Rechtsfolgen irrtümlicher Rechtsanwendungsfehler von Mehrwertsteuerpflichtigen: Eine Untersuchung zur Rechtslage in Deutschland mit rechtsvergleichenden Aspekten zu ausgewählten EU-Mitgliedstaaten 9783504386832

Das Mehrwertsteuersystem ist betrugsanfällig. Daher werden dem Steuerpflichtigen zahlreiche Beleg-, Nachweis- und Dokume

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German Pages 526 [532] Year 2019

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Rechtsfolgen irrtümlicher Rechtsanwendungsfehler von Mehrwertsteuerpflichtigen: Eine Untersuchung zur Rechtslage in Deutschland mit rechtsvergleichenden Aspekten zu ausgewählten EU-Mitgliedstaaten
 9783504386832

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Alexander Zitzl Rechtsfolgen irrtümlicher Rechtsanwendungsfehler von Mehrwertsteuerpflichtigen

Schriften zum Umsatzsteuerrecht Band 32

Herausgegeben vom UmsatzsteuerForum e.V. – Vereinigung zur wissenschaftlichen Pflege des Umsatzsteuerrechts –

Rechtsfolgen irrtümlicher Rechtsanwendungsfehler von Mehrwertsteuerpflichtigen Eine Untersuchung zur Rechtslage in Deutschland mit rechtsvergleichenden Aspekten zu ausgewählten EU-Mitgliedstaaten

von

Dr. Alexander Maximilian Nikolaus Zitzl München

2019

Erstgutachter: Prof. Dr. Joachim Englisch Zweitgutachter: Prof. Dr. Hans-Michael Wolffgang Dekan: Prof. Dr. Janbernd Oebbecke Tag der mündlichen Prüfung: 10. Oktober 2017 D6 Zugleich: Münster (Westf.), Univ., Diss. der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, 2017

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-62232-9 ©2019 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Druck und Verarbeitung: Stückle, Ettenheim Printed in Germany

Meiner ganzen Familie

.

Geleitwort Der umsatzsteuerpflichtige Unternehmer soll durch die Umsatzsteuer regelmäßig nicht selbst belastet werden; er wird als „Steuereinsammler“ im Dienste des Fiskus tätig. Der Steuergesetzgeber erwartet von ihm dabei die selbständige Anwendung der umsatzsteuerrechtlichen Bestimmungen und statuiert außerdem diverse Beleg-, Dokumentations- und Nachweispflichten. Die komplexen materiell-rechtlichen wie verfahrensrechtlichen Anforderungen bergen vor allem wegen der tatbestandlichen Anknüpfung an einzelne Transaktionen die Gefahr, insbesondere im Massengeschäft irrtümlich Rechtsanwendungsfehler zu begehen oder Form­ erfordernisse versehentlich nicht zu beachten. Folge derartiger unbe­ absichtigter Verstöße gegen mehrwertsteuerliche Vorgaben können die zeitweise oder definitive Versagung von Steuerbefreiungen oder Vorsteuerabzug ebenso wie die Auferlegung zusätzlicher Steuerbelastungen sein; zudem drohen Zinsbelastungen und Sanktionen. Alexander Zitzl zeigt in seiner Dissertation auf, wo die Grenzen der Befugnisse der EU und insbesondere der Mitgliedstaaten verlaufen, nachteilige Rechtsfolgen an irrtümliche Rechtsanwendungsfehler der Steuerpflichtigen zu knüpfen. Er rekurriert dabei vor allem auf die Prinzipien und Grundwertungen des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts, aber auch auf konkrete richtlinienrechtliche Vorgaben und Ermächtigungen. Die zunächst abstrakt gewonnenen Erkenntnisse bringt er sodann anhand zweier ausgesuchter Problemstellungen kenntnisreich und scharfsinnig zur Entfaltung und entwickelt dabei dogmatisch stimmige, wohlabgewogene und praxistaugliche Lösungsansätze. Ein zentrales Anliegen der Bearbeitung ist es dabei, die definitive Versagung materiell-recht­ licher Rechtspositionen bzw. die definitive Auferlegung von steuerlichen Mehrbelastungen einer strengen Verhältnismäßigkeitskontrolle zu unterwerfen und nur ausnahmsweise zuzulassen. Alexander Zitzl legt damit einen Grundstein für eine leistungsfähige und in sich schlüssige Lehre der Sanktionierung von Rechtsanwendungsirrtümern im harmonisierten Mehrwertsteuerrecht. Die Aktualität und Relevanz seiner Schrift wird noch dadurch unterstrichen, dass sich der EuGH ebenso wie der BFH im vergangenen Jahr vielfach mit Fragestellungen der von ihm untersuchten Art zu befassen hatten und derzeit noch zahlreiche weitere Verfahren anhängig sind. Münster, August 2019

Prof. Dr. Joachim Englisch VII

Vorwort Das Mehrwertsteuersystem und seine Umsetzung hängen wesentlich von der Rechtsanwendung durch die Steuerpflichtigen ab. Nur ihr systemkonformes Zusammenwirken als Leistender und gegebenenfalls auch als Leistungsempfänger verwirklicht sowohl das Besteuerungsziel der Mehrwertsteuer als indirekte Verbrauchsteuer wie auch das Versprechen der Neutralität der Besteuerung für die Steuerschuldner. Eine korrekte Rechtsanwendung vorausgesetzt, bedarf es dazu der Mitwirkung der Finanzbehörden nur noch im Rahmen der Auszahlung von Vorsteuerüberschüssen. Die Finanzbehörden können sich im Wesentlichen auf die nachlaufende Überprüfung der Rechtsanwendung durch die Steuerpflichtigen beschränken. Fehler können zwar nachträglich im Rahmen der Festsetzung korrigiert werden. Die wirtschaftlichen Auswirkungen auf Seiten der Steuerpflichtigen, wie auch die fiskalischen Folgen einer solchen Korrektur, lassen sich aber häufig, Jahre nach der Steuerentstehung, nicht mehr ausgleichen. Grund hierfür ist die indirekte Erhebungstechnik. Es drohen eine nicht neutrale Effektivbelastung der Steuerpflichtigen mit Mehrwertsteuer bzw. Steuerausfälle. Unweigerlich stellt sich dann die Frage, wer die Lasten eines solchen Fehlers zu tragen hat. Der Ansatz, dass die Folgen vom demjenigen zu tragen sind, dem der Rechtsanwendungsfehler unterlaufen sei, greift dabei deutlich zu kurz. Denn praktisch fußt die gesamte Steuererhebung auf der Rechtsanwendung durch den Steuerpflichtigen. Er hätte stets die Folgen eines Rechtsanwendungsfehlers zu tragen. Unbeachtet bleibt dann insbesondere, dass der Steuerpflichtige zwar das Recht anzuwenden hat, aber nicht selten, systembedingt, nicht sämtliche relevanten Tatsachen kennt oder überprüfen kann. Vor diesem Hintergrund sucht die vorliegende Arbeit einen Ausgleich zwischen dem Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens und dem Interesse der Steuerpflichtigen an einer Begrenzung ihrer Verantwortlichkeit für das Steueraufkommen. Angesichts der Harmonisierung des Mehrwertsteuerrechts, kann sie sich dabei sinnvollerweise nicht auf das deutsche Umsatzsatzsteuerrecht beschränken. Vielmehr versucht diese Arbeit Lösungsansätze sowohl im zugrundeliegenden harmonisierten Mehrwertsteuerrecht, wie auch in Anlehnung an die Praxis in anderen Unionsmitgliedstaaten zu finden. Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2017 von der Juristischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster angenommen. Literatur und Rechtsprechung wurden bis Mitte 2017 und im Anschluss vereinzelt noch berücksichtigt. IX

Vorwort

Mein Dank gilt allen, die mich vor und während der Erstellung dieser Arbeit unterstützt haben. Allen voran danke ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Joachim Englisch. Er hat diese Arbeit angeregt, stand mir stets mit Anregungen und für Diskussionen zur Verfügung und hat zügig das Erstgutachten erstellt. An dieser Stelle sei ihm auch für die Förderung, insbesondere auch auf internationaler Ebene, und die Vermittlung vieler Kontakte während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut in Münster ganz herzlich gedankt. Für die tolle Zeit am Institut danke ich dem gesamten damaligen Lehrstuhlteam, insbesondere Frau Mechthild Rövekamp und meinem Zimmerkollegen Dr. Jens Stenmans. Herrn Prof. Dr. Hans-Michael Wolffgang danke ich sehr für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Für die großzügige Förderung der Veröffentlichung und der Aufnahme in diese Schriftenreihe danke ich dem UmsatzsteuerForum e.V. mit seinem Vorstand und wissenschaftlichen Beirat. Auch soll an dieser Stelle ganz besonders Herr Prof. Dr. Christian W. Lohse erwähnt werden. Er hat mich während meines Studiums mit seiner unvergleichlichen Art für das Mehrwertsteuerrecht begeistert. Ohne ihn und seine Inspiration hätte ich wohl keine Arbeit im Mehrwertsteuerrecht verfasst. Meinen lieben Freunden Judith und Claus Engelhart danke ich sehr für die orthographische Korrektur des Manuskripts. Meiner ganzen Familie bin ich für ihre immerwährende Unterstützung zu Dank verpflichtet. Besonders hervorheben möchte ich aus dem Kreis dieser wunderbaren Familie meine Eltern, meinen Bruder und meine liebe Caroline. Der vorbehaltlose Rückhalt meiner Eltern und meines Bruders haben mich stets auf meinem Weg bestärkt. Diesen wunderbaren Weg gehe ich seit nunmehr 8 Jahren zusammen mit Caroline; seit eineinhalb Jahren gar zu dritt zusammen mit unserer lieben Lena. Caroline hat mich jederzeit bereitwillig und liebevoll mit Rat, Tat und Zuspruch beim Vorantreiben dieser Arbeit unterstützt. Dafür bin ich ihr sehr, sehr dankbar. Das Beste an dieser Arbeit ist, dass sie mich nach Münster und uns damit zusammengeführt hat. München, August 2019

X

Alexander Zitzl

Inhaltsübersicht

Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Teil I Spektrum der Rechtsanwendungsfehler und ­Sanktionsfolgen A. Die getrennte Qualifikation von Rechtsanwendungs­fehlern und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 B. Relevante Rechtsanwendungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 I. Materielle Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 II. Formelle Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 C. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 I. Materiell wirkende Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 II. Formelle Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Teil II Vorgaben des Unionsrechts A. Primärrecht – Die allgemeinen Grundsätze des ­Unionsrechts . 31 I. Allgemeine Geltung der Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Grundsatz der Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 III. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 IV. Grundsatz des Vertrauensschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 B. Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien und Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 I. Grundsatz der steuerlichen Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 XI

Inhaltsübersicht

II. Verbrauchsteuerprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 III. Verbrauchsortprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 IV. Gesetzessystematische Verwirklichung der grundlegenden ­Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 C. Befugnis der Mitgliedstaaten zur Ergreifung von Maßnahmen zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Steuerausfällen und zur genauen Erhebung der Steuer . . . . . . . . . . . . . . . 86 I. Die Befugnis zur Festlegung von Mitwirkungspflichten . . . . . . 87 II. Rechtsquellen der Befugnis zur Sanktionierung von (­Mitwirkungs-) Pflichtverstößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 III. Umfang der Befugnis zur Sanktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 IV. Die Suspendierung materieller Rechtspositionen . . . . . . . . . . . 150 V. Verzinsungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Teil III Analyse einzelner Fehlerfolgenregime mit ­rechtsvergleichenden ­Aspekten A. Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . 173 I. Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis in Deutschland . . . . 174 II. Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis im Vereinigten Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 III. Die Qualifikation des Fehlers – die Rechtsnatur des Rechnungserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 IV. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 V. Würdigung der deutschen Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 VI. Würdigung der Rechtslage im Vereinigten Königreich . . . . . . . 329 VII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 B. Die Verwendung einer nicht vom Bestimmungsland ­ausgestellten Mehrwertsteueridentifikationsnummer zum ­Zwecke des innergemeinschaftlichen Erwerbs . . . . . . . . . . . . . 352 I. Allgemeines – die Besteuerung im Identifikationsstaat . . . . . . 352 II. Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis in Deutschland . . . . 356 III. Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis in Österreich . . . . . . 358 IV. Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis im Vereinigten Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 V. Die Qualifikation des Rechtsanwendungsfehlers . . . . . . . . . . . 366 VI. Kritische Würdigung der unionsrechtlichen Vorgaben . . . . . . . 367 VII. Umsetzungsvorgaben für das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . 413 XII

Inhaltsübersicht

III. Anmerkungen zur Rechtslage in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . 428 V IX. Anmerkungen zur Rechtslage im Vereinigten Königreich . . . . 431

Zusammenfassung Teil I

Spektrum der Rechtsanwendungsfehler und ­Sanktionsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 Teil II Vorgaben des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 Teil III Analyse einzelner Fehlerfolgenregime mit ­rechtsvergleichenden Aspekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449

Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467

XIII

Inhaltsverzeichnis

Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Teil I Spektrum der Rechtsanwendungsfehler und ­Sanktionsfolgen A. Die getrennte Qualifikation von Rechtsanwendungs­fehlern und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 B. Relevante Rechtsanwendungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 I. Materielle Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 II. Formelle Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 C. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 I. Materiell wirkende Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Aberkennung mehrwertsteuerlicher Rechtspositionen . . . . 17 2. Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 II. Formelle Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 a) Grundsätzliche Systematik und Zielsetzung . . . . . . . . . . 17 b) Rechtsvergleichende Darstellung der Verzinsungsregime ­ausgewählter Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Verwaltungsstrafen/Penalties . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 a) Bußgelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 b) Aufschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 c) Die Gemeinsamkeit der Sanktionsregime . . . . . . . . . . . . . 30

XV

Inhaltsverzeichnis

Teil II Vorgaben des Unionsrechts A. Primärrecht – Die allgemeinen Grundsätze des ­Unionsrechts . 31 I. Allgemeine Geltung der Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Grundsatz der Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1. Geltung für die Legislative – Rückwirkung von Gesetzen . . 31 2. Geltung im Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 III. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Unionsorgane als Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 a) Art. 5 Abs. 4 EUV – Bindung der Union im Handeln ­gegenüber den Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 b) Bindung bei Eingriffen in Individualinteressen . . . . . . . . . 36 2. Mitgliedstaaten als Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3. Inhalt des ungeschriebenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 a) Legitimes Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 b) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 c) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 d) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 aa) Generell unregelmäßige Anwendung einer Angemessenheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 bb) Regelmäßige Angemessenheitsprüfung im Mehrwertsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 cc) Objektiver Maßstab der Angemessenheitsprüfung durch den EuGH im Mehrwertsteuerrecht . . . . . . . . . 43 IV. Grundsatz des Vertrauensschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 B. Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien und Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 I. Grundsatz der steuerlichen Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 II. Verbrauchsteuerprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 III. Verbrauchsortprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 IV. Gesetzessystematische Verwirklichung der grundlegenden ­Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Besteuerung des Leistenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 a) Wettbewerbsneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 aa) Wettbewerbsneutralität als sekundärrechtliche ­Ausgestaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes – ­Kritische Anmerkungen zur Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 XVI

Inhaltsverzeichnis

bb) Die technische Umsetzung des Postulats der Wettbewerbs­neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 b) Neutralität des Steuerpflichtigenbegriffs . . . . . . . . . . . . . . 63 aa) Abschließende Begriffsdefinition in Art. 9 – 13 ­MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 bb) Rechtsformneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 cc) Autonomie des Steuerpflichtigenbegriffs . . . . . . . . . . 66 c) Belastungsneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 d) Verbrauchsteuerprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 e) Das Verhältnis von (Belastungs-)Neutralität und ­Verbrauchsteuerprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2. Besteuerung des Leistungsempfängers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 a) Wettbewerbsneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Verbrauchsteuerprinzip – Vorsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . 74 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 bb) Der Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug . . . . . . . . 76 cc) Grundsatz des Sofortabzugs – Liquiditätsneutralität . 78 (1) Kumulative Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs – Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug und Besitz einer Rechnung . . . . . . . . . . . . . 79 (2) Unabhängigkeit des Vorsteuerabzugs von der ­Besteuerung des Leistenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (3) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 c) Verbrauchsortprinzip – Territoriale Zuordnung von ­Besteuerungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 C. Befugnis der Mitgliedstaaten zur Ergreifung von Maßnahmen zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Steuerausfällen und zur genauen Erhebung der Steuer . . . . . . . . . . . . . . . 86 I. Die Befugnis zur Festlegung von Mitwirkungspflichten . . . . . . 87 1. Art. 178 Buchst. b, d, f M ­ wStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Art. 131 ­MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Vorfrage: Handeln als Steuerpflichtiger im Sinne von Art. 138 M ­ wStSystRL – die Qualität der Mehrwertsteuer­ identifikations­nummer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 b) Verwendung einer Identifikationsnummer als materielle ­Voraussetzung im Rahmen des Art. 138 ­MwStSystRL gestützt auf Art. 131 ­MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 aa) Systematische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 bb) Teleologische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 cc) Verhältnismäßigkeitserwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . 100 c) Generelle Schlussfolgerungen – die rein formelle Natur des Art. 131 ­MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 XVII

Inhaltsverzeichnis

3. Art. 273 M ­ wStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Der Begriff der Pflichten im Sinne von Art. 273 Abs. 1 ­MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Die ausdrücklichen Grenzen der Befugnisse gem. Art. 273 ­MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 c) Die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts als Grenzen der Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 II. Rechtsquellen der Befugnis zur Sanktionierung von (­Mitwirkungs-) Pflichtverstößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Sanktionsbefugnis gemäß Art. 254 ff., 267 M ­ wStSystRL . . . 109 2. Sanktionsbefugnis aus Art. 131 M ­ wStSystRL . . . . . . . . . . . . 110 3. Sanktionsbefugnis aus Art. 273 M ­ wStSystRL . . . . . . . . . . . . 110 a) Sanktionierung von Mitwirkungspflichtverstößen . . . . . . 110 b) Umfassende Sanktionsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4. Verpflichtung zur Sanktionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 III. Umfang der Befugnis zur Sanktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Der gemeinsame Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Die unterschiedlichen Sanktionsrichtungen . . . . . . . . . . . . . 120 a) Materiell wirkende Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 aa) Grundsatz: Unionsrechtswidrigkeit materieller Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 bb) Ausnahmsweise Verhältnismäßigkeit der Aberkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) Nicht materiell wirkende Sanktionsmechanismen – ­Verwaltungsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Zwecksetzung der Sanktionsbefugnis als Grenze der Sanktions­befugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 bb) Rechtmäßigkeit der Sanktion im Einzelnen . . . . . . . . 129 (1) Art und Schwere des Verstoßes bei formellen Fehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (a) Verstoß gegen sekundärrechtlich definierte Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (b) Verstoß gegen mitgliedstaatlich bestimmte Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (c) Gleichbleibender Prüfungsmaßstab unabhängig von der R ­ echtsgrundlage der verletzten Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (d) Subjektive Vorwerfbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (2) Art und Schwere des Verstoßes bei materiellen Fehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 XVIII

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(3) Konsequenz: Subjektive Vorwerfbarkeit bei formellen Verstößen erforderlich . . . . . . . . . . . . . . 139 (4) Doppelrelevante Rechtsanwendungsfehler . . . . . . 139 (5) Die Verhältnismäßigkeit der Methoden zur Bestimmung der Sanktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (a) Sanktionsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (b) Sanktionshöhe: Grundsatz der Proportionalität zum betroffenen Steuerbetrag . . . . . . . . . . . . . 141 (c) Ausnahme: Alternativer Maßstab bei Unermittelbarkeit des betroffenen Steuerbetrages . 144 (d) Kein Verstoß proportionaler Sanktion gegen Wettbewerbsneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (e) Kein Verstoß gegen Art. 401 ­MwStSystRL . . . 147 cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 IV. Die Suspendierung materieller Rechtspositionen . . . . . . . . . . . 150 1. Ausgangspunkt und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Rechtlicher Rahmen der Zurückbehaltungsentscheidung . . 151 3. Schlüsse aus der Rechtsprechung zur Korrektur des ­ unrichtigen Steuerausweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Durch die Korrektur betroffener Besteuerungszeitraum – Korrektur mit Wirkung für den Zeitpunkt des Wegfalls der Gefährdung des Steueraufkommens . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Entfall der Gefährdung mit Zusendung einer korrigierten Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 4. Erstrechtschluss – Keine Suspendierung lediglich a­ ufgrund  von mangelnden Nachweisen bei materiell ­korrekter ­Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Gefährdungslage und sekundärrechtliche Regelungstechnik zur Aufkommenssicherung beim unrichtigen Steuerausweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Vergleichbarkeit der Gefährdungslagen . . . . . . . . . . . . . . . 159 c) Wertungskongruenz auch ohne sekundärrechtliche Haftungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 5. Rechtsdogmatische Erwägungen – der materielle Gehalt des Verwirklichungszeitpunktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 V. Verzinsungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Verzinsung als anerkannte Methode zur Liquiditätskorrektur zugunsten des Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Verzinsungsbefugnis zur Abschöpfung von Liquiditäts­vorteilen zu Lasten des Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Fazit: Verzinsung als unionsrechtlich zulässige formelle Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 XIX

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Teil III Analyse einzelner Fehlerfolgenregime mit ­rechtsvergleichenden ­Aspekten A. Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . 173 I. Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis in Deutschland . . . . 174 II. Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis im Vereinigten Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Grundsatz – Rückwirkung der Rechnungskorrektur . . . . . . 175 2. Verfahren ohne Rechnungskorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Alternativbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 b) Keine Rückwirkung der Vorsteuerabzugsgewährung . . . . 178 c) Korrekturmechanismen ohne Rechnungskorrektur . . . . . 178 aa) Korrektur durch Anpassung der laufenden Voranmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 bb) Korrektur durch „separate notification“ an die HMRC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 cc) Unerheblichkeit der Wahl des Korrekturmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 d) Penaltyregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 aa) Grundsätze des Bußgeldregimes . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 bb) Reduktion des Bußgeldes durch Offenlegung des Fehlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 cc) Bedeutung der Korrekturmethode für Bußgelder . . . . 183 dd) Möglichkeiten des Entfalls des Bußgeldes bei Nachweis der ­Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges ohne Rechnungskorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 e) Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 bb) Absehen von der Verzinsung – „commercial restitution“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 III. Die Qualifikation des Fehlers – die Rechtsnatur des Rechnungserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 IV. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Die Grundfrage – der unionsrechtlich korrekte Entlastungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. Die Rückwirkung der Rechnungsberichtigung . . . . . . . . . . . 195 a) Ausgangspunkt – Der Widerspruch zwischen Ausübungs­ voraussetzung und formeller Qualität der Rechnung . . . . 195

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b) Nicht nur deklaratorischer Hinweis auf die allgemeine ­Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 c) Der Zweck des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL . . . . . . . . 197 d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 e) Der atypische Fall: Vorsteuerabzug mit unerkannt unrichtiger Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 aa) Der wertungsmäßige Unterschied zum typischen Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 bb) Verhältnismäßigkeit der Risikotragung bei Fehlbeurteilung der Tauglichkeit der Rechnung zulasten des Vorsteuerabzugsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (1) Keine zulässige Sanktion der mangelnden Überprüfung der ­Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (2) Keine generelle Ausfallhaftung des Rechnungsempfängers – Keine verhältnismäßige Ausweitung des Risikobereiches des Rechnungsempfängers . . 203 (3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei ­Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (4) Abstrakt zumutbarer Gegenstand der Rechnungsüberprüfung bei Steuerhinterziehung durch den Leistenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (a) Datumsangaben, Art. 226 Nr. 1, 7 ­MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (b) Rechnungsnummer, Art. 226 Nr. 2 M ­ wStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (c) Angaben betreffend den Leistenden – Mehrwertsteueridentifikationsnummer, Name und Anschrift, Art. 226 Nr. 3, 4, 5 ­MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (d) Leistungsbeschreibung, Art. 226 Nr. 6 ­MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (e) Hinweispflichten Art. 226 Nr. 7a, 10a, 11, 11a ­MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (f) Steuerbemessungsgrundlage, Steuerbefreiungen, Mehrwertsteuersatz und -betrag – Art. 226 Nr. 8, 9, 10 M ­ wStSystRL . . . . . . . . . . 215 (5) Konkret zumutbarer Umfang der Prüfung . . . . . . 217 cc) Kein Ausschluss der Rückwirkung der Rechnungsberichtigung durch Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL . 219 XXI

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f) Die Erforderlichkeit der rückwirkenden Rechnungskorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 aa) Keine Widersprüchlichkeit der Rechtsprechung . . . . 221 bb) Keine ausdrückliche Rechtsprechung des EuGH vor Senatex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 cc) Begründungsansätze der Rechnungsberichtigung ex tunc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (1) Unerheblichkeit des Grundsatzes des Vertrauensschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (2) Rückwirkende Rechnungsberichtigung als Gebot der verhältnis­mäßigen Anwendung des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 3. Reichweite der Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 a) Die unionsrechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 b) Die Maßgeblichkeit der nationalen Verfahrensordnungen 230 aa) Kein Fall des Art. 182 ­MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . 231 bb) Maßgeblichkeit der letztmöglichen Tatsachenberücksichtigung im nationalen Verfahrensrecht . . . . . . . . . 233 4. Mindestanforderung an die erstmalige Rechnung . . . . . . . . . 234 a) Maßgeblichkeit der verhältnismäßigen Risikotragung . . . 235 b) Erforderliche Rechnungsangaben im Einzelnen . . . . . . . . 237 c) Zumutbarer Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 5. Rechnungskorrektur ohne Mitwirkung des Rechnungs­erstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 a) Rechnungsberichtigung durch Gutschrift ohne Zustimmung des Rechnungserstellers . . . . . . . . . . . . . . . . 241 b) Gutschrift bei Wegfall des Rechnungserstellers . . . . . . . . 242 c) Gutschrift bei Unwilligkeit des Rechnungserstellers . . . . 243 aa) Ausgangspunkt: Die Verpflichtung des Rechnungserstellers zur Korrektur der Rechnung . . . . . . . . . . . . 244 bb) Mitwirkungspflicht des Rechnungserstellers an der Korrektur­gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 cc) Entfall der steuersystemimmanenten Durchsetzungsmöglichkeit bei nachträglich erforderlicher ­Rechnungskorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 dd) Verfahrensmöglichkeiten bei unwilligem Rechnungsersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (1) Rechnungskorrektur ohne den Rechnungsersteller zur Vermeidung ungerechtfertigter Vorteile des Leistenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

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(2) Keine Schutzwürdigkeit des übergangenen Rechnungserstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (3) Beschränkungen durch die grundsätzliche Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung durch die Steuerbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (4) Konsequenz – Verzicht auf mitwirkungsbedürftige Korrektur­gutschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 6. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 V. Würdigung der deutschen Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Ausgangspunkt – Unionsrechtswidrigkeit der Rechnungs­ korrektur nur ex nunc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Möglichkeiten zur rückwirkenden Korrektur nach materiellem deutschen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 a) Vereinbarkeit mit § 15 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 b) § 31 Abs. 5 UStDV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 c) Geltung des § 31 Abs. 5 UStDV auch i.R.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 d) Kein Grundsatz des Ausschlusses rückwirkender Rechnungs­berichtigungen aus § 17 Abs. 1 UStG . . . . . . . 267 aa) § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG ist keine Ausprägung des § 41 Abs. 1 Satz 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 bb) Keine grundsätzliche Geltung des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 e) Rückwirkende Rechnungskorrektur materiell-rechtlich möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 3. Möglichkeiten der ex tunc Korrektur im deutschen ­Steuerverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 a) Die Korrekturmöglichkeiten im Steuerverwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 aa) Korrektur gem. § 164 Abs. 2 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 bb) Schlichter Antrag gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 cc) Korrektur gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO . . . . . . . 277 dd) Die zeitlichen Grenzen der rückwirkenden Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 (1) Rückwirkende Berichtigung nur innerhalb der Festsetzungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 (2) Relevante Hemmungen des Festsetzungsfristablaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

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(a) Ablaufhemmung durch Anzeige der Fehlerhaftigkeit einer S ­ teuererklärung, §§ 153, 171 Abs. 9 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 (b) Ablaufhemmung durch Antrag auf Änderung der Festsetzung außerhalb des Rechtsbehelfsverfahrens, § 171 Abs. 3 AO . . . . . . . . . . . . . . 282 (c) Ablaufhemmung durch Rechtsbehelfsverfahren, § 171Abs. 3a AO . . . . . . . . . . . . . . . 283 ee) Korrekturmöglichkeiten im Rechtsbehelfsverfahren 283 (1) Zeitliche Beschränkung der Sachverhaltsermittlung durch § 364b AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 (2) Nur begrenzte Bedeutung des § 364b AO für die Rechnungskorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 (3) Unionsrechtskonformität der Präklusionsregelung des § 364b Abs. 2 AO . . . . . . . . . . . . . . . 290 b) Korrekturmöglichkeiten im gerichtlichen Verfahren . . . . 292 aa) Korrektur durch Reformationstenor bei Rechnungskorrektur vor Einspruchsentscheidung oder nach Rechtshängigkeit §§ 40 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, 100 Abs. 2 Satz 1 FGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 bb) Korrektur durch Verpflichtungstenor bei Rechnungskorrektur zu anderen Zeitpunkten, § 101 Satz 1 FGO 295 cc) Zeitliche Grenzen der Berücksichtigungsfähigkeit der Rechnungskorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 c) Rückwirkende Rechnungskorrektur verfahrensrechtlich durchsetzbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 4. Ausstrahlung der zwingend rückwirkenden Rechnungs­korrektur auf das Verzinsungsregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 a) Ausgangpunkt: Keine Rückwirkung der Rechnungskorrektur auf die Verzinsung, § 233a Abs. 2a AO . . . . . . . 299 b) Der Zweck der Regelung des § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO . . 302 c) Teleologische Erwägungen zur Anwendung des § 233a Abs. 2a AO auf die rückwirkende Rechnungskorrektur . . 303 d) Folgen für die Anwendung des § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO 304 aa) Billigkeitserlass der Zinsen gem. § 163 AO . . . . . . . . 304 bb) Teleologische Reduktion des Anwendungsbereiches des § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 (1) Die Zweckwidrigkeit der Anwendung des § 233a Abs. 2a AO auf die Rechnungskorrektur . . . . . . . 308

XXIV

Inhaltsverzeichnis

(2) Anleihen an der Rechtsprechung des BFH zur Verzinsung im Rahmen des Anrechnungsverfahrens gem. § 27 Abs. 2 KStG a.F. . . . . . . . . . . 310 (3) Konsequenzen für die Verzinsung von Vorsteuerbeträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 (4) Unionsrechtlich zwingende Alternative: Unanwendbarkeit des § 233a Abs. 2a AO . . . . . . . 314 e) Genereller Ausschluss der Verzinsung von Vorsteuerbeträgen zulasten des Unternehmers bei möglicher ­Rechnungskorrektur durch teleologische Reduktion des § 233a AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 aa) Der Zweck der Verzinsungsregel des § 233a AO . . . . 315 bb) Die Zweckwidrigkeit der Verzinsung von Vorsteuerbeträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 cc) Generelle Zulässigkeit der typisierenden Liquiditätsbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 dd) Zwingende teleologische Reduktion der Verzinsung . 319 ee) Vereinbarkeit dieses Ansatzes mit bisheriger Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis . . . . . . . . . . . . 321 (1) Schlüsse aus dem Billigkeitserlass bei freiwilligen ­Vorauszahlungen, Nr. 70.1. AEAO zu § 233a AO . 322 (2) Nur teilweiser Widerspruch zur BFH-Rechtsprechung zur ­Verzinsung von Vorsteuerbeträgen durch lediglich in der Rechnung als Leistungsempfänger bezeichneten Unternehmer . . . . . . . . . 323 ff) Folgen für die Besteuerungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . 325 f) Alternativer Begründungsansatz – Zinsen als Sanktion . . 326 5. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 VI. Würdigung der Rechtslage im Vereinigten Königreich . . . . . . . 329 1. Unionsrechtmäßigkeit der rückwirkenden Rechnungs­ berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 2. Würdigung der Korrektur ex nunc mit Alternativbeweis . . . 330 a) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 b) Unionsrechtskonforme Liquiditätssituation im Ergebnis 331 aa) Kein Liquiditätsausfall durch Aberkennung des Vorsteuerbetrages per se . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 bb) Zinsbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 (1) Grundsatz: Verzinsung des Vorsteuerbetrages . . . 332 (2) Verzinsung bei gleichzeitiger Gewährung des Vorsteuerabzuges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332

XXV

Inhaltsverzeichnis

(a) Der Mechanismus der Gewährung des Vorsteuerabzuges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 (b) Die unionsrechtliche Lage des Unternehmers nach erfolgreichem Alternativbeweis . . . . . . . 335 (c) Unionsrechtliche Würdigung . . . . . . . . . . . . . . 336 (3) Mögliche Herstellung der unionsrechtskonformen Liquiditäts­situation im Verwaltungsverfahren . . . 337 (a) Das Konzept der „commercial restitution“ . . 338 (b) Übertragung des Konzeptes auf den Fall des Vorsteuerabzuges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 (c) Zulässigkeit des Verzichts auf Verzinsung im Rahmen des ­Ermessens der HMRC . . . . . . . . . 341 3. Penaltyregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 4. Korrekturzeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 5. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 VII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 B. Die Verwendung einer nicht vom Bestimmungsland ­ausgestellten Mehrwertsteueridentifikationsnummer zum ­Zwecke des innergemeinschaftlichen Erwerbs . . . . . . . . . . . . . 352 I. Allgemeines – die Besteuerung im Identifikationsstaat . . . . . . 352 II. Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis in Deutschland . . . . 356 III. Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis in Österreich . . . . . . 358 IV. Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis im Vereinigten Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 V. Die Qualifikation des Rechtsanwendungsfehlers . . . . . . . . . . . 366 VI. Kritische Würdigung der unionsrechtlichen Vorgaben . . . . . . . 367 1. Der Wortlaut der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL . . . . . . 368 a) Isolierte Betrachtung des Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL . . . 368 b) Rückschlüsse aus der Regelung des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 c) Die autonome Regelung zweier Fälle durch zwei Absätze in Art. 41 ­MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 d) Der tatbestandliche Rückbezug des Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL auf Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL . . . . . . . . . . 370 e) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 2. Auslegungsvorgaben aus den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 b) Erforderlichkeit der Einschränkung des Neutralitätsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 XXVI

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aa) Erforderlichkeit bis zur Besteuerung im Bestimmungsland – K ­ orrektur mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Besteuerung im Bestimmungsland . . . . . . . . . . . . . . . 375 bb) Gänzlicher Entfall der Erforderlichkeit mit Besteuerung im B ­ estimmungsland – Korrektur ex tunc mit Wirkung auf den Entstehungszeitpunkt der Steuer im Identifikationsstaat? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 (1) Aspekte pro Korrektur ex tunc . . . . . . . . . . . . . . . 377 (2) Aspekte contra Korrektur ex tunc . . . . . . . . . . . . . 379 (3) Zwischenfazit – Keine Korrektur mit Wirkung für den Entstehungszeitraum der Steuer im ­Identifikationsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 c) Folgerungen aus der systematischen Substitution des Vorsteuer­abzugs durch die Korrektur der Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 aa) Systematische Parallelen der Korrektur der Bemessungsgrundlage zum Vorsteuerabzug . . . . . . . . . . . . . 384 bb) Übertragbarkeit des Ausübungszeitpunktes für den Vorsteuerabzug auf den Mechanismus der Korrektur der Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 (1) Gleichordnung der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . 386 (2) Gegenstand des Nachweises . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 (3) Fehlen eines ausdrücklich normierten Nachweiserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 cc) Liquiditätsausfall als Sanktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 (1) Fehlgehende Verhaltenslenkung . . . . . . . . . . . . . . 390 (2) Sicherung der korrekten Versteuerung zukünftiger Umsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 dd) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 d) Konsequenz – Besteuerung im Bestimmungsland bestimmt ­Korrekturzeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 3. Korrektur bei simultaner Besteuerung – Systemischer ­Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 4. Lösungsansatz – Anforderungen an den Nachweis i.S.v. Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 a) Nachweis durch Bescheinigung des Bestimmungslandes . 397 b) Unionsrechtliche Interpretation der Beweisanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 aa) Vorfrage: Der Begriff der Verwendung der Identifikationsnummer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

XXVII

Inhaltsverzeichnis

bb) Unionsrechtliche Interpretation der Tatbestandsvoraussetzungen – Der Begriff des Nachweises und der Besteuerung „im Einklang mit Artikel 40“ ­MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 (1) Ausgangspunkt: Unionsrechtswidrige Auslegung der Besteuerung als Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . 403 (2) Untauglichkeit der Auslegung des Begriffs des Nachweises – V ­ erringerung des Beweismaßes . . . 405 (3) Teleologische Reduktion des Begriffs der Besteuerung „im Einklang mit Artikel 40“ ­MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 5. Ausstrahlung der teleologischen Reduktion des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL auf Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL . . . . . . 411 6. Fazit: Die unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 41 M ­ wStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 VII. Umsetzungsvorgaben für das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . 413 1. Die Umsetzung des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL – § 3d Satz 2 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 a) Richtlinienkonforme Auslegung des Erfordernisses der „­Verwendung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 b) Überschießender Wortlaut parallel zum Sekundärrecht . 413 c) Methodische Möglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 d) Teleologische Reduktion des § 3d Satz 2 UStG . . . . . . . . 414 e) Konsequenz: Systematischer Gleichlauf von § 3d Satz 2 UStG und § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG . . . . . . . . . . . . . . 416 aa) Wertungen aus der aktuellen Interpretation des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 bb) Ausstrahlung der Wertungen auf § 3d Satz 2 UStG . . 418 cc) Wertungsmäßiger Gleichlauf durch teleologische Reduktion des Nachweisgegenstandes i.R.v. § 3d Satz 2 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 2. Die Umsetzung des Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL – §§ 17 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 a) Abweichung vom Sekundärrecht durch Bezugnahme auf Nachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 b) Unionsrechtswidrigkeit in Folge des Nachweiserfordernisses aufgrund des aktuell herrschenden Verständnisses der „sinngemäßen Anwendung“ des § 17 Abs. 1 UStG . . 421 c) Gehalt der sinngemäßen Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 XXVIII

Inhaltsverzeichnis

aa) Sinn des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG . . . . . . . . . . . . . . . . 423 bb) Sinngemäße Anwendung auf § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG – Herstellung unionsrechtskonformer Zustände de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 4. Folgen für die deutsche Besteuerungspraxis . . . . . . . . . . . . . 428 VIII. Anmerkungen zur Rechtslage in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . 428 IX. Anmerkungen zur Rechtslage im Vereinigten Königreich . . . . 431 1. Die Umsetzung des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL . . . . . . . . . . 432 2. Die Umsetzung des Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL . . . . . . . . . . 433 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437

Zusammenfassung Teil I

Spektrum der Rechtsanwendungsfehler und ­Sanktionsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 Teil II Vorgaben des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 Teil III Analyse einzelner Fehlerfolgenregime mit ­rechtsvergleichenden Aspekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449

Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467

XXIX

Einleitung Der Rechtsanwendung durch den Steuerpflichtigen kommt im Mehrwertsteuerrecht zentrale Bedeutung zu. Das liegt zum einen an der Rolle des Steuerpflichtigen in einem auf Selbstveranlagung gerichteten System und zum anderen an der Relevanz bestimmter, für den Steuerpflichtigen kaum zu verifizierender Informationen.1 Die Bedeutung der Rechtsanwendung durch den Steuerpflichtigen zeigt sich, verdeutlicht man sich die Steuererhebungstechnik der Mehrwertsteuer. Der Mehrwertsteueranspruch entsteht gem. Art. 63 MwStSystRL ­­ unmittelbar mit der Leistungserbringung. Die Erhebung der Steuer orientiert sich an Besteuerungsperioden, die alle Umsätze innerhalb dieser Periode zusammenfassen.2 Diese Periode – der Besteuerungszeitraum – beträgt gem. Art. 252 Abs. 2 ­­MwStSystRL zwischen ein und drei Monate. Für jeden Besteuerungszeitraum hat der Steuerpflichtige eine Mehrwertsteuererklärung gem. Art. 250 ­­MwStSystRL abzugeben. In dieser berechnet er seine Steuerlast durch Abzug der Vorsteuer vom auf seine Umsätze entfallenden Gesamtsteuerbetrag im jeweiligen Besteuerungszeitraum. Fällig wird dieser Differenzbetrag gem. Art. 206 MwStSystRL ­­ mit Ab­ gabe der Mehrwertsteuererklärung und damit i.V.m. Art. 252 Abs. 1 ­­MwStSystRL spätestens zwei Monate nach dem Ende des jeweiligen Besteuerungszeitraumes. Bis zur Zahlung ist daher eine Beteiligung der Finanzverwaltung nicht vorgesehen. Deutlich zeigt sich das im deutschen Umsatzsteuerrecht.3 Gem. § 18 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 3 Satz 1 UStG berechnet der Steuerpflichtige die Steuer selbst.4 Die Steuererklärung ist gem. § 150 Abs. 1 Satz 3 AO eine Steuervoranmeldung. Diese Erklärung hat gem. § 168 AO grundsätzlich die Wirkung einer Festsetzung. Eines eigenen Festsetzungsbescheides gem. § 155 Abs. 1 Satz 1 AO bedarf es gem. § 167 Abs. 1 Satz 1 AO nicht. Eine Kontrolle durch die Steuerverwaltung erfolgt daher nicht zwingend. Nur falls der Steuerpflichtige die Voranmeldung nicht abgibt, oder eine Kontrolle zu einem abweichenden Ergebnis führt, kommt es gem. § 167 Abs. 1 Satz 1 AO zu einer eigenen Festsetzung durch das Finanzamt.

1 U.a. Drüen, DB 2010, 1847 (1847). 2 Jakob, Umsatzsteuer, Rn. 1011. 3 Vgl. Jakob, Umsatzsteuer, Rn. 1021. 4 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 18 (Apr. 2015), Rn. 111; Treiber in Sölch/Ringleb, § 18 (Sep. 2014), Rn. 19.

1

Einleitung

Die Steuerberechnung und -entrichtung erfolgt somit, anders als bei anderen Steuerarten, i.d.R. ohne jegliche Beurteilung durch die Finanzverwaltung. Fehler, die dem Steuerpflichtigen hier unterlaufen, haben daher unmittelbare Auswirkung auf das Aufkommen. Dennoch wählt das System der Mehrwertsteuer diese Erhebungstechnik. Denn nur so lässt sich das Besteuerungsziel der Mehrwertsteuer mit vertretbarem Aufwand5 erreichen. Die Mehrwertsteuer bezweckt, den Endverbraucher zu belasten.6 Dazu bestimmt sie sich gem. Art. 1 Abs. 2 UA 1 MwStSystRL ­­ proportional zum Preis der erbrachten Leistung.7 Damit knüpft sie an die im Konsumaufwand ausgedrückte Leistungsfähigkeit des Verbrauchers an.8 Angesichts der Vielzahl von einzelnen Konsumaufwendungen und Verbrauchern wäre eine Besteuerung direkt beim Verbraucher aber unprak-

5 Tatsächlich handelt es sich bei der Mehrwertsteuer um eine, gemessen an den öffentlichen Erhebungskosten in Relation zum Gesamtaufkommen, für den Fiskus sehr günstige Steuer. So beliefen sich die akkumulierten – Festsetzung, Erhebung, Vollstreckung, Einspruchs‑ und Gerichtsverfahren – Erhebungskosten für den deutschen Fiskus in 1997 auf 0,5 % des Gesamtaufkommens. Dem standen allerdings 2,6 % Befolgungskosten auf Seiten der Steuerzahler gegenüber. Die Vollzugskosten (Kosten der Erhebung für die Finanzverwaltung und der Befolgung für die Steuerpflichtigen) der deutschen Umsatzsteuer belaufen sich damit auf 3,1 % des Gesamtaufkommens. Dem stehen in Deutschland Vollzugskosten i.H.v. 5,6 % bei der Einkommensteuer (2,2 % Erhebungskosten und 3,4 % Befolgungskosten) und gar 10,0 % des Gesamtaufkommens bei der Körperschaftsteuer (jeweils 5,0 % Erhebungs- und Befolgungskosten) gegenüber. Damit ist die Mehrwertsteuer, gemessen an den Vollzugskosten, eine effiziente Form der Besteuerung. Siehe hierzu Dietrich/Rappen, Kosten der Besteuerung in Deutschland, BMF Monatsbericht 07.2003, S. 81 (87). 6 Stadie in Rau/Dürrwächter, Einf.. (Apr. 2013), Rn. 116, 120 ff; dazu u.a. EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – C-317/94 – Elida Gibbs, ECLI:EU:C:1996:400, Rn. 19, 22 f.; v. 15.10.2002 – C-427/98 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2002:581, Rn. 29 ff.; v. 03.10.2006 – C-475/03 – Banca popolare di Cremona, ECLI:EU:C:​2006:629, Rn. 28; v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 60; v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 21; v. 07.10.2010 – C-53/09 und C-55/09 – Loyalty Management UK, ECLI:EU:C:​2010:​ 590, Rn. 38; BFH, Urt. v. 12.01.2006 – V R 3/04, BStBl. II 2006, 479 (480 f.). 7 Vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – C-317/94 – Elida Gibbs, ECLI:EU:C:1996:400, Rn. 19 ff.; v. 26.06.1997 – C-370/95 – Careda SA, ECLI:EU:C:1997:327, Rn. 14; v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 21; Beschl. v. 03.03.2004 – C-395/02 – Transport Service, ECLI:EU:C:2004:118, Rn. 20; Birk, Steuerecht, Rn. 1261; Stadie in Rau/Dürrwächter, Einf. (Apr. 2013), Rn. 120 ff. m.w.N.; aus der Sicht der Finanzwissenschaft, Schmölders, Zur Begriffsbestimmung der Verbrauchsteuern, S. 8; Walden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 50 ff. 8 Birk, StuW 1989, 212 (214); Fischer, Die Rechtfertigung einer Umsatzbesteuerung und ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten, S. 87 ff.; Löhr, Das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze, S. 224 ff.; Reiß in FS Tipke, S. 433 (434); Schaumburg in FS Reiß, S. 25 (32).

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Einleitung

tikabel.9 Daher verlagert das Mehrwertsteuersystem die Steuererhebung auf die Ebene der Leistungserbringung durch Nichtverbraucher. Nur aus Gründen der Einfachheit und um den Wirtschaftsverkehr neutral von Besteuerungseinflüssen zu halten, wird die Steuer – so stellt Erwägungsgrund 5 ­MwStSystRL klar – nicht nur auf Ebene des Einzelhandels, sondern auf allen Wertschöpfungsstufen erhoben. In diesem System sind daher die Steuerschuld des Steuerpflichtigen und die zwischenzeitliche Belastung seines Leistungsbezuges nur technischer Natur.10, 11 Tatsächlich wird er nur als „Steuereinnehmer für Rechnung des Staates und im Interesse der Staatskasse“12 tätig. Er schlägt den Steuerbetrag auf seinen Preis auf und hat diesen in der Folge an den Fiskus abzuführen.13 Da der Konsum für andere Zwecke als den Endverbrauch aber keine belastungswürdige Leistungsfähigkeit eines Endverbrauchers indiziert, ist die Belastung durch die auf der Vorstufe aufgeschlagene Steuer zu neutralisieren.14 Die Steuer, welche zunächst auf den Steuerpflichtigen abgewälzt wurde, kann dieser daher von seiner Steuerlast abziehen. Der Verbraucher kann das nicht; er bleibt letztlich alleinig belastet.15 9 Englisch in Schön, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts, S. 39 (71). 10 Stadie, UStG, Vorbem. Rn. 20; Spilker, Der Leistungsempfänger als Schuldner der Mehrwertsteuer, S. 31. 11 Die Kategorisierung der Mehrwertsteuer als Verbrauchsteuer ändert sich dadurch nicht, dazu u.a. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, S. 121 f.; Löhr, Das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze, S. 109 f.; Mirre, in HBdFinWiss., S. 274 (276 ff.); Söhn in FS v. Wallis, S. 439 (444); ders., StuW 1975, 1 (9); Theler, Die Umsatzsteuer als angewandte Verkehr- und/oder Verbrachsteuer, S. 16 f.; Tipke, DStR 1983, 595 (597); Tipke, StRO II, S. 976. 12 EuGH, Urt. v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 21; v. 20.10.1993 – C-10/92 – Balocchi, ECLI:EU:C:1993:846, Rn. 25; BFH, Urt. v. 24.10.2013 – V R 31/12, BFH/NV 2014, 465, Rn. 21; vgl. auch im Falle der Organschaft BFH, Urt. v. 30.07.2008 – V R 7/03, BStBl. II 2010, 1075 (1078, II.3.4.); v. 29.01.2009 – V R 64/07, BStBl. II 2009, 682 (684, II.2.b.); v. 22.07.2010 – V R 36/08, BFH/NV 2011, 316 (319, II.4.b.bb.); v. 22.07.2010 – V R 4/09, BStBl. II 2013, 590, (593, II.4.b.bb); v. 09.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 (999, II.3.b.cc); v. 08.08.2013 – V R 18/13, BFH/NV 2013, 1747 (II.3.a). Plastisch hierzu auch Stadie, UStG, Vorbem., Rn. 20, § 13a, Rn. 5, demzufolge der Steuerpflichtige Steuerbeträge lediglich „treuhänderisch“ vereinnahmt. 13 EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – C-317/94 – Elida Gibbs, ECLI:EU:C:1996:400, Rn. 22; v. 06.10.2005 – C-291/03 – Mytravel, ECLI:EU:C:2005:591, Rn. 30; v. 05.03.2009 – C-302/07 – J D Wetherspoon, ECLI:EU:C:2009:125, Rn. 61. 14 U.a. EuGH, Urt. v. 30.09.2010 – C-392/09 – Uszodaepito, ECLI:EU:C:2010:569, Rn. 35 m.w.N.; v. 22.02.2001 – C-408/98 – Abbey National, ECLI:EU:C:2001:110, Rn. 24; v. 21.04.2005 – C-25/03 – HE, ECLI:EU:C:2005:241, Rn. 70; v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel u. Recolta, ECLI:EU:C:2006:446, Rn. 48; Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 25; Stadie, UStG, Vorbem., Rn. 16. 15 Tipke, StRO II, S. 976.

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Das Ineinandergreifen der Mechanismen von Be- und Entlastung ist Gegenstand der Gesetzessystematik, ohne dass sich dieses notwendigerweise zu einer tatbestandlichen Verknüpfung auswächst. So besteht beispielsweise die Entlastungsmöglichkeit des Leistungsempfängers gem. Art. 168 Buchst. a ­MwStSystRL grundsätzlich in Höhe der Steuer, welche auf die an ihn erbrachten Leistungen geschuldet wird. Ob der Leistende diese Steuer abwälzt und abführt ist daher unerheblich. Nur wenn die Steuerpflichtigen die ihnen zugewiesene Aufgabe als „Steuereinnehmer für Rechnung des Staates“ korrekt ausführen, gelangen die Besteuerungsprinzipien zum Durchbruch. Dabei bleibt die Bedeutung der korrekten Rechtsanwendung nicht auf den jeweiligen besteuernden Mitgliedstaat beschränkt. Zur Verwirklichung des Binnenmarktes greifen gesetzestechnische Mechanismen von Be- und Entlastung auch zur Zuweisung von Besteuerungsrechten an einzelne Mitgliedstaaten unter gleichzeitigem Entzug der Besteuerungsbefugnis eines anderen Mitgliedstaates. Ähnlich erfolgt die Be- und Entlastung zur Verhinderung von Wettbewerbsnachteilen für die europäische Wirtschaft im internationalen Vergleich. Hier wird der Export aus dem Unionsgebiet entlastet; der Import in das Unionsgebiet wird belastet. Auch diese Systeme setzen die korrekte Rechtsanwendung durch den Steuerpflichtigen voraus. Hinzu kommt, dass aufgrund des Systems von Be- und Entlastung zugunsten bzw. zulasten von unterschiedlichen Steuersubjekten durch ggf. – im internationalem Handel – unterschiedliche Fisken die Gefahr besteht, dass sich Steuerpflichtige Entlastungen erschleichen, ohne dass eine systematisch intendierte, korrespondierende Belastung erfolgt.16 Zum einen ist daher das Mehrwertsteuerrecht in hohem Maße von Regelungen mit rein technischem Hintergrund geprägt. Nur bei durchgängig korrekter, letztlich aufkommensneutraler Rechtsanwendung über alle Umsatzstufen hinweg, wird auf der Stufe des Einzelhandels das Ziel der Belastung des Endverbrauchers erreicht. Zum anderen ist die Finanzverwaltung im System der Selbstveranlagung faktisch auf die nachgelagerte Kontrolle der Rechtsanwendung durch den Steuerpflichtigen und die Nachforderung von fehlerhaft nicht abgeführten Steuern beschränkt.

16 Zur Betrugsanfälligkeit des Mehrwertsteuersystems im innergemeinschaftlichen Handel u.a. Rechnungshöfe der Niederlande, Belgiens und Deutschland: Gemeinsamer Bericht vom 27.09.2012, S. 4 ff.

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Mehr noch als bei anderen Steuern besteht daher ein Interesse, Rechtsanwendungsfehler von Steuerpflichtigen wirksam zu unterbinden. Sind solche geschehen, bedarf es effektiver Mittel, um deren Folgen zu korrigieren. Der Steuerpflichtige befindet sich dabei in einer schwierigen Lage. Er kann sich seiner zentralen Rolle als Steuereinsammler nicht entziehen.17 Dieser zu entsprechen wird dem Steuerpflichtigen durch das materielle Mehrwertsteuerrecht zudem erschwert. Dieses macht – eingedenk des systemischen Ineinandergreifens von Be- und Entlastung – die Beurteilung bestimmter Sachverhalte häufig von Umständen abhängig, welche sich der Erkenntnis des Steuerpflichtigen nicht unmittelbar erschließen. Das sind solche Tatbestandsmerkmale, die den Geschäftspartner des Steuerpflichtigen oder dessen Verhalten betreffen. Problematisch ist dies vor allem aus zwei Gründen. So kann der Steuerpflichtige fremde Verhältnisse nicht im gleichen Maße einschätzen wie eigene. Daher wird der Steuerpflichtige regelmäßig auf Angaben des Gegenübers angewiesen sein. Sind diese falsch und bezieht der Steuerpflichtige diese Angaben in seine umsatzsteuerrechtliche Beurteilung mit ein, so wird auch seine steuerliche Behandlung fehlerhaft sein. Dieses Abhängigkeitsverhältnis macht Rechtsanwendungsfehler, welche auf einem Irrtum – bzgl. der Richtigkeit der Angaben des Geschäftspartners – beruhen, besonders wahrscheinlich. Daneben besteht bei unredlichen Geschäftspartnern teilweise ein Interesse an einer Fehlinformation des Steuerpflichtigen, um hieraus steuerliche Vorteile zu schöpfen. Aufgrund der Anfälligkeit des Systems für Rechtsanwendungsfehler muss die Finanzverwaltung ein Interesse daran haben, die Versteuerung durch den Steuerpflichtigen nachvollziehen zu können. Neben der korrekten Rechtsanwendung des Mehrwertsteuerrechts durch den Steuerpflichtigen hat sie daher ein gesteigertes Bedürfnis an deren Dokumentation durch den Steuerpflichtigen. Neben den im Sekundärrecht niedergelegten Dokumentationspflichten kommt den Mitgliedstaaten daher die Befugnis zu, weitere Pflichten vorzusehen, um die korrekte Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehung zu verhindern.18 Diese 17 Treffend daher die Bezeichnung des Steuerpflichtigen als „zwangsverpflichtet“ in, Stadie, UStG, Vorbem., Rn. 27; Hummel, BB 2014, 863 (868); Stadie, UR 2013, 158 (162, 167); Weimann, UStB 2009, 236 (237). 18 Hierzu nur aus der jüngsten Rechtsprechung, EuGH , Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:​ 454, Rn. 24; v. 21.10.2010 – C-385/09 – Nidera Handelscompagnie, ECLI:EU:C:​ 2010:​627, Rn. 49; v. 22.03.2012 – C-153/11 – Klub, ECLI:EU:C:2012:163, Rn. 50; v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:EU:C:2012:​373,

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wird den Mitgliedstaaten sowohl mit Bezug auf einzelne Tatbestände – allen voran seien hier die Art. 131, 178 Buchst. b, d, f ­MwStSystRL genannt – als auch ohne konkreten tatbestandlichen Bezug gem. Art. 273 ­MwStSystRL eingeräumt. Da die Finanzverwaltungen auf die retrospektive Kontrolle der unmittelbar aufkommenswirksamen Rechtsanwendung durch den Steuerpflichtigen verwiesen ist, bestanden und bestehen Tendenzen19, die Rechtsanwendung des Steuerpflichtigen im Zweifel nicht anzuerkennen, wenn die entsprechende Dokumentation nicht den geforderten Standard erreicht. Weiter beschränken sich viele Mitgliedstaaten nicht auf den Bereich der nachgelagerten Kontrolle der Rechtsanwendung durch den Steuerpflichtigen. Manche versuchen, unter Beibehaltung der nachgelagerten Kon­ trolle der Besteuerung, durch Sanktion des rechtsfehlerhaft handelnden Steuerpflichtigen, Rechtsanwendungsfehlern entgegenzuwirken. Neben die Sanktionierung tritt in einigen Mitgliedstaaten zudem die Verzin­ sung von im Nachhinein als geschuldet erkannten Steuerbeträgen, welche der Steuerpflichtige fälschlicherweise nicht erklärt und abgeführt hatte. Aufgrund der Erhebungstechnik der Mehrwertsteuer und ihrer daraus resultierenden Fehleranfälligkeit, findet daher die Befugnis, dem Steuersubjekt Pflichten aufzuerlegen, um die korrekte Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehung zu verhindern, rege Verwendung in den Mitgliedstaaten. Da diese Befugnis sich an 28 Einzelstaaten mit eigenen, nicht harmonisierten20 Steuerverfahrensrechtsordnungen wenRn. 55; v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:2012:458, Rn. 47; v. 14.03.2013 – C-527/11 – Ablessio, ECLI:EU:C:2013:168, Rn. 30; v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 30; v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 42 f. 19 Die Aberkennung der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung als auch die Aberkennung des Vorsteuerabzuges bei fehlerhafter Rechnung sind besonders prominente Beispiele für diese Praxis. 20 U.a. EuGH, Urt. v. 12.06.1980 – C-119/79 und C-126/79 – Lippische Hauptgenossenschaft, ECLI:EU:C:1980:154, Rn. 10; v. 21.09.1983 – C-205/82 bis C-215/82 – Deutsche Milchkontor, ECLI:EU:C:1983:233, Rn. 19, 23; v. 11.07.2002 – C-62/00 – Marks Spencer, ECLI:EU:C:2002:435, Rn. 34; v. 07.01.2004 – C-201/02 – Wells, ECLI:EU:C:2004:12, Rn. 67; v. 04.07.2006 – C-212/04 – Adeneler, ECLI:EU:C:​ 2006:443, Rn. 95; v. 28.06.2007 – C-1/06 – Bonn Fleisch Ex- und Import, ECLI:EU:C:2007:396, Rn. 41; v. 03.07.2008 – C-215/06 – Kommission/Irland, ECLI:EU:C:2008:380, Rn. 59; v.  Danwitz, DVBl 1998, 421 (429); Eilmansberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht, 58 ff.; allgemein zum harmonisierten Steuerrecht, Englisch, IStR 2009, 37 (37 f.); allgemein zur Regelungstechnik durch Richtlinien und die autonome Ausgestaltung des korrespon­ dierenden Verfahrensrechts v. Bogdandy/Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das

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det, sieht sich der Steuerpflichtige, insbesondere im internationalen Wirtschaftsverkehr, einer Vielzahl von länderspezifischen Verpflichtungen gegenüber. Dabei gibt die weite Fassung der Ermächtigung den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, auf neu erkannte Erhebungsprobleme mit neuen Pflichten zu reagieren. Damit unterliegen die Systeme mitgliedstaatspezifischer Zusatzverpflichtungen einem ständigen Wandel21. Daneben birgt die weite Fassung aber auch die Gefahr zu weit gehender Regelungen. Das macht eine Erfassung der geltenden Regelungen und deren Befolgung für den Steuerpflichtigen schwierig, aber nichtsdestotrotz bedeutend, will er seiner wirtschaftlichen Tätigkeit möglichst ohne steuerbedingte Probleme nachgehen. Für die Bestimmung der Befugnisse der Mitgliedstaaten gegenüber den Steuerpflichtigen sind dabei nur diejenigen Steuerpflichtigen von Bedeutung, welche nicht von vornherein, ihre Verpflichtungen nicht zu erfüllen gedenken. Diese Untersuchung nimmt sich daher nur irrtümliche Rechtsanwendungsfehler, nicht aber vorsätzliche, zum Gegenstand. Spätestens, wenn ein Steuerpflichtiger gegen im nationalen Recht bestimmte Pflichten verstößt, die Rechtsanwendung zulasten des Steuerpflichtigen nicht anerkannt wird und Sanktionen verhängt oder Zinsen festgesetzt werden, stellt sich die Frage nach der Reichweite der Befugnis der Mitgliedstaaten. Aber nicht nur für den Steuerpflichtigen ist im Falle des Verstoßes gegen eine solche Verpflichtung der Umfang dieser Befugnis von Interesse. Auch die Mitgliedstaaten müssen jenseits ihres ureigenen fiskalischen Interesses, ein Interesse daran haben, den Umfang ihrer Befugnisse zur Sicherung der korrekten Erhebung der Mehrwertsteuer zu kennen. Denn sie haben ihrer Verpflichtung zur Erhebung der – unionsrechtlich definierten – korrekten Steuern22 zu entsprechen. Recht der Europäischen Union, Art. 4 EUV (Sep. 2013), Rn. 80; Haratsch/König/ Pechstein, Rn. 463. 21 Verwiesen sei an dieser Stelle auf den über zwei Jahre währenden Prozess bis zur Verabschiedung der Gelangensbestätigung in § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV in ihrer heutigen Form als Mittel zum Nachweis bestimmter Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung; hierzu nur Maunz, NWB 2013, 1361. 22 Siehe zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten jüngst, EuGH, Urt. v. 26.09.2013 – C-189/11 – Kommission/Spanien, ECLI:EU:C:2013:587, Rn. 97 ff.; und die gleichlaufenden Fallgestaltungen in EuGH, Urt. v. 26.09.2013 – C-193/11 – Kommission/ Polen, ECLI:EU:C:2013:608; v. 26.09.2013 – C-236/11 – Kommission/Italien, ECLI:EU:C:2013:607; v. 26.09.2013 – C-269/11 – Kommission/Tschechische Republik, ECLI:EU:C:2013:602; v. 26.09.2013 – C-293/11 – Kommission/Griechenland, ECLI:EU:C:2013:609; v. 26.09.2013 – C-296/11 – Kommission/Frankreich, ECLI:EU:​ C:2013:612; v. 26.09.2013 – C-309/11 – Kommission/Finnland, ECLI:EU:C:2013:610

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Im Kern geht es dabei um den Ausgleich der fiskalischen Interessen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, die sich – auch – aus den Mehrwertsteuereinnahmen finanziert,23 einerseits und der Interessen des Steuerpflichtigen, der nur als „Steuereinnehmer für Rechnung des Staates und im Interesse der Staatskasse“24 in das System der Steuererhebung eingebunden ist andererseits. Dabei soll es in dieser Untersuchung nur um diejenigen Steuerpflichtigen gehen, die dieser Rolle dem Grunde nach auch entsprechenden wollen. Dabei hilft der Blick auf die Rechtsprechung des EuGH, der zur letzt­ verbindlichen Auslegung dieser Befugnisse berufen ist, nur wenig. Der Gerichtshof setzt sich, bedingt durch die Natur des Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 258 AEUV und insbesondere des Vorabentscheidungsverfahrens gem. Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV stets nur mit einer konkreten nationalen Regelung auseinandersetzt. Konkrete Rückschlusse auf von anderen Mitgliedstaaten entweder dezidiert für das Mehrwertsteuerrecht erlassenen oder der jeweiligen nationalen Verfahrensordnung und deren System entstammenden nicht mehrwertsteuerspezifischen Regelung, liefern dabei nicht notwendigerweise belastbare Ergebnisse. Es besteht daher Bedarf an einer abstrakten Darstellung der Reichweite der Befugnis der Mitgliedstaaten zur Sicherung der genauen Erhebung der Steuer und der Vermeidung von Steuerhinterziehungen. Soweit ersichtlich fehlt eine solche bislang. Will man sich dem Versuch einer solchen Darstellung nähern, bedarf es zunächst der Klärung, ob sich bereits auf Ebene der Rechtsanwendungsfehler und der Rechtsfolgen systemimmanente Kategorien bilden lassen, die möglicherweise als Anknüpfungspunkt für eine spätere Bewertung von Pflichten und Rechtsfolgen dienen können. Soll die Darstellung jenseits von bereits entschiedenen Einzelfällen belastbare Kriterien liefern, muss daher einer Kategorisierung unabhängig von den mitgliedstaatliund v. 26.09.2013 – C-450/11 – Kommission/Portugal, ECLI:EU:C:2013:611; zudem EuGH Urt. v. 08.09.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:EU:C:2015:555, Rn. 36. 23 Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Eigenmittelbeschlusses v. 26.05.2014 – 2014/335/EU, Euratom. 24 EuGH, Urt. v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 21; v. 20.10.1993 – C-10/92 – Balocchi, ECLI:EU:C:1993:846, Rn. 25; BFH, Urt. v. 30.07.2008 – V R 7/03, BStBl. II 2010, 1075 (1078, II.3.4.); v. 29.01.2009 – V R 64/07, BStBl. II 2009, 682 (684, II.2.b.); v. 22.07.2010 – V R 4/09, BStBl. II 2013, 590, (593, II.4.b.bb.); v. 22.07.2010 – V R 36/08, BFH/NV 2011, 316 (II.4.b.bb. Rn. 38); v. 09.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 (999, II.3.b.cc.); v. 08.08.2013 – V R 18/13, BFH/NV 2013, 1747 (II.3.a. Rn. 28); v. 24.10.2013 – V R 31/12, BFH/ NV 2014, 465, Rn. 21.

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chen Besonderheiten des Steuerverfahrens erfolgen. Unter Bezugnahme auf eine exemplarische Darstellung einzelner Aspekte von Rechtsfolgenregime ausgewählter Mitgliedstaaten erfolgt eine solche Kategorisierung in Teil I der vorliegenden Arbeit. Den Schwerpunkt des Teils II dieser Arbeit stellt der Versuch dar, eine solche abstrakte Darstellung zu liefern. Ihm liegt eine Annäherung an die Thematik im Wege der Abstraktion der vorhandenen Rechtsprechung des EuGH zugrunde. Auf dieser Grundlage wird versucht, die Grenzen dieser Befugnis in abstrakt-genereller Weise abzustecken. Dem vorgeschaltet erfolgt eine Darstellung des unionsrechtlichen Rahmens, in dem sich die Bestimmung der Grenzen dieser Befugnis, wie auch die einschlägige Rechtsprechung des EuGH bewegt. Eingedenk hohen Technisierungsgrades der Mehrwertsteuer zur Erreichung ihres Belastungsziels, sollen dabei auch die grundlegenden Prinzipien und deren gesetzessys­ tematische Umsetzung, zu deren Durchsetzung den Mitgliedstaaten letztlich die Befugnis zur Bestimmung weiterer Pflichten gewährt wird, dargestellt werden. Denn nur zu deren Durchsetzung wird den Mitgliedstaaten letztlich die Befugnis zur Bestimmung weiterer Pflichten eingeräumt. Dabei wird sich die Gelegenheit ergeben, zum Verhältnis der generell anerkannten, das Mehrwertsteuerrecht bedingenden Grundsätze und ihrem jeweiligen Inhalt als auch den daraus resultierenden Erfordernissen für die Interpretation des Sekundärrechts, Stellung zu nehmen. Im gebotenen Umfang soll diese Gelegenheit genutzt werden. Ausgehend davon erfolgt der Versuch auf Grundlage und unter Fortentwicklung der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH, die Grenzen der Befugnis der Mitgliedstaaten dem „Steuereinnehmer für Rechnung des Staates und im Interesse der Staatskasse“25 weitere Pflichten aufzuerlegen, zu ermitteln. Teil III dieser Arbeit widmet sich der Untersuchung zweier konkreter Fälle der Verknüpfung von Rechtsanwendungsfehlern und Rechtsfolgen. Ausgangspunkt ist dabei jeweils die Darstellung der aktuellen Behand25 Die entscheidende Bedeutung welche diese Qualität für die, dem Steuerpflichtigen zulässigerweise aufzuerlegenden Verpflichtungen hat, zeigt bereits seine umfassende Heranziehung in der Rechtsprechung, Siehe nur EuGH, Urt. v. 20.10.1993 – C-10/92 – Balocchi, ECLI:EU:C:1993:846, Rn. 25; v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 21; BFH, Urt. v. 30.07.2008 – V R 7/03, ­BStBl. II 2010, 1075 (1078, II.3.4.); v. 29.01.2009 – V R 64/07, BStBl. II 2009, 682 (684, II.2.b.); v. 22.07.2010 – V R 4/09, BStBl. II 2013, 590, (593, II.4.b.bb.); v. 22.07.2010 – V R 36/08, BFH/NV 2011, 316 (II.4.b.bb. Rn. 38); v. 09.12.2010 – V R 22/10, BStBl. II 2011, 996 (999, II.3.b.cc.); v. 08.08.2013 – V R 18/13, BFH/NV 2013, 1747 (II.3.a. Rn. 28); v. 24.10.2013 – V R 31/12, BFH/NV 2014, 465, Rn. 21.

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lung dieser Fehler in Deutschland und anderer Mitgliedstaaten. Sodann erfolgt eine Auseinandersetzung mit den unionsrechtlichen Vorgaben, welche als Grundlage der Bewertung der zuvor dargestellten nationalen Rechtspraxis dient. Als Untersuchungsgegenstand wurde mit der Rechtsfolge des Vorsteuerabzuges mit mangelhafter Rechnung ein „Dauerbrenner“26 gewählt. Ihm schließt sich die Untersuchung der Rechtsfolgen der Verwendung einer Mehrwertsteueridentifikationsnummer für Zwecke des innergemeinschaftlichen Erwerbs, welche nicht vom Mitgliedstaat, in dem die Beförderung oder Versendung des Erwerbsgegenstandes endet, ausgestellt wurde, an. Die Umsetzung der sekundärrechtlich nur teilweise bestimmten Rechtsfolge erlangte erst im Anschluss an die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Facet27 Bedeutung für die Rechtspraxis. Gebührenden Niederschlag hat das bisher in der Literatur nicht gefunden.

26 Alvermann, UStB 2002, 304 (304); Tehler, UR 2012, 3 (7); Wäger, DStR 2010, 1478 (1478). 27 EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217.

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Teil I Spektrum der Rechtsanwendungsfehler und ­Sanktionsfolgen A. Die getrennte Qualifikation von Rechtsanwendungs­ fehlern und Rechtsfolgen Gegenstand dieser Untersuchung ist die Verknüpfung von Rechtsanwendungsfehlern mit bestimmten Rechtsfolgen. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung bestimmter Rechtsfolgen ist dabei der auslösende Rechtsanwendungsfehler. Ist der Fehler Ausgangspunkt der Betrachtung, so sind zunächst Fehler und Folge getrennt voneinander zu betrachten und zu klassifizieren. Die Einteilung erfolgt jeweils anhand der Rechtsnatur in materielle und formelle Fehler und Rechtsfolgen. Ausgehend davon ist dann ihre Relation zu untersuchen. Dabei darf nicht auf ein qualitatives Junktim zwischen Rechtsanwendungsfehler und Rechtsfolge geschlossen werden. Ein formeller Fehler muss nicht (ausschließlich) eine auf das formelle Recht beschränkte Rechtsfolge zeitigen, und umgekehrt. Dass das besonders im Mehrwertsteuerrecht von Bedeutung ist, liegt an der eingangs bereits dargestellten Stellung des Steuerpflichtigen im Erhebungsverfahren und der typischerweise auf die Retrospektive verwiesene Finanzverwaltung. Denn im Zeitpunkt der Kontrolle durch die Finanzverwaltung hat der Steuerpflichtige bereits vorab – im Rahmen des Aufschlages auf den Nettopreis und/oder der Steueranmeldung – die entsprechenden materiell-rechtlichen Konsequenzen gezogen. Entstehen Zweifel an der Bewertung des Sachverhalts durch den Steuerpflichtigen, wird die Finanzverwaltung vom Steuerpflichtigen Nachweise, welche seine Rechtsanwendung untermauern, verlangen. Kann der Steuerpflichtige diese, weil er eine dem Nachweis dienende formale Pflicht nicht erfüllt hat, nicht zur Überzeugung des Finanzamts leisten, wird die Finanzbehörde, wenn es um steuermindernde Tatsachen geht, zur Sicherung des Aufkommens die Anwendung des materiellen Rechts durch den Steuerpflichtigen nicht akzeptieren. Vielmehr wird sie von einem materiellen Fehler des Steuerpflichtigen ausgehen. Für das auf Selbstveranlagung basierende System der Mehrwertbesteuerung stellt das eine typische Situation dar. Plas­ tischen, weil ausdrücklichen sekundärrechtlichen Niederschlag findet diese, in der Regelung des Art. 178 M ­ wStSystRL. Demnach kann das Recht auf Vorsteuerabzug erst ausgeübt werden, wenn es (materiell) gem. 11

Teil I  Spektrum der Rechtsanwendungsfehler und ­Sanktionsfolgen

Art. 167 ­MwStSystRL entstanden ist und eine Rechnung, welche die Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges beweist, vorliegt.28 Unabhängig davon, ob dem Steuerpflichtigen ein materieller Rechtsanwendungsfehler, d.h. er irrt über die materiellen Voraussetzungen, oder ein formeller Fehler, wenn er über die Tauglichkeit der Rechnung als formelle Voraussetzung des Vorsteuerabzuges29 irrt, unterläuft, ist die Folge eine Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug. Damit zeigt sich, dass die Qualität der Rechtsfolge – zunächst – in ihrer Anwendung durch die Mitgliedstaaten unabhängig von der Natur der zugrundeliegenden, verletzten Rechtsnorm ist. Es soll bereits hier darauf verwiesen werden, dass die Natur des Rechtsanwendungsfehlers zwar keine Auswirkung auf die Qualität der Rechtsfolge, jedoch sehr wohl Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Rechtsfolgen in Abhängigkeit von ihrer Qualität als formell oder materiell hat. Nur liefe dieser Ansatz leer, wenn man die Rechtsanwendungsfehler als Anknüpfungspunkte nicht zunächst einzeln und abstrakt qualifizierte. Daher muss jeweils die Qualität des Fehlers und der Rechtsfolge erfasst werden.

B. Relevante Rechtsanwendungsfehler Zur Einteilung möglicher Rechtsanwendungsfehler durch den Steuerpflichtigen bietet sich, schließt man die Frage nach dem subjektiven Tatbestand als Kriterium aus, die Natur der zugrundeliegenden Rechtsnorm an. Soll deren Kategorisierung zum Ausgangspunkt für eine Untersuchung der jeweils anknüpfenden Rechtsfolgen werden, muss diese eine qualitative Unterscheidung der Rechtsanwendungsfehler leisten können. Was die Rechtsanwendungsfehler unterscheidet, ist dabei die zugrundeliegende Rechtsnorm. Demzufolge soll in der Folge zunächst abstrakt eine Unterscheidung zwischen materiellen Normen und solchen formeller Natur erfolgen.

28 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:​ 268, Rn. 34. 29 Zur Eigenschaft der Rechnung als formelle Voraussetzung des Vorsteuerabzuges u.a. EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 – Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:​ C:2010:441, Rn. 45; ausführlich dazu unten Teil III A.III Die Qualifikation des Fehlers – die Rechtsnatur des Rechnungserfordernisses.

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Teil I  Spektrum der Rechtsanwendungsfehler und ­Sanktionsfolgen

Art. 167 ­MwStSystRL entstanden ist und eine Rechnung, welche die Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges beweist, vorliegt.28 Unabhängig davon, ob dem Steuerpflichtigen ein materieller Rechtsanwendungsfehler, d.h. er irrt über die materiellen Voraussetzungen, oder ein formeller Fehler, wenn er über die Tauglichkeit der Rechnung als formelle Voraussetzung des Vorsteuerabzuges29 irrt, unterläuft, ist die Folge eine Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug. Damit zeigt sich, dass die Qualität der Rechtsfolge – zunächst – in ihrer Anwendung durch die Mitgliedstaaten unabhängig von der Natur der zugrundeliegenden, verletzten Rechtsnorm ist. Es soll bereits hier darauf verwiesen werden, dass die Natur des Rechtsanwendungsfehlers zwar keine Auswirkung auf die Qualität der Rechtsfolge, jedoch sehr wohl Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Rechtsfolgen in Abhängigkeit von ihrer Qualität als formell oder materiell hat. Nur liefe dieser Ansatz leer, wenn man die Rechtsanwendungsfehler als Anknüpfungspunkte nicht zunächst einzeln und abstrakt qualifizierte. Daher muss jeweils die Qualität des Fehlers und der Rechtsfolge erfasst werden.

B. Relevante Rechtsanwendungsfehler Zur Einteilung möglicher Rechtsanwendungsfehler durch den Steuerpflichtigen bietet sich, schließt man die Frage nach dem subjektiven Tatbestand als Kriterium aus, die Natur der zugrundeliegenden Rechtsnorm an. Soll deren Kategorisierung zum Ausgangspunkt für eine Untersuchung der jeweils anknüpfenden Rechtsfolgen werden, muss diese eine qualitative Unterscheidung der Rechtsanwendungsfehler leisten können. Was die Rechtsanwendungsfehler unterscheidet, ist dabei die zugrundeliegende Rechtsnorm. Demzufolge soll in der Folge zunächst abstrakt eine Unterscheidung zwischen materiellen Normen und solchen formeller Natur erfolgen.

28 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:​ 268, Rn. 34. 29 Zur Eigenschaft der Rechnung als formelle Voraussetzung des Vorsteuerabzuges u.a. EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 – Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:​ C:2010:441, Rn. 45; ausführlich dazu unten Teil III A.III Die Qualifikation des Fehlers – die Rechtsnatur des Rechnungserfordernisses.

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B.  Relevante Rechtsanwendungsfehler

I. Materielle Fehler Als solche sollen in der Folge diejenigen Rechtsanwendungsfehler erkannt werden, welche einen Verstoß gegen eine Norm des materiellen Rechts darstellen. Das materielle Recht regelt die Rechtsbeziehungen und deren Inhalt.30 Im öffentlichen Recht sind das diejenigen Vorschriften, welche das Verhältnis des Bürgers zum Staat inhaltlich bestimmen.31 Im Steuerrecht ist dieses das Steuerschuldverhältnis zwischen Fiskus und Steuerbürger.32 Das materielle Steuerrecht ist also gerichtet auf die Einwirkung auf das Steuerschuldverhältnis. Im Mehrwertsteuerrecht findet sich das materielle Recht im sekundären Unionsrecht. Zwar entfaltet dies grundsätzlich gegenüber den Bürgern keine Wirkung, ist aber gem. Art. 288 UA 3 AEUV verbindliche Grundlage der nationalen Umsetzungsgesetze. Gegenstand ist die Begründung und betragsmäßige Bestimmung des Steueranspruchs. Das sind zunächst alle Regelungen, die Fragen der Steuerbar- und Steuerpflichtigkeit, der Bemessungsgrundlage sowie der Steuerentstehung und -fälligkeit behandeln. Da es aber um die Bestimmung des Steueranspruches im Ganzen geht, sind auch solche Regelungen, welche den Steueranspruch betragsmäßig mindern, solche des materiellen Rechts. Im Mehrwertsteuerrecht zählen hierzu also auch diejenigen des Vorsteuerabzuges. Unterläuft dem Steuerpflichtigen daher bezüglich der Anwendung nationaler Normen, welche diese Rechtsnormen des sekundären Unionsrechts umsetzen, ein Fehler, handelt es sich um einen materiellen Fehler.

II. Formelle Fehler Die Definition der formellen Fehler, und damit notwendigerweise der Regelungen des formellen Rechts, erfolgt in Abgrenzung zum materiellen Recht.33 Das formelle Recht hat nach gängiger Beschreibung eine „dienende Funktion“34. Sein Zweck ist die Durchsetzung des materiellen Rechts.35 Hierzu bestimmt es auch Rechte und Pflichten und gestaltet 30 Blasius/Büchner, Verwaltungsrechtliche Methodenlehre, S. 72. 31 Katz, Grundkurs im Öffentlichen Recht, S. 3. 32 Seer in Tipke/Lang, § 6, Rn. 1, 4 ff. 33 Vgl. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, § 64, Rn. 1. 34 Papier in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 177, Rn. 55. 35 Blasius/Büchner, Verwaltungsrechtliche Methodenlehre, S. 72 f.; Katz, Grundkurs im Öffentlichen Recht, S. 3.

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Teil I  Spektrum der Rechtsanwendungsfehler und ­Sanktionsfolgen

damit, ebenso wie das materielle Recht, auch Rechtsbeziehungen.36 Im Steuerrecht handelt es sich insoweit um das Steuerverfahrensverhältnis.37 Einzig an der Gestaltung eines Rechtsverhältnisses kann daher das formelle Recht nicht vom materiellen Recht unterschieden werden. Vielmehr muss die Trennlinie entlang der Zielsetzung der jeweiligen Norm verlaufen. Die Zwecke des materiellen Rechts sind – im Rahmen höherrangigen Rechts – beliebig definierbar. Im Steuerrecht wird es sich regelmäßig um die Erzielung von Einnahmen in einem bestimmten Umfang unter Belastung bestimmter Personen handeln. Das formelle Recht hingegen hat keinen solchen emanzipierten Zweck. Es verfolgt stets die Durchsetzung des materiell intendierten Rechtszustandes. Insofern ist es akzessorisch. Allerdings greift auch dieses Kriterium noch zu kurz. Eine formale Regelung, welche der Durchsetzung einer materiellen Norm dient, die wiederum die Herstellung eines legislativ definierten Ziels zum Gegenstand hat, dient – mittelbar – auch diesem Ziel. Insbesondere im Mehrwertsteuerrecht finden sich viele Normen, welche die Verwirklichung legislativer (Besteuerungs-)Ziele zum Gegenstand haben. So dient das Recht auf Vorsteuerabzug in Art. 168 M ­ wStSystRL dem Ziel, eine endgültige Belastung der Steuerpflichtigen zu verhindern. Es dient somit der Neutralität des Mehrwertsteuersystems.38 Letztlich dienen auch die formalen Regelungen, welche den Nachweis der Vo­ raussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug dienen, diesem Ziel.39 Zu beachten ist aber, dass bereits der Vorsteuerabzug an sich geeignet ist, die 36 Blasius/Büchner, Verwaltungsrechtliche Methodenlehre, S. 73. 37 Seer in Tipke/Lang, § 21, Rn. 2, 9 f. 38 Siehe dazu ausführlich unten Teil II B.IV.2.b) Verbrauchsteuerprinzip – Vorsteuerabzug; zudem EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – C-174/08 – NCC Construction Danmark, ECLI:EU:C:2009:669, Rn. 39 aus Art. 17 Abs. 1 der 6. ­MwStSystRL, der gleichlautenden Vorgängervorschrift des Art. 168 M ­ wStSystRL; siehe zur Funktion des Vorsteuerabzuges als Mittel zur Verwirklichung des Neutralitätsgrundsatzes u.a. EuGH, Urt. v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:​ C:2000:145, Rn. 44; v. 26.05.2005 – C-498/03 – Kingscrest Associates und Montecello, ECLI:EU:C:2005:322, Rn. 54 f.; v. 21.02.2006 – C-255/02 – Halifax u.a., ECLI:EU:C:2006:121, Rn. 78; v. 08.06.2006 – C-106/05 – L.u.P., ECLI:EU:C:2006:380, Rn. 48; v. 07.12.2006 – C-240/05 – Eurodental, ECLI:EU:C:2006:763, Rn. 55; v. 10.04.2008 – C-309/06 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2008:211, Rn. 47 ff.; v. 23.04.2009 – C-460/07 – Puffer, ECLI:EU:C:2009:254, Rn. 53; v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:EU:C:2012:373, Rn. 39. 39 Vgl. unten Teil II B.IV.2.b)cc)(1) Kumulative Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs – Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug und Besitz einer Rechnung.

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B.  Relevante Rechtsanwendungsfehler

Neutralität der Mehrwertbesteuerung sicherzustellen. Vorausgesetzt werden muss dabei aber, dass alle am Steuerverfahren Beteiligten die Regelungen des Vorsteuerabzuges richtig anwenden, insbesondere ein Recht nur dann geltend machen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen auch wirklich vorliegen. Hier setzt das formelle Recht an, wenn es eine Kontrolle der jeweiligen Voraussetzungen ermöglicht. Es sichert somit die Herstellung der Neutralität der Mehrwertsteuer durch den materiell-­ rechtlichen Mechanismus des Vorsteuerabzuges. Abstrakt lässt sich daher das formelle Recht in seiner dienenden Funktion vom materiellen Recht dadurch abgrenzen, dass es dem Ziel der durchgesetzten – materiellen – Norm nur mittelbar, im Wege der Durchsetzung der letzteren, dient. Das formelle Recht sichert daher eine Methode zur Erreichung des materiell definierten Ziels. Das materielle Recht hingegen sichert direkt dieses Ziel. Dass auch das Unionsrecht diese Unterscheidung kennt, zeigt sich schon in der Rechtsprechung des EuGH zum Vorsteuerabzug,40 als auch zur Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung41. Dort hat der EuGH die Methoden zum Nachweis der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugsrechts bzw. der Steuerbefreiung in Abgrenzung von den materiell-rechtlichen Voraussetzungen auf ihre Funktion, das Vorliegen der letzteren zu verifizieren, reduziert. Im Mehrwertsteuerrecht findet sich das formelle Recht zum einen im sekundären Unionsrecht. Zu nennen sind hier vor allem die Regelungen zu bestimmten Nachweis- und Dokumentationserfordernissen in Art. 178 ff., 217 ff., 250 ff. ­MwStSystRL, oder den Registrierungspflichten in Art. 213 f. ­MwStSystRL. Allerdings ist das Sekundärrecht diesbezüglich nicht abschließend. Soweit unionsrechtliche Vorgaben für das Verfahrensrecht fehlen, verbleibt es in der Alleinkompetenz der Mitgliedstaaten.42 Ausdrücklich findet dieser Grundsatz der mitgliedstaatlichen 40 EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 – Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:C:2010:441, Rn. 43 ff.; v. 08.05.2013 – C-271/12 – Petroma Transport, ECLI:EU:C:2013:297, Rn. 34.  41 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 31. 42 U.a. EuGH, Urt. v. 12.06.1980 – C-119/79 und C-126/79 – Lippische Hauptgenossenschaft, ECLI:EU:C:1980:154, Rn. 10; v. 21.09.1983 – C-205/82 bis C-215/82 – Deutsche Milchkontor, ECLI:EU:C:1983:233, Rn. 19, 23; v. 11.07.2002 – C-62/00 – Marks Spencer, ECLI:EU:C:2002:435, Rn. 34; v. 07.01.2004 – C-201/02 – Wells, ECLI:EU:C:2004:12, Rn. 67; v. 04.07.2006 – C-212/04 – Adeneler, ECLI:EU:C:2006:443, Rn. 95; v. 28.06.2007 – C-1/06 – Bonn Fleisch Ex- und Import, ECLI:EU:C:2007:396, Rn. 41; v. 03.07.2008 – C-215/06 – Kommission/Irland, ECLI:EU:C:2008:380, Rn. 59; v. Danwitz, DVBl 1998, 421 (429); Eilmansberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht, S. 58 ff.; allgemein zum Harmonisierten Steuerrecht Englisch, IStR 2009, 37 (37 f.); allgemein zur Regelungstechnik durch Richtlinien und die autonome Ausgestaltung des korrespondierenden Verfahrensrechts

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Teil I  Spektrum der Rechtsanwendungsfehler und ­Sanktionsfolgen

Verfahrensautonomie im Mehrwertsteuerrecht in einigen Regelungen Ausdruck, die, teils generell43, teils bezogen auf einzelne Regelungskomplexe44 allesamt eine gemeinsame Grundaussage haben. Demnach haben die Mitgliedstaaten ein Steuerverfahren auszugestalten, welches sie für erforderlich halten, um eine korrekte Besteuerung entsprechend der Vorgaben der M ­ wStSystRL zu sichern. Verstößt der Steuerpflichtige gegen diese Regelungen, handelt es sich um formale Fehler.

C. Rechtsfolgen Genau wie die Rechtsanwendungsfehler lassen sich auch die Rechtsfolgen in zwei übergeordnete Gruppen einteilen. Erfolgte die Kategori­ sierung der Rechtsanwendungsfehler in Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Norm, muss sich die Einteilung der Rechtsfolgen nach der Wirkebene richten. Denn die Rechtsfolge ist Gegenstand der Anordnung durch und nicht der Anwendung einer Rechtsnorm. Die Kategorien bleiben die gleichen. Die Trennlinie läuft zwischen materieller und formeller Ebene. Daher lassen sich auch die gleichen Kriterien zur Unterscheidung der Wirkbereiche bemühen. Auf materieller Ebene entfaltet eine Rechtsfolge Wirkung, wenn sie auf Umstände wirkt, deren Regelung dem materiellen Recht zugewiesen ist. Fehlerfolgenregime, welche auf Ebene des Steuerschuldverhältnisses wirken, sind daher materieller Natur. Diese Fehlerfolgenregime wirken auf Aspekte der Steuerbar- und Steuerpflichtigkeit, der Bemessungsgrundlage, der Steuerentstehung und -fälligkeit und auch der Abziehbarkeit von Vorsteuerbeträgen. Dem gegenüber stehen Fehlerfolgenregime, welche die materiell-rechtliche Behandlung eines Vorgangs unberührt lassen. Diese entfalten Wirkung jenseits der vom materiellen Recht erfassten Bereiche. Sie wirken in den Bereichen, in denen das formelle Recht seine Wirkung entfaltet. Dies ist der Bereich, in dem die praktische Durchsetzung der materiell-rechtlich definierten Mechanismen zur Erreichung eines materiell-rechtlich definierten Ziels erfolgt. v. Bogdandy/Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 4 EUV (Sep. 2013), Rn. 80; Haratsch/König/Pechstein, Rn. 463. 43 Art. 273 ­MwStSystRL. 44 Bezogen auf die Steuerbefreiungen Art. 131; bezogen auf den Vorsteuerabzug Art. 178 Buchst. b, d, f M ­ wStSystRL.

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Teil I  Spektrum der Rechtsanwendungsfehler und ­Sanktionsfolgen

Verfahrensautonomie im Mehrwertsteuerrecht in einigen Regelungen Ausdruck, die, teils generell43, teils bezogen auf einzelne Regelungskomplexe44 allesamt eine gemeinsame Grundaussage haben. Demnach haben die Mitgliedstaaten ein Steuerverfahren auszugestalten, welches sie für erforderlich halten, um eine korrekte Besteuerung entsprechend der Vorgaben der M ­ wStSystRL zu sichern. Verstößt der Steuerpflichtige gegen diese Regelungen, handelt es sich um formale Fehler.

C. Rechtsfolgen Genau wie die Rechtsanwendungsfehler lassen sich auch die Rechtsfolgen in zwei übergeordnete Gruppen einteilen. Erfolgte die Kategori­ sierung der Rechtsanwendungsfehler in Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Norm, muss sich die Einteilung der Rechtsfolgen nach der Wirkebene richten. Denn die Rechtsfolge ist Gegenstand der Anordnung durch und nicht der Anwendung einer Rechtsnorm. Die Kategorien bleiben die gleichen. Die Trennlinie läuft zwischen materieller und formeller Ebene. Daher lassen sich auch die gleichen Kriterien zur Unterscheidung der Wirkbereiche bemühen. Auf materieller Ebene entfaltet eine Rechtsfolge Wirkung, wenn sie auf Umstände wirkt, deren Regelung dem materiellen Recht zugewiesen ist. Fehlerfolgenregime, welche auf Ebene des Steuerschuldverhältnisses wirken, sind daher materieller Natur. Diese Fehlerfolgenregime wirken auf Aspekte der Steuerbar- und Steuerpflichtigkeit, der Bemessungsgrundlage, der Steuerentstehung und -fälligkeit und auch der Abziehbarkeit von Vorsteuerbeträgen. Dem gegenüber stehen Fehlerfolgenregime, welche die materiell-rechtliche Behandlung eines Vorgangs unberührt lassen. Diese entfalten Wirkung jenseits der vom materiellen Recht erfassten Bereiche. Sie wirken in den Bereichen, in denen das formelle Recht seine Wirkung entfaltet. Dies ist der Bereich, in dem die praktische Durchsetzung der materiell-rechtlich definierten Mechanismen zur Erreichung eines materiell-rechtlich definierten Ziels erfolgt. v. Bogdandy/Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 4 EUV (Sep. 2013), Rn. 80; Haratsch/König/Pechstein, Rn. 463. 43 Art. 273 ­MwStSystRL. 44 Bezogen auf die Steuerbefreiungen Art. 131; bezogen auf den Vorsteuerabzug Art. 178 Buchst. b, d, f M ­ wStSystRL.

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C. Rechtsfolgen

I. Materiell wirkende Rechtsfolgen Als materielle Rechtsfolgen kommen vor allem die folgenden in Betracht. 1. Aberkennung mehrwertsteuerlicher Rechtspositionen Die augenfälligste materiell wirkende Rechtsfolge ist die Versagung streitiger steuerlicher Rechtspositionen. Im Mehrwertsteuerrecht sind das vor allem die Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug bzw. dessen Suspendierung und die Aberkennung einer Steuerfreiheit. 2. Doppelbesteuerung Neben der Steuererhöhung durch Aberkennung bestimmter steuerlastmindernder Rechtspositionen können bestimmte Rechtsanwendungsfehler im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr auch eine zusätzliche, materiell-rechtliche Steuerbelastung zur Folge haben. Geschuldet ist das dem Zusammenwirken der soeben geschilderten Aberkennung materieller Rechtspositionen45 einerseits und der Technik der Zuweisung von Besteuerungsrechten im internationalen Mehrwertsteuerrecht andererseits. So werden den Mitgliedstaaten Besteuerungsrechte durch Entlastung in einem Mitgliedstaat und korrespondierende Belastung in einem anderen Mitgliedstaat zuzuweisen. Versagt ein Mitgliedstaat die Entlastung und besteht der andere auf seiner Besteuerung, kommt es zur Doppelbelastung ein und desselben Umsatzes.

II. Formelle Rechtsfolgen Als jenseits des materiellen Steuertatbestandes wirkende Rechtsfolgen kommen vor allem die folgenden in Frage. 1. Verzinsung a) Grundsätzliche Systematik und Zielsetzung Wird die Mehrwertsteuer zu niedrig angemeldet und entsprechend in zu geringer Höhe abgeführt, werden in einigen Mitgliedstaaten – meist auf den nicht abgeführten Betrag – Zinsen fällig. Beträge, welche zwar angemeldet, aber nicht fristgerecht gezahlt wurden, unterliegen regelmäßig

45 S.o. Teil I C.I.1 Aberkennung mehrwertsteuerlicher Rechtspositionen.

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Teil I  Spektrum der Rechtsanwendungsfehler und ­Sanktionsfolgen

nicht dem Verzinsungsregime.46 Handelt der Steuerpflichtige also einer ihm durch Festsetzung oder Voranmeldung bekannten Zahlungsverpflichtung zuwider, werden keine Zinsen fällig. Eine Ausnahme hiervon macht Irland. Dort sind alle fälligen Beträge, die nicht bezahlt wurden, zu verzinsen. Damit ist die Verzinsung typische Rechtsfolge zu niedriger Steuervoranmeldung. Die zu niedrige Steueranmeldung geht regelmäßig auf Rechtsanwendungsfehler zurück. Damit ist die Verzinsung zugleich typische Rechtsfolge irrtümlicher Rechtsanwendungsfehler. Zweck der Verzinsungsregeln ist die Abschöpfung des Liquiditätsvorteils, welcher dem Steuerpflichtigen durch den zu geringen Abführungsbetrag erwachsen ist. Dadurch wird die materiell-rechtlich intendierte Liquiditätssituation sowohl des Steuerpflichtigen als auch des Staates wiederhergestellt. Verzinsungsregeln sind daher der Gruppe der formellen Rechtsfolgenregime zuzurechnen. Eine Sanktionswirkung soll die Verzinsung nicht entfalten. Irrelevant ist daher, warum die Steuer in nicht ausreichender Höhe abgeführt wurde. Allerdings bleibt die Wirkung dieser legislativen Zielsetzung teils auf die Gesetzesbegründungen beschränkt. So ist ein tatsächlicher Liquiditätsvorteil für den Steuerpflichtigen oder zumindest ein solcher Nachteil für den Fiskus nie ausdrücklich tatbestandliche Voraussetzung. Dieser Gedanke findet, wenn, nur über die Rechtsprechung oder Verwaltungsanweisungen Eingang in die Rechtspraxis.47

46 Ausgangspunkt für die Verzinsung ist der festgesetzte Betrag. Im Vereinigten Königreich stellt das Sec. 74 (1) VAT Act 1994 klar, dass die Verzinsung nur für Fälle anordnet, in denen gem. Sec. 73 VAT Act 1994 die Steuer falsch angemeldet wurde; so auch Notice 700/43/12 para. 2.4. In Deutschland ergibt sich als Bezugspunkt für die Verzinsung gem. § 233a Abs. 3 AO ebenfalls nur der festgesetzte Betrag abzüglich vorangemeldeter Beträge; hierzu instruktiv Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 233a AO (Juni 2015), Rn. 8. 47 Siehe hierzu für Deutschland, BVerfG, Beschl. v. 03.09.2009 – 1 BvR 2539/07, BFH/ NV 2009, 2115 (2117, III.1.a.); BFH, Urt. v. 20.09.1995 – X R 86/94, BStBl. II 1996, 53 (54, 2.b)bb) ff.); v. 05.06.1996 – X R 234/93, BStBl. II 1996, 503 (504, 1.b); v. 11.07.1996 – V R 18/95, BStBl. II 1997, 259 (260, II.2.c)); Beschl. v. 06.04.2009 – X B 257/08, BFH/NV 2009, 1078 (1078); Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 233a AO (Jun. 2015), Rn. 5 (mit ausführlichen weiteren Nachweisen); Rüsken in Klein, § 233a, Rn. 1; für das Vereinigte Königreich Notice 700/43/12 para. 1.2, 2.1, 2.2 Default Interest (demnach werden Zinsen nicht erhoben, wo dem Staat ein Liquiditätsvorteil nicht entgangen ist, z.B. weil ein anderer die Steuer unmittelbar wieder als Vorsteuer hätte abziehen können); Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 51.15.

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C. Rechtsfolgen

Auf die Abschöpfung dieses Liquiditätsvorteils verzichtet Österreich. Die Verzinsungsregel des § 205 BAO findet auf die Umsatzsatzsteuer keine Anwendung. Zweck der, dem deutschen § 233a AO ähnlichen Regelung, ist einerseits, Minderungen des Vorauszahlungsvolumens möglichst unattraktiv zu machen, andererseits soll der Steuerpflichtige zu einer möglichst zeitnahen Abgabe von Steuererklärungen angehalten werden. Die Verzinsungsregel wurde dabei auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer beschränkt, da das Problem der zeitlichen Aufkommensverlagerung nach Ansicht des österreichischen Gesetzgebers, in diesen Bereichen die größten Auswirkungen hat.48 b) Rechtsvergleichende Darstellung der Verzinsungsregime ­ausgewählter Mitgliedstaaten Die Verzinsungsregime der einzelnen Mitgliedstaaten unterscheiden sich sowohl in Satz, Zinslauf als auch in der Bestimmung des zu verzinsenden Betrages. In der vorliegenden Arbeit werden neben Deutschland die Mitgliedstaaten Österreich und das Vereinigte Königreich herangezogen. Mit der Untersuchung Österreichs wird der deutschsprachige EU-Binnenmarkt abgedeckt. Zudem wird ein für deutsche Unternehmen traditionell wichtiger Wirtschaftsraum mitbeleuchtet.49 Noch bedeutsamer für die deutsche Wirtschaft ist der zweite ausgewählte Mitgliedstaat, das Vereinigte Königreich.50 Daneben lohnt ein Vergleich mit der Rechtslage im Vereinigten Königreich, weil es die größte Volkswirtschaft in der EU ist, deren Rechtssystem das Common Law System zugrunde liegt. Zudem veröffentlicht die dortige Steuerverwaltung, die HMRC51, in einem sehr großen Umfang die Grundsätze ihrer Verwaltungspraxis und ermöglicht somit auch Ausländern eine dezidierte Auseinandersetzung mit ihrer Rechtsanwendung. Die Rechtslage in Irland wird an Stellen dargestellt, wenn sich dort Besonderheiten ergeben. Eine dezidierte Aus-

48 Regierungsvorlage zum Bundesgesetz zur Änderung u.a. der Bundesabgabenordnung, zu Art. 27 Z 8 (§ 205 BAO), S. 311 der Beilagen XXI. GP. 49 So beliefen sich die Exporte von Deutschland nach Österreich in 2015 auf rund 58 Milliarden Euro. Damit war Österreich der siebtwichtigste Exportmarkt deutscher Unternehmen in 2015. Höhere Umsätze würden nur in deutlich bevölkerungsreicheren Ländern erzielt. Siehe hierzu Statistisches Bundesamt, Rangfolge Außenhandel 2015, S. 2.  50 Das Vereinigte Königreich steht nach den USA und Frankreich an dritter Stelle der wichtigsten Exportmärkte der deutschen Wirtschaft. Siehe hierzu Statistisches Bundesamt, Rangfolge Außenhandel 2015, S. 2. 51 Her Majesty’s Revenue and Customs, im Folgenden nur noch HMRC.

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Teil I  Spektrum der Rechtsanwendungsfehler und ­Sanktionsfolgen

einandersetzung mit Irland, das für die deutsche Realwirtschaft keine zentrale Rolle spielt,52 unterbleibt jedoch. Die angewandten effektiven53 Jahressätze reichen von – derzeit – 3 % gem. Sec. 197 (2) (c) Finance Act 1996 i.V.m. Sec. 4 (1) (c) i.V.m. Air Passenger Duty and Other Indirect Taxes (Interest Rate) Regulations 1998 im Vereinigten Königreich über 6% gem. §§ 238 i.V.m. 233a AO54 in Deutschland, bis 10,001 % gem. Sec. 114 (1) Value-Added Tax Consolidation Act 201055 in Irland. Ähnlich der sehr weiten Spanne von Zinssätzen variiert auch der Beginn des Zinslaufes. So fällt dieser in Irland gem. Sec. 114 (1) Value-Added Tax Consolidation Act 2010 auf den Fälligkeitszeitpunkt und im Vereinigten Königreich gem. VAT Notice 700/43/12 para. 2.6 auf den Zeitpunkt zu dem die Steuer spätestens anzumelden war.56 In Irland setzt die Verzin­sung unter bestimmten Umständen gem. Sec. 114 (3) (a) Value-Added Tax Consolidation Act 2010 bereits sechs Monate vor Fälligkeit ein. Liegt im Vereinigten Königreich der Fälligkeitszeitpunkt länger als drei Jahre zurück, erstreckt sich die Verzinsung gem. Sec. 74 (3) VAT Act 1994 maximal auf die zurückliegenden 3 Jahre. In Deutschland hingegen beginnt die Verzin­ sung gem. § 233a Abs. 2 Satz 1 AO erst nach Ablauf von fünfzehn Monaten nach Ende desjenigen Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Zu verzinsender Betrag ist grundsätzlich die Differenz zwischen entstandenem und abgeführtem Steuerbetrag.57 Eine Ausnahme hiervon bildet die irische Regelung der Sec. 114 (3) (a) Value-Added Tax Consolidation Act 2010. Diese findet nur Anwendung auf Steuerpflichtige, die gem. Sec. 77 Value‑Added Tax Consolidation Act 2010 pauschale Vorauszah52 Die Exporte von Deutschland nach Irland beliefen sich in 2015 auf rund 5,8 Milliarden Euro. Irland belegt damit nur den 36. Platz der wichtigsten Exportmärkte deutscher Unternehmen in 2015. Siehe hierzu Statistisches Bundesamt, Rangfolge ­Außenhandel 2015, S. 2. 53 Ein Zinseszins wird nicht erhoben; für Deutschland gem. § 233 Satz 2 AO, wonach steuerliche Nebenleistungen – hierzu zählen gem. § 3 Abs. 4 AO auch die Zinsen gem. § 233–237 AO selbst – nicht verzinst werden; für Irland Sec. 114 (1) Value-­ Added Tax Consolidation Act 2010 („simple interest“); für das Vereinigte Königreich Notice 700/43/12 para. 2.7. 54 Der Monatszinssatz beträgt gem. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO 0,5 %, was einem Jahreszinssatz von 6 % entspricht. 55 Der Tagessatz beträgt gem. Sec. 114 (1) Value‑Added Tax Consolidation Act 2010 0,0274 %, was einem effektiven Jahreszinssatz von 10.001 % entspricht. 56 Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 51.15. 57 In Deutschland gem. § 233a Abs. 3 Satz 1 AO; im Vereinigten Königreich gem. Sec. 73 (1) i.V.m. 74 (1) VAT Act 1994; in Irland gem. Sec. 114 Value-Added Tax Consolidation Act 2010.

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C. Rechtsfolgen

lungen für einen, mehrere Besteuerungszeiträume – diese erstrecken sich gem. Sec. 2 Value-Added Tax Consolidation Act 2010 über zwei Monate – umfassenden Abrechnungszeitraum („accounting period“) entrichten. Am Ende dieses Abrechnungszeitraumes haben die Steuerpflichtigen eine entsprechende Voranmeldung, welche sich auf alle vom Abrechnungszeitraum umfassten Besteuerungszeiträume erstreckt, abzugeben, Sec. 77 (2) (b) (i) Value-Added Tax Consolidation Act 2010. Den von ihren pauschalen Vorauszahlungen nicht gedeckten Steuerbetrag haben diese Steuerpflichtigen dann zu überweisen, Sec. 77 (2) (b) (ii) Value-Added Tax Consolidation Act 2010. Bezüglich dieses Betrages erfolgt eine Verzin­ sung nur, wenn der, unter Berücksichtigung der Vorauszahlungen ausstehende Betrag zwanzig Prozent der tatsächlichen Steuerschuld übersteigt. Unklar bleibt dabei, ob nur der diese zwanzig Prozent übersteigende Betrag, oder der gesamte ausstehende Betrag der Verzinsung unterliegt. Der Wortlaut58 der Sec. 114 (3) (a) Value-Added Tax Consolidation Act 2010 legt zunächst letzteres nahe. Demnach ist, wenn der nach Abzug der Vorauszahlungen vom tatsächlich entstandenen Steuerbetrag gem. Sec. 77 (2) VAT Consolidation Act 2010 noch ausstehende Steuerbetrag („balance“) zwanzig Prozent des tatsächlich entstandenen Steuerbetrages übersteigt, dieser noch ausstehende Steuerbetrag („balance“) zu verzinsen.59 Zudem wird gem. Sec. 114 (3) (a) Value-Added Tax Consolidation Act 2010 in den Fällen der pauschalen Vorauszahlung, wie bereits oben erwähnt, der Verzinsungszeitraum auf 6 Monate vor den Fälligkeitszeitpunkt vorverlegt. Da der Zinssatz gleich bleibt, wäre, sofern der ausstehende Betrag die zwanzig Prozent übersteigt, die Zinsbelastung des Steuerpflichtigen, welcher pauschale Vorauszahlungen leistet, verglichen mit einem Steuerpflichtigen, der die Steuern im Standardverfahren gem. Sec. 76 Value-­ Added Tax Consolidation Act 2010 abführt, stets höher. Der Vorteil der Teilnahme am Vorauszahlungsverfahren beschränkte sich damit darauf, 58 Sec. 114 (3) (a) Value-Added Tax Consolidation Act 2010: Subject to paragraph (b), where the amount of the balance of tax remaining to be paid in accordance with section 77(2) (b) and (c) by an authorised person referred to in section 77(5) (in this subsection referred to as the “balance”) represents more than 20 per cent of the tax which the authorized person became accountable for in respect of his or her ­accounting period, then, for the purposes of this subsection, that balance shall be deemed to be payable on a day (in this subsection referred to as the “accrual day”) which is 6 months prior to the final day for the furnishing of a return in accordance with section 77(2) (b) and simple interest in accordance with this section shall ­apply from that accrual day. 59 Im Ergebnis ebenso Sec. 114 (3) Notes for Guidance – Value-Added Tax Consolida­ tion Act 2010 – updated to include Finance Act 2012 changes; zur (bis auf den ­Zinssatz) gleichlautenden Vorgängerregelung im Ergebnis ebenso VAT Guide 2008 para. 17.2.

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Teil I  Spektrum der Rechtsanwendungsfehler und ­Sanktionsfolgen

dass erst ab einer zwanzigprozentigen Unterschreitung des fälligen Steuerbetrages eine Verzinsung einsetzt. Dass aber, auch wenn Zinsen fällig werden, eine Privilegierung des am Vorauszahlungsverfahren gem. Sec. 77 (2) (b) (ii) Value-Added Tax Consolidation Act 2010 teilnehmenden Steuerpflichtigen angestrebt wird, zeigt die Regelung der Sec. 114 (3) (b) Value‑Added Tax Consolidation Act 2010. Weist der Steuerpflichtige demzufolge nach, dass seine Zinslast gem. Sec. 114 (3) (a) Value‑Added Tax Consolidation Act 2010 höher ist, als sie wäre, wenn er die Steuer entsprechend dem Standardverfahren gem. Sec. 76 Value‑Added Tax Consolidation Act 2010 durchführte – die Verzinsung erfolgte damit nach Sec. 114 (1) Value‑Added Tax Consolidation Act 2010 erst ab dem Fälligkeitszeitpunkt –, so schuldet er nur den Zinsbetrag gem. Sec. 114 (1) Value‑Added Tax Consolidation Act 2010.60 Der Zinsbetrag im Standard­ erhebungsverfahren gem. Sec. 76 i.V.m. 114 (1) Value‑Added Tax Con­ solidation Act 2010 bildet damit den Höchstbetrag, unabhängig vom ­gewählten Modus des Steuererhebungsverfahrens. Diese Regelung stellt erkennbar eine Ausnahmeregelung dar. Diese soll sicherstellen, dass Steuerpflichtige die pauschale Vorauszahlungen leisten jedenfalls nicht stärker durch Zinsen belastet werden, als diejenigen Steuerpflichtigen, welche Steuer im Standardverfahren abführen. Eine niedrigere Zinsbelastung ist folglich durchaus gewollt. Wäre auch im Vorauszahlungsverfahren gem. Sec. 77 (2) (b) Value-Added Tax Consolidation Act 2010 der Gesamtbetrag der ausstehenden Steuer zu verzinsen, käme diese Reglung stets zur Anwendung. Ihre Anwendung wäre keine Ausnahme, sondern die Regel. Zudem käme es im Verzinsungsfall niemals zu einer Privilegierung des Vorauszahlungen leistenden Steuerpflichtigen. Aus systematischen Gründen ist damit davon auszugehen, dass gem. Sec. 114 (3) (a) Value‑Added Tax Consolidation Act 2010 nur der 20 Prozent übersteigende Steuerfehlbetrag zu verzinsen ist. 2. Verwaltungsstrafen/Penalties Die vorgenannten Verzinsungsregime machen nur oder schwerpunktmäßig an den geschuldeten Steuerbeträgen fest. Daneben erlegen einige Mitgliedstaaten im Falle von Rechtsanwendungsfehlern den Steuerpflichtigen weitere Zahlungspflichten auf. Der Zweck dieser Regelungen ist regelmäßig nicht die Abschöpfung der durch den Rechtsanwendungs60 Zur Berechnung der fiktiven Zinsbelastung gem. Sec. 114 (1) Value-Added Tax Consolidation Act 2010 gelten gem. Sec. 114 (3) (b) (iii) Value Added Tax Consolidation Act 2010 die monatlichen Pauschalvorauszahlungen als zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt abgeführt.

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C. Rechtsfolgen

fehler erhaltenen, wirtschaftlichen Vorteile. Im Zentrum steht vielmehr die Disziplinierung der Steuerpflichtigen. Somit dienen diese Rechtsfolgenregime der Sicherung der Durchsetzung des materiellen Rechts und sind damit den formellen Rechtsfolgen zuzurechnen. Ausgehend vom Ziel, den Steuerpflichtigen zur Befolgung seiner steuerlichen Pflichten anzuhalten, unterliegen die Zahlungsverpflichtungen nicht notwendig einer betragsmäßigen Koppelung an den betroffenen steuerbaren Vorgang. Zudem setzen sie regelmäßig eine Vorwerfbarkeit des Fehlers voraus oder mindern sich in Abhängigkeit von deren Grad. a) Bußgelder Verstößt der Steuerpflichtige gegen mehrwertsteuerliche Pflichten, steht den Mitgliedstaaten die Verhängung von Bußgeldern offen. Die Mitgliedstaaten können sich dabei auf Art. 273 ­MwStSystRL stützen.61 Demzufolge sind sie berufen, den Pflichtenkatalog der M ­ wStSystRL zu erweitern, um die korrekte Erhebung der Steuer sicherzustellen. Von dieser Möglichkeit machen das Vereinigte Köni8 e Bußgeldregime fremd. Irland und das Vereinigte Königreich armieren nahezu umfassend die Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen mit Verwaltungssanktionen. In Irland finden sich die entsprechenden Regelungen in Sec. 115 – 117 Value-Added Tax Consolidation Act 201062, im Vereinigten Königreich in Sec. 62, 65 f., 69 und 69B VAT Act 1994 als auch in Schedule 24 para. 1 Finance Act 2007 und Schedule 41 para 1 Finance Act 200863. Demnach werden Geldbußen fällig, wenn der Steuerpflichtige gegen die jeweiligen 61 Siehe hierzu z.B. EuGH, Urt. v. 12.07.2001 – C-262/99 – Louloudakis, ECLI:EU:C:​ 2001:407, Rn. 67; v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:​ 267, Rn. 67; v. 15.01.2009 – C-502/07 – K-1, ECLI:EU:C:2009:11, Rn. 20; v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 29; v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:​ 497, Rn. 55; v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 40; allgemein zur Befugnis der Mitgliedstaaten zum Erlass von Verwaltungssanktionen, EuGH, Urt. v. 16.12.1992 – C-210/91 – Kommission/Griechenland, ECLI:EU:C:1992:525, Rn. 19 m.w.N.; v. 26.10.1995 – C-36/94 – Siesse, ECLI:EU:C:​ 1995:​351, Rn. 21; v. 07.12.2000 – C-213/99 – De Andrade, ECLI:EU:C:2000:678, Rn. 20. 62 Sec. 115 Value-Added Tax Consolidation Act 2010 regelt Verstöße gegen registrierungs- und umsatzbezogene Melde- und Nachweispflichten; Sec. 116 Value‑Added Tax Consolidation Act 2010 sieht Strafzahlungen für falsche (subsection [2] bei Vorsatz und [5] bei Fahrlässigkeit) und gar nicht abgegebene Steuervoranmeldungen (subsection [3] bei Vorsatz und [6] bei Fahrlässigkeit) vor. 63 Sec. 63 f. VAT Act 1994 regelt die Bußgelder für fehlerhafte Voranmeldungen; Sec. 65 f. VAT Act 1994 betrifft fehlerhafte Zusammenfassende Meldungen; Sec. 69 VAT Act 1994 betrifft die Einhaltung von Verwaltungsanweisungen; Schedule 24

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Teil I  Spektrum der Rechtsanwendungsfehler und ­Sanktionsfolgen

Mitwirkungspflichten verstößt. Die Höhe dieser Bußgelder orientiert sich teils am betroffenen Steuerbetrag64, teils werden Pauschalbeträge65 fällig.66 Diese Bußgelder reduzieren sich aber sowohl in Abhängigkeit vom Verschuldensgrad67, der Höhe des betroffenen Steuerbetrages68 als auch der Mitwirkung des Steuerpflichtigen69 unter Umständen bis auf para. 1 Finance Act 2007 betrifft die Abgabe von fehlerhaften Voranmeldungen; Schedule 41 para. 1 Finance Act 2008 die Verletzung der Registrierungspflicht. 64 In Irland entspricht das Bußgeld für eine nicht abgegebene (subsection 11) oder inhaltlich falsche (subsection 12) Steuervoranmeldung gem. Sec. 116 Value‑Added Tax Consolidation Act 2010 dem nicht, bzw. falsch erklärten Steuerbetrag; im Vereinigten Königreich Sec. 63 (1) i.V.m. jeweils (2), (4) (b), (7) und 64 (3) VAT Act 1994 zwischen 15 % und 30 % des Fehlbetrages; bzw. bis zu 200 % gem. Schedule 24 para. 4 Finance Act 2007 bzw. Schedule 41 para. 6 Finance Act 2008. 65 In Irland bestimmt Sec. 115 Value‑Added Tax Consolidation Act 2010 für Verstöße gegen Registrierungs- und umsatzbezogene Melde- und Nachweispflichten ein pauschales Bußgeld i.H.v. 4.000 € bzw. Sec. 116 (8) Value‑Added Tax Consolidation Act 2010 für Fehler in Zusammenhang mit der Ausstellung von unrichtigen Rechnungen, oder der Verwendung dieser i.H.v. 3.000 € (Fahrlässigkeit) bzw. 5.000 € (Vorsatz); im Vereinigten Königreich bestimmt, Sec. 65 (5) (a), (6) (b), (6) VAT Act 1994 bei Nichtabgabe von zusammenfassenden Meldungen pauschal 50 £, oder 5 £ bis 15 £ je Verspätungstag (max. 100 Tage), Sec. 67 (4) VAT Act 1994. Sec. 69 (1) i.V.m. (3), (5) VAT Act 1994 im Falle das Verstoßes gegen Verwaltungsvorschriften 50 £ oder Tagessätze, Sec. 69 (2) VAT Act 1994 500 £, falls Aufbewahrungspflichten verletzt werden. 66 Sowohl pauschal als auch nach der Höhe der in Frage stehenden Steuerbeträge bestimmt sich das Bußgeld in Irland in Fällen des Erwerbs von Waren aus dem Ausland; Sec. 116 (19) Value-Added Tax Consolidation Act 2010 fordert im Falle der fehlerhaften Versteuerung eines innergemeinschaftlichen Erwerbs einen Pauschalbetrag von 4.000 € zuzüglich zur Zahlung eines Bußgeldes in Höhe der tatsächlich entstandenen Erwerbssteuer; parallel hierzu regelt Sec. 116 (18) Value-Added Tax Consolidation Act 2010 die Bußgelder in gleicher Höhe im Falle der fehlerhaft besteuerten Einfuhr. Im Vereinigten Königreich bestimmt sich die Höhe des Bußgeldes gem. Schedule 24 para. 4 Finance Act 2007 bzw. Schedule 41 para 6 Finance Act 2008 u.a. in Abhängigkeit vom Verschuldensgrad. 67 In Irland reduziert sich das Bußgeld gem. Sec. 116 (4) Value‑Added Tax Consoli­ dation Act 2010 im Falle des Vorsatzes auf höchstens 10 % des ursprünglichen Steuerbetrages, im Falle eines fahrlässigen Fehlers des Steuerpflichtigen gem. Sec. 116 (7) Value‑Added Tax Consolidation Act 2010 auf bis zu 3 % des ursprünglichen Betrages. 68 In Irland ist der maximale Nachlass auf 3 % gem. Sec. 116 (7) (b) (I) Value‑Added Tax Consolidation Act 2010 nur möglich, sofern der falsch oder nicht erklärte Steuerbetrag 15 % der gesamten Steuerschuld nicht überschreitet; liegt der betroffene Steuerbetrag höher, beschränkt sich die maximale Reduktion gem. Sec. 116 (7) (b) (I) Value‑Added Tax Consolidation Act 2010 auf 5 %. 69 In Irland ist die maximale Minderung auf 3 % gem. Sec. 116 (7) (b) (C) Value‑Added Tax Consolidation Act 2010 nur möglich, sofern der Steuerpflichtige unaufgefordert die/den Fehler offenlegt; vergleichbar kann im Vereinigten Königreich gem. Sec. 65 (3) (b) VAT Act 1994 bei freiwilliger Aufdeckung von Fehlern in Zusammen-

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C. Rechtsfolgen

null. Im Vereinigten Königreich kann zudem von Bußgeldern, außer solchen für die Abgabe einer fehlerhaften Voranmeldung gem. Schedule 24 para. 1 Finance Act 2007 ganz70 oder zum Teil71 abgesehen werden. Vo­ raussetzung dafür ist, dass der Steuerpflichtige eine „reasonable excuse“72 für seine Rechtsanwendungsfehler geben kann.73 Wiederholen sich Verstöße, wird die Möglichkeit der Verminderung des Bußgeldes eingeschränkt oder entfällt gar völlig.74 b) Aufschläge Neben Bußgeldern werden bei Versäumnissen bzgl. steuerlicher Pflichten im Zusammenhang mit der Voranmeldung und der Zahlung teils auch Aufschläge fällig. Reicht im Vereinigten Königreich ein Steuerpflichtiger eine Voranmeldung nicht rechtzeitig ein oder erfolgt die Zahlung des in der Voranmelfassenden Meldungen von Bußgeldern abgesehen werden, Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 52.13.(5).; gleiches gilt für die Aufdeckung von Fehlern in Vor­ anmeldungen. Schedule 24 para. 9 f. Finance Act 2007 bzw. einer versäumten Registrierung gem. Schedule 41 para. 12 f. Finance Act 2008. 70 Diese Möglichkeit besteht bei jedem Bußgeldtatbestand. Die entsprechenden Regelungen finden sich in Sec. 70 (1) VAT Act 1994 i.V.m. Notice 700/42/12 para. 3.1; Sec 65 (3) (a), 66 (7), 68 (4), 69 (8) VAT Act 1994, bzw. Schedule 41 para: 20 Finance Act 2008 71 Die Möglichkeit Bußgelder zu mindern gibt Sec. 70 (1) VAT Act 1994 bzw. Sche­ dule 24 para. 9 f. Finance Act 2007 bzw. Schedule 41 para: 12 f. Finance Act 2008. 72 Eine Definition hierzu findet sich nicht im VAT Act 1994. Einzig eine Negativ­ abgrenzung erfolgt in Sec. 70 (3f) und 71 (1) VAT Act 1994. Die Finanzverwaltung erkennt in Notice 700/42/12 para. 3 das Verhalten als „conscientious businessperson“ als „reasonable excuse“ an. Darunter kann man wohl denjenigen Steuerpflichtigen verstehen, welcher, nach der Diktion des EuGH die „due commercial care“ (dt. die Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns) beachtet. Siehe hierzu die inhaltlich wohl gleichbedeutenden Äußerungen des EuGH in EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 65; v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 27, 29; Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 52.9. 73 Diese Möglichkeit besteht bei jedem Bußgeldtatbestand. Die entsprechenden Regelungen finden sich in Sec. 70 (1) VAT Act 1994 i.V.m. Notice 700/42/12 para. 3.2; Sec 65 (3) (a), 66 (7), 68 (4), 69 (8) VAT Act 1994. 74 In Irland verringern sich die Reduktionssätze beim zweiten – nicht notwendigerweise identischen – Verstoß innerhalb von 5 Jahren gem. Sec. 116 (13) Value‑Added Tax Consolidation Act 2010; für jeden weiteren Verstoß innerhalb dieses Zeitraumes scheidet gem. Sec. 116 (14) Value‑Added Tax Consolidation Act 2010 eine Reduktion vollständig aus. Die englische HMRC können gem. Sec. 70 (1), (2) VAT Act 1994, vollkommen von Bußgeldern absehen, dabei berücksichtigen sie auch das bisherige Verhalten des Steuerpflichtigen, insbesondere auch zurückliegende Fehler; vgl. Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 52.30.

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Teil I  Spektrum der Rechtsanwendungsfehler und ­Sanktionsfolgen

dung ausgewiesenen Steuerbetrages nicht rechtzeitig, greift das Zuschlagsystem der Sec. 59 f. VAT Act 1994. Ist der Steuerpflichtige aufgrund dieser Versäumnisse gem. Sec. 59 (1) VAT Act 1994 säumig („in default“), ergeht gem. Sec. 59 (2) (b) VAT Act 1994 die Androhung von Zuschlägen. Bleibt in den darauffolgenden Monaten erneut die rechtzeitige Zahlung oder Abgabe der Voranmeldung aus, werden gem. Sec. 59 (4)–(5) VAT Act 1994 Aufschläge auf ausstehende Steuerbeträge i.H.v. 2–15 % fällig. ­Gleiches gilt gem. Sec. 59A VAT Act 1994, wenn Abschlagszahlungen75 nicht zum Fälligkeitsdatum entrichtet werden. Wie im Falle von Bußgeldern kann der Steuerpflichtige gem. Sec. 59 (7), bzw. 59A (8) VAT Act 1994, mittels einer „reasonable excuse“, die Festsetzung eines Aufschlages abwenden.76 Ebenso wird kein Aufschlag fällig, wenn der Steuerpflichtige die Voranmeldung bzw. Zahlung so rechtzeitig eingereicht bzw. veranlasst hat, dass er von einem fristgerechten Eingang ausgehen durfte.77 Hinzuweisen ist hier darauf, dass im Falle des Zahlungsverzuges ein Aufschlag nur fällig wird, wenn der ausgewiesene Betrag nicht zum Fälligkeitszeitpunkt eingeht. Keine Zuschläge werden dagegen fällig, wenn die Steuer fehlerhaft zu niedrig angemeldet wurde und, zwar der angemeldete, nicht aber auch die Differenz zum tatsächlich geschuldeten Steuerbetrag eingeht. Dem Wortlaut ist das nicht eindeutig zu entnehmen.78 So setzt zwar Sec. 59 (1) (b) VAT Act 1994 voraus, dass der ausgewiesene Betrag nicht rechtzeitig entrichtet wurde. Ergeht gem. Sec. 59 (2) (b) VAT Act 1994 die Androhung von Zuschlägen, so regelt Sec. 59 (4) (b) VAT Act 1994, dass Zuschlage fällig werden, wenn der Steuerpflichtige Steuerausstände („outstanding VAT“) hat. Diese Steuerausstände dienen dann als Bemessungsgrundlage für die Zuschläge. Damit bezieht sich Sec. 59 (4) (b) VAT Act 1994 nicht mehr auf den in der Voranmeldung ausgewiesenen Steuerbetrag, sondern etabliert den neuen ­Begriff der „outstanding VAT“. Möglich wäre auch anzunehmen, dass, wenn der Steuerpflichtige bzgl. der ausgewiesenen Steuerbeträge in Verzug ist, die Zuschläge auf Grundlage der tatsächlich entstandenen ­Steuerbeträge bemessen werden. Ansatzpunkt hierfür könnte sein, dass einem Steuerpflichtigen, demgegenüber bereits die Androhung eines Zuschlages ergangen ist, eine höhere Sorgfalt bzgl. seiner gesamten Steuerschuld zuzumuten ist. Auch auf die Legaldefinition des ausstehenden 75 Gem. Sec. 28 VAT Act 1994 sind grundsätzlich ab bestimmten Umsatzgrenzen Abschlagszahlungen zu leisten. 76 Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 52.21.(ii) und 52.22.(B); Needham, Value Added Tax, S. 58 ff. 77 Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 52.21.(i). 78 Insoweit offen bleiben die Ausführungen bei Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 52.21 und Needham, Value Added Tax, S. 698.

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C. Rechtsfolgen

Steuerbetrages in Sec. 59 (6) VAT Act 1994 ließ sich diese Ansicht stützen. Demnach gilt: “For the purposes of subsections (4) and (5) above a person has out­ standing VAT for a prescribed accounting period if some or all of the VAT for which he is liable in respect of that period has not been paid by the last day on which he is required (as mentioned in subsection (1) above) to make a return for that period; and the reference in subsection (4) ­above to a person’s outstanding VAT for a prescribed accounting period is to so much of the VAT for which he is so liable as has not been paid by that day.” Der Steuerpflichtige hat demnach Steuerausstände i.S.d. subsections 4 und 5, wenn die in diesem Voranmeldungszeitraum geschuldete Steuer ganz oder teilweise nicht zum Fälligkeitszeitpunkt gezahlt wurde. Der Klammerzusatz bezieht sich dabei offensichtlich nur auf das in Absatz 1 beschriebene Fälligkeitsdatum. Auch der zweite Halbsatz bestätigt diese Ansicht. Demnach bemisst sich der Steuerausstand i.S.d. subsection 4 nach dem bis zum Fälligkeitszeitpunkt nicht gezahlten Betrag. Daher legt der Wortlaut der Sec. 59 (1), (4) und (6) VAT Act 1994 nahe, dass Zuschläge auch fällig werden, wenn der Steuerpflichtige lediglich die zu niedrig angemeldeten Steuerbeträge abführt. Dagegen lassen sich aber systematische Argumente ins Feld führen. Für den Fall der unrichtigen, weil zu niedrigen Erklärung der Steuer in Voranmeldungen, sehen Sec. 63 f. VAT Act 1994 dezidierte Bußgelder vor. Demnach ist die Festsetzung von Bußgeldern aber von zusätzlichen Voraussetzungen, wie der Überschreitung bestimmter Betragsgrenzen gem. Sec. 63 (2) VAT Act 1994, abhängig. Wäre ein Zuschlag gem. Sec. 59 VAT Act 1994 auch immer auf fälschlicherweise nicht erklärte Steuerbeträge zu zahlen, so würden die Zuschläge immer neben die Sanktionen i.S.v. Sec. 63 VAT Act 1994 treten. Dieses Ergebnis hätte der Gesetzgeber im Vereinigten Königreich auch erreichen können, indem er bei Überschreiten der Betragsgrenzen des Sec. 63 (2) VAT Act 1994 schlicht den Satz der Zuschläge um die in Sec. 63 (1) VAT Act 1994 geregelten Bußgelder erhöht hätte. Zudem findet sich in Sec. 63 (7) VAT Act 1994 mit der Begriffsdefinition des „true amount of VAT“ auch eine ausdrückliche Definition des tatsächlich geschuldeten Steuerbetrages. Warum diese Begrifflichkeit nicht auch in Sec. 59 f. VAT Act 1994 hätte Verwendung finden sollen, ist nicht klar. Damit legt die autonome Regelung von Fällen, in denen der Steuerpflichtige die Steuer zu niedrig anmeldet und entsprechend einen zu geringen Betrag abführt, nahe, dass sie getrennte Anwendungsbereiche haben. Da-

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Teil I  Spektrum der Rechtsanwendungsfehler und ­Sanktionsfolgen

her ist davon auszugehen, dass im Falle einer zu niedrigen Voranmeldung keine Zuschläge fällig werden. Diese Ansicht legen offensichtlich auch die HMRC79 zugrunde. So stellt Notice 700/50/2011 para. 3.1 klar, dass sich die Festsetzung eines Zuschlages durch die Zahlung des in der Voranmeldung ausgewiesenen Betrages verhindern lässt. Die Zuschläge fallen also nur an, wenn der Steuerpflichtige angemeldete Steuern nicht zahlt. Daher werden Säumniszuschläge im Vereinigten Königreich nur fällig, wenn der Steuerpflichtige positiv um seine Zahlungsverpflichtung weiß und dieser dennoch nicht entspricht. Als Rechtsfolge eines irrtümlichen Rechtsanwendungsfehlers scheidet der Säumniszuschlag daher aus. In Deutschland werden Säumniszuschläge gem. § 240 AO fällig, wenn die Zahlung der Steuer nicht zum Fälligkeitszeitpunkt erfolgt. Allerdings bleibt eine Säumnis von bis zu drei Tagen gem. § 240 Abs. 3 Satz 1 AO ohne Konsequenzen. Die Höhe der Säumniszuschläge beträgt 1 % pro angefangenen Monat, § 240 Abs. 1 Satz 1 AO. Allerdings wird ein Säumniszuschlag bei Steu­ern, deren Fälligkeit von Gesetzes wegen unab­hängig von einer Festsetzung bzw. Anmel­dung eintritt, erst dann fällig, wenn eine Anmeldung oder Festsetzung erfolgt, § 240 Abs. 1 Satz 3 AO.80 Die Fälligkeit der Umsatzsteuer tritt gem. § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG bereits 10 Tage nach Ablauf des Voranmeldungszeitraumes ein. Entsprechend werden auch Säumniszuschläge für von der ursprünglichen Anmeldung abweichende Mehrbeträge erst mit der Festsetzung oder Anmeldung fällig. Wie auch schon das Zuschlagssystem im Vereinigten Königreich scheiden daher auch die Zuschläge gem. § 240 AO als Rechtsfolgen eines irrtümlichen Rechts­anwendungsfehlers aus. In Österreich werden Säumniszuschläge gem. § 217 BAO fällig, wenn Steuerbeträge nicht am Fälligkeitstag entrichtet werden. Dabei ist, anders als im Vereinigten Königreich gem. Sec. 59 und 59A VAT Act 1994, nicht der erklärte Steuerbetrag, sondern die tatsächlich entstandene Steuerschuld maßgeblich.81 Bemessungsgrundlage ist der ausstehende Betrag.82 Zunächst beträgt der Zuschlag gem. § 217 Abs. 2 BAO einmalig 79 Her Majesty’s Revenue and Customs, im Folgenden nur noch HMRC. 80 AEAO zu § 240, Rn. 1; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 240 AO (Feb. 2015), Rn. 46. 81 Ritz, BAO, § 217, Rn. 4; vgl. auch Kollmann in Melhardt/Tumpel, UStG, § 21, Rn. 18. 82 Ritz, BAO, § 217, Rn. 4.

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C. Rechtsfolgen

2 % des ausstehenden Betrags ab dem Fälligkeitszeitpunkt. Dabei Bleibt gem. § 217 Abs. 5 BAO eine Säumnis von bis zu 5 Tagen unbeachtet bleibt, sofern in den letzten 6 Monaten keine Säumnis eingetreten ist. Hinzu tritt gem. § 217 Abs. 2 BAO nach 3 und nochmals nach 6 Monaten ein weiterer Säumniszuschlag i.H.v. 1 %. Zweck dieser „Sanktion eigener Art“83 ist den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Erfüllung seiner Zahlungspflichten anzuhalten.84 Dennoch handelt es sich um eine objektive Säumnisfolge85, die tatbestandlich kein Verschulden voraussetzt.86 Einzig kann gem. § 217 Abs. 7 BAO, auch schon vor der Festsetzung des Säumniszuschlages,87 auf Antrag von der Erhebung des Säumniszuschlages abgesehen werden. Voraussetzung ist, dass den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden trifft. Bezugspunkt des Verschuldens bei Selbstveranlagungssteuern wie der Mehrwertsteuer ist dabei die Richtigkeit der Steuerberechnung. Dabei liegt ein grobes Verschulden insbesondere nicht vor, wenn der Steuerpflichtige seiner Berechnung eine nationalgerichtlich letztinstanzliche oder eine EuGH-Entscheidung88 bzw. eine individuelle Verwaltungsauskunft oder eine Verwaltungsanweisung zugrundelegt.89 Unterbleibt die Zahlung nicht wegen Falschberechnung, sondern wegen Zahlungsunfähigkeit oder nur schwer zu beschaffender Liquidität, soll ebenfalls kein grobes Verschulden vorliegen.90 Die diesbezügliche Beweislast trägt stets der Steuerpflichtige.91 Irland kennt kein Zuschlagssystem. Vielmehr begegnet man der Nichtzahlung angemeldeter Beträge hier mit der Verzinsungsregel der Sec. 114 (1) Value-Added Tax Consolidation Act 2010. Demnach werden Zinsen auf den nicht gezahlten Betrag fällig. Damit unterscheidet der Value-Added Tax Consolidation Act 2010 nicht zwischen angemeldeten und nicht angemeldeten Beträgen. Somit entfällt die Notwendigkeit den Steuerpflich-

83 ÖVwGH, Erk. v. 21.04.1983 – 83/16/0016. 84 ÖVfGH, Erk. v. 24.04.1997 – 95/15/0164; v. 03.03.2001 – B 621/98; v. 16.12.2003 – 2000/15/0155; v. 24.02.2004 – 98/14/0146; v. 15.02.2006 – 2002/13/0165; v. 29.03.2007 – 2005/16/0095. 85 Ritz, BAO, § 217, Rn. 2. 86 VwGH, Erk. v. 26.05.1999 – 99/13/0054; v. 18.10.1999 – 98/17/0139; v. 25.05.2005 – 2003/17/0256. 87 Richtlinie des BMF vom 07.11.2014, BMF-010103/0166-IV/4/2014 (in der Fassung ab 07.11.2014), Richtlinien für die Abgabeneinhebung (im Folgenden RAE), Rn. 977. 88 UFS, Erk. v. 28.03.2011 – RV/0108BL/10. 89 RAE, Rn. 975; Ritz, BAO, § 217, Rn. 48. 90 RAE, Rn. 974; Zur Zahlungsunfähigkeit so Kamhuber/Mühlberger/Pilz/Rathgeber, Abgabenordnung, § 217, Rn. 50; zum Ansatz bei Liquiditätsengpässen Ritz, BAO, § 217, Rn. 47. 91 UFS, Erk. v. 18.05.2007 – RV/0530-I/05.

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Teil I  Spektrum der Rechtsanwendungsfehler und ­Sanktionsfolgen

tigen explizit durch besondere Maßnahmen zur rechtzeitigen Zahlung angemeldeter Beträge anzuhalten. c) Die Gemeinsamkeit der Sanktionsregime Gemeinsam ist den Regimen der Verwaltungsstrafen, welche auf irrtümliche Rechtsanwendungsfehler folgen, dass sie allesamt die Möglichkeit einräumen, subjektive Faktoren bei der Verhängung zu berücksichtigen. Allerdings liegt allen Regimen zunächst die Vermutung zugrunde, dass ein festgestellter Rechtsanwendungsfehler auch tatsächlich subjektiv vorwerfbar und damit sanktionswürdig ist. Diese Vermutung kann der Steuerpflichtige dann widerlegen.92 Gelingt ihm das, verzichten die Mitgliedstaaten darauf, künftigen Rechtsanwendungsfehlern durch den Steuerpflichtigen im Wege der Sanktion vorzubeugen. Im Falle irrtüm­ licher Rechtsanwendungsfehler heißt das, dass dem Irrtum ein vorwerfbares Verschuldensmaß zugrundeliegen muss. Genauer ginge eine Sanktion, welche auf das Verschulden keine Rücksicht nimmt, ins Leere. Denn eine Sanktion kann im Falle irrtümlicher Rechtsanwendungsfehler nur im Bereich der Sorgfalt des Steuerpflichtigen zur Verhinderung dieser Rechtsanwendungsfehler ihre verhaltenslenkende Wirkung ent­ falten. Entfällt eine Sanktion dann verschuldensabhängig, folgt daraus, dass es ein Maß an Sorgfalt gibt, welches, wird es beachtet, den Steuerpflichtigen, auch bei objektiven Fehlern in der Rechtsanwendung, vor Sanktionen feit. Anders gewendet kann auch nur dieses Maß an Sorgfalt vom Steuerpflichtigen verlangt werden. Wird ihm entsprochen, ist die Verhaltenslenkung durch Sanktionen bzgl. der Sorgfalt der steuerlichen Pflichten nicht mehr geboten. Denn der Steuerpflichtige hat diesen Sorgfaltsmaßstab bereits beachtet; der Zweck einer eventuellen Sanktion ist bereits erreicht.

92 Im Falle der Säumniszuschläge Sec. 59 (7), bzw. 59 A (8) VAT Act 1994, § 217 Abs. 7 BAO; im Falle von Bußgeldern Sec. 116 (4) Value Added Tax Consolidation Act 2010; Sec. 70 (1) VAT Act 1994 i.V.m. para. 3.2 Notice 700/42/12; Sec. 65 (3) (a), 66 (7), 68 (4), 69 (8) VAT Act 1994; bzw. durch Darlegung der Gründe für den Fehler im Wege der Korrekturanzeige gem. Sec. 4.4., 7 Notice 700/45, zur Reduktion der Bußgelder Schedule 24 para. 9 (1) (a) – (c) Finance Act 2007.

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Teil II Vorgaben des Unionsrechts A. Primärrecht – Die allgemeinen Grundsätze des ­Unionsrechts I. Allgemeine Geltung der Grundsätze Die Allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts sind Teil der Unionsrechtsordnung. Sie müssen deshalb von den Organen der Union93, aber auch von den Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Unionsrichtlinien einräumen, beachtet werden94.95

II. Grundsatz der Rechtssicherheit Der allgemeine Grundsatz der Rechtssicherheit zielt auf eine Verlässlichkeit der rechtlichen Verhältnisse ab, insbesondere um Planungssicherheit zu gewähren. Insofern wirkt der Grundsatz auf verschiedenen Ebenen. 1. Geltung für die Legislative – Rückwirkung von Gesetzen Zunächst entfaltet er Wirkung auf die Legislative der Union sowie der Mitgliedstaaten. Er untersagt grundsätzlich eine Rückwirkung von Le-

93 Grundlegend EuGH, Urt. v. 14.05.1975 – C-74/74 – CNTA/Kommission, ECLI:EU:​ C:1976:84; Englisch in Weber, Traditional and Alternative Routes to European Tax Integration, S. 231 ff.; Mayer in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Euro­ päischen Union, nach Art. 6 EUV (Jul. 2010), Rn. 388 ff.; Schilling, EuGRZ 2000, 3 (17 ff.); Streinz, Europarecht, Rn. 778 ff. m.w.N. 94 Grundlegend EuGH, Urt. v. 19.11.1998 – C-85/97 – SFI, ECLI:EU:C:1998:552, Rn. 31; v. 03.12.1998 – C-381/97 – Belgocodex, ECLI:EU:C:1998:589, Rn. 26; v. 08.06.2000 – C-396/98 – Schlossstraße, ECLI:EU:C:2000:303, Rn. 44; v. 11.07.2002 – C-62/00 – Marks Spencer, ECLI:EU:C:2002:435, Rn. 44; v. 23.09.2008 – C-427/06 – Bartsch, ECLI:EU:C:2008:517, Rn. 23. 95 Zur Verfahrensautonomie im Mehrwertsteuerrecht im Speziellen u.a. EuGH, Urt. v. 18.12.1997 – C‑286/94, C‑340/95, C‑401/95 und C‑47/96 – Molenheide u.a., ECLI:EU:C:1997:623, Rn. 62 f.; v. 12.05.2011 – C-107/10 – Enel Maritsa Iztok 3, ECLI:EU:C:2011:298, Rn. 55; Englisch, UR 2011, 648 (652); generell zum Steuerrecht, Klimeck, Einfluss des europäischen Primärrechts auf das nationale Steuerverfahrensrecht, S. 18 ff.; Generell Lecheler in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, § 158 Rn. 1-5.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

gislativakten auf den Zeitraum vor ihrem Inkrafttreten.96 Dies gilt auch dann, wenn die Rückwirkung nicht ausdrücklich angeordnet, sondern lediglich deren notwendige, mittelbare Folge ist.97 Dem Erfordernis der Rechtssicherheit in der Zeit genügt ein nationaler Gesetzgeber aber, wenn eine Gesetzesänderung nur bestimmte Parameter ändert und in der Folge ein Sachverhalt den Tatbestand einer bereits zuvor bestehenden Korrekturvorschrift erfüllt. Insofern steht die einfachgesetzliche Möglichkeit der Korrektur der Bildung schutzwürdigen Vertrauens entgegen.98 Häufig wird dieser Grundsatz, betreffend legislative Maßnahmen, zusammen mit dem des Vertrauensschutzes genannt. Eine Unterscheidung ihrer Wirkung findet dabei zumeist nicht statt.99 Das verwundert angesichts der sehr ähnlichen Wirkrichtung beider Grundsätze nicht. So schützt der Vertrauensschutzgrundsatz vor rückwirkenden Änderungen von Gesetzen, auf deren Grundlage der Bürger Dispositionen getroffen hat. Insofern schützt er Planungssicherheit als Folge von Rechtssicherheit in der Zeit. Somit ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes in die bestehende Gesetzeslage eine Ausprägung des Grundsatzes der Rechtssicherheit.100 Neben der temporalen Komponente fordert der Grundsatz der Rechtssicherheit zudem die Bestimmtheit von gesetzlichen Regelungen.101 Für diese Arbeit, welche sich mit den Folgen von Rechtsanwendungsfehlern und damit zentral mit dem Steuerverwaltungsverfahren beschäftigt, sollen die Ausführungen zu den Wirkungen des Grundsatzes der Rechtssicherheit auf den legislativen Prozess nur als Anknüpfungspunkt für seine Wirkung im Verwaltungsverfahren dienen.

96 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-487/01 und C-7/02 – Gemeente Leusden und Holin Groep BV, ECLI:EU:C:2004:263, Rn. 59. 97 EuGH, Urt. v. 11. 7. 1991 – C-368/89 – Crispoltoni, ECLI:EU:C:1991:307, Rn. 17; v. 29.04.2004 – C-487/01 und C-7/02 – Gemeente Leusden und Holin Groep BV, ECLI:EU:C:2004:263, Rn. 59. 98 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-487/01 und C-7/02 – Gemeente Leusden und Holin Groep BV, ECLI:EU:C:2004:263, Rn. 66 ff. 99 Vgl. nur z.B. EuGH, Urt. v. 08.06.2000 – C-396/98 – Schlossstraße, ECLI:EU:C:​ 2000:303, Rn. 44; v. 29.04.2004 – C-487/01 und C-7/02 – Gemeente Leusden und Holin Groep BV, ECLI:EU:C:2004:263, Rn. 57; siehe hierzu v.  Danwitz, Euro­ päisches Verwaltungsrecht, S. 218; Streinz, Verw. 23, 153 (165 f.). 100 Mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung v.  Danwitz, Euro­ päisches Verwaltungsrecht, S. 218 f. 101 U.a. EuGH, Urt. v. 13.02.1996 – C-143/93 – Van Es Douane Agenten, ECLI:EU:C:1996:45, Rn. 27; v. 17.07.1997 – C-354/95 – National farmers‘ Union, ECLI:EU:C:1997:379, Rn. 57; v.  Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 219 f.; Mayer in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, nach Art. 6 EUV (Jul. 2010), Rn. 394; Schilling, EuGRZ 2000, 3 (19 f.); Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 844.

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A.  Primärrecht – Die allgemeinen Grundsätze des ­Unionsrechts

2. Geltung im Verwaltungsverfahren Auf die Anwendung von Gesetzen hat der Grundsatz der Rechtssicherheit bedeutende Wirkung und erlangt insofern im Verwaltungsverfahren Geltung. Demnach darf die Rechtslage zwischen Individuum und Verwaltung nicht unbegrenzt lange offenbleiben.102 So kann es der Grundsatz der Rechtssicherheit zugunsten beider Beteiligter gebieten, dass die Ausübung eines bestehenden Rechts, die Änderung eines Verwaltungsaktes oder die Erhebung einer Klage einer Ausschlussfrist unterworfen wird.103 Damit findet der Grundsatz der Rechtssicherheit auch auf die Korrektur von Rechtsanwendungsfehlern Anwendung. Allerdings ist der Grundsatz der Rechtssicherheit dann mit dem Effektivitätsgrundsatz in Einklang zu bringen. Dieser wird dadurch hergestellt, dass erst nach Ablauf einer angemessenen Frist zur effektiven Geltendmachung bestimmter Rechte, dem Grundsatz der Rechtssicherheit der Vorrang eingeräumt wird.104 Seine häufigste Erwähnung findet der Grundsatz mit Bezug zum Verwaltungsverfahren in Verbindung mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit105 und des Vertrauensschutzes106.

102 EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 44, bzgl. der Ausschlussfristen für die Ausübung des Vorsteuerabzuges; v. 21.01.2010 – C-472/08 – Alstom Hydro Power, ECLI:EU:C:2010:32, Rn. 16, bzgl. des Antrags auf Auszahlung eines Vorsteuerüberschusses. 103 EuGH, Urt. v. 12.10.1978 – C-156/77 – Kommission/Belgien, ECLI:EU:C:1978:180, Rn. 21 ff.; v. 15.11.1983 – C-52/83 – Kommission/Frankreich, ECLI:EU:C:1983:328, Rn. 10; v. 12.07.1984 – C-227/83 – Sophie Moussis/Kommission, ECLI:EU:C:1984:276, Rn. 12; v. 02.12.1997 – C-188/95 – Fantask, ECLI:EU:C:1997:580, Rn. 42 ff.; v. 15.09.1998 – C-231/96 – Edis, ECLI:EU:C:1998:401, Rn. 33 ff.; v. 17.11.1998 – C-228/96 – Aprile, ECLI:EU:C:1998:544, Rn. 19, 28; v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 545 (575 f.) m.w.N.; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 1000 m.w.N. 104 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.12.1976 – C-33/76 – Rewe, ECLI:EU:C:1976:188, Rn. 5; v. 16.12.1976 – C-45/76 – Comet, ECLI:EU:C:1976:191, Rn. 17 f.; v. 27.03.1980 – C-61/79 – Denkavit italiana, ECLI:EU:C:1980:100, Rn. 23; vgl. auch Urt. v. 10.07.1997 – C-261/95 – Palmisani, ECLI:EU:C:1997:351, Rn. 28; v. 17.07.1997 – C-90/94 – Haahr Petroleum, ECLI:EU:C:1997:368, Rn. 48; v. 17.11.1998 – C-228/96 – Aprile, ECLI:EU:C:1998:544, Rn. 19. 105 Siehe dazu sogleich Teil II A.III.3 Inhalt des ungeschriebenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. 106 Siehe dazu sogleich Teil II A.IV Grundsatz des Vertrauensschutzes.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

III. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nach allgemeiner Überzeugung notwendiger Mechanismus zum Ausgleich widerstreitender Interessen im Rechtsstaat.107 Kein Staat, aber ebenso rechtsstaatlichen Prinzipien verpflichtet, ist die Europäische Union. So dient der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch dem EuGH als „allgemein übergreifendes Prinzip zur Begrenzung belastender gemeinschaftsrechtlicher Maßnahmen“108.109 Die umfassende Geltung dieses Grundsatzes zeigt sich zunächst darin, dass er im Unionsrecht an vielen Stellen ausdrücklichen Niederschlag gefunden hat. So ist er Maßstab für die Beschränkung von Grundrechten nach der Charta der Grundrechte der europäischen Union, Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GRCh.110 Von größter Bedeutung ist der Grundsatz jedoch als ungeschriebener Grundsatz des Unionsrechts. Entsprechend der umfassenden Wirkung des Grundsatzes richtet er sich sowohl an die Union als auch an die Mitgliedstaaten. 1. Unionsorgane als Adressaten a) Art. 5 Abs. 4 EUV – Bindung der Union im Handeln gegenüber den Mitgliedstaaten Der Grundsatz richtet sich gem. Art. 5 Abs. 4 EUV an die Union und ihre Organe, und bezieht sich auf deren Handeln gegenüber den Mitgliedstaaten.111

107 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.1979 – C-44/79 – Hauer, ECLI:EU:C:1979:290, Rn. 23; Kingreen in Calliess/Ruffert, Art. 52 GRCh, Rn. 65; Meyer, GrCh, Art. 52, Rn. 22b; Mosler, ZaöRV 1976, 6 (45); Pache, NVwZ 1999, 1033 (1033) m.w.N.; Pernice, Grundrechtsgehalte im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 233 m.w.N.; zur Geltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in anderen Mitgliedstaaten der EU, Becker in Schwarze, EU-Kommentar, Art. 52, Rn. 6; Kokott in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, § 22, Rn. 109; Schwarze, Das Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 792 ff.; ders., Europäisches Verwaltungsrecht, S. 663 ff. 108 Ress, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in europäischen Rechtsordnungen, S. 5 (37 f.) m.w.N. 109 Zur unbestrittenen Verbindlichkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes siehe u.a. Lecheler in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, § 158, Rn. 29, mit umfangreichen Nachweisen aus Rspr. und Literatur. 110 Hierzu Meyer, GRCh, Art. 52, Rn. 18 ff. 111 U.a. Bast/v. Bogdandy in Gabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 5 EUV, Rn. 67; Callies in Calliess/Ruffert, Art. 5 EUV, Rn. 46.

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A.  Primärrecht – Die allgemeinen Grundsätze des ­Unionsrechts

Insofern hat er in Art. 5 Abs. 4 EUV teilweise Niederschlag gefunden.112 Nach dessen UA 1 gehen die Maßnahmen der Union nicht über das hi­ naus, was zur Erreichung der Ziele erforderlich ist. Auch wenn der Wortlaut der Norm es nahelegt, beschränkt sich der in Art. 5 Abs. 4 EUV niedergelegte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur auf die Erforderlichkeit einer Maßnahme nach deutschem Verständnis.113 Nach deutschem Verständnis ist nur diejenige Maßnahme erforderlich, welche, unter den gleich geeigneten, die Rechte des Betroffenen am wenigsten beeinträchtigt.114 Dass der Begriff der Erforderlichkeit in Art. 5 Abs. 4 EUV darüber hinausgeht, zeigt Art. 5 Abs. 4 UA 2 EUV, der zur genaueren Bestimmung des Inhalts des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf das hierzu erlassene Protokoll115 verweist. Dieses bestimmt in Art. 5, dass dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur dann genügt ist, wenn die Maßnahme und deren Folgen in einem angemessenen Verhältnis zum ver112 Lecheler in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, § 158, Rn. 29. 113 Zur Eigenständigkeit des unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ­Lecheler in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, § 158, Rn. 30 f.; vgl. hierzu und zur daran anknüpfenden Kritik v. Danwitz, EWS 2003, 393 (396 ff.). 114 U.a. BVerfG, Urt. v. 18.12.1968 – 1 BvL 5/64, 1 BvL 14/64, 1 BvL 5/65, 1 BvL 11/65, 1 BvL 12/65, BVerfGE 25, 1 (18); v. 16.03.1971 – 1 BvR 52/66, 1 BvR 665/66, 1 BvR 667/66, 1 BvR 754/66, BVerfGE 30, 292 (316); v. 10.05.1972 – 1 BvR 286/65, 1 BvR 293/65, 1 BvR 295/65, BVerfGE 33, 171 (187); v. 11.10.1972 – 1 BvL 2/71, BVerfGE 34, 71 (78); v. 02.10.1973 – 1 BvR 459/72, 1 BvR 477/72, BVerfGE 36, 47 (63 f.); v. 19.03.1975 – 1 BvL 20/73, 1 BvL 21/73, 1 BvL 23/73, 1 BvL 24/73, BVerfGE 39, 210 (230); v. 14.10.1975 – 1 BvL 35/70, 1 BvR 307/71, 1 BvR 61/73, 1 BvR 255/73, 1 BvR 195/75, BVerfGE 40, 196 (223); v. 10.12.1975 – 1 BvR 118/71, BVerfGE 40, 371 (383); v. 25.02.1976 – 1 BvR 8/74, 1 BvR 275/74, BVerfGE 41, 378 (396); v. 16.01.1980 – 1 BvR 249/79, BVerfGE 53, 135 (145); v. 27.01.1983 – 1 BvR 1008/79, 1 BvR 1091/81, 1 BvR 322/80, BVerfGE 63, 88 (115); v. 20.06.1984 – 1 BvR 1494/78, BVerfGE 67, 157 (173, 176); v. 14.03.1989 – 1 BvR 1033/82, 1 BvR 174/84, BVerfGE 80, 1 (30); v. 23.01.1990 – 1 BvL 44/86, 1 BvL 48/87, BVerfGE 81, 156 (192 f.); v. 10.03.1992 – 1 BvR 454/91, 1 BvR 470/91, 1 BvR 602/91, 1 BvR 616/91, 1 BvR 905/91, 1 BvR 939/91, 1 BvR 940/91, 1 BvR 941/91, 1 BvR 942/91, 1 BvR 943/91, 1 BvR 944/91, 1 BvR 945/91, 1 BvR 946/91, 1 BvR 947/91, 1 BvR 948/91, 1 BvR 949/91, 1 BvR 950/91, 1 BvR 951/91, 1 BvR 952/91, 1 BvR 953/91, 1 BvR 954/91, 1 BvR 955/91, 1 BvR 957/91, 1 BvR 958/91, 1 BvR 959/91, 1 BvR 960/91, 1 BvR 961/91, 1 BvR 962/91, 1 BvR 963/91, 1 BvR 1128/91, 1 BvR 1315/91, 1 BvR 1316/91, 1 BvR 1317/91, 1 BvR 1318/91, 1 BvR 1453/91, BVerfGE 85, 360 (376); v. 09.03.1994 – 2 BvL 43/92, 2 BvL 51/92, 2 BvL 63/92, 2 BvL 64/92, 2 BvL 70/92, 2 BvL 80/92, 2 BvR 2031/92, BVerfGE 90, 145 (172); v. 14.07.1999 – 1 BvR 2226/94, 1 BvR 2420/95, 1 BvR 2437/95, BVerfGE 100, 313 (375); Gentz, NJW 1968, 1600 (1603 f.); Grzeszick in Maunz/Dürig, Art. 20, VII, (Nov. 2006), Rn. 113 ff. m.w.N.; Merten in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, § 68, Rn. 66 f. m.w.N. 115 Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Ver­ hältnismäßigkeit, Protokoll Nr. 2 zum AEUV – 12008E/PRO/02 – ABl. C 115 v. 09.05.2008, S. 206.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

folgten Ziel stehen. Damit bildet das Sekundärrecht eine Rechtsprechungsentwicklung ab, die mit der Entscheidung „De Beste Boter“ des EuGH116 ihren Anfang nahm.117 Daneben erkannte der EuGH bereits früh – vor der erstmaligen Kodifikation des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Vertrag von Maastricht –118 die Geeignetheit einer Maßnahme zur Erreichung eines Ziels als weiteres Erfordernis aus diesem Grundsatz.119 Da sich der in Art. 5 EUV kodifizierte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur auf das Verhältnis der Union zu den Mitgliedstaaten bezieht – allein die systematische Stellung des Art. 5 EUV zeigt dies – besteht sein Schutzgut in der mitgliedstaatlichen Autonomie.120 Der Schutz von Individualinteressen ist nicht Zweck des Art. 5 EUV. In Art. 5 Abs. 4 EUV niedergelegt, erlangt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Verfassungsrang und geht als Teil des primären Unionsrechts, allem Sekundärrecht vor.121 b) Bindung bei Eingriffen in Individualinteressen Den Schutz von Individualinteressen gegenüber Eingriffen der Unions­ organe verfolgt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aber dennoch.122 Zwar fehlt, jenseits von Art. 52 Abs. 1 GRCh, eine diesbezügliche Kodifizierung. Dennoch ist mittlerweile – gestützt auf eine umfangreiche

116 EuGH, Urt. v. 02.05.1985 – C-154/83 – De Beste Boter, ECLI:EU:C:1985:164. 117 Hatje, Die gemeinschaftsrechtliche Steuerung der Wirtschaftsverwaltung, S. 110. 118 Bast in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 5 EUV (Sep. 2013), Rn. 67; Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, S. 171; Zuleeg in von der Groeben/Schwarze, Art. 5 EGV, Rn. 37. 119 EuGH, Urt. v. 29.11.1956 – C-8/55 – Federation Charbonniere de Belgipue, ECLI:EU:C:1956:11, A)I)3. 120 EuGH, Urt. v. 22.10.1998 – C-36/97, C-37/97 – Kellinghusen, ECLI:EU:C:1998:499, Rn. 33 ff., siehe zu diesem Aspekt auch BVerfG, Urt. v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 (212); Bast/v. Bogdandy in Gabitz/Hilf/ Nettesheim, Art. 5 EUV (Jul. 2010) Rn. 67; Callies in Calliess/Ruffert, Art. 5 EUV, Rn. 46; Hatje, Die gemeinschaftrechtliche Steuerung der Wirtschaftsverwaltung, S. 110; Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, S. 171; Streinz in Streinz, Art. 5 EUV, Rn. 41. 121 Zur Vorgängervorschrift, Pache, NVwZ 1999, 1033 (1035) m.w.N. 122 Vgl. den Ansatz in EuGH, Urt. v. 13.12.1979 – C-44/79 – Hauer, ECLI:EU:C:​ 1979:290, Rn. 23; zudem mit Bezug hierauf, Ress, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in europäischen Rechtsordnungen, S. 5 (39).

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A.  Primärrecht – Die allgemeinen Grundsätze des ­Unionsrechts

Rechtsprechung123 – unbestritten, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Rang – jedenfalls124 – über dem Sekundärrecht steht. Daher ist auch der Unionsgesetzgeber durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei Handeln gegenüber dem Individuum gebunden. Unionsrechtsakte sind daher vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszulegen.125 2. Mitgliedstaaten als Adressaten Adressiert an die Mitgliedstaaten hat der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bisher ebenfalls keine Kodifikation erfahren.126 Allerdings ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Rechtsprechung des EuGH ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts.127 Damit entfaltet er auch ohne ausdrückliche Kodifikation, als Teil des Unionsrechts, für die Mitglied123 Erstmals deutlich EuGH, Urt. v. 17.12.1970 – C-11/70 – Internationale Handelsgesellschaft, ECLI:EU:C:1970:114; in der Folge u.a. EuGH, Urt. v. 12.07.2001 – C-189/01 – Jippes u.a., ECLI:EU:C:2001:420, Rn. 82 f. m.w.N.; v. 08.06.2010 – C-58/08 – Vodafone u.a., ECLI:EU:C:2010:321, Rn. 51 ff.; Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, S. 194 Fn. 203 f., mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH. 124 Siehe zur noch nicht geklärten Frage des genauen Rangs im Verhältnis zum Primärrecht, Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, S. 195 ff., mit umfangreichen Nachweisen; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 699 m.w.N.; vgl. hierzu bereits mit einer wortlautgeprägten, rechtsvergleichenden Argumentation, Kutscher, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in europäischen Rechtsordnungen, S. 89 (92). 125 Instruktiv hierzu EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-176/09 – Luxemburg/Parlament und Rat, ECLI:EU:C:2011:290, Rn. 68 ff.; generell Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, S. 512 (514 ff.) m.w.N.; siehe für die Auslegung der ­MwStSystRL u.a. EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:​ C:2004:268, Rn. 35; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 13b (Apr. 2015), Rn. 478 f.; ders. in Rau/Dürrwächter, § 14c (Jan. 2014), Rn. 293. 126 Vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 12.03.2002 – C-27/00 und C-122/00 – Omega Air, ECLI:EU:C:2002:161, Rn. 62; v. 06.12.2005 – C-453/03, C-11/04, C-12/04 und C-194/04 – ABNA., ECLI:EU:C:2005:741, Rn. 67; v. 08.06.2010 – C-58/08 – Vodafone u.a., ECLI:EU:C:2010:321, Rn. 51 ff.; Bast/v. Bogdandy in Gabitz/Hilf/ Nettes­heim, Art. 5 EUV, Rn. 67; Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, S. 172 ff.; Pache, NVwZ 1999, 1033 (1034 f.). 127 U.a. EuGH, Urt. v. 19.06.1980 – C-41/79, C-121/79, C-796/79 – Testa u.a., ECLI:​ EU:​C:1980:163, Rn. 21; v. 11.07.1989 – C-265/87 – Schräder, ECLI:EU:C:1989:303, Rn. 21; v. 29.03.1996 – C-296/93 und C-307/93 – Frankreich und Irland/Kommission, ECLI:EU:C:1996:65, Rn. 30 m.w.N.; Kingreen in Calliess/Ruffert, Art. 34 – 36 AEUV, Rn. 88; siehe hierzu zudem ausführlich und mit zahlreichen Nachwei-

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

staaten Wirkung.128 Daher haben die Mitgliedstaaten den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dann zu beachten, wenn sie vom Unionsrecht eingeräumte Befugnisse wahrnehmen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Richtlinie nur ein Ziel definiert, den Mitgliedstaaten aber ausdrücklich die Wahl der Mittel überlässt.129 Die Mitgliedstaaten müssen diesen Grundsatz aber nicht erst bei der Ausübung ihrer, vom Unionsrecht eingeräumten Befugnisse beachten. Auch bei der Umsetzung detaillierten Unionsrechts, greift dieser Grundsatz Platz. So setzt sich die Bindung der Unionsorgane130 sowohl auf der exekutiven als auch auf der legislativen mitgliedstaatlichen Ebene fort. Wenden die nationale Behörden Verordnungsbestimmungen an, oder setzt das Legislativorgan eines Mitgliedstaates eine Richtlinienbestimmung um, ist der Unionsrechtsakt zunächst vor dem Hintergrund dieser Bindung der Unionsorgane auszulegen.131 Ausgehend von diesem Ergebnis ist dann das Unionsrecht anzuwenden bzw. in nationales Recht umzusetzen. Sofern Mitgliedstaaten Rechtsfolgen an Rechtsanwendungsfehler von Steuerpflichtigen knüpfen, ist daher der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zentrales Kriterium zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit. Um ihn für diesen Zweck fruchtbar zu machen, soll sein Gehalt, mit besonderem Blick auf seine Anwendung im Mehrwertsteuerrecht, in der Folge dargestellt werden. sen, Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, S. 174 ff. 128 Bereits EuGH, Urt. v. 10.11.1982 – C-261/81 – Rau, ECLI:EU:C:1982:382, Rn. 12; v. 25.07.1991 – C-288/89 – Gounda, ECLI:EU:C:1991:323, Rn. 15 und seitdem u.a. EuGH, Urt. v. 18.12.1997 – C‑286/94, C‑340/95, C‑401/95 und C‑47/96 – Molenheide u.a., ECLI:EU:C:1997:623; v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 45, 52; v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 19; v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, ECLI:EU:C:2011:785, Rn. 51 ff.; Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Direktive und Schranke der EG-Rechtsetzung, S. 107; einen knappen Überblick zur Rechtsprechung des EuGH zur Verhältnismäßigkeitsrechtsprechung des EuGH bzgl. Sanktionen für die Verletzung steuerlicher Pflichten gibt, Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, S. 454 ff. 129 Vgl. beispielsweise Erwägungsgrund 10 der RL 2011/96/EU v. 30.11.2011 (Mutter-­ Tochter-Richtlinie); Erwägungsgrund 14, Art. 5, 13 I der RL 2009/133/EG v. 25.11.2009 dienen. 130 S.o. Teil II A.III.1 Unionsorgane als Adressaten. 131 Kutscher, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in europäischen Rechtsordnungen, S. 89 (94); Lecheler in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, § 158, Rn. 29; Pache, NVwZ 1999, 1033 (1037).

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A.  Primärrecht – Die allgemeinen Grundsätze des ­Unionsrechts

3. Inhalt des ungeschriebenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Maßnahmen müssen, sollen sie verhältnismäßig sein, geeignet sein, die Erreichung des jeweiligen legitimen Ziels zu gewährleisten und dürfen über das hierzu Erforderliche nicht hinausgehen. Insbesondere sollen die Ziele des einschlägigen Unionsrechts möglichst wenig beeinträchtigt werden.132 Dabei fällt auf, dass der EuGH seine Rechtsprechung zum ­Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts auch dann heranzieht, wenn Verfahrensgegenstand die Beschränkung von Grundrechten aus der Charta der Grundrechte der EU gem. Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GRCh ist.133 Es ist daher davon auszugehen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zumindest sofern er zugunsten des Unionsbürgers wirkt, inhaltlich, unabhängig von seiner Rechtsquelle, die gleichen Anforderungen stellt. Somit kann auch bei der Bestimmung der Anforderungen des ungeschriebenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf die Rechtsprechung zu Art. 52 GRCh verwiesen werden.134 a) Legitimes Ziel Der Bestimmung des legitimen Ziels kommt dabei die Aufgabe zu, die konkurrierenden Interessen zu definieren.135 Legitimes Ziel bei der Behandlung von Rechtsanwendungsfehlern von Mehrwertsteuerpflichtigen ist dabei stets die Verwirklichung des im sekundären Unionsrecht definierten Mehrwertsteuersystems. b) Geeignetheit Geeignet ist eine Maßnahme dann, wenn das Ziel durch sie wirksam erreicht werden kann. Die Eignung entfällt nur dann, wenn die Maßnahme schlicht ungeeignet ist, das Ziel zu fördern. Somit ist dieses Erfordernis

132 EuGH, Urt. v. 27.11.1997 – C-369/95 – Somalfruit, ECLI:EU:C:1997:562, Rn. 46; v. 18.12.1997 – C‑286/94, C‑340/95, C‑401/95 und C‑47/96 – Molenheide u.a., ECLI:EU:C:1997:623, Rn. 46; v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:​ C:2007:548, Rn. 52; v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:​ C:2008:105, Rn. 19. 133 Hierzu mit umfangreichen Nachweisen, Jarass, GRCh, Art. 52, Rn. 36. 134 Jarass, GrCh, Art. 52, Rn. 36; vgl. Meyer, GrCh, Art. 52, Rn. 18a. 135 Kingreen in Calliess/Ruffert, Art. 34-36 AEUV, Rn. 90.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

allenfalls ein „Minimalkriterium“136.137 Nur sehr selten scheitern Maßnahmen wegen fehlender Eignung.138 c) Erforderlichkeit Die Erforderlichkeit einer Maßnahme ist hingegen das klar bedeutendere Kriterium im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung.139 Anknüpfend an die Geeignetheitsprüfung ist bei mehreren gleich geeigneten Maßnahmen nur diejenige erforderlich, welche den Betroffenen am wenigsten belastet.140 d) Angemessenheit aa) Generell unregelmäßige Anwendung einer Angemessenheitsprüfung Bisweilen141 fordert der EuGH im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zudem noch, dass neben der Geeignetheit und Erforderlichkeit zur Erreichung des legitimen Ziels auch „… die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen“142. Da136 Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, S. 207. 137 Callies in Calliess/Ruffert, Art. 5 EUV, Rn. 45 m.w.N. 138 Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Direktive und Schranke der EG-Rechtsetzung S. 211; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 834. 139 Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, S. 209 mit umfangreichen Nach­ weisen; Kingreen in Calliess/Ruffert, Art. 34-36 AEUV, Rn. 93; Schwarze, Euro­ päisches Verwaltungsrecht, S. 834. 140 Z.B. EuGH, Urt. v. 16.12.1999 – C-101/98 – Union deutsche Lebensmittelwerke, ECLI:EU:C:1999:615, Rn. 30; v. 09.03.2010 – C‑379/08 und C‑380/08 – ERG u.a., ECLI:EU:C:2010:127, Rn. 86; v. 21.07.2011 – C-2/10 – Azienda Agro-Zootecnica Franchini und Eolica di Altamura, ECLI:EU:C:2011:502, Rn. 73; v. 21.07.2011 – C-150/10 – Beneo Orafti, ECLI:EU:C:2011:507, Rn. 75; v. 28.07.2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, ECLI:EU:C:2011:531, Rn. 42; v. 09.02.2012 – C-210/10 – Urbán, ECLI:EU:C:2012:64, Rn. 24; zusammenfassend Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, S. 211. 141 Durchgängig findet dieses Kriterium noch keine – ausdrückliche – Anwendung, dazu Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, S. 217 ff.; mit Verweis auf den Maßstab der Verhältnismäßigkeit i.R.v. Art. 52. GRCh, der sich mit dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit deckt – hierzu Jarass, GrCh, Art. 52, Rn. 36, Kingreen in Calliess/Ruffert, Art. 52 GRCh, Rn. 71. 142 Z.B. EuGH, Urt. v. 16.12.1999 – C-101/98 – Union deutsche Lebensmittelwerke, ECLI:EU:C:1999:615, Rn. 30; v. 25.02.2010 – C-562/08 – Müller Fleisch, ECLI:EU:C:2010:93, Rn. 43; v. 09.03.2010 – C‑379/08 und C‑380/08 – ERG u.a.,

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A.  Primärrecht – Die allgemeinen Grundsätze des ­Unionsrechts

mit rückt der EuGH in der Formulierung nahe an die Angemessenheitsprüfung des Bundesverfassungsgerichtes heran. Der zufolge muss neben der Eignung und Erforderlichkeit stets geprüft werden, ob Maßnahmen „… in angemessenem Verhältnis zu dem Gewicht und der Bedeutung des Grundrechts stehen …“143. Es liegt daher die Annahme nahe, dass damit eine weitere Prüfungsstufe der Angemessenheit nach in Deutschland herrschendem Verständnis144 – ein jenseits des objektiven Maßstabs der Erforderlichkeit wirkender Ausgleich der betroffenen Rechtsgüter –145 eingezogen wird.146 An dieser Stelle soll diese Frage aber nicht diskutiert werden, da es sich in weiten Teilen um eine terminologische Fragestellung handelt. Zwar beschränkt sich der EuGH – terminologisch – meist auf die Prüfung der Geeignetheit und Erforderlichkeit. Er lässt aber im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung verstärkt Punkte einfließen, welche über eine objektive Erforderlichkeitsprüfung hinausgehen und einer Angemessenheitsprüfung nach deutschem Verständnis entsprechen.147 ECLI:EU:C:2010:127, Rn. 86; v. 08.06.2010 – C-58/08 – Vodafone u.a., ECLI:EU:C:​ 2010:321, Rn. 69; v. 08.07.2011 – C-343/09 – Afton Chemical, ECLI:EU:C:2010:419, Rn. 45; v. 21.07.2011 – C-2/10 – Azienda Agro-Zootecnica Franchini und Eolica di Altamura, ECLI:EU:C:2011:502, Rn. 73; v. 21.12.2011 – C-28/09 – Kommission/ Österreich, ECLI:EU:C:2011:854, Rn. 91, 119; v. 21.12.2011 – C-316/10 – Danske Svineproducenter, ECLI:EU:C:2011:863, Rn. 56, 64. 143 BVerfG, Beschl. v. 20.06.1984 – 1 BvR 1494/78, BVerfGE 67, 157 (173). 144 U.a. Jarass in Jarass/Pieroth, Art. 20, Rn. 86; Schulze-Fielitz in Dreier, Art. 20, Rn. 184; als Proportionalität bezeichnet von Sachs, Art. 20, Rn. 154; als Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn bezeichnet bei Sommermann in v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 20 Abs. 3, Rn. 314 und Grzeszick in Maunz/Dürig, Art. 20, VII, (Nov. 2006), Rn. 117. Kritisch hierzu Pieroth/Schlink, Rn. 303 ff. 145 Exemplarisch Grzeszick in Maunz/Dürig, Art. 20, VII, (Nov. 2006), Rn. 117; Jarass in Jarass/Pieroth, Art. 20, Rn. 86 f.; Schulze-Fieltz in Dreier, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 184 jeweils m.w.N. 146 Lecheler in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, § 158, Rn. 31; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 831 f.; vgl. auch Hilf in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, § 164, Rn. 24 ff., Nachweise bei Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, S. 218, Fn. 317; klar hierfür Jarass, GRCh, Art. 52, Rn. 40 und Nachweise bei, Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, S. 218, Fn. 312; ausgehend von der Beeinflussung des Unionsrechts durch den dreistufigen deutschen Prüfungsaufbau ebenso, Craig/De Burca, EU Law, 526; dagegen bereits Bleckmann in FS Kutscher, S. 25 (33); wohl auch Hartley, The foundations of European ­Community law, S. 152; Kutscher, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in europäischen Rechtsordnungen, S. 89 (94); kritisch v.  Danwitz, EWS 2003, 393 (399 f.). 147 Exemplarisch hierzu EuGH Urt v. 09.11.2010 – C-92/09 – Volker und Markus Schecke GbR u.a./Land Hessen, ECLI:EU:C:2010:662, Rn.72 wonach Beschränkungen „in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten berechtigten Zweck

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Zwar erschwert das die dogmatische Erfassung der Rechtsprechung, schließt aber nicht aus, dass der EuGH einen, der deutschen Ange­ messenheitsprüfung ähnlichen Ansatz verfolgt. Vielmehr zeigt sich, dass sich der Prüfungsmaßstab des EuGH nicht in Abhängigkeit vom ausdrücklichen Bezug auf das Erfordernis eines angemessenen Verhältnisses ändert.148 bb) Regelmäßige Angemessenheitsprüfung im Mehrwertsteuerrecht Insbesondere für den im Rahmen dieser Arbeit besonders bedeutsamen Bereich der Verwaltungssanktionen kommt einer Prüfung jenseits der Eignung und Erforderlichkeit einiges Gewicht zu.149 Allerdings verfolgt der EuGH auch hier keinen terminologisch stringenten Ansatz.150 Die Behandlung von Rechtsfolgen, ausgelöst durch Rechtsanwendungsfehler im Mehrwertsteuerrecht, bildet dabei keine Ausnahme. Nichtdestotrotz lassen sich in der Sache deutlich und durchgängig die wesentlichen Elemente einer Angemessenheitsprüfung nach deutschem Verständnis erkennen. Der EuGH verknüpft die Beantwortung der Frage nach dem Spielraum der Mitgliedstaaten bei der Bestimmung dieser Rechtsfolgen regelmäßig mit der Abwägung der betroffenen Rechtspositionen des Steuerpflichtigen und den Erfordernissen zur Sicherung der korrekten Besteuerung. Abstrahiert kommt es damit zu einer Abwägung des Allgemeininteresses gegen die Interessen des durch die Maßnahme Betroffenen. In der Sache kommt dies einer Angemessenheitsprüfung nach deutschem Verständnis sehr nahe.

stehen“ müssen; Hilf in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, § 164, Rn. 25 f.; Jarass, EuR 2000, 705 (721); Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, S. 230; vgl. zum Maßstab der Angemessenheit bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Eingriffen in Grundrechte gem. der GRCh auch, Kingreen in Calliess/ Ruffert, Art. 52 GRCh, Rn. 70 f.; Meyer, GRCh, Art. 52, Rn. 22b, dessen Umfang auch – dazu Jarass, GrCh, Art. 52, Rn. 36 f. – für den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt. 148 Hilf in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, § 164, Rn. 25; sehr instruktiv die Darstellung bei Streinz, Bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz und Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 414 und 417 ff.; vgl. auch Lecheler in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, § 158, Rn. 30 f. 149 Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, S. 219 ff. 150 Zur terminologischen Unschärfe des EuGH auch, Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht in Einzelstudien, S. 358; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 831.

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A.  Primärrecht – Die allgemeinen Grundsätze des ­Unionsrechts

cc) Objektiver Maßstab der Angemessenheitsprüfung durch den EuGH im Mehrwertsteuerrecht Der generelle Maßstab der Abwägungsentscheidung, welchen der EuGH anlegt, ist ein objektiver.151 Im Mehrwertsteuerrecht geht es daher um die an der Rolle des Steuerpflichtigen innerhalb des Mehrwertsteuersystems anknüpfenden und wirkenden Prinzipen. Plastisch wird dies u.a. bei der Rechtsprechung zur Einschränkung des Vorsteuerabzugsrechts. Ausgangspunkt für den Ausgleich zwischen der Sicherung der korrekten Besteuerung und des Vorsteuerabzugsrechts des Steuerpflichtigen, ist letzteres als „… integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer … (Einf. durch Verf.:) welches grundsätzlich nicht eigeschränkt werden kann.“152 In der Folge geht der EuGH dann auf den Adressaten der belastenden Maßnahme in seiner Funktion als Unternehmer innerhalb des Mehrwertsteuersystems ein. In dieser soll er durch das Prinzip des Vorsteuerabzuges „… vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden …“153. Denn das ist der Mechanismus, mit dem das „… gemeinsame Mehrwertsteuersystem … die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung …“154 gewährleistet. Sodann wird das Ausmaß der Störung dieses Mechanismus und der damit einhergehenden Beeinträchtigung des damit verfolgten Ziels der steuerlichen Neutralität als Maßstab definiert. An diesem müssen sich die Maßnahmen zur Sicherung des Steueraufkommens messen lassen. Es zeigt sich, dass die Rechtsposition des Steuerpflichtigen dabei nur in seiner objektivierten, durch das Mehrwertsteuersystem definierten Rolle, Gegenstand der Untersuchung ist. Die Verhältnismäßigkeitskontrolle knüpft abstrakt auf Ebene der so definierten Rechtsposition an.155 Das ist der Natur des Vorlageverfahren an den EuGH gem. Art. 267 Buchst. a AEUV geschuldet. Denn in dessen Rahmen wird vom EuGH eine abs151 Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, S. 226 ff. 152 U.a. EuGH, Urt. v. 22.12.2010 – C-349/09 – Dankowski, ECLI:EU:C:2010:818, Rn. 22 m.w.N. 153 EuGH, Urt. v. 22.12.2010 – C-349/09 – Dankowski, ECLI:EU:C:2010:818, Rn. 24. 154 EuGH, Urt. v. 22.12.2010 – C-349/09 – Dankowski, ECLI:EU:C:2010:818, Rn. 24. 155 Deutlich in diesem Sinne, zur Interpretation des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL, EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:268, Rn. 35; siehe dazu ausführlich unten Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

trakte Rechtsfrage, wenn auch ein konkreter Einzelfall den Anlass gibt, beantwortet.156 Das nationalen Gericht oder die nationale Verwaltung haben dem dann, bezogen auf den konkreten Einzelfall so Rechnung zu tragen, dass nur die aus dieser Rolle entspringenden Rechte und Pflichten und deren Erfüllung bzw. Ausübung als Aspekte der Abwägung im Rahmen der Angemessenheitsprüfung einzubeziehen sind. Zwar etabliert der EuGH bei der Beurteilung der Rechtsfolgen von Rechtsanwendungsfehlern zunehmend auch ein subjektives Element als Kriterium der Verhältnismäßigkeit von mitgliedstaatlichen Maßnahmen. An der objektivierenden Sichtweise ändert die Einbeziehung von subjektiven Elementen in die Abwägung aber nichts. So ist dem Steuerpflichtigen, auch wenn die materiellen Voraussetzungen einer ihm günstigen Regelung nicht vorliegen, der Vorteil zu gewähren, wenn „… er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt“157. Das Maß des „Vernünftigen“ beschreibt dabei den Rahmen dessen, was dem Steuerpflichtigen verhältnismäßigerweise auferlegt werden kann, um sich der Voraussetzungen der günstigen Regelung zu vergewissern. Dieser Maßstab bestimmt sich aber nicht nach dem, was dem Steuerpflichtigen als Individuum zumutbar ist. Vielmehr ist entscheidend, was den Steuerpflichtigen generell als „… Steuereinnehmer für Rechnung des Staates und im Interesse der Staatskasse …“158 zumutbar ist. Die Frage, was, jenseits seiner Rolle als Steuerpflichtiger, dem Individuum, welchem im Einzelfall diese Rolle zukommt, zumutbar ist, stellt der EuGH nicht. Der EuGH bemisst somit die Verhältnismäßigkeit anhand der dem Steuerpflichtigen durch das System zugedachten Rolle. Hat der Steuerpflichte alles demnach Zumutbare getan, um seiner Rolle innerhalb des Mehrwertsteuersystems gerecht zu werden, ist die systemisch bedingte Rechtsfolge auf ihn zur Anwendung zu bringen. Setzt sich der Steuerpflichtige jedoch bewusst in Widerspruch zum System und seiner Rolle darin, ist das systematische Besteuerungsziel ohne Rücksicht auf die, den Steuerpflichtigen begünstigenden Mechanismen,

156 Vgl. Wegener in Calliess/Ruffert, Art. 267 AEUV, Rn. 5. 157 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 65; ebano EuGH, Urt. v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:​ 2008:105, Rn. 24. 158 EuGH, Urt. v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 21.

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A.  Primärrecht – Die allgemeinen Grundsätze des ­Unionsrechts

durchzusetzen. So ist es verhältnismäßig159, dem Steuerpflichtigen, welcher einen anderen Steuerpflichtigen bei der Steuerhinterziehung unterstützt und damit bewusst aus seiner Rolle ausschert, die – objektiv systemwidrige – Steuerbelastung aufzuerlegen.160 Dieser subjektive Maßstab erlangt mithin erst dann Bedeutung, wenn das systematisch intendierte Steueraufkommen durch den Steuerpflichtigen gefährdet ist.161 Das untermauert den Eindruck einer strikt objektivierenden, an der sekundärrechtlich vorgezeichneten Interessengewichtung ausgerichteten Abwägungsentscheidung. Solange demnach das korrekte Besteuerungsziel hergestellt wird, kam der Steuerpflichtige, objektiv betrachtet, seinen Verpflichtungen aus seiner Rolle im Steuersystem nach. Erst bei einer Gefährdung des materiell-rechtlich intendierten Besteuerungsergebnisses, bedingen subjektive Kriterien die Prüfung der Ver­ hältnismäßigkeit der Anforderungen an den Steuerpflichtigen im Einzelfall.

IV. Grundsatz des Vertrauensschutzes Das System der Mehrwertsteuer belässt dem Steuerpflichtigen zunächst die eigenständige Berechnung seiner Steuerlast und der entsprechenden Vorauszahlungen. Eine Kontrolle findet häufig erst mit deutlichem zeitlichem Abstand zur Tatbestandsverwirklichung und Fälligkeit der Steuer statt.162 Kommt es zu Fehleinschätzungen durch den Steuerpflichtigen, wirken sich diese bis zur Aufdeckung durch die Finanzbehörden regelmäßig über einen langen Zeitraum aus. Eine Vielzahl von Umsätzen ist möglicherweise von der Fehleinschätzung betroffen. Die Fehlereffekte potenzieren sich. Hinzu tritt die Belastung der Eingangsleistungen mit Vorsteuer. Es laufen daher schnell hohe Summen auf, die, sollten Steuernachforderungen entstehen, auch existenzbedrohend wirken können. Das gilt insbesondere dann, wenn die systematisch intendierte Abwälzung im Nachhinein faktisch nicht mehr möglich ist. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Tatsache, dass eine Fehleinschätzung nicht selten die Selbstveranlagung bzgl. vieler einzelner Umsätze betrifft. Hinzu kommt 159 Hier zeigt sich die terminologische Unschärfe in der Rechtsprechung des EuGH; inhaltlich findet eine Angemessenheitsprüfung statt; der Begriff der Angemessenheit findet dennoch keine Verwendung. 160 EuGH, Urt. v. 07.12.2010 – C-285/09 – R, ECLI:EU:C:2010:742, Rn. 52; v. 18.12.2014 – C-131/13, C-163/13 und C-164/13 – Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti, ECLI:EU:C:2014:2455, Rn. 59 ff. 161 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 35. 162 Wagner in Sölch/Ringleb, § 14 (Sep. 2015), Rn. 442.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

der Umstand, dass eine Vielzahl von mehrwertsteuerlichen Fragestellungen von Umständen abhängt, die nicht im unmittelbaren Erkenntnisbereich des Steuerpflichtigen liegen. Allen voran sei hier sowohl auf die Eigenschaften des Geschäftspartners als auch dessen Verwendung der Leistung verwiesen. Dem Bedürfnis des Steuerpflichtigen, das Risiko von tatsächlichen Fehl­ einschätzungen gering halten zu können, entspricht das Unionsrecht mit dem Grundsatz des Gutglaubensschutzes als spezieller Ausprägung des Vertrauensschutzes. Er ist Ergebnis des Zusammenwirkens der Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit.163 Zusammenfassen lässt sich die entsprechende Argumentation des EuGH damit, dass es, zur Sicherung des Steueraufkommens nicht erforderlich ist, dem Steuerpflichtigen, der lediglich als „… Steuereinnehmer für Rechnung des Staates …“164 tätig wird, das gesamte – sein Bedürfnis nach Rechtssicherheit beschneidende – Risiko steuerlicher Fehleinschätzungen aufzubürden. Vielmehr kann dieser sich dieses Risikos entledigen, wenn er alle, von ihm vernünftigerweise zu fordernden Maßnahmen ergreift, um sicherzustellen, dass seine Einschätzungen richtig sind. Damit wird deutlich, dass der Grundsatz des Gutglaubensschutzes vor allem dann Bedeutung erlangt, wenn der Steuerpflichtige bei der Tatsachenermittlung auf die Angaben seines Geschäftspartners angewiesen ist. Gestützt auf allgemeine Grundsätze des Unionsrechts erlangt diese ­Argumentation Geltung über die in den zitierten Urteilen betroffenen Umsatzarten hinaus.165 Diese Risikoverteilung lässt sich mit folgender Aussage verallgemeinern: „Ging der Steuerpflichtige vom Vorliegen bestimmter Tatbestandsmerkmale einer ihm günstigen Regelung aus, und liegen diese tatsächlich nicht vor, so ist er so zu behandeln, als ob die Voraussetzungen dieser Regelung vorlägen, wenn er deren Fehlen trotz Beachtung der von einem vernünftigen Wirtschaftsteilnehmer zu erwartenden Sorgfalt nicht kannte oder kennen musste.“166 163 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 50 ff.; v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 18; hierzu Englisch, UR 2008, 481 (489); allgemein v.  Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 218 (351) m.w.N.; als Einheit versteht Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 911 ff., gar die Grundsätze der Rechtsicherheit und des Vertrauensschutzes. 164 U.a. EuGH, Urt. v. 20.10.1993 – C-10/92 – Balocchi, ECLI:EU:C:1993:846, Rn. 25; v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 21. 165 Drüen, DB 2010, 1847 (1848); Jakob, Umsatzsteuer, Rn. 32, 594a; Nieskens, UR 2008, 812 (813); vgl. auch Englisch, UR 2009, 181 (185). 166 Bzgl. Lieferungen, Lohse/Spilker/Zitzl, UR 2010, 633 (637).

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A.  Primärrecht – Die allgemeinen Grundsätze des ­Unionsrechts

Die soeben dargestellte Rechtsprechung des EuGH betraf nur Gutglaubensschutzkonstellationen. Das sind Fälle, in denen die Fehleinschätzungen tatsächlicher Natur, bezogen auf Merkmale des materiellen Tatbestandes, waren. Betreffend rechtliche Fehleinschätzungen fehlt eine solch generelle Judikatur. Allerdings gibt es Anhaltspunkte in der EuGH-­ Judikatur, welche auch eine Anwendung des Vertrauensschutzes auch auf rechtliche Fehleinschätzungen nahelegen. Voraussetzung muss dann aber sein, dass der Steuerpflichtige sein Vertrauen in die Richtigkeit seiner Rechtsanwendung auf einen qualifizierten, offiziellen Anknüpfungspunkt stützt. Im Urteil zur Rechtssache Elemka167 hatte der EuGH Vertrauensschutz zugunsten eines Steuerpflichtigen, der einer rechtlichen Fehleinschätzung unterlegen war, als möglich erachtet.168 Dabei lag der Fall aber insofern besonders, als sich das Handeln des Steuerpflichtigen auf eine Einzelfallentscheidung der Steuerverwaltung stützte.169 Auch hier kommt ebenfalls der Grundsatz des Vertrauensschutzes zum Tragen. Anders als im Rahmen des Beihilferechts kann im Mehrwertsteuerrecht auch dann ein schutzwürdiges Vertrauen in eine Verwaltungsentscheidung entstehen, wenn diese gegen das Unionsrecht verstößt. Der Grund für die großzügigere Handhabung des Grundsatzes liegt hier in der anderen Interessenlage. Im Beihilferecht dient der Grundsatz, wonach „eine gegen das Unionsrecht verstoßende Praxis eines Mitgliedstaats bei einem Wirtschaftsteilnehmer, dem die so geschaffene Lage zugutekommt, kein berechtigtes Vertrauen begründen kann“170, der Sicherung der Ziele des Unionsrechts. Es soll so verhindert werden, dass ein Mitgliedstaat durch unionsrechtswidrige Verwaltungsentscheidungen Tatsachen schafft, die aufgrund von Vertrauensschutz nicht mehr zugunsten des Unionsrechts revidierbar wären. Einer Durchsetzung des Unionsrechts stehen im Bereich des Beihilferechts, der Ausfuhrerstattungen oder der Eigenmittel der Union, eigene Interessen der Mitgliedstaaten entgegen.171 Anders ist das im Bereich der Mehrwertsteuer. Hier fließen den Mitgliedstaaten im

167 EuGH, Urt. v. 14.09.2006 – C-181/04 bis C-183/04 – Elmeka, ECLI:EU:C:2006:563. 168 EuGH, Urt. v. 14.09.2006 – C-181/04 bis C-183/04 – Elmeka, ECLI:EU:C:2006:563, Rn. 31 f. 169 EuGH, Urt. v. 14.09.2006 – C-181/04 bis C-183/04 – Elmeka, ECLI:EU:C:2006:563, Rn. 7. 170 EuGH, Urt. v. 15.12.1982 – C-5/82 – Maizena, ECLI:EU:C:1982:439, Rn. 22; v. 16.11.1983 – C-188/82 – Thyssen, ECLI:EU:C:1983:329; v. 01.04.1993 – C‑31/91 bis C‑44/91 – Lageder u.a., ECLI:EU:C:1993:132, Rn. 34. 171 Hierzu GA Stix-Hackl, Schlussantrag v. 01.12.2005 – C-181/04 – Elmeka, ECLI:EU:C:2005:730, Rn. 45.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

erheblichen Umfang die Einnahmen selbst172 zu. Somit befördert das eigene fiskalische Interesse auch die möglichst korrekte Umsetzung des Mehrwertsteuerrechts.173 Daher durfte der Steuerpflichtige sich, wenn er vernünftigerweise davon ausgehen durfte, dass die Auskunft korrekt war, auf diese verlassen. Vom EuGH bislang noch nicht explizit aufgegriffen wurde bislang die Frage, ob auch abstrakte Auskünfte der Steuerverwaltungen Anknüpfungspunkt für ein schützenswertes Vertrauen bilden können. Letzt­ instanzlich ist daher noch nicht geklärt, ob der Steuerpflichtige schützenswertes Vertrauen auch auf veröffentlichte Rechtsansichten der Verwaltung, welche sich als nicht unionsrechtskonform herausstellen, stützen kann. Die Aussagen des EuGH in der Rechtssache Elemka nehmen zur Feststellung, es sei der Grundsatz des Vertrauensschutzes zu beachten, nicht entscheidend Bezug auf die Eigenschaft des Anknüpfungspunktes als Einzelfallentscheidung.174 Dieser Aspekt kommt erst dann zum Tragen, wenn bestimmt werden soll, ob sich der Steuerpflichtige auch tatsächlich hierauf verlassen durfte, mithin, ob der konkrete Verwaltungsakt einen tauglichen Anknüpfungspunkt für das schutzwürdige Vertrauen darstellen konnte. So zieht der Gerichtshof zur Geltung des Grundsatzes im Fall Elmeka mit den Urteilen Belgocodex175 und Goed Wonen176 zwei Entscheidungen heran, welche den Schutz des Vertrauens auf die bestehende Gesetzeslage zum Gegenstand hatten. Somit liegt auch hier wieder die Vermutung nahe, dass sich die Geltung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes nicht auf bestimmte Einzelfälle, wie der Einzelfallentscheidung der Finanzverwaltung, reduzieren lässt. Vielmehr untermauert diese Argumentation des EuGH die Ansicht, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes, als Ergebnis des Zusammenspiels der generell wirkenden Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit, nicht in seiner Wirkung auf bestimmte Fallgruppen beschränkt werden kann. Dagegen spricht auch nicht die Rechtsprechung des EuGH zum Zollrecht, welche ausdrücklich einen Vertrauensschutz 172 Die an die Union abzuführenden Eigenmittel belaufen sich gem. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Eigenmittelbeschlusses v. 26.05.2014 – 2014/335/EU, Euratom gerade einmal auf 0,30 % der einheitlichen Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage. Zudem galten noch bis 2013 für Österreich (0,225 %), Deutschland (0,15 %), die Niederlande und Schweden (0,10 %) geringere Sätze. 173 Hierzu GA Stix-Hackl, Schlussantrag v. 01.12.2005 – C-181/04 – Elmeka, ECLI:EU:C:2005:730, Rn. 46 f. 174 EuGH, Urt. v. 14.09.2006 – C-181/04 bis C-183/04 – Elmeka, ECLI:EU:C:2006:563, Rn. 31 f. 175 EuGH, Urt. v. 03.12.1998 – C-381/97 – Belgocodex, ECLI:EU:C:1998:589. 176 EuGH, Urt. v. 26.04.2005 – C-376/02 – Goed Wonen, ECLI:EU:C:2005:251.

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A.  Primärrecht – Die allgemeinen Grundsätze des ­Unionsrechts

in allgemeine Verwaltungsanweisungen ablehnt.177 Zum einen ist die Situation des Zollrechts insoweit nicht mit der des Mehrwertsteuerrechts vergleichbar. In den betreffenden zollrechtlichen Entscheidungen ging es um lediglich erläuternde Ausführungen der Finanzverwaltungen zum unmittelbar geltenden Zollkodex. Der EuGH lehnte diesbezüglich den Vertrauensschutz ab, da dem Abgabenschuldner zugemutet werden könne, Einblick in das direkt geltende Sekundärrecht zu nehmen.178 Das ist insbesondere deshalb überzeugend, da sich der Irrtum des Abgabenschuldners in diesen Fällen auf von der Zollverwaltung falsch veröffentlichte Zollsätze bezog. Im Mehrwertsteuerrecht hingegen fehlt es bzgl. der wesentlichen Regelungen des Mehrwertsteuerrechts an einer direkt geltenden unionsrechtlichen Grundlage. Diese findet sich nur in der ­MwStSystRL.179 Direkt gilt nur das nationale Umsetzungsgesetz. Dieses wiederum ist Gegenstand der Auslegung durch die Finanzverwaltung. In den entscheidenden Fällen zum Zollrecht ging es dagegen nicht um die Auslegung des Sekundärrechts, sondern nur um, hinsichtlich der Zolltarife, falsche, allgemeine Hinweise der Zollverwaltung. Die Situation der Auslegungsbedürftigkeit, welcher immer das Risiko innewohnt, dass letztinstanzlich einer anderen Ansicht gefolgt wird, ist damit nicht vergleichbar. Zudem gilt auch hier das zum Vollzugsinteresse der Mitgliedstaaten im Beihilferecht Gesagte entsprechend. Zölle fliesen gem. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b i.V.m. Abs. 3 des Eigenmittelbeschlusses v. 26.05.2014 – 2014/335/EU, Euratom zu 80 % der Union zu. Die Mehrwertsteuer verbleibt den Mitgliedstaaten hingegen gem. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Eigenmittelbeschlusses v. 26.05.2014 – 2014/335/EU, Euratom zum weit überwiegenden Teil.

177 EuGH, GA Darmon, Schlussantrag v. 16.05.1089 – C-161/88 – Binder, ECLI:EU:​ C:1989:200, Rn. 26; dem folgend Urt. v. 12.07.1989 – C-161/88 – Binder, ECLI:EU:C:1989:312, Rn. 19 ff.; GA Darmon, Schlussantrag v. 06.03.1990 – C-80/89 – Behn, ECLI:EU:C:1990:94, Rn. 9; dem folgend Urt. v. 28.06.1990 – C-80/89 – Behn, ECLI:EU:C:1990:269, Rn. 24. 178 EuGH, Urt. v. 12.07.1989 – C-161/88 – Binder, ECLI:EU:C:1989:312, Rn. 20 f.; v. 28.06.1990 – C-80/89 – Behn, ECLI:EU:C:1990:269, Rn. 15. 179 Daran ändert auch der Erlass der MwStDVO (Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates v. 15.03.2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. EU Nr. L 77 v. 23.03.2011, S. 1) nichts. Denn diese hängt in ihrer unmittelbaren Wirkung von der ­MwStSystRL ab; das gilt aber nicht, soweit die Regelungen der MwStDVO nur – deklaratorischer – Ausdruck der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts sind; siehe hierzu Lohse, DStR 2011, 1740 (1740 f.); Monfort, UR 2012, 172 (174 f.).

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Auch eine veröffentlichte Verwaltungsansicht kann also schützenswertes Vertrauen begründen. Somit kann der Steuerpflichtige bzgl. aller mehrwertsteuerrechtlich relevanten Sachverhalte Vertrauensschutz geltend machen. Zu differenzieren ist dabei aber, in Abhängigkeit von der Art der betroffenen Umsätze, bzgl. der jeweiligen Anforderungen an die Gutgläubigkeit des Steuerpflichtigen.180 Der Grundsatz des Gutglaubensschutzes betrifft Fälle, in denen der Steuerpflichtige seine Rechtsanwendung auf eine, tatsächlich und/oder rechtlich, falsche Beurteilung der Situation stützt. Bei rechtlichen Fehleinschätzungen kann sich der Steuerpflichtige auf ihn aber nur stützen, wenn er seine Rechtsansicht auf verlautbarte Rechtsansichten des Fiskus stützen konnte. Da sich der Steuerpflichtige nur auf den Grundsatz des Gutglaubensschutzes berufen kann, wenn er von der Richtigkeit ­seiner Einschätzung ausgehen durfte, ist dessen Anwendung bei vorsätzlichen Rechtsverstößen ausgeschlossen. Damit ist der Anwendungsbereich des Grundsatzes des Gutglaubensschutzes bei irrtümlichen Rechts­ anwendungsfehlern prinzipiell eröffnet.

B. Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien und Umsetzung Neben den generell, im gesamten Unionsrecht wirkenden, primärrechtlichen Grundsätzen des Unionsrechts, liegen dem Mehrwertsteuerrecht zusätzlich eigene Prinzipien zugrunde. Diese bedingen neben den all­ gemeinen Grundsätzen des Unionsrechts in entscheidendem Maße die Auslegung und Anwendung des Mehrwertsteuerrechts.

I. Grundsatz der steuerlichen Neutralität Ziel des Mehrwertsteuersystems ist ausweislich der Erwägungsgründe 4, 5 und 7 zur M ­ wStSystRL die Verwirklichung der Mehrwertsteuer als eine wirtschaftliche Vorgänge nicht beeinträchtigende Steuer.181 Im Er180 Drüen, DB 2010, 1847 (1848 f.), betreffend bestimmt Arten von Umsätzen mit Verweis auf, Dietlein/Drüen, Grundlagen und Reichweite des Vertrauensschutzes bei Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr, S. 56 f. 181 Zur Bedeutung der Bestimmung des Neutralitätspostulates in den Erwägungsgründen, Lohse, UR 2004, S. 582 (582 f.); ders., Die Zuordnung im Mehrwertsteuerrecht, S. 105 ff.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Auch eine veröffentlichte Verwaltungsansicht kann also schützenswertes Vertrauen begründen. Somit kann der Steuerpflichtige bzgl. aller mehrwertsteuerrechtlich relevanten Sachverhalte Vertrauensschutz geltend machen. Zu differenzieren ist dabei aber, in Abhängigkeit von der Art der betroffenen Umsätze, bzgl. der jeweiligen Anforderungen an die Gutgläubigkeit des Steuerpflichtigen.180 Der Grundsatz des Gutglaubensschutzes betrifft Fälle, in denen der Steuerpflichtige seine Rechtsanwendung auf eine, tatsächlich und/oder rechtlich, falsche Beurteilung der Situation stützt. Bei rechtlichen Fehleinschätzungen kann sich der Steuerpflichtige auf ihn aber nur stützen, wenn er seine Rechtsansicht auf verlautbarte Rechtsansichten des Fiskus stützen konnte. Da sich der Steuerpflichtige nur auf den Grundsatz des Gutglaubensschutzes berufen kann, wenn er von der Richtigkeit ­seiner Einschätzung ausgehen durfte, ist dessen Anwendung bei vorsätzlichen Rechtsverstößen ausgeschlossen. Damit ist der Anwendungsbereich des Grundsatzes des Gutglaubensschutzes bei irrtümlichen Rechts­ anwendungsfehlern prinzipiell eröffnet.

B. Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien und Umsetzung Neben den generell, im gesamten Unionsrecht wirkenden, primärrechtlichen Grundsätzen des Unionsrechts, liegen dem Mehrwertsteuerrecht zusätzlich eigene Prinzipien zugrunde. Diese bedingen neben den all­ gemeinen Grundsätzen des Unionsrechts in entscheidendem Maße die Auslegung und Anwendung des Mehrwertsteuerrechts.

I. Grundsatz der steuerlichen Neutralität Ziel des Mehrwertsteuersystems ist ausweislich der Erwägungsgründe 4, 5 und 7 zur M ­ wStSystRL die Verwirklichung der Mehrwertsteuer als eine wirtschaftliche Vorgänge nicht beeinträchtigende Steuer.181 Im Er180 Drüen, DB 2010, 1847 (1848 f.), betreffend bestimmt Arten von Umsätzen mit Verweis auf, Dietlein/Drüen, Grundlagen und Reichweite des Vertrauensschutzes bei Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr, S. 56 f. 181 Zur Bedeutung der Bestimmung des Neutralitätspostulates in den Erwägungsgründen, Lohse, UR 2004, S. 582 (582 f.); ders., Die Zuordnung im Mehrwertsteuerrecht, S. 105 ff.

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B.  Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien

gebnis soll daher weder die Länge der Wertschöpfungskette182, der rein nationale oder internationale Charakter des Leistungsaustausches,183 noch die Organisation der Beteiligung am Wirtschaftsverkehr an der steuerlichen Belastung etwas ändern. Hinsichtlich dieser Faktoren soll die Besteuerung neutral bleiben. Dieser Zielsetzung folgt die Harmonisierung der Mehrwertsteuern nicht erst seit Inkrafttreten der M ­ wStSystRL. Diese Zielsetzung gilt seit ihrer erstmaligen – inhaltsgleichen – Festlegung im 5. Erwägungsgrund zur ersten MwStRL184. Dieses Prinzip stellt somit eine genuine Prämisse des unionsrechtlich harmonisierten Besteuerungssystems dar.185 Der EuGH zieht es mithin als zentrales Element der Auslegung des Unionsrechts heran.186 Das Neutralitätspostulat, wonach der Leistungsbezug innerhalb des Unionsgebietes nicht schlechter gestellt wird, als der rein nationale Leistungsbezug, findet sich aber nicht nur im einschlägigen Sekundärrecht wieder. Vielmehr erfährt dieses Ziel auch im primären Unionsrecht, in Art. 56 AEUV betreffend Dienstleistungen und in Art. 110 AEUV betreffend den Bezug von Waren, gerichtet an die Mitgliedstaaten, Niederschlag.187 Zudem erkennt der EuGH im Neutralitätsgrundsatz, sofern er sich auf den Wettbewerb bezieht, eine Ausprägung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes.188

182 Erwägungsgrund 7 zur ­MwStSystRL „… ungeachtet der Länge der Produktionsund Vertriebswege … steuerlich gleich belastet …“. 183 Erwägungsgrund 7 zur M ­ wStSystRL „… gleichartige Gegenstände und Dienstleistungen innerhalb eines Mitgliedstaates … steuerlich gleich belastet …“ 184 Erste Richtlinie 67/227/EWG des Rates v. 11.04.1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer, Amtsbl. EWG 71 v. 14.04.1967, S. 1301. 185 Klenk in Sölch/Ringleb, vor § 1 (Apr. 2014), Rn. 3, 7. 186 Englisch in Tipke/Lang § 17, Rn. 23; Klenk in Sölch/Ringleb, vor § 1 (Apr. 2014), Rn. 10; Lange, UVR 1999, 71; Stadie in Rau/Dürrwächter, Einf. (Apr. 2013), Rn. 600. 187 Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 23. 188 U.a. EuGH, Urt. v. 01.04.1982 – C-89/81 – Hong-Kong Trade, ECLI:EU:C:1982:121, Rn. 10; v. 27.04.2006 – C-443/04 und C-444/04 – Solleveld und Van den Hout-Van Eijnsbergen, ECLI:EU:C:2006:257, Rn. 35; v. 08.06.2006 – C-106/05 – L.u.P., ECLI:EU:C:2006:380, Rn. 48 m.w.N.; v. 10.04.2008 – C-309/06 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2008:211, Rn. 49; v. 23.04.2009 – C-460/07 – Puffer, ECLI:EU:C:​ 2009:254, Rn. 53; v. 29.10.2009 – C-174/08 – NCC Construction Danmark, ECLI:EU:C:2009:669, Rn. 41; vgl. auch Urt. v. 21.04.2005 – C-25/03 – HE, ECLI:EU:C:2005:241, Rn. 70, wobei der EuGH den primärrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hier gar als Folge des Neutralitätsgrundsatzes bezeichnet; hierzu auch Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 24 m.w.N.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Der Neutralitätsgrundsatz wirkt sich dabei sowohl auf die Besteuerung der Ausgangsleistungen als auch auf die Behandlung von Eingangsleistungen aus. Soll die Mehrwertsteuer hinsichtlich der Anzahl der Produktionsstufen neutral sein, jedoch, aus Gründen der Einfachheit, jeder Leistungsaustausch auf jeder Produktionsstufe besteuert werden,189 bedarf es einer Neutralisierung der Steuerbelastung von Umsätzen zwischen den Steuerpflichtigen. Ansonsten drohen Kaskadeneffekte190. Soll daneben die Besteuerung hinsichtlich der Herkunft der Leistung – innerhalb des jeweiligen Mitgliedstaates –191 neutral sein, muss die vom Herkunftsstaat herrührende Steuerbelastung beim Grenzübertritt neutralisiert werden. Auch hier bedarf es einer Entlastung von der Steuerbelastung des Herkunftslandes. Zudem muss eine Angleichung der Belastung an das Besteuerungsniveau des Landes, in dem der Verbrauch stattfindet, erfolgen. Insofern wirkt der Neutralitätsgrundsatz auf die Besteuerung von Ausgangsleistungen.192 Damit erfordern beide in den Erwägungsgründen niedergelegten Neu­ tralitätspostulate eine Entlastung des Leistungsaustausches zwischen Steuerpflichtigen. Demnach erkennt auch der EuGH die Entlastung des Steuerpflichtigen von der in seinen Eingangsleistungen enthaltenen Vorsteuerbelastung als zentrales Mittel zur Verwirklichung einer neutralen Mehrwertbesteuerung.193 Soll zudem der Wettbewerb nicht beeinträchtigt werden,194 kann es auf die konkrete rechtliche Organisation der Teilnahme am Wettbewerb

189 Erwägungsgrund 5 ­MwStSystRL. 190 Siehe zu diesen Effekten ohne eine Steuerneutralisation im zwischenunternehmerischen Bereich, Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 65; Klenk in Sölch/Ringleb, vor § 1 (Apr. 2014), Rn. 1. 191 Erwägungsgrund 7 ­MwStSystRL. 192 Vgl. Terra, The Place of Supply in European VAT, S. 5, der dieses Ergebnis als Konsequenz des Bestimmungslandprinzips erkennt, dabei aber den Zweck des Bestimmungslandprinzips, und damit den Neutralitätsaspekt, unerwähnt lässt. 193 U.a EuGH, Urt. v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:C:2000:145, Rn. 44; v. 26.05.2005 – C-498/03 – Kingscrest Associates und Montecello, ECLI:EU:C:2005:322, Rn. 54 f.; v. 21.02.2006 – C-255/02 – Halifax u.a., ECLI:EU:C:2006:121, Rn. 78; v. 08.06.2006 – C-106/05 – L.u.P., ECLI:EU:C:2006:380, Rn. 48; v. 07.12.2006 – C-240/05 – Eurodental, ECLI:EU:C:2006:763, Rn. 55; v. 10.04.2008 – C-309/06 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2008:211, Rn. 47 ff.; v. 23.04.2009 – C-460/07 – Puffer, ECLI:EU:C:2009:254, Rn. 53; v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:EU:C:2012:373, Rn. 39. 194 Erwägungsgrund 4 M ­ wStSystRL.

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B.  Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien

nicht ankommen. Die Besteuerung hat damit unabhängig von der Rechts-195 oder Organisationsform196 zu erfolgen.

II. Verbrauchsteuerprinzip Die sekundärrechtlich definierte Mehrwertsteuer ist, ihrem Wesen nach, gem. Art. 1 Abs. 2 ­MwStSystRL eine Verbrauchsteuer. Belastungsziel ist der private Endverbrauch.197 Auch in Deutschland hat sich diese Ansicht mittlerweile durchgesetzt.198 Der Steuerpflichtige wird dabei nur als „Steuereinsammler für Rechnung des Staates und im Interesse der Staatskasse“199 tätig. Damit fallen Steuerpflicht und Belastungsziel auseinander; die Besteuerung des privaten Konsums erfolgt indirekt. Den materiell-rechtlichen Charakter der Umsatzsteuer als Steuer auf den privaten Verbrauch lässt diese Erhebungstechnik unberührt.200 Als wesensprägendes Prinzip ist das Verbrauchsteuerprinzip daher auch in Deutschland und Österreich als zentraler 195 EuGH, Urt. v. 07.09.1999 – C-216/97 – Gregg, ECLI:EU:C:1999:390, Rn. 20; v. 06.11.2003 – C-45/01 – Dornier, ECLI:EU:C:2003:595, Rn. 21; v. 17.02.2005 – C-453/02 und C-462/02 – Linneweber und Akritidis, ECLI:EU:C:2005:92, Rn. 25; v. 12.01.2006 – C-246/04 – Turn- und Sportunion Waldburg, ECLI:EU:C:2006:22, Rn. 34; v. 08.06.2006 – C-106/05 – L.u.P., ECLI:EU:C:2006:380, Rn. 50. 196 S. EuGH, Urt. v. 04.05.2006 – C-169/04 – Abbey National, ECLI:EU:C:2006:289, Rn. 68; v. 21.06.2007 – C-453/05 – Ludwig, ECLI:EU:C:2007:369, Rn. 35; v. 03.04.2008 – C-124/07 – J.C.M. Beheer, ECLI:EU:C:2008:196, Rn. 28. 197 Vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – C-317/94 – Elida Gibbs, ECLI:EU:C:1996:400, Rn. 19 ff.; v. 26.06.1997 – C-370/95 – Careda SA, ECLI:EU:C:1997:327, Rn. 14; v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 21; ­Beschl. v. 03.03.2004 – C-395/02 – Transport Service, ECLI:EU:C:2004:118, Rn. 20; Birk, Steuerrecht, Rn. 1683; Stadie in Rau/Dürrwächter, Einf. (Apr. 2013), Rn. 120 ff. m.w.N.; aus der Sicht der Finanzwissenschaft, Schmölders, Zur Begriffsbestimmung der Verbrauchsteuern, S. 8; Walden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 46 ff. 198 BVerfG, Beschl. v. 29.10.1999 – 2 BvR 1264/90, BVerfGE 101, 132 (139); v. 10.11.1999 – 2 BvR 2861/93, BVerfGE 101, 151 (155); grundlegend hierzu in Deutschland Tipke in FS Wacke, S. 211 (224); Tipke, DStR 1983, 595; ders., StuW 1992, 103 (106 ff.); ders., StRO II, S. 975 f.; einen umfassenden Überblick zum diesbezüglichen Streit gibt, Stadie in Rau/Dürrwächter, Einf. (Apr. 2013), Rn. 97 ff. 199 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 58; v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 21 f. m.w.N. 200 Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 121 f.; Löhr, Das umsatzsteuerrechtliche Optionsrecht für Vermietungsumsätze, S. 109 f.; Mirre in HBdFinWiss., S. 274 (276 ff.); Söhn, StuW 1975, 1 (9); Söhn in FS v. Wallis, S. 439 (444); Theler, Die Umsatzsteuer als angewandte Verkehr- und/ oder Verbrachsteuer, S. 16 f.; Tipke, DStR 1983, 595 (597).

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Maßstab für die Auslegung des Mehrwertsteuerrechts anerkannt.201 Ebenso versteht der EuGH die Mehrwertsteuer als Verbrauchsteuer und orientiert seine Auslegung des Mehrwertsteuerrechts bisweilen an der damit intendierten Belastungswirkung.202 Soll das Belastungsziel nicht verfehlt werden, muss jeder Leistungsbezug, der nicht im Rahmen des Endverbrauches stattfindet, von der Steuer unbelastet bleiben. Da jedoch im Allphasen-Besteuerungssystem, aus Gründen der „… Einfachheit …“203, jeder Leistungsaustausch besteuert wird, werden auch solche Umsätze besteuert, die nicht zum Endverbrauch führen. Soll daher der Steuerpflichtige bzgl. seiner Belastung auf seine Rolle als „Steuereinsammler für Rechnung des Staates und im Interesse der Staatskasse“204 beschränkt bleiben, sind diese Umsätze von der Steuer zu entlasten.205 Damit fordert auch – neben dem Neutralitätsgrundsatz –206 das Verbrauchsteuerprinzip eine Entlastung des Steuerpflichtigen von im Rahmen seines Leistungsbezuges entstandener Mehrwertsteuer.

III. Verbrauchsortprinzip Findet ein Leistungsaustauch über nationale Grenzen hinweg statt, ist zu klären, welchem der betroffenen Staaten das Besteuerungsrecht eingeräumt wird. Völkerrechtlich bedarf es zur Begründung des Besteuerungsrechtes eines Staates lediglich eines personellen oder territorialen Anknüpfungspunktes. Es existiert kein Grundsatz, der es einem Staat verbieten würde, Besteuerungsfolgen auch an ausländischen Sachverhal201 Grundlegend hierzu, Söhn, StuW 1975, 1 (1 ff.); Tipke in FS Wacke, S. 211 (224); ders., DStR 1983, 595; ders., StuW 1992, 103 (106 ff.); ders., StRO II, S. 975 ff., mit weiteren umfangreichen Nachweisen. 202 U.a. EuGH, Urt. v. 03.10.2006 – C-475/03 – Banca popolare di Cremona, ECLI:EU:C:2006:629, Rn. 22, 28; v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 21 m.w.N. 203 Erwägungsgrund 5 zur M ­ wStSystRL. 204 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 58; v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 21 f. m.w.N. 205 Vgl. EuGH, Urt. v. 30.09.2010 – C-392/09 – Uszodaepito, ECLI:EU:C:2010:569, Rn. 35 m.w.N.; den Grund für das Erfordernis der Entlastung von Umsätzen, welche nicht zum privaten Endverbrauch führen, erkennen im Verbrauchsteuerprinzip auch, Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 25 und Stadie, UStG, Vorbem., Rn. 16. 206 S.o. Teil II B.I Grundsatz der steuerlichen Neutralität; vgl. weiter Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, S. 59.

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B.  Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien

ten festzumachen.207 Daher drohen Doppelbesteuerungen, welche den internationalen Wirtschaftsverkehr erschweren. Dies stünde auch den Zielen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, das insbesondere der Verhinderung von Behinderungen des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs dient, entgegen.208 Im Bereich der Ertragsteuern begegnet man diesem Problem mit der Zuweisung von Besteuerungsrechten in Doppelbesteuerungsabkommen. Im Mehrwertsteuerrecht bedient man sich dieser bilateralen Verträge nicht.209 Vielmehr hat sich hier die Beschränkung auf jeweils nur eine territoriale Komponente der Umsatzbesteuerung etabliert.210 Dabei stehen sich grundsätzlich zwei Modelle gegenüber.211 Zum einen das Herkunftslandprinzip, wonach das Besteuerungsrecht dort liegen soll, wo die Leistung ihren Ursprung hat bzw. von wo aus der Leistungsaustauch ausgeht.212 Das Bestimmungslandprinzip hingegen erkennt dem Land das Besteuerungsrecht zu, in welchem die gewährte Leistung genutzt wird.213 Das Unionsrecht verfolgt zur Zuweisung von Besteuerungsrechten eine klare Regelungstechnik. Gem. Art. 2 Abs. 1 M ­ wStSystRL unterliegen Umsätze nur insoweit der Mehrwertsteuer, als sie im Gebiet eines Mitgliedstaates liegen. Diesem Mitgliedstaat kommt dann das Besteuerungsrecht zu.214 Die Verteilung von Besteuerungsrechten erfolgt demnach über die Lokalisation des Umsatzes.215 207 Terra, The Place of Supply in European VAT, S. 3; Vogel in Vogel/Lehner, DBA, Einl. 11, m.w.N.; vgl. auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht, S. 7; mit Fokus auf das Ertragsteuerrecht, Großfeld, Basisgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, S. 171 ff.; Vogel, DStR 1968, 427 (428 ff.). 208 Erwägungsgrund 4 zur M ­ wStSystRL. 209 Birkenfeld in FS Reiß, S. 137 (139); Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 394. 210 Englisch, DStJG 32, S. 165 (166 f.); Terra, The Place of Supply in European VAT, S. 3. 211 Zum Ganzen, Neumark-Bericht, S. 77 ff.; Oldman/Schenk, Value Added Tax, S. 182 ff. 212 Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, S. 68 ff.; Neumark-Bericht, S. 79; Oldman/Schenk, Value Added Tax, S. 183. 213 Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 393; Jakob, Umsatzsteuer, Rn. 500 f.; Oldman/ Schenk, Value Added Tax, S. 183 f.; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, Einf. (Jan. 2015), Rn. 30; Stadie in Rau/Dürrwächter, Einf. (Apr. 2013), Rn. 735 ff.; Tehler in Rau/Dürrwächter, § 7 UStG (Jan. 2014), Rn. 61; Huschens in Vogel/Schwarz, § 6 UStG, Rn. 2. 214 Englisch, DStJG 32, S. 165 (166 f.) m.w.N.; vgl. Widmann, DStJG 13, S. 119 (120); eine territoriale Verknüpfung des steuerbaren Vorgangs zum Hoheitsgebiet ist dabei nicht erforderlich. 215 Oft als Territorialitätsprinzip bezeichnet, so z.B. Tumpel, DStJG 32, S. 52 (66); allerdings ist diese Bezeichnung nicht treffscharf; Englisch, DStJG 32, S. 165 (167) m.w.N.; Terra, The Place of Supply in European VAT, S. 3 f.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Ausgehend vom privaten Endverbauch als Besteuerungsziel sollte grundsätzlich der Staat den Bezug von Leistungen besteuern dürfen, in dem diese Leistungen – vom Verbraucher – tatsächlich auch konsumiert werden.216, 217 Da der Verbrauch, insbesondere bei langlebigen Gütern oder nachhaltig nutzbaren Dienstleistungen, zeitlich nicht klar bestimmt und damit auch nicht exakt lokalisiert werden kann, müssen hierbei Näherungslösungen bemüht werden.218 Das Besteuerungsrecht wird demnach dem Staat zuerkannt, in dem der Konsum der Leistung wahrscheinlich stattfindet. Im internationalen Wirtschaftsverkehr zwischen Steuerpflichtigen folgt die M ­ wStSystRL insofern dem Bestimmungslandprinzip. Diesem System liegt die Überlegung zugrunde, dass der Konsum – regelmäßig – im Zielland des Leistungszuflusses liegt.219 Das ist bei Waren der Staat, in den das Gut im Rahmen der Lieferung gelangt.220 Bei

216 Erwägungsgrund 10 zur ­ MwStSystRL; betreffend Dienstleistungen siehe Erwägungsgrund 3 RL 2008/8/EG v. 12.02.2008 (Dienstleistungsortrichtlinie); vgl. auch EuGH, Urt. v. 20.2.1997 – C-260/95 – DFDS, ECLI:EU:C:1997:77, Rn. 22 f.; generell Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, S. 72; Englisch, DStJG 32, S. 165 (169); ders. in Tipke/Lang, § 17, Rn. 13; Lang in FS Schaumburg, S. 45 (51). 217 Das gebieten letztlich auch Aspekte der Steuerverteilungsgerechtigkeit, siehe hierzu GA Kokott, Schlussantrag v. 11.01.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:​ C:2007:12, Rn. 19; v. Hilten in Albregtse/Kogels, Selected Issues in European Tax Law, London 1999, S. 3 (8); Kirchhof, Umsatzsteuergesetzbuch, S. 196 f.; ders., UR 2002, 541 (547); Penke, Der Ort der sonstigen Leistung im Umsatzsteuerrecht, S. 112; Reiß in Nieskens, Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2004, S. 13 (29); ders. in FS Tipke, 1995, S. 433 (439 f.); Stadie, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rn. G 4; Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr, S. 186 218 Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, S. 76 m.w.N.; Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 397, 431; Tumpel, DStJG 32, S. 52 (66 f.); vgl. Heinrich in Achatz, Der Leistungsort der Umsatzsteuer, S. 21 (29); für die Besteuerung des Handels mit nicht körperlichen Gegenständen oder Dienstleistungen OECD Consumption Tax Trends 2008, S. 26 f.; OECD Consumption Tax Trends 2012, S. 36 f. und OECD International VAT/GST Guidelines, Rn. 3.6 f., der zufolge die Lokalisation des Verbrauches am Sitz des Leistungsempfängers als „Main Rule“ grundsätzlich zu Anwendung kommen soll. 219 U.a. Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 393; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 2 (Jul. 2014), Rn. 1052. 220 Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 399, 408 ff.; ders., IStR 2009, 526 (526 f.); ­Huschens in Vogel/Schwarz, § 6 UStG, Rn. 2; Jakob, Umsatzsteuer, Rn. 500; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, Einf. (Jan. 2015), Rn. 30; Stadie in Rau/Dürrwächter, Einf. (Apr. 2013), Rn. 735 ff.; Tehler in Rau/Dürrwächter, § 7 UStG (Jan. 2014), Rn. 61; Vellen in Nieskens, Umsatzsteuer-Kongreß-Bericht 1999/2000, S. 13 (43).

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B.  Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien

Dienstleistungen grundsätzlich derjenige Staat, in dem der beziehende Steuerpflichtige seinen Sitz hat.221 Diese Näherungen gelten für den grenzüberschreitenden Bezug durch Verbraucher aufgrund deren regelmäßig geringeren Mobilität umso mehr. Dennoch setzt das Unionsrecht das Bestimmungslandprinzip in diesem Bereich nicht um, sondern orientiert sich grundsätzlich222 am Herkunftslandprinizip. Dahinter steht aber nicht die Überzeugung, der Verbrauch fände in diesen Fällen eher im Herkunftsland statt. Vielmehr kann der Unternehmer den tatsächlichen Verbrauch nicht lokalisieren und entsprechend die Steuer abführen. Der Verbraucher hingegen hat diese Informationen, ist aber nicht Steuerschuldner und generell auch nicht zur Durchsetzung von Steueransprüchen erfasst.223 Daher handelt es sich hier um eine bewusste Durchbrechung des systematisch indizierten Verbrauchsortprinzips zugunsten einer administrativen Durchsetzbarkeit der Besteuerung.224

IV. Gesetzessystematische Verwirklichung der grundlegenden Prinzipien Diese Besteuerungsgrundsätze stellen zunächst nur Zielvorgaben dar. An ihnen muss sich das gesamte Mehrwertsteuerrecht sowohl auf unionsrechtlicher als auch auf nationaler Ebene messen lassen. Jenseits ihres generellen Einflusses auf die Auslegung des Mehrwertsteuerrechts fanden diese Prinzipien auch ausdrücklichen Niederschlag in Regelungen, deren primärer oder einziger Zweck die Verwirklichung ­dieser Prinzipien ist. Dieser legislative Niederschlag soll im Folgenden genauer beleuchtet werden. Unterschieden wird dabei zwischen der Be221 Siehe zur Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips bei Dienstleistungen, Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 431 ff.; Lohse/Spilker/Zitzl, UR 2010, S. 633. 222 Insbesondere die OECD spricht sich insbesondere im Bereich der Digitalen Wirtschaft für einen deutliche weitere Umsetzung der Bestimmungsland Prinzips aus; OECD, International VAT/GST Guidelines (abrufbar unter: http://www.oecd.org/ tax/consumption/international-vat-gst-guidelines.pdf); hierzu u.a. Englisch IStR 2016, 717, 718 ff.; Lamensch Intertax 2016, 360.  223 Ausführlich hierzu, Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, S. 77 f., vgl. auch S. 72; Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 431. 224 U.a. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/ EWG bezüglich des Ortes der Dienstleistung, KOM/2003/0822 endg., Punkt. 3 und, letztlich in der Folge, Erwägungsgrund 5 i.V.m. 3, 4 RL 2008/8/EG v. 12.02.2008 (Dienstleistungsortrichtlinie); zur Bedeutung der Durchsetzbarkeit der, zum Zwecke der Durchsetzung des Verbrauchsteuerprinzips gewählten Methode, Englisch, DStJG 32, S. 165 (183 f., 193 ff., 212 f.).

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

steuerung von Ausgangsleistungen225 und der Belastung von Eingangsleistungen226. Zur Realisation des Verbrauchsortprinzips müssen Besteuerungstechniken auf Seiten des Leistenden und des Leistungsempfängers ineinandergreifen, sodass diese Unterscheidung dort227 nicht erfolgt. 1. Besteuerung des Leistenden a) Wettbewerbsneutralität Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität soll sicherstellen, dass miteinander im Wettbewerb stehende Waren und Dienstleistungen im Ergebnis steuerlich gleichartig behandelt werden.228 In der Form der Wettbewerbsneutralität stellt er, sofern die betreffenden Leistungen miteinander im Wettbewerb stehen,229, 230 die mehrwertsteuerspezifische Ausgestaltung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes dar.231, 232 225 Teil II B.IV.1 Besteuerung des Leistenden. 226 Teil II B.IV.2 Besteuerung des Leistungsempfängers. 227 Teil II B.IV.2.c) Verbrauchsortprinzip – Territoriale Zuordnung von Besteuerungsrechten. 228 U.a. EuGH, Urt. v. 01.03.2007 – C-363/05 – JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust and The Association of Investment Trust Companies, ECLI:EU:C:2007:391, Rn. 47; Jakob, Umsatzsteuer, Rn. 32; Stadie in Rau/Dürrwächter, Einf. (Apr. 2013), Rn. 601 m.w.N. 229 EuGH, Urt. v. 11.06.1998 – C-283/95 – Fischer, ECLI:EU:C:1998:276, Rn. 21, 27; v. 03.05.2001 – C-481/98 – Kommission/Frankreich, ECLI:EU:C:2001:237, Rn. 22; v. 23.10.2003 – C-109/02 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2003:586, Rn. 20; v. 16.09.2004 – C-382/02 – Cimber Air, ECLI:EU:C:2004:534, Rn. 24; v. 07.12.2006 – C-240/05 – Eurodental, ECLI:EU:C:2006:763, Rn. 46; v. 18.10.2007 – C-97/06 – Navicon, ECLI:EU:C:2007:609, Rn. 21; v. 22.05.2008 – C-162/07 – Ampliscientifica and Amplifin, ECLI:EU:C:2008:301, Rn. 25 f. 230 Stehen die betreffenden Leistungen nicht direkt im Wettbewerb zueinander, gilt der primärrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, auch im Mehrwertsteuerrecht, direkt, siehe hierzu EuGH, Urt. v. 10.04.2008 – C-309/06 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2008:211, Rn. 49, 54; hierzu auch Henze in Englisch/Nieskens, S. 7 (18); gleiches gilt auch für den Fall der Behandlung von Steuerpflichtigen und Nichtsteuerpflichtigen, vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 23.04.2009 – C-460/07 – Puffer, ECLI:EU:C:2009:254, Rn. 56. 231 U.a. EuGH, Urt. v. 01.04.1982 – C-89/81 – Hong-Kong Trade, ECLI:EU:C:1982:121, Rn. 10; v. 27.04.2006 – C-443/04 und C-444/04 – Solleveld und Van den Hout-Van Eijnsbergen, ECLI:EU:C:2006:257, Rn. 35; v. 08.06.2006 – C-106/05 – L.u.P., ECLI:EU:C:2006:380, Rn. 48 m.w.N.; v. 10.04.2008 – C-309/06 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2008:211, Rn. 49; v. 23.04.2009 – C-460/07 – Puffer, ECLI:EU:C:2009:254, Rn. 53; v. 29.10.2009 – C-174/08 – NCC Construction Danmark, ECLI:EU:C:​ 2009:669, Rn. 41. Zum Verhältnis von Neutralitätsgrundsatz und Gleichbehandlungsgrundsatz, Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 24 m.w.N. 232 Offenbar umgekehrt versteht die zweite Kammer des EuGH das Verhältnis von Gleichbehandlungs- und Neutralitätsgrundsatz in Urt. v. 21.04.2005 – C-25/03 –

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B.  Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien

aa) Wettbewerbsneutralität als sekundärrechtliche Ausgestaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes – Kritische Anmerkungen zur Rechtsprechung des EuGH Nur der Gleichbehandlungsgrundsatz genießt, nach Überzeugung des EuGH, Verfassungsrang. Somit bedürfe der Neutralitätsgrundsatz, als Derivat233 des Gleichbehandlungsgrundsatzes, einer sekundärrechtlichen Ausgestaltung.234 Die Regelungen, in denen der Neutralitätsgrundsatz Niederschlag findet, seien daher wiederum vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes auszulegen.235 Warum der EuGH den Umweg der sekundärrechtlichen Ausgestaltung geht, bleibt offen. Diese Konstruktion wäre nur dann fruchtbar zu machen, wenn der Unionsgesetzgeber über Reichweite und Gehalt des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Mehrwertsteuerrecht disponieren könnte. Dann wären aber die Umsetzungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Sekundärrecht nicht, wie der EuGH selbst annimmt, lediglich „Klarstellungen“236, sondern eigenständige – einschränkende –

HE, ECLI:EU:C:2005:241, Rn. 72, wobei der EuGH den primärrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hier – überraschenderweise – gar als „Folge“ – auch die englische („… the corollary of the principle of neutrality.“), französische („… qui constitue le corollaire du principe de neutralité.“) und spanische („… que ­constituye el corolario del principio de neutralidad.“) Fassung des Urteils legen die Ableitung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vom Neutralitätsgrundsatz nahe, auch wenn die eine passendere Übersetzung des französischen „corollaire“ ins Deutsche wohl eher „Korrelat“ gewesen wäre – des sekundärrechtlichen Neutralitätsgrundsatzes bezeichnet. 233 Die Umkehrung dieses Verhältnisses in EuGH, Urt. v. 21.04.2005 – C-25/03 – HE, ECLI:EU:C:2005:241, Rn. 72, demzufolge der primärrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz „Folge“ des – sekundärrechtlichen – Neutralitätsgrundsatzes ist (s.o. Fn. 232), kann daher als Versehen, nicht aber als Abkehr der ansonsten einheitlichen Rechtsprechung des EuGH (s.o. Fn. 231) gelten. 234 EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – C-174/08 – NCC Construction Danmark, ECLI:EU:​ C:2009:669, Rn. 42 f.; Hidien, EWS 2003, 343 (343) und Nieskens, UR 2004, 441 (447), sind gar der Ansicht, dass der nicht kodifizierte Neutralitätsgrundsatz nicht als Maßstab für die Bewertung von Ungleichbehandlungen dienen könne; dagegen – schon allein wegen den Festlegungen in den Erwägungsgründen 5 und 7 der ­MwStSystRL und deren Entsprechungen in den Vorgängerrichtlinien zurecht – Lohse, UR 2004, 582 (582) und Stadie in Rau/Dürrwächter, Einf. (Apr. 2013), Rn. 607. 235 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – C-174/08 – NCC Construction Danmark, ECLI:​ EU:​C:2009:669, Rn. 44 ff. 236 EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – C-174/08 – NCC Construction Danmark, ECLI:​ EU:C:2009:669, Rn. 43.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Definitionen237. Woher eine solche Befugnis des Sekundärrechtsgebers kommen sollte, bleibt offen. Sollen diese sekundärrechtlichen Umsetzungen dann aber wieder vor dem Hintergrund des verbindlichen primärrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ausgelegt werden, ist unklar, wie zu verfahren wäre, wenn das Sekundärrecht im Rahmen der möglichen Auslegung dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderliefe. Unabhängig davon wäre diese Abweichung vom primärrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz durch den Neutralitätsgrundsatz in der ­MwStSystRL rechtfertigungsbedürftig. Sinnvollerweise ist daher die Rechtsprechung des EuGH nur insoweit zu verstehen, dass dem Unionsgesetzgeber lediglich die Wahl der Mittel zur Befriedigung primärrechtlicher Anforderungen obliegt. Dem könnte folgendes Verständnis zugrunde gelegt werden. Der Gleichheitssatz untersagt eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung.238 Eine solche Ungleichbehandlung entstünde, wenn einzelne Steuerpflichtige durch die Mehrwertbesteuerung unterschiedlich behandelt und damit im Wettbewerb benachteiligt würden. Mithin sind die Auswirkungen der Mehrwertbesteuerung im Wettbewerb zu neutralisieren. Dieses primärrechtliche Postulat im Mehrwertsteuersystem umzusetzen, mithin die Mittel zu dessen Erfüllung zu konkretisieren, obliegt den Adressaten des Primärrechts.239 Das Neutralitätspostulat bezeugt und umfasst damit nur die Entscheidung des Unionsgesetzgebers für Mechanismen, um eine mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz konforme Besteuerung sicherzustellen. Die Neutralität im B2B-Verkehr ist daher zwingende Konsequenz aus dem primärrechtlichen Postulat des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Vor dem Hintergrund dieser gesetzgeberischen Zielsetzung ist daher die M ­ wStSystRL auszulegen. Ausgehend vom Gebot, alle Steuerpflichtigen gleich zu behandeln, sind alle Steuerpflichtigen gleichermaßen zu entlasten. Diesem Diktat ist auch der Unionsgesetzgeber unterworfen. Entsprechende Regelungen untermauern in lediglich klarstellender Manier dieses Unterfangen und beschränken den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht.

237 Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 24; ders. in Weber, Traditional and alternative routes to European tax integration, S. 231 (241 ff.). 238 U.a. EuGH, Urt. v. 07.05.1998 – C-390/96 – Lease Plan, ECLI:EU:C:1998:206, Rn. 34; v. 19.09.2000 – C-156/98 – Deutschland/Kommission, ECLI:EU:C:2000:467, Rn. 84; v. 23.04.2009 – C-460/07 – Puffer, ECLI:EU:C:2009:254, Rn. 52.  239 Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – C-174/08 – NCC Construction Danmark, ECLI:EU:C:2009:669, Rn. 42 f.

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B.  Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien

bb) Die technische Umsetzung des Postulats der Wettbewerbs­ neutralität Hinsichtlich des Wettbewerbsneutralitätspostulats wird teils zwischen der inneren und äußeren Neutralität unterschieden.240 Letztere erfasst grenzüberschreitende Umsätze, erstere rein innerstaatliche Umsätze. Diese Terminologie wird hier nicht durchgehalten, weil sie keinen inhaltlichen Mehrwert bringt241 und wohl vor allem deshalb, insbesondere im deutschen Schrifttum, kaum Verwendung gefunden hat242. Als Beispiel für die sekundärrechtliche Verwirklichung dieses Grund­ satzes im grenzüberschreitenden Kontext soll der Vergleich der Besteuerung rein nationaler und innergemeinschaftlicher Lieferungen herangezogen werden.243 In beiden Fällen ist die Besteuerung am Ort des Verbrauchs, dem Bestimmungsland, Ziel der Besteuerung.244 In dem Mitgliedstaat, in dem der Leistungsempfänger ansässig ist – mit überwiegender Wahrscheinlichkeit findet dort auch der Verbrauch statt –245, fällt die Steuer an. Für die Besteuerung des aus einem anderen Mitgliedstaat Leistenden heißt das zunächst, dass dessen Herkunftsland kein Recht zur Besteuerung hat. Bei einer Lieferung innerhalb der Union, aber über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinaus (innergemeinschaftliche Lieferung), bleibt der 240 Lohse, Die Zuordnung im Mehrwertsteuerrecht, S. 107 ff.; Terra/Kajus, 7.3. 241 Lohse, Die Zuordnung im Mehrwertsteuerrecht, S. 107 f. und Theile, Wettbewerbsneutralität der harmonisierten Umsatzsteuer, S. 138 ff. und 207 ff. als auch 230 ff. und 290 ff. der diese terminologische Differenzierung ebenfalls vollführt. 242 Lohse, Die Zuordnung im Mehrwertsteuerrecht, S. 107 f. 243 Zur internationalen Anwendung dieses Mechanismus, Oldman/Schenk, Value Added Tax, S. 182 (188 ff.); auch mit Bezug zu anderen, international angewandten Methoden, Ogley, Principles of Value added Tax, S. 205. 244 S.o. Teil II B.III Verbrauchsortprinzip. 245 Vgl. Englisch, IStR 2009, 526 (526 f.); ders. in Tipke/Lang, § 17, Rn. 393; Huschens in Vogel/Schwarz, § 6 UStG, Rn. 2; Jakob, Umsatzsteuer, Rn. 500; Reiß in Reiß/ Kraeusel/Langer, Einf. (Jan. 2015), Rn. 30; Stadie in Rau/Dürrwächter, Einf. (Apr. 2013), Rn. 735 ff.; Tehler in Rau/Dürrwächter, § 7 UStG (Jan. 2014), Rn. 61; Vellen in Nieskens, Umsatzsteuer-Kongreß-Bericht 1999/2000, S. 13 (43); dies gebieten letztlich auch Aspekte der Steuerverteilungsgerechtigkeit, siehe hierzu GA Kokott, Schlussantrag v. 11.01.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:12, Rn. 19; v. Hilten in Albregtse/Kogels, Selected Issues in European Tax Law, London 1999, S. 3 (8); Kirchhof, Umsatzsteuergesetzbuch, S. 196 f.; ders., UR 2002, 541 (547); Penke, Der Ort der sonstigen Leistung im Umsatzsteuerrecht, S. 112; Reiß in Nieskens, Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2004, S. 13 (29); ders. in FS Tipke, 1995, S. 433 (439 f.); Stadie, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rn. G 4; Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr, S. 186.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

vom Lieferanten ausgeführte Umsatz als im Herkunftsland liegender Umsatz steuerbar. Zugleich wird er aber gem. Art. 138 ­MwStSystRL – mit Vorsteuerabzug – von der Steuer befreit. Die Lieferung bleibt unbelastet. Der Empfänger hingegen verwirklicht den Tatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs gem. Art. 20 M ­ wStSystRL. Dieser Umsatz ist gem. Art. 40 M ­ wStSystRL im Bestimmungsland, wie eine rein national erbrachte Lieferung gem. Art. 23 ­MwStSystRL, steuerbar. Bezüglich der Herkunft der Waren ist damit die Besteuerung neutral.246, 247 Gleiches gilt im Ergebnis für die Besteuerung von grenzüberschreitend erbrachten Dienstleistungen. Allerdings verlagert hier Art. 44 ­MwStSystRL den Ort der Leistung in das Bestimmungsland. Im Herkunftsland liegt kein steuerbarer Umsatz mehr vor. Erbringt damit ein Steuerpflichtiger Leistungen über die Grenze hinweg, fällt keine Belastung mit Steuer des Herkunftslandes an. Zudem schuldet der Leistende für diesen Umsatz gem. Art. 193 i.V.m. 196 M ­ wStSystRL keine Steuer. Der international tätige Steuerpflichtige wird daher von der Steuerlast des Herkunftslandes befreit. Das einheimische Besteuerungsniveau muss nicht eingepreist werden, behindert daher den internationalen Wettbewerb nicht. Im rein nationalen Bereich fordert das Postulat der Wettbewerbsneutralität eine Besteuerung unabhängig von der Länge der vorgeschalteten Wertschöpfungskette.248 Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dabei mehr als nur die gleiche Besteuerung des einzelnen Umsatzes in Bezug auf Satz und Bemessungsgrundlage. Ein von der Besteuerung unbe­ einflusster Wettbewerb würde im Allphasensystem dadurch noch nicht erreicht. Es gäbe Kaskadeneffekte in Abhängigkeit von der Zahl der ­Produktionsstufen.249 Gleich würden nur diejenigen Steuerpflichtigen belastet, deren Eingangsleistungen exakt die gleiche Anzahl an Produk­ 246 Vgl. Leontiades, National Tax Journal 1966, 173 (173); OECD International VAT/ GST Guidelines, 1.9. 247 Nicht als Mittel zur Herstellung der Wettbewerbsneutralität, sondern als Verwirklichung des Ziels der Belastungsneutralität erkennt die Besteuerung gem. dem Bestimmungslandprinzip, Henze in Englisch/Nieskens, S. 7 (13). 248 S.o. Teil II B.I Grundsatz der steuerlichen Neutralität. 249 Vor der Harmonisierung des Mehrwertsteuerrechts wurde in Deutschland eine Allphasen-Brutto-Umsatzsteuer erhoben. Die dadurch entstehenden Kaskadeneffekte wurden wegen der folgenden Wettbewerbsverzerrungen bereits 1964 und 1966 in Ents. v. 06.05.1964 – 1 BvR 320/57, BVerfGE 18, 1 und Ents. v. 20.12.1966 – 1 BvR 320/57, 1 BvR 70/63, BVerfGE 21, 12 vom BVerfG als mit dem deutschen Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar beurteilt; siehe zur Unvereinbarkeit eines solchen Ansatzes auch GA Leger, Schlussantrag v. 13.03.1997 – C-130/96 – Solisnor-Estaleiros Navais, ECLI:EU:C:1997:152, Rn. 16.

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B.  Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien

tionsstufen mit stets identischen Preisaufschlägen durchlaufen hätten. Unbeeinflusst in seiner Teilnahme am Wettbewerb von diesen Faktoren ist der Steuerpflichtige nur dann, wenn er die auf den Vorstufen entstandenen Steuerbeträge nicht einpreisen muss. Das Primärrecht gebietet daher die Neutralisation dieser Steuerkumulation. Nur dann kann jeder Steuerpflichtige in gleicher Weise, nämlich ohne steuerliche Vorbelastung, seine Preise kalkulieren. So ist im Allphasensystem sichergestellt, dass auf Ebene des Endverbrauchs eine effektiv gleich hohe Steuerbelastung vorliegt. Im europäischen Mehrwertsteuersystem erfüllt diese Aufgabe der Vorsteuerabzug gem. Art. 167 ff. M ­ wStSystRL.250 Dem Grundsatz nach wird der Steuerpflichtige von der Steuer entlastet, welche er, als Teil des Bruttoentgeltes für diejenigen Leistungen, die er bezogen hatte, um wiederum Umsätze zu tätigen, zunächst zu tragen hatte. Dieser Mechanismus setzt zwar auf Seiten des Leistungsempfängers ein, bewirkt aber die Neutralität hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit der Ausgangsleistungen. Das Erfordernis der steuerlichen Neutralität zeigt sich aber nicht nur in der Konzeption des Mehrwertsteuersystems der EU. Abgeleitet aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz erwächst den Mitgliedstaaten hieraus zudem die Verpflichtung, diesem systematischen Ansatz beim Steuervollzug Rechnung zu tragen. Mithin hat die Praxis der Steuererhebung die Erbringung gleichartiger Umsätze auch gleich zu behandeln. Dies gilt nicht nur für den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr, sondern auch für rein nationale Umsätze.251 b) Neutralität des Steuerpflichtigenbegriffs Gem. dem 5. Erwägungsgrund zur ­MwStSystRL erreicht das Mehrwertsteuersystem einen möglichst hohen Grad an Neutralität, „wenn die Steuer so allgemein wie möglich erhoben wird, und wenn (Einf. durch Verfasser:) zudem ihr Anwendungsbereich alle Produktions- und Vertriebsstufen sowie den Bereich der Dienstleistungen umfasst“.

250 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 2. 251 EuGH, Urt. v. 10.09.2002 – C-141/00 – Kügler, ECLI:EU:C:2002:473, Rn. 30; v. 16.09.2004 – C-382/02 – Cimber Air, ECLI:EU:C:2004:534, Rn. 24; v. 08.12.2005 – C-280/04 – Jyske, ECLI:EU:C:2005:753, Rn. 39; v. 01.03.2007 – C-363/05 – JP Mor­ gan Fleming Claverhouse Investment Trust and The Association of Investment Trust Companies, ECLI:EU:C:2007:391, Rn. 46; v. 17.07.2008 – C-132/06 – ­Kommission/Italien, ECLI:EU:C:2008:412, Rn. 39; ebenso BFH, Urt. v. 22.07.2010 – V R 4/09, BStBl. II 2013, 590 (595, II.4.c)bb)).

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Grundsätzlich könnte man die Besteuerung eines jeden Leistungsaustausches auf allen Stufen der Wertschöpfungskette unter das Postulat einer allgemeinen Besteuerung aus dem 5. Erwägungsgrund zur ­MwStSystRL fassen. Dessen Halbsatz 2 ist daher insofern klarstellend zu verstehen, dass die Allgemeinheit der Besteuerung eine Anknüpfung an die Stellung des Leistenden innerhalb der Wertschöpfungskette verbietet. Das verdeutlicht Satz 2 des 5. Erwägungsgrund zur M ­ wStSystRL. Demnach ist die Besteuerung, zum Zwecke der Neutralität, bis zur Ebene des Einzelhandels, als Ende der Wertschöpfungskette, fortzusetzen. Bezugspunkt ist dabei die Eigenschaft des Leistungserbringers als Steuerpflichtiger. Der Halbsatz 2 des ersten Satzes und Satz 2 verdeutlichen, dass das Allgemeinheitspostulat auch eine subjektive Komponente hat. Zudem bezieht sich die Allgemeinheit des ersten Halbsatzes auf die Erhebung der Steuer. Die Erhebung der Steuer erfolgt grundsätzlich beim Steuerpflichtigen. Erwägungsgrund 5 zur ­MwStSystRL umfasst daher auch die Allgemeinheit der Besteuerung in subjektiver Hinsicht. Das Erfordernis der Neu­ tralität erfordert somit einen möglichst weiten Begriff des Steuerpflichtigen. Als zentraler Anknüpfungspunkt für mehrwertsteuerliche Rechte und Pflichten ist daher zu klären, wie der Begriff des Steuerpflichtigen durch den Neutralitätsgrundsatz bedingt wird, und ob er einen mitgliedstaatlichen Modifikation zugänglich ist. Dem voranzustellen ist die Frage nach der unionsrechtlichen Quellen des Steuerpflichtigenbegriffs. aa) Abschließende Begriffsdefinition in Art. 9–13 ­MwStSystRL Die Begriff des Steuerpflichtigen bestimmt sich einzig aus den Art. 9–13 ­MwStSystRL; eine Verknüpfung mit anderen Regelungen der ­MwStSystRL verbietet sich. Dafür spricht schon der deutlich mit „Steuerpflichtiger“ überschriebene Titel III M ­ wStSystRL, der als einziger derart deutlich den Anspruch einer Definition erhebt. Daneben kann auch noch die bereichspezifische Modifikation des Steuerpflichtigenbegriffs in Art. 43 ­MwStSystRL, die rein terminologischer Natur ist, herangezogen werden. Demnach gelten im Rahmen der Art. 44 ff. ­MwStSystRL bestimmte ­Personen als Steuerpflichtige, welche die Voraussetzungen des Art. 9 ­MwStSystRL nicht erfüllen. Dadurch erfolgt gerade keine Modifikation des Begriffes. Vielmehr legt Art. 43 ­MwStSystRL nur fest, dass für die Zwecke des Titel V Kapitel 3 ­MwStSystRL diese Subjekte als Steuerpflichtige gelten.

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B.  Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien

Auch die Anerkennung als Steuerpflichtiger wird nicht von der Erfüllung von den Steuerpflichtigen auferlegten Pflichten abhängig gemacht. Insbesondere können die Mitgliedstaaten die Anerkennung der Steu­ erpflichtigeneigenschaft nicht von der Erfüllung von Deklarations­ pflichten – namentlich die Registrierungsverpflichtung gem. Art. 213 ­MwStSystRL – abhängig machen.252 bb) Rechtsformneutralität Ein steuerbarer Vorgang liegt gem. Art. 2 Abs. 1 lit a ­MwStSystRL grundsätzlich nur vor, wenn eine Leistung von einem Steuerpflichtigen/Unternehmer erbracht wird. Steuerpflichtiger ist, gem. Art. 9 ­MwStSystRL, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt. Diese Definition fasst den subjektiven Tatbestand der Mehrwertsteuer möglichst weit: Insbesondere nimmt sie dabei keinerlei Bezug auf die zivilrechtliche Personalität des Steuerpflichtigen. Damit erfolgt die Mehrwertbesteuerung unbesehen der Rechtsform der Akteure, ist diesbezüglich also neutral.253 Das ergibt sich schon aus der unionsrechtlichen Regelung der Mehrwertsteuer. Soll die Reglung innerhalb der Union zu einer gleichmäßigen Mehrwertbesteuerung führen, so verbietet sich eine Anknüpfung an die nicht harmonisierten Gesellschaftsrechtsordnungen der Mitgliedstaaten.254 Für diese Ausprägung der Neutralität hat sich der Begriff der Rechtsformneutralität etabliert.255

252 Vgl. grundlegend EuGH, Urt. v. 08.06.2000 – C-400/98 – Breitsohl, ECLI:EU:C:​ 2000:304, Rn. 38; vgl. auch EuGH, Urt. v. 27.09.2012 – C-587/10 – VStR, ECLI:EU:C:2012:592, Rn. 49 f.; für Österreich, öVwGH, Erk. v. 22.12.2004 – 2002/15/0057, ÖStZB 2005, 362 (364); v. 03.09.2008, 2006/13/0125, ÖStZB 2009, 143 (144); v. 23.02.2010 – 2007/15/0037, ÖStZB 2010, 637 (640); Ruppe/Achatz, UStG, § 2, Rn. 19/2, Art. 28, Rn. 7. 253 Umfassend zur Bedeutung des Unternehmerbegriffs für die Neutralität der Besteuerung, Theile, Wettbewerbsneutralität der harmonisierten Umsatzsteuer, S. 230 ff. 254 Dem steht nicht Art. 54 AEUV entgegen, wonach der persönliche Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 AEUV an die Qualifikation der Gesellschaft nach nationalem Recht abstellt. Vielmehr knüpft das Europarecht hier ausdrücklich an die Regelung des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten an, und benimmt sich damit bewusst seiner Autonomie. Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 16.12.2008 – C-210/06 – Cartesio, ECLI:EU:C:2008:723. 255 U.a. Stadie in Rau/Dürrwächter, Einf. (Apr. 2013), Rn. 454 ff., 604.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

cc) Autonomie des Steuerpflichtigenbegriffs Die Anforderungen des Neutralitätsgrundsatzes an den Steuerpflichtigenbegriff lassen sich aber nicht auf die Autonomie gegenüber nationalem Gesellschaftsrecht beschränken. Im selben Maße allgemein wird die Steuer in allen Mitgliedstaaten nur dann erhoben, wenn der Begriff des Steuerpflichtigen in allen Mitgliedstaaten gleich weit ist. Eine Abhängigkeit des Steuerpflichtigenbegriffs von jedweden nationalen Kriterien muss daher ausscheiden. Die Mitgliedstaaten sind daher nicht berufen, den Begriff des Steuerpflichtigen durch nationale Kriterien zu verengen. c) Belastungsneutralität Die Mehrwertsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer256 gem. Art. 1 Abs. 2 ­ wStSystRL besteuert den Endverbrauch. Sie verlagert den BesteuerungsM zeitpunkt jedoch auf das dem Verbrauch vorangehende privatrechtliche Verkehrsgeschäft vor. Deshalb wurde sie auch teils als Verkehrsteuer qualifiziert wurde257. Der Steuerpflichtige wird dabei nur als „Steuereinsammler für Rechnung des Staates und im Interesse der Staatskasse“258 tätig. Damit fallen Steuerpflicht und Belastungsziel auseinander; die Besteuerung des privaten Konsums erfolgt indirekt. (Belastungs-)Neutral für den Steuerschuldner bleibt die Besteuerung nur, wenn keine Steuerbelastungen endgültig beim Steuerpflichtigen verbleiben. Er muss die steuerliche Belastung vollumfänglich, als Aufschlag auf den Preis, auf den Abnehmer abwälzen können.259 Diesem Umstand trägt das Mehrwertsteuerrecht dadurch Rechnung, dass die Bemessungsgrundlage gem. Art. 73 ­MwStSystRL (der Netto-Preis) der Steuer insoweit zu ändern ist, als dem Steuerpflichtigen diese Möglichkeit verwehrt bleibt. So mindert sich die Bemessungsgrundlage parallel zur (Un-)Einbringlichkeit des Entgelts gem. Art. 90 ­MwStSystRL bis auf null. Die Besteuerung soll mithin nicht Teil der Preiskalkulation des Steuerpflichtigen werden,

256 S.o. Teil II B.II Verbrauchsteuerprinzip; EuGH, Urt. v. 26.06.1997 – C-370/95 – ­Careda SA, ECLI:EU:C:1997:327, Rn. 14; Beschl. v. 03.03.2004 – C-395/02 – ­Transport Service, ECLI:EU:C:2004:118, Rn. 20; Stadie in Rau/Dürrwächter, Einf. (Apr. 2013), Rn. 120 ff. m.w.N. 257 BFH, Urt. v. 27.07.1988 – X R 40/82, BStBl. II 1988, 1017 (1019). 258 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 58; v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 21 f. m.w.N. 259 Zur wesensbestimmenden Natur dieses Aspekts, Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 12, 123.

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B.  Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien

sondern an das Ergebnis der Kalkulation, den Nettopreis, anschließen.260 Dieses Prinzip gilt auch über die Betrachtung der einzelnen Leistungsbeziehungen hinaus. Räumt z.B. ein Hersteller einem Kunden eines später in der Wertschöpfungskette agierenden Steuerpflichtigen einen Rabatt im Sinne einer Barauszahlung auf den an Letzteren entrichteten Preis ein, so ist dieser Rabattbetrag von der Bemessungsgrundlage der Lieferung des Herstellers abzuziehen.261 Dem gleichen Zweck dient die Möglichkeit, den ausgewiesenen Steuerbetrag, wenn entweder der falsche Satz zugrunde gelegt262 oder die Steuerbarkeit fälschlicherweise angenommen wurde263, der zunächst gem. Art. 203 M ­ wStSystRL geschuldet wird, korrigieren zu können.264 Für den Leistenden bleibt die Besteuerung bzgl. der Liquidität des Leistungsempfängers oder nachträglicher Preissenkungen neutral. Die Steuer wird nur auf den tatsächlich erhaltenen Betrag angewandt. Zwingend ist dieser Ansatz aber nicht als Ausprägung des Neutralitätsgrundsatzes zu erachten. So verzerrt es weder den nationalen Wettbewerb, wenn sich das Ausfallvolumen um die darauf anfallende Steuer erhöht. Dieser Effekt träfe alle Steuerpflichtigen gleichermaßen. Auch der internationale 260 Anders offenbar Trzaskalik, DStJG 12, S. 157 (176), demzufolge die Umsatzsteuer Teil der unternehmerischen Kalkulation ist. Das widerspreche zwar der Ansicht, wonach allein der Verbraucher Steuerträger sein solle. Allerdings sei der Ver­ braucher gar nicht einziger intendierter Steuerträger. Dies setze gesetzlich garantierte Abwälzungsmöglichkeit voraus, welche aber nicht existierten. Angesichts der umfassenden Möglichkeiten in Abhängigkeit der Abwälzungsmöglichkeit die Bemessungsgrundlage zu reduzieren, erscheint dies aber fraglich. Hinzu tritt die zwischenzeitlich – nach der Veröffentlichung von Trzaskalik, DStJG 12, S. 157 – eingetretene Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH. Die Auslegung im Urt. v. 24.10.1996 – C-317/94 – Elida Gibbs, ECLI:EU:C:1996:400, (siehe hierzu sogleich bei Fn. 261 und 265) macht deutlich, dass einziger Steuerträger der Verbraucher – proportional zu seinen Auswendungen belastet – sein soll. Weiter ergibt sich hieraus, dass jedem Unternehmer auch nur diejenige Steuerlast auferlegt werden solle, die er tatsächlich auch abwälzen konnte. Das gilt demnach selbst jenseits der einzelnen Leistungsbeziehungen. Ausgehend davon muss man wohl die garantierte Abwälzungsmöglichkeit als systemischen Grundsatz des Mehrwertsteuersystems erachten. Konsequenterweise ist der Verbraucher damit entgegen Trzaskalik, DStJG 12, S. 157 (176) alleiniger Steuerträger. 261 EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – C-317/94 – Elida Gibbs, ECLI:EU:C:1996:400, Rn. 28 ff. 262 Das entspricht in Deutschland dem unrichtigen Steuerausweis gem. § 14c Abs. 1 UStG. 263 Das entspricht in Deutschland dem unberechtigten Steuerausweis gem. § 14c Abs. 2 UStG. 264 EuGH, Urt. v. 13.12.1989 – C-342/87 – Genius Holding, ECLI:EU:C:1989:635, Rn. 18; v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:​ C:2000:469, Rn. 56 ff.; Stadie in Rau/Dürrwächter, Einf. (Apr. 2013), Rn. 607.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Wettbewerb bliebe unbeeinflusst, da ein Ausfall des steuerpflichtigen Leistungsempfängers aufgrund des Systems zur Durchsetzung des Bestimmungslandprinzips zulasten des Fiskus des Bestimmungslandes ginge. Die Rechtsprechung des EuGH zu diesem Thema folgt vielmehr unter der Prämisse des Neutralitätsgrundsatzes dem Ziel, dass nur der Verbraucher letztlich die Steuer zu tragen hat. Anders gewendet, dass nur das zur Bemessungsgrundlage zählt, was der Verbraucher auch tatsächlich aufwendet.265 Das ist originär die zentrale Prämisse des Verbrauchsteuerprinzips.266 d) Verbrauchsteuerprinzip Gemäß ihrem Besteuerungsziel muss im System der Mehrwertsteuer eine Belastung, welche sich jenseits des privaten Endverbrauches niederschlägt, vermieden werden. Daher darf dem Leistenden als Steuerschuldner die Steuerschuld nur insoweit auferlegt werden, als er die korrespondierende Belastung auch abwälzen kann. Die Möglichkeit, die Bemessungsgrundlage entsprechend der Möglichkeit der Entlastung durch Abwälzung zu reduzieren, dient diesem Zweck. Der EuGH hingegen geht auf diesen Zusammenhang nicht ein, sondern rekurriert diesbezüglich einzig auf den Neutralitätsgrundsatz.267 Ob der EuGH die Wirkung des Verbrauchsteuerprinzips hierbei übersieht268, ist nicht ganz klar. Verdeutlicht man sich das Verbrauchsteuerprinzip neben dem Neutralitätsprinzip, so ist nicht von der Hand zu weisen, dass beide, das Verständnis des EuGH zugrunde gelegt, häufig gleiche Konsequenzen zei­ tigen.

265 EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – C-317/94 – Elida Gibbs, ECLI:EU:C:1996:400, Rn. 27, 31; vgl. hierzu auch EuGH, Urt. v. 10.07.2008 – C-484/06 – Fiscale eenheid ­Koninklijke Ahold, ECLI:EU:C:2008:394, Rn. 36; Henze in Englisch/Nieskens, S. 7 (13); zu diesem Aspekt ausführlich; Englisch in Weber, Traditional and Alternative Routes to European Tax Integration, S. 231 (240, 245 ff.); Reiß in FS Tipke, S. 433 (440). 266 S.o. Teil II B.II Verbrauchsteuerprinzip; vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 03.10.2006 – C-475/03 – Banca popolare di Cremona, ECLI:EU:C:2006:629, Rn. 22, 28; v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 21 m.w.N. 267 EuGH, Urt. v. 13.12.1989 – C-342/87 – Genius Holding, ECLI:EU:C:1989:635, Rn. 18; v. 24.10.1996 – C-317/94 – Elida Gibbs, ECLI:EU:C:1996:400, Rn. 30; v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:C:2000:469, Rn. 56 ff.; anders z.B. Stadie in Rau/Dürrwächter, Einf.(Apr. 2013), Rn. 129 ff., der aber später in Einf. Rn. 603 dies auch wieder als Folge der Neutralität der Steuer bezeichnet. 268 So Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 25.

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B.  Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien

e) Das Verhältnis von (Belastungs-)Neutralität und Verbrauchsteuerprinzip Will man das Verhältnis von Verbrauchsteuer- und Neutralitätsprinzip klären, ist zunächst zu untersuchen, ob es sich um zwei autonome Prinzipien handelt oder das eine im anderen aufgeht. Dabei ist zu beachten, dass beide Grundsätze verschiedene Ansätze verfolgen. So fordert das Verbrauchsteuerprinzip die Belastung des privaten Endverbrauches. Umgekehrt lässt sich daraus aber auch ableiten, dass es die – systematische – Belastung des nicht privaten Verbrauches untersagt.269 Der Wettbewerbsneutralitätsgrundsatz auf nationaler Ebene fordert ebenso eine Nichtbelastung des nicht privaten Verbrauches. ­ ­Ansonsten ließe sich die Unabhängigkeit von der Länge der Wertschöpfungsketten nicht herstellen.270 Im internationalen Wirtschaftsverkehr hingegen ist – betrachtet man isoliert den grenzüberschreitenden Umsatz – nur von Bedeutung, dass jeweils der gleiche Steuersatz – entsprechend dem Verbrauchsortprinzip der Verbrauchsmitgliedstaat geltende – zur Anwendung kommt. Die fehlende Harmonisierung der Steuersätze erfordert allerdings auch in diesen Fällen die zwischenunternehmerische Entlastung von B2B-Umsätzen. Ohne Neutralität hinsichtlich der Länge der Wertschöpfungsketten käme es ansonsten beim Grenzübertritt zu Wettbewerbsverzerrungen. Diese gingen, auch bei gleicher Anzahl der Wertschöpfungsstufen und exakt gleichen prozentualen Preisaufschlägen auf jeder Stufe, zulasten desjenigen Lieferanten, dessen Vorstufen mit dem höheren Steuersatz belastet waren.271, 272 Allerdings unterscheiden sich die Zielsetzungen der Grundsätze teil­ weise. So emanzipiert sich die Wettbewerbsneutralität vom Verbrauchsteuerprinzip durch ihren Zweck. Nicht die Belastung der Verbraucher sicherzustellen ist ihr Ziel, sondern den Wettbewerb um den Leistungsbezug durch die Verbraucher unverfälscht zu belassen. Die Belastungsneutralität hingegen verwirklicht nichts anderes als das Verbrauchsteuerprinzip. Beiden ist gemein, dass einzig der Verbraucher die Steuerlast 269 Vgl. EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – C-317/94 – Elida Gibbs, ECLI:EU:C:1996:400, Rn. 24; Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 12, 123; Stadie in Rau/Dürrwächter, Einf. (Apr. 2013), Rn. 146. 270 S.o. Teil II B.IV.1.a)bb) Die technische Umsetzung des Postulats der Wettbewerbsneutralität. 271 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 3. 272 Hierin liegt der Unterscheid zum rein innerstaatlichen Wirtschaftsverkehr, siehe hierzu oben Teil II B.IV.1.a)bb) Die technische Umsetzung des Postulats der Wettbewerbsneutralität.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

tragen soll. Nur die Richtung der Aussage ist eine andere. Während das Verbrauchsteuerprinzip das Belastungsziel positiv formuliert, grenzt die Belastungsneutralität den Kreis der intendierten Steuerträger teilweise negativ ab, indem sie feststellt, wer jedenfalls nicht belastet werden soll.273 Damit greift ihre Aussage aber weniger weit als die des Verbrauchsteuerprinzips. Das zeigt sich daran, dass Besteuerungsziel der Mehrwertsteuer eben nicht jeder Verbrauch, der nicht zum Zwecke weiterer steuerpflichtiger Umsätze erfolgt, sondern nur der private Endverbrauch das Belastungsziel darstellt.274 Nur die erste Aussage, nicht aber auch die zweite lässt sich auf das Prinzip der Belastungsneutralität stützen. Damit geht die Belastungsneutralität im Verbrauchsteuerprinzip vollends auf. Das Verbrauchsteuerprinzip hingegen geht weiter. Daneben hat der Grundsatz der Belastungsneutralität keinen eigenständigen Gehalt. Dennoch muss, wenn der EuGH seine Rechtsprechung zur Abwälz­ barkeit der Steuerlast auf den Neutralitätsgrundsatz stützt, das nicht zwangsläufig ein Verkennen275 dieses Zusammenhangs bedeuten. Auch möglich erscheint, dass der EuGH den Grundsatz der Belastungsneutralität als Mittel zur Verwirklichung des Verbrauchsteuerprinzips erkennt. So stellt der EuGH den Verbrauchsteuergedanken in der zum Verbrauchsteuerprinzip zitierten276 Rechtsprechung in der Rechtssache Elida Gibbs277 an den Anfang der Entscheidungsgründe.278 Ausgehend von der Tatsache, dass der EuGH zu Beginn seiner Urteilsbegründungen immer den relevanten rechtlichen Rahmen umreißt, muss das heißen, dass offenbar der Verbrauchsteuercharakter von zentraler Bedeutung für die Entscheidung der jeweiligen Vorlagefragen ist. Die Rechtssache Elida Gibbs stellt hierfür das bisher einzige klare Beispiel dar. Gegenstand des Verfahrens war ein Programm zur Kundenbindung durch das Unternehmen Elida Gibbs. Um den Absatz seiner Körperpflegeprodukte zu fördern, wurden Rabattgutscheine an Endverbraucher ausgegeben. Wurde ein solcher Gutschein beim Einzelhändler vorgelegt, erhielt der Verbraucher einen Nachlass auf den Einzelhandelskaufpreis in Höhe des ausgewiesenen Betrages. Elida Gibbs erstattete dem Einzelhändler dann den 273 S.o. Teil II B.IV.1.c) Belastungsneutralität. 274 Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 12.02.2009 – C-515/07 – VNLTO, ECLI:EU:C:2009:88, Rn. 38; hierzu u.a. Englisch in Englisch/Nieskens, S. 25 (32 ff.); Heidler/Spiegel, DStR 2009, 1507 (1509); zudem EuGH, Urt. v. 13.03.2008 – C-437/06 – Securenta, ECLI:EU:C:2008:166, Rn. 28. 275 Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 25. 276 S.o. Fn. 267. 277 EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – C-317/94 – Elida Gibbs, ECLI:EU:C:1996:400. 278 EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – C-317/94 – Elida Gibbs, ECLI:EU:C:1996:400, Rn. 19.

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B.  Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien

Rabattbetrag. Unerheblich war dabei, ob der Einzelhändler die Waren direkt von Elida Gibbs oder über einen oder mehrere Zwischenhändler bezogen hatte.279 Der EuGH hatte zu klären, ob und wenn, in welchem Umfang dieses Verfahren Auswirkungen auf die Mehrwertbesteuerung hatte. Im Ergebnis orientierte sich der EuGH einzig am Prinzip, wonach die Steuer nur auf das, was der Verbraucher tatsächlich aufwenden müsse, um die Leistung zu erhalten, als Grundlage der Besteuerung dienen dürfte. Daher durfte im Ergebnis keine Steuer auf den Rabattbetrag anfallen. Der EuGH eröffnete die Begründung des Urteils mit „Allgemeinen Überlegungen“280, in denen er auf das „Grundprinzip und die Funktionsweise des Mehrwertsteuersystems“281 einging. Dieses „… Grundprinzip ist, daß durch das Mehrwertsteuersystem nur der Endverbraucher belastet werden soll. Folglich kann der Betrag, der als Besteuerungsgrundlage für die von den Steuerbehörden zu erhebende Mehrwertsteuer dient, nicht höher sein als die Gegenleistung, die der Endverbraucher tatsächlich (Anm.: Hervorhebung durch den Verfasser) erbracht hat und auf deren Grundlage die von ihm letztlich getragene Mehrwertsteuer berechnet worden ist.“282 Der EuGH umschreibt hiermit zunächst das Verbrauchsteuerprinzip. Im folgenden Satz erkennt er darin als Konsequenz („Folglich …“) die Abhängigkeit von Steuerschuld und Überwälzbarkeit, hergestellt durch die Proportionalität von Bemessungsgrundlage und Verbraucheraufwand. In den folgenden Randnummern stellt der EuGH dann die sekundärrecht­ liche Umsetzung dieses Grundsatzes dar, und nennt es Neutralität.283 Weiter rekurriert der Gerichtshof nur noch auf den Neutralitätsgrundsatz. Ähnlich dem Verhältnis von Gleichbehandlungsgrundsatz und Wettbewerbsneutralität284 erscheint damit der Grundsatz der Belastungsneutralität, in den Augen des EuGH als Ausdruck der sekundärrechtlichen Umsetzung des Verbrauchsteuerprinzips. Sie umfasst damit alle Regelungen, welche eine endgültige Belastung des leistenden Steuerpflichtigen verhindern sollen. Die Belastungsneutralität unterscheidet sich daher im Gehalt nicht vom Verbrauchsteuerprinzip. Letzteres um279 EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – C-317/94 – Elida Gibbs, ECLI:EU:C:1996:400, Rn. 4 ff. 280 EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – C-317/94 – Elida Gibbs, ECLI:EU:C:1996:400, vor Rn. 18. 281 EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – C-317/94 – Elida Gibbs, ECLI:EU:C:1996:400, Rn. 18. 282 EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – C-317/94 – Elida Gibbs, ECLI:EU:C:1996:400, Rn. 19. 283 EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – C-317/94 – Elida Gibbs, ECLI:EU:C:1996:400, Rn. 22 f. 284 S.o. Teil II B.IV.1.a)aa) Wettbewerbsneutralität als sekundärrechtliche Ausgestaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes – Kritische Anmerkungen zur Rechtsprechung des EuGH

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schreibt lediglich das Regelungsziel, ersteres die Methode zu dessen Umsetzung. D ­ iesen Eindruck verdeutlicht die Praxis des Gerichtshofes, die auf den „Allgemeinen Erwägungen“ in der Rs. Elida Gibbs aufbauende Rechtsprechung, zur Begründung des allgemeinen – für die Auslegung des Mehrwertsteuerrechts entscheidenden – Grundsatz der Neutralität, in seiner Ausgestaltung als Belastungsneutralität, heranzuziehen.285 Dass der EuGH damit die Tragweite des Verbrauchsteuerprinzips verkennt, ist daher nicht zwingend. Vielmehr ist dem Gerichtshof mangelnde terminologische Trennschärfe vorzuwerfen, wenn er häufig nur vom ­ Neutralitätsprinzip spricht, ohne auf das zugrundeliegende, übergeordnete Prinzip einzugehen. Unterschiede im Ergebnis ergeben sich daraus nicht. Ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH kann daher das folgende Verhältnis der einzelnen so bezeichneten Prinzipien festgestellt werden: Das Verbrauchsteuerprinzip ist das, das gesamte Mehrwertsteuersystem überspannende, wesensprägende Steuermodell. Um dieses möglichst einfach und damit auch effizient zu verwirklichen, etabliert die ­MwStSystRL bestimmte Mechanismen. Zunächst erfolgt eine Vereinfachung des Systems der Besteuerung durch das Allphasensystem. Demnach muss für die Frage der Steuerbarkeit nicht durch den Steuerpflichtigen – der das regelmäßig auch nicht leisten könnte – anhand der jeweiligen Stufe der Wertschöpfungskette unterschieden, und Steuer nur dann aufgeschlagen werden, wenn die Leistung am Ende der Wertschöpfungskette an einen Verbraucher erfolgt. Die Besteuerung findet vielmehr auf jeder dieser Stufen statt. Zudem verbreitert sich die Basis der Steuerpflichtigen. Zugunsten des Fiskus verringert sich das Insolvenzrisiko. Denn fällt die Steuerforderung gegen einen Steuerpflichtigen aus, kompensiert der Steueranspruch gegen die vor- und nachgelagerten Steuerpflichtigen bis auf die Steuer auf den vom ausgefallenen Steuerpflichtigen verwirklichten Wertzuwachs, dessen Ausfall. Würden nur B2C Umsätze besteuert, würden alle vorgelagerten Aufschläge kumuliert nur durch die Besteuerung des Umsatzes an den Verbraucher der Steuer unterworfen. Bei Insol285 EuGH, Urt. v. 29.05.2001 – C-86/99 – Freemans plc, ECLI:EU:C:2001:291, Rn. 27; v. 03.10.2006 – C-475/03 – Banca popolare di Cremona, ECLI:EU:C:2006:629, Rn. 32; ebenso, allerdings bezogen auf die Belastungsneutralität zugunsten des Steuerpflichtigen in der Rolle des Leistungsempfängers, die Generalanwälte Jääskinen, Schlussantrag v. 15.04.2010 – C-581/08 – Emi Group Ltd, ECLI:EU:C:​ 2010:194, Rn. 34, und GA Bot, Schlussantrag v. 26.05.2011 – C-274/10 – Kommission/Ungarn, ECLI:EU:C:2011:353, Rn. 58, welchen der EuGH in der Sache in den jeweiligen Urteilen jeweils, unter ausschließlicher Benennung des Neutralitätsgrundsatzes, folgte.

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B.  Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien

venz des Leistenden entfiele der gesamte Steuerbetrag. Damit wird zunächst aber auch der Verbrauch durch Nichtendverbraucher belastet. Diese Belastung ist daher nur dem Ziel der einfachen und sicheren Erhebung der Steuer geschuldet, stellt aber im Widerspruch zum Grundmodell der Verbrauchsteuer. Neben das Allphasenerhebungssystem muss daher, ein weiteres, gleichrangiges Prinzip treten, das diese ungewünschten Belastungsfolgen revidiert. Das ist der Grundsatz der Belastungsneutralität. 2. Besteuerung des Leistungsempfängers a) Wettbewerbsneutralität Um die Erbringung von B2B-Leistungen über nationale Grenzen hinweg nicht durch das Steuersatzniveau im Herkunftsland zu benachteiligen, entfällt i.E. sowohl bei Lieferungen als auch bei sonstigen Leistungen eine Belastung dieser Leistungen durch das Herkunftsland.286 Das allein hätte aber zur Folge, dass im Bestimmungsland ausländische Lieferanten gegenüber nationalen den Vorteil hätten, ihre Leistungen steuerfrei anbieten zu können. Dem begegnet das europäische Mehrwertsteuersystem mit einer steuersystematisch bedingten Belastung des Leistungsempfängers im Bestimmungsland. So verwirklicht der Empfänger einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung den Tatbestand eines steuerbaren innergemeinschaftlichen Erwerbs gem. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b M ­ wStSystRL. Ort dieses Umsatzes ist gem. Art. 40 M ­ wStSystRL der Staat, in dem die Warenbewegung endet; dieser Staat erhält das Besteuerungsrecht. Bemessungsgrundlage ist gem. Art. 83 M ­ wStSystRL der dem Lieferanten geschuldete Betrag. Gleiches gilt im Ergebnis für die Besteuerung von grenzüberschreitend erbrachten B2B-Dienstleistungen. Hier wird allerdings kein, mit der Befreiung auf Seiten des Leistenden korrespondierender Umsatz auf Seiten des Leistungsempfängers geschaffen. Vielmehr verlagert Art. 44 ­MwStSystRL den Ort der Leistung in das Bestimmungsland und Art. 196 M ­ wStSystRL die Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger. Letztlich bleibt der Leistungsbezug zum Zwecke der Erbringung steuerbarer Umsätze unabhängig davon, ob sich die Leistungen innerhalb der Grenzen eines Mitgliedstaates oder (innerhalb) der Union bezogen wer-

286 S.o. Teil II B.I Grundsatz der steuerlichen Neutralität.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

den. Stets fällt tatsächlich Steuer nur in dem Staat an, in dem der Verbrauch wahrscheinlich287 stattfindet.288 Bezüglich der Herkunft der Leistung ist die Besteuerung damit neu­ tral.289, 290 Der internationale Wettbewerb bleibt von der Besteuerung unbeeinflusst. Die geschilderte Besteuerung des Leistungsempfängers ist damit rein technisch bedingt. Sie dient allein dem Zweck der Sicherung der Wettbewerbsneutralität zugunsten des Leistenden. b) Verbrauchsteuerprinzip – Vorsteuerabzug Das Verbrauchsteuerprinzip erfordert eine Neutralisation der Steuerbelastung, die von solchen Rechtssubjekten getragen werden, welche nicht Endverbraucher sind.291 Dabei wählt die Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht den Weg der vollständigen Nichtbelastung von Nichtverbrauchern, sondern eine einstweilige Belastung mit anschließender Entlastung. Zur Umsetzung dieses Prinzips dient der zentrale Mechanismus des Vorsteuerabzugs. aa) Allgemeines Gem. Art. 1 Abs. 2 UA 2 ­MwStSystRL wird jedweder Umsatz unter Zugrundelegung der Nettoentgelte besteuert. Dieses System findet gem. Art. 1 Abs. 2 UA 3 M ­ wStSystRL bis einschließlich zum Einzelvertrieb an den Endverbraucher Anwendung. Besteuerungsziel hingegen bleibt gem.

287 Vgl. Englisch, IStR 2009, 526 (526 f.); ders. in Tipke/Lang, § 17, Rn. 393; Huschens in Vogel/Schwarz, § 6 UStG, Rn. 2; Jakob, Umsatzsteuer, Rn. 500; Reiß in Reiß/ Kraeusel/Langer, Einf. (Jan. 2015), Rn. 30; Stadie in Rau/Dürrwächter, Einf. (Apr. 2013), Rn. 735 ff.; Tehler in Rau/Dürrwächter, § 7 UStG (Jan. 2014), Rn. 61; Vellen in Nieskens, Umsatzsteuer-Kongreß-Bericht 1999/2000, S. 13 (43); dies gebieten letztlich auch Aspekte der Steuerverteilungsgerechtigkeit, siehe hierzu GA Kokott, Schlussantrag v. 11.01.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:12, Rn. 19; v. Hilten in Albregtse/Kogels, Selected Issues in European Tax Law, London 1999, S. 3 (8); Kirchhof, Umsatzsteuergesetzbuch, S. 196 f.; ders., UR 2002, 541; (547); Penke, Der Ort der sonstigen Leistung im Umsatzsteuerrecht, S. 112; Reiß in Nieskens, Umsatzsteuer-Kongress-Bericht 2004, S. 13 (29); ders. in FS Tipke, 1995, S. 433 (439 f.); Stadie, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, Rn. G 4; Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr, S. 186. 288 Vgl. zu diesem Fall, EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:​ C:2007:548, Rn. 60. 289 Vgl. Leontiades, National Tax Journal 1966, 173 (173). 290 Siehe zur insofern anderen Ansicht betreffend die Zielsetzung des Bestimmungslandprinzips oben Henze Fn. 247. 291 S.o. Teil II B.II Verbrauchsteuerprinzip.

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Art. 1 Abs. 2 UA 1 M ­ wStSystRL der Endverbrauch.292 Eine Besteuerung nur dieser Stufe wäre damit systematisch ebenso möglich.293 Die ­MwStSystRL hingegen verfolgt das Prinzip der All-Phasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug. In diesem System können sich die Steuerpflichtigen von der Steuerbelastung ihrer Eingangsumsätze durch Abzug der darauf anfallenden Steuer von ihrer eigenen Steuerschuld gem. Art. 168 ­MwStSystRL befreien. Sofern der Betrag der geschuldeten Steuer niedriger als der Betrag der für Eingangsumsätze aufgewandten Steuer ist, haben sie Anspruch auf eine Steuererstattung.294 Dem Endverbraucher fehlt diese Möglichkeit, sodass einzig seine Steuerbelastung endgültig ist. Damit werden B2B-Umsätze nicht endgültig mit Steuer belastet. Die Besteuerung bleibt für die Steuerpflichtigen neutral. Seinen Niederschlag findet das Verbrauchsteuerprinzip damit auf Seiten des Steuerpflichtigen in der Position des Leistungsempfängers in dessen Recht auf Vorsteuerabzug.295 292 S.o. Teil II B.II Verbrauchsteuerprinzip; u.a. EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – C-317/94 – Elida Gibbs., ECLI:EU:C:1996:400, Rn. 19 ff.; v. 26.06.1997 – C-370/95 – Careda SA, ECLI:EU:C:1997:327, Rn. 14; v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 21; Beschl. v. 03.03.2004 – C-395/02 – Transport Service, ECLI:EU:C:2004:118, Rn. 20; Birk, Steuerecht, Rn. 1261; Stadie in Rau/Dürrwächter, Einf. (Apr. 2013), Rn. 120 ff. m.w.N.; aus der Sicht der Finanzwissenschaft, Schmölders, Zur Begriffsbestimmung der Verbrauchsteuern, S. 8; Walden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, S. 46 ff. 293 Vgl. zum anderen Grundansatz, Kirchhof, Umsatzsteuergesetzbuch, § 5 UStGB. 294 Vgl. nur EuGH, Urt. v. 08.06.2000 – C-400/98 – Breitsohl, ECLI:EU:C:2000:304, Rn. 37; v. 29.04.2004 – C-137/02 – Faxworld, ECLI:EU:C:2004:267, Rn. 37; v. 23.04.2009 – C-460/07 – Puffer, ECLI:EU:C:2009:254, Rn. 47; v. 29.10.2009 – C-29/08 – AB SKF, ECLI:EU:C:2009:665, Rn. 56; v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 28 f.; v. 22.12.2010 – C- 438/09 – Dankovski, ECLI:EU:C:2010:818, Rn. 24; Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 23; ders., UR 2011, 488 (491); Henze in Englisch/Nieskens, S. 7 (10); Homburg, Allgemeine Steuerlehre, S. 125; Hummel, AöR 135 (2010), 573 (582) und die dort zitierte Literatur; Oldman/Schenk, Value Added Tax, S. 19 f., zum Funktionsprinzip und anderen, internationale angewandten Ansätzen. 295 So ergibt sich der Neutralitätsgrundsatz gem. EuGH, Urt. v. 29.10.2009 – C-174/08 – NCC Construction Danmark, ECLI:EU:C:2009:669, Rn. 39 aus Art. 17 Abs. 2 der 6. ­MwStSystRL, der gleichlautenden Vorgängervorschrift des Art. 168 ­MwStSystRL; siehe zur Funktion des Vorsteuerabzuges als Mittel zur Verwirklichung des Neutralitätsgrundsatzes u.a. EuGH, Urt. v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:C:2000:145, Rn. 44; v. 26.05.2005 – C-498/03 – Kingscrest Associates und Montecello, ECLI:EU:C:2005:322, Rn. 54 f.; v. 21.02.2006 – C-255/02 – Halifax u.a., ECLI:EU:C:2006:121, Rn. 78; v. 08.06.2006 – C-106/05 – L.u.P., ECLI:EU:C:2006:380, Rn. 48; v. 07.12.2006 – C-240/05 – Eurodental, ECLI:EU:C:2006:763, Rn. 55; v. 10.04.2008 – C-309/06 – Marks & Spencer,

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

bb) Der Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug Gem. Art. 168 M ­ wStSystRL kann der Steuerpflichtige diejenigen Steuerbeträge, mit denen von ihm bezogene Eingangsleistungen belastet waren, abziehen. Voraussetzung ist, dass er diese wiederum zur Erbringung steuerpflichtiger Umsätze einsetzt. Solange der Steuerpflichtige die Eingangsleistungen für steuerpflichtige Ausgangsleistungen verwendet, ist daher sein Recht auf Abzug und damit auf Entlastung von der Steuerbelastung umfassend. Anders ist das, wenn die Ausgangsleistungen nicht steuerpflichtig, weil entweder steuerfrei oder nicht steuerbar, sind. Erbringt ein Steuerpflichtiger sowohl steuerpflichtige als auch nicht steuerpflichtige Ausgangsleistungen, so sind die Eingangsleistungen entweder den steuerpflichtigen oder den steuerfreien Ausgangsleistungen zuzuordnen. Hierfür fordert der EuGH einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang296. Gleiches gilt für den Bezug von Leistungen für den nicht steuerbaren, aber auch nicht privaten Bereich des Steuerpflichtigen.297 Allerdings soll hier auch dann ein Vorsteuerabzug gewährt werden, wenn die nicht steuerbare Tätigkeit lediglich der Erbringung von steuerbaren Leistungen oder der Abwicklung der steuerbaren Aktivitäten dient. Die nicht steuerbare Zwischenstufe wird dann ausgeblendet und die Kosten den Gemeinkosten der steuerbaren Tätigkeit zugerechnet.298 Dagegen fordert der Wortlaut des Art. 168 ­MwStSystRL eindeutig ECLI:EU:C:2008:211, Rn. 47 ff.; v. 23.04.2009 – C-460/07 – Puffer, ECLI:EU:​ C:2009:254, Rn. 53; v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und ­Dávid, ECLI:EU:C:2012:373, Rn. 39. 296 Vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 08.06.2000 – C-98/98 – Midland Bank, ECLI:EU:C:2000:300, Rn. 24; v. 22.02.2001 – C-408/98 – Abbey National, ECLI:EU:C:2001:110, Rn. 26; v. 03.05.2005 – C-32/03 – Fini H, ECLI:EU:C:2005:128, Rn. 26; v. 08.02.2007 – C-435/05 – Investrand, ECLI:EU:C:2007:87, Rn. 23. 297 S. EuGH, Urt. v. 30.03.2006 – C-184/04 – Udenkaupungin Kaupunki, ECLI:EU:C:​ 2006:​214, Rn. 24; v. 14.09.2006 – C-72/05 – Wollny, ECLI:EU:C:2006:573, Rn. 20; v. 12.02.2009 – C-515/07 – VNLTO, ECLI:EU:C:2009:88, Rn. 28; v. 16.02.2012 – C-118/11 – Eon Aset Menidjmunt, ECLI:EU:C:2012:97, Rn. 44; Henkow, EC Tax Review 2008, 233 (237 f.). 298 Sog. “Look through approach” des EuGH. Siehe hierzu EuGH, Urt. v. 22.02.2001 – C-408/98 – Abbey National, ECLI:EU:C:2001:110, Rn. 35; v. 27.09.2001 – C-16/00 – Cibo Participations, ECLI:EU:C:2001:495, Rn. 19, 32 f. und 35; ausführlich hierzu Englisch/Friedrich-Vache, S. 88 ff. m.w.N., insbesondere auch mit dem Hinweis darauf, dass zumindest die Konstruktion des EuGH, den Leistungsbezug den Gemeinkosten zuzurechnen, nach EuGH, Urt. v. 22.02.2001 – C-408/98 – ­Abbey National, ECLI:EU:C:2001:110; v. 13.03.2008 – C-437/06 – Securenta, ECLI:EU:C:2008:166; v. 29.10.2009 – C-29/08 – AB SKF, ECLI:EU:C:2009:665, in denen der EuGH diesen Umweg offenbar nicht mehr als nötig erachtet, und eine unmittelbare Zuordnung zu favorisieren scheint; v. 26.05.2005 – C-465/03 – Kretztechnik, ECLI:EU:C:2005:320, Rn. 35 f.; GA Jacobs, Schlussantrag v. 13.04.2000 –

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B.  Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien

die Verwendung für besteuerte Umsätze mit der Folge, dass eine Belastung jenseits des privaten Endverbrauchs eintritt. Das läuft dem Verbrauchsteuerprinzip zuwider.299 Ausgehend vom nicht nur in der deutschen Sprachfassung eindeutigen Wortlaut,300 handelt es sich hierbei aber um eine bewusste Abkehr des Sekundärrechts vom zentralen Ziel des Verbrauchsteuerprinzips. Als solche ist sie, ohne Änderung des zugrundeliegenden Art. 168 M ­ wStSystRL, derzeit hinzunehmen.301 Ob die Vo­ raussetzung des Leistungsbezuges „… für Zwecke seiner besteuerten Umsätze …“ insofern einer, nach deutschem Verständnis – der Praxis des EuGH folgend, wäre das wohl noch im Rahmen der Auslegung möglich –302, teleologischen Extension zugänglich ist, soll hier nicht vertieft werden. Es bleibt abzuwarten, ob und wie der EuGH diesen Widerspruch zum Verbrauchsteuerprinzip auflöst.303 Es sei an dieser Stelle nur darauf hingewiesen, dass „(Anm.: Änd. durch Verf.:) nach ständiger Rechtsprechung (…) bei der Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift nicht nur der Wortlaut, sondern auch der Zusammenhang, in dem die Vorschrift steht, und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden.“304 Da der EuGH, offenbar in Anerkennung der C-408/98 – Abbey National, ECLI:EU:C:2000:207, Rn. 35; Bates/Lloyd, BTR 2010, 31 (34); van Doesum/van Kesteren/van Norden, EC Tax Review 2010, 62 (73); Kofler in Achatz/Tumpel, Vorsteuerabzug, S. 105 (109 f.). 299 Siehe u.a. zum Vorsteuerabzug auf Leistungen zum Zwecke der Anteilsveräußerung, Englisch/Friedrich-Vache, S. 87 ff.; Mühleisen/Trapp, UR 2007, 633 (634). 300 Auch die englische („In so far as the goods and services are used for the purposes of the taxed transactions of a taxable person …), französische (“Dans la mesure où les biens et les services sont utilisés pour les besoins de ses opérations taxées …”) und spanische (“En la medida en que los bienes y los servicios se utilicen para las necesidades de sus operaciones gravadas …”) Fassungen der Richtlinie sind diesbezüglich eindeutig. 301 Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 328. 302 Zur Möglichkeit und Praxis der Rechtsfortbildung des EuGH zur Verwirklichung von Regelungszielen der M ­ wStSystRL siehe ausführlich unten Teil III B.VI.4.b)bb) (3) Teleologische Reduktion des Begriffs der Besteuerung „im Einklang mit Artikel 40“ ­MwStSystRL. Siehe zu den unterschiedlichen methodischen Ansätzen Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 509 f., mit weiteren umfangreichen Nachweisen auch zu den einzelnen vertretenen Begründungsansätzen sowie auch, Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, S. 515 f. 303 Das setzt freilich die erneute Befassung des EuGH mit der Thematik durch die nationalen Gerichte voraus. Letztere sollten daher die Möglichkeit nutzen, in geeigneten Fällen dem EuGH diese Frage zur Klärung vorzulegen, vgl. dazu Englisch/ Friedrich-Vache, S. 92. 304 EuGH, Urt. v. 01.04.1993 – C-136/91 – Findling Wälzlager, ECLI:EU:C:1993:133, Rn. 11, mit Verweis auf Urt. v. 17.11.1983 – C-292/82 – Merck, ECLI:EU:C:​ 1983:335, Rn. 12, und v. 21.02.1984 – C-337/82 – St.. Nikolaus Brennerei, ECLI:EU:C:1984:69, Rn. 10.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Abzugsbedürftigkeit, im Falle des Vorsteuerabzuges aus durch nicht steuerbare Aktivitäten veranlasste Eingangsleistungen bereits den Wortlaut des Art. 168 M ­ wStSystRL ausreizt,305 erscheint es durchaus möglich, dass, sofern ein sachgerechtes Ergebnis nicht mehr mit dem Wortlaut in Einklang zu bringen ist, der EuGH den Weg der Rechtsfortbildung in Betracht zöge. cc) Grundsatz des Sofortabzugs – Liquiditätsneutralität Sofern man das Verbrauchsteuerprinzip nur so versteht, als dass es eine originäre Steuerbelastung von nicht privatem Endverbrauch ausschließt,306 mag die Möglichkeit des Abzuges der Steuer als ausreichend erachtet werden. Fallen aber die Zeitpunkte der Fälligkeit des Brutto­ entgelts und des Abzuges der Vorsteuer auseinander, so trifft den steuerpflichtigen Leistungsempfänger die Vorfinanzierungslast des im Brutto­ entgelt enthaltenen Steuerbetrages. Unklar ist zunächst, ob auch diese Belastung in den Anwendungsbereich des Verbrauchsteuerprinzips fällt oder ob die Belastungsneutralität hier doch307 einen eigenen Wirkbereich erhält.308 Hierzu lohnt ein Blick auf die Rechtsprechung des EuGH zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzuges.309 Da die Belastung des Steuerpflichtigen sich hier auf die Finanzierungsbelastung des Steuerpflichtigen beschränkt, soll in der Folge präziser nicht von Belastungs-, sondern von Liquiditätsneutralität die Rede sein. Weiter hat der Zeitpunkt des Vorsteuerabzuges auch fiskalische Relevanz. Wird Vorsteuer vor der Abführung des Steuerbetrages durch den Leistenden abgezogen, hat der Fiskus den Vorsteuerbetrag vorzufinanzieren. Fällt der Steuerbetrag beim Leistenden endgültig aus, erleidet der Fiskus einen Steuerausfall erst durch die Gewährung des Vorsteuerabzuges. Es besteht daher ein fiskalisches Interesse, den Vorsteuerabzug an die Abführung der Steuer durch den Leistenden zu knüpfen. Sichere Folge wäre eine Verlagerung der Vorfinanzierungslast auf den Leistungsemp305 Englisch/Friedrich-Vache, S. 92. 306 S.o. Teil II B.IV.2.b)aa) Allgemeines. 307 Nach den bisherigen Erkenntnissen geht die Belastungsneutralität in Verbrauchsteuerprinzip auf, s.o. Teil II B.IV.1.e) Das Verhältnis von (Belastungs-)Neutralität und Verbrauchsteuerprinzip. 308 Ablehnend BFH, Urt. v. 06.11.2002 – V R 75/01, BStBl. II 2003, 115 (117, II.7); v. 28.11.2002 – V R 54/00 – BStBl. II 2003, 175 (177, II.3.), dem zufolge die Verzin­ sung von Steuerbeträgen, und damit eine steuerbedingte Liquiditätsbelastung nicht in den Anwendungsbereich der Belastungsneutralität fällt. 309 Siehe sogleich Teil II B.IV.2.b)cc)(1) Kumulative Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs – Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug und Besitz einer Rechnung.

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B.  Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien

fänger. Fällt der Leistende als Steuerschuldner aus, entstünde gar ein Schaden in Höhe des Steuerbetrages. Nicht nur die zivilrechtlichen Vereinbarungen zwischen Leistungsempfänger und Leistenden betreffend die Fälligkeit des Entgelts, sondern auch die Erfüllung der Steuerzahlungspflicht durch den Leistenden, bedingte dann eine Belastung des steuerpflichtigen Leistungsempfängers. Die Zulässigkeit einer Verknüpfung von Steuerzahlung und Vorsteuerabzug soll daher im Anschluss an die Klärung der Frage, worauf sich die Liquiditätsneutralität zugunsten des Leistungsempfängers stützt, dargestellt werden.310 (1) Kumulative Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs – Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug und Besitz einer Rechnung Das zentrale Prinzip des Sofortabzugs dient dem Ziel der Entlastung des Steuerpflichtigen von im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit entstandener Mehrwertsteuer.311 Als Ausfluss des – nach der Terminologie des EuGH – 312 Neutralitätsprinzips muss damit der Vorsteuerabzug gewährt werden, wenn dessen materielle Anforderungen erfüllt sind, sobald die Steuerverwaltung gesicherte Kenntnis vom Vorliegen der Vo­ raussetzungen hat.313 Um die Entlastung möglichst effizient zu gestalten, hängt das Bestehen dieses Rechts nur von der Verwendung für seine wirtschaftliche Tätigkeit ab und entsteht gem. Art. 167 ­MwStSystRL zeitgleich zum Anspruch auf die Steuer.314 310 Siehe sogleich Teil II B.IV.2.b)cc)(2) Unabhängigkeit des Vorsteuerabzugs von der Besteuerung des Leistenden. 311 U.a. EuGH, Urt. v. 22.02.2001 – C-408/98 – Abbey National, ECLI:EU:C:2001:110, Rn. 24; v. 21.04.2005 – C-25/03 – HE, ECLI:EU:C:2005:241, Rn. 70; v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel u. Recolta, ECLI:EU:C:2006:446, Rn. 48; v. 30.09.2010 – C-392/09 – Uszodaepito, ECLI:EU:C:2010:569, Rn. 35; vgl. Urt. v. 13.03.2008 – C-437/06 – Securenta, ECLI:EU:C:2008:166, Rn. 24; v. 04.06.2009 – C-102/08 – SALIX Grundstücks-Vermietungsgesellschaft, ECLI:EU:C:2009:345, Rn. 70; v. 29.10.2009 – C-29/08 – AB SKF, ECLI:EU:C:2009:665, Rn. 55; v. 22.12.2010 – C- 438/09 – Dankovski, ECLI:EU:C:2010:818, Rn. 23; v. 29.03.2012 – C-414/10 – Véleclair, ECLI:EU:C:2012:183, Rn. 29; Jakob, Umsatzsteuer, Rn. 32. 312 In diesem Anschnitt wird die Terminologie der zitierten EuGH-Rechtsprechung angewandt, der nicht vom Verbrauchsteuerprinzip, sondern, nur vom Neutralitätsprinzip spricht. M.E. müsste es hier tatsächlich Verbrauchsteuerprinzip heißen, siehe zum Verhältnis der Begriffe Verbrauchsteuerprinzip und Belastungsneutralitätsgrundsatz oben Teil II B.IV.1.e) Das Verhältnis von (Belastungs-)Neutralität und Verbrauchsteuerprinzip. 313 EuGH, Urt. v. 01.04.2004 – C-90/02 – Bockemühl, ECLI:EU:C:2004:206, Rn. 51; v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 31; v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 63. 314 EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 – Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:C:2010:441, Rn. 37 m.w.N.; v. 30.09.2010 – C-392/09 – Uszodaepito, ECLI:EU:C:2010:569, Rn. 34.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Daneben sieht Art. 178 ­ MwStSystRL als Voraussetzung für die Ausübung dieses Rechts vor, dass der Steuerpflichtige eine Rechnung besitzt, welche den Anforderungen des Titel XI Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 6 ­MwStSystRL genügt. Erst in dem Voranmeldungszeitraum, in dem kumulativ das Recht auf Vorsteuerabzug entstanden ist und der Leistungsempfänger zudem eine Rechnung besitzt, kann das Vorsteuerabzugsrecht ausgeübt werden.315 Damit wird das Recht auf Sofortabzug – der Abzug der Steuer im Besteuerungszeitraum der Steuerentstehung –316 beschränkt, sofern eine Rechnung nicht vorliegt. Der Neutralitätsgrundsatz gebietet die Entlastung des Steuerpflichtigen aber nur insoweit, als dieser – tatsächlich – mit Vorsteuer belastet war. Diese Belastung tritt aber faktisch erst ein, wenn der Leistungsempfänger das Entgelt zzgl. der Steuer an den Leistenden entrichtet hat. Da der Leistungsempfänger eine Zahlung aber regelmäßig erst leisten wird, wenn er eine Rechnung erhalten hat, erfordert die ­Neutralität des Mehrwertsteuersystems regelmäßig auch erst dann die Entlastung des Steuerpflichtigen.317 Damit steht das Erfordernis des Rechnungsbesitzes regelmäßig nicht der aus Liquiditätsneutralitätsgesichtspunkten gebotenen, sofortigen – im Besteuerungszeitraum der Belastung –318 Entlastung des Steuerpflichtigen von der Vorsteuer entgegen.319 Angesichts der effizienten Sicherung des Steueranspruches durch die Informationen aus der Rechnung einerseits320 und der regelmäßig nicht erfolgenden Belastung des Leistungsempfängers andererseits, hat der EuGH dieses System auch für verhältnismäßig gehalten.321

315 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:​ 268, Rn. 34. 316 EuGH, Urt. v. 08.06.2000 – C-400/98 – Breitsohl, ECLI:EU:C:2000:304, Rn. 34 m.w.N.; Leonard, UR 2001, 469 (471, Fn. 17). 317 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:​ 268, Rn. 35. 318 Die Notwendigkeit der unmittelbaren Entlastung ausdrücklich betonend z.B. EuGH, Urt. v. 29.03.2012 – C-414/10 – Véleclair, ECLI:ECLI:EU:C:2012:183, Rn. 30; GA Kokott, Schlussantrag v. 17.11.2011 – C-414/10 – Véleclair, ECLI:EU:C:​ 2011:748, Rn. 39 ff. 319 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:​ 268, Rn. 36. 320 U.a. Achatz, DStJG 32, S. 461 (480); Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 752. 321 EuGH, Urt. v. 05.12.1996 – C-85/95 – Reisdorf, ECLI:EU:C:1996:466, Rn. 24; v. 17.09.1997 – C-141/96 – Langhorst, Slg. 1997, I-5073, Rn. 17; v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:268, Rn. 37.

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B.  Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien

Dabei fällt auf, dass der EuGH nicht zwischen dem Umfang und dem Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs differenziert. Ausgangspunkt ist stets, dass eine vollumfängliche und sofortige322 Entlastung, als Ausdruck des Verbrauchsteuerprinzips, erforderlich ist.323 Eine Einschränkung dieses Rechts – also auch die Verlagerung des Zeitpunktes des Vorsteuerabzugs – erhöht demnach die steuerlich indizierte Belastung.324 Umfang und Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs sind daher beide Aspekte des Neu­ tralitätsgrundsatzes.325 Damit zeigt sich, dass auch eine Belastung des Steuerpflichtigen jenseits der reinen Steuerbelastung in den Anwendungsbereich des Verbrauchsteuerprinzips fällt. Das heißt in der Folge, dass das Verbrauchsteuerprinzip auch eine unmittelbare Entlastung des Steuerpflichtigen erfordert. Insofern umfasst daher das Neutralitätspostulat in der Diktion des EuGH auch die Liquiditätsneutralität zugunsten des Steuerpflichtigen. Damit ist Grundsatz der Liquiditätsneu­ tralität, wie die Belastungsneutralität,326 ein Mittel zur Realisation des Verbrauchsteuerprinzips. (2) Unabhängigkeit des Vorsteuerabzugs von der Besteuerung des Leistenden Die Bedingung der liquiditätsneutralen Entlastung durch das Rechnungserfordernis dient der Verifikation der für den Vorsteuerabzug relevanten Sachverhalte. Es dient daher der genauen Erhebung der Steuer und der Vermeidung der Steuerhinterziehung.327 Die Suspendierung des Rechts auf Vorsteuerabzug schützt insofern die Staatskassen. Denn ein Rück322 EuGH, Urt. v. 11.07.1991 – C-97/90 – Lennartz, ECLI:EU:C:1991:315, Rn. 26 f. 323 EuGH, Urt. v. 11.07.1991 – C-97/90 – Lennartz, ECLI:EU:C:1991:315, Rn. 26; v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:C:2000:145, Rn. 43; v. 19.09.2000 – C-177/99 und C-181/99 – Ampafrance und Sanofi, ECLI:EU:C:2000:470, Rn. 34 m.w.N.; v. 08.01.2002 – C-409/99 – Metropol Treuhand, ECLI:EU:C:2002:2, Rn. 42. 324 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.12.1997 – C-286/94, C-340/95, C-401/95 und C-47/96 – Molenheide u.a., ECLI:EU:C:1997:623, Rn. 63 f.; v. 08.01.2002 – C-409/99 – Metropol Treuhand, ECLI:EU:C:2002:2, Rn. 42; v. 10.07.2008 – C-25/07 – Sosnowska, ECLI:EU:C:2008:395, Rn. 20 und 27; v. 12.05.2011 – C-107/10 – Enel Maritsa ­Iztok 3, ECLI:EU:C:2011:298, Rn. 51; v. 18.10.2012 – C-525/11 – SIA Mednis, ECLI:EU:C:2012:652, Rn. 27; v. 24.10.2013 – C-431/12 – Rafinăria Steaua Română, ECLI:EU:C:2013:686, Rn. 21, 23. 325 Ausdrücklich so für den Fall der Erstattung eines Mehrwertsteuerüberschusses EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-107/10 – Enel Maritsa Iztok 3, ECLI:EU:C:2011:298, Rn. 53; v. 06.02.2014 – C-424/12 – Faktorie, ECLI:EU:C:2014:50, Rn. 50, 326 S.o. Teil II B.IV.1.e) Das Verhältnis von (Belastungs-)Neutralität und Verbrauchsteuerprinzip. 327 U.a. Achatz, DStJG 32, S. 461 (480).

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

fluss von entsprechenden Vorsteuern an den Leistungsempfänger erfolgt erst dann, wenn die Finanzbehörden durch Vorlage der Rechnung die – freilich meist nicht simultan genutzte – Möglichkeit erhalten haben, die Abführung der Steuer durch den Leistenden zu kontrollieren. Dabei muss der Fiskus sich aber mit dieser Kontrollmöglichkeit begnügen. Nicht etwa darf er den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers von der tatsächlichen Zahlung der Steuer durch den Steuerschuldner abhängig machen.328 Dies wäre eine nicht in der ­MwStSystRL vorgesehene Ausnahme vom Prinzip des Sofortabzugs. Abweichungen hiervon sind aber dem Sekundärrecht vorbehalten. Mangels entsprechender Regelung in der ­MwStSystRL ist ein solche Junktim daher nicht zulässig.329 Umsatzsteuerabführung des Leistenden und Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers sind daher getrennt voneinander zu betrachten.330 Diese Autonomie der Besteuerung des Leistenden und des Leistungsempfängers geht sowohl in materieller als auch formeller Hinsicht über den einzelnen Umsatz, für den der Vorsteuerabzug geltend gemacht wird, hinaus. 328 EuGH, Urt. v. 12.01.2006 – C-354/03, C-355/03 und C-484/03 – Optigen u.a., ECLI:EU:C:2006:16, Rn. 54; v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel und Recolta Recycling, ECLI:EU:C:2006:446, Rn. 49; v. 28.07.2011 – C-274/10 – Kommission/Ungarn, ECLI:EU:C:2011:530, Rn. 48; Beschl. v. 03.03.2004 – C-395/02 – Transport Service, ECLI:EU:C:2004:118, Rn. 26; für die Fälle des Zusammenfallens der Steuerschuld und Vorsteuerabzugsberechtigung EuGH, Urt. v. 29.03.2012 – C-414/10 – Véleclair, ECLI:ECLI:EU:C:2012:183, Rn. 30; GA Kokott, Schlussantrag v. 17.11.2011 – C-414/10 – Véleclair, ECLI:EU:C:2011:748, Rn. 41 f.; Stadie, UStG, Vorbem., Rn. 13; ders., UR 2004, 136 (141). 329 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.07.1991 – C-97/90 – Lennartz, ECLI:EU:C:1991:315, Rn. 26; v. 19.09.2000 – C-177/99 und C-181/99 – Ampafrance und Sanofi, ECLI:EU:C:​ 2000:470, Rn. 34 m.w.N.; v. 08.01.2002 – C-409/99 – Metropol Treuhand, ECLI:EU:C:2002:2, Rn. 42. 330 Einen anderen Ansatz verfolgt Stadie, UStG, § 15, Rn. 260. Dieser ist im Zusammenhang mit der – begrüßenswerten – generellen Ablehnung des Soll-Prinzips (Stadie, UStG, Vorbem., Rn. 13, § 15, Rn. 271; Stadie, UR 2004, 136; Stadie, UR 2004, 398) eingängig; kritisch zu diesem Ansatz Widmann, UR 2004, 177. Derzeit ist das Soll-Prinzip jedoch sekundärrechtlich festgelegt. Gegen eine Konnexität von Besteuerung der Leistenden und Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers kann unter dem derzeitigen System das Zusammenspiel von Sollversteuerung und Sofortabzug (Steuer- und Vorsteuerabzugsanspruch entstehen gleichzeitig; der Fiskus trägt das Ausfallrisiko) angeführt werden. Andernfalls würde zugunsten des Fiskus dem steuerpflichtigen Leistungsempfänger des Insolvenzrisiko des Leistungserbringers aufgebürdet. Siehe hierzu weitergehend von Streit, EU-UStB 2012, 38 (42 f.); vgl. zur grundsätzlichen Unabhängigkeit der rechtlichen Qualifikation eines Leistungsaustausches für Zwecke des Vorsteuerabzuges einerseits und der Besteuerung andererseits auch EuGH, Urt. v. 26.01.2012 – C-218/10 – ADV, ECLI:EU:C:2012:35, Rn. 33 ff. Demnach genügt die Möglichkeit sowohl des Leistenden als auch des Leistungsempfängers die ihm jeweils vom Unionsrecht eingeräumten Rechte vor den nationalen Gerichten durchzusetzen.

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B.  Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien

So kann dem Steuerpflichtigen der Vorsteuerabzug nicht versagt werden, weil auf den vorgeschalteten oder nachgeschalteten Umsatzstufen, ohne seine Beteiligung, die Mehrwertsteuer nicht korrekt abgeführt wurde.331 Ebenso kann an die Erfüllung von Dokumentationspflichten, jenseits der Ausstellung einer ordnungsgemäßen Rechnung, durch den Leistenden, die Vorsteuerabzugsberechtigung des Leistungsempfängers nicht geknüpft werden.332 Dieser Grundsatz gilt auch umgekehrt. So kann ein Leistungserbringer abgeführte Steuerbeträge, welche der Leistungsempfänger – obwohl die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges vorlagen – nicht als Vorsteuer abgezogen hat, nicht erstattet verlangen.333 Hier schlägt sich die Erhebungstechnik der Mehrwertsteuer, welche eine isolierte Betrachtung eines jeden Umsatzes auf jeder Umsatzstufe zugrunde legt, nieder.334 Es zeigt sich, dass das Ineinandergreifen bestimmter Steuertatbestände zur Erreichung eines Besteuerungsziels nicht Maßstab der Besteuerung des einzelnen Umsatzes sein darf. Diese strikte Trennung wird nur dann überwunden, wenn die Abführung der Steuer von vornherein nicht geplant war und der Vorsteuerabzugsberechtigte davon wusste. Dann wurde der Vorsteuerabzug in betrügerischer Weise geltend gemacht und entfällt damit trotz Vorliegens der materiellen Voraussetzungen des Art. 168 ­MwStSystRL.335 Dies reiht sich lückenlos in die Rechtsprechung des EuGH zur Verhältnismäßigkeit der 331 EuGH, Urt. v. 12.01.2006 – C-354/03, C-355/03 und C-484/03 – Optigen u.a., ECLI:EU:C:2006:16, Rn. 54; v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel und Recolta Recycling, ECLI:EU:C:2006:446, Rn. 49. 332 EuGH, Urt. v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 42, 46 ff.; Grube, MwStR 2013, 275 (276). 333 EuGH, Urt. v. 08.05.2013 – C-271/12 – Petroma Transport, ECLI:EU:C:2013:297, Rn. 41 ff.; zustimmend Grube, MwStR 2013, 275 (276); so ebenfalls BFH, Urt. v. 06.10.2005 – V R 15/04, BFH/NV 2006, 836 (838, II.2.b.aa.). 334 EuGH, Urt. v. 12.01.2006 – C-354/03, C-355/03 und C-484/03 – Optigen u.a., ECLI:EU:C:2006:16, Rn. 54; v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel und Recolta Recycling, ECLI:EU:C:2006:446, Rn. 49; v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:EU:C:2012:373, Rn. 40; Beschl. v. 03.03.2004 – C-395/02 – Transport Service, ECLI:EU:C:2004:118, Rn. 26. 335 Maßgeblich hierzu EuGH, Urt. v. 21.02.2006 – C-255/02 – Halifax u.a., ECLI:EU:C:2006:121, Rn. 68 ff.; v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel und Recolta Recycling, ECLI:EU:C:2006:446, Rn. 54 f. und die dort zitierte Rechtsprechung; vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 14.02.1985 – C-268/83 – Rompelman, ECLI:EU:C:1985:74, Rn. 24; v. 29.02.1996 – C‑110/94 – INZO, ECLI:EU:C:1996:67, Rn. 24; v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:C:​ 2000:145, Rn. 46; v. 03.05.2005 – C‑32/03 – Fini H, ECLI:EU:C:2005:128, Rn. 34; v. 29.03.2012 – C-414/10 – Véleclair, ECLI:EU:C:2012:183, Rn. 32; hierzu auch Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 24.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Folgen von Rechtsanwendungsfehlern ein. Eine solche Aberkennung ist demnach schon deshalb verhältnismäßig, weil der Steuerpflichtige hier bewusst aus seiner systematischen Rolle als Steuerpflichtiger ausschert. Somit kann er sich nicht mehr auf den systemimmanenten Grundsatz der Neutralität berufen.336 Da der Vorsteuerabzug den Neutralitätsgrundsatz verwirklicht, welcher wiederrum im Verbrauchsteuerprinzip wurzelt,337 stellt sich die Frage nach einer Verhältnismäßigkeit der Beschränkung des Neutralitätsgrundsatzes durch Aberkennung des Vorsteuerabzuges damit gar nicht erst. Solange der Steuerpflichtige aber die ihm zumutbaren Maßnahmen trifft, genügt er seiner systeminternen Rolle. Das Risiko seiner falschen Besteuerung trägt der Steuerpflichtige insofern nur, als der Grund für den Steuerausfall in seinen Verantwortungsbereich fällt und er dabei seiner Rolle nicht gerecht wird. Dieser Verantwortungsbereich erstreckt sich aber nicht auf die Ausfüllung dieser Rolle durch seine Geschäftspartner. Scheitert daher das systematisch intendierte Ineinandergreifen von Belastung und Entlastung, weil eine Belastung des Geschäftspartners des Vorsteuerabzugsberechtigten nicht möglich ist, geht das Risiko zulasten des Fiskus. Diese Risikoverteilung setzt sich auf Ebene der Beweislast fort. So trifft die Finanzbehörde die Beweislast, ob der Steuerpflichtige tatsächlich wusste oder wissen musste, dass die seinem Umsatz vorgeschalteten oder nachfolgenden Umsätze nicht der korrekten Besteuerung zugeführt wurden oder werden sollten.338 Damit ist grundsätzlich von der Berechtigung des Steuerpflichtigen zum Vorsteuerabzug auszugehen, wenn dieser eine Rechnung mit den unionsrechtlich geforderten Angaben vorlegen kann.339 Der zitierten Rechtsprechung zur Autonomie des Vorsteuerabzugsanspruches des Leistungsempfängers vom Steueranspruch des Fiskus gegen den Leistenden lagen allesamt Sachverhalte zugrunde, in denen die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs unstreitig vorlagen. Somit zeigt sich, dass einzig das vorwerfbare Gefährden des korrekten Be336 Vgl. hierzu die Ausführungen oben unter Teil II A.III.3.d)cc) Objektiver Maßstab der Angemessenheitsprüfung durch den EuGH im Mehrwertsteuerrecht. 337 S.o. Teil II B.IV.1.e) Das Verhältnis von (Belastungs-)Neutralität und Verbrauchsteuerprinzip. 338 EuGH, Urt. v. 06.12.2012 – C-285/11 – Bonik, ECLI:EU:C:2012:774, Rn. 43 f.; ebenso Grube, MwStR 2013, 8 (11). 339 vgl. EuGH, Urt. v. 06.12.2012 – C-285/11 – Bonik, ECLI:EU:C:2012:774, Rn. 40 ff.; v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:EU:C:​ 2012:373, Rn. 44 ff., 49, 52 f., 61 ff.; v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 –Kittel und Recolta Recycling, ECLI:EU:C:2006:446, Rn. 51.

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B.  Sekundärrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie – Grundprinzipien

steuerungsgesamtergebnisses durch den Steuerpflichtigen sein Recht auf Vorsteuerabzug entfallen lässt. Liegen diese, von der Finanzverwaltung zu beweisenden Umstände nicht vor, ist der Vorsteuerabzug zu gewähren. (3) Fazit Das Verbrauchsteuerprinzip steht auch einer Liquiditätsbelastung der Steuerpflichtigen entgegen. Der Grundsatz der Belastungsneutralität geht daher, auch in seiner Form als Grundsatz der Liquiditätsneutralität, im Verbrauchsteuerprinzip auf. Die Liquiditätsneutralität ist Methode zur Verwirklichung des Verbrauchsteuerprinzips. Der Grundsatz des Sofortabzuges dient der Herstellung einer liquiditätsneutralen Besteuerung. Einschränkungen des Mechanismus des Sofortabzuges stehen damit im Widerspruch zum Verbrauchsteuerprinzip und müssen als solche zu rechtfertigen sein. Nicht zu rechtfertigen ist als Einschränkung der Liquiditätsneutralität eine generelle Bedingung des Vorsteuerabzuges durch die Abführung der abzuziehenden Steuer. Grundsätzlich kann das Ineinandergreifen von Besteuerung und Steuerentlastung im System der indirekten Steuererhebung nicht zum Maßstab der Anwendung der den Neutralitätsgrundsatz verwirklichenden Mechanismen gemacht werden. Diese Mechanismen bleiben, zugunsten desjenigen, der seiner Rolle im Mehrwertsteuersystem entspricht, wirksam. Damit sind der Vorsteuerabzug und die Besteuerung des Umsatzes getrennt voneinander zu behandeln. Nur wenn der Steuerpflichtige um den Verstoß des Abführungsverpflichteten wusste oder wissen musste, kann ihm der Vorsteuerabzug aberkannt werden. c) Verbrauchsortprinzip – Territoriale Zuordnung von Besteuerungsrechten Die internationale Verteilung von Steueraufkommen folgt dem Verbrauchsortprinzip. Als Näherungsmaßstab zu dessen Verwirklichung dient dabei das Bestimmungslandprinzip.340 International erbrachte Leistungen werden demzufolge nur im und durch das Bestimmungsland besteuert. Die einheitliche Unterwerfung der jeweiligen Umsätze unter das gleiche Besteuerungsregime hat dabei auch eine gleichheitsrechtliche 340 S.o. Teil II B.III Verbrauchsortprinzip; Becker, Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen durch Anknüpfung an die Ansässigkeit von Leistungserbringer bzw. Leistungsempfänger, S. 76 m.w.N.; OECD Consumption Tax Trends 2008, S. 34 f.; Tumpel, DStJG 32, S. 52 (66 f.); vgl. Heinrich in Achatz, Der Leistungsort der Umsatzsteuer, S. 21 (29).

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Komponente. So stellt die Besteuerung nach den Regelungen des Zielmarktes gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Lieferanten, unabhängig von deren Herkunft, auf dem relevanten Markt sicher.341 Insofern kann auf die Ausführungen zur Wettbewerbsneutralität betreffend die Besteuerung sowohl des Leistenden342 als auch des Leistungsempfängers343 verwiesen werden. Das Zusammenwirken dieser beiden Regelungskomplexe – Steuerbefreiung bzw. Nichtbesteuerung des Leistenden durch das Herkunftsland bei gleichzeitiger Besteuerung des Empfängers durch das Bestimmungsland – verwirklicht neben der Wettbewerbsgleichheit auch das Bestimmungslandprinzip. Näherungsweise344 wird damit auch das Verbrauchsortprinzip verwirklicht.

C. Befugnis der Mitgliedstaaten zur Ergreifung von Maßnahmen zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Steuerausfällen und zur genauen Erhebung der Steuer Neben der Umsetzung der soeben beschriebenen Regelungen in nationalen Recht obliegt den Mitgliedstaaten auch die Ausgestaltung des, Verwaltungsverfahrens, welches die materiellen Regelungen flankiert. Dieses hat die Herstellung des unionsrechtlich definierten Rechtszustandes zu fördern.345 Im Mehrwertsteuerrecht meint das die Sicherung der korrekten Versteuerung von Umsätzen.

341 Englisch, DStJG 32, S. 165 (169 f.) mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 26.05.2005 – C-498/03 – Kingscrest Associates und Montecello, ECLI:EU:C:2005:322, Rn. 54 f.; v. 08.06.2006 – C-106/05 – L.u.P., ECLI:EU:C:2006:380, Rn. 48; ebenso Terra, The Place of Supply in European VAT, S. 7. 342 S.o. Teil II B.IV.1.a)bb) Die technische Umsetzung des Postulats der Wettbewerbsneutralität 343 S.o. Teil II B.IV.1.a) Wettbewerbsneutralität 344 Englisch, DStJG 32, S. 165 (173). 345 EuGH, Urt. v. 12.06.1980 – C-119/79 und C-126/79 – Lippische Hauptgenossenschaft, ECLI:EU:C:1980:154, Rn. 10; v. 21.09.1983 – C-205/82 bis C-215/82 – Deutsche Milchkontor, ECLI:EU:C:1983:233, Rn. 19, 23; v. 11.07.2002 – C-62/00 – Marks Spencer, ECLI:EU:C:2002:435, Rn. 34; v. 04.07.2006 – C-212/04 – Adeneler, ECLI:EU:C:2006:443, Rn. 95; v. Bogdandy/Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 4 EUV (Sep. 2013), Rn. 80; Englisch, IStR 2009, 37 (37 f.) weitere Nachweise in diesem Aufsatz Fn. 4; Haratsch/König/Pechstein, Rn. 463.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Komponente. So stellt die Besteuerung nach den Regelungen des Zielmarktes gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Lieferanten, unabhängig von deren Herkunft, auf dem relevanten Markt sicher.341 Insofern kann auf die Ausführungen zur Wettbewerbsneutralität betreffend die Besteuerung sowohl des Leistenden342 als auch des Leistungsempfängers343 verwiesen werden. Das Zusammenwirken dieser beiden Regelungskomplexe – Steuerbefreiung bzw. Nichtbesteuerung des Leistenden durch das Herkunftsland bei gleichzeitiger Besteuerung des Empfängers durch das Bestimmungsland – verwirklicht neben der Wettbewerbsgleichheit auch das Bestimmungslandprinzip. Näherungsweise344 wird damit auch das Verbrauchsortprinzip verwirklicht.

C. Befugnis der Mitgliedstaaten zur Ergreifung von Maßnahmen zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Steuerausfällen und zur genauen Erhebung der Steuer Neben der Umsetzung der soeben beschriebenen Regelungen in nationalen Recht obliegt den Mitgliedstaaten auch die Ausgestaltung des, Verwaltungsverfahrens, welches die materiellen Regelungen flankiert. Dieses hat die Herstellung des unionsrechtlich definierten Rechtszustandes zu fördern.345 Im Mehrwertsteuerrecht meint das die Sicherung der korrekten Versteuerung von Umsätzen.

341 Englisch, DStJG 32, S. 165 (169 f.) mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 26.05.2005 – C-498/03 – Kingscrest Associates und Montecello, ECLI:EU:C:2005:322, Rn. 54 f.; v. 08.06.2006 – C-106/05 – L.u.P., ECLI:EU:C:2006:380, Rn. 48; ebenso Terra, The Place of Supply in European VAT, S. 7. 342 S.o. Teil II B.IV.1.a)bb) Die technische Umsetzung des Postulats der Wettbewerbsneutralität 343 S.o. Teil II B.IV.1.a) Wettbewerbsneutralität 344 Englisch, DStJG 32, S. 165 (173). 345 EuGH, Urt. v. 12.06.1980 – C-119/79 und C-126/79 – Lippische Hauptgenossenschaft, ECLI:EU:C:1980:154, Rn. 10; v. 21.09.1983 – C-205/82 bis C-215/82 – Deutsche Milchkontor, ECLI:EU:C:1983:233, Rn. 19, 23; v. 11.07.2002 – C-62/00 – Marks Spencer, ECLI:EU:C:2002:435, Rn. 34; v. 04.07.2006 – C-212/04 – Adeneler, ECLI:EU:C:2006:443, Rn. 95; v. Bogdandy/Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 4 EUV (Sep. 2013), Rn. 80; Englisch, IStR 2009, 37 (37 f.) weitere Nachweise in diesem Aufsatz Fn. 4; Haratsch/König/Pechstein, Rn. 463.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

Die Erhebung der Mehrwertsteuer macht maßgeblich an den Berechnungen der eigenen Steuerschuld durch den Steuerpflichtigen fest.346 Den Steuerbehörden kommt im Wesentlichen die Aufgabe zu, diese Berechnungen auf Richtigkeit zu überprüfen. Um dies jedoch leisten zu können, müssen Sie die steuerbaren Aktivitäten des Steuerpflichtigen nachvollziehen können. Deshalb haben die Steuerpflichtigen gem. Art. 250 ff. MwStSystRL Aufzeichnungen zu führen, welche es ermöglichen, die ­ steuerlich relevanten Sachverhalte nachzuvollziehen. Neben dieser weiten Dokumentationspflicht ermöglicht die ­MwStSystRL es den Mitgliedstaaten weitere Regelungen für die Mitwirkung der Steuerpflichtigen am Besteuerungsverfahren vorzusehen. Diese umfassen sowohl die Bestimmung von Mitwirkungspflichten als auch der Rechtsfolgen bei Verstößen. Da die Steuerverwaltungen auf die Erfüllung dieser Mitwirkungspflichten zur Kontrolle der Versteuerung durch den Steuerpflichtigen angewiesen sind, kommt hier Fehlern bei der Rechtsanwendung eine zentrale Bedeutung zu. Daher soll in der Folge die Reichweite der Befugnisse zur Bestimmung solcher Pflichten347 und der Befugnis zur Bestimmung von Rechtsfolgen bei Verstößen gegen diese Pflichten348 untersucht werden.

I. Die Befugnis zur Festlegung von Mitwirkungspflichten 1. Art. 178 Buchst. b, d, f M ­ wStSystRL Die Mitgliedstaaten können gem. Art. 178 Buchst. b, d, f M ­ wStSystRL Formalien festlegen, die Steuerpflichtige bei Bezug bestimmter Leistungen zur Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts erfüllen müssen. Dabei ist diesen Umsätzen eines gemein. Regelmäßig erhält der Steuerpflichtige keine Rechnung mit Steuerausweis, bzw. müsste er sich diese selbst ausstellen. Nur in diesen Fällen sind die Mitgliedstaaten berufen eigene Formalien für die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts vorzusehen. Diese haben sich aber im Rahmen desjenigen zu halten, was für die Kontrolle

346 Jakob, Umsatzsteuer, Rn. 1012. 347 Siehe sogleich Teil II C.I Die Befugnis zur Festlegung von Mitwirkungspflichten 348 Siehe sogleich Teil II C.II Rechtsquellen der Befugnis zur Sanktionierung von (Mitwirkungs-) Pflichtverstößen, Teil II C.III Umfang der Befugnis zur Sanktion und Teil II C.III.2.b)cc) Fazit.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

der Vorsteuerabzugsberechtigung „absolut notwendig“349 ist. Eine Rechnung, welche den Anforderungen der Titel XI Kapitel 3 Abschn. 3 bis 6 ­MwStSystRL genügt, dürfen sie, anders als in Fällen des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL, dann nicht verlangen.350 Erfüllt ein Steuerpflichtiger allerdings diese Formalitäten nicht, so kann ein Ausschluss des Vorsteuerabzugs nicht allein – sofern die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugsrechts gem. Art. 168 Buchst. b, d, f ­MwStSystRL vorliegen – hierauf gestützt werden. Eine solche Rechtsfolge verstößt gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität des Mehrwertsteuersystems.351 Dies ist auch dann der Fall, wenn das Vorsteuerabzugsrecht nach Ablauf einer hierfür bestimmten Ausübungsfrist wegen Verstoßes gegen ein formelles Ausübungserfordernisses versagt wird, und, nach Korrektur dieses Mangels, eine erneute Ausübung, wegen Frist­ ablaufs versagt wird.352 2. Art. 131 M ­ wStSystRL Die Mitgliedstaaten können gem. Art. 131 ­MwStSystRL für die Gewährung der Steuerbefreiungen der Art. 132 ff. M ­ wStSystRL Bedingungen festlegen, welche den korrekten Steuervollzug sichern sollen.353 Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung gem. Art. 138 ­MwStSystRL. Dies liegt daran, dass der Herkunftsstaat auf die 349 Für den Fall des Art. 178 Buchst. f M ­ wStSystRL, EuGH, Urt. v. 01.04.2004 – C-90/02 – Bockemühl, ECLI:EU:C:2004:206, Rn. 50. 350 Betreffend Art. 178 Buchst. f M ­ wStSystRL, EuGH, Urt. v. 01.04.2004 – C-90/02 – Bockemühl, ECLI:EU:C:2004:206, Rn. 51 f.; so auch Abschn. 15.10. Abs. 1 UStAE; Burgmaier in Hartmann/Metzenmacher, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 (Aug. 2013), Rn. 13; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 1177; für den Fall des Art. 178 Buchst. c ­ MwStSystRL, in denen die Mitgliedstaaten gem. Art. 181 MwStSystRL auf das Rechnungserfordernis verzichten können, Oelmaier in ­ Sölch/Ringleb, § 15 (Apr. 2015), Rn. 429; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 1164; für Fälle des Art. 178 Buchst. e ­MwStSystRL Abschn. 15.8 Abs. 1 Satz 2 und 15.11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UStAE; Oelmaier in Sölch/Ringleb, § 15 (Apr. 2015), Rn. 417 ff.; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 1157. 351 EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 63; v. 30.09.2010 – C-392/09 – Uszodaepito, ECLI:EU:C:2010:569, Rn. 39 f.; Burgmaier in Hartmann/Metzenmacher, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 (Aug. 2013), Rn. 15; vgl. mit gleicher Argumentation zur innergemeinschaftlichen Lieferung, EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 31. 352 EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 67. 353 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 24 f.; v. 27.09.2007 – C‑184/05 – Twoh International, ECLI:EU:C:2007:550, Rn. 25.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

Besteuerung des Umsatzes zugunsten der Erwerbsbesteuerung durch das Bestimmungsland354 verzichtet.355 Naturgemäß wird das Herkunftsland zur Verhinderung einer doppelten Nichtbesteuerung auf die Besteuerung erst verzichten, wenn die Besteuerung im Bestimmungsland möglichst sichergestellt ist. Insofern haben die Mitgliedstaaten ein zentrales Inte­ resse356 insbesondere an der Mehrwertsteueridentifikationsnummer des Erwerbers. Denn nur diese ermöglicht die Durchsetzung des Bestimmungslandprinzips durch automatisierte Kontrolle der Erwerbsbesteuerung. In der Folge soll daher geklärt werden, ob die Mitgliedstaaten die Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung an die Mitteilung einer Mehrwertsteueridentifikationsnummer des Erwerbers knüpfen können. a) Vorfrage: Handeln als Steuerpflichtiger im Sinne von Art. 138 ­MwStSystRL – die Qualität der Mehrwertsteueridentifikations­ nummer Der Ansatz, wonach zur Begründung eines Erfordernisses der Verwendung der Mehrwertsteueridentifikationsnummer Art. 131 ­MwStSystRL bemüht werden muss, setzt voraus, dass sich eine solche Voraussetzung nicht schon auf die Befreiungsregelung des Art. 138 M ­ wStSystRL stützen lässt. Gem. Art. 138 ­MwStSystRL ist die innergemeinschaftliche Lieferung nur dann steuerfrei, wenn der Empfänger Steuerpflichtiger ist und als solcher handelt. Daneben fehlt in Art. 138 M ­ wStSystRL eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Verwendung der Mehrwertsteueridentifikationsnummer (im Weiteren: Identifikationsnummer) durch den Erwerber.357 Ein Erfordernis der Verwendung der Identifikationsnummer kann daher nur Ergebnis einer Auslegung der Begriffe „Steuerpflichtiger“ oder „Handeln als Steuerpflichtiger“ sein.358 Der Begriff des Steuerpflichtigen bestimmt sich nach Art. 9 M ­ wStSystRL. Eine Registrierung zählt demzufolge nicht zu den Tatbestandsvoraussetzungen. Mit der Registrierung, in deren Anschluss eine Identifikationsnummer erteilt wird, geht eine Prüfung der 354 S.o. Teil II B.IV.2.a) Wettbewerbsneutralität. 355 S.o. Teil II B.IV.1.a)bb) Die technische Umsetzung des Postulats der Wettbewerbsneutralität. 356 Nach Schätzungen der EU-Kommission aus dem Jahre 2007 (Sonderbericht 8/2007, ABlEG Nr. C 20 v. 25.01.2008, S. 1, 6) beläuft sich das Steuerausfallsvolumen unter Ausnutzung der Regelungen zur Besteuerung im Binnenmarkt auf jährlich 60–100 Mrd. €. 357 EuGH, Urt. v. 27.09.2012 – C-587/10 – VStR, ECLI:EU:C:2012:592, Rn. 40. 358 Bei Huschens, NWB 2011, 1956 (1960) bleibt unklar, welche der beiden Lösungen favorisiert wird.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Steuerpflichtigeneigenschaft im Bestimmungsland einher.359 Damit steht mit Erteilung der Identifikationsnummer fest, dass eine ausländische Steuerverwaltung, im Zeitpunkt der Erteilung, den Empfänger als Steu­ erpflichtigen qualifiziert. Auf das Vorliegen der Unternehmereigenschaft hingegen hat die Erteilung keinen Einfluss.360 Wendet man diese Erkenntnis konkret auf die Verwendung der Identifi­ kationsnummer beim innergemeinschaftlichen Warenbezug an, ergibt sich folgendes Bild. Übermittelt der Empfänger dem Lieferanten eine Identifikationsnummer, so weiß letzterer, dass die erteilende Steuerver­ waltung den Erwerber als Steuerpflichtigen anerkannt hatte. Der Liefe­ rant nimmt die Nummer in seine Zusammenfassende Meldung gem. Art. 264 Abs. 1 Buchst. b ­MwStSystRL auf. Damit wird es den Steuer­ behörden im Bestimmungsland möglich, die Versteuerung des entspre­ chenden innergemeinschaftlichen Erwerbs nachzuvollziehen und die entsprechende Erwerbssteuer zu erheben.361 Die verfahrensrechtliche Durchsetzung des Bestimmungslandprinzips durch die Verzahnung von steuerfreier Lieferung und steuerpflichtigem Erwerb wird damit durch die Verwendung der Identifikationsnummer erheblich erleichtert.362 Weil dieses Kontrollverfahren an der Identifikationsnummer festmacht und die Kontrolle im Massenverfahren ansonsten erheblichen Mehraufwand bedeutete, besteht ein Interesse daran, die Steuerbefreiung nur zu gewäh­ ren, wenn die Identifikationsnummer des Steuerpflichtigen auch tat­ sächlich vorliegt. Die Erteilung einer Identifikationsnummer an den Empfänger einer innergemeinschaftlichen Lieferung würde dann – fak­ tisch – zur materiellen Voraussetzung für die Befreiung der korrespondie­ renden innergemeinschaftlichen Lieferung erhoben. „Handeln als Steu­ erpflichtiger“ i.S.v. Art. 138 M ­ wStSystRL läge nur bei Handeln unter Verwendung einer Identifikationsnummer vor.363 359 Vgl. ebenso für Österreich VwGH, Urt. v. 08.02.2007 – 2006/15/0363, S. 2; UFS v. 23.02.2011 – RV/0833-W/10, n.n.v. (S. 3); Ruppe/Achatz, UStG, Art. 28 BMR, Rn. 7 ff. 360 S.o. Teil II B.IV.1.b)aa) Abschließende Begriffsdefinition in Art. 9–13 M ­ wStSystRL; EuGH, Urt. v. 08.06.2000 – C-400/98 – Breitsohl, ECLI:EU:C:2000:304, Rn. 38; vgl. auch EuGH, Urt. v. 27.09.2012 – C-587/10 – VStR, ECLI:EU:C:2012:592, Rn. 49 f.; für Österreich VwGH, Erk. v. 22.12.2004 – 2002/15/0057, ÖStZB 2005, 362 (363); v. 03.09.2008, 2006/13/0125, ÖStZB 2009, 143 (144); v. 23.02.2010 – 2007/15/0037, ÖStZB 2010, 637 (640); Ruppe/Achatz, UStG, § 2, Rn. 19/2, Art. 28, Rn. 7. 361 Treiber in Sölch/Ringleb, § 18a (Sep. 2010), Rn. 1; siehe zum Kontrollverfahren ausführlich unten Teil III B.VI.2.a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL. 362 EuGH, Urt. v. 27.09.2012 – C-587/10 – VStR, ECLI:EU:C:2012:592, Rn. 51. 363 Vgl. hierzu BFH, Beschl. v. 10.11.2010 – XI R 11/09, BStBl. II 2011, 237 (239, II. 2. b), Rn. 39; mit Blick auf die notwendige Erwerbsbesteuerung des Empfängers im Be­ stimmungsland.

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Hierfür spricht zunächst in der Tat, dass sich der steuerpflichtige Emp­ fänger mit der Angabe der Identifikationsnummer der Kontrolle der Er­ werbsbesteuerung durch die für ihn zuständigen Steuerbehörden im Bestimmungsland aussetzt. Insbesondere der Vorsteuerabzugsberech­ ­ tigte wird die Identifikationsnummer also regelmäßig nur verwenden, wenn er sich auch der diesbezüglichen Voraussetzungen, und damit auch den Vorsteuerabzugsvoraussetzungen im Bestimmungsland, sicher ist.364 Gibt der Empfänger seine Identifikationsnummer an, ist es daher sehr wahrscheinlich, dass auch er annimmt, dass die Voraussetzungen des Art. 138 M ­ wStSystRL vorliegen. Da das Vorliegen der Voraussetzungen von den Erwerber betreffenden Umständen abhängt, wird der Lieferant dann erst recht von deren Vorliegen ausgehen dürfen. Diese Überlegung liegt, ausweislich der Gesetzesbegründung, auch der Vertrauensschutzre­ gelung des § 6a Abs. 4 UStG und der deutschen Verwaltungspraxis zu­ grunde. Demnach darf der Lieferant bei Verwendung einer Identifikati­ onsnummer regelmäßig davon ausgehen, dass der Gegenstand für das Unternehmen des steuerpflichtigen Empfängers bezogen wird.365 Erfolgt die Verwendung des Gegenstandes tatsächlich nicht für steuerpflichtige Umsätze, bleibt die Lieferung dennoch gem. § 6a Abs. 4 UStG steuerfrei. Das gilt aber regelmäßig366 nur, wenn der Lieferant sich der Gültigkeit der Identifikationsnummer über das Bestätigungsverfahren gem. § 18e Nr. 1 UStG367 versichert hat.368 Nur dann darf der Lieferant davon ausge­ hen, dass die Steuerverwaltung des Bestimmungslandes den Erwerber noch immer als Steuerpflichtigen erachtet. Vor dem Hintergrund muss umgekehrt gelten: Wird die Identifikationsnummer nicht verwandt, kann der Lieferant zunächst nicht von der Steuerpflichtigeneigenschaft des Empfängers und des Leistungsbezugs für steuerpflichtige Umsätze ausgehen.369 Der Ansatz, wonach ein Leistungsbezug als Steuerpflichti­ ger und damit die innergemeinschaftliche Lieferung ausscheiden, wenn die Identifikationsnummer vom Empfänger nicht verwandt wird, geht 364 Daher ist gem. Abschn. 6a.1 Abs. 12 f. UStAE regelmäßig zu vermuten, dass der Erwerb für das Unternehmen erfolgt, sofern der Empfänger unter seiner Identifi­ kationsnummer auftritt; unklar Grunwald in Hartmann/Metzenmacher, § 6a (Aug. 2014), Rn. 87; Handzik in Offerhaus/Söhn/Lange, § 6a (Aug. 2011), Rn. 41. 365 BT-Drs. 12/2463, S. 30; Abschn. 6a.1 Abs. 13 UStAE. 366 Vgl. hierzu auch Frye in Rau/Dürrwächter, § 6a (Jul. 2014), Rn. 835; Englisch/­ Becker/Kurzenberger, UR 2010, 285 (296); Oelmaier, DStR 2008, 1213 (1216). 367 Diese Regelung basiert auf Art. 27 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 des Ra­ tes v. 07.10.2003, ABl. L 264 vom 15.10.2003, S. 1, über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 218/92, ABl. EG Nr. L 264/1992, S. 1. 368 Abschn. 6a.8 Abs. 6 UStAE. 369 Lohse/Spilker/Zitzl, UR 2010, 633 (636).

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aber über diesen Umkehrschluss hinaus. Sie erkennt die Verwendung der Identifikationsnummer zugunsten des Steuerpflichtigen als Indiz370, er­ hebt sie aber, fehlt sie, zu seinen Lasten zur tatbestandlichen Vorausset­ zung. Ein weitergehender Ansatz wäre, dass, bei Verwendung einer Identifika­ tionsnummer, die Voraussetzung „Handeln als Steuerpflichtiger“ durch den Erwerber, unabhängig von der tatsächlichen Verwendung, vorliegt. Eine tatsächlich für den nichtsteuerbaren Bereich bezogene Lieferung wäre dann dennoch eine innergemeinschaftliche Lieferung i.S.v. Art. 138 MwStSystRL. Auf eine Vertrauensschutzregelung wie den deutschen ­ § 6a Abs. 4 UStG, die auch der EuGH371 ausdrücklich fordert, könnte weitestgehend372 verzichtet werden. In der Folge wäre auch die Frage zu beantworten, wie in Fällen zu verfahren wäre, in denen die Identifikati­ onsnummer rückwirkend als ungültig erklärt wird.373 In diesen Fällen hängt die Steuerpflicht im Herkunftsland von einer Verwaltungsent­ scheidung und den diesbezüglichen Fristen im Bestimmungsland ab. Mit Verweis auf den rein formellen Charakter der Identifikationsnummer hat der EuGH auch die Frage nach der Befugnis zur Aberkennung der Steuer­ freiheit im Falle der rückwirkenden Ungültigerklärung der Identifika­ tionsnummer verneint.374 Damit ist auch der Ansatz, wonach „Handeln als Steuerpflichtiger“ i.S.v. Art. 138 ­MwStSystRL einzig die Verwendung einer Identifikationsnummer meint, abzulehnen.375 Durch Auslegung kann daher das Erfordernis der Verwendung der Identi­ fikationsnummer Art. 138 ­MwStSystRL nicht entnommen werden. Eine Auslegung des Art. 138 M ­ wStSystRL, wonach der Erwerber nur als Steu­ erpflichtiger handelt, sofern er (auch) eine Identifikationsnummer ver­

370 EuGH, Urt. v. 27.09.2012 – C-587/10 – VStR, ECLI:EU:C:2012:592, Rn. 56; so auch schon zuvor Englisch/Becker/Kurzenberger, UR 2010, 285 (287); Frye in Rau/ Dürrwächter, § 6a (Jul.. 2014), Rn. 763. 371 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548. 372 Die Fälle, in denen die Befreiung an einer verschleierten Nutzung für den nicht steuerbaren Bereich scheitert dürften die überwiegende Mehrheit der Anwen­ dungsfälle des § 6a Abs. 4 UStG darstellen. 373 Vgl. hierzu die Fallgestaltung in EuGH, Urt. v. 06.09.2012 – C-273/11 – Mecsek-­ Gabona, ECLI:EU:C:2012:547; Abschn. 6a.8 Abs. 5 Satz 3 UStAE erkennt dies als Fall der Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG. 374 EuGH, Urt. v. 06.09.2012 – C-273/11 – Mecsek-Gabona, ECLI:EU:C:2012:547, Rn. 65; v. 27.09.2012 – C-587/10 – VStR, ECLI:EU:C:2012:592, Rn. 40, 49 ff. 375 Vgl. EuGH, Urt. v. 06.09.2012 – C-273/11 – Mecsek-Gabona, ECLI:EU:C:2012:547, Rn. 60; v. 27.09.2012 – C-587/10 – VStR, ECLI:EU:C:2012:592, Rn. 46, 51.

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wendet, scheidet aus. Die ausdrücklich genannten Voraussetzungen sind daher abschließend.376 b) Verwendung einer Identifikationsnummer als materielle ­Voraussetzung im Rahmen des Art. 138 ­MwStSystRL gestützt auf Art. 131 M ­ wStSystRL Die Verwendung der Mehrwertsteueridentifikationsnummer erleichtert, wie soeben gezeigt,377 die Kontrolle der Tatbestandsvoraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung. Sie ermöglicht, die Erhebung der Mehrwertsteuer zu sichern und Steuerhinterziehungen zu vermeiden. Damit könnte das Erfordernis der Verwendung der Mehrwertsteuer­ identifikationsnummer eine Maßnahme sein, welche sich auf Art. 131 ­MwStSystRL stützen lässt. Dieser Ansatz setzt voraus, dass die Verwendung der Identifikationsnummer zusätzlich als materielle Voraussetzung neben die in Art. 138 Abs. 1 M ­ wStSystRL genannten – Leistungsbezug im Rahmen der steuerbaren Tätigkeit durch den Erwerber und Warenbewegung über die Grenzen des Herkunftslandes – tritt. Aber auch auf Art. 131 ­MwStSystRL lässt sich dieser Ansatz, wie folgende Erwägungen zeigen, nicht stützen. aa) Systematische Erwägungen Zum einen würde damit das System des Bestimmungslandprinzips im innergemeinschaftlichen Warenverkehr, das maßgeblich auf die Korrespondenz von steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferung und steuerbarem innergemeinschaftlichen Erwerb gestützt ist,378 den Beteiligten

376 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 38; v. 06.09.2012 – C-273/11 – Mecsek-Gabona, ECLI:EU:C:2012:547, Rn. 59 f.; v. 27.09.2012 – C-587/10 – VStR, ECLI:EU:C:2012:592, Rn. 30, 40. 377 S.o. Teil II C.I.2.a) Vorfrage: Handeln als Steuerpflichtiger im Sinne von Art. 138 ­MwStSystRL – die Qualität der Mehrwertsteueridentifikationsnummer; ausführlich zum Kontrollverfahren unten Teil III B.VI.2.a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL. 378 Siehe zur Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips beim innergemeinschaftlichen Warenverkehr, Frye in Rau/Dürrwächter, § 6a (Jul. 2014), Rn. 67; Lohse/ Spilker/Zitzl, UR 2010, 633 (633 f.). Ausdrücklich auch mit Bezug auf die Bedeutung der Identifikationsnummer für das Korrespondenzprinzip, BFH, Beschl. v. 10.11.2010 – XI R 11/09, BStBl. II 2011, 237 (240, II.3.b)bb)) und Frye in Rau/ Dürrwächter, § 6a (Jul. 2014), Rn. 762.

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anheimgestellt. Der rein objektive Charakter379 des Tatbestandes des Art. 138 ­MwStSystRL würde verkannt. Das Problem wird an folgendem Beispiel deutlich: A, ansässig in Belgien (Steuersatz 21 %), kauft beim Lieferanten B, an­ sässig in Deutschland (Steuersatz 19 %380), zum Nettopreis von 100 Ware an. Diese Ware plant er in Belgien für unecht steuerbefreite Umsätze zu verwenden. A ist daher in Belgien gem. Art. 168 Buchst. c i.V.m. 169 Buchst. b M ­ wStSystRL nicht zum Abzug einer eventuellen Erwerbssteuer berechtigt. Nimmt man hier eine innergemeinschaftliche Lieferung an, verwirklicht A in Belgien einen korrespondierenden innergemeinschaftlichen Erwerb. Es kommt zu einer effektiven – durch A nicht abziehbaren – Belastung des Erwerbs mit 21 % belgischer Erwerbssteuer. Läge keine innergemeinschaftliche Lieferung und damit auch kein innergemeinschaftlicher Erwerb vor, wäre die Lieferung in Deutschland mit 19 % zu besteuern. Diese 19 % schlage B auf den Preis auf. A verwirklichte in Belgien keinen Steuertatbestand und kann in Deutschland keine Erstattung entsprechend der Richtlinie 2008/9/EG beantragen. Die Belastung, liegt keine innergemeinschaftliche Lieferung vor, ist damit um zwei Prozentpunkte geringer, als wenn man eine solche annimmt. A wird daher ein Interesse daran haben, dass sein Warenbezug nicht als innergemeinschaftliche Lieferung in Deutschland qualifiziert wird, um damit die Anwendung der Erwerbsbesteuerung in Belgien abzuwenden. Unabhängig, ob man nun die Verwendung der Identifikationsnummer als materielle Voraussetzung für das „Handeln als Steuerpflichtiger“ sieht oder nicht, könnte A einfach ohne seine Identifikationsnummer auftreten. Er entzöge sich damit – wenn man die Verwendung der Identifikationsnummer nicht als materielle Voraussetzung sieht – dem Kontrollverfahren. Eine an sich entstandene Erwerbssteuer in Belgien würde nicht vollzogen. Erkennt man die Verwendung der Identifikationsnummer als materielle Voraussetzung der innergemeinschaftlichen Lieferung, so verwirklicht er den Tatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs in Belgien nicht. In jedem Fall kommt es tatsächlich nur zu einer Belastung mit 19 % deutscher Umsatzsteuer.

379 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 38; v. 06.09.2012 – C-273/11 – Mecsek-Gabona, ECLI:EU:C:2012:547, Rn. 35; v. 27.09.2012 – C-587/10 – VStR, ECLI:EU:C:2012:592, Rn. 30. 380 § 12 Abs. 1 UStG.

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Allerdings ermöglicht nur die zweite Ansicht dem A, gezielt auf den Steuertatbestand einzuwirken. Da die Erwerbssteuer nicht entsteht, liegt es alleine an A, ob Steuer im Bestimmungsland anfällt oder nicht. Geht man hingegen, mit der hier vertretenen Ansicht, davon aus, dass ein „Handeln als Steuerpflichtiger“ i.S.v. Art. 138 ­MwStSystRL nur von der Verwendung der Leistung für steuerbare Umsätze abhängt, entsteht die Erwerbssteuer unabhängig von der Nennung einer Identifikationsnummer. Der Lieferant wird die Lieferung zunächst als steuerpflichtig behandeln.381 Sobald bekannt wird, dass er tatsächlich eine innergemeinschaftliche Lieferung erbracht hat, wird er die Steuer korrigieren. Im Gegenzug wird der Empfänger die Erwerbssteuer nachzahlen und eventuell verzinsen müssen. Handelte er zudem vorsätzlich382, muss er auch strafrechtliche Sanktionen fürchten. Hängt die Qualifikation als innergemeinschaftliche Lieferung und damit die Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland vom Willen des Empfängers ab, ist eine konsequente Durchsetzung des Bestimmungslandprinzips tatsächlich ausgeschlossen. Das wird noch deutlicher, spinnt man obiges Beispiel weiter: Bezieht A bei ansonsten gleichem Sachverhalt die Waren nicht mehr aus Deutschland, sondern aus Dänemark (Steuersatz 25 %), so wird A versuchen, eine Belastung mit belgischer Steuer (21 %) zu erreichen. Er wird in diesem Fall unter seiner Identifikationsnummer auftreten. Generalisierend ist somit festzustellen, dass der steuerpflichtige Empfänger immer nur dann seine Identifikationsnummer angeben würde, wenn der Steuersatz im Mitgliedstaat seiner Ansässigkeit niedriger als im Herkunftsland ist. In den Staaten mit hohen Steuersätzen383 würden vermutlich kaum mehr innergemeinschaftliche Erwerbe verwirklicht. Dem Bestimmungslandprinzip zufolge müsste aber in dem Mitgliedstaat zum dortigen Steuersatz besteuert werden, wo der Verbrauch der Gegenstände tatsächlich erfolgt.384 Wo der Verbrauch allerdings stattfindet, ist

381 Lohse/Spilker/Zitzl, UR 2010, 633 (636). 382 In Deutschland genügte auch schon leichtfertiges Handeln gem. § 378 AO. 383 Dies sind derzeit mit 25 % Dänemark, Kroatien und Schweden und mit 27 % Ungarn. 384 EuGH, Urt. v. 06.04.2006 – C-245/04 – EMAG Handel Eder, ECLI:EU:C:2006:232, Rn. 31; v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 22; v. 27.09.2007 – C‑184/05 – Twoh International, ECLI:EU:C:2007:550, Rn. 22; v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:​ 2010:217, Rn. 30; siehe zur Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips auch,

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eine tatsächliche Frage und hängt nicht von der Verwendung einer Identifikationsnummer ab. Systematische Erwägungen sprechen daher gegen die Identifikationsnummer als materielle Voraussetzung im Rahmen des Art. 138 M ­ wStSystRL, gestützt auf Art. 131 ­MwStSystRL. bb) Teleologische Erwägungen Allerdings streitet für die Ansicht, wonach die Identifikationsnummer eine materielle Voraussetzung ist, zunächst der Regelungszweck der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung. Dennoch steht letztlich auch die Systematik des Mehrwertsteuersystems betreffend die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Handels diesem Ansatz entgegen. Um das Verbrauchsortprinzip sicherzustellen, bedarf es der Befreiung – zur Verhinderung einer Doppelbesteuerung385 – nur, wenn das Bestimmungsland den Warenbezug tatsächlich besteuert.386 Diesen Zusammenhang rücken die Umsetzungen in Deutschland, Österreich und dem Vereinigten Königreich in den Mittelpunkt. So gilt in Deutschland gem. § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG die Lieferung eines Gegenstandes nur dann als gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung, wenn „der Erwerb des Gegenstands der Lieferung […] beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung“ unterliegt. Gleiches fordert Sec. 30 (8) (a) (ii) VAT Act 1994 im Vereinigten Königreich.387 Auch in Österreich

Marchal in Rau/Dürrwächter, § 3d (Jan. 2016), Rn. 3; Martin in Sölch/Ringleb, § 3d (Sep. 2015), Rn. 2. 385 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 23; vgl. auch EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 25. 386 Siehe zu diesem Ansatz, BFH, Beschl. v. 10.11.2010 – XI R 11/09, BStBl. II 2011, 237 (240, II.3.b)aa)). 387 Sec. 30 Abs. 8 VAT Act 1994: Regulations may provide for the zero-rating of supplies of goods […] in cases where […] (a) the Commissioners are satisfied […] that the supply in question involves […] (ii) their [the goods] acquisition in another member State by a person who is liable for VAT on the acquisition in accordance with provisions of the law of that ­member State corresponding, in relation to that member State, to the provisions of section 10. Sec. 10 VAT Act 1994 regelt den innergemeinschaftlichen Erwerb.

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muss gem. Art. 7 Abs. 3 öUStG der Erwerb im Bestimmungsland zumindest steuerbar sein.388 Die Durchsetzung der entsprechenden Erwerbsbesteuerung setzt voraus, dass das Bestimmungsland diese auch kontrollieren kann.389 Hierzu dienen die Mehrwertsteueridentifikationsnummern. Eine Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung bei fehlender Identifikationsnummer des Erwerbers ist somit nicht geboten, wenn die Erwerbsbesteuerung notwendigerweise die Kontrolle mittels der Identifikationsnummer vo­ raussetzt.390 Tatsächlich ist aber, nur weil die Identifikationsnummer des Erwerbers nicht vom Lieferanten an seine Finanzverwaltung gemeldet wird und damit nicht von dieser in das MwSt-Informationsaustauschsystem (MIAS) eingespeist werden kann, die Erwerbsbesteuerung keineswegs ausgeschlossen.391 Erklärt der Empfänger den Erwerb, wird er auch im Bestimmungsland besteuert werden. Zwar ist er, wird er als Unternehmer tätig, gem. Art. 213 M ­ wStSystRL zur Registrierung verpflichtet und wird in der Folge gem. Art. 214 ­MwStSystRL auch eine Identifika­ tionsnummer erhalten. Allerdings setzt, wie bereits oben verdeutlicht, die Registrierung die Unternehmereigenschaft voraus, nicht umgekehrt.392 Besteht die Steuerpflichtigeneigenschaft unabhängig von der Registrierung, muss auch die Verwirklichung von Umsätzen unabhängig von der Registrierung sein. Ohne Verwendung einer Identifikationsnummer entfällt zwar die einfache Möglichkeit zum automatisierten Abgleich mit der MIAS-Datenbank. Dies stellt aber nur eine Möglichkeit zur Kontrolle der korrekten Versteuerung dar.393 Der materiell-rechtliche 388 UStR 2000, Rn. 3993; Gepperth in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG, Art. 7 (01.01.2012), Rn. 41; Melhardt in Melhardt/Tumpel, UStG, Art. 7, Rn. 23; Ruppe/Achatz, UStG, Art. 7 BMR, Rn. 18 f.; Scheiner/Kolacny/Caganek, UStG, Art. 7 (Jul. 2011), Rn. 39. 389 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 71; BFH, Beschl. v. 10.11.2010 – XI R 11/09, BStBl. II 2011, 237 (240, II.3.b)bb)). 390 Vgl. EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 31. 391 Vgl. hierzu nur EuGH, Urt. v. 27.09.2012 – C-587/10 – VStR, ECLI:EU:C:2012:592, Rn. 50. 392 Siehe zur Unabhängigkeit der Unternehmereigenschaft von der Registrierung sowohl nach nationalem als auch nach Unionsrecht u.a. EuGH, Urt. v. 01.03.2012 – C-280/10 – Polski Trawertyn, ECLI:EU:C:2012:107, Rn. 41 ff.; v. 27.09.2012 – C-587/10 – VStR, ECLI:EU:C:2012:592, Rn. 51, 55; für Österreich UFS v. 05.12.2008 – RV/1574-W/05; Ruppe/Achatz, UStG, § 2, Rn. 19/2. 393 EuGH, Urt. v. 27.09.2012 – C-587/10 – VStR, ECLI:EU:C:2012:592, Rn. 51; vgl. auch 2. Erwägungsgrund der Verordnung 143/2008/EG v. 12.02.2008 zur Änderung der VO/1798/2003/EG, ABl. EG Nr. L 44 v. 20.02.2008, S. 1; Kraeusel in Reiß/Kraeusel/ Langer, § 18a (Nov. 2010), Rn. 76 f.; Lehr, DStR 2003, 100 (100); Lohse/Spilker/Zitzl, UR 2010, 633 (634); Martin in Sölch/Ringleb, § 3d (Sep. 2015), Rn. 5; Treiber in Sölch/Ringleb, § 18a (Sep. 2010), Rn. 1 ff.; Völlmeke, BFH/PR 2011, 102 (103).

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Gehalt des Umsatzes bleibt davon unberührt. Ausdrücklich stellt der EuGH hierzu fest, dass „… für den Anspruch auf Steuerbefreiung (…) vom Lieferer nicht verlangt werden (Anm.: Einf. des Verf.:) kann, Beweise für die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs der in Rede stehenden Gegenstände vorzulegen …“.394 Kann vom Lieferanten aber der Nachweis der, systemkonformen, Besteuerung nicht verlangt werden, muss das auf materieller Seite heißen, dass auch eine eventuelle Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland kein Kriterium für die Befreiung im Herkunftsland sein kann. Zudem ist hier darauf hinzuweisen, dass zwar das Zusammenspiel von Steuerbefreiung und Erwerbsbesteuerung die systematische Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips verfolgt. Die Rolle des Herkunftsstaates ist dabei aber beschränkt. Die Steuerbefreiung erfüllt nur den Zweck, den Leistungsaustausch der Besteuerungshoheit des Herkunftslandes zu entziehen. Liefert ein Steuerpflichtiger an einen Steuerpflichtigen für dessen steuerbare Tätigkeit einen Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat, verlangt das Verbrauchsortprinzip, dass der Leistungsaustausch im Herkunftsland nicht besteuert wird. Diese Funktion erfüllt die Befreiung. Zwar hat der EuGH wiederholt herausgestellt, dass „… die innergemeinschaftliche Lieferung eines Gegenstands und sein innergemeinschaftlicher Erwerb in Wirklichkeit ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang sind“, und „mit jedem innergemeinschaftlichen Erwerb, im Ankunftsmitgliedstaat der innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung von Gegenständen besteuert wird, eine Lieferung [… einhergeht …], die im Mitgliedstaat des Beginns der Versendung oder Beförde­ wStSystRL rung befreit ist.“395 Diese Verknüpfung ist im System der M angelegt, bildet aber keinen zulässigen Anknüpfungspunkt für die ­Mitgliedstaaten, ein Junktim zwischen der Befreiung und der Erwerbs­ besteuerung vorzusehen.396 Jeder Mitgliedstaat übt vielmehr seine – sekundärrechtlich zugewiesenen – Besteuerungsbefugnisse unabhängig von der mehrwertsteuerlichen Behandlung des Umsatzes durch einen anderen Mitgliedstaat aus. Für das Bestimmungsland ist dies in Art. 16, 21 MwStDVO397 ausdrücklich festgeschrieben. Diesen Grundsatz erwei394 EuGH, Urt. v. 27.09.2012 – C-587/10 – VStR, ECLI:EU:C:2012:592, Rn. 55. 395 EuGH, Urt. v. 06.04.2006 – C-245/04 – EMAG Handel Eder, ECLI:EU:C:2006:232, Rn. 29; v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 23 f. 396 Frye in Rau/Dürrwächter, § 6a (Jul. 2014), Rn. 392; Stadie, UStG, § 6a, Rn. 22; Treiber in Sölch/Ringleb, § 6a (Apr. 2015), Rn. 61. 397 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates v. 15.03.2011 zur Fest­ legung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. EU L 77 v. 23.03.2011, S. 1.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

tert der EuGH, wenn er eine unabhängige Prüfung – und in der Folge auch Besteuerung – der Umsätze sowohl im Herkunfts- als auch im Bestimmungsland fordert.398 Das systematische Ineinandergreifen von Steuerbefreiung und Erwerbsbesteuerung ergibt sich aus der Wahrnehmung der jeweils zugewiesenen Besteuerungskompetenzen der Mitgliedstaaten. Zu einer autonom aufeinander abgestimmten Modifikation dieser Besteuerungskompetenzen mit dem Ziel, diesem systematischen Ineinandergreifen zum Durchbruch zu verhelfen, sind die Mitgliedstaaten nicht berufen. Dieser Ansatz lässt sich auch durch den umgekehrten Fall untermauern. Nur der Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland zwingt das Herkunftsland nicht, von einer zu befreienden innergemeinschaftlichen Lieferung auszugehen.399 Vielmehr gilt ganz allgemein, dass kein Mitgliedstaat die Umsetzung von zwingendem Sekundärrecht von der Auslegung durch einen anderen Mitgliedstaat abhängig machen darf.400 Systemische Brüche sind aufgrund der nicht vollständigen Harmonisierung des Mehrwertsteuerrechts in der EU hinzunehmen. Das gilt auch dann, wenn dadurch dem Steuerpflichtigen systematisch nicht angelegte Steuervorteile entstehen, solange eine missbräuchliche Gestaltung nicht vorliegt.401 Der unionsrechtlich erfasste Zweck des Art. 138 ­MwStSystRL erfordert daher keine notwendige Verknüpfung der Steuerbefreiung mit der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland. Die Umsetzungen des Art. 138 ­MwStSystRL in Deutschland (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG), Österreich (Art. 7 Abs. 1 Nr. 3 BMR402) und dem Vereinigten Königreich (Sec. 30 (8) (a) (ii) VAT Act 1994) gehen daher mit ihrem notwendigen Bezug auf die Erwerbsbesteuerung des Empfängers über das Sekundärrecht hinaus. Diesem Defizit begegnet die Rechtsanwendungspraxis in allen diesen Mitgliedstaaten richtigerweise mit einer reduzierenden Interpretation der Anforderungen an die Erwerbsbesteuerung des Erwerbers. So genügt es dem Erfordernis des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG, dass der Abnehmer gegenüber dem liefernden Unternehmer unter einer ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Identifikati398 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 71. 399 GA Cruz Villalón, Schlussantrag v. 21.06.2012 – C-587/10 – VStR, ECLI:EU:C:​ 2012:369, Rn. 80 f. 400 Vgl. EuGH, Urt. v. 22.12.2010 – C‑277/09 – RBS Deutschland Holdings, ECLI:EU:​ C:2010:810, Rn. 44. 401 Vgl. EuGH, Urt. v. 22.12.2010 – C‑277/09 – RBS Deutschland Holdings, ECLI:EU:C:2010:810, Rn. 41 f.; vgl. dazu Terra/Wattel, European Tax Law, 6.7. 402 In der Folge nur als BMR bezeichnet wird der Anhang zu § 29 Abs. 8 UStG (Binnenmarktregelung).

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

onsnummer auftritt.403 Ob der Erwerb tatsächlich angemeldet wird, ist demnach unerheblich.404 Gleiches gilt für das österreichische Steuerbarkeitserfordernis in Art. 7 BMR.405 Ebenso erfüllt es gem. para. 4.3. Notice 725, die Anforderung der Sec. 30 (8) (a) (ii) VAT Act 1994, wenn der Lieferant eine Identifikationsnummer des Erwerbers, welche nicht vom Vereinigten Königreich ausgestellt wurde, erhält.406 cc) Verhältnismäßigkeitserwägungen Weiter ist ein materielles Erfordernis einer Identifikationsnummer auch nicht verhältnismäßig. Bei Ausübung der Befugnis gem. Art. 131 M ­ wStSystRL haben die Mitgliedstaaten insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Sie dürfen also nicht über das hinausgehen, was zur Sicherung der korrekten Erhebung der Steuer und zur Verhinderung der Steuerhinterziehung erforderlich ist.407 Stellt die Übermittlung der Identifikationsnummer eine – eventuell auch nur faktische –408 materielle Voraussetzung dar, wird die Steuerfreiheit allein deshalb aberkannt, wenn diese nicht nachgewiesen werden kann. Das ignoriert insbesondere die materiellen Voraussetzungen des Art. 138 M ­ wStSystRL und damit die einzigen sekundärrechtlich vorgesehenen Anknüpfungspunkte für das Einsetzen des Mechanismus zur Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips. Damit beschneidet der Mitgliedstaat den Grundsatz der Wettbewerbsund Belastungsneutralität zulasten grenzüberschreitender Lieferanten. Da aber eine Kontrolle des Bestimmungslandprinzips auch ohne die au403 BT-Drucks. 12/2463, 30; Abschn. 6a.1. Abs. 18 Satz 1 u. 2. UStAE; Frye in Rau/ Dürrwächter, § 6a (Jul. 2014), Rn. 763; Grünwald in Hartmann/Metzenmacher, § 6a (Aug. 2014), Rn. 98; Schwarz in Schwarz/Widmann/Radeisen, § 6a (Jan. 2015), Rn. 113; Sikorski in Küffner/Stöcker/Zugmaier, § 6a (Feb. 2014), Rn. 67; Treiber in Sölch/Ringleb, § 6a (Apr. 2015), Rn. 65;. 404 BFH, Urt. v. 30.3.2006 – V R 47/03, BStBl. II 2006, 634 (635, II.1.b.); v. 8.11.2007 – V R 72/05, BStBl. II 2009, 55 (56, II.1.a.); Frye in Rau/Dürrwächter, § 6a (Jul. 2014), Rn. 389; Schwarz in Schwarz/Widmann/Radeisen, § 6a (Jan. 2015) Rn. 112. 405 UStR 2000, Rn. 3993; Gepperth in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG, Art. 7 (01.01.2012), Rn. 41; Melhardt in Melhardt/Tumpel, UStG, Art. 7, Rn. 23; Ruppe/Achatz, UStG, Art. 7 BMR, Rn. 18 f.; Scheiner/Kolacny/Caganek, UStG, Art. 7 (Jul. 2011), Rn. 39. 406 Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 19.11 (c). 407 U.a. EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 29; v. 27.09.2012 – C-587/10 – VStR, ECLI:EU:C:2012:592, Rn. 45 ff. 408 Faktisch als materielle Voraussetzung wirkt die Übermittlung der Identifikationsnummer dann, wenn sie zwar rechtstechnisch als formelle Voraussetzung ausgestaltet ist, tatsächlich aber, weil als formelle Voraussetzung zwingend, als materielle Voraussetzung wirkt.

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tomatisierte Abfrage im MIAS möglich bleibt, geht das über das hinaus, was zur Sicherung der korrekten Erhebung der Steuer und zur Verhinderung der Steuerhinterziehung erforderlich ist. Daher geht eine Aberkennung der Steuerfreiheit sowohl über das zur Sicherung der korrekten und einfachen Erhebung der Steuer als auch zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen erforderliche hinaus.409 Mithin spricht neben den systematischen und teleologischen Erwägungen auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gegen die Identifikationsnummer als materielle Voraussetzung. c) Generelle Schlussfolgerungen – die rein formelle Natur des Art. 131 ­MwStSystRL Art. 138 ­MwStSystRL lässt sich nicht entnehmen, dass die Verwendung einer Identifikationsnummer durch den Erwerber eine materielle Voraussetzung für die Gewährung der Steuerfreiheit ist. Die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung kann, gestützt auf Art. 131 ­MwStSystRL, nicht mit dem Hinweis auf die möglicherweise fehlende automatisierte Nachvollziehbarkeit des Erwerbstatbestandes im Bestimmungsland, aufgrund des fehlenden Nachweises einer Identifikationsnummer des Erwerbers, versagt werden. Somit scheidet ein zwingendes nationales Erfordernis der Identifikationsnummer des Erwerbers aus. Zudem erlaubt Art. 131 M ­ wStSystRL nicht den Tatbestand des Art. 138 ­MwStSystRL zu erweitern. Daher ist auch die materielle Verknüpfung der Steuerbefreiung mit der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland unzulässig. Generalisierend lässt sich daher festhalten, dass materielle Anforderungen nicht auf Art. 131 M ­ wStSystRL gestützt werden können.410 Gleiches muss für strikt formelle und damit faktisch materiell wirkende Anforderungen gelten.

409 U.a. EuGH, Urt. v. 27.09.2012 – C-587/10 – VStR, ECLI:EU:C:2012:592, Rn. 45 ff.; vgl. auch EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 31, der zufolge die Aberkennung der Steuerfreiheit voraussetzte, dass die Vo­ raussetzungen der Steuerfreiheit tatsächlich aufgrund des Fehlens der Identifika­ tionsnummer nicht mehr sicher festgestellt werden können. 410 So i.E. auch BFH Urt. v. 08.11.2007 – V R 72/05, BStBl. II 2009, 55, (57, II.2.c.); dem folgend BFH, Urt. v. 17.02.2011 – V R 28/10, BFH/NV 2011, 1448, (1450, II.2.c) und v. 14.12.2011 – XI R 32/09, BFH/NV 2012, 1004, (1006, II.4.c.).

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

3. Art. 273 M ­ wStSystRL Art. 273 M ­ wStSystRL ermächtigt die Mitgliedstaaten ganz allgemein weitere Pflichten für den Steuerpflichtigen vorzusehen, soweit sie diese für die genaue Erhebung der Steuer und der Verhinderung der Steuerhinterziehung als erforderlich erachten. Da es sich hierbei ausdrücklich um „weitere“ Pflichten handelt, stellt Art. 273 M ­ wStSystRL zunächst klar, dass der in den vorgehenden Kapiteln des Titel XI der ­MwStSystRL aufgeführten Katalog von Mitwirkungspflichten nicht abschließend ist. a) Der Begriff der Pflichten im Sinne von Art. 273 Abs. 1 ­MwStSystRL Um die Befugnis des Art. 273 Abs. 1 ­MwStSystRL umreißen zu können, soll zunächst deren Reichweite geklärt werden. Zu untersuchen ist daher, was „Pflichten“ i.S.v. Art. 273 ­MwStSystRL sind. Hierfür lässt sich die Stellung am Ende des Titels XI fruchtbar machen. Titel XI befasst sich generell mit den (Mitwirkungs-)Pflichten des Steuerpflichtigen bei der Durchführung der Besteuerung. Hierbei lassen sich zwei Hauptgruppen unterscheiden; die Bestimmungen zur Steuerschuldnerschaft (Zahlungspflicht) in Kapitel 1 sind den Bestimmungen zu Mitwirkungspflichten im Rahmen des Steuerverfahrens in den Kapiteln 2 bis 6 (Kapitel 2: Identifikation; Kapitel 3: Erteilung von Rechnungen; Kapitel 4: Aufzeichnungen; Kapitel 5: Erklärungspflichten; Kapitel 6: Zusammenfassende Meldung) vorangestellt. Da dieser Titel mit einer Befugnisnorm, zur Festlegung weiterer Pflichten in Art. 273 ­MwStSystRL schließt, liegt es nahe anzunehmen, weder die Steuerschuldnerschaftsregelungen noch Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen seien abschließend. Dennoch ist den Mitgliedstaaten die Bestimmung neuer Steuerzahlungspflichtiger/Steuerschuldner entzogen.411 Damit sind jedenfalls die Regelungen zur Steuerschuldnerschaft aus Titel XI Kapitel 1 der M ­ wStSystRL (Art. 192a ff. ­MwStSystRL) abschließend. Die Regelungen zu den Mitwirkungspflichten – Titel XI Kapitel 2 bis 6 ­MwStSystRL – hingegen sind nicht abschließend. Den Mitgliedstaaten ist es daher möglich, den Steuerpflichtigen weitere Mitwirkungspflichten, insbesondere Dokumentationspflichten,412 aufzuerlegen. 411 EuGH, Urt. v. 11.05.2006 – C-384/04 – Federation of Technological Industries, ECLI:EU:C:2006:309, Rn. 44. 412 Vgl. hierzu die Fallgestaltungen in EuGH, Urt. v. 18.12.1997 – C-286/94, C-340/95, C-401/95 und C-47/96 – Molenheide u.a., ECLI:EU:C:1997:623; v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:C:2000:145; v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549; v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 –

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Zu klären bleibt, ob sich die Befugnis der Mitgliedstaaten auf den Gegenstand der in Titel XI Kapitel 2 bis 6 geregelten Pflichten begrenzen lässt. Mithin ist fraglich, ob den Mitgliedstaaten nur die Regelung weiterer Dokumentationspflichten oder darüber hinaus auch gänzlich neuer Pflichten möglich ist. Art. 273 ­MwStSystRL ermächtigte die Mitgliedstaaten, „… weitere als die in den vorangehenden Absätzen des Artikels 22 (Anm. des Verf.: die Entscheidung erging zu Art. 22 der 6. MwStRL413, dessen Abs. 1–6 zum 01.01.2007 in den Art. 206 ff. M ­ wStSystRL und Abs. 8 in Art. 273 ­MwStSystRL ihre Entsprechung fanden) vorgesehenen Verpflichtungen aufzuerlegen, die sie für erforderlich halten, um die Erhebung dieser Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden.“414 Art. 273 M ­ wStSystRL stellt es damit den Mitgliedstaaten generell anheim, weitere Pflichten zur Sicherung des Steueraufkommens und zur Verhinderung der Steuerhinterziehung, über die Erweiterung der in Titel XI Kapitel 2–6 der M ­ wStSystRL vorgesehenen hinaus, zu bestimmen. Eine Begrenzung dieser Befugnis durch den Rahmen des Titel XI Kapitel 2–6 der M ­ wStSystRL findet nicht statt. Vielmehr scheint der EuGH die Ermächtigung, ungeachtet des systematisch naheliegenden Rückbezugs hierauf völlig von den in Titel XI vorgesehenen Mitwirkungspflichten losgelöst zu betrachten. So kann z.B. die Auferlegung einer Sicherheitsleistung dem gem. Art. 205 M ­ wStSystRL gesamtschuldnerisch haftenden Leistungsempfänger, für den Fall, dass begründete Zweifel an der Abführung der Steuer durch den, die Steuer originär schuldenden, Leistungserbringer bestehen, auf Art. 273 ­MwStSystRL gestützt werden.415 Von der Generalität dieser Befugnis ausgenommen wird jedoch – wie bereits erwähnt – die Bestimmung weiterer Steuerzahlungspflichtiger/ Steuerschuldner. Diesbezüglich sind die Regelungen der Art. 192a ff. Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267; v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454; v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 30; v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 42 f.. 413 Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates v. 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, Amtsblatt Nr. L 145 v. 13.06.1977, S. 1–40. 414 EuGH, Urt. v. 11.05.2006 – C-384/04 – Federation of Technological Industries, ECLI:EU:C:2006:309, Rn. 43; im Ergebnis ebenso EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:​ C:2010:454, Rn. 24. 415 EuGH, Urt. v. 11.05.2006 – C-384/04 – Federation of Technological Industries, ECLI:EU:C:2006:309, Rn. 45 f.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

­ wStSystRL, Titel XI Kapitel 1 der ­MwStSystRL abschließend.416 Der M systematischen Stellung des Art. 273 M ­ wStSystRL ist diese Begrenzung zwar nicht zu entnehmen. Allerdings zeigt schon die Regelung des Art. 199 M ­ wStSystRL, dass sich die Mitgliedstaaten nur im sekundärrechtlich ausdrücklich definierten Rahmen von den Steuerschuldre­gimen abweichen dürfen. Im Umkehrschluss heißt das, dass eine diesbezügliche, den Mitgliedstaaten gem. Art. 273 ­MwStSystRL autonom obliegende, inhaltlich unbegrenzte Befugnis nicht zusteht. Dass sich Art. 273 der ­MwStSystRL nicht auf Kapitel 1 des Titels XI der ­MwStSystRL bezieht, sondern nur auf Kapitel 2–6 zeigt weiter der Vergleich mit den Vorgängerregelungen der 6. MwStRL. Die verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten waren dort in Art. 22 geregelt. An ­dessen Ende stand in Abs. 8 die dem heutigen Art. 273 ­MwStSystRL entsprechende Regelung. Demnach konnten die Mitgliedstaaten „… weitere Pflichten vorsehen, die sie als erforderlich erachten, um die genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden“. Der systematische Bezug der weiteren Pflichten bestand somit vor der Fassung der M ­ wStSystRL zu den Dokumentationspflichten des Art. 22 Abs. 1–7 der 6. MwStRL. Die Steuerschuldnerschaft war in der 6. MwStRL in Art. 21 geregelt. Diese systematische Trennung von Definition und Verpflichtung der Steuerschuldner erkannte der EuGH als zentrales Argument, warum die Steuerpflicht nicht in den Anwendungsbereich des Art. 273 M ­ wStSystRL fällt. Demnach eröffnet sich die Befugnis zur weiteren Verpflichtung einer Person als Steuerschuldner, erst im Anschluss an die sekundärrechtlich abschließend bestimmte Qualifi­ ­ wStSystRL auch auf kation als solcher.417 Einen Bezug des Art. 273 M die Steuerschuldregelungen legt damit erst die Neufassung durch die ­MwStSystRL nahe. Denn diese fasst erstmalig sowohl die Steuerzahlungspflicht (Steuerschuldnerschaft) als auch die Mitwirkungspflichten der Steuerschuldner in einem Titel zusammen. Da sich aber durch die Neufassung der ­ MwStSystRL keine inhaltlichen Änderungen zur 6. MwStRL ergeben sollten418, kann aus dieser Neustrukturierung nicht die Erweiterung der bereits in Art. 22 Abs. 8 der 6. MwStRL gefassten Befugnisse durch Art. 273 ­MwStSystRL gefolgert werden.

416 EuGH, Urt. v. 11.05.2006 – C-384/04 – Federation of Technological Industries, ECLI:EU:C:2006:309, Rn. 43 f. 417 EuGH, Urt. v. 11.05.2006 – C-384/04 – Federation of Technological Industries, ECLI:EU:C:2006:309, Rn. 43 ff. 418 Erwägungsgründe 1–3 zur M ­ wStSystRL.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

Diesen Erkenntnissen lässt sich eine Grundaussage zur Beantwortung der Frage, welche Maßnahmen die Mitgliedstaaten auf Art. 273 MwStSystRL stützen können, entnehmen. Der EuGH unterscheidet ­ zwei Kategorien von Pflichten. Die erste Kategorie umfasst solche Pflichten, welche sich auf den materiellen Tatbestand der Steuer – z.B. die Steuerschuld419 oder den Zeitpunkt ihrer Entstehung420 – beziehen. Zur zweiten Kategorie zählen demnach alle Pflichten, welche die Durchführung der Besteuerung von der Festsetzung (Dokumentationspflichten bzw. Mitwirkungspflichten)421 über die Erhebung bis zur Vollstreckung (z.B. Sicherheitsleistungen)422 lediglich fördern. Erfasst sind damit Anordnungen, welche den Finanzbehörden die Durchsetzung der Besteuerung erleichtern. Nur solche Pflichten, welche unter die zweite Kategorie fallen,423 also den materiellen Tatbestand der Mehrwertsteuer unberührt lassen, können auf Art. 273 ­MwStSystRL gestützt werden. Hierfür streitet zudem die in Art. 273 ­MwStSystRL definierte Zielvorgabe. Die Verpflichtung des Steuerschuldners darf nur dem Ziel der Sicherung der genauen Erhebung der Steuer und der Verhinderung der Steuerhinterziehung dienen. Was eine genaue Erhebung der Steuer ist, also, wer steuer(zahlungs-) pflichtig und was, wo und wann steuerbar ist, definiert sich nach dem materiellen Sekundärrecht der M ­ wStSystRL. Nur zur verfahrensrechtlichen Flankierung der Herstellung des materiell-rechtlich vorgezeichneten Rechtszustandes, dürfen die Mitgliedstaaten den Steuerschuldnern weitere Pflichten auferlegen. Ihnen obliegt in Tradition der sekundär419 Vgl. hierzu die Fallgestaltung in EuGH, Urt. v. 11.05.2006 – C-384/04 – Federation of Technological Industries, ECLI:EU:C:2006:309. 420 Vgl. hierzu die Fallgestaltung in EuGH, Urt. v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69. 421 Vgl. hierzu die Fallgestaltungen in EuGH, Urt. v. 18.12.1997 – C‑286/94, C‑340/95, C‑401/95 und C‑47/96 – Molenheide u.a., ECLI:EU:C:1997:623; v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:C:2000:145; v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549; v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267; v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454. 422 Vgl. hierzu die Fallgestaltung in EuGH, Urt. v. 11.05.2006 – C-384/04 – Federation of Technological Industries, ECLI:EU:C:2006:309. 423 Unzulässig sind daher nach EuGH, Urt. v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 48, gestützt auf Art. 273 M ­ wStSystRL Abweichungen von den Regelungen zur Steuerentstehung; ausdrücklich hierzu auch, Grube, MwStR 2014, 201 (202).

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

rechtlichen Regelungstechnik gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV die Wahl der Mittel, nicht die Wahl des Ziels. Hiergegen verfängt der Einwand nicht, dass dies generell gilt und insbesondere mangels eines harmonisierten Verfahrensrechts im Mehrwertsteuerrecht die Ausgestaltung des Verfahrens sowieso den Mitgliedstaaten obliegt,424 Art. 273 ­MwStSystRL folglich überflüssig wäre. Vielmehr regelt die ­MwStSystRL insbesondere in den Art. 206 ff. weite Teile des Kontrollverfahrens. Ohne die Regelung des Art. 273 ­MwStSystRL läge der Schluss nahe, diese Regelungen seien für das Kontrollverfahren abschließend. Die Einführung neuer Kontrollmechanismen erforderte dann stets eine unionsrechtliche Neuregelung. Da sich das Bedürfnis nach neuen Kon­ trollverfahren oft erst in der Praxis zeigt und deren Tauglichkeit zudem von nationalen Gegebenheiten – z.B. der Nutzung von Synergien mit der Erhebung anderer Steuern – abhängt, wäre das eine unpraktikable Lösung. Art. 273 M ­ wStSystRL stellt klar, dass die Verfahrensregelungen betreffend das Kontrollverfahren nicht abschließend sind. Vielmehr sind die Mitgliedstaaten ermächtigt, auf die nationalen Gegebenheiten abgestimmte Maßnahmen selbst zu ergreifen. Art. 273 ­MwStSystRL ist, auch unter Zugrundelegung der hier vertretenen Ansicht, nicht gänzlich obsolet, sondern zumindest klarstellend. Art. 273 M ­ wStSystRL ermächtigt damit die Mitgliedstaaten, Pflichten zur Sicherung der genauen Steuererhebung und Verhinderung der Steuerhinterziehung vorzusehen. Diese müssen aber den materiellen Gehalt der Besteuerung – namentlich Steuerbarkeit, -pflicht und -schuldnerschaft – unangetastet lassen. Damit erkennt auch der EuGH die oben skizzierte Unterscheidung zwischen formellen und materiellen Pflichten.425 424 U.a. EuGH, Urt. v. 12.06.1980 – C-119/79 und C-126/79 – Lippische Hauptgenossenschaft, ECLI:EU:C:1980:154, Rn. 10; v. 21.09.1983 – C-205/82 bis C-215/82 – Deutsche Milchkontor, ECLI:EU:C:1983:233, Rn. 19, 23; v. 11.07.2002 – C-62/00 – Marks Spencer, ECLI:EU:C:2002:435, Rn. 34; v. 07.01.2004 – C-201/02 – Wells, ECLI:EU:C:2004:12, Rn. 67; v. 04.07.2006 – C-212/04 – Adeneler, ECLI:EU:C:2006:​ 443, Rn. 95; v. 28.06.2007 – C-1/06 – Bonn Fleisch Ex- und Import, ECLI:EU:C:2007:​ 396, Rn. 41; v. 03.07.2008 – C-215/06 – Kommission/Irland, ECLI:EU:C:2008:380, Rn. 59; v. Danwitz, DVBl 1998, 421 (429); Eilmansberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht, S. 58 ff.; allgemein zum harmonisierten Steuerrecht Englisch, IStR 2009, 37 (37 f.); allgemein zur Regelungstechnik durch Richtlinien und der autonomen Ausgestaltung des korrespondierenden Verfahrensrechts v. Bogdandy/Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Euro­ päischen Union, Art. 4 EUV (Sep. 2013), Rn. 80; Haratsch/König/Pechstein, Rn. 463. 425 S.o. Teil I B Relevante Rechtsanwendungsfehler.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

b) Die ausdrücklichen Grenzen der Befugnisse gem. Art. 273 ­MwStSystRL Die Weite der Befugnisse, welche der Wortlaut suggeriert, erfährt jedoch ausdrückliche Einschränkungen in Art. 273 ­MwStSystRL. So gilt die Ermächtigung gem. Art. 273 Abs. 1 M ­ wStSystRL nur vorbehaltlich der Gleichbehandlung von Binnenumsätzen und innergemeinschaftlichen Umsätzen. Auf die Regelung können somit nur Maßnahmen gestützt werden, welche nicht an die Grenzüberschreitung des Leistungsaustausches anknüpfen. Dies kann als deklaratorischer Hinweis auf den allgemein gültigen Grundsatz der Gleichbehandlung von innergemeinschaftlichen und innerstaatlichen Umsätzen, mithin dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität bzgl. der Herkunft der Leistung426 sowie auf das mit der M ­ wStSystRL verfolgte Ziel der Harmonisierung der Mehrwertsteuern in der EU verstanden werden. Zudem dürfen die Maßnahmen gem. Art. 273 Abs. 2 M ­ wStSystRL nicht zu weiteren Rechnungsangaben verpflichten.427 Daneben dürfen die Maßnahmen nicht in Grenzkontrollen bestehen.428 c) Die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts als Grenzen der Befugnisse Daneben unterliegen die Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Befugnisse den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.429 Die Maßnahmen müssen daher zur Erreichung des Zwecks geeignet sein und dürfen nicht über das hierzu Erforderliche hinausgehen.430 Regelmäßig dürfte an der Eignung von Dokumentationspflichten zur Sicherung der ordnungsgemäßen Versteuerung kein Zweifel bestehen. Diese ermöglichen es, steuerbare Vorgänge nachzuvollziehen und diese im 426 S.o. Teil II B.IV.1.a)bb) Die technische Umsetzung des Postulats der Wettbewerbsneutralität, und Teil II B.IV.2.c) Verbrauchsortprinzip – Territoriale Zuordnung von Besteuerungsrechten; vgl. Englisch, IStR 2009, 37 (42). 427 EuGH, Urt. v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 42. 428 Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, Art. 206 – 273 M ­ wStSystRL (Okt. 2009), Rn. 123. 429 EuGH, Urt. v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:C:​ 2000:145, Rn. 52; v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 26; v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 67; v. 21.10.2010 – C-385/09 – Nidera Handelscompagnie, ECLI:EU:C:2010:627, Rn. 49, und Beschl. v. 03.03.2004 – C-395/02 – Transport Service, ECLI:EU:C:2004:​ 118, Rn. 29; vgl. Englisch, IStR 2009, 37 (42) m.w.N. 430 S.o. Teil II A.III.3 Inhalt des ungeschriebenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Anschluss ihrer korrekten steuerlichen Folge zuzuführen.431 Ebenso verhält es sich mit Maßnahmen zur Sicherung der Einbringlichkeit von Steuerforderungen z.B. in Form von Sicherheitsleistungen. Auch an der Erforderlichkeit scheiterte bisher die Vereinbarkeit einer aufgestellten Mitwirkungspflicht mit dem Unionsrecht nicht. Diese weite Fassung der Befugnis zur Festlegung von umsatzbezogenen Mitwirkungspflichten432 lässt sich demnach wohl als Vorstufe der ebenfalls sehr weiten Aufzeichnungspflichten gem. Art. 242 ­MwStSystRL begreifen. Wenn der Steuerpflichtige hierin generell verpflichtet wird, Aufzeichnungen zu führen, welche es der Steuerverwaltung im Nachhinein ermöglichen, die korrekte Versteuerung zu überprüfen, liegt es jedenfalls nahe, diese Verpflichtung umsatzbezogen zu konkretisieren. Regelmäßig ist daher, soweit ersichtlich, einzig die Bestimmung von Mitwirkungspflichten kaum Gegenstand der Verhältnismäßigkeitser­ wägungen durch den EuGH. Allein die auf Grundlage des Art. 273 ­MwStSystRL erlassene Mitwirkungspflichten waren bislang nur in der Rechtssache Federation of Technological Industries433 eigenständiger Gegenstand der Überprüfung durch den EuGH.434 431 Vgl. zur Notwendigkeit von Informationen zur Sicherung der genauen Steuererhebung, EuGH, Urt. v. 26.10.2010 – C-97/09 – Schmelz, ECLI:EU:C:2010:632, Rn. 63. 432 Vgl. hierzu nur die Formulierung in EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 27, wonach die Verpflichtung zur Verwendung von Registrierkassen bei B2C-Umsätzen „unbestreitbar zu den Maßnahmen gehört, die die Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 22 Abs. 8 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie (Anm.: die Entscheidung erging zu Art. 22 Abs. 8 der 6. MwSt, welche an dem 01.01.2007 ihre Entsprechung in den Art. 273 M ­ wStSystRL fand) erlassen dürfen“. 433 EuGH, Urt. v. 11.05.2006 – C-384/04 – Federation of Technological Industries, ECLI:EU:C:2006:309. 434 Dies verwundert auch nicht, da die Mehrzahl der Verfahren – z.B. im Jahr 2012 404 von insgesamt 632 – Vorlageverfahren gem. Art. 267 AEUV sind. Ein Rechtsstreit vor den nationalen Gerichten – in dessen Verlauf sich eine vom EuGH vorzulegende Frage stellt – entzündet sich aber regelmäßig nur an den Folgen des ­Verstoßes gegen diese Aufzeichnungspflichten, die in der Suspendierung mehrwertsteuerlicher Rechtspositionen oder Liquiditätsbelastungen liegen. In der Folge fragen die nationalen Gerichte, ob eine bestimmte Sanktionswirkung unionsrechtskonform ist. Damit erfolgt die Überprüfung der Mitwirkungspflicht nur als Reflex der Prüfung der Sanktion; Vgl. hierzu nur die Fragestellungen in EuGH, Urt. v. 18.12.1997 – C‑286/94, C‑340/95, C‑401/95 und C‑47/96 – Molenheide u.a., ECLI:EU:C:1997:623; v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:C:2000:145; v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549; v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267; v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454. In EuGH, Urt. v. 11.05.2006 – C-384/04 – Federation of

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

Erst im Rahmen der Auseinandersetzung über die Rechtsfolgen des Verstoßes gegen solche Mitwirkungspflichten wird die Rechtmäßigkeit der Mitwirkungspflichten relevant.435

II. Rechtsquellen der Befugnis zur Sanktionierung von (­Mitwirkungs-) Pflichtverstößen Allein die Auferlegung von Pflichten kann die Erhebung der Steuer nicht wirksam sichern. Vielmehr muss der Verstoß gegen diese auch sanktioniert werden. Da eine Harmonisierung der Sanktionsfolgen fehlt, ist die Ausgestaltung der Folgen eines Pflichtverstoßes Sache der Mitgliedstaaten.436 1. Sanktionsbefugnis gemäß Art. 254 ff., 267 M ­ wStSystRL Die Mitgliedstaaten „… treffen …“ gem. Art. 254–257 ­ MwStSystRL ­Maßnahmen, welche die Abgabe einer Mehrwertsteuererklärung gem. Art. 250 ­ MwStSystRL durch Personen, welche in Abweichung von Art. 193 ­MwStSystRL die Steuer gem. Art. 194 ff. ­MwStSystRL schulden, sicherstellen. Ihnen obliegt damit nicht die Entscheidung über das Ob, sondern lediglich über das Wie. Sie müssen Maßnahmen ergreifen, welche die Steuererklärungspflicht durchsetzen. Parallel hierzu regelt Art. 267 M ­ wStSystRL die Verpflichtung der Mitgliedstaaten Maßnahmen zu ergreifen, um die Verpflichtung der die Steuer schuldenden Leistungsempfänger zur Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung gem. Art. 262 ­MwStSystRL durchzusetzen. Darunter fallen jedenfalls Sanktionen in Form von Bußgeldern für den Fall der Zuwiderhandlung.437

Technological Industries, ECLI:EU:C:2006:309 ging es vielmehr um den atypischen Fall, dass sich die auf Art. 273 ­MwStSystRL gestützte Pflicht auf eine Sicherheitsleistung bezog. Damit war die Liquiditätsbelastung bereits Gegenstand der Verpflichtung und folgte nicht erst einem Verstoß gegen eine solche nach. Somit entzündete sich er Rechtsstreit auch bereits an der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung. 435 U.a. jüngst EuGH, Urt. v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:EU:C:2012:373, Rn. 57 ff. 436 EuGH, Urt. v. 12.07.2001 – C-262/99 – Louloudakis, ECLI:EU:C:2001:407, Rn. 67 m.w.N.; v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 29; v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi-M 91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 31. 437 Zu den Vorgängervorschriften der 6. MwStRL, EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 67; v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454,

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

2. Sanktionsbefugnis aus Art. 131 M ­ wStSystRL Gem. Art. 131 ­MwStSystRL gewähren die Mitgliedstaaten die Steuerbefreiungen nur unter den Bedingungen, welche ihnen nötig erscheinen, um die korrekte Steuererhebung zu sichern, und Steuerhinterziehungen zu vermeiden. Mit einem Verstoß gegen diese Bedingungen entfiele dann, streng gemäß dem Wortlaut, die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Befreiung des betroffenen Umsatzes. Die Mitgliedstaaten können dann die Befreiung versagen.438 Allerdings erstreckt sich diese Befugnis der Mitgliedstaaten hier nicht einzig auf die Aberkennung der Steuerfreiheit. Als weniger intensive Maßnahme bietet Art. 131 M ­ wStSystRL – wie auch bei den anderen bereichsspezifischen Befugnisnormen in Art. 254 ff., 267 ­MwStSystRL – die Möglichkeit Geldbußen festzusetzen.439 3. Sanktionsbefugnis aus Art. 273 M ­ wStSystRL a) Sanktionierung von Mitwirkungspflichtverstößen Im unmittelbar von Art. 273 M ­ wStSystRL in Bezug genommenen Regelungskomplex der Titel XI Kapitel 2 ‑ 6440 geben tatbestandsspezifisch Art. 254 ff., 267 M ­ wStSystRL die Befugnis zur Sanktion.441 Anders als die Art. 254–257, 267 M ­ wStSystRL ermächtigt Art. 273 ­MwStSystRL, einzig den Wortlaut zugrunde gelegt, nicht zu Maßnahmen zur Durchsetzung bestimmter, den Steuerschuldner treffender Pflichten, sondern nur zum Erlass dieser Pflichten. Die Maßnahmen gem. Art. 254–257, 267 ­MwStSystRL knüpfen in ihrem Tatbestand an die Verletzung der Dokumentationspflichten gem. Art. 250 bzw. 262 ­ MwStSystRL an, setzen mithin eine Pflicht voraus. Die ­MwStSystRL unterscheidet somit, zumindest in Titel XI Kapitel 5 und 6,442 zwischen einer Pflicht und der zugehörigen Sanktionsbefugnis.

Rn. 32 f.; ebenso GA Sharpston in ihrem Schlussantrag v. 20.02.2007 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:173, Rn. 55. 438 EuGH, Urt. v. 07.12.2010 – C-285/09 – R, ECLI:EU:C:2010:742, Rn. 51.  439 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 40; vgl. auch EuGH, Urt. v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:​ 414, Rn. 40. 440 Vgl. o. Teil II C.I.3 Art. 273 M ­ wStSystRL. 441 S.o. Teil II C.II.1 Sanktionsbefugnis gemäß Art. 254 ff., 267 ­MwStSystRL. 442 Offenkundig erfolgt eine solche Unterscheidung im Anwendungsbereich von Art. 131 M ­ wStSystRL nicht, vgl. dazu oben Teil II C.II.2 Sanktionsbefugnis aus Art. 131 ­MwStSystRL.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

Überträgt man diese terminologische Differenzierung auf Art. 273 ­MwStSystRL, liegt der Schluss nahe, dass nur Pflichten, nicht jedoch die Sanktionierung von Verstößen gegen eben diese auf Art. 273 ­MwStSystRL gestützt werden können. Dagegen geht der EuGH, ungeachtet des Wortlauts, davon aus, dass sich auch Sanktionen auf Art. 273 ­MwStSystRL stützen lassen. Das gilt unabhängig davon, ob diese Mitwirkungspflichten bewehren, die bereits in der ­MwStSystRL ausdrücklich vorgesehen443 oder erst auf Grundlage des Art. 273 M ­ wStSystRL erlassen wurden444. So stellt Art. 273 ­MwStSystRL den normativen Maßstab dar, an dem sich die Sanktionen zur Durchsetzung von Pflichten zur genauen Erhebung der Steuer, wie die Aberkennung des Vorsteuerabzugs445, der Steuerfreiheit446 oder verwaltungsrechtliche Sanktionen447 (insbesondere Geldbußen)448 messen lassen müssen.

443 Z.B. zur Sanktionierung von Verstößen gegen die Anzeigepflicht gem. Art. 213 ­MwStSystRL, EuGH, Urt. v. 21.10.2010 – C-385/09 – Nidera Handelscompagnie, ECLI:EU:C:2010:627. 444 Z.B. zur Sanktionierung von Verstößen gegen gem. Art. 273 ­MwStSystRL erlassene Nachweispflichten bzgl. innergemeinschaftlichen Lieferungen EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 35 ff.; v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:EU:C:2012:373, Rn. 57 ff.; zum Verstoß gegen Fristen zur Korrektur des Vorsteuerabzuges und der Ausstellung von Korrekturrechnungen bzw. –gutschriften, EuGH, Urt. v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 32. 445 EuGH, Urt. v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:C:2000:145, Rn. 52 ff.; v. 21.02.2006 – C-255/02 – Halifax u.a., ECLI:EU:C:2006:121, Rn. 92; v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 68; v. 21.10.2010 – C-385/09 – Nidera Handelscom­ pagnie, ECLI:EU:C:2010:627, Rn. 49; v. 22.12.2010 – C-349/09 – Dankowski, ECLI:EU:C:2010:818, Rn. 37; v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:ECLI:EU:C:2012:373, Rn. 57 ff.; , ebenso GA Saggio, Schlussantrag v. 08.10.1999 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:C:1999:489, Rn. 32 f. 446 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 26 ff. 447 EuGH, Urt. v. 21.10.2010 – C-385/09 – Nidera Handelscompagnie, ECLI:EU:C:​ 2010:​627, Rn. 52, unter Rückbezug auf den Begriff der Maßnahmen gem. Art. 273 MwStSystRL in Rn. 49; v. 15.01.2009 – C-502/07 – K-1, ECLI:EU:C:2009:11, ­ Rn. 19; v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 41, wonach Sanktionen i.S.v. Art. 273 ­MwStSystRL keine Sondermaßnahmen i.S.v. Art. 395 ­MwStSystRL sein können; v. 17.07.2008 – C-132/06 – Kommission/Italien, ECLI:EU:C:2008:412, Rn. 44 ff. 448 EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 67; v. 15.01.2009 – C-502/07 – K-1, ECLI:EU:C:2009:11, Rn. 19; v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:​

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Der EuGH spricht dabei ausdrücklich von Sanktionen als Maßnahmen, welche die Mitgliedstaaten gem. Art. 273 M ­ wStSystRL ergreifen können.449 Der Gerichtshof erkennt die Sanktionsbefugnis somit nicht lediglich als Reflex aus der Befugnis zur Bestimmung weiterer Pflichten, da eine Mitwirkungspflicht ohne korrespondierende Sanktion letztlich leer liefe450. Als Pflichten i.S.v. Art. 273 ­MwStSystRL müssen damit auch solche verstanden werden, die den Adressaten einer Mitwirkungspflicht im Falle der Verletzung einer solchen zur Sanktionsleistung verpflichten. b) Umfassende Sanktionsbefugnis Dieses weite Verständnis der Befugnisse gem. Art. 273 ­ MwStSystRL zeigt sich aber nicht nur auf Seiten der von Art. 273 M ­ wStSystRL umfassten, sanktionierenden Rechtsfolgen. Es setzt sich auf Seiten der sanktionierbaren Sachverhalte fort. So ist es den Mitgliedstaaten beispielsweise möglich, mit auf Art. 273 ­MwStSystRL gestützten Sanktionen die fehlerhafte Qualifikation von Beträgen als abziehbare Vorsteuern451 oder eine verspätete Korrektur des Vorsteuerbetrages452 zu ahnden. Damit ermöglicht Art. 273 M ­ wStSystRL den Mitgliedstaaten umfassend die korrekte Rechtsanwendung durch den Steuerpflichtigen mit Sanktionen zu

2010:​454, Rn. 32 f.; ebenso GA Sharpston, Schlussantrag v. 20.02.2007 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:173, Rn. 55. 449 U.a. EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:​ 2008:267, Rn. 65; v. 15.01.2009 – C-502/07 – K-1, ECLI:EU:C:2009:11, Rn. 20; v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 27; v. 21.10.2010 – C-385/09 – Nidera Handels­ compagnie, ECLI:EU:C:2010:627, Rn. 52; v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 30 f. 450 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:C:2000:469, Rn. 62; v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:​ 549, Rn. 40. 451 EuGH, Urt. v. 15.01.2009 – C-502/07 – K-1, ECLI:EU:C:2009:11, Rn. 20. 452 EuGH Urt. v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 36; in dem zum einen in Rn. 30 ff. die Unionsrechtmäßigkeit der Sanktionierung eines Verstoßes gegen die, auf Art. 242 M ­ wStSystRL basierenden Buchführungspflichten (s. dazu soeben Teil II C.II.3.a) Sanktionierung von Mitwirkungspflichtverstößen bei Fn. 449) Gegenstand waren. Der EuGH nimmt aber wie in Rn. 36 deutlich wird („Zum anderen wird die im Ausgangsrechtsstreit fragliche Verwaltungsgeldstrafe nicht wegen irgendeines Umsatzes verhängt, sondern deshalb, weil der Steuerpflichtige einen von ihm vorgenommenen Vorsteuerabzug, dessen Grundlage entfallen ist, verspätet berichtigt hat.“), ausdrücklich die, dem Buchführungsfehler zugrundeliegende, fehlerhafte zeitliche Zuordnung der Korrekturverpflichtung zum Maßstab für die Zulässigkeit der Sanktion; hierzu zustimmend Grube, MWStR 2013, 445 (446).

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

befördern. Auf die Sanktionierung von Verstößen gegen Mitwirkungspflichten sind die Mitgliedstaaten daher nicht beschränkt. 4. Verpflichtung zur Sanktionierung Bei der Entscheidung, ob sie die soeben dargestellten Befugnisse in Anspruch nehmen, sind die Mitgliedstaaten nicht frei. Art. 4 Abs. 3 UA 2 EUV verpflichtet sie alle Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Verpflichtungen aus den Handlungen der Organe – insbesondere sämtliches Sekundärrecht –453 zu erfüllen. Damit findet in Art. 4 Abs. 3 UA 2 EUV der allgemeine unionsrechtliche Grundsatz der Effektivität Niederschlag im kodifizierten Primärrecht.454 Allein die Umsetzung der Richtlinie genügt somit nicht, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Auch andere, nicht harmonisierte Rechtsbereiche müssen so ausgestaltet sein, dass es eine möglichst effektive Durchsetzung der Ziele der Richtlinie ermöglicht. Das hat zunächst vor allem Wirkung für das nationale Verfahrensrecht.455 Speziell für das Mehrwertsteuerrecht geht das Interesse an einer Durchsetzung zudem noch über das generelle Interesse an einer effektiven Umsetzung des Unionsrechts, wie es dem Art. 4 Abs. 3 UA 2 EUV zugrunde liegt, hinaus. Die Union finanziert sich auch aus dem Aufkommen der Mehrwertsteuer. Ein Ausfall von Mehrwertsteuern gefährdet damit mittelbar auch die finanziellen Interessen der Union.456 Sie hat folglich ein eigenes fiskali-

453 Zum Begriff der „Handlungen der Organe“ i.R.d. inhaltliche gleichen Terminus in Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV Wegener in Calliess/Ruffert, Art. 267 AEUV, Rn. 9. 454 GA Kokott, Schlussantrag v. 30.04.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:EU:C:2015:​ 293, Rn. 80; v. Bogdandy/Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 4 EUV (Sep. 2013), Rn. 85 ff. 455 Zur effektiven Durchsetzung der Ziele des Mehrwertsteuerrechts noch zu Art. 10 EGV, der Vorgängervorschrift des Art. 4 Abs. 3 UA 2 EUV; EuGH Urt. v. 17.07.2008 – C-132/06 – Kommission/Italien, ECLI:EU:C:2008:412, Rn. 38 ff., allgemein EuGH v. 21.09.1983 – 205 bis 215/82 – Deutsches Milchkontor, ECLI:EU:C:1983:233, Rn. 19; EuGH v. 04.03.2004 – C-344/01 – Deutschland/ Kommission, ECLI:EU:C:2004:121, Rn. 79; v. Bogdandy/Schill in Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 4 EUV (Sep. 2013), Rn. 85 ff. Siehe dazu eingehend S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter Euro­ päischem Einfluss, 1999, S. 114; R. Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 10 EGV, Rn. 23 ff, vgl. Englisch, IStR 2009, 37 (39). 456 EuGH Urt. v. 15.11.2011 – C-539/09 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2011:​ 733, Rn. 72; v. 26.02.2013 – C-617/10 – Åkerberg Fransson, ECLI:EU:C:2013:105, Rn. 26; v. 08.09.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:EU:C:2015:555, Rn. 26.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

sches Interesse an der Erhebung der Mehrwertsteuer.457 Den besonderen Schutz dieses Interesses bezweckt Art. 325 Abs. 1 AEUV wie auch die Verordnung VO 2988/1995458.459 Aus alledem sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, abschreckende Maßnahmen gegen rechtswidrige Handlungen zu ergreifen, die sich gegen die finanziellen Interessen der Union richten. Im Mehrwertsteuerrecht haben die Mitgliedstaaten daher den Steueranspruch durch Kontrollmaßnahmen und Ermittlungen auch tatsächlich durchzusetzen.460 Erst recht ist es den MS untersagt, formale Reglungen zu erlassen, welche die materiell-rechtlich vorgesehenen Besteuerungsziele unterlaufen.461 Weiter gründet sich darauf auch der allgemeine Grundsatz, demzufolge „… die Mitgliedstaaten für Verstöße Einzelner gegen das Unionsrecht Sanktionen vorsehen müssen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind …“462. Dementsprechend fordert Art. 5VO 2988/1995 verwaltungsrechtliche Sanktionen.463 Zur Erfüllung der Anforderungen aus Art. 4 Abs. 3 UA 2 EUV und Art. 325 Abs. 1 AEUV können sich die Mitgliedstaaten hingegen auch strafrechtlicher Maßnahmen bedienen.464 Dabei obliegt es aber den Mitgliedsstaaten, ob sie sich zur Bekämpfung von 457 EuGH Urt. v. 17.07.2008 – C-132/06 – Kommission/Italien, ECLI:EU:C:2008:412, Rn. 39; v. 29.03.2012 – C-500/10 – Belvedere Costruzioni, ECLI:EU:C:2012:186, Rn. 22; GA Kokott, Schlussantrag v. 30.04.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:EU:C:2015:293, Rn. 83; zur Finanzierung der Union durch Mittel aus dem Mehrwertsteueraufkommen in den Mitgliedstaaten s.o. Teil II A.IV Grundsatz des Vertrauensschutzes. 458 Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, ABl. EG L 312 v. 23.12.1995, S. 1). 459 Zum Gleichlauf des Schutzes der finanziellen Interessen der Union durch Art. 325 Abs. 1 AEUV einerseits und die Verordnung VO 2988/1995andererseits GA Kokott, Schlussantrag v. 30.04.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:EU:C:2015:​ 293, Rn. 83. 460 So ausdrücklich Art. 8 Verordnung VO 2988/1995. 461 EuGH Urt. v. 17.07.2008 – C-132/06 – Kommission/Italien, ECLI:EU:C:2008:412, Rn. 37 ff. noch zu Art. 10 EGV, der Vorgägngervorschrift des Art. 4 Abs. 3 UA 2 EUV. 462 GA Kokott, Schlussantrag v. 30.04.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:EU:C:2015:293, Rn. 80 mit Verweis auf EuGH Urt. v. 21.09.1989 – C-68/88 – Kommission/Griechenland, ECLI:EU:C:1989:339, Rn. 24; v. 03.05.2005 – C-387/02, C‑391/02 und C-403/02 – Berlusconi u. a., ECLI:EU:C:2005:270, Rn. 65; v. 04.07.2006 – C-212/04 – Adeneler u. a., ECLI:EU:C:2006:443, Rn. 94; Beschl. v. 03.07.2014 – C-362/13, C-363/13 und C-407/13 – Fiamingo u. a., ECLI:EU:C:​ 2014:​2238, Rn. 62, 64. 463 Vgl. GA Kokott, Schlussantrag v. 30.04.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:EU:C:​ 2015:293, Rn. 87. 464 EuGH Urt. v. 26.02.2013 – C-617/10 – Åkerberg Fransson, ECLI:ECLI:EU:C:​ 2013:105, Rn. 27; v. 08.09.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:ECLI:EU:C:2015:555, Rn. 39.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

Mehrwertsteuerbetrug auf Verwaltungssanktionen oder auf eine strafrechtliche Verfolgung stützen.465 Der Umstand also, dass sowohl die ­primärrechtlichen Regelungen des Art. 4 Abs. 3 UA 2 EUV teilweise, Art. 325 Abs. 1 AEUV generell als auch die sekundärrechtliche Regel der Verordnung VO 2988/1995 das gleiche Ziel, und sich nur in der Wahl der hierfür vorgesehenen Mittel unterscheiden, hat damit nicht zur Folge, dass primärrechtlich zwingend strafrechtliche Maßnahmen gefordert sind. Mit Bezug auf die primärrechtlichen Vorgaben dürfen die Mitgliedstaaten jedoch in keinem Fall zwischen ihren eigenen und den finanziellen Interessen der Union differenzieren. In Bezug auf die Verpflichtung zur Betrugsbekämpfung gem. Art. 325 Abs. 1 AEUV ordnet das ausdrücklich Art. 325 Abs. 2 AEUV – als Ausdruck des Äquivalenzgrundsatzes466 – an. Auch wenn eine entsprechende Regelung in Bezug auf die Loyalitätspflicht aus Art. 4 Abs. 3 UA 2 EUV fehlt, erfordert auch diese ein gleiches Schutzniveau für finanzielle Interessen der Mitgliedstaaten und der Union. Denn der Äquivalenzgrundsatz gilt auch hier.467 Eine Erweiterung der Befugnissen der Mitgliedstaaten gegenüber dem Steuerpflichtigen folgt aber weder aus Art. 4 Abs. 3 UA 2 EUV und Art. 325 Abs. 1 AEUV, noch aus der Verordnung VO 2988/1995. Denn sie geben den Mitgliedstaaten als Adressaten zum einen nur Ziele vor. Deren Verfolgung hat mit Mitteln des nationalen Rechts zu erfolgen. Zudem fehlt es ihnen an hinreichend konkreten Regelungen, sodass eine unmittelbare Anwendung gegenüber dem Steuerpflichtigen ausscheidet.468 Dezidiert strafrechtliche Sanktionen zum Schutz der finanziellen Inte­ ressen der Union fordert Art. 2 Abs. 1 SFI‑Übereinkommen469.470 Erfasst 465 EuGH Urt. v. 26.02.2013 – C-617/10 – Åkerberg Fransson, ECLI:ECLI:EU:C:2013:​ 105, Rn. 34; v. 08.09.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:ECLI:EU:C:2015:555, Rn.39; GA Kokott, Schlussantrag v. 30.04.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:EU:​ C:2015:293, Rn. 84. 466 Magiera in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 325 AEUV (Apr. 2012), Rn. 27. 467 EuGH Urt. v. 21.09.1989 – 68/88 – Kommission/Griechenland, ECLI:EU:C:1989:​ 339, Rn. 23 f.; v. 03.05.2005 – C‑387/02, C‑391/02 und C‑403/02 – Berlusconi u.a., ECLI:EU:C:2005:270, Rn. 64 f.; v. – C-367/09 – SGS. Belgium u.a., Slg. 2010, I-648, Rn. 41; GA Kokott, Schlussantrag v. 30.04.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:EU:C:2015:293, Rn. 80. 468 GA Kokott, Schlussantrag v. 30.04.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:EU:C:​ 2015:293, Rn. 122. 469 Rechtsakt des Rates vom 26. Juli 1995 über die Ausarbeitung des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften ‑ 95/C 316/03, ABl. EG Nr. C 316, v. 27.11.1995, S. 49. 470 GA Kokott, Schlussantrag v. 30.04.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:EU:C:2015:​ 293, Rn. 92, die das Abkommen, anders als der EuGH in EuGH Urt. v. 08.09.2015 –

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

wird aber nur der vorsätzliche Betrug „… mit der Folge, daß Mittel aus dem Gesamthaushaltsplan der (Einf. Durch Verf.:) Union oder aus den Haushalten, die von (Einf. Durch Verf.:) der Union oder in deren Auftrag verwaltet werden, rechtswidrig vermindert werden …“, Art. 1 Abs. 1 Buchst. b SFI-Übereinkommen.471 Nach einem erläuternden Bericht des Rates zum Beschluss über die Verabschiedung des SFI-Abkommens sollen nur die beiden ersten Eigenmittelkategorien der Union gem. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Eigenmittelbeschluss472 – Zölle und bestimmte Abschöpfungen und Abgaben im Bereich der Landwirtschaft – Gegenstand des SFI-Abkommens sein. Die Einnahmen i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Eigenmittelbeschluss, die sich aus der Anwendung eines für alle Mitgliedstaaten einheitlichen Mehrwertsteuersatzes ergeben,473 sollen dagegen nicht dem Schutz des SFI-Abkommens unterfallen. Denn diese Eigenmittel werden nicht unmittelbar für die Union erhoben.474 Im Verfahren C-105/14 – ­Taricco u.a. stützte die deutsche Regierung ihre Überzeugung, dass sich aus dem SFI-Abkommen keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur strafrechtlichen Sicherung des Mehrwertsteueraufkommens ergebe, auf diese Erklärung.475 Dem ist EuGH in Anschluss an die Generalanwältin zu Recht nicht gefolgt. Nach Ansicht der Generalanwältin enthält die Erklärung keine bindende Auslegung des SFI-Übereinkommens. Vielmehr ist die Erklärung nur eine rechtlich unverbindliche Meinungs­ äußerung eines Unionsorgans. Dieses Organ ist weiter nicht Partei des Übereinkommens, sondern habe nur dessen Ausarbeitung zur Annahme C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:ECLI:EU:C:2015:555, Rn. 4, noch als PiF-Übereinkommen bezeichnet. 471 EuGH Urt. v. 08.09.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:ECLI:EU:C:2015:555, Rn. 40. 472 Der Rat bezog sich auf den Beschlusses 94/728 /EG des Rates vom 31.10.1994 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften, ABl. Nr. L 293, S. 9. Dieser wurde zum 01.01.2007 gem. Art. 10 Abs1 des Eigenmittelbeschlusses v. 07.06.2007 – 2007/436/EG, ABl. L 163, v. 23.06.2007, S. 17, durch eben diesen Eigenmittelbeschluss ersetzt. Letzterer wurde zwischenzeitlich durch den gem. Art. 10 Abs. 1 Eigenmittelbschluss v. 26.05.2014 – 2014/335/EU, Euratom, ABl. L 168 v- 07.06.2014, S. 7, weitestgehend ersetzt. Hinsichtlich der Definition der Eigenmittelkategorien in den jeweiligen Artikeln 2 der Beschlüsse ergaben sich keine Änderungen. 473 Zur Finanzierung der Union aus dem Mehrwertsteueraufkommen s.o. Teil II A.IV Grundsatz des Vertrauensschutzes. 474 Erläuternder Bericht zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Inte­ ressen der Europäischen Gemeinschaften, vom Rat am 26. Mai 1997 gebilligt, ABl. Nr. C 191, v. 23.06.1997, S. 1, III.1.1 zu Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens, ltz. Absatz. 475 GA Kokott, Schlussantrag v. 30.04.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:EU:C:2015:​ 293, Rn. 96.

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durch die Mitgliedstaaten übernommen habe.476 Zudem steht gem. Art. 8 SFI-­Übereinkommen dessen verbindliche Auslegung allein dem EuGH zu. Gleiches folgt nunmehr auch aus Art. 19 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Buchst. b EUV und aus Art. 267 AEUV. Insoweit bleibt allerdings anzumerken, dass damit zwar eine Verbindlichkeit der Erklärung ausscheidet. Als Auslegungskriterium hingegen kann die Äußerung des Rates, eben weil er an der Ausarbeitung des Übereinkommens beteiligt war, dennoch dienen. Denn gerade Äußerungen desjenigen Organs, das die Ausarbeitung übernommen hat, lassen Rückschlusse auf die legislativen Motivationen zu, die dem Text zugrunde gelegen haben. Denn innerhalb dieses Organes findet sowohl die Definition der Ziels als auch der Mittel statt. Auch der Aspekt, dass der Rat selbst nicht, sondern nur die Mitgliedstaaten Partei des Übereinkommens sind, steht dem nicht entgegen. Denn er lässt die Zusammensetzung des Rates außer Acht. So ist dieser durch Minister der einzelnen Mitgliedstaaten besetzt, Art. 16 Abs. 2 EUV. Es liegt daher nahe, dass sich aus Äußerungen des Rates zumindest auch auf die Motive der einzelnen Vertragsparteien schließen lässt. Gleiches gilt für den Umstand, dass weder das Übereinkommen, noch das Zusatzprotokoll auf diese Erklärung Bezug nimmt.477 Denn dass ein Legislativakt auf Dokumente Bezug nimmt, die die gesetzgeberischen Motive darstellen, widerspreche gerade der Technik abstrahierender Gesetzgebung. Zugestanden sei an dieser Stelle aber der Einwand, dass europäischen Legislativakten regelmäßig Erwägungsgründe vorangestellt werden, die eben jene Motive beinhalten. Eine Anhaltspunkt für die gewollte Einschränkung des Anwendungsbereiches auf diejenigen Einnahmen, welche „… unmittelbar für die Gemeinschaften erhoben werden …“478 wäre daher zu erwarten gewesen. Ein solcher findet sich jedoch in den Erwägungsgründen zum SFI-Abkommen nicht. Diese nennen vielmehr generell den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft/Union als Ziel des Abkommens, ohne auf einzelne Einnahmequellen Bezug zu nehmen.479

476 GA Kokott, Schlussantrag v. 30.04.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:EU:C:2015:​ 293, Rn. 96 f. 477 GA Kokott, Schlussantrag v. 30.04.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:EU:C:2015:​ 293, Rn. 97. 478 Erläuternder Bericht zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Inte­ ressen der Europäischen Gemeinschaften, vom Rat am 26. Mai 1997 gebilligt, ABl. Nr. C 191, v. 23.06.1997, S. 1, III.1.1 zu Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens, ltz. Absatz. 479 Siehe Anhang zum Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Schutz der finanziellen Interessen der Euro­ päischen Gemeinschaften, ABl. EG Nr. C 316, v. 27.11.1995, S. 49.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Mit der Generalanwältin480 ist daher der Erklärung die gleiche Bedeutung beizumessen, wie Protokollerklärungen und Presseerklärungen. Berücksichtigt würde die Erklärung damit nur dann, wenn sie im Text des Übereinkommens Ausdruck gefunden hat.481 Das ist, wie soeben gezeigt, in den Erwägungsgründen nicht der Fall. Da auch Art. 1 Abs. 1 Buchst. b SFI-­ Übereinkommen den Anwendungsbereich auf alle Einnahmen betreffend die Mittel aus dem Gesamthaushaltsplan erstreckt, findet sich auch in den Regelungen selbst kein Anhaltspukt für die in der Erklärung vorgesehenen Einschränkung.482 Auch der offenbar im Verfahren C-105/14 von der deutschen Regierung vorgebrachte Einwand, ein verpflichtend strafrechtlicher Schutz der Einnahmen aus der Mehrwertsteuer werde erst mit dem Richtlinienvorschlag zur sekundärrechtlichen Sicherung der finanziellen Interessen der Union483 verfolgt,484 widerspricht dem nicht. Denn Grund für dieser Vorschlag war vor allem, dass sich die Ratifizierung des SFI-Abkommens verzögerte.485 Damit war Zweck des Richtlinienvorschlages aber nur den vermeintlich durch das SFI-Übereinkommen nicht erreichten Zweck mit den Mitteln des Sekundärrechts weiterzuverfolgen. Eine Erweiterung des Schutzbereiches, im Vergleich zur SFI-Übereinkommen lässt sich daraus aber gerade nicht ableiten. Für dieses weite Verständnis spricht auch der Zweck des SFI-Übereinkommens. So würde die Schutzwirkung des SFI-Übereinkommens wesentlich geschmälert, wenn Einnahmen aus dem Mehrwertsteueraufkommen nicht von diesem umfasst würden. Das wiederum wiederspreche dem Grundsatz, demzufolge Unionsrechtsakte auch von Unionsorganen 480 GA Kokott, Schlussantrag v. 30.04.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:EU:C:2015:​ 293, Rn. 98. 481 Vgl. EuGH Urt. v. 26.02.1991 – C‑292/89 – Antonissen, Slg. 1991, 80, Rn. 18; v. 08.06.2000 – C-375/98 – Epson Europe, Slg. 2000, I-4243, Rn. 26; v. 10.01.2006 – C‑402/03 –, Skov und Bilka, Slg. 2006, I-6, Rn. 42; v. 17.04.2008 – C‑404/06 – Quelle, Slg. 2008, I-231, Rn. 32. 482 GA Kokott, Schlussantrag v. 30.04.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:EU:C:2015:​ 293, Rn. 100. 483 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft, KOM(2001) 272 endgültig, ABl. EG C 240 E, v. 28.08.2001, S. 125. 484 GA Kokott, Schlussantrag v. 30.04.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:EU:C:2015:​ 293, Fn. 56. 485 Erwägungsgrund 3 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft, KOM(2001) 272; Begründung zu 1 der Kommission zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den strafrecht­ lichen Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft, KOM(2001) 272, 1. ABl. EG C 240 E, v. 28.08.2001, S. 125, (Allgemeine Bemerkung),.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

nicht so ausgelegt werden dürfen, dass ihre praktisch Wirksamkeit eingeschränkt wird.486 Diesen teleologischen Ansatz lässt der EuGH, ohne auf die übrigen Erwägungen der Generalanwältin einzugehen, genügen, um eine Einschränkung des Anwendungsbereiches des SFI-Übereinkommens abzulehnen.487 Die Befugnisse der Mitgliedstaaten erweitert das SFI-Abkommen aber nicht. Denn das SFI-Übereinkommen richtet sich mit seinen Verpflichtungen direkt an die Mitgliedstaaten. Eine unmittelbare Anwendung scheidet damit, und auch weil die getroffenen Regelungen nicht hinreichend konkret sind,488 aus. Deren Erfüllung muss mit Mitteln des nationalen Rechts erfolgen. Da das SFI-Übereinkommen gem. Art. 1 Abs. 1 SFI-Übereinkommen nur vorsätzlichen Betrug zum Gegenstand hat, der nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist,489 soll es hier mit der Klärung der grundsätzlichen Anwendbarkeit auf die Mehrwertsteuer sein Bewenden haben.

III. Umfang der Befugnis zur Sanktion 1. Der gemeinsame Maßstab Trotz der unterschiedlichen Normen, welche die Befugnisse der Mitgliedstaaten zur Ergreifung von Sanktionsmaßnahmen zum Gegenstand haben, unterscheiden sich die Kriterien, nach denen sich die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen beurteilt, nicht. So zieht der EuGH die Rechtsprechung zu Art. 273 M ­ wStSystRL bei Fallgestaltungen heran, in denen sich Maßnahmen auf Art. 131 M ­ wStSystRL stützen490 und umgekehrt.491 Gleiches gilt für die Regelungen der 486 GA Kokott, Schlussantrag v. 30.04.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:EU:C:​ 2015:293, Rn. 101 f.; zum Verbot einer die praktische Wirksamkeit beschränkenden Auslegung durch die Unionsorgane allgemein EuGH Urt. v. 26.10.2006 – C-199/05 – Europäische Gemeinschaft, Slg. 2006, I-10485, Rn. 42; v. 22.03.2007 – C‑437/04 – Kommission/Belgien, Slg. 2007, I-178, Rn. 56. 487 EuGH Urt. v. 08.09.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:ECLI:EU:C:2015:555, Rn. 41. 488 Allein auf diesen Anspekt stützt sich GA Kokott, Schlussantrag v. 30.04.2015 – C-105/14 – Taricco u.a., ECLI:EU:C:2015:293, Rn. 122. 489 S.o. Einleitung. 490 EuGH, Urt. v. 07.12.2010 – C-285/09 – R, ECLI:EU:C:2010:742, Rn. 45 mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 11.05.2006 – C-384/04 – Federation of Technological Industries, ECLI:EU:C:2006:309, Rn. 29 f. und v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 26. 491 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 26 mit Verweis u.a. auf EuGH, Urt. v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Art. 254 ff. und 267 ­MwStSystRL.492 Das verwundert auch nicht, da allen Normen die Zwecksetzung gemein ist. Den Mitgliedstaaten wird diese Sanktionsbefugnis eingeräumt, um die korrekte Steuererhebung zu sichern und die Steuerhinterziehung zu verhindern. Auch ohne normativen Niederschlag im Sekundärrecht ist „… die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein von der Sechsten Richtlinie anerkanntes und gefördertes Ziel …“493. Die einzelnen Befugnisnormen sind daher nur als Ausprägungen einer den Mitgliedstaaten generell zugewiesenen Befugnis, die notwendigen Maßnahmen zur Verwirklichung des in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie beschriebenen Besteuerungsziels durchzusetzen, anzusehen. Will man den Rahmen, in dem sich die Mitgliedstaaten bei der Sanktion bewegen dürfen, abstecken, muss man daher, sofern den einzelnen Befugnisnormen keine ausdrücklichen spezifischen Grenzen gesetzt sind494, nicht zwischen den einzelnen Befugnisnormen unterscheiden. 2. Die unterschiedlichen Sanktionsrichtungen Wie bereits oben gezeigt, lassen sich die denkbaren Sanktionsfolgen in zwei Gruppen unterteilen. Die Aberkennung mehrwertsteuerlicher Rechtspositionen und die Sanktionierung jenseits des Steuertatbestandes.495 Während erstere das auf Grundlage der objektiven Gegebenheiten gebotene Besteuerungsergebnis modifizieren, mithin materielle Wirkung entfalten, lassen letztere die materielle Rechtsfolge unberührt und entfalten ihre Wirkung parallel zum Besteuerungsverfahren.

u.a., ECLI:EU:C:2000:145, Rn. 52 und v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:C:2000:469, Rn. 59. 492 So verweist der EuGH in Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 66, zur Entscheidung betreffend einer auf Art. 256 ­MwStSystRL gestützte Sanktion u.a. auf EuGH, Urt. v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:C:2000:145, Rn. 52, welches die Befugnisse der Mitgliedstaaten gem. Art. 131 M ­ wStSystRL zum Gegenstand hatte, und auf EuGH, Urt. v. 18.12.1997 – C‑286/94, C‑340/95, C‑401/95 und C‑47/96 – Molenheide u.a., ECLI:EU:C:1997:623, Rn. 47, welches die Befugnisse gem. Art. 273 ­MwStSystRL betraf. 493 U.a. EuGH, Urt. v. 07.12.2010 – C-285/09 – R, ECLI:EU:C:2010:742, Rn. 46 m.w.N. 494 Siehe dazu insbesondere oben zu Art. 273 UA 1 ltz. HS, UA 2 M ­ wStSystRL, Teil II C.I.3.b) Die ausdrücklichen Grenzen der Befugnisse gem. Art. 273 ­MwStSystRL. 495 Siehe oben Teil I C Rechtsfolgen.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

a) Materiell wirkende Sanktionen Als Sanktionsfolgen bieten sich hier sowohl die gänzliche Aberkennung des Vorsteuerabzugs496, die Suspendierung des Vorsteuerabzugs497 – mithin die Aberkennung des Sofortabzugs – als auch die Aberkennung der Steuerfreiheit498 an.499 Jede dieser Aberkennungen materiell-rechtlich entstandener, mehrwertsteuerlicher Rechtspositionen, einzig wegen der – nicht vorsätzlichen – Verletzung der betreffenden formellen Erklärungs- bzw. Meldungspflicht, ist vom EuGH als unionsrechtswidrig erkannt worden.500 Es bleibt bei der Feststellung, es handle sich hierbei nicht um Maßnahmen, zu denen die Mitgliedstaaten berufen sind. Eine dezidierte Klärung jenseits der Aussage, diese Sanktionsfolgen gingen über das Erforderliche hinaus, fehlt. Diese Formulierung zeigt bereits, dass der EuGH offenbar diese Maßnahmen als gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßend erkennt.501 In der Folge wird daher versucht, diese Rechtsprechung zu präzisieren und in das Gesamtsystem der Rechtsprechung des EuGH einzupassen. Ziel ist, diese Rechtsprechung auf ein argumentatives Fundament zu stellen, welches als Ausgangspunkt für eine Verallgemeinerung dienen kann. 496 Vgl. hierzu die Fallgestaltung in EuGH, Urt. v. 30.09.2010 – C-392/09 – Uszodaepito, ECLI:EU:C:2010:569, und in EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 – ­Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:C:2010:441; v. 17.07.2014 – C-272/13 – Equoland, ECLI:EU:C:2014:2091, zur faktischen Aberkennung des Vorsteuerabzuges. 497 Vergleiche hierzu die Fallgestaltungen in EuGH, Urt. v. 11.05.2006 – C-384/04 – Federation of Technological Industries, ECLI:EU:C:2006:309, und EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267; v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414. 498 Siehe hierzu die Fallgestaltung in EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549. 499 Da Gegenstand dieses Abschnitts nur die von den Mitgliedstaaten vorgesehenen Sanktionsmechanismen sein sollen, bleiben die Doppelbesteuerung gem. Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL außer Betracht. 500 Für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung, EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 29 ff.; für die Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferung, BFH, Urt. v. 28.05.2009 – V R 23/008, BStBl. II 2010, 517 (519 f., II.2.b), II.3.c)); vorgehend FG Niedersachsen, Urt. v. 19.05.2008 – 16 K 177/06, DStRE 2008, 1390; hierzu Michel, BB 2008, 2055 (2056); vgl. für die Versagung des Vorsteuerabzuges, EuGH, Urt. v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:2012:458, Rn. 69 ff., 75. 501 Siehe zum unionsrechtlichen Erforderlichkeitsmaßstab im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeitsprüfung oben Teil II A.III.3.c) Erforderlichkeit und dessen Bedeutung für die Angemessenheitsprüfung nach deutscher Terminologie oben Teil II A.III.3.d)aa) Generell unregelmäßige Anwendung einer Angemessenheitsprüfung.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Der Rechtsprechung scheinen dabei folgende Überlegung zugrunde zu liegen. aa) Grundsatz: Unionsrechtswidrigkeit materieller Sanktionen Generell können die Mitgliedstaaten Sanktionsmechanismen nur vorsehen, um die genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen.502 Was eine genaue Erhebung der Steuer ist, definiert sich nach dem materiellen Sekundärrecht der ­MwStSystRL und bestimmt sich einzig nach objektiven Merkmalen eines Umsatzes.503 Dieses Ziel konterkarierte eine nationale Maßnahme, welche Einfluss auf diese materielle Rechtsfolge nimmt.504 Liegen z.B. die Voraussetzungen des Art. 138 M ­ wStSystRL vor, fehlt aber der Nachweis der Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung durch die formellen, nach nationalen Recht vorgeschriebenen Verfahren, und wird nur deshalb – ohne Berücksichtigung anderer Beweismittel – die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung versagt, so führt diese Rechtsfolge sehenden Auges zur Herbeiführung einer materiell falschen Rechtsfolge.505 Allgemeiner gefasst heißt das folgendes: Schlagen formelle Rechtsanwendungsfehler der Steuerpflichtigen auf die materielle Ebene durch, so entfaltet die fragliche Maßnahme zwar eine verhaltenslenkende Wirkung. Der Steuerpflichtige wird sich bemühen dem entsprechenden Nachweisverfahren in Zukunft zu entsprechen. Dadurch wird die Überprüfbarkeit späterer Umsätze gefördert. Da eine solche präventiv-repressive Wirkung auch das Unionsrecht erlaubt,506 ist dem Ziel der Sicherung der korrekten Steuererhebung insofern gedient. 502 U.a. EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:497, Rn. 44 f. 503 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.01.2006 – C-354/03, C-355/03 und C-484/03 – Optigen u.a., ECLI:EU:C:2006:16, Rn. 44; v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel und Recolta Recycling, ECLI:EU:C:2006:446, Rn. 41; v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 30. 504 Zur zeitweisen Suspendierung der Wirkung dem Steuerpflichtigen günstigen Regelungen, welche kein Sanktionscharakter haben, siehe unten Teil II C.III.2.b)cc) Fazit. 505 Vgl. EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 31; so i.E. auch für den Fall des vorsätzlich handelnden Steuerpflichtigen, GA Cruz Villalón, Schlussantrag v. 07.12.2010 – C-285/09 – R, ECLI:EU:C:2010:381, Rn. 105 ff.; zum hiervon abweichenden Urteil des EuGH, Urt. v. 07.12.2010 – C-285/09 – R, ECLI:EU:C:2010:742, sogleich unten Teil II C.III.2.a)bb) Ausnahmsweise Verhältnismäßigkeit der Aberkennung. 506 „Abschreckende Wirkung“ EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 28, 35; nach in Deutschland vorherrschender Ansicht dient das Ordnungswidrigkeitenrecht in

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

Allerdings verhindert sie die genaue Erhebung der Steuer für den jeweils fraglichen Umsatz und verfehlt damit insofern das Ziel, welches die Mitgliedstaaten mit den Maßnahmen verfolgen sollen. Damit ist eine solche Maßnahme im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes schon gar nicht geeignet. Damit muss zwingend, allein vor dem Hintergrund der damit verfolgten Zielsetzung, eine Verknüpfung von formalen Nachweiserfordernissen und materieller Besteuerungsfolge ausscheiden. Neben dieser mangelnden Eignung streitet für dieses Ergebnis auch das Verbrauchsteuerprinzip. Insbesondere für die Sanktionen, welche auf Ebene des Vorsteuerabzugs wirken, gilt folgendes: Die Verknüpfung von formalen Pflichten mit der materiellen Ebene des Mehrwertsteuersystems steht im Widerspruch zum systemimmanenten Grundsatz der steuerlichen Liquiditätsneutralität. Demzufolge greifen Steuertatbestand und Vorsteuerabzug mit dem Ergebnis der vollständigen und grundsätzlich simultan zur Belastung eintretenden Entlastung des Steuerpflichtigen ineinander. Die Besteuerung bleibt, auch hinsichtlich einer Vorfinanzierungslast, belastungs‑ weil liquiditätsneutral.507 Deshalb hängt dieses zentrale Institut der steuerlichen Neutralität in seiner Entstehung gem. Art. 167 M ­ wStSystRL nur von materiellen Vo­ raussetzungen ab.508 Neutral ist die Besteuerung damit nur, wenn die Gewährung des Vorsteuerabzugs nur von dessen materiellen (Entstehungs-) Voraussetzungen abhängig gemacht wird. Der Grundsatz der Neutralität gilt aber nicht uneingeschränkt. Vielmehr tritt er neben das Erfordernis der genauen Erhebung der Steuer und der Verhinderung der Steuerhinterziehung. Zu diesem Zweck schränkt Art. 178 M ­ wStSystRL den Grundsatz des Sofortabzugs und damit den Neutralitätsgrundsatz insofern. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs wird gem. Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL solange suspendiert wird, bis die Voraussetzungen des Abzugs durch eine Rechnung – ein ausweislich der EuGH-Terminologie nicht materielles Abgrenzung zum Strafrecht einzig diesem Zweck. Hierzu Geiger, Die Rechtsnatur der Sanktion, S. 26; BT-Drs. V/1296, S. 58 f. 507 S.o. Teil II B.IV.2.b)cc)(1) Kumulative Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs – Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug und Besitz einer Rechnung. 508 EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 64; vgl. für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung, EuGH, Urt. v. 01.04.2004 – C-90/02 – Bockemühl, ECLI:EU:C:2004:206, Rn. 51; v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 31; einzig in Bezug auf die Steuernummer, die nicht mit der Mehrwertsteueridentifikationsnummer identisch ist, aber dennoch die Identifikation des Steuerpflichtigen ermöglicht, EuGH, Urt. v. 22.12.2010 – C-349/09 – Dankowski, ECLI:EU:C:2010:818, Rn. 30.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Erfordernis509 – nachgewiesen wurden. Verhältnismäßig ist dies, weil regelmäßig mit einer Zahlung an den Leistenden und damit mit einer Vorsteuerbelastung erst ab Rechnungsstellung zu rechnen ist.510 Geht man also mit dem EuGH davon aus, dass die Rechnungsstellung den Zeitpunkt der Vorsteuerbelastung und damit auch den Zeitpunkt der Entlastung unter Neutralitätsgesichtspunkten markiert, stellt die Verlagerung des Rechts auf Vorsteuerabzug über den Zeitpunkt der Rechnungserteilung hinaus eine erneute Einschränkung des Neutralitätsgrundsatzes dar. Diese bedarf der Rechtfertigung. Insbesondere muss sie erforderlich sein. Als milderes Mittel zur Durchsetzung von Berichts– und sonstigen Mitwirkungspflichten erkennt der EuGH dabei die Verhängung von Bußgeldern;511 mithin einer formellen Sanktion, welche die Gewährung des Vorsteuerabzugs unberührt lässt. Da Fälle, in denen die Verhängung von Bußgeldern nicht möglich ist, praktisch nicht denkbar sind, ergeben sich zugleich keine Fälle, in denen die Versagung des Vorsteuerabzugs erforderlich wäre. Eine Suspendierung des Vorsteuerabzugs wegen der Verletzung formaler Pflichten schränkt damit den Vorsteuerabzug unverhältnismäßig ein. Allgemein lässt sich daraus folgern: Der Einfluss von formalen Erfordernissen – jenseits der Rechnung – auf den Tatbestand des Vorsteuerabzugs ist, wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, unzulässig.512 509 EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 – Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:C:2010:441, Rn. 43 ff.; v. 08.05.2013 – C-271/12 – Petroma Transport, ECLI:EU:C:2013:297, Rn. 34. 510 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:​ 268, Rn. 37; im deutschen Recht wird bis zur Rechnungserteilung ein zivilrechtliches Zurückbehaltungsrecht des Leistungsempfängers angenommen. Streit besteht lediglich bzgl. des Umfangs. Für den Bruttobetrag, OLG München, Beschl. v. 25.09.1987 – 7 W 2791/87, NJW 1988, 270 (271); Hüttemann/Jacobs, MDR 2007, 1229 (1232); Kemper, S. 103; Peusquens, NJW 1974, 683 (684); Heidner in Bunjes/Geist, § 15, Rn. 183; Walz, BB 1991, 880 (881); dagegen ein Zurückbehaltungsrecht nur in Höhe des Umsatzsteuerbetrages anerkennend, Heeseler, BB 2006, 1137 (1141 f.); Herzing, BC 2010, 417 (421); Hummel, NZS 2010, 139 (140); Stadie, UStG, § 14, Rn. 38; Weiss, UR 1990, 313; Widmann, DStR 2005, 1161 (1164). 511 U.a. EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:​ 2008:267, Rn. 67. 512 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.12.1997 – C‑286/94, C‑340/95, C‑401/95 und C‑47/96 – Molenheide u.a., ECLI:EU:C:1997:623, Rn. 47; v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:C:2000:145, Rn. 52; v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 66; v. 17.07.2014 – C-272/13 – Equoland, ECLI:EU:C:2014:2091, Rn. 39.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

Generalisierend lässt sich der Rechtsprechung des EuGH folgende Grundaussage ableiten: Die Verknüpfung materiellen Rechts mit formalen Erfordernissen ist den Mitgliedstaaten untersagt. bb) Ausnahmsweise Verhältnismäßigkeit der Aberkennung In der jüngeren Rechtsprechung des EuGH finden sich allerdings auch Entscheidungen, welche die Aberkennung materiell entstandener Rechtspositionen tatsächlich möglich erscheinen lassen. In diesen Fällen muss aber immer noch ein subjektives Element hinzutreten. So gestatten es die Befugnisse der Mitgliedstaaten aus Art. 131 ­MwStSystRL auch, trotz Vorliegen der materiellen Voraussetzungen gem. Art. 138 M ­ wStSystRL, die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung abzuerkennen. Allerdings nur dann, wenn der Lieferant bewusst die Identität des Erwerbers verschleiert, um diesem die Hinterziehung der Erwerbssteuer zu ermöglichen. Einem solchen Steuerpflichtigen die materiell gebotene Steuerbefreiung zu versagen ist demnach verhältnismäßig.513 Darüber hinaus kann sich ein Steuerpflichtiger, der sich bewusst an einer Steuerhinterziehung beteiligt und damit das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gefährdet, weder auf die Grundsätze der Neutralität der Mehrwertsteuer, der Rechtssicherheit, noch des Vertrauensschutzes berufen.514 Er stellt sich bewusst gegen seine systemische Rolle und kann sich daher auf die daran anknüpfenden Grundsätze nicht berufen.515 Da er nicht als Steuerpflichtiger handelt, stehen ihm die diese Eigenschaft voraussetzenden Rechtspositionen nicht zu. Eine Aberkennung dieser liegt damit mangels Berechtigung, gar nicht vor. Ohne Eingriff in Rechtspositionen des so bewusst Handelnden fehlt somit bereits der Anknüpfungspunkt für eine Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Als Sanktion kann der Mitgliedstaat im Falle der Ermöglichung der Steuerhinterziehung also materiell entstandene Rechtspositionen aberkennen. Ist in einem solchen Fall überwiegend wahrscheinlich, dass ein Umsatz im Binnenmarkt gar nicht – systemkonform, in diesem Fall im Bestimmungsland – besteuert wird, muss der Mitgliedstaat die den Steuerpflichtigen begünstigende materielle Rechtsposition (hier Steuerbefreiung) gar aberkennen, um zu verhindern, dass der Umsatz gar nicht besteuert wird.516 Anhalts513 EuGH, Urt. v. 07.12.2010 – C-285/09 – R, ECLI:EU:C:2010:742, Rn. 53. 514 EuGH, Urt. v. 07.12.2010 – C-285/09 – R, ECLI:EU:C:2010:742, Rn. 54. 515 S.o. Teil II A.III.3.d)cc) Objektiver Maßstab der Angemessenheitsprüfung durch den EuGH im Mehrwertsteuerrecht. 516 EuGH, Urt. v. 07.12.2010 – C-285/09 – R, ECLI:EU:C:2010:742, Rn. 52.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

punkte dafür, dass zumindest dieser Steuerbetrag dem Bestimmungsland zuzuleiten wäre, fehlen. Der Umsatz wird dann also nach dem Herkunftslandprinzip besteuert. Im Falle der vorsätzlichen Steuerhinterziehung geht das All-Phasen-Prinzip des Mehrwertsteuersystems, wonach die Steuer auf jeder Produktions- oder Vertriebsstufe erhoben wird,517 folglich dem Bestimmungslandprinzip – und damit der Wettbewerbsneutralität im Binnenmarkt – vor.518 Gleiches gilt für das Recht auf Vorsteuerabzug. Dieses Recht kann dem Steuerpflichtigen nicht allein wegen seiner faktischen Beteiligung an einer Steuerhinterziehung aberkannt werden. Nur, wenn der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen – mithin nicht gutgläubig war –, dass von ihm getätigte Umsätze Teil einer Steuerhinterziehung sind, kann dieser, trotz des Vorliegens der materiellen Voraussetzungen, aberkannt werden.519 Kann aber eine systemkonforme Besteuerung erfolgen, „… ist es zur Gewährleistung der Erhebung der Mehrwertsteuer und zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen nicht erforderlich, dass er seinen guten Glauben nachweist …“520. Dann kommt es daher auf die Intention des Steuerpflichtigen nicht an.521 cc) Fazit Die dargestellte Rechtsprechung des EuGH zeigt, dass die Aberkennung materieller Rechtspositionen als Sanktion der Verletzung bestimmter Mitwirkungspflichten nur beim Zusammentreffen zweier Faktoren verhältnismäßig sein kann. Zunächst muss die Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen das Steueraufkommen gefährden. Daneben muss der Steuerpflichtige um seine Beteiligung an der Gefährdung des Steueraufkommens wissen oder zumindest wissen müssen.

517 U. a. EuGH, Urt. v. 08.06.2000 – C-98/98 – Midland Bank, ECLI:EU:C:2000:300, Rn. 29; v. 27.11.2003 – C-497/01 – Zita Modes, Slg. 2003, I-14393, Rn. 39; v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 22 jeweils m.w.N. 518 Vgl. EuGH, Urt. v. 07.12.2010 – C-285/09 – R, ECLI:EU:C:2010:742, Rn. 52. 519 EuGH, Urt. v. 12.01.2006 – C-354/03, C-355/03 und C-484/03 – Optigen u.a., ECLI:EU:C:2006:16, Rn. 52; v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel und Recolta Recycling, ECLI:EU:C:2006:446, Rn. 45 f., 55 ff.; v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:EU:C:2012:373, Rn. 45 f.; vgl. in den Fällen, in denen ein Steuerausfall nicht vorliegt, und daher die Aberkennung des Vorsteuerabzuges unverhältnismäßig ist, EuGH, Urt. v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:2012:458, Rn. 70 520 EuGH, Urt. v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:C:​2000:469, Rn. 60. 521 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 34 f.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

b) Nicht materiell wirkende Sanktionsmechanismen – ­Verwaltungsstrafen Materiell wirkenden Sanktionen treten formelle Rechtsfolgen in Form der Verwaltungsstrafen gegenüber. aa) Zwecksetzung der Sanktionsbefugnis als Grenze der Sanktions­ befugnis Gemäß der Bindung der Mitgliedstaaten durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dürfen die Mitgliedstaaten nur diejenigen Maßnahmen vorsehen, welche nicht über das zur Erreichung des Ziels Erforderliche hinausgehen.522 Das zu verfolgende Ziel ist dabei durch die einschlägigen Befugnisnormen als die Sicherung der korrekten Erhebung der Steuer ­definiert.523 Sanktionen haben den Zweck, den Steuerpflichtigen zur Befolgung derjenigen Regelungen anzuhalten, welche zu diesem Zweck ­erlassen wurden. Der Steuerpflichtige soll, auch jenseits der konkret betroffenen Umsätze, mit Blick auf seine zukünftige steuerpflichtige Tätigkeit, zur Befolgung der entsprechenden Regelungen angehalten werden.524 Die zentrale Funktion der Sanktion ist somit eine verhaltenslenkende.525 522 S.o. Teil II A.III.3 Inhalt des ungeschriebenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. 523 S.o. Teil II C.III.1 Der gemeinsame Maßstab. 524 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.09.1989 – C-68/88 – Kommission/Griechenland, ECLI:EU:C:1989:339, Rn. 24; v. 10.07.1990 – C-326/88 – Hansen, Slg. 1990, I-2911, Rn. 17; v. 30.09.2003 – C-167/01 – Inspire Art, Slg. 2003, I-10155, Rn. 62; v. 15.01.2004 – C-230/01 – Penycoed, Slg. 2004, I-937, Rn. 36; v. 03.05.2005 – C-387/02, C-391/02 und C-403/02 – Berlusconi u.a., Slg. 2005, I-3565, Rn. 65; v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 28, 35; v. 26.02.2013 – C-617/10 – Åkerberg Fransson, ECLI:EU:C:2013:105, Rn. 26. 525 Zum individualpräventiven Zweck vgl. EuGH, Urt. v. 21.09.1989 – C-68/88 – Kommission/Griechenland, ECLI:EU:C:1989:339, Rn. 24; v. 10.07.1990 – C-326/88 – Hansen, Slg. 1990, I-2911, Rn. 17; v. 30.09.2003 – C-167/01 – Inspire Art, Slg. 2003, I-10155, Rn. 62; v. 15.01.2004 – C-230/01 – Penycoed, Slg. 2004, I-937, Rn. 36; v. 03.05.2005 – C-387/02, C-391/02 und C-403/02 – Berlusconi u.a., Slg. 2005, I-3565, Rn. 65; v. 26.02.2013 – C-617/10 – Åkerberg Fransson, ECLI:EU:C:2013:105, Rn. 26; weitergehend auch zum generalpräventiven Zweck „Abschreckende Wirkung“ EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur ­Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 28, 35; nach in Deutschland vorherrschender Ansicht dienen die Verwaltungssanktionen durch Ordnungswidrigkeiten in Abgrenzung zum Strafrecht einzig diesem Zweck, BVerfG, Urt. v. 16.07.1969 – 2 BvL 2/69, BVerfGE 27, 18 (33); BT-Drs. V/1296, S. 58 f.; Förster in Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, Vor § 1 (Mär. 1996), Rn. 13; Geiger, Die Rechtsnatur der Sanktion, S. 26; Gramse, BB 1984, 371 (372) ; Gürtler in Göhler, OWiG, Vor § 1, Rn. 9; Mitsch in Karlsruher Kommentar zum OwiG, § 17, Rn. 8 f.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Daraus folgen zwei zentrale Aussagen für den Umfang der Sanktionsbefugnis. Erstens knüpft die Zwecksetzung einer Sanktion, die Rechtmäßigkeit, notwendigerweise an die Erforderlichkeit der durchgesetzten Rechtsfolge an. Ob die zusätzlichen Pflichten dem Unionsrecht genügen, ist daher im Rahmen der Prüfung der Sanktionsfolge zu prüfen. Das liegt zunächst daran, dass regelmäßig nicht über die Mitwirkungspflicht, sondern erst über die Sanktion aufgrund des Verstoßes gegen diese Streit entsteht.526 Das ist nur konsequent. Denn die Sanktionierung eines Pflichtverstoßes kann schon dann nicht zur Sicherung der Steuer­ erhebung und der Verhinderung der Steuerhinterziehung erforderlich sein, wenn die verletzte Pflicht im Einzelfall hierzu nicht erforderlich war. Die Erforderlichkeit der durch die Sanktion durchgesetzten Dokumentationspflicht schlägt damit auf die Erforderlichkeit der Sanktion durch; im Rahmen der Prüfung einer Sanktion muss die Prüfung der durchgesetzten Pflicht erfolgen.527 Zweitens folgt aus der Zwecksetzung, dass, im Falle irrtümlicher Rechtsanwendungsfehler, der Steuerpflichtige zur Vermeidung dieser Irrtümer durch Anlegung eines höheren Sorgfaltsmaßstabes angehalten werden soll. Eigentlicher Zweck der Sanktionen ist daher, den Steuerpflichtigen zur Beachtung der gebotenen Sorgfalt anzuhalten. Dabei ist der Grad der vom Steuerpflichtigen bei der Anwendung des Mehrwertsteuerrechts zu beachtenden Sorgfalt – auch für die Befolgung nationaler Mitwirkungspflichten – unionsrechtlich definiert.528 Legitimes 526 Der Grund hierfür liegt wohl darin, dass die Mehrzahl der Verfahren Vorlageverfahren sind. Ein Rechtsstreit vor den nationalen Gerichten – in dessen Verlauf sich eine vom EuGH vorzulegende Frage stellt – entzündet sich aber regelmäßig nur an den Folgen des Verstoßes gegen diese Aufzeichnungspflichten. In der Folge fragen die nat. Gerichte auch stets, ob eine bestimmte Sanktionswirkung unionsrechtskonform ist. Damit erfolgt die Überprüfung der Dokumentationspflicht nur als Reflex der Sanktion; Vgl. hierzu die Fragestellungen in EuGH, Urt. v. 18.12.1997 – C‑286/94, C‑340/95, C‑401/95 und C‑47/96 – Molenheide u.a., ECLI:EU:C:1997:​ 623; v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:C:2000:145; v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549; v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267; v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454. 527 U.a. jüngst EuGH, Urt. v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:EU:C:2012:373, Rn. 57 ff. 528 U.a. EuGH, Urt. v. 11.05.2006 – C-384/04 – Federation of Technological Industries, ECLI:EU:C:2006:309, Rn. 33; v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel und Recolta Recycling, ECLI:EU:C:2006:446, Rn. 51; v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 24 ff.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

Ziel einer Sanktion, welche mittelbar die Sicherung der korrekten Erhebung der Steuer durch Sicherung der Sorgfalt des Steuerpflichtgen bei der Rechtsanwendung zum Ziel hat, kann daher nur sein, den Steuerpflichtigen zur unionsrechtlich zumutbaren Sorgfalt anzuhalten. Hat der Steuerpflichtige diese Sorgfalt beachtet, stellt die weitere Erhöhung der Sorgfalt des Steuerpflichtigen durch Sanktionen kein legitimes Ziel mehr dar. bb) Rechtmäßigkeit der Sanktion im Einzelnen Nach der Rechtsprechung des EuGH bemisst sich die Verhältnismäßigkeit einer Sanktion, neben nicht ausdrücklich genannten weiteren Kriterien529, nach der „… Art und … Schwere des Verstoßes, der mit dieser Sanktion bestraft werden soll, sowie … (Einf. d. Verf.:) den … Methoden für die Bestimmung der Höhe dieser Sanktion …“530. Damit bestimmt sich die generelle Sanktionswürdigkeit anhand der Art und Schwere des Verstoßes. Ist demnach eine Sanktion grundsätzlich zulässig, muss der Modus zur Bestimmung der konkreten Sanktion dem Standard der Verhältnismäßigkeit genügen. (1) Art und Schwere des Verstoßes bei formellen Fehlern Die Art und Schwere des Verstoßes bestimmt sich nach der Bedeutung der betroffenen Pflicht des Steuerpflichtigen.531 Klare Aussagen des EuGH, wonach diese Bedeutung zu bestimmen ist, fehlen. Es zeigt sich aber, dass sich der Bezugspunkt in Abhängigkeit von der Natur der verletzen Rechtsnorm bestimmt. (a) Verstoß gegen sekundärrechtlich definierte Pflichten Verstößt der Steuerpflichtige gegen eine direkt im Sekundärrecht niedergelegte formale Pflicht, ist Auswirkung dieses Verstoßes auf das mit dieser Pflicht verfolgte Ziel der Sicherung der korrekten Erhebung der Steu529 Vgl. die Formulierung in EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:497, Rn. 47 und v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 38, der zufolge die Art und Schwere des Verstoßes, als auch die Methoden zur Bestimmung der Höhe der Sanktion nur „u.a.“ die Verhältnismäßigkeit einer Sanktion bedingen. 530 EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:497, Rn. 47; v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 38; im Ergebnis gleich u.a. EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 67; v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:2012:458, Rn. 67; v. 06.02.2014 – C-424/12 – Faktorie, ECLI:EU:C:​2014:​ 50, Rn. 50; v. 17.07.2014 – C-272/13 – Equoland, ECLI:EU:C:2014:2091, Rn. 35. 531 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:497, Rn. 48 f.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

er der Maßstab, nach dem sich die Bedeutung des Verstoßes bemisst. Instruktiv sind hierzu die Urteilsgründe in der Rechtsache C-263/11 – Rēdlihs532. Demnach kann die Verhängung eines Bußgeldes zur Durchsetzung der Registrierungspflicht gem. Art. 213 Abs. 1 M ­ wStSystRL schon deshalb unverhältnismäßig sein, weil die Steuererhebung unabhängig von der Sanktion der fehlenden Registrierung des Steuerpflichtigen erfolgen kann.533 Anders gewendet erfordert die Steuererhebung an sich die Registrierung nicht; ihr Fehlen behindert, per se, die Steuererhebung nicht. Vielmehr handelt es sich bei der Registrierung nur um „… ein Kontrollzwecken dienendes Formerfordernis“534. Die Registrierung dient also einzig, dem der Steuererhebung nachgelagerten, Kontrollbereich. Da die Mitgliedstaaten nur berufen sind, Maßnahmen zu ergreifen, welche zur Sicherung der Steuererhebung und zur Verhinderung der Steuerhinterziehung erforderlich sind,535 kann die Sanktion zur Durchsetzung einer Mitwirkungspflicht, die zu diesem Zweck nicht erforderlich ist, auch selbst nicht verhältnismäßig sein. Zu beachten ist allerdings eine Besonderheit der betreffenden Rechtssache C-263/11 – Rēdlihs. Gegenstand war die Sanktion eines Steuerpflichtigen, der fälschlicherweise davon ausging, nicht steuerpflichtig tätig zu sein und daher eine Registrierung unterließ. Tatsächlich begründete seine Tätigkeit seine Steuerpflichtigkeit. Er schuldete jedoch für seine Umsätze keine Steuer, da diese dem reverse-charge-Verfahren unterlagen. Damit könnte man einwenden, dass die Aussage des EuGH, die Sanktionsbewährung der Registrierungspflicht gem. Art. 213 M ­ wStSystRL diente nicht der „… Erhebung der Steuer bei demjenigen, der sie schuldet …“536, der Sondersituation des Auseinanderfallens von Steuerschuld und Leistungserbringung geschuldet sei. Denn tatsächlich ist zunächst die Registrierung des steuerpflichtig Leistenden von der Steuererhebung beim steuerschuldenden Leistungsempfänger unabhängig. In der betreffenden Entscheidung zieht der EuGH diesen Schluss aber, unabhängig vom reverse-charge-Sachverhalt, in der vorgehenden Randziffer – einzig – aus dem Umstand, dass es sich 532 EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:497. 533 EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:497, Rn. 49. 534 EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:497., Rn. 48, mit Verweis auf das insofern gleichlautende Urt. v. 21.10.2010 – C-385/09 – Nidera Handelscompagnie, ECLI:EU:C:2010:627, Rn. 50. 535 U.a. EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:​ 2008:267, Rn. 65; v. 21.10.2010 – C-385/09 – Nidera Handelscompagnie, ECLI:EU:C:2010:627, Rn. 49; v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:2012:458; v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:​497, Rn. 46. 536 EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:497, Rn. 49.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

bei dem Registrierungserfordernis lediglich um „… ein der Kontrolle dienendes Formerfordernis …“537 handelt. Diese Erkenntnis ist dem EuGH nicht neu. Vielmehr bezieht er sich hierzu auf die Überlegungen im ­Urteil zur Rechtssache, C-385/09 – Nidera Handelscompagnie538. Dieser Rechtssache lag ein gänzlich anderer Sachverhalt zugrunde. Hier hatte ein litauischer Steuerpflichtiger die Registrierung versäumt. Gem. Art. 63 Abs. 1 des litauischen Mehrwertsteuergesetzes können Steuerpflichtige aber nur dann den Vorsteuerabzug/bzw. -erstattung geltend machen, wenn sie zum Zeitpunkt des vorsteuerbelasteten Leistungsbezuges registriert waren. Gegenstand des Verfahrens war daher also die Steuererstattung an den betroffenen Steuerpflichtigen.539 Der Versagung des Vorsteuererstattungsanspruchs wegen der nicht rechtzeitigen Regis­ trierung trat der EuGH entgegen. Das Vorsteuerabzugsrecht dürfe von diesem Kontrollzwecken dienenden Formerfordernis nicht abhängig gemacht werden. Das ergebe sich aus der gefestigten Rechtsprechung des EuGH, wonach die Befugnis der Mitgliedstaaten gem. Art. 273 ­MwStSystRL sich auf das Erforderliche beschränkt.540 Als Sanktion wegen mangelnder Registrierung scheidet die Aberkennung des Vorsteuerabzugs demnach als unverhältnismäßig aus.541 Damit unterstreicht der EuGH, dass, unabhängig vom zugrundeliegenden Sachverhalt, die Registrierungspflicht lediglich ein Formerfordernis darstellt.542 Weiter ist auch die Einhaltung von bestimmten Formerfordernissen nach Ansicht des EuGH offensichtlich nicht zwingend erforderlich, um die Besteuerung zu sichern. Die Sicherung der korrekten Besteuerung setzt aber eine wirksame Kontrolle der Selbstveranlagung durch den Steuerpflichtigen voraus. Das erfordert die Kenntnis der Finanzbehörden von den relevanten Sachverhalten.543 Bedarf es der Durchsetzung eines Form­ 537 EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:497, Rn. 48. 538 EuGH, Urt. v. 21.10.2010 – C-385/09 – Nidera Handelscompagnie, ECLI:EU:C:​ 2010:​627, Rn. 50. 539 Nieskens, EU-UStB 2010, 67 (67). 540 EuGH, Urt. v. 21.10.2010 – C-385/09 – Nidera Handelscompagnie, ECLI:EU:C:​ 2010:​ 627, Rn. 49, mit Verweis auf Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 26 m.w.N. 541 EuGH, Urt. v. 21.10.2010 – C-385/09 – Nidera Handelscompagnie, ECLI:EU:C:​ 2010:​627, Rn. 52 f. 542 An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass mit diesem Verständnis die konstitutive Eigenschaft der Registrierung wohl kaum vereinbar sein dürfte; s.o. Teil II C.I.2.a) Vorfrage: Handeln als Steuerpflichtiger im Sinne von Art. 138 ­MwStSystRL – die Qualität der Mehrwertsteueridentifikationsnummer. 543 Vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 19.11.1998 – C-85/97 – SFI, ECLI:EU:C:1998:552, Rn. 32.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

erfordernisses zu diesem Zweck nicht, müssen die Finanzbehörden auf anderem Wege die relevanten Informationen erhalten.544 Daraus folgt, dass die Sanktion des Verstoßes gegen eine formale Mitwirkungspflicht nur dann unverhältnismäßig ist, wenn der Sachverhalt anderweitig bekannt wird.545 Dann kann die Besteuerung unabhängig von den grundsätzlich vorgesehenen Formalien durchgeführt werden. Das heißt aber nicht, dass eine Sanktion schon dann nicht erforderlich ist, wenn die Finanzbehörden durch eigene Ermittlungen den Sachverhalt aufzuklären vermögen. Die Beweislast für ihm günstige Regelungen trägt weiterhin der Steuerpflichtige.546 Insbesondere sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, zugunsten des Steuerpflichtigen die Instrumente der innereuropäischen Zusammenarbeit zu bemühen.547 Die Verletzung einer formalen Mitwirkungspflicht ist somit nur dann nicht zu sanktionieren, wenn der Steuerpflichtige anderweitig diejenigen Informationen liefert, welche den Finanzbehörden auch bei Beachtung der formellen Mitwirkungspflicht vorgelegen hätten. Nur dann ist für die korrekte Besteuerung die Beachtung der einzelnen formalen Mitwirkungspflicht, und damit die Sanktion eines Verstoßes hiergegen, nicht erforderlich. Dieses Ergebnis lässt sich, ausgehend von der Argumentation des EuGH, auf sämtliche Mitwirkungspflichten erweitern. Der EuGH stützt seine Entscheidung hierzu stets auf die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts. Insbesondere geht es dabei immer um einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Maßnahmen zur Sicherung des Steueraufkommens und der Neutralität der Besteuerung.548 Da diese widerstreitenden Prämissen grundlegende Prinzipen des gemeinsamen 544 Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 27.01.2009 – C-318/07 – Persche, Slg. 2009, I-359, Rn. 52; v. 26.10.2010 – C-97/09 – Schmelz, ECLI:EU:C:2010:632, Rn. 60. 545 Zur Aspekt der Verhaltenslenkung für zukünftige Fälle durch Sanktionen bei Verstoß gegen formale Plichten siehe sogleich unter Teil II C.III.2.b)bb)(1)(d). 546 U.a. EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑184/05 – Twoh International, ECLI:EU:C:​ 2007:550, Rn. 26; v. 07.12.2010 – C-285/09 – R, ECLI:EU:C:2010:742, Rn. 46; für den Vorsteuerabzug, EuGH, Urt. v. 26.09.1996 – C-230/94 – Enkler, Slg. 1996, I-4517, Rn. 24; BFH, Urt. v. 19.10.1978 – V R 39/75, BStBl. II 1979, 345 (346 f.); v. 27.06. 1996 – V R 51/93, BStBl. II 1996, 620 (622); Beschl. v. 14.05.1998 – V B 123/97, BFH/NV 1998, 1532 (1533); v. 09.07. 1998 – V B 143/97, BFH/NV 1999, 221 (220); Wagner in Sölch/Ringleb, § 15 (Sep. 2010), Rn. 82. 547 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑184/05 – Twoh International, ECLI:EU:C:2007:550, Rn. 34. 548 Siehe hierzu neben der bereits angeführten Rechtsprechung u.a. EuGH, Urt. v. 18.12.1997 – C‑286/94, C‑340/95, C‑401/95 und C‑47/96 – Molenheide u.a., ECLI:EU:C:1997:623, Rn. 34 ff.; v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel und Recolta Recycling, ECLI:EU:C:2006:446, Rn. 34 ff.; v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 26 ff.; v. 07.12.2010 – C-285/09 – R, ECLI:EU:​

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

Mehrwertsteuersystems sind, können sie in ihrer Wirkung nicht auf bestimmte Situationen beschränkt bleiben.549 Die Bedeutung des Verstoßes bemisst sich somit nach seiner Auswirkung auf die Kontrollmöglichkeiten der Finanzverwaltung im konkreten Einzelfall. Verletzt der Steuerpflichtige eine Mitwirkungspflicht, kann er den Mangel seiner Dokumentation heilen. Können die Finanzbehörden im Anschluss daran eine ebenso große Kontrolldichte herstellen, ist eine Sanktion des Steuerpflichtigen nicht erforderlich.550 Daraus folgt weiter, dass die Mitgliedstaaten keinen sanktionsbewährten Numerus clausus an Nachweisverfahren vorsehen dürfen. Damit können die Mitgliedstaaten den Verstoß gegen formelle Mitwirkungspflichten sanktionieren, wenn aufgrund dieses Verstoßes der Finanzverwaltung eine Kontrolle der Besteuerung nicht im gleichen Maße möglich ist, wie dies bei sekundärrechtskonformer Mitwirkung des Steuerpflichtigen möglich gewesen wäre. Hinzuweisen ist dabei darauf, dass es insoweit nur um die Kontrollmöglichkeit durch die Finanzverwaltung geht. Irrelevant in diesem Zusammenhang ist demnach, ob die Besteuerung tatsächlich auch korrekt erfolgte. (b) Verstoß gegen mitgliedstaatlich bestimmte Pflichten Die oben zitierte Rechtsprechung knüpft nur an die Verletzung ausdrücklich sekundärrechtlich geregelter formeller Pflichten an. Mitwirkungspflichten, welche die Mitgliedstaaten gestützt auf die Ermächtigungen in der M ­ wStSystRL erlassen haben, waren nicht Gegenstand dieser Urteile. Betreffend solche Mitwirkungspflichten scheint der EuGH zunächst den Mitgliedstaaten einen weiteren Freiraum zuzugestehen. Der Gerichtshof stellt lediglich fest, dass es den Mitgliedstaaten freistünde, den Verstoß gegen derartige Regelungen – in den konkreten Fällen stützten sich diese auf Art. 178 Buchst. f551, 273552 ­MwStSystRL – mit C:2010:742, Rn. 73 ff.; mit Bezug auf den Vorsteuerabzug, Englisch, UR 2011, 488 (492 f.). 549 Vgl. u.a. Englisch, UR 2011, 648 (652); Hölzle, DStR 2011, 602 (604); Lohse/Spilker/Zitzl, UR 2010, 633 (639); Michel, DB 2010, 296 (302). 550 Bezogen auf die Rechnungsberichtigung neben anderen Voraussetzungen vgl. Englisch, UR 2011, 488 (493). 551 Gegenstand des EuGH. Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, war eine Regelung, welche die gesonderte Auszeichnung von Umsätzen, welche dem reverse-charge-Verfahren unterfielen als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug vorsah. 552 Gegenstand des EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, war die Verpflichtung, alle B2C-Umsätze unter Verwendung einer Registrierkasse abzurechnen.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Sanktionen zu ahnden.553 Der EuGH zieht in diesem Zusammenhang das Kriterium der Notwendigkeit der formellen Pflicht zur Überprüfbarkeit der Besteuerung nicht heran. Das verwundert, da der qualitative Unterschied zu der soeben behandelten Registrierungspflicht gem. Art. 213 ­MwStSystRL nicht ersichtlich ist. Wenn schon die generelle Erfassung des Steuerpflichtigen im Wege der Registrierung, welche die Möglichkeit der Verwirklichung von steuerpflichtigen Umsätzen anzeigt, nicht zwingend erforderlich für die Sicherung der Besteuerung ist, so stellt sich die Frage, warum umsatzbezogene Aufzeichnungspflichten gem. Art. 178 Buchst. f, 273 M ­ wStSystRL nicht erst recht entbehrlich sein sollten. Ein anderer Maßstab für die Beurteilung mitgliedstaatlicher Sanktionsregime folgt daraus aber dennoch nicht. Zum einen verweist der EuGH auch diesbezüglich auf die Bindung der Mitgliedstaaten an die allgemeinen Grundsätze.554 Dabei bemüht der EuGH sowohl bei der Überprüfung der Rechtsfolgen des Verstoßes gegen nationale als auch gegen sekundärrechtliche Formvorschriften, die gleiche Rechtsprechung.555 Weiter führt der EuGH in der Rechtssache C-95/07 – Ecotrade556 die – nach der hier verwandten Terminologie formelle – Sanktion nur als milderes Mittel im Vergleich zur Aberkennung der betroffenen materiellen Rechtsposition an, um damit die fehlende Erforderlichkeit der letzteren zu begründen.557 Somit traf der EuGH hier nur eine generelle Aussage, dass eine Sanktion stets das mildere Mittel im Vergleich zur Aberkennung materieller Rechtspositionen ist. Wann eine solche formelle Sanktion, insbesondere

553 EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 67 f.; v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 29; betreffend Fälle außerhalb des Mehrwertsteuerrechts u.a. EuGH, Urt. v. 21.09.1989 – C-68/88 – Kommission/Griechenland, ECLI:EU:C:1989:339, Rn. 23; v. 16.12.1992 – C-210/91 – Kommission/ Griechenland, ECLI:EU:C:1992:525, Rn. 19 m.w.N.; v. 26.10.1995 – C-36/94 – Siesse, ECLI:EU:C:1995:351, Rn. 21; v. 07.12.2000 – C-213/99 – De Andrade, ECLI:EU:C:2000:678, Rn. 20. 554 EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 29; vgl. EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 67. 555 Siehe die Verweise in EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:​ 2012:497, Rn. 44, auf EuGH, Urt. v. 12.07.2001 – C-262/99 – Louloudakis, ECLI:EU:​C:2001:407, Rn. 67; hierauf verweist ebenso EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:​ 2010:454, Rn. 29. 556 EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267. 557 EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 67.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

in Abhängigkeit von der verletzen Rechtspflicht im Einzelfall zulässig ist, lässt sich dem nicht entnehmen. In der Rechtssache C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp.558 hingegen hatte sich der EuGH mit einer nationalrechtlich bestimmten formellen Sanktion auseinanderzusetzten. In diesem Verfahren hatte es ein polnischer Steuerpflichtiger versäumt, alle Umsätze an Endverbraucher mittels einer Registrierkasse abzurechnen. Die Überprüfung dieser Sanktion anhand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit überließ er erneut dem nationalen Gericht. Die der nationalen Justiz mit auf den Weg gegebenen Auslegungshinweise erwähnen den Aspekt der möglichen Entbehrlichkeit der Beachtung der Mitwirkungspflicht nicht.559 Allerdings hatte der Steuerpflichtige in der Rechtssache C-188/09 die nicht mittels einer Registrierkasse aufgezeichneten Zahlungsvorgänge auch nicht anderweitig belegen können.560 Somit war in diesem Fall die Verwendung von Registrierkassen tatsächlich erforderlich gewesen. Aus dem Umstand, dass der EuGH bei der Überprüfung der Sanktionsregime zur Durchsetzung von durch die Mitgliedstaaten vorgesehenen Mitwirkungspflichten nicht auf die Entbehrlichkeit der Beachtung dieser Mitwirkungspflichten abstellt, folgt daher nicht, dass sich dieses Kriterium nur auf die Zulässigkeit der Durchsetzung von sekundärrechtlich bestimmten Mitwirkungspflichten bezieht. (c) Gleichbleibender Prüfungsmaßstab unabhängig von der ­Rechtsgrundlage der verletzten Pflicht Es gilt daher als gemeinsamer Maßstab zur Bestimmung der Schwere des Verstoßes die Auswirkungen des Verstoßes auf die Kontrollmöglichkeiten der Finanzverwaltung. Ob die Sanktionsregime der Durchsetzung nationaler Formerfordernisse dienen oder sekundärrechtlich vorgesehene Formerfordernisse armieren, ist unerheblich. (d) Subjektive Vorwerfbarkeit Unabhängig von der legislativen Grundlage der verletzten Rechtsnorm, erscheint der EuGH eine individuelle Vorwerfbarkeit nicht in die Bemessung der Art Schwere des Verstoßes einzubeziehen. Dass der Maßstab für 558 EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454. 559 EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 30 ff. 560 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Joz­ wiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 37.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

die Sanktionierung des Verstoßes gegen formelle Pflichten ein rein objektiver ist, liegt daher nahe. Das verwundert, da Zweck der Sanktion auch die Verhaltenslenkung des Steuerpflichtigen sein soll. Es drängt sich daher die Frage auf, inwiefern eine Sanktion erforderlich sein kann, wenn dem Steuerpflichtigen ein Rechtsanwendungsfehler nicht vorwerfbar ist. Anders gewendet muss die Frage beantwortet werden, wohin das Verhalten eines Steuerpflichtigen, dem sein Fehlverhalten nicht vorwerfbar ist, gelenkt werden soll. Die einzig konsequente Antwort auf diese Frage wäre, dass der Steuerpflichtige zur generellen Einstellung seiner Tätigkeit bewegt werden sollte. Eine unbefriedigende These. Es erscheint vielmehr eingängiger, das Verhalten des Steuerpflichtigen nur in Abhängigkeit von der Vorwerfbarkeit des Rechtsverstoßes zu sanktionieren. Ausdrücklich findet sich ein Hinweis auf die individuelle Vorwerfbarkeit eines formellen Rechtsverstoßes in der Rechtssache C-188/09.561 Demnach ist bei der Verletzung spezieller nationaler Nachweispflichten zu berücksichtigen, ob die Umstände, auf denen die Ver­ letzung der Nachweispflichten beruhen, dem Steuerpflichtigen zuzurechnen sind. Das wird man als Verweis auf die Erheblichkeit eines Verschuldens des Steuerpflichtigen verstehen müssen. Abgesehen von, die verhaltenslenkende Wirkung von Sanktionen betreffenden, obigen Überlegungen, legt dies auch die Rechtsprechung des EuGH zum Rangverhältnis von formellen und materiellen Pflichten nahe. Soeben hat sich gezeigt, dass der EuGH die Durchsetzung formeller Pflichten durch Sanktionen nur insofern als geboten ansieht, als die Kontrollmöglichkeit der Finanzverwaltung im Einzelfall gefährdet ist. Den formellen Pflichten räumt der EuGH dabei nur eine nachrangige Bedeutung hinter der Beachtung materiellen Rechts ein.562 Ist die Sanktion von Verstößen gegen – vorrangiges – materielles Recht nur im Falle der Vorwerfbarkeit geboten, muss das somit – erst Recht – für die Fälle gelten, in denen ein Verstoß nur gegen – nachrangiges – formelles Recht vorliegt.563 Daher soll in der Folge geklärt werden, ob auch die Rechtmäßigkeit der Sanktion eines Verstoßes gegen materielles Recht eine subjektive Vorwerfbarkeit erfordert.

561 EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 38. 562 EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:497, Rn. 48, mit Verweis auf das insofern gleichlautende Urt. v. 21.10.2010 – C-385/09 – Nidera Handelscompagnie, ECLI:EU:C:2010:627, Rn. 50. 563 Zu Fällen, in denen sich materielle und formelle Fehler bedingen sogleich Teil II C.III.2.b)bb)(4) Doppelrelevante Rechtsanwendungsfehler.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

(2) Art und Schwere des Verstoßes bei materiellen Fehlern Ist bei Verstoß gegen formelle Fehler noch unerheblich, ob die Steuer tatsächlich auch richtig abgeführt wurde, ist genau das der entscheidende Punkt bei materiellen Fehlern. Wie die Art und Schwere, mithin die Bedeutung des Verstoßes hierbei zu bestimmen ist, geht aus der Rechtsprechung nicht hervor. Insgesamt finden sich nur zwei Rechtssachen, in denen die formelle Sanktion einer materiell fehlerhaften Steuerberechnung Gegenstand war. Dort belässt es der EuGH hingegen bei der schlichten, aber klaren Feststellung, dass es den Mitgliedstaaten möglich sei, Sanktionen für den Fall der fehlerhaften Berechnung der Steuer zu verhängen.564 Auffällig ist dabei, dass der Gerichtshof dabei nur an die Bindung der Mitgliedstaaten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erinnert und dabei Rechtsprechung zur Sanktion von formellen Fehlern in Bezug nimmt, und umgekehrt.565 Die Kriterien für die Bestimmung der Sanktion materieller Pflichten decken sich damit offenbar mit denen, welche der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz an die Sanktionen von formellen Fehlern stellt. Damit ist über die Art und Schwere des Verstoßes noch nichts gesagt. Allerdings lassen sich für materielle Rechtsanwen564 EuGH, Urt. v. 15.01.2009 – C-502/07 – K-1, ECLI:EU:C:2009:11, Rn. 19 f.; v. 06.02.2014 – C-424/12 – Faktorie, ECLI:EU:C:2014:50, Rn. 50. 565 EuGH, Urt. v. 06.02.2014 – C-424/12 – Faktorie, ECLI:EU:C:2014:50, Rn. 50 mit Bezug auf EuGH, Urt. v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:​ C:2013:414, Rn. 31, in dem Gegenstand die Sanktionierung des Verstoßes gegen Aufzeichungspflichten gem. Art. 242 ­MwStSystRL – die verspätete Verbuchung von korrekturbedürftigen Vorsteuerbeträgen – neben der zu späten Abführung der zu korrigierenden Vorsteuerbeträge war. Hier nimmt der EuGH wiederum, zur Begründung der generelle Sanktionsbefugnis Bezug auf EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:497, Rn. 44, deren Gegenstand die Verletzung der Registrierungspflicht gem. Art. 213 M ­ wStSystRL, eines ausweislich der dortigen Rn. 48 lediglich „Kontrollzwecken dienendes Formerfordernis“ war. Weiter nimmt der EuGH in Urt. v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:​ EU:C:2013:414, Rn. 38, zur Bestimmung des konkreten Umfanges der Sanktionsbefugnis auf Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:497, Rn. 46 f. und die dort zitiert Rechtsprechung – EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 65 ff. (Verstoß gegen mitgliedstaatlich gem. Art. 178 Buchst. f ­MwStSystRL bestimmte Vorsteuerabzugsforma­ lien) und v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:2012:458, Rn. 67 (Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts wegen verspäteter Steuerzahlung), welches damit zwar einen materiellen Verstoß zum Gegenstand hatte, allerdings neben der zuvor genannten Entscheidung in der Rechtssache C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, auch auf das Urt. v. 22.12.2010 – C-349/09 – Dankowski, ECLI:​EU:​C:2010:818, Rn. 37 (Vorsteuerabzug mit Rechnung, welche nicht den Anforderungen des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL entspricht) und damit auch die Kriterien zur Bestimmung der Verhältnismäßigkeit der Sanktion eines formellen Rechtsverstoßes, Bezug.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

dungsfehler jedenfalls Rückschlüsse auf die Erheblichkeit der subjektiven Vorwerfbarkeit ziehen. So führt die Sanktionierung von materiellen Rechtsanwendungsfehlern notwendigerweise zu Überschneidungen mit dem Vertrauensschutzre­ gime. Der Maßstab muss daher mit den Wertungen des Vertrauensschutzgrundsatzes in Einklang gebracht werden. Denn in Fällen fehlerhafter steuerlicher Beurteilung eines Umsatzes gebietet der Vertrauensschutzgrundsatz, sofern der Steuerpflichtige die ihm zuzumutende Sorgfalt beachtet hat, die Behandlung des Steuerpflichtigen unter Zugrundelegung seiner Annahmen.566 Die Sanktionierung des Steuerpflichtigen, zu dessen Gunsten der Vertrauensschutzgrundsatz wirkt, würde zu diesem Ergebnis in Widerspruch stehen. So wirkt der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur zugunsten desjenigen, der alle Maßnahmen ergreift, welche ihm zuzumuten sind, um die Korrektheit seiner Versteuerung sicherzustellen. Der aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit als schutzwürdig erkannte Steuerpflichtige würde zugleich als disziplinierungswürdig eingestuft. Es stellte sich die Frage, welchen verhaltenslenkenden Zweck die Disziplinierung des Steuerpflichtigen verfolgen sollte. Denn er hat bereits alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um seiner Rolle als Steuerpflichtiger zu entsprechen. Da von ihm nicht mehr verlangt werden kann, kann er in rechtmäßiger Weise zu diesem Mehr auch nicht durch Sanktionen angehalten werden. Zudem wäre eine solche Praxis auch dogmatisch widersprüchlich, da es, zugunsten des Steuerpflichtigen, am materiellen Fehler mangelt. Denn seiner Besteuerung sind, in Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes, diejenigen Umstände zugrunde zu legen, von denen der Steuerpflichtige in schützenswerter Weise ausging. Seine steuerrechtliche Behandlung des Vorganges gilt daher zu seinen Gunsten als korrekt. Eine Sanktion des Steuerpflichtigen, der die Besteuerung – zumindest fiktiv – korrekt durchgeführt hat, muss ausscheiden. Somit könnte eine Sanktion nur dann geboten sein, wenn zugunsten des Steuerpflichtigen der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht gilt. Der Steuerpflichtige wäre dann sanktionswürdig, wenn er nicht die vernünftigerweise von ihm zu fordernden Maßnahmen ergreift. Damit hat sich die Sanktionierung von materiellen Rechtsanwendungsfehlern an der subjektiven Vorwerfbarkeit des Verstoßes zu orientieren.

566 S.o. Teil II A.IV Grundsatz des Vertrauensschutzes.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

(3) Konsequenz: Subjektive Vorwerfbarkeit bei formellen Verstößen erforderlich Aufgrund des Rangverhältnisses von materiellem und formellem Recht ist daher die Verhältnismäßigkeit der Sanktionierung von formellen ­Fehlern nur dann verhältnismäßig, wenn dem Steuerpflichtigen ein Verschulden zur Last gelegt werden kann. (4) Doppelrelevante Rechtsanwendungsfehler Differenziert man zur Feststellung der Art und Schwere des Verstoßes zwischen materiellen und formellen Rechtsanwendungsfehlern, ist allerdings zu beachten, dass sich diese, zumindest im Falle des Irrtums, regelmäßig bedingen. So wird ein nur irrtümlich handelnder Steuerpflichtiger seine fehlerhafte Sachverhaltseinschätzung sowohl seiner Besteuerung als auch seinen Nachweisen und Aufzeichnungen zugrunde legen.567 Damit handelt es sich tatsächlich aber nur um einen Rechtsanwendungsfehler, welcher sich typischerweise auf materieller und auf formeller Ebene auswirkt. Eine Sanktion, welchen den Steuerpflichtigen zur korrekten Versteuerung anhalten will,568 muss daher am Grund für den Fehler und nicht an den Folgen festmachen. Der Umstand allein, dass dieser Fehler sowohl auf materieller als auch auf formeller Ebene Niederschlag findet, kann somit nicht zur einzelnen Sanktion zweier, isolierter Rechtsanwendungsfehler führen. Vielmehr muss die Sanktion ihre verhaltenslenkende Wirkung dort entfalten, wo dem Steuerpflichtigen ein sanktionswürdiger Fehler unterlaufen ist.

567 Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 34 ff.; sehr deutlich wird dies in EuGH, Urt. v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414; in dem Gegenstand der Vorlagefrage die Vereinbarkeit einer Sanktion wegen verspäteter Verbuchung einer Vorsteuerkorrektur in der Buchführung des Steuerpflichtigen, mithin ein Verstoß gegen, auf Art. 242 ­MwStSystRL basierenden, nationalen formellen Pflichten war (s.o. Teil II C.II.3.a) Sanktionierung von Mitwirkungspflichtverstößen bei Fn. 449). Der EuGH nimmt hingegen ausdrücklich die, dem Buchführungsfehler zugrundeliegende, fehlerhafte zeitliche Zuordnung der Korrekturverpflichtung zum Maßstab für die Zulässigkeit der Sanktion. So erkennt der EuGH den Anlass zur Sanktion in Rn. 36 nicht in der Fehlerhaftigkeit der Buchführung, sondern darin, dass „… der Steuerpflichtige einen von ihm vorgenommenen Vorsteuerabzug, dessen Grundlage entfallen ist, verspätet berichtigt hat“; siehe dazu bereits oben in Fn. 452. 568 Vgl. o. Teil II C.III.2.b)aa) Zwecksetzung der Sanktionsbefugnis als Grenze der Sanktionsbefugnis.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Diese Ebene ist stets die des materiellen Rechts. Das gebietet schon die dienende Funktion des formellen Rechts569. So bildet der Steuerpflichtige seine materiell fehlerhafte Einschätzung im formellen Recht ab, nicht umgekehrt. Das gilt auch in Fällen, in denen sich die steuerliche Behandlung durch den Steuerpflichtigen an formellen Indizien orientiert. Erbringt demnach z.B. ein in Österreich ansässiger Steuerpflichtiger Dienstleistungen an einen in Italien ansässigen Steuerpflichtigen, welcher diese Dienstleistungen zwar unter Angabe seiner italienischen Identifikationsnummer aber tatsächlich zum privaten Verbrauch bezieht, müsste der Steuerpflichtige eine Rechnung mit Ausweis österreichischer Steuer ausstellen, da diese Leistungen in Österreich steuerbar sind, Art. 45 ­ ­MwStSystRL. Stellt er eine Nettorechnung aus, spiegelt dies nur den Irrtum welcher aus der Verwendung der Identifikationsnummer durch den Empfänger entstand, wider. Der Leistende glaubt an einen Leistungsbezug zum Zwecke der steuerbaren Umsätze des Leistungsempfängers. Ausgehend davon meint er, der Ort der Leistung liege tatsächlich in Italien, Art. 44 M ­ wStSystRL, wo der Leistungsempfänger die Steuer schulde, Art. 196 M ­ wStSystRL. Gleiches gilt, wenn ein steuerpflichtiger Leistungserbringer die Steuerpflichtigkeit seiner Leistung falsch einschätzt und daher eine Rechnung mit unrichtigem Steuerausweis ausstellt. Somit bestimmt sich im Falle von formellen Rechtsanwendungsfehlern, welche nur einen materiellen Rechtsanwendungsfehler nachzeichnen, die Sanktionswürdigkeit nach dem materiellen Rechtsanwendungsfehler. Der formelle Rechtsanwendungsfehler ist insofern nicht sanktionswürdig. Kriterium ist daher einzig die Vorwerfbarkeit des materiellen Rechtsanwendungsfehlers. (5) Die Verhältnismäßigkeit der Methoden zur Bestimmung der Sanktion Auch die Kriterien, an denen sich die „Methoden für die Bestimmung der Höhe“ der Sanktion messen lassen müssen, nennt der EuGH nicht ausdrücklich. Allerdings lassen sich auch insofern Rückschlüsse aus der Rechtsprechung, insbesondere mit Blick auf den legitimen Zweck der Sanktionen, ziehen. Daraus ergeben sich folgende allgemeine Erkenntnisse für die Beurteilung von Sanktionen.

569 S.o. Teil I B.II Formelle Fehler.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

(a) Sanktionsdauer In zeitlicher Hinsicht darf die Sanktion nur solange aufrechterhalten werden, als der Steuerpflichtige das Verhalten, welches die Gefahr der Steuerhinterziehung oder der nicht korrekten – insbesondere zu geringen – Steuererhebung begründet, an den Tag legt. Nur solange erfordert deren Verhinderung die Sanktionswirkung.570 Beugt sich der Adressat seiner Handlungsverpflichtung, so ist jedenfalls die verhaltenslenkende Wirkung der Sanktion obsolet. Das bedeutet, dass die Sanktionen nur für diejenigen Besteuerungszeiträume verhängt werden dürfen, bzgl. derer sich die Verletzung der Verpflichtungen gem. Art. 273 ­MwStSystRL auswirken. Macht eine besondere Berichtspflicht an der Verwirklichung bestimmter Umsätze – z.B. solche an Endverbraucher –571 fest, so darf eine Sanktion auch nur für die Besteuerungszeiträume gelten, in denen solche Umsätze auch tatsächlich verwirklicht wurden. (b) Sanktionshöhe: Grundsatz der Proportionalität zum betroffenen Steuerbetrag Eine Sanktion ist zudem nur dann verhältnismäßig, wenn sie, auch ihre Höhe betreffend, in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Verstoßes steht.572 Vor dem Hintergrund, dass die Maßnahmen gem. Art. 273 ­MwStSystRL der Sicherung des Steueraufkommens dienen sollen, liegt als maßgebliches Kriterium zur Bestimmung der Schwere des Verstoßes der betroffene Steuerbetrag nahe. Insbesondere erscheint vor diesem Hintergrund nicht die alleinige Anknüpfung an einen Verschuldensgrad des Steuerpflichtigen als taugliches Kriterium. Je höher demnach die Summe der Steuern, deren Erhebung die verletzten Pflichten i.S.v. Art. 273 ­MwStSystRL schützen wollen, desto höher kann auch die Sanktion ausfallen. Gleiches gilt für das Vorsteuervolumen. 570 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 30, wonach die Sanktion betreffend diesen Zeitraum zumindest nicht ungeeignet ist, die korrekte Erhebung der Steuer sicher zu stellen; v. 11.06.1998 – C-361/96 – Grandes sources d‘eauxminérales françaises, Slg. 1998, I-3495, Rn. 29 f.; v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:C:2000:469, Rn. 59 ff. 571 Siehe hierzu EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454. 572 Vgl. EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:​ C:2008:267, Rn. 67; v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 34 f., 37.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Denkbar ist ein System mit Festbeträgen,573 eine prozentuale Bestimmung anhand des betroffenen Umsatzbetrages574 oder eine Kombination aus beiden Systemen575. Unabhängig von der konkreten Methode zur Bestimmung der Sanktionshöhe bildet die Relation des Sanktionsbetrages zum betroffenen Steuerbetrag das Kriterium für die Bestimmung der Verhältnismäßigkeit der Sanktionen. So bestimmt sich auch die Zulässigkeit eines prozentualen Sanktionsaufschlages in Höhe der Steuer nach seiner faktischen Natur als Sanktion i.H.v. 100 % des betroffenen Steuerbetrages.576 Bei der prozentualen Bestimmung der Sanktionshöhe haben die Mitgliedstaaten einen weiten Spielraum. Sanktionen von 25 bis zu 100 Prozent des betroffenen Steuer- bzw. Vorsteuerbetrages können demnach verhältnismäßig sein.577 Die Regelung hat dabei aber die Möglichkeit zur Abstufung zu geben,578 um insbesondere berücksichtigen zu können, ob und wann ein eingetretener Steuerausfall berichtigt wurde. Daneben ist entscheidend, ob im Verhalten des Steuerpflichtigen gar eine Steuerhinterziehung oder bewusste Umgehung der geltenden Gesetze liegt.579 ­Dabei ist zu beachten, dass allein die verspätete Zahlung von Mehr­ wertsteuer nicht als versuchte Steuerhinterziehung gewertet werden kann.580 Daraus wird man folgern müssen, dass eine Sanktion in Höhe von 100 Prozent des ausgefallenen Steuerbetrages als äußerste Grenze nur dann verhältnismäßig sein kann, wenn alle genannten Kriterien zulasten des Steuerpflichtigen vorliegen. Das ist insbesondere nur dann der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen auch eine bewusste Verletzung von 573 Vgl. dazu EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:497, Rn. 50 ff. 574 EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 28; v. 17.07.2014 – C-272/13 – Equoland, ECLI:EU:C:2014:2091, Rn. 39. 575 Siehe dazu EuGH, Urt. v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:​ C:2013:414, Rn. 40. 576 EuGH, Urt. v. 17.07.2014 – C-272/13 – Equoland, ECLI:EU:C:2014:2091, Rn. 40 f. 577 EuGH, Urt. v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:2012:​ 458, Rn. 68 ff.; v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 38. 578 EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:497, Rn. 45, 50, 52; v. 17.07.2014 – C-272/13 – Equoland, ECLI:EU:C:2014:2091, Rn. 44 f. 579 EuGH, Urt. v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:2012:​ 458, Rn. 73 ff. m.w.N.; v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:​ C:2013:414, Rn. 43 580 EuGH Urt. v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:2012:458, Rn. 73 ff. m.w.N.; v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 42; v. 17.07.2014 – C-272/13 – Equoland, ECLI:EU:C:2014:2091, Rn. 41.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

Mitwirkungspflichten vorgeworfen werden kann. Zudem muss eine Steuerhinterziehung vorliegen, also dem Steuerpflichtigen ein systemwidriger Vorteil zuteil geworden sein.581 Denn dann handelt es sich, nach der hier verwandten Terminologie, um eine materielle Sanktion, welche nur bei vorwerfbarem Verhalten und hinzutretenden Steuerausfällen zulässig ist.582 Von der Aberkennung des Rechts auf Vorsteuerabzug zu unterscheiden ist es, wenn die faktische – auch nur teilweise – Aberkennung des globalen Vorsteuerabzuges lediglich ein Modus zur Einziehung einer betragsmäßig verhältnismäßigen Sanktion darstellt. Wird nämlich, anstatt der Erhebung des Bußgeldes, unter gleichzeitiger Gewährung des Vorsteuerabzugs, vom Vorsteuerbetrag der fällige Bußgeldbetrag abgezogen, handelt es sich nur um eine, den Mitgliedstaaten belassene, Form der Erhebung des Bußgeldes.583 Der Vorsteuerabzug wird dadurch gerade nicht systematisch in Frage gestellt.584 Ganz im Gegenteil muss dieses System der Verrechnung von Bußgeldern gegen Vorsteuerabzugsvolumina zunächst dieses Recht betragsmäßig – in Höhe des Bußgeldes – anerkennen. Mit dem Erfordernis der – vorsätzlichen – Steuerhinterziehung bzw. der bewussten Gesetzesumgehung stellt der EuGH damit, nicht nur zur Bestimmung der generellen Sanktionswürdigkeit eines Rechtsanwendungsfehlers,585 sondern auch bei der Bestimmung der konkret zulässigen Sanktion, auf die subjektive Vorwerfbarkeit ab. Beschränkt bleibt die ­Erheblichkeit subjektiver Kriterien aber nicht auf vorsätzliche Rechtsverstöße. Vielmehr soll ein bewusster Rechtsverstoß nur zwingendes ­Erfordernis für eine ein hundertprozentige Sanktion sein. Da eine Sanktionsregelung die Möglichkeit bieten muss, mittels Abstufung der Sanktionshöhe eine für den konkreten Fall verhältnismäßige Sanktionsmöglichkeit zu bestimmen,586 ist nicht ersichtlich, warum ein niedriger 581 EuGH, Urt. v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:2012:​ 458, Rn. 74, mit Bezug Urt. v. 21.02.2006 – C-255/02 – Halifax u.a., ECLI:EU:C:​ 2006:121, Rn. 74 f., sowie Urt. v. 22.03.2012 – C-153/11 – Klub, ECLI:ECLI:EU:​ C:2012:163, Rn. 49; ebenso Urt. v. 17.07.2014 – C-272/13 – Equoland, ECLI:EU:C:​ 2014:2091, Rn. 39. 582 S.o. Teil II C.III.2.a)bb) Ausnahmsweise Verhältnismäßigkeit der Aberkennung. 583 EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 33. 584 In diese Richtung geht wohl auch EuGH, Urt. v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 36; so versteht diese Ausführungen auch Grube, MwStR 2013, 445 (446). 585 S.o. Teil II C.III.2.b)bb)(3) Konsequenz: Subjektive Vorwerfbarkeit bei formellen Verstößen erforderlich. 586 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.07.2014 – C-272/13 – Equoland, ECLI:EU:C:2014:2091, Rn. 41.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Verschuldensgrad ein Kriterium zur Bestimmung der konkreten Sank­ tion sein soll. Insbesondere aufgrund der verhaltenslenkenden Funktion einer Sanktion587 wird man die Erheblichkeit der subjektiven Vorwerfbarkeit nicht auf Vorsatz beschränken können. (c) Ausnahme: Alternativer Maßstab bei Unermittelbarkeit des betroffenen Steuerbetrages Von dieser strikten Orientierung am betroffenen Steuerbetrag kann ein Mitgliedstaat nur dann abweichen, wenn diese aufgrund des Fehlers des Steuerpflichtigen nicht möglich ist. Das ist dann der Fall, wenn der tatsächlich betroffene Steuerbetrag aufgrund des Fehlers nicht bezifferbar ist. Dienen die verletzten Berichtspflichten nämlich gerade der Sicherung der Besteuerung durch Sicherung der qualitativen und quantita­ tiven Erfassung der fraglichen Umsätze, fehlen im Falle der Verletzung dieser Pflichten, ohne dass der Steuerpflichtige die Informationen anderweitig beschaffen kann, gerade diejenigen Informationen, die nach obiger Überlegung zur Bestimmung der Sanktionshöhe herangezogen werden sollen. In diesen Fällen kann die Steuerverwaltung auf andere Größen zur Festsetzung der Sanktion zurückgreifen. So erkannte der EuGH in der Rechtssache C-188/09588, dass ein Bußgeld jedenfalls in Höhe von 30 % des gesamten Vorsteuervolumens – also auch betreffend der Umsätze, die von der verletzten Aufzeichnungspflicht nicht betroffen waren – verhältnismäßig ist.589 Dabei erkennt der EuGH zwar die betragsmäßige Entkoppelung der Sanktionshöhe von der durch die Verletzung von Aufzeichnungspflichten eingetretenen Gefährdung des Steueraufkommens. Das führt aber nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Sanktion. Zum einen erachtet der EuGH dies allein deshalb schon als nicht unverhältnismäßig, da das Bußgeld nicht einen eventuellen Steuerausfall – im entschiedenen Fall zumindest in Höhe von 30 % – kompensieren soll.590 Das ist nur folgerichtig, da die Sanktionierung das Ziel der Disziplinierung der Steuerpflichtigen hat. Sollte damit ein eventueller Steuerausfall kompensiert werden, so setzte dies voraus, dass mit der Festsetzung einer fi587 S.o. Teil II C.III.2.b)aa) Zwecksetzung der Sanktionsbefugnis als Grenze der Sanktionsbefugnis. 588 EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454. 589 EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 35. 590 EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 37.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

nanziellen Sanktion der Steueranspruch in gleicher Höhe erlöschen würde. Damit verbliebe keine Sanktionswirkung, da nur derjenige Betrag entrichtet würde, der ohnehin als Steuer geschuldet wird. Dass dies nicht der Fall ist, zeigt die Argumentation im gleichen Urteil, wonach die Sanktion auch ausdrücklich nach erfolgter Zahlung des ausgefallenen Steuerbetrages zulässig ist.591 Damit bleiben die Ebene der Sanktion und des Steuertatbestandes klar getrennt; die Sanktion ist eine lediglich formelle592. Zum anderen ermöglicht die Anknüpfung an den Umfang des angemeldeten Vorsteuerbetrags eine Bezugnahme auf den generellen Umfang der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen.593 Angesicht der Unmöglichkeit der Quantifizierung des konkreten Schadens­ potentials erachtet der EuGH offensichtlich einen Rückschluss von der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit auf das Ausmaß der Steueraufkommensgefährdung als zur Bestimmung des Grades der Steuergefährdung ausreichend. Dieser kann in seiner Allgemeinheit aber nicht gezogen werden, wie sich bei genauer Untersuchung des Hintergrundes der Entscheidung in der Rechtssache C-188/09 zeigt. Der Verstoß des Steuerpflichtigen lag hier darin, dass er seine an natürliche, nicht im Rahmen einer steuerpflichtigen Tätigkeit handelnden Personen getätigten Umsätze und die entsprechenden Vorsteuerbeträge nicht, wie das polnische Recht das erforderte, unter Verwendung einer Registrierkasse aufzeichnete. Solange der Steuerpflichtige dieser Verpflichtung nicht nachkam, sah das polnische Recht einen Verlust des Rechts auf Vorsteuerabzug i.H.v. 30 % vor.594 Mithin bezog sich die Registrierkassenpflicht nur auf B2C-Umsätze und traf damit vor allem Einzelhändler. Welchem Anteil am Gesamtumsatz des Steuerpflichtigen im Fall C-188/09 auf den Einzelhandel entfiel, geht aus dem Tatbestand nicht hervor. Klar ist aber, dass die am stärksten von der Verpflichtung Betroffenen schwerpunktmäßig Umsätze an Endverbraucher erbringen und daher Einzelhändler sind. Nimmt man das an, verwenden die betroffenen Steuerpflichtigen den weit überwiegenden Teil der von ihm bezogenen Eingangsumsätze für Umsätze an Endverbraucher, auf welche sich die Aufzeichnungspflicht bezog. Damit bildet, auf der unmittelbar dem Einzelhandel vorgelagerten Vertriebsstufe, der Um591 EuGH, Urt. v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 43. 592 Vgl. o. Teil I C.II Formelle Rechtsfolgen. 593 EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 36. 594 EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 10.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

fang des gesamten Vorsteuerabzugs weitgehend den Umfang der Umsätze ab, bzgl. derer die Aufzeichnungspflicht verletzt worden war. Folglich stünde zu vermuten, dass nahezu jeder Eingangsumsatz B2C-Umsätzen dient. Dies zugrunde gelegt erfasst die Sanktion i.H.v. 30 % des gesamten Vorsteuerabzugsvolumens tatsächlich wohl kaum Umsätze, die nicht im direkten Zusammenhang mit Umsätzen standen, welche die besondere Dokumentationspflicht auslösten. Es kann davon ausgegangen werden, dass, auch wenn sich die Höhe der Sanktion am gesamten Vorsteuerumfang orientiert, dieser dem Umfang der auf die fraglichen Umsätze entstanden Steuer – außer Acht bleibt die Händlerspanne des betroffenen Steuerpflichtigen – möglichst annähert. Somit bewegt sich die Sanktion mit ca. 30 % des betroffenen Steuerbetrages in Rahmen des als zulässig Erkannten. Geht man hingegen davon aus, dass der betroffene Steuerpflichtige nicht annähernd ausschließlich als Einzelhändler tätig war, setzt sich diese Rechtsprechung in Widerspruch zur oben skizzierten Rechtsprechungslinie, der zufolge Sanktionen, die den Betrag der betroffenen Steuer erreichen, nur bei Steuerhinterziehungen zulässig sind. Der EuGH sah aber die Grenze von 100 % auch in der Rechtssache C-188/09 offenbar nicht erreicht. So nimmt der Gerichtshof in folgenden Rechtssachen, in denen diese Grenze ausdrücklich benannt wird, betreffend die Verhältnismäßigkeit der Sanktionshöhe Bezug auf seine Entscheidung in der Rechtssache C-188/09.595 Zudem stellt der EuGH, wie in den vergleichbaren Fällen, in denen Gegenstand eine faktische Aberkennung des Rechts auf Vorsteuerabzug im Sanktionswege war, klar, dass ein Abschlag von 30 % des gesamten Vorsteuerabzugsvolumens dieses grundsätzliche Recht nicht in Frage stellt.596 Damit entfiel der Umstand, der zur Unverhältnismäßigkeit einer Sanktion jenseits von vorwerfbaren Verwicklungen in Steuerhinterziehungen führte597. Damit ist davon auszugehen, dass in Fällen, in denen der betroffene Steuerbetrag nicht ermittelt werden kann, zwar ein anderer Maßstab zur Bestimmung der Sanktionshöhe gewählt werden kann. Dieser jedoch ist im jeweiligen Einzelfall so zu wählen, dass die Sanktionshöhe, auf Grundlage der verfügbaren Informationen, 595 EuGH, Urt. v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:2012:458, Rn. 51 mit Verweis auf, EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 30. 596 EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 31. 597 U.a. EuGH, Urt. v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:​ 2012:​458, Rn. 73 ff. m.w.N.; v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:​ EU:C:2013:414, Rn. 43; v. 17.07.2014 – C-272/13 – Equoland, ECLI:EU:C:2014:2091, Rn. 39.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

der bei konkreter Kenntnis der betroffenen Steuervolumina zulässigen Sanktionshöhe möglichst nahekommt. (d) Kein Verstoß proportionaler Sanktion gegen Wettbewerbsneutralität Orientiert sich die Bemessung der Sanktion am Umsatz, also der Bemessungsgrundlage, oder am Vorsteuervolumen, erhöht sich die steuerinduzierte Belastung proportional zum Entgelt. Da der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität es untersagt, miteinander im Wettbewerb stehende Umsätze im Rahmen der Mehrwertbesteuerung unterschiedlich zu behandeln598, erscheint eine prozentuale Orientierung als eine zusätzliche Zahllast am Steuer- bzw. Vorsteuervolumen problematisch. Mit Blick auf die Wettbewerbsneutralität ist dem EuGH aber insofern zu folgen, als der Steuerpflichtige, welchem ein – vorwerfbarer – Rechtsanwendungsfehler unterläuft, insoweit nicht mit denjenigen Steuerpflichtigen vergleichbar ist, welche ihren Verpflichtungen nachkommen.599 (e) Kein Verstoß gegen Art. 401 M ­ wStSystRL Die Proportionalität der Sanktionen zum Entgelt gibt neben der Frage der Vereinbarkeit einer solchen Sanktion mit dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität auch Anlass, an ihrer Vereinbarkeit mit der Regelung des Art. 401 M ­ wStSystRL zu zweifeln. Demnach sind alle Abgaben untersagt, die, bei allgemeiner Geltung, auf die Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen, proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für seine Leistung erhält, auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher bewirkten Umsätze, erhoben werden. Weiter ist Voraussetzung, dass der auf den vorhergehenden Produktions- und Vertriebsstufen bereits entrichtete Betrag von der Steuerlast des Steuerpflichtigen abgezogen werden kann, so dass sich diese Steuer auf der jeweiligen Vertriebsstufe nur auf den auf dieser Stufe

598 S.o. Teil II B.IV.1.a) Wettbewerbsneutralität; EuGH, Urt. v. 11.06.1998 – C-283/95 – Fischer, ECLI:EU:C:1998:276, Rn. 21, 27; v. 03.05.2001 – C-481/98 – Kommission/ Frankreich, ECLI:EU:C:2001:237, Rn. 22; v. 23.10.2003 – C-109/02 – Kommission/ Deutschland, ECLI:EU:C:2003:586, Rn. 20; v. 16.09.2004 – C-382/02 – Cimber Air, ECLI:EU:C:2004:534, Rn. 24; v. 07.12.2006 – C-240/05 – Eurodental, ECLI:EU:​ C:2006:763, Rn. 46; v. 18.10.2007 – C-97/06 – Navicon, ECLI:EU:C:2007:609, Rn. 21; v. 22.05.2008 – C-162/07 – Ampliscientifica and Amplifin, ECLI:EU:C:​ 2008:​301, Rn. 25 f. 599 EuGH, Urt. v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 35; zustimmend Grube, MwStR 2013, 445 (446).

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

entstandenen Mehrwert bezieht, und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird.600 Sanktionen, werden sie prozentual in Abhängigkeit vom betroffenen Nettoentgelt oder mittelbar proportional dazu prozentual zum Steuerbetrag bestimmt, erfüllen aber einzig das Kriterium der Preisproportionalität. Art. 401 M ­ wStSystRL steht ihnen damit nicht entgegen. Zudem stellt nicht der Leitungsaustausch an sich, sondern die Verletzung von Pflichten des Steuerpflichtigen den Belastungsgrund dar.601 cc) Fazit Die umfassende Sanktionsbefugnis der Mitgliedstaaten findet dort ihre Grenze, wo die Beachtung der durchgesetzten Mitwirkungsverpflichtung nicht zur Sicherung einer korrekten Besteuerung oder zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen erforderlich ist. Ob daher generell ein sanktionierbares Verhalten vorliegt, entscheidet sich danach erst im Anschluss an die Klärung der Frage, ob die Beachtung der verletzten Mitwirkungspflicht tatsächlich zur Sicherung der korrekten Besteuerung erforderlich ist. Die Verhältnismäßigkeit der Sanktion im konkreten Einzelfall bestimmt sich dann nach „… Art und … Schwere des Verstoßes“602 und den „… Methoden für die Bestimmung der Höhe dieser Sanktion …“603. 600 U.a. EuGH, Urt. v. 13.07.1989 – C-93/88 – Wisselink u.a., ECLI:EU:C:1989:324, Rn. 18; v.19.03.1991 – C-109/90 – Giant, ECLI:EU:C:1991:126, Rn. 12; v. 19.02.1998 – C-318/96 – SPAR, ECLI:EU:C:1998:70, Rn. 23; v. 08.06.1999 – C-338/97, C-344/97 und C-390/97 – Pelzl u.a., Slg. 1999, I-3319, Rn. 21; v. 03.10.2006 – C-475/03 – Banca popolare di Cremona, ECLI:EU:C:2006:629, Rn. 28; v. 11.10.2007 – C-283/06 und C-312/06 – KÖGÁZ u.a., ECLI:EU:C:2007:598, Leitsatz 1 a.E., Rn. 37; Beschl. v. 27.11.2008 – C-156/08 – Vollkommer, ECLI:EU:C:2008:663, Rn. 31. 601 EuGH, Urt. v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 36; vgl. auch EuGH, Urt. v. 15.01.2009 – C-502/07 – K-1, ECLI:EU:C:2009:11, Rn. 18 ff.; vgl. auch m.w.N. EuGH, Urt. v. 11.09.2003 – C-155/01 – Cookies World, Slg. 2003, I-8785, Rn. 60. 602 EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:497, Rn. 47; v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 38; im Ergebnis gleich u.a. EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 67; v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:2012:458, Rn. 67; v. 06.02.2014 – C-424/12 – Faktorie, ECLI:EU:C:​ 2014:50, Rn. 50; v. 17.07.2014 – C-272/13 – Equoland, ECLI:EU:C:2014:2091, Rn. 35. 603 EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:497, Rn. 47; v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 38; im Ergebnis gleich u.a. EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade,

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

Art und Schwere der Sanktion bestimmen sich dabei nach der Beeinträchtigung der Sicherung der korrekten Besteuerung im konkreten Einzelfall. Kann demnach der Steuerpflichtige das Defizit in den Kontrollmöglichkeiten der Finanzverwaltung anderweitig ausgleichen, kann er den Verstoß heilen. Eine Sanktionswürdigkeit entfällt dann. Gelingt dem Steuerpflichtigen die Heilung der Defizite der Kontrollmöglichkeit nicht, bestimmt sich die Sanktionswürdigkeit nach dem originären Zweck der Sanktionsbefugnis. Dieser liegt darin, den Steuerpflichtigen zur Beachtung der zumutbaren Sorgfalt bei Erfüllung seiner mehrwertsteuerrechtlichen Pflichten anzuhalten. Dabei ist das Maß der zumutbaren Sorgfalt unionsrechtlich sowohl für Fälle materieller und damit erst recht für formelle Fehler einheitlich definiert. Vom Steuerpflichtigen kann nur verlangt werden, dass er alle Maßnahmen ergreift, welche ihm zuzumuten sind, um die Korrektheit seiner Versteuerung sicherzustellen. Damit gilt der gleiche Maßstab, welcher für die Gewährung von Vertrauensschutz auf materieller Ebene erforderlich ist, auch für die Bestimmung der Sanktionswürdigkeit eines Rechtsverstoßes. Ist dem Steuerpflichtigen der Verstoß demnach generell vorwerfbar, müssen die Methoden zur Bestimmung der konkreten Sanktionshöhe die Berücksichtigung der Vorwerfbarkeit im Einzelfall ermöglichen. Weitere Kriterien, wie die Korrektur betroffener Steuerbeträge, dürfen dabei ebenfalls nicht ausgeblendet werden. Maßstab ist dabei grundsätzlich die Relation von Sanktion und betroffenem Steuerbetrag. Auf die Bestimmung der Sanktion als Prozentsatz des betroffenen Steuerbetrages sind die ­Mitgliedstaaten dabei aber nicht beschränkt. Es ist den Mitgliedstaaten unbenommen, auch andere Methoden zur Bestimmung der Sanktionshöhe vorzusehen. Einzig das Verhältnis von betroffenem Steuerbetrag und Sanktionshöhe bleibt Kriterium zur Bestimmung der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall. Dabei stellt eine Sanktion in Höhe des betroffenen Steuerbetrages die Obergrenze dar. Diese darf nur dann erreicht werden, wenn in dem Verstoß eine Steuerhinterziehung liegt. Vom relativen Maßstab zum betroffenem Steuerbetrag darf ein Mitgliedstaat abweichen. Voraussetzung ist, dass die Ermittlung dieses Maßstabes, gerade aufgrund des Verstoßes des Steuerpflichtigen, nicht möglich ist. Der Mitgliedstaat hat sich dann am wahrscheinlich betroffenen Steuerbetrag zu orientieren. Er kann dabei von bekannten Kenngrößen der Tätigkeit des

ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 67; v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:2012:458, Rn. 67; v. 06.02.2014 – C-424/12 – Faktorie, ECLI:EU:C:​ 2014:50, Rn. 50; v. 17.07.2014 – C-272/13 – Equoland, ECLI:EU:C:2014:2091, Rn. 35.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Steuerpflichtigen wie Gesamtumsatz oder -vorsteuervolumen auf den betroffenen Steuerbetrag schließen. Neben der Bestimmung der Sanktionen sind die Mitgliedstaaten auch beim Modus der Erhebung der Sanktionen frei. So steht ihnen auch die Verrechnung mit materiell-rechtlich begründeten Ansprüchen, insbesondere mit Vorsteuerabzugs-, oder -vergütungsansprüchen offen. Eine Beschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug liegt darin nicht. Denn diese Einziehungsmethode setzt die Anerkennung der materiellen Ansprüche gerade voraus.

IV. Die Suspendierung materieller Rechtspositionen Gegenstand obiger Ausführungen waren die endgültige Aberkennung materieller Rechtspositionen ebenso wie die Sanktionierung jenseits des Steuertatbestandes. Offen blieb bislang die Frage, ob ein Verstoß gegen formelle Nachweiserfordernisse auch zu einer nur zeitweisen Aberkennung materieller Rechtspositionen, jenseits der Sanktionierung des Steuerpflichtigen, führen darf. 1. Ausgangspunkt und Problemstellung Ausgangspunkt ist dabei die generelle Beweislastverteilung im Mehrwertsteuerrecht. Der zufolge hat grundsätzlich der Steuerpflichtige ihm günstige Tatsachen nachzuweisen.604 Bleibt der Steuerpflichtige hinter den Anforderungen nationaler Nachweisverfahren zurück, so liegt zunächst die Suspendierung der betreffenden Rechtsposition im Verwaltungsverfahren nahe. Gelingt dem Steuerpflichtigen daher der Nachweis der Voraussetzungen einer ihm günstigen Rechtsnorm nicht, kann die Finanzverwaltung die Anwendung dieser verweigern, bis der Nachweis zu ihrer Überzeugung gelingt. Die Finanzverwaltung hat faktisch ein Zurückbehaltungsrecht. Diese Praxis dient jedenfalls der Sicherung der – saldiert – korrekten Erhebung der Steuer. Allerdings wird sie den Realitäten der Mehrwertsteuererhebung nicht gerecht. So wäre dem vollends zuzustimmen, wenn die Mehrwertsteuer erst auf Grundlage einer Veranlagung durch die Finanzbehörden erhoben und fällig würde. Im Mehrwertsteuerrecht muss der Steuerpflichtige aber regelmäßig deutlich vor einer eventuellen Kontrolle durch die Finanzverwal604 U.a. EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑184/05 – Twoh International, ECLI:EU:C:2007:550, Rn. 26, 34; v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 37.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

tung, selbstständig seine Entscheidung über die korrekte Besteuerung treffen. Diese Entscheidung legt er als Leistungserbringer der Bestimmung des Bruttopreises, als Leistungserbringer sowie als -empfänger seiner Voranmeldung, seiner Vorauszahlung und seiner Jahresanmeldung zugrunde. Bereits kurz nach der Leistungserbringung treten im Sollprinzip die Fälligkeit der Steuer und damit auch die Auswirkung der Entscheidung des Steuerpflichtigen auf das Aufkommen ein.605 Vermögen die Nachweise die Finanzbehörden im Nachhinein nicht von der Korrektheit der Besteuerung zu überzeugen, steht fest, dass die Finanzbehörden die günstige Rechtsfolge bei simultaner Kontrolle nicht gewährt hätte. Der Steuerpflichtige hätte sich bei simultaner Kontrolle um entsprechende Nachweise bemüht und die aufkommensrelevanten Entscheidungen erst nach Einvernehmen mit den Finanzbehörden getroffen. Dann, in Fällen der simultanen Kontrolle, wäre eine solche Zurückbehaltungsregelung, insbesondere bei nachträglichen Korrekturen der ursprünglichen Besteuerung grundsätzlich auch unionsrechtlich nicht zu beanstanden.606 Im System der Selbstveranlagung der Mehrwertsteuer mit Sollprinzip musste sich der Steuerpflichtige aber vorher auf Grundlage der damals verfügbaren Informationen festlegen. Es stellt sich somit die Frage, ob die Finanzbehörden im Falle der nachträglichen Kontrolle, ihre ursprünglich – in der Rechtspraxis freilich nur theoretisch – mögliche Zurückbehaltungsentscheidung noch nachholen können. Anders gewendet geht es dabei um die Zulässigkeit der rückwirkenden Aberkennung einer günstigen Rechtsfolge bis zum Zeitpunkt des tauglichen Nachweises. Im Zentrum steht daher die Frage, ob eine rückwirkende, zeitweise Aberkennung – diese soll hier in der Folge Suspendierung genannt werden – materieller Rechtspositionen allein aufgrund des Fehlens hinreichender formeller Nachweise zulässig ist. 2. Rechtlicher Rahmen der Zurückbehaltungsentscheidung Dazu lohnt es sich zu vergegenwärtigen, ob es sich dabei überhaupt um Maßnahmen handeln kann, welche der Sicherung der korrekten Erhebung und der Sicherung des Steueraufkommens dienen.

605 Zur daher dogmatisch unpassenden deutschen Terminologie der „Vorauszahlung“, Stadie, UStG, § 18, Rn. 11 f. 606 Vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 18.12.1997 – C‑286/94, C‑340/95, C‑401/95 und C‑47/96 – Molenheide u.a., Slg. 1997, I-07281, Rn. 41 f.; v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 42.; v. 26.01.2012 – C-588/10 – Kraft Foods Polska, ECLI:EU:C:2012:40, Rn. 33.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Bereits oben wurde gezeigt, dass formelle Erfordernisse auf den materiellen Gehalt der Besteuerung keinen Einfluss haben dürfen, sofern damit die Sanktionierung des Steuerpflichtigen bezweckt wird.607 Denn eine solche Einwirkung auf den Steuertatbestand konterkariert das Ziel der Sicherung der korrekten Steuererhebung. Als Maßnahme zur Sicherung der korrekten Besteuerung muss jedenfalls eine materielle Sanktion daher ausscheiden. Die Suspendierung von materiellen Rechtspositionen allerdings dient der Sicherung der korrekten Erhebung der Steuer und der Verhinderung der Steuerhinterziehung auch jenseits einer Sanktionierung des Steuerpflichtigen. Durch sie wird dem Rückforderungsausfallrisiko durch Gewährung ungerechtfertigter Erstattungen, Vergütungen oder Steuerfreiheiten begegnet. Somit wird dadurch aus Sicht des Fiskus zumindest in Summe, die korrekte Steuer erhoben. Sofern aber auch der Zeitpunkt, zu dem die Erfüllung eines Tatbestandes Wirkungen auf die Besteuerung zeitigen soll, zwingend unionsrechtlich definiert ist, liegt der Schluss nahe, dass auch dieser von den Mitgliedstaaten zur Sicherung der korrekten Erhebung der Steuer nicht modifiziert werden darf. Da sowohl der Zeitpunkt der Steuerentstehung in Art. 63 ff. ­MwStSystRL, die Fälligkeit in Art. 206 ff. ­MwStSystRL, der Zeitpunkt der Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug in Art. 167 M ­ wStSystRL als auch dessen Ausübungszeitpunkt in Art. 178 M ­ wStSystRL unionsrechtlich geregelt sind, wäre daher eine solche Zurückbehaltungsentscheidung unzulässig. Das gilt auch in den Fällen des Art. 178 Buchst. b, d und f ­MwStSystRL. Zwar kann das Recht auf Vorsteuerabzug dort nur in Anhängigkeit von mitgliedstaatlich bestimmten Formalien ausgeübt werden. Allerdings sind diese nicht zwingenden. Entscheidend ist damit in diesen Fällen wiederum nur die Erfüllung des unionsrechtlich bestimmte Beweismaßes.608 3. Schlüsse aus der Rechtsprechung zur Korrektur des ­unrichtigen Steuerausweises Die Rechtsprechung des EuGH legt allerdings – zunächst – einen anderen Schluss nahe. Betreffend Maßnahmen, welche ausschließlich der Sicherung des Steueraufkommens durch Verhinderung vorschneller Gewährung von Steuerbefreiungen oder -abzügen, und eben nicht der Sank­ 607 S.o. Teil II C.III.2.a) Materiell wirkende Sanktionen. 608 EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 63; v. 30.09.2010 – C-392/09 – Uszodaepito, ECLI:EU:C:2010:569, Rn. 39 f.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

tion,609 dienen, erkennt der EuGH offenbar einen weiten Spielraum der Mitgliedstaaten an. So dürfen die Mitgliedstaaten zur Sicherung der korrekten Erhebung der Steuer die Erstattung zu hoch ausgewiesener Steuerbeträge solange zurückhalten, bis der Steuerpflichtige den Nachweis erbracht hat, dass die Gefahr eines zu hohen Vorsteuerabzugs durch den Rechnungsempfänger gebannt ist.610 Die Mitgliedstaaten dürfen das aus Gründen des Verbrauchsteuerprinzips gebotene Recht zur sofortigen Korrektur dieser Steuerbeträge zeitlich in Abhängigkeit von einem entsprechenden Nachweis beschränken.611 Verallgemeinernd könnte man annehmen, es sei den Mitgliedstaaten generell gestattet, den Vollzug des materiellen Rechts zuungunsten des Steuerpflichtigen solange zu verzögern, bis eventuelle Unsicherheiten hinsichtlich der Berechtigung des Steuerpflichtigen ausgeräumt sind. Für den Fall der nachträglich entdeckten mangelhaften Nachweise hieße das, die Rechtsposition müsste erst ab Heilung des Nachweismangels anerkannt werden. Für den Zeitraum ab Fälligkeit bis zur Korrektur wäre die Steuer daher zu niedrig erklärt worden. Allerdings lässt sich diese Aussage in ihrer Allgemeinheit nicht auf diese Rechtsprechung stützen. a) Durch die Korrektur betroffener Besteuerungszeitraum – Korrektur mit Wirkung für den Zeitpunkt des Wegfalls der Gefährdung des Steueraufkommens Das setzte zum einen voraus, dass der Rechtsprechung zu entnehmen wäre, mit Wirkung für welchen Besteuerungszeitraum eine nachträgliche Korrektur der Steuer zu erfolgen hat. Hierzu äußert sich der EuGH nicht ausdrücklich. Einzig der Zeitpunkt, ab dem die Notwendigkeit der Korrektur von den Finanzbehörden zu akzeptieren ist, steht im Mittelpunkt dieser Rechtsprechung. Dieser fällt auf den Moment des Nachweises der Beseitigung der Gefährdung für das 609 Vgl EuGH, Urt. v. 31.01.2013 – C-642/11– Stroy Trans EOOD, ECLI:EU:C:2013:54, Rn. 34; anders wohl noch GA Mischo, Schlussantrag v. 14.03.1989 – C-342/87– Genius Holding, ECLI:EU:C:1989:120, Rn. 40; v. 26.01.2012 – C-588/10 – Kraft Foods Polska, ECLI:EU:C:2012:40, Rn. 33. 610 Vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:C:2000:469, Rn. 56; v. 11.04.2013 – C-138/12 – Rusedespred, ECLI:EU:C:​ 2013:233, Rn. 28 ff. 611 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, Rn. 41 ff.; v. 26.01.2012 – C-588/10 – Kraft Foods Polska, ECLI:EU:C:2012:40, Rn. 33 f., 37; v. 11.04.2013 – C-138/12 – Rusedespred, ECLI:EU:C:2013:233, Rn. 28 jeweils mit weiteren Nachweisen.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Steueraufkommen,.612 Allerdings lässt sich aus der zugrundeliegenden Argumentation folgern, für welchen Zeitraum die Korrektur zu erfolgen hat. Demnach wird man die Korrektur der Steuer für den Besteuerungszeitraum vornehmen müssen, in dem die Gefahr für das Steueraufkommen ausgeräumt wurde.613 Ab diesem Zeitpunkt ist bzw. war, die den Grundsatz der Neutralität beschränkende Versagung der Steuerkorrektur zur Sicherung des Steueraufkommens, durch Vermeidung voreiliger Leistungen an den Steuerpflichtigen, nicht mehr erforderlich.614 Nur lässt sich das erst nunmehr nachvollziehen. Stellt sich damit im Nachhinein heraus, dass eine solche Gefährdung tatsächlich niemals vorgelegen hat, so scheidet eine verhältnismäßige Sanktion generell aus. b) Entfall der Gefährdung mit Zusendung einer korrigierten Rechnung Dabei ist der Zeitpunkt, in dem die Gefährdung des Steueraufkommens entfällt, derjenige, in dem der Steuerpflichtige den Grad an Sicherheit betreffend die Korrektheit und Überprüfbarkeit der Versteuerung herstellt, welcher bestanden hätte, wenn er seinen Pflichten von Anfang an nachgekommen wäre. Das ist dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige dem Leistungsempfänger von der Fehlerhaftigkeit seiner Rechnung, zumeist durch Zusendung einer korrigierten Rechnung, in Kenntnis ­ setzt.615 Eine Rückzahlung des überhöhten Steuerbetrages an den Leistungsempfänger ist nicht erforderlich.616 Wird irrtümlich ein zu hoher 612 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, Rn. 41 ff.; v. 26.01.2012 – C-588/10 – Kraft Foods Polska, ECLI:EU:C:2012:40, Rn. 33 f., 37. 613 So auch in Deutschland § 14c Abs. 2 Satz 3 UStG; Abschn. 14c.2. Abs. 5 Satz 5 UStAE; in Österreich stellen die §§ 11 Abs. 12 i.V.m. 16 Abs. 1 Satz 2 a.E. öUStG allein auf die Berichtigung der Rechnung ab, was jedoch, im Falle des unrichtigen Steuerausweises, mit dem Wegfall der Gefährdung zusammenfällt, vgl. Ruppe/ Achatz, UStG, § 11, Rn. 121/1, 136, ebenso im Falle des unberechtigten Steuerausweises, sofern ein ausgeübter Vorsteuerabzugsbetrag beim Rechnungsemp­ fänger noch rückabgewickelt werden kann, hierzu Ruppe/Achatz, UStG, § 11, Rn. 142/1. 614 Betreffend die Fälle des unberechtigten oder unrichtigen Steuerausweises Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14c (Jan. 2014), Rn. 226, 304; im Ergebnis ebenso, aber nur für den Fall, dass ein Vorsteuerabzug durch den Rechnungsempfänger nicht erfolgt ist, Abschn. 14c.2 Abs. 5 Satz 6 UStAE; a.A. Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, UStHdB, § 168 (Aug. 2005), Rn. 584. 615 Wagner in Sölch/Ringleb, § 14c (Sep. 2011), Rn. 94, 105. 616 EuGH, Urt. v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, Slg: 2009, I-5295, Rn. 48; Vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 10.04.2008 – C-309/06 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2008:211, Rn. 41; mit allgemeinem Verweis auf die nicht zum Mehrwertsteuerrecht ergangene Rechtsprechung in EuGH, Urt. v. 24.03.1988 – C-104/86 – Kommission/Italien, ECLI:EU:C:1988:171, Rn. 6, sowie v. 09.02.1999 – C-343/96 – Dilexport, ECLI:EU:​

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

Steuerbetrag ausgewiesen, erfordert die Korrektur auf Seiten des Rechnungsausstellers nicht die Beseitigung eines Schadens am Steueraufkommen durch tatsächliche Korrektur oder Rückzahlung der eventuell bereits abgezogenen Vorsteuerbeträge beim Rechnungsempfänger.617 Es reicht vielmehr aus, wenn dem Rechnungsempfänger objektiv nachweisbar618 eine korrigierte Rechnung zugesandt wurde.619 Denn damit wird dem Rechnungsempfänger verdeutlicht, dass er tatsächlich nicht in dem Umfang, welchen die ursprüngliche Rechnung nahelegte, zum Vor­ steuerabzug berechtigt ist.620 Dem scheint die Überlegung zugrunde zu liegen, dass mit der Zusendung einer korrekten Rechnung diejenige Sicherheit erlangt wird, welche auch bestanden hätte, wenn der Steuerpflichtige bereits ursprünglich die korrekte Rechnung ausgestellt hätte. Das Risiko, dass sich der Rechnungsempfänger, trotz Kenntnis der Fehlerhaftigkeit der Rechnung bzw. eines bereits vorgenommenen Vorsteuerabzugs, – nunmehr aber erstmals bewusst – rechtswidrig verhält, kann demnach dem Rechnungsaussteller nicht aufgebürdet werden.621 Das ist nur konsequent. Denn der Steuerpflichtige, welcher Steuer falsch ausweist, schuldet die Steuer deshalb, weil davon auszugehen ist, dass der Rechnungsempfänger sich so verhält wie es die Rechnung nahelegt und diese auch zum Vorsteuerabzug nutzt.622 Konsequenterweise ist, wenn C:1999:59, Rn. 47, und v. 21.09.2000 – C-441/98 und C-442/98 – Michaïlidis, ECLI:EU:C:2000:479, Rn. 31 jeweils m.w.N.; BFH, Urt. v. 28.05.2009 – V R 2/08, BStBl. II 2009, 870; Wagner in Sölch/Ringleb, § 14c (Sep. 2011), Rn. 105; a.A. ­Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14c (Jan. 2014), Rn. 210 f. 617 Anders im Falle des unberechtigten Steuerausweises § 14c Abs. 2 Satz 3 f. UStG, welcher insofern aber hinter den Vorgaben des Unionsrechts aus EuGH, Urt. v. 13.12.1989 – C-342/87 – Genius Holding, ECLI:EU:C:1989:635, Rn. 18; v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:C:2000:469, Rn. 56; v. 06.11.2003 – C-78/02 bis C-80/02 – Karageorgou u.a., Slg. 2003, I-13295, Rn. 50; v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, Rn. 36, wonach auch im Falle des unberechtigten Steuerausweises die Steuer unabhängig von einem Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers zurückzugewähren ist, sofern der Rechnungsersteller bei Rechnungserstellung gutgläubig war, zurückbleibt. Hierzu Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 301. 618 EuGH, Urt. v. 26.01.2012 – C-588/10 – Kraft Foods Polska, ECLI:EU:C:2012:40, Rn. 41. 619 EuGH, Urt. v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, Rn. 51. 620 EuGH, Urt. v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, Rn. 42. 621 Vgl. Englisch, UR 2011, 488 (493); Wagner in Sölch/Ringleb, § 14c (Sep. 2011), Rn. 106; ders., StuW 1993, 260 (264 f.). 622 EuGH, Urt. v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:​ C:2000:469, Rn. 57, 61; v. 06.11.2003 – C-78/02 bis C-80/02 – Karageorgou u.a., Slg. 2003, I-13295, Rn. 50, 53; v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, Rn. 28; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14c (Feb. 2011), Rn. 14 f.; Wagner in Sölch/ Ringleb, § 14c (Sep. 2014), Rn. 14.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

der Rechnungsempfänger und die Finanzverwaltung um die Fehlerhaftigkeit der Rechnung weiß, aber auch auf eine Rechnungskorrektur zu verzichten. Die Gefahr besteht unabhängig von der Rechnung nicht mehr, weil dem Rechnungsempfänger der Vorsteuerabzug durch die Finanzverwaltung bereits endgültig versagt wurde.623 Diese Annahme muss dann auch zugunsten des Steuerpflichtigen gelten. Somit ist zugunsten des Steuerpflichtigen davon auszugehen, dass der Leistungsempfänger von einem Vorsteuerabzug absehen bzw. seine Vorsteuer entsprechend der korrigierten Rechnung berichtigen wird. Allein schon damit ist die Gefahr für das Steueraufkommen abgewandt. Damit trägt der Steuerpflichtige, auch in Fällen ursprünglicher Fehler, nicht das Risiko des – dann vorsätzlich – rechtswidrigen Verhaltens durch seinen Geschäftspartner, sofern er seinen hierzu veranlassenden Fehler korrigiert hat. Auch folgt eine erhöhte Risikohaftung zu seinen Lasten nicht daraus, dass sein Fehlverhalten diese Gefahr erst begründet hat. Dieser getrennten Betrachtung der Verantwortungsbereiche von Leistendem und Leistungsempfänger steht auch nicht entgegen, dass die Mitgliedstaaten die Korrektur, im Falle des zu hohen Steuerausweises, davon abhängig machen können624, dass der fälschlicherweise aufgeschlagene Betrag dem Leistungsempfänger zurückgewährt wird. Das soll den Mitgliedsstaaten lediglich ermöglichen, eine ungerechtfertigte Bereicherung des Rechnungstellers zu verhindern. Zweck ist nicht, den Rechnungsempfänger in die Lage zu versetzen, die Rückzahlung der entsprechenden Vorsteuerbeträge auch leisten zu können.625 Mit Rückzahlung des vereinnahmten Steuerbetrages hat der Rechnungssteller, neben der Korrektur der Rechnung, auch in finanzieller Hinsicht seine Behandlung des betreffenden Umsatzes entsprechend bereinigt. Ob der Rückzahlungsempfän623 EuGH, Urt. v. 11.04.2013 – C-138/12 – Rusedespred, ECLI:EU:C:2013:233, Rn. 33. 624 EuGH, Urt. v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, Rn. 48; Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 299, Fn. 2; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14c (Jan. 2014), Rn. 211f, erachtet das hingegen als zwingend, um im Verhältnis Leistungsempfänger, Leistungserbringer und Fiskus zu einem sachgerechten Ausgleich zu kommen. 625 Vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 24.03.1988 – C-104/86 – Kommission/Italien, ECLI:EU:C:​ 1988:171, Rn. 6; v. 09.02.1999, – C-343/96 – Dilexport, ECLI:EU:C:1999:59, Rn. 47; v. 21.09.2000 – C-441/98 und C-442/98 – Michaïlidis, ECLI:EU:C:2000:479 ECLI:EU:C:2000:479, Rn. 31; v. 10.04.2008 – C-309/06 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2008:211, Rn. 41; nur im Ergebnis ebenso Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14c (Jan. 2014), Rn. 210 ff., und dem zustimmend Burgmaier, UR 2007, 248 (349), demzufolge aber die Steuer nur dann als berichtigt i.S.d. deutschen § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG gelten kann, wenn dem Rechnungsempfänger, der im Brutto­ entgelt enthaltene Steuerbetrag vom Leistungsempfänger zurückerstattet wurde; vgl. auch Tehler, UVR 2012, 238 (241).

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

ger diese Zahlung ggf. – falls er den Betrag bereits als Vorsteuer geltend gemacht hat – systemgerecht, im Rahmen seiner Vorsteuerkorrektur, an den Fiskus weitergibt, ist für die Behandlung des Rechnungsausstellers unerheblich.626 Das Risiko eines Fehlverhaltens des Geschäftspartners oder eines Forderungsausfalles hinsichtlich der Mehrwertsteuer trägt dann der Fiskus genauso wie er es getragen hätte, wenn die Rechnung bereits anfänglich korrekt gewesen wäre. Die dem Leistungserbringer zurechenbare Gefahr für das Steueraufkommen durch seinen Fehler bei der Rechnungserstellung ist somit in dem Zeitpunkt gebannt, in welchem die Rechnung korrigiert wurde. Die Steuer ist daher mit Wirkung für den Besteuerungszeitraum zu korrigieren, in dem die Rechnung gegenüber dem Leistungsempfänger korrigiert wurde.627 Der Rechtsprechung zur Korrektur von unrichtigen Steuerausweisen in der Rechnung lässt sich also nicht entnehmen, dass die Finanzverwaltung die Anwendung materiellen Rechts durch den Steuerpflichtigen erst in dem Zeitpunkt zu akzeptieren hat, in dem entsprechende Nachweise vorliegen. 4. Erstrechtschluss – Keine Suspendierung lediglich a­ ufgrund von mangelnden Nachweisen bei materiell ­korrekter ­Besteuerung Eine generelle Ablehnung der rückwirkenden Aberkennung materieller Rechtspositionen bis zum Zeitpunkt des Nachweises folgt daraus freilich noch nicht zwingend. Allerdings muss eine rückwirkenden Ab­ erkennung, ausgehend von der Gefährdungssituation im Falle der Korrektur von falschen Steuerausweisen, erst recht für Fälle lediglich fehlerhafter Nachweise ausscheiden.

626 So auch für die deutsche Regelung des § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG, Wagner in Sölch/ Ringleb, § 14c (Sep. 2011), Rn. 112; gleiches gilt umgekehrt zugunsten des Rechnungsempfängers im Falle der Nichtabführung der fälschlicherweise vereinnahmten Steuer durch den Rechnungsaussteller, hierzu Englisch, UR 2008, 466 (468); Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14c (Jan. 2014), Rn. 216, 313 ff.; ders. UR 2007, 431 (431). 627 BFH, Urt. v. 26.1.2012 – V R 18/08, BFH/NV 2012, 678 (680).

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

a) Gefährdungslage und sekundärrechtliche Regelungstechnik zur Aufkommenssicherung beim unrichtigen Steuerausweis Die maßgebliche Rechtsprechung628 betrifft eine Sondersituation, welche mit der Situation fehlender Nachweise, welche die Selbstveranlagung des Steuerpflichtigen untermauern nicht vollumfänglich vergleichbar ist. Denn die Gefahr für das Steueraufkommen durch unrichtige Steuerausweise in Rechnungen ist deutlich höher, als diejenige durch fehlerhafte Nachweise. Die erörterten Rechtssachen bezogen sich allesamt auf die nachträgliche Freigabe von Steuermitteln entweder wegen nachträglicher Entgeltminderung oder wegen unrichtigem Steuerausweis. Gegenstand war immer die Freigabe bereits vereinnahmter Steuermittel durch Erstattung. Die Gefahr für das Steueraufkommen folgte in diesen Fällen erst aus der Freigabe dieser Mittel. Der Gefahr des materiell unberechtigten629 Vorsteuerabzuges des Rechnungsempfängers wegen fälschlicherweise ausgewiesener Mehrwertsteuer begegnet das Mehrwertsteuerrecht mit Art. 203 ­ MwStSystRL. Demnach schuldet der Rechnungsaussteller jegliche – mithin auch zu Unrecht – ausgewiesene Steuer.630 So kommt es, auch im Falle des unberechtigten Vorsteuerabzuges durch den Rechnungsempfänger, zu keinem finanziellen Schaden für den Steuergläubiger. Gewährt der Fiskus hier die Reduktion der Steuer um den gem. Art. 203 M ­ wStSystRL geschuldeten Steuerbetrag auf das materiell rechtlich korrekte – ausgenommen die Steuerschuld gem. Art. 203 ­MwStSystRL – Maß, gibt er diese Sicherheit auf. Zur effektiven Sicherung des Steueraufkommens ist es den Mitgliedstaaten daher möglich, die Erstattung vom Nachweis abhängig zu machen, dass diese Gefahr nicht mehr besteht.631 628 EuGH, Urt. v. 24.03.1988 – C-104/86 – Kommission/Italien, ECLI:EU:C:1988:171; v. 09.02.1999, – C-343/96 – Dilexport, ECLI:EU:C:1999:59; v. 21.09.2000 – C-441/98 und C-442/98 – Michaïlidis, ECLI:EU:C:2000:479; v. 10.04.2008 – C-309/06 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2008:211. 629 Grundlegend durch Beschränkung des Vorsteuerabzuges auf die gesetzlich geschuldete Steuer, EuGH, Urt. v. 13.12.1989 – C-342/87 – Genius Holding, ECLI:EU:​C:​ 1989:635, Rn. 13, 15 und Tenor; seither ständige Rechtsprechung, siehe u.a. EuGH, Urt. v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:C:2000:​ 469, Rn. 53; v. 06.02.2014 – C-424/12 – Faktorie, ECLI:EU:C:​2014:50, Rn. 39. 630 EuGH, Urt. v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, Rn. 28; v. 31.01.2013 – C-642/11– Stroy Trans EOOD, ECLI:EU:C:2013:54, Rn. 32; v. 31.01.2013 – C- 643/11 – LVK-56 EOOD, ECLI:EU:C:2013:55, Rn. 36. 631 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, Rn. 39; v. 26.01.2012 – C-588/10 – Kraft Foods Polska, ECLI:EU:C:2012:40, Rn. 34 ff.; v. 31.01.2013 – C- 643/11 – LVK-56 EOOD, ECLI:EU:C:2013:55, Rn. 36 f.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

Die Gefahr, der zunächst die Besteuerung nach Art. 203 M ­ wStSystRL begegnet, lebt mit der Korrektur dieser Besteuerung – also der Rückgängigmachung der Wirkungen des Art. 203 M ­ wStSystRL – erst durch eine mögliche unterschiedliche Behandlung des Umsatzes auf Seiten des Leistenden und des Leistungsempfängers, wieder auf. Dadurch wird das systematische Ineinandergreifens von Belastung und Entlastung gefährdet. Ein tatsächlicher Steuerausfall wird erst durch die einseitige Korrektur des Fehlers möglich. Insofern besteht ein fiskalisches Bedürfnis, die Steuer für den Leistungserbringer erst zu korrigieren, wenn der Leistungsempfänger hinsichtlich seiner Vorsteuerabzugsberechtigung – nachweisbar durch dokumentierte Rechnungskorrektur – bösgläubig ist. b) Vergleichbarkeit der Gefährdungslagen Legt man die gleiche Behandlung des Umsatzes durch die am Umsatz Beteiligten auch den Fällen, in denen Nachweise betreffend die Steuererklärungen des Steuerpflichtigen fehlen oder nicht ausreichend sind, zugrunde, kommt es zu dieser Aufkommensgefährdung nicht. Denn allein vom Mangel der ursprünglichen Nachweise im Binnenbereich des Steuerpflichtigen geht eine Gefahr für das Steueraufkommen nicht aus. Hier fehlt es am Anknüpfungspunkt für den Leistungsempfänger. Zudem ist zu beachten, dass in Fällen der nachträglichen Steuerkorrektur der Nachweis der Richtigstellung einer falschen steuerlichen Behandlung auf ­Seiten des Geschäftspartners des korrigierenden Steuerpflichtigen fehlt. Im Falle der lediglich zeitweilig nicht nachgewiesenen Richtigkeit der Versteuerung hingegen besteht und bestand eine Gefahr für die korrekte Versteuerung tatsächlich nicht. Die Anerkennung der Besteuerung als korrekt geht damit, anders als die Gewährung einer nachträglichen Steuerkorrektur, nicht mit der Gefahr der nicht kohärenten Versteuerung auf Seiten des Geschäftspartners einher. Sie muss daher – erst recht – ex tunc erfolgen. Zudem geht im Falle der Rechnungskorrektur die Gefahr für das Steueraufkommen davon aus, dass sich der materielle Fehler des Steuerpflichtigen im Dokument der Rechnung fortsetzt. Denn es ist anzunehmen, dass es dem Geschäftspartner als Anknüpfungspunkt für seine steuerliche Behandlung des Umsatzes dient.632 Nur, weil damit der Fehler des einen Steuerpflichtigen typischerweise auch auf Seiten das anderen Steuerpflichtigen zu einer Fehlbehandlung führt, ist die gleichzeitige Fehlerkorrektur auf beiden Seiten, gesichert durch die Abhängigkeit der Kor632 EuGH, Urt. v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, Rn. 28; ­Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14c (Jan. 2014), Rn. 14.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

rektur auf Seiten des Rechnungsausstellers von der Korrektur auf Seiten des Rechnungsempfängers, von Bedeutung. Sind aber nur Nachweise i.S.v. Art. 242 ­MwStSystRL fehlerhaft, welche typischerweise den Binnenbereich des Steuerpflichtigen nicht verlassen, z.B. die Buchhaltung oder Frachtpapiere, besteht die Gefahr durch Anknüpfung eines anderen Steuerpflichtigen nicht. Weiter ist hier festzuhalten, dass im Falle der Rechnungskorrektur der materielle Fehler in der steuerlichen Behandlung durch den Steuerpflichtigen und damit die Gefahr für die korrekte Erhebung der Steuer bereits feststeht. Im Falle der korrekten, aber zeitweise nicht nachweisbar richtigen Versteuerung besteht bis zum tauglichen Nachweis lediglich Grund für eine solche Vermutung. Eine rückwirkende Aberkennung der günstigen Rechtsfolge bis zum Nachweis der Richtigkeit etablierte hingegen praktisch eine unwiderlegliche gesetzliche Vermutung der Unrichtigkeit im Zeitraum von der Steuerentstehung bis zum Nachweis. Eine solche zeitabhängige Wirkung materieller Tatbestände ist dem Mehrwertsteuerrecht aber fremd. Insbesondere geht eine solche Vermutung über das zur Sicherung des Steueraufkommens Erforderliche hinaus.633 Ist der Nachweis von Voraussetzungen von Steuerbefreiungen als Ausnahmeregelungen von der generell umfassenden Steuerpflichtigkeit betroffen, gilt nichts anderes. Denn dieser Ausnahmecharakter erfordert lediglich eine enge Auslegung der Befreiungsvorschriften in tatbestandlicher Hinsicht.634 Auf den Zeitpunkt der Gewährung hat sie jedoch keinen Einfluss. c) Wertungskongruenz auch ohne sekundärrechtliche Haftungsregelung Zieht man aus der Behandlung dieser Fälle verallgemeinernde Rückschlüsse für das Besteuerungsverfahren, kommt man nicht umhin festzustellen, dass eine Wertungskongruenz zwischen den Fällen des Art. 203 ­MwStSystRL und den Fällen der generellen Besteuerung nicht notwendigerweise besteht.

633 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.12.1997 – C‑286/94, C‑340/95, C‑401/95 und C‑47/96 – Molenheide u.a., ECLI:EU:C:1997:623, Rn. 50 ff., 56.  634 U.a. EuGH, Urt. v. 15.06.1989 – C-348/87 – Stichting Uitvoering Financiële ­Acties, ECLI:EU:C:1989:246, Rn. 13; v. 05.06.1997 – C‑2/95 – Sparekassernes ­Datacenter, ECLI:EU:C:1997:278, Rn. 20; v. 10.09.2002 – C-141/00 – Kügler, ECLI:​ EU:​ C:2002:473, Rn. 28; v. 20.11.2003 – C‑212/01 – Unterpertinger, ECLI:EU:​ C:2003:625, Rn. 34; v. 16.09.2004 – C-382/02 – Cimber Air, ECLI:EU:C:2004:534, Rn. 25; v. 14.09.2006 – C-181/04 bis C-183/04 – Elmeka, ECLI:EU:C:2006:563, Rn. 15.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

Denn die Regelung des Art. 203 ­MwStSystRL ist ihrem Sinn nach eine Haftungsregelung.635 Die entsprechende Steuer ist keine Mehrwertsteuer im eigentlichen Sinne. Deshalb ist sie – gegenstandunabhängig – auf Seiten des Leistungsempfängers nicht abziehbar.636 Somit kann sie zu einer endgültigen Belastung des Leistungsbezuges durch den Steuerpflichtigen führen637 und daher eine, dem Wesen der Mehrwertsteuer fremde Wirkung638 Ihr fehlt folglich ein wesensprägendes Merkmal der Mehrwertsteuer i.S.d. ­ MwStSystRL639. Das steht aber dem Rückbezug auf die Grundaussage nicht entgegen, dass die Finanzverwaltung eine Zurückbehaltungsentscheidung zulasten des Steuerpflichtigen nur bis zum Zeitpunkt des tatsächlichen Entfalls dieser Gefährdung des Mehrwertsteueraufkommens aufrechterhalten darf. Vielmehr muss der Ansatz, wonach im Falle der sekundärrechtlich vorgesehenen Haftung640 gem. Art. 203 ­MwStSystRL eine Haftungssumme im Zeitpunkt des Entfalls der Gefährdung des Steueraufkommens freizugeben ist, erst recht für Fälle ­gelten, in denen eine solche Haftungssumme, ohne explizite sekundärrechtliche Grundlage – allein gestützt auf Art. 273 ­MwStSystRL – durch Einbehalt oder nachträgliche Rückforderung von Steuermitteln, im Wege der rückwirkenden Suspendierung von materiellen Rechtspositionen, erst geschaffen wird. Somit ist, im Falle fehlerhafter Nachweise, eine Suspendierung materieller Rechtspositionen nur bis zum Zeitpunkt des Entfalles der Gefährdung für das Steueraufkommen zulässig. Eine Suspendierung erst mit Wirkung für den Zeitpunkt des erfolgreichen Nachweises kommt zu spät. Nur im Zeitraum von Entstehung der Steuer bis zum Zeitpunkt der korrekten Versteuerung darf daher die Suspendierung erfolgen.

635 EuGH, Urt. v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:​ C:2000:469, Rn. 61; v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:​2009:380, Rn. 28 m.w.N.; Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 299; Stadie, UStG, § 14c, Rn. 3 f.; ders. in Rau/Dürrwächter, § 14c (Jan. 2014), Rn. 15. 636 EuGH, Urt. v. 13.12.1989 – C-342/87 – Genius Holding, ECLI:EU:C:1989:635, Rn. 13, 15 und Tenor. 637 Siehe hierzu das Bsp. bei Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14c (Jan. 2014), Rn. 212. 638 Vgl. Tipke, StRO II, S. 1017 ff., 1021, wonach sich der Steuercharakter nicht aus der technischen Anknüpfung, sondern aus der Steuerwirkung ergibt. 639 EuGH, Urt. v. 13.07.1989 – C-93/88 – Wisselink u.a., ECLI:EU:C:1989:324, Rn. 18; v. 19.03.1991 – C-109/90 – Giant, ECLI:EU:C:1991:126, Rn. 12; v. 19.02.1998 – C-318/96 – SPAR, ECLI:EU:C:1998:70, Rn. 23; v. 11.10.2007 – C-283/06 und C-312/06 – KÖGÁZ u.a., ECLI:EU:C:2007:598, Leitsatz 1 a.E., Rn. 37; Beschl. v. 27.11.2008 – C-156/08 – Vollkommer, ECLI:EU:C:2008:663, Rn. 31. 640 EuGH, Urt. v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:C:2000:469, Rn. 61; v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:​ 2009:380, Rn. 28 m.w.N.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Suspendierungen, welche über den Zeitpunkt der korrekten Versteuerung hinaus, bis zum Zeitpunkt des Nachweises wirken, sind daher rückwirkend – liquiditätsneutral – zu korrigieren. Ist einzig der Nachweis, bei gleichzeitig anfänglich materiell-rechtlich korrekter Versteuerung, fehlerhaft, ist eine faktische Suspendierung daher generell un­ zulässig. Eine erfolgte Suspendierung hat daher mit dem Nachweis rückwirkend liquiditätsneutral zu erfolgen. 5. Rechtsdogmatische Erwägungen – der materielle Gehalt des Verwirklichungszeitpunktes Ganz generell ist zu beachten, dass eine rückwirkende Aberkennung materieller Rechtspositionen faktisch auf den Zeitpunkt des Steuer­ ­ tatbestandes gem. Art. 62 ff. M ­ wStSystRL Einfluss nimmt. Dies ist den Mitgliedstaaten aber ausdrücklich nur im Rahmen einer genehmigungsbedürftigen Sondermaßnahme i.S.d. Art. 395 M ­ wStSystRL gestattet.641 Derartige Maßnahmen lassen sich nicht auf die generelle Befugnis der Mitgliedstaaten gem. Art. 273 M ­ wStSystRL, Maßnahmen zur Sicherung der Steuererhebung und des Steueraufkommens zu ergreifen, stützen.642 Da Art. 395 ­MwStSystRL die Mitgliedstaaten ermächtigt, auch den materiellen Tatbestand der Mehrwertsteuer zu korrigieren, folgt daraus, dass auch die Bestimmung des Zeitpunktes des Steuertatbestandes materiell-rechtlicher Natur ist. Auch ohne Rückgriff auf den Gehalt des Art. 395 ­MwStSystRL kann hier auf die Ausführungen zu materiell wirkenden Sanktionen verwiesen werden. Demnach kann die endgültige Aberkennung materieller Rechtspositionen zu Sanktionszwecken nicht von der Erfüllung formaler Erfordernisse abhängig gemacht werden. Denn diese sind formeller Natur und

641 EuGH, Urt. v. 14.07.2005 – C-435/03 – British American Tobacco und Newman Shipping, ECLI:EU:C:2005:464, Rn. 45 f.; v. 27.01.2011 – C-489/09 – Vandorre, ECLI:EU:C:2011:33, Rn. 28. 642 Siehe hierzu EuGH, Urt. v. 14.07.1988 – C-123/87 und C-330/87 – Jeunehomme und EGI, ECLI:EU:C:1988:408, Rn. 15; v. 15.01.2009 – C-502/07 – K-1, ECLI:EU:​ C:2009:11, Rn. 23; v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 41; vgl. zum Verhältnis von ­ Art. 395 und 273 ­MwStSystRL auch Schumann, Das Dispensverfahren im euro­ päischen Mehrwertsteuerrecht, S. 33. Siehe zur Notwendigkeit eines Ermächtigungsverfahrens die Begründung zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Bezug auf einen Schnellreaktionsmechanismus bei Mehrwertsteuerbetrug v. 31.07.2012, KOM (2012) 428 endg., S. 2 unten.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

damit auf ihre „dienende Funktion“643 beschränkt.644 Oben führte das noch zum Schluss, dass materielle Rechtspositionen im Falle irrtümlicher formaler Rechtsanwendungsfehler nicht endgültig aberkannt werden können. Tatsächlich ist aber auch der Zeitpunkt des Eintritts der materiell rechtlichen Rechtsfolge materiell rechtlich definiert und damit stets vom materiellen Tatbestand umfasst. Somit kann der Mitgliedstaat auf den Zeitpunkt des Eintritts einer materiell-rechtlichen Rechtsfolge nicht wegen des irrtümlichen Verstoßes gegen eine formelle Anforderung einwirken. An dieser Stelle sei nochmals klargestellt, dass dies nur gilt, sofern dem Steuerpflichtigen der objektive Nachweis der Voraussetzungen auch ­gelingt. Hierzu wird dem Steuerpflichtigen, im Falle der nachträglich entdeckten Mängel der Nachweise, eine angemessene Frist eingeräumt werden müssen. Verstreicht diese ergebnislos, ist zugunsten der Rechtssicherheit eine Beweislastentscheidung zulasten des Steuerpflichtigen zu treffen und die günstige Rechtsfolge endgültig abzuerkennen.645

V. Verzinsungsbefugnis Werden Steuerbeträge verspätet erhoben, werden in vielen Mitgliedstaaten Zinsen auf den Steuerbetrag fällig. Der Sanktion dient diese Ver­ zinsung regelmäßig nicht. Zweck ist vielmehr, Liquiditätsvorteile des Steuerpflichtigen und die korrespondierenden Nachteile des Fiskus auszugleichen.646 Daher hängt die Verzinsung auch nicht von einem persönlichen Verschulden des Steuerpflichtigen ab.647 Als Sanktion ließe sich

643 Treiber in Sölch/Ringleb, § 6a (Apr. 2015), Rn. 84, bezogen auf den Nachweis der Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung mittels Buch- und Belegnachweis gem. §§ 17a ff. UStDV. 644 S.o. Teil II C.III.2.a) Materiell wirkende Sanktionen 645 Siehe zur Aberkennung materieller Rechtspositionen nach Ablauf einer angemessenen Frist zugunsten der Rechtssicherheit, EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 44, bzgl. der Ausschlussfristen für die Ausübung des Vorsteuerabzuges; v. 21.01.2010 – C-472/08 – Alstom Hydro Power, ECLI:EU:C:2010:32, Rn. 16, bzgl. des Antrags auf Auszahlung eines Vorsteuerüberschusses; das gilt auch im Vorsteuervergütungsverfahren an nicht im Staat der Erstattung ansässige Steuerpflichtige, sodass die Frist zur Antragstellung gem. Art. 7 UA 1 der achten Mehrwertsteuerichtlinie eine Ausschlussfrist ist, EuGH, Urt. v. 21.06.2012 – C-294/11 – Elsacom, ECLI:EU:C:2012:382, Rn. 29. 646 S.o. Teil I C.II.1.a) Grundsätzliche Systematik und Zielsetzung. 647 Siehe zur deutschen Regelung des § 233a AO, BT-Drucks. 11/2157, S. 194; 8/1410 Rn. 4; Loose in Tipke/Kruse, § 233a AO (Jan. 2016), Rn. 7.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

daher die Verzinsung auch vor dem Hintergrund dieses nationalen Gesetzeszwecks nicht rechtfertigen.648 Unabhängig von der nationalen Intention ließe sich auch die Verzinsung von Steuerbeträgen als Sanktion rechtfertigen. Denn Zinsen wirken sich als zum Steuerbetrag proportionale Belastung in ihrer Belastungswirkung ebenso wie Bußgelder aus. So erkannte der EuGH jüngst die Erhebung von Verzugszinsen, ohne auf die nationale Intention der Verzinsung einzugehen, als Sanktion. Diese habe sich dann an den für Sanktionen allgemein definierten Anforderungen messen zu lassen.649 Ist der Zweck der Verzinsung aber eben nur die Abschöpfung von Liquiditätsvorteilen und ist ihre Verhängung daher konsequenterweise nicht vom Verschulden des Steuerpflichtigen abhängig, scheitert die Rechtfertigung als Sanktion. Dann muss ein anderer Ansatz verfolgt werden. Auch dieser führt, wie sich im Folgenden zeigen wird, zur Berechtigung der Mitgliedstaaten, Steuerbeträge verschuldensunabhängig zu verzinsen. 1. Verzinsung als anerkannte Methode zur Liquiditätskorrektur zugunsten des Steuerpflichtigen Eingangs steht man dabei vor dem Problem, dass Rechtsprechung des EuGH zur Zulässigkeit der Verzinsung von Steuerbeträgen zulasten des Steuerpflichtigen jenseits deren sanktionierender Wirkung650 fehlt. Dabei ist dem Unionsrecht eine Verzinsung ohne Sanktionszweck nicht grundsätzlich fremd ist. Das zeigt bereits Art. 4 Verordnung VO 2988/1995. Erlangt demnach ein Unionsbürger rechtswidrig finanzielle Vorteile zulasten der Union so sind ihm diese wieder zu entziehen, Art. 4 Abs.1 Verordnung VO 2988/1995. Dieser Entzug umfasst auch die Verzinsung des erlangten Betrages, sofern der Mitgliedstaat diese vorgesehen hat, 648 Vgl. Teil II C.III.2.b)bb)(3) Konsequenz: Subjektive Vorwerfbarkeit bei formellen Verstößen erforderlich. 649 So erkennt der EuGH in EuGH, Urt. v. 06.02.2014 – C-424/12 – Faktorie, ECLI:ECLI:EU:C:2014:50, Rn. 50, in Verzugszinsen eine Sanktion, ohne die vom nationalen Gesetzgeber ursprünglich verfolgten Zwecke auch nur zu eruieren. Diese müssten am generell – hierfür verweist der EuGH u.a. auf EuGH, Urt. v. 16.12.1992 – C-210/91 – Kommission/Griechenland, ECLI:EU:C:1992:525, Rn. 19 m.w.N., v. 07.12.2000 – C-213/99 – De Andrade, ECLI:EU:C:2000:678, Rn. 20, und v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi-M 91, ECLI:ECLI:ECLI:EU:​ C:2013:414, Rn. 31, welche die Verhängung von Bußgeldern zum Gegenstand hatten – für die Verhängung von Sanktionen geltenden Maßstab gemessen werden. 650 Siehe hierzu soeben Teil II C.V Verzinsungsbefugnis zu EuGH Urt. v. 06.02.2014 – C-424/12 – Faktorie, ECLI:EU:C:2014:50, Rn. 50.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

Art. 4 Abs.2 Verordnung VO 2988/1995. Diese Verzinsung stellt gem. Art. 4 Abs.4 Verordnung VO 2988/1995 ausdrücklich keine Sanktion dar. Ausgehend davon, gibt sowohl die vorhandene Rechtsprechung zur Ver­ zinsung zugunsten des Steuerpflichtigen als auch die bisherigen Erkenntnisse zur unionsrechtlich zulässigen Liquiditätsbelastung des Steuerpflichtigen genügend Ansatzpunkte, um über die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten zur Verzinsung von Steuerbeträgen zu befinden. So ist auch die Liquiditätswirkung der Mehrwertbesteuerung ein Aspekt korrekter Besteuerung. So liegt den Regelungen über den Zeitpunkt des Eintritts der Steuerbe- und -entlastung der Grundsatz der Liquiditätsneutralität zugrunde.651 Werden Steuern im Widerspruch zu diesen Regelungen erhoben, bedarf es daher auch einer Korrektur dieser Liquiditätswirkungen. Daher umfasst ganz generell der Anspruch652 auf die Erstattung unionsrechtswidrig erhobenen Steuern auch den Anspruch auf die Erstattung von Zinsen. Denn auch der Liquiditätsausfall des Steuerpflichtigen ist als Schaden durch die unionsrechtswidrige Steuererhebung auszugleichen. Das gilt sowohl für direkte653 als auch für den Bereich der harmonisierten, indirekten Steuern.654 Das gilt insbesondere auch dann, wenn sich der Schaden des Steuerpflichtigen auf die zeitweise fehlende Verfügbarkeit des Steuerbetrages beschränkt.655 Sowohl betreffend direkte Steuern, als auch bezüglich indirekter Steuern, folgt der Anspruch auf Erstattung zuzüglich Zinsen direkt aus dem Unionsrecht. Das zeigt die Verweisung in der Rechtsprechung zur Erstattung von indirekten Steuern auf diejenige zur Erstattung von direkten Steuern.656 Anders gewen651 S.o. Teil II B.IV.2.b)cc)(1) Kumulative Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs – Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug und Besitz einer Rechnung. 652 Hierzu u.a. EuGH, Urt. v. 14.01.1997 – C-192/95 bis C-218/95 – Comateb u.a., ECLI:EU:C:1997:12, Rn. 20, v. 08.03.2001 – C-397/98 und C-410/98 – Metallgesellschaft u.a., ECLI:EU:C:2001:134, Rn. 84; v. 02.10.2003 – C-147/01 – Weber’s Wine World u.a., ECLI:EU:C:2003:533, Rn. 93, und v. 12.12.2006 – C-446/04 – Test Claimants in the FII Group Litigation, ECLI:EU:C:2006:774, Rn. 202 653 EuGH, Urt. v. 08.03.2001 – C-397/98 und C-410/98 – Metallgesellschaft u.a., ECLI:EU:C:2001:134, Rn. 87 ff.; v. 12.12.2006 – C-446/04 – Test Claimants in the FII Group Litigation, ECLI:EU:C:2006:774, Rn. 205. 654 EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-591/10 – Littlewoods, ECLI:EU:C:2012:478, Rn. 26. 655 EuGH, Urt. v. 08.03.2001 – C-397/98 und C-410/98 – Metallgesellschaft u.a., ECLI:EU:C:2001:134, Rn. 87 ff. 656 So verweist EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-591/10 – Littlewoods, ECLI:ECLI:EU:C:​ 2012:478, Rn. 25 auf die soeben in Fn. 653 genannte Rechtsprechung zur Erstattung von direkten Steuern, um dann in Rn. 26 festzustellen: „Nach dieser Rechtsprechung ergibt sich der Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuerbeträge zuzüglich Zinsen zu erstatten, aus dem Unionsrecht.“ Damit liegt nahe, dass, wenn der EuGH

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

det dient die Verzinsung der Herstellung der unionsrechtlich intendierten Liquiditätssituation. Gleiches gilt auch für die, der Ausgestaltung durch die Mitgliedstaaten überlassenen Regelungsbereiche. Entsprechend sind Erstattungsbeträge gem. Art. 183 M ­ wStSystRL, auch ohne entsprechende unionsrechtliche die „… Nebenfragen wie etwa die Zahlung von Zinsen einschließlich des Zeitpunkts, von dem an die Zinsen zu berechnen sind, und des Zinssatzes …“ in Urt. v. 08.03.2001 – C-397/98 und C-410/98 – Metallgesellschaft u.a., ECLI:EU:C:​ 2001:134, Rn. 86 (mit Verweis auf gleichlautende Urt. v. 21.05.1976 – C-26/74 – Roquette Frères/Kommission, ECLI:EU:C:1976:69, Rn. 11 f.; v. 12.06.1980 – C-130/79 – Express Dairy Foods, ECLI:EU:C:1980:155, Rn. 16 f.) als, dem natio­ nalen Recht obliegenden Gegenstand versteht, nur davon ausgeht, dass die Ausgestaltung des Verzinsungsregimes, „einschließlich des Zeitpunkts, von dem an die Zinsen zu berechnen sind, und des Zinssatzes …“ nicht aber die Verzinsung per se zur Disposition der Mitgliedstaaten steht. Damit kann der anderen Ansicht von Lange, Der Anspruch auf Erstattung gemeinschaftsrechtswidrig erhobener Steuern, S. 155 f., der – allerdings vor Ergehen von EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-591/10 – Littlewoods, ECLI:ECLI:EU:C:2012:478 – davon ausgeht, dass auch die Entscheidung des „Ob“, und nicht nur des „Wie“ der Verzinsung den Mitgliedstaaten zugewiesen ist, nicht gefolgt werden. Denn dieser macht genau an der Qualifikation der Verzinsungsfrage in EuGH, Urt. v. 08.03.2001 – C-397/98 und C-410/98 – Metallgesellschaft u.a., ECLI:EU:C:2001:134, Rn. 86, als „Nebenfrage“ fest. Zudem spricht, auch ohne die Erkenntnis aus EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-591/10 – Littlewoods, ECLI:ECLI:EU:C:2012:478, Rn. 26, gegen die Ansicht von Lange der Umstand, dass in EuGH, Urt. v. 08.03.2001 – C-397/98 und C-410/98 – Metallgesellschaft u.a., ECLI:EU:C:2001:134, Rn. 87–89, Zinsen zugestanden wurden, obwohl der Unionsrechtsverstoß hier einzig in der zu frühen Erhebung der Steuer lag, sich der Schaden damit auf den Liquiditätsausfall beschränkte. Sofern Lange, a.a.O. und auch Hahn, IStR 2002, 105 (107), aus der Formulierung in EuGH, Urt. v. 08.03.2001 – C-397/98 und C-410/98 – Metallgesellschaft u.a., ECLI:EU:C:2001:134, Rn. 87, der zufolge Zinsen deshalb zuzugestehen seien, weil der Liquiditätsausfall „… keine Nebenfrage, sondern … (Änd. des Verf.:) den Streitgegenstand der Ausgangsverfahren.“ darstellten, etwas anderes folgern wollen, greift das zu kurz. Vielmehr ist EuGH, Urt. v. 08.03.2001 – C-397/98 und C-410/98 – Metallgesellschaft u.a., ECLI:EU:C:2001:134, Rn. 87 ff., so zu verstehen, dass der EuGH klarstellen wollte, dass ein Anspruch auf Verzinsung nicht als Annex den Anspruch auf Rückerstattung des gesamten Steuerbetrages voraussetzt, sondern wie letzterer unmittelbare Folge des Unionsrechts ist. Nur neben der Erstattung des unionsrechtswidrig erhobenen Betrages, stellt die Verzinsung demnach eine Nebenfrage dar. Die Interpretation von Lange und Hahn hingegen führt zur paradoxen Situation, dass ein Liquiditätsausfall nur dann zu erstatten ist, wenn dem Steuerpflichtigen der Steuerbetrag aufgrund einer unionsrechtmäßigen Steuererhebung später hätte entzogen werden können, nicht aber, wenn ein Anspruch des Staates auf den erhobenen Betrag niemals bestand, ein Liquiditätsabfluss daher niemals zulässig sein kann. Hahn, IStR 2002, 105 (107 f.), scheint diesen Widerspruch zwar zu erkennen („… Schwäche der Entscheidung …“), nimmt dies aber nicht zum Anlass seine, nicht zwingende, diesen Widerspruch erst erzeugende, Interpretation zu ändern.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

Regelung, ab dem Zeitpunkt, zu dem sie nach materiellem Recht hätten ausgezahlt werden müssen, zu verzinsen.657 Diese Erstattung, und damit auch die Verzinsung hat grundsätzlich sofort658, jedenfalls auch in Fällen des Art. 183 ­MwStSystRL nicht später als im folgenden Besteuerungszeitraum659 zu erfolgen. Auch hier haben die Mitgliedstaaten die unionsrechtlich intendierte Liquiditätssituation durch eine Verzinsung zugunsten des Steuerpflichtigen herzustellen. Scheitert die Herstellung der Liquiditätsneutralität mittels der hierzu originär vorgesehenen Mechanismen – insbesondere des Sofortabzuges660 –, ist dieses Defizit mittels der Verzinsung zu korrigieren. Generell gilt daher, dass die Mitgliedstaaten zu Gunsten des Steuerpflichtigen die ihm unionsrechtlich zugestandene Liquiditätssituation herzustellen haben. Als Mittel dazu haben sie sich der Verzinsung von Steuerbeträgen zu bedienen, welche dem Steuerpflichtigen über den unionsrechtlich gebotenen Zeitraum hinaus nicht zur Verfügung standen. Einzig die Ausgestaltung der Einzelheiten einer Verzinsungsregelung – Zinslauf und -satz – obliegen mangels einer unionsrechtlichen Regelung der autonomen Ausgestaltung durch die Mitgliedstaaten.661 2. Verzinsungsbefugnis zur Abschöpfung von Liquiditäts­vorteilen zu Lasten des Steuerpflichtigen Offen ist damit aber noch, ob die Mitgliedstaaten auch verpflichtet bzw. berechtigt sind, den unionsrechtlichen korrekten Liquiditätszustand auch zulasten des betroffenen Steuerpflichtigen herzustellen. Ist das der Fall, so wären die Mitgliedstaaten berufen, Liquiditätsvorteile, welche dem Steuerpflichtigen aufgrund einer von der unionsrechtlich intendierten Belastung abweichenden Besteuerung erwachsen, mittels Verzinsung abzuschöpfen.662 657 EuGH, Urt. v. 18.12.1997 – C‑286/94, C‑340/95, C‑401/95 und C‑47/96 – Molenheide u.a., ECLI:EU:C:1997:623, Rn. 62; v. 12.05.2011 – C-107/10 – Enel Maritsa Iztok 3, ECLI:EU:C:2011:298, Rn. 51, 53. 658 Siehe neben den Nachweisen oben in Fn. 316 u.a. EuGH, Urt. v. 06.07.1995 – C-62/93 – BP Soupergaz, ECLI:EU:C:1995:223, Rn. 18; v. 18.12.2007 – C-368/06 – Cedilac, ECLI:EU:C:2007:819, Rn. 31; v. 10.07.2008 – C-25/07 – Sosnowska, ECLI:​ EU:​C:2008:395, Rn. 15. 659 EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-107/10 – Enel Maritsa Iztok 3, ECLI:EU:C:2011:298, Rn. 32 f. 660 S.o. Teil II B.IV.2.b)cc) Grundsatz des Sofortabzugs – Liquiditätsneutralität. 661 EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-591/10 – Littlewoods, ECLI:EU:C:2012:478, Rn. 27. 662 Vgl. Englisch, UR 2011, 648 (652), Verzinsung als Mittel zur Herstellung „ausgleichender Gerechtigkeit“ bei unberechtigten Erstattungen gegenüber anderen Steuerpflichtigen.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Im Zentrum steht dabei die Frage, ob dem Grundsatz der Liquiditätsneutralität zugunsten des Steuerpflichtigen ein Besteuerungsgrundsatz zulasten der Steuerpflichtigen gegenübersteht. Ein solcher ergibt sich aus dem Zusammenwirken der dem Mehrwertsteuerrecht zugrundeliegenden Liquiditätsbelastungsentscheidungen einerseits und dem Prinzip, demzufolge ungerechtfertigte Bereicherungen des Steuerpflichtigen von den Mitgliedstaaten durch die Aberkennung von materiellen Rechtspositionen verhindert werden dürfen, andererseits. Was den unionsrechtlich bestimmten Umfang der zumutbaren Liquiditätsbelastung des Steuerpflichtigen betrifft, gilt auf Seiten des Leistenden die grundsätzliche Systementscheidung für die Besteuerung nach dem Sollprinzip gem. Art. 63 i.V.m. 62 Abs. 2 ­MwStSystRL. Spätestens mit Leistungserbringung hat der Steuerpflichtige daher die Steuer abzuführen und gegebenenfalls vorzufinanzieren. Ob er sich der grundsätzlich zur Verhinderung der Liquiditätslasten bestehenden Abwälzungsmöglichkeit im konkreten Einzelfall simultan bedient, ist unerheblich.663 Den Leistungsempfänger trifft die – in den Fällen, in denen er die Steuer nicht selbst schuldet, mittelbare – Vorfinanzierungslast nur insoweit, als er vor Erfüllung der Ausübungsvoraussetzungen gem. Art. 178 Buchst. a, b M ­ wStSystRL das Bruttoentgelt leistet.664 Ansonsten trägt er die Li­ quiditätslasten bis er die Voraussetzungen gem. Art. 178 Buchst. c – f ­MwStSystRL665 erfüllt. Diesem System liegt die Entscheidung für die jeweilige Liquiditätsbelastung als Teil der Gesamtbelastung des Steuerpflichtigen – zugunsten des Fiskus – zugrunde. In diesem Umfang kann

663 EuGH, Urt. v. 28.07.2011 – C-274/10 – Kommission/Ungarn, ECLI:EU:C:2011:530, Rn. 46. 664 Vgl. hierzu zum Fall des Art. 178 Buchst. a ­ MwStSystRL, EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:268, Rn. 37, demzufolge das Erfordernis der Rechnung, wegen seiner Möglichkeit zur fak­ tischen Verzögerung seiner Belastung durch Zahlung des Steuerbetrages an den Leistenden bis zur Erteilung der Rechnung, nicht in unverhältnismäßiger Weise in seinem Recht auf liquiditätsneutrale Besteuerung, so wie es die Simultanität von Entstehung der Steuer und des Rechtes auf Vorsteuerabzug grundsätzlich vorsehen, beschränkt. 665 Wobei diese, anders als Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL nicht zwingend sind, hierzu Englisch, UR 2011, 488 (489) mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 21.04.2005 – C-25/03 – HE, ECLI:EU:C:2005:241, Rn. 80; Anm. Widmann, UR 2005, 332; EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 63 f.; v. 30.09.2010 – C-392/09 – Uszodaepito, ECLI:EU:C:2010:569, Rn. 38 ff.; v. 21.10.2010 – C-385/09 – Nidera Handelscompagnie, ECLI:EU:C:2010:627, Rn. 42.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

dem Steuerpflichtigen die Liquiditätsbelastung auferlegt werden.666 Entsprechende Liquiditätsbelastungen sind dem Besteuerungssystem immanent. Entzieht sich ein Steuerpflichtiger dieser Belastung durch Verstoß gegen die diese Belastungsverteilung bestimmenden Regelungen, so erlangt er einen systemwidrigen Vorteil zulasten des Fiskus und im Vergleich mit anderen Steuerpflichtigen. Was die ungerechtfertigte Bereicherung zulasten des Fiskus anbelangt, so gilt, dass grundsätzlich Liquiditätsvorteile eine Bereicherung des Steuerpflichtigen bedingen können.667 Ob diese Bereicherung zulasten des Fiskus geht, bestimmt sich dabei nach der systemisch angelegten Saldierung aller an diesem Umsatz anknüpfenden Ansprüche. Somit besteht eine Bereicherung zulasten des Fiskus nicht, wenn der Liquiditätsvorteil durch die Vorfinanzierungslast eines anderen Steuerpflichtigen, system­ immanent, kompensiert wird.668 Das Risiko, dass dieses grundsätzlich auch für den Fiskus liquiditätsneutrale System durch einen Verstoß eines Steuerpflichtigen oder Ausfall eines Anspruches im Einzelfall nicht durchgreift, trägt der Mitgliedstaat. Er darf die entsprechenden Ausfälle nicht durch Aberkennung von systembedingten Vorteilen des systemgerecht agierenden Steuerpflichtigen kompensieren.669 Liquiditätsvorteile gegenüber anderen Steuerpflichtigen sind, sofern sie sich aus dem System der Steuererhebung, welches grundsätzlich unabhängig vom tatsächlichen Zeitpunkt der Zahlung zwischen den Steuerpflichtigen, den Zeitpunkt von Be- und Entlastungen bestimmt, ergeben und somit systemimmanent sind,670 ebenfalls zu akzeptieren. Da das Besteuerungssystem zur Herstellung der Simultanität von Be- und Entlastung nicht an privatrechtlichen Vereinbarungen über die Fälligkeit des 666 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-107/10 – Enel Maritsa Iztok 3, ECLI:EU:C:​ 2011:298, Rn. 51, 53; v. 06.02.2014 – C-424/12 – Faktorie, ECLI:ECLI:EU:C:2014:50, Rn. 50; auf diesen Aspekt verweist, auch Englisch, UR 2011, 648 (653), allerdings, ohne die Liquiditätsbelastung ausdrücklich als Teil der Steuerbelastung anzuerkennen, im Rahmen der teleologischen Betrachtung des § 233a AO. 667 Vgl. nur GA Kokott, Schlussantrag v. 17.11.2011 – C-414/10 – Véleclair, ECLI:EU:​ C:​2011:748, Rn. 38 f. 668 GA Kokott, Schlussantrag v. 17.11.2011 – C-414/10 – Véleclair, ECLI:EU:C:​ 2011:748, Rn. 39. 669 GA Kokott, Schlussantrag v. 17.11.2011 – C-414/10 – Véleclair, ECLI:EU:C:​ 2011:748, Rn. 31; vgl. dazu bereits oben Teil II B.IV.2.b)cc)(2) Unabhängigkeit des Vorsteuerabzugs von der Besteuerung des Leistenden. 670 EuGH, Urt. v. 28.07.2011 – C-274/10 – Kommission/Ungarn, ECLI:EU:C:2011:530, Rn. 46.

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Bruttopreises festmacht, bleiben durch diese Divergenz bedingte Liquiditätsvorteile außer Betracht. Das gilt zum einen gegenüber dem anderen am Umsatz beteiligten Steuerpflichtigen, auf dessen Seite sich diese Vorteile spiegelbildlich als Nachteile niederschlagen. Zum anderen gilt das auch gegenüber anderen Steuerpflichtigen, die eine vergleichbare privatrechtliche Vereinbarung nicht getroffen haben. Ungerechtfertigt sind diese vor dem Hintergrund des Mehrwertsteuersystems nicht.671 Es zeigt sich, dass eine ungerechtfertigte Bereicherung durch Liquidi­ tätsvorteile dann nicht vorliegt, wenn diese dem Steuerpflichtigen systembedingt zugutekommen. Systembedingt sind diese Vorteile aber nur, wenn der Steuerpflichtige seiner systemisch zugedachten Rolle entspricht und dennoch einen Liquiditätsvorteil erlangt. Entstehen die Liquiditätsvorteile dem Steuerpflichtigen hingegen erst aufgrund eines Verstoßes gegen dieses System, so sind diese möglicherweise systemwidrig. Das ist dann der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen diese Vorteile bei systemkonformem Verhalten nicht zuteil geworden wären. Dabei ist der systemisch intendierten Liquiditätsbelastung aber die typisierende Annahme der Abwälzung von Steuerbeträgen zugrunde zu legen. Denn im Einzelfall ist unerheblich, ob der Steuerpflichtigen die Möglichkeit zur Abwälzung nutzt.672 Der Ermittlung der systemisch zulässigen Liquiditätslasten wird daher nur die Möglichkeit der Abwälzung, welche der Steuerpflichtige typischerweise nutzt, zugrunde gelegt. Dieser Umstand gilt nicht nur bei der zulässigen Liquiditätsbelastung des Leistenden, sondern auch mit Bezug auf die Entlastungsmöglichkeit durch den Vorsteuerabzug zugunsten des Leistungsempfängers. Demnach ist der Bestimmung der Verhältnismäßigkeit der Suspendierung der Ausübung des Vorsteuerabzuges durch das Rechnungserfordernis, die ­typische Verweigerung der Zahlung des Bruttoentgeltes bis zum Rechnungserhalt zugrunde zu legen.673 Denn erst dann wird der Steuerbetrag tatsächlich auf den Leistungsempfänger abgewälzt. Damit ist, betreffend der dem Steuerpflichtigen zumutbaren Liquiditätslasten umfänglich die jeweils vom Mehrwertsteuersystem als typisch vorausgesetzte Verhaltensweise zugrunde zu legen. Dann muss dieser umfassende Ansatz auch 671 Vgl. GA Kokott, Schlussantrag v. 17.11.2011 – C-414/10 – Véleclair, ECLI:EU:C:​ 2011:748, Rn. 30 f., 37. 672 S.o. bei Fn. 663; EuGH, Urt. v. 28.07.2011 – C-274/10 – Kommission/Ungarn, ECLI:EU:​C:2011:530, Rn. 46. 673 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:​ C:2004:268, Rn. 35 f.; siehe dazu oben Teil II B.IV.2.b)cc)(1) Kumulative Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs – Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug und Besitz einer Rechnung.

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C.  Befugnis der Mitgliedstaaten

zugunsten des Steuerpflichtigen gelten und der Ermittlung seiner Liquiditätssituation bei systemkonformem Verhalten zugrunde gelegt werden. Damit werden sich systemwidrige Liquiditätsvorteile nur dann ergeben, wenn sich der Steuerpflichtige einer Liquiditätsbelastung entzieht, die er nach den Mechanismen des Mehrwertsteuersystems nicht durch eine Abwälzung oder Entlastung vermeiden kann.674 Diese stellen dann eine ungerechtfertigte Bereicherung dar. Eine solche Bereicherung dürfen die Mitgliedstaaten verhindern. Hierzu können die Mitgliedstaaten materielle Rechtspositionen aberkennen.675 Die Aberkennung einer an sich begründeten Rechtsposition676 vermag aber die ungerechtfertigte Bereicherung des Steuerpflichtigen in den Fällen, in denen sich der Vorteil auf einen Liquiditätsvorteil beschränkt, nicht zu verhindern. Denn diese tritt nicht erst durch die Gewährung eines Vorteils ein, sondern war bereits eingetreten. Für die Verhinderung einer ungerechtfertigten Bereicherung sind die Mitgliedstaaten aber nicht auf die Aberkennung materieller Rechtspositionen beschränkt. Vielmehr kennt das Unionsrecht den Grundsatz, demzufolge ungerechtfertigte Bereicherungen zu verhindern sind.677 Damit handelt es sich in Fällen, in denen eine ungerechtfertigte Bereicherung dem Steuerpflichtigen erst durch die Rückerstattung von zuvor – entgegen dem Unionsrecht erhobener Beträge – nur um ein Mittel zur Durchsetzung dieses Grundsatzes des Unionsrechts.678 674 Vgl. Englisch UR 2011, 648 (652 ff.) auch mit Nachweisen zur, diesen Aspekt übergehenden, Gegenansicht. 675 U.a. EuGH, Urt. v. 24.03.1988 – C-104/86 – Kommission/Italien, ECLI:EU:C:​ 1988:171, Rn. 6; v. 09.02.1999 – C-343/96 – Dilexport, ECLI:EU:C:1999:59, Rn. 47; v. 21.09.2000 – C-441/98 und C-442/98 – Michaïlidis, ECLI:EU:C:2000:479, Rn. 31; v. 10.04.2008 – C-309/06 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2008:211, Rn. 41. 676 Typischerweise handelt es sich hier um den Anspruch auf Erstattung von unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuern, vgl. hierzu die, den in Fn. 675 genannten Urteilen zugrundeliegenden Fallgestaltungen, sowie u.a. EuGH, Urt. v. 06.09.2011 – C-398/09 – Lady & Kid, Slg. 2011, I-07375, Rn. 18 ff.; v. 16.05.2013 – C-191/12 – Alakor Gabonatermelő és Forgalmazó Kft., ECLI:EU:C:2013:315, Rn. 25. 677 So ausdrücklich EuGH, Urt. v. 10.04.2008 – C-309/06 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2008:211, Rn. 41. 678 Siehe so nur die Formulierung in EuGH, Urt. v. 16.05.2013 – C-191/12 – Alakor Gabonatermelő és Forgalmazó Kft., ECLI:EU:C:2013:315, Rn. 25: „Ausnahms­ weise kann jedoch eine solche Rückzahlung abgelehnt werden, wenn sie zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Berechtigten führt.“ und in EuGH, Urt. v. 24.03.1988 – C-104/86 – Kommission/Italien, ECLI:EU:C:1988:171, Rn. 6; v. 09.02.1999 – C-343/96 – Dilexport, ECLI:EU:C:1999:59, Rn. 47; v. 21.09.2000 – C-441/98 und C-442/98 – Michaïlidis, ECLI:EU:C:2000:479, Rn. 31; v. 10.04.2008 – C-309/06 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2008:211, Rn. 41; v. 18.06.2009 –

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Teil II  Vorgaben des Unionsrechts

Damit können die Mitgliedstaaten einen systemwidrigen Liquiditätsvorteil, welcher einem Steuerpflichtigen durch eigenes, systemwidriges Verhalten zuteil geworden ist, mittels Verzinsung abschöpfen. Einzelheiten der Verzinsung, insbesondere Zinslauf und Zinssatz, bleiben dabei, wie im Falle der Ausgleichung des Liquiditätsnachteils,679 mangels unionsrechtlicher Regelung den Mitgliedstaaten überlassen. 3. Fazit: Verzinsung als unionsrechtlich zulässige formelle Rechtsfolge Die Verzinsung zur Abschöpfung von Liquiditätsvorteilen zur Herstellung der unionsrechtlich intendierten Liquiditätssituation wirkt, anders als die Aberkennung von Rechtspositionen zur Verhinderung einer dadurch drohenden ungerechtfertigten Bereicherung, nicht auf den materiell-rechtlich definierten Tatbestand. Vielmehr setzt sie, retrospektiv, den materiell-rechtlich definierten Mechanismus der Zuweisung von Liquiditätsbelastungen durch die Regelungen zur Steuerentstehung durch. Damit handelt es sich bei der Verzinsung um eine formelle Rechtsfolge.680 Zu diesem Zweck dürfen die Mitgliedstaaten die Verzinsung von Steuerbeträgen auch vorsehen.

C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, Rn. 48, demzufolge das Unionsrecht einer mitgliedstaatlichen Regelung nicht entgegensteht, welche „… die Erstattung von zu Unrecht erhobenen Steuern unter Umständen ablehnt, die zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führen würden.“; ähnlich auch EuGH, Urt. v. 16.05.2013 – C-191/12 – Alakor Gabonatermelő és Forgalmazó Kft., ECLI:EU:C:2013:315, Rn. 25, und vgl. hierzu auch v. Streit, EU-UStG 2012, 38 (42), der ebenfalls herausstellt, dass die Bereicherungsrechtsprechung des EuGH, von Streit nimmt ausdrücklich Bezug auf EuGH, Urt. v. 06.09.2011 – C-398/09 – Lady & Kid, Slg. I-07375, eine Erstattung ausschließt, weil es dadurch zu einer ungerechtfertigten Bereicherung kommt; in diese Richtung auch Tehler, EU‑UStB 2011, 79 (79); ders., EU-UStB 2011, 81 (82). 679 EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-591/10 – Littlewoods, ECLI:EU:C:2012:478, Rn. 27. 680 Vgl. o. Teil I C Rechtsfolgen.

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Teil III Analyse einzelner Fehlerfolgenregime mit ­rechtsvergleichenden Aspekten A. Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht, Art. 167 M ­ wStSystRL. Der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht grundsätzlich mit der Leistungserbringung, Art. 62 Abs. 2 i.V.m. 63 ­MwStSystRL. Im Regelfall, der steuerpflichtigen Lieferung oder Dienstleistung durch einen anderen Steuerpflichtigen, Art. 168 Buchst. a ­MwStSystRL, setzt die Ausübung des Rechtes auf Vorsteuerabzug den Besitz einer gem. Titel XI Kapitel 3 Abschnitte 3–6 ­MwStSystRL ordnungsgemäß ausgestellten Rechnung voraus, Art. 178 ­MwStSystRL. Ist der Steuerpflichtige von dem Vorliegen der Voraussetzungen überzeugt, zieht er die Vorsteuerlast seiner Eingangsleistungen von seiner eigenen Steuerzahllast ab, Art. 168 UA 1 M ­ wStSystRL. Wann der Vorsteuerabzug ausgeübt wird, hängt daher, zunächst, einzig von der Beurteilung der Rechnung durch den Steuerpflichtigen ab. Die Ausübung des Vorsteuerabzuges erfolgt somit, ohne kontinuierliche Mitwirkung der Finanzverwaltung, einzig im Binnenbereich des steuerpflichtigen Leistungsempfängers. Mängel der Rechnung fallen meist erst mit deutlichem zeitlichem Abstand zur eigentlichen Vornahme des Vorsteuerabzuges im Rahmen einer nachgelagerten Kontrolle durch die Finanzverwaltung auf.681 Die Rechnung kann dann korrigiert werden.682 Die Folgen einer diesbezüglichen Fehleinschätzung, mithin eines Vorsteuerabzuges, ohne taugliche Rechnung, stehen im Zentrum der folgenden Ausführungen. Als Ausgangspunkt dient dabei die Rechtspraxis in Deutschland und im Vereinigten Königreich.

681 Englisch, UR 2011, 488 (488); Wagner in Sölch/Ringleb, § 14 (Jul. 2013), Rn. 442. 682 EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 – Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:C:2010:441, Rn. 43.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

I. Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis in Deutschland Die deutsche Verwaltungspraxis unterscheidet in Abschn. 15.2 Abs. 3 UStAE zwischen unschädlichen und schädlichen Rechnungsfehlern. Nur wenn ein demnach schädlicher Rechnungsfehler vorliegt, entfällt der Vorsteuerabzug. Die Unterscheidung zwischen schädlichen und unschädlichen Rechnungsfehlern erfolgt anhand der Erkenntnismöglichkeiten des Rechnungsempfängers. Der Rechnungsempfänger trägt für die Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges – als ihm günstige Regelung – die Beweislast.683 Er hat daher die Rechnung auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen, Abschn. 15.2 Abs. 6 Satz 1 UStAE.684 Eine Aberkennung des Vorsteuerabzuges soll aber nur insofern verhältnismäßig sein, als der Rechnungsempfänger die Korrektheit der Angaben auch verifizieren konnte, Abschn. 15.2 Abs. 6 Satz 2 f. UStAE. Das ist weder betreffend eine inländischen Steuer- oder Mehrwertsteueridentifikationsnummer noch in Bezug auf die Rechnungsnummer der Fall. Denn deren Richtigkeit kann der Rechnungsempfänger nicht nachvollziehen. Die Kontrolle der Rechnungsnummer setzte das nämlich voraus, dass er Einblick in die interne Zählung des Rechnungserstellers hat. Bezogen auf die in­ ländischen Steuer- oder Mehrwertsteueridentifikationsnummer fehlt ihm eine Prüfmöglichkeit ebenfalls. Denn gem. Art. 31 Abs. 1 VO (EU) Nr. 904/2010685 kann sich der Leistungsempfänger lediglich die Gültigkeit einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Mehrwertsteuer­ identifikationsnummer bestätigen lassen. Sind diese daher unrichtig, bleibt der Vorsteuerabzug erhalten, Abschn. 15.2 VI 4 UStAE. Die anderen Rechnungsangaben soll der Rechnungsempfänger überprüfen können. Sind diese fehlerhaft, entfällt der Vorsteuerabzug, Abschn. 15.2 Abs. 3 Satz 7–10 UStAE. Um den Vorsteuerabzug vornehmen zu dürfen, muss die Rechnung gem. § 31 Abs. 5 UStDV berichtigt werden.686 Erst im 683 EuGH, Urt. v. 26.09.1996 – C-230/94 – Enkler, Slg. 1996, I-4517, Rn. 24; Oelmaier in Sölch/Ringleb, § 15 (Sep. 2010), Rn. 82; generell EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑184/05 – Twoh International, ECLI:EU:C:2007:550, Rn. 26; v. 07.12.2010 – C-285/09 – R, ECLI:EU:C:2010:742. 684 In Anlehnung an BFH, Urt. v. 06.12. 2007 – V R 61/05, BStBl. II 2008, 695 (697); Wagner in Sölch/Ringleb, § 15 (Mär. 2012), Rn. 362, ähnlich auch Oelmaier in Sölch/Ringleb, § 15 (Apr. 2015), Rn. 358. 685 Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates v. 07.10.2010 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer (Zusammenarbeitsverordnung), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 517/2013 des Rates v. 11.05.2013. 686 U.a. Englisch, UR 2011, 488 (490) mit Verweis auf Wagner in Sölch/Ringleb, § 14 (Jul. 2013), Rn. 434 ff.; siehe aber auch Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Besteuerungszeitraum, in dem die Rechnung berichtigt wurde, kann der Vorsteuerabzug vorgenommen werden, Abschn. 15.2 Abs. 5 UStAE. Mithin hat die Rechnungsberichtigung keine Rückwirkung. Somit war ein vor Berichtigung der Rechnung vorgenommener Vorsteuerabzug unberechtigt. Der entsprechende Steuerbetrag ist dann gem. § 233a AO nach Ablauf von fünfzehn Monaten nach Ende desjenigen Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, bis zur Festsetzung mit 6 Prozent p.a. zu verzinsen.687 Dabei ist unerheblich, ob dem Fiskus ein Liquiditätsausfall auch tatsächlich entstanden bzw. dem Steuerpflichtigen ein Liquiditätsvorteil zuteil geworden ist.688

II. Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis im Vereinigten Königreich Im Vereinigten Königreich erfordert die Ausübung des Vorsteuerabzuges grundsätzlich den Besitz einer Rechnung. 1. Grundsatz – Rückwirkung der Rechnungskorrektur Gem. Sec. 25 (2) VAT Act 1994 übt der Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug durch Abzug der Vorsteuer vom Gesamtbetrag der auf die von ihm erbrachten Umsätze entstandenen Steuer aus. Er hat dabei aber die in den Regulations zu bestimmenden Nachweisanforderungen zu beachten, Sec. 24 (6) (a), (6A), 25 (6) VAT Act 1994. Daran anknüpfend bestimmt Value Added Tax Regulation 29 (1), dass der Vorsteuerabzug in dem Besteuerungszeitraum auszuüben ist, in dem die Vorsteuer entstanden war. Frühestens jedoch ist der Vorsteuerabzug in dem Zeitraum auszuüben, in dem der Steuerpflichtige zusätzlich auch die jeweils im Value Added Tax Regulation 29 (2) für den jeweiligen Eingangsumsatz auszustellende (Sep. 2013), Rn. 543, der dieser Regelung aber nur deklaratorischen Charakter zugesteht; wie Stadie insofern auch Widmann in Plückebaum/Malitzky/Widmann, § 15 (April 2011), Rn. 138b; ders. in Schwarz/Widmann/Radeisen, § 14 (Mär. 2014), Rn. 154. 687 Englisch, UR 2011, 488 (490); ders., UR 2011, 648 (652 f.); Trinks, BB 2011, 800 (801). 688 AEAO zu § 233a, Rn. 69.2; BFH, Urt. v. 15.10.1998 – V R 69/97, BStBl. II 1999, 41 (41); v. 23.10.2003 – V R 2102, BStBl. II 2004, 39 (41); v. 15.7.2004 – V R 76101, BStBl. II 2005, 236 (237); v. 24.2.2005 – V R 62/03, BFH/NV 2005, 1220 (1221); v. 30.3.2006 – V R 60104, BFH/NV 2006, 1434 (1435); Rüsken in Klein, § 233a, Rn. 54; kritisch hierzu Englisch, UR 2011, 648 (653 ff.); Nagler, DStR 1999, 1176 (1177 ff.); nach BVerfG, Beschl. v. 03.09.2009 – 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115 (2117, III.1.), liegt darin auch grundsätzlich kein Verstoß gegen das Grundgesetz.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Rechnung besitzt.689 Für den Abzug von Vorsteuern aus durch einen anderen Steuerpflichtigen erbrachten Umsätzen bedarf er dazu einer nach Value Added Tax Regulation 13 ausgestellten Rechnung, Value Added Tax Regulation 29 (2) (a). Diese Rechnung hat die gem. Value Added Tax Regulation 14 für innerhalb des Vereinigten Königreiches erbrachte ­Umsätze geforderten Angaben zu enthalten, Value Added Tax Regulation 13 (1) (a). Diese Rechnungsangaben entsprechen den Anforderung des Art. 226 ­MwStSystRL.690 Ist die Rechnung falsch, so kann der Steuerpflichtige den Leistungserbringer um eine korrigierte Rechnung bitten.691 Wird die Rechnung korrigiert, bleibt dem Steuerpflichtigen der ursprüngliche Vorsteuerabzug erhalten.692 Eine Rechnungskorrektur hat daher Rückwirkung. Das gilt nur dann nicht, wenn der Steuerpflichtige die Fehlerhaftigkeit der Rechnung kannte und dennoch den Vorsteuerabzug ausübte. Diese Fälle vorsätzlicher Falschanmeldungen bedürfen stets der Korrektur ex nunc unter Einbeziehung der HMRC.693 2. Verfahren ohne Rechnungskorrektur Ohne taugliche Rechnung oder Korrektur einer anfänglich untauglichen Rechnung liegt die Gewährung des Vorsteuerabzuges im Ermessen der Steuerverwaltung HMRC.694 a) Alternativbeweis Erhält der Steuerpflichtige keine korrigierte Rechnung, so kann die HMRC auch andere Möglichkeiten zum Nachweis generell vorsehen, Value ­Added Tax Regulation 29 (2) a.E., bzw. den Vorsteuerabzug in Einzelfäl689 10.5 Notice 700; HMRC, VIT31000 – How to treat input tax: acceptable evidence for claiming input tax; Tottel’s VAT Planning, 2.2; British Tax Guide: Value Added Tax, 6-800; vgl. 4.2 Notice 700/21; Tolley‘s VAT Cases, S. 1527 f. mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 690 Zu den Anforderungen an den Vorsteuerabzug FTT, Urt. v. 11.06.2014 – Gold Standard Telecom Ltd [2014] UKUT 577 (TC), Rn. 3 ff. 691 HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice Statement of Practice, März 2007, Punkt 11. 692 Vgl. HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice Statement of Practice, März 2007, Appendix 1, dort ist der Vorsteuerabzug in diesem Fall als “basic right to deduct” bezeichnet. Als basic right to deduct gilt – vgl. hierzu HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice Statement of Practice, März 2007, Punkt 6 – die Ausübung des Vorsteuerabzuges gem. Value Added Tax Regulation 29 (2) Buchst. a. 693 Siehe dazu sogleich Teil III A.II.2.c)bb) Korrektur durch „separate notification“ an die HMRC. 694 HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice Statement of Practice, März 2007, Punkt 6, 14, 16.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

len dennoch gewähren695. Daran anknüpfend gewährt die HMRC den Vorsteuerabzug, wenn der Steuerpflichtige das Vorliegen der Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges anderweitig darlegen kann.696 Zugelassen ist dabei jedwedes Beweismittel.697 Das Beweismaß bestimmt sich dabei nach dem Gegenstand des betroffenen Umsatzes. In jedem Fall hat der Steuerpflichtige die HMRC lediglich davon zu überzeugen, dass der Umsatz tatsächlich auch erbracht wurde.698 Als Leitlinie dient ein – nicht abschließender – Fragenkatalog699. Dessen Fragen müssen zum überwiegenden Teil beantwortet werden.700 Dabei fällt auf, dass sich die Fragen 5 und 6 nicht auf die tatsächliche Erbringung des Umsatzes, sondern ­darauf beziehen, wie der Umsatz abgewickelt wurde bzw. worauf der Leistungsempfänger die Überzeugung stützte, dass der Leistenden tatsächlich existierte. Erkennbar geht der Gegenstand dieser Frage über den einer Rechnung hinaus. War Gegenstand des Umsatzes die Lieferung von als besonders missbrauchsanfällig bekannten Waren701, so muss der Steuerpflichtige nahezu alle dieser Fragen beantworten können. Zudem wird die HMRC weitere Fragen stellen, um zu verifizieren, ob der Steuerpflichtige unter Anlegen der „reasonable care“ davon ausgehen durfte, dass sowohl der Umsatz zum Vorsteuerabzug berechtigte als auch der Leistende redlich handelte.702

695 U.a. Queen’s Bench Division, v. 01.01.1994 – Kohanzad [1994] STC 967 (969b); FTT, Urt. v. 20.12.2011 – Best Buys Supplies Ltd [2011] UKUT 497 (TCC), Rn. 48; v. 14.03.2013 – LON/2008/1575 – Arkeley [2013] UKFTT 188 (TC) Rn. 91; v. 06.06.2013 – LON/2009/0687 – Taygroup Ltd [2013] UKFTT 336 (TC), Rn. 89 f. 696 HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice Statement of Practice, März 2007, Punkt 11, 16; HMRC, VIT31200 – How to treat input tax: alternative evidence for claiming input tax; British Tax Guide: Value Added Tax, 6-580. 697 HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice Statement of Practice, März 2007, Punkt 7. 698 HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice Statement of Practice, März 2007, Punkt 17 Satz 1. 699 Vgl. HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice Statement of Practice, März 2007, Appendix 2. 700 HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice Statement of Practice, März 2007, Punkt 17 Satz 1. 701 Deren Aufzählung findet sich in HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction with­ out a valid VAT invoice Statement of Practice, März 2007, Appendix 3. 702 HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice Statement of Practice, März 2007, Punkt 18.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

b) Keine Rückwirkung der Vorsteuerabzugsgewährung Kann der Steuerpflichtige diese Fragen zur Überzeugung der HMRC beantworten, wird ihm der Vorsteuerabzug gewährt.703 Der alternative Nachweis durch Beantwortung der Fragen ersetzt in diesem Fall die Rechnung.704 Der Vorsteuerabzug wird dann für den Besteuerungszeitraum zugelassen, in dem die HMRC ihre Entscheidung fällt.705 Eine rückwirkende Gewährung des Vorsteuerabzuges findet in diesen Fällen daher nicht statt. Hat der Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug bereits vorgenommen und erkennt den Fehler in der Rechnung erst im Nachhinein, war die Geltendmachung des Vorsteuerabzuges unberechtigt, die entsprechende Voranmeldung unrichtig. Dann hat der Steuerpflichtige seine Voranmeldung zu korrigieren.706 c) Korrekturmechanismen ohne Rechnungskorrektur Wurde eine Steuer falsch angemeldet, richten sich die Verpflichtungen des Steuerpflichtigen nach Value Added Tax Regulation 34 bzw. nach Sec. 4.4, 7 Notice 700/45. aa) Korrektur durch Anpassung der laufenden Voranmeldung Übersteigt der Steuerbetrag, der insgesamt von den innerhalb eines Voranmeldungszeitraumes erkannten Fehlern betroffen ist, entweder ­ 10.000,– £ oder 1 % der in diesem Voranmeldungszeitraum anzumeldenden Summe der Bemessungsgrundlagen aller Ausgangsumsätze, höchs703 HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice Statement of Practice, März 2007, Punkt 19. 704 Vgl. HMRC, VR6210 – Late claims for input tax: Definition of a claim: What is a claim und VAEC8120 – VAT refund claims: Under Regulation 29 for late claims of input tax, wonach der Anspruch auf den Abzug der Vorsteuer erstmals in dem Zeitraum entsteht, in dem sowohl die Vorsteuer entstanden ist, als auch der Leistungsempfänger eine Rechnung erhalten hat, wobei andere Nachweise von der HMRC akzeptiert werden können („The entitlement to make a claim to deduct input tax first arises when the taxable person has both incurred the input tax and received the VAT invoice (or other alternative evidence acceptable to HMRC) to support its deduction …”). 705 Vgl. HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice Statement of Practice, März 2007, Appendix 1, demnach besteht in diesem Fall nicht das “basic right to deduct”. Nur dieses „basic right to deduct“ umfasst den Abzug im Besteuerungszeitraum, in dem erstmals die Vorsteuer entstanden war, und der Leistungsempfänger eine Rechnung erhalten hatte, vgl. Value Added Tax Regu­ lation 29 (2) Buchst. a und HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice Statement of Practice, März 2007, Punkt 6. 706 Vgl. British Tax Guide: Value Added Tax, 6-800.

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tens jedoch 50.000,– £, nicht, so kann die Korrektur gem. Value Added Tax Regulation 34 erfolgen, Value Added Tax Regulation 34 (3), (7).707 Zusätzliche Voraussetzung ist dabei, dass die Steuer nicht vorsätzlich falsch angemeldet wurde, Sec. 4.3. Notice 700/45.708 Die Korrektur erfolgt dabei schlicht durch Abzug des betroffenen Gesamtbetrages vom Abzugsvolumen in demjenigen Voranmeldungszeitraum, in dem der Fehler entdeckt wurde, Value Added Tax Regulation 34 (5) Buchst. a („return adjustment“). Einen Vorsteuerbetrag, der ohne taugliche Rechnung abgezogen wurde, hat der Steuerpflichtige daher in dem Besteuerungszeitraum, in dem er den Fehler in der Rechnung erkannt hat, zusätzlich als geschuldete Steuer zu erklären. In dem Besteuerungszeitraum, in dem der Abzug durch die HMRC genehmigt wird, kann er diesen wieder von seiner Steuerlast abziehen. bb) Korrektur durch „separate notification“ an die HMRC Für Fälle, in denen die Korrektur gem. Value Added Tax Regulation 34 (3) nicht zur Anwendung kommt, hat die HMRC ein weiteres Korrekturverfahren zu bestimmen, Value Added Tax Regulation 35. Darauf basiert der Korrekturmechanismus durch „separate notification“ (im Folgenden dt.: „gesonderter Hinweis“), gem. Sec. 4.4, 7 Notice 700/45. Übersteigt der von den Fehlern betroffene Steuerbetrag die Grenzen aus Value Added Tax Regulation 34 (3),oder wurde Steuer vorsätzlich falsch angemeldet, muss die Korrektur gem. Sec. 7 Notice 700/45 erfolgen, Value Added Tax Regulation 34 (7) und Sec. 4.4. Notice 700/45. Im Anwendungsbereich der Value Added Tax Regulation 34 hat der Steuerpflichtige die Wahl zwischen den beiden Korrekturmechanismen, Sec. 4.3, 4.4., 4.5. Notice 700/45.709 Die Korrektur gem. para. 7 Notice 700/45 erfolgt durch schriftliche Meldung des Fehlers direkt an die HMRC, para. 4.4 Notice 700/45.710 Dabei hat der Steuerpflichtige neben den betroffenen Beträgen und Voranmel-

707 British Tax Guide: Value Added Tax, 9-410 (2). 708 Denn in diesen Fällen wird der Fehler in der Voranmeldung nicht entdeckt, sondern war von Anfang an bekannt. Für die Korrektur in dem Besteuerungszeitraum, indem der Fehler entdeckt wurde, fehlt daher der Anknüpfungspunkt, vgl. VAEC7150  – Error correction for VAT: Correction methods: Return adjustment net errors, abrufbar unter http://www.hmrc.gov.uk/manuals/vaecmanual/VAEC7​ 150.htm, zuletzt abgerufen am 28.10.2014. 709 Siehe zu den Konsequenzen der Wahl des Korrekturmechansimusses sogleich unten Teil III A.II.2.d)cc) Bedeutung der Korrekturmethode für Bußgelder. 710 Der Steuerpflichtige soll dabei einen Vordruck (VAT 652) verwenden.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

dungszeiträumen auch die Umstände, welche zu der fehlerhaften Anmeldung geführt haben, darzulegen, Sec. 4.4. Notice 700/45. Hier kann der Steuerpflichtige Gründe anführen, wie er sie auch schon im Rahmen der Rechnungskorrektur vor erstmaliger Ausübung des Vorsteuerabzuges angeführt hätte.711Insbesondere kann der Steuerpflichtige darlegen, warum er von der Tauglichkeit der Rechnung ausging und damit fehlerhaft den Vorsteuerabzug geltend macht, anstatt eine korrigierte Rechnung zu fordern. Die HMRC setzt die Steuer, regelmäßig innerhalb von 21 Tagen, Sec. 7.2. Notice 700/45, unter Berücksichtigung des Fehlers für den Besteuerungszeitraum, in dem der Fehler aufgetreten ist, fest, Sec. 73 (1) VAT Act 1994. Übersteigt der unter Berücksichtigung dieser Festsetzung und eventuell festzusetzender Zinsen712 an die HMRC zu zahlende Betrag, die Summe der bis dahin geleisteten Steuerzahlungen,713 hat der Steuerpflichtige diesen Betrag unverzüglich an die HMRC zu entrichten, Sec. 7.3. Notice 700/45. Für den Fall der fehlerhaften Rechnung ohne Korrekturmöglichkeit heißt das Folgendes: Nimmt der Steuerpflichtige wegen einer nachträglich erkannten, fehlerhaften Rechnung eine Korrektur der Voranmeldung mittels gesonderten Hinweis an die HMRC vor, wird der zu zahlende Steuerbetrag – erhöht um den betroffenen Vorsteuerbetrag – für den Besteuerungszeitraum, in dem der Vorsteuerabzug erstmals ausgeübt wurde, festgesetzt. Entscheidet die HMRC zugleich, dass der Vorsteuerabzug aufgrund der erbrachten Alternativbeweise zuzulassen ist, kann der Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug in der Anmeldung für den aktuellen Besteuerungszeitraum gelten machen. cc) Unerheblichkeit der Wahl des Korrekturmechanismus Der Unterschied zwischen beiden Verfahren ist, dass nur, wenn die Korrektur gem. Sec. 4.4, 7 Notice 700/45 erfolgt, die HMRC über den Fehler unterrichtet wird. Die Korrektur gem. Value Added Tax Regulation 34 nimmt der Steuerpflichtige ohne Kenntnis der Finanzverwaltung vor. Nur wenn die HMRC von dem Fehler Kenntnis erhält, kann sie diesen auch zum Anlass für die Festsetzung von Zinsen und Bußgeldern nehmen, para. 2.4 Notice 700/43. Da die Gewährung des Vorsteuerabzuges in beiden Fällen von der Entscheidung der HMRC abhängt, ergibt sich 711 Vgl. o. Teil III A.II.2.a) Alternativbeweis. 712 Siehe dazu sogleich Teil III A.II.2.e)aa) Grundsatz. 713 Dann ist der VAT‑Account z.L. des Unternehmers negativ.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

tatsächlich kein Unterschied zwischen beiden Korrekturmechanismen. Denn erst in dem Besteuerungszeitraum, in dem die HMRC den Vor­ steuerabzug gewährt, kann der Unternehmer den Vorsteuerabzug auch geltend machen. Will der Steuerpflichtige also eine Entlastung vom Vorsteuerbetrag erreichen, muss er den Fehler gegenüber der HMRC in jedem Fall offenlegen. d) Penaltyregime Ob die HMRC Kenntnis von dem Fehler erlangt, hat Folgen für das zugleich einsetzende Penaltyregime gem. Sec. 97 VAT Act 1994 i.V.m. Schedule 24 Finance Act 2007.714 aa) Grundsätze des Bußgeldregimes Bußgelder werden fällig, wenn Voranmeldungen Fehler enthalten, die zu einer geringeren Steuerlast führen und dem Steuerpflichtigen zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, Schedule 24 para. 1 Finance Act 2007. Dabei handelt fahrlässig, wer die „reasonable care” (im Folgenden dt.: zumutbare Sorgfalt) nicht beachtet, Schedule 24 para. 3 (1) (a) Finance Act 2007. Die demnach zumutbare Sorgfalt beachtet, wer so handelt, wie ein „sorgfältiger und vernünftiger Steuerpflichtiger im jeweils zu beurteilenden Fall“715 handeln würde. Hat der Steuerpflichtige diesen Maßstab bei Abgabe der Erklärung noch beachtet und erkennt er den Fehler erst im Nachhinein, unterlässt es aber, diesen zu korrigieren, so steht dies einer fahrlässig falschen Voranmeldung gleich, Schedule 24 para. 3 (2) Finance Act 2007. Im Falle der Fahrlässigkeit beträgt das Bußgeld 30 % des Steuerbetrages, der aufgrund des Fehlers nicht erhoben wurde bzw. ohne eine Korrektur nicht erhoben worden wäre, Schedule 24 para. 4 (2) (a) i.V.m. para. 5 Finance Act 2007. Führt der Fehler dazu, dass Steuerbeträge erst in einem späteren Voranmeldungszeitraum angemeldet werden, entsteht ein Bußgeld i.H.v. lediglich 5 % des zu spät angemeldeten Betrages p.a.716 bis zu dem Voranmeldungszeitraum, zu dem die Steuer tatsächlich angemeldet 714 4.1. Notice 700/45. 715 “… prudent and reasonable taxpayer in the position of the taxpayer in question.” HMRC, CH81140 mit Bezug auf FTT, Urt. v. 09.09.2011 – David Collis v HMRC [2011] UKFTT 588 (TC), Rn. 29; seit dem u.a. FTT, Urt. v. 12.02.2013 – Ashton v HMRC [2013] UKFTT 140 (TC), Rn. 34; v. 13.05.2014 – Francois Berrier v HMRC [2014] UKFTT 457 (TC), Rn. 67. 716 Ggf. nur anteilig für jeweils abgelaufene Voranmeldungszeiträume, Schedule 24 para. 8 (1) (b) Finance Act 2007.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

wird, Schedule 24 para. 8 Finance Act 2007. Entsprechend entsteht, wenn ein Vorsteuerabzug entgegen Value Added Tax Regulation 29 (1),717 vor Rechnungserteilung geltend gemacht wird, ein solches Bußgeld bis zu dem Voranmeldungszeitraum, in dem eine Rechnung erteilt wurde.718 Die Privilegierung der Schedule 24 para. 8 Finance Act 2007 findet aber nur Anwendung, wenn die Kompensation, ohne Korrekturbemühungen, gleichsam automatisch eintritt.719 Im Fall der Geltendmachung einer Steuerminderung gilt das, wenn davon auszugehen ist, dass der Steuerpflichtige diese nur einmal, wenn auch zu früh, vorgenommen hätte und die Berechtigung hierzu, ohne sein Zutun, in einem späteren Besteuerungszeitraum automatisch vorliegen wird.720 Für den Fall des Vorsteuerabzuges mit untauglicher Rechnung tritt die Kompensation im Zeitpunkt der Rechnungskorrektur bzw. der Genehmigung des Vorsteuerabzuges durch die HMRC ein. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug ausüben können. Die Kompensation des Steuerausfalles durch den unberechtigten Abzug tritt daher nicht automatisch, sondern erst nach Korrektur der Rechnung ein. Ohne diese Korrektur, die das Zutun des Steuerpflichtigen721 oder der HMRC722 voraussetzt, kommt es gar nicht zu einer Kompensation. Im Falle das Vorsteuerabzuges mit fehlerhafter Rechnung bestimmen sich daher die Bußgelder einzig nach Schedule 24 para. 4 (2) (a) i.V.m. para. 5 Finance Act 2007. bb) Reduktion des Bußgeldes durch Offenlegung des Fehlers Legt der Steuerpflichtige den Fehler offen, ist das Bußgeld zu reduzieren, Schedule 24 para. 10 Finance Act 2007. Der genaue Umfang der Reduk­ tion liegt im Ermessen der HMRC. Diese hat sich dabei davon leiten zu lassen, wie der Steuerpflichtige bei der Ermittlung des Ausmaßes des Fehlers mitwirkt, insbesondere, ob er Zugang zu seinen Aufzeichnungen gewährt, Schedule 24 para. 9 (1) (a) – (c) Finance Act 2007.723 Ermessen zur Reduktion haben die HMRC nur in einem gesetzlich vorgegebenen Rahmen. Dieser bestimmt sich danach, ob der Steuerpflichtige aufgrund von Verfolgungsdruck oder unabhängig von Untersuchungen der HMRC 717 S.o. Teil III A.II.1 Grundsatz – Rückwirkung der Rechnungskorrektur. 718 Vgl. Bsp. in British Tax Guide: Value Added Tax, 10-140. 719 HMRC CH82391. 720 Vgl. das Bsp. in HMRC CH82395, demzufolge davon insbesondere Fälle der fehlerhaften, weil zu späten zeitliche Zuordnung von Umsätzen erfasst werden. 721 S.o. Teil III A.II.1 Grundsatz – Rückwirkung der Rechnungskorrektur. 722 S.o. Teil III A.II.2 Verfahren ohne Rechnungskorrektur. 723 British Tax Guide: Value Added Tax, 10-140; Davies/Rudling, Tolley’s Value ­Added Tax, 52.14 (5).

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den Fehler offenlegt. Bis auf null kann das Bußgeld reduziert werden, wenn der Steuerpflichtige den Fehler offenlegt, bevor er Grund zur Annahme hatte, dass die Finanzverwaltung Ermittlungen aufgenommen hat, Schedule 24 para. 9 (2) (a) Finance Act 2007. Erfolgt die Offenlegung nach diesem Zeitpunkt, kann das Bußgeld auf bis zu 15 % verringert werden, Schedule 24 para. 9 (2) (b) Finance Act 2007. In besonders gelagerten Fällen kann, auch ohne eine Offenlegung durch den Steuerpflichtigen, ein Bußgeld nach Ermessen der HMRC reduziert werden, Schedule 24 para. 11 Finance Act 2007.724 cc) Bedeutung der Korrekturmethode für Bußgelder Eine Offenlegung, welche die Möglichkeit der Reduktion des Bußgeldes eröffnet, stellt nur die Korrektur gem. Sec. 4.4., 7 Notice 700/45 dar, Sec. 4.1. Notice 700/45. Denn nur im Rahmen dieser hat der Steuerpflichtige die Umstände des Fehlers gegenüber der HMRC offenzulegen.725 Damit erfüllt er zugleich auch die Anforderungen von Schedule 24 para. 9 (1) (a) – (c) Finance Act 2007 für die Reduktion.726 Für die Rechnungskorrektur ist das insbesondere dann von Bedeutung, wenn der Steuerpflichtige die Fehlerhaftigkeit einer Rechnung nach Vornahme des Vorsteuerabzuges erkennt. Dann steht das Unterlassen der Korrektur einer fahrlässigen falschen Voranmeldung gleich, Schedule 24 para. 3 (2) Finance Act 2007.727 Der Steuerpflichtige hat den Fehler zu korrigieren. Nur wenn der Unternehmer diese Korrektur durch eine „­separate notification“ vornimmt, erhält er sich die Möglichkeit einer Reduktion des Bußgeldes für den Fall, dass die HMRC das Verkennen der Untauglichkeit der Rechnung im Zeitpunkt der Ausübung des Vorsteuerabzuges als fahrlässig einstuft.728 dd) Möglichkeiten des Entfalls des Bußgeldes bei Nachweis der ­Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges ohne Rechnungskorrektur Für den Fall, dass der Unternehmer mit einer unerkannt untauglichen Rechnung den Vorsteuerabzug ausübt und diese im Nachhinein nicht korrigiert wird, sind damit zwei Fälle zu unterscheiden. In jedem Fall muss sich der Unternehmer an die HMRC wenden und darlegen, dass die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug gegeben waren. 724 Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 52.13 (5). 725 S.o. Teil III A.II.2.c)bb) Korrektur durch „separate notification“ an die HMRC. 726 S.o. Teil III A.II.2.d)bb) Reduktion des Bußgeldes durch Offenlegung des Fehlers. 727 S.o. Teil III A.II.2.d)aa) Grundsätze des Bußgeldregimes. 728 S.o. Teil III A.II.2.d)bb) Reduktion des Bußgeldes durch Offenlegung des Fehlers.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Wird die Fehlerhaftigkeit der Rechnung erstmals im Rahmen einer Überprüfung durch die HMRC erkannt, wird ein Bußgeld fällig, wenn der Unternehmer zumindest fahrlässig die Untauglichkeit der Rechnung verkannt hat. Eine Möglichkeit der Reduktion des Bußgeldes besteht nicht. Erkennt der Unternehmer die Fehlerhaftigkeit der Rechnung außerhalb einer Prüfung durch die HMRC, hat er seine Mehrwertsteuer um den Betrag des unberechtigten Vorsteuerabzuges zu korrigieren, um ein Bußgeld, unabhängig vom Verschulden bei Verkennen der Fehlerhaftigkeit der Rechnung, zu vermeiden, Schedule 24 para. 3 (2) Finance Act 2007.729 Hat der Unternehmer den Fehler ursprünglich fahrlässig nicht erkannt, kann er eine Reduktion des Bußgeldes erlangen, indem er die Kor­ rektur seiner Rechnung durch separaten Hinweis an die HMRC vornimmt. Denn im Rahmen dieses Hinweises hat der Unternehmer die Umstände, welche zu der fehlerhaften Anmeldung geführt haben, darzulegen, Sec. 4.4. Notice 700/45. Der Steuerpflichtige wird daher Gründe dafür anführen, warum er von der Tauglichkeit der Rechnung ausging, mithin, dass er die zumutbare Sorgfalt angelegt hat. Kann er das zur Überzeugung der HMRC darlegen, können diese auf die Verhängung eines Bußgeldes verzichten. Diese Umstände bedingen zugleich die Gewährung des Vorsteuerabzuges durch die HMRC. So wird dieser nur gewährt, wenn ein Umsatz tatsächlich stattgefunden hat, der Unternehmer alternative Nachweise hierfür hat und zudem darlegen kann, dass er von der Existenz des Leistenden ausgehen durfte. Weiter dürfen die Art und Weise der Abwicklung des Geschäftes mit dem Leistenden keinen Anlass zu Zweifeln an der Tauglichkeit der Rechnung gegeben haben.730 Auf diese Umstände, welche die HMRC von der Berechtigung zum Vorsteuerabzug zu überzeugen vermögen, kann der Unternehmer auch das Vertrauen in die Rechnung stützen. Voraussetzung ist dabei einzig, dass diese Umstände bereits bei Geltendmachung des Vorsteuerabzuges vorlagen. Gleiches gilt im Falle der Entdeckung der Untauglichkeit einer Rechnung durch die HMRC. Daraus folgt, dass, wenn der Vorsteuerabzug durch die HMRC gewährt wird, auch ein Bußgeld regelmäßig ausscheiden wird.

729 S.o. Teil III A.II.2.d)aa) Grundsätze des Bußgeldregimes. 730 S.o. Teil III A.II.2.a) Alternativbeweis.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

e) Verzinsung Wurde Mehrwertsteuer durch den Steuerpflichtigen zu niedrig angemeldet und setzt die HMRC den Fehlbetrag fest731, fallen zugleich Zinsen an, Sec. 74 (1) VAT Act 1994. Das erfolgt unabhängig davon, ob die fehlerhafte Festsetzung aufgrund eines gesonderten Hinweises des Steuerpflichtigen732 oder aufgrund einer Prüfung durch die HMRC erfolgt, para. 2.1. Notice 700/43. Lediglich der Zinslauf ändert sich zugunsten des Steuerpflichtigen, wenn er eine Korrektur vornimmt. aa) Grundsatz Der zu verzinsende Betrag ist der gem. Sec. 73 (1) VAT Act 1994 festgesetzte, Sec. 74 (1) VAT Act 1994. Die Festsetzung des Zinses wird mit der Festsetzung des Fehlbetrages verbunden, Sec. 76 (5) VAT Act 1994. Der Beginn des Zinslaufes fällt auf den Zeitpunkt, zu dem der Betrag anzumelden war, Sec. 74 (1) i.V.m. (5) (b) VAT Act 1994. Anzumelden ist dieser spätestens mit Ablauf des auf den Voranmeldungszeitraum der Steuer­ entstehung folgenden Monats, Schedule 11 para. 2 VAT Act 1994 i.V.m. Value Added Tax Regulation 25 (1). Der Zinslauf endet von Gesetzes wegen erst mit Zahlung, Sec. 74 (1) VAT Act 1994.733 Die HMRC hingegen setzt Zinsen in Abweichung davon, gestützt auf Sec. 76 (7) (a) VAT Act 1994 niedriger fest.734 Werden Zinsen im Anschluss an die Korrektur durch den Steuerpflichtigen mittels gesonderten Hinweises fällig,735 so endet der Zinslauf mit dem Tag, an dem der gesonderte Hinweis an die HMRC erfolgte, para. 2.6. Notice 700/43. Hat die HMRC den Fehler ohne einen solchen Hinweis entdeckt, laufen die Zinsen bis zu einem in der Festsetzung des Fehlbetrages gem. Sec. 73 (1) VAT Act 1994 bestimmten Tag, spätestens aber bis zum Datum der Festsetzung, para. 2.6. Notice 700/43. Wird der festgesetzte Betrag nicht innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt der Festsetzung entrichtet, fallen, gestützt auf Sec. 76 (7) (b) VAT Act 1994, Zinsen für jeden weiteren Monat, den die Zahlung ausbleibt, an, para. 2.8. Notice 700/43.736 Der Zinssatz beträgt derzeit 3 % p.a., Sec. 197 (6) (d) (i) Finance Act 1996 i.V.m. Sec. 4 (1) (c) i.V.m. Air Passenger Duty and Other Indirect Taxes (Interest Rate) Regulation 1998 4 (1) (c) i.V.m. (2) (3). Zinseszinsen werden nicht erhoben, para. 2.7. Notice 700/43. 731 S.o. Teil III A.II.2.c)bb) Korrektur durch „separate notification“ an die HMRC. 732 S.o. Teil III A.II.2.c)bb) Korrektur durch „separate notification“ an die HMRC. 733 British Tax Guide: Value Added Tax, 9-440. 734 Vgl. Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 51.15. 735 S.o. Teil III A.II.2.c)bb) Korrektur durch „separate notification“ an die HMRC. 736 Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 51.15.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

bb) Absehen von der Verzinsung – „commercial restitution“ Der Zinsanspruch des Fiskus entsteht von Gesetzes wegen. Die HMRC hat diesen grundsätzlich durchzusetzen. Zwar räumt Sec. 76 (1) VAT Act 1994 der HMRC Ermessen bei der Festsetzung von Zinsen ein.737 Bei Ausübung dieses Ermessens darf sich die HMRC aber nicht gegen den erkennbaren Willen des Gesetzgebers stellen. Geht aus dem Gesetz klar hervor, dass eine Belastung vom Gesetzgeber gewollt ist, so hat die HMRC diese durchzusetzen.738 Sie können daher von der Erhebung von Zinsen nicht für bestimmte Fallgruppen generell absehen, wenn der Tatbestand des Sec. 74 (1) VAT Act 1994 erfüllt ist. Daher bestehen keine Bagatellfehlbetragsgrenzen, unterhalb derer Zinsen generell nicht erhoben werden.739 Sie können im Rahmen dieses Ermessens aber von der Erhebung absehen, wenn diese dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers widerspricht.740 Den Zweck der Verzinsung erkennen die HMRC in „commercial restitution“. Nicht die Sanktionierung des Steuerpflichtigen, sondern der Ausgleich für den Entfall der Nutzungsmöglichkeit des Steuerbetrages zulasten des Fiskus ist demnach Zweck des Verzinsungsregimes, para. 1.2. Notice 700/43. Mithin kompensiert die Verzinsung Liquiditätsausfälle des Fiskus. Ein solcher soll demnach nicht vorliegen und ein Zins dann nicht erhoben werden, wenn eine zu spät angemeldete Steuer unmittelbar als Vorsteuer abgezogen hätte werden können, para. 2.2. Notice 700/43. Das Absehen von Verzinsung setzt damit den Willen des Gesetzgebers durch und hält sich damit in den Grenzen der Gesetzesanwendung durch die HMRC.741 Ob der Gesetzgeber auch im Falle der zeitweiligen Aberkennung eines Vorsteuerbetrages wegen mangelhafter Rechnung von einer Verzinsung 737 Sec. 76 (1) VAT Act 1994 lautet: Where any person is liable—(…) (c) for interest under section 74 (…) the Commissioners may (Anm. Hervorhebung durch Verf.) (…) assess the amount due by way of (…) interest. An der Formulierung “may” macht die HMRC ihr Ermessen fest, hierzu HMRC, VDIM7010 – When to inhibit, amend or withdraw interest: discretion to inhibit interest. 738 Grundlegend zur Beschränkung des Ermessensspielraumes der HMRC, Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 18.06.2003 – Wilkinson [2003] EWCA Civ 814, [2003] 1 W.L.R. 2683, Rn. 46; dazu Freedman/Vella, Oxford WP 10/22, 4 f. 739 Vgl HMRC, Business Brief 38/08; Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 51.15. 740 Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 18.06.2003 –Wilkinson [2003] EWCA Civ 814, [2003] 1 W.L.R. 2683, Rn. 46. 741 HMRC, VDIM3010 – Commercial restitution: General principles.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

absehen will, war, soweit ersichtlich, bisher weder Gegenstand von streitigen Verfahren noch von Verlautbarungen der HMRC.742 3. Zusammenfassung Zusammenfassend lassen sich zur Rechtspraxis im Vereinigten Königreich die folgenden Punkte festhalten. Verkennt der Steuerpflichtige die Fehlerhaftigkeit der Rechnung und macht er den Vorsteuerabzug geltend, kann er eine korrigierte Rechnung einreichen. Diese Rechnungskorrektur hat, Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Ausübung des Vorsteuerabzuges. Bußgelder oder Zinsen werden nicht fällig. Wird die Rechnung nicht korrigiert, so ist die Vorsteuerbetrag nachzuent­ richten. Das genaue Verfahren bestimmt sich nach der Höhe der betroffenen Vorsteuerbeträge. Summieren sich diese auf mehr als 10.000,– £ oder 1 % der in betreffenden Voranmeldungszeitraum anzumeldenden Summe der Bemessungsgrundlagen aller Ausgangsumsätze, bzw. 50.000,– £, muss der Steuerpflichtige den fehlerhaften Vorsteuerabzug den HMRC anzuzeigen. Diese setzen den Steuerbetrag mit Wirkung für den ursprünglichen Besteuerungszeitraum fest. Der Fehlbetrag ist nachzuentrichten. Werden diese Beträge nicht überschritten, kann der Steuerpflichtige dieses Verfahren wählen. Alternativ kann er die Vorsteuerbeträge im aktuellen Besteuerungszeitraum erklären und nachentrichten. Ein Abzug der betroffenen Vorsteuern ist nur noch nach Genehmigung der HMRC und nur ex nunc möglich. Die Genehmigung wird erteilt, wenn der Steuerpflichtige die Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges gegenüber den HMRC nachweist. Hierzu kann er sich aller Beweismittel bedienen. Hat der Steuerpflichte die Fehlerhaftigkeit der Rechnung fahrlässig nicht erkannt, wird grundsätzlich ein Bußgeld i.H.v. 30 % des betroffenen Steuerbetrages verhängt. Hat der Steuerpflichtige den Fehler aufgedeckt, können die HMRC das Bußgeld reduzieren. Der mögliche Rahmen der Reduktion bestimmt sich nach den Umständen der Meldung des Fehlers durch den Steuerpflichtigen. Im jeweiligen Rahmen ist dann die Mitwirkung des Steuerpflichtigen im Korrekturverfahren maßgeblich ermes742 Zur Notwendigkeit des Zinserlasses im Falle des Vorsteuerabzuges mit untauglicher Rechnung siehe unten Teil III A.VI.2.b)bb)(3) Mögliche Herstellung der unionsrechtskonformen Liquiditätssituation im Verwaltungsverfahren.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

senslenkend. Hat der Steuerpflichtige, ohne durch Ermittlungen der HMRC dazu veranlasst worden zu sein, den Fehler aufgedeckt, so kann das Bußgeld gänzlich entfallen. Andernfalls reduziert es sich auf mindestens 15 %. Für Zwecke der Bußgelder steht es einer ursprünglich fahrlässig falschen Voranmeldung gleich, wenn der Steuerpflichtige nach Erkennen des Fehlers die Vorsteuer nicht korrigiert. Die Möglichkeit zur Minderung des Bußgeldes besteht dann jedoch nicht. In jedem Fall ist der fehlerhaft abgezogene Vorsteuerbetrag vom Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuer – mit Ablauf des auf den Besteuerungszeitraum der Entstehung des Vorsteueranspruches folgenden Besteuerungszeitraumes – zu verzinsen. Unterschiede ergeben sich in Abhängigkeit von den Umständen der Aufdeckung des Fehlers nur bzgl. des Endes des Zinslaufes. Meldet der Steuerpflichtige den Fehler, endet der Zinslauf mit Eingang der Meldung, andernfalls mit der Festsetzung durch die HMRC. Grundsätzlich haben die HMRC die Möglichkeit von der Ver­ zinsung in Einzelfällen dann abzusehen, wenn eine solche der gesetzlichen Intention widerspricht. Eine veröffentlichte Verwaltungspraxis für Fällen des Vorsteuerabzuges mit fehlerhafter Rechnung existiert nicht.

III. Die Qualifikation des Fehlers – die Rechtsnatur des ­Rechnungserfordernisses Ausgehend von obigen Erwägungen bedarf es für die Bestimmung des Rahmens, in dem sich die Rechtsfolgen zu halten haben, zunächst der Qualifikation des Fehlers des Steuerpflichtigen. Anders gewendet stellt sich die Frage, ob die Rechnung eine formale oder materielle Voraussetzung der Ausübung des Vorsteuerabzuges ist. Allein ausgehend von der Terminologie der ­MwStSystRL liegt nahe, dem Rechnungserfordernis als Ausübungsvoraussetzung nur formellen Charakter zuzugestehen. Denn der Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug wird, als ein Teil das materiellen Tatbestandes der Steuer, getrennt vom Rechnungserfordernis geregelt, Art. 167 ff. ­MwStSystRL. Da die Rechnung der Kontrolle der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugsrechts und der Versteuerung des Umsatzes durch den Leistenden dient743, scheint

743 S.o. Teil II B.IV.2.b)cc)(1) Kumulative Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs – Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug und Besitz einer Rechnung.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

die Rechnung auf die dienende Funktion des formellen Rechts744 beschränkt. Andererseits ist der Zeitpunkt der tatsächlichen Entlastung des Steuerpflichtigen – durch Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug – relevant für die Verwirklichung des Verbrauchsteuerprinzips. Denn dieses erfordert auch die Herstellung von Liquiditätsneutralität mittels der durch Simultanität von Be- und Entlastung.745 Somit wirkt auch das Ausübungserfordernis faktisch auf die Methode zur Herstellung des Ziels der Liquiditätsneutralität. Nach obiger Definition746 wäre es daher auch dem materiellen Recht zuzuordnen. Dann aber übersähe man, dass die Regelung des Art. 178 M ­ wStSystRL die Antizipation eines bestimmten – typischen – Verhaltens das Steuerpflichtigen zugrunde legt bzw. seine Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht nur für diese Fälle festgestellt wurde. So ist das Ausübungserfordernis des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL als faktische Modifikation des Grundsatzes des Sofortabzuges des Art. 167 ­MwStSystRL deshalb verhältnismäßig, weil von einer Belastung – durch Zahlung das Bruttoentgeltes – erst mit erstmaliger Rechnungserteilung auszugehen ist. Denn typischerweise wird der Leistungsempfänger bis dahin Zahlungen zurückbehalten.747 Dem liegt also nur der Gedanke zugrunde, dass die Belastung regelmäßig erst mit Rechnungserteilung eintritt und somit eine Entkoppelung der faktischen Entlastung im Besteuerungsverfahren vom Zeitpunkt des Entstehens des Entlastungsrechts zumutbar ist. Dieser Gedanke fußt damit auf einer, in zeitlicher Hinsicht idealisierend-typisierenden Betrachtung der Belastungs- und Abwälzungsmechanismen748 der indirekten Besteuerung.749 Eine Abkehr 744 S.o. Teil I B.II Formelle Fehler. 745 Siehe dazu ausführlich oben Teil II B.IV.2.b)cc)(1) Kumulative Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs – Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug und Besitz einer Rechnung. 746 S.o. Teil I B Relevante Rechtsanwendungsfehler. 747 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:​ 268, Rn. 35. Zu weit geht aber wohl GA Bot, Schlussantrag v. 17.02.2016 – C-518/14 – Senatex, ECLI:EU:C:2016:91, Rn, 38, demzufolge ein Vorsteuerabzug in der Rechtssache Terra-Baubedarf deshalb versagt wurde, weil der Leistungsempfänger dort ohne Rechnung keine Zahlung vornehmen und damit keine Belastung mit Vorsteuer eintreten konnte. Warum aber eine Zahlung und damit eine Belastung ohne Rechnung gänzlich ausgeschlossen sein soll, ist nicht ersichtlich. 748 Zum Abwälzungsmechanismus bei indirekten Steuern Englisch, UR 2011, 648, (652 f.), mit Verweis auf GA Jacobs, Schlussantrag v. 14.03.2005 – C-475/03 – ­Banca popolare di Cremona, ECLI:EU:C:2005:183, Rn. 35; GA Kokott, Schlussantrag v. 24.03.2011 – C-94/10 – Danfoss, ECLI:EU:C:2011:181, Rn. 35. 749 Siehe hierzu ausführlich unten Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

von der grundsätzlichen, materiell-rechtlichen Systementscheidung des Art. 167 ­MwStSystRL liegt darin aber gerade nicht. Vielmehr beschränkt sich der Zweck des Rechnungserfordernisses auf die Durchsetzung des materiellen Rechts und damit nur mittelbar auf die Durchsetzung des Ziels der Liquiditätsneutralität. Nach obiger Definition750 bleibt sie damit eine formelle Voraussetzung. Folgerichtig begreift der EuGH das Rechnungserfordernis des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL in der Entscheidung Pannon Gép in deutlicher Abgrenzung von den – im entschiedenen Fall gegebenen – „materiellen Voraussetzungen“751, als formelle Voraussetzung.752 Dieser Schluss lässt sich auch darauf stützen, dass den einzelnen Rechnungsangaben offenbar auch kein materieller Gehalt zukommt. Nur so kann der Pragmatismus, mit welchem der EuGH die Korrektheit einzelner Rechnungsangaben ermittelt, erklärt werden. So war in der Rechtssache Dankowski753 einzig über die Tauglichkeit einer Rechnung zur Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts zu urteilen, während „… die in Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie754 vorgesehenen materiellen Voraussetzungen“755 erfüllt waren. In der Rechnung war, ent­ gegen der ausdrücklichen Anforderung des Art. 22 Abs. 3 Buchst. b 6. MwStRL756, nicht die Mehrwertsteueridentifikationsnummer, sondern eine nationale Steuernummer, vergleichbar der deutschen Steuernummer oder dem Identifikationsmerkmal gem. § 139a ff. AO, angegeben. Handelte es sich bei einer Rechnung, welche den Anforderungen an des Titel XI Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 6 ­MwStSystRL genügte, um eine materielle Voraussetzung, so wäre auch den einzelnen Rechnungsangaben als deren Tatbestandsvoraussetzung materieller Gehalt zuzumessen. Fehlte eine dieser Voraussetzungen, bedürfte es dann zur Überwindung dieses Mangels des Grundsatzes des Gutglaubensschutzes.757 Auf diesen nimmt der EuGH aber in seiner Entscheidung in der Rechtssache Dankowski nicht Bezug. Vielmehr stellt er fest, dass die in der Rechnung angegebene Nummer zur Identifikation des Leistungserbringers ausrei750 S.o. Teil I B.II Formelle Fehler. 751 EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 – Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:C:2010:441, Rn. 45. 752 Dies greift EuGH, Urt. v. 08.05.2013 – C-271/12 – Petroma Transport, ECLI:EU:C:2013:297, Rn. 34, explizit auf und bestätigt das in Urt. v. 15.09.2016 – C. 518/14 – Senatex, ECLI:EU:C:2016:691, Rn. 29. 753 EuGH, Urt. v. 22.12.2010 – C- 438/09 – Dankovski, ECLI:EU:C:2010:818. 754 Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie wurde inhaltlich – insofern – gleichlautend zum 01.01.2006 durch Art. 168 ­MwStSystRL ersetzt. 755 EuGH, Urt. v. 22.12.2010 – C- 438/09 – Dankovski, ECLI:EU:C:2010:818, Rn. 26. 756 Art. 22 Abs. 3 Buchst. b 6. MwStRL wurde zum 01.01.2007 durch den gleichlautenden Art. 226 Nr. 4 ­MwStSystRL ersetzt. 757 S.o. Teil II A.IV Grundsatz des Vertrauensschutzes.

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chend sei. Sie erfüllt daher, entgegen dem klaren Wortlaut, insofern den von Art. 22 Abs. 3 Buchst. b 6. MwStRL definierten Voraussetzungen an die Rechnungsangaben.758 Maßgebliches Kriterium dieser „Auslegung“ – nach deutschem Verständnis759 liegt hier eine Rechtsfortbildung vor –760 war daher einzig die Eignung zur Kontrolle der Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges. Damit verfolgt die Rechnung den Zweck, die Durchsetzung des materiellen Vorsteuerabzugsrechts sicherzustellen und sichert somit den Grundsatz der Liquiditätsneutralität nur mittelbar. Sie ist daher, entsprechend der obigen Definition761, dem formellen Recht zuzuordnen. Ein materieller Gehalt kommt dem Rechnungserfordernis auch insofern nicht zu, als der EuGH in der Entscheidung zur Rechtssache „Petroma Transport“762 den Mitgliedstaaten, unter Geltung der 6. MwStRL763, zugesteht, den Vorsteuerabzug zu versagen, sofern eine Rechnung nicht alle geforderten Angaben enthält und diese auch nicht durch Korrektur der Rechnung, sondern durch andere Beweise nachgeholt wurden764. Sofern aus diesem Leitsatz die Berechtigung zur Aberkennung des Vorsteuerabzuges entnommen wird, und daraus offenbar der materielle Gehalt des Rechnungserfordernisses gefolgert wird,765 greift das zu kurz. Denn allein aufgrund des Fehlens der Angaben in der Rechnung kann der Vorsteuerabzug, wenn die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges mittels anderweitigen Nachweisen dargelegt werden – das stellt der EuGH auch in der Entscheidung Petroma Transport nochmals ausdrücklich

758 EuGH, Urt. v. 22.12.2010 – C- 438/09 – Dankovski, ECLI:EU:C:2010:818, Rn. 30. 759 U.a. Bydlinski, Methodenlehre, S. 467 ff.; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 19 ff.; Hassold in 2. FS Larenz, S. 211 (218); Klatt, Theorie der Wortlautgrenze, S. 19 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 322; ders. in FS Henkel, S. 31 (32); Neuner, Die Rechtsfindung contra legem, S. 90 ff.; Schmidt, JZ 2009, 10 (12); Schünemann in FS Klug, S. 169 (180); Zippelius in 2. FS Larenz, S. 739 (743); A.a. Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 42 ff.; Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 221 ff.; Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 173; Pawlowski, ZRph 2005, 89 (91 f.); Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 3734 ff. 760 Siehe zu den unterschiedlichen methodischen Ansätzen Vogenauer, Die Aus­ legung von Gesetzen, S. 394 ff. und ausführlich unten Teil III B.VI.4.b)bb)(3) Teleologische Reduktion des Begriffs der Besteuerung „im Einklang mit Artikel 40“ ­MwStSystRL. 761 S.o. Teil I B.II Formelle Fehler. 762 EuGH, Urt. v. 08.05.2013 – C-271/12 – Petroma Transport, ECLI:EU:C:2013:297 763 Daraus ergeben sich keine Unterschiede zur Rechtslage nach der ­MwStSystRL. 764 EuGH, Urt. v. 08.05.2013 – C-271/12 – Petroma Transport, ECLI:EU:C:2013:297, Rn. 34. 765 Diesen Schluss zieht offenbar Wagner in Sölch/Ringleb, § 14 (Jul. 2013), Rn. 222.

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klar – nicht versagt werden.766 Einzig weil „… die notwendigen Informationen, mit denen die Rechnungen vervollständigt und in Ordnung gebracht werden sollten, vorgelegt wurden, nachdem die Steuerverwaltung ihre ablehnende Entscheidung über den Vorsteuerabzug erlassen hatte, so dass vor Erlass dieser Entscheidung die dieser Verwaltung zugeleiteten Rechnungen noch nicht berichtigt worden waren, damit diese die genaue Erhebung der Mehrwertsteuer sowie ihre Kontrolle sicherstellen konnte“767, durfte der Vorsteuerabzug versagt werden. Diese zeitliche Grenze hatte der EuGH für die Korrektur von Rechnungsangaben aber bereits in der Entscheidung Pannon Gép gezogen.768 Mit der Entscheidung in der Rechtssache Petroma Transport dehnt er diese Grenze lediglich auf die Ergänzung einer von Anfang an mangelhaften Rechnung durch andere Beweismittel, ohne dass die Rechnung korrigiert wird, aus. Das ist konsequent. Denn wenn die Finanzverwaltung auf eine korrigierte Rechnung dann nicht bestehen kann, wenn ihr die fehlenden Informationen bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens anderweitig zur Verfügung gestellt wurden,769 muss sich auch diese anderweitige Nachweisführung in denselben zeitlichen Grenzen halten. Darin spiegelt sich lediglich die gefestigte Rechtsprechung des EuGH zur Herstellung der Rechtssicherheit im Steuerverwaltungsverfahren wieder. Der zufolge kann, nach Ablauf einer angemessenen Frist zur effektiven Geltendmachung bestimmter Rechte, unabhängig vom Vorliegen der materiellen Voraussetzungen, eine Rechtsposition aberkannt werden.770 Ausdrücklich für den Vorsteuerabzug war das bereits im Jahre 2008 entschieden worden.771 An dem Eindruck, dass auch der EuGH die Rechnung als lediglich formelle Voraussetzung des Vorsteuerabzugs erkennt, ändert sich somit nichts.772 766 EuGH, Urt. v. 08.05.2013 – C-271/12 – Petroma Transport, ECLI:EU:C:2013:297, Rn. 22–33. 767 EuGH, Urt. v. 08.05.2013 – C-271/12 – Petroma Transport, ECLI:EU:C:2013:297, Rn. 35. 768 EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:C:2010:441, Rn. 45; hiervon zu unterscheiden ist die Frage nach dem Zeitpunkt auf den die Korrektur der Rechnung wirkt; hierzu hatte der EuGH weder in der Entscheidung Pannon Gép Centrum noch Petroma Transport, Stellung genommen; sihe hierzu EuGH Urt. v. 15.09.2016 – C. 518/14 – Senatex, ECLI:EU:C:2016:691, Rn. 34, 39. 769 Siehe dazu unten Teil III A.IV.2.f)cc)(2) Rückwirkende Rechnungsberichtigung als Gebot der verhältnismäßigen Anwendung des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL. 770 S.o. Teil II A.II.2 Geltung im Verwaltungsverfahren. 771 EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 44. 772 Ausdrücklich EuGH Urt. v. 15.09.2016 – C-518/14 – Senatex, ECLI:ECLI:EU:​ C:2016:691, Rn, 44; zuvor bereits u.a. EuGH Urt. v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 31.

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Daher ist die Rechnung formelles Erfordernis der Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts.773

IV. Kritische Würdigung Anknüpfend an die Qualifikation des Rechnungserfordernisses als formale Anforderung dürfen Mängel der Rechnung nur formelle Rechtsfolgen zeitigen.774 Hier ist aber darauf hinzuweisen, dass die Vorlage einer tauglichen Rechnung natürlich den für das Besteuerungsverfahren zentralen Ansatzpunkt darstellt. Erst ab Vorliegen einer Rechnung hat die Finanzbehörde gesicherte Kenntnis von den Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug. Erst ab diesem Zeitpunkt kann sie beurteilen, ob und wann ein zu neu­ tralisierender Zustand eingetreten ist. Die diesbezügliche Beweislast liegt beim Steuerpflichtigen. Das bedeutet aber gerade nicht, dass ein Vorsteuerabzug erst mit Wirkung für den Zeitpunkt, zu dem der Nachweis der Vorsteuerabzugsberechtigung mittels vollkommen korrekter Rechnung gelingt, möglich ist. Die rein praktisch bedingte, zeitliche Verlagerung der Konsequenz aus der Belastung ändert nichts an der Tatsache, dass eine zu neutralisierende Belastung bereits eingetreten war. Eine Verzinsung lässt den materiellen Gehalt der Besteuerung grundsätzlich unbeeinflusst und dient nur der Herstellung der materiell-rechtlich korrekten Liquiditätslage. Sie ist mithin eine formelle Rechtsfolge.775 Gleiches gilt für die Sanktionierung von Rechtsanwendungsfehlern.776 Diese laufen parallel zum Vollzug des materiellen Unionsrechts und haben auf dieses keinen Einfluss. 773 A.A. auf Grundlage der nicht zwischen der Entstehung und der Ausübung unterscheidenden Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG BFH, Urt. v. 01.07.2004 – V R 33/01, BStBl. II 2004, 861 (862); v. 15.07.2004 – V R 76/01, BStBl. II 2005, 236 (237); Beschl. v. 31.07.2007 – V B 156/06, BFH/NV 2008, 416 (418); Oelmaier in Sölch/Ringleb, § 15 (Apr. 2013), Rn. 368; ders. nunmehr jedoch offen in Sölch/ Ringleb, § 15 (Apr. 2015), Rn. 364 ff.; mit Bezug auch auf das Unionsrecht Birkenfeld, UR 2013, 126 ehr (132); Korn in Bunjes/Geist, § 14, Rn. 6; Stadie in Rau/ Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 750; Widmann in Plückebaum/Malitzky/Widmann, § 15 (Apr. 2011), Rn. 258; auch Wagner in Sölch/Ringleb, § 14 (Jul. 2013), Rn. 222, obwohl dieser in Rn. 220 noch der hier vertretenen Auffassung zu folgen scheint. 774 S.o. Teil II C.III.2.a) Materiell wirkende Sanktionen. 775 S.o. Teil II C.V.3 Fazit: Verzinsung als unionsrechtlich zulässige formelle Rechtsfolge. 776 S.o. Teil II C.III.2.b) Nicht materiell wirkende Sanktionsmechanismen – Verwaltungsstrafen.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Grund für die Qualifikation der Verzinsung als formelle Rechtsfolge ist die Abschöpfung des Liquiditätsvorteils, welcher dem Steuerpflichtigen durch den zu geringen Abführungsbetrag erwächst. Dadurch wird die materiell-rechtlich intendierte Liquiditätssituation des Steuerpflichtigen wieder hergestellt.777 Die Verzinsung knüpft damit an die materiell-­ rechtlich korrekte Situation an, ohne auf diese Einfluss zu nehmen. Diese Zielsetzung steht auch ausdrücklich im Einklang mit dem Unionsrecht. Der zufolge können die Mitgliedstaaten grundsätzlich materielle Rechtspositionen aberkennen, um ungerechtfertigte Bereicherungen der Steuerpflichtigen zu verhindern.778 Da dem Zeitpunkt des Vorsteuerabzuges, als Mittel zur Durchsetzung der Liquiditätsneutralität, materielle Bedeutung zukommt,779 ist auch die Liquiditätsbelastung Teil der Gesamtbelastung des Steuerpflichtigen.780, 781 Das setzt aber voraus, dass dem Steuerpflichtigen ein solcher, ungerechtfertigter Liquiditätsvorteil tatsächlich auch zugekommen ist. Ist aber die materiell-rechtlich intendierte Liquiditätssituation bereits eingetreten, ist für die Verzinsung kein Raum mehr.782 Eine Verzinsung zu diesem Zeitpunkt, stellte diese Liquiditätssituation wieder in Frage. Ihre Wirkung wäre dann eine materielle.783 1. Die Grundfrage – der unionsrechtlich korrekte Entlastungszeitpunkt Die Ermittlung dieser Wirkung setzt daher einen Vergleich der materiell-rechtlich intendierten mit der tatsächlichen Liquiditätssituation vo­ raus. Zu klären ist daher, wann die Vorsteuerentlastung durch den Vorsteuerabzug tatsächlich erfolgen soll und in der Folge wirksam erfolgt ist. Da 777 S.o. Teil II C.V.2 Verzinsungsbefugnis zur Abschöpfung von Liquiditätsvorteilen zu Lasten des Steuerpflichtigen. 778 U.a. EuGH, Urt. v. 24.03.1988 – C-104/86 – Kommission/Italien, ECLI:EU:C:​ 1988:171, Rn. 6; v. 09.02.1999 – C-343/96 – Dilexport, ECLI:EU:C:1999:59, Rn. 47; v. 21.09.2000 – C-441/98 und C-442/98 – Michaïlidis, ECLI:EU:C:2000:479, Rn. 31; v. 10.04.2008 – C-309/06 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2008:211, Rn. 41. 779 S.o. Teil II B.IV.2.b)cc) Grundsatz des Sofortabzugs – Liquiditätsneutralität und Teil II C.IV.5 Rechtsdogmatische Erwägungen – der materielle Gehalt des Verwirklichungszeitpunktes. 780 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-107/10 – Enel Maritsa Iztok 3, ECLI:EU:C:2011:​ 298, Rn. 51, 53; v. 06.02.2014 – C-424/12 – Faktorie, ECLI:EU:C:2014:50, Rn. 50. 781 Diesen Zusammenhang übergeht FG Sachsen Anhalt, Urt. v. 15.07.2009 – 3 K 377/09, n.v., Rn. 21 (juris). Hierauf verweist, auch Englisch, UR 2011, 648 (653), allerdings, ohne die Liquiditätsbelastung ausdrücklich als Teil der Steuerbelastung zu erkennen, im Rahmen der teleologischen Betrachtung des § 233a AO. 782 Hierzu ausführlich im Falle des materiell-rechtlich falschen Vorsteuerabzuges ausführlich Englisch, UR 2011, 648 (652 ff.). 783 Zur Verzinsungsbefugnis ausführlich oben Teil II C.V Verzinsungsbefugnis.

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die Verzinsungsregeln an dem durch unberechtigten Vorsteuerabzug geltend gemachten Betrag bis zum Zeitpunkt der wirksamen Geltendmachung des Vorsteuerabzuges anknüpfen, bedingt diese Frage die Möglichkeit der Verzinsung unmittelbar. Im Fall des zunächst mit mangelhafter Rechnung, materiell-rechtlich aber – im Nachhinein auch belegbar – berechtigt, vorgenommenen Vorsteuerabzuges, stellt sich daher die Frage, ob der Vorsteuerabzug erst im Zeitpunkt des tauglichen Nachweises oder rückwirkend auf den Zeitpunkt der erstmaligen Ausübung als wirksam ausgeübt gelten soll. 2. Die Rückwirkung der Rechnungsberichtigung Die Rechnung, als formelle Voraussetzung begriffen, dient nur der Kon­ trolle der korrekten Versteuerung.784 Sie darf daher auf die Entlastung keine Auswirkung haben. Somit dürfte sie auch auf den Eintritt der Entlastungswirkung keinen Einfluss haben. Folglich dürfte auch eine Rechnungsberichtigung nicht den Vorsteuerabzugszeitpunkt berühren. a) Ausgangspunkt – Der Widerspruch zwischen Ausübungs­ voraussetzung und formeller Qualität der Rechnung Allerdings regelt Art. 178 M ­ wStSystRL ausdrücklich, dass der Vorsteuerabzug erst auszuüben ist, wenn bestimmte Ausübungsvoraussetzungen vorliegen. Bedarf die in Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL als eine solche Ausübungsvoraussetzung geforderte Rechnung der Berichtigung, liegt erst im Zeitpunkt der Berichtigung eine korrekte Rechnung vor. Gem. Art. 178 ­MwStSystRL wäre erst dann der Vorsteuerabzug auszuüben. Ein zuvor vorgenommener Vorsteuerabzug hätte per se nicht – wirksam – ausgeübt werden können. Daraus erwächst dem Rechnungserfordernis aber keine materielle Qualität.785 Allerdings bleibt die Frage, welche Folge der Verstoß gegen Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL überhaupt haben soll. So kann nicht ignoriert werden, dass Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL als einzige Vorschrift der M ­ wStSystRL einen unionsrechtlich definierten, formellen Nachweis zur „Ausübungsvoraussetzung“ für die Wahrnehmung einer materiellen Rechtsposition erhebt. Stellt man folglich einzig auf die Erfüllung der materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges im Zeitpunkt der Ausübung ab, reduziert man das Rechnungserfordernis auf seine formelle Natur. Damit übergeht man letztlich diese 784 S.o. Teil II B.IV.2.b)cc)(1) Kumulative Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs – Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug und Besitz einer Rechnung. 785 Teil III A.III Die Qualifikation des Fehlers – die Rechtsnatur des Rechnungserfordernisses.

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Regelung. Das Rechnungserfordernis als Voraussetzung für die Ausübung liefe leer; der exponierten Stellung des Rechnungserfordernisses würde nicht Rechnung getragen.786 Nähme man an, die Rechnung sei eine materielle Voraussetzung für die wirksame Geltendmachung des Vorsteuerabzugsrechts, so beachtet man diese Sonderstellung787, setzte sich aber in Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH. Es soll daher in der Folge untersucht werden, ob die formelle Qualität des Rechnungserfordernisses tatsächlich mit seiner Ausgestaltung als Ausübungsvoraussetzung in Widerspruch steht. Damit untrennbar verbunden ist die Frage, ob eine rückwirkende Rechnungsberichtigung mit der Regelung des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL in Einklang zu bringen ist. b) Nicht nur deklaratorischer Hinweis auf die allgemeine ­Beweislastverteilung Die Frage erübrigte sich, wenn man in der Regelung des Art. 178 ­MwStSystRL lediglich einen deklaratorischen Hinweis auf die generelle Beweislastverteilung im Mehrwertsteuerrecht erkennen könnte. Der zufolge hat der Steuerpflichtige zwar alle ihm günstigen Tatsachen zu beweisen.788 Allerdings folgt daraus nicht notwendigerweise, dass diese Regelungen erst dann Niederschlag in seiner Besteuerung finden dürfen, wenn er die entsprechenden Nachweise führen kann. Er läuft vielmehr lediglich Gefahr, dass ihm einzelne Rechtspositionen aberkannt werden, wenn er 786 Abzulehnen daher GA Bot, Schlussantrag v. 17.02.2016 – C-518/14 – Senatex, ECLI:EU:C:2016:91, Rn, 44, der die herausgehobenen Stellung des Rechnungserfordernisses nicht berücksichtigt; in der Pauschalität daher auch zu weit Urt. v. 15.09.2016 – C. 518/14 – Senatex, ECLI:ECLI:EU:C:2016:691, Rn. 38. 787 Daher u.a. BFH, Urt. v. 01.07.2004 – V R 33/01, BStBl. II 2004, 861 (862); v. 08.10.2008 – V R 63/07, BFH/NV 2009, 1473 (1475 f.), v. 30.04.2009 – V R 15/07, BStBl. II 2009, 744; v. 15.05.2012 – XI R 32/10, BFH/NV 2012, 1836 (1838 f.); Oelmaier in Sölch/Ringleb, § 15 (Apr. 2013), Rn. 368; .); Oelmaier in Sölch/Ringleb, § 15 (Apr. 2015), Rn. 60; Wagner in Sölch/Ringleb, § 15 (Apr. 2011), Rn. 60 ff; mit Bezug auch aufs Unionsrecht Korn in Bunjes/Geist, § 14, Rn. 6; Stadie in Rau/ Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 750; Widmann in Plückebaum/Malitzky/Widmann, § 15 (April 2011), Rn. 258; auch Frotscher in Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 45, Rn. 125; Wagner in Sölch/Ringleb, § 14 (Nov. 2013), Rn. 222. 788  S.o. Teil II C.III.2.b)bb)(1)(a) Verstoß gegen sekundärrechtlich definierte Pflichten; U.a. EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑184/05 – Twoh International, ECLI:EU:C:2007:​ 550, Rn. 26; v. 07.12.2010 – C-285/09 – R, ECLI:EU:C:2010:742, Rn. 46; für den Vorsteuerabzug EuGH, Urt. v. 26.09.1996 – C-230/94 – Enkler, Slg. 1996, I-4517, Rn. 24; BFH, Urt. v. 19.10.1978 – V R 39/75, BStBl. II 1979, 345 (346 f.); v. 27.06.1996 – V R 51/93, BStBl. II 1996, 620 (622); Beschl. v. 14.05.1998 – V B 123/97, BFH/NV 1998, 1532 (1533); v. 09.07.1998 – V B 143/97, BFH/NV 1999, 221 (222); Wagner in Sölch/Ringleb, § 15 (Sep. 2010), Rn. 82.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

deren Voraussetzungen im Nachhinein nicht zur Überzeugung der Finanzverwaltung nachweisen kann. Insbesondere steht dem auch entgegen, dass der Steuerpflichtige – unzweifelhaft – den Vorsteuerabzug, ohne dass ihm eine Rechnung erteilt wurde, nicht wirksam vornehmen kann.789 c) Der Zweck des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL Der Vorsteuerabzug knüpft in seinen materiellen Voraussetzungen an Eigenschaften der am Umsatz Beteiligten (Unternehmereigenschaft, Bezug für unternehmerische Zwecke auf Seiten des Leistungsempfängers), des Leistungsgegenstands (Ort und Zeitpunkt der Leistung, Art der Leistung) und des Entgelts an. Zu diesem Zweck regeln die Art. 220–236, 238f und 240 M ­ wStSystRL, dass die Rechnung bestimmte Angaben enthalten muss. Diese erfordern entweder eine direkte Subsumtion unter diese Tatbestandsmerkmale,790 geben also direkt einzelne Tatbestandsmerkmale der Vorsteuerberechtigung an, oder bilden die Grundlage für die Ermittlung solcher Tatbestandsmerkmale.791 Daneben dienen manche Angaben auch der Kontrolle der Besteuerung des Leistungserbringers.792 Solange eine Rechnung alle diese Anforderungen erfüllt, ist sie gem. Art. 218 M ­ wStSystRL an keine Form gebunden. Hierin zeigt sich auch die Funktion der Rechnung. Eine Rechnung ist demnach jedes Dokument, welches diese Angaben enthält, mithin zur Kontrolle der Vorsteuerabzugsberechtigung und der Kontrolle des Leis789 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:​ 268, Rn. 34; s.o. Teil II B.IV.2.b)cc)(1) Kumulative Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs – Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug und Besitz einer Rechnung. 790 So erfordert die Angabe des Leistungszeitpunkts gem. Art. 226 Nr. 7 M ­ wStSystRL die Subsumtion unter die Regelungen der Art. 63 ff. ­MwStSystRL; oder die Angabe des anzuwendenden Steuersatzes gem. Art. 226 Nr. 9 ­MwStSystRL, eine Qualifikation des Leistungsgegenstandes als solcher oder eben nicht als solcher i.S.d. jeweils vom einzelnen Mitgliedstaat geregelten Anwendung des ermäßigten Steuersatzes i.S.v. Art. 98 ­MwStSystRL. 791 So dient die Angabe der Art des Leistungsgegenstandes gem. Art. 226 Nr. 6 ­MwStSystRL als Anhaltspunkt für die Anwendung bestimmter, am Leistungsgegenstand festmachender Regelungen, insbesondere Steuerbefreiungen und der Regelungen über die Steuersätze, dem Ort der Leistung und damit auch der Steuerschuldnerschaft. 792 So ermöglicht die Angabe der Identifikationsnummern sowohl des Leistungserbringers, also auch des Leistungsempfängers gem. Art. 226 Nr. 3f M ­ wStSystRL den Abgleich des vom Leistenden entrichteten, und des vom Leistungsempfänger als Vorsteuer abgezogenen Steuerbetrags, und damit die nominelle Kontrolle des ordentlichen Vollzugs der Mehrwertbesteuerung; EuGH, Urt. v. 22.12.2010 – C- 438/09 – Dankovski, ECLI:EU:C:2010:818, Rn. 30.

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tungserbringers taugt. Teleologisch betrachtet ist damit einzige Voraussetzung der Rechnungsqualifikation die Eignung eines Dokuments zur Kontrolle der ordentlichen Besteuerung.793, 794 Da sie – den in Art. 220 ff. ­MwStSystRL geforderten Inhalt zugrunde gelegt – umfassend die Kontrolle der für den Vorsteuerabzug erheblichen Daten erlaubt, verwehrt Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL dem Steuerpflichtigen solange die Ausübung des Vorsteuerabzugs, bis er die Voraussetzungen dieses Rechts mit einem Dokument, welches alle erforderliche Daten zur Verifikation enthält, nachweisen kann. Dieses Verfahren minimiert das Insolvenzrisiko zugunsten des Fiskus. Denn damit werden Fälle, in denen dem Steuerpflichtigen eine Verringerung seiner Steuerschuld oder gar Vergütungen gewährt werden, sich später jedoch das Fehlen der diesbezüglichen materiellen Voraussetzungen herausstellt, verhindert.795 Denn in diesen Fällen wäre der Fiskus auf die Rückforderung des Betrages vom Steuerpflichtigen verwiesen. Weiter folgt daraus eine Verpflichtung des Rechnungsempfängers zur Vorkontrolle der ordentlichen Versteuerung durch den Leistenden. Dieser wird gewissermaßen zum „Gehilfen der Finanzverwaltung bei der Kontrolle des Leistenden“.796 d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall Bereits zur Qualifikation der Rechnung als formelle Voraussetzung diente die vom EuGH erkannte Ratio des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL. Der zufolge hält der Leistungsempfänger die Zahlung bis zur erstmaligen Rechnungserteilung zurück.797 Die tatsächliche Belastung tritt daher re793 Hierzu deutlich EuGH, Urt. v. 14.07.1988 – C-123/87 und C-330/87 – Jeunehomme und EGI, ECLI:EU:C:1988:408, Rn. 17; zwar erging dieses Urteil noch zur Rechtslage nach der 6. MwStRL, der zufolge die Mitgliedstaaten die einzelnen Rechnungsangaben bestimmen konnten; warum aber diese Anforderung an die Rechnung mit der sekundärrechtlichen Regelung des Rechnungsinhaltes hätte ändern sollen, ist nicht ersichtlich. 794 EuGH, Urt. v. 01.04.2004 – C-90/02 – Bockemühl, ECLI:EU:C:2004:206, Rn. 51 f.; v. 01.03.2012 – C-280/10 – Polski Trawertyn, ECLI:EU:C:2012:107, Rn. 48; vgl. zur Rechnungsfunktion als Beweismittel, Birkenfeld, UR 2013, 126 (132), demzufolge die Rechnung aber nicht auf diese Funktion beschränkt ist. 795 Achatz, DStJG 32, S. 461 (480). 796 Hummel, BB 2014, 343 (346); Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Jan. 2016), Rn. 121, 843; vgl. auch Achatz, DStJG 32, S. 461 (480). 797 S.o. Teil III A.III Die Qualifikation des Fehlers – die Rechtsnatur des Rechnungserfordernisses; in Deutschland ist insofern ein zivilrechtliches Zurückbehaltungsrecht des Leistungsempfängers anerkannt, OLG München, Beschl. v. 25.09.1987 – 7 W

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

gelmäßig erst mit Rechnungserteilung ein. Die vom Grundsatz der Liquiditätsneutralität geforderte und in Art. 167 M ­ wStSystRL niedergelegte Simultanität von Be- und Entlastung798 wird daher auch unter dem Regime des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL hergestellt. Dabei fördert diese Regelung zudem auch die möglichst zeitnahe Abwicklung des Vorsteuerabzuges. Hierzu macht sich die M ­ wStSystRL die gegenseitige Abhängigkeit der am Leistungsaustausch Beteiligten zu Nutze. So entsteht die Steuerschuld des Leistenden unabhängig von der Zahlung des Leistungsempfängers mit Leistungserbringung, Art. 63 ­MwStSystRL. Fällig wird die Steuer mit Abgabe der Mehrwertsteuererklärung nach Ablauf des Besteuerungszeitraumes, Art. 63 f. i.V.m. 250, 206 ­ MwStSystRL. Der Leistende wird daher bemüht sein, möglichst schnell die Rechnung auszustellen, um den von ihm geschuldeten Steuerbetrag auf den Leistungsempfänger abwälzen zu können. Für diesen typischen Fall erkennt der EuGH die Regelung des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL als verhältnismäßige Beschränkung des Grundsatzes der Liquiditätsneutralität an.799 Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass der Gerichtshof in dem Ausübungserfordernis offenbar eine rechtfertigungsbedürftige Einschränkung des Prinzips der Liquiditätsneutralität erkennt.800, 801

2791/87, NJW 1988, 270 (271); Heeseler, BB 2006, 1137 (1141 f.); Herzing, BC 2010, 417 (421); Hummel, NZS 2010, 139 (140); Hüttemann/Jacobs, MDR 2007, 1229 (1232); Kemper, S. 103; Korn in Bunjes/Geist, § 14, Rn. 31; Peusquens, NJW 1974, 683 (684); Stadie, UStG, § 14, Rn. 38; Wagner in Sölch/Ringleb, § 14 (Jul. 2013), Rn. 182; Walz, BB 1991, 880 (881); Weiss, UR 1990, 313; Widmann, DStR 2005, 1161 (1164). 798 S.o. Teil II B.IV.2.b)cc)(1) Kumulative Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs – Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug und Besitz einer Rechnung. 799 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:​ 268, Rn. 35; konsequenterweise unterzieht daher auch GA Kokott in ihrem Schlussantrag v. 18.02.2016 – C-516/14, Barlis 06, ECLI:EU:C:2016:101, Rn. 94 ff. das Rechnungserfordernis des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. 800 A.A. wohl Englisch, UR 2011, S. 488 (489), demzufolge der EuGH die Verhältnismäßigkeit des Rechnungserfordernisses nicht hinterfragt; allerdings wird die Rechtsprechung in „Terra Baubedarf-Handel“ (Fn. 799) in der Folge (UR 2011, S. 488 [492]) zum Anlass genommen, die Verhältnismäßigkeit des Rechnungserfordernisses zu überprüfen. 801 Einen lediglich klarstellenden Hinweis auf die materiell-rechtliche Qualität des Rechnungserfordernisses liegt daher, entgegen Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 750, in Art. 178 Buchst. a. ­MwStSystRL nicht vor.

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e) Der atypische Fall: Vorsteuerabzug mit unerkannt unrichtiger Rechnung Der Rechtfertigung des Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL in der Rechtssache Terra Baubedarf setzte voraus, dass die Rechnung auch wirklich zur Ausübung des Vorsteuerabzugs berechtigt, mithin inhaltlich korrekt ist. Die Anwendung der Regelung auf Fälle, in denen die Rechnung nicht korrekt ist, bedarf daher einer eigenständigen Betrachtung. aa) Der wertungsmäßige Unterschied zum typischen Fall Der Fall der erst nachträglich erkannten Fehlerhaftigkeit der Rechnung ist an entscheidenden Punkten der Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses anders gelagert. Zum einen gehen die Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL in der Entscheidung Terra Baubedarf von einer Waffengleichheit der am Umsatz Beteiligten aus.802 Der Leistende möchte durch den von ihm abzuführenden Steuerbetrag nicht belastet werden, diesen also vom Leistungsempfänger erhalten. Letzterer möchte ebenso wenig mit diesem belastet werden und wird daher erst zahlen, wenn er dadurch tatsächlich nicht belastet wird, weil er ihn zugleich von seiner Steuerzahllast in Abzug bringen, Art 179 ­MwStSystRL, oder direkt vom Fiskus zurückerhalten kann, Art. 183 ­MwStSystRL. Im Falle der unerkannt unrichtigen Rechnung hat sich der Rechnungsempfänger hat der Leistungsempfänger aber bereits bezahlt, ohne dass er diese Entlastung erhält. Seine Belastung tritt nicht mehr simultan mit der Entlastungsmöglichkeit ein. Das impliziert aber, dass der Rechnungsempfänger die Korrektheit der Rechnung auch zutreffend beurteilt. Erkennt man die Ausübung des Vorsteuerabzugs in jedem Fall, in dem lediglich die Rechnung falsch ist, als unwirksam, und damit den Vorsteuerabzug rückwirkend ab, erlegt man daher das Risiko der Fehlbeurteilung der Korrektheit der Rechnung einzig dem Leistungsempfänger auf. Damit haftet der Rechnungsempfänger im Ergebnis mit dem Vorsteuerbetrag.803 Zum anderen geht das über die Verzögerung der Entlastung, im typischen Fall der korrekten Rechnung, die der Rechtssache Terra Baubedarf zu802 Diese Aspekt übergeht der EuGH vollkommen und geht in Urt. v. 15.09.2016 – C-518/14 – Senatex, ECLI:EU:C:2016:691, Rn. 39 lediglich auf die Simultanität von Be- und Entlastung ein. Der Verzahung der Interessenlagen von Leistenden und Leistungsempfänger im System des Vorsteuerabzuges zur Sicherung der Verwirklichung des Mehrwertsteuersystems wird daher seither nicht mehr die erforderliche Beachtung geschenkt. 803 Vgl. Englisch, UR 2011, 488 (492 f.).

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grunde lag,804 hinaus. Diese führt zu keinen faktischen Liquiditätsbelastungen. Tatsächlich entstünden Liquiditätsbelastungen erst in dem Fall, in dem die Rechnung unerkannt fehlerhaft ist. Eine faktische Belastung träte erst in diesem Falle ein. Die Auslegung der Regelung wird erst in diesem Fall – wirklich – rechtfertigungsbedürftig.805 Zu klären ist daher zunächst, ob dem Vorsteuerabzugsberechtigten dieses Risiko in unionsrechtskonformer – weil verhältnismäßiger Weise – aufgebürdet werden kann. Dass der EuGH806 den Aspekt der Risiko­ tragung und damit die systemisch angelegte und der vorangegangenen Rechtsprechung zumindest zugrunde gelegte Verzahnung der Interessen der am Umsatz Beteiligten im Rahmen der Ausübung des Vorsteuerabzuges zur Sicherung der Verwirklichung des Mehrwertsteuersystems, in der Folge nicht explizit aufgegriffen hat, lässt Fragen offen. Er steht aber der Anwendung des hier entwickelten Prüfmaßstab nicht entgegen. Denn die hier entwickelte Lösung kann Folgefragen, insbesondere mit Blick auf die Minimalanforderungen eine korrekturfähige Rechnung, klären.807 Lässt man den Aspekt der rechtmäßigen Risikoverteilung hingegen, wie es die jüngere Rechtsprechung des EuGH nahelegt, unberücksichtigt, läuft man Gefahr das Rechnungserfordernis gänzlich auszuhöhlen. Der exponierten Stellung der Rechnung als Nachweiserfordernis in Art. 178 ­MwStSystRL würde man damit nicht gerecht. bb) Verhältnismäßigkeit der Risikotragung bei Fehlbeurteilung der Tauglichkeit der Rechnung zulasten des Vorsteuerabzugsberechtigten Da das Ausübungserfordernis des Art. 178 ­MwStSystRL eine rechtfertigungsbedürftige Einschränkung des Prinzips der Liquiditätsneutralität darstellt808, hat seine Anwendung auf Fälle der fehlerhaften Rechnung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu entsprechen.809 In diesen Fällen bedarf die Regelung des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL einer eigenständigen Betrachtung. Die Rechtsprechung in der Rechtssa804 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:​ 2004:268, Rn. 38. 805 Zu weit daher GA Bot, Schlussantrag v. 17.02.2016 – C-518/14 – Senatex, ECLI:EU:C:2016:91, Rn, 42, demzufolge jedenfalls eine Verletzung des Grundsatzes des Sofortabzuges dann vorliegt, wenn eine Rückwirkung der Rechnungsberichtigung nicht gewährt wird. 806 EuGH Urt. v. 15.09.2016 – C. 518/14 – Senatex, ECLI:EU:C:2016:691, Rn. 39. 807 S.u. Teil III A.IV.4 Mindestanforderung an die erstmalige Rechnung. 808 S.o. Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall. 809 Englisch, UR 2011, 488 (492).

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

che Terra Baubedarf810, die ausdrücklich nur zur erstmaligen Erteilung der Rechnung als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug erging, kann dabei lediglich als Ausgangspunkt dienen. Da die strikte Auslegung des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL die soeben erläuterte Risikoverteilung811 zur Folge hat, ist zunächst zu klären, welches Risiko dem Rechnungsempfänger in verhältnismäßiger Weise auferlegt werden kann. (1) Keine zulässige Sanktion der mangelnden Überprüfung der ­Rechnung Das Rechnungserfordernis dient nicht nur der Kontrolle der Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges, sondern der – umfassenden – Kontrolle der korrekten Versteuerung.812 Damit dient die Rechnung auch der Prüfung der Steuerabführung durch den Leistenden.813 Ist die Rechnung nicht korrekt, so taugt diese nicht zu diesem Zweck. Durch die vorgeschaltete Kontrolle der Rechnung durch den Leistungsempfänger wird dieser gewissermaßen zum „Gehilfen der Finanzverwaltung bei der Kontrolle des Leistenden“814. Die Aberkennung des Vorsteuerabzuges bis zum Vorliegen einer korrekten Rechnung wäre dann ein Mittel zur Durchsetzung dieser Verpflichtung. Der Entfall des Vorsteuerabzuges diente so der Motivation des Steuerpflichtigen, sich, wird die Fehlerhaftigkeit der Rechnung im Nachhinein entdeckt, möglichst schnell um eine korrigierte Rechnung zu bemühen.815 Der Aberkennung des Vorsteuerabzuges käme dann verhaltenslenkende Wirkung zu.816 Ausgehend vom formellen ­Gehalt der Rechnung, wäre die Aberkennung des Vorsteuerabzuges817 die materiell-rechtliche Sanktion eines formellen Rechtsanwendungsfehlers. Denn die Ausübung des materiell-rechtlich bereits im Zeit810 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:​ 2004:268. 811 S.o. Teil III A.IV.2.e)aa) Der wertungsmäßige Unterschied zum typischen Fall. 812 EuGH, Urt. v. 05.12.1996 – C-85/95 – Reisdorf, ECLI:EU:C:1996:466, Rn. 24; v. 17.09.1997 – C-141/96 – Langhorst, Slg. 1997, I-5073, Rn. 17; v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:268, Rn. 37. 813 Englisch, UR 2011, 488 (492); Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 121, 752. 814 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb.. 2016), Rn. 121; auf diesen Zweck als eigentlichen Zweck der Rechnung stellt auch Hummel, BB 2014, 343 (346) ab. 815 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 121. 816 Siehe hierzu generell oben Teil II C.III.2.b)aa) Zwecksetzung der Sanktionsbefugnis als Grenze der Sanktionsbefugnis. 817 S.o. Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall.

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punkt der Leistungserbringung entstandene Vorsteuerabzugsrechts war mit Zahlung des Bruttobetrages auch gebotenen. Eine Aberkennung des Vorsteuerabzuges ist daher allein schon aus diesem Grund unzulässig.818, 819 Weiter erscheint der Ansatz, die Suspendierung des Vorsteuerabzuges sei ein Mittel zur Durchsetzung der Kontrollverpflichtung des Leistungsempfängers, vom Ergebnis her gedacht. Denn diese Lösung setzte die materielle Eigenschaft der Rechnung voraus.820 Bestimmender Grund dieser Qualifikation wäre die Tauglichkeit der Regelung zur Sicherung der korrekten Erhebung der Steuer. Diesen Zweck verfolgt aber typischerweise das formelle Recht.821 Damit kommt es zu einer Verfolgung formeller Zwecke durch materielle Maßnahmen; einer Praxis, der der EuGH stets eine Absage erteilt hat.822 (2) Keine generelle Ausfallhaftung des Rechnungsempfängers – Keine verhältnismäßige Ausweitung des Risikobereiches des Rechnungsempfängers Neben der Sanktion der Aberkennung des Vorsteuerabzuges ist auch eine Zurückbehaltung des Vorsteuerbetrages als Haftsumme für den Fall der Nichtabführung der Steuer durch den Leistenden nicht verhältnismäßig. Denn insofern kann diesen keine schärfere Verantwortung treffen als den Rechnungsersteller selbst. Die Haftung des Rechnungserstellers setzt stets voraus, dass eine Gefahr für das Steueraufkommen durch den unberechtigten Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers besteht.823 Sobald diese Gefahr gebannt ist, entfällt auch die Notwendigkeit der Haftung des Rechnungserstellers. Die geschuldete Haftungssumme ist zurückzugewähren.824 Übertragen auf den Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers folgt daraus, sofern man diesem das gleiche Maß an Verantwortlichkeit betreffend die Richtigkeit der Rechnung auferlegen will, dass der Vorsteuerabzugsbetrag nur dann als Haftungssumme einzubehalten bzw.

818 S.o. Teil II C.IV.5 Rechtsdogmatische Erwägungen – der materielle Gehalt des Verwirklichungszeitpunktes. 819 A.A. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 121. 820 Daher konsequent die a.A. von Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 121. 821 S.o. Teil I B.II Formelle Fehler. 822 S.o. Teil II C.III.2.a) Materiell wirkende Sanktionen. 823 S.o. Teil II C.IV.3 Schlüsse aus der Rechtsprechung zur Korrektur des unrichtigen Steuerausweises. 824 S.o. Teil II C.IV.3.b) Entfall der Gefährdung mit Zusendung einer korrigierten Rechnung.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

rückwirkend abzuerkennen wäre, wenn und soweit der Rechnungsersteller die Steuer tatsächlich nicht abgeführt hat.825 Doch selbst dann darf der Vorsteuerbetrag – in Anlehnung an die Rechtsprechung zum unrichtigen Steuerausweis – nicht als Haftsumme zurückbehalten werden. Zum einen fehlt es an einer zurechenbaren Gefährdung des Steueraufkommens im Falle des Vorsteuerabzuges. So ist Grund für die Haftung des Rechnungserstellers bei falschen Rechnungsangaben, dass dieser mit der Rechnung den Anlass zu einem unberechtigten Vorsteuerabzug erst gibt. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der Rechnungsempfänger sich regelmäßig so verhält, wie es die Rechnung suggeriert.826 Dieser Anknüpfungspunkt fehlt im Fall des Vorsteuerabzuges mit unrichtiger Rechnung. Denn der Rechnungsaussteller macht die Abführung seiner Steuer nicht vom Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers abhängig. Ebenso wenig macht er die Nichtabführung der Steuer von der Zahlung des ggf. fälschlicher Weise ausgewiesenen Bruttobetrages durch den Rechnungsempfänger abhängig. Darüber hinaus liegt der Regelung zur Steuerschuld bei unrichtigem Steuerausweis die – legitime – Vermutung zugrunde, dass sich der Rechnungsempfänger gutgläubig, vermeintlich systemkonform, entsprechend den Rechnungsangaben, verhält. Im Fall des Vorsteuerabzuges mit untauglicher Rechnung müsste man gleichlaufend für die Begründung eines Ausfallrisikos voraussetzen, dass sich der Ersteller einer fehlerhaften Rechnung widerrechtlich verhält, mithin die betroffene Steuer nicht abführt.827 Worauf eine solche Vermutung zu gründen wäre, ist nicht ersichtlich. Da mangels Zurechenbarkeit der Gefährdung des Steueraufkommens durch den Rechnungsempfänger im Falle des materiell berechtigten Vorsteuerabzuges eine Zurechenbarkeit der Gefährdung durch den Rechnungsersteller ausscheidet, ist die Besteuerung des Rechnungsempfängers isoliert zu bewerten. Rein hypothetische Rechtsverstöße des Rechnungserstellers haben dabei außen vor zu bleiben. Unter dieser Prämisse liegt – anders als bei zu hohem Steuerausweises – im Verhältnis des Rechnungsempfängers zum Fiskus, eine Gefährdung des Steueraufkommens nicht vor. Denn das Recht auf Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers war tatsächlich entstanden. 825 Zum Ganzen ausführlich, Englisch, UR 2011, 488 (493) m.w.N. 826 S.o. Teil II C.IV.3.b) Entfall der Gefährdung mit Zusendung einer korrigierten Rechnung 827 Hinterzieht der Rechnungsempfänger jedoch die Steuer, erfährt die Behandlung der Fälle eine entscheidende Modifikation, siehe dazu sogleich unten Teil III A. IV.2.e)bb)(3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Zum anderen steht einer solchen Verknüpfung von Vorsteuerabzug und Abführung der Steuer der Grundsatz entgegen, wonach der Vorsteuerabzug unabhängig von der Abführung der Steuer durch den Leistenden ist. Demzufolge darf das systematisch intendierte Ineinandergreifen bestimmter Steuertatbestände zur Erreichung eines Besteuerungsziels – außer in Fällen der Steuerhinterziehung – nicht Maßstab der Besteuerung des einzelnen Steuerpflichtigen sein.828 Somit kann auch der Rechnungsempfänger nicht für einen eventuellen Ausfall der von ihm abgezogenen Vorsteuern beim Rechnungsersteller in Haftung genommen werden. (3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei ­Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller Allerdings gilt eine Ausnahme von diesem Grundsatz, wenn der betroffene Umsatz Teil einer Steuerhinterziehung ist, mithin also auch dann, wenn der Leistende die Steuer willentlich nicht abführt. Steht aufgrund objektiver Umstände fest, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen musste, dass sein Umsatz Teil einer Steuerhinterziehung ist, beteiligt er sich in vorwerfbarer Wiese an der Steuerhinterziehung. Er verliert dann gänzlich sein Recht auf Vorsteuerabzug.829 Das gilt sogar dann, wenn eine Steuerhinterziehung irgendwo in der Leistungskette vorliegt.830 Denn grundsätzlich hat der Steuerpflichtige alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um seine Beteiligung an einer Steuerhinterziehung zu ver­ hindern. Genügt der Leistungsempfänger diesen Anforderungen nicht, ist er „… für die Zwecke der Richtlinie 2006/112 (Anm. d. Verfassers: ­MwStSystRL) als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen“831.832 828 S.o. Teil II B.IV.2.b)cc)(2) Unabhängigkeit des Vorsteuerabzugs von der Besteuerung des Leistenden. 829 U.a. EuGH, Urt. v. 03.05.2005 – C-32/03 – Fini H, ECLI:EU:C:2005:128, Rn. 34; v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel u. Recolta, ECLI:EU:C:2006:446, Rn. 52 ff. jeweils m.w.N.; v. 06.12.2012 – C-285/11 – Bonik, ECLI:EU:C:2012:774, Rn. 25 m.w.N.; v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 25 ff., 32; EuGH, Urt. v. 07.12.2010 – C-285/09 – R, Slg. 2010, Slg. I-2010, Rn. 52; v. 18.12.2014 – C-131/13, C-163/13 und C-164/13 – Schoenimport „Italmoda“ ­Mariano Previti, ECLI:EU:C:2014:2455, Rn. 48; v. 22.10.2015 – C-277/14 – PPUH Stehcemp, ECLI:EU:C:2015:719, Rn. 49. 830 EuGH Urt. v. 18.12.2014 – C-131/13, C-163/13 und C-164/13 – Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti, ECLI:EU:C:2014:2455, Rn. 48.. 831 EuGH, Urt. v. 06.12.2012 – C-285/11 – Bonik, ECLI:EU:C:2012:774, Rn. 39; v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 27; siehe dazu ebenfalls u.a. EuGH, Urt. v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel u. Recolta, ECLI:EU:C:2006:446, Rn. 56 und v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:EU:C:2012:373, Rn. 46. 832 Lohse, BB 2014, 860 (861).

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Dabei darf seine Verpflichtung zur Kontrolle von Rechnungsangaben aber nicht überspannt werden. Denn seine Indienstnahme muss auf die „Gehilfen (Einf. d Verf.) –stellung im Dienste der Finanzverwaltung bei der Kontrolle des Leistenden“833 beschränkt bleiben. Grundsätzlich haben die Finanzbehörden die Versteuerung des Leistenden und die zugrundeliegenden Umstände zu kontrollieren. Nur wenn dem Rechnungsempfänger Anhaltspunkte vorliegen, welche die Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller nahelegen, hat er weitere Nachforschungen anzustellen. Diese Anhaltspunkte hat die Finanzverwaltung mittels objektiver Tatsachen nachzuweisen.834 Dabei gilt dieser Maßstab generell.835 Der Steuerpflichtige schert in vorwerfbarer Weise aus seiner ihm systemisch zugedachten Rolle als „Steuereinnehmer für Rechnung des Staates“ aus. Er kann sich daher auf ­objektiv bestehende Rechtspositionen, die an dieser Rolle anknüpfen, nicht berufen.836 Tut er das doch, stellt das einen mit seiner Rolle als Steuerpflichtiger unvereinbaren Rechtsmissbrauch dar.837 Denn der Steuerpflichtige, welcher vorwerfbar an Steuerhinterziehungen teilnimmt, handelt insofern gar nicht als solcher.838 Betroffene Vorsteuerbeträge kön833 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 201), Rn. 121; vgl. auch Achatz, DStJG 32, S. 461 (480); auf diesen, als eigentlichen Zweck der Rechnung stellt auch Hummel, BB 2014, 343 (346), ab. 834 EuGH, Urt. v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:EU:C:2012:373, Rn. 62; v. 06.09.2012 – C-324/11 – Toth, ECLI:EU:C:2012:549, Rn. 42; v. 06.12.2012 – C-285/11 – Bonik, ECLI:EU:C:2012:774, Rn. 43 f. m.w.N.; v. 31.01.2013 – C-643/11 – LVK-56 EOOD, ECLI:EU:C:2013:55, Rn. 61 f.; v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 29; Grube, MwStR 2014, 201 (201); Kalman, H&I 2012, 49 (49 f.); Maunz, UR 2012, 598 (599 f.); einschränkend, weil von der materiell-rechtlichen Natur des Rechnungserforder­ nisses ausgehend Sterzinger, UR 2012, 600 (601 f.); nicht ganz eindeutig, so auch Grube, MwStR 2013, 8, (11), zu dieser Beweislastverteilung BFH v. 19. 4. 2007, V R 48/04, BStBl. II 2009, 315, (Rn. 65); v. 19. 5. 2010, XI R 78/07, DStRE 2010, 1263 (Rn. 34). 835 Englisch, UR 2011, 488 (493), mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 71 und v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, Rn. 34 ff.; zusätzlich lassen sich für diesen Maßstab der Anforderungen an den Steuerpflichtigen nennen, EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 65 ff. und EuGH, Urt. v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 24 f. 836 S.o. Teil II C.III.2.a) Materiell wirkende Sanktionen 837 Vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 06.12.2012 – C-285/11 – Bonik, ECLI:EU:C:2012:774, Rn. 35 ff., 40 m.w.N.; v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 26 ff. 838 EuGH, Urt. v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel u. Recolta, ECLI:EU:C:​ 2006:446, Rn. 53.; vgl. auch EuGH, Urt. v. 12.01.2006 – C-354/03, C-355/03 und C-484/03 – Optigen u.a., ECLI:EU:C:2006:16, Rn. 52.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

nen mithin rückwirkend zurückgefordert werden.839 Ausgehend von der Versagung der Steuerpflichtigeneigenschaft beim Leistungsbezug entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug in diesen Fällen gar nicht. Denn es mangelt bereits an der Voraussetzung des Art. 168 M ­ wStSystRL. Ein auszuübendes Recht auf Vorsteuerabzug besteht nicht. Die Frage, ob die Rechnung den Anforderungen des Titel XI Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 6 ­MwStSystRL genügt, und welche Auswirkungen das auf den Vorsteuerabzug hat, stellt sich in diesen Fällen gar nicht unmittelbar. Allerdings vermag die Kontrolle der Rechnung durch den Rechnungsempfänger seinen Vorsteuerabzug unabhängig von der Lauterkeit des Rechnungserstellers mittelbar zu sichern. Denn es wird der Finanzverwaltung im Falle der nachweisbaren Überprüfung der Rechnung durch den Rechnungsempfänger kaum möglich sein, den Nachweis, dass der Rechnungsempfänger um die Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller wusste oder hätte wissen müssen, anhand objektiver Umstände zu führen. Tatsachen, welche einen Rückschluss auf den Wissensstand des Rechnungsempfängers zulassen, setzen voraus, dass diese zu seiner Kenntnis gelangt sind. Der Zugang einer Rechnung und deren Kenntnis können, zumindest wenn das Bruttoentgelt bereits gezahlt wurde, gerade nach der Logik des Art. 178 lit a ­MwStSystRL840, wonach der Rechnungsempfänger erst mit Rechnungserhalt zahlt, vorausgesetzt werden. Gibt die erhaltene Rechnung keinen Anhaltspunkt an der Lauterkeit des Rechnungserstellers zu zweifeln bzw. wurden solche Zweifel durch den Rechnungsempfänger mittels Nachforschungen ausgeräumt, muss die Finanzverwaltung sich auf andere Tatsachen stützen.841 Sie hat dann zudem noch die Kenntnis des Rechnungsempfängers von diesen Tatsachen objektiv nachzuweisen.842 Hinzu kommt, dass sich der Rechnungsempfänger, wenn die Rechnung keinen Anlass zu Zweifeln gibt, auf die Angaben grundsätzlich verlassen kann. Weitere Nachforschungen muss er

839 EuGH, Urt. v. 14.02.1985 – C-268/83 – Rompelman, ECLI:EU:C:1985:74, Rn. 24; v. 29.02.1996 – C-110/94 – INZO, ECLI:EU:C:1996:67, Rn. 24; v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:C:2000:145, Rn. 46; v. 03.05.2005 – C-32/03 – Fini H, ECLI:EU:C:2005:128, Rn. 34; v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel u. Recolta, ECLI:EU:C:2006:446, Rn. 55. 840 S.o. Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall. 841 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 31 f.; Grube, MwStR 2014, 201 (201 f.); Lohse, BB 2006, 2222 (2227). 842 EuGH, Urt. v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:EU:C:2012:373, Rn. 66; v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:​ 2014:69, Rn. 29.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

dann nicht anstellen.843 Insbesondere auch solche Rechnungsangaben, welche nicht isoliert betrachtet, sondern nur im Zusammenhang mit anderweitigen Nachforschungen, Zweifel begründen, genügen zum Beweis mangelnder Sorgfalt nicht.844 Damit kann der steuerpflichtige Rechnungsempfänger durch die Rechnungsprüfung im Ergebnis seinen Vorsteuerabzug dann auch in Fällen sichern, in denen der Rechnungssteller die Steuern hinterzieht. Die anzulegende Sorgfalt zwingt ihn jedoch nicht, eventuelle Zweifel einzig im Wege der Rechnungsberichtigung auszuräumen. Denn entscheidend ist allein, ob der Rechnungsempfänger von einer ordentlichen Versteuerung durch den Leistenden ausgehen durfte. Jenseits der Betrugsfälle ist nur erheblich, ob die Finanzbehörden diejenigen Informationen erhalten, welche sie durch die geforderten Nachweise auch erhalten hätten. Ausdrücklich hat das der EuGH in der Fällen der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft entschieden.845 Diese Fälle sind zwar insofern besonders gelagert, als hier ein ausdrückliches Rechnungserfordernis fehlt; es müssen nur die von den Mitgliedstaaten vorgeschriebenen Formalitäten erfüllt werden, Art. 178 Buchst. f M ­ wStSystRL. Auch kommt es in diesen Fällen nicht auf die Kontrolle der Versteuerung durch den Leistungserbringer an. Am Grundgehalt dieser Aussage, wonach der Vorsteuerabzug nicht versagt werden darf, wenn die nachzuweisenden Informationen vorliegen, ändert das aber nichts. So ist nicht ersichtlich, wa­ rum die Informationen, welche eine Rechnung auch enthalten hätte, diesen Zweck nicht ebenso erfüllen sollen, wenn sie außerhalb einer Rechnungskorrektur vorgelegt werden. Für die vorgelagerte Überzeugungsbildung durch den Rechnungsempfänger in den Fällen des Art. 178 Buchst. a ­ MwStSystRL kann auch in Fällen der Steuerhinterziehung durch den Rechnungsempfänger kein höherer Maßstab gelten. Aufgrund der erhaltenen Informationen muss der Rechnungsempfänger ebenso von 843 EuGH; Urt. v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:EU:C:2012:373, Rn. 39, 61, 66; Kalman, H&I 2012, 49 (50). 844 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 31; ausdrücklich so hierzu auch Grube, MwStR 2014, 201 (201 f.). 845 Vgl. EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:​ 2008:​267, Rn. 64; Widmann in Plückebaum/Malitzky/Widmann, § 14 (Aug. 2012), Rn. 154; einzig in Bezug auf die Steuernummer, die nicht mit der Mehrwertsteuer­ identifikationsnummer identisch ist, aber dennoch die Identifikation des Steuerpflichtigen ermöglicht EuGH, Urt. v. 22.12.2010 – C-349/09 – Dankowski, ECLI:​ EU:C:2010:818, Rn. 30; für die Regelungen gem. Art. 178 Buchst. f ­MwStSystRL im Falle des reverse-charge-Verfahrens Urt. v. 01.04.2004 – C-90/02 – Bockemühl, ECLI:EU:C:2004:206, Rn. 51; v. 30.09.2010 – C-392/09 – Uszodaepito, ECLI:EU:​ C:2010:569, Rn. 39.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

der Lauterkeit ausgehen dürfen, als er das bei der Zusammenfassung der Informationen in eine Rechnung gedurft hätte. Maßgeblich ist damit weiter nur, ob die Mitwirkung des Rechnungsempfängers den Finanzbehörden diejenige Kontrolldichte erlaubt, welche sie mit den korrekten Informationen aus der Rechnung hätte herstellen können.846 Wie ihr diese Informationen dargeboten werden, muss daher unerheblich sein.847 Regelmäßig wird das Ergebnis eines ordentlichen Verfahrens der Rechnungsüberprüfung aber sowieso als Rechnungskorrektur i.S.d. weiten Art. 219 M ­ wStSystRL zu werten sein. So setzt dieser eine Mitteilung oder ein Dokument voraus, welches die Rechnung spezifisch ändert und eindeutig auf diese bezogen ist. Zum einen wird der Steuerpflichtige, allein aus Gründen der Beweisbarkeit, ein Interesse an einer schriftlichen Fixierung derjenigen Korrespondenz haben, die seinen Zweifel ausräumt. Ein Dokument oder zumindest eine Mitteilung liegt daher vor. Dass dieser Korrespondenz auch eine Bezugnahme auf die jeweilige Rechnung zu entnehmen sein wird848, dürfte zumindest dann, wenn der Rechnungsempfänger Zweifel an bestimmten Rechnungsangaben hat, der Fall sein. Denn er wird sich dem Rechnungsersteller gegenüber auf die Rechnung, welche ihm Anlass zur Nachfrage gibt, beziehen. In der Korrespondenz, aus Anlass über Zweifel betreffend die Korrektheit einzelner Rechnungsangaben, ist daher regelmäßig eine Rechnungsberichtigung zu erkennen. Dann stellt sich die Frage, wie mit der bewussten Hinwegsetzung über das Ausübungserfordernis im Falle der erkannt mangelhaften Rechnung ohne Bestehen auf eine ausdrückliche Rechnungskorrektur umzugehen ist, nicht. (4) Abstrakt zumutbarer Gegenstand der Rechnungsüberprüfung bei Steuerhinterziehung durch den Leistenden In verhältnismäßiger Weise zumutbar ist dem Steuerpflichtigen nur die Verantwortlichkeit für diejenigen Rechnungsangaben, deren Gehalt er auch überprüfen kann. Da die Rechnungsüberprüfung dazu dient, sich der korrekten Versteuerung durch den Rechnungsaussteller im Vorfeld 846 Englisch, UR 2011, 488 (493), allerdings nur mit Bezug auf die Frage, ob die Rechnungsberichtigung überhaupt erforderlich ist. 847 Vgl. Achatz, DStJG 32, S. 461 (481), wonach die Fehlerhaftigkeit der Rechnung lediglich ein Indiz für einen rechtsmissbräuchlichen Vorsteuerabzug darstellt, welcher dann dem Rechnungsempfänger die Beweislast für seine Redlichkeit auferlegt. 848 BFH, Urt. v. 11.10.2007 – V R 27/05, BStBl. II 2008, 438 (439); i.E. zustimmend Englisch, UR 2008, 466 (467), der jedoch auf den, zwischenzeitlich aufgehobenen, Art. 228 ­MwStSystRL abstellt.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

der Prüfung durch die Finanzbehörden zu vergewissern, erstreckt sich die Sorgfaltspflicht daher nur auf diejenigen Rechnungsangaben, welche eine entsprechende Kontrolle erfordert.849 Das sind all diejenigen Rechnungsangaben, welche den durch den Rechnungsersteller verwirklichten Steuertatbestand beschreiben. Zu denje­ nigen Rechnungsangaben zählen daher diejenigen Angaben, welche den Gegenstand der Leistung, den Steuertatbestand und die Identifikation der am Umsatz Beteiligten betreffen. In der Folge sollen daher die einzelnen Rechnungsangaben auf ihre Bedeutung für die Kontrolle des Leistenden hin überprüft werden. (a) Datumsangaben, Art. 226 Nr. 1, 7 M ­ wStSystRL Das Ausstellungsdatum gem. Art. 226 Nr. 1 ­MwStSystRL lässt zum einen Rückschlüsse auf die Erfüllung der Verpflichtung des Rechnungserstellers aus Art. 222 M ­ wStSystRL, zum anderen auf die erstmalige Erteilung der Rechnung zu. Die Erfüllung der Pflicht des Leistungserbringers zur Ausstellung von Rechnungen ist für die Kontrolle der Abführung der Steuer durch ihn nicht erforderlich. Weiter ist das Datum der Ausstellung für den Rechnungsempfänger nicht nachvollziehbar. Das Datum der – erstmaligen – Rechnungserteilung lässt Rückschlüsse auf den Zeitpunkt zu, ab dem der Leistungsempfänger die Rechnung besessen hat und daher den Vorsteuerabzug ausüben kann, Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL.850 Für die Besteuerung des Leistenden aber ist diese Angabe ohne Bedeutung. Entsprechende Mängel lassen den Vorsteuerabzug daher unberührt.851 Anders ist das dann, wenn die Datumsangabe nicht auf den Zweck i.S.v. Art. 226 Nr. 1 ­MwStSystRL beschränkt bleibt. Wenn nämlich das Datum 849 Vgl. i.E. Hummel, BB 2014, 343 (345); Ebenso Achatz, DStJG 32, S. 461 (480); Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 889 ff.; auch Englisch, UR 2011, S. 488 (493), der auf die Kausalität des Rechnungsmangels für den Steuerausfall durch verringerte Kontrollmöglichkeiten abstellt. 850 S.o. Teil III A.III Die Qualifikation des Fehlers – die Rechtsnatur des Rechnungserfordernisses; EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:268, Rn. 35; vgl. auch, konsequent auf die Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug abstellend Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 358. 851 Achatz, DStJG 32, S. 461 (481), Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 889.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

der Rechnungserstellung mit dem Datum einer Vorauszahlung zusammenfällt, ist die gesonderte Angabe des letzteren entbehrlich, Art. 226 Nr. Nr. 7 ltz. Hs. M ­ wStSystRL.852 Fehlt dann eine gesonderte Angabe des Vorauszahlungsdatums, macht die Überprüfung der periodengerechten Versteuerung an der Angabe des Datums der Vorauszahlung fest. Denn in diesen Fällen entsteht die Steuer gem. Art. 66 Buchst. b M ­ wStSystRL mit dem Eingang der Zahlung. Damit kann der Rechnungsempfänger, der die Vorauszahlung selbst bewirkt, die Korrektheit des Datums kontrollieren. Gleiches gilt für die Angabe des Leistungsdatums gem. Art. 226 Nr. 7 Hs. 1 ­MwStSystRL, mit Bezug auf die Steuerentstehung gem. Art. 63 ­MwStSystRL. Vorsteuerschädlich sind Fehler bei der Angabe des Datums aber nicht in jedem Fall. Da die Datumsangaben nur der Kontrolle der Steuerentstehung und damit mittelbar termingerechter Steuerzahlung gem. Art. 206 i.V.m. 250, 252 ­MwStSystRL dienen, wird der Vorsteuerabzug nur dann rechtsmissbräuchlich ausgeübt, wenn es dadurch tatsächlich zu einer Gefährdung der Liquidität des Fiskus kommt. Eine Gefahr für die fiskalisch liquiditätsneutrale Gewährung des Vorsteuerabzuges durch periodengleiche Abführung der Steuer besteht daher nur, wenn das angegebene Datum in einem anderen Besteuerungszeitraum als das tatsächliche fällt. Liquiditätsunterschiede ergeben sich aufgrund der besteuerungszeitraumabhängigen Steuerzahlung jeweils nur dann. Fallen sowohl das angegebenen Datum, als auch das tatsächliche Datum der Leistungserbringung in denselben Besteuerungszeitraum, geht diese Gefahr von der Falschangabe nicht aus. Selbst dann kann der Vorsteuerabzug aber nur bis zum Ablauf desjenigen Besteuerungszeitraums aberkannt werden, bis zu dem die Steuer tatsächlich entstanden ist. Nur für diesen Zeitraum wurde der Vorsteuerabzug missbräuchlich geltend gemacht. Denn das vorwerfbare Verhalten des Rechnungsempfängers hat lediglich zur Folge, dass die termingerechte Steuerabführung zum Fälligkeitszeitpunkt nicht kontrolliert werden kann. Nur an der nicht termingerechten Steuerabführung macht er sich in vorwerfbarer Weise zum Beteiligten. Eine endgültige Aberkennung des Vorsteuerabzuges wie in den Fällen, in denen aufgrund der fehlerhaften

852 Das gilt ausschließlich für Vorauszahlungen, nicht für das Datum der Leistungserbringung; ebenso BFH, Urt. v. 17.12.2008 – XI R 62/07, BStBl. II 2009, 432 (433); Michel, DB 2009, 549.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Rechnungsangaben tatsächlich die Besteuerung im Ganzen gefährdet ist, kann daher darauf nicht gestützt werden.853 (b) Rechnungsnummer, Art. 226 Nr. 2 M ­ wStSystRL Die Rechnungsnummer gem. Art. 226 Nr. 2 ­MwStSystRL dient der umfassenden Kontrolle aller erbrachten Umsätze durch den Rechnungsersteller.854 Damit geht die Kontrolle über den durch den Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers betroffenen Umsatz hinaus. Tatsächlich ermöglicht die fortlaufende Rechnungsnummerierung gar nicht die Kon­ trolle des abgerechneten Umsatzes. Vielmehr kann sie, durch Abgleich mit anderen Rechnungen, lediglich zur Aufdeckung nicht abgerechneter Umsätze oder anderer – „schwarzer“ – Rechnungskreisläufe führen. Zulässigerweise kann dem Rechnungsersteller aber nur insofern ein Risiko auferlegt werden, als ein Ausfallrisiko durch seinen Vorsteuerabzug ohne korrespondierende Steuerzahlung erfolgt. Fehler in der Rechnungsnummer begründen daher ein vom Rechnungsempfänger nicht zu tragendes Risiko.855 Die Vorsteuerabzugsschädlichkeit scheitert zudem daran, dass eine Kontrolle der Nummerierung beim Rechnungsersteller dem Rechnungsempfänger nicht möglich ist, da er nicht die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dessen überblicken kann.856 (c) Angaben betreffend den Leistenden – Mehrwertsteueridentifikationsnummer, Name und Anschrift, Art. 226 Nr. 3, 4, 5 ­MwStSystRL Zweck der Angabe der Mehrwertsteueridentifikationsnummer, Art. 226 Nr. 3 ­MwStSystRL, ist die Identifikation des Leistenden und damit des – originären – Steuerschuldners gem. Art. 193 M ­ wStSystRL.857 Sie ist ­zentrales Mittel zur Kontrolle der Versteuerung durch den Leistenden. Grundsätzlich genügt auch eine nationale Steuernummer, welche die Identifikation des Leistenden ebenso wie die Mehrwertsteueridentifikationsnummer i.S.v. Art. 214 ­MwStSystRL, ermöglicht.858, 859 Das kann 853 Vgl. Englisch, UR 2011, 488 (493), demzufolge das Versäumnis kausal für die Verringerung der Steuerdurchsetzungsmöglichkeiten der Finanzverwaltung sein muss. 854 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 360. 855 A.A. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 360, 364. 856 Gem. Abschn. 15.2 Abs. 3 Satz 4 UStAE, bleibt deshalb auch der Vorsteuerabzug erhalten. 857 EuGH, Urt. v. 22.12.2010 – C- 438/09 – Dankovski, ECLI:EU:C:2010:818, Rn. 30. 858 EuGH, Urt. v. 22.12.2010 – C- 438/09 – Dankovski, ECLI:EU:C:2010:818, Rn. 30. 859 Eine Berufung auf dieses Abweichen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 UStG von Art. 226 Nr. 3 M ­ wStSystRL, sofern ihm deshalb das Recht auf Vorsteuerabzug gem. § 15 UStG verwehrt wird, würde dem Steuerpflichtigen, wenn beide Anga-

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

aber nur für innerstaatliche Umsätze gelten. Denn eine nationale Zuordnung und grenzüberschreitende Kontrolle der Umsätze setzt das mitgliedstaatsspezifische Präfix gem. Art. 215 M ­ wStSystRL voraus.860 Eine Identifikation wie die Mehrwertsteueridentifikationsnummer ermöglicht daher eine nationale Steuernummer nur dann, wenn der Leistungsaustausch innerhalb eines Mitgliedstaates erfolgt. Erfolgt der Leistungsaustausch innerhalb der Grenzen eines Mitgliedstaates, lässt ein diesbezüglicher Fehler den Vorsteuerabzug aber dennoch unberührt. Denn insofern fehlt dem Rechnungsempfänger die Kontrollmöglichkeit. So ermöglicht das Bestätigungsverfahren gem. Art. 31 Abs. 1 VO (EU) Nr. 904/2010 nur die Gültigkeit und Kontrolle der Stammdaten – Name, Anschrift des Steuerpflichtigen – einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Identifikationsnummer.861 Gleiches gilt bei Angabe einer nationalen Steuernummer, sofern diese Möglichkeit ebenfalls862 fehlt. Erfolgt der Leistungsaustausch aber zwischen einzelnen Mitgliedstaaten, hat der Rechnungsempfänger das Bestätigungsverfahren durchzuführen. Die mittels des Bestätigungsverfahrens gem. Art. 31 Abs. 1 VO (EU) Nr. 904/2010 erhaltenen Daten kann der Rechnungsempfänger auch zur Kontrolle der gem. Art. 226 Nr. 5 ­MwStSystRL anzugebenden Namen und Anschrift des Leistenden nutzen. Diese Daten dienen, wie die Mehrwertsteueridentifikationsnummer i.S.v. Art. 226 Nr. 3, 4 ­MwStSystRL, der Identifikation und Zuordnung eines Leistungsaustausches. Neben den Angaben aus dem Bestätigungsverfahren kann der Rechnungsempfänger diese auch mittels Daten aus seiner anderweitigen Korrespondenz

ben nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG fehlten, nicht weiterhelfen. Denn es fehlt jedenfalls auch die unionsrechtlich geforderte Angabe der Mehrwertsteueridenti­ fikationsnummer, vgl. hierzu auch Wagner in Sölch/Ringleb, § 14 (Mär. 2012), Rn. 269. 860 S. ausführlich unten Teil III B.VI.2.a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL. 861 Achatz, DStJG 32, S. 461 (488). 862 So wie in Deutschland, siehe hierzu Abschn. 15.2 Abs. 3 Satz 3 UStAE: Zu weit geht daher BFH, Urt. v. 02.09.2010 – V R 55/09, BStBl. II 2011, 235 (237). Diesem Urteil zufolge soll der Steuerpflichtige, die Angabe eines durch das Finanzamt ­gegenüber dem Rechnungsersteller vergebenen Aktenzeichens anstatt der Mehrwertsteueridentifikationsnummer/Steuernummer, als Mangel der Rechnung, durch Vergleich mit der eigenen Steuernummer, erkennen können. Zu Recht kritisieren diese Entscheidung daher u.a. Gensel/Matheis, Besteuerung, Finanzierung und Unternehmensnachfolge in kleinen und mittleren Unternehmen 2012, S. 31 (36 f.); dies., UVR 2011, 334 (337); Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 889, Fn. 5.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

überprüfen.863 Diesbezügliche Fehler sind daher vorsteuerabzugsschädlich.864 (d) Leistungsbeschreibung, Art. 226 Nr. 6 ­MwStSystRL Die Leistungsbeschreibung gem. Art. 226 Nr. 6 ­MwStSystRL ermöglicht unmittelbar die Kontrolle der Anwendung des Steuersatzes sowie gegenstandsbezogener Steuerbefreiungen, Ortsbestimmungsregeln865 und der Regeln der Schuldnerschaft. Sofern Regelungen der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft betroffen sind, sind entsprechende Mängel unerheblich. Denn die Aberkennung des Vorsteuerabzuges gründet sich in der Mitwirkung an der Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller. Fallen Steuerschuldner und Vorsteuerabzugsberechtigter wegen der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft zusammen, finden diese Grundsätze daher keine Anwendung. Weiter lässt sie Rückschlüsse auf die gesamte Tätigkeit des Rechnungserstellers zu.866 Für die Nachvollziehbarkeit der gesamten Tätigkeit des Rechnungserstellers jenseits des betroffenen Umsatzes an den Rechnungsempfänger kann dieser aber nicht verantwortlich gemacht werden.867 Nur, sofern die Angaben daher für die gegenstandsbezogenen Regelungen tatsächlich, also im jeweiligen Einzelfall, von Bedeutung sind, kommt es daher auf die Korrektheit der Angaben an. Denn nur in diesen Fällen hat die vorwerfbare Nachlässigkeit des Rechnungsempfängers zur fehlenden Entdeckung der konkreten Gefährdung des Mehrwertsteueraufkommens durch den Steuerpflichtigen beigetragen.868 Ansonsten fehlt es am Haftungsgrund. Die inhaltliche Richtigkeit der Angaben zu erhaltenen oder versprochenen Leistungen nach Inhalt und Menge kann der Rechnungsempfänger ohne weiteres überprüfen.

863 Vgl. Achatz, DStJG 32, S. 461 (487). 864 Englisch, UR 2009, 181 (185); Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 890. 865 Englisch, UR 2009, 181 (184). 866 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 373. 867 Siehe soeben Teil III A.IV.2.e)bb)(4)(b) Rechnungsnummer, Art. 226 Nr. 2 ­MwStSystRL. 868 Vgl. Englisch, UR 2011, 488 (493), demzufolge das Versäumnis kausal für die Verringerung der Steuerdurchsetzungsmöglichkeiten der Finanzverwaltung sein muss.

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(e) Hinweispflichten Art. 226 Nr. 7a, 10a, 11, 11a M ­ wStSystRL Diese dienen nur der Information des Rechnungs- bzw. Gutschriftempfängers und nicht der Kontrolle der Versteuerung durch den Leistungserbringer.869 Gleiches gilt grundsätzlich auch für die Hinweispflicht auf eine Steuerbefreiung gem. Art. 226 Nr. 11 M ­ wStSystRL, insbesondere in Fällen der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft.870 Des Weiteren kann der Hinweis auf eine Steuerbefreiung für den Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers von Bedeutung sein, wenn dieser in einen Mitgliedstaat ansässig ist, der nicht von der Option des Art. 181 M ­ wStSystRL Gebrauch gemacht hat. Denn dann ist gem. Art. 178 Buchst. c M ­ wStSystRL eine Rechnung zur Ausübung des Vorsteuerabzuges erforderlich.871 Ebenfalls nur dem Hinweis des Rechnungsempfängers dient der Hinweis auf die „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“, gem. Art. 226 Nr. 11a M ­ wStSystRL. (f) Steuerbemessungsgrundlage, Steuerbefreiungen, Mehrwertsteuersatz und -betrag – Art. 226 Nr. 8, 9, 10 ­MwStSystRL Die Angabe der Steuerbemessungsgrundlage, dient der Kontrolle der korrekten Anwendung des Mehrwertsteuerrechts durch den Leistenden.872 Sie ist Ausgangspunkt für die betragsmäßig korrekte Versteuerung. Daneben bedarf die Rechnung Angaben über anzuwendende Steuerbefreiungen, den anzuwendenden Mehrwertsteuersatz und des daraus resultierenden Steuerbetrages. Diese zwingen den Rechnungsaussteller zur Offenlegung der eigenen rechtlichen Bewertung seiner Leistung.873 Für die Überprüfbarkeit der Angaben durch den Rechnungsempfänger ist dabei zu unterscheiden. Jedenfalls kann der Rechnungsempfänger Rechenfehler erkennen, indem er die Angaben einer Plausibilitätskontrolle unterzieht. Sofern der von ihm geforderte Bruttobetrag sich nicht mit dem durch die Rechnung implizierten Gesamtbetrag deckt, kann er das ohne weiteres erkennen. Gleiches gilt, wenn die Steuerpflichtigen ihren Verhandlungen nur den Nettopreis zugrunde gelegt hatten und die Steuerbemessungsgrundlage von diesem abweicht.

869 TAXUD Erläuterungen Mehrwertsteuervorschriften für die Rechnungsstellung (Richtlinie 2010/45/EU des Rates) C‑2 (S. 34). 870 Vgl. zur deutschen Umsetzungsregelung RegE StÄndG 2001, BR-Drs. 399/01, S. 66. 871 Vgl. BT-Drs. 12/2463, S. 34. 872 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 283. 873 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 48, 55, 284.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Ist die rechtliche Bewertung, wie sie in der Rechnung zum Ausdruck kommt, falsch, stellt sich die Frage nach dem Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers regelmäßig ebenfalls nicht. Ist das Ergebnis ein zu hoher Steuerausweis, ist der zu hoch ausgewiesene Betrag ebenfalls mate­ riell-rechtlich nicht abziehbar.874 Qualifiziert der Rechnungsempfänger den Umsatz rechtlich anders als der Rechnungsersteller und will er einen Steuerbetrag abziehen, der mit der Darstellung in der Rechnung in Widerspruch steht, kann der Rechnungsempfänger dies ohne weiteres erkennen. Es ist ihm dann zumutbar, eine seiner rechtlichen Bewertung entsprechende Rechnung zu verlangen. Auf die Zumutbarkeit der Risikotragung für nicht vorwerfbar unerkannte Fehler kommt es dann nicht mehr an. Nur in den Fällen, in denen aufgrund des Fehlers ein – materiell-rechtlich – zu hoher Steuerbetrag aus der Rechnung hervorgeht, ist dem Rechnungsempfänger ein höherer Vorsteuerabzug abzuerkennen. Die Frage der Risikotragung stellt sich in diesen Fällen jenseits des Vorsteuerabzugsverfahrens nur mittelbar. Dabei handelt es sich um Fälle des unberechtigten Steuerausweises. Eine Entlastung hiervon erfolgt nicht im Rahmen des Vorsteuerverfahrens. Der Rechnungsempfänger hat sich an den Rechnungsersteller zu halten. Nur wenn er den Betrag von diesem nicht mehr erhalten kann steht dem Rechnungsempfänger, dem die Unkenntnis des Rechnungsfehlers nicht vorwerfbar ist, insofern ein Erstattungsanspruch gegen den Fiskus – aus den gleichen Gründen der Risikoverteilung –875 zu. Voraussetzung ist dann aber, dass er den Betrag auch an den Rechnungsersteller entrichtet hat. Hat der steuerpflichtige Leistungsempfänger entsprechend bereits einen Vorsteuerabzug geltend gemacht, ist ihm dieser daher zu belassen.876 Unerheblich ist, ob der Rech-

874 EuGH, Urt. v. 13.12.1989 – C-342/87 – Genius Holding, ECLI:EU:C:1989:635, Rn. 15 f.; v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:​ C:2000:469, Rn. 53; sowie auch jüngst zum, nicht zwischen unberechtigtem und unrichtigem Steuerausweis differenzierendem Art. 203 ­MwStSystRL im Falle des unberechtigten Steuerausweises EuGH, Urt. v. 31.01.2013 – C-642/11 – Stroy Trans EOOD, ECLI:EU:C:2013:54, Rn. 29 ff., 41 ff.; hierzu Nieskens, EU-UStB 2013, 7 (8) und EuGH Urt. v. 06.02.2014 – C-424/12 – Faktorie, ECLI:EU:C:2014:50, Rn. 39 f. 875 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(2) Keine generelle Ausfallhaftung des Rechnungsempfängers und Teil III A.IV.2.e)bb)(3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller. 876 EuGH, Urt. v. 31.01.2013 – C-642/11– Stroy Trans EOOD, ECLI:EU:C:2013:54, Rn. 48.

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nungsersteller den Steuerbetrag abgeführt hat877.878 Da es sich aber um Fälle handelt, in denen der Vorsteuerabzug bereits am materiellen Tatbestand scheitert, soll das hier nicht weiter vertieft werden. (5) Konkret zumutbarer Umfang der Prüfung Sofern Angaben, welche die Kontrolle der Versteuerung durch den Leistungserbringer erfordern und deren Inhalt durch den Rechnungsempfänger überprüft werden kann, unrichtig sind, und der Leistungserbringer die Steuer tatsächlich hinterzogen hat, folgt daraus aber nicht zwangsläufig eine vorwerfbare Beteiligung des Rechnungsempfänger an dieser Steuerhinterziehung. Nur wenn die Überprüfung der Rechnungsangaben im Einzelfall „… vernünftigerweise von ihm (Anm. d. Verf.: dem Rechnungsempfänger) verlangt werden konnte …“879, ist ihm die Teilnahme vorwerfbar.880 Ansonsten darf er sich auf den Bestand seines Rechts auf Vorsteuerabzug verlassen.881 Der Prüfungsaufwand, welcher dem Steuerpflichtigen zumutbar ist, bestimmt sich dabei nach allen Umständen des Einzelfalles;882 Nachprü-

877 A.A. BHF, Urt. v. 11.10.2007 – V R 27/05, BStBl. II 2008, 438 (443); Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, § 14c (Jul. 2015), Rn. 137. 878 I.E. ebenso Burgmaier, UR 2007, 348 (349 f.), berechtigterweise gestützt auf EuGH, Urt. v. 15.03.2007 – C-35/05 – Reemtsma, Slg. 2007, I-2425, Rn. 41; Englisch, UR 2008, 466 (468); Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14c (Jan. 2014), Rn. 310 f.; ders., UR 2007, 431 (431); a.A. u.a: FG Saarland, Urt. v. 24.04.2013 – 1 K 1156/1, EFG 2013, 1637 (1638 f.), wonach die Grundsätze aus der Entscheidung EuGH, Urt. v. 15.03.2007 – C-35/05 – Reemtsma, Slg. 2007, I-2425, welche zum Verfahren der Vorsteuervergütung ergangen sind, nicht auch im allgemeinen Besteuerungsverfahren gelten können. Das überzeugt nicht, weil sich der EuGH zur Begründung des Erstattungsanspruches allgemein auf die Grundsätze der Neutralität und Effektivität stützt, EuGH, Urt. v. 15.03.2007 – C-35/05 – Reemtsma, Slg. 2007, I-2425, Rn. 39, mit Bezug auf Rn. 36u ff. Der Gerichtshof knüpft insofern nicht an die Sondersituation des Erstattungsverfahrens an. Vielmehr verwirklicht das Erstattungsverfahren den Grundsatz der Neutralität in den Fällen, in denen mangels Niederlassung im Mitgliedstaat der Erstattung, ein Vorsteuerabzug im Standardverfahren gem. Art. 179 ­MwStSystRL nicht möglich oder zu aufwendig ist. 879 EuGH, Urt. v. 11.05.2006 – C-384/04 – Federation of Technological Industries, ECLI:EU:C:​2006:309, Rn. 33; v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:​ 2007:548, Rn. 65; ebenso EuGH, Urt. v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 24. 880 Achatz, DStJG 32, S. 461 (486); Englisch, UR 2009, 181 (185). 881 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.01.2006 – C-354/03, C-355/03 und C-484/03 – Optigen u.a., ECLI:EU:C:2006:16, Rn. 52; v. 11.05.2006 – C-384/04 – Federation of Technological Industries, ECLI:EU:C:2006:309, Rn. 33. 882 Achatz, DStJG 32, S. 461 (484).

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

fungen hat er nur insofern anzustellen, als sie ihm obliegen.883 Da es ihm nicht primär obliegt, die Versteuerung durch den Leistungsempfänger zu kontrollieren884, muss er Nachforschungen nur dann anstellen, wenn er über „… Anhaltspunkte verfügte, die Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung in der Sphäre des Rechnungsausstellers vermuten ließen …“885.886 Diese Anhaltspunkte müssen sich aus der Rechnung selbst ergeben.887 Andere Erkenntnismöglichkeiten, die der Rechnungsempfänger nicht nutzen muss, haben außer Betracht zu bleiben. Andernfalls würden die originär der Finanzverwaltung zugewiesene Aufgaben auf den Rechnungsempfänger abgewälzt. Das ginge über seine Rolle als Steuereinnehmer für Rechnung des Staates hinaus.888 Nur wenn die Finanzverwaltung objektiv nachweisen kann, dass dem Rechnungsempfänger tatsächlich andere Anhaltspunkte außerhalb der Rechnung vorlagen, hat der Rechnungsempfänger nachzuweisen, dass er den dadurch begründeten Zweifel ausräumen konnte.889 Solche anderen Anhaltspunkte können sich insbesondere aus der Vertragsanbahnung oder -abwicklung ergeben.890 Aber selbst dann ist vom Rechnungsempfänger nur zu fordern, dass er die Angaben der Rechnung

883 EuGH, Urt. v. 31.01.2013 – C-642/11 – Stroy Trans EOOD, ECLI:EU:C:2013:54, Rn. 52; v. 31.01.2013 – C-643/11 – LVK-56 EOOD, ECLI:EU:C:2013:55, Rn. 61; Englisch, UR 2009, 181 (185); Kalman, H&I 2012, 49 (50). 884 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller. 885 EuGH Urt. v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:EU:C:2012:373, Rn. 66; v. 06.09.2012 – C-324/11 – Toth, ECLI:EU:C:2012:549, Rn. 43; dazu auch Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 886. 886 In diese Richtung auch EuGH Urt. v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:​ C:2014:69, Rn. 31, demzufolge es nicht ausreichen soll, wenn der Rechnungsersteller für sich genommen nicht die Kapazitäten hat, um die in der ordnungsgemäßen Rechnung ausgewiesenen Leistungen zu erbringen. 887 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller. 888 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller. 889 EuGH, Urt. v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:EU:C:2012:373, Rn. 62; v. 06.09.2012 – C-324/11 – Toth, ECLI:EU:C:2012:549, Rn. 42; v. 06.12.2012 – C-285/11 – Bonik, ECLI:EU:C:2012:774, Rn. 43 f. m.w.N.; v. 31.01.2013 – C-643/11 – LVK-56 EOOD, ECLI:EU:C:2013:55, Rn. 61 f.; v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 29; Grube, MwStR 2014, 201 (201); Maunz, UR 2012, 598 (599 f.); einschränkend, weil von der ma­ teriell-rechtlichen Natur des Rechnungserfordernisses ausgehend, Sterzinger, UR 2012, 600 (601 f.). 890 Siehe hierzu Achatz, DStJG 32, S. 461 (485).

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im zumutbaren Maß891 verifiziert. Denn nur insofern hat er die Finanzverwaltung bei der Kontrolle des Leistenden zu unterstützen. Kann er dann die Rechnungsangaben bestätigen, bleibt der Vorsteuerabzug bestehen.892 Erweisen sich Rechnungsangaben als falsch, wird der Zweifel aber ausgeräumt, bleibt ebenfalls der Vorsteuerabzug erhalten. Nicht notwendigerweise muss das im Wege der Rechnungskorrektur erfolgen.893 cc) Kein Ausschluss der Rückwirkung der Rechnungsberichtigung durch Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL ist somit nicht zwingend so auszulegen, dass die Ausübung des Vorsteuerabzugs mit einer unerkannt unrichtigen Rechnung generell unwirksam und daher nicht anzuerkennen ist. Ein so ausgeübter Vorsteuerabzug muss daher nicht – ausnahmslos – rück­ wirkend aberkannt werden. Einer Rückwirkung der Rechnungsberich­ tigung steht Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL, insbesondere in seiner ­Auslegung durch den EuGH, nicht entgegen. Für diese Ergebnis ist es insbesondere nicht erforderlich, dass mit der jüngsten Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH894, ohne weitere Differenzierung, die rückwirkende Aberkennung des Vorsteuerabzugs bei fehlerhafter Rechnung als nicht verhältnismäßig ausgeschlossen wird. f) Die Erforderlichkeit der rückwirkenden Rechnungskorrektur Dennoch ist eine solche Rechnung keine, die den Anforderungen des ­Titel XI Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 6 M ­ wStSystRL entspricht. Nur eine solche gestattet die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL.895 Diese Sonderstellung des formalen Nachweises durch eine Rechnung ist zu beachten. Es muss daher eine taugliche Rechnung im Zeitpunkt der Ausübung des Vorsteuerabzuges vorliegen oder mit Wirkung für diesen Zeitpunkt als vorliegend gelten. Ausdrücklich klargestellt hat der EuGH, dass eine unrichtige Rechnung berichtigt

891 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(4) Abstrakt zumutbarer Gegenstand der Rechnungsüberprüfung bei Steuerhinterziehung durch den Leistenden. 892 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 886. 893 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller. 894 EuGH, Urt. v. 15.09.2016 – C. 518/14 – Senatex, ECLI:EU:C:2016:691, Rn. 29 ff. 895 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:​ 2004:268, Rn. 38.

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werden kann.896 Entscheidend ist daher einzig die Frage, ob die Korrektur einer Rechnung auf den Zeitpunkt der Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts zurückwirken kann, mithin eine Rechnungsberichtigung ex tunc möglich ist. Nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Terra-Baubedarf-Handel897 wirkt nur eine erstmalige Rechnungsstellung nach der Leistungserbringung für Zwecke des Vorsteuerabzugs nicht auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung zurück. Der Vorsteuerabzug kann erst für den Voranmeldungszeitraum vorgenommen werden, in dem kumulativ sowohl die Leistung erbracht wurde als auch eine dem Titel XI Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 6 M ­ wStSystRL entsprechende Rechnung im Besitz des Leistungsempfängers ist.898 Daraus folgt aber nicht, dass eine Berichtigung nicht auf den Zeitpunkt der ersten Rechnungserteilung zurückwirken kann. In Deutschland war diese Frage Gegenstand einen langanhaltenden Diskussion.899 Der EuGH hat mit seiner Entscheidung in der Rechtsache Senatex900 diese Diskussion vermeintlich beendet. Demnach ist die rückwirkende Aberkennung des Vorsteuerabzuges bei korrigierter Rechnung unionsrechtswidrig; anders gewendet ist die rückwirkende Rechnungskorrektur unionsrechtlich geboten. Diese Grundaussage deckt sich mit der hier vertretenen Ansicht. Allerdings bedarf die Rechtsprechung und die zugrundeliegende Argumentation noch der Präzisierung. Insbesondere die Antwort auf die Frage, wann eine Rechnung die Möglichkeit zur rückwirkenden Rechnungskorrektur ermöglicht, lässt sich aus der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtsache Senatex nicht generell ableiten. Die entsprechenden Ansatzpunkte liefert aber die, der Rechtsprechung in der Sache Senatex vorrangehende Rechtsprechung. Denn bereits diese zeigt, dass die allgemeinen Grundsätze des Unions896 EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 – Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:C:2010:441, Rn. 43; vgl. in Deutschland hierzu § 31 Abs. 5 UStDV. 897 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:​2004:​ 268. 898 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:​2004:​ 268, Rn. 34. 899 So legen eine Rückwirkung folgende Entscheidungen nahe, lassen die Frage aber ausdrücklich offen, BFH, Urt. v. 02.09.2010 – V R 55/09, BStBl. II 2011, 235 (237); Beschl. v. 20.07.2012 – V B 82/11, BStBl. II 2012, 809 (812 f., II.3.); FG Hannover, Beschl. v. 01.10.2013 – 5 V 217/13; FG Hamburg, Urt. v. 14.08.2013 – 2 K 125/12; FG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29.08.2013 – 7 V 7096/13, EFG 2013, 1969 (1971); gegen die Rückwirkung sprechen sich aus FG Hannover, Urt. v. 25.10.2010 – 5 K 425/08, DStRE 2011, 1337; FG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.02.2011 – 5 V 5004/11, EFG 2011, 1295 (1296); FG Köln, Urt. v.13.07.2011 – 2 K 2695/10, n.v.; FG Hamburg, Beschl. v. 06.12.2011 – 2 V 149/11, DStRE 2013, 93 (95). 900 EuGH, Urt. v. 15.09.2016 – C. 518/14 – Senatex, ECLI:EU:C:2016:691.

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rechts eine Rückwirkung der Rechnungskorrektur gebieten.901 Das soll in der Folge dargestellt werden und als Ausgangspunt für die Beantwortung der Folgefragen dienen902, welche auch pauschale Aussage der EuGH in der Rechtsache Senatex nicht beantworten kann. aa) Keine Widersprüchlichkeit der Rechtsprechung Ausgangspunkt für die Diskussion, ob der Rechtsprechung eine Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen zu entnehmen sei, ist die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-368/09 – Pannon Gep903. Verschiedentlich wird angenommen, die Rückwirkung der Berichtigung stehe im Widerspruch zur ex-nunc Wirkung der Rechnungserteilung Damit verwundere es, dass sich der EuGH in seinem Urteil zur Rechtssache Pannon Gép nicht mit seiner vorangegangenen Rechtsprechung, nach derer die Rechnungserteilung nicht zurückwirkt, auseinandersetzt.904 Tatsächlich liegt aber ein solcher Widerspruch hier nicht vor. Der EuGH wollte seine Rechtsprechung nicht ändern. Für ihn gab es schlicht keinen Grund, sich auch zur erstmaligen Rechnungserteilung zu äußern.905 Die beiden Fälle unterscheiden sich darin, dass im Fall Pannon Gép eine – wenn auch fehlerhafte – Rechnung vorlag, wohingegen im Fall Terra-Baubedarf-Handel offensichtlich diese Voraussetzung gem. Art. 178 ­MwStSystRL für die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs fehlte.906 Der Steuerpflichtige läuft in letzterem Fall nicht Gefahr, irrtümlich den Vorsteuerabzug geltend zu machen. Er setzt sich vielmehr bewusst über die Ausübungsregel hinweg. Anders ist dies, wenn Angaben in der Rechnung falsch sind, der Leistungsempfänger aber deren Richtigkeit annimmt.907 901 So auch Wagner, UVR 2010, 311 (312) und Wäger, DStR 2010, 1478 (1479); bereits zuvor forderten dies Wagner in Sölch/Ringleb, § 14 (Nov. 2013), Rn. 434 ff.; Wagner, DStR 2004, 477 (479 f.); Widmann in Plückebaum/Malitzky/Widmann, § 14 (Aug. 2012), Rn. 114 ff.; ders., UR 2009, 247 (249). 902 S.u. Teil III A.IV.3 Reichweite der Rückwirkung; Teil III A.IV.4 Mindestanforderung an die erstmalige Rechnung und Teil III A.IV.5 Rechnungskorrektur ohne Mitwirkung des Rechnungserstellers. 903 EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 – Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:C:2010:441. 904 Huschens, UVR 2010, 333 (333); Martin, BFH/PR 2010, 389 (390); Nieskens, UR 2010, 697 (699); Sterzinger, UR 2010, 700 (701); Wäger, DStR 2010, 1478 (1479). 905 Englisch, UR 2011, S. 488 (490); Wagner, UVR 2010, 311 (315 f.); vgl. Meurer, StBW 2011, 464 (466). 906 So ebenfalls Nieskens, UR 2010, 697 (699); Wagner, UVR 2010, 311 (315); mit Verweis auf diesen, Streit/Zugmaier, DStR 2010, 2446 (2446); vgl. auch Englisch, UR 2011, 488 (491); Grüne, AktStR 2013, 461 (465). 907 Siehe dazu ausführlich oben Teil III A.IV.2.e)aa) Der wertungsmäßige Unterschied zum typischen Fall.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

bb) Keine ausdrückliche Rechtsprechung des EuGH vor Senatex Tatsächlich lässt sich aus der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Pannon Gép keine Aussage über eine mögliche Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung erkennen. Zum einen war diese Frage noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des EuGH. Stellt sich dem EuGH eine solche neue Rechtsfrage, hat er gem. Art. 20 Abs. 4, 5 EuGH-Satzung zunächst den Schlussantrag eines Generalanwalts zu hören. Darauf hat der EuGH im Verfahren in der Rechtssache Pannon Gép aber verzichtet. Daher ist allein schon deshalb anzunehmen, dass der EuGH sich hierzu nicht äußern wollte.908 Auch die Entscheidung selbst gibt hierzu keinen Anlass. Zwar war die Leistung Ende 2007 erbracht, die Rechnung aber erst im September 2008 korrigiert worden.909 Hierzu stellte der EuGH fest, dass die Versagung des Vorsteuerabzuges aufgrund einer fehlerhaften Rechnung, welche nachträglich korrigiert worden war, unzulässig ist910 und die Nummer einer korrigierenden Gutschrift nicht zur gleichen Serie wie die korrigierte Rechnung gehören müsste.911 Daher entschied der EuGH nur zur generellen Möglichkeit der Rechnungsberichtigung912 und den Anforderungen an diese, nicht jedoch ausdrücklich913 zu deren zeitlicher Wirkung.914 Beide Aspekte gelten auch für das Urteil des EuGH in der Rechtssache Petroma Transport915. Dort greift er die Rechtsprechung aus Pannon Gép auf, äußert sich aber nicht ausdrücklich zum Zeitpunkt des Vorsteuerab-

908 Englisch, UR 2011, 488 (490 f). 909 EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:C:2010:441, Rn. 15 ff. 910 EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:C:2010:441, Rn. 43. 911 EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:C:2010:441, Rn. 44. 912 Das hat der EuGH mittlerweile im Urt. v. 08.05.2013 – C-271/12 – Petroma Transport, ECLI:EU:C:2013:297, Rn. 35 bestätigt. 913 Dagegen ziehen Streit/Zugmaier, DStR 2010, 2446 (2446), daraus den Schluss, dass der EuGH, der über die Versagung des Vorsteuerabzugs in 2007 zu entscheiden hatte, eine Rückwirkung annimmt. 914 Englisch, UR 2011, 488 (490 f.); Huschens, UVR 2010, 333 (335); Klenk, HFR 2010, 997; Krenzin, DStR 2012, 2361 (2363); Meurer, DStR 2010, 2442 (2443); Nieskens, UR 2010, 697 (698); Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, § 14 (Sep. 2014), Rn. 377; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 554; einen anderen Schluss ziehen Streit/Zugmaier, DStR 2010, 2446 (2446). Ihnen zufolge entschied der EuGH nicht nur generell über die Berechtigung zum Vorsteuerabzug, sondern auch über dessen Wirkung für den Zeitraum der erstmaligen Ausübung in 2007. 915 EuGH, Urt. v. 08.05.2013 – C-271/12 – Petroma Transport, ECLI:EU:C:2013:297.

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zuges.916 So erkennt der EuGH zwar, dass, wenn der Leistungsempfänger der „… betreffenden Behörde vor Erlass ihrer Entscheidung eine berichtigte Rechnung zugeleitet hat, … (Einf. d. Verf.:) der Vorsteuerabzug … grundsätzlich nicht mit der Begründung abgesprochen werden (Einf. d. Verf.:) kann, dass die ursprüngliche Rechnung einen Fehler enthielt (vgl. in diesem Sinne Urteil Pannon Gép Centrum, Rn. 43 bis 45)“917. Das soll nur möglich sein, wenn „… die notwendigen Informationen, mit denen die Rechnungen vervollständigt und in Ordnung gebracht werden sollten, vorgelegt wurden, nachdem die Steuerverwaltung ihre ablehnende Entscheidung über den Vorsteuerabzug erlassen hatte, so dass vor Erlass dieser Entscheidung die dieser Verwaltung zugeleiteten Rechnungen noch nicht berichtigt worden waren, damit diese die genaue Erhebung der Mehrwertsteuer sowie ihre Kontrolle sicherstellen konnte.“918 Sofern daraus gefolgert wird, dass der Rechnungsberichtigung nunmehr eine Rückwirkung zukommen solle,919 ließe sich das allenfalls aus der Abgrenzung von den soeben zitierten Rn. 34 und Rn. 35 des Urteils folgern. Die Urteilsgründe wären dann so zu verstehen, dass der erstmals mit Erhalt der fehlerhaften Rechnung ausgeübte Vorsteuerabzug erhalten bleibt, wenn die Rechnung bis zur Entscheidung der Finanzbehörde – rückwirkend – korrigiert wird. Eine Korrektur nach diesem Zeitpunkt habe dann nur die Aberkennung dieses, mit Wirkung für den Zeitraum der erstmaligen Rechnungserteilung vorgenommenen Vorsteuerabzuges zur Folge. Das geht aber aus der Formulierung des EuGH nicht hervor. Der EuGH stellt nur klar, dass die Finanzbehörde bei ihrer Entscheidung eine zuvor erfolgte Korrektur zu berücksichtigen hat. Konsequenterweise stellt er dann in der folgenden Rn. 35 klar, dass der Vorsteuerabzug im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung nicht gewährt werden kann, sofern zu diesem Zeitpunkt keine korrigierte Rechnung vorliegt. Ob der Vorsteuerabzug im Zeitraum vor der Entscheidung der Finanzbehörde mit Wirkung für den Zeitraum der Korrektur oder mit Wirkung für den ursprünglichen Abzug gewährt werden soll, ergibt sich daraus aber gerade nicht.920

916 So. wohl auch Grube, MwStR 2013, 275 (275 f.). 917 EuGH, Urt. v. 08.05.2013 – C-271/12 – Petroma Transport, ECLI:EU:C:2013:297, Rn. 34. 918 EuGH, Urt. v. 08.05.2013 – C-271/12 – Petroma Transport, ECLI:EU:C:2013:297, Rn. 35. 919 So FG Niedersachsen, Beschl. v. 01.10.2013 – 5 V 217/12, EFG 2013, 2049 (2051); Grüne, Akt. StR 2013, 461 (467 f.); Henningfeld, EFG 2013, 2051 (2051 f.); Leonard in Bunjes/Geist, § 13, Rn. 9a; Prätzler, jurisPR- SteuerR 26/2013, Anm. 5. 920 So auch Sterzinger, UR 2013, 595 (596 f.); i.E. auch Hummel, BB 2014, 343 (345 f.).

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

cc) Begründungsansätze der Rechnungsberichtigung ex tunc Nicht nur lässt sich in der Rechtsprechung kein Widerspruch ausmachen. Vielmehr zwingen die vorhandenen Erkenntnisse zur Anerkennung der Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung. Dabei ist die Figur der rückwirkenden Rechnungsberichtigung die einzige, welche den strikten Wortlaut des Art. 178 Buchst. a. M ­ wStSystRL in Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts zu bringen vermag. (1) Unerheblichkeit des Grundsatzes des Vertrauensschutzes Der EuGH zieht – zu Recht – nicht den allgemeinen Grundsatz des Vertrauensschutzes heran. Angewandt auf die Mangelhaftigkeit der Rechnung, wäre der Steuerpflichtige so zu stellen wie er stünde, wenn ihm der Leistende eine ordnungsgemäße Rechnung gestellt hätte.921 Allerdings vermag der Vertrauensschutzgrundsatz nur über das Fehlen materieller Voraussetzungen hinwegzuhelfen.922 Nur wenn der Steuerpflichtige vom Vorliegen einer bestimmten Tatbestandsvoraussetzung ausgehen durfte, diese aber tatsächlich nicht vorlag, ist der Anwendungsbereich des Vertrauensschutzgrundsatzes eröffnet. Da die Rechnung eine rein formale Voraussetzung zur Ausübung des Vorsteuerabzuges darstellt,923 kann es insofern auf den Vertrauensschutzgrundsatz nicht ankommen.924 (2) Rückwirkende Rechnungsberichtigung als Gebot der verhältnis­ mäßigen Anwendung des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL Oben wurde gezeigt, dass Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung nicht entgegensteht.925 921 Zur Wirkung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes ausführlich u.a. Lohse/Spilker/Zitzl, UR 2010, 633 (633). 922 S.o. Teil II A.IV Grundsatz des Vertrauensschutzes. 923 U.a. vgl. EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 – Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:C:​ 2010:441, Rn. 44; s.o. Teil III A.III Die Qualifikation des Fehlers – die Rechtsnatur des Rechnungserfordernisses. 924 So aber Lohse, BB 2014, 860 (861), offenbar gestützt auf ein anderes Verständnis des Vertrauensschutzgrundsatzes, da er – wie hier – in BB 2014, 860 (861 e. contr. zur Ablehnung der Anwendbarkeit des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG auf die Rechnungsberichtigung, da § 17 UStG nur auf die Änderung materieller Vorsteuerabzugsvo­ raussetzungen anwendbar sei, 862) das Rechnungserfordernis sowohl des Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL, als auch des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG als formelle Ausübungsvoraussetzung erkennt. 925 S.o. Teil III A.IV.2.e)cc) Kein Ausschluss der Rückwirkung der Rechnungsberichtigung durch Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Tatsächlich machen sowohl die in Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL zum Ausdruck kommenden Grundsätze, als auch die Erwägungen zu seiner Verhältnismäßigkeit, eine solche Rückwirkung zwingend erforderlich. So unterscheidet sich die der Rechtfertigung des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL in Fällen der erstmaligen Rechnungserteilung zugrunde gelegte Liquiditätsbelastungssituation926 entscheidend von derjenigen im Falle der unerkannt mangelhaften Rechnung. Legt man den Mecha­ nismus des Zusammenspiels der Zurückbehaltung des Entgelts durch den Leistungsempfänger und der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungserbringer konsequenterweise auch den Fällen der unerkannt fehlerhaften Rechnung zugrunde, kommt es ohne eine rückwirkende Rechnungsberichtigung zu einer rechtfertigungsbedürftigen Liquiditätsbelastung des Leistungsempfängers.927 Die Folge wäre eine Risikotragung des Rechnungsempfängers für die Korrektheit der Rechnung, welche über die Verantwortlichkeit des Rechnungserstellers hinaus ginge. Zum einen würde die originär den Finanzbehörden zugewiesene Verantwortlichkeit für die Kontrolle der korrekten Versteuerung durch den Leistungserbringer im Wesentlichen und damit in systemwidriger Weise auf den Rechnungsempfänger verlagert. Zum anderen läge dieser Verantwortungsverteilung der nicht begründbare Ansatz zugrunde, dass der Ersteller einer falschen Rechnung in jedem Fall die Steuer nicht korrekt abführen werde und der Rechnungsempfänger in jedem Fall für die Abführung der Steuer durch den Leistungserbringer verantwortlich sei. Das ist mit der Rolle des steuerpflichtigen Rechnungsempfängers als „Steuereinnehmer für Rechnung des Staates“ nicht vereinbar.928 Eine solche Haftung trifft den Rechnungsempfänger vielmehr nur, wenn der Leistungserbringer die Steuer tatsächlich hinter­ zogen und sich der Rechnungsempfänger in vorwerfbarer Weise an dieser Steuerhinterziehung beteiligt hat. Dann entfällt sein materielles Recht auf Vorsteuerabzug ganz generell; auf eine Rechnungskorrektur kommt es nicht mehr an. Das ist nur dann der Fall, wenn er Zweifel an der Lauterkeit des Leistungserbringers haben musste und diese nicht ausgeräumt hat. Worauf sich diese Zweifel gründen, ist unerheblich. Allerdings darf sich der Rechnungsempfänger auf die Prüfung bestimmter

926 Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall. 927 S.o. Teil III A.IV.2.e)aa) Der wertungsmäßige Unterschied zum typischen Fall. 928 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(2) Keine generelle Ausfallhaftung des Rechnungsempfängers.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Rechnungsangaben beschränken.929 Gibt diese keinen Anlass zu entsprechenden Zweifeln, haftet der Rechnungsempfänger auch dann nicht mit seinem Vorsteuerbetrag für die Besteuerung des Leistenden.930 Daneben fehlt es in den hier erörterten Fällen, in denen einzig die Rechnung nicht den Anforderungen des Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL entspricht, die materiellen Voraussetzungen der Art. 167 f. ­MwStSystRL aber vorliegen, an der Gefährdungssituation, welche die Suspendierung des Vorsteuerabzuges vor erstmaliger Erteilung der Rechnung erfordert. Der Logik des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL folgend verzichtet der Fiskus erst in dem Zeitpunkt auf den Betrag der Vorsteuern, in dem eine Vorprüfung durch den Vorsteuerabzugsberechtigten ergibt, dass die Gefahr eines Vorsteuerabzuges ohne korrespondierende Steuerabführung mit der aufgrund der Rechnungsangaben zu erreichenden Sicherheit nicht besteht. Das Insolvenzrisiko ist zu Gunsten des Fiskus minimiert.931 Diese Technik der Entlastung nach der vorgelagerten Überprüfung durch den Vorsteuerabzugsberechtigten begegnet damit nur dem Umstand, dass eine simultane Kontrolle durch die Steuerverwaltung nicht erfolgt. Sie trifft keine Aussage über den tatsächlich gebotenen Zeitpunkt der Entlastung.932 Insbesondere ist die Entlastung keine Gegenleistung an den steuerpflichtigen Rechnungsempfänger für die Kon­ trolle des Leistenden, sondern sein unabhängig davon bestehendes Recht gem. Art. 168 M ­ wStSystRL. Wird die Fehlerhaftigkeit der Rechnung nach Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts entdeckt und berichtigt, ist die – rückwirkende – Suspendierung der Entlastung nicht erforderlich. Mit der Rechnungskorrektur wird im Nachhinein dargelegt, dass die Besteuerung materiell-rechtlich korrekt durchgeführt wurde. Ein vom Rechnungsempfänger zu tragendes Risiko hat sich tatsächlich nicht realisiert. Es wird ersichtlich, dass eine Suspendierung im Zeitpunkt der Ausübung nicht erforderlich gewesen wäre.933 Da es zu einer solchen Suspendierung nicht kam, sondern die 929 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(4) Abstrakt zumutbarer Gegenstand der Rechnungsüberprüfung bei Steuerhinterziehung durch den Leistenden. 930 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller. 931 S.o. Teil III A.IV.2.c) Der Zweck des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL. 932 S.o. Teil III A.III Die Qualifikation des Fehlers – die Rechtsnatur des Rechnungserfordernisses; vgl. auch allgemein zu nicht unionsrechtlich geregelten Nachweiserfordernissen oben Teil II C.IV.4 Erstrechtschluss – Keine Suspendierung lediglich aufgrund von mangelnden Nachweisen bei materiell korrekter Besteuerung. 933 Vgl. allgemein oben Teil II C.IV.4 Erstrechtschluss – Keine Suspendierung lediglich aufgrund von mangelnden Nachweisen bei materiell korrekter Besteuerung.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Entlastung durch den Vorsteuerabzug erfolgt war, liegt eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung des Grundsatzes der Liquiditätsneutralität aber auch noch nicht vor. Erst eine Nachholung der Suspendierung durch eine rückwirkende Aberkennung wäre dann rechtfertigungsbedürftig. Mangels Erforderlichkeit wäre sie nunmehr aber nicht mehr rechtfertigungsfähig. Denn nunmehr ist in dem Umfang, den auch eine anfänglich bereits korrekte Rechnung erlaubt hätte, die Kontrolle der Versteuerung möglich. Diese Kontrolle belegt die Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Hätten diese Kenntnisse bereits im Zeitpunkt des Abzugs vorgelegen, hätte dieser bei simultaner Kontrolle nicht versagt werden dürfen. Tatsächlich stünde eine nachträglich rückwirkende Aberkennung sogar im Gegensatz zum Zweck der Sicherung der – materiell-rechtlich – korrekten Erhebung der Steuer. Denn diese negierte die Tatsache, zu deren Beweis die Rechnungskorrektur taugt, nämlich, dass die Besteuerung, sofern der Rechnungsempfänger sie zu verantworten hat, korrekt erfolgt ist. Eine Aberkennung, mithin ein Ausschluss der Rückwirkung, hätte daher Sanktionscharakter. Sie wäre damit unzulässig.934 Hinzuweisen bleibt darauf, dass auch eine Rückwirkung der erstmaligen Rechnungserteilung auf eine solche Argumentation gestützt werden könnte. Allerdings geht einem Durchgriff der vorangestellten Überlegungen für die erstmalige Erteilung einer Rechnung die legislative Entscheidung in Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL vor. Demnach kann der Vorsteuerabzug erstmals935 dann ausgeübt werden, wenn dessen Voraussetzungen per Rechnung nachweisbar sind.936 Der EuGH legt hier zwei unterschiedliche Maßstäbe an. Während er die Suspendierung der materiellen Rechtsposition in Abhängigkeit von strikten, durch die Mitgliedstaaten bestimmten, formellen Nachweisen – auch im Rahmen des Vorsteuerabzuges in Fällen der Art. 178 Buchst. b, c i.V.m. 181 Buchst. d – f M ­ wStSystRL – nicht zulässt937, soll das sekundärrechtlich möglich sein.938 Der EuGH lässt es ausreichen, dass typischerweise eine Belastung des Leistungsempfängers erst durch Zahlung des Bruttobetrages nach Rechnungsstellung 934 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(1) Keine zulässige Sanktion der mangelnden Überprüfung der Rechnung. 935 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:​ 2004:268, Rn. 34. 936 Zu weit daher GA Bot, Schlussantrag v. 17.02.2016 – C-518/14 – Senatex, ECLI:​ EU:​C:2016:91, Rn, 42. 937 S.o. Teil II C.IV.4 Erstrechtschluss – Keine Suspendierung lediglich aufgrund von mangelnden Nachweisen bei materiell korrekter Besteuerung. 938 Englisch, UR 2011, 488 (489).

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

erfolgt.939 Das vermag zwar nach deutscher Methodenlehre die Ange­ messenheit des Rechnungserfordenisses zu begründen, da es im typischen Fall das Entlastungsinteresse des Leistungsempfängers an dessen Belastung koppelt. Damit übersieht diese Argumentation im Falle der ma­ teriell-rechtlichen Berechtigung aber, dass eine Beschränkung des Rechts auf Sofortabzug schon gar nicht erforderlich ist.940 Die Frage nach der ­Angemessenheit stellt sich daher, an sich gar nicht mehr. Die damalige Praxis des EuGH war somit weder konsequent noch zwingend. Auch die obligatorische erstmalige Rechnungserteilung gem. Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL könnte vom EuGH gem. Art. 267 AEUV überprüft und für unwirksam erklärt werden.941 Jüngst deuteten die Schlussanträge des Generalanwalts Bot942 und der Generalanwältin Kokott943 einen Aufweichung dieses Grundsatzes an. Dem ist, der EuGH letztlich gefolgt, ohne aber auf die Erkennbarkeit eines Rechnungsfehlers abzustellen.944 Sowohl die nationale Rechtsprechung als auch die Literatur, hatten zuvor gegen die Rechtsprechung der Gerichtshofs keine Einwände erhoben. Vielmehr war man mit der Qualifikation der Rechnung als materieller Voraussetzung gar noch einen Schritt weiter gegangen.945

939 S.o. ausführlich Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall. 940 GA Kokott Schlussantrag v. 18.02.2016 – C-516/14, Barlis 06, ECLI:EU:C:2016:101, Rn. 86. 941 Vgl. hierzu nur generell, Karpenstein in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 267 AEUV (Mai 2013), Rn. 104 ff. 942 GA Bot, Schlussantrag v. 17.02.2016 – C-518/14 – Senatex, ECLI:EU:C:2016:91, Rn. 52. 943 GA Kokott Schlussantrag v. 18.02.2016 – C-516/14, Barlis 06, ECLI:EU:C:2016:101, Rn. 98, wobei hier nicht zweifellos deutlich wird, ob die Generalanwältin von einer Rückwirkung der Rechnungsberichtigung ausgeht. Zwar weist sie darauf hin, dass das Erfordernis einer Rechnungsberichtigung nicht zu einer inhaltlichen Änderung des Rechts auf Vorsteuerabzug in Bezug auf dessen Fälligkeit gem. Art. 167 MwStSystRL führt. Ob damit auch eine Rückwirkung seiner, nach der Rech­ nungsberichtigung, erstmalig wirksamen Ausübung gemeint ist, bleibt offen. 944 EuGH, Urt. v. 15.09.2016 – C. 518/14 – Senatex, ECLI:ECLI:EU:C:2016:691, Rn. 41 f. 945 Z.B. BFH, Urt. v. 15.07.2004 – V R 76/01, BStBl. II 2005, 236 (237); v. 01.07.2004 – V R 33/01, BStBl. II 2004, 861 (862); Beschl. v. 31.07.2007 – V B 156/06, BFH/NV 2008, 416 (418); Birkenfeld, UR 2013, 126 (132); Korn in Bunjes/Geist, § 14, Rn. 6; Wagner in Sölch/Ringleb, § 15 (Sep. 2010), Rn. 93; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 750; Wagner in Sölch/Ringleb, § 14 (Jul. 2013), Rn. 222; Widmann in Plückebaum/Malitzky/Widmann, § 15 (April 2011), Rn. 258.

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3. Reichweite der Rückwirkung Nach der hier vertretenen Ansicht wirkt eine Korrektur der Rechnung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Ausstellung zurück. Daneben gebietet der Grundsatz der Rechtssicherheit, dass die steuerliche Behandlung eines Vorganges nicht unbegrenzt lange offen bleiben kann.946 Da die Frage insbesondere im Verfahren Senatex nicht mehr entscheidungserheblich war,947ist daher zu klären, bis zu welchem Zeitpunkt eine Rechnungskorrektur berücksichtigt werden muss. a) Die unionsrechtliche Ausgangslage In der Entscheidung Pannon Gép ging der EuGH von der Möglichkeit einer Rechnungsberichtigung bis zum Zeitpunkt der „erstinstanzlichen“948 behördlichen Entscheidung über den Vorsteuerabzug aus.949 „Erstinstanzlich“ meinte in dieser Rechtssache die unterste Ebene der Finanzverwaltung ohne die Durchführung eines Rechtsbehelfsverfahrens. So hatte der EuGH in dieser Rechtssache zwar über die Entscheidung der oberen ungarischen Steuerbehörde APEH Központi Hivatal Hatósági Főosztály ­Dél-dunántúli Kihelyezett Hatósági Osztály zu entscheiden. Diese allerdings war nur insofern Verfahrensgegenstand, als sie die Entscheidung der erstinstanzlichen Steuerbehörde, den Vorsteuerabzug wegen Mängeln der ursprünglichen Rechnung zu versagen, bestätigte.950 Dass die erstmalige Entscheidung der Finanzbehörde die letzte Möglichkeit zur Rechnungskorrektur markiert, folgt daraus aber nicht. Denn der EuGH hatte in seiner Entscheidung nur hierüber zu befinden. Zu einer Äußerung, bis zu welchem Zeitpunkt eine Rechnungsberichtigung Rückwirkung entfaltet, bestand schlicht kein Anlass.951 Anders war das in der Entscheidung Petroma Transports952. Dort stellte der EuGH klar, dass der Vorsteuerabzug versagt werden kann, wenn die Rechnungskorrektur erst nach der Entscheidung der Finanzbehörde erfolgt. Im zugrundeliegenden Fall hatte die Finanzbehörde im Jahre 1997 die Entscheidung getroffen den Vorsteuerabzug wegen einer fehlerhaften Rechnung abzu946 S.o. Teil II A.II.2 Geltung im Verwaltungsverfahren. 947 EuGH, Urt. v. 15.09.2016 – C. 518/14 – Senatex, ECLI:EU:C:2016:691, Rn. 44 ff. 948 EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 – Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:C:2010:441, Rn. 43. 949 EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 – Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:C:2010:441, Rn. 43, 45. 950 EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 – Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:C:2010:441, Rn. 23. 951 Streit/Zugmaier, DStR 2010, 2446 (2446 f.). 952 EuGH, Urt. v. 08.05.2013 – C-271/12 – Petroma Transport, ECLI:EU:C:2013:297.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

erkennen. Ein erstes Urteil erging in 2005, die Vorlage erfolgte im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens in 2010.953 Unklar bleibt, ob die Entscheidung der Finanzbehörde zwischenzeitlich bestandskräftig und das erste Urteil rechtskräftig wurde. Weiter bleibt offen, wann, nach der Entscheidung der Steuerbehörde, die Korrektur der Rechnung erfolgte.954 Nicht geklärt ist daher, ob die Rückwirkung auch über den Zeitpunkt der ersten behördlichen Entscheidung hinaus, insbesondere über das Rechtsbehelfsverfahren bis in das gerichtliche Verfahren hinein, möglich ist.955 Einen Hinweis auf die Maßgeblichkeit der nationalen Verfahrensordnung gibt die Begründung des EuGH, warum eine Berücksichtigung der Korrektur nach der Entscheidung der Finanzbehörde zur Aberkennung des ursprünglichen Vorsteuerabzuges führt. Der Grund hierfür sei, „… dass vor Erlass dieser Entscheidung die dieser Verwaltung zugeleiteten Rechnungen noch nicht berichtigt worden waren, damit diese die genaue Erhebung der Mehrwertsteuer sowie ihre Kontrolle sicherstellen konnte“956. Grund für die Versagung war damit, dass die Rechnung im Zeitpunkt der Entscheidung nicht ihren Zweck – zur Sicherung der genauen Erhebung der Steuer, der Sachverhaltsermittlung durch die Steuerbehörden zu dienen – erfüllen konnte. Maßgeblicher Zeitraum für die Rückwirkung ist dann derjenige, auf den sich die Sachverhaltsermittlung im Verwaltungsverfahren erstreckt. Solange daher die Sachverhaltsermittlung nicht endgültig abgeschlossen ist, bleibt eine Korrektur der Rechnung möglich. Das wiederum ist Gegenstand des nationalen Verfahrensrechts. b) Die Maßgeblichkeit der nationalen Verfahrensordnungen Zunächst muss man sich verdeutlichen, dass derjenige Zeitpunkt, ab dem eine Korrektur der Rechnung nicht mehr zurückwirkt, derjenige ist, ab dem die tatsächliche Rechtslage ignoriert wird. Mithin wird eine materielle Rechtsposition trotz Bestehens aberkannt. Das ermöglichen, in Abhängigkeit vom Zeitablauf sowohl die M ­ wStSystRL als auch die na­ tionalen Verfahrensordnungen. 953 EuGH, Urt. v. 08.05.2013 – C-271/12 – Petroma Transport, ECLI:EU:C:2013:297, Rn. 12 ff. 954 Vgl. Hummel, BB 2014, 343 (344 f.); Präzler, juris PR SteuerR 26/2013, Anm. 5, folgert daraus, dass eine Korrektur nur bis zur erstmaligen Entscheidung, unabhängig von der Bestandskraft folgt; Sterzinger, UR 2013, 595 (596 f.). 955 Vgl. Wäger, DStR 2010, 1478 (1479); dies für den Fall einer fehlenden Rechnungsnummer ausdrücklich offenlassend, BFH, Urt. v. 02.09.2010 – V R 55/09, BStBl. II 2011, 235, (237, II.5). 956 EuGH, Urt. v. 08.05.2013 – C-271/12 – Petroma Transport, ECLI:EU:C:2013:297, Rn. 35.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

aa) Kein Fall des Art. 182 ­MwStSystRL In Abhängigkeit vom Ablauf einer gewissen Zeitspanne ist das aus Gründen der Rechtssicherheit in Konstellationen zulässig, deren Ausgestaltung den Mitgliedstaaten obliegt, Art. 182 ­MwStSystRL. So können die Mitgliedstaaten den Steuerpflichtigen, die nicht gem. Art. 179 ­MwStSystRL in dem Besteuerungszeitraum den Vorsteuerabzug vorgenommen haben, in dem das Abzugsrecht entstanden und die Rechnung ausgestellt worden war, den Abzug zu einem anderen Zeitpunkt gestatten, Art. 180 ­MwStSystRL. Dann aber richtet sich dieses Verfahren nach den von den Mitgliedstaaten bestimmten Formalien, Art. 182 M ­ wStSystRL.957 Dieses Verfahren muss sich dann wieder an den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts messen lassen.958 Wäre der Fall des Vorsteuerabzuges mit falscher Rechnung ein Fall des Art. 180 ­ MwStSystRL, so wären die Mitgliedstaaten berufen, gem. Art. 182 M ­ wStSystRL eine Ausschlussfrist für die Rechnungskorrektur vorzusehen. Erkennt man mit der hier vertretenen Ansicht der Rechnungsberichtigung eine Rückwirkung zu, so fällt der Fall der Rechnungskorrektur nicht unter Art. 180 ­MwStSystRL.959 Denn, sobald die Rechnung berichtigt wird, gilt der Vorsteuerabzug ex tunc als gem. Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL ausgeübt und damit als gem. Art. 179 M ­ wStSystRL vorgenommen. Der Fall des Art. 180 M ­ wStSystRL, in dem der Vorsteuerabzug trotz der Möglichkeit gem. Art. 178 ­MwStSystRL nicht ausgeübt wird, liegt dann gerade nicht vor. Denn im Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung wird der Vorsteuerabzug nicht erstmalig ausgeübt.

957 EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 43 und v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:​ 2012:458, Rn. 64, bzgl. der Ausschlussfristen für die Ausübung des Vorsteuerabzuges; v. 21.01.2010 – C-472/08 – Alstom Hydro Power, ECLI:EU:C:2010:32, Rn. 16, bzgl. des Antrags auf Auszahlung eines Vorsteuerüberschusses. 958 Vgl. EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:​ 2008:267, Rn. 46 ff. 959 A. A. Stadie, UStG, § 15, Rn. 234; ders. in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 910. Allerdings erkannte Stadie noch in Rau/Dürrwächter § 15 (Jul. 2013), Rn. 89, zugleich in Art. 180 M ­ wStSystRL „eine überflüssige Ermächtigung festzulegen, unter welchen Voraussetzungen ein nicht vorgenommener Vorsteuerabzug nachgeholt werden kann“. Somit geht er damit offenbar ebenfalls, wie hier, davon aus, dass Gegenstand des Art. 180 ­MwStSystRL die Gewährung eines entgegen Art. 179 ­MwStSystRL trotz Möglichkeit, nicht vorgenommenen Vorsteuerabzuges ist. A. A. wohl auch BFH, Urt. v. 13.02.2014 – V R 08/13, BFH/NV 2014, 1162 (1163); Heidner in Bunjes/Geist, § 15, Rn. 183.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Dieses Ergebnis lässt sich schon auf den Wortlaut des Art. 180 M ­ wStSystRL stützen. Demzufolge kann die „Vornahme“ des Vorsteuerabzuges gestattet werden. Die Vornahme des Vorsteuerabzuges ist Gegenstand des Art. 179 M ­ wStSystRL, wohingegen Art. 178 M ­ wStSystRL die Ausübung regelt. Gleiches ergibt sich aus der englischen Sprachfassung, der ­MwStSystRL.960 Die Vornahme setzt aber die Ausübung gem. Art. 178 ­MwStSystRL voraus. Eine Abweichung von Art. 178 ­MwStSystRL sieht Art. 180 ­MwStSystRL daher nicht vor. Vielmehr ist sein Anwendungsbereich erst eröffnet, wenn der Vorsteuerabzug nicht gem. Art. 178 und 179 ­MwStSystRL vorgenommen wurde. Der kumulative Bezug auf Art. 178 und 179 ­MwStSystRL stellt dabei klar, dass Art. 180 ­MwStSystRL die Möglichkeit der Ausübung gem. Art. 178 und 179 ­MwStSystRL, also auch die Erteilung einer tauglichen Rechnung, voraussetzt.961 Das unterstreicht auch die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Terra Baubedarf. Gegenstand dieser Rechtssache war gerade die Frage, ob dem Steuerpflichtigen die Ausübung des Vorsteuerabzuges auch ohne taugliche Rechnung und damit jenseits der Voraussetzungen der Art. 178 f. ­MwStSystRL gewährt werden sollte.962 Bei der Darstellung des entscheidungserheblichen Rechtsrahmens lässt der EuGH Art. 180 M ­ wStSystRL963 unerwähnt. Genannt werden nur die Regelungen der Art. 178 und 179 ­MwStSystRL.964 Nach Auffassung des EuGH erfasst Art. 180 M ­ wStSystRL 960 Englische Sprachfassung der M ­ wStSystRL: Art. 178: In order to exercise (Anm.: Hervorhebung durch Verf.) the right of de­ duction … Art. 179: The taxable person shall make (Anm.: Hervorhebung durch Verf.) the deduction by subtracting from the total amount of VAT due for a given tax period the total amount of VAT in respect of which, during the same period, the right of deduction has arisen and is exercised (Anm.: Hervorhebung durch Verf.) in ­accordance with Article 178. Art. 180: Member States may authorise a taxable person to make (Anm.: Hervorhebung durch Verf.) a deduction which he has not made in accordance with ­Articles 178 and 179. 961 So versteht das auch der EuGH, der die Gewährung des Vorsteuerabzuges in einem, dem in Art. 179 M ­ wStSystRL bezeichneten nachfolgenden, Besteuerungszeitraum als Fall des Art. 180 ­MwStSystRL erkennt, obwohl der Vorsteuerabzug schon vorher hätte ausgeübt werden können und, dem Grundsatz des Art. 179 ­MwStSystRL folgend, sollen, vgl. EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 42 ff. 962 S.o. Teil II B.IV.2.b)cc)(1) Kumulative Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs – ­Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug und Besitz einer Rechnung und Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall. 963 Bzw. die für die Entscheidung erhebliche, dem Art. 180 M ­ wStSystRL entsprechende Vorschrift des Art. 18 Abs. 3 6. MwStRL. 964 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:​ 2004:268, Rn. 5.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

daher den Fall der Ausübung des Vorsteuerabzuges ohne taugliche Rechnung nicht. Zudem zeigt die Sonderregelung des Art. 181 M ­ wStSystRL, dass die Gewährung des Vorsteuerabzuges ohne Rechnung nicht auf Art. 180 ­MwStSystRL gestützt werden kann. So regelt Art. 181 M ­ wStSystRL, ausdrücklich nur für den Fall des Abzuges von Steuern auf den inner­ gemeinschaftlichen Erwerb den Vorsteuerabzuges ohne taugliche Rechnung regelt. Erfasste Art. 180 M ­ wStSystRL auch die Gewährung des ­Vorsteuerabzuges ohne Rechnung wäre Art. 181 M ­ wStSystRL lediglich deklaratorisch. Damit sind die Mitgliedstaaten nicht berufen, ein gesondertes Verfahren für die Rechnungsberichtigung gem. Art. 182 ­MwStSystRL vorzusehen. bb) Maßgeblichkeit der letztmöglichen Tatsachenberücksichtigung im nationalen Verfahrensrecht In den Mitgliedstaaten ist daher dem allgemeinen – autonom von den Mitgliedstaaten auch für die Mehrwertsteuer zu bestimmenden –965 Verfahrensrecht die Reichweite der rückwirkenden Rechnungsberichtigung zu entnehmen. Dieses muss, sofern es um die Erhebung harmonisierter Steuern geht, den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts genügen. Insbesondere muss es zwischen der Erhebung der harmonisierten Mehrwertsteuer und der autonom national geregelten Steuern Äquivalenz herstellen. Demzufolge darf der Schutz und die Durchsetzung „der dem Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte … nicht weniger günstig ausgestaltet …“966 sein als betreffend Rechte, welche dem autonomen Recht der Mitgliedstaaten entspringen.967 965 Allgemein EuGH, Urt. v. 12.06.1980 – C-119/79 und C-126/79 – Lippische Hauptgenossenschaft, ECLI:EU:C:1980:154, Rn. 10; v. 21.09.1983 – C-205/82 bis C-215/82 – Deutsche Milchkontor, ECLI:EU:C:1983:233, Rn. 19, 23; v. 04.07.2006 – C-212/04 – Adeneler, ECLI:EU:C:2006:443, Rn. 95; v. Bogdandy/Schill in Grabitz/ Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 4 EUV (Sep. 2013), Rn. 80; Haratsch/König/Pechstein, Rn. 463; zum Mehrwertsteuerrecht im Speziellen EuGH, Urt. v. 11.07.2002 – C-62/00 – Marks Spencer, ECLI:EU:C:2002:435, Rn. 34; v. 15.03.2007 – C-35/05 – Reemtsma, Slg. 2007, I-2425, Rn. 40 m.w.N.; vgl. auch EuGH, Urt. v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:C:2000:469, Rn. 65, 66, Leitsatz 2 zur Berichtigung von zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer; Englisch, IStR 2009, 37 (37 f.), weitere Nachweise in diesem Aufsatz Fn. 4. 966 EuGH, Urt. v. 21.01.2010 – C-471/08 – Alstom Hydro Power, ECLI:EU:C:2010:32, Rn. 17. 967 EuGH, Urt. v. 14.12.1995 – C-312/93 – Peterbröck, Slg. 1995, I-4599, Rn. 12; v. 15.09.1998 – C-231/96 – Edis, ECLI:EU:C:1998:401, Rn. 19; v. 11.07.2002 – C-62/00 – Marks Spencer, ECLI:EU:C:2002:435, Rn. 34; v. 21.01.2010 – C-471/08 – Alstom Hydro Power, ECLI:EU:C:2010:32, Rn. 17.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Sofern es also um den Nachweis der Berechtigung zum Vorsteuerabzug geht, müssen die allgemeinen Grundsätze des nationalen Verfahrensrechts für die Berücksichtigung von Nachweisen gelten. Daher gilt, dass die Rechnungsberichtigung solange zu berücksichtigen ist, als Beweise über die Besteuerungsgrundlagen im nationalen Besteuerungsverfahren zwingend zu berücksichtigen sind. Da die Anforderungen an die Rechnung der genauen Steuererhebung durch Tatsachenverifizierung dienen, sind Änderungen betreffend der Angaben in der Rechnung nur bis zu dem Punkt zu berücksichtigen, bis zu dem die auf Tatsachenermittlung gestützte Steuererhebung abgeschlossen ist.968 4. Mindestanforderung an die erstmalige Rechnung Das zwingende Rechnungserfordernis des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL droht durch eine rückwirkende Rechnungsberichtigung ausgehöhlt zu werden. So könnte mittels einer umfassenden Rechnungskorrektur im Nachhinein auch eine vollkommen untaugliche Rechnung berichtigt bzw. ergänzt werden. Der Rechnungsempfänger könnte auf eine Rechnungskontrolle vollumfänglich verzichten und dennoch den Vorsteuerabzug ausüben. Solange der Leistende die Steuer ordentlich abführt, müsste er um seinen Vorsteuerabzug nicht fürchten969. Die Verpflichtung zur Vorkontrolle der ordnungsgemäßen Versteuerung des Eingangsumsatzes durch den Rechnungsempfänger mittels Rechnungsprüfung liefe – faktisch –970 leer. Das gilt umso mehr, als die jüngste Rechtsprechungsentwicklung in der Rechtsache Senatex, den Bedeutungsverlust der Rechnung nahelegt. Damit drohen die an dem Rechnungserfordernis anknüpfenden Mechanismen zur Durchsetzung der Rechnungskontrolle

968 I.E. ebenso Englisch, UR 2011, 488 (494); Streit/Zugmaier, DStR 2010, 2446 (2447); Wagner, UVR 2010, 311 (317). Zu den sich daraus ergebenden exakten Zeiträumen in Deutschland siehe unten Teil III A.V.3.a)dd) Die zeitlichen Grenzen der rückwirkenden Berichtigung (während des Verwaltungsverfahrens), Teil III A.V.3.a)ee) Korrekturmöglichkeiten im Rechtsbehelfsverfahren (während des Rechtsbehelfsverfahrens) und Teil III A.V.3.b)cc) Zeitliche Grenzen der Berücksichtigungsfähigkeit der Rechnungskorrektur (während des finanzgerichtlichen Verfahrens). 969 Vgl. o. Teil III A.IV.2.e)bb)(3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller; EuGH, Urt. v. 03.05.2005 – C‑32/03 – Fini H, ECLI:EU:C:2005:128, Rn. 34; v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel u. Recolta, ECLI:EU:C:2006:446, Rn. 52 ff. jeweils m.w.N.; v. 06.12.2012 – C-285/11 – Bonik, ECLI:EU:C:2012:774, Rn. 25 m.w.N.; v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 25 ff., 32. 970 Jedenfalls ohne die Durchsetzung mit Bußgeldern.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

durch den Leistungsempfänger und der zeitnahen Rechnungskorrektur durch den Leistenden971 außer Kraft gesetzt zu werden. Um die Möglichkeit der rückwirkenden Rechnungsberichtigung in Einklang mit dem Grundsatz des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL zu bringen, ist daher die Frage zu klären, wann eine Rechnung als Anknüpfungspunkt für die rückwirkende Rechnungskorrektur dienen kann. a) Maßgeblichkeit der verhältnismäßigen Risikotragung Grund für die Rechtfertigungsbedürftigkeit des Rechnungserfordernisses des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL und der Notwendigkeit der rückwirkenden Rechnungsberichtigung im Falle der fehlerhaften Rechnung ist die Belastung ohne simultane Entlastungsmöglichkeit. Denn der Steuerpflichtige hat das Bruttoentgelt geleistet, ohne den Abzug gem. Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL ausüben zu können, weil er die Fehlerhaftigkeit der Rechnung nicht erkannt hatte.972 Es stellt sich also die Frage, ob und inwieweit dem Steuerpflichtigen das Risiko einer diesbezüglichen Fehlleistung auferlegt werden kann. Anders gewendet ist zu klären, ab wann er sich im Vertrauen auf eine simultane Entlastung durch Zahlung des Bruttoentgelts selbst belasten kann, mithin von der Tauglichkeit der Rechnung i.S.v. Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL ausgehen darf.973 Der Mechanismus des Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL – Zurückbehaltung des Bruttoentgelts bis zur Rechnungserteilung ‑974 setzt die Verpflichtung des Steuerpflichtigen zur Kontrolle der Rechnung insofern voraus, als er den Vorsteuerabzug ausüben will. Gegenstand der Kontrolle auf dieser Ebene ist einzig die Tauglichkeit der Rechnung i.S.v. Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL. Da die Kontrolle der Rechnung vor Ausübung des Vorsteuerabzuges daher zum Pflichtenkreis des Steuerpflichtigen gehört, hat er auch hier den generell975 vom ihm geforderten Sorgfaltsmaß971 S.o. Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall und Teil III A.IV.2.e)aa) Der wertungsmäßige Unterschied zum typischen Fall. 972 S.o. Teil III A.IV.2.e)aa) Der wertungsmäßige Unterschied zum typischen Fall. 973 Vgl. zu diesem Ansatz für den Fall des Widerrufs des Steuerausweises nach Zahlung Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 875. 974 S.o. Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall. 975 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller; Englisch, UR 2011, 488 (493), mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 71 und v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:​ C:2009:380, Rn. 34 ff.; zusätzlich lassen sich für diesen Maßstab der Anforderun-

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

stab anzulegen. Er hat daher alle Maßnahmen zu ergreifen, welche vernünftigerweise vom ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass die Rechnung den Anforderungen des Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL genügt. Auch nach Anlegung dieses Sorgfaltsmaßstabes muss die Rechnung den Anschein der Tauglichkeit i.S.v. Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL erwecken. Betreffend den Umfang der Sorgfaltspflicht gelten daher die Erkenntnisse zur Risikotragung des Rechnungsempfängers im Falle der Steuerhinterziehung durch den Aussteller der Rechnung entsprechend. Demzufolge verliert der Rechnungsempfänger seinen Anspruch auf Vorsteuerabzug zur Kompensation einer Steuerhinterziehung durch den Leistenden, wenn er die Rechnungsfehler bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt erkennen konnte. Denn er schert damit aus seiner ihm systemisch zugedachte Rolle als Steuerpflichtiger aus. Diese umfasst die Verpflichtung, alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um seine Beteiligung an einer Steuerhinterziehung zu verhindern. Bleibt er hinter diesem Anspruch zurück, nimmt er in vorwerfbarer Weise an der Steuerhinterziehung des Leistenden teil.976 Da der Anspruch auf Vorsteuerabzug materiell-rechtlich nicht besteht, kommt es auf die Rechnungskorrektur zur Rechtfertigung der Ausübung nicht an. Hinterzieht der Leistende also die Steuern, muss sich der Rechnungsempfänger von dieser Tat emanzipieren. Dass kann er nur dann, wenn die von ihm verifizierbaren Rechnungsangaben korrekt waren bzw. Zweifel daran ausgeräumt wurden. Nur insofern durfte er von einer korrekten Versteuerung ausgehen. Er hat dann seine Verpflichtung zur Kontrolle der Versteuerung durch den Leistenden mittels Rechnungsprüfung erfüllt. Sein Vorsteuerabzugsrecht besteht in materieller Hinsicht. Die Kontrolle der erstmaligen Rechnung durch den Rechnungsempfänger im oben beschriebenen Umfang977 lässt daher nur Rückschlüsse auf die materielle Vorsteuerabzugsberechtigung des Rechnungsempfängers zu. Sie belegt, dass der Vorsteuerabzugsberechtigte die Rechnungsdaten, auf welche sich seine Prüfverpflichtung in zumutbarer Weise erstreckt und zugleich auch beschränkt ist, zur Kontrolle herangezogen hat.

gen an den Steuerpflichtigen nennen EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 65 ff. und EuGH, Urt. v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 24 f. 976 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb) Verhältnismäßigkeit der Risikotragung bei Fehlbeurteilung der Tauglichkeit der Rechnung zulasten des Vorsteuerabzugsberechtigten. 977 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(4) Abstrakt zumutbarer Gegenstand der Rechnungsüberprüfung und Teil III A.IV.2.e)bb)(5) Konkret zumutbarer Umfang der Prüfung.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Diese Pflicht besteht aber unabhängig von der Ausübungsvoraussetzung aus Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL; sie ist Ausfluss der generellen Verpflichtung, die eigene Verwicklung in Steuerhinterziehungen zu verhindern.978 Erst im nächsten Schritt kommt es auf die Frage der korrekten Ausübung gem. Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL an. Die Rückwirkung einer Rechnungskorrektur wird – tatsächlich – erst dann relevant. Damit ist dem Rechnungsempfänger derjenige Sorgfaltsmaßstab, welchen er zum Erhalt des materiellen Anspruches auf Vorsteuerabzug im Falle der Steuerhinterziehung durch den Leistenden zu beachten hat, auch in jedem anderen Fall zumutbar, um den Vorsteuerabzug endgültig wirksam – ggf. nach einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung – ausüben zu können.979 b) Erforderliche Rechnungsangaben im Einzelnen Da sich aber der Prüfungsgegenstand nunmehr auf die Rechnungsanforderungen insbesondere i.S.v. Art. 226 ­MwStSystRL erstreckt, ist die Prüfung nicht auf den oben erläuterten Umfang zum Ausschluss einer Steuerhinterziehung durch den Leistenden980 beschränkt. Somit hat der Rechnungsempfänger auch das Ausstellungsdatum zu kontrollieren. Da ihm das aber, mangels Einblick in den Binnenbereich des Rechnungserstellers, nicht en détail möglich ist,981 genügt hier eine Plausibilitätskontrolle durch Abgleich mit dem Eingangsdatum. Ähnliches gilt für die Angaben gem. Art. 226 Nr. 11 und 11a ­MwStSystRL. Wird eine Rechnung ohne Mehrwertsteuerausweis ausgestellt, muss der Rechnungsempfänger eine, den fehlenden Steuerausweis erklärende Angabe in der Rechnung erwarten. Fehlen diese, so ist es ihm zumutbar, vor der Zahlung eine korrigierte Rechnung zu fordern bzw. sich der Anwen978 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller; EuGH, Urt. v. 06.12.2012 – C-285/11 – Bonik, ECLI:EU:C:2012:774, Rn. 39; v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 27; siehe dazu ebenfalls u.a. EuGH, Urt. v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel u. Recolta, ECLI:EU:C:2006:446, Rn. 56 und v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:EU:C:2012:373, Rn. 46. 979 I.E. auch Lohse, BB 2014, 860 (861) und wohl auch Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 848, allerdings beide unter anderer Herleitung, gestützt auf den Vertrauensschutzgrundsatz. 980 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(4) Abstrakt zumutbarer Gegenstand der Rechnungsüberprüfung. 981 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(4)(a) Datumsangaben, Art. 226 Nr. 1, 7 ­MwStSystRL.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

dung der Kleinunternehmerregelung auf den Leistenden zu versichern. Dies wird aber insbesondere nur in den Fällen relevant werden, in denen der Leistungsempfänger, anders als der Leistende, von der Steuerpflichtigkeit bzw. der Steuerschuldnerschaft des Leistenden ausgeht. Auch die Angaben gem. Art. 226 Nr. 7a, 10a M ­ wStSystRL zählen, obwohl sie nur der Information des Rechnungsempfängers dienen,982 zu den dann erforderlichen Rechnungsangaben. Allerdings kann dem Rechnungsempfänger das Fehlen des von Art. 226 Nr. 7a M ­ wStSystRL geforderten Hinweises auf die Ist-Versteuerung nicht zum Vorwurf gemacht werden. Denn ob der Leistenden nach vereinnahmten Entgelten gem. Art. 66 Buchst. b ­MwStSystRL versteuert, kann der Rechnungsempfänger nicht überprüfen. Das Fehlen einer solchen Angabe muss der Rechnungsempfänger daher nicht zum Anlass für weitere Nachforschungen nehmen. Unionsrechtlich betrachtet wird die Rechnung in diesen Fällen häufig sowieso nicht der Anknüpfungspunkt für die Ausübung des Vorsteuerabzuges sein. Denn das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht – auch in Fällen der Ist-Versteuerung – mit dem Anspruch auf die Steuer, Art. 167 ­MwStSystRL. Diese entsteht mit der Zahlung des Bruttobetrages, Art. 66 Buchst. b M ­ wStSystRL.983 Damit setzt sich die bereits dem Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL zugrunde gelegte Systematik fort, dass eine Entlastung durch Vorsteuerabzug erst im Zeitpunkt der Belastung erforderlich, dann aber auch geboten ist.984 Der Rechnungsersteller hat an einer zügigen Zahlung des Steuerbetrages kein gesteigertes Interesse, da er die Steuer, anders als im Normalfall gem. Art. 63 M ­ wStSystRL,985 jeden986 falls nicht vorzufinanzieren hat. Die Ausstellung der Rechnung deutlich vor der Zahlung des Bruttoentgelts ist somit, in diesen Fällen durchaus denkbar. Hat der Rechnungsempfänger daher mit Rechnungserteilung noch nicht den Bruttobetrag bezahlt, hat er zwar eine Rechnung, kann aber den Vorsteuerabzug erst ausüben, wenn das Recht auf Vorsteuerabzug mit Zahlung des Bruttobetrages auch entstanden ist, Art. 179 UA 1 ­MwStSystRL. Die Praxis einiger Mitgliedstaaten, das Ist-Prinzip nicht auf Ebene das Vorsteuerabzuges fortzusetzen, sondern das Recht auf Vor982 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(4)(e) Hinweispflichten Art. 226 Nr. 7a, 10a, 11, 11a ­MwStSystRL. 983 Grube, MwStR 2013, 309 (311); Huschens, UR 1996, 21 (22); Korn in Bunjes/Geist, § 20, Rn. 9; Stadie, UStG, § 20, Rn. 3. 984 S.o. Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall. 985 Vgl. EuGH, Urt. v. 07.03.2013, C‑19/12 – Efir, ECLI:EU:C:2013:148, Rn. 31; v. 16.05.2013 – C-169/12 – TNT, ECLI:EU:C:2013:314, Rn. 24. 986 Vgl. o. Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

steuerabzug weiterhin im Zeitpunkt der Leistungsausführung und Rechnungsstellung zu gestatten, führt damit zu einem unionsrechtlich nicht vorgesehenen Liquiditätsvorteil.987 Mangels Beschwer der Betroffenen Leistungsempfänger ist davon auszugehen, dass diese Praxis auch weiterhin Bestand haben wird. Daher kommt es auf die Angabe gem. Art. 226 Nr. 7a ­ MwStSystRL in der Rechnung als Anknüpfungspunkt für die Rückwirkung nicht an. Den Hinweis gem. Art. 226 Nr. 10a M ­ wStSystRL hat der Leistungsempfänger selbst aufzunehmen. Ein diesbezüglicher Fehler ist ihm daher stets vorwerfbar. c) Zumutbarer Sorgfaltsmaßstab Zusammenfassend ist festzuhalten, dass nur eine solche Rechnung, welche alle Angaben i.S.v. Art. 226 ­MwStSystRL außer diejenige gem. Art. 226 Nr. 7a ­MwStSystRL enthält, als tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Rückwirkung gelten kann.988 Denn ein schlichtes Fehlen einer derartigen Angabe kann der Rechnungsempfänger einfach erkennen. Das Risiko der Fehleinschätzung ist dem Rechnungsempfänger insofern zumutbar.989 Auf die Richtigkeit dieser Angaben kommt es nur soweit an, als der Rechnungsempfänger bei Anlegung der zumutbaren Sorgfalt deren Falschheit erkennen konnte. Liegt in der Leistungskette gar eine Steuerhinterziehung vor, und hätte der Steuerpflichtige diese durch die gebotenen Kontrolle der Rechnung erkennen können, so verliert er gänzlich seinen

987 So in Deutschland § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG, der für Fälle der Ist-Versteuerung keine Ausnahme vorsieht; hierzu Grube, MwStR 2013, 309, (311); Korn in Bunjes/ Geist, § 20, Rn. 9; Wagner in Sölch/Ringleb, § 20 (Nov. 2013) Rn. 2; kritisch hierzu Frye in Rau/Dürrwächter, § 20 (Okt. 2011), Rn. 100 ff., demzufolge § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UStG insoweit teleologisch zu reduzieren seien, dass ein Vorsteuerabzug nur nach erfolgter Zahlung zulässig sein soll; Huschens, UR 1996, 21 (22); Kirchhof, DStR 2008, 1 (8); Stadie, UR 2004, 136 (138 f.); ders., UR 2011, 45 (50 f.); ders., UStG, § 20, Rn. 3 und in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb.2016), Rn. 1034, 1036, demzufolge aber § 17 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 UStG so auszulegen sein sollen, dass das Entgelt auf Seiten des Leistenden bis zur Zahlung als uneinbringlich gilt, und daher parallel hierzu der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers bis zur Zahlung korrigiert werden soll; Widmann, UR 2002, 14 (19). 988 Ohne die Ausnahme für Art. 226 Nr. 7a ­MwStSystRL, Englisch, UR 2011, 488 (494), Lohse, BB 2014, 860 (861). 989 Vgl. GA Kokott Schlussantrag v. 18.02.2016 – C-516/14, Barlis 06, ECLI:EU:C:​ 2016:101, Rn. 85; a.A. GA Bot, Schlussantrag v. 17.02.2016 – C-518/14 – Senatex, ECLI:EU:C:2016:91, Rn, 44. Demzufolge soll auch eine Rechnung ohne Mehrwertsteueridentifikationsnummer einer rückwirkenden Korrektur zugänglich sein. Damit übergeht der GA jedoch das dem Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL zugrundeliegenden Zusammenspiel von Prüfungspflicht und Entlastung.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Recht auf Vorsteuerabzug.990 War eine Steuerhinterziehung, oder die Unrichtigkeit der Rechnungsangaben bei Anlegung dieses Maßstabs nicht erkennbar, kann die Rechnung rückwirkend auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung korrigiert werden. Dabei kann bei dauerhaften Leistungsbeziehungen mit einer Vielzahl von Leistungsbezügen eine einmal erfolgte Überprüfung bestimmter Daten als Anknüpfungspunkt für spätere Rechnungen dienen. Solange sich dem Rechnungsempfänger keine Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit ergeben, darf er auf eine zuvor durchgeführte Kontrolle vertrauen.991 Bei Aufnahme von Geschäftsbeziehungen ist daher der Sorgfaltsmaßstab hoch. Der Rechnungsempfänger wird hier alle ihm zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergreifen müssen, um die Korrektheit der Rechnung sicherzustellen. Angaben, welche sich im Laufe der Leistungsbeziehung normalerweis nicht ändern, mithin personenbezogene Angaben i.S.v. Art. 226 Nr. 3–5 ­MwStSystRL, muss der Rechnungsempfänger damit nicht mit Erhalt einer jeden Rechnung erneut verifizieren. Hier reicht eine regelmäßige, bzw. anlassbezogene – insbesondere bei Änderungen in den Rechnungen – Verifikation. Gleiches gilt für die gegenstandbezogenen Angaben, i.S.v. Art. 226 Nr. 6, 11 ­MwStSystRL, sofern immer gleichartige Leistungen in gleicher Menge bezogen werden, als auch für bei daran anknüpfenden und entgeltbezogenen Angaben i.S.v.. Art. 226 Nr. 8–10, 11, 11a ­MwStSystRL. Daher reicht es als Anknüpfungspunkt insbesondere auch nicht, wenn die Rechnung den Anforderungen an eine Rechnung i.S.v. Art. 203 ­MwStSystRL genügt.992

990 S. o. Teil III A.IV.2.e)bb)(3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller. 991 Vgl. EuGH, Urt. v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:EU:C:2012:373, Rn. 62; v. 06.09.2012 – C-324/11 – Toth, ECLI:EU:C:2012:549, Rn. 42; v. 06.12.2012 – C-285/11 – Bonik, ECLI:EU:C:2012:774, Rn. 43 f. m.w.N.; v. 31.01.2013 – C- 643/11 – LVK-56 EOOD, ECLI:EU:C:2013:55, Rn. 61 f.; v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 29; Kalman, H&I 2012, 49 (49 f.); Maunz, UR 2012, 598 (599 f.); einschränkend, weil von der materiell-rechtlichen Natur des Rechnungserfordernisses ausgehend, Sterzinger, UR 2012, 600 (601 f.). 992 So auch Lohse, BB 2014, 860 (862); A.A. Widmann in Plückebaum/Malitzky/Widmann, § 15 (April 2011), Rn. 138c, in dessen Richtung wohl auch BFH, Beschl. v. 20.07.2012 – V B 82/11, BStBl. II 2012, 809 (812) gehen will.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

5. Rechnungskorrektur ohne Mitwirkung des Rechnungs­erstellers Voraussetzung für die Rückwirkung ist die Korrektur der Rechnung. Anders als im Fall der Ausräumung von Zweifeln an der Lauterkeit des Leistenden993 ist daher eine Rechnungskorrektur erforderlich. Denn es geht eben nicht nur um den Ausschluss einer Steuerhinterziehung durch den Leistenden. Gefordert ist vielmehr die Existenz einer den Titel XI Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 6 ­MwStSystRL entsprechenden Rechnung, Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL. Diese bedarf der Mitwirkung des Rechnungserstellers. Nur er darf die ursprünglich von ihm gem. Art. 220 Abs. 1 ­MwStSystRL auszustellende Rechnung auch ändern.994 Diese alleinige Hoheit des Leistenden über die Rechnungsstellung zeigt sich schon in Art. 224 M ­ wStSystRL. Demnach ist die Erstellung einer Rechnung durch den Leistungsempfänger im Wege der Abrechnung per Gutschrift zwar möglich. Die Berechtigung hierzu erlangt der Leistungsempfänger aber nur in Abhängigkeit vom Leistungserbringer. Dieser hat der Abrechnung per Gutschrift zuzustimmen. Weiter ist ihm die Möglichkeit einzuräumen, jede einzelne Rechnung995 zu überprüfen, und dieser ggf. zu widersprechen. Weigert sich der Leistende, die Rechnung zu berichtigen oder existiert er nicht mehr, so scheidet eine Rechnungsberichtigung aus. Eine Korrektur wäre aber u.U. durch eine korrigierende Gutschrift möglich.996 Verweigert der Rechnungsersteller auch hierzu die Zustimmung, kann er sie nicht mehr erteilen, weil er nicht mehr existiert oder liefert er die nötigen Informationen nicht, ist auch das nach derzeitiger Rechts­ praxis nicht möglich.997 a) Rechnungsberichtigung durch Gutschrift ohne Zustimmung des Rechnungserstellers Die Korrektur der Rechnung durch den Rechnungsempfänger ist bei verständiger Würdigung der zugrundeliegenden Regelungen in diesen Fällen aber nicht von der Zustimmung des Leistenden abhängig. 993 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller. 994 I.E. Stadie, UStG, § 14, Rn. 118; ders. in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 544, 546; Wagner in Sölch/Ringleb, § 14 (Jul. 2013), Rn. 445; ebenso Abschn. 14.11 Abs. 2 UStAE. 995 Der Begriff der Gutschrift findet in Art. 224 ­MwStSystRL keine Verwendung. 996 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 546. 997 Zum Ganzen Englisch, UR 2011, 488 (494).

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Zweck des Zustimmungserfordernisses des Art. 224 ­MwStSystRL ist, den Leistenden vor einer unverschuldeten Steuerschuld gem. Art. 203 ­MwStSystRL,998 welche ihn auch im Falle der Abrechnung durch den Leistungsempfänger trifft,999 zu bewahren.1000 Liegen die materiellen Vo­ raussetzungen des Vorsteuerabzuges aber vor, so schuldet der Leistungserbringer jedenfalls auch Steuer in Höhe des Vorsteuerbetrages als Steuer auf seine Leistung. Das ist von einem entsprechenden Steuerausweis in der Rechnung gänzlich unabhängig. Eine Haftung des Leistenden allein aufgrund des Steuerausweises in der Rechnung droht nicht. Damit entfällt in diesen Fällen die Schutzwürdigkeit des Leistenden und damit auch die Notwendigkeit der Zustimmung.1001 Daher ist Art. 224 M ­ wStSystRL in diesen Fällen insofern teleologisch zu reduzieren, dass es der Zustimmung oder dem Fehlen eines Widerspruches des Leistenden nicht bedarf, wenn er sich, obwohl er die Steuer materiell-rechtlich, allein aufgrund der Erbringung einer steuerbaren und steuerpflichtigen Leistung schuldet, seine Mitwirkung verweigert.1002 b) Gutschrift bei Wegfall des Rechnungserstellers Scheitert die Korrektur mittels Gutschrift aber nicht schon an der Zustimmung oder am Widerspruch, sondern daran, dass der Rechnungsersteller die erforderlichen Daten aus seiner Einflussspähre nicht nennt, weil er nicht mehr existiert, hilft allein die Möglichkeit der Berichtigung mittels Gutschrift dem Leistungsempfänger nicht. An einer mangelnden Mitwirkung des Rechnungserstellers wird jedenfalls die Korrektur der Rechnungsnummer nicht scheitern. Insofern kann der Leistungsempfänger mittels einer korrigierenden Gutschrift abrechnen und dabei eine eigene Nummer vergeben.1003 998 S.o. Teil II C.IV.4.c) Wertungskongruenz auch ohne sekundärrechtliche Haftungsregelung. 999 EuGH, Urt. v. 17.09.1997 – C-141/96 – Langhorst, Slg. 1997, I-5073, Rn. 27 ff.; Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 296; Hummel, UR 2012, 497 (500); Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14c (Jan. 2014), Rn. 100; Wagner in Sölch/Ringleb, § 14 (Jul. 2013), Rn. 134; vgl. Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, USt-HdB, § 161 (Nov. 2004), Rn. 144. 1000 EuGH, Urt. v. 17.09.1997 – C-141/96 – Langhorst, Slg. 1997, I-5073, Rn. 21; Hummel, UR 2012, 497 (497); Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 251. 1001 Vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 263. 1002 Vgl. i.E. hierzu für den Fall des Widerspruchs gegen eine Gutschrift nach Zahlung des Entgelts, Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 263.1.; gestützt auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes, offenbar ohne eine Korrektur der Gutschrift zu fordern, Wagner in Sölch/Ringleb, § 14 (Jul. 2013), Rn. 133. 1003 EuGH, Urt. v. 15.07.2010 – C-368/09 – Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:C:​ 2010:441, Rn. 44.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Betreffend die korrekte Anschrift und die Mehrwertsteueridentifikationsnummer des Leistenden hingegen ist der Leistungsempfänger auf den Leistenden angewiesen. Scheitert die Korrektur daran, dass der leistende Unternehmer nicht mehr existiert, haben die Finanzbehörden auf die Korrektur der Daten zu verzichten.1004 Denn derjenige, der die korrekte Rechnungserstellung gem. Art. 220 Abs. 1 M ­ wStSystRL sicherzustellen hatte, kann das nicht mehr leisten. Von dem Vorsteuerabzugsberechtigten würde mit der Korrektur Unmögliches verlangt. Der Vorsteuerabzug würde dann, zumal die materiellen Voraussetzungen bestehen, durch Formalien praktisch unmöglich gemacht. Das steht im Widerspruch zum Unionsrecht. Für den Vorsteuerabzug in Fällen des Art. 178 Buchst. b – f M ­ wStSystRL1005, in denen den Mitgliedstaaten die Bestimmung der Vorsteuerausübungsvoraussetzungen – zumindest teilweise –1006 obliegt, hat der EuGH das ausdrücklich entschieden.1007 Der Gerichtshof stützt diese Rechtsprechung auf eine Überprüfung der mitgliedstaatlich bestimmten Forma­ lien anhand des allgemein geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Diesen legt er, in anderen Fallgestaltungen, auch an Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL an.1008 Damit ist Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL ebenfalls so auszulegen, dass der Vorsteuerabzug durch Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL nicht praktisch unmöglich gemacht wird. c) Gutschrift bei Unwilligkeit des Rechnungserstellers Erlaubt man dem Leistenden mit der hier vertretenen Ansicht nicht, den Vorsteuerabzug durch die Verweigerung der Zustimmung zur Korrektur 1004 GA Kokott, Schlussantrag v. 18.02.2016 – C-516/14, Barlis 06, ECLI:EU:C:​ 2016:101, Rn. 94 ff.; Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 343. 1005 Bzw. Art. 18 Abs. 1 Buchst. a 6. MwStRL. 1006 In Fällen des Art. 178 Buchst. c ­MwStSystRL bzw. Art. 18 Abs. 1 Buchst. e 6. MwStRL können bzw. konnten die Mitgliedstaaten gem. Art. 181 ­MwStSystRL bzw. Art. 18 Abs. 3 Buchst. a 6. MwStRL vom Rechnungserfordernis absehen. Ausübungsvoraussetzung war daher in jedem Fall nur die Angabe von denjenigen Informationen in der Voranmeldung, welche zur Feststellung der Erwerbssteuer notwendig waren. 1007 Vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 14.07.1988 – C-123/87 und C-330/87 – Jeunehomme und EGI, ECLI:EU:C:1988:408, Rn. 17; v. 01.04.2004 – C-90/02 – Bockemühl, ECLI:EU:C:2004:206, Rn. 49; v. 21.04.2005 – C-25/03 – HE, ECLI:EU:C:2005:241, Rn. 80; v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 46; v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:2012:458, Rn. 49; v. 08.05.2013 – C-271/12 – Petroma Transport, ECLI:EU:C:2013:297, Rn. 28. 1008 S.o. Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

mittels Gutschrift mangels schützenswertem Interesse hieran zu vereiteln, kann ihm diese Möglichkeit auch nicht mittelbar dadurch eingeräumt werden, dass er die notwendigen Daten zur Korrektur zurückhält.1009 Entweder ist das Korrekturverfahren bis zur gerichtlichen Durchsetzung der Mitwirkung des Rechnungserstellers auszusetzen oder auf die Mitteilung der auf den Leistenden bezogenen Daten durch den Rechnungsempfänger zu verzichten. aa) Ausgangspunkt: Die Verpflichtung des Rechnungserstellers zur Korrektur der Rechnung Diesem Schluss liegt die unionsrechtlich bestimmte Aufgaben- und Verantwortlichkeitszuweisung zugrunde. Der zufolge trifft den Leistenden die Verpflichtung sicherzustellen, dass eine – korrekte – Rechnung ausgestellt wird, Art. 220 Abs. 1 ­MwStSystRL. Ihm obliegt daher grundsätzlich auch die Korrektur einer fehlerhaften Rechnung.1010 Verweigert er die Mitwirkung an der Korrektur der Rechnung, so verletzt er seine Verpflichtung aus Art. 220 Abs. 1 ­MwStSystRL. Er kann sich zwar bei Erfüllung dieser Verpflichtung des Leistungsempfängers bedienen und mit diesem die Abrechnung durch Gutschriften vereinbaren, Art. 224 ­MwStSystRL. Dass und wie abgerechnet wird, hat aber weiterhin der Leistende zu verantworten.1011 Zudem haftet er auch für den Steuerausweis in Gutschriften.1012 In Fällen, in denen ein Vorsteuerabzug in Frage kommt, können die Mitgliedstaaten dem Leistenden diese Verpflichtung auch nicht erlassen. Nur in Fällen, in denen aufgrund der Steuerfreiheit der erbrachten Leistung ein Vorsteuerabzug ausscheidet und die Rechnung auch nicht für die Sicherstellung der technischen Umsetzung des Bestimmungslandprinzips1013 erforderlich ist, kann dem Leistenden diese Verpflichtung erlassen werden, Art. 221 Abs. 3 ­MwStSystRL, bzw. besteht diese gar nicht, Art. 220 Abs. 2 M ­ wStSystRL. Bleibt der Leistende hinter den Anforderungen der

1009 Vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 263, 560 ff.; ders., UR 2013, 365 (368 f.). 1010 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 165. 1011 Vgl. Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, USt-HdB, § 161 (Nov. 2004), Rn. 16, 18 ff. 144. 1012 S.o. Teil III A.IV.5.a) Rechnungsberichtigung durch Gutschrift ohne Zustimmung des Rechnungserstellers. 1013 Vgl. oben Die technische Umsetzung des Postulats der Wettbewerbsneutralität; und unten Teil III B.VI.2.a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Rechnungsstellung zurück, kann er hierzu gem. Art. 273 M ­ wStSystRL durch Sanktionen angehalten werden.1014 bb) Mitwirkungspflicht des Rechnungserstellers an der Korrektur­ gutschrift Als Minus zur Rechnungsausstellungsverpflichtung hat der Leistende an der Gutschrift des Leistungsempfängers durch Zurverfügungstellung der ihn betreffenden Daten mitzuwirken. Der Leistende hat die Rechnung nicht nur zu erstellen, sondern „auszustellen“. „Ausstellen“ erfordert dabei nach dem Verständnis der M ­ wStSystRL auch die Zustellung an den Leistungsempfänger. Denn auch im Falle der Rechnungserstellung durch den Leistungsempfänger im Wege der Gutschrift wird diese „ausgestellt“. Diese muss aber vom Leistenden akzeptiert werden, Art. 224 M ­ wStSystRL. Das setzt notwendigerweise deren Kenntnis voraus. In Art. 224 ­MwStSystRL fehlt eine gesonderte Regelung für die Zustellung an den Leistenden. Diese wird daher als Teil der „Ausstellung“ vorausgesetzt. Auch die Regelung des Art. 203 M ­ wStSystRL legt den Schluss nahe, dass die ­MwStSystRL eine Zustellung der Rechnung als Teil der Ausstellung stillschweigend voraussetzt. Art. 203 MwStSystRL begegnet der Gefahr, dass der Rechnungsempfänger die ­ Rechnung unabhängig von der materiell-rechtlichen Begründetheit zum Anlass für einen Vorsteuerabzug nimmt.1015 Durch eine Rechnung wird der Leistungsempfänger aber nur veranlasst, wenn er diese auch kennt, und – eingedenk des Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL –, diese zum Anlass nimmt, einen Vorsteuerabzug auch auszuüben. Das alles setzt den Zugang der Rechnung voraus. Eine gesonderte Zugangsvoraussetzung enthält aber auch Art. 203 ­MwStSystRL nicht. Damit geht auch Art. 203 ­MwStSystRL offenbar stillschweigend davon aus, dass eine Rechnung dem Leistungsempfänger auch zugestellt wird. Mithin hat diese dem Leistungsempfänger auch zuzugehen. Die „Ausstellung“ umfasst damit auch die Zustellung der erstellten Rechnung an den Rechnungsempfänger. Als Minus dazu hat der Rechnungsersteller dem Rechnungsempfänger im Falle der Korrektur mittels Gutschrift auch die notwendigen Daten zuzuleiten.

1014 So z.B. § 26a Abs. 1 Nr. 1 UStG; vgl. hierzu auch Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 560. 1015 S.o. Teil II C.IV.3.b) Entfall der Gefährdung mit Zusendung einer korrigierten Rechnung; vgl. auch Teil II C.IV.4.b) Vergleichbarkeit der Gefährdungslagen.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

cc) Entfall der steuersystemimmanenten Durchsetzungsmöglichkeit bei nachträglich erforderlicher Rechnungskorrektur Die Aufgabe des Rechnungsempfängers beschränkt sich im normalen Verfahren der Rechnungserteilung durch den Leistenden auf die Kontrolle der Rechnung.1016 Übernimmt der Leistungsempfänger die Erstellung der Rechnung gem. Art. 224 ­MwStSystRL, hat er entsprechend die durch den Leistenden übermittelten Angaben zu überprüfen. Ergibt diese Prüfung, dass die Rechnung bzw. die Daten fehlerhaft waren, hat der Leistende seine Verpflichtungen aus Art. 220 Abs. 1 M ­ wStSystRL gegenüber dem Leistungsempfänger nicht erfüllt. Im Anschluss an seine Prüfpflicht hat der Leistungsempfänger den Leistenden aufzufordern, diese Fehler zu korrigieren. Ob die Verpflichtung aus Art. 220 Abs. 1 ­MwStSystRL nur gegenüber dem Steuergläubiger besteht1017 und der Anspruch des Leistungsempfängers auf Erteilung einer Rechnung aus dem nationalen Schuldrecht abzuleiten ist,1018 kann dabei – zunächst noch – dahinstehen. Denn insofern geht es nur um die Frage, vor welcher Gerichtsbarkeit der Leistungsempfänger die Rechnungserteilung einzuklagen hat.1019 In jedem Fall hat der Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erteilung einer korrekten Rechnung. Weigert sich der Leistende, muss der Leistungsempfänger diesen Anspruch durchsetzen. Hat er den Fehler bereits bei erstmaliger Rechnungsstellung bzw. Datenübermittlung erkannt, wird er die Zahlung schlicht zurückhalten. Diese Möglichkeit scheidet aber aus, wenn die Korrekturbedürftigkeit erst im Nachhinein erkannt wird.1020 Dann ist der Rechnungsempfänger auf die gerichtliche 1016 S.o. Teil III A.IV.4.a) Maßgeblichkeit der verhältnismäßigen Risikotragung. 1017 So für § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 68. 1018 So Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, USt-HdB, § 160 (Nov. 2012), Rn. 381 ff.; ­Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 160; Wagner in Sölch/Ringleb, § 14 (Jul. 2013), Rn. 182 ff.; Widmann in Plückebaum/Malitzky/Widmann, § 14 (Aug. 2012), Rn. 46; kritisch ist an dieser Ansicht, dass sie in § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG nur dann einen zivilrechtlichen Anspruch des Leistungsempfängers er­ kennen will, wenn dem Leistungsverhältnis ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rechnungserteilung nicht zu entnehmen ist, so Heeseler, BB 2006, 1137 f.; ­Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 161; warum sich der Anspruch in allen Fällen neben dem nationalen Schuldrecht nicht zudem auch aus dem Mehr­ wertsteuerrecht ergeben soll, bleibt offen. An dieser Stelle sei nur darauf hingewiesen, dass sich nicht selten ein Anspruch auf Leistung aus mehreren Anspruchsgrundlagen ergibt. Ein Nebeneinander von gesetzlichen und vertraglichen Ansprüchen ist häufig gar die Regel. 1019 Vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 168; Widmann in Plückebaum/Malitzky/Widmann, § 14 (Aug. 2012), Rn. 46. 1020 S.o. Teil III A.IV.2.e)aa) Der wertungsmäßige Unterschied zum typischen Fall.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Durchsetzung verwiesen. Da dies langwierig und kostenintensiv ist, soll in der Folge beleuchtet werden, ob dem Rechnungsempfänger nicht auch effiziente Möglichkeiten zur Sicherung seines Vorsteuerabzuges zur Verfügung stehen. Möglich erscheint hier zum einen, dem Rechnungsempfänger die Möglichkeit einzuräumen, die Rechnung zu korrigieren.1021 Zum anderen erscheint auch möglich, die Anforderungen an die Rechnung selbst zu reduzieren und anderweitige Nachweise zuzulassen.1022 dd) Verfahrensmöglichkeiten bei unwilligem Rechnungsersteller Die Finanzbehörden haben die Entscheidung über die Aberkennung des Vorsteuerabzuges wegen einer unwirksamen Ausübung dann bis zum Erlass der gerichtlichen Entscheidung, bzw. bis zu deren Vollstreckung auszusetzen. Der Vorsteuerbetrag ist einstweilen zu belassen. Denn der Steuerpflichtige hat alles ihm Zumutbare getan, um die Erstellung einer korrekten Rechnung sicherzustellen. Betreffend den Annex seiner Prüfungsverpflichtung – dem Bemühen um eine Korrektur der Rechnung – können die Anforderungen an ihn nicht höher sein als betreffend die Überprüfung der Rechnung selbst. Weiter würde eine Aberkennung des Vorsteuerabzuges bis zur erzwungenen Mitwirkung des Rechnungserstellers die unionsrechtlich gebotene1023 Belassung der liquiditätsneutralen Belastung bei Rechnungskorrektur in Abhängigkeit von Formalien praktisch unmöglich machen. Das wäre somit unionsrechtswidrig.1024 Allerdings ist die Finanzbehörde nicht unbedingt gezwungen, das Verfahren bis zur gerichtlichen Entscheidung über die Klage des Leistungsempfängers gegen den Leistenden und ggf. der Vollstreckung des Urteils aussetzen.1025 Vielmehr kann sie die Mitwirkung des Leistenden selbst erzwingen. 1021 S.u. Teil III A.IV.5.c)dd)(1) Rechnungskorrektur ohne den Rechnungsersteller zur Vermeidung ungerechtfertigter Vorteile des Leistenden. 1022 S.u. Teil III A.IV.5.c)dd)(3) Beschränkungen durch die grundsätzliche Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung durch die Steuerbehörden. 1023 S.o. Teil III A.IV.2.f)cc)(2) Rückwirkende Rechnungsberichtigung als Gebot der verhältnismäßigen Anwendung des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL. 1024 Vgl. o. Teil III A.IV.5.b) Gutschrift bei Wegfall des Rechnungserstellers. 1025 Geht man mit der in Deutschland ganz h.M. davon aus, dass der Leistungsempfänger hierbei auf den Zivilrechtsweg verwiesen ist, haben die deutschen Finanzbehörden die folgenden Daten in ihre Entscheidung mit einzustellen. In 2012 betrug die bundesweit durchschnittliche Verfahrensdauer vor Amtsgerichten 4,2 Monate, wobei bis zu einem streitigen Endurteil im Schnitt 7,2 Monate verstreichen; gingen die Parteien in Berufung verlängerten sich die Verfahren im Schnitt um 1,1 Monate auf 8,3 Monate; auf ein streitiges Berufungsurteil mussten die Parteien im Schnitt 13,6 Monate warten; erstinstanzliche Verfahren vor den Landgerichten dauerten im Schnitt 17,5 Monate; der Abschluss durch streiti-

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Denn jedenfalls hat – wie soeben dargestellt – die Steuerverwaltung einen Anspruch gegen den Leistenden auf Ausstellung einer korrekten Rechnung gegenüber dem Leistungsempfänger. Diesen kann sie auch mit Zwangsmitteln durchsetzen.1026 Nur wenn der Leistende sich auch dann unkooperativ zeigt, müsste man nach den bisherigen Erkenntnissen das Verfahren des Leistungsempfängers gegen den Leistenden abwarten. Dieses Ergebnis wirft zwei Fragen auf. (1) Rechnungskorrektur ohne den Rechnungsersteller zur Vermeidung ungerechtfertigter Vorteile des Leistenden Zum einen stellt sich die Frage, ob der Rechnungsempfänger wirklich einzig auf die Durchsetzung der Mitwirkung des Rechnungserstellers verwiesen ist. Hat der Leistungsempfänger nur einen zivilrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Rechnung, so kann eine Durchsetzung dieses Anspruches auch an außersteuerrechtlichen Gründen scheitern. Zu denken wäre hier beispielsweise an Zurückbehaltungsrechte, welche sich auf Gegenansprüche jenseits der Entgeltzahlungsverpflichtung gründen. Auch die Verjährung des Anspruches auf Rechnungserteilung wäre denkbar. Die Folge ist die Aberkennung der mehrwertsteuerrechtlichen Entlastung aus nicht steuerrechtlichen Gründen. Möglich wäre eine zivilrichterliche Beschränkung von Gegenrechten.1027 Dies machte der Vorsteuerabzug von Bestimmungen des nationalen Zivilrechts abhängig und liefe damit dem Harmonisierungszweck der Mehrwertsteuer und als systemfremder Eingriff auch dem Neutralitätsgrundsatz zuwider. Auf eine Berücksichtigung im Zivilrecht kommt es aber nicht an, wenn dem Mehrwertsteuerrecht selbst zu entnehmen ist, dass der Rechnungsempfänger auf einen sich verweigernden Leistungserbringer nicht notwendigerweise angewiesen ist. Ausgangspunkt ist dabei die Verlagerung von Aufgaben der Steuererhebung auf die Steuerpflichtigen. Diese werden als „Steuereinnehmer für Rechnung des Staates“1028 tätig.1029 Die ihnen auferlegten Verpflichtunges Urteil erfolgte im Schnitt erst nach 20,5 Monaten, siehe Statistisches Bundesamt, Fachserie 10 – Reihe 2.1 [Zivilgerichte], 2012, v. 15.10.2013, S. 26, 66. 1026 S.o. Teil III A.IV.5.c)aa) Ausgangspunkt: Die Verpflichtung des Rechnungserstellers zur Korrektur der Rechnung. 1027 In Deutschland käme z.B. die Beschränkung des Zurückbehaltungsrechts aus § 273 BGB gem. § 242 BGB in Betracht. 1028 EuGH, Urt. v. 21.02.2008 – C-271/06 – Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, Rn. 21. 1029 Zur Verpflichtung des Steuerpflichtigen im Rahmen des Umsatzsteuerverfahrens Stadie, UStG, Vorbem., Rn. 20, 41 ff.

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gen konkretisieren diese Aufgabe und sind vor diesem Hintergrund auszulegen. Sofern neben der schlichten Vereinnahmung und Abführung der Steuerbeträge die Kontrolle der korrekten Versteuerung betroffen ist, wird der Steuerpflichtige als „Verwaltungshelfer“1030 bei der Steuererhebung tätig. Er hat diese Verpflichtung zu erfüllen, wenn die steuerrechtlich definierten Voraussetzungen dafür vorliegen. Nur dann entspricht er seiner Rolle. Hat er eine solche Verpflichtung nicht direkt dem Steuergläubiger, sondern nur im Interesse dessen, gegenüber einem anderen Verwaltungshelfer zu erfüllen, gilt nichts anderes. Besteht zwischen den beiden Verwaltungshelfern eine gegenseitige Abhängigkeit, bedürfen sie also der Mitwirkung des jeweils anderen um ihrer systemisch zugedachten Rolle als „Steuereinnehmer“ gerecht zu werden, sind sie in diesem Verhältnis auf ihre Eigenschaft als Steuereinnehmer beschränkt. Sie dürfen daher zur Durchsetzung der Mitwirkung des jeweils anderen, sofern das Mehrwertsteuersystem dem nicht entgegen steht, nur diejenigen Rechtspositionen geltend machen, welche in ihrer Rolle als „Steuereinnehmer“ begründet sind. Weiter darf dies nur zum Zwecke der Durchsetzung der dem Gegenüber aus seiner Eigenschaft als „Steuereinnehmer“ erwachsenden Verpflichtung zur Mitwirkung erfolgen. Will der Steuerpflichtige damit andere Zwecke durchsetzen, handelt er insofern nicht mehr als „Steuereinnehmer“. Nachteile, die dem Gegenüber daraus, aufgrund seiner Position als Steuerpflichtiger, aber jenseits der Erfüllung seiner steuerrechtlich begründeten Verpflichtungen entstehen, belasten ihn über seine Rolle als Steuereinnehmer hinaus. Denn nur seine Zwangsverpflichtung1031 als Verwaltungshelfer versetzt das Gegenüber in die Lage, diese Nachteile zuzufügen. Damit wird, vermittels des Mehrwertsteuersystems, dem Steuerpflichtigen eine Stärkung seiner Rechtsposition jenseits des Mehrwertsteuerrechts zuteil. Dieser einseitigen Bevorteilung des einen Steuerpflichtigen zulasten des anderen Steuerpflichtigen steht das Mehrwertsteuerrecht entgegen. So liegt diesem die Wertung zugrunde, dass dem einen Steuerpflichtigen gegenüber anderen Steuerpflichtigen keine Vorteile erwachsen sollen. Sind solche entstanden, kann ihnen auch unter Abweichung vom materiellen Recht, entgegengewirkt werden. So kann ein Mitgliedstaat zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Bereicherung eine an sich gebotene Entlas1030 Vgl. Stadie, UStG, Vorbem., Rn. 41. 1031 Hummel, BB 2014, 863 (868), Stadie, UR 2013, 158 (162, 167); ders., UStG, Vorbem., Rn. 27; Weimann, UStB 2009, 236 (237)

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tung verwehren, wenn dadurch dem Berechtigtem eine im System der Mehrwertsteuer nicht angelegte Bereicherung zuteilwürde.1032 Erst recht haben die Mitgliedstaaten Maßnahmen zu ergreifen, dass einem Steuerpflichtigen einzig aus seiner Stellung heraus keine Vorteile gegenüber anderen Steuerpflichtigen entstehen. So können die Mitgliedstaaten die – unionsrechtlich gebotene – Erstattung von einzig aufgrund des Art. 203 ­MwStSystRL geschuldeter Steuer an den Rechnungsersteller biszur Rückzahlung an den Rechnungsempfänger verweigern, um eine ungerechtfertigte Bereicherung des Rechnungsempfängers auszuschließen.1033 Generalisierend betrachtet, haben die Mitgliedstaaten dem Rechnungsersteller diejenige Rechtsposition abzuerkennen, welche ihm einen systemwidrigen Vorteil einräumt. Übertragen auf den Fall der Rechnungserstellung und der Rechnungskorrektur zur Ausübung des Vorsteuerabzuges heißt das Folgendes: Bei der Ausstellung der Rechnung und der Mitwirkung an der Korrektur einer fehlerhaften Rechnung wird der Leistende in seiner Rolle als Verwaltungshelfer tätig. Er ermöglicht mit der Ausstellung der Rechnung die Kontrolle der korrekten Versteuerung und der Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges. Dabei besteht diese Verpflichtung mit Leistungserbringung, Art. 220 Abs. 1 M ­ wStSystRL. Weitere Voraussetzungen bestehen nicht. Eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger besteht insofern, als der Leistende an einer möglichst raschen Bezahlung, der Leistungsempfänger an der Möglichkeit zum Vorsteuerabzug interessiert ist. Hierzu erlaubt die ­MwStSystRL das Zurückbehalten der Rechnung einerseits und des Entgelts andererseits. Damit bleibt bei zügiger Abrechnung die Steuereinvernahme für den Leistenden als auch für den Leistungsempfänger liquiditätsneu­ tral.1034 Waffengleichheit wird insofern hergestellt, als die Beträge, wel1032 S.o. Teil II C.IV.3.b) Entfall der Gefährdung mit Zusendung einer korrigierten Rechnung; EuGH, Urt. v. 24.03.1988 – C-104/86 – Kommission/Italien, ECLI:EU:​ C:​1988:171, Rn. 6; v. 09.02.1999 – C-343/96 – Dilexport, ECLI:EU:C:1999:59, Rn. 47; v. 21.09.2000 – C-441/98 und C-442/98 – Michaïlidis, ECLI:EU:C:2000:​ 479, Rn. 31; v. 10.04.2008 – C-309/06 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2008:211, Rn. 41; v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, Rn. 48; Burgmaier, UR 2007, 248 (349); Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 299, Fn. 2; Tehler, UVR 2012, 238 (241); Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14c (Jan. 2014), Rn. 211 f., der explizit einen sachgerechten Ausgleich im Verhältnis Leistungsempfänger, Leistungserbringer und Fiskus fordert. 1033 S.o. Teil II C.IV.3.b) Entfall der Gefährdung mit Zusendung einer korrigierten Rechnung. 1034 S.o. Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall.

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cher den jeweils anderen zur Erfüllung seiner Verpflichtung anhalten soll – der Steuerbetrag auf der einen Seite entspricht dem Vorsteuerbetrag auf der anderen Seite –, identisch sind. Wird dem Leistenden gestattet, seine Verpflichtung über den Zeitpunkt der Zahlung des für den abzurechnenden Umsatz geschuldeten Entgelts hinaus zu verweigern, räumt man ihm die Möglichkeit ein, aus seiner Position als Verwaltungshelfer heraus, die Rechtstreue des Leistungsempfängers als „Steuereinnehmer“ auszunutzen. Ihm wird damit ein Vorteil zuteil, den er ohne seine Posi­ tion als Steuerpflichtiger nicht hätte. Die Steuerverwaltung hat daher dem Rechnungsersteller diejenige Rechtsposition abzuerkennen, welche ihm diesen Vorteil einräumt. Diese vorteilhafte Rechtsposition entsteht dem Leistenden dabei nicht direkt. Vielmehr hat er ein aus Art. 178 Buchst. a. M ­ wStSystRL fol­ gendes, mehrwertsteuerrechtliches Zurückbehaltungsrecht gerade nicht mehr. Denn das Entgelt wurde bereits gezahlt. Die Rechtsposition erhält der Rechnungsersteller einzig mittels der Instrumentalisierung des Fiskus. Nur wenn dieser auf der von seiner Mitwirkung abhängigen Rechnungskorrektur besteht, ist der Rechnungsempfänger auf ihn ange­ wiesen. Bei Lichte besehen räumt damit die Steuerverwaltung dem Rechnungsersteller diese Möglichkeit erst ein.1035 Derjenige, der gegen seine Verpflichtung aus Art. 220 Abs. 1 M ­ wStSystRL verstößt und hierfür einerseits von der Steuerverwaltung sanktioniert wird, wird ande­ rerseits mittelbar durch die Steuerverwaltung gegenüber dem, seiner Verpflichtungen entsprechenden, Leistungsempfänger, unterstützt.1036 ­ Hinzu kommt, dass ein Interesse der Steuerverwaltung an der Rechnungskorrektur nicht besteht: Der Rechnungsempfänger hat die Voraus1035 Vgl. hierzu eingehend die Argumentation zu den im Kern gleich gelagerten Fällen des Widerrufs des Steuerausweises nach Zahlung des Bruttoentgelts bei ­Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 864 ff., und des Widerspruchs gegen eine Gutschrift nach Zahlung des Bruttoentgelts bei Hummel, UR, 2012, 497 (499 ff.); Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 870 ff.; ders., UR 2013, 365 (367 ff.; insbesondere 369). 1036 Abzulehnen ist daher BFH, Urt. v. 23.1.2013 – XI R 25/11, BStBl. II 2013, 417 (419, II.2.c.bb), demzufolge dem Leistenden ein Widerspruch gegen die Gutschrift nicht nur in Fällen des fehlerhaften Steuerausweises, sondern stets, auch wenn er seinen Ursprung in zivilrechtlichen Streitigkeiten zwischen den am Umsatz beteiligten hat, möglich sein soll. Genau darin zeigt sich, dass der BFH die Rechnungserteilungspflicht, m.E. verkürzt, lediglich als rein zivilrechtliche Verpflichtung zwischen den Unternehmern qualifiziert. Gegen diese Qualifikation der Rechnungserteilungspflicht, spricht schon die Möglichkeit diese auch im Wege des Verwaltungszwanges gem. Art. 273 M ­ wStSystRL, in Deutschland durch die Bußgeldbewährung gem. § 26a Abs. 1 Nr. 1 UStG, durchzusetzen; dazu Hummel, UR, 2012, 497 (502), vgl. dazu auch Stadie, UR 2013, 365 (dort Fn. 25)

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

setzungen des Vorsteuerabzuges bereits nachgewiesen, die Steuerpflicht des Leistenden steht damit fest. Um damit dem Steuerpflichtigen einen ungerechtfertigten Vorteil zu entziehen, hat die Finanzverwaltung gegenüber dem Leistungsempfänger auf die Korrektur der den Leistenden betreffenden Daten dann zu verzichten, wenn sich dieser weigert, diese Daten an den Rechnungsempfänger herauszugeben. (2) Keine Schutzwürdigkeit des übergangenen Rechnungserstellers Zum zweiten stellt sich die grundsätzliche Frage, ob es dem Rechnungsersteller wirklich gestattet sein soll, generell Einfluss auf das Verfahren der Rechnungskorrektur zu nehmen. Neben dem Aspekt der Instrumentalisierung des Fiskus zur Durchsetzung außersteuerlicher Interessen durch den Leistenden erscheint es möglich, einen unwilligen Rechnungsersteller in derartigen Fällen, sofern es die Besteuerung des Leistungsempfängers erfordert, gänzlich zu übergehen. So hat der Rechnungsempfänger kein schützenswertes Interesse daran, sich einer Rechnungskorrektur zu verweigern. Denn die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges sind erfüllt. Spiegelbildlich steht auch die Steuerpflichtigkeit der Leistung des Rechnungserstellers fest. Die Gefahr dieser Haftung besteht nicht mehr.1037, 1038 Die ihm zum Schutz vor einer Haftung aus Art. 203 ­MwStSystRL eingeräumte Stellung im Verfahren der Gutschriftenerstellung ist damit nicht mehr erforderlich. (3) Beschränkungen durch die grundsätzliche Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung durch die Steuerbehörden Auch bedarf die Finanzverwaltung, aufgrund der durch den Rechnungsempfänger beigebrachten Beweismittel, der Rechnung weder zur Kon­ trolle der Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges noch zur Kontrolle des Leistenden1039. Das Bestehen auf eine Rechnung ist nicht mehr erforderlich.

1037 Hummel, UR, 2012, 497 (500); Stadie, UR 2013, 365 (370 f.). 1038 Vgl. Teil III A.IV.5.c)bb) Mitwirkungspflicht des Rechnungserstellers an der Korrekturgutschrift. 1039 Vgl. oben Teil II B.IV.2.b)cc)(1) Kumulative Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs – Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug und Besitz einer Rechnung.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Weiter obliegt es der Steuerverwaltung grundsätzlich selbst, die für die Besteuerung des Leistenden relevanten Tatsachen zu ermitteln.1040 Der Leistungsempfänger ist hierbei nur im Wege der Vorkontrolle zur Unterstützung verpflichtet. Da der Rechnungsempfänger im ihm zumutbaren Rahmen an der Sachverhaltsaufklärung durch Kontrolle der erstmaligen Rechnung und Bemühen um Korrektur dieser mit Kenntnis von deren Fehlerhaftigkeit mitgewirkt hat, hat er insofern seine Verpflichtung erfüllt, bzw. erfüllt diese mit Betreiben der Korrektur gerade. Er hat auch der ihm obliegenden Darlegungslast für die ihm günstige Regelung des Vorsteuerabzuges1041, soweit ihm das möglich war – also jenseits einer Rechnungsberichtigung – genügt. (4) Konsequenz – Verzicht auf mitwirkungsbedürftige Korrektur­ gutschrift In den dargelegten Fällen ist es daher zulässig, dass die Finanzverwaltung die vom Rechnungsersteller verweigerten Daten, soweit sie ihr selbst vorliegen, dem Rechnungsempfänger mitteilt, sodass dieser die Rechnungskorrektur vornehmen kann. Nationale Datenschutzvorschriften dürften dem nicht im Weg stehen. Denn der Rechnungsersteller ist zur Mitteilung dieser Daten verpflichtet ist und daher kein schützenswertes Interesse an deren Geheimhaltung.1042 Praktikabler wäre es aber wohl, wenn die Finanzverwaltung diejenigen Daten des Rechnungserstellers – insbesondere Mehrwertsteueridentifikationsnummer und Anschrift –, welche ihr bereits bekannt sind, oder welche sie im Rahmen der Kontrolle seiner Besteuerung zu ermitteln hat, schlicht selbst einer solchen Rechnung beifügt und insoweit auf die Korrektur durch den Leistungsempfänger verzichtet. Damit wird auch die Verpflichtung der Finanzverwaltung zur Sachverhaltsermittlung nicht zugunsten des Vorsteuerabzug Begehrenden überdehnt. Denn die Finanzbehörden ermitteln die Daten

1040 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller. 1041 Vgl. generell EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑184/05 – Twoh International, ECLI:​ EU:​C:2007:550, Rn. 26; v. 07.12.2010 – C-285/09 – R, Slg, 2010, I-12605, Rn. 46; für den Vorsteuerabzug, EuGH, Urt. v. 26.09.1996 – C-230/94 – Enkler, Slg. 1996, I-4517, Rn. 24; BFH, Urt. v. 19.10.1978 – V R 39/75, BStBl. II 79, 345; v. 28.04.1983 – V R 139/79, BStBl. II 83, 525; v. 27.06. 1996 – V R 51/93, BStBl. II 96, 620; Beschl. v. 14.05.1998 –V B 123/97, BFH/NV 1998, 1532 (1533); v. 09.07. 1998 – V B 143/97, BFH/NV 1999, 221 (222); Wagner in Sölch/Ringleb, § 15 (Sep. 2010), Rn. 82. 1042 In Deutschland wäre die Mitteilung an den Rechnungsempfänger jedenfalls gem. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO zulässig.

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nicht, um dem Rechnungsempfänger günstige Tatsachen zu ermitteln,1043 sondern zum Zwecke der Kontrolle des Leistenden. Hat die Finanzverwaltung diese Daten noch nicht, so hat sie die Korrektur durch den Leistungsempfänger ohne die nur unter Mitwirkung des Rechnungserstellers korrigierbaren Angaben zu akzeptieren. 6. Zwischenfazit Das Rechnungserfordernis des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL stellt eine rechtfertigungsbedürftige Einschränkung des Grundsatzes der Liquiditätsneutralität dar. Zweck der Einschränkung ist die Sicherung der korrekten Versteuerung sowohl durch den Leistenden als auch durch den Leistungsempfänger. Denn die Rechnung ermöglicht der Finanzverwaltung die Kontrolle der Versteuerung. Der Rechtfertigung liegt die Annahme zugrunde, dass der Steuerpflichtige den Zeitpunkt der Belastung mit Vorsteuern selbst bestimmt. Demnach hält der Leistungsempfänger den Steuerbetrag jedenfalls solange zurück, bis er eine Rechnung erhält. Eingedenk des Ausübungserfordernisses überprüft Leistungsempfänger die Rechnung. Kommt er zu dem Ergebnis, dass die Rechnung korrekt ist, zahlt er den Steuerbetrag an den Leistenden. Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL zwingt den Leistungsempfänger damit zur Kontrolle der Rechnung. Erst mit der Zahlung wird er mit dem Steuerbetrag belastet. Nunmehr besteht – faktisch – die Notwendigkeit zur Entlastung. Ist die Rechnung korrekt, liegt die Möglichkeit zur Entlastung vor. Der Steuerpflichtige kann den Vorsteuerabzug wirksam ausüben. Eine Beschränkung des Neutralitätsgrundsatzes liegt nicht vor. Ist die Rechnung hingegen nicht korrekt, erfolgt die Ausübung unter Verstoß gegen Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL. Der Vorsteuerabzug wurde nicht wirksam ausgeübt. Allerdings wurde dem Neutralitätsgrundsatz genüge getan, denn Be- und Entlastung traten simultan ein. Die Belastung tritt daher nicht notwendigerweise mit der Entlastungsmöglichkeit durch Ausübung des Vorsteuerabzuges ein. Das ist nur der Fall, wenn die Rechnung korrekt ist. Tatsächlich bedingt einzig die Überzeugung des Leistungsempfängers von der Korrektheit der Rechnung den Eintritt der Belastung. Der Zeitpunkt, zu dem der Leistungsempfänger von der Tauglichkeit der Rechnung ausgeht, ist dieser Logik folgend da1043 Vgl. o. Teil II C.III.2.b)bb)(1)(a) Verstoß gegen sekundärrechtlich definierte Pflichten.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

her derjenige, zu dem die Entlastung grundsätzlich einzutreten hat. Wurde der Vorsteuerabzug – konsequenterweise – ausgeübt, ist diese auch eingetreten. Erst die Aberkennung des Vorsteuerabzuges im Nachhinein stellt eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung des Neutralitätsgrundsatzes dar. Lagen die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges nachweisbar bereits zum Zeitpunkt der Ausübung vor und wird die Rechnung korrigiert, ist eine rückwirkende Aberkennung des ausgeübten Vorsteuerabzuges aber nicht erforderlich. So steht zum einen fest, dass das Recht zum Vorsteuerabzug bestand. Zum anderen ist nunmehr die Kontrolle der Versteuerung anhand der Rechnung im gleichen Umfang möglich, wie wenn bereits die ursprüngliche Rechnung korrekt gewesen wäre. Konsequenterweise wäre daher auch eine Ausübung des Vorsteuerabzuges gänzlich ohne Rechnung möglich, sofern im Nachhinein eine Rechnung erteilt würde. Damit würde aber die legislative Grundentscheidung in Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL letztlich umgangen. Das Bedürfnis nach Entlastung wäre nicht mehr die treibende Motivation des Leistungsempfängers zur Kontrolle der Rechnung. Seine Inpflichtnahme müsste mittels Verwaltungssanktionen durchgesetzt werden. Dieser Ansatz wird hier nicht weiter verfolgt, da ihm praxistaugliche Lösungen derzeit nicht zu entnehmen sind. So ist das zwingende Erfordernis einer Rechnung ­bereits bei Ausübung des Vorsteuerabzuges gefestigte Rechtsprechung. Diese wird mittlerweile nur noch vereinzelt kritisiert. Das zwingende Ausübungserfordernis in Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL soll daher hingenommen werden. Es ist vielmehr eine Lösung auf Grundlage des geltenden Rechtes zu finden. Dabei ist Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL unter Fortentwicklung der ihm zugrundeliegenden Überlegungen auszulegen. Würde der Vorsteuerabzug in Fällen, in denen dem Steuerpflichtigen bei der Beurteilung der Rechnung ein Fehler unterläuft, stets aberkannt, ­trüge dieser uneingeschränkt das Risiko einer fehlerhaften Beurteilung der Rechnung. Er könnte sich auch nach sorgfältigstem Vorgehen seines Vorsteuerabzuges nicht sicher sein. Dieses Risiko kann dem Steuerpflichtigen in verhältnismäßiger Weise, auch gem. Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL, nicht uneingeschränkt auferlegt werden. Das entspricht dem Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL zugrundeliegenden Mechanismus zur Durchsetzung der Kontrollverpflichtung des Leistungsempfängers. Demzufolge hält die Suspendierung des Sofortabzuges den Leistungsempfänger zur Kontrolle der Rechnung an. Bei Erfüllung seiner mehrwertsteuerlichen Pflichten kann aber grundsätzlich nicht die umfassende Richtigkeit, sondern nur die Beachtung des generell zumut255

Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

baren Sorgfaltsmaßstabes gefordert werden. Wird dieser beachtet, hat er seine Kontrollverpflichtung erfüllt. Zur Erfüllung seiner Verpflichtung kann der Steuerpflichtige daher nicht mehr angehalten werden. Der Steuerpflichtige hat daher bei Kontrolle der Rechnung nur alle ihm zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen. Konnte er die Fehlerhaftigkeit der Rechnung dennoch nicht erkennen, ändert das nichts daran, dass er seine Verpflichtung erfüllt hat. Eine Suspendierung des Vorsteuerabzuges zum Zwecke der Durchsetzung der Kontrollverpflichtung ist daher nicht mehr erforderlich, mithin unverhältnismäßig. Auch die, der Rechtfertigung des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL zugrunde gelegte, Erheblichkeit einzig des faktischen Belastungseintritts stützt dieses Ergebnis. Dem Rechtfertigungsansatz des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL zufolge tritt die Belastung mit der Überzeugung des Leistungsempfängers von der Korrektheit der Rechnung ein. Diese Überzeugung ist Ergebnis der Kontrolle der Rechnung. Der Eintritt der Überzeugung des Steuerpflichtigen von der Korrektheit der Rechnung markiert daher den Zeitpunkt, zu dem, der Logik des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL folgend, die Belastung mit der Vorsteuer tatsächlich eintritt. Eine über diesen Zeitpunkt hinausgehende Verweigerung der Entlastung bedarf daher der Rechtfertigung. Eine strikte Anwendung des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL und damit eine Aberkennung des Vorsteuerabzuges mit unerkannt fehlerhafter Rechnung überspannte die Verknüpfung der faktischen Entlastungsbedürftigkeit mit der Rechnungskontrolle. Denn dann müsste gelten, dass nur derjenige, der die Rechnung zutreffend als richtig beurteilt hat, auch entlastungswürdig ist. Das geht aber über den Zweck des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL hinaus. Stützte der Steuerpflichtige seine Überzeugung auf die Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt, ist die weitere Suspendierung der Entlastung – wie soeben gezeigt – mit der Durchsetzung der Rechnungskontrollverpflichtung nicht mehr zu rechtfertigen. Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL ist daher so zu interpretieren, dass er die Ablehnung der Ausübung des Vorsteuerabzuges nicht erfordert, sofern der Steuerpflichtige die zumutbare Sorgfalt bei der Kontrolle der Rechnung beachtet hat. Der objektive Mangel der Ausübung des Vorsteuerabzuges aufgrund der Fehlerhaftigkeit der Rechnung kann damit in der Folge durch eine rückwirkende Korrektur der Rechnung geheilt werden. Damit ist, nach Rechnungskorrektur, dem zwingenden Ausübungserfordernis des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL genüge getan. Da die Möglichkeit der rückwirkenden Rechnungskorrektur damit von der Beachtung der zumutbaren Sorgfalt bei erstmaliger Ausübung des 256

A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Vorsteuerabzuges abhängt, muss der Steuerpflichtige daher alle Maßnahmen ergriffen haben, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass die Rechnung korrekt war. Die Rechnung muss dem sorgfältigen Steuerpflichtigen daher den Eindruck der Korrektheit vermitteln. Dabei erfordert die Sorgfalt des Steuerpflichtigen bzgl. der inhaltlichen Richtigkeit der einzelnen Rechnungsangaben nicht bei jedem Umsatz den gleichen Aufwand. Bei Aufnahme einer Geschäftsbeziehung muss der Steuerpflichtige jede Rechnungsangabe verifizieren. Im Laufe einer länger andauernden Geschäftsbeziehung darf sich der Steuerpflichtige hingegen auf regelmäßige Stichproben beschränken und sich ansonsten auf die bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung erfolgte Verifikation der Angaben verlassen. Das gilt aber nur solange, als er vernünftigerweise auf die fortdauernde Richtigkeit der Angaben vertrauen kann. Hat er daher, wegen Ereignissen jenseits der Rechnungsstellung Grund zur Annahme, dass sich bestimmte, in der Rechnung zu benennende Angaben geändert haben, z.B. weil der Leistende seinen Sitz verlegt hat, muss er dies zum Anlass nehmen, die betroffenen Angaben erneut zu verifizieren. Einen gleichbleibend hohen Aufwand muss der Steuerpflichtige hingegen bei der Überprüfung der Vollständigkeit der Rechnung betreiben. Diese kann vom Steuerpflichtigen ohne weitere Kenntnisse überprüft werden. Sie muss daher zumindest alle gem. Art. 226 ­MwStSystRL geforderten Angaben enthalten. Ein Fehlen einer der Angaben ist dem Steuerpflichtigen in jedem Falle erkennbar; eine rückwirkende Rechnungskorrektur scheidet daher aus. Eine Ausnahme davon bildet lediglich der in Art. 226 Nr. 7a M ­ wStSystRL geforderte Hinweis auf die Ist-Versteuerung. Ob der Leistende seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten gem. Art. 66 Buchst. b ­ MwStSystRL versteuert, ist dem Steuerpflichtigen nicht ohne weiteres erkennbar. Fehlt diese Angabe, hat der Leistungsempfänger daher keinen Anlass, an der Vollständigkeit der Rechnung zu zweifeln. Eine solche Rechnung, welche den sorgfältigen Steuerpflichtigen zur Ausübung des Vorsteuerabzuges veranlassen durfte, bietet daher die Möglichkeit einer rückwirkenden Korrektur. Da das Ausübungserfordernis des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL zwingend ist, muss diese Korrektur aber auch erfolgen. Nur dann tritt eine Heilung ein. Dabei ist der Rechnungsempfänger zunächst von der Mitwirkung des Rechnungserstellers abhängig. Nur dieser darf die Rechnung ausstellen und diese daher auch korrigieren.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Wirkt der Rechnungsersteller aber, entweder weil er nicht mehr existiert, oder aus anderen Gründen, an der Rechnungskorrektur nicht mit, steht dem Leistungsempfänger die Korrektur der Rechnung mittels Gutschrift offen. Die gem. Art. 224 ­MwStSystRL erforderliche Zustimmung des unwilligen Leistenden ist hierfür, da er daran kein schützenswertes Interesse hat, nicht erforderlich. Insofern ist Art. 224 M ­ wStSystRL te­ leologisch zu reduzieren. Existiert der Leistende nicht mehr, kann er die Zustimmung nicht mehr erteilen. Die Ausübung des Vorsteuerabzuges würde durch das formale Rechnungserfordernis praktisch unmöglich gemacht. Daher ist Art. 224 ­MwStSystRL insofern verhältnismäßig auszulegen, dass eine Zustimmung dann nicht erforderlich ist. Scheitert auch die Korrektur mittels Gutschrift, weil der Leistende die hierfür erforderlichen Daten nicht liefert, ist ebenfalls zu unterscheiden. Sind die Daten nicht verfügbar, weil der Leistende nicht mehr existiert, hat das Finanzamt auf die Daten zu verzichten. Auf diese zu bestehen, machte den Vorsteuerabzug erneut aufgrund von formalen Anforderungen unmöglich. Weigert sich der Leistende aus anderen Gründen, ist der Leistungsempfänger zunächst auf die zivilrechtliche Durchsetzung des Auskunfts­ anspruches gegen den Leistenden verwiesen. Bis zum Abschluss des Verfahrens ist dem Leistungsempfänger der Vorsteuerabzug jedenfalls zu belassen. Denn insofern ergreift er alle ihm zumutbaren Maßnahmen zur Korrektur der Rechnung. Da der Rechnungsempfänger aber auf die zivilrechtliche Durchsetzung verwiesen ist, besteht die Möglichkeit, dass auch außersteuerliche Gründe zur Versagung des Auskunftsanspruches führen. Insbesondere könnte der Leistende die Auskunft von der Erfüllung eigener, vom betroffenen Umsatz unabhängige, zivilrechtliche Ansprüche gegen den Rechnungsempfänger abhängig machen. Der Leistende kann damit die Abhängigkeit des Leistungsempfängers für Zwecke jenseits der Erfüllung seiner eigenen steuerrechtlichen Pflichten ausnutzen. Die gegenseitige Abhängigkeit von Leistenden und Leistungsempfänger jedoch besteht nur deshalb, um den einzelnen Steuerpflichtigen die Erfüllung ihrer mehrwertsteuerlichen Pflichten zu erfüllen. Eingesetzt zur Durchsetzung anderer Interessen wird diese nunmehr nur noch einseitige – der Leistungsempfänger hat das Bruttoentgelt bereits gezahlt – Abhängigkeit zweckentfremdet. Damit entsteht dem Leistenden, durch Vollzug des Mehrwertsteuerrechts, ein ungerechtfertigter Vorteil. Dieser erwächst ihm jedoch nur, wenn die Finanzbehörde auf die Rechnungskorrektur besteht. In Anknüpfung an die Möglichkeit, von der Durchsetzung des materiellen Rechtes zur Verhinderung einer ungerecht258

A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

fertigten Bereicherung eines Steuerpflichtigen abzusehen, kann daher die Finanzverwaltung auf die vom Leistenden nicht genannten Informationen verzichten. Vom Erfordernis der Rechnungskorrektur aus Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL kann die Finanzverwaltung daher absehen. Es bedarf dann insofern keiner Berichtigung der Rechnung mehr. Diese ist nur erforderlich, soweit der Steuerpflichtige diese mit allen ihm zumutbaren Maßnahmen auch erreichen kann.

V. Würdigung der deutschen Rechtslage 1. Ausgangspunkt – Unionsrechtswidrigkeit der Rechnungs­korrektur nur ex nunc Der Ausschluss der Rückwirkung der Rechnungsberichtigung gem. Abschn. 15.2 Abs. 5 UStAE ist in seiner Absolutheit unionsrechtswidrig.1044 Dennoch kommt das deutsche Recht in manchen Fällen zu einem unionsrechtskonformen Ergebnis. So liegt der deutschen Praxis der Rechnungskorrektur mit der Unterscheidung zwischen schädlichen und unschädlichen Rechnungsfehlern in Abschn. 15.2 Abs. 3 UStAE ein unionsrechtskonformer Ansatz zugrunde. Dieser wird allerdings nicht konsequent bis zum Ende verfolgt. Unionsrechtskonform ist der Ansatz, die Vorsteuerschädlichkeit von Rechnungsfehlern in Abhängigkeit von der Erkennbarkeit für den Rechnungsempfänger zu bestimmen.1045, 1046 Die Begrenzung dieses Grundsatzes auf die Rechnungsangaben der Identifikationsnummer und der Rechnungsnummer in Abschn. 15.2 Abs. 3 Satz 3 f. UStAE greift insofern aber zu kurz. Andererseits geht sie zugunsten des Rechnungsempfängers auch zu weit.

1044 Kritisch zur deutschen Praxis, gestützt auch auf § 31 Abs. 5 UStDV, Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, USt-HdB, § 165 (Okt. 2010), Rn. 102, 115 ff.; Englisch, UR 2011, 488 (493); Martin, BFH/PR 2010, 389 (390); Streit/Zugmaier, DStR 2010, 2446 (2446 f.); Wäger, DStR 2010, 1478 (1479); Wagner, DStR 2004, 477; Wagner in Sölch/Ringleb, § 14 (Jul. 2013), Rn. 439 ff.; Widmann in Plückebaum/Ma­ litzky/Widmann, § 14 (Aug. 2012), Rn. 153; a.A. Huschens, UVR 2010, 333 (333 f.); Meurer, DStR 2010, 2442 (2443); Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 552, der allerdings im Ergebnis in Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 556 zu den hier geforderten Ergebnissen, allerdings unter Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes, kommt. 1045 Vgl. o. Teil III A.IV.4.a) Maßgeblichkeit der verhältnismäßigen Risikotragung. 1046 Dem zustimmend Oelmaier in Sölch/Ringleb, § 15 (Apr. 2015), Rn. 355 ff.; i.E. ebenfalls Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 885 ff.; vgl. auch Englisch, UR 2011, 488 (493).

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Zu kurz greift die Regelung, da der Maßstab auf die abstrakte Überprüfbarkeit bestimmter Angaben abstellt. Sie ignoriert daher die konkrete Zumutbarkeit der Überprüfung im Einzelfall. Nicht bei jeder Rechnung hat der Rechnungsempfänger die gleiche Sorgfalt auf die Überprüfung der einzelnen Angaben zu verwenden.1047 Bei dauernden Leistungsbeziehungen muss der Rechnungsempfänger nicht bzgl. jeder Angabe die gleiche Sorgfalt walten lassen. Insbesondere die auf die Person des Leistenden bezogenen Angaben, welche sich normalerweise nicht von Umsatz zu Umsatz ändern, müssen nicht bei jeder Rechnung erneut verifiziert werden.1048 Zu weit greift die Regelung, da sie den Vorsteuerabzug bestehen lässt, ohne dass eine Rechnungskorrektur erforderlich wäre. Denn eine Rechnungskorrektur gem. § 31 Abs. 5 UStDV erfordert gem. Abschn. 15.2 Abs. 5 UStAE nur Rechnungen, welche an einem schädlichen Fehler i.S.v. Abschn. 15.2 Abs. 3 Satz 7–10 UStAE leiden. Das übergeht – zugunsten des Steuerpflichtigen – das zwingende Erfordernis des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL und entlässt ihn zu früh aus seiner Verpflichtung zur Mitwirkung. Denn der Rechnungsempfänger hat sich um eine korrekte Rechnung zu bemühen, um den Anforderungen des Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL zu genügen.1049 Nur, wenn sich der Rechnungsersteller weigert, an der Korrektur mitzuwirken,1050 oder nicht mehr existiert,1051 ist der Vorsteuerabzug nach der hier vertretenen Ansicht auch ohne eine solche Korrektur zu gewähren. Die deutsche Rechtspraxis vermengt hier die Frage nach der unionsrechtlich definierten materiell-rechtlichen Berechtigung zum Vorsteuerabzug,1052 und die Frage der berechtigten Ausübung des Vorsteuerabzuges. Nur erstere hängt, auch im Falle einer Steuerhinterziehung durch den Leistenden bei innerdeutschen Umsätzen, tatsächlich nicht an der Kor-

1047 A.A. BFH, Urt. v. 19.04.2007 – V R 48/05, BStBl. II 2009, 315 (C.3.b.); v. 06.12. 2007 – V R 61/05, BStBl. II 2008, 695 (696 f., II.3.b.). 1048 S.o. Teil III A.IV.4.b) Erforderliche Rechnungsangaben im Einzelnen; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 886. 1049 S.o. Teil III A.IV.5 Rechnungskorrektur ohne Mitwirkung des Rechnungserstellers. 1050 S.o. Teil III A.IV.5.c)dd)(4) Konsequenz – Verzicht auf mitwirkungsbedürftige Korrekturgutschrift. 1051 S.o. Teil III A.IV.5.b) Gutschrift bei Wegfall des Rechnungserstellers. 1052 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(2) Keine generelle Ausfallhaftung des Rechnungsempfängers bis Konkret zumutbarer Umfang der Prüfung.

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rektheit der Rechnungs- und der Identifikationsnummer.1053 Lediglich letztere setzt eine korrekte Rechnung voraus. 1054 Dabei geht diese Divergenz nicht originär auf die deutsche Finanzverwaltung zurück, sondern ist in der Konzeption des § 15 UStG angelegt. Dieser unterscheidet, anders als in Art. 167 f., 178 M ­ wStSystRL vorgegeben und vom EuGH praktiziert1055, nicht zwischen der Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug, seinem Umfang und den Voraussetzungen seiner Ausübung.1056 Demzufolge ist die Rechnung i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG eine, wie die unionsrechtlich in Art. 168 Buchst. a ­MwStSystRL defi­ nierten, materielle Voraussetzung des Vorsteuerabzuges.1057 Auf dieser 1053 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(4)(c) Angaben betreffend den Leistenden – Mehrwertsteueridentifikationsnummer, Name und Anschrift, Art. 226 Nr. 3, 4, 5 M ­ wStSystRL. 1054 S.o. Teil III A.IV.4 Mindestanforderung an die erstmalige Rechnung. 1055 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:​ 2004:268, Rn. 34; v. 15.07.2010 – C-368/09 – Pannon Gép Centrum, ECLI:EU:C:​ 2010:441, Rn. 38 f. Diese Terminologie nimmt der BFH in dem Urt. v. 02.09.2010 – V R 55/09, BStBl. II 2011, 235 (236 f.) und v. 31.07.2007 – V B 156/06, BFH/NV 2008, 416 (418), (dem folgend FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.09.2010 – 6 K 2089/10, DStR 2010, 2131 [2132]) in denen die Ansicht, der Besitz einer Rechnung sei materiell-rechtliche Voraussetzung des Vorsteuerabzugs, auf die Rechtsprechung des EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:268 gestützt wird, nicht auf. 1056 Sehr plastisch hierzu BFH, Urt. v. 02.09.2010 – V R 55/09, BStBl. II 2011, 235 (236, II.3): „Fehlen die für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderlichen Rechnungsangaben oder sind sie unzutreffend, besteht nach Satz 2 dieser Vorschrift für den Leistungsempfänger kein Anspruch auf Vorsteuerabzug.“; zustimmend hierzu, ohne auf die Differenzierung zwischen Ausübung und Entstehung in der Sache einzugehen, sondern mit dem Argument, dass einzig die Möglichkeit der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug erheblich sei, Probst, DStJG 13, S. 137 (169); kritisch zu dieser konstruktiven Abweichung vom Unionsrecht, Leonard, UR 2001, 469 (472). 1057 Daher in ständiger Rspr. u.a. BFH, Urt. v. 26.04.1979 – V R 46/72, BStBl. II 1979, 530, (532); v. 16.04.1997 – XI R 63/93, BStBl. II 1997, 582 (584); v. 27.07.2000 – V R 55/99, BStBl. II 2001, 426 (427); v. 01.07.2004 – V R 33/01, BStBl. II 2004, 861 (862); v. 15.07.2004 – V R 76/01, BStBl. II 2005, 236 (237); v. 19.07.2013 – XI R 41/10, BFHE 242, 258 (II.3.c.aa); v. 16.01.2014 – V R 28/13, DStR 2014, 743 (745); Beschl. v. 31.07.2007 – V B 156/06, BFH/NV 2008, 416 (418); v. 08.10.2008 – V R 59/07, BStBl. II 2009, 218; FG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 19.03.2013 – 5 K 1438/07, EFG 2013, 1618 (1619 f.); hierzu Englisch, UR 2011, 488 (489); so auch noch Oelmaier in Sölch/Ringleb, § 15 (Apr. 2013), Rn. 368; ders. nunmehr offen in Sölch/ Ringleb, § 15 (Apr. 2013), Rn. 364; mit Bezug auch auf das Unionsrecht Birkenfeld, UR 2013, 126 (132); Korn in Bunjes/Geist, § 14, Rn. 6; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 750; Widmann in Plückebaum/Malitzky/Widmann, § 15 (April 2011), Rn. 258; auch Wagner in Sölch/Ringleb, § 14 (Jul. 2013), Rn. 222; ebenso für das österreichische Umsatzsteuerrecht öVwGH, Urt. v. 12.12.1988 – 87/15/0079, ÖStZB 1989, 311 und Urt. v .03.07.2003 – 202/15/155, ÖStZB 693.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Grundlage ist die Differenzierung zwischen den Anforderungen an die Sorgfalt bei Entstehung1058 und derjenigen bei Ausübung1059 nicht zu leisten. Allerdings schließt das die Verwirklichung des unionsrechtlich geforderten Zustandes nicht von vornherein aus. Vielmehr ist in der Folge zu klären, ob auch vor dem Hintergrund der deutschen Konzeption des § 15 Abs. 1 UStG, mit seiner Qualifikation der Rechnung als materieller Vo­ raussetzung,1060 ein unionsrechtskonformer Zustand erreicht werden kann. Zu prüfen ist daher, ob eine Berichtigung der Rechnung auch mit Wirkung für den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung, bis zum Zeitpunkt der letztmöglichen Tatsachenberücksichtigung im deutschen Recht möglich ist. 2. Möglichkeiten zur rückwirkenden Korrektur nach materiellem deutschen Steuerrecht Zunächst ist zu klären, ob die Regelungen des UStG eine rückwirkende Korrektur der Rechnung zulassen. a) Vereinbarkeit mit § 15 UStG Der Wortlaut der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG legt zunächst nahe, dass eine Rückwirkung der Rechnungsberichtigung tatsächlich nicht möglich sein soll. Denn „die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt“, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG. Die Formulierung des Besitzes im Präsens legt nahe, dass diese im Zeitpunkt der Ausübung tatsächlich vorliegen muss.1061 1058 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller und Teil III A.IV.2.e)bb)(4) Abstrakt zumutbarer Gegenstand der Rechnungsüberprüfung bei Steuerhinterziehung durch den Leistenden. 1059 S.o. Teil III A.IV.4.a) Maßgeblichkeit der verhältnismäßigen Risikotragung. 1060 So u.a. Korn in Bunjes/Geist, § 14, Rn. 6; so auch noch Oelmaier in Sölch/Ringleb (Apr. 2013) § 15, Rn. 368. St. Rspr. des BFH in Urt. v. 26.04.1979 – V R 46/72, BStBl. II 1979, 530 (II.2.a); v. 16.04.1997 – XI R 63/93, BStBl. II 1997, 582; v. 1.07.2004 – V R 33/01, BStBl. II 2004, 861; v. 15.07.2004 – V R 76/01, BStBl. II 2005, 236; v. 31.07.2007 – V B 156/06, BFH/NV 2008, 416 (418); Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange, § 14 (Jan. 2012), Rn. 15; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 750 ff.; Heidner in Bunjes/Geist, § 15, Rn. 132; BMF Schr. v. 29.01.2004, Rn. .32, 36, 87 Abs. 2 Satz 2, BStBl. I 2004, 25. 1061 Vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 827, 829.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Dieser Schluss greift aber zu kurz. So geht der Wortlaut der deutschen Regelung damit im Kern nicht über den der unionsrechtlichen Grundlage des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL hinaus. Auch dieser steht einer rückwirkenden Rechnungskorrektur nicht entgegen.1062 Vielmehr können die Erwägungen zur Erforderlichkeit einer verhältnismäßigen Auslegung des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL angesichts des insofern nicht abweichenden Wortlautes des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG auch hier gelten. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass der Ansatz einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung diesen Wortlaut berücksichtigt. Wirkt die Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der Ausübung zurück, liegt mittels der Fiktion eine korrekte Rechnung im Ausübungszeitpunkt vor. Auch eine systematische Auslegung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG legt ein Ausschluss der Rückwirkung der Rechnungsberichtigung nicht nahe. So findet sich im §§ 14c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. 17 Abs. 1 Satz 7 UStG die einzige Regelung im UStG, welche sich ausdrücklich mit der zeitlichen Wirkung der Berichtigung von Rechnungen befasst. Gem. § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG ist im Falle der Korrektur eines unrichtigen Steuerausweises gem. § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG die Bemessungsgrundlage in dem Besteuerungszeitraum zu korrigieren, in dem die Rechnung korrigiert wurde.1063 Dieser Regelung liegt die unionsrechtskonforme Natur der Steuer gem. § 14c UStG bzw. Art. 203 M ­ wStSystRL als Haftsumme zugrunde.1064 Anknüpfend daran wird die Haftsumme erst freigegeben, wenn die Gefahr für das Steueraufkommen gebannt ist.1065 Daraus folgt für die Korrektur einer Rechnung bei Vorliegen der – unionsrechtlich verstandenen – materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges aber nicht, dass auch diese erst im Zeitpunkt der Korrektur materiell-rechtliche Wirkung entfalten soll.1066 Denn diese Korrektur ex nunc ist einzig der Sondersituation der dem belastenden Rechnungsersteller zurechen-

1062 S.o. Teil III A.IV.2.f)cc)(2) Rückwirkende Rechnungsberichtigung als Gebot der verhältnismäßigen Anwendung des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL. 1063 Vgl. Fetzer/Hubertus, BBK 2010, 1175 (1177). 1064 S.o. Teil II C.IV.4.c) Wertungskongruenz auch ohne sekundärrechtliche Haftungsregelung; EuGH, Urt. v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:C:2000:469, Rn. 61; v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:​ 2009:380, Rn. 28 m.w.N.; Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 299; Stadie, UStG, § 14c, Rn. 3 f.; ders. in Rau/Dürrwächter, § 14c (Jan. 2014), Rn. 15. 1065 S.o. Teil II C.IV.3.b) Entfall der Gefährdung mit Zusendung einer korrigierten Rechnung. 1066 A.A. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 552 und § 15 (Jul. 2013), Rn. 547.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

baren Aufkommensgefährdung geschuldet.1067 Abgesehen von der Sondersituation einer, ohne steuerbaren und -pflichtigen Leistungsaustausch einzig zu Zwecken der Aufkommenssicherung geschuldeten „Steuer“, spricht auch die Tatsache, dass die ex nunc Korrektur explizit in §§ 14c Abs. Satz 2 i.V.m. 17 Abs. 1 Satz 7 UStG geregelt wurde, gegen eine generellen Ausschluss der Rückwirkung einer Rechnungskorrektur. Würde dem UStG ein Grundsatz1068 zugrunde liegen, demzufolge Rechnungskorrekturen immer nur ex tunc wirkten, wäre diese Regelung rein deklaratorisch. Die ex nunc Wirkung gem. § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG ist aber ein Erfordernis der Aufkommenssicherung durch § 14c Satz 1 UStG und damit ihrerseits der besonderen Situation des unberechtigten Steuerausweises geschuldet.1069 Die Existenz der Regelung des § 14c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. 17 Abs. 1 Satz 7 UStG legt daher nahe, dass grundsätzlich eine Rechnungsberichtigung Rückwirkung entfaltet. Dieses Ergebnis stützt auch die Verordnungsermächtigung § 14 Abs. 6 Nr. 5 UStG, auf welche § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG in der umfänglichen Bezugnahme auf § 14 UStG ebenfalls rekurriert. Der zufolge kann das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen Rechnungen berichtigt werden dürfen. Es wäre zu erwarten gewesen, dass, wenn ein solcher Grundsatz bestünde, die Verordnungsermächtigung auch zur Wirkung eine Regelung getroffen hätte. Die Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 Satz 2 UStG steht daher einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung nicht entgegen.1070 b) § 31 Abs. 5 UStDV Auch die auf der zuvor zitierten Verordnungsermächtigung des § 14 Abs. 6 Nr. 5 UStG basierende Durchführungsbestimmung des § 31 Abs. 5 UStDV steht einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung nicht entgegen. Eine Regelung über die Wirkung der Rechnungsberichtigung enthält

1067 S.o. Teil II C.IV.4.a) Gefährdungslage und sekundärrechtliche Regelungstechnik zur Aufkommenssicherung beim unrichtigen Steuerausweis; vgl. dazu Widmann in Plückebaum/Malitzky/Widmann, § 14 (Aug. 2012), Rn. 154. 1068 Siehe dazu sogleich Teil III A.V.2.d) Kein Grundsatz des Ausschlusses rückwirkender Rechnungsberichtigungen aus § 17 Abs. 1 UStG. 1069 Vgl. Wagner, UVR 2010, 311 (314). 1070 Ebenso Englisch, UR 2011, 488 (493).

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

§ 31 UStDV nicht. Der Wortlaut spricht daher nicht gegen eine Rückwirkung.1071 Es liegt vielmehr angesichts der Regelung zur Ergänzung einer Rechnung gem. § 31 Abs. 5 Satz 1 Buchst. a UStDV nahe, dass die UStDV von einer Rückwirkung ausgeht. Denn die grundsätzliche Möglichkeit, eine unvollständige Rechnung um die fehlenden Rechnungsangaben zu ergänzen, bedarf keiner Regelung. Dass dem zur Ausstellung verpflichteten Unternehmer die Möglichkeit eingeräumt werden muss, seiner Pflicht gem. § 14 Abs. 2 UStG zu genügen, ist selbstverständlich.1072 Misst man dem § 31 Abs. 5 UStDV eine über diese Klarstellung hinausgehende Bedeutung zu, liegt die Annahme einer Rückwirkung der Korrektur nahe. Denn gem. § 31 Abs. 5 Satz 1 Buchst. a. i.V.m. Satz 2 UStDV sind nur die fehlenden Angaben zu ergänzen. Das setzt eine Anknüpfung an die zuvor erteilte, nicht vollständige Rechnung voraus. Damit ist die fehlerhafte Rechnung kein rechtliches Nullum und damit unerheblich i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG, was eine strikte Auslegung des § 14 UStG aber nahelegen würde.1073 Vielmehr kann diese, in Kombination mit der Korrektur, als Anknüpfungspunkt i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG dienen.1074 Da keine vollständige neue Rechnung erteilt werden muss,1075 liegt der Schluss nahe, dass auch an die Ausübung des Vorsteuerabzuges insofern angeknüpft wird, als diese mit der fehlerhaften Rechnung durch die nachträgliche Ergänzung rückwirkend geheilt wird.1076 Die fehlerhafte Rechnung bleibt daher als Anknüpfungspunkt für den Vorsteuerabzug bestehen.1077 1071 BFH, Beschl. v. 20.07.2012 – V B 82/11, BStBl. II 2012, 809, (812, II.3.c.); Birkenfeld, UR 2013, 126, (135 f.); Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, USt-HdB, § 165 (Okt. 2010), Rn. 101 ff.; Englisch, UR 2011, 488 (493); Wagner in Sölch/Ringleb, § 14 (Jul. 2013), Rn. 439. 1072 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:C:2000:469, Rn. 49, 58; Birkenfeld, UR 2013, 126 (135); Stadie in Rau/ Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 543 f.; Widmann in Plückebaum/Malitzky/ Widmann, § 14 (Aug. 2012), Rn. 148, 154. 1073 Dafür, dass eine fehlerhafte Rechnung für Zwecke des Vorsteuerabzuges als nicht existent gilt, daher Nieskens, UR 2010, 697 (699). 1074 Widmann, UR 2009, 249 (250). 1075 BT-Drs. 15/1562, S. 54 f., zu Art. 5 Nr. 2 Absatz 5 = § 31 Abs. 5 UStDV (neu); Birkenfeld, UR 2013, 126 (135); Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 548. 1076 Vgl. Birkenfeld, UR 2013, 126, (135); Widmann in Plückebaum/Malitzky/Widmann, § 14 (Aug. 2012); ders., StBJB 2011/2012, S. 399 (420); ders., UR 2009, 249 (250); a.A. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 545. 1077 Abzulehnen ist daher die Ansicht von Nieskens, UR 2010, 697 (699), der zufolge eine fehlerhafte Rechnung nicht existent sei.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Die Regelung des § 31 Abs. 5 UStDV steht somit einer rückwirkenden Rechnungskorrektur nicht entgegen. c) Geltung des § 31 Abs. 5 UStDV auch i.R.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG Eine dem § 31 Abs. 5 UStDV entnommene Rückwirkung der Rechnungsberichtigung kann nicht ohne weiteres für den Vorsteuerabzug fruchtbar gemacht werden. Denn die Frage der Rückwirkung stellt sich im Rahmen des von § 14 Abs. 6 Nr. 5 UStG vorgegebenen Regelungsbereich nicht; eine Regelung zur Rückwirkung der Rechnungsberichtigung er­ fordert dieser nicht. Umfasst ist nur die Regelung der Durchführung des § 14 UStG. § 31 UStDV soll damit lediglich die Art und Weise der Rechnungsberichtigung als Folgefrage zum Regelungskomplex der Rechnungsstellung ausgestalten.1078 Die Frage der Wirkung der Rechnungsberichtigung stellt sich erst im Zusammenhang mit der Ausübung des Vorsteuerabzuges gem. § 15 UStG. Entnimmt man daher der Regelung des § 31 Abs. 5 UStDV eine Aussage zur Wirkung der Rechnungsberichtigung, ist zu klären, ob das den Gehalt des § 31 Abs. 5 UStDV überspannt, bzw. ob diese Aussage wirklich im Rahmen des Vorsteuerabzuges Geltung erlangt. So läge mangels einer ausdrücklichen Regelung in § 15 UStG, auch im Bereich des Vorsteuerabzuges, eine Regelung über die Wirkung der Rechnungsberichtigung im Verordnungswege nahe. Eine Regelung, welche im Ergebnis zu einer Rückwirkung der Rechnungsberichtigung führt, könnte auch auf die entsprechende Verordnungsermächtigung in § 15 Abs. 5 UStG gestützt werden. So ermöglicht § 15 Abs. 5 Nr. 1 UStG bestimmte Fälle zu definieren, in denen, unter ebenfalls zu bestimmenden Voraussetzungen, zum Zwecke der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens, für den Vorsteuerabzug, auf eine Rechnung im Sinne des § 14 UStG, oder auf einzelne Angaben in der Rechnung, verzichtet werden kann. Eine solche Verordnungsregelung könnte z.B. vorsehen, dass für die Ausübung des Vorsteuerabzuges, der mit einer fehlerhaften Rechnung ausgeübt wurde, auf eine Rechnung i.S.v. § 14 UStG verzichtet wird, vorausgesetzt, die Rechnung wird gem. § 31 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b i.V.m. Satz 2 UStDV korrigiert. Gebrauch hat des BMF von dieser Möglichkeit nicht gemacht; eine solche Regelung fehlt in den auf § 15 Abs. 5 UStG basierenden §§ 35–43 UStDV. Im thematisch naheliegenden Regelungskomplex des § 15 UStG findet sich eine Regelung zur Rückwirkung daher 1078 S.o. Teil III A.V.2.b) § 31 Abs. 5 UStDV; Wagner, UVR 2010, 311 (314).

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

nicht. Auch eine Verknüpfung der Rechnungsberichtigung mit den Regelungen des Vorsteuerabzuges findet durch die UStDV nicht statt. Eine solche wäre zwar wünschenswert, aber dennoch nur deklaratorisch, da sie sich bereits aus § 15 UStG im Zusammenspiel mit § 31 Abs. 5 UStDV ergibt. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG nimmt vollumfänglich auf eine gem. §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung Bezug. Davon umfasst ist damit auch § 14 Abs. 6 Nr. 5 UStG, somit mittelbar auch § 31 Abs. 5 UStDV. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG macht sich daher auch die Aussagen des § 31 Abs. 5 UStDV zu eigen. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG erfordert daher, nur die Korrektur von Rechnungsfehlern gem. § 31 Abs. 5 UStDV. Die Rückwirkung der Rechnungsberichtigung geht mithin aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG bereits hervor. So verstanden besteht auch kein Bedürfnis, die Berichtigungswirkung durch Rechtsverordnung basierend auf § 15 Abs. 5 Nr. 1 UStG zu regeln. Weiter spricht das Unterlassen einer Verordnungsregelung in den §§ 35–43 UStDV dafür, dass § 31 Abs. 5 UStDV auch eine Aussage über die zeitliche Wirkung der Rechnungsberichtigung treffen will. Daher folgt aus §§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG i.V.m. 31 Abs. 5 UStDV ein Gebot der Rückwirkung der Rechnungsberichtigung.1079 d) Kein Grundsatz des Ausschlusses rückwirkender Rechnungs­ berichtigungen aus § 17 Abs. 1 UStG Zum Teil wird gegen eine rückwirkende Rechnungsberichtigung eingewandt, diese müsse ausscheiden, da dem UStG ein Grundsatz inne­ wohne, der die Rückwirkung nachträglicher Ereignisse ausschließe.1080 Ausprägung dieses Grundsatzes sei die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG.1081 Demzufolge sind Änderungen der Bemessungsgrundlage, in 1079 Wagner, UVR 2010, 311 (314); mit Bezug hierauf Englisch, UR 2011, 488 (493); Birkenfeld, UR 2013, 126, (134 f.); a.A. ohne Auseinandersetzung mit dem mittelbaren Verweis des § 15 UStG auf § 31 Abs. 5 UStDV Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, § 14 (Sep. 2014), Rn. 379. 1080 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 846; ders., UStG, § 15, Rn. 163; vgl. Sterzinger, UR 2010, 700 (700); Hummel, BB 2014, 343 (344); dagegen, da sich § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG nur auf die Änderung materieller Voraussetzungen beziehe, Hummel in Rau/Dürrwächter, § 26 (Apr. 2015), Rn. 531; Lohse, BB 2014, 860 (861). 1081 BFH, Urt. v. 19.05.1993 – V R 110/88, BStBl. II 1993, 779 (781), demzufolge § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG a.F. (Anm. d. Verf.: = § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG n.F.) der Regelungsplan zu entnehmen ist, „… wonach nachträgliche Ereignisse, wie […] die Rechnungsberichtigung, sich nicht auf die Besteuerungszeiträume, in denen die

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Abweichung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, nur ex nunc zu berücksichtigen.1082 Ein solcher Grundsatz jedoch besteht, wie sich in der Folge zeigen wird, nicht.1083 Die zu seiner Begründung vorgetragenen Argumente tragen nicht. aa) § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG ist keine Ausprägung des § 41 Abs. 1 Satz 1 AO Zum einen wird angeführt, § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG setze lediglich den Besteuerungsgrundsatz des § 41 Abs. 1 Satz 1 AO um. Demzufolge bleiben Änderungen bezüglich des Rechtsgeschäfts für die Besteuerung unbeachtlich bleiben, soweit und solange das wirtschaftliche Ergebnis bestehen bleibt.1084 § 41 Abs. 1 Satz 1 AO wird daher entnommen, dass die Rückgängigmachung von Rechtsgeschäften nur ex nunc Wirkung auf die Besteuerung hat. Der Grundsatz aber, von dem auch der Gesetzgeber offenbar ausgeht und der Anlass zu der Regelung des § 41 Abs. 1 Satz 1 AO gegeben hat, ist ein anderer. Er zeigt sich aus dem Umkehrschluss des § 41 Abs. 1 Satz 1 AO. Demzufolge gilt, dass die Rückgängigmachung eines Rechtsgeschäfts auch den, an dessen Vollzug anknüpfenden Steueranspruch rückwirkend entfallen lässt.1085 Die Regelung des § 41 Abs. 1 Satz 1 AO ist nur erforderlich, um zu verdeutlichen, dass allein die wirtschaftlichen Verhältnisse – nur diese indizieren Leistungsfähigkeit bzw. einen Verbrauch – nicht aber das zugrundeliegende Rechtsgeschäft erheblich sind.1086 Die Rückgängigmachung i.S.v. § 41 Abs. 1 Satz 1 AO ist damit ein Unterfall des Leistungen ausgeführt worden sind, auswirken sollen. Vielmehr ist der Ausgleich im laufenden Besteuerungszeitraum vorzunehmen.“ Darauf bezieht sich jeweils Stadie in Rau/Dürrwächter, § 17 (Okt. 2014), Rn. 69, 534 f.; ders., UStG, § 17, Rn. 90. 1082 BFH, Urt. v. 09.04.2002 – VII R 108/00, BStBl. II 2002, 562 (564, II.3.b.); v. 04.02.2005 – VII R 20/04, BStBl. II 2010, 55 (56, II); v. 11.10.2007 – V R 27/05, BStBl. II 2008, 438 (442 f., II.4); v. 19.08.2008 – VII R 36/07, BStBl. II 2009, 90 (91 f.); v. 27.10.2009 – VII R 4/08, BStBl. II 2010, 257 (259); vgl. auch BFH v. 04.08.1987 – VII R 11/84, BFH/NV 1987, 707 (707 f.); Gersch/Rüsken in Klein, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; Wagner, StuW 1993, 260, (266). 1083 So auch Englisch, UR 2011, 488 (493 f.). 1084 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 17 (Okt. 2014), Rn. 533. 1085 BFH, Urt. v. 19.07.1989 – II R 83/85, BStBl. 1989, 989 (990); Englisch in Tipke/ Lang, § 5, Rn. 98; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 41 AO (Nov. 2005), Rn. 40; Jakob, Abgabenordnung, Rn. 641. S. auch BFH, Beschl. v. 19.07.1993 – GrS 2/92, BStBl. II 1993, 897 (901). 1086 Englisch in Tipke/Lang, § 5, Rn. 95.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

rückwirkenden Ereignisses i.S.v. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Die Berücksichtigung im Verfahren erfolgt daher gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO.1087 § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG trifft eine davon abweichende Regelung und transponiert daher § 41 Abs. 1 Satz 1 AO gerade nicht in das UStG. Vielmehr geht § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG als Spezialvorschrift gem. § 41 Abs. 1 Satz 2 AO vor.1088 bb) Keine grundsätzliche Geltung des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG Auch auf die Gesamtregelung des § 17 UStG lässt sich ein solcher Grundsatz nicht stützen. So wird vorgebracht, dass die §§ 17 Abs. 2 und 3 UStG, welche auf § 17 Abs. 1 UStG und damit auch auf dessen Satz 7 verweisen, diesen Grundsatz bestätigten. § 13 Abs. 1 Nr. 9 UStG, demzufolge der Wegfall der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchst. a Satz 2 UStG nicht rückwirkend geschieht, sei rein deklaratorisch. § 17 Abs. 2 Nr. 2–4 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG sei analog auf alle nachträglichen Ereignisse anzuwenden.1089 Allerdings sind alle diese Regelungen Sondersituationen geschuldet, die einer Verallgemeinerung des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG entgegen stehen. § 17 Abs. 2 Nr. 1–3 UStG ordnen mit ihrem Verweis auf § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG die Berücksichtigung nachträglicher Änderungen ex nunc an, da die Korrektur im laufenden Verfahren der Veranlagung durch Verrechnung praktikabel ist und in den benannten Fällen systemische Gründe für die Korrektur ex nunc sprechen. So gebietet in Fällen des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG der Grundsatz der Belastungsneutralität die Verringerung der Steuerlast, da insofern die Abwälzungsmöglichkeit entfällt.1090 Da der Leistende aber grundsätzlich die Steuer aufgrund des Sollprinzips vorzufinanzieren hat, erfolgt die Korrektur ex nunc erst dann, wenn feststeht, dass die Möglichkeit der Abwälzung voraussichtlich endgültig entfällt. Gleiches gilt auch dann, wenn die Vorfinanzierungslast des Unternehmers aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles ein unverhältnismäßiges Maß und eine gegenüber Unternehmern, die ihre Umsätze nach vereinnahmten Entgelten versteuern, 1087 Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 41 AO (Nov. 2005), Rn. 40, 42; Koenig in Pahlke/Koenig, § 41, Rn. 3; Ratschow in Klein, § 41, Rn. 3. 1088 Englisch in Tipke/Lang, § 5, Rn. 98; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 41 AO (Nov. 2005), Rn. 58; Ratschow in Klein, § 41, Rn. 3. 1089 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 17 (Okt. 2014), Rn. 534; ders., UStG, § 17, Rn. 90. 1090 S.o. Teil II B.IV.1.c) Belastungsneutralität.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

nicht mehr zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung erreicht.1091 Entsprechend dem Sollprinzip hat der Leistende bis zu diesem Zeitpunkt die Vorfinanzierungslast zu tragen. Eine Korrektur ex nunc mindert somit die Liquiditätsbelastung des Leistenden durch das Sollprinzip ab, ohne dieses Prinzip grundsätzlich in Frage zu stellen.1092 Die Wirkung ex nunc ist dabei notwendige Konsequenz des Mechanismus, welcher den Leistenden zur möglichst zügigen Erfüllung seiner Abrechnungsverpflichtung anhält und damit auch die Sicherung der Kontrollmöglichkeiten mittels der Rechnung,1093 sichern soll. Dagegen besteht in den Fällen, für die hier eine rückwirkende Rechnungskorrektur angenommen wird, nicht das Bedürfnis, den Vorsteuerabzugsberechtigten zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten. Diesen hat er bereits im zumutbaren Maß, durch Überprüfung der Rechnung, entsprochen.1094 Die § 17 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UStG betreffen Fälle, in denen ein Leistungsaustausch tatsächlich nicht stattfindet und damit die Steuerbarkeit entfällt.1095 Da fest steht, dass ein steuerbarer Leistungsaustausch tatsächlich nicht erfolgt ist – § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG – bzw. rückwirkend beseitigt wurde – § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG – wäre an sich die Aufhebung der Steuerbarkeit1096 ex tunc geboten. Denn ein steuerbarer Vorgang i.S.v. § 1 Abs. 1 UStG lag niemals vor. Eine Korrektur ex nunc erfolgt nur deshalb, weil ansonsten dem Leistenden, der das Bruttoentgelt bereits erhalten hat, ein ungerechtfertigter Liquiditätsvorteil1097 erwachsen würde.1098 Die Gefahr eines ungerechtfertigten Vorteils zugunsten des Leistungsempfängers besteht dagegen im Fall der Rechnungskorrektur für Zwecke des Vorsteuerabzuges nicht. Ungerechtfertigt ist vielmehr die Belastung

1091 BFH, Urt. v. 22.07.2010 – V R 4/09, BStBl. II 2013, 590 (594, II.4.b dd (1)); v. 24.10.2013 – V R 31/12, BFHE 243, 451 (453 ff., II. 1.a. und 2.c.;); Wäger, UR 2013, 673 (674). 1092 BFH, Urt. v. 22.07.2010 – V R 4/09, BFH/NV 2011, 161 (164 f.); Englisch in Tipke/ Lang, § 17, Rn. 287. 1093 Vgl. o. Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall. 1094 S.o. Teil III A.IV.4.a) Maßgeblichkeit der verhältnismäßigen Risikotragung. 1095 Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 287. 1096 Tatsächlich ist, wegen des Entfalls der Steuerbarkeit i.S.v. § 1 Abs. 1 UStG keine Bemessungsgrundlage i.S.v. § 10 UStG zu korrigieren, sodass die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG hier nicht direkt zur Anwendung kommen kann. 1097 Vgl. o. Teil II C.IV.3.b) Entfall der Gefährdung mit Zusendung einer korrigierten Rechnung. 1098 Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 287.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

durch die rückwirkende Aberkennung des Vorsteuerabzuges allein wegen der ursprünglich unerkannt mangelhaften Rechnung.1099 Am ehesten mit der Situation der Rechnungsberichtigung vergleichbar ist der in § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG geregelte Fall. Diese bezieht sich, als einzige der zur Begründung dieses Grundsatzes angeführten Regelungen, ebenfalls auf die Beibringung eines tauglichen Nachweises. § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG ordnet für den Fall, dass der Steuerpflichtige einen Nachweis gem. § 3d Satz 2 UStG erbringt, die sinngemäße Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG an. Mithin ist die Rückwirkung auch für die taugliche Erbringung des Nachweises ausgeschlossen. Daraus folgt nicht zwingend, dass generell die nachträgliche Befriedigung von Nachweisen keine Rückwirkung entfaltet. Vielmehr liegt es nahe, dass dieser Fall eine Ausnahme darstellt. Hierfür spricht zunächst, dass es sich bei § 3d Satz 2 UStG im Kern um eine der Haftungsregelung des § 14c UStG ähnliche Regelung handelt. Im Fall der Steuerschuld gem. § 14c UStG wird die Steuer erst korrigiert, wenn die entsprechende Gefahr für das Steueraufkommen gebannt ist. Erst dann wird nicht die Steuer rückwirkend auf den Zeitpunkt des Steuerausweises korrigiert, §§ 14c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. 17 Abs. 1 Satz 7 UStG.1100 § 3d Satz 2 UStG ordnet eine Doppelbesteuerung zur Verhinderung der gänzlichen Nichtbesteuerung eines innergemeinschaftlichen Erwerbs an und hält damit zugleich den steuerpflichtigen Empfänger eines innergemeinschaftlichen Erwerbs zur Verwendung der korrekten Identifikationsnummer an.1101, 1102 Parallel zur Steuerschuld des § 14c UStG wird die gem. § 3d Satz 2 UStG geschuldete Steuer, erst dann korrigiert, wenn sichergestellt ist, dass die Gefahr einer nicht korrekten Besteuerung im Bestimmungsland nicht mehr besteht, und die Doppelbesteuerung zur Disziplinierung des Steuerpflichtigen nicht mehr erforderlich ist §§ 17 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG.1103

1099 S.o. Teil III A.IV.2.f)cc)(2) Rückwirkende Rechnungsberichtigung als Gebot der verhältnismäßigen Anwendung des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL. 1100 Siehe dazu ausführlich oben Teil II C.IV.3.a) Durch die Korrektur betroffener Besteuerungszeitraum – Korrektur mit Wirkung für den Zeitpunkt des Wegfalls der Gefährdung des Steueraufkommens und Entfall der Gefährdung mit Zusendung einer korrigierten Rechnung. 1101 EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 35. 1102 Siehe dazu ausführlich unten Teil III B.VI.2.a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL. 1103 Siehe dazu ausführlich unten Teil III B.VI.2.b) Erforderlichkeit der Einschränkung des Neutralitätsgrundsatzes.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Im Falle der korrigierten, fehlerhaften Rechnung, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges, bedarf es der rückwirkenden Aberkennung des Vorsteuerabzuges zur Sicherung des Steueraufkommens nicht. Ebenso wenig bedarf es wie im Falle des § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG der Disziplinierung des Leistungsempfängers. Weiter betrifft § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG die erstmalige Erbringung eines Nachweises. Der direkt vergleichbare Fall i.R.d. Vorsteuerabzuges ist daher die erstmalige, ebenfalls nicht zurückwirkende1104 Rechnungserteilung. Für die Korrektur der Rechnung lässt sich daraus keine Aussage ableiten, da sich die Situationen wertungsmäßig unterscheiden. Im Falle des § 3d Satz 2 UStG liegt der Fehler beim Steuerschuldner; er hat für den Erwerb eine Identifikationsnummer angegeben, welche nicht vom Mitgliedstaat in dem der innergemeinschaftliche Erwerb gem. § 3d Satz 1 UStG belegen ist, ausgestellt wurde. Er gefährdet damit die Durchsetzung des Bestimmungslandprinzips. Daran knüpft § 3d Satz 2 UStG die Belastungsfolge der Doppelbesteuerung. Bei der Korrektur der Rechnung hingegen liegt beim Leistungsempfänger kein vorwerfbarer Fehler.1105 Weder eine generalisierbare, noch eine auf die Rechnungskorrektur anwendbare Aussage lässt sich daher auf den §§ 17 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG stützen, demzufolge der Nachweis der Versteuerung im Bestimmungsland und nicht die tatsächliche Versteuerung den Zeitpunkt markieren, zu dem die Korrektur der Bemessungsgrundlage zu erfolgen hat. Erst recht scheitert eine Fruchtbarmachung des § 17 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG für Fälle des Vorsteuerabzuges, wenn man in unionsrechtskonformer Weise erkennt, dass anders als im Falle das Vorsteuerabzuges, nicht der erstmalige Nachweis, sondern einzig die Versteuerung des Erwerbs im Bestimmungsland, den Zeitpunkt der Entlastung markiert.1106 e) Rückwirkende Rechnungskorrektur materiell-rechtlich möglich Es zeigt sich daher, dass das UStG in seiner derzeitigen Fassung nicht nur einer unionsrechtskonformen Auslegung in Richtung einer rückwirkenden Rechnungskorrektur nicht entgegensteht,1107 sondern diese in § 31

1104 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:​ 268, Rn. 38. 1105 S.o. Teil III A.IV.4.a) Maßgeblichkeit der verhältnismäßigen Risikotragung. 1106 Siehe dazu ausführlich unten Teil III B.VI Kritische Würdigung der unionsrechtlichen Vorgaben. 1107 S.o. Teil III A.V.2.a) Vereinbarkeit mit § 15 UStG.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Abs. 5 UStDV angelegt ist1108. Dass strahlt vermittelt durch den Verweis in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG auch auf § 15 UStG aus1109. Das materielle deutsche Umsatzsteuerrecht ermöglicht daher eine rückwirkende Rechnungskorrektur.1110 3. Möglichkeiten der ex tunc Korrektur im deutschen ­Steuerverfahrensrecht Das zur Durchsetzung des materiellen Rechts erforderliche Verfahrensrecht bestimmen die Mitgliedstaaten autonom.1111 Insbesondere können sie in diesem Rahmen Fristen für die Geltendmachung materieller Rechtspositionen vorsehen.1112 Daher bestimmt das nationale Verfahrensrecht ganz allgemein, bis zu welchem Punkt Sachverhalte für die Besteuerung berücksichtigt werden können. Im Speziellen für die rückwirkende Rechnungskorrektur ist das deshalb von Bedeutung, weil sich die Reichweite der Rückwirkung nach verfahrensrechtlich bestimmten zeitlichen Grenzen der Sachverhaltsermittlung richtet.1113 Im deutschen Steuerverfahren bestimmt sich dieser Zeitpunkt nach der Bestandkraft von Steuerbescheiden und deren Durchbrechungen gem. §§ 172 ff. AO. Daneben tritt gegebenenfalls die Rechtskraft von Gerichtsurteilen gem. § 110 FGO.1114 1108 S.o. Teil III A.V.2.b) § 31 Abs. 5 UStDV. 1109 S.o. Teil III A.V.2.c) Geltung des § 31 Abs. 5 UStDV auch i.R.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG. 1110 Ebenso Englisch, UR 2011, 488 (493). 1111 EuGH, Urt. v. 15.03.2007 – C-35/05 – Reemtsma, Slg. 2007, I-2425, Rn. 40 m.w.N.; vgl. auch EuGH, Urt. v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:C:2000:469, Rn. 65, 66, Leitsatz 2 zur Berichtigung von zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer. 1112 Allgemein EuGH, Urt. v. 12.10.1978 – C-156/77 – Kommission/Belgien, ECLI:​ EU:​C:1978:180, Rn. 21 ff.; v. 15.11.1983 – C-52/83 – Kommission/Frankreich, ECLI:EU:C:1983:328, Rn. 10; v. 12.07.1984 – C-227/83 – Sophie Moussis/Kommission, ECLI:EU:C:1984:276, Rn. 12; v. 02.12.1997 – C-188/95 – Fantask, ECLI:EU:C:1997:580, Rn. 42 ff.; v.  Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 545, 575 f. m.w.N.; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 1000 m.w.N.; betreffend das Verfahrens zur Erhebung harmonisierter Steuern EUGH, Urt. v. 15.09.1998 – C-231/96 – Edis, ECLI:EU:C:1998:401, Rn. 33 ff.; v. 17.11.1998 – C-228/96 – Aprile, ECLI:EU:C:1998:544, Rn. 19, 28. 1113 S.o. Teil III A.IV.3.b)bb) Maßgeblichkeit der letztmöglichen Tatsachenberücksichtigung im nationalen Verfahrensrecht. 1114 Zum Ausschluss von Änderungen durch materielle Rechtskraft noch vor Bestandkraft BFH, Urt. v. 07.02.1990 – I R 145/87, BStBl. II 1990, 1032 (1033); v. 11.12.1996 – X R 228/93, BFH/NV 1997, 407 (408); Beschl. v. 24.10.2006 – I B

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

a) Die Korrekturmöglichkeiten im Steuerverwaltungsverfahren Im deutschen Steuerverfahrensrecht erfolgt die rückwirkende Berücksichtigung von Tatsachen auf einen bereits verwirklichten Steuerfall gem. den §§ 164 Abs. 2, 172 ff. AO. Für die rückwirkende Korrektur von Rechnungen von zentraler Bedeutung sind dabei die §§ 164 Abs. 2 und § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Dabei kommt es auf eine Änderung gem. §§ 164, 172 ff. AO bei periodisch erhobenen Steuern wie der Umsatzsteuer nur insofern an, als sich die Korrektur auf den im Ergebnis festzusetzenden Steuerbetrag auswirkt.1115 Hat der Steuerpflichtige im Vertrauen auf die Korrektheit der Rechnung den Vorsteuerabzug in seiner Anmeldung geltend gemacht und erkennt er nachträglich, ggf. auf Hinweis der Finanzverwaltung, die Fehlerhaftigkeit einer Rechnung, hat eine Korrektur keine Auswirkungen auf den angemeldeten Steuerbetrag. Daher ist die bloße Korrektur der Rechnung im Anschluss an die Voranmeldung gem. § 18 Abs. 1 UStG oder der Jahresanmeldung gem. § 18 Abs. 3 UStG durch den Steuerpflichtigen ohne Rückgriff auf die Korrekturvorschriften möglich. Nur, wenn das Finanzamt von einer Fehlerhaftigkeit der Rechnung ausgeht und daraufhin einen von der Anmeldung abweichenden Steuerbetrag festsetzt, stellt sich die Frage nach einer rückwirkenden Korrektur dieser Festsetzung gem. § 164 Abs. 2 AO bzw. §§ 172 ff. AO. aa) Korrektur gem. § 164 Abs. 2 AO Erkennt der Steuerpflichtige die Untauglichkeit einer Rechnung zum Vorsteuerabzug nicht, ist zunächst regelmäßig eine Änderung gem. § 164 Abs. 2 AO möglich. Dieser ermöglicht eine umfassende Änderung des Bescheides. Der gesamte Steuerfall kann dann zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen wieder zur Gänze aufgerollt werden; neue Tatsachen können berücksichtigt werden.1116 Voraussetzung ist, dass die Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, § 164 Abs. 1 AO. Dem steht eine Steueranmeldung 41/06, BFH/NV 2007, 206 (206); v.  Groll in Gräber, § 110, Rn. 25; Lange in ­Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 110 FGO (Feb. 2014), Rn. 39; Seer in Tipke/Kruse, § 110 FGO (Okt. 2014), Rn. 32. 1115 Vgl. v. Groll, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 175 (Sep. 2014), Rn. 340; Loose in Tipke/Kruse, Vor § 172 AO (Aug. 2014), Rn. 11. 1116 Seer in Tipke/Kruse, § 164 AO (Mai 2014), Rn. 34 f.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

gem. § 150 Abs. 1 Satz 3 AO gleich, § 168 Satz 1 AO. § 18 Abs. 1, Abs. 3 UStG verpflichtet die Steuerpflichtigen ihre Steuerlast selbst zu berechnen. Die Umsatzsteuervoranmeldung gem. § 18 Abs. 1 UStG und die Umsatzsteuerjahresanmeldung gem. § 18 Abs. 3 UStG sind daher Steueranmeldungen i.S.v. § 150 Abs. 1 Satz 3 AO. Diese sind daher der Än­ derung gem. § 164 Abs. 2 AO zugänglich. Solange der Vorbehalt der Nachprüfung noch besteht, kann daher auch eine Rechnungskorrektur rückwirkend erfolgen. Erkennt das Finanzamt die Fehlerhaftigkeit einer Rechnung, erlässt es einen insofern von der Anmeldung des Steuerpflichtigen abweichenden Steuerbescheid. In diesem wird der betroffene Vorsteuerbetrag nicht anerkannt und die Anmeldung entsprechend geändert §§ 167 Abs. 1 Satz 1, 164 Abs. 2 AO.1117 Dieser stellt dann eine erstmalige Festsetzung der Steuer dar, vgl. § 167 Abs. 1 AO. Dabei kann die ändernde Festsetzung erneut unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen.1118 Anders als bei einer anfänglichen Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 AO durch das Finanzamt selbst1119 muss das bei der erstmaligen Festsetzung unter Abweichung der als fingierter Steuerbescheid1120 gem. §§ 168 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 164 AO geltender Steueranmeldung, gem. §§ 164 Abs. 2, 167 Abs. 1 Satz 1 AO, ausdrücklich erfolgen.1121 Voraussetzung für einen dann originär gem. § 164 Abs. 1 1117 Baum in Koch/Scholtz, § 168, Rn. 7; v. Wedelstädt in Kühn/Wedelstädt, § 167, Rn. 4; so wohl auch vgl. BFH, Urt. v. 25.11.2004 – V R 4/04; BStBl. II 2005, 415 (419, B.2.a); auf die an sich überzeugende a.A. von Heuermann in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 168 AO (Nov. 2010), Rn. 10, wonach die Festsetzung gem. § 167 Abs. 1 Satz 1 AO eine umfassende Festsetzung, unter Verwerfung der Anmeldung, und damit nicht nur eine Änderung der Anmeldung ist, soll hier nicht eingegangen werden. Denn sie hat nur Auswirkungen auf die zu stellenden Anträge im finanzgerichtlichen Verfahren. Nach dieser Ansicht muss jedenfalls ein Reformationsantrag gegen die Festsetzung gem. § 167 AO statthaft sein. Nach der hier vertretenen Auffassung zur Statthaftigkeit des Reformationsantrages auch gegen den Änderungsbescheid (siehe dazu unten Teil III A.V.3.b)aa) Korrektur durch Reformationstenor bei Rechnungskorrektur vor Einspruchsentscheidung oder nach Rechtshängigkeit §§ 40 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, 100 Abs. 2 Satz 1 FGO) bleibt daher die Entscheidung gänzlich entbehrlich. 1118 BFH, Urt. v. 11.12.1996 – X R 228/93, BFH/NV 1997, 407 (407 f.); Beschl. v. 03.04.1997 – X B 124/96, BFH/NV 1997, 661 (661); Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 164 AO (Mär. 2013), Rn. 14a; Rüsken in Klein, § 164, Rn. 27 f.; Seer in Tipke/Kruse, § 164 AO (Mai 2014), Rn. 46. 1119 Der Vorbehalt der Nachprüfung einer Festsetzung durch das Finanzamt bleibt dann auch nach einem Änderungsbescheid aufrechterhalten, wenn er nicht ausdrücklich aufgehoben wird, BFH, Urt. v. 18.08.2009 – X R 8/09, BFH/NV 2010, 161 (162, II.2) m.w.N. 1120 Rüsken in Klein, § 168, Rn. 1 f.; Seer in Tipke/Kruse, § 168 AO (Mai 2014), Rn. 1. 1121 BFH, Urt. v. 02.12.1999 – V R 19/99, BStBl. II 2000, 284 (285 f., II.1.c) a.E.); v. 20.08.2009 – V R 25/08, BStBl. II 2010, 15 (17 f., II:3.b); Cöster in Pahlke/Koe-

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

AO angeordneten Vorbehalt der Nachprüfung ist einzig, dass der Steuerfall noch nicht abschließend geprüft ist.1122 Behauptet der Unternehmer daher gegenüber dem Finanzamt, er habe eine Rechnungskorrektur vom Leistungsempfänger erbeten, ist diese aber nicht erfolgt, kommt die Anordnung des Vorbehalts der Nachprüfung in Betracht. Denn das Finanzamt konnte diese noch nicht abschließend prüfen. Wird die Rechnung korrigiert, kann das nur rückwirkend gem. § 164 Abs. 2 AO berücksichtigt werden, wenn der Vorbehalt der Nachprüfung ausdrücklich angeordnet wurde. bb) Schlichter Antrag gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO Die Änderung von ohne Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerbescheiden1123 regeln die §§ 172 ff. AO.1124 Entspricht die Finanzbehörde dem Antrag auf Änderung eines Steuerbescheides oder stimmt der Steuerpflichtige einer Änderung – erfolgt diese zu seinen Gunsten, innerhalb der Rechtsbehelfsfrist – zu, so kann eine Änderung ohne weitere Voraussetzungen erfolgen. Erfolgt die Rechnungskorrektur nach einer ändernden Festsetzung gem. §§ 167 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 155 AO, kann der Unternehmer daher mit Hinweis auf die Korrektur die Änderung der Festsetzung beantragen. Da es sich aber hierbei um eine Änderung zu seinen Gunsten handelt, muss dies vor Bestandskraft der Festsetzung erfolgen.1125 Darin zeigt sich auch der wesentliche Nachteil des Antrages gem. § 172 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a AO. Anders, als wenn der Steuerpflichtige einen Einspruch erhebt, wird die Bestandskraft des Bescheides nicht gehemmt.1126 Der „schlichte“ Antrag hat daher kaum praktische Bedeutung.1127

nig, § 168, Rn. 9; Rüsken in Klein, § 168, Rn. 4; Seer in Tipke/Kruse, § 164 AO (Mai 2014), Rn. 22, § 168 (Mai 2014), Rn. 8. 1122 Seer in Tipke/Kruse, § 164 AO (Mai 2014), Rn. 12. 1123 Die ebenfalls ohne die Voraussetzungen der §§ 172 ff. AO gem. § 165 Abs. 3 Satz 1 AO jederzeit änderbaren vorläufig festsetzenden Steuerbescheiden gem. § 165 AO in diesem Zusammenhang unerheblich. 1124 V. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 172 –177 AO (Sep. 2012), Rn. 40 m.w.N.; ders. in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 175 AO (Sep. 2014), Rn. 41 m.w.N., 232; Loose in Tipke/Kruse, Vor § 172 AO (Aug. 2014), Rn. 27; Szymczak in Koch/Scholtz, Vor § 172, Rn. 4. 1125 Balmes in Kühn/Wedelstädt, § 172, Rn. 16 1126 Balmes in Kühn/Wedelstädt, § 172, Rn. 26; Szymczak in Koch/Scholtz, § 172, Rn. 16/1. 1127 V. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 172 AO (Mär. 2013), Rn. 101 ff.; Koenig in Pahlke/Koenig, § 172, Rn. 21; Loose in Tipke/Kruse, § 172 AO (Aug. 2014), Rn. 30; Rüsken in Klein, § 172, Rn. 50.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Seine wahre Bedeutung erlangt § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO im Rechtsbehelfsverfahren.1128 cc) Korrektur gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO Sofern ein rückwirkendes Ereignis eintritt, ist ein Steuerbescheid gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO rückwirkend zu ändern. Ein solches Ereignis liegt vor, wenn es steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat.1129 Das ist ein Ereignis, welches derart in die Vergangenheit wirkt, dass das Bedürfnis entsteht, den bereits abgeschlossenen Sachverhalt einer erneuten Bewertung unter Berücksichtigung dieses Ereignisses zu unterziehen.1130 Voraussetzung ist dabei zum einen, dass der bereits ergangene Steuerbescheid bis zum Eintritt des Ereignisses rechtmäßig war.1131 Für die hier behandelten Fälle der Rechnungskorrektur heißt das, dass § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nur für den Fall anwendbar ist, dass der Vorsteuerabzug aufgrund der fehlerhaften Rechnung durch einen die Anmeldung abändernden Bescheid gem. §§ 167 Abs. 1 Satz 1, 164 Abs. 2 Satz 1 AO, ohne ausdrückliche Anordnung des Vorbehalts der Nachprüfung,1132 versagt wurde. Weiter muss das Ereignis nachträglich, das meint nach Bestandskraft der Festsetzung gem. § 167 Abs. 1 Satz 1 AO, eintreten. Nur dann ist die Durchbrechung der Bestandskraft gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erforderlich.1133 Daher findet § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO keine Anwendung, wenn die Korrektur der Rechnung im Rechtsbehelfsverfahren gem. §§ 347 ff. AO, in dem sich der Steuerpflichtige gegen die Festsetzung gem. §§ 167 Abs. 1 Satz 1, 164 Abs. 2 AO wendet, erfolgt. Nur die Berücksichtigung der Rechnungskorrektur durch Änderung der bestands1128 Siehe dazu unten Teil III A.V.3.a)ee) Korrekturmöglichkeiten im Rechtsbehelfsverfahren; v.  Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 172–177 AO (Sep. 2012), Rn. 65 f.; ders. in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 172 AO (Mär. 2013), Rn. 38 f.; Loose in Tipke/Kruse, § 172 AO (Aug. 2014), Rn. 46 f.; vgl. auch ­Szymczak in Koch/Scholtz, § 172, Rn. 17. 1129 Loose in Tipke/Kruse, § 175 AO (Aug. 2014), Rn. 22, 26. 1130 BFH, Urt. v. 27.09.1988 – VIII R 432/83, BStBl. II 1989, 225 (228, II.3.e.bb); v. 12.07.1989 – X R 8/84, BStBl. II 1989, 957 (958, 1.a); v. 01.10.2003 – X R 67/01, BFH/NV 2004, 154 (155, II.3.b); v. 10.12.2008 – II R 55/07; BStBl. II, 2009, 473 (I.1.); v. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 175 AO (Sep. 2014), Rn. 221, 280; Loose in Tipke/Kruse, § 175 AO (Aug. 2014), Rn. 26; Rüsken in Klein, § 175, Rn. 50. 1131 BFH, Urt. v. 05.05.2011 – IV R 7/09, BFH/NV 2011, 2007 (2008 f., II.1.b., Rn. 19). 1132 Siehe dazu oben Teil III A.V.3.a)aa) Korrektur gem. § 164 Abs. 2 AO. 1133 BFH, Urt. v. 26.07.1984 – IV R 10/83, BStBl. II 1984, 786 (787); v. 10.07.2002 – I R 69/00, BFH/NV 2002, 1545 (1546, II.1.); Beschl. v. 19.07.1993 – GrS 2/92, BStBl. II 1993, 897 (901, II.1.c); v. 12.08.1997‑ IV B 98/96, BFH/NV 1998, 147 (147); Loose in Tipke/Kruse, § 175 AO (Aug. 2014), Rn. 23 m.w.N.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

kräftigen Festsetzung gem. § 167 Abs. 1 Satz 1 AO kann gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erfolgen. Allerdings bereitet § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nur den verfahrensrechtlichen Weg. Ob ein Ereignis ein rückwirkendes i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist und daher die Möglichkeit einer rückwirkenden Korrektur eröffnet, bestimmt sich allein nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht. Das ist dann der Fall, wenn, ausgehend vom materiellen Recht der Sachverhalt aufgrund des nachträglichen Ereignisses zwingend anders zu beurteilen ist, mithin die bisherige Behandlung des Falles sich nunmehr unter dem Eindruck des Ereignisses als rechtswidrig darstellt.1134 Damit steht der Qualifikation der erstmaligen Rechnungserteilung als rückwirkendes Ereignis die Wertung des Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL entgegen, der zufolge ein Steuerpflichtiger erst nach Erhalt einer Rechnung entlastungwürdig ist1135.1136 Da das UStG in unionsrechtskonformer Auslegung einer Rechnungskorrektur Rückwirkung beimisst,1137 kann daher eine Rechnungsberichtigung gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO im Besteuerungsverfahren berücksichtigt werden. Denn damit zwingt die nachträglich eintretende Eignung der Rechnung durch die Korrektur zur Neubeurteilung der Vorsteuerabzugsberechtigung zum Zeitpunkt der erstmaligen Ausübung mit unerkannt untauglicher Rechnung. dd) Die zeitlichen Grenzen der rückwirkenden Berichtigung Sowohl die Korrektur gem. § 164 Abs. 2 AO, als auch die Korrektur gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO kann nur bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist erfolgen.

1134 BFH Urt. v. 12.07.1989 – X R 8/84, BStBl. II 1989, 957 (958, 1.a. der Gründe); v. 04.03.1993 – IV R 110/92, BStBl. II 1993, 788 (790, 2. der Gründe); Beschl. v. 19.07.1993 – GrS 2/92, BStBl. II 1993, 897 (901, II.1.c); Urt. v. 19.08.2003 – VIII R 67/02, BStBl. II 2004, 107 (109); v. 19.04.2005 – VIII R 68/04, BStBl. II 2005, 762 (765); v. 14.06.2005 – VIII R 14/04, BStBl. II 2006, 15 (16); v. 30.09.2008 – VI R 67/05, BStBl. II 2009, 282; v.  Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 175 AO (Sep. 2014), Rn. 280; Loose in Tipke/Kruse, § 175 AO (Aug. 2014), Rn. 22; Seer in Tipke/Lang, § 21, Rn. 439. 1135 S.o. Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall. 1136 So, kritisch zur Rechtsprechung des EuGH, ohne aber auf die Argumentation des EuGH, in Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:​ 2004:268, Rn. 35 f., einzugehen, v.  Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 175 AO (Sep. 2014), Rn. 267, 350. 1137 S.o. Teil III A.V.2 Möglichkeiten zur rückwirkenden Korrektur nach materiellem deutschen Steuerrecht.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Für die Änderung gem. § 164 Abs. 2 AO ergibt sich das aus § 164 Abs. 4 Satz 1 AO. Demnach entfällt der Vorbehalt der Nachprüfung spätestens mit Ablauf der Festsetzungsfrist. Gem. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine Änderung nach den §§ 172 ff. AO nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist.1138 (1) Rückwirkende Berichtigung nur innerhalb der Festsetzungsfrist Die Festsetzungsfrist beträgt für die Umsatzsteuer gem. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre.1139 Sie beginnt für die Fälle der Korrektur gem. § 164 Abs. 2 AO1140 mit Ablauf desjenigen Kalenderjahres, in dem der Steuerpflichtige seine Voranmeldung gem. § 18 Abs. 1 UStG abgegeben hat, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO.1141 Um die Frist in Gang zu setzen, muss die Anmeldung nicht inhaltlich korrekt sein. Es genügt, wenn die der der Finanzverwaltung lediglich ermöglicht, die Veranlagung einzuleiten.1142 Daher setzt auch eine Jahresanmeldung den Lauf der Festsetzungsfrist in Gang, wenn diese, entgegen § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG, Vorsteuerbeträge ohne taugliche Rechnung berücksichtigt. Im Falle der Korrektur gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO1143 beginnt die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf desjenigen Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist, § 175 Abs. 1 Satz 2 AO.1144 Mit Ablauf desjenigen Jahres, in dem die Rechnung korrigiert wurde, bleiben daher vier Jahre zur Korrektur.

1138 V. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 175 AO (Sep. 2014), Rn. 51 i.V.m. 54; Loose in Tipke/Kruse, § 175 AO (Aug. 2014), Rn. 56. 1139 Es handelt sich bei der Umsatzsteuer trotz ihres Besteuerungsziels, nicht um eine Verbrauchsteuer i.S.v. § 169 II Nr. 1 AO. Ausschlaggebend für die Qualifikation i.R.v. § 169 Abs. 2 AO ist nicht das Besteuerungsziel, sondern deren Erhebungstechnik. Die Umsatzsteuer wird als Verkehrsteuer erhoben. Weiter wird in einem auf erschöpfende Sachverhaltsermittlung angelegten Veranlagungsverfahren festgesetzt, und nicht, verbrauchsteuertypisch, nur aufgrund summarischer Prüfung erhoben. Bei der Umsatzsteuer handelt es sich daher nicht um eine Verbrauchsteuer i.S.v. § 169 Abs. 2 Nr. 1 AO; BFH, Beschl. v. 16.10.1986 – V B 64/86, BStBl. II 1987, 95 (96 f.); Urt. v. 12.05.2005 – V R 44/04; BFH/NV 2005, 2046 (2046 f.); Bannizka in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 169 AO (Aug. 2010), Rn. 27 f.; Kruse in Tipke/Kruse, § 169 AO (Feb. 2011), Rn. 5. 1140 S.o. Teil III A.V.3.a)aa) Korrektur gem. § 164 Abs. 2 AO. 1141 Vgl. Bannizka in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 170 AO (Aug. 2010), Rn. 23, 27. 1142 BFH, Beschl. v. 22.01.1997 – II B 40/96, BStBl. II 1997, 266 (268); Urt. v. 14.01.1998 – X R 84/95, BStBl. II 1999, 203 (204 f.); Kruse in Tipke/Kruse, § 170 AO (Mai 2011), Rn. 12. 1143 S.o. Teil III A.V.3.a)cc) Korrektur gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. 1144 V. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 175 AO (Sep. 2014), Rn. 410; Loose in Tipke/Kruse, § 175 AO (Aug. 2014), Rn. 56.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

(2) Relevante Hemmungen des Festsetzungsfristablaufs Nicht in jedem Fall läuft die Festsetzungsfrist aber nach vier Jahren ab. Der Ablauf wird für bestimmte Fälle gehemmt, § 171 AO. Von besonderer Bedeutung für die Rechnungskorrektur sind § 171 Abs. 3 – Abs. 4 und Abs. 9 AO. (a) Ablaufhemmung durch Anzeige der Fehlerhaftigkeit einer ­Steuererklärung, §§ 153, 171 Abs. 9 AO Eine Ablaufhemmung folgt aus einer Anzeige gem. §§ 153, 171 Abs. 9 AO. Der Steuerpflichtige hat, wenn er erkennt, dass seine Steuererklärung falsch war und zu einer Steuerverkürzung geführt hat, dies unverzüglich1145 anzuzeigen und im Anschluss daran, die Erklärung zu korrigieren, § 153 AO. Die Berichtigung der Steuererklärung hat nicht unverzüglich zu erfolgen.1146 Vielmehr ist dem Steuerpflichtigen hierfür eine angemessene Frist einzuräumen.1147 Erkennt daher der Steuerpflichtige, ohne Hinweis des Finanzamtes,1148 ggf. durch einen Hinweis des Rechnungserstellers, die Mangelhaftigkeit der Rechnung, hat er dies der Finanzbehörde unverzüglich anzuzeigen, § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Denn sofern darin Vorsteuerbeträge ohne taugliche Rechnung berücksichtigt wurden, war die Anmeldung unrichtig. In diesem Umfang wurde, jedenfalls ohne Rechnungskorrektur, Umsatzsteuer verkürzt. Die Festsetzungsfrist läuft nicht vor Ablauf des auf die Anzeige folgenden Jahres ab, § 170 Abs. 9 AO. Zur Korrektur der Anmeldung wird das Finanzamt dem Steuerpflichtigen eine Frist einräumen. Damit verlängert sich die Dauer des Vorbehalts der Nachprüfung, vgl. § 164 Abs. 4 Satz 2 AO, und mit ihm die Möglichkeit einer Korrektur gem. § 164 Abs. 2 AO.1149 Gelingt die Korrektur der Rechnung innerhalb dieser Frist, entfällt die Notwendigkeit der Berichtigung. Unerheblich ist die Regelung des § 171 Abs. 9 AO daher, wenn der Rechnungsersteller die Rechnung ohne vorherigen Hinweis gegenüber dem Rechnungsempfänger direkt korrigiert. Denn in diesem Fall tritt mit Kenntnis von der ursprünglichen Fehlerhaftigkeit der Anmeldung gleich1145 Entsprechend § 121 BGB ohne schuldhaftes Zögern, Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 153 AO (Apr. 2014), Rn. 15; Rätke in Klein, § 153, Rn. 20. 1146 Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 153 AO (Apr. 2014), Rn. 15. 1147 Cöster in Pahlke/Koenig, § 153, Rn. 6; vgl. Rätke in Klein, § 153, Rn. 20 und Tormöhlen, AO-StB 2010, 141, (144); vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/­ Spitaler, § 153 AO (Apr. 2014), Rn. 15. 1148 Vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 153 AO (Apr. 2014), Rn. 14. 1149 Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 171 AO (Jun. 2011), Rn. 190.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

zeitig die rückwirkende Heilung des Rechnungsmangels ein. Die Anzeigeverpflichtung entfällt damit eine juristisch logische Sekunde nach ihrer Entstehung wieder. Unmittelbar entfällt die Erforderlichkeit der Berichtigung der Anmeldung. Einer Anzeige und einer Hemmung der Festsetzungsfirst bedarf es auch nicht, um dem Finanzamt die Kontrolle der Rechnungskorrektur zu ermöglichen.1150 Denn nach Korrektur der Rechnung zwischen den Unternehmern ergibt sich keine erhöhte Kon­ trollbedürftigkeit. Genau wie im Fall der ursprünglich korrekten Rechnung obliegt es allein dem Unternehmer, die Tauglichkeit der nunmehr berichtigten Rechnung zu bewerten. Kommt dieser zu dem Ergebnis, dass die Rechnung jedenfalls jetzt zum Vorsteuerabzug berechtigt, ist daher dem Finanzamt nichts anzuzeigen. Mit Entfall der Kontrollbedürftigkeit bedarf es daher auch der Hemmung des § 171 Abs. 9 AO nicht. Denn diese soll dem Finanzamt gerade nur die Bewertung der neuen und materiell-rechtlich relevanten Erkenntnisse ermöglichen.1151 Erheblich ist die Regelung des § 153 AO daher nur für die Fälle, in denen eine Korrekturmöglichkeit nach § 164 Abs. 2 AO besteht und der Unternehmer die Fehlerhaftigkeit der Rechnung erkennt, ohne dass diese zugleich korrigiert wird. Denn die Pflicht gem. § 153 AO besteht nur während der Festsetzungsfrist.1152 Auf die Korrekturmöglichkeit gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO hat sie keine Auswirkungen. So setzt das rückwirkende Ereignis, nicht die Kenntnis von dessen Eintritt, die vierjährige Festsetzungsfrist in Gang, § 175 Abs. 1 Satz 2 AO. Die Korrektur der Rechnung – als rückwirkendes Ereignis –1153, nicht die Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der ursprünglichen Rechnung, markiert den Beginn vierjährige Festsetzungsfrist. Die Pflicht gem. § 153 AO entsteht daher nicht nach dem Anlauf der gem. § 175 Abs. 1 Satz 2 AO laufenden Festsetzungsfrist. Doch selbst wenn man eine Anzeigepflicht erkennt, kann es zu einer Hemmung der Festsetzungsfrist für eine Änderung gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht kommen. Denn mit der Rechnungskor­ rektur beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist. § 171 Abs. 9 AO ermöglicht aber lediglich eine einjährige Hemmung des Fristablaufs. Zudem wird auch eine aus anderen Gründen laufende Festsetzungsfrist nicht 1150 Vgl. zu diesem Zweck der Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 11 AO im Falle der Anzeige gem. § 153 AO Rätke in Klein, § 153, Rn. 1. 1151 Vgl. BFH, Beschl. v. 10.06.2005 – VIII B 324/03, BFH/NV 2005, 2149 (2149); ­Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 171 AO (Jun. 2011), Rn. 188; Rüsken in Klein, § 171, Rn. 93. 1152 Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 153 AO (Apr. 2014), Rn. 14. 1153 S.o. Teil III A.V.3.a)cc) Ablaufhemmung durch Anzeige der Fehlerhaftigkeit einer Steuererklärung, §§ 153, 171 Abs. 9 AO.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

gehemmt, da die Hemmung gem. § 171 Abs. 9 AO nur den Steueran­ spruch erfasst, der auf dem offenbarten Steuersachverhalt beruht.1154 Auch hier bedarf es der Ablaufhemmung nicht, da dem Finanzamt zur Berücksichtigung der offenbarten Tatsachen kein weiteres Jahr eingeräumt werden muss.1155 (b) Ablaufhemmung durch Antrag auf Änderung der Festsetzung außerhalb des Rechtsbehelfsverfahrens, § 171 Abs. 3 AO Ist die Behandlung einer Rechnungsberichtigung zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt strittig, besteht ebenfalls die Möglichkeit einer Hemmung gem. § 171 Abs. 3 f. AO. Zu einer Hemmung kommt es tatsächlich aber nur, wenn die Rechnungskorrektur Gegenstand eines Rechtsbehelfsverfahrens wird, der einfache Antrag auf Änderung gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Hs. 2 Var. 2 AO vor Ablauf der Einspruchsfrist oder der Antrag auf Änderung gem. § 164 Abs. 2 AO gestellt wird. Ein Antrag auf Änderung einer Festsetzung hemmt, wenn er außerhalb des Rechtsbehelfsverfahrens gestellt wird, den Ablauf der Festsetzungsfrist bis zur unanfechtbaren Entscheidung über den Antrag, soweit der Antrag, reicht,1156 § 171 Abs. 3 AO. Daher kommt es auch zu einer Hemmung durch den einfachen Antrag gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Hs. 2 Var. 2 AO.1157 Die Hemmung tritt aber nicht in Fällen der Änderung gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ein.1158 In diesen Fällen läuft bereits eine eigene, vierjährige Frist zur Festsetzung gem. § 175 Abs. 1 Satz 2 AO an. Die Hemmung einer unabhängig davon noch laufenden Festsetzungsverjährung gem. § 171 Abs. 3 AO liefe daher weitgehend leer. Der Anwendungsbereich ist daher auch eröffnet, wenn die Finanzverwaltung, unter ausdrücklicher1159 Anordnung des Vorbehalts der Nachprüfung, 1154 BFH, Beschl. v. 10.06.2005 – VIII B 324/03, BFH/NV 2005, 2149 (2149). 1155 Vgl. BFH, Beschl. v. 10.06.2005 – VIII B 324/03, BFH/NV 2005, 2149 (2149); ­Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 171 AO (Jun. 2011), Rn. 188; Rüsken in Klein, § 171, Rn. 93. 1156 U.a. BFH, Urt. v. 05.02.1992 – I R 76/91, BStBl. II 1992, 995 (997); v. 30.07.1997 – II R 9/95, BStBl. II 1997, 635 (638; A.c.); v. 12.12.2000 – VIII R 12/00, BStBl. II 2001, 218 (220; 2.b.aa.); Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 171 AO (Jun. 2011), Rn. 42 f.; Kruse in Tipke/Kruse, § 171 AO (Jan. 2012), Rn. 15; Rüsken in Klein, § 171, Rn. 18. 1157 Teil III A.V.3.a)aa) Schlichter Antrag gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO. 1158 Vgl. Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 171 AO (Jun. 2011), Rn. 26; Kruse in Tipke/Kruse, § 171 AO (Jan. 2012), Rn. 11. 1159 Der durch die Steueranmeldung bedingte Vorbehalt der Nachprüfung bleibt, im Gegensatz zur Anordnung des Vorbehalts der Nachprüfung durch die Finanzbe-

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

noch vor Korrektur der Rechnung, die Steuer in Abweichung von der Anmeldung des Unternehmers, gem. §§ 167 Abs. 1 Satz 1, 155, 164 Abs. 2 AO, festsetzt. Mit der Korrektur der Rechnung – nur dann hat ein Antrag auf Änderung Aussicht auf Erfolg – findet § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO – für den § 171 Abs. 3 AO nicht gilt – aufgrund des Vorbehalts der Nachprüfung keine Anwendung.1160 Denn dann hat die Finanzverwaltung, auch ohne Antrag den Steuerbescheid zu ändern.1161 Auf die Regelung des § 171 Abs. 3 AO kommt es daher nicht an. (c) Ablaufhemmung durch Rechtsbehelfsverfahren, § 171Abs. 3a AO Legt der Unternehmer gegen die Festsetzung Einspruch ein und erhebt ggf. in der Folge Klage, so wird der Ablauf der Festsetzungsverjährung bis zur Unanfechtbarkeit der Einspruchsentscheidung bzw. Rechtskraft des Urteils gehemmt, § 171 Abs. 3a AO. Das gilt, anders als im Fall des § 171 Abs. 3 AO, auch für Fälle, in denen die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen ist,1162 § 171 Abs. 3a Satz 1 Hs. 2 AO.1163 Sie ermöglicht daher eine Änderung im Steuerverwaltungsverfahren gem. §§ 164 f., 172 ff. AO über die Festsetzungsfrist hinaus. Keine Anwendung findet daher § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Denn ein Ereignis, welches im, durch das Rechtsbehelfsverfahren verlängerte Steuerverwaltungsverfahren eintritt, kein ist kein nachträgliches i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist.1164 Legt der Unternehmer daher im Streit mit der Finanzverwaltung über den Vorsteuerabzug nach einer Rechnungskorrektur Einspruch ein und erhebt ggf. Klage, so bestimmt sich der zeitliche Umfang der Sachverhaltsermittlung ggf. über die Festsetzungsfrist hinaus nach der Dauer des Rechtsbehelfsverfahrens. ee) Korrekturmöglichkeiten im Rechtsbehelfsverfahren Das Einspruchsverfahren gem. §§ 347 ff. AO setzt als außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren das Veranlagungsverfahren fort1165. Es ist ein Verhörde, bei erstmaliger, von der Anmeldung abweichender Festsetzung, nicht bestehen. S.o. Teil III A.V.3.a)aa) Korrektur gem. § 164 Abs. 2 AO. 1160 V. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 172–177 AO (Sep. 2012), Rn. 37. 1161 Loose in Tipke/Kruse, § 175 AO (Aug. 2014), Rn. 54. 1162 BT-Drs. VI/1982, S. 151; Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 171 AO (Jun. 2011), Rn. 53; Kruse in Tipke/Kruse, § 171 AO (Jan. 2012), Rn. 24. 1163 Vgl. BFH, Urt. v. 19.12.1985 – V R 167/82, BStBl. II 1986, 420 (424, II.2.b.). 1164 Loose in Tipke/Kruse, § 175 AO (Aug. 2014), Rn. 23. 1165 BFH, Beschl. v. 20.07.2007 – VIII B 8/06, BFH/NV 2007, 2070 (2070 f.); Seer in Tipke/Kruse, § 365 AO (Mai 2015), Rn. 1; ders. in Tipke/Lang, § 22, Rn. 33; Stolterfoth, DStJG 18, S. 77 (98 ff.).

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waltungsverfahren.1166 Die Korrekturmöglichkeiten im Einspruchsverfahren durch Einspruchsbescheid richten sich daher nach den Möglichkeiten des Veranlagungsverfahrens, §§ 132, 365 Abs. 1 AO.1167 Wird dem Begehren des Einspruchsführers in der Sache durch Änderung des angegriffenen Bescheides nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO1168 – vollumfänglich – abgeholfen, erledigt sich das Verfahren in der Hauptsache.1169 Eines Einspruchsbescheides bedarf es dann insofern nicht, § 367 Abs. 2 Satz 3 AO.1170 Ergeht ein Einspruchsbescheid, kann er ebenfalls gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO bis zu dessen Unanfechtbarkeit geändert werden. Mit der Änderung im Sinne des Steuerpflichtigen erledigt sich das Einspruchsverfahren, eine Klage ist nicht erforderlich.1171 Die Überprüfung ist nicht auf die vom Einspruchsführer vorgebrachten Tatsachen beschränkt. Der Einspruch gibt vielmehr nur den Anstoß zur vollumfänglichen Überprüfung des Steuerfalles.1172 Spiegelbildlich hat die Finanzbehörde dabei vollumfänglich, wie im Verwaltungsverfahren, den Sachverhalt aufzuklären.1173 Wird, wie im Falle der Beibringung einer Rechnung zum Vorsteuerabzug, die Pflicht zur Sachverhaltsermittlung durch Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen ergänzt, heißt das, dass vom Steuerpflichtigen beigebrachte Tatsachen, wie im Veranlagungsverfahren, zu berücksichtigen sind. Eine Rechnungsberichtigung 1166 Tappe in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor § 347 AO (Nov. 2014), Rn. 8; Seer in Tipke/Kruse, Vor § 347 AO (Mai 2015), Rn. 17 f.; ders. in Tipke/Lang, § 22, Rn. 9. 1167 Seer in Tipke/Kruse, § 367 AO (Mai 2015), Rn. 12, 35; ders. in Tipke/Kruse, § 365 AO (Mai 2015), Rn. 2, 12, 20 ff. 1168 Dass ein Verwaltungsakt vor Eintritt der Bestandskraft im Rechtsbehelfsverfahren, auch ohne Rückgriff auf die Regelungen zur Durchbrechung der Bestandskraft gem. §§ 172 ff. AO, geändert werden kann, und § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO daher nur deklaratorisch ist, soll hier, da im Ergebnis unerheblich, nur am Rande erwähnt werden. Siehe dazu v. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 172–177 AO (Sep. 2012), Rn. 65 f.; ders. in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 172 AO (Mär. 2013), Rn. 38 f.; Loose in Tipke/Kruse, § 172 AO (Aug. 2014), Rn. 6, 46 f. 1169 Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 367 AO (Mär. 2008), Rn. 333, 338 ff.; Seer in Tipke/Kruse, § 365 AO (Mai 2015), Rn. 27; ders. in Tipke/Kruse, § 367 AO (Mai 2015), Rn. 38. 1170 Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 367 AO (Mär. 2008), Rn. 301; Seer in Tipke/Kruse, § 367 AO (Mai 2015), Rn. 35; ders. in Tipke/Lang, § 22, Rn. 47. 1171 Loose in Tipke/Kruse, § 172 AO (Aug. 2014), Rn. 37, 46 f.; vgl. Bilsdorfer/Morsch, BB 2008, 2610, (2610); Seer in Tipke/Lang, § 21, Rn. 400. 1172 Stolterfoth, DStJG 18, S. 77 (88 f.). 1173 U.a. BFH, Urt. v. 28.11.1989 – VII R 40/84, BStBl. II 1990, 561 (563); Beschl. v. 24.10.1995 – III B 171/93, BFH/NV 1996, 289 (289 f.); v. 10.09.1997 – VIII B 55/96, BFH/NV 1998, 282 (282 f.); Hartke in Kühn/Wedelstädt, § 367, Rn. 12; Seer in Tipke/Lang, § 22, Rn. 33.

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hat die Finanzbehörde daher im Einspruchsverfahren ebenso zu berücksichtigen, wie während des Veranlagungsverfahrens. (1) Zeitliche Beschränkung der Sachverhaltsermittlung durch § 364b AO Allerdings kann das Finanzamt die Zeitspanne, innerhalb der sie bereits vorliegende Tatsachen zu berücksichtigen hat, im Rechtsbehelfsverfahren beschränken. So kann gem. § 364b Abs. 1 AO eine Frist zur Angabe von Tatsachen (Nr. 1) bzw. die Vorlage von Urkunden (Nr. 3), auf die der Steuerpflichtige seinen Einspruch stützt, gesetzt werden. Nach Ablauf der Frist, sind diese – zwingend –1174 für die Einspruchsentscheidung nicht mehr zu berücksichtigen, § 364b Abs. 2 Satz 1 AO. Dem Steuerpflichtigen bleibt nur noch der Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 110 AO.1175 Die Einspruchsentscheidung ergeht nach Lage der Akten. Diese Wirkung hat die Fristsetzung nur innerhalb des Einspruchsverfahrens; die Präklusion gem. § 364b Abs. 2 Satz 1 AO schließt die Berücksichtigung außerhalb des Einspruchsverfahrens nicht aus.1176 Der präkludierte Umstand kann daher nur noch mittels Änderung des Einspruchsbescheides berücksichtigt werden. Erfolgt diese Änderung nach § 164 Abs. 2 AO, ist Voraussetzung, dass der Einspruchsbescheid ausdrücklich – der Vorbehalt bleibt, anders als bei der schlichten Änderung1177 nicht ohne ausdrückliche Änderung bestehen –1178 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergeht. Betrifft die Präklusion ein materiell-rechtlich rückwirkendes Ereignis, welches bereits während des Einspruchsverfahrens eingetreten ist, scheidet eine Änderung gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aus. Denn dann ist dieses nicht nachträglich, mithin nach Erlass des Einspruchsbescheides eingetreten und bekannt geworden, sondern hätte schon im Verfahren verwertet werden können. Die Notwendigkeit, zugunsten der materiellen Richtigkeit die Bestandkraft nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu durchbrechen, besteht dann nicht.1179 Auch die Rücknahme nach Be1174 Pahlke in Pahlke/Koenig, § 364b, Rn. 31; Seer in Tipke/Kruse, § 364b AO (Mai 2015), Rn. 33; ders. in Tipke/Lang, § 22, Rn. 39; Szymczak in Koch/Scholtz, § 364b, Rn. 12. 1175 Pahlke in Pahlke/Koenig, § 364b, Rn. 33 f.; Seer in Tipke/Kruse, § 364b AO (Mai 2015), Rn. 34; Szymczak in Koch/Scholtz, § 364b, Rn. 15. 1176 Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 364b AO (Mär. 2013), Rn. 185. 1177 BFH, Urt. v. 18.08.2009 – X R 8/09, BFH/NV 2010, 161 (162, II.2) m.w.N. 1178 Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 367 AO (Mär. 2008), Rn. 240. 1179 BFH, Beschl. v. 13.05.2005 – VIII B 205/03, BFH/NV 2005, 1741 (1741); vgl. BFH, Urt. v. 26.07.1984 – IV R 10/83, BStBl. II 1984, 786 (787); v. 21.04.1988 – IV R 215/85, BStBl. II 1988, 863 (864); Beschl. v. 19.07.1993 – GrS 2/92, BStBl. II 1993, 897 (900 f.); v. 12.08.1997 – IV B 98/96, BFH/NV 1998, 147 (147) und

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

standskraft des Einspruchsbescheides nach § 130 Abs. 1 AO, bzw. der Widerruf nach § 131 Abs. 1 AO ist kein rückwirkendes Ereignis, welches die Berücksichtigung der präkludierten Tatsachen oder Beweismittel gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zulassen würde.1180 Materiell-rechtlich betrachtet rückwirkenden Ereignisse, welche vor Fristablauf eintreten, sind daher endgültig nicht mehr zu beachten. (2) Nur begrenzte Bedeutung des § 364b AO für die Rechnungskorrektur Für den endgültigen Ausschluss der Berücksichtigungsfähigkeit einer Rechnungskorrektur hat daher die Regelung des § 364b AO nur begrenzte Bedeutung. Den Zeitraum, bis zu dem eine Rechnungsberichtigung mit Rückwirkung auf die ursprüngliche Rechnungserstellung vorgenommen werden kann, kann das Finanzamt damit gar nicht beschränken. § 364b Abs. 1 AO dient nur dazu, zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung,1181 den Steuerpflichtigen zur Erfüllung seiner bestehenden Mitwirkungspflicht bei der Sachverhaltsaufklärung gem. §§ 90 ff. AO anzuhalten, ohne neue Pflichten zu schaffen.1182 Die Mitwirkungspflicht, zu deren Erfüllung § 364b Abs. 1 Nr. 1 AO anhält, ist die generelle – gem. § 365 Abs. 1 AO auch im Einspruchsverfahren geltende – Verpflichtung des Steuerpflichtigen nach §§ 90, 93 Abs. 1 Satz 1 AO, die für die Besteuerung relevanten Tatsachen offenzulegen1183. Eine Fristsetzung ermöglicht § 364b Abs. 1 Nr. 1 AO nur für die Benennung derjenigen Tatsachen, deren Beachtung- oder Nichtbeachtung den Steuerpflichtigen nach seiner Ansicht beschweren. Sie ergänzt damit § 357 Abs. 3 AO, demzufolge eine Einspruchsbegründung nicht obligatorisch ist und gibt dem Einspruchsführer die Begründung seines Einspruches auf.1184 Voraussetzung ist dabei, dass diese Tatsachen bereits vorliegen.

v. 04.11.1998 – IV B 146/97, BFH/NV 1999, 589 (590), betr. ein vor Aufhebung des Vorbehalts eingetretenes rückwirkendes Ereignis; Loose in Tipke/Kruse, § 175 AO (Aug. 2014), Rn. 23. 1180 Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 364b AO (Mär. 2013), Rn. 131. 1181 Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 364b AO (Mär. 2013), Rn. 21; Seer in Tipke/Kruse, § 364b AO (Mai 2015), Rn. 3. 1182 Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 364b AO (Mär. 2013), Rn. 3; Seer in Tipke/Kruse, § 364b AO (Mai 2015), Rn. 8. 1183 Seer in Tipke/Kruse, § 90 AO (Aug. 2013), Rn. 3, § 93 AO (Mai 2013), Rn. 6. 1184 Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 364b AO (Mär. 2013), Rn. 35; Brockmeyer in Klein, § 364b, Rn. 3; Seer in Tipke/Kruse, § 364b AO (Mai 2015), Rn. 11.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Für die rückwirkende Berücksichtigung einer Rechnungsberichtigung ist die Tatsache, deren Nichtbeachtung den Steuerpflichtigen beschwert, das Vorliegen eben dieser Rechnungsberichtigung. Wirkung entfaltet die Fristsetzung gem. § 364 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nur in seltenen Konstellationen. Wurde dem Finanzamt eine bereits vorgenommene Rechnungskorrektur noch nicht mitgeteilt, kann der Unternehmer daher nach § 364 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO dazu angehalten werden, diese dem Finanzamt mitzuteilen. Versäumt er diese Frist, ist auch die Beachtung nach Ergehen des Einspruchsbescheides gem. § 175 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO nicht mehr möglich, da ein rückwirkendes Ereignis nicht vorliegt. Keine Frist kann dem Steuerpflichtigen gesetzt werden, wenn einzig die Tauglichkeit der Rechnungskorrektur zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt streitig ist. Denn dann kennt das Finanzamt bereits alle relevanten Tatsachen, nur deren rechtliche Bewertung steht im Streit. Die Gefahr, durch Nachschieben von Tatsachen im Rechtsbehelfsverfahren unter Umgehung der Mitwirkungsverpflichtung, welcher § 364b AO begegnen will,1185 besteht dann nicht. Zu rechtlichen Ausführungen betreffend die Tauglichkeit der Rechnungskorrektur kann der Steuerpflichtige daher nicht angehalten werden.1186 Ist die Korrektur noch nicht erfolgt, geht die Fristsetzung gem. § 364b Abs. 1 Nr. 1 AO ins Leere. Gleiches gilt für die Präklusion von Beweismitteln gem. § 364b Abs. 1 Nr. 3 AO. Behauptet der Unternehmer die Rechnungskorrektur, hat er diese auf Verlangen durch Vorlage des Korrekturdokuments nachzuweisen, §§ 365 Abs. 1 i.V.m. 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 AO. Hierzu kann nach § 364b Abs. 1 Nr. 3 AO eine Frist gesetzt werden.1187 Der Berücksichtigung einer nach Fristablauf vorgenommenen Rechnungskorrektur, bzw. einer erst nach Fristablauf vorgelegten Korrekturrechnung als Beweis der ersteren steht § 364b Abs. 2 Satz 1 AO somit nicht entgegen. § 364b AO ermöglicht es daher dem Finanzamt nicht, einen Zeitpunkt zu bestimmen, bis zu dem eine Rechnungskorrektur mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Ausübung des Vorsteuerabzuges vorzunehmen ist. Auch ermöglicht § 364b AO dem Finanzamt nicht, 1185 Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 364b AO (Mär. 2013), Rn. 28 ff. 1186 Vgl. Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 364b AO (Mär. 2013), Rn. 50. 1187 Vgl. Brockmeyer in Klein, § 364b, Rn. 6.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

dem Unternehmer eine Frist zu setzen, innerhalb derer er sich um eine Korrektur bemühen muss. Das wäre auch unbillig, da die Rechnungskorrektur nicht vom Einspruchsführer, sondern von Rechnungsersteller zu leisten ist. Nur wenn diese Abhängigkeit vom Rechnungsersteller nicht besteht, kann die Regelung des § 364b Abs. 1 Nr. 1 und 3 AO für die Beachtlichkeit einer erst nach Fristablauf erfolgten Rechnungskorrektur von Be­ deutung sein. Das ist dann der Fall, wenn nach dem hier vertretenen Ansatz1188 dem Einspruchsführer erlaubt wird, eine Rechnung mittels Gutschrift ohne Mitwirkung des Rechnungserstellers zu korrigieren. Diese Möglichkeit setzt voraus, dass der Rechnungsempfänger entweder die Zustimmung zur Korrekturgutschrift verweigert,1189 nicht mehr existiert1190 oder die erforderlichen Daten nicht liefert1191. Nur wenn diese Umstände vorliegen, kann dem Unternehmer die Korrektur der Rechnung mittels selbst erstellter Gutschrift erlaubt werden. Ihre Berücksichtigungsfähigkeit ist daher die Voraussetzung für die Akzeptanz einer Korrektur mittels Gutschrift. Erfährt der Unternehmer bis Fristablauf von der Verweigerung der Zustimmung zur Gutschrift oder der Weigerung die erforderlichen Daten zu liefern, bzw. dass der Rechnungsersteller nicht mehr existiert, muss er diese Umstände bis zum Fristablauf mitteilen. Nur dann kann ihm im Einspruchsverfahren die Korrektur der Rechnung mittels Gutschrift, im jeweils zumutbaren Umfang,1192 gestattet werden. Folgt man dem hier vertretenen Ansatz einer möglichen Korrekturgutschrift ohne Mitwirkung des Rechnungserstellers nicht, wird das Finanzamt, wenn es von der Weigerung des Rechnungserstellers erfährt, das Verfahren bis zur Durchsetzung des Anspruches auf Rechnungsberichtigung gem. § 363 Abs. 1 AO aussetzen müssen.1193 Das i.R.v. § 363 Abs. 1 AO fragliche Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen die Entscheidung abhängt, ist der Anspruch des Unternehmers auf eine korrigierte Rech1188 S.o. Teil III A.IV.5 Rechnungskorrektur ohne Mitwirkung des Rechnungserstellers. 1189 S.o. Teil III A.IV.5.a) Rechnungsberichtigung durch Gutschrift ohne Zustimmung des Rechnungserstellers. 1190 S.o. Teil III A.IV.5.b) Gutschrift bei Wegfall des Rechnungserstellers. 1191 S.o. Teil III A.IV.5.c) Gutschrift bei Unwilligkeit des Rechnungserstellers. 1192 S.o. Teil III A.IV.5.c)dd)(4) Konsequenz – Verzicht auf mitwirkungsbedürftige Korrekturgutschrift. 1193 Vgl. o. Teil III A.IV.5.c)dd) Verfahrensmöglichkeiten bei unwilligem Rechnungsersteller.

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nung. Dabei hängt tatsächlich die Entscheidung über den Vorsteuerabzug nicht vom Anspruch auf eine Rechnungskorrektur, sondern von der Vornahme der Rechnungskorrektur ab. Streng genommen ist der Gegenstand des Rechtsstreits mit dem Rechnungsempfänger daher nicht vorgreiflich für das Einspruchsverfahren i.S.v. § 363 Abs. 1 AO. Da das Urteil, oder spätestens dessen Vollstreckung gem. § 888 ZPO1194 zur Korrektur der Rechnung führt, kann das Bestehen des Anspruches auf Rechnungskorrektur die Entscheidung zumindest beeinflussen. Das genügt für die Vorgreiflichkeit i.S.v. § 363 Abs. 1 AO.1195 Ob eine Fristsetzung erfolgt, steht im Ermessen des Finanzamts. Für den Fall der Rechnungskorrektur ergeben sich keine Besonderheiten für die Ermessensentscheidung. Das Finanzamt hat im Rahmen des Entschließungsermessens den Zweck des baldigen Verfahrensabschlusses zu verfolgen. Insbesondere, wenn zu vermuten ist, dass der Unternehmer den Einspruch nur zum Zeitgewinn eingelegt hat, kann sie zu einer Beschleunigungsmaßnahme greifen.1196 Hat das Finanzamt Grund zur Annahme, dass der Unternehmer eine bereits erfolgte Rechnungskorrektur nicht mitteilt oder nicht nachweist, kann daher eine Frist gem. § 364b Abs. 1 AO gesetzt werden.

1194 Die Vollstreckung des auf Rechnungserteilung bzw. Rechnungskorrektur lautenden Titels bedarf der Vollstreckung gem. § 888 ZPO. Denn es handelt sich bei der Rechnungsstellung um eine, aus Gründen des Umsatzsteuerrechts, demzufolge grundsätzlich nur der Leistende zur Rechnungserstellung befugt ist, unvertretbare Handlung. Ein solcher Ausschluss der Vornahme der Handlung durch Dritte aus rechtlichen Gründen genügt, Becker-Eberhard in Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, § 71, Rn. 10; Brehm in Stein/Jonas, § 888, Rn. 4; Gruber in MüKo, ZPO, § 887, Rn. 9 und § 888, Rn. 2; Stöber in Zöller, § 888, Rn. 2. Zudem handelte es sich bei der Rechnungserstellung, bezogen auf bestimmte nur dem Leistenden erkennbare Umstände, um eine Handlung, welche bestimmte Kenntnisse des Schuldners voraussetzt; auch das vermag die Unvertretbarkeit der Handlung i.S.v. § 888 ZPO zu begründen; Becker-Eberhard in Gaul/Schilken, § 71, Rn. 11; Gruber in MüKo, ZPO, § 888, Rn. 2 f. 1195 Vgl. BFH, Beschl. v. 21.08.1986 – VI B 91/85, BFH/NV 1987, 43; v. 28.03.2007 – VIII B 50/06, BFH/NV 2007, 1337 (1338); v. 19.09.2007 – XI B 52/06, BFH/NV 2008, 63 (63); Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 363 AO (Jun. 2009), Rn. 82 ff. 1196 Aus der Gesetzesbegründung BT-Drs. 12/7427, S. 37; BFH, Urt. v. 19.03.1998 – V R 7/97, BStBl. II 1998, 399 (400, II.3); Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 364b AO (Mär. 2013), Rn. 66; Seer in Tipke/Kruse, § 364b AO (Mai 2015), Rn. 18.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

(3) Unionsrechtskonformität der Präklusionsregelung des § 364b Abs. 2 AO Den Steuerpflichtigen zum Bemühen um eine zügige Rechnungskorrektur durch drohenden endgültigen Verlust des Vorsteuerabzuges anzuhalten, ermöglicht § 364b AO nicht. Allerdings wird die Aberkennung des Vorsteuerabzuges durch den angegriffenen Bescheid, wenn bis zum Abschluss des Verfahrens keine Rechnungskorrektur erfolgt, im Einspruchsbescheid aufrecht erhalten werden. Eine danach erfolgte Rechnungs­ korrektur ist dann rückwirkend gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu berücksichtigen. Endgültig verliert er den Vorsteuerabzug nicht. Nur, wenn der Unternehmer eine ihm bekannte Rechnungskorrektur nicht dem Finanzamt meldet, kann sein Vorsteuerabzug endgültig entfallen. Einzig zur Benennung ihm bekannter Tatsachen kann der Unternehmer daher durch den drohenden Verlust einer Rechtsposition angehalten werden. Damit bleibt das deutsche Verfahrensrecht nur auf den ersten Blick hinter den Möglichkeiten, welche das Unionsrecht bietet, zurück. So ist es den Mitgliedstaaten zwar durchaus möglich, dem Steuerpflichtigen zur Sicherung der möglichst zeitnahen korrekten Besteuerung, die Erbringung von Nachweisen innerhalb bestimmter Fristen vorzugeben. Nach Ablauf dieser Fristen kann die materielle Rechtsposition aus Gründen der Rechtsicherheit und zur Sanktionierung des nachlässigen Steuerpflichtigen aberkannt werden.1197 Voraussetzung ist aber, dass den Finanzbehörden die für die Sicherung der korrekten Besteuerung nötigen Informationen, auch nach Ablauf der gesetzten Frist, fehlen. Ausreichend ist dagegen nicht, dass nur der Nachweis nicht in der hierfür – mitgliedstaatlich – bestimmten Form vorliegt.1198 Das gilt nach der hier vertretenen Ansicht1199 auch für die im Nachhinein als fehlerhaft erkannte, aber später korrigierte – unionsrechtlich geforderte – Rechnung. An die Vornahme einer Rechnungskorrektur allein darf die Finanzverwaltung daher eine materiell wirkende Ausschlussfrist nicht knüpfen, sofern die – unionsrechtlich verstandenen – materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges vorliegen und auch im zumutbaren Rahmen vom 1197 GA Kokott, Schlussantrag v. 11.01.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:12, Rn. 31; vgl. EuGH, Urt. v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:C:2000:145, Rn. 52 ff.; v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 44, 46. 1198 EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 64. 1199 S.o. Teil III A.IV.2.f)cc)(2) Rückwirkende Rechnungsberichtigung als Gebot der verhältnismäßigen Anwendung des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Rechnungsempfänger nachgewiesen wurden. Lediglich die Berufung auf eine dem Steuerpflichtigen bekannte, aber nicht innerhalb einer zur Verfahrensbeschleunigung gesetzten Frist mitgeteilte Rechnungskorrektur kann endgültig versagt und mit ihr der betroffene Vorsteuerabzug endgültig aberkannt werden. Dem widerspricht auch nicht der Grundsatz, wonach der Vorsteuerabzug bei Kenntnis der Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges nicht allein, weil eine korrekte Rechnung fehlt, aberkannt werden kann. Denn die zugrundeliegenden Urteile des EuGH betreffen allesamt Fälle, in denen der Steuerpflichtige der Nachweis der materiellen Voraussetzungen zwar gelungen war, aber eben nicht in der jeweils geforderten Form vorlag.1200 Der Steuerpflichtige, der eine Rechnungskorrektur nur nicht mitteilt, verweigert eine ihm mögliche und zumutbare Mitwirkung durch Nachweis der relevanten Tatsachen in der geforderten Form. Er ist nicht schützenswert. Durch seine Verweigerung stellt er sich bewusst gegen seine Verpflichtung zur Mitwirkung an der Kon­ trolle des Leistenden. Er bricht damit bewusst aus seiner Rolle als Steuerpflichtiger aus. Der generellen Berechtigung zum Vorsteuerabzug sollte ein solches Verhalten aber nur dann schaden, wenn sich der Leistungsempfänger damit in vorwerfbarer Weise zum Mittäter einer Steuerhinterziehung durch den Leistenden machte.1201 Auch im Falle der zurückbehaltenen Korrekturrechnung knüpft der Steuerpflichtige in vorwerfbarer Weise an den Fehler des Rechnungserstellers bei Ausstellung der Rechnung an. Da er wissentlich den dadurch hervorgerufenen Zustand aufrechterhält, macht er sich diesen zu eigen. Er verstößt damit gegen seine Pflicht, im zumutbaren Rahmen für eine taugliche Rechnung zu sorgen und damit an einer zügigen Sicherung der korrekten Versteuerung mitzuwirken. Bewusst gegen diese Verpflichtung verstoßend, handelt der Steuerpflichtige nicht als solcher. Er kann sich daher auf objektiv bestehende Rechtspositionen, die an dieser Rolle festmachen, nicht berufen.1202 Tut er das doch, stellt das einen mit seiner Rolle als Steuerpflichtiger, unvereinbaren Rechtsmissbrauch dar.1203 Betroffene Vorsteuerbeträge können

1200 EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 28 ff.; vgl. EuGH, Urt. v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:C:2000:145, Rn. 53 f.; v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 55, 64. 1201 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller. 1202 S.o. Teil II C.III.2.a) Materiell wirkende Sanktionen. 1203 Vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 06.12.2012 – C-285/11 – Bonik, ECLI:EU:C:2012:774, Rn. 35 ff., 40 m.w.N.; v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 26 ff.

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mithin rückwirkend zurückgefordert werden.1204 Darüber hinaus stützt sich der Ausschluss der Rückwirkung, nach Fristablauf auch auf den Grundsatz der Rechtsicherheit.1205 b) Korrekturmöglichkeiten im gerichtlichen Verfahren Hilft das Finanzamt dem Einspruch des Unternehmers in der Sache nicht ab, bedarf es einer Einspruchsentscheidung, § 367 Abs. 2 Satz 3 AO.1206 Entspricht das Finanzamt dem Begehren des Unternehmers in der Sache nicht, weist es den Einspruch als unbegründet ab. Der Einspruchsbescheid bestätigt dann den angegriffenen Bescheid.1207 Dagegen kann der Unternehmer sein Rechtschutzziel im finanzgerichtlichen Verfahren weiter verfolgen, § 44 Abs. 1 FGO.1208 In diesem ist die Anfechtungsklage gem. §§ 40 Abs. 1 Var. 1 f., 100 Abs. 1 f. FGO gegen den Korrekturbescheid in Form des Einspruchsbescheides, § 44 Abs. 2 FGO, statthaft.1209 Alternativ ist die Verpflichtungsklage auf Erlass eines Änderungsbescheides statthaft, §§ 40 Abs. 1 Var. 3 f., 101 FGO. Welche Klage einschlägig ist, hängt davon ab, wie die Rechnungskorrektur berücksichtigt werden soll. aa) Korrektur durch Reformationstenor bei Rechnungskorrektur vor Einspruchsentscheidung oder nach Rechtshängigkeit §§ 40 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, 100 Abs. 2 Satz 1 FGO Wendet sich der Unternehmer gegen eine seine Umsatzsteueranmeldung abändernde Festsetzung gem. §§ 167, 155 AO,1210 ist die Anfechtungsklage statthaft. Dabei hat der Kläger grundsätzlich die Wahl zwischen zwei Anträgen.

1204 EuGH, Urt. v. 14.02.1985 – C-268/83 – Rompelman, ECLI:EU:C:1985:74, Rn. 24; v. 29.02.1996 – C-110/94 – INZO, ECLI:EU:C:1996:67, Rn. 24; v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:C:2000:145, Rn. 46; v. 03.05.2005 – C-32/03 – Fini H, ECLI:EU:C:2005:128, Rn. 34; v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel u. Recolta, ECLI:EU:C:2006:446, Rn. 55. 1205 S.o. Teil II A.II.2 Geltung im Verwaltungsverfahren. 1206 Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 367 AO (Mär. 2008), Rn. 301, 470; Seer in Tipke/Kruse, § 367 AO (Mai 2015), Rn. 35; 48. 1207 Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 367 AO (Mär. 2008), Rn. 300; Seer in Tipke/Kruse, § 367 AO (Mai 2015), Rn. 52. 1208 Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 367 AO (Mär. 2008), Rn. 302. 1209 Brandis in Tipke/Kruse, § 100 FGO (Oktober 2014), Rn. 19; Hartke in Kühn/Wedelstädt, § 367, Rn. 22. 1210 S.o. Teil III A.V.3.a)aa) Korrektur gem. § 164 Abs. 2 AO.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Er kann zum einen die Aufhebung des gesamten Steuerbescheides gem. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO begehren. Wendet er sich gegen einen Verwaltungsakt, der einen Geldbetrag festsetzt –vor allem also, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Steuerbescheid ist –, kann er auch dessen par­ tielle Änderung beantragen, § 100 Abs. 2 FGO. Im ersten Fall wird das Finanzgericht, wenn es die Anfechtungsklage als begründet erachtet, den angegriffenen Verwaltungsakt aufheben, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO (Kassation). Damit wird der Bescheid vollumfänglich beseitigt. Bei Erlass eines neuen Bescheides ist das Finanzamt an die rechtliche und, sofern nach Schluss der mündlichen Verhandlung keine Tatsachen oder Beweismittel, welche zu einer anderen Beurteilung zwingen, neu bekannt werden, auch an die tatsächlichen Feststellungen gebunden, § 100 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 FGO. Begehrt der Steuerpflichtige hingegen die Änderung eines Verwaltungsaktes, der einen Geldbetrag festsetzt, hat1211 das Gericht über die Kassation hinaus den Verwaltungsakt insofern zu ändern, als es einen anderen Betrag selbst festsetzt, § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO (Reformation).1212 Einer erneuten Entscheidung des Finanzamtes unter Berücksichtigung der Feststellungen des Finanzgerichts gem. § 100 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 FGO bedarf es dann nicht. Insofern dient die Reformation der Verfahrensökonomie.1213 Verfahrensökonomisch ist dieses Vorgehen aber nur, wenn dadurch das Finanzgericht nicht mit zusätzlicher, umfänglicher Ermittlung des Betrages belastet wird. Daher ermöglicht § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Finanzamt, unter Beachtung der erschöpfenden1214 rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen des Finanzgerichts, im Urteil die betragsmäßige Bestimmung aufzugeben, wenn der Berechnungsaufwand nicht unerheblich ist. Nicht unerheblich ist der Aufwand dann, wenn die Berech1211 Das im Wortlaut des § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO angelegte Ermessen reduziert sich regelmäßig, wenn der Kläger einen Änderungsantrag stellt, auf null, sodass eine rein kassatorische Entscheidung gem. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO unzulässig ist, hierzu BFH, Beschl. v. 16.12.1968 – GrS 3/68; BStBl. II 1969, 192; Brandis in Tipke/Kruse, § 100 FGO (Okt. 2014), Rn. 17; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 100 FGO (Feb. 2014), Rn. 73. 1212 BFH, Beschl. v. 15.03.1994 – IX R 6/91, BStBl. II 1994, 599 (600); Brandis in Tipke/Kruse, § 100 FGO (Okt. 2014), Rn. 15; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 100 FGO (Feb. 2014), Rn. 12; Wagner in Kühn/Wedelstädt, § 100, Rn. 10. 1213 BT-Drs. IV/1446, S. 55. 1214 Für das Finanzamt darf keine rechtliche oder tatsächliche Frage mehr offen bleiben, hierzu BFH, Urt. v. 06.03.1990 – II R 63/87, BStBl. II 1990, 504 (505); BFH, Beschl. v. 23.08.2000 – VII B 145, VII B 146/00, BFH/NV 2001, 75 (78); v. 18.04.2006 – VII R 77/04, BStBl. II 2006, 578 (581); BFH, Beschl. v. 05.08.2010 – IX B 30/10, BFH/NV 2010, 2104 (2105, 3.); Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 100 FGO (Feb. 2014), Rn. 87.

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nungen komplex sind und daher die Finanzbehörden mit ihrer sachlichen und persönlichen Ausstattung diese Aufgabe deutlich leichter erfüllen können.1215 Im Fall der Korrektur der Rechnung genügt der Änderungsantrag gem. §§ 40 Abs. 1 Var. 2, 100 Abs. 2 FGO. Denn der Steuerpflichtige begehrt nicht die vollumfängliche Aufhebung der abweichenden, seine Anmeldung ändernde Festsetzung. Er beschränkt sein Begehren vielmehr nur auf die Berücksichtigung der von der Rechnungskorrektur betroffenen Vorsteuerbeträge.1216 Das ist durch Änderung des Festsetzungsbescheides möglich. Zwar wäre eine vollumfängliche Aufhebung der Festsetzung gem. §§ 167 Abs. 1 Satz 1, 164 Abs. 2 AO möglich, da dann die Steueranmeldung, welche den Vorsteuerabzug berücksichtigt, in ihrer Wirkung als bescheidlose1217 Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 168 Abs. 1 Satz 1 AO wieder auflebte.1218 Allerdings lebte dann auch der Vorbehalt der Nachprüfung mit der Möglichkeit der Änderung gem. § 164 Abs. 2 AO wieder auf. Zwar scheidet eine Änderung bzgl. des im Urteil streitgegenständlichen Vorsteuerabzuges gem. § 100 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 FGO aus. Für andere Sachverhalte bleibt aber die Änderungsmöglichkeit gem. § 164 Abs. 2 AO zulasten der Rechtssicherheit des Unternehmers bestehen. Wird der Verwaltungsakt hingegen nur geändert, kann eine weitere Änderung nur unter den Voraussetzungen der §§ 172 ff. AO erfolgen. Dass eine Änderungsmöglichkeit gem. § 164 Abs. 2 AO nach einer gerichtlichen Entscheidung nicht mehr bestehen soll, zeigt auch die generelle Wirkung der Festsetzung gem. § 167 Abs. 1 Satz 1 AO. Erfolgt sie ohne ausdrückliche Anordnung, setzt sich der Vorbehalt der Nachprüfung gem. §§ 168 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 164 AO nicht in der abweichenden Festsetzung gem. § 167 Abs. 1 AO fort.1219 Das muss erst recht gelten, wenn die Anmeldung Gegenstand eines finanzgericht1215 Brandis in Tipke/Kruse, § 100 FGO (Okt. 2014), Rn. 29 f.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 100 FGO (Feb. 2014), Rn. 82, 84. 1216 Vgl. BFH, Urt. v. 25.11.2004 – V R 4/04; BStBl. II 2005, 415 (419, B.2.a). 1217 Weiss, UR 1997, 67 (68). 1218 Vorausgesetzt wird hier, dass die Anmeldung zu einer Zahllast zu Lasten des Unternehmers führt, mithin das Zustimmungserfordernis des § 168 Abs. 1 Satz 2 AO nicht greift; andernfalls könnte eine Kassation der Festsetzung gem. §§ 164 Abs. 2, 167 Abs. 1 Satz 1 AO nicht erfolgen, da die Fiktion der Anmeldung als Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung dann von der Zustimmung des Finanzamtes abhängt. Setzt das Finanzamt aber gem. § 167 Abs. 1 Satz 1 AO abweichend von der Anmeldung fest, so fehlt es an der Erteilung der Zustimmung. Vgl. hierzu BFH, Urt. v. 25.11.2004 – V R 4/04; BStBl. II 2005, 415 (419, B.2.b). 1219 BFH, Urt. v. 02.12.1999 – V R 19/99, BStBl. II 2000, 284 (285 f., II.1.c) a.E.); v. 20.08.2009 – V R 25/08, BStBl. II 2010, 15 (17 f., II.3.b); Cöster in Pahlke/Koe-

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lichen Verfahrens war. Auch kann das Finanzgericht im Urteil gem. § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO festsetzen, sodass allein die Verringerung der Zahllast um den Betrag des betroffenen Vorsteuerabzuges zu leisten ist und daher der Berechnungsaufwand unerheblich ist. bb) Korrektur durch Verpflichtungstenor bei Rechnungskorrektur zu anderen Zeitpunkten, § 101 Satz 1 FGO Wendet sich der Unternehmer gegen die Versagung der Änderung der Festsetzung gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO,1220 ist die Verpflichtungsklage statthaft. Zwar ist die Ablehnung der Änderung selbst ein Verwaltungsakt und daher eine isolierte Anfechtungsklage hiergegen auch zulässig.1221 Für den Steuerpflichtigen ist das aber nicht zielführend. Denn tatsächlich begehrt er den Erlass des Änderungsbescheides.1222 Die Klage auf Verpflichtung zum Erlass eines zuvor versagten Verwaltungsaktes umfasst damit auch das Aufhebungsbegehren gegen den ablehnenden Bescheid.1223 Die Verpflichtung zum Erlass oder zur Neubescheidung wird dann – klarstellend, § 101 Satz 1 FGO erfordert das, anders als § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht – unter Aufhebung der Ablehnung tenoriert.1224 Ob das Finanzamt direkt zum Erlass des erstrebten Verwaltungsaktes oder nur zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt wird, hängt davon ab, ob die Sache spruchreif ist. Spruchreife ist dann gegeben, wenn der Sachverhalt umfassend aufgenig, § 168, Rn. 9; Rüsken in Klein, § 168, Rn. 4; Seer in Tipke/Kruse, § 164 AO (Mai 2014), Rn. 22; ders. in Tipke/Kruse, § 168 AO (Mai 2014), Rn. 8. 1220 S.o. Teil III A.V.3.a)cc) Korrektur gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. 1221 BFH, Urt. v. 18.12.1973 – VIII R 101/69, BStBl. II 1974, 319 (320), ausdrücklich für den hier relevanten Fall der Ablehnung eines Antrags auf Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheids; zudem BFH, Urt. v. 13.03.1975 – VIII R 123/70, BStBl. II 1975, 725 (726 ff.); Braun in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 FGO (Jun. 2013), Rn. 87 m.w.N.; v. Groll in Gräber, § 40, Rn. 22. 1222 So schon die Gesetzesbegründung zu den §§ 38–40 FGO in BT-Drs. IV/1446, S. 46; Braun in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 FGO (Jun. 2011), Rn. 86; Seer in Tipke/Lang, § 22, Rn. 76. 1223 Ausdrücklich für die Versagung der Änderung einer bestandskräftigen Festsetzung durch Erlass eines Änderungsbescheides gem. §§ 172 ff. AO; BFH, Urt. v. 03.02.1983 – IV R 153/80, BStBl. II 1983, 324 (329); v. 13.12.1985 – III R 204/81, BStBl. II 1986, 245 (247); BFH, Urt. v. 23.11.2001 – VI R 125/00, BStBl. II 2002, 296 (300); v. 11.11.2008 – IX R 53/07, BFH/NV 2009, 364 (364); Seer in Tipke/ Kruse, § 40 FGO (Okt. 2014), Rn. 17. 1224 BFH, Urt. v. 12.03.1970 – IV 7/65, BStBl. II 1970, 625 (625); v. 31.01.2013 – III R 15/10, BFH/NV 2013, 1071 (1072, II.1.b.); Braun in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 FGO (Jun. 2011), Rn. 85; v. Groll in Gräber, § 40, Rn. 21; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 101 FGO (Feb. 2014), Rn. 33.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

klärt ist, und der Anspruch bereits am Ende der mündlichen Verhandlung als gegeben feststeht, mithin einzig der vom Tenor umfasste Erlass rechtmäßig sein kann.1225 Weist der Unternehmer im finanzgerichtlichen Verfahren die Korrektur der Rechnung nach, ist daher das Finanzamt zur Änderung der ursprünglichen Festsetzung gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO insofern zu verurteilen, als dass der von der Rechnung betroffene Vorsteuerabzug zu gewähren ist. cc) Zeitliche Grenzen der Berücksichtigungsfähigkeit der Rechnungskorrektur Der maßgebliche Beurteilungszeitraum für die finanzgerichtliche Entscheidung unterscheidet sich je nach statthafter Klageart. Für die Verpflichtungsklage ist das, wenn wie beim Steuerbescheid ein gebundener Verwaltungsakt erstrebt wird, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht.1226 Bis zu welchem Zeitpunkt Tatsachen im finanzgerichtlichen Verfahren der Anfechtungsklage zu berücksichtigen sind, ist, anders als im Verwaltungsverfahren,1227 nicht Gegenstand größerer Diskussionen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass dem Steuerrecht zumeist in der Vergangenheit liegende, abgeschlossene Sachverhalte zugrunde liegen.1228 Den Anspruch aus § 100 Abs. 1 FGO auf Aufhebung des Verwaltungsaktes hat der Steuerpflichtige, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Urteilsfällung rechtswidrig „ist“ und dadurch in seinen Rechten verletzt „ist“.1229 Das wiederum bestimmt sich nach dem formellen und materiellen Steuerrecht.1230 Sofern demnach die Finanzbehörde einen auf einen 1225 BFH, Urt. v. 02.06.2005 – III R 66/04, BStBl. II 2006, 184 (187); v. Groll in Gräber, § 101, Rn. 2; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 101 FGO (Feb. 2014), Rn. 33. 1226 U.a. BFH, Urt. v. 14.03.2012 – XI R 33/09, BStBl. II 2012, 477 (480, II.1.c.); v. 06.08.2013 – VII R 15/12, BStBl. II 2014, 69 (II.1); v. Groll in Gräber, § 101, Rn. 6 m.w.N.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 101 FGO (Feb. 2014), Rn. 25 m.w.N. 1227 Siehe hierzu ausführlich Kleinlein, VerwArch 81 (1990), 149 (151 ff.). 1228 Brandis in Tipke/Kruse, § 100 FGO (Okt. 2014), Rn. 7; v. Groll in Gräber, § 100, Rn. 6; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 100 FGO (Feb. 2014), Rn. 39 m.w.N. 1229 U.a. BFH, Urt. v. 28.07.2005 – III R 68/04, BStBl. 2008, 350 (II.2); Beschl. v. 30.06.2004 – B III 6/04, BFH/NV 2005, 63 (64, II.3.). 1230 BFH, Urt. v. 16.04.2013 – VII R 44/12, BStBl. II 2013, 778 (779, II.1); Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 100 FGO (Feb. 2014), Rn. 39 m.w.N.

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abgeschlossenen Sachverhalt bezogenen, lediglich die steuerlichen Rechtsfolgen feststellenden1231 Verwaltungsakt erlässt, kommt es auf den Zeitpunkt seines Erlasses bzw. der Bestätigung im Rechtsbehelfsverfahren an.1232 Ein prozessrechtlicher Grundsatz folgt daraus aber nicht.1233 Damit wird nur der materiell-rechtlich bestimmte Regelfall für das Steuerrecht beschrieben. Misst daher das materielle Recht später eintretenden Ereignissen Wirkung für bereits vergangene Sachverhalte zu, so hat auch das Prozessrecht diese zu berücksichtigen. Insbesondere der Eintritt rückwirkender Ereignisse i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist daher bis zur letzten mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen.1234 Denn der Verwaltungsakt ist nunmehr, da er das zwingend materiell-rechtlich rückwirkend zu beachtende Ereignis nicht berücksichtigt, rechtswidrig. Der Steuerpflichtige ist damit in seinem Anspruch auf Bescheidung unter Berücksichtigung des rückwirkenden Ereignisses verletzt. Für dieses Vorgehen sprechen auch prozessökonomische Erwägungen. Denn der Steuerpflichtige hatte erstmals nach Rechtshängigkeit die Möglichkeit, sich auf ein auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Verwaltungsentscheidung rückwirkendes Ereignis zu berufen. Spiegelbildlich konnte das Finanzamt diesen Umstand in ihrer ursprünglichen Entscheidung nicht berücksichtigen. Würde dieses im Anfechtungsprozess nicht berücksichtigt, müsste der Kläger, ohne dass sich im Ergebnis eine Änderung ergäbe, folgendermaßen verfahren. Er stellt den Antrag auf Korrektur gem. § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO. Alternativ nimmt das Finanzamt die Änderung gem. § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO von sich aus vor. Dem Einspruchsantrag wird damit voll entsprochen. Der geänderte Bescheid wird nicht Gegengenstand des Verfahrens gem. § 68 Abs. 1 FGO.1235 Der Streit erledigt sich in 1231 Wagner in Kühn/Wedelstädt, § 100, Rn. 6 1232 U.a. Brandis in Tipke/Kruse, § 100 FGO (Okt. 2014), Rn. 6; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 100 FGO (Feb. 2014) Rn. 39. 1233 Siehe hierzu für das Verwaltungsprozessrecht Kleinlein, VerwArch 81 (1990), 149 (150). 1234 BFH, Urt. v. 16.02.2005 – II R 53/03, BStBl. II 2005, 495 (496, II.1.b. a.E.); v. 28.07.2005 – III R 68/04, BStBl. II 2008, 350 (351 f., II.2. a.E.); v. 27.05.2009 – II R 53/07, BStBl. II 2009, 852 (II.3.b.); v. 16.04.2013 – VII R 44/12, BStBl. II 2013, 778 (779, II.1.); unter ausdrücklicher Abkehr von der anderen noch in Urt. v. 27.01.1982 – II R 119/80, BStBl. II 1982, 425 (425); v. 09.11.1983 – II R 71/82, BStBl. II 1984, 446 (447); v. 16.01.2002 – II R 52/00, BFH/NV 2002, 1053 (1054, II.) Ansicht; auf diese aufgegebene Rechtsprechung stützt sich noch die a.A. von Brandis in Tipke/Kruse, § 100 FGO (Okt. 2014), Rn. 7; Wagner in Kühn/Wedelstädt, § 100 FGO, Rn. 6. 1235 BFH, Urt. v. 31.10.1990 – II R 45/88, BStBl. II 1991, 102 (104); Beschl. v. 25.10.1972 – GrS 1/72, BStBl. II 1973, 231 (232 f.).

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

der Hauptsache; die Beteiligten erklären Erledigung.1236 Die Kosten des Verfahrens trägt, da die Klage bis zum Zeitpunkt der Rechnungskorrektur unbegründet war und § 138 Abs. 2 FGO daher keine Anwendung findet,1237 der Kläger gem. § 138 Abs. 1 FGO. Wird dem Antrag nicht entsprochen bzw. würde der Steuerbescheid nicht geändert, müsste der Steuerpflichtige die Klage – in zulässiger, weil sachdienlicher Weise – in eine Verpflichtungsklage auf Änderung der Festsetzung gem. § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO umstellen, § 67 Abs. 1 FGO. Ansonsten würde der Kläger kostenpflichtig mit seiner Anfechtungsklage abgewiesen. Damit wird die Verpflichtungsklage aber nicht überflüssig. So sind nur diejenigen rückwirkenden Ereignisse auch für die Anfechtungsklage zu beachten, welche noch im finanzgerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden können.1238 Nur dann muss die materiell-rechtliche Rückwirkung auf das Prozessrecht durchschlagen. Erfolgt die Rechnungskorrektur aber nach Rechtskraft und begehrt der Unternehmer die Korrektur der Steuerfestsetzung gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO,1239 ist die Verpflichtungsklage statthaft. Eine Rechnungsberichtigung kann daher bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht erfolgen. c) Rückwirkende Rechnungskorrektur verfahrensrechtlich durchsetzbar Die materiell-rechtlich gebotene rückwirkende Rechnungskorrektur ist damit verfahrensrechtlich umsetzbar. Eine auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zurückwirkende Rechnungsberichtigung kann demnach bis zur letzten mündlichen Verhandlung berücksichtigt werden. Damit kann de lege lata die unionsrechtskonforme Auslegung des materiellen Umsatzsteuerrechts auch auf Grundlage des Steuerverfahrensrechts umgesetzt werden.

1236 Brandis in Tipke/Kruse, § 138 FGO (Jan. 2014), Rn. 13. 1237 BFH, Beschl. v. 29.05.2007 – X B 66/06, BFH/NV 2007, 1693 (1694 f.); v. 30.04.2009 – VII R 32/08, BFH/NV 2009, 1463 (1463); v. 29.08.2012 – X R 5/12, BFH/NV 2013, 53 (54 f.); Brandis in Tipke/Kruse, § 138 FGO (Jan. 2014), Rn. 62. 1238 Vgl. BFH, Urt. v. 16.04.2013 – VII R 44/12, BStBl. II 2013, 778 (779, II.1.). 1239 S.o. Teil III A.V.3.a)cc) Korrektur gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

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4. Ausstrahlung der zwingend rückwirkenden Rechnungs­korrektur auf das Verzinsungsregime Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die rückwirkende Rechnungsberichtigung im deutschen Umsatzsteuer- und Steuerverfahrensrecht möglich ist. Damit kann den unionsrechtlichen Anforderungen de lege lata im deutschen Steuerverfahren dem Grunde nach entsprochen werden. Allerdings droht das in Deutschland geltende Verzinsungsregime dieses Ergebnis zu konterkarieren.1240 a) Ausgangpunkt: Keine Rückwirkung der Rechnungskorrektur auf die Verzinsung, § 233a Abs. 2a AO Wird die Umsatzsteuer abweichend von der Anmeldung festgesetzt1241, ist der aberkannte Betrag gem. § 233a AO zu verzinsen. Damit hat der Unternehmer auf den betroffenen Betrag, ab 15 Monate nach Entstehung der Steuer bis zum Wirksamwerden der Festsetzung 6 % p.a. Zinsen zu zahlen.1242 Zur Verdeutlichung soll folgendes Beispiel dienen: Unternehmer A versteuert seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten. Er meldet für das Kalenderjahr 01 eine Umsatzsteuerzahllast von 200.000,– € an. Die Anmeldung für das Jahr 01 wird Ende des Jahres 04 im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung geprüft. In den Fokus rückt dabei ein Leistungsbezug (USt 1.000,– €) in 04/01. Im Rahmen der Prüfung stellt sich heraus, dass der Lieferant L nach einer Verlegung der Geschäftsräume zum Jahreswechsel 00/01 die Adressänderung nicht in seine Rechnungsvordrucke übernommen hatte. Diese weisen noch die alte, im Jahr 00 gültige Adresse aus. Eine Rechnungskorrektur erfolgt durch den Lieferanten nicht. Mit Bescheid vom 21.02.05, zugestellt am 23.02.05, wird, unter Aberkennung eines Vorsteuerbetrages i.H.v. 1.000,– €, die Umsatzsteuerzahllast auf insgesamt 201.000,– € festgesetzt. Mit der Festsetzung verbunden wird die Festsetzung von Zinsen i.H.v. 110,– € (= 1.000,– € x 0,5 % x 22 Monate [01.04.03– 23.02.05]).

1240 Anders offenbar Widmann in Schwarz/Widmann/Radeisen, § 14 (Mär. 2014), Rn. 154, Wittmann/Zugmaier, DStR 2008, 538 (539 f.), denen zufolge mit einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung eine Verzinsung von Vorsteuerbeträgen nicht erfolgen würde. Die – in der Folge problematisierten – Wirkungen einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung auf das Verzinsungsregime, sind dabei aber nicht Gegenstand ihrer Argumentation. 1241 Vgl. o. Teil III A.V.3.a)aa) Korrektur gem. § 164 Abs. 2 AO. 1242 S.o. Teil I C.II.1.b) Rechtsvergleichende Darstellung der Verzinsungsregime ausgewählter Mitgliedstaaten.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime A sieht ohne eine korrigierte Rechnung keine Erfolgsaussichten für ein Rechtsmittel und entrichtet den Mehrbetrag i.H.v. 1.000,– € und die Zinsen i.H.v. 110,– € am 05.04.05. Erst am 31.10.05 erhält er eine korrigierte Rechnung. Unter Vorlage dieser beim Finanzamt beantragt er mit Schreiben vom 07.11.05, eingegangen beim Finanzamt am 10.11.05, seinen Vorsteuerabzug rückwirkend zu berücksichtigen. Am 05.07.06 ergeht ein Bescheid, demzufolge der im Bescheid vom 21.02.05 festgesetzte Betrag rückwirkend um 1.000,– € verringert wird. A erhält am 01.09.06 eine Erstattung i.H.v. 1.000,– €.

Für A hat damit der Rechnungsfehler zwei Konsequenzen. Erstens hat er endgültig 110,– € Zinsen zu entrichten. Zweitens fehlte ihm Liquidität i.H.v. 1.000,– € im Zeitraum von 05.04.05 bis zum 01.09.06; eine Kompensation durch Verzinsung dieses Betrages erfolgt nicht. Dieses Ergebnis entspricht der aktuellen deutschen Gesetzeslage zur Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen und folgt im Speziellen aus der Anwendung des § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO. Wird Umsatzsteuer abweichend von der Anmeldung festgesetzt, ist der aberkannte Betrag als Unterschiedsbetrag zwischen dem festgesetzten Betrag und der Summe der Vorauszahlungen gem. § 233a Abs. 3, Abs. 1, Abs. 2 AO zu verzinsen. Damit hat der Unternehmer den betroffenen Betrag, ab 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres der Entstehung der Steuer bis zum Wirksamwerden der Festsetzung mit 0,5 % pro vollen Monat, § 238 Abs. 1 Satz 1, 2 AO, zu verzinsen, § 233a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 3, Abs. 3 Satz 1 AO.1243 Die Umsatzsteuer war am 30.04.01 entstanden, § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG. Der Festsetzungsbescheid wurde mit Zustellung am 23.02.05 wirksam. Für den Zeitraum vom 01.04.03–23.02.05 war damit der Vorsteuerbetrag i.H.v. 1.000,– € zu verzinsen. Wird eine Steuerfestsetzung geändert, ist grundsätzlich auch die Zinsfestsetzung zu ändern, § 233a Abs. 5 Satz 1 AO. Demzufolge wäre, wenn die Steuer rückwirkend geändert würde, auch die Zinsfestsetzung zu ändern. Geleistete Zinszahlungen – im Beispielsfall i.H.v. 110,– € – wären zu erstatten, §§ 233a Abs. 5 Satz 3 Hs. 2, Satz 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 AO.1244 Der zurückgezahlte und nunmehr zu erstattende Vorsteuerbetrag 1243 S.o.Teil I C.II.1.b) Rechtsvergleichende Darstellung der Verzinsungsregime ausgewählter Mitgliedstaaten. 1244 Vgl. BFH, Urt. v. 07.11.2013 – X R 23/11, BFH/NV 2014, 660 (661 f., II.1.cc(2)(b)); zum unklaren Wortlaut des „Entfallens“ aber im Ergebnis einig, dass diese Zinsen jedenfalls zu erstatten sind, Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler,

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i.H.v. 1.000,– € wäre ab dem 01.05.05 bis zum 01.09.06 zu verzinsen, §§ 233a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 3 AO. Dem tritt aber im Falle der Korrektur wegen eines rückwirkenden Ereignisses § 233a Abs. 2a, 7 AO entgegen.1245 Ergibt sich aufgrund der Änderung wegen – nicht notwendigerweise aber gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO1246– eines rückwirkenden Ereignisses i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO,1247 ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen, bleiben Zinsen, welche auf diesen Unterschiedsbetrag bis zum Beginn des Zinslaufes nach § 233a Abs. 2a AO festgesetzt worden waren, endgültig bestehen, § 233a Abs. 7 Satz 2 Hs. 2 AO.1248 So entzieht zwar die rückwirkende Korrektur des Änderungsbescheides der Verzin­ sung rückwirkend den Boden. Auf das Verzinsungsregime schlägt diese Wirkung aber nicht durch. Demnach bleiben, da es sich bei der Rechnungskorrektur um ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO handelt,1249 die mit dem Bescheid vom 21.02.05 festgesetzten Zinsen unberührt. Auch der Liquiditätsausfall für den Zeitraum vom 05.04.05 bis zum 01.09.06 wird von der Verzinsungsregel nicht erfasst.1250 Erfolgt die Änderung aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses, beginnt eine Verzinsung erst 15 Monate nach Ablauf des Jahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten war, § 233a Abs. 2a AO. Im Beispielsfall wäre daher der mit Bescheid vom 05.07.06 festgesetzte Vorsteuerbetrag i.H.v. 1.000,– € erst ab dem 01.04.07 zu verzinsen gewesen. Der mit dem Bescheid vom 05.07.06 festgesetzte Vorsteuererstattungsbetrag aufgrund der Rechnungskorrektur war daher im Beispielsfall nicht zu verzinsen. § 233a AO (Jun. 2015), Rn. 73; Loose in Tipke/Kruse, § 233a AO (Jan. 2016), Rn. 59. 1245 Vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 233a AO (Jun. 2015), Rn. 40. 1246 U.a. BFH, Urt. v. 18.05.1999 – I R 60/98, BStBl. II 1999, 634 (635 f., II.2.a.aa. und cc.); v. 29.11.2000 – I R 45/00, BStBl. II 2001, 326 (327); v. 11.07.2013 – IV R 9/12, BFHE 242, 14 (20 f., III.2.b.cc.(1)); Baum, DB 1997, 1888 (1890); Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 233a AO (Jun. 2015), Rn. 32, 38; Loose in Tipke/ Kruse, Vor. § 233a AO (Jan. 2016), Rn. 63; a.A. BFH, Urt. v. 28.11.2002 – V R 54/00, BStBl. II 2003, 175 (176, II.2.b,). 1247 Dieses bestimmt sich im Rahmen des § 233a Abs. 2a AO nach den gleichen Kriterien wie im Rahmen von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO allein nach dem materiellem Recht; hierzu u.a. BFH, Urt. v. 18.05.1999 – I R 60/98, BStBl. II 1999, 634 (635 f., II.2.a.aa. u. cc.). 1248 Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 233a AO (Jun. 2015), Rn. 75; Loose in Tipke/Kruse, § 233a AO (Jan. 2016), Rn. 69 f. 1249 S.o. Teil III A.V.3.a)cc) Korrektur gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. 1250 Vgl. dazu kritisch dazu Friedrich-Vache/Welte, MwStR 2013, 514 (516 f.).

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

b) Der Zweck der Regelung des § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO Zweck der Regelung der §§ 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO ist, eine Verzinsung der rückwirkend entstehenden Steuerschuld durch Eintritt eines steuer­ erhöhenden rückwirkenden Ereignisses auszuschließen, wenn der Steuerpflichtige bis zum Eintritt des rückwirkenden Ereignisses keine Zinsoder Liquiditätsvorteile ziehen konnte.1251 Umgekehrt soll das Finanzamt Beträge nicht für Zeiträume verzinsen müssen, zu denen der zur Änderung führende Umstand noch nicht eingetreten, also entsprechende Liquiditätsnachteile noch nicht entstanden waren.1252 Daher wird der Zinslauf abweichend von § 233a Abs. 2 AO in Abhängigkeit vom Eintritt des rückwirkenden Ereignisses bestimmt. Konsequenterweise legt § 233a Abs. 7 AO in Abweichung von § 233a Abs. 3 AO dann auch nur diejenigen Unterschiedsbeträge, welche zeitabhängig durch Berücksichtigung der einzelnen rückwirkenden Ereignisse entstehen, ab deren Eintritt, der Verzinsung zugrunde. Ebenso wirkt das rückwirkende Ereignis, in Abweichung von § 233a Abs. 5 AO, nicht auf vor Eintritt der Verzinsung nach diesem Ereignis entstandene Zinsen, § 233a Abs. 7 Satz 2 AO. Das überzeugt für die Fälle des ebenfalls von der Regelung erfassten Verlustrücktrages gem. § 10d EStG.1253 In diesem Fall tritt der Verlust erst im auf den betroffenen Veranlagungszeitraum folgenden Veranlagungszeitraum ein. Das Ereignis, an dem der neuerliche Zinslauf gem. § 233a Abs. 2a AO festmacht, markiert dabei tatsächlich die Änderung der finanziellen Belastung des Steuerpflichtigen. Gleiches gilt für die Gewinnausschüttung aufgrund eines Gewinnausschüttungsbeschlusses für ein bereits abgeschlossenes Wirtschaftsjahr,1254 bzw. wenn ein bereits gefass1251 BT-Drs. 13/5952, S. 56; BFH, Urt. v. 28.11.2002 – V R 54/00, BStBl. II 2003, 175 (176, II.1). 1252 BT-Drs. 13/5952, S. 56; Baum, DB 1997, 1888 (1889); Gumpp, GmbHR 1998, 370 (370); Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 233a AO (Jun. 2015), Rn. 35, 37; Lawall, DStR 1998, 469 (470); Loose in Tipke/Kruse, § 233a AO (Jan. 2016), Rn. 63; Loose, DStJG 32, S. 203 (209); Pasig, DStR 1997, 1395 (1395); Suhrbier-­ Hahn, DStR 1997, 390 (390); vgl. auch Urt. v. 18.05.1999 – I R 60/98, BStBl. II 1999, 634 (636 f., II.2.b.bb.). 1253 App, NJW 1998, 1463 (1463); Loose in FS Kruse, S. 295 (306). 1254 § 233a findet aber auf Fälle, eines erstmaligen Gewinnverwendungsbeschlusses keine Anwendung, da dies in Fällen, in denen ohne den Gewinnverwendungsbeschluss Körperschaftsteuer zu entrichten wäre, zu zweckwidrigen Verzinsungsfolgen führen würde; dazu näher BFH, Urt. v. 22.10.2003 – I R 15/03, BStBl. II 2004, 398 (399, II.2.a) m.w.N.; Gumpp, GmbHR 1998, 370 (370).

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ter Gewinnverwendungsbeschluss nachträglich geändert,1255 oder ein Gewinnverteilungsbeschluss nach vorheriger Vorabausschüttung erstmals gefasst wird1256.1257 Diese Fälle hatte der Gesetzgeber im Sinn, als er die Regelung des § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO mit dem JStG 1997 einführte.1258 c) Teleologische Erwägungen zur Anwendung des § 233a Abs. 2a AO auf die rückwirkende Rechnungskorrektur Im Fall der Rechnungskorrektur für den Vorsteuerabzug gestaltet sich die Situation aber anders. An die Stelle des Verlustes im Falle des § 10d EStG oder des Abflusses von Liquidität wegen der Ausschüttung an die Gesellschafter tritt die Liquiditätsbelastung durch die Zahlung des Bruttoentgeltes an den Lieferanten. Wertungsmäßig entspricht diese der Zahlung der Steuer direkt an den Fiskus. Denn die Zahlung wird, lediglich bedingt durch das System der indirekten Belastung, an den Leistenden – der als originärer Steuerschuldner von einer tatsächlichen Belastung systemisch freizustellen ist –1259 zur Weiterleitung an den Fiskus gezahlt.1260 Diese Liquiditätsbelastung tritt unabhängig von der Rechnungskorrektur ein.1261 Ihr Eintritt steht in keinem Zusammenhang mit dem rückwirkenden Ereignis. Vielmehr ist es den betroffenen Fällen der Rechnungskorrektur immanent, dass die Rechnungskorrektur erst deutlich nach der Belastung mit dem Vorsteuerbetrag eintritt.1262 Denn der Unternehmer, dem nach der hier vertretenen Ansicht eine rückwirkende Rechnungskorrektur gewährt wird, ging von der Tauglichkeit der Rechnung zum Vorsteuerabzug aus und hat daher das Bruttoentgelt gezahlt. Es besteht daher nicht die Gefahr, dass dem Steuerpflichtigen ein Liquiditätsausfall erstattet wird, der tatsächlich noch nicht eingetreten ist. Der Fis1255 BFH, Urt. v. 20.09.2006 – I R 17/04, BFH/NV 2007, 1065 (1066, II.2.a.); Suhrbier-Hahn, GmbHR 2001, 406. 1256 FG München, Urt. v. 27.10.2005 – 7 K 1242/04, EFG 2006, 242 (243). 1257 Loose in Tipke/Kruse, § 233a AO (Jan. 2016), Rn. 73. 1258 Vgl. BT-Drs. 13/5952, S. 56. 1259 S.o. Teil II B.IV.1.c) Belastungsneutralität. 1260 Vgl. o. Teil III A.IV Kritische Würdigung und Englisch, UR 2011, 648 (652) m.w.N. 1261 Nur dieser Aspekt der, aufgrund des unionsrechtlich determinierten Erhebungssystems, typischerweise eintretenden Liquiditätswirkungen, welche in direktem Widerspruch zur, dem § 233a Abs. 2a AO zugrunde gelegten Annahme steht, soll hier zunächst von Bedeutung sein. Zu den generellen Friktionen im Verhältnis der Verzinsung gem. § 233a AO und des Abzuges von Vorsteuerbeträgen siehe sogleich Teil III A.V.4.e) Genereller Ausschluss der Verzinsung von Vorsteuerbeträgen zulasten des Unternehmers bei möglicher Rechnungskorrektur durch teleologische Reduktion des § 233a AO. 1262 Vgl. o. Teil III A.IV.2.e)aa) Der wertungsmäßige Unterschied zum typischen Fall.

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kus hingegen konnte seit der Rückzahlung des Vorsteuerbetrages bis zum Eintritt des rückwirkenden Ereignisses einen Liquiditätsvorteil ziehen. Denn ihm stand der zurückgezahlte Vorsteuerbetrag zur Verfügung. Der Zweck des § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO erfordert seine Anwendung auf die Fälle der rückwirkenden Rechnungskorrektur daher nicht. d) Folgen für die Anwendung des § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO Die Anwendung des § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO auf die Fälle der rückwirkenden Rechnungskorrektur führt im Ergebnis zu einer Revidierung der durch die rückwirkenden Rechnungskorrektur erfolgten Herstellung der Liquiditätsneutralität der Umsatzbesteuerung. Um diesem zu begegnen und der Herstellung von Liquiditätsneutralität auch auf Ebene der Zinsen zum Durchbruch zu verhelfen, bestehen de lege lata zwei Möglichkeiten. aa) Billigkeitserlass der Zinsen gem. § 163 AO Ist die Festsetzung einer Steuer oder eine steuerlichen Nebenleistung, zu denen auch Zinsen gem. § 233a AO zählen, § 3 Abs. 4 Satz 1 Var. 4 AO, im Einzelfall unbillig, kann das Finanzamt auf deren Festsetzung verzichten, §§ 163 i.V.m. 239 Abs. 1 Satz 1 AO.1263, 1264 Ausweislich der Gesetzesformulierung steht die Entscheidung im Ermessen des Finanzamtes.1265 Allerdings ist die Unbilligkeit nicht nur Tatbestandsvoraussetzung,

1263 BFH, Urt. v. 08.09.1993 – I R 30/93, BStBl. II 1994, 81 (82, II.4); v. 05.06.1996 – X R 234/93, BStBl. II 1996, 503 (505; 1.b.); vgl. BFH, Urt. v. 16.11.2005 – X R 3/04, BStBl. II 2006, 155 (156, II.1.a.); u.a. Cöster in Pahlke/König, § 163, Rn. 10; Loose in Tipke/Kruse, § 163 AO (Mai 2014), Rn. 3; ders. in Tipke/Kruse, §233a AO (Jan. 2016), Rn. 76; Rüsken in Klein, § 163, Rn. 15. 1264 Die Darstellung beschränkt sich in der Folge auf den Erlass von Zinsen im Festsetzungsverfahren gem. § 163 AO und lässt den Erlass im Erhebungsverfahren gem. § 227 AO außer Betracht, da bereits die Festsetzung der Zinsen, nicht erst deren Erhebung mit den Wertungen des Umsatzsteuerrechts in Widerspruch steht. Da die Voraussetzungen der Anwendung jeweils gleich sind – hierzu u.a. v. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 163 AO (Nov. 2011), Rn. 80 ff. m.w.N.; Loose in Tipke/Kruse, § 163 AO (Mai 2014), Rn. 1 m.w.N. – soll der Streit, ob § 163 AO überhaupt von der Anordnung der entsprechenden Anwendung der Vorschriften zur Festsetzung von Steuern gem. § 239 Abs. 1 Satz 1 AO umfasst ist – hierzu v. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 163 AO (Nov. 2011), Rn. 52; Loose in Tipke/Kruse, § 163 AO (Mai 2014), Rn. 3 jeweils m.w.N. – hier dahinstehen. 1265 Ausdrücklich bestätigt zur Vorgängervorschrift des § 131 RAO durch Gemein­ samer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Beschl. v. 19.10.1971 – GmS-OGB 3/70, BStBl. II 1972, 603 (606 ff.); seitdem entsprechend von der ­

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sondern bedingt auch – entscheidend – den Ermessensspielraum.1266 Das hat zur Folge, dass, wenn die Festsetzung einer Steuer im Einzelfall unbillig ist, nur der Erlass ermessensfehlerfrei sein kann. Im Falle der Unbilligkeit reduziert sich daher das Ermessen auf null; der Steuerpflichtige hat einen Anspruch auf den Erlass.1267, 1268 Unbillig ist die Festsetzung vor allem dann, „wenn sie im Einzelfall zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, aber nach dem Zweck des zugrundeliegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft“1269. Vom Gesetzgeber offensichtlich in Kauf genommene Ergebnisse sind keiner Korrektur im Wege des Billigkeitserlasses zugänglich.1270 Ist die Rechtsfolge daher noch vom erkennbaren Regelungsplan des Gesetzgebers gedeckt, ist von einem Billigkeitserlass Abstand zu nehmen.1271 Wenn aber anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber, hätte er den konkreten Fall vor Augen gehabt, den Fall nicht der fraglichen Rechtsfolge zugeführt hätte, ist Raum für einen Billigkeitserlass.

Rechtsprechung und Verwaltung so angewandt u.a. BFH, Urt. v. 16.11.2005 – X R 03/04, BStBl. II 2006, 155 (156). 1266 BFH, Urt. v. 07.11.2006 – VI R 02/05, BStBl. II 2007, 315 (316); Loose in Tipke/ Kruse, § 227 AO (Mai 2014), Rn. 25. 1267 U.a. BFH, Urt. v. 16.11.2005 – X R 03/04, BStBl. II 2006, 155 (156 f.); FG Düsseldorf, Urt. v. 19.07.2000 – 7 K 237/97 AO, EFG 2000, 1410 (1411); Loose in Tipke/ Kruse, § 227 AO (Mai 2014), Rn. 25; v. Wendestedt in Kühn/Wedelstädt, § 163 AO, Rn. 21. 1268 Es spricht also vieles dafür, dass die §§ 163, 227 AO dem Finanzamt kein Ermessen einräumen, sondern der Begriff der Unbilligkeit lediglich ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, das Finanzamt damit lediglich einen Beurteilungsspielraum hat, so v.  Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 227 AO (Jan. 2016), Rn. 114; Kruse, StuW 1960, 478 (479 ff.) und Loose in Tipke/Kruse, § 227 AO (Mai 2014), Rn. 21. Tatsächlicher Hintergrund der Qualifikation der §§ 163, 227 AO als Ermessensnorm ist aber die Kompetenzverteilung zwischen Justiz und Finanzamt, da eine Ermessensentscheidung nur im Rahmen des § 102 FGO überprüfbar ist; siehe hierzu Loose in Tipke/Kruse, § 227 AO (Mai 2014), Rn. 24; Durch die derzeitige Auslegung der Ermessensreduzierung auf null im Falle der Unbilligkeit ergeben sich daraus für den Steuerpflichtigen aber keine Auswirkungen, siehe nur BFH, Urt. v. 28.03.2012 – II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486 (1489, II.3.c.aa.). Von einer weiteren Erörterung wird daher hier abgesehen. 1269 BFH, Urt. v. 11.07.1996 – V R 18/95, BStBl. II 1997, 259 (259, II.2.b.); siehe auch BFH, Urt. v. 26.05.1994 – IV R 51/93, BStBl. II 1994, 833 (834); v. 26.10.1994 – X R 104/92, BStBl. II 1995, 297 (298); Beschl. v. 28.09.2007 – III B 73/06, BFH/NV 2008, 22 (23). 1270 BFH, Urt. v. 11.07.1996 – V R 18/95, BStBl. II 1997, 259 (II.2.b.). 1271 Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 233a AO (Jun. 2015), Rn. 90 m.w.N.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Die Billigkeitsentscheidung erfolgt in einem vom Festsetzungsverfahren gesonderten Verfahren.1272 Der in diesem Verfahren ergehende Bescheid wirkt unmittelbar auf die Festsetzung und ist daher Grundlagenbescheid i.S.v. § 171 Abs. 10 AO.1273 Ein bestandskräftiger Zinsbescheid ist daher nach der Billigkeitsentscheidung gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern.1274 Soeben1275 hat sich gezeigt, dass der Zweck der Sonderregelung des § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO eine Anwendung auf Fälle der Rechnungskorrektur nicht rechtfertigt. Durch eine Verzinsung des zwischenzeitlich aberkannten und im Anschluss daran wieder zurückerstatteten Vorsteuerbetrag, gem. § 233a Abs. 2 AO, kommt es nicht zu einem ungerechtfertigten Zinsvorteil für den Steuerpflichtigen. Anders als in den Fällen, die zur Einführung des § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO führten, tritt eine Liquiditätsbelastung nicht erst mit dem rückwirkenden Ereignis ein. Die fehlende Kompensation für den Zeitraum bis 15 Monate nach Rechnungskorrektur bzw. eine spätere Rückzahlung des betroffenen Vorsteuerbetrages gem. § 233a Abs. 7 Satz 2 AO ist daher unbillig. Unter Fortgeltung des § 233a Abs. 2a, Abs. 7 Satz 2 AO im Festsetzungsverfahren sind diese im Billigkeitsverfahren zu erlassen. Auch den Wertungen des Verzinsungsregimes läuft die Anwendung des § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO zuwider. Denn dieser soll potentielle1276 Liqui1272 BFH, Urt. v. 07.07.2004 – II R 03/03, BStBl. II 2004, 1006 (1009). 1273 BFH, Urt. v. 21.09.2000 – IV R 54/99, BStBl. II 2001, 178 (182); v.  Wedelstädt, AO-StB 2014, 150 (150); Balmes/Frhr. Rüdt von Collenberg, AO-StB 2002, 372 (372). 1274 BFH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII R 51/88, BStBl. II 1993, 3 (5); v. 21.09.2000 – IV R 54/99, BStBl. II 2001, 178 (182); Rüsken in Klein, § 163, Rn. 121; v. Wedelstädt in Kühn/Wedelstädt, § 163 AO, Rn. 24; a.A. Frotscher in Schwarz, § 163 AO (Apr. 2013), Rn. 207 f.; dafür, dass es sich beim Bescheid zum Abschluss des Billigkeitsverfahrens um einen Grundlagenbescheid i.S.v. § 171 Abs. 10 AO handelt, FG Hamburg, Urt. v. 24.08.1993 – V 22/92, EFG 1994, 274 (275); FG Bremen, Urt. v. 30.07.1996 – 2 94 169 K 2, EFG 1996, 966 (967); Hessisches FG, Urt. v. 30.08.1996 – 14 K 336/96, EFG 1997, 288 (289); Loose in Tipke/Kruse, § 163 AO (Mai 2014), Rn. 21. 1275 S.o. Teil III A.V.4.c) Teleologische Erwägungen zur Anwendung des § 233a Abs. 2a AO auf die rückwirkende Rechnungskorrektur. 1276 AEAO zu § 233a, Rn. 69.2; BFH, Urt. v. 23.10.2003 – V R 2102, BStBl. II 2004, 39 (41); v. 15.7.2004 – V R 76101, BStBl. II 2005, 236 (237); v. 24.02.2005 – V R 62/03, BFH/NV 2005, 1220 (1221); v. 30.3.2006 – V R 60/04, BFH/NV 2006, 1434 (1435); Rüsken in Klein, § 233a, Rn. 54; kritisch hierzu Englisch, UR 2011, 648 (653 ff.); Nagler, DStR 1999, 1176 (1177 ff.); nach BVerfG, Beschl. v. 03.09.2009 – 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115 (2117), liegt darin auch grundsätzlich kein Verstoß gegen das Grundgesetz.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

ditätsvor- und -nachteile, die durch eine verspätete Festsetzung entstanden sind, ausgleichen. Zwar ist es dabei nicht erheblich, ob dem Fiskus ein Liquiditätsausfall auch tatsächlich entstanden, bzw. dem Steuerpflichtigen ein Liquiditätsvorteil zuteil geworden ist. In lediglich typisierender Weise geht § 233a AO davon aus, dass ein solcher potentieller Vorteil vorliegt. Ist aber ausgeschlossen, dass ein solcher Vorteil entstanden ist, ist dem Gesetz die Wertung, dass dennoch eine Verzinsung zu erfolgen habe, nicht zu entnehmen.1277 Zugunsten des Unternehmers, der eine Rechnung erhält, ist typischerweise davon auszugehen, dass er nur denjenigen Betrag als Vorsteuer geltend macht, den er zuvor an den Leistenden gezahlt hat.1278 Damit entstand dem Steuerpflichtigen im Vergleich zu anderen Steuerpflichtigen, die eine korrekte Rechnung erhalten haben, kein Liquiditätsvorteil durch den Vorsteuerabzug. Für den durch die Vorschrift des § 233a AO bezweckten „Ausgleich“ ist insoweit kein Raum, als der Vorsteuerabzug rückwirkend berichtigt wird. Die im Beispielsfall gegenüber U mit Bescheid vom 21.02.05 ergangene Zinsfestsetzung ist gem. §§ 175 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 171 Abs. 10 AO auf null zu ändern. Bereits gezahlte Zinsen sind zu erstatten. Der Liquiditätsausfall i.H.v. 1.000,– € durch Zahlung des aberkannten Vorsteuerbetrages im Zeitraum vom 01.05.05 bis zum 01.09.06 wird dadurch aber nicht kompensiert. Denn § 163 AO ermöglicht nur den Erlass von Belastungen, nicht die umfängliche Kompensation von Nachteilen.1279 Nur wenn § 233a Abs. 2a AO auf den Fall bereits anfänglich unangewandt bleibt, entfällt dieser Nachteil. Hinzu kommt, dass dem Unternehmer die Versagung des Billigkeitserlasses droht, da er die Nachteile nicht durch die zumutbare Einlegung von Rechtsmitteln abzuwenden versucht hat.1280 Allerdings wäre das angesichts der bislang von der Finanzverwaltung geübten Praxis der ­ Rechnungskorrektur ex nunc wohl von vorherein aussichtlos und daher angesichts des Kostenrisikos nicht zumutbar, und würde somit dem Bil1277 BFH, Urt. v. 11.07.1996 – V R 18/95, BStBl. II 1997, 259 (LS.); Beschl. v. 30.10.2001 – X B 147/01, BFH/NF 2002, 505 (506); Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 233a AO (Jun. 2015), Rn. 93 m.w.N. 1278 Vgl. Englisch, UR 2011, 648 (652) m.w.N. 1279 Vgl. Loose in Tipke/Kruse, § 227 AO (Mai 2014), Rn. 70. 1280 U.a. BFH, Urt. v. 13.01.2005 – V R 35/03, BStBl. II 2005, 460 (461, II.1); v. 14.11.2007 – II R 3/06, BFH/NV 2008, 574 (575, II.1.); Beschl. v. 05.06.2009 – V B 52/08, BFH/NV 2009, 1593 (II. 1); v. 08.04.2010 – V B 20/08, BFH/NV 2010, 1616 (1617, 1. a.E.); v. 05.03.2014 – V B 14/13, BFH/NV 2014, 918 (919).

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ligkeitserlass wohl nicht im Wege stehen. Setzt sich aber die hier ver­ tretene Ansicht der Rechnungskorrektur ex tunc durch, müsste der Unternehmer Einspruch einlegen. Ansonsten würde der Erlass an einem Verschulden des Unternehmers zu scheitern drohen. bb) Teleologische Reduktion des Anwendungsbereiches des § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO Der Billigkeitserlass stellt ein Mittel zur Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit in den Fällen dar, in denen die korrekte Rechtsanwendung zu einem mit den Zielen des Gesetzes in Widerspruch stehendem Ergebnis führt. Daher sind zunächst die Möglichkeiten der Gesetzesanwendung im Festsetzungsverfahren auszuschöpfen.1281 Bei einem überschießenden Gesetzeswortlaut ist zunächst insbesondere die Möglichkeit der teleologischen Reduktion der Norm zu prüfen.1282 Nur, wenn eine als billig erachtete Rechtsfolge auf diesem Wege nicht erreicht werden kann, steht der Weg des Billigkeitserlasses offen.1283 Für den Fall der Verzinsung gem. § 233a Abs. 2a AO bedarf es daher eines Rückgriffs auf das Billigkeitsregime nicht. So ist § 233a Abs. 2a AO einer teleologischen Reduktion zugänglich, als er auf die Fälle der Rechnungskorrektur nicht anzuwenden ist.1284 (1) Die Zweckwidrigkeit der Anwendung des § 233a Abs. 2a AO auf die Rechnungskorrektur Eine teleologische Reduktion ist dann möglich, wenn der Gesetzeswortlaut Fälle umfasst, welche der Gesetzgeber ausweislich seiner legislati1281 V. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 227 AO (Jan. 2016), Rn. 190, 225, 376. 1282 V. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 227 AO (Jan. 2016), Rn. 31 f., 190, 247; Seer in Tipke/Lang, § 21, Rn. 330; vgl. BFH, Urt. v. 12.06.1997 – I R 70/96, BStBl. II 1998, 38 (39 f., II.3.), kritisch hierzu Hagemeier, AO-StB 2007, 186 ­ (190 f.). 1283 Vgl. BFH, Urt. v. 15.11.1957 – VI 79/55, BStBl. III 1958, 103; v. 12.06.1997 – I R 70/96, BStBl. II 1998, 38 (40); v. 04.02.2010 – II R 35/09, BFH/NV, 2010, 1601 (1603, II.1.a); Elsen, StuW 1959, 499 (512); Loose in Tipke/Kruse, § 227 AO (Mai 2014), Rn. 45; Niemeyer, BB 1989, 2452. 1284 Dennoch ist hier auch der Billigkeitserlass zu problematisieren, da sich in der Steuerrechtspraxis der Billigkeitserlass als Mittel zur Kompensation von Belastungen an der Schnittstelle von legislativen Mängeln und Unbilligkeiten im Einzelfall etabliert hat. Dass dabei oftmals der dogmatisch korrekte Weg, zumeist ohne Kritik, verlassen wird liegt daran, dass sich im Einzelfall die Ergebnisse zumeist decken, bzw. von der Rechtspraxis das Ergebnis, nicht der Weg zum Ergebnis im Fokus steht; siehe zum Problemkomplex v. Groll in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 227 AO (Jan. 2016), Rn. 32 ff..

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ven Motivation nicht der Regelung unterwerfen wollte.1285 Im Unterschied zum Billigkeitserlass erfolgt die teleologische Reduktion damit auf Ebene der Rechtsanwendung und nicht im Anschluss daran, auf Ebene der Rechtsfolge für den einen als atypisch erkannten Fall. Die teleologische Reduktion verfolgt daher das Ziel, eine bestimmte, abstrakt und allgemein definierte Fallgruppe, einer, mit der gesetzlichen Intention übereinstimmenden, Rechtsfolge zuzuführen. Der konkrete Einzelfall gibt nur den Anlass hierzu. Die teleologische Reduktion muss daher Geltung auch für zukünftige, gleichgelagerte Fälle erlangen und diese anhand einer abstrakt generellen Regelung – wie ein Gesetz – erfassen können.1286 Den Fällen der rückwirkenden Rechnungsberichtigung ist gemein, dass ein Liquiditätsabfluss i.H.d. Vorsteuerbetrages beim Vorsteuerabzugsberechtigten nicht erst mit der Korrektur der Rechnung eintritt. Denn in den Fällen, die einer rückwirkenden Rechnungskorrektur zugänglich sind, durfte der Leistungsempfänger zuvor in zulässigerweise davon ausgehen, dass er sich der Vorsteuerbelastung durch Zahlung des Bruttoentgelts mittels unmittelbaren Vorsteuerabzuges wieder entledigen kann. Dieses Verhalten antizipiert die Systematik des Vorsteuerabzuges in Abhängigkeit von der Rechnung als Regelfall.1287 Einer Belastung nicht erst mit Eintritt des rückwirkenden Ereignisses liegt daher nicht ein atypischer Fall, sondern das gesetzlich intendierte Regelverhalten des Unternehmers zugrunde. Denn die M ­ wStSystRL, deren Wertungen auch dem UStG als Umsetzungsgesetz zugrunde zu legen sind,1288 geht, in verhältnismäßiger Weise interpretiert, nicht davon aus, dass ein Vorsteuerabzug erst nach Erhalt einer tatsächlich korrekten Rechnung ausgeübt wird. Vielmehr liegt dem Art. 178 Buchst. a. M ­ wStSystRL die Wertung zu Grunde, dass, wenn dem Leistungsempfänger nach Prüfung der Rechnung im zumutbaren Umfang die Rechnung als korrekt erscheint, der

1285 BVerfG, Beschl. v. 30.03.1993 – 1 BvR 1045/89, 1 BvR 1381/90, 1 BvL 11/90, BVerfGE 88, 145 (167 f.); BFH, Urt. v. 29.06.2011 – XI R 15/10, BStBl. II 2011, 839 (842, II.2.c.cc); Brandenburg, Teleologische Reduktion, S. 29, 35 („Teleologische Reduktion zur Verhinderung der zweckwidrigen Anwendung des Gesetzes“), 65; Englisch in Tipke/Lang, § 5, Rn. 75, 85; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 391 ff. 1286 Zum Ganzen ausführlich, v. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 227 AO (Jan. 2016), Rn. 31 f., 190, 247. 1287 S.o. Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall. 1288 Englisch, UR 2011, 648 (652).

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Vorsteuerbetrag geltend gemacht wird.1289 Für die Fälle der Rechnungskorrektur lässt sich daher in typisierender Weise abstrakt‑generell feststellen, dass die Belastung mit Vorsteuern im Zeitpunkt der Ausübung des Vorsteuerabzuges bereits eingetreten war. Mit § 233a Abs. 2a AO wollte der Gesetzgeber hingegen nur diejenigen Fälle erfassen, bei welchen die Belastung erst mit Eintritt des rückwirkenden Ereignisses eintritt.1290 Die Fälle der rückwirkenden Rechnungsberichtigung unterscheiden sich daher typischerweise im entscheidenden Punkt von denjenigen, welche der Gesetzgeber bei Erlass des § 233a Abs. 2a AO im Sinn hatte.1291 Der Wortlaut, der diese Fälle auch umfasst, geht daher zu weit. Das trifft typischerweise auf alle Fälle der Rechnungskorrektur zu. Es lässt sich daher typisierend feststellen, dass die Belastung mit Vorsteuern im Zeitpunkt der Ausübung des Vorsteuerabzuges bereits eingetreten war. Der Gesetzgeber hätte diese Fallgruppe daher, hätte er sie bedacht, von der Regelung des § 233a Abs. 2a AO ausgenommen. Dass der Gesetzgeber diesen Fall nicht bedacht hat, zeigt der Umstand, dass sich das Problem dem Gesetzgeber des JStG 1997 nicht stellte. So eröffnet nur die hier vertretene Ansicht, dass die Rechnungskorrektur ein rückwirkendes Ereignis ist, den Problemkreis. Nimmt man hingegen mit der auch bei Einführung der Regelung durch das JStG 1997 allgemeinen Meinung1292 an, dass eine solche rückwirkende Rechnungskorrektur nicht möglich ist, stellt sich das Problem nicht. § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO sind daher teleologisch derart zu reduzieren, dass sie im Falle der rückwirkenden Rechnungskorrektur auf den betroffenen Vorsteuerbetrag nicht anzuwenden sind. (2) Anleihen an der Rechtsprechung des BFH zur Verzinsung im Rahmen des Anrechnungsverfahrens gem. § 27 Abs. 2 KStG a.F. Dabei ist dieser Ansatz im Ergebnis nicht neu. Er deckt sich mit der Rechtsprechung des BFH zur Anwendung des § 233a Abs. 2a AO. In im 1289 S.o. Teil III A.IV.2.f)cc)(2) Rückwirkende Rechnungsberichtigung als Gebot der verhältnismäßigen Anwendung des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL. 1290 Vgl. o Teil III A.V.4.c) Teleologische Erwägungen zur Anwendung des § 233a Abs. 2a AO auf die rückwirkende Rechnungskorrektur. 1291 S.o. Teil III A.V.4.d)aa) Billigkeitserlass der Zinsen gem. § 163 AO. 1292 Vgl. u.a. BFH, Urt. v. 26.04.1979 – V R 46/72, BStBl. II 1979, 530 (532); v. 12.06.1986 – V R 75/78, BStBl. II 1986, 721 (723, II.2.a.); v. 24.09.1987 – V R 50/85, BStBl. II 1988, 688 (690, II.5.); v. 24.09.1987 – V R 125/86, BStBl. II 1988, 694 (698 f., II.4.a.).

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Kern, nämlich bezogen auf den typischen Eintritt von rückwirkend steuerrelevanten Tatsachen, ähnlich gelagerten Fällen lässt der BFH1293 und ihm folgend die Finanzverwaltung1294 die Regelung des § 233a Abs. 2a AO mittels einer teleologischen Reduktion unangewandt. So soll § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO auf einen erstmaligen Gewinnausschüttungsbeschluss keine Anwendung finden. Ein gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechender („offener“) Gewinnverteilungsbeschluss hatte gem. § 27 Abs. 1, Abs. 3 KStG a.F. – in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (Anrechnungsverfahren) – eine rückwirkende Änderung der Steuerlast für das von der Gewinnausschüttung betroffene Wirtschaftsjahr zur Folge. In diesen Fällen konnte es wegen des abweichenden Zinslaufes gem. § 233a Abs. 2a AO und der Versteuerung von Teilunterschiedsbeträgen gem. § 233a Abs. 7 AO zur Entstehung von Erstattungszinsen kommen, wenn, ohne Berücksichtigung des rückwirkenden Ereignisses, ein Teilunterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen bestand. Denn letzterer war jedenfalls bis zum Beginn der Verzinsung nach dem rückwirkenden Ereignis gem. § 233a Abs. 2a AO zu verzinsen. Selbst wenn aufgrund des rückwirkenden Ereignisses, eine Steuernachzahlung nicht zu leisten war, also insbesondere der Betrag der Vorauszahlungen den tatsächlich festzusetzenden Betrag erreichte oder überstieg, konnten Nachzahlungszinsen entstehen.1295, 1296 Dieses Ergebnis, so der BFH1297, stehe im Widerspruch zu den Zwecken des Verzinsungsregimes generell, an denen § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO nichts ändern, sondern dem er in Sonderkonstellationen zum Durchbruch verhelfen solle. So setzte das Verzinsungsregime des § 233a AO voraus, dass eine tatsächlich verzinsliche Steuerschuld typischerweise zunächst besteht. Das ist u.a. dann der Fall, wenn rückwirkende Ereignisse die Ausnahme sind. § 233a Abs. 2a AO lässt dann das Verzinsungsregime erst einsetzen, wenn eine Besteuerung unter Berücksichtigung dieses Ereignisses möglich gewesen wäre. Denn bis zu diesem Zeitpunkt 1293 Erstmals BFH, Urt. v. 18.05.1999 – I R 60/98, BStBl. II 1999, 634 (636 f., II.2.b.bb. a.E.); seither ständige Rechtsprechung BFH, Urt. v. 29.11.2000 – I R 45/00, ­BStBl. II 2001, 326 (327, II.2.); v. 29.11.2000 – I R 18/00, HFR 2001, 943 (944, II.1.); v. 22.10.2003 – I R 15/03, BStBl. II 2004, 398 (399, II.2.a.); v. 20.09.2006 – I R 17/04, BFH/NV 2007, 1065 (1066). 1294 AEAO zu § 233a Rn. 10. 1295 Kritisch hierzu Baum, DB 1997, 1888 (1889); Gumpp, GmbHR 1998, 370 (370); Lawall, DStR 1998, 469 (470); Pasig, DStR 1997, 1395 (1395); Suhrbier-Hahn, DStR 1997, 390 (390). 1296 Instruktiv anhand eines Beispiels hierzu Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 233a AO (Juni. 2015), Rn. 63 f. 1297 BFH, Urt. v. 18.05.1999 – I R 60/98, BStBl. II 1999, 634 (636 f.).

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entstand typischerweise tatsächlich ein Liquiditätsvorteil aufgrund einer zu geringen oder zu hohen erstmaligen Festsetzung oder Vorauszahlung. Sei aber der gesetzlichen Konzeption immanent, dass erst nach einem rückwirkenden Ereignis die tatsächliche, auch gesetzlich gewollte Steuerschuld festgestellt werden kann, ist für diese Sonderregelung des § 233a Abs. 2a AO kein Raum. Daher sei im Falle des Gewinnverteilungsbeschlusses § 233a Abs. 2a AO nicht anzuwenden. Denn ein Gewinnverteilungsbeschluss setze notwendigerweise die Feststellung des Gewinns bzw. eines Jahresabschlusses gem. § 46 GmbHG bzw. § 174 AktG voraus. Diese könnten aber erst nach Abschluss des Wirtschaftsjahres festgestellt und erstmalig berücksichtigt werden. § 27 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 KStG a.F. macht damit gerade ein notwendigerweise erst nach Steuerentstehung eintretendes Ereignis zum Maßstab der intendierten Steuerbelastung. Die Rückwirkung führt dann aber nicht zu einem atypischen Liquiditätsvorteil, wie ihn § 233a AO abschöpfen soll. Es tritt hier die typische, alle Steuerpflichtigen mit vergleichbaren Steuerfällen betreffende Liquiditätssituation ein. Ein Liquiditätsvorteil im Vergleich zu anderen Steuerpflichtigen entsteht hier daher nicht, weil die Steuer im Unterschied zu anderen Steuerpflichtigen nicht „zufällig“ später festgesetzt wurde.1298 Wie im Falle des Gewinnverwendungsbeschlusses i.S.v. § 27 Abs. 3 KStG a.F. ist den Fällen der Rechnungskorrektur immanent, dass diese erst nach Ablauf des betroffenen Voranmeldungszeitraumes erfolgt. Geht man daher mit der hier vertretenen Ansicht davon aus, dass § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 UStG eine Rechnungskorrektur rückwirkend zulässt, die Rechnung aber – nach dem Verständnis des BFH – zugleich als materielle Voraussetzung des Vorsteuerabzuges erfordert, ist der Regelung immanent, dass dieses rückwirkende Ereignis mit Wirkung auf den abgeschlossenen Besteuerungszeitraum erfolgt. Den Grundsätzen des BFH zur Verzinsung von Körperschaftsteuer bei offenen Gewinnverwendungsbeschlüssen folgend, ist dann § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO auch nicht auf die Fälle der Rechnungskorrektur anzuwenden. Dem steht nicht entgegen, dass der BFH die Anwendung der Rechtsprechung zur Verzinsung im Rahmen des Anrechnungsverfahrens gem. § 27 Abs. 2 KStG a.F. explizit für die Verzinsung von Umsatzsteuerbeträgen ausgeschlossen hat, die aufgrund des nachträglichen Verzichts des Erwerbers auf die Option zur Steuerfreiheit der Lieferung von Grundstücken entstehen. Denn der Ver1298 Zur gesamten Argumentation BFH, Urt. v. 18.05.1999 – I R 60/98, BStBl. II 1999, 634 (636 f., II.2.b.); ausführlich dazu Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 233a AO (Juni. 2015), Rn. 63 f.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

zicht ist, anders als die Rechnungsberichtigung, schon kein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. So tritt der Verzicht nicht zwangsläufig nach der Entstehung der Steuer ein. Da damit die Rückwirkung dem Verzicht nicht immanent ist, besteht kein Anlass zur Durchbrechung der Bestandskraft, welche die Qualifikation als rückwirkendes Ereignis voraussetzt.1299 (3) Konsequenzen für die Verzinsung von Vorsteuerbeträgen Der endgültigen Verzinsung des zeitweise aberkannten Vorsteuerbetrages ist daher durch eine teleologische Reduktion des § 233a Abs. 2a AO zu begegnen. Angesichts dieser Möglichkeit scheidet ein Billigkeitserlass der, gem. § 233a Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 AO auf den zeitweise aberkannten Vorsteuerbetrag entstandenen Zinsen, aus. Wurden wegen Aberkennung des Vorsteuerabzuges Zinsen auf den Vorsteuerbetrag festgesetzt, sind diese mit Korrektur der Rechnung zu erstatten, §§ 233a Abs. 5 Satz 3 Hs. 2, 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 AO. Für den Beispielsfall1300 heißt das, dass auch die Kompensation des Liquiditätsausfalls durch Zahlung des aberkannten Vorsteuerbetrages im Zeitraum vom 01.05.05 bis zum 01.09.06 möglich ist. Ohne die Anwendung des § 233a Abs. 2a AO wird dieser für den Zeitraum vom 01.05.05 bis zum 01.09.06 verzinst, §§ 233a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 3 AO. Neben der dogmatischen Stringenz streitet für diesen Ansatz aus Sicht des Unternehmers auch noch folgender Aspekt. Diese Lösung fordert vom Unternehmer nicht, sich gegen die seine Anmeldung ändernde Festsetzung und die Festsetzung von Zinsen durch Einlegung eines Einspruches zu wehren. Denn die teleologische Reduktion kann unabhängig von einem potentiellen Versäumnis des Steuerpflichtigen im Einzelfall erfolgen.1301

1299 BFH, Urt. v. 28.11.2002 – V R 54/00, BStBl. II 2003, 175 (177, I.2.b.). 1300 S.o. Teil III A.V.4.a) Ausgangpunkt: Keine Rückwirkung der Rechnungskorrektur auf die Verzinsung, § 233a Abs. 2a AO. 1301 Kritisch daher hierzu Hagemeier, AO-StB 2007, 186 (190 f.), der deshalb die teleologische Reduktion ablehnt. Die teleologische Reduktion der Norm hat aber einzig den Zweck der zu reduzierenden Norm zum Maßstab. Sofern, wie im Fall von § 233a Abs. 2a AO, diese Norm nicht den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Verfolgung seiner Rechte anhalten will, greift das Argument von Hagemeier daher nicht durch.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

(4) Unionsrechtlich zwingende Alternative: Unanwendbarkeit des § 233a Abs. 2a AO An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass, will man dem hier vertretenen Ansatz, § 233a Abs. 2a AO teleologisch zu reduzieren, nicht folgen, die Regelung des § 233a Abs. 2a AO wegen Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht unangewandt bleiben muss. So umfasst der Anspruch1302 des Steuerpflichtigen auf Erstattung von unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuern auch die Verzin­ sung dieser Beträge.1303 Das gilt insbesondere auch dann, wenn sich der Schaden des Steuerpflichtigen auf die zeitweise fehlende Verfügbarkeit des Steuerbetrages beschränkt.1304 Da mit der Korrektur der Rechnung die ursprüngliche Ausübung des Vorsteuerabzuges mit unerkannt fehlerhafter Rechnung rückwirkend ­ den Anforderungen des verhältnismäßig ausgelegten Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL genügt, steht die Erhebung der als Vorsteuer abziehbaren Beträge bis zum Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung im Widerspruch zum Unionsrecht. Weil der Vorsteuerbetrag mit Korrektur der Rechnung zurückerstattet wird, beschränkt sich der Schaden des Steuerpflichtigen auf den Liquiditätsausfall. Dieser ist dem Steuerpflichtigen zu erstatten. Zwar sind die Mitgliedstaaten in Ermangelung einer unionrechtlichen Regelung dazu berufen, die Einzelheiten dieser Erstattung zu bestimmen.1305 Allerdings darf diese Ausgestaltung „… nicht dazu führen, dass dem Steuerpflichtigen eine angemessene Entschädigung für die Einbußen, die er durch die zu Unrecht gezahlte Mehrwertsteuer erlitten hat, 1302 Hierzu u.a. EuGH, Urt. v. 14.01.1997 – C-192/95 bis C-218/95 – Comateb u.a., ECLI:EU:C:1997:12, Rn. 20; v. 08.03.2001 – C-397/98 und C-410/98 – Metallgesellschaft u.a., ECLI:EU:C:2001:134, Rn. 84; v. 02.10.2003 – C-147/01 – Weber’s Wine World u.a., ECLI:EU:C:2003:533, Rn. 93; v. 12.12.2006 – C-446/04 – Test Claimants in the FII Group Litigation, ECLI:EU:C:2006:774, Rn. 202 1303 EuGH, Urt. v. 08.03.2001 – C-397/98 und C-410/98 – Metallgesellschaft u.a., ECLI:EU:C:2001:134, Rn. 87–89; v. 12.12.2006 – C-446/04 – Test Claimants in the FII Group Litigation, ECLI:EU:C:2006:774, Rn. 205. 1304 EuGH, Urt. v. 08.03.2001 – C-397/98 und C-410/98 – Metallgesellschaft u.a., ECLI:EU:C:2001:134, Rn. 87–89, 1305 EuGH, Urt. v. 21.05.1976 – C-26/74 – Roquette Frères/Kommission, ECLI:EU:C:​ 1976:69, Rn. 11 f.; v. 12.06.1980 – C-130/79 – Express Dairy Foods, ECLI:EU:C:​ 1980:155, Rn. 16 f.; v. 09.11.1983 – C-199/82 – San Giorgio, Slg. 1983, I-3595, Rn. 12; v. 08.03.2001 – C-397/98 und C-410/98 – Metallgesellschaft u.a., ECLI:​ EU:​C:2001:134, Rn. 86; v. 02.10.2003 – C-147/01 – Weber’s Wine World u.a., ECLI:EU:C:2003:533, Rn. 103; v. 06.10.2005 – C-291/03 – Mytravel, ECLI:EU:C:​ 2005:​591, Rn. 17; v. 19.07.2012 – C-591/10 – Littlewoods, ECLI:EU:C:2012:478, Rn. 27.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

vorenthalten wird.“1306 Steht eine nationale Regelung daher der unionsrechtlich begründeten Entschädigung entgegen, ist diese Regelung, wenn das nationale Recht keine andere Möglichkeit zur Herstellung unionsrechtskonformer Zustände bietet, unangewandt zu lassen.1307 Hier steht der Entschädigung der Unternehmers für seinen Liquiditätsausfall § 233a Abs. 2a AO entgegen.1308 Folgt man daher der hier aufgezeigten Möglichkeit der teleologischen Reduktion des § 233a Abs. 2a AO1309 nicht und erkennt man mit der hier vertretenen Ansicht an, dass ein Billigkeitserlass der betroffenen Zinsen auf den Vorsteuerbetrag ausscheiden muss,1310 müsste § 233a Abs. 2a AO unangewandt bleiben. e) Genereller Ausschluss der Verzinsung von Vorsteuerbeträgen zulasten des Unternehmers bei möglicher Rechnungskorrektur durch teleologische Reduktion des § 233a AO Als einzige Belastung verbleibt nach der bislang entwickelten Lösung der Liquiditätsausfall in Höhe des Zinsbetrages der zwar erstattet,1311 aber gem. § 233a Abs. 2a Satz 2 i.V.m. 3, Abs. 4 AO nicht verzinst wird. Im Beispielsfall trägt U den Ausfall von Liquidität i.H.d. Zinsbetrages von 110,–  € im Zeitraum vom 05.04.05 bis zum 01.09.06. Nur wenn eine Verzinsung des ursprünglich geltend gemachten Vorsteuerbetrages grundsätzlich entfiele, käme es auch zu dieser Belastung nicht. Angesichts der Gründe, welche für eine teleologische Reduktion des § 233a Abs. 2a AO sprechen, erscheint auch ein genereller Entfall der Verzinsung von mit untauglicher Rechnung geltend gemachten Vorsteuerbeträgen zulasten des Unternehmers angezeigt, wenn die Rechnung korrigiert wird. Insofern ist § 233a AO teleologisch zu reduzieren. aa) Der Zweck der Verzinsungsregel des § 233a AO Zweck des § 233a AO ist es, potentielle Liquiditätsvor- und -nachteile, die dem Steuerpflichtigen durch eine verspätete Festsetzung entstehen, auszugleichen. Im Einzelnen stehen dabei gleichermaßen tragend, so1306 EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-591/10 – Littlewoods, ECLI:EU:C:2012:478, Rn. 29. 1307 EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-591/10 – Littlewoods, ECLI:EU:C:2012:478, Rn. 33. 1308 Vgl. o. Teil III A.V.4.a) Ausgangpunkt: Keine Rückwirkung der Rechnungskorrektur auf die Verzinsung, § 233a Abs. 2a AO. 1309 S.o. Teil III A.V.4.d)bb)(1) Die Zweckwidrigkeit der Anwendung des § 233a Abs. 2a AO auf die Rechnungskorrektur 1310 S.o. Teil III A.V.4.d)aa) Billigkeitserlass der Zinsen gem. § 163 AO. 1311 Siehe soeben Teil III A.V.4.d)bb)(3) Konsequenzen für die Verzinsung von Vorsteuerbeträgen.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

wohl ein Ausgleich von Liquiditätsnachteilen zu Lasten des Fiskus1312, als auch die – gleichheitsrechtlich motivierte – Abschöpfung von Liquiditätsvorteilen im Vergleich mit anderen Steuerpflichtigen,1313 nebeneinander.1314 Dabei ist nicht erheblich, ob dem Fiskus per saldo – unter Berücksichtigung einer dadurch bedingten Versteuerung durch andere Steuerpflichtige – ein Liquiditätsnachteil bzw. dem Steuerpflichtigen ein Liquiditätsvor- oder -nachteil auch tatsächlich entstanden ist. Vielmehr liegt § 233a AO die typisierende Betrachtung zugrunde, dass ein solcher potentieller Vorteil auch vorliegt.1315 Ist hingegen im Einzelfall ausgeschlossen, dass ein solcher Vorteil entstanden ist, ist dem Gesetz die Wertung, dass dennoch eine Verzinsung zu erfolgen habe, nicht zu entnehmen. In der Rechtspraxis wird in diesen Fällen der Zins im Billigkeitsverfahren erlassen.1316 Verfehlt jedoch die Regelung für eine abstrakt‑generell definierbare Fallgruppe diesen Zweck, kann eine Korrektur nicht mittels eines Billigkeitserlasses erfolgen. Zu prüfen ist dann die Möglichkeit einer teleologischen Reduktion.1317 bb) Die Zweckwidrigkeit der Verzinsung von Vorsteuerbeträgen Bereits oben wurde dargelegt, welche Mechanismen der indirekten Beund Entlastung dem System des Vorsteuerabzuges in seiner Abhängigkeit von der Rechnungserteilung zugrunde liegen.1318 Demzufolge setzt 1312 U.a. BFH, Urt. v. 19.03.1997 – I R 7/96, BStBl. II 1997, 446 (447); AEAO zu § 233a, Rn. 69.2. 1313 U.a. BVerfG, Beschl. v. 03.09.2009 – 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115 (2117, III.1.a)bb)(2).(b)); BFH, Urt. v. 08.09.1993 – I R 30/93, BStBl. II 1994, 81 (82), unter Bezugnahme auf StRG 1990, BT-Drs. 11/2157, S. 194 und Bericht der Bundesregierung über die Möglichkeit der Einführung einer Vollverzinsung im Steuerrecht, BT-Drs. 8/1410, S. 4; zudem u.a. BFH, Urt. v. 16.08.2001 – V R 72/00, BFH/ NV 2002, 545 (546); v. 30.03.2006 – V R 60/04, BFH/NV 2006, 1434 (1435). 1314 Englisch, UR 2011, 648 (651, Fn. 32). 1315 AEAO zu §233a, Rn. 69.2; BFH Urt. v. 23.10.2003 – V R 2102, BStBl. II 2004, 39 (41); v. 15.07.2004 – V R 76101, BStBl. II 2005, 236 (237); v. 24.02.2005 – V R 62/03, BFH/NV 2005, 1220 (1221); v. 30.03.2006 – V R 60/04, BFH/NV 2006, 1434 (1435); Beschl. v. 01.09.2008 – IV B 137/07, BFH/NV 2009, 200 (202, II.3.a. m.w.N.); Rüsken in Klein, § 233a, Rn. 54; Heuermann in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 233 AO (Jun. 2015), Rn. 5; Nagler, DStR 1999, 1176 (1177 ff.); nach BVerfG, Beschl. v. 03.09.2009 – 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115 (2117, III.1.b)) ist das auch verfassungsrechtlich zulässig. 1316 Z.B. BFH, Urt. v. 11.07.1996 – V R 18/95, BStBl. II 1997, 259 (LS.); Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 233a AO (Jun. 2015), Rn. 93 ff. m.w.N.; vgl. Kirchhof in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 118, Rn. 99 m.w.N. 1317 S.o. Teil III A.V.4.d)bb) Teleologische Reduktion des Anwendungsbereiches des § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO. 1318 Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

das System des Vorsteuerabzuges voraus, dass der Leistungsempfänger erst nach Erhalt einer, aus seiner Sicht korrekten, Rechnung den Bruttobetrag an den Leistenden zahlt, dann aber auch den Vorsteuerabzug geltend macht. Be- und Entlastung treten, entsprechend dem Erfordernis der Liquiditätsneutralität, simultan ein.1319 Voraussetzung ist dabei lediglich, dass sich der Steuerpflichtige, nach Maßgabe seiner Erkenntnismöglichkeiten, an die Regelungen zum Abzugszeitpunkt hält. Diese Redlichkeit soll hier als typischer Fall unterstellt werden. Typischerweise zieht daher der Unternehmer nur denjenigen Betrag als Vorsteuer in dem Voranmeldungszeitraum ab, in welchem er, wegen einer als tauglich erscheinenden Rechnung, diesen Betrag an den Leistenden gezahlt hat. Damit entsteht dem Steuerpflichtigen im Vergleich zu anderen Steuerpflichtigen, die eine korrekte Rechnung erhalten haben, systemisch bedingt kein Liquiditätsvorteil durch den Vorsteuerabzug.1320 Auch letztere machen den Vorsteuerabzug dann geltend, wenn sie von der Korrektheit der Rechnung überzeugt sind. Abstrakt generalisierend lässt sich daher feststellen, dass einem Unternehmer ein Liquiditätsvorteil aus einem Vorsteuerabzug bei unerkannt untauglicher Rechnung, gegenüber solchen Steuerpflichtigen, die zutreffender Weise eine Rechnung als korrekt qualifizieren, nicht zuteilwird. Für den durch die Vorschrift des § 233a AO bezweckten „Ausgleich“ ist insoweit kein Raum. Der Zweck des § 233a AO erfordert daher keine Verzinsung in diesen Fällen. Die Regelung ist daher einer teleologischen Reduktion zugänglich.1321 cc) Generelle Zulässigkeit der typisierenden Liquiditätsbetrachtung Dass § 233a AO nicht das positive Vorliegen von tatsächlich gezogenen Zinsvorteilen im Einzelfall erfordert, steht der Vereinbarkeit der daraus folgenden Belastung des Steuerpflichtigen mit Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht entgegen, sofern sich der Gesetzgeber hierbei in den Grenzen seiner Typisierungsbefugnis bewegt.1322 Innerhalb dieser „ist der Ge1319 Vgl. ausführlich oben Teil II B.IV.2.b)cc)(1) Kumulative Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs – Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug und Besitz einer Rechnung. 1320 Vgl. Claus/Slapio, UR 2014, 346 (349); Englisch, UR 2011, 648 (652); Körner, DStR 2010, 1363 (1364). 1321 Vgl. o. Teil III A.V.4.d)bb) Teleologische Reduktion des Anwendungsbereiches des § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO. 1322 Englisch, UR 2011, 648 (651); Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 233a AO (Jun. 2015), Rn. 5.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

setzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt“1323. Diese Erfahrungen muss der Gesetzgeber auf „Beobachtungen betreffend alle betroffenen Fallgruppen stützen“.1324 Erfasst die Regelung dann „in wesentlichen Elementen gleich geartete Sachverhalte“, muss der Gesetzgeber Härten im Einzelfall nicht notwendigerweise1325 mit Sonderregelungen Rechnung tragen, um dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu entsprechen.1326, 1327 Wesentlich sind in diesem Zusammenhang Umstände der betroffenen Einzelfälle, welche das Gesetz zum Anlass der Regelung nimmt. Zusammengefasst lässt sich daher festhalten, dass die Typisierungsbefugnis dort ihre Grenzen findet, wo Fallgruppen, die einer eigenen abstrakt-generellen Regelung zugänglich sind, ebenfalls von der Regelung erfasst werden, obwohl auf sie die typisierende Vermutung nicht zutrifft.1328 Denn in Bezug auf diese Fallgruppen macht das Gesetz nicht am typischen, sondern am atypischen Fall fest.1329

1323 BVerfG, Beschl. v. 06.07.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (278 f.); mit vergleichendem Bezug auf BVerfG, Beschl. v. 28.06.1960 – 2 BvL 19/59, BVerfGE 11, 245 (254); v. 31.05.1988 – 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 (227); v. 08.10.1991 – 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 (359); v. 09.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210 (232). 1324 BVerfG, Beschl. v. 06.07.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (278 f.). 1325 Es bedarf aber einer Rechtfertigung der Ungleichbehandlung durch die Typisierung, mithin eines legitimen Ziels, ihrer Geeignetheit zur Erreichung des selbigen, und ihrer Erforderlichkeit, hierzu Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 162, 168 ff. mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG. 1326 BVerfG, Beschl. v. 06.07.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (278 f.); vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.05.1990 – 2 BvL 12/88, 2 BvL 13/88, 2 BvR 1436/87, ­ ­BVerfGE 82, 159 (185 f.); v. 10.04.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6); BFH, Urt. v. 22.07.2010 – V R 4/09, BStBl. II 2013, 590 (593 f., II.4.b cc,). 1327 Siehe zum Ganzen ausführlich BVerfG, Beschl. v. 06.07.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (278 f.); mit vergleichendem Bezug auf BVerfG, Beschl. v. 28.06.1960 – 2 BvL 19/59, BVerfGE 11, 245 (254); v. 31.05.1988 – 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 (227); v. 08.10.1991 – 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 (359); v. 09.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210 (232); Hey in Tipke/Lang, § 3, Rn. 148; Kirchhof in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 118, Rn. 97 ff.; Sehr wohl ist dann aber die Typisierung, und damit die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. 1328 Eine Typisierung ist dann aufgrund der abstrakt generellen Erfassbarkeit zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung schon gar nicht erforderlich, Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 170; ders., UR 2011, 648 (656). 1329 Vgl. BVerfG, Entsch. v. 07.10.1969 – 2 BvR 555/67, BVerfGE 27, 142 (150); Beschl. v. 06.05.1975 – 1 BvR 332/72, BVerfGE 39, 316 (329); Englisch, Wettbewerbsgleichheit, S. 169.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Ausdrücklich für die Verzinsung gem. § 233a AO hat das BVerfG bereits festgestellt, dass sich der Gesetzgeber hier im Rahmen einer zulässigen Typisierung bewegt.1330 Dieser Entscheidung lag aber die Verzinsung von Einkommensteuer zugrunde. Für die Verzinsung von Vorsteuerbeträgen muss die indirekte Erhebung und das mehrstufige Be- und Entlastungssystem der Umsatzsteuer berücksichtigt werden.1331 dd) Zwingende teleologische Reduktion der Verzinsung Bei zweckgemäßer Anwendung des § 233a AO auf mit mangelnder Rechnung geltend gemachte Vorsteuerbeträge müsste daher gelten, dass dem Unternehmer typischerweise ein Liquiditätsvorteil im Vergleich zu anderen Unternehmern entsteht. Genau das ist nicht der Fall. Mit der Verzinsung gem. § 233a AO wird damit über eine abstrakt-generell definierbare und daher einer normativen Ausnahmeregelung zugänglichen Fallgruppe „grob hinwegtypisiert“1332. Je nachdem, auf welche Vergleichsgruppe man abstellt, wird hier entweder wesentlich Gleiches ungleich oder aber wesentlich Ungleiches gleich behandelt. Vergleicht man die vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer untereinander,1333 so stellt man fest, dass sich deren Liquiditätssituation nicht unterscheidet. Beide zahlen den abgezogenen Betrag an ihren Leistungserbringer. Derjenige, der eine korrekte Rechnung erhält, hat daher nicht weniger Liquidität zur Verfügung, als derjenige, dessen Rechnung fehlerhaft ist. Nimmt man aber als Konsequenz der Anknüpfung an die Erhebungs- und Entlastungstechnik der Umsatzsteuer den Vergleich zwischen der auch vom Bundesverfassungsgericht bereits untersuchten Liquiditätssituation bei direkten Steuern1334 und der als indirekter Verbrauchsteuer ausgestalteten Umsatzsteuer vor, ergib sich folgendes Bild. Werden direkte Steuern später festgesetzt, hat der Steuerpflichtige bis zum Zeitpunkt der Entrichtung im Anschluss an die Festsetzung einen Liquiditätsvorteil. Denn der Steuerpflichtige entrichtet die Steuer direkt an den Fiskus. Solange er hierzu nicht im Anschluss an die Festsetzung aufgefordert wird,

1330 BVerfG, Beschl. v. 03.09.2009 – 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115 (2117, III.1.a) bb)(2)(b)). 1331 Claus/Slapio, UR 2014, 346 (349). 1332 Englisch, UR 2011, 648 (656). 1333 So Claus/Slapio, UR 2014, 346 (350). 1334 BVerfG, Beschl. v. 03.09.2009 – 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

hat er den Steuerbetrag typischerweise1335 tatsächlich zur Verfügung. Wird auf B2B-Umsätze mit vorsteuerabzugsberechtigtem Leistungsempfänger entstandene Umsatzsteuer später, in Abweichung von der Anmeldung des Leistungsempfängers, festgesetzt, entsteht ein Liquiditätsvorteil auf Seiten des Leistungsempfängers typischerweise nicht. Denn diesen Betrag hat er an den Leistenden, welcher diesen, stellvertretend für den Fiskus, einnimmt, unmittelbar gezahlt. Dass er aufgrund der Mangelhaftigkeit der Rechnung, dazu zivilrechtlich nicht verpflichtet war,1336 musste er nicht wissen. Er durfte vielmehr, nach Anwendung der zumutbaren Sorgfalt, darauf vertrauen, dass die Rechnung korrekt und er damit zur Zahlung verpflichtet war. Anders als im Falle der direkten Steuern tritt die Belastung des steuerpflichtigen Leistungsempfängers mit der Umsatzsteuer tatsächlich mit Abwälzung und nicht erst mit Festsetzung ein. An die Stelle der Festsetzung bei direkten Steuern hat daher für Fälle der Umsatzsteuer der Zeitpunkt der Abwälzung zu treten. Legt man für beide Steuern die Festsetzung zugrunde, werden diese wesentlichen systematischen Unterschiede übergangen. Wesentlich Ungleiches wird dann in rechtfertigungsbedürftiger Weise gleich behandelt.1337 Eine Rechtfertigung hierfür gelingt nicht. Denn es lässt sich kein „… vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die (…) Gleichbehandlung (…)“ finden.1338 Dabei kommt, wenn die Norm den Kreis der Betroffenen nicht anhand von personenbezogenen Merkmalen, sondern am Sachverhalt festmacht, den Besonderheiten des geregelten Lebensbereichs erhebliche Bedeutung zu.1339 So kann eine typisierende Regelung insbesondere durch die Verhinderung von Vollzugsproblemen bei Differenzierungen gerechtfertigt werden.1340 Bei der Differenzierung anhand von betroffenen Steuerarten drohen diese Probleme nicht. 1335 Zu abweichenden Fallgestaltungen siehe sogleich Teil III A.V.4.e)ee)Vereinbarkeit dieses Ansatzes mit bisheriger Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis. 1336 S.o. Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall. 1337 Vgl. generell vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.03.1976 – 2 BvR 804/75, BVerfGE 42, 64 (72). 1338 U.a. generell BVerfG, Urt. v. 21.10.1980 – 1 BvR 179/78, 1 BvR 464/78, BVerfGE 55, 114 (128). 1339 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.02.1994 – 1 BvR 1237/85, BVerfGE 89, 365 (376); ­BVerfG, Beschl. v. 24.11.2009 – 1 BvR 213/08, MMR 2010, 188 (189) 1340 Vgl. zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen durch Praktikabilitätser­ wägungen im Gesetzesvollzug BVerfG, Entsch. v. 13.12.1967 – 1 BvR 679/64, BVerfGE 23, 1 (8 f.); v. 15.01.1969 – 1 BvR 723/65, BVerfGE 25, 101 (109); 02.10.1969 – 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58 (67); v. 15.12.1970 – 1 BvR 559/70, 1 BvR 571/70, 1 BvR 586/70, BVerfGE 29, 402 (411 f.); v. 09.03.1971 – 2 BvR

320

A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Ein sonst einleuchtender Grund, insbesondere eine Rechtfertigung durch einen möglichen Sanktionscharakter der Verzinsung, scheitert ebenfalls. So erfolgt die Verzinsung unabhängig von den Gründen für die Entstehung eines Unterschiedsbetrages und damit auch unabhängig vom Verschulden des Steuerpflichtigen. Das ist auch insofern konsequent, als der Gesetzgeber mit der Verzinsung ausdrücklich keine Sanktionszwecke verfolgen will.1341 Wollte man die Verzinsung ohne Liquiditätsvorteil aber dennoch – unionsrechtlich – mit einem Sanktionszweck rechtfertigen, setzte das voraus, dass der Steuerpflichtige, dem kein Liquiditätsvorteil zuteilwird, typischerweise sanktionswürdig ist. Folglich träfe den Steuerpflichtigen, der trotz eines Unterschiedsbetrages keinen Liquiditätsvorteil hat, typischerweise ein Verschulden an der Entstehung dieses Unterschiedsbetrages. Das ist aber in den Fällen, in denen nach der hier vertretenen Ansicht dem Steuerpflichtigen eine rückwirkende Rechnungskorrektur zugestanden wird, gerade nicht der Fall.1342 Die Fälle des Vorsteuerabzuges mit irrtümlich nicht als fehlerhaft erkannten Rechnung ist daher vom Anwendungsbereich des § 233a AO auszunehmen, um seinen Anwendungsbereich auf ein verfassungskonformes Maß zu beschränken. ee) Vereinbarkeit dieses Ansatzes mit bisheriger Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis Dieser Ansatz scheint, die hier vertretene Qualifikation der Rechnungsberichtigung als rückwirkendes Ereignis vorausgesetzt, zumindest im Ergebnis auch in der geübten deutschen Verwaltungspraxis angelegt. Die Rechtsprechung steht ihm ebenfalls nicht entgegen. Der Ausschluss der Verzinsung von Vorsteuerbeträgen lässt sich daher an die von der Finanzverwaltung geäußerten Ansichten und die Rechtsprechung anknüpfen.

326/69, 2 BvR 341/69, 2 BvR 342/69, 2 BvR 343/69, 2 BvR 344/69, 2 BvR 345/69, 2 BvR 327/69, BVerfGE 30, 250 (271); BVerfG, Beschl. v. 11.07.1967 – 1 BvR 495/63, 1 BvR 325/66, BVerfGE 22, 156 (161); v. 15.07.1969 – 1 BvL 22/65, ­BVerfGE 26, 321 (326 f.); v. 25.01.1972 – 1 BvL 1/71, BVerfGE 32, 279 (286); v. 05.03.1974 – 1 BvL 27/72, BVerfGE 37, 1 (30 f.); v. 19.03.1974 – 1 BvR 416/68, 1 BvR 767/68, 1 BvR 779/68, BVerfGE 37, 38 (51 f.); v. 18.06.1975 – 1 BvR 528/72, BVerfGE 40, 109 (117). 1341 BT-Drs. 11/2157, S. 194; 8/1410 Rn. 4; BVerfG, Beschl. v. 03.09.2009 – 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115 (2117 f., III.1.b.); Heuermann in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 233a AO (Jun. 2015), Rn. 5.; Loose in Tipke/Kruse, § 233a AO (Jan. 2016), Rn. 7. 1342 S.o. Teil III A.IV.2.f)cc)(2) Rückwirkende Rechnungsberichtigung als Gebot der verhältnismäßigen Anwendung des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

(1) Schlüsse aus dem Billigkeitserlass bei freiwilligen V ­ orauszahlungen, Nr. 70.1. AEAO zu § 233a AO Denn im Ergebnis, wenn auch durch den Billigkeitserlass, versucht auch die Finanzverwaltung gleich gelagerte Fälle dieser Lösung zuzuführen. Zinsen sind gem. Nr. 70.1.1. ff. AEAO zu § 233a AO zu erlassen, soweit der Zinsbetrag gem. § 233a AO den Betrag fiktiver Zinsen auf vor der Festsetzung bereits freiwillig geleistete und vom Finanzamt akzeptierte und einbehaltene Zahlungen erreicht. Ein Erlass ist in diesem Fall nötig, weil eine freiwillige Zahlung auf den zu verzinsenden Unterschiedsbetrag, anders als Steuerabzugsbeträge, anzurechnende Körperschaftsteuer oder festgesetzte Vorauszahlungen gem. § 233a Abs. 3 Satz 1 AO keinen Einfluss haben. Nur festgesetzte Beträge werden frühestens ab dem Zeitpunkt der Zahlung verzinst, § 233a Abs. 3 Satz 1, 3 AO. Die freiwilligen Zahlungen, obwohl sie vor der Festsetzung Überzahlungen darstellen, werden daher nicht verzinst. Eine Kompensation der Verzinsung sieht das Gesetz somit nicht vor. Das erkennt die Finanzverwaltung als nicht sachgerecht. Daher werden auf die freiwilligen Zahlungen fiktive Zinsen entsprechend § 233a Abs. 3, Abs. 2 AO berechnet. Sofern diese fiktiven Zinsen den Betrag der gem. § 233a AO festzusetzenden Zinsen erreichen, werden diese erlassen. Berechnet der Steuerpflichtige daher seine Steuer in korrekter Weise selbst, kann er durch eine entsprechende Zahlung, unabhängig vom Zeitpunkt der Festsetzung, der Verzinsung entgehen.1343 Nachweisbar hatte nicht mehr der Steuerpflichtige, sondern der Fiskus den Betrag zur Verfügung. Ein abzuschöpfender Liquiditätsvorteil scheidet daher aus. Im Fall der Rechnungskorrektur für Zwecke des Vorsteuerabzuges tritt an die Stelle der Zahlung eines selbst berechneten Steuerbetrages an das Finanzamt die Zahlung an den Leistungsempfänger. Veranlasst der Leistende, der den Steuerbetrag in seiner Rolle als Steuereinnehmer für Rechnung des Staates vereinnahmt, den Leistungsempfänger mit einer unerkannt untauglichen Rechnung zur Zahlung, muss sich der Fiskus diese Vereinnahmung so zurechnen lassen, als wenn die Zahlung direkt an das Finanzamt geflossen wäre. Dieser Zahlung liegt, wie der Zahlung einer selbst berechneten Steuer an den Fiskus, nicht nur eine zivilrechtliche Beurteilung der Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Leistenden zugrunde. Soweit es den Steuerbetrag betrifft, bestimmt die steuerrechtliche Beurteilung des Falles die Zahlung. Der Unternehmer zahlt diesen Betrag nur, wenn er sich der Entlastungsmöglichkeit, mithin der Voraus1343 BFH, Urt. v. 07.11.2013 – X R 23/11, BFH/NV 2014, 660 (661 f., II.1.cc.).

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

setzungen des Vorsteuerabzuges sicher ist; bis dahin macht er ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Erst wenn er sich zur Zahlung veranlasst sieht, zieht er den Betrag auch von seiner Steuerzahllast ab, § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG.1344 Dass der Unternehmer die Tauglichkeit der Rechnung anfänglich falsch eingeschätzt hat und damit die Zahlung und die Verrechnung der Zahlung der Umsatzsteuer an den Leistenden mit der eigenen Steuerlast nicht korrekt war, schadet nicht. Denn mit der rückwirkenden Korrektur der Rechnung gilt diese als bereits im Zeitpunkt des erstmaligen Abzuges als korrekt. Dagegen spricht nicht, dass, anders als im von Nr. 70.1.1. f. AEAO zu § 233a AO erfassten Fall, der Unternehmer zur abschnittsweisen Selbstveranlagung und Steuerabführung vor Festsetzung durch das Finanzamt verpflichtet ist und damit die Steuerberechnung und Zahlung vor Festsetzung nicht freiwillig erfolgt. Zwar ist richtig, dass der Unternehmer seine Steuerlast für jeden Voranmeldungszeitraum selbst zu berechnen und anzumelden hat. Allerdings zwingt ihn das weder dazu, den Steuerbetrag an den Lieferanten zu entrichten, noch diesen als Vorsteuerbetrag geltend zu machen.1345 Verpflichtet ist er einzig, die auf seine Umsätze entfallende Steuer zu entrichten. (2) Nur teilweiser Widerspruch zur BFH-Rechtsprechung zur ­Verzinsung von Vorsteuerbeträgen durch lediglich in der Rechnung als Leistungsempfänger bezeichneten Unternehmer Auch der BFH-Rechtsprechung widerspricht dieses Ergebnis, bei genauerer Betrachtung, nicht zwingend. So hatte der BFH zwar den Erlass von Zinsen, auf Vorsteuerbeträge, die gegenüber dem falschen Unternehmer ausgewiesen, vom Rechnungsempfänger gezahlt und als Vorsteuer geltend gemacht wurden, versagt. Denn es komme ausschließlich auf das Steuerschuldverhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt an. So stelle das Verzinsungsregime nicht auf einen Vergleich der Liquiditätssituation des Steuerpflichtigen bei rechtswidrigem und der fiktiven Liquiditätssituation bei rechtmäßigem Verhalten ab.1346 Es 1344 S.o. Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall. 1345 Vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 1066. 1346 BFH, Urt. v. 24.02.2005 – V R 62/03, BFH/NV 2005, 1220 (1221, II.2.c); zu Recht, mit der Argumentation, dass diese Betrachtung den dem Umsatzsteuerrecht immanenten Grundsatz ignoriert, dass der redliche Unternehmer typischerweise nur denjenigen Betrag als Vorsteuer geltend macht, den er auch an seinen Leistungserbringer entrichtet, kritisch dazu Englisch, UR 2011, 648 (655 f.); Jacobsen/Tietjen, UR 2005, 396 (397).

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

komme daher nicht darauf an, dass der Steuerpflichtige den Vorsteuerbetrag an den Rechnungssteller entrichtet hat, während, hätte er den Fehler erkannt, dieser weder einen Vorsteuerabzug geltend gemacht, noch den Betrag an den Rechnungsersteller gezahlt hätte. Auf den ersten Blick hat der BFH damit die Beachtung der Liquiditätseffekte der Zahlung des Unternehmers an den Rechnungsersteller abgelehnt. Allerdings weist der in diesem Verfahren vom BFH entschiedene Fall eine Besonderheit auf, welche einen Vergleich mit den hier behandelten Fällen der Rechnungs­ korrektur bei sonstiger Vorsteuerabzugsberechtigung ausschließt. So war der Unternehmer, der in dieser Rechtssache einen Vorsteuerabzug geltend gemacht hatte, niemals zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die Umsätze waren nicht an ihn erbracht worden. Wollte man auch in diesen Fällen mit dem hier vertretenen Ansatz, wonach die systemisch angelegte Liquiditätsverschiebungen i.R.d. § 233a AO zu beachten sind, auch auf diesen Fall ausweiten, so setzte das folgende Feststellung voraus. Dem Umsatz- bzw. Mehrwertsteuerrecht müsste der systematische Grundsatz zu entnehmen sei, demzufolge ein Rechnungsempfänger typischerweise den ausgewiesenen Bruttobetrag an den Rechnungsersteller zahlt, unabhängig davon, ob die Rechnung mit einer vom Rechnungsersteller an ihn erbrachten Leistung in Zusammenhang steht. Dieser Grundsatz kann dem Umsatz- bzw. Mehrwertsteuerrecht aber nicht entnommen werden. Ganz im Gegenteil verlangt das Umsatzsteuerrecht vom Empfänger einer Rechnung, vor Ausübung des Vorsteuerabzuges deren Angaben zu überprüfen, und setzt voraus, dass die Rechnung nur beglichen wird, wenn der Leistungsempfänger/Rechnungsempfänger von der Tauglichkeit der Rechnung ausgeht.1347 Die Überprüfung der leistungsbezogenen Angaben setzt dabei notwendigerweise den Abgleich mit einer tatsächlich erbrachten oder noch zu erbringenden, jedenfalls dem Rechnungsempfänger bewussten Leistung voraus. Mit dieser Anforderung ist die Annahme, ein redlicher Rechnungsempfänger zahle jeden mit einer Rechnung ausgewiesenen Bruttobetrag, auch wenn eine Leistung an ihn gar nicht erbracht worden war, gerade nicht vereinbar. An dieser Stelle ist aber darauf hinzuweisen, dass diese Erwägungen nur für den Sonderfall gelten, dass tatsächlich keine Leistung an den Rechnungsempfänger erbracht wurde. Wurde dagegen eine Leistung tatsächlich an den Rechnungsempfänger erbracht, und wird diese ausweislich der Rechnung nur steuerrechtlich falsch bewertet, stellt sich die Situati1347 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:​ 268, Rn. 35; S.o. Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

on anders dar. Dann wird der redliche Rechnungsempfänger typischerweise nur denjenigen Vorsteuerbetrag gelten machen, den er auch an den Rechnungsempfänger entrichtet hat.1348 Dass diese Überzeugung dem UStG bzw. der ­MwStSystRL zugrunde liegt, zeigt die Regelung des § 14c UStG bzw. Art. 203 ­MwStSystRL. Diese bestimmt eine Steuerschuld allein aufgrund des Ausweises in einer Rechnung, gerade weil anzunehmen ist, dass der Rechnungsempfänger diese auch zum Vorsteuerabzug nutzt.1349 Dass der Rechnungsempfänger dennoch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, liegt daran, dass grundsätzlich nur der Abzug der gesetzlich geschuldeten Steuer möglich ist.1350 An der für die Liquiditätssituation einzig erheblichen typischen Zahlung des Betrages an den Rechnungsersteller ändert dies aber nichts. Abzulehnen ist daher die Rechtsprechung des BFH1351 der zufolge Vorsteuerbeträge, die wegen einer materiell-rechtlich fehlerhaften Qualifikation einer Leistung fälschlicherweise in eine Rechnung ausgewiesen und dann vom Rechnungsempfänger abgezogenen wurden gem. § 233a AO zu verzinsen sind.1352 ff) Folgen für die Besteuerungspraxis Die vorstehenden Erörterungen haben beachtliche Folgen für die Fest­ setzungspraxis der Finanzverwaltung. Vorsteuerbeträge, welche wegen Rechnungsmängeln, die nicht vor der Entscheidung des Finanzamtes korrigiert werden, können, da die materielle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug fehlt, aberkannt werden. Die Anmeldung des Steuerpflichtigen ist insofern zu ändern, §§ 164 Abs. 2 Satz 1, bzw. 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Es ergibt sich ein Unterschiedsbetrag i.H.d. Vorsteuerabzuges i.S.v. § 233a Abs. 5 Satz 2 AO. Zinsen sind auf diesen Betrag aber nicht festzusetzen, da insofern § 233a Abs. 3 Satz 1 AO teleologisch zu reduzieren ist.

1348 Englisch, UR 2011, 648 (653). 1349 S.o. Teil II C.IV.3.b) Entfall der Gefährdung mit Zusendung einer korrigierten Rechnung; EuGH, Urt. v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:C:2000:469, Rn. 57, 61; v. 06.11.2003 – C-78/02 bis C-80/02 – Karageorgou u.a., Slg. 2003, I-13295, Rn. 50, 53; v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, Rn. 28; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14c (Jan. 2014), Rn. 14; Wagner in Sölch/Ringleb, § 14c (Sep. 2014), Rn. 13. 1350 EuGH, Urt. v. 13.12.1989 – C-342/87 – Genius Holding, ECLI:EU:C:1989:635, Rn. 13. 1351 BFH, Urt. v. 30.3.2006 – V R 60/04, BFH/NV 2006, 1434 (1435); v. 19.06.2013 – XI R 41/10 –, BFHE 242, 258 (II.3. b.cc.). 1352 Englisch, UR 2011, 648 (653).

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Wird die Rechnung dann korrigiert, ist der Vorsteuerabzug rückwirkend zu gewähren. Der Änderungsbescheid ist gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufzuheben. Der zunächst aberkannte und zurückgezahlte Vorsteuerabzugsbetrag ist nunmehr vom Finanzamt ab dem Zeitpunkt der Rückzahlung des Vorsteuerbetrages zu verzinsen, § 233a Abs. 1, 5 Satz 21353, 4 i.V.m. Abs. 2, Abs. 3 Satz 3, AO.1354 Insofern ist lediglich § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO teleologisch zu reduzieren. Eine teleologische Reduktion der generellen Verzinsungsregeln des § 233a Abs. 1 AO kommt nicht in Betracht, da der Unternehmer tatsächlich den Vorsteuerbetrag nicht zur Verfügung hatte. Dadurch könnte der Steuerpflichtige angesichts des deutlich über Marktniveau liegenden Zinssatzes gem. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO i.H.v. 6 % p.a. motiviert werden, einen Vorsteuerbetrag möglichst lange bei den Finanzämtern zu parken.1355 Allerdings müsste er jedenfalls den zeitweisen Ausfall der Liquidität hinnehmen. Dieses Ergebnis entspricht aber sowohl der Ratio des § 233a AO, als auch dessen Wortlaut. Die Finanzverwaltung könnte dem aber begegnen. Sie kann es den Leistungserbringer zur Rechnungskorrektur mittels Bußgeldern gem. § 26a Abs. 1 Nr. 1 UStG anhalten.1356 In Fällen, in denen das möglich ist, ist dem Leistungsempfänger die Korrektur mittels Gutschrift zu gestatten.1357 Bis zur Korrektur wäre zudem von einer Festsetzung Abstand zu nehmen. In Fällen, in denen eine rückwirkende Korrektur der Rechnung in Frage kommt, wäre dem Vorsteuerabzugsberechtigten der Vorsteuerbetrag daher faktisch endgültig zu belassen. f) Alternativer Begründungsansatz – Zinsen als Sanktion Vorstehend hat sich gezeigt, dass die Erhebung der Zinsen auf Vorsteuerbeträge, welche mit unerkannt untauglicher Rechnung abgezogen wur1353 Obwohl es, wegen der teleologischen Reduktion des § 233a Abs. 3 Satz 1 AO nunmehr zu einer erstmaligen Zinsfestsetzung kommt, findet nicht etwa § 233a Abs. 3 AO für die Berechnung des Unterschiedsbetrages, sondern § 233a Abs. 5 Satz 2 AO Anwendung; BFH, Urt. v. 18.05.2005 – VIII R 100/02, BStBl. II 2005, 735 (736, II.2.f.); BFH, Beschl. v. 30.08.2010 – VIII B 66/10, BFH/NV 2011, 1825 (1826); AEAO zu § 233a, Rn. 44, Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 233a AO (Jun. 2015) Rn. 70. 1354 Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 233a AO (Jun. 2015), Rn. 72. 1355 Vgl. zu umgekehrten Fällen zugunsten des Finanzamtes, Seer in Tipke/Lang, § 21, Rn. 349, § 22 Rn. 27. 1356 Vgl. hierzu auch Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14 (Sep. 2013), Rn. 560. 1357 S.o. Teil III A.IV.5 Rechnungskorrektur ohne Mitwirkung des Rechnungserstellers.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

den, der Ratio des Verzinsungsregimes gem. § 233a AO widerspricht. Denn typischerweise hat der Unternehmer mit Ausübung des Vorsteuerabzuges bereits den Steuerbetrag an den Leistenden entrichtet. Die Entscheidung zum Abzug trifft der Unternehmer auf Grundlage seiner Rechnungsprüfung. Erscheint die Rechnung danach als korrekt, entrichtet er den Steuerbetrag und übt den Vorsteuerabzug aus. Ein abzuschöpfender Vorteil gegenüber anderen Steuerpflichtigen, deren Rechnung korrekt ist, erwächst dem Unternehmer daher nicht. Die Verzinsung stünde, die Zwecksetzung der Abschöpfung des Liquiditätsvorteils zugrunde gelegt, im Widerspruch zum Unionsrecht. Denn ausgehend von der materiellen Qualität des Vorsteuerabzugszeitpunktes1358 ist die Liquiditätsbelastung Teil der Gesamtbelastung des Steuerpflichtigen.1359 Mit Eintritt der unionsrechtlich intendierten Liquiditätssituation erhöht eine Verzinsung die Liquiditätsbelastung und damit die Gesamtbelastung des Steuerpflichtigen über das unionsrechtlich zulässige Maß hinaus.1360 Diese Betrachtung geht einzig vom historischen Zweck der Verzinsungsregel des § 233a AO aus. Demzufolge dient die Verzinsung der Kompensation von Liquiditätsvor- und -nachteilen.1361 Die Rechtfertigung einer Norm ist aber nicht auf den vom historischen Gesetzgeber verfolgten Zweck beschränkt. Dient die Rechtsfolge den Zwecken des aktuellen Gesetzgebers, lässt er die Rechtslage unangetastet. Zur Rechtfertigung einer Norm können daher auch andere, vom historischen Gesetzgeber nicht verfolgte, Zwecke dienen.1362 Erkennt man den Zweck der Verzinsung in der Sanktionierung,1363 so ist ein anderer Maßstab anzulegen. Eine Verzinsung wäre dann angezeigt, 1358 S.o. Teil II B.IV.2.b)cc) Grundsatz des Sofortabzugs – Liquiditätsneutralität und Teil II C.IV.5 Rechtsdogmatische Erwägungen – der materielle Gehalt des Verwirklichungszeitpunktes. 1359 Vgl. EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-107/10 – Enel Maritsa Iztok 3, ECLI:EU:C:2011:​ 298, Rn. 51, 53. 1360 Hierzu ausführlich im Falle des materiell-rechtlich falschen Vorsteuerabzuges, Englisch, UR 2011, 648 (652 ff.). 1361 S.o. Teil III A.V.4.e)aa) Der Zweck der Verzinsungsregel des § 233a AO. 1362 Tappe, Die Begründung von Steuergesetzen, 2. Teil. B) III) 4) b) dd) (4). 1363 So erkennt der EuGH in EuGH, Urt. v. 06.02.2014 – C-424/12 – Faktorie, ECLI:EU:C:2014:50, Rn. 50, in Verzugszinsen eine Sanktion, ohne die vom na­ tionalen Gesetzgeber ursprünglich verfolgten Zwecke auch nur zu eruieren. ­Diese müssten am generell – hierfür verweist der EuGH u.a. auf EuGH, Urt. v. 16.12.1992 – C-210/91 – Kommission/Griechenland, ECLI:EU:C:1992:525, Rn. 19 m.w.N., v. 07.12.2000 – C-213/99 – De Andrade, ECLI:EU:C:2000:678,

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

wenn ein sanktionswürdiges Verhalten vorläge. Die Bewertung des Verhaltens als sanktionswürdig müsste sich dann an den unionsrechtlichen Wertungen orientieren und im unionsrechtlich bestimmten Rahmen bleiben. Demzufolge ist eine Sanktionierung des Steuerpflichtigen durch ein Bußgeld nur dann zulässig, wenn sie angesichts der „… Art und … Schwere des Verstoßes, sowie … (Einf. d. Verf.:) der … Methoden für die Bestimmung der Höhe dieser Sanktion …“1364 verhältnismäßig ist.1365 Die Art und Schwere des Verstoßes bestimmt sich dabei entscheidend nach dem Verschulden des Steuerpflichtigen.1366 Ausgehend vom hier vertreten Ansatz ist damit die Verzinsung auch als Sanktion nicht zu rechtfertigen. Dem Steuerpflichtigen, zu dessen Gunsten von der Anwendung des § 233a AO abzusehen ist, ist gerade kein Verschulden an der zu frühen Ausübung des Vorsteuerabzuges vorwerfbar. Denn er hat alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um die Korrektheit der Rechnung sicherzustellen.1367 Er hat damit denjenigen Sorgfaltsmaßstab angelegt, zu dem er, hätte er ihn nicht beachtet, durch Sanktionen hätte angehalten werden können.1368 Für die Verhaltenslenkung mittels Sanktion ist daher kein Raum. Auch mit Sanktionszwecken lässt sich die Verzinsung somit nicht rechtfertigen. 5. Zwischenfazit Die derzeitige deutsche Praxis der rückwirkenden Aberkennung von Vorsteuerbeträgen wegen fehlerhafter Rechnungen und die Berücksichtigung der Rechnungskorrektur nur ex nunc stehen im Widerspruch zum Unionsrecht. Die Nichtbeanstandung von Fehlern betreffend bestimmte Rn. 20, und v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi-M 91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 31, welche die Verhängung von Bußgeldern zum Gegenstand hatten – für die Verhängung von Sanktionen geltenden Maßstab gemessen werden. 1364 EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:497, Rn. 47; v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 38; im Ergebnis gleich u.a. EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 67; v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:2012:458, Rn. 67. 1365 S.o. Teil II C.III.2.b)bb) Rechtmäßigkeit der Sanktion im Einzelnen. 1366 S.o. Teil II C.III.2.b)bb)(3) Konsequenz: Subjektive Vorwerfbarkeit bei formellen Verstößen erforderlich. 1367 S.o. Teil III A.IV.4.a) Maßgeblichkeit der verhältnismäßigen Risikotragung. 1368 Vgl. o. Teil II C.III.2.b)aa) Zwecksetzung der Sanktionsbefugnis als Grenze der Sanktionsbefugnis.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Rechnungsangaben greift zu kurz. Es bedarf vielmehr in jedem Fall der Überprüfung, ob der Unternehmer die Fehlerhaftigkeit der Rechnung erkennen konnte. War ihm die Fehlerhaftigkeit der Rechnung nicht erkennbar, ist ihm eine ex tunc Korrektur der Rechnung zuzugestehen. Der Maßstab der zu beachtenden Sorgfalt bestimmt sich dabei nach dem Unionsrecht. Einer Gesetzesänderung bedarf es insofern nicht. Die unionsrechtlich gebotene Rückwirkung der Rechnungsberichtigung ist de lege lata möglich. Im Anschluss daran ist die Verzinsung betroffener Vorsteuerbeträge ebenfalls unionsrechtswidrig. Denn diese übersteigen die unionsrechtlich zulässige Gesamtbelastung des Unternehmers. Zur Herstellung einer unionsrechtskonformen Gesamtbelastung des Unternehmers reicht unter dem aktuellen Verzinsungsregime allein die materiell-rechtliche Anerkennung der rückwirkenden Rechnungsberichtigung nicht aus. Die erforderlichen Beschränkungen des Verzinsungsregimes lassen sich alle im Wege der Gesetzesauslegung erreichen. Eine unionsrechtskonforme Steuerbelastung lässt sich daher de lege lata herstellen.

VI. Würdigung der Rechtslage im Vereinigten Königreich Die Rechtslage im Vereinigten Königreich entspricht in weiten Teilen den Anforderungen des Unionsrechts nach den hier gefundenen Ergebnissen1369. 1. Unionsrechtmäßigkeit der rückwirkenden Rechnungs­berichtigung Die Rechnungskorrektur durch den Rechnungsersteller entfaltet Rückwirkung. Dabei geht die Besteuerungspraxis im Vereinigten Königreich zugunsten des Unternehmers sogar über die unionsrechtlichen Anforderungen hinaus. So hängt die Gewährung der Rückwirkung der Rechnungsberichtigung nicht davon ab, ob der Unternehmer auch bei Ergreifen aller ihm zumutbaren Maßnahmen von der Tauglichkeit der Rechnung ausgehen durfte.1370 Entscheidend ist allein, ob die Rechnung korrigiert wird. Anders ist das nur in den Fällen, in denen der Steuerpflichtige die

1369 S.o. Teil III A.IV Kritische Würdigung. 1370 Vgl. o. Teil III A.IV.4.a) Maßgeblichkeit der verhältnismäßigen Risikotragung.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Fehlerhaftigkeit der Rechnung positiv kannte und dennoch, bevor er eine korrigierte Rechnung erhalten hatte, den Vorsteuerabzug ausübt.1371 Die meisten Fälle der nachträglich entdeckten Fehlerhaftigkeit der Rechnung bei vorangegangenem Vorsteuerabzug führt das Mehrwertsteuerrecht des Vereinigten Königreiches damit einer unionsrechtskonformen Lösung zu. 2. Würdigung der Korrektur ex nunc mit Alternativbeweis Anders gestaltet sich das in den Fällen, in denen eine Rechnungskorrektur durch den Rechnungsersteller nicht erreicht werden kann. In diesen Fällen erfolgt die Gewährung des Vorsteuerabzuges erst im Anschluss an die Überprüfung durch die HMRC.1372 Ein zuvor ausgeübter Vorsteuerabzug wird aberkannt. a) Ausgangslage Insoweit entspricht der Ansatz, demzufolge der Vorsteuerabzugsberechtigte bei der Sicherung seines Vorsteuerabzuges nicht auf den Rechnungsempfänger angewiesen sein soll, nach der hier vertretenen Ansicht, im Ergebnis, dem Unionsrecht.1373 Allerdings erfolgt diese Gewährung ohne Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserstellung.1374 Abgrenzungskriterium für die Gewährung von Vorsteuerabzügen mit anfänglich fehlerhafter Rechnung ex tunc1375 oder ex nunc ist daher die Mitwirkung des Rechnungserstellers. Aberkannt wird dem Steuerpflichtigen damit nicht der Vorsteuerabzug generell, sondern der Anspruch auf Sofort­abzug. Die Folge ist eine – rechtstechnisch betrachtet – rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Liquiditätsneutralität.1376 Dabei ist die Gewährung des Vorsteuerabzuges ex nunc konsequent. Denn als unionsrechtliche Grundlage zur Bestimmung der Voraussetzungen der Gewährung des Vorsteuerabzuges erkennen die HMRC Art. 182

1371 S.o. Teil III A.II.1 Grundsatz – Rückwirkung der Rechnungskorrektur. 1372 S.o. Teil III A.II.2.a) Alternativbeweis. 1373 S.o. i.E. aber mit anderer dogmatischer Einkleidung Teil III A.IV.5.b) Gutschrift bei Wegfall des Rechnungserstellers und Konsequenz – Verzicht auf mitwirkungsbedürftige Korrekturgutschrift. 1374 S.o. Teil III A.II.2.b) Keine Rückwirkung der Vorsteuerabzugsgewährung. 1375 S.o. Teil III A.VI.1 Unionsrechtmäßigkeit der rückwirkenden Rechnungsberichtigung. 1376 S.o. Teil III A.IV.2.e)aa) Der wertungsmäßige Unterschied zum typischen Fall.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

­MwStSystRL.1377 Die Gewährung des Vorsteuerabzuges stützt sich daher auf Art. 180 ­MwStSystRL1378 und ist keine Anerkennung der – nachträglich als korrekt akzeptierten – Ausübung gem. Art. 178, 179 M ­ wStSystRL. Gestattet werden kann gem. Art. 180 M ­ wStSystRL nur die Vornahme des Vorsteuerabzuges ex nunc. Denn demzufolge wird die Vornahme eines Vorsteuerabzuges gestattet, der nicht gem. Art. 178 und 179 M ­ wStSystRL vorgenommen wurde. So ist die Rechtsfolge gem. Art. 180 Hs. 1 ­MwStSystRL, die Gestattung den Vorsteuerabzug vorzunehmen, im Präsens verfasst. Die Tatbestandsvoraussetzungen in Art. 180 Hs. 2 M ­ wStSystRL hingegen sind im Perfekt formuliert.1379 Die Nichtvornahme des Vorsteuerabzuges gem. Art. 178 f. ­MwStSystRL muss daher der Gewährung vorgegangen sein. Die Gewährung erfasst damit nur die Vornahme des Vorsteuerabzuges zum Zeitpunkt der Gewährung. b) Unionsrechtskonforme Liquiditätssituation im Ergebnis Rechtfertigungsbedürftige Liquiditätsausfälle entstehen dadurch aber nur, wenn der Unternehmer zeitweise tatsächlich mit dem Vorsteuerbetrag, bzw. für den Zeitraum bis zur Aberkennung nachträglich mit Zinsen belastet wird. aa) Kein Liquiditätsausfall durch Aberkennung des Vorsteuerbetrages per se Wird der Vorsteuerabzug aberkannt und die Steuer für den Voranmeldungszeitraum der erstmaligen Geltendmachung gem. Sec. 73 (1) VAT Act 1994 entsprechend festgesetzt, hat der Steuerpflichtige zugleich die Möglichkeit der HMRC vorzutragen, warum er von der Tauglichkeit der Rechnung ausging. Damit legt der Unternehmer zugleich die Gründe dar, welche Maßstab für die Gewährung des Vorsteuerabzuges durch die HMRC sind.1380 Damit kann der Unternehmer den Vorsteuerabzug in dem Voran1377 HMRC, VIT31200 – How to treat input tax: alternative evidence for claiming input tax. 1378 Art. 181 ­MwStSystRL scheidet aus, da dieser nur den Abzug von Vorsteuern aus innergemeinschaftlichen Erwerben erfasst, wohingegen die Regelungen in HMRC, VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice Statement of Practice, März 2007, Punkt 11, 16 ff., generell, unabhängig von der Qualifikation des Eingangsumsatzes gelten. 1379 Gleiches gilt für die englische Fassung der Richtlinie: Art. 180: Member States may authorise a taxable person to make a deduction which he has not made in accordance with Articles 178 and 179 (Anm.: Hervorhebungen jeweils durch den Verf.). 1380 HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice State­ ment of Practice, März 2007, Punkt 17 Satz 1; Siehe dazu ausführlich oben Teil III A.II.2.a) Alternativbeweis.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

meldungszeitraum, in dem er den Vorsteuerbetrag aufgrund der Festsetzung zu entrichten hat, zugleich als Vorsteuerbetrag geltend machen.1381 Damit wird er tatsächlich mit dem Vorsteuerbetrag nicht belastet. bb) Zinsbelastung Dieses Ergebnis droht das Verzinsungsregime wieder zu revidieren. (1) Grundsatz: Verzinsung des Vorsteuerbetrages Mit der Festsetzung der Steuern für den Zeitraum der erstmaligen Geltendmachung des Vorsteuerabzuges gem. Sec. 73 (1) VAT Act 1994 erfolgt zugleich auch die Festsetzung von Zinsen gem. Sec. 74 (1), 76 (5) VAT Act 1994. Demzufolge ist der zeitweilig aberkannte Vorsteuerbetrag ab dem Zeitpunkt, zu dem der Betrag anzumelden war, Sec 74 (1) i.V.m. (5) (b) VAT Act 1994, bis zum gesonderten Hinweis, bzw. bis spätestens zur Festsetzung, para. 2.6. Notice 700/43 mit 3 % p.a. zu verzinsen.1382 Entsprechend dem Zweck des Verzinsungsregimes – dem Ausgleich von Liquiditätsnachteilen zulasten des Fiskus –1383 würde damit die unionsrechtlich korrekte Liquiditätssituation revidiert. Der Steuerpflichtige würde durch die Verzinsung so gestellt, wie er stünde, wenn er bis zur Anerkennung des Vorsteuerabzuges durch die HMRC tatsächlich mit dem Vorsteuerbetrag belastet gewesen wäre. Die durch die Simultanität von Festsetzung und Vorsteuerabzugsgenehmigung hergestellte Situation einer unionsrechtskonformen, weil liquiditätsneutralen Besteuerung wird damit revidiert. Ebenso wie eine tatsächliche Belastung durch die rückwirkende Ab­ erkennung des Vorsteuerabzuges als Einschränkung der Liquiditätsneu­ tralität1384 ist damit auch die Verzinsung rechtfertigungsbedürftig. Hat der Steuerpflichtige alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um die Tauglichkeit der Rechnung sicherzustellen, ist eine den Liquiditätsvorteil abschöpfende Verzinsung nicht mehr rechtfertigungsfähig.1385 (2) Verzinsung bei gleichzeitiger Gewährung des Vorsteuerabzuges Zu klären ist daher, ob der Steuerpflichtige mit Erfüllung der von den HMRC bestimmten Voraussetzungen zur Gewährung des Vorsteuerabzuges auch einen – unionsrechtlich determinierten – Anspruch auf die

1381 S.o. Teil III A.II.2.c)bb) Korrektur durch „separate notification“ an die HMRC. 1382 Siehe hierzu ausführlich oben Teil III A.II.2.e)aa) Grundsatz. 1383 S.o. Teil I C.II.1.a) Grundsätzliche Systematik und Zielsetzung. 1384 S.o. Teil III A.IV.2.e)aa) Der wertungsmäßige Unterschied zum typischen Fall. 1385 S.o. Teil III A.IV.4.c) Zumutbarer Sorgfaltsmaßstab.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Gewährung einer liquiditätsneutralen Besteuerung bereits ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Ausübung des Vorsteuerabzuges hat. (a) Der Mechanismus der Gewährung des Vorsteuerabzuges Hierzu lohnt es, sich nochmals zu vergegenwärtigen, wann und wie die HMRC den Vorsteuerabzug ohne korrigierte Rechnung gewähren. Gestützt auf Value Added Tax Regulation 29 (2) Age. erfordern die HMRC einen anderen Nachweis, als den in Value Added Tax Regulation 29 (2) (a) – eine Rechnung – geforderten, zum Beweis der Tatsache, dass eine Belastung mit Umsatzsteuer eingetreten ist. Daher gewähren die HMRC den Vorsteuerabzug, wenn sie überzeugt sind, dass der Umsatz tatsächlich stattgefunden hat.1386 Hierzu hat der Unternehmer durch die Beantwortung von Fragen darzulegen, dass der Umsatz tatsächlich stattgefunden hat1387.1388 Weiter muss er erklären können, dass er die Leistung für seine steuerbare Tätigkeit bezog,1389 warum er von der Existenz des Leistenden ausging1390 und unter welchen Umständen die Geschäftsbeziehung abgewickelt wurde.1391 Zwar sind diese Fragen nicht abschließend, geben aber die Richtung der Sachverhaltsermittlung vor. Erkennbar gehen die letztgenannten drei Fragekomplexe über die Ermittlung, ob eine 1386 HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice State­ ment of Practice, März 2007, 17; HMRC, VIT31000  – How to treat input tax: acceptable evidence for claiming input tax; FTT, Urt. v. 03.07.2014 – Zipvit ­ [2014] UKFTT 649 (TC), Rn. 172. 1387 HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice State­ ment of Practice, März 2007, Appendix 2, Frage 1: Do you have alternative documentary evidence other than an invoice (e.g. supplier statement), und Frage 2: Do you have evidence of receipt of a taxable supply on which VAT has been charged? 1388 S.o. Teil III A.II.2.a) Alternativbeweis. 1389 HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice State­ ment of Practice, März 2007, Appendix 2, Frage 4: Do you have evidence of how the goods/services have been consumed within your business or their onward supply? 1390 HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice State­ ment of Practice, März 2007, Appendix 2, Frage 5: How did you know that the supplier existed? 1391 HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice State­ ment of Practice, März 2007, Appendix 2, Frage 6: How was your relationship with the supplier established? For example: • How was contact made? • Do you know where the supplier operates from (have you been there)? • How do you contact them? • How do you know they can supply the goods or services? • If goods, how do you know the goods are not stolen? • How do you return faulty supplies?

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Umsatz stattgefunden hat, hinaus. Diese dienen vielmehr dem Zweck, die generelle Berechtigung des Unternehmers zum Vorsteuerabzug zu ermitteln. Dabei zielt die Frage nach dem unternehmerischen Verbrauch direkt auf die Berechtigung gem. Art. 168 M ­ wStSystRL ab. Die übrigen Fragen dienen offenbar der Klärung des Umstandes, ob der Steuerpflichtige ggf. um die Beteiligung seines Umsatzes an einer Steuerhinterziehung wissen musste und damit sein Recht auf Vorsteuerabzug verloren haben könnte.1392 Zweck ist daher, den Mehrwertsteuerbetrug zu bekämpfen und entsprechend der Rechtsprechung des EuGH1393 den Vorsteuerabzug abzuerkennen, wenn der Unternehmer bei Beachtung der zumutbaren Sorgfalt erkennen konnte, dass sein Umsatz Teil einer Steuerhinterziehung ist.1394, 1395 Die Maßstäbe dieser Rechtsprechung gelten somit, angesichts der unionsrechtlichen Bindung der nationalen Finanzverwaltung bei der Ausübung des Ermessens i.R.v. Value Added Tax Regulation 29 (2),1396 auch für die Prüfung der HMRC. Steigt die Gefahr der Verwicklung des Umsatzes in eine Steuerhinterziehung, weil Gegenstand des Umsatzes bestimmte Güter waren, welche häufig zur Umsatzsteuerhinterziehung genutzt werden,1397 steigen die Anforderungen an die Nachweise. Der Leistungsempfänger muss dann positiv darlegen, dass er auf die Redlichkeit des Leistenden auch bei Beachtung der zumutbaren Sorgfalt vertrauen durfte.1398 Diesen Sorgfaltsmaßstab beachtet somit, wer so handelt, wie ein „sorgfältiger und ver-

1392 Vgl. o. Teil III A.IV.2.e)bb)(3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller. 1393 U.a. EuGH, Urt. v. 03.05.2005 – C-32/03 – Fini H, ECLI:EU:C:2005:128, Rn. 34; v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel u. Recolta, ECLI:EU:C:2006:446, Rn. 52 ff. jeweils m.w.N.; v. 06.12.2012 – C-285/11 – Bonik, ECLI:EU:C:2012:774, Rn. 25 m.w.N.; v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 25 ff., 32. 1394 Siehe ausdrücklich den Hinweis auf die entsprechende Rechtsprechung des EuGH, Urt. v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel u. Recolta, ECLI:EU:C:2006:446 in HMRC, VIT31000 – How to treat input tax: acceptable evidence for claiming input tax a.E. 1395 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller. 1396 Vgl. Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 27.01.2006 – IDT Card Services ­Ireland Ltd [2006] EWCA Civ 29, Rn. 68 ff. und FTT, Urt. v. 22.04.2013 – CCA Distribution Ltd [2013] UKFTT 253 (TC), Rn. 49. 1397 HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice State­ ment of Practice, März 2007, Appendix 3. 1398 HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice State­ ment of Practice, März 2007, 18; dazu FTT, Urt. v. 03.07.2014 – Zipvit [2014] ­UKFTT 649 (TC), Rn. 172.

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nünftiger Steuerpflichtiger im jeweils zu beurteilenden Fall“1399 handeln würde. Dieser Sorgfaltsmaßstab ist daher deckungsgleich mit demjenigen, welchen der EuGH für das Bestehen des Rechts auf Vorsteuerabzug im Falle der Steuerhinterziehung durch den Leistenden erfordert.1400 Die Rechnung selbst dient dabei nicht mehr als Beweismittel, sondern wird gezielt ausgeklammert.1401 Es kommt damit den HMRC nicht auf den Nachweis der Ausübungs­ voraussetzung gem. Art. 178 Buchst. a. ­MwStSystRL, sondern lediglich auf den Nachweis des Entstehens des generellen Vorsteuerabzugsrechts gem. Art. 168 M ­ wStSystRL, an. Die Genehmigung, welche aufgrund dieses Nachweises erteilt wird, tritt dann an die Stelle der Rechnung. Der Vorsteuerabzug ist dann auch erst in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem dieser Nachweis gegenüber den HMRC geführt wird. (b) Die unionsrechtliche Lage des Unternehmers nach erfolgreichem Alternativbeweis Gelingt dem Unternehmer der Nachweis seiner materiellen Vorsteuerabzugsberechtigung, so hat er nach der hier entwickelten Ansicht unionsrechtlich betrachtet noch nicht notwendigerweise einen Anspruch auf rückwirkende Gewährung des Vorsteuerabzuges. Denn es ist nur erwiesen, dass der Unternehmer bei Anlegung der zumutbaren Sorgfalt richtigerweise von der Entstehung seines Rechtes auf Vorsteuerabzug ausging. Unionsrechtlich betrachtet darf er sich dabei grundsätzlich, wenn die Rechnung isoliert betrachtet1402 keinen Anlass zu Zweifeln gibt, auf die Kontrolle der Rechnung beschränken.1403, 1404 Gegenstand dieser Kontrolle 1399 “… prudent and reasonable taxpayer in the position of the taxpayer in question.” HMRC CH81140 mit Bezug auf FTT, Urt. v. 09.09.2011 – David Collis v HMRC [2011] UKFTT 588 (TC); Rn. 29; seit dem u.a. FTT, Urt. v. 12.02.2013 – Ashton v HMRC [2013] UKFTT 140 (TC), Rn. 34; v. 13.05.2014 – Francois Berrier v HMRC [2014] UKFTT 457 (TC), Rn. 67. 1400 Siehe zu diesem ausführlich oben Teil III A.IV.2.e)bb)(5) Konkret zumutbarer Umfang der Prüfung. 1401 Siehe HMRC VAT Strategy: Input Tax deduction without a valid VAT invoice Statement of Practice, März 2007, Appendix 2, Frage 1: Do you have alternative documentary evidence other than an invoice (e.g. supplier statement), welcher Beweismittel jenseits der Rechnung erfordert. 1402 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 31. 1403 EuGH, Urt. v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:EU:C:2012:373, Rn. 39, 61, 66; Kalman, H&I 2012, 49 (50). 1404 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(3) Einschränkung durch die subjektive Komponente nur bei Steuerhinterziehung durch den Rechnungsersteller.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

sind dabei nur Rechnungsangaben, welche zur Kontrolle der Versteuerung durch den Leistenden dienen.1405 Unionsrechtlich betrachtet hat der damit nur denjenigen Sorgfaltsmaßstab beachtet, der seinen Vorsteueranspruch von einer eventuellen Steuerhinterziehung des Leistenden unabhängig macht.1406 Um einen Anspruch auf eine liquiditätsneutrale Steuerentlastung durch rückwirkende Rechnungskorrektur zu erlangen, müsste der Steuerpflichtige bei Anlegung der zumutbaren Sorgfalt zudem davon ausgehen dürfen, dass die Rechnung richtig war. Dazu reicht aber die Überprüfung nur dieser Angaben nicht aus. Der Unternehmer muss weitere Angaben überprüfen.1407 Nur wenn der Unternehmer nachweist, dass er auch diese Angaben überprüft hat, ist eine liquiditätsneutrale Besteuerung unionsrechtlich erforderlich. Eine Verzinsung ist dann unionsrechtswidrig. (c) Unionsrechtliche Würdigung Dem Unternehmer müsste daher die Möglichkeit eingeräumt werden, nachzuweisen, dass er auch bei Anlegung der zumutbaren Sorgfalt von seiner Vorsteuerabzugsberechtigung ausgehen durfte, mithin die Fehlerhaftigkeit der Rechnung nicht erkennen konnte.1408 In diesem Fall wäre dann von einer, die unionsrechtlich intendierte Liquiditätssituation konterkarierenden, Verzinsung abzusehen. Der Eintritt der unionsrechtlich korrekten Liquiditätssituation bereits mit dem ursprünglich vorgenommenen Vorsteuerabzug, setzt aber vo­ raus, dass der Vorsteuerabzug auch in den Fällen, in denen eine fehlerhafte Rechnung erteilt wurde, aber nicht korrigiert werden kann, ebenso wie im Falle der Rechnungskorrektur1409 bereits wirksam erfolgt ist. Das wäre dann nicht der Fall, wenn die HMRC in der Annahme1410 richtig gingen, die Gewährung des Vorsteuerabzuges in den Fällen, in denen eine Korrektur nicht möglich ist, auf Art. 180 M ­ wStSystRL stützen zu können. Denn die Gewährung des Vorsteuerabzuges gem. Art. 180 ­MwStSystRL 1405 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(4) Abstrakt zumutbarer Gegenstand der Rechnungsüberprüfung bei Steuerhinterziehung durch den Leistenden. 1406 S.o. Teil III A.IV.2.e)bb)(5) Konkret zumutbarer Umfang der Prüfung. 1407 S.o. Teil III A.IV.4.b) Erforderliche Rechnungsangaben im Einzelnen. 1408 S.o. Teil III A.IV.4 Mindestanforderung an die erstmalige Rechnung. 1409 Vgl. o. Teil III A.IV.2.f)cc)(2) Rückwirkende Rechnungsberichtigung als Gebot der verhältnismäßigen Anwendung des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL. 1410 HMRC, VIT31200 – How to treat input tax: alternative evidence for claiming input tax.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

wirkt tatsächlich nur ex nunc.1411 Bereits oben wurde aber gezeigt, dass in Fällen, in denen eine fehlerhafte Rechnung erteilt und der Vorsteuer­ abzug mit dieser Rechnung in vermeintlicher Gemäßheit mit Art. 178 ­MwStSystRL ausgeübt wurde, den Mitgliedstaaten gerade nicht die Möglichkeit der Gewährung des Vorsteuerabzuges gem. Art. 180 ­MwStSystRL zusteht.1412 Daher bleibt es bei den Anforderungen an die Herstellung der Liquiditätsneutralität wie im Falle der Rechnungskorrektur.1413 Weist der Unternehmer nach, dass er die Fehler der Rechnung nicht erkennen konnte, ist eine Verzinsung unzulässig. (3) Mögliche Herstellung der unionsrechtskonformen Liquiditäts­ situation im Verwaltungsverfahren In der Folge soll daher geklärt werden, ob das Verzinsungsregime einer Auslegung zugänglich ist, der zufolge Zinsen nicht erhoben werden. Dabei kann auf einen Bezug zum Unionsrecht dann verzichtet werden, wenn sich bereits aus dem nationalen Recht des Vereinigten Königreiches ergibt, dass eine Verzinsung nicht stattzufinden hat. Bereits oben wurde dargelegt, dass die HMRC auf die Verzinsung von fehlerhaft nicht erklärten Steuerbeträgen dann verzichten, wenn dem Fiskus der nicht erklärte Betrag per saldo nicht zur Verfügung gestanden hätte. Ein solcher Fehler des Steuerpflichtigen bedingt keinen Liquiditätsausfall zulasten des Fiskus. Eine Verzinsung erfordert der Zweck des Verzinsungsregimes – die Herstellung von „commercial restitution“ – dann nicht.1414 Diesen Ansatz zugrunde gelegt wäre auf eine Verzinsung dann zu verzichten, wenn ein Vorsteuerabzug mit unerkannt untauglicher Rechnung einen Liquiditätsausfall zulasten des Fiskus per saldo nicht zur Folge hätte. Wie in den anerkannten Fällen des Absehens von Verzinsung1415 bliebe eine solche Ermessensausübung der HMRC dann im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages zum Gesetzesvollzug.

1411 S.o. Teil III A.VI.2.a) Ausgangslage. 1412 S.o. Teil III A.IV.3.b)aa) Kein Fall des Art. 182 ­MwStSystRL. 1413 Vgl. o. Teil III A.IV.2.f)cc)(2) Rückwirkende Rechnungsberichtigung als Gebot der verhältnismäßigen Anwendung des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL. 1414 S.o. Teil III A.II.2.e)bb) Absehen von der Verzinsung – „commercial restitution“. 1415 Vgl. HMRC, VDIM7010 – When to inhibit, amend or withdraw interest: discretion to inhibit interest.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

In der Folge ist daher zu klären, ob die Verfügungsfähigkeit des Fiskus über den Vorsteuerbetrag im Zeitraum von der Steuerentstehung bis zum Besteuerungszeitraum, in dem der Vorsteuerabzug mit einer korrekten Rechnung oder nach Genehmigung durch die HMRC ausgeübt wird, einen kompensationsfähigen Liquiditätsvorteil darstellt. (a) Das Konzept der „commercial restitution“ Dazu lohnt es, sich zunächst den Zweck, welchen das Verzinsungsre­ gime nach Verständnis der HMRC verfolgt, zu verdeutlichen. Zwar liegt dem Verzicht auf die Verzinsung eine Einzelfallentscheidung zugrunde, sodass sich ein Rückschluss von Einzelfallentscheidungen auf andere Fälle grundsätzlich verbieten soll.1416 Einer Ableitung aus den abstrakten Grundsätzen, welche dem Gedanken der „commercial restitu­ tion“ zugrunde liegen, steht diese Einzelfallbezogenheit aber nicht entgegen. So kann sich der Steuerpflichtige auf die geäußerte Verwaltungspraxis jedenfalls dann, wenn dieser eine zulässige Interpretation des Gesetzes zugrunde liegt, stützen.1417 Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Verwaltungspraxis eine unionsrechtskonforme Interpretation des nationalen Gesetzes zugrunde legt.1418 Zur Verdeutlichung des Gedankens der „commercial restitution“ zieht die HMRC folgende Konstellation heran: Ein zu kompensierender Liquiditätsausfall liegt nicht vor, wenn eine zu spät angemeldete Steuer unmittelbar als Vorsteuer abgezogen hätte werden können, para. 2.2. Notice 700/43. Liquiditätsverschiebungen aufgrund von nicht gleich laufenden Besteuerungszeiträumen bleiben außer Betracht, para. 2.3.1. Notice 700/43.1419 Von Bedeutung ist somit nicht der tatsächliche Abzug durch den Leistungsempfänger, sondern lediglich, ob dieser die Steuer hätte abziehen können. Entscheidend ist daher nur die theoretische Abzugsfähigkeit, nicht der tatsächliche Abzug. Anders gewendet ist Maßstab der Betrachtung die steuersystematisch intendierte Liquiditätssituation des Fiskus. Entsprechend dem der Umsatzsteuer eigenem System der simultanen 1416 HMRC, VDIM3020 – Commercial restitution: Whether to charge interest or not. 1417 Vgl. Tolley’s VAT Cases, 17.19 m.w.N. aus der nicht veröffentlichten Rechtsprechung, der zufolge sich der Steuerpflichtige gegenüber der HMRC auf die Behandlung gem. der in Notices bestimmten Praxis berufen kann. 1418 Vgl. Freedman/Vella, Oxford WP 10/22, 1 f., 6. 1419 HMRC, VDIM3050  – Commercial restitution: Differences in stagger or return length between taxpayers.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Be- und Entlastung der Unternehmer soll dem Fiskus ein abziehbarer Vorsteuerbetrag per saldo tatsächlich nicht zur Verfügung stehen.1420 Nur derjenige Liquiditätsvorteil, welcher dem Fiskus endgültig zufließen und verbleiben soll, ist daher erheblich.1421 Der Liquiditätsvorteil, der nur davon abhängt, ob ein Steuerpflichtiger einen schwebenden Anspruch ge1420 Z.B. EuGH, Urt. v. 29.03.2012 – C-414/10 – Véleclair, ECLI:ECLI:EU:C:2012:183, Rn. 30; GA Kokott, Schlussantrag v. 17.11.2011 – C-414/10 – Véleclair, ECLI:EU:​ C:2011:748, Rn. 39 ff. jeweils m.w.N.; siehe auch oben Teil II B.IV.2.b)cc)(1) Kumulative Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs – Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug und Besitz einer Rechnung. 1421 Vgl. VDT, Urt. v. 08.08.2002 – 2002 WL 31476363, n.v. Rn. 40, zum Falle der Verzinsung von Steuerbeträgen, auf eine innergemeinschaftliche Lieferung, deren Voraussetzungen erst nach der Abgabe der Voranmeldung erbracht worden war. Vgl. aber die insofern andere Ansicht der nachfolgenden Instanz in High Court (Chancery Division), Urt. v. 26.02.2003 – Musashi Autoparts Europe Ltd [2003] EWHC 343 (Ch), Rn. 22 ff. Mit der Begründung, dass die Nachweise der Steuerfreiheit gem. Sec. 30 (8) (b) VAT Act VAT Act 1994 in der von den HMRC in Notice 703 bestimmenten Form zu erbringen seien (eine nachträgliche Erbringung dieses Nachweises wirke nicht auf die ursprüngliche Erbringung der innergemeinschaftlichen Lieferung zurück, sodass Zinsen für den Zeitraum bis zur Erfüllung der Nachweiserfordernisse aus Notice 703 endgültig entstanden und daher auch nicht zu erlassen seien,)wurde die erstgenannte Entscheidung aufgehoben. Ausdrücklich nimmt diese Entscheidung Bezug auf Queen’s Bench Division, v. 21.03.1994 – C & E Commrs v Nomura Properties Management Services Ltd – QB [1994] STC 461 (467). Der zufolge hat die Korrektur einer Voranmeldung insofern keinen rückwirkenden Effekt, als dass im Falle der Korrektur, auch in Abhängigkeit vom fehlerhaft nicht erklärten Steuerbetrag, bestimmte Bußgelder rückwirkend entfielen. Denn dann sei, so die Queen’s Bench Division (QB), zu Recht, der Zweck des Penaltyregimes, den Unternehmer zur Abgabe von ursprünglich korrekten Voranmeldungen anzuhalten, nicht erreichbar. Die­ ser Argumentation schloss sich der Court of Appeal in Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 03.12.2003 – Musashi Autoparts Europe Ltd [2003] EWCA Civ 1738, Rn. 22 ff., 48, an. Als Grund für die Entscheidung unterstreicht der Court of Appeal, dass die Entscheidung zu Gunsten einer Verzinsung von nur wegen zeitweise fehlender Nachweise festgesetzter Steuer einen Anreiz („incentive“) für die Unternehmer setzen solle, seine Nachweispflichten korrekt zu erfüllen, Court of Appeal (Civil Devision), Urt. v. 03.12.2003 – Musashi Autoparts Europe Ltd [2003] EWCA Civ 1738, Rn. 30. Die Bezugnahme auf Nomura, und die Ausführungen des Court of Appeal zeigen, dass hier die Verzinsung einer Sanktion gleichgesetzt wird. Das überzeugt nicht. Zweck der Verzinsung ist, auch nach dem Verständnis der HMRC, nicht die Sanktion des Unternehmers. Auf den Zweck der Verzinsung, der commercial restitution, sowie auf Notice 700/43 gehen weder der High Court noch der Court of Appeal ein. Dieser Ansicht wird daher nicht gefolgt. In der Praxis ist davon auszugehen, dass die Grundätze dieser Rechtsprechung auf den Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung beschränkt bleiben, vgl. Tolley‘s VAT Cases, 17.19 m.w.N., zur Rechtsprechung, der zufolge eine Verzinsung bei nachträglichem Nachweis der Korrektheit der ursprünglichen Besteuerung entfallen muss. Zum ganzen hierzu Tolley‘s VAT

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

gen den Fiskus gelten macht, stellt demnach keinen steuerrechtlich ­intendierten und daher zu kompensierenden Vorteil dar. Dass ein Vorsteuerabzug nur hätte ausgeübt werden können, wenn eine taugliche Rechnung erteilt worden war, ist daher unerheblich. Ein solcher Liquiditätsvorteil ist nicht steuerrechtlich gewollt, sondern tritt, vom Fiskus nicht beeinflussbar zu seinen Gunsten zufällig, ein. Daher besteht auch kein Bedarf, diesen zur Kompensation zu verzinsen. Dass dem Verzinsungsregime nur die Saldierung der abstrakt bestehenden Ansprüche, nicht jedoch die tatsächliche Zahlung und Geltendmachung von Ansprüchen zugrunde liegt, lässt sich auch auf den Umstand stützen, dass nur nicht korrekt erklärte Steuerbeträge zu verzinsen sind. Auf erklärte Steuerbeträge, die bei Fälligkeit nicht entrichtet wurden, fallen keine Zinsen an, para. 2.4 Notice 700/43.1422 Generalisierend heißt das, dass diejenigen Steuerbeträge, welche entsprechend der materiell-rechtlich intendierten Liquiditätssituation dem Fiskus per saldo, nicht über den Besteuerungszeitraum ihrer Entstehung hinaus, zur Verfügung stehen sollten, nicht zu verzinsen sind. (b) Übertragung des Konzeptes auf den Fall des Vorsteuerabzuges Übertragen auf den Vorsteuerabzug mit untauglicher Rechnung heißt das, dass ein Liquiditätsausfall zulasten des Fiskus entfällt, wenn der fehlerhaft abgezogene Steuerbetrag dem Fiskus materiell-rechtlich betrachtet nicht über den Besteuerungszeitraum der Steuerentstehung hinaus zur Verfügung stehen sollte. Dass dieser Ansatz für den Vorsteuerabzug auch nach Ansicht der HMRC gilt, zeigt sich plastisch an der Behandlung von Fällen, in denen der Vorsteuerabzug vom falschen Unternehmer ausgeübt wurde. Selbst dann sollen Zinsen vom unberechtigten Unternehmer nur erhoben werden, wenn der Vorsteuerabzug in der Folge auch vom Berechtigten, also ins­ gesamt zweimal, ausgeübt wurde.1423 Daher ist die Verlautbarung der HMRC, dass bei der Festsetzung nicht abziehbarer, aber dennoch abgezogener Vorsteuer („input VAT not deductible“) Zinsen erhoben werden sollen, so zu verstehen, dass nur dann Zinsen anfallen,1424 wenn der Vor-

­ ases, 17.17 f. Anlass zur Änderung des hier vertretenen Ansatzes gibt diese C Rechtsprechung daher nicht. 1422 HMRC, VDIM3010 – Commercial restitution: General principles. 1423 HMRC, VDIM3010 – Commercial restitution: General principles. 1424 HMRC, VDIM3010 – Commercial restitution: General principles.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

steuerbetrag materiell-rechtlich betrachtet gem. Sec. 26 (2) VAT Act 1994 nicht abziehbar ist. War der Unternehmer materiell-rechtlich bereits im Zeitpunkt der erstmaligen Ausübung zum Vorsteuerabzug berechtigt, besteht daher kein Bedarf an einer Verzinsung zum Zwecke der „commercial restitution“. Denn der Liquiditätsabfluss beim Fiskus durch den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers im Zeitpunkt der Steuerentstehung entspricht dessen materiell-rechtlich korrekter Liquiditätssituation. Ihm steht der Anspruch gegen den Leistungserbringer auf den Steuerbetrag gegenüber. Ob der Leistende die Steuer auch abführt, ist, da nur bestehende Ansprüche unabhängig von ihrer Einbringlichkeit saldiert werden,1425 unerheblich.1426, 1427 Saldiert man die an den Umsatz anknüpfenden Steueransprüche zugunsten des Fiskus und die Ansprüche gegen den Fiskus, so ergibt sich aufgrund des zu frühen Abzuges kein materiell-rechtlich erheblicher Liquiditätsausfall. Ein Verzicht auf die Erhebung von Zinsen auf mit untauglicher Rechnung abgezogenen Vorsteuerbeträgen entspricht daher der derzeit geübten Verwaltungspraxis der HMRC. (c) Zulässigkeit des Verzichts auf Verzinsung im Rahmen des ­Ermessens der HMRC Eine solche Anwendung des Verzinsungsregimes bleibt im Rahmen des den HMRC eingeräumten Ermessens gem. Sec. 76 (1) VAT Act 1994. Das zeigt die Rechtsprechung zur Verzinsung von Steuererstattungen. Der zufolge hat die Finanzverwaltung das Verzinsungsregime insofern unangewandt zu lassen, als seine Anwendung mit den generellen Zielen des 1425 Siehe soeben Teil III A.VI.2.b)bb)(3)(a) Das Konzept der „commercial restitution“. 1426 Vgl. FTT, Urt. v. 03.07.2014 – Zipvit [2014] UKFTT 649 (TC), Rn. 194. 1427 Zu unterscheiden ist davon der Fall, in dem der Leistungsempfänger um den Plan des Leistenden, die Steuer nicht abzuführen weiß, oder wissen musste. Dann besteht aber auch schon in materieller Hinsicht kein Recht auf Vorsteuerabzug (siehe dazu u.a. EuGH, Urt. v. 03.05.2005 – C-32/03 – Fini H, ECLI:EU:C:2005:128, Rn. 34; v. 06.07.2006 – C-439/04 und C-440/04 – Kittel u. Recolta, ECLI:EU:​ C:2006:446, Rn. 52 ff. jeweils m.w.N.; v. 06.12.2012 – C-285/11 – Bonik, ECLI:EU:​ C:2012:774, Rn. 25 m.w.N.; v. 13.02.2014 – C-18/13 – Maks Pen, ECLI:EU:C:2014:69, Rn. 25 ff., 32; sowie ausführlich oben Unabhängigkeit des Vorsteuerabzugs von der Besteuerung des Leistenden. Jeglicher Abzug nimmt dem Fiskus daher materiell-rechtlich Liquidität, da ein dagegen zu saldierender Vorsteuerabzug nicht besteht.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Verzinsungsregimes in Widerspruch steht. So sind einem Steuerpflichtigen, von dem Mehrwertsteuer unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben wurde, nicht nur verzinst, sondern entgegen dem Wortlaut des Sec. 78 (1) (b) VAT Act 1994 mit Zinseszinsen zu erstatten. Denn nur der Zinseszins kompensiere den Nutzungsausfall des Kapitals und schöpfe, wie die effektive Durchsetzung des Unionsrechts dies erfordere, die rechtswidrige Bereicherung des Fiskus vollumfänglich ab.1428 Sec. 78 (1) (b) VAT Act 1994 müsse daher, da sie einer Auslegung, der zufolge Zinseszins zu gewähren seien nicht zugänglich ist1429, durch die HMRC unangewandt bleiben.1430 Dass diese Frage im Vereinigten Königreich noch nicht letztinstanzlich geklärt ist,1431 steht dabei der Heranziehung für die hier relevanten Fälle der Verzinsung von Vorsteuerbeträgen nicht entgegen. Denn die Rechtsprechung zum Zinseszins geht in seiner Aussage noch über das zur Begründung des Verzichts auf die Verzinsung von Vorsteuerbeträgen nötige Maß hinaus. So lag der Grund, auf welchen das Gericht die Erforderlichkeit von Zinseszinsen stützte, in der möglichst effektiven Durchsetzung des Unionsrechts. Die Gewährung von Zinseszinsen sei demnach erforderlich, um den Verstoß gegen das Unionsrecht durch die Erhebung von Steuern umfänglich zu kompensieren. Der Anspruch auf Erstattung der unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuern umfasse daher auch Zin-

1428 High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 08.05.2009 – FJ Chalke Ltd [2009] EWHC 952 (Ch), Rn. 108, 255; v. 28.03.2014 – Littlewoods Retail Ltd [2014] EWHC 868 (Ch), Rn. 310, 311 ff.; Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 25.03.2010 – FJ Chalke Ltd [2010] EWCA Civ 313, Rn. 40; vgl. auch High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 19.05.2010 – Littlewoods Retail Ltd [2010] EWHC 1071 (Ch), Rn. 31 ff., mit Bezug auf die, zur Erstattung von unionsrechtwidrig erhobener – die Erhebung Verstieß gegen die Niederlassungsfreiheit – Körperschaftsteuer, ergangene Entscheidung in House of Lords, Urt. v. 18.07.2007 – Sempra Metals Ltd (formerly Metallgesellschaft Ltd) [2007] UKHL 34, Rn. 41, 52, 112, 183. 1429 High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 28.03.2014 – Littlewoods Retail Ltd [2014] EWHC 868 (Ch), Rn. 317 ff. 1430 High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 28.03.2014 – Littlewoods Retail Ltd [2014] EWHC 868 (Ch), Rn. 328 ff. 1431 Diese Frage, die ausweislich des Court of Appeal einer Vorlage an den EuGH bedurft hätte, musste der Court of Appeal (Civil Division) im Urt. v. 25.03.2010 – FJ Chalke Ltd [2010] EWCA Civ 313, nicht entscheiden, da die Geltendmachung jedweden Anspruches auf Zinsen, wegen Ablaufes der Frist zur Geltendmachung von drei (mittlerweile vier) Jahren ausgeschlossen war, Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 25.03.2010 – FJ Chalke Ltd [2010] EWCA Civ 313, Rn. 41.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

seszinsen.1432 Die HMRC wendet dagegen ein, dass dem Unionsrecht ein Anspruch auf Zinseszinsen nicht zu entnehmen sei. Auch ließe sich ein solcher Anspruch nicht auf nationales Recht stützen, da der Regelung des Sec. 78 (1) (b) VAT Act 1994 eindeutig der gesetzgeberische Wille zu entnehmen sei, dass die Kompensation des Liquiditätsausfalles nur mittels einfacher Verzinsung erfolgen sollte. Ausgehend davon, legten die HMRC Berufung gegen das Urteil ein.1433 Unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits um den Anspruch auf Zinseszinsen lassen sich für die Frage des Verzichts auf die Verzinsung von Vorsteuerbeträgen zwei Aussagen fruchtbar machen. Zum einen erkennt die Rechtsprechung die Möglichkeit, das Verzinsungsregime in Teilen unangewandt zu lassen, sofern seine Anwendung mit den Wertungen des Unionsrechts in Widerspruch steht. Sprechen daher die Wertungen des Mehrwertsteuersystems gegen eine Verzinsung von Vorsteuerbeträgen, müssen die HMRC davon absehen. Der Zweck der „commercial resti­ tution“ dient dem Zweck der Kompensation von Ausfällen derjenigen Liquidität, welche dem Fiskus unabhängig von der ordentlichen Versteuerung durch die Unternehmer aufgrund seiner durchsetzbaren Steueran­ sprüche zusteht. Dem liegt nicht nur die Intention des Gesetzgebers im Vereinigten Königreich,1434 sondern das unionsrechtlich determinierte Belastungsmodell1435 zugrunde. Eine Verzinsung widerspricht damit unionsrechtlichen Wertungen. Zur effektiven Durchsetzung des Unionsrechts im Falle der Ver­ zinsung von Vorsteuerbeträgen bedarf es der Nichtanwendung der Verzinsungsregeln nicht. Anders als Sec. 78 (1) (b) VAT Act 1994 räumt Sec. 76 (1) VAT Act 1994 den HMRC Ermessen ein. Daher haben sich die HMRC lediglich bei der Ausübung ihres Ermessen i.R.v. Sec. 76 (1) VAT Act 1994 an den Wertungen des Unionsrechts zu orientieren.1436 Dem Argument, der Regelung des Sec. 76 (1) VAT Act 1994 sei klar ein entgegenstehender gesetzgeberischer Wille zu entnehmen, ist daher in diesen Fällen die Grundlage entzogen.

1432 High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 28.03.2014 – Littlewoods Retail Ltd [2014] EWHC 868 (Ch), Rn. 287 ff. 1433 HMRC Business Brief 20/14. 1434 Siehe soeben Teil III A.VI.2.b)bb)(3)(b) Übertragung des Konzeptes auf den Fall des Vorsteuerabzuges. 1435 Z.B. EuGH, Urt. v. 29.03.2012 – C-414/10 – Véleclair, ECLI:ECLI:EU:C:2012:183, Rn. 30; GA Kokott, Schlussantrag v. 17.11.2011 – C-414/10 – Véleclair, ECLI:EU:​ C:2011:748, Rn. 39 ff. jeweils m.w.N.; siehe auch oben Teil II B.IV.2.b)cc)(1) Kumulative Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs – Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug und Besitz einer Rechnung. 1436 Vgl. Freedman/Vella, Oxford WP 10/22, 1 f.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Zum anderen spricht das Beharren der HMRC auf den Gesetzeswortlaut von Sec. 78 (1) (b) VAT Act 1994 im Fall der Zinseszinsen1437 nicht dagegen, dass sie i.R.v. Sec. 76 (1) VAT Act 1994 von einer Verzinsung von Vorsteuerbeträgen absehen würden. So führt nach Ansicht der HMRC der Ausschluss von Zinseszinsen nicht zu Widersprüchen mit der Zielsetzung des Verzinsungsregimes. Vielmehr genügt demnach eine ein­ fache Verzinsung zur Kompensation des Liquiditätsausfalles auch aus unionsrechtlicher Sicht. Anlass zur Nichtanwendung von Sec. 78 (1) (b) VAT Act 1994 hat die HMRC daher gerade nicht.1438 Im Gegensatz dazu steht die Verzinsung von Vorsteuerbeträgen im Widerspruch zum legislativen Zweck der Verzinsung nach dem Verständnis1439 der HMRC.1440 Es besteht in diesen Fällen daher Anlass zur Ausnahme dieser Fälle von der Verzinsung. Daher ist das Absehen von Verzinsung des Vorsteuerbetrages im Falle der nachträglich entdeckten Fehlerhaftigkeit der Rechnung der HMRC möglich und erforderlich, um den legislativen Gedanken der „commercial restitution“ Rechnung zu tragen. 3. Penaltyregime Übt ein Unternehmer den Vorsteuerabzug mit einer untauglichen Rechnung aus, so ist seine Steueranmeldung insofern falsch. Bußgelder werden nur fällig, wenn dieser Fehler mindestens auf Fahrlässigkeit beruht. Als fahrlässiger Fehler gilt auch, wenn der Unternehmer den Fehler später erkennt, und diesen der HMRC nicht mitteilt.1441 Ein demnach fälliges Bußgeld können die HMRC, wenn der Steuerpflichte an der Sachverhaltsaufklärung mitwirkt, verringern.1442 Für den Fall, dass der Unternehmer mit einer unerkannt untauglichen Rechnung den Vorsteuerabzug ausübt und dieser im Nachhinein nicht korrigiert wird, sind damit zwei Fälle zu unterscheiden.

1437 Vgl. HMRC Business Brief 20/14. 1438 Vgl. HMRC Business Brief 20/14. 1439 S.o. Teil III A.VI.2.b)bb)(3)(a) Das Konzept der „commercial restitution“. 1440 S.o. Teil III A.VI.2.b)bb)(3)(b) Übertragung des Konzeptes auf den Fall des Vorsteuerabzuges. 1441 S.o. Teil III A.II.2.d)aa) Grundsätze des Bußgeldregimes. 1442 S.o. Teil III A.II.2.d)bb) Reduktion des Bußgeldes durch Offenlegung des Fehlers.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

Erkennt der Unternehmer die Fehlerhaftigkeit der Rechnung außerhalb einer Prüfung durch die HMRC nach Ausübung des Vorsteuerabzuges und Abgabe der betreffenden Voranmeldung, hat er seine Mehrwertsteuer um den Betrag des Vorsteuerabzuges zu korrigieren. Nur so kann er ein Bußgeld, unabhängig vom Verschulden bei Verkennen der Fehlerhaftigkeit der Rechnung, vermeiden, Schedule 24 para. 3 (2) Finance Act 2007.1443 Hat der Unternehmer den Fehler ursprünglich fahrlässig verkannt, kann er eine Reduktion des Bußgeldes erlangen, indem er die Korrektur seiner Rechnung durch separaten Hinweis1444 an die HMRC vornimmt.1445 Kann er nachweisen, dass ihm keine Fahrlässigkeit zur Last fällt, entfällt das Bußgeld ganz. Entdecken die HMRC den Fehler der Rechnung bei einer Kontrolle des Unternehmers, bevor dieser den Fehler entdeckt hat, muss der Unter­ nehmer ebenfalls nachweisen, dass ihm keine Fahrlässigkeit zur Last fällt. Auch hierzu steht ihm die Möglichkeit des separaten Hinweises offen.1446 Entscheidend ist daher stets, ob dem Steuerpflichtigen ein fahrlässiges Verkennen der Voraussetzungen der Ausübung des Vorsteuerabzuges vorwerfbar ist. Fahrlässigkeit i.S.v. Schedule 24 para. 3 (1) (a) Finance Act 2007 fällt demjenigen zur Last, der nicht so handelt, wie ein „sorgfältiger und vernünftiger Steuerpflichtiger im jeweils zu beurteilenden Fall“1447 handeln würde. Geben dabei Umstände jenseits der Rechnung Anlass, an der Tauglichkeit der Rechnung oder der Redlichkeit des Leistenden zu zweifeln, hat der Unternehmer auch diese zu beachten.1448 Beachtet der Steuerpflichtige bei der Abgabe seiner Voranmeldung diese Sorgfalt, entsteht auch bei fehlerhaften Voranmeldungen kein Bußgeld. Bei der Bestimmung, welche Maßnahmen ein „sorgfältiger und vernünftiger Steuerpflichtiger im jeweils zu beurteilenden Fall“ ergreifen würde, um die Korrektheit der Voranmeldungen sicherzustellen, haben die HMRC das

1443 S.o. Teil III A.II.2.d)aa) Grundsätze des Bußgeldregimes. 1444 Siehe dazu oben Teil III A.II.2.c)bb) Korrektur durch „separate notification“ an die HMRC. 1445 S.o. Teil III A.II.2.d)cc) Bedeutung der Korrekturmethode für Bußgelder. 1446 HMRC para 4.8.2. Notice 700/45. 1447 “… prudent and reasonable taxpayer in the position of the taxpayer in question.” HMRC, CH81140 mit Bezug auf FTT, Urt. v. 09.09.2011 – David Collis v HMRC [2011] UKFTT 588 (TC); Rn. 29; seit dem u.a. FTT, Urt. v. 12.02.2013 – Ashton v HMRC [2013] UKFTT 140 (TC), Rn. 34; v. 13.05.2014 – Francois Berrier v HMRC [2014] UKFTT 457 (TC), Rn. 67. 1448 VTD, Urt. v. 04.11.2008 – Faith Clothing Ltd. [2008] UKVAT V20854, Rn. 42 f., 45.; Tolley‘s VAT Cases, 52.366.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Unionsrecht zu beachten.1449 Daher gilt, dass ein Bußgeld dann nicht zu verhängen ist, wenn der Unternehmer die Fehlerhaftigkeit der Rechnung nicht durch Ergreifen aller ihm vernünftigerweise zumutbaren Maßnahmen erkennen konnte. Das Penaltyregime bleibt damit in den vom Unionsrecht gesteckten Grenzen. Demzufolge ist eine Sanktionierung des Steuerpflichtigen durch ein Bußgeld nur dann zulässig, wenn sie angesichts der „… Art und … Schwere des Verstoßes, sowie … (Einf. d. Verf.:) der … Methoden für die Bestimmung der Höhe dieser Sanktion …“1450 verhältnismäßig ist.1451 Die Art und Schwere des Verstoßes hat sich dabei entscheidend nach dem Verschulden des Steuerpflichtigen zu bestimmen.1452 Mit der generellen Orientierung am Verschulden und der Bestimmung des Verschuldens im Einzelfall anhand des unionsrechtlichen Maßstabes, entspricht das Penaltyregime damit dem Unionsrecht.1453 Im Ergebnis bleibt das Penaltyregime zugunsten des Unternehmers im Einzelfall sogar hinter den Möglichkeiten, welche das Unionsrecht bietet, zurück. So ist die Sanktionierung eines Sorgfaltspflichtverstoßes bei der Beurteilung der Tauglichkeit der Rechnung und der Ausübung des Vorsteuerabzuges unionsrechtlich möglich. Aufgrund eines abweichenden Prüfungsmaßstabes kommt es aber allein wegen der Verkennung der Untauglichkeit der Rechnung nicht zwangsläufig zu einer Sanktion im Penaltyregime des Vereinigten Königreiches. Soweit ersichtlich, ist der Maßstab, nach dem sich die Vorwerfbarkeit des Fehlers bestimmt, deckungsgleich mit demjenigen, von dem die Gewährung des Vorsteuerabzuges ohne korrigierte Rechnung abhängt. Ein Bußgeld entfällt dann, wenn der Unternehmer von seiner generellen Vorsteu-

1449 Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 27.01.2006 – IDT Card Services Ireland Ltd [2006] EWCA Civ 29, Rn. 73 ff.; FTT, Urt. v. 22.04.2013 – CCA Distribution Ltd [2013] UKFTT 253 (TC), Rn. 49. 1450 EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:497, Rn. 47; v. 20.06.2013 – C-259/12 – Rodopi M-91, ECLI:ECLI:EU:C:2013:414, Rn. 38; im Ergebnis gleich u.a. EuGH, Urt. v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 67; v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:2012:458, Rn. 67. 1451 S.o. Teil II C.III.2.b)bb) Rechtmäßigkeit der Sanktion im Einzelnen. 1452 S.o. Teil II C.III.2.b)bb)(3) Konsequenz: Subjektive Vorwerfbarkeit bei formellen Verstößen erforderlich. 1453 Vgl. o. Teil II C.III.2.b)aa) Zwecksetzung der Sanktionsbefugnis als Grenze der Sanktionsbefugnis.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

erabzugsberechtigung ausgehen durfte.1454 Auch betreffend die Verhängung von Bußgeldern blenden die HMRC die Rechnung damit aus.1455 Der wegen Verkennung des Rechnungsfehlers lediglich zu frühe Abzug1456 wird daher nicht sanktioniert, wenn der Unternehmer seine generelle Abzugsberechtigung und insofern die Anlegung des zumutbaren Sorgfaltsmaßstabes nachweisen kann. Der Unternehmer hat den – unionsrechtlich bestimmten – Maßstab als „sorgfältiger und vernünftiger Steuerpflichtiger im jeweils zu beurteilenden Fall“1457 daher nicht auf die Tauglichkeit der Rechnung als Ganzes zu verwenden. Es genügt hingegen, dass er deren Angaben, die der Sicherung der korrekten Besteuerung und der Verhinderung der Steuerhinterziehung dienen, mit eben dieser Sorgfalt überprüft. So erklärt sich der Umstand, dass – soweit ersichtlich – nur in Fällen, in denen der Vorsteuerabzug generell verwehrt wurde, auch Bußgelder verhängt wurden. Fälle, in denen allein wegen dem Verkennen der Untauglichkeit der Rechnung Bußgelder verhängt wurden, finden sich nicht. Der Prüfungsmaßstab für die Gewährung des Vorsteuerabzuges und der Sanktionswürdigkeit ist daher stets der gleiche.1458 Damit gilt für den Vorsteuerabzug nicht, was für den Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung im Dreiecksgeschäft gem. Sec. 14 (3) VAT Act 1994 gilt. Zur Zuordnung der Warenbewegung im Dreiecksgeschäft und damit zur Gewährung der Steuerfreiheit hat der Steuerpflichtige die von den HMRC bestimmten Nachweiserfordernisse zu befriedigen. Gelingt das nicht, finden die Regelungen über die Zuordnung der Warenbewegung zum letzten und der Nichtbesteuerung des ersten Lieferanten gem. Sec. 14 (1) VAT Act 1994 keine Anwendung. Wird ein Bußgeld verhängt, weil der Steuerpflichtige von der Nichtbesteuerung gem. Sec. 14 (1) VAT Act 1994 ausgegangen war, aber den Nachweis nicht in Gemäßheit mit den Nachweiserfordernissen gem. Sec. 14 (3) VAT Act 1454 S.o. Teil III A.II.2.d)dd) Möglichkeiten des Entfalls des Bußgeldes bei Nachweis der Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges ohne Rechnungskorrektur. 1455 Vgl. o. für die generelle Gewährung des Vorsteuerabzuges ohne korrigierte Rechnung Teil III A.VI.2.b)bb)(2)(a) Der Mechanismus der Gewährung des Vorsteuerabzuges. 1456 Vgl. o. Teil III A.VI.2.b)bb)(2)(b) Die unionsrechtliche Lage des Unternehmers nach erfolgreichem Alternativbeweis. 1457 “… prudent and reasonable taxpayer in the position of the taxpayer in question.” HMRC, CH81140 mit Bezug auf FTT, Urt. v. 09.09.2011 – David Collis v HMRC [2011] UKFTT 588 (TC), Rn. 29; seit dem u.a. FTT, Urt. v. 12.02.2013 – Ashton v HMRC [2013] UKFTT 140 (TC), Rn. 34; v. 13.05.2014 – Francois Berrier v HMRC [2014] UKFTT 457 (TC), Rn. 67. 1458 S.o. Teil III A.II.2.d)dd) Möglichkeiten des Entfalls des Bußgeldes bei Nachweis der Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges ohne Rechnungskorrektur.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

1994 führen kann, lässt ein nachträglicher Nachweis gem. Sec. 14 (3) VAT Act 1994 das Bußgeld unberührt. Denn der Nachweis hat keine derartige Rückwirkung, der zufolge der Fehler, an den das Bußgeld notwendigerweise anknüpfe, entfiele.1459 Das gilt auch für die Sanktionierung von Verstößen gegen den Nachweis der Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung in der von den HMRC bestimmten Form gem. Sec. 30 (8) (b) VAT Act 1994.1460 Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechungs- und Verwaltungspraxis diesen, unionsrechtlich zulässigen Ansatz in Zukunft auch auf den Nachweis der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen übertragen werden. Auch die Höhe der Bußgelder von 30 % des betroffenen Vorsteuerbetrages bei Fahrlässigkeit bleibt im Rahmen des unionsrechtlich Zulässigen.1461 4. Korrekturzeitraum Die Korrektur von Fehlern in einer Voranmeldung ist nur bis zum Zeitraum von vier Jahren nach Ende des betroffenen Voranmeldungszeit­ raumes möglich. Nach diesem Zeitraum kann die Steuer nicht mehr abweichend von der Voranmeldung festgesetzt werden, Value Added ­ Tax Regulation 34 (1A), para. 4.6 f. Notice 700/45.1462 Innerhalb dieses Zeitraumes kann eine Rechnung korrigiert oder der Alternativbeweis ­erbracht werden. Einen Ausschluss der Rechnungskorrektur oder des ­Alternativbeweises wegen Zeitablauf bis zum Ablauf des Verwaltungsverfahrens ist daher nicht vorgesehen.

1459 Queen’s Bench Division, v. 21.03.1994 – C & E Commrs v Nomura Properties Management Services Ltd – QB [1994] STC 461 (467); vgl. dazu auch VDT, Urt. v. 08.08.2002 – 2002 WL 31476363, n.v. Rn. 22. 1460 High Court (Chancery Division), Urt. v. 26.02.2003 – Musashi Autoparts Europe Ltd [2003] EWHC 343 (Ch), Rn. 22 ff., wobei diese Rechtsprechung diesen Ansatz auch auf das Verzinsungsregime anwendet und damit gegen den Telos des Ver­ zinsungsregimes verstößt; siehe dazu kritisch bereits oben Das Konzept der „commercial restitution“. 1461 S.o. Teil II C.III.2.b)bb)(5)(b) Sanktionshöhe: Grundsatz der Proportionalität zum betroffenen Steuerbetrag. 1462 HMRC, VAEC7410 – Error correction for VAT returns: Time limits: Introduction; British Tax Guide: Value Added Tax, 9-410 (4); Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 56.11.

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A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

5. Zwischenfazit In Fällen, in denen die Rechnung korrigiert wird, entspricht die derzeitige Rechtspraxis im Vereinigten Königreich dem Unionsrecht. Kann die Rechnung nicht korrigiert werden, wird der Vorsteuerabzug ex tunc aberkannt. Eine Gewährung des Vorsteuerabzuges erfolgt erst im Anschluss an den alternativ geführten Nachweis der Vorsteuerabzugs­ berechtigung ex nunc. Die unterschiedliche Belastung von Unternehmern die eine korrigierte Rechnung erhalten können und solchen, die das nicht vermögen, widerspricht dem Unionsrecht. In unionsrechtskonformer Weise kann die dem Leistungsempfänger zumutbare Gesamt­ belastung von der Bereitschaft des Leistenden zur Mitwirkung an der Rechnungskorrektur nicht abhängig gemacht werden. Diese unionsrechtswidrige Differenzierung zeitigt allerdings im Ergebnis keine Folgen. Sowohl das Verzinsungs-, als auch das Penaltyregime im Vereinigten Königreich sind de lege lata geeignet, eine unionsrechtskonforme Gesamtbelastung herzustellen.

VII. Fazit Die vorstehende Untersuchung führt zu folgenden Schlüssen. Das Unionsrecht erfordert die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung zugunsten des sorgfältigen Steuerpflichtigen auf den Zeitpunkt der erstmaligen Ausübung mit der fehlerhaften Rechnung. Der anzulegende Sorgfaltsmaßstab bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles. Er wird auch beachtet, wenn bei dauernden Geschäftsbeziehungen nicht jede einzelne Rechnungsangabe kontrolliert wird. So folgt aus Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL, dass der Erhalt einer, dem sorgfältigen Steuerpflichtigen als korrekt erscheinenden Rechnung, denjenigen Zeitpunkt markiert, zu dem der Neutralitätsgrundsatz die Entlastung erfordert. Eine darüber hinausgehende Suspendierung des Vorsteuerabzuges ist rechtfertigungsbedürftig, aber nicht rechtfertigungsfähig. Der Suspendierung steht die Aberkennung der Ausübung im Nachhinein gleich. Damit ist auch eine nachträgliche Aberkennung des Vorsteuerabzuges ex tunc, mit Wirkung bis zur Korrektur der Rechnung, unionsrechtswidrig. Dem zwingenden Erfordernis einer korrekten Rechnung bereits im Zeitpunkt der erstmaligen Ausübung ist daher mittels einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung zu genügen. Nur, wenn dem Vorsteuerabzugsberechtigten diese nicht möglich ist, weil die Korrektur am Leistenden scheitert, ist insofern auf die Rechnungskorrektur zu ver349

Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

zichten. Möglich ist die Korrektur der Rechnung bis zu dem Zeitpunkt, zu dem letztmalig, ausgehend vom nationalen Verfahrensrecht, die Berücksichtigung neuer Tatsachen möglich ist. Im Einzelnen gilt daher: Zeigt sich die Fehlerhaftigkeit der Rechnung nach der Ausübung des Vorsteuerabzuges, ist dieser Mangel der Ausübung durch Korrektur der Rechnung heilbar. Hat der Steuerpflichtige die Fehlerhaftigkeit auch bei Ergreifung aller ihm vernünftigerweise zumutbaren Maßnahmen nicht erkannt, wirkt diese Heilung auf die ursprüngliche Rechnung zurück. Damit gilt die ursprünglich fehlerhafte Ausübung des Vorsteuerabzuges ex tunc als berechtigt. Scheitert die Korrektur der Rechnung an der Mitwirkung des Leistenden, kann der Vorsteuerabzugsberechtige die Korrektur auch mittels Gutschrift vornehmen. Die grundsätzlich erforderliche Zustimmung des Leistenden ist dabei entbehrlich. Scheitert die umfassende Korrektur durch Gutschrift daran, dass der Leistende die erforderlichen Daten nicht liefert, hat die Finanzverwaltung auf die betroffenen Daten zu verzichten. De lege lata lassen sich sowohl in Deutschland, als auch im Vereinigten Königreich unionsrechtskonforme Zustände herstellen. In Deutschland ermöglicht das materielle Recht die Rückwirkung der Rechnungsberichtigung. Im Steuerverfahrensrecht ermöglicht die Berück­ sichtigung entweder § 164 AO oder § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Die Änderung kann bis zur letzten mündlichen Verhandlung im finanzgerichtlichen Verfahren erfolgen. Allerdings reicht die Anerkennung der rückwirkenden Rechnungskorrektur allein noch nicht zur Herstellung einer unionsrechtskonformen Gesamtbelastung. So bedarf das Verzinsungsregime gem. § 233a AO einer teleologischen Korrektur. Der zufolge sind Vorsteuerbeträge, die ohne taugliche Rechnung abgezogen wurden, aber einer rückwirkenden Rechnungskorrektur zugänglich sind, gänzlich nicht Gegenstand der Verzinsung zulasten des Unternehmers. Denn ohne diese Korrektur würde das Ergebnis der rückwirkenden Rechnungskorrektur, nämlich die unionsrechtlich gebotenen Herstellung der Besteuerungsneutralität auf dem Umweg über das Ver­ zinsungsregime, wieder revidiert. Auch die Rechtfertigung einer Ver­ zinsung als Sanktion scheitert, da dem Unternehmer, wird ihm eine rückwirkende Rechnungskorrektur zugestanden, ein sanktionswürdiges Verhalten nicht zur Last fällt. Die Rechtspraxis im Vereinigten Königreich erlaubt die Heilung von Rechnungsmängeln binnen vier Jahren nach Ablauf des betroffenen Vor350

A.  Vorsteuerabzug mit mangelhafter Rechnung

anmeldungszeitraumes. Differenziert wird dabei anhand der Möglichkeit einer Rechnungskorrektur. Ist diese möglich, kommt ihr Rückwirkung zu. Scheitert die Korrektur der Rechnung am Rechnungsersteller, ist dem Leistungsempfänger gestattet, die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges anderweitig nachzuweisen. Auf eine Rechnung als Ausübungsvoraussetzung kommt es dann nicht mehr an. Damit geht das Steuerrecht des Vereinigten Königreiches zugunsten des Steuerpflichtigen über die Möglichkeiten des Unionsrechts hinaus. Denn unionsrechtlich erforderlich ist es von einer Rechnungskorrektur abzusehen lediglich insofern, als diese die Mitwirkung des Leistenden erfordert. Mit der Wirkung des so geführten Nachweises ex nunc bleibt die Rechtspraxis im Vereinigten Königreich hingegen hinter den Anforderungen des Unionsrechts zurück. Dieser rechtstechnisch unionsrechtswidrige Ansatz bleibt aber im Ergebnis ohne Folgen für die Herstellung einer neutralen Gesamtbelastung. Bußgelder werden, wenn eine rückwirkende Korrektur der Rechnung unionsrechtlich möglich ist, ebenfalls nicht fällig. Denn es schließen sich die rückwirkende Rechnungskorrektur und die Verhängung von Bußgeldern tatbestandsmäßig aus. So werden Bußgelder nur fällig, wenn der Unternehmer bei der Rechnungskontrolle deren Fehlerhaftigkeit fahrlässig nicht erkannt hat. Der Fahrlässigkeitsmaßstab deckt sich dabei mit dem vom Steuerpflichtigen geforderten Sorgfaltsmaßstab, welche Voraussetzung für die Gewährung der rückwirkenden Rechnungsberichtigung ist.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

B. Die Verwendung einer nicht vom Bestimmungsland ausgestellten Mehrwertsteueridentifikationsnummer zum Zwecke des innergemeinschaftlichen Erwerbs I. Allgemeines – die Besteuerung im Identifikationsstaat Der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs ist gem. Art. 40 M ­ wStSystRL in dem Staat gelegen, in dem sich der Gegenstand zum Ende der Versendung oder Beförderung befindet. Dieser Staat – das Bestimmungsland – erhält damit das Besteuerungsrecht gem. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i Alt. 1 ­ MwStSystRL.1463 Dies ist Ausdruck des Bestimmungslandprinzips1464, wonach ein Umsatz in dem Staat besteuert werden soll, in dem der Verbrauch tatsächlich auch stattfindet.1465 Verwendet der Erwerber beim innergemeinschaftlichen Erwerb eine Identifikationsnummer, welche ihm nicht von Bestimmungsland verliehen wurde, liegt der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs zudem gem. Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL in dem Staat, der diese Identifikationsnummer vergeben hat. Auch dieser Staat – im Folgenden als Identifikations­ staat bezeichnet – erhält das Recht, diesen Umsatz als innergemeinschaftlichen Erwerb gem. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i Alt. 1 ­MwStSystRL, zu besteuern. Die Steuerbarkeit des Erwerbs im Bestimmungsland bleibt bestehen1466. Eine tatsächliche Verlagerung des Ortes des Erwerbs in den Identifika­ tionsstaat ist durch die Verwendung der Identifikationsnummer nicht 1463 Marchal in Rau/Dürrwächter, § 3d (Jan. 2016), Rn. 2. 1464 S.o. Teil II B.III Verbrauchsortprinzip. 1465 S.o. Teil II B.IV.2.c) Verbrauchsortprinzip – Territoriale Zuordnung von Besteuerungsrechten; zudem EuGH, Urt. v. 06.04.2006 – C-245/04 – EMAG Handel Eder, ECLI:EU:C:2006:232, Rn. 40; v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 30; siehe zur Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips auch Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 412; Lohse/Spilker/Zitzl, UR 2010, 633 (633 f.); Martin in Sölch/Ringleb, § 3d (Sep. 2015), Rn. 2; Marchal in Rau/Dürrwächter § 3d (Jan. 2016), Rn. 3. 1466 Betreffend Deutschland Abschn. 3d.1. Abs. 2 Satz 1 UStAE; Desmeytere/Wille, Rn. 52202; Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 416; Grünwald in Hartmann/Metzenmacher, § 3d (Mär. 2006), Rn. 20; Leonard in Bunjes/Geist, § 3d, Rn. 4; Marchal in Rau/Dürrwächter, § 3d (Jan. 2016), Rn. 19; Stadie, UStG, § 3d, Rn. 6; ders., Steuerecht international tätiger Unternehmen, Rn. G 172; betreffend Öster­ reich, Gepperth in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG, Art. 3 (01.01.2012), Rn. 53; Tumpel in Melhardt/Tumpel, UStG, Art. 3, Rn. 76; Scheiner/Kolacny/Caganek, UStG, Art. 3 Abs. 8 (Jul. 2011), Rn. 6; für das Vereinigte Königreich HMRC Business Brief 20/11; Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 16.9; British Tax Guide: Value Added Tax, 5-400 (6).

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

möglich1467. Die Steuer im Identifikationsstaat entsteht zeitgleich mit der Steuer im Bestimmungsland am 15. des Folgemonats gem. Art. 69 Abs. 1 M ­ wStSystRL oder bereits vorher mit Ausstellung der Rechnung gem. Art. 69 Abs. 2 M ­ wStSystRL.1468 Wird die Rechnung vor Bewirkung des Erwerbs ausgestellt, entsteht die Steuer dennoch erst im Zeitpunkt des Erwerbs. Dieser ist der Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht und fällt damit mit dem Zeitpunkt der innergemeinschaftlichen Lieferung zusammen.1469 Der Erwerb wird damit bei Verwendung einer nicht vom Bestimmungsland erteilten Identifikationsnummer – zunächst – doppelt besteuert. Kann die Besteuerung im Bestimmungsland durch den Steuerpflichtigen nachgewiesen werden, bevor die Steuer im Identifikationsstaat gem. Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL fällig wird, so findet Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL keine Anwendung mehr; die Steuer im Identifikationsstaat fällt nicht an.1470 Offensichtlich geht die ­MwStSystRL von einer Möglichkeit aus, die Besteuerung im Bestimmungsland nachzuweisen, bevor die Steuer im Identifikationsstaat fällig wird. Wie der Nachweis zu führen ist, ist unionsrechtlich nicht geregelt.1471 Dazu taugen jedenfalls weder die Voranmeldung gem. Art. 250 M ­ wStSystRL noch die Zusammenfassende Meldung für getätigte innergemeinschaftliche Erwerbe im Bestimmungsland gem. Art. 268 ­ MwStSystRL. Denn diese geben gem. Art. 261 Buchst. c bzw. Art. 264 Buchst. d ­MwStSystRL nur Auskunft über die Gesamtsummen, nicht aber über die Besteuerung einzelner Umsätze.1472 Gelingt der Nachweis bis zu diesem Zeitpunkt nicht, wird der Erwerb im Identifikationsstaat besteuert. Die Bemessungsgrundlage im Identi­ fikationsstaat wird wieder um das Erwerbsentgelt gemindert, wenn der 1467 Prätzler, jurisPR-SteuerR 27/2010, Punkt D; vgl. Korf, IStR 2010, 368 (369); a.A. aber zeitlich deutlich vor Ergehen der Entscheidung in EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217: Keil, DStR 1996, 321 (323); Noll/Rödder, Das neue Umsatzsteuerrecht des Exports und Imports, S. 141. 1468 Zur Kritik am davon möglicherweise abweichenden § 13 Abs. 1 Nr. 6 UStG; Leipold in Sölch/Ringleb, § 13 (Sep. 2011), Rn. 90 ff. 1469 Nieskens in Rau/Dürrwächter § 13 (Okt. 2014), Rn. 121; Reiß in Reiß/Kraeusel/ Langer, § 13 (Mai 2015), Rn. 58. 1470 Grünwald in Hartmann/Metzenmacher, § 3d (Mär. 2006), Rn. 28; Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, § 3d (Sep. 2011), Rn. 18. 1471 Bülow in Schwarz/Widmann/Radeisen, § 3d (Jun. 2007), Rn. 15; Grünwald in Hartmann/Metzenmacher, § 3d (Mär. 2006), Rn. 36; Martin in Sölch/Ringleb, § 3d (Sep. 2015), Rn. 7. 1472 Korf in Hartmann/Metzenmacher, § 17 (Aug. 2012), Rn. 257; Martin in Sölch/ Ringleb, § 3d (Sep. 2015), Rn. 7.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Erwerb später im Bestimmungsland besteuert wurde, Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL.1473 Damit wird in diesen Fällen eine endgültige Doppelbesteuerung vermieden,1474 die Neutralität des Besteuerungssystems gewahrt. Diese Regelung geht dem Vorsteuerabzug der auf den Erwerb im Identifikationsstaat geschuldeten Steuer vor.1475 Ein Abzug der Steuer auf den Erwerb im Identifikationsstaat ist unzulässig.1476, 1477 Auch im Fall der Korrektur der Bemessungsgrundlage wegen vorangegangener Besteuerung im Identifikationsstaat trägt der Steuerpflichtige die Beweislast für die Besteuerung im Bestimmungsland.1478 1473 Unbedeutend ist, ob der Erwerb im Bestimmungsland auch steuerpflichtig ist; vgl. Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, § 3d (Sep. 2011), Rn. 17. 1474 Marchal in Rau/Dürrwächter, § 3d (Jan. 2016), Rn. 19; Stadie, Steuerecht international tätiger Unternehmen, Rn. G 172. 1475 EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 43; in der Folge BFH, Urt. v. 01.09.2010 – V R 39/08, BStBl. II 2011, 658 (661); v. 08.09.2010 – XI R 40/08, BStBl. II 2011, 661; anders noch BFH Urt. v. 24.09.1998 – V R 17/98, BStBl. II, 1999, 39 (40); Stadie in Rau/ Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 1166; Widmann in Schwarz/Widmann/Radeisen, § 15 (Mai 2014), Rn. 290. 1476 EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 42; ebenso seit BMF-Schreiben v. 07.07.2011 – VV DEU BMF 2011-07-07 IV D 2-S 7300-b/09/10001, BStBl. I 2011, 739; Abschn. 15.10 Abs. 2 UStAE; in diese Richtung bereits, schon vor Ergehen der Entscheidung in den Rechtssachen C-536/08 und 539/08 – X und Facet Trading BV; Grünwald in Hartmann/Metzenmacher, § 3d (Mär. 2006), Rn. 29 ff.; kritisch zum Urteil des EuGH in den Rechtssachen C-536/08 und 539/08 – X und Facet Trading BV; Wolf, EC Tax Review 2012, 33 (38). 1477 Daher wurde § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG, mit Wirkung v. 30.06.13, durch das AmtshilfeRLUmsG v. 26.06.2013 (BGBl. I 2013 S. 1809) nunmehr klarstellend insofern ergänzt, als der Abzug von Erwerbssteuer nur dann noch zulässig ist, wenn der Erwerb gem. § 3d Satz 1 UStG, welcher Art, 41 I ­MwStSystRL umsetzt, in Deutschland steuerbar ist. Hierzu Meurer, StBW 2014, 307 (313); in Österreich fehlt eine solche Modifikation des Rechts auf Vorsteuerabzug aus innergemeinschaftlichen Erwerben in Art. 12 BMR. Dort bedarf es daher einer einschrän­ kenden Auslegung; siehe dazu Rn. 3777, 4059 UStR 2000; Gepperth in Berger/ Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG, Art. 3 (01.01.2012), Rn. 55; Tumpel in Melhardt/Tumpel, UStG, Art. 3, Rn. 77; Scheiner/Kolacny/Caganek, UStG, Art. 3 Abs. 8 (Jul. 2011), Rn. 7/1. Ebenso fehlt eine Ausnahme in Sec. 24 (1) (b) VAT Act 1994 im Vereinigten Königreich. Auch hier bedarf es einer einschränkenden Auslegung der Sec. 24 (1) (b) VAT Act 1994; hierzu HMRC Business Brief 20/11; British Tax Guide: Value Added Tax, 5-400 (6); Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 16.9. 1478 Bülow in Schwarz/Widmann/Radeisen, § 3d (Jun. 2007), Rn. 15; Martin in Sölch/ Ringleb, § 3d (Sep. 2015), Rn. 7; generell, für die dem Steuerpflichtigen günstige Regelung, EuGH, Urt. v. 26.09.1996 – C-230/94 – Enkler, Slg. 1996, I-4517, Rn. 24; v. 27.09.2007 – C‑184/05 – Twoh International, ECLI:EU:C:2007:550, Rn. 26; v. 07.12.2010 – C-285/09 – R, ECLI:EU:C:2010:742; Wagner in Sölch/ Ringleb, § 15 (Sep. 2010), Rn. 82.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

Augenscheinlich nicht geregelt erscheint der Fall, in denen in beiden Staaten zeitgleich besteuert wird. In diesem Fall kann der Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland die Besteuerung im Identifikations­ staat nicht abwenden. Auch liegt ein Fall des Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL nicht vor. Die Besteuerung im Bestimmungsland erfolgt simultan und nicht erst nachdem im Identifikationsstaat besteuert wurde. Da aber der Nachweis der Besteuerung im Identifikationsstaat notwendigerweise eben dieser Besteuerung nachfolgt, muss gelten, dass Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL alle diejenigen Fälle betrifft, in denen eine Besteuerung sowohl im Identifikationsstaat, als auch im Bestimmungsland erfolgte.1479 Zweck dieser Regelung ist, den Steuerpflichtigen anzuhalten, die Steuer tatsächlich in dem Bestimmungsland zu entrichten und eine Identifikationsnummer anzugeben1480, welche von der Finanzverwaltung des Bestimmungslandes ausgestellt wurde.1481 Es trifft den Steuerpflichtigen mithin die Pflicht, eine Identifikationsnummer anzugeben, welche durch die Finanzverwaltung des Bestimmungslandes ausgestellt wurde. Gibt er stattdessen eine von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Identifikationsnummer an, verletzt er diese Pflicht. Die unionsrechtlich vorgesehene Rechtsfolge ist die Doppelbesteuerung sowohl im Bestimmungs- als auch im Identifikationsstaat, mit der Möglichkeit der entsprechenden Korrektur der Besteuerung im Identifikationsstaat. Wann und wie genau diese Korrektur zu erfolgen hat, regelt das Unionsrecht nicht.1482 Insofern obliegt die Ausgestaltung daher den Mitgliedstaaten.1483 1479 So ausdrücklich Sterzinger in Birkenfeld/Wäger, USt-HdB, § 85 (Sep. 2014), Rn. 88; davon scheinen stillschweigend auszugehen, Langer in Reiß/Kraeusel/ Langer, § 3d (Sep. 2011), Rn. 17; Stadie, UStG, § 3, vor Rn. 4 ff.; ders., UStG, § 17, Rn. 80; Marchal in Rau/Dürrwächter, § 3d (Jan. 2016), Rn. 1. 1480 Siehe zur Bedeutung für das innergemeinschaftliche Kontrollverfahren hierzu ausführlich unten Teil III B.VI.2.a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL. 1481 Vgl. EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 44. 1482 Bülow in Schwarz/Widmann/Radeisen, § 3d (Jun. 2007), Rn. 15; Grünwald in Hartmann/Metzenmacher, § 3d (Mär. 2006), Rn. 36; Korn in Bunjes/Geist, § 17, Rn. 82; Martin in Sölch/Ringleb, § 3d (Sep. 2015), Rn. 7. 1483 Vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 12.06.1980 – C-119/79 und C-126/79 – Lippische Hauptgenossenschaft, ECLI:EU:C:1980:154, Rn. 10; v. 21.09.1983 – C-205/82 bis C-215/82 – Deutsche Milchkontor, ECLI:EU:C:1983:233; Rn. 19, 23; v. 11.07.2002 – C-62/00 – Marks Spencer, ECLI:EU:C:2002:435, Rn. 34; v. 07.01.2004 – C-201/02 – Wells, ECLI:EU:C:2004:12, Rn. 67; v. 04.07.2006 – C-212/04 – Ade­

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

II. Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis in Deutschland Im deutschen UStG finden die Art. 40 und 41 M ­ wStSystRL in §§ 3d Satz 1 und Satz 2 Hs. 2 UStG i.V.m. 17 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 ihre Umsetzung.1484 Ausdrücklich sprechen §§ 3d Satz 2 Hs. 2 i.V.m. 17 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG nur von der Besteuerung des Erwerbs als dem Ereignis, welches zur Korrektur der Bemessungsgrundlage nachzuweisen ist. Unklar ist, ob auch die Zahlung der Erwerbssteuern im Bestimmungsland erforderlich ist. Dass dies eine Voraussetzung sein soll, klingt vereinzelt in der Literatur insofern an, als Zahlungsbelege1485 zum Nachweis gefordert werden. Überwiegend, nunmehr auch von der Finanzverwaltung,1486 wird die Anmeldung des Erwerbs im Bestimmungsland als ausreichend erkannt.1487 Für letztere Ansicht spricht, dass ihr zufolge unabhängig von der Steuerpflichtigkeit im Bestimmungsland die Korrektur vorgenommen werden kann. Denn einhellig wird richtigerweise davon ausgegangen, dass unerheblich sein soll, ob der Erwerb im Bestimmungsland auch steuerpflichtig ist.1488 Ist der Erwerb im Bestimmungsland steuerfrei, ist keine Steuerzahlung zu leisten. Ein diesbezüglicher Nachweis kann nicht geführt werden. Die tatsächliche Abführung einer Steuer im Bestimmungsland als Anknüpfungspunkt scheidet damit aus. Ähnlich verhält es sich bzgl. des Erwerbs zum Vorsteuerabzug berechtigten neler u.a., ECLI:EU:C:2006:443, Rn. 95; v. 28.06.2007 – C-1/06 – Bonn Fleisch Ex- und Import, ECLI:EU:C:2007:396, Rn. 41; v. 03.07.2008 – C-215/06 – Kommission/Irland, ECLI:EU:C:2008:380, Rn. 59; v. Danwitz, DVBl 1998, 421 (429); Eilmansberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht, S. 58 ff.; allgemein zum harmonisierten Steuerrecht, Englisch, IStR 2009, 37 (37 f.); allgemein zur Regelungstechnik durch Richtlinien und die autonome Ausgestaltung des korrespondierenden Verfahrensrechts, v. Bogdandy/Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 4 EUV (Sep. 2013), Rn. 80; Haratsch/König/Pechstein, Rn. 463. 1484 Marchal in Rau/Dürrwächter, § 3d (Jan. 2016), Rn. 1; Stadie, UStG, § 3, vor Rn. 1, § 17, vor Rn. 1; ohne Bezug auf die Korrekturnorm des §§ 17 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG. 1485 Nach Martin in Sölch/Ringleb, § 3d (Sep. 2015), Rn. 7 sollen diese zwar nicht ausreichend, aber wohl erforderlich sein. 1486 Seit 17.12.2012 Abschn. 3d.1. Abs. 2 Satz 1 UStAE. 1487 U.a. Sterzinger in Birkenfeld/Wäger, USt-HdB, § 85 (Sep. 2014), Rn. 90; Grünwald in Hartmann/Metzenmacher, § 3d (Mär. 2006), Rn. 37; Langer in Reiß/ Kraeusel/Langer, § 3d (Sep. 2011), Rn. 17. 1488 Ausdrücklich Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, § 3d (Sep. 2011), Rn. 17; andere Autoren gehen offenbar stillschweigend davon aus, da sie nur vom Besteuerungsrecht des bzw. Besteuerung durch das Bestimmungsland sprechen; so z.B. Marchal in Rau/Dürrwächter, § 3d (Jan. 2016), Rn. 19; Martin in Sölch/Ringleb, § 3d (Sep. 2015), Rn. 4; Stadie, UStG, § 3d, Rn. 4.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

Empfängern. Für diese ist der Erwerb ein „Nullsummenspiel“1489. Eine Zahlung findet tatsächlich nicht statt. Einen Zahlungsbeleg zu fordern wäre daher inkonsequent. Überzeugend ist es daher, jedenfalls für Deutschland davon auszugehen, dass nur die Anmeldung zur Steuer, nicht eine den Erwerb betreffende Steuerzahlung nachzuweisen ist. Die Korrektur der Bemessungsgrundlage erfolgt gem. § 17 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG erst im und mit Wirkung für den Besteuerungszeitraum, in dem der Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland erbracht wird.1490 Die Korrektur der Bemessungsgrundlage erfolgt damit ex nunc im Zeitpunkt des Nachweises. Problematisch ist dies dann, wenn der Steuerpflichtige den Erwerb im Bestimmungsland zwar korrekt versteuert hat, der Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland allerdings nicht zur Überzeugung des Finanzamts in Deutschland als Identifikationsstaat reicht. Selbst wenn dem Steuerpflichtigen im Nachhinein dieser Nachweis gelingt, führt dies nicht zu einer Berichtigung der Steuer für den Zeitraum zwischen Besteuerung im Bestimmungsland und deren – erfolgreichen – Nachweis. Für diese Zeit schuldet der Steuerpflichtige die Steuer im Identifikationsstaat. Nimmt der Steuerpflichtige, um sich der Doppelbesteuerung zu entledigen, die Korrektur im Zeitpunkt der Besteuerung im Bestimmungsland vor, verkürzt er die Steuern im Identifikationsstaat. Dies kann Ansatzpunkt für eine Verzinsung des im Identifikationsstaat nicht abgeführten Steuerbetrages1491 oder gar strafrechtliche Sanktionen1492 1489 Stadie, UStG, § 15, Rn. 229; ders. in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 1166; Widmann in Schwarz/Widmann/Radeisen, § 15 (Mai 2014), Rn. 287; vgl. auch Forgách in Reiß/Kraeusel/Langer, § 15 (Okt. 2004), Rn. 358. 1490 BFH, Urt. v. 01.09.2010 – V R 39/08, BStBl. II 2011, 658 (660, II.1.c.aa.); Korf in Hartmann/Metzenmacher, § 17 (Aug. 2012), Rn. 77; Hundt-Eßwein in Küffner/ Stöcker/Zugmaier, § 17 (2013), Rn. 51 f; Korn in Bunjes/Geist, § 17, Rn. 56 i.V.m. 87; Martin in Sölch/Ringleb, § 3d (Sep. 2015), Rn. 7; Maunz, UR 2010, 422 (423); Meurer, StBW 2011, 464 (470); Schwarz in Schwarz/Widmann/Radeisen, §17 (Nov. 2015), Rn. 200 i.V.m. 38; Stadie, UStG, § 15, Rn. 317; ders., UStG, § 17, Rn. 80; ders. in Rau/Dürrwächter, § 17 (Okt. 2014), Rn. 503; Theler in Reiß/ Kraeusel/Langer, § 17 (Sep. 2014), Rn. 161; eine Rückwirkung der Korrektur gem. § 17 UStG lehnt ab BFH, Urt. v. 01.09.2010 – V R 39/08, BStBl. II 2011, 658 (660); v. 08.09.2010 – XI R 40/08, BStBl. II 2011, 661 (662); v. 16.12.2010 – V R 40/08, BFH/NV 2011, 1401 (1403); Beschl. v. 13.07.2006 – V B 70/06, BStBl. II 2007, 415; eine Rückwirkung der Korrektur gem. § 17 UStG nimmt hingegen an BFH Urt. v. 09.04.2002 – VII R 108/00 BStBl. II 2002, 562; v. 19.08.2008 – VII R 36/07, ­BStBl. II 2009, 90 und v. 27.10.2009 – VII R 04/08, BStBl. II 2010, 257 (258,); dagegen Gotthardt/Kubaczynska, DStR 2009, 1015 (1015), m.w.N.; Klenk, UR 2007, 205 (205 ff.). 1491 Maunz, UR 2010, 422 (423). 1492 Bick/Esskandari, DStZ 2011, 65 (74); Korf, IStR 2010, 368 (369).

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

sein. Auch eine Minderung der Liquiditätsbelastung durch einen Versteuerung im Bestimmungsland erst im Zeitpunkt, in dem deren simultaner Nachweis im Identifikationsstaat möglich ist, scheidet aus. Denn die Steuerbarkeit und Steuerentstehung im Bestimmungsland bleiben bestehen.1493 Die Erwerbssteuer im Bestimmungsland ist daher ebenso wie im Identifikationsstaat Gegenstand der Verzinsung wie auch einer möglichen Steuerhinterziehung. Mithin hat die Verwendung der falschen Identifikationsnummer für den Zeitraum von der Steuerentstehung bis zum erfolgreichen Nachweis, dass der Erwerb im Bestimmungsland besteuert wurde, die materielle Folge, dass der Erwerb tatsächlich – für diesen Zeitraum – endgültig doppelt besteuert wird.

III. Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis in Österreich Im österreichischen UStG finden die Art. 40 und 41 ­MwStSystRL in Art. 3 Abs. 8 BMR i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 UStG ihre Umsetzung.1494 Der Begriff der Verwendung der Identifikationsnummer in Art. 3 Abs. 8 BMR setzt nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht lediglich voraus, dass der Erwerber auf diese im Rahmen der Bestellung Bezug nimmt.1495 Ausdrücklich fordert Art. 3 Abs. 8 Satz 2 BMR nur die Be­ steuerung des Erwerbs als dem Ereignis, welches zur Korrektur der Be­ messungsgrundlage nachzuweisen ist. Ob dies auch die Zahlung der Erwerbssteuer im Bestimmungsland voraussetzt, wird nicht deutlich. Die UStR 2000 fordern allerdings in Rz. 3778 kumulativ eine Voranmeldung aus dem Bestimmungsland, einen Zahlungsbeleg wie auch eine Aufstellung der innergemeinschaftlichen Erwerbe dieses Zeitraumes.1496 Mit letzterer Voraussetzung begegnet die österreichische Finanzverwaltung dem Problem,1497 dass die Zusammenfassende Meldung nur Gesamtbeträge angibt und damit zum Nachweis der Besteuerung nur eines einzelnen Umsatzes nicht taugt.1498 Unklar ist, ob diese Voraussetzungen strikt kumulativ gelten. Insbesondere, wenn der Erwerb im Bestimmungsland 1493 S.o. Teil III B.I Allgemeines – die Besteuerung im Identifikationsstaat. 1494 Scheiner/Kolacny/Caganek, UStG, Art. 3 Abs. 8 (Jul. 2011), Rn. 2. 1495 Scheiner/Kolacny/Caganek, UStG, Art. 3 Abs. 8 (Jul. 2011), Rn. 5. 1496 Ruppe/Achatz, UStG, Art. 3 BMR, Rn. 35. 1497 Siehe zu diesem Problem oben Teil III B.I Allgemeines – die Besteuerung im Identifikationsstaat und in der deutschen Literatur, Bülow in Schwarz/Widmann/ Radeisen, § 3d (Jun. 2007), Rn. 15; Martin in Sölch/Ringleb, § 3d (Sep. 2015), Rn. 7. 1498 Siehe hierzu Gepperth in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG, Art. 3 (01.01.2012), Rn. 55; Scheiner/Kolacny/Caganek, UStG, Art. 3 Abs. 8 (Jul. 2011), Rn. 7.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

steuerfrei ist oder der Steuerpflichtige zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist, sind diese Anforderungen nicht erfüllbar.1499 Anders als in Deutschland, wo lediglich in der Literatur Bezug auf einen Zahlungsbeleg als – allein nicht ausreichenden, möglichen – Nachweis der Besteuerung genommen wird,1500 nennt die österreichische Finanzverwaltung diesen ausdrücklich. Wenn auch die Rz. 3778 UStR nicht zwingend ist („kann … erbracht werden“), so bleibt unklar, ob lediglich der Modus des Nachweises oder auch der Inhalt, mithin eine Steuerzahlung erforderlich sein soll.1501 Gelingt der Nachweis der Besteuerung gem. Art. 3a Abs. 8 Satz 1 BMR, so gilt § 16 UStG, der die Änderung der Bemessungsgrundlage regelt, sinngemäß. Änderungen der Bemessungsgrundlage erfolgen gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 ltz. Satz UStG in dem Besteuerungszeitraum, in dem die Änderung des Entgelts eingetreten ist. Wie in Deutschland erfolgt die Korrektur der Bemessungsgrundlage gem. Art. 3a Abs. 8 BMR i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 2 ltz. Satz UStG ex-nunc.1502 Ebenfalls wie in Deutschland entsteht die Steuer im Identifikationsstaat bis zum Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland damit endgültig.1503 Diese kann, wird sie zur Vermeidung von Liquiditätsausfällen nicht neben der Erwerbssteuer im Bestimmungsland abgeführt, Anknüpfungspunkt für Säumniszuschläge gem. § 217 BAO sein.

IV. Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis im Vereinigten Königreich Im Vereinigten Königreich wird ein innergemeinschaftlicher Erwerb dann gem. Sec. 13 (3) VAT Act 1994 als im Gebiet des Vereinigten Königreichs gelegen behandelt, wenn der Erwerber hierbei eine Identifikationsnummer verwendet, welche ihm vom Vereinigten Königreich ausgestellt

1499 Siehe hierzu die Erörterungen zum gleichgelagerten Problem in Deutschland oben unter Teil III B.II Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis in Deutschland. 1500 Vgl. Martin in Sölch/Ringleb, § 3d (Sep. 2015), Rn. 7; siehe auch oben Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis in Deutschland. 1501 So auch Gepperth in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG, Art. 3 (01.01.2012), Rn. 53. 1502 Ruppe/Achatz, UStG, § 16, Rn. 66, Art. 3 BMR, Rn. 35; Gepperth in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG, Art. 3 (01.01.2012), Rn. 56; Tumpel in Melhardt/Tumpel, UStG, Art. 3, Rn. 77; Scheiner/Kolacny/Caganek, UStG, Art. 3 Abs. 8 (Jul. 2011), Rn. 6. 1503 Tumpel in Melhardt/Tumpel, UStG, Art. 3, Rn. 76 f.; Scheiner/Kolacny/Caganek, UStG, Art. 3 Abs. 8 (Jul. 2011), Rn. 6.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

wurde.1504 Dies gilt aber nur vorbehaltlich Sec. 13 (4) VAT Act 1994.1505 Sofern demnach bewiesen ist, dass (a) die Erwerbssteuer im Bestimmungsland gezahlt wurde und (b) gem. den dort geltenden Regelungen auch der Erwerbsbesteuerung unterlag, gilt der Erwerb nicht – auch – als im Vereinigten Königreich gelegen. Die Regelung der Details, insbesondere des Nachweises, obliegt der Finanzverwaltung.1506 Bislang wurde hiervon kein Gebrauch gemacht. Es äußert sich hierzu lediglich die Notice 725 in para. 7.7 und 7.8. Auch hier findet sich aber nur der Hinweis, dass die Besteuerung im Vereinigten Königreich als dem Mitgliedstaat, welcher die Identifikationsnummer ausgestellt hat, nicht erfolgt, wenn bewiesen wird, dass der Erwerb im Bestimmungsland bereits angemeldet wurde.1507 Nicht zu beweisen ist demnach die Zahlung der Steuer. Vorgaben wie der Nachweis zu führen ist, finden sich hier nicht. Dass die entsprechende Steuer auch tatsächlich abgeführt wurde, ist demnach nicht erforderlich. Damit weicht die Legal Notice 725 von den kumulativen Anforderungen der Sec. 13 (4) (a) und (b) VAT Act 1994, deren Subsection (4) (a) zufolge auch die Zahlung der Steuer erforderlich ist, ab. Zu denken wäre an eine bewusste Abweichung vom VAT Act 1994 mittels modifizierenden Statutory Instruments. Dann wäre tatsächlich nicht der VAT Act 1994, sondern Paragraph 7.8 Legal Notice 725 rechtlich maßgeblich. Voraussetzung wäre neben einer entsprechenden Ermächti1504 First-tier Tribunal (Tax), Urt. v. 13.04.2010 – LON/2009/0093 – Mexcom Ltd., [2010] UKFTT 163 (TC), Rn. 36 f.; British Tax Guide: Value Added Tax, 5-420 (6); Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 19.6. 1505 Sec. 13 (3) VAT Act 1994 Place of acquisition: Subject to subsection (4) below, the goods shall be treated as acquired in the ­United Kingdom if they are acquired by a person who, for the purposes of their acquisition, makes use of a number assigned to him for the purposes of VAT in the United Kingdom. 1506 Sec. 13 (4) VAT Act 1994 Place of acquisition: Subsection (3) above shall not require any goods to be treated as acquired in the United Kingdom where it is established, in accordance with regulations made by the Commissioners for the purposes of this section that VAT— (a) has been paid in another member State on the acquisition of those goods; and (b) fell to be paid by virtue of provisions of the law of that member State corresponding, in relation to that member State, to the provision made by subsection (2) (Anm. des Verf.: substection 2 bestimmt den Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs entsprechenden Art. 40 ­MwStSystRL als in dem Mitgliedstaat gelegen, in dem sich die Ware am Ende des Erwerbs befinden) above. 1507 Notice 725, paragraph 7.8: You are liable to account for acquisition tax in the UK unless you can demonstrate that you have already accounted for acquisition VAT in the Member State to which the goods were dispatched where this is different (see paragraph 7.7 above [Anm. paragraph 7.7 beschreibt die Besteuerung in dem Staat, welcher die Identifikationsnummer ausgestellt hat]).

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

gung in Sec. 13 (4) VAT Act 1994 auch die Form des Statutory Instrument als delegated legislation.1508 Letzteres setzte aber in jedem Fall voraus, dass der Regelung des para. 7.8 Legal Notice 725 gem. para 1.4. Notice 725 Gesetzeskraft verliehen worden wäre.1509 Dies ist nicht der Fall. Somit scheidet eine Qualifikation des 7.8 Legal Notice 725 als modifizierendes Statutory Instrument aus. Daneben bietet sich den HMRC noch die Möglichkeit, die als unbillig erkannte Anwendung von Steuerge­ setzen in bestimmten Einzelfällen im Wege der „extra-statutory concession“ abzusehen. Alle geltenden „extra-statutory concessions“ finden sich in Notice 48.1510 Für den Verzicht auf die Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland in Fällen, in denen lediglich der Erwerb im Bestimmungsland zur Steuer angemeldet, die Steuer aber noch nicht bezahlt wurde, fehlt eine solche Regelung. Somit erfolgt im Falle der Verwendung einer von der HMRC erteilten Mehrwertsteueridentifikationsnummer die Erwerbsbesteuerung im Vereinigten Königreich, es sei denn, es wird der Nachweis der Erklärung und Zahlung im Bestimmungsland geführt.1511 Es liegt jedoch auf der Hand, dass der Nachweis der Zahlung der Erwerbssteuer im Bestimmungsland nur dann gefordert werden kann, sofern eine solche tatsächlich zu leisten ist, mithin im Bestimmungsland kein Recht zum Vorsteuerabzug besteht.1512 Der Steuerpflichtige bleibt, kann er diesen Beweis nicht bis zur Entstehung der Erwerbssteuer führen, gem. Sec. 13 (5) (c) VAT Act 1994 auf eine Steuervergütung verwiesen. Diese erfolgt – einzig den Wortlaut zugrunde gelegt –, wenn die Voraussetzungen gem. Sec. 13 (4) (a) und (b) VAT Act 1994 benannten Voraussetzungen vorliegen, mithin die Erwerbssteuer 1508 Allgemein zu modifizierender “delegated legislation” Bradley/Ewing, Consti­ tutional and administrative law, S. 679 f.; Wade/Forsyth, Administrative law, S. 863 f.; zur Anwendung im Mehrwertsteuerrecht im Speziellen Needham, Value Added Tax, S. 15. 1509 British Tax Guide: Value Added Tax, 2-710; Davies/Rudling, Tolley’s Value ­Added Tax, 1.3 1510 Notice 48 – Extra statutory concessions, Stand 21. Mai. 2015, abrufbar unter http://www.hmrc.gov.uk/specialist/esc.pdf, zuletzt abgerufen am 30.04.2016. 1511 Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 16.9; British Tax Guide: Value Added Tax, 4-440. 1512 Vgl. zur in Deutschland herrschenden Ansicht, Sterzinger in Birkenfeld/Wäger, USt-HdB, § 85 (Sep. 2014), Rn. 82; Grünwald in Hartmann/Metzenmacher, § 3d (Mär. 2006), Rn. 37; Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, § 3d (Sep. 2011), Rn. 17; dies offenbar stillschweigend voraussetzend u.a. Marchal in Rau/Dürrwächter, § 3d (Jan. 2016), Rn. 19; Martin in Sölch/Ringleb, § 3d (Sep. 2015), Rn. 4; Stadie, UStG, § 3d, Rn. 4 und oben Teil III B.II Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis in Deutschland.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

im Bestimmungsland gezahlt wurde und der Erwerb auch gem. den dort geltenden Regelungen der Erwerbsbesteuerung unterlag.1513 Anders als Sec. 13 (4) VAT Act 1994 erfordert Sec. 13 (5) (c) VAT Act 1994 damit nicht auch den Nachweis, dass der Erwerb im Bestimmungsland angemeldet und die Steuer auch bezahlt wurde. Vielmehr soll offenbar genügen, dass die in Sec. 13 (4) (a) und (b) VAT Act 1994 benannten Voraussetzungen eingetreten sind. Das zeigt der ausdrückliche Verweis der Sec. 13 (5) (c) VAT Act 1994 lediglich auf die Buchstaben (a) und (b) der Sec. 13 (4) VAT Act 1994. Auf das diesbezügliche Nachweiserfordernis im ersten Halbsatz der Sec. 13 (4) VAT Act 1994 erstreckt sich der Verweis in Sec. 13 (5) (c) VAT Act 1994 damit nicht. Entsprechend wird, auch wenn diese Erstattung nicht mittels Regulations geregelt wurde1514, dem Erwerber eine Erstattung in der Recht­s­ praxis dennoch gewährt. So steht dem Unternehmer gem. para. 7.9. Notice 725 die Erstattung der gem. para. 7.8. Notice 725 geschuldeten Steuer1515 zu, ohne dass gesondert auf ein Nachweiserfordernis Bezug genommen wird.1516 Im Besteuerungsverfahren bedarf es tatsächlich dennoch des Nachweises der Voraussetzungen durch den Steuerpflichtigen. So nimmt nicht der Erwerber die Korrektur der Bemessungsgrundlage selbst in seiner Voranmeldung vor, sondern muss diese bei den HMRC beantragen. Dabei trägt der Erwerber die diesbezügliche Beweislast.1517 Bevor also der Nachweis der Voraussetzungen der Sec. 13 (5) (c) VAT Act 1994 geführt wird, hat ein entsprechender Antrag keine Aussicht auf Er1513 Sec. 13 (5) VAT Act 1994 Place of acquisition: The Commissioners may by regulations make provision for the purposes of this section— (c) for the refund, in prescribed circumstances, of VAT paid in the United Kingdom on acquisitions of goods in relation to which the conditions specified in subsection (4) (a) and (b) above are satisfied. 1514 So setzen die Sec. 72 (2) (c), (5) (a) und 83 (1) (d) VAT Act VAT Act 1994 solche Regulationen zur Erstattung lediglich voraus; entsprechende Regulationen finden sich aber nicht in den VAT Regulations. 1515 S.o. in diesem Abschnitt, da gem. para. 7.8. Notice 725 ist einzige Voraussetzung, dass der Nachweis der Anmeldung der Erwerbsbesteuerung im Identifikations­ staat nicht bis zum Ablauf des Besteuerungszeitraumes des Erwerbs erfolgt ist. 1516 So auch HMRC Business Brief 20/11: „… UK VAT can be adjusted if VAT is accounted for correctly in the Member State of arrival.” 1517 HMRC Business Brief 20/11: „The only basis on which the UK VAT may be adjusted is where it can be (Anm.: Hervorhebung durch den Verf.:) demonstrated that acquisition VAT has been accounted for in the Member State of arrival“; dazu auch Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 19.6. Unionsrechtlich ist das zulässig; vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C‑184/05 – Twoh International, ECLI:EU:C:2007:550, Rn. 34; v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 37.

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folg. Zum anderen lässt sich dies auch auf einen Erst-recht-Schluss stützen. Wenn der Steuerpflichtige die Besteuerung im Vereinigten Königreich als Identifikationsstaat nur durch den Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland abwenden kann, setzt eine Aufhebung dieser – eine Nichtbesteuerung verhindernden – Besteuerung im Nachhinein erst recht voraus, dass der Steuerpflichtige den entsprechenden Nachweis erbringt. Das bedeutet aber nicht, dass die Erstattung erst für den Besteuerungszeitraum zu erfolgen hat, in dem der Nachweis erbracht wird. Tatsächlich stellt sich die Frage, ob die Besteuerung aufgrund der Verwendung der Identifikationsnummer mit Wirkung ab der Besteuerung im Bestimmungsland entfallen soll, konzeptionell bedingt auf Ebene der Korrektur der Besteuerung nicht. Anders als die M ­ wStSystRL1518 und auch die Umsetzung in Deutschland1519 und Österreich1520 wählt der VAT Act 1994 nicht die Korrektur der Bemessungsgrundlage als Mittel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Diese erfolgt vielmehrdurch Erstattung der Erwerbssteuer. Der Erwerbstatbestand im Identifikationsstaat bleibt daher unberührt.1521 Die Korrektur der Bemessungsgrundlage, nach dem Vorbild des Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL, könnte zumindest konstruktiv durch den Steuerpflichtigen im Besteuerungszeitraum der Besteuerung im Bestimmungsland, mithin ausgehend vom entsprechenden Nachweis, rückwirkend erfolgen. Im Gegensatz dazu kann allein im Wege der Erstattung, sofern lediglich der im Vereinigten Königreich geschuldete Steuerbetrag erstattet wird, dem Umstand, dass der Umsatz zeitweilig tatsächlich doppelt besteuert wurde, nicht Rechnung getragen werden. Eine tatsächliche Kompensation des Liquiditätsausfalls wäre dann durch eine Verzinsung des Erstattungsbetrages ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Erstattungsvoraussetzungen möglich. Tatsächlich aber sieht der VAT Act 1994 eine solche Verzinsung nicht vor. Mangels eines Fehlers auf Seiten der Finanzverwaltung ist die Verzinsungsreglung der Sec. 78 VAT Act 1994 nicht einschlägig. Selbst wenn man von einem Fehler der HMRC gem. Sec. 78 (1) (d) VAT Act 19941522 ausgeht, ist ein Erstattungsbetrag bis zum Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland nicht zu 1518 S.o. Teil III B.I Allgemeines – die Besteuerung im Identifikationsstaat. 1519 S.o. Teil III B.II Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis in Deutschland. 1520 S.o. Teil III B.III Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis in Österreich. 1521 Daher bleibt der Erwerb im Vereinigten Königreich auch steuerbar, und die entsprechende Steuer fällig, so dass Sec. 80 VAT Act 1994, welcher die Erstattung in Fällen zu viel bezahlter Steuern regelt, nicht anwendbar ist. 1522 Sec. 78. VAT Act 1994 – Interest in certain cases of official error: (1) Where, due to an error on the part of the Commissioners, a person has (…)

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

verzinsen. So läuft der Zins gem. Sec. 78 (8) VAT Act 19941523 für denjenigen Zeitraum nicht, in dem die Erstattung wegen des Verhaltens des Steuerpflichtigen nicht erfolgt. Aufgrund des Verhaltens des Steuerpflichtigen erfolgt die Verzögerung gem. Sec. 78 (8A) (b) VAT Act 19941524 auch dann, wenn die Erstattung nicht erfolgt, weil der Steuerpflichtige oder dessen Beauftragter den HMRC nicht diejenigen Nachweise erbringt, welche sie in die Lage versetzen, den Umfang der Erstattungsbetrag und der Zinsen zu bestimmen.1525 Weiter findet auch die Regelungen der Sec. 79 VAT Act 1994, wonach für verspätete Zahlungen ein Aufschlag von 5 % zu gewähren ist, nur auf die in Sec. 79 (1) VAT Act 19941526 angeführten Fällen Anwendung.1527 Insbesondere erfasst der Begriff des „VAT credit“ in Sec. 79 (1) (a) VAT Act 1994 nur Erstattungen gem. Sec. 25 (3) VAT Act 1994,1528 nicht aber „refunds“ gem. Sec. 13 (5) (c) VAT Act 1994. Zudem wird demnach dieser Aufschlag gem. Sec. 79 (2A) i.V.m.

(d) suffered delay in receiving payment of an amount due to him from them in connection with VAT, then, if and to the extent that they would not be liable to do so apart from this section, they shall pay interest to him on that amount for the applicable period, but subject to the following provisions of this section. 1523 Sec. 78. VAT Act 1994 – Interest in certain cases of official error: (8) In determining (…) the applicable period for the purposes of subsection (1) above, there shall be left out of account any period by which the Commissioners’ authorisation of the payment of interest is delayed by the conduct of the person who claims the interest. 1524 Sec. 78.VAT Act 1994 – Interest in certain cases of official error: (8A) The reference in subsection (8) above to a period by which the Commission­ ers’ authorisation of the payment of interest is delayed by the conduct of the person who claims it includes, in particular, any period which is referable to (…) (b) any failure by that person or a person acting on his behalf or under his influence to provide the Commissioners— (i) at or before the time of the making of a claim, or (ii) subsequently in response to a request for information by the Commissioners, with all the information required by them to enable the existence and amount of the claimant’s entitlement to a payment or repayment, and to interest on that payment or repayment, to be determined (…). 1525 Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 51.17 (“Period of interest”). 1526 Sec. 79 VAT Act 1994 – Repayment supplement in respect of certain delayed payments or refunds: (1) In any case where— (a) a person is entitled to a VAT credit, or (…) the amount which, apart from this section, would be due by way of that payment or refund shall be increased by the addition of a supplement equal to 5 per cent of that amount or £50, whichever is the greater. 1527 Vgl. Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 51.16. 1528 Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 51.16.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

(3) VAT Act 19941529 auch erst 30 Tage nach Eingang des – begründeten, mithin mit Nachweisen untermauerten – Antrags bei der Finanzverwaltung gewährt.1530 Auch im Vereinigten Königreich erfolgt die Kompensation der Doppelbesteuerung des Erwerbs damit wie in Deutschland1531 und Österreich1532 erst in dem Besteuerungszeitraum, in dem der Nachweis der Besteuerung und Steuerzahlung im Bestimmungsland geführt wird. Auch eine Kompensation des Liquiditätsausfalls für den Zeitraum zwischen der Anmeldung der Besteuerung im Bestimmungsland und dem diesbezüglichen Nachweis findet nicht statt. Eine zeitweilige – liquiditätswirksame – Doppelbesteuerung des Erwerbs ist daher gesetzlich angelegt. Versucht der Steuerpflichtige diese zu vermeiden, indem im Bestimmungsland die Erwerbsbesteuerung korrekt – in dem Besteuerungszeitraum, in dem der innergemeinschaftliche Erwerb gem. Art. 68 UA 2 ­MwStSystRL als bewirkt gilt –, hat er den Nachweis – insbesondere bzgl. der Zahlung der Erwerbssteuer – zu führen. Gelingt ihm das nicht zur Zufriedenheit der HMRC, droht dem Steuerpflichtigen im Falle der Entdeckung eine Geldbuße gem. para. 1 (1) i.V.m. (2) (a) Schedule 24 Finance Act 2007 i.H.v. 70 % der Steuer auf den Erwerb gem. para. 3 (1) (b) i.V.m. 4 (2) (b) i.V.m. 4A (1) (b) (ii) Schedule 24 Finance Act 2007.1533 Zudem hat er Zinsen auf den Erwerbssteuerbetrag i.H.v. 3 % p.a. gem. Sec. 74 (1) (a) VAT Act 1994 i.V.m. Sec. 197 (6) (d) (i) Finance Act 1996 i.V.m. Air Passenger Duty and Other Indirect Taxes (Interest Rate) Regulation 1998 4 (1) (c) i.V.m. (2) (3). 1529 Sec. 79 VAT Act 1994 – Repayment supplement in respect of certain delayed payments or refunds: (2A) The relevant period in relation to a return or claim is the period of 30 days beginning with the later of (a) the day after the last day of the prescribed accounting period to which the return or claim relates, and (b) the date of the receipt by the Commissioners of the return or claim. (3) Regulations may provide that, in computing the period of 30 days referred to in [ subsection (2A) ] above, there shall be left out of account periods determined in accordance with the regulations and referable to (a) the raising and answering of any reasonable inquiry relating to the requisite return or claim, (…). 1530 Vgl. Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 51.16; British Tax Guide: Value Added Tax, 9-445. 1531 S.o. Teil III B.II Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis in Deutschland. 1532 S.o. Teil III B.III Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis in Österreich. 1533 Vgl. zu den Bußgeldern im Falle der fahrlässig falschen Voranmeldung oben Grundsätze des Bußgeldregimes.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Damit ist die Liquiditätsbelastung des Steuerpflichtigen bis zum Zeitpunkt des Nachweises der Besteuerung und Steuerzahlung im Bestimmungsland eine endgültige.

V. Die Qualifikation des Rechtsanwendungsfehlers Zweck der Verpflichtung des Erwerbers, die Identifikationsnummer des tatsächlichen Bestimmungslandes anzugeben, ist, dem Bestimmungsland die Möglichkeit einzuräumen, die korrekte Erwerbsbesteuerung zu kontrollieren. Denn die Kontrolle der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Wirtschaftsverkehrs läuft maßgeblich über das MIAS.1534 Auf Grundlage dieses Systems erfolgt die Verknüpfung einer Warenbewegung mit dem Besteuerungsrecht des Bestimmungslandes aber nur, sofern auch eine Identifikationsnummer des Bestimmungslandes verwandt wurde.1535, 1536 Damit dient die Verpflichtung zur Verwendung einer vom Bestimmungsland ausgestellten Identifikationsnummer der Sicherung der Durch­ setzung der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland. Diese wiederum verwirklicht im Zusammenwirken mit der Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung das Bestimmungslandprinzip.1537 Die Verpflichtung zur Verwendung einer vom Bestimmungsland ausgestellten Identifikationsnummer dient somit, durch Sicherung der Durchsetzung des materiellen Mechanismus zur Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips, nur mittelbar das Bestimmungslandprinzip. Die Verpflichtung ist daher formeller Natur.1538

1534 Vgl. Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, § 18a (Nov. 2010), Rn. 76 f.; Martin in Sölch/Ringleb, § 3d (Sep. 2015), Rn. 5; Treiber in Sölch/Ringleb § 18a (Sep. 2010), Rn. 1ff.; 2. Erwägungsgrund der Verordnung 143/2008/EG v. 12.2.2008 zur Änderung der VO/1798/2003/EG, ABl. EG Nr. L 44 v. 20.2.2008, S. 1; Lehr, DStR 2003, 100 (100); Lohse/Spilker/Zitzl, UR 2010, 633 (634); Völlmeke, BFH/PR 2011, 102 (103). 1535 EuGH, Urt. v. 06.04.2006 – C-245/04 – EMAG Handel Eder OHG, ECLI:EU:C:​ 2006:232, Rn. 26 ff.; v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 21 ff., 24; EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 30; BFH, Beschl. v. 10.11.2010 – XI R 11/09, BStBl. II 2011, 237 (240). 1536 Siehe zur Funktionsweise des MIAS ausführlich unten Teil III B.VI.2.a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL. 1537 S.o. Teil II B.IV.2.c) Verbrauchsortprinzip – Territoriale Zuordnung von Besteuerungsrechten. 1538 Vgl. o. Teil I B.II Formelle Fehler.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

Die Verwendung einer nicht vom Bestimmungsland ausgestellten Identifikationsnummer ist damit ein formeller Fehler.

VI. Kritische Würdigung der unionsrechtlichen Vorgaben Den Umsetzungen in Deutschland, Österreich und dem Vereinigten Königreich ist damit gemein, dass eine Korrektur der Doppelbesteuerung gem. Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL erst mit Wirkung ab dem Zeitpunkt des Nachweises der Besteuerung im Bestimmungsland erfolgt. Der Erwerb wird daher für den Zeitraum zwischen der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland als auch im Identifikationsstaat, bis zum Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland, liquiditätswirksam doppelt besteuert. Eine Kompensation des Liquiditätsausfalles bis zum Nachweis findet nicht statt.1539 Da die Steuer im Identifikationsstaat endgültig entsteht, hat der Steuerpflichtige diese unabhängig von der Besteuerung im Bestimmungsland auch abzuführen. Tut er das nicht, drohen ihm Ver­ zinsung, verwaltungs- und strafrechtliche Sanktionen. Diese negativen Folgen für den Steuerpflichtigen liegen begründet in der Korrektur der Besteuerung mit Wirkung für den Besteuerungszeitraum des Nachweises bzw. deren Ausgleich durch eine Steuererstattung in ­diesem Besteuerungszeitraum, jedenfalls ausgehend vom Nachweis ex nunc. Erfolgte die Korrektur für den Zeitraum der Besteuerung im Bestimmungsland (ex tunc), entfiele die Steuerschuld im Identifikations­ staat für den Zeitraum zwischen Besteuerung im Bestimmungsland und des diesbezüglichen Nachweises. Weitergehend wäre denkbar, dass die Korrektur auf den Zeitpunkt der Entstehung im Identifikationsstaat zurückwirkt, mithin die Besteuerung im Identifikationsstaat vollumfänglich rückgängig gemacht wird. Erfolgt die Korrektur durch eine per se nicht rückwirkende Steuererstattung, könnte dieses Ergebnis durch eine Erstattung des Liquiditätsausfalls für den Zeitraum zwischen der Belastung im Bestimmungsland und des entsprechenden Nachweises erfolgen. Zu klären ist daher die Frage, ob sich der Regelung des Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL entnehmen lässt, für welchen Besteuerungszeitraum die Berichtigung zu erfolgen hat. Zwingt die unionsrechtliche Vorgabe zu einer ex tunc-Korrektur, so wäre der Verzinsung und strafrechtlichen Sanktionen die Grundlage entzogen.

1539 Vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 1166.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Dabei ist zuvor festzustellen, dass „Besteuerung gem. Art. 40 ­MwStSystRL“ jedenfalls nicht mehr als die Erklärung des Erwerbs im Bestimmungsland,1540 insbesondere nicht die Entrichtung der Erwerbssteuern meinen kann. Das ist schon allein deshalb zwingend, weil ansonsten die Kor­ rektur im Identifikationsstaat dann ausscheiden müsste, wenn im Bestimmungsland eine gegenstandsbezogene Steuerbefreiung gem. Art. 140 ­MwStSystRL auf den Erwerb Anwendung fände.1541 1. Der Wortlaut der Regelung des Art. 41 M ­ wStSystRL Den Ausgangspunkt der Untersuchung dieser Frage bildet der Wortlaut der ­MwStSystRL. a) Isolierte Betrachtung des Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL Betrachtet man einzig den Wortlaut der Vorschrift, so fällt auf, dass verschiedene Tempi verwendet werden. Wird der Erwerb im Bestimmungsland gem. Art. 40 M ­ wStSystRL besteuert, „nachdem“ die Besteuerung aufgrund der Fiktion des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL im Identifikationsstaat erfolgt ist, so ist die Bemessungsgrundlage im Identifikationsstaat entsprechend anzupassen. Jeweils im Präsens werden die Besteuerung im Bestimmungsland gem. Art. 40 M ­ wStSystRL als erste Tatbestandsvo­ raussetzung und die Minderung der Bemessungsgrundlage im Identifikationsstaat, mithin die Rechtsfolge genannt. Dem muss die im Imperfekt formulierte Besteuerung im Identifikationsstaat vorausgegangen sein. Die Rechtsfolge wird daher im gleichen Tempus angeordnet, in dem auch die Besteuerung im Bestimmungsland genannt wird. Es liegt der Schluss auf eine Simultanität von Besteuerung im Bestimmungsland und der Korrektur der Bemessungsgrundlage im Identifikationsstaat nahe. Die Berichtigung der Bemessungsgrundlage im Identifikationsstaat hätte in dem Besteuerungszeitraum stattzufinden, in dem die Besteuerung im Bestimmungsland erfolgt. Eine Berichtigung erst – wie nach deutscher Praxis gem. § 17 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG oder nach österreichischer Praxis gem. Art. 3 Abs. 8 BMR i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 UStG – im Besteuerungszeitraum des Nachweises wäre damit zu spät. 1540 Zur Frage, ob tatsächlich die Anmeldung des Erwerbs nachgewiesen werden muss, siehe unten Teil III B.VI.4.b)bb) Unionsrechtliche Interpretation der Tatbestandsvoraussetzungen – Der Begriff des Nachweises und der Besteuerung „im Einklang mit Artikel 40“ M ­ wStSystRL. 1541 Siehe zur insofern überzeugenden h.M. in Deutschland oben Teil III B.II Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis in Deutschland.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

b) Rückschlüsse aus der Regelung des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL Dagegen lässt sich einwenden, dass Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL für eine Abwendung der Lokalisation des Erwerbs im Identifikationsstaat und damit für ein Ausbleiben der dortigen Besteuerung den Nachweis einer bereits erfolgten Besteuerung im Bestimmungsland erfordert. Wird dieser Nachweis nicht erbracht, so wird die Besteuerung, zunächst jedenfalls, im Identifikationsstaat angeordnet. Für den Fall des Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL könnte das ebenso heißen, dass die Steuer in den Besteuerungszeiträumen, während derer die Besteuerung im Bestimmungsland nicht erwiesen war, tatsächlich endgültig entsteht. Damit wäre eine Korrektur der Bemessungsgrundlage im Identifikationsstaat tatsächlich erst in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Besteuerung im Bestimmungsland erwiesen wurde. c) Die autonome Regelung zweier Fälle durch zwei Absätze in Art. 41 ­MwStSystRL Dann aber stellt sich die Frage, warum Art. 41 ­MwStSystRL zwei Absätze hat. Der Richtliniengeber hätte dieses Ergebnis ebenso erreichen können, indem er Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL entfallen lässt und die letzten beiden Halbsätze des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL schlicht folgendermaßen formuliert: „… bis der Erwerber nachweist, dass dieser Erwerb im Einklang mit Art. 40 besteuert worden ist.“ Dem entspräche dann auch die deutsche Regelung des § 3d Satz 2 Hs. 2 UStG, der den Entfall der Besteuerung im Identifikationsstaat für den Fall des Nachweises der Besteuerung im Bestimmungsland regelt. Auf diesen verweist § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG. § 3d Satz 2 UStG lautet: „Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, gilt der Erwerb so lange in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates als bewirkt, bis der Erwerber nachweist (Anm.: Hervorhebungen durch Verf.), dass der Erwerb durch den in Satz 1 bezeichneten Mitgliedstaat (Anm.: Satz 1 bezeichnet das Bestimmungsland) besteuert worden ist …“. § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG ordnet in der Folge für die Fälle des § 3d Satz 2 Hs. 2 UStG die Berichtigung der Bemessungsgrundlage gem. § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG – für den Besteuerungszeitraum des Nachweises – an. 369

Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Eine Praxis wie die deutsche unterscheidet mithin nicht zwischen dem Fall, in dem es um eine erstmalige Entrichtung der Steuer im Identifikationsstaat geht, und dem nachgelagerten Fall, dass eine Besteuerung im Identifikationsstaat wegen des fehlenden Nachweises erfolgte, wobei eine nachfolgende Besteuerung im Bestimmungsland eine Doppelbesteuerung zur Folge hat. Die ­MwStSystRL hingegen enthält für den ersten Fall in Art. 41 Abs. 1 und für die anderen beiden Fälle in Art. 41 Abs. 2 eine eigene Regelung. Allein die autonome Regelung dieser beiden Fälle steht einem Rückschluss auf den jeweils anderen Tatbestand entgegen. d) Der tatbestandliche Rückbezug des Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL auf Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL Zudem ist Folgendes zu beachten: Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL nimmt auf die Besteuerung gem. Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL Bezug. Voraussetzung für die Anwendung des Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL ist damit die Besteuerung gem. Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL. Diese wiederum setzt aber vo­ raus, dass ein Nachweis der Besteuerung eben nicht erfolgt war. Ohne an dieses Fehlen anzuknüpfen, macht Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL die Korrektur der Bemessungsgrundlage nur noch von der Besteuerung im Bestimmungsland abhängig. Daneben ist zu bedenken, dass es im Fall des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL – der ausdrücklich am Nachweis festmacht – nicht um die zeitliche Zuordnung der umsatzsteuerlichen Rechtsfolge geht. Es geht lediglich um die Frage, ob ein Erwerb im aktuellen Besteuerungszeitraum überhaupt im Identifikationsstaat lokalisiert und damit besteuert wird. e) Zwischenfazit Es muss m.E. aus dem Wortlaut des Art. 41 M ­ wStSystRL folgender Schluss gezogen werden: Der Zeitpunkt der von Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL angeordneten Be­ richtigung bestimmt sich nicht nach dem Zeitpunkt des Nachweises der Besteuerung im Bestimmungsland. Dieser ist lediglich Voraussetzung für Abwendung der erstmaligen Besteuerung aufgrund der Fiktion des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL. Ein Rückschluss von der Voraussetzung des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL auf Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL scheidet aus. Vielmehr legt der Wortlaut nahe, dass die Korrektur der Bemessungsgrundlage für den Besteuerungszeitraum zu erfolgen hat, in dem die Besteuerung im Bestimmungsland erfolgt. 370

B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

2. Auslegungsvorgaben aus den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts Dieses Ergebnis stützt eine Interpretation des Art. 41 ­MwStSystRL vor dem Hintergrund der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts. Von Bedeutung sind dabei die Grundsätze der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit. Zentrales Instrument zur Herstellung steuerlicher Neutralität ist grundsätzlich der Mechanismus des Sofortabzuges.1542 Dessen Ziel ist die Belastungsfreiheit des Steuerpflichtigen durch unmittelbare1543 Entlastung der ihn belastenden Steuer. Tritt an die Stelle des Vorsteuerabzugs ein anderer Mechanismus – hier die Korrektur der Bemessungsgrundlage –1544 ändert dies nichts an dieser Zielsetzung. Genau wie beim Vorsteuerabzug ist das Ziel die Neutralisierung der Belastung durch sofortige Entlastung. Daher muss grundsätzlich gelten, dass der Steuerpflichtige mit der Steuer im Identifikationsstaat nicht belastet werden darf. Dem Grunde nach hat die Entlastung daher simultan zum Zeitpunkt der Belastung, also dem Zeitpunkt der Steuer­ entstehung im Identifikationsstaat zu erfolgen. Dieser Grundsatz der Liquiditätsneutralität gilt nicht absolut. Er tritt zuvörderst neben das Ziel die genaue Erhebung der Steuer und die Verhinderung der Steuerhinterziehung sicherzustellen. Als zentrales Element des Mehrwertsteuersystems darf das dem Sofortabzug zugrundeliegende Element der unmittelbaren Entlastung aber nur soweit eingeschränkt ­ werden, als es zur Erreichung diese Ziels unbedingt erforderlich ist.1545 1542 S.o. Teil II B.IV.2.b)aa) Allgemeines und zudem u.a. EuGH, Urt. v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:C:2000:145, Rn. 44; v. 26.05.2005 – C-498/03 – Kingscrest Associates und Montecello, ECLI:EU:C:​2005:​322, Rn. 54 f.; v. 21.02.2006 – C-255/02 – Halifax u.a., ECLI:EU:C:2006:121, Rn. 78; v. 08.06.2006 – C-106/05 – L.u.P., ECLI:EU:C:2006:380, Rn. 48; v. 07.12.2006 – C-240/05 – Eurodental, ECLI:EU:C:2006:763, Rn. 55; v. 10.04.2008 – C-309/06 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2008:211, Rn. 47 ff.; v. 23.04.2009 – C-460/07 – Puffer, ECLI:EU:C:2009:254, Rn. 53; v. 21.06.2012 – C-80/11 und C-142/11 – Mahagében und Dávid, ECLI:EU:C:2012:373, Rn. 39 1543 S.o. Teil II B.IV.2.b)cc) Grundsatz des Sofortabzugs – Liquiditätsneutralität. 1544 EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 42 f.; BFH, Urt. v. 01.09.2010 – V R 39/08, BStBl. II 2011, 658 (661, II.2.b.cc.). 1545 Ausdrücklich für die Fälle des Abzugs der Erwerbssteuer, EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 40; v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:2012:458, Rn. 73; vgl. EuGH, Urt. v. 18.12.1997 – C‑286/94, C‑340/95, C‑401/95 und C‑47/96 – Molenheide u.a., ECLI:EU:C:1997:623, Rn. 47; v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Ga-

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Insbesondere darf der Vorsteuerabzug durch Formalien nicht praktisch unmöglich gemacht werden.1546 Einen Konflikt zwischen beiden Zielsetzungen ist im Wege einer verhältnismäßigen Abwägung aufzulösen. Das Ergebnis dieser Abwägung beschreibt dabei die Grenzlinie, ab der dem einen oder dem anderen Ziel der Vorrang einzuräumen ist. Im Vorlauf zu dieser Abwägung muss daher festgestellt werden, welchen Zielen die fragliche Regel, hier Art. 41 ­MwStSystRL, dient. In der Folge bedarf es der Analyse des Mechanismus, welchen das Sekundärrecht zur Verfolgung dieser Ziele vorsieht. Nach Offenlegung der Funktionsweise der Regelung kann dann entschieden werden, wie weit die Einschränkung des Neutralitätsgrundsatzes bei Anwendung der unionsrechtlich vorgegebenen Instrumente zur wirkungsvollen Durchsetzung des Ziels der Regelung erforderlich ist bzw. wie im Rahmen dieses Mechanismus ein unionsrechtskonformer Ausgleich hergestellt werden kann. a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL Die Regelung soll den Steuerpflichtigen dazu anhalten die gesetzlich intendierte Besteuerung des Erwerbs im Bestimmungsland durchzuführen und sich hierfür im Bestimmungsland zu registrieren.1547 Damit tritt dieser Mechanismus neben die Durchsetzung der Besteuerung mittels des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts im Bestimmungsland.1548 Dazu bedient sie sich der drohenden Doppelbelastung des Erwerbs durch eine Besteuerung sowohl im Identifikationsstaat als auch im Bestimmungsland, wobei nur im Bestimmungsland ein Sofortabzug möglich ist. Registriert der Steuerpflichtige sich im Bestimmungsland und lässt sich dort eine Identifikationsnummer erteilen, so kann er die Identifikationsnummer des Bestimmungslandes für den Erwerb verwenden. Er muss balfrisa u.a., ECLI:EU:C:2000:145, Rn. 52; v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 66. 1546 Vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 14.07.1988 – C-123/87 und C-330/87 – Jeunehomme und EGI, ECLI:EU:C:1988:408, Rn. 17; v. 01.04.2004 – C-90/02 – Bockemühl, ECLI:EU:C:2004:206, Rn. 49; v. 21.04.2005 – C-25/03 – HE, ECLI:EU:C:2005:241, Rn. 80; v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 46; v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:2012:458, Rn. 49; v. 08.05.2013 – C-271/12 – Petroma Transport, ECLI:EU:C:2013:297, Rn. 26 ff . 1547 EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 44; so ebenfalls schon Stadie, Steuerecht international tätiger Unternehmen, Rn. G 171. 1548 Kritisch, zu diesem Zweck daher, Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 417.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

nicht auf eine Identifikationsnummer eines anderen Staates zurückgreifen. Der Tatbestand des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL wäre nicht erfüllt. Mittelbar dient dieser Mechanismus damit der Sicherung der korrekten Versteuerung durch Schaffung von Kontrollmöglichkeiten. So wird mit der Erfassung des Steuerpflichtigen den Steuerbehörden im Bestimmungsland zugleich die Kontrolle der Versteuerung durch den Steuerpflichtigen im Bestimmungsland über das Kontrollsystem MIAS erst ermöglicht.1549, 1550 Dies wird deutlich, betrachtet man die Funktionsweise des MIAS, insbesondere die zentrale Funktion der Identifikationsnummer. Der Lieferant hat die Identifikationsnummer des Erwerbers gem. Art. 264 Abs. 1 Buchst. b M ­ wStSystRL und den Gesamtbetrag der für die Lie­ ferungen an diesen entrichteten Entgelte gem. Art. 264 Buchst. d ­MwStSystRL in seine Zusammenfassende Meldung aufzunehmen. Die Daten aus der Zusammenfassenden Meldung werden dann gem. Art. 17 Abs. 1 Buchst. a VO (EU) Nr. 904/20101551 in einer Datenbank eingeführt, auf die andere Mitgliedstaaten gem. Art. 21 (EU) Nr. 904/2010 Zugriff haben.1552 Auf Grundlage dieser Daten können dann die Steuerbehörden im Bestimmungsland die Besteuerung des mit der im Ursprungsland gelegenen, steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung (auf die sich die Zusammenfassende Meldung des Lieferanten bezieht) korrespondierenden innergemeinschaftlichen Erwerbs durch den Leistungsempfänger nachvollziehen.1553 1549 Vgl. 2. Erwägungsgrund der Verordnung 143/2008/EG v. 12.2.2008 zur Änderung der VO/1798/2003/EG, ABl. EG Nr. L 44 v. 20.2.2008, S. 1; Kraeusel in Reiß/ Kraeusel/Langer, § 18a (Nov. 2010), Rn. 76 f.; Lehr, DStR 2003, 100 (100); Lohse/ Spilker/Zitzl, UR 2010, 633 (634); Martin in Sölch/Ringleb, § 3d (Sep. 2015), Rn. 5; Treiber in Sölch/Ringleb, § 18a (Sep. 2010), Rn. 1 ff.; Völlmeke, BFH/PR 2011, 102 (103). 1550 Der BGH erkennt im Urt. v. 12.05. 2005 – 5 StR 36/05, DStR 05, 1271 zudem in der Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen einen weiteren Zweck des MIAS. 1551 Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates v. 07.10.2010 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 517/2013 des Rates v. 11.05.2013 1552 Vgl. noch zur gleichlautenden Vorgängerverordnung VO 1798/2003/(EG) des Rates v. 07.10.2003, ABl. L 264, v. 15.10.2003, S. 1; Kemper in Schwarz/Widmann/ Radeisen, § 18a (Dez. 2012), Rn. 17 ff.; Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, § 18a (Nov. 2010), Rn. 76 f; Leonard in Bunjes/Geist, § 18a, Rn. 2; Spilker, IStR 2009, 573 (577); Treiber in Sölch/Ringleb, § 18a (Sep. 2010), Rn. 3. 1553 EuGH, Urt. v. 06.04.2006 – C-245/04 – EMAG Handel Eder OHG, ECLI:EU:​ C:2006:232, Rn. 26 ff.; v. 27.09.2007 – C-409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548,

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Verwendet der Erwerber eine Identifikationsnummer aus einem Mitgliedstaat, der nicht das Bestimmungsland ist, erscheint der Identifikationsstaat als Bestimmungsland, da nur eine vom ihm ausgestellte Nummer verwendet wird. Lediglich die Besteuerung aufgrund der Fiktion gem. Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL kann damit kontrolliert werden. Den Behörden des Bestimmungslands stellt sich dieser Umsatz nicht als ein in ihrem Zuständigkeitsgebiet gelegener dar. Eine Verknüpfung des Bestimmungslandes mit dem Erwerb findet nicht statt. Aufgrund der Daten im MIAS erscheint der Erwerb als im Identifikationsstaat gelegen. Erst eine Registrierung des Erwerbers im Bestimmungsland und die Verwendung einer dort erteilten Identifikationsnummer ermöglichen den Schluss, dass der Erwerb tatsächlich im Bestimmungsland gelegen war.1554 Im Zentrum dieses Kontrollsystems steht damit die Identifikationsnummer. Die administrative Durchsetzung und Kontrolle des Bestimmungslandprinzips gem. Art. 40 M ­ wStSystRL – auf Grundlage des MIAS – setzt damit die Registrierung des Steuerpflichtigen im Bestimmungsland voraus. Auch die Möglichkeit der Mitgliedstaaten gem. Art. 268 M ­ wStSystRL Zusammenfassende Meldungen allein für innergemeinschaftliche Erwerbe vorzusehen, ändert daran nichts. Denn auch diese setzten eine Erfassung des Steuerpflichtigen im Bestimmungsland voraus. Ziel der Regelung ist damit, die Besteuerung im Bestimmungsland zu sichern. Hierzu steht den nationalen Steuerbehörden das MIAS zur Verfügung. Da dieses eine Erfassung des Steuerpflichtigen voraussetzt, ist die Regelung so ausgestaltet, dass der Steuerpflichtige mit einer Regis­ trierung im Bestimmungsland diese, für ihn nachteilige Regelung des Art. 41 Abs. 1 und 2 M ­ wStSystRL umgehen kann. Er wird damit motiviert, sich bereits vor einem innergemeinschaftlichen Erwerb im – späteren – Bestimmungsland zu registrieren und die dann erhaltende Identifikationsnummer auch zu verwenden. Sofern daher der Zweck der Regelung des Art. 41 M ­ wStSystRL einzig auf die Sicherung der Besteuerung des Erwerbs – irgendwo – innerhalb der Union beschränkt wird,1555 greift das zu kurz. Denn diese Ansicht klamRn. 21 ff., 24; v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 30; BFH, Beschl. v. 10.11.2010 – XI R 11/09, BStBl. II 2011, 237 (240). 1554 BFH, Beschl. v. 10.11.2010 – XI R 11/09, BStBl. II 2011, 237 (240). 1555 Marchal in Rau/Dürrwächter, § 3d (Jan. 2016), Rn. 17; Martin in Sölch/Ringleb, § 3d (Sep. 2015), Rn. 6; Stadie, UStG, § 3d, Rn. 5.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

mert aus, dass die Erwerbsbesteuerung im Identifikationsstaat mit der Möglichkeit der Korrektur dieser, eine funktionelle Einheit bildet. Der Zweck des Art. 41 M ­ wStSystRL erschöpft sich daher nicht im Zweck der Verhinderung einer gänzlichen Nichtbesteuerung, sondern zielt im Ergebnis auf die Besteuerung nur im Bestimmungsland ab. b) Erforderlichkeit der Einschränkung des Neutralitätsgrundsatzes Ausgehend von obigen Erkenntnissen beschränkt die Aufrechterhaltung des – nicht neutralen – Zustandes der Doppelbesteuerung den Grundsatz der Neutralität der Besteuerung. Dies erfolgt nur solange in unionsrechtskonformer Weise, als sie zur Erreichung des Ziels der Sicherung der genauen Steuererhebung und der Verhinderung der Steuerhinterziehung er­ forderlich ist. Dieses Ziel ist im konkreten Fall die Registrierung des Steuerpflichtigen und die Verwendung der so erhaltenen Identifika­ tionsnummer. Die Zweckerreichung markiert den Zeitpunkt, ab dem dieser Zustand durch Korrektur der Bemessungsgrundlage gem. Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL aufzulösen, mithin die Besteuerung zu neutralisieren ist. aa) Erforderlichkeit bis zur Besteuerung im Bestimmungsland – ­Korrektur mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Besteuerung im Bestimmungsland Hat der Steuerpflichtige den Erwerb im Bestimmungsland versteuert, hat die Verhaltenslenkung ihr Ziel erreicht. Eine durch das Bestimmungsland und den Identifikationsstaat nachvollziehbare Besteuerung entsprechend dem Bestimmungslandprinzip ist erfolgt. Eine Aufrechterhaltung der nicht neutralen Doppelbesteuerung kann ab diesem Zeitpunkt nicht mehr mit der Sicherung des Bestimmungslandprinzips und der entsprechenden Kontrollmöglichkeiten gerechtfertigt werden.1556 Ihre Lenkungswirkung geht, ob der Zweckerreichung, ins Leere. Mit diesem Zeitpunkt schlägt das Pendel daher wieder zugunsten des Neutralitätsgrundsatzes aus. Dem Ziel der Sicherung der Steuererhebung und der Verhinderung der Steuerhinterziehung ist damit genüge getan. Eine Doppelbesteuerung über diesen Zeitpunkt hinaus verletzt damit den Neutralitätsgrundsatz. Damit ist die Erwerbssteuer im Identifikati1556 Neben den bereits oben in Teil III B.VI Kritische Würdigung der unionsrechtlichen Vorgaben benannten Gründen, ist auch daher nicht die Zahlung der Steuer, sondern jedenfalls – siehe dazu unten Teil III B.VI.2.d) Konsequenz – Besteuerung im Bestimmungsland bestimmt Korrekturzeitpunkt – die Anmeldung des Erwerbs im Bestimmungsland, die hinreichende Bedingung für die Korrektur der Bemessungsgrundlage im Identifikationsstaat.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

onsstaat jedenfalls rückwirkend auf den Zeitpunkt zu korrigieren, in dem der Erwerb im Bestimmungsland besteuert wurde. Hier ist aber darauf hinzuweisen, dass der Zeitpunkt des Nachweises natürlich für das Besteuerungsverfahren den zentralen Ansatzpunkt darstellt. Ab Vorliegen des diesbezüglichen Nachweises hat die Finanzbehörde gesicherte Kenntnis von der Besteuerung im Bestimmungsland. Erst ab diesem Zeitpunkt kann sie beurteilen, ob und wann ein zu neu­ tralisierender Zustand eingetreten ist. Jetzt erst ist ihr weiter möglich zu beurteilen, ab welchem Zeitpunkt das Druckmittel der im Identifikationsstaat vereinnahmten Steuer nicht mehr nötig war und durch Rückzahlung aufgegeben werden konnte. Die diesbezügliche Beweislast liegt beim Steuerpflichtigen. Insbesondere sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, sich über das MIAS auf Grundlage der Zusammenarbeitsverordnung1557 zu informieren, ob ein bestimmter Umsatz im Bestimmungsland besteuert wurde oder nicht, wenn bzw. soweit der Steuerpflichtige diesen Nachweis nicht führen kann. Das System der Kontrollmöglichkeiten dient vielmehr nur der nachgelagerten Kontrolle der vom Steuerpflichtigen beigebrachten Beweismittel durch die Finanzbehörden.1558 Das bedeutet aber gerade nicht, dass die Korrektur der Bemessungsgrundlage erst für den Besteuerungszeitraum zu erfolgen hat, in dem dieser Nachweis erbracht wurde. Die rein praktisch bedingte, zeitliche Verlagerung der Konsequenz aus der Besteuerung im Bestimmungsland ändert nichts an der Tatsache, dass eine zu neutralisierende Doppelbesteuerungssituation bereits eingetreten war. Eine solche Praxis ignoriert vielmehr den nunmehr erwiesenen Umstand, dass und ab wann eine nicht neutrale Besteuerungssituation eingetreten war, und ist damit widersprüchlich.

1557 Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates v. 07.10.2010 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 517/2013 des Rates v. 11.05.2013; der EuGH bezog sich im Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 37, noch auf die VO (EG) Nr. 1798/2003 des Rates v. 07.10.2003, ABl. L 264, v. 15.10.2003, S. 1, welche mittlerweile durch die, insofern gleichlautende, Verordnung (EU) Nr. 904/2010, ersetzt wurde. 1558 EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 37; v. 27.09.2007 – C‑184/05 – Twoh International, ECLI:EU:C:2007:550, Rn. 34.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

bb) Gänzlicher Entfall der Erforderlichkeit mit Besteuerung im ­Bestimmungsland – Korrektur ex tunc mit Wirkung auf den Entstehungszeitpunkt der Steuer im Identifikationsstaat? Offen bleibt damit aber noch die Frage, ob die Besteuerung im Identifikationsstaat für den Zeitraum zwischen der Steuerentstehung im Identifikationsstaat und der Besteuerung im Bestimmungsland bestehen bleiben kann. Andersgewendet ist zu klären, ob sich der Zweck der Besteuerung im Identifikationsstaat mit der Besteuerung im Bestimmungsland nicht generell, mithin auch für diesen Zeitraum, erledigt hat. Konsequenterweise wäre dann weitergehend die Besteuerung im Identifikationsstaat mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Entstehung im Identifikationsstaat zu korrigieren. Im Zentrum steht daher die Frage, ob der Zweck der Besteuerung im Identifikationsstaat die liquiditätswirksame Doppelbelastung bis zur Besteuerung im Bestimmungsland erfordert. Bei Lichte besehen ist daher das Folgende zu klären: Wird der Zweck des Art. 41 ­MwStSystRL1559 ebenso gefördert, wenn als Druckmittel einzig die Steuerlast im Identifikationsstaat und der damit verbundene zeitweise Liquiditätsentzug dient, oder muss der Liquiditätsentzug bis zur Besteuerung im Bestimmungsland endgültig bestehen bleiben. Wird also die Besteuerung mit Wirkung für den Zeitpunkt der Steuerentstehung im Identifikationsstaat korrigiert, beschränkte sich der Mechanismus des Art. 41 ­MwStSystRL auf den zeitweisen Entzug der Liquidität. (1) Aspekte pro Korrektur ex tunc Für die ausreichend effektive Förderung des Zwecks des Art. 41 MwStSystRL durch eine Korrektur auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung im Identifikationsstaat spricht zunächst, dass der Steuerpflichtige die Doppelbelastung als Druckmittel dabei ebenso zu erleiden hat. Dieser Liquiditätsausfall bedingt in Abhängigkeit vom Zeitablauf einen weiteren Zinsausfall. Der Umfang dieses Nachteils hängt vom aktuellen Zinsniveau ab. Ob die Korrektur mit Wirkung für den Zeitpunkt der Steuerentstehung im Identifikationsstaat im Vergleich zur Korrektur mit Wirkung für den Zeitpunkt der Besteuerung im Bestimmungsland einen Vorteil für den Steuerpflichtigen bietet hängt, von der mitgliedsstaatlich autonom geregelten Behandlung von Steuererstattungen ab. Ist der im An1559 S.o. Teil III B.VI.2.a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

schluss an die Korrektur der Besteuerung im Identifikationsstaat zu erstattende Steuerbetrag Gegenstand eines nationalen Verzinsungsregimes, würde der Liquiditätsausfall kompensiert. Ein endgültiger, wirtschaftlich wirksamer Liquiditätsentzug bis zur Besteuerung im Bestimmungsland entfiele dann gänzlich. Eine verbleibende Belastung wegen der Verwendung der fehlerhaften Identifikationsnummer wäre ausgeschlossen. Wenn also das nationale Verzinsungsregime eine Verzinsung von zu erstattenden Steuerbeträgen vorsieht, bleibt die Verwendung einer Mehrwertsteueridentifikationsnummer, welche nicht der Staat ausgestellt hat, in dem der Erwerb entsprechend der Grundregel des Art. 40 ­MwStSystRL gelegen ist, bei Besteuerung im Bestimmungsland letztlich – wirtschaftlich betrachtet – ohne Folgen. Das gilt jedenfalls solange, als die Verzinsung in Abhängigkeit von Zinssatz und Verzinsungsbeginn die zumindest das Niveau der Finanzierungskosten des Steuerpflichtigen erreicht. Die Liquiditätswirkungen dieses Ansatzes entsprechen auch den steuersystematisch intendierten Belastungswirkungen aufseiten des Steuerpflichtigen bzw. den korrespondierenden Ertragswirkungen zugunsten des Fiskus. Denn der Fiskus des Identifikationsstaates hat nicht nur den vereinnahmten Steuerbetrag, sondern auch den korrespondierenden Liquiditätsvorteil vollumfänglich zurückzuerstatten. Dafür, dass dem Fiskus in Identifikationsstaat kein Vorteil verbleibt, spricht, dass im Identifikationsstaat ein Erwerb tatsächlich nicht stattgefunden hat1560. Aus diesem Grund scheidet der Vorsteuerabzug im Identifikationsstaat, der gem. Art. 168 Buchst. c ­MwStSystRL voraussetzt, dass im jeweiligen Mitgliedstaat ein Erwerb stattgefunden hat, aus.1561 Denkt man diese systematische Argumentation weiter, so bedeutet das, die Näherungslösung des Bestimmungslandprinzips zugrunde gelegt1562, dass ein Verbrauch im Identifikationsstaat nicht stattgefunden hat. Entsprechend dem Ver1560 EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 41. 1561 EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 42. 1562 S.o. Teil II B.III Verbrauchsortprinzip; Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 399, 408 ff.; ders., IStR 2009, 526 (526 f.); Huschens in Vogel/Schwarz, § 6 UStG, Rn. 2; Jakob, Umsatzsteuer, Rn. 500; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, Einf. (Jan. 2015), Rn. 30; Stadie in Rau/Dürrwächter, Einf. (Apr. 2013), Rn. 735 ff.; Tehler in Rau/Dürrwächter, § 7 UStG (Jan. 2014), Rn. 61; Vellen in Nieskens, Umsatzsteuer-Kongreß-Bericht 1999/2000, S. 13 (43); vgl. auch EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 30; v. 18.11.2010 – C-84/09 – X, Slg. 2010, I-11645, Rn. 22, 31; v. 06.03.2014 – C-606/12, C-607/12 – Dresser-Rand, ECLI:EU:C:2014:125, Rn. 28.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

brauchsortprinzip1563 steht dem Identifikationsstaat eine Belastung des Erwerbs zum Zwecke der Finanzierung des eigenen Haushalts damit nicht zu. Es bleibt das Besteuerungsrecht des Identifikationsstaates auf den Zweck der Sicherung der korrekten Besteuerung im Bestimmungsland beschränkt.1564. Konsequenterweise besteht damit auch kein Grund, warum dem Identifikationsstaat die mittelbaren Liquiditätsvorteile aus der Vereinnahmung der Erwerbssteuer verbleiben sollten. Der Ansatz einer Korrektur für den Zeitpunkt der Steuerentstehung im Identifikationsstaat beschränkt damit – in Abhängigkeit vom nationalen Verzinsungsregime – den Mechanismus des Art. 41 ­MwStSystRL nur auf den zeitweisen Entzug von Liquidität i.H.d. Erwerbssteuer. (2) Aspekte contra Korrektur ex tunc Dagegen sprechen die, im Ergebnis, überzeugenderen Aspekte. Denn diese Korrektur wäre nicht ebenso effektiv, sodass die Korrektur mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Besteuerung im Bestimmungsland erforderlich bleibt. Da der Steuerpflichtige, wie soeben dargestellt mit einer Verzinsung des im Identifikationsstaat zu erstattenden Steuerbetrages rechnen kann, entfällt seine Motivation die Besteuerung im Bestimmungsland zeitnah herbeizuführen. Erfolgt die Korrektur hingegen erst mit Wirkung für den Zeitpunkt der Besteuerung im Bestimmungsland, vergrößert sich der, auch bei der Nachholung der Besteuerung im Bestimmungsland, nicht kompensierte Liquiditätsnachteil. Der Steuerpflichtige wird daher angehalten, unmittelbar die Besteuerung im Bestimmungsland durchzuführen. Der Zweck des Art. 41 ­MwStSystRL, die korrekte Erwerbsbesteuerung sicherzustellen1565 wird dadurch nicht nur insofern gefördert, als dass der Erwerb überhaupt, sondern auch als er im korrekten Besteuerungszeitraum besteuert wird.1566 Dem steht nicht entgegen, dass die 1563 S.o. Teil II B.III Verbrauchsortprinzip. 1564 S.o. Teil III B.VI.2.a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL. 1565 S.o. Teil II C.V.1 Verzinsung als anerkannte Methode zur Liquiditätskorrektur zugunsten des Steuerpflichtigen. 1566 Dagegen wird der Zweck des deutschen Umsetzungsgesetzes in § 3d S.2 UStG in der deutschen Literatur teils darauf reduziert, dass der Erwerb wenigstens innerhalb der EU besteuert wird und lässt damit die vom EuGH in der Entscheidung EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 44 herangezogenen Verhaltenslenkende Wirkung des Art. 41 ­MwStSystRL außer Acht. Siehe dazu Gres in Weymüller, UStG, § 3d, Rn. 7, 20; Marchal in Rau/Dürrwächter, § 3d (Jan. 2016), Rn. 17; Stadie, UStG, § 3d, Rn. 5; Wie die vorgenannten allerdings noch vor EuGH, Urt. v. 22.04.2010 –

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

­ icherung der zeitlich korrekten Besteuerung primär und generell – losS gelöst von Fällen der Erwerbsbesteuerung – Gegenstand des Verfahrensrechts im Bestimmungsland ist1567. Denn das Regime der Erwerbsbesteuerung ist, da die Kontrolle im besonderen Maße von der Verwendung der korrekten Mehrwertsteueridentifikationsnummer abhängt, besonders durch Rechtsanwendungsfehler des Steuerpflichtigen bei der Wahl der verwendeten Identifikationsnummer gefährdet.1568 Dem trägt der Mechanismus des Art. 41 ­MwStSystRL gerade Rechnung, indem er den Fiskus des Identifikationsstaates zur Sicherung des Steueranspruches des Bestimmungslandes mit heranzieht. Das Unionsrecht überlässt damit die Sicherung der Erwerbsbesteuerung nicht alleine dem Regime des Bestimmungslandes. Auch die zeitlich korrekte Besteuerung ist daher vom Zweck des Art. 41 ­MwStSystRL umfasst. Darüber hinaus widerspricht die mit einer sekundärrechtlichen Regelung beabsichtigte unionsweite Einheitlichkeit des Mechanismus gegen eine solch weite Rückwirkung. So geht, wie soeben1569 beschrieben, diese weite Rückwirkung dann zu Lasten der Effektivität der Besteuerung im Identifikationsland, wenn der Erstattungsbetrag verzinst wird. Damit bedingte wiederum das autonome nationale Verfahrensrecht die Wirksamkeit des Art. 41 ­MwStSystRL. Die durch die sekundärrechtliche Regelung geschaffene Entkoppelung eines unionsweit einheitlich effektiven Mechanismus vom mitgliedstaatlichen Verfahrensrecht, würde so wieder aufgehoben. Zwar ließe sich hiergegen einwenden, dass das gleiche Ergebnis auch durch eine unionsrechtskonforme Reduktion der nationalen Verzinsungsvorschriften erreichen ließe. Damit wäre aber zum einem die Einheitlichkeit der Umsetzung von den Möglichkeiten der nationalen Methodenlehre abhängig. Zum anderen wäre man dann gezwungen ein Problem auf Ebene des nationalen Verfahrensrechts zu lösen, welches sich bei verständiger Würdigung des materiellen Unionsrechts gar nicht stellt. C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Bülow in Schwarz/Widmann/Radeisen, § 3d (Jun. 2007) Rn. 13. Weiter Grünwald in Hartmann/Metzenmacher, § 3d (Mär. 2006), Rn. 18 und Martin in Sölch/Ringleb, § 3d (Sept. 2015), Rn. 6, die den Zweck generell in der Sicherung der Vermeidung von Steuerausfällen sehen und Langer in Küffner/Stöcker/Zugmaier, § 3d (2012), Rn. 8, der den Zweck darüber hinaus auch, wie hier, in der Sicherung der Funk­ tionsfähigkeit der Kontrollverfahrens erkennt. 1567 S.o. Teil II C Befugnis der Mitgliedstaaten zur Ergreifung von Maßnahmen zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Steuerausfällen und zur genauen Erhebung der Steuer. 1568 S.o. Teil III B.VI.2.a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL. 1569 S.o. Teil III B.VI.2.b)bb)(1) Aspekte pro Korrektur ex tunc.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

Auch die mögliche doppelte Liquiditätsbelastung durch Zinsen oder Bußgelder im Bestimmungsland und den Liquiditätsausfall im Identifikationsstaat spricht nicht gegen die Korrektur der Besteuerung im Identifikationsstaat. So ist das die notwendige Folge der parallelen Sicherung des Steueraufkommens durch die zeitweise Besteuerung durch zwei Mitgliedstaaten. Denn das Unionsrecht wählt als Mittel zur Sicherung der Besteuerung gerade die Besteuerung und nicht etwa ein Bußgeld. Da gesonderte Regelungen für die Steuerentstehung im Identifikationsstaat, und damit für den intendierten Liquiditätsabfluss nicht bestehen, kann davon ausgegangen werden, dass diese zeitweise parallele, liquiditätswirksame Belastung zumindest der legislativen Intention nicht widerspricht. Nimmt man daneben die aufgezeigten Lenkungswirkungen des Art. 41 ­MwStSystRL in den Blick, kann es daher weitergehend als vom Unionsrecht gewollte Folge angesehen werden, Verzugszinsen oder Bußgelder wegen verspäteter Besteuerung im Bestimmungsland, zusätzlich neben den Liquiditätsausfall durch die Besteuerung im Identifikations­ staat tritt. Ebenso spricht der oben als Argument für eine Korrektur mit Rückwirkung auf den Entstehungszeitpunkt im Identifikationsstaat angeführte Liquiditätsvorteil dieses Mitgliedstaates, unter Berücksichtigung der Lenkungswirkung, nicht mehr für die Rückwirkung auf einen Zeitpunkt vor der Besteuerung im Bestimmungsland. Der Liquiditätsvorteil des Identifikationsstaates ist demnach nicht Ziel, sondern notwendiger Nebeneffekt der Technik der Verhaltenslenkung durch Art. 41 ­MwStSystRL. Erforderlich und damit intendiert ist vielmehr der drohende Liquiditätsnachteil des Steuerpflichtigen. Vergleichbar ist dieser finanzielle Nachteil damit mit Bußgeldern oder Säumniszuschlägen, die ebenfalls nicht der Staatsfinanzierung, sondern der Sanktion dienen, wenn gleich sie finanzielle Vorteile des sanktionierenden Staates bedingen. Neben der mangelnden Lenkungswirkung und der erkennbaren unionsrechtlichen Akzeptanz dieser Doppelbelastung sprechen auch die Ergebnisse, denkt man die Folgen einen Korrektur im Identifikationsstaat auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung weiter, gegen diese weite Rückwirkung. So kann eine solche Korrektur sogar zu einem Zinsvorteil zugunsten des Steuerpflichtigen führen, wenn die Refinanzierungskosten des Steuerpflichtigen geringer als die zu erwartenden Erstattungszinsen sind.1570 Der Steuerpflichtige könnte dann den Betrag der Erwerbssteuer 1570 Zu denken ist hier nur an die in Deutschland bestehende Differenz des Zinssatzes von 6 % p.a. gem. § 238 Abs. 1 Satz. 1 AO und der seit 2011 stetig sinkenden Marktzinsen.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

beim Fiskus des Identifikationsstaates gewissermaßen verzinslich anlegen. Er müsste nur die Besteuerung im Bestimmungsland hinauszögern. Eine korrekte Besteuerung im Bestimmungsland würde dadurch geradezu konterkariert. Zwar geht dieser Zinsvorteil ggf. mit, auch strafrechtlichen, Sanktionen und Zinsen im Bestimmungsland einher. Das vermag aber die fehlgehende Lenkungswirkung nicht zwingend zu beseitigen. Denn strafrechtliche Sanktionen setzten typischerweise ein vorsätzliches Hinauszögern der Besteuerung im Bestimmungsland voraus. Ein nur fahrlässiges Unterlassen der Besteuerung im Bestimmungsland, weil die Besteuerung im Identifikationsstaat als ausreichend angesehen wird, bzw. der Fehler durch den Steuerpflichtigen selbst nicht erkannt wird, ist im Bestimmungsland nicht mit Strafe bedroht. Droht aber, wegen der Korrektur erst im Besteuerungszeitraum der Besteuerung im Bestimmungsland, ein definitiver Zinsschaden, wird der Steuerpflichtige angehalten, Kontrollmechanismen vorzuhalten, die eine solche Fehleinschätzung ausschließen. Auch der mögliche Einwand, ein Zinsnachteil im Bestimmungsland kompensiere den Zinsvorteil im Identifikationsstaat, greift nicht durch. So beseitigt eine korrespondierende Verzinsung im Bestimmungsland den Zinsvorteil im Identifikationsstaat nur dann, wenn die Verzinsung im Bestimmungsland mindestens das Niveau der Verzinsung im Identifikationsstaat erreicht. Das ist angesichts der Diversität der einzelnen, nicht harmonisierten Verzinsungsregime aber nicht sichergestellt. Erneut sei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass eine unionsweit gleichermaßen wirksame Besteuerung im Identifikationsstaat eine Rückwirkung der Korrektur auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung ausschließt. Zugestanden sei hier der Einwand, dass die bislang genannten Argumente gegen einen Korrektur der Besteuerung im Identifikationsstaat im Besteuerungszeitraum der dortigen Steuerentstehung eine Verzinsung des erstatteten Steuerbetrages im Identifikationsstaat voraussetzen. Dem kann aber entgegengehalten werden, dass auch ein Unterschied betreffend die Liquidität des Steuerpflichtigen, zwischen den beiden hier diskutierten Korrekturzeitpunkten eine Verzinsung im Identifikationsstaat voraussetzt. Verzinst der Identifikationsstaat den zu erstattenden Betrag nicht, ergeben sich keine Unterschiede; der Liquiditätsausfall des Steuerpflichtigen wird nicht kompensiert. Erst wenn damit die Entscheidung für oder gegen eine Korrektur auf einen Zeitpunkt vor der Besteuerung im Bestimmungsland erheblich wird, ergeben sich die genannten Probleme. Weiter lassen sich auch die innere Struktur des Art. 41 ­MwStSystRL als Argument gegen die Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Steuerentste382

B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

hung heranziehen. So liefen die Rechtsfolgen sowohl der nachgelagerten Korrektur gem. Art. 41Abs. 2 M ­ wStSystRL als auch der Regelung des Art. 41Abs. 1 M ­ wStSystRL, der die Besteuerung im Identifikationsstaat generell ausschließt gleich. Die gesonderte Regelung des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL für Fälle, in denen der Nachweis tatsächlich im Besteuerungszeitraum der Steuerentstehung gelingt, liefe damit praktisch leer. Das für den gänzlichen Entfall der Doppelbesteuerung zwingende Nachweiserfordernis würde umgangen.1571 Abschließend sprechen gegen eine Korrektur ex tunc im Identifikationsstaat entscheidend deren Folgen für die Durchsetzungsmöglichkeiten der Finanzbehörden im Identifikationsstaat. Mit einer Korrektur auf den Zeitpunkt der Entstehung entfällt, mit der Besteuerung im Bestimmungsland rückwirkend das Besteuerungsrecht des Identifikationsstaates vollends. Wurden bis dahin gem. Art. 41, i.V.m. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. I MwStSystRL entstandene Steuerbeträge nicht erklärt oder erhoben, ­ bleibt das folgenlos. Der Steuerpflichtige könnte es riskieren die Erwerbssteuer im Identifikationsstaat zu vermeiden, und bei Gefahr der Entdeckung die Besteuerung im Bestimmungsland durchführen. Die Erwerbssteuer im Identifikationsstaat entfiele dann als Anknüpfungspunkt sowohl für Zinsen als auch verwaltungs- und strafrechtliche Sanktionen. Dem widerspricht aber der bereits erwähnte Umstand, dass das Druckmittel als Steuer ausgestaltet ist. Damit wird dem Identifikationsstaat gerade die Möglichkeit gegeben, sein Besteuerungsrecht mit allen dafür national vorgesehenen Mitteln durchzusetzen. Diese Möglichkeiten liefen gegenüber Steuerpflichtigen die sich wissentlich der Steuerlast im Identifikationsstaat, und damit der vorgesehenen Doppelbelastung entziehen, und die Besteuerung im Bestimmungsland erst wenn eine Ent­ deckung droht durchführen, leer. (3) Zwischenfazit – Keine Korrektur mit Wirkung für den Entstehungszeitraum der Steuer im Identifikationsstaat In der Summe sprechen daher die überzeugenderen Argumente gegen eine vollständige, auch liquiditätswirksame, Rückgängigmachung der Besteuerung im Identifikationsstaat. So erfordert das effektive Wirken des Mechanismus des Art. 41 ­MwStSystRL die Liquiditätsbelastung durch die Besteuerung im Identifikationsstaat bis zur Besteuerung im Bestimmungsland. Daneben legt der Umstand, dass zur Sicherung der Erwerbsbesteuerung sekundärrechtlich gerade die Besteuerungsbefugnis des Iden1571 Siehe dazu ausführlich unten Teil III B.VI.3 Korrektur bei simultaner Besteuerung – Systemischer Widerspruch.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

tifikationsstaates gewählt wurde, nahe, dem Identifikationsstaat eine nicht revidierbare, mithin auch liquiditätswirksame, Belastung bis zur Besteuerung im Bestimmungsland zuzugestehen. Liquiditätsvorteile zugunsten des Identifikationsstaates sind dabei nicht Zweck, sondern nur notwendiger Nebeneffekt der beabsichtigten Belastung des Steuerpflichtigen. Dieses Ergebnis stützt auch der Umstand, dass nur so die mit der sekundärrechtlichen Regelung erstrebte unionsweit einheitlich – vom nationalen Verfahrensrecht unbeeinflusste – effektive Sicherung der Erwerbsbesteuerung erreicht wird. c) Folgerungen aus der systematischen Substitution des Vorsteuer­ abzugs durch die Korrektur der Bemessungsgrundlage Die soeben erarbeitete Argumentation stützt sich auf die genuine Prämisse des Neutralitätsgrundsatzes, der unmittelbaren Entlastung des Steuerpflichtigen. Auch, wenn der Mechanismus des Vorsteuerabzuges im Falle des Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL von der Korrektur der Bemessungsgrundlage verdrängt wird, soll dieser Grundsatz uneingeschränkt gelten. Ausgespart blieb dabei aber zunächst, dass auch unter Geltung des Vorsteuerabzuges die tatsächliche Entlastung von Erwerbssteuer durch die Ausübung des Vorsteuerabzuges nicht notwendigerweise simultan mit der Belastung eintritt. Ausgeübt werden darf der Vorsteuerabzug erst mit Wirkung ab dem Zeitpunkt des Nachweises der Voraussetzungen gem. Art. 178 Buchst. c M ­ wStSystRL. Eine Rückwirkung erfährt die erstmalige Erbringung der Nachweise i.S.v. Art. 178 Buchst. c ­MwStSystRL nicht. Fraglich ist daher, ob daraus folgt, dass eine ex nunc Wirkung der Nachweise der Voraussetzungen der Korrektur der Bemessungsgrundlage auch dem Neutralitätsgrundsatz genügen würde. aa) Systematische Parallelen der Korrektur der Bemessungsgrundlage zum Vorsteuerabzug Außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 41 M ­ wStSystRL entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug gem. Art. 167 ­MwStSystRL mit der Entstehung der Erwerbssteuer. Damit erfolgt die Entlastung grundsätzlich simultan mit der Entlastung. Eine tatsächliche Entlastung durch Ausübung des Vorsteuerabzuges wird dem Erwerber aber gem. Art. 178 Buchst. c ­MwStSystRL erst zugestanden, wenn er sowohl eine Rechnung besitzt1572 1572 Vom Rechnungserfordernis können die Mitgliedstaaten aber gem. Art. 181 ­MwStSystRL auch absehen. Von dieser Möglichkeit machen z.B. Deutschland in § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG und Österreich in Art. 12 Ans. 1 Nr. 1 Anhang zu § 29 Abs. 8 UStG BMR Gebrauch.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

als auch eine Umsatzsteuererklärung gem. Art. 250 M ­ wStSystRL abgegeben hat. Sowohl Rechnung1573 als auch Mehrwertsteuererklärung1574 dienen der Kontrolle der Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges und damit der Sicherung der korrekten Erhebung der Steuer. Die sofortige Entlastung wird daher durch den Nachweis der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs zur Sicherung der korrekten Erhebung der Steuer suspendiert. Die Erfüllung dieser Nachweiserfordernisse wirkt dabei nur ex nunc.1575 In Fällen des Art. 41 ­MwStSystRL tritt an die Stelle des Vorsteuerabzugs die Berichtigung der Steuerbemessungsgrundlage.1576 Die Herstellung steuerlicher Neutralität bleibt das Ziel. Nur zugunsten der Verhaltenslenkung bedient sich die M ­ wStSystRL dem Mittel der Korrektur der Bemessungsgrundlage.1577 Die im Identifikationsstaat zu neutralisierende Belastung des Steuerpflichtigen ist jedoch nicht die Belastung im Bestimmungsland. Diese bleibt auch im Fall des Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL Sache des Besteuerungs-, insbesondere Vorsteuerabzugsverfahrens im Bestimmungsland. Die im Identifikationsstaat zu neutralisierende Belastung ist die Besteuerung im Identifikationsstaat neben der Besteuerung im Bestimmungsland, mithin die Doppelbelastung. Entsprechend Art. 167 ­MwStSystRL entsteht damit das Recht auf Korrektur der Bemessungsgrundlage gem. Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL, wenn der Erwerb im Bestimmungsland besteuert wird. An die Stelle des Rechnungsbesitzes und der Steuererklärung gem. Art. 178 Buchst. c ­MwStSystRL tritt der Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland. Liefe die Besteuerung sowohl unter dem Vorsteuerabzugsregime als auch dem Korrekturregime des Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL gleich, wäre daher die Korrektur tatsächlich erst im Besteuerungszeitraum des Nachweises der Besteuerung im Bestimmungsland vorzunehmen. 1573 S.o. zu Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL Teil III A.IV.2.c) Der Zweck des Art. 178 Buchst. a ­ MwStSystRL; zur Vorgängervorschrift der 6. MwStRL, EuGH, Urt. v. 14.07.1988 – C-123/87 und C-330/87 – Jeunehomme und EGI, ECLI:EU:C:​ 1988:408, Rn. 17; v. 01.03.2012 – C-280/10 – Polski Trawertyn, ECLI:EU:C:​ 2012:107, Rn. 48; EuGH, Urt. v. 01.04.2004 – C-90/02 – Bockemühl, ECLI:EU:​ C:2004:206, Rn. 51 f.; Birkenfeld, UR 2013, 126 (132). 1574 So sind die Angaben in der Steuererklärung gem. Art. 178 Buchst. c M ­ wStSystRL nur insofern erforderlich, als diese zur Bestimmung des Erwerbssteuerbetrages, um dessen Abzug es geht, erforderlich sind. 1575 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:​ 2004:268. 1576 EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 43. 1577 S.o. Teil III B.VI.2.a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL; EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 44.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

bb) Übertragbarkeit des Ausübungszeitpunktes für den Vorsteuerabzug auf den Mechanismus der Korrektur der Bemessungsgrundlage Ausgehend von dieser parallelen Betrachtung von Sofortabzug und Korrektur der Bemessungsgrundlage muss, die dem Ausübungserfordernis gem. Art. 178 Buchst. c M ­ wStSystRL zugrundeliegende legislative Wertung beachtet werden. So ist tatsächlich die erstmalige Ausübung des Rechts auf Sofortabzug erst in dem Augenblick zulässig, in dem kumulativ das Recht auf Vorsteuerabzug gem. Art. 167 M ­ wStSystRL entstanden und die Voraussetzungen des Art. 178 Buchst. a bzw. c M ­ wStSystRL erfüllt wurden.1578 Zweck ist, dass die Ausübungsvoraussetzungen des Art. 178 M ­ wStSystRL eine Kontrolle der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugsrechts und der Versteuerung des Umsatzes durch den Leistenden ermöglichen. Zudem ist von einer Belastung des Steuerpflichtigen regelmäßig erst auszugehen, wenn er eine Rechnung erhalten hat, da er bis dahin seine Zahlung zurückbehalten wird.1579 Übertragen auf die Konstellation des Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL könnte daraus geschlossen werden, dass die Korrektur der Bemessungsgrundlage erstmals in dem Zeitpunkt möglich ist, in dem der Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland erbracht wurde.1580 Dies setzte aber voraus, dass die Systematik des Rechnungserfordernisses beim Vorsteuerabzug auf den parallelen Fall der Entlastung durch die Korrektur der Bemessungsgrundlage übertragbar, insbesondere die Lage der Beteiligten vergleichbar ist. Nähme man das an, so übersähe man aber die folgenden Aspekte. (1) Gleichordnung der Beteiligten Auf den Belastungseintritt hat der Vorsteuerabzugsberechtigte regelmäßig Einfluss. Denn der Steuerpflichtige wird bis zur Ausstellung einer Rechnung nur den Nettobetrag zahlen. Die auf den Bruttobetrag fehlende Differenz wird er zurückbehalten, bis er mit der Rechnung die Möglichkeit zum sofortigen Abzug dieser Differenz von seiner Steuerlast er1578 Die Rechtsprechung erging in EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:268, zu den Voraussetzungen gem. Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL; die zugrundeliegende Argumentation kann aber auch für Fälle des Art. 178 Buchst. c M ­ wStSystRL gelten, siehe dazu sogleich unten Teil III B.VI.2.c)bb)(1) Gleichordnung der Beteiligten 1579 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:​ 2004:268, Rn. 35. 1580 So wie nach deutscher Praxis gem. § 17 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 7 UStG.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

hält.1581 Da die Steuerschuld des Leistenden unabhängig von der Zahlung des Leistungsempfängers mit Ablauf des Besteuerungszeitraumes fällig wird, wird der Leistende auch bemüht sein, möglichst schnell die Rechnung auszustellen, um den von ihm geschuldeten Steuerbetrag vom Leistungsempfänger zu erhalten. Deshalb verstößt, nach Ansicht des EuGH, das Rechnungserfordernis auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.1582 Das gilt mit einer Modifikation auch für den Vorsteuerabzug aus innergemeinschaftlichen Erwerben. Zum einen ist die Lieferung gem. Art. 138 Abs. 1 M ­ wStSystRL steuerfrei, der Leistende schuldet keine Steuer. Er hat daher auch nur einen Anspruch auf den Nettobetrag. Die Steuer entsteht bei dem Erwerber unabhängig von der Rechnungserstellung. Er nimmt daher insofern den Platz des Leistenden in den Fällen des Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL ein. Daher wird der Erwerber, sofern er auf die Mitwirkung des Leistenden zur Entlastung angewiesen ist, die Zahlung des Nettobetrages i. H. d. von ihm zu entrichtenden Erwerbssteuer zurückhalten. Das gilt unabhängig davon, ob die betroffenen Mitgliedstaaten von der Möglichkeit des Art. 181 ­MwStSystRL auf eine Rechnung zu verzichten, Gebrauch gemacht haben,1583 oder nicht. Denn auch in diesem Fall hat der Erwerber, um den Vorsteuerabzug ausüben zu können, eine Mehrwertsteuererklärung gem. Art. 250 M ­ wStSystRL abzugeben. Diese hat alle für die Feststellung der Höhe der Erwerbssteuer nötigen Angaben zu enthalten. Da die Steuerbarkeit des Erwerbs gem. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b, i M ­ wStSystRL zunächst die Steuerpflichtigeneigen1581 EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:​ 2004:268, Rn. 35; im deutschen Recht wird in diesen Fällen gar ein zivilrechtliches Zurückbehaltungsrecht des Leistungsempfängers angenommen. Streit besteht lediglich bzgl. des Umfangs. Für den Bruttobetrag, OLG München, Beschl. v. 25.09.1987 – 7 W 2791/87, NJW 1988, 270 (271); Hüttemann/Jacobs, MDR 2007, 1229 (1232); Kemper, S. 103; Korn in Bunjes/Geist, § 14, Rn. 31; Walz, BB 1991, 880 (881); Peusquens, NJW 1974, 683 (684); Wagner in Sölch/Ringleb, § 14 (Jul. 2013), Rn. 182; dagegen ein Zurückbehaltungsrecht nur in Höhe des Umsatzsteuerbetrages anerkennend, Heeseler, BB 2006, 1137 (1141 f.); Herzing, BC 2010, 417 (421); Hummel, NZS 2010, 139 (140); Stadie, UStG, § 14, Rn. 38; Weiss, UR 1990, 313; Widmann, DStR 2005, 1161 (1164); Widmann in Schwarz/ Widmann/Radeisen, § 15 (Jan. 2015), Rn. 42, der jedoch dem Leistungsempfänger noch einen mit § 242 BGB vereinbaren, mithin billigen, „Druckzuschlag“ auf den Steuerbetrag zugestehen will. 1582 S.o. ausführlich Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall; zudem EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:268, Rn. 37. 1583 Von dieser Möglichkeit machen z.B. Deutschland in § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG, ­Österreich in Art. 12 Abs. 1 Nr. 1 Anhang zu § 29 Abs. 8 UStG BMR und das Vereinigte Königreich in Value Added Tax Regulation 29 (2) (e) Gebrauch.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

schaft der Lieferanten voraussetzt, wird der Erwerber daher zumindest auch die Identifikationsnummer des Lieferanten anzugeben haben. Auch der Umstand, dass der EuGH diesen Ansatz zur Rechtfertigung des Rechnungserfordernisses gem. Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL entwickelt hat, schadet der Übertragung auf Art. 178 Buchst. c ­MwStSystRL nicht. Denn die Rechtfertigung des unionsrechtlich zwingenden Ausübungserfordernisses des Rechnungsbesitzes gem. Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL war entscheidend für diese Rechtsprechung.1584 Ebenso unionsrechtlich zwingend sind – betreffend dem Rechnungserfordernis nur, soweit kein Gebrauch von der Option in Art. 181 ­MwStSystRL gemacht wird – die Ausübungsvoraussetzungen des Art. 178 Buchst. c M ­ wStSystRL. Die Grundsätze der Rechtsprechung zu Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL gelten daher auch für Fälle des Art. 178 Buchst. c ­MwStSystRL. Dieses Ineinandergreifen der Interessen und Nachweispflichten wie auch der diesbezüglichen Abhängigkeiten der an der Besteuerung Beteiligten setzt eine Gleichordnung der Beteiligten voraus. Es funktioniert nur, weil der Leistungsempfänger Einfluss auf die steuerindizierten Interessen des Leistenden hat. Dieses Gleichgewicht fehlt im Fall der Besteuerung allein aufgrund der Verwendung einer nicht vom Bestimmungsland erteilten Identifika­ tionsnummer. An die Stelle des Leistenden, der seine Zahlung erst erhält, wenn er eine Rechnung erteilt, tritt in diesem Fall der Fiskus im Bestimmungsland. Die Möglichkeit, die Steuerbelastung im Bestimmungsland bis zur Mitwirkungshandlung, welche seine unmittelbare Entlastung von der Erwerbssteuer im Identifikationsstaat formal erfordert, hinauszuzögern, fehlt dem Steuerpflichtigen gegenüber der Finanzverwaltung im Bestimmungsland. Er kann die Erwerbssteuer im Bestimmungsland nicht bis zum Nachweis der Versteuerung im Bestimmungsland zurückhalten. Die Steuer im Identifikationsstaat wird gem. Art. 206 M ­ wStSystRL mit Abgabe der Mehrwertsteuererklärung i.S.v. Art. 250 ­MwStSystRL fällig.1585

1584 Vgl. Englisch, UR 2011, 488 (489). 1585 EuGH, Urt. v. 18.12.1997 – C‑286/94, C‑340/95, C‑401/95 und C‑47/96 – Molenheide u.a., ECLI:EU:C:1997:623, Rn. 47; v. 21.03.2000 – C-110/98 bis C-147/98 – Gabalfrisa u.a., ECLI:EU:C:2000:145, Rn. 52; v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:549, Rn. 18; v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 66.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

(2) Gegenstand des Nachweises Auch die Gegenstände des Nachweises der Besteuerung im Bestimmungsland und der Rechnung sind nicht vergleichbar. Für den Vorsteuerabzug weist die Rechnung lediglich nach, dass ein Umsatz stattgefunden hat und der Leistende Anspruch auf den Bruttobetrag erhebt. Dass dieser schon gezahlt wurde, mithin eine Belastung eingetreten ist, ist nur wahrscheinlich,1586 steht aber keineswegs fest. Die (Doppel-)Belastung des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Nachweises der Besteuerung im Bestimmungsland hingegen steht fest.1587 In jedem Fall muss der Steuerpflichtige i. F. d. Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL in Vorleistung gehen. Zudem muss schon denklogisch der Nachweis der Besteuerung dem nachzuweisenden Umstand nachfolgen. Die Fälligkeit der Steuer und damit die Belastung tritt gem. Art. 206 i.V.m. 250 M ­ wStSystRL mit der Abgabe der Erklärung als Vorstufe zur Besteuerung ein. Die Erklärung bezieht sich aber auf einen bereits abgeschlossenen Besteuerungszeitraum, vgl. Art. 252 M ­ wStSystRL. Folglich kann der Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland – den Gleichlauf der Besteuerungs­ zeiträume in beiden Staaten vorausgesetzt – im Identifikationsstaat frühestens im darauffolgenden Besteuerungszeitraum geführt werden. Erlaubt man die Korrektur der Bemessungsgrundlage erst für den Be­ steuerungszeitraum des Nachweises, so erlegt man dem Steuerpflichtigen sehenden Auges eine zeitweilige Doppelbelastung auf. Wegen dieser zwingenden Sequenz von Belastung und Nachweis der Besteuerung ist damit die besteuerungszeitrauminterne Entlastung durch Verrechnung wie im Rahmen des globalen Vorsteuerabzugs gem. Art. 179 ­MwStSystRL von vornherein ausgeschlossen. (3) Fehlen eines ausdrücklich normierten Nachweiserfordernisses Zudem sei an dieser Stelle schlicht darauf verwiesen, dass in Art. 41 Abs. 2 MwStSystRL ein ausdrückliches Nachweiserfordernis wie das des ­ Art. 178 ­MwStSystRL1588 fehlt. Die ausdrückliche Trennung von Entstehungs- und Ausübungszeitpunkt führt für den Vorsteuerabzugsanspruch 1586 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:268, Rn. 35, 37. 1587 Differenzen aufgrund nicht parallel verlaufender Besteuerungszeiträumen in den einzelne Mitgliedstaaten sollen hier außer Acht bleiben. 1588 Auf den Wortlaut rekurriert auch ausdrücklich, EuGH, Urt. v. 29.04.2004 – C-152/02 – Terra Baubedarf-Handel, ECLI:EU:C:2004:268, Rn. 34.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

aber erst zu der Suspendierung der Entlastung. Der Wortlaut des in Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL hingegen legt nahe,1589 dass ein solcher Nachweis eben nicht Ausübungserfordernis sein soll. cc) Liquiditätsausfall als Sanktion Soeben hat sich gezeigt, dass die Korrektur der Bemessungsgrundlage, sofern sie der Herstellung der steuerlichen Neutralität anstatt des Vorsteuerabzuges dient, auf den Besteuerungszeitpunkt der Steueranmeldung im Bestimmungsland zu wirken hat. Der dem Steuerpflichtigen durch die Korrektur ex nunc entstehende Liquiditätsnachteil verstößt gegen den Grundsatz der Neutralität. Denn zur Sicherung der korrekten Versteuerung des betroffenen Umsatzes ist die Suspendierung der Entlastung von der Doppelbesteuerung nicht erforderlich. Nicht in Bezug genommen wurde dabei aber, dass im Liquiditätsausfall auch ein Sanktionierender Effekt liegen kann. Dem läge der Ansatz zugrunde, die Liquiditätsbelastung aufgrund der ex nunc Korrektur als Sanktion des Steuerpflichtigen zu rechtfertigen. Sanktioniert würde dann die Verwendung der falschen – weil nicht vom Bestimmungsland erteilten – Identifikationsnummer. Einsetzen würde die Sanktion erst mit der – korrekten – Versteuerung im Bestimmungsland. Die Unionsrechtmäßigkeit einer solchen Liquiditätsbelastung als Sanktion setzte zunächst deren Eignung voraus; den Steuerpflichtigen zur Beachtung der verletzten Verpflichtung anzuhalten.1590 (1) Fehlgehende Verhaltenslenkung Zum einen würde eine Instrumentalisierung des Liquiditätsausfalls Fehlanreize setzen. Die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme scheitert daher bereits an der Eignung zur Sicherung der Besteuerung im Bestimmungsland. Das Besteuerungsrecht des Bestimmungslandes ist, im Rahmen des MIAS, ohne Verwendung einer vom Bestimmungsland ausgestellten Identifikationsnummer kaum nachvollziehbar.1591 Die Entdeckungsgefahr bei Verwendung der falschen Identifikationsnummer ist daher einerseits gering. Andererseits setzte sich der Steuerpflichtige mit der – korrekten – Versteuerung im Bestimmungsland der Sanktionswirkung – der 1589 S.o. Teil III B.VI.1.e) Zwischenfazit. 1590 S.o. Teil II C.III.2.b)aa) Zwecksetzung der Sanktionsbefugnis als Grenze der Sanktionsbefugnis. 1591 S.o. Teil III B.VI.2.a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

Liquiditätsbelastung durch die Doppelbesteuerung des Umsatzes – erst aus. Die Sanktionierung setzt damit, paradoxerweise, die aktive Mitwirkung des zu sanktionierenden Steuerpflichtigen voraus. Diese Konstellation legt dem Steuerpflichtigen nahe, die Besteuerung im Bestimmungsland nicht durchzuführen. Bestärkt würde er in dieser Ansicht noch durch einen fraglichen Zusammenhang von Rechtsanwendungsfehler und Sanktion. Denn die Sanktion der Verwendung der falschen Identifikationsnummer beim Erwerb setzt erst mit der Korrektur dieses Fehlers ein. Es entstünde der Eindruck, nicht der Fehler, sondern dessen Korrektur wird sanktioniert. Der Schluss wäre, die Versteuerung im Bestimmungsland möglichst lange hinauszuzögern oder ganz zu unterlassen. Die Abhängigkeit des Steuerpflichtigen von einem unionsrechtlich nicht geregelten Nachweis, verleitet den Steuerpflichtigen in der Folge auch nicht dazu, die korrekte Besteuerung möglichst bald – also im Besteuerungszeitraum der Steuerentstehung im Bestimmungsland – durchzuführen, um eine eventuelle Sanktion möglichst gering zu halten. Denn die Dauer der Doppelbelastung hängt dann von der Mitwirkung der Finanzbehörden des Bestimmungslandes bei Nachweis der korrekten Besteuerung ab. Damit kann der Steuerpflichtige den Umfang der Sanktion durch möglichst baldige Erwerbsversteuerung nicht beeinflussen. Zur Motivation des Steuerpflichtigen, die korrekte Besteuerung – für den jeweils betroffenen Erwerb – durchzuführen, taugt dieser Mechanismus nicht. (2) Sicherung der korrekten Versteuerung zukünftiger Umsätze Diese Erwägungen gelten nur bezogen auf den Zweck der Sicherung der Besteuerung des jeweils betroffenen Umsatzes. Aber auch zur Sicherstellung der korrekten Versteuerung zukünftiger Umsätze ist dieser Mechanismus nicht verhältnismäßig. Oben hat sich gezeigt, dass die nicht neutrale Besteuerung ohne Möglichkeit der Entlastung durch Vorsteuerabzug entsprechend der systematischen Konzeption des Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL nur solange aufrechterhalten werden darf, als sie zur Verhaltenslenkung erforderlich ist.1592 Ebenso darf eine Sanktion, die auf die korrekte Versteuerung des betroffenen Umsatzes im Bestimmungsland zielt, nicht über den Zeitpunkt dieser Versteuerung hinaus aufrechterhalten werden, geschweige denn erst danach einsetzen. 1592 S.o. Teil III B.VI.2.b) Erforderlichkeit der Einschränkung des Neutralitätsgrundsatzes.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Allerdings gilt dies nicht, wenn Ziel der Maßnahme sein soll, den Steuerpflichtigen anzuhalten, in Zukunft die Identifikationsnummer des tatsächlichen Bestimmungslandes zu verwenden. Eine derart verhaltenslenkende Wirkung, ähnlich einem klassischen Bußgeld, käme dieser Sanktion sehr wohl zu. Auch wäre eine solche Sanktion unter dem Aspekt der Zweckerreichung nicht ungeeignet. Der EuGH erkennt eine solche „… abschreckende Wirkung …“1593, auch auf zukünftige Umsätze bezogene, Sanktionierung von Mitwirkungsverletzungen ausdrücklich an. Das Ausmaß dieser Sanktion bestimmte sich nach der Länge des Zeitraumes zwischen Eintritt der Doppelbelastung und deren Auflösung durch Korrektur der Bemessungsgrundlage im Mitgliedstaat der Identifikation. Wäre die aus der Korrektur der Bemessungsgrundlage resultierende Liquiditätsbelastung als Sanktion gedacht, so bestimmte sich ihre Höhe aus dem Zusammenwirken der Faktoren Bemessungsgrundlage, Steuersatz, aktuelles Zinsniveau und Zeitraum der Doppelbelastung. Lediglich der letzte Faktor liegt – bezogen auf den einzelnen Umsatz – im Einflussbereich des sanktionierenden Mitgliedstaates. Nur hierüber kann daher der Umfang der Sanktion im Einzelfall gesteuert werden. Zum Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland – als Voraussetzung der Korrektur der Bemessungsgrundlage – ist der Steuerpflichtige auf die Behörden des Bestimmunglandes angewiesen. Mangels einer unionsrechtlichen Regelung dieses Nachweisverfahrens und der Untauglichkeit der sekundärrechtlich geregelten Nachweise ist völlig offen und zudem durch den Steuerpflichtigen nicht beeinflussbar, wann ein solcher Nachweis gelingen wird. Endet der Zeitraum der Doppelbelastung des Erwerbs stets erst mit dem Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland, benimmt sich der Mitgliedsstaat, welcher die Identifikationsnummer ausgestellt hat, daher jeder Steuerungsmöglichkeit. Zwar ist den Mitgliedstaaten bei der Bestimmung von Sanktionen auch der Höhe nach1594 – im Rahmen der Verhältnismäßigkeit –1595 ein weiter Spielraum eingeräumt. Die Höhe einer Sanktion muss allerdings immer in einem angemessenen Verhältnis

1593 EuGH, Urt. v. 29.07.2010 – C-188/09 – Profaktur Kulesza, Frankowski, Jozwiak, Orlowski sp., ECLI:EU:C:2010:454, Rn. 28; v. 07.12.2010 – C-285/09 – R, ECLI:EU:C:2010:742, Rn. 78. 1594 Zur Frage der verhältnismäßigen Höhe einer Geldbuße im Speziellen, EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – Rēdlihs, ECLI:EU:C:2012:497, Rn. 41 ff. 1595 Z.B. EuGH, Urt. v. 21.09.1989 – C-68/88 – Kommission/Griechenland, ECLI:EU:​ C:1989:339, Rn. 23; v. 16.12.1992 – C-210/91 – Kommission/Griechenland, ECLI:EU:C:1992:525, Rn. 19; v. 26.10.1995 – C-36/94 – Siesse, ECLI:EU:C:​ 1995:351, Rn. 21.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

zum Verstoß stehen1596. Insbesondere ist demnach die Sanktion eines sich zeitabhängig äußernden Verstoßes nur für die Dauer des Verstoßes zulässig.1597 Gibt der Mitgliedstaat, welcher die Identifikationsnummer ausgestellt hat, die einzige Steuerungsmöglichkeit aus der Hand, kann er dem Verstoß des Steuerpflichtigen nicht mehr Rechnung tragen. Die Verhältnismäßigkeit der Sanktion kann er so nicht sicherstellen.1598 Auch der Einwand, es obliege dem Steuerpflichtigen, den Nachweis möglichst bald zu beschaffen und damit die Sanktion niedrig zu halten, verfängt nicht. Hat der die Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland durchgeführt und eine diesbezügliche Bestätigung beantragt, kann er nichts weiter tun, als deren Erteilung abzuwarten. Verhältnismäßig kann damit eine Sanktion in Form des Liquiditätsentzuges bis zum Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland mit dem Ziel der Disziplinierung für folgende Umsätze nicht sein. Somit lässt sich die Korrektur der Bemessungsgrundlage ex tunc auch nicht mit deren möglichem Sanktionscharakter rechtfertigen. dd) Zwischenfazit Die Belastung des Steuerpflichtigen im Identifikationsstaat mit Erwerbssteuern ohne Möglichkeit des entsprechenden Vorsteuerabzuges bei gleichzeitiger Steuerbarkeit des Erwerbs im Bestimmungsland führt zu einer tatsächlichen Belastung des Steuerpflichtigen mit Mehrwertsteuer. Sie bedingt daher eine nichtneutrale Steuerbelastung des Steuerpflichtigen. In unionsrechtskonformer Weise kann diese nur solange aufrechterhalten werden, als sie zur Sicherung der korrekten Besteuerung gem. dem Bestimmungslandprinzip erforderlich ist. Sodann ist diese Doppelbelastung mittels der Korrektur der Bemessungsgrundlage zu neutralisieren. Das Ziel ist mit Anmeldung der Steuer im Bestimmungsland erreicht. Eine Verzögerung der Korrektur der Bemessungsgrundlage über diesen Zeitpunkt hinaus ist nicht mehr erforderlich und verletzt daher den Neutralitätsgrundsatz. Die Korrektur der Bemessungsgrundlage erst mit Wirkung zum Zeitpunkt des Nachweises der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland verletzt daher den Neutralitätsgrundsatz, sofern

1596 Siehe hierzu u.a. EuGH, Urt. v. 27.09.2007 – C-146/05 – Collée, ECLI:EU:C:2007:​ 549, Rn. 40; v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:EU:C:2012:​ 458, Rn. 73. 1597 S.o. Teil II C.III.2.b)bb)(5)(a) Sanktionsdauer. 1598 Zum Erfordernis der einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsbetrachtung allgemein bereits EuGH, Urt. v. 19.06.1980 – C-41/79, C-121/79, C-796/79 – Testa u.a., ECLI:EU:C:1980:163, Rn. 21.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

der Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland erst in einem späteren Besteuerungszeitraum ergeht. Auch der Vergleich der Korrektur der Bemessungsgrundlage mit dem verdrängten Mechanismus des Vorsteuerabzuges führt zu keinem anderen Ergebnis. So erfüllt im Falle der Lokalisation des Erwerbs im Bestimmungsland zwar die Korrektur der Bemessungsgrundlage die Funktion des Vorsteuerabzuges. Daraus folgt allerdings nicht, dass auch die Entlastung im Wege der Korrektur der Bemessungsgrundlage erst mit Wirkung auf den Zeitpunkt des Nachweises der entsprechenden Voraussetzungen zu erfolgen hat. So ist weder die Situation des Steuerpflichtigen i.F.d. Art. 41 ­MwStSystRL mit der des Vorsteuerabzugsberechtigten, noch der Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland mit der Rechnung i.R.d. Vorsteuerabzugs vergleichbar. Die Erwägungen, auf welche sich die Verhältnismäßigkeit der Suspendierung des Vorsteuerabzuges durch das Rechnungserfordernis des Art. 178 Buchst. c ­MwStSystRL stützt, verfangen in den Fällen des Art. 41 M ­ wStSystRL nicht. Auch fehlt, anders als im Falle des Vorsteuerabzuges, eine ausdrückliche unionsrechtliche Anordnung der Suspendierung der Entlastung bis zum Nachweis. Eine Übertragung der Rechtsprechung, welche die erstmalige Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts erst in den Besteuerungszeitraum zulässt, in dem neben den materiellen Voraussetzungen gem. Art. 168 ­ MwStSystRL auch eine Rechnung vorliegt, scheidet damit für die Fälle der Korrektur der Bemessungsgrundlage i.F.d. Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL aus. Auch als Sanktion lässt sich der Liquiditätsentzug in Folge einer Korrektur der Bemessungsgrundlage ex tunc nicht rechtfertigen. Bezogen auf den betroffenen Umsatz ist eine solche Maßnahme ungeeignet; mit Blick auf zukünftige Umsätze ist sie regelmäßig in ihrem Umfang nicht verhältnismäßig. d) Konsequenz – Besteuerung im Bestimmungsland bestimmt ­Korrekturzeitpunkt Die Regelung des Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL ordnet, nach Auslegung vor dem Hintergrund des Neutralitätsgrundsatzes, die Korrektur der Bemessungsgrundlage mit Wirkung für den Zeitpunkt der Besteuerung im Bestimmungsland an. Die Berichtigung der Bemessungsgrundlage erst im Besteuerungszeitraum des Nachweises beschränkt den Neutralitätsgrundsatz in unionsrechtswidriger Weise. Die Beschränkung des Nachweises der Besteuerung im Bestimmungsland auf eine Wirkung ex nunc steht daher im Widerspruch zum Unionsrecht. 394

B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

3. Korrektur bei simultaner Besteuerung – Systemischer ­Widerspruch Führt der Steuerpflichtige, der für den Erwerb eine Mehrwertsteueridentifikationsnummer verwandt hat, die nicht das Bestimmungsland ausgestellt hat, die Besteuerung im Bestimmungsland im Besteuerungszeitraum der dortigen Steuerentstehung durch, bedarf es an sich1599 der Besteuerung im Identifikationsstaat nicht. Die Besteuerung im Identifikationsstaat unterbleibt aber nur dann, wenn der Nachweis der Besteuerung gem. Art. 40 M ­ wStSystRL im Identifikationsstaat gelingt, Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL. Gelingt der Nachweis nicht bis zur Steuerentstehung im Identifikationsstaat, fällt auch dort Erwerbssteuer an. Es ist tatsächlich im gleichen Besteuerungszeitraum zweimal Erwerbssteuer abzuführen. Die Doppelbesteuerung ist dann gem. Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL aufzulösen.1600 Anders gewendet unterfällt grundsätzlich jeder Erwerb mit einer nicht vom Bestimmungsland ausgestellten Mehrwertsteueridentifikationsnummer unter die nachgelagerte Korrektur gem. Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL. Eine Ausnahme gilt gem. Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL nur dann, wenn der Erwerber noch im selben Besteuerungszeitraum die Besteuerung gem. Art. 40 M ­ wStSystRL nachweisen kann. Ausgehend von dem soeben erarbeiteten Ergebnis, müsste dann die Korrektur der Bemessungsgrundlage im Identifikationsstaat in dem Besteuerungszeitraum erfolgen, in den die Besteuerung im Bestimmungsland fällt. Damit wäre der Steuerbetrag im Besteuerungszeitraum seiner Entstehung wieder zu korrigieren ohne dass im Zeitpunkt der Besteuerung im Identifikationsstaat der Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland erbracht worden wäre.1601 Die Steuer im Identifikationsstaat würde tatsächlich nicht erhoben. Diese Rechtsfolge sieht aber nur die Regelung des Art. Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL ausschließlich für den Fall, dass der Nachweises der Besteuerung im Bestimmungsland vor der Steuerentstehung im Identifikationsstaat erbracht wird, vor. Damit liefe das zwingende Nachweiserfordernis des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL faktisch leer. 1599 Siehe zum Zweck der Regelung des Art. 41 M ­ wStSystRL oben Teil III B.VI.2.a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL. 1600 S.o. Teil III B.I Allgemeines – die Besteuerung im Identifikationsstaat. 1601 Nach deutschem Verständnis wäre gar die Erwerbssteuer, da die Korrekturvorschriften nur auf Änderungen nach Steuerentstehung Anwendung finden, (siehe hierzu BFH, Urt. v. 29.1.1987 – V R 53/76, BStBl. II 1987, 516 (520); FG Sachsen, Urt. v. 14.1.2009 – 2 K 1725/06, EFG 2009, 1344 (1346); Klenk in Sölch/Ringleb, § 17 (Sep. 2010), Rn. 7; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 17 (Okt. 2014), Rn. 71) gar nicht zu erklären.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Daher können die Erkenntnisse zum Korrekturzeitpunkt nicht für Fälle der simultanen Besteuerung im Bestimmungsland und im Identifika­ tionsstaat gelten. 4. Lösungsansatz – Anforderungen an den Nachweis i.S.v. Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL Notwendig wird diese Einschränkung, da die Anwendung des Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL auf die Fälle der simultanen Besteuerung ausgedehnt wird, wobei Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL die legislative Überzeugung zum Ausdruck bringt, dass eine Korrektur nur dann erforderlich ist, wenn die Besteuerung im Bestimmungsland der Besteuerung im Identifikations­ staat nachfolgt. Der Unionsgesetzgeber hatte den Fall der simultanen Besteuerung nicht bedacht. Er ging offenbar davon aus, dass dieser Fall nicht eintritt. Denn der Steuerpflichtige führt den Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland. Damit wird der Erwerb nicht gem. Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL im Identifikationsstaat besteuert. Die Regelung, wie der Nachweis zu erbringen ist, hat er dabei den Mitgliedstaaten überlassen. Da eine Korrektur der Besteuerung gem. Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL mit Wirkung für den Besteuerungszeitraum der simultanen Besteuerung ausscheiden muss, ist eine neutrale Besteuerung anderweitig herzustellen. Auf Grundlage der Konzeption des Art. 41 ­MwStSystRL verbleibt als Ansatzpunkt der Nachweis der Besteuerung. Dieser muss möglich sein, bevor die Steuer gem. Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL fällig wird. Die Mitgliedstaaten haben daher ein Verfahren vorzusehen, welches diese Möglichkeit tatsächlich einräumt. Da der Zweck der Abwehr der Doppelbesteuerung dem Zweck des Korrekturverfahrens gleichsteht, welches wiederum nur den originären Zweck des Vorsteuerabzuges verfolgt, gelten an das Nachweisverfahren die gleichen Anforderungen wie an den Nachweis der Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges. Daher dürfen die von den Mitgliedstaaten vorgesehenen Nachweiserfordernisse die Abwendung der Besteuerung im Identifikationsstaat gem. Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL nicht übermäßig erschweren oder faktisch unmöglich machen.1602 1602 Vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 14.07.1988 – C-123/87 und C-330/87 – Jeunehomme und EGI, ECLI:EU:C:1988:408, Rn. 17; v. 01.04.2004 – C-90/02 – Bockemühl, ECLI:EU:C:2004:206, Rn. 49; v. 21.04.2005 – C-25/03 – HE, ECLI:EU:C:2005:241, Rn. 80; v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 46; v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:ECLI:EU:​

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

Das Nachweisverfahren muss es dem Steuerpflichtigen daher ermöglichen, entsprechend der in Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL vorgesehene Möglichkeit, den Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland noch vor Ende des Besteuerungszeitraumes im Identifikationsstaat, zu führen. Dabei sind zwei Ansätze denkbar. Zum einen wäre eine Bestätigung durch das Bestimmungsland möglich, welche dann vom Identifikationsstaat zu akzeptieren wäre. Alternativ wären, ohne Mitwirkung des Bestimmungslandes allein die Anforderungen, welche der Identifikations­ staat an den Nachweis stellen darf, unionsrechtskonform auszugestalten. a) Nachweis durch Bescheinigung des Bestimmungslandes Sofern man davon ausgeht, dass „Besteuerung“ im Bestimmungsland die Anmeldung des Erwerbs meint, so stellt sich das grundsätzliche Problem, dass eine Anmeldung erst nach Ablauf des Besteuerungszeitraumes erfolgt.1603 Damit scheidet eine Bestätigung der Besteuerung durch das Bestimmungsland vor Ende des Besteuerungszeitraumes im Identifikationsstaat de lege lata aus. Auch nach Ende des Besteuerungszeitraumes existiert de lege lata kein Verfahren, welches die Besteuerung eines einzelnen Umsatzes belegt. So geben die, gem. Art. 268 M ­ wStSystRL optional bestimmbaren Zu­ sammenfassenden Meldungen einzig für innergemeinschaftliche Er­ werbe gem. Art. 264 Abs. 1 Buchst. d M ­ wStSystRL nur Gesamtbeträge aller Erwerbe an und taugen damit zum Nachweis der Besteuerung nur eines einzelnen Umsatzes nicht.1604 Gleiches gilt gem. Art. 251 Buchst. c ­MwStSystRL für die Voranmeldungen.1605 Die Mitgliedstaaten wären daher gezwungen, ein Nachweisverfahren zu schaffen.1606 In der Folge würde der Identifikationsstaat sein Besteuerungsrecht in ­Abhängigkeit von der Bestätigung eines anderen Mitgliedstaates aufgeC:2012:458, Rn. 49; v. 08.05.2013 – C-271/12 – Petroma Transport, ECLI:EU:C:​ 2013:297, Rn. 26 ff.. 1603 S.o. Teil III B.VI.2.c)bb)(2) Gegenstand des Nachweises. 1604 Siehe hierzu Gepperth in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG, Art. 3 (01.01.2012), Rn. 55; Scheiner/Kolacny/Caganek, UStG, Art. 3 Abs. 8 (Jul. 2011), Rn. 7. 1605 Korf in Hartmann/Metzenmacher, § 17 (Aug. 2012), Rn. 257. 1606 Zu kurz greift daher, Grünwald in Hartmann/Metzenmacher, § 3d (Mär. 2006), Rn. 37, demzufolge der Steuerpflichtige keinen Anspruch auf die Bestätigung der Besteuerung durch das Bestimmungsland haben soll; kritisch daher dazu auch, Korf in Hartmann/Metzenmacher, § 17 (Aug. 2012), Rn. 256.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

ben. Anerkenntnis- und Abstimmungsschwierigkeiten wären, mangels unionsweit einheitlicher Regelung die Folge. Weiter lässt sich Art. 16 MwStDVO1607 ein genau gegenteiliges Prinzip entnehmen. Dem zufolge soll im Rahmen der Art. 40 – 42 ­MwStSystRL jeder der betroffenen Mitgliedstaaten die Besteuerung autonom, unabhängig von anderer Mitgliedstaaten, vornehmen. Der Ansatz, dem Steuerpflichtigen den Nachweis der Erwerbsbesteuerung mittels einer Bestätigung durch das Bestimmungsland zu gewähren, erscheint damit wenig zielführend und soll ausscheiden. b) Unionsrechtliche Interpretation der Beweisanforderungen Die Autonomie der Mitgliedstaaten bei der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Handels wird gewahrt, wenn dem Identifikationsstaat unabhängig von nicht unionsrechtlich definierten Nachweisen durch das Bestimmungsland die Besteuerung nachgewiesen wird. Dem Neutralitätsgrundsatz würde dieser Nachweis dann genügen, wenn er noch vor Ende des Besteuerungszeitraumes im Identifikationsstaat ergehen könnte. Dabei darf der Identifikationsstaat dem Steuerpflichtigen die Abwendung der Besteuerung im Identifikationsstaat durch formale Anforderungen nicht tatsächlich unmöglich machen. Zu klären ist daher, welchen Beweisgrad der Identifikationsstaat vom Steuerpflichtigen fordern darf. Parallel zum Nachweis des Vorsteuerabzuges darf er dabei nicht über das hinausgehen, was zur Sicherung der korrekten Besteuerung erforderlich ist.1608 Neben dem Beweismaß ist daher auch zu klären, welcher Umstand im Identifikationsstaat zu beweisen ist, mithin was unter Besteuerung des Erwerbs „im Einklang mit Art. 40“ zu verstehen ist. Dazu lohnt es nochmals kurz einige Punkte des Mechanismus des Art. 41 ­MwStSystRL herauszustellen. Die Doppelbesteuerung dient sowohl dazu, eine gänzliche Nichtbesteuerung des Erwerbs zu vermeiden als auch die Funktionsfähigkeit des Kontrollverfahrens, welches die Verwendung 1607 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates v. 15.03.2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. EU Nr. L 77v. 23.03.2011, S. 1. 1608 Vgl. u.a. EuGH, Urt. v. 14.07.1988 – C-123/87 und C-330/87 – Jeunehomme und EGI, ECLI:EU:C:1988:408, Rn. 17; v. 01.04.2004 – C-90/02 – Bockemühl, ECLI:​ EU:​ C:2004:206, Rn. 49; v. 21.04.2005 – C-25/03 – HE, ECLI:EU:C:2005:241, Rn. 80; v. 08.05.2008 – C-95/07 und C-96/07 – Ecotrade, ECLI:EU:C:2008:267, Rn. 46; v. 12.07.2012 – C-284/11 – EMS-Bulgaria Transport, ECLI:ECLI:EU:​ C:2012:458, Rn. 49; v. 08.05.2013 – C-271/12 – Petroma Transport, ECLI:EU:​ C:2013:297, Rn. 26 ff.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

von, vom Bestimmungsland ausgestellten Identifikationsnummern vo­ raussetzt, zu sichern. Die Kontrollierbarkeit gefährdet der Erwerber, der dem Lieferanten eine nicht vom Bestimmungsland erteilte Identifikationsnummer mitteilt. Denn der Lieferant wird nur diese in seine Zusammenfassende Meldung aufnehmen. An die Daten aus dieser Zusammenfassenden Meldung knüpft das Kontrollsystem MIAS an. Es drohen Steuerausfälle, weil das eigentlich besteuerungsberechtigte Bestimmungsland nichts von seinem Besteuerungsrecht erfährt.1609 Diese Gefahr verwirklicht sich daher erst, wenn der Lieferant die Identifikationsnummer aus dem Identifikationsstaat in seine Zusammenfassende Meldung aufnimmt und diese an die Finanzverwaltung übermittelt. Da sich der Fehler erst jetzt im MIAS fortsetzt und daher die Kontrollmöglichkeiten tatsächlich beeinträchtigt, stellt sich die Frage, ob erst mit Verwendung der Identifikationsnummer durch den Lieferanten ein Fall des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL vorliegt. Mithin ist zu klären, ob schon die Verwendung durch den Erwerber i.S.v. Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL die Verwendung durch den Lieferanten voraussetzt. Wäre das der Fall, so fiele der Steuerpflichtige, der dem Lieferanten zunächst eine nicht vom Bestimmungsland ausgestellte Identifikationsnummer mitteilt und nach Lieferung der Waren diese noch vor Abgabe der Zusammenfassenden Meldung durch den Lieferanten korrigiert, gar nicht unter die Regelung des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL. Denn er hätte eine vom Identifikationsstaat ausgestellte Identifikationsnummer tatsächlich nicht verwendet. Dem Erwerber wäre die Korrektur des Fehlers ohne die negativen Folgen des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL möglich. Liegt eine Verwendung bereits vorher vor, wäre dieser steuerpflichtige Erwerber bereits dem Regime des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL unterworfen. aa) Vorfrage: Der Begriff der Verwendung der Identifikationsnummer Der Begriff der Verwendung ist unionsrechtlich noch nicht geklärt.1610 Der Mechanismus des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL bietet aber genügend Anhaltspunkte, um den Begriff der Verwendung der Identifikationsnummer mit Inhalt zu füllen.

1609 S.o. ausführlich, Teil III B.VI.2.a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL. 1610 Der EuGH hatte die Möglichkeit diese Frage auf Vorlage des BFH in BFH, Beschl. v. 01.04.2009 – XI R 52/07, BStBl. II 2009, 563, zu entscheiden, in EuGH, Urt. v. 18.11.2010 – C-156/09 – Verigen Transplantation Service International, ECLI:EU:C:2010:695, Rn. 33, nicht ergriffen.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Nach der in Deutschland vorherrschenden Ansicht erfordert die Verwendung einer Identifikationsnummer durch den Erwerber stets die Verwendung durch den Lieferanten.1611 Überzeugender scheint es hingegen, dass ein Verwenden bereits dann vorliegt, wenn das Verhalten des Erwerbers die Gefahr, dass der Lieferant die Nummer in seine Zusammenfassende Meldung aufnimmt, schafft. Gegen die erste Ansicht spricht, dass sie nicht zwischen der vorwerf­ baren Schaffung eines Risikos und der – tatsächlichen – Verwirklichung dieses Risikos unterscheidet. Denn verwendet der Lieferant die Identifikationsnummer für die Anmeldung der korrespondierenden innergemeinschaftlichen Lieferung und nimmt sie in seine Zusammenfassende Meldung auf, hat sich das Risiko für die Kontrolle der Besteuerung bereits verwirklicht. Allein schon der Wortlaut des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL, der die Verwendung durch den Erwerber ohne Bezug zur Tätigkeit des Lieferanten erfordert, zeigt , dass bereits die Schaffung dieses Risikos Anlass zur Besteuerung im Identifikationsstaat geben soll. Hier lässt sich eine Parallele zur Steuerschuld einzig aufgrund des Steuerausweises gem. Art. 203 M ­ wStSystRL ziehen. In diesen Fällen droht der Steuerausfall aufgrund des Vorsteuerabzuges durch den Rechnungsempfänger. Dieses Risiko schafft der Rechnungsersteller bereits mit Ausstellung der Rechnung. Denn typischerweise nutzt der Rechnungsempfänger diese Rechnung auch zum Vorsteuerabzug. Zur Kompensation des potentiellen Ausfalls schuldet der Rechnungsersteller die Steuer unabhängig davon, ob sich das Risiko durch Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers tatsächlich verwirklicht.1612 Vergleichbar dazu sichert die Steuerschuld gem. Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL die Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland durch Schaffung einer Steuerschuld, ohne dass ein steuerbarer Erwerb im Identifikationsstaat tatsächlich vorliegt1613.1614 Zwar handelt es sich bei der Erwerbsbesteuerung im Identifikationsstaat nicht um eine Haftsumme wie im Falle des Art. 203 ­MwStSystRL. Denn ein Clear­ 1611 Marchal in Rau/Dürrwächter, § 3d (Jan.2016), Rn. 20; Sterzinger in Birkenfeld/ Wäger, USt-HdB, § 85 (Sep. 2014), Rn. 78. 1612 S.o. Teil II C.IV.3.b) Entfall der Gefährdung mit Zusendung einer korrigierten Rechnung; EuGH, Urt. v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:C:2000:469, Rn. 57, 61; v. 06.11.2003 – C‑78/02 bis C‑80/02 – Karageorgou u.a., Slg. 2003, I‑13295, Rn. 50, 53; v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, Rn. 28; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 14c (Jan. 2014), Rn. 14 f.; Wagner in Slöch/Ringleb, § 14c (Jul. 2013), Rn. 13. 1613 EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 41 f. 1614 EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 35.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

ing zwischen dem Bestimmungsland und dem Identifikationsstaat ist nicht vorgesehen und wäre angesichts der nicht voll harmonisierten Steuersätze auch nicht zielführend. Allerdings ist der Mechanismus der Reaktion auf die Aufkommensgefährdung vergleichbar. In beiden Fällen begegnet die ­MwStSystRL dem durch einen Fehler des Steuerpflichtigen drohenden Steuerausfall mit der Steuerschuld dieses Steuerpflichtigen. Zudem verfehlte das Erfordernis der Verwendung der Identifikationsnummer durch den Leistenden den Zweck des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL. Denn die korrekte Besteuerung im Bestimmungsland umfasst auch die Sicherung der Besteuerung im korrekten Zeitpunkt. Der mittels der Doppelbesteuerung aufgebaute Druck auf den Erwerber, die korrekte Besteuerung durchzuführen, entstünde in diesem Fall aber erst in Abhängigkeit vom Fristablauf zur Abgabe der Zusammenfassenden Meldung durch den Lieferanten. Die Sicherung der Besteuerung im korrekten Zeitraum wäre daher davon abhängig, ob der Lieferant seine Zusammenfassende Meldung noch vor Ablauf des Besteuerungszeitraums im Identifikationsstaat abzugeben hat. Zur Verdeutlichung soll folgendes Beispiel dienen: Ein in Deutschland registrierter Steuerpflichtiger, bei dem der Gesamtbetrag der jährlich erbrachten innergemeinschaftlichen Lieferungen 45.000,– € beträgt (Meldungszeitraum gem. Art. 263 Abs. 1a M ­ wStSystRL vierteljährig), liefert im Ja­ nuar 01 im Auftrag eines in Frankreich re­gistrierten Steuerpflichtigen (Gesamtjahresumsatz > 777.000.‑ €; daher einmonatiger Besteuerungszeitraum), der dabei seine französische Identifikationsnummer angibt, direkt nach Bulgarien (stets einmonatiger Besteuerungszeitraum).

Die Erwerbssteuer entsteht in Bulgarien mit Ablauf Januar 01. Mit der in Deutschland herrschenden Ansicht allerdings entsteht die Steuer in Frankreich nach Abgabe der Zusammenfassenden Meldung des Lieferanten in Deutschland. Damit entsteht die Steuer im Identifikationsstaat Frankreich erst im April 01. Erst ab diesem Zeitpunkt besteht daher der Druck auf den Erwerber, die Besteuerung im Bestimmungsland vorzunehmen. Nimmt man hingegen an, dass eine Verwendung der Identifikationsnummer bereits dann vorliegt, wenn der Erwerb erfolgt, tritt der Steuertatbestand im Identifikationsstaat zeitgleich mit dem Tatbestand im Bestimmungsland ein. Auch unabhängig von diesen Friktionen erscheint es dogmatisch fraglich, ob gem. der Ortsbestimmungsregel des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL die parallele Steuerbarkeit erst in zeitlicher Abhängigkeit von der Abgabe der Voranmeldung des Lieferanten eintreten soll. Denn damit wird faktisch der Eintritt des Erwerbstatbestandes im Identifikationsstaat beeinflusst. Der Eintritt des Erwerbstatbestandes bestimmt sich einzig 401

Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

nach Art. 68 ­MwStSystRL; eine Ausnahmeregelung für Fälle des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL existiert nicht. Auch Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL ist eine Aussage zum Eintritt des Erwerbstatbestandes nur in genereller, nicht in zeitlicher Hinsicht zu entnehmen. Er beschränkt sich, ausgehend von seiner systematischen Stellung im mit „Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs“ überschriebenen Titel V Kapitel 2 der ­MwStSystRL auf die Ortsbestimmung. Es muss daher genügen, dass das Verhalten des Erwerbers die Gefahr, dass der Lieferant die Nummer in seine Zusammenfassende Meldung aufnimmt, schafft. Demnach verwendet der Erwerber eine Identifikationsnummer, wenn er unter auch nur mittelbarem Bezug auf diese gegenüber dem Lieferanten auftritt. Ausreichend ist daher, dass diese z.B. auf seinen Briefkopf abgedruckt ist. Unerheblich ist, ob er bewusst auf diese Bezug nimmt. Denn der Lieferant hat zur Sicherung seiner Steuerbefreiung gem. Art. 138 Abs. 1 M ­ wStSystRL ein eigenes Interesse an der Identifikationsnummer.1615 Daher muss der Erwerber damit rechnen, dass er eine im Rahmen des geschäftlichen Kontaktes mit dem Erwerber zu seiner Kenntnis gelangte Identifikationsnummer auch verwenden wird. Anderes gilt nur, wenn eine ausdrückliche Vereinbarung zur Verwendung einer Identifikationsnummer besteht; dann tritt der Erwerber auch nur unter dieser auf.1616 Verwendet wurde die Identifikationsnummer daher bereits, wenn der Erwerb durch Verschaffung der Verfügungsmacht unter Bezug auf die jeweilige Identifikationsnummer erfolgt ist. Auf die Verwendung durch den Lieferanten in dessen Zusammenfassender Meldung kommt es für die Anwendung des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL daher nicht an. bb) Unionsrechtliche Interpretation der Tatbestandsvoraussetzungen – Der Begriff des Nachweises und der Besteuerung „im Einklang mit Artikel 40“ M ­ wStSystRL Mit Eintritt des Erwerbstatbestandes im Bestimmungsland ist der Er­ werber daher grundsätzlich auch der Besteuerung gem. Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL unterworfen. Von diesem Zeitpunkt an muss der Steuerpflichtige, will er eine Doppelbesteuerung vermeiden, noch vor Ende des Besteuerungszeitraumes im Identifikationsstaat nachweisen, dass der Erwerb „im Einklang mit Art. 40“ M ­ wStSystRL besteuert worden ist. 1615 U.a. Birkenfeld, DStZ 1993, 263 (265). 1616 So wohl auch Martin in Sölch/Ringleb, § 3d (Sep. 2015), Rn. 6.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

Zu klären ist daher, wie diese Voraussetzung auszulegen ist, mithin, was Gegenstand und Beweismaß des Nachweises i.S.v. Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL ist. (1) Ausgangspunkt: Unionsrechtswidrige Auslegung der Besteuerung als Anmeldung Das Problem erschließt sich angesichts des recht klaren Wortlautes erst vor dem Hintergrund des Neutralitätsgrundsatzes und dem Zweck des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL. Würde – mit der in Deutschland herrschenden Ansicht –1617 tatsächlich der Nachweis gefordert, dass der Erwerb im Bestimmungsland tatsächlich angemeldet wurde, wäre dem Erwerber die Führung des Nachweises erst nach dem Ende des Besteuerungszeitraumes im Bestimmungsland möglich.1618 Endete der Besteuerungszeitraum im Identifikationsstaat vor dem im Bestimmungsland, könnte der Erwerber den Nachweis faktisch nicht führen. Tatsächlich wird der Besteuerungszeitraum im Identifikationsstaat regelmäßig kürzer als im Bestimmungsland sein. Denn die meisten Mitgliedstaaten machen von ihrem Recht, die Dauer der Besteuerungszeiträume gem. Art. 252 Abs. 2 M ­ wStSystRL zu bestimmen, insofern Gebrauch, als mit steigendem Umsatzvolumen der Besteuerungszeitraum verkürzt wird.1619 Der Steuerpflichtige wird im Identifikationsstaat insgesamt in der Summe meist höhere Umsätze verwirklichen, als im Bestimmungsland. Das gilt umso mehr, wenn er in letzterem

1617 Seit 17.12.2012 Abschn. 3d.1. Abs. 2 Satz 1 UStAE; Grünwald in Hartmann/­ Metzenmacher, § 3d (Mär. 2006), Rn. 37; Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, § 3d (Sep. 2011), Rn. 17; Sterzinger in Birkenfeld/Wäger, USt-HdB, § 85 (Sep. 2014), Rn. 90. 1618 Vgl. o. Teil III B.VI.2.c)bb)(2) Gegenstand des Nachweises. 1619 Als Beispiel seien hier genannt: – Österreich, wo gem. § 21 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 ab einem Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr von über 100.000.‑ € der Besteuerungszeitraum ein Monat, ansonsten jedoch ein viertel Jahr beträgt. – Deutschland, wo der Voranmeldungszeitraum gem. § 18 Abs. 2 Satz 2 UStG dann einen Monat beträgt, wenn der im vorangegangenen Kalenderjahr entstandene Steuerbetrag 7500.‑ € übersteigt, ansonsten gem. § 18 Abs. 2 Satz 1 UStG ein viertel Jahr. – Vereinigtes Königreich, wo der Voranmeldungszeitraum grundsätzlich gem. Value Added Tax Regulation 25 (1) drei Monate umfasst, aber gem. Value Add­ ed Tax Regulation 52 nach Ermessen der HMRC auf ein Jahr verlängert werden kann, wenn der Jahresgesamt-Umsatz 1.350.000.‑ £ nicht übersteigt. Allerdings können die HMRC gem. Value Added Tax Regulation 25 (1) (a) den Voranmeldungszeitraum auch auf einen Monat verkürzen.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

noch nicht registriert war, also seine wirtschaftliche Tätigkeit dort erst aufnimmt. Damit hinge die Möglichkeit, die Doppelbesteuerung gem. Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL zu vermeiden, letztlich vom Zufall ab und würde tatsächlich kaum zur Anwendung kommen. Zudem käme es zu Ergebnissen, welche dem Zweck des Art. 41 ­MwStSystRL, nämlich den Erwerber zu einer korrekten Versteuerung seiner Erwerbe anzuhalten,1620 im Widerspruch stünden. So findet Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL Anwendung, wenn der Erwerber seine Fehler erst erkennt, nachdem die Steuer im Identifikationsstaat entstanden war und in der Folge den Erwerb erst zu spät im Bestimmungsland anmeldet. Dem Erwerber ist die Korrektur der Bemessungsgrundlage, nach der hier vertretenen Ansicht, im Identifikationsstaat dann mit Wirkung für denjenigen Besteuerungszeitraum zu gewähren, in dem der Erwerb im Bestimmungsland besteuert wurde.1621 Meldet der Erwerber hingegen den Erwerb noch für den Besteuerungszeitraum der Steuerentstehung im Bestimmungsland an, steht ihm grundsätzlich die Privilegierung des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL offen. Dennoch verbliebe ihm, allein aufgrund der Nachweisanforderungen, eine Doppelbelastung. Die Korrektur der Bemessungsgrundlage müsste dann ebenfalls für den Besteuerungszeitraum der Anmeldung im Bestimmungsland erfolgen. Es macht keinen Unterscheid, ob der Erwerb unmittelbar angemeldet wird und damit der Fehler tatsächlich keine fiskalischen Konsequenzen zeitigt oder erst später. Die Privilegierung des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL, der zufolge der Erwerber bei zeitnaher Korrektur seines Fehlers eine Doppelbesteuerung gänzlich vermeiden kann, liefe faktisch leer. Da der Zweck des Art. 41 M ­ wStSystRL lediglich die Sicherung der Besteuerung im Bestimmungsland ist, und dieser – jedenfalls –1622 mit der Anmeldung des Erwerbs im Bestimmungsland erreicht ist, ist eine Doppelbesteuerung im Fall der Anmeldung im Bestimmungsland für den Zeitraum bis zu der Entstehung der Erwerbssteuer im Bestimmungsland nicht mehr erforderlich. Insofern gelten die Ausführungen zu Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL1623 entsprechend. 1620 EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 44; sieh zudem oben Teil III B.VI.2.a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL. 1621 S.o. Teil III B.VI.2.d) Konsequenz – Besteuerung im Bestimmungsland bestimmt Korrekturzeitpunkt. 1622 Siehe zu dem tatsächlich erforderlichen Grad der Sicherung im Bestimmungsland sogleich Teil III B.VI.4.b)bb)(3) Teleologische Reduktion des Begriffs der Besteuerung „im Einklang mit Artikel 40“ ­MwStSystRL. 1623 S.o. Teil III B.VI.2.b) Erforderlichkeit der Einschränkung des Neutralitätsgrundsatzes.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

Die strikte Auslegung des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL, demzufolge der Nachweis der Besteuerung i.S. einer Anmeldung gefordert wird, beschränkt damit die Neutralität der Besteuerung in nicht erforderlicher Weise. (2) Untauglichkeit der Auslegung des Begriffs des Nachweises – ­Verringerung des Beweismaßes Vereinzelt wird, um den Nachweisschwierigkeiten des Erwerbes zu begegnen, und dem Erwerber die Vermeidung der Doppelbesteuerung gem. Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL zu ermöglichen, vorgeschlagen, das Beweismaß zu verringern. Dieser Ansatz setzt daher am Begriff des Nachweises i.S.v. Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL an. Diesen Ansatz verfolgte, im Anschluss an die Entscheidung des EuGH in den verbundenen Rechtssachen C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV1624 und die Folgeentscheidungen des BFH1625, die deutsche Finanzverwaltung in einer Übergangsregelung. Der zufolge sollte für Umsätze, welche bis zum 31.12.2011 ausgeführt wurden, für die Korrektur der Bemessungsgrundlage ausreichen, wenn der Erwerber die Besteuerung im Bestimmungsland glaubhaft macht.1626 In der Literatur wird vertreten, diesen Ansatz auch nach dem 31.12.2011 weiter zu verfolgen.1627 Die Glaubhaftmachung erforderte nicht, dass die Besteuerung im Bestimmungsland zur vollen Überzeugung der Finanzbehörden bewiesen wurde. Ausreichend ist hingegen, dass deren überwiegende Wahrscheinlichkeit dargelegt wurde.1628 Damit löst dieser Ansatz aber nicht das hier herausgearbeitete Problem bei der Anwendung des Art. 41 ­MwStSystRL. Denn unabhängig vom Beweismaß setzt auch dieser Ansatz eine bereits erfolgte Besteuerung im Bestimmungsland voraus. 1624 EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217. 1625 BFH, Urt. v. 01.09.2010 – V R 39/08, BStBl. II 2011, 658; v. 08.09.2010 – XI R 40/08, BStBl. II 2011, 661. 1626 BMF v. 07.07.2011 – IV D 2-S 7300-b/09/10001, BStBl. I 2011, 739. 1627 Korf in Hartmann/Metzenmacher, § 17 (Aug. 2012), Rn. 259. 1628 Vgl. u.a. zum Begriff der Glaubhaftmachung BFH, Beschl. v. 23.10. 2002 – IX R 24/01 , BFH/NV 2003, 198 (198 f., II.2.a); Brandis in Tipke/Kruse, § 56 FGO (Mai 2014), Rn. 19; Korf in Hartmann/Metzenmacher, § 17 (Aug. 2012), Rn. 260 f.; Seer in Tipke/Kruse, § 96 FGO (Okt. 2011), Rn. 75; aus zivilprozessrechtlicher Sicht, Scherer, Das Beweismaß bei der Glaubhaftmachung, S. 19 ff.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

(3) Teleologische Reduktion des Begriffs der Besteuerung „im Einklang mit Artikel 40“ M ­ wStSystRL Eine unionsrechtskonforme Interpretation des Art. 41 M ­ wStSystRL muss daher an dem Tatbestandsmerkmal der Besteuerung „im Einklang mit Artikel 40“ M ­ wStSystRL festmachen. Die Anmeldung als Vorstufe der tatsächlichen Besteuerung markiert dabei bereits die Grenze, was im Wortsinne unter den Begriff der Besteuerung zu fassen ist. Daher scheitert nach in Deutschland herrschender Methodenlehre1629 eine Auslegung. Eine Lösung müsste mit den Mitteln der Rechtsfortbildung erreicht werden.1630 Sofern der Zweck des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL nicht die Anmeldung des Erwerbs im Bestimmungsland erfordert, wäre daher nach deutschem Verständnis eine teleologische Reduktion als Variante der Rechtsfortbildung1631 möglich. Der EuGH hingegen differenziert nicht derart trennscharf nach dem Kriterium der Wortlautgrenze, sondern fasst auch eine Rechtsfortbildung nach deutschem Verständnis, wie auch die Auslegung unter den Begriff der „Interpretation“ nach französischem Vorbild.1632, 1633 Unabhängig vom Streit über den methodischen Ansatz ist aber mittlerweile anerkannt, dass auch der EuGH die Befugnis zur Rechtsfortbildung nach deutschem

1629 U.a. Bydlinski, Methodenlehre, S. 467 ff.; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 19 ff.; Hassold in 2. FS Larenz, S. 211 (218); Klatt, Theorie der Wortlautgrenze, S. 19 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 322; ders. FS Henkel, S. 31 (32); Neuner, Die Rechtsfindung contra legem, S. 90 ff.; Schmidt, JZ 2009, 10 (12); Schünemann in FS Klug, S. 169 (180); Zippelius in 2. FS Larenz, S. 739 (743); A.A. Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 42 ff.; Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 221 ff.; Leenen, Typus und Rechts­ findung, S. 173; Pawlowski, ZRph 2005, 89 (91 f.); Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 3734 ff. 1630 Bydlinski, Methodenlehre, S. 472 ff.; Drüen in Tipke/Kruse, § 4 AO (Okt. 2011), Rn. 344 ff.; Englisch in Tipke/Lang, § 5, Rn. 74; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 366 ff.; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 204 ff. 1631 Englisch in Tipke/Lang, § 5, Rn. 85. 1632 Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 503; Schroeder in FS Roth, S. 735 (739); Vogenauer, Die Auslegung von Gesetzen, S. 394 ff.; Walter, Rechtsfortbildung durch den EuGH, S. 55 ff. 1633 Beispielhaft ist hierfür die Auslegung in EuGH, Urt. v. 22.12.2010 – C- 438/09 – Dankovski, ECLI:EU:C:2010:818, Rn. 30. Der zufolge ist das Rechnungserfordernis gem. Art. 226 Nr. 3 M ­ wStSystRL, welches ausdrücklich die Angabe einer gem. Art. 214 ­MwStSystRL ausgestellten Identifikationsnummer erfordert, auch dann erfüllt ist, wenn die Rechnung eine nationale Steuernummer ausweist. Siehe dazu bereits oben Teil III A.III Die Qualifikation des Fehlers – die Rechtsnatur des Rechnungserfordernisses.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

Verständnis hat.1634 Da die deutsche Methodik mittels ihrer begrifflichen Klarheit1635 eine deutlichere Darstellung erlaubt, soll hier die deutsche Terminologie verwandt werden. Ziel der teleologischen Reduktion muss sein, die Durchführung der Besteuerung im Bestimmungsland zu sichern, ohne dem Erwerber die tatsächliche Möglichkeit der Vermeidung der Besteuerung im Identifikationsstaat zu verwehren. Gegenstand des Nachweises kann somit nur ein Umstand sein, den der Erwerber unabhängig von der Erklärung des Erwerbs nachweisen kann und der zugleich aber hinreichend sicherstellt, dass der Erwerb im Bestimmungsland besteuert wird. Dieser Umstand ist die nachweisbare Aufdeckung der Verwendung einer nicht vom Bestimmungsland ausgestellten Identifikationsnummer gegenüber dem Lieferanten und die, sofern vorhanden, Übermittlung einer vom Bestimmungsland ausgestellten Identifikationsnummer durch den Erwerber an den Lieferanten. Dem liegt die folgende Überlegung zugrunde. Setzt der Erwerber den Lieferanten in Kenntnis, dass er eine nicht vom Bestimmungsland ausgestellte Identifikationsnummer verwendet hat, und die innergemeinschaftliche Lieferung unter der nunmehr genannten Identifikationsnummer erfolgen soll, stellt er klar, dass er erstere nicht mehr für den Erwerb verwenden möchte. Hat der Lieferant seine Zusammenfassende Meldung noch nicht abgegeben, wird er nicht mehr die vom Identifikationsstaat ausgestellte Identifikationsnummer aufnehmen. Vielmehr wird er die vom Bestimmungsland ausgestellte Identifikationsnummer melden. Damit verwirklicht sich im ersteren Fall das vom Erwerber geschaffene Risiko nicht; das Bestimmungsland kennt sein Besteuerungsrecht.1636 Hat der Lieferant die Zusammenfassende Meldung bereits abgegeben, hat er diese gem. Art. 264 Abs. 1 Buchst. b ­MwStSystRL 1634 Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, S. 509 f., mit weiteren umfangreichen Nachweisen auch zu den einzelnen vertretenen Begründungsansätzen; zur generellen Möglichkeit und Praxis des EuGH das Sekundärrecht auch über den Wortlaut hinaus auszulegen bereits EuGH, Urt. v. 06.07.1977 – C-6/77 – Schouten, Slg. 1977, 1291, Rn. 8/12; v. 01.04.1993 – C-136/91 – Findling Wälzlager, ECLI:­ EU:C:1993:133, Rn. 11 ff.; Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, S. 514 ff. 1635 Am Fehlen methodischer Klarheit macht die herrschende Meinung in Deutschland fest; hierzu u.a. Klatt, Theorie der Wortlautgrenze, S. 26; Riesenhuber, ERCL 2010, 384 (395 ff.); Walter, Rechtsfortbildung durch den EuGH, S. 58 ff. 1636 S.o. Teil III B.VI.4.b)aa) Vorfrage: Der Begriff der Verwendung der Identifikationsnummer.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

insofern zu korrigieren. Die Untauglichkeit des MIAS zur Kontrolle der Erwerbsbesteuerung wird geheilt. Nunmehr erhält das Bestimmungsland Kenntnis von seinem Besteuerungsrecht.1637 Damit ist aber nicht sichergestellt, dass der Erwerb im Bestimmungsland tatsächlich der Besteuerung unterworfen worden ist. Offen ist, ob der Erwerb angemeldet, und erst recht, ob ggf. Steuer abgeführt wurde. Die damit allein erreichte Wahrscheinlichkeit der Meldung des korrespondierenden innergemeinschaftlichen Erwerbs lässt sich nicht unter den Wortsinn „… besteuert worden ist …“ fassen. Der Wortlaut des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL steht daher diesem Ansatz entgegen. An diesem Punkt ist daher die teleologische Reduktion der Anforderung, „dass dieser Erwerb im Einklang mit Artikel 40 besteuert worden ist“ vorzunehmen. Voraussetzung ist dabei, dass der Zweck des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL, auch wenn die Besteuerung nicht sicher ist, erreicht wird. Tatsächlich erfordert der Zweck des Art. 41 ­MwStSystRL diese Sicherheit nicht. Denn dieser sichert die Besteuerung im Bestimmungsland nur mittelbar durch die Förderung der Kontrollmöglichkeiten i.R.d. MIAS.1638 Dass Art. 41 M ­ wStSystRL im Falle der – korrigierten – Verwendung einer nicht vom Bestimmungsland ausgestellten Identifikationsnummer eine höhere Sicherheit der Besteuerung im Bestimmungsland, als bei anfänglicher Verwendung einer korrekten Identifikationsnummer garantieren soll, ist der Norm nicht zu entnehmen. Ist daher die so vermittelte Sicherung der Besteuerung entsprechend dem Bestimmungslandprinzips in gleichem Maße hergestellt, als sie auch im Fall der ursprünglichen Verwendung einer vom Bestimmungsland ausgestellten Identifikationsnummer bestanden hätte, ist dem Zweck des Art. 41 ­MwStSystRL genüge getan. Da die Kontrollmöglichkeit durch das MIAS wieder hergestellt ist und sich der Erwerber wissentlich der Kontrolle im Bestimmungsland aussetzt, besteht daher kein Bedarf mehr für eine Doppelbesteuerung.1639 1637 EuGH, Urt. v. 06.04.2006 – C-245/04 – EMAG Handel Eder OHG, ECLI:EU:C:​ 2006:232, Rn. 26 ff.; v. 27.09.2007 – C‑409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 21 ff., 24; EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 30; BFH, Beschl. v. 10.11.2010 – XI R 11/09, BStBl. II 2011, 237 (240). 1638 S.o. Teil III B.VI.2.a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL. 1639 Diesen Ansatz verfolgt auch die deutsche Finanzverwaltung – ihr folgend Frye in Rau/Dürrwächter, § 6a (Jul. 2014), Rn. 763 – in Abschn. 6a.1. Abs. 18 UStAE, wenn auch nicht ausdrücklich für den Fall des Art. 41 Art. 2 M ­ wStSystRL. Gem. Abschn. 6a.1. Abs. 18 UStAE ist die Voraussetzung des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

Diese wäre dann nicht mehr erforderlich und damit rechtswidrig. Auch hier lässt sich, wie schon beim Begriff der „Verwendung“ einer Identifikationsnummer1640, die Parallele zum Fall der Steuerschuld gem. Art. 203 MwStSystRL ziehen. Dort reicht es nach unrichtigem Steuerausweis ­ aus, dass der Rechnungsersteller objektiv nachweisbar1641 dem Rechnungsempfänger eine korrigierte Rechnung zugesandt hat.1642 Für die Korrektur der Steuer ist es daher ausreichend, dass der Rechnungsersteller das durch ihn geschaffene Risiko – einen unberechtigten Vorsteuerabzug durch den auf die Rechnung vertrauenden Rechnungsempfänger – für das Steueraufkommen beseitigt hat.1643 Gleiches leistet der Erwerber, wenn er den Lieferanten von seinem Fehler unterrichtet. Damit hat der Erwerber alles ihm Mögliche getan, um seinen Fehler zu korrigieren. Zugleich hat er die Gefährdung der Funktionsfähigkeit des MIAS im vom ihm zu verantwortenden Rahmen und damit auch die mittelbare Gefährdung des Steueraufkommens ausgeräumt. Ist dem Erwerber, wie in den Fällen des Art. 203 ­MwStSystRL, nur eine Korrektur des Fehlers im ihm möglichen Rahmen zumutbar, spricht dies dafür, eine Korrektur der Identifikationsnummer gegenüber dem Lieferanten, unabhängig davon, wie der Lieferant weiter verfährt, ausreichen zu lassen. So ist im Falle des Art. 203 ­MwStSystRL unbeachtlich, ob der bösgläubige Rechnungsempfänger den Vorsteuerabzug korrigiert oder nicht bzw. UStG – demzufolge setzt die Qualifikation als eine gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfreie innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Umsatz auf Seiten des Erwerbers der Erwerbsbesteuerung unterliegt – bereits erfüllt ist, wenn der Abnehmer gegenüber dem liefernden Unternehmer mit einer ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Identifikationsnummer auftritt. Denn damit gebe der Abnehmer zu erkennen, dass er den Gegenstand steuerfrei erwerben will, weil der Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat den dortigen Besteuerungsvorschriften unterliegt. Wie im Falle der Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung geht es auch in den Fällen des Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL um die Sicherstellung der Besteuerung gem. des Bestimmungslandprinzips, durch Aufgabe des Besteuerungsrechtes des einen Mitgliedstaates, zugunsten der Erwerbsbesteuerung durch einen anderen. Warum also die Voraussetzungen, ab wann eine Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland vorliegt, in den Fällen des Art. 138 ­MwStSystRL bzw. § 6a UStG und dem Fall des Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL anders sein soll, ist nicht ersichtlich. 1640 S.o. Teil III B.VI.4.b)aa) Vorfrage: Der Begriff der Verwendung der Identifikationsnummer. 1641 EuGH, Urt. v. 26.01.2012 – C-588/10 – Kraft Foods Polska, ECLI:EU:C:2012:40, Rn. 41. 1642 EuGH, Urt. v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, Rn. 51. 1643 Vgl. o. Teil II C.IV.3.b) Entfall der Gefährdung mit Zusendung einer korrigierten Rechnung.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

ihn gar nicht erst ausübt.1644 Ausreichend ist, dass der Rechnungsempfänger weiß, dass er tatsächlich nicht in dem Umfang, welchen die ursprüngliche Rechnung nahelegte, zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.1645 Das Risiko, dass sich der Rechnungsempfänger bewusst rechtswidrig verhält,kann demnach dem Rechnungsaussteller nicht aufgebürdet werden.1646, 1647 Gleiches gilt im Falle des Art. 41 M ­ wStSystRL. Die Lokalisation des Erwerbs auch im Identifikationsstaat begegnet dem Risiko, dass sich der Fehler des einen Steuerpflichtigen im Handeln des anderen Steuerpflichtigen niederschlägt und dadurch das Steueraufkommen, weil nicht durch das Bestimmungsland nachvollziehbar, gefährdet wird.1648 Anstelle des Vorsteuerabzuges durch den Rechnungsempfänger tritt dabei die Meldung einer Identifikationsnummer, die zur Kontrolle der Besteuerung im Bestimmungsland nicht taugt. Davon, ob der Lieferant seine Pflicht1649 zur korrekten Meldung der Identifikationsnummer erfüllt, kann die Anwendung der dem Erwerber günstige Verhinderung der Doppelbesteuerung daher nicht abhängig gemacht werden. Diesen Nachweis kann der Erwerber unabhängig von der Steuerverwaltung im Bestimmungsland und vom Lieferanten erbringen. Es bietet sich hierfür insbesondere entsprechende Korrespondenz, aus der hervorgeht, dass der Lieferant auch tatsächlich die Nachricht erhalten hat, an. Zu diesem Zwecke überschießend und daher in jedem Fall ausreichend wäre eine, in Bezug auf die Identifikationsnummer als solch erkennbare, Korrekturrechnung durch den Lieferanten. 1644 Anders im Falle des unberechtigten Steuerausweises § 14c Abs. 2 Satz 3 f. UStG, welcher insofern aber hinter den Vorgaben des Unionsrechts aus EuGH, Urt. v. 13.12.1989 – C-342/87 – Genius Holding, ECLI:EU:C:1989:635, Rn. 18; v. 19.09.2000 – C-454/98 – Schmeink & Cofreth und Strobel, ECLI:EU:C:2000:469, Rn. 56; v. 06.11.2003 – C-78/02 bis C-80/02 – Karageorgou u.a., Slg. 2003, I-13295, Rn. 50; v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, Rn. 36, wonach auch im Falle des unberechtigten Steuerausweises die Steuer unabhängig von einem Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers zurückzugewähren ist, sofern der Rechnungsersteller bei Rechnungserstellung gutgläubig war, zurückbleibt. Hierzu Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 301. 1645 EuGH, Urt. v. 18.06.2009 – C-566/07 – Stadeco, ECLI:EU:C:2009:380, Rn. 42. 1646 Vgl. Englisch, UR 2011, 488 (493); Wagner in Sölch/Ringleb, § 14c (Sep. 2011), Rn. 106; ders., StuW 1993, 260 (264 f.). 1647 Vgl. o. Teil II C.IV.3.b) Entfall der Gefährdung mit Zusendung einer korrigierten Rechnung. 1648 S.o. Teil III B.VI.2.a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL. 1649 Siehe zur diesbezüglichen Verpflichtung des Lieferanten, GA Cruz Villalón, Schlussantrag v. 21.06.2012 – C-587/10 – VStR, ECLI:EU:C:2012:369, Rn. 54.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

Zudem kann der Nachweis unmittelbar im Anschluss an die Nachricht an den Lieferanten geführt werden. Damit wird durch diese Auslegung dem Erwerber die Inanspruchnahme der Privilegierung des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL tatsächlich möglich und zugleich das verhältnismäßigerweise zu fordernde Maß an Sicherung der korrekten Besteuerung erreicht. Diese Lösung erfüllt daher alle zuvor definierten Anforderungen. c) Zwischenfazit Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL ist daher so auszulegen, dass der Erwerb dann nicht als im Identifikationsstaat gelegen gilt, wenn der Erwerber bis zum Ablauf des Besteuerungszeitraumes im Identifikationsstaat nachweist, dass er dem Lieferanten gegenüber klargestellt hat, dass die ursprünglich verwandte Identifikationsnummer nicht vom Bestimmungsland ausgestellt wurde. 5. Ausstrahlung der teleologischen Reduktion des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL auf Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL Im Rahmen von Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL markiert die Besteuerung gem. Art. 40 ­MwStSystRL denjenigen Besteuerungszeitraum, für den die Besteuerung im Identifikationsstaat durch Minderung der Bemessungsgrundlage zu neutralisieren ist.1650 Die Notwendigkeit dieser Feststellung ergab sich daraus, dass die Finanzbehörden im Identifikationsstaat die Minderung der Bemessungsgrundlage im Steuerverwaltungsverfahren erst dann akzeptieren werden, wenn der insofern beweisbelastete1651 Erwerber den entsprechenden Nachweis führt. Tatsächlich werden die Finanzbehörden daher erst mit Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland die Minderung der Bemessungsgrundlage zulassen.1652 Fordert man tatsächlich den Nachweis der Anmeldung, kann der Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland regelmäßig erst erbracht werden, wenn der entsprechende Besteuerungszeitraum im Identifikationsstaat bereits abgelaufen ist. Eine rück1650 S.o. Teil III B.VI.2.d) Konsequenz – Besteuerung im Bestimmungsland bestimmt Korrekturzeitpunkt. 1651 EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 37; vgl. auch v. 27.09.2007 – C‑184/05 – Twoh Inter­ national, ECLI:EU:C:2007:550, Rn. 34. 1652 S.o. Teil III B.VI.2.b) Erforderlichkeit der Einschränkung des Neutralitätsgrundsatzes.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

wirkende Minderung der Bemessungsgrundlage ist dann zwingend. Der Grund dafür ist, dass konstruktiv die zu neutralisierende Belastung deren Nachweis vorgeht. Nimmt man aber mit dem hier gefundenen Ergebnis an,1653 dass der Begriff der Besteuerung gem. Art. 40 M ­ wStSystRL nur die Korrektur der Identifikationsnummer gegenüber dem Lieferanten erfordert, entschärft sich diese Problematik weitgehend. So kann der Erwerber den diesbezüglichen Nachweis unabhängig von Dritten nahezu simultan zur Korrektur führen. Den Finanzbehörden gegenüber ist es deutlich einfacher darzulegen, dass die Voraussetzung der Entlastung eingetreten ist. Damit ist die hier angebotene Lösung auch im Steuerverwaltungsverfahren praktikabel umsetzbar. 6. Fazit: Die unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 41 ­MwStSystRL Die vorstehende Untersuchung legt daher folgendes Verständnis des Art. 41 M ­ wStSystRL nahe. Ein steuerpflichtiger Unternehmer verwendet eine Identifikationsnummer bereits dann, wenn der Erwerb durch Verschaffung der Verfügungsmacht unter Bezug auf die jeweilige Identifikationsnummer erfolgt ist. War die so verwandte Identifikationsnummer nicht vom Bestimmungsland ausgestellt, muss der Erwerber, um die Besteuerung im Identifikationsstaat zu verhindern, folgendermaßen verfahren. Er muss gegenüber dem Lieferanten offengelegen, dass die verwandte Identifikationsnummer nicht vom Bestimmungsland ausgestellt wurde und daher nicht für den Erwerb verwendet werden soll. Diesen Umstand hat der dann bis zum Ablauf des Besteuerungszeitraumes im Bestimmungsland nachweisen. Gelingt dem Erwerber dieser Nachweis nicht rechtzeitig kommt es auf den Nachweis für die Wirkung der Korrektur nicht mehr an. Der Besteuerungszeitraum für den die Korrektur bestimmt sich dann einzig nach dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber gegenüber dem Lieferanten offengelegt hat, dass die verwandte Identifikationsnummer nicht vom Bestimmungsland ausgestellt wurde und daher nicht für den Erwerb verwendet werden soll.

1653 S.o. Teil III B.VI.4.b)bb)(3) Teleologische Reduktion des Begriffs der Besteuerung „im Einklang mit Artikel 40“ M ­ wStSystRL.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

VII. Umsetzungsvorgaben für das deutsche Recht Für die Würdigung der deutschen Rechtslage ist zwischen der Regelung des § 3d Satz 2 UStG und derjenigen des § 17 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 UStG zu differenzieren. 1. Die Umsetzung des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL – § 3d Satz 2 UStG Die Regelung des § 3d Satz 2 UStG entspricht dem Wortlaut nach dem Unionsrecht. Sie setzt Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL insofern korrekt um. a) Richtlinienkonforme Auslegung des Erfordernisses der „­Verwendung“ Die in Deutschland vorherrschende Auslegung,1654 der zufolge der Erwerber eine Identifikationsnummer erst dann verwendet, wenn sie der Lieferant für seine Zusammenfassende Meldung und/oder Voranmeldung verwendet, greift zugunsten des Erwerbers zu kurz. In richtlinienkonformer1655 Auslegung ist daher das Erfordernis der Verwendung einer Identifikationsnummer bereits dann erfüllt, wenn dem Erwerber unter Bezug auf die jeweilige Identifikationsnummer Verfügungsmacht am Erwerbsgegenstand verschafft wurde. b) Überschießender Wortlaut parallel zum Sekundärrecht Als Konsequenz zur – wörtlich korrekten – Umsetzung geht der Wortlaut der Regelung, sofern der Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland zur Voraussetzung der Abwendung der Besteuerung in Deutschland als Identifikationsstaat gemacht wird, ebenfalls zu weit. Diesem Defizit ist im Rahmen des nationalen Methodenkatalogs – der Auslegungsmethoden1656 wie auch der Methoden der Rechtsfortbildung1657 – zu begeg-

1654 Sterzinger in Birkenfeld/Wäger, USt-HdB, § 85 (Sep. 2014), Rn. 78; Marchal in Rau/Dürrwächter, § 3d (Jan. 2016), Rn. 20. 1655 Siehe zu den unionsrechtlichen Anforderungen oben Teil III B.VI.4.b)aa) Vorfrage: Der Begriff der Verwendung der Identifikationsnummer. 1656 EuGH, Urt. v. 05.07.2007 – C-321/05 – Kofoed, Slg. 2007, I-5795, Rn. 45; v. 15.04.2008 – C-268/06 – Impact, Slg. 2008, I-2483, Rn. 101 f.; v. 05.10.2004 – C-397/01 bis C-403/01 – Pfeiffer u.a., Slg. 2004, I‑8835, Rn. 115 f., 118 f.; v. 10,03.2011 – C-109/09 – Deutsche Lufthansa, Slg. 2011, I-1309, Rn. 54 f. 1657 BFH, Urt. v. 08.09.2010 – XI R 40/08, BStBl. II 2011, 661; BGH, Urt. v. 26.11.2008 – VIII ZR 200/05, NJW 2009, 427 m.w.N.; BAG, Urt. v. 24.03.2009 – 9 AZR 983/07, BAGE 130, 119; Canaris in FS Bydlinski, S. 47 (91);

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

nen.1658 Zu einer Rechtsanwendung contra legem zwingt die unionsrechtliche Bindung nicht.1659 c) Methodische Möglichkeiten Eine unionsrechtskonforme Auslegung, der zufolge die tatsächliche Besteuerung im Bestimmungsland nicht erforderlich ist, ginge über die Grenzen des Wortlauts, der ausdrücklich die Besteuerung im Bestimmungsland gem. § 3d Satz 1 UStG fordert, hinaus. Der in Deutschland unternommene Versuch1660 mittels einer Auslegung des Begriffs der „Besteuerung gem. § 3d Satz 1 UStG“ kann daher methodisch bedingt einen unionsrechtskonformen Regelungszustand nicht erreichen. Es bedarf daher auch auf nationaler Ebene einer Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion. Diese ist dann möglich, wenn der Gesetzeswortlaut Fälle umfasst, welche der Gesetzgeber ausweislich seiner legislativen Motivation nicht der Regelung unterwerfen wollte.1661 d) Teleologische Reduktion des § 3d Satz 2 UStG § 3d Satz 2 UStG ordnet die Lokalisation des Erwerbs im Identifikationsstaat auch für Fälle an, in denen der Erwerber die Identifikationsnummer gegenüber dem Lieferanten bereits korrigiert hat. Die Rechtsfolge der Doppelbelastung erfasst damit auch Fälle, welche die – unionsrechtskon1658 Roth in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, S. 393 ff. 1659 St. Rspr. z.B. EuGH, Urt. v. 15.04.2008 – C-268/06 – Impact, Slg. 2008, I-2483, Rn. 100; v. 16.06.2005 – C-105/03 – Pupino, ECLI:EU:C:2005:386, Rn. 47; v. 10.03.2011 – C-109/09 – Deutsche Lufthansa, Slg. 2011, I-1309, Rn. 54; v. 04.07.2006 – C-212/04 – Adeneler, ECLI:EU:C:2006:443, Rn. 110; GA Kokott, Schlussanträge, v. 11.11.2004 – C-105/03 – Pupino, ECLI:EU:C:2004:712, Rn. 39; Englisch in Tipke/Lang, § 4, Rn. 32; Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, 2008, S. 234; Pernice, NJW 1990, 2409 (2416); Probst, DStJG 13, S. 137 (141); Schön, DStJG 19, S. 167 (181 ff.); vgl. BFH, Urt. v. 15.2.2012 – XI R 24/09, ­BStBl. II 2013, 712 (II.2.b. und II.2.c.) 1660 Abschn. 3d.1. Abs. 2 Satz 1 UStAE; Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, USt-HdB, § 85 (Mär. 2012), Rn. 86; Grünwald in Hartmann/Metzenmacher, § 3d (Mär. 2006), Rn. 37; Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, § 3d (Sep. 2011), Rn. 17; unklar insofern nunmehr Sterzinger in Birkenfeld/Wäger, USt-HdB, § 85 (Sep. 2014), Rn. 88 ff. 1661 Siehe dazu ausführlich oben Teil III A.V.4.d)bb) Teleologische Reduktion des Anwendungsbereiches des § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO; BVerfG, Beschl. v. 30.03.1993 – 1 BvR 1045/89, 1 BvR 1381/90, 1 BvL 11/90, BVerfGE 88, 145 (167 f.); BFH, Urt. v. 29.06.2011 – XI R 15/10, BStBl. II 2011, 839 (842, II.2.c.cc); Brandenburg, Teleologische Reduktion, S. 29, 35 („Teleologische Reduktion zur Verhinderung der zweckwidrigen Anwendung des Gesetzes“), 65; Englisch in Tipke/Lang, § 5, Rn. 75, 85; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 375 ff.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

form interpretierte – sekundärrechtliche Grundlage in Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL nicht erfasst.1662 Sofern der Gesetzgeber die Richtlinie umsetzen wollte, steht dieser Regelungszustand daher auch im Widerspruch zum Ziel des Gesetzgebers. Grundsätzlich kann in harmonisierten Rechtsbereichen die Intention des Gesetzgebers, die Richtlinienvorgabe umzusetzen, angenommen werden.1663 Das ist nur dann anders, wenn eine von der korrekten Umsetzung von Sekundärrecht abweichende Motivation des Gesetzgebers festzustellen ist.1664 Dafür, dass der Gesetzgeber aber ausdrücklich die ­MwStSystRL nicht umsetzen wollte, findet sich kein Anhaltspunkt. So stellt die Gesetzesbegründung klar, dass § 3d UStG der Umsetzung des Art. 28b Teil A Abs. 2 UA 1 der 6. Richtlinie1665.1666 Zudem spricht auch die Reaktion des deutschen Gesetzgebers auf die Entscheidung des EuGH zur Rechtssache Facet1667 gegen einen Willen des Gesetzgebers, sich bewusst gegen die Umsetzungsvorgaben das Unionsrechts zu stellen. So hatte der deutsche Gesetzgeber bei Erlass des § 3d Satz 2 UStG erkennbar kein Interesse daran, dass der Erwerber tatsächlich mit der aufgrund von § 3d Satz 2 UStG geschuldeten Steuer belastet sein sollte. Ein Interesse, die unionsrechtlich korrekten Entlastung nicht umzusetzen, und damit bewusst einem entsprechenden Gehalt des Sekundärrechts entgegengetreten liegt nicht vor. So nahm der deutsche Gesetzgeber erst diese Entscheidung des EuGH zum Anlass, mit Wirkung ab dem 30.06.20131668 § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Hs. 2 UStG einzufügen. Erst damit schloss er den Vorsteuerabzug von gem. § 3d Satz 2 UStG geschuldeter Steuer aus.1669 Zuvor war diese Steuer nach allgemeiner Meinung als Vorsteuer sofort – ohne Rechnungsausweis gem. § 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG –1670 abziehbar.1671 Hätte der Gesetz1662 S.o. Teil III B.VI.4.c) Zwischenfazit. 1663 Englisch in Tipke/Lang, § 5, Rn. 93. 1664 Pernice, NJW 1990, 2409 (2416); Probst, DStJG 13, S. 137 (141); Schön, DStJG 19, S. 167 (181 ff.); Woerner, DStJG 13, S. 247 (254); vgl. zu ähnlich gelagerten Fällen auch Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 56, 160. 1665 Zum 01.01.2007 gleichlautend durch Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL ersetzt. 1666 Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum USt-Binnenmarkt v. 27.4.1992, BTDrucks. 12/2463, Begründung zu Artikel 1 Nummer 6. 1667 EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217. 1668 AmtshilfeRLUmsG v. 26.06.2013 (BGBl. I 2013, S. 1809). 1669 Oelmaier in Sölch/Ringleb, § 15 (Apr. 2015), Rn. 432; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 1166. 1670 Stadie in Rau/Dürrwächter, § 15 (Feb. 2016), Rn. 1164. 1671 Vgl. dazu noch vor der Entscheidung EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217; Grünwald in Hartmann/Metzenmacher, § 3d (Mär. 2006), Rn. 34 f.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

geber auf die Belastung des Erwerbers in Deutschland als Identifikationsstaat bis zum Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland tatsächlich Wert gelegt, wäre nicht ersichtlich, warum davon gerade Vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer ausgenommen werden sollten. Vielmehr wäre davon auszugehen gewesen, dass er eine dem § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Hs. 2 UStG entsprechende Regelung bereits mit § 3d Satz 2 UStG eingeführt hätte. Der deutsche Gesetzgeber wollte daher nicht unabhängig von den Anforderungen des Sekundärrechts die Suspendierung der Entlastung erst mit Wirkung ab dem Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland festlegen. Der Regelungszustand gem. § 3d Satz 2 UStG widerspricht daher der Intention des Gesetzgebers. Daher ist § 3d Satz 2 UStG, ebenso wie Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL,1672 teleologisch zu reduzieren. Demnach gilt der Erwerb so lange in dem Gebiet des in § 3d Satz 1 UStG bezeichneten Mitgliedstaates als bewirkt gilt, bis der Erwerber nachweist, dass er die Verwendung einer nicht vom in § 3d Satz 1 UStG bezeichneten Mitgliedstaat ausgestellten Umsatzsteueridentifikationsnummer dem Lieferanten gegenüber offengelegt hat. e) Konsequenz: Systematischer Gleichlauf von § 3d Satz 2 UStG und § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG Für diese teleologische Reduktion streitet neben den unionsrechtlichen Anforderungen auch ein systematisches Argument. So steht die bislang in Deutschland herrschende Meinung zum Begriff der „Besteuerung durch das Bestimmungsland“ in § 3d Satz 2 UStG mit der herrschenden Interpretation der Voraussetzung des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG im Widerspruch. Mit der hier vertretenen Lösung hingegen löst sich dieser Widerspruch auf. aa) Wertungen aus der aktuellen Interpretation des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG erfordert für die Qualifikation als eine gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung, dass der Umsatz auf Seiten des Erwerbers der Erwerbsbesteuerung im 1672 S.o. Teil III B.VI.4.b)bb)(3) Teleologische Reduktion des Begriffs der Besteuerung „im Einklang mit Artikel 40“ M ­ wStSystRL.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

Bestimmungsland unterliegt. Diese Voraussetzung ist Ausdruck des Korrespondenzprinzips zwischen steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferung und Erwerbsbesteuerung zur Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips.1673 Nach – soweit ersichtlich – einhelliger Meinung, setzt das lediglich voraus, dass der Abnehmer gegenüber dem liefernden Unternehmer unter einer ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Identifikationsnummer auftritt. Denn damit gebe der Abnehmer zu erkennen, dass er den Gegenstand steuerfrei erwerben will, weil der ­ Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat den dortigen Besteuerungsvor­ schriften unterliegt.1674 Ob der Erwerb tatsächlich angemeldet wird, ist demnach unerheblich.1675 Es genügt daher zur Durchsetzung des Be­ stimmungslandprinzips, dass der Lieferant vom Erwerber eine Identifi­ kationsnummer erhalten hat. Ob das Bestimmungsland tatsächlich den Erwerb besteuert, ist unerheblich. Auch die Aufnahme der Identifikationsnummer in die Zusammenfassende Meldung des Lieferanten soll nach überwiegender Ansicht nicht erforderlich sein.1676 Damit ist die tatsächliche Nachvollziehbarkeit des Erwerbs durch das Bestimmungsland mittels des MIAS1677 nicht unbedingte Voraussetzung. Diese Ansicht gibt sich daher damit zufrieden, dass die Aufdeckung des Erwerbs und damit die Besteuerung im Bestimmungsland überwiegend wahrscheinlich ist. Bereits dann soll der Herkunftsstaat zur Verhinderung einer, zu diesem Zeitpunkt lediglich wahrscheinlichen Doppelbesteuerung, sein Besteue1673 Frye in Rau/Dürrwächter, § 6a (Jul. 2014), Rn. 388; Schwarz in Schwarz/Widmann/Radeisen, § 6a (Jan. 2015), Rn. 111. 1674 Abschn. 6a.1. Abs. 18 Satz 1 u. 2. UStAE; BT-Drucks. 12/2463, S. 30; Frye in Rau/ Dürrwächter, § 6a (Jul. 2014), Rn. 763; Grünwald in Hartmann/Metzenmacher, § 6a (Aug. 2014), Rn. 98; Schwarz in Schwarz/Widmann/Radeisen, § 6a (Jan. 2015), Rn. 113; Sikorski in Küffner/Stöcker/Zugmaier, § 6a (Feb. 2014), Rn. 67; Treiber in Sölch/Ringleb, § 6a (Apr. 2015), Rn. 65. 1675 BFH, Urt. v. 30.3.2006 – V R 47/03, BStBl. II 2006, 634 (635, II 1 b.); v. 08.11.2007 – V R 72/05, BStBl. II 2009, 55 (56, II.1.a)); Frye in Rau/Dürrwächter, § 6a (Jul. 2014), Rn. 389; Schwarz in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 6a (Jan. 2015) Rn. 112. 1676 Abschn. 6a.1. Abs. 18 Satz 1 UStAE; FG Köln, Urt. v. 3.11.2010 – 4 K 4262/08, EFG 2011, 667 (670); Frye in Rau/Dürrwächter, § 6a (Jul. 2014), Rn. 391 f. A. A. Stadie, UStG, § 6a, Rn. 24 f., 55, 80, 85, demzufolge grundsätzlich die Steuerbefreiung nur gewährt werden soll, wenn der Lieferant die Identifikationsnummer des Erwerbers in seine Zusammenfassenden Meldung aufgenommen hat. Das jedoch setzte m.E., für die ordentliche Durchführung des Besteuerung zunächst zumindest einen Gleichlauf der Fristen für die Abgabe der Voranmeldung (derzeit 10 Tage nach Ende des Voranmeldungszeitraumes gem. § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG) und der Zusammenfassenden Meldung (derzeit 25 Tage nach Ablauf des Kalendermonates gem. § 18a Abs. 1 Satz 1 UStG) voraus. 1677 Zur Funktionsweise des MIAS und der Bedeutung der Identifikationsnummer s.o. Teil III B.VI.2.a) Ziel und Mechanismus der Regelung des Art. 41 ­MwStSystRL.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

rungsrecht aufgeben. Folgt man hingegen der strengeren Ansicht, der zufolge die Steuerbefreiung grundsätzlich – eine materielle Voraussetzung soll darin nicht liegen –1678 nur zu gewähren ist, wenn der Lieferant die Identifikationsnummer in seine Zusammenfassende Meldung aufgenommen hat,1679 ist diese These nur wenig zu modifizieren. Mit der Aufnahme der Identifikationsnummer des Erwerbers in die Zusammenfassende Meldung ist die Kenntnis des Bestimmungslandes von dem Erwerb sicher. Die These müsste dann lauten, dass die Steuerbefreiung dann zu gewähren ist, wenn ansonsten eine Doppelbelastung des Umsatzes sicher wäre, weil der Lieferant die Nachvollziehbarkeit des Erwerbs auch im Bestimmungsland sichergestellt hat. In jedem Fall aber, und darauf soll es in der Zusammenschau mit Fällen des § 3d Satz 2 UStG ankommen, hat es der Begünstigte allein in der Hand, die Anforderungen der ihm günstigen Regelung zu erfüllen. Er ist nicht etwa auf die tatsächliche Anmeldung des Erwerbs durch seinen Abnehmer angewiesen. Die Verantwortungsbereiche der am Umsatz Beteiligten bleiben gewahrt. Beide Lösungen verlangen vom Lieferanten nichts Unmögliches und sind daher verhältnismäßig. bb) Ausstrahlung der Wertungen auf § 3d Satz 2 UStG Im Kern sind diese Wertungen auch für die Besteuerung gem. § 3d Satz 2 UStG entscheidend. Das gebietet schon allein der Umstand, dass es sich nach der Rechtsprechung des EuGH ausdrücklich bei innergemeinschaftlichen Leistungen in Form der Lieferung von Waren und dem Erwerb um einen wirtschaftlich einheitlichen Vorgang handelt.1680 Diese Verknüp1678 Stadie, UStG, § 6a, Rn. 80; man wird daher diesen Ansatz wohl so verstehen dürfen, dass der Lieferant bei monatlichen Voranmeldungen, auch schon vor Abgabe der Zusammenfassenden Meldung (Fristablauf 25 Tage nach Ablauf des Kalendermonates gem. § 18a Abs. 1 Satz 1 UStG), die Lieferung bereits als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandeln darf, dann aber diese zu korrigieren hätte, wenn er die Identifikationsnummer nicht in die Zusammenfassende Meldung aufnimmt. Damit wäre aber die Angabe in der Zusammenfassenden Meldung faktisch eine materielle Voraussetzung. Alternativ wäre die Suspendierung der Steuerfreiheit durch die Angabe einer korrekten Zusammenfassenden Meldung, bzw. die Aberkennung der Steuerfreiheit, so wie Stadie das offenbar in Stadie, UStG, § 6a, Rn. 25 versteht, eine Sanktion. Damit wäre diese Ansicht aber als unionsrechtswidrig abzulehnen, da die Aberkennung materieller Rechtspositionen zur Sanktionierung von Verstößen gegen formelle Mitwirkungspflichten unzulässig ist (s.o. Teil II C.III.2.a) Materiell wirkende Sanktionen). 1679 Stadie, UStG, § 6a, Rn. 24 f., 55, 80, 85. 1680 EuGH, Urt. v. 06.04.2006 – C-245/04 – EMAG Handel Eder, ECLI:EU:C:2006:232, Rn. 29; v. 27.09.2007 – C-409/04 – Teleos u.a., ECLI:EU:C:2007:548, Rn. 23 f.;

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fung erfordert eine aufeinander abgestimmte Interpretation der beiden Tatbestände.1681 Wie im Falle der Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung geht es auch in den Fällen des Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL um die Frage, welches Maß an Sicherheit ein Mitgliedstaat fordern darf, bevor er sein – systemwidriges – Besteuerungsrecht, zugunsten der – dem Bestimmungslandprinzip entsprechenden – Erwerbsbesteuerung durch einen anderen Mitgliedstaat aufzugeben hat. Dabei tritt an die Stelle des Herkunftslandes der Identifikationsstaat. Neben der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland gilt es, anstatt der Besteuerung des Umsatzes als Lieferung im Herkunftsland im Fall der innergemeinschaftlichen Lieferung die Erwerbsbesteuerung im Identifikationsstaat zu verhindern. Im Falle der innergemeinschaftlichen Lieferung lautet – wie soeben dargelegt – die Antwort: Wenn mit der, durch das pflichtgemäße Verhalten des Begünstigten herstellbaren, Sicherheit feststeht, dass die Besteuerung zu einer systemwidrigen Doppelbesteuerung führen würde, hat der Herkunftsstaat eine Besteuerung zu unterlassen. cc) Wertungsmäßiger Gleichlauf durch teleologische Reduktion des Nachweisgegenstandes i.R.v. § 3d Satz 2 UStG Damit liegt der deutschen Rechtspraxis offenbar die hier auch für Fälle des Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL vertretene Ansicht1682 zugrunde. Demzufolge hat der Identifikationsstaat sein Besteuerungsrecht aufzugeben, wenn der Erwerber die Kenntnis des Bestimmungslandes, soweit ihm das im ihm zugewiesenen Verantwortungsbereich möglich ist, sichergestellt hat. Folgt man der in Deutschland überwiegenden Ansicht1683, ist nicht nur die Wertung, sondern auch die konkrete Aussage identisch. So hat der zufolge das Herkunftsland auf die Besteuerung zu verzichten, wenn die Erwerbsbesteuerung überwiegend wahrscheinlich ist. Parallel dazu steht im Falle des § 3d Satz 2 UStG mit nicht mehr als überwiegender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Erwerbsstaat von seinem Besteuerungsrecht Kenntnis erlangt, wenn der Erwerber dem Lieferanten wissen lässt, die verwendete Identifikationsnummer sei nicht vom Bestimmungsland

GA Cruz Villalón, Schlussantrag v. 21.06.2012 – C-587/10 – VStR, ECLI:EU:C:​ 2012:369, Rn. 76. 1681 Stadie, UStG, § 6a, Rn. 4. 1682 S.o. Teil III B.VI.4.b)bb)(3) Teleologische Reduktion des Begriffs der Besteuerung „im Einklang mit Artikel 40“ M ­ wStSystRL. 1683 Abschn. 6a.1. Abs. 18 Satz 1 UStAE; FG Köln, Urt. v. 3.11.2010 – 4 K 4262/08, EFG 2011, 667 (670); Frye in Rau/Dürrwächter, § 6a (Jul. 2014), Rn. 391 f.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

ausgestellt worden, und eine vom Bestimmungsland ausgestellte Identifikationsnummer mitteilt.1684 Fordert man, entgegen der hier entwickelten Lösung, mit der derzeit in Deutschland allgemein vertretenen Ansicht den Nachweis der tatsächlichen Anmeldung des Erwerbs im Bestimmungsland als Voraussetzung zur Abwendung der Besteuerung gem. § 3d Satz 2 UStG, beantwortet man die im Kern identische Frage, unterschiedlich. Je nachdem, ob es um die Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips auf Seiten des Lieferanten durch Nichtbelastung seiner Leistung oder die lediglich einmalige Erwerbsbesteuerung auf Seiten des Erwerbers geht, gelten dann andere Maßstäbe. Dem steht nicht entgegen, dass die Regelung des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG lediglich erfordert, dass der Erwerb der Besteuerung im Bestimmungsland unterliegt, wohingegen § 3d Satz 2 UStG erfordert, „dass der Erwerb … besteuert worden ist“. Wortlautargumente können hier nicht mehr bemüht werden, da die Interpretation der Voraussetzungen sowohl von § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG1685 als auch von § 3d Satz 2 UStG1686 im Wege der Rechtsfortbildung, nicht jedoch der Auslegung erfolgen. Gründe für die wertungsmäßig unterschiedliche Behandlung der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung und des innergemeinschaftlichen Erwerbs finden sich daher nicht. Damit besteht derzeit ein Wertungswiderspruch zwischen der Anwendung von § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG und § 3d Satz 2 UStG. Die hier vertretene Ansicht vermag diesen aufzulösen.

1684 S.o. Teil III B.VI.4.b)bb)(3) Teleologische Reduktion des Begriffs der Besteuerung „im Einklang mit Artikel 40“ M ­ wStSystRL. 1685 So übersteigt jedenfalls das Erfordernis, dass dem Lieferanten gegenüber eine Identifikationsnummer verwendet worden sein muss (Abschn. 6a.1. Abs. 18 Satz 1 UStAE; FG Köln, Urt. v. 3.11.2010 – 4 K 4262/08, EFG 2011, 667 (670); Frye in Rau/Dürrwächter, § 6a (Jul. 2014), Rn. 391 f.), bzw. dieser eine solche in seine Zusammenfassende Meldung aufgenommen haben muss (Stadie, UStG, § 6a, Rn. 24 f.), den Wortsinn des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG, demzufolge der Erwerb beim Abnehmer der Besteuerung unterliegen muss. Ohne dies methodisch klarzustellen, argumentieren die Vertreter der beiden Ansichten jeweils vor allem mit dem Zweck der Regelung des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG, und nehmen daher, jenseits des möglichen Wortsinns (siehe zur dann erforderlichen Rechtsfortbildung die Nachweise in Fn. 1630) tatsächlich eine teleologische Reduktion (zu dieser Methode und deren Voraussetzungen siehe die Nachweise in Fn. 1286) vor. 1686 S.o. Teil III B.VI.4.b)bb)(3) Teleologische Reduktion des Begriffs der Besteuerung „im Einklang mit Artikel 40“ M ­ wStSystRL.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

2. Die Umsetzung des Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL – §§ 17 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 UStG § 17 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 UStG hingegen setzt, allein ausgehend vom Wortlaut, Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL nicht korrekt um.1687 a) Abweichung vom Sekundärrecht durch Bezugnahme auf Nachweis Er knüpft den Zeitpunkt der Korrektur der Bemessungsgrundlage an den Zeitpunkt des Nachweises der Besteuerung im Bestimmungsland gem. § 3d Satz 1 UStG, dessen Fehlen § 3d Satz 2 UStG richtigerweise noch zur Voraussetzung der Besteuerung im Identifikationsstaat macht. Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL hingegen stellt auf den Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland nicht ab. b) Unionsrechtswidrigkeit in Folge des Nachweiserfordernisses aufgrund des aktuell herrschenden Verständnisses der „sinngemäßen Anwendung“ des § 17 Abs. 1 UStG Der Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland bedingt die Minderung der Bemessungsgrundlage um das Erwerbsentgelt durch sinngemäße Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG. Die Anordnung der sinngemäßen Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG in § 17 Abs. 2 UStG wird dabei, soweit ersichtlich, einhellig so verstanden, dass eine Rückwirkung des Nachweises auf den Zeitpunkt des Eintritts der bewiesenen Tatsachen gem. § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG nicht möglich sein soll.1688 Damit verstößt die deutsche Rechtspraxis gegen die unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL. Denn dieser ordnet eine Korrektur der Bemessungsgrundlage mit Wirkung für denjenigen Besteuerungszeitraum an, in dem die Identifikationsnummer gegenüber dem Lieferanten korrigiert wird.1689

1687 Vgl. Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 287, demzufolge die ex nunc Wirkung ausgehend vom Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland nicht aus Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL gefolgert werden kann. 1688 BFH, Urt. v. 01.09.2010 – V R 39/08, BStBl. II 2011, 658 (660, II.1.c.aa.); Hiller, DStR 2015, 621 (624); Hundt-Eßwein in Küffner/Stöcker/Zugmaier, § 17 (2013), Rn. 51 f.; Korn in Bunjes/Geist, § 17, Rn. 56 i.V.m. 87; Martin in Sölch/Ringleb, § 3d (Sep. 2015), Rn. 7; Maunz, UR 2010, 422 (423); Meurer, StBW 2011, 464 (470); Schwarz in Schwarz/Widmann/Radeisen, §17 (Nov. 2015), Rn. 200; Stadie, UStG, § 15, Rn. 317; ders., UStG, § 17, Rn. 80; ders. in Rau/Dürrwächter, § 17 (Okt. 2014), Rn. 42, 64; Theler in Reiß/Kraeusel/Langer, § 17 (Sep. 2014), Rn. 161; kritisch dazu Englisch, in Tipke/Lang, § 17, Rn. 287. 1689 S.o. Teil III B.VI.6 Fazit: Die unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 41 ­MwStSystRL.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

c) Gehalt der sinngemäßen Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG Dieser Ansatz setzt voraus, dass der Sinn des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG darin besteht, Änderungen der Bemessungsgrundlage auf eine Änderung ex nunc zu beschränken.1690 Dann wäre die Korrektur im Besteuerungszeitraum des Nachweises der Besteuerung gem. § 3d Satz 2 UStG tatsächlich die korrekte Konsequenz der sinngemäßen Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG. Der Schluss dieser Ansicht, der Sinn des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG sei der Ausschluss der Rückwirkung einer Korrektur der Bemessungsgrundlage, ist aber nicht zwingend. Tatsächlich greift er zu kurz. Vielmehr bedarf die Anordnung der sinngemäßen Anwendung auf den Fall des § 17 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 UStG der, durch die „sinngemäße“ Anwendung bereits angelegten, teleologischen Auslegung. Entscheidend ist dabei zunächst der Zweck der Regelung im originären Fall des § 17 Abs. 1 UStG. Dieser ist, unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden Prinzipien des Umsatzsteuerrechts, objektiv zu ermitteln.1691 Maßgeblich ist er insofern, als es sich – objektivierbar – aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem – vor allem systematischen – Sinnzusammenhang ergibt1692.1693 Diesem so ermittelten Zweck muss dann im Fall des § 17 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 UStG zum Durchbruch verholfen werden. Es genügt daher nicht, schlicht die für den originären Anwendungsfall des § 17 Abs. 1 UStG als zur Umsetzung dieser Prinzipien tauglich erachteten Rechtsfolgen unmodifiziert zu übertragen. Tatsächlich sind die dort zum Ausdruck kommenden Prinzipien mit den in § 17 Abs. 1 UStG zur Verfügung gestellten Mitteln auch in Fällen des § 17 Abs. 2 UStG umzusetzen.

1690 Stadie UStG, § 15, Rn. 210, ders. in Rau/Dürrwächter, § 17 (Okt. 2014), Rn. 39, 69 sieht darin gar den Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes; vgl. Sterzinger, UR 2010, 700 (700); ablehnend dazu Englisch, UR 2011, 488 (493 f.); sowie ausführlich oben Teil III A.V.2.d) Kein Grundsatz des Ausschlusses rückwirkender Rechnungsberichtigungen aus § 17 Abs. 1 UStG. 1691 Vgl. generelle zur Methodik, Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 333 ff. 1692 BVerfG, Urt. v. 21.05.1952 – 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 312; BVerfG, Beschl. v. 12.11.1958 – 2 BvL 4/56, 2 BvL 26/56, 2 BvL 40/56, 2 BvL 1/57, 2 BvL 7/57, BVerfGE 8, 274 (307); v. 15.12.1959 – 1 BvL 10/55, BVerfGE 10, 234 (244); v. 17.05.1960 – 2 BvL 11/59, 2 BvL 11/60, BVerfGE 11, 126 (130 f.); v. 19.06.1973 – 1 BvL 39/69, 1 BvL 14/72, BVerfGE 35, 263 (278); v. 05.11.1974 – 2 BvL 6/71, BVerfGE 38, 154 (163); v. 09.05.1978 – 2 BvR 952/75, BVerfGE 48, 246 (256). 1693 Zum Ganzen Englisch in Tipke/Lang, § 5, Rn. 49 ff.

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aa) Sinn des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG § 17 Abs. 1 UStG dient wie seine unionsrechtliche Grundlage Art. 90 ­MwStSystRL dem Zweck der Verwirklichung der Umsatzsteuer als proportionale, auf Überwälzung angelegte und für den Steuerpflichtigen belastungsneutrale, Sollverbrauchsteuer.1694 So schuldet der Steuerpflichtige gem. dem Sollprinzip die Steuer als proportionalen Aufschlag auf sein ursprüngliches Entgelt bereits mit Leistungserbringung. Die potentielle Abwälzbarkeit als Aufschlag auf das Entgelt genügt, um dem Neutra­ litätsgrundsatz Genüge zu tun. Da die Steuer aber nur, wenn sie pro­ portional zur tatsächlichen Abwälzungsmöglichkeit geschuldet wird, belastungsneutral ist, müssen nachträgliche Änderungen der tatsächlichen Abwälzungsmöglichkeit berücksichtigt werden. Verringert sich daher nach Leistungserbringung das Entgelt und mit ihm die Bemessungsgrundlage, hat sich auch entsprechend die Steuer zu verringern.1695 Diese Verringerung des Steuerbetrages erfolgt gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG. Hat der Leistende den Steuerbetrag bereits vereinnahmt, setzt die eine Steuerminderung bedingende Verringerung der Bemessungsgrundlage die tatsächliche Rückzahlung an den Leistungsempfänger voraus. Das verhindert eine ansonsten eintretende ungerechtfertigte Bereicherung des Leistenden.1696 Erfolgte diese Korrektur rückwirkend auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung, entstünde dem Steuerpflichtigen ggf. einen Liquiditätsvorteil. Denn sofern er das Bruttoentgelt bereits eingenommen hat, hatte er auch den Steuerbetrag zur Verfügung. Würde die Korrektur der Bemessungsgrundlage und der proportionalen Entlastung von der Steuer rückwirkend erfolgen, würde der Umstand, dass er die Steuer bis zur Verringerung der Bemessungsgrundlage abwälzen konnte, ignoriert. Hatte er das 1694 U.a. Englisch in Tipke/Lang, § 17, Rn. 244 f.; Stadie, UStG, § 17, Rn. 1 f; ders. in Rau/Dürrwächter, § 17, (Okt. 2014), Rn. 7; vgl. Korf in Hartmann/Metzenmacher, § 17 (Jul. 2012), Rn. 1, jeweils m.w.N. 1695 Siehe zum Ganzen oben Teil II B.IV.1.c) Belastungsneutralität. 1696 Abschn. 17.2 Satz 3 UStAE; EuGH, Urt. v. 29.05.2001 – C-86/99 – Freemans plc, ECLI:EU:C:2001:291, Rn. 35; BFH, Urt. v. 18.09.2008 – V R 56/06, BStBl. II 2009, 250 (253); v. 19.11.2009 – V R 41/08, BFH/NV 2010, 562, Rn. 27; v. 15.07.2010 – XI B 47/09, BFH/NV 2010, 2138, Rn. 21; v. 02.09.2010 – V R 34/09, BStBl. II 2011, 991 (993); v. 03.11.2011 – V R 16/09, BStBl. II 2012, 378 (381); FG Münster, Urt. v. 24.1.1995 – 15 K 1099/93 U, EFG 1995, 637 (638); FG Baden-Württemberg, Urt. v. 30.11.2000 – 14 K 185/99, EFG 2001, 597 (598); FG Niedersachen, Urt. v. 10.3.2008 – 16 K 482/06, EFG 2008, 1158 (1159); Heuermann, UR 1995, 294 (296); Klenk in Sölch/Ringleb, § 17 (Sep. 2010), Rn. 88; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 17 (Okt. 2014), Rn. 10, 201, 446, 476; Tehler in Reiß/Kraeusel/Langer, § 17 (Sep. 2014), Rn. 64 u. 67; Voelker, BB 1995, 1824 (1825 f.).

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Bruttoentgelt noch nicht eingenommen, gilt das gleiche. Denn ob der Steuerpflichtige die Abwälzungsmöglichkeit nutzt, bleibt ihm belassen. Verzichtet er auf zeitnahe Eintreibung des Steuerbetrages, geht die Finanzierungslast entsprechend dem Sollprinzip zu seinen Lasten.1697 Diese Wertungen transponiert § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG in das Korrekturregime. Demzufolge wird – anknüpfend an die Bedingung der tatsächlichen Rückzahlung bei vorheriger Vereinnahmung – die Korrektur erst mit Wirkung für den Zeitpunkt vorgenommen, zu dem die Abwälzungsmöglichkeit tatsächlich entfällt. Vor dem Hintergrund des Sollprinzips ungerechtfertigte Liquiditätsvorteile werden dem Steuerpflichtigen damit nicht zuteil. Spiegelbildlich wird der Vorsteuerabzug gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG erst dann korrigiert, wenn der Leistungsempfänger den Steuerbetrag auch tatsächlich zurückerhalten hat.1698 Dass das Unionsrecht nicht nur die tatsächliche Rückzahlung, mithin eine entsprechende Auslegung des Begriff der „Änderung“ in § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG, sondern auch deren Berücksichtigung ex nunc – wie gem. § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG – erfordert, zeigt die Rechtsprechung des EuGH. Demzufolge ist „… Artikel 11 … Teil C Absatz 1 der Sechsten Richtlinie1699 dahin auszulegen, dass (Einf. d. Verf.:) von der Besteuerungsgrundlage (Einf. d. Verf.:) ein Rabatt abzuziehen (Einf. d. Verf.:) ist, (Hervorheb. durch Verf.:) sobald der Kunde ihn sich auszahlen lässt oder in anderer Weise darüber verfügt.“1700 Daher bestimmt die tatsächliche Belastung des Leistenden nicht nur die generelle Voraussetzung der Steuerentlastung, sondern auch ihren Zeitpunkt. Obwohl Art. 90 ­MwStSystRL keine explizite Aussage zum Korrekturzeitpunkt trifft, ist die Bestimmung des Korrekturzeitpunktes demnach auch nicht Gegenstand der von den Mitgliedstaaten zu bestimmenden Bedingungen. Da Zweck der Regelung des Art. 90 ­MwStSystRL die Sicherung der Neutralität der Besteuerung ist,1701 folgt daraus, dass die Besteuerung bis zur tatsächlichen Rück­

1697 Vgl. kritisch dazu u.a Englisch in Tipke/Lang § 21, Rn. 283; Schaumburg in FS Reiß, S. 25 (32 f.); Stadie, UR 2004, 136 (139 ff.); ders. in Rau/Dürrwächter, Einf. (Apr. 2013), Rn. 201 ff. 1698 Nds. FG, Urt. v. 10.03.2008 – 16 K 482/06, EFG 2008, 1159 (1160), demzufolge eine Korrektur des Vorsteuerabzuges nur dann zu erfolgen hat, wenn der Steuerbetrag auch vom Leistenden zurückerhalten werden kann, mithin bei dessen Insolvenz ausscheidet; Klenk in Sölch/Ringleb, § 17 (Sep. 2010), Rn. 88; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 17 (Okt. 2014), Rn. 10, 201. 1699 Gleichlautend seit 01.01.2007 dieser ersetzend Art. 90 ­MwStSystRL. 1700 EuGH, Urt. v. 29.05.2001 – C-86/99 – Freemans plc, ECLI:EU:C:2001:291, Rn. 36. 1701 EuGH, Urt. v. 29.05.2001 – C-86/99 – Freemans plc, ECLI:EU:C:2001:291, Rn. 27 i.V.m. 35 f.

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zahlung neutral ist. Wie beim Vorsteuerabzug1702 geht der EuGH von der tatsächlichen Liquiditätsbelastung aus. Eine ungerechtfertigte Bereicherung entstünde damit auch dann, wenn dem Leistenden eine Steuer­ erstattung simultan zur Abwälzung auf den Leistungsempfänger zugestanden würde. So verstanden ist der Sinn des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG die Herstellung der steuersystematisch korrekten Liquiditätsbelastung. Im Falle des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG drohen ungerechtfertigte Liquiditätsvorteile bei einer Steuerkorrektur ex tunc. Diesen begegnet § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG mit der Korrektur ex nunc. Sie ist daher nicht Sinn, sondern nur Mittel zum Zweck. So verstanden findet der Zweck der Herstellung von Liquiditätsneutralität vor dem Hintergrund des Sollprinzips Niederschlag in der Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG und ist daher objektivierbar. bb) Sinngemäße Anwendung auf § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG – Herstellung unionsrechtskonformer Zustände de lege lata Soll dem Sinn des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG auch im Falle des § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG entsprochen werden, so bedarf es aber gerade einer Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Besteuerung im Bestimmungsland. Denn ab diesem Zeitpunkt steht die Belastung des Steuerpflichtigen mit der Erwerbsbesteuerung im Identifikationsstaat im Gegensatz zum Neutralitätsgrundsatz.1703 Folglich ist ihm ab diesem Zeitpunkt auch die entsprechende Finanzierungslast nicht mehr zumutbar. Eine Korrektur erst im Zeitpunkt des Nachweises würde daher dem Steuerpflichtigen eine nicht systemkonforme Liquiditätsbelastung auferlegen. Eine sinngemäße Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG auf Fälle des § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG bedeutet daher eine Korrektur der Bemessungsgrundlage im Zeitpunkt der Besteuerung gem. § 3d Satz 1 UStG. Damit wird der Wortlaut der Vorschrift des § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG nicht überdehnt. So macht dieser zwar ausdrücklich die Korrektur von der Nachweisführung abhängig. Allerdings ist dabei zu beachten, dass § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG als einziger Fall des § 17 Abs. 2 UStG nicht den Eintritt von Tatsachen, sondern deren Nachweis als Anlass für die Korrektur nimmt. Nur in diesem Fall stellt sich tatsächlich die Frage, ob das Ereignis oder dessen Nachweis den Zeitpunkt der Korrektur der Bemessungsgrundlage bezeichnen soll. Die1702 S.o. Teil III A.IV.2.d) Die Rechtfertigung des Ausübungserfordernisses im typischen Fall. 1703 S.o. Teil III B.VI.2.b) Erforderlichkeit der Einschränkung des Neutralitätsgrundsatzes.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

se durch den Wortlaut selbst aufgeworfene Frage dann teleologisch zu beantworten, übersteigt die Grenzen des Wortlautes nicht. Vielmehr macht das Nachweiserfordernis in Verbindung mit der sinngemäßen Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG, die eine Korrektur mit Eintritt des nachgewiesenen Ereignisses erfordert, nur Sinn, wenn man es als klarstellenden Hinweis auf die beim Erwerber liegende Beweislast erkennt. Denn, dem hier gefundenen Lösungsansatz folgend, ließe sich das Ergebnis in materieller Hinsicht ebenso erreichen, wenn § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG schlicht nur lautete: „Abs. 1 gilt sinngemäß, wenn der gemäß § 3d Satz 2 im Geltungsbereich dieses Gesetzes gelegene Erwerb im Sinne von § 3d Satz 1 UStG besteuert wurde“. Dann aber stünde der Erwerber noch vor dem Problem, dass er mangels einer unionsrechtlich harmonisierten und damit in allen Mitgliedstaaten verlässlichen Methode den entsprechenden Nachweis kaum zeitnah führen kann. Es drängte sich die Frage auf, ob allein dem Steuerpflichtigen der Nachweis daher in verhältnismäßiger Weise aufgebürdet werden könnte oder ob die Mitgliedstaaten ihre Erkenntnismöglichkeiten – insbesondere aus dem MIAS – auch zur Ermittlung des Sachverhalts nutzen müssten.1704 Mit der Normierung des Nachweiserfordernisses stellt § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG klar, dass – unionsrechtlich zulässig –1705 vom Prinzip der generellen Beweislastverteilung nicht abgewichen werden soll. Ein als unverhältnismäßig erkanntes Ergebnis ist daher nicht durch Modifikation der Beweislastverteilung zu korrigieren. So verstanden kommt dem Nachweis i.S.v. § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG aber gerade keine materielle Wirkung zu. Der Wortlaut des § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG ermöglicht daher eine unionsrechtskonforme Auslegung. Der zufolge kann der Steuerpflichtige die Korrektur gem. § 17 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 i.V.m. 18 Abs. 1 Satz 3 UStG durch Berichtigung der Steuer in der Voranmeldung, für denjenigen Besteuerungszeitraum, in dem der Erwerber gegenüber dem Lieferanten klargestellt hat, dass eine nicht vom Bestimmungsland erteilte Identifikationsnummer verwandt worden war, vornehmen. Unerheblich ist da1704 Daher die Klarstellungen in Bülow in Schwarz/Widmann/Radeisen, § 3d (Jun. 2007), Rn. 15; Kossack in Offerhaus/Söhn/Lange, § 3d (Jun. 2011), Rn. 14; Martin in Sölch/Ringleb, § 3d (Sep. 2015), Rn. 7; vgl. noch vor der Entscheidung des EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 37; Grünwald in Hartmann/Metzenmacher, § 3d (Mär. 2006), Rn. 37, der, bei verbleibenden Unsicherheiten der Finanzbehörde, auf deren Amtsermittlungsgrundsatz verweist. 1705 EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:2010:217, Rn. 37.

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her, wann der Steuerpflichtige den diesbezüglichen Nachweis führt. Entscheidend ist einzig, dass der Steuerpflichtige den Nachweis führt, da er insofern beweisbelastet ist. Dieser Beweislast kann der Unternehmer, da er nur eigene Handlungen nachzuweisen hat, tatsächlich auch unabhängig von Dritten gerecht werden. 3. Fazit Die derzeitige deutsche Rechtspraxis in Fällen, in denen ein Erwerber eines innergemeinschaftlichen Erwerbs eine nicht vom Bestimmungsland ausgestellte Identifikationsnummer verwendet, verstößt gegen das Unionsrecht. Einer Gesetzesänderung bedarf es zur Heilung dieses Mangels nicht. Vielmehr lässt sich de lege lata in Deutschland ein unionsrechtskonformer Regelungszustand herstellen. Die Voraussetzung der Verwendung der Identifikationsnummer i.S.v. § 3d Satz 2 Hs. 1 UStG ist, unionsrechtskonform interpretiert, bereits dann erfüllt, wenn der Erwerb unter Bezug auf die jeweilige Identifikationsnummer stattgefunden hat, mithin dem Erwerber Verfügungsmacht am Erwerbsgegenstand verschafft wurde. § 3d Satz 2 UStG ist einer teleologischen Reduktion zugänglich. Der zufolge greift die Lokalisation gem. § 3d Satz 2 UStG nicht, wenn der Erwerber bis zum Ablauf des Besteuerungszeitraumes im Identifikationsstaat nachweist, dass er den Lieferanten über die Verwendung einer nicht vom in § 3d Satz 1 UStG bezeichneten Mitgliedsstaat ausgestellten Identifikationsnummer informiert hat. Die in Deutschland herrschende Meinung, der zufolge der Erwerb im Bestimmungsland angemeldet werden muss, um als gem. § 3d Satz 1 UStG besteuert zu gelten, geht in unionsrechtswidriger Weise zu weit. Die Regelung des § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung im Anschluss an eine Besteuerung gem. § 3d Satz 2 UStG ist einer richtlinienkonformen Auslegung zugänglich. Der zufolge ist § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG sinngemäß so anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage mit Wirkung für denjenigen Besteuerungszeitraum zu korrigieren ist, in dem der Hinweis an den Lieferanten gem. § 3d Satz 2 UStG erfolgt. Frühestens jedoch ist diese Korrektur für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, der auf denjenigen folgt, in dem der Umsatz gem. § 3d Satz 2 UStG besteuert wurde. Das Nachweiserfordernis ist insofern nur ein deklaratorischer Hinweis auf die Beweislast des Erwerbers. Die entgegenstehende allgemeine Ansicht in Deutschland, der zufolge die sinngemäße Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG eine Wirkung ex nunc, ausgehend vom Zeitpunkt des Nachweises der Besteuerung gem. § 3d Satz 1 UStG gebietet, klammert den Sinn des § 17 Abs. 1 Satz 7 427

Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

UStG, systemwidrige Liquiditätswirkungen im Anschluss an Änderungen der Bemessungsgrundlage zu neutralisieren, aus. 4. Folgen für die deutsche Besteuerungspraxis Die hier gefundenen Ergebnisse zugrunde gelegt, kann der Steuerpflich­ tige einer drohenden Doppelbesteuerung, effektiv begegnen, ohne eine Verzinsung oder strafrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Korrigiert der Erwerber den Fehler, eine nicht vom Bestimmungsland ausgestellte Identifikationsnummer verwandt zu haben, kann er die Bemessungsgrundlage im Identifikationsstaat um das Erwerbsentgelt ex nunc mindern. Eine davon abweichende Festsetzung durch das Finanzamt scheidet aus. Ein Unterschiedsbetrag gem. § 233a Abs. 3 AO besteht daher nicht. Da der Nachweis i.S.v. § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG keine materielle Wirkung zeitigt, sondern lediglich einen deklaratorischen Hinweis auf die Beweislast des Erwerbers ist, stellt der Nachweis kein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. Daher kommt es, anders als im Rahmen des Vorsteuerabzuges,1706 auf die Regelungen in §§ 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO nicht an. Eine Steuerverkürzung liegt ebenfalls nicht vor. Strafrechtliche Konsequenzen gem. § 370 AO drohen somit auch nicht.

VIII. Anmerkungen zur Rechtslage in Österreich Der Wortlaut der Regelungen des österreichischen UStG zur Umsetzung des Art. 41 M ­ wStSystRL in § 16 Abs. 1 Nr. 2 ltz. Satz öUStG und Art. 3 Abs. 8 BMR decken sich im Wesentlichen mit dem der deutschen Regelungen. Ebenso entspricht die derzeitige Auslegung der in Deutschland herrschenden Interpretation. Auch in Österreich gilt der Erwerb solange im Identifikationsstaat gelegen, bis der Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland erbracht wird. Erbringt der Erwerber diesen Nachweis, ist die Bemessungsgrundlage in sinngemäßer Anwendung des § 16 öUStG zu korrigieren. Die Korrektur der Bemessungsgrundlage im direkten Anwendungsbereich des § 16 öUStG erfolgt gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 ltz. Satz öUStG ex nunc. Gegenstand des Nachweises der Besteuerung ist dabei die Anmeldung des

1706 Siehe hierzu oben Teil III A.V.4.d) Folgen für die Anwendung des § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO.

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Erwerbs im Bestimmungsland. Damit deckt sich die Umsetzung und die Rechtspraxis in Österreich umfänglich mit derjenigen in Deutschland. Wie in Deutschland geht daher die derzeitige Praxis über die unionsrechtlich zulässigen Anforderungen hinaus, wenn sie fordert, dass die Anmeldung des Erwerbs im Bestimmungsland nachzuweisen ist, um die Besteuerung im Identifikationsstaat abzuwenden. Zudem ist auch die Korrektur der Bemessungsgrundlage ex nunc, ausgehend vom Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland, unionsrechtswidrig. Dieser Gleichlauf der Umsetzungen des Art. 41 ­MwStSystRL ermöglicht daher auch die entsprechende Anwendung der für die deutsche Rechtslage entwickelten Argumentation1707 auf die Regelungen in Österreich. Für eine Übertragbarkeit der Erkenntnisse zum deutschen Recht spricht zudem auch die Tatsache, dass die österreichische Finanzverwaltung und Steuerliteratur zur Interpretation des österreichischen Umsatzsteuerrechts auch die deutsche Literatur1708 und Rechtsprechung1709 zum Um1707 S.o. Teil III B.VII Umsetzungsvorgaben für das deutsche Recht. 1708 Siehe zum Regelungsbereich des Art. 41 M ­ wStSystRL, Ruppe/Achatz, UStG, Art. 3 BMR, Rn. 35 mit Bezug auf Nieskens, BB 1992 Beil. 17, 11 und Maunz, UR 2010, 422; Gepperth in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG, Art. 3 (01.01.2012), Rn. 50 mit Bezug auf Schwarz in Plückebaum/Malitzky/Widmann, UStG, § 1a (Jun. 2010), Rn. 179 ff.; ganz allgemein z.B. UFSG Berufungsentscheidung, v. 12.07.2013 – RV/0268-S/13 mit Verweis auf Stadie in Rau/Dürrwächter, § 13b n.F., Rn. 381; Berufungsentscheidung – Steuer (Senat) des UFSG v. 26.09.2006, RV/0102-G/05; mit Verweis auf Nieskens in Rau/Dürrwächter, § 3, Rn. 3060 f. und Forgach in Reiß/Kraeusel/Langer, § 15 (Feb. 2007), Rn. 95, 101; Erkenntnis des BFG Erk. v. 23.07.2014 – RV/7100662/2013 mit Verweis auf Stadie in Rau/ Dürrwächter, UStG, § 2 (Jul. 2014), Rn. 381. 1709 Vgl. zum Regelungsbereich des Art. 41 ­ MwStSystRL, Ruppe/Achatz, UStG, Art. 3 BMR, Rn. 33 mit Bezug auf BFH, Urt. v. 20.12.2006 – V R 11/06, BStBl. II 2007, 424. Siehe weiter generell nur die umfangreichen Nachweise in Ruppe/ Achatz, UStG, § 2, Rn. 50, auch aus der Rechtsprechung des BFH zur Unternehmereigenschaft; Windsteig in Melhardt/Tumpel, UStG, § 1, Rn. 208, wo die Rechtsprechung des BFH (BFH, Urt. v. 14.04.2010 – XI R 14/09, BStBl. II 2011, 433 und BFH, Urt. v. 10.03.2005 – V R 29/03, BStBl. II 2005, 730) gleichrangig neben der des österreichischen VwGH herangezogen wird. Diese Argumentation zieht dann der UFSW in Bescheid v. 16.02.2012 – RV/2594-W/11 heran. Ebenso erwägt der UFSL in UFSL v. 15.12.2009 – RV/0701-L/03 die Rechtsprechung des BFH zur Bestimmung der Nachhaltigkeit unternehmerischer Betätigung. Gleichfalls auch UFSI v. 07.02.2007 – RV/0446-I/05; BFH, Urt. v. 06.08.1998 – V R 74/96 heran. Ausdrücklich zieht er die Rechtsprechung des BFH zur Begründung in UFSW v. 06.04.2011 – RV/3685-W/08 heran. Besonders deutlich werden die Wechselwirkungen von deutscher und österreichischer Rechtsprechung in BFG, Erk. v. 01.08.2014 – RV/7102072/2003, wo für die Bestimmung der Kriterien der Bößgläubigkeit eines Steuerpflichtigen hinsichtlich der Beteiligung seines Umsatzes an einer Steuerhinterziehung, neben UFS v. 17.7.2009 – RV/0724-W/07,

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

satzsteuerrecht heranzieht. Umgekehrt dient die Abgrenzung zum deutschen Recht auch der Auslegung von österreichischem Recht, sofern der österreichischen Regelung eine andere Intention als dem deutschen Gesetzgebers zu entnehmen ist. Das ist insbesondere insofern der Fall, als der Wortlaut der Vorschrift im Anwendungsbereich einer, den Mitgliedstaaten sekundärrechtlich eingeräumten Option, von dem der deutschen Regelung abweicht und sich daraus ergibt, dass der österreichische Gesetzgeber, anders als der deutsche, von der Option Gebrauch gemacht hat.1710 Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor. Denn weder räumt Art. 41 ­MwStSystRL den Mitgliedstaaten ein Optionsrecht ein, noch unterscheiden sich, wie soeben dargelegt, der Wortlaut der Regelungen zur Umsetzung des Art. 41 ­MwStSystRL wesentlich. Das gilt nicht nur für die Interpretation des materiellen Gehalts der österreichischen Regelung, sondern auch für die Herstellung eines unionsrechtskonformen Rechtszustandes betreffend die Voraussetzung des Art. 3 Abs. 8 BMR. Dessen Tatbestandsmerkmal, dass „der Erwerber nachweist, daß der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist“ dass mittels teleologischer Reduktion entsprechend dem hier vorgeschlagenen Lösungsansatz für § 3d Satz 2 UStG1711 teleologisch zu reduzieren. Denn insofern ergeben sich keine Unterschiede zwischen der deutschen und österreichischen Methodenlehre.1712 Gleiches gilt für die teleologische Interpretation der Anordnung gleichrangig BFH, Urt. v. 19.05.2010 – XI R 78/07, BFH/NV 2010, 2132 und sogar FG Baden-Württemberg, Urt. v. 01.10.2007 – 12 K 160/04, DStRE 2008, 449, he­ rangezogen werden. Ebenso zieht die Finanzverwaltung die Rechtsprechung des BFH heran; so z.B. in UStR 2000, Rn. 23, 641r, 757, 766, 771, 1997, 2005, 2382, 2877, 4006, 4016. Besonders herausgehoben sei an dieser Stelle UStR 2000 Rn. 4006, in dem, betreffend die Rechtsfolgen der Verletzung von – durch eine österreichische Verordnung geregelten – Nachweisanforderungen für umsatzsteuerrechtlich relevante Tatsachen (Gegenstand war der Nachweis der Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung), die Rechtsprechung des BFH in Urt. v. 06.12.2007 – V R 59/03, zu gleichgelagerten Fällen in Deutschland herangezogen wird. 1710 Vgl. z.B. UFSW, Erk. v. 14.01.2008 – RV/0406-W/0 zur Auslegung der Steuerbefreiungsvorschrift des § 6 Abs. 1 Ziffer 19 öUStG in Abgrenzung zur deutschen Vorschrift des § 4 Nr. 14 UStG. 1711 S.o. Teil III B.VII.1.d) Teleologische Reduktion des § 3d Satz 2 UStG. 1712 So beispielsweise zu den Voraussetzungen der teleologischen Reduktion, Bydlinski, Methodenlehre, S. 480; originär für das österreichische Recht, unter ­Bezugnahme auf die, originär für das deutsche Recht entwickelten Lehren von Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 391 ff. (Anm.: Bydlinsik verweist auf die S. 377 der 4. Auflage 1979, welche sich inhaltlich mit der angegebenen Fundstelle der hier zitierten 6. Auflage deckt) und Canaris, Die Festlegung von Lücken im Gesetz, S. 82, 151 (Anm.: Bydlinsik verweist auf die 1. Auflage

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der „sinngemäßen“ Anwendung des § 16 öUStG in Art. 3 Abs. 8 BMR.1713 Auch die Methode der teleologischen Auslegung findet inhaltsgleich in Österreich und Deutschland Anwendung.1714 Daher gilt für das österreichische Recht: Der Erwerber verwendet eine Identifikationsnummer i.S.v. Art. 3 Abs. 8 BMR erst dann, wenn ihm unter Bezugnahme auf die Identifikationsnummer Verfügungsmacht an der Lieferung verschafft wurde. Art. 3 Abs. 8 Satz 2 BMR ist insofern teleologisch zu reduzieren, als dass der Ort des Erwerbs nicht gem. Art. 3 Abs. 8 Satz 2 BMR zu bestimmen ist, wenn der Erwerber bis zum Ablauf des Besteuerungszeitraumes im Identifikationsstaat nachweist, dass er den Lieferanten über die Verwendung einer nicht vom in Art. 3 Abs. 8 Satz 1 öUStG bezeichneten Mitgliedsstaat ausgestellten Identifikationsnummer informiert hat. Die Regelung des § 16 Abs. 1 öUStG i.V.m. Art. 3 Abs. 8 Satz 2 BMR ist richtlinienkonform auszulegen. Demzufolge ist § 16 Abs. 1 öUStG sinngemäß so anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage mit Wirkung für denjenigen Besteuerungszeitraum zu korrigieren ist, in dem der Hinweis an den Lieferanten gem. Art. 3 Abs. 8 BMR erfolgt. Frühestens jedoch hat das für den Besteuerungszeitraum zu geschehen, der auf denjenigen folgt, in dem der Umsatz gem. Art. 3 Abs. 8 Satz 2 BMR besteuert worden ist.

IX. Anmerkungen zur Rechtslage im Vereinigten Königreich Ausgehend von den obigen Ergebnissen werden in der Folge diejenigen Punkt aufgezeigt, an denen unionsrechtlich bedingter Anpassungsbedarf der derzeitigen Rechtspraxis im Vereinigten Königreich besteht. 1964, Änderungen zur hier zitierten 2. Auflage 1983 ergeben sich nicht). Vgl. weiter dazu mit Bezug auf die Wortlautgrenze ohne Unterscheidung zwischen der deutschen und der österreichischen Rechtspraxis, Vogenauer, Die Auslegung von Gesetzen, S. 52. 1713 S.o. Teil III B.VII.2.c) Gehalt der sinngemäßen Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG. 1714 Bydlinski, Methodenlehre, S. 453 ff., ausgehend vom österreichischen Rechtskreis, unter Bezugnahme auf die, dem deutschen Rechtskreis entstammenden Untersuchungen in, Fikentscher, Methoden des Rechts III, S. 676 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 333 ff. (Anm.: Bydlinsik verweist auf S. 322 der 4. Auflage 1979, welche sich inhaltlich mit der angegebenen Fundstelle der hier zitierten 6. Auflage deckt); Zippelius, Einführung in die juristische Methodenlehre, S. 55 ff. (Anm.: Bydlinsik verweist auf S. 56 ff. der 2. Auflage 1971, welche sich inhaltlich mit der angegebenen Fundstelle der hier zitierten 11. Auflage deckt).

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Die Darstellung beschränkt sich, um den an dieser Stelle gebotenen Rahmen nicht zu sprengen, auf das Aufzeigen von möglichen Lösungsvorschlägen, ohne diese aber en détail methodisch zu bewerten. 1. Die Umsetzung des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL Zur Abwendung der Besteuerung im Identifikationsstaat erfordern Sec. 13 (3) i.V.m. (4) VAT Act 1994 sowohl den Nachweis der Anmeldung als auch der Zahlung der Erwerbssteuer im Bestimmungsland.1715 Damit geht der Gegenstand des Nachweises über den nach Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL, zulässigen Nachweisgegenstand hinaus. Zur Herstellung eines unionsrechtskonformen Zustandes de lege lata sind zwei Ansätze möglich. Denkbar ist zum einen, in Anlehnung an die bzgl. des Erfordernisses der Zahlung bereits jetzt von der Gesetzesfassung abweichenden Verwaltungspraxis in para. 7.8. Notice 725, schlicht, entsprechend der hier auch für Deutschland vorgeschlagenen Lösung1716, tatsächlich nur die Offenlegung des Fehlers gegenüber dem Lieferanten zu fordern. Ebenso denkbar wäre es, Angesichts des insofern eindeutigen Wortlautes,1717 entsprechend des Ansatzes der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Zuerkennung von Zinseszinsen entgegen Sec. 78 (1) (b) VAT Act 1994 neben der Rückerstattung von für unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobe-

1715 S.o. Teil III B.IV Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis im Vereinigten Königreich. 1716 S.o. Teil III B.VII.1.d) Teleologische Reduktion des § 3d Satz 2 UStG. 1717 Bezüglich der Wortlautgrenze, als, nach herrschendem deutschen Verständnis (siehe nur Bydlinski, Methodenlehre, S. 467 ff.; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 19 ff.; Hassold in 2. FS Larenz, S. 211, (218); Klatt, Theorie der Wortlautgrenze, S. 19 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 322; ders. in FS Henkel, S. 31 (32); Neuner, Die Rechtsfindung contra legem, S. 90 ff.; Schmidt, JZ 2009, 10 (12); Schünemann in FS Klug, S. 169 (180); Zippe­ lius in 2. FS Larenz, S. 739 (743)), Trennlinie zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung, besteht im Recht des Vereinigten Königreiches allerdings keine einheitliche Linie (Vogenauer, Die Auslegung von Gesetzen, S. 1134, 1139 ff.), sodass durchaus auch die Reduktion des Gehalts der Voraussetzung des Sec. 13 (4) VAT Act 1994 auf das unionsrechtlich zulässige Maß denkbar ist. Ausdrücklich so House of Lords Urt. v. 13.12.1978 – Jones v Wrotham Park Settled Estates [1980] A.C. 74 (105): “… I am not reluctant to adopt a purposive construction where to apply the literal meaning of the legislative language used would lead to results which would clearly defeat the purposes of the Act. But in doing so the task on which a court of justice is engaged remains one of construction; even where this involves reading into the Act words which are not expressly included in it.”.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

nen Steuern,1718 zu verfahren. Die unionsrechtswidrigen Anforderungen der Sec. 13 (4) VAT Act 1994 wären dann unangewandt zu lassen. Dann würde zugunsten des Erwerbers Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL in seiner verhältnismäßigen Auslegung unmittelbar Anwendung finden. 2. Die Umsetzung des Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL Auch die Neutralisierung einer Doppelbesteuerung gem. Sec. 13 (5) (c) VAT Act 1994 in Fällen, in denen der Nachweis gem. Sec. 13 (4) VAT Act 1994 nicht rechtzeitig gelingt, wird zu Lasten des Erwerbers den unionsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. So erfolgt die Entlastung mit der Steuer erst zu demjenigen Zeitpunkt, zu dem der Erwerber den Nachweis führen kann, dass die Anforderungen gem. Sec. 13 (4) (a) und (b) VAT Act 1994 erfüllt sind. Eine Kompensation des Liquiditätsausfalles für den Zeitraum zwischen dem Eintritt der nachzuweisenden Tatsachen und dem entsprechenden Nachweis findet nicht statt. Der Verstoß gegen Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL liegt dabei zum einen darin begründet, dass die Anforderungen an die Entlastung, mit dem Bezug auf die Tatbestände des Sec. 13 (4) (a) und (b) VAT Act 1994 über das gem. Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL zulässige Maß hinausgehen. Damit setzt sich die Unionsrechtswidrigkeit der Umsetzung des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL1719 in der Umsetzung des Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL fort. Zugleich wirkt damit aber auch die unionsrechtskonforme Auslegung des Sec. 13 (4) (a) und (b) VAT Act 1994 bzw. die unmittelbare Anwendung des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL in der Regelung des Sec. 13 (5) (c) VAT Act 1994 fort. Daher ist, bezogen auf die generellen Anforderungen an die Entlastung gem. Sec. 13 (5) (c) VAT Act 1994 de lege lata, ein unionsrechtskonformer Rechtszustand herstellbar. Zum anderen steht die liquiditätswirksame Entlastung erst im Zeitpunkt des Nachweises, auch nach den insofern an die unionsrechtlichen Anforderungen angepassten Tatbestände des Sec. 13 (4) (a) und (b) VAT Act 1994 im Widerspruch zum Unionsrecht. Unionsrechtskonform wäre es, die Entlastung mit Liquiditätswirkung für den Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem die Voraussetzungen des – unionsrechtskonform interpre1718 High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 28.03.2014 – Littlewoods Retail Ltd [2014] EWHC 868 (Ch), Rn. 328 ff.; siehe zudem ausführlich oben Teil III A.VI.2.b)bb)(3)(c) Zulässigkeit des Verzichts auf Verzinsung im Rahmen des Ermessens der HMRC. 1719 S.o. Teil III B.IX.1 Die Umsetzung des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

tierten – Sec. 13 (4) (a) und (b) VAT Act 1994, nämlich die Korrektur der Identifikationsnummer gegenüber dem Lieferanten,1720 vorliegen. Da die Umsetzung in Sec. 13 (5) (c) VAT Act 1994 die Verhinderung der Doppelbesteuerung, durch Gewährung der Erstattung der Erwerbssteuer umsetzt und damit von der Mitwirkung der HMRC abhängig macht, reicht allein der Umstand, dass sich der Entlastungszeitpunkt ausweislich der Regelung des Sec. 13 (5) (c) VAT Act 1994 unabhängig vom Nachweis der Voraussetzungen bestimmt, nicht aus. Denn tatsächlich muss der Erwerber mit der Stellung des Erstattungsantrages auch die Voraussetzungen für die Erstattung belegen können. Darin liegt der Unterschied zur unionsrechtlichen, in Deutschland und Österreich so auch umgesetzten Konzeption der Korrektur der Bemessungsgrundlage durch den Steuerpflichtigen selbst. Der Steuerpflichtigen hat dann lediglich nachzuweisen, dass er die Korrektur im korrekten Zeitpunkt vorgenommen hat.1721 Dennoch lässt sich auch mit dem britischen Konzept, ein unionsrechtskonformes, weil liquiditätsneutrales Ergebnis herstellen. Erforderlich ist lediglich, den Liquiditätsausfall für den Zeitraum zwischen der Korrektur der Identifikationsnummer gegenüber dem Lieferanten und dem Nachweis auszugleichen. Probates Mittel wäre die Verzinsung des Erwerbssteuerbetrages.1722 Der Anspruch auf Verzinsung gem. Sec. 78 (1) (d) VAT Act 1994 setzt zunächst einen Fehler der HMRC voraus. Dieser muss zu einer Verzögerung der Auszahlung eines Betrages, auf den der Steuerpflichtigen einen Anspruch hat, führen. Als ein solcher Fehler der HMRC gilt auch, wenn die HRMC dem Steuerpflichtigen gegenüber eine inhaltlich gegen das Unionsrecht verstoßende Auskunft erteilt und der Steuerpflichtige deshalb auf die Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen verzichtet.1723 Somit liegt ein Fehler i.S.v. Sec. 78 (1) (d) VAT Act 1994 auch dann vor, wenn die HMRC bei der Anwendung des nationalen Rechts, die unionsrechtliche Grundlage fehlinterpretieren und dies erst mittelbar zu einer 1720 S.o. Teil III B.IX.1 Die Umsetzung des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL. 1721 Vgl. o. Teil III B.VII.2.c)bb) Sinngemäße Anwendung auf § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG – Herstellung unionsrechtskonformer Zustände de lege lata und EuGH, Urt. v. 22.04.2010 – C-536/08 und C-539/08 – X und Facet Trading BV, ECLI:EU:C:​ 2010:217, Rn. 37. 1722 Vgl. hierzu den Ansatz des House of Lords, Urt. v. 18.07.2007 – Sempra Metals Ltd (formerly Metallgesellschaft Ltd) [2007] UKHL 34, Rn. 102, 183, demzufolge ein Anspruch auf Erstattung von unionsrechtswidrig erhobenen Steuern Zinsen für den Zeitraum der unrechtmäßigen Erhebung umfassen; dazu Brown/Mullan, BTR 2010, 475 (476). 1723 Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, S. 1421; North East Media Development Trust Ltd v Customs and Excise Commissioners, VTD 13104.

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

Beeinträchtigung der Rechtsposition des Steuerpflichtigen durch Selbstschädigung führt. Entsprechend liegt erst recht ein Fehler auch dann vor, wenn die HMRC den unionsrechtlich korrekten Erstattungszeitpunkt für gem. Sec 13 (3) VAT Act 1994 geschuldete Steuer verkennen und diese erst mit entsprechendem Nachweis gewähren. Tatsächlich aber scheidet gem. Sec. 78 (8) i.V.m. (8A) (b) VAT Act 1994 die Verzinsung von Erstattungsbeträgen jedenfalls für Zeiträume aus, in denen der Erstattungsbetrag nur wegen des Fehlens der entsprechenden Nachweise nicht ausgezahlt wird.1724 Sec. 78 (8) i.V.m. (8A) (b) VAT Act 1994 übernimmt damit die unionsrechtswidrige Anknüpfung an den Nachweis in das Verzinsungsregime. Damit kann das Verzinsungsregime des Sec. 78 VAT Act 1994 die Korrektur der konstruktiv bedingten Defizite gem. Sec. 13 (5) (c) VAT Act 1994 nicht ausgleichen. Im Ergebnis bleibt es dabei; der Zeitpunkt des Nachweises bestimmt den Zeitpunkt der vollständigen – liquiditätswirksamen – Entlastung. Auf Grundlage des Konzeptes der Erstattung des Erwerbssteuerbetrages muss daher die Modifikation der Rechtslage am Verzinsungsregime ansetzen. Möglich wäre dabei, die Regelung der Sec. 78 (8) i.V.m. (8A) (b) VAT Act 1994 schlicht unangewandt zu lassen. Als Vorlage kann auch hier die Rechtsprechung dienen, der zufolge die unionsrechtlich gebotene Erstattung von unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuerbeträgen die Gewährung von Zinseszinsen umfasst. Da Zinseszinsen gem. Sec. 78 (1) (b) VAT Act 1994 ausgeschlossen werden und eine anderweitige Auslegung nicht möglich ist,1725 ist Sec. 78 (1) (b) VAT Act 1994 auf die Erstattung dieser Steuerbeträge nicht anwendbar.1726 Streit besteht in diesem Zusammenhang lediglich, ob tatsächlich Zinseszinsen geschuldet werden, nicht jedoch, wie ein solches Ergebnis herzustellen wäre.1727 Vergleichbar liegt der Fall der Erstattung gem. Sec. 13 (5) (c) VAT Act 1994. Hier verstößt zwar nicht die ursprüngliche Besteuerung des Erwerbs, wohl aber die Aufrechterhaltung der Besteuerung über den unionsrechtlich definierten Erstattungszeitpunkt hinaus gegen das Unionsrecht. Der unionsrechtlich gebotene Ausgleich dieses Verstoßes erfordert, auf Grundlage des britischen Systems der Erstattung des Steuerbetrages, die Ver­ 1724 Siehe ausführlich oben Teil III B.IV Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis; Davies/Rudling, Tolley’s Value Added Tax, 51.17 (“Period of interest”). 1725 High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 28.03.2014 – Littlewoods Retail Ltd [2014] EWHC 868 (Ch), Rn. 317 ff. 1726 High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 28.03.2014 – Littlewoods Retail Ltd [2014] EWHC 868 (Ch), Rn. 328 ff. 1727 Siehe zudem ausführlich oben Teil III A.VI.2.b)bb)(3)(c) Zulässigkeit des Verzichts auf Verzinsung im Rahmen des Ermessens der HMRC.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

zinsung des Erstattungsbetrages von diesem Zeitpunkt an. Da Sec. 78 (8) i.V.m. (8A) (b) VAT Act 1994 dieser Erstattung entgegensteht, ist sie daher auf Fälle der Sec. 13 (5) (c) VAT Act 1994 unanwendbar. Alternativ wäre die Gewährung von Zinsen jenseits der Regelung der Sec. 78 VAT Act 1994 als Anspruch des common law, in Anlehnung an die grundlegende „Woolwich“-Entscheidung des House of Lords1728, denkbar. Entsprechend dieser sind – national ausdrücklich nicht vorgesehene – Ansprüche dem Bürger zuzugestehen, wenn das Unionsrecht diese erfordert. Ansonsten „… wäre es „seltsam“, wenn Ansprüche auf die Rückerstattung überzahlter Steuern (Anm.: Gegenstand war die Erstattung von unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobener Steuern) durch das nationale Recht stärker eingeschränkt würden als durch das Unionsrecht“1729. Für den Fall der Erstattung von unter Verstoß gegen das ­Unionsrecht erhobenen Steuern begründet dieser Ansatz einen gewohnheitsrechtlichen bzw. common law-Anspruch auf die Verzinsung des Erstattungsbetrages. Dieser ist als Teil des unionsrechtlichen Erstattungsanspruches zur vollumfänglichen Restitution der Folgen des Verstoßes gegen das Unionsrecht – inklusive der Abschöpfung des Liquiditätsvorteils des Fiskus – erforderlich.1730 Dabei findet dieser Ansatz, obwohl er seinen Ausgangspunkt im Bereich der nicht harmonisierten, unter Verstoß gegen die Grundfreiheiten erhobener, direkten Steuern nahm, auch im Mehrwertsteuerrecht Anwendung.1731 Geht es nicht um die Restitution einer originär unionsrechtswidrigen Besteuerung, sondern nur um die 1728 House of Lords, Urt. v. 20.07.1992 – Woolwich Equitable Building Society v Inland Revenue Commissioner [1993] A.C. 70 (177). 1729 House of Lords, Urt. v. 20.07.1992 – Woolwich Equitable Building Society v Inland Revenue Commissioner [1993] A.C. 70 (177): “… at a time when Community law is becoming increasingly important, it would be strange if the right of the citizen to recover overpaid charges were to be more restricted under domestic law than it is under European law.” Übersetzung entnommen aus, Vogenauer, Die Auslegung von Gesetzen, S. 1318. 1730 Vgl. House of Lords, Urt. v. 18.07.2007 – Sempra Metals Ltd (formerly Metallgesellschaft Ltd) [2007] UKHL 34, Rn. 102 ff., 183, demzufolge ein Anspruch auf Erstattung von unionsrechtswidrig erhobenen Steuern Zinsen für den Zeitraum der unrechtmäßigen Erhebung umfassen; dazu Brown/Mullan, BTR 2010, 475 (476). 1731 High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 08.05.2009 – FJ Chalke Ltd [2009] EWHC 952 (Ch), Rn. 108, 255; v. 28.03.2014 – Littlewoods Retail Ltd [2014] EWHC 868 (Ch), Rn. 310, 311 ff.; Court of Appeal (Civil Division), Urt. v. 25.03.2010 – FJ Chalke Ltd [2010] EWCA Civ 313, Rn. 40; vgl. auch High Court of Justice (Chancery Division), Urt. v. 19.05.2010 – Littlewoods Retail Ltd [2010] EWHC 1071 (Ch), Rn. 31 ff., mit Bezug auf die, zur Erstattung von, wegen Verletzung der Niederlassungsfreiheit unionsrechtswidrig erhobener, Körperschaftsteuer ergangene Entscheidung in House of Lords, Urt. v. 18.07.2007 –

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B. Mehrwertsteueridentifikationsnummer

Korrektur der überlangen Aufrechterhaltung dieser Besteuerung, kann nichts anderes gelten. Im Fall des Sec. 13 (5) (c) VAT Act 1994 gebietet das Unionsrecht den Ersatz des Liquiditätsausfalles, für den Zeitraum zwischen der Korrektur der Identifikationsnummer gegenüber dem Lieferanten, bis zur Gewährung der Erstattung. Für den Zeitraum bis zum Nachweis der Voraussetzungen der Erstattung scheitert dieser an Sec. 78 (8) i.V.m. (8A) (b) VAT Act 1994. Entsprechend wäre dem Steuerpflichtigen ein gewohnheitsrechtlicher Anspruch auf die Verzinsung des Erstattungsbetrages für diesen Zeitraum zuzugestehen. Welchem Ansatz im Vereinigten Königreich letztlich der Vorzug zu gewähren ist, soll hier offen bleiben. Es soll hier der Hinweis genügen, dass ersterer Ansatz anknüpfend an die Verwaltungspraxis in para. 7.8. Notice 725 vom strikten Gesetzeswortlaut abzuweichen, möglicherweise eher Eingang in die Rechtspraxis finden kann. 3. Fazit Die derzeitige Rechtspraxis im Vereinigten Königreich zur Umsetzung des Art. 41 M ­ wStSystRL verstößt gegen das Unionsrecht. Allerdings lässt sich de lege lata ein unionsrechtskonformer Regelungszustand herstellen. Die Umsetzung des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL in Sec. 13 (3) i.V.m. (4) VAT Act 1994 geht, wie auch der Wortlaut des Unionsrechts, betreffend die nachzuweisenden Umstände zu weit. Die Herstellung unionsrechtskonformer Zustände ist auf Grundlage des geltenden Rechts im Wege der Auslegung möglich. Demzufolge ist der Gegenstand des Nachweises gem. Sec. 13 (4) (a) und (b) VAT Act 1994 dahingehend auszulegen, dass der Erwerber nur nachzuweisen hat, dass er dem Lieferanten über die Verwendung einer nicht vom Bestimmungsland ausgestellten Identifikationsnummer in Kenntnis gesetzt hat. Die Umsetzung des Art. 41 Abs. 2Abs. 2 ­MwStSystRL in Sec. 13 (5) (c) VAT Act 1994 bestimmt den Zeitpunkt der Entlastung faktisch auch durch den Nachweis der Entlastungsvoraussetzungen. Zwar nimmt die Regelung zur Neutralisation der Doppelbesteuerung – entsprechend dem Unionsrecht – nicht ausdrücklich Bezug auf den Nachweis der Voraussetzungen. Die Entlastungswirkung ex nunc im Zeitpunkt des Nachweises der Voraussetzungen liegt aber in der technischen Umsetzung des Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL begründet. So verfolgt Sec. 13 (5) (c) VAT Act 1994 zur Entlastung eine andere Technik als in der unionsrechtlichen Sempra Metals Ltd (formerly Metallgesellschaft Ltd) [2007] UKHL 34, Rn. 41, 52, 112, 183.

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Teil III  Analyse einzelner Fehlerfolgenregime

Grundlage. Die Besteuerung im Bestimmungsland wird gem. Sec. 13 (5) (c) VAT Act 1994 nicht mittels Korrektur der Bemessungsgrundlage, sondern durch eine per se nur ex nunc wirksame Erstattung des Erwerbssteuerbetrages neutralisiert. Die Gewährung dieser Erstattung erfolgt durch die HMRC und setzt damit den Nachweis der Voraussetzungen voraus. Damit bestimmt faktisch der Nachweis der Entlastungsvoraussetzungen den Zeitpunkt der liquiditätswirksamen Entlastung. Die Herstellung eines unionsrechtskonformen Regelungszustandes kann daher nicht auf die der unmittelbaren Umsetzung des Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL dienenden Regelung des Sec. 13 (5) (c) VAT Act 1994 beschränkt bleiben. Es bedarf eines dogmatisch anderen Ansatzes. Ausgehend von der britischen Neutralisationstechnik muss eine unionsrechtskonforme Interpretation auch das Verzinsungsregime erfassen. Dementsprechend ist der Erstattungsbetrag, entgegen der Regelung des Sec. 78 (8) i.V.m. (8A) (b) VAT Act 1994, für den Zeitraum von der Erfüllung der unionsrechtlich interpretierten Anforderungen des Sec. 13 (4) (a) und (b) VAT Act 1994 bis zum diesbezüglichen Nachweis zu verzinsen.

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Zusammenfassung

Die vorstehende Untersuchung nahm sich die Rechtsfolgen irrtümlicher Rechtsanwendungsfehler von Steuerpflichtigen im europäischen Mehrwertsteuersystem zum Gegenstand. Erstes Ziel war dabei die generell-abstrakte inhaltliche Bestimmung der Möglichkeit der Mitgliedstaaten Rechtsanwendungsfehler mit bestimmten Rechtsfolgen zu verknüpfen. Das Spektrum der relevanten Rechts­ folgen erfasste dabei Maßnahmen, welche über den schlichten, sekundärrechtlich vorgegebenen Gesetzesvollzug im Wege der Korrektur der tatbestandlichen Fehler bezüglich der Steuerbar- und Steuerpflichtigkeit sowie der grundsätzlichen Abziehbarkeit von Vorsteuern hinausgehen. Diese stützt sich auf die, sowohl tatbestandsspezifisch als auch generell den Mitgliedstaaten zugedachte Befugnis, Maßnahmen zu ergreifen, um die korrekte Erhebung der Steuer zu sichern und Steuerhinterziehungen zu vermeiden. Ausgehend davon stand die Untersuchung zweier Rechtsanwendungsfehler und deren Rechtsfolgen in Deutschland und ausgewählten Mitgliedstaaten im Mittelpunkt.

Teil I Spektrum der Rechtsanwendungsfehler und ­Sanktionsfolgen Da das Unionsrecht nur eine sehr weite und möglichst allgemein gehaltene Befugnis formuliert, bedurfte es zunächst einer Kategorisierung sowohl von Rechtsfehlern als auch der Rechtsfolgen. Diese musste, um zur Beantwortung einer unionsrechtlich determinierten Fragestellung zu taugen, unabhängig von einer Rückkopplung in einer mitgliedstaatlichen Rechtsordnung sein. Hierzu wurde die Kategorisierung in materielles und formelles Recht gewählt. Sofern zur Bestimmung der Kategorien Anleihen an das deutsche Recht dienen, steht das dem Ziel einer autonom von der Rechtstradition einzelner Mitgliedstaaten möglichen Einteilung nicht entgegen. So orientiert sich diese an der vom EuGH für die Qualifikation von besteuerungsrelevanten Umständen vorgenommenen Differenzierung zwischen materiellen und formellen Rechtsanwendungsfehlern und Rechtsfolgen. Materielle Fehler sind dabei solche, welche sich auf der Ebene der sekundärrechtlich definierten Steuerbar- und Steuerpflichtigkeit sowie der Steuerschuld niederschlagen. Formelle 439

Zusammenfassung

Fehler hingegen sind das Ergebnis der fehlerhaften Rechtsanwendung von Normen, welche die Um- und Durchsetzung des materiellen Rechts fördern und sichern sollen. Damit handelt es sich hierbei um Fehler bei der Anwendung von Verfahrensvorschriften. Parallel dazu wurden auch die Rechtsfolgen nach ihrer Wirkebene qualifiziert. Damit lassen sich die Kategorien einzig unter Bezugnahme auf das Unionsrecht bestimmen und damit jenseits mitgliedstaatlicher Grenzen fruchtbar machen. Als materiell gelten demnach solche Rechtsfolgen, welche direkt auf Ebene der Steuerbar- und Steuerpflichtigkeit, der Bemessungsgrundlage, der Steuerentstehung und –fälligkeit wie auch der Abziehbarkeit von Vorsteuerbeträgen wirken. Dem gegenüber lassen formelle Fehlerfolgenre­ gime die materiell-rechtliche Behandlung eines Vorgangs unberührt. Diese entfalten Wirkung jenseits der vom materiellen Recht erfassten Bereiche. Sie wirken in den Bereichen, in denen das formelle Recht seine Wirkung entfaltet. Dies ist der Bereich, in dem die praktische Durch­ setzung der materiell-rechtlich definierten Mechanismen zur Erreichung eines sekundärrechtlich definierten Ziels erfolgt. Hierzu zählen die beispielsweise im Vereinigten Königreich, Irland und teilweise in Österreich sowie Deutschland bekannte Verzinsung sowie die Verhängung von Verwaltungsstrafen.

Teil II Vorgaben des Unionsrechts Die Ermittlung des relevanten rechtlichen Rahmens, in dem sich die Mitgliedstaaten bei Anwendung dieser Befugnis bewegen müssen, umfasste aus dem Primärrecht die allgemeinen Grundsätze der Rechtssicherheit, Verhältnismäßigkeit und als Resultat ihrer Kombination, den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Betreffend den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wurde dabei zum einen deutlich, dass der EuGH bei der Bewertung der von den Mitgliedstaaten bestimmten Rechtsfolgen von Rechtsanwendungsfehlern grundsätzlich, wenn auch nicht immer ausdrücklich, eine Angemessenheitsprüfung vornimmt. Dem objektivierten Prüfungsmaßstab des primärrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist es geschuldet, dass bei der Ermittlung des angemessenen Verhältnisses zwischen den angestrebten Zielen und der damit verbundenen Lasten nicht der individuelle Steuerpflichtige Gegenstand der Angemessenheitsprüfung ist. Vielmehr steht im Zen­ trum der Ermittlung der Angemessenheit von mitgliedstaatlichen Maßnahmen zulasten des Steuerpflichtigen dieser in seiner systemisch zugedachten Rolle als „Steuereinnehmer für Rechnung des Staates“. Damit 440

Zusammenfassung

Fehler hingegen sind das Ergebnis der fehlerhaften Rechtsanwendung von Normen, welche die Um- und Durchsetzung des materiellen Rechts fördern und sichern sollen. Damit handelt es sich hierbei um Fehler bei der Anwendung von Verfahrensvorschriften. Parallel dazu wurden auch die Rechtsfolgen nach ihrer Wirkebene qualifiziert. Damit lassen sich die Kategorien einzig unter Bezugnahme auf das Unionsrecht bestimmen und damit jenseits mitgliedstaatlicher Grenzen fruchtbar machen. Als materiell gelten demnach solche Rechtsfolgen, welche direkt auf Ebene der Steuerbar- und Steuerpflichtigkeit, der Bemessungsgrundlage, der Steuerentstehung und –fälligkeit wie auch der Abziehbarkeit von Vorsteuerbeträgen wirken. Dem gegenüber lassen formelle Fehlerfolgenre­ gime die materiell-rechtliche Behandlung eines Vorgangs unberührt. Diese entfalten Wirkung jenseits der vom materiellen Recht erfassten Bereiche. Sie wirken in den Bereichen, in denen das formelle Recht seine Wirkung entfaltet. Dies ist der Bereich, in dem die praktische Durch­ setzung der materiell-rechtlich definierten Mechanismen zur Erreichung eines sekundärrechtlich definierten Ziels erfolgt. Hierzu zählen die beispielsweise im Vereinigten Königreich, Irland und teilweise in Österreich sowie Deutschland bekannte Verzinsung sowie die Verhängung von Verwaltungsstrafen.

Teil II Vorgaben des Unionsrechts Die Ermittlung des relevanten rechtlichen Rahmens, in dem sich die Mitgliedstaaten bei Anwendung dieser Befugnis bewegen müssen, umfasste aus dem Primärrecht die allgemeinen Grundsätze der Rechtssicherheit, Verhältnismäßigkeit und als Resultat ihrer Kombination, den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Betreffend den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wurde dabei zum einen deutlich, dass der EuGH bei der Bewertung der von den Mitgliedstaaten bestimmten Rechtsfolgen von Rechtsanwendungsfehlern grundsätzlich, wenn auch nicht immer ausdrücklich, eine Angemessenheitsprüfung vornimmt. Dem objektivierten Prüfungsmaßstab des primärrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist es geschuldet, dass bei der Ermittlung des angemessenen Verhältnisses zwischen den angestrebten Zielen und der damit verbundenen Lasten nicht der individuelle Steuerpflichtige Gegenstand der Angemessenheitsprüfung ist. Vielmehr steht im Zen­ trum der Ermittlung der Angemessenheit von mitgliedstaatlichen Maßnahmen zulasten des Steuerpflichtigen dieser in seiner systemisch zugedachten Rolle als „Steuereinnehmer für Rechnung des Staates“. Damit 440

Zusammenfassung

ist nur erheblich, was einem Steuerpflichtigen, losgelöst von seiner individuellen Betroffenheit, im Rahmen seiner Inanspruchnahme als Steuereinnehmer generell zumutbar ist. Da die Mitgliedstaaten ihre Befugnis zum Ergreifen von Maßnahmen zur Sicherung der genauen Erhebung der Steuer eingeräumt wird, musste zunächst geklärt werden, was unter einer genauen Erhebung der Steuer zu verstehen ist. Dabei genügt die Darstellung der dem Mehrwertsteuersystem zugrundeliegenden Regelungsziele und Grundprinzipien allein noch nicht. Denn den Mitgliedstaaten obliegt lediglich die Sicherung der genauen Erhebung der Steuer, nicht unmittelbar die Durchsetzung der damit verfolgten Regelungsziele. Sie haben daher an den sekundärrechtlichen zur Umsetzung dieser Regelungsziele vorgesehenen Mechanismen anzuknüpfen und sind somit grundsätzlich auf die mittelbare Förderung der Besteuerungsziele verwiesen. Die mitgliedstaatlichen Maßnahmen zur Sicherung dieser Mechanismen haben sich dann an der Erreichung dieser Regelungsziele im Wege der Sicherung dieser Mechanismen zu messen. Im Rahmen der damit erforderlichen Darstellung dieser Mechanismen wurde deutlich, dass sich das Verhältnis von Ziel und gesetzes­ technischer Umsetzung nicht nur auf das Verhältnis von Besteuerungsziel und sekundärrechtlicher Regelungstechnik beschränken lässt. So legt die Rechtsprechung des EuGH zum Verhältnis des Grundsatzes der Wettbewerbsneutralität und des unionsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung nahe, dass ersterer lediglich eine Methode zur Befriedigung der Anforderungen des letzteren an das Sekundärrecht ist. Damit muss die Rechtsprechung des EuGH, der zufolge der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität die bereichsspezifische Ausgestaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes darstellt, nicht notwendigerweise so verstanden werden, dass der Wettbewerbsneutralitätsgrundsatz in seinem Anwendungsbereich eine sekundärrechtliche – abschließende – mehrwertsteuerspezifische Definition des Gleichbehandlungsgrundsatzes darstellt. Ähnlich virulent wird, verdeutlicht man sich die gesetzestechnische Umsetzung des Verbrauchsteuer- und Belastungsneutralitätsprinzips, dass eine ausschließliche Zuordnung dieser Mechanismen zu einem dieser beiden Grundsätze nicht möglich ist. So untersagt der Grundsatz der Belastungsneutralität die Steuerbelastung von Steuerpflichtigen. Das Verbrauchsteuerprinzip hingegen definiert den privaten Endverbrauch als ausschließliches Belastungsziel der Mehrwertsteuer. Damit geht die Belastungsneutralität voll im Verbrauchsteuerprinzip auf. Er stellt somit nur einen systemischen Ansatz zur Verwirklichung des Verbrauchsteuerprinzips dar. Eine Einschränkung des Verbrauchsteuerprinzips insofern 441

Zusammenfassung

als dass Mehrwertsteuersystem eine Belastung des Verbrauches durch Nichtverbraucher – mithin aber auch Nichtunternehmer – insoweit zulässt, als der Grundsatz der Belastungsneutralität dieser nicht entgegensteht, ist daher keineswegs zwingend. Hierzu bleibt die Rechtsprechung zur Belastung von Aufwendungen durch Nichtsteuerpflichtige abzuwarten. An dieser Stelle muss der Hinweis auf die Tendenz des EuGH, ein, dem Verbrauchsteuerprinzip entsprechendes Ergebnis durch möglichst weite Auslegung der Normen zur Reichweite des Vorsteuerabzuges als zentrale Umsetzung des Grundsatzes der Belastungsneutralität herzustellen, genügen. Diese sollten die nationalen Gerichte zum Anlass nehmen, dem EuGH die Möglichkeit zu geben, das Verhältnis von Verbrauchsteuerprinzip und Belastungsneutralität zu klären. Weiter zeigte sich, dass sich die Wirkungen des Verbrauchsteuerprinzips nicht auf die Verhinderung einer Belastung des Steuerpflichtigen per saldo reduzieren lassen. Vielmehr steht auch eine steuerbedingte Liquiditätsbelastung des Steuerpflichtigen grundsätzlich im Widerspruch zum ­Verbrauchsteuerprinzip. So zeigt das Mehrwertsteuersystem in seinen Regelungen zum Vorsteuerabzugszeitpunkt, dass auch lediglich eine ­Verzögerung der tatsächlichen Entlastung durch Ausübung des Vorsteuerabzuges eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung des, das Verbrauchsteuerprinzip umsetzende, Neutralitätsgrundsatzes darstellt. Zur Verhinderung dieser Belastung wirkt daher auch ein Grundsatz der Liquiditätsneutralität. Die sich anschließende Untersuchung der mitgliedstaatlichen Befugnis zum Ergreifen von Maßnahmen zur Sicherung der genauen Erhebung der Steuer gliederte sich nach ihren bisherigen Erscheinungsformen. Den Anfang machte dabei die Befugnis zur Bestimmung von Mitwirkungspflichten. Dabei zeigte sich, dass sowohl die tatbestandsspezifischen Befugnisse der Art. 178 Buchst. b, d, f ­MwStSystRL als auch Art. 131 ­MwStSystRL auf die Regelung formal wirkender Mitwirkungspflichten beschränkt sind. Zu einer Erweiterung der tatbestandlichen Anforderungen um weitere materielle Voraussetzungen sind die Mitgliedstaaten durch sie nicht berufen. Daher können die Mitgliedstaaten auf diese Befugnisse keine Verpflichtungen stützen, deren Beachtung zwingende Voraussetzung für die Gewährung der materiellen Rechtsposition ist. Insbesondere das Fehlen einer Mehrwertsteueridentifikationsnummer des Erwerbers im Falle der innergemeinschaftlichen Lieferung gem. Art. 138 M ­ wStSystRL darf daher nicht automatisch zur Versagung der Steuerfreiheit der Lieferung führen. 442

Zusammenfassung

Gleiches gilt für die Befugnis gem. Art. 273 M ­ wStSystRL. Auch diese gewährt den Mitgliedstaaten nur die Bestimmung von formalen Pflichten. Aus seiner Stellung am Ende des mit „Pflichten der steuerpflichtigen und bestimmter nichtsteuerpflichtiger Personen“ überschriebenen Titels XI und seines tatbestandlichen Rückbezuges („…weitere Pflichten…“) auf den in Titel XI Kapitel 1 – 6 ­MwStSystRL bestimmten Pflichtenkatalog folgt nichts anderes. So sind zwar in Titel XI Kapitel 1 MwStSystRL mit den Regelungen zu den Steuerzahlungspflichten – ­ Steuerschuld und -fälligkeit – solche Regelungen mit materiellem Gehalt den Bestimmungen zu formellen Dokumentationspflichten in Titel XI Kapitel 2 – 6 ­MwStSystRL vorangestellt. Dieser systematische Zusammenhang ergibt sich jedoch erst durch die Fassung der M ­ wStSystRL; in der sechsten MwStRL fand sich dieser nicht. So erstreckte sich der Rückbezug der Vorgängerregelung Art. 22 Abs. 8 MwStRL – auch nach Ansicht des EuGH – nur auf die Art. 22 Abs. 1–6 6. MwStRL als Vorgängerregelungen zu Titel XI Kapitel 2–6 M ­ wStSystRL. Aufgrund der in Erwägungsgrund 3 ­MwStSystRL bestimmten inhaltlichen Kontinuität zwischen 6. MwStRL und M ­ wStSystRL lässt sich aus der systematischen Zusammenfassung von materiellen und formellen Pflichten eine inhaltliche Änderung des Bezuges in Art. 273 ­MwStSystRL nicht ableiten. Dabei lässt sich dem Rückbezug auf Titel XI Kapitel 2 – 6 ­MwStSystRL aber nur eine qualitative Beschränkung, nicht jedoch eine gegenständliche Beschränkung auf Dokumentationspflichten wie in Titel XI Kapitel 2 – 6 ­MwStSystRL entnehmen. Somit lassen sich generell formelle Maßnahmen zur Sicherung der richtigen Erhebung der Steuer auf Art. 273 ­MwStSystRL wie beispielsweise die Bestimmung von Sicherheitsleistungen stützen. Nehmen die Mitgliedstaaten diese Befugnisse in Anspruch, haben sie neben dem ausdrücklich in Art. 273 ­MwStSystRL genannten Verbot von Grenzübertrittsformalitäten nur die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts zu beachten. Insofern stellt der Verweis auf die Gleichbehandlung von innergemeinschaftlichen und rein innerstaatlichen ­Umsätzen einen lediglich klarstellenden Hinweis auf die Geltung des unionsrechtlichen Gleichbehandlungs- und Wettbewerbsneutralitätsgrundsatzes dar. Neben der Befugnis weitere Mitwirkungspflichten vorzusehen, umfassen Art. 131 ­MwStSystRL und Art. 273 M ­ wStSystRL auch die Befugnis der Mitgliedstaaten zur Bestimmung von Sanktionen bei Verstoß gegen diese Pflichten. Daneben ermöglichen die Art. 254 – 257, 267 M ­ wStSystRL Erklärungspflichten in Fällen der Verlagerung der Steuerschuldnerschaft mittels Sanktionen durchzusetzen. Entsprechend der weiten, nicht auf Titel XI Kapitel 2 – 6 ­MwStSystRL beschränkten Befugnis zur Bestim443

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mung von Mitwirkungspflichten, ist auch die Sanktionsbefugnis aus Art. 273 M ­ wStSystRL umfassend. Sie ermöglicht den Mitgliedstaaten umfassend Rechtsanwendungsfehler zu sanktionieren. Konkrete Kriterien, wie diese Sanktionsbefugnis anzuwenden ist, finden sich in den Befugnisnormen nicht. Als Grenze bleiben daher nur die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts und des Mehrwertsteuersystems. Dabei fällt zunächst auf, dass, sofern es um die Bestimmung der Reichweite der Sanktionsbefugnis im Einzelfall geht, keine tatbestandsspezifischen Kriterien aufgestellt werden. Vielmehr lassen sich alle normierten Sanktionsbefugnisse als Ausprägungen einer den Mitgliedstaaten generell zugewiesenen Befugnis, die notwendigen Maßnahmen zur Verwirklichung des in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie beschriebenen Besteuerungsziels vorzusehen, begreifen. Der Zulässigkeitsmaßstab ist daher stets derselbe. Demzufolge dürfen die Sanktionen als Maßnahmen zur Sicherung der richtigen Erhebung der Steuer nicht über das hierzu erforderliche hinausgehen. Sie müssen mithin verhältnismäßig sein. Hilft dieser allgemeine Hinweis des EuGH auf die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur nicht weiter, so lassen sich aber in der Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Verwaltungssanktionen abstrakte Kriterien zur Bestimmung der Rechtmäßigkeit von Sanktionen erkennen. Dabei verläuft die erste Trennlinie zwischen materiell und formell wirkenden Sanktionen. Demnach sind materiell wirkende Sanktionen, also die Aberkennung materieller Rechtspositionen, nur bei Zusammentreffen zweier Umstände verhältnismäßig. Zum einen muss das Steueraufkommen aufgrund der Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen tatsächlich gefährdet sein. Daneben muss der Steuerpflichtige um seine Beteiligung an der Gefährdung des Steueraufkommens gewusst haben oder zumindest gewusst haben müssen. Betreffend die Befugnis zur Verhängung von formellen Sanktionen, also Verwaltungsstrafen, lassen sich hingegen weit differenziertere Kriterien bestimmen. Generell gilt dabei Folgendes: Sofern es um die Sanktionierung der Verletzung von Mitwirkungspflichten geht, ist die Sanktion dann schon nicht verhältnismäßig, wenn die Beachtung der Mitwirkungspflicht im konkreten Einzelfall nicht zur Sicherung einer korrekten Besteuerung oder zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen erforderlich ist. Somit fließt in die Prüfung der Ver­ 444

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hältnismäßigkeit der Sanktion die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Mitwirkungspflicht ein. Für die Prüfung der Sanktionsfolge anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist in der Folge vom einzig unionsrechtlich zulässigen Zweck auszugehen. Dieser liegt in der Verhaltenslenkung des Steuerpflichtigen. Er soll zur Erfüllung seiner steuerrechtlichen Pflichten angehalten werden. Im Einzelnen bestimmt sich die Verhältnismäßigkeit der Sanktion nach Art und Schwere des Verstoßes und den Methoden für die Bestimmung der Höhe dieser Sanktion. Art und Schwere der Sanktion bestimmen sich dabei nach der Beeinträchtigung der Sicherung der korrekten Besteuerung im konkreten ­Einzelfall. Entfällt diese, kann der Steuerpflichtige, das Defizit in den Kontrollmöglichkeiten der Finanzverwaltung anderweitig ausgleichen. Gelingt dem Steuerpflichtigen die Heilung des Kontrolldefizits nicht, bestimmt sich die Sanktionswürdigkeit nach dem originären Zweck der Sanktionsbefugnis; der Verhaltenslenkung. Dabei kann vom Steuerpflichtigen nicht die objektiv korrekte Erfüllung seiner Verpflichtungen verlangt werden. Vielmehr ist der Rolle des Steuerpflichtigen als „Steuer­ einnehmer für Rechnung des Staates“ insofern Rechnung zu tragen, als von ihm lediglich die Beachtung der zumutbaren Sorgfalt bei Erfüllung seiner mehrwertsteuerrechtlichen Pflichten verlangt werden kann. ­Dieses Maß der zumutbaren Sorgfalt bestimmt sich dabei einzig nach unionsrechtlichen Maßstäben. Parallel zum Vertrauensschutzgrundsatz kann daher vom Steuerpflichtigen nur verlangt werden, dass er alle Maßnahmen ergreift, welche ihm zuzumuten sind, um die Korrektheit seiner Versteuerung sicherzustellen. Hat er diesen Maßstab beachtet, entfällt die Sanktionswürdigkeit. Die Verhängung von Sanktionen setzt daher stets ein Verschulden des Steuerpflichtigen, nämlich das Nichtergreifen aller ihm zumutbaren Maßnahmen, voraus. Ist dem Steuerpflichtigen der Verstoß demnach vorwerfbar, müssen die Methoden für die Bestimmung der Höhe der Sanktion dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Insbesondere müssen diese die Berücksichtigung der Vorwerfbarkeit im Einzelfall ermöglichen. Weitere Kriterien, wie die Korrektur betroffener Steuerbeträge, dürfen dabei ebenfalls nicht ausgeblendet werden. Maßstab ist dabei grundsätzlich die Relation von Sanktion und betroffenem Steuerbetrag. Dabei muss die Sanktion nicht notwendigerweise pro­ zentual zum betroffenen Steuerbetrag bestimmt werden. Einzig das Verhältnis von betroffenem Steuerbetrag und konkreter Sanktionshöhe ist 445

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Kriterium zur Bestimmung der Verhältnismäßigkeit. Dabei stellt eine Sanktion in Höhe des betroffenen Steuerbetrages die Obergrenze dar. Diese darf nur dann erreicht werden, wenn in dem Verstoß eine Steuerhinterziehung liegt. Neben dieser Obergrenze lassen sich feste Stufen für Sanktionen nicht benennen. Insofern ist den Mitgliedstaaten ein weiter Spielraum eingeräumt. Wie von den Steuerpflichtigen, verlangt das Mehrwertsteuersystem dabei auch von den Mitgliedstaaten nichts Unmögliches. Ist die Bestimmung des betroffenen Steuerbetrages gerade aufgrund des Verstoßes des Steuerpflichtigen nicht ermittelbar und kann daher der grundsätzliche Maßstab zur Bestimmung der Sanktionshöhe nicht angewandt werden, kann der Mitgliedstaat von diesem abweichen. Die dann zur Bestimmung der Sanktionshöhe angewandte Methode muss anhand der vor­ handenen Kenngrößen dem grundsätzlichem Maßstab – Relation der Sanktion zum betroffenen Steuerbetrag – möglichst nahe kommen. Beispielsweise sind Rückschlüsse vom Gesamtumsatzvolumen auf den betroffenen Steuerbetrag zulässig, wenn ein Verstoß eine bestimmbare Art von Umsätzen – z.B. B2C-Umsätze – betrifft und der Anteil dieser Umsatzart am Gesamtumsatz zumindest näherungsweise ermittelbar ist. Von der Methode zur Bestimmung der Sanktionshöhe strikt zu trennen ist der Modus der Erhebung dieser Sanktion. So liegt in einer Verrechnung einer nach verhältnismäßigen Methoden bestimmten Sanktion mit dem Vorsteuervolumen keine materielle Sanktion. Bestimmt das mitgliedstaatliche Sanktionsregime die Sanktionshöhe als Prozentsatz des gesamten geltend gemachten Vorsteuervolumens und zieht diesen von den nunmehr geltend gemachten Vorsteuerabzugsbeträgen ab, sind daher nicht notwendigerweise die Kriterien der Zulässigkeit einer materiell-rechtlich wirkenden Sanktion anzulegen. Vielmehr ist zu bestimmen, ob die Methode zur Bestimmung der Höhe der Sanktion, hier die prozentuale Bestimmung anhand des Vorsteuergesamtvolumens, den unionsrechtlichen Anforderungen genügt. Da sich die Sanktion hier nicht in direkter Relation zum betroffenen Steuerbetrag bestimmt, muss die Sanktion entweder in einem angemessen Verhältnis zum tatsächlich betroffene Steuerbetrag stehen, oder, ist dieser nicht ermittelbar, das Vorsteuergesamtvolumen eine näherungsweise Bestimmung des betroffenen Steuerbetrages zulassen. Ist der einbehaltene Vorsteuerbetrag demnach als Sanktion verhältnismäßig, stellt die Einbehaltung nur eine zulässige Methode zur Erhebung der Sanktion dar. Neben den Sanktionen zur Sicherung der korrekten Rechtsanwendung durch den Steuerpflichtigen haben die Mitgliedstaaten auch ein Interesse 446

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daran, einer Aufkommensgefährdung bereits bei einem dahingehenden begründeten Verdacht eines Rechtsanwendungsfehlers entgegenzuwirken. Stützt daher die Dokumentation des Steuerpflichtigen seine Rechtsanwendung aus Sicht der Finanzverwaltung nicht und besteht daher mit Bezug auf eine dem Steuerpflichtigen günstige und somit von ihm zu beweisende steuermindernde Umstände der Verdacht, einer Aufkommensgefährdung, könnte dieser durch rückwirkenden Aberkennung der ihm günstige Rechtspositionen begegnet werden. Als steuerfrei behandelte Umsätze wären dann zeitweise als steuerpflichtig, geltend gemachte Vorsteuerabzugsbeträge als nicht geschuldete und damit nicht abziehbare Steuerbeträge zu behandeln. Erst wenn der Steuerpflichtige den Nachweis führen kann, dass die Rechtsanwendung tatsächlich korrekt war und eine Gefahr für das Steueraufkommen damit tatsächlich weder bestand noch besteht, wäre dem Steuerpflichtigen die günstige Rechtsfolge wieder – ex nunc – zuzugestehen. Dies sicherte jedenfalls die summarisch korrekte Erhebung der Steuer. Die Zulässigkeit einer solchen Praxis, die rechtliche Wirkung von steuermindernden Umständen bis zur Vorlage der entsprechenden Nachweise zu suspendieren, legt die Rechtsprechung zu der Erstattung von einzig wegen des Ausweises in der Rechnung geschuldeten Steuerbeträgen nahe. So besteht zwar ein Anspruch des Steuerpflichtigen auf Erstattung dieser Steuerbeträge. Allerdings dürfen die Mitgliedstaaten dessen Gewährung vom Nachweis der Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens abhängig machen. Damit bestimmt sich der Zeitpunkt der Gewährung einer dem Steuerpflichtigen günstigen Rechtsfolge nach dem Zeitpunkt des Nachweises der Tatbestandsvoraussetzungen. Eine generelle Befugnis, dem Steuerpflichtigen günstige Rechtspositionen bis zum Nachweis abzuerkennen, folgt daraus aber nicht. Zum einen folgt aus der Rechtsprechung zur Erstattung von gem. Art. 203 M ­ wStSystRL geschuldeten Steuerbeträgen nicht, mit Wirkung für welchen Besteuerungszeitraum die Erstattung zu erfolgen hat. Richtigerweise ist das derjenige Besteuerungszeitraum, in dem der Rechnungsempfänger über die Fehlerhaftigkeit der Rechnung in Kenntnis gesetzt wurde. Das kann der Rechnungsersteller regelmäßig unmittelbar nachweisbar machen. Damit fallen in diesen Fällen zumeist der Eintritt der Tatbestandsvoraussetzungen und der Nachweis in den gleichen Besteuerungszeitraum. Die Frage nach dem von der Erstattung betroffenen Besteuerungszeitraum in Fällen, in denen der Nachweis später ergeht, stellt sich daher regelmäßig nicht. Der insofern nicht differenzierenden Rechtsprechung des EuGH kann daher eine Korrektur mit Wirkung erst zum Zeitpunkt des Nachweises nicht entnommen werden. Zwar lässt dieses Ergebnis keine zwingenden Schlüsse für oder gegen die 447

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Möglichkeit der Finanzverwaltungen die Rechtsanwendung durch den Steuerpflichtigen erst nach entsprechenden Nachweisen zur Verhinderung potentieller Steuerausfälle, anerkennen zu müssen zu. Offen bleibt daher auch die Möglichkeit eine, dem Steuerpflichtigen günstige Rechtsanwendung zu seinen Lasten bis zum Zeitpunkt des Nachweises als fehlerhaft behandeln zu dürfen. Allerdings zeigen die Erkenntnisse zu Art. 203 M ­ wStSystRL, dass eine grundsätzlich materielle suspensive Wirkung von tauglichen Nachweisen dem Unionsrecht widerspricht. So begegnet die Regelung des Art. 203 M ­ wStSystRL der typischerweise eintretenden konkreten Gefährdung des Steueraufkommens durch von der Rechnung motivierten, unberechtigten Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers. Allein aus unzureichenden Nachweisen folgt eine solche Gefährdung nicht typischerweise. Vielmehr noch zeigt ein in der Folge hinreichender Nachweis der Korrektheit der Besteuerung, dass diese Gefahr nie bestand. Damit kann eine materiell-suspensive Wirkung tauglicher Nachweise erst recht nicht als zulässige Maßnahme zur Sicherung der korrekten Erhebung der Steuer qualifiziert werden. Zudem läge darin eine faktische Modifikation der materiell-rechtlichen Regelungen zum Eintritt der Steuertatbestände. Eine solche ist den Mitgliedstaaten aber nicht gestützt auf Art. 273 ­MwStSystRL, sondern nur als genehmigungsbedürftige Sondermaßnahme gem. Art. 395 M ­ wStSystRL möglich. Jedenfalls ohne das Verfahren gem. Art. 395 M ­ wStSystRL durchgeführt zu ­haben, ist daher die Suspensivwirkung von tauglichen Nachweisen unionsrechtswidrig. Werden Steuerbeträge fälschlicherweise nicht erklärt, werden diese in vielen Mitgliedstaaten einer Verzinsung unterworfen. Sanktionszwecke werden damit nicht verfolgt. Nach der Untersuchung der Sanktionsbefugnis der Mitgliedstaaten und deren Befugnis, allein aufgrund unzureichender Nachweise materielle Rechtspositionen zeitweise abzuerkennen, blieb damit noch zu klären, ob den Mitgliedstaaten die Befugnis einer solchen Verzinsung zukommt. Dabei kommt allein durch eine verspätete Versteuerung dem Steuerpflichtigen isoliert auf seine Steuerzahlungsverpflichtung bezogen ein Liquiditätsvorteil gegenüber korrekt versteuernden Steuerpflichtigen zu. Dieser steht im Widerspruch zum, im Prinzip der Sollbesteuerung zum Ausdruck kommenden unionsrechtlichen Konzept der Belastung des Steuerpflichtigen auch mit Vorfinanzierungslasten. Systemwidrige Vorteile können die Mitgliedstaaten, wenn sich daraus eine ungerechtfertigte Bereicherung des Steuerpflichtigen ergibt, durch geeignete Maßnahmen aberkennen. Dabei ist zum Ausgleich von Liquiditätseffekten die 448

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Verzinsung sowohl zugunsten, als auch zulasten des Steuerpflichtigen als probates Mittel unionsrechtlich zulässig; Einzelheiten des Verzin­ sungsregimes obliegen den Mitgliedstaaten. Ob demnach ein Liquiditätsvorteil auch als ungerechtfertigt mittels Verzinsung abzuerkennen ist, ist unter Zugrundelegung der Liquiditätseffekte der systemischen vo­ rausgesetzten Be- und Entlastungsmechanismen zu ermitteln. Nur wenn sich der Steuerpflichtige nicht typischerweise von der Liquiditätsbelastung hätte befreien können, ist diese daher ungerechtfertigt. Der betroffene Steuerbetrag kann dann dem nationalen Verzinsungsregime unterworfen werden.

Teil III Analyse einzelner Fehlerfolgenregime mit ­rechtsvergleichenden Aspekten Der dritte Teil der Arbeit wandte sich der Untersuchung von einzelnen Rechtsanwendungsfehlern und deren Rechtsfolgen zu. Dabei konnte, im Gegensatz zum abstrakt-generell gehaltenen Teil 2 der Arbeit, die Bewertung der konkreten Verknüpfung von Fehler und Rechtsfolge bewertet werden. Insbesondere konnte daher auch der konkrete Fehler des Steuerpflichtigen identifiziert und dann der Relation zur Rechtsfolge zugrunde gelegt werden. Als erster Anwendungsfall wurde die Ausübung des Vorsteuerabzuges mit unerkannt mangelhafter Rechnung gewählt. In diesen Fällen spiegelt sich die Rolle der Steuerpflichtigen bei der Bewertung von besteuerungsrelevanten Sachverhalten, unter seiner Einbindung in das Steuerverwaltungsverfahren, besonders deutlich wieder. Denn hier geht es um die Umsetzung eines unionsrechtlich bestimmten Systems zur Durchsetzung des Neutralitätsgrundsatzes bei zeitgleicher Sicherung der korrekten Versteuerung. Zudem zeigt sich hier die Übertragung von originär der Steuerverwaltung obliegenden Kontrollpflichten auf den Steuerpflichtigen mittels Verknüpfung von fiskalischen Risiken und Interessen des Steuerpflichtigen. Wird in Deutschland der Vorsteuerabzug mit einer fehlerhaften Rechnung vorgenommen, wird die Ausübung des Vorsteuerabzuges grundsätzlich ex tunc aberkannt. Wird die Rechnung korrigiert, kann der Vorsteuerabzug erneut, dann aber nur ex nunc ausgeübt werden. Der aberkannte Vorsteuerabzug ist damit bis zur wirksamen Ausübung des Vorsteuerabzuges Gegenstand der Verzinsung gem. § 233a AO zulasten des Steuerpflichtigen.

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Verzinsung sowohl zugunsten, als auch zulasten des Steuerpflichtigen als probates Mittel unionsrechtlich zulässig; Einzelheiten des Verzin­ sungsregimes obliegen den Mitgliedstaaten. Ob demnach ein Liquiditätsvorteil auch als ungerechtfertigt mittels Verzinsung abzuerkennen ist, ist unter Zugrundelegung der Liquiditätseffekte der systemischen vo­ rausgesetzten Be- und Entlastungsmechanismen zu ermitteln. Nur wenn sich der Steuerpflichtige nicht typischerweise von der Liquiditätsbelastung hätte befreien können, ist diese daher ungerechtfertigt. Der betroffene Steuerbetrag kann dann dem nationalen Verzinsungsregime unterworfen werden.

Teil III Analyse einzelner Fehlerfolgenregime mit ­rechtsvergleichenden Aspekten Der dritte Teil der Arbeit wandte sich der Untersuchung von einzelnen Rechtsanwendungsfehlern und deren Rechtsfolgen zu. Dabei konnte, im Gegensatz zum abstrakt-generell gehaltenen Teil 2 der Arbeit, die Bewertung der konkreten Verknüpfung von Fehler und Rechtsfolge bewertet werden. Insbesondere konnte daher auch der konkrete Fehler des Steuerpflichtigen identifiziert und dann der Relation zur Rechtsfolge zugrunde gelegt werden. Als erster Anwendungsfall wurde die Ausübung des Vorsteuerabzuges mit unerkannt mangelhafter Rechnung gewählt. In diesen Fällen spiegelt sich die Rolle der Steuerpflichtigen bei der Bewertung von besteuerungsrelevanten Sachverhalten, unter seiner Einbindung in das Steuerverwaltungsverfahren, besonders deutlich wieder. Denn hier geht es um die Umsetzung eines unionsrechtlich bestimmten Systems zur Durchsetzung des Neutralitätsgrundsatzes bei zeitgleicher Sicherung der korrekten Versteuerung. Zudem zeigt sich hier die Übertragung von originär der Steuerverwaltung obliegenden Kontrollpflichten auf den Steuerpflichtigen mittels Verknüpfung von fiskalischen Risiken und Interessen des Steuerpflichtigen. Wird in Deutschland der Vorsteuerabzug mit einer fehlerhaften Rechnung vorgenommen, wird die Ausübung des Vorsteuerabzuges grundsätzlich ex tunc aberkannt. Wird die Rechnung korrigiert, kann der Vorsteuerabzug erneut, dann aber nur ex nunc ausgeübt werden. Der aberkannte Vorsteuerabzug ist damit bis zur wirksamen Ausübung des Vorsteuerabzuges Gegenstand der Verzinsung gem. § 233a AO zulasten des Steuerpflichtigen.

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Differenzierter stellt sich die Situation im Vereinigen Königreich dar. Dort kann der Steuerpflichtige eine unerkannt fehlerhafte Rechnung korrigieren. Diese Korrektur wirkt auf den Zeitpunkt der erstmaligen Ausübung des Vorsteuerabzuges zurück. Scheitert die Rechnungskorrektur hingegen, können die HMRC den Vorsteuerabzug ex nunc gewähren. Voraussetzung ist, dass dem Steuerpflichtigen der Nachweis der Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges gelingt und er Umstände darlegen kann, welche nahelegen, dass er von der Richtigkeit der Rechnung ausgehen durfte. In jedem Fall aber war die ursprüngliche Ausübung des Vorsteuerabzuges – dieser wird durch die HMRC nur ex nunc genehmigt – unberechtigt, die entsprechende Voranmeldung daher fehlerhaft. Damit drohen Bußgelder. Wurde die Fehlerhaftigkeit der Rechnung im Rahmen einer Kontrolle durch die HMRC erkannt, kann der Steuerpflichtige diese abwenden, wenn er darlegen kann, dass er die Fehlerhaftigkeit der Rechnung nicht fahrlässig verkannt hat. Damit wird ein Bußgeld regelmäßig ausscheiden, wenn die HMRC den Vorsteuerabzug gewähren. Erkennt der Steuerpflichtige die Fehlerhaftigkeit der Rechnung unabhängig von einer Kontrolle durch die HMRC und kann er die Rechnung nicht korrigieren, ist die Pflicht zur Offenlegung dieses Umstandes wie eine fahrlässige Verkennung der Fehlerhaftigkeit bei Ausübung bußgeldbewehrt. Neben Bußgeldern fallen auf den fehlerhaft nicht angemeldeten Betrag Zinsen i.H.v. 3 % p.a. bis zur Festsetzung des Fehlbetrages, oder der Korrekturmitteilung gegenüber den HMRC an. Um die Fehlerfolgen vor dem Hintergrund der in Teil 1 erarbeiteten Erkenntnisse bewerten zu können, bedarf es einer Qualifikation des Rechnungserfordernisses in Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL als materiell oder formell. Da mit dem Rechnungserfordernis die tatsächliche Entlastung mit Vorsteuern suspendiert wird, wirkt diese auf den Mechanismus des Sofortabzuges und damit auf das Mittel zur Herstellung einer liquiditätsneutralen Verbrauchsteuer. Es entfaltet damit auf den ersten Blicks materielle Wirkung. Tatsächlich misst das Mehrwertsteuersystem dem Rechnungserfordernis eine solche Wirkung nicht bei. Vielmehr legt es typisierend zugrunde, dass eine tatsächlich Belastung erst mit dem Erhalt der Rechnung eintritt. Eine materiell-rechtlich wirkende Modifikation des Sofortabzuges liegt darin demnach nicht. Die Rechnung dient allein der Kontrolle der Versteuerung durch den Leistenden und der Vo­ raussetzungen des Vorsteuerabzuges. Sie ist daher lediglich formales Erfordernis des Vorsteuerabzuges. Dieses Ergebnis stützt zudem auch die Rechtsprechung des EuGH. Der Gerichtshof bemüht bei Fehlen von Rechnungsangaben nicht den, beim Fehlen materieller Tatbestandsvo­ raussetzungen einschlägigen Grundsatz des Gutglaubensschutzes. Wei450

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ter benennt er die Rechnung explizit als formelles Erfordernis neben den materiellen Voraussetzungen des Art. 167 f. ­MwStSystRL. Soweit der EuGH die Aberkennung des Vorsteuerabzuges wegen nicht erfolgter Rechnungskorrektur und fehlenden Alternativnachweisen der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen binnen einer bestimmten Frist gestattet, folgt daraus nichts anderes. Es greift dort nur der Grundsatz der Rechtssicherheit Platz. Demzufolge darf die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht unbegrenzt lange offen bleiben, sodass die Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges nach Ablauf einer gewissen Frist endgültig als nicht erwiesen angesehen werden können. Damit darf ein Verstoß gegen das formelle Rechnungserfordernis auch nur formelle Rechtsfolgen zeitigen. Sowohl die Verzinsung als auch die Verhängung von Bußgeldern stellen grundsätzlich solche formellen Rechtsfolgen dar. Unterzieht man sowohl die Verzinsung von Vorsteuerbeträgen, als auch die Verhängung von Bußgeldern einer kritischen Würdigung, so kommt man zu folgenden Erkenntnissen. Die Verzinsung qualifiziert nur deshalb als formelle Rechtsfolge, weil sie der Herstellung der materiell-rechtlich intendierten Liquiditätssituation dient, ohne auf diese Einfluss zu nehmen. Kommt es aber zu einer Ver­ zinsung, obwohl diese Liquiditätssituation bereits besteht, wirkte diese materiell und wäre damit unzulässig. Entscheidend ist daher zu ermitteln, wann, nach den Wertungen des Unionsrechts, eine liquiditätswirksame Entlastung des Steuerpflichtigen mittels Vorsteuerabzuges eintreten soll. Dabei kann es sich nicht um den Zeitpunkt der Entstehung des Vorsteuerabzugsrechts handeln. Zum einen steht unzweifelhaft fest, dass gänzlich ohne Rechnung ein Vorsteuerabzug unzulässig ist. Zum anderen würde das der herausgehobenen Stellung des Rechnungserfordernisses – ebenso wie eine Qualifikation als lediglich deklaratorischer Hinweis auf die generelle Beweislastverteilung – nicht gerecht. Vielmehr genügte man dieser nur, wenn man die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung auf denjenigen Zeitpunkt, zu dem die Entlastung entsprechend dem Unionsrecht eintreten soll, einräumt. Wann diese eintreten soll, lässt sich Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL entnehmen. So setzt die Verhältnismäßigkeit der Beschränkung des Grundsatzes der Liquiditätsneutralität durch Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL die bereits erwähnte typisierende Annahme voraus, dass eine Entlastungsbedürftig451

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keit erst mit Erhalt einer Rechnung eintritt. Vor Erhalt einer Rechnung hält der Leistungsempfänger den Bruttobetrag zurück; eine Belastung tritt nicht ein. Zugleich schuldet der Leistende aber mit Leistungserbringung die Steuer, sodass er bemüht sein wird, die Steuerlast auf den Leistungsempfänger abzuwälzen. Er wird daher möglichst schnell eine Rechnung ausstellen. Diese Rechtsprechung setzt voraus, dass mit Erhalt einer Rechnung auch tatsächlich die Entlastungsmöglichkeit besteht. Für den Fall der unerkannt fehlerhaften Rechnung lassen sich ihr daher nur Ansatzpunkte für eine eigenständige Ermittlung der verhältnismäßigen Rechtsfolgen entnehmen. Unabhängig von der Korrektheit der Rechnung reduziert sich die Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug vor erstmaligem Erhalt der Rechnung tatsächlich nur auf die Annahme, dass der Vorsteuerabzugsberechtigte den Bruttobetrag entrichtet, sich damit der Vorsteuerbelastung aussetzt und sich seines Zurückbehaltungsrechtes benimmt, wenn er von der Tauglichkeit der Rechnung ausgeht. Ist diese Annahme falsch, kann aus der Rechtsprechung nicht geschlossen werden, dass der ausgeübte Vorsteuerabzug jedenfalls entfallen solle. Zum einen ist die Situation nicht mit derjenigen des Steuerpflichtigen vor Erhalt der Rechnung vergleichbar. Denn ein Druckmittel – in Form des Zurückbehaltungsrechtes – gegen den Leistenden hat er nicht mehr. Der systemimmanente Mechanismus von simultaner Belastung und Entlastungsmöglichkeit geht fehl. Weiter ist dem Rechnungserfordernis zwar eine Verpflichtung des Rechnungsempfängers zur Mitwirkung an der Kontrolle der Versteuerung durch den Leistenden zu entnehmen. Als Sanktion für deren Verletzung lässt sich die Aberkennung des Vorsteuerabzuges aufgrund ihrer materiell-rechtlichen Wirkung aber generell nicht rechtfertigen. Jenseits einer Sanktion erlegte ein strenges Verständnis des Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL dem Steuerpflichtigen vollumfänglich das Risiko für die Korrektheit der Rechnung auf. Eine solche Risikotragung überspannt den, dem Leistungsempfänger in verhältnismäßiger Weise zumutbaren Verantwortungsbereich. So haftete der Leistungsempfänger damit strenger für die Korrektheit der Rechnung als der Rechnungsersteller selbst. Denn dessen Fehler in der Rechnung haben nur deshalb einer Haftung zur Folge, weil diese typischerweise zu einer Gefährdung des Steueraufkommens durch ein an die Fehler anknüpfendes Verhalten des Rechnungsempfänger führen. Eine umgekehrte Verknüpfung von Vorsteuerabzug und Versteuerung besteht hingegen nicht. Selbst bei einem Steuerausfall auf Seiten des Leistenden verwirklicht sich daher eine dem Rechnungsempfänger zurechenbare Gefährdung des Steueraufkommens nicht. Das ist nur dann anders, wenn auf Seiten des Leistenden eine Steuerhinterziehung vorliegt. Kannte der Rechnungs452

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empfänger diesen Umstand oder hätte er ihn kennen müssen, entfällt sein Recht auf Vorsteuerabzug bereits materiell-rechtlich. Die Frage der ordentlichen Ausübung stellt sich nicht mehr. Dennoch bedingen sich die Rechnungskontrolle und das Bestehen des Vorsteuerabzuges. So kann der Steuerpflichtige mit einer teilweisen Überprüfung der Tauglichkeit der Rechnung seinen Vorsteuerabzug auch in diesen Fällen sichern. Denn er musste um die Steuerhinterziehung des Leistenden nicht wissen, wenn sich ihm diese bei Beachtung des generell erforderlichen Sorgfaltsmaßstabes nicht erschlossen hat. Dieser erfordert zum Ausschluss seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung durch den Leistenden grundsätzlich nur die Überprüfung der Rechnung. Hat der Steuerpflichtige daher seiner Pflicht zur Kontrolle der Rechnung mit der vernünftigerweise von ihm zu fordernden Sorgfalt entsprochen, bleibt sein Vorsteuerabzug in materieller Hinsicht bestehen. Dabei hat der Rechnungsempfänger aber, da Gegenstand seiner Verpflichtung die Kontrolle des Leistenden ist, nur die zur Kontrolle des Leistenden erforderlichen Rechnungsangaben, sofern er diese auch verifizieren kann, zu kontrollieren. Zumutbar ist ihm dabei aber nicht die erneute Verifikation der Angaben bei jedem Umsatz. Vielmehr reduziert sich diese Anforderung bei dauernden Geschäftsbeziehungen auf regelmäßige bzw. anlassbezogene Überprüfungen. Gaben diese keinen Anlass, eine Steuerhinterziehung zu vermuten, musste der Rechnungsempfänger diese auch nicht kennen. Der Vorsteuerabzug bleibt unabhängig von einer Steuerhinterziehung des Leistenden bestehen. Hat der Rechnungsempfänger diese Sorgfalt beachtet besteht daher sein Vorsteuerabzugsrecht auch in materieller Hinsicht fort. Die dem Leistungsempfänger mittels Art. 178 ­MwStSystRL auferlegte Mitverantwortung für die korrekte Versteuerung erfordert dann nicht zwingend die Aberkennung des Vorsteuerabzuges ex tunc. Einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung steht Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL deshalb nicht grundsätzlich entgegen. Vielmehr erfordert eine verhältnismäßige Interpretation des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL eine Rückwirkung der Rechnungsberichtigung. Das hat der EuGH zwischenzeitlich im Grundsatz so bestätigt ohne allerdings den Zweck des Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL hinreichend zu würdigen. Um Folgefragen, insbesondere die Anforderungen an die erstmalige Rechnung klären zu können, bedurfte es einer, über die Argumentation des EuGH hinausgehende Auseinandersetzung mit den in der MwStSystRL angelegten Mechaniken. So erfordert der Zweck des ­ Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL – Zurückbehaltung des Vorsteuervolumens bis zur Schaffung einer Kontrollmöglichkeit hinsichtlich der Be453

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rechtigung als auch der korrespondierenden Versteuerung zur Verhinderung von Steuerausfällen – eine ex tunc Aberkennung des Vorsteuerabzuges schon dann nicht, wenn der Nachweis, dass die Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges schon im Zeitpunkt der Ausübung des Vorsteuerabzuges vorgelegen hatten, gelingt. Die daraus folgende Einschränkung des Neutralitätsgrundsatzes ist daher nicht erforderlich. Tatsächlich ließe sich auf diese Erkenntnis auch die Rückwirkung der erstmaligen Erteilung einer Rechnung stützen. Dem steht aber die, auch vom EuGH so propagierte, legislative Grundentscheidung, der zufolge zur Ausübung des Vorsteuerabzuges eine Rechnung vorliegen müsse, entgegen. Die Rückwirkung einzig der Korrektur der Rechnung in den Fällen des Art. 178 Buchst. a ­MwStSystRL ist daher derzeit der einzig gangbare Weg zu dessen verhältnismäßiger Interpretation. Da die Rückwirkung die abschließende Klärung der Rechtmäßigkeit der Ausübung des Vorsteuerabzuges durch den Steuerpflichtigen bedingt, verzögert diese den Eintritt von Rechtssicherheit. Da der Grundsatz der Rechtssicherheit einer unbegrenzt langen Zeit bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage entgegensteht und daher insbesondere Ausschlussfristen für die Geltendmachung materieller Rechtspositionen ermöglicht, ist auch die rückwirkende Rechnungsberichtigung zeitlichen Grenzen unterworfen. Diese bestimmen sich nach dem nationalen Verfahrensrecht. Demnach ist eine Rechnungsberichtigung solange möglich, als Tatsachen zur Klärung der steuerrechtlichen Lage herangezogen werden können. Zu einer gesonderten Regelung für die Rechnungskorrektur sind die Mitgliedstaaten gem. Art. 182 ­MwStSystRL nicht berufen. Eine umfassende Rückwirkung der Rechnungsberichtigung drohte das Rechnungserfordernis auszuhöhlen und damit seiner herausgehobenen Stellung nicht gerecht zu werden. So könnte der Leistungsempfänger eine erkennbar untaugliche Rechnung, jedenfalls sofern der Leistende die Steuern nicht hinterzieht, im Vertrauen auf die Möglichkeit der rückwirkenden Rechnungsberichtigung zum Anlass für die Ausübung des Vorsteuerabzuges nehmen. Die systemimmanenten Mechanismen von Beund Entlastung unter mittelbarer Sicherung der korrekten Erhebung der Steuer mittels der Rechnungskontrolle durch den Leistungsempfänger liefen leer. Zudem erfordert die verhältnismäßige Interpretation des Art. 178 Buchst. a M ­ wStSystRL eine solch weitreichende Möglichkeit zur Rechnungskorrektur nicht. Denn diese setzt lediglich voraus, dass die Ausübung des Vorsteuerabzuges zu dem Zeitpunkt, zu dem der seinen Verpflichtungen entsprechende Steuerpflichtige typischerweise eine 454

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Belastung erfährt, wirksam möglich ist. Daher kann als Anknüpfungspunkt für eine rückwirkende Rechnungskorrektur nur eine solche Rechnung gelten, welche dem Leistungsempfänger bei Beachtung der ihm zumutbaren Sorgfalt als tauglich erscheinen durfte. Nur dann erfüllt er die in verhältnismäßiger Weise an ihn zu stellenden Anforderungen bei der Kontrolle der Rechnung. Eine Aberkennung der Ausübung des Vorsteuerabzuges im Falle des Verkennens der Fehlerhaftigkeit der Rechnung bürdete ihm ein Risiko auf, dessen er sich nicht durch die von ihm zu fordernde Sorgfalt entledigen könnte. Das wäre daher unverhältnismäßig. Da der Bezugspunkt der Prüfung durch den Steuerpflichtigen dabei aber die umfängliche Korrektheit der Rechnung ist, ist diese Prüfung nicht auf die Rechnungsangaben, welche der Kontrolle des Leistenden dienen, beschränkt. Insbesondere reicht daher eine Rechnung, die lediglich die Haftung des Rechnungserstellers gem. Art. 203 ­MwStSystRL auszulösen geeignet ist, nicht aus. Die Rechnungskorrektur, deren Rückwirkung den Vorsteuerabzug zum Zeitpunkt der ursprünglichen Ausübung sichert, erfordert grundsätzlich die Mitwirkung des Rechnungserstellers. Weigert sich dieser oder existiert nicht mehr, kann dem Leistungsempfänger die Korrektur der Rechnung mittels Gutschrift gestattet werden. Auf die Zustimmung des Rechnungserstellers kommt es dann nicht mehr an. Art. 224 ­MwStSystRL ist entsprechend teleologisch zu reduzieren. Voraussetzung ist, dass der Leistungsempfänger die Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges und damit spiegelbildlich die Steuerpflichtigkeit des Leistenden nachweist. ­Damit besteht keine Gefahr einer Haftung aus Art. 203 M ­ wStSystRL zulasten des Leistenden; der Zweck des Zustimmungserfordernisses des Art. 224 ­MwStSystRL läuft dann leer. Da der Leistungsempfänger aber auch bei der Erstellung einer Korrekturgutschrift ggf. auf Daten des Leistenden angewiesen ist, droht eine faktische Vereitelung der Korrektur mittels Gutschrift auch jenseits der Verweigerung der Zustimmung. Sofern der Leistungserbringer nicht mehr existiert, würde dem Leis­ tungsempfänger mit einer nicht erfüllbaren Formalie die Sicherung der liquiditätsneutralen Besteuerung unmöglich gemacht. Daher hat die Finanzverwaltung auf die Korrektur dieser Angaben zu verzichten. Gleiches gilt im Falle des lediglich unwilligen Leistenden. Ansonsten würde dem nicht schutzwürdigen Leistenden zulasten des rechtmäßig handelnden Leistungsempfängers erlaubt, aus der Verletzung seiner Pflicht zur Mitwirkung an der Rechnungskorrektur einen Vorteil für steuerfremde Zwecke zu ziehen und damit seine steuersystematisch bedingte Position zu missbrauchen.

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Zu diesen unionsrechtlichen Vorgaben steht die deutsche Rechtspraxis im Widerspruch. So folgt die Unterscheidung in vorsteuerabzugsschäd­ liche und – unschädliche Rechnungsfehler zwar einem unionsrechts­ konformen Ansatz, geht diesen aber nicht konsequent zu Ende. Zudem entlässt sie den Steuerpflichtigen mit dem generellen Verzicht auf die Korrektur unschädlicher Fehler zu früh aus seiner Mitwirkungsverpflichtung. Im Zentrum der Unionsrechtswidrigkeit der deutschen Rechtspraxis steht jedoch der generelle Ausschluss der Rückwirkung einer Rechnungskorrektur. Dabei steht der Herstellung unionsrechtskonformer Zustände in Deutschland allenfalls die lange Tradition der Rechnungskorrektur ex nunc entgegen. De lege lata lässt sich eine Rechnungskorrektur ex tunc herstellen. In materiell-rechtlicher Hinsicht steht dem § 15 UStG nicht entgegen. § 31 Abs. 5 UStDV, der mittelbar auch im Anwendungsbereich des § 15 UStG Wirkung entfaltet, legt die Rückwirkung der Rechnungsberichtigung gar nahe. Auch ein verschiedentlich behaupteter, allgemeiner Grundsatz des Umsatzsteuerrechtes, demzufolge Ereignisse im Umsatzsteuerrecht keine Rückwirkung zeitigen, steht dem nicht entgegen. Tatsächlich existiert ein solcher nicht. Auch das deutsche Steuerverfahrensrecht steht der Rückwirkung der Rechnungskorrektur nicht entgegen. Da sich die Rückwirkung aus dem unionsrechtmäßig interpretierten materiellen Recht ergibt, stellt die Rechnungskorrektur ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. Entsprechend der Bestimmung der Reichweite der Rechnungsberichtigung durch das nationale Verfahrensrecht kann eine Rechnungskorrektur bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht erfolgen. Allein die rückwirkende Rechnungskorrektur reicht zur Herstellung eines unionsrechtskonformen Rechtzustandes noch nicht aus. Vielmehr droht das Verzinsungsregime gem. § 233a AO die Liquiditätswirkungen der rückwirkenden Rechnungskorrektur, als Ziel der Rückwirkung zu konterkarieren. Im Zentrum steht dabei der Umstand, dass gem. § 233a Abs. 2a AO ein rückwirkendes Ereignis für Zwecke des Verzinsungsre­ gimes – faktisch – ignoriert wird. Tatsächlich steht aber die Anwendung des § 233a Abs. 2a AO auf die Fälle der rückwirkenden Rechnungskorrektur dessen legislativem Zweck entgegen. Die Regelung und ist daher einer entsprechenden teleologischen Reduktion ihres Anwendungsbereiches zugänglich. Dabei ist die Zweckwidrigkeit der Verzinsung von der rückwirkenden Rechnungskorrektur zugänglichen Vorsteuerbeträgen und deren unionsrechtswidrige Liquiditätswirkungen nicht auf § 233a Abs. 2a AO beschränkt. So führt die generelle Anwendung des Verzin­ sungsregimes in diesen Fällen zu Liquiditätslasten, welche dem Zweck 456

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des Verzinsungsregimes widersprechen. Die Fälle der rückwirkenden Rechnungsberichtigung sind daher vollumfänglich mittels einer teleologischen Reduktion dem Anwendungsbereich des § 233a AO zu entziehen. Andernfalls wäre das Verzinsungsregime als unionsrechtswidrig unangewandt zu lassen. In Fällen, in denen die Rechnung korrigiert wird, entspricht die derzeitige Rechtspraxis im Vereinigten Königreich dem Unionsrecht. Kann die Rechnung nicht korrigiert werden, bleibt die Möglichkeit der ex nunc Korrektur hinter den Anforderungen des Unionsrechts zurück. Tatsächlich bleibt diese Abweichung vom Unionsrecht aber auf die rechtstechnische Ebene beschränkt. So ist das Verzinsungsregime einer Interpretation zugänglich, welche eine unionsrechtswidrige Liquiditätsbelastung ausschließt. Ebenso sanktioniert das Penaltyregime denjenigen Steuerpflichtigen nicht, zu dessen Gunsten eine rückwirkende Rechnungskorrektur möglich ist. Denn er hat die ihm zugedachten Pflichten erfüllt und ist damit nicht sanktionswürdig. De lege lata ist daher ein unionsrechtskonformer Zustand im Vereinigten Königreich herstellbar. Der zweite Rechtsanwendungsfehler, der einer intensiveren Unter­ suchung unterzogen werden sollte, war die Verwendung einer nicht vom Bestimmungsland ausgestellte Mehrwertsteueridentifikationsnummer, im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs. Verwendet der Erwerber im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs eine nicht vom Bestimmungsland ausgestellte Mehrwertsteuer­ identifikationsnummer, liegt der Erwerb in dem Mitgliedstaat, der die Identifikationsnummer ausgestellt hat – der Identifikationsstaat –, Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL. Zudem bleibt es bei der Lokalisation im Bestimmungsland gem. Art. 40 M ­ wStSystRL. Neben die Besteuerung im Bestimmungsland tritt damit die Besteuerung im Identifikationsstaat. Damit wird der Erwerb doppelt besteuert, es sei denn, der Erwerber kann nachweisen, dass der Erwerber bereits im Bestimmungsland besteuert wurde Dann findet keine Lokalisation des Erwerbs im Identifikations­ staat statt. Dieses Nachweisverfahren ist unionsrechtlich nicht geregelt. Unionsrechtlich vorgesehene Erklärungen taugen, da sie nicht die Besteuerung eines einzelnen Umsatzes erfassen, hierzu nicht. Damit obliegt das Nachweisverfahren den Mitgliedstaaten. Gelingt der Nachweis, wird die Bemessungsgrundlage im Identifikationsstaat um das Erwerbs­ entgelt gemindert, wenn der Erwerb im Bestimmungsland besteuert wird; Art. 41 Abs. 2Abs. 2 M ­ wStSystRL. Dieser Mechanismus ist erfor457

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derlich, da ein Abzug der Erwerbssteuern als Vorsteuern im Identifikationsstaat nicht möglich ist. Nicht ausdrücklich geregelt ist, mit Wirkung für welchen Besteuerungszeitraum diese Korrektur zu erfolgen hat. Zweck dieser Regelung ist es, den Erwerber zur Erfüllung seiner Pflicht, eine vom Bestimmungsland ausgestellte Identifikationsnummer zu verwenden, anzuhalten. In Deutschland und auch in Österreich erfolgt die Korrektur ex nunc in dem Besteuerungszeitraum, in dem der Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland erfolgt, unabhängig davon, wann die Besteuerung im Bestimmungsland tatsächlich erfolgte. Gelingt der Nachweis erst nach der Besteuerung im Bestimmungsland, verbleiben dem Steuerpflichtigen daher Liquiditätsausfälle. Besteuerung meint dabei die Anmeldung im Bestimmungsland. Wie der Nachweis zu führen ist, ist nicht geregelt. In Deutschland soll jedenfalls eine Bestätigung der Finanzverwaltung des Bestimmungslandes ausreichen. In Österreich werden eine Voranmeldung aus dem Bestimmungsland, eine Aufstellung der innergemeinschaftlichen Erwerbe des jeweiligen Besteuerungszeitraumes und, sofern Steuern tatsächlich auch gezahlt werden, ein Zahlungsbeleg gefordert. Im Vereinigten Königreich erfolgt die Korrektur anders als dies die ­MwStSystRL und die deutschen und österreichischen Reglungen vorsehen, nicht mittels einer Korrektur der Bemessungsgrundlage. Dort wird die Erwerbssteuererstattet. Diese erfolgt erst, wenn der Nachweis der Anmeldung des Erwerbs im Bestimmungsland vorliegt. Ein Zinsausgleich für den Fall, dass der Nachweis der Versteuerung im Bestimmungsland erst nach der Anmeldung des Erwerbs dort gelingt, findet nicht statt. Die Qualifikation des Rechtsanwendungsfehlers bestimmt sich, wie auch schon diejenige des Rechnungserfordernisses für den Vorsteuerabzug, nach dem Zweck der Regelung im Mehrwertsteuersystem. Der Erwerber ist verpflichtet, eine vom Bestimmungsland ausgestellte Identifikationsnummer zu verwenden. Hintergrund dieser Verpflichtung ist, dass das unionsweite Kontrollverfahren MIAS für die Überwachung der korrekten Versteuerung des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs nur dann Erwerbsvorgänge dem Bestimmungsland zuordnen kann. Damit dient diese Verpflichtung lediglich der Durchsetzung des Mechanismus zur Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips und ist damit formeller Natur. Verwendet ein Erwerber daher eine nicht vom Bestimmungsland ausgestellte Identifikationsnummer, liegt darin ein formeller Fehler. 458

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Dieser führt aufgrund der dargestellten Umsetzungen, der zufolge der Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland die Korrektur der Besteuerung im Identifikationsstaat ex nunc bedingt, zu einer endgültigen Doppelbesteuerung. Diese umfasst den Zeitraum von der Besteuerung im Bestimmungsland bis zum entsprechenden Nachweis. Zinsausfälle sind die Folge. Das hält einer kritischen Würdigung der unionsrechtlichen Vorgaben nicht stand. Auch eine möglichst rasche, korrekte Versteuerung im Bestimmungsland allein vermag diese nicht abzuwenden. Nur, wenn die Korrektur simultan zur Besteuerung im Bestimmungsland erfolgte, ließen sich diese Wirkungen vermeiden. Ob die Mitgliedstaaten dem unionsrechtlich nicht geregelten Nachweis eine solche Bedeutung beimessen dürfen, war daher zu klären. Anders gewendet war zu untersuchen, ob sich dem Unionsrecht ein Zeitpunkt, zu dem die Korrektur gem. Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL stattzufinden hat, entnehmen lässt. Tatsächlich lässt sich dieser dem Unionsrecht entnehmen. Demzufolge hat die Korrektur der Bemessungsgrundlage in dem Besteuerungszeitraum zu erfolgen, in dem die Besteuerung im Bestimmungsland vorgenommen wurde. Dieses Ergebnis stützt zum einen der Wortlaut der Vorschrift des Art. 41 ­MwStSystRL. So liegt dem Fall des Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL offenbar eine Simultanität von Besteuerung im Bestimmungsland und Korrektur im Identifikationsstaat zugrunde. Weiter nimmt nur Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL Bezug auf den Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland. Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL setzt das Fehlen des Nachweises vo­ raus, ohne auf diesen dann noch Bezug zu nehmen. Es folgt daher bereits aus dem Wortlaut, dass, anders als in den nationalen Umsetzungen der Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland bzw. dessen Fehlen nur für die generelle Lokalisation des Erwerbs im Identifikationsstaat, nicht aber für die Korrektur dieser von Bedeutung sein soll. Zum anderen hat nur dieses Ergebnis vor den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts bestand. So wird dieses Problem erst für die breite Masse der Steuerpflichtigen dadurch virulent, dass die Erwerbssteuer im Identifikationsstaat nicht als Vorsteuer abziehbar, sondern nur gem. Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL korrigierbar ist. Den Grund hierfür erkennt der EuGH darin, dass ansonsten der Zweck des Art 41 ­MwStSystRL, den Erwerber zur Verwendung einer vom Bestimmungsland ausgestellten Identifikationsnummer anzuhalten, nicht erreicht würde. Damit würde das Funktionieren des MIAS nicht hinreichend geschützt; die korrekte Besteuerung im Bestimmungsland könnte nicht nachvollzogen, die Besteuerung nicht durchgesetzt werden. Die – per se – neutralitätswidrige 459

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Doppelbesteuerung gem. Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL ist demnach lediglich ein Druckmittel. Somit erfordert der Zweck des Art. 41 ­MwStSystRL die Aufrechterhaltung dieser Besteuerung nur bis zur Zweckerreichung. Mit der Versteuerung im Bestimmungsland ist dieser Zweck erreicht. Ab diesem Zeitpunkt ist die Einschränkung des Neutralitätsgrundsatzes damit nicht mehr verhältnismäßig. Wann der Nachweis ergeht ist demnach unerheblich. Aus dem Umstand, dass die Korrektur gem. Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL die Funktion des Vorsteuerabzuges übernimmt, folgt nichts anderes. Ein solcher Rückschluss scheitert an der mangelnden Vergleichbarkeit der zugrundeliegenden Situationen. Der auf Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL verwiesene Erwerber hat, anders als der Vorsteuerabzugsberechtigte, nicht die Möglichkeit die Belastung bis zum Eintritt der Entlastung hinauszuzögern. Die Steuer im Identifikationsstaat wie auch im Bestimmungsland entsteht ipso jure, ohne dass der Erwerber gegenüber der Finanzverwaltung im Bestimmungsland ein Zurückbehaltungsrecht an der Steuer bis zum Nachweis der Besteuerung zusteht. Der ­Vorsteuerabzugsberechtigte hingegen hat ein solches gegenüber dem Lieferanten in Höhe des Steuerbetrages bis zur Rechnungserteilung bzw. zur für den Vorsteuerabzug ansonsten gem. Art. 181 ­MwStSystRL erforderlichen Mitwirkung. Weiter setzt der Gegenstand des Nachweises der Besteuerung notwendigerweise die Belastung voraus. Der vom Vorsteuerabzugsberechtigten geforderte Nachweis hingegen trifft über die Belastung tatsächlich keine Aussage. Zudem fehlt im Falle des Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL schlicht ein sekundärrechtliches Pendant zum die tatsächliche Entlastung jenseits des Eintritts der materiellen Voraussetzungen suspendierenden Ausübungserfordernis des Art. 178 ­MwStSystRL. Die liquiditätswirksame Bedingung der Korrektur gem. Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL durch den Nachweis ihrer materiellen Voraussetzungen schränkt damit den Neutralitätsgrundsatz in nicht verhältnismäßiger Weise ein. Zudem lässt sich die Liquiditätslast nicht als Sanktion für die Verwendung einer nicht vom Bestimmungsland ausgestellten Identifikationsnummer rechtfertigen. So bestimmte sich der Umfang der Sanktion nach dem Ausmaß der Liquiditätsbelastung. Diese wiederum ist bedingt durch die Zeitspanne zwischen Steuerzahlung im Bestimmungsland und dem entsprechenden Nachweis gegenüber dem Identifikationsstaat. Auf die Länge dieser Zeitspanne hat der Identifikationsstaat keinen Einfluss. Zudem bestimmt sich der Umfang der Sanktion nicht nach dem Zeitraum, in dem der Verstoß Wirkungen auf die Sicherung der korrekten Besteuerung zeitigt. Damit ist die Verhältnismäßigkeit der Sanktion nicht herstellbar. 460

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Somit hat die Korrektur gem. Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL grundsätzlich in dem Besteuerungszeitraum zu erfolgen, in dem die Besteuerung im Bestimmungsland erfolgt. Eine darüber hinausgehende Doppelbelastung ist unionsrechtswidrig. Im Falle der simultanen Besteuerung im Bestimmungs- und Identifikationsstaat würde damit das zwingende Nachweiserfordernis in Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL faktisch umgangen. Dieser Umstand wie auch der Wortlaut verdeutlichen, dass Art. 41 M ­ wStSystRL von der legislativen Überzeugung getragen ist, dass ein Fall der simultanen Besteuerung, ohne Möglichkeit diese nachzuweisen, tatsächlich nicht eintritt. Nur so lässt sich unter Aufrechterhaltung des Nachweiserfordernisses in Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL eine verhältnismäßige Belastung herstellen. Eine korrekte Interpretation des Art. 41 M ­ wStSystRL setzt daher voraus, dass ein Nachweis simultan zur Besteuerung im Bestimmungsland möglich ist. Eine tragfähige Interpretation des Nachweiserfordernisses i.S.v. Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL muss diesen Anforderungen genügen. Ausgehend von der offenbar einhellig vertretenen Ansicht, dass die Besteuerung im Bestimmungsland die Anmeldung des Erwerbs meint, scheidet der simultane Nachweis generell aus.. Denn eine Anmeldung erfolgt erst nach Ablauf des Besteuerungszeitraumes. Auch nach dessen Ende fehlt ein auf den einzelnen Umsatz bezogenes, sekundärrechtlich geregeltes und damit unionsweit verlässliches Nachweisverfahren. Zudem kommt in Art. 16 MwStDVO die Autonomie der Mitgliedstaaten bei der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs zum Ausdruck. Den Steuerpflichtigen daher auf die Ausbildung jeweils tauglicher Nachweisverfahren durch den jeweiligen Mitgliedstaat zu verweisen, erscheint wenig zielführend. Das hilft zudem nicht über das generelle Problem der notwendigen Sequenz von Steuerentstehung und Anmeldung hinweg. Den die Simultanität von Belastungen kann so nicht abgebildet werden. Vielmehr erscheint eine Lösung auf Ebene des Nachweises i.S.v. Art. 41 Abs. 1 ­ MwStSystRL – des Beweisgegenstandes als auch des Beweismaßes – angezeigt. Dem vorgeschaltet ist der Begriff der Verwendung einer Identifikationsnummer mithin der Anwendungsbereich des Art. 41 ­MwStSystRL zu klären. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob die Verwendung einer Identifikationsnummer durch den Erwerber die Verwendung durch den Lieferanten in seiner Zusammenfassenden Meldung und damit die Gefährdung der Funktionsfähigkeit des MIAS voraussetzt. Tatsächlich zeigt 461

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sich, dass die Identifikationsnummer, entgegen der in Deutschland allgemein vertretenen Ansicht, bereits dann verwendet wird, wenn der Erwerb unter Bezug auf diese Identifikationsnummer erfolgt. Insbesondere lässt sich nur so die Sicherung der Versteuerung zum korrekten Zeitpunkt sicherstellen und Friktionen mit den abschließenden Regelungen zur Steuerentstehung vermeiden. Da die, untaugliche, Interpretation des Begriffs „besteuert wurde“ als Anmeldung bereits den Wortlaut ausreizt, verbleit daher einzig eine Lösung im Wege der rechtsfortbildenden, teleologischen Reduktion. Der zufolge wurde der Erwerb für Zwecke des Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL bereits dann gem. Art. 40 M ­ wStSystRL besteuert, wenn der Erwerber dem Lieferanten gegenüber klargemacht hat, dass er die verwandte Identifikationsnummer nicht mehr für den Erwerb verwenden möchte. Diesen, einzig vom Erwerber beeinflussbaren Umstand kann er unabhängig von Dritten, und damit simultan nachweisen. Zudem genügt dieser Ansatz vollumfänglich der, von Art. 41 M ­ wStSystRL bezweckten Sicherung der Funktionsfähigkeit des MIAS. So hat der Lieferant seine Zusammenfassende Meldung entsprechend zu ändern, womit der Erwerb im Bestimmungsland aufgrund der Daten des MIAS nachvollziehbar wird. Kommt der Lieferant dieser Verpflichtung nicht nach, trägt dieses Risiko der Fiskus des Bestimmungslandes. Mit diesem Ansatz entschärft sich zudem die Problematik des Auseinanderfallens von Besteuerung im Bestimmungsland und des diesbezüglichen Nachweises i.R.d. Korrektur gem. Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL deutlich. Da ein Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland unmittelbar im Anschluss an die Besteuerung möglich ist, führt auch ein – schlicht aus verwaltungstechnischen Gründen – bestimmtes Nachweiserfordernis regelmäßig zu keiner unionsrechtswidrigen Liquiditätsbelastung. Die Berücksichtigung der gefundenen Erkenntnisse zu Art. 41 Abs. 1 ­MwStSystRL lassen sich im deutschen Recht de lege lata über § 3d Satz 2 UStG erreichen. Der Begriff der Verwendung lässt sich richtlinienkonform auslegen. Aufgrund der nahezu wörtlichen Umsetzung in § 3d Satz 2 UStG geht deren Wortlaut, bezogen auf den Nachweis der Voraussetzungen der Abwendung der Besteuerung im Identifikationsstaat parallel zum Unionsrecht, zu weit. Daher kann auch hier eine teleologische Reduktion erfolgen. Methodische Probleme stellen sich in diesem Rahmen nicht. Diese teleologische Reduktion löst zudem einen, in der derzeitigen Anwendung des § 3d Satz 2 UStG begründeten, Widerspruch zu § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG auf. So knüpfen beide Regelungen, jeweils mit Blick auf die Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips, an die 462

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Erwerbsbesteuerung in einem anderen Mitgliedstaat an. Die derzeitige Rechtspraxis in Deutschland hingegen stellt an die Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzung jeweils unterschiedliche Anforderungen. Mit der hier vertretenen Lösung hingegen liegt eine Besteuerung im Bestimmungsland für Zwecke des § 3d Satz 2 UStG dann vor, wenn sie für Zwecke der Definition der innergemeinschaftlichen Lieferung – nach in Deutschland einhelliger Meinung – gem. § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG ebenfalls vorliegen würde. Die Umsetzung des Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL durch §§ 3d Satz 2 i.V.m. 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG verstößt mit ihrer Anknüpfung an den Nachweis der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland und der Korrektur ex nunc gegen die unionsrechtliche Grundlage. Ausgehend von der hier propagierten teleologischen Reduktion des Begriffes der Besteuerung im Bestimmungsland und der dadurch ermöglichten zeitnahen Führung diese Nachweises, zeitigt dieser Verstoß jedoch nur im deutlich geringeren Umfang tatsächlich unionsrechtswidrige Konsequenzen. Auch in den verbleibenden Fällen, in denen ein Nachweis nicht im Besteuerungszeitraum der Besteuerung im Bestimmungsland gelingt, lässt sich, de lege lata ein unionsrechtskonformes Ergebnis herstellen. So beruht die unionsrechtswidrige derzeitige Praxis der Korrektur der Bemessungsgrundlage ex nunc auf der Überzeugung, dass die, in § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG angeordnete sinngemäße Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG eine rückwirkende Korrektur ausschließe. Dieser Ansatz verkürzt den Gehalt des § 17 Abs. 1 UStG. Tatsächlich lässt sich § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG, unter Berücksichtigung seiner unionsrechtlichen Grundlage und seiner daraus resultierenden systematischen Funktion, nur der Sinn entnehmen, dass eine Korrektur auch die systemkonformen Liquiditätslasten des Steuerpflichtigen sowohl zu dessen Gunsten als auch zu dessen Lasten in den Blick nimmt. Im Falle des § 17 Abs. 1 UStG erfordert dieser Zweck eine Korrektur ex nunc. Die Korrektur ist daher nicht Sinn, sondern nur Mittel zum Zweck. So verstanden erfordert der Sinn des § 17 Abs. 1 UStG im Falle des § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG eine Korrektur mit Wirkung auf den Zeitpunkt der Besteuerung im Bestimmungsland. Denn ab diesem Zeitpunkt übersteigt die fortdauernde Doppelbesteuerung des Erwerbes die dem Steuerpflichtigen zumutbaren ­Liquiditätsaufwand. Das Nachweiserfordernis ist danach auf einen klarstellenden Hinweis auf die Beweislast des Erwerbers beschränkt. Damit kann der Steuerpflichtige de lege lata das Erwerbsentgelt für einen gem. § 3d Satz 2 UStG in Deutschland lokalisierten Erwerb in dem Besteuerungszeitraum von der Summe der Bemessungsgrundlage abziehen, 463

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in dem er gegenüber dem Lieferanten klargestellt hat, dass er die deutsche Identifikationsnummer nicht mehr verwenden wolle. Eine Verzin­ sung für den Fall, dass der Nachweis nicht gelingt, droht ebenso wenig wie strafrechtliche Konsequenzen. Da die Umsetzung in Österreich im Wesentlichen parallel zur deutschen läuft, und Bezugnahmen auf gleich oder ähnlich lautende Erkenntnisse aus der deutschen Rechtsprechung und Rechtswissenschaft der österreichischen Rechtspraxis nicht fremd sind, lassen sich die Erkenntnisse zum deutschen Recht umfänglich auf das österreichische Recht übertragen. Die derzeitige Rechtspraxis im Vereinigten Königreich zur Umsetzung des Art. 41 M ­ wStSystRL verstößt gegen das Unionsrecht. Allerdings lässt sich auch hier de lege lata ein unionsrechtskonformer Regelungszustand herstellen. Betreffend die Umsetzung des Art. 41 Abs. 1 M ­ wStSystRL bietet sich hierzu eine inhaltlich an der hier für Deutschland und Österreich entwickelte Lösung angelehnte Weiterentwicklung der bereits in der aktuellen Verwaltungspraxis angedeuteten Abweichung vom zu weit gehenden, kodifiziertem Recht an. Da die Umsetzung des Art. 41 Abs. 2 ­MwStSystRL einen technisch anderen Ansatz als das Unionsrecht verfolgt, bedarf auch die Herstellung der Unionsrechtmäßigkeit einer anderen Herangehensweise als in Deutschland oder Österreich. So erfolgt im Vereinigten Königreich die Korrektur der Besteuerung im Identifikationsstaat mittels Erstattung der Erwerbssteuer durch die HMRC. Auch wenn diese, anders als in Deutschland und Österreich, einen Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland nicht voraussetzt, ist er im Verwaltungsverfahren faktisch erforderlich. Somit kommt es zu einer Erstattung erst im Zeitpunkt des Nachweises. Ein Ausgleich des Liquiditätsausfalles durch das Verzinsungsregime des VAT Act 1994 findet de lege lata nicht statt. Allerdings zeichnet sich im Vereinigten Königreich eine deutliche Entwicklung ab, der zufolge zur Herstellung des unionsrechtlich korrekten Liquiditätszustandes einzelne Regelungen des nationalen Verzinsungsregimes unangewandt bleiben. Anknüpfend daran steht zu erwarten, dass sich auch eine Verzin­ sung für den Zeitraum zwischen der Besteuerung im Bestimmungsland und der entsprechenden Erstattung durchsetzen wird.

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Schlussbetrachtung

Die Mehrwertsteuer hat für die Haushalte der Mitgliedstaaten der europäischen Union herausragende Bedeutung. Sie ist aufkommensstark und weniger volatil als die direkten Steuern. Zudem ist sie aufgrund des geringen staatlichen Erhebungsaufwandes für den Fiskus sehr rentabel. Den Großteil des Erhebungsaufwandes wie auch der Verantwortung für die korrekte Erhebung der Steuer kommt dem Steuerpflichtigen zu. Das Verwiesen Sein auf den Steuerpflichtigen ist, aus Sicht der Fisken, die Kehrseite der Rentabilität einer indirekten Besteuerung. Der Sicherung des Interesses der Mitgliedstaaten an einer – für sie nachvollziehbar – korrekten Rechtsanwendung durch die Steuerpflichtigen sind dabei Grenzen gesetzt. Insbesondere haben die Mitgliedstaaten auf die strikte Trennung von materiellem Steuertatbestand und formellen Pflichten zu achten. Fehler bei der Anwendung formellen Rechts dürfen, außer bei vorwerfbarer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung, nicht zur Aberkennung materieller Rechtspositionen führen. Sofern die Mitgliedstaaten aufgrund der Betrugsanfälligkeit des Mehrwertsteuersystems und eines dadurch geschürten Misstrauens gegenüber dem Steuerpflichtigen die Erfüllung von teils zwingenden formellen Pflichten abhängig machen, lassen sie allzu oft das unionsrechtlich bestimmte Maß des dem Steuerpflichtigen Zumutbaren außer Acht. Das betrifft nicht nur den Umfang von Mitwirkungspflichten und Sanktionen; insofern besteht mittlerweile ein geschärftes Bewusstsein. Dieses fehlt zumeist betreffend die dem Steuerpflichtigen zumutbaren Liquiditätslasten. Das insofern zumutbare Maß lässt sich unter dem hier verwandten Begriff der Liquiditätsneutralität fassen. Ähnlich der Postulate der Belastungs- und Wettbewerbsneutralität bildet sie ein Grundprinzip des Mehrwertsteuersystems. Anders als die Belastungsneutralität ist sie bereits bei der Suspendierung von materiellen Rechtspositionen, welche per saldo zu keiner Belastung des Steuerpflichtigen führen, betroffen. Somit wird der Grundsatz der Liquiditätsneutralität besonders dann virulent, wenn Nachweispflichten verletzt wurden und dem Steuerpflichten günstige Konsequenzen erst mit deren Erfüllung gezogen werden. Bisher wurde der Liquiditätsneutralität jedoch eine ihrer Bedeutung angemessene Beachtung noch nicht zu teil. Insbesondere insofern bedarf es in Zukunft einer gesteigerten Sensibilität in Gesetzgebung, Rechtspre465

Schlussbetrachtung

chung und Verwaltung. Wenn die vorliegende Arbeit auch hierzu, jenseits der behandelten Fälle des Vorsteuerabzuges und der Steuerkorrektur gem. Art. 41 Abs. 2 M ­ wStSystRL, Anstoß gibt, hat sie ihren Zweck erfüllt.

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Literaturverzeichnis

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