches gilt bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit von staatlichen Regelungsakten, insbesondere bei nachträglichen Änderungen der Rechts- oder Sachlage, die ohne menschliches Fehlverhalten zur Rechtswidrigkeit führen können. b) Die Schwierigkeit, einen einheitlichen Rechtswidrigkeitsbegriff zu bilden, basiert darauf, dass ihr zentraler Bezugspunkt nach herkömmlichem Verständnis menschliches Verhalten ist. In den Fällen einer „gespaltenen“ Rechtswidrigkeit erscheint so ein und dasselbe Verhalten sowohl rechtmäßig als auch rechtswidrig zu sein. Im Falle staatlichen Unrechts muss man sich mit dem „rechtswidrigen Zustand“ behelfen. Der Begriff der Rechtswidrigkeit aber muss von dem Recht ausgehen, „wider“ das verstoßen wird. Da es sich an Rechtssubjekte wendet, kommt eine Rechtswidrigkeit nur in Betracht, wenn diese eine Rechtspflicht verletzen. Der Ausgangspunkt der Rechtswidrigkeitsbestimmung ist deshalb nicht das Verhalten (von Menschen), sondern sind die Rechtspflichten von Rechtssubjekten6. Das weist auf notwendige Differenzierungen hin, die schlag-

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Oben 1. Teil, § 4 A. und B. Oben 1. Teil, § 4 C. I. Oben 1. Teil, § 4 C. II.

Zusammenfassung

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wortartig als „Relativität der Rechtswidrigkeit“ sowie als „Einheit der Pflichtwidrigkeit“ gekennzeichnet werden können. 5. Der Grundsatz der Relativität der Rechtswidrigkeit bezeichnet den relationalen Charakter jedes Rechtswidrigkeitsurteils, das sich nur auf ein Rechtssubjekt und eine dieses treffende und von ihm verletzte Rechtspflicht beziehen kann7. a) Insbesondere das öffentliche Recht hat es mit einer Mehrheit von Rechtssubjekten zu tun. Die Unterscheidung von „Innen- und Außenrecht“ deutet bereits an, dass der Staat, der nach außen, d.h. vor allem im Verhältnis zum Bürger, als Einheit erscheint, sich im Inneren in eine Vielzahl von Pflichtsubjekten aufspaltet. Neben die außenwirksamen Staatspflichten treten diejenigen Pflichten staatlicher Funktionseinheiten („Organe“), die zwar in ihrer Summe den staatlichen Pflichten entsprechen müssen, im einzelnen aber von diesen nach Inhalt und Pflichtsubjekt unterschieden sind. Neben Staats- und „Organ“-Pflichten treten die Amtspflichten derjenigen natürlichen Personen, die als Amts- und Organwalter die dem jeweiligen Amt oder Organ obliegenden Aufgaben wahrnehmen8. b) Ein Rechtswidrigkeitsbegriff, der alleine auf menschliches Verhalten abstellt, gelangt schnell an seine Grenzen, wenn im Verhalten einer natürlichen Person uno actu mehrere Verpflichtete mit je unterschiedlichen Pflichtenstellungen agieren. Wenn die Rechtsordnung den Staat als Organisation sowie Einheiten seiner internen Gliederung mit Pflichten betraut, die von denjenigen verschieden sind, die den natürlichen Personen obliegen, die für die Organisation(seinheit) handeln, lässt sich Rechtswidrigkeit nur in Bezug auf je ein bestimmtes Pflichtsubjekt bestimmen. Daraus resultiert auch die Tatsache, dass zwischen der rechtlichen Bewertung eines staatlichen Aktes und der rechtlichen Bewertung des Verhalten eines Amtsträgers bei Vornahme dieses Aktes unterschieden werden muss9. c) Die Pflichten des Staates werden vor allem durch die Grundrechte bestimmt. Beispielhaft können zwei Funktionen oder Dimensionen der Grundrechte herausgehoben werden: Grundrechtliche Unterlassungspflichten sowie grundrechtliche Schutzpflichten. Ihnen ist gemeinsam, dass sie ganz auf die Integrität der grundrechtlichen Schutzgüter ausgerichtet und insoweit ergebnisorientiert zu formulieren sind. Das ist allerdings kein Spezifikum der Grundrechte, sondern grundsätzlich ein Merkmal des materiellen Rechts auch unterhalb der verfassungsrechtlichen Ebene, das ebenfalls auf die Gestaltung der Wirklichkeit hin orientiert ist und primär Wirkungen seinen sie legitimierenden Voraussetzungen unterwirft10. 7 8 9

Oben 1. Teil, § 5. Oben 1. Teil, § 5 A. Oben 1. Teil, § 5 B. I.

400

Zusammenfassung

d) Damit können „rechtswidrige Zustände“ als Tatbestandsmerkmale im Recht der staatlichen Ersatzleistungen durch Verletzungen der staatlichen, aus den Grundrechten folgenden Unterlassungspflicht erklärt werden. Auch die nachträgliche Rechtswidrigkeit staatlicher Regelungsakte ist auf Pflichtverletzungen des Staates rückführbar. Weil und soweit die Pflichten auf (rechtliche) Wirkungen, nicht auf einzelne Handlungen bezogen sind, müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen grundsätzlich dann erfüllt sein, wenn die Wirkungen eintreten. Die „Regelung“ durch den Staat liegt nicht (nur) im Erlass(vorgang), sondern in der Rechtsfolgenanordnung während des Regelungszeitraums. Veränderungen tatsächlicher oder rechtlicher Art einschließlich der Regelungskompetenz, die dazu führen, dass die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen, haben den Verlust der staatlichen Regelungsbefugnis und damit die Rechtswidrigkeit der Regelung zur Folge. Umgekehrt ist auch ein nachträgliches Rechtmäßigwerden ursprünglich rechtswidriger Regelungen möglich11. e) Die nachträgliche Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten stellt sich scheinbar als Sonderfall dar, weil sie typischer Weise mit einer verwaltungsprozessualen Fragestellung – dem „maßgeblichen Zeitpunkt“ für die gerichtliche Entscheidung – einher geht. Beide Problemkreise sind aber voneinander zu unterscheiden. Das Rechtswidrigwerden von Verwaltungsakten von einer Aufhebungspflicht des Verwaltung abhängig zu machen, verbindet ebenfalls zwei unterschiedliche Fragestellungen (Aufhebungspflicht und Regelungsverbot) miteinander. Ein auf Wirkungen bezogener Rechtswidrigkeitsbegriff muss die zeitliche Erstreckung der Regelungswirkung in den Blick nehmen, da dadurch der Zeitpunkt oder Zeitraum bezeichnet ist, der für die Rechtmäßigkeitsbeurteilung von Regelungs-, und damit auch Verwaltungsakten relevant ist. Die Regelungsdauer ist von der Wirksamkeitsdauer abzugrenzen, weil die Wirksamkeit auch die gesetzlichen Folgen der Existenz eines Verwaltungsakts mit einbezieht, die unabhängig von seiner Rechtmäßigkeit eintreten. Die Regelungsdauer bemisst sich nach der materiellrechtlichen Situation, in die der Verwaltungsakt regelnd eingreift. So haben pflichtenbegründende Verwaltungsakte Dauerwirkung, solange die Pflicht besteht. Genehmigungen, Entziehungen von Rechtspositionen und Antragsablehnungen haben mit ihrem Regelungsgehalt hingegen nur „punktuelle“ Wirkung und können nicht rechtswidrig werden12. 6. Der Grundsatz der Einheit der Pflichtwidrigkeit ist Ausdruck der Tatsache, dass ein und dieselbe Pflicht eines Pflichtsubjekts nur entweder verletzt oder nicht verletzt sein kann – tertium non datur13. Das wurde am Beispiel der (Verwaltungsakt-)Akzessorietät des Strafrechts in Augenschein genommen. 10 11 12

Oben 1. Teil, § 5 B. II. und III. Oben 1. Teil, § 5 C. I. und II. Oben 1. Teil, § 5 C. III.

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a) Die Grundlage dieser auf dem Merkmal der Rechtspflicht basierenden Parallele von Straf- und Verwaltungsrecht stellt die normtheoretische Unterscheidung von Verhaltensnorm und Sanktionsnorm dar. Die Androhung einer Strafe setzt das Verbot des sanktionierten Verhaltens zwingend voraus. Strafrecht als Sanktionenrecht ist insofern stets akzessorisch zu einer außerstrafrechtlichen Verhaltensordnung. Diese kann explizit formuliert sein und vom Strafrecht in Bezug genommen werden. Anderenfalls ist das Ge- oder Verbot aus den Sanktionsnormen zu ermitteln14. b) Das Problem der Verwaltungsaktsakzessorietät des Strafrechts und seine Relevanz für den Grundsatz der Einheit der Pflichtwidrigkeit bündeln sich in der Frage, ob das Gebrauchmachen von einer wirksamen, wenn auch rechtswidrigen behördlichen Genehmigung strafbar sein kann, wie es etwa nach § 330d Nr. 5 StGB der Fall ist. Dies lässt sich nicht unter Hinweis auf die „materielle Verwaltungsrechtslage“ bejahen, indem man den Inhaber der Genehmigung für verpflichtet hält, die Genehmigungsvoraussetzungen einzuhalten. Diese sind nicht an ihn adressiert und können von ihm vielfach nicht erfüllt werden. Das Handeln ohne Genehmigung kann nicht mit dem genehmigten Handeln bei Fehlen der Genehmigungsvoraussetzungen gleichgesetzt werden. Ebensowenig ist es möglich, die verwaltungsrechtliche Verbotsmaterie nach der Funktion des Genehmigungstatbestandes – als präventives oder repressives Verbot – zu unterscheiden. Das Verbot lautet stets nur auf das Handeln ohne Genehmigung. Der Inhaber einer solchen verhält sich somit rechtmäßig und seine Kriminalisierung ist daraus nicht zu rechtfertigen15. c) Die Akzessorietät des Strafrechts ist im Hinblick auf die Einheit der Pflichtwidrigkeit auch deshalb von Bedeutung, weil im Strafrecht ein besonderer Rechtswidrigkeitsbegriff verwendet wird, der auf die Voraussetzungen für die Sanktionierung verbotenen Verhaltens ausgerichtet ist. Er lässt sich nicht durch eine Unterscheidung von Normwidrigkeit und Pflichtwidrigkeit rechtfertigen und nicht auf andere Teilrechtsordnungen übertragen, da nicht die Sanktionsvoraussetzungen, sondern rechtlich begründete Verhaltenspflichten über Rechtswidrigkeit und damit Pflichtwidrigkeit entscheiden. Die in der Strafrechtsdogmatik angelegte Reduktion von Rechtspflichten auf Sorgfaltspflichten, die jeweils auf den Wissenshorizont des Täters abstellt, wird der Mehrdimensionalität rechtlicher Verhaltenssteuerung nicht gerecht16. 7. Die Bestimmung öffentlich-rechtlicher in Abgrenzung zu privatrechtlichen Pflichten Privater teilt die wesentlichen Probleme der Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht überhaupt. Dabei geht es weniger um eine strikt 13 14 15 16

Oben Oben Oben Oben

1. 1. 1. 1.

Teil, Teil, Teil, Teil,

§ § § §

6. 6 A. 6 B. 6 C.

402

Zusammenfassung

alternative Trennung beider Materien, als vielmehr um eine funktionendifferenzierte Zuordnung, die durch die Rechtsordnung hergestellt wird und deshalb nur in Bezug auf einzelne Rechtssätze bestimmt werden kann17. Auf dem Boden der Subjektstheorien nach H. J. Wolff und O. Bachof gelingt die Zuordnung von Pflichten Privater zum öffentlichen Recht nicht, weil das Zuordnungssubjekt der Normen, welche diese Pflichten begründen, kein Träger öffentlicher Gewalt ist. Das kann nicht auf sich beruhen, weil die Rechtsordnung die Qualifizierung von Pflichten als privat- oder öffentlichrechtlich voraussetzt, etwa bei der Abgrenzung der polizeilichen Regelzuständigkeit zur bloßen Eilzuständigkeit in den Bereichen, die sonst der (ordentlichen) Gerichtsbarkeit zugewiesen sind18. Die Subjektstheorien leiden unter der einseitigen Bezugnahme auf das Zuordnungssubjekt von Rechtsnormen. Pflichten Privater – Gleiches gilt im übrigen auch für deren Rechte – lassen sich nur unter Bezugnahme auf das Rechtsverhältnis qualifizieren, innerhalb dessen sie bestehen. Dies bedingt die Möglichkeit, ein und dieselbe Pflicht sowohl als öffentlichrechtlich, als auch als privatrechtlich zu qualifizieren, wenn und weil sie sowohl einem Träger öffentlicher Gewalt als auch einem Privaten gegenüber besteht. Das zeigt sich insbesondere bei den Pflichtnormen, die strafrechtlichen Sanktionsnormen zugrunde liegen, soweit sie als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB auch zivilrechtlich relevant sind. Hier ist allenfalls problematisch, diese Pflichten dem öffentlichen Recht zuzuweisen. Das gelingt nur aufgrund einer teleologischen Betrachtung, weil das strafrechtliche Sanktionenrecht funktional ganz auf die Gewährleistung der Geltung der zugrunde liegenden Verhaltensnormen bezogen ist19. 8. Rechtsgüterschutzpflichten Privater stehen in einem engen, nicht nur auf dasselbe Ziel bezogenen (teleologischen), sondern auf denselben Grund zurückführbaren (genetischen) Zusammenhang mit entsprechenden Rechtsgüterschutzpflichten des Staates. Sie finden ihren gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrund in den Grundrechten. a) Das Grundgesetz nimmt primär den Staat in die Pflicht. Grundrechten als Abwehrrechten entsprechen staatliche Unterlassungspflichten. Darin erschöpfen sich die Rechtsgüterschutzpflichten des Staates jedoch nicht. Ihm obliegt eine allgemeine Schutzgewährleistungspflicht für die grundrechtlichen Schutzgüter auch vor Gefahren, die von anderer als staatlicher Seite drohen. Das bedingt eine Bestimmung der Grenzen individueller Freiheit im Verhältnis der Bürger untereinander durch die Abgrenzung ihrer jeweiligen Rechtssphären. Dies kann auf jeder Ebene innerhalb des Stufenbaus der Rechtsordnung geschehen. So kann die gegenseitige Beachtung der Grundrechte bereits durch die Verfassung 17 18 19

Oben 2. Teil, § 7 A. Oben 2. Teil, § 7 B. I. Oben 2. Teil, § 7. B. II.–IV.

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403

aufgegeben werden. Ferner kann die Grundrechtsgewährleistung insoweit zurückgenommen sein, dass sie sich von vorneherein nicht auf Verhaltensweisen erstreckt, die in die Sphäre des anderen übergreifen, ohne selbst schon verpflichtenden Gehalt zu besitzen. Schließlich kann die Abgrenzung der Rechtskreise ganz dem unterverfassungsrechtlichen Recht zugewiesen und damit den verfassungsrechtlichen Bedingungen für Eingriffe in Grundrechte unterworfen sein20. b) Auf Verfassungsebene angesiedelte Grundpflichten sind durch die Gewährleistung gleicher Freiheit aller Bürger legitimiert. Doch sieht das Grundgesetz keine unmittelbar wirkenden, also nicht der gesetzlichen Aktualisierung bedürftigen, allgemeinen Grundpflichten vor. Die Friedenspflicht – das Gewaltverbot als Korrelat eines materiell verstandenen staatlichen Gewaltmonopols – ist ein verfassungstheoretisch begründetes Postulat, das im positiven Verfassungsrecht keine normative Verankerung mit unmittelbar verpflichtender Wirkung besitzt. Um so weniger kann von einer schon auf Verfassungsebene begründeten allgemeinen Nichtstörungspflicht die Rede sein. Auch Art. 14 Abs. 2 GG, der explizit den Pflichtenbezug des Eigentums benennt, ist auf die konstitutive Pflichtenbegründung durch den Gesetzgeber angewiesen21. 9. Staatliche Ge- und Verbote sind grundrechtlich relevant, wenn und soweit die betroffene Verhaltensmöglichkeit grundrechtlichen Schutz genießt. Unmittelbar betroffen können durch sie grundsätzlich nur Freiheitsrechte im engeren Sinne sein, deren Schutzgut gerade Verhaltensmöglichkeiten sind. Pflichten können jedoch auch Grundrechte betreffen, die, wie dies insbesondere bei Art. 14 GG der Fall ist, Rechte zum Gegenstand haben, wenn und soweit diese Rechte wiederum Handlungsmöglichkeiten schützen22. a) Durch oder aufgrund Gesetzes auferlegte Pflichten erfüllen grundsätzlich alle Merkmale des klassisch genannten Eingriffsbegriffs. Ihre Eingriffsqualität hängt jedoch von der Reichweite der Freiheitsrechte ab. So sollen offensichtlich sozialschädliche und strafbare Verhaltensweisen von vorneherein keinen Grundrechtsschutz genießen. Noch weiter ausgreifend wird teilweise den Grundrechten Dritter schutzbereichsbegrenzende Wirkung zugeschrieben. Dem liegt, wie schon der Grundpflichtenlehre, die Erkenntnis zugrunde, dass die Freiheit des einen ihre Grenze an der Freiheit des anderen findet. Doch können im Verhältnis der Grundrechtsträger untereinander nicht Grundrechte kollidieren, sondern nur Interessen, die jeweils im Verhältnis zum Staat grundrechtlich geschützt sind. „Immanenter“ Schutzbereichsbegrenzungen bedürfte es nur, wenn anders der Staat nicht in der Lage wäre, seiner grundrechtlichen Unterlassungspflicht und seiner grundrechtlichen Schutzpflicht gleichermaßen zu genügen. Das ist 20 21 22

Oben 2. Teil, § 8 A. Oben 2. Teil, § 8 B. Oben 2. Teil, § 9 vor A.

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indes nicht der Fall, weil Grundrechte Dritter als Schranken auch vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte fungieren23. b) Eine Besonderheit stellt das Verhältnis von Rechten und Pflichten bei normgeprägten Grundrechten dar. Dies gilt insbesondere für das Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 GG, weil dessen Schutzgut erst durch die gesetzliche Inhaltsbestimmung definiert wird und somit Ge- und Verbote inhaltliche Ausgestaltungen des Eigentums sein können und nicht schon Eingriffe in das Eigentumsrechts sein müssen. Eigentum wird als subjektives Recht hinsichtlich des Eigentumsgegenstandes gegenüber Dritten durch die Rechtsordnung geschaffen. Das Eigentumsgrundrecht knüpft hieran an und garantiert den so begründeten Bestand der Eigentumsrechte gegenüber dem Staat. Das Gesetz schafft das Privateigentum; das Grundgesetz schützt das Eigentum Privater24. Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinne sind vermögenswerte (Nutzungs- und Verfügungs-) Rechte. Schrankenregelungen betreffen das Eigentumsgrundrecht. Inhaltsbestimmungen und Schrankenbestimmungen können zusammentreffen, müssen dies aber nicht und unterliegen je unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Maßstäben. Für Schranken des Eigentumsgrundrechts gelten die allgemeinen Eingriffsvoraussetzungen der Zweckbindung und der Verhältnismäßigkeit. Inhaltsbestimmungen hingegen sind Ergebnis einer umfassenden Ausgleichsentscheidung zwischen Privatnützigkeit und Gemeinwohl25. Ge- und Verbotsnormen können eigentums- und eigentümerbezogenen Pflichten begründen. Eigentumsbezogene Pflichten begrenzen Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeiten, die Gegenstand eines Eigentumsrechts sein können. Sie sind Inhaltsbestimmungen und – sofern sie bereits bestehende Nutzungs- oder Verfügungsrechte verkürzen – zugleich Schrankenbestimmungen. Eigentümerbezogene Pflichten hingegen setzen den Bestand des Eigentumsrechts voraus und knüpfen an dieses an. Damit wird nicht (zwingend) in das Eigentumsgrundrecht eingegriffen, sondern dem Eigentümer eine Sonderpflicht auferlegt. Dies wird durch Art. 14 Abs. 2 GG dem Grunde nach ebenso legitimiert wie gefordert, der auf der Seite der Pflichten des Eigentümers dieselbe Funktion erfüllt wie Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG auf der Seite des subjektiven Rechts26. 10. Die Grundrechtsrelevanz der Pflicht fordert nach dem Vorbehalt des Gesetzes eine gesetzliche Grundlage und nach Maßgabe der jeweils betroffenen Grundrechte die Einhaltung der materiellen Voraussetzungen für deren Beschränkung. a) Die Gesamtheit dieser materiellen Rechtfertigungsgründe muss durch die Gesamtheit der staatlichen Akte erfüllt werden, welche die Pflicht zur Entste23 24 25 26

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2. 2. 2. 2.

Teil, Teil, Teil, Teil,

§ § § §

9 9 9 9

A. B. I. B. II. B. III.

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hung bringen. Auch gesetzliche Ermächtigungen zur Pflichtenbegründung stellen Grundrechtsschranken dar, weil sie das Abwehrrecht gegenüber denjenigen staatlichen Maßnahmen reduzieren, zu denen sie ermächtigen. Das Gesetz enthält in jedem Falle die Befugnis zur Rechtskonkretisierung durch die gesetzesanwendenden Organe, sei es zur verfassungsorientierten Auslegung oder zur verfassungsgemäßen Ausfüllung von Entscheidungsspielräumen. Dementsprechend trifft die Rechtfertigungslast für die Grundrechtsbeschränkung den Gesetzgeber, soweit er abschließend und für die Vollzugsorgane bindend entschieden hat, im übrigen diese Organe27. b) Das allgemeine Rechtfertigungsmodell für Pflichten Privater setzt beim Zweckbezug der Pflicht an, dessen Notwendigkeit sich aus den Grundrechten ergibt28. Seinen eigentlichen Gehalt erfährt es durch das Erfordernis der materiellen Begründung, aus der sich ergeben muss, welcher rechtliche Grund für die Inpflichtnahme überhaupt besteht. Die Inanspruchnahme Privater für öffentliche Interessen muss durch eine besondere Beziehung der Pflichtigen für diese Interessen gerechtfertigt sein. Ein allgemeiner Rechtsgrund liegt in der „Gemeinschaftsgebundenheit und Gemeinschaftsbezogenheit des Individuums“, die alleine durch die Zugehörigkeit des Einzelnen zur Allgemeinheit begründet ist und vom Grundgesetz als Legitimationsgrund für Grundrechtsbeschränkungen vorausgesetzt wird. Dieser Rechtsgrund legitimiert die gleiche und gleichmäßige Belastung Aller. Besondere Pflichten müssen dagegen auf besonderen Rechtsgründen basieren. Sie setzen eine über die Zugehörigkeit zur Allgemeinheit hinaus gehende spezielle Verantwortung des Pflichtigen für den Zweck voraus, dem sie dienen. Besondere Rechtsgründe stellen zugleich Differenzierungsmerkmale und Differenzierungsgründe vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes dar. Der Rechtsgrund legitimiert die Pflicht und limitiert sie zugleich. Zwischen dieser und jenem besteht eine Korrelation, die für die Rechtfertigung der Pflicht ihrem Umfang nach unabdingbar ist29. Neben Gemeinwohlzweck und Rechtsgrund stellen die grundrechtlichen Schranken-Schranken die dritte verfassungsrechtliche Determinante für die Auferlegung von Pflichten dar. Hierbei nimmt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine zentrale Rolle ein, der einer übermäßigen Inanspruchnahme des einzelnen zugunsten öffentlicher Belange entgegensteht30. c) Rechtsgüterschutzpflichten Privater eignet doppelte grundrechtliche Relevanz, sofern das geschützte Rechtsgut seinerseits grundrechtlichen Schutz genießt. Die ihnen zugrunde liegenden Regelungen betreffen sowohl das vertikale Staat-Bürger-Verhältnis als auch das Verhältnis Privater untereinander. Das gilt 27 28 29 30

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2. 2. 2. 2.

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§ § § §

10 10 10 10

A. B. I. B. II. B. III.

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unabhängig davon, ob die Pflichten dem Privatrecht oder dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind. Der Gesetzgeber ist in Anbetracht der doppelten grundrechtlichen Relevanz verpflichtet, die gegenläufigen privaten Interessen im Sinne praktischer Konkordanz in einer beide Seiten schonenden Weise auszugleichen31. Die Abgrenzung der Rechtskreise Privater im Horizonalverhältnis hat regelmäßig Auswirkungen auf beide betroffenen Positionen. Sie sind deshalb in gleichem Maße und nach gleichen Maßstäben zu berücksichtigen. Grundrechte kommen als Abwehrrechte nicht nur zum Tragen, wenn ein bestimmtes Verhalten verboten wird, sondern auch dann, wenn es an einem Verbot fehlt und deshalb eine Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Rechtsgüter rechtlich nicht abgewehrt werden kann. Das lässt sich jedoch nicht durch eine Zurechnung privaten Verhaltens zum Staat begründen. Vielmehr liegt ein Eingriff in das Grundrecht unabhängig von der Beeinträchtigung des Schutzgutes durch den Privaten vor, weil das grundrechtliche Abwehrrecht gegenüber denjenigen staatlichen Maßnahmen reduziert ist, die das Verhalten des Privaten rechtlich absichern32. 11. Die sogenannte Polizeipflicht stellt das klassische Beispiel verwaltungsrechtlicher Rechtsgüterschutzpflichten dar. Nach den Regelungen der Polizeiund Ordnungsgesetze ist sie keine bereits kraft Gesetzes bestehende Verpflichtung. Eine derartige „materielle“ Polizeipflicht lässt sich weder als Nichtstörungspflicht noch als Gefahrenabwehrpflicht begründen. Vielmehr wird lediglich die Verpflichtbarkeit des Einzelnen geregelt33. a) Die Verhaltensverantwortlichkeit betrifft die Verpflichtbarkeit des Gefahrenverursachers. Der Begriff der Verursachung ist im Sinne einer rechtswidrigen Herbeiführung einer Gefahr zu verstehen und somit akzessorisch zu Normen, die zum Schutz von Rechtsgütern Ge- und Verbote statuieren. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf spezielle Verhaltensnormen; soweit solche nicht vorhanden sind, greifen die allgemeinen Rechtsgüterschutzpflichten ein, die aus den Sanktionsnormen des Strafrechts bzw. des Privatrechts zu deduzieren sind. Aus der Akzessorietät der Verhaltensverantwortlichkeit ergibt sich zugleich, dass eine „Verursachung“ einer Gefahr für die öffentliche Ordnung nicht möglich ist34. (1) Die allgemeinen Rechtsgüterschutzpflichten sind gesetzlich nur durch den Erfolg bezeichnet, dessen Herbeiführung verboten ist. Als Faktoren der Verhaltenssteuerung müssen sie aber auf den Zeitpunkt vor der Rechtsgutverletzung bezogen sein, zu dem die Pflichten zu erfüllen sind. Aus diesem Grunde ist durch sie ein Verhalten verboten, das geeignet ist, eine Rechtsgutsverletzung 31 32 33 34

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2. 2. 2. 2.

Teil, Teil, Teil, Teil,

§ § § §

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C. I. C. II. A. B. I. sowie II. 1. und 3.

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herbeizuführen. Wegen des sich daraus ergebenden prognostischen Gehalts ist es deshalb entscheidend, wessen Urteil über die Eignung zur Schädigung maßgeblich ist. Der Gleichwertigkeit von Verhaltensinteresse einerseits, Schutzinteresse andererseits entspricht nur ein „objektiver“, aber auf den Zeitpunkt ex ante bezogener Wissenshorizont35. (2) Der Rechtsgrund der Verhaltensverantwortlichkeit liegt in der Überschreitung des durch Verhaltensnormen gezogenen Rechtskreises und rechtfertigt deshalb, den Verantwortlichen für die Abwehr der daraus resultierenden Gefahren bzw. die Kosten der Gefahrenabwehr heranzuziehen. Die Grenze der Verpflichtbarkeit ergibt sich aus dem Rechtsgrund. Bei einer Mehrheit von Verursachern ist die Verantwortlichkeit deshalb von vornherein auf den Verursachungsbeitrag beschränkt. Eine nachträgliche Aufteilung der Gefahrenabwehrkosten im Rahmen eines internen Gesamtschuldnerausgleichs ist jedenfalls jenseits spezieller gesetzlicher Anordnung nicht begründbar36. (3) Zwischen der (primären) Ebene der Gefahrenabwehr und der (sekundären) Ebene der Kostentragung besteht hinsichtlich der (Verhaltens-)Verantwortlichkeit Übereinstimmung. Eine Differenzierung, wie sie insbesondere in Anscheins- und Verdachtslagen befürwortet wird, basiert auf einem „subjektiven“ Gefahrenbegriff, der im Ergebnis den Gefahrenabwehrbehörden bezüglich der Frage, ob eine Gefahr vorliegt oder nicht, einen nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum zubilligt. Dies führt zugleich zu einer Subjektivierung der Verhaltensverantwortlichkeit. Der subjektive Gefahrbegriff stellt auf den (wenngleich begrenzt „objektivierten“) Amtswalter ab. Dabei kommt es hinsichtlich der Rechtmäßigkeit polizeilicher Maßnahmen nicht auf das pflichtgemäße Verhalten des Beamten an, sondern auf die Einhaltung der dem Staat gesetzten Grenzen. Schon der Eingriffsgehalt der polizeilichen Inanspruchnahme fordert ein objektives Verständnis des Gefahrenbegriffs37. b) Die Zustandsverantwortlichkeit trifft den Inhaber der tatsächlichen und/ oder rechtlichen Sachherrschaft. Die für die Verhaltensverantwortlichkeit entwickelten Verursachungslehren können hier keine Anwendung finden, weil sie Zurechnungs- nicht Kausalitätstheorien sind38. Der Rechtsgrund der Zustandsverantwortlichkeit liegt nicht in der regelmäßig mit der Sachherrschaft verbundenen Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache zum Zwecke der Gefahrenabwehr, sondern in den Nutzungsvorteilen als Ausfluss der im Vergleich zu Dritten besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Verbindung zwischen Person und Sache. Soweit die Zustandsverantwortlichkeit an die rechtliche Sachherrschaft geknüpft ist, wird dem Regelungsauftrag des Art. 14 Abs. 2 GG Genüge getan. Bei der 35 36 37 38

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2. 2. 2. 2.

Teil, Teil, Teil, Teil,

§ § § §

11 11 11 11

B. II. 2. B. III. 1. und 2. B. III. 3. C.

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tatsächlichen Sachherrschaft, der kein Recht an der Sache entspricht, ist die Verantwortlichkeit zweifelhaft, weil entweder der Sachherr nur Teil einer nutzungsberechtigten Allgemeinheit ist oder als unberechtigter Besitzer rechtlich keine Vorteile ziehen darf, weil die Nutzungen der Sache dem Berechtigten zugewiesen sind. Das spricht dafür, die Zustandsverantwortlichkeit nur an die rechtliche Sachherrschaft zu knüpfen39. Die Grenze der Zustandsverantwortlichkeit bemisst sich nicht nach der Ursache der Gefährlichkeit der Sache und nicht nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sondern nach dem Rechtsgrund. Die Bemessung der Pflicht muss sich an dem Umfang der Vorteile orientieren, die die Inanspruchnahme dem Grunde nach rechtfertigen. Soweit es um die Kostentragung für Maßnahmen der Gefahrenabwehr geht, kann der Verkehrswert der störenden Sache als wirtschaftliches Äquivalent des rechtlichen Nutzens zugrunde gelegt werden. Dieser wird aber einerseits durch die Aufwendungen des Berechtigten gemindert, auf der anderen Seite durch die bereits gezogenen Nutzungen erhöht. Zur Wahrung der Korrelation von Nutzen und Lasten ist ihre Berücksichtigung gleichermaßen geboten. In welcher Form das geschieht, ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und vorrangig durch den Gesetzgeber zu entscheiden40. Eine mit der (rechtlichen) Sachherrschaft begründete Verantwortlichkeit kann grundsätzlich nur bestehen, solange die Sachherrschaft besteht. Bei einer über diesen Zeitraum hinaus greifenden Verantwortlichkeit fehlt es an der Korrelation von Nutzen und Lasten. Die Verantwortlichkeit des Derelinquenten ist deshalb auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen die Eigentumsaufgabe erfolgt, um sich der Verantwortlichkeit zu entziehen, und deshalb sittenwidrig ist. Gleiches gilt für die Eigentumsübertragung im Falle des § 4 Abs. 6 BBodSchG41. 12. Öffentlich-rechtliche Pflichten Privater haben in mehrfacher Hinsicht Rückwirkungen auf die objektiv-rechtliche Gebundenheit der Verwaltung beim Gesetzesvollzug. Dies lässt sich anhand des Opportunitäts- und des Legalitätsprinzips präzisieren. a) Opportunität und Legalität gelten als in jeweils unterschiedlichen Bereichen des (besonderen) Verwaltungsrechts sowie im Strafverfahrensrecht geltende entscheidungsleitende Prinzipien. Dies ist in einem Maße Allgemeingut geworden, dass schon gar nicht mehr der Versuch gemacht wird, sie inhaltlich zu definieren oder gar ihren Geltungsgrund anzugeben. Ursprünglich entstanden sind die Begriffe in den Überlegungen im Vorfeld der Schaffung einer einheitlichen Strafprozessordnung im ausgehenden 19. Jahrhundert und kennzeichneten 39 40 41

Oben 2. Teil, § 11 C. I. Oben 2. Teil, § 11. C. II. 1.–3. Oben 2. Teil, § 11 C. II. 4.

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einen Prinzipienkonflikt, der sich materiellrechtlich um die Durchsetzung des Strafrechts, organisationsrechtlich um die (umstrittene) Stellung der Anklagebehörden drehte. Die Verpflichtung, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sollte eine gleichmäßige und willkürfreie Strafjustiz gewährleisten. Der Grundsatz, der in dem bis heute sachlich unveränderten § 152 Abs. 2 StPO festgeschrieben wurde, ist im Laufe der Zeit durch eine Reihe von Ausnahmeregelungen aufgelockert worden, so dass nunmehr im Strafverfahrensrecht Legalität und Opportunität als im Verhältnis von Regel und Ausnahme zueinander stehend verstanden werden42. b) Die Prinzipienfrage fand über das Polizeistrafrecht Eingang in die verwaltungsrechtliche Terminologie. Hierbei bestand eine der strafverfahrensrechtlichen vergleichbare Problematik bei der Ahndung von Polizeistrafverfügungen, die über die Durchsetzung von Polizeiverfügungen bis hin zu der allgemeinen Fragestellung erweitert wurde, ob die Polizei bei jeder „Polizeiwidrigkeit“ einschreiten muss oder nicht. Die seither im Verwaltungsrecht gebräuchliche Verwendung der Begriffe „Opportunitäts-“ bzw. „Legalitätsprinzip“ ist durch eine gewisse Unschärfe gekennzeichnet. Das herkömmliche Verständnis verbindet „Opportunität“ in unterschiedlichen Spielarten mit dem Ermessen und setzt dem „Legalität“ als Kennzeichen gesetzlich gebundener Verwaltung gegenüber. Demgegenüber ist jedoch das strafprozessuale Legalitätsprinzip inhaltlich auf das materielle Recht und sachlich auf das Ziel seiner Durchsetzung bezogen, wenngleich es ursprünglich durch eine Verbindung von materiellem und formellem Recht gekennzeichnet war43. c) Eine materiellrechtliche Deutung der Prinzipien kann auf öffentlich-rechtliche Pflichten als ihren Bezugspunkt verweisen und auf diesem Wege den Blick auf die Wechselwirkungen zwischen diesen und der objektiv-rechtlichen Gebundenheit der Verwaltung lenken. Durch sie werden der Gesetzesanwendung zugrunde zu legende Regel-Ausnahme-Verhältnisse charakterisiert, die unter Geltung des Legalitätsprinzips der Verwaltung grundsätzlich die Begründung oder Durchsetzung von Pflichten bzw. die Ahndung von Pflichtverletzungen vorschreiben, wohingegen unter der Geltung des Opportunitätsprinzip eine solche Vorentscheidung auf Ebene des Gesetzes noch nicht getroffen wird44. 13.a) Die Durchsetzung von Pflichten ist weniger auf ein bestimmtes Mittel als auf das Ziel der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Ge- und Verbote gerichtet. Für eine Einzelfallanordnung bedarf die Verwaltung in jedem Falle einer gesetzlichen Ermächtigung, die sich nicht bereits aus der Pflichtnorm selbst ergibt45. Die Rechtswidrigkeit der Duldung rechtswidrigen Verhaltens ist durch zwin42 43 44 45

Oben Oben Oben Oben

3. 3. 3. 3.

Teil, Teil, Teil, Teil,

§ § § §

12 12 12 13

A. I. und II. A. III. und IV. B. A. I.

410

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gende Befugnisnormen vorentschieden. Steht die Inanspruchnahme der Befugnis dagegen im Ermessen, so scheint es an einer derartigen Vorentscheidung zu fehlen und nur im Einzelfall bei einer Ermessensreduzierung auf Null eine Pflicht zur Durchsetzung des materiellen Rechts zu bestehen. Diese herkömmliche Sichtweise wird unter dem Aspekt des subjektiv-öffentlichen Rechts insbesondere im Baunachbarrecht in Frage gestellt, weil sie zur Folge hat, dass durch rein verfahrensrechtliche Änderungen wie den weitgehenden Abbau von Genehmigungspflichten der Nachbarschutz qualitativ reduziert wird. Hier wird im Regelfall von einer Pflicht der Verwaltung ausgegangen, die Einhaltung des materiellen Baurechts durchzusetzen. Dies lässt sich auch rein objektiv-rechtlich damit begründen, dass bei der Ermessensentscheidung über das behördliche Einschreiten dieselben Interessen abzuwägen sind, die schon bei der Schaffung des materiellen Rechts abgewogen werden mussten. Die Gesetzesbindung der Verwaltung fordert die Respektierung der gesetzlichen Vorentscheidung. Dies aber gilt nicht nur im Baunachbarrecht und nicht nur in den Fällen, in denen subjektiv-öffentliche Rechte betroffen sind, sondern stets dann, wenn gesetzliche Pflichten durchzusetzen sind, da sie stets das Ergebnis einer gesetzgeberischen Interessenabwägung darstellen. Dass dennoch Ermessen eingeräumt ist, hindert diese Annahme nicht, sondern eröffnet nur die Möglichkeit, von dem gesetzlich intendierten Regelfall Ausnahmen zu machen, wenn im Einzelfall gewichtige Gründe dafür sprechen46. b) Eine derartige generelle Zielbindung des Verwaltungshandelns lässt sich für die Ermächtigung zur Begründung von öffentlich-rechtlichen Pflichten nicht feststellen, da diese nicht in jedem Falle auf eine vorrangige gesetzliche Interessenabwägung verweisen, sondern sie gerade der Verwaltung überlassen. Bezüglich einzelner Befugnisnormen kann dies allerdings anders sein, wenn ein Widerspruch zum materiellen Recht vorliegt, der allgemein nur durch die Inanspruchnahme eines bestimmten Einzelnen behoben werden kann47. c) Für die Ahndung von Pflichtverletzungen gilt der Parlamentsvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG, der die Entscheidung über Strafbarkeit und Strafwürdigkeit eines Verhaltens dem Gesetzgeber vorbehält. Deshalb folgt als Grundsatz die Pflicht der gesetzesausführenden Organe zur Ahndung derjenigen Ge- oder Verbotsverletzungen, die straf- oder bußgeldbewehrt sind. Dies gilt auch für das Recht der Ordnungswidrigkeiten48. d) Grenzen des Legalitätsprinzips im Sinne einer Verpflichtung zur Durchsetzung des materiellen Rechts können nicht aus der allgemeinen Erwägung abgeleitet werden, die Funktionsfähigkeit der Verwaltung sei hierdurch gefährdet. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt zwar eine gewisse Bedeutung 46 47 48

Oben 3. Teil, § 13 A. II. Oben 3. Teil, § 13 B. Oben 3. Teil, § 13 C.

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zu, seine Anwendung darf aber grundsätzlich nicht zu einer die gesetzliche Interessenabwägung konterkarierenden Entscheidung führen. Auch der Verweis auf zivilrechtliche Möglichkeiten Privater, das materielle Recht durchzusetzen, ist nicht in der Lage, den genuin hoheitlichen Auftrag der Verwaltung, im öffentlichen Interesse über die Einhaltung des Verwaltungsrechts zu wachen, zu relativieren. Ein Abwägungsspielraum wird hingegen im Rahmen des Ordnungsauftrags der Verwaltung durch konfligierende Zielfestlegungen eröffnet49.

49

Oben 3. Teil, § 13 D.

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Sachwortverzeichnis Abwägung 77, 80, 112, 180, 182 f., 195, 203 f., 216 f., 252, 257, 276 f., 289, 294 ff., 377, 380 f., 383 f., 392, 396, 410, 411 Achtungspflicht 294 Adressatennorm, polizeirechtliche 140, 276, 279, 281, 284, 288 f., 291, 304, 329, 340 Ahndung von Pflichtverletzungen 29, 32, 343, 352, 364 ff., 385, 387 ff., 396, 409 f. – strafrechtliche 125, 143 Allgemeine Handlungsfreiheit 116, 129, 166, 168, 189, 192, 204 f., 222 f., 324, 393 Allgemeines Verwaltungsrecht 25, 102 Amtshaftung 54 ff., 67, 316 – Staatsunrechtshaftung 56, 316 Amtshaftungsanspruch 55, 316 Amtspflicht 55, 67, 71, 316, 399 – und Rechtspflicht 54, 67 – und Staatspflichten 65 ff., 399 Amtspflichtverletzung 55 f., 317 Amtsträger, Amtswalter 51, 53 ff., 63, 66 ff., 71 f.,102, 133, 139, 273, 296, 298, 315, 317, 396, 398 f., 407 Änderung der Sach- oder Rechtslage 93 ff., 100, 102 f., 108, 110, 121 f. Anspruch – auf Einschreiten 210, 343, 372 f., 375 – negatorischer 75 Arbeitspflicht 243 Aufenthaltsrecht, -genehmigung 115 f. Aufgabenzuweisungsnorm 155, 346, 366, 375 f. Aufopferung 86, 255 Ausreisepflicht 115 f.

Außenrecht und Innenrecht 66, 68, 398 f. Ausweisung 115

54, 63 f.,

Baubeseitigung 114, 384. 392 Baugenehmigung 69, 118, 372 ff. – feststellender und verfügender Teil 117 Baurecht 374, 376 f., 392, 410 s. a. Anspruch auf Einschreiten – Bauaufsicht 210, 373, 377, 384 – Bauordnungsrecht 371, 384, 393 f. – Nachbarrecht 210, 373, 375, 410 – Nachbarschutz 373, 375, 377, 394, 410 Beamtenernennung 114 Begründung von Pflichten 29, 32, 36, 49, 164, 203 f., 364, 366 f., 383 f., 396, 409 – Ermächtigung 231, 233, 236, 240, 341, 392, 405, 410 – formelle (Rechtsgrundlage) 166, 172, 188, 243 – materielle (Rechtsgrund) 165 f., 243, 247, 250 f., 334, 405 – Pflichtenmodell 170 ff., 176, 193 – Schrankenmodell 171 f., 203 – Tatbestandsmodell 171 f., 181, 193 Beherrschungsrecht 41 Beschlagnahme 83 Beseitigungspflicht 27, 84, 280 Besitz(er) 320 – unberechtigter 328 f., 408 Besitzdiener 327 f., Besitzrecht des Mieters 327 Bestandsschutz, baurechtlicher 118

460

Sachwortverzeichnis

Derogation 93, 98 Disziplinarrecht 344, 365 Dogmatik – Ausgestaltungs- 197 – des öffentlichen (Verwaltungs-)Rechts 23, 345, 374 – Eigentums- 319 f., 322, 341 – Eingriffs- 258 – Grundrechts- 241, 258 – Pflichten- 27, 31, 136, 171, 205, 241 – Polizeirechts- 31, 189, 273 f., 297 – Rechts- 30, 37, 43, 51, 363 – strafrechtliche 27, 59, 128, 134, 137, 294, 401 Drittwirkung der Grundrechte 192, 199 s. a. Horizontalverhältnis – abwehrrechtliche Lösung 266 ff., 294 – Schutzpflichtenlösung 264 ff., 272 Duldung rechtswidrigen Verhaltens 370 f., 383, 395, 409 Duldungsanordnung, -verfügung 189, 191, 329 Duldungspflicht 189 f., 266 ff., 366 Durchsetzung von Pflichten 29, 32, 162 ff., 276, 279, 364 ff., 385, 391 f., 396, 409 f. Eigentum 61, 77, 84 ff., 96, 182, 185 ff., 196, 256, 275, 293, 318 – Abgrenzung von Vermögenssphären im Horizontalverhältnis 207, 210, 216 – Ausgestaltung 196, 205 f., 216, 272, 404 – Grundeigentum, Immobiliareigentum 210, 336 – im verfassungsrechtlichen Sinn 206, 214 – Inhaltsbestimmung 210, 214, 217 f., 221, 225, 324, 339, 341, 377, 392, 404 – Privateigentum und Eigentum Privater 207 ff., 404 – Sozialbindung, Sozialpflichtigkeit 178, 185 ff., 216, 224 ff., 319, 324

Eigentümerpflicht 20, 204, 220, 223 f., 225 f., 250, 320, 404 – Differenzierungsgebot 227 – Eigentum als Rechtsgrund 226, 250, 251, 326 – Eigentumsrecht und 224, 324 Eigentumsbezogene Pflicht 220 ff., 226, 404 – Abgrenzung zu Freiheitsrechten 222 – als (negative) Inhaltsbestimmung 221 – und Zustandsverantwortlichkeit 251, 324 f. Eigentumsgrundrecht 31, 118, 167, 189, 204 f., 221 f., 319, 322 ff., 327, 377 – Abgrenzung von Rechtssphären im Vertikalverhältnis 208, 210 – Eigentumsrecht und 206, 210 ff., 218 – Einrichtungsgarantie, Institutsgarantie 208, 216, 221, 227 – Normprägung 205, 208, 215, 320 – Schrankenbestimmung 214 ff., 324, 333, 404 – und subjektiv-öffentliche Rechte 211 – Unterscheidung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen 212, 215, 217 f. Einbürgerung 114 Eingriffsbefugnis, -ermächtigung 51 ff., 139 f., 164, 190, 218, 228, 246, 267, 274 ff., 280 f., 312, 357, 369, 375 ff., 389 f., 398 – Eingriffsqualität 230, 233, 240 – verfassungsrechtliche Rechtfertigung 234 ff., Eingriffsbegriff, klassischer 77, 191 f., 232, 266, 403 Eingriffsfolgen, -wirkung 74, 74, 228 f., 260 Eingriffsnorm 29, 139, 280, 317, 371, 377 Eingriffsrechtfertigung 77, 259 f., 261 f. Elternverantwortung 250 Enteignender Eingriff 61, 85 ff. Enteignung 205, 218 ff., 225

Sachwortverzeichnis Enteignungsgleicher Eingriff 85, 87 f., 398 Enthaltungspflicht 41 Erlaubnis 35, 41, 116 f., 126 f., 129, 132, 179, 231, 266 f., 269, 271, 290 Ermächtigung 35, 96 f., 171, 370, 372, 376 f., 380, 388, 409, s. a. Eingriffsbefugnis Ermächtigungsgrundlage, -norm 36, 41, 97 ff., 124, 229, 233 f., 315, 370, 390 Ermessen 26, 29, 31, 236, 351 f., 355 ff., 371, 375 f., 380, 383 ff., 388 f., 409 f. s. a. Opportunitätsprinzip – Auswahlermessen 354, 380 – Entschließungsermessen 346, 353 f., 371 f., 378 f., 382 – fehlerfreie Ermessensentscheidung 373 – Funktionen 379 – intendiertes 381 f. Ermessens– -ausübung 72, 348, 355, 379 ff., 384, 389, 393 – -grenzen 379, 384, 392 – -reduzierung 108, 373, 380, 384, 410 Erschließungsbeitrag 223 Fahrlässigkeit 133, 137, 139 f., 145 f., 292 Fahrlässigkeitsdelikt 27 Finanzverfassung 248, 251, 254 Folgenbeseitigungsanspruch 61, 81 ff., 398 – Rechtsgrund 83 – Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch 84 Freiheit und Gleichheit 23, 31, 174, 199, 227, 240 f. Freiheitsrechte 31, 73, 166, 174, 189, 201, 221 f., 245, 262, 269 – Reichweite 191 ff., 403 – Schutzgüter 188 f., 205 f., 403 Funktionsfähigkeit der Verwaltung 389 ff., 410

461

Garantenpflicht 27, 294 Gefahr 155 f., 163, 168, 273 ff., 281, 283 ff., 297 f., 304 ff., 326, 336, 339 f. – abstrakte 130 – Anscheinsgefahr 274, 310 f., 314, 316 – ex-ante-Betrachtung 298 f., 310 f., 313, 315, 407 – ex-post-Betrachtung 298 f., 311 ff. – Gefahrverdacht 274, 310 f., 315, 317 – konkrete 306, 325 – subjektiver Gefahrbegriff 27, 312 ff., 407 – Zurechnung s. Verhaltensverantwortlichkeit, Zustandsverantwortlichkeit Gefahrenabwehr 279 ff., 288, 301, 305, 319, 326 f., 330, 337 f., 407 f. – effektive 279 f., 307, 311, 316, 319, 328 – Kosten, Lasten 280 f., 284, 288, 306 ff., 311 f., 328, 335, 339, 407 Gefahrenabwehrbehörden 155, 292, 346, 366, 407 Gefahrenabwehrpflicht s. Polizeipflicht Gefahrenabwehrrecht 26, 31, 157, 161, 273, 283 f., 308, 313, 331, 365 Gefahrenvorbeugung 273 Gemeingebrauch 328 Gemeinwohl, Wohl der Allgemeinheit 86, 152, 173, 187, 225 f., 241, 244 ff., 250, 252, 333, 404 Genehmigung 26, 57, 116 ff., 154, 210, 280, 290 – Aufhebung 118 – Baugenehmigung s. dort – Funktion 128 ff. – Legalisierungswirkung 290 – nachträgliche Rechtswidrigkeit 117 – rechtswidrige 30, 57, 123, 126, 131 ff., 398, 401 – Regelungswirkung 117 f., 131, 400 – Voraussetzungen 127 f., 130 f., 280, 374, 401 – Wirksamkeit 58

462

Sachwortverzeichnis

Genehmigungspflicht 128, 267, 280, 374 f., 410 Generalklausel, polizeirechtliche 139, 163, 238, 276 ff., 288 f., 291 f., 311, 314, 368 f., 371 Gesamtschuld 307 f., 407 Gesetzesbindung 74, 117, 126, 239, 359, 384, 389, 391 f., 395, 410 Gestaltungsrecht 40 f., 213 Gewaltenteilung 386 Gewaltmonopol des Staates 178 ff., 184, 403 Gewerbeuntersagung 114 Gleichheitsrecht, Gleichheitssatz 175, 245 ff., 304, 325, 363, 405 – Differenzierungsgebot 224, 227, 250, 326 – Differenzierungsmerkmale 247, 335, 405 – Differenzierungsverbot 250 – Lastengleichheit, Belastungsgleichheit 246, 248 f., 252, 254, 309, 311, 333 f., 338 – Willkürverbot 247 Gleichheitsverstoß 252, 254 Grundordnung, freiheitlich-demokratische 242 Grundpflichten 24, 31, 170, 173 ff., 193, 245, 258, 303, 403 – elterliche Fürsorge- und Erziehungspflicht 148, 176 – Friedenspflicht 172, 176, 178 ff., 188, 403 – Nichtstörungspflicht, allgemeine 29, 184 ff., 403 – Nichtstörungspflicht des Eigentümers 178, 185 ff., 224, 226, 233, 324 – Rechtsgehorsamspflicht 187 – Rechtsgrund 174 ff., 179 f. – Rechtsgrundlage 175 f., 179 f., 275 – und Grundrechtsschranken 176 ff. – Verfassungstreuepflicht 176 Grundrechte 23 f., 29, 40, 42, 62, 72 ff., 95 f., 119, 130, 169, 172, 189 ff., 252,

258 ff., 296, 399, s. a. Schutzpflicht, grundrechtliche – als Abwehrrechte 72 ff., 83, 166, 213, 215, 260, 266, 386, 402, 406 – als Leistungsrechte 73 – Drittwirkung s. dort – Eingriff 77, 119, 197, 204, 227 ff., 235, 237, 240, 256 f., 260, 265 f., 270 ff., 316, 403, 406 – immanente Grenzen 171, 185, 193 ff., 403 – Immanenzlehren 193 ff., 271 – objektive Gehalte 73 ff., 168 – Schranken 170, 176, 183, 198, 202 ff., 233, 235, 252, 270 f., 404 f. – Schranken-Schranken 255 ff., 405 – Schutzgut 188 ff., 208, 213, 217, 230 f., 256, 267 ff., 406 – und Grundpflichten 24, 173 ff., 193 Grundrechts– -berechtigter, -träger 77, 116, 167 ff., 185, 189, 193, 197, 199 ff., 209, 218, 230 f., 235, 238, 240, 246, 252, 256, 403 – -bindung 74, 76, 239, 260 – -dogmatik s. Dogmatik – -kollision 192, 196 ff., 259 – -verpflichteter 24, 199 Handlungsbegriff 59 f. – finaler 27 – Funktionen 59 Handlungsform(en) 25 f., 88 f., 95 ff., 101, 126 f., 152, 231, 235, 237, 368 ff. Handlungsformenlehre 33, 190 Handlungsform-Vorbehalt 97, 369 Horizontalverhältnis 165, 200, 210, 217, 270, 308, 374 f., 393 f. – Abgrenzung der Rechtssphären/ Rechtskreise 148, 169 f., 180, 188, 197 ff., 258 ff., 268, 270 ff. 291, 402, 406 – Ausgestaltung 263, 271

Sachwortverzeichnis – Interessenausgleich im 165, 211, 258 ff., 295, 372, 377, 381, 391 f. – Interessenskollisionen im 165, 169, 199 s. a. Grundrechtskollision – Rechtszuweisung, -zuteilung im 258, 377 – und Vertikalverhältnis Bürger-Staat 258 f., 271, 291, 295 s. a. Rechts-Dreieck Bürger-Staat-Bürger Imperativentheorie 30, 34 ff., 213, 397 Interessentheorie 153 Kartellrecht 344, 371 Kompetenz(en) 98 f., 150, 155 f., 352, 361, 364, 371 f., 378 f. – Delegation 94 – Gesetzgebungs- 53, 96, 98, 248 – Letztentscheidungs- 378 – Normverwirklichungs- 160 f., 163 f., 292 – Regelungs- 96 ff., 400 Kompetenz– -norm 36, 41 – -ordnung 36, 62, 96 f., 122, 281, 300 – -streitigkeit 81 – -verteilung, -zuordnung 38, 79, 156 Kostentragung 253 f., 280 f., 284, 288, 296, 310, 328, 332, 407 f. Landesverteidigung 177 Legalitätsprinzip 31, 343 ff., 408 f. – als Prinzip der Rechtsanwendung 345, 357 ff. – \;Automatik der Entscheidung\( 357 – Bedeutung 367 – Geltungsbereiche 367 ff. – Grenzen 388, 410 – Pflicht zum Einschreiten 364 – staatsrechtliches 359 f. – strafprozessuales 346 f., 366, 409 – und Aufgabennorm 346, 363, 366 – und gebundene Verwaltung 345 – und öffentlich-rechtliche Pflichten 364 ff., 368 ff., 378, 409

463

Menschenwürde 189, 242 Nichtgefährdungspflicht 141 f. Nichtstörer, Nichtverantwortlicher 276, 281 f., 284, 289, 305, 309, 311, 319, 325 f., 329, 334 Normenkontrolle 238 Normentheorie 33, 35, 37, 39, 45 f. Normwidrigkeit 39, 135 f. – und Pflichtwidrigkeit 134 ff., 142, 401 Notstand 51 f., 183, 191 Notwehr, Nothilfe 51 ff., 139, 143, 180, 191, 290, 294 Öffentliche Ordnung 184 f., 275, 301 ff., 406 Öffentliche Sicherheit 139 ff., 155 f., 163, 184 f., 275, 277 f., 287, 301, 303, 309, 319 Öffentliches Recht und Privatrecht 28, 148 ff., 210, 260 f., 401 f. Opportunität 347 – und Legalität 31, 344 ff., 360, 366, 408 f. – und Opportunismus 348 Opportunitätsprinzip 31, 343 ff., 408 f. – als Begrenzung des Legalitätsprinzips 351 f. – als Beurteilungsermächtigung 356 – als Prinzip der Rechtsanwendung 345, 357 ff. – Bedeutung 366 f. – Geltungsbereiche 367 – strafprozessuales 351 – und Befugnisnorm 346, 363 f., 366 – und (Entschließungs-)Ermessen 345, 353 ff., 363, 366, 371, 409 – und öffentlich-rechtliche Pflichten 364 ff. – und \;ursprünglicher Freiheitsbereich der Verwaltung\( 357 – verwaltungsrechtliches 346 – Vollzugsdefizit 347

464

Sachwortverzeichnis

Ordnungsauftrag der Verwaltung 395 f., 411 Ordnungsbehörden 156, 279, 310, 369 Ordnungsrecht 26, 273, 282, 302, 353 Ordnungswidrigkeiten, Recht der 58, 161, 344, 353, 365, 385 f., 410 – Opportunitätsprinzip 357, 385 – Verfahren 393 – Verfolgungspflicht 388 Organ 36, 38 f., 62 ff., 66, 71 Organ– -pflichten 65 – -walter 64, 66, 71 Organisation 36 f., 64, 66, 70, 363, 399 Organisationsrecht 64 f. Person – juristische 30, 34, 63, 70 f., 97, 207, 365 – natürliche 30, 34, 62 f., 65, 67, 70 f., 399 Pflicht(en) – Begründung s. dort – des Staates 24, 28 f., 62, 65 ff., 70, 81, 90, 122, 148, 153, 166, 273, 343, 350, 397,399 – Durchsetzung s. dort – ethische 33 – grundrechtliche 72 ff., 166 ff., 235, 291, 402 s. a. Schutzpflicht – öffentlich-rechtliche und privatrechtliche 148, 153 ff, 260 f., 291, 401 f. – Privater (Bürgerpflichten) 23, 26 ff., 33, 68, 153, 160, 164 ff., 201, 203, 279 f., 343, 397, 402 – Rechtfertigung 116, 173 f., 224, 235 ff., 404 f. – Rechtfertigungsmodell 31, 178, 227, 240 ff., 405 – Rechtsgrund 166, 243 ff., 256, 258, 264, 405 s. a. Polizeipflicht – verfassungsunmittelbare 29, 171, 176, 179 ff., 193 s. a. Grundpflichten – vertragliche 34

– Zweckbezug 241, 257, 405 Pflichtendogmatik s. Dogmatik Pflichtenkollision 55, 198, 201 f. Pflichtnorm 34, 45, 49, 60, 71, 88, 127, 153 ff., 157 ff., 221 ff., 227, 236, 277 ff., 301, 306, 370, 376, 380 ff., 395, 402, 409 s. a. Primärnorm, Verhaltensnorm Pflichtordnung 34 f., 123, 126, 133, 174 Pflichtsubjekt 30, 62 ff., 90, 122, 165, 243 ff., 315 ff., 399 f. Pflichtverletzung 26, 49 f., 68, 71 f., 78, 81, 85, 87, 90, 96, 99, 102, 135 f., 142, 288, 290, 308 f., 365, 394 ff., 400 s. a. Ahndung, Amtspflichtverletzung Pflichtwidrigkeit, Einheit der 30, 62, 122 ff., 143, 296, 399 ff. s. a. Normwidrigkeit, Rechtswidrigkeit Polizei 52 f., 277, 289 ff. – -beamter 69, 144 – -behörde 155 ff., 278, 307 f., 310, 313, 319, 324, 326 – -strafverfügung 352, 365, 409, – -verfügung 190, 233, 274, 278, 288, 298, 324, 326, 352, 409 Polizeiliche(s) – Einschreiten 140, 143, 366 – Handeln, Primär und Sekundärebene 296, 298, 309 ff., 333, 407 – Zuständigkeit, Schutz privater Rechte 156 f., 161, 163, 292, 402 Polizeipflicht 25, 31, 273 ff. – als Gefahrenabwehrpflicht 278 ff., 406 – als Nichtstörungspflicht 184, 274 ff., 365, 406 – materielle 27, 148, 274 ff., 289, 339 f., 365, 406 Polizeirecht 51, 137, 189, 177, 290 ff., 301, 308, 314 ff., 344, 352, 364 – Schutzgüter 187, 277 f., 284, 286, 288 f., 291, 314 s. a. Öffentliche Ordnung, Öffentliche Sicherheit Polizeistrafrecht 352, 409

Sachwortverzeichnis Primärnorm, -regel 37 ff., 71, 154, 162, 239, 278 f. s. a. Verhaltensnorm Prognose 127, 138 f., 296 ff., 312 Prozessstandschaft 160 Realakt 85, 366 Recht – als Bewertungs- und Bestimmungsnorm 44 ff. – dingliches 327, 334 – formelles 37 f., 80, 239, 363, 409 – intertemporales 95 – materielles 37 f., 79 f., 91, 93, 101 f., 105 f., 113, 117, 122, 160, 239, 316, 360 ff., 371, 377, 383 ff., 392 ff., 399, 409 ff. – objektives 35, 212, 376 ff. – obligatorisches 327 – öffentliches und privates 149 ff. – subjektives 35, 39 ff., 81, 83, 115 f., 130, 155 f., 159, 168, 172, 206, 209, 213 f., 220 f., 226 f., 256, 272, 281, 320, 323, 329, 376 f., 380, 396 f., 404 – subjektiv-öffentliches 23, 25, 29, 40, 156, 165, 192, 211, 343, 372, 391, 410 Rechtsakt 77, 230 f. Rechtsbegriff, unbestimmter 236, 345, 356 ff., 385 Rechtsbindung der Staatsgewalt 79, 242 s. a. Grundrechtsbindung Rechts-Dreieck Bürger–Staat–Bürger 29, 165, 210, 258, 272, 374 Rechtsfähigkeit 63 f. Rechtsgrund und Rechtsgrundlage, Unterscheidung 166, 180, 243 Rechtsgut 277 – Relationsbegriff 294 – und Rechtsgüterschutzpflicht 294 f. Rechtsgutbeeinträchtigung 269 ff. Rechtsgutverletzung 138 f., 141, 293, 295, 297, 406 Rechtsgüterschutzpflicht 29, 186 f., 267, 291 ff., 304, 306, 377, 406 – als Grundpflicht 178 ff.

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– des Staates 31, 166, 402 – erfolgsbezogene 297, 300 – Grundrechtsrelevanz, doppelte 258 ff., 405 f. – Privater 148 ff., 188, 192, 205, 273, 402, 405 – privatrechtliche 260 f. – strafrechtliche 161 ff. – verfassungsrechtliche 173 ff. Rechtskonkretisierung 187, 228, 242, 362, 378, 390 f. – Befugnis, Ermächtigung, Kompetenz 236 f., 372, 378 f., 392, 405 Rechtsmacht 41 f., 160, 165, 373 Rechtsnachfolge(r) 133, 274 Rechtsordnung – als Pflichtordnung 34 ff. – Dynamisierung 95 – Einheit der 51, 122, 331 – Komplexität 36 – Stufenbau der 170, 172, 402 – Unversehrtheit der 163, 278, 284 – Widerspruchsfreiheit 54 Rechtsprechung 62, 382 Rechtsschutz 38, 190, 229, 393 – des Nachbarn 373 Rechtsschutzauftrag der Verwaltung 394 Rechtsschutzgewährleistung 378, 394 Rechtssicherheit 277 Rechtsstaat 167, 175, 181, 184, 390 – Bestimmheitsgebot 133 – rechtsstaatliches Verteilungsprinzip 115, 179 – Rechtsstaatsprinzip 188, 363, 386, Rechtssystem 35, 40, 60, 397 Rechtsverordnung 97 f. Rechtsweg 150, 155 Rechtswegerschöpfung 229 Rechtswidrigkeit 30, 82, 134, 195, 268, 296 – als Pflichtwidrigkeit 42 ff., 71, 99, 102, 398, 401

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Sachwortverzeichnis

– Erfolgsunrecht 34, 47, 59, 70, 82, 85, 295 f. – \;gespaltene\( 51, 53 f., 62, 68, 398 – Handlungs- bzw. Verhaltensunrecht 34, 47, 50, 59, 70, 76, 82, 84, 295 – nachträgliche 50, 61, 83, 88 ff., 102 ff., 400 – objektive 44, 297, 300 – Relativität 61 ff., 109, 122, 399 – Zustandsunrecht 43 ff., 50, 59, 83, 87, 89, 397 Rechtswidrigkeitsbegriff 30, 43, 47 f., 50 f., 57, 100, 143, 297, 300, 398 – im Staatshaftungsrecht 81, 85 – strafrechtlicher 30, 146, 195, 401 s. a. Normwidrigkeit – verhaltensbezogener 30, 43, 48, 59, 61, 67, 71, 316, 398 f. Rechtswidrigwerden s. Rechtswidrigkeit, nachträgliche Regeln – Entscheidungsregeln 37 f. – und Prinzipien 367 – Verhaltensregeln 37 f., 303 Remonstration 55 Richtervorbehalt 363 Rückwirkungsverbot 300 Sachentscheidungsinteresse 120 Sanktionsnorm 39, 71, 123 ff., 139, 142, 158, 292 ff., 387, 396, 401 s. a. Sekundärnorm – polizeirechtliche 140 f. – privatrechtliche 268, 277, 406 – strafrechtliche 124, 136 ff., 145, 148, 154, 161 ff., 195, 268, 277, 279, 402, 406 Satzung(sbefugnis) 97 Schuld s. Verschulden Schuldprinzip 123, 308 Schulpflicht 25, 148 Schutzpflicht, grundrechtliche 29, 31, 72 ff., 78 f., 167 ff., 192, 201, 203, 264 ff., 272, 399, 403

– als Eingriffstitel 265 – Untermaßverbot 76, 265 Sekundärnorm, -regel 37 ff., 140, 154, 162 ff., 239, 279, 396 s. a. Sanktionsnorm Selbstgefährdung 156 Selbsthilfe 178 ff., 191, 269 Sonderopfer 218, 254 Sonderrechtstheorie 28, 62, 152 ff., 157, 159 f. Sorgfaltspflicht 27, 59, 142 ff., 316, 401 Sozialnorm 302 Sozialversicherung 211 Sozialverwaltungsrecht 102 Staatsanwalt(schaft) 349 f., 358 f., 361 f. Staatsaufgaben 25, 65, 248, 279 Staatsaufsicht 345, 364 f. Staatshaftungrecht 81, 137 status negativus 73 Steuern und Abgaben 247, 253 – Äquivalenzprinzip 251 f. – Gebühren und Beiträge 248 f., 251 – Gemeinlasten 248 – Lenkungsabgaben, 50 – Sonderabgaben 248 f. – Vorzugslasten 248 Steuer- und Abgaben– -pflichten 25, 50, 148, 248, 365 – -recht 247 Störer 269, 271, 279 f., 309,319 s. a. Verantwortlichkeit – Anscheinsstörer 274, 310 – Handlungsstörer 331 s. a. Verhaltensverantwortlichkeit – Verdachtstörer 274, 310 – Zustandsstörer 187, 331 s. a. Zustandsverantwortlichkeit Störerbestimmungen 276, 279 f., s. a. Adressatennormen Strafbewehrung 124, 163 f., 194, 386 Strafprozessrecht, Strafverfahrensrecht 344, 346 f., 353, 361, 364, 408 f. – Inquisitionsprozess 349

Sachwortverzeichnis – Reform 349 ff. Strafrecht 26 ff., 52, 126, 131 ff., 140, 146, 161 ff., 268, 291 ff., 347, 385 ff., 391, 406, 409, – (Verwaltungs-)Akzessorietät 28, 30, 56 ff., 123, 125 f., 133 f., 398, 400 f. Straftat 27, 57, 349, 365, 385, 409 Straftatbestand 34, 58, 125, 136 ff., 141, 145 f., 193 f., 358, 365, 387 Strafverfolgung 346, 348 f., 351, 358, 361 f. Strafverfolgungs– -behörde, -organe 124, 346 f., 350, 365, 385 – -pflicht 350 ff., 356, 362, 387 Strafverzichtsregelung 387 Subjektstheorie 152 ff., 157, 402 Tatbestandstheorie, weite 203 ff. Treu und Glauben 120, 341 Treuepflicht, beamtenrechtliche 250 Übermaßverbot s. Verhältnismäßigkeit Umwelt– -recht, -verwaltungsrecht 25, 58, 344, 346 f., 371 – -strafrecht 28, 57 Unterlassungsdelikt 27, 294 Unterlassungspflicht 225, 253, 290 – grundrechtliche 73, 77 f., 84 f., 87 f., 95, 166 ff., 201 ff., 257, 267, 399 ff. Verantwortlichkeit, polizeirechtliche 26, 137, 233, 240, 273 f., 276, 281 f., 291, 303, 305 ff., 316 f., 322 s. a. Verhaltensverantwortlichkeit, Zustandsverantwortlichkeit Verbandsklage 160 Verbot, präventives und repressives 129 f. Verfahren – äußeres 80, 91, 99 – inneres 80, 91, 99, 297 Verfassungsbeschwerde 228 f., 238

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– unmittelbare Betroffenheit 228 ff. Verfassungsgerichtsbarkeit, Vorrang der Fachgerichtsbarkeit 229 Verhaltensnorm 37, 39, 46, 48, 124, 131, 136, 140 ff., 146, 160, 287, 291 f., 301, 306, 365, 401 f., 406 f. s. a. Pflichtnorm, Primärnorm – als Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB 154, 158, 162, 402 – aus Sanktionsnormen abgeleitete 125, 136 ff., 276 f., 294 – strafrechtliche 34, 162 ff. – Verhaltenssteuerung 142 f., 295 Verhaltenspflicht 136, 139, 253 f., 295, 365, 401 Verhaltensverantwortlichkeit 27, 31, 143, 251, 274, 277 f., 282 ff., 318, 406 f. – Adäquanztheorie 284 f., 293 – Akzessorietät 287 ff., 292, 301, 329, 406 – Äquivalenztheorie, Kausalität 283 f., 293 – Mehrheit von Verursachern 306 ff., 407 – Rechtsgrund 304, 306, 407 – rechtswidrige Verursachung 140, 144, 274, 286 f., 306, 309, 314, 406 – Risikozuweisung 286 – Sozialadäquanz 286 – und öffentliche Ordnung 301 ff., 406 – unmittelbare Verursachung 285 ff., 290, 314 – Verursacherbegriff, subjektiver 274, 317, 407 – Verursachung 283, 289, 292, 303, 305 ff., 314, 318, 406 – Verursachungsbeitrag 251, 307 ff., 318, 407 – Verursachungstheorien, Zurechnungslehren 282 ff., 314, 318, 407 Verhältnismäßigkeit 74, 171, 177 f., 180, 215 f., 234, 237 f., 243, 247, 252, 255 ff., 263, 273, 277, 282, 289, 332 f., 392 f., 404 f., 408, 410

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Sachwortverzeichnis

– Eignung, Geeignetheit 256 f., 261 – Erforderlichkeit 256 f., 261 f. – im engeren Sinne, Angemessenheit 256 f., 261 f. Verkehrssicherungspflicht 294 Verschulden, Schuld 28, 43, 87, 134, 139 f., 145, 195, 293 f., 348 Vertikalverhältnis Bürger–Staat 165, 201, 210, 258, 259, 405 s. a. Horizontalverhältnis Vertragsfreiheit 204 Vertrauensschutz 95, 132 Verwaltungsakt 82 ff., 88 ff., 127, 190, 365, 370 – Aufhebung 50, 82, 85, 103 f., 107 f., 119, 400 – Begründung 381 – belastender 56, 127, 315 – Erledigung 112 – innere Wirksamkeit 106, 112 – mit Dauerwirkung 105, 110 ff., 400 – nachträgliche Rechtmäßigkeit 100 – nachträgliche Rechtswidrigkeit 102 ff., 400 – Nichtigkeit 132 – pflichtenbegründender 114 ff., 119 – Regelungsdauer und Wirksamkeitsdauer 109, 112 f., 400 – Regelungswirkung 91 ff., 97 ff., 102, 106, 109 ff., 115, 121 f., 298 f., 400 – Rücknahme 58 – Titelfunktion 279, 369 – Vollstreckbarkeit 112, 368 – Widerruf 50, 103, 107 f., 118 – Wirksamkeit 111 ff., 121, 131, 369, 400 Verwaltungsaktakzessorietät 56 ff., 398, 400 f. Verwaltungsaktbefugnis s. Handlungsform-Vorbehalt Verwaltungsprozessrecht 102 Verwaltungsverfahrensrecht 344, 353

Vorbehalt des Gesetzes 52, 74, 69, 188, 227, 263, 265, 277, 339, 343, 359 f., 368, 376, 404 – Parlamentsvorbehalt 386, 388 f., 410 Vorrang – der Verfassung 232, 259 – des Gesetzes 339, 360, 380 Vorsatz 133, 137, 139 f., 145, 146, 292 f. Waffenrecht 58 Wehrpflicht 25, 148, 176 f. Weimarer Reichsverfassung 173, 208 Weisung, dienstliche 55 f., 398 Widmung 114 Wirtschaftsverwaltungsrecht, Öffentliches Wirtschaftsrecht 58, 371 Wissenshorizont 144, 296 ff., 313, 401, 407 Zuordnungstheorie 152 f., 157 Zustandsverantwortlichkeit 27, 31, 186, 205, 278, 304, 317 ff., 407 – Akzessorietät 329 – als Inhalts- und Schrankenbestimmung s. Eigentum – Begrenzung 251, 274, 325, 330, 335, 338, 408 – des Derelinquenten 339 ff. – des früheren Eigentümers 339 ff. – des unberechtigten Besitzers 328 – Korrelation von Nutzen und Lasten 321, 334 f., 337 f., 340 ff., 408 – rechtliche Sachherrschaft 276, 319, 321, 325 ff., 341 f., 407 f. – Rechtsgrund 319 ff., 340, 407 – Risikozuweisung 331 – Sachherrschaftsmodell 320 ff. – tatsächliche Sachherrschaft 276, 319, 321 f., 325 ff., 407 – und Sozialbindung des Eigentums 319, 324 ff. Zwangsarbeit 245 Zweckveranlasser 274