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German Pages 622 [623] Year 2023
Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 314
Rechtfertigung und Beweisverbot Von
Samuel Strauß
Duncker & Humblot · Berlin
SAMUEL STRAUSS
Rechtfertigung und Beweisverbot
Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg
Herausgegeben von Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg
und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel
in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten
Band 314
Rechtfertigung und Beweisverbot Von
Samuel Strauß
Duncker & Humblot · Berlin
Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Andreas Popp, Konstanz Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Konstanz hat diese Arbeit im Jahre 2022 als Dissertation angenommen.
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© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI Books GmbH, Leck Printed in Germany
ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-18930-4 (Print) ISBN 978-3-428-58930-2 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Die folgende Monografie wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Konstanz im Wintersemester 2022/2023 als Dissertation angenommen. Die Verteidigung fand am 22. November 2022 bei Herrn Professor Dr. Andreas Popp und Herrn Professor Dr. Hans Theile statt. Rechtsprechungs- und Literaturnachweise sind im Wesentlichen auf dem Stand von September 2022. Mein Dank gilt vor allen anderen meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Andreas Popp, der die Arbeit während des gesamten Entstehungsprozesses begleitet und mich dabei stets in einer Weise unterstützt hat, wie sie nicht besser hätte sein können. Die anregenden und tiefgreifenden Gespräche sowie das hohe Maß an Empathie und Offenheit haben erheblich zum Gelingen des Projekts beigetragen. Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Professor Dr. Hans Theile für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie bei Herrn Professor Dr. Oliver Fehrenbacher für die Mitwirkung an der mündlichen Doktorprüfung. Für die Aufnahme der vorliegenden Arbeit in die renommierte Schriftenreihe „Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folgen“ danke ich Herrn Professor Dr. Dres. h.c. FriedrichChristian Schroeder und Herrn Professor Dr. Andreas Hoyer. Besonderen Dank schulde ich Herrn Dr. Christian Brand, der mich seit unserer gemeinsamen Zeit am Lehrstuhl von Herrn Professor Dr. Rudolf Rengier in all meinen Vorhaben unterstützt. Ohne ihn wären zahlreiche wissenschaftliche Projekte nicht möglich gewesen. Für die vielen konstruktiven und erheiternden Gespräche sowie die gemeinsame Zeit als Wissenschaftliche Mitarbeiter möchte ich Dr. Michael Busching und Mark Schoch meinen Dank aussprechen. Zu guter Letzt bedanke ich mich von ganzem Herzen bei meinen Eltern und Großeltern sowie meinen Brüdern Moritz und Paul, die meinen Lebensweg stark beeinflusst und mich stets in allen Belangen unterstützt haben. Zu tiefstem Dank verpflichtet bin ich auch Niklas, Jonas und Mara, die mein Leben außerhalb der wissenschaftlichen Forschung bereichern. In Liebe und größter Zuneigung ist diese Arbeit Stephanie gewidmet. Nur durch ihre unermüdliche Unterstützung und ihr großes Verständnis war ein Projekt wie dieses überhaupt denkbar. Konstanz, im März 2023
Samuel Strauß
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Einführung und Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Praktische Relevanz der Forschungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 III. Der Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Teil 1 Grundlagen
34
A. Terminologie der Beweisverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 I.
Strafprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Beweiserhebung und Beweisverwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Selbstständige und unselbstständige Beweisverwertungsverbote . . . . . . . . . . . . 37 3. Beweisverwertungsverbote als Belastungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 4. Beweiserhebung durch Private? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
II. Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 B. Kategorien der eigeninitiativen Beweismittelsuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I.
Abgrenzung zwischen staatlicher Beweiserhebung und privater Beweismittelsuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Private Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1. Generelle Zulässigkeit privater Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Konflikte mit dem staatlichen Ermittlungsmonopol? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Legitimation privater Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 c) Zivilrechtliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 d) Ergebnis zur generellen Zulässigkeit privater Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . 52 2. Echte private Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Unechte private Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 III. Private Beweismitteldokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 IV. Sonderkonstellation „Dashcam“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
C. Verhältnis von materiellem Recht und Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
8
Inhaltsverzeichnis
D. Stand und Defizite der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 I.
Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1. „Extremlösungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Generelle Unverwertbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Grundsätzliche Verwertbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2. Verfassungsrechtliches Abwägungsmodell der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . 64 a) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 b) Analyse und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Abwägungsmodell des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4. Analoge Anwendung des § 136a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 5. Menschenrechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 6. Grundrechtliche Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 7. Strafrechtswidriges Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 8. „Hypothese rechtswidriger staatlicher Beweiserhebung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 9. Ergebnis zu den strafprozessualen Beweisverbotsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . 81
II. Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. „Extremlösungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 a) Generelle Unverwertbarkeit: Einheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) Generelle Verwertbarkeit: Trennungsdogma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Verfassungsrechtliches Abwägungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 a) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 b) Erlangungs- und Verwertungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 aa) Formale Anknüpfung an die Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 bb) Vorgelagerte materiell-rechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 cc) Anknüpfung an den Erlangungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 dd) Perpetuierungsgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 ee) Unklarer Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3. Einfachgesetzliche Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 a) Schutzzweck der verletzten Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) Selbsthilfeverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 c) Schadensersatzanspruch als Grundlage des Verwertungsverbots . . . . . . . . . . 96 d) Unterlassungsanspruch als Grundlage des Verwertungsverbots . . . . . . . . . . 97 e) Grundsatz des redlichen Prozessverhaltens: Treu und Glauben . . . . . . . . . . 98 f) Datenschutzrechtliche Lösungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 4. Ergebnis zu den zivilprozessualen Beweisverbotsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . 103 III. Gesamtergebnis zum Stand und den Defiziten der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . 103
Inhaltsverzeichnis
9
Teil 2 Grenzen der privaten Beweismittelsuche
106
A. Zivilrecht – Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 I.
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Dogmatische Grundlage: Unmittelbare Grundrechtswirkung im Privatrechtsverhältnis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Verhältnis von verfassungsrechtlichem und zivilrechtlichem allgemeinen Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
II. Schutzinhalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 III. Verhältnis zu besonderen Persönlichkeitsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Die besonderen Persönlichkeitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Problemfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Vorrang der besonderen Persönlichkeitsrechte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) „Sperrwirkung“ der besonderen Persönlichkeitsrechte? . . . . . . . . . . . . . . . . 123 IV. Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Verzicht auf die Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Parameter der Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a) Allgemeine Vielfalt und systematische Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 b) Rechtskreis des Verletzten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 c) Rechtskreis des Verletzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3. Präzisierung der Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Das Beweisinteresse in der persönlichkeitsrechtlichen Abwägungsdoktrin 137 aa) Das Beweisinteresse auf der Verwertungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 bb) Das Beweisinteresse auf der Erlangungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 cc) Zwischenergebnis und Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) Präzisierungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 aa) Orientierung an Rechtfertigungssituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Orientierung am Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Eignung, den intendierten Zweck zu erreichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 aa) Die Eignung aus tatsächlichem Blickwinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 bb) Die Eignung aus beweisverbotsbezogenem Blickwinkel . . . . . . . . . . . . 150 V. Ergebnis für das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . 150 B. Datenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I.
Sachlicher Anwendungsbereich (Art. 2 DSGVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. Haushaltsausnahme (Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
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Inhaltsverzeichnis 3. Anwendungsausschluss wegen Kriminalitätsbekämpfung (Art. 2 Abs. 2 lit. d DSGVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 II. Erlaubnissatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Anwendungsvorrang des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 2. Rechtmäßigkeit der Verarbeitung (Art. 6 DSGVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3. Konkretisierung für den Bereich der eigeninitiativen Beweismittelsuche . . . . . 163 a) Berechtigte Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 c) Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 4. Ergebnis für die datenschutzrechtliche Erlaubnis und Schlussfolgerung . . . . . . 172 III. Grundsätze der Datenverarbeitung (Art. 5 DSGVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 IV. Hinweispflichten und formale Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 V. Verhältnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 VI. Ergebnis für das Datenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
C. Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 I. § 201 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 1. Besonderer Inhalt des gesprochenen Wortes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB – (heimliche) Tonaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3. § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB – Abhören mittels eines Abhörgeräts . . . . . . . . . 183 a) Abhörgerät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 b) Abhören . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 c) Nicht zu seiner Kenntnis bestimmt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 4. Ergebnis für § 201 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 II. § 201a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 1. Höchstpersönlicher Lebensbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Gleichsetzung mit der Intimsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) Situationen des Alleinseins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 c) Anknüpfung an den strafrechtlichen Ehrbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 d) Ein Präzisierungsversuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 e) Ergebnis zum höchstpersönlichen Lebensbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB: Aufnahme aus einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 a) Wohnungen und gegen Einblick besonders geschützte Räumlichkeiten . . . . 200 b) Eigene und fremde Räumlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 c) Auswirkungen auf die private Beweismittelsuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3. § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB: Hilflosigkeit einer anderen Person . . . . . . . . . . . . . 204 a) Hilflosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 aa) Orientierung an §§ 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6, 221 StGB . . . . . . . . . . . . . . . 206 bb) Auswirkungen auf die Beweissicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 b) Zur Schau stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
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4. § 201a Abs. 2 StGB: Ansehensschädigende Aufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 5. Sozialadäquanzklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 a) Tatbestandsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 b) Beweisinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 c) Berücksichtigung der Verwertbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 6. Ergebnis für § 201a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 III. Unterschiede zwischen § 201 und § 201a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 IV. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 1. Unterschiede zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht und zum Datenschutzrecht 217 2. Das Merkmal unbefugt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 3. Anerkannte Rechtfertigungsgründe – §§ 32, 34 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 a) Notwehr gem. § 32 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 aa) Notwehrlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 bb) Notwehrhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (1) Grundlegendes Begriffsverständnis der Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (2) Spezifische Probleme der privaten Beweismitteldokumentation . . . 228 (3) Eignung zur Angriffsabwehr – prozessualer Einschlag . . . . . . . . . . . 233 (4) Relativ mildestes Verteidigungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 cc) Subjektives Rechtfertigungselement – das Beweisinteresse . . . . . . . . . . 234 dd) Ergebnis für die Notwehrrechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Rechtfertigender Notstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 aa) Notstandslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (1) Die Beweisnot als Schlüssel zum Erfolg? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (2) Nachweis einer vergangenen oder gegenwärtigen Straftat . . . . . . . . 239 (a) Das Recht zur Anzeige (§ 158 StPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (b) Das staatliche Strafverfolgungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 (c) Die wiederholte Begehung – Dauergefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (d) Zwischenergebnis und Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 (3) Die drohende „Prozessniederlage“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (a) Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (b) Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (c) Auswirkungen auf die Gefahr i. S. d. § 34 StGB . . . . . . . . . . . . . 250 (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (e) Folgen für die typischen Fallkonstellationen der privaten Beweismittelsuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (f) Zivilrechtliche Absicherung – § 229 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 bb) Die Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 cc) Die Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 dd) Die Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 ee) Strafprozess – Niederlage des Beschuldigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
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Inhaltsverzeichnis ff) Ergebnis für die Notstandsrechtfertigung und Schlussfolgerung . . . . . . 268 4. Besondere Rechtfertigungsgründe im Kontext der §§ 201, 201a StGB . . . . . . . 270 a) Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 b) Notwehrähnliche Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 aa) Anwendungsbereich und dogmatische Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . 273 bb) Voraussetzungen und Konsequenzen der notwehrähnlichen Lage . . . . . 274 cc) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (1) Abwehr eines zukünftig drohenden Angriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (2) Aufnahme einer strafbaren Äußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 dd) Ergebnis zur notwehrähnlichen Lage und Schlussfolgerung . . . . . . . . . . 277 c) Ausgleich konfligierender Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 aa) Wahrnehmung berechtigter Interessen gem. § 193 StGB analog . . . . . . 278 bb) Güter- und Pflichtenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 cc) Ergebnis zum Ausgleich konfligierender Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . 281 d) Festnahmerecht gem. § 127 Abs. 1 StPO analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 e) Datenschutzrechtliche Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 aa) Verhältnis von Datenschutzrecht und Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 bb) Strafrechtliche Auswirkungen des Datenschutzrechts . . . . . . . . . . . . . . . 287 5. Ergebnis für die Rechtfertigung und Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
D. Auswirkungen der (Un)Verwertbarkeit auf die materielle Rechtmäßigkeit der eigeninitiativen Beweismittelsuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 I. Eigenständige Beurteilung der materiellen Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 II. Die Verwertbarkeit als materiell-rechtlicher Rechtfertigungsgrund . . . . . . . . . . . . 295 III. Die Unverwertbarkeit als Hindernis der materiellen Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . 297 1. Relevante Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 2. Maßgebliche Perspektive und relevanter Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 IV. Ergebnis für die Auswirkungen der Unverwertbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 E. Zusammenfassung Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
Teil 3 Erste allgemeine Folgerungen für die Beweisverbotslehre
307
A. Zirkelschluss zwischen materieller und formeller Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 I.
Mögliche Gründe für eine Berücksichtigung der materiellen Rechtswidrigkeit . . 308
II. Kritik an der vorstehenden Argumentation und Auflösung des Zirkelschlusses 310 III. Ergebnis zum Zirkelschluss zwischen materieller und formeller Bewertung . . . . . 318 B. Folgen für die Entwicklung prozessualer Beweisverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 I.
Materiell-rechtlicher Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 1. Der materiell-rechtliche Rechtsverstoß des Privaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
Inhaltsverzeichnis
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2. Der materiell-rechtliche Rechtsverstoß des Richters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 a) Datenschutzrechtliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 b) Strafrechtliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 c) Kritische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 aa) Verbindungslinien zwischen dem materiellen Unwerturteil und einem Beweisverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 bb) Auflösung des Widerspruchs: Prozessrechtsakzessorietät des materiellen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 3. Ergebnis zu den materiell-rechtlichen Lösungsansätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 II. Verfassungsrechtlicher Lösungsansatz: Verwertung als Grundrechtseingriff . . . . . 335 1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als hinreichender Prüfungsmaßstab? . . . . 336 a) Weitere materielle Grundrechte und das Recht auf ein faires Verfahren . . . . 337 b) Perspektivwechsel: Das Recht auf Beweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 c) Zwischenergebnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 343 2. Verwertung als Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . 343 3. Die verfassungsmäßige Ordnung als Grundrechtsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . 348 a) Strafprozessuale Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 b) Zivilprozessuale Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 c) Zwischenergebnis zur verfassungsmäßigen Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 4. Abwägung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 a) Grundlegende Unterschiede zwischen Straf- und Zivilverfahren . . . . . . . . . 366 b) Das persönlichkeitsrechtliche Sphärenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 c) Etwaige Drittinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 d) Strafprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 aa) Das staatliche Strafverfolgungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 bb) Eingriffstiefe: Der „modifizierte“ Sphärengedanke . . . . . . . . . . . . . . . . 385 cc) Der „ultima-ratio-Gedanke“: Mögliche Konflikte mit der Rechtsprechung des EGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 dd) Hypothesenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 ee) Ergebnis zur Abwägung im Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 e) Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 aa) Interesse des Beweisführers: Das zivilprozessuale Verwertungsinteresse und das Recht auf Beweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 bb) Rechtspositionen des Beweisgegners: Eingriffstiefe und „modifizierter“ Sphärengedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 cc) Allgemeininteresse an einer funktionstüchtigen Zivilrechtspflege und einer materiell richtigen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 dd) Ergebnis zur Abwägung im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 f) Tatsächliche Bedeutung der privaten Beweismittelsuche . . . . . . . . . . . . . . . 403 III. Sonderfall menschenunwürdige Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 1. Staatliche Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408
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Inhaltsverzeichnis 2. Faires Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 3. Zwischenergebnis zum menschenunwürdigen Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 IV. Nachweis der tatsächlichen Umstände im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412
C. Perspektivwechsel: Der erneute Blick auf die eigeninitiative Beweismittelsuche . . . . 415 D. Zusammenfassung Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417
Teil 4 Übergabe an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden
422
A. Strafrechtliche Betrachtung des Übergabeaktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 I.
Übergabe von Tonaufnahmen – § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 1. So hergestellte Aufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 2. Gebrauchen oder Zugänglichmachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427
II. Übergabe von Bildaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 1. Übergabe unbefugt hergestellter Bildaufnahmen – § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB 428 a) Tathandlungen des § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB: Gebrauchen oder Zugänglichmachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 b) Bedienstete der Strafverfolgungsbehörden als Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 2. Übergabe befugt hergestellter Bildaufnahmen – § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB . . . 434 3. Ansehensschädigende Bildaufnahmen – § 201a Abs. 2 S. 1 StGB . . . . . . . . . . 437 4. Tatbestandsausschluss gem. § 201a Abs. 4 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 III. Rechtfertigung der Übergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 1. Rechtfertigung des Verkaufs von Steuerdaten-CDs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 2. Rechtfertigung der Übergabe von Ton- und Bildaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 446 a) Notstandslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 b) Notstandshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 c) Subjektives Rechtfertigungselement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 3. Ergebnis zur Rechtfertigung des Übergabeaktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 B. Datenschutzrechtliche Betrachtung des Übergabeaktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 I. Übergabe ohne Zweckänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 II. Übergabe mit Zweckänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 III. Ergebnis zur datenschutzrechtlichen Betrachtung des Übergabeaktes . . . . . . . . . . 456 C. Kunsturhebergesetzliche Betrachtung des Übergabeaktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 I.
Ausgangslage des Normkonflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457
II. Öffnungsklausel gem. Art. 85 DSGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 III. Konsequenzen für die §§ 22 ff. KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 IV. Ergebnis zur kunsturhebergesetzlichen Betrachtung des Übergabeaktes . . . . . . . . 463 D. Zusammenfassung Teil 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463
Inhaltsverzeichnis
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Teil 5 Umgang mit Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren
465
A. Der rechtliche Rahmen für innerprozessuales Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 I.
Innerprozessuales Verhalten der Privatperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 1. Innerprozessuales Verhalten im Zivilverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 2. Innerprozessuales Verhalten im Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 3. Konsequenzen für das innerprozessuale Verhalten von Privatpersonen . . . . . . . 469
II. Das richterliche Verhalten im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 III. Ergebnis zum rechtlichen Rahmen für innerprozessuales Verhalten . . . . . . . . . . . 471 B. Strafrechtliche Grenzen des innerprozessualen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 I. § 201 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 1. Tonaufnahmen – § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 2. Öffentliche Mitteilung – § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 II. § 201a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 1. Gebrauchen i. S. d. § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 2. Zugänglichmachen i. S. d. § 201a Abs. 1 Nrn. 4 und 5, Abs. 2 StGB . . . . . . . . . 480 3. Tatbestandsausschluss gem. § 201a Abs. 4 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 III. § 202d StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 1. Schutzrichtungen der Datenhehlerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 2. Tatbestandsausschluss gem. § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . 484 a) Reichweite des Tatbestandsausschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 b) Strafprozessuale Auswirkungen des § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB . . . . . . . 486 c) Prozessrechtsakzessorietät des § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . 488 d) Ergebnis und Konsequenzen für den Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 IV. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 1. Rechtfertigung der Privatperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 a) Materielle Rechtfertigungsgründe im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 b) Rechtfertigung im Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 aa) Rechtfertigung des unschuldigen Angeklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 (1) Notwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 (2) Rechtfertigender Notstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 (3) Zwischenergebnis zur Rechtfertigung des unschuldigen Angeklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 bb) Rechtfertigung sonstiger „privater“ Verfahrensbeteiligter . . . . . . . . . . . . 496 (1) Rechtfertigender Notstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 (2) Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gem. § 201 Abs. 2 S. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500
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Inhaltsverzeichnis c) Rechtfertigung im Zivilverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 aa) Notwehr: Verteidigung gegen den Prozessbetrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 (1) Notwehrlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 (2) Notwehrhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 bb) Notstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 cc) Zwischenergebnis für die Rechtfertigung im Zivilverfahren . . . . . . . . . 506 d) Nachweis der Rechtfertigungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 2. Rechtfertigung des Richters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 a) Rückgriff auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 b) Partizipation des Richters an der Rechtfertigung des Privaten . . . . . . . . . . . 510 c) Die verfahrensrechtlichen Befugnisse als materielle Rechtfertigungsgründe 514 V. Zugunsten des Richters: Sperrwirkung des § 339 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 VI. Ergebnis zu den strafrechtlichen Grenzen des innerprozessualen Verhaltens . . . . 521
C. Datenschutzrechtliche Grenzen des innerprozessualen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . 523 I. Datenschutzrechtliche Bewertung des privaten Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 1. Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO . . . . . 524 2. Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung bei Zweckänderung . . . . . . . . . . . . . . . 525 II. Datenschutzrechtliche Bewertung des richterlichen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . 526 1. Datenschutzrechtliche Vorgaben im Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 a) Umsetzung im nationalen Recht und Verhältnis zwischen BDSG und StPO 529 b) Anforderungen an den richterlichen Umgang mit Beweismitteln . . . . . . . . . 531 2. Datenschutzrechtliche Vorgaben im Zivilverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 a) Vorgaben der DSGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 b) Vorgaben des nationalen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 aa) § 3 BDSG als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung . . . . . . . . . . . 535 bb) §§ 284 ff., 355 ff. ZPO als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung 536 3. Ergebnis zur datenschutzrechtlichen Bewertung des richterlichen Verhaltens und Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 D. Zivilrechtliche Grenzen des innerprozessualen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 E. Zusammenfassung Teil 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542
Teil 6 Zusammenfassung, Ausblick und legislatorischer Handlungsbedarf
544
A. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse und Überprüfung im Einzelfall . . . 544 I. Rechtliche Bewertung der eigeninitiativen Beweismittelsuche . . . . . . . . . . . . . . . 545 II. Konsequenzen für die Entwicklung eines Beweisverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 III. Übergabe an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 IV. Rechtswidriges Verhalten im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557
Inhaltsverzeichnis
17
B. Legislatorischer Handlungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 I.
Materiell-rechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561
II. Prozessrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 1. Präzisere Befugnisnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 2. Geschriebene Beweisverwertungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619
Abkürzungsverzeichnis a. A. Abl. Abs. AcP AE a. F. AfP AG AGG AJP AllgPersönlR Alt. a. M. Anh. Anm. ArbG ArbGG Art. AT AuA Aufl. AZR BAG BayObLG BB BDSG BeckOK Begr. Bekl. Beschl. BetrVG BGB BGBl. BGH BGHZ BJs BSG BSGE BT
andere Ansicht Amtsblatt Absatz Archiv für die civilistische Praxis Alternativentwurf alte Fassung Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht Amtsgericht Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Aktuelle juristische Praxis Allgemeines Persönlichkeitsrecht Alternative am Main Anhang Anmerkung Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Artikel Allgemeiner Teil Arbeit und Arbeitsrecht Auflage Registerzeichen beim Bundesarbeitsgericht für Revisionsverfahren Bundesarbeitsgericht Bayerisches Oberlandesgericht Betriebsberater Bundesdatenschutzgesetz Beck’scher Online-Kommentar Begründer Beklagte/Beklagter Beschluss Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Registerzeichen für Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts Besonderer Teil
Abkürzungsverzeichnis BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVerwG BvR
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Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Registerzeichen beim Bundesverfassungsgericht für Verfahren über Verfassungsbeschwerden bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise C Registerzeichen beim Gerichtshof der Europäischen Union C Registerzeichen beim Amtsgericht für Allgemeine Zivilsachen CD Compact Disc CR Computer und Recht DAR Zeitschrift für Deutsches Autorecht ders. derselbe dies. dieselbe/dieselben DJT Deutscher Juristentag DRiZ Deutsche Richterzeitung DSAnpUG-EU Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016, 680 (DatenschutzAnpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU) DSGVO/DS-GVO Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzgrundverordnung) DSK Datenschutzkonferenz DSRITB Deutsche Stiftung für Recht und Informatik – Tagungsband DSRL Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutzrichtlinie) DuD Datenschutz und Datensicherheit DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt EG Europäische Gemeinschaft EGGVG Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGZPO Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung Einf. Einführung Einl. Einleitung EMRK Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention) EU Europäische Union EuGH Gerichtshof der Europäischen Union (Europäischer Gerichtshof) EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht f. folgend FamFG Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ff. folgende FG Festgabe
20 FGG FGO Fn. FS GA GesamtHrsg GG ggf. GrCh GRUR GRUR-Prax GS GSSt GVG GVRZ HK h. M. HRRS Hrsg. Hs. i. Br. i. d. R. i. E. i. e. S. InfoSoc-RL insb./insbes. i. S. d. IT ITR ITRB i. V. i. V. m. JA JBArbR jM JR Js Jura jurisPR JuRPC JuS JW JZ
Abkürzungsverzeichnis Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung Fußnote Festschrift Goltdammer’s Archiv für Strafrecht Gesamtherausgeber Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Grundgesetz) gegebenenfalls Grundrechtecharta Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Praxis im Immaterialgüterund Wettbewerbsrecht Gedächtnisschrift Registerzeichen beim Bundesgerichtshof für den Großen Senat in Strafsachen Gerichtsverfassungsgesetz Zeitschrift für das gesamte Verfahrensrecht Handkommentar herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht Herausgeber Halbsatz im Breisgau in der Regel im Ergebnis im engeren Sinn Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft insbesondere im Sinne des/der Informationstechnologie IT-Recht IT-Rechts-Berater in Verbindung in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch des Arbeitsrechts juris – Die Monatsschrift Juristische Rundschau Registerzeichen der Staatsanwaltschaft in Ermittlungsverfahren in Strafsachen Juristische Ausbildung juris PraxisReport Internet-Zeitschrift für Rechtsinformatik und Informationsrecht Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung
Abkürzungsverzeichnis K K&R Kap. KFZ/Kfz KG KK Kl. KUG LAG LG lit. LK mAnm. MDR MiStra MMR MüKo m. w. N. NetzDG n. F. NJOZ NJW NJW-RR NK NK-StGB Nr. Nrn. Ns NStZ NStZ-RR NVwZ NZA NZA-RR NZFam NZM NZS NZV OK OLG OWi OWiG PartGG PC
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Registerzeichen beim Amtsgericht für Zwangsversteigerungsverfahren Kommunikation und Recht Kapitel Kraftfahrzeug Kammergericht Karlsruher Kommentar Kläger/Klägerin Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (Kunsturhebergesetz) Landesarbeitsgericht Landgericht litera Leipziger Kommentar mit Anmerkung Monatsschrift für Deutsches Recht Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen MultiMedia und Recht Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz) neue Fassung Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Neue Kriminalpolitik Nomoskommentar StGB Nummer Nummern Registerzeichen bei den Landgerichten für Berufungsverfahren in Strafsachen Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Familienrecht Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Online-Kommentar Oberlandesgericht Registerzeichen bei den Amtsgerichten und Staatsanwaltschaften für Bußgeldverfahren Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (Ordnungswidrigkeitengesetz) Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz) Personal Computer
22 PKW/Pkw PR ProdHaftG ProstG Qs r+s RdA RDV Rev RiStBV Rn. RR RS S. SAE Sch/Sch SEC SGG SJZ SK sog. Ss SSW StÄG StB StGB StGB-E StPO StR StraFo StV SVR TKG TMG TTDSG U u. a. UAbs. UKlaG
Abkürzungsverzeichnis Personenkraftwagen PraxisReport Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz) Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz) Registerzeichen bei den Landgerichten für Beschwerden in Straf- und Bußgeldsachen recht und schaden Recht der Arbeit Recht der Datenverarbeitung Revision Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren Randnummer Rechtsprechungs-Report Rechtssache Seite Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen Schönke/Schröder United States Securities and Exchange Commission Sozialgerichtsgesetz Schweizerische Juristen-Zeitung Systematischer Kommentar sogenannte Registerzeichen bei der Generalstaatsanwaltschaft und den Oberlandesgerichten für Revisionen in Strafsachen und Rechtsbeschwerden in Bußgeldsachen Satzger/Schluckebier/Widmaier Strafrechtsänderungsgesetz Registerzeichen für Beschwerden in Strafverfahren beim Bundesgerichtshof Strafgesetzbuch Entwurf des Strafgesetzbuchs Strafprozessordnung Registerzeichen beim Bundesgerichtshof für Revisionsverfahren in Strafsachen Strafverteidiger-Forum Strafverteidiger Straßenverkehrsrecht Telekommunikationsgesetz Telemediengesetz Gesetz über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien Registerzeichen bei den Oberlandesgerichten für Berufungsverfahren in Zivilsachen unter anderem Unterabsatz Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen
Abkürzungsverzeichnis UrhG Urt. u. U. UWG v. v. d. H. VerfGH VerkR VersR VG vgl. VO Vorb. VRS vs. VwGO WiJ wistra Ws ZD ZIS zit. ZJS ZPO ZR ZRP ZStV ZStW ZUM ZUM-RD ZWE ZZP
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Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Urteil unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom vor der Höhe Verfassungsgerichtshof Verkehrsrecht Versicherungsrecht Verwaltungsgericht vergleiche Verordnung Vorbemerkung Verkehrsrecht-Sammlung versus Verwaltungsgerichtsordnung Journal der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Registerzeichen bei den Oberlandesgerichten für Beschwerden in Strafund Bußgeldsachen Zeitschrift für Datenschutz Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik zitiert als Zeitschrift für das Juristische Studium Zivilprozessordnung Registerzeichen beim Bundesgerichtshof für Revisionsverfahren in Zivilsachen Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Stiftungs- und Vereinswesen Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht – Rechtsprechungsdienst Zeitschrift für Wohnungseigentumsrecht Zeitschrift für Zivilprozess
Einleitung I. Einführung und Problemaufriss Der rasante technische Fortschritt trägt dazu bei, dass hochentwickelte Technologien, die vor wenigen Jahren nur einem kleinen Personenkreis überhaupt zugänglich waren, die menschliche Interaktion zunehmend beeinflussen. Namentlich das Smartphone, das seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts einen nach wie vor anhaltenden Siegeszug feiert, fordert bislang geltende Verhaltenskonventionen stark heraus. Die integrierte Kamerafunktion erlaubt jedem Nutzer, ohne großen Aufwand qualitativ hochwertige Bild- oder Videoaufnahmen anzufertigen, von denen abgebildete Personen mitunter nicht einmal etwas mitbekommen. Ähnliches gilt für Tonaufnahmen, mittels derer etwa vertragliche Verhandlungen oder persönlichkeitssensible Gespräche dauerhaft konserviert werden können. Die Einsatzmöglichkeiten neuer Technologien beinhalten stets Chancen auf der einen und Risiken auf der anderen Seite, die durch rechtliche Regelungen in ein möglichst ausgewogenes Verhältnis gebracht werden müssen. In besonderem Maß gilt dies für solche privaten Vorgehensweisen, die zu dem alleinigen Zweck erfolgen, das Verhalten eines anderen zu dokumentieren, um hierdurch aussagekräftige Beweismittel für einen künftigen Gerichtsprozess zu gewinnen.1 Solche eigeninitiativ erlangten Beweismittel2 beeinflussen die straf- und zivilverfahrensrechtliche Wirklichkeit erheblich.3 Die rechtswissenschaftliche Diskussion, die mittlerweile einen kaum noch zu überblickenden Umfang erreicht hat, wird ganz wesentlich durch die eingenommene Perspektive geprägt: Nahezu ausnahmslos steht die Frage im Vordergrund, inwieweit ein Beweismittel, das von einem Privaten straf- oder zivilrechtswidrig gewonnen wurde, prozessual verwertbar ist.4 Der Gedanke, eine gerichtliche Entscheidung könnte auf dem Rechtsbruch des eigeninitiativen „Beweismittelsuchers“ aufbauen, weckt a priori ernstliche Zweifel an der Integrität des staatlichen Gerichtsverfahrens. Vor diesem Hintergrund scheint ein Beweisverbot, 1 So schon Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozess, S. 15 f. Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 119, stuft die Erlangungshandlung als „prozeßrelevant“ ein. 2 Der Begriff wird hier in einem weiten Sinn verstanden und bezieht sich sowohl auf existierende Beweismittel, die sich der Private verschafft, als auch auf solche, die von dem Privaten erst hergestellt oder sonst angefertigt werden. 3 Wohlers, JR 2016, 509 (510 f.); Kaspar, GA 2013, 206 (206 f.); Kubiciel, GA 2013, 226 (226 f.). 4 Kritisch zu dieser verengten Perspektive Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 6. Ferner Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 72 f.
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Einleitung
das an die Verletzung des materiellen Rechts anknüpft und den außerprozessualen Verstoß gewissermaßen sanktioniert, ein probates Mittel, um diesem Vorgehen effektiv zu begegnen. Die Reichweite dieser Überlegung, gegen die auf den ersten Blick kaum etwas einzuwenden sein dürfte, wird aber erst erkennbar, wenn man die damit verbundenen Gesichtspunkte offenlegt. Denn eine solche Betrachtung suggeriert eine Interdependenz zwischen einem außerprozessualen Rechtsverstoß und einer innerprozessualen Rechtsfolge, die jedenfalls nicht selbstverständlich ist: Das materielle Recht enthält keinen ausdrücklichen Befehl, wonach ein Beweismittel, das rechtswidrig erlangt wurde, in einem nachfolgenden Gerichtsverfahren zwangsläufig unverwertbar bleiben muss. Daneben tritt ein weiterer Aspekt, der in der wissenschaftlichen Debatte zumeist nur von untergeordneter Bedeutung ist: Die vorrangige Suche nach einem pragmatischen Beweisverbotskonzept verleitet dazu, die materiellrechtliche Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der Beweiserlangung als bloße Vorfrage einzustufen.5 Maßgeblich erscheinen allein die prozessualen Konsequenzen des eigeninitiativen Vorgehens, die materiell-rechtliche Bewertungen überstrahlen. Diese betreffen indes einen diffizilen und ebenso vielschichtigen Themenkomplex: Handelt derjenige, der einen Raubüberfall auf offener Straße mit seinem Smartphone filmt, um die Videoaufnahme später den Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln, überhaupt contra legem? Darf der Hauseigentümer, der wiederholt von Sachbeschädigungen heimgesucht wird, eine Videokamera installieren, die nicht nur das eigene Grundstück, sondern zugleich einen Teil des öffentlichen Straßenraums erfasst, um seine zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche durchsetzen zu können? Ist eine heimliche Tonaufnahme rechtmäßig, wenn der Darlehensgeber, der auf einen schriftlichen Vertrag verzichtet hat, ernsthaft befürchten muss, der Darlehensnehmer werde in einem gerichtlichen Verfahren bestreiten, jemals Geld erhalten zu haben? Inwieweit eine solche abschließende materiell-rechtliche Bewertung eines – noch – außerprozessualen Vorgehens überhaupt möglich ist, ohne dabei den Zweck berücksichtigen zu müssen, das Beweismittel in einem gerichtlichen Verfahren nutzbar zu machen, ist bislang weitgehend unbeleuchtet geblieben.6 Diese Überlegung drängt sich jedoch auf, da das Verhalten des Privaten gerade darauf gerichtet ist, ein verwertbares Beweismittel zu erlangen. Man wird dessen eigeninitiative Recherchemaßnahmen nur dann als erfolgreich einstufen können, wenn es ihm anhand des gewonnenen Beweismittels gelingt, das Gericht von einer bestimmten Tatsachengrundlage zu überzeugen. Steht am Ende des rechtlichen Bewertungsprozesses aber ein Beweisverbot, wird ernstlich zweifelhaft, ob der eingeschlagene Weg überhaupt geeignet ist, das intendierte Ziel zu erreichen. Die Eignung verknüpft das gewählte Mittel mit dem angestrebten Zweck und ist etwa im Kontext der straf5
Ähnlich Balthasar, JuS 2008, 35 (39). Eine Ausnahme stellt insoweit Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 180 f., 262 ff. dar, der sich jedoch auf ausgewählte Konstellationen beschränkt. 6
Einleitung
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rechtlichen Rechtfertigung gem. §§ 32, 34 StGB relevant. Ist aber das ins Auge gefasste Ziel – die prozessuale Verwertbarkeit eines eigeninitiativ erlangten Beweismittels – von vornherein unerreichbar, könnte dieser Befund seinerseits die materiell-rechtliche Bewertung beeinflussen. Die bereits erwähnte Interdependenz erscheint dann unter „verkehrten“ Vorzeichen: Nunmehr müsste die prozessuale Rechtsfolge, die es dann vorrangig zu bestimmen gälte, herangezogen werden, um überhaupt eine verbindliche Entscheidung über die materiell-rechtliche Lage treffen zu können. Bei einem vorschnellen Rekurs auf die prozessuale Ebene gerät zudem regelmäßig außer Acht, dass sich weitere Überschneidungen auftun: Einzelne Vorschriften des Strafrechts – wie beispielsweise § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB – betreffen nicht die Erlangung eines potenziell relevanten Beweismittels, sondern den nachfolgenden Umgang mit einem solchen. Diese Normen könnten dem innerprozessualen Verhalten einer Privatperson oder des entscheidenden Richters verbindliche Grenzen setzen – und bei einem Verstoß zu einem prozessualen Beweisverbot führen.7 Ähnliche Erwägungen lassen sich auch im datenschutzrechtlichen Kontext anstellen. Ein Beweisverbotskonzept könnte sonach wiederum in materiell-rechtlichen Verhaltensvorgaben angelegt sein, die aber gerade nicht das außerprozessuale Verhalten selbst betreffen. Entscheidend ist zunächst, die rechtliche Ausgangssituation abstrakt zu beschreiben: Die zentrale Frage, inwieweit eigeninitiativ erlangte Beweismittel in einem straf- oder zivilgerichtlichen Verfahren erhoben und verwertet werden dürfen, berührt sowohl materiell- als auch prozessrechtliche Gesichtspunkte. Aus diesem Nebeneinander von materiell-rechtlichen Verhaltensanforderungen und prozessualen Konsequenzen erwächst das nicht zu unterschätzende Risiko, die rechtliche „Verantwortung“ stets der jeweils anderen Ebene zuzuweisen. Hat eine Privatperson ein Beweismittel auf rechtswidrige Weise gewonnen, muss das Prozessrecht beurteilen, ob ein Beweisverbot eingreift. Ob das Prozessrecht aber überhaupt nach einem Beweisverbot sucht, hängt nach einer weit verbreiteten Auffassung von einem Verstoß gegen materiell-rechtliche Normen bei der Beweismittelsuche ab.8 Im schlimmsten Fall resultiert hieraus ein unauflösbarer Zirkelschluss. Die meisten Beiträge zum Themenfeld der eigeninitiativ erlangten Beweismittel blenden diesen Fragenkreis – teilweise bewusst – aus. Im Vordergrund steht regelmäßig allein die prozessuale Seite; das rechtswidrige Vorgehen des Privaten stellt dann lediglich eine „Vorstufe“ dar, die aus Gründen einer konzentrierten Untersuchung nicht selten ausdrücklich oder aber jedenfalls implizit unterstellt wird.9 Dieser 7
Wohlers, JR 2016, 509 (514), der zutreffend betont, die Frage bedürfe weiterer Klärung. Vgl. etwa Heinrich, ZIS 2011, 416 (419). 9 Ausdrücklich etwa Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 46; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 4; Roth, in: Erichsen, Recht der Persönlichkeit, S. 279 (281); Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 6; Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (747). Ferner Schwab, in: Hubmann-FS, 8
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Blickwinkel verengt die aufgeworfene Forschungsfrage zwangsläufig, da es insoweit ausschließlich um die Suche nach einer Begründung dafür gehen kann, warum dem materiell-rechtlichen Verstoß – der bereits feststeht – eine prozessuale Folge zuzuordnen sein soll.10 Kommt die materiell-rechtliche Bewertung des eigeninitiativen Verhaltens hingegen ausführlicher zur Sprache, stehen i. d. R. die inhaltlichen Kriterien im Vordergrund, nach denen die konfligierenden Positionen und Interessen der beteiligten Personen sachgerecht in Ausgleich gebracht werden können.11 Welches Gewicht muss das verfolgte Interesse einnehmen, um den Eingriff in eine fremde Rechtsposition zu erlauben? Kann ein „schlichtes“ Beweisinteresse genügen, oder bedarf es darüber hinausgehender Umstände? In welchen Fallgestaltungen lässt sich eine Rechtfertigung überhaupt begründen? Besonders anschaulich werden diese Gedankengänge im Kontext des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das gemeinhin in verschiedene Sphären unterteilt wird und sowohl die strafrechtliche Diskussion als auch die datenschutzrechtlichen Abwägungsentscheidungen zu beeinflussen vermag. Die Eignung – als Verbindungsglied zwischen der gewählten Maßnahme und dem angestrebten Erfolg – tritt dabei nahezu gänzlich zurück,12 obschon diese bei näherer Betrachtung eine vorgelagerte Stufe der Prüfung betrifft – und erst das Tor zu einer einzelfallgerechten Abwägung öffnet. Die erste umfassende Analyse, die eine konträre Perspektive einnimmt und das gesamte Problem schwerpunktmäßig vom materiellen Recht aus betrachtet, stammt von Paglotke, der im Kontext der strafrechtlichen Rechtfertigung gem. §§ 32, 34 StGB die Geeignetheit untersucht und dabei etwaige Beweisverbote in die Erwägungen integriert.13 Seine maßgeblichen Erkenntnisse, die in der wissenschaftlichen Debatte um Beweisverbote bislang allerdings nur selten aufgegriffen wurden, bedürfen aber nichtsdestoweniger in mehrfacher Hinsicht einer Weiterentwicklung. Denn sie betreffen im Strafverfahren ausschließlich die Konstellation, in der ein zu Unrecht Angeklagter versucht, das Gericht von seiner Unschuld zu überzeugen. Folglich fehlen nach wie vor Erwägungen zum gegenläufigen Szenario, in dem das eigeninitiative Verhalten darauf abzielt, einen (vermeintlich) schuldigen Täter zu überführen. Zudem bedarf es eines Abgleichs mit datenschutzrechtlichen Aspekten. S. 421. Regelmäßig wird die aufgeworfene Frage bereits inhaltlich beschränkt, wenn sich der Diskussionsbeitrag ausschließlich auf die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel konzentriert. So etwa Baumgärtel, in: Klug-FS, S. 477; Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377; Kellner, JR 1950, 270; Werner, NJW 1988, 993. 10 Zu den einzelnen Begründungsansätzen Teil 1, D. 11 Statt aller Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 63 ff.; Brunhöber, GA 2010, 571 (581 f.); Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 62. Nicht selten spielen dabei auch vermeintliche Grenzen strafprozessualer Verhaltensregeln oder technische Funktionsweisen eine wichtige Rolle. 12 Anders hingegen Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 31b; Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 186 f., allerdings ohne weitergehende Begründung. 13 Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 180 ff., 262 ff.
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Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, die vielfältigen Überschneidungen, die sich im Themenfeld der eigeninitiativen Suche nach verwertbaren Beweismitteln zwischen dem materiellen und dem prozessualen Recht ergeben, umfassend zu beleuchten. Dabei soll es nicht darum gehen, der uferlosen Diskussion eine weitere Beweisverbotstheorie hinzuzufügen, die sich womöglich nur in Nuancen von den bereits existierenden Lösungsansätzen unterscheidet. Um aus dem überkommenen Gedankengebäude auszubrechen, muss eine übergeordnete Perspektive eingenommen werden, die sowohl das materielle als auch das Prozessrecht in den Blick nimmt, um einzelne Verbindungslinien aufzuzeigen. Nur von diesem Standpunkt aus lassen sich der erwähnte Zirkelschluss vermeiden und zugleich einzelne Fehlentwicklungen präzise nachzeichnen, die bis heute die Lehre von den Beweisverboten bestimmen. Die verschiedenen Konzeptionen betrachten zumeist nur einzelne Facetten des umfassenden Ganzen – und bleiben gerade durch diese verengte Perspektive, die nunmehr erweitert werden soll, auf spezifische Fragestellungen beschränkt. Im Kern geht es nachfolgend um zwei zentrale Überlegungen, die sich allerdings partiell überschneiden: Auf der einen Seite steht der bereits angesprochene Gedanke, ob ein materiell-rechtliches Unwerturteil überhaupt ohne prozessuale Überlegungen festgestellt werden kann. Auf der anderen Seite ist zu erwägen, inwieweit das rechtswidrige Verhalten einer Privatperson bei der Suche nach einem Beweismittel die Verwertbarkeit unmittelbar oder jedenfalls mittelbar zu beeinflussen vermag. Die Frage, welche Rolle das materielle Recht bei der Begründung eines Beweisverbots im Straf- oder Zivilverfahren spielt, ist trotz eines Jahrzehnte währenden Diskurses nach wie vor nicht abschließend geklärt. Durch das – zunehmend europäisierte – Datenschutzrecht, das sowohl den außer- als auch den innerprozessualen Rechtsraum stark beeinflusst,14 sind weitere Problempunkte zutage getreten, denen die Untersuchung nachspüren soll.
II. Praktische Relevanz der Forschungsfrage In der Lebenswirklichkeit bedienen sich Private unterschiedlicher Methoden, um aussagekräftige Beweismittel zu erlangen. Angesichts dieser tatsächlichen Vielfalt bleibt ein Überblick von vornherein unvollständig; die eigeninitiative Suche nach Beweismitteln unterliegt einem stetigen Wandel, der eng mit dem technischen Fortschritt verbunden ist. Während sich die Rechtsprechung im 20. Jahrhundert vornehmlich mit Lauschzeugen, die fremde Gespräche unerkannt mithören,15 oder
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Zu Einzelheiten Teil 2, B. sowie Teil 4, B. und schließlich Teil 5, C. BVerfGE 106, 28; BGH NJW 1964, 165; NJW 1970, 1848; NJW 1982, 1397; NJW 1991, 1180; NJW 1994, 2289; NJW 2003, 1727; BGH NJW-RR 2010, 1289; OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577; OLG Düsseldorf NJW 2000, 157; LG Frankfurt NJW 1982, 1056; LG Kassel NJW 1990, 62; BAG NJW 1983, 1691; NJW 2010, 104. Instruktiv zum Ganzen Helle, JR 2000, 353; Foerste, NJW 2004, 262. 15
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heimlich angefertigten Tonbändern16 beschäftigen musste, nehmen in jüngerer Zeit vor allem Bild- und Videoaufnahmen eine zentrale Rolle ein.17 Zu den neuen Phänomenen der eigeninitiativen Beweismittelsuche rechnen insbesondere sog. Dashcams,18 die zumeist am Armaturenbrett oder der Frontscheibe eines Fahrzeugs angebracht sind und das Straßenverkehrsgeschehen dokumentieren.19 Seit jeher verbreitet ist auch der Diebstahl von Beweismitteln.20 Die wissenschaftliche Debatte konzentriert sich regelmäßig auf diese genannten Formen der privaten Beweismittelsuche, so dass diese auch im Rahmen der vorliegenden Untersuchung den Schwerpunkt bilden sollen.21 Die maßgeblichen Argumentationslinien lassen sich allerdings ohne Weiteres auf neuere Erscheinungsformen übertragen, wie die Auswertung von E-Mail-Postfächern,22 die heimliche DNA-Analyse,23 den Einsatz eines GPS-Geräts24 oder eines Keyloggers.25 Eine besondere Konstellation liegt schließlich vor, wenn staatliche Stellen sog. Steuerdaten-CDs erwerben, um diese in einem Straf- oder Steuerverfahren nutzen zu können.26 Bei näherem Hinsehen unter16 BVerfGE 34, 238; KG NJW 1956, 26; NJW 1967, 115; KG JR 1981, 254; BGHZ 27, 284; BGH NJW 1982, 277; NJW 1988, 1016; BGHSt 14, 358; 36, 167; OLG Celle NJW 1965, 1677; OLG Düsseldorf NJW 1966, 214; OLG Frankfurt NJW 1967, 1047; BayObLG NJW 1990, 197; NJW 1994, 1671; NJW 1994, 2289; EGMR NJW 1989, 654. Aus jüngerer Zeit LG Kaiserslautern BeckRS 2005, 6876; BGH BeckRS 2010, 23042. 17 BGH BeckRS 2021, 21303; BGH ZD 2021, 637; BGH JR 2016, 542; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 241; OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799; BayObLG NJW 2002, 2893; OLG Köln NJW 2005, 2997; OLG Hamburg NStZ 2017, 726; LG Zweibrücken NJW 2004, 85; AG Zerbst NJW-RR 2003, 1595; AG Nienburg ZD 2015, 341; BAG NJW 2003, 3436; LAG Hamm NZA-RR 2002, 464. Länger zurückliegend LG Düsseldorf NJW 1959, 629. 18 Zum Begriff Schindler, ZD-Aktuell 2018, 06149; Klann, DAR 2014, 451; Starnecker, Videoüberwachung zur Risikovorsorge, S. 257. 19 BGHZ 218, 348; AG München ZD 2014, 39; ZD 2014, 530; VG Ansbach ZD 2014, 590; LG Heilbronn ZD 2015, 233; LG Memmingen ZD 2016, 179; OLG Stuttgart NJW 2016, 2280; LG Landshut ZD 2016, 187; AG München BeckRS 2017, 147338; LG Rottweil BeckRS 2017, 119419; AG Kassel ZD 2017, 534; OLG Nürnberg NJW 2017, 3597 (3603). Zuletzt sind auch technisch hochwertige Fahrradrücklichter produziert worden, die das Geschehen während einer Fahrt mit dem Fahrrad aufzeichnen. 20 BAG NJW 2003, 1204 (1206); Zeiss, ZZP 89 (1976), 377 (379); Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (368); Thole, in: Stein/Jonas, § 286 Rn. 73 m. w. N. 21 Zu den Ermittlungsmethoden im Bereich sog. internal investigations, die hier ebenfalls ausgeklammert bleiben, Reeb, Internal investigations, S. 77 ff. Dazu auch Kottek, wistra 2017, 9; Theile, StV 2011, 381; Eufinger, DB 2017, 1266; Greeve, StraFo 2013, 89. Die zuletzt beschriebene Kategorie zeichnet sich im Gegensatz zu einzelnen privaten Ermittlungsmaßnahmen durch ein höheres Maß an Organisation aus und führt vor diesem Hintergrund zu weitergehenden Herausforderungen. So statt aller Kaspar, GA 2013, 206 (207). 22 Sander, CR 2014, 292 (292). 23 BGHZ 162, 1; 166, 283 (Vaterschaftsanfechtung). 24 BGH NJW 2013, 2668 (GPS-Überwachung durch Detektiv). 25 BAG NZA 2017, 1327 (Keylogger). 26 LG Bochum BeckRS 2010, 07104; LG Bochum NStZ 2010, 351; LG Düsseldorf wistra 2011, 37; LG Düsseldorf NStZ-RR 2011, 84; BVerfG NJW 2011, 2417; VerfGH RheinlandPfalz NJW 2014, 1434. Zur umfassenden wissenschaftlichen Diskussion: Ostendorf, ZIS
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scheiden sich diese Fälle des Datenankaufs – jenseits der etwaigen völkerrechtlichen Spannungen –27 von den „üblichen“ Szenarien der privaten Beweismittelsuche in einem zentralen Gesichtspunkt: Indem der Staat die illegal erlangten Daten ankauft, gewährt er dem Privaten eine finanzielle Gegenleistung und schafft insoweit einen besonderen Anreiz, der über die bloße prozessuale Verwertung hinausgeht.28 Angesichts dieser rechtlichen Besonderheiten eignet sich diese Fallkonstellation nur bedingt, um die Grundlagen der Beweisverbotsdogmatik bei eigeninitiativem Verhalten zu beleuchten. Nichtsdestoweniger lassen sich einzelnen Erwägungen, die in der umfangreichen Diskussion um den staatlichen Ankauf von Steuerdaten-CDs entwickelt wurden, verallgemeinerungsfähige Thesen entnehmen, auf die mitunter zurückgegriffen werden kann.
III. Der Gang der Untersuchung Um die möglichen Zusammenhänge zwischen der eigeninitiativen Beweismittelsuche durch eine Privatperson und einem prozessualen Beweisverbot umfassend – und aus sämtlichen Richtungen – zu beleuchten, erfolgt die Untersuchung aus einer übergeordneten und zugleich unvoreingenommenen Perspektive. Nur von diesem Standpunkt aus lässt sich ein Primat des materiellen oder des formellen Rechtskreises umgehen, der den Blick von vornherein verengte. Um eine rechtliche Vorentscheidung zu vermeiden, orientiert sich diese Arbeit an der chronologischen Abfolge der privaten Beweismittelsuche, die typischerweise im vorprozessualen Stadium ihren Anfang nimmt und mit der richterlichen Verwertung endet. Dabei konzentrieren sich die Erwägungen sowohl auf das straf- als auch das zivilprozessuale Regelverfahren. Arbeitsgerichtliche Judikate werden ebenfalls aufgegriffen, sofern dies für den Gang der Untersuchung zielführend ist.29 Um die komplexe rechtliche Diskussion in ge2010, 301; Kölbel, NStZ 2008, 241 (242); Sieber, NJW 2008, 881; Trüg/Habetha, NJW 2008, 887 (890); Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 963 ff.; Ignor/Jahn, JuS 2010, 390; Satzger, in: Achenbach-FS, S. 447; Kühne, in: Roxin II-FS, S. 1269; Gössel, in: Löwe-Rosenberg, Einl. Abschnitt L. Rn. 186 ff. 27 Dazu Pawlik, JZ 2010, 693 (693 ff.); Kühne, in: Roxin II-FS, S. 1269 (1277 ff.). 28 Jansen, StV 2019, 578 (584); Trüg/Habetha, NJW 2008, 887 (890). Instruktiv zu den damit verbundenen Folgeproblemen Bohnert, in: Schiller-FS, S. 68 (76 f.). Zu rechtlichen Bedenken wegen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils gem. § 136a StPO Sieber, NJW 2008, 881 (884); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (307). Zur Frage nach der Zurechnung des Verhaltens der Privatperson Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 1034. Dazu auch VerfGH Rheinland-Pfalz NJW 2014, 1434 (1439). Ferner Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 118; Ostendorf, ZIS 2010, 301; Bohnert, in: Schiller-FS, S. 68 (78). Einschränkend hingegen Satzger, in: Roxin III-FS, S. 421 (426). Gegen eine Zurechnung Kaspar, GA 2013, 206 (220); Matula, Private Ermittlungen, S. 217 f.; Schroth, in: Hilpert/Schroth, S. 186 (206), der aber auf die fließende Grenze hinweist. 29 Ausgeklammert bleibt dabei das in jüngerer Zeit zunehmend diskutierte Sachvortragsverwertungsverbot. Dazu Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in
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ordnete Bahnen zu lenken, beziehen sich die zentralen Erwägungen primär auf solche eigeninitiativen Vorgehensweisen, die weit verbreitet sind und auch die Rechtsprechung bereits beschäftigt haben. Anhand dieser paradigmatischen Fallgestaltungen lässt sich zugleich überprüfen, inwieweit die in dieser Untersuchung entwickelten Gedanken auch praktisch zu überzeugen vermögen. Teil 1 dieser Arbeit beleuchtet zunächst einige zentrale Grundlagen, die die nachfolgende Untersuchung systematisieren. Neben begrifflichen und dogmatischen Erwägungen steht dabei die Frage im Vordergrund, wie Rechtsprechung und Wissenschaft mit der Frage umgehen, ob eigeninitiativ erlangte Beweismittel prozessual verwertbar sind. Dabei sollen indes nicht nur die einzelnen Argumentationsstrukturen nachgezeichnet, sondern zugleich einer kritischen Analyse unterzogen werden. Teil 2 widmet sich sodann den materiell-rechtlichen Grenzen der privaten Beweismittelsuche, wobei nicht allein die straf-, sondern auch die zivil- und datenschutzrechtlichen Verhaltensmaßstäbe beleuchtet werden, bevor die möglichen Zusammenhänge mit der prozessualen Ebene ins Blickfeld rücken. Erst wenn diese Interdependenzen vollständig feststehen, lassen sich in Teil 3 valide Aussagen zur Beweisverwertung anstellen – und zwar sowohl für den Straf- als auch den Zivilprozess. Diese müssen ihrerseits mit den materiell-rechtlichen Erkenntnissen vereinbar sein, um sich nicht dem bereits beschriebenen Einwand der Zirkelschlüssigkeit auszusetzen. In der gesamten Debatte darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich einzelne Verhaltensweisen sowohl des Privaten als auch des Richters im prozessualen Raum selbst abspielen – oder aber jedenfalls an der Schwelle dazu. Insoweit ist ein weiterer neuralgischer Punkt erreicht, der das Spannungsverhältnis zwischen materiellrechtlichen Anforderungen und prozessrechtlichen Handlungsmaximen betrifft. Um das gesamte Spektrum – und insbesondere auch die Unterschiede zwischen dem Strafverfahren auf der einen und dem Zivilverfahren auf der anderen Seite – abbilden zu können, müssen verschiedene Vorgänge differenziert betrachtet werden. Teil 4 konzentriert sich dabei auf die Übergabe des eigeninitiativ erlangten Beweismittels an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden, und sonach auf ein „Sonderproblem“, das sich lediglich im strafprozessualen Zusammenhang stellt. Zu diesem Zeitpunkt gelangt das eigeninitiativ erlangte Beweismittel erstmals in die Hände staatlicher Stellen. Nachfolgend – und dies berührt wiederum zugleich den zivilverfahrensrechtlichen Fragenkreis – steht in Teil 5 das innerprozessuale Verhalten selbst in Rede. Dabei zeitigt es einen erheblichen Unterschied, ob der entscheidende Richter agiert oder aber eine Privatperson innerhalb des gerichtlichen Verfahrens einzelne Handlungen vornimmt.
Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 70 ff.; Betz, RdA 2018, 100 (107); Bergwitz, NZA 2012, 353 (359); Weber, ZZP 129 (2016), 57; Sander, CR 2014, 292 (298); Dyck/Ittner, NJW 2021, 1633.
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Abschließend sollen in Teil 6 die wesentlichen Erkenntnisse zusammengefasst und anhand ausgewählter Fallbeispiele zugleich auf ihre Praktikabilität hin untersucht werden. Ein Ausblick auf den etwaigen legislatorischen Handlungsbedarf steht am Ende.
Teil 1
Grundlagen A. Terminologie der Beweisverbote In den Gesetzestexten findet sich keine Definition zu den zentralen Begriffen der Beweiserhebung und der Beweisverwertung – und zwar weder für das staatlich betriebene Ermittlungsverfahren, noch für eine private Beweismittelsuche.1 Es nimmt daher kaum wunder, wenn bislang weder für den Straf- noch den Zivilprozess eine einheitliche Terminologie gefunden wurde.2 Um eine begriffliche Vorentscheidung des aufgeworfenen Problems zu vermeiden,3 muss sich die Begriffssuche von der Maxime leiten lassen, das undurchsichtige und vielschichtige Geflecht der Beweisverbote zu präzisieren. Dabei erscheint es hilfreich, zunächst zwischen den verschiedenen Rechtsgebieten und deren Jurisdiktionen zu differenzieren, um sodann für die hiesige Untersuchung eine einheitliche Terminologie festlegen zu können. Eine solche ist insbesondere deshalb von entscheidender Bedeutung, weil andernfalls die begründete Gefahr besteht, dass einzelne Lösungsansätze auf den ersten Blick diametral gegensätzlich erscheinen, obschon diese tatsächlich nicht weit auseinanderliegen – sondern allein an unterschiedliche Begriffe anknüpfen. Den nachfolgenden Erwägungen ist dabei vorwegzuschicken, dass die Bezeichnung als private Beweismittelsuche oder Beweiserlangung aus der verfahrensrechtlichen Perspektive jedenfalls ungenau ist, da die gewonnenen Informationen im vorprozessualen Stadium noch keine echten Be1
Für das Strafprozessrecht Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 91; Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 104; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 14; Gropp, StV 1989, 216 (217); Strate, JZ 1989, 176; Otto, GA 1970, 289 (292). A. A. Küpper, JZ 1990, 416; Rogall, JZ 2008, 818 (819). Für das Zivilprozessrecht Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 15; Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 28. 2 Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 48, 135; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 14; Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 104; Petry, Beweisverbote im Strafprozess, S. 19; Gropp, StV 1989, 216 (217); Bruns, NZFam 2021, 913 (914). Schließlich auch Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 28. Abweichend hingegen Rogall, in: Rudolphi-Symposium, S. 113 (143). 3 Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 10. Derartige Gefahren erkennt auch Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 6 f.
A. Terminologie der Beweisverbote
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weismittel darstellen.4 Da sich diese Begrifflichkeiten in der ohnehin komplexen Diskussion weitgehend etabliert haben, sollen diese auch im Rahmen der vorliegenden Untersuchung verwendet werden.
I. Strafprozessrecht 1. Beweiserhebung und Beweisverwertung Die Begriffsbestimmung im Strafprozess reicht in die Anfänge des 20. Jahrhunderts und namentlich auf Beling zurück, der in seiner Tübinger Antrittsvorlesung 1902 den Terminus der Beweisverbote als „selbstauferlegte Schranken der Erkenntnis“5, mithin – wie der Titel seines Vortrags passend zum Ausdruck bringt – als Grenzen der Wahrheitserforschung geprägt hat. In der Folgezeit griff die Erkenntnis, dass dem Strafprozess keine „Wahrheitsfindung um jeden Preis“6 immanent sei, immer stärker Platz.7 Der Begriff der Beweisverbote beansprucht auch in der gegenwärtigen Auseinandersetzung nach wie vor Geltung und firmiert dabei vornehmlich als Oberbegriff, dessen wesentliche Untergruppierungen nach überwiegender Meinung diejenigen der Beweiserhebungs- und der Beweisverwertungsverbote darstellen,8 wobei auf jede dieser Kategorien wiederum – in teilweise unterschiedlicher Ausgestaltung und Akzentuierung – weitere Verästelungen folgen.9 4
Grünwald, Das Beweisrecht der Strafprozeßordnung, S. 162 f. So auch Kaspar, GA 2013, 206 (208). Vgl. ferner Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (318), die betonen, die Beweismittel seien vor der Einführung in den Zivilprozess prozessordnungsrechtlich irrelevant. 5 Beling, Die Beweisverbote, S. 3. 6 BGHSt 14, 358 (365); BVerfG NStZ 1984, 428. 7 Vgl. zur Bedeutung dieser zentralen Aussage Koriath, Über Beweisverbote im Strafprozeß, S. 82; Jahn, StraFo 2011, 117. Kritisch zur Rechtsentwicklung Löffelmann, Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren, S. 97; Jahn, NStZ 2000, 383. 8 Jahn, Gutachten C, S. 27; Fischer, in: KK-StPO, Einl. Rn. 313; Hannich/Appl, in: KKStPO, Vorb. §§ 48 Rn. 20; Küpper, JZ 1990, 416; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Strafund Zivilprozess, S. 48; Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 4; Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 105 f.; S. Götting, Beweisverwertungsverbote in Fällen gesetzlich nicht geregelter Ermittlungstätigkeit, S. 23; Rengier, Die Zeugnisverweigerungsrechte im geltenden und künftigen Strafverfahrensrecht, S. 284; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 335; Gropp, StV 1989, 216 (217) und Sax, JZ 1965, 1 (6) unterscheiden zwischen Beweisgewinnungs- und Beweisverwertungsverboten. Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1538) differenziert zwischen Beweisverfahrens- und Verwertungsverboten. Zu einer kritischen Würdigung dieser „Vereinfachung“ mahnt Nagel, Verwertung und Verwertungsverbote im Strafverfahren, S. 26. Einen Überblick über die Begriffsvielfalt vermittelt Muthorst, Das Beweisverbot, S. 6 ff. 9 Die gemeinhin anerkannte Untergliederung der Beweiserhebungsverbote in Beweisthema-, Beweismittel- und Beweismethodenverbote wird hier aufgrund des geringen dogmatischen Mehrwerts bewusst nicht weiter dargestellt, vgl. dazu Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 9 f.; Rogall, JZ 2008, 818 (821 f.). Zu neueren begrifflichen Schwierigkeiten, die aus dem Terminus des relativen Beweisverwertungsverbots resultieren, Fahl, NStZ 2021, 261.
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Teil 1: Grundlagen
Im Strafverfahren erfolgt die Suche nach potenziellen Beweismitteln nach der legislatorischen Vorstellung durch die staatlichen Behörden – mithin Staatsanwaltschaft und Polizei.10 Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, nicht nur die prozessuale Beibringung von Beweismitteln – mithin die gerichtliche Beweisaufnahme i. S. d. § 244 Abs. 2 StPO – als Beweiserhebung zu bezeichnen,11 sondern ebenso die vorgelagerte außerprozessuale Ermittlungstätigkeit durch die staatlichen Strafverfolgungsbehörden.12 Konsequenterweise sind sämtliche Verfahrensvorschriften, die dem staatlichen Vorgehen insoweit Grenzen setzen, als Beweiserhebungsverbote einzustufen.13 Die Beweiserhebung beschreibt sonach das staatlich betriebene Suchen, Beschaffen und Sichern von potenziell relevanten Beweismitteln und umfasst neben der behördlichen Ermittlungstätigkeit auch die gerichtliche Beweisaufnahme i. S. d. § 244 Abs. 2 StPO.14 Die Beweisverwertung hingegen bezeichnet im Rahmen dieser Untersuchung den nachgelagerten Vorgang, innerhalb dessen die Gerichte überprüfen, ob sie erhobene Beweismittel der zu fällenden Entscheidung zugrunde legen und in die freie richterliche Beweiswürdigung einbeziehen dürfen.15 Weitete man das Begriffsverständnis – wie mitunter explizit gefordert –16 insoweit aus, und
10
Reeb, Internal investigations, S. 7; Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 4 f.; Fischer, in: KK-StPO, Einl. Rn. 1. Wastl, ZRP 2011, 57 (58) spricht von „ureigenste[n] staatliche[n] Befugnisse[n]“. Zum Begriff der Strafverfolgung Schroeder, GA 1985, 485. 11 So aber Finger, JA 2006, 529 (530); Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 106. Wohl auch Petry, Beweisverbote im Strafprozess, S. 19 f., 159. Diesem Verständnis nach wäre etwa nicht die heimliche Aufzeichnung eines Telefongesprächs durch Ermittlungsbeamte, sondern vielmehr erst das Abspielen des in diesem Kontext hergestellten Tonbandes im Prozess als Vorgang der Beweiserhebung einzustufen. 12 Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (361); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 49; Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 9 f.; Fezer, Strafprozessrecht II, Fall 16, Rn. 24 f.; Jahn, Gutachten C, S. 27; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 16; Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (314). Instruktiv zum Ganzen Löffelmann, Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren, S. 156 ff. 13 Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 9; Jahn, in: Stöckel-FS, S. 259 (264); Gössel, in: Löwe-Rosenberg, Einl. Abschnitt L. Rn. 16; Beulke, in: SSW-StPO, Einl. Rn. 248. Dem schließt sich Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 6, 11 an. 14 Statt aller Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (361). 15 Rogall, JZ 2008, 818 (822); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 49, der von der Verwertung im Prozess spricht. Ferner Beckemper/Wegner, JA 2003, 510 (511). Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (361) hebt die inhaltliche Berücksichtigung hervor. Schließlich Paul, NStZ 2013, 489 (490); Petry, Beweisverbote im Strafprozess, S. 20; Schmitt, in: Meyer-Gossner/Schmitt, Einl. Rn. 55, § 261 Rn. 6. 16 Muthorst, Das Beweisverbot, S. 188 sowie Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 39, nach denen bereits die Einführung eines Beweismittels in den Prozess als Vorgang der Beweisverwertung einzustufen sei. Mit umfassender Begründung Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 10 f. Zunehmend finden sich Stimmen, die den Terminus der Beweisverwertung auf sämtliche Verfahrensstadien beziehen wollen, Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 356. Vgl. schließlich
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bezöge dieses auch auf die Einführung eines Beweismittels in die Hauptverhandlung, führte dies entweder dazu, neuerliche Überschneidungen mitsamt einhergehender Abgrenzungsschwierigkeiten zu provozieren,17 oder aber dazu, den Vorgang der Beweiserhebung seinerseits weitgehend auf die außerprozessuale Beweissicherung zu beschränken. 2. Selbstständige und unselbstständige Beweisverwertungsverbote Die Beweisverwertungsverbote werden gemeinhin in die Kategorien unselbstständig und selbstständig eingeteilt.18 Eine solche Differenzierung ist vor allem deshalb zu begrüßen, da sie den dogmatischen Ausgangspunkt einzelner Beweisverwertungsverbote sachgerecht zu beschreiben vermag,19 und die rechtliche Diskussion gewissermaßen vereinfacht. Unselbstständige Beweisverwertungsverbote resultieren ihrem originären Begriffsverständnis nach aus einem Verstoß der staatlichen Ermittlungsbehörden gegen ein Beweiserhebungsverbot20 oder sonstige Normen verfahrensrechtlicher Natur.21 Sie beruhen folglich auf einem vorausgehenden Rechtsbruch durch Polizei oder Staatsanwaltschaft.22 Demgegenüber sind selbstständige Beweisverwertungsverbote gerade nicht von einem vorherigen Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot abhängig und können folglich auch dann eingreifen, wenn die staatliche Erlangung eines Beweismittels rechtmäßig erfolgte.23 In dieser Kategorie ist der staatliche auch BayObLG NJW 1990, 197 (198), wonach das Abspielen des Tonbands zur Verwertung rechnen soll. So auch BVerfGE 57, 250 (290). 17 Paradigmatisch ist insoweit Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 10, nach dessen Konzeption die Beweiserhebung i. e. S. (= Beweisaufnahme) zur Beweisverwertung zählen soll. Ferner Muthorst, Das Beweisverbot, S. 188, dem zufolge der Begriff der Beweisverwertung (teilweise) als Oberbegriff auch die Beweiserhebung beinhalte. Schließlich auch Gropp, StV 1989, 216 (217), der das Abspielen der Beweisgewinnung zuordnet, die gerichtliche Kenntnisnahme aber der Beweisverwertung. 18 Dies geht auf die instruktiven Überlegungen von Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (3 f.) zurück. Zur Differenzierung auch Dencker, Verwertungsverbote im Strafprozeß, S. 13 ff.; Fahl, NStZ 2021, 261 (263); Kudlich, in: MüKo-StPO, Einl. Rn. 450; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 362; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 704; Küpper, JZ 1990, 416. 19 Kritisch hingegen Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 21 Fn. 2. 20 Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (3); ders., JZ 1996, 944 (946 f.); Lucke, HRRS 2011, 527 (528). 21 Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 141. Auch Singelnstein, in: Eisenberg-FS, S. 643 (645) bezieht sich umfassend auf die rechtsfehlerhafte Beweisgewinnung. 22 Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (3); ders., JZ 1996, 944 (946 f.); Paul, NStZ 2013, 489 (490); Kudlich, in: MüKo-StPO, Einl. Rn. 450. 23 Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (3); Dencker, Verwertungsverbote im Strafprozeß, S. 10 f., 100; Küpper, JZ 1990, 416 (417); Finger, JA 2006, 529 (530); Kudlich, in: MüKo-StPO, Einl. Rn. 450; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 362.
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Verwertungsakt selbst der maßgebliche Anknüpfungspunkt, der daraufhin überprüft werden muss, inwieweit er mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist.24 Eine solche Differenzierung lässt sich auch durchführen, wenn eigeninitiativ erlangte Beweismittel in Rede stehen. Sollte die Unverwertbarkeit auf dem außerprozessualen Rechtsverstoß des Privaten aufbauen, ließe sich wegen der Abhängigkeit von einem vorausgehenden Verhalten von einem unselbstständigen Beweisverwertungsverbot sprechen.25 Wenn aber ein solcher Konnex nicht besteht – und die Verwertbarkeit von einem rechtswidrigen Vorgehen gänzlich unabhängig ist –, käme ausschließlich ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot in Betracht. Nach den vorgenannten Ausführungen liegt dieser Untersuchung insoweit ein funktionelles Begriffsverständnis zugrunde, das die Beweisverwertungsverbote danach unterscheidet, ob diese mit einem vorausgehenden außerprozessualen Rechtsverstoß zusammenhängen oder nicht.26 3. Beweisverwertungsverbote als Belastungsverbote Es zeitigt einen erheblichen Unterschied, ob die Verwertung eines vorhandenen Beweismittels die rechtliche Situation des Angeklagten verschlechtert oder aber verbessert. Dieser Gesichtspunkt betrifft die Frage, in welche Richtung die Beweisverbote wirken, und folglich eine zentrale Ausgangsthese der gesamten Beweisverbotsdogmatik. Das Strafprozessrecht muss als „angewandtes Verfassungsrecht“27 die zwingenden Vorgaben des Grundgesetzes beachten und auf diese Weise eine faire Verfahrensgestaltung gewährleisten.28 Evident ist dabei das Schuldprinzip, das seinerseits aus der Menschenwürdegarantie sowie dem Rechtsstaatsprinzip folgt29 und eine schuldangemessene Sanktion verlangt.30 Die Verurteilung des Angeklagten, dessen 24
Beulke, Jura 2008, 653 (654); Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 362; Rogall, JZ 1996, 944 (946). 25 Instruktiv Kaspar, GA 2013, 206 (210 f.). 26 Teilweise werden die eigeninitiativ erlangten Beweismittel ausschließlich im Kontext der selbstständigen Beweisverwertungsverbote erörtert. Vgl. etwa Beulke, Jura 2008, 653 (654 Fn. 13); Küpper, JZ 1990, 416 (417). Dies beruht letztlich auf einem divergierenden Begriffsverständnis, nach dem unselbstständige Beweisverwertungsverbote nur dann in Betracht kommen, wenn den staatlichen Stellen ein Fehler bei der Beweiserhebung unterläuft. Da ein solcher bei den eigeninitiativ erlangten Beweismitteln gerade fehlt, muss es nach diesem Verständnis zwangsläufig und ausschließlich um selbstständige Beweisverwertungsverbote gehen. 27 BVerfGE 32, 373 (383); BGHSt 19, 325 (330). 28 Vgl. Rieß, in: Schäfer-FS, S. 155 (170), der die Schaffung von Rechtsfrieden als übergeordneten Gesichtspunkt bemüht. 29 BVerfGE 20, 323 (331); 25, 269 (285). 30 BVerfGE 20, 323 (331); 57, 250 (275); 80, 244 (255); 95, 96 (140); 122, 248 (271). Ferner Roxin/Schäfer/Widmaier, in: Strauda-FS, S. 435 (436).
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Unschuld sich (möglicherweise) mit einem makelbehafteten Beweismittel belegen ließe, stößt vor diesem Hintergrund auf erhebliche Bedenken und findet schließlich auch keine verfassungsrechtliche Legitimation.31 Zudem dürften die Interessen des Beschuldigten, nicht zu Unrecht bestraft zu werden, derart gewichtig ausfallen, dass sie gegenläufige Rechtspositionen des Staates oder eines Dritten von vornherein überwiegen.32 Sonach fungieren die Beweisverwertungsverbote allein als Belastungsverbote – und schließen einen Entlastungsbeweis zugunsten des Beschuldigten gerade nicht aus.33 Angesichts der besonderen Schutzbedürftigkeit des Beschuldigten gilt dies auch dann, wenn das Beweismittel nicht durch die staatlichen Strafverfolgungsbehörden erlangt wurde, sondern durch einen Privaten, der dabei die Rechtsgüter eines Dritten verletzt hat.34 4. Beweiserhebung durch Private? Eine weitere Stufe der Komplexität erreicht die begriffliche Diskussion im hier interessierenden Kontext der privaten Suche nach Beweismitteln, da sich die strafprozessualen Regelungen ausschließlich zum staatlichen Strafverfahren verhalten und Privatpersonen gerade nicht adressieren.35 Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass die eigeninitiativ betriebene Suche nach Beweismitteln durchaus Ähnlichkeiten zur staatlichen Beweiserhebung durch Staatsanwaltschaft und Polizei aufweisen kann. Nicht selten bezwecken auch Privatpersonen, einem hinreichend konkreten Verdacht nachzugehen, um bestenfalls das strafbare Verhalten eines anderen zu dokumentieren oder sonst nachweisen zu können. Allerdings treten auch gewichtige Unterschiede hervor, die an dieser Stelle auf zwei entscheidende Gesichtspunkte reduziert werden sollen. Zum einen stehen den staatlichen Strafverfolgungsbehörden spezifische Eingriffsbefugnisse zu, die es diesen ermöglichen, eine effektive Aufklärung zu gewährleisten – und auf die Privatpersonen gerade nicht zurückgreifen dürfen. Dies gilt beispielsweise für Wohnungsdurchsuchungen oder 31 Erb, GA 2017, 113 (113 f.); Roxin/Schäfer/Widmaier, in: Strauda-FS, S. 435 (442) rekurrieren auf das „rechtsstaatliche Gebot, nicht sehenden Auges ein Fehlurteil zu sprechen“. 32 Löffelmann, Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren, S. 131 f. Zustimmend Erb, GA 2017, 113 (114 f.). 33 Roxin/Schäfer/Widmaier, in: Strauda-FS, S. 435 (436); Dencker, Verwertungsverbote im Strafprozeß, S. 73 ff.; Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 187; Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (38), aber einschränkend ders., in: SK-StPO, § 136a Rn. 105; Löffelmann, Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren, S. 128 f.; Erb, GA 2017, 113 (129); Heghmanns, ZIS 2016, 404 (412); Laber, Die Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen im Strafverfahren, S. 100 f.; Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 146; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 29; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 712. A. A. BGHSt 57, 71 (78); Küpper, JZ 1990, 416 (418); Schmitt, in: MeyerGossner/Schmitt, Einl. Rn. 55a, § 136a Rn. 27. Offenlassend schließlich BGH NStZ 2008, 706 (706 f.). 34 Roxin/Schäfer/Widmaier, in: Strauda-FS, S. 435 (443). 35 BVerfG NJW 2011, 2417 (2420).
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die heimliche Telekommunikationsüberwachung. Zum anderen divergiert auch der Zeitpunkt, zu dem der staatliche Strafverfolgungsapparat von einem beweisrelevanten Inhalt Kenntnis erlangt: Während dieser bei der strafprozessrechtlich vorgesehenen behördlichen Ermittlung mit dem Auffinden des Beweismittels zusammenfällt, bedarf es bei der privaten Nachforschung eines weiteren Übergabe- oder Weiterleitungsaktes an die staatliche Gewalt.36 Von diesem Standpunkt aus lassen sich drei Phasen des Umgangs mit Beweismitteln feststellen, sofern Privatpersonen eigeninitiativ tätig werden:37 Dem privaten Handeln – um dessen begriffliche Einordnung es vorliegend geht – schließt sich die staatliche Beweiserhebung an, der die gerichtliche Beweisverwertung folgt. Trotz dieser unterschiedlichen Abschnitte ordnen zahlreiche Stellungnahmen das außerprozessuale Vorgehen von Privatpersonen terminologisch der Beweiserhebung zu –38 und erhöhen auf diese Weise die Gefahr, begriffliche Missverständnisse zu evozieren. Eine präzise dogmatische Lösung gelingt jedoch nur, wenn die einzelnen Ebenen nicht nur rechtlich, sondern auch begrifflich klar voneinander unterschieden werden.39 Nach dem hier zugrunde gelegten Begriffsverständnis ist die Beweiserhebung in einem ausschließlich technischen Sinn zu verstehen und beschreibt einen Vorgang, der allein den staatlichen Strafverfolgungsorganen – zu denen neben den Ermittlungsbehörden auch die Gerichte zählen –40 vorbehalten ist.41 Die private Suche nach 36 Dazu – allerdings in anderem Kontext – Petry, Beweisverbote im Strafprozess, S. 159. Vgl. auch Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 39. Zur materiell-rechtlichen Bewertung des Übergabeaktes Teil 4. 37 So explizit Bäumerich, JuS 2016, 803, sowohl für den Straf- als auch den Zivilprozess. Dabei lehnt er sich an Greger, NZV 2015, 114 an, der allerdings ausschließlich den „Verkehrsunfallprozess“ beleuchtet. 38 Mit Begründung Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 8; Bäumerich, JuS 2016, 803; Wohlers, JR 2016, 509 (510 f.); Jansen, StV 2019, 578 (581); Niehaus, NZV 2016, 551; Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 25. Ferner Mienert/Gipp, ZD 2017, 514, sowohl für den Straf- als auch den Zivilprozess; Kölbel, NStZ 2008, 241 (242), der zwischen einem privaten und einem staatlichen Beweiserhebungsanteil unterscheidet. Schließlich auch Grünwald, Das Beweisrecht der Strafprozeßordnung, S. 162 f., der allerdings den Begriff der Beweisgewinnung bemüht. 39 So i. E. auch Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Einl., S. 9, die dem jeweiligen Vorgehen stets das Adjektiv „staatlich“ oder „privat“ voranstellen will. 40 Gropp, StV 1989, 216 (217 Fn. 5); Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 9 Fn. 57. 41 So explizit Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 115 Fn. 1; Löffelmann, Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren, S. 156. Dies anerkennen auch Vertreter eines weitergehenden Begriffs der Beweiserhebung letztlich, indem sie von einer Beweiserhebung im technischen oder eigentlichen Sinn, die nur den Strafverfolgungsorganen möglich ist, und einer privaten Erhebung sprechen. Statt aller Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Einl. S. 8. Ferner auch
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Beweismitteln und deren Sicherstellung rechnen folglich schon per definitionem nicht zur Beweiserhebung und firmieren vielmehr unter der Bezeichnung der privaten (bzw. eigeninitiativen) Beweismittelsuche oder der privaten Beweisbeschaffung.42 Synonym dazu sollen die Begriffe der privaten Beweiserlangung oder Beweisgewinnung verwendet werden.43 Diese Termini umfassen als Oberbegriffe die vielfältigen Erscheinungsformen eines privaten Vorgehens, auf die sogleich näher einzugehen ist. Die prozessuale Beweisverwertung meint demgegenüber – wie auch bei ausschließlich staatlich betriebenen Ermittlungen – allein die gerichtliche Berücksichtigung eines bereits erhobenen Beweises.
II. Zivilprozess Die begrifflichen Abgrenzungsschwierigkeiten setzen sich in der zivilprozessualen Diskussion, die sich bisweilen stark an einzelnen strafprozessualen Beweisverbotslehren orientiert, uneingeschränkt fort.44 Im Ausgangspunkt besteht insoweit Einigkeit, als auch im Zivilprozess zwischen den Vorgängen der Beweiserhebung und der Beweisverwertung und jeweils darauf bezogener Verbote unterschieden werden soll.45 Eine nähere Beschreibung der einzelnen Phasen muss dabei stets berücksichtigen, dass im Zivilverfahren außerprozessual keine staatlich betriebenen Ermittlungsmaßnahmen stattfinden, sondern die Prozessbeteiligten selbst dafür verantwortlich sind, ihnen günstige Tatsachen zu beweisen.46 Von privater Seite gewonnene Informationen erreichen die staatliche Sphäre folglich erst dann, wenn diese vom Gericht erhoben werden. Gleichwohl ordnen einige Stimmen die private Beweismittelsuche bereits als Akt der Beweiserhebung ein und bezeichnen die materiell-rechtlichen Grenzen dem-
Grünwald, Das Beweisrecht der Strafprozeßordnung, S. 162 f. hinsichtlich des Begriffs der Beweisgewinnung. 42 So auch Kaspar, GA 2013, 206 (208). 43 Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 115 Fn. 1 spricht von der privaten „Beweismittelerlangung“. 44 Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 134 f.; Kiethe, MDR 2005, 965; Störmer, JuS 1994, 334; Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 28 ff. 45 So die ganz h. M. Prütting, in: MüKo-ZPO, § 284 Rn. 62; Foerste, in: Musielak/Voit, § 284 Rn. 23; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 16; Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 36; Thole, in: Stein/Jonas, § 284 Rn. 44; Greger, in: Zöller, Vorb. zu § 284 ZPO Rn. 11. Kritisch Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (314 f.); Störmer, JuS 1994, 334 (334 f.); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 135. 46 Störmer, JuS 1994, 334 (338); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 129 f. Vgl. dazu Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 117 f.
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Teil 1: Grundlagen
entsprechend als Beweiserhebungsverbote.47 Allerdings erscheint es vorzugswürdig, die Beweiserhebung – ähnlich wie im Strafprozessrecht – ausschließlich auf das staatliche Vorgehen zu beschränken und hierunter die Einführung eines bereits gewonnenen Beweismittels in den Prozess zu begreifen.48 Mangels eines staatlich betriebenen Ermittlungsverfahrens konzentriert sich der Begriff dabei allein auf das gerichtliche Vorgehen, so dass jedes außerprozessuale Verhalten hinsichtlich beweisrelevanter Informationen schlechterdings nicht zur Beweiserhebung rechnen kann.49 Die privaten Verhaltensweisen, die sich darauf richten, potenziell entscheidungserheblichen Informationen nachzugehen und diese zu sichern, sollen im Rahmen dieser Untersuchung – übereinstimmend mit den Aussagen zum Strafverfahren – als private Beweismittelsuche sowie als Beweisbeschaffung, -erlangung oder -gewinnung bezeichnet werden.50 Die Beweisführung meint hingegen das innerprozessuale Verhalten durch die Partei. An die nachfolgende gerichtliche Beweiserhebung tritt schließlich die Beweisverwertung, die sich in dem Vorgang erschöpft, erhobene Beweise für die richterliche Entscheidungsfindung heranzuziehen.51
47 Foerste, in: Musielak/Voit, § 284 Rn. 23; Eufinger, DB 2017, 1266 (1267); Bergwitz, NZA 2012, 353. Ferner Mienert/Gipp, ZD 2017, 514; Wirsching, NZV 2016, 13 (14). Auch Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119 (121) sprechen von der „rechtswidrigen Erhebung“. So letztlich auch OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799 (2800), obschon das Gericht zuvor – zutreffend – von der bloßen Beweismittelbeschaffung spricht. Vgl. aus der verwaltungsprozessualen Sicht auch M. Schröder, ZD 2014, 594 (595). 48 Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (362); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 130; Störmer, JuS 1994, 334 (338); Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 20; Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 36 f. Schließlich auch BGH NJW 1982, 1398. Abweichend Foerste, in: Musielak/Voit, § 284 Rn. 23, der letztlich die Einführung in den Prozess als Erhebung i. e. S. einstuft. 49 Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (362 Fn. 17); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 130. 50 So auch Mäsch/Ziegenrücker, JuS 2018, 750 (753); Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (362); Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 37 f.; Bäumerich, JuS 2016, 803; Kodek, in: Kaissis-FS, S. 523 (535). Ähnlich Ahrens, NJW 2018, 2837 (2838); ders., MDR 2015, 926, der von der Beweismittelbeschaffung spricht. Ferner Greger, NZV 2015, 114. 51 So auch Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 112. Die wohl h. M. ordnet hingegen auch die Einführung des Beweismittels in den Prozess begrifflich der Beweisverwertung zu. Vgl. etwa Kiethe, MDR 2005, 965; Störmer, JuS 1994, 334; Werner, NJW 1988, 993 (993 ff.); Muthorst, Das Beweisverbot, S. 188. Kritisch zu diesem Ansatz: Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 20 f.; Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 36 f.
B. Kategorien der eigeninitiativen Beweismittelsuche
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III. Zusammenfassung Die private Suche nach Beweismitteln rechnet weder im Straf- noch im Zivilprozess zur sog. Beweiserhebung, da diese ausschließlich einen staatlichen Umgang mit Beweismitteln beschreibt. Im strafrechtlichen Erkenntnisverfahren bezieht sich die Beweiserhebung zum einen auf die außerprozessualen Ermittlungsmaßnahmen von Staatsanwaltschaft und Polizei, und zum anderen auf die gerichtliche Beweisaufnahme i. S. d. § 244 Abs. 2 StPO. Da dem Zivilverfahren eine staatliche Ermittlungsphase im vorprozessualen Stadium fremd ist, beschränkt sich die Beweiserhebung dort ausschließlich auf die gerichtliche Einführung von Beweismitteln in den Prozess. Die nachgelagerte Beweisverwertung hingegen betrifft in beiden Verfahrensarten die Frage, inwieweit die urteilenden Richter ein bereits erhobenes Beweismittel verwenden dürfen, um ihre Entscheidung darauf zu stützen. Um jeglichen Begriffsmissverständnissen vorzubeugen, wird das außerprozessuale, eigeninitiative Vorgehen innerhalb dieser Untersuchung als private Beweismittelsuche bezeichnet und nicht von einer Beweiserhebung gesprochen.
B. Kategorien der eigeninitiativen Beweismittelsuche Die konkreten Umstände, die einen Privaten dazu veranlassen, auf eigene Initiative nach aussagekräftigen Beweismitteln zu suchen, unterscheiden sich nicht unwesentlich voneinander. Eine erste zentrale Abgrenzung – die vornehmlich das strafprozessuale Themenfeld betrifft – lässt sich daran ausrichten, ob der Private gänzlich eigeninitiativ agiert oder aber eine irgendwie geartete Kooperation mit den staatlichen Strafverfolgungsbehörden besteht.52 Diese Differenzierung zeitigt insbesondere deshalb erhebliche Konsequenzen, da die rechtlichen Vorgaben für staatliches und privates Vorgehen voneinander abweichen.
I. Abgrenzung zwischen staatlicher Beweiserhebung und privater Beweismittelsuche Nach dem legislatorischen Leitbild obliegt die Strafverfolgung generell den staatlichen Stellen, die zu diesem Zweck auf verschiedene Eingriffsrechte zurückgreifen können, deren rechtliche Grenzen die Strafprozessordnung festlegt.53 Die gesetzlich vorgesehenen Ermittlungsbefugnisse – wie etwa die Telekommunikationsüberwachung gem. § 100a StPO oder die Durchsuchung gem. § 102 StPO – 52
Zu dieser Abgrenzung Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 123 ff.; Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 28 ff.; Reeb, Internal investigations, S. 6 ff. 53 Fischer, in: KK-StPO, Einl. Rn. 4; Rieß, in: Schäfer-FS, S. 155 (169 f.).
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Teil 1: Grundlagen
zeichnen sich durch einen unmittelbaren staatlichen Eingriff in die Rechte des Betroffenen aus und sind sonach von einem Verhältnis der Über-/Unterordnung geprägt. Ungeachtet dessen existieren in praxi unterschiedliche Formen eines Zusammenwirkens der staatlichen Strafverfolgungsbehörden mit Privatpersonen, zu deren am weitesten verbreiteten Phänomenen der Einsatz sog. V-Leute54 sowie die „Hörfalle“55 rechnen.56 Die strafprozessualen Vorschriften adressieren allein die staatlichen Stellen57 und begründen – mit Ausnahme des § 127 Abs. 1 StPO – folglich keine Eingriffsbefugnisse zugunsten von Privaten,58 setzen aber umgekehrt dem eigeninitiativen Vorgehen auch keine Schranken.59 Vor diesem Hintergrund begegnet jede Form einer „Privatisierung“ des Strafverfahrens von vornherein gewichtigen Bedenken, da die berechtigte Gefahr besteht, der Staat könnte sich den verbindlichen Direktiven schleichend entziehen, indem er in zunehmendem Maß private „Ermittlungshelfer“60 involviert oder gar instrumentalisiert.61 Um dieser „Flucht ins Privatrecht“62 vorzubeugen, hat sich in der rechtswissenschaftlichen Diskussion eine Zurechnungslösung etabliert,63 wobei sowohl über die spezifischen Voraussetzungen
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BGHSt 41, 42. BGHSt 39, 335; 42, 139. Abweichend BGH NStZ 1996, 200. Zur „variantenreichen Phänomenologie“ dieser Vorgehensweise Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 128 m. w. N. Die „Hörfalle“ zeichnet sich grundsätzlich dadurch aus, dass die ermittelnden Polizeibeamten ein vermeintlich vertrauliches Gespräch zwischen zwei Privatpersonen, von denen eine indes mit den staatlichen Stellen kooperiert, an einem Zweithörer belauschen. Dazu auch M. Popp, NStZ 1998, 95; Kudlich, JuS 1997, 696. 56 Schließlich gehört auch die sog. Haftzellenentscheidung in diesen Kontext, BGHSt 34, 362. Umfassend dazu Lesch, GA 2000, 355. 57 BVerfG NJW 2011, 2417 (2420); Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 730; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 17; Brunhöber, GA 2010, 571 (576). 58 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 651; Dencker, StV 1994, 667 (671). 59 Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 29. Zur Diskussion um die analoge Anwendung des § 136a StPO Teil 1, D. I. 4. 60 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 586. 61 Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 732; Beulke, Jura 2008, 653 (662); Engländer/ Volk, Grundkurs StPO, § 18 Rn. 36 m. w. N. Vgl. ferner Seiler, in: Peters-FS, S. 447 (450); Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 29 f.; Gleß, in: Löwe-Rosenberg, § 136a Rn. 10. 62 Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 19; Bosch, Jura 1998, 236 (239); Dencker, StV 1994, 667 (671); Jahn, JuS 2000, 441 (445); Reeb, Internal investigations, S. 9; Mahlstedt, Die verdeckte Befragung des Beschuldigten im Auftrag der Polizei, S. 91 f. I. E. auch Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 63. 63 BGHSt 44, 129 (134); Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 585; Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 63; Beulke, Jura 2008, 653 (662); Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 175 ff.; Hassemer/Matussek, Das Opfer als Verfolger, S. 83 f.; Müssig, GA 1999, 119 (138); Bosch, Jura 1998, 236 (239); Dencker, StV 1994, 667 (671). 55
B. Kategorien der eigeninitiativen Beweismittelsuche
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als auch die einzelnen Rechtsfolgen nach wie vor keine Einigkeit herrscht.64 Da sich diese Untersuchung ausschließlich auf die eigeninitiativen Verhaltensweisen eines Privaten beschränkt, bleiben die Einzelheiten insoweit unbeleuchtet.65 Im Grundsatz dürfte jedenfalls anerkannt sein, dass sich die staatlichen Strafverfolgungsorgane das Verhalten des „Ermittlungshelfers“ zurechnen lassen müssen, wenn sich das gesamte Vorgehen aufgrund einer wertenden Betrachtung nicht als private, sondern vielmehr als staatliche Ermittlungsmaßnahme darstellt.66 Diese Konstellationen beschreiben folglich gerade keine private Vorgehensweise, sondern vielmehr eine besondere Erscheinungsform der behördlichen Strafverfolgung.67 Für die hier interessierende reine Nachforschung durch Private folgt daraus: Von einer solchen lässt sich nur sprechen, wenn eine Privatperson aus eigenem Antrieb heraus agiert und auf eine handlungsbestimmende Kooperation mit den staatlichen Stellen verzichtet. Letztere bleiben sonach an dem konkreten Vorgehen, das schließlich zur Erlangung des Beweismittels führt, gänzlich unbeteiligt.68
II. Private Ermittlungen Im Vordergrund stehen regelmäßig solche privaten Verhaltensweisen, die sich darauf konzentrieren, einem spezifischen Verdachtsmoment nachzugehen, der sich aus einem konkreten Rechtsverstoß speist. Ist die eigeninitiative Maßnahme von Erfolg gekrönt, gelingt dem Privaten – vorbehaltlich der prozessualen Verwertbarkeit – der intendierte Nachweis eines strafbaren oder jedenfalls zivilrechtlich relevanten Verhaltens eines anderen. Da insoweit augenscheinlich gewisse Überschneidungen zur staatlichen Ermittlung im Strafverfahren bestehen, deren Einlei64
So auch Kaspar, GA 2013, 206 (213); Matula, Private Ermittlungen, S. 149 f. Kritisch zur Zurechnung der h. M. Lesch, GA 2000, 355 (369 f.); Jahn, JuS 2000, 441. Vgl. schließlich Keller, in: Grünwald-FS, S. 267 (272), der betont, es finde eigentlich keine Zurechnung statt, da es um unrechtmäßiges Verhalten des Staates gehe. 65 Instruktiv zu den Fragen einer Zurechnung Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 175 ff.; Kaspar, GA 2013, 206 (214 ff.); Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 587 ff.; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 18 ff.; Matula, Private Ermittlungen, S. 139 ff., 172 ff. 66 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 484; Reeb, Internal investigations, S. 14. Ähnlich auch Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 34 sowie Dencker, StV 1994, 667 (671). Freilich ist gerade nicht gänzlich geklärt, wann diese Voraussetzungen – jenseits einer eindeutigen Anweisung durch die Strafverfolgungsbehörden – vorliegen. 67 In diese Richtung auch Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 582. Ferner Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 126 ff. 68 Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 123 f. I. E. ähnlich Kaspar, GA 2013, 206 (221), der von einer „rein privaten Ermittlung“ spricht, wenn keine Zurechnung gelingt. So auch Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 36, der eine negative Abgrenzung vornimmt. Vgl. schließlich Reeb, Internal investigations, S. 19.
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tung gem. § 152 StPO von einem sog. Anfangsverdacht abhängt, sollen diese Maßnahmen im Folgenden als private oder eigeninitiative Ermittlungen bezeichnet werden.69 Bevor diese in einem weiteren Schritt zwei Unterkategorien zugeordnet werden, drängt sich zunächst die Frage auf, inwieweit Privatpersonen – jenseits der materiell-rechtlichen Verhaltensanforderungen – überhaupt eigeninitiativ ermitteln dürfen, sofern es um den Nachweis einer Straftat geht. 1. Generelle Zulässigkeit privater Ermittlungen Die grundsätzliche Befugnis einer Privatperson, unabhängig von den staatlichen Stellen nach entscheidungsrelevanten Beweismitteln und Informationen zu suchen, trifft vor allem in der strafprozessualen Debatte auf gewichtige Bedenken. Gleichwohl dürfen auch die zivilverfahrensrechtlichen Erwägungen keineswegs unberücksichtigt bleiben, zumal sich private Ermittlungsmaßnahmen vielfach auf solche Straftaten beziehen, die zugleich auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche auslösen. a) Konflikte mit dem staatlichen Ermittlungsmonopol? Nach dem substanziellen Offizialprinzip erfolgt die Strafverfolgung von Amts wegen,70 so dass weder der vermeintliche Täter noch das verletzte Opfer dazu verpflichtet sind, das Strafverfahren auf eigene Kosten zu betreiben und dabei ent- oder belastendes Tatsachenmaterial beizubringen.71 Mit Blick auf diesen legislatorischen Ausgangspunkt treten diverse Chancen und Risiken auf, die mit privaten Ermittlungsmaßnahmen verbunden sind, und zu einer Diskussion darüber geführt haben, ob diese überhaupt mit den verfassungs- und verfahrensrechtlichen Vorgaben vereinbar sind. Da die verschiedenen Argumente in den vergangenen Jahren bereits in erschöpfender Weise – vor allem im Kontext unternehmensinterner Ermittlungen – ausgetauscht wurden,72 beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen auf einzelne zentrale Aspekte.
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Vgl. dazu auch Kaspar, GA 2013, 206 (208). Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 46. 71 Zu den Gründen dieser „gewaltige[n] Errungenschaft“ Kirmes, Private IT-Forensik und private Ermittlungen, S. 54. 72 Morath, Private Straftatermittlungen, S. 10 ff.; Renners, Private Investigation und Arbeitsrecht, S. 25 ff.; Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 266; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 70 ff.; Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 27 ff.; Wewerka, Internal Investigations, S. 111 ff.; Reeb, Internal investigations, S. 28 ff.; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 32 ff.; Scharnberg, Illegale internal investigations, S. 56 ff.; Kirmes, WiJ 2013, 150 (150 ff.); ders., Private IT-Forensik und private Ermittlungen, S. 46; Knierim, StV 2009, 324 (324 ff.). 70
B. Kategorien der eigeninitiativen Beweismittelsuche
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Bedenken gegen eigeninitiative Nachforschungsmaßnahmen – in erster Linie durch den Verletzten einer Straftat –73 resultieren insbesondere aus umfangreichen Ermittlungen durch einen Privaten. Während einzelne, bisweilen auch zufällig gefundene Beweismittel weniger aufsehenerregend sind, rufen planmäßige Privatermittlungen grundsätzliche Skepsis hervor, da diese mit den legislatorischen Idealvorstellungen eines staatlicherseits betriebenen Strafverfahrens in Konflikt geraten.74 Besonders offenkundig tritt dies zutage, wenn die staatlichen Stellen bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet haben und es folglich zu parallelen Aufklärungsversuchen kommt.75 In derartigen Situationen – so lautet der Vorwurf – sei es nicht ausgeschlossen, dass der Private gewissermaßen unbeabsichtigt die behördlichen Untersuchungen beeinträchtige oder gar entscheidende Spuren verwische.76 Darüber hinaus erfolgten eigeninitiative Ermittlungen typischerweise nicht objektiv und neutral, sondern vielmehr aus einem singulären Interesse heraus.77 Der Verletzte einer Straftat konzentriere seine Bemühungen ausschließlich auf solche Umstände, die eine Verantwortlichkeit des vermeintlichen Täters belegen und orientiere sich insoweit an den Maximen der Vergeltung und der Genugtuung.78 Diese interessengeleiteten Maßnahmen seien besonders fehleranfällig79 und führten schließlich dazu, dass zahlreiche Ermittlungsergebnisse – trotz des weitreichenden Einbruchs in fremde Rechtspositionen – schlechthin unbrauchbar seien80 oder aber jedenfalls zu einem Mehraufwand der staatlichen Stellen beitrügen, da diese die einzelnen Informationen stets verifizieren müssten.81
73 Ein „Ermittlungsrecht“ des Beschuldigten ist hingegen weitgehend anerkannt: Brunhöber, GA 2010, 571 (572); Morath, Private Straftatermittlungen, S. 21; Reeb, Internal investigations, S. 33 f.; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 36. Zur Ermittlungsbefugnis des Strafverteidigers BGHSt 46, 1 (4); Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 144 ff.; Hassemer/Matussek, Das Opfer als Verfolger, S. 12 ff. 74 Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 84, 96 spricht von zielgerichteter und organisierter Ermittlungstätigkeit durch Private. Ähnlich Hassemer/Matussek, Das Opfer als Verfolger, S. 26. Schließlich auch Jahn, StV 2009, 41 (43). 75 Vor diesem Hintergrund differenziert Brunhöber, GA 2010, 571 (572 ff.) zwischen Parallel- und Vorfeldermittlungen. Ferner Salvenmoser/Schreier, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, Teil 15 Rn. 24; Reeb, Internal investigations, S. 36 f.; Scharnberg, Illegale internal investigations, S. 57. Teilweise auch Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 31 f. 76 Hassemer/Matussek, Das Opfer als Verfolger, S. 51 betonen, die privaten Ermittlungen würden die Ergebnisse „kontaminieren und vereinseitigen“. 77 Hassemer/Matussek, Das Opfer als Verfolger, S. 39. Zustimmend Keller, in: GrünwaldFS, S. 267 (278). 78 Hassemer/Matussek, Das Opfer als Verfolger, S. 39; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 131. So i. E. auch Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 7. 79 Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 135. 80 Hassemer/Matussek, Das Opfer als Verfolger, S. 51. 81 Vgl. dazu Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 280, die indes betont, dass dieser zusätzliche Aufwand geboten sei.
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Obschon diese Einwände a priori nicht von der Hand zu weisen sind, lässt sich weder dem Verfassungs- noch dem Strafverfahrensrecht ein generelles Ermittlungsmonopol des Staates entnehmen, das private Nachforschungen gänzlich ausschlösse.82 Auch die überkommenen Leitmaximen des Strafprozesses, zu denen insbesondere das Offizial- und das Legalitätsprinzip rechnen, erlauben einen solchen Schluss nicht.83 Entscheidend ist vielmehr, die besonderen Umstände, die eine eigeninitiative Beweismittelsuche prägen, im weiteren Verfahrensverlauf hinreichend zu berücksichtigen. Dies gilt allen voran für die Herkunft eines konkreten Beweismittels: Da weder der Beschuldigte noch das verletzte Opfer dazu verpflichtet sind, den Sachverhalt umfassend und objektiv aufzuklären, sondern gewissermaßen auch einseitig ermitteln „dürfen“,84 können einzelne Beweismittel durchaus einen verzerrten Inhalt aufweisen.85 Dieser interessengeleiteten Nachforschung ist indes im Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung zu begegnen;86 ein pauschaler Ausschluss sämtlicher privater Ermittlungsmaßnahmen ist nicht angezeigt.87 Darüber hinaus räumt § 164 StPO, der eine störungsfreie Durchführung staatlicher Ermittlungsmaßnahmen bezweckt, dem handelnden Beamten die Befugnis ein, vorsätz82
Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 31; Morath, Private Straftatermittlungen, S. 16; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 35; Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 24; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 82; Kaspar, GA 2013, 206 (208); Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 281; Beckemper/Wegner, JA 2003, 510; Renners, Private Investigation und Arbeitsrecht, S. 33; Wewerka, Internal Investigations, S. 114; Hellmann, Strafprozessrecht, Rn. 527; Wuttke, Straftäter im Betrieb, S. 48. Teilweise auch Gössel, in: Löwe-Rosenberg, Einl. Abschnitt L. Rn. 185. A. A. Brunhöber, GA 2010, 571 (574); Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 96, der vom staatlichen „Repressionsmonopol“ spricht, das bei zielgerichteten und organisierten Ermittlungsmaßnahmen verletzt sei. Schließlich auch Kirmes, Private IT-Forensik und private Ermittlungen, S. 68. 83 Morath, Private Straftatermittlungen, S. 19; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 34 f.; ders., in: 23. Strafverteidigertag, S. 161 (164); Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 23; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 81 f.; Wewerka, Internal Investigations, S. 114 f.; Salvenmoser/Schreier, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, Teil 15 Rn. 29; Renners, Private Investigation und Arbeitsrecht, S. 33. A. A. hingegen Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 153, 154 f., sofern der Private „eigeninitiativ, zielgerichtet und systematisch zum Zwecke der Strafverfolgung“ vorgehe. Hassemer/Matussek, Das Opfer als Verfolger, S. 39, 54; Braum, in: 22. Strafverteidigertag, S. 161 (171); Brunhöber, GA 2010, 571 (574), indes bezogen auf Parallelermittlungen des Verletzten. 84 Dazu Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 77; Reeb, Internal investigations, S. 35; Greeve, StraFo 2013, 89. 85 Bernsmann, in: 22. Strafverteidigertag S. 151 (159); Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 23. 86 So schon OLG Oldenburg NJW 1953, 1237. Ferner Renners, Private Investigation und Arbeitsrecht, S. 33. 87 Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 78; Kaspar, GA 2013, 206 (209); Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 324; Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 25.
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liche88 Störungshandlungen zu unterbinden und die verantwortliche Person festnehmen zu lassen.89 Ist diese Grenze jedoch – wie bei privaten Ermittlungen wohl regelmäßig –90 nicht überschritten, schränken allein die Regelungen des materiellen Rechts die eigeninitiativen Nachforschungen ein, die allerdings nicht die generelle Zulässigkeit in Zweifel ziehen, sondern lediglich bestimmte Vorgehensweisen untersagen.91 Inwieweit darüber hinausgehend spezifische Regelungen – auch vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gebots einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege –92 bestehen (müssten),93 wenn Privatpersonen solche Ermittlungsmaßnahmen ergreifen, die den Anspruch erheben, das staatliche Strafverfahren weitgehend oder gar vollständig zu ersetzen, ist nicht Gegenstand dieser Arbeit,94 da diese allein singuläre private Nachforschungsmaßnahmen beleuchtet.95 b) Legitimation privater Ermittlungen Die rechtswissenschaftliche Debatte über die Zulässigkeit privater Ermittlungen hat sich jedoch nicht allein auf die Frage beschränkt, inwiefern diese mit den strafprozessualen Idealvorstellungen vereinbar sind. Vielmehr richten sich verschiedene Stellungnahmen dem nachgelagerten Problemkreis zu, ob eigeninitiative Nachforschungen ihrerseits verfassungs- oder einfachrechtlich legitimiert werden
88 Zu Bedenken, ob private Ermittlungsmaßnahmen als vorsätzliche Störungen eingestuft werden können, Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 277. 89 Knierim, in: Volk-FS, S. 247 (256) sowie Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 90 f. wollen aus § 164 StPO noch weitergehend einen Vorrang der staatlichen Ermittlung ableiten. Ähnlich auch de Vries, Kriminalistik 2011, 83 (89), der von einem „Recht des ersten Zugriffs“ spricht, das der Gesetzgeber implementieren sollte. 90 Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 49; Wewerka, Internal Investigations, S. 145; Renners, Private Investigation und Arbeitsrecht, S. 31 f. 91 Hellmann, Strafprozessrecht, Rn. 529. 92 Instruktiv zu diesem Terminus und seiner dogmatischen Verortung Landau, NStZ 2007, 121. 93 Zum gesetzgeberischen Handlungsbedarf Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 124. Ferner auch Kirmes, WiJ 2013, 150 (156). 94 Dazu Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 375 ff., die schließlich den Straftatbestand des § 132 StGB bemüht. Vgl. auch Keller, in: Grünwald-FS, S. 267 (280 ff.), der bei polizeiähnlichem Vorgehen durch Private eine analoge Anwendung des § 136a StPO für möglich hält. Ferner Jahn, StV 2009, 41 (43). Im Anschluss daran auch Wewerka, Internal Investigations, S. 145. Kritisch zu derartigen Erwägungen Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 24 f. 95 Komplexere Fragestellungen treten insbesondere im Bereich der hier ausgeklammerten internal investigations auf. Zu den Bedenken gegen eine zunehmende Privatisierung der Strafverfolgung de Vries, Kriminalistik 2011, 83; Wastl, ZRP 2011, 57.
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können.96 Bei näherem Hinsehen suggeriert die aufgeworfene Fragestellung, es „sei dem Bürger alles verboten, was nicht ausdrücklich erlaubt sei“.97 Allerdings verhält es sich nach der grundgesetzlichen Konzeption geradezu umgekehrt: Der Private ist im Unterschied zu den staatlichen Akteuren in seinem Handeln grundsätzlich frei und unterliegt folglich auch keinem Zwang, sein Verhalten auf eine spezifische Erlaubnisnorm stützen zu müssen.98 Sofern keine speziellere verfassungsrechtliche Verbürgung einschlägig ist, resultiert die „Befugnis zu privaten Ermittlungen“ jedenfalls aus der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG.99 Einer darüber hinausgehenden Legitimation – etwa in Form einer einfachgesetzlichen Erlaubnisnorm oder anhand strafprozessualer Wertentscheidungen – bedarf das eigeninitiative Vorgehen gerade nicht,100 so dass es vorzugswürdig erscheint, den Terminus des „Ermittlungsrechts“ aus der Diskussion zu verbannen.101 Vielmehr obliegt es dem Gesetzgeber, das zulässige Spektrum privater Ermittlungsmaßnahmen durch materiell-rechtliche Vorschriften einzuschränken. Folglich spielt es im Ausgangspunkt auch keine Rolle, ob der vermeintliche Täter entlastende Beweis96 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 282 ff.; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 86 ff.; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 32 f.; Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 23 ff. 97 Kaspar, GA 2013, 206 (208). 98 Kaspar, GA 2013, 206 (209); Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 8; Grimm, JZ 2013, 585 (587). 99 So i. E. auch Reeb, Internal investigations, S. 29; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 95; S. Götting, Beweisverwertungsverbote in Fällen gesetzlich nicht geregelter Ermittlungstätigkeit, S. 276; Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 16; Kaspar, GA 2013, 206 (208). Kritisch Kirmes, WiJ 2013, 150 (155). Hingegen stellen Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 32 f.; Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 23 ff.; Hellmann, Strafprozessrecht, Rn. 527; Salvenmoser/Schreier, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht Teil 15 Rn. 25 auf das verfassungsrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht ab. Unklar ist schließlich auch die Relevanz des vielzitierten Rechtsbeistandsbeschlusses des BVerfG, BVerfGE, 38, 105. Statt aller Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 283 ff. 100 Kaspar, GA 2013, 206 (209). So auch Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 104, allerdings für das schweizerische Recht. Teilweise auch Renners, Private Investigation und Arbeitsrecht, S. 35. Abweichend hinsichtlich des Rechts zu parallelen Ermittlungen des Verletzten Reeb, Internal investigations, S. 39, der auf § 32 BDSG a. F. als Erlaubnisnorm abstellt. Vgl. auch Kirmes, WiJ 2013, 150 (155), nach dem „Erlaubnisnormen zu suchen [sind], die solche Maßnahmen Privater legalisieren“. Dieser geht indes davon aus, dass die Maßnahmen der IT-Forensik typischerweise private Zwangsmaßnahmen darstellen. Sofern ein Eingriff in die Rechter Dritter nicht vorliege, seien private Tätigkeiten zulässig, Kirmes, Private IT-Forensik und private Ermittlungen, S. 46 ff. Vor diesem Hintergrund weicht die Konzeption von Kirmes von der hier vertretenen Ansicht auch nicht diametral ab, sondern widmet sich der Fragestellung nur von einem divergierenden Ausgangspunkt. 101 Jedenfalls ist der Bedeutungsgehalt sehr gering, da im Ausgangspunkt jeder ermitteln darf, Bittmann/Molkenbur, wistra 2009, 373 (374). Ferner auch Bockemühl, in: 23. Strafverteidigertag, S. 161 (164), der betont, „die Zulässigkeit privater Ermittlungstätigkeit wird nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt“.
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mittel aufzuspüren versucht oder aber das Opfer einer Straftat eigeninitiative Aufklärungsmaßnahmen einleitet, sofern die einfachrechtlichen Vorschriften nicht zwischen diesen differenzieren.102 Nach allem ist somit von der grundsätzlichen Zulässigkeit privater Ermittlungen auszugehen.103 c) Zivilrechtliche Betrachtung Sofern sich die privaten Ermittlungsmaßnahmen darauf beziehen, zivilrechtlich relevante Verhaltensweisen aufzudecken, um insbesondere die anspruchsbegründenden Tatsachen einer Schadensersatzforderung geltend zu machen, bestehen gegen ein solches Vorgehen kaum Bedenken.104 Nahezu sämtliche Stimmen verweisen auf die besondere Struktur des Zivilprozesses, der vom sog. Beibringungsgrundsatz geprägt sei und folglich ohnehin verlange, dass die streitenden Parteien aussagekräftige Beweismittel anbieten, die sie zuvor eigeninitiativ erlangt haben.105 Dies gelte auch dann, wenn ein etwaiges schadensauslösendes Ereignis nicht allein auf zivilrechtlich, sondern zugleich auf strafrechtlich relevantes Handeln zurückzuführen sei, wie etwa bei einer Körperverletzung, die gem. § 223 StGB verboten ist und zudem einen Schadensersatzanspruch gem. § 823 BGB nach sich zieht.106 Andernfalls stünde der Privatermittler schlechter, dem daran gelegen sei, ein erhöhtes 102 Differenzierend zwischen unterschiedlichen Verfahrensbeteiligten hingegen Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 289 ff.; Reeb, Internal investigations, S. 33; Brunhöber, GA 2010, 571 (572). 103 Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 37; ders., in: 23. Strafverteidigertag, S. 161 (164); Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 324; Kaspar, GA 2013, 206 (208 f.); Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 30; S. Götting, Beweisverwertungsverbote in Fällen gesetzlich nicht geregelter Ermittlungstätigkeit, S. 275 f.; Scharnberg, Illegale internal investigations, S. 59; Eckhardt, Private Ermittlungsbeiträge, S. 8; Bittmann/Molkenbur, wistra 2009, 373 (374); Gössel, in: Löwe-Rosenberg, Einl. Abschnitt L. Rn. 183. Ablehnend Hassemer/Matussek, Das Opfer als Verfolger, S. 54; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 154. Teilweise Brunhöber, GA 2010, 571 (574 f.). 104 Salvenmoser/Schreier, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, Teil 15 Rn. 22 sprechen davon, dass sich das Ermittlungsrecht „unproblematisch“ bejahen lasse. Kritisch hingegen wiederum Kirmes, Private IT-Forensik und private Ermittlungen, S. 52, nach dem allein der Beibringungsgrundsatz nicht ausreiche, um privaten Zwang zu legitimieren. 105 Salvenmoser/Schreier, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, Teil 15 Rn. 22; Morath, Private Straftatermittlungen, S. 25; Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 20 f.; Reeb, Internal investigations, S. 40. Ähnlich auch Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 108. Schließlich auch Werner, NJW 1988, 993 (995), der von einer größeren Freiheit der zivilprozessualen Parteien spricht. 106 Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 21. Vgl. auch Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 107. Schließlich Wewerka, Internal Investigations, S. 114, die darauf verweist, der Verletzte müsse kein Strafverfahren anregen, sondern könne sich auf das zivilrechtliche Verfahren beschränken.
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Unrecht, das der Gesetzgeber sogar unter Strafe gestellt habe, aufzudecken.107 Nach manchen Autoren soll dieses zivilrechtliche „Ermittlungsrecht“ zugleich dazu dienen, die strafrechtlichen Nachforschungsbefugnisse des Verletzten zu legitimieren, da diese sowohl tatsächlich als auch rechtlich weitgehend miteinander verknüpft seien.108 Bei näherem Hinsehen bedarf es der spezifischen Begründung eines eigeninitiativen Nachforschungsrechts in Übereinstimmung mit den strafverfahrensrechtlichen Ausführungen indes nicht. Vielmehr entfließt diese Befugnis der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG und erfährt eine Beschränkung nur dann, wenn der Gesetzgeber materiell-rechtliche Verbotsnormen schafft. d) Ergebnis zur generellen Zulässigkeit privater Ermittlungen Private Ermittlungen geraten nicht in einen unauflösbaren Konflikt mit strafprozessualen und verfassungsrechtlichen Grundsätzen, da sich ein Ermittlungsmonopol zugunsten der staatlichen Strafverfolgungsbehörden, das eigeninitiative Nachforschungen gänzlich ausschlösse, gerade nicht begründen lässt. Als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit, die in Art. 2 Abs. 1 GG verbürgt ist, steht einer Privatperson die grundsätzliche Befugnis zu, entscheidungsrelevante Beweismittel selbstständig aufzuspüren. Maßgebliche Grenzen setzen dabei nicht die prozessualen Vorschriften, sondern vielmehr die Normen des materiellen Rechts. Dieser Befund gilt gleichermaßen auch für zivilrechtliche Ermittlungen des Privaten; eine positive Begründung mittels der Beibringungsmaxime bedarf es dabei nicht. Nachdem sonach feststeht, dass eine Privatperson ermitteln darf, sollen die nachfolgenden Ausführungen eine nähere Differenzierung unterschiedlicher Vorgehensweisen ermöglichen. 2. Echte private Ermittlungen Typischerweise fühlt sich eine Privatperson durch eine vergangene und nach der strafrechtlichen Terminologie bereits beendete Rechtsverletzung dazu herausgefordert, diese durch eigeninitiative Recherchen aufzuklären und den Verantwortlichen zu ermitteln. Hierzu rechnen insbesondere die Fälle, in denen die Opfer einer Rechtsverletzung versuchen, dem Täter ein Geständnis zu entlocken, um dieses 107 Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 27; Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 21; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 112. 108 Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 21; Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 33; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 111 f.; Reeb, Internal investigations, S. 40. Gegen diese Erwägungen Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 310 Fn. 125.
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heimlich mittels eines Aufnahmegeräts zu archivieren.109 Die rechtsverletzende Tat ist insoweit zwar nicht unmittelbar Gegenstand der Aufzeichnung, lässt sich aber durch das Abspielen des aufgenommenen Inhalts beweisen. Ähnlich liegen solche Sachverhalte, in denen eine Privatperson bereits Opfer eines Rechtsverstoßes wurde und befürchtet, dieser könnte sich alsbald wiederholen. Paradigmatisch sind insoweit die Fälle ständiger Sachbeschädigungen in gemeinsam genutzten Tiefgaragen oder Waschküchen.110 Nicht selten streben eigeninitiative Ermittler dabei an, die neuerliche Rechtsverletzung heimlich zu filmen, um zum einen das gegenwärtige Fehlverhalten zu dokumentieren, und zum anderen durch das geschaffene Beweismittel darauf schließen zu können, wer für die davorliegenden Taten verantwortlich ist.111 Obschon im Einzelfall – wie etwa bei offen angebrachten Videokameras – auch präventive Gesichtspunkte gewichtig sein können, überwiegen in praxi zumeist die repressiven Interessen der Geschädigten. Beiden geschilderten Konstellationen liegt jeweils ein konkreter Verdacht zugrunde, der sich stets auf eine vergangene und abgeschlossene Rechtsverletzung bezieht. Im Folgenden soll insoweit von echten privaten Ermittlungen gesprochen werden. 3. Unechte private Ermittlungen Von diesen echten privaten Ermittlungen divergieren solche Fallgestaltungen, in denen es im Moment des eigeninitiativen Vorgehens noch an einem Rechtsverstoß fehlt, sich dieser aber bereits hinreichend konkret abzeichnet. Regelmäßig stehen dabei zivilrechtliche Ansprüche in Rede, wobei sich dem Anspruchsinhaber die Vermutung aufdrängt, der Anspruchsgegner werde die Tatsachen in einem möglichen gerichtlichen Verfahren bewusst bestreiten und insoweit einen Prozessbetrug begehen.112 Um die unwahre Aussage im Prozess nachweisen zu können, greifen Privatpersonen oftmals auf Tonaufnahmegeräte oder verdeckt agierende Lauschzeugen zurück. Ausschlaggebend ist zwar – übereinstimmend mit den zuvor genannten Konstellationen der echten privaten Ermittlung – ebenfalls ein konkretisierter Verdacht, der sich allerdings nicht auf einen vergangenen Rechtsverstoß bezieht, sondern vielmehr eine zukünftig drohende Rechtsverletzung betrifft. Vor diesem Hintergrund sollen derartige Sachverhalte als unechte private Ermittlungen bezeichnet werden.
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So etwa BGH BeckRS 2010, 23042. OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799; OLG Köln NJW 2005, 2997. 111 Ausdrücklich OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799; OLG Köln NJW 2005, 2997 (2998). Vgl. auch OLG Saarbrücken BeckRS 2010, 28142. 112 Vgl. dazu auch Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 137, obschon dieser eine gänzlich andere Fallgruppenbildung vornimmt. 110
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Teil 1: Grundlagen
III. Private Beweismitteldokumentation Mitunter reagieren Privatpersonen auch unmittelbar bzw. spontan auf eine gegenwärtige Rechtsverletzung und versuchen, gerade diese mittels einer Bild- oder Tonaufnahme zu dokumentieren. Sofern sich das private Verhalten etwa darauf beschränkt, den Täter einer noch andauernden Körperverletzung zu fotografieren, um dessen Überführung durch die Strafverfolgungsbehörden zu ermöglichen, lässt sich nicht von einer Ermittlungsmaßnahme im oben entwickelten Sinn sprechen. Die Privatperson bezweckt nämlich nicht, einem konkreten Verdacht nachzugehen, sondern fühlt sich vielmehr durch den gegenwärtigen Rechtsverstoß dazu veranlasst, potenzielle Beweismittel zu sichern. Um diesen anlassbezogenen Kontext, der eine besondere Nähe zum Notwehrrecht aus §§ 32 StGB, 227 BGB sowie der Festnahmebefugnis aus § 127 Abs. 1 StPO aufweist, auch begrifflich abzubilden, firmieren diese Konstellationen in der vorliegenden Untersuchung unter dem Begriff der privaten Beweismitteldokumentation.
IV. Sonderkonstellation „Dashcam“ Eine gewisse Sonderrolle nehmen schließlich Dashcam-Aufnahmen ein. Diese lassen sich begrifflich nicht den privaten Ermittlungen zuordnen, da während des gesamten Aufzeichnungsvorgangs noch kein konkreter Verdacht eines Rechtsverstoßes besteht, sondern allein die vage Befürchtung, es könnte während der Fahrt möglicherweise zu einem Unfall und infolge dessen zu einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung kommen.113 Im Unterschied zu offenen Videokameras, die etwa in Ladengeschäften oder an Privathäusern angebracht sind, verfolgen die Betreiber von Dashcams auch keinen präventiven Zweck, da sie nicht darauf abzielen, das Verkehrsverhalten anderer zu beeinflussen.114 Vielmehr dienen die On-Board-Kameras ausschließlich dazu, im Bedarfsfall das Unfallgeschehen exakt zu rekonstruieren und insoweit die maßgeblichen Haftungsquoten festzulegen. Die Besonderheiten der Dashcam sind nicht allein begrifflicher Natur, sondern wirken sich auch auf die rechtliche Zulässigkeit derselben aus. Vor diesem Hintergrund spielen vornehmlich die konkreten technischen Funktionsweisen der Kamera eine entscheidende Rolle dafür, ob die gefertigten Aufnahmen datenschutzrechtlich zu beanstanden sind.115 Um diesen Umständen gerecht zu werden, verwendet diese Untersuchung stets die Kategorie der Dashcam, ohne diese den zuvor entwickelten Begrifflichkeiten zuzuordnen.
113
Insoweit liegt auch ein deutlicher Unterschied zu solchen Aufnahmen vor, die im Anschluss an einen Unfall angefertigt werden und regelmäßig Fotografien betreffen. So auch Ahrens, MDR 2015, 926. 114 Ahrens, MDR 2015, 926. Anders hingegen Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622 (1626). 115 Zu den datenschutzrechtlichen Einzelheiten noch Teil 2, B.
C. Verhältnis von materiellem Recht und Prozessrecht
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V. Zusammenfassung Die private Beweismittelsuche kann verschiedenen begrifflichen Kategorien zugeordnet werden, die sich insbesondere dadurch unterscheiden, ob zu Beginn des eigeninitiativen Vorgehens bereits ein konkretisierter Verdacht besteht. Nur dann, wenn sich ein solcher begründen lässt, liegt eine private Ermittlungsmaßnahme vor. Beschränkt sich das private Verhalten hingegen darauf, einen gegenwärtigen Rechtsverstoß festzuhalten, wird im Folgenden von einer privaten Beweismitteldokumentation gesprochen. Das neuartige Phänomen der Dashcams divergiert von diesen Rubriken und wird deshalb als Sonderkonstellation behandelt. Diese Einteilung ist dabei keineswegs ausschließlich terminologischer Natur, sondern wirkt sich im Rahmen der materiell-rechtlichen Grenzen, denen die privaten Nachforschungen unterliegen, erheblich aus. Besonders deutlich wird dies im Kontext der strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe, die jeweils eine spezifische Notlage verlangen, innerhalb derer der Betroffene eine Verteidigungsmaßnahme ergreift. Vor diesem Hintergrund ermöglichen die Begriffe einen schärferen Blick auf die neuralgischen Punkte der Rechtfertigung.
C. Verhältnis von materiellem Recht und Prozessrecht Die Suche nach einem dogmatisch stimmigen Lösungskonzept streift an verschiedenen Stellen die Frage, wie sich das Prozessrecht und das materielle Recht zueinander verhalten. Um diesen komplexen und deshalb störungsanfälligen Punkt im Einzelnen bewerten zu können, soll zunächst ein argumentativer Grundkonsens geschaffen werden. Die Diskussion, die vornehmlich aus der zivilrechtlichen Perspektive geführt wird und sonach schwerpunktmäßig das Verhältnis von materiellem Zivilrecht und Zivilprozessrecht betrifft,116 beschäftigt die Rechtswissenschaft bereits seit Jahrzehnten in unterschiedlichen Facetten, die im Rahmen dieser Arbeit nicht erschöpfend behandelt werden können.117
116 Zum Strafverfahrensrecht finden sich im beweisverbotsrechtlichen Zusammenhang nur selten klare Positionierungen zur Trennungsthese. Regelmäßig wird diese jedoch implizit zugrunde gelegt, indem die gewissermaßen konträre Einheitstheorie auf Ablehnung stößt. So etwa Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 194, die sich gegen die Einheit der Rechtsordnung wendet. Instruktiv zum Verhältnis von materiellem Strafrecht und Strafprozessrecht hingegen Sieber, in: Roxin I-FS, S. 1113 (1113 ff.). 117 Zum Ganzen Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 15 ff.; Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 30 ff.; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 107 ff. Instruktiv sind schließlich die Erwägungen von Goldschmidt, Der Prozess als Rechtslage, (passim) und Niese, Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen, S. 57 ff. sowie Eb. Schmidt, Der Arzt im Strafrecht, S. 53 ff. Zu den Vor- und Nachteilen des Trennungsdenkens für die wissenschaftliche Betrachtung Arens, AcP 173 (1973), 250 (250 f.).
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Teil 1: Grundlagen
Nach dem modernen Prozessrechtsverständnis sind das materielle und das formelle Recht grundsätzlich voneinander zu trennen;118 die Teilrechtsordnungen sind eigenständig kodifiziert, verfolgen unterschiedliche Zwecke und werden zudem von divergierenden Interessenkonflikten und Wertungen beeinflusst.119 Trotz dieses Trennungsgedankens, der bisweilen nicht ohne Pathos zu einem Trennungsdogma erhoben wird und in der „moralinfreien“ prozessualen Betrachtungsweise von Goldschmidt einen zentralen Anknüpfungspunkt findet,120 bestehen aus heutiger Sicht keine Zweifel daran, dass formelles und materielles Recht nicht gänzlich beziehungslos nebeneinander stehen,121 sondern vielmehr unterschiedliche Überschneidungen existieren.122 Das Prozessrecht besteht – trotz seiner „Emanzipation“123 – nicht um seiner selbst willen, sondern nimmt (auch) eine dienende Funktion ein, indem es bezweckt, das materielle Recht durchzusetzen.124 118
Für die „Trennungstheorie“ als Ausgangspunkt: Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (371); Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 29 f.; Baumgärtel, in: Klug-FS, S. 477 (483); Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 146 f.; Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 36 f.; Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 19 ff., 190; Rauscher, in: MüKo-ZPO, Einl. Rn. 27; Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 13; Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 68. Vgl. schließlich auch Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 194. Ferner Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140 (152, 158), nach dem materiell-rechtliche Probleme nicht durch das Prozessrecht gelöst werden sollen, und prozessrechtliche Probleme nicht durch das materielle Recht. 119 Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 11; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1 Rn. 33. Auf unterschiedliche Regelungszwecke weisen ferner Dauster/ Braun, NJW 2000, 313 (318) hin. In diese Richtung auch Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 1 Rn. 13 120 Goldschmidt, Der Prozess als Rechtslage, S. 295, 297. Ferner Niese, Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen, S. 75, der die vornehmlich zivilprozessual ausgerichteten Thesen Goldschmidts mit Blick auf das Strafverfahren weiterentwickelt hat. Zur kaum zu unterschätzenden Bedeutung des Werks von Goldschmidt für die Entwicklung der Strafverfahrensrechtswissenschaft A. Popp, GVRZ 2018, 3 Rn. 2; Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, S. 138 ff. 121 So explizit Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 12; Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 28 f. m. w. N. Auf gemeinsame Wertungen weist schließlich Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 2, 25 hin. 122 Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 23; Brehm, in: Stein/Jonas, Einl. Rn. 31; Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 36; Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, S. 29; Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 36; Reichenbach, AcP 206 (2006), 598 (619). 123 Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, S. 1. Kritisch hingegen Zöllner, AcP 190 (1990), 471 (487). Gaul, AcP 168 (1968), 27 (56) spricht von der „Überbetonung der Eigenständigkeit des Prozeßrechts“. Vgl. A. Popp, Verfahrenstheoretische Grundlagen der Fehlerkorrektur im Strafverfahren, S. 41 ff. zu einem instruktiven Überblick über die Entwicklung einer am Verfahrensrecht orientierten Perspektive.
D. Stand und Defizite der Diskussion
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Vor diesem Hintergrund ist weitgehend anerkannt, dass materiell-rechtliche Wertungen auch innerhalb der prozessualen Ebene rechtserhebliche Auswirkungen zeitigen können.125 Umgekehrt wirken auch prozessrechtliche Direktiven in den materiell-rechtlichen Raum hinein.126 Dieser mögliche Wertungsaustausch, der sonach in beide Richtungen erfolgen kann,127 lässt sich indes nur dann in geordnete Bahnen lenken, wenn man für diesen eine normative Grundlage fordert.128 Die jeweilige Teilrechtsordnung muss – jedenfalls implizit – erkennen lassen, dass „teilrechtsordnungsfremde“ Wertungen berücksichtigt werden dürfen. Andernfalls liefe man Gefahr, die rechtliche Eigenständigkeit der einzelnen Teilrechtsordnungen in Zweifel zu ziehen. Dogmatischer Ausgangspunkt bleibt dabei sowohl im Zivil- als auch im Strafverfahrensrecht der Trennungsansatz; die Übernahme einer teilrechtsordnungsfremden Wertentscheidung ist stets die begründungsbedürftige Ausnahme.129
D. Stand und Defizite der Diskussion Ein dogmatisch überzeugendes Lösungsmodell muss sich zunächst mit den verschiedenen Ansätzen befassen, die in Rechtsprechung und Literatur entwickelt wurden. Nur wenn es gelingt, die einzelnen Argumente zu identifizieren und auf ihre 124
Muthorst, Das Beweisverbot, S. 141; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 1 Rn. 13; Niese, ZStW 63 (1951), 199 (214); Baumgärtel, in: Klug-FS, S. 477 (483); Rauscher, in: MüKo-ZPO, Einl. Rn. 27; Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 193 m. w. N. In diese Richtung auch bzgl. des Prozesszwecks Jauernig, JuS 1971, 329 (331); R. Bruns, Zivilprozeßrecht, Rn. 20. Aus der Perspektive einer möglichen allgemeinen Verfahrenstheorie A. Popp, GVRZ 2018, 3 Rn. 7. 125 Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 36; Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 29 f.; Kaltenmeier, Betriebsverfassungsrechtliches Beweisverwertungsverbot, S. 30 f. Vgl. auch Gaul, AcP 168 (1968), 27 (56). 126 Muthorst, Das Beweisverbot, S. 142; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 114; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 1 Rn. 13; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 25; Arens, AcP 173 (1973), 250 (255); Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 191. Vgl. auch R. Bruns, Zivilprozeßrecht, Rn. 21. 127 Statt aller Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 191. Instruktiv auch Zöllner, AcP 190 (1990), 471 (493). 128 Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 197 f.; Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (318); Werner, NJW 1988, 993 (999); Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 13. Dazu auch Brehm, in: Stein/Jonas, Einl. Rn. 41. Kritisch dazu Roggemann, Das Tonband im Verfahrensrecht, S. 96. 129 Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 37; Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 198. Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 13. A. A. hingegen Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 114; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, S. 207.
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Teil 1: Grundlagen
Überzeugungskraft hin zu untersuchen, lassen sich rechtliche Fortschritte erzielen. Dabei bedarf es einer detaillierten Analyse, um den Blick für die Schnittstellen zwischen dem materiellen und dem formellen Recht zu schärfen. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen einzelne Beweismittel entweder nicht erhoben werden dürfen oder aber prozessual unverwertbar sind, beschäftigt die Rechtswissenschaft seit mehr als einem Jahrhundert.130 Gemeinhin gilt Beling131 als Schöpfer der Beweisverbote, der in diesen Grenzen der Wahrheitserforschung erkannte,132 sich dabei allerdings ausschließlich auf den Strafprozess bezog. Die zivilprozessuale Diskussion setzte hingegen mit einiger zeitlicher Verzögerung erst nach dem Ende des 2. Weltkriegs ein133 und wird seit jeher von den Erkenntnissen geprägt, die sich in der strafprozessualen Debatte bereits manifestiert haben.134 Vor diesem Hintergrund überschneiden sich zahlreiche Lösungsmodelle nicht allein in ihren Prämissen, sondern auch in den konkreten Resultaten.135 Sonach spricht einiges dafür, die straf- und zivilverfahrensrechtlichen Perspektiven in dieser Arbeit nebeneinander zu beleuchten, obschon die jeweiligen Prozessarten freilich unterschiedliche Intentionen verfolgen.136 Im Strafverfahren steht der Einzelne den staatlichen Autoritäten gegenüber, die einen außerprozessualen Rechtsverstoß bewerten und über die konkreten Sanktionen befinden. Dabei erfolgt die Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts grundsätzlich von Amts wegen. Der Zivilprozess ist demgegenüber als sog. Parteienprozess ausgestaltet, in dem sich die Privatpersonen in einer zivilrechtlichen Angelegenheit begegnen.137 Das Gericht urteilt über die relevanten Rechtsfragen, indem es das Vorbringen und die Beweismittel der Parteien berücksichtigt. Eine staatliche Ermittlungsbehörde, die den Sachverhalt im vorprozessualen Stadium von Amts wegen umfassend auf130 Vgl. dazu Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivilund Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 45. 131 Beling, Die Beweisverbote, S. 3. 132 So auch Gössel, NJW 1981, 649 m. w. N. Zur Aktualität dieser Erkenntnis Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 100 f. 133 Betz, RdA 2018, 100 (101); Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 5; Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 45. Vgl. auch Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 103; Baumgärtel, in: Klug-FS, S. 477. 134 Herrmann, in: Jescheck-FS, S. 1291 (1305); Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 22. Vgl. auch Otto, in: Kleinknecht-FS, S. 319 (319). 135 Zur Diskussion darüber, ob sich die strafprozessualen Errungenschaften vollumfänglich auf das Zivilverfahrensrecht transferieren lassen, Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 23 ff. 136 Vgl. A. Popp, GVRZ 2018, 3, der sich mit einem etwaigen allgemeinen Verfahrensrecht befasst. 137 Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 21; BVerfGE 52, 131 (153 f.). Vgl. ferner Fischer, in: KK-StPO, Einl. Rn. 2. Einschränkend hinsichtlich des Strafprozesses Conen, in: Eisenberg-FS, S. 459 (464), der angesichts der weit um sich greifenden Widerspruchslösung eine gewisse Annäherung an zivilverfahrensrechtliche Prinzipien konstatiert.
D. Stand und Defizite der Diskussion
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klärt, existiert gerade nicht. Diese zentralen Unterschiede führen allerdings nicht dazu, dass sich die rechtstatsächlichen Herausforderungen, die der Umgang mit privat erlangten Beweismitteln hervorruft, schlechterdings nicht miteinander vergleichen ließen.138 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ergibt sich diese Vergleichsmöglichkeit auch aus der aufgeworfenen Forschungsfrage selbst: Diese bezieht sich allein auf solche Fälle, in denen ein Privater eigeninitiativ nach entscheidungsrelevanten Beweismitteln sucht – und sich gerade nicht des staatlichen Strafverfolgungsapparats bedient. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich ein umfangreiches Meinungsspektrum entwickelt, das von der generellen Verwertbarkeit sämtlicher Beweise über vermittelnde Positionen bis hin zur grundsätzlichen Unverwertbarkeit reicht. Die verschiedenen Begründungsansätze und Verästelungen sind dabei kaum noch zu überblicken, zumal sich die Argumentationslinien bisweilen gegenseitig stützen oder sogar überschneiden.139 Schon allein deshalb stellt der nachfolgende Überblick kein starres Abbild der unterschiedlichen Meinungsgruppen dar, sondern vielmehr einen Versuch, die zentralen Prämissen der jeweiligen Gedankengänge zu beschreiben und zu systematisieren. Diese Darstellung erhebt indes keineswegs den Anspruch, sämtliche Aspekte vollständig zu erörtern; angesichts der Begründungsvielfalt bliebe ein solcher Versuch wohl stets von vornherein zum Scheitern verurteilt. Vielmehr sollen die zentralen Thesen unter dem spezifischen Filter nachgezeichnet werden, welche Bedeutung dem materiellen Rechtskreis bei der Suche nach einem Beweisverbot zukommt. Denn regelmäßig steht die Frage im Vordergrund, ob rechtswidrig erlangte Beweismittel verwertbar sind.
138 Für eine gemeinsame Diskussion letztlich auch Habscheid, in: Arens-GS, S. 187 (190). Anderes mag für einen Vergleich zwischen der staatlichen und der privaten Beweismittelsuche gelten, da insoweit unterschiedliche rechtliche Bindungen betroffen sind. Dazu Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 125; H. Roth, in: Erichsen, Recht der Persönlichkeit, S. 279 (292). 139 So auch Kodek, in: Kaissis-FS, S. 523 (524); Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 27; Bernsmann, in: 22. Strafverteidigertag, S. 151 (157). Einen Überblick für das Strafprozessrecht liefern: Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 26 ff.; S. Götting, Beweisverwertungsverbote in Fällen gesetzlich nicht geregelter Ermittlungstätigkeit, S. 275 ff.; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 161 ff. Für das Zivilprozessrecht (sowie das Arbeitsgerichtsverfahren): Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 50 ff.; Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 103 ff.; Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 69 ff.; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Strafund Zivilprozess, S. 141 ff.; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 6 ff.; Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 3 ff.; Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 38 ff.
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Teil 1: Grundlagen
I. Strafprozess 1. „Extremlösungen“140 Die strafprozessuale Diskussion, ob der entscheidende Richter eigeninitiativ erlangte Beweismittel erheben und verwerten darf, wird an ihren äußeren Rändern von zwei absoluten Lösungsansätzen begrenzt. a) Generelle Unverwertbarkeit Nach einer These, die noch immer weit verbreitet ist, sollen gegen die Verwertbarkeit eines eigeninitiativ gewonnenen Beweismittels grundsätzlich keine Bedenken bestehen, wenn sich der Private gänzlich rechtmäßig verhält.141 Seltener findet sich der vergleichbare, aber deutlich weiterreichende Ansatz, wonach ein rechtswidrig gewonnenes Beweismittel automatisch und gerade aufgrund des materiell-rechtlichen Verstoßes prozessual unverwertbar sein müsse, um dem Gebot der einheitlichen Rechtsanwendung zu genügen.142 Einzelne Stimmen beschränken diesen Automatismus allerdings auf strafbare Maßnahmen des Privaten,143 während andere umfassender von rechtswidrigem Vorgehen sprechen und folglich (wohl) auch Rechtsverstöße außerhalb des Strafrechts erfassen.144 Die zentralen Argumentationslinien verlaufen indes parallel: Der Staat verhalte sich widersprüchlich, wenn er Beweismittel, die auf rechtswidrige Art und Weise durch einen Privaten erlangt wurden, in einem anschließenden Strafverfahren verwerte und den außerprozessualen Rechtsverstoß insoweit honoriere.145 Dies vermittle jedenfalls den 140
Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 788 spricht von Extrempositionen. 141 Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 97; Sydow, Kritik der Lehre von den Beweisverboten, S. 110; Jansen, StV 2019, 578 (579); Otto, in: Kleinknecht-FS, S. 319 (338); ferner Sax, JZ 1965, 1 (6); einschränkend Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1543); Tenckhoff, JR 1981, 255 (258). Explizit gegen die generelle Verwertbarkeit eines rechtmäßig erlangten Beweismittels Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 118 f. Vgl. auch Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 116 ff., der von der grundsätzlichen Verwertbarkeit ausgeht, zugleich aber auf abweichende Fallgruppen hinweist. 142 Siegert, NJW 1957, 689 (690), der sich zwar auf die zivilprozessuale Verwertung konzentriert, dabei aber weitgehende Überschneidungen zum Strafprozess annimmt. Knapp ders., GA 1957, 265. Vornehmlich für das schweizerische Recht Habscheid, in: Arens-GS, S. 187 (189). 143 So etwa Bernsmann, in: 22. Strafverteidigertag, S. 151 (158 f.); Müssig, GA 1999, 119 (138 f.); Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 64; Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 159 f. 144 Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 225; Habscheid, in: Arens-GS, S. 187 (189) sowie Sydow, Kritik der Lehre von den Beweisverboten, S. 110 f. 145 Bernsmann, in: 22. Strafverteidigertag, S. 151 (158 f.); Müssig, GA 1999, 119 (138 f.); Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 208; Amelung, Informationsbeherrschungsrechte,
D. Stand und Defizite der Diskussion
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Eindruck, als würde sich das verbotene Verhalten nach Maßgabe einer „KostenNutzen-Rechnung“ lohnen.146 Um diese „Hehlerei des Staates“147 zu verhindern, bedürfe es eines umfassenden Gleichlaufs zwischen dem materiellen und dem formellen Recht, der zur generellen Unverwertbarkeit von Beweismitteln führt, die eine Privatperson durch eine Straftat gewonnen hat.148 Nur dieses Ergebnis stärke schließlich das Vertrauen der Rechtsgemeinschaft in die „Geltungskraft des Strafrechts“149. In dieser „Reinform“150 vermag die sog. „Einheitstheorie“151, die im Zivilprozessrecht eine ungleich größere Bedeutung einnimmt, schon deshalb nicht zu überzeugen, weil den verschiedenen Regelungsmaterien, die sich in jeweils eigenständigen Kodifikationen wiederfinden, voneinander abweichende Wertungen keineswegs fremd sind.152 Nach dem modernen Prozessrechtsverständnis ist von der grundsätzlichen Trennung des materiellen Strafrechts vom Strafprozessrecht auszugehen.153 Sollten sich tatsächlich umfangreiche Parallelermittlungen durch Private abzeichnen, die schlimmstenfalls die Funktionsfähigkeit des staatlichen Strafverfolgungsapparats gefährdeten,154 müsste zuvörderst das materielle Recht hierauf reagieren. S. 64; Habscheid, in: Arens-GS, S. 187 (189); Sydow, Kritik der Lehre von den Beweisverboten, S. 110 f. 146 Bernsmann, in: 22. Strafverteidigertag, S. 151 (158). So auch Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 64. Zur möglichen generalpräventiven Wirkung eines Beweisverwertungsverbots im Anschluss an privatrechtswidriges Verhalten Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 191 f. 147 Schmidt-Leichner, in: 46. Deutscher Juristentag, F 137 (139); Sydow, Kritik der Lehre von den Beweisverboten, S. 116. Zustimmend zum Gedanken der „Hehlerei“: Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 204 f.; Gundlach, in: AK-StPO, § 136a StPO Rn. 13. Schließlich Niehaus, NZV 2016, 551 (552), der hieraus indes auf eine Zurechnung der Beweisgewinnung schließt. 148 Bernsmann, in: 22. Strafverteidigertag, S. 151 (158 f.); Müssig, GA 1999, 119 (138 f.); Sydow, Kritik der Lehre von den Beweisverboten, S. 110, 116. I. E. ähnlich Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 157, sofern der Private mit Beweistendenz vorgeht. So schon Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 64. Ferner Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 225. 149 Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 208, 218. Ähnlich auch Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 154 ff., der die Ziele des Strafverfahrens bemüht. 150 So Reeb, Internal investigations, S. 119. 151 Eisenberg/Müller, JuS 1990, 120 (125); Wölfl, JA 2001, 504 (506); ferner Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 118. 152 Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 193 f.; Lang, Ton- und Bildträger, S. 124; Reeb, Internal investigations, S. 120; Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1542); Wölfl, JA 2001, 504 (507). Kritisch auch Eisenberg/Müller, JuS 1990, 120 (125); Petry, Beweisverbote im Strafprozess, S. 119. Gegen die generelle Unverwertbarkeit auch Schroth, in: Hilpert/Schroth, S. 186 (199). 153 Dazu schon Teil 1, C. 154 Zu diesen Befürchtungen Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 181, 206.
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Doch selbst, wenn man die Einheitsthese in einem umfassenden Sinn anerkennen wollte, begründete diese für sich betrachtet noch nicht, weshalb die prozessuale Verwertung eines strafrechtswidrig gewonnenen Beweismittels einen unhaltbaren Widerspruch darstellt.155 Der staatliche Umgang mit dem Beweismittel beschreibt einen eigenständigen Eingriffsakt, der von divergierenden Voraussetzungen abhängig ist als das vorangehende Verhalten des Privaten.156 Vor diesem Hintergrund sind abweichende Bewertungen keinesfalls gänzlich abwegig, zumal es sich auch in zeitlicher Hinsicht um einander nachfolgende Vorgänge handelt.157 Ein unhaltbarer Widerspruch – den die Verfechter der Einheitsthese jedenfalls implizit postulieren – läge aber nur dann vor, wenn verschiedene Teilrechtsordnungen ein und dasselbe Verhalten unterschiedlich bewerteten.158 Schließlich sieht das materielle Strafrecht spezifische Sanktionen vor, die eingreifen, wenn der Einzelne die strafbewehrten Verbote missachtet.159 Zu diesen explizit genannten Rechtsfolgen gehören aber prozessuale Verwertungsverbote gerade nicht. Indem die materiell-rechtlichen Normen das rechtswidrige Verhalten eines Privaten sanktionieren, drängen sich auch ernsthafte Zweifel daran auf, ob der Staat den Rechtsverstoß durch die prozessuale Nutzung des Beweismittels gewissermaßen belohnt. Trotz dieser evidenten Einwände erfreut sich dieser überholt geglaubte Begründungsansatz, der unmittelbar an den außerprozessualen Rechtsverstoß des Privaten anknüpft und von diesem ausgehend eine generelle Unverwertbarkeit postuliert, wieder zunehmender Beliebtheit.160
155 In diese Richtung auch Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1542). Vgl. auch Sieber, in: Roxin I-FS, S. 1113 (1120 Fn. 23), der in den Fällen der Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel – zu denen er auch die Konstellation der gegen § 203 StGB verstoßenden Zeugenaussage rechnet – einen Normwiderspruch ablehnt. Ähnlich Jäger, Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, S. 223 f. 156 Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 118 f. 157 In diese Richtung wohl auch Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 118. Deutlicher fallen die zivilprozessualen Stellungnahmen aus. Dazu Teil 1, D. II. 1. a). 158 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 107 m. w. N. Instruktiv zur Begründung und Auflösung von Normwidersprüchen Sieber, in: Roxin I-FS, S. 1113 (1119); Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 117 ff. 159 Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 118. Hiergegen wird bisweilen eingewandt, die materiell-rechtlichen Sanktionen und Schadensersatzansprüche genügten nicht, um das Unrecht hinreichend zu ahnden, Pleyer, ZZP 69 (1956), 321 (330, 332), allerdings noch vor Implementierung des § 201 StGB bzw. dessen Vorgängerregelung. Siehe schließlich auch Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 155 f. 160 So explizit Godenzi, GA 2008, 500 (502 f.).
D. Stand und Defizite der Diskussion
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b) Grundsätzliche Verwertbarkeit Den geradezu konträren Standpunkt, wonach jedes privat erlangte Beweismittel – auch im Fall der materiellen Rechtswidrigkeit des eigeninitiativen Verhaltens – uneingeschränkt verwertbar sei, nimmt Kohlhaas ein, der sich von seiner früheren Meinung, der zufolge zwischen unterschiedlich intensiven Eingriffen differenziert werden müsse,161 abwendet, da sich diese Unterscheidung nicht „sauber“ durchführen lasse.162 Vielmehr sei selbst dann von der prozessualen Verwertbarkeit auszugehen, wenn das eigeninitiative Verhalten die Intimsphäre eines anderen berühre.163 Ähnlich liegen auch die mittlerweile vor mehr als einem halben Jahrhundert ergangenen Ausführungen des OLG Oldenburg, wonach eine Aussage, die unter dem Einfluss von immensem Zwang durch eine Privatperson zustande gekommen ist, im Strafverfahren verwertet werden könne.164 Die Vorschriften der Strafprozessordnung – namentlich § 136a StPO – beanspruchten insoweit keine Geltung, da diese ausschließlich die staatlichen Rechtspflegeorgane adressierten. Allerdings müsse der entscheidende Richter im Rahmen der Beweiswürdigung besonders gewissenhaft prüfen, welcher Beweiswert einer so erlangten Aussage zukomme.165 Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangen auch die Stimmen, die auf das bereits beschriebene Trennungsdogma abstellen, und einen Transfer von materiell-rechtlichen Wertungen ins Prozessrecht generell ablehnen. Nach dieser Konzeption ist allein das Strafprozessrecht ausschlaggebend dafür, inwieweit ein Beweismittel durch das Gericht verwertet werden darf.166 Dem Verfahrensrecht komme in diesem Zusammenhang allerdings nicht die Aufgabe zu, den Anreiz einer rechtswidrigen Beweismittelsuche dadurch zu verringern, indem das eigeninitiative Verhalten zwangsläufig zur prozessualen Unverwertbarkeit führe; vielmehr müsse das materielle Recht einem solchen rechtswidrigen Vorgehen entgegentreten und durch spezifische Rechtsfolgen sanktionieren.167 Nach allem sei ein Beweismittel, das eine Privatperson erlangt hat, nur dann unverwertbar, wenn die Grenzen der Prozessordnung überschritten seien.168 161
Kohlhaas, DRiZ 1966, 286 (289). Kohlhaas, DAR 1971, 62 (67 f.). 163 Kohlhaas, DAR 1971, 62 (67). 164 OLG Oldenburg NJW 1952, 1237. 165 OLG Oldenburg NJW 1952, 1237. Zustimmend Nüse, JR 1966, 281 (285). Zu dieser Entscheidung auch Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 155 Fn. 608; Herrmann, in: Jescheck-FS, S. 1291 (1305); Grünwald, Das Beweisrecht der Strafprozeßordnung, S. 164. 166 Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1542). 167 Lang, Ton- und Bildträger, S. 137. Ähnlich auch Jäger, Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, S. 224; Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 118. 168 Lang, Ton- und Bildträger, S. 141. Ähnlich auch Petry, Beweisverbote im Strafprozess, S. 83, der auf die Prozesswidrigkeit abstellt. Ferner Niese, Doppelfunktionelle Prozeßhand162
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Teil 1: Grundlagen
Dieser Begründungsansatz, nach dem das private Unrecht weitgehend irrelevant für die nachfolgende Frage der prozessualen Nutzung ist,169 ruft in erster Linie die Kritikpunkte hervor, die von den Verfechtern der generellen Unverwertbarkeit bemüht werden, um ihre gegenläufige Argumentation zu legitimieren.170 Der Staat dürfe insbesondere nicht von strafrechtswidrig erlangten Beweismitteln profitieren, derentwegen er sodann ein eigenständiges Strafverfahren gegen den privaten Beweismittelsucher einleiten müsse.171 Zudem zeige gerade die tatsächliche Verbreitung von strafrechtswidrigen Ermittlungsmaßnahmen durch Private, dass die materiell-rechtlichen Vorschriften offensichtlich nicht genügen, um effektive Grenzen zu setzen.172 2. Verfassungsrechtliches Abwägungsmodell der Rechtsprechung Die mittlerweile gefestigte Rechtsprechung beurteilt die Frage, inwieweit privatrechtswidrig erlangte Beweismittel in einem Strafprozess verwertet werden dürfen, anhand einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung, die von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt.173 Zentral ist dabei die These, dass ein rechtswidrig gewonnenes Beweismittel nicht zwangsläufig unverwertbar ist.174 Nach der Rechtsprechung sind Beweisverwertungsverbote die begründungsbedürftige Ausnahme.175 a) Darstellung Nach dieser Abwägungskonstruktion kommt es maßgeblich darauf an, ob der gerichtliche Verwertungsakt grundrechtlich geschützte Positionen – vornehmlich das lungen, S. 142; teilweise auch Nüse, JR 1966, 281 (286), der aber zugleich auf die zunehmende Bedeutung des Grundrechtsschutzes hinweist. 169 Kaspar, GA 2013, 206 (224) spricht von der sog. „Irrelevanzthese“. 170 Teil 1, D. I. 1. a). Zur Kritik i. Ü. auch Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 116 f. 171 Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 208. In der partiell abweichenden Konstellation der gem. § 203 StGB strafbaren Aussage eines Arztes spricht Lenckner, NJW 1965, 321 (326) von der „doppelten Moral im Prozeß“. 172 Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 207; Matula, Private Ermittlungen, S. 165 f. 173 BVerfGE 34, 238 (248 f.); 80, 367 (379); BGHSt 19, 325 (332 f.); 36, 167 (173); BayObLG NJW 1990, 197 (198); NJW 1994, 1671; LG Flensburg ZD 2022, 339. In der Konzeption eines Verwertungsverbots noch abweichend BGHSt 14, 358 (364 f.), da der 1. Strafsenat hier vor allem darauf abstellt, dass der Angeklagte – mittels der rechtswidrigen Tonbandaufnahme – nicht dazu gezwungen werde dürfe, gegen sich selbst auszusagen. Dazu auch Gropp, StV 1989, 216 (224). 174 BVerfG NJW 2011, 2417 (2420); BGHSt 27, 355 (357); 34, 39 (52); 36, 167 (173); BGH NStZ 1982, 254 (255). Zuletzt BGH BeckRS 2020, 21303; BeckRS 2021, 24870 Rn. 5. 175 BGH BeckRS 2020, 21303. Im Kontext der staatlichen Beweiserhebung BGHSt 56, 138 (145).
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allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG – verletzt. Unterschieden werden müssten dabei verschiedene Sphären des Persönlichkeitsrechts (sog. Dreistufentheorie oder Sphärenmodell)176, die jeweils divergierende Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs stellten.177 Sei der „schlechthin unantastbare Bereich privater Lebensgestaltung“178 betroffen, scheide eine Verwertung stets aus.179 Außerhalb dieses Kernbereichs komme es auf eine Abwägung der konfligierenden Belange an, in die neben dem betroffenen allgemeinen Persönlichkeitsrecht insbesondere das seitens der Öffentlichkeit und des Staates bestehende Strafverfolgungsinteresse, das im Grundsatz mit der Schwere der angeklagten Straftat steige,180 einzustellen sei.181 Ferner sei von Bedeutung, ob der konkrete Beweisgegenstand im Hinblick auf die Wahrheitserforschung von erheblicher Relevanz – mithin „das einzige Mittel zur Überführung des Straftäters bei schweren Straftaten“182 – sei.183 Eine Rechtfertigung des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht jenseits des absolut geschützten Kernbereichs komme dann in Betracht, wenn die Grundrechtspositionen des von der Verwertung negativ Betroffenen hinter den Belangen der Allgemeinheit zurückblieben.184 Sofern allerdings der Schutzgehalt der Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht berührt sei, weil – etwa bei einer heimlichen Tonaufnahme – „der objektive Gehalt des Gesagten so sehr im Vordergrund [steht], dass die Persönlichkeit des Sprechers nahezu vollends dahinter zurücktritt“185, sei von der Verwertbarkeit auszugehen.
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Gössel, NJW 1981, 649 (655); Bradley, GA 1985, 99 (103). Teilweise wird auch von der „Sphärentheorie“ gesprochen, Ellbogen, NStZ 2001, 460 (461); Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 108. Kritisch zu diesem Begriff Jahn, Gutachten C, S. 82. 177 BVerfGE 34, 238 (248). 178 BVerfGE 34, 238 (248); BGHSt 36, 167 (173). 179 BayObLG NJW 1990, 197 (198); NJW 1994, 1671. 180 BVerfGE 34, 238 (249 f.); BGHSt 19, 325 (332 f.); 36, 167 (174 f.); BayObLG NJW 1990, 197 (198). So auch Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 120. Kritisch dazu Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 782; Sax, JZ 1965, 1 (2); Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 216 ff. Explizit zur Legitimation dieses Abwägungsparameters Jansen, StV 2019, 578 (583). 181 BGHSt 19, 325 (333); 36, 167 (173); BayObLG NJW 1990, 197 (198); NJW 1994, 1671. Zur Vielfalt der Abwägungsparameter auch Gropp, StV 1989, 216 (220 f.). 182 BVerfGE 34, 238 (250). 183 Ferner BGHSt 36, 167 (173 f.) sowie BayObLG NJW 1990, 197 (198). Zu möglichen Friktionen mit der Rechtsprechung des EGMR Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 778 f.; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 164 f. Dazu noch Teil 3, B. II. 4. d) cc). 184 BVerfGE 34, 238 (249). 185 BVerfGE 34, 238 (247). Ebenso BayObLG NJW 1990, 197 (198).
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Teil 1: Grundlagen
b) Analyse und Kritik Die Abwägungslösung der Rechtsprechung, die auch im Bereich der staatlich erlangten Beweismittel herangezogen wird,186 räumt dem Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit Vorrang vor der Rechtssicherheit ein.187 Zwar lassen sich auf diese Weise durchaus sachgerechte Ergebnisse erzielen; nichtsdestoweniger wohnt diesem Modell ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit inne, da das Ergebnis der Abwägung nicht letztverbindlich vorauszusehen ist.188 Die Überzeugungskraft dieses Lösungsansatzes hängt konsequenterweise entscheidend davon ab, inwieweit es gelingt, die maßgeblichen Abwägungsparameter zu systematisieren. Weitaus weniger beachtet ist ein zweiter Gesichtspunkt, der das dogmatische Konzept der Abwägungslösung und – spezifischer – die Frage betrifft, welche Rolle die private Beweismittelsuche und deren rechtliche Bewertung spielen.189 Ausweislich der Begründung des BVerfG ist die Verwertung des Beweismittels maßgeblich,190 so dass eine staatliche Maßnahme in Rede steht, die sich insbesondere an den Grundrechten messen lassen muss.191 Das Gewicht eines grundrechtlichen Eingriffs hängt indes ebenso wenig wie die verfassungsrechtliche Rechtfertigung davon ab, ob das vorgelagerte private Verhalten seinerseits materiell-rechtlich erlaubt oder aber verboten ist.192 Das außerprozessuale Vorgehen wirkt sich in diesen Fällen eines sog. selbstständigen Beweisverwertungsverbots, das von der Art und 186 BGHSt 24, 125 (130); 38, 214 (219 f.); 38, 372 (373 f.); 42, 15 (21); 42, 170 (174 f.); 42, 372 (377 f.); 44, 243 (249). Umfassend dazu Neuber, NStZ 2019, 113. Kritisch hinsichtlich der unselbstständigen Beweisverwertungsverbote Fahl, NStZ 2021, 261 (263) m. w. N. 187 In diese Richtung auch Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 780. 188 Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 218; Beulke, ZStW 103 (1991), 657 (664); Keller, in: Grünwald-FS, S. 267 (269). 189 Instruktiv dazu Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 158 ff.; Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 783; Bienert, Private Ermittlungen, S. 37; Sydow, Kritik der Lehre von den Beweisverboten, S. 102 ff. 190 BVerfGE 34, 238 (245): „Der angefochtene Beschluß verletzt dadurch, dass er die Verwertung der heimlichen Tonbandaufnahme im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer als Beschuldigten ohne dessen Einwilligung zuläßt, das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG“. Vgl. auch Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 116; ders., Jura 1994, 621 (622); so auch Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 151 ff.; Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 776. Wohl auch Ellbogen, NStZ 2001, 460 (461). 191 So deutet auch Gropp, StV 1989, 216 (220) die Abwägungslehre. Dabei hebt er zugleich hervor, welche anderen Grundrechte neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen sein können. Zum letztgenannten Aspekt auch Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 118 m. w. N. 192 Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 116. In diese Richtung BGH Urt. v. 02. 12. 1975, Az.: 1 StR 681/75 (unveröffentlicht). Ebenso Kaspar, GA 2013, 206 (221); Dencker, Verwertungsverbote im Strafprozeß, S. 104; Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 783.
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Weise der Erlangung unabhängig ist, nicht unmittelbar aus. Insoweit ist auch dem 4. Strafsenat des BGH in seiner vielbesprochenen Tagebuchentscheidung193 zuzustimmen, wenn er betont, es sei unerheblich, ob die relevanten Aufzeichnungen durch die staatlichen Ermittlungsbehörden oder aber eine eigeninitiative Maßnahme erlangt wurden.194 Konsequenterweise ist es für die grundrechtliche Sphäre dann aber auch irrelevant, ob das außerprozessuale Verhalten des Privaten rechtmäßig oder aber rechtswidrig ist.195 Allerdings bleiben zahlreiche Judikate auf diesem dogmatisch stringenten Standpunkt nicht stehen, sondern integrieren das private Verhalten „systemwidrig“196 in die Verwertungsentscheidung, indem sie es auf seine materielle Rechtswidrigkeit hin untersuchen.197 Zwar bleibt mitunter offen, ob die rechtswidrige Beweismittelsuche einen selbstständigen Abwägungsparameter darstellt oder gewissermaßen eine Vorstufe bildet, um die Verwertbarkeitsfrage überhaupt erst aufwerfen zu können.198 Ungeachtet dessen scheint jedoch das private Verhalten für die Frage nach einem prozessualen Beweisverbot nicht von vornherein unbedeutend zu sein.199 193 Heinitz, JR 1964, 441; Dünnebier, MDR 1964, 965; Sydow, Kritik der Lehre von den Beweisverboten, S. 104 ff. Kritisch insb. Sax, JZ 1965, 1 (6), der den Ansatz, ein Beweisverwertungsverbot unabhängig von der Beweisgewinnung zu begründen, missbilligt. 194 BGHSt 19, 325 (331). So auch Ellbogen, NStZ 2001, 460 (465). Vgl. dazu auch die vielzitierten Ausführungen bei Dencker, Verwertungsverbote im Strafprozeß, S. 104. Sydow, Kritik der Lehre von den Beweisverboten, S. 102 bezeichnet diesen Lösungsansatz als „ängstlich“. 195 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 784; Reeb, Internal investigations, S. 118; Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 141. BGH Urt. v. 02. 12. 1975, Az.: 1 StR 681/75 (unveröffentlicht). In diese Richtung deuten auch die Ausführungen des BayObLG NJW 1994, 1671 sowie BVerfG NJW 2011, 2417 (2420). 196 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 787; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 159; Dencker, Verwertungsverbote im Strafprozeß, S. 108 sprechen von einem „überflüssigen Hilfsmittel“. 197 Paradigmatisch insoweit BGHSt 14, 358 (361 ff.); 36, 167 (173). BGHSt 19, 325 (332) rekurriert immerhin auf eine mögliche Notwehrrechtfertigung. Des Weiteren OLG Schleswig NJW 1980, 352 (353), das eine grundrechtliche Abwägung nur im Fall der rechtswidrigen Beweismittelerlangung fordert. BayObLG NJW 1990, 197 hebt den Verstoß gegen § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB hervor. Ferner BayObLG NJW 1994, 1671; AG Winsen (Luhe) NJW 1986, 2001 (2002). Die weiter zurückliegenden Judikate OLG Celle NJW 1965, 1677 (1679); OLG Düsseldorf NJW 1966, 214 sowie OLG Frankfurt NJW 1967, 1047 (1048) rekurrieren auf den Rechtfertigungsgrund der notwehrähnlichen Lage. Die Ungenauigkeiten der Rechtsprechung zeigen auch Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 309 f. sowie Bienert, Private Ermittlungen, S. 27 f. auf. 198 Mitunter bleibt auch fraglich, ob der außerprozessuale Erlangungsakt oder aber die richterliche Verwertung maßgeblich ist. Vgl. etwa OLG Frankfurt NJW 1967, 1047; OLG Düsseldorf NJW 1966, 214. Dazu auch Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 160, die zugleich auf sprachliche Ungenauigkeiten hinweist. 199 Sydow, Kritik der Lehre von den Beweisverboten, S. 104; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 29, 169.
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Teil 1: Grundlagen
Der Hintergrund, der zu dieser Argumentationslinie führt, ist offensichtlich: In den Fällen, in denen das private Verhalten contra legem erfolgt, ruft gerade dieser Umstand verschiedene Bedenken hervor, die einer anschließenden prozessualen Nutzung durch das entscheidende Gericht entgegenstehen. Aus dieser Warte ist das Bestreben, den außerprozessualen Rechtsverstoß in die einzelfallbezogene Interessenabwägung einzustellen, durchaus nachvollziehbar. Indes erlaubt der verfassungsrechtliche Ansatz, der das Problem in den Kontext der selbstständigen Beweisverwertungsverbote verlagert, diese unmittelbare Verknüpfung nicht, so dass der Vorwurf dogmatischer Inkonsequenz erhoben werden muss.200 Die gleichwohl anzutreffende Inbezugnahme zeugt davon, dass die Rechtsprechung von einer konsensfähigen Lösung jedenfalls noch ein Stück weit entfernt und das Beweisverwertungsverbot möglicherweise im Ergebnis gar nicht so selbstständig ist, wie es auf den ersten Blick den Anschein erweckt.201 c) Ergebnis Die seitens der Rechtsprechung etablierte Abwägungslösung entscheidet die Frage, inwieweit rechtswidrig erlangte Beweismittel prozessual verwertbar sind, anhand einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall. Aufgrund der allein möglichen Anknüpfung an den staatlichen Verwertungsakt wohnt ihr a priori die Irrelevanz der privaten Beweisgewinnung inne, die typischerweise im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens stattfindet. Angesichts des Unbehagens, den privaten Rechtsverstoß gänzlich zu missachten, verweisen etliche Judikate – dogmatisch inkonsequent – gleichwohl auf die materiell rechtswidrige Beweiserlangung. Auf diese Weise entsteht eine Verbindungslinie zwischen den Teilrechtsordnungen, wobei die exakte Bedeutung des außerprozessualen Verhaltens unklar bleibt.202 3. Abwägungsmodell des Schrifttums Das Abwägungsmodell der Rechtsprechung hat auch im strafrechtswissenschaftlichen Schrifttum zahlreiche Anhänger gefunden, die über die prozessuale Verwertbarkeit entscheiden, indem sie die konkret betroffenen Interessen einander
200 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 783; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 159; schließlich auch Reeb, Internal investigations, S. 118. 201 Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 159 f. Arzt, JZ 1973, 506 (507) hält dem BVerfG vor, nicht klarzustellen, inwieweit die rechtswidrige Erlangung die Unverwertbarkeit zur Folge hat. Ähnlich auch Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 164. 202 Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 159 spricht von einer „Gesamtbetrachtung des Verfahrens“.
D. Stand und Defizite der Diskussion
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gegenüberstellen.203 Diese Lösungsansätze rekurrieren dabei im Ausgangspunkt ebenfalls auf den spezifischen Konflikt, der sich zwischen dem Persönlichkeitsrechtsschutz auf der einen und dem Strafverfolgungsinteresse auf der anderen Seite ergibt. Uneinigkeit besteht dann aber darüber, ob das außerprozessuale Verhalten und dessen mögliche Rechtswidrigkeit innerhalb der Interessenabwägung relevant werden. Einzelne Stimmen rufen das eigeninitiative Verhalten des Privaten ausdrücklich als maßgeblichen Anknüpfungspunkt aus und leiten die prozessuale Unverwertbarkeit aus diesem ab.204 Häufiger findet sich jedoch der primäre Rekurs auf den richterlichen Verwertungsakt, der – übereinstimmend mit dem Lösungskonzept der Rechtsprechung – einen eigenständigen Grundrechtseingriff zu begründen vermag und insoweit einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf.205 Im Rahmen dieser jedenfalls grundrechtlich geprägten Abwägung soll sich dann indes nach manchen Autoren auch das materielle Unrecht, das der Private bei seiner eigeninitiativen Beweismittelsuche verwirklicht hat, auswirken können.206 Schließlich wird das Meinungsspektrum von solchen Stellungnahmen komplettiert, die dem außerprozessualen Verhalten keine unmittelbare Bedeutung zuschreiben und folglich expressis verbis die Kategorie der selbstständigen Verwertungsverbote bemühen.207 Bei näherem Hinsehen lassen sich die Kritikpunkte, die schon gegen das verfassungsrechtliche Abwägungsmodell der Rechtsprechung gesprochen haben, er203 Brunhöber, GA 2010, 571 (586); Jansen, StV 2019, 578 (579 ff.); Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 124 ff.; Gropp, StV 1989, 216 (225); Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 98 ff.; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 399; Küpper, JZ 1990, 416 (417 ff.); Bienert, Private Ermittlungen, S. 113 ff.; Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 142 ff.; Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 100; Bader, in: KK-StPO, Vorb. § 48 Rn. 52. Bemerkenswert ist schließlich, dass zahlreiche Verfechter des Abwägungsansatzes zugleich weitere Lösungskonzepte entwickeln, die daneben anwendbar sein sollen. 204 Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 125 ff., der aber zugleich auch Schutzpflichterwägungen bemüht. Sofern das private Verhalten gegen die Menschenwürde verstoße, sei das erlangte Beweismittel ohnehin stets unverwertbar. Daneben sei auch eine Anknüpfung an den staatlichen Verwertungsakt möglich. Ferner Bienert, Private Ermittlungen, S. 113, die eine strafrechtswidrige Handlung des Privaten mit Ermittlungstendenz fordert. Hintergrund dieser Betrachtung ist dabei die Rechtsfrieden stiftende Funktion des Strafverfahrens, die gefährdet werde, wenn sich das Gericht als „Hehler“ den privaten Rechtsverstoß zunutze mache, S. 93 f. 205 Explizit Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 132 f.; Brunhöber, GA 2010, 571 (586); Jansen, StV 2019, 578 (581 ff.), die ebenfalls auf einen Grundrechtseingriff abhebt. Teilweise auch Matula, Private Ermittlungen, S. 206. 206 Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 129; Brunhöber, GA 2010, 571 (587); Gropp, StV 1989, 216 (225); Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 133. Letztlich auch Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 96, der rechtmäßig hergestellte Tonbandaufnahmen für grundsätzlich verwertbar hält, da der Rechtfertigungsgrund regelmäßig fortwirke. Auch Jansen, StV 2019, 578 (579) beschränkt die Abwägung auf rechtswidrig hergestellte Dashcam-Aufnahmen. 207 Kaspar, GA 2013, 206 (221); Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 141. In diese Richtung auch Bader, in: KK-StPO, Vorb. § 48 Rn. 52.
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Teil 1: Grundlagen
neut vorbringen. Neben der kaum zu leugnenden Gefahr, unvorhersehbare Ergebnisse zu begründen, betrifft dies im Wesentlichen den zentralen Gesichtspunkt, inwieweit die rechtliche Bewertung der außerprozessualen Beweismittelsuche die Verwertbarkeitsentscheidung beeinflusst. 4. Analoge Anwendung des § 136a StPO Die Strafprozessordnung äußert sich – im Gegensatz zum Zivilverfahrensrecht – an wenigen Stellen ausdrücklich zu einem Beweisverwertungsverbot. Von zentraler Bedeutung ist dabei § 136a Abs. 3 S. 2 StPO, dem zufolge eine Aussage, die unter Verstoß gegen explizit aufgeführte Vernehmungsmethoden gewonnen wurde, selbst dann unverwertbar bleibt, wenn der Beschuldigte mit der prozessualen Verwertung einverstanden ist. Dieses geschriebene Beweisverwertungsverbot gilt nach der Konzeption der StPO, die grundsätzlich nur die staatlichen Strafverfolgungsorgane adressiert,208 jedenfalls nicht unmittelbar für einen Privaten, der eigeninitiativ nach Beweismitteln sucht.209 Nichtsdestoweniger soll die Vorschrift nach einer Strömung im Schrifttum analog heranzuziehen sein, um elementare rechtsstaatliche Errungenschaften zu wahren.210 Teilweise wird die „horizontale Drittwirkung“ des § 136a StPO auf solche Fälle beschränkt, in denen sich der Private strafrechtswidrig verhalten hat.211 208
Dencker, Verwertungsverbote im Strafprozeß, S. 98; Beulke, Jura 2008, 653 (661); Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 17; Finger, JA 2006, 529 (537); Kindhäuser/Schumann, Strafprozessrecht, § 23 Rn. 34; Brunhöber, GA 2010, 571 (576); Kalb, Die funktionale Begründung strafprozessualer Beweisverbote, S. 172; Fricke, VersR 2010, 308 (309); Bienert, Private Ermittlungen, S. 86; Seiler, in: Peters-FS, S. 447 (450); Pawlik, JZ 2010, 693 (698) m. w. N. Zudem verfolgt § 136a StPO gerade den Zweck, den Privaten vor einem missbräuchlichen Einsatz der Staatsgewalt zu schützen und die Integrität des Verfahrens zu sichern, Schmidt, in: Jellinek-GS, S. 625; B. Kramer, Jura 1988, 520 (522). 209 BGHSt 58, 268 (286); OLG Oldenburg NJW 1953, 1237; Weißgeber, NZA 2003, 1005 (1007); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 116; Kubiciel, GA 2013, 226 (228); Fricke, VersR 2010, 308 (309); Greeve, StraFo 2013, 89. Ausdrücklich auch B. Kramer, Jura 1988, 520 (522) m. w. N., der zugleich darauf hinweist, dass die Vorschrift dann herangezogen werden müsse, wenn der Private auf die gezielte Veranlassung der staatlichen Strafverfolgungsbehörden hin tätig werde. Abweichend hingegen Gössel, Strafverfahrensrecht, S. 192 f., der für eine unmittelbare Anwendung des § 136a StPO plädiert. Ähnlich auch Muthorst, Das Beweisverbot, S. 294 ff. 210 Grünwald, Das Beweisrecht der Strafprozeßordnung, S. 164; Gundlach, in: AK-StPO, § 136a StPO Rn. 13; Joerden, JuS 1993, 927 (928); Gaede, StV 2004, 46 (52); Jahn, JuS 2000, 441 (444); ders., JuS 2005, 1057 (1058); ders., Gutachten C, S. 102 f., der insoweit auch historische Erwägungen vorbringt; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 220 ff., sofern es um systematische Ermittlungsmaßnahmen geht. 211 Jahn, Gutachten C, S. 102; ders., JuS 2005, 1057 (1058); ders., in: Stöckel-FS, S. 259 (280); Gaede, StV 2004, 46 (52); ähnlich auch Lesch, GA 2000, 355 (370). Weitergehend hingegen Muthorst, Das Beweisverbot, S. 296; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 220. Explizit gegen eine Relevanz der materiell-rechtlichen Bewertung des außerprozessualen Verhaltens sub specie des § 136a StPO Muthorst, Das Beweisverbot, S. 297.
D. Stand und Defizite der Diskussion
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Bei näherem Hinsehen muss diese Konzeption jedoch bereits an den Voraussetzungen scheitern, die gemeinhin an eine analoge Anwendung gestellt werden.212 Eine solche verlangt nicht allein eine planwidrige Regelungslücke, sondern darüber hinaus auch eine vergleichbare Interessenlage, die einen Transfer des gesetzlichen Aussagegehalts auf einen normfremden Sachverhalt erlaubt.213 Den strafprozessualen Vorschriften liegt die Idealvorstellung zugrunde, wonach die staatlichen Strafverfolgungsbehörden den entscheidungserheblichen Sachverhalt ermitteln und insoweit den Tathergang rekonstruieren.214 Zu diesem Zweck gestattet die Strafprozessordnung verschiedene Eingriffe, die an spezifische Voraussetzungen anknüpfen. Dabei stehen sich im Konfliktfall staatliche Akteure und Privatpersonen gegenüber, deren konfligierende Interessen sodann in einen Ausgleich gebracht werden müssen. Hiervon divergiert die private Beweismittelsuche insofern, als es an dem beschriebenen Konflikt zwischen hoheitlichen und privaten Rechtspositionen gerade fehlt.215 Mangels einer vergleichbaren Interessenlage vermag ein Beweisverwertungsverbot, das sich auf eine analoge Anwendung des § 136a StPO stützt, von vornherein nicht zu überzeugen.216 Ungeachtet der dogmatischen Begründungsschwierigkeiten bleibt indes zu konstatieren, dass der außerprozessuale Rechtsverstoß des Privaten auch in diesem Lösungsmodell eine essenzielle Rolle einnimmt. Abschließend ist noch auf einen weiteren Umstand hinzuweisen, der mit dem hier vertretenen Ergebnis zusammenhängt: Auch wenn die prozessualen Vorschriften für den eigeninitiativen Beweismittelsucher unanwendbar sind, folgt hieraus nicht, dass ein Beweisverwertungsverbot generell ausscheidet, wenn ein Privater auf solche Methoden zurückgreift, die den staatlichen Ermittlungsbehörden nach § 136a StPO verboten sind.217 Vielmehr bedarf es eines Lösungs- und Begründungsansatzes, der von § 136a StPO abweicht.
212 Reeb, Internal investigations, S. 121 f.; Rogall, JZ 2008, 818 (828); S. Götting, Beweisverwertungsverbote in Fällen gesetzlich nicht geregelter Ermittlungstätigkeit, S. 286; Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 57 ff.; Godenzi, GA 2008, 500 (507); Kaspar, GA 2013, 206 (212). I. E. auch Matula, Private Ermittlungen, S. 207. 213 Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 57 f. zweifelt bereits an der planwidrigen Regelungslücke. Ähnlich Rogall, JZ 2008, 818 (828). 214 Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 199 verweist auf BGH NStZ 1989, 279 (280). 215 Reeb, Internal investigations, S. 122; Fricke, VersR 2010, 308 (309). 216 So die mittlerweile ganz h. M.: Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 117; Wölfl, JA 2001, 504 (506); S. Götting, Beweisverwertungsverbote in Fällen gesetzlich nicht geregelter Ermittlungstätigkeit, S. 285; Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 65. So schon Lang, Ton- und Bildträger, S. 123. 217 Gleß, in: Löwe-Rosenberg, § 136a Rn. 12; zustimmend Rogall, in: SK-StPO, § 136a Rn. 12.
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Teil 1: Grundlagen
5. Menschenrechtswidrigkeit Die überwiegende Ansicht im strafprozessualen Schrifttum geht von der grundsätzlichen Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel aus.218 Eine Ausnahme soll nach der wohl h. M. allerdings gelten, wenn dem privaten Verhalten der Makel der extremen Menschenrechtswidrigkeit anhafte,219 womit in erster Linie folterähnlichen Vorgehensweisen vorgebeugt werden soll.220 Liege eine solche Konstellation vor, müsse das privatdeliktische Ermittlungshandeln das Verdikt der prozessualen Unverwertbarkeit nach sich ziehen – entweder unmittelbar aus übergeordneten Gesichtspunkten221 oder jedenfalls aufgrund einer (analogen) Anwendung des § 136a StPO.222 Im Hinblick auf die Menschenwürde und das Folterverbot, das in Art. 104 Abs. 1 S. 2 GG eine verfassungsrechtliche Verankerung erfahren hat, überzeugt die prozessuale Unverwertbarkeit aus einer rein tatsächlichen Perspektive zweifelsohne. Denn der strafende Staat ginge seiner Legitimation jedenfalls teilweise verlustig, wenn er eine Sanktion ausspräche, die auf einem Verstoß gegen das oberste Verfassungsprinzip223 aufbaut – und sonach das zugrunde gelegte Menschenbild des Grundgesetzes beeinträchtigt. 218
Schmitt, in: Meyer-Gossner/Schmitt, § 136a Rn. 3; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 730; Satzger, in: Roxin III-FS, S. 421 (425); Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1543); Rogall, JZ 1996, 944 (949); Kindhäuser/Schumann, Strafprozessrecht, § 23 Rn. 34; Roxin/ Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 65; Laber, Die Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen im Strafverfahren, S. 92; Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 106; Bader, in: KK-StPO, Vorb. § 48 Rn. 52; Diemer, in: KK-StPO, § 136a Rn. 3; Finger, JA 2006, 529 (537); Nüse, JR 1966, 281 (285); so i. E. auch Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 144. 219 Nüse, JR 1966, 281 (285); Schmitt, in: Meyer-Gossner/Schmitt, § 136a Rn. 3; Roxin/ Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 65; Diemer, in: KK-StPO, § 136a Rn. 3; Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 107 f.; Schroth, JuS 1998, 969 (979); Beulke, in: SSW-StPO, Einl. Rn. 319; Finger, JA 2006, 529 (537); Kindhäuser/Schumann, Strafprozessrecht, § 23 Rn. 35; Salvenmoser/Schreier, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, Teil 15 Rn. 69; Otto, in: Kleinknecht-FS, S. 319 (326). Dieser zeigt indes auf S. 331, dass im Einzelfall auch an den Verwertungsakt angeknüpft werden könne. 220 OLG Hamburg NJW 2005, 2326 (2329); Schroth, JuS 1998, 969 (979); Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1543); Nüse, JR 1966, 281 (285); Chao, Einwirkungen der Grundrechte auf die Beweisverbote im Strafprozessrecht, S. 125; Beulke, Jura 2008, 653 (661 f.); Laber, Die Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen im Strafverfahren, S. 92; Hellmann, Strafprozessrecht, Rn. 530; Schroth, in: Hilpert/Schroth, S. 186 (202). Ähnlich Matula, Private Ermittlungen, S. 196. 221 OLG Celle NJW 1985, 640 (641); Schmitt, in: Meyer-Gossner/Schmitt, § 136a Rn. 3. Dem schließt sich auch Murmann, Prüfungswissen Strafprozessrecht, Rn. 243 an. Vgl. auch Keller, in: Grünwald-FS, S. 267 (279), der „die institutionelle Differenzierung zwischen privatem und staatlichem Handeln“ in bestimmten Fällen für nicht mehr akzeptabel hält. Dabei vergleicht er die Konstellation mit den Rechtfertigungsgründen der §§ 32, 34 StGB. 222 OLG Hamburg NJW 2005, 2326 (2329); Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 730. Kritisch zur Beschränkung des § 136a StPO auf diese Fälle der Menschenrechtswidrigkeit Muthorst, Das Beweisverbot, S. 295. Zur analogen Anwendung des § 136a StPO bereits Teil 1, D. I. 4. 223 BVerfGE 6, 32 (36, 40 f.); 12, 45 (51); 72, 105 (115); 109, 279 (311).
D. Stand und Defizite der Diskussion
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Nichtsdestoweniger begegnet auch der Rekurs auf die extreme Menschenrechtswidrigkeit dogmatischen Bedenken, da undeutlich bleibt, weshalb der außerprozessuale Rechtsverstoß eines Privaten ein Beweisverbot nach sich ziehen soll.224 Hinzukommt, dass die Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG nur die staatlichen Stellen bindet und folglich nicht unmittelbar an den Privaten adressiert ist.225 Doch selbst wenn es gelänge, aus Art. 1 Abs. 1 GG eine unmittelbare Grundrechtsbindung für Privatpersonen abzuleiten, drängte sich die Frage auf, wann eine eigeninitiative Beweismittelsuche so gravierend ist, dass sie „in eklatanter Weise gegen die Menschenwürde verstößt“226.227 Ungeachtet dieser dogmatischen und tatsächlichen Unzulänglichkeiten bleibt die Erkenntnis, dass sich nach dem Ansatz der h. M. der außerprozessuale Rechtsverstoß des Privaten – wenn auch nur in „seltenen extremen Fällen“228 – auf die Ebene der Beweisverwertung auswirken soll.229 6. Grundrechtliche Schutzpflichten Einen weitergehenden Erklärungsversuch unternehmen die Verfechter eines Beweisverwertungsverbots, das sich aus den grundrechtlichen Schutzpflichten er224 Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 129 f.; Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 108 verweist insoweit auf die grundrechtlichen Schutzpflichten; Chao, Einwirkungen der Grundrechte auf die Beweisverbote im Strafprozessrecht, S. 125 stellt auf eine fortwirkende Rechtsverletzung durch den Verwertungsakt ab. 225 Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 123; Kalb, Die funktionale Begründung strafprozessualer Beweisverbote, S. 175. Darauf weist auch Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 174 hin. Zur Diskussion um eine unmittelbare Geltung des Art. 1 Abs. 1 GG auch im Verhältnis zwischen Privatpersonen Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 120 ff. Für eine unmittelbare Drittwirkung hingegen Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 143 m. w. N.; Beulke, Jura 2008, 653 (661 f.); Matula, Private Ermittlungen, S. 196 f. 226 Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 730. 227 Jäger, Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, S. 223; B. Kramer, Jura 1988, 520 (522); Bienert, Private Ermittlungen, S. 45 f.; Matula, Private Ermittlungen, S. 166; Wohlers, JR 2016, 509 (512). Dieser fragt, ob der Maßstab der krassen Menschenrechtsverletzung tatsächlich der angemessene Maßstab ist. Ferner Wohlers, JZ 2011, 252 (254). Schließlich auch Bung/Huber, in: Beulke-FS, S. 655 (665 f.). Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 143 f. sowie Matula, Private Ermittlungen, S. 196 treten demgegenüber dafür ein, ein Beweisverwertungsverbot bei jedem Verstoß des Privaten gegen die Menschenwürde anzunehmen. 228 Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1543). 229 Nach Muthorst, Das Beweisverbot, S. 295 ist unklar, ob an den privaten Erlangungsakt oder die gerichtliche Verwertung angeknüpft wird. Für den Verwertungsakt wohl Otto, in: Kleinknecht-FS, S. 319 (323 ff.). Kaspar, GA 2013, 206 (222 f.) plädiert für ein „teilselbstständiges Beweisverwertungsverbot“.
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geben soll.230 Diese Konzeption beruht auf der überkommenen Vorstellung, nach der die Grundrechte nicht allein als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat fungieren, sondern aufgrund ihres objektiv-rechtlichen Gehalts zugleich eine staatliche Pflicht konstituieren, die grundrechtliche Freiheitssphäre des Einzelnen zu schützen.231 Hieraus resultiere die Verpflichtung des entscheidenden Gerichts, den verfahrensbezogenen Rechtsverstoß des Privaten zu berücksichtigen und ggf. mit einem Beweisverwertungsverbot zu sanktionieren.232 Obschon sich die einzelnen Begründungsansätze im Detail wesentlich voneinander unterscheiden, stehen diese auf dem gemeinsamen Standpunkt, dass nicht jedes rechtswidrig erlangte Beweismittel gleichsam automatisch das Verdikt der Unverwertbarkeit nach sich zieht.233 Während Götting dieses Ergebnis von einer Hypothesenbildung abhängig macht und danach fragt, ob die staatlichen Strafverfolgungsbehörden das konkrete Beweismittel auf rechtmäßige Weise hätten erlangen können,234 favorisiert Rogall eine umfassende folgenorientierte Interessenbewertung.235 Dogmatischer Anknüpfungspunkt ist dabei (wohl) der richterliche Verwertungsakt selbst, wobei dem außerprozessualen Rechtsverstoß – jedenfalls teilweise – eine evidente Bedeutung zukommt.236 Ungeachtet des Umstands, dass sich die grundrechtlichen Schutzpflichten zwar nicht ausschließlich,237 aber doch primär an den Gesetzgeber richten und diesen zu 230
Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (40 ff.); ders., in: SK-StPO, § 136a Rn. 13 ff.; S. Götting, Beweisverwertungsverbote in Fällen gesetzlich nicht geregelter Ermittlungstätigkeit, S. 299 ff.; Matula, Private Ermittlungen, S. 199 ff. Teilweise auch Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 125 ff.; Gleß, in: Löwe-Rosenberg, § 136a Rn. 12. 231 Zur Schutzpflichtkonstruktion im Allgemeinen BVerfGE 39, 1 (42 ff.); 46, 160 (164); 88, 203 (251); 117, 202 (227). 232 Rogall, in: SK-StPO, § 136a Rn. 13. 233 Rogall, in: SK-StPO, § 136a Rn. 14. Letztlich auch Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 127; S. Götting, Beweisverwertungsverbote in Fällen gesetzlich nicht geregelter Ermittlungstätigkeit, S. 301 f. 234 S. Götting, Beweisverwertungsverbote in Fällen gesetzlich nicht geregelter Ermittlungstätigkeit, S. 301 f. Ähnlich Gleß, in: Löwe-Rosenberg, § 136a Rn. 12. 235 Rogall, in: SK-StPO, § 136a 14 ff. Insoweit kritisch S. Götting, Beweisverwertungsverbote in Fällen gesetzlich nicht geregelter Ermittlungstätigkeit, S. 284, die auf die Unvorhersehbarkeit des Ergebnisses hinweist. Ähnlich auch Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 79. 236 Instruktiv dazu S. Götting, Beweisverwertungsverbote in Fällen gesetzlich nicht geregelter Ermittlungstätigkeit, S. 297. Abweichend hingegen Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 802, die den Erlangungsakt als maßgeblich einstuft. Vgl. schließlich auch Kaspar, GA 2013, 206 (222), der die Schutzpflichtkonstruktion den „teilselbstständigen Beweisverwertungsverboten“ zuordnet, die zwar unmittelbar an den staatlichen Verwertungsakt anknüpfen, aber gleichwohl den privaten Erlangungsakt berücksichtigen. Vgl. schließlich Rogall, JZ 2008, 818 (828), der betont, die Strafrechtswidrigkeit sei für die Verwertungsfrage irrelevant. 237 Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 193.
D. Stand und Defizite der Diskussion
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einer Konfliktlösung veranlassen,238 ist der Ansatz, die prozessuale Unverwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel an die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte zu knüpfen, auf weitreichende Kritik gestoßen.239 Da das materielle Strafrecht mannigfaltige Verbotsnormen enthält und dem privaten Vorgehen insoweit strafbewehrte Grenzen setzt, drängt sich bereits die Frage auf, ob überhaupt nachweisbare Schutzlücken bestehen, die unter Rekurs auf grundrechtliche Schutzpflichten geschlossen werden müssten.240 Diese Strafnormen sind ihrerseits Ausfluss der staatlichen Schutzpflichten und bewirken grundsätzlich ein angemessenes Schutzniveau, so dass eine unbedingte und umfassende Pflicht zum staatlichen Tätigwerden nicht besteht.241 Doch selbst, wenn man eine hinreichende Gefahr für grundrechtliche Positionen annähme, obläge es dem Gesetzgeber, zu bestimmen, auf welche Weise der Schutzpflicht im Einzelnen nachzukommen ist. Insoweit ist zudem eine umfassende Einschätzungsprärogative zugrunde zu legen.242 Eine zwingende Rechtsfolge – in der Form eines prozessualen Beweisverwertungsverbotes – ließe sich nur in dem seltenen Ausnahmefall begründen, in dem der staatliche Entscheidungsspielraum auf null reduziert wäre.243 Abgesehen von diesen Kritikpunkten bleibt jedoch die Erkenntnis, dass auch nach diesem Lösungsmodell der außerprozessuale Rechtsverstoß des Privaten jedenfalls nicht von vornherein unbeachtlich ist.244
238 BVerfGE 39, 1 (44); Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 79 f.; Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 126; Kalb, Die funktionale Begründung strafprozessualer Beweisverbote, S. 175. 239 Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 125 ff.; Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 814 ff.; Kaspar, GA 2013, 206 (223 f.); Kalb, Die funktionale Begründung strafprozessualer Beweisverbote, S. 175 f.; Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 124 ff. 240 Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 126 f.; Wölfl, JA 2001, 504 (506). Abweichend Bung/Huber, in: Beulke-FS, S. 655 (667 f.). 241 Wölfl, JA 2001, 504 (506); Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 817; Kaspar, GA 2013, 206 (223); Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 128. In diese Richtung auch Brunhöber, GA 2010, 571 (586). Ferner Kodek, in: Kaissis-FS, S. 523 (539); H. Roth, in: Erichsen, Recht der Persönlichkeit, S. 279 (290) sowie Niemann, in: JBArbR 2018, S. 41 (43) aus der zivilprozessualen Perspektive. Kritisch hingegen Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 207. 242 BVerfGE 46, 160 (164); 56, 54 (80 f.); 96, 56 (64); 117, 202 (227); Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 127 f.; Jahn, Gutachten C, S. 101; Kaspar, GA 2013, 206 (223). 243 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 814. 244 Dies betont letztlich auch Rogall, JZ 2008, 818 (828), der anmerkt, es bestehe ein Unterschied „zwischen den durch einen Windstoß in die Hände der Staatsanwaltschaft geratenen Papiere und der mit u. U. erheblicher krimineller Energie durchgeführten privaten Beweisanlieferung“.
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Teil 1: Grundlagen
7. Strafrechtswidriges Verhalten Einzelne Stellungnahmen erheben den materiellen Rechtsverstoß selbst zum zentralen Anknüpfungspunkt für die prozessuale Unverwertbarkeit. Vornehmlich dann, wenn das konkrete Verhalten strafrechtliche Verhaltensverbote missachte, könne hieraus ein Verwertungsverbot folgen.245 Bei näherem Hinsehen lassen sich dabei zwei unterschiedliche Strömungen ausmachen: Während manche Verfechter einer solchen strafrechtlichen Konzeption das Beweisverwertungsverbot an den außerprozessualen Rechtsverstoß des Privaten knüpfen wollen und sich dabei auf einen andernfalls drohenden Verlust der staatlichen Legitimation zum Strafen berufen,246 rücken andere den richterlichen Umgang mit dem eigeninitiativ erlangten Beweismittel innerhalb der Hauptverhandlung in den Vordergrund.247 Besonders evident tritt der zuletzt erwähnte Gedanke sub specie des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB hervor, der gerade nicht den Aufnahmevorgang, sondern den anschließenden Gebrauch untersagt: Sofern der entscheidende Richter durch das Abspielen einer Tonaufnahme den objektiven Tatbestand der Strafvorschrift verwirkliche, komme es entscheidend darauf an, ob zu seinen Gunsten ein Rechtfertigungsgrund eingreife.248 Lasse sich ein solcher nicht finden – und ist das Verhalten des Richters sonach strafbar –, dürfe das Beweismittel schlechthin nicht berücksichtigt werden.249 Bemerkenswert ist dabei, dass die Anhänger eines so beschaffenen Lösungsmodells jedoch stets auch den vorgelagerten Rechtsverstoß durch eine Privatperson beleuchten. Dies ist im Wesentlichen auf die tatbestandliche Struktur der betroffenen Strafnormen – vornehmlich der §§ 201, 201a StGB – zurückzuführen, da diese bestimmte Verwendungshandlungen nur dann unter Strafe stellen, wenn bereits die Herstellung der Ton- oder Bildaufnahme eine bestimmte rechtliche Qualität auf245
Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 216; Otto, in: Kleinknecht-FS, S. 319 (338); Godenzi, AJP 2012, 1243 (1253); Brunhöber, GA 2010, 571 (586); Heghmanns, ZIS 2016, 404 (411). Vgl. schließlich auch Wohlers, JR 2016, 509 (514). Auch in der Rechtsprechung finden sich einzelne Hinweise darauf, den strafrechtlichen Verstoß in der Hauptverhandlung heranzuziehen, KG JR 1981, 254 (255); BayObLG NJW 1990, 197 (198). Gegen die Fokussierung auf strafbares Verhalten Niehaus, NZV 2016, 551 (552 f.). 246 Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 64; Müssig, GA 1999, 119 (138 f.). Vgl. auch Jahn, JuS 2000, 441 (444); ders., JuS 2005, 1057 (1058); ders., Gutachten C, S. 102, der unter Rekurs auf die fundamentalen Bindungen des Rechtsstaats eine analoge Anwendung des § 136a StPO befürwortet. Ferner Gössel, in: Löwe-Rosenberg, Einl. Abschnitt L. Rn. 185. Dazu bereits Teil 1, D. I. 4. 247 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 216; Heghmanns, ZIS 2016, 404 (411); Godenzi, AJP 2012, 1243 (1249); Brunhöber, GA 2010, 571 (586 f.); B. Kramer, NJW 1990, 1760 (1763). 248 Godenzi, AJP 2012, 1243 (1249); Brunhöber, GA 2010, 571 (586 f.); B. Kramer, NJW 1990, 1760 (1764); Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 160; Beckemper/Wegner, JA 2003, 510 (513). 249 Godenzi, AJP 2012, 1243 (1253); Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Tonund Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 160. Ablehnend hingegen Tenckhoff, JR 1981, 255 (258).
D. Stand und Defizite der Diskussion
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weist.250 An dieser Stelle genügt freilich die Erkenntnis, dass die private Beweismittelsuche wiederum nicht von vornherein als irrelevant eingestuft werden kann. Ähnliches gilt für solche Stellungnahmen, die ein privat erlangtes Beweismittel dann als verwertbar einstufen, wenn der Rechtfertigungsgrund, der bereits den außerprozessualen Rechtsverstoß legitimieren konnte, innerhalb des Gerichtsverfahrens fortwirke.251 Die unmittelbare Interdependenz zwischen dem materiellen und dem formellen Recht tritt insoweit deutlich hervor. Die Überzeugungskraft dieser Ansätze hängt entscheidend davon ab, ob sich die materiell-rechtliche Lage abschließend beurteilen lässt, ohne dabei bereits entscheidende prozessuale Wertungen berücksichtigen zu müssen. Im Übrigen bleibt regelmäßig unklar, weshalb die Verwirklichung einer Straftat unmittelbare prozessuale Auswirkungen zeitigen soll.252 8. „Hypothese rechtswidriger staatlicher Beweiserhebung“ In der jüngeren Vergangenheit haben schließlich solche Ansätze einen deutlichen Zuspruch erfahren, die über die prozessuale Verwertbarkeit von privat erlangten Beweismitteln entscheiden, indem sie eine hypothetische Vergleichsbetrachtung bemühen, die danach fragt, ob den staatlichen Strafverfolgungsbehörden das in Rede stehende Beweismittel verwehrt geblieben wäre, weil sie dieses selbst nur auf rechtswidrige Weise hätten gewinnen können.253 An die Stelle der privaten Beweismittelsuche trete eine fiktive staatliche Ermittlung, die sich – im Unterschied zum eigeninitiativen Vorgehen – an den konkreten Verfahrensvorschriften der Strafprozessordnung messen lassen müsse.254 250
Dazu noch umfassend Teil 4, A. I. für die besonders praxisrelevanten Tonaufnahmen. Tenckhoff, JR 1981, 255 (258); Otto, in: Kleinknecht-FS, S. 319 (332); Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 97. Dazu auch Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 731. Kritisch hingegen Gropp, StV 1989, 216 (222). 252 Dazu auch Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 78; teilweise Tenckhoff, JR 1981, 255 (258). 253 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 836 ff.; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 281 ff. Allerdings später selbst teilweise relativierend bzgl. strafbarer Ton- und Bildaufnahmen dies., AJP 2012, 1243 (1254 Fn. 79). Zustimmend Kottek, Die Kooperation von deutschen Unternehmen mit der USamerikanischen Börsenaufsicht SEC, S. 170. Zur Hypothesenbildung auch Reeb, Internal investigations, S. 142, indes im Kontext einer Ermächtigungsgrundlage für den staatlichen Verwertungsakt. Schließlich Kelnhofer, Hypothetische Ermittlungsverläufe, S. 246 ff.; Wewerka, Internal Investigations, S. 298 f. Zuvor bereits Sendler, Die Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel im Strafprozeß, S. 87; Haffke, GA 1973, 65 (83); S. Götting, Beweisverwertungsverbote in Fällen gesetzlich nicht geregelter Ermittlungstätigkeit, S. 302, indes ohne nähere Begründung. 254 Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 261 f.; Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 846 m. w. N.; Reeb, Internal investigations, S. 144. 251
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Teil 1: Grundlagen
Dieser Gedankengang hat – nachdem er zunächst nur vereinzelt aufkam –255 namentlich durch Godenzi und etwas später auch durch Stoffer eine präzise dogmatische Grundlage erfahren. Nach deren Konzeption dient die Verlaufshypothese dem primären Zweck, die prozessuale Unverwertbarkeit eines privat erlangten Beweismittels zu begründen und verfolgt deshalb eine negative Funktion.256 Um diese auch in terminologischer Hinsicht deutlich zum Ausdruck zu bringen, firmiert dieser Ansatz unter dem Begriff der „Hypothese rechtswidriger staatlicher Beweiserhebung“.257 Dieses rechtliche Konstrukt steht dabei auf zwei zentralen Pfeilern: Zum einen sei es – rechtstatsächlich betrachtet – häufig vom Zufall abhängig, ob die staatlichen Stellen ein relevantes Beweismittel erlangen, oder aber von dieser Aufgabe entbunden sind, weil ihnen der Private zuvorgekommen ist.258 Zum anderen statuiere das Strafprozessrecht spezifische beweisrechtliche Direktiven, denen sich die Aussage entnehmen lasse, dass den Strafverfolgungsbehörden bestimmte Beweismittel per se entzogen sind.259 Diese objektiv-rechtlichen Grenzen drohten jedoch leer zu laufen, wenn ein privat erlangtes Beweismittel verwertbar wäre, obschon die staatlichen Strafverfolgungsbehörden dieses nicht rechtmäßig hätten erheben können.260 Denn der Staat dürfe nicht deshalb besser stehen und von weitergehenden Verwertungsmöglichkeiten profitieren, weil er ein Beweismittel zufälligerweise nicht selbst erlangt habe, sondern ihm dieses von privater Seite angeboten wurde.261 Ungeachtet dieses gemeinsamen Ausgangspunktes weichen die einzelnen Lösungsansätze zum Teil erheblich voneinander ab, wobei diese Divergenzen sowohl
255 Kelnhofer, Hypothetische Ermittlungsverläufe, S. 243 monierte noch im Jahr 1994, es gebe nur wenige Stellungnahmen zu Verlaufshypothesen im Kontext privater Informationsbeschaffung. 256 Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 258; Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 836. Hinter dieser negativen Stoßrichtung der Verlaufshypothese steht der Gedanke, dass ein privat erlangtes Beweismittel grundsätzlich verwertbar sei und ein Verwertungsverbot mithin legitimiert werden müsse. Anders hingegen Reeb, Internal investigations, S. 135, der von der grundsätzlichen Unverwertbarkeit ausgeht. 257 Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 258; zustimmend Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 836. Abweichend hingegen Reeb, Internal investigations, S. 139 f. 258 Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 260 f.; dies., GA 2008, 500 (513); Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 834. Diese Zufälligkeiten hält auch Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Tonund Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 133 für nicht hinnehmbar. 259 Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 287 ff.; dies., GA 2008, 500 (514). So auch Reeb, Internal investigations, S. 139. 260 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 835; Godenzi, GA 2008, 500 (514). 261 Godenzi, GA 2008, 500 (513 f.).
D. Stand und Defizite der Diskussion
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die konkreten Anforderungen an die Verlaufshypothese262 als auch die spezifischen Rechtsfolgen betreffen. Gerade der zuletzt genannte Gesichtspunkt bedarf an dieser Stelle noch einer Präzisierung: Während Godenzi dafür plädiert, die prozessuale Unverwertbarkeit unmittelbar aus dem negativen Ausgang der fiktiven staatlichen Beweiserlangung abzuleiten ohne auf weitergehende Faktoren abzuheben,263 lehnt Stoffer diesen zwingenden Automatismus ab.264 Vielmehr sei auf die Kriterien abzustellen, die im Kontext der rechtswidrigen staatlichen Ermittlungstätigkeit entwickelt wurden, so dass es entscheidend auf den Schutzzweck der hypothetisch verletzten Verfahrensnorm ankomme. Bemerkenswert ist schließlich, dass beide Autorinnen die „Hypothese rechtswidriger staatlicher Beweiserhebung“ ausschließlich auf solche Fallgestaltungen beziehen, in denen der Private seinerseits rechtswidrig agiert.265 Berücksichtige man die Vergleichsbetrachtung auch in den Fällen einer rechtmäßigen eigeninitiativen Beweismittelsuche, führe dies zu einer unbilligen Einschränkung des privaten Ermittlungsrechts.266 Zudem genüge auch ein zivilrechtswidriges Verhalten des Privaten nicht, um mittels der Verlaufshypothese ein Verwertungsverbot zu begründen, da das rechtswidrige Vorgehen insoweit nur inter partes wirke und den Rechtsfrieden sonach weit weniger berühre als eine Straftat.267 Den Verfechtern einer Verlaufshypothese ist zwar zuzugestehen, dass sowohl dem materiellen268 als auch dem Prozessrecht269 hypothetische Vergleichsbetrachtungen 262 Instruktiv dazu Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 846 ff., die auf Parallelen und Unterschiede zum Ansatz von Godenzi eingeht. 263 Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 291 f. 264 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 892 ff. 265 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 862. Vgl. auch Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 251; dies. GA 2008, 500 (514 f.), die von „illegaler privater Beweisbeschaffung“ spricht. Abweichend hingegen Reeb, Internal investigations, S. 142. 266 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 871. 267 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 878; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 171. 268 Vgl. zur Rechtsfigur des rechtmäßigen Alternativverhaltens BGHSt 11, 1 (6 f.); 49, 1 (4), die insb. im Kontext der fahrlässigen Erfolgsdelikte bedeutsam wird. Ferner Kelnhofer, Hypothetische Ermittlungsverläufe, S. 22 ff. 269 Vgl. zu den sog. Zufallsfunden Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 282 f. Ferner zur Hypothesenbildung im Kontext einer rechtswidrigen staatlichen Ermittlungsmaßnahme: BGHSt 24, 125 (130 ff.); 48, 240 (249); BGH NStZ 1989, 375 (376) m. Anm. Roxin; BGH NStZ 1997, 294 (295); NStZ 2016, 551 (552 f.); BVerfGE 130, 1 (29 f.); S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 72; Rogall NStZ 1988, 385; Jahn/Dallmeyer, NStZ 2005, 297; Chao, Einwirkungen der Grundrechte auf die Beweisverbote im Strafprozessrecht, S. 138 ff.; H. Schneider, NStZ 2016, 553 (556). Vgl. schließlich auch Jäger, GA 2008, 473 (497 f.);
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keineswegs fremd sind.270 Gleichwohl haben die Erwägungen im Anwendungsfeld der privaten Beweismittelsuche gewichtige Kritikpunkte offenbart.271 Diese stützen sich vornehmlich auf die nahezu uferlose Reichweite der fiktiven Ermittlungsmaßnahmen durch die staatlichen Stellen, die letztlich zu bloßen Spekulationen darüber führen, inwieweit diese ein konkretes Beweismittel auf verfahrenskonforme Weise hätten erlangen können.272 Zudem ist der geltend gemachte Einwand nicht von der Hand zu weisen, wonach die Hypothesenbildung dazu beitrage, die strafprozessualen Vorgaben von der grundsätzlichen Beschränkung auf die staatlichen Stellen zu lösen und auf rein privates Handeln zu übertragen.273 Die Befürworter einer Verlaufshypothese betonen zwar, eine analoge Anwendung der verfahrensrechtlichen Vorschriften erfolge gerade nicht, da nicht das eigeninitiative Verhalten des Privaten, sondern allein die fiktive staatliche Ermittlungsmaßnahme an den Normen der Strafprozessordnung gemessen werde.274 Der private Erlangungsakt, der ausschließlich nach Maßgabe der materiell-rechtlichen Normen beurteilt werde, sei innerhalb der hypothetischen Vergleichsbetrachtung gewissermaßen unerheblich.275 Dieser Argumentation ist jedoch aus zwei Gründen entgegenzutreten: Zum einen kann das eigeninitiative Vorgehen des Privaten nicht ausgeblendet werden, da dieses die fiktive staatliche Ermittlung determiniert. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass eine gänzliche Irrelevanz des privaten Verhaltens konsequenterweise dazu führen müsste, die Verlaufshypothese auch in den Fällen anzuwenden, in denen der Private rechtmäßig agiert.276 Gerade dieser zuletzt genannte Gesichtspunkt verBeulke, Jura 2008, 653 (659 ff.); ders., ZStW 103 (1991), 657 (657 ff.). Kritisch Jahn, Gutachten C, S. 77 f. 270 Dies betont auch Kaspar, GA 2013, 206 (224). Einzelne Autoren bemühen die Hypothesenbildung auch innerhalb ihrer jeweiligen Lösungskonzeption hinsichtlich der Verwertbarkeit privat erlangter Beweismittel: Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 113 im Kontext der Abwägung. Ferner S. Götting, Beweisverwertungsverbote in Fällen gesetzlich nicht geregelter Ermittlungstätigkeit, S. 302 im Rahmen der Schutzpflichten. Teilweise auch Gleß, in: Löwe-Rosenberg, § 136a Rn. 12; schließlich Haffke, GA 1973, 65 (83). 271 Bernsmann, in: 22. Strafverteidigertag, S. 151 (158); Jansen, StV 2019, 578 (584); Kaspar, GA 2013, 206 (224); Bung/Huber, in: Beulke-FS, S. 655 (667); Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 138 ff. Schließlich auch Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 132 f., obschon dieser den Grundgedanken anerkennt. Zur generellen Kritik am Gedanken der Hypothesenbildung Jahn/Dallmeyer, NStZ 2005, 297 (303); ferner Tiedemann, in: Peters-FG, S. 131 (136). 272 Jansen, StV 2019, 578 (584). 273 Dazu Jansen, StV 2019, 578 (584); Bernsmann, in: 22. Strafverteidigertag, S. 151 (158); Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 140; ferner Kaspar, GA 2013, 206 (224). 274 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 866. 275 Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 285. 276 Diese Widersprüchlichkeit moniert auch Reeb, Internal investigations, S. 142 Fn. 185; ferner Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 109 Fn. 654.
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deutlicht, welche Relevanz dem außerprozessualen Rechtsverstoß trotz eines gegenläufigen Vorbringens de facto zukommt.277 Im Ergebnis führt die „Hypothese rechtswidriger staatlicher Beweiserhebung“ jedenfalls dazu, die prozessuale Verwertbarkeit eines privat erlangten Beweismittels von den Verfahrensvorgaben abhängig zu machen, die die Ermittlungsbefugnisse der staatlichen Strafverfolgungsbehörden begrenzen. 9. Ergebnis zu den strafprozessualen Beweisverbotsmodellen Inwieweit von Privatpersonen gewonnene Beweismittel im Strafprozess verwertbar sind, wird in Rechtsprechung und Schrifttum keineswegs einheitlich beurteilt. Die einzelnen Begründungsansätze des weitläufigen Meinungsspektrums lassen sich dabei nur schwerlich auf übergeordnete Gesichtspunkte stützen, da zahlreiche Argumente nicht allein die eigene These unterstreichen, sondern einem abweichenden Vorschlag zugleich gewisse Ungenauigkeiten oder Schwächen attestieren sollen. Bemerkenswert ist indes, dass trotz dieser umfassenden Diskussion nach wie vor keine Klarheit darüber herrscht, welche Rolle dem privaten Erlangungsakt für die prozessuale Verwertung zukommt.278 Diese „Unsicherheiten“ beeinflussen auch die jüngeren Überlegungen dazu, inwieweit der richterliche Verstoß gegen strafrechtliche Vorgaben unweigerlich zu einem Beweisverbot führen kann.
II. Zivilprozess Obschon sich der Zivilprozess erheblich vom Strafverfahren unterscheidet, lassen sich im Anwendungsfeld der Beweisverbote einige Parallelen erkennen. Diese setzen bereits am dogmatischen Ausgangspunkt an, da auch die Zivilprozessordnung keine Vorschrift enthält, die den Umgang mit rechtswidrig erlangten Beweismitteln ausdrücklich regelt.279 Auch deshalb haben sich unterschiedliche Lehren und Argu277
In diese Richtung auch Bung/Huber, in: Beulke-FS, S. 655 (666 f.). So schon Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 113; Fezer, JuS 1979, 35 (36 Fn. 16). 279 BGHZ 218, 348 (361); 170, 165 (170); Zeiss, ZZP 89 (1976), 377 (398); Balthasar, JuS 2008, 35; Prütting, in: MüKo-ZPO, § 284 Rn. 65; Sander, CR 2014, 292 (295); Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 286 Teil B Rn. 7; Lenz/Meurer, MDR 2000, 73 (75); Betz, RdA 2018, 100 (101); Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329 (339); Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2077); Bruns, NZFam 2021, 913 (914). Schließlich auch Morgenroth, NZA 2014, 408 (408 f.); Kratz/Gubbels, NZA 2009, 652 (655); Reinhard, NZA 2016, 1233 (1238 f.), allerdings vornehmlich aus der arbeitsrechtlichen Perspektive. Namentlich Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469 (469 ff.) und Kellner, JR 1950, 270 (270 ff.) haben dafür plädiert, einzelne Verfahrensvorschriften analog anzuwenden. Diese Ansätze – die im Folgenden nicht eigenständig dargestellt werden – sind auf weitreichende Kritik gestoßen und konnten sich bislang nicht durchsetzen. Dazu Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel 278
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mentationsmuster entwickelt, die allerdings nicht beziehungslos nebeneinanderstehen, sondern sich mitunter gegenseitig beeinflussen oder überschneiden. 1. „Extremlösungen“ Ähnlich wie im strafverfahrensrechtlichen Kontext finden sich auch in der zivilprozessualen Debatte solche Stimmen, die ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel entweder nie oder aber stets verwerten wollen. Bemerkenswert ist dabei, dass die Pauschalansichten – parallel zur strafprozessrechtlichen Entwicklung – in jüngerer Zeit wieder zunehmend an Bedeutung gewinnen, nachdem sie bereits als überholt galten.280 a) Generelle Unverwertbarkeit: Einheit der Rechtsordnung Der Diskurs um die sog. Einheit der Rechtsordnung, der zufolge sämtliche Regelungen als Teil eines ganzheitlichen Normgefüges zu betrachten sind, hat seinen erkennbaren Schwerpunkt im zivilrechtlichen Raum.281 Dabei stehen die Anhänger dieses Lösungsmodells auf dem Standpunkt, ein Beweismittel dürfe schlechterdings nicht verwertet werden, sofern der Private bei der Erlangung materiell-rechtliche Normen rechtswidrig verletzt habe.282 In den verschiedenen Teilrechtsordnungen dürften wegen des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung keine unterschiedlichen Maßstäbe angelegt werden,283 so dass die Gesetzeswidrigkeit die Prozesswidrigkeit nach sich ziehe.284 Ließe der entscheidende Richter ein rechtswidriges Beweismittel hingegen zu, würde er das eigeninitiative Verhalten endlich fördern.285 im Zivilprozess, S. 23 ff.; Baumgärtel, in: Klug-FS, S. 477 (481 ff.); ders., Beweislastpraxis im Privatrecht, Rn. 88 ff.; Werner, NJW 1988, 993 (1001); Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 59 ff. Ausgeklammert bleibt im Rahmen dieser Untersuchung schließlich auch die Frage, inwieweit etwaige Verfahrensfehler des Staates auf die prozessuale Verwertbarkeit einwirken. Dazu etwa BGHZ 153, 165. 280 So explizit Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 7; zustimmend Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 46; Kodek, in: Kaissis-FS, S. 523 (524) erkennt eine zunehmende Tendenz, die Unverwertbarkeit an die materiell-rechtliche Rechtsverletzung anzuknüpfen. Zum Gedanken der Überholung Kiethe, MDR 2005, 965 (966); Thole, in: Prütting-FS, S. 573 (576); Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 59 m. w. N. 281 Zu den strafrechtlichen Parallelerwägungen bereits Teil 1, D. I. 1. a). 282 Kellner, JR 1950, 270 (271); Siegert, NJW 1957, 689 (690); Habscheid, in: Arens-GS, S. 187 (189); ferner LAG Berlin JZ, 1982, 258. 283 Siegert, NJW 1957, 689 (690). 284 Kellner, JR 1950, 270 (271), nach dem die Prozesswidrigkeit letztlich nur ein Unterfall der Gesetzwidrigkeit ist. Zugleich stützt er diese These auf verschiedene verfahrensrechtliche Vorschriften. 285 Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89 (103 f.).
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Vor diesem Hintergrund könne ein Beweismittel nur dann verwertet werden, wenn das außerprozessuale Verhalten des Privaten rechtmäßig sei, weil etwa ein Rechtfertigungsgrund eingreife.286 In dieser strikten Form vermag die Einheitsthese – in Übereinstimmung mit den strafverfahrensrechtlichen Ausführungen – nicht zu überzeugen.287 Das materielle Recht und das Prozessrecht stellen – jedenfalls im Ausgangspunkt und nach Maßgabe des heute weitgehend anerkannten Trennungsgedankens –288 eigenständige Rechtsbereiche dar, die von unterschiedlichen Wertungen beeinflusst werden.289 Im außerprozessualen Raum setzt das materielle Recht dem eigeninitiativen Vorgehen spezifische Grenzen,290 die sich grundsätzlich nicht auf die prozessuale Ebene auswirken.291 Eingedenk dessen stellt es auch keinen unhaltbaren Widerspruch dar, wenn das Resultat einer rechtswidrigen Beweismittelsuche, die etwa strafrechtliche Sanktionen nach sich zieht, Eingang in das Zivilverfahren findet.292 Diese Erkenntnis verfestigt sich, wenn man den Blick darauf lenkt, dass es sich bei der außerpro-
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Habscheid, in: Arens-GS, S. 187 (189); Siegert, NJW 1957, 689 (690). Betz, RdA 2018, 100 (103); Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 30; Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, S. 75; Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, 96 f.; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 106; Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469 (470); Schwab, in: Hubmann-FS, S. 421 (427 f.); Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 153; Peters, ZZP 76 (1963), 145 (153); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 168; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377 (389); Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 24; Baumgärtel, in: Klug-FS, S. 477 (483); Thole, in: Prütting-FS, S. 573 (578); Prütting, in: MüKoZPO, § 284 Rn. 66; Werner, NJW 1988, 993 (999); Lang, Ton- und Bildträger, S. 128 f.; Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 64 f.; Altenburg/ Leister, NJW 2006, 469 (470); Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (751); Kaltenmeier, Betriebsverfassungsrechtliches Beweisverwertungsverbot, S. 31. 288 Dazu bereits Teil 1, C. 289 Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 64; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 168; Lang, Ton- und Bildträger, S. 128 f.; Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 31; Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469 (470 f.). 290 Peters, ZZP 76 (1963), 145 (153); Gamp, DRiZ 1981, 41 (43); Werner, NJW 1988, 993 (1000). Gegen den Gesichtspunkt der Generalprävention als Argument für ein Beweisverwertungsverbot Betz, RdA 2018, 100 (105). 291 Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (318); Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 153; Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469 (471); ferner Gießler, NJW 1977, 1185 (1186). 292 Betz, RdA 2018, 100 (103); Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 55; Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 31. In diese Richtung auch Grobys, Die Überwachung von Arbeitnehmern in Call Centern, S. 137. 287
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zessualen Beweiserlangung und der anschließenden gerichtlichen Nutzung um zwei verschiedene rechtliche Vorgänge handelt.293 Sähe man im prozessualen Gebrauch eines rechtswidrig erlangten Beweismittels gleichwohl einen Widerspruch, führte allein dieser Befund noch nicht zwangsläufig zur generellen Unverwertbarkeit.294 Vielmehr bedürfte es einer Begründung dafür, weshalb allein dieses Ergebnis – und kein anderer denkbarer Lösungsweg – dazu geeignet ist, den Konflikt sachgerecht aufzulösen.295 Von einem eher absoluten Standpunkt führt schließlich Lang ins Feld, dass der Richter, der ein existierendes Beweismittel nicht berücksichtige, auf „ein Stück Gerechtigkeit“ verzichte.296 b) Generelle Verwertbarkeit: Trennungsdogma Aus dieser weitreichenden Kritik an der Einheitsthese speist sich bei näherem Hinsehen die konträre Position, der zufolge das materielle Unrecht des Privaten für die nachgelagerte Frage, ob ein Beweismittel prozessual verwertet werden kann, gänzlich irrelevant sei.297 Da das materielle und das formelle Recht unterschiedliche Funktionen verfolgten, bedürfe es einer klaren Trennung zwischen den Teilrechtsordnungen und den jeweiligen Wertentscheidungen.298 Dem Zivilprozessrecht lasse sich keine Vorschrift entnehmen, die das etwaige materiell-rechtliche Unwerturteil in die prozessuale Ebene transferiere oder gar die generelle Unverwertbarkeit anordne.299 Von dieser postulierten Irrelevanz des außerprozessualen Rechtsverstoßes schließen manche Verfechter des Trennungsdogmas darauf, sämtliche Beweismittel, die von einer Privatperson erlangt wurden, im Prozess zu verwerten.300 In einigen Stellungnahmen findet sich auch der Rekurs auf die Bedeutung der Wahrheitsfindung, die im zivilprozessualen Kontext gegenüber konfligierenden Rechtspositionen vorrangig sei.301 Zudem sehe das materielle Recht bereits ausreichende Sanktions293 Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 64; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 106 f.; Werner, NJW 1988, 993 (999); Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 55; Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 96; Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 31. 294 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 107; Werner, NJW 1988, 993 (999). 295 Betz, RdA 2018, 100 (103). 296 Lang, Ton- und Bildträger, S. 131. 297 Lang, Ton- und Bildträger, S. 132. So letztlich auch Werner, NJW 1988, 993 (1002). 298 H. Roth, in: Erichsen, Recht der Persönlichkeit, S. 279 (281); Lang, Ton- und Bildträger, S. 128 f. 299 A. Roth, JZ 1950, 715; Lang, Ton- und Bildträger, S. 132. 300 A. Roth, JZ 1950, 715. Teilweise einschränkend H. Roth, in: Erichsen, Recht der Persönlichkeit, S. 279 (293). 301 H. Roth, in: Erichsen, Recht der Persönlichkeit, S. 279 (287). Ähnlich auch A. Roth, JZ 1950, 715 sowie Sauer, Allgemeine Prozeßrechtslehre, S. 138, die auf die Wahrheitsfindung
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möglichkeiten vor, so dass es einer weiteren – prozessualen – Rechtsfolge schlechthin nicht bedürfe.302 Schließlich sei es durchaus möglich, einen konkreten Vorgang aus der materiell-rechtlichen Perspektive anders zu beurteilen als aus der prozessrechtlichen Warte, ohne sich dem Vorwurf eines unhaltbaren Widerspruchs auszusetzen.303 Gegen die strikte Trennungsthese wird hauptsächlich eingewandt, das Prozessrecht stehe nicht beziehungslos neben dem materiellen Recht, sondern nehme vielmehr eine dienende Funktion ein.304 Mit Blick darauf seien (einzelne) Durchbrechungen des Trennungsdogmas möglich.305 Eine weitreichende Verwertung von rechtswidrig erlangten Beweismitteln setze zudem einen gefährlichen Anreiz und veranlasse Private dazu, bei der eigeninitiativen Beweismittelsuche contra legem zu agieren.306 Schließlich sei die Wahrheitsfindung nicht der alleinige Zweck des Zivilverfahrens, so dass diesem nicht per se eine Vorrangstellung eingeräumt werden könne.307 2. Verfassungsrechtliches Abwägungsmodell a) Darstellung Namentlich die Rechtsprechung rekurriert auf eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall, um darüber zu entscheiden, ob ein privatrechtswidrig erlangtes Beweismittel im Zivilverfahren verwertet werden darf.308 Dies hängt mit der abstellen. Aus der jüngeren Zeit schließlich auch Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 144, obschon dieser formal auf eine Abwägung abstellt. Ferner Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (749). 302 So auch Werner, NJW 1988, 993 (1002). Mit Blick auf Urkunden, die in strafrechtswidriger Weise erlangt wurden, Peters, ZZP 76 (1963), 145 (153). 303 Dazu schon Teil 1, D. II. 1. a). 304 Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 144 f.; ferner Baumgärtel, in: Klug-FS, S. 477 (483). 305 So auch Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 37, obschon dieser von der grundsätzlichen Trennung ausgeht. 306 BGH NJW 1970, 1848 (1849); Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89 (103 f.). Instruktiv zum Gedanken der Generalprävention Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 120 ff. 307 Habscheid, in: Peters-GS, S. 840 (853); Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 54; Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 114. 308 BVerfGE 106, 28 (48); 117, 202 (241); BVerfG NJW 1992, 815 (816); NJW 2003, 2375; BVerfG NZA 2002, 284; BGHZ 218, 348 (369); 170, 165 (170); 162, 1 (6); 153, 165 (170); BGH NJW 1982, 277 (288); NJW 1998, 155; NJW 1991, 1180; NJW 1994, 2289 (2292); NJW 2003, 1727 (1728); NJW 2013, 2668 (2670); BGH NJW-RR 2010, 1289 (1292); OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577 (1578); OLG Köln NJW-RR 1994, 720 (721); OLG Köln NJW 1987, 262 (263); OLG Nürnberg NJW 2017, 3597 (3601); OLG Brandenburg BeckRS 2020, 20301 Rn. 8 ff.; AG Bremerhaven BeckRS 2016, 119257 Rn. 13 ff.; BAG NJW 1998,
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zugrunde liegenden Prämisse zusammen, wonach die Rechtswidrigkeit nicht ohne Weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot führt.309 Auch im Schrifttum finden sich vielfach Befürworter einer grundrechtlichen Abwägung, in die die konkreten Umstände einzustellen sind.310 In den weit überwiegenden Fallkonstellationen rückt dabei das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners in den Vordergrund, das sich aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ergibt.311 Sei dessen Schutzbereich tangiert und liege zudem ein Eingriff in eben diesen vor, bedürfe es einer umfassenden Abwägung der konfligierenden Güter und Interessen, um über die prozessuale (Un-)Verwertbarkeit entscheiden zu können.312 Für den Beweisführer streite dabei nicht nur dessen Beweisinteresse, das letztlich aus Art. 103 Abs. 1 GG entfließe, sondern zugleich auch das im Allgemeinwohl wurzelnde Interesse an einer funktionstüchtigen und gerechten Zivilrechtspflege.313 Allerdings genüge das stets bestehende „schlichte“ Beweisinteresse nicht, um den verfassungsrechtlichen Eingriff zu legitimieren;314 vielmehr müssten weitere Aspekte hinzutreten, die insbesondere dann vorlägen, wenn „sich der Beweisführer in einer Notwehrsituation oder
1331 (1333); NJW 2003, 3436 (3437); NJW 2008, 2732 (2734); NJW 2014, 810 (814); NJW 2017, 843 (844); BAG NZA 2014, 143 (147); NZA 2018, 1329 (1330). 309 BGHZ 170, 165 (170). Aus dem Schrifttum statt aller Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119 (121). 310 Greger, in: Zöller, § 286 Rn. 15a; Foerste, in: Musielak/Voit, § 286 Rn. 8; Saenger, in: Saenger, HK-ZPO, § 286 Rn. 23 ff.; Bacher, in: BeckOK-ZPO, § 284 Rn. 21 ff.; Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 474; Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2078); Panzer, Mitarbeiterkontrolle und neue Medien, S. 292 ff.; Balthasar, JuS 2008, 35; Greger, NZV 2015, 114 (115); Dzida/Grau, NZA 2010, 1201 (1202); Kiethe, MDR 2005, 965 (966); Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess, S. 363; Störmer, JuS 1994, 334 (337); Graupe/Pfeiffenbring, ZDAktuell 2014, 04280; Röckl/Fahl, NZA 1998, 1035 (1041); Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 193 ff.; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119; Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 109; Schwab, in: Hubmann-FS, S. 421 (431); Bruns, NZFam 2021, 913 (914). Instruktiv Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 41 ff., die auf eine verfassungskonforme Auslegung der zivilprozessualen Normen abstellt. Vgl. zum Ganzen Betz, RdA 2018, 100 (106), der die Abwägungslösung als herrschende Auffassung einstuft. 311 Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2077). So auch Morgenroth, NZA 2014, 408 (409), indes vornehmlich für den Arbeitsgerichtsprozess. Dieser betont schließlich, dass auch eine Anknüpfung an die sog. Prozessgrundrechte möglich sei, S. 411. 312 BVerfGE 106, 28 (49); 117, 202 (241); BVerfG NJW 2003, 2375; NJW 1992, 815; BVerfG NZA 2002, 284; BGH NJW 2003, 1727 (1728); BGH JZ 1994, 915; Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 109; Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 79. Zeiss, ZZP 89 (1976), 377 (395) spricht insoweit in Anlehnung an den strafrechtlichen Nötigungstatbestand von einer Mittel-Zweck-Relation. 313 BVerfGE 106, 28 (49); BGH NJW-RR 2010, 1289 (1292); Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 81. 314 BVerfGE 106, 28 (49 f.); 117, 202 (241). Dem hat sich das BAG angeschlossen, vgl. BAG NJW 2003, 3436 (3437); NJW 2008, 2732 (2734); ferner LAG Rheinland-Pfalz BeckRS 2021, 48498 Rn. 25. Vgl. zur Frage der materiell-rechtlichen Rechtfertigung bereits die ähnliche Formulierung in BGHZ 27, 284 (290).
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notwehrähnlichen Lage befindet“.315 In der jüngeren Diskussion taucht schließlich vermehrt die sog. Beweisnot auf, die sich ebenfalls zugunsten des Beweisführers auswirken soll.316 Die konkrete Ausgestaltung der Abwägung orientiert sich dabei – wie bereits betont – mitunter an den gefestigten Errungenschaften der Strafprozessualistik und des Verfassungsrechts. So verschiebt sich die Argumentation, je nachdem, ob lediglich die Sozial-, die Privat- oder aber die Intimsphäre tangiert ist.317 Trotz dieses im Ausgangspunkt nachvollziehbaren Lösungswegs bieten sich auf diesem mannigfaltige Abzweigungsmöglichkeiten, die im Folgenden erörtert werden. b) Erlangungs- und Verwertungsakt Ähnlich wie in der strafprozessualen Diskussion besteht auch im Zivilverfahrensrecht keineswegs Einigkeit darüber, ob der außerprozessuale Rechtsverstoß des Privaten in der umfassenden Interessenabwägung zu berücksichtigen ist.318 Dogmatisch steht dabei die Frage im Vordergrund, ob der private Erlangungsakt oder aber die richterliche Beweisverwertung maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Interessenabwägung ist. Eine Antwort auf diese Frage lässt sich zahlreichen Judikaten und Stellungnahmen auch deshalb nicht entnehmen, weil vielfach unklar bleibt, welche konkrete Maßnahme auf ihre Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht untersucht wird.319 aa) Formale Anknüpfung an die Verwertung Überwiegend erfolgt (wohl) ein Rekurs auf den richterlichen Verwertungsakt,320 der sich wegen der umfassenden Grundrechtsbindung, die Art. 1 Abs. 3 GG für die
315 BVerfGE 106, 28 (50); 117, 202 (242); BGH NJW 2003, 1727 (1728); NJW 2005, 497 (499); NJW 2013, 2668 (2670); BAG NZA 2017, 1327 (1332); NJW 2008, 2732 (2735). Zustimmend Dzida/Grau, NZA 2010, 1201 (1203). 316 BGHZ 218, 348 (371 f.); ferner Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (390). 317 Vgl. BGH NJW 2013, 2668 (2670); Röckl/Fahl, NZA 1998, 1035 (1040 f.); Störmer, JuS 1994, 334 (337); Balzer/Nugel, NJW 2013, 3397 (3400). 318 Betz, RdA 2018, 100 (108); Werner, NJW 1988, 993 (998); Störmer, JuS 1994, 334 (335); Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (317); Thole, in: Prütting-FS, S. 573 (576); Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 148. Für das Arbeitsrecht Grobys, Die Überwachung von Arbeitnehmern in Call Centern, S. 132. 319 Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 9. Ähnlich Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 123, insb. Fn. 518. Schließlich auch Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 8. 320 Vgl. etwa: BGH NJW-RR 2010, 1289 (1292); Dzida/Grau, NZA 2010, 1201 (1202); Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 59; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119. Auf etwaige Ungenauigkeiten weist Werner,
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staatliche Gewalt anordnet, konsequenterweise am Maßstab der Verfassung messen lassen muss.321 Kann der verfassungsrechtliche Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus den Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht gerechtfertigt werden, resultiert daraus ein Beweisverwertungsverbot.322 Stellt die gerichtliche Verwertung ergo einen eigenständigen Grundrechtseingriff dar und soll sich aus diesem schließlich das Beweisverwertungsverbot ergeben, ist dies – jedenfalls streng dogmatisch – unabhängig davon zu bewerten, ob der private Beweiserlangungsakt seinerseits rechtswidrig oder aber rechtmäßig ist.323 Denn ein staatlicher Grundrechtseingriff fällt nicht deshalb gravierender aus, weil ihm das rechtswidrige Verhalten einer Privatperson vorausgeht. Vor diesem Hintergrund leuchten etwa die Ausführungen des OLG Nürnberg ein, das die datenschutzrechtliche Zulässigkeit einer Dashcam bewusst offenlässt, da dies für die prozessuale Verwertung schlicht unerheblich sei.324 Führt man diesen Gedanken fort, bereitet es keine Begründungsschwierigkeiten, auch rechtmäßig erlangte Beweismittel im Einzelfall als unverwertbar einzustufen.325 Trotz dieses dogmatisch eigentlich eindeutigen Ausgangspunktes scheint es, als zeitige das private Verhalten – und somit unweigerlich auch dessen Einstufung als rechtmäßig oder rechtswidrig – gewisse Auswirkungen auf die verfassungsrechtliche Abwägung.326 So beleuchten zahlreiche Entscheidungen zunächst die außerproNJW 1988, 993 (997) hin. Schwab, in: Hubmann-FS, S. 421 (428) knüpft an die gerichtliche Beweisaufnahme an. 321 Greger, NZV 2015, 114 (115); Störmer, JuS 1994, 334 (337); Werner, NJW 1988, 993 (1000); Thole, in: Prütting-FS, S. 573 (579); Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119. In diese Richtung auch BGH NJW 2003, 1727 (1728), wonach es darauf ankomme, ob die Vernehmung des Zeugen bzw. die Verwertung seiner Aussage eine Grundrechtsverletzung begründen. 322 Vgl. dazu auch Morgenroth, NZA 2014, 408 (409). 323 Betz, RdA 2018, 100 (108); Greger, NZV 2015, 114 (116); ders., DAR 2018, 505 (507); Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 17; Ahrens, MDR 2015, 926 (928); Störmer, JuS 1994, 334 (337 Fn. 41); Thole, in: Stein/Jonas, § 286 Rn. 39; Strauß, MMR 2018, 608 (609); OLG Nürnberg NJW 2017, 3597 (3601). Schließlich auch BAG NZA 2008, 1008 (1010 f.). Vgl. ferner Wirsching, NZV 2016, 13 (14). Wohl allein die Relevanz der Datenschutzrechtswidrigkeit ablehnend Bacher, in: BeckOKZPO, § 284 Rn. 2. 324 OLG Nürnberg NJW 2017, 3597 (3601); ähnlich AG München DAR 2016, 275 (277). Kritisch dagegen Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivilund Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 83. 325 In diese Richtung auch Thole, in: Stein/Jonas, § 286 Rn. 39; ferner Schwab, in: Hubmann-FS, S. 421 (429 f.). 326 Diesen Widerspruch zeigt auch Betz, RdA 2018, 100 (108) auf, der sogar betont, nach der Rechtsprechung sei noch immer das außerprozessuale Verhalten ausschlaggebend. Paradigmatisch insoweit BAG NJW 2010, 104 (106 ff.). Zwar differenziert das Gericht zwischen der Erlangung und der Verwertung, hält ein Beweisverbot aber überhaupt nur dann für möglich, wenn durch die Beweisgewinnung das zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht verletzt wurde. Zu den Auswirkungen der Beweisgewinnung auch Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 9; Thole, in: Stein/
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zessuale Erlangung des Beweismittels,327 bevor diese anschließend die gerichtliche Verwertung erörtern, und begründen auf diese Weise einen Konnex zwischen den unterschiedlichen Ebenen. Auch das BVerfG scheint die private Beweismittelsuche nicht gänzlich unbeachtet zu lassen, wenn es betont, „in der gerichtlichen Verwertung von Kenntnissen und Beweismitteln, die unter Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht erlangt sind, liegt regelmäßig ein Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG“.328 Die verwendete Formulierung legt die Vermutung nahe, als sei der außerprozessuale Rechtsverstoß durch den Privaten das ausschlaggebende Motiv für ein Beweisverwertungsverbot, obschon – formal – an die gerichtliche Verwertung selbst angeknüpft wird.329 Dieser Eindruck verfestigt sich, wenn man auf die entscheidungsrelevanten Abwägungsgesichtspunkte blickt: Das Gewicht des Beweisinteresses, das für die prozessuale Verwertbarkeit streitet, hängt nach der Rechtsprechung vornehmlich davon ab, ob sich „der Beweisführer in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage befindet“.330 Dieses Vorgehen ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Zum einen werden somit einfachrechtliche Erlaubnissätze in den verfassungsrechtlichen Kontext gehievt, ohne eine dogmatische Grundlage für dieses Verständnis zu begründen. Zum anderen wenden die Gerichte die genannten Rechtfertigungsgründe bei Lichte besehen regelmäßig nicht auf die richterliche Verwertung an, sondern vielmehr auf das außerprozessuale Verhalten des Privaten.331 Einen Konnex zwischen der eigeninitiativen Beweismittelsuche und der anschließenden Verwertung legt auch eine zentrale Formulierung des BAG nahe, wonach „sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als geJonas, § 286 Rn. 51; Bruns, NZFam 2021, 913 (914). Teilweise auch Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119 (120). 327 BGH NJW 2003, 1727; NJW 1970, 1848. Andere Entscheidungen verhalten sich hierzu hingegen überhaupt nicht und rekurrieren ausschließlich auf die verfassungsrechtliche Abwägung, BGH NJW-RR 2010, 1289 (1292). 328 BVerfG NJW 1992, 815 (816); BVerfG NZA 2002, 284. Ähnlich auch Seiler, in: Thomas/Putzo, § 286 Rn. 7. Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 10 ff. prüft instruktiv verschiedene Begründungsansätze, die einen Gleichlauf von Erlangung und Verwertung begründen könnten, lehnt diese i. E. jedoch zu Recht ab. 329 Betz, RdA 2018, 100 (108); ferner Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 9; ähnlich Thole, in: Stein/Jonas, § 286 Rn. 50. 330 BVerfGE 106, 28 (50). Ferner BVerfGE 117, 202 (241 f.); BGHZ 27, 284 (289 f.); BGH NJW-RR 2010, 1289 (1292); BGH NJW 2003, 1727 (1728); NJW 2013, 2668 (2670); BAG NJW 2008, 2732 (2734); BAG NZA 2017, 1327 (1332). Dazu auch Wellenhofer JuS 2007, 472 (476). Instruktiv zu verschiedenen Interpretationsansätzen und damit verbundenen Bedenken Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 180 ff. 331 Exemplarisch BGH NJW 2013, 2668 (2670); BAG NJW 2014, 134 (147); BAG NZA 2017, 1327 (1332). Thole, in: Stein/Jonas, § 286 Rn. 47 konstatiert insoweit, dass sich die Abwägungsparameter von Erlangungs- und Verwertungsebene nach der Konzeption der Rechtsprechung insoweit decken. Kritsch dazu Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 190.
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rechtfertigt erweisen“332 müsse, um die prozessuale Verwertbarkeit zu begründen. Auf diese Weise erfolgt eine Vermischung der materiell-rechtlichen Erwägungen mit der Prozessebene.333 Paglotke fasst die dogmatischen Unzulänglichkeiten des verfassungsrechtlichen Abwägungsmodells in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung pointiert in der These zusammen, wonach „ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel […] verwertbar [ist], wenn es nicht rechtswidrig erlangt wurde“.334 bb) Vorgelagerte materiell-rechtliche Bewertung Ähnlich argumentieren die Verfechter einer vorgelagerten materiell-rechtlichen Prüfung des außerprozessualen Verhaltens, nach deren Ansatz ebenfalls die richterliche Beweisverwertung als dogmatischer Anknüpfungspunkt dienen soll.335 Allerdings beschränke sich die maßgebliche Interessenabwägung ausschließlich auf solche Konstellationen, in denen die private Beweismittelsuche, die stets vorrangig zu prüfen sei, contra legem erfolgte.336 Hieraus resultiert die logische Konsequenz, dass sämtliche Beweismittel, die auf rechtmäßige Weise gewonnen wurden, gleichsam automatisch prozessual verwertbar sind. Indes bedarf eine solche Verknüpfung von materieller Rechtswidrigkeit und möglicher prozessualer Unverwertbarkeit einer dogmatischen Grundlage, die über die schlichte Behauptung, „nur dann [bei rechtswidriger Gewinnung des Beweismittels] stellt sich die Frage seiner Verwertbarkeit“337, hinausgehen muss. Unge-
332 BAG NJW 2014, 810 (815); NJW 2017, 843 (844); NJW 2017, 1193 (1194). Ähnlich auch BAG NZA 2017, 1327 (1332). In früheren Entscheidungen sprach das BAG noch davon, die Informationsbeschaffung und die Beweiserhebung müssten als „schutzbedürftig“ qualifiziert werden. So etwa BAG NJW 2008, 2732 (2734); NJW 2012, 3594 (3596). Inhaltliche Unterschiede sind damit indes nicht verbunden. Zu den dogmatischen Unzulänglichkeiten der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung im Überblick Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 139 ff., 169 ff. 333 Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 172. 334 Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 270. 335 Balthasar, JuS 2008, 35 (39); ders., in: 16. Jahrestagung der Gesellschaft Junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 229 (234); Helle, JZ 1991, 929 (932); Bihari Vass, DAR 2010, 504 (507); Klann, DAR 2013, 188 (190). So auch Bayreuther, NZA 2005, 1038 (1041), der zunächst die Zulässigkeit der Videoüberwachung erörtert und konstatiert, die Problematik eines Verwertungsverbots stelle sich nicht, wenn „bereits die Beweisgewinnung zulässig war“. Ferner Froitzheim, NZV 2018, 109 (116); Ma. Schröder, ZD 2014, 40; Richter, SVR 2018, 134. Vgl. schließlich auch BAG NJW 2010, 104 (107). Teilweise lässt sich dieser Ansatz kaum von der vorherigen Ansicht unterscheiden. 336 Helle, JZ 1991, 929; Froitzheim, NZV 2018, 109 (116). Vgl. auch Bruns, NZFam 2021, 1100 (1102), der ebenfalls auf eine Abwägung rekurriert, aber in der Strafbarkeit einer heimlichen Aufzeichnung gem. § 201a StGB einen Grund für die grundsätzliche Unverwertbarkeit erblickt. 337 Balthasar, in: 16. Jahrestagung der Gesellschaft Junger Zivilrechtswissenschaftler, S. 229 (234).
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achtet dessen kommt dem außerprozessualen Verhalten auch nach dieser Konzeption jedenfalls eine entscheidende Rolle für die Beweisverwertung zu. cc) Anknüpfung an den Erlangungsakt Des Weiteren finden sich vereinzelt Stimmen, die das verfassungsrechtliche Abwägungsmodell ausdrücklich auf die eigeninitiative Beweismittelsuche anwenden und danach fragen, ob das Verhalten des Privaten selbst das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt hat.338 Sei hingegen lediglich ein einfachgesetzlicher Normverstoß – etwa gegen § 242 StGB – festzustellen, könne hieraus kein Beweisverwertungsverbot folgen.339 Allerdings begegnet eine solche Betrachtung bereits aus verfassungsdogmatischer Perspektive erheblichen Bedenken, da die Grundrechte zwischen Privatpersonen nicht unmittelbar gelten, und dem eigeninitiativen Beweismittelsucher folglich auch keine Grundrechtsverletzung vorgeworfen werden kann.340 Darüber hinaus intendiert auch der regelmäßig ins Feld geführte Diebstahlstatbestand den Schutz grundrechtlicher Positionen (Art. 14 GG), so dass eine Differenzierung zwischen verfassungsrechtlichen und lediglich einfachgesetzlichen Verstößen nicht weiterführt.341 Eine streng verstandene Abstufung würde zudem das paradoxe Ergebnis nahelegen, dass es sich zugunsten der Verwertbarkeit auswirkte, wenn der Gesetzgeber eine grundrechtliche Position für besonders schutzbedürftig hält und diese etwa im Rahmen eines strafrechtlichen Verbotstatbestands einfachgesetzlich aus338 Gamp, ZZP 96 (1983), 115 (116); ders., Die Ablehnung von Beweisanträgen im Zivilprozeß, S. 58; ders., DRiZ 1981, 41 (44); Söllner, Der Beweisantrag im Zivilprozeß, S. 197 f. Vgl. aber auch S. 194, wo zusätzlich eine Anknüpfung an den Verwertungsakt begründet wird. Vgl. auch Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622. Ferner Kiethe, MDR 2005, 965 (966), der jedoch auch Schutzzweckerwägungen als relevant einstuft und zudem den Verwertungsakt im Hinblick auf eine erneute Grundrechtsverletzung in Bezug nimmt. Gleichwohl soll der Erlangungsakt einen Grundrechtsverstoß begründen können. Zu den Schutzzweckerwägungen Teil 1, D. II. 3. a). 339 Gamp, Die Ablehnung von Beweisanträgen im Zivilprozeß, S. 58; ders., DRiZ 1981, 41 (43); Gießler, NJW 1977, 1185 (1186); Störmer, JuS 1994, 334 (336). 340 Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 178 f.; Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 86 f.; Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 125. Allerdings müssen diese Thesen mitunter relativiert und in ihren historischen Kontext eingeordnet werden. Denn einst war umstritten, ob die Grundrechte auch im Privatrechtsverhältnis unmittelbar gelten, vgl. Söllner, Der Beweisantrag im Zivilprozeß, S. 198, Fn. 2 für die unmittelbare Drittwirkung von Art. 10 GG. Diese Ansätze können gegenwärtig jedoch als überholt eingestuft werden. Vgl. schließlich Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 207, die weitere Deutungsmöglichkeiten anführt. Gegen eine Begründung aus grundrechtlichen Schutzpflichten Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 19. 341 Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 177 f.; Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 210. Allgemein für das einfache Gesetz Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 43 f.
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gestaltet.342 Schließlich bleibt erklärungsbedürftig, weshalb sich diese außerprozessuale Unterscheidung zwischen verschiedenen Kategorien des Rechtsverstoßes auf die innerprozessualen Beweisverbote auswirken soll.343 dd) Perpetuierungsgedanke Weiter verbreitet sind hingegen solche Stellungnahmen, die nicht allein den privaten Erlangungsakt berücksichtigen, sondern zugleich – oder sogar formal vorrangig – auch die richterliche Verwertungshandlung heranziehen. Sofern die staatliche Verwertung einen erneuten Grundrechtseingriff darstelle und folglich die vorangehende Grundrechtsverletzung durch den Privaten perpetuiere, könne hieraus die Unverwertbarkeit resultieren.344 Auch nach dieser Konzeption beschränkt sich ein etwaiges Beweisverwertungsverbot auf solche Fälle, in denen bereits die eigeninitiative Beweiserlangung unzulässig war.345 Indes bleibt erneut unklar, weshalb die vorhergehende private Beweismittelsuche ihrerseits einen Grundrechtsverstoß begründen soll, so dass sich wiederum dogmatische Bedenken aufdrängen.346 ee) Unklarer Anknüpfungspunkt In weiten Teilen ist schließlich nicht eindeutig zu ergründen, ob die außerprozessuale Beweismittelsuche am Maßstab des zivilrechtlichen oder aber des verfassungsrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu messen ist, da eine terminologische Präzisierung nicht erfolgt.347 Die bloße Inbezugnahme des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vermag gerade keinen Aufschluss darüber zu geben, ob die
342 Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 87; Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 126; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 178; Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 210. 343 Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 177. 344 BGH NJW 1988, 1016 (1016); BAG NJW 2008, 2732 (2734); Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2078); Siegert, NJW 1957, 689 (690); Peters, ZZP 76 (1963), 145 (154). Vgl. auch Dzida/Grau, NZA 2010, 1201 (1202), obschon die Autoren betonen, es sei „unerheblich […], ob das Beweismittel rechtswidrig erlangt worden ist“. 345 Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2078). 346 Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 179 Fn. 865. Teilweise wird insoweit auf eine mittelbare Drittwirkung der Grundrechte verwiesen, vgl. etwa Venetis/Oberwetter, NJW 2016, 1051 (1052). Schließlich Lang, Ton- und Bildträger, S. 134 f., der schon an der wiederholten Persönlichkeitsrechtsverletzung zweifelt. 347 Dies betonen auch: Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 8; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 12; Thole, in: Stein/Jonas, § 286 Rn. 43; ders., in: Prütting-FS, S. 573 (576); Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (317).
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einfachrechtliche oder die grundrechtliche Gewährleistung gemeint ist – und wie sich dies zur prozessualen Ebene verhält. c) Ergebnis Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Abwägungsmodells verdeutlichen die einzelnen, sich teilweise auch überschneidenden Akzentuierungen hinreichend deutlich, dass die Frage der prozessualen Verwertbarkeit regelmäßig nicht gänzlich losgelöst von der materiell-rechtlichen Bewertung der privaten Beweismittelsuche erfolgt. Somit weist die zivilprozessuale Beweisverbotslehre nicht nur Parallelen zur strafprozessualen Begründung auf, sondern teilt auch die dagegen vorgebrachten dogmatischen Bedenken.348 3. Einfachgesetzliche Modelle Die Verfechter des verfassungsrechtlichen Abwägungsmodells stehen regelmäßig auf dem Standpunkt, dass die bloße Verletzung einer einfachrechtlichen Vorschrift für sich betrachtet nicht zur prozessualen Unverwertbarkeit führt.349 Entscheidend sei vielmehr der verfassungsrechtliche Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Im Gegensatz hierzu finden sich unterschiedliche Ansätze, die den materiell-rechtlichen Rechtsverstoß selbst in den Vordergrund rücken und aus diesem auf die prozessuale Ebene schließen wollen. Andere Stimmen untersuchen, inwieweit dem materiellen Recht einzelne Aussagen dazu entnommen werden können, ob das innerprozessuale Verhalten erlaubt oder aber verboten ist. a) Schutzzweck der verletzten Norm Zahlreiche Stimmen in der Diskussion um zivilprozessuale Beweisverbote stützen ihre Argumentation auf den Schutzzweck der Norm, die durch die Privatperson missachtet wurde.350 Entweder soll dieser selbst unmittelbar ein prozessuales Ver348 Dies gilt insb. auch für die mitunter bestehende Unvorhersehbarkeit des Abwägungsergebnisses. Dazu Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivilund Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 64 f.; Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (761); H. Roth, in: Erichsen, Recht der Persönlichkeit, S. 279 (285). A. A. hingegen Kiethe, MDR 2005, 965 (970), der die Flexibilität in den Vordergrund rückt. 349 Störmer, JuS 1994, 334 (336); Gamp, DRiZ 1981, 41 (43). A. A. hingegen Baumgärtel, in: Klug-FS, S. 477 (478). 350 OLG Köln NJW 2005, 2997 (2999); OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799 (2800); Foerste, in: Musielak/Voit, § 286 Rn. 6; Prütting, in: MüKo-ZPO, § 284 Rn. 26; Laumen/Prütting, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, Kap. 6 Rn. 5, 41; Bayreuther, NZA 2005, 1038 (1042); Kaltenmeier, Betriebsverfassungsrechtliches Beweisverwertungsverbot, S. 63 ff.; Reitz, NZA 2017, 273 (277); Saenger, in: Saenger, HK-ZPO, § 286 Rn. 20, obschon
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wertungsverbot begründen,351 oder aber jedenfalls dazu dienen, die einfachrechtlichen Entscheidungsmaßstäbe auf die Verwertungsebene zu transferieren.352 Die relevanten Überlegungen werden regelmäßig mit Gesichtspunkten der Interessenabwägung verbunden,353 so dass sich umfassende Überschneidungen mit dem vorangehenden Lösungskonzept ergeben. Aus einem übergeordneten Blickwinkel betrachtet geht es auch der Schutzzweckkonzeption darum, den privaten Rechtsverstoß – etwa gegen § 242 StGB oder aber das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht – im Kontext der Verwertbarkeitsentscheidung als relevanten Umstand berücksichtigen zu können und eine Brücke zwischen dem materiellen und dem formellen Rechtskreis zu schlagen. Mitunter wird dieser Zusammenhang aus der dienenden Funktion des Prozessrechts abgeleitet.354 Zwar gehört das geschützte Rechtsgut einer Norm zu den elementaren Gesichtspunkten, die Auskunft darüber geben, welche Reichweite eine spezifische Vorschrift einnimmt. Allerdings lässt sich den materiell-rechtlichen Regelungen gerade keine Aussage dazu entnehmen, inwieweit ein Verstoß nicht nur materielle, sondern auch prozessuale Sanktionen – in Form von Beweisverboten – nach sich zieht.355 Im Ausgangspunkt müssen die einfachgesetzlichen Rechtsfolgen, die etwa eine Strafnorm vorsieht, als abschließende Entscheidung des Gesetzgebers anerkannt werden.356 Eine darüber hinausgehende Suche nach etwaigen prozessualen Schutzzwecken setzt sich der berechtigten Kritik aus, diese allein um eines vermeintlich gerechten Ergebnisses willen zu betreiben.357 Schließlich drängt sich die dieser zugleich auch einen erneuten (Grundrechts-)Verstoß im Prozess thematisiert. Zum Schutzzweckkonzept auch Mäsch/Ziegenrücker, JuS 2018, 750 (753). 351 OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799 (2800); Foerste, in: Musielak/Voit, § 286 Rn. 6; Kaltenmeier, Betriebsverfassungsrechtliches Beweisverwertungsverbot, S. 67 bemüht insoweit eine umfassende Interessen- und Güterabwägung. 352 Vor diesem Hintergrund taucht der Schutzzweck der Norm auch häufig im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Abwägungslösung auf. So etwa Thole, in: Stein/ Jonas, § 286 Rn. 51, der den Abwägungsvorgang insoweit strukturieren möchte. Vgl. zum Ganzen Morgenroth, NZA 2014, 408 (409); Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 60 m. w. N.; Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 82. 353 Laumen/Prütting, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, Kap. 6 Rn. 6; Prütting, in: MüKo-ZPO, § 284 Rn. 26. 354 Kaltenmeier, Betriebsverfassungsrechtliches Beweisverwertungsverbot, S. 64 f. 355 Bayreuther, NZA 2005, 1038 (1041); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 191; Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 84; H. Roth, in: Erichsen, Recht der Persönlichkeit, S. 279 (282); Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 162 f.; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377 (389). Ähnlich auch Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 14. Kritisch auch Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (317); Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (765). 356 Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (318). 357 Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 83 betont im Anschluss an Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 60 f. gar die Gefahr, den Schutzzweck nicht zu finden, sondern vielmehr zu
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Frage auf, weshalb die außerprozessuale Rechtsverletzung trotz des grundsätzlichen Trennungsgedankens überhaupt prozessuale Folgen zeitigen soll.358 b) Selbsthilfeverbot Einen „bloße[n] Denkanstoß“, der bislang allerdings kaum aufgegriffen wurde, liefert Weichbrodt, der ein zivilprozessuales Beweisverbot an den Gedanken der grundsätzlich unzulässigen Selbsthilfe knüpft.359 Da das gesetzlich vorgesehene Zivilverfahren der ehedem verbreiteten Selbsthilfe, die eng mit dem Recht des Stärkeren verbunden war, widerspreche, müssten rechtswidrig erlangte Beweismittel, die einen „Akt verbannter, unzulässiger Selbsthilfe“360 darstellten, weitgehend unverwertbar sein. Aus diesem Grund bedürfe es einer differenzierten Betrachtung, da sich die Voraussetzungen, unter denen eine Privatperson nach beweisrelevanten Informationen suche, voneinander unterschieden. Maßgeblich sei demzufolge, das außerprozessuale Verhalten des Privaten daraufhin zu untersuchen, ob dieses überhaupt materiell rechtswidrig oder nicht vielmehr von einem Rechtfertigungsgrund gedeckt ist. Vor diesem Hintergrund verlagere sich das gesamte Problem auf die Rechtswidrigkeitsebene; das umfassende Selbsthilfeverbot verbinde auf diese Weise letztlich das materielle mit dem formellen Recht. Es ist das unbestrittene Verdienst dieses Ansatzes, den Blick ausdrücklich auf die private Beweiserlangung zu richten, ohne diese systemfremd schlicht in die grundrechtliche Abwägung zu integrieren. Darüber hinaus bietet der Rekurs auf das grundsätzliche Selbsthilfeverbot einen dogmatisch nachvollziehbaren Anknüpfungspunkt, um die materiell-rechtlichen Wertungen auf die prozessuale Ebene zu transferieren. Gleichwohl lässt eine solche Betrachtung unberücksichtigt, dass sich die tatsächlichen Umstände, die den Umgang mit einem Beweismittel beeinflussen, ändern können und die prozessuale Beibringung folglich auch unter dem Blickwinkel des Selbsthilfeverbots möglicherweise abweichend zu bewerten ist.361 So ist es durchaus möglich, dass eine Rechtfertigungssituation erst im Laufe des Prozesses entsteht – und somit die Einführung des Beweismittels in das gerichtliche Verhalten erfinden. Kritisch auch Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 82, 205 ff. Ferner Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 286 Teil B Rn. 24, der eine einzelfallbezogene Abwägung vorzieht. 358 Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 57; Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 85; Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 40 f.; Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 174. Teilweise wird insoweit auf den Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB verwiesen, vgl. dazu Baumgärtel, in: Klug-FS, S. 477 (484). Dazu noch Teil 1, D. II. 3. e). 359 Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 196 ff., worauf sich die nachfolgenden Ausführungen allesamt beziehen. 360 Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 195. 361 Auf diese mögliche Änderung der tatsächlichen Umstände hat bereits Otto, in: Kleinknecht-FS, S. 319 (338) hingewiesen. Ferner Betz, RdA 2018, 100 (109 f.).
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nicht von vornherein mit dem privaten Selbsthilfeverbot kollidiert. Indem der unterbreitete Lösungsvorschlag auf solche tatsächlichen Veränderungen nicht angemessen zu reagieren vermag, steht er in einer bedenklichen Nähe zur vermeintlich überwundenen Einheitsthese.362 c) Schadensersatzanspruch als Grundlage des Verwertungsverbots Nach der Vorstellung von Konzen, der ebenfalls an den vorprozessualen Rechtsverstoß des Privaten anknüpft, soll das Verwertungsverbot aus dem zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB resultieren.363 Sofern die eigeninitiative Beweismittelsuche ein geschütztes Rechtsgut des § 823 Abs. 1 BGB – wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder das Eigentum – verletze, stehe dem Geschädigten grundsätzlich ein deliktischer Schadensersatzanspruch zu.364 Beruhe der spätere „Prozessverlust“ kausal auf der Verwertung dieses rechtswidrig erlangten Beweismittels, begründe dies einen Schaden, der allerdings erst mit der Rechtskraft des Urteils eintrete, dann aber nicht mehr ersatzfähig sei.365 Da das Prozessrecht keinen entscheidenden Grund dafür vorbringe, den deliktischen Rechtsschutz zu verkürzen, könne die Rechtsverletzung nur durch ein Beweisverwertungsverbot sanktioniert werden.366 Diesem Lösungsansatz, der sich bislang nicht durchzusetzen vermochte,367 wird insbesondere entgegengehalten, den „Prozessverlust“ auch dann als Schaden i. S. d. §§ 249 ff. BGB einzustufen, wenn die Entscheidung der materiellen Rechtslage entspricht und insoweit „richtig“ ausfällt.368 Derjenige, der im Prozess zu einer Leistung verurteilt wurde, die er auch tatsächlich schuldet, erleidet durch die Niederlage im gerichtlichen Verfahren von vornherein keinen Schaden, da er insoweit
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So Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (373). Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, S. 179 f., 244 ff. 364 Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, S. 180. 365 Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, S. 180. So auch Pleyer, ZZP 69 (1956), 321 (331). Abweichend hingegen Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (762 ff.), der den betroffenen Beweisgegner auf einen Zweitprozess verweist, dessen Gegenstand ein Schadensersatzanspruch ist, der an die rechtswidrige Erlangung des Beweismittels anknüpft. 366 Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, S. 244 ff. Auch insoweit weicht die Konzeption von Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (762 ff.) ab, da dieser zu einer weitgehenden Verwertbarkeit gelangt. 367 Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 203; Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (317). Vgl. auch Werner, NJW 1988, 993 (1001 f.); Betz, RdA 2018, 100 (105). 368 Pleyer, ZZP 69 (1956), 321 (331); Zeiss, ZZP 89 (1976), 377 (388 f.); Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 58; Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (373); Betz, RdA 2018, 100 (105); Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 155; Werner, NJW 1988, 993 (1001 f.); Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 80. Schließlich auch Lang, Ton- und Bildträger, S. 131. 363
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keine Einbuße in seinem Vermögen erleidet.369 Zudem drängt sich auch hier die Frage auf, weshalb der materiell-rechtliche Schadensersatzanspruch unmittelbare prozessuale Auswirkungen zeitigen soll.370 d) Unterlassungsanspruch als Grundlage des Verwertungsverbots Ein neuerer Ansatz sucht die Lösung der Beweisverbotsproblematik ebenfalls im einfachen Recht und knüpft diese an einen Unterlassungsanspruch des Beweisgegners aus § 1004 Abs. 1 BGB.371 Allerdings soll dabei nicht der außerprozessuale Rechtsverstoß des Privaten ausschlaggebend sein, sondern vielmehr die innerprozessuale Beweisführung, die sich ebenfalls an den Normen des Straf- und Zivilrechts messen lassen müsse. Sei dieses Verhalten materiell rechtswidrig, resultiere aus dem Unterlassungsanspruch des Beweisgegners gem. § 1004 Abs. 1 BGB grundsätzlich ein Beweiserhebungsverbot.372 Der Beweisführer könne sich insoweit zwar grundsätzlich auf das Notwehrrecht gem. § 32 StGB berufen, wenn er bezwecke, einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff des Beweisgegners abzuwehren.373 Allerdings sei es ihm unmöglich, die tatsächlichen Voraussetzungen einer Notwehrlage nachzuweisen, da ihm dies allein durch das Beweismittel gelinge, dessen prozessuale Zulässigkeit gerade in Rede steht. Bemerkenswert ist dann vor allem eine Folgeüberlegung: Selbst wenn unter diesen Vorgaben ein Beweiserhebungsverbot bestehe und der entscheidende Richter dieses missachte, folge daraus nicht zwingend ein Beweisverwertungsverbot.374 Denn ergebe sich zu diesem nachgelagerten Zeitpunkt der richterlichen Verwertung, dass der Beweisführer zuvor wahrheitsgemäß ausgesagt und demnach bezweckt habe, einen gegenwärtigen Angriff des Beweisgegners abzuwehren, sei aus der nun maßgeblichen ex post-Perspektive davon auszugehen, dass die Verwendung des Beweismittels gem. § 32 StGB gerechtfertigt sei. Für ein Beweisverwertungsverbot sei dann kein Raum mehr.375
369 Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 187. Hiervon ist die Frage zu unterscheiden, ob der außerprozessuale Rechtsverstoß – abgesehen von der Prozessniederlage – zu weiteren Einbußen geführt hat, die im Wege des Schadensersatzes geltend gemacht werden können. 370 Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 204 bezogen auf ein prozessuales Behauptungsverbot. Ferner Morgenroth, NZA 2014, 408 (410). 371 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 130 f. Kritisch dazu Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 55; Morgenroth, NZA 2014, 408 (409). Teilweise bemüht auch Schwab, in: Hubmann-FS, S. 421 (430 f.) Gedanken eines „Beseitigungsanspruchs“. 372 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 19 ff., 132 ff. 373 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 172 ff. 374 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 206 f. 375 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 207.
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Namentlich dieser zuletzt genannte Gesichtspunkt hat dazu beigetragen, dass diesem Lösungsansatz bislang der Durchbruch verwehrt geblieben ist, weil es schlussendlich dem entscheidenden Richter überlassen wäre, das Beweismittel zu erheben – und durch dieses Verhalten zugleich die prozessuale Verwertbarkeit zu legitimieren.376 Darüber hinaus werden vielfach Zweifel laut, ob dem zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB überhaupt eine prozessuale Relevanz beizumessen ist.377 e) Grundsatz des redlichen Prozessverhaltens: Treu und Glauben Einzelne Stimmen bemühen den Grundsatz von Treu und Glauben, der in § 242 BGB eine gesetzliche Verankerung erfahren hat, um aus diesem auf die prozessuale Unverwertbarkeit von rechtswidrig erlangten Beweismitteln zu schließen.378 Im Ausgangspunkt ist heute weitgehend anerkannt, dass dieses grundlegende Rechtsprinzip nicht allein das materiell-rechtliche Verhältnis betrifft, sondern auch im Prozessrecht gilt und von den Parteien des Zivilverfahrens beachtet werden muss,379 obschon eine explizite verfahrensrechtliche Regelung fehlt.380 Da das Gebot redlichen Prozessverhaltens jedenfalls im Ausgangspunkt sehr vage ist, haben sich unterschiedliche Fallgruppen etabliert, die eine justiziable Struktur schaffen und die Rechtsanwendung erleichtern sollen.381 376
Kritisch zur Konzeption von Reichenbach auch: Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 189; Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 55; Morgenroth, NZA 2014, 408 (409); SeggerPiening, ZZP 132 (2019), 359 (373); Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (751). 377 Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 55. Vgl. schließlich auch Morgenroth, NZA 2014, 408 (409 f.); Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 227 f.; Kodek, in: Kaissis-FS, S. 523 (529). H. Roth, in: Erichsen, Recht der Persönlichkeit, S. 279 (291) spricht sich dafür aus, die zivilrechtlichen Ansprüche nicht in einen laufenden Zivilprozess hineinwirken zu lassen. 378 Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89 (130); ders., in: Klug-FS, S. 477 (477 ff.); ders., Beweislastpraxis im Privatrecht, Rn. 84 ff.; Pleyer, ZZP 69 (1956), 321 (334); LG Frankfurt NJW 1982, 1056; LAG Berlin JZ 1982, 258; Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 201 f.; Lenz/Meurer, MDR 2000, 73 (75). Teilweise auch Roggemann, Das Tonband im Verfahrensrecht, S. 109. 379 BVerfGE 104, 220 (232); BGHZ 20, 198 (206); 43, 289 (292); BGH NJW 2015, 2965 (2966); LG Frankfurt NJW 1982, 1056; Bernhardt, ZZP 66 (1953), 77 (86); Muthorst, Das Beweisverbot, S. 101; Baumgärtel, ZZP 86 (1973), 353; Grüneberg, in: Grüneberg, § 242 Rn. 4; Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, S. 80. Zur zunehmenden Ausdehnung des Grundsatzes von Treu und Glauben Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 164 ff. Schließlich auch Goldschmidt, Der Prozess als Rechtslage, S. 477. 380 Baumgärtel, ZZP 86 (1973), 353. So auch Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 164, zugleich für das ArbGG. 381 Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89 (90); ders., ZZP 86 (1973), 353 (362); Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 183. Dazu auch Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, S. 80. Über die Einschlägigkeit einzelner Fall-
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Im Kontext der Beweisverbote hat zunächst Baumgärtel auf das prozessuale Redlichkeitsverbot hingewiesen.382 Dieses diene vornehmlich dazu, eine Verbindungslinie zwischen dem materiellen und dem Prozessrecht herzustellen; ein Beweisverwertungsverbot könne indes nicht allein mit der rechtswidrigen Erlangung begründet werden.383 Der Autor differenziert im Folgenden zwischen Verstößen gegen verfassungsrechtliche Normen und solche des einfachen Gesetzesrechts. In der erstgenannten Konstellation sei der Rückgriff auf den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben nicht erforderlich, da die Zivilprozessordnung eine sachgerechte Regelung erlaube.384 Entscheidend sei eine Güterabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips, in die die betroffenen Grundrechtspositionen einzustellen seien.385 Stehe hingegen lediglich ein Verstoß gegen einfaches Gesetzesrecht in Rede – wie etwa im Fall einer gestohlenen Urkunde –,386 lasse sich der Zivilprozessordnung jedoch keine Lösung der Verwertungsfrage entnehmen. Deshalb sei der Rückgriff auf den Grundsatz von Treu und Glauben angezeigt, der indes näher konkretisiert werden müsse.387 Sofern der Schutzzweck der verletzten Vorschrift einer prozessualen Verwertung entgegenstehe, müssten sodann die konträren Interessen der Parteien gegeneinander abgewogen werden, um festzustellen, ob eine Verwertung dennoch angezeigt sei. Im Vergleich zu diesem „flexiblen“388 Ansatz erweist sich das umfassend begründete Lösungskonzept von Gemmeke als deutlich einschneidender. Nach dessen Konzeption sei zwar vom überkommenen Trennungsdogma auszugehen, das allerdings nicht absolut gelte, sondern einzelne Durchbrechungen erfahre.389 Diese müssten indes stets in einem spezifischen Zusammenhang mit einer konkreten Vorschrift stehen oder aber im Gesetz angelegt sein. Insoweit diene § 242 BGB als „Transformationsnorm“ und erlaube es, materiell-rechtliche Wertungen auch im prozessualen Kontext zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund sei die Beweisführung mit einem rechtswidrig erlangten Beweismittel rechtsmissbräuchlich und
gruppen im Kontext der Beweisverwertungsverbote bei rechtswidrig gewonnenen Beweisgegenständen besteht ferner Uneinigkeit, siehe nur Betz, RdA 2018, 100 (106). 382 Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89 (130); ders., in: Festschrift Klug, S. 477 (477 ff.); ders., Beweislastpraxis im Privatrecht, Rn. 84 ff. 383 Baumgärtel, in: Klug-FS, S. 477 (479), der sich kritisch gegen die Interpretation von Bökelmann, JR 1971, 67 (68) wendet, der Baumgärtel attestiert, über das Prinzip von Treu und Glauben zur generellen Unverwertbarkeit zu gelangen. 384 Baumgärtel, in: Klug-FS, S. 477 (480); ders., Beweislastpraxis im Privatrecht, Rn. 85. 385 Baumgärtel, in: Klug-FS, S. 477 (480); ders., Beweislastpraxis im Privatrecht, Rn. 86, der zugleich einen abwägungsfesten Kernbereich ablehnt. 386 So explizit Baumgärtel, in: Festschrift Klug, S. 477 (491). 387 Baumgärtel, in: Klug-FS, S. 477 (484); ders., Beweislastpraxis im Privatrecht, Rn. 90. 388 Baumgärtel, in: Klug-FS, S. 477 (491); ders., Beweislastpraxis im Privatrecht, Rn. 107. 389 Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 188 ff.
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Teil 1: Grundlagen
führe zwangsläufig zur prozessualen Unverwertbarkeit.390 Andernfalls zöge der Beweisführer aus seinem rechtswidrigen Verhalten unmittelbare Vorteile.391 In der wissenschaftlichen Diskussion ist das Lösungsmodell, das den Grundsatz von Treu und Glauben bemüht, auf weitreichende Bedenken gestoßen,392 die sich im Wesentlichen aus zwei zentralen Aspekten speisen. Zum einen bewirkt die gewählte Transformation eine Vermischung des materiellen mit dem prozessualen Rechtskreis.393 Hieraus leiten einige Kritiker einen Verstoß gegen das Trennungsdogma ab, da dieses letztlich konterkariert werde, wenn der rechtswidrige Erlangungsakt unweigerlich zur Unverwertbarkeit führe.394 Da die Verfechter des Ansatzes von Treu und Glauben indes gerade aufzeigen, dass sich zwischen dem materiellen und dem formellen Recht einzelne Verbindungslinien ergeben, ist der Einwand einer unzulässigen Vermischung zu pauschal und bedarf einer Präzisierung, die am dogmatischen Kern des Lösungskonzepts ansetzt. Da das Verwertungsverbot aus der unredlichen Prozessführung folgen soll, scheint die prozessuale Nutzung des Beweismittels der maßgebliche Anknüpfungspunkt zu sein. Bei näherem Hinsehen erhellt jedoch, dass die Unredlichkeit – und daran anknüpfend auch die Unverwertbarkeit – letztlich allein mittels des vorangehenden rechtswidrigen Verhaltens 390
Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 201 ff. Für die generelle Unverwertbarkeit auch schon Pleyer, ZZP 69 (1956), 321 (334); ebenso LG Frankfurt NJW 1982, 1056. Schließlich auch Lenz/Meurer, MDR 2000, S. 73 (75), die auf die Arglist rekurrieren. 391 Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 203. Zu diesem Gedanken bereits BGH NJW 1970, 1848 (1849). Kritisch dazu Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 171. 392 Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469 (472 f.); Werner, NJW 1988, 993 (999 f.); Betz, RdA 2018, 100; Peters, ZZP 76 (1963), 145 (150); Prütting, in: MüKo-ZPO, § 284 Rn. 66; Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (750); Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 105; Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 220 f.; Lang, Tonund Bildträger, S. 130 f.; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 170 f.; Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 62; Muthorst, Das Beweisverbot, S. 102; Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 158 ff., der das Merkmal der Unredlichkeit für nach wie vor konkretisierungsbedürftig hält. Ähnlich auch Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 49; Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 286 Teil B Rn. 21. 393 Werner, NJW 1988, 993 (999); Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 40. Auch Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 188 betont expressis verbis, dass der von ihm gewählte Lösungsansatz zwangsläufig zu Konflikten mit dem Trennungsdogma führt. 394 Werner, NJW 1988, 993 (999); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 171. So i. E. auch Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 221; Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 62. Vgl. auch Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, S. 81, der von einem „Systembruch“ spricht. Schließlich Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 51, allerdings bezogen auf den ähnlichen Ansatz, wonach niemand aus seinem rechtswidrigen Verhalten Vorteile ableiten soll.
D. Stand und Defizite der Diskussion
101
begründet wird, das sich außerhalb der prozessualen Sphäre abspielt.395 Hieraus resultiert ein Gleichlauf zwischen der rechtswidrigen Beweisgewinnung durch den Privaten und der nachfolgenden unredlichen Prozessführung.396 Soll aber das Verwertungsverbot tatsächlich aus der unredlichen Prozessführung selbst folgen, bedarf es einer näheren Begründung, warum die unredliche Beweiserlangung zugleich und ausnahmslos ein unredliches Beweisangebot nach sich zieht, das schließlich die prozessuale Unverwertbarkeit bedingt.397 Solange diese Begründung jedoch nicht lückenlos gelingt, bleibt der Einwand bestehen, aus bloßen Billigkeitserwägungen heraus die anerkannten Konsequenzen des Trennungsdogmas abmildern zu wollen.398 Zum anderen lässt sich über das unredliche Verhalten des Beweisführers nicht abschließend urteilen, ohne dabei auch die Vorgehensweise der gegnerischen Partei zu berücksichtigen, da es regelmäßig gerade diese ist, die die eigeninitiative Suche nach Beweismitteln erst auslöst. Sofern der Prozessgegner im gerichtlichen Verfahren die wahren Umstände bewusst leugnet, missachtet er nicht nur die Wahrheitspflicht aus § 138 ZPO, sondern verhält sich (ebenfalls) rechtsmissbräuchlich, so dass sich a priori zwei Rechtsverstöße gegenüberstehen.399 Zwar finden sich zahlreiche Stellungnahmen, die explizit betonen, ein unredliches Verhalten des Prozessgegners dürfe nicht ohne Weiteres unterstellt werden, sondern ließe sich allein anhand des Beweismittels feststellen, dessen Verwertung gerade in Rede stehe.400 Die logische Prüfungsreihenfolge zwinge das Gericht dazu, primär über die Zulässigkeit des Beweismittels zu entscheiden und erst in einem nachgelagerten Schritt zu überprüfen, inwieweit die Behauptungen des Prozessgegners der Wahrheit entsprechen.401 Gerade dieser Umstand, ausschließlich das treuwidrige Verhalten einer
395
Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 220. Teilweise auch Betz, RdA 2018, 100 (106). 396 Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 220 f. 397 In diese Richtung auch Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 158; Muthorst, Das Beweisverbot, S. 102. Schließlich Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 220, die betont, dass für das außer- und das innerprozessuale Verhalten nicht auf dieselben Wertungen abgestellt werden könne. 398 Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 171; Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 51. 399 Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469 (472); Peters, ZZP 76 (1963), 145 (150 f.); Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 105; Gamp, DRiZ 1981, 41 (42). 400 Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 160; Werner, NJW 1988, 993 (999 f.); Pleyer, ZZP 69 (1956), 321 (335). Schließlich auch Zeiss, ZZP 89 (1976), 377 (384). 401 Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 204; Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 48; Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 160.
102
Teil 1: Grundlagen
Partei zu berücksichtigen, trägt jedoch erheblich zur Unzulänglichkeit dieses Lösungsansatzes bei.402 Nach alledem bleibt jedenfalls die Erkenntnis, dass dem außerprozessualen Verhalten auch nach Maßgabe des Grundsatzes von Treu und Glauben entscheidende Bedeutung für ein Verwertungsverbot zukommt. f) Datenschutzrechtliche Lösungsmodelle In jüngerer Zeit mehren sich die Stimmen, die dafür plädieren, das materielle Datenschutzrecht zu bemühen, um zivil- und insbesondere auch arbeitsprozessuale Beweisverbote zu begründen, da dieses das allgemeine Persönlichkeitsrecht einfachgesetzlich konkretisiere.403 Regelmäßig knüpfen diese Ansätze an die richterliche Beweisverwertung an, die dem Datenschutzrecht unterfalle und sich vor diesem Hintergrund auf eine Erlaubnisnorm aus der „Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG“404 (Datenschutzgrundverordnung oder kurz: DSGVO) oder dem BDSG stützen müsse.405 Zwar enthalte die ZPO – wie bereits erwähnt – keine eigenständige Norm, die die Voraussetzungen und Grenzen eines Beweisverbots festlege; allerdings fänden sich im Datenschutzrecht ausreichende Vorgaben.406 Hinter dieser Argumentation steht die kaum bestrittene These, wonach das einfache Recht gegenüber der Verfassung einen Anwendungsvorrang genießt.407 Obschon die datenschutzrechtlichen Erwägungen dogmatisch präzise an den staatlichen Verwertungsakt selbst anknüpfen, soll sich darüber hinaus auch das vorgelagerte außerprozessuale Verhalten des Privaten auswirken, das ebenfalls auf seine Datenschutzkonformität hin untersucht werden müsse.408 Zwischen der pri402
So i. E. auch Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 160 f., der auf den Gesichtspunkt der Gerechtigkeit abstellt. Ferner Peters, ZZP 76 (1963), 145 (150 f.); Werner, NJW 1988, 993 (1000). 403 Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 91 ff. Noch zum BDSG a. F. Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329 (340); Fuchs, ZD 2015, 212 (216); Sander, CR 2014, 292 (296); Bergwitz, NZA 2012, 353 (355). Vgl. zu dieser Wirkung des Datenschutzrechts auch Morgenroth, NZA 2014, 408 (413). 404 Abl. EU Nr. L 119, S. 1. 405 Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 91; Fuchs, ZD 2015, 212 (216); Bergwitz, NZA 2012, 353 (355); Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329 (340). 406 Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 213; Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329 (340). 407 Dazu bereits Reichenbach, AcP 206 (2006), 598 (607). 408 Instruktiv dazu Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 66 f.; ähnlich Bergwitz, NZA 2012, 353 (357). Vgl. schließlich auch BAG NZA 2018, 1329 sowie Böhm/Brahms, NZA 2020, 449 (450).
D. Stand und Defizite der Diskussion
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vaten Erlangung und der späteren prozessualen Nutzung bestünden spezifische Wertungsgleichläufe.409 Die Überzeugungskraft hängt wiederum entscheidend davon ab, inwieweit es gelingt, aus einem materiellen Rechtsverstoß zwingende prozessuale Konsequenzen abzuleiten. 4. Ergebnis zu den zivilprozessualen Beweisverbotsmodellen Die Diskussion um zivilprozessuale Beweisverwertungsverbote ist nach wie vor nicht abgeschlossen. Das vermittelnde Abwägungsmodell, das insbesondere die Rechtsprechung favorisiert, hat sich zwar weitgehend etabliert und erlaubt schlussendlich auch einzelfallgerechte Entscheidungen. Nichtsdestoweniger bleibt weiterhin oftmals ungeklärt, welche Rolle der materielle Rechtsverstoß des Privaten, der eigeninitiativ nach aussagekräftigen Beweismitteln sucht, einnimmt.
III. Gesamtergebnis zum Stand und den Defiziten der Diskussion Die Beweisverbotslehre gründet sowohl im Straf- als auch im Zivilprozess nach den jeweils dominierenden Ansätzen auf einer umfassenden Interessen- und Güterabwägung, die stark von den konkreten Einzelfallumständen geprägt wird. Jenseits dieses noch konsensfähigen Ausgangspunktes verlieren sich die einschlägigen Stellungnahmen in einem undurchsichtigen Konglomerat von privater Beweisgewinnung und staatlicher Beweisverwertung. Ein einheitlicher Lösungsansatz konnte sich bislang weder für das Straf- noch das Zivilverfahrensrecht entwickeln; die einzelnen Konzeptionen wählen dabei unterschiedliche, nicht selten gar konträre Ansatzpunkte und werfen den übrigen Modellen – jedenfalls indirekt – dogmatische Ungenauigkeiten oder fehlende Vorhersehbarkeit vor. Bündelt man die gesamten Unwägbarkeiten, spiegeln sich diese in der Erkenntnis wider, wonach weder im Straf- noch im Zivilverfahren feststeht, ob die prozessuale Verwertbarkeit eines rechtswidrig erlangten Beweismittels den Regelfall oder aber die begründungsbedürftige Ausnahme darstellt.410 Betrachtet man die unterschiedlichen Lösungsvorschläge durch den Filter der hier aufgeworfenen Forschungsfrage, treten zwei essenzielle Gesichtspunkte hervor, die belegen, dass die gegenwärtige Diskussion nach wie vor erhebliche Defizite und Lücken aufweist. Zum einen betrifft dies die eingenommene Perspektive, da sich nahezu sämtliche Konzeptionen darauf festlegen, das eigeninitiative Verhalten des 409 Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 195 ff. Ferner Bergwitz, NZA 2012, 353 (357) für § 6b Abs. 3 BDSG a. F.; Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329 (340). Haustein, in: DSRITB 2016, S. 43 (48) hält einen „generelle[n] Gleichlauf zwischen datenschutzrechtlicher Zulässigkeit und prozessrechtlicher Verwertbarkeit“ für wünschenswert. 410 Reeb, Internal investigations, S. 131 ff., 162; Balthasar, JuS 2008, 35 (39); ferner Prütting, in: MüKo-ZPO, § 284 Rn. 66.
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Teil 1: Grundlagen
Privaten gleichsam retrospektiv aus der prozessualen Warte zu beleuchten. Dieses Vorgehen ist zwar insoweit nachvollziehbar, als sich die einschlägigen Stellungnahmen schwerpunktmäßig auf die prozessrechtliche Frage konzentrieren, ob das entscheidende Gericht ein vorhandenes Beweismittel, das eine Privatperson auf rechtswidrige Weise erlangt hat, verwerten darf. In diesem prozessualen Narrativ stellt das gesetzwidrige Verhalten des eigeninitiativen Beweismittelsuchers eine zentrale Grundannahme für den weiteren Diskurs dar. Um die Bedeutung des außerprozessualen Stadiums angemessen zu berücksichtigen, genügt es jedoch nicht, dieses ausschließlich im Rahmen einer prozessualen Vorüberlegung zu betrachten. Vielmehr ist eine eigenständige rechtliche Bewertung vonnöten – und zwar aus der Perspektive des Privaten, der regelmäßig weit im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens nach relevanten Beweismitteln sucht. Dieser dürfte unabhängig vom prozessualen Schicksal des Beweismittels nicht selten hauptsächlich daran interessiert sein, ob die intendierte Art und Weise der privaten Recherche mit dem geltenden Recht vereinbar ist. Zum anderen leidet die gesamte Debatte sowohl im Straf- als auch im Zivilprozessrecht darunter, dass nach wie vor ungeklärt ist, welche Rolle das außerprozessuale Verhalten des Privaten sowie dessen materiell-rechtliche Bewertung für den gerichtlichen Umgang mit dem Beweismittel spielen. Obschon der Trennungsgedanke als gemeinsame Argumentationsgrundlage weitgehend anerkannt ist, besteht noch immer ein erhebliches Unbehagen, das materielle Unrecht für die Verwertbarkeitsentscheidung gänzlich unbeachtet zu lassen.411 Vor diesem Hintergrund sind die verschiedenen Erklärungsversuche zu sehen, die den Rechtsverstoß des Privaten in die prozessuale Sphäre transferieren und eine Brücke zwischen dem materiellen und dem Prozessrecht schlagen wollen. Diese beiden Aspekte führen dazu, dass das materielle Recht nicht für sich betrachtet, sondern stets in einen prozessualen Zusammenhang gestellt wird. Besonders eindeutig tritt dieser verengte Blickwinkel bei solchen Ansätzen zutage, die sich von vornherein auf Fallgestaltungen beschränken, in denen der Private contra legem gehandelt hat. Hiernach wird der außerprozessuale Rechtsverstoß schlichtweg unterstellt, um ausschließlich die gerichtliche Verwertbarkeit zu erörtern, auf die das materielle Unrecht möglicherweise Einfluss nehmen soll.412 Der außerprozessuale Rechtsverstoß erschöpft sich nach einem solchem Verständnis darin, als Prämisse für die weitere Argumentation zu dienen, die sich dann primär in der prozessualen Sphäre abspielt.
411 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 781. 412 So insb. Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 46; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 4; H. Roth, in: Erichsen, Recht der Persönlichkeit, S. 279 (281); Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 6; Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (747). Dies stellt auch Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 270 fest.
D. Stand und Defizite der Diskussion
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Ist der rechtliche Umgang mit Beweismitteln, die von privater Seite angeboten werden, demnach doch „nur“ ein verfahrensrechtliches Problem, das sich letztlich nach wie vor zwischen den „extremen“ Thesen des Einheits- und des Trennungsmodells bewegt, wobei sich die Schwerpunkte gelegentlich auf dieser Skala verschieben? Eine Antwort auf diese Frage hängt maßgeblich davon ab, ob sich das außerprozessuale Verhalten des Privaten überhaupt abschließend bewerten lässt, ohne dabei prozessuale Erwägungen berücksichtigen zu müssen. Genau diesen Umstand setzt die soeben beschriebene Perspektive jedenfalls implizit voraus: Denn nur, wenn unabhängig von der prozessualen Verwertbarkeit endgültig feststeht, ob eine Privatperson das fragliche Beweismittel auf rechtswidrige Art und Weise gewonnen hat, kann überhaupt danach gefragt werden, inwieweit der entscheidende Richter dieses trotz des materiellen Rechtsverstoßes in den Dienst der Wahrheitsfindung stellen darf. Eine präzise Auseinandersetzung mit den Vorgaben des einfachen Zivil-, Strafund Datenschutzrechts, die auch die möglichen prozessualen Einschläge berücksichtigt, ist bislang kaum zu finden.413 Diese Erkenntnis betrifft indes nicht allein die Ebene der eigeninitiativen Beweismittelsuche, die sich typischerweise im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens abspielt, sondern gleichermaßen auch die nachfolgenden Stufen des innerprozessualen Verhaltens des Privaten und des Richters. Auch in diesem Kontext scheinen mögliche Interdependenzen zwischen dem materiellen Recht und einzelnen prozessualen Wertungen nicht von vornherein ausgeschlossen.
413 Eine partielle Ausnahme stellt insoweit Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 177 ff., 248 ff. dar, der jedoch schwerpunktmäßig die Rechtfertigungsgründe beleuchtet. Im Rahmen des Strafverfahrens geht Paglotke zudem überwiegend auf die Konstellation ein, in der der zu Unrecht Angeklagte versucht, die drohende Verurteilung abzuwenden.
Teil 2
Grenzen der privaten Beweismittelsuche Die vorstehenden Ausführungen haben belegt, dass der private Erlangungsakt – trotz gegenläufiger Postulate – einen maßgeblichen Anknüpfungspunkt darzustellen scheint, um über die prozessuale Verwertbarkeit zu entscheiden. Aus dieser Perspektive ist es nachvollziehbar, wenn allenthalben zwischen rechtmäßig und rechtswidrig erlangten Beweismitteln differenziert wird. Angesprochen ist damit die materiell-rechtliche Bewertung der eigeninitiativen Beweismittelsuche. Nicht selten dürfte eine Privatperson ihre Entscheidung, die Gerichte oder sonstige staatliche Stellen wie Staatsanwaltschaft oder Polizei von einem bestimmten rechtserheblichen Geschehen in Kenntnis zu setzen, davon abhängig machen, inwieweit es ihr gelingt, aussagekräftige Beweismittel zu gewinnen, die schließlich zu höheren Erfolgsaussichten führen. Evident ist dies vor allem im Zivilverfahren, in dem die Parteien regelmäßig vollkommen gegensätzliche Tatsachenbehauptungen vorbringen. Um eine richterliche Entscheidung zu verhindern, die sich auf die allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Beweislast stützt, dürften sowohl der Kläger als auch der Beklagte versuchen, die ihnen günstigen – und gerade aus diesem Grund häufig streitigen – Tatsachen nicht nur vorzutragen, sondern auch zu beweisen. Im Strafverfahren ist ein solcher „Ermittlungsdruck“ des Privaten zwar geringer, weil es grundsätzlich den staatlichen Stellen obliegt, den relevanten Sachverhalt aufzuklären. Nichtsdestoweniger existieren auch insoweit einzelne Szenarien, in denen erst die Nachforschungen durch Private den entscheidenden Impuls liefern. Da sich die eigeninitiative Suche nach aussagekräftigen Beweismitteln – zunächst – außerhalb des prozessualen Raums abspielt, setzen weder das Straf- noch das Zivilverfahrensrecht zu diesem Zeitpunkt spezifische Grenzen.1 Im Ausgangspunkt sind folglich allein die Normen des materiellen Rechts dazu geeignet, die außerprozessualen Recherchemaßnahmen von Privaten als rechtmäßig oder rechtswidrig einzustufen. Bei Lichte besehen lassen sich insoweit drei Kategorien unterscheiden. Zunächst treten die zivilrechtlichen Gesichtspunkte hervor, die insbesondere durch das grundsätzlich weit verstandene allgemeine Persönlichkeitsrecht verkörpert werden (A.). Dem folgt eine Auseinandersetzung mit dem Datenschutzrecht (B.), die angesichts einer stetig wachsenden und auch unionsrechtlich beeinflussten Bedeutung 1 Für das Strafprozessrecht Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 116. Für das Zivilprozessrecht Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 5; Betz, RdA 2018, 100 (103); Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (318).
A. Zivilrecht – Allgemeines Persönlichkeitsrecht
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nahezu unausweichlich erscheint. Schließlich sollen die strafrechtlichen Normen beleuchtet werden (C.), die jedenfalls aus der Perspektive des geschützten Rechtsguts vielfach nicht ohne Anleihen bei den zivilrechtlichen Erkenntnissen auskommen. Um diesem Anliegen zu genügen, soll sich die nachfolgende Darstellung gerade nicht darin erschöpfen, potenziell rechtserhebliche Fallgruppen beziehungslos aneinander zu reihen, sondern vielmehr die übergreifenden Strukturen hervorheben. Ein umfassendes und zudem kohärentes Schutzsystem – so viel soll an dieser Stelle bereits vorweggenommen werden – kann erst durch ein Zusammenspiel von Zivil-, Datenschutz- und Strafrecht entwickelt werden.
A. Zivilrecht – Allgemeines Persönlichkeitsrecht Eine zentrale Rolle als Schranke privaten Handelns kommt seit jeher dem zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu – und zwar nicht allein im Kontext privater Beweismittelsuche, sondern weit darüber hinaus und allen voran im Rahmen der medialen Berichterstattung.2 Trotz dieser rechtstatsächlich gewichtigen Rolle fehlt es nach wie vor an einer spezifischen Verankerung im materiellen Recht, die einzelne Voraussetzungen des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts präzise festlegt und einen Verstoß mit eindeutigen rechtlichen Konsequenzen belegt. Von einer solchen positiven Kodifikation hatte bereits der historische Gesetzgeber bewusst abgesehen3 und hierdurch hauptsächlich der Judikative die Aufgabe übertragen, dieser Rechtsidee justiziable Konturen zu verleihen. In der wissenschaftlichen Debatte haben sich in den vergangenen Jahrzehnten unterschiedliche Schutzinhalte entwickelt, die allesamt darauf abzielen, das weite Anwendungsfeld des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes klarer zu systematisieren. Blickt man auf die eigeninitiative Beweismittelsuche durch Private taucht das allgemeine Persönlichkeitsrecht zwar allenthalben auf – zumeist allerdings erst auf der nachgelagerten Ebene der prozessualen Verwertbarkeit. Allerdings ist in diesem Zusammenhang jedoch die verfassungsrechtliche Gewährleistung angesprochen, die nicht zwangsläufig mit der zivilrechtlichen Schutzposition übereinstimmt. Das außerprozessuale Verhalten des Privaten hingegen muss sich weder an den prozessualen Normen noch – unmittelbar – an den Grundrechten messen lassen, sondern den Vorgaben des materiellen Rechts genügen. Soll eine eigeninitiative Vorge2
Die vielfältigen Anwendungsbereiche des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kommen in den mannigfaltigen Fallgruppen zum Ausdruck, die namentlich von Seiten des Schrifttums seit jeher gebildet werden. Siehe dazu etwa Staake, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 8 Rn. 88 ff. 3 Fuchs/Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht, S. 42; Looschelders, Schuldrecht, Besonderer Teil, Rn. 1234. Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 492 betonen zutreffend, dass sich die verfassungsrechtlichen Grundfesten im vergangenen 20. Jahrhundert stark veränderten und den zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz insoweit beeinflussten.
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Teil 2: Grenzen der privaten Beweismittelsuche
hensweise sonach als rechtmäßig oder rechtswidrig beurteilt werden, bedarf es einer eingehenden Untersuchung, inwieweit das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffen und verletzt ist. Im Bereich des Bildnisschutzes normieren die §§ 22 ff. KUG spezifische Grenzen und Ausnahmen, die gem. § 33 KUG sogar strafbewehrt sind. Allerdings beziehen sich die angesprochenen Vorschriften gerade nicht auf den Aufnahmevorgang als solchen, sondern regeln allein den nachträglichen Umgang mit bereits angefertigten Bildnissen.4 Folglich betreffen die rechtlichen Schranken insoweit ausschließlich den nachfolgenden Verwendungsakt und werden an späterer Stelle illuminiert.5
I. Grundlagen Das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht ist seit der viel zitierten Leserbrief-Entscheidung des BGH6 aus dem Jahr 1954 in Rechtsprechung und Schrifttum weitgehend anerkannt und bildet seit jeher als sonstiges Recht i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB den Gegenstand zahlreicher zivilrechtlicher Auseinandersetzungen.7 Dabei ist es der obergerichtlichen Rechtsprechung in teilweise beeindruckender Art und Weise gelungen, das Persönlichkeitsrecht fortzuentwickeln und diesem diverse Facetten zuzuschreiben, die als rechtliche Reaktion auf die mit der technischen Entwicklung verbundenen neuen Gefahren menschlichen Zusammenlebens begriffen werden können.8 Auf diesem Weg trugen verschiedene Judikate dazu bei, einzelne Bestandteile des persönlichkeitsrechtlichen Schutzes stärker zu akzentuieren, so dass gegenwärtig wohl ein Grundkonsens über die verschiedenen Teilaspekte besteht.9 Gleichwohl bereitet der rechtssichere Umgang mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch mehr als 50 Jahre, nachdem der BGH dieses aus der Taufe hob, erhebliche Schwierigkeiten. Diese beruhen maßgeblich auf der fehlenden positivrechtlichen Ausgestaltung, die unwillkürlich dazu (ver)führt, eine weitläufige Rechtsentwicklung jenseits exakt festgelegter normativer Grenzen voranzutreiben. Ehedem präferierte Reformbestrebungen nach einer gesetzlichen 4
Golla/Herbort, GRUR 2015, 648 (649). Teil 4, C. sowie Teil 5, D. 6 BGHZ 13, 334 (338). Im Anschluss BGHZ 26, 349 (354). Anders noch RGZ 69, 401 (403). 7 Überblicksartig zu den „älteren“ Entscheidungen Caemmerer, in: Hippel-FS, S. 27 (32). Das BVerfG hat die bundesgerichtliche Rechtsprechung in seinem Soraya-Beschluss BVerfGE 34, 269 (281 f.) explizit gebilligt. Zur Deutung dieses zentralen Judikats Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 496. Kritisch zur Einordnung als sonstiges Recht Ehlers, Der Geldersatz für immaterielle Schäden bei deliktischer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 3. 8 Diese Sorge vor der technischen Bedrohung des Persönlichkeitsschutzes ist freilich so alt wie das Persönlichkeitsrecht selbst. Dazu etwa die Ausführungen bei Hubmann, JZ 1957, 521; ferner Damm, in: Heinrichs-FS, S. 115 (116). 9 Vgl. zu dieser Entwicklung insb. Caemmerer, in: Hippel-FS, S. 27 (30 ff.). 5
A. Zivilrecht – Allgemeines Persönlichkeitsrecht
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Fixierung in den §§ 12 ff. BGB blieben insbesondere wegen einer weitläufigen Intervention seitens der Medien erfolglos.10 Und so steht zu Beginn dieses Abschnitts die nüchterne, aber zugleich wichtige Erkenntnis, dass der Persönlichkeitsschutz aus einer modernen Rechtsordnung nicht mehr wegzudenken ist, auch wenn weite Bereiche nach wie vor unscharf sind. 1. Dogmatische Grundlage: Unmittelbare Grundrechtswirkung im Privatrechtsverhältnis? Umso wichtiger ist es deshalb, das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht auf eine präzise dogmatische Grundlage zu stützen, die jedoch angesichts einer Fülle tatsächlicher Bedrohungen für die menschliche Persönlichkeit in praxi zunehmend zu verblassen scheint.11 Das nach wie vor noch ein Stück weit entfernt schwebende Ziel, dem einfachrechtlichen Persönlichkeitsschutz hinreichend klare und justiziable Maßstäbe zu verleihen,12 kann freilich nur dann näher rücken, wenn unzweifelhaft feststeht, auf welchen rechtlichen Pfeilern das Rechtskonstrukt überhaupt steht. Regelmäßig treten insoweit die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG hervor, aus denen unmittelbar auf den zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz rückgeschlossen wird.13 Der bloße Rekurs auf das verfassungsrechtlich anerkannte Persönlichkeitsrecht vermag bei Lichte besehen jedoch nicht zu erklären, auf welche Weise diese grundrechtlichen Wertentscheidungen einfachrechtlich zwischen Privatpersonen wirken und sonach auch vom eigeninitiativ tätigen Beweismittelsucher zu berücksichtigen sind. Im Kontext des zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechts geht es nicht allein darum, einfachrechtliche Vorschriften verfassungskonform auszulegen; vielmehr wird ein eigenständiges und zudem umfassend geltendes Schutzinstitut erst geschaffen. Sonach müssen die spezifischen Einflussnahmen des Verfassungsrechts auf das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht unmissverständlich feststehen. 10
Umfassend Gottwald, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, S. 261 ff.; Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 166 ff.; van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 84 f.; ferner Klass, in: Erman16, Anh. § 12 Rn. 9 m. w. N.; H. Götting, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht, § 1 Rn. 2. Zu arbeitsrechtlichen Kodifikationsversuchen statt aller Renners, Private Investigation und Arbeitsrecht, S. 93 f., der zutreffend auch die Schwierigkeiten einer präzisen gesetzlichen Regelung hervorhebt. 11 Siehe nur Brandner, JZ 1983, 689. 12 Dieses Anliegen durchzieht letztlich alle Aspekte des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes. Neben den rechtsdogmatischen Grundlagen werden auch das Verhältnis von besonderem und allgemeinem Persönlichkeitsrecht sowie die Abwägungsentscheidung von dem Wunsch nach schärferen Konturen geprägt. 13 Sprau, in: Grüneberg, § 823 Rn. 84; BGH NJW 1988, 1016 (1017); LAG Hamm NZARR 2002, 464.
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Teil 2: Grenzen der privaten Beweismittelsuche
Maßgeblicher Ausgangspunkt ist dabei die bereits erwähnte Leserbrief-Entscheidung des BGH, die ungeachtet ihrer wegweisenden Aussagen gleichsam als Quell fortschreitender Rechtsunsicherheiten fungiert. Wenn der I. Zivilsenat dort ausdrücklich betont, das allgemeine Persönlichkeitsrecht müsse „als ein verfassungsmäßig gewährleistetes Grundrecht angesehen werden“,14 legt dies den Schluss einer unmittelbaren Grundrechtsbindung zwischen Privatpersonen nicht nur nahe,15 sondern drängt diesen nachgerade auf.16 In später ergangenen Judikaten verfestigte sich dieser Eindruck einer unmittelbaren Drittwirkung gar noch.17 1957 führte der VI. Zivilsenat des BGH etwa aus, Art. 1 GG und Art. 2 GG begründeten ein „Grundrecht […], das sich nicht nur gegen den Staat und seine Organe richtet, sondern auch im Privatrechtsverkehr gegenüber jedermann gilt“.18 Ein solches Grundrechtsverständnis hätte indes gravierende Auswirkungen auf das zwischenmenschliche Zusammenleben sowie die gesamte Privatrechtsordnung: Gälten die grundrechtlichen Gewährleistungen zwischen gleichermaßen grundrechtsberechtigten Privatpersonen unmittelbar, führte dies insbesondere dazu, die ihnen gewährten Freiheitsrechte stark zu verkürzen.19 Der Einzelne müsste sein gesamtes Verhalten, sobald dieses die Interessen anderer berührt, unmittelbar an den betroffenen Grundrechten seines Gegenübers ausrichten und stünde zudem unter einem Rechtfertigungszwang, der nach der ursprünglichen Konzeption allein den Staat treffen sollte.20 Es nimmt daher kaum wunder, dass diese frühen zivilgerichtlichen Judikate zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht zwar nicht im Ergebnis, aber doch in der Begründung auf erhebliche Kritik stießen.21 In der gegenwärtigen Diskussion um die Wirkungsweise der Grundrechte wird eine unmittelbare Geltung grundsätzlich abgelehnt –22 es sei denn, eine solche ist 14
BGHZ 13, 334 (338). Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 17; Fuchs/Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht, S. 44; Ulrich, Das Recht auf Identität im zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz, S. 16. 16 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (203); H. Götting, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht, § 3, Rn. 5. Anders hingegen van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 83, die hierin eine mittelbare Drittwirkung erkennt. Ebenso Klass, in: Erman16, Anh. § 12 Rn. 2. 17 BGHZ 24, 72 (76 ff.); 26, 349 (354); 27, 284 (285); 30, 7 (10 f.). 18 BGHZ 24,72 (76). 19 Statt aller Epping, Grundrechte, Rn. 346. 20 In diese Richtung H. Ehmann, JuS 1997, 193 (197); Epping, Grundrechte, Rn. 346. 21 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 492 f.; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 144; Fuchs/Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht, S. 44 m. w. N. 22 BVerfGE 152, 152 (185); 148, 267 (280); 73, 261 (269); BAG NJW 2010, 104 (106). So auch Neuner, NJW 2020, 1851 (1852); Epping, Grundrechte, Rn. 346; Klass, in: Erman16, Anh. § 12 Rn. 3; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 493; Canaris, JuS 1989, 161 (162); H. Ehmann, JuS 1997, 193 (197); Jarass, NJW 1989, 857 (858). Teilweise wird eine 15
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expressis verbis angeordnet, wie dies bei der in Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit anzunehmen ist.23 Trotz dieses mittlerweile gefestigten Standpunktes sind auch jüngere Entscheidungen bisweilen von unpräzisen Aussagen zum Verhältnis des einfachrechtlichen zum verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutz geprägt.24 In besonderer Weise trifft das für den hier in Rede stehenden Bereich prozessualer Beweisverbote im Anschluss an eigeninitiative Recherchemaßnahmen zu, in dem – wie gezeigt – vielfach unklar bleibt, an welches Vorgehen (Beweiserlangung oder -verwertung) angeknüpft und an welchen rechtlichen Direktiven (einfaches Recht oder Verfassungsrecht) dieses gemessen werden muss. Die rechtsdogmatische Entwicklung des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts muss – und insoweit ist der bundesgerichtlichen Rechtsprechung beizupflichten – an Art. 1 GG und Art. 2 GG ansetzen, jedoch nicht an deren abwehrrechtlicher Schutzrichtung. Die Grundrechte erschöpfen sich nach gefestigter Judikatur gerade nicht in der Eingriffsabwehr gegenüber dem Staat, sondern dienen auch dem Schutz des Bürgers vor privaten Einwirkungen.25 Solche Schutzpflichten resultieren aus der von den Grundrechten konstituierten objektiven Wertordnung des Grundgesetzes26 und adressieren nicht den einzelnen Bürger, sondern die staatliche Gewalt, die dazu verpflichtet ist, durch geeignete Maßnahmen die grundrechtlich geschützten Positionen auch vor Bedrohungen, die von Privatpersonen ausgehen, zu bewahren.27 Dabei kommt den staatlichen Stellen ein grundsätzlich weiter Gestaltungsspielraum zu, der sich sowohl auf die Art des intendierten Schutzes als auch das konkrete Mittel der Umsetzung erstreckt, an seinen Rändern allerdings durch das „Übermaß-“ sowie das „Untermaßverbot“ begrenzt wird.28 Vorgegeben ist allein das verfassungsrechtlich determinierte Ziel; der dahinführende Weg hingegen muss erst noch beschritten werden.29 unmittelbare Drittwirkung der Menschenwürde aus Art. 1 GG postuliert. Dazu noch Teil 3, B. III. Weitergehend indes Schwab, in: Hubmann-FS, S. 421 (425 f.). 23 BVerfGE 57, 220 (245); BAG NZA 2000, 1294 (1295); Cornils, in: BeckOK-GG, Art. 9 Rn. 40; Neuner, NJW 2020, 1851 (1852). Instruktiv dazu Höfling/Burkiczak, RdA 2004, 263. 24 So etwa LG Hamburg NJW 1989, 1160 (1161), das die Gewährleistungen wohl gleichsetzt. Dazu Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 122. 25 BVerfGE 39, 1 (42 ff.); 88, 203 (251 ff.); Voßkuhle/Kaiser, JuS 2011, 411 (412). 26 BVerfGE 7, 198 (205); 81, 242 (254 ff.). 27 Canaris, JuS 1989, 161 (163); Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 29; Voßkuhle/Kaiser, JuS 2011, 411 (412). 28 BVerfGE 77, 170 (214); 79, 174 (202); 82, 26 (46); 115, 118 (159); Häger, Der formalisierte Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das Strafrecht, S. 54. Larenz/ Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 493 zeigen Alternativmöglichkeiten auf, um den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu genügen. Vgl. zur Bedeutung von Übermaß- und Untermaßverbot im Kontext der Schutzpflichten Neuner, NJW 2020, 1851 (1852). 29 Folglich ist auch sub specie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein ausschließlich zivilrechtlicher Schutz im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB keineswegs zwingend erforderlich, wie insb. die §§ 22 ff. KUG sowie vereinzelte Strafvorschriften (§§ 201, 201a StGB) anschaulich belegen, die allesamt der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1
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Primär adressieren die grundrechtlichen Schutzpflichten die Legislative, die den gebotenen Schutz in Form abstrakt-genereller Gesetze gewährleisten muss.30 Bleibt der Gesetzgeber indes untätig oder genügt den grundrechtlichen Vorgaben nicht hinreichend, ist auch die Judikative dazu aufgerufen, durch Gesetzesauslegung und Rechtsfortbildung dafür zu sorgen, dass der grundrechtlich gebotene Schutz zwischen Privaten wirksam ist.31 Das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht ist vor diesem Hintergrund Ausfluss der grundrechtlichen Schutzpflichten aus Art. 1 GG und Art. 2 GG.32 Partiell ist der Gesetzgeber seinem Schutzauftrag nachgekommen, indem er spezifische Regelungen geschaffen hat, die den einzelnen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts zu dienen bestimmt sind.33 Diese spiegeln die weite Einschätzungsprärogative wider, die den staatlichen Stellen bei der konkreten Ausgestaltung zukommt und diesen etwa die Möglichkeit einräumt, zwischen bloß zivilrechtlichen und strafrechtlichen Verhaltensverboten zu differenzieren.34 Indes ist die Legislative den grundrechtlichen Anforderungen nicht vollumfänglich gerecht geworden, so dass sich der BGH in seiner Leserbrief-Entscheidung berechtigterweise herausgefordert fühlen durfte, dieser Aufgabe nachzukommen35 und ausgemachte Lücken im zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz zu schließen. 2. Verhältnis von verfassungsrechtlichem und zivilrechtlichem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Eng verbunden mit der Frage nach der dogmatischen Grundlage ist diejenige, inwieweit sich das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht mit der verfasGG entfließen. Dazu Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 73 ff. 30 Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 21 f. 31 BVerfGE 34, 269 (287); 81, 242 (155 f.); Canaris, JuS 1989, 161 (163); Klass, in: Erman16, Anh. § 12 Rn. 3 m. w. N. 32 Für die Schutzpflichtkonzeption: Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 29; Klass, in: Erman16, Anh. § 12 Rn. 10; Rixecker, in: MüKo-BGB9, Anh. § 12 Rn. 2; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 493; Canaris, JuS 1989, 161 (169); H. Götting, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht, § 3 Rn. 7. Für eine mittelbare Drittwirkung hingegen KG NJW 1980, 894 sowie wohl Bamberger, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, § 12 Rn. 123. 33 Zu diesen besonderen Persönlichkeitsrechten sogleich Teil 2, A. III. 1. 34 Welche Maximen für den Gesetzgeber bei der Ausfüllung des Gestaltungsspielraums zentral sind, verdeutlicht Häger, Der formalisierte Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das Strafrecht, S. 53 ff. 35 So auch Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 29; Dirnberger, Recht auf Naturgenuss und Eingriffsregelung, S. 110 f. Auch Hubmann, JZ 1957, 521 beklagt einen unzureichenden Schutz durch die gesetzlichen Regelungen.
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sungsrechtlichen Gewährleistung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG überschneidet. Diese „beiden“ Persönlichkeitsrechte stehen – auch wegen der dogmatischen Einordnung des zivilrechtlichen Schutzinstituts – nicht gänzlich beziehungslos nebeneinander. Freilich genügt diese allenfalls vage Andeutung keineswegs, um die spezifischen Interdependenzen zwischen Verfassungs- und einfachem Recht präzise auszuleuchten. Eher drängt sich eine andere Vermutung auf: Die fehlende trennscharfe Abgrenzung der einfachrechtlichen von der verfassungsrechtlichen Gewährleistung bewirkt neuerliche Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung. Besonders deutlich tritt diese Erkenntnis hervor, wenn der Blick auf die bereits dargestellten Beweisverbotslehren fällt: Jedenfalls die Vertreter einer Abwägungslösung, die sowohl in der straf- als auch der zivilprozessualen Diskussion weit verbreitet ist, erheben das allgemeine Persönlichkeitsrecht zum maßgeblichen Anknüpfungspunkt ihres Lösungskonzepts.36 Dabei bleibt jedoch nicht selten unklar, ob die einzelnen Ansätze an das zivilrechtliche oder aber das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht anknüpfen.37 Diese Unklarheit fiele nicht weiter ins Gewicht und könnte als bloße Spitzfindigkeit ohne nennenswerte Auswirkungen abgetan werden, wenn sich die jeweiligen Schutzbereiche von einfachrechtlichem und grundgesetzlichem Persönlichkeitsrecht deckten.38 Inwieweit dies zutrifft, muss unter Rekurs auf die zuvor dargestellte dogmatische Begründung des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts beleuchtet werden, die sonach den tatsächlichen Schutzumfang entscheidend (mit)prägt.39 Bei näherem Hinsehen kann nämlich bereits die hier zugrunde gelegte Schutzpflichtkonzeption erklären, weshalb es gerade nicht zu einer vollumfänglichen Überschneidung von verfassungsrechtlicher und zivilrechtlicher Gewährleistung kommen kann.40 Die grundrechtlichen Schutzpflichten bieten gegenüber der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte den entscheidenden Vorteil, dass sie den privatrechtlichen Besonderheiten hinreichend gerecht werden können.41 Das Verhältnis zweier grundrechtsberechtigter Menschen, die sich auf der Ebene der 36
Dazu Teil 1, D. I. 2. und 3. sowie Teil 1, D. II. 2. Störmer, JuS 1994, 334 (336); Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 123. Dazu wiederum schon Teil 1, D. I. 2. b) und 3. sowie Teil 1, D. II. 2. b). 38 In diese Richtung wohl Hager, in: Staudinger, § 823 C 4 ff. Zu diesem Gedankengang auch Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 14. 39 H. Götting, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht, § 3 Rn. 7. 40 Ähnlich auch H. Götting, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht, § 3 Rn. 7, der zutreffend darauf hinweist, dass eine identische Ausgestaltung nur bei einer unmittelbaren Drittwirkung anzunehmen sei. 41 Hierauf weist letztlich auch Wiese, in: Duden-FS, S. 719 (742) hin, wenn er davon spricht, die inhaltliche Bedeutung der Grundrechte müsse für das Privatrechtsverhältnis modifiziert werden. 37
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Gleichordnung begegnen, wird von wesentlich anderen Faktoren beeinflusst als das Staat-Bürger-Verhältnis, das sich von vornherein durch ein starkes Machtungleichgewicht auszeichnet.42 Diese grundlegenden Unterschiede missachtete man, wenn das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht dieselbe Ausgestaltung erführe wie das verfassungsrechtliche Pendant – und somit eine Rechtslage implementiert würde, die einer unmittelbaren Grundrechtsbindung weitgehend entspräche. Eingedenk dessen streiten dieselben Gesichtspunkte, die einer unmittelbaren Drittwirkung das dogmatische Fundament entziehen, auch gegen die unbefangene Transformation des verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes in das einfache Recht. Zudem divergieren auch die Adressaten der jeweiligen Gewährleistungen,43 so dass zugleich unterschiedliche Interessenkonflikte angesprochen sind: Das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht betrifft unmittelbar allein die staatliche Gewalt und verpflichtet diese, die Grundrechte des Einzelnen nicht zu missachten, während sich die zivilrechtliche Ausformung an den einzelnen Bürger richtet, der mit seinen Mitmenschen interagiert und dabei notwendigerweise mit deren gegenläufigen Interessen in Berührung kommt. Es nimmt folglich kaum wunder, wenn allenthalben die fehlende Gleichsetzungsmöglichkeit hervorgehoben und der präzise Umgang mit den verschiedenen Schutzinstrumenten angemahnt wird.44 Gleichwohl darf nicht vernachlässigt werden, dass die verfassungsrechtlichen Direktiven das materielle Recht durchaus beeinflussen, da andernfalls gewisse Friktionen und Widersprüche kaum vermeidbar wären. Eingang finden die grundrechtlichen Wertungen in das einfache Recht über die gemeinhin anerkannte mittelbare Drittwirkung, die – ähnlich der grundrechtlichen Schutzpflichten – auf der objektiven Wertordnung des Grundgesetzes basiert.45 Danach strahlen die grundrechtlichen Verbürgungen in das einfache Recht aus und 42 Canaris, JuS 1989, 161 (162), der insb. die staatlichen Zwangsbefugnisse hervorhebt; Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, S. 156; Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 14. 43 Störmer, JuS 1994, 334 (336); Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 124. 44 BAG NJW 2010, 104 (106); Rixecker, in: MüKo-BGB9, Anh. § 12 Rn. 5; Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 17; Reeb, Internal investigations, S. 58; Neuner, JuS 2015, 961 (963); van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 77; Sprau, in: Grüneberg, § 823 Rn. 84; Häger, Der formalisierte Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das Strafrecht, S. 30; H. Ehmann, JuS 1997, 193 (197); H. Götting, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht, § 3 Rn. 7; Renners, Private Investigation und Arbeitsrecht, S. 59; Störmer, JuS 1994, 334 (336); Wiese, in: Lorenz-FS, S. 915 (916). Abweichend Brandner, JZ 1983, 689. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive schließlich Jarass, NJW 1989, 857 (858); Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2 Rn. 33. Teilweise kritisch gegen diese so bezeichnete „Eigenständigkeitsthese“ Neumeyer, Person – Fiktion – Recht, S. 51 ff. 45 BVerfGE 7, 198, (205); 25, 256 (263). Zur mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte Epping, Grundrechte, Rn. 347 ff. Vgl. auch Neumeyer, Person – Fiktion – Recht, S. 50 f., der auch insoweit das Konzept der Schutzpflicht sowie zusätzlich das der Abwehrrechte präferiert. Schließlich Neuner, NJW 2020, 1851 (1853 ff.), der die mittelbare Drittwirkung ablehnt.
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prägen sonach dessen Ausgestaltung.46 Der konkrete Einwirkungsmechanismus gleicht dabei ebenfalls dem Schutzpflichtkonzept: Die Grundrechte werden gerade nicht unmittelbar herangezogen, sondern das einfache Recht wird – sofern der Wortlaut nicht evident entgegensteht – in deren Lichte interpretiert. Namentlich Baston-Vogt ist insoweit zuzustimmen, wenn diese betont, es gehe stets um eine Anwendung des einfachen Rechts, nicht hingegen eine solche des Verfassungsrechts selbst.47 Auf diesem Weg wirken Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG auch auf den Schutzumfang des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein, ohne dessen Inhalt jedoch unabänderlich festzulegen. Für den hier untersuchten Bereich der privaten Beweismittelsuche folgt daraus eine zentrale Erkenntnis: Sofern eine Privatperson bei ihrem Vorgehen das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht eines anderen missachtet, führt dies nicht zwangsläufig dazu, dass durch den staatlichen Verwertungsakt zugleich auch die verfassungsrechtliche Gewährleistung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt ist. Einer vollumfänglichen Perpetuierungswirkung kann schon aus diesem Grund nicht das Wort geredet werden.48 3. Zwischenergebnis Das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht ist Ausfluss der grundrechtlichen Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, die sich zwar primär an den Gesetzgeber wenden, aber darüber hinaus auch die Judikative adressieren. Angesichts einer weitreichenden Einschätzungsprärogative, die den staatlichen Stellen zukommt, können die einzelnen Inhalte des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts indes von der verfassungsrechtlichen Gewährleistung abweichen. Nach allem fordert die grundrechtliche Schutzpflicht einen einfachrechtlichen Persönlichkeitsschutz, der in seinem Umfang aufgrund der mittelbaren Drittwirkung von den Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG beeinflusst – aber nicht vollumfänglich vorgegeben – wird. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich allein auf das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht.
46 BVerfGE 34, 269 (280); BAG NJW 2010, 104 (106); Voßkuhle/Kaiser, JuS 2011, 411 (412). 47 Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 30. So auch Klass, in: Erman16, Anh. § 12 Rn. 4; Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 13 f. m. w. N. 48 Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 17.
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II. Schutzinhalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Der Versuch, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einen feststehenden Schutzinhalt zuzuweisen, bleibt von vornherein unvollständig.49 Die Rechtsnatur des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist vielmehr darauf angelegt, gesellschaftliche Entwicklungen aufzunehmen, moderne Bedrohungen zu berücksichtigen und das konkrete Schutzniveau stetig daran anzupassen.50 So stehen Privatpersonen, die sich eigeninitiativ um entscheidungsrelevante Beweismittel bemühen, nach dem gegenwärtigen Stand des technischen Fortschritts gänzlich andere – und deutlich eingriffsintensivere – Möglichkeiten offen als noch vor wenigen Jahren. Diese technischen Errungenschaften begründen nicht allein Chancen für das zwischenmenschliche Zusammenleben, sondern tragen zugleich die Gefahr in sich, dieses in seinen Grundfesten zu erschüttern. In diesem Spannungsfeld, in dem sich konfligierende Rechtspositionen bewegen, dient das entwicklungsoffene allgemeine Persönlichkeitsrecht als ausgleichendes Schutzinstrument.51 Dabei führt das weitreichende Schutzniveau zwar einerseits zu einer flexiblen Reaktionsmöglichkeit auf neue Herausforderungen,52 andererseits resultiert aus den unscharfen Konturen das Risiko eines überbordenden Persönlichkeitsschutzes, der zwangsläufig die Gefahr beinhaltet, die Handlungsfreiräume anderer Personen zu beschränken.53 Mit Blick auf die ergangenen gerichtlichen Entscheidungen und die umfassende rechtswissenschaftliche Diskussion lässt sich durchaus eine grobe Grundvorstellung davon konstatieren, welche Schutzinhalte das zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht umfasst.54 Das Bild setzt sich dabei allerdings aus unzähligen Einzelbestandteilen zusammen, die eindeutigen Aussagen jedenfalls teilweise entgegenstehen. Je näher 49
In diese Richtung auch Ehlers, Der Geldersatz für immaterielle Schäden bei deliktischer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 8; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 23 ff.; Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, S. 131 f., 135, 136; vgl. auch Sprau, in: Grüneberg, § 823 Rn. 84, 86; Teichmann, in: Jauernig, Vor § 824 Rn. 67. Instruktiv dazu, den Schutzbereich zu bestimmen, Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 151 ff. 50 Rixecker, in: MüKo-BGB9, Anh. § 12 Rn. 31; Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, S. 131, 137. Instruktiv bereits Giercke, Deutsches Privatrecht, S. 705. 51 Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, S. 131. Vgl. dazu Damm, in: Heinrichs-FS, S. 115 (116). 52 Klass, in: Erman16, Anh. § 12 Rn. 11. Die enorme Reichweite betont auch Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 93, 96; ferner Hubmann, JZ 1957, 521 (524); Hager, in: Staudinger, § 823 C 16. Vgl. auch BVerfGE 106, 28 (39). 53 Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 96 f.; Rixecker, in: MüKo-BGB9, Anh. § 12 Rn. 32. Für die private Videoüberwachung Bull, JZ 2017, 797 (799 ff.). Auch diese Sorge kann auf eine gewisse Rechtstradition zurückblicken. Vgl. etwa Raiser, JZ 1961, 465 (471 f.); Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, S. 130. 54 Vgl. Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 191; Specht-Riemenschneider, in: BeckOGK-BGB, § 823 Rn. 1184.
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man sich einzelnen Fragestellungen zuwendet, desto verschwommener erscheint das rechtliche Konstrukt in seiner gesamten Gestalt. Um die Rechtsanwendung zu erleichtern, haben sich sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum unterschiedliche Präzisierungsversuche etabliert,55 die zumeist darauf abzielen, einzelne Fallgruppen oder Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts näher zu beschreiben.56 Der BGH weist allerdings unter Rekurs auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung57 ausdrücklich darauf hin, „dass sein Inhalt nicht abschließend umschrieben ist, sondern seine Ausprägungen jeweils anhand des zu entscheidenden Falls herausgearbeitet werden müssen“.58 Diese umfassende Debatte um eine schärfere Kontrastierung nachzuzeichnen, würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen. Aus der hier maßgeblichen Perspektive der privaten Beweismittelsuche steht jedoch ohnehin eine andere Erkenntnis im Vordergrund: Die typischen Vorgehensweisen einer Privatperson, die eigeninitiativ nach aussagekräftigen Beweismitteln sucht, berühren regelmäßig persönlichkeitsrechtliche Schutzpositionen. Denn darüber, dass heimliche Bild- oder Tonaufnahmen sowie verdeckte Lauschangriffe aus der Warte des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes bedenklich sind, bestehen keine ernstlichen Zweifel mehr.59 Ob diese eigeninitiativen Vorgehensweisen endlich am Maßstab des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beurteilt werden müssen, hängt – jedenfalls auch – mit dem Begriffsverständnis der besonderen Persönlichkeitsrechte zusammen.
III. Verhältnis zu besonderen Persönlichkeitsrechten Eingedenk der geschilderten tatbestandlichen Reichweite wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemeinhin als sog. Rahmenrecht bezeichnet.60 Mit dieser 55 Zum Ganzen Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 175 ff.; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 9. 56 Dazu Fuchs/Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht, S. 45. Zur Fallgruppenbildung etwa Looschelders, Schuldrecht, Besonderer Teil, Rn. 1239; Fikentscher/ Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1584 ff.; Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 13 Rn. 9 ff.; Lange, in: Juncker/Beckmann/Rüßmann, jurisPK-BGB, § 823 Rn. 28; SpechtRiemenschneider, in: BeckOGK-BGB, § 823 Rn. 1151, 1184 ff.; Teichmann, in: Jauernig, Vor § 824 Rn. 71 ff.; Staudinger, in: HK-BGB, § 823 Rn. 97 ff.; Staake, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 8 Rn. 88 ff.; Sprau, in: Grüneberg, § 823 Rn. 113 ff. 57 BVerfGE 54, 148 (153 f.). 58 BGH NJW 2020, 770. Zustimmend Sprau, in: Grüneberg, § 823 Rn. 86. 59 Einzelne Stimmen zweifeln lediglich beim Lauschzeugeneinsatz daran, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht der „richtige“ Beurteilungsmaßstab sei. Vgl. zur Diskussion um den Lauschzeugeneinsatz, in der sich verschiedene Standpunkte merklich verschoben haben, Foerste, JZ 1998, 793 (794); Helle, JR 2000, 353 (359). 60 Erstmals wohl Fikentscher, Das Schuldrecht1, S. 619, 625. Aus der Rechtsprechung: BGHZ 207, 163 (170); 181, 328 (338); BGH NJW 2012, 767 (769); NJW 2012, 3645; NJW 2013, 229; NJW 2019, 1881 (1882); NJW 2020, 770; KG NJW 1980, 894; KG NJW-RR 2018, 232 (233). Aus dem Schrifttum: Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1571; Wandt, Ge-
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Einordnung – die auch unter dem Schlagwort des offenen Tatbestands firmiert –61 ist bereits die Grundlage für eine umfassende Interessen- und Güterabwägung gelegt, die erforderlich ist, um bestimmen zu können, inwieweit ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch rechtswidrig ist.62 Betrifft eine menschliche Verhaltensweise den umfangreichen Schutzumfang des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, lässt sich vor diesem Hintergrund zunächst von einer Beeinträchtigung sprechen, wohingegen über die rechtswidrige Verletzung erst nach der Interessenabwägung zu befinden ist.63 Der einfachrechtliche Persönlichkeitsschutz beschränkt sich indes nicht allein auf das Rahmenrecht aus § 823 Abs. 1 BGB, sondern kommt sowohl in zivil- als auch in strafrechtlichen Normen zum Ausdruck. Paradigmatisch sind insoweit etwa die §§ 22 ff. KUG oder aber die §§ 201, 201a StGB. Dabei besteht stillschweigende Einigkeit darüber, dass die Konzeption des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die besonderen Wertungen, die einzelne Vorschriften mit persönlichkeitsrechtlicher Schutzrichtung enthalten, nicht unberücksichtigt lassen darf. Mit dieser einleuchtenden Erkenntnis freilich scheint sich der klare Ausgangspunkt allmählich zu verwässern. So finden sich vielfach Formulierungen, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht als subsidiär einstufen oder aber diesem den Charakter eines bloßen Auffangtatbestands zuweisen.64 Andere hingegen erheben das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu einem übergeordneten Grundsatz, der schließlich in der Bezeich-
setzliche Schuldverhältnisse, § 16 Rn. 60; Wagner, in: MüKo-BGB8, § 823 Rn. 364; van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 110 m. w. N.; Looschelders, Schuldrecht, Besonderer Teil, Rn. 1238 m. w. N.; Klass, in: Erman16, Anh. § 12 Rn. 11; H. Götting, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht, § 1 Rn. 29; Hager, in: Staudinger, § 823 C 15; Balthasar, JuS 2008, 35 (39); Walker/Brox, Allgemeines Schuldrecht, § 45 Rn. 52; Golla/Herbort, GRUR 2015, 648 (650 f.); Bamberger, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, § 12 Rn. 262; Rennicke, NJW 2022, 8 (12). 61 BAG NJW 2010, 104 (106); BGH NJW 2005, 2766 (2770); Sprau, in: Grüneberg, § 823 Rn. 25; H. Götting, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht, § 1 Rn. 2; Teichmann, in: Jauernig, Vor § 824 Rn. 67. Hubmann, JZ 1957, 521 (522) schließlich spricht von einer Generalklausel; ähnlich Caemmerer, in: Hippel-FS, S. 27 (33). 62 BGH NJW 2005, 2844 (2846); NJW 2012, 767 (769) m. w. N.; H. Ehmann, JuS 1997, S. 193; Fuchs/Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht, S. 49; Looschelders, Schuldrecht, Besonderer Teil, Rn. 1238; Gramlich/Lütke, MMR 2020, 662 (662 f.). 63 Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 156 f. Ähnlich Golla/Herbort, GRUR 2015, 648 (651). 64 BGHZ 50, 133 (143); 80, 311 (319); 91, 233 (237 f.). Aus dem Schrifttum: SpechtRiemenschneider, in: BeckOGK-BGB, § 823 Rn. 1152; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 16 Rn. 50; van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 105; Dasch, Die Einwilligung zum Eingriff in das Recht am eigenen Bild, S. 24 spricht partiell von einer Ergänzungsfunktion. Kritisch Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 496 f. Vgl. schließlich Bamberger, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, § 12 Rn. 114, der davon spricht, das allgemeine Persönlichkeitsrecht werde durch die speziellen Persönlichkeitsrechte nicht geschwächt. Ähnlich Rixecker, in: MüKo-BGB9, Anh. § 12 Rn. 26.
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nung als Mutter(grund)recht gipfelt.65 Wiederum andere betonen, es gehe schlichtweg um ein „normales Spezialitätsverhältnis“.66 Vereinzelt geblieben ist indes die Auffassung, wonach dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aufgrund der verfassungsrechtlichen Direktiven der Vorrang gegenüber spezifischen einfachrechtlichen Normen zukomme.67 Nach wie vor ungeklärte Fragen betreffen schließlich das Verhältnis zum Datenschutzrecht, das an dieser Stelle zunächst ausgeklammert bleibt und anschließend gesondert erörtert wird.68 Hinter dieser auf den ersten Blick rein begrifflichen Diskussionsebene verbirgt sich der problematische Kern, der das Verhältnis von allgemeinem und besonderem Persönlichkeitsschutz betrifft und die Frage aufwirft, wie sich das richterrechtlich entwickelte Rechtsinstitut auf die positiven Regelungen auswirkt – und umgekehrt.69
1. Die besonderen Persönlichkeitsrechte Die besonderen Persönlichkeitsrechte bezeichnen einzelne Ausschnitte des umfassenden, allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die eine eigenständige gesetzliche Regelung erfahren haben und sonach expressis verbis festlegen, welche Verhaltensweisen das jeweilige Schutzgut in unzulässiger Weise verletzen.70 Besonders 65 BGHZ 24, 72 (78); 50, 133 (146); Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, S. 174; zustimmend Pawlowski, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 292. Larenz, NJW 1955, 521 (525) spricht von einem Quellrecht. Kritisch dazu Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 101. 66 Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 112; Fuchs/Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht, S. 55. In diese Richtung auch Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 497. 67 Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, S. 172. 68 Dazu Teil 2, B. V. 69 Umfassend dazu Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 27 ff. m. w. N.; ferner Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 81 ff., 104 ff. Auf das Problem weist bereits Hubmann, JZ 1957, 521 (525) hin. Vgl. schließlich Ulrich, Das Recht auf Identität im zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz, S. 20 ff. 70 Zentral insoweit Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 37 ff., der zudem fordert, dass die besonderen Persönlichkeitsrechte als subjektives Recht geschützt sein müssten; ferner Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 16 Rn. 49; van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 86; Fuchs/Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht, S. 42; Sprau, in: Grüneberg, § 823 Rn. 85. Neuner, JuS 2015, 961 (963), H. Götting, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht, § 11 Rn. 1 und Klass, in: Erman16, Anh. § 12 Rn. 12 rechnen hingegen nur die bereits vor der Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts normierten Rechte zu den besonderen Persönlichkeitsrechten. Ein abweichendes Verständnis legt auch Forkel, in: Hubmann-FS, S. 93 (100) zugrunde. Schließlich Larenz, NJW 1955, 521 (525). Kritisch zu dem von Helle geprägten Begriffsverständnis Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 105 f.; ferner Rixecker, in: MüKo-BGB9, Anh. § 12 Rn. 28. Den Begriff zog bereits das RG im Jahre 1908 heran, RGZ 69, 401 (403), allerdings in anderer Intention, wie etwa Dasch, Die Einwilligung zum Eingriff in das Recht am eigenen Bild, S. 4 Fn. 14 betont.
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augenscheinlich wird dies bei einem Blick auf die §§ 22 ff. KUG, die sich mit der Verbreitung von Bildnissen befassen und mit dem Recht am eigenen Bild einen Belang schützen, der auch im allgemeinen Persönlichkeitsrecht verankert ist.71 Durch das Zusammenspiel von Unrechtstatbestand (§ 22 KUG) und Ausnahmen (§§ 23 f. KUG) hat der Gesetzgeber spezifische Konturen implementiert, anhand derer überprüft werden kann, ob eine bestimmte Verhaltensweise contra legem erfolgt; auf den ansonsten anzustellenden Interessenausgleich kommt es dabei – jedenfalls im Ausgangspunkt – nicht an.72 Die Rechtswidrigkeit wird mithin nach der im Deliktsrecht gängigen Praxis indiziert.73 Vergleichbare Aussagen lassen sich auch für solche besonderen Persönlichkeitsrechte treffen, die einen strafrechtlichen Schutz erfahren haben.74 Hierzu rechnen insbesondere die §§ 201, 201a StGB, die neben dem bereits genannten Recht am eigenen Bild (§ 201a StGB) auch das Recht am eigenen Wort (§ 201 StGB) schützen75 und von Brunhöber als sog. Privatschutzdelikte bezeichnet werden.76 Für das Begriffsverständnis und den weiteren Umgang mit dem einfachrechtlichen Persönlichkeitsschutz ist dabei entscheidend, dass zu den besonderen Persönlichkeitsrechten nur solche Schutzinstitute zählen, die im allgemeinen Persönlichkeitsrecht wurzeln und diesem unterfielen, wenn der Gesetzgeber auf eine spezifische Norm verzichtet hätte. Die besonderen Persönlichkeitsrechte zeichnen sich nach allem gerade dadurch aus, dass über ihre Verletzung ohne einen umfassenden Interessenausgleich befunden werden kann, den insoweit der Gesetzgeber seinerseits in abstrakter Weise vorgenommen und dem besonders geschützten Recht dabei grundsätzlich den Vorrang eingeräumt hat.77 Hieraus folgt zugleich, dass mit den besonderen Persönlichkeitsrechten gerade nicht die Unterkategorien des Rahmenrechts aus § 823 Abs. 1 BGB oder aber dessen häufig gebildete Fallgruppen gemeint sind. Wenn in
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Explizit BGHZ 131, 332 (336); Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 46 m. w. N.; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 144; Klass, in: Erman16, Anh. § 12 Rn. 167. 72 Dasch, Die Einwilligung zum Eingriff in das Recht am eigenen Bild, S. 4 f. m. w. N.; Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 80. Freilich darf dabei nicht übersehen werden, dass auch § 23 KUG eine Abwägung fordert, diese allerdings explizit anordnet. 73 Dasch, Die Einwilligung zum Eingriff in das Recht am eigenen Bild, S. 13; H. Ehmann, JuS 1997, 193 (199). 74 van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 85 f. betont ausdrücklich, dass auch diese zu den besonderen Persönlichkeitsrechten zählen. Instruktiv zu § 201 StGB auch Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 232 f. 75 Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 232 ff. 76 Brunhöber, GA 2010, 571 (580). 77 Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 38; Dasch, Die Einwilligung zum Eingriff in das Recht am eigenen Bild, S. 5; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 145.
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deren Kontext ebenfalls vom Recht am eigenen Bild oder Wort gesprochen wird,78 überhöht dies nicht nur die Bedeutung der bloßen Fallgruppe, sondern leistet einer terminologischen Undurchsichtigkeit nicht unerheblich Vorschub.79 Im Rahmen dieser Untersuchung meint der Begriff des besonderen Persönlichkeitsrechts daher stets nur die einfachgesetzlich umschriebene Schutzposition, ohne aber einzelne Fallgruppen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu benennen. 2. Problemfälle Das – umfassendere – allgemeine Persönlichkeitsrecht darf diese legislatorischen Wertentscheidungen nicht ignorieren, sondern muss diese vielmehr in das eigene Schutzkonzept integrieren. Verflechtungen treten dabei in zwei unterschiedlichen Facetten auf: Zum einen entstehen Fallgestaltungen, in denen eine Privatperson die besonderen Schutzgesetze – etwa § 201 StGB – in vorsätzlicher und rechtswidriger Weise missachtet. Insoweit stellt sich die Frage, inwiefern ein Rückgriff auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus § 823 Abs. 1 BGB möglich und unter welchen Voraussetzungen dieses – neben dem besonderen Persönlichkeitsrecht – ebenfalls verletzt ist. Zum anderen bereiten Konstellationen erheblichen Diskussionsbedarf, in denen besondere Persönlichkeitsrechte zwar ihrem Schutzanliegen nach betroffen sind, das konkrete Vorgehen jedoch nicht gegen die spezifischen tatbestandlichen Verhaltensanforderungen verstößt. a) Vorrang der besonderen Persönlichkeitsrechte? Entscheidend dafür, wie sich der Verstoß gegen spezialgesetzliche Vorschriften auf das Rahmenrecht aus § 823 Abs. 1 BGB auswirkt, ist die Interdependenz zwischen allgemeinem und besonderem Persönlichkeitsrecht. In praxi wirft diese Frage nur selten Schwierigkeiten auf, da die dem Persönlichkeitsschutz verschriebenen Regeln regelmäßig Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB darstellen,80 „so daß es des Rückgriffs auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht insoweit eigentlich nicht bedarf“.81 Ein ähnliches Ergebnis erzielen diejenigen, die die besonderen Persönlichkeitsrechte ihrerseits als sonstige Rechte i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB einordnen und sonach ebenfalls nicht in Verlegenheit geraten, das allgemeine Persönlichkeitsrecht
78 So etwa Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 63, 83; Rixecker, in: MüKo-BGB9, Anh. § 12 Rn. 142. 79 Helle, JZ 1988, 309. 80 So auch Hager, in: Staudinger, § 823 Rn. C 150. Für § 201 Abs. 1 StGB Neuner, JuS 2015, 961 (965). 81 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 505; ähnlich Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 16 Rn. 51. In eine ähnliche Richtung weist auch BGHZ 30, 7 (11).
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(zusätzlich) beleuchten zu müssen.82 Indes setzen die Begründungen regelmäßig allein an den potenziell einschlägigen Anspruchsgrundlagen an, ohne aber zu erhellen, wie sich die besonderen Persönlichkeitsrechte dogmatisch zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht verhalten.83 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht intendiert einen ganzheitlichen Schutz der menschlichen Persönlichkeit und gewährt dem Einzelnen einen weitgehend von fremder Einflussnahme unberührten Raum, in dem sich dieser seinen persönlichen Vorstellungen entsprechend entfalten kann. Diese umfassende und dementsprechend unkonkrete Gewährleistung wiederum erfährt in den besonderen Persönlichkeitsrechten spezifischen Ausdruck, die folglich jeweils Teilausschnitte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts konkretisieren.84 Allgemeines und besonderes Persönlichkeitsrecht stehen dabei nicht beziehungslos nebeneinander, sondern entstammen beide der grundrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und verfolgen denselben verfassungsrechtlich gebotenen Zweck.85 Kommt indes dem Rahmenrecht aus § 823 Abs. 1 BGB die umfassendere Schutzfunktion zu, folgt daraus zwangsläufig, dass sich die besonderen Persönlichkeitsrechte in ihrem Anwendungsbereich stets mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht überschneiden.86 Zwischen den Gewährleistungen besteht folglich ein unweigerlicher Konnex, der zwischen einer spezifischen Entität zu einem übergeordneten Ganzen üblich ist. Aus dieser Überlegung lässt sich dann eine zwingende Schlussfolgerung ableiten: Die Verletzung des besonderen Persönlichkeitsrechts beinhaltet stets auch einen Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht,87 ohne dass es auf die sonst anzustellende umfassende Güterund Interessenabwägung ankommt.88 82 Für das Recht am eigenen Bild Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 393. Diesen Weg deutet auch Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 145 an; ferner Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 234 f. 83 Allein auf die Anspruchsgrundlagen stellt etwa BGHZ 80, 311 (319) ab. Letztlich auch Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 145 f. 84 Neuner, JuS 2015, 961 (963); ders., Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 13 Rn. 2; Fuchs/Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht, S. 65; ähnlich Golla/ Herbort, GRUR 2015, 648. 85 Dazu schon Teil 2, A. I. 1. So im Ausgangspunkt auch Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 111, obschon diese sodann konstatiert, die Gewährleistungen seien unabhängig voneinander. Ähnlich auch Schack, GRUR 1985, 352 (353). 86 Anders hingegen Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 111 f., die einen solchen Automatismus ablehnt, gleichwohl Überschneidungen aber nicht für ausgeschlossen hält. So auch Schack, GRUR 1985, 352 (353); ferner H. Ehmann, JuS 1997, 193 (199). 87 Dies legt auch BGH NJW 1996, 985 (986) nahe. Der VI. Zivilsenat geht hier davon aus, „dass die Bekl. durch die Veröffentlichung der Fotos des Kl. dessen Recht am eigenen Bild und damit das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kl. verletzt hat“ und stellt sonach eine unmittelbare Beziehung der Persönlichkeitsrechte zueinander her.
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Diese Kontextualisierung verfolgt keineswegs (nur) das für sich betrachtet kaum erstrebenswerte Ziel, die mit gewissen Unwägbarkeiten verbundene Interessenabwägung zurückzudrängen,89 sondern ist unmittelbarer Ausfluss eines legislatorischen Votums. Die gesetzlich festgelegten Teilaspekte eines von Verfassungs wegen umfassend zu schützenden Persönlichkeitsrechts müssen herangezogen werden, wenn es darum geht, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht schärfere Konturen zu verleihen.90 Insoweit ist es dann auch zutreffend, die besonderen Schutzinstitute als vorrangig einzustufen, da diese das generalklauselartige Rahmenrecht aus § 823 Abs. 1 BGB unmittelbar beeinflussen. b) „Sperrwirkung“ der besonderen Persönlichkeitsrechte? Die gleichsam umgekehrte Situation liegt vor, wenn die eigeninitiative Beweismittelsuche zwar das geschützte Rechtsgut eines besonderen Persönlichkeitsrechts tangiert, dessen Unrechtstatbestand im konkreten Fall allerdings nicht verletzt. Ausschlaggebend hierfür ist der notwendigerweise klar umrissene Umfang der besonderen Persönlichkeitsrechte, die sonach bereits per definitionem unvollständig bleiben müssen und nicht alle potenziell relevanten Gefahrenlagen erfassen können. Exemplarisch kann wiederum die Strafvorschrift des § 201 StGB herangezogen werden, die nach Abs. 2 S. 1 Nr. 1 das Belauschen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes mittels eines Abhörgeräts pönalisiert. Ungeachtet der nach wie vor schwelenden Diskussion um das vorzugswürdige Verständnis des Abhörgeräts erfasst der Tatbestand denjenigen ersichtlich nicht, der fremde und nicht zu seiner Kenntnis bestimmte Gespräche ohne jegliche Hilfsmittel heimlich mithört. Mangels anderer spezifischer Verbotsnormen kann allein das allgemeine Persönlichkeitsrecht die auftretenden Schutzlücken schließen. Inwieweit ein solcher Rekurs auf die Gene88 Die Folge spricht allein Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 106 f. explizit aus, obschon sie dieses Ergebnis im Folgenden ablehnt. Partiell Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 40 f., 67. Vage in diese Richtung Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 146, der indes betont, entscheidend sei allein, dass § 823 Abs. 1 BGB herangezogen werden könne, ohne einen Interessenausgleich vornehmen zu müssen, sofern ein besonderes Persönlichkeitsrecht verletzt sei. Unbeantwortet bleibt indes, ob dieses Ergebnis mittelbar über das allgemeine oder aber unmittelbar über das besondere Persönlichkeitsrecht erzielt werden muss. An das allgemeine Persönlichkeitsrecht knüpft etwa Canaris, JuS 1989, 161 (171) an, freilich ohne die besonderen Persönlichkeitsrechte zu beleuchten. Vgl. schließlich auch Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 85 f., Renners, Private Investigation und Arbeitsrecht, S. 102 sowie Reeb, Internal investigations, S. 61, die auf eine Interessenabwägung im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verzichten, sofern das Verhalten eine „tatbestandsmäßige, rechtswidrige Straftat“ darstellt. Eine solche zwingende Interdependenz von allgemeinem und besonderem Persönlichkeitsrecht lehnt H. Ehmann, JuS 1997, 193 (199) ab. 89 Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 107 spricht davon, dem Rechtsanwender diese Abwägung zu „ersparen“. 90 In diese Richtung auch Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, S. 173 f.
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ralklausel aus § 823 Abs. 1 BGB möglich ist, hängt entscheidend davon ab, ob die das besondere Persönlichkeitsrecht betreffende Norm abschließend ist.91 Freilich betrifft dieser Konflikt nicht allein das Verhältnis von § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht, sondern tritt auch an weiteren Schnittstellen zum besonderen Persönlichkeitsrecht auf.92 Da die besonderen Persönlichkeitsrechte darauf abzielen, den Persönlichkeitsschutz in einem spezifischen Bereich zu stärken, ohne dabei das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu schwächen, streitet ein erster Anschein stets gegen eine umfassende Sperrwirkung.93 Denn der Persönlichkeitsschutz erführe letztlich erhebliche Einbußen, wenn etwa heimliche Lauschaktionen, die (noch) nicht die tatbestandliche Schwelle des § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB erreicht haben, von vornherein nicht geeignet wären, das Rahmenrecht aus § 823 Abs. 1 BGB zu verletzen. Es bestünden in diesem Kontext zudem nur zwei rechtliche Kategorien, in die sich eine solche private Beweismittelsuche einordnen ließe: Neben dem strafrechtswidrigen gäbe es ausschließlich das rechtmäßige Belauschen fremder Gespräche, ohne aber die „Zwischenstufe“ eines schlicht zivilrechtswidrigen Vorgehens bemühen zu können.94 Der weitläufige Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht resultiert aus der erwähnten objektiven Wertordnung des Grundgesetzes. Bleiben die besonderen Persönlichkeitsrechte indes stets nur fragmentarisch,95 kann der bezweckte ganzheitliche Persönlichkeitsschutz nur erreicht werden, wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht auftretende Schutzlücken grundsätzlich schließt.96 Ganz in diesem Sinne betont auch Baston-Vogt, dass eine „abschließende Regelungsabsicht“ des Gesetzgebers nur selten anzunehmen sei.97 Vor diesem Hintergrund bleibt 91
Neuner, JuS 2015, 961 (963); Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 497; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 152 m. w. N. Vgl. schließlich auch Sprau, in: Grüneberg, § 823 Rn. 85. 92 Zum Namensrecht und § 12 BGB etwa BGHZ 30, 7 (11). Ferner stellt sich etwa die Frage, ob § 823 Abs. 1 BGB fahrlässige Ehrverletzungen, die den §§ 185 ff. StGB und folglich zugleich auch § 823 Abs. 2 BGB nicht subsumiert werden können, erfasst. Dazu etwa Fuchs/ Pauker/Baumgärtner, Delikts- und Schadensersatzrecht, S. 47. 93 Klass, in: Erman16, Anh. § 12 Rn. 12. 94 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 152. 95 Den unvollständigen Schutz problematisiert auch Neuner, JuS 2015, 961 (965). Siehe ferner Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 80. Abweichend hingegen Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 146 f. Fn. 43, der in den §§ 298, 353d StGB a. F. eine abschließende und demnach gerade nicht fragmentarische strafrechtliche Regelung erkennt. 96 Zur lückenfüllenden Funktion bereits BVerfGE 34, 269 (281); Giercke, Deutsches Privatrecht, S. 705; Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, S. 131. In diese Richtung auch van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 112 für die Bildnisherstellung. Klass, in: Erman16, Anh. § 12 Rn. 12 lehnt eine Sperrwirkung sogar gänzlich ab. Ähnlich H. Götting, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht, § 11 Rn. 14; Hager, in: Staudinger, § 823 C 150; Neumeyer, Person – Fiktion – Recht, S. 55. 97 Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 108; ähnlich Hager, in: Staudinger, § 823 C 149.
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in den Fällen einer eigeninitiativen Beweismittelsuche stets der Rekurs auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht möglich.98
IV. Interessenabwägung Das Herzstück des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts bildet seit jeher eine umfassende Interessen- und Güterabwägung, deren Zweck darin begründet liegt, einzelfallgerechte Resultate zu erzielen.99 Diese Charaktereigenschaft ist auf den umfangreichen Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zurückzuführen und findet in der Einordnung als Rahmenrecht eine begriffliche Umschreibung. Im Unterschied zu den besonderen Persönlichkeitsrechten enthält das allgemeine Persönlichkeitsrecht keine präzisen tatbestandlichen Voraussetzungen, so dass eine rechtswidrige Verletzung grundsätzlich nur nach Maßgabe einer einzelfallgeprägten Abwägung festgestellt werden kann.100 1. Verzicht auf die Interessenabwägung Trotz dieses gefestigten Ausgangspunktes mehren sich im Schrifttum die Stimmen, die auf den Interessenausgleich verzichten wollen, um ein höheres Maß an rechtssicheren und insbesondere vorhersehbaren Entscheidungen zu erreichen.101 An 98
Anders Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 147 Fn. 43. Instruktiv bereits BGHZ 24, 80. Zur Einordnung Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 154; Specht-Riemenschneider, in: BeckOGK-BGB, § 823 Rn. 1153; Teichmann, in: Jauernig, Vor § 824 Rn. 67. Instruktiv zur methodischen Einordnung der Interessen- und Güterabwägung Larenz, in: KlingmüllerFS, S. 235 ff. 100 Specht-Riemenschneider, in: BeckOGK-BGB, § 823 Rn. 1153; Staudinger, in: HKBGB, § 823 Rn. 91, 104. Ob diese Abwägungsentscheidung auf der Tatbestands- oder der Rechtfertigungsebene zu erfolgen hat, soll hier nicht weiter untersucht werden. Für eine Berücksichtigung bereits im Rahmen der tatbestandlichen Verletzung Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1584; Arzt, JZ 1971, 388 (390). Hingegen scheint die wohl überwiegende Auffassung die Interessenabwägung erst im Kontext der Rechtswidrigkeit anzusprechen. Infolgedessen indiziere ein tatbestandsrelevantes Verhalten nicht gleichsam automatisch die Rechtswidrigkeit. Vielmehr müsse diese im Einzelfall positiv begründet werden. Dazu OLG Frankfurt NJW 1987, 1087 (1088); Walker/Brox, Allgemeines Schuldrecht, § 45 Rn. 52; Looschelders, Schuldrecht, Besonderer Teil, Rn. 1238; Sprau, in: Grüneberg, § 823 Rn. 95; Kopke, NZA 1999, 917 (918); Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 498; Froitzheim, NZV 2018, 109 (110). In diese Richtung wohl auch H. Götting, in: Götting/Schertz/ Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht, § 1 Rn. 2. Vgl. schließlich auch Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 16 Rn. 60; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 294; ders., JZ 1988, 309, wonach die Gesichtspunkte der Tatbestandsmäßigkeit und der Rechtswidrigkeit ineinander übergingen. Ähnlich Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 154; schließlich Teichmann, in: Jauernig, Vor § 824 Rn. 84. 101 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 498 f.; Canaris, JuS 1989, 161 (170); H. Götting, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht, § 1 Rn. 2; Forkel, in: 99
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dessen Stelle trete das deliktsrechtlich anerkannte Dogma, wonach tatbestandsmäßiges Verhalten grundsätzlich die Rechtswidrigkeit indiziere.102 Dahinter steht der Gedanke, dass sich das ehedem konturenschwache und in seiner tatbestandlichen Weite unbestimmte allgemeine Persönlichkeitsrecht mittlerweile in hinreichend klar voneinander abgrenzbare Tatbestände und Fallgruppen untergliedern lasse, weshalb es einer unrechtsbegründenden Abwägung regelmäßig nicht mehr bedürfe. Dieser These ist jedenfalls dann uneingeschränkt zuzustimmen, sofern sie sich auf das Verhältnis des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu den gesetzlich explizit niedergelegten Ausformungen bezieht. Nach der hier zugrunde gelegten Konzeption indiziert der Verstoß gegen ein besonderes Persönlichkeitsrecht zugleich die rechtswidrige Verletzung des generalklauselartigen Rahmenrechts aus § 823 Abs. 1 BGB. Demzufolge sind also durchaus Fallgestaltungen denkbar, in denen über eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entschieden werden kann, ohne abwägende Gesichtspunkte bemühen zu müssen.103 Indes bleiben die Verfechter einer stärkeren Unrechtsindikation nicht bei den gesetzlich ausdrücklich untersagten Persönlichkeitsbeeinträchtigungen stehen, sondern stufen auch jenseits dessen einzelne Verhaltensweisen als per se persönlichkeitsverletzend und rechtswidrig ein. Die mittlerweile äußerst umfangreiche Diskussion um einzelne Präzisierungsversuche des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann diese Untersuchung freilich nicht erschöpfend abbilden. Nichtsdestoweniger sollen die zugrunde liegenden Gedanken anhand der spezifischen rechtlichen Vorgaben, die an die eigeninitiative Beweismittelsuche zu stellen sind, daraufhin überprüft werden, ob diese auf einer validen Grundlage stehen. Neben den Fällen, in denen es einer Interessenabwägung Hubmann-FS, S. 93 (94 ff., 105); Rixecker, in: MüKo-BGB9, Anh. § 12 Rn. 32; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 153; Amelung/Tyrell, NJW 1980, 1560 (1561). In diese Richtung bereits H. Ehmann, JuS 1997, 193 (196), obschon dieser wohl auch in den Fällen klarer umrissener Tatbestände zunächst an einer Einzelfallabwägung festhielt. Hintergrund dürfte insoweit eine „doppelte“ Schutzkonstruktion sein, die eine Abwägung sowohl auf Schutzbereichs- bzw. Tatbestandsebene als auch im Rahmen der Widerrechtlichkeit verlangt. Zuletzt noch H. Ehmann, in: Erman10, Anh. § 12 Rn. 60 ff. Später dann indes eindeutiger zugunsten einer weitgehenden Unrechtsindikation ders., in: Erman11, Anh. § 12 Rn. 7 sowie ders., in: Erman12, Anh. § 12 Rn. 7. Zum ganzen schließlich Damm, in: HeinrichsFS, S. 115 (137), der pointiert von einem nunmehr zurückschlagenden Pendel hin zu mehr Rechtssicherheit spricht. Obschon diese Tendenzen immer stärkeren Zuwachs verbuchen können, klassifiziert Hager, in: Staudinger, § 823 C 17 diese nach wie vor als Mindermeinung. Vorgelagert – indes ohne einen generellen Verzicht auf die Interessenabwa¨ gung – knüpft auch Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 165, 203 ff. an, um bereits den abstrakt-generellen Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu konturieren. Dieser vorangehende Bereich bleibt im Rahmen dieser Untersuchung unbeleuchtet, da jedenfalls die hier diskutierten Maßnahmen der privaten Beweismittelsuche unstreitig in den Anwendungsbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fallen und eine darüberhinausgehende – freilich in praxi notwendige – Präzisierung des Schutzumfangs dahinstehen kann. 102 Vgl. Wiese, in: Duden-FS, S. 719 (724); ders., in: Lorenz-FS, S. 915 (919). 103 Ob es eines Rückgriffs auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht in diesen Fällen überhaupt bedarf, ist freilich eine andere Frage.
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deshalb nicht bedarf, weil ein besonderes Persönlichkeitsrecht tatbestandlich verletzt ist, treten dabei solche Konstellationen hervor, in denen das Verhalten des privaten Ermittlers zwar in die Nähe einer besonderen Persönlichkeitsrechtsverletzung gerät, allerdings nicht den erforderlichen Unwertgehalt aufweist, um den klar umrissenen Tatbestand zu verwirklichen. Damit sind bei näherem Hinsehen wiederum die Fallgestaltungen angesprochen, die bereits unter dem Gesichtspunkt erörtert wurden, ob den besonderen Persönlichkeitsrechten eine Sperrwirkung gegenüber dem Rahmenrecht aus § 823 Abs. 1 BGB zuzumessen ist.104 Paradigmatisch ist der Einsatz eines Lauschzeugen, der ein Telefongespräch mittels eines Zweithörers oder eines in der Fernsprecheinrichtung integrierten Lautsprechers mithört. Zwar ist nach wie vor umstritten, ob diese handelsüblichen Zusatzeinrichtungen überhaupt als Abhörgerät i. S. d. § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB eingestuft werden können.105 Sofern diese Vorgehensweise jedoch tatsächlich außerhalb des strafrechtlichen Tatbestands liegt, verbleibt allein das allgemeine Persönlichkeitsrecht, um rechtliche Grenzen zu formulieren. Dabei soll nach verbreiteter Auffassung das heimliche Belauschen eines Telefonats regelmäßig gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verstoßen,106 wobei aufgrund des besonders verwerflichen Verhaltens auf eine Interessenabwägung verzichtet werden könne.107 Für diese Unrechtsindikation spreche dabei auch das strafrechtlich angeordnete Verbot des § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB selbst, das sonach über den originären Anwendungsbereich hinaus Bedeutung erlange.108 Aus diesem folge ein generelles und vom Gesetzgeber anerkanntes Schutzbedürfnis des Einzelnen hinsichtlich des von ihm gesprochenen Wortes, so dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch beim Einsatz solcher technischer Einrichtungen verletzt sei, die keine strafrechtlich relevanten Abhörgeräte darstellen.109 In abgeschwächter Form finden sich ähnliche Aussagen auch hinsichtlich anderer privater Beweissicherungsmaßnahmen.110 104
Dazu Teil 2, A. III. 2. b). Dazu noch Teil 2, C. I. 3. a). 106 Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, S. 311; Renners, Private Investigation und Arbeitsrecht, S. 162, der das heimliche Mithören von Telefongesprächen im Arbeitsrecht als grundsätzlich rechtswidrig einstuft und nur in Ausnahmefällen ein anderes Ergebnis für begründet hält. 107 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 156; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 505 f.; Rixecker, in: MüKo-BGB9, Anh. § 12 Rn. 142. So wohl auch Neuner, JuS 2015, 961 (966). 108 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 156. 109 Rixecker, in: MüKo-BGB9, Anh. § 12 Rn. 142, sofern es um Telefongespräche geht. Weitergehend Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 505; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 154 ff. Diese stufen jeden Lauschzeugeneinsatz – mithin auch denjenigen ohne technische Hilfsmittel – als grundsätzlich rechtswidrig ein. 110 Neuner, JuS 2015, 961 (965); Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 506, obschon insoweit nicht von einer „echten Indikation“ gesprochen werden könne, sondern vielmehr „situationsbezogen“ zu entscheiden sei. Insoweit ist indes zu bedenken, dass in diesem Bereich vornehmlich die europäische DSGVO materiell-rechtliche Grenzen setzt. Dazu Teil 2, B. 105
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Diese Argumentation beruht zweifelsohne auf einem zutreffenden Kern, der darin begründet liegt, die Umrisse des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von den besonderen gesetzlichen Vorschriften her zu schärfen.111 Ein solches Vorgehen drängt sich geradezu auf, da andernfalls der legislatorische Wille unterlaufen zu werden droht und das rechtstatsächliche Unrechtsempfinden sukzessive an die Stelle expliziter Vorgaben tritt. Allerdings vermag die bemühte Zusammenschau von allgemeinem und besonderem Persönlichkeitsrecht den Schluss auf eine generelle Unrechtsindikation weder grundsätzlich noch bezogen auf konkrete Einzelfälle wie den heimlichen „Telefonzeugen“112 hinreichend zu begründen. Indem der Gesetzgeber etwa in § 201 StGB bestimmte Angriffsformen auf das gesprochene Wort strafrechtlich untersagt, verhält er sich ausdrücklich nur zu diesen pönalisierten Verhaltensweisen, ohne darüberhinausgehend weitere – allerdings nicht vom Tatbestand umfasste – Handlungen unmittelbar rechtlich zu bewerten. Aus dieser zwangsläufig eingeschränkten Kodifikation lässt sich hinsichtlich des Lauschzeugen, der ohne Abhörgerät i. S. d. § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB mithört, allenfalls noch der strafrechtlich relevante Umkehrschluss ziehen, dass dieser mangels tatbestandlichen Verhaltens jedenfalls straflos bleibt. Inwieweit das Auftreten eines solchen heimlichen Mithörers allgemein aus zivilrechtlicher oder speziell aus persönlichkeitsrechtlicher Perspektive verboten ist, lässt sich § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB dabei schlichtweg nicht entnehmen. Ferner kann auch das im Rahmen eigeninitiativer Nachforschungen typischerweise heimliche Vorgehen als solches nicht erklären, weshalb auf eine unrechtsbegründende Interessenabwägung verzichtet werden sollte. Weder den strafrechtlichen noch den zivilrechtlichen Normen lässt sich entnehmen, dass die Rechtsordnung verdeckte Verhaltensweisen allumfassend untersagt. Dies räumen auch die Verfechter einer stärkeren Unrechtsindikation letztlich ein, wenn sie vornehmlich heimliche Bild- und Videoaufnahmen – im Unterschied zum verdeckten Lauschzeugen – erst nach Maßgabe einer einzelfallgeprägten Güter- und Interessenabwägung als rechtswidrig einstufen wollen.113 Scheidet sonach die Heimlichkeit als generell unrechtsauslösendes Moment aus, verbleibt allein die ebenfalls in Bezug genommene Verwerflichkeit,114 um hieran die abwägungsfeste Persönlichkeitsverletzung zu knüpfen. Ob eine bestimmte Form der privaten Suche nach Beweismitteln indes verwerflich ist oder nicht, lässt sich wohl nur in den seltensten Situationen unabhängig von den jeweiligen Einzelfallum111
Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 153. In diese Richtung auch Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 505. Abgeschwächt hingegen Forkel, in: Hubmann-FS, S. 93 (105), der den gesetzlichen Regelungen zwar ebenfalls eine konkretisierende Wirkung zuschreibt, diese allerdings nicht für unerlässlich hält. Vgl. auch Larenz, in: Klingmüller-FS, S. 235 (238). 112 Zu diesem Terminus Helle, JR 2000, 353. 113 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 506. 114 Vgl. etwa Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 156; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 505 f.
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ständen beurteilen. Vielmehr sind es regelmäßig gerade die sich gegenüberstehenden Interessen und Positionen, die herangezogen werden müssen, um darüber zu befinden, inwieweit eine persönlichkeitsrechtlich relevante Verhaltensweise noch als angemessen oder aber als verwerflich einzuordnen ist.115 Nach alledem existieren im Anwendungsfeld der privaten Beweismittelsuche nach wie vor keine klaren gesetzlichen Anhaltspunkte, um in einzelnen Fällen von einer Unrechtsindikation zu sprechen. Vor diesem Hintergrund bedarf es weiterhin einer einzelfallgeprägten Interessenabwägung.116 Gleichwohl kann diese – und insoweit ist den Befürwortern einer Unrechtsindikation wiederum teilweise beizupflichten – unter erleichterten Bedingungen erfolgen, wenn entweder eine Nähe zu den besonderen Persönlichkeitsrechten besteht oder aber die einzelne Verhaltensweise heimlich erfolgt. Zwar stellt die eigeninitiative Recherche des Privaten in diesen Fällen (noch) kein strafwürdiges Unrecht dar, allerdings bestehen hinsichtlich der Art und Weise des Eingriffs gewisse Parallelen, die zulasten des Verletzers in Anschlag zu bringen sind.117 Folglich müssen dessen Interessen umso gewichtiger sein, je näher die Beweismittelsuche an die Verletzung eines besonderen Persönlichkeitsrechts rückt. Darüberhinausgehend ist es die Aufgabe des Gesetzgebers, solche Verhaltensweisen, die straf- oder zivilrechtlich stets missbilligenswertes Unrecht darstellen (sollen), in spezifischen Normen ausdrücklich zu untersagen und hierdurch der richterlichen Einzelfallabwägung zu entziehen. Jenseits dieser besonderen Persönlichkeitsrechte vermag nur die Güter- und Interessenabwägung darüber zu entscheiden, inwieweit eine rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt. Diese starke Einzelfallabhängigkeit anerkennen letztlich auch die Verfechter einer stärkeren Unrechtsindikation nach wie vor, indem sie immerwährend betonen, in besonderen Ausnahmefällen könne wiederum anders – nämlich
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In diese Richtung auch Rixecker, in: MüKo-BGB9, Anh. § 12 Rn. 143, allerdings beziehen sich die Aussagen ausschließlich auf das Belauschen solcher Gespräche, die nicht mittels eines Telefons geführt werden. 116 In diese Richtung Klass, in: Erman16, Anh. § 12 Rn. 117 für heimliches Mithören sowie Rn. 145 für heimliche Bildaufnahmen. Dies. äußert sich schließlich in Rn. 23 ganz allgemein zum generellen Erfordernis einer Güter- und Interessenabwägung. Rixecker, in: MüKo-BGB9, Anh. § 12 Rn. 143 hingegen fordert beim Lauschzeugeneinsatz grundsätzlich eine Interessenabwägung, es sei denn, es gehe um das Belauschen fremder Telefonate mittels eines Lautsprechers oder Zweithörers. Für eine Berücksichtigung der konkreten Einzelfallumstände letztlich auch Renners, Private Investigation und Arbeitsrecht, S. 118 f. sowie Bamberger, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, § 12 Rn. 266, freilich ohne nähere Begründung. Für die Videoüberwachung im Bereich des Wohnungseigentums schließlich Elzer, NJW 2013, 3537 (3538), der die Abwägung indes teilweise als bloßes „Lippenbekenntnis“ einordnet. 117 In einem ähnlichen Zusammenhang spricht Klass, in: Erman16, Anh. § 12 Rn. 23 von einer „Vermutungswirkung“.
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abwägend – zu entscheiden sein, so dass insoweit ebenfalls die konkrete Vorgehensweise herangezogen werden müsse.118 2. Parameter der Interessenabwägung Ob die konkrete Vorgehensweise eines Privaten, der nach aussagekräftigen Beweismitteln sucht, das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht in rechtswidriger Weise verletzt, hängt sonach stark von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Allgemeingültige Grundfesten, die den Abwägungsvorgang jedenfalls vorzeichnen, lassen sich vor diesem Hintergrund nur teilweise formulieren. Gerade dieses zwiespältige Verhältnis von fehlender Rechtssicherheit auf der einen und flexiblen Reaktionsmöglichkeiten hinsichtlich neuer Gefahren für die menschliche Persönlichkeit auf der anderen Seite prägt die Struktur des Rahmenrechts aus § 823 Abs. 1 BGB. Sowohl die Rechtsprechung als auch die Kommentarliteratur haben mittlerweile einen Umfang erreicht, der kaum noch überschaubar ist, geschweige denn hinreichend klar systematisiert werden kann.119 Erschwerend kommt schließlich die Dynamik der menschlichen Persönlichkeit und der ihr drohenden Gefahren hinzu, so dass die ergangenen Judikate und Stellungnahmen stets auch die zur jeweiligen Zeit vorherrschenden gesellschaftlichen Wertvorstellungen abbilden.120 In dieser Untersuchung kann eine umfassende Ordnung aller abwägungsrelevanten Positionen nicht geleistet werden, weshalb wiederum nur der Teilausschnitt der eigeninitiativen Beweismittelsuche ins Blickfeld rückt. a) Allgemeine Vielfalt und systematische Orientierung Den allgemeinsten Ausdruck findet der Versuch, die Interessenabwägung klarer zu strukturieren, in der weit verbreiteten und nach wie vor auch von der Rechtsprechung herangezogenen Sphärentheorie, wonach einzelne Persönlichkeitsbereiche des Menschen voneinander abgegrenzt werden müssen.121 Gemeinhin wird dabei 118 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 506. Teilweise auch Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 158, der etwa hinsichtlich des heimlichen Lauschzeugeneinsatzes davon spricht, dieser stelle „regelmäßig eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts“ dar. 119 Für das Arbeitsrecht Renners, Private Investigation und Arbeitsrecht, S. 104. 120 Vgl. zu den Wandlungen des persönlichkeitsrechtlichen Schutzes Rixecker, in: MüKoBGB9, Anh. § 12 Rn. 31. 121 Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, S. 286 ff.; BGH NJW 2012, 771; BGHZ 181, 328 (338); KG NJW 1980, 894; OLG Schleswig, NJW 1980, 352; OLG Frankfurt NJW 1987, 1087 (1088); OLG Köln NJW 2005, 2997 (2998); OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 241; BAG NJW 1986, 341; NJW 2009, 2888 (2891); BAG NZA 1998, 307 (309); Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1548; Specht-Riemenschneider, in: BeckOGK-BGB, § 823 Rn. 1407; Geis, JZ 1991, 112 (113); Lange, in: Juncker/Beckmann/Rüßmann, jurisPK-BGB, § 823 Rn. 32; Staudinger, in: HK-BGB, § 823 Rn. 99, 105. Aus der arbeitsrechtlichen Perspektive sog. private investigations, Renners, Private Investi-
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zwischen der besonders schutzbedürftigen und weitgehend abwägungsfesten Intimsphäre, der Privatsphäre sowie der Sozialsphäre unterschieden, wobei die jeweils betroffene Sphäre erhebliche Auswirkungen auf die vorzunehmende Interessenabwägung zeitigt.122 Während Eingriffe in die unantastbare Intimsphäre generell rechtswidrig seien, bedürfe es einer umfassenden Einzelfallabwägung, sofern der Verletzer lediglich solche Schutzpositionen missachte, die der Privatsphäre angehören.123 Noch weniger schützenswert sei die Sozialsphäre, die den äußeren Rand des Persönlichkeitsrechts beschreibt und insbesondere alltägliche Geschehensabläufe in der Öffentlichkeit umfasst.124 Nach dieser Konzeption ist die Zuordnung zu einer genau zu bezeichnenden Sphäre der eigentlichen Interessenabwägung gewissermaßen vorgeschaltet, da hierdurch überhaupt erst festgestellt werden kann, ob und in welchem Umfang gegenläufige Positionen heranzuziehen sind.125 Diese auf den ersten Blick bestechend einfach wirkende Einteilung in unterschiedliche Schutzsphären bildet den komplexen Vorgang des Interessenausgleichs jedoch allenfalls unzureichend ab, weshalb die kritischen oder gar ablehnenden Stimmen stetig zunehmen.126 Zurückzuführen ist dies im Wesentlichen auf den Umstand, dass bislang kein tragfähiger Ansatz gefunden wurde, die verschiedenen Sphären trennscharf voneinander zu unterscheiden, zumal deren Übergänge ohnehin fließend sind.127 Die immer wiederkehrende Frage, wann die menschliche Intimsphäre tatsächlich betroffen und das allgemeine Persönlichkeitsrecht mithin zwingend verletzt ist,128 bleibt angesichts dessen nach wie vor vielfach unbeantwortet, woraus der Vorwurf erwächst, die Sphärentheorie funktioniere allein in besonders eindeutigen Fallkonstellationen.129 Dies ist gerade deshalb besonders misslich, weil gation und Arbeitsrecht, S. 65 f. Im Rahmen der Verwertbarkeit rekurriert auch BGHZ 218, 348 (370) auf die Sphärentheorie. Vgl. schließlich Rixecker, in: MüKo-BGB9, Anh. § 12 Rn. 29, 30, der auf die Vorteile und Grenzen der Sphärenbildung hinweist. 122 Kopke, NZA 1999, 917 (920); Lange, in: Juncker/Beckmann/Rüßmann, jurisPK-BGB, § 823 Rn. 32. Die Terminologie ist keinesfalls einheitlich. So spricht etwa KG NJW 1980, 894 nicht von der Sozial-, sondern der Individualsphäre. Inhaltlich resultieren hieraus indes keine Unterschiede. 123 BGH NJW 2012, 3645 (3645 f.); OLG Köln NJW 2005, 2997 (2998). 124 KG NJW 1980, 894. 125 In diese Richtung auch Klass, in: Erman16, Anh. § 12 Rn. 23. Vgl. – indes aus der verfassungsrechtlichen Perspektive – Geis, JZ 1991, 112 (115). 126 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 503 f.; H. Ehmann, JuS 1997, 193 (197); Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 193 ff.; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 9. 127 H. Götting, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht, § 1 Rn. 6; ders., Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, S. 28, 137; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 9. Anschaulich insoweit Kopke, NZA 1999, 917 (919). Ferner Renners, Private Investigation und Arbeitsrecht, S. 66, 70, der aber mangels eines alternativen Lösungsansatzes am Sphärengedanken festhält. 128 Instruktiv Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 195 ff. 129 H. Götting, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht, § 1 Rn. 5.
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erst die Einordnung in eine bestimmte Sphäre verraten soll, welcher Maßstab für die rechtliche Bewertung anzulegen ist. Indes folgt aus diesen gewichtigen Kritikpunkten keineswegs, der Sphärentheorie ihre Existenzberechtigung für das allgemeine Persönlichkeitsrecht gänzlich abzusprechen; vielmehr bedarf es einer gewissen Neuausrichtung,130 innerhalb derer die jeweils berührte Schutzposition schlichtweg danach beurteilt werden muss, inwieweit diese essenzielle Bestandteile der menschlichen Persönlichkeit betrifft. Auf die begriffliche Einordnung in eine irgendwie bezeichnete besondere Schutzsphäre kommt es dabei nicht an, da es vielmehr darum geht, zu beurteilen, wie intensiv das Persönlichkeitsrecht betroffen ist. Auf diese Weise wird der Sphärengedanke von der Notwendigkeit befreit, im konkreten Einzelfall stets eine spezifische Sphäre verbindlich festlegen zu müssen, um überhaupt den anzuwendenden Interessenmaßstab begründen zu können. Aus diesem so begriffenen Sphärengedanken folgt: Sofern das private Verhalten einen sensiblen Persönlichkeitsbereich tangiert und insoweit besonders eingriffsintensiv ausfällt, müssen die gegenläufigen Interessen ein erhebliches Gewicht einnehmen, um innerhalb der Abwägung zu überwiegen. Die Sphärenkonzeption ist sonach kein Allheilmittel, auf das sich der Interessenausgleich im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB beschränken darf, sondern lediglich ein Gesichtspunkt unter vielen weiteren. Aus der Perspektive einer rechtssicheren Ausgestaltung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mag diese Erkenntnis zunächst ernüchternd oder gar als Rückschritt erscheinen. Berücksichtigt man aber die weit verbreitete Tendenz, auch intime Angelegenheiten der Privatsphäre zuzuordnen, um den Weg zu einer Abwägung zu eröffnen, stellt es einen deutlichen Fortschritt dar, den absoluten Sphärengedanken zu modifizieren.131 Eine konkrete Beeinträchtigung muss nicht „künstlich“ abgeschwächt werden, um überhaupt einen Interessenausgleich im Einzelfall vornehmen zu können.132 In Abkehr von dem absoluten Sphärengedanken erfährt die persönlichkeitsrechtliche Abwägung eine klarere Struktur, wenn die in Betracht kommenden Interessen und sonstigen Positionen zwei zentralen Oberkategorien zugeordnet werden, die sich danach unterscheiden, ob sie dem Rechtskreis des Verletzten oder des Verletzers zuzuschreiben sind. b) Rechtskreis des Verletzten Aus der Perspektive desjenigen, der von einer typischerweise heimlichen Beweismittelsuche betroffen ist, fällt vornehmlich ins Gewicht, wie intensiv das in Rede 130 Vgl. auch Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 200. 131 So schon Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 200. 132 Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 200.
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stehende Verhalten in den Persönlichkeitsbereich eingreift.133 Dies ist der Aussagegehalt des abgewandelten Sphärengedankens, der darauf verzichtet, im Einzelfall eine genau bezeichnete Sphäre zu benennen, sondern lediglich nach dem Gewicht des Eingriffs differenziert. Betrifft die private Suche nach Beweismitteln besonders sensible Persönlichkeitsbereiche – wie etwa den gegen fremde Blicke geschützten Wohnraum – spricht dies tendenziell für eine rechtswidrige Verletzung, sofern nicht ausnahmsweise überragend wichtige Interessen und Belange des Verletzers entgegenstehen. Ähnliches gilt, wenn der Betroffene wegen einer ausdrücklichen Zusage seines Gesprächspartners oder jedenfalls aufgrund der erkennbaren Umstände davon ausgehen darf, dass es sich um eine vertrauliche Unterredung handelt.134 Ausschlaggebend soll ferner sein, ob allein zivilrechtlich geschützte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts betroffen sind, oder aber solche, die auch von der verfassungsrechtlichen Gewährleistung aus den Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst sind.135 Hintergrund dieser Aussage ist erneut die zutreffende Divergenz von einfachrechtlichem Persönlichkeitsschutz und dem grundrechtlichen Pendant. Darüber hinaus gewinnt an Bedeutung, ob der Verletzte durch sein (vorangegangenes) Verhalten den persönlichkeitsrechtlichen Eingriff veranlasst oder gar herausgefordert hat.136 Denn der eigeninitiativ agierende Private wird in praxi regelmäßig dann tätig, wenn er Zweifel an der Rechtstreue und Ehrlichkeit seines Kontrahenten hegt, wobei sich dahingehende Verdachtsmomente aus vorhergehenden Äußerungen oder sonstigen Verhaltensweisen ergeben können. Besonders augenscheinlich tritt dies hervor, wenn das Opfer einer Straftat versucht, diese durch eigene Ermittlungsmaßnahmen aufzudecken und sonach allein deshalb aktiv wird, weil eine andere Person dessen Rechte verletzt hat. Bei genauerem Hinsehen bestehen an dieser Stelle unübersehbare Überschneidungen mit einem weiteren Abwägungsgesichtspunkt, der indes dem Interessenbereich des Verletzers zuzuordnen ist.137 Denn das in Rede stehende Vorverhalten erlaubt auch einen Rückschluss auf den mit der Persönlichkeitsbeeinträchtigung verfolgten Zweck.
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KG NJW 1980, 894; BAG NJW 2005, 313 (314 f.); Lange, in: Juncker/Beckmann/ Rüßmann, jurisPK-BGB, § 823 Rn. 66; ferner Renners, Private Investigation und Arbeitsrecht, S. 117 f.; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1584; Staake, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 8 Rn. 87 ff.; Sprau, in: Grüneberg, § 823 Rn. 96; Staudinger, in: HK-BGB, § 823 Rn. 105; Teichmann, in: Jauernig, Vor § 824 Rn. 69. 134 So auch Lenz/Meurer, MDR 2000, 73 (74 f.). 135 Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, Rn. 61. 136 BGH NJW 1991, 1180; Sprau, in: Grüneberg, § 823 Rn. 98; Teichmann, in: Jauernig, Vor § 824 Rn. 69; Staudinger, in: HK-BGB, § 823 Rn. 105; H. Ehmann, JuS 1997, 193 (197); Renners, Private Investigation und Arbeitsrecht, S. 141 für das Arbeitsrecht; Kopke, NZA 1999, 917 (921). Teilweise auch Lange, in: Juncker/Beckmann/Rüßmann, jurisPK-BGB, § 823 Rn. 66; KG NZFam 2021, 501 (503). 137 Dies legen auch die Ausführungen bei Renners, Private Investigation und Arbeitsrecht, S. 109 f. nahe, der den Aspekt des veranlassenden Vorverhaltens ebenfalls im Rahmen der verfolgten Zwecke erörtert.
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Schließlich können auch viktimologische Faktoren berücksichtigt werden.138 Insoweit wirkt es sich zulasten des Verletzten aus, wenn er evidente Selbstschutzmechanismen außer Acht gelassen und auf diese Weise den Angriff auf sein Persönlichkeitsrecht zwar nicht provoziert, aber jedenfalls erleichtert oder aber gefördert hat. Wer sonach ein vertrauliches Gespräch an einem öffentlich zugänglichen Ort in unüberhörbarer Laustärke führt, kann im Nachhinein nur schwerlich monieren, eine ebenfalls anwesende Person habe die Unterhaltung in rechtswidriger Weise mitgehört, sofern nicht ausnahmsweise weitere relevante Umstände hinzutreten, die ein abweichendes Ergebnis nahelegen.139 c) Rechtskreis des Verletzers Auf der Seite des eigeninitiativen Beweismittelsuchers fällt zunächst die Art und Weise seines Vorgehens ins Gewicht,140 wobei dieser Abwägungsparameter zugleich bestimmt, wie intensiv der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ausfällt. Dabei greifen heimliche Verhaltensweisen generell stärker in fremde Persönlichkeitsrechte ein als offen erkennbare Ermittlungsmaßnahmen, da die betroffenen Personen bei einem verdeckten Vorgehen nicht in der Lage sind, ihr Verhalten auf dieses einzustellen.141 Nichtsdestoweniger sind Privatpersonen – insoweit übereinstimmend mit staatlichen Ermittlern – mitunter darauf angewiesen, verdeckt zu agieren, um die mit ihrem Eingriff verfolgten Ziele, fremde Rechtsverstöße aufzudecken und nachzuweisen, überhaupt erreichen zu können.142 Tragen sich im Waschkeller eines Mehrfamilienhauses etwa wiederholt Sachbeschädigungen zu, mag eine offene Videoüberwachung zwar präventive Wirkung entfalten und den Straftäter möglicherweise von
138 Vgl. auch Larenz, in: Klingmüller-FS, S. 235 (244 f.), der zugleich auf Grenzen des Gedankens hinweist, nach dem die Rechtsposition weniger schutzwürdig ist, wenn der Betroffene durch sein Verhalten eine Verletzung herausgefordert hat. 139 Hierzu auf verfassungsrechtlicher Ebene BVerfGE 106, 28 (40). 140 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1584; Teichmann, in: Jauernig, Vor § 824 Rn. 70. In diese Richtung auch Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 504; Lange, in: Juncker/Beckmann/Rüßmann, jurisPK-BGB, § 823 Rn. 67. Paradigmatisch ist in diesem Kontext BAG NJW 2010, 104. Das Gericht differenziert dabei zwischen einem bewusst involvierten Lauschzeugen und einem nur zufälligen Mithören. Während im erstgenannten Fall eine rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung anzunehmen sei, die auch zur prozessualen Unverwertbarkeit führe, sei die unbeabsichtigte Mithöraktion schon keine Verletzung des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Ähnlich Bruns, NZFam 2021, 913 (914). 141 OLG Köln NJW 2005, 2997 (2998); Alter, NJW 2015, 2375 (2377). Ferner Renners, Private Investigation und Arbeitsrecht, S. 137 m. w. N. sowie teilweise Huff, JuS 2005, 896 (898), der zutreffend darauf hinweist, dass eine offene Videoüberwachung „unter erleichterten Umständen“ erfolgen könne. Ferner Klass, in: Erman16, Anh. § 12 Rn. 145, die in den Fällen der sog. Bildniserschleichung – worunter auch versteckte Aufnahmen fallen – eine tendenzielle Rechtswidrigkeit postuliert. 142 BAG NZA 2017, 443 (446); NZA 2003, 1193 (1195); Alter, NJW 2015, 2375 (2377).
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weiteren Taten abhalten.143 Relevante Erkenntnisse oder gar Beweismittel für ein Strafverfahren lassen sich auf diese Weise indes kaum gewinnen. Ferner wirkt es sich zulasten des Verletzers aus, wenn die Beweisrecherchen täuschende oder gar arglistige Momente aufweisen, etwa weil dieser seinem Gegenüber bewusst wahrheitswidrig mitteilt, das zwischen ihnen geführte Gespräch erfolge in einer streng vertraulichen Atmosphäre und könne deshalb nicht von Dritten mitgehört werden.144 Gegen eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts spricht hingegen, wenn eine fremde Unterredung gleichsam zufällig belauscht wurde, ohne jedoch bewusste Aktivitäten in diese Richtung zu entfalten.145 Von geringerer Relevanz ist der Gesichtspunkt, inwiefern sich der Private das jeweilige Beweismittel zum einen rechtzeitig und zum anderen auch rechtmäßig – etwa durch einen ausdrücklichen Hinweis auf die Aufnahme des Gesprächs – hätte beschaffen können.146 Paradigmatisch sind in diesem Kontext die Fälle, in denen es eine Vertragspartei versäumt hat, eine mündlich getroffene Abrede schriftlich zu fixieren, einige Zeit später gewisse Beweisführungsschwierigkeiten fürchtet und sodann zu persönlichkeitsrechtlich bedenklichen Mitteln wie einem Lauschzeugeneinsatz greift.147 Hinter dieser Erwägung verbirgt sich der zweifelsohne zutreffende Gedanke, dass rein tatsächlich auch ein persönlichkeitsschonenderes Vorgehen möglich gewesen wäre, wenn sich der Beweismittelsucher nur rechtzeitig um seine Angelegenheiten gekümmert hätte.148 Gleichwohl führt diese hypothetische Vergleichsbetrachtung allzu leicht dazu, das faktische Geschehen gegen einen gänzlich anders gearteten Ablauf auszutauschen und diesen rechtlich zu bewerten. Vor diesem Hintergrund kann eine solche komparative Methode nie ein unumstößliches Ergebnis produzieren, sondern ausschließlich ein Indiz für die Eingriffsintensität desjenigen Vorgangs sein, der sich real zugetragen hat. 143
OLG Köln NJW 2005, 2997 (2998). Umfassend Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, S. 504. Dies deutet auch BGH NJW 1982, 1397 (1398) an, obschon dieser Gesichtspunkt mangels Entscheidungserheblichkeit nicht zu Ende ausgeführt wird. Schließlich Schwab, in: Hubmann-FS, S. 421 (423), der auf die vereinbarte Vertraulichkeit abstellt; ähnlich Lenz/Meurer, MDR 2000, 73 (74 f.). 145 Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 61. Ähnliches soll dann gelten, wenn ein Telefonat deshalb mitgehört werden kann, weil das Mobiltelefon aus Versehen in einer zu hohen Lautstärke eingestellt sei, BAG NJW 2010, 104 (107). Mit Blick auf Fotoaufnahmen AG Bonn BeckRS 2014, 6752. 146 BAG NJW 1983, 1691 (1692), OLG Köln NJW 1987, 262 (263); LAG Berlin JZ 1982, 258 (259); Arzt, JZ 1973, 506 (508). Diesen Aspekt möchte auch Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 302 f. berücksichtigen. Indes beziehen sich dessen Ausführungen wohl vornehmlich auf eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB. Gleichwohl lassen sich einige abstrakt gehaltene Gesichtspunkte auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht transferieren. Dies legt Helle auf S. 294 letztlich selbst nahe. Ferner auch BGH NJW 2003, 1727 (1728), obschon sich diese Ausführungen wohl auf die Ebene der Verwertbarkeit beziehen. Kritisch hingegen Foerste, NJW 2004, S. 262 (263). 147 BGH NJW 1991, 1180; NJW 2003, 1727. 148 So etwa Renners, Private Investigation und Arbeitsrecht, S. 115, der den Gesichtspunkt des nachlässigen Verhaltens hervorhebt. 144
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Noch keine zufriedenstellende Antwort ist hingegen auf die Frage gefunden worden, welche spezifische Bedeutung der mit der eigeninitiativen Beweismittelsuche verfolgte Zweck innerhalb der Interessenabwägung einnimmt.149 Eine Vorreiterrolle nimmt in diesem Zusammenhang das Datenschutzrecht ein, innerhalb dessen das mit einer Datenerhebung intendierte Ziel nicht nur für die erstmalige Beschaffung der Daten relevant wird, sondern auch den anschließenden Umgang mit diesen prägt (sog. Zweckbindungsgrundsatz).150 Die Intention eines rechtsbeeinträchtigenden Verhaltens ist indes auch innerhalb der persönlichkeitsrechtlichen Interessenabwägung zu berücksichtigen, da es für die Gewichtung der einzelnen Positionen nicht unwesentlich ist, ob eine fremde Persönlichkeitssphäre aus bloßer Neugier heraus beeinträchtigt wurde oder aber, um auf diese Weise grundsätzlich billigenswerte Motive zu verfolgen. Sofern diese Gesichtspunkte im Anwendungsfeld der privaten Beweismittelsuche auftauchen, erschöpft sich die dahingehende Auseinandersetzung entweder in allgemeingültigen Floskeln, wonach es grundsätzlich zulässig sein müsse, die Wahrheit zu erforschen,151 oder aber in dem schlichten Hinweis, neben dem verwendeten Mittel spiele auch die jeweilige Motivation eine gewisse Rolle.152 Ähnlich vage bleiben schließlich diejenigen Stimmen, die sich dafür aussprechen, auf die in § 193 StGB geregelte Wahrnehmung berechtigter Interessen abzustellen und diese Strafvorschrift sub specie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts analog heranzuziehen.153 Diese Ansätze ebnen zwar den Weg, um die intendierten Ziele stärker berücksichtigen zu können, lassen aber im Wesentlichen unbeantwortet, welche spezifischen Anforderungen an den verfolgten Zweck zu stellen sind. 3. Präzisierung der Interessenabwägung Konzentriert man die vorangehenden Ausführungen auf ihren Kerngehalt, zeigt sich, dass die Interessenabwägung entscheidend davon abhängt, welchen Zweck der 149 Auf die Bedeutung des Zwecks stellen etwa BGH NJW 2015, 782 (784) sowie AG Bonn BeckRS 2014, 6752 ab; ferner Sprau, in: Grüneberg, § 823 Rn. 98; Staudinger, in: HK-BGB, § 823 Rn. 105. Eine spezifische Bewertung dieses Abwägungsparameters ist damit aber noch nicht verbunden. 150 Culik/Döpke, ZD 2017, 226 (227); Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 5 DSGVO Rn. 63; Schantz/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 397 m. w. N. Dazu noch Teil 4, B. 151 H. Ehmann, JuS 1997, 193 (197). 152 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1584; Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, Rn. 60; Sprau, in: Grüneberg, § 823 Rn. 99; Staake, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 8 Rn. 87 ff. Vage bleibt auch Klass, in: Erman16, Anh. § 12 Rn. 145, die lediglich feststellt, dass Beweiszwecke ein schützenswertes Interesse zu begründen vermögen. Abweichend hingegen OLG Hamm JZ 1988, 308, wonach es für die Verletzung des Rechts am eigenen Bild unerheblich sei, welchem Zweck diese dienen solle. 153 Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse, Rn. 61; Fuchs/Pauker/Baumgärtner, Deliktsund Schadensersatzrecht, S. 49. Zu § 193 StGB noch Teil 2, C. IV. 4. c) aa).
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Private mit seinem Eingriff verfolgt. Im hier interessierenden Zusammenhang zielt das eigeninitiative Vorgehen darauf ab, einen rechtserheblichen Umstand zu dokumentieren, um diesen in einem etwaigen gerichtlichen Verfahren nachweisen zu können. Dieses Anliegen lässt sich schlagwortartig als „Beweisinteresse“154 bezeichnen. Freilich ist allein mit dieser begrifflichen Einordnung wenig gewonnen: Denn im Ausgangspunkt strebt jeder private Beweismittelsucher danach, aussagekräftige Beweismittel zu gewinnen, um eine bestimmte Tatsache zu belegen. Ob dies für oder gegen seine Position streitet, lässt sich jedoch nur dann bewerten, wenn das insoweit stets bestehende Beweisinteresse verschiedenen Stufen oder Kategorien zugeordnet werden kann.155 a) Das Beweisinteresse in der persönlichkeitsrechtlichen Abwägungsdoktrin Der gesamte Themenkreis rechtswidrig gewonnener Beweismittel durch Privatpersonen leidet – wie bereits geschildert – daran, dass typischerweise allein die prozessuale Perspektive eingenommen wird. Es nimmt daher auch kaum wunder, wenn die jüngere Rechtsprechung das Beweisinteresse vornehmlich heranzieht, um darüber zu entscheiden, inwieweit ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel einem Beweisverwertungsverbot unterliegt. Unterzieht man diese Judikate jedoch einer genaueren Analyse, zeigt sich der Ursprung des Beweisinteresses als materiellrechtlicher Abwägungsparameter. Die maßgeblichen Gesichtspunkte sollen an dieser Stelle überblicksartig nachgezeichnet werden. aa) Das Beweisinteresse auf der Verwertungsebene Tangiert die Verwertung eines Beweismittels das grundrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht, verlangt die Rechtsprechung eine umfassende Interessenabwägung, um festzustellen, inwieweit ein Beweisverwertungsverbot eingreift.156 Innerhalb der Abwägungsentscheidung kommt dem Beweisinteresse eine zentrale Rolle zu; allerdings reicht nach der überwiegenden Ansicht das bloße Interesse, „sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, nicht aus“, um den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht – und sonach die prozessuale Verwertung – zu legitimieren.157 Vielmehr müssten weitere Umstände hinzutreten, die 154
So etwa BGH NJW 1982, 277; NJW 1988, 1016 (1018); NJW 2003, 1727 (1728); BGHZ 218, 348 (362); OLG Hamm JZ 1988, 308; BAG NJW 2003, 3436 (3438); NJW 2012, 3594 (3596); NJW 2017, 843 (844); NJW 2017, 1193 (1194). Ferner Chandna-Hoppe, NZA 2018, 614 (619); Klass, in: Erman16, Anh. § 12 Rn. 145 spricht vom sog. Beweiszweck; BAG NJW 2010, 104 (107) stellt auf das „Beweiserhebungsinteresse“ ab; OLG Hamm NJW-RR 1996, 735 hebt das „Beweissicherungsinteresse“ hervor. 155 Vgl. dazu auch Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 93. 156 Dazu schon Teil 1, D. I. 2. sowie Teil 1, D. II. 2. 157 BVerfGE 106, 28 (50); 117, 202 (241); BGHZ 218, 348 (362); BGH NJW 1982, 277 (278); NJW 1988, 1016 (1018); NJW 2003, 1727 (1728); NJW 2013, 2668 (2670); BAG NJW 2010, 104 (107); NJW 2012, 3594 (3596); NJW 2014, 810 (814); NJW 2017, 843 (844); NJW
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etwa vorliegen könnten, sofern es um den Nachweis „besonders schwerer Straftaten“ gehe,158 oder sich der Beweisführer im Zivilprozess in einer Notwehrsituation oder notwehrähnlichen Lage befinde.159 Namentlich der zivilgerichtlichen Rechtsprechung gelingt es auf diese Weise, verschiedene Kategorien des Beweisinteresses zu bilden und in der Interessenabwägung unterschiedlich zu gewichten. Im Ausgangspunkt ist dieser These uneingeschränkt zuzustimmen: Denn nur, wenn das Gewicht des Beweisinteresses auch tatsächlich divergieren kann, vermag es einen tauglichen und aussagekräftigen Abwägungsparameter darzustellen.160 Erstaunlich ist dabei indes, dass die zitierten Judikate regelmäßig auf die Notwehrsituation oder die notwehrähnliche Lage abheben, und somit materiell-rechtliche Rechtfertigungsgründe heranziehen, ohne dabei zu erklären, weshalb diese prozessuale Auswirkungen zeitigen.161 Auf diese Weise entsteht erneut das Bild eines irgendwie gearteten Zusammenhangs des materiellen Rechts mit den prozessualen Beweisverboten. Allerdings dürfte diese vermeintliche Interdependenz nicht unbedingt als Ausfluss einer dogmatisch stimmigen Beweisverbotslehre zu werten sein, da die jüngeren Entscheidungen durch ihren Verweis auf vorangegangene Urteile und Beschlüsse letztlich selbst verraten, dass das Beweisinteresse ursprünglich als Abwägungsparameter des einfachrechtlichen Persönlichkeitsschutzes diente. Der schlichte Transfer dieses Abwägungsmusters auf die nachgelagerte Ebene der Beweisverwertung vermag jedenfalls nicht zu erklären, wie sich die einzelnen Stufen rechtlich zueinander verhalten. Vor diesem Hintergrund müssen die originären Grundlagen des Beweisinteresses ins nähere Blickfeld rücken. bb) Das Beweisinteresse auf der Erlangungsebene In der zivilgerichtlichen Rechtsprechung taucht das Beweisinteresse bereits im Jahr 1958 als persönlichkeitsrechtlicher Abwägungsgesichtspunkt auf.162 Hinsichtlich einer heimlichen Tonbandaufnahme konstatierte der VI. Zivilsenat des BGH, 2017, 1193 (1194); zustimmend Alter, NJW 2015, 2375 (2380). Kritisch zu dieser vermeintlichen Nachrangigkeit des Beweisinteresses Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 168 f. Ähnlich – indes auf der Erlangungsebene und sub specie des § 34 StGB – Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 298 f. 158 BVerfGE 34, 238 (248 ff.); 80, 367 (380). 159 BVerfGE 106, 28 (50); 117, 202 (242); BGH NJW 2003, 1727 (1728); NJW 2005, 497 (499); NJW 2013, 2668 (2670); BAG NZA 2017, 1327 (1332); BAG NJW 2008, 2732 (2735). Teilweise in diese Richtung auch BGH NJW 1995, 155. 160 In diese Richtung letztlich auch Artikel-29-Datenschutzgruppe, Stellungnahme 06/ 2014, 844/14/EN, S. 38, indes noch zu Art. 7 lit. f DSRL. 161 Vgl. dazu auch Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (374, insb. Fn. 89); Bienert, Private Ermittlungen, S. 27 f.; Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 189 f.; Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 81 plädiert hingegen für ein untechnisches Verständnis. 162 BGHZ 27, 284 (290).
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dass „das private Interesse, sich über den Inhalt eines Gesprächs eine Gedächtnisstütze oder ein Beweismittel für eine später zu erwartende Auseinandersetzung zu verschaffen“,163 nicht genüge, um den persönlichkeitsrechtlichen Eingriff zu legitimieren. Zwar spricht das Gericht (noch) nicht ausdrücklich von einem „Beweisinteresse“, legt aber ersichtlich die Maßstäbe an, auf die auch die jüngeren Judikate – freilich erst auf der Verwertungsebene – stets verweisen. Allerdings – und gerade hierin zeigt sich ein bedeutender Unterschied – illuminiert der BGH in der genannten Entscheidung ausschließlich den Aufzeichnungsvorgang als solchen,164 ohne auf prozessuale Erwägungen abzuheben. In eine ähnliche Richtung weist auch das viel zitierte Ehespion-Urteil des BGH aus dem Jahr 1970, in dem der IV. Zivilsenat ausdrücklich schon das heimliche Verstecken des Lauschzeugen als rechtswidrigen Persönlichkeitsrechtsverstoß einstufte.165 Späteren Entscheidungen lässt sich hingegen teilweise nicht mehr genau entnehmen, ob sich die Ausführungen zum Beweisinteresse auf die Erlangung eines Beweismittels beziehen oder aber dessen prozessuale Verwertung betreffen.166 Bemerkenswert ist schließlich, dass die erwähnten Judikate neben dem Beweisinteresse regelmäßig auch die materiellrechtlichen Rechtfertigungsgründe – allen voran die Notwehr und die notwehrähnliche Lage – heranziehen, dabei allerdings nicht näher beleuchten, wie sich diese zum Abwägungsparameter des Beweisinteresses verhalten. Der Blick auf die vorgelagerte Ebene der privaten Beweismittelsuche zeigt jedenfalls den Ursprung des Beweisinteresses als persönlichkeitsrechtlichen Abwägungsparameter und vermag insoweit auch zu erklären, weshalb die jüngeren Judikate dieses ursprünglich materiell-rechtlich relevante Interesse auf der Verwertungsebene mit den ebenfalls materiell-rechtlichen Rechtsfertigungsmomenten der Notwehr oder notwehrähnlichen Lage verbinden. Überzeugend ist diese Verknüpfung der unterschiedlichen Ebenen gleichwohl nicht.167 cc) Zwischenergebnis und Schlussfolgerung Das Beweisinteresse ist in der Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht als maßgeblicher Abwägungsfaktor grundlegend anerkannt.168 Obschon 163
BGHZ 27, 284 (290). Konkret stand ein Löschungsanspruch gem. §§ 823, 1004 BGB im Raum. 165 BGH NJW 1970, 1848. 166 So etwa OLG Düsseldorf NJW 1966, 214; ferner BGH NJW 1982, 277 (278). Der VI. Zivilsenat nennt die „heimliche Tonbandaufnahme und ihre Verwertung zur Wahrheitsfindung im Zivilprozeß“ in einem Atemzug, obschon es vordergründig um die prozessuale Verwertung geht. Ähnlich ArbG Hamburg NZA-RR 2005, 520 (521). 167 So auch Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 189 f. 168 Für das Beweisinteresse als einfachrechtlicher Abwägungsparameter auch Beater, in: Soergel, § 823 Anh. IV Rn. 55. Ferner Hahn, Ton- und Bildträger als Beweismittel im Strafprozess, S. 130. 164
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seine Ursprünge auf der materiell-rechtlichen Ebene liegen, dient es gegenwärtig zuvorderst als Anknüpfungspunkt auf der nachgelagerten prozessualen Stufe. Ungeachtet dieser „Doppelnatur“ lassen sich verschiedene Kategorien des Beweisinteresses bilden, wobei das stets bestehende „schlichte“ Beweisinteresse nach nahezu einhelliger Ansicht nicht genügen soll, um einen persönlichkeitsrechtlichen Eingriff zu rechtfertigen.169 Der genaue Inhalt des Beweisinteresses und seine Zusammenhänge mit der Notwehr oder einer notwehrähnlichen Lage sind indes nach wie vor nicht gänzlich geklärt. Dies ist letztlich auch auf eine nur selten beachtete Änderung der Rechtsprechung zurückzuführen: Während die älteren Judikate die Interessenabwägung unter Einschluss des maßgeblichen Beweisinteresses neben die anerkannten Rechtfertigungsgründe gestellt haben,170 verknüpfen die jüngeren Entscheidungen diese beiden Gesichtspunkte miteinander.171 Das Beweisinteresse erscheint danach als Oberbegriff, der die spezifischen Rechtfertigungslagen gewissermaßen inkorporiert. b) Präzisierungsversuche Greift man diesen zuletzt genannten Aspekt auf, wird erkennbar, dass die zitierten Urteile und Beschlüsse, die das Beweisinteresse als persönlichkeitsrechtlichen Abwägungsfaktor ausrufen, selbst eingehende Hinweise dazu enthalten, inwieweit nur ein „schlichtes“ oder aber ein darüberhinausgehendes Beweisinteresse vorliegt. Dabei treten zwei zentrale Umstände hervor, die durchaus dazu geeignet sind, dem Beweisinteresse schärfere Konturen zu verleihen. Auf der einen Seite lassen sich allenthalben solche Erwägungen finden, die auf eine besondere Nähe zu bestimmten Rechtsfertigungssituationen hindeuten (aa)). Auf der anderen Seite heben die Gerichte auch darauf ab, welches konkrete Verhalten der eigeninitiative Beweismittelsucher aufzudecken gedenkt (bb)), wobei sich in diesem Zusammenhang ein Blick auf die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung aufdrängt. Anhand dieser beiden übergeordneten Gesichtspunkte soll im Folgenden ein praktikables Abwägungskonstrukt entwickelt werden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass sich die beiden Konkretisierungsrichtungen keineswegs ausschließen, sondern teilweise überschneiden oder sich jedenfalls ergänzen. aa) Orientierung an Rechtfertigungssituationen Ein gewichtiges Beweisinteresse soll insbesondere dann vorliegen, wenn sich die persönlichkeitsrechtliche Beeinträchtigung in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage ereignet. Dies sei etwa anzunehmen, wenn ein Lauschzeuge 169
Kritisch zur Kategorie des „schlichten“ Beweisinteresses Ahrens, NJW 2018, 2837 (2838). 170 So etwa OLG Düsseldorf NJW 1966, 214. Vgl. auch BGH NJW 1970, 1848. 171 Kritisch dazu Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 187.
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heimlich eine erpresserische Drohung mithöre.172 Die gewählte Formulierung weckt unweigerlich Assoziationen zu einer Rechtfertigung gem. § 32 StGB, da es um die Abwehr eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs geht. Die materiell-rechtlichen Erlaubnissätze können innerhalb der persönlichkeitsrechtlichen Interessenabwägung als besonders aussagekräftige Parameter herangezogen werden.173 Denn wenn die Rechtsordnung in ausgewählten Situationen einzelne Verletzungen fremder Rechtspositionen explizit gestattet, strahlt diese Erkenntnis auch darauf aus, wie gewichtig die wahrgenommenen Interessen sind. Weil sich die Abwägung jedoch nicht auf solche echten Rechtfertigungsmomente beschränkt – sondern deutlich weiter gefasst ist –, kommt es weniger darauf an, ob sämtliche Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes vorliegen, als vielmehr darauf, inwieweit eine spezifische Nähe zu einem solchen besteht.174 Gerade hierin zeigt sich die zentrale Charaktereigenschaft der Interessenabwägung, die sämtliche normativen Wertungen in einem konkreten Einzelfall berücksichtigen kann – und deshalb auch mitunter vage bleibt. Von diesem Standpunkt aus lassen sich sodann weitere Konkretisierungen vornehmen, um das Beweisinteresse als justiziablen Abwägungsparameter auszugestalten. Eine spezifische Nähe zu den Rechtfertigungsgründen liegt im Kontext der eigeninitiativen Beweismittelsuche zum einen stets dann vor, wenn sich das beweissichernde Verhalten des Privaten ausschließlich darauf beschränkt, eine gegenwärtige fremde Rechtsverletzung zu dokumentieren.175 Nach der straf- und zivilrechtlichen Diktion befindet sich der Beweismittelsucher insoweit zumeist in einer Notwehrlage, da er mit einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff konfrontiert wird. Für das gesteigerte Beweisinteresse ist es allerdings unerheblich, ob die private Beweismitteldokumentation176 – etwa durch eine heimliche Videoaufnahme oder den verdeckt eingeschleusten Lauschzeugen – rein tatsächlich geeignet ist, gerade
172
BGHZ 27, 284 (290); BVerfGE 106, 28 (50). Hinsichtlich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist nach wie vor ungeklärt, ob die anerkannten Rechtfertigungsgründe primär zu prüfen sind oder aber die Interessenabwägung vorrangig zu berücksichtigen ist. Für einen Vorrang der Interessenabwägung letztlich auch Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 165. Hingegen plädieren Helle, JZ 1994, 915 (917) sowie Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 154 für ein Primat der Rechtfertigungsgründe. Mitunter erschöpfen sich die Darstellungen indes in der knappen Behauptung, auch sub specie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fänden die Rechtfertigungsgründe Anwendung. So etwa Klass, in: Erman16, Anh. § 12 Rn. 228; ferner Staudinger, in: HK-BGB, § 823 Rn. 106. 174 Abweichend Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329 (334) hinsichtlich der heimlichen Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume. Eine solche sei nur dann rechtmäßig, wenn ein allgemeiner Rechtfertigungsgrund eingreife. 175 In diese Richtung auch Hahn, Ton- und Bildträger als Beweismittel im Strafprozess, S. 129, der eine Aufnahme dann als rechtmäßig einstuft, wenn diese ein strafbares Verhalten dokumentiere. Ferner KG NZFam 2021, 501 (503). 176 Zu diesem Begriff Teil 1, B. III. 173
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die gegenwärtige Rechtsverletzung abzuwehren,177 und ob diese überhaupt ein notwehrfähiges Rechtsgut betrifft.178 Zugunsten des Verletzers von Persönlichkeitsrechten fällt in diesen Situationen vornehmlich ins Gewicht, dass sich das beweissichernde Verhalten typischerweise auf einen kurzen Zeitraum – nämlich den der gerade stattfindenden Rechtsverletzung – konzentriert und das Tätigwerden durch fremdes missbilligenswertes Vorgehen erst ausgelöst wird.179 Zwar ließe sich in derartigen Situationen der Einwand formulieren, der in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Betroffene habe gerade dann ein besonders großes Interesse daran, nicht gefilmt oder fotografiert zu werden, wenn das auslösende Geschehen kein alltägliches, sondern ein rechtlich verbotenes Verhalten darstellt. Indes vermag diese Schutzbehauptung nicht zu überzeugen, da das Interesse, möglichst unbehelligt fremde Rechtspositionen verletzen zu können, keineswegs schutzwürdig und sonach persönlichkeitsrechtlich unbedeutend ist.180 Darüber hinaus ist auch die Gefahr, gänzlich unbeteiligte Personen ihrerseits zu verletzen, im Vergleich zu längerfristigen eigeninitiativen Ermittlungen deutlich abgeschwächt: Sobald die Verletzungshandlung des anderen abgeschlossen ist, wird auch der eigeninitiative Beweismittelsucher kein Interesse mehr daran haben, das Geschehen weiter aufzuzeichnen und seine Maßnahmen einstellen. Mitunter bestehen jedoch Bedenken an der Rechtmäßigkeit solcher Dokumentationsvorgänge, wenn der Private keine echten eigenen Interessen verfolgt. Das LG Bonn stuft vor diesem Hintergrund das Herstellen von Bildaufnahmen als rechtswidrig ein, wenn dieses allein darauf zielt, einzelne Rechtsverstöße in einem Naturschutzgebiet festzustellen.181 Zwar sei der Naturschutz als Staatsziel in Art. 20a GG verankert; allerdings seien gerade keine Individualrechtsgüter des Aufneh-
177
bb).
Dazu noch umfassend im Kontext der strafrechtlichen Rechtfertigung Teil 2, C. IV. 3. a)
178 Exemplarisch ist insoweit die heimliche Videoaufnahme einer anderen Person, die im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr führt und insoweit § 316 StGB verwirklicht. Eine hiergegen gerichtete Verteidigungshandlung kann sich mangels eines Angriffs auf ein notwehrfähiges Rechtsgut grundsätzlich nicht auf § 32 StGB stützen. Vgl. etwa Rengier, Strafrecht AT, § 18 Rn. 10; Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 36 f. 179 Dies betont auch OLG Frankfurt NJW 1987, 1087 (1088), obschon das Gericht die Frage, ob die Videotonaufnahme eines Betrunkenen unzulässig ist, i. E. nicht entscheiden musste. 180 Vgl. auch Helle, JZ 1988, 309 (310), der betont, zur Dokumentation eines rechtswidrigen Verhaltens müsse eine Fotografie zulässig sein; zustimmend Thole, in: Stein/Jonas, § 286 Rn. 58 Fn. 130. Ähnlich auch LG Oldenburg JZ 1990, 1080 (1081); Lehr/Becker, ZD 2022, 370 (374). 181 LG Bonn ZD 2015, 434. Ähnliche Fragestellungen ergeben sich bei Fotografien von Falschparkern, um diese in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren als Beweismittel anbieten zu können. Die Diskussion hat sich insoweit wegen des Personenbezugs von Kfz-Kennzeichen ins Datenschutzrecht verlagert. Vgl. dazu Lehr/Becker, ZD 2022, 370; Wanser, ZD-Aktuell 2021, 05574.
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menden oder eines Dritten betroffen.182 Allerdings vermag ein solch restriktiver Zuschnitt der persönlichkeitsrechtlichen Interessenabwägung nicht zu überzeugen. Die Güter- und Interessenabwägung ist offen gefasst und darauf gerichtet, ein einzelfallgerechtes Ergebnis zu erreichen. Um dies zu ermöglichen, sind im Ausgangspunkt sämtliche betroffenen und relevanten Positionen in die rechtliche Bewertung einzustellen. Eine persönliche Betroffenheit des privaten Beweismittelsuchers verstärkt zwar dessen Rechtsposition; fehlt diese, kann daraus aber nicht umgekehrt auf die generelle Unzulässigkeit jedweder eigeninitiativen Beweismitteldokumentation geschlossen werden. Blickt man auf die tragenden Erwägungen des LG Bonn, so wird deutlich, dass sich das Gericht auf mögliche Beeinträchtigungen des staatlichen Gewaltmonopols konzentriert. Diese sind aber bei einzelnen Maßnahmen durch Private, auf die der Staat im Übrigen angewiesen ist, nicht ersichtlich. Eine andere Bewertung kommt allein dann in Betracht, wenn sich Privatpersonen dazu aufschwingen, sämtliche Rechtsverstöße im öffentlichen Raum zu dokumentieren und sich dabei eine Rolle anmaßen, die ausschließlich den staatlichen Stellen zukommt.183 Nach alledem kann eine persönlichkeitsrechtlich relevante Vorgehensweise des Privaten auch dann rechtmäßig sein, wenn der dokumentierte Rechtsverstoß keine Individualrechtsgüter betrifft. Ein gesteigertes Beweisinteresse liegt zum anderen auch dann vor, wenn sich dem eigeninitiativen Beweismittelsucher ein konkretisierter Verdacht dahingehend aufdrängt, ein anderer werde zukünftig eine Rechtsverletzung begehen, der jedoch nur durch ein gegenwärtiges Tätigwerden effektiv begegnet werden kann. Aus der strafrechtsdogmatischen Perspektive liegt insoweit eine Konstellation der Präventivnotwehr vor, die mangels eines gegenwärtigen Angriffs nicht unter § 32 StGB fällt, allerdings nach Maßgabe des § 34 StGB gerechtfertigt sein kann.184 In praxi stehen regelmäßig solche Fälle im Vordergrund, in denen eine Privatperson ankündigt oder sonst durch das Verhalten nahelegt, in einem potenziellen Gerichtsverfahren wahrheitswidrig auszusagen,185 oder aber konkrete Hinweise dahingehend bestehen, dass es wiederholt zu Rechtsverletzungen kommt.186 Bei Lichte besehen handelt es sich nach dem hier zugrunde gelegten Begriffsverständnis zumeist um Anwendungsfälle unechter privater Ermittlungen.187 Der private Beweismittelsucher geht einem konkreten Anlass nach, zu dem er durch das Verhalten eines anderen 182
LG Bonn ZD 2015, 434 (435). Das Gericht deutet an, dass ein anderes Ergebnis denkbar sei, wenn es um die Dokumentation einer (erheblichen) Straftat gehe. 183 Dazu noch im datenschutzrechtlichen Kontext Teil 2, B. II. 3. a). 184 Zur Präventivnotwehr Perron/Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 17; Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 105. 185 KG NJW 1956, 26 (27). Dazu auch Hahn, Ton- und Bildträger als Beweismittel im Strafprozess, S. 130, der die Entscheidung kritisiert. 186 Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329 (335). Insoweit können Überschneidungen zu den echten privaten Ermittlungsmaßnahmen bestehen, die sich durch einen konkreten Verdacht auszeichnen, der auf einen zurückliegenden Rechtsverstoß gerichtet ist. 187 Zum Begriff Teil 1, B. II. 3.
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erst herausgefordert wird. Dass derartige Konstellationen erhebliche rechtliche Schwierigkeiten hervorrufen – oder dies jedenfalls in der Vergangenheit getan haben –, liegt bereits in der bemühten Terminologie der Gerichte begründet. Diese heben größtenteils auf die notwehrähnliche Lage ab, und rekurrieren insoweit auf einen Erlaubnissatz, der aufgrund seiner fehlenden gesetzlichen Verankerung eine gewisse dogmatische Unschärfe aufweist.188 Innerhalb der persönlichkeitsrechtlichen Interessenabwägung kommt es hierauf freilich gerade nicht an, da dieser Ausgleich nicht davon abhängt, wie eine spezifische Situation beschrieben wird und es darüber hinaus – wie gezeigt – unerheblich ist, ob sämtliche Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes vorliegen.189 Entscheidend ist allerdings auch innerhalb des Abwägungsprozesses, dass sich die Verdachtsmomente konkret aufdrängen, und nicht allein in bloßen Vermutungen oder vagen Prognosen erschöpfen.190 bb) Orientierung am Arbeitsrecht Ein gesteigertes Beweisinteresse soll nach den oben zitierten gerichtlichen Aussagen auch dann vorliegen, wenn der Verdacht einer besonders schweren Straftat besteht,191 dem eine Privatperson nachzugehen versucht.192 Bei näherem Hinsehen verschiebt sich der Begründungsansatz im Vergleich zu den voranstehenden Ausführungen insoweit, als nicht mehr die konkrete Situation maßgeblich ist, in der eine Privatperson ein aussagekräftiges Beweismittel sichert, sondern vielmehr der übergeordnete Anlass selbst. In diesem Zusammenhang sind sonach die Fälle einer echten eigeninitiativen Ermittlungsmaßnahme angesprochen, in denen der Private bezweckt, einen zurückliegenden und bereits abgeschlossenen Rechtsverstoß zu beweisen. Weiterführend ist in diesem Zusammenhang ein Blick auf einige arbeitsrechtliche Judikate und Stellungnahmen, die a priori geeignet scheinen, das Beweisinteresse 188 Perron/Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 17; Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 105. Für das Datenschutzrecht schließlich Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329 (334). Zur notwehrähnlichen Lage als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund Teil 2, C. IV. 4. b). 189 Abweichend wiederum Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329 (334 f.), die auf die Voraussetzungen des § 34 StGB abstellen und dabei konkretisierend die arbeitsgerichtlichen Vorgaben heranziehen. Zu diesen sogleich Teil 2, A. IV. 3. b) bb). 190 Noch strenger hingegen Hahn, Ton- und Bildträger als Beweismittel im Strafprozess, S. 130, der die Ankündigung einer Lüge nicht ausreichen lässt. Vgl. zur Videoüberwachung einer Zahnarztpraxis BVerwG NJW 2019, 2556 (2560), das im datenschutzrechtlichen Kontext eine Gefährdungslage verlangt, „die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht“. 191 In den Fällen einer Straftat lässt sich erwägen, das staatliche Strafverfolgungsinteresse als notstandsfähiges Rechtsgut i. S. d. § 34 StGB zu begreifen und die Begründung eines gesteigerten Beweisinteresses in das zuvor bemühte Gedankengebäude zu integrieren, wonach eine spezifische Nähe zu einzelnen Rechtsfertigungssituationen genügt. Freilich verfängt diese Gedankenführung nicht, wenn allein ein zivilrechtlicher Rechtsverstoß im Raum steht, der die privaten Ermittlungen auslöst. Zum Ganzen noch Teil 2, C. IV. 3. b) aa) (2) (b). 192 BVerfGE 106, 28 (49 f.); 34, 238 (248 f.); BGH NJW 1970, 1848. Vgl. auch die Argumentation bei Löwisch/Wallisch, SAE 1998, 289 (291).
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eines eigeninitiativen Privatermittlers allgemeingültig zu beschreiben.193 Freilich muss eine dahingehende Transformation stets die spezifischen rechtlichen Verhältnisse berücksichtigen, die zwischen einem Arbeitgeber und den bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestehen und die sich von dem sonst üblichen oder alltäglichen zwischenmenschlichen Kontakt nicht unerheblich unterscheiden.194 So ist es dem einzelnen Arbeitnehmer aufgrund der arbeitsvertraglichen Pflichten grundsätzlich verwehrt, unliebsamen Situationen ohne Weiteres aus dem Weg zu gehen, sofern nicht außergewöhnliche Gefahrenlagen bestehen.195 Hinzu kommen eine – in ihrem Ausmaß freilich divergierende – wirtschaftliche Abhängigkeit sowie ein besonderes Näheverhältnis, das es dem Arbeitgeber ermöglicht, unter vereinfachten Bedingungen in geschützte Rechtspositionen der Beschäftigten einzugreifen. Nichtsdestoweniger können zentrale arbeitsrechtliche Formulierungen über ihren originären Anwendungsbereich hinaus Geltung beanspruchen und somit auch die persönlichkeitsrechtliche Interessenabwägung insgesamt beeinflussen. Paradigmatisch ist insoweit die Videoüberwachung von Arbeitnehmern, um diese etwa daraufhin zu überprüfen, ob sie die arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungen ordnungsgemäß erbringen oder sich gar betriebsschädlich verhalten.196 Regelmäßig sorgen auf diese Weise hergestellte Aufnahmen in einem späteren Kündigungsschutzprozess für Aufsehen, in dem der Arbeitgeber einen möglichen Kündigungsgrund darzulegen verpflichtet ist und sich insoweit auf die angefertigten Aufzeichnungen beruft.197 Das BAG hat in nahezu avantgardistischer Manier bereits im Jahr 2003 hinreichend justiziable Kriterien für eine zulässige heimliche Videoüberwachung (und deren prozessuale Verwertung)198 durch den Arbeitgeber festgelegt,199 die in den Folgejahren nicht nur durchweg bestätigt wurden,200 sondern
193 Derartige präzisierende Maßstäbe fehlen den sonstigen zivilgerichtlichen Urteilen oftmals. Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, wenn Balthasar, JuS 2008, 35 (37) im Bereich heimlicher Videoaufnahmen Kritik übt und dabei hervorhebt, die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung sei insoweit differenzierter. 194 Zu unterschiedlichen Konstellationen der Arbeitnehmerüberwachung Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329 (332 ff.). 195 BAG NJW 2003, 3436 (3437); NJW 2005, 313 (317). In diese Richtung auch Grimm/ Schiefer, RdA 2009, 329 (330). Vgl. auch Körner, NZA 2020, 25 (29). 196 Instruktiv zum Ganzen Venetis/Oberwetter, NJW 2016, 1051. 197 Zu den Voraussetzungen einer sog. Verdachtskündigung BAG NZA 2014, 143 (145); LAG Baden-Württemberg ZD 2017, 88 (89). Zu weiteren angestrebten Zwecken Maschmann, AuA 2000, 519; Alter, NJW 2015, 2375. 198 Hier zeigt sich erneut, dass auch in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung nicht immer ausreichend zwischen der Aufnahme als solcher und der prozessualen Verwertung unterschieden wird. Vgl. dazu auch Fuhlrott/Schröder, NZA 2017, 278 (282). 199 BAG NJW 2003, 3436 (3437). 200 BAG NZA 2012, 1025 (1028); BAG NJW 2017, 1193 (1194).
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schließlich im Jahr 2009 die Grundlage für den § 32 BDSG a. F. bildeten,201 der sich mittlerweile in § 26 BDSG wiederfindet.202 Obschon es sonach mittlerweile eine datenschutzrechtliche Regelung gibt, betrifft die verdeckte Arbeitnehmerüberwachung stets auch Belange des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts.203 Nach der Rechtsprechung des BAG – die im Folgenden als arbeitsgerichtliche Formel bezeichnet werden soll – ist die heimliche Videografie zulässig, „wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt und insgesamt nicht unverhältnismäßig ist“.204 Betrachtet man die einzelnen Komponenten der arbeitsgerichtlichen Formel genauer, so verlangt diese zunächst einen konkreten Verdacht,205 der typischerweise an solche Verhaltensweisen der Arbeitnehmer anknüpft, die bereits abgeschlossen sind. So veranlassen nicht selten wiederkehrende Kassenfehlbestände oder Inventurdifferenzen den Arbeitgeber dazu, den Kassenbereich zukünftig heimlich zu überwachen, um aufzuklären, wer für diese verantwortlich gemacht werden kann.206 Das Erfordernis eines konkreten Verdachts schließt dabei hauptsächlich solche verdeckten Überwachungsmaßnahmen aus, die lediglich „ins Blaue hinein“ erfolgen,207 und bewirkt insoweit bereits, die gegenläufigen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmern an einem nachprüfbaren Umstand auszurichten. Bei näherem Hinsehen sind die Hürden, die an den erforderlichen Verdachtsgrad angelegt werden, allerdings leicht überwindbar, da bereits ein „einfacher“ Verdacht genügt,208 der sich 201 BT-Drs. 16/13657, S. 21; BAG NZA 2014, 243 (249); Chandna-Hoppe, NZA 2018, 614 (616); Venetis/Oberwetter, NJW 2016, 1051 (1053); Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 96 f. 202 Chandna-Hoppe, NZA 2018, 614 (616 Fn. 41). Nach überwiegender Auffassung gelten die Erkenntnisse zu § 32 BDSG a. F. sub specie des § 26 BDSG fort, LAG Berlin-Brandenburg ZD 2021, 170; Wybitul, NZA 2017, 413 (415); Kort, RdA 2018, 24 (25) m. w. N. Zu neuerlichen Diskussionen, die Transparenz- und Informationspflichten betreffen, Hembach, NJW 2020, 128 (130). 203 Venetis/Oberwetter, NJW 2016, 1051 (1052). 204 BAG NJW 2003, 3436 (3437); NJW 2005, 313 (316 f.); NJW 2017, 1193 (1194); BAG NZA 2012, 1025 (1028); NZA 2014, 243 (248); NZA 2017, 112 (114); ArbG Hamburg, BeckRS 2005, 42093. Dazu schließlich Alter, NJW 2015, 2375 (2377), der diese Voraussetzungen auch auf § 6b BDSG a. F. erstreckt und somit jede Videoüberwachungsmaßnahme des Arbeitgebers hieran misst. Vgl. in diesem Kontext auch die Judikate des EGMR, EGMR BeckRS 2011, 81439; EGMR NZA 2019, 1697. Instruktiv dazu Körner, NZA 2020, 25 (25 ff.); Hembach, NJW 2020, 128 (128 ff.). 205 BAG NJW 2005, 313 (315). Umfassend zum Ganzen Maschmann, in: Kühling/Buchner, § 26 BDSG Rn. 59; ders., AuA 2000, 519 (521). 206 BAG NJW 2003, 3436; BAG NZA 2018, 1329. Zu ähnlichen Erwägungen im Kontext versicherungsrechtlicher Streitigkeiten Fricke, VersR 2010, 308 (313 f.). 207 BAG NJW 2017, 2853 (2856); LAG Berlin-Brandenburg, ZD 2021, 170 (171); Chandna-Hoppe, NZA 2018, 614 (617). 208 BAG NJW 2017, 1193 (1195).
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auf einen „räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern“ beziehen muss.209 Lässt sich ein solcher nicht begründen, kann unter Rekurs auf die beweisrechtliche Terminologie von einem nicht genügenden „schlichten“ Beweisinteresse gesprochen werden.210 Der konkretisierte Verdacht muss sich nach der arbeitsgerichtlichen Formel auf eine strafbare Handlung oder eine schwere Verfehlung beziehen, so dass jedenfalls solche Rechtsverletzungen als auslösender Umstand ausscheiden, die eine gänzlich untergeordnete Rolle einnehmen.211 Aus der Perspektive des Beweisinteresses ist besonders bezeichnend, dass die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung nicht allein Straftaten, sondern darüber hinaus auch andere Rechtsverstöße nennt.212 Zwar kommt strafbaren Verhaltensweisen prima vista ein größerer Unrechtsgehalt zu als etwa bloßen Ordnungswidrigkeiten oder zivilrechtlichen Rechtsverletzungen. Gleichwohl ist ein Interesse des Arbeitgebers daran, erhebliche Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten aufzudecken, nicht von der Hand zu weisen.213 Wären heimliche Videoaufnahmen allein bei einem auf Straftaten gerichteten Verdacht zulässig, führte dies zudem dazu, den Arbeitgeber in weiten Teilen faktisch schutzund rechtlos zu stellen. Diese Konkretisierung des Beweisinteresses lässt sich auf sämtliche echte Beweisermittlungsmaßnahmen durch Private außerhalb des Arbeitsverhältnisses übertragen. Folglich liegt ein gesteigertes Beweisinteresse nicht allein dann vor, wenn der Private einem Verdacht nachgeht, der sich auf eine vorangegangene Straftat bezieht. Vielmehr lässt sich ein solches auch dann begründen, wenn sich der Verdacht auf einen gewichtigen zivilrechtlichen Rechtsverstoß richtet. Angezeigt ist diese Ausweitung schon deshalb, weil im Bereich der zivilrechtlichen Streitigkeiten gerade keine Aufklärung von Amts wegen erfolgt, sondern die Parteien vielmehr selbst dazu aufgerufen sind, potenzielle Beweismittel zu sichern. Diese Differenzierung berührt einen weiteren essenziellen Faktor, der zwar nicht unmittelbar mit dem 209 BAG NZA 2012, 1025 (1028); NZA 2014, 243 (248). Zum Ganzen auch Alter, NJW 2015, 2375 (2377 f.). 210 Hiervon scheint BAG NJW 2003, 3436 (3438) zu divergieren, indem das Beweisinteresse dort in einen grundrechtlichen Kontext gesetzt wird. 211 Dazu Fuhlrott/Schröder, NZA 2017, 278. Vgl. auch Renners, Private Investigation und Arbeitsrecht, S. 142, der heimliche Videoaufnahmen nur beim Verdacht „schwerwiegender Straftaten“ oder bei Warenverlusten in „nennenswertem Umfang“ zulassen möchte. Ferner Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 102, der eine mögliche Orientierung an den Katalogtaten des § 100a StPO erwägt. 212 Dies betonen auch Fuhlrott/Schröder, NZA 2017, 278 (279). 213 Diese Erkenntnisse bestätigt letztlich auch BAG NJW 2017, 2853. Das Gericht stützt eine verdeckte Überwachungsmaßnahme, die dazu dient, eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers nachzuweisen, auf § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG a. F. Abweichend hingegen LAG Baden-Württemberg ZD 2017, 88 (90), das § 32 Abs. 1 BDSG a. F. bei einem Verdacht, der sich nicht auf eine Straftat bezieht, für unanwendbar hielt. Vgl. auch Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 98. Instruktiv zum Zusammenspiel von Satz 1 und Satz 2 des § 32 Abs. 1 BDSG a. F. Niemann, in: JBArbR 2018, S. 41 (51 ff.).
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Gewicht des Beweisinteresses zusammenhängt, aber das Verhältnis der eigeninitiativen Beweismittelsuche zu staatlichen Ermittlungsmaßnahmen betrifft. Geht es um die Aufklärung einer Straftat, liegt der gesetzlichen Konzeption die Vorstellung zugrunde, dass diese durch die staatlichen Stellen erfolgt, denen insoweit spezifische Ermittlungsbefugnisse zustehen. Der Vorrang der staatlichen Ermittlungen muss auch im Rahmen der persönlichkeitsrechtlichen Interessenabwägung berücksichtigt werden, um die gesetzliche Leitidee nicht zu konterkarieren. Allerdings beschreibt dieser Gesichtspunkt in der persönlichkeitsrechtlichen Interessenabwägung kein absolutes Kriterium.214 Insoweit zeigt sich ein weiterer Unterschied zu den starreren Erlaubnissätzen der §§ 32, 34 StGB, 227 BGB. cc) Zwischenergebnis Das Beweisinteresse lässt sich im Rahmen der Interessenabwägung von zwei Seiten aus näher präzisieren. Zunächst liegt ein gesteigertes Beweisinteresse vor, wenn sich die eigeninitiative Vorgehensweise ausschließlich darauf beschränkt, das gegenwärtige rechtswidrige Verhalten eines anderen zu dokumentieren oder aber eindeutige Anhaltspunkte hinsichtlich eines zukünftigen unerlaubten Verhaltens bestehen. Daneben sind auch begründete Verdachtsmomente dazu geeignet, das Interesse an einer Beweismittelsuche zu erhöhen. Weiterführend ist es dabei, sich an der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zur heimlichen Videoüberwachung von Arbeitnehmern zu orientieren, die ihrerseits in weiten Teilen die Grundlage für den gegenwärtigen § 26 Abs. 1 BDSG bildet. Sonach liegt in den Fällen der echten eigeninitiativen Ermittlungsmaßnahmen stets dann ein gesteigertes Beweisinteresse vor, wenn der Private einem konkreten Verdacht nachgeht, der sich auf eine Straftat oder sonstige erhebliche Rechtsverletzung bezieht. Indes genügt auch ein gesteigertes Beweisinteresse für sich betrachtet nicht, um einen konkreten Eingriff zu legitimieren, da stets die gesamten Umstände der jeweiligen Situation bewertet und in den Interessenausgleich eingestellt werden müssen. Zu diesen weiteren Abwägungsfaktoren rechnet vor allem der Aspekt, wie intensiv der Eingriff in die geschützte Persönlichkeitssphäre eines anderen ausfällt. Insoweit zeitigt es durchaus rechtserhebliche Auswirkungen, ob der Private eine Kamera betreibt, die Ereignisse im öffentlichen Straßenverkehr dokumentiert oder aber auf einen Lauschzeugen zurückgreift, der Gespräche mit dem Ehegatten in der gemeinsam genutzten Wohnung belauscht und deutlich eingriffsintensiver vorgeht, da er in einem besonders geschützten privaten Rückzugsraum agiert. Gleichwohl ist das Beweisinteresse nicht nur ein Abwägungsparameter unter vielen, da dieser Gesichtspunkt den Interessenausgleich ganz entscheidend beeinflusst. Dies ist jedenfalls auch darauf zurückzuführen, dass der verfolgte Zweck, den das Beweisinteresse letztlich beschreibt, zwei gewichtige Abwägungspositionen in sich vereint: Vordergründig benennt das Beweisinteresse den Anlass des eigeninitiativen Vor214
Zur Bedeutung im Kontext des § 34 StGB Teil 2, C. IV. 3. b) dd).
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gehens; zugleich trifft diese Erwägung implizit auch Aussagen dazu, inwieweit der andere, der von einer eigeninitiativen Maßnahme betroffen ist, diese durch sein Vorverhalten erst ausgelöst hat. Nach allem ist das Beweisinteresse eine zentrale Direktive um zu beurteilen, zu wessen Gunsten die Interessenabwägung ausfällt. c) Eignung, den intendierten Zweck zu erreichen Das Beweisinteresse vermag den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus § 823 Abs. 1 BGB darüber hinaus nur dann zu legitimieren, wenn das Vorgehen des eigeninitiativ handelnden Privaten überhaupt dazu geeignet ist, den verfolgten Zweck zu erreichen.215 Insoweit bedarf es einer differenzierten Betrachtung, die tatsächliche und rechtliche Erwägungen trennt. aa) Die Eignung aus tatsächlichem Blickwinkel Die privaten Nachforschungen zielen darauf ab, potenzielle Beweismittel zu sichern, um diese in einem möglichen Rechtsstreit verwenden zu können. Sofern die gewählte Vorgehensweise tatsächlich nicht geeignet ist, das verfolgte Beweisinteresse zu befriedigen, zieht dies das Verdikt der persönlichkeitsrechtlichen Rechtswidrigkeit nach sich. Paradigmatisch ist insoweit ein Urteil des OLG Karlsruhe aus dem Jahr 2001:216 Der Eigentümer eines Pkw überwachte die Tiefgarage eines Mehrfamilienanwesens, in der sich das Fahrzeug befand, heimlich mittels einer Videokamera, nachdem es in der Vergangenheit wiederholt zu Sachbeschädigungen gekommen war. Dabei gelang es ihm, eine weitere Rechtsverletzung sowie den verantwortlichen Täter zu dokumentieren. Der Aufnehmende zielte zum einen darauf ab, weitere Eigentumsverletzungen zu verhindern; zum anderen strebte er zugleich an, den Täter der vorausgegangenen Straftaten zu überführen. Das OLG Karlsruhe stellte einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht fest: Während der zuerst genannte Zweck im selben Maße auch durch eine offene Videoüberwachung hätte erreicht werden können, lehnte das Gericht hinsichtlich der intendierten Aufklärung der vergangenen Sachbeschädigungen bereits die Eignung des heimlichen Vorgehens ab.217 Die Aufnahme erlaube keine sicheren Rückschlüsse, wer die vorherigen Eigentumsverletzungen begangen habe.218 Denn selbst wenn die archivierten Bilder eine konkrete Person als Täter erkennen ließen, erlaube dies keine Rückschlüsse darauf, wer für die davor liegenden Taten verantwortlich sei. De facto gelingt ein solcher Nachweis nur bei solchen Wiederholungstaten, die einen so eigentümlichen Charakterzug aufweisen, dass von der Aufnahme nur eines Fehlverhaltens auf den Verantwortlichen auch der davor lie215
OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799 (2799 f.); OLG Köln NJW 2005, 2997 (2998). OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799. Nach der nunmehr geltenden Rechtslage müsste sich die Videoaufnahme zunächst am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO messen lassen. 217 OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799 (2799 f.). 218 OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799 (2799 f.); ebenso OLG Köln NJW 2005, 2997 (2999). 216
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genden Rechtsverstöße geschlossen werden kann.219 Von einem persönlichkeitsrechtlichen Verstoß wird man schließlich auch dann ausgehen müssen, wenn das erlangte Beweismittel aus sonstigen qualitativen Gründen ungeeignet ist, die rechtserhebliche Tatsache zu belegen, die der Private nachzuweisen versucht.220 Anzunehmen ist dies beispielsweise, wenn der unbemerkt eingeschleuste Lauschzeuge die relevanten Aussagen akustisch nicht vernehmen kann. bb) Die Eignung aus beweisverbotsbezogenem Blickwinkel Nahezu unbeleuchtet ist hingegen die Frage, inwieweit die Eignung neben der unzweifelhaft erforderlichen tatsächlichen auch eine (beweis)rechtliche Komponente aufweist, die eine normative Bewertung verlangt. Diese tritt bei einem erneuten Blick auf den verfolgten Zweck hervor: Wenn sich die Intention einer Privatperson darauf richtet, taugliche Beweismittel für einen Zivil- oder Strafprozess zu gewinnen, strebt diese mit ihrem Verhalten – jedenfalls im Bedarfsfall – die gerichtliche Verwertung an. Sollten die erlangten Beweismittel allerdings von vornherein als prozessual unverwertbar einzustufen sein, schiene der bezweckte Erfolg schlechthin unerreichbar.221 Diese komplexe Fragestellung, die an der Schnittstelle von materiellem und formellem Recht wurzelt, betrifft bei näherem Hinsehen nicht allein die persönlichkeitsrechtliche Interessenabwägung, sondern vielmehr den gesamten Komplex eigeninitiativ erlangter Beweismittel. Denn auch die anerkannten Rechtfertigungsgründe, die vornehmlich bei den besonderen Persönlichkeitsrechten bedeutsam sind, verlangen eine geeignete Verteidigungsmaßnahme. Vor diesem Hintergrund erscheint eine einheitliche Darstellung an hervorgehobener Stelle vorzugswürdig.222
V. Ergebnis für das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht Das allgemeine Persönlichkeitsrecht nimmt in der Diskussion um prozessuale Beweisverwertungsverbote eine zentrale Rolle ein. Evident ist in diesem Kontext jedoch, die verfassungsrechtliche Gewährleistung vom zivilrechtlichen Schutzinstrument zu unterscheiden. Das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht ist 219 AG Zerbst NJW-RR 2003, 1595. Vgl. auch OLG Saarbrücken BeckRS 2010, 28142, wobei insoweit auch die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eine entscheidende Rolle dafür spielte, dass der Antragsgegner als Verantwortlicher für vorausgegangene Rechtsverstöße angesehen werden konnte. 220 Vgl. Scholz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Anh. 1 Art. 6 DSGVO Rn. 94, indes im datenschutzrechtlichen Kontext. 221 Vgl. zu ähnlichen Erwägungen auch Rogall, in: Rudolphi-Symposium, S. 113 (147 Fn. 220), die allerdings – ganz abstrakt – das Verhältnis von Beweiserhebung und Beweisverwertung betreffen. 222 Dazu Teil 2, D. III.
B. Datenschutzrecht
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Ausfluss der grundrechtlichen Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und als sonstiges Recht i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Da das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht ein sog. Rahmenrecht darstellt – und mithin einen offenen Tatbestand aufweist –, bedarf es einer einzelfallgeprägten Güter- und Interessenabwägung, um darüber zu befinden, ob eine rechtswidrige Verletzung vorliegt. Hiervon unterscheiden sich die besonderen Persönlichkeitsrechte, deren Bestandteile in mehr oder weniger präzise gefassten Vorschriften kodifiziert wurden und zu denen in erster Linie die §§ 201, 201a StGB rechnen. Der rechtswidrige Verstoß lässt sich bei den besonderen Persönlichkeitsrechten anhand der spezifischen gesetzlichen Vorgaben überprüfen, ohne dabei auf einen umfassenden Interessenausgleich abheben zu müssen. Trotz mannigfaltiger Versuche, die Schutzinhalte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu präzisieren und in stärkerem Umfang auf das Modell der Unrechtsindikation zu rekurrieren, bleibt dieses nach wie vor von einem einzelfallgeprägten Interessenausgleich abhängig. Aus der Warte der privaten Beweismittelsuche hat sich – jenseits einiger grundsätzlicher Abwägungsparameter – gezeigt, dass der verfolgte Zweck entscheidend ist, um über die rechtswidrige Verletzung zu befinden. Terminologisch ist insoweit auf das Beweisinteresse abzustellen, das seinerseits in unterschiedliche Kategorien untergliedert werden kann. Ein „schlichtes“ Beweisinteresse genügt dabei nicht, um den persönlichkeitsrechtlichen Eingriff in das Rahmenrecht zu legitimieren. Vielmehr bedarf es besonderer Umstände, die sich von zwei Seiten her konkretisieren lassen. Zunächst ist eine Orientierung an spezifischen Rechtfertigungssituationen möglich, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Voraussetzungen eines materiell-rechtlichen Erlaubnissatzes vollumfänglich vorliegen. Daneben bietet sich ein Rekurs auf überkommene Erkenntnisse der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung an.
B. Datenschutzrecht Zunehmend beeinflussen datenschutzrechtliche Vorgaben das menschliche Zusammenleben.223 Dies betrifft nicht allein das Verhältnis eines privaten Konsumenten zu international agierenden Wirtschaftsunternehmen, sondern gerade auch den Kontakt von einzelnen Personen untereinander. Denn die maßgeblichen Regelungen der DSGVO, die als europäische Rechtsverordnung seit dem 25. 5. 2018 im nationalen Recht unmittelbar gilt, differenzieren nicht danach, ob ein Großkonzern personenbezogene Daten verarbeitet oder aber eine Einzelperson.224 Vor diesem Hin-
223
Zur gestiegenen Bedeutung des Datenschutzrechts in der historischen Entwicklung Busching, Der Schutz „privater“ Informationen bei Cloud Computing, S. 70 ff. 224 Kritisch zu dieser Konzeption Veil, NVwZ 2018, 686 (693); Härting/Schneider, CR 2015, 819. Ferner Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 5 DSGVO Rn. 30; Leopold,
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Teil 2: Grenzen der privaten Beweismittelsuche
tergrund können auch zahlreiche eigeninitiative Nachforschungen in das Fahrwasser des Datenschutzrechts geraten – und insoweit nicht unempfindliche Sanktionen nach sich ziehen. Betrachtet man die Materie genauer, so ist das Datenschutzrecht nicht allein in der unionalen DSGVO geregelt, sondern wird durch nationale Gesetze ergänzt. Zentral ist in diesem Zusammenhang das BDSG, dessen Normen im Jahr 2018 durch das „Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016, 680“ (DatenschutzAnpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU oder kurz: DSAnpUG-EU)225 an die Vorgaben der DSGVO angepasst wurden. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich dabei ausschließlich auf solche Vorschriften der DSGVO, die aus der Perspektive der privaten Beweismittelsuche besonders relevant sind. Ausgeklammert bleiben die nachgelagerten Fragen, welche Sanktionen bei einem Verstoß im Einzelnen drohen und nach welchen Maßgaben etwaige Geldbußen zu bemessen sind.226
I. Sachlicher Anwendungsbereich (Art. 2 DSGVO) Art. 2 DSGVO beschreibt auf der einen Seite verschiedene positive Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit der Anwendungsbereich des Regelwerks überhaupt eröffnet ist.227 Auf der anderen Seite enthält die Vorschrift einige Ausnahmen, bei deren Vorliegen die jeweilige Datenverarbeitung nicht am Maßstab der DSGVO gemessen werden muss – und sonach insbesondere der Rekurs auf das nationale allgemeine Persönlichkeitsrecht ohne Weiteres möglich ist.228 Das unionale Regelungskonzept unterscheidet dabei nicht zwischen der Verarbeitung personenbezogener Daten im öffentlichen und nichtöffentlichen Bereich und legt eine Konzeption zugrunde, von der das nationale BDSG abweicht.229
in: Auernhammer, § 4 BDSG Rn. 13; Basar, StraFo 2019, 222 (223); Schulz, in: GolaDSGVO, Art. 6 Rn. 5. 225 BGBl. I, S. 2097 ff. 226 Zur Rechtsnatur der Geldbuße nach Art. 83 DSGVO als punitive Sanktion und der Zuordnung zum „Strafrecht im weiteren Sinne“ A. Popp, in: Sydow/Marsch, Art. 83 DSGVO Rn. 3 m. w. N. 227 Art. 2 Abs. 2 lit. a DSGVO spielt für die Datenverarbeitung durch Private keine Rolle, Bäcker, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 2 DSGVO Rn. 8. 228 Bäcker, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 2 DSGVO Rn. 12. Zum Verhältnis von europäischem Datenschutzrecht und dem nationalen allgemeinen Persönlichkeitsrecht Teil 2, B. V. 229 Kühling/Raab, in: Kühling/Buchner, Art. 2 DSGVO Rn. 12, die zugleich auf die mögliche nationale Gestaltung aufgrund einer Öffnungsklausel hinweisen.
B. Datenschutzrecht
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1. Automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten Grundlegende Voraussetzung dafür, um die DSGVO überhaupt heranziehen zu können, ist ein personenbezogenes Datum, worunter gem. Art. 4 Nr. 1 DSGVO „alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen“ fallen. Insoweit sprechen sich nahezu alle Stimmen einheitlich dafür aus, diese Voraussetzung möglichst weit auszulegen.230 Da die eigeninitiative Suche nach Beweismitteln regelmäßig gerade darauf angelegt ist, eine andere Person eines bestimmten unzulässigen Verhaltens zu überführen und dies typischerweise voraussetzt, dass diese Person auch konkret individualisierbar ist, spricht jedenfalls einiges dafür, regelmäßig von personenbezogenen Daten auszugehen.231 Gelingt es einer Privatperson etwa, nicht nur einen fremden Rechtsverstoß, der gerade stattfindet, mittels einer Foto- oder Videokamera aufzuzeichnen, sondern dabei auch den Verursacher selbst abzubilden, ist dieses Beweismittel ungleich wertvoller. Dass von einem weiten Begriffsverständnis auszugehen ist, legt schließlich auch Erwägungsgrund 26 nahe, der hervorhebt, für die Frage der Identifizierbarkeit seien alle Mittel zu berücksichtigen, „die von dem Verantwortlichen oder einer anderen Person nach allgemeinem Ermessen wahrscheinlich genutzt werden, um die natürliche Person direkt oder indirekt zu identifizieren […]“.232 Ferner stellt Art. 2 Abs. 1 DSGVO spezifische Vorgaben für die Datenverarbeitung auf, die ihrerseits eine Begriffsbestimmung in Art. 4 Nr. 2 DSGVO gefunden hat. Das Gesetz differenziert zwischen der automatisierten und der nichtautomatisierten Verarbeitung, und lässt die letztgenannte manuelle Form nur dann genügen, wenn die Daten in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.233 Da ein Dateisystem gem. Art. 4 Nr. 6 DSGVO eine strukturierte Sammlung personenbezogener Daten verlangt, die im Bereich der eigeninitiativen Beweismittelsuche jedenfalls fraglich bzw. selten sein könnte,234 hängt die Anwendung der 230 Schild, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 4 DSGVO Rn. 21a; Roßnagel, in: Simitis/ Hornung/Spiecker, Art. 2 DSGVO Rn. 14. So schon zu § 3 Abs. 2 BDSG a. F. Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 18. 231 Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074. Für Bild- und Tonaufnahmen Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329 (330). Für Dashcam-Aufnahmen etwa Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 19; Fuchs, ZD 2015, 212 (214). Kritisch zum Personenbezug von Kfz-Kennzeichen Lehr/Becker, ZD 2022, 370. Vgl. zu einem stationären Kamerasystem im Gemeinschaftsbereich einer Wohnungsanlage EuGH ZD 2020, 148 (149). 232 Zur Diskussion, auf wessen Wissen abgestellt werden muss, Klar/Kühl, in: Kühling/ Buchner, Art. 4 DSGVO Rn. 25 ff. 233 Dazu von Lewinski, in: Auernhammer, Art. 2 DSGVO Rn. 5, der davon ausgeht, dass wegen der fortschreitenden Digitalisierung diese Voraussetzungen regelmäßig erfüllt sind. Ähnlich schon Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2076). 234 Allerdings wird auch insoweit ein weites Begriffsverständnis zugrunde gelegt, nach dem nur gänzlich unstrukturierte Ansammlungen von Zetteln aus dem Anwendungsbereich fallen sollen, Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 2 DSGVO Rn. 16; Bäcker, in:
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datenschutzrechtlichen Vorschriften entscheidend davon ab, ob der Private auf eine automatisierte Verarbeitung zurückgreift. Zwar definiert die DSGVO den Terminus nicht eigenständig;235 nichtsdestoweniger sprechen sich die bisherigen Stellungnahmen einhellig für ein weites und technologieneutrales Begriffsverständnis aus, dem jede Art einer Datenverarbeitungsanlage zu subsumieren sei.236 Ungeachtet einzelner Abgrenzungsschwierigkeiten237 fällt jedenfalls die ausschließlich sinnliche – visuelle und akustische – Wahrnehmung eines rechtswidrigen Geschehens – etwa durch einen Lauschzeugen, der sich keiner technischen Hilfsmittel bedient – nicht unter die DSGVO.238 Bild- und Tonaufnahmen hingegen, die typischerweise personenbezogene Daten beinhalten, müssen sich wegen der automatisierten Verarbeitungsform grundsätzlich am Maßstab des Datenschutzrechts messen lassen.239 2. Haushaltsausnahme (Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO) Von entscheidender Bedeutung ist weiterhin, ob die Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine natürliche Person ausschließlich dazu dient, persönlichen oder familiären Tätigkeiten nachzugehen, da insoweit der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO gem. Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO ausgeschlossen ist. Eine gleichlautende Klausel enthielt bereits Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der „Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr“240 (Datenschutzrichtlinie oder abgekürzt: DSRL), der seinerseits in § 3 Abs. 2 S. 1 BDSG a. F. umgesetzt wurde.241 BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 2 DSGVO Rn. 4. Zur alten Rechtslage bereits Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2075 f.). Zur strukturierten Sammlung bei personenbezogenen Bildaufnahmen Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 42 ff. 235 Ennöckl, in: Sydow/Marsch, Art. 2 DSGVO Rn. 6; Bäcker, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 2 DSGVO Rn. 2. Zur Auslegung kann jedoch Erwägungsgrund 15 zur DSGVO herangezogen werden. 236 Ernst, in: Paal/Pauly, Art. 2 DSGVO Rn. 5; Kühling/Raab, in: Kühling/Buchner, Art. 2 DSGVO Rn. 15; Bäcker, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 2 DSGVO Rn. 2; Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 40. Schließlich auch Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 114. Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 2 DSGVO Rn. 14 verwendet hingegen den Begriff der Informationstechnik. 237 Beispielsweise kann insoweit auf die Live-Übertragung einer Videokamera verwiesen werden, Bäcker, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 2 DSGVO Rn. 3.1 m. w. N. 238 Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 2 DSGVO Rn. 16; Gola, in: GolaDSGVO, Art. 2 Rn. 6. 239 Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 2 DSGVO Rn. 14; Bäcker, in: BeckOKDatenschutzrecht, Art. 2 DSGVO Rn. 3.1; Ernst, in: Paal/Pauly, Art. 2 DSGVO Rn. 6. Zu Tonaufnahmegeräten Kühling/Raab, in: Kühling/Buchner, Art. 2 DSGVO Rn. 18. Für die Videoüberwachung auch EuGH EuZW 2005, 234 (235). Instruktiv zu digitalen und analogen Bildaufnahmen Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 29 ff. 240 Abl. EG Nr. L 281, S. 31.
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Obschon der nahezu einstimmige Tenor dahingeht, die Ausnahme angesichts der Gefahren, die von einem allzu nachlässigen Umgang mit personenbezogenen Daten ausgehen, restriktiv zu interpretieren,242 bestehen nach wie vor verschiedene Diskussionspunkte.243 Aus der hier eingenommenen Perspektive der privaten Beweismittelsuche stellt sich die Frage, ob der typischerweise intendierte Schutz eigener Rechtspositionen noch Ausfluss einer persönlichen Tätigkeit ist und sonach der sog. Haushaltsausnahme244 unterfällt. Erwägungsgrund 18 zur DSGVO ist hierbei keineswegs weiterführend, sondern stiftet sogar eher Rechtsunsicherheit, indem dort die persönliche respektive familiäre Tätigkeit einer beruflichen oder gewerblichen gegenübergestellt wird. Gerade die eigeninitiative Beweismittelsuche lässt sich a priori weder der einen, noch der anderen Kategorie eindeutig zuordnen.245 Nachdem der EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens aus dem Jahr 2014 – das sich freilich noch auf die Auslegung der Datenschutzrichtlinie bezog – konstatierte, eine private Kameraüberwachungseinrichtung, die am eigenen Wohnhaus angebracht ist, verlasse den Bereich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten, sofern sie sich nicht auf das eigene Grundstück beschränke, sondern auch den öffentlichen Raum erfasse,246 gingen manche Stimmen im Schrifttum davon aus, künftig sei eine rein objektive Auslegung der Haushaltsausnahme angezeigt.247 Wenn aus dieser These der Schluss gezogen wird, die Videoüberwachung, die sich ausschließlich auf das eigene Grundstück oder die eigene Wohnung bezieht, falle unter die Ausnahme des Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO, da der Schutz des Wohnbereichs der
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Kühling/Raab, in: Kühling/Buchner, Art. 2 DSGVO Rn. 23; Zerdick, in: Ehmann/Selmayr, Art. 2 Rn. 10; Lutz, Automatisiertes Fahren, S. 98. 242 Kühling/Raab, in: Kühling/Buchner, Art. 2 DSGVO Rn. 23; Roßnagel, in: Simitis/ Hornung/Spiecker, Art. 2 DSGVO Rn. 23; Zerdick, in: Ehmann/Selmayr, Art. 2 Rn. 10; Husemann, in: Roßnagel/Blazy/Bile, Das neue Datenschutzrecht, § 3 Rn. 9; Rennicke, NJW 2022, 8 (9). Zum BDSG a. F.: Lohse, VersR 2016, 953 (958); Lachenmann/Schwiering, ZD 2014, 291 m. w. N. 243 Dies gilt im Besonderen für soziale Netzwerke, Bäcker, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 2 DSGVO Rn. 17 ff.; Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 2 DSGVO Rn. 29. 244 Ernst, in: Paal/Pauly, Art. 2 DSGVO Rn. 13; Bäcker, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 2 DSGVO Rn. 12. E. Ehmann, ZD 2020, 65 (66); Lachenmann/Schwiering, NZV 2014, 291 (292) sprechen von der „household exemption“. Beide Begriffe verwendet Schmidt, in: Taeger/Gabel, Art. 2 DSGVO Rn. 16. 245 Siehe schon Strauß, NZV 2018, 554 (558). Nähme man Erwägungsgrund 18 zur DSGVO beim Wort, müssten sämtliche Datenverarbeitungsmaßnahmen aus dem Anwendungsbereich fallen, die keinen Bezug zu einer beruflichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit aufweisen. 246 EuGH NJW 2015, 463 (464) (Rynesˇ). 247 Lachenmann, ZD 2018, 427. Teilweise bereits Lachenmann/Schwiering, ZD-Aktuell 2014, 04300. Abweichend hingegen Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 62, der die Öffentlichkeit des Aufnahmeortes grundsätzlich für irrelevant hält. Eine Ausnahme sei allein bei einer stationären Videoüberwachung angezeigt.
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persönlichen Sphäre zuzuordnen sei,248 ist dieser Aussage zunächst beizupflichten.249 Schwierigkeiten bereitet eine rein objektive Interpretation jedoch dann, wenn Aufnahmen allein den öffentlichen Raum erfassen – wie etwa bei Kameras, die auf einem Motorrad- oder Fahrradhelm befestigt sind und die sportliche Fahrt zur eigenen Dokumentation filmen, oder aber auch bei schlichten Urlaubsfotos oder -videos.250 Unterfielen auch solche Aufnahmen allein deshalb der DSGVO, weil ihr Motiv den privaten Bereich verlässt, würde das hinter der Haushaltsausnahme stehende Anliegen, private Tätigkeiten von den prozeduralen Pflichten des Datenschutzrechts zu befreien,251 geradezu konterkariert.252 Zudem führte eine rein objektive Betrachtung dazu, die mit einer konkreten Datenverarbeitung verfolgte Intention aus der Diskussion um die Reichweite des Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO gänzlich auszusondern. Bei Lichte besehen erweist sich jedoch gerade der angestrebte Zweck – und somit ein subjektives Moment – als ein maßgebliches Entscheidungskriterium dafür, inwieweit eine bestimmte Datenverarbeitung noch Ausfluss einer ausschließlich persönlichen oder familiären Tätigkeit ist.253 Folglich beeinflussen unterschiedliche Gesichtspunkte die Reichweite des Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO, zu denen neben den örtlichen und persönlichen Umständen der konkreten Datenverarbeitung auch das mit dieser angestrebte Ziel rechnet.254 In der Diskussion um eine nähere Präzisierung muss freilich berücksichtigt werden, dass sich die
248 So bereits Lachenmann/Schwiering, NZV 2014, 291 (292), jedenfalls sofern die Aufnahmen nicht verwertet werden. Dazu auch Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 62. Ferner Rennicke, NJW 2022, 8 (9), der auf eine räumlich-soziale Einordnung abstellt. Hiervon ausgehend soll die Videoaufnahme eines Polizeieinsatzes in den privaten Räumen des Aufnehmenden unter die Ausnahme des Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO fallen. 249 So auch Bäcker, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 2 DSGVO Rn. 15.1; Kühling/ Raab, in: Kühling/Buchner, Art. 2 DSGVO Rn. 27; schließlich auch Gola/Lepperhoff, ZD 2016, 9 (10). 250 Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 62. 251 So Bäcker, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 2 DSGVO Rn. 12. 252 Zutreffend daher Fuchs, ZD 2015, 212 (217), der darauf hinweist, dass allein der Kameraeinsatz im öffentlichen Raum nicht genügt, um die persönliche Sphäre zu verlassen. Ähnlich Klar, NJW 2015, 464 (465), der betont, die Öffentlichkeit könne nicht als absolutes Ausschlusskriterium dienen. Zustimmend Lutz, Automatisiertes Fahren, S. 101. Instruktiv zum Ganzen Schmidt, in: Taeger/Gabel, Art. 2 DSGVO Rn. 25. 253 Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 2 DSGVO Rn. 34; ferner Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 20; Schmidt, in: Taeger/Gabel, Art. 2 DSGVO Rn. 17. Für eine subjektive Interpretation VG Ansbach ZD 2014, 590 (592); zustimmend Ma. Schröder, ZD 2014, 594 (595). In diese Richtung schließlich auch Froitzheim, NZV 2018, 109 (115), der zugleich aber die Planmäßigkeit des Vorgehens hervorhebt. 254 So auch Bäcker, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 2 DSGVO Rn. 15, der indes auch Fälle anerkennt, in denen der Zweck wegen der räumlich-sozialen Umstände der Datenverarbeitung unerheblich ist. Auch AG Hamburg BeckRS 2020, 47135 hält den Zweck für irrelevant, wenn es um Personenaufnahmen im öffentlichen Raum geht. Für eine Berücksichtigung verschiedener Umstände bereits Bihari Vass, DAR 2010, 504 (505).
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Erwägungen des EuGH ausschließlich auf stationäre Kamerasysteme beziehen.255 Für mobile Aufnahmegeräte könnten deshalb grundsätzlich andere Gesichtspunkte relevant sein.256 Die private Sicherung von Beweismitteln erfolgt typischerweise in der Intention, die erlangten Informationen – sofern sie entscheidungserheblich sind – prozessual zu verwenden.257 Dieser Zweck ist per definitionem darauf angelegt, die gewonnenen Daten einem erweiterten Personenkreis, zu dem insbesondere der entscheidende Richter zählt, zugänglich zu machen.258 Vor diesem Hintergrund spricht bereits der verfolgte Zweck dafür, die eigeninitiative Beweismittelsuche regelmäßig außerhalb des Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO anzusiedeln und an den datenschutzrechtlichen Vorgaben der DSGVO zu messen.259 Wegen des aufgezeigten objektiven Einschlags gilt dies indes nur dann, wenn die Verarbeitung personenbezogener Daten außerhalb der eigenen häuslichen/privaten Sphäre erfolgt – wie namentlich in den Fällen einer Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume oder dem Einsatz von Dashcams im Straßenverkehr.260 Dies trifft jedoch auf die Vorgehensweisen eines privaten Beweismittelsuchers regelmäßig zu. 3. Anwendungsausschluss wegen Kriminalitätsbekämpfung (Art. 2 Abs. 2 lit. d DSGVO) Die eigeninitiative Suche nach Beweisen steht nicht selten in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Kriminalitätsbekämpfung; Straftaten sollen aufgedeckt und verfolgt oder bereits im Vorfeld verhindert werden. Sofern die zuständigen Behörden diese Aufgaben wahrnehmen und dabei personenbezogene Daten verarbeiten, bewegt sich dies gem. Art. 2 Abs. 2 lit. d DSGVO außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs. Spezifische Vorgaben resultieren in diesem Kontext aus der „Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zweck der Verhütung, Er255
Lutz, Automatisiertes Fahren, S. 100. So auch die Schlussanträge GA Jääskinen, 10. 07. 2014 – C-212/13 (Rynesˇ) = BeckRS 2014, 81189 Rn. 30. Zustimmend Lutz, Automatisiertes Fahren, S. 101. Teilweise abweichend Haustein, in: DSRITB 2016, S. 43 (49). 257 Starnecker, Videoüberwachung zur Risikovorsorge, S. 259 f.; Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 20. 258 VG Göttingen NJW 2017, 1336 (1337); Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 20; Atzert/Franck, RDV 2014, 136 (137), freilich allesamt noch zu § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG a. F. 259 Besonders eindeutig insoweit Klar, NJW 2015, 464 (465); Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622 (1625); Mäsch/Ziegenrücker, JuS 2018, 750 (751). A. A. hingegen Bihari Vass, DAR 2010, 504 (505); Klann, DAR 2013, 188; ders., DAR 2014, 451 (452). 260 Instruktiv zu diesen Beispielen Reibach, DuD 2015, 157; Scholz, in: Simitis/Hornung/ Spiecker, Anh. 1 Art. 6 DSGVO Rn. 51 f. Für die Annahme der Haushaltsausnahme bei den Dashcams Klann, DAR 2013, 188; Bihari Vass, DAR 2010, 504 (505). 256
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mittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/ 977/JI des Rates“ (im Folgenden: JI-RL).261 Allerdings gilt dies expressis verbis nicht für die Datenverarbeitung durch Private, die sich – sofern die zuvor beschriebenen positiven Anwendungsvoraussetzungen vorliegen – selbst dann am Maßstab der DSGVO messen lassen muss, wenn diese ausschließlich zu dem Zweck erfolgt, begangene Straftaten aufzuklären.262
II. Erlaubnissatz Die grundlegende These, wonach eine Privatperson – anders als die staatlichen Ermittlungsbehörden – keine spezifische Rechtsgrundlage benötigt, die ihr das Suchen nach Beweismitteln erst gestattet,263 bedarf unter dem Blickwinkel des Datenschutzrechts einer partiellen Korrektur.264 Eine Verarbeitung personenbezogener Daten kann nach der gesetzlichen Konzeption nämlich nur dann rechtmäßig sein, wenn sich der Verantwortliche auf einen Erlaubnissatz stützen kann und dessen tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind.265 Ein solches Modell kollidiert zweifelsohne mit überkommenen Rechtsprinzipien, die das Verhältnis von Privatpersonen untereinander prägen – und diesen keine generelle Pflicht auferlegen, ihr konkretes Verhalten stets rechtfertigen zu müssen und auf eine spezifische Rechtsgrundlage zu stellen.266 Der einzelne Bürger ist im Gegensatz zu den staatlichen Institutionen prinzipiell frei und erfährt durch die mehr oder weniger präzisen gesetzlichen Verbote eine Einschränkung der weiten allgemeinen Handlungsfreiheit.267 Indem das Datenschutzrecht indes verlangt, dass eine Rechtsgrundlage das private Verhalten erst legitimiert, erweist es sich durch dieses grundsätzliche Verbot mit Erlaubnisvorbehalt268 als per se verarbeitungsfeindlich,269 obschon die bisweilen umfassenden Interessenabwägungsklauseln relativierend wirken.270 261
Abl. EU Nr. L 119/89. Dazu noch Teil 5, C. II. 1. Bäcker, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 2 DSGVO Rn. 30; Kühling/Buchner, Art. 2 Rn. 30; Zerdick, in: Ehmann/Selmayr, Art. 2 Rn. 13; Plath, in: Plath DSGVO/BDSG, Art. 2 DSGVO Rn. 29; Schantz/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 240. 263 Teil 1, B. II. 1. b). 264 Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2075), die auf das Erfordernis eines „Gesetzesvorbehalts“ eingehen. Ferner Kramer, in: Auernhammer, Art. 6 DSGVO Rn. 1. 265 Albrecht, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 DSGVO Einführung Rn. 1. 266 Veil, NVwZ 2018, 686 (688); P. Kramer, DuD 2013, 380 (381). Vgl. auch Di. Grimm, JZ 2013, 585 (586 ff.). 267 In diese Richtung auch Masing, NJW 2012, 2305 (2306 f.). 268 So etwa Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO Rn. 1; Frenzel, in: Paal/ Pauly, Art. 6 DSGVO Rn. 1; Kramer, in: Auernhammer, Art. 6 DSGVO Rn. 1; Plath, in: Plath DSGVO/BDSG, Art. 6 DSGVO Rn. 2; Ziegenhorn/von Heckel, NVwZ 2016, 1585 (1586); von Lewinski/Pohl, ZD 2018, 17; Schneider/Härting, ZD 2012, 199 (203); Gola/Lepperhoff, ZD 2016, 9 (12); Heberlein, in: Ehmann/Selmayr, Art. 6 Rn. 1. A. A.: Albers/Veit, in: Beck262
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1. Anwendungsvorrang des Unionsrechts Bevor die DSGVO unmittelbare Geltung in den Mitgliedstaaten beanspruchte, richtete sich der Umgang mit personenbezogenen Daten nach den nationalen Datenschutzgesetzen, die ihrerseits allerdings dazu dienten, die europäische Datenschutzrichtlinie umzusetzen, so dass das Datenschutzrecht seit jeher in weiten Teilen unional geprägt war. Aufgrund dieser Rechtstradition ist es nach wie vor möglich, auf bisher entwickelte Auslegungsgrundsätze zurückzugreifen.271 Gleichwohl ergeben sich durch die Ausgestaltung der DSGVO als europäische Verordnung, die in den Mitgliedstaaten keiner Umsetzung bedarf, sondern gem. Art. 288 Abs. 2 S. 2 AEUV vielmehr unmittelbar gilt, einige Abweichungen im Vergleich zur bis dato geltenden Rechtslage.272 Sofern der Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet ist, bestimmt diese grundsätzlich abschließend, unter welchen Voraussetzungen eine Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig ist.273 Ein Rekurs auf nationale Vorschriften – wie insbesondere diejenigen des reformierten BDSG – kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn das unionale Regelwerk eine sog. Öffnungsklausel enthält, die den Mitgliedstaaten ergänzende oder konkretisierende Regelungen erlaubt.274 § 1 Abs. 5 BDSG schreibt den Anwendungsvorrang des Unionsrechts explizit fest,275 nimmt dabei jedoch einen rein deklaratorischen Charakter ein, da dieser Grundsatz, der das Verhältnis des EU-Rechts zum nationalen Recht beschreibt,276 ohnehin gilt. Nach alledem ist der erste Blick stets auf die Vorgaben der DSGVO zu richten, bevor ggf. mitgliedstaatliche Regelungen herangezogen werden können.277 OK-Datenschutzrecht, Art. 6 DSGVO Rn. 11; Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 5 DSGVO Rn. 35 f. 269 Veil, NVwZ 2018, 686 (688 f.). Kritisch zu dieser Rechtskonstruktion P. Kramer, DuD 2013, 380 (381); Schneider/Härting, CR 2014, 306 (308); Härting/Schneider, CR 2015, 819 (822 f.); Bull, Netzpolitik, S. 136. A. A. hingegen Karg, DuD 2013, 75 (78); Weichert, DuD 2013, 246, der dieses Prinzip gar für verfassungsrechtlich notwendig erachtet. 270 Schulz, in: Gola-DSGVO, Art. 6 Rn. 4; Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 86. Vgl. auch Kramer, in: Auernhammer, Art. 6 DSGVO Rn. 1. 271 Für Art. 5 DSGVO etwa Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 5 DSGVO Rn. 7; Frenzel, in: Paal/Pauly, Art. 5 DSGVO Rn. 1, 5. 272 Zu den Auswirkungen auf die datenschutzrechtlichen Erlaubnissätze des Art. 6 Abs. 1 DSGVO Roßnagel/Nebel/Richter, ZD 2015, 455 (460); von Lewinski/Pohl, ZD 2018, 17 (18). 273 Zur Frage, ob angesichts der Reichweite einzelner Vorgaben tatsächlich von einer abschließenden Wirkung gesprochen werden kann, Frenzel, in: Paal/Pauly, Art. 6 DSGVO Rn. 1; Schulz, in: Gola-DSGVO, Art. 6 Rn. 9. 274 Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 138; Roßnagel, in: Roßnagel/Blazy/Bile, Das neue Datenschutzrecht, § 2 Rn. 19 ff. Kritisch zu dieser Konzeption einer unionalen Verordnung Kühling/Martini, EuZW, 448 (449); Kühling, NJW 2017, 1985 (1986). Siehe schließlich auch Greve, NVwZ 2017, 737 (743). 275 Kühling/Raab, in: Kühling/Buchner, Einf. Rn. 129. 276 EuGH NJW 1964, 2371 (Costa/ENEL). Zum Ganzen Roßnagel, in: Roßnagel/Blazy/ Bile, Das neue Datenschutzrecht, § 2 Rn. 5; Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 138 f. 277 Kühling/Raab, in: Kühling/Buchner, Einf. Rn. 128; Kühling, NJW 2017, 1985 (1986).
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2. Rechtmäßigkeit der Verarbeitung (Art. 6 DSGVO) Die zentrale Vorschrift des europäischen Datenschutzrechts findet sich in Art. 6 DSGVO, der in seinem Abs. 1 sechs verschiedene – sich teilweise jedoch auch überlagernde – Erlaubnissätze enthält, die eine Verarbeitung personenbezogener Daten zu legitimieren vermögen.278 Nach einhelliger Ansicht beschreibt die Vorschrift das „Ob“ einer rechtmäßigen Datenverarbeitung, während der ebenfalls bedeutsame Art. 5 DSGVO das „Wie“ festlegt.279 Aus der hier eingenommenen Perspektive der eigeninitiativen Beweismittelsuche tritt namentlich Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO hervor, dem zufolge eine Verarbeitung rechtmäßig ist, wenn diese „zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich [ist], sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen […]“.280 Trotz mannigfaltiger Kritik, die sich in der Hauptsache auf die schwer zu greifende Reichweite dieser allgemeinen Interessenabwägungsklausel richtet,281 hat der Verordnungsgeber weitgehend darauf verzichtet, sektorspezifische Erlaubnistatbesta¨ nde zu implementieren.282 Zwar ermöglichen Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 DSGVO den Mitgliedstaaten, präzisere Vorgaben für einzelne Rechtsgrundlagen zu schaffen; diese Öffnungsklausel bezieht sich allerdings gerade nicht auf die Datenverarbeitung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO,283 und führt hinsichtlich der besonders praxisrelevanten Videoüberwachung durch Private dazu, dass die nationale Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BDSG unionsrechtswidrig ist.284 278 Zur Bedeutung des Art. 6 DSGVO in der Gesamtkonzeption des Datenschutzrechts Frenzel, in: Paal/Pauly, Art. 6 DSGVO Rn. 1; Kühling/Raab, in: Kühling/Buchner, Einf. Rn. 134; Kramer, in: Auernhammer, Art. 6 DSGVO Rn. 1. Albers/Veit, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 6 DSGVO Rn. 1 weisen zutreffend darauf hin, dass nicht allein Art. 6 DSGVO über die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung entscheidet. 279 Frenzel, in: Paal/Pauly, Art. 6 DSGVO Rn. 7. 280 Dazu, dass Art. 10 DSGVO nicht einschlägig ist, Bäcker, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 10 DSGVO Rn. 5. Insbesondere folge aus der Norm „kein grundsätzliches Verbot privater Überwachungen“. 281 Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 DSGVO Rn. 82; Schulz, in: Gola-DSGVO, Art. 6 Rn. 6; Albers/Veit, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 6 DSGVO Rn. 48; von Lewinski/Pohl, ZD 2018, 17 (18). Diese Kritik resultiert bereits aus einer Zeit, in der das Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen war, Roßnagel/Nebel/Richter, ZD 2015, 455 (457); Schneider/Härting, ZD 2012, 199 (202). 282 In diese Richtung Albers/Veit, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 6 DSGVO Rn. 48. Für die Videoüberwachung Mienert/Gipp, ZD 2017, 514 (515); Bretthauer/Krempel/Birnstill, CR 2015, 239 (242); Grages/Plath, CR 2017, 791 (795). Für die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten statuiert Art. 9 DSVGO besondere Vorgaben. Zum Verhältnis zu Art. 6 DSGVO Teil 6, B. II. 2. 283 Vgl. dazu Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO Rn. 143. Greve, NVwZ 2017, 737 konstatiert zutreffend, dass die DSGVO im Bereich der Datenverarbeitung durch Private „eine weitgehende Harmonisierung des Datenschutzrechts“ vorgebe. 284 Zur Unionsrechtswidrigkeit des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BDSG: BVerwG NJW 2019, 2556 (2562); Kühling/Sackmann, NJW 2019, 2562; Kühling, NJW 2017, 1985 (1987); Reuter/
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Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission sah vor, eine Ermächtigung zu integrieren, die es der Kommission selbst erlaubt hätte, konkretisierende Vorgaben zu erlassen, um auf diese Weise einzelne Verarbeitungssituationen näher zu regeln.285 Da sich diese Konzeption im Gesetzgebungsverfahren jedoch nicht durchsetzen konnte, lassen sich auf der unionalen Ebene nur wenige eindeutige Kriterien finden,286 die die bedeutsame datenschutzrechtliche Interessenabwägung zumindest teilweise vorzeichnen.287 Konflikte treten hierdurch auch mit dem übergeordneten Regelungsanliegen der DSGVO, ein unional möglichst einheitliches Datenschutzniveau zu implementieren,288 auf, da die nationalen Gerichte voraussichtlich divergierende Wertmaßstäbe anlegen und einzelne Interessen unterschiedlich gewichten dürften.289 Verbindliche Leitlinien wird erst der EuGH festlegen können. Obschon diese flexible Regelungssystematik290 ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit bewirkt,291 haben sich einige übergeordnete Gesichtspunkte heraus-
Grabenschröer, in: Taeger/Gabel, § 4 BDSG Rn. 3, 43, 45; Buchner, in: Kühling/Buchner, § 4 BDSG Rn. 2 ff.; Lachenmann, ZD 2017, 407 (410); Strauß, NZV 2018, 554 (558). Eine Videoüberwachung durch nichtöffentliche Stellen kann auch nicht über Art. 6 Abs. 1 lit. e, Abs. 3 DSGVO legitimiert werden. Zwar lässt sich der Zweck, eine Straftat zu dokumentieren und nachzuweisen, durchaus als öffentliches Interesse einstufen. Allerdings ist den Privatpersonen eine dahingehende Aufgabe gerade nicht übertragen worden. Zu dieser Voraussetzung des Art. 6 Abs. 1 lit. e, Abs. 3 DSGVO Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 70, 74; Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 203 f. Die Videoüberwachung durch nichtöffentliche Stellen, denen eine Aufgabe im öffentlichen Interesse gerade nicht übertragen wurde, kann nach allem ausschließlich am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO beurteilt werden, Scholz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Anh. 1 Art. 6 DSGVO Rn. 23 f.; Starnecker, in: Gola/Heckmann-BDSG, § 4 Rn. 12 m. w. N. 285 Art. 6 Nr. 5 des Kommissionsvorschlags, KOM (2012) 11 endgültig. Dazu Kühling/ Martini, EuZW, 448 (449); Roßnagel/Nebel/Richter, ZD 2015, 455 (457); Sydow/Kring, ZD 2014, 271 (273 ff.); Nebel/Richter, ZD 2012, 407 (409). Kritisch bereits Schneider/Härting, ZD 2012, 199 (202). 286 Albers/Veit, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 6 DSGVO Rn. 13. 287 Simitis/Hornung/Spiecker, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Einleitung Rn. 151; Veil, NVwZ 2018, 686 (694); Lewinski/Pohl, ZD 2018, 17 (18) betonen, dass auch Erwägungsgrund 47 zur DSGVO keine weitere Konkretisierung bewirkt. Zum Anliegen des Europäischen Parlaments, die Abwägung in den Erwägungsgründen näher zu konkretisieren, Albrecht, CR 2016, 88 (92); Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 85. 288 Das ergibt sich auch aus Erwägungsgrund 13 zur DSGVO. Dazu auch Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 109. Schließlich Kühling/Raab, in: Kühling/Buchner, Einf. Rn. 137. 289 Hinsichtlich der Videoüberwachung Roßnagel/Nebel/Richter, ZD 2015, 455 (460). Vgl. ferner Albers/Veit, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 6 DSGVO Rn. 67, die die bisherigen Regelungen des BDSG a. F. als Auslegungshilfen bezeichnen. Abweichend Heberlein, in: Ehmann/Selmayr, Art. 6 Rn. 33, der betont, nationale Vorgaben seien für die Abwägung nicht mehr zugelassen. 290 Heberlein, in: Ehmann/Selmayr, Art. 6 Rn. 32. Zu deren Vor- und Nachteilen Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 86.
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kristallisiert, die den einzelfallabhängigen Abwägungsprozess entscheidend beeinflussen und teilweise auch von den Erwägungsgründen hervorgehoben werden.292 So sind etwa nach Erwägungsgrund 47 S. 1 Hs. 2 die „vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person“ zu berücksichtigen, die ihrerseits wiederum vom konkreten Verwendungskontext beeinflusst werden.293 Neben dem Zweck der Datenverarbeitung prägen vornehmlich objektive Umstände das Gewicht der konfligierenden Interessen: Dies gilt insbesondere für Art und Umfang der betroffenen Daten294 und deren spezifische Nähe zu den besonders sensiblen Daten des Art. 9 DSGVO.295 Je größer diese spezifische Nähe in der konkreten Situation ausfällt, desto höhere Anforderungen sind an die berechtigten Interessen des Verantwortlichen zu stellen, um dessen Datenverarbeitung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zu legitimieren.296 Relevant ist weiterhin, ob das Vorgehen des Verantwortlichen heimlich ist oder aber offen erkennbar erfolgt, da dies die Reaktions- und Ausweichmöglichkeiten von betroffenen Personen – und somit auch die Eingriffsintensität – elementar beeinflusst.297 Nicht zuletzt erweist sich auch die konkrete technische Ausgestaltung eines verwendeten Hilfsmittels als maßgeblicher Abwägungsfaktor, der jedoch wegen der fortschreitenden technischen Entwicklung seinerseits einem stetigen Wandel unterliegt, in der rechtlichen Diskussion als Aspekt des „privacy by design“ erörtert wird und in Art. 25 DSGVO eine ausdrückliche normative Grundlage erfahren hat.298
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So schon Schneider/Härting, ZD 2012, 199 (202); ferner Schulz, in: Gola-DSGVO, Art. 6 Rn. 6; Rennicke, NJW 2022, 8 (10). Kritisch auch Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 Rn. 82. A. A. hingegen Plath, in: Plath DSGVO/BDSG, Art. 6 DSGVO Rn. 51. 292 Instruktiv Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 103; ferner Albers/Veit, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 6 DSGVO Rn. 72. Maßgeblich sind insb. die Erwägungsgründe 47 – 50. Zum Gesichtspunkt der berechtigten Erwartungen der betroffenen Person Erwägungsgrund 47 S. 1 Hs. 2 zur DSGVO sowie Heberlein, in: Ehmann/Selmayr, Art. 6 Rn. 28. 293 Albers/Veit, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 6 DSGVO Rn. 72. 294 Schulz, in: Gola-DSGVO, Art. 6 Rn. 59; Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 106. So auch EuGH ZD 2020, 148 (150), indes noch zu Art. 7 lit. f DSRL. 295 In diese Richtung auch schon Artikel-29-Datenschutzgruppe, Stellungnahme 06/2014, 844/14/EN, S. 49 f. Gegen eine pauschale Beurteilung von Videoaufnahmen an Art. 9 DSGVO Schindler, ZD-Aktuell 2018, 06057. 296 In diese Richtung teilweise auch Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 105. Auf die Intimität stellt auch Artikel-29-Datenschutzgruppe, Stellungnahme 06/2014, 844/14/EN, S. 49 ab. Zustimmend Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 DSGVO Rn. 84. 297 Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 111. So auch schon Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 28. 298 Dazu bereits Artikel-29-Datenschutzgruppe, Stellungnahme 06/2014, 844/14/EN, S. 53 f.; Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 34; Brüggemann, in: Auernhammer, Art. 25 DSGVO Rn. 1; Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 114. Ausschlaggebend kann auch
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3. Konkretisierung für den Bereich der eigeninitiativen Beweismittelsuche Ob eine konkrete Datenverarbeitung schlussendlich rechtmäßig ist, hängt stets von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab.299 Eine rein abstrakte Bewertung verbietet sich von vornherein.300 Trotz dieses unmissverständlichen Ausgangspunktes lassen sich in der datenschutzrechtlichen Diskussion um Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO einzelne Themenkomplexe ausmachen, innerhalb derer sodann zentrale Abwägungsparameter präzisiert werden können.301 Eine solche Orientierung an spezifischen Fallgruppen ist der nationalen Rechtswissenschaft keineswegs fremd, sondern vielmehr bereits vom zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht her bekannt.302 Die nachfolgenden Ausführungen unternehmen den Versuch, die Anwendung des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO für den Bereich der eigeninitiativen Beweismittelsuche näher zu konturieren, indem die maßgeblichen Gesichtspunkte herausgearbeitet werden. Diese Konkretisierung muss stets berücksichtigen, dass die Vorgaben der DSGVO unionsrechtsautonom auszulegen sind und vor diesem Hintergrund ein unmittelbarer Transfer nationaler Vorstellungen und Wertmaßstäbe ausgeschlossen bleibt.303 Nichtsdestoweniger können nationale Entscheidungen, die mitunter einem jahrzehntelangen juristischen Diskurs entstammen, daraufhin überprüft werden, inwieweit sie sich mit den europäischen Maximen vereinbaren lassen.304 Letztverbindliche Leitlinien wird indes allein der EuGH setzen können.305 Bei näherem Hinsehen untergliedert sich die Prüfung der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen in drei Schritte:306 Zunächst verlangt Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO eine regelmäßige Löschung der erhobenen Daten sein, Lachenmann, ZD 2017, 407 (409); Leeb/Liebhaber, JuS 2018, 534 (537). 299 Schulz, in: Gola-DSGVO, Art. 6 Rn. 67; Albers/Veit, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 6 DSGVO Rn. 71. 300 So auch die von der Datenschutzkonferenz (DSK) veröffentlichte Orientierungshilfe Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen, S. 11, abrufbar unter https://www.daten schutzkonferenz-online.de/media/oh/20200903_oh_vü_dsk.pdf (zuletzt abgerufen am: 13. 09. 2022). 301 Zum Gedanken der Fallgruppenbildung Kramer, in: Auernhammer, Art. 6 DSGVO Rn. 69. 302 Dazu schon Teil 2, A. II. 303 Lewinski/Pohl, ZD 2018, 17 (18); Ziegenhorn/von Heckel, NVwZ 2016, 1585 (1586); Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO Rn. 145; Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 DSGVO Rn. 84 Fn. 303. Vor diesem Hintergrund sprechen Albers/Veit, in: BeckOKDatenschutzrecht, Art. 6 DSGVO Rn. 67 zutreffend von „Auslegungshilfen“. Noch strenger Heberlein, in: Ehmann/Selmayr, Art. 6 Rn. 33. 304 Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 DSGVO Rn. 84. Ferner Buchner/Petri, in: Kühling/ Buchner, Art. 6 DSGVO Rn. 145 hinsichtlich der Erlaubnissätze aus dem bisherigen nationalen Datenschutzrecht. 305 Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 DSGVO Rn. 82. 306 Frenzel, in: Paal/Pauly, Art. 6 DSGVO Rn. 27; Härting/Gössling/Dimov, ITRB 2017, 169 (171); Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO Rn. 146; Heberlein, in: Ehmann/Selmayr, Art. 6 Rn. 25; Lehr/Becker, ZD 2022, 370 (372). Vgl. auch Kramer, in:
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berechtigte Interessen (a)). Zudem muss die Datenverarbeitung erforderlich sein, um diese Interessen zu wahren (b)). Und schließlich dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, nicht überwiegen (c)). a) Berechtigte Interessen Das Interesse des Verantwortlichen, bestimmte personenbezogene Daten zu verarbeiten, wird zuvorderst durch den verfolgten Zweck beschrieben.307 Im Ausgangspunkt ist dabei anerkannt, dass nicht allein rechtliche, sondern vielmehr auch ideelle oder wirtschaftliche Interessen des Verantwortlichen oder aber eines Dritten erfasst sind.308 Ausweislich des eindeutigen Wortlauts sollen jedoch ausschließlich „berechtigte“ Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten genügen, um die Datenverarbeitung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSVGO zu gestatten. Indes vermag diese Formulierung ihrerseits nur einen äußerst groben Filter darzustellen,309 der allein solchen Vorgehensweisen entgegensteht, die dazu dienen, einen schlechterdings verbotenen Zweck – wie etwa die Begehung von Straftaten – zu erreichen, der von der Rechtsordnung generell missbilligt wird.310 Zielt eine heimliche Videoaufnahme etwa darauf ab, das kompromittierende Verhalten eines anderen zu dokumentieren, um diesen sodann zu erpressen, fehlt es von vornherein an einem berechtigten Interesse. Der Zweck, den eine Privatperson verfolgt, die eigeninitiativ nach entscheidungserheblichen Beweismitteln sucht, lässt sich – wie bereits an anderer Stelle herausgearbeitet – sachgerecht als Beweisinteresse bezeichnen.311 Zielt die DatenAuernhammer, Art. 6 DSGVO Rn. 71, der von vier Prüfungsschritten ausgeht. Plath, in: Plath DSGVO/BDSG, Art. 6 DSGVO Rn. 48 legt fünf Prüfungsstufen zugrunde. Inhaltliche Divergenzen folgen hieraus indes nicht. 307 Härting/Gössling/Dimov, ITRB 2017, 169; Kramer, in: Auernhammer, Art. 6 DSGVO Rn. 72. Vgl. auch Klein/Schwartmann, in: Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann, DSGVO/BDSG, Art. 6 DSGVO Rn. 149. 308 Albers/Veit, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 6 DSGVO Rn. 68; Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO Rn. 146a; Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 DSGVO Rn. 75; Schantz/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 643; Schulz, in: Gola-DSGVO, Art. 6 Rn. 57. 309 Für diese weite Auslegung des Begriffs berechtigtes Interesse Albers/Veit, in: BeckOKDatenschutzrecht, Art. 6 DSGVO Rn. 68; Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 98; Frenzel, in: Paal/Pauly, Art. 6 DSGVO Rn. 28; Härting/Gössling/ Dimov, ITRB 2017, 169 (171). 310 Heberlein, in: Ehmann/Selmayr, Art. 6 Rn. 25; Klein/Schwartmann, in: Schwartmann/ Jaspers/Thüsing/Kugelmann, Art. 6 DSGVO Rn. 145. 311 Dazu im Kontext des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Teil 2, A. IV. 3. Einzelne Stimmen lehnen die datenschutzrechtliche Zulässigkeit einer anlasslosen Dashcam-Aufnahme deshalb ab, weil der Zweck der Datenverarbeitung nicht eindeutig festgelegt sei. So Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 77; Jansen, StV 2019, 578 (580); Niehaus, NZV 2016, 551. Noch strenger
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verarbeitung darauf ab, relevante Beweismittel für ein zivilgerichtliches Verfahren zu gewinnen, um entweder einen berechtigten Anspruch durchsetzen oder einen unberechtigten Anspruch effektiv abwehren zu können, besteht grundsätzlicher Konsens darüber, von einem berechtigten Interesse i. S. d. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO auszugehen.312 Neben dem ohnehin weiten Begriffsverständnisses spricht für dieses Ergebnis, dass die DSGVO die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche an einzelnen Stellen privilegiert.313 Dies gilt insbesondere für Art. 23 Abs. 1 lit. j DSGVO, der auch im Zusammenhang mit einer zweckändernden Datenverarbeitung nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 4 DSGVO bedeutsam wird,314 sowie für Art. 21 Abs. 1 S. 2 DSGVO, der die Reichweite des Widerspruchrechts beschränkt.315 Ein berechtigtes Interesse ist ferner dann anzunehmen, wenn der Private ausschließlich bezweckt, das strafbare Verhalten eines anderen aufzuklären und in einem etwaigen Gerichtsprozess nachweisen zu können.316 Bei näherem Hinsehen bedarf diese pauschale Aussage jedoch einer näheren Konkretisierung: Strebt der Verantwortliche der Datenverarbeitung ausschließlich eine zivilrechtliche Schadensersatzklage an,317 die aus der aufzuklärenden Straftat resultiert, gelten die zuvor beleuchteten Gesichtspunkte, so dass ein individuelles berechtigtes Interesse vorliegt.318 Komplexer fällt die datenschutzrechtliche Bewertung indes aus, wenn der Private das rechtswidrige Verhalten eines anderen nur deshalb aufklärt, um eine strafgerichtliche Verurteilung zu ermöglichen.319 Insoweit ist – jedenfalls auch – das staatliche StrafverfolgungsinMienert/Gipp, ZD 2017, 514 (516). Diese Fragen sollen hier im Rahmen der Interessenabwägung aufgegriffen werden. 312 Mäsch/Ziegenrücker, JuS 2018, 750 (751); Giesen, NZV 2020, 70 (72); Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 74; VG Mainz ZD 2021, 336 (338). Noch zum alten Recht und vornehmlich zu § 6b BDSG a. F.: LG München I ZD 2017, 36 (37); OLG Nürnberg NJW 2017, 3597 (3602); Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622 (1626). 313 Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 123. Ähnlich auch Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO Rn. 147 unter Rekurs auf Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO. 314 Dazu noch Teil 4, B. II. 315 Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 123. 316 BVerwG NJW 2019, 2556 (2560); Heberlein, in: Ehmann/Selmayr, Art. 6 Rn. 26. Ferner Brink, ZWE 2013, 73 (76), indes noch zu § 6b BDSG a. F. 317 Dazu OLG Celle NStZ 2018, 293 (296); Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 74; F. Wessels, JurPC Web-Dok. 186/ 2015, Abs. 31. 318 So i. E. auch OLG Celle NStZ 2018, 293 (295 f.); ferner Scholz, in: Simitis/Hornung/ Spiecker, Anh. 1 Art. 6 DSGVO Rn. 78. 319 Ähnliche Erwägungen gelten dann, wenn es um den Nachweis einer Ordnungswidrigkeit geht. Vgl. dazu die instruktiven Ausführungen von Lehr/Becker, ZD 2022, 370 (372 ff.). Diese bemühen u. a. den Gedanken, dass die angefertigte Aufnahme auch dazu diene, den Privaten vor einer Strafverfolgung wegen Taten gem. §§ 153, 164 StGB zu bewahren. Ein solcher Verdacht droht insbesondere dann, wenn nach einer nur zeugenschaftlichen Vernehmung des Privaten der Gegner einen Verstoß abstreitet.
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teresse betroffen, das sich von einem konkreten Individuum jedenfalls partiell löst.320 Rein öffentliche Interesse fallen nicht unter Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO, da insoweit der Staat zur sachgerechten Wahrnehmung befugt ist.321 Nichtsdestoweniger liegt ein berechtigtes Interesse des Datenverarbeiters vor, wenn die Straftat gegen seine Person verübt wird,322 da die Rückbindung an den Schutz individueller Rechtsgüter offensichtlich ist. Es wäre darüber hinaus auch kaum nachvollziehbar, warum der Verletzte einer Straftat personenbezogene Daten zu Zwecken der zivilrechtlichen Rechtsverfolgung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO verarbeiten dürfte, zum Nachweis im Strafverfahren hingegen nicht. Hierfür streitet endlich auch Erwägungsgrund 50 S. 9 zur DSGVO, wonach „der Hinweis des Verantwortlichen auf mögliche Straftaten oder Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit und die Übermittlung der maßgeblichen personenbezogenen Daten in Einzelfällen oder in mehreren Fällen, die im Zusammenhang mit derselben Straftat oder derselben Bedrohung der öffentlichen Sicherheit stehen, an eine zuständige Behörde […] als berechtigtes Interesse gelten [sollte]“.323 Der Verordnungsgeber erblickt hierin ein eigenes berechtigtes Interesse des Verantwortlichen, die relevanten Daten an die Strafverfolgungsbehörden gelangen zu lassen.324 Obschon sich die Aussage unmittelbar nur auf den Übermittlungsvorgang bezieht, lässt sich die Wertung bereits auf die vorgelagerte Beweismittelsuche ausdehnen: Strebt der Datenverarbeiter von vornherein an, die personenbezogenen Daten an die Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln, verändert sich dessen berechtigtes Interesse zwischen der erstmaligen Erhebung zu diesem Zweck und der anschließenden Weiterverarbeitung grundsätzlich nicht. Da Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO auch die berechtigten Interessen eines Dritten genügen lässt, muss die aufzuklärende Straftat nicht zwangsläufig die Rechtsgüter des Verantwortlichen selbst betreffen.325 Eine Grenze ist jedoch überschritten, wenn sich der verfolgte Zweck gänzlich von einer konkreten Person löst, und der Verantwortliche der Datenverarbeitung ausschließlich öffentliche Interessen verfolgt.326 Dies ist im Be320 Vgl. OLG Celle NStZ 2018, 293 (295 f.), wonach das Interesse an der Strafverfolgung ein rein staatliches ist. 321 Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 99; Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 DSGVO Rn. 75; Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO Rn. 146a; Artikel-29-Datenschutzgruppe, Stellungnahme 06/2014, 844/14/EN, S. 45. Umgekehrt sind öffentliche Interessen jedoch geeignet, das Gewicht eines persönlichen berechtigten Interesses zu verstärken, sofern sich diese nicht konträr zueinander verhalten, sondern überschneiden. Vgl. dazu auch Lehr/Becker, ZD 2022, 370 (374). 322 Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 74. In diese Richtung auch Wanser, ZD-Aktuell 2021, 05574, bezogen auf das Fotografieren von Falschparkern. 323 Heberlein, in: Ehmann/Selmayr, Art. 6 Rn. 26. Kritisch hingegen Schantz, in: Simitis/ Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 99, der einen „Systembruch“ feststellt. 324 Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 DSGVO Rn. 80; ferner Lehr/Becker, ZD 2022, 370 (372 f.). 325 Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 DSGVO Rn. 80. 326 Vgl. auch Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 99. Ähnlich Wanser, ZD-Aktuell 2021, 05574, im Anschluss an AG Magdeburg, Beschl. v. 2. 8. 2021 –
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sonderen dann anzunehmen, wenn sich eine Privatperson in der Manier eines „Hilfssheriffs“327 dazu aufschwingt, sämtliche Rechtsverstöße anderer Personen zu dokumentieren und sich eine Position anmaßt, die nach der gesetzlichen Konzeption ausschließlich staatlichen Stellen vorbehalten ist.328 Der Konnex zu einem individuellen berechtigten Interesse tritt hier gänzlich in den Hintergrund. In diesem Zusammenhang ließe sich folglich von einem Ermittlungs- oder Strafverfolgungsmonopol des Staates sprechen. b) Erforderlichkeit Die konkrete Verarbeitung der personenbezogenen Daten muss zur Wahrung des berechtigten Interesses erforderlich sein. Über den exakten Inhalt des maßgeblichen Erforderlichkeitsgrundsatzes besteht nach wie vor Uneinigkeit. Während einige Stimmen ein absolutes Verständnis zugrunde legen,329 sprechen sich andere für eine rein datenschutzrechtliche Interpretation aus.330 Praktisch relevant wird dies für die Frage, wie weit der Kreis der alternativen Mittel zu ziehen ist, die ebenfalls dazu geeignet sind, das verfolgte Interesse zu wahren. Die Verfechter eines absoluten Ansatzes, der sich mit dem Aussagegehalt des nationalen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überschneidet, gehen von einer erforderlichen Datenverarbeitung erst und nur dann aus, wenn schlechthin kein gleich geeignetes Mittel zur Verfügung steht, das die geschützte Rechtsposition des Betroffenen in geringerem Umfang beeinträchtigt.331 Nach dem deutlich weiter gefassten datenschutzrechtlichen Verständnis geht es bei der Erforderlichkeit ausschließlich um die Frage, ob der verfolgte Zweck auch ohne die Verarbeitung der personenbezogenen Daten erreicht werden 300 OWi 720 Js 13328/21 (251/21). Teilweise abweichend Lehr/Becker, ZD 2022, 370 (372 ff.), wonach in diesen Fällen zwar ein berechtigtes Interesse bestehen soll. Allerdings würden die Verarbeitungsinteressen verdrängt, wenn eine eigene Betroffenheit des Anzeigenden von vornherein ausgeschlossen sei. 327 Mienert/Gipp, ZD 2017, 514 (516); Jansen, StV 2019, 578 (580); Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 74. 328 Instruktiv insoweit VG Göttingen NJW 2017, 1336 (1338); OLG Celle NStZ 2018, 293. Zu den quantitativen Grenzen einer privaten Ermittlung Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 374 ff. Teilweise auch Lohse, VersR 2016, 953 (959). 329 Kramer, in: Auernhammer, Art. 6 DSGVO Rn. 77; Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 100; Heberlein, in: Ehmann/Selmayr, Art. 6 Rn. 28; ferner BVerwG NJW 2019, 2556 (2559). 330 Mäsch/Ziegenrücker, JuS 2018, 750 (751 f.); Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 DSGVO Rn. 81; Frenzel, in: Paal/Pauly, Art. 6 DSGVO Rn. 29; Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 78. 331 Kramer, in: Auernhammer, Art. 6 DSGVO Rn. 77; Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 100; Lindner, ZWE 2020, 342 (343). In diese Richtung deuten auch die Ausführungen in EuGH ZD 2020, 148 (149 f.), die sich freilich noch auf das Verständnis des Art. 7 lit. f DSRL beziehen. Im Anschluss daran betonen Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO Rn. 147a, die Erforderlichkeit müsse eng ausgelegt werden.
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kann.332 Inwieweit eine Datenverarbeitung in eingriffsschonenderer Weise möglich ist, muss hiernach erst im Rahmen der nachfolgenden Abwägung berücksichtigt werden.333 Für diese weitere Interpretation streitet vornehmlich die Erkenntnis, dass das strenge Verhältnismäßigkeitsprinzip nach dem nationalen Recht ausschließlich das staatliche Verhalten gegenüber den grundrechtsberechtigten Bürgern betrifft.334 Die Diskussion um den „richtigen“ Erforderlichkeitsmaßstab des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO verdeckt in weiten Teilen einen anderen Bestandteil dieser Prüfungsstufe, der logisch vorrangig ist. Denn unabhängig davon, welche alternativen Mittel im Rahmen der Erforderlichkeit zu berücksichtigen sind, kann die konkret gewählte Art der Datenverarbeitung überhaupt nur dann rechtlich zulässig sein, wenn sie auch geeignet ist, das berechtigte Interesse zu befriedigen.335 Im Rahmen der persönlichkeitsrechtlichen Erwägungen hat sich bereits gezeigt, dass dabei nicht allein eine tatsächliche Perspektive einzunehmen ist, sondern auch normative Gesichtspunkte bedeutsam werden können.336 Aus tatsächlicher Warte spielt vor allem die Qualität einer angefertigten Bild- oder Videoaufnahme eine zentrale Rolle: Folglich fehlt es an der Eignung, wenn die Auflösung so gering ist, dass der Verantwortliche eines dokumentierten Rechtsverstoßes schlichtweg nicht zu erkennen ist.337 Steht dem eigeninitiativ erlangten Beweismittel ein prozessuales Verwertungsverbot entgegen, liegt es a priori ebenfalls nahe, die Eignung – und somit zugleich die datenschutzrechtliche Erforderlichkeit – abzulehnen. Da dieser Umstand endlich auch die überkommenen Rechtfertigungsgründe des nationalen Rechts betrifft und sonach auf der strafrechtlichen Ebene erneut hervortritt, ist hierauf an hervorgehobener Stelle zurückzukommen.338 c) Abwägung Der zentrale Prüfungspunkt des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO ist zumeist die Abwägung der konfligierenden Positionen im konkreten Einzelfall. Dabei sind den berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten die (nicht zwingend
332 Mäsch/Ziegenrücker, JuS 2018, 750 (751 f.); Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 DSGVO Rn. 82; Frenzel, in: Paal/Pauly, Art. 6 DSGVO Rn. 29; Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 78. Ferner wohl auch Albers/Veit, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 6 DSGVO Rn. 69. 333 Mäsch/Ziegenrücker, JuS 2018, 750 (751 f.); Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 78 f. 334 Frenzel, in: Paal/Pauly, Art. 6 DSGVO Rn. 29. 335 Im Kontext der Videoüberwachung explizit Scholz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Anh. 1 Art. 6 DSGVO Rn. 84. Schließlich auch Brink, ZWE 2013, 73 (77), indes noch zu § 6b BDSG a. F. 336 Teil 2, A. IV. 3. c). 337 Scholz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Anh. 1 Art. 6 DSGVO Rn. 84. 338 Dazu Teil 2, D. III.
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berechtigten339) Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person gegenüberzustellen.340 Nur, wenn die letztgenannten Positionen überwiegen, ist die Datenverarbeitung rechtswidrig.341 Da der Verantwortliche, der im Zeitpunkt der Datenverarbeitung zunächst selbst über den Interessenausgleich befinden muss,342 die individuelle Interessenlage der betroffenen Person(en) nicht sachgerecht bewerten kann, ist insoweit ein objektivierter Maßstab anzulegen.343 Dies legt auch Erwägungsgrund 47 S. 1 Hs. 2 zur DSGVO nahe, der auf die „vernünftigen Erwartungen“ abstellt und sonach ein objektives Kriterium implementiert.344 Ohnehin sind die Erwägungsgründe im Rahmen des Interessenausgleichs zu berücksichtigen; allerdings zeichnen diese das Ergebnis der Interessenabwägung keinesfalls vor, sondern konturieren lediglich einzelne Parameter.345 Maßgeblich bleibt stets die konkrete Bewertung im Einzelfall. Von entscheidender Bedeutung ist allen voran die Eingriffsintensität,346 die ihrerseits von verschiedenen Faktoren abhängt. Neben der Art und Weise der Datenverarbeitung spielt insbesondere auch deren Umfang eine wichtige Rolle.347 Hinsichtlich dieses zuletzt genannten Kriteriums lassen sich bei näherem Hinsehen eine personale und eine zeitliche Komponente unterscheiden. Das Vorgehen des eigeninitiativen Beweismittelsuchers ist zunächst umso eingriffsintensiver, je größer der Personenkreis ausfällt, der von den Maßnahmen betroffen ist.348 Paradigmatisch sind in diesem Kontext etwa Videoaufnahmen, die regelmäßig auch solche Personen erfassen, deren Verhalten für das angestrebte Gerichtsverfahren gänzlich ohne Be-
339 Albers/Veit, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 6 DSGVO Rn. 71; Schulz, in: GolaDSGVO, Art. 6 Rn. 58; Heberlein, in: Ehmann/Selmayr, Art. 6 Rn. 28. 340 Dazu im Einzelnen Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 82 f.; Mäsch/Ziegenrücker, JuS 2018, 750 (752). 341 Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 DSGVO Rn. 87. 342 Scholz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Anh. 1 Art. 6 DSGVO Rn. 93; Heberlein, in: Ehmann/Selmayr, Art. 6 Rn. 32; Taeger, in: Taeger/Gabel, Art. 6 DSGVO Rn. 119. 343 Kramer, in: Auernhammer, Art. 6 DSGVO Rn. 84; Frenzel, in: Paal/Pauly, Art. 6 DSGVO Rn. 30. 344 Frenzel, in: Paal/Pauly, Art. 6 DSGVO Rn. 30; Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 DSGVO Rn. 84. 345 Ähnlich auch Kramer, in: Auernhammer, Art. 6 DSGVO Rn. 83. Vgl. indes Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 103, der davon ausgeht, die Erwägungsgründe hälfen nur bedingt weiter. 346 Scholz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Anh. 1 Art. 6 DSGVO Rn. 94; Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 83. So auch die von der DSK veröffentlichte Orientierungshilfe Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen, S. 12, abrufbar unter https://www.datenschutzkonferenz-online.de/me dia/oh/20200903_oh_vü_dsk.pdf (zuletzt abgerufen am: 13. 09. 2022). 347 Scholz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Anh. 1 Art. 6 DSGVO Rn. 94. 348 BGHZ 218, 348 (359 f.); Strauß, NZV 2018, 554 (556); Giesen, NZV 2020, 70 (73).
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deutung ist.349 Gleichwohl kann für diese unbeteiligten Personen ein besonderer Überwachungsdruck entstehen, der sie letztlich dazu veranlasst, ihr Verhalten im überwachten Bereich stark einzuschränken und auf den Gebrauch der individuellen Freiheitsrechte (teilweise) zu verzichten.350 Dieser Effekt verstärkt sich schließlich, wenn es faktisch keine Möglichkeit gibt, der Datenverarbeitung auszuweichen.351 In zeitlicher Hinsicht lässt sich ein ähnlicher Zusammenhang feststellen: Je länger die konkrete Verarbeitungssituation andauert, desto gewichtiger ist der Eingriff in die geschützten Rechtspositionen der Betroffenen. Eine permanente und lückenlose Überwachung wiegt sonach besonders schwer.352 Darüber hinaus spielt es eine gewichtige Rolle, ob die Datenverarbeitung durch den privaten Beweismittelsucher offen erkennbar oder aber heimlich erfolgt.353 Sofern der Betroffene nicht wahrnehmen kann, dass seine personenbezogenen Daten in einer bestimmten Situation verarbeitet werden, hat er faktisch keine Möglichkeit, sein Verhalten hierauf einzurichten.354 Zudem ist der Rechtsschutz deutlich erschwert, da die betroffenen Personen von der Datenverarbeitung regelmäßig überhaupt nicht erfahren dürften. Trotz dieser gesteigerten Eingriffsintensität sind heimliche Vorgehensweisen durch die datenschutzrechtlichen Vorgaben keineswegs gänzlich ausgeschlossen.355 Namentlich bei der Aufklärung von Straftaten erweisen sich offene Verarbeitungsmethoden nicht selten als nutzlos. Ferner ist der konkrete Beweggrund der Datenverarbeitung in den Blick zu nehmen, der seinerseits mit dem verfolgten Zweck zusammenhängt. Es zeitigt einen gewichtigen Unterschied, ob der Private personenbezogene Daten anlasslos verarbeitet, um sie lediglich im Bedarfsfall weiterzuverwenden oder aber durch das
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LG Magdeburg ZD 2018, 276 (277); VG Mainz ZD 2021, 336 (339). BGHZ 218, 348 (360). Dazu Schwenke, NJW 2018, 823 (827); Niehaus, NZV 2016, 551 (554); Froitzheim, NZV 2018, 109 (112 f.); Mäsch/Ziegenrücker, JuS 2018, 750 (752). 351 So auch die von der DSK veröffentlichte Orientierungshilfe Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen, S. 13 abrufbar unter https://www.datenschutzkonferenz-online.de/me dia/oh/20200903_oh_vü_dsk.pdf (zuletzt abgerufen am: 13. 09. 2022). Auf den Gedanken der Ausweichmöglichkeit heben auch Lachenmann/Schwiering, NZV 2014, 291 (294) ab. So bereits im Kontext des allgemeinen Persönlichkeitsrechts BGH NJW 1995, 1955 (1957); LG Berlin NZM 2001, 207 (208); AG Berlin-Mitte NJW-RR 2004, 531 (533); OLG Düsseldorf NJW 2007, 780 (781). 352 Scholz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Anh. 1 Art. 6 DSGVO Rn. 95. 353 Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 111; VG Mainz ZD 2021, 336 (339). 354 Froitzheim, NZV 2018, 109 (112). 355 Niemann, in: JBArbR 2018, S. 41 (67). Scholz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Anh. 1 Art. 6 DSGVO Rn. 99 spricht hinsichtlich der heimlichen Videoüberwachung davon, diese sei nur als ultima ratio ausnahmsweise zulässig. Für heimliche Mitarbeiterkontrollen Byers, NZA 2017, 1086 (1089); Dzida/Grau, NZA 2017, 1515 (1519). 350
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Verhalten des Betroffenen dazu gewissermaßen erst herausgefordert wird.356 Virulent wurde diese Differenzierung zuletzt im Kontext der Dashcam-Aufnahmen:357 Während anlasslose Daueraufzeichnungen nach nahezu einhelliger Ansicht datenschutzrechtlich verboten sind,358 können solche On-Board-Kameras nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO rechtmäßig sein, die das Verkehrsgeschehen erst aufgrund eines auslösenden Moments dauerhaft aufzeichnen.359 Aus praktischer Perspektive kommen insoweit zwei unterschiedliche Modi in Betracht, die an dieser Stelle überblicksartig dargestellt werden sollen. Zunächst kann der Betreiber der Dashcam diese manuell aktivieren, sofern sich ein konkretes Unfallereignis oder eine sonstige beweisrelevante Situation abzeichnet.360 Insoweit ist freilich zu bedenken, dass die Inbetriebnahme zum einen von der subjektiven Einschätzung des Betreibers abhängt, und zum anderen zu spät erfolgt, sofern der Verantwortliche die relevante Beweissituation – retrospektiv betrachtet – unzutreffend bewertet.361 Vor diesem Hintergrund ist für eine technisch geprägte Lösung zu votieren, die mittlerweile als herrschend zu bezeichnen ist,362 und auch vom BGH in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2018 in Erwägung gezogen wurde.363 Danach dokumentieren die Kameras das Verkehrsgeschehen zwar während der gesamten Fahrt, überschreiben die Aufnahmen aber nach einer kurzen Zeitspanne, sofern die Sensoren des Fahrzeugs keinen 356 Zur Anlassbezogenheit Scholz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Anh. 1 Art. 6 DSGVO Rn. 108; Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 DSGVO Rn. 84. Ferner Lehr/Becker, ZD 2022, 370 (374 f.) bezüglich der Dokumentation von Parkverstößen. 357 Instruktiv dazu Scholz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Anh. 1 Art. 6 DSGVO Rn. 108 f.; ferner Strauß, NZV 2018, 554 (556). 358 M. Schröder, ZD 2021, 302 (306); Giesen, NZV 2020, 70 (72); Mäsch/Ziegenrücker, JuS 2018, 750 (753); Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 85; Strauß, NZV 2018, 554 (558). Zur Rechtslage unter dem BDSG a. F.: BGHZ 218, 348 (360); LG Magdeburg ZD 2018, 276 (277); AG München ZD 2014, 530; VG Ansbach SVR 2015, 235 (238); LG Heilbronn NJW-RR 2015, 1019 (1021); Wirsching, NZV 2016, 13 (14); Niehaus, NZV 2016, 551; Bihari Vass, DAR 2010, 504 (506). 359 Strauß, NZV 2018, 554 (558); Jansen, StV 2019, 578 (581). Für die generelle Unzulässigkeit von Dashcams hingegen Ernst, CR 2015, 620 (623); Mienert/Gipp, ZD 2017, 514 (516). 360 LG Frankenthal NJOZ 2016, 1195 (1199). 361 Zu den Bedenken Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622 (1624); Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 91. 362 Für diese Lösung auch AG Nienburg ZD 2015, 341 (342 f.); OLG Nürnberg NJW 2017, 3597 (3602); Froitzheim, NZV 2018, 109 (115); Ahrens, MDR 2015, 926 (927); Wirsching, NZV 2016, 13 (16); Lutz, Automatisiertes Fahren, S. 117, 131, indes noch zum BDSG a. F. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die entscheidenden Gesichtspunkte auch unter der „neuen“ DSGVO fortgelten. Dazu Strauß, NZV 2018, 554 (558) m. w. N. Zur „neuen“ Rechtslage gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO Giesen, NZV 2020, 70 (72); Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 85 ff. Schließlich auch Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 32 ff. 363 BGHZ 218, 348 (360).
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Umstand registrieren, der zu einer dauerhaften Speicherung veranlasst.364 Hierzu rechnen beispielsweise Kollisionen, abrupte Bremsvorgänge oder aber zu dichtes Auffahren.365 Sofern ein auslösendes Moment vorliegt, speichern die Dashcams auch die Aufnahmen, die dem maßgeblichen Ereignis unmittelbar vorausgehen,366 und erhöhen auf diese Weise den Beweiswert essenziell. Insoweit wird deutlich, dass die technischen Bedingungen der Datenverarbeitung – vermittelt über die Grundsätze des Art. 5 DSGVO sowie des Prinzips des „privacy by design“ –367 entscheidende Abwägungstopoi darstellen.368 Schließlich können auch systematische Erwägungen herangezogen werden, um das Gewicht einzelner berechtigter Interessen des Verantwortlichen zu bewerten.369 So privilegiert Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO den Umgang mit besonderen Kategorien personenbezogener Daten, sofern „die Verarbeitung […] zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen [..] erforderlich [ist]“. Wenn dies aber sogar für die besonders schützenswerten und sensiblen Daten des Art. 9 DSGVO gilt, muss dies erst recht für die Verarbeitung „normaler“ Daten i. S. d. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO anzunehmen sein.370 Besonders augenscheinlich ist dies, wenn die betroffene Person durch ihr rechtswidriges Verhalten den Verantwortlichen erst dazu veranlasst, relevante Beweismittel zu sichern, und zu diesem Zweck personenbezogene Daten zu verarbeiten.371 4. Ergebnis für die datenschutzrechtliche Erlaubnis und Schlussfolgerung Konzentriert man die vorangehenden Ausführungen auf ihren Kerngehalt, treten zwei Gesichtspunkte hervor, die die Abwägungsentscheidung des Art. 6 Abs. 1 lit. f 364
Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622 (1623); Froitzheim, NZV 2018, 109 (113). LG Traunstein ZD 2017, 239 (240). Zum Ganzen auch Strauß, NZV 2018, 554 (556); Starnecker, Videoüberwachung zur Risikovorsorge, S. 326; M. Schröder, ZD 2021, 302 (306). 366 Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622 (1623); F. Wessels, JurPC Web-Dok. 186/ 2015, Abs. 44. Über die exakte Dauer der Zwischenspeicherung – nur wenige Sekunden oder ein paar Minuten – besteht nach wie vor keine Einigkeit. Dazu Froitzheim, NZV 2018, 109 (113); Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 86 ff. In der Entscheidung des LG Traunstein ZD 2017, 239 (240) überschrieb die Dashcam die zwischengespeicherten Aufnahmen alle 30 Sekunden endgültig. Ähnlich OLG Nürnberg NJW 2017, 3597. 367 Zur Relevanz der Grundsätze des Art. 5 DSGVO im Rahmen der Abwägung Kramer, in: Auernhammer, Art. 6 DSGVO Rn. 89; Frenzel, in: Paal/Pauly, Art. 6 DSGVO Rn. 31. 368 Instruktiv zur sog. „intelligenten Videoüberwachung“ Desoi, Intelligente Videoüberwachung, S. 321 ff.; ferner Lindner, ZWE 2020, 342 (343) m. w. N. 369 Ahrens, NJW 2018, 2837 (2839); Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 103; Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 DSGVO Rn. 86. 370 Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 123; Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 DSGVO Rn. 86. Vgl. auch EuGH DAR 2017, 698 (699 f.) bzgl. des Art. 7 lit. f DSRL. 371 Schantz/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 688. 365
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DSGVO im Kontext der eigeninitiativen Beweismittelsuche maßgeblich beeinflussen. Dies gilt zum einen für die technische Ausgestaltung der Datenverarbeitung, die bei näherem Hinsehen einen ambivalenten Charakter aufweist.372 So können die technischen Funktionen eines verwendeten Hilfsmittels das Gewicht des datenschutzrechtlichen Eingriffs auf der einen Seite erheblich intensivieren. Bei der praxisrelevanten Videoüberwachung betrifft dies beispielsweise die Qualität der Aufnahme, eine etwaige Schwenk- oder Zoom-Funktion sowie eine mögliche Gesichtserkennung.373 Auf der anderen Seite sind es gerade die technischen Schutzvorkehrungen, die besondere Gefahren für die betroffenen Personen abschwächen und sonach zugunsten des Verantwortlichen streiten. Neben einer begrenzten Zugriffsmöglichkeit auf die gespeicherten Daten wird im Hinblick auf die eigeninitiative Videoüberwachung vornehmlich das Prinzip einer sog. Zwischenspeicherung relevant.374 Zum anderen hat sich herausgestellt, dass die Interessenabwägung entscheidend davon abhängt, inwieweit der Verantwortliche einen konkreten Anlass dazu hat, die personenbezogenen Daten eines anderen zu verarbeiten. Dabei werden Parallelen zur persönlichkeitsrechtlichen Diskussion um das Beweisinteresse deutlich, das sich nach dem hier implementierten Lösungsansatz verschiedenen Kategorien zuordnen lässt.375
III. Grundsätze der Datenverarbeitung (Art. 5 DSGVO) Jede Verarbeitung personenbezogener Daten muss ferner den Grundsätzen des Art. 5 DSGVO genügen, die sich als unmittelbar geltende Vorgaben an den Verantwortlichen richten,376 und letztlich bereits Art. 8 GrCh entfließen.377 Mitunter 372
So auch Starnecker, in: Gola/Heckmann-BDSG, § 4 Rn. 48; Brink, ZWE 2013, 73 (77 f.). 373 VG Mainz ZD 2021, 336 (339); Starnecker, in: Gola/Heckmann-BDSG, § 4 Rn. 48. Vgl. schließlich auch W. Ziebarth, NZV 2021, 230 (232). Diese Erwägungen spielen auch im Kontext der §§ 22, 23 KUG eine Rolle. Vgl. statt aller Specht-Riemenschneider, in: Dreier/ Schulze, § 22 KUG Rn. 3. 374 Vgl. Lutz, Automatisiertes Fahren, S. 83 ff., der sich instruktiv mit der datenschutzrechtlichen Relevanz dieses Mechanismus befasst. Nugel, jurisPR-VerkR 1/2015 Anm. 4, spricht von einer Schleifenfunktion. Ähnlich Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 31. Schließlich auch Brockmeyer, in: Hoeren/Sieber/Holznagel/Albrecht/Altenhain, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 15.5 Rn. 52, der von einer sog. „Loop-Aufnahme“ spricht. 375 Teil 2, A. IV. 3. b). Eine unmittelbare Anwendung strafrechtlicher Rechtfertigungsgründe scheidet hingegen aus, weil Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO keine Öffnungsklausel enthält. Zu diesem Gedankengang auch Busching, Der Schutz „privater“ Informationen bei Cloud Computing, S. 121 f.; ferner Eisele, Compliance und Datenschutzstrafrecht, S. 76 f. 376 Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 5 DSGVO Rn. 15; Frenzel, in: Paal/ Pauly, Art. 5 DSGVO Rn. 1; Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 5 DSGVO Rn. 8. Teilweise wird dafür plädiert, die Grundsätze als „Grundpflichten“ zu bezeichnen, Schantz, in: BeckOKDatenschutzrecht, Art. 5 DSGVO Rn. 2; Herbst, in: Kühling/Buchner, Art. 5 DSGVO Rn. 1.
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nehmen einzelne datenschutzrechtliche Regelungen ausdrücklich Bezug auf die Grundsätze aus Art. 5 DSGVO und konkretisieren diese insoweit.378 Umgekehrt beeinflussen die Leitlinien des Art. 5 DSGVO den Inhalt verschiedener datenschutzrechtlicher Normen und dienen folglich auch als Auslegungsmaximen.379 Missachtet der Verantwortliche die Grundsätze des Art. 5 DSGVO, die speziell das „Wie“ der Datenverarbeitung betreffen, kann dies dazu führen, das Verhalten als datenschutzrechtswidrig einzustufen.380
IV. Hinweispflichten und formale Vorgaben Nicht abschließend geklärt ist schließlich die Frage, welchen konkreten Informationspflichten eine Privatperson genügen muss, die eigeninitiativ nach Beweismitteln sucht und dabei personenbezogene Daten verarbeitet.381 Die Art. 13 und Art. 14 DSGVO normieren umfassende Informationspflichten des Verantwortlichen, die zu einem hohen Maß an Transparenz im Umgang mit personenbezogenen Daten beitragen. Insoweit tritt ein bedeutender Unterschied zum zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht hervor, da das Rahmenrecht aus § 823 Abs. 1 BGB einen solchen formalen Schutzgehalt nicht (explizit) aufweist und sich sonach weitgehend auf die materielle Komponente beschränkt.382 Ungeachtet der exakten Abgrenzung zwischen Art. 13 und Art. 14 DSGVO383 stellt sich die Frage, inwieweit Verstöße gegen die formalen Vorgaben die datenschutzrechtliche Zulässigkeit einer konkreten Datenverarbeitung insgesamt betreffen.384 Da der Ruf nach Transparenz stetig lauter ertönt, ist davon auszugehen, dass 377
Albrecht, CR 2016, 88 (91). Herbst, in: Kühling/Buchner, Art. 5 DSGVO Rn. 1; Roßnagel, in: Simitis/Hornung/ Spiecker, Art. 5 DSGVO Rn. 16, 26; Heberlein, in: Ehmann/Selmayr, Art. 5 Rn. 6; Voigt, in: Taeger/Gabel, Art. 5 DSGVO Rn. 5. 379 Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 5 DSGVO Rn. 15, 26; ferner Voigt, in: Taeger/Gabel, Art. 5 DSGVO Rn. 5. Vgl. auch Pötters, in: Gola-DSGVO, Art. 5 Rn. 4. 380 Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 5 DSGVO Rn. 1. Einschränkend Herbst, in: Kühling/Buchner, Art. 5 DSGVO Rn. 2. 381 Zur nahezu uferlosen Diskussion bei den Dashcams statt aller M. Schröder, ZD 2021, 302 (306). Dazu auch Strauß, NZV 2018, 554 (558 f.). Zur Rechtslage unter dem Regime von § 6b BDSG a. F. Atzert/Franck, RDV 2014, 136 (138). Auf die Umsetzungsprobleme bei der Videoüberwachung weist auch Schulz, in: Gola-DSGVO, Art. 6 Rn. 154 hin. 382 In diese Richtung auch Schantz, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 2 DSGVO Rn. 21. 383 Im Bereich der privaten Beweismittelsuche wirkt es sich aus, ob die Datenverarbeitung offen oder heimlich erfolgt. Für die Videoüberwachung Paal/Hennemann, in: Paal/Pauly, Art. 13 DSGVO Rn. 11b; Schmidt-Wudy, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 14 DSGVO Rn. 32.2. Abweichend Lachenmann, ZD 2017, 407 (409); M. Schröder, ZD 2021, 302 (306). Ferner Scholz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Anh. 1 Art. 6 DSGVO Rn. 117. 384 Bäcker, in: Kühling/Buchner, Art. 13 DSGVO Rn. 63 ff.; Schmidt-Wudy, in: BeckOKDatenschutzrecht, Art. 13 DSGVO Rn. 19; ders., in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 14 DSGVO Rn. 19; Franck, in: Gola-DSGVO, Art. 13 Rn. 55; Dix, in: Simitis/Hornung/Spie378
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die Informationspflichten zunehmend auf die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung ausstrahlen und ein Verstoß die Rechtswidrigkeit bedingt.385 Gerade dieser Bereich – der im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ausgeklammert bleiben soll – bedarf zukünftig einer präzisen Fortentwicklung, die praktische Bedürfnisse nicht unbeachtet lassen darf.
V. Verhältnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht Die vorangehenden Ausführungen zum Beweisinteresse haben verdeutlicht, dass trotz der europäischen Vorgaben des Datenschutzrechts nach wie vor Überschneidungen mit dem nationalen Recht auf informationelle Selbstbestimmung – und somit auch dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht – existieren.386 Im Anwendungsbereich der privaten Beweismittelsuche resultieren hieraus vergleichbare Abwägungsparameter, die schließlich zu ähnlichen Abwägungsergebnissen führen. Auch dieser Umstand dürfte dazu beitragen, dass das exakte Verhältnis des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zum Datenschutzrecht nach wie vor nicht gänzlich geklärt ist.387 Dabei muss schon aus normhierarchischen Gründen der erste Blick stets auf die datenschutzrechtlichen Normen fallen, zumal diese besondere formale Hürden aufstellen, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht explizit erwähnt.388 Darüber hinaus verfolgt die DSGVO das Anliegen, den europäischen Datenschutz möglichst einheitlich zu regeln und gestattet nationale Vorschriften nur dann, wenn diese in Form sog. Öffnungsklauseln ausdrücklich vorgesehen sind.389 Dieser Mechanismus würde missachtet, wenn man neben den datenschutzrechtlichen Erlaubnissätzen zugleich auch – oder gar primär – auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht abstellte. Zieht man die beweisrechtlichen Gesichtspunkte in die Erwägung mit ein, tritt ein cker, Art. 13 DSGVO Rn. 26, der zudem darauf hinweist, dass Art. 13 DSGVO die Rechtsfolge eines Verstoßes nicht selbst festlegt. 385 Bäcker, in: Kühling/Buchner, Art. 13 DSGVO Rn. 66; Strauß, NZV 2018, 554 (559). 386 Instruktiv zum Abgrenzungsproblem zwischen nationalem Persönlichkeits- und europäischem Datenschutzrecht Rixecker, in: MüKo-BGB9, Anh. § 12 Rn. 12 ff.; ferner Bull, JZ 2017, 797 (805). Vgl. zu Unterschieden im Schutzumfang auch Golla/Herbort, GRUR 2015, 648 (651). Aus der verfassungsrechtlichen Perspektive Di. Grimm, JZ 2013, 585. Neue Abgrenzungsfragen haben sich auch durch die Erwägungen des BVerfG zum Verhältnis des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung in BVerfGE 152, 152 (188) ergeben. Vgl. dazu Pfeifer, GRUR 2020, 34 (36). 387 Vgl. Rixecker, in: MüKo-BGB9, Anh. § 12 Rn. 12; Pfeifer, GRUR 2020, 34 (36). 388 Unter dem Regime des „alten“ Datenschutzrechts fanden sich nicht selten Überlegungen, wonach die rechtlichen Anforderungen an eine zulässige Videoüberwachung sowohl aus dem Datenschutzrecht als auch dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abzuleiten waren, statt aller Stöber, NJW 2015, 3681. 389 Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 DSGVO Rn. 112. Zu den Öffnungsklauseln auch Benecke/Wagner, DVBl 2016, 600 (600 ff.); Roßnagel, in: Roßnagel/Blazy/Bile, Das neue Datenschutzrecht, § 2 Rn. 19 ff.
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weiterer Aspekt zutage: Ein Verstoß gegen das Datenschutzrecht könnte sich wegen des unionalen Charakters der rechtlichen Vorgaben auch in besonderer Weise auf die Verwertbarkeit so erlangter Beweismittel auswirken.390 Um dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts zu genügen, verbietet sich der Rückgriff auf das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht, wenn die eigeninitiative Suche nach Beweismitteln in den Anwendungsbereich der DSGVO fällt und von dieser abschließend erfasst wird.391 Vor diesem Hintergrund müssen sich eigeninitiative Bild- und Videoaufnahmen am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO messen lassen; das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist insoweit grundsätzlich nicht mehr heranzuziehen.392 Aus der umgekehrten Blickrichtung erhellt sonach, wann das Rahmenrecht aus § 823 Abs. 1 BGB der „richtige“ Bewertungsmaßstab ist:393 Dies gilt zunächst dann, wenn der Verantwortliche personenbezogene Daten „analog“ verarbeitet, ohne diese in einem Dateisystem zu speichern.394 Für die eigeninitiative Beweismittelsuche ist dabei der Lauschzeuge paradigmatisch, der sich keiner technischen Hilfsmittel bedient. Ferner ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschlägig, wenn die Verarbeitung personenbezogener Daten i. S. d. Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten erfolgt.395 Sub specie der eigeninitiativen Suche nach Beweismitteln ist die Haushaltsausnahme indes – wie gesehen – regelmäßig zu vernachlässigen, da das Verhalten des Privaten gerade darauf angelegt ist, den persönlichen Kreis zu verlassen. Schließlich ist der Rekurs auf das nationale Persönlichkeitsrecht möglich, wenn die DSGVO eine Öffnungsklausel enthält und folglich eine abweichende Regelung gestattet. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO sieht eine solche Regelungskompetenz freilich gerade nicht vor.
VI. Ergebnis für das Datenschutzrecht Da der sachliche Anwendungsbereich der DSVGO weit gefasst ist, muss sich die eigeninitiative Suche nach aussagekräftigen Beweismitteln zunehmend an den datenschutzrechtlichen Vorgaben messen lassen. Nach der rechtlichen Struktur der DSGVO, die ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt implementiert, bedarf jede Verarbeitung personenbezogener Daten einer spezifischen Rechtsgrundlage. Für die 390
Dazu noch Teil 3, A. I. Instruktiv zur Frage, wann nationale Regeln, die in den Anwendungsbereich einer Unionsverordnung fallen, anwendbar sein können, Roßnagel, in: Roßnagel/Blazy/Bile, Das neue Datenschutzrecht, § 2 Rn. 17 ff. 392 Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 151. 393 Zu weitergehenden Erwägungen, die zusätzliche inhaltliche Gesichtspunkte berücksichtigen, Rixecker, in: MüKo-BGB9, Anh. § 12 Rn. 22. 394 Rixecker, in: MüKo-BGB9, Anh. § 12 Rn. 17. 395 Schulz, in: Gola-DSGVO, Art. 6 Rn. 148; Rixecker, in: MüKo-BGB9, Anh. § 12 Rn. 18; Sprau, in: Grüneberg, § 823 Rn. 85. 391
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private Beweismittelsuche ist insoweit allen voran Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO maßgeblich, der im Ergebnis einen Ausgleich der konfligierenden Interessen und Rechtspositionen verlangt. Neben der konkreten technischen Ausgestaltung eines verwendeten Hilfsmittels ist dabei essenziell, ob die Datenverarbeitung anlassbezogen erfolgt. Aus dieser Perspektive lassen sich einzelne Parallelen zur persönlichkeitsrechtlichen Interessenabwägung feststellen. Eingedenk des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts ist das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht (mehr) anwendbar, wenn eine eigeninitiative Verhaltensweise vom europäischen Datenschutzrecht abschließend erfasst wird.
C. Strafrecht Bezweckt eine Privatperson, potenzielle Beweismittel für eine etwaige gerichtliche Auseinandersetzung zu gewinnen, sind vornehmlich die Delikte des Fünfzehnten Abschnitts des Strafgesetzbuches betroffen, da Ton- und Bildaufnahmen besonders geeignet erscheinen, rechtserhebliche Vorgänge zu beweisen. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich folglich auf diese so bezeichneten Privatschutzdelikte396 der §§ 201, 201a StGB.397 Essenziell ist dabei zunächst, die maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen daraufhin zu untersuchen, inwieweit diese die typischen eigeninitiativen Vorgehensweisen erfassen. Anschließend tritt die Frage in den Vordergrund, unter welchen Voraussetzungen einzelne Verstöße gerechtfertigt werden können.
I. § 201 StGB Die Strafvorschrift des § 201 StGB pönalisiert bestimmte Eingriffe in das nichtöffentlich gesprochene Wort und dient dem Schutz einer unbefangenen Kommunikation, wobei dieser Aspekt seinerseits dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht entfließt.398 Bevor der Gesetzgeber im Jahr 1967 erstmals Strafnormen zum Schutz 396
Brunhöber, GA 2010, 571 (580). Ausgeklammert bleiben hingegen solche Vorgehensweisen, die darauf gerichtet sind, die eigeninitiative Beweismittelsuche „vorzubereiten“. Dies betrifft etwa den Hausfriedensbruch gem. § 123 StGB, da dieser nur mittelbar zur Erlangung eines Beweismittels führt. Vgl. insoweit den Sachverhalt von OLG Naumburg NJW 2018, 2064. 398 Klug, in: Sarstedt-FS, S. 101 (103 ff.); Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 2; Fischer, Strafgesetzbuch, § 201 Rn. 2; A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 81; R. Schmitz, JA 1995, 118. Zur nach wie vor streitigen Diskussion um das geschützte Rechtsgut Häger, Der formalisierte Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das Strafrecht, S. 62 ff.; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 35 ff.; Gössel/Dölling, Strafrecht BT 1, § 37 Rn. 5; Weiss, Heimliche Tonaufnahmen durch Strafverfolgungsorgane, S. 52 ff.; Bosch, in: SSW-StGB, § 201 Rn. 1, der zwischen Abs. 1 und Abs. 2 differenziert. Umfassend zum geschützten Rechtsgut der §§ 298, 397
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des menschlichen Wortes implementierte (§ 298 StGB a. F. sowie § 353d StGB a. F.),399 mussten sich heimliche Tonaufnahmen und Lauschaktionen ausschließlich am Maßstab des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts messen lassen,400 so dass die Entscheidung darüber, inwieweit diese rechtmäßig oder aber rechtswidrig waren, von einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung abhing. Im Jahr 1974 schließlich fasste der Gesetzgeber die beiden genannten Vorschriften in dem neuen § 201 StGB zusammen, der seinerseits durch das „Fünfundzwanzigste Strafrechtsänderungsgesetz“401 aus dem Jahr 1990 partiell reformiert wurde.402 Nach dem hier zugrunde gelegten Modell des Persönlichkeitsschutzes betrifft § 201 StGB ein besonderes Persönlichkeitsrecht, das als Recht am eigenen Wort bezeichnet werden kann.403 Nach der zentralen Kernaussage soll jeder mündliche Äußerungen tätigen können, ohne dabei das lähmende Gefühl empfinden zu müssen, von unerwünschten Zuhörern belauscht zu werden oder gar einer Tonaufnahme ausgesetzt zu sein.404 Geschützt wird folglich vordergründig das Recht des Sprechenden, selbst darüber zu entscheiden, wer von seinem gesprochenen Wort Kenntnis nehmen soll und in welcher Form – vorübergehend oder dauerhaft – dies geschieht.405 Ausweislich der gesetzlichen Konzeption beschränkt sich der Schutzbereich auf das gesprochene Wort, so dass nicht jeder menschliche Laut geschützt ist und etwa die Aufnahme von Gelächter oder Schluchzen von vornherein nicht unter § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB fällt.406 Darüber hinaus muss das gesprochene Wort nichtöffentlich 353d StGB a. F. Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 162 ff. Dieser sieht im Verbotstatbestand des § 298 Abs. 1 StGB a. F. (= § 201 Abs. 1 StGB) zwei zentrale Schutzgüter: Zum einen schütze die Vorschrift vor einem verfälschten Persönlichkeitsbild, das entstünde, wenn einzelne – freilich tatsächlich erfolgte und somit wahre – aufgenommene Äußerungen an Dritte gelangten (S. 165). Zum anderen bezwecke die Norm jedenfalls mittelbar auch Geheimnisschutz, indem es um „die Dispositionsfreiheit im Bereich der nichtöffentlichen Kommunikation“ gehe (S. 169). Ferner Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 238 ff. 399 Instruktiv zur weit zurückreichenden Entwicklungsgeschichte des straf- und zivilrechtlichen Schutzes vor heimlichen Tonbandaufnahmen Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 147 ff. 400 Paradigmatisch BGHSt 14, 358. Zum Ganzen Häger, Der formalisierte Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das Strafrecht, S. 60. 401 BGBl. I, S. 1764. 402 Häger, Der formalisierte Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das Strafrecht, S. 61. 403 Aus verfassungsrechtlicher Perspektive BVerfGE 34, 238 (243). 404 In diese Richtung Graf, in: MüKo-StGB4, § 201a Rn. 2. 405 Ähnlich auch Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 3 ff., der jedoch zugleich auf das divergierende Schutzgut des § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB hinweist. Zu diesem Tatbestand noch Teil 5, B. I. 2. 406 Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 6; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 5; Gössel/Dölling, Strafrecht BT 1, § 37 Rn. 9. Teilweise kritisch Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 243.
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sein und sich demzufolge an einen individuell begrenzten Zuhörerkreis richten,407 wobei zwischen den Zuhörern (wohl) eine gewisse persönliche Verbundenheit bestehen muss.408 Unerheblich ist dabei, ob das Gespräch von Angesicht zu Angesicht erfolgt oder aber die Konversationsteilnehmer mittels technischer Hilfseinrichtungen – insbesondere Telefon und Mobilfunk – kommunizieren.409 1. Besonderer Inhalt des gesprochenen Wortes Obschon die nichtamtliche Überschrift des § 201 StGB („Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“)410 einen vertraulichen oder jedenfalls persönlichkeitsbezogenen Gesprächsinhalt nahelegt, kommt es auf einen solchen angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts der Strafnorm selbst nicht an.411 Das nichtöffentlich gesprochene Wort ist im Ausgangspunkt unabhängig davon geschützt, ob es geheimhaltungsbedürftige – höchstpersönliche – Tatsachen oder aber banale Alltagsäußerungen betrifft, an deren Schutz ein eher untergeordnetes Interesse bestehen dürfte.412 Vor diesem Hintergrund erfasst § 201 StGB auch Worte, die ausschließlich 407
Rengier, Strafrecht BT II, § 31 Rn. 2; Eisele, Strafrecht BT I, Rn. 691, wobei freilich im Detail keinesfalls Einigkeit über die Abgrenzung des nichtöffentlich vom öffentlich gesprochenen Wort besteht. Zunehmend wird insoweit auf die Perspektive des Sprechenden abgestellt, die aber durch objektive Gesichtspunkte ergänzt wird. Siehe etwa BGHSt 31, 304 (306). Vgl. zum Ganzen Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 7 f.; Fischer, Strafgesetzbuch, § 201 Rn. 4. Zur jüngeren Diskussion darüber, ob die Gespräche zwischen Polizeibeamten und Demonstrationsteilnehmern von § 201 StGB geschützt werden, LG Kassel StV 2020, 161; LG München StV 2020, 321; Reuschel, NJW 2021, 17 (18); Roggan, StV 2020, 328 (329 ff.); Zühlke, NK 2021, 350 (351 f.) m. w. N. 408 Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 252; Häger, Der formalisierte Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das Strafrecht, S. 83. Kritisch hingegen Blei, in: Henkel-FS, S. 109 (115 f.). 409 BGH NJW 1982, 1397 (1398); OLG Karlsruhe NJW 1979, 1513; Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 179; Fischer, Strafgesetzbuch, § 201 Rn. 3; A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201 Rn. 2; Klug, in: Sarstedt-FS, S. 101 (106 f.); Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 138; Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 15; Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 12. A. A. Kohlhaas, NJW 1972, 238 (239), allerdings bezogen auf § 298 Abs. 1 Nr. 1 StGB a. F. Dagegen Schilling, NJW 1972, S. 854. 410 Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 3 stellt insoweit darauf ab, die Vertraulichkeit des Äußerns von Worten werde geschützt. 411 OLG Karlsruhe NJW 1979, 1513; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 41; Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (142); Kargl, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 6; Bosch, in: SSW-StGB, § 201 Rn. 1; Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 47 f.; Klug, in: Sarstedt-FS, S. 101 (105); Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 180; Fischer, Strafgesetzbuch, § 201 Rn. 3; Häger, Der formalisierte Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das Strafrecht, S. 77; Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 11. Instruktiv zum Ganzen Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 185; Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 238. 412 Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 5 m. w. N.
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in einem beruflichen oder dienstlichen Kontext stehen und die sonach weitgehend losgelöst von der Privatsphäre des Sprechenden sind.413 Zum tatbestandlichen Schutzbereich gehören schließlich selbst strafbare Aussagen – wie etwa Beleidigungen oder erpresserische Drohungen.414 Nach der teilweise vertretenen Gegenauffassung – die unter den Stichworten der „Verfallstheorie“ oder der „Verwirkungstheorie“ firmiert –415 sollen derartige Worte von vornherein aus dem Tatbestand des § 201 StGB ausscheiden, da diese letztlich einen Verfall der Persönlichkeit dokumentierten und demgemäß nicht schutzbedürftig seien.416 Ein solches Normverständnis führte dazu, die heimliche Tonaufnahme einer strafbaren Beleidigung stets straflos zu stellen, wohingegen die Aufzeichnung eines späteren Geständnisses des Beleidigers, in dem dieser sein verbotenes Verhalten einräumt, grundsätzlich das Verdikt der Strafbarkeit nach sich zöge, sofern das Verhalten nicht ausnahmsweise gerechtfertigt ist.417 Allerdings steht einer solchen Argumentation, die sich in weiten Teilen auf Gesichtspunkte stützt, die im Kontext des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entwickelt und sodann auf den strafrechtlichen Schutz des gesprochenen Wortes transferiert wurden,418 neben dem Wortlaut des § 201 StGB bereits das dogmatische Zusammenspiel von Tatbestand und Rechtfertigung entgegen. Die strafrechtlichen Erlaubnissätze verlangen nach kaum noch bestrittener Auffassung ein subjektives Rechtfertigungselement, über das der mit einer Vertei413 OLG Frankfurt NJW 1977, 1547; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 6; Häger, Der formalisierte Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das Strafrecht, S. 77. Ferner OLG Karlsruhe NJW 1979, 1513 (1514), wonach das beruflich gesprochene Wort ebenfalls zur Persönlichkeit des Menschen rechne. Anderes gilt für solche Äußerungen, die „ausschließlich der Übermittlung sachlicher Informationen dienen“. Über die normativen Auswirkungen sub specie des § 201 StGB besteht jedoch keine Einigkeit. Klug, in: Sarstedt-FS, S. 101 (116) ordnet diese Fragen der Rechtfertigung – präziser noch der mutmaßlichen Einwilligung – zu. 414 Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 6; Gössel/Dölling, Strafrecht BT 1, § 37 Rn. 32; A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 82; A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201 Rn. 2; Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 5; Klug, in: Sarstedt-FS, S. 101 (123 f.); Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 138; Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 199 f. 415 Vgl. zur Terminologie Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 45. Zu diesen Ansätzen insb. BGHSt 19, 325 (331); 14, 358 (361). 416 Roessler, Der Schutz der Vertraulichkeit des Wortes, S. 132. Teilweise R. Schmitt, JuS 1967, 19 (23). I. E. ähnlich KG JR 1981, 254 (255), allerdings wohl auf das Merkmal „unbefugt“ abstellend. Zu Recht kritisch Tenckhoff, JR 1981, 255 (256); Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 46 f. 417 I. E. ähnlich auch Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 53 f., 61, der im Wege einer teleologischen Reduktion Äußerungen mit adressatenbezogener Rechtsgutsdominanz, zu denen insb. Beleidigungen und erpresserische Drohungen rechnen, vom Tatbestand des § 201 StGB ausnehmen möchte. 418 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 184; Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 46. Maßgeblich sind insoweit vornehmlich BGHSt 14, 358 (361) sowie R. Schmitt, JuS 1967, 19 (23).
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digungsmaßnahme verfolgte Zweck in die rechtliche Beurteilung integriert wird.419 Auf diese Verteidigungsintention verzichtete man allerdings, wenn strafbare Äußerungen von vornherein aus dem Tatbestand des § 201 StGB ausschieden, da es auf die nachgelagerte Ebene der Rechtfertigung nicht mehr ankäme.420 Eingedenk dessen bliebe auch derjenige straflos, der die beleidigende Äußerung eines anderen zu dem alleinigen Zweck aufzeichnet, diesen mittels der kompromittierenden Tonaufnahme zu erpressen.421 Eine Rechtfertigung schiede hingegen jedenfalls aufgrund des fehlenden Verteidigungswillens aus. Daneben streitet auch das telos der Norm dafür, den Tatbestand des § 201 StGB extensiv auszulegen und sonach auch strafbare Inhalte einzubeziehen. Die Unbefangenheit der menschlichen Kommunikation lässt sich nicht von vornherein auf bestimmte Gedankenäußerungen festlegen, sondern verlangt grundsätzlich auch einen Schutz des „bescholtene[n] […] Bürgers“.422 Aus diesem Grund darf a priori auch der Täter einer Beleidigung darauf vertrauen, dass sein gesprochenes Wort, das er in einer bestimmten Lautstärke an einen bestimmten Adressatenkreis richtet, nicht von Dritten heimlich aufgezeichnet oder mitgehört wird. Schließlich festigt auch ein Vergleich mit § 201a StGB das hier vertretene Ergebnis: Der strafrechtliche Schutz vor Bildaufnahmen beschränkt sich ausweislich des Wortlauts auf solche Verhaltensweisen, die eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs nach sich ziehen. Ein solches restriktives Erfordernis, das einen expliziten Inhalt des gesprochenen Wortes forderte, findet sich in der komplementären Vorschrift des § 201 StGB hingegen nicht.423 Freilich führt eine solche Interpretation der Strafvorschrift nicht dazu, dass die Tonaufnahme oder der Lauschzeugeneinsatz, die sich darauf beziehen, ihrerseits strafbare Worte zu konservieren bzw. abzuhören, stets verboten sind; entscheidend sind jedoch insoweit die Rechtfertigungsgründe.424 Gerade dieser zuletzt genannte Gesichtspunkt verdeutlicht die Unterschiede, die zwischen dem besonderen Persönlichkeitsrecht am eigenen Wort und dem allgemeinen zivilrechtlichen Persönlichkeitsrecht bestehen: Denn während eine rechtswidrige Verletzung des generalklauselartigen Rahmenrechts aus § 823 Abs. 1 BGB nur nach Maßgabe einer umfassenden Interessenabwägung festgestellt werden kann, in der sich auch der Inhalt des gesprochenen Wortes auswirkt, spielt dies sub specie des § 201 StGB (zunächst)
419
BGHSt 2, 111 (114); Rönnau, JuS 2009, 594; Rengier, Strafrecht AT, § 17 Rn. 11 ff. Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 201 f. 421 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 202. 422 Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 6. Ähnlich auch Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 41, 43. 423 Zum Vergleich zwischen dem strafrechtlichen Schutz des gesprochenen Wortes und demjenigen vor Bildaufnahmen Teil 2, C. III. 424 Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 6; Hoyer, in: SKStGB, § 201 Rn. 7; Klug, in: Sarstedt-FS, S. 101 (123); Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 5. 420
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keine Rolle.425 Der Unrechtstatbestand ist unabhängig davon erfüllt, welche Interessen die beteiligten Personen verfolgen und welchen Inhalt das gesprochene Wort aufweist. 2. § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB – (heimliche) Tonaufnahmen Gem. § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB wird bestraft, wer das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Augenblick des Sprechens426 unbefugt auf einen Tonträger aufnimmt – und auf diese Weise das grundsätzlich flüchtige Wort dauerhaft konserviert und dadurch reproduzierbar macht.427 Gerade aus der Möglichkeit, einmal getätigte Äußerungen jederzeit im Originalton abspielen zu können, resultiert eine erhebliche Beeinträchtigung der Unbefangenheit der menschlichen Kommunikation.428 Der Begriff des Tonträgers (§ 11 Abs. 3 StGB) erfährt eine extensive Interpretation und umfasst neben Tonbändern, CDs und DVDs429 auch moderne elektronische Geräte – namentlich Smartphones –, die über die Funktion verfügen, lautliche Äußerungen zu fixieren.430 Obschon die private Beweismittelsuche in praxi regelmäßig heimlich erfolgt, verlangt der Tatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB ein solches Handeln ohne Wissen des Sprechenden nicht.431 Unerheblich ist schließlich auch, ob ein Gesprächspartner selbst die Konversation, an der er unmittelbar beteiligt ist, aufnimmt, oder sich der Hilfe eines außenstehenden Dritten bedient.432
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Kritisch zu diesem Befund Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 100 f., allerdings bzgl. § 298 StGB a. F. 426 Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 201 Rn. 5; Gössel/Dölling, Strafrecht BT 1, § 37 Rn. 18; R. Schmitz, JA 1995, 118. 427 Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 20; Gallas, ZStW 75 (1963), 16 (19). 428 Vgl. Häger, Der formalisierte Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das Strafrecht, S. 62. 429 Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 13. 430 Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 20. 431 A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201 Rn. 5; Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 22; Bosch, in: SSW-StGB, § 201 Rn. 4; Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 201 Rn. 6; Gössel/Dölling, Strafrecht BT 1, § 37 Rn. 19; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 52 f. Anders hingegen Häger, Der formalisierte Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das Strafrecht, S. 86 f.; AG Hamburg NJW 1984, 2111. Zum Zusammenhang mit dem Merkmal unbefugt Kunze, Das Merkmal „unbefugt“, S. 116 f. 432 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 139; Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 206 ff. Abweichend hingegen Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 246, der die Aufnahmen durch einen Dritten ausschließlich § 298 Abs. 2 StGB a. F. (= § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB) subsumieren möchte – jedenfalls sofern kein Gesprächsteilnehmer Kenntnis von der Aufnahme hat.
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3. § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB – Abhören mittels eines Abhörgeräts Strafbar macht sich gem. § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB darüber hinaus, wer das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mittels eines Abhörgeräts abhört. a) Abhörgerät Nach überkommener Auffassung rechnen zu den Abhörgeräten alle technischen Vorrichtungen, mit deren Hilfe das gesprochene Wort über dessen normalen Klangbereich hinaus wahrnehmbar gemacht werden kann.433 Unerheblich ist insoweit die konkrete technische Funktionsweise des Geräts, so dass neben komplexeren elektronischen Instrumenten – etwa Minispione oder Wanzen – auch altertümlich anmutende Hörrohre oder Stethoskope erfasst sind.434 Die (wohl noch) h. M. nimmt allerdings Telefone,435 in diese integrierte Lautsprecher sowie Zweithörer von vornherein vom Begriff des Abhörgeräts aus, da diese gegenwärtig so weit verbreitet und üblich seien, dass derjenige, der sich eines fernmündlichen Kommunikationsmittels bediene, damit rechnen müsse, von einem Dritten belauscht zu werden.436 Ein 433
A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 87; R. Schmitz, JA 1995, 118 (119); Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 32; Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 24; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 19; A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201 Rn. 9; Gössel/ Dölling, Strafrecht BT 1, § 37 Rn. 42; Kindhäuser/Schramm, Straftaten gegen Persönlichkeitsrechte, Staat und Gesellschaft, § 28 Rn. 19; Fischer, Strafgesetzbuch, § 201 Rn. 7; Bosch, in: SSW-StGB, § 201 Rn. 8; Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 21; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 17. Vgl. bereits BT-Drs. IV/650, S. 332. 434 Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 32; Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 21; Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 24; Häger, Der formalisierte Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das Strafrecht, S. 94; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 62. Ablehnend Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 150 f. Zum Abhören mittels einer Bürosprechanlage BAG NJW 1983, 1691 (1693); B. Lorenz, SAE 1984, 297; Helle, JZ 1991, 929 (930). 435 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 150; Graf, in: MüKoStGB4, § 201 Rn. 33; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 62; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201 Rn. 5, allerdings nur bezogen auf die „normale“ Verwendung. Auch Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 21 nimmt Fernsprechgeräte aus. 436 BGH NJW 1982, 1397 (1398); BGHSt 39, 335 (343); 42, 139 (154); OLG Hamm NStZ 1988, 515; Lüderssen, wistra 2006, 441 (442); Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 201 Rn. 11; Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 33; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201 Rn. 5; Helle, JZ 1994, 915 (918); ders., Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 271 f.; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 85; Gössel/Dölling, Strafrecht BT 1, § 37 Rn. 43; Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 24 f.; Tag, in: Dölling/Duttge/König/Rössner, HK-GS, § 201 StGB Rn. 10; Sternberg-Lieben, Jura 1995, 299 (303); Rengier, Strafrecht BT II, § 31 Rn. 5; Kindhäuser/Schramm, Straftaten gegen Persönlichkeitsrechte, Staat und Gesellschaft, § 28 Rn. 20. Mit etwas abweichender Begründung Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 150. Gegen einen pauschalen Ausschluss Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 19; Fischer, Strafgesetzbuch, § 201 Rn. 7a; Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 21; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 17.
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solches Verständnis hängt eng mit viktimodogmatischen Überlegungen zusammen, wonach sich der Nutzer eines Fernsprechgeräts sehenden Auges seines Schutzes begebe, weil er – anders als bei persönlichen Unterredungen von Angesicht zu Angesicht – schlechterdings nicht wissen könne, ob das Gespräch von unerbetenen Zuhörern wahrgenommen wird.437 Allerdings legitimiert die bloße Üblichkeit eines Vorgehens für sich betrachtet noch nicht, dieses generell von dem strafrechtlichen Abhörverbot aus § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB auszunehmen.438 Schlösse man bestimmte Vorrichtungen von vornherein aus dem Begriff des Abhörgeräts aus, führte dies unweigerlich dazu, auch die evident missbräuchliche Verwendung dieser Mittel gänzlich aus dem Tatbestand zu verbannen.439 Dies betrifft beispielsweise das Verstecken eines Mobiltelefons in einem Raum, um die dort geführten Gespräche unbemerkt und aus sicherer Entfernung mithören zu können.440 Angesichts der zweckentfremdeten Nutzung des Telefons bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dieses Szenario – anders als die „normale“ Verwendung als Kommunikationsmittel – unbedingt dem § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB zu subsumieren.441 Gerade dieses Exempel verdeutlicht, dass technische Geräte zumeist in unterschiedlichen Funktionen genutzt werden können und sich die Strafbarkeit eines solchen Einsatzes nur dann sachgerecht beurteilen lässt, wenn die konkrete Art und Weise des Belauschens sowie die jeweilige Bedeutung des technischen Apparats ins Blickfeld rücken.442 Der kategorische Ausschluss von Telefonen samt üblicher Zusatzeinrichtungen kann diesen besonderen Umständen im Einzelfall nicht gerecht werden. Überdies hält § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB mit dem Merkmal „nicht zu seiner Kenntnis bestimmt“ eine zusätzliche restriktive Voraussetzung bereit, in deren Kontext strafunwürdige Szenarien – die vornehmlich im Bereich handelsüblicher Mithöreinrichtungen auftreten – sinnvoll ausgeschlossen werden können.443 Vor diesem Hintergrund 437
Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 24; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 271. Zu weiteren Argumenten auch Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 61. 438 Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 19; Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 21. Ferner R. Schmitz, JA 1995, 118 (120); Häger, Der formalisierte Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das Strafrecht, S. 95. 439 So i. E. aber Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 150. Kritisch Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 19; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NKStGB, § 201 Rn. 17. Mit Blick auf Tonbandaufnahmen schließlich Klug, in: Sarstedt-FS, S. 101 (106 f.). 440 Fischer, Strafgesetzbuch, § 201 Rn. 7a; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 270. Vgl. den Sachverhalt von LG Kassel NJW-RR 1990, 62. 441 Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 33; Fischer, Strafgesetzbuch, § 201 Rn. 7a; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 19; Bosch, in: SSW-StGB, § 201 Rn. 8. 442 Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 196; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 19; Fischer, Strafgesetzbuch, § 201 Rn. 7a. Teilweise wird auch vom Zweck gesprochen, dem der Einsatz einer technischen Einrichtung dient, Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 32. 443 Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 21; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 17; A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201 Rn. 9, der auf die Gesichtspunkte „nichtöffentlich“ sowie „nicht zu seiner Kenntnis bestimmt“ hinweist. Ferner
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besteht schlichtweg keine Notwendigkeit, den Terminus des Abhörgeräts über Gebühr einzuschränken.444 b) Abhören Das Abhören verlangt ein willensgetragenes Verhalten, so dass die bloß sinnliche Wahrnehmung akustischer Laute für sich betrachtet noch nicht genügen kann, eine strafbare Handlung zu begründen.445 Vielmehr hört nur derjenige ab, der das Abhörgerät bewusst zu dem spezifischen Zweck einsetzt, das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen akustisch verstehbar zu machen.446 c) Nicht zu seiner Kenntnis bestimmt Das abgehörte Wort darf schließlich nicht zur Kenntnis des Abhörenden bestimmt sein.447 Mit Blick auf diese Tatbestandsvoraussetzung scheidet derjenige, an den das gesprochene Wort gerichtet ist, von vornherein als Täter des § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB aus, und kann ausschließlich als Anstifter oder Gehilfe bestraft werden, sofern Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 19, der den Bezug von Abhörgerät und Abhören aufzeigt. Schließlich Fischer, Strafgesetzbuch, § 201 Rn. 7a, der auf die konkrete Nutzung abhebt. In diese Richtung auch Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 196 f. 444 Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 17; Fischer, Strafgesetzbuch, § 201 Rn. 7a, der konstatiert, dass „grundsätzlich jedes Gerät, das zur Übertragung gesprochener Worte bestimmt oder geeignet ist, auch „Abhörgerät“ sein“ könne. Ähnlich auch Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 65 f., der allerdings das Fernsprechgerät als solches aus dem Tatbestand ausnimmt. Für die Einbeziehung einer zusätzlichen Hörmuschel schließlich auch LAG Berlin JZ 1982, 258 (258 ff.). 445 Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 199; Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 31; Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 251 ff.; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 60. 446 Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 20. Gerade hierin zeigt sich, dass sich die Tathandlung des Abhörens auf das Abhörgerät bezieht und die beiden Voraussetzungen nicht beziehungslos nebeneinanderstehen. Vgl. auch Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 16 sowie Kindhäuser/Schramm, Straftaten gegen Persönlichkeitsrechte, Staat und Gesellschaft, § 28 Rn. 22, die ein aktives Verhalten fordern. Darauf, ob der Abhörende das gesprochene Wort inhaltlich versteht, kommt es nicht an, Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 18; Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 64. Zur Diskussion darüber, ob der Abhörende das gesprochene Wort unmittelbar wahrnehmen muss, Zopfs, Strafrecht BT, Rn. 4. 447 Zur Diskussion darüber, ob der Tatbestand entfällt, wenn der Abhörende das gesprochene Wort – ggf. zu einem späteren Zeitpunkt – seinem Inhalt nach zur Kenntnis nehmen soll Häger, Der formalisierte Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das Strafrecht, S. 91 ff.; Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 30; A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201 Rn. 10; Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 24; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 15; Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 201 Rn. 13; Gössel/Dölling, Strafrecht BT 1, § 37 Rn. 36; Bosch, in: SSW-StGB, § 201 Rn. 9. Dieser Gesichtspunkt wirkt sich insb. bei einem Arbeitgeber aus, der das Gespräch eines Arbeitnehmers mit einer nicht zum Betrieb gehörenden Person abhört.
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er einen Außenstehenden bei dessen Lauschaktion unterstützt.448 Ein solches Zusammenwirken zwischen einem Gesprächspartner und einem Lauschzeugen ist in den Konstellationen der privaten Beweismittelsuche weit verbreitet, da auf diese Weise das flüchtig gesprochene Wort zwar nicht dauerhaft konserviert, aber doch seinem Inhalt nach beweisbar gemacht wird.449 Namentlich Arzt will diese Fälle, in denen das Abhören mit Zustimmung eines Gesprächspartners erfolgt, wegen des vermeintlich geringeren Unrechtsgehalts eines solchen Vorgehens gänzlich tatbestandslos stellen.450 Bei Lichte besehen ist jedoch gerade diese Situation, in der ein Gesprächspartner Kenntnis von einem anwesenden Lauschzeugen hat, aus der Warte des geschützten Rechtsguts besonders gefährlich. Derjenige, der um den versteckten Lauschzeugen im Nebenzimmer weiß, wird die Konversation gerade in diesem Bewusstsein steuern und – möglicherweise – Aussagen des anderen provozieren, die dieser nicht getätigt hätte, wenn er ebenfalls von den konkreten Gesprächsumständen wüsste.451 Aus dem Informationsvorsprung des einen Konversationsteilnehmers resultiert die Unterlegenheit des anderen. Schließlich liegt auch aus der Perspektive des Abhörenden kein wesentlicher Unterschied zu dem Fall vor, in dem er ohne die Kenntnis sämtlicher Gesprächsteilnehmer lauscht: Hier wie dort bricht er von außen in die geschützte Gesprächsatmosphäre ein.452 Nach allem genügt die Zustimmung eines Gesprächspartners nicht, um eine heimliche Lauschaktion, von der auch nur ein anderer Konversationsteilnehmer nichts weiß, zu legitimieren.453 Die Entscheidung darüber, zu wessen Kenntnis das gesprochene Wort bestimmt ist, trifft der jeweils Sprechende selbst.454 Allerdings dürfen dabei die konkreten Umstände der Lebenswirklichkeit, unter denen eine Äußerung stattfindet, nicht unberücksichtigt bleiben, da diese das Vertrauen in die Unbefangenheit der menschlichen Kommunikation beeinflussen. Wer etwa über streng geheimhaltungsbedürftige Tatsachen spricht, wird dies voraussichtlich nicht in einer voll besetzten Gastwirtschaft tun, sondern sich in geschütztere Räumlichkeiten zurückziehen. An dieser Stelle wirken sich schließlich auch die zuvor beschriebenen 448 Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 29; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 21a; Gössel/Dölling, Strafrecht BT 1, § 37 Rn. 38; R. Schmitz, JA 1995, 118 (119). 449 Gössel/Dölling, Strafrecht BT 1, § 27 Rn. 4, die von einer geistigen Fixierung sprechen. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 71 diese Fälle einem Fixieren mittels Tonbands vergleicht. 450 Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 246 f. 451 Vgl. dazu BGH NJW 1970, 1848 (1849). Aus verfassungsrechtlicher Perspektive BVerfGE 106, 28 (41 f.). 452 Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 210. 453 Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 21a; A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201 Rn. 10; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 15; Gössel/Dölling, Strafrecht BT 1, § 37 Rn. 38; Bosch, in: SSW-StGB, § 201Rn. 9; Häger, Der formalisierte Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das Strafrecht, S. 91. 454 Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 201 Rn. 13; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 15; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 56.
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Schwierigkeiten hinsichtlich fernmündlich geführter Gespräche aus. Angesichts der weiten – und grundsätzlich nicht verwerflichen – Verbreitung von telefonischen Zusatzeinrichtungen können die Beteiligten eines Telefonats – von besonderen Konstellationen abgesehen – nicht darauf vertrauen, dass diese in der jeweiligen Gesprächssituation ungenutzt bleiben. Folglich ist das an den Gesprächspartner gerichtete Wort gleichfalls auch zur Kenntnis eines potenziellen Mithörers bestimmt, der die Unterhaltung mittels Lautsprechers oder Zweithörers belauscht, obschon dieser dem Sprechenden regelmäßig unbekannt sein dürfte.455 Anderes gilt jedoch dann – und gerade hierin liegt der entscheidende Vorteil gegenüber einer zu restriktiven Interpretation des Abhörgeräts –, wenn der Sprechende zu erkennen gibt, auf einen vertraulichen Umgang des preisgegebenen Inhalts besonderen Wert zu legen oder aber der Gesprächspartner einen solchen von sich aus suggeriert.456 Auf diese Weise gelingt es, die konkreten Umstände der Konversation angemessen zu berücksichtigen und den Tatbestand des § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB nicht über Gebühr einzuschränken. 4. Ergebnis für § 201 StGB Die Strafnorm des § 201 StGB setzt der eigeninitiativen Beweismittelsuche nicht unwesentliche Schranken. Vor allem das Verbot, das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mittels eines Tonaufnahmegeräts zu konservieren, zieht weite Kreise, zumal selbst strafbare Äußerungen vom tatbestandlichen Schutzbereich erfasst sind. Inwieweit die Aufnahme etwa einer erpresserischen Drohung oder einer Beleidigung schlussendlich strafbar ist, hängt allein davon ab, ob zugunsten des Aufnehmenden ein Rechtfertigungsgrund eingreift. Das Abhörverbot aus § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB beschränkt sich auf die Fälle, in denen der Täter das nichtöffentlich gesprochene Wort, das nicht zu seiner Kenntnis bestimmt ist, mittels eines Abhörgeräts abhört. Die weite Verbreitung von telefonischen Zusatzeinrichtungen – integrierte Lautsprecher sowie Zweithörer – steht einer Zuordnung zu den Abhörgeräten nicht entgegen. Sachgerechte Ergebnisse lassen sich unter Rekurs auf das Merkmal „nicht zu seiner Kenntnis bestimmt“ erzielen, so dass – übereinstimmend mit der h. M. – gewöhnliche Telefongespräche regelmäßig außerhalb des § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB liegen. Die rechtliche Zulässigkeit bestimmt sich in diesen Fällen nach Maßgabe der persönlichkeitsrechtlichen Güter- und Interessenabwägung.
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Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 21a. Kritisch Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 25. Anders hinsichtlich des Zweithörers Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 196. 456 Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 21a. Ausdrücklich gegen eine solche Differenzierung Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 25.
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II. § 201a StGB Nachdem der Gesetzgeber das Verbot von Tonaufnahmen und Lauschaktionen mittels eines Abhörgeräts bereits im Jahr 1967 implementierte, fehlte es lange Zeit an einer vergleichbaren Vorschrift, die es untersagte, fremde Personen in sensiblen oder gar intimen Situationen foto- oder videografisch abzubilden, obschon hierdurch ebenfalls ein flüchtiges Geschehen dauerhaft perpetuiert wird.457 Zwar ließ sich ein partieller Schutz durch die gem. § 33 KUG strafbewehrten Verhaltensanforderungen der §§ 22, 23 KUG erreichen, die sich allerdings ausweislich des eindeutigen Gesetzeswortlauts allein auf die Weitergabe bereits hergestellter Bildnisse beschränken und den Aufnahmevorgang als solchen von vornherein nicht erfassen.458 Dieser konnte ehedem ausschließlich am Maßstab des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemessen werden, das jedoch zum einen stark von den konkreten Einzelfallumständen sowie der Güter- und Interessenabwägung abhängig ist, und zum anderen im Fall einer Verletzung keine strafrechtlichen, sondern allein zivilrechtliche Rechtsfolgen zeitigt.459 Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde – verstärkt durch die rasante technische Entwicklung und Digitalisierung – der Ruf nach einer genuin strafrechtlichen Ausgestaltung des Schutzes vor Bildaufnahmen immer lauter, so dass der Gesetzgeber schließlich durch das „Sechsunddreißigste Strafrechtsänderungsgesetz“ den § 201a StGB einfügte und seitdem bereits die Herstellung bestimmter Bildaufnahmen pönalisiert.460 Durch das „Neunundvierzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht“ (im Folgenden: „Neunundvierzigstes Strafrechtsänderungsgesetz“) aus dem Jahr 2015 wurde der Tatbestand um einige Handlungsvarianten erweitert und der Strafrahmen auf bis zu zwei Jahre angehoben461 – nicht zuletzt, um auf diese Weise unionsrechtlichen und internationalen Vorgaben zu genügen.462 Schließlich wurde die Norm 457 Heuchemer/Paul, JA 2006, 616 (617); Kühl, in: Schünemann-Symposium, S. 211 (219). Auf die Parallelen zu § 201 StGB weist etwa Sauren, ZUM 2005, 426 (429) hin. 458 Golla/Herbort, GRUR 2015, 648 (649); Heinrich, ZIS 2011, 416 (417); Eisele, JR 2005, 6 (7); M. Zöller, in: Wolter-FS, S. 679 (681); Mitsch, Jura 2006, 117; Hoyer, in: SKStGB, § 201a Rn. 1; Hesse, ZUM 2005, 432; Wieduwilt, K&R 2014, 627 (630); ders., K&R 2015, 83. Zum Schutz durch § 33 KUG Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 57 ff. 459 Vgl. Kühl, in: Schöch-FS, S. 419 (436). Auf den – hinreichenden – Schutz des Zivilrechts weisen hingegen Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436 (441) hin; ähnlich Tillmanns/ Führ, ZUM 2005, 441 (443 f.). 460 BGBl. I, S. 2012; BT-Drs. 14/5555, S. 57. Freilich gab es schon davor Stimmen, die einen verstärkten strafrechtlichen Schutz vor Bildaufnahmen forderten. Dazu Eisele, JR 2005, 6 (6 f.); Kühl, in: Schünemann-Symposium, S. 211 (212). Paradigmatisch ist schließlich § 146 Abs. 2 AE. 461 BGBl. I, S. 10 ff.; BT-Drs. 18/2601, S. 37. 462 Eisele/Sieber, StV 2015, 312 (312). Diese Verpflichtungen betreffen indes nicht den Persönlichkeitsschutz, sondern vor allem den Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung
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zu Beginn des Jahres 2021 angepasst, so dass auch Bildaufnahmen von verstorbenen Personen nunmehr strafbar sein können.463 Trotz dieser stetigen Anpassungen an veränderte gesellschaftliche Herausforderungen erfährt die Strafvorschrift nach wie vor erhebliche Kritik, die sich in erster Linie aus der unbestimmten Wortwahl des Gesetzgebers sowie der fehlenden Abstimmung mit anderen bildnisschützenden Vorschriften – vor allem § 33 KUG – speist.464 Hinzu kommen einige Friktionen im Verhältnis zum Verbot unbefugter Tonaufnahmen aus § 201 StGB, obschon diese Strafnorm gewissermaßen als Vorbild für den wesentlich jüngeren § 201a StGB diente. Schließlich bereitet auch das geschützte Rechtsgut des höchstpersönlichen Lebensbereichs, der seinerseits Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist,465 nicht nur unerhebliche Schwierigkeiten, die sogleich näher beleuchtet werden. Vom Standpunkt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus betrachtet benennt § 201a StGB in einem grundsätzlich geschlossenen Tatbestand, welche Verhaltensweisen im Hinblick auf Bildaufnahmen so gravierend sind, dass sie nicht bloß zivilrechtliche Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche auslösen, sondern vielmehr strafrechtliche Sanktionen hervorzurufen vermögen. Nach der hier zugrunde gelegten Konzeption beschreibt die Strafnorm auf diese Weise den Umfang des besonderen Persönlichkeitsrechts am eigenen Bild.466 Die nachfolgenden Ausführungen zum strafrechtlichen Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen können keine vollumfängliche Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des § 201a StGB gewährleisten, sondern konzentrieren sich auf die Gesichtspunkte, die im Kontext der eigeninitiativen Beweismittelsuche offenkundig hervortreten.467 und sexuellem Missbrauch. Siehe nur Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 37; ferner BT-Drs. 18/2601, S. 1 f. 463 Dazu Gramlich/Lütke, MMR 2020, 662 (664 f.). 464 Wolter, in: Schünemann-Symposium, S. 225 (234); Borgmann, NJW 2004, 2133 (2135); Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2; Eisele, JR 2005, 6 (11); Bosch, Jura 2016, 1380 (1381). Besonders weitgehend schließlich ders., in: SSW-StGB, § 201a Rn. 2; ferner BT-Drs. 15/2995, S. 6. Zu den Unterschieden zwischen § 201a StGB und § 33 KUG Koch, GA 2005, 589 (592 ff.); Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 84 f. 465 Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 121; Bosch, in: SSW-StGB, § 201a Rn. 1; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201a Rn. 1, der ausführt, das allgemeine Persönlichkeitsrecht stehe hinter dem höchstpersönlichen Lebensbereich. Vgl. schließlich auch BT-Drs. 17/2601, S. 16, der vom „strafrechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ spricht. 466 Ähnlich auch Gramlich/Lütke, MMR 2020, 662. Abweichend wohl Koch, GA 2005, 589 (595), der den Schutz des Rechts am eigenen Bild aus § 201a StGB ausklammert. Zur Einordnung der besonderen Persönlichkeitsrechte Teil 2, A. III. 1. 467 Ausgeklammert bleibt das zunehmende Phänomen sog. tätereigener Videos, mittels derer der Aufnehmende seinen eigenen Rechtsverstoß bildlich dokumentiert. Aus dem Blickwinkel der Verwertbarkeit Metz, NStZ 2020, 9; ferner Gössel, NJW 1981, 649 (655 f.).
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1. Höchstpersönlicher Lebensbereich Bereits die nichtamtliche Überschrift des § 201a StGB weist auf eine zentrale tatbestandliche Voraussetzung der Strafnorm hin. Diese pönalisiert Bildaufnahmen keineswegs in mannigfaltigen Alltagssituationen, sondern verlangt in einigen Tatbestandsvarianten eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs. So genügt es beispielsweise sub specie des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB, der Aufnahmen aus besonders geschützten Räumlichkeiten erfasst, gerade nicht, dass sich die abgebildete Person etwa „nur“ in der eigenen Wohnung aufhält.468 Vielmehr verlangt der Tatbestand eine daraus469 resultierende Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs,470 der nach der normativen Struktur nicht bloß das geschützte Rechtsgut des § 201a StGB darstellt, sondern darüber hinaus den – jedenfalls bei einigen Tatbestandsvarianten – erforderlichen Verletzungserfolg beschreibt.471 Dem Terminus des höchstpersönlichen Lebensbereichs begegnet seit jeher umfassende Kritik, die angesichts der begrifflichen Unbestimmtheit kaum von der Hand zu weisen ist.472 Zusätzlich treten gewisse Spannungen im Verhältnis zum strafrechtlichen Schutz des gesprochenen Wortes hervor, die einem einheitlichen Schutzkonzept des Fünfzehnten Abschnitts des StGB entgegenstehen. Denn während es im Rahmen des § 201 StGB auf einen etwaigen persönlichkeitsrelevanten Gesprächsinhalt gerade nicht ankommt und auch die unbefugte Tonaufnahme einer Zur Frage, ob die Weitergabe von Bildaufnahmen, die das Opfer selbst gefertigt hat, unter die Strafnorm fällt, BGH NJW 2020, 3608. 468 Hesse, ZUM 2005, 432 (434); Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 96; Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 201a Rn. 13; Valerius, in: LK-StGB12, § 201a Rn. 29; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a Rn. 21; Koch, GA 2005, 589 (598); M. Zöller, in: Wolter-FS, S. 679 (687). Abweichend hingegen Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 101; Bosch, in: SSW-StGB, § 201a Rn. 15, der bei Aufnahmen aus einer Wohnung eine Regelvermutung dahingehend aufstellt, der höchstpersönliche Lebensbereich sei grundsätzlich verletzt. Ein solche Interpretation verträgt sich jedoch nicht mit der insoweit eindeutigen tatbestandlichen Struktur des § 201a StGB. Siehe statt aller Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 207. 469 Zum Bezugspunkt des Wortes „dadurch“ Hoyer, ZIS 2006, 1 (1 f.); Valerius, in: LKStGB12, § 201a Rn. 34; Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 90 f.; A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 41 f. 470 Koch, GA 2005, 589 (598). Aus gesetzessystematischer Perspektive kritisch zu diesem Erfordernis Hoyer, ZIS 2006, 1 (6); Bosch, Jura 2016, 1380 (1383); Wolter, in: SchünemannSymposium, S. 225 (230 f.). 471 Hoyer, ZIS 2006, 1 m. w. N.; Kühl, AfP 2004, 190 (195); ders., in: Schünemann-Symposium, S. 211 (222); Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 90; Valerius, in: LK-StGB12, § 201a Rn. 5; Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 3. 472 A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201a Rn. 11; Kühl, in: Schünemann-Symposium, S. 211 (222); Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 374 f.; Borgmann, NJW 2004, 2133 (2134); Bosch, JZ 2005, 377 (379); Mitsch, Jura 2006, 117 (119); Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436 (438); Tillmanns/Führ, ZUM 2005, 441 (444); Gola, RDV 2004, 215 (216); Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 204; Wolter, in: Schünemann-Symposium, S. 225 (227), der das Dilemma in Frageform darstellt. Abweichend hingegen Murmann, in: Maiwald-FS, S. 585 (592 f.); Koch, GA 2005, 589 (596).
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banalen alltäglichen Unterhaltung oder beleidigenden Äußerung strafbar ist, greift etwa § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB erst ein, wenn der Inhalt der Bildaufnahme den höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt.473 Über dessen exakte Reichweite besteht nach wie vor Uneinigkeit, obschon weitgehend anerkannt ist, dass der höchstpersönliche Lebensbereich enger zu verstehen ist als der von den §§ 68a Abs. 1 StPO, 171b GVG, 203 StGB erfasste persönliche Lebensbereich, auf den im Gesetzgebungsverfahren ebenfalls hingewiesen wurde.474 Im Anwendungsfeld der eigeninitiativen Beweismittelsuche spielt diese gewichtige Diskussion bislang allenfalls eine untergeordnete Rolle. Auf den ersten Blick sind kaum Fallgestaltungen denkbar, in denen eine private Recherche überhaupt in das Fahrwasser des § 201a StGB gelangt. Inwieweit diese – vorläufige – Erkenntnis berechtigt ist, hängt indes von den konkreten tatbestandlichen Aussagen der Strafnorm ab. Deren Umfang wird dabei entscheidend vom Begriffsverständnis des höchstpersönlichen Lebensbereichs geprägt. In dieser Hinsicht haben sich verschiedene Interpretationsmöglichkeiten entwickelt, die daraufhin zu überprüfen sind, welche Folgen sie für die private Beweismittelsuche zeitigen. a) Gleichsetzung mit der Intimsphäre Aus der Perspektive der persönlichkeitsrechtlichen Sphärentheorie überschneidet sich der höchstpersönliche Lebensbereich des § 201a StGB weitgehend mit der (vermeintlich) unantastbaren Intimsphäre, zu der allen voran die Bereiche Krankheit, Tod und Sexualität rechnen.475 Es nimmt daher kaum wunder, dass die verschiedenen Gesetzgebungsmaterialien – von Teilen des Schrifttums bestätigt –476 dafür plädieren, den höchstpersönlichen Lebensbereich inhaltlich – entweder vollumfänglich477 oder aber jedenfalls weitgehend478 – mit der Intimsphäre gleichzusetzen und demzufolge die zivil- und verfassungsgerichtliche Rechtsprechung heranzuziehen. Diese verwendet die Begriffe mitunter synonym, wie ein jüngst ergangenes Urteil des KG
473 Murmann, in: Maiwald-FS, S. 585 (587). Instruktiv Hoyer, in: SK-StGB, § 201a Rn. 11, der zudem auf die divergierende Rechtslage im Prozessrecht hinweist. Teilweise ist umstritten, ob der höchstpersönliche Bezug unmittelbar aus dem Inhalt der Aufnahme erkennbar sein muss. Vgl. dazu Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 253. 474 BT-Drs. 15/2466, S. 4. Vgl. auch Eisele, Strafrecht BT I, Rn. 709; M. Zöller, in: WolterFS, S. 679 (684). 475 BT-Drs. 15/2466, S. 5; Sauren, ZUM 2005, 426 (430). 476 Borgmann, NJW 2004, 2133 (2134); Eisele, JR 2005, 6 (9); Koch, GA 2005, 589 (596); Hesse, ZUM 2005, 432 (435); Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 201a Rn. 14; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 306. 477 BT-Drs. 15/1891, S. 7. Insbesondere die seitens der FDP-Fraktion vorgebrachten Gesetzesentwürfe sahen noch ausdrücklich eine begriffliche Beschränkung auf die Intimsphäre vor, BT-Drs. 14/7193, S. 3; BT-Drs. 15/361, S. 4. Abweichend hingegen BT-Drs. 15/533, S. 4. 478 BT-Drs. 15/2466, S. 5.
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verdeutlicht, nach dem der Intimbereich „der Kernbereich [der] höchstpersönlichen und privaten Lebensgestaltung“ sei.479 Einer vollumfänglichen Gleichsetzung der Begriffe steht jedoch entgegen, dass der Gesetzgeber explizit auf den Terminus der Intimsphäre verzichtete,480 da er befürchtete, die neue Strafvorschrift könnte entgegen der legislatorischen Intention ausschließlich auf den Bereich von Nacktaufnahmen reduziert werden.481 Vor diesem Hintergrund erscheint es naheliegend, den schließlich Gesetz gewordenen fraktionsübergreifenden Entwurf, der von einer Orientierung an der Intimsphäre spricht, beim Wort zu nehmen,482 zumal der Vorentwurf des Bundesrates noch ausdrücklich dafür eintrat, die Begriffe inhaltlich entsprechend auszulegen.483 Die vorgeschlagene Orientierung beschreibt einen Vorgang, bei dem die Inhalte der Intimsphäre herangezogen werden, um einen gesetzlich bislang unbekannten Begriff näherungsweise auszufüllen. Ein identisches Begriffsverständnis ist damit indes nicht gemeint. Für dieses Ergebnis streitet auch eine simple Vergleichsbetrachtung: Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, den Begriff des höchstpersönlichen Lebensbereichs inhaltlich vollständig mit der Intimsphäre gleichzusetzen, hätte er im Wortlaut des § 201a StGB die Intimsphäre implementieren und in den Gesetzgebungsmaterialien nähere Erläuterungen dazu treffen können, wie diese zu verstehen ist.484 Auf diese Weise wäre der Gefahr einer missverständlichen Auslegung, die allein an sexualbezogene Vorgänge anknüpft, hinreichend begegnet, ohne einen bislang unbekannten Begriff einzuführen, der neuerlichen Diskussionen nicht nur unerheblichen Vorschub leistet. Schließlich enthält der fraktionsübergreifende Gesetzentwurf aus dem Jahr 2004 ein zusätzliches Indiz für ein erweitertes und von der Intimsphäre losgelöstes Begriffsverständnis: Nach den gesetzgeberischen Vorstellungen sollen auch solche Aufnahmen den höchstpersönlichen Lebensbereich betreffen, die familiäre Angelegenheiten abbilden,485 obschon diese nach der zivil- oder verfassungsrechtlichen Diktion wohl eher der Privat- und gerade nicht der Intimsphäre 479
KG NJW-RR 2018, 232 (233). Gegen die Gleichsetzung daher zutreffend Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 206 f.; Rahmlow, HRRS 2005, 84 (90); Valerius, in: LK-StGB12, § 201a Rn. 31; Hoppe, GRUR 2004, 990 (993); Bosch, in: SSW-StGB, § 201a Rn. 12. Vgl. schließlich die Bedenken bei Tillmanns/Führ, ZUM 2005, 441 (444); M. Zöller, in: Wolter-FS, S. 679 (685). 481 BT-Drs. 15/2466, S. 4. 482 Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 206. 483 BT-Drs. 15/1891, S. 7. Dazu auch A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 24, 41. 484 In diese Richtung wohl auch Tillmanns/Führ, ZUM 2005, 441 (444); Borgmann, NJW 2004, 2133 (2134). Ob dieser Lösungsansatz für mehr Rechtssicherheit gesorgt hätte, ist allerdings fraglich, da der Umfang der Intimsphäre keineswegs unumstritten feststeht, Teil 2, A. IV. 2. a). 485 BT-Drs. 15/2466, S. 5. Auf daraus resultierende Abgrenzungsprobleme weisen Obert/ Gottschalck, ZUM 2005, 436 (438 f.) zutreffend hin. Kritisch ferner Koch, GA 2005, 589 (596). 480
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zuzurechnen sind.486 Bezeichnenderweise rekurrieren die maßgeblichen Gesetzgebungsmaterialien insoweit auf eine Entscheidung des BGH, die sich ihrerseits gerade „nur“ auf den persönlichen Lebensbereich bezieht.487 Nach allem überschneidet sich der höchstpersönliche Lebensbereich zwar weitgehend mit der Intimsphäre, geht aber in einzelnen Facetten über diese hinaus.488 b) Situationen des Alleinseins Zu weitgehend ist jedoch der Vorschlag, dem höchstpersönlichen Lebensbereich all jene Situationen zuzuordnen, „in denen man allein gelassen werden will und die andere nichts angehen“.489 Insbesondere stößt ein solches Begriffsverständnis an die Grenze des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots, da – jenseits eindeutiger Fallgestaltungen – kaum voraussehbar sein dürfte, welche Ereignisse andere nichts angehen und sonach höchstpersönlich sind.490 In einer pluralistischen Gesellschaft besteht notwendigerweise ein stetig andauernder Diskurs darüber, welche Themen so bedeutsam sind, dass sie eine öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzung nach sich ziehen sollten – und folglich auch die Interessen anderer berühren.491 Eine zufriedenstellende Antwort lässt sich dabei nur finden, wenn die mitunter konträren Erwartungen und Positionen umfassend gegeneinander abgewogen werden. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Aufgabe, die dem offen gefassten allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus § 823 Abs. 1 BGB zufällt, da das Strafrecht angesichts der weiterreichenden Sanktionen auf präzise gefasste Tatbestände angewiesen ist und die Reichweite eines Verbots nicht von einer einzelfallgeprägten Interessenabwägung
486 Hoyer, ZIS 2006, 1 (3); Murmann, in: Maiwald-FS, S. 585 (589); Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 93 f.; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201a Rn. 3. Zum Ganzen auch Hesse, ZUM 2005, 432 (434); Flechsig, ZUM 2004, 605 (610). 487 A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 41; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201a Rn. 3; ders., in: Schünemann-Symposium, S. 211 (223). 488 In diese Richtung geht auch der Gesetzesentwurf von CDU/CSU und SPD aus dem Jahr 2014, BT-Drs. 18/2601, S. 37. Dort postulieren die Fraktionen, dass u. a. bloßstellende Bildaufnahmen den „höchstpersönlichen Lebensbereich, ja sogar die Intimsphäre“ verletzen. Hierin kommt zum Ausdruck, dass sich die beiden Begriffe unterscheiden und die Intimsphäre nur einen Teil des weiter gefassten höchstpersönlichen Lebensbereichs darstellt. 489 Kühl, AfP 2004, 190 (196); ders., in: Lackner/Kühl, § 201a Rn. 3; ders., in: Schünemann-Symposium, S. 211 (223), wo er allerdings davon spricht, dies sei „nur eine allgemein gehaltene Richtschnur“. Teilweise zustimmend A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bildund Wortaufnahmen, S. 44 f.; Rengier, Strafrecht BT II, § 31 Rn. 15; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 129. Zu Recht kritisch Koch, GA 2005, 589 (596 f.); Hoyer, in: SK-StGB, § 201a Rn. 22; ders., ZIS 2006, 1 (3); M. Zöller, in: Wolter-FS, S. 679 (685). 490 Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 210. Ähnlich Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 94. 491 In diese Richtung etwa Heuchemer/Paul, JA 2006, 616 (616 f.).
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abhängig machen kann.492 Besonders augenscheinlich tritt dieser Konflikt in den Fällen einer eigeninitiativen Beweismittelsuche zutage: Während etwa der Einbrecher, der Wertgegenstände aus einer fremden Wohnung stiehlt, postulieren wird, diese Angelegenheit gehe keinen anderen etwas an und sei insoweit höchstpersönlich,493 wird das Opfer der Diebstahlstat umgekehrt vorbringen, aus seiner Sicht bestehe ein besonders gewichtiges Interesse, dieses Ereignis beweisfest zu dokumentieren.494 c) Anknüpfung an den strafrechtlichen Ehrbegriff Die Auslegungsschwierigkeiten sub specie des höchstpersönlichen Lebensbereichs rühren auch daher, dass dieser Begriff im strafrechtlichen und strafprozessualen Kontext – von § 146 Abs. 2 Nr. 2 AE einmal absehen – bislang unbekannt war.495 Vor diesem Hintergrund erscheint das Anliegen von Hoyer sinnvoll, auf solche strafrechtlichen Begriffe abzuheben, die von Schrifttum und Rechtsprechung bereits hinreichend konkretisiert wurden und folglich die Gewähr für ein rechtssicheres Verständnis bieten.496 Ausgehend von der Prämisse, § 201a StGB bezwecke, den Abgebildeten vor einem drohenden abstrakten Geltungsschaden zu bewahren, verletze jede Aufnahme den höchstpersönlichen Lebensbereich, die „im Falle einer Verbreitung dazu geeignet wäre, den Abgebildeten verächtlich zu machen, öffentlich herabzuwürdigen oder seine Kreditwürdigkeit zu gefährden“.497 Dieses Begriffsverständnis lehnt sich offenkundig an den strafrechtlichen Ehrbegriff an, der den §§ 185 ff. StGB zugrunde liegt,498 und begründet eine potenziell tatbestandlich relevante Bildaufnahme stets dann, wenn diese eine Situation visualisiert, in der sich der Abgebildete nicht so verhält, wie es den gesellschaftlichen Erwartungen oder 492 Vgl. BT-Drs. 15/2466, S. 5, wonach sich der höchstpersönliche Lebensbereich gerade dadurch auszeichnet, dass eine Abwägung nicht stattfindet. Dazu instruktiv Hesse, ZUM 2005, 432 (435); Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436 (438). 493 In diese Richtung Sauren, ZUM 2005, 426 (430). A. A. hingegen A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 45 f. 494 Aus der Perspektive des investigativen Journalismus Koch, GA 2005, 589 (596). 495 Hoyer, ZIS 2006, 1; Borgmann, NJW 2004, 2133 (2134); Graf, in: MüKo-StGB4, § 201a Rn. 46. 496 Hoyer, in: SK-StGB, § 201a Rn. 23; ders., ZIS 2006, 1 (5). 497 Hoyer, ZIS 2006, 1 (5). Zustimmend Joecks/Jäger, Strafgesetzbuch, § 201a Rn. 8. Siehe ferner Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 103 f., die zusätzlich fordert, dass die rufschädigende Wirkung aus einem intimen Bezug der Aufnahme herrührt. 498 Hoyer, in: SK-StGB, § 201a Rn. 23. Diese Anknüpfung ist auch deshalb interessant, weil das RG im Jahr 1898 den Beleidigungstatbestand heranzog, um die Veröffentlichung einer Bildaufnahme, die gegen den Willen der abgebildeten Dame hergestellt wurde, zu bestrafen, RG, Urt. v. 29. 11. 1898, abgedruckt bei Kohler, Das Eigenbild im Recht, S. 32. Dazu auch A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 17 sowie Eisele, JR 2005, 6. Vgl. schließlich auch die instruktiven Erwägungen von Rogall, in: Hirsch-FS, S. 665 (689), die sich auf ein möglicherweise zu entwickelndes Indiskretionsdelikt beziehen.
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Konventionen entspricht.499 Jenseits der dogmatischen Konstruktion zeitigt dieser Interpretationsversuch erhebliche praktische Auswirkungen, die vor allem auch im Anwendungsfeld der eigeninitiativen Beweismittelsuche offen zutage treten: Denn sollte die Reichweite des höchstpersönlichen Lebensbereichs tatsächlich von einem drohenden Geltungsschaden abhängen, müsste eine Bildaufnahme, die eine andere Person dabei zeigt, wie diese eine Straftat oder einen sonstigen Rechtsverstoß begeht, grundsätzlich tatbestandsmäßig sein,500 da der Täter einer Straftat auf gesellschaftliche Ächtung stößt und eine solche Aufnahme geeignet ist, diesen in der öffentlichen Wahrnehmung zu diskreditieren. Bei Lichte besehen vermag jedoch bereits die Anknüpfung an die strafrechtlichen Ehrschutzdelikte nicht zu überzeugen, da sich die tatbestandliche Struktur des § 201a StGB deutlich von den §§ 185 ff. StGB unterscheidet. Während die letztgenannten Taten eine Kundgabe des beleidigenden Verhaltens verlangen, kommt es im Anwendungsfeld des § 201a Abs. 1 Nrn. 1 und 2 StGB auf einen solchen Akt der Weitergabe gerade nicht an, da bereits der Herstellungsvorgang als solcher unter Strafe steht.501 Selbst eine Bildaufnahme, die von vornherein niemals den Herrschaftsbereich des Fotografen verlassen soll und ausschließlich dessen privaten Zwecken dient, kann das Verdikt der Strafbarkeit nach sich ziehen. Es erschiene indes gekünstelt und mit der Struktur des § 201a StGB unvereinbar, dieses unstreitige Herstellungsverbot damit zu begründen, die Aufnahme könnte geeignet sein, einen sozialen Geltungsschaden zu bewirken, falls sie je veröffentlicht würde.502 Darüber hinaus beschränkt sich der normative Gehalt des § 201a StGB nicht (allein) auf die Reputation des Abgebildeten,503 wie insbesondere ein Blick auf § 201a Abs. 2 StGB verdeutlicht, der im Zuge des „Neunundvierzigsten Strafrechtsänderungsgesetzes“504 als Reaktion auf das verbreitete Phänomen des Cyber-Mobbings eingefügt wurde, und denjenigen mit Strafe bedroht, der eine ansehensschädigende Bildaufnahme einer dritten Person zugänglich macht.505 Auf diese Weise verknüpft der Gesetzgeber den Schutz vor bestimmten Bildaufnahmen mit dem sozialen Gel499
Hoyer, in: SK-StGB, § 201a Rn. 23. Hoyer, ZIS 2006, 1 (5); ders., in: SK-StGB, § 201a Rn. 23. Mit etwas abweichender Begründung auch Brunhöber, GA 2010, 571 (580). 501 BT-Drs. 15/1891, S. 7, wonach § 201a StGB kein Verbreitungsdelikt normiert. 502 Dieses hypothetischen Gedankengangs bedarf es nach der von Hoyer vertretenen Ansicht vornehmlich deshalb, weil die bloße Anfertigung einer Bildaufnahme für sich betrachtet noch kein ehrverletzendes Verhalten darstellt. Vgl. dazu A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 17; Eisele, JR 2005, 6 (7). In diese Richtung auch M. Zöller, in: Wolter-FS, S. 679 (693). 503 Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 129; Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 209. 504 BGBl. I, S. 10. 505 BT-Drs. 18/2601, S. 37; Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 209. Instruktiv Busch, NJW 2015, 977 (978 f.), der anmerkt, es sei nicht geklärt, weshalb der Gesetzgeber bei § 201a Abs. 2 StGB darauf verzichtet habe, die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs festzustellen. 500
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tungsanspruch des Abgebildeten, begrenzt diesen Konnex jedoch ausdrücklich auf Abs. 2 – und dort ausschließlich auf das Zugänglichmachen an eine dritte Person.506 Müsste der höchstpersönliche Lebensbereich stets im Lichte des strafrechtlichen Ehrbegriffs verstanden werden, hätte es hingegen genügt, auch sub specie des § 201a Abs. 2 StGB von einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs zu sprechen, ohne mit der ansehensschädigenden Wirkung einen weiteren unbestimmten Rechtsbegriff zu etablieren. Zudem träte ein weiteres Paradoxon hervor: Derjenige, der sich – theoretisch –507 stets so verhielte, wie es den gesellschaftlichen Wert- und Moralvorstellungen entspricht, könnte von vornherein niemals in seinem höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt werden, da er keinen sozialen Geltungsschaden befürchten müsste, wenn sein Verhalten bildlich dokumentiert und weiterverbreitet würde.508 Schließlich fielen generell solche Verhaltensweisen aus dem tatbestandlichen Anwendungsbereich, die zwar der Intimsphäre angehören, aber sozial üblich sind und demzufolge den sozialen Geltungsanspruch nicht zu beeinträchtigen vermögen, falls die Öffentlichkeit von diesen erführe.509 Angesichts dieser gravierenden systematischen Divergenzen verbietet es sich, den höchstpersönlichen Lebensbereich i. S. d. der strafrechtlichen Ehrschutzdelikte auszulegen. d) Ein Präzisierungsversuch Um diesen Bedenken, die vornehmlich aus der unbestimmten Begrifflichkeit selbst herrühren, angemessen zu begegnen, bietet sich eine objektiv geprägte Auslegung an, die allerdings nicht gänzlich auf normative Wertungen verzichten kann. Zum höchstpersönlichen Lebensbereich rechnen zunächst all die Situationen, die nach der Rechtsprechung auch zur Intimsphäre zählen und sich – freilich reduziert – vor allem auf die Bereiche Krankheit, Tod und Sexualität beziehen.510 Darüber hinaus sind indes solche Ereignisse einzubeziehen, in denen sich der Abgebildete alleine wähnen darf, wobei dieser Umstand für einen objektiven Beobachter ohne Weiteres erkennbar sein muss. Dieses Begriffsverständnis knüpft an den von Heiß postulierten Vorschlag an, wonach der höchstpersönliche Lebensbereich jenseits der Intimsphäre auch dann 506 Explizit abweichend hingegen Hoyer, in: SK-StGB, § 201a Rn. 46, der in Abs. 2 einen gegenüber Abs. 1 weiter gefassten, allgemeinen Tatbestand erkennt. 507 Rogall, in: Hirsch-FS, S. 665 (682) weist zutreffend darauf hin, dass niemand in der Lage ist, sich stets rollenkonform zu verhalten. 508 A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 43. 509 Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 98; Murmann, in: Maiwald-FS, S. 585 (591 f.); Schroeder/Maiwald/Hoyer/Momsen, Strafrecht BT 1, § 29 Rn. 87; zustimmend Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 208. 510 Hesse, ZUM 2005, 432 (434); Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 101; Hoppe, GRUR 2004, 990 (992 f.). Hierüber besteht weitgehend Einigkeit, siehe statt aller M. Zöller, in: Wolter-FS, S. 679 (685). Zu den gleichwohl bestehenden Schwierigkeiten, die hinsichtlich der exakten Konturierung der Intimsphäre bestehen, Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 375.
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tangiert sei, wenn sich der Abgebildete erkennbar alleine wähne,511 schränkt diesen aber in einem entscheidenden Gesichtspunkt bewusst ein, der bei der eigeninitiativen Beweismittelsuche essenziell erscheint. Ausschlaggebend dafür, inwieweit tatsächlich ein Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich erfolgt, ist nicht, ob sich der Abgebildete alleine wähnt, sondern vielmehr, ob er sich in der konkreten Situation, in der das Bild entsteht, alleine wähnen darf.512 Denn andernfalls fielen etliche Verhaltensweisen in den tatbestandlichen Schutzbereich des § 201a StGB, die erkennbar keinen persönlichen oder gar höchstpersönlichen Bezug aufweisen. Paradigmatisch ist insoweit der Straftäter, der gerade dabei ist, eine fremde Wohnungstür aufzubrechen und in dieser Situation durch einen Hausbewohner bemerkt und von diesem zu Beweiszwecken fotografiert wird. Ungeachtet der Frage, ob es sich bei der rechtswidrig betretenen Wohnung überhaupt um eine von § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB geschützte Räumlichkeit handelt,513 dürfte sich der Einbrecher während seiner Tat typischerweise alleine wähnen514 – und müsste nach der vorgeschlagenen Auslegung von Heiß konsequenterweise in seinem höchstpersönlichen Lebensbereich betroffen sein.515 Dem steht jedoch eklatant entgegen, dass der Straftäter bewusst geltendes Recht missachtet, dabei fremde Rechtspositionen verletzt und sonach einen gewissen Sozialbezug schafft, der generell außerhalb des höchstpersönlichen Lebensbereichs wurzelt.516 Insoweit drängt sich noch ein weiterer Schritt auf: Denn diese Erkenntnis trifft nicht ausschließlich auf strafbare Verhaltensweisen zu, sondern gleichermaßen auch auf bloß zivilrechtliche Rechtsverstöße oder Ordnungswidrigkeiten, da diese ebenfalls fremde Rechtssphären tangieren und konsequenterweise den höchstpersönlichen Lebensbereich verlassen. Dieser Ausschluss rechtswidrigen Verhaltens aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich wirkt umfassend und betrifft auch Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung – mithin solche Delikte, die einen engen Bezug zur Intimsphäre des Täters aufweisen, aber
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Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 213 ff. Wohl ähnlich Spitz, jurisPR-ITR 17/2011, Anm. 4 sowie Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 129, allerdings ohne nähere Begründung. 513 Dazu sogleich Teil 2, C. II. 2. b). 514 Sauren, ZUM 2005, 426 (430). Dazu auch Wieduwilt, K&R 2014, 627 (630 f.), indes im Kontext bloßstellender Aufnahmen nach § 201a Abs. 2 StGB. 515 So i. E. – obschon mit teilweise abweichender Begründung – Sauren, ZUM 2005, 426 (430); Hoyer, ZIS 2006, 1 (5); ders., in: SK-StGB, § 201a Rn. 23. 516 Murmann, in: Maiwald-FS, S. 585 (591); A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bildund Wortaufnahmen, S. 46. So i. E. auch Koch, GA 2005, 589 (604); M. Zöller, in: Wolter-FS, S. 679 (687). Für eine Bildaufnahme, die die Annahme von Bestechungsgeldern betrifft, Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 104 f. Ferner Wohlers, JR 2016, 509 (513); Wolter, in: Schünemann-Symposium, S. 225 (230). Vgl. schließlich auch Metz, NStZ 2020, 9 (10), indes aus der Perspektive der strafprozessualen Verwertbarkeit tätereigener Videos. Die hier gewählte Einstufung stimmt auch mit den Erwägungen des BVerfG überein, nach denen Handlungen, die den Tatbestand einer Strafnorm erfüllen, nicht zum geheimhaltungsbedürftigen Kernbereich zählen, BVerfG NJW 2009, 3357 (3359). 512
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wegen des Sozialbezugs außerhalb derselben liegen.517 Freilich gilt dies allein hinsichtlich des Sexualstraftäters und beinhaltet keine Aussage dahingehend, inwieweit das Opfer im Fall einer Bild- oder Videoaufnahme in seinem höchstpersönlichen Lebensbereich betroffen ist.518 Ein anderes Bild ergibt sich indes dann, wenn der verdächtige Rechtsverletzer, der die privaten Nachforschungen gewissermaßen herausgefordert hat, in seinem späteren Verhalten foto- oder videografiert wird. Aus der Warte der privaten Beweismittelsuche sind derartige Maßnahmen vor allem dann erfolgsversprechend, wenn diese ein Geständnis zutage fördern. Zu denken ist etwa an die heimliche Filmaufnahme, die den Verdächtigen dabei zeigt, wie er in einem persönlichen Selbstgespräch mit seinem Gewissen hadert und sich selbst gegenüber die Tat einräumt.519 Da sich diese Konstellationen indes typischerweise mit dem tatbestandlich weiter gefassten Aufnahmeverbot des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB überscheiden,520 treten diese in der wissenschaftlichen Diskussion um § 201a StGB regelmäßig in den Hintergrund. Der höchstpersönliche Lebensbereich ist unzweifelhaft dann betroffen, wenn ein Arzt unbemerkt und ohne Zustimmung intime Aufnahmen eines Patienten anfertigt, um etwa vermutete sexuelle Übergriffe durch den Ehegatten zu dokumentieren. e) Ergebnis zum höchstpersönlichen Lebensbereich Der höchstpersönliche Lebensbereich schränkt die tatbestandliche Konzeption des § 201a StGB nach dem hier implementierten Begriffsverständnis erheblich ein. Nach diesem kommt es – jenseits der mitunter vagen Grenzen der persönlichkeitsrechtlichen Intimsphäre – entscheidend darauf an, ob sich der Abgebildete im Zeitpunkt der Aufnahme alleine wähnen darf. Dieses normative Kriterium ist in den Fällen der Beweismitteldokumentation nicht erfüllt, da sich diese darauf beschränkt, einen gegenwärtigen Rechtsverstoß festzuhalten. Vor diesem Hintergrund betreffen vor allem solche privaten Nachforschungen den höchstpersönlichen Lebensbereich, 517 Murmann, in: Maiwald-FS, S. 585 (591). Vgl. BVerfG NJW 2009, 3357 (3359): „Eine Sexualstraftat mag intime Züge tragen, weil sie sich auf dem Gebiet der Sexualität abspielt. Mit ihr geht aber ein gewalttätiger Übergriff in die sexuelle Selbstbestimmung und die körperliche Unversehrtheit des Opfers einher […]. Die Tat ist deshalb auch nicht von höchstpersönlicher, die Menschenwürde des Täters berührender Natur […]“. Teilweise abweichend Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 105, die insoweit § 34 StGB für einschlägig hält. 518 Dazu teilweise Obert/Gottschalck, ZUM 2005, 436 (438). Von der Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens geht implizit auch Hoyer, in: SK-StGB, § 201a Rn. 28 aus, der eine Rechtfertigung für möglich hält. 519 In eine ähnliche Richtung auch Hoyer, in: SK-StGB, § 201a Rn. 28, der eine Videoaufnahme hervorhebt, die eine „Selbstentlarvung eines falschen Belastungszeugen“ beinhaltet. 520 Vgl. zu diesen Überschneidungen auch Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 304 ff.
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die den Verdächtigen dabei zeigen, wie er seine Verantwortung in einer vertrauensvollen Atmosphäre gegenüber sich selbst oder einem anderen einräumt. Diese Fälle spielen indes hauptsächlich im Kontext des Tonaufnahmeverbots des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB eine Rolle. Relevant werden kann § 201a StGB insbesondere bei heimlichen Fotoaufnahmen eines Arztes, der begangene Straftaten gegenüber seinem Patienten vermutet. Nach allem bewahrheitet sich eine viel zitierte Formel: Der höchstpersönliche Lebensbereich ist enger als der Begriff des persönlichen Lebensbereichs, jedoch weiter als der Terminus der Intimsphäre.521 Verfehlt wäre es indes nun, umfassende Lücken im strafrechtlichen Persönlichkeitsschutz zu reklamieren und aus dieser faktischen Perspektive für eine weite Auslegung des § 201a StGB einzutreten. Denn das Strafrecht, das aufgrund des weitreichenden Sanktionsspektrums dem ultima ratio-Prinzip verpflichtet ist, weist zwangsläufig einen fragmentarischen Charakter auf, und lässt folglich einzelne systembedingte Lücken im Rechtsschutzprogramm zu.522 § 201a StGB ist insoweit exemplarischer Ausfluss dieser theoretischen Konzeption. Darüber hinaus tritt die beschränkte Reichweite besonderer Persönlichkeitsrechte offen zutage, die einen Rekurs auf das allgemeine zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht fordert und auf diese Weise zu einem kohärenten Schutzsystem führt. 2. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB: Aufnahme aus einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum Gem. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB wird bestraft, wer unbefugt Bildaufnahmen einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, herstellt oder überträgt, und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt. Nach der gesetzgeberischen Konzeption bleibt die bloße Beobachtung auch intimer Situationen straflos – und zwar selbst dann, wenn sich der Voyeur technischer Hilfsmittel wie etwa einer Kamera oder eines Nachtsichtgeräts bedient, ohne das Geschehen reproduzierbar aufzunehmen.523
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So van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 157 Fn. 115; Kühl, in: Lackner/ Kühl, § 201a Rn. 1; Valerius, in: LK-StGB12, § 201a Rn. 31; Rengier, Strafrecht BT II, § 31 Rn. 14. 522 Vgl. dazu auch A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 14 ff. Zu beachten bleibt ferner, dass eine Strafbarkeit gem. § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB besteht, sofern mittels einer Videokamera zugleich das nichtöffentlich gesprochene Wort aufgenommen wird. 523 Flechsig, ZUM 2004, 605 (607); Eisele, JR 2005, 6 (9); Mitsch, Jura 2006, 117 (119); Bosch, in: SSW-StGB, § 201a Rn. 17; Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 46; BT-Drs. 15/2466, S. 4; BT-Drs. 15/1891, S. 6. Kritisch Ernst, NJW 2004, 1277 (1278 f.).
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a) Wohnungen und gegen Einblick besonders geschützte Räumlichkeiten Bildaufnahmen können § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB nur dann unterfallen, wenn sich die abgebildete Person zum Zeitpunkt der Herstellung in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum aufhält. Unerheblich ist es hingegen, ob sich der Aufnehmende seinerseits innerhalb oder außerhalb der genannten Räumlichkeiten befindet,524 weshalb grundsätzlich auch der Wohnungseigentümer, der etwa seine Gäste in intimen Momenten fotografiert, als tauglicher Täter in Betracht kommt.525 Augenscheinlich ist die unbefugte Bildaufnahme fremder Personen in der Öffentlichkeit sub specie des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB grundsätzlich straflos –526 und zwar selbst dann, wenn die Aufnahme den höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt.527 Hinter dieser bewussten Einschränkung steht die Befürchtung des Gesetzgebers, andernfalls unzählige Alltagshandlungen in das Fahrwasser der Strafbarkeit zu führen und zudem in Konflikt mit dem verfassungsrechtlich determinierten Übermaßverbot zu geraten.528 Ferner sei im öffentlichen Raum eher mit einer Abbildung der eigenen Person zu rechnen, so dass sich der Einzelne hierauf einstellen und sein Verhalten daran ausrichten könne.529 Nach dem gegenwärtigen legislatorischen Konzept beschränkt sich der strafrechtliche Schutz vor Bildaufnahmen daher in weiten Teilen auf den letzten Rückzugsbereich des Einzelnen,530 wozu zum einen Wohnungen und zum anderen gegen Einblick besonders geschützte Räume rechnen. Während Wohnungen531 absolut und 524
BT-Drs. 15/1891, S. 7; BGH NStZ-RR 2016, 279 (280); Eisele, JR 2005, 6 (8). Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 89; BGH NStZ-RR 2016, 279 (280). Zum gleichsam umgekehrten Fall, in dem eingeladene Gäste ihren Gastgeber in dessen Wohnung fotografieren, Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201a Rn. 3; ders., in: Schünemann-Symposium, S. 211 (217); Wolter, in: Schünemann-Symposium, S. 225 (232). 526 BT-Drs. 15/1891, S. 7; BT-Drs. 15/2466, S. 4; Flechsig, ZUM 2004, 605 (606); Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201a Rn. 4; Sauren, ZUM 2005, 426 (429); Tag, in: Dölling/Duttge/König/Rössner, HK-GS, § 201a StGB, Rn. 5. Präzisierend Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 81 ff.; A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 33. Heuchemer/Paul, JA 2006, 616 (618) wollen insoweit auf einen sozialen Tabubruch durch den Einblick abstellen. 527 Koch, GA 2005, 589 (598); ferner Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 124. Dazu auch Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 262. Vgl. zum nunmehr geltenden § 184k StGB Gramlich/Lütke, MMR 2020, 662 (665). 528 BT-Drs. 15/2466, S. 4; BT-Drs. 15/1891, S. 6; Eisele, JR 2005, 6 (8). Instruktiv dazu Murmann, in: Maiwald-FS, S. 585 (597 ff.). 529 BT-Drs. 15/2466, S. 6; BT-Drs. 15/1891, S. 6. 530 BT-Drs. 15/2466, S. 4; zustimmend Eisele, JR 2005, 6 (8). Instruktiv zum Ganzen van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 141 f. 531 Zur Diskussion, ob eher an den Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB oder des § 123 StGB anzuknüpfen ist, Rahmlow, HRRS 2005, 84 (85); Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 191 ff.; van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 142 f. 525
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sonach auch dann erfasst werden, wenn einzelne Zimmer ohne größere Schwierigkeiten einsehbar sind, bedarf es bei den gegen Einblick besonders geschützten Räumen, zu denen nach der gesetzgeberischen Vorstellung etwa Umkleidekabinen, Toiletten oder ärztliche Behandlungszimmer zählen,532 einer spezifischen Schutzvorkehrung.533 Vor diesem Hintergrund dürfte die Tiefgarage eines Mehrparteienhauses, die von einzelnen Bewohnern nach mehreren Sachbeschädigungen heimlich videoüberwacht wird,534 aus dem räumlichen Anwendungsbereich fallen, da diese von einem größeren Personenkreis betreten werden kann und es zudem an einem Sichtschutz fehlt.535 Ähnliches gilt regelmäßig auch für den Arbeitsplatz oder sonstige Geschäfts- und Diensträume,536 es sei denn, der Einzelne errichtet solche Vorkehrungen, die einen Einblick erschweren und widmet den Raum insoweit um.537 b) Eigene und fremde Räumlichkeiten Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien und der h. M. im Schrifttum spielt es für die Strafbarkeit nach § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB keine Rolle, ob sich der Abgebildete in seiner eigenen oder aber einer fremden Räumlichkeit aufhält.538 Diese Aussage überzeugt insofern, als die zivilrechtliche Eigentumslage nicht allein ausschlaggebend dafür sein kann, ob ein Raum als höchstpersönlicher Rückzugsort dient,539 da andernfalls Mieter oder aber deren Besucher von vornherein aus dem 532
BT-Drs. 15/2466, S. 5. Zu den ärztlichen Behandlungszimmern auch KG NJW-RR 2018, 232 (236). 533 Valerius, in: LK-StGB12, § 201a Rn. 16 ff.; Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 9 ff.; ders., JR 2005, 6 (8); Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 198 ff. Zu unterschiedlichen Interpretationsansätzen hinsichtlich des besonderen Sichtschutzes Rahmlow, HRRS 2005, 84 (87). Ferner Bosch, in: SSW-StGB, § 201a Rn. 9, der auf die subjektive Zweckbestimmung des Sichtschutzes abstellt. 534 OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799. 535 Gegen eine Einordnung als Wohnung Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NKStGB, § 201a Rn. 5. 536 BT-Drs. 15/2466, S. 5; Hesse, ZUM 2005, 432 (433); Koch, GA 2005, 589 (600); Hoppe, GRUR 2004, 990 (992); Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201a Rn. 2; Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 11; ders., JR 2005, 6 (8). Schließlich auch Sauren, ZUM 2005, 426 (430), allerdings unter dem Blickwinkel des höchstpersönlichen Lebensbereichs. 537 Graf, in: MüKo-StGB4, § 201a Rn. 42, wonach insoweit das Abschließen des Raumes genügen soll; Valerius, in: LK-StGB12, § 201a Rn. 17. Abweichend Heinrich, ZIS 2011, 416 (418 f.). Zum Ganzen auch Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 74 f. 538 BT-Drs. 15/1891 S. 7; BT-Drs. 15/2466, S. 5; Hesse, ZUM 2005, 432 (433); Mitsch, Jura 2006, 117 (118); Joecks/Jäger, Strafgesetzbuch, § 201a Rn. 4; Fischer, Strafgesetzbuch, § 201a Rn. 9, 13; Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 8; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 264; Graf, in: MüKo-StGB4, § 201a Rn. 35; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201a Rn. 2; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 123; Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 194; Heuchemer/Paul, JA 2006, 616 (617); Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 201a Rn. 11. 539 Teilweise A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 27.
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Schutzbereich der Strafnorm ausschieden. Entscheidend ist vielmehr das Vertrauen der abgebildeten Person, an bestimmten Orten, an denen typischerweise höchstpersönliche Verhaltensweisen stattfinden, nicht foto- oder videografiert zu werden.540 Darüber hinaus soll es nach kaum bestrittener Auffassung sogar unerheblich sein, inwieweit sich der Abgebildete berechtigterweise auf fremdem Territorium bewegt oder aber dieses unbefugt und sonach widerrechtlich i. S. d. § 123 StGB betritt.541 Einem solchen Begriffsverständnis zufolge fiele auch der Wohnungseinbrecher a priori nicht aus dem räumlichen Schutzbereich des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB, wenn er während seiner Straftat von einer anderen Person beobachtet und schließlich zu Beweiszwecken von dieser gefilmt oder fotografiert wird.542 Da es für die Strafbarkeit irrelevant ist, wo sich der Aufnehmende befindet, müsste sogar der Wohnungsinhaber – mithin derjenige, in dessen persönlichen Rückzugsbereich die abgebildete Person rechtswidrig eindringt – die Verbotsnorm beachten, wenn er den Einbrecher zu Beweiszwecken abbildet.543 Eine solch weite Interpretation gerät jedoch in Konflikt mit dem postulierten Zweck, die Strafnorm des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB auf solche Situationen zu konzentrieren, die sich innerhalb des letzten Rückzugsbereichs des Einzelnen, in dem dieser keine Bildaufnahmen befürchten muss, ereignen,544 und führt überdies zu absurden Ergebnissen. Fremde Wohnungen fallen allerdings nicht per se aus dem Anwendungsbereich des strafrechtlichen Schutzes vor Bildaufnahmen: Wer vom berechtigten Hausrechtsinhaber in dessen Wohnung eingelassen wird, darf von einer geschützten und vertrauensvollen Atmosphäre ausgehen – und zwar unabhängig davon, ob sich der Aufnehmende ebenfalls in der Wohnung aufhält oder aber von außen in diese hineinfotografiert.545 Hiervon divergiert jedoch die Situation, in der 540 Zutreffend insoweit Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201a Rn. 5. Ähnlich Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 264. 541 Valerius, in: LK-StGB12, § 201a Rn. 16; Graf, in: MüKo-StGB4, § 201a Rn. 36; Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 8; Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 194; Hoyer, in: SKStGB, § 201a Rn. 16; Fischer, Strafgesetzbuch, § 201a Rn. 13; Mitsch, Jura 2006, 117 (118). Mit umfassender Begründung Rahmlow, HRRS 2005, 84 (86). 542 Instruktiv dazu Murmann, in: Maiwald-FS, S. 585 (595); A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 27; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a Rn. 16. Weitere einschlägige Sachverhaltsgestaltungen finden sich bei Rahmlow, HRRS 2005, 84 (86 Fn. 22). Vgl. schließlich auch Bosch, JZ 2005, 377 (379 Fn. 21). Zum höchstpersönlichen Lebensbereich in diesen Fallgestaltungen Teil 2, C. II. 1. d). 543 Hoyer, in: SK-StGB, § 201a Rn. 16. Ferner Mitsch, Jura 2006, 117 (118 f.), obschon dieser gewisse Zweifel anführt. Auf etwaige Abgrenzungsprobleme weist Borgmann, NJW 2004, 2133 (2134 f.) hin. 544 A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201a Rn. 6; Murmann, in: Maiwald-FS, S. 585 (594); Bosch, in: SSW-StGB, § 201a Rn. 7. 545 So etwa Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 89; A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 66, der sodann eine rechtfertigende Einwilligung für maßgeblich hält.
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sich der Abgebildete unbefugt in der fremden Wohnung oder der gegen Einblick besonders geschützten Räumlichkeit aufhält, da ihm diese Orte dann evident nicht als letzter persönlicher Rückzugsraum zu dienen bestimmt sind und er folglich auch nicht darauf vertrauen darf, in diesem Bereich nicht abgebildet zu werden.546 Methodisch lässt sich dieses allein sachgerechte Ergebnis im Wege einer teleologischen Reduktion erreichen:547 Der räumliche Anwendungsbereich des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist nicht tangiert, wenn sich die abgebildete Person unberechtigterweise in der fremden Räumlichkeit aufhält und sonach ein rechtlich anerkennenswertes Vertrauen, sich in einer vor fremden Einblicken und Aufnahmen geschützten Atmosphäre zu bewegen, von vornherein nicht besteht. c) Auswirkungen auf die private Beweismittelsuche Angesichts des hier zugrunde gelegten Begriffsverständnisses, das sich am telos der Norm orientiert, dürften in praxi zahlreiche Bild- und Videoaufnahmen, die der privaten Beweismittelsuche dienen, von vorherein außerhalb des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB liegen. Dies gilt zunächst unstreitig für solche eigeninitiativen Vorgehensweisen, die sich ausschließlich auf öffentlich zugängliche Bereiche beziehen und sonach nicht innerhalb einer Wohnung oder einer besonders sichtgeschützten Räumlichkeit erfolgen. Weiterhin handelt jedoch auch derjenige tatbestandslos, der im Zuge seiner Nachforschungen eine fremde Person in einer Räumlichkeit ablichtet, zu deren Zutritt diese nicht berechtigt ist. Rechtliche Schranken erwachsen insoweit ausschließlich aus dem Datenschutzrecht oder aber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Dies bedeutet indes nicht, dass sämtliche Bild- und Videoaufnahmen, die der privaten Beweismittelsuche dienen, vorschnell aus dem Blickfeld des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB verschwinden sollten. Einschlägig ist die Strafnorm insbesondere dann, wenn sich sowohl der Täter als auch das Opfer der Rechtsverletzung, die die Privatnachforschungen überhaupt erst auslöst, in ihrer gemeinsamen Wohnung befinden.548 Das betrifft letztendlich auch die heimliche Videoüberwachung des ehelichen Schlafzimmers durch einen Ehepartner, um das ungetreue Verhalten des Ehegatten
546 Vgl. auch Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201a Rn. 5. Nach der Konzeption von Murmann, in: Maiwald-FS, S. 585 (601 ff.) dürfte es insoweit an der Überwindung von Schutzvorkehrungen zulasten des Abgebildeten fehlen. 547 Murmann, in: Maiwald-FS, S. 585 (603 f.), der insoweit aber an eine Auslegung der Tathandlung anknüpft. Vgl. Koch, GA 2005, 589 (599 Fn. 80), der eine teleologische Reduktion fordert, wenn der Zutritt zu einer Wohnung einer „beschränkten Öffentlichkeit“ möglich war. 548 Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201a Rn. 2. Etwas anders liegt der Sachverhalt, der dem Beschluss des OLG München NZFam 2021, 1100 zugrunde lag. Der Ehemann installierte in der gemeinsamen Ehewohnung ohne Wissen der Ehefrau eine Videokamera, um nachweisen zu können, dass die Ehefrau die gemeinsamen Kinder misshandele. Das Gericht weist dabei explizit auf eine etwaige Strafbarkeit gem. § 201a StGB hin.
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nachweisen zu können.549 Beide Protagonisten – sowohl die aufnehmende als auch die abgebildete Person – halten sich berechtigterweise in der Wohnung und sonach dem geschützten Rückzugsraum auf. Entscheidend für den Strafvorwurf aus § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist dann stets, ob die konkrete Aufnahme auch den höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt. Betroffen ist dieser etwa, wenn es um die Videoaufnahme einer Vergewaltigung geht, und nicht allein der Täter, sondern gerade das Opfer dieser Straftat von der Aufnahme erfasst ist.550 Ein eindrückliches Beispiel stellen schließlich auch die schon erwähnten sensiblen Fotografien eines Arztes dar, die dieser im Zuge einer routinemäßigen Untersuchung anfertigt, weil er den begründeten Verdacht hegt, sein Patient könnte einer Gewalttat zum Opfer gefallen sein. Obschon sonach einzelne Fallkonstellationen denkbar sind, in denen der Straftatbestand des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB eingreift, ist kaum zu leugnen, dass diese tatsächlich eher selten vorkommen dürften. 3. § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB: Hilflosigkeit einer anderen Person Gem. § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB wird bestraft, wer eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt. Im Unterschied zu § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist es unerheblich, wo sich das Opfer zum Zeitpunkt der Bildaufnahme befindet, so dass der Tatbestand an jedem beliebigen Ort verwirklicht werden kann. Diese im Zuge des „Neunundvierzigsten Strafrechtsänderungsgesetzes“551 implementierte Erweiterung der Strafnorm trägt vornehmlich der Erkenntnis Rechnung, dass höchstpersönliche Ereignisse auch außerhalb von Wohnungen oder sonst gegen Einblick geschützten Räumen stattfinden können und eine bildliche Aufnahme auch dort einen strafwürdigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Person darzustellen vermag.552
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Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 101. Angesichts des geltenden Zerrüttungsprinzips bedarf es zwar nicht mehr des Nachweises darüber, welcher Ehepartner am Scheitern der Ehe schuld ist. Der Ehebruch mag aber für etwaige Unterhaltsansprüche durchaus Bedeutung erlangen. Vgl. etwa OLG Hamm NJW 2011, 3379. Vgl. allgemein zur Bedeutung von Video- und Audioaufnahmen im Familienrecht Campbell, NJW-Spezial 2022, 196. 550 Insoweit ist zudem § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB einschlägig. Wichtig ist mit Blick auf beide Tatbestandsvarianten, dass der Täter des Sexualdelikts nach der hier vertretenen Ansicht per se nicht in seinem höchstpersönlichen Lebensbereich betroffen ist, Teil 2, C. II. 1. d). Zur schwierigen Frage der Rechtfertigung einer solchen Videoaufnahme zu Beweiszwecken Teil 2, C. IV. 3. b) cc). 551 BGBl. I, S. 10. 552 BT-Drs. 18/2601, S. 36; Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 52; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201a Rn. 2. Schließlich auch Buchholz, JA 2018, 511.
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a) Hilflosigkeit Das zentrale Merkmal des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB ist die zur Schau gestellte Hilflosigkeit der abgebildeten Person. Dieser Terminus ist dem Strafgesetzbuch keineswegs fremd, sondern zum einen Bestandteil des Regelbeispiels aus § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StGB und zum anderen als hilflose Lage tatbestandliche Voraussetzung des § 221 StGB.553 Obschon es folglich nicht fernliegend erscheint, die Hilflosigkeit aus § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB an den Begriffen der anderen Strafnormen auszurichten, fehlt den Gesetzgebungsmaterialien ein dahingehender Hinweis.554 Diese führen allein beispielhaft auf, dass Abbildungen von betrunkenen Personen oder „Opfer[n] einer Gewalttat, die verletzt und blutend am Boden liegen“ tatbestandsmäßig sind.555 Eine dogmatische Auseinandersetzung mit § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB kann sich freilich nicht damit zufriedengeben, allein besonders evidente Beispiele hilfloser Situationen zu beschreiben, sondern muss vielmehr ein kohärentes Schutzsystem gewährleisten, das die vielfältigen tatsächlichen Konstellationen erfasst. Insoweit zeigt sich das bedenkliche Vorgehen des Gesetzgebers, der diese originär legislative Aufgabe allenfalls unvollständig erledigt und stattdessen der Judikative übertragen hat.556 In der bislang einzig ergangenen Entscheidung des BGH zu § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB nutzte dieser die Gelegenheit, eine justiziable und präzise Definition aufzustellen, nicht, sondern flüchtete sich in die ihrerseits vage Formulierung, wonach die Hilflosigkeit „jedenfalls dann gegeben [ist], wenn ein Mensch aktuell Opfer einer mit Gewalt oder unter Drohungen gegen Leib oder Leben ausgeübten Straftat ist und deshalb der Hilfe bedarf oder sich in einer Entführungs- oder Bemächtigungssituation befindet“.557 Darüber hinaus betonten die Karlsruher Richter, die systematische Auslegung unter Rekurs auf § 221 StGB sowie § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StGB führe nicht weiter, da die geschützten Rechtsgüter von dem des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB divergierten.
553
Siehe nur BGH NJW 2017, 1891 (1892). Wieduwilt, K&R 2015, 83 (85); Bosch, Jura 2016, 1380 (1384 f.). Siehe schließlich auch BGH NJW 2017, 1891 (1892). 555 BT-Drs. 18/3202, S. 28. Da insbesondere Opfer von Gewalttaten typischerweise unverschuldet in derartige Situationen geraten, schadet eine bildliche Aufnahme dieses Geschehens oder die spätere Weitergabe nur in außergewöhnlichen Konstellationen dem gesellschaftlichen Ansehen – und kann sonach i. d. R. nicht § 201a Abs. 2 StGB verwirklichen, der das Zugänglichmachen ansehensschädigender Bildaufnahmen pönalisiert. Vor diesem Hintergrund sprach sich der Rechtsausschuss im Gesetzgebungsverfahren bewusst dafür aus, eine eigenständige Tatbestandsvariante einzufügen. Dazu BT-Drs. 18/3202, S. 28. Anders noch der gemeinsame Gesetzentwurf von CDU/CSU sowie SPD, BT-Drs. 18/2601, S. 36. Zum Ganzen Mavany, AfP 2017, 478 (479). 556 Busch, NJW 2015, 977; Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 263. 557 BGH NJW 2017, 1891 (1892 f.). Kritisch dazu Mavany, AfP 2017, 478 (480). 554
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aa) Orientierung an §§ 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6, 221 StGB Im theoretischen Ausgangspunkt ist dem BGH freilich zuzustimmen, da sowohl die Hilflosigkeit aus § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StGB als auch die hilflose Lage gem. § 221 StGB in dem normativen Kontext gesehen werden müssen, in dem sie verankert sind. Dieser Gesichtspunkt ist jedoch für sich allein nicht geeignet, jegliche Parallelen zwischen den Normen von vornherein abzulehnen. Die Regelbeispiele des § 243 StGB betreffen die Strafzumessung hinsichtlich des Diebstahlstatbestands und beziehen sich folglich auf den Schutz von Eigentums- und Gewahrsamspositionen.558 Vor diesem Hintergrund liegt Hilflosigkeit i. S. d. § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StGB konsequenterweise vor, wenn das Opfer eines Diebstahls gerade gegenüber der Wegnahme – mithin dem Bruch des eigenen Gewahrsams – hilf- und wehrlos ist.559 Eine hilflose Lage i. S. d. § 221 StGB ist demgegenüber anzunehmen, wenn sich das Opfer nicht mehr selbst oder durch die Hilfe von schutzbereiten Personen gegen drohende abstrakte Gefahren für Leib oder Leben schützen kann.560 Da § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB ersichtlich nicht dem Eigentums- oder Gewahrsamsschutz dient, scheidet eine inhaltliche Orientierung an § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StGB evident aus, obschon beide Vorschriften von Hilflosigkeit sprechen und somit denselben Wortlaut aufweisen.561 Diffiziler gestaltet sich die mögliche Anlehnung an § 221 StGB, der mit dem Leben und der körperlichen Unversehrtheit zwar ebenfalls andere Rechtsgüter als § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB schützt, die sich jedoch durchaus in den strafrechtlichen Schutz vor Bildaufnahmen inkorporieren ließen.562 Transferierte man die Definition der hilflosen Lage in den Tatbestand des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB, läge Hilflosigkeit allerdings nur dann vor, wenn das abgebildete Opfer abstrakten schweren Leibes- oder gar Lebensgefahren ausgesetzt ist.563 Nimmt ein Zeuge eine gerade stattfindende Schlägerei, bei der ein Beteiligter blutend zu Boden sinkt, mittels einer Videokamera zu Beweiszwecken auf, hinge dessen Strafbarkeit folglich davon ab, wie gewichtig die eingetretenen Verletzungen sind und ob hieraus eine abstrakte Gefahr für das Leben oder eine schwere Gesundheitsgefahr resultiert.564 Eine solche Auslegung führte nicht allein zu einer weitgehenden Ein558
Zur Struktur des § 243 StGB Bosch, in: SSW-StGB, § 243 Rn. 1. Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 243 Rn. 36. 560 Eser/Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, § 221 Rn. 4; Rengier, Strafrecht BT II, § 10 Rn. 4. 561 BGH NJW 2017, 1891 (1892); Eisele/Sieber, StV 2015, 312 (313); Busch, NJW 2015, 977 (978); Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 106. Ferner Buchholz, JA 2018, 511 (512). 562 Eisele/Sieber, StV 2015, 312 (313); Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NKStGB, § 201a Rn. 7. 563 Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201a Rn. 7. 564 Zudem müssten jedenfalls bei einer vollumfänglichen Gleichsetzung solche Situationen außerhalb des Tatbestands liegen, in denen dem Opfer bereits Hilfe zuteilwird, da die hilflose Lage gem. § 221 StGB in diesen Fällen ausscheidet, Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, 559
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schränkung des tatbestandlichen Anwendungsbereichs, sondern drängte zudem das Persönlichkeitsrecht, dessen Schutz § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB gerade dient, in den Hintergrund. Denn aus der maßgeblichen persönlichkeitsrechtlichen Perspektive ist es nachgerade irrelevant, ob in der konkreten Aufnahmesituation eine Leibes- oder Lebensgefahr besteht, wie letztlich auch der von den Gesetzgebungsmaterialien bemühte Zustand einer erheblichen Trunkenheit verdeutlicht.565 Eine unmittelbare Übertragung der hilflosen Lage aus § 221 StGB scheidet ergo ebenfalls aus.566 Die voranstehenden Gedanken beziehen sich indes – wie betont – ausschließlich auf ein identisches Begriffsverständnis und stehen einer bloßen Berücksichtigung von solchen Gesichtspunkten, die allen beschriebenen Situationen immanent sind, nicht von vornherein entgegen.567 Insoweit ist es jedenfalls missverständlich, wenn die wenigen literarischen Stellungnahmen zu § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB allenthalben postulieren, es bedürfe einer gänzlich eigenständigen Definition.568 Denn jenseits des rechtsgutsbezogenen Inhalts lassen sich die Hilflosigkeit aus § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StGB und die hilflose Lage aus § 221 StGB auf eine gemeinsame Grundlage stellen, die auch sub specie des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB als begrifflicher Ausgangspunkt dient und dem Tatbestand endlich schärfere Konturen verleiht.569 Aus einem übergeordneten Blickwinkel beschreiben die genannten Vorschriften stets solche Konstellationen, in denen dem Opfer bestimmte Gefahren drohen, auf die es nicht in angemessenem Umfang reagieren kann und diesen sonach wehrlos gegenüber steht.570 Von entscheidender Bedeutung ist dabei, ob die betroffene Person den tatsächlichen Anforderungen, die die konkrete Lebenssituation bereithält, noch in ausreichendem Maß begegnen kann und eigenständige Entscheidungen zu treffen
S. 108. Die Abbildung solcher Konstellationen möchten Eisele/Sieber, StV 2015, 312 (313) indes mit § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB pönalisieren. 565 Ähnlich Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 107 f. Konsequenterweise fällt die Trunkenheit nach Eisele/Sieber, StV 2015, 312 (314) grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB. 566 BGH NJW 2017, 1891 (1892); Busch, NJW 2015, 977 (978); Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 108 f.; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 124; Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 263. 567 Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 124. Anders hingegen BGH NJW 2017, 1891 (1892), wonach keine näheren Anhaltspunkte für die Auslegung sub specie des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB gewonnen werden könnten. 568 So etwa Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 109; Tag, in: Dölling/Duttge/König/ Rössner, HK-GS, § 201a StGB Rn. 5; Busch, NJW 2015, 977 (978), der jedoch die §§ 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 6, 221 StGB systematisch heranzieht. 569 In diese Richtung Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 124; Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 263 m. w. N. 570 Instruktiv Busch, NJW 2015, 977 (978); Mavany, AfP 2017, 478 (480); Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 109; Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 263; ähnlich Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 124 f.
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vermag.571 Überträgt man diese Erkenntnisse auf die Hilflosigkeit aus § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB, folgt daraus, dass eine solche dann vorliegt, wenn die abgebildete Person „aufgrund ihrer körperlichen oder psychischen Konstitution oder wegen äußerer Einflüsse nicht (mehr) in der Lage ist, einen Willen zu bilden oder sich einem gebildeten Willen entsprechend zu verhalten und sich aufgrund dessen der Situation nicht entziehen kann“.572 Dabei sind sowohl Fallgestaltungen erfasst, in denen das Opfer die Hilflosigkeit – wie etwa bei exzessivem Alkoholkonsum – selbst verursacht hat, als auch solche, in denen es – wie bei zahlreichen Verkehrsunfällen – gänzlich unverschuldet in die Situation geraten ist.573 Namentlich eingetretene Verletzungen führen häufig dazu, dass der Betroffene nicht frei darüber disponieren kann, wie er auf drohende Gefahren reagiert, und begründen sonach eine tatbestandsmäßige Lage i. S. d. § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB – und zwar selbst dann, wenn dem Opfer bereits eine notärztliche Versorgung zuteilwird.574 Inwieweit die Schwelle des § 221 StGB, die wegen der vorausgesetzten Gefahren für Leib oder Leben deutlich höher liegt, bereits überschritten ist, spielt indes keine Rolle. Unerheblich ist auch, ob die abgebildete Person gerade gegenüber dem mit der Bildaufnahme verbundenen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht machtlos ist.575 Stellte man sich insoweit auf den entgegengesetzten Standpunkt, wäre die Norm faktisch stets erfüllt, da fotografierte Personen vielfach kaum verhindern können, dass sie abgebildet werden – sofern sie dies überhaupt wahrnehmen. Da Bildaufnahmen zunehmend mittels Smartphones angefertigt werden, die fast immer über eine integrierte und regelmäßig zugleich qualitativ hochwertige Kamerafunktion verfügen, ist es ex ante kaum überprüfbar, ob der Benutzer des Geräts gegenwärtig andere Menschen aufnimmt oder aber sonstige technische Applikationen bedient. Ferner bereitete ein solches Begriffsverständnis auch deshalb Schwierigkeiten, weil unklar bliebe, wie die Hilflosigkeit gegenüber dem persönlichkeitsrechtlichen Eingriff durch die Bildaufnahme überhaupt zur Schau gestellt werden kann.576
571 Fischer, Strafgesetzbuch, § 201a Rn. 18; Bosch, Jura 2016, 1380 (1384); Tag, in: HKGS, § 201a StGB Rn. 5; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201a Rn. 5. 572 Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2. Ebenso Busch, NJW 2015, 977 (978). Zustimmend Hunsicker/Belz, jM 2016, 160 (163); Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 263. Ähnlich auch Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 111; Geiring, Risiken von Social Media und User Generated Content, S. 124. 573 So i. E. auch Fischer, Strafgesetzbuch, § 201a Rn. 18. 574 Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2. 575 So auch Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 110. Abweichend hingegen Bosch, in: SSW-StGB, § 201a Rn. 11; ders., Jura 2016, 1380 (1384); Hoyer, in: SK-StGB, § 201a Rn. 31; Buchholz, JA 2018, 511 (512). Schließlich auch Mavany, AfP 2017, 478 (480). 576 So explizit Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 20. I. E. lehnen auch Seidl/Wiedmer, jurisPRITR 17/2015, Anm. 2 sowie Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 110 eine Hilflosigkeit gegenüber dem Fotografieren ab.
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bb) Auswirkungen auf die Beweissicherung Fertigt eine Privatperson Foto- oder Videoaufnahmen an, um mittels dieser das rechtserhebliche Verhalten eines anderen beweisen zu können, dürfte diese regelmäßig bestrebt sein, den fremden Rechtsverstoß unmittelbar und umfassend zu dokumentieren. Beobachtet etwa ein Passant, wie ein Fußgänger auf offener Straße von einem unbekannten Täter überwältigt und von diesem sodann mit Schlägen malträtiert wird, ist der Beweiswert einer etwaigen Bildaufnahme dann besonders hoch, wenn diese sowohl den Täter erkennen lässt als auch dessen Tat abbildet. Lichtet der Passant hingegen allein das verletzte Opfer ab, nachdem der Täter bereits geflohen ist, lässt sich aus dieser Fotografie bloß entnehmen, dass ein Körperverletzungserfolg eingetreten ist, nicht jedoch, wer für diesen verantwortlich ist. Ausweislich der bereits erwähnten Gesetzgebungsmaterialien ist das Opfer einer Gewalttat regelmäßig hilflos – und zwar auch nach der hier zugrunde gelegten Definition, sofern ihm keine eigenverantwortliche Entscheidung darüber verbleibt, der gefährlichen Situation zu entfliehen. Auf den foto- oder videografierten Täter des dokumentierten Rechtsbruchs lässt sich dies hingegen nicht übertragen: Zwar mag auch dieser faktische Zwänge verspüren, die ihn in seinem kriminellen Verhalten beeinflussen und folglich nicht gänzlich freie Dispositionen treffen lassen. Nichtsdestoweniger steht es diesem grundsätzlich offen, den Tatort zu verlassen und sich dem Geschehen auf diese Weise zu entziehen.577 Dies gilt selbst dann, wenn der Täter – objektiv oder aber nach seiner eigenen Vorstellung – von einer dritten Person bereits entdeckt wurde und diese das gesamte Ereignis mittels einer Fotokamera dokumentiert hat. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass der Verantwortliche einer Rechtsverletzung von vornherein nicht in seinem höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt ist, wenn sich die Aufnahme allein auf den Rechtsbruch beschränkt.578 Während das Opfer einer Gewalttat mithin typischerweise hilflos ist, trifft dies auf den Täter gerade nicht zu. Sofern eine Aufnahme beide Personen abbildet, fällt diese gleichwohl in den Anwendungsbereich des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB, da es genügt, wenn die Hilflosigkeit nur eines anderen Menschen vorliegt und auf dem Bild dargestellt wird. b) Zur Schau stellen Nach der gesetzlichen Konzeption genügt es für eine Strafbarkeit gem. § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht, wenn die Hilflosigkeit eines anderen Menschen auf der Bildaufnahme nur erkennbar ist.579 Vielmehr muss diese zur Schau gestellt, mithin in 577
Anders müsste man indes entscheiden, wenn der Täter bereits von Polizeibeamten oder hilfsbereiten Dritten festgenommen wurde. 578 Teil 2, C. II. 1. d). 579 Zur Diskussion, ob dies eine Frage der Hilflosigkeit selbst oder aber des Zurschaustellens ist, Mavany, AfP 2017, 478 (480 f.).
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besonderem Maß hervorgehoben werden, so dass diese für einen objektiven Betrachter ohne Weiteres erkennbar ist, wenn er das Bild begutachtet.580 Vor diesem Hintergrund fallen solche Foto- und Videoaufnahmen aus dem tatbestandlichen Anwendungsbereich, auf denen die hilflose Person lediglich eine Randfigur des Geschehens darstellt, das in einem größeren Zusammenhang steht.581 Insoweit lassen sich partielle Überschneidungen mit § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG kaum leugnen, nach dem solche Bildnisse auch ohne Einwilligung veröffentlicht werden dürfen, auf denen die Personen nur als Beiwerk erscheinen.582 Dieser Gesichtspunkt ist für die eigeninitiative Beweismittelsuche nicht gänzlich unbedeutend, zumal der Täter einer Gewalttat – wie gesehen – seinerseits nicht hilflos ist und § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB insoweit ausscheidet. Rückt eine Bildaufnahme, die ein Passant zu Beweiszwecken anfertigt, ausschließlich den Täter einer Körperverletzung in den Vordergrund, während das möglicherweise schwer verletzte Opfer lediglich als Randfigur des Geschehens mitabgebildet ist, liegt der Tatbestand mangels eines Zurschaustellens auch hinsichtlich des Opfers nicht vor. Freilich dürfte dieses Szenario eher selten sein, sofern die Foto- oder Videografie dazu bestimmt ist, einen fremden Rechtsverstoß beweisfest zu dokumentieren, da der Aufnehmende regelmäßig versuchen dürfte, das gesamte Geschehen zu erfassen, um einen möglichst lückenlosen Nachweis anbieten zu können. Da dies i. d. R. nur gelingen kann, wenn auch das hilflose Opfer auf der Bildaufnahme sichtbar ist, müssen sich derartige Aufnahmen am Maßstab des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB messen lassen.583 Selbst ein ehrenwerter Zweck, der mit der Bildaufnahme erreicht werden soll, steht dem Zurschaustellen der Hilflosigkeit nicht entgegen.584 Zwar zeitigt es durchaus einen Unterschied, ob der Aufnehmende das schwer verletzte Opfer einer Gewalttat nur deshalb fotografiert, um die Sensationsgier der Öffentlichkeit zu befriedigen, oder aber dem Geschädigten mit der bildlichen Dokumentation des Geschehens ein aussagekräftiges Beweismittel sichern möchte. Allerdings wirken sich diese Gesichtspunkte erst innerhalb der Sozialadäquanzklausel des § 201a Abs. 4 StGB aus, deren Anwendungsbereich man unterliefe, wenn man die gegenläufigen Interessen und Zwecke bereits beim tatbestandlichen Zurschaustellen berücksichtigte.585
580 BGH NJW 2017, 1891 (1893); Bosch, Jura 2016, 1380 (1385); Mavany, AfP 2017, 478 (480); Fischer, Strafgesetzbuch, § 201a Rn. 19; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201a Rn. 5a. 581 Fischer, Strafgesetzbuch, § 201a Rn. 19; Eisele/Sieber, StV 2015, 312 (314). 582 Mavany, AfP 2017, 478 (481). 583 Graf, in: MüKo-StGB4, § 201a Rn. 51, der zutreffend betont, dass ein Zurschaustellen regelmäßig ohne Weiteres vorliege, wenn die hilflose Person direkt aufgenommen werde. 584 Bosch, in: SSW-StGB, § 201 Rn. 11; Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 22; Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 112 f. Abweichend Wieduwilt, K&R 2015, 83 (85). 585 Bosch, Jura 2016, 1380 (1385). Für § 201a Abs. 4 StGB daher Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 22; Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 113.
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4. § 201a Abs. 2 StGB: Ansehensschädigende Aufnahmen § 201a Abs. 2 StGB wurde ebenfalls im Zuge des „Neunundvierzigsten Strafrechtsänderungsgesetzes“ in das Kernstrafrecht eingefügt und erfasst die Konstellation, in der der Täter eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einem anderen zugänglich macht. Nach der eindeutigen Konzeption der Vorschrift ist das bloße Herstellen einer ansehensschädlichen Bildaufnahme nicht von dem strafbewehrten Verbot erfasst,586 da der Gesetzgeber andernfalls einen zu weitgehenden Anwendungsbereich der Norm befürchtete.587 Eingedenk dessen ist erst im Kontext der weiteren Verwendung einer bereits angefertigten Bildaufnahme auf § 201a Abs. 2 StGB zurückzukommen.588 5. Sozialadäquanzklausel Die ursprüngliche Fassung des § 201a StGB a. F. aus dem Jahr 2004 sah weder eine besondere Sozialadäquanzklausel noch einen Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen vor, obwohl dahingehende Forderungen bereits im Gesetzgebungsverfahren auftauchten.589 Allen voran die Medienvertreter befürchteten, durch die neue Strafvorschrift in der verfassungsrechtlich verbürgten Pressefreiheit beeinträchtigt zu werden und erkannten große Gefahren für den investigativen Journalismus.590 Im Zuge der Reform des § 201a StGB durch das „Neunundvierzigste Strafrechtsänderungsgesetz“ aus dem Jahr 2015 wurde nicht nur die Reichweite des strafrechtlichen Schutzes vor Bildaufnahmen ausgedehnt, sondern zugleich mit dem Abs. 4 eine Klausel eingefügt, der zufolge einzelne Tatbestandsvarianten nicht gelten sollen, sofern die Handlung in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgt.591 Allerdings findet diese Ausnahmevorschrift auf den § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB gerade keine Anwendung, so dass tatbestandsmäßige Bildaufnahmen aus einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum, die den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzen, nur nach Maßgabe der allgemeinen Rechtfertigungsgründe erlaubt sein können.
586 Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2; Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 74; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a Rn. 44. 587 BT-Drs. 18/3202 (neu), S. 28. 588 Teil 4, A. II. 3. 589 BT-Drs. 15/361, S. 2, 4; BT-Drs. 15/533, S. 2, 4; BR-Drs. 164/03, S. 2, 6 f. 590 Dazu auch Flechsig, ZUM 2004, 605 (606 f.). 591 Dazu BT-Drs. 18/3202 (neu), S. 29. Zum Ganzen auch Graf, in: MüKo-StGB4, § 201a Rn. 97 ff.
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a) Tatbestandsausschluss § 201a Abs. 4 StGB enthält keine eindeutige Aussage dazu, ob die Wahrnehmung berechtigter Interessen bereits den objektiven Tatbestand ausschließen soll, oder aber erst im Rahmen der nachfolgenden Rechtfertigung zu berücksichtigen ist. Während § 201 Abs. 2 S. 3 StGB explizit betont, dass die öffentliche Mitteilung des aufgenommenen oder abgehörten nichtöffentlich gesprochenen Wortes nicht rechtswidrig ist, wenn diese zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen erfolgt, weist § 201a Abs. 4 StGB einen solchen Passus gerade nicht auf. Gleichwohl deutet der Wortlaut darauf hin, die mit einer Bildaufnahme verfolgten Interessen bereits auf der tatbestandlichen Ebene zu berücksichtigen, da die grundsätzlich strafbewehrten Verhaltensverbote nicht gelten sollen, wenn der Aufnehmende besondere Zwecke verfolgt.592 Zudem stützt auch der Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens ein solches systematisches Verständnis: Der ursprüngliche Entwurf sah noch einen Verweis auf die Klausel des § 201 Abs. 2 S. 3 StGB – und somit einen Rechtfertigungsgrund – vor, der erst durch die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zugunsten der gegenwärtigen Gesetzesfassung gestrichen wurde.593 Nach allem implementiert § 201a Abs. 4 StGB eine tatbestandsausschließende Sozialadäquanzklausel, innerhalb derer das allgemeine Persönlichkeitsrecht mit den verfolgten Zwecken der Bildaufnahme in einen sachgerechten Ausgleich gebracht werden muss.594 b) Beweisinteresse Schon im Kontext des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB wurden einzelne Berührungspunkte mit dem verfolgten Zweck des Aufnehmenden deutlich: Ob ein Passant das verletzte Opfer einer Gewalttat fotografiert, um die Aufnahme an die Presse zu verkaufen oder aber, um die Rechtsverletzung des Täters beweisen zu können, wirkt sich auf den Tatbestand des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB jedoch gerade deshalb nicht unmittelbar aus, weil der Gesetzgeber eine spezifische Sozialadäquanzklausel implementiert hat.595 Erstaunlicherweise gehen die einschlägigen literarischen Stel592
Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 234. BT-Drs. 18/3202, S. 18. Dazu auch Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 233. 594 BGH NJW 2017, 1891 (1892); Bosch, in: SSW-StGB, § 201a Rn. 32; Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 233 f.; Tag, in: Dölling/Duttge/König/Rössner, HK-GS, § 201a StGB Rn. 13; Busch, NJW 2015, 977; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201a Rn. 9c; Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 97; Weigend, ZStW 129 (2017), 513 (527); Fischer, Strafgesetzbuch, § 201a Rn. 41. Freilich resultieren hieraus gewisse Konflikte mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot, wonach der Tatbestand einer Strafnorm möglichst klar gefasst sein muss. Bosch, Jura 2016, 1380 (1387) spricht hinsichtlich des § 201a Abs. 4 StGB gar von einem „Armutszeugnis irrationaler Strafgesetzgebung“. Für die Annahme eines Rechtfertigungsgrundes Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2; Eisele/Sieber, StV 2015, 312 (318); Paschke/Halder, jurisPR-ITR 15/2017, Anm. 2; Schwenke, Private Nutzung von Smartglasses im öffentlichen Raum, S. 266; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a Rn. 52. 595 Dazu schon Teil 2, C. II. 3. b). 593
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lungnahmen jedoch nicht näher auf die Frage ein, unter welchen Voraussetzungen ein verfolgtes Beweisinteresse die Anforderungen des § 201a Abs. 4 StGB erfüllt. Dies ist insbesondere deshalb misslich, weil das Beweisinteresse im nicht abschließenden Katalog der Sozialadäquanzklausel nicht ausdrücklich genannt ist und sonach nur einen „ähnlichen Zweck“ darzustellen vermag, der mit den vorgenannten berechtigten Interessen vergleichbar sein muss.596 Das Gesetz nennt explizit Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre sowie die Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte und reiht auf diese Weise unterschiedliche Kategorien aneinander, die sich einem gemeinsamen Oberbegriff jedenfalls nicht ohne Weiteres zuordnen lassen.597 Der Kreis der erfassten Zwecke lässt sich sonach nicht aus den genannten Zielsetzungen des § 201a Abs. 4 StGB selbst ableiten, obschon der Wortlaut („ähnlichen“) das gegenteilige Ergebnis nahelegt. Folglich kann es allein darum gehen, die Grundvoraussetzungen herauszuarbeiten, unter denen ein Zweck i. S. d. Norm ähnlich ist, um einen praktikablen Umgang mit der Sozialadäquanzklausel zu ermöglichen. Zu den berechtigten Interessen rechnen nur solche Motive, die von der Rechtsordnung grundsätzlich anerkannt sind. Zudem müssen diese ein besonderes Gewicht aufweisen,598 um die Grenzen des § 201a StGB nicht zu einem bloßen Abwägungsparameter verkommen zu lassen. Dafür streitet auch die besondere Intensität, die von einem Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich grundsätzlich ausgeht. Das Interesse, das rechtserhebliche Verhalten eines anderen zu beweisen, lässt sich hiernach jedenfalls im Ausgangspunkt als ähnlicher Zweck einordnen, da dieses zum einen von der Rechtsordnung anerkannt ist und zum anderen seinerseits ein erhebliches Gewicht aufweisen kann. Ob das Beweisinteresse den intendierten Persönlichkeitsschutz des § 201a StGB überwiegt, bleibt freilich eine Frage des spezifischen Einzelfalls und ist einer allgemeinen Bewertung aufgrund der unterschiedlichen Sachverhaltskonstellationen nicht zugänglich. Bei näherem Hinsehen spielt § 201a Abs. 4 StGB hinsichtlich des Aufnahmevorgangs im hier interessierenden Zusammenhang jedoch ohnehin nur eine untergeordnete Rolle: Die bildliche Dokumentation eines Ereignisses, das sich innerhalb einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum abspielt, liegt von vornherein außerhalb des Anwendungsbereichs der Sozialadäquanzklausel. Somit verbleiben im Kontext der eigeninitiativen Beweismittelsuche allein die Fälle, in denen solche Bildaufnahmen in Rede stehen, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellen. Dies ist nach den vorangehenden Erwägungen anzunehmen, wenn der Private das Opfer einer Gewalttat fotografiert oder einen betrunkenen Arbeitnehmer filmt. Inwieweit das Beweisinteresse via § 201a Abs. 4 StGB dazu 596 Zu diesem letztgenannten Aspekt Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 249. Zur problematischen Auslegung des „ähnlichen Zwecks“ im vergleichbaren § 86 Abs. 3 StGB Fischer, Strafgesetzbuch, § 86 Rn. 24. 597 Graf, in: MüKo-StGB4, § 201a Rn. 105 betont, dass es sich „regelmäßig um keine rein kommerziellen Zwecke handelt“. 598 Graf, in: MüKo-StGB4, § 201a Rn. 105.
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führt, dass bereits der objektive Tatbestand des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB ausscheidet, hängt im Wesentlichen davon ab, welches Gewicht dem aufzuklärenden Umstand zukommt. c) Berücksichtigung der Verwertbarkeit Wie schon im Rahmen der datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen Interessenabwägung ist auch innerhalb der Sozialadäquanzklausel gänzlich unbeleuchtet, inwieweit die prozessuale (Un)Verwertbarkeit des Beweismittels die materiellstrafrechtliche Beurteilung zu beeinflussen vermag. So ließe sich auch im Rahmen des § 201a Abs. 4 StGB formulieren, eine Wahrnehmung berechtigter Beweisinteressen könne den Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich nur dann legitimieren, wenn die Bildaufnahme überhaupt geeignet ist, den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen. Liegt dieser Zweck aber darin begründet, ein rechtlich erhebliches Verhalten prozessual nachzuweisen, bestehen an der Eignung jedenfalls dann erhebliche Zweifel, wenn das Beweismittel aus übergeordneten Gesichtspunkten von vornherein unverwertbar sein sollte. Hierauf ist an zentraler Stelle zurückzukommen.599 6. Ergebnis für § 201a StGB Aus der Perspektive der eigeninitiativen Beweismittelsuche setzt das strafbewehrte Verbot unbefugter Bildaufnahmen nur geringe Grenzen. Dies ist im Wesentlichen auf ein restriktives Begriffsverständnis des höchstpersönlichen Lebensbereichs zurückzuführen, der von vornherein nicht berührt ist, sofern der Abgebildete einen Rechtsverstoß begeht, da dieser stets einen gewissen Sozialbezug aufweist. Ferner normiert § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB weitere einschränkende Vorgaben, die dazu führen, dass die Strafnorm hinsichtlich der privaten Beweismittelsuche de facto kaum relevant erscheint. Der „örtliche“ Anwendungsbereich konzentriert sich allein auf Wohnungen und sonst gegen Einblick besonders geschützte Räume. Vor dem Hintergrund des legislatorischen Zwecks, dem Einzelnen einen geschützten Rückzugsraum zu gewähren, innerhalb dessen er darauf vertrauen kann, nicht foto- oder videografiert zu werden, fallen solche Personen aus dem tatbestandlichen Schutzbereich, die sich widerrechtlich in einer fremden Räumlichkeit bewegen, da diesen kein schutzwürdiges Vertrauen zukommt. Weitergehend ist hingegen der Tatbestand des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB, der auf eine räumliche Beschränkung verzichtet und sonach an jedem beliebigen Ort verwirklicht werden kann. Die Hilflosigkeit der abgebildeten Person liegt dabei vor, wenn diese aufgrund ihrer körperlichen oder psychischen Konstitution oder wegen äußerer Einflüsse nicht (mehr) in der Lage ist, einen Willen zu bilden oder sich einem 599
Dazu Teil 2, D. III.
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gebildeten Willen entsprechend zu verhalten und sich deshalb der Situation nicht entziehen kann. Paradigmatisch ist insoweit das Opfer einer Gewalttat, das schwer verletzt am Boden liegt. Sofern der Aufnehmende den Zweck verfolgt, den Rechtsverstoß des Gewalttäters beweisfest zu dokumentieren, kann dieses Verhalten im Einzelfall gem. § 201a Abs. 4 StGB straflos sein, da das Beweisinteresse einen „ähnlichen Zweck“ i. S. d. Sozialadäquanzklausel darstellt. Bildet eine Foto- oder Videografie hingegen allein den Gewalttäter ab, ist § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB von vornherein nicht betroffen, da es an der Hilflosigkeit der abgebildeten Person fehlt und zudem der höchstpersönliche Lebensbereich nicht tangiert ist.
III. Unterschiede zwischen § 201 und § 201a StGB Obschon die beiden zuvor untersuchten Straftatbestände im Fünfzehnten Abschnitt des Strafgesetzbuchs verankert sind und – jedenfalls nach der amtlichen Überschrift – Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs pönalisieren, weisen diese mit Blick auf die tatbestandliche Reichweite erhebliche Unterschiede auf.600 De lege lata sind diese jedoch hinzunehmen, sofern der legislatorische Wille nicht unterlaufen werden soll.601 Die divergierende tatbestandliche Reichweite der Strafnormen wirkt sich im hier erörterten Bereich der eigeninitiativen Beweismittelsuche auch praktisch aus. Da Beweismittel dann besonders gewichtig sind, wenn diese einen fremden Rechtsverstoß unmittelbar dokumentieren, werden Privatperson regelmäßig versuchen, das rechtswidrige Verhalten des Rechtsbrechers zu filmen, oder jedenfalls dessen verbale Äußerungen – Beleidigungen, erpresserische oder nötigende Drohungen – auf einen Tonträger aufzunehmen. Nicht selten dürften diese Vorgänge auch zusammenfallen, da die modernen Bildaufnahmegeräte – in erster Linie Smartphones – typischerweise zugleich über eine Tonaufnahmefunktion verfügen.602 Trotz dieser tatsächlichen Überschneidungen zeigt sich gerade in diesem Kontext, dass der strafrechtliche Schutz vor heimlichen Tonaufnahmen und Abhöraktionen deutlich weiter reicht als derjenige vor Bild- und Videoaufnahmen.603 Nimmt der private Beweismittelsucher das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger auf oder hört er dieses mittels eines Abhörgeräts ab, verwirklicht er den Tatbestand des § 201 600
Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 183; A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 97; A. Müller, Die Zulässigkeit der Videoüberwachung am Arbeitsplatz, S. 72. Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 375 moniert, der Schutz des § 201a StGB sei gegenüber demjenigen des § 201 StGB inkongruent. 601 Zur Frage, ob ein Eingriff durch Ton- oder Bildaufnahmen eingriffsintensiver ist, Ernst, NJW 2004, 1277; Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 183. 602 Vgl. zu diesen Überschneidungen Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 304 ff.; A. Müller, Die Zulässigkeit der Videoüberwachung am Arbeitsplatz, S. 70. 603 Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 376.
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Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB selbst dann, wenn sich die Äußerung des anderen in einer strafbaren Beleidigung oder einer erpresserischen Drohung erschöpft. Da der Rechtsbrecher nach der hier zugrunde gelegten Konzeption wegen des Sozialbezugs seines Verhaltens per se nicht in seinem höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt sein kann, fällt eine beweissichernde Bild- oder Videoaufnahme hingegen nur dann in den Anwendungsbereich des § 201a Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 StGB, wenn diese zugleich das Opfer der Straftat abbildet. Die bloße Aufnahme des rechtswidrigen Täterverhaltens genügt somit – anders als bei § 201 StGB – gerade nicht, um einen tatbestandsmäßigen Verstoß zu begründen. Diese Erkenntnis beeinflusst auch den Kreis derer, die als Täter des § 201 StGB bzw. § 201a StGB in Betracht kommen. Eine heimliche Tonaufnahme ist unabhängig davon tatbestandsmäßig, ob diese durch das Opfer einer noch andauernden Rechtsverletzung erfolgt, oder aber durch einen Dritten, der zugunsten des Opfers potenzielle Beweise sichern möchte. Da der straf- oder zivilrechtlich Verantwortliche eines Rechtsverstoßes jedoch nicht in seinem höchstpersönlichen Lebensbereich betroffen ist, und die Abbildung der eigenen Person nicht unter den Tatbestand fällt, scheidet das Opfer einer gerade stattfindenden Rechtsverletzung als Täter des § 201a StGB aus, sofern sich die Bild- oder Videoaufnahme nur auf das gegenwärtige rechtswidrige Geschehen beschränkt und keine weiteren Personen betroffen sind. Folglich fallen Bild- und Videoaufnahmen eines gegenwärtigen Rechtsverstoßes nur dann in den Anwendungsbereich des § 201a StGB, wenn diese durch einen außenstehenden Dritten erfolgen. Diese Divergenz wirkt sich auch auf der nachgelagerten Ebene der Rechtfertigung aus: Die Hürden für eine Erlaubnis straftatbestandsmäßigen Handelns liegen ungleich höher, wenn die ergriffene Maßnahme der Verteidigung oder der Gefahrenabwehr ausschließlich die Rechtspositionen des Opfers einer dokumentierten Straftat betrifft.
IV. Rechtfertigung Sofern der Private bei seiner eigeninitiativen Suche nach Beweismitteln den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, begründet dies allein eine notwendige, indes noch keine hinreichende Bedingung für dessen Strafbarkeit. Entscheidend ist insoweit, ob das Verhalten auch rechtswidrig ist, so dass die anerkannten Rechtfertigungsgründe – die auch als Erlaubnissätze bezeichnet werden – in den Vordergrund treten. Im Anwendungsfeld der §§ 201, 201a StGB hat sich darüber hinaus jedoch eine umfangreiche Diskussion zu der Frage entwickelt, ob weitere „besondere“ Rechtfertigungsgründe herangezogen werden können, um spezifischen Gefährdungslagen in ausreichendem Umfang begegnen zu können. Ihren Ausgangspunkt nimmt die Debatte bei der trivialen Erkenntnis, wonach die überkommenen Rechtfertigungsgründe – allen voran das Notwehrrecht aus § 32 StGB sowie das Notstandsrecht aus § 34 StGB – auch sub specie der Privatschutz-
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delikte gelten.604 Bemerkenswert ist dabei, dass sich die zentralen Aussagen zu diesen anerkannten Erlaubnissätzen nahezu ausnahmslos im Kontext des § 201 StGB entwickelt haben. Bei näherem Hinsehen verwundert dieser Umstand jedoch kaum, da der objektive Tatbestand im Vergleich zu § 201a StGB deutlich weiter gefasst ist und sich konsequenterweise in deutlich größerem Umfang die Frage stellt, ob das Verhalten ausnahmsweise erlaubt ist.605 Diese allgemeine Aussage gilt im Anwendungsfeld der privaten Beweismittelsuche gleichermaßen.606 Die nachfolgenden Ausführungen knüpfen vor diesem rechtstatsächlichen Hintergrund primär an die Errungenschaften an, die sich im Anwendungsbereich des § 201 StGB entwickelt haben. 1. Unterschiede zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht und zum Datenschutzrecht Die strafrechtliche Rechtfertigung der eigeninitiativen Beweismittelsuche ist vornehmlich deshalb komplex, weil sie sich in entscheidenden Aspekten von der persönlichkeits- und datenschutzrechtlichen Bewertung unterscheidet. Nach dem hier implementierten Lösungsansatz kommt es hinsichtlich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gerade nicht darauf an, ob sämtliche Voraussetzungen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes vorliegen.607 Da das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein entwicklungsoffenes Rahmenrecht darstellt, bedarf es grundsätzlich einer einzelfallgeprägten Güter- und Interessenabwägung, um über eine rechtswidrige Verletzung judizieren zu können. Hiervon divergiert im rechtsdogmatischen Ausgangspunkt das Datenschutzrecht, da dieses nach dem zentralen Art. 6 Abs. 1 DSGVO einen mehr oder weniger spezifischen Erlaubnissatz fordert, um eine Verarbeitung personenbezogener Daten zu legitimieren.608 Trotz dieses so bezeichneten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt haben sich im Bereich der eigeninitiativen Beweismittelsuche durchaus Parallelen zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem unionalen Datenschutzrecht ergeben, die im Wesentlichen darauf beruhen, dass es nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO ebenfalls einer Interessenabwägung bedarf. Beide Rechtsbereiche zeichnen sich durch dieses flexible Abwägungsmuster geradezu aus, und ermöglichen es sonach stets, auf neue Herausforderungen angemessen zu reagieren. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang indes auch, dass sich die gesetzlichen Vorschriften zu dieser so evidenten Abwägungsentscheidung nur vage äußern: Während das allgemeine Persönlich604
Eisele, JR 2005, 6 (11); Hoyer, in: SK-StGB, § 201a Rn. 25. Dazu schon Teil 2, C. III. Vgl. schließlich auch Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 287 f., der betont, dass überhaupt der objektive Tatbestand des § 201a StGB erfüllt sein müsse, bevor man sich der Rechtfertigungsebene zuwende. Ähnlich auch A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 67. 606 So auch Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 101. 607 Teil 2, A. IV. 3. b) aa). 608 Teil 2, B. II. 2. 605
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keitsrecht ohnehin keinen spezifischen Niederschlag im BGB gefunden hat und allein als „sonstiges Recht“ i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt ist, verlangt Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zumindest „berechtigte Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten“ und implementiert auf diese Weise jedenfalls einzelne Strukturmerkmale des Abwägungsvorgangs. Zudem beinhaltet Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO eine klare Aussage zur Darlegungslast, da die Verarbeitung personenbezogener Daten stets dann als rechtmäßig einzustufen ist, wenn die Interessen der betroffenen Person nicht überwiegen.609 Entscheidend ist jedoch, dass sowohl die persönlichkeits- als auch die datenschutzrechtliche Interessenabwägung darauf verzichten, das Verhältnis der konfligierenden Interessen qualitativ näher zu spezifizieren. Gerade in diesem Umstand zeigt sich ein erheblicher Unterschied zur strafrechtlichen Rechtfertigung im Allgemeinen und zum rechtfertigenden Notstand gem. § 34 StGB im Besonderen. Sofern der Private bei seiner eigeninitiativen Suche nach Beweismitteln den Tatbestand einer Strafnorm verwirklicht, genügt der bloße Interessenausgleich, der darauf gerichtet ist, die schützenswertere Rechtsposition zu finden und dieser den Vorrang einzuräumen, gerade nicht, um sein grundsätzlich verbotenes Verhalten zu legitimieren. Vielmehr statuieren die einzelnen Erlaubnissätze spezifische Notlagen, in denen ausnahmsweise fremde Rechtsgüter verletzt werden dürfen, ohne strafrechtliche Sanktionen nach sich zu ziehen. So verlangt § 34 StGB eine „gegenwärtige, nicht anderes abwendbare Gefahr“, um überhaupt eine Notstandslage auszulösen. Freilich ist zuzugestehen, dass der rechtfertigende Notstand ebenfalls darauf hinausläuft, die betroffenen Interessen einander gegenüberzustellen und in eine Abwägungsentscheidung einzutreten, in der auch die tangierten Rechtsgüter zu berücksichtigen sind. Ausweislich des gesetzlichen Wortlauts genügt es für eine Rechtfertigung allerdings nicht, wenn die Interessen des Eingreifenden bloß gewichtiger sind, da § 34 StGB ein wesentliches Überwiegen fordert und sonach eine qualitative Komponente implementiert.610 Hierin zeigt sich letztlich auch, dass der rechtfertigende Notstand nicht auf einer utilitaristischen Konzeption beruht,611 die eine Notstandshandlung danach bewertet, ob diese den größten – gesamtge609
Frenzel, in: Paal/Pauly, Art. 6 DSGVO Rn. 31. Bergmann, JuS 1989, 109 (111); Engländer, GA 2010, 15 (18); Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 34 Rn. 67. A. A. hingegen Perron, in: Sch/Sch, § 34 Rn. 45; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 34 Rn. 6, die auf den Gesichtspunkt eines zweifelsfreien Überwiegens abstellen. 611 So auch Pawlik, JZ 2010, 693 (698); ders., Der rechtfertigende Notstand, S. 37 ff.; Renzikowski, Notstand und Notwehr, S. 42, 199 ff.; Küper, Der „verschuldete“ rechtfertigende Notstand, S. 28 f.; Schroth, in: Hilpert/Schroth, S. 186 (192 f.). Zum utilitaristischen Ansatz Hruschka, Strafrecht nach logisch-analytischer Methode, S. 111 ff.; ders., JR 1979, 125 (126); ders., JuS 1979, 385 (388 f.); Joerden, GA 1993, 245 (247 f.); Meißner, Interessenabwägungsformel, S. 164 ff. Kritisch zu einer Begründung der Notstandsrechtfertigung, die sich am Topos des gesamtgesellschaftlichen Nutzens orientiert, Merkel, in: Institut für Kriminalwissenschaften, Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 171 (178 ff.); Zieschang, in: LKStGB13, § 34 Rn. 7. Zur gesamten Diskussion um die verschiedenen Erklärungsversuche Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 34 Rn. 7 ff.; Engländer, GA 2010, 15 (17 ff.). 610
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sellschaftlichen – Nutzen zu erreichen vermag – und mit einer qualitativen Interpretation des Merkmals „wesentlich“ unvereinbar wäre.612 Aus demselben Grund vermag es auch nicht zu überzeugen, § 34 StGB als Ausfluss eines formalen Prinzips der Güter- und Interessenabwägung zu begreifen.613 Vielmehr legt die Norm dem Betroffenen in besonderen Ausnahmesituationen einzelne Solidaritätspflichten zugunsten desjenigen auf, der von einer konkreten Gefahr bedroht wird.614 Von dem Einzelnen kann indes nur dann ein Verzicht auf den Schutz seiner eigenen Rechtsposition verlangt werden, wenn für einen anderen wesentlich gewichtigere Interessen auf dem Spiel stehen.615 Bereits diese dogmatische Konstruktion des § 34 StGB verdeutlicht, weshalb sich das strafrechtliche Rechtfertigungsinstrumentarium erheblich von der persönlichkeits- und datenschutzrechtlichen Interessenabwägung unterscheidet, die eine solche Ausprägung nicht enthält. Auf diesen Umstand ist im Kontext der einzelnen Rechtfertigungsgründe zurückzukommen. 2. Das Merkmal unbefugt Die anhaltende Debatte darüber, unter welchen konkreten Voraussetzungen der private Beweismittelsucher in den Genuss einer strafrechtlichen Rechtfertigung gelangt, hängt nicht allein mit dem dogmatischen Verständnis sowie dem Umfang der Erlaubnissätze selbst zusammen. Verschiedene Diskussionspunkte beruhen auch auf der normativen Struktur der Privatschutzdelikte selbst: Sowohl § 201 StGB als auch § 201a StGB verlangen ausweislich des eindeutigen Gesetzeswortlauts ein unbefugtes Verhalten des Täters.616 In diesem Kontext ist nach wie vor nicht gänzlich geklärt, ob sich das Merkmal darin erschöpft, auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe explizit hinzuweisen,617 oder aber eine sog. „Doppelfunktion“ ein612 Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 34 Rn. 10a; Zieschang, in: LK-StGB13, § 34 Rn. 8; Engländer, GA 2010, 15 (19). Vgl. Merkel, in: Institut für Kriminalwissenschaften, Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 171 (190). Insoweit relativierend Hruschka, Strafrecht nach logisch-analytischer Methode, S. 114, der von einem „eingeschränkte[n] Verrechnungsprinzip“ spricht. 613 Zur berechtigten Kritik statt aller Engländer, GA 2010, 15 (18). 614 Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 34 Rn. 9a; Zieschang, in: LK-StGB13, § 34 Rn. 8; Engländer, GA 2010, 15 (20 f.); ders., GA 2017, 242 (247 ff.); Frisch, in: Puppe-FS, S. 425 (438 f.); Fischer, Strafgesetzbuch, § 34 Rn. 2; Schroth, in: Hilpert/ Schroth, S. 186 (193); Frister, GA 1988, 291 (292). Vgl. auch Merkel, in: Institut für Kriminalwissenschaften, Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 171 (182 ff.); Rosenau, in: SSW-StGB, § 34 Rn. 1, der aber betont, das Solidaritätsprinzip sei nur ein Aspekt des § 34 StGB. 615 Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 34 Rn. 11; Engländer, GA 2010, 15 (20). 616 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 177 spricht hinsichtlich des § 298 Abs. 1 StGB a. F. vom „neuralgischen Punkt der neuen Tonband- und Abhördelikte“. Ferner Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 69. 617 Für § 201 StGB: BT-Drucks. 7/550, S. 236; BGHSt 31, 304 (306); KG JR 1981, 254; OLG Karlsruhe NJW 1979, 1513 (1514); OLG Frankfurt NJW 1979, 1172; Wölfl, Jura 2000,
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nimmt.618 Nach der letztgenannten Interpretation soll ein Einverständnis des Betroffenen bereits tatbestandsausschließend wirken;619 im Übrigen verweise das Attribut unbefugt hingegen auf die anerkannten Erlaubnissätze und somit auf die Ebene der Rechtswidrigkeit.620 Da die eigeninitiative Beweismittelsuche – wie gesehen – typischerweise heimlich erfolgt, und ein Einverständnis des abgehörten oder fotografierten Verdächtigen nur äußerst selten anzunehmen sein dürfte, zeitigt die Diskussion um das dogmatische Verständnis des Wortes unbefugt keine unmittelbaren Auswirkungen, wenn es um die rechtliche Bewertung des Erlangungsaktes geht. Dieses Bild verschiebt sich indes, wenn man den nachfolgenden Umgang mit dem Beweismittel in die Überlegungen einbezieht. Denn § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB etwa verlangt auf der Tatbestandsebene eine „so hergestellte Aufnahme“ – und setzt dabei nach h. M. eine unbefugte Aufnahme nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB voraus.621 Auf diese Weise werden die verschiedenen Begehungsvarianten zueinander in Bezug gesetzt: Inwieweit das Abspielen der Tonaufnahme strafbar ist, hängt (auch) davon ab, wie der vorangehende Herstellungsvorgang strafrechtlich bewertet wird. Diese zentrale Erkenntnis wirkt sich auch im Rahmen der hier untersuchten eigeninitiativen Suche nach Beweismitteln aus: Denn sollte etwa die heimliche private Tonaufnahme, die den Tatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt, gem. §§ 32, 34 StGB gerecht231; ders., Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 180; Ullenbloom, NJW 2019, 3108 (3110); B. Kramer, NJW 1990, 1760 (1761); Fischer, Strafgesetzbuch, § 201 Rn. 9; Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 201 Rn. 6; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201a Rn. 22; Klug, in: Sarstedt-FS, S. 101 (107); Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 137; Rengier, Strafrecht BT II, § 31 Rn. 7; Gössel/Dölling, Strafrecht BT 1, § 37 Rn. 62. Für § 201a StGB: Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 201a Rn. 28; Wieduwilt, K&R 2014, 627 (628); Heinrich, ZIS 2011, 416 (419); Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 282; Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 17; ders., JR 2005, 6 (10); Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahme, S. 191 f.; Hoppe, GRUR 2004, 990 (994); Hoyer, in: SK-StGB, § 201a Rn. 26; Sauren, ZUM 2005, 426 (431); Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201 Rn. 9. 618 Für § 201 StGB: Kunze, Das Merkmal „unbefugt“, S. 122 f.; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 13; Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 40 f.; Wietz/Zlobinski, in: Matt/Renzikowski, § 201 Rn. 4; Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 230. Für § 201a StGB: Graf, in: MüKo-StGB4, § 201a Rn. 84; Flechsig, ZUM 2004, 605 (612); Tag, in: Dölling/Duttge/König/ Rössner, HK-GS, § 201a StGB Rn. 7; Bosch, Jura 2016, 1380 (1387); ders., in: SSW-StGB, § 201a Rn. 23. 619 Für § 201 StGB: AG Hamburg NJW 1984, 2111; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 13, 29; Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (148); Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 50; Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 41; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201 Rn. 9; Bosch, in: SSW-StGB, § 201 Rn. 12; Wietz/Zlobinski, in: Matt/Renzikowski, § 201 Rn. 4. Anders hingegen Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 278, der im Merkmal „unbefugt“ einen Rekurs auf eine allgemeine Interessen- und Güterabwägung erblickt. Für § 201a StGB: Graf, in: MüKo-StGB4, § 201a Rn. 85. Zum Ganzen schließlich auch Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 344 f. 620 Graf, in: MüKo-StGB4, § 201a Rn. 84. 621 Siehe bereits hier statt aller Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 16. Umfassend zum Ganzen noch Teil 4, A. I. 1.
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fertigt sein, stellt sich die Frage, ob das Abspielen einer solchen Aufnahme überhaupt noch § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB unterfallen kann.622 Vor diesem Hintergrund hängt die tatbestandliche Reichweite des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB entscheidend davon ab, wie das Merkmal unbefugt zu verstehen ist.623 Folglich ist bereits an dieser Stelle näher auf das Begriffsverständnis einzugehen. Regelmäßig werden historische Erwägungen bemüht,624 die dafür sprächen, dem Begriff unbefugt ausschließlich einen Hinweis auf die Rechtfertigungsgründe zu attestieren, die im Anwendungsbereich der §§ 201, 201a StGB besonders häufig vorlägen und insoweit stets präzise zu prüfen seien.625 Der einstige § 183 StGB-E 62, der seinerseits § 201 StGB als Vorbild diente, habe die Zustimmung des Betroffenen ausdrücklich als tatbestandsauschließendes Einverständnis eingeordnet.626 Da sich der Gesetzgeber sodann aber gegen diese Fassung – und für das Merkmal unbefugt – entschieden habe,627 zeige dies, dass er von einem divergierenden Begriffsverständnis ausgehe und ausschließlich auf die Rechtfertigungsebene verweise.628 Bei Lichte besehen darf dem Gesetzgeber ein solcher Wille indes nicht unterstellt werden; vielmehr enthält sich dieser ausdrücklich einer Stellungnahme und nimmt hinsichtlich der näheren Ausgestaltung die rechtsprechende Gewalt in die Pflicht.629 Für einen schlichten Hinweis auf die Rechtfertigungsgründe streitet hingegen, dass die Tatbestände der §§ 201, 201a StGB auch ohne das besondere Merkmal des unbefugten Handelns hinreichend präzise gefasst sind, und folglich für sich betrachtet bereits das typische Unrecht der Tat beschreiben.630 In besonderem Ausmaß gilt dies für § 201a StGB, der gerade in seinem Abs. 1 Nr. 1 StGB ohnehin nur einen überschaubaren tatbestandlichen Anwendungsbereich aufweist.631 Nicht zuletzt 622 Abstrakt zu diesem Problem auch Kunze, Das Merkmal „unbefugt“, S. 117 f.; Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (146 ff.). 623 Darauf weist Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, Vorb. zu §§ 201 ff. Rn. 13 ausdrücklich hin. 624 Umfassend Kunze, Das Merkmal „unbefugt“, S. 118 ff. 625 So etwa Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 201 Rn. 6. 626 Dazu auch Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 40. 627 BT-Drs. 7/550, S. 236. 628 So etwa Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 201 Rn. 6; A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 84. 629 BT-Drs. 7/550, S. 236; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 13. Dazu auch Kühl, in: Lackner/ Kühl, Vorb. zu §§ 201 ff. Rn. 2; KG NJW 2008, 3449. Kunze, Das Merkmal „unbefugt“, S. 111 spricht von einem Ausweichen des Gesetzgebers. Kritisch insoweit Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 178. In der Gesetzesbegründung zu § 201a StGB wird pauschal auf das bisherige Verständnis der §§ 201 ff. StGB verwiesen, BT-Drs. 1/2466, S. 5. 630 Teilweise zweifelnd hinsichtlich des § 201 StGB Kunze, Das Merkmal „unbefugt“, S. 113. 631 Dazu A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 37; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201a Rn. 9; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201a Rn. 26; Sauren, ZUM 2005, 426 (431); Hoppe, GRUR 2004, 990 (994); Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 191. Vor diesem Hintergrund gehen
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spricht auch der Wortlaut für ein einheitliches Begriffsverständnis,632 so dass sich das Attribut unbefugt darin erschöpft, explizit auf die besonders häufig zu prüfenden Rechtfertigungsgründe zu verweisen. Ungeachtet der zuvor dargestellten Diskussion dürfte dieses Merkmal auch dazu beigetragen haben, dass sich im Anwendungsfeld der § 201, 201a StGB zahlreiche Vorschläge darüber finden, welche weiteren besonderen Rechtfertigungsgründe anzuerkennen sind.633 Auf diese – zu deren prominentesten Ausflüssen die notwehrähnliche Lage und die Wahrnehmung berechtigter Interessen gem. § 193 StGB analog rechnen – ist sogleich zurückzukommen. 3. Anerkannte Rechtfertigungsgründe – §§ 32, 34 StGB Zunächst rücken jedoch die anerkannten Rechtfertigungsgründe der §§ 32, 34 StGB ins Blickfeld der Betrachtung. Regelmäßig beschränken sich die einschlägigen Stellungnahmen jedoch auf wenige Grundaussagen, die zu scheinbar eindeutigen Ergebnissen führen. Dies betrifft beispielsweise die heimliche Tonaufnahme einer erpresserischen Drohung, die wegen des gegenwärtigen Angriffs gem. § 32 StGB gerechtfertigt und somit nicht gem. § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar sein soll.634 Ebenso verbreitet ist die Erkenntnis, wonach das bloße Beweisinteresse nicht genügt,
einzelne Stimmen auch von einem unterschiedlichen Begriffsverständnis bei § 201 StGB einerseits und § 201a StGB andererseits aus, Kühl, in: Lackner/Kühl, Vorb. zu §§ 201 ff. Rn. 2; Kunze, Das Merkmal „unbefugt“, S. 122 ff. 632 Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 31. 633 Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, Vorb. zu §§ 201 ff. Rn. 10 ff.; Hoyer, in: SK-StGB, Vorb. zu § 201 Rn. 13; Fischer, Strafgesetzbuch, § 201 Rn. 11. Vgl. auch OLG Karlsruhe NJW 1979, 1513 (1514): „In diesem Zusammenhang ist häufiger als sonst Raum für richterliche Abwägung und Wertung“. Ebenso Ullenbloom, NJW 2019, 3108 (3110). Instruktiv zu den unterschiedlichen Verständnismöglichkeiten auf der Ebene der Rechtswidrigkeit Kunze, Das Merkmal „unbefugt“, S. 113 ff. 634 Für eine Rechtfertigung gem. § 32 StGB: Rengier, Strafrecht AT, § 18 Rn. 93; Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 290; Haug, NJW 1965, 2391 (2392); Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 254; Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 42; Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 50; Otto, in: Kleinknecht-FS, S. 319 (334); Brunhöber, GA 2010, 571 (580); Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 296; Weiss, Heimliche Tonaufnahmen durch Strafverfolgungsorgane, S. 31. So auch Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 31a, der allerdings darauf hinweist, dass die Frage des gegenwärtigen Angriffs keinesfalls unumstößlich ist. A. A. Larenz, in: 42. Deutscher Juristentag, D 28, der bereits von einer notwehrähnlichen Lage spricht. Vgl. zudem die Ausführungen in BGHZ 27, 284 (290), nach denen eine Rechtfertigung durch Notwehr oder notwehrähnliche Lage in Betracht komme. Zu einem anderen Ergebnis müsste wohl auch Arzt, MDR 1965, 344 (345) gelangen, obschon sich dieser zur heimlichen Tonaufnahme nicht explizit verhält. Da seiner Konzeption nach allerdings der Angriff auf die Willensfreiheit mit der Kundgabe abgeschlossen ist, dürfte die Tonbandaufnahme konsequenterweise nicht geeignet sein, diesen zu beseitigen. Grundsätzlich zur keinesfalls unumstrittenen Rechtfertigung gem. § 32 StGB gegen Erpressungen Amelung, GA 1982, 381.
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um eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB zu begründen.635 Dieser schlichte Rekurs auf vermeintlich unzweifelhafte Fallgestaltungen versperrt indes den Blick auf die dogmatische Konzeption der überkommenen Rechtfertigungsgründe. Voranzustellen ist zunächst, dass der Rückgriff auf die §§ 32, 34 StGB nicht allein deshalb ausscheidet, weil der Private ein Anliegen verfolgt, dem nach der legislatorischen Konzeption grundsätzlich staatliche Stellen nachgehen. In Bezug genommen ist damit das Spannungsverhältnis zwischen privaten Ermittlungen und der staatlichen Strafverfolgung durch Polizei und Staatsanwaltschaft.636 Einzelne Stimmen postulieren, eine Rechtfertigung müsse von vornherein ausscheiden, wenn das Vorgehen einer Privatperson darauf abziele, das Geständnis einer verdächtigen Person heimlich mittels eines technischen Geräts aufzunehmen,637 oder eine fremde Konversation auf Verdacht mittels eines Abhörgeräts i. S. d. § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB zu belauschen, um auf diese Weise dem Strafverfolgungsinteresse zu dienen.638 Aufgrund der strafprozessualen Wertentscheidungen – vornehmlich der §§ 100a ff. StPO – sei eine solche gezielte Ermittlungsmaßnahme ausschließlich den staatlichen Stellen vorbehalten.639 Eine private Tonaufnahme, die ein Geständnis beinhaltet, könne vor diesem Hintergrund allenfalls dann gem. § 34 StGB gerechtfertigt sein, wenn der Aufnehmende „quasi rein zufällig“ von diesem Kenntnis erlange.640 Außerdem dürften dem Privaten ohnehin keine weitergehenden Befugnisse als den Strafverfolgungsbehörden zustehen, sofern die eigeninitiative Maßnahme ausschließlich dazu diene, dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse zum Durchbruch zu verhelfen.641 Diesen Erwägungen ist jedoch zu widersprechen: Die strafprozessualen Normen adressieren – wie bereits ausgeführt – allein die staatlichen Strafverfolgungsbehörden, ohne sich zu eigeninitiativen Ermittlungsmaßnahmen durch 635 Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 44; Valerius, in: LK-StGB12, § 201a Rn. 38; Hoppe, GRUR 2004, 990 (994); Gertzen, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 131. 636 Dazu schon Teil 1, B. II. 1. 637 Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 181; Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 60 f. sub specie des § 34 StGB, der insoweit den Gedanken der „Gefahrprovokation“ bemüht und dabei ersichtlich Parallelen zur Notwehrprovokation im Kontext des § 32 StGB zieht. 638 Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 31b. 639 Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 84 ff.; Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 181 m. w. N.; Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 86 f., bezogen auf die heimliche Telefonüberwachung; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 31b, allerdings ausschließlich auf das Abhören „auf Verdacht“ bezogen. Eine heimliche Tonaufnahme könne hingegen gem. § 34 StGB gerechtfertigt sein. Zu dieser Differenzierung zwischen „Belauschen“ und „Fixieren durch einen Gesprächspartner“ Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 70 f., nach dem das „Fixieren“ weniger schwer wiegt. Dagegen jedoch zutreffend Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 299 f. 640 Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 61. 641 Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 285; Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 74.
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Private zu verhalten. Vor diesem Hintergrund lässt sich den §§ 100a ff. StPO auch keine pauschale Aussage dazu entnehmen, inwieweit gezielte Ton- und Bildaufnahmen durch Private, die einem konkreten Verdacht nachgehen und dabei die Tatbestände der §§ 201, 201a StGB verletzen, einer materiell-rechtlichen Rechtfertigung zugänglich sind oder aber nicht.642 Der vermeintliche Vorrang staatlicher Strafverfolgung sperrt nach alledem nicht von vornherein einen Rekurs auf die anerkannten Rechtfertigungsgründe oder schließt spezifische Konstellationen kategorisch von den §§ 32, 34 StGB aus.643 Gleichwohl sind die aufgezeigten Bedenken nicht vorschnell zu vernachlässigen: Auch wenn diese einer Rechtfertigung nicht generell entgegenstehen, beeinflussen sie einzelne Voraussetzungen der Erlaubnissätze erheblich. Auch hierauf sollen die nachfolgenden Ausführungen eine Antwort geben. a) Notwehr gem. § 32 StGB An der Spitze der strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe steht das schneidige Notwehrrecht aus § 32 StGB, das einen intensiven Eingriff in die Rechtsgüter des Angreifers gestattet, ohne dabei eine Interessen- und Güterabwägung im Einzelfall zu verlangen. aa) Notwehrlage Gem. § 32 Abs. 2 StGB bedarf es zunächst eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs, um die weitreichenden Notwehrbefugnisse überhaupt auslösen zu können. Aus der Perspektive der privaten Beweismittelsuche folgt aus dieser Vorgabe eine zentrale Einschränkung des Notwehrrechts in temporaler Hinsicht: § 32 StGB erfasst von vornherein nur solche Verteidigungshandlungen, die in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einem Angriff stehen.644 Vor diesem Hintergrund liegen nachträgliche Ermittlungsmaßnahmen, die erst im Anschluss an eine bereits abgeschlossene Rechtsverletzung einsetzen, schlechthin außerhalb des Anwendungsbereichs.645 Insbesondere ist der Rückgriff auf das verfolgte Interesse des privaten Beweismittelsuchers, einen schuldigen Täter zu überführen bzw. einen zivilrecht642 Abweichend hingegen Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 84 ff., der von einer Sperrwirkung der §§ 100a ff. StPO ausgeht. Vgl. auch Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 241 ff., der sich – allerdings im Hinblick auf polizeiliche Tonaufnahmen – kritisch mit der limitativen Funktion der strafprozessualen Eingriffsnormen befasst. 643 So auch Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 102. Vgl. auch Pelz, NStZ 1995, 305 (306 f.). 644 Nach der gemeinhin anerkannten Definition ist ein Angriff gegenwärtig, „wenn er unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch fortdauert“. Statt aller Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 21; Rengier, Strafrecht AT, § 18 Rn. 19. 645 Insoweit konstatiert Brunhöber, GA 2010, 571 (580) zutreffend, dass es regelmäßig darum geht, eine bereits beendete Straftat aufzuklären.
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lichen Anspruch durchzusetzen oder abzuwehren, nicht geeignet, um einen notwehrfähigen Angriff zu begründen. Da sich § 32 StGB nach nahezu einhelliger Ansicht auf die Verteidigung von Individualrechtsgütern beschränkt,646 scheiden der staatliche Strafverfolgungsanspruch647 oder die Rechtspflege von vornherein als maßgebliche Anknüpfungspunkte aus.648 Eine Nothilfe zugunsten des Staates ist grundsätzlich verboten.649 Allerdings konzentriert sich die eigeninitiative Suche nach Beweismitteln typischerweise nicht allein darauf, staatliche Interessen oder solche der Allgemeinheit wahrzunehmen.650 Vielmehr bezwecken die betroffenen Privatpersonen wohl primär, eigene Interessen zu verfolgen und somit individuelle Rechtsgüter zu schützen. Gleichwohl fehlt es auch aus diesem individualrechtlichen Blickwinkel an einem notwehrfähigen Rechtsgut, wobei insoweit zwischen strafund zivilprozessualen Erwägungen zu differenzieren ist. In strafverfahrensrechtlicher Hinsicht hat vor allem Suppert die notwehrrechtlichen Konsequenzen untersucht, die aus einem privaten Strafverfolgungsanspruch folgten.651 Dem Verletzten einer Straftat erwüchse die Möglichkeit, intensive Rechtsgutsverletzungen vorzunehmen, um das begangene Unrecht aufzuklären und sein persönliches Verfolgungsinteresse zu befriedigen. Hierdurch gerieten die überkommenen strafprozessualen Maximen, die auch dem Schutz des Beschuldigten und dessen Menschenwürde dienten, ins Wanken.652 Über den Hebel des § 32 StGB könnten dem Privaten letztlich sämtliche Ermittlungsbefugnisse, die nach der legislatorischen Vorstellung grundsätzlich den staatlichen Strafverfolgungsbehörden vorbehalten sind, zugebilligt werden. Dies würde jedoch dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, der in § 127 Abs. 1 StPO eine besondere Regelung getroffen hat, die dem Privaten nur ausnahmsweise erlaubt, anstelle des Staates und zu dessen Gunsten in fremde Rechtspositionen einzugreifen.653 Da sich die rechtfertigende Wirkung jedoch nur 646 BGHSt 5, 245 (247); Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 36; Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 84, 100; Perron/Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 5, 8; Hoyer, in: SK-StGB, § 32 Rn. 15; Engländer, Grund und Grenzen der Nothilfe, S. 271. Instruktiv schließlich auch Keller, Rechtliche Grenzen der Provokation von Straftaten, S. 280 ff. A. A. Schroeder, in: MaurachFS, S. 127 (141). 647 Kritisch zum Begriff des Strafverfolgungsanspruchs im vorprozessualen Stadium A. Popp, Verfahrenstheoretische Grundlagen der Fehlerkorrektur im Strafverfahren, S. 137 Fn. 182. 648 So auch Scheuerl/Glock, NStZ 2018, 448 (449). 649 Rengier, Strafrecht AT, § 18 Rn. 10. 650 Vgl. auch Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 89, der – allerdings im Kontext des § 34 StGB – ein „privates Beweisführungsinteresse“ hervorhebt, das das „strafrechtliche Genugtuungsinteresse“ realisieren solle. 651 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 350 f. Ebenso Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 266. Dabei konzentrieren sich die Autoren indes auf die Konstellation, in der der Angeklagte in einer gerichtlichen Verhandlung wahrheitswidrig aussagt. Gleichwohl lassen sich die Erwägungen auch in den außerprozessualen Kontext transferieren. 652 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 350. 653 Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 36.
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auf ausgewählte Situationen und spezifische Verteidigungsmaßnahmen beschränkt, darf diese legislatorische Aussage nicht durch einen umfassenden Rückgriff auf das Notwehrrecht unterlaufen werden. Schließlich ist auch zu bedenken, dass § 32 StGB – im Unterschied zum rechtfertigenden Notstand gem. § 34 StGB – auf eine einzelfallgeprägte Interessenabwägung verzichtet und nur in außergewöhnlichen Fällen wie etwa bei einem besonders krassen Missverhältnisses zwischen Eingriffs- und Erhaltungsgut rechtsethische Restriktionen kennt.654 Um das schneidige Notwehrrecht von vornherein angemessen zu beschränken, muss ein privater Strafverfolgungsanspruch als notwehrfähiges Individualrechtsgut ausscheiden.655 Diese Erkenntnisse lassen sich zwar nicht deckungsgleich auf ein zivilrechtliches Verfolgungsinteresse übertragen, da die Zivilprozessordnung ein behördliches Aufklärungsverfahren, das außerhalb des Gerichtsprozesses stattfindet, gerade nicht kennt. Vielmehr ist es die prozessual ureigene Aufgabe der beteiligten Parteien, ihnen günstige Tatsachen vorzubringen und – im Bestreitensfall – schließlich auch zu beweisen.656 Nichtsdestoweniger führte eine umfassende Notwehrbefugnis gleichermaßen dazu, insbesondere dem Inhaber eines zivilrechtlichen Anspruchs weitreichende Eingriffsrechte zuzugestehen – und seine Forderung notfalls auch mittels Zwangs durchzusetzen. Einem solchen Verständnis stehen ersichtlich die Wertungen der §§ 229, 230 BGB entgegen, die eine Selbsthilfe nur in engen Grenzen anerkennen und insoweit einen Rückgriff auf das schneidige Notwehrrecht ausschließen.657 Greift man die Beschreibungsversuche der eigeninitiativen Beweismittelsuche auf, wird offensichtlich, dass sich das Notwehrrecht auf die Fälle der privaten Beweismitteldokumentation beschränkt, in denen der Private beabsichtigt, den rechtswidrigen Vorgang, um dessen Nachweis es ihm geht, festzuhalten.658 Regelmäßig stehen dabei heimliche Tonaufnahmen von erpresserischen Drohungen oder ehrverletzenden Äußerungen im Vordergrund,659 da die verbale Kundgabe unzweifelhaft einen gegenwärtigen Angriff auf notwehrfähige Rechtsgüter darstellt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass eine Rechtfertigung gem. § 32 StGB nur dann in 654
Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 214 ff.; Rengier, Strafrecht AT, § 18 Rn. 57 ff. Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 350 spricht insoweit davon, das Übel bereits an der Wurzel zu packen. 656 Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 110. 657 Rengier, Strafrecht AT, § 18 Rn. 18; Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 35. Auch Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 249 lehnt eine Rechtfertigung gem. § 32 StGB ab, wenn es um die „Gefahrenabwehr vor Beginn des Prozesses“ geht. Zur Rechtfertigung gem. § 34 StGB in diesen Fallkonstellationen Teil 2, C. IV. 3. b) aa) (3). 658 Dazu Teil 1, B. III. 659 Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 182; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 31a, der außerdem telefonische Bombendrohungen und Entführungsfälle nennt. Vgl. auch B. Kramer, NJW 1990, 1760 (1762). Zu Beleidigungen schließlich auch OLG Frankfurt NJW 1967, 1047. Zu beachten ist insoweit, dass das Urteil einer Zeit entstammt, zu der die heimliche Tonaufnahme (noch) nicht strafbewehrt war. 655
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Betracht kommt, wenn der gesamte Aufnahmevorgang den gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff eines anderen Menschen betrifft. Es genügt sonach nicht, wenn der private Beweismittelsucher ein Telefongespräch unbemerkt aufzeichnet, weil er befürchtet, in diesem könnte es zu einer erpresserischen Drohung kommen.660 Selbst dann, wenn sich der Verdacht im Verlauf des Gesprächs tatsächlich bestätigt, legitimiert dies nicht die Aufzeichnung des gesamten Telefonats, da es zu Beginn an einem gegenwärtigen Angriff gerade noch fehlte. Der Aufnehmende müsste mithin zunächst abwarten – und das Aufnahmegerät erst dann aktivieren, wenn der Gesprächspartner dazu ansetzt, die verbale Drohung kundzutun. Da ein solches Verhalten freilich nicht stets voraussehbar ist, besteht die faktische Gefahr, dass die Aufnahme zu spät einsetzt – und etwa maßgebliche Teile der erpresserischen Drohung nicht erfasst.661 Letztlich sind diese tatsächlichen Schwierigkeiten jedoch in der Struktur des § 32 StGB angelegt, und wirken sich im Kontext der privaten Beweismitteldokumentation in besonderem Umfang aus. bb) Notwehrhandlung Nach unbestrittener Auffassung setzt die Rechtfertigung gem. § 32 StGB voraus, dass sich die Verteidigungshandlung ausschließlich gegen Rechtsgüter des Angreifers richtet und sonach keine unbeteiligten Personen tangiert.662 Sofern dies nicht gewährleistet ist – und beispielsweise eine heimliche Tonaufnahme auch die Stimmen von außenstehenden Dritten speichert –, bleibt allein der Rekurs auf den rechtfertigenden Notstand gem. § 34 StGB, der auch Eingriffe in die Rechtsgüter Unbeteiligter erlaubt. Weitaus größere dogmatische Schwierigkeiten bereitet indes die Frage, inwieweit die private Beweismitteldokumentation überhaupt geeignet ist, den gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff zu beenden. Denn nur in wenigen Ausnahmefällen dürfte die bloße Beweismittelsuche für sich betrachtet dazu führen, dass der Angreifer sein rechtswidriges Verhalten einstellt. Möglich wäre dies etwa dann, wenn der Erpresser bereits deshalb von seinem Vorhaben absieht, weil er bemerkt, dass das Erpressungsopfer seine Stimme zu Beweiszwecken aufnimmt und befürchtet, anhand der Aufnahme später überführt zu werden.663 Da sich die privaten Recherchen indes typischerweise auf heimliche Vorgehensweisen beschränken, ruft die Rechtfertigung gem. § 32 StGB nach wie vor ungeklärte Streitfragen hervor. 660
Vgl. auch Klug, in: Sarstedt-FS, S. 101 (125), der zutreffend betont, dass Tonaufnahmen, die aus reiner Neugier erfolgen, nicht gem. § 32 StGB gerechtfertigt werden können. 661 Klug, in: Sarstedt-FS, S. 101 (126), der von einer „Schrecksekunde“ spricht. Umgekehrt besteht auch das Risiko, das Aufnahmegerät nicht rechtzeitig abzuschalten, Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 113. 662 Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 32 Rn. 80; Rengier, Strafrecht AT, § 18 Rn. 31; Warda, Jura 1990, 344 (349). 663 Arzt, JZ 1973, 506 (508) zu einem vergleichbaren Fall, in dem bereits die Androhung einer Anzeige genügt, den Erpresser von seinem Vorhaben abzubringen.
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(1) Grundlegendes Begriffsverständnis der Eignung Obschon die einzelnen Vorgaben der Eignung nach wie vor nicht vollumfänglich geklärt sind,664 besteht ein grundlegender Konsens darüber, dass eine Verteidigungshandlung jedenfalls dann geeignet ist, wenn sie den Angriff sofort und ohne weitere Zwischenschritte abzuwenden vermag.665 Um das Notwehrrecht dabei nicht von vornherein auf besonders effektive Verteidigungshandlungen zu beschränken, spricht sich die herrschende Ansicht dafür aus, dieses Merkmal möglichst weit zu interpretieren.666 Vor diesem Hintergrund ist eine ergriffene Verteidigungsmaßnahme bereits dann geeignet, wenn sie nicht gänzlich aussichtslos erscheint,667 sondern den Angriff abschwächen oder aber verzögern kann.668 (2) Spezifische Probleme der privaten Beweismitteldokumentation Trotz dieses weiten Begriffsverständnisses, das auch im Rahmen dieser Untersuchung zugrunde gelegt werden soll, ist streitig, ob die private Beweismitteldokumentation überhaupt geeignet sein kann, einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff zu beseitigen.669 Während etwa der tödliche Schuss auf einen Verfolger dazu führt, dass dessen Rechtsgutsangriff unmittelbar endet,670 scheint die heimliche Bildoder Tonaufnahme eines unerlaubten Verhaltens dieses nicht zu beseitigen – sondern auf den ersten Blick sogar zu perpetuieren.671 Das flüchtig gesprochene und sonach 664
Statt aller Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 150 ff., der auf dieses Erfordernis sogar gänzlich verzichten will. Abweichend indes Perron/Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 35. Im Kern geht es dabei um die hier nicht relevante Frage, ob auch dem gänzlich unterlegenen Opfer einzelne gerechtfertigte Verteidigungshandlungen zu gestatten sind. Instruktiv zum Ganzen Warda, Jura 1990, 344. 665 BGHSt 28, 336 (337); BGH NStZ 2005, 85 (86); NStZ 2019, 598; Rengier, Strafrecht AT, § 18 Rn. 33; Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 32 Rn. 89; Fischer, Strafgesetzbuch, § 32 Rn. 28. 666 Perron/Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 35; Warda, Jura 1990, 344 (345). 667 Instruktiv zur Frage, welcher Maßstab insoweit für die Eignung anzulegen ist, Warda, Jura 1990, 344 (348 ff.). Dieser spricht sich sodann dafür aus, jede auch nur geringste Aussicht genügen zu lassen. 668 Warda, Jura 1990, 344 (347); Fischer, Strafgesetzbuch, Rn. 29; Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 32 Rn. 89 spricht davon, dass Maßnahmen nur „hilfreich“ erscheinen müssen. Zum Ganzen Hoyer, in: SK-StGB, § 32 Rn. 54 ff. 669 Dabei beleuchten sowohl Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 248 ff. als auch Wölfl, Jura 2000, 231 (233) diesen Aspekt aus dem Blickwinkel des Verteidigungsbegriffs. Ähnlich auch Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 242 f. 670 Vor diesem Hintergrund konstatiert Warda, Jura 1990, 344 (345) zutreffend, dass die Eignung „in den meisten Fällen keine Schwierigkeiten“ bereitet. Zur streitigen Frage, inwieweit die Tötung des Erpressers gem. § 32 StGB gerechtfertigt werden kann, Roxin/Greco, AT I, § 25 Rn. 54, 100 ff.; Perron/Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 18 m. w. N. 671 Expressis verbis Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 243; Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 98. Ferner Liermann, Die Tonbandaufnahme als Beweismittel im Strafprozeß, S. 39, der betont, dass etwas anderes gelten müsse, sofern es sich
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grundsätzlich vergängliche Wort erfährt eine dauerhafte Fixierung, wenn etwa das Opfer einer erpresserischen Drohung eben diese heimlich aufnimmt. Umgekehrt ermöglicht nicht selten erst eine heimliche Tonaufnahme, die Identität des Erpressers anhand der aufgezeichneten Stimme zu ermitteln. Sofern dem Privaten eine solche Aufnahme gelingt, fördert dies zumeist die Maßnahmen der staatlichen Strafverfolgungsbehörden, die den Täter fassen und schließlich in einem Strafprozess verurteilen können.672 Eine effektive und zugleich endgültige Abwehr des erpresserischen Angriffs lässt sich dabei frühestens in dem Moment begründen, in dem die Ermittlungsbehörden den verantwortlichen Täter aufgespürt und festgenommen haben. Das beweissichernde Verhalten des Privaten stellt insoweit bloß eine Vorstufe dar, die indes in zahlreichen Fällen entscheidend sein dürfte.673 Die Frage, ob notwendige Vorbereitungsmaßnahmen für sich betrachtet gem. § 32 StGB gerechtfertigt werden können, spielt außerhalb der privaten Beweismitteldokumentation allenfalls eine untergeordnete Rolle. Dies ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass bloße Vorkehrungen, die der Verteidiger trifft, um sich auf einen späteren Angriff, den er bereits (sicher) voraussieht, vorzubereiten, vielfach noch nicht mit Strafe bedroht sind. Beispielsweise erfüllt noch keinen Straftatbestand, wer ein handelsübliches Küchenmesser bei sich führt, um auf einen erwarteten körperlichen Angriff reagieren zu können.674 Vor diesem Hintergrund muss die hier geführte Diskussion den tatbestandlichen Besonderheiten der §§ 201, 201a StGB Rechnung tragen, die – aus dem Blickwinkel der Notwehr – bereits reine Vorbereitungsmaßnahmen ausdrücklich pönalisieren. Da die Beweismitteldokumentation für sich betrachtet nicht geeignet ist, einen gegenwärtigen Angriff unmittelbar abzuwehren, stehen vereinzelte Stimmen auf dem Standpunkt, dieses Verhalten könne von vornherein nicht gem. § 32 StGB
um offene Tonbandaufnahmen handele. Zum Ganzen auch Klug, in: Sarstedt-FS, S. 101 (124). Im Kontext der Rechtfertigung bestimmter automatisierter Selbstverteidigungsanlagen unterscheidet Kunz, GA 1984, 539 (540) zwischen dem In-Wehr-Setzen und dem Zur-Wehr-Setzen. Das Installieren einer Verteidigungsanlage sei „noch keine fertige Verteidigung“; vielmehr setze sich der später Angegriffene damit erst „in Wehr“. Überträgt man diese Terminologie auf die heimliche Tonaufnahme, könnte auch diese nur ein In-Wehr-Setzen begründen. Vgl. zu dieser Transferüberlegung Wölfl, Jura 2000, 231 (233), obschon zwischen der Tonaufnahme des erpresserischen Anrufs und der vorbereitenden Installation einer Selbstverteidigungsanlage evidente Unterschiede bestehen. Zentral ist insoweit, dass im Zeitpunkt des Aufnahmevorgangs i. S. d. § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB bereits ein gegenwärtiger Angriff vorliegt, der hinsichtlich der Inbetriebnahme der automatisierten Anlage gerade noch fehlt. 672 Dazu auch Wölfl, Jura 2000, 231 (233); Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 248 f. 673 In diese Richtung teilweise auch Klug, in: Sarstedt-FS, S. 101 (125). Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 58 Fn. 254 spricht davon, dass die Aufnahme nur ein erster Schritt sein könne. 674 In der Diskussion steht hier allerdings, das Notwehrrecht wegen einer „Abwehrprovokation“ einzuschränken. Dazu Rengier, Strafrecht AT, § 18 Rn. 101 f.
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gerechtfertigt sein,675 wobei das gefundene Resultat angesichts der gleichlautenden Voraussetzung des § 34 StGB auch diesen ausschließt.676 Bei Lichte besehen führte ein solches Verständnis allerdings dazu, heimliche Bild- und Tonaufnahmen weitgehend von dem Anwendungsbereich der anerkannten Rechtfertigungsgründe auszunehmen.677 Da das spätere Gebrauchen – etwa durch Abspielen in einem gerichtlichen Verfahren – jedoch geeignet sein kann, einen fortdauernden Angriff zu beenden, resultierte hieraus ein normatives Ungleichgewicht: Der heimliche Aufnahmevorgang als solcher zöge stets das Verdikt der Strafbarkeit nach sich, wohingegen das nachfolgende Verwenden gem. §§ 32, 34 StGB erlaubt sein könnte. Bei näherer Betrachtung folgen diese Vorgänge, die in den §§ 201, 201a StGB jeweils eine eigenständige Verbotsnorm erfahren haben – und gerade deshalb nicht stets dasselbe rechtliche Schicksal teilen müssen –,678 indes nicht nur zeitlich aufeinander, sondern stehen darüber hinaus auch in einem logischen Zusammenhang.679 Denn ohne eine vorherige Aufnahme ließe sich eine solche auch nicht gebrauchen, so dass etwa Suppert den Aufzeichnungsvorgang in den Vordergrund rückt und das spätere Abspielen als „letztes, unwesentliches Glied in der Kette der Verteidigungsmaßnahmen“ zurücktreten lässt.680 So weit wird man allerdings gar nicht gehen müssen, da schon das weite Begriffsverständnis der Eignung eine klare dogmatische Linie vorgibt: Danach sind auch bloße Vorbereitungsmaßnahmen einer Rechtfertigung qua Notwehr zugänglich, wenn diese nur dazu beitragen, einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff abzuwehren.681 Entscheidend ist allerdings, dass bereits im Zeitpunkt der strafbewehrten Verteidigungshandlung ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff stattfindet, und ein solcher nicht erst zukünftig droht. Denn andernfalls läge lediglich eine Konstellation der sog. Präventivnotwehr vor, die jedoch nach zutreffender Ansicht keine Notwehrlage i. S. d. § 32 StGB zu begründen vermag.682 Daneben tritt ein zweiter Ge675 So wohl Nelles, in: Stree/Wessels-FS, S. 719 (733); Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 29. I. E. lehnt auch KG JR 1981, 255 eine Rechtfertigung gem. § 32 StGB ab. Vgl. zum Ganzen auch Balthasar, JuS 2008, 35 (37), der dann aber jedenfalls eine Konstellation der notwehrähnlichen Lage anerkennt. 676 Vgl. zu § 34 StGB und insb. zur Notstandshandlung Rengier, Strafrecht AT, § 19 Rn. 20. Zu den Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Eignung auch Warda, Jura 1990, S. 344. 677 In diese Richtung auch Klug, in: Sarstedt-FS, S. 101 (124 f.). Vgl. schließlich die Ausführungen bei Arzt, JZ 1973, 506 (508). 678 Instruktiv zur Frage, ob der Aufnahmevorgang am Rechtswidrigkeitsurteil des Gebrauchens teilhaben kann, Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 253. 679 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 249; ähnlich auch Wölfl, Jura 2000, 231 (233); Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 243. 680 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 253. 681 Vgl. etwa Klug, in: Sarstedt-FS, S. 101 (125), der es genügen lässt, wenn dies „mithelfen kann, diesen [den Erpresser] zu ermitteln, zu überführen und unschädlich zu machen“. 682 Zur h. M.: BGH NJW 1979, 2053; Perron/Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 14, 16; Roxin/ Greco, AT I, § 25 Rn. 27; Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 34
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sichtspunkt, der die Rechtfertigung der eigeninitiativen Beweismittelsuche ganz erheblich beeinflusst:683 Die vorbereitende Aufnahme kann überhaupt nur dann gem. § 32 StGB erlaubt sein, wenn der Angriff, der die konkrete Maßnahme erst ausgelöst hat, auch in dem Moment voraussichtlich noch gegenwärtig ist, in dem das Beweismittel gebraucht werden soll. Diese Voraussetzung liegt letztlich im dogmatischen Konstrukt des Notwehrrechts selbst begründet, da dieses einem Verteidiger gestattet, in rechtlich geschützte Positionen eines anderen einzugreifen, um auf diese Weise eine Beeinträchtigung der eigenen Rechtsgüter – oder der einer anderen Person – abzuwenden.684 Sofern dieser Angriff jedoch bereits abgeschlossen ist und somit gerade nicht mehr abgewehrt oder aber jedenfalls abgeschwächt werden kann, ist § 32 StGB nicht einschlägig.685 Aus dieser Erkenntnis folgt, dass eine tatbestandsmäßige Beweismitteldokumentation nicht gem. § 32 StGB gerechtfertigt werden kann, wenn sich das aufgenommene Geschehen in einem augenblicklichen Rechtsverstoß erschöpft. Dies gilt exemplarisch für verbale Ehrverletzungen, die der Beleidigte etwa mittels eines Smartphones unbemerkt aufzeichnet, da der Angriff mit der Kundgabe der beleidigenden Äußerung bereits vollendet ist und selbst eine spätere Verurteilung diesen nicht mehr beseitigen könnte.686 Das eigeninitiative Vorgehen dient mit anderen Worten nicht der Angriffsabwehr, sondern vielmehr dazu, die spätere Rechtsverfolgung zu gewährleisten.687 Anders ist hingegen mit der h. M. in den Fällen zu entscheiden, in denen es um die Aufnahme einer erpresserischen oder nötigenden Drohung geht: Zwar bleibt es insoweit ebenfalls dabei, dass die einzelne verbale Rn. 56. Vgl. noch RGSt 65, 159 (160), nach dem die Vorbereitung der Abwehr erlaubt sein soll. 683 Dazu auch Wölfl, Jura 2000, 231 (232); ders., Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 182. 684 Zu diesem Ziel des Notwehrrechts auch Warda, Jura 1990, 344 (345). 685 Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahme, S. 211 m. w. N.; Nelles, in: Stree/Wessels-FS, S. 719 (733); Perron/Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 16. 686 Ganz h. M.: Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 292; Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 98; Brunhöber, GA 2010, 571 (580); Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 40; Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 182; Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 255; Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 51; Nelles, in: Stree/Wessels-FS, S. 719 (733). Wird das Tonaufnahmegerät erst nach der Vollendung der beleidigenden Aussage aktiviert – etwa, um den Täter anhand der aufgezeichneten Stimme identifizieren zu können – liegt bereits kein gegenwärtiger Angriff i. S. d. § 32 StGB mehr vor, Graf, in: MüKo-StGB4, § 202 Rn. 51 sowie Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, § 15 Rn. 22 m. w. N. Eine Rechtfertigung gem. § 32 StGB halten hingegen Gössel/Dölling, Strafrecht BT 1, § 37 Rn. 69 für möglich, freilich ohne dies näher zu beleuchten. Zu einer Rechtfertigung gelangte man, wenn man die Aufnahme als milderes Mittel gegenüber einer – eher rechtfertigungsfähigen – gewaltsamen Verteidigung einstufte, vgl. Balthasar, JuS 2008, 35 (37 Fn. 54). Zur Diskussion, ob die Aufnahme tatsächlich als milderes Mittel einzustufen ist, Teil 2, C. IV. 4. d). 687 Balthasar, JuS 2008, 35 (37). Vgl. auch Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 80.
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Drohung durch eine heimliche Tonaufnahme nicht abgewehrt werden kann.688 Allerdings wirkt eine solche Drohung über ihre Kundgabe hinaus, indem sie die Willensfreiheit des Bedrohten fortlaufend beeinträchtigt, bis der Delinquent entweder von seinem Vorhaben abrückt – oder aber sein rechtswidriges Ziel erreicht.689 Da sonach auch im Zeitpunkt des intendierten Gebrauchs der zuvor angefertigten Aufnahme ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff vorliegt, kann bereits der Herstellungsvorgang als solcher gem. § 32 StGB gerechtfertigt werden. Dafür streitet auch, dass sich der erpresserische Angriff seinerseits aus mehreren Teilakten zusammensetzt, die sich über eine nicht unbeträchtliche Zeitspanne erstrecken können, und es sonach legitim erscheint, dem Notwehr Übenden ebenfalls eine solche Verteidigung zuzubilligen, die aus mehreren, miteinander verknüpften Maßnahmen besteht.690 Ein Ausschluss des Notwehrrechts in den Fällen der eigeninitiativen Beweismittelsuche könnte allenfalls aus der Subsidiarität des Notwehrrechts gegenüber einem staatlichen Rechtsschutzverfahren resultieren.691 Dem Privaten wäre es jedenfalls nicht von vornherein unmöglich, die staatlichen Ermittlungsbehörden auf die noch andauernde Erpressung hinzuweisen – und somit zu erreichen, dass sich diese auf Spurensuche begeben. In letzter Konsequenz führte dieser Gedanke unweigerlich dazu, das Notwehrrecht in den Fällen der eigeninitiativen Beweismittelsuche gänzlich zu versagen. Hiergegen streiten indes zwei entscheidende Erwä688 R. Schmitt, JuS 1967, 19 (24); zustimmend Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 248; Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 248. Ferner KG JR 1981, 254. Anders hingegen Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 42, der sich auf den Standpunkt stellt, dass die Drohung alleiniger Anknüpfungspunkt für das Notwehrrecht ist. In diese Richtung auch Haug, NJW 1965, 2391 (2392 Fn. 4). Vgl. ferner Eisenberg/Müller, JuS 1990, 120 (122). 689 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 285; zustimmend Krey, ZStW 90 (1978), 173 (183); ferner Perron/Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 18. So auch Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 52 f., obschon dieser bereits zur Tatbestandslosigkeit gelangt. Teilweise wird auf das kombinierte Unrecht des Erpressungstatbestands rekurriert, das sich aus einem Angriff auf die Willensfreiheit und das Vermögen zusammensetze, Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 182 m. w. N. In diese Richtung auch Graf, in: MüKo-StGB4, § 202 Rn. 50. Anders für nötigende Drohungen Tenckhoff, JR 1981, 255 (256). Schließlich finden sich auch Stimmen, die insoweit für eine Einordnung als sog. Dauerdelikt plädieren, Haug, MDR 1964, 548 (551). BGHSt 48, 207 (212) verwendet ebenfalls den Terminus der Dauergefahr. Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, § 15 Rn. 21 wiederum spricht von einem sog. Dauerangriff. Kritisch hingegen Baumann, MDR 1965, 346 (347). Zum Ganzen auch Amelung, GA 1982, 381 (385 f.); Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 29; Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 249 ff. 690 Wölfl, Jura 2000, 231 (233); ders., Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 184. Abweichend hingegen Arzt, MDR 1965, 344; ders., Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 92. Dieser unterscheidet zwischen dem Angriff auf das Vermögen, der durch schlichte Nichtzahlung abgewendet werden könne und demjenigen auf die Willensfreiheit, der bereits mit dem Ausspruch der Drohung abgeschlossen sei und insoweit nicht mehr abgewehrt werden könne. 691 Vgl. zu diesem Gedanken Lagodny, GA 1991, 300 (309 ff.).
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gungen: Zum einen kann das Notwehrrecht nicht ohne die tatsächlichen Bedingungen des staatlichen Rechtsschutzverfahrens beurteilt werden. Denn in den hier relevanten Fallkonstellationen gewährleistet regelmäßig erst das eigeninitiative Verhalten, dass es überhaupt eine realistische Chance gibt, den Rechtsverstoß aufzudecken –692 und damit den rechtswidrigen Angriff i. S. d. § 32 StGB abzuwehren. Zum anderen darf nicht unbeachtet bleiben, dass sich der Private in den Fällen der eigeninitiativen Beweismitteldokumentation schlussendlich in den Dienst des vorgesehenen Verfahrens stellt. Er beseitigt die Gefahr – im Unterschied zur streitigen Tötung des Erpressers – nicht eigenständig, sondern überlässt dies im Ergebnis den zuständigen staatlichen Stellen.693 (3) Eignung zur Angriffsabwehr – prozessualer Einschlag Da die Eignung das eingesetzte Mittel mit dem verfolgten Ziel verknüpft, hängt diese zwangsläufig auch von den Motiven und Vorstellungen des Handelnden ab. Pauschal betrachtet liegt der Zweck der ergriffenen Notwehrmaßnahme darin, den gegenwärtigen Angriff abzuwenden, wobei sich mitunter verschiedene Handlungsoptionen auftun. Die prozessuale Verwertung einer heimlichen Tonaufnahme, die eine erpresserische Drohung dokumentiert, stellt insoweit nur eine Möglichkeit dar, um die fortdauernde Rechtsgutsbeeinträchtigung zu beseitigen. Strebt der Aufnehmende aber dieses Ziel an, resultieren hieraus dieselben rechtlichen Fragestellungen wie im Kontext der persönlichkeits- und datenschutzrechtlichen Interessenabwägung. Entscheidend ist somit, inwieweit die Eignung ihrerseits davon abhängt, ob das Beweismittel in einem anschließenden Straf- oder Zivilverfahren verwertbar ist und sonach einen prozessualen Einschlag erfährt. Hierauf ist an zentraler Stelle zurückzukommen.694 (4) Relativ mildestes Verteidigungsmittel Die gewählte Verteidigungshandlung muss nicht nur geeignet sein, den Angriff zu beenden, sondern darüber hinaus in schonender – und zugleich effektiver – Weise erfolgen. Unter mehreren zur Verfügung stehenden und gleich effektiven Abwehrmöglichkeiten muss der Verteidiger diejenige ergreifen, die die Rechtsgüter des Angreifers am geringsten beeinträchtigt.695 In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, inwieweit das Notwehrrecht einer Privatperson gegenüber der staatlichen Angriffsabwehr, die grundsätzlich in geordneteren Bahnen verläuft,
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Für den zivilrechtlichen Anspruch Lagodny, GA 1991, 300 (314). Zu weiteren Argumenten, die innerhalb dieser Untersuchung schwerpunktmäßig im Kontext des rechtfertigenden Notstands erörtert werden, Teil 2, C. IV. 3. b) dd). 694 Teil 2, D. III. 695 Zum relativ mildesten Verteidigungsmittel Perron/Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 36 ff.; Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 129; Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NKStGB, § 32 Rn. 88 ff. 693
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subsidiär ist.696 Die Fallgestaltungen der eigeninitiativen Beweismittelsuche, in denen überhaupt ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff vorliegt, beschränken sich jedoch typischerweise auf solche Szenarien, in denen staatliche Hoheitsträger nicht anwesend sind. Darüber hinaus dürfte es regelmäßig ausgeschlossen sein, nicht präsente hoheitliche Hilfe herbeizuholen, ohne dabei die angegriffenen Rechtsgüter preiszugeben.697 Die Beeinträchtigung, die mit einer erpresserischen Drohung einhergeht, ist zwar über die verbale Kundgabe hinaus gegenwärtig, so dass die heimliche Tonaufnahme grundsätzlich geeignet sein kann, den fortdauernden Angriff abzuwehren. Nichtsdestoweniger ist eine ebenso effektive Verteidigungsmaßnahme durch die staatlichen Stellen nach dem Ausspruch der Drohung i. d. R. nicht mehr ohne Weiteres möglich, selbst wenn diese zeitnah herbeigerufen werden. Maßnahmen der eigeninitiativen Beweismittelsuche sind sonach – vorbehaltlich des prozessualen Einschlags – erforderlich, um eine erpresserische oder nötigende Drohung abzuwenden. cc) Subjektives Rechtfertigungselement – das Beweisinteresse Da sich die Verteidigungshandlung nach dem zuvor Gesagten über einen längeren Zeitraum erstreckt, bedarf auch das subjektive Rechtfertigungselement einer themenspezifischen Überprüfung. Die Eignung der privaten Beweismitteldokumentation steht in einem gewissen Konnex zum späteren Gebrauch der Aufnahme – obschon insoweit unerheblich ist, ob der eigeninitiative Beweismittelsucher sein anvisiertes Ziel schlussendlich auch erreicht.698 Selbst wenn also das entscheidende Gericht auf dem Standpunkt steht, der angebotenen Tonaufnahme lasse sich nicht mit letzter Sicherheit entnehmen, wer die erpresserische Drohung ausgesprochen habe, erweist sich die Beweissicherung aus der maßgeblichen objektivierten ex-antePerspektive699 nicht von vornherein als aussichtslos, und ist somit i. S. d. § 32 StGB geeignet. Trotz dieses weiten Begriffsverständnisses der Eignung – sowie der ohnehin geringen Hürden des Notwehrrechts –700 genügt allein der temporale und logische Zusammenhang, der zwischen dem Herstellen einer Aufnahme und dem nachfolgenden Verwenden besteht, noch nicht, um die Rechtfertigung gem. § 32 StGB zu begründen. 696 Dazu Engländer, Grund und Grenzen der Nothilfe, S. 154 ff.; Arzt, in: Schaffstein-FS, S. 77 (80 ff.); Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 119 ff.; ders., in: Lackner/Kühl, § 32 Rn. 11a; Perron/Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 41; Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 140 ff.; Rönnau/ Hohn, in: LK-StGB13, § 32 Rn. 183; Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NKStGB, § 32 Rn. 96. Kritisch zur Subsidiarität Pelz, NStZ 1995, 305 (307 ff.). 697 Allgemein zu diesem Gedanken BGH VRS 30, 281 (282); Engländer, Grund und Grenzen der Nothilfe, S. 174 ff.; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 32 Rn. 11a; Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 141. Im Kontext des § 34 StGB BGHSt 39, 133 (137). 698 Dazu Warda, Jura 1990, 344 (347). 699 Rengier, Strafrecht AT, § 18 Rn. 47; Warda, Jura 1990, 344 (347 f.). 700 Warda, Jura 1990, 344 (350).
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Als entscheidendes Verbindungsglied erweist sich dabei das subjektive Rechtfertigungselement: Da sich das Notwehrrecht darauf richtet, einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff abzuwenden, muss sich auch die innere Einstellung des Verteidigers darauf beziehen.701 Weil sich jedoch die Angriffsabwehr in den Fällen der privaten Beweismitteldokumentation nur über den nachfolgenden Gebrauch endgültig begründen lässt, kann das eigeninitiative Anfertigen des Beweismittels nur dann gem. § 32 gerechtfertigt sein, wenn der Verteidiger bereits zu diesem Zeitpunkt den Willen gefasst hat, das Beweismittel später auch zu nutzen.702 Insoweit ist Suppert zuzustimmen, der betont, erst der verfolgte Zweck verrate, ob die „verteidigungsneutrale“ Tonaufnahme qua Notwehr erlaubt sei.703 Mit anderen Worten verlangt das subjektive Rechtfertigungselement somit, dass der Beweismittelsucher bezweckt, einen gegenwärtigen Rechtsverstoß zu dokumentieren, um den hieraus resultierenden fortdauernden Angriff später dadurch abwenden zu können, indem er das angefertigte Beweismittel verwendet. Bei näherem Hinsehen ist dabei wiederum das Beweisinteresse in Bezug genommen, das schon die datenschutz- und persönlichkeitsrechtliche Interessenabwägung entscheidend beeinflusst hat.704 Da § 32 StGB aber seinerseits gerade keine Interessen- und Güterabwägung verlangt, muss die Beweisintention insoweit auch nicht in verschiedene Kategorien unterteilt werden, die das Gewicht des verfolgten Interesses beschreiben. Hieraus folgt schließlich eine weitere zentrale Erkenntnis, die den gesamten Anwendungsbereich der privaten Beweismittelsuche durchzieht: Das Beweisinteresse formuliert eine wesentliche rechtliche Bedingung, die erfüllt sein muss, um eine eigeninitiative Sicherung von entscheidungsrelevanten Informationen zu erlauben. dd) Ergebnis für die Notwehrrechtfertigung Die Anwendungsfälle des § 32 StGB sind im Kontext der privaten Beweismittelsuche überschaubar.705 Bei Lichte besehen liegt dies im Wesentlichen daran, dass es eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs bedarf, weshalb sämtliche Ermittlungsmaßnahmen, die erst im Anschluss an einen Rechtsverstoß einsetzen, von 701
A. A. hingegen Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 39, nach dem es einer Rechtfertigung gem. § 32 StGB nicht entgegenstehe, wenn der Verteidiger neben den tangierten Privatinteressen auch zugunsten der staatlichen Strafverfolgung handelt. 702 Ähnlich auch Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 63, allerdings – ohne erkennbaren Unterschied – auf § 34 StGB bezogen. 703 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 254. 704 Teil 2, A. IV. 3. b) sowie Teil 2, B. II. 3. a). 705 So auch Brunhöber, GA 2010, 571 (580), die insoweit konstatiert, § 32 StGB komme als Rechtfertigungsgrund heimlicher Tonbandaufnahmen nur selten in Betracht. Ferner Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 89. Für § 201a StGB Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201a Rn. 29; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 211.
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vornherein außerhalb des Notwehrrechts liegen. Sofern dennoch ein gegenwärtiger Angriff besteht, muss die gewählte Verteidigungshandlung dazu geeignet sein, gerade diesen Angriff abzuwenden. Da die private Beweismitteldokumentation für sich betrachtet jedoch nur in den seltensten Fällen genügt, um das rechtswidrige Verhalten eines anderen unmittelbar zu beseitigen, lässt sich dies nicht ohne Ansehen des nachgelagerten Gebrauchs bestimmen. Schließlich beschränkt sich die Notwehrbefugnis auf solche Konstellationen, in denen der Angriff zu dem Zeitpunkt, zu dem das Beweismittel nach der Vorstellung des Angegriffenen verwendet werden soll, noch fortdauert. Vor diesem Hintergrund kann die heimliche Tonaufnahme einer beleidigenden Äußerung nicht qua Notwehr erlaubt sein. Die notwendige Verbindung zwischen der Sicherung des Beweismittels und der späteren Nutzung bewirkt das Beweisinteresse, wobei es nicht darauf ankommt, welches Gewicht dieses Interesse im Einzelnen aufweist. b) Rechtfertigender Notstand Da § 32 StGB weite Felder der eigeninitiativen Beweismittelsuche von vornherein nicht legitimieren kann, nimmt es kaum wunder, dass der rechtfertigende Notstand gem. § 34 StGB in den Vordergrund tritt, dem Gössel und Dölling die Eigenschaft attestieren, sub specie des § 201 StGB der „bedeutendste Rechtfertigungsgrund“ zu sein.706 Diese Erkenntnis dürfte wohl eng mit dem Gedanken verbunden sein, wonach § 34 StGB gerade aufgrund der erforderlichen Güter- und Interessenabwägung geeignet erscheint, den vielfältigen Herausforderungen der privaten Beweismittelsuche einzelfallgerecht zu begegnen. Allerdings darf der rechtfertigende Notstand keineswegs auf diesen Ausgleich konfligierender Interessen reduziert werden, da § 34 StGB weitere Voraussetzungen aufstellt, denen eine rechtmäßige Gefahrenabwehr genügen muss.707 Bevor auf diese näher einzugehen ist, bedarf es zunächst noch einer knappen Einordnung in den historischen Kontext.708 Denn während das Notwehrrecht bereits im Strafgesetzbuch des Deutschen Reichs von 1871 explizit normiert war (§ 53 StGB a. F.) – und inhaltlich weitgehend mit der gegenwärtigen Regelung übereinstimmte –,709 fand das rechtfertigende Notstandsrecht erst im Jahr 1975 Eingang in das StGB.710 Zuvor war die Idee eines Interessenausgleichs, der die spezifischen Rechtspositionen des Einzelfalls gewichtet und zueinander in Beziehung setzt, zwar 706 Gössel/Dölling, Strafrecht BT 1, § 37 Rn. 70. Nahezu gegenläufig Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 27. 707 Vgl. dazu auch Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 168; Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 311. 708 Zur Historie des § 34 StGB Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 12. 709 Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 10, der von einer inhaltsgleichen Regelung spricht. 710 Dazu Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 12. Instruktiv ferner Roxin/Greco, AT I, § 16 Rn. 1 ff.
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gewohnheitsrechtlich anerkannt;711 gleichwohl wirkt sich die positive Regelung nicht nur aus dem Blickwinkel der Rechtssicherheit aus, sondern beeinflusst auch das Verhältnis zu anderen Rechtfertigungsgründen. Besonders evident tritt dies hinsichtlich der notwehrähnlichen Lage hervor, die im Anwendungsbereich des § 201 StGB auf breite Zustimmung gestoßen ist.712 aa) Notstandslage Eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB verlangt primär eine Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut, die zudem gegenwärtig sein muss.713 Im Gegensatz zu § 32 StGB sind die notstandsfähigen Rechtsgüter nach zutreffender Auffassung deutlich weiter gefasst, indem sie nicht allein Individualinteressen berücksichtigen, sondern auch solche der Allgemeinheit umfassen.714 Die Notstandslage setzt dabei einen Zustand voraus, in dem der Eintritt eines Schadens aufgrund tatsächlicher Umstände wahrscheinlich ist,715 falls nicht in gewissem zeitlichen Zusammenhang – alsbald –716 Abwehrmaßnahmen ergriffen werden.717 Abweichend vom Notwehrrecht fallen auch die als Präventivnotwehr bezeichneten Konstellationen unter § 34 StGB, in denen ein Angriff erst in einiger zeitlicher Entfernung erfolgen wird, aber der Be711 Perron, in: Sch/Sch, § 34 Rn. 2. Zum sog. übergesetzlichen rechtfertigenden Notstand Roxin/Greco, AT I, § 16 Rn. 3. 712 Dazu noch umfassend Teil 2, C. IV. 4. b). 713 Zum nach wie vor nicht gänzlich geklärten Gefahrbegriff des § 34 StGB Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 37 f.; Roxin/Greco, AT I, § 16 Rn. 14. 714 BGH NStZ 1988, 558 (559); Fischer, Strafgesetzbuch, § 34 Rn. 5; Roxin/Greco, AT I, § 16 Rn. 13; Perron, in: Sch/Sch, § 34 Rn. 10; Krey, Rechtsprobleme des strafprozessualen Einsatzes verdeckter Ermittler, Rn. 562 ff.; Zieschang, in: LK-StGB13, § 34 Rn. 49; Erb, JuS 2010, 108; ders., in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 72 m. w. N. Einschränkend Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 34 Rn. 22, der verlangt, dass sich das kollektive Rechtsgut auf ein individuelles zurückführen lasse. Gegen den Schutz von Allgemeinrechtsgütern Frister, Strafrecht Allgemeiner Teil, Kap. 17 Rn. 2; Arzt, in: Rehberg-FS, S. 25 (29 ff.). Abweichend schließlich auch Engländer, in: Matt/Renzikowski, § 34 Rn. 17, 50, der nur in den Fällen des Defensivnotstands einen Schutz von Allgemeinrechtsgütern anerkennt und dies auf die ratio des § 34 StGB stützt. Vgl. schließlich Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 37, der aus § 201 Abs. 2 S. 3 StGB den Gedanken ableitet, dass im Anwendungsbereich des § 201 StGB eine Rechtfertigung zugunsten öffentlicher Interessen nicht auf § 34 StGB gestützt werden kann. 715 Zum Grad der Wahrscheinlichkeit Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 43 ff. 716 Fischer, Strafgesetzbuch, § 34 Rn. 7. 717 BGHSt 48, 255 (258); 18, 271; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 412; Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 186 m. w. N. Nicht i. E. aber in der Begründung teilweise abweichend dagegen Perron, in: Sch/Sch, § 34 Rn. 17, der eine gegenwärtige Gefahr im Ausgangspunkt dann annimmt, wenn aus dem vorliegenden Zustand alsbald ein Schaden resultieren könne. In den Fällen der Präventivnotwehr sei allerdings die Zwangslage, sofort handeln zu müssen, gegenwärtig. Ebenso Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 270, die postuliert, derartige Fälle müssten einer gegenwärtigen Gefahr gleichgestellt werden. Aus dieser Erkenntnis resultieren allerdings keine Unterschiede in der Rechtsanwendung.
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drohte sofortige Gegenmaßnahmen einleiten muss, um sich effektiv zu verteidigen.718 Denn andernfalls stünde der Betroffene vor einem Dilemma: Er müsste sich zwischen den unliebsamen Optionen entscheiden, ob er den später erfolgenden Angriff hilflos über sich ergehen lässt oder aber unmittelbar Abwehrmaßnahmen einleitet, denen jedoch ein nicht unerhebliches Strafbarkeitsrisiko innewohnte.719 Vom Standpunkt der privaten Beweismittelsuche erweisen sich sowohl die notstandsauslösende Gefahr als auch deren Gegenwärtigkeit als neuralgische Punkte. Denn Privatpersonen sehen sich bisweilen schon dann zu einer eigeninitiativen Sicherung potenzieller Beweismittel veranlasst, wenn ein möglicher Prozess noch in weiter Ferne liegt oder es gar unklar ist, ob es überhaupt zu einem solchen kommt.720 Steht ein zivilrechtlicher Anspruch in Rede, dürfte es sogar nicht selten sein, dass der Anspruchsinhaber eine Klageerhebung davon abhängig macht, ob es ihm überhaupt gelingt, ein aussagekräftiges Beweismittel – etwa in Form einer heimlichen Tonaufnahme, die die anspruchsbegründenden Tatsachen dokumentiert – zu gewinnen. Im Ergebnis besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass eine vorrätige Beweissicherung ohne konkreten Anlass nicht gem. § 34 StGB gerechtfertigt werden kann.721 Eine dogmatisch stringente Lösung muss dies allerdings unter Rekurs auf die einzelnen Vorgaben des § 34 StGB begründen – und dabei verschiedene Szenarien einer möglicherweise notstandsauslösenden Gefahrenlage differenziert betrachten. (1) Die Beweisnot als Schlüssel zum Erfolg? Private suchen vornehmlich deshalb nach entscheidungsrelevanten und aussagekräftigen Beweismitteln, weil sie befürchten, ein maßgeblicher Umstand bliebe ohne das eigeninitiative Vorgehen unaufgeklärt. In der wissenschaftlichen Diskussion um eine etwaige Rechtfertigung des eigeninitiativen Vorgehens wird diese 718 BGHSt 39, 133 (136); Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 27, § 16 Rn. 20, 84 ff.; Perron, in: Sch/Sch, § 34 Rn. 17; ferner Rengier, Strafrecht AT, § 19 Rn. 12 ff.; Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 32 Rn. 55. Die Unterschiede hebt Engländer, in: Matt/Renzikowski, § 34 Rn. 15 hervor. 719 Roxin/Greco, AT I, § 16 Rn. 84 sprechen davon, dass es unvernünftig sei, den späteren Angriff erst abwarten zu müssen, um diesen dann mit intensiveren Mitteln abzuwehren. 720 OLG Hamm NJW-RR 1996, 735. Ähnlich auch Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 261, die betont, dass eine Tonbandaufnahme insoweit regelmäßig als bloße Gedächtnisstütze diene. 721 Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 256; Otto, in: Kleinknecht-FS, S. 319 (337); Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 44, der ebenfalls von den Konstellationen des schlichten Beweisinteresses spricht; ferner Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 272; Hoppe, GRUR 2004, 990 (994). I. E. auch OLG Hamm NJW-RR 1996, 735. Da evident noch kein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff vorliegt, scheidet eine Rechtfertigung gem. § 32 StGB eindeutig aus. Siehe statt aller Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 296 f. Etwas anderes mag dann gelten, wenn im Einzelfall die Aufnahme erst in einem späteren Moment erfolgt, in dem etwa das klageabweisende Urteil – oder aus der negativen Perspektive des Beklagten das stattgebende Urteil – unmittelbar bevorsteht. In solchen Konstellationen nimmt Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 334 ein Notwehrrecht an.
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tatsächliche Ausgangslage häufig als Beweisnot bezeichnet.722 Interpretiert man den Begriff in diesem Sinn, beschreibt er zunächst einmal nur die faktischen Umstände, die einen Privaten erst dazu veranlassen, eigeninitiativ tätig zu werden und deutet sonach auf eine Fallgruppe hin, die regelmäßig vorkommt.723 In diesem Kontext bleibt freilich zu beachten, dass es sich hierbei keineswegs um einen gesetzlichen Terminus mit feststehenden Grenzen handelt, sondern die Beweisnot ausschließlich einen deskriptiven Charakter aufweist. Eingedenk dessen folgen aus der schlichten Umschreibung der tatsächlichen Situation auch noch keine verbindlichen Direktiven für die Entscheidung, ob das eigeninitiative Verhalten gem. § 34 StGB gerechtfertigt ist. Bei einem vertieften Blick auf die einschlägigen Stellungnahmen entsteht indes nicht selten der Eindruck, als zeitige die Beweisnot unmittelbare rechtliche Konsequenzen und beeinflusse die Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstands in rechtlicher Hinsicht.724 Diese Interpretation ist allerdings insoweit bedenklich, als die Beweisnot für sich betrachtet nicht zu begründen vermag, ob sich der Private in einer notstandsauslösenden Gefahrenlage befindet, die § 34 StGB ausdrücklich verlangt. Der vorschnelle Hinweis auf eine potenzielle Beweisnot versperrt auf diese Weise den klaren Blick auf die gesetzlichen Vorgaben des rechtfertigenden Notstands, die bisweilen in den Hintergrund zu treten scheinen. (2) Nachweis einer vergangenen oder gegenwärtigen Straftat Namentlich dann, wenn es um den Nachweis schwerer Straftaten geht, plädieren einzelne Stimmen dafür, die Herstellung von aussagekräftigen Beweismitteln, die dazu beitragen können, den verantwortlichen Täter zu überführen, gem. § 34 StGB zu legitimieren.725 Nach teilweise vertretener Ansicht soll diese Befugnis allerdings allein dem Verletzten der Straftat zukommen,726 so dass außenstehende Dritte, die rein zufällig von einer Rechtsverletzung Kenntnis nehmen, von vornherein nicht in
722 Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 52; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 31b; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 200; Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 93; ders., JZ 1973, 506 (508); Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 51. Teilweise taucht auch der Begriff des Beweisnotstands auf, B. Kramer, NJW 1990, 1760 (1762); Hoppe, GRUR 2004, 990 (994); Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 313. Beide Begriffe nennen Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 286, 295; Brunhöber, GA 2010, 571 (581). 723 So auch Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 25, der den Begriff ausdrücklich der Beweiserlangungsebene zuordnet. 724 Vgl. dazu etwa die Ausführungen bei Brunhöber, GA 2010, 571 (581) sowie Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahme, S. 211. Ferner Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 201. 725 Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 44. Noch weitergehend KG JR 1981, 254 (254 f.), das eine Rechtfertigung bei der Verfolgung von Beweiszwecken annimmt, ohne auf die Voraussetzungen des § 34 StGB abzuheben. 726 Tenckhoff, JR 1981, 255 (257).
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den Genuss des rechtfertigenden Notstands kämen, sofern sich deren Bemühungen darauf beschränken, taugliche Beweismittel zu sichern.727 Bei näherem Hinsehen können dabei zwei Fallgestaltungen festgestellt werden, die sich im Ausgangspunkt danach unterscheiden, ob eine Privatperson ausschließlich einen gegenwärtigen Rechtsverstoß zu Beweiszwecken dokumentiert, oder aber erst im Anschluss an einen solchen eigeninitiativ ermittelt.728 Terminologisch lässt sich insoweit zwischen einer privaten Beweismitteldokumentation auf der einen und einer eigeninitiativen echten Ermittlungsmaßnahme auf der anderen Seite differenzieren.729 Beiden Konstellationen ist dabei jedoch gemeinsam, dass das Interesse eines Straftäters, für sein gesetzwidriges Verhalten nicht belangt zu werden, keineswegs als besonders schutzwürdig einzustufen ist, so dass ein privates Beweisinteresse typischerweise i. S. d. § 34 StGB wesentlich überwiegt.730 Nichtsdestoweniger darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass es zunächst einer notstandsauslösenden Gefahr bedarf, um den Anwendungsbereich des § 34 StGB überhaupt zu eröffnen, wobei die wenigen dazu vertretenen Begründungsansätze in unterschiedliche Richtungen weisen. (a) Das Recht zur Anzeige (§ 158 StPO) Einen vereinzelt gebliebenen Vorschlag hat Frank unterbreitet, der die Gefahr i. S. d. § 34 StGB mit dem prozessualen Recht zur Anzeige aus § 158 Abs. 1 S. 1 StPO verknüpft.731 Danach sei jeder Bürger dazu aufgerufen – und in den Grenzen des § 138 StGB mitunter sogar verpflichtet – bereits begangene oder geplante Straftaten anzuzeigen, von denen er – beispielsweise durch ein Geständnis des Täters – Kenntnis erlangt habe. Nehme der Einzelne dieses Anzeigerecht wahr, und leite seine persönlichen Wahrnehmungen an die Strafverfolgungsbehörden weiter, setze er sich unweigerlich dem Risiko aus, selbst in den Verdacht strafbaren Verhaltens zu geraten, sofern er seine Aussage nicht präzise belegen könne.732 Denn die – nicht erweislich wahre – Behauptung, ein anderer habe eine Straftat begangen, könne den Tatbestand der üblen Nachrede gem. § 186 StGB verwirklichen, bei dem sich der Grundsatz in dubio pro reo wegen der gesetzlichen Struktur nicht zugunsten des 727 Unmittelbare körperliche Verteidigungshandlungen sind freilich innerhalb der üblichen Grenzen der Notstandshilfe erlaubt. 728 Etwas abweichend hingegen Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 181. 729 Zu den Begriffen bereits Teil 1, B. II. und III. 730 Zur Abwägung noch Teil 2, C. IV. 3. b) cc). 731 Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 56 ff. Vgl. auch Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304). Im Kontext des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie des Datenschutzrechts finden sich mitunter ebenfalls Anleihen bei einem Recht zur Anzeige. So etwa LG Bonn ZD 2015, 434 (435); Wanser, ZD-Aktuell 2021, 05574; Lehr/Becker, ZD 2022, 370 (373). 732 Ähnlich auch Ullenbloom, NJW 2019, 3108 (3111). Im Kontext des Datenschutzrechts auch Lehr/Becker, ZD 2022, 370 (372).
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potenziellen Beleidigungstäters auswirkt.733 Zwar könnte insoweit der besondere Rechtfertigungsgrund gem. § 193 StGB eingreifen, allerdings sei dies keineswegs präzise voraussehbar und somit von vagen Umständen abhängig. Vor diesem Hintergrund bestehe schon im Moment der Kenntnisnahme „eine gegenwärtige Gefahr […], nicht unschuldig verurteilt zu werden“.734 Um diese Gefahr – die Frank sodann ebenfalls als Beweisnot bezeichnet – abwenden zu können, müsse der Anzeigende die Äußerungen des Täters unmittelbar aufnehmen dürfen.735 Das Verdienst dieser Ansicht ist zweifelsohne in dem Bestreben zu erblicken, dem Anzeigerecht aus § 158 Abs. 1 S. 1 StPO eine größere tatsächliche Bedeutung zu verleihen. Denn müsste jeder Einzelne befürchten, gegen sich selbst den Verdacht strafbaren Verhaltens zu provozieren, sobald er eine Anzeige erstattet, könnten weite Teile der Bevölkerung hierauf verzichten. Für die staatlichen Ermittlungsbehörden und das Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege wäre eine solche Entwicklung misslich. Der Staat ist auf diese Form der Unterstützung durch die Bürger angewiesen, da er selbst nicht omnipräsent ist. Allerdings bleibt Frank den Beleg dafür schuldig, weshalb die so begründete Gefahr für den Anzeigenerstatter „nicht nur theoretisch möglich, sondern geradezu […] naheliegend wahrscheinlich“736 ist. Zwar beschränkt der Autor seine Notstandskonzeption aufgrund der normativen Wertungen aus den §§ 100a ff. StPO auf solche Fallgestaltungen, in denen der Private zufällig von der schweren Straftat eines anderen erfährt,737 so dass keine unbillige Ausweitung des Notstandsrechts zu befürchten ist.738 Nichtsdestoweniger überspannt eine solche Interpretation den Gefahrenbegriff des § 34 StGB, der auf diese Weise seine normative Schärfe verliert.739
733 Dazu Regge/Pegel, in: MüKo-StGB4, § 186 Rn. 25; Fischer, Strafgesetzbuch, § 186 Rn. 11. 734 Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 58. 735 Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 58. Zu einem teilweise ähnlichen Vorkommnis – Film- und Tonaufnahmen von Polizeieinsätzen – Ullenbloom, NJW 2019, 3108 (3111 f.). Dieser begründet eine Notstandslage unter Rekurs darauf, dass die Anzeige eines Polizisten nicht selten mit einer (unberechtigten) Gegenanzeige einhergehe und insoweit eine Gefahr i. S. d. § 34 StGB vorläge. Zu diesem Phänomen auch Singelnstein/Puschke, NJW 2011, 3473 (3476). 736 Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 58. Auf den Umstand, dass eine gegenwärtige Gefahr i. S. d. § 34 StGB nur dann anzunehmen ist, wenn der Schadenseintritt entweder sicher oder aber jedenfalls höchstwahrscheinlich ist, weisen BGH NJW 2016, 2818 sowie Ullenbloom, NJW 2019, 3108 (3111 f.) hin. 737 Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 61 f. 738 Abweichend hingegen Bienert, Private Ermittlungen, S. 103, die „schwerste Folgen für den allgemeinen Rechtsfrieden“ befürchtet. 739 Kritisch daher auch Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 186 Fn. 748; Bienert, Private Ermittlungen, S. 101 ff.
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Teil 2: Grenzen der privaten Beweismittelsuche
(b) Das staatliche Strafverfolgungsinteresse Obschon § 34 StGB mit Leben, Leib, Freiheit, Ehre und Eigentum ausschließlich solche Rechtspositionen anspricht, die dem Einzelnen zugeordnet sind, ist sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur gemeinhin anerkannt, dass auch Rechtsgüter der Allgemeinheit grundsätzlich notstandsfähig sind.740 Hieraus resultieren jedoch besondere Herausforderungen für das Zusammenspiel von privaten und staatlichen Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, eine notstandsauslösende Gefahr abzuwehren. Ein umfangreicher Rückgriff auf § 34 StGB könnte dazu führen, dass sich der Einzelne zum Sachwalter öffentlicher Interessen aufschwingt und hauptsächlich dann in fremde Rechtspositionen eingreift, wenn die staatlichen Stellen untätig bleiben (müssen).741 In der Diskussion um die Rechtfertigung der eigeninitiativen Beweismittelsuche treten diese Erwägungen zumeist erst im Kontext der einzelfallgeprägten Interessen- und Güterabwägung hervor.742 Da sich der rechtfertigende Notstand allerdings nicht in einer bloßen Interessenwahrnehmung erschöpft, sondern seinem eindeutigen Wortlaut nach eine Gefahr für ein bestimmtes Rechtsgut verlangt, muss sich der Blick zwangsläufig zunächst auf diesen vorgelagerten Gesichtspunkt richten. Diese Überlegungen kulminieren in der Frage, ob das staatliche Strafverfolgungsinteresse als notstandsfähiges Rechtsgut i. S. d. § 34 StGB anzuerkennen ist.743 Das Interesse an einer effektiven Strafverfolgung bezieht sich darauf, strafbare Rechtsverstöße aufzudecken, den Verantwortlichen zu ermitteln und schließlich in einem ordnungsgemäßen Verfahren seiner gerechten Strafe zuzuführen. Vor diesem Hintergrund ist die Erkenntnis trivial, dass dieses Interesse in Mitleidenschaft gezogen wird, wenn einzelne Straftaten unentdeckt bleiben – und eine Privatperson, die zugunsten der staatlichen Behörden fremde Rechtsverstöße dokumentiert oder aufspürt, dieser Gefahr entgegenwirken kann.744 Ein solches Begriffsverständnis 740
Dazu schon Teil 2, C. IV. 3. b) aa). Erb, JuS 2010, 108; ders., in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 73; Scheuerl/Glock, NStZ 2018, 448 (450 f.). In diese Richtung auch Hoyer, in: SK-StGB, § 34 Rn. 7, der von einer „Superermächtigungsnorm“ spricht. 742 So etwa Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 276 ff.; Walther/Silvermann, ZRP 1999, 100 (105); Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 31b; Schünemann, in: LKStGB12, § 201 Rn. 44. Letztlich bemüht auch Tenckhoff, JR 1981, 255 (257) das „Beweisinteresse eines Privaten zur Sicherung der Strafverfolgung“ im Rahmen der Interessenabwägung. Uneindeutig hingegen Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 51, der lediglich davon spricht, es sei von einer „fortdauernden Rechtsgüterbeeinträchtigung“ auszugehen, so dass eine Dauergefahr vorliege. Auch die Ausführungen bei Bosch, in: SSW-StGB, § 201 Rn. 14 bleiben vage. 743 Dazu Rengier, Die Zeugnisverweigerungsrechte im geltenden und künftigen Strafverfahrensrecht, S. 339 ff. Auch Brunhöber, GA 2010, 571 (581) deutet diese Frage an, ohne sich jedoch in der Sache verbindlich zu entscheiden. 744 Erstaunlicherweise findet sich in den einschlägigen Stellungnahmen keine ausdrückliche Definition zum staatlichen Strafverfolgungsinteresse. BGH NJW 1988, 1016 (1017) spricht vom „Interesse an einer wirksamen Rechtspflege“. 741
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führt dazu, dass es vom Standpunkt des betroffenen Rechtsguts zunächst einmal unerheblich ist, ob sich das private Vorgehen darauf beschränkt, eine gegenwärtige Straftat zu dokumentieren oder aber erst im Anschluss an eine solche einsetzt. In beiden Fallkonstellationen wäre es für das staatliche Strafverfolgungsinteresse abträglich, wenn das strafbare Verhalten ungesühnt bliebe. Nichtsdestoweniger plädieren in der jüngeren Zeit vermehrt Stimmen dafür, das staatliche Strafverfolgungsinteresse von vornherein aus dem Kreis der notstandsfähigen Rechtsgüter auszusondern, ohne die nachfolgenden Stufen der Erforderlichkeit oder der Interessenabwägung bemühen zu müssen.745 Keller postuliert in diesem Zusammenhang, § 34 StGB beziehe sich ausschließlich darauf, bestimmte Rechtsgüter zu schützen; weil aber die Strafverfolgung als bloßes Recht ausgestaltet sei, setze diese lediglich als Folge eines Gesetzesverstoßes ein, um diesen zu sanktionieren.746 In eine ähnliche Richtung deutet der Einwand, das staatliche Strafverfolgungsinteresse sei ein schlichtes Interesse, und müsse präzise von den Rechtsgütern unterschieden werden, deren Schutz § 34 StGB dient.747 Darüber hinaus soll auch der Zweck des behördlichen Strafverfahrens dafür sprechen, das staatliche Verfolgungsinteresse nicht als notstandsfähiges Rechtsgut anzuerkennen.748 Das gesetzlich vorgegebene Verfahren diene insbesondere dazu, das Gewaltmonopol des Staates zu festigen; dieses Anliegen würde jedoch gefährdet, wenn – vermittelt über das Notstandsrecht aus § 34 StGB – auch die „private Strafverfolgung“ zulässig wäre. Da der Private zudem nicht an die strafprozessualen Vorgaben gebunden sei, könnte er bei einer umfassenden Notstandsrechtfertigung auf solche Maßnahmen zurückgreifen, die nicht einmal den staatlichen Strafver745 Keller, Rechtliche Grenzen der Provokation von Straftaten, S. 286 f.; Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 34 Rn. 30 f.; Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 162; Hoyer, in: SK-StGB, § 34 Rn. 10; Sydow, Kritik der Lehre von den Beweisverboten, S. 114. Schließlich wohl auch Seelmann, ZStW 95 (1983), 797 (809), der betont, die Strafverfolgung sei nicht die Aufgabe eines Privaten; ähnlich Peres, Strafprozessuale Beweisverbote und Beweisverwertungsverbote, S. 67. Ferner Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 37, 43, der eine Rechtfertigung gem. §§ 32, 34 StGB zugunsten öffentlicher Interessen ablehnt. Diese Erkenntnis werde auch durch § 201 Abs. 2 S. 3 StGB bestätigt, der eine Sonderregelung enthalte, sofern es um die Wahrnehmung öffentlicher Interessen gehe. Kritisch auch Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Tonund Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 110, allerdings bezogen auf die gerichtliche Verwertung. Ferner Rebmann, NJW 1985, 1 (3 Fn. 29). Vgl. schließlich für das schweizerische Recht Godenzi, AJP 2012, 1243 (1249). 746 Keller, Rechtliche Grenzen der Provokation von Straftaten, S. 287. Zugleich merkt Keller aber auch an, dass damit noch nicht entschieden sei, ob die Rechtsgüter, die wiederum durch die Strafverfolgung geschützt werden sollen, notstandsfähig sind oder nicht. 747 Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 34 Rn. 30. Kritisch dagegen wiederum Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 67. 748 Keller, Rechtliche Grenzen der Provokation von Straftaten, S. 291. Auf ähnliche Gedanken stellen Scheuerl/Glock, NStZ 2018, 448 (450 f.) ab, allerdings erst im Kontext der Interessenabwägung. Auf das Gewaltmonopol verweist schließlich auch Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 60 f.
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folgungsbehörden erlaubt wären.749 Hinter all diesen Gesichtspunkten verbirgt sich bei näherem Hinsehen wiederum die zentrale Befürchtung, ein allzu weites Begriffsverständnis des notstandsfähigen Rechtsguts führe dazu, § 34 StGB zu einer reinen Interessenabwägungsklausel zu degradieren.750 Der pauschale Ausschluss des staatlichen Strafverfolgungsinteresses aus dem weitreichenden Katalog der notstandsfähigen Rechtsgüter beeinträchtigt indes nicht nur den Blick auf die weiteren gesetzlichen Vorgaben des § 34 StGB, sondern versperrt von vornherein die Möglichkeit, zwischen unterschiedlichen Fallgestaltungen zu differenzieren. Das Verfolgungsinteresse ist zwar – wie gesehen – grundsätzlich unabhängig davon berührt, ob der Private sich darauf beschränkt, eine gegenwärtige Straftat zu dokumentieren, oder aber eigeninitiative Ermittlungen im Anschluss an einen vergangenen Rechtsverstoß einleitet. Gleichwohl begegnen dem privaten Vorgehen divergierende Bedenken, die innerhalb des § 34 StGB eine differenzierte rechtliche Betrachtung erfordern. Beschränkt sich das eigeninitiative Verhalten darauf, einen gegenwärtigen Rechtsbruch – wie etwa eine Beleidigung – zu dokumentieren, erwachsen hieraus andere rechtliche Herausforderungen als in der Konstellation, in der ein Privater nachträglich eigene Ermittlungen einleitet. In diesem Zusammenhang spielt eine Rolle, dass der Gesetzgeber für spezifische Situationen rechtlich geordnete Verfahren vorsieht.751 Um das staatliche Strafverfolgungsinteresse zu befriedigen, implementiert die Strafprozessordnung umfangreiche Eingriffsbefugnisse, die den staatlichen Stellen zustehen, um das Ermittlungsverfahren effektiv durchführen zu können. Diese legislatorische Wertentscheidung darf innerhalb der Rechtfertigung gem. § 34 StGB nicht unbeachtet bleiben,752 und lässt sich im Wortlaut des rechtfertigenden Notstands beim Merkmal des angemessenen Mittels verankern.753 Diese gebotene Differenzierung zwischen der eigeninitiativen 749
In diese Richtung Arzt, JZ 1973, 506 (507); ders., Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 74. 750 Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 34 Rn. 24. Zur Wahrnehmung berechtigter Interessen als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund noch Teil 2, C. IV. 4. c) aa). 751 In diese Richtung auch Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 84 f.; Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 86 f.; ferner Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 181; Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 60 f. Schließlich Rengier, Die Zeugnisverweigerungsrechte im geltenden und künftigen Strafverfahrensrecht, S. 341, der eine Rechtfertigung zum Schutz des Strafverfolgungsinteresses i. E. wegen des Grundsatzes der Subsidiarität ablehnt. 752 Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 86 sowie Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 84 f. sprechen von einer Sperrwirkung der §§ 100a ff. StPO. 753 Zur Frage, inwieweit es sich dabei um Erwägungen der Interessenabwägung oder aber der Angemessenheit handelt, Rengier, Strafrecht AT, § 19 Rn. 48; Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 242 ff.; Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 34 Rn. 21a; Perron, in: Sch/Sch, § 34 Rn. 46 f. Kritisch zur Bedeutung der Angemessenheit mit Blick auf die Interessenabwägung Lenckner, Der rechtfertigende Notstand, S. 123 ff., 146 ff. Zu den Vor-
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Beweismitteldokumentation und der echten privaten Ermittlung wäre aber ausgeschlossen, wenn das staatliche Strafverfolgungsinteresse von vornherein nicht zum Kreis der notstandsfähigen Rechtsgüter zählte. Für das hier vertretene Ergebnis, das Strafverfolgungsinteresse als notstandsfähiges Rechtsgut anzuerkennen,754 spricht auch, dass der Gesetzgeber das staatliche Interesse an einer effektiven und funktionstüchtigen Strafrechtspflege in einzelnen materiell-rechtlichen Verbotstatbeständen des StGB zum Schutzgut erhoben hat,755 und dieses sonach nicht nur ein „diffuses politisches Ziel“ darstellt.756 Für die Rechtfertigung gem. § 34 StGB ist es zunächst irrelevant, ob der Verletzte einer Straftat oder aber ein außenstehender Dritter agiert.757 In beiden Konstellationen steht eine Form der sog. Notstandshilfe in Rede, da die Aufnahme zugunsten des staatlichen Strafverfolgungsinteresses erfolgt, und somit nicht dem unmittelbaren Rechtsgüterschutz des Aufnehmenden dient.758 Sofern dabei – wie regelmäßig – zusätzlich persönliche Rehabilitierungsinteressen verfolgt werden, spielt dies für das betroffene Rechtsgut keine Rolle, sondern wird erst innerhalb der umfassenden Interessenabwägung relevant.759 (c) Die wiederholte Begehung – Dauergefahr Eine gewisse Sonderrolle nehmen schließlich die Fallkonstellationen ein, in denen der Private zwar ebenfalls einen gegenwärtigen Rechtsverstoß dokumentiert, dabei jedoch damit rechnen muss, dass sich dieser zu einem zukünftigen – nicht immer präzise voraussehbaren – Zeitpunkt wiederholt. In praxi stehen wiederum zügen, den Gesichtspunkt des geordneten rechtlichen Verfahrens aus dem Prüfungsumfang der Erforderlichkeit auszunehmen, Pawlik, Der rechtfertigende Notstand, S. 228 Fn. 213. Zur Angemessenheit sogleich Teil 2, C. IV. 3. b) dd). 754 So i. E. auch Perron, in: Sch/Sch, § 34 Rn. 11; Krey, Rechtsprobleme des strafprozessualen Einsatzes verdeckter Ermittler, Rn. 564. Letztlich auch Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 253. Vgl. ferner Drywa, Die materiellrechtlichen Probleme des V-Mann-Einsatzes, S. 145. Offenlassend hingehen Brunhöber, GA 2010, 571 (581), obschon deren Konzeption dem hier vertretenen Ergebnis ähnelt. Etwas abweichend Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 89, der sich auf das strafrechtliche Genugtuungs- sowie das private Beweisführungsinteresse konzentriert. 755 Krey, Rechtsprobleme des strafprozessualen Einsatzes verdeckter Ermittler, Rn. 564. 756 So aber Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 34 Rn. 31. 757 Abweichend Tenckhoff, JR 1981, 255 (257). 758 Auf den Terminus der Staatsnotstandshilfe wird im Rahmen dieser Untersuchung verzichtet, um keine Überschneidungen mit Art. 20 Abs. 4 GG zu evozieren. Vgl. dazu auch Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 34 Rn. 22. 759 Wiederum abweichend Walther/Silvermann, ZRP 1999, 100 (105), die eine Notstandsrechtfertigung zur Verfolgung öffentlicher Strafverfolgungsinteressen nur dann anerkennen, wenn zugleich eine „Dauergefahr“ für eigene Rechtsgüter vorliege. Vgl. ferner Scheuerl/ Glock, NStZ 2018, 448 (449), die Allgemeinrechtsgüter nur dann in den Kreis des § 34 StGB einbeziehen wollen, wenn diese „direkt mit dem Wohl des Einzelnen verbunden“ sind. Allerdings bleibt unklar, wie ein solcher Unmittelbarkeitszusammenhang beschaffen sein muss. Ferner Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 34 Rn. 22.
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ehrverletzende Äußerungen im Vordergrund, bei denen jedenfalls unter bestimmten tatsächlichen Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass es der Beleidiger nicht bei einer einmaligen Kundgabe belässt.760 Sofern der Beleidigte – oder ein außenstehender Dritter – einen strafbaren Rechtsbruch dokumentiert, ist aus der Perspektive des betroffenen Rechtsguts zunächst wiederum das Allgemeininteresse an einer effektiven Strafverfolgung betroffen. Im Unterschied zu den vorangehenden Darstellungen eines einmaligen Rechtsverstoßes besteht darüber hinaus zugleich eine sog. Dauergefahr für die Ehre und das persönliche Ansehen, die durch eine neuerliche Beleidigung in eine konkrete Verletzung umschlägt.761 Diese zukünftige Bedrohung kann – anders als die einmalige Ehrverletzung – etwa durch eine heimliche Tonaufnahme und deren Weitergabe an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden noch abgewendet werden.762 Ähnliche Überlegungen greifen Platz, wenn der Arzt heimliche Fotoaufnahmen seines augenscheinlich schwer misshandelten Patienten anfertigt, weil die begründete Vermutung besteht, die Verletzungen könnten sich alsbald wiederholen.763 Bei Lichte besehen verschiebt sich in den Fällen einer wiederholten Straftatbegehung der zentrale Anknüpfungspunkt für die Notstandsrechtfertigung: Dieser liegt – um bei den Fällen im Kontext der §§ 185 ff. StGB zu bleiben – nicht in der aktuellen Beleidigung als solcher, sondern in der gegenwärtigen Gefahr eines künftigen Angriffs, der sich indes bereits hinreichend deutlich abzeichnen muss. Die bloß vage Vermutung, es könne möglicherweise erneut zu einer strafbaren Ehrverletzung kommen, genügt nicht, um die Verteidigungsrechte des § 34 StGB auszulösen.764 (d) Zwischenergebnis und Schlussfolgerung Sofern es um den Nachweis einer vergangenen oder gegenwärtigen Straftat geht, bereitet vornehmlich die Suche nach einem notstandsfähigen Rechtsgut einige Schwierigkeiten. Der Rekurs auf ein etwaiges Recht zur Anzeige gem. § 158 StPO vermag dabei nicht zu überzeugen, da die zugrunde liegende Konzeption, wonach der Anzeigende möglicherweise ein Strafverfahren gegen sich selbst provoziert, wenn er seinen Verdacht nicht beweisen kann, auf bloßen Vermutungen beruht. Weiterführend ist demgegenüber das allgemeine Interesse an der staatlichen Strafverfolgung, das der Gesetzgeber in verschiedenen materiell-rechtlichen Straftatbeständen als 760
Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 40; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NKStGB, § 201 Rn. 26; Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 43. 761 Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 43; Bosch, in: SSW-StGB, § 201 Rn. 14. Ähnlich auch Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 26, der von einer fortdauernden Gefahr spricht. 762 Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 253. 763 Vgl. zu ähnlichen Erwägungen im Kontext des Verstoßes gegen die ärztliche Schweigepflicht Timm, Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht, S. 68 m. w. N. 764 Zu weitgehend daher Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 43, der davon ausgeht, es sei „erfahrungsgemäß damit zu rechnen, dass der Beleidiger seinen Anruf wiederholt“.
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anerkanntes Rechtsgut schützt. Mögliche Konflikte eines privaten Vorgehens mit dem staatlichen Ermittlungsverfahren lassen sich dabei über den Filter der Angemessenheit lösen, der schließlich eine differenzierte Betrachtung zwischen der eigeninitiativen Beweismitteldokumentation und der echten privaten Ermittlung erlaubt. Eine notstandsauslösende Gefahr für Individualrechtsgüter, die zudem noch abgewehrt werden kann, liegt schließlich in den Fällen einer wiederholten Straftatbegehung vor. Da es für die Gefahr i. S. d. § 34 StGB allerdings nicht darauf ankommt, ob das fragliche Verhalten den Tatbestand einer Strafnorm erfüllt, gilt dies gleichermaßen auch für deliktsrechtlich relevante Vorgänge, die sich zu wiederholen drohen. Hinsichtlich des staatlichen Strafverfolgungsinteresses haben sich bereits erste Problemlagen herauskristallisiert, sofern es um echte private Ermittlungen geht, weil eine Kollision mit dem staatlich geführten Ermittlungsverfahren droht. Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden weitere Argumentationslinien darauf überprüft werden, inwieweit eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB möglich ist. Dies gilt auch für solche eigeninitiativen Maßnahmen, die allein darauf gerichtet sind, zivilrechtlich relevante Tatsachen zu beweisen. (3) Die drohende „Prozessniederlage“765 Da die Sorge, einen tatsächlichen Umstand in einem gerichtlichen Verfahren nicht beweisen zu können, der maßgebende Antrieb hinter einer eigeninitiativen Beweismittelsuche ist, drängt sich a priori die Frage auf, ob eine Gefahr i. S. d. § 34 StGB aus der drohenden „Prozessniederlage“ resultieren kann. Während im Zivilprozess regelmäßig das Vermögen – und sonach ein notstandsfähiges Rechtsgut – betroffen ist,766 geht es im Strafverfahren aus der Warte des verletzten Opfers um einen gerechten Ausgleich für das erlittene Unrecht. Insoweit steht der Gedanke der Genugtuung im Vordergrund. Ließe sich hieraus eine Notstandslage ableiten, könnte – vorbehaltlich der weiteren Vorgaben des § 34 StGB – insbesondere auch eine echte private Ermittlungsmaßnahme, die an einen bereits vergangenen Rechtsverstoß anknüpft, legitimiert werden. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich im Ausgangspunkt auf solche bevorstehenden gerichtlichen Entscheidungen, die nicht mit der wirklichen Sachlage übereinstimmen, weil ein entscheidungsrelevanter Umstand unaufklärbar bleibt.767 Ein solcher „Prozessverlust“ lässt sich sowohl in einem Zivil- als auch in einem Strafverfahren begründen, und zwar jeweils bezogen auf unterschiedliche Protagonisten. Im Zivilprozess kann sich die drohende Niederlage einerseits zulasten des 765 Der Begriff der „Prozessniederlage“ soll vorliegend in einem untechnischen und weiten Sinn verstanden werden, und dabei sowohl die straf- als auch die zivilprozessuale Konstellation erfassen. Synonym wird auch der Begriff „Prozessverlust“ verwendet. 766 Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 239 f. 767 Noch weitergehend hingegen Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 89, 241, der verschiedene Konstellationen im Zusammenhang mit gerichtlichen Verfahren untersucht.
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anspruchsstellenden Klägers und andererseits zulasten des Beklagten auswirken.768 Da sich jedoch insoweit gleichberechtigte Personen gegenüberstehen, die in einer zivilrechtlichen Angelegenheit streiten, wird im weiteren Verlauf nicht näher zwischen dem Anspruchsinhaber und dem Anspruchsgegner differenziert.769 Weitaus gewichtiger sind die Auswirkungen einer drohenden Verfahrensniederlage im Strafprozess, da es in diesem nicht um zivilrechtliche Forderungen zwischen gleichberechtigten Personen, sondern um den staatlichen Strafanspruch geht.770 Zwar beeinträchtigt es durchaus schützenswerte Interessen des Verletzten einer Straftat, wenn der Täter aufgrund mangelnder Beweise nicht seiner gerechten Strafe zugeführt werden kann. Ungleich gravierender sind jedoch die Folgen, die eintreten, wenn das Gericht einen Unschuldigen aufgrund einer unrichtigen Beweislage zu einer Geld- oder gar einer Freiheitsstrafe verurteilt. Auf diese letztgenannte Konstellation soll wegen der weitreichenden Konsequenzen – die vor allem eine Freiheitsentziehung mit sich bringt – an hervorgehobener Stelle näher eingegangen werden.771 Vor diesem Hintergrund beziehen sich die nachfolgenden Ausführungen zunächst auf den Verletzten einer Straftat, der eigeninitiativ tätig wird, um gerade diese nachzuweisen und eine Verurteilung des späteren Angeklagten zu erreichen, weil er befürchtet, dieser könnte andernfalls ungestraft davonkommen. Obschon sich der Zivilprozess nicht nur unwesentlich vom Strafverfahren unterscheidet, dienen die jeweiligen Prozessordnungen letztlich dazu, eine gerechte Entscheidung in einem ordnungsgemäßen Verfahren zu erreichen.772 Um dies zu gewährleisten, kommt es stets auch darauf an, die entscheidungsrelevanten Tatsachen aufzudecken, wenngleich es nicht darum geht, die Wahrheit um jeden Preis zu erforschen.773 Ausgehend von dieser Prämisse müssen sowohl die Zivil- als auch die Strafprozessordnung spezifische Regelungen dafür vorsehen, wie in einem Fall zu judizieren ist, in dem einzelne entscheidungserhebliche Umstände unaufklärbar bleiben. Erst wenn diese legislatorischen Vorzeichen feststehen, lassen sich die Konsequenzen für die Gefahrenlage i. S. d. § 34 StGB untersuchen.
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Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 240. So i. E. auch Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 239 ff., der allein auf den Umstand eines materiell falschen Urteils eingeht. Dies dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass die insoweit maßgeblichen Beweislastregeln nicht an die prozessuale Stellung als Kläger oder Beklagter anknüpfen. Dazu Thole, in: Stein/Jonas, § 286 Rn. 112. Abweichend hingegen Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 41 f., der zwischen einem „eher offensiven“ und einem „eher defensiven“ Vorgehen unterscheidet. 770 Zum staatlichen Strafanspruch Tiedemann, in: Peters-FG, S. 131 (141); Foerster, Transfer, S. 108 f. 771 Teil 2, C. IV. 3. b) ee). 772 Zur Bedeutung der korrekten Erfassung des Sachverhalts im Zivilverfahren Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 241. 773 BGHSt 14, 358 (365). 769
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(a) Strafprozess Die Strafprozessordnung schreibt in § 261 StPO den sog. Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung vor,774 nach dem der entscheidende Richter persönlich von der Schuld des Angeklagten überzeugt sein muss.775 Diese subjektiv geprägte Überzeugung verlangt zwar keine absolute und unumstößliche Gewissheit über den konkreten Tathergang und die Schuld des Angeklagten.776 Eine solche ließe sich auch faktisch kaum begründen, da nach der Lebenserfahrung ein abweichender Geschehensablauf häufig nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden kann.777 Nichtsdestoweniger führen bereits begründete Zweifel des Richters dazu, dass der Angeklagte in dubio pro reo freizusprechen ist und eine Verurteilung somit nicht erfolgen darf.778 Obschon dieser Zweifelssatz nicht ausdrücklich in § 261 StPO verankert ist – und sich auch nicht ausdrücklich aus Art. 6 Abs. 2 EMRK ergibt –,779 ist dessen Geltung im Strafverfahren anerkannt.780 (b) Zivilprozess Im Zivilverfahren, das grundsätzlich von der Verhandlungsmaxime beherrscht wird,781 muss der entscheidende Richter ebenfalls voll von der Wahrheit einer entscheidungsrelevanten und streitigen Tatsache überzeugt sein.782 Auch insoweit bedarf es jedoch keiner absoluten Gewissheit darüber, ob sich ein maßgeblicher Umstand tatsächlich (so) zugetragen hat.783 Das mit der Angelegenheit befasste Gericht muss allerdings auch dann eine Entscheidung in der Sache treffen, wenn sich ein gewichtiger Umstand nicht aufklären lässt, und der Richter somit nicht feststellen kann, ob eine Behauptung – wie es
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Zur Beweiswürdigung im Strafverfahren BVerfG NJW 2003, 2444. Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 754. 776 BGHSt 10, 208 (211); 51, 324 (324 f.); BGH NStZ 2010, 292 (293); Miebach, in: MüKo-StPO, § 261 Rn. 57; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 754. Zur Bedeutung des subjektiven Elements Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 89. Vgl. indes auch BGH NJW 1999, 1562 (1564), wo der 1. Strafsenat betont, dass die subjektive richterliche Überzeugung für sich betrachtet nicht die fehlende objektiv hohe Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung ersetzen könne. Dazu auch Ott, in: KK-StPO, § 261 Rn. 5 ff. 777 Vgl. etwa Miebach, in: MüKo-StPO, § 261 Rn. 52, der betont, dass es eine absolute Gewissheit nicht gebe. Ähnlich auch Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 754; Ott, in: KK-StPO, § 261 Rn. 2; Hahn, Ton- und Bildträger als Beweismittel im Strafprozess, S. 44. 778 Instruktiv BGH NJW 1999, 1562 (1564); Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 90; Miebach, in: MüKo-StPO, § 261 Rn. 58; Ott, in: KK-StPO, § 261 Rn. 10. Zur Funktionsweise des in dubio-Grundsatzes Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 754. 779 Statt aller Huber, JuS 2015, 596; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 55. 780 Vgl. dazu Ott, in: KK-StPO, § 261 Rn. 63; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 55. 781 Dazu Rauscher, in: MüKo ZPO, Einl. Rn. 353 ff. 782 Bacher, in: BeckOK-ZPO, § 286 Rn. 2. 783 Bacher, in: BeckOK-ZPO, § 286 Rn. 2. 775
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§ 286 ZPO vorgibt – „für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei“.784 In diesen Fällen eines non liquet entscheidet die sog. objektive Beweislast darüber, zu wessen Nachteil die Unaufklärbarkeit gereicht.785 Eine Regelung zur objektiven Beweislast findet sich dabei weder in der ZPO noch einer anderen Prozessordnung. Maßgeblich sind vielmehr die Vorschriften des materiellen Rechts, so dass es darauf ankommt, ob die entscheidungsrelevante Norm – etwa eine solche des BGB – die objektive Beweislast dem anspruchstellenden Kläger oder aber dem Beklagten zuweist.786 Während der erste Entwurf des BGB aus dem Jahr 1888 eine ausdrückliche Beweislastregel enthielt, hat der Gesetzgeber auf eine solche schließlich bewusst verzichtet, da der Inhalt ohnehin selbstverständlich sei.787 Nach der seit jeher gemeinhin anerkannten Grundregel – die bisweilen gar als „stillschweigendes Gesetzesrecht“788 eingestuft wird – liegt es am Anspruchssteller, die rechtsbegründenden Tatsachen nachzuweisen, wohingegen der Anspruchsgegner die Beweislast für die rechtshindernden, rechtsvernichtenden und rechtshemmenden Umstände trägt.789 Verbreitet ist auch die Formel, wonach jede Partei, die sich auf einen für sie günstigen Rechtssatz beruft, dessen Voraussetzungen beweisen muss.790 Vor diesem Hintergrund trägt etwa der Verkäufer einer Sache, der seinen Kaufpreisanspruch in einem gerichtlichen Verfahren geltend macht, die objektive Beweislast dafür, dass es überhaupt zum Abschluss eines Kaufvertrags gekommen ist. (c) Auswirkungen auf die Gefahr i. S. d. § 34 StGB Nach allem enthalten sowohl die Straf- als auch die Zivilprozessordnung spezifische Vorgaben dazu, wie in solchen Verfahren zu entscheiden ist, in denen sich nicht sämtliche entscheidungsrelevanten Umstände aufklären und beweisen lassen. Im Folgenden geht es nun darum, ob aus dieser „Beweisnot“ eine notstandsauslösende Gefahr i. S. d. § 34 StGB resultiert.791 Vorausgeschickt ist dem noch einmal die Erkenntnis, wonach es zwar misslich ist, wenn bedeutsame Tatsachen unaufklärbar 784 Prütting, in: MüKo-ZPO, § 286 Rn. 96. Instruktiv Thole, in: Stein/Jonas, § 286 Rn. 93, der betont, dass sich der Richter nicht für die Wahrheit oder die Unwahrheit entscheiden müsse. Zur subjektiven Beweislast ders., in: Stein/Jonas, § 286 Rn. 99. 785 BGH NJW-RR 2011, 644 (646); Bacher, in: BeckOK-ZPO, § 284 Rn. 64. 786 Instruktiv zu den unterschiedlichen Anknüpfungspunkten der Beweislast Prütting, in: MüKo-ZPO, § 286 Rn. 111 ff. 787 Prütting, in: MüKo-ZPO, § 286 Rn. 113. 788 Thole, in: Stein/Jonas, § 286 Rn. 105. 789 BGH NJW 1991, 1052 (1053); NJW 2000, 1107; NJW 2009, 2199 (2202); BGH NJWRR 2014, 1172 (1173); Prütting, in: MüKo-ZPO, § 286 Rn. 114; Greger, in: Zöller, Vorb. zu § 284 Rn. 17a. Auf etwaige Unklarheiten weist Bacher, in: BeckOK-ZPO, § 284 Rn. 72 hin, der insoweit von einer „Leerformel“ spricht. 790 BGH NJW 1991, 1051 (1052); NJW 1992, 683 (686); BGH NJW-RR 2010, 1378 (1379); BGH NJW 2017, 386 (387); BGHZ 53, 245 (250). Für diese Formel plädiert Bacher, in: BeckOK-ZPO, § 284 Rn. 72 ausdrücklich. Kritisch hingegen Thole, in: Stein/Jonas, § 286 Rn. 106. 791 Zum Terminus der Beweisnot schon Teil 2, C. IV. 3. b) aa) (1).
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bleiben, da die Wahrheitsermittlung insoweit beeinträchtigt ist. Nichtsdestoweniger lähmen solche Situationen, die in praxi vielfach auftreten,792 den Verfahrensablauf nicht in unerträglicher Weise, da die Prozessordnungen aufzeigen, wie das Gericht gleichwohl in der Sache entscheiden kann – und muss. Vornehmlich dieser zuletzt genannte Gesichtspunkt spricht dabei ganz entscheidend dafür, den drohenden „Prozessverlust“ für sich betrachtet (noch) nicht als Gefahr i. S. d. § 34 StGB zu begreifen.793 Im Strafverfahren gilt ausweislich des Art. 6 Abs. 2 EMRK die Unschuldsvermutung zugunsten des Angeklagten; in Verbindung mit dem Grundsatz in dubio pro reo folgt daraus, dass das Strafprozessrecht einen Freispruch, der auf tatsächlichen Zweifeln über den Tathergang beruht, nicht als abzuwehrenden Fremdkörper einordnet, sondern ein solcher vielmehr den überkommenen verfahrensrechtlichen Mechanismen entspricht, die über einen langen Zeitraum gewachsen sind und dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit entfließen. Leitete man hieraus eine notstandsbegründende Gefahr ab, die den Verletzten einer Straftat zu eigeninitiativen Ermittlungen legitimierte, widerspräche dies den prozessualen Wertentscheidungen, die insoweit das materielle Recht zu beeinflussen vermögen.794 Ebenso deutlich zeichnet sich das Bild im Zivilprozess ab: Obliegt es nach den gesetzlichen Vorgaben der beweisbelasteten Partei, die ihr günstigen Tatsachen darzulegen und zu beweisen, kann die bloße Sorge, dem möglicherweise nicht nachkommen zu können und sonach etwa eines berechtigten Anspruchs verlustig zu gehen, für sich betrachtet noch keine Gefahr i. S. d. § 34 StGB konstituieren.795 In einer unaufklärbaren Sachlage liegt – ähnlich den strafprozessualen Ausführungen – letzten Endes allein ein prozessimmanentes Risiko begründet. Unterstellte man hingegen eine notstandsauslösende Gefahr und ließe für die Rechtfertigung eine schlichte Interessenabwägung ausreichen, führte diese dazu, jedenfalls weniger schwerwiegende Eingriffe prima facie zu legitimieren. Dem folgend müsste man einem gewissenhaften und sorgfältigen Anspruchsinhaber raten, besonders wichtige Vertragsverhandlungen sicherheitshalber stets auf einem Tonträger aufzuzeichnen, 792
Darauf weist auch Prütting, in: MüKo-ZPO, § 286 Rn. 96 hin. Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 258 f. für den Zivilprozess; Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 42, der betont, der Tonbandtäter handele allein aus der Intention heraus, seine Rechtsgüter zu mehren. Vgl. ferner OLG Hamm NJW-RR 1996, 735. Vgl. schließlich auch Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 27, der von einer manipulierten vorteilhaften Beweisposition spricht. 794 Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 57, 258 f. 795 Instruktiv Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 258 f., der insoweit von einem schlichten Beweisinteresse spricht; ferner Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 42. I. E. lehnt auch Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 27 eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB ab, wenn es lediglich um zivilrechtliche Beweisinteressen geht. Für dieses Ergebnis spricht auch der Gedanke, dass man sich grundsätzlich auf die Rechtstreue eines anderen verlassen darf, vgl. Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 182. Vgl. schließlich auch Kirmes, Private IT-Forensik und private Ermittlungen, S. 59, der betont, ein non liquet sei kein „Unglück“. Ferner Bosch, in: SSW-StGB, § 201 Rn. 14, der zutreffend darauf hinweist, dass die bloße Merkunfähigkeit keine Rechtfertigung zu begründen vermag. 793
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sofern keine anderen tauglichen Beweismittel existieren. Für das Kommunikationsverhalten und die zwischenmenschlichen Beziehungen wäre eine vorrätige Beweissicherung indes stark abträglich, da sie zu einem hohen Maß an Misstrauen führte. Diese Wertung darf auch nicht unter Rückgriff auf die Interessen unterlaufen werden, die hinter der prozessualen Geltendmachung eines Anspruchs stehen und typischerweise das Vermögen – und sonach a priori ein notstandsfähiges Rechtsgut – betreffen. Das Ergebnis, die drohende „Prozessniederlage“ im Zivilverfahren nicht als Gefahr i. S. d. § 34 StGB zu begreifen, kann schließlich auch aus der Perspektive der beweisbelasteten Partei nicht unbillig erscheinen, da es ihrer Verantwortung entspringt, von vornherein aussagekräftige Beweismittel zu sichern, und dabei fremde Rechtspositionen umfassend zu wahren. So dürfte es jeder Vertragspartei regelmäßig ohne Weiteres möglich sein, wichtige Verhandlungsergebnisse schriftlich festzuhalten oder aber die gesamte Verhandlung einvernehmlich mittels eines Tonaufnahmegeräts aufzuzeichnen.796 Ein abweichendes Ergebnis lässt sich auch nicht unter Rückgriff auf das private oder staatliche Interesse an einer materiell richtigen Entscheidung begründen, die auf einer wahren Tatsachenlage beruht. Die zivilrechtliche Rechtspflege wird durch zentrale Strukturvorgaben geprägt, zu denen allen voran die Dispositions- und die Beibringungsmaxime rechnen. Diese Prinzipien erlauben den beteiligten Parteien, weitgehenden Einfluss auf den prozessualen Ablauf zu nehmen und sonach auch den Umfang der gerichtlichen Wahrheitsfindung zu bestimmen.797 Insoweit ist es den Parteien möglich, dem Gericht übereinstimmend unwahre Tatsachen vorzutragen, an die dieses jedoch gebunden ist.798 Der Umstand, dass eine zivilgerichtliche Entscheidung ergeht, die nicht mit der materiellen Tatsachenlage übereinstimmt, ist sonach auf die überkommene Struktur des Zivilverfahrens zurückzuführen und vermag insoweit keine notstandsauslösende Gefahr zu begründen. (d) Zwischenergebnis Die bloße Sorge, einen rechtserheblichen Umstand vor Gericht nicht nachweisen zu können, und vor diesem Hintergrund in einem Gerichtsprozess zu unterliegen, begründet keine Gefahr i. S. d. § 34 StGB. Sowohl im Straf- als auch im Zivilprozessrecht existieren spezifische Vorgaben, wie zu judizieren ist, wenn einzelne entscheidungserhebliche Tatsachen unaufklärbar bleiben. Diese überkommenen Wertungen müssen in die Beurteilung darüber einfließen, ob eine notstandsauslösende Gefahr vorliegt.799 Aus der strafprozessualen Warte bedarf diese Erkenntnis 796 Vgl. dazu Balthasar, JuS 2008, 35 (36) unter Rekurs auf BGH NJW 2003, 1727 (1728). In diese Richtung auch Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 199 f. 797 Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 109 f. Vgl. zu den Unterschieden im Strafverfahren, in dem eine Ermittlung von Amts wegen erfolgt, Geismann, in: 1. Tagung Junger Prozessrechtswissenschaftler, S. 111 (114). 798 Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 114. 799 Zutreffend insoweit Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 57 f., der hervorhebt, dass die Gefahrenlage nicht allein tatsächlich, sondern auch normativ zu bewerten sei.
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noch einer präzisierenden Einordnung, um von vornherein Missverständnissen vorzubeugen: Diese bezieht sich ausschließlich auf den Ausgang des Strafverfahrens als solchen – also etwa den zu Unrecht erfolgenden Freispruch des Angeklagten, der für sich betrachtet nicht genügt, um eine Notstandslage i. S. d. § 34 StGB auszulösen. Daran, dass eine Gefahr für das staatliche Strafverfolgungsinteresse besteht, wenn ein Straftäter ungesühnt davonkommt, ändert sich hingegen nichts. Denn diese Gefahrenlage erwächst bereits daraus, dass eine Person strafbewehrte Verhaltensvorgaben verletzt hat. Mit dem Ausgang des Strafverfahrens i. S. e. drohenden „Prozessniederlage“ hängt dies jedenfalls nicht unmittelbar zusammen. (e) Folgen für die typischen Fallkonstellationen der privaten Beweismittelsuche Ein wiederum anderes Bild ergibt sich jedoch dann, wenn ein Verfahrensbeteiligter versucht, mit unlauteren Mitteln auf die richterliche Entscheidungsfindung einzuwirken, da sich insoweit die prozessadäquate Risikoverteilung verschiebt.800 Besonders deutlich tritt dies im Zivilprozess zutage, wenn etwa die beklagte Partei durch wahrheitswidrige Aussagen – oder sonstige vorgebrachte Beweismittel – bezweckt, eine berechtigte Klage gegen sie abzuwenden. Ähnliches gilt auch im umgekehrten Fall, in dem der Kläger durch seine Behauptungen suggeriert, ihm stehe der geltend gemachte Anspruch zu, obschon dies aus der materiell-rechtlichen Perspektive nicht der Wahrheit entspricht. Die Gegenseite läuft in beiden Konstellationen Gefahr, den Rechtsstreit aufgrund eines unzutreffenden Beweismittels zu verlieren und Opfer eines sog. Prozessbetrugs zu werden.801 Diese Konstruktion kann zwar auf die strafprozessuale Sphäre nicht unmittelbar übertragen werden, indes lässt sich auch in dieser Prozessart eine Situation begründen, die über die typische „Risikoverteilung“ zwischen den Verfahrensbeteiligten hinausgeht.802 Denn sagt der Angeklagte vor dem gutgläubigen Richter falsch aus oder bringt manipulierte Beweismittel vor, beruht ein anschließender Freispruch nicht (allein) auf dem pro800 In diese Richtung schon Spendel, in: LK-StGB11, § 32 Rn. 132. Ausdrücklich Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 260. Vgl. schließlich auch Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 260 ff. 801 So etwa Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 44; Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 149 m. w. N.; Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 245. Die typische Konstellation des Prozessbetrugs zeichnet sich zwar dadurch aus, dass der Kläger bezweckt, einen materiell nicht bestehenden Anspruch durchzusetzen, vgl. Eisele, Strafrecht BT II, Rn. 572. Nichtsdestoweniger kann auch das Bestreiten des Beklagten zu einer Verwirklichung des § 263 StGB in Form eines Dreiecksbetrugs führen, siehe etwa Krell, Jura 2012, 102 (107). Zu beachten bleibt freilich, dass eine notstandsfähige Gefahr keineswegs verlangt, dass das Verhalten des Gefahrverursachers eine Strafnorm erfüllt. Dies gilt i. Ü. auch für § 32 StGB. Siehe statt aller Rengier, Strafrecht AT, § 18 Rn. 30. Ein solcher Prozessbetrug berührt schließlich sowohl notwehr- als auch notstandsfähige Rechtsgüter. 802 Letztlich differenziert auch Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 186, indem er betont, dass in einem Zivilprozess das Vermögen und in einem Strafverfahren die Ehre betroffen sei. Nach dem hier vertretenen Lösungskonzept ist auch eine Anknüpfung an das staatliche Strafverfolgungsinteresse möglich. Dieses ist aber unabhängig vom konkreten Verhalten des Angeklagten in der Hauptverhandlung tangiert.
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zessualen Zweifelssatz, sondern vielmehr (auch) auf dem möglicherweise unlauteren Verhalten des Angeklagten. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, dass dieser durch seine wahrheitswidrigen Behauptungen einen Belastungszeugen, der den tatsächlichen Tathergang schildert, in ein falsches Licht rückt und insoweit diskreditiert.803 Maßgeblich ist insoweit allerdings stets, dass der Angeklagte die Grenzen eines prozessual zulässigen Verteidigungsverhaltens überschreitet. Das bloße Schweigen auf den erhobenen Vorwurf oder aber das schlichte Leugnen der Tat dürfen folglich keine rechtlichen Nachteile für den Angeklagten mit sich bringen. Nach allem kann die drohende „Prozessniederlage“ nicht nur aus den beweisrechtlichen Vorgaben der Verfahrensordnungen – mithin der Beweislast sowie dem in dubio-Grundsatz – resultieren, sondern auch aus unwahren Äußerungen oder sonstigen Manipulationen einzelner Verfahrensbeteiligter. Ist diese Grenze überschritten, folgt daraus ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff, der grundsätzlich eine Verteidigung nach Maßgabe des § 32 StGB gestattet.804 Allerdings dürfte es demjenigen, der innerhalb eines Prozesses unvorhergesehen mit einer unzutreffenden Aussage oder einem manipulierten Beweismittel konfrontiert wird, kaum gelingen, ad hoc hierauf zu reagieren und die Wahrheit seines eigenen Vorbringens zu beweisen.805 Vielmehr bleibt regelmäßig nur die Option, die Ausführungen des anderen als unrichtig zu deklarieren, und darauf zu hoffen, dass der entscheidende Richter der eigene Schilderung Glauben schenkt. Andernfalls stehen sich schlicht zwei gegenläufige Sachverhaltsdarstellungen gegenüber, die den Richter dazu veranlassen, nach Maßgabe der zuvor erörterten Beweisregeln zu judizieren. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, weshalb sich die typischen Fälle dadurch auszeichnen, dass eine Privatperson bereits im Vorfeld einer gerichtlichen Verhandlung tätig wird, um beispielsweise das Geständnis beweisfest zu dokumentieren.806 In den Genuss des rechtfertigenden Notstands kommt der private Beweismittelsucher außerhalb des Verfahrens indes nur, wenn in eben diesem weit vorgelagerten 803
OLG Celle NJW 1965, 1677; Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 44; R. Schmitt, JuS 1967, 19 (24); ferner Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 186. Instruktiv zur Frage, ob insoweit ein Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut vorliegt, Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 342 ff. A. A. hingegen Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 269. 804 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 175; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 296 f. In diese Richtung auch Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 260 f., obschon diese gerade bei negativen Äußerungen des Beschuldigten hinsichtlich eines Zeugen äußerst zurückhaltend ist, einen notwehrfähigen Angriff zu begründen. Kritisch ferner Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (316). Zur Frage nach dem Zeitpunkt der Gegenwärtigkeit des Angriffs Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 330. Zur Rechtfertigung des innerprozessualen Gebrauchs eine Beweismittels Teil 5, B. IV. 805 In diese Richtung auch Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 57. 806 Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 261.
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Aufzeichnungsmoment bereits eine notstandsfähige Gefahrenlage vorliegt. Dies ist nur anzunehmen, wenn sich bereits zu diesem Zeitpunkt hinreichende Anhaltspunkte – und nicht nur vage Vermutungen – dahingehend aufdrängen, ein Verfahrensbeteiligter verhalte sich in der nachfolgenden gerichtlichen Verhandlung unredlich.807 Insoweit liegt ein Paradebeispiel der „Präventivnotwehr“ vor, die mangels eines gegenwärtigen Angriffs zwar nicht unter § 32 StGB fällt, aber Verteidigungsmaßnahmen gem. § 34 StGB gestattet.808 Um einen endgültigen Schadenseintritt – der über die bloß drohende gesetzeskonforme „Prozessniederlage“ hinausgeht – sicher abzuwenden, bedarf es eines sofortigen Handelns des Privaten, der folglich nicht zuwarten kann, bis der Angriff i. S. d. § 32 StGB gegenwärtig ist.809 Paradigmatisch ist ein Urteil des KG aus dem Jahr 1955, in dem der Ehemann etwa ein Jahr vor dem Beginn eines Scheidungsprozesses heimlich diffamierende Äußerungen seiner Frau mittels eines Tonbandgeräts archivierte, um die Aufnahmen später als Beweismittel zu verwenden.810 Ausweislich des Sachverhalts hatte die Ehefrau zuvor betont, die Beleidigungen im nachfolgenden Gerichtsverfahren schlicht zu leugnen –811 und folglich ihr unredliches zukünftiges Verhalten bereits angedroht.812 Sofern sich solche eindeutigen Anhaltspunkte jedoch nicht aus der maßgebenden objektiv-nachträglichen Prognose des Handelnden ergeben,813 liegt eine Gefahr i. S. d. § 34 StGB schlechterdings nicht vor, so dass der Anwendungsbereich des rechtfertigenden Notstands nicht eröffnet ist.814 Etwaige (gewichtige) Beweisinteressen oder sonstige ehrenwerte Zwecke des privaten Ermittlers spielen insoweit schlicht keine Rolle. Bei näherem Hinsehen löst aus der Warte der drohenden „Prozessniederlage“ folglich nicht ein zurückliegender oder gegenwärtiger Rechtsverstoß die Notstandslage i. S. d. § 34 StGB aus, sondern vielmehr ein zukünftiger Angriff, der jedoch nur durch ein sofortiges Tätigwerden effektiv abgewendet werden kann, so dass
807 Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 186; ders., Jura 2000, 231 (233); Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 297; Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 273 unter Rekurs auf OLG Frankfurt NJW 1967, 1047. Auch Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NKStGB, § 34 Rn. 31 rekurriert auf § 34 StGB, sofern es um die „Verhinderung künftig zu erwartender Straftaten“ geht, die sich auf ein notstandsfähiges Rechtsgut beziehen. 808 Dazu Teil 2, C. IV. 3. b) aa). 809 So letztlich auch Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 63 f. Ferner Wölfl, Jura 2000, 231 (233). 810 KG NJW 1956, 26. 811 KG NJW 1956, 26 (27). 812 Kritisch insoweit Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 27. 813 Rengier, Strafrecht AT, § 19 Rn. 9. Umfassend zur Frage nach der maßgeblichen Perspektive Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 47 ff. 814 Zu weitgehend ist auch der Vorschlag, bei ehrverletzenden Äußerungen stets von einer Wiederholungsgefahr auszugehen und insoweit eine Dauergefahr anzunehmen. Dazu auch Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 300 Fn. 91.
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eine Konstellation der unechten privaten Ermittlung in Rede steht.815 Demgegenüber lassen sich echte private Ermittlungen, die ausschließlich an einen abgeschlossenen Rechtsbruch anknüpfen, nicht aus dem Blickwinkel der „Prozessniederlage“ rechtfertigen. Freilich bleibt zu berücksichtigen, dass die Gefahr eines zukünftigen Angriffs, der in den hier relevanten Fallkonstellationen regelmäßig in einer wahrheitswidrigen Aussage vor Gericht liegt, typischerweise mit einem vorgelagerten außerprozessualen Verhalten zusammenhängt. Kündigt etwa der Täter eines Wohnungseinbruchsdiebstahls in einem vermeintlich vertraulichen Gespräch mit dem verletzten Opfer an, in einem möglichen Strafprozess die Verantwortlichkeit zu leugnen und das Opfer insoweit öffentlichkeitswirksam einer Lüge zu bezichtigen, dient eine etwaige Tonaufnahme dieser Unterhaltung selbstredend (auch) dazu, die Diebstahlstat zu beweisen. Die Notstandsrechtfertigung knüpft im Ergebnis nichtsdestoweniger in dogmatischer Hinsicht ausschließlich an die künftig drohende Beeinträchtigung an.816 (f) Zivilrechtliche Absicherung – § 229 BGB Sofern es um zivilrechtliche Verfahren geht, stehen regelmäßig solche Fallgestaltungen im Vordergrund, in denen der berechtigte Anspruchsinhaber versucht, die anspruchsbegründenden Tatsachen beweisfest zu sichern. Dabei drängen sich mögliche Überschneidungen mit § 229 BGB auf, der das zivilrechtliche Selbsthilferecht normiert, dem letztlich eine notwehrähnliche Funktion zukommt.817 Nach diesem sind einzelne Selbsthilfemaßnahmen unter weiteren restriktiven Voraussetzungen erlaubt, sofern diese gem. § 230 Abs. 1 BGB erforderlich sind, um die Gefahr abzuwenden. Bei Lichte besehen verfolgen die §§ 229 ff. BGB dabei den vorrangigen Zweck, das staatliche Gewaltmonopol zu stärken und die private Selbsthilfe auf unausweichliche Ausnahmesituationen zu beschränken.818 Insbesondere genügen bloße Beweisschwierigkeiten nach Ansicht des BGH nicht, um eine Selbsthilfelage i. S. d. § 229 BGB zu begründen.819 Dieses normative Anliegen darf freilich nicht durch einen unbefangenen Rückgriff auf sonstige Rechtfertigungsgründe unterlaufen werden,820 so dass es kaum wunder nimmt, wenn die h. M. dem § 229 BGB gegenüber dem schneidigen Notwehrrecht aus § 32 StGB grundsätzlich den Vorrang einräumt, sofern sich das Verhalten des Anspruchsgegners darauf beschränkt, einen fälligen und einredefreien Anspruch nicht zu erfüllen.821 Erstaunlicherweise ist das 815
Zum Terminus bereits Teil 1, B. II. 3. Zur fehlenden Rechtfertigung aus der Warte des staatlichen Strafverfolgungsanspruchs Teil 2, C. IV. 3. b) dd). 817 Rengier, Strafrecht AT, § 21 Rn. 1. 818 Grothe, in: MüKo-BGB9, § 229 Rn. 1 spricht von „Durchbrechungen des staatlichen Gewaltmonopols“; Geilen, JZ 1975, 380 (384) hebt den Charakter als Notbehelf hervor. 819 BGHSt 17, 328 (331). Zustimmend Rengier, Strafrecht AT, § 21 Rn. 12. 820 Roxin/Greco, AT I, § 14 Rn. 48. 821 Rönnau/Hohn, in: LK-StGB13, § 32 Rn. 105; Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 68; Rengier, Strafrecht AT, § 21 Rn. 2; ferner Perron/Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 11. Die Begrün816
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Verhältnis des zivilrechtlichen Selbsthilferechts zum rechtfertigenden Notstand gem. § 34 StGB kaum Gegenstand einer wissenschaftlichen Diskussion.822 Um das beschriebene Ziel – das staatliche Gewaltmonopol zu festigen – allerdings nicht zu gefährden, muss die Vorrangthese auch hinsichtlich des § 34 StGB gelten.823 Transferiert man diese Erkenntnis auf die voranstehenden Ausführungen zur Notstandsrechtfertigung, wird deutlich, dass sich der hier vertretene Lösungsansatz in das Gesamtkonzept der anerkannten Rechtfertigungsgründe einfügt. Die bloße Sorge, einen entscheidungserheblichen Umstand nicht beweisen zu können und in der Folge einen zivilrechtlichen Rechtsstreit zu verlieren, löst weder das Selbsthilferecht aus § 229 BGB aus,824 noch lässt sich allein hieraus eine Gefahr i. S. d. § 34 StGB begründen. Sofern jedoch der Anspruchsgegner im Vorfeld einer gerichtlichen Auseinandersetzung betont, später wahrheitswidrig auszusagen und der berechtigte Anspruchsinhaber sonach Gefahr läuft, Opfer eines Prozessbetrugs zu werden, liegt ein solches Szenario außerhalb der ratio des § 229 BGB.825 Insoweit bezweckt der Anspruchsinhaber, der ein solches Vorgehen heimlich aufzeichnet und sonach eine unechte private Ermittlungsmaßnahme ergreift, nämlich nicht ausschließlich, seinen berechtigten Anspruch eigenmächtig durchzusetzen, sondern vielmehr auch, eine darüber hinausgehende Gefahr für notstandsfähige Rechtsgüter – allen voran das Vermögen und die Ehre – abzuwenden. Folglich ist es in dieser Fallgestaltung billig, dem betroffenen Anspruchsinhaber die weitergehenden Rechtfertigungsbefugnisse des § 34 StGB einzuräumen.826 Nach allem erfährt das hier zugrunde gelegte Ergebnis eine normative Stütze durch das zivilrechtliche Selbsthilferecht des § 229 BGB.
dungswege sind indes äußerst vielfältig, wie namentlich die Ausführungen bei Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 173 zeigen. Teilweise abweichend Brodowski, JuS 2015, 430 (432 f.). Ferner Lagodny, GA 1991, 300 (306 ff.), der auf den Vorrang des gerichtlichen Rechtsschutzes verweist. Instruktiv zum Ganzen Arzt, in: Schaffstein-FS, S. 77 (80 f.). 822 Allgemein Roxin/Greco, AT I, § 14 Rn. 48. 823 Partiell in diese Richtung Frister, Strafrecht AT, Kap. 13 Rn. 19. Geilen, JZ 1975, 380 (384) verortet diesen Aspekt bei der Angemessenheit sub specie des § 34 StGB. 824 BGHSt 17, 328 (331). 825 Zur Bedeutung der ratio für das Verhältnis einzelner Rechtfertigungsgründe zueinander Roxin/Greco, AT I, § 14 Rn. 48. 826 Dazu auch Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 336, obschon dieser im Folgenden dann die notwehrähnliche Lage als einschlägig erachtet. Abweichend Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 303, der eine Rechtfertigung beim drohenden Prozessbetrug ablehnt.
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bb) Die Erforderlichkeit Ausweislich des gesetzlichen Wortlauts darf die Gefahr nicht anders abwendbar sein. Zwar ist diese Formulierung durchaus missverständlich,827 da sie suggeriert, die gewählte Verteidigungsmaßnahme müsse die einzig mögliche sein, um der Gefahr effektiv begegnen zu können.828 Nichtsdestoweniger ist gemeinhin anerkannt, dass sich diese normative Vorgabe letztlich mit der Erforderlichkeit überschneidet, die auch die Notwehrrechtfertigung voraussetzt.829 Ähnlich wie im Rahmen des § 32 StGB muss die Notstandshandlung dazu geeignet sein, das mit ihr verfolgte Ziel – mithin die Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr – überhaupt zu erreichen.830 Da eine Ton- oder Bildaufnahme jedoch für sich betrachtet in den meisten Fällen noch nicht dazu führt, die Gefahr für die bedrohten Rechtsgüter abzuwenden, stellt dieses Vorgehen zunächst eine bloße Vorstufe dar. Bei näherem Hinsehen ist diese jedoch zwingend, um den nachgelagerten Gebrauch, der die zeitlich gestreckte Verteidigungshandlung abschließt, überhaupt zu ermöglichen.831 In Übereinstimmung mit dem Notwehrrecht ist bereits der Aufnahmevorgang selbst geeignet, da die abzuwehrende Gefahr bereits zu diesem vorgelagerten Zeitpunkt besteht. Unerheblich ist, dass die eigentliche Gefahrenabwehr typischerweise erst erfolgt, wenn das zuvor gewonnene Beweismittel später auch tatsächlich genutzt wird.832 Bemerkenswert ist schließlich, dass einzelne Stimmen einen expliziten Konnex zwischen der materiell-rechtlichen Rechtfertigung einer Tonaufnahme und deren prozessualer Verwertbarkeit begründen, indem sie sich auf den Standpunkt stellen, die Geeignetheit i. S. d. § 34 StGB fehle von vornherein, wenn dem Beweismittel ein Verwertungsverbot entgegenstehe.833 In diesem Fall sei schon der Aufnahmevorgang ungeeignet, um der „Beweisnot“ zu begegnen. Da insoweit wiederum die Frage aufgeworfen ist, ob sich die prozessuale Unverwertbarkeit bereits materiell-rechtlich auswirkt, ist hierauf an zentraler Stelle zurückzukommen.834 827
So expressis verbis Lenckner, in: Lackner-FS, S. 95 (96); Perron, in: Sch/Sch, § 34 Rn. 18. 828 Lenckner, in: Lackner-FS, S. 95 (96); Stree, JuS 1973, 459 (463); Erb, in: MüKoStGB4, § 34 Rn. 104; Pelz, NStZ 1995, 305 (309). 829 Lenckner, in: Lackner-FS, S. 95 (96 f.); Perron, in: Sch/Sch, § 34 Rn. 18; Roxin/Greco, AT I, § 16 Rn. 23; Rengier, Strafrecht AT, § 19 Rn. 20; Frister, Strafrecht AT, Kap. 7 Rn. 7. 830 Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 108. 831 Dazu bereits im Kontext des § 32 StGB Teil 2, C. IV. 3. a) bb) (2). Abweichend hingegen Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 117. 832 Zweifelnd wohl Scheuerl/Glock, NStZ 2018, 448 (450), die etwa hinsichtlich eines Hausfriedensbruchs monieren, dass dieser nicht zur Gefahrenabwehr beitrage, sondern diese erst durch ein behördliches Verfahren gelinge. 833 Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 31b; Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 180. Schließlich auch Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 186 f. 834 Teil 2, D. III.
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Unter mehreren Handlungsoptionen muss sich der Private zudem für das relativ mildeste Mittel entscheiden, das dazu geeignet ist, die Gefahrenlage zu beseitigen.835 Nach der überwiegenden Ansicht rechnet hierzu auch die vorrangige Inanspruchnahme staatlicher Hilfe, sofern diese rechtzeitig zur Verfügung steht.836 Beabsichtigt der eigeninitiative Beweismittelsucher, die strafbare Verhaltensweise eines anderen zu belegen – und nach der hier vertretenen Ansicht eine Gefahr für das staatliche Strafverfolgungsinteresse abzuwenden –, drängt sich ein Primat des behördlichen Ermittlungsverfahrens auf. Im Rahmen der Erforderlichkeit ist danach zu fragen, ob die staatliche Ermittlungstätigkeit ebenso effektiv wäre wie das eigeninitiative Vorgehen, wobei es insoweit auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Privatperson hauptsächlich dann auf eigeninitiative Maßnahmen zurückgreift, wenn die (hypothetische) staatliche Aufklärung der Straftat ergebnislos zu verlaufen droht und sonach nicht geeignet ist, die Gefahr zu beseitigen. Gerade in diesen Fallkonstellationen scheitert die Erlaubnis gem. § 34 StGB nicht an der fehlenden Erforderlichkeit der privaten Beweismittelsuche. Nichtsdestoweniger muss eine etwaige Notstandsrechtfertigung berücksichtigen, dass der Gesetzgeber ein geordnetes Verfahren implementiert hat, nach dem die Aufklärung von vergangenen Straftaten bestimmten staatlichen Stellen obliegt. Dieser essenzielle Gesichtspunkt beeinflusst die Frage, ob die gewählte Maßnahme der Gefahrenabwehr angemessen ist und wird sonach erst auf einer nachgelagerten Prüfungsstufe relevant.837 cc) Die Interessenabwägung Das zentrale Prinzip eines jeden Rechtfertigungsgrundes liegt darin begründet, kollidierende Güter und Interessen miteinander in Ausgleich zu bringen und auf diese Weise ein gerechtes Ergebnis zu implementieren.838 Besonders augenscheinlich tritt diese Konzeption innerhalb des rechtfertigenden Notstands gem. § 34 StGB hervor, dem zufolge die widerstreitenden Interessen, zu denen auch die tangierten Rechtsgüter zählen,839 gegeneinander abgewogen werden müssen.840 In den Fällen 835
Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 104; Lenckner, in: Lackner-FS, S. 95 (97). BGHSt 61, 202 (204); 39, 133 (137); Perron, in: Sch/Sch, § 34 Rn. 20. Ablehnend hingegen Pelz, NStZ 1995, 305 (309). Zu ähnlichen Problemen im Kontext des § 32 StGB Teil 2, C. IV. 3. a) bb) (4). 837 Dazu Teil 2, C. IV. 3. b) dd). Da die Relevanz der Angemessenheitsklausel streitig ist, ordnen manche Stimmen diese Erwägungen auch der Interessenabwägung zu. Statt aller Perron, in: Sch/Sch, § 34 Rn. 41, 46 f. 838 Roxin/Greco, AT I, § 7 Rn. 42, § 14 Rn. 41; Otto, in: Kleinknecht-FS, S. 319 (336); Kuhlen, GA 2008, 282 (286 f.). Instruktiv Lenckner, Der rechtfertigende Notstand, S. 133 ff.; ders., GA 1985, 295 (302 ff.). Schließlich auch Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 213, der dies sub specie des § 32 StGB ausdrücklich betont. 839 Vgl. zur legislatorischen Grundsatzentscheidung, nach der die Rechtsgüter nur einen Abwägungsgesichtspunkt unter vielen darstellen, Roxin/Greco, AT I, § 16 Rn. 7. Nach Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 271 bleibe das Rangverhältnis der be836
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einer privaten Beweismittelsuche spielt neben einer besonderen Vertraulichkeit, die sich unter Rekurs auf den persönlichkeitsrechtlichen Sphärengedanken bestimmen lässt,841 vornehmlich das Beweisinteresse eine entscheidende Rolle,842 wobei sich die Erkenntnisse von der datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen Interessenabwägung auf die Ebene des rechtfertigenden Notstands übertragen lassen: Ein gesteigertes Beweisinteresse, das für eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB streitet, ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich das eigeninitiative Vorgehen darauf beschränkt, eine gegenwärtige Straftat oder sonstige Rechtsverletzung zu dokumentieren.843 Ähnliches gilt auch dann, wenn sich dem Privaten ein konkretisierter Verdacht dahingehend aufdrängt, ein anderer werde zukünftig eine Rechtsverletzung – regelmäßig eine unwahre Aussage vor Gericht – begehen.844 Schließlich ist auch in den Fällen der echten privaten Ermittlungen typischerweise von einem überwiegenden Interesse des privaten Beweismittelsuchers auszugehen – und zwar vor allem dann, wenn sich der Verdacht auf Straftaten von einigem Gewicht bezieht. Bei Lichte besehen resultieren hieraus im Kontext der privaten Beweismittelsuche zentrale Überschneidungen mit dem Erfordernis einer gegenwärtigen Gefahr: Sowohl in den Fällen einer eigeninitiativen Beweismitteldokumentation als auch denjenigen einer unechten oder echten privaten Ermittlung ist regelmäßig nicht nur von einer Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut auszugehen, sondern zugleich auch von einem gesteigerten Beweisinteresse. Hinzukommt, dass derjenige, in dessen Interessen die Verteidigungshandlung eingreift, durch sein Verhalten erst Anlass hierzu gegeben hat.845 Evident tritt diese Erkenntnis hervor, wenn es um die heimliche Tonaufnahme eines beleidigenden Werturteils geht: Der Sprechende nutzt troffenen Rechtsgüter hingegen der Ausgangspunkt der Abwägung. Einschränkend dagegen Lenckner, GA 1985, 295 (295 ff.). 840 Zum Ganzen Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 261; Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 271 f. 841 Dazu auch Brunhöber, GA 2010, 571 (581), die jedoch betont, dass die Zuordnung zur Intimsphäre einer Rechtfertigung nicht von vornherein entgegenstehe. Ferner Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 288. 842 Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 214. In diese Richtung auch Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 31b. Vgl. schließlich auch Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 276, die auf die Eingriffsintensität abstellt. 843 Ähnlich Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 300 f., der vor diesem Hintergrund auch die Ton- und Bildaufnahmen während eines Banküberfalls für rechtmäßig erachtet. 844 Abweichend jedoch Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 303, der auf das grundsätzliche Verbot der Selbsthilfe verweist. Zu diesem bereits Teil 2, C. IV. 3. b) aa) (3) (f). 845 Sub specie der eigeninitiativen Beweismittelsuche Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 63 f.; Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 272; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 300. Generell zu diesem Gesichtspunkt Rengier, Strafrecht AT, § 19 Rn. 38; Roxin/Greco, AT I, § 14 Rn. 44 im Kontext allgemeiner Prinzipien, die den Rechtfertigungsgründen möglicherweise zugrunde liegen.
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insoweit die grundsätzliche Vergänglichkeit des gesprochenen Wortes, um einen anderen gezielt zu verletzen.846 Da es um eine Konstellation des sog. Defensivnotstands geht, können schließlich auch die privilegierenden Wertungen des § 228 BGB berücksichtigt werden,847 wobei das exakte Zusammenspiel zwischen § 228 BGB und § 34 StGB insoweit keineswegs endgültig geklärt ist. Stützt man den rechtfertigenden Notstand – wie im Rahmen dieser Untersuchung – auf den Gedanken der gesellschaftlichen Solidarität, scheint § 34 StGB in den Fällen des Defensivnotstands nicht zu passen: Die Rechtfertigung des Eingriffsverhaltens beruht hier nicht auf einer spezifischen Solidarität eines unbeteiligten Dritten, sondern vielmehr auf der Verantwortlichkeit des Eingriffsopfers für die Gefahrenlage.848 Insoweit drängt sich eine analoge Anwendung des § 228 BGB auf.849 Da diese Erwägungen im hier interessierenden Kontext jedoch keine inhaltlichen Unterschiede nach sich ziehen, soll die Debatte an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden. Der Anwendungsbereich des § 34 StGB ist im Kontext der eigeninitiativen Beweismittelsuche aufgrund der vorgelagerten Prüfungspunkte der Gefahr sowie der Erforderlichkeit, die eine rechtmäßige Verteidigungshandlung nur in ausgewählten Situationen zulassen, bereits eng gefasst. Hinzu kommt die nachgelagerte Stufe der Angemessenheit, die als weiteres Korrektiv gilt und gerade hinsichtlich echter privater Ermittlungen bedeutsam ist.850 Einer noch weitergehenden besonderen Restriktion auf der Ebene der Interessenabwägung bedarf es hingegen nicht, um die eigeninitiative Beweismittelsuche in geordnete Bahnen zu lenken. Infolgedessen beschränkt sich der rechtfertigende Notstand auch nicht ausschließlich auf solche Fälle, in denen es dem privaten Beweismittelsucher darum geht, eine besonders schwerwiegende Straftat – etwa i. S. d. §§ 100a, 100c StPO – nachzuweisen.851 Es 846
Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 300; Klug, in: Sarstedt-FS, S. 101 (125); Otto, in: Kleinknecht-FS, S. 319 (336 f.). So letztlich auch B. Kramer, NJW 1990, 1760 (1763); Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 40; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/ Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 26, allerdings hinsichtlich wiederholter Beleidigungen („Telefonterror“). Zu diesem Ergebnis gelangt auch Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 50 ff., jedoch unter Rekurs auf die „Verfallsthese“ schon auf der Ebene des Tatbestands. 847 Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 40. Vgl. auch Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 300. Zum Ganzen Frister, GA 1988, 291 (294 f.). 848 Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 34 Rn. 86; Engländer, GA 2010, 15 (21). Abweichend Schroth, in: Hilpert/Schroth, S. 186 (193), der von gesteigerten Solidaritätspflichten ausgeht. 849 Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 34 Rn. 36 m. w. N. 850 Dazu sogleich Teil 2, C. IV. 3. b) dd). 851 Ähnlich Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 187. Abweichend hingegen Brunhöber, GA 2010, 571 (582), die insoweit auf die strafprozessualen Wertungen Bezug nimmt. Ähnlich Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 199. Teilweise auch Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 62, sofern es um die Tonbandaufnahme einer gegenwärtigen Straftat geht. Hinter diesen Überlegungen steckt wiederum der Gedanke, wonach einem privaten Ermittler nicht mehr Befugnisse zustehen dürfen als den staatlichen Strafverfolgungsbeamten. Vgl. schließlich
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genügt vielmehr, das Gewicht des aufzuklärenden Rechtsverstoßes als einen Abwägungsparameter unter mehreren zu begreifen, der jedoch nicht absolut wirkt.852 Nach allem stellt die Interessenabwägung in den relevanten Fallgestaltungen der privaten Beweismittelsuche keine hohe Hürde dar, so dass die Verteidigungsinteressen typischerweise überwiegen,853 obschon endlich die konkrete Situation des Einzelfalls entscheidend ist. Wenn in der wissenschaftlichen Diskussion bisweilen die gegenläufige Position vertreten wird, ist dies zum einen auf eine Überhöhung des Persönlichkeitsschutzes zurückzuführen, die sich sowohl in der zivil- als auch der strafrechtlichen Diskussion zeigt,854 und die durch das reformierte Datenschutzrecht einen weiteren Anschub erhalten hat. Zum anderen beruht der postulierte Vorrang des Persönlichkeitsrechts darauf, dass die Gefahr als auslösender Umstand des § 34 StGB mitunter gänzlich außer Acht gelassen wird. Um einer uferlosen Notstandsrechtfertigung vorzubeugen, bedarf es dann jedoch eines einschränkenden Korrektivs, das insoweit die Interessenabwägung bildet. Ein solcher Gedankengang ist aber nach dem hier implementierten Ansatz nicht erforderlich, da die weiteren Voraussetzungen des § 34 StGB dafür sorgen, das Notstandsrecht sub specie der eigeninitiativen Beweismittelsuche sachgerecht und voraussehbar zu begrenzen. Eine „Sonderrolle“ nehmen schließlich die Konstellationen ein, in denen die ergriffenen Maßnahmen des eigeninitiativen Beweismittelsuchers strafrechtlich geschützte Rechtspositionen des Opfers einer gegenwärtigen Straftat beeinträchtigen – und a priori dessen Leid vergrößern. Virulent wird dies etwa dann, wenn der Private eine Vergewaltigung filmt, die sich innerhalb einer geschützten Räumlichkeit i. S. d. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB zuträgt. Verfolgt der Aufnehmende „beweisfremde“ Zwecke, indem er von vornherein beabsichtigt, die aufgenommenen Personen zu erpressen oder die Aufnahmen an die Presse zu verkaufen, bestehen an der Strafbarkeit keine ernstlichen Zweifel; eine Rechtfertigung dieses Verhaltens kommt schlechthin nicht in Betracht. Doch selbst dann, wenn es dem eigeninitiativen Beweismittelsucher ausschließlich darum geht, ein aussagekräftiges Beweismittel zu gewinnen, offenbart die Überlegung, inwieweit dieses Verhalten von § 34 StGB auch Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 277. Zudem erscheint dieser weit verbreitete Rekurs auf §§ 100a, 100c StPO auch aus einem weiteren Gesichtspunkt fraglich: Die strengen Vorgaben dieser strafprozessualen Eingriffsermächtigungen müssen vor dem Hintergrund ihres spezifischen Zwecks gesehen werden, der darin liegt, die Eingriffsbefugnisse der staatlichen Strafverfolgungsbehörden zu reglementieren. Hieraus lassen sich jedenfalls keine zwingenden Schlüsse für ein privates Handeln ziehen. Außerdem bezieht sich § 100a StPO auf die Telekommunikationsüberwachung. Ein solches Abhören unterscheidet sich jedoch nicht unwesentlich von einem heimlichen Aufnehmen, so dass der Transfer auch insoweit begründungsbedürftig bleibt. Dazu auch Arzt, JZ 1973, 506 (507). 852 Vgl. auch Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 214, der von einer Orientierung spricht. 853 Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 51. Teilweise restriktiver hinsichtlich der Bedeutung des Beweisinteresses Tenckhoff, JR 1981, 255 (257). Vgl. ferner Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 103. 854 Ausdrücklich Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 261 f.
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gedeckt ist, beträchtliche Bedenken. Denn die Videoaufnahme erfüllt den Tatbestand des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht etwa deshalb, weil der Täter der Vergewaltigung, der die Gefahr für das staatliche Strafverfolgungsinteresse auslöst, von der Aufnahme erfasst wird. Vielmehr wird das Opfer der aufgezeichneten Straftat in seinem höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt.855 Zwar gestattet § 34 StGB im Unterschied zum schneidigen Notwehrrecht auch solche Maßnahmen der Gefahrenabwehr, die sich gegen die Rechtsgüter von Personen richten, die für die Notstandslage selbst nicht verantwortlich sind. Dahinter steht der zentrale Gedanke der Solidarität, der dem Einzelnen gewisse Rechtseinbußen abverlangt, um höherwertige Interessen eines anderen zu schützen.856 Allerdings stößt dieser Gesichtspunkt an seine Grenzen, wenn es darum geht, dem Opfer einer Straftat gewisse Beeinträchtigungen zuzumuten, um eine Gefahr für das staatliche Strafverfolgungsinteresse abzuwehren, die letztlich aus der konkreten Tat gegen das Opfer herrührt, das nun zur Solidarität verpflichtet sein soll. Weitere Schwierigkeiten treten hinzu, wenn das Opfer der Vergewaltigung eine Strafverfolgung von vornherein und für den eigeninitiativen Beweismittelsucher eindeutig erkennbar ablehnt. Ordnet man diese Erwägungen in das gesetzlich vorgegebene Rechtfertigungsprogramm des § 34 StGB ein, werden Parallelen zu einer anderen Fragestellung sichtbar: Ist eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB möglich, wenn sowohl das Eingriffs- als auch das Erhaltungsgut derselben Person zuzuordnen sind? Von diesem Problem des sog. intrapersonalen Interessenkonflikts, das eng mit der rechtfertigenden Einwilligung zusammenhängt,857 unterscheidet sich die hier untersuchte Konstellation deshalb, weil die Gefahr nicht dem betroffenen Individuum droht, sondern dem Staat, der Straftaten verfolgt. Nichtsdestoweniger lässt sich das Strafverfolgungsinteresse nicht gänzlich von dem verletzten Opfer einer Straftat lösen. Andernfalls würde der Rückgriff auf ein abstraktes staatliches Strafverfolgungsinteresse dazu führen, das Schutzbedürfnis betroffener Opfer einer Straftat auszuhebeln. Schlussendlich folgt hieraus kein genereller Ausschluss der Rechtfertigung, da dem Einzelnen grundsätzlich auch zugunsten staatlicher Interessen solidarische Pflichten abverlangt werden können, die mit eigenen Rechtseinbußen einhergehen. Nichtsdestoweniger müssen die Belange des verletzten Opfers insbesondere im Rahmen der eigeninitiativen Beweismittelsuche präzise gewürdigt werden. dd) Die Angemessenheit An verschiedenen Stellen ist bereits auf das wichtige Korrektiv der Angemessenheit hingewiesen worden, das hinsichtlich der eigeninitiativen Suche nach Beweismitteln deshalb essenziell ist, weil der Gesetzgeber für die Strafverfolgung ein
855
Dazu Teil 2, C. II. 1. d). Dazu Teil 2, C. IV. 1. 857 Instruktiv Engländer, GA 2010, 15. 856
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rechtlich geordnetes Verfahren vorsieht.858 Sofern die Strafverfolgungsbehörden einen Anfangsverdacht annehmen, obliegt es diesen, den tatsächlichen Sachverhalt aufzuklären; gehen Privatpersonen ihrerseits einem Verdacht nach, läuft dieses eigeninitiative Vorgehen der legislatorischen Grundentscheidung zuwider. Unter Rekurs auf das staatliche Strafverfolgungsinteresse lässt sich nach dem hier vertretenen Ansatz zwar eine Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut i. S. d. § 34 StGB begründen; zudem dient die Prüfungsstufe der Erforderlichkeit nur als grober Filter, um einzelne Maßnahmen der eigeninitiativen Beweismittelsuche aus dem Rechtfertigungsprogramm des § 34 StGB auszusondern. Allerdings stellt die Gefahrenabwehr ein unangemessenes Mittel dar, wenn der Gesetzgeber ein rechtlich geordnetes Verfahren vorsieht, das beschreibt, auf welche Art und Weise ein spezifischer Konflikt zwischen verschiedenen Rechtspositionen und Interessenlagen aufzulösen ist.859 Hieraus folgt für die Fälle der eigeninitiativen Beweismittelsuche, die den Tatbestand einer Strafnorm verletzen, eine zentrale Erkenntnis: Bezweckt eine Privatperson, eine bereits abgeschlossene Straftat aufzuklären – indem sie etwa versucht, den potenziellen Täter in einem vermeintlich vertraulichen Gespräch zu einem Geständnis zu bewegen, das sie dann mittels eines Tonaufnahmegeräts aufzeichnet –, stellen die strafprozessualen Normen ein vorrangiges Verfahren bereit; eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB scheidet aus.860 Der Private ist vielmehr dazu aufgerufen, seinen Verdacht gegenüber den zuständigen Strafverfolgungsbehörden zu äußern und diesen die Ermittlungen zu überlassen. Auf den Ausgleich der konfligierenden Interessen und das Gewicht des Strafverfolgungsinteresses, das wiederum mit der Schwere der aufzuklärenden Straftat zusammenhängt, kommt es insoweit nicht mehr entscheidend an.861 Vor diesem Hintergrund kann eine echte private Ermittlung, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, nicht gem. § 34 gerechtfertigt werden, sofern es um die Aufklärung einer Straftat geht.862 Wegen des absoluten Vorrangs des staatlichen Verfahrens gilt dies auch dann, wenn die Er858 Zu weiteren Fallgruppen, die im Kontext der Angemessenheit relevant werden, Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 19 Rn. 51 ff. Zur dogmatischen Einordnung der Angemessenheitsklausel des § 34 S. 2 StGB und dem Verhältnis zur Interessenabwägung Perron, in: Sch/ Sch, § 34 Rn. 46 f.; Roxin/Greco, AT I, § 16 Rn. 91 ff.; Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 243 f. 859 Kühl, Strafrecht AT, § 8 Rn. 177; Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 254; Rengier, in: KKOWiG, § 16 Rn. 43 ff. 860 Perron, in: Sch/Sch, § 34 Rn. 41, allerdings im Rahmen der Interessenabwägung. Ebenso Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 31. Schließlich auch Pawlik, Der rechtfertigende Notstand, S. 227 f. Eine „Ausnahme“ kann lediglich dann angezeigt sein, wenn zugleich die Gefahr eines zukünftigen unzulässigen Verhaltens innerhalb der Hauptverhandlung besteht. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist dabei nämlich nicht die abgeschlossene Straftat, sondern vielmehr der zukünftig drohende Rechtsverstoß des Angeklagten. Insoweit ist das staatliche Ermittlungsverfahren aber gerade nicht vorrangig. 861 Allgemein Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 34 Rn. 117. 862 So letztlich auch Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 186; ders., Jura 2000, 231 (234), der hinsichtlich abgeschlossener Taten anmerkt, dass eine Rechtfertigung insoweit nicht eingreift.
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mittlungsbehörden dem Verdacht nicht effektiv nachgehen können, weil etwa die Voraussetzungen wichtiger Eingriffsbefugnisse – wie etwa § 100a StPO – nicht vorliegen und das eigeninitiative Vorgehen das einzige Mittel ist, das Erfolg versprechend erscheint.863 Auf diese Weise ist zugleich den gewichtigen Einwänden derjenigen hinreichend Rechnung getragen, die bereits daran zweifeln, das Strafverfolgungsinteresse in den Kreis der notstandsfähigen Rechtsgüter aufzunehmen. Eine divergierende Ausgangslage ist jedoch anzunehmen, wenn der Private einen gegenwärtigen Rechtsbruch dokumentiert, indem er etwa eine Beleidigung, die gerade stattfindet, heimlich aufnimmt.864 Trotz eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs scheidet eine Notwehrrechtfertigung gem. § 32 StGB typischerweise aus, da die Verteidigungsmaßnahme nicht geeignet ist, gerade die Ehrverletzung abzuwehren, sondern diese schlicht dokumentiert.865 Aus demselben Grund bleibt auch hinsichtlich des rechtfertigenden Notstands der Rückgriff auf eine Gefahr für die Ehre und das Ansehen ausgeschlossen, da diese durch die bloße Dokumentation des strafbaren Verhaltens ebenfalls nicht beseitigt werden kann. Wendet man den Blick sodann auf das staatliche Strafverfolgungsinteresse, werden die Unterschiede zur vorangehenden Fallkonstellation der echten privaten Ermittlungen deutlich: Während diese – vom Standpunkt der aufzudeckenden Straftat – nachträglich erfolgen, beschränkt sich die private Beweismitteldokumentation auf den spezifischen Zeitpunkt des Rechtsverstoßes und verlangt demzufolge ein sofortiges Tätigwerden.866 Die verbal vorgebrachte Beleidigung etwa ist flüchtig und folglich überhaupt nur dann reproduzierbar, wenn der Aufnehmende im maßgeblichen Moment ihrer Kundgabe anwesend ist. Da dies auf die staatlichen Strafverfolgungsbehörden, denen es vorrangig obliegt, die Straftat aufzuklären und den Verantwortlichen zu ermitteln, typischerweise nicht zutrifft, wird der Private zu deren Gunsten ersatzweise tätig.867 Insoweit kommt eine zentrale Funktion des Notstandsrechts zum Ausdruck,868 die Pawlik hervorgehoben hat. Nach dessen Konzeption soll eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB dazu dienen, „den Schutz gewisser fundamentaler Realbedingungen rechtlicher Freiheit gegen ihren zufälligen Untergang auch dort zu ermöglichen, wo die organisiert-regelhafte Notbekämpfung zu spät käme“.869 Eine 863 Perron, in: Sch/Sch, § 34 Rn. 41. So auch Pawlik, Der rechtfertigende Notstand, S. 228 Fn. 213. Abweichend hinsichtlich einer Gefahr für den Tierschutz wohl OLG Naumburg NJW 2018, 2064 (2065), das auf die Aussichtslosigkeit des behördlichen Einschaltens verweist. 864 Dazu auch Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 277 f.; ferner Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 263. 865 Dazu Teil 2, C. IV. 3. a) bb) (2). 866 Anderes gilt nur in solchen Fällen, in denen der strafbare Rechtsverstoß längere Zeit andauert. Paradigmatisch insoweit OLG Naumburg NJW 2018, 2064. Allerdings stand dabei die Frage im Vordergrund, ob der Tierschutz als Rechtsgut i. S. d. § 34 StGB einzustufen ist. 867 Für eine Rechtfertigung insoweit auch Brunhöber, GA 2010, 571 (581). 868 Instruktiv zur Frage, auf welchem Rechtsverständnis das Notstandsrecht aus § 34 StGB beruht, Roxin/Greco, AT I, § 16 Rn. 10. 869 Pawlik, Der rechtfertigende Notstand, S. 104.
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Omnipräsenz des Staates sei weder möglich noch wünschenswert, so dass auch in den Fällen, in denen der Gesetzgeber für die Lösung bestimmter Konflikte ein gesetzliches Verfahren vorsieht, einzelne Durchbrechungen anzuerkennen seien.870 In diesen Ausnahmesituationen agiere der Bürger als „eine Art Geschäftsführer ohne Auftrag“, der den grundsätzlichen Kompetenzvorrang der staatlichen Institutionen gerade nicht missachte.871 Zwar bezieht sich Pawlik dabei nicht unmittelbar auf die hier interessierende Konstellation der privaten Beweismittelsuche, sondern verweist auf einen Bürger, der sich eigenhändig gegen ein gefährliches Tier verteidigen muss, weil die Schusswaffe des zuständigen Polizeibeamten nicht funktioniert. Nichtsdestoweniger lässt sich der dahinterstehende Gedankengang auch auf die eigeninitiative Beweismitteldokumentation übertragen: Der gegenwärtige Rechtsbruch, den eine Privatperson wahrnimmt und zu Beweiszwecken dokumentiert, hebt diese in eine besondere Position, die es erlaubt, ausnahmsweise eine Aufgabe wahrzunehmen, die für gewöhnlich von staatlichen Stellen erfüllt wird. Würde man auch in diesen Fällen am Primat des gesetzlich geordneten Verfahrens festhalten, redete man einem strikten Formalismus das Wort, der die effektive Gefahrenabwehr gem. § 34 StGB in weiten Teilen einschränkte.872 Freilich begründet dies keinen zwingenden Automatismus dergestalt, dass die Aufnahme einer gegenwärtigen Straftat stets rechtmäßig i. S. d. § 34 StGB ist, da die konkrete Verteidigungsmaßnahme auch den Vorgaben der Interessenabwägung gerecht werden muss.873 Der hier vorgeschlagene Weg lässt sich schließlich auch mit dem staatlichen Gewaltmonopol vereinbaren.874 Dieses ist vornehmlich dann negativ betroffen, wenn die private Beweismittelsuche parallel zu staatlichen Ermittlungsmaßnahmen erfolgt und insoweit das begründete Risiko besteht, dass sich die jeweiligen Nachforschungen gegenseitig beeinträchtigen. Diese Gefahr existiert jedoch nicht, wenn sich das private Verhalten darauf beschränkt, eine gegenwärtige Straftat zu dokumentieren, sofern die staatlichen Stellen nicht zugegen sind und ihrerseits – selbst, wenn sie umgehend informiert würden – nicht effektiv eingreifen könnten. Dementsprechend begründet es auch keinen logischen Widerspruch, eine private Eingriffsbefugnis mit einem originär staatlichen Anliegen zu verknüpfen.875 Schließlich bereitet das Erfordernis einer angemessenen Verteidigung im Kontext der unechten privaten Ermittlungen, in denen es darum geht, einen zukünftigen 870
Pawlik, Der rechtfertigende Notstand, S. 234. Pawlik, Der rechtfertigende Notstand, S. 229. 872 Vgl. auch Keller, Rechtliche Grenzen der Provokation von Straftaten, S. 319 f., der darauf hinweist, dass theoretisch stets ein staatliches Verfahren zur Verfügung stehe. Ließe man dies genügen, liefe der Anwendungsbereich des § 34 StGB letztlich leer. 873 Dazu schon Teil 2, C. IV. 3. b) cc). Zum wesentlichen Überwiegen der Interessen des Aufnehmenden in diesen Fällen Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 277 f. 874 Kritisch zur Relevanz des staatlichen Gewaltmonopols im Kontext der Rechtfertigung gem. §§ 32, 34 StGB Pelz, NStZ 1995, 305 (305 f.). 875 Abweichend Keller, Rechtliche Grenzen der Provokation von Straftaten, S. 291. 871
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Rechtsverstoß zu belegen,876 keine zusätzlichen Hürden. Ein Vorrang des staatlichen Strafverfahrens besteht insoweit nicht, da zum Zeitpunkt der eigeninitiativen Maßnahme noch kein strafbarer Rechtsbruch eines anderen vorliegt, sondern sich allein der Verdacht eines zukünftigen Rechtsverstoßes aufdrängt. Geht es dem privaten Beweismittelsucher hingegen allein um den Nachweis eines zivilrechtlich relevanten Verhaltens, bestehen aus der Warte der Angemessenheit keine weitergehenden Voraussetzungen. Mangels einer staatlichen Aufklärung des relevanten Sachverhalts besteht insoweit kein vorrangiges Verfahren, das der Private zu beachten hätte. ee) Strafprozess – Niederlage des Beschuldigten Ungleich großzügiger fallen die Stellungnahmen aus, wenn ein Beschuldigter, der zu Unrecht verdächtigt wird, eigeninitiativ nach aussagekräftigen Beweismitteln sucht, um der drohenden – und insoweit fehlerhaften – Verurteilung zu entgehen. Einige Verfechter eines eingeschränkten privaten Ermittlungsrechts wollen ein solches von vornherein nur dem Beschuldigten eines Strafverfahrens zubilligen, da sich dessen Position deutlich von derjenigen unterscheide, die etwaige Opfer einer Straftat einnähmen.877 Doch selbst, wenn man – wie im Rahmen dieser Untersuchung – auf dem Standpunkt steht, wonach sämtliche Privatpersonen innerhalb der materiell-rechtlichen Grenzen eigeninitiativ nach Beweismitteln suchen dürfen, ist evident, dass der Beschuldigte eine gewisse Sonderrolle einnimmt. Insbesondere eine verhängte Gefängnisstrafe führt zu einer erheblichen Einschränkung zentraler Freiheitsrechte und reicht deshalb deutlich über die Rechtsfolgen einer sonstigen „Prozessniederlage“, wie sie oben beschrieben wurde, hinaus. Das gesteigerte Schutzbedürfnis des Beschuldigten kommt auch in der hier zugrunde gelegten Konzeption zum Ausdruck, wonach es sich bei den strafprozessualen Beweisverwertungsverboten ausschließlich um Belastungsverbote handelt.878 Während diese Überlegungen zum privaten Ermittlungsrecht des Beschuldigten oder aber zur Reichweite prozessualer Verwertungsverbote regelmäßig ausführlich begründet werden, erschöpfen sich die Ausführungen zu § 34 StGB nicht selten in dem bloßen Hinweis, der Beschuldigte sei gerechtfertigt, wenn er etwa eine heimliche Tonaufnahme anfertige, um sich gegen einen Belastungszeugen zu verteidigen, der bewusst wahrheitswidrig aussagt.879 Zwar dürfte das Interesse des Angeklagten, 876
Zum Begriff Teil 1, B. II. 3. Hassemer/Matussek, Das Opfer als Verfolger, S. 13. Teilweise auch Brunhöber, GA 2010, 571 (573 f.). Vgl. zum Ganzen auch Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 289 ff. 878 Dazu Teil 1, A. I. 3. 879 Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 31b; Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 41; Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 41. Ähnlich auch Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 276. Ausgeklammert bleiben hingegen solche Fälle, in denen sich der Angeklagte 877
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nicht unschuldig verurteilt zu werden, in einer solchen Konstellation stets überwiegen.880 Allerdings bedarf es zunächst einer notstandsauslösenden Gefahr, die sowohl tatsächlich als auch rechtlich zu begründen ist. Im Unterschied zu den vorangehenden Fallgestaltungen stellt die drohende Verurteilung eines Unschuldigen bereits für sich betrachtet einen Zustand dar, der den strafprozessualen Leitmaximen diametral zuwiderläuft.881 Während der Freispruch eines Angeklagten, dessen Schuld nicht zur genügenden Überzeugung des entscheidenden Richters feststeht, ein Ergebnis ist, das der rechtsstaatlichen Verfahrensordnung und dem in dubio-Grundsatz entfließt, reicht die fehlerhafte Verurteilung über das prozessadäquate Risiko hinaus.882 Vor diesem Hintergrund liegt eine Gefahr nicht nur vor, wenn sich dem Angeklagten hinreichende Anhaltspunkte dahingehend aufdrängen, ein Belastungszeuge werde falsch aussagen oder sonst manipulierte Beweismittel anbieten, sondern bereits dann, wenn eine „Prozessniederlage“ – mithin eine unberechtigte Verurteilung – droht.883 Nach allem stehen dem Beschuldigten eines Strafverfahrens jedoch keineswegs umfangreichere Ermittlungsrechte oder gar Eingriffsbefugnisse zu als anderen Privatpersonen, die an einem Straf- oder Zivilprozess beteiligt sind. Weil allerdings häufiger eine notstandsauslösende Gefahr anzunehmen ist – und schließlich auch die Interessen des unschuldigen Angeklagten besonders gewichtig sind – liegen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 34 StGB schlicht öfter vor.884 ff) Ergebnis für die Notstandsrechtfertigung und Schlussfolgerung Die Notstandsrechtfertigung gem. § 34 StGB nimmt eine zentrale Rolle im Kontext der eigeninitiativen Suche nach Beweismitteln ein, die einen differenzierten Umgang mit den einzelnen Fallkonstellationen erlaubt. Obschon die Güter- und Interessenabwägung in der wissenschaftlichen Diskussion nicht selten in den Vordergrund tritt, erfährt der Erlaubnissatz vor allem durch den Gefahrenbegriff sowie seinerseits mit manipulierten Beweismitteln – wie etwa gefälschten Urkunden – zu verteidigen versucht. Dazu etwa Engländer, in: Matt/Renzikowski, § 34 Rn. 35. 880 In diese Richtung auch Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 276. 881 So letztlich auch Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 95; Hahn, Ton- und Bildträger als Beweismittel im Strafprozess, S. 181 weist auf grundrechtliche Gewährleistungen hin, die zumindest „gefährdet“ seien. Vgl. auch Bienert, Private Ermittlungen, S. 146, die vom „schwersten Schaden für den Rechtsfrieden“ spricht. Abweichend hingegen Frister, Strafrecht AT, Kap. 17 Rn. 4. 882 Vgl. Löffelmann, Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren, S. 102, wonach Fehlverurteilungen Unrecht sind, „das nicht legitimiert werden kann“. 883 Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 95. Ablehnend Frister, Strafrecht AT, Kap. 17 Rn. 4. 884 Ähnlich auch Bienert, Private Ermittlungen, S. 117; Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 103 ff. geht schließlich noch instruktiv auf die Frage ein, ob der Strafprozess ein solches gesetzlich vorgesehenes Verfahren sei, das die Verteidigungsrechte des Beschuldigten abschließend regele.
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die Kriterien der Erforderlichkeit und Angemessenheit seine maßgeblichen Konturen. Eine notstandsauslösende Gefahr lässt sich dabei von vornherein nicht begründen, wenn die private Beweismittelsuche lediglich dazu dient, potenziell rechtserhebliche Tatsachen auf Vorrat zu dokumentieren.885 Eigeninitiative Maßnahmen, die den Tatbestand einer Strafnorm erfüllen und ohne einen hinreichenden Anlass erfolgen, fallen schlechterdings nicht unter § 34 StGB. Hieran vermag auch ein gewichtiges Beweisinteresse nichts zu ändern; dieses wirkt sich im rechtfertigenden Notstand zwar nicht allein im Rahmen des subjektiven Rechtfertigungselements886 aus, sondern beeinflusst auch die einzelfallgeprägte Güter- und Interessenabwägung. Die Prüfungsstufen dürfen indes erst dann betreten werden, wenn überhaupt eine Rechtfertigungslage vorliegt. Legt man die gewonnenen Erkenntnisse zugrunde, bleiben neben der anlasslosen Beweissammlung zwei Fallgestaltungen übrig, in denen eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB ausscheidet – obschon mitunter gewichtige Interessen des eigeninitiativen Beweismittelsuchers auf dem Spiel stehen. Die erste Konstellation betrifft solche Maßnahmen einer Privatperson, die allein darauf gerichtet sind, eine zivilprozessual bedeutsame Tatsache zu belegen. Weder der Rekurs auf die drohende „Prozessniederlage“ noch der Rückgriff auf das private oder staatliche Interesse an einer materiell wahren Entscheidung begründen eine notstandsauslösende Gefahr, da die prozessuale Struktur des Zivilverfahrens dazu führt, dass diese Situationen nicht als störende Fremdkörper erscheinen. Von diesem Standpunkt aus lassen sich dann aber die Dokumentation eines gegenwärtigen Rechtsverstoßes sowie die echte private Ermittlung, die an einen vorangegangenen Rechtsbruch knüpft, nicht gem. § 34 StGB rechtfertigen, sofern der Private bei seinen Recherchen den Tatbestand einer Strafnorm verwirklicht. Eine Ausnahme ist – außerhalb der oben beschriebenen Wiederholungsgefahr und dem drohenden Prozessbetrug – lediglich in solchen Fällen der eigeninitiativen Beweismitteldokumentation einschlägig, in denen das dokumentierte Verhalten nicht nur zivilrechtlich relevant ist, sondern zugleich den Tatbestand einer Strafnorm erfüllt. Bei näherem Hinsehen ist die Rechtfertigung insoweit aber von den zivilverfahrensrechtlichen Intentionen unabhängig;887 die notstandsauslösende Gefahr resultiert ausschließlich aus den Bedrohungen für das staatliche Strafverfolgungsinteresse. Hieraus folgt eine zentrale Konsequenz für das subjektive Rechtfertigungselement in den Konstellationen der privaten Beweismitteldokumentation: Dieses muss sich zwangsläufig darauf konzentrieren, die Gefahr für das staatliche Strafverfolgungsinteresse abzuwenden. An dieser subjektiven Einstellung fehlt es indes, wenn der Private zu dem alleinigen Zweck agiert, ein Beweismittel für eine zivilrechtliche Auseinandersetzung zu erlangen. Die zweite Konstellation, in der eine Erlaubnis gem. § 34 StGB ausscheidet, betrifft echte private Ermittlungsmaßnahmen, die darauf gerichtet sind, eine vergangene Straftat 885
Vgl. auch Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 42. Zum Beweisinteresse im Kontext der materiellen Rechtfertigung gem. § 32 StGB Teil 2, C. IV. 3. a) cc). Diese Erwägungen gelten auch im Rahmen des § 34 StGB. 887 Geradezu gegenläufig Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 94. 886
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aufzuklären. Eingedenk des vorrangigen staatlichen Ermittlungsverfahrens sind eigeninitiative Versuche, die Gefahr abzuwenden, von vornherein unangemessen. Auch deshalb bedarf es weiterer Überlegungen dazu, ob eine Rechtfertigung außerhalb der überkommenen Notwehr- und Notstandsrechte möglich ist. 4. Besondere Rechtfertigungsgründe im Kontext der §§ 201, 201a StGB Jenseits der anerkannten Erlaubnissätze aus §§ 32, 34 StGB drängt sich im Kontext der §§ 201, 201a StGB die Frage auf, ob es angesichts der mitunter weit gefassten Tatbestände zusätzlicher Rechtfertigungsgründe bedarf, um sachgerechte Ergebnisse zu begründen. Die Diskussion, die nach wie vor nicht gänzlich abgeschlossen ist, findet im Wortlaut der jeweiligen Strafnormen eine Stütze, da diese stets ein unbefugtes Verhalten voraussetzen.888 Einzelne Stimmen stehen auf dem Standpunkt, der Gesetzgeber habe durch dieses Merkmal nicht ausschließlich auf die anerkannten Rechtfertigungsgründe hinweisen wollen, sondern vielmehr zusätzliche Erlaubnissätze in Bezug genommen.889 Diese These soll im Folgenden kritisch überprüft werden. a) Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen § 201 Abs. 2 S. 3 StGB normiert einen besonderen Rechtfertigungsgrund, der ausweislich seines Wortlauts die öffentliche Mitteilung gem. § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB gestattet, sofern diese „zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen“ erfolgt. Zurückzuführen ist dieser Erlaubnissatz auf pressespezifische Besonderheiten, die in der grundrechtlichen Gewährleistung aus Art. 5 Abs. 1 GG verankert sind.890 Im Kern geht es um die zentrale Frage, inwieweit rechtswidrig gewonnene Informationen ausnahmsweise weiterverbreitet werden dürfen891 – und sonach um eine Fragestellung, die auch den Gebrauch von eigeninitiativ erlangten Beweismitteln prägt. Eingedenk dieser Parallelen lässt sich eine Relevanz des § 201 Abs. 2 S. 3 StGB für die hier interessierenden Aspekte der privaten Beweismittelsuche, die mit einem nachfolgenden Gebrauch im gerichtlichen Verfahren zusammenhängen, jedenfalls nicht von vornherein ablehnen.
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Zum Merkmal unbefugt Teil 2, C. IV. 2. BGHZ 27, 284 (290); 73, 120 (124). Allgemein zur Diskussion Kargl, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, NK-StGB, Vorb. zu §§ 201 ff. Rn. 10 ff.; Hoyer, in: SK-StGB, Vorb. zu § 201 Rn. 13 ff.; Walther/Silvermann, ZRP 1999, S. 100 (104). 890 A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 90; BT-Drs. 11/ 6714, S. 4; BT-Drs. 11/7417, S. 4. Vgl. auch BVerfGE 66, 116 (139); BGHZ 138, 311 (318 f.). Kritisch zur Verfassungsmäßigkeit des § 201 Abs. 2 S. 3 StGB Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 29; zustimmend Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 33. 891 Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 96. 889
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Im Unterschied zum rechtfertigenden Notstand gem. § 34 StGB verlangt § 201 Abs. 2 S. 3 StGB weder eine Gefahr für bestimmte Rechtsgüter noch eine Vorgehensweise, die den restriktiven Kriterien der Erforderlichkeit sowie der Angemessenheit genügen muss.892 Mithin kommt es gerade nicht auf die einschränkenden Gesichtspunkte an, die nach den vorausgehenden Ausführungen das Gerüst des § 34 StGB bilden und dem Erlaubnissatz erst hinreichend klare Konturen verleihen. Der besondere Rechtfertigungsgrund aus § 201 Abs. 2 S. 3 StGB hängt sonach vor allem von einer Interessenabwägung ab, die jedoch eng gefasst ist und neben dem Schutz des betroffenen Persönlichkeitsrechts allein überragende öffentliche Interessen berücksichtigt.893 Nach wie vor ist nicht vollumfänglich geklärt, ob sich der besondere Erlaubnissatz ausschließlich auf Taten nach § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB beschränkt, oder aber darüber hinaus auch die übrigen Tathandlungen des § 201 StGB zu legitimieren vermag.894 Aus der Perspektive dieser Untersuchung geht es um die Frage, inwieweit auch die eigeninitiative Beweismittelsuche gem. § 201 Abs. 2 S. 3 StGB gerechtfertigt werden kann. Hoyer steht auf dem Standpunkt, dass sich § 201 Abs. 2 S. 3 StGB zwar allein auf das öffentliche Mitteilen bezieht und etwa eine vorgelagerte Aufnahme nicht erfasst.895 Allerdings müsse auch die Vortat straflos sein, wenn diese bereits in der Intention erfolge, eine spätere öffentliche Mitteilung zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund entfalte der besondere Rechtfertigungsgrund eine Sperrwirkung, die für sämtliche Tatbestände des § 201 StGB gelte. Bei näherem Hinsehen lässt sich diese Interpretation allerdings weder mit dem gesetzlichen Wortlaut noch mit den legislatorischen Vorstellungen vereinbaren.896 Die Struktur des § 201 StGB spricht dafür, die jeweiligen Tatmodalitäten als eigenständige Unrechtstatbestände zu begreifen. Allein der Umstand, dass die nachgelagerte öffentliche Mitteilung unter besonderen Voraussetzungen rechtmäßig ist, erklärt für sich betrachtet nicht, warum dies auch für die vorausgehende Aufnahme oder Abhörmaßnahme gelten soll. § 201 Abs. 2 S. 3 StGB verhält sich schlechthin nicht dazu, inwieweit die Handlungen, die der öffentlichen Mitteilung vorausgehen, rechtmäßig oder aber
892 Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 29; Bosch, in: SSW-StGB, § 201 Rn. 16. Teilweise abweichend Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 33a, der im Rahmen der Interessenabwägung auf das anerkannte Prinzip des relativ mildesten Mittels rekurriert. 893 Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 55. 894 Offengelassen von OLG Düsseldorf ZUM-RD 2011, 84 (86 f.). 895 Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 36. Vgl. Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 48, nach dem es nicht sinnvoll sei, den Rechtfertigungsgrund nur auf die öffentliche Mitteilung zu beziehen. In diese Richtung auch Ullenbloom, NJW 2019, 3108 (3110), der aber i. E. auf die eindeutige gesetzliche Konzeption verweist. 896 BT-Drs. 11/7414, S. 5; A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 92; Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 55b; Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 21; Rennicke, NJW 2022, 8 (13). I. E. auch Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 48; Ullenbloom, NJW 2019, 3108 (3110).
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rechtswidrig sind.897 Konsequenterweise tangiert der besondere Rechtfertigungsgrund die eigeninitiative Suche nach Beweismitteln nicht.898 b) Notwehrähnliche Lage Jenseits der Rechtfertigung gem. §§ 32, 34 StGB ist die Diskussion um die sog. notwehrähnliche Lage weit verbreitet, die nach wie vor von der Rechtsprechung und dem Schrifttum aufgegriffen wird.899 Bemerkenswert ist im Kontext der Verwertbarkeit eigeninitiativ erlangter Beweismittel, dass die Gerichte die notwehrähnliche Lage regelmäßig erst bei der Entscheidung berücksichtigen, inwieweit das konkrete Beweismittel verwertbar ist – und gerade nicht bei der vorgelagerten Frage, ob das Verhalten des Privaten rechtmäßig oder aber rechtswidrig ist.900 Nach ständiger Rechtsprechung in Zivilverfahren soll ein Beweismittel, das von einer Privatperson rechtswidrig gewonnen wurde, unter anderem dann verwertbar sein, wenn sich der Private in einer notwehrähnlichen Lage befindet.901 Eine solche Formulierung ist indes nicht nur rechtlich unpräzise, sondern dogmatisch unzutreffend: Denn sollte der private Beweismittelsucher tatsächlich in einer notwehrähnlichen Lage tätig geworden sein, müsste dies konsequenterweise dazu führen, der konkreten Verhaltensweise bereits den Makel der Rechtswidrigkeit abzusprechen.902 Die nachfolgenden Erwägungen beziehen sich allein auf die außerprozessuale Beweismittel-
897 Auf die ebenfalls umstrittene Frage, inwieweit das Abspielen eines Tonbands gem. § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB durch den besonderen Rechtfertigungsgrund aus § 201 Abs. 2 S. 3 StGB legitimiert werden kann, kommt es an dieser Stelle hingegen nicht an. Dazu Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 33a; A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 91 f.; Bosch, in: SSW-StGB, § 201 Rn. 16. 898 Zur Bedeutung des § 201 Abs. 2 S. 3 StGB hinsichtlich des innerprozessualen Verhaltens einer Privatperson Teil 5, B. IV. 1. b) bb) (2). 899 Dazu bereits im Jahr 1957 Larenz, in: 42. Deutscher Juristentag, D 28 sowie kurz danach BGHZ 27, 284 (289 f.). Der Begriff prägt nach wie vor auch aktuelle Judikate des BGH, vgl. statt aller BGHZ 218, 348 (362). Zur untergerichtlichen Rechtsprechung AG Mönchengladbach-Rheydt BeckRS 2018, 41231 Rn. 23. Auch gegenwärtige Monographien greifen auf diesen Terminus zurück, siehe nur Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 165. Zur notwehrähnlichen Lage im arbeitsgerichtlichen Verfahren Köhler/Schürgers, BB 2018, 1013 (1014). 900 BGHZ 218, 348 (362); BGH NJW 2013, 2668 (2670); NJW 2005, 497 (499); NJW 2003, 1727 (1728). Ferner BVerfGE 106, 28 (50); 117, 202 (241). Die Rechtsprechung ist indes keineswegs einheitlich. So rekurriert BGHZ 27, 284 (289 f.) im Kontext der materiellen Rechtfertigung auf die notwehrähnliche Lage. Unklar auch OLG Hamm NJW-RR 1996, 735 sowie BGH NJW 1982, 277 (278). 901 BVerfGE 106, 28 (50); 117, 202 (241); BGHZ 218, 348 (362); BGH NJW 2013, 2668 (2670); NJW 2005, 497 (499); NJW 2003, 1727 (1728). 902 Zu diesen Unklarheiten auch Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (374 Fn. 89). Vgl. ferner Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2078), die betonen, der Prüfungsmaßstab auf den Ebenen der Beweiserhebung und der anschließenden Verwertung decke sich oftmals.
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suche – und blenden die anschließende Verwertung in einem Straf- oder Zivilverfahren einstweilen aus.903 aa) Anwendungsbereich und dogmatische Begründung Im Ausgangspunkt beruht das Anliegen, einen zusätzlichen Rechtfertigungsgrund zu implementieren, darauf, einzelne „Verteidigungslücken“ zu schließen, in denen die anerkannten Erlaubnissätze nicht oder nur unzulänglich eingreifen.904 Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich zentrale Thesen zur notwehrähnlichen Lage zu einer Zeit entwickelt haben, in der das Notstandsrecht in seiner gegenwärtigen Form noch nicht gesetzlich geregelt war.905 Die notwehrähnliche Lage soll Situationen erfassen, die mangels eines gegenwärtigen Angriffs nicht § 32 StGB unterfallen, in denen sich allerdings ein künftiger Rechtsverstoß abzeichnet, der bereits sofortige Verteidigungsmaßnahmen erfordert, um ihm effektiv begegnen zu können.906 Aus der Perspektive der eigeninitiativen Beweismittelsuche steht dabei die Abwehr eines zukünftig drohenden Prozessangriffs im Fokus.907 Die Verfechter der notwehrähnlichen Lage wollen insoweit eine analoge Anwendung des § 32 StGB bemühen, der wegen der begünstigenden Wirkung für den Täter das verfassungsrechtlich verankerte Analogieverbot nicht entgegenstehe.908 Eine Rechtfertigung nach den Grundsätzen der notwehrähnlichen Lage soll darüber hinaus auch dann in Betracht kommen, wenn die Tonaufnahme einer beleidigenden oder sonst strafbaren Äußerung in Rede steht.909 Betrachtet man die beiden „Anwendungsfälle“ der notwehrähnlichen Lage, wird evident, dass diese unterschiedliche Prüfungsstufen der Rechtfertigung betreffen. Während es bei der Abwehr eines zukünftigen Angriffs an einer Notwehrlage i. S. d. 903
e) aa).
Zur notwehrähnlichen Lage im Kontext der Beweisverwertungsverbote Teil 3, B. II. 4.
904 Dazu auch Rengier/Brand, JuS 2008, 514 (517) sowie Jakobs, Strafrecht AT, S. 391. Die obigen Ausführungen haben gezeigt, dass solche „Verteidigungslücken“ auch tatsächlich existieren. 905 Zum historischen Kontext des rechtfertigenden Notstands gem. § 34 StGB bereits Teil 2, C. IV. 3. b). Vgl. auch Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 297 Fn. 78. 906 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 335, 381 ff.; KG JR 1981, 254; R. Schmitt, JuS 1967, 19 (24); Krey, ZStW 90 (1978), 173 (188 f.). Auf ein teilweise anderes Verständnis weisen die Ausführungen bei Balthasar, JuS 2008, 35 (37) hin, der der notwehrähnlichen Lage wohl hinsichtlich der Eignung eine umfassendere Wirkung zumisst. Mitunter finden sich Judikate, die der notwehrähnlichen Lage einen wohl noch weiteren Anwendungsbereich zukommen lassen wollen, vgl. etwa BGH NJW 1982, 277 (278). 907 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 335. 908 R. Schmitt, JuS 1967, 19 (24); Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 371. 909 OLG Celle NJW 1965, 1677; OLG Frankfurt NJW 1967, 1047 (1048). Zum Ganzen auch Otte, Der durch Menschen ausgelöste Defensivnotstand, S. 135.
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Teil 2: Grenzen der privaten Beweismittelsuche
§ 32 StGB fehlt, liegt eine solche bei der akustischen Dokumentation einer strafbaren Aussage vor. Insoweit scheidet die Erlaubnis gem. § 32 StGB erst deshalb aus, weil die Verteidigungsmaßnahme nicht geeignet ist, den gegenwärtigen Angriff, der mit dem Abschluss der verbalen Kundgabe endet, zu beseitigen.910 Angesichts dieser rechtlichen Divergenzen, die zwangsläufig zu dogmatischen Unschärfen der notwehrähnlichen Lage führen müssen,911 bedarf es an verschiedenen Stellen der nachfolgenden Untersuchung einer differenzierten Betrachtung. bb) Voraussetzungen und Konsequenzen der notwehrähnlichen Lage In der Debatte um die notwehrähnliche Lage hat Suppert angemahnt, den Ausnahmecharakter dieses besonderen Rechtfertigungsgrundes zu wahren und insoweit restriktive Kriterien bemüht.912 Die postulierten Restriktionen beziehen sich jedoch allein auf das Szenario, in dem es um die Abwehr eines zukünftig drohenden Angriffs geht. Entscheidend sei insoweit, dass der spätere Angreifer das Angriffsverhalten bereits hinreichend deutlich (zurechenbar) angekündigt habe, und aus der Perspektive des Bedrohten ein unmittelbarer Handlungszwang bestehe.913 Ferner bedürfe es eines Proportionalitätsverhältnisses zwischen der konkret ergriffenen Verteidigungsmaßnahme und dem Ausmaß sowie „dem Grad der bestehenden Angriffsgefahr“.914 Der letztgenannte Gesichtspunkt ist in seiner konkreten Ausgestaltung äußerst unscharf.915 Lägen die Voraussetzungen im Einzelfall vor, erlaube der Rechtfertigungsgrund der notwehrähnlichen Lage gem. § 32 StGB analog grundsätzlich solche Verteidigungsmaßnahmen, die auch bei einer unmittelbaren Anwendung des Notwehrrechts gestattet wären.916 Vor diesem Hintergrund ist die Schlussfolgerung Supperts, wonach im Ausnahmefall sogar die Tötung des (späteren) Angreifers zulässig sein könne,917 unter Rekurs auf die tradierten Grundsätze des Notwehrrechts nicht nur nachvollziehbar, sondern vielmehr stringent.
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Dazu Teil 2, C. IV. 3. a) bb) (2). Diese könnte man allein dann abwenden, wenn man der notwehrähnlichen Lage sämtliche Fallgestaltungen zuordnete, in denen eine Rechtfertigung gem. § 32 StGB ausscheidet. Angesichts der Reichweite der Notwehrbefugnisse vermag dies jedoch von vornherein nicht zu überzeugen. 912 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 381 ff. 913 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 382 f. 914 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 386, der auch von der Verhältnismäßigkeit spricht. 915 Dazu sogleich Teil 2, C. IV. 4. b) cc) (1). 916 Allerdings weist Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 384 darauf hin, dass angesichts der zeitlichen Vorverlagerung häufig staatliche Hilfe zumutbar in Anspruch genommen werden könne. 917 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 386. 911
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Im zweiten Anwendungsfall der notwehrähnlichen Lage hat das OLG Frankfurt einzelne Hinweise erteilt, wann beleidigende Äußerungen eine notwehrähnliche Lage auslösen sollen. Neben ähnlichen Vorfällen in der Vergangenheit komme es insbesondere darauf an, ob der Delinquent „solche Äußerungen geflissentlich nur dann machte, wenn kein Zeuge in der Nähe war, und etwa darüber hinaus die Absicht geäußert hatte, bei einer gerichtlichen Vernehmung solche Kundgebungen zu leugnen“.918 cc) Kritik Bei näherem Hinsehen muss einem besonderen Rechtfertigungsgrund der notwehrähnlichen Lage mit der ganz h. M. in beiden geschilderten Szenarien von vornherein entschieden widersprochen werden, da andernfalls die Gefahr droht, das abgestimmte Rechtsfertigungssystem des Strafrechts zu untergraben.919 Angesichts der rechtlichen Unterschiede müssen die kritischen Aspekte für die einzelnen Fallkonstellationen eigenständig betrachtet werden. (1) Abwehr eines zukünftig drohenden Angriffs Der Vorschlag Supperts, die Voraussetzungen der notwehrähnlichen Lage restriktiv zu begreifen, ist im Ausgangspunkt nachvollziehbar. Bei genauerer Betrachtung verbleiben indes trotz dieses Ansatzes begriffliche Unklarheiten, die schlussendlich die dogmatischen Pfeiler zum Einsturz bringen. Diese Ungenauigkeiten betreffen zunächst den Ruf nach einem Proportionalitätsverhältnis. Verlangte dieses eine Interessenabwägung nach dem Vorbild des rechtfertigenden Notstands,920 näherte sich die notwehrähnliche Lage den rechtlichen Grenzen des § 34 StGB an, führte allerdings gleichzeitig dazu, § 32 StGB in das Korsett einer dogmatisch kaum zu begründenden Interessenabwägung zu zwängen.921 Begründete die Proportiona918
OLG Frankfurt NJW 1967, 1047 (1048). So die mittlerweile ganz h. M.: Otte, Der durch Menschen ausgelöste Defensivnotstand, S. 138 ff.; Tenckhoff, JR 1981, 255 (257); Rengier, Strafrecht AT, § 18 Rn. 22; Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 183; ders., Jura 2000, 231 (233); Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 41, 46; Rönnau/Hohn, in: LKStGB13, § 32 Rn. 145; Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 27, § 16 Rn. 84; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 349; Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 51; Brunhöber, GA 2010, 571 (581); Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 51; Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 147; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 118. Anders hingegen Balthasar, JuS 2008, 35 (39). 920 In diese Richtung BGH NJW 1982, 277 (278). Allerdings lässt sich dem Urteil nicht mit letzter Gewissheit entnehmen, inwieweit die notwehrähnliche Lage bereits die Aufnahme zu rechtfertigen vermag oder aber erst die prozessuale Verwertung. 921 Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 269. Dies gilt namentlich dann, wenn im Rahmen der notwehrähnlichen Lage eine Interessenabwägung nach dem Vorbild des § 34 StGB vorzunehmen sein sollte, vgl. Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Tonund Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 184. Eine solche Abwägung ist gem. § 32 StGB bei 919
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lität hingegen lediglich ein grobes Kontrollraster, um besonders evidente Missverhältnisse zwischen den betroffenen Interessen aus dem Anwendungsbereich auszuschließen, entspräche dies zwar eher den überkommenen Grundsätzen der Notwehr, die eine Abwägung konfligierender Interessen gerade nicht verlangt, führte allerdings unweigerlich dazu, die Rechtfertigungsmöglichkeiten im Präventivbereich erheblich auszuweiten.922 Der zuletzt geäußerte Gedanke weist dabei auf den neuralgischen Punkt der notwehrähnlichen Lage hin. Das Verteidigungsrecht aus § 32 StGB gestattet tiefgreifende Verletzungen fremder Rechtspositionen und muss sich gerade wegen dieser Reichweite, die dazu beigetragen hat, das Notwehrrecht als schneidiges Schwert zu bezeichnen, auf die Konstellationen beschränken, die dem eindeutigen Wortlaut unterfallen. Ganz in diesem Sinn legt das Merkmal „gegenwärtig“ die Grenzen des § 32 StGB in temporaler Hinsicht unabänderlich fest.923 Stellte man sich hingegen auf den Standpunkt, wonach diese Voraussetzung eher teleologisch zu verstehen sei,924 verwischte man die Differenzierung zwischen dem Gegenwärtigkeitserfordernis und der Eignung des Abwehrverhaltens. Denn läge ein gegenwärtiger Angriff bereits vor, wenn die konkrete Verteidigungssituation ein sofortiges Reagieren verlangt, käme der Gegenwärtigkeit keine eigenständige – temporal verstandene – Bedeutung mehr zu, obschon der Gesetzgeber diese im Rahmen des § 32 StGB explizit beibehalten und auf den Angriff als notwehrauslösendes Verhalten bezogen hat.925 Eine ausreichende Kompensation gelingt auch nicht durch die Vorgabe, der Angreifer müsse sein späteres rechtswidriges Verhalten explizit ankündigen:926 Die bloß verbale Äußerung, dereinst einen Angriff zu begehen, kann nach zutreffender der Verteidigung qua Notwehr aber gerade nicht erforderlich, so dass eine solche Forderung dogmatisch nicht zu begründen ist, Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 44. Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 118 konstatiert zutreffend, dass die Grenzen zum rechtfertigenden Notstand verwischen. 922 Siehe Tenckhoff, JR 1981, 255 (256 f.). In diese Richtung scheinen sich die Ausführungen bei Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 395 zu bewegen. Seiner Auffassung nach müsse die Präventivnotwehr deshalb eher § 53 StGB a. F. (= § 32 StGB) zugeordnet werden, weil dort eine Interessenabwägung gerade nicht maßgebend sei. Mitunter wird die Darstellung Supperts dergestalt interpretiert, dass dieser explizit eine Interessenabwägung nach dem Vorbild des rechtfertigenden Notstands fordere, vgl. etwa Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 185. 923 Zur temporalen Interpretation des Gegenwärtigkeitserfordernisses Erb, in: MüKoStGB4, § 32 Rn. 103. 924 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 379. 925 Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 268. In diese Richtung auch Rönnau/Hohn, in: LK-StGB13, § 32 Rn. 145. Vgl. zu den insoweit bestehenden Parallelen der notwehrähnlichen Lage zur sog. Theorie der wirksamsten Verteidigung Otte, Der durch Menschen ausgelöste Defensivnotstand, S. 135 Fn. 154. 926 Zur grundsätzlichen Kritik an dieser Voraussetzung Otte, Der durch Menschen ausgelöste Defensivnotstand, S. 137.
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Auffassung keine Notwehrlage i. S. d. § 32 StGB begründen.927 Nimmt man diese These ernst, resultiert daraus die Erkenntnis, dass eine analoge Heranziehung des § 32 StGB nicht ohne triftigen Grund zu einem gegenläufigen, nahezu wesensverändernden Ergebnis führen darf.928 Andernfalls verwandelte man das schneidige Notwehrrecht in einen zeitlich nahezu beliebig einsetzbaren Rechtfertigungsgrund.929 (2) Aufnahme einer strafbaren Äußerung Steht die Aufnahme einer strafbaren Äußerung in Rede, bleibt schon unklar, warum die vom OLG Frankfurt bemühten Konkretisierungsversuche eine notwehrähnliche Lage begründen sollen.930 Weder vorangehende Beleidigungen noch der Umstand, dass diese „geflissentlich“ dann erfolgten, wenn keine weiteren Personen zugegen waren, vermögen zu erklären, warum eine besondere Nähe zu einer Notwehrrechtfertigung besteht. Der Hinweis auf eine potenzielle Lüge im gerichtlichen Verfahren knüpft hingegen an einen zukünftigen Angriff an, der gerade nicht gegenwärtig ist. Insoweit gelten die zuvor beleuchteten Kritikpunkte. dd) Ergebnis zur notwehrähnlichen Lage und Schlussfolgerung Ein besonderer Rechtfertigungsgrund der notwehrähnlichen Lage ist abzulehnen und kann folglich auch die eigeninitiative Suche nach Beweismitteln, die gegen die Strafnormen der §§ 201, 201a StGB verstößt, nicht legitimieren. Trotz dieser weithin anerkannten Auffassung taucht der Terminus der notwehrähnlichen Lage nach wie vor an verschiedenen Stellen auf, wenn es darum geht, inwieweit solche Beweismittel verwertbar sind, die von einer Privatperson rechtswidrig erlangt wurden. Um sämtlichen Missverständnissen vorzubeugen, sollte die notwehrähnliche Lage indes aus dem juristischen Vokabular gestrichen werden. Hieraus resultieren schließlich auch keine unbilligen Lücken im gesetzlichen Rechtfertigungssystem. Sowohl die Fälle eines zukünftig drohenden Angriffs als auch der Dokumentation einer strafbaren Äußerung lassen sich nach dem hier zugrunde gelegten Ansatz gem. § 34 StGB rechtfertigen. Folglich fehlt es auch deshalb
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Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 23; Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, § 15 Rn. 18. 928 Ähnlich Otte, Der durch Menschen ausgelöste Defensivnotstand, S. 139. 929 Kritisch insoweit auch Roxin, NStZ 1993, S. 335; Otto, in: Kleinknecht-FS, S. 319 (335 f.). Hinzukämen besondere Schwierigkeiten im Umgang mit Irrtumskonstellationen. Nähme der Tonbandtäter irrtümlich an, ein künftiger Angriff stehe bevor, resultierte aus den – freilich umstrittenen – Grundsätzen zum Erlaubnistatbestandsirrtum die Straflosigkeit aus dem Vorsatzdelikt, sofern man sich der vorzugswürdigen rechtsfolgenverweisenden eingeschränkten Schuldtheorie anschlösse. Vgl. dazu Rengier, Strafrecht AT, § 30 Rn. 21 sowie zum Erlaubnistatbestandsirrtum umfassend Roxin/Greco, AT I, § 14 Rn. 52 ff. 930 Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 98.
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an einer planwidrigen Regelungslücke, die das Bedürfnis nach einer analogen Anwendung des § 32 StGB stützen könnte.931 c) Ausgleich konfligierender Interessen Die Rechtfertigung eines Verhaltens, das den Tatbestand einer Strafnorm erfüllt, beruht auf der Erkenntnis, wonach einem spezifischen Interesse in einer konkreten Situation der Vorrang einzuräumen ist.932 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Wahrnehmung eines überwiegenden Interesses ausnahmsweise eine rechtfertigende Wirkung vermittelt. Zu denken ist beispielsweise an die heimliche Tonaufnahme wichtiger Vertragsverhandlungen, in der wirtschaftlich bedeutsame Sachverhalte zur Sprache kommen. Gerade in dieser Konstellation hat das zuvor überprüfte Rechtfertigungsprogramm einzelne „Lücken“ erkennen lassen: Eine Erlaubnis gem. § 34 StGB kommt erst dann in Betracht, wenn der eigeninitiative Beweismittelsucher befürchten muss, der Anspruchsgegner verhalte sich in einem nachfolgenden Gerichtsverfahren unredlich.933 Allerdings können auch unterhalb dieser Schwelle zentrale wirtschaftliche Interessen in Rede stehen, die für eine vorsorgliche Sicherung potenzieller Beweismittel sprechen. Freilich beschreibt dies zunächst einmal nur die tatsächliche Ausgangslage, ohne eine dogmatische Begründung für die etwaige Rechtfertigung zu liefern. Betrachtet man die einzelnen Lösungsvorschläge genauer, lassen sich im Ausgangspunkt zwei unterschiedliche Strömungen ausmachen. aa) Wahrnehmung berechtigter Interessen gem. § 193 StGB analog Einzelne Stimmen plädieren dafür, den Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB934 aus seinem beleidigungsspezifischen Zusammenhang zu lösen und die „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ auf weitere Tatbestände zu erstrecken.935 Insbesondere im Kontext heimlicher Tonaufnahmen soll dieser Rechtsgedanke verfangen und
931 Rönnau/Hohn, in: LK-StGB13, § 32 Rn. 145; Otte, Der durch Menschen ausgelöste Defensivnotstand, S. 139. 932 Eser, Wahrnehmung berechtigter Interessen als allgemeiner Rechtfertigungsgrund, S. 66. 933 Dazu Teil 2, C. IV. 3. b) aa) (3) (e). 934 Zur dogmatischen Einordnung des § 193 StGB Fischer, Strafgesetzbuch, § 193 Rn. 1; Eisele/Schnittenhelm, in: Sch/Sch, § 193 Rn. 1 m. w. N. 935 Schröder, in: Sch/Sch17, § 298 Rn. 36 ff.; ders., in: Sch/Sch17, Vorb. zu § 51 Rn. 62a; Eser, Wahrnehmung berechtigter Interessen als allgemeiner Rechtfertigungsgrund, S. 67. Auch Noll, ZStW 77 (1965), 1 (9, 32) anerkennt eine über die Ehrdelikte hinausreichende Bedeutung. Zum einen sei „die Wertabwägung […] das allgemeine Rechtfertigungsprinzip“. Zum anderen komme die Wahrnehmung berechtigter Interessen vornehmlich dann ins Spiel, wenn es um die „Schaffung kultureller Werte“ gehe. Vgl. auch Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 200.
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eine Erlaubnis begründen.936 Hierfür streite auch die zu weit geratene Fassung des Aufnahmeverbots, das einer Korrektur auf der Rechtfertigungsebene bedürfe.937 Der Vorteil einer solchen Betrachtungsweise für den privaten Beweismittelsucher ist evident: Im Gegensatz zum Notstand gem. § 34 StGB verlangt die Wahrnehmung eines berechtigten Interesses gerade keine Gefahr als rechtfertigungsauslösendes Moment.938 Dies eröffnete erweiterte Rechtfertigungsmöglichkeiten, die jedenfalls im Ausgangspunkt sämtliche Konstellationen der eigeninitiativen Beweismittelsuche erfassen. Auswirkungen zeitigte dies allen voran bei zivilrechtlich relevanten Umständen, da die §§ 32, 34 StGB insoweit verschiedene „Schutzlücken“ haben erkennen lassen. Der Unrechtsausschluss hinge von der einzelfallgeprägten Frage ab, wie gewichtig die Interessen des Privaten im Vergleich zu denjenigen seines Gegenübers ausfallen. Allerdings vermag eine Erlaubnis, die sich allein auf das Prinzip des überwiegenden Interesses stützt, nicht zu überzeugen. Denn selbst wenn es gelänge, die Wahrnehmung berechtigter Interessen nur auf einzelne Straftatbestände außerhalb der §§ 185 ff. StGB zu beziehen und inhaltlich weiter zu konturieren,939 bliebe der exakte Umfang mangels gesetzlicher Vorgaben zum Anwendungsbereich vage.940 Aus der Perspektive des Aufnahmeverbots aus § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB streitet darüber hinaus auch die gesetzliche Systematik gegen eine solche Konzeption. Dem Gesetzgeber dürfte die seit Jahrzehnten schwelende Debatte um die Wahrnehmung berechtigter Interessen kaum entgangen sein, als er im Zuge des „Fünfundzwanzigsten Strafrechtsänderungsgesetzes“ in § 201 Abs. 2 S. 3 StGB einen speziellen Rechtfertigungsgrund eingefügt hat, der sich jedenfalls teilweise an § 193 StGB orientiert und ebenfalls auf eine Gefahrenlage verzichtet.941 Allerdings beschränkt sich dieser besondere Erlaubnissatz ausweislich des eindeutigen Wortlauts auf eine 936 Eser, Wahrnehmung berechtigter Interessen als allgemeiner Rechtfertigungsgrund, S. 12 f., 67; Schröder, in: Sch/Sch17, § 298 Rn. 36; ders., in: Sch/Sch17, Vorb. zu § 51 Rn. 62. Freilich ist insoweit wiederum der historische Kontext zu berücksichtigen. Die maßgeblichen Argumentationslinien rühren aus einer Zeit her, als der rechtfertigende Notstand noch nicht gesetzlich geregelt war. 937 Eser, Wahrnehmung berechtigter Interessen als allgemeiner Rechtfertigungsgrund, S. 12 f. Die Reichweite des Tatbestands – hinsichtlich § 298 StGB a. F. – kritisiert auch Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 265. Vgl. ferner Tenckhoff, JR 1981, 255. 938 Schröder, in: Sch/Sch17, Vorb. zu § 51 Rn. 62a. Exemplarisch auch KG JR 1981, 254, wo zunächst eine Rechtfertigung gem. § 32 StGB bzw. wegen notwehrähnlicher Lage abgelehnt wird, dann aber auf die insoweit darüber hinausreichende Interessenabwägung rekurriert wird. 939 Instruktiv dazu Eser, Wahrnehmung berechtigter Interessen als allgemeiner Rechtfertigungsgrund, S. 45 ff., 67, der die rechtfertigende Wirkung auf besonders gemeinschaftsbezogene Rechtsgüter beschränkt und in diesem Zusammenhang auch auf das evolutive Moment der Wahrnehmung berechtigter Interessen verweist. 940 Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (316). 941 Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 48. Den Gesetzgebungsmaterialien zufolge diente der § 193 StGB trotz des anders lautenden Wortlauts partiell als Vorbild der Rechtfertigungsklausel des § 201 Abs. 2 S. 3 StGB, BT-Drs. 11/7414, S. 4.
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Tat nach § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB und betrifft folglich nicht den Aufnahme- oder Abhörvorgang, sondern ausschließlich eine nachfolgende öffentliche Mitteilung. Zudem ist der besondere Rechtfertigungsgrund des § 201 Abs. 2 S. 3 StGB insoweit restriktiver gefasst, als er die Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen verlangt.942 Stellte man daneben auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen ab, liefe dies dem legislatorischen Regelungsanliegen offensichtlich zuwider.943 Ähnliche Erwägungen gelten auch sub specie des § 201a StGB, da der Gesetzgeber in Abs. 4 eine Sozialadäquanzklausel aufgenommen hat, die aber ebenfalls nicht sämtliche Verletzungsformen erfasst.944 Dieses Ergebnis lässt sich schließlich auch aus der Perspektive des § 193 StGB absichern, der die Wahrnehmung berechtigter Interessen allein auf bestimmte Straftaten beschränkt.945 Die Beleidigungsdelikte zeichnen sich durch ein besonderes Spannungsverhältnis zur Meinungsfreiheit i. S. d. Art. 5 GG aus und verlangen vor diesem Hintergrund ein spezifisches Korrektiv.946 Hiervon divergiert die rechtliche Ausgangslage, in der sich die §§ 201, 201a StGB wiederfinden: Die Privatschutzdelikte normieren in präzise gefassten Tatbeständen, welche Verhaltensweisen verboten sind und verlangen gerade keine generelle Abwägung konfligierender Rechtspositionen, um das konkrete Unrecht zu qualifizieren.947 Die h. M. lehnt folglich eine Wahrnehmung berechtigter Interessen im Kontext der §§ 201, 201a StGB richtigerweise ab.948 bb) Güter- und Pflichtenabwägung Einzelne Stimmen wollen einen noch großzügigeren Maßstab implementieren und befürworten eine Rechtfertigung nach Maßgabe einer allgemeinen Güter- und Pflichtenabwägung,949 wobei die dogmatischen Begründungslinien teilweise von942 Zum Vergleich von § 201 Abs. 2 S. 3 StGB mit § 193 StGB und § 34 StGB Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 48. 943 Ähnlich auch Brunhöber, GA 2010, 571 (582), die insoweit die für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke ablehnt. Auch Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 229 zieht die Gesetzgebungshistorie heran, um seine Begründung zusätzlich abzusichern. Schließlich auch Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 43. 944 Dazu Teil 2, C. II. 5. 945 Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (316); Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 38. 946 Wölfl, Jura 2000, 231 (234). 947 Wölfl, Jura 2000, 231 (234). 948 Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201a Rn. 31; Graf, in: MüKoStGB4, § 201 Rn. 54; Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 47; Lenckner/Eisele, in: Sch/ Sch, § 201 Rn. 32; Wölfl, Jura 2000, 231 (234); Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 38; Tenckhoff, JR 1981, 255 (256); Brunhöber, GA 2010, 571 (582); Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 162; Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 147; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 304; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 119 f. 949 KG JR 1981, 254 (255); OLG Düsseldorf NJW 1966, 214; OLG Düsseldorf ZUM-RD 2011, 84 (86); Fischer, Strafgesetzbuch, § 201 Rn. 11; Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 277 ff. Dies gelte allerdings allein für das Fixieren mittels Tonbands, nicht
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einander abweichen.950 Im Vordergrund steht jedoch unzweifelhaft das Anliegen, einem überwiegenden Interesse auch jenseits der explizit geregelten Erlaubnissätze den Vorrang einzuräumen.951 Diesem Regelungsansatz steht indes von vornherein die Existenz des § 34 StGB entgegen, der ebenfalls auf einen Ausgleich der konfligierenden Interessen abstellt, zuvor jedoch eine notstandsauslösende gegenwärtige Gefahr voraussetzt.952 Der Rückgriff auf einen allgemeinen Rechtfertigungsgrund des überwiegenden Interesses liefe schlussendlich auf ein utilitaristisches Verständnis hinaus, das die Erlaubnis davon abhängig machte, welche Position im konkreten Fall schutzbedürftiger ist. Auf diese Weise würde das Konstrukt des § 34 StGB geradezu konterkariert.953 Gegen eine Güter- und Pflichtenabwägung, die sich außerhalb der rechtlichen Grenzen des § 34 StGB bewegt, sprechen schließlich wiederum die tatbestandlichen Besonderheiten der §§ 201, 201a StGB, die in beschränktem Umfang einen Interessenausgleich festlegen.954 cc) Ergebnis zum Ausgleich konfligierender Interessen Verletzt die eigeninitiative Suche nach Beweismitteln die Straftatbestände der §§ 201, 201a StGB lässt sich eine Rechtfertigung weder aus einer Wahrnehmung berechtigter Interessen noch aus einem allgemeinen Prinzip der Güter- und Interessenabwägung begründen. Die Privatschutzdelikte anerkennen zwar an einzelnen Stellen ebenfalls den Ausgleich konfligierender Interessen, beschränken diesen Mechanismus aber auf konkrete Tatbestandsvarianten.
hingegen für das heimliche Belauschen nach Abs. 2. Zu berücksichtigen bleibt insoweit freilich, dass sich diese Ausführungen auf § 298 StGB a. F. beziehen. Siehe ferner Otto, in: Kleinknecht-FS, S. 319 (336); Prütting, in: MüKo-ZPO, § 284 Rn. 69. Mitunter bleibt unklar, ob die Interessenabwägung auf Ebene des Tatbestands oder der Rechtfertigung relevant wird, siehe statt aller Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 195 f. m. w. N. 950 So rekurriert etwa Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 277 ff. auf das Merkmal „unbefugt“. Zu weiteren Begründungsansätzen OLG Düsseldorf ZUM-RD 2011, 84 (86). 951 Statt aller OLG Düsseldorf ZUM-RD 2011, 84 (86). 952 Gegen eine Rechtfertigung nach Maßgabe einer allgemeinen Abwägung daher auch Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 32; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 304 f. Schließlich auch OLG Karlsruhe NJW 1979, 1513 (1514 f.), das zwar konstatiert, im Anwendungsbereich des § 201 StGB könne häufiger auf eine Abwägung abgestellt werden, gleichwohl aber gewisse Zweifel gegenüber einer umfassenden Abwägung anklingen lässt. 953 Zur dogmatischen Begründung des rechtfertigenden Notstands Teil 2, C. IV. 1. 954 Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 32.
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d) Festnahmerecht gem. § 127 Abs. 1 StPO analog Insbesondere im Anwendungsfeld heimlicher Tonaufnahmen finden sich vereinzelte Stimmen, die eine Rechtfertigung auf die analoge Anwendung des § 127 Abs. 1 StPO stützen, sofern sich das eigeninitiative Vorgehen darauf beschränkt, eine fremde strafbare Äußerung zu dokumentieren.955 Vor diesem Hintergrund erlangt die Diskussion vor allem im Hinblick auf verbale Beleidigungen gem. §§ 185 ff. StGB eine gewisse Bedeutung, zumal eine Erlaubnis gem. § 32 StGB an der fehlenden Eignung scheitert.956 Die Einordnung der allgemeinen Festnahmebefugnis gem. § 127 Abs. 1 StPO als Rechtfertigungsgrund mit materiell-rechtlicher Wirkung ist allgemein anerkannt.957 Nach wie vor ist jedoch nicht gänzlich geklärt, welche Eingriffe das Festnahmerecht dem Einzelnen gestattet und inwieweit eine analoge Anwendung der Norm in Betracht kommt. Dem eindeutigen Wortlaut nach bedarf es zunächst – in Übereinstimmung mit den Rechtfertigungsgründen des StGB – einer Situation, die den Anwendungsbereich der Norm überhaupt eröffnet. Im Rahmen des § 127 Abs. 1 StPO muss daher eine sog. Festnahmelage vorliegen, die das Gesetz mit dem „Betreffen auf frischer Tat“ umschreibt. Diese temporale Komponente führt bei Lichte besehen dazu, dass die Situationen der echten und unechten privaten Ermittlungen von vornherein außerhalb des § 127 Abs. 1 StPO liegen, da sich diese Szenarien typischerweise auf einen bereits abgeschlossenen oder aber erst zukünftig drohenden Rechtsverstoß beziehen. Vielmehr konzentriert sich das Festnahmerecht auf solche Konstellationen, in denen der Täter während der Tatausführung oder unmittelbar danach angetroffen wird.958 Eine solche Ausgangslage besteht a priori, wenn sich das Verhalten des privaten Beweismittelsuchers darauf beschränkt, eine gegenwärtige Rechtsverletzung zu dokumentieren.959 955 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 292 ff.; Hoyer, in: SKStGB, § 201 Rn. 44; A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 68 f. Im Kontext des § 201a StGB verweisen Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201a Rn. 31 sowie – jedenfalls implizit – Graf, in: MüKo-StGB4, § 201a Rn. 94 auf die analoge Anwendung des § 127 Abs. 1 StPO, sofern die Aufnahme „auf frischer Tat“ erfolge. In diesen Fällen ist nach dem hier vertretenen Ansatz jedoch von vornherein nicht der höchstpersönliche Lebensbereich betroffen, vgl. Teil 2, C. II. 1. d). Zum Rechtsgedanken des § 127 Abs. 1 StPO Hahn, Ton- und Bildträger als Beweismittel im Strafprozess, S. 184. 956 Teil 2, C. IV. 3. a) bb) (2). 957 Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 365; Böhm/Werner, in: MüKo-StPO, § 127 Rn. 2; RGSt 34, 443 (446); Wagner, ZJS 2011, 465 (476) m. w. N. 958 Schultheis, in: KK-StPO, § 127 Rn. 10 f.; Rengier, Strafrecht AT, § 22 Rn. 6; Beulke/ Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 367. Auf praktische Probleme weist indes zu Recht Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 258 hin, der konstatiert, die Aufnahme beginne typischerweise bereits – jedenfalls wenige Sekunden – vor der beleidigenden Tat. 959 Die weiteren Vorgaben des § 127 Abs. 1 StPO – die Fluchtgefahr bzw. die unbekannte Identität des Täters – bleiben im Rahmen dieser Untersuchung weitgehend unbeleuchtet. Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 256 weist darauf hin, dass in zahlreichen Fällen weder eine Fluchtgefahr bestehe noch die Identität des Täters unklar sei. Wohl
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Entscheidend dafür, ob die strafprozessuale Festnahmebefugnis eigeninitiative Bild- und Tonaufnahmen legitimiert, ist die Frage, welche Eingriffsrechte § 127 Abs. 1 StPO vermittelt. Angesprochen ist sonach die spezifische Reichweite des Erlaubnissatzes. Ausdrücklich gestattet die Norm allein die vorläufige Festnahme des Verdächtigen, die regelmäßig Straftaten gem. §§ 239, 240, 223, 303 StGB mit sich bringt.960 Ob darüber hinaus auch gänzlich andere Verteidigungsmaßnahmen gerechtfertigt werden können, wird uneinheitlich beantwortet und löst vor allem hinsichtlich solcher Mittel, die in ihrer Intensität weniger schwer wiegen als das körperliche Festhalten, eine kontroverse Diskussion über den zulässigen Umfang im Einzelnen aus.961 Aus der Perspektive desjenigen, der von einer vorläufigen Festnahme betroffen ist, scheint es auf den ersten Blick vorzugswürdig zu sein, ihm eine möglichst geringfügige Einbuße eigener Rechtspositionen abzuverlangen. Bisweilen wird aus dieser These ein Erst-Recht-Schluss bemüht, der in analoger Anwendung des § 127 Abs. 1 StPO dazu führen soll, heimliche Bild- und Tonaufnahmen zu rechtfertigen:962 Wenn sogar körperliche Eingriffe erlaubt seien, müsse dies erst recht für mildere Verteidigungsmittel gelten, zu denen auch die private Beweismitteldokumentation rechne.963 Diese Argumentation steht und fällt freilich mit der zugrunde liegenden Prämisse, wonach es sich bei Bild- und Tonaufnahmen tatsächlich um mildere Eingriffsformen handelt. Maßgeblich ist dabei, ob sich zwischen den Aufnahmen auf der einen und den gewöhnlichen Festnahmehandlungen auf der anderen Seite ein Stufenverhältnis feststellen lässt, wobei die jeweils betroffenen Rechtsgüter eine entscheidende Rolle einnehmen. Während die §§ 239, 223 StGB, die bei einer vorläufigen Festnahme typischerweise verwirklicht werden, dem Schutz der Fortbewegungsfreiheit bzw. der körperlichen Unversehrtheit dienen, bezwecken die §§ 201, 201a StGB vornehmlich auch plädiert Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 305 ff. dafür, die Vorschrift noch weiter auszudehnen und auf einen Festnahmegrund zu verzichten. Terminologisch differenziert Suppert zwischen den „Identifizierungsaufnahmen“, denen ein Festnahmegrund immanent sei, und sog. „Überführungsaufnahmen“. Kritisch Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 193. 960 Rengier, Strafrecht AT, § 22 Rn. 15; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 365; Roxin/Greco, AT I, § 17 Rn. 28. Vgl. zur Diskussion auch Rogall, JuS 1992, 551 (555). 961 Für eine grundsätzliche Erstreckung des § 127 Abs. 1 StPO auf mildere Mittel Beulke/ Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 369, allerdings auch nur bezogen auf die Wegnahme von Sachen zur Identifizierung; ferner Roxin/Greco, AT I, § 17 Rn. 28; Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 301. Kritisch dazu Wagner, ZJS 2011, 465 (473 f.). Gegen eine Analogie hinsichtlich der Wegnahme von Beweisstücken auch Schmidt, Lehrkommentar zur Strafprozessordnung, § 127 Rn. 26. 962 A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 68 f. 963 Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln, S. 164; Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 311. Aus deren Perspektive resultiert schließlich die Erkenntnis, dass es keines Rückgriffs auf die notwehrähnliche Lage bedürfe, sofern eine Rechtfertigung gem. § 127 Abs. 1 StPO möglich sei. Woraus dieser Vorrang des § 127 Abs. 1 StPO analog gegenüber § 32 StGB analog abgeleitet wird, bleibt indes unklar.
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den Persönlichkeitsschutz. Dieser Vergleich der tangierten Rechtsgüter bringt bereits hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass es sich um gänzlich unterschiedliche Eingriffsformen handelt und die privaten Bild- und Tonaufnahmen folglich nicht als minus, sondern vielmehr als aliud einzustufen sind.964 Zudem nimmt § 127 Abs. 1 StPO im strafprozessualen Regelungsgefüge eine Sonderrolle ein, die von vornherein gegen eine umfassende Anwendung spricht:965 Die Vorschriften der StPO regeln zuvorderst den Ablauf des Strafverfahrens und adressieren insoweit die staatlichen Strafverfolgungsbehörden. Diesen Grundsatz durchbricht § 127 Abs. 1 StPO, indem ausnahmsweise auch der Private eine Aufgabe wahrnehmen darf, die nach den legislatorischen Vorstellungen den Strafverfolgungsbehörden obliegt.966 Um diesen Ausnahmecharakter zu wahren und das Gewaltmonopol des Staates nicht über Gebühr zu beanspruchen,967 verbietet sich der extensive Rekurs auf § 127 Abs. 1 StPO.968 Schließlich gewährleisten die materiellen Rechtfertigungsgründe des StGB – ergänzt durch diejenigen des BGB – bereits hinreichende Möglichkeiten, um eine eigeninitiative Beweismitteldokumentation, die den Tatbestand der §§ 201, 201a StGB verwirklicht, zu legitimieren.969 Dies gilt insbesondere nach der hier vertretenen Ansicht, wonach das staatliche Strafverfolgungsinteresse ein notstandsfähiges Rechtsgut darstellt und folglich eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB erlaubt. Von diesem Standpunkt aus ergibt sich auch keine Lücke im System der gesetzlich anerkannten Rechtfertigungsgründe, die Anlass dazu geben könnte, einzelne Erlaubnissätze über ihren originären Aussagegehalt zu erweitern. Nach allem gestattet § 127 Abs. 1 StPO – auch in seiner analogen Anwendung – nur solche Eingriffe, die mit einer Festnahme gewöhnlich einhergehen. Die eigeninitiative Beweismitteldokumentation verlässt diesen vorgezeichneten Rahmen und kann folglich nicht auf § 127 Abs. 1 StPO gestützt werden.970 964
Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 257; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 193. In diese Richtung ferner Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 196. Diesen Gedanken äußert auch Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 301, obschon er diesen am Ende verwirft (S. 302 f.). Anderes mag etwa bzgl. der von Rengier, Strafrecht AT, § 22 Rn. 21 angeführten Beispiele der Wegnahme von Personalausweis oder Zündschlüssel gelten. Einschränkend auch Wagner, ZJS 2011, 465 (473 f.). 965 Ausdrücklich Krey, ZStW 90 (1978), 173 (184). 966 Schmitt, in: Meyer-Gossner/Schmitt, § 127 Rn. 1; ähnlich Roxin/Greco, AT I, § 17 Rn. 24. 967 Zum Gedanken der Durchbrechung des Gewaltmonopols Schmitt, in: Meyer-Gossner/ Schmitt, § 127 Rn. 1. 968 Krey, ZStW 90 (1978), 173 (184). 969 Lenckner/Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 32; Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 54. 970 Eine analoge Anwendung des § 127 Abs. 1 StPO im Bereich heimlicher Tonaufnahmen daher zurecht ablehnend Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 258; Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 187; ders., Jura 2000, 231 (234); Gössel/Dölling, Strafrecht BT 1, § 37 Rn. 72; Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 120; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 32; Krey, ZStW 90 (1978), 173 (184); Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 41, aller-
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e) Datenschutzrechtliche Rechtfertigungsgründe Der umfassende Anwendungsbereich des Datenschutzrechts führt dazu, dass sich verschiedene Maßnahmen, zu denen Privatpersonen bei der eigeninitiativen Suche nach Beweismitteln greifen, an den Erlaubnissätzen der DSGVO messen lassen müssen. Inwieweit ein solches Vorgehen datenschutzkonform ist, hängt davon ab, ob die Verarbeitung von einer datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlage gedeckt wird. Die DSGVO enthält dabei keine spezielle Vorschrift, die den Umgang mit heimlichen Bild- oder Tonaufnahmen regelt, so dass die Abwägungsklausel des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO in weiten Teil maßgebend ist.971 Vor diesem Hintergrund ist die datenschutzrechtliche Zulässigkeit stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig, die in einen gerechten Ausgleich zu bringen sind. Insoweit zeigt sich ein bedeutender Unterschied zu den strafrechtlichen Erlaubnissätzen der §§ 32, 34 StGB, deren Rechtfertigungsprogramm deutlich enger gefasst ist.972 Auswirkungen zeitigt dies vor allem hinsichtlich echter privater Ermittlungsmaßnahmen, die an eine vorangehende Straftat anknüpfen: Während die eigeninitiative Vorgehensweise aus der datenschutzrechtlichen Perspektive des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO grundsätzlich erlaubt sein kann, scheidet eine Rechtfertigung gem. §§ 32, 34 StGB in diesen Fällen wegen des gesetzlich vorgesehenen Ermittlungsverfahrens generell aus. Von dieser unterschiedlichen Bewertung ausgehend drängt sich die bislang kaum gestellte Frage auf, ob aus einer datenschutzrechtlichen Befugnisnorm zugleich eine strafrechtliche Erlaubnis bezüglich der §§ 201, 201a StGB abgeleitet werden kann.973 Die Suche nach einer dogmatisch stimmigen Antwort muss bei der Überlegung ansetzen, in welchem Verhältnis das europäische Datenschutzrecht überhaupt zum nationalen Strafrecht steht.974 Relevant wird dies insbesondere deshalb, weil die Tathandlungen der Privatschutzdelikte regelmäßig mit einer Verarbeitung personenbezogener Daten einhergehen. aa) Verhältnis von Datenschutzrecht und Strafrecht Die DSGVO ist im Verhältnis zum nationalen Recht grundsätzlich vorrangig, so dass entgegenstehende mitgliedstaatliche Vorschriften zwar nicht unwirksam, aber dings bezogen auf sämtliche Ausweitungen der Rechtfertigungsgründe. Zur Zulässigkeit, einen Rechtfertigungsgrund mittels eines Analogieschlusses zu begründen, Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 293 ff. 971 Teil 2, B. II. 2. 972 Dazu schon Teil 2, C. IV. 1. 973 Lediglich Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 70 äußert sich partiell hierzu. Zum allgemeinen Grundsatz, wonach eine zivil- oder öffentlichrechtliche Erlaubnis zugleich die Strafrechtswidrigkeit ausschließt, Roxin/Greco, AT I, § 14 Rn. 32. 974 Instruktiv zu den verschiedenen Fragenkreisen Busching, Der Schutz „privater“ Informationen bei Cloud Computing, S. 119.
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unanwendbar sind.975 Trotz dieses eindeutigen Ausgangspunkts sind die möglichen Konflikte zwischen den datenschutzrechtlichen Erlaubnissätzen und den strafrechtlichen Verbotsnormen der §§ 201, 201a StGB, die unweigerlich auch im Zusammenhang mit der eigeninitiativen Suche nach Beweismitteln auftreten, bislang nicht beleuchtet worden. Um diesen Themenkreis näherungsweise zu erschließen, bietet es sich an, einen vergleichenden Blick auf die Diskussion im Kontext des § 203 StGB zu werfen, die zwar fortgeschritten, aber keineswegs abgeschlossen ist.976 Der neuralgische Punkt ist insoweit, an welchem rechtlichen Maßstab zu beurteilen ist, ob ein Verstoß gegen eine spezifische Geheimhaltungspflicht vorliegt. Dabei lassen sich drei Lösungsansätze unterscheiden:977 Zunächst könnte man eine alleinige Überprüfung am Maßstab des nationalen Strafrechts erwägen.978 Umgekehrt kommt in Betracht, das mitgliedstaatliche Strafrecht nicht mehr anzuwenden und ausschließlich die unionalen Vorgaben der DSGVO zu bemühen.979 Schließlich ist es denkbar, sowohl die Vorgaben des nationalen Strafrechts als auch des europäischen Datenschutzrechts heranzuziehen und die Regelungsmaterien nebeneinander anzuwenden.980 Die konkreten Begründungslinien sollen im Rahmen dieser Untersuchung nicht weiter nachgezeichnet werden, da sie eng mit den rechtlichen Besonderheiten der Geheimhaltungspflichten zusammenhängen.981 Schlussendlich vermag jedoch allein der parallele Rekurs auf die verschiedenen Regelungsmaterien zu überzeugen, und zwar nicht nur mit Blick auf § 203 StGB, sondern auch auf die Privatschutzdelikte. Obschon sich die Regelungsbereiche der europäischen DSGVO und des nationalen Strafrechts an verschiedenen Stellen überschneiden, verfolgen die Vorschriften gleichwohl divergierende Ziele und stellen folglich auch abweichende Verhaltensvorgaben auf. Folgte aus der Eröffnung des datenschutzrechtlichen Anwendungsbereichs indes stets, dass ein Rekurs auf das nationale Strafrecht weitgehend ausgeschlossen wäre, liefe dieses in großem Umfang leer.
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Dazu schon Teil 2, B. II. 1. Zur Reichweite des Anwendungsvorrangs im Hinblick auf § 203 StGB Busching, Der Schutz „privater“ Informationen bei Cloud Computing, S. 118 f. 976 Vgl. A. Popp, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 15 Rn. 62. 977 Busching, Der Schutz „privater“ Informationen bei Cloud Computing, S. 119. 978 So wohl Wronka, RDV 2017, 129 (131), der auf den Anwendungsausschluss des Art. 2 Abs. 2 lit. a DSGVO abstellt. 979 In diese Richtung Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 DSGVO Rn. 112. 980 Busching, Der Schutz „privater“ Informationen bei Cloud Computing, S. 120 f.; Hoeren, ZD 2017, 501 (502); ders., MMR 2018, 12 (16); Kremer, CR 2017, 367 (371); Fechtner/ Haßdenteufel, CR 2017, 355 (363); Pohle/Ghaffari, CR 2017, 489 (494). Noch zum Verhältnis von § 203 StGB zum BDSG a. F. Ehrmann, Outsourcing von medizinischen Daten, S. 12 m. w. N. 981 Dies betrifft im Wesentlichen die Öffnungsklausel aus Art. 90 DSGVO, die an verschiedenen Stellen der Diskussion relevant wird. Instruktiv wiederum Busching, Der Schutz „privater“ Informationen bei Cloud Computing, S. 120.
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Nach alledem spricht mehr dafür, die mitgliedstaatlichen Straftatbestände neben den Vorgaben der DSGVO zu berücksichtigen, wenn eine Privatperson bei der eigeninitiativen Beweismittelsuche personenbezogene Daten verarbeitet. Im Ausgangspunkt ist es sonach vorstellbar, ein privates Vorgehen als datenschutzkonform einzustufen, obschon dieses nach den Verbotstatbeständen der §§ 201, 201a StGB strafbar ist.982 bb) Strafrechtliche Auswirkungen des Datenschutzrechts Angesichts dieses Ergebnisses, das zu einer Friktion der Rechtsquellen führen kann, drängt sich die anschließende Frage auf, ob eine datenschutzrechtliche Erlaubnis, die im hier interessierenden Kontext typischerweise aus Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO resultiert, die strafrechtliche Rechtfertigung zu beeinflussen vermag. Die wissenschaftliche Diskussion beschränkt sich in diesem Themenfeld wiederum nahezu ausschließlich auf den Geheimnisschutz gem. § 203 StGB,983 wohingegen eine vergleichbare Debatte im Kontext der §§ 201, 201a StGB nach wie vor weitgehend fehlt.984 Zwar mag die praktische Relevanz im Anwendungsbereich des § 203 StGB gewichtiger ausfallen, zumal zusätzliche Konflikte mit einzelnen berufsrechtlichen Regelungen auftreten.985 Nichtsdestoweniger wirkt sich die Diskussion auch im Bereich der Privatschutzdelikte aus, und zwar vornehmlich dann, wenn eine echte private Ermittlungsmaßnahme in Rede steht. Paradigmatisch sei hier auf die heimliche Tonaufnahme eines Gesprächs verwiesen, in dem der Aufnehmende seinem Konversationspartner ein Geständnis entlockt, das sich auf eine zurückliegende Straftat bezieht. Die nachfolgenden Ausführungen stellen dabei keine erschöpfende Auseinandersetzung mit der umstrittenen Frage dar, inwieweit datenschutzrechtliche Normen auf das nationale Strafrecht Einfluss nehmen, sondern konzentrieren sich auf das hier interessierende Spannungsverhältnis des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zu den §§ 201, 982
Das umgekehrte Ergebnis – trotz einer strafrechtlichen Rechtfertigung gem. §§ 32, 34 StGB liegt ein Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO vor – ist zwar ebenfalls denkbar. Allerdings führt der flexible Abwägungsmaßstab des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO insoweit regelmäßig auch zur datenschutzrechtlichen Rechtmäßigkeit. Im Kontext des § 203 StGB ist ein abweichendes Szenario eher möglich. Dazu Fechtner/Haßdenteufel, CR 2017, 355 (362). 983 Umfassend Busching, Der Schutz „privater“ Informationen bei Cloud Computing, S. 121 m. w. N. Schon zur Rechtslage unter Geltung des BDSG a. F.: Ehrmann, Outsourcing von medizinischen Daten, S. 122 ff.; Pohle/Ghaffari, CR 2017, 489 (491); ferner Eisele, Compliance und Datenschutzstrafrecht, S. 77 f., der sich auf den Beschäftigtendatenschutz bezieht. 984 Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 90 sowie A. Müller, Die Zulässigkeit der Videoüberwachung am Arbeitsplatz, S. 69 f. äußern sich knapp, ohne aber die dogmatischen Grundlagen näher zu beleuchten. Teilweise auch Gola, RDV 2004, 215 (216) sowie Eisele, Compliance und Datenschutzstrafrecht, S. 78. 985 Zum Ganzen Busching, Der Schutz „privater“ Informationen bei Cloud Computing, S. 118, 173 ff.
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201a StGB.986 Ungeachtet dessen bedarf es an einigen Stellen jedoch auch eines Rückgriffs auf grundlegende Prinzipien des strafrechtlichen Regelungssystems und seinen Interdependenzen zu anderen Rechtsgebieten. Den normativen Ausgangspunkt stellt wiederum das schon beleuchtete Kriterium unbefugt dar, das sowohl die §§ 201, 201a StGB als auch § 203 StGB entscheidend prägt.987 Zwar verweist dieses Merkmal in sämtlichen Tatbeständen ausschließlich auf die Ebene der Rechtswidrigkeit und belegt insoweit lediglich, dass die anerkannten Rechtfertigungsgründe besonders häufig einschlägig sind.988 Allerdings ergeben sich die Erlaubnissätze nicht allein aus den strafrechtlichen Vorschriften, da diese keinen abgeschlossenen Katalog statuieren, der einen Rückgriff auf andere Rechtsquellen ausschlösse.989 Für ein Zusammenspiel der verschiedenen Regelungskomplexe spricht namentlich der gemeinhin anerkannte Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, dem zufolge eine bürgerlich- oder öffentlich-rechtliche Erlaubnis nicht dadurch konterkariert werden darf, indem dasselbe Verhalten in das Kielwasser des Kriminalstrafrechts gerät.990 Das Datenschutzrecht steht einer solchen rechtsgebietsübergreifenden Interpretation nicht entgegen: Art. 6 Abs. 1 DSGVO normiert, unter welchen Bedingungen eine Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig ist. Dazu, ob mit dieser angeordneten Rechtsfolge („rechtmäßig“) ausschließlich die datenschutzrechtliche Lage gemeint ist, verhält sich die Vorschrift nicht explizit. Folglich ist auch ein weites Verständnis grundsätzlich denkbar, das eine abschließende Bewertung in umfassender Hinsicht trifft und sonach auch für die strafrechtliche Prüfung verbindlich ist.991 Nach dieser Konzeption nähme Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO die Gestalt eines materiell-rechtlichen Rechtfertigungsgrundes an, der sub specie der §§ 201, 201a StGB auch die Fälle der echten privaten Ermittlung legitimieren könnte. Ein derartiger pauschaler Rekurs auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO missachtete jedoch die Vorgaben, denen eine außerstrafrechtliche Regelung genügen muss, um 986 Vor diesem Hintergrund bleibt etwa die Frage unbeleuchtet, ob solche datenschutzrechtlichen Erlaubnissätze, die spezifischere Voraussetzungen für einzelne Datenverarbeitungsmaßnahmen aufstellen, eine strafrechtliche Rechtfertigung begründen können. 987 Dazu bereits Teil 2, C. IV. 2. Zum „unbefugten“ Verhalten im Kontext des § 203 StGB Busching, Der Schutz „privater“ Informationen bei Cloud Computing, S. 121. 988 Teil 2, C. IV. 2. Vgl. für § 203 StGB Ehrmann, Outsourcing von medizinischen Daten, S. 114 ff. m. w. N. 989 Ehrmann, Outsourcing von medizinischen Daten, S. 125 f. Vgl. schließlich auch Roxin/ Greco, AT I, § 14 Rn. 37, die betonen, die meisten Rechtfertigungsgründe lägen außerhalb des Strafrechts. Zur unterschiedlichen Herkunft der „Strafunrechtsauschließungsgründe“ Schlehofer, in: MüKo-StGB4, Vorb. zu § 32 Rn. 119 ff. 990 Im Kontext des § 201 StGB Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 90; A. Müller, Die Zulässigkeit der Videoüberwachung am Arbeitsplatz, S. 70. Vgl. sub specie des § 203 StGB Wronka, RDV 2017, 129 (131). Instruktiv zum Gedanken der Einheit der Rechtsordnung bei der strafrechtlichen Rechtfertigung Roxin/Greco, AT I, § 14 Rn. 32; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, Vorb. zu §§ 32 ff. Rn. 27 ff. 991 Instruktiv Busching, Der Schutz „privater“ Informationen bei Cloud Computing, S. 190.
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eine rechtfertigende Wirkung innerhalb des Strafrechts zu entfalten und geriete darüber hinaus mit grundlegenden Rechtsprinzipien in Konflikt. Sowohl die zivilrechtlichen als auch die öffentlich-rechtlichen Normen, denen eine rechtfertigende Wirkung für das Strafrecht attestiert wird, statuieren weitgehend spezifische Vorgaben, an denen sich eine konkrete menschliche Handlung messen lassen muss.992 Paradigmatisch sind insoweit das zivilrechtliche Selbsthilferecht gem. § 229 BGB sowie das Recht zu einer vorläufigen Festnahme aus § 127 Abs. 1 StPO. Im Kontrast dazu verbleibt der normative Aussagegehalt des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO eher vage, da er sich letztlich in einer umfassenden Interessenabwägung erschöpft, in der sämtliche Einzelfallumstände zu berücksichtigen sind. Transferierte man diese datenschutzrechtliche Erlaubnisnorm in den strafrechtlichen Anwendungsbereich der §§ 201, 201a StGB, führte dies endlich dazu, die letztgenannten Vorschriften unter einen Abwägungsvorbehalt zu stellen, den der nationale Gesetzgeber indes nur teilweise vorgesehen hat. Im Rahmen des § 201 StGB bezieht sich die besondere Interessenabwägung, die § 201 Abs. 2 S. 3 StGB vorsieht, ausschließlich auf die öffentliche Mitteilung – und somit gerade nicht auf den gesamten Tatbestand.993 Im Vergleich dazu ist die Sozialadäquanzklausel, die § 201a Abs. 4 StGB implementiert, zwar weiter ausgestaltet, indem sie zahlreiche Begehungsvarianten vom Strafvorwurf ausnimmt; nichtsdestoweniger kommt auch dieser keine umfassende Wirkung zu, da die Bildaufnahme einer Person, die sich in einer geschützten Räumlichkeit des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB aufhält, ausdrücklich nicht erfasst ist.994 Dieser bewussten Entscheidung des nationalen Gesetzgebers liefe es zuwider, wenn man den tatbestandlichen Verstoß gegen die §§ 201, 201a StGB über die datenschutzrechtliche Abwägung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO rechtfertigte. Eingedenk dessen besteht ein zwingender sachlicher Grund dafür, die These von der Einheit der Rechtsordnung, die keineswegs ausnahmslos gilt, zu durchbrechen.995 Gegen eine Erlaubnis nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO streitet auch das hier vertretene Ergebnis, wonach die Wahrnehmung berechtigter Interessen i. S. d. § 193 StGB nicht geeignet ist, außerhalb der Beleidigungsdelikte eine rechtfertigende Wirkung zu entfalten.996 Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO ähnelt § 193 StGB nicht nur in terminologischer Hinsicht – während die datenschutzrechtliche Erlaubnisnorm die „Wahrung berechtigter Interessen“ nennt, verlangt der strafrechtliche Rechtfertigungsgrund eine „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ – sondern auch inhaltlich, da beide Vorschriften auf eine umfassende Interessenabwägung hinauslaufen, ohne eine besondere Gefahrensituation zu verlangen. Konsequenterweise sprechen dieselben Gründe, die einer analogen Anwendung des § 193 StGB entgegenstehen, zugleich auch dafür, die datenschutzrechtliche Ab992
Zu dieser Vorgabe auch Ehrmann, Outsourcing von medizinischen Daten, S. 126. Dazu schon Teil 2, C. IV. 4. a). 994 Teil 2, C. II. 5. 995 Dazu Ehrmann, Outsourcing von medizinischen Daten, S. 120. 996 Teil 2, C. IV. 4. c) aa). 993
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wägungsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO nicht als Rechtfertigungsgrund mit strafrechtlicher Wirkung zu begreifen. Schließlich tritt ein weiterer wesentlicher Gesichtspunkt in den Vordergrund, der in der bisherigen Debatte um die strafrechtlichen Auswirkungen des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO noch unbeleuchtet ist, und der das Regelungskonzept des Datenschutzrechts betrifft. Dieses beruht – wie schon erläutert – auf dem Prinzip des sog. Verbots mit Erlaubnisvorbehalt und unterscheidet sich insoweit von dem Grundsatz, wonach eine Privatperson in ihrem Verhalten generell frei ist, sofern dieses nicht an rechtliche Grenzen stößt.997 Aufgrund dieser legislatorischen Konzeption, die keinesfalls unumstritten ist, erweist sich das Datenschutzrecht a priori als verarbeitungsfeindlich.998 Um die Konsequenzen, die mit einem umfassenden Datenverarbeitungsverbot sowohl für das gesellschaftliche als auch das berufliche Leben einhergehen, zu relativieren, bedarf es eines weit gefassten Erlaubnissatzes, der sich hauptsächlich in Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO findet.999 Demgegenüber verfolgen die §§ 201, 201a StGB den konträren Zweck, der grundsätzlichen Freiheit des Bürgers spezifische Grenzen zu setzen, indem sie einzelne Verhaltensweisen verbieten und unter Strafe stellen. Dieses Ziel gefährdete man allerdings, wenn man die Befugnis aus Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO, die gerade wegen des datenschutzrechtlichen Erlaubnisvorbehalts zwangsläufig weit gefasst ist, als strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund begriffe.1000 Vor diesem Hintergrund korrigiert Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO lediglich das grundsätzliche Verarbeitungsverbot personenbezogener Daten, ohne aber eine darüber hinausgehende rechtfertigende Wirkung zu entfalten. 5. Ergebnis für die Rechtfertigung und Schlussfolgerung Verletzt das Verhalten eines Privaten, der eigeninitiativ nach Beweismitteln sucht, den Tatbestand eines Strafgesetzes, bedarf es eines Erlaubnissatzes, um eine Rechtfertigung zu begründen. Da die Verbotsnorm des § 201a StGB einen engen Anwendungsbereich aufweist, der in den hier interessierenden Fällen nur selten betroffen ist, wirkt sich die Diskussion um die Reichweite der Rechtfertigungsgründe vornehmlich im Kontext des § 201 StGB aus. Sofern eine heimliche Tonaufnahme in 997
Dazu Teil 2, B. II. Veil, NVwZ 2018, 686 (688 f.). 999 So auch Kramer, in: Auernhammer, Art. 6 DSGVO Rn. 66, der davon spricht, Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO sei nach der Konzeption des Datenschutzrechts als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt „unverzichtbar“. Ähnlich ferner Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO Rn. 141; Härting/Schneider, CR 2015, 819. 1000 Im Kontext des § 203 StGB wird insoweit von einem verminderten Schutzniveau gesprochen, Eichelbrönner, Die Grenzen der Schweigepflicht des Arztes, S. 162. Dazu auch Busching, Der Schutz „privater“ Informationen bei Cloud Computing, S. 121. Zur – nunmehr überholten – Diskussion, ob § 6b BDSG a. F. sub specie des § 201a StGB einen Rechtfertigungsgrund zu begründen vermochte, Mölter, Überwachung und Informationsbeschaffung des Arbeitgebers, S. 299; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 206; Eisele, Compliance und Datenschutzstrafrecht, S. 78. 998
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Rede steht, kommt eine Erlaubnis gem. § 32 StGB ausschließlich in den Fällen einer erpresserischen oder nötigenden Drohung in Betracht, da sich der Angriff insoweit über die verbale Kundgabe hinaus erstreckt und sonach durch den späteren Gebrauch des angefertigten Beweismittels abgewehrt werden kann. Der Notwehrrechtfertigung steht dabei nicht entgegen, dass die Aufnahme lediglich eine Vorstufe der endgültigen und effektiven Abwehr des Angriffs darstellt. Erschöpft sich der gegenwärtige rechtswidrige Angriff jedoch in einer verbalen Kundgabe – wie beispielsweise einer Beleidigung –, scheitert eine Rechtfertigung gem. § 32 StGB an der fehlenden Eignung. Die heimliche Tonaufnahme einer beleidigenden Äußerung perpetuiert diese, ohne den Angriff abzuwehren. Eine deutlich gewichtigere Rolle im Kontext der eigeninitiativen Beweismittelsuche nimmt der rechtfertigende Notstand ein. Allerdings genügt der bloße Rekurs auf die Beweisnot nicht, da dieser Terminus allein die tatsächliche Ausgangslage beschreibt, in der sich die privaten Recherchen zutragen. Sofern es um den Nachweis einer gegenwärtigen oder bereits abgeschlossenen Straftat geht, vermag auch das Anzeigerecht aus § 158 StPO keine notstandsauslösende Gefahr zu begründen. Vielmehr bedarf es – sofern der Nachweis strafbarer Verhaltensweisen in Rede steht – des Rückgriffs auf das staatliche Strafverfolgungsinteresse, das zu den notstandsfähigen Allgemeinrechtsgütern zählt. Dieses ist stets dann negativ betroffen, wenn der Verantwortliche einer Straftat nicht seiner gerechten Strafe zugeführt werden kann. Hieraus folgt auch keine Unterwanderung des staatlichen Gewaltmonopols, da die weiteren Voraussetzungen des § 34 StGB die Handlungsspielräume des eigeninitiativen Beweismittelsuchers zu beschränken vermögen. Der Gesetzgeber ordnet ein staatlicherseits betriebenes Ermittlungsverfahren an; diese Wertung ist im Rahmen der Angemessenheit i. S. d. § 34 S. 2 StGB zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund sind echte private Ermittlungsmaßnahmen, die den Tatbestand einer Strafnorm erfüllen und kriminelles Unrecht aufdecken sollen, stets rechtswidrig. Anders ist hingegen bei der eigeninitiativen Beweismitteldokumentation zu entscheiden, die ausschließlich eine gegenwärtige Straftat betrifft. Der Private agiert insoweit stellvertretend für die staatlichen Stellen, die regelmäßig nicht rechtzeitig anwesend sein können. Darüber hinaus erfasst § 34 StGB auch die Fälle, in denen wiederholte Rechtsverletzungen drohen, wobei insoweit hauptsächlich Beleidigungsdelikte in Rede stehen. Die notstandsauslösende Gefahr resultiert dabei nicht (nur) aus einem vergangenen oder gegenwärtigen Rechtsbruch, sondern vielmehr aus einer künftigen Bedrohung für die tangierten Individualrechtsgüter. Die drohende „Prozessniederlage“ begründet – von der Ausnahme für den zu Unrecht Beschuldigten einmal abgesehen – keine notstandsauslösende Gefahr, da ein derartiges Risiko in den jeweiligen Verfahrensordnungen angelegt ist. Diese enthalten spezifische Regelungen und Grundsätze, die statuieren, wie zu entscheiden ist, wenn einzelne rechtserhebliche Tatsachen ungeklärt bleiben, so dass eine darauf beruhende Entscheidung nicht als abzuwehrender Fremdkörper einzustufen ist. Eine
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Gefahr i. S. d. § 34 StGB liegt erst dann vor, wenn zusätzliche Umstände hinzutreten, die das prozessadäquate Risiko zulasten eines Protagonisten verschieben. Ein solcher Zustand ist anzunehmen, wenn das außerprozessuale Verhalten eines (späteren) Verfahrensbeteiligten hinreichend deutlich nahelegt, dass sich dieser in einem anschließenden Gerichtsverfahren unredlich verhält. Paradigmatisch sind insbesondere unrichtige Aussagen einer Partei im Zivilprozess, die den Vorwurf eines Prozessbetrugs gem. § 263 StGB nach sich ziehen. Sofern der Private im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens keine aussagekräftigen Beweismittel erlangt hat, dürfte es ihm kaum gelingen, die wahrheitswidrige Behauptung seines Kontrahenten aufzudecken. Die Notstandslage beruht dabei – wie im Fall der wiederholten Rechtsverletzungen – auf einem zukünftig drohenden Angriff, dem der Betroffene jedoch nur durch ein sofortiges Tätigwerden effektiv begegnen kann. Da § 34 StGB diese Konstellationen der „Präventivnotwehr“ erfasst, können unechte private Ermittlungsmaßnahmen erlaubt sein. Dieses Ergebnis hält auch vor den Vorgaben des zivilrechtlichen Selbsthilferechts aus § 229 BGB Stand. Eines Rückgriffs auf weitergehende Rechtfertigungsgründe bedarf es schließlich nicht, da das System der anerkannten Erlaubnissätze andernfalls durcheinandergeriete. Dieser Einwand betrifft vornehmlich die notwehrähnliche Lage, da insoweit die Grenzen zum rechtfertigenden Notstand gem. § 34 StGB verschwimmen. Zudem vermag auch der Rekurs auf eine Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall nicht zu überzeugen – und zwar unabhängig davon, ob diese aus dem Rechtsgedanken des § 193 StGB oder aber einem übergeordneten Grundsatz abgeleitet wird. Der rechtfertigende Notstand sieht seinerseits einen Ausgleich konfligierender Interessen vor: Allerdings verlangt § 34 StGB nicht nur ein wesentliches Überwiegen des Erhaltungsgutes, sondern setzt zunächst eine Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut voraus. Diese legislatorische Wertung unterliefe man, wenn man auch jenseits dieser Grenzen eine Abwägung anerkennen würde. Zudem sehen die §§ 201, 201a StGB an einzelnen Stellen ihrerseits Abwägungsmöglichkeiten vor, ohne diese jedoch zu einem allgemeingültigen Rechtmäßigkeitsmaßstab zu erheben. Zu guter Letzt scheidet auch eine Anleihe bei Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO aus: Der datenschutzrechtliche Abwägungstatbestand ist eng mit der Regelungskonzeption der DSGVO verknüpft, die ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt implementiert und sonach eine verarbeitungsfeindliche Tendenz aufweist. Um die Verarbeitung personenbezogener Daten gleichwohl innerhalb bestimmter Grenzen zuzulassen, bedarf es einer weit gefassten Abwägungsklausel. Hiervon divergiert der strafrechtliche Regelungsansatz, so dass Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO insoweit keinen materiellen Rechtfertigungsgrund darstellt. Nach alledem bestätigt sich das Ergebnis, das bereits die Überlegungen zum rechtfertigenden Notstand gem. § 34 StGB zutage gefördert haben: In zwei zentralen Fallgestaltungen, in denen der Private eigeninitiativ Beweismittel sichert und dabei den Tatbestand einer Strafnorm verletzt, scheidet eine Erlaubnis generell aus.1001 1001
Dazu Teil 2, C. IV. 3. b) ff).
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Dies betrifft zunächst solche Maßnahmen, die ausschließlich darauf gerichtet sind, eine zivilrechtlich relevante Tatsache zu belegen. Weder die Sorge, in einem zivilgerichtlichen Verfahren beweispflichtig zu bleiben noch das private oder staatliche Interesse an einer wahrheitsgemäßen Zivilgerichtsentscheidung vermögen den Verstoß gegen materiell-rechtliche Strafvorschriften zu rechtfertigen. Daneben scheidet eine Rechtfertigung echter privater Ermittlungsmaßnahmen, die sich darauf konzentrieren, eine zurückliegende Straftat aufzudecken, generell aus. Diese Gesichtspunkte belegen den Ausnahmecharakter, den die strafrechtlichen Erlaubnissätze erfahren: Eine Rechtfertigung kommt nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht. Gerade im Anwendungsbereich des § 201 StGB stößt dieses restriktive Verständnis auf verschiedene Bedenken, die nicht von der Hand zu weisen sind. Die Strafnorm schützt das gesprochene Wort unabhängig von seinem konkreten Inhalt, so dass es für die Tatbestandsverwirklichung gänzlich irrelevant ist, ob der Täter ein streng vertrauliches Gespräch oder eine banale Konversation des Alltags heimlich mittels eines Tonaufnahmegeräts archiviert. Erweist sich das strafbewehrte Verhaltensverbot als zu weitgehend, ist es jedoch primär die Aufgabe des Gesetzgebers, dem Einhalt zu gebieten. Neben einer engeren Fassung des Tatbestands, der sich etwa ausschließlich auf sensible Gesprächsinhalte beziehen könnte, käme auch ein spezifischer Rechtfertigungsgrund in Betracht. Möglich wäre es beispielsweise, § 201 Abs. 2 S. 3 StGB zu erweitern und nicht allein auf die öffentliche Mitteilung gem. § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB zu beschränken.1002 Solange der Gesetzgeber dahingehende Anpassungen indes nicht vornimmt, bleiben Unterschiede zwischen den einzelnen Rechtsgebieten bestehen. Dieses Ergebnis lässt sich mit Blick auf ein leicht abgewandeltes Exempel veranschaulichen, das Helle bemüht hat: Während das Mithören eines Telefonats zum Nachweis einer vergangenen Straftat persönlichkeitsrechtlich zulässig sein kann, ist die heimliche Tonbandaufnahme desselben Gesprächs strafrechtlich verboten.1003 Offen geblieben ist bislang, inwieweit die Entscheidung, ob ein eigeninitiativ erlangtes Beweismittel im Prozess verwertbar ist, die vorgelagerte Stufe der privaten Beweismittelsuche zu beeinflussen vermag. Diese Frage lässt sich dogmatisch am Merkmal der Eignung festmachen, das sowohl im Rahmen der persönlichkeits- und datenschutzrechtlichen Interessenabwägung als auch sub specie der §§ 32, 34 StGB relevant wird. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf diese maßgebende Weichenstellung.
1002 Denkbar wäre auch eine stärkere Anlehnung an die datenschutzrechtliche Erlaubnis aus Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Dies würde zugleich dazu führen, die strafrechtlichen Verhaltensverbote mit den datenschutzrechtlichen Verhaltensanforderungen zu synchronisieren. Vgl. dazu im Kontext des § 203 StGB Fechtner/Haßdenteufel, CR 2017, 355 (362). 1003 Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 303 f.
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Teil 2: Grenzen der privaten Beweismittelsuche
D. Auswirkungen der (Un)Verwertbarkeit auf die materielle Rechtmäßigkeit der eigeninitiativen Beweismittelsuche Die Diskussion darüber, ob rechtswidrig gewonnene Beweismittel gerichtlich verwertbar sind, beschäftigt die Rechtswissenschaft seit jeher. Dass diese bislang noch nicht zu einem gänzlich zufriedenstellenden Lösungsansatz geführt hat, beruht ganz wesentlich auf der nach wie vor ungeklärten Frage, inwieweit die materielle Rechtswidrigkeit und die prozessuale (Un)Verwertbarkeit einander beeinflussen. Pointiert ausgedrückt gipfelt die gesamte Debatte in der Überlegung, ob zunächst darüber zu befinden ist, inwieweit die Erlangung eines Beweismittels materiell rechtmäßig ist oder aber über dessen prozessuales Schicksal, das dann wiederum Rückschlüsse auf die materiell-rechtliche Ebene erlaubt. Mögliche Antworten lassen sich dabei nur durch eine vergleichende Betrachtung gewinnen, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln durchzuführen ist – und zwar zum einen aus dem materiell-rechtlichen und zum anderen aus dem prozessrechtlichen. Das eigeninitiative Vorgehen eines Privaten spielt sich typischerweise außerhalb des prozessualen Raums ab. Dieses Verhalten muss sich zweifelsohne an den Vorgaben des materiellen Rechts messen lassen, das spezifische Grenzen implementiert. Insoweit ist es konsequent, zunächst die materiell-rechtliche Ebene zu betreten. Besonders anschaulich ist dieser Gedankengang, wenn man die eigeninitiative Suche nach Beweismitteln strafrechtlich bewertet: Das private Verhalten kann nur dann das Verdikt der Strafrechtswidrigkeit nach sich ziehen, wenn es überhaupt einen materiell-rechtlichen Straftatbestand gibt, der das konkrete Verhalten pönalisiert. Allerdings dürfen dabei die prozessualen Einschläge nicht vorschnell aus dem Fokus geraten. Denn das eigeninitiative Verhalten ist gerade darauf gerichtet, einen prozessualen „Erfolg“ zu erreichen.
I. Eigenständige Beurteilung der materiellen Rechtslage An verschiedenen Stellen ist bereits deutlich geworden, dass die Frage, ob eigeninitiativ erlangte Beweismittel vor Gericht verwertbar sind, in weiten Teilen vollumfänglich von dem jeweils gewählten Themenzuschnitt und folglich von der eingenommenen Perspektive determiniert wird. Zahlreiche Diskussionsbeiträge konzentrieren sich von vornherein ausschließlich darauf, die Verwertbarkeit solcher Beweismittel zu untersuchen, die ein Privater contra legem gewonnen hat. Bei genauerer Betrachtung suggeriert diese Fragestellung dabei einen zwingenden Vorrang des materiellen Rechts:1004 Denn wenn es allein um die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel geht, muss dieses materiell-rechtliche Unwerturteil bereits 1004 Dazu instruktiv Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 96 f.; ferner B. Kramer, NJW 1990, 1760 (1761).
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feststehen, bevor die prozessuale Sphäre betreten und überhaupt relevant wird. Ob die Tonaufnahme, die ein Privater unbefugt hergestellt hat, in einem nachfolgenden Straf- oder Zivilverfahren verwertet werden kann, wirkt sich nach diesem Verständnis folglich nicht auf die materielle Rechtslage aus, da diese eigenständig und ohne Ansehen der prozessualen Intentionen, die der private Beweismittelsucher verfolgt, zu bestimmen ist. Auf einem ähnlichen Modell basieren auch die Stimmen, nach denen ein Beweismittel, das von einem Privaten auf rechtmäßige Weise gewonnen wurde, stets verwertbar sei.1005 Zu diesem Lösungsansatz rechnet schließlich auch die These, wonach ein möglicher Rechtfertigungsgrund, der das außerprozessuale Verhalten des Privaten legitimiere, bei der gerichtlichen Verwertung fortwirke und diese ebenfalls erlaube.1006 Hinzu tritt ein weiterer essenzieller Aspekt: Denn die genannten Ansichten beruhen nicht allein auf dem Vorrang des materiellen Rechts, sondern gehen darüber hinaus auch davon aus, dass die materiell-rechtliche Lage die prozessuale Verwertbarkeit beeinflussen kann. Der postulierte Vorrang des materiellen Rechts ist freilich nur plausibel, wenn sich über die Rechtmäßigkeit des eigeninitiativen außerprozessualen Vorgehens tatsächlich eine abschließende und verbindliche Aussage treffen lässt, ohne dabei die prozessuale Ebene zu berücksichtigen. Auf diese zentrale Frage beziehen sich die nachfolgenden Abschnitte.
II. Die Verwertbarkeit als materiell-rechtlicher Rechtfertigungsgrund Bestechend einfach wirkt der Vorschlag von Greger, aus der prozessualen Verwertbarkeit eines Beweismittels unmittelbar auf die materielle Rechtmäßigkeit der
1005
So etwa Sax, JZ 1965, 1 (6); Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1543); Balthasar, JuS 2008, 35 (39); KG JR 1981, 254; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 196; Prütting, in: MüKo-ZPO, § 284 Rn. 78; ferner Kelnhofer, Hypothetische Ermittlungsverläufe, S. 239 f. Teilweise auch Hahn, Ton- und Bildträger als Beweismittel im Strafprozess, S. 110. Vgl. schließlich Bienert, Private Ermittlungen, S. 116, die die materielle Rechtswidrigkeit als eine Art „Vorbedingung“ einstuft. Bienert betont indes zugleich, dass in den Fällen eines gerechtfertigten privaten Verhaltens ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot in Betracht komme. 1006 Tenckhoff, JR 1981, 255 (258). Zur Fortwirkung des Rechtfertigungsgrundes, der bereits die Erlangungshandlung legitimiert, AG Winsen (Luhe) NJW 1986, 2001 (2002); Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 94 f.; Engländer/Volk, Grundkurs StPO, § 28 Rn. 35. Kritisch zur Fortwirkung Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 107 f. Dieser geht auch davon aus, dass ein materiell-rechtlicher Rechtfertigungsgrund – namentlich § 34 StGB – nicht dazu geeignet sei, den staatlichen Eingriff verfassungsrechtlich zu legitimieren. Vgl. dazu auch Peres, Strafprozessuale Beweisverbote und Beweisverwertungsverbote, S. 67 ff.; Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 96 stuft § 34 StGB expressis verbis als Grundrechtsschranke ein, die den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht legitimiere.
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eigeninitiativen Beweismittelsuche zu schließen.1007 Sei etwa eine Ton- oder Bildaufnahme verwertbar, folge hieraus zugleich, dass nicht nur der prozessuale Gebrauch als solcher, sondern auch die vorgelagerte Aufzeichnung nicht als unbefugt i. S. d. §§ 201, 201a StGB einzustufen sei.1008 Diese Konzeption, die wiederum eng mit dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung verbunden ist, muss sich dabei keineswegs nur auf solche Verhaltensweisen beschränken, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichen, sondern lässt sich ohne Weiteres auch auf die zivil- oder datenschutzrechtlichen Normen transferieren. Hahn hat eine derartige nachträgliche Rechtfertigungsmöglichkeit ganz allgemein auf vorausgehendes zivil- oder strafrechtlich relevantes Verhalten bezogen.1009 Im Ergebnis erwüchse hieraus ein eigenständiger Rechtfertigungsgrund der prozessualen Verwertbarkeit, der aus dem Prozessrecht unmittelbar in das materielle Recht hineinragte.1010 Konsequenterweise nähme die Ebene der prozessualen Verwertbarkeit zwangsläufig eine gesteigerte Bedeutung ein: Das abschließende Urteil darüber, ob der Private bei seiner Suche nach einem Beweismittel rechtmäßig oder aber rechtswidrig gehandelt hat, ließe sich demzufolge nur fällen, wenn zuvor bereits über die gerichtliche Verwertbarkeit entschieden wurde. Dabei soll es auch nach Greger auf eine Abwägung zwischen den konfligierenden Rechtspositionen ankommen, die dogmatisch an den gerichtlichen Verwertungsakt selbst anknüpft und insoweit grundrechtlich geprägt ist.1011 Schlussendlich führte ein solches Verständnis dazu, dass die weit verbreitete und zuvor beschriebene Frage, ob ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel in einem Straf- oder Zivilverfahren verwertet werden kann, ihre Geltung verlöre. Denn sobald ein Beweismittel prozessual verwertbar ist, stünde gleichsam automatisch fest, dass die private Beweismittelsuche ebenfalls gerechtfertigt ist. Vor diesem Hintergrund gäbe es kein verwertbares Beweismittel, dem das Verdikt der materiellen Rechtswidrigkeit anhaftet. Bei Lichte besehen liefert dieses Lösungsmodell jedoch gerade keine Erklärung dafür, weshalb die prozessuale Verwertbarkeit auf das materielle Recht einwirken soll und sonach die grundsätzliche Trennung der verschiedenen rechtlichen Bewertungsebenen durchbricht. Die Verwertung eines Beweismittels vor Gericht erfolgt unter gänzlich anderen rechtlichen und tatsächlichen Bedingungen als die vorangehende außerprozessuale Suche danach: Der entscheidende Richter ist gem. Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar an die nachfolgenden Grundrechte gebunden, so dass dessen Verhalten – im Gegensatz zu demjenigen eines privaten Akteurs – grund1007
Greger, NZV 2015, 114 (115). Teilweise abweichend hingegen Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 120, der bei der Verwertbarkeit eines Tonbands nur dessen Gebrauch gem. § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB rechtfertigen will. 1009 Hahn, Ton- und Bildträger als Beweismittel im Strafprozess, S. 183 f. 1010 Auch Greger, NZV 2015, 114 (115) selbst spricht von einem „rechtfertigenden Grund“. 1011 Greger, NZV 2015, 114 (115). 1008
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sätzlich legitimationsbedürftig ist.1012 Darüber hinaus divergieren die betroffenen Rechtspositionen und Interessen, weil die staatlichen Entscheidungsträger stets auch Belange des Allgemeinwohls zu berücksichtigen haben, wohingegen der Private typischerweise vorrangig persönliche Motive verfolgt.1013 Schließlich ist es durchaus denkbar, dass sich die tatsächlichen Umstände zwischen den maßgeblichen Zeitpunkten der Beweismittelsuche und der späteren Verwertung ändern und insofern eine divergierende rechtliche Bewertung verlangen.1014 Allein die Legitimation eines nachfolgenden Verhaltens genügt somit nicht, um einem vorausgehenden Handeln automatisch dasselbe rechtliche Schicksal zuteilwerden zu lassen, da es sich jedenfalls im Ausgangspunkt um eigenständige Eingriffe durch unterschiedliche Akteure handelt.1015 Ungeachtet dessen wäre eine solche Konzeption auch nicht mit den anerkannten Rechtfertigungsgründen des StGB zu vereinbaren, die zwar mitunter ebenfalls auf eine Interessenabwägung abstellen, darüber hinaus aber weitere Voraussetzungen normieren.1016 Man rüttelte an den Pfeilern dieses abgestimmten Regelungssystems, wenn man einem allgemeinen Erlaubnissatz der prozessualen Verwertbarkeit das Wort redete, und diese Verwertbarkeit von einer Abwägung abhängig machte.
III. Die Unverwertbarkeit als Hindernis der materiellen Rechtmäßigkeit Die gerichtliche Verwertbarkeit eines Beweismittels, das von privater Seite erlangt wurde, stellt nach den vorstehenden Ausführungen folglich keinen eigenständigen Rechtfertigungsgrund für den Erlangungsakt selbst dar. Hiervon ist jedoch die Frage zu unterscheiden, ob die prozessuale Unverwertbarkeit ihrerseits die materiell-rechtliche Rechtslage in irgendeiner Form zu beeinflussen vermag. Dieser mögliche Zusammenhang betrifft wiederum nicht allein die überkommenen strafrechtlichen Erlaubnissätze, sondern zugleich auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das unional geprägte Datenschutzrecht. Ausgangspunkt der Diskussion, die nach wie vor nur selten ausdrücklich geführt wird,1017 ist das anerkannte Merkmal 1012 1013
S. 97. 1014
Dazu schon Teil 1, B. II. 1. b). Dies betont letztlich auch Hahn, Ton- und Bildträger als Beweismittel im Strafprozess,
Dazu auch Otto, in: Kleinknecht-FS, S. 319 (331). Zu dieser Eigenständigkeit auch Tenckhoff, JR 1981, 255 (258); Seiler, in: Peters-FS, S. 447 (452); Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 118 f.; ferner Hauser, in: Habscheid-FS, S. 139 (140 f.). 1016 In diese Richtung deuten auch die Ausführungen bei Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 278. 1017 Instruktiv vor allem Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 180 f., 262. Knapp auch Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 31b; Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 184, 187. Vgl. schließlich auch die Erwägungen von 1015
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der Eignung, nach dem eine konkrete Verhaltensweise die Eigenschaft besitzen muss, das von ihr verfolgte Ziel überhaupt zu erreichen. Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, dass diese Bedingung zweifelsohne zunächst eine tatsächliche Komponente enthält: Sofern der Private etwa mittels einer heimlichen Videoaufnahme bezweckt, das strafbare Verhalten eines anderen zu dokumentieren, um ein Straf- oder Zivilverfahren zu initiieren, ist diese Maßnahme ungeeignet, wenn die Aufnahme wegen ihrer unzureichenden Qualität von vornherein keinen Rückschluss auf die Identität des Täters zulässt. Ungeklärt ist indes, ob die Eignung darüber hinaus auch eine rechtliche Komponente dergestalt aufweist, dass diese auch bei der prozessualen Unverwertbarkeit des Beweismittels entfällt. Angesprochen ist damit eine normative Betrachtung. So ließe sich beispielsweise formulieren, bereits die Aufnahme einer beleidigenden Äußerung sei ungeeignet, die Gefahr für das staatliche Strafverfolgungsinteresse abzuwenden, wenn diese in einem gerichtlichen Verfahren unverwertbar ist. Eine solche Konzeption würde den oben zitierten Vorrang des materiellen Rechts in sein Gegenteil verkehren, da es entscheidend darauf ankäme, inwieweit ein konkretes Beweismittel prozessual verwertet werden könnte. Einzelne Stimmen, die sich indes ausschließlich auf die heimliche Tonaufnahme gem. § 201 Abs. 1 StGB sowie deren anschließenden Gebrauch konzentrieren, wenden sich mitunter vehement gegen einen solchen Ansatz,1018 da dieser „die Dinge auf den Kopf“ stelle.1019 Die prozessuale Unverwertbarkeit könne nicht herangezogen werden, um über die vorgelagerte Frage zu urteilen, inwieweit das private Verhalten im Vorfeld des Gerichtsverfahrens mit den materiell-rechtlichen Vorgaben übereinstimmt. Bei näherem Hinsehen erschöpft sich diese These vom absoluten Vorrang des materiellen Rechts jedoch in einer schlichten Behauptung, die sich a priori auch umkehren ließe. Zwar mag die zeitliche Abfolge dafür sprechen, die eigeninitiative Beweismittelsuche vorab an den materiell-rechtlichen Maßstäben zu messen und die nachfolgende gerichtliche Verwertung zunächst auszublenden. Allerdings risse eine solche strikte Differenzierung ein Geschehen auseinander, das auf zwei zusammenhängenden Teilakten beruht. Gelingt es einem Privaten etwa, strafbare Äußerungen eines anderen heimlich mittels eines Tonaufnahmegeräts zu dokumentieren oder eine gegenwärtige Straftat bildlich festzuhalten, genügt alleine dieses Vorgehen nur selten, um den fremden Rechtsverstoß unmittelbar zu beseitigen.1020 Die Zielsetzung, die das eigeninitiative Eingreifen typischerweise von Beginn an prägt, lässt sich zumeist erst dann erreichen, wenn die hergestellte Aufnahme zu einem nachgelagerten Zeitpunkt in irgendeiner Form gebraucht wird.1021 Löffelmann, Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren, S. 211, allerdings zum Zusammenhang eines Verwertungsverbots mit einem Erhebungsverbot. 1018 Tenckhoff, JR 1981, 255 (258). 1019 Arzt, JZ 1973, 506 (508). 1020 Zu den Auswirkungen im Rahmen der strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe Teil 2, C. IV. 3. a) bb) (2). 1021 Darauf, dass es nicht stets um eine Weitergabe an die staatlichen Stellen geht, ist sogleich zurückzukommen, Teil 2, D. III. 1.
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Die Eignung verknüpft das eingesetzte Mittel mit dem verfolgten Zweck und verbindet auf diese Weise im hier interessierenden Kontext unterschiedliche Geschehensabschnitte miteinander. Dabei gilt: Sofern das gewonnene Beweismittel nicht in der beabsichtigten Art und Weise verwendet werden kann, ist das eigeninitiative Verhalten, das dieses Beweismittel erst zutage gefördert hat, insoweit ungeeignet. Die Eignung eines konkreten rechtserheblichen Verhaltens hängt sonach stets mit dem verfolgten Zweck zusammen. Das Band zwischen dem eingesetzten Mittel und dem anvisierten Ziel wird aber unabhängig davon durchschnitten, ob tatsächliche oder rechtliche Hürden entgegenstehen. Verbindet man diese Erkenntnis mit der prozessualen Sphäre, so folgt daraus, dass eine eigeninitiative Handlung, die fremde Rechtspositionen beeinträchtigt und die darauf gerichtet ist, ein aussagekräftiges Beweismittel für ein nachfolgendes Straf- oder Zivilverfahren zu gewinnen, stets dann als ungeeignet – und demzufolge als rechtswidrig – einzustufen ist, wenn ein Beweisverbot den gerichtlichen Gebrauch von vornherein ausschließt.1022 Der bezweckte Erfolg, das rechtserhebliche Verhalten einer anderen Person nachzuweisen, lässt sich in diesen Fällen schlechterdings nicht durch das gewählte Mittel erreichen. Die prozessuale Entscheidung darüber, ob ein konkretes Beweismittel verwertbar ist, strahlt über den normativen Hebel der Eignung in das materielle Recht hinein. Da sich ein solches Verständnis insbesondere auch in die gefestigten Strukturen der strafrechtlichen Erlaubnissätze einfügt, bestehen keine Bedenken dahingehend, diese könnten unterlaufen werden. Denn eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB läge etwa dann nicht vor, wenn ein Beweismittel zwar prozessual verwertbar wäre, aber keine notstandsauslösende Gefahr vorläge. Gerade hierin unterscheidet sich dieser Ansatz von dem zuvor dargestellten Modell, nach dem die prozessuale Verwertbarkeit einen eigenständigen Rechtfertigungsgrund implementiert. Allerdings wäre es voreilig, die prozessuale Unverwertbarkeit in sämtlichen Fällen der eigeninitiativen Suche nach Beweismitteln als maßgeblichen Faktor zu begreifen. Da die Eignung letztlich – auch – eine subjektive Komponente beinhaltet, kommt es entscheidend darauf an, auf welchem Weg der Private sein handlungsleitendes Ziel zu erreichen versucht. 1. Relevante Fallgruppen Die gerichtliche Unverwertbarkeit eines Beweismittels führt nach der hier vertretenen Konzeption jedenfalls dann zur Rechtswidrigkeit des privaten Erlangungsaktes, wenn dieser ausschließlich darauf ausgerichtet ist, ein Beweismittel zu 1022 Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 262; Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 184, 187; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 31b. Diesen Gedanken äußern auch Tenckhoff, JR 1981, 255 (258) und Arzt, JZ 1973, 506 (508), obschon sich diese i. E. gegen eine solche Konzeption entscheiden. Vgl. auch Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 121 f., der betont, ein Beweisverbot vereitele „den Zweck der rechtswidrigen Erlangungshandlung“.
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gewinnen, das in einem nachfolgenden Straf- oder Zivilprozess die entscheidungsrelevanten Tatsachen belegen soll. Indes beschränken sich nicht alle eigeninitiativen Maßnahmen, die im Zusammenhang mit einer privaten Beweismittelsuche stehen, auf diesen Zweck. Vielmehr ist es grundsätzlich möglich, dass daneben auch weitere Zielsetzungen in den Vordergrund treten, die sich von der prozessualen Sphäre lösen. Paradigmatisch sind insoweit die Fälle, in denen der Private mit einer erpresserischen oder nötigenden Drohung konfrontiert wird und diese zu Beweiszwecken mittels eines Tonaufnahmegeräts dokumentiert. Sofern er dabei allein die Intention verfolgt, die angefertigte Aufnahme an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten, ist der oben beschriebene Konnex zur prozessualen Verwertbarkeit evident. Der gegenwärtige Angriff, der in einer erpresserischen oder nötigenden Drohung liegt, lässt sich jedoch mitunter auch dadurch effektiv abwenden, dass der Aufnehmende den Täter auf die hergestellte Tonaufnahme hinweist und diesen dazu bewegt, von seinem strafbaren Verhalten Abstand zu nehmen.1023 Auch die schlichte – möglicherweise nicht einmal ernst gemeinte – Warnung, die Aufnahme im Bedarfsfall an die staatlichen Stellen zu übergeben, kann im Einzelfall genügen, um den Angreifer zu einem Aufgeben zu veranlassen. Ähnliche Konstellationen sind auch im Bereich der unechten eigeninitiativen Ermittlungen denkbar, in denen der Private typischerweise eine künftige Falschaussage vor Gericht befürchtet. Ein besonderer Sachverhalt lag schließlich auch einer Entscheidung des OLG Frankfurt zugrunde, in der eine Privatperson den später klagenden Baufacharbeiter filmte, der während der Arbeitszeit erheblich alkoholisiert war, um diese Aufnahmen schließlich dem Arbeitgeber zukommen zu lassen, der seinerseits nach Beweisen für den Pflichtverstoß seines Angestellten gefragt hatte.1024 Da der Private in all diesen Fällen gerade kein gerichtliches Verfahren anstrebt, sondern seine Ziele auf einem außerprozessualen Weg verfolgt, wirkt sich eine etwaige prozessuale Unverwertbarkeit auf die materiell-rechtliche Bewertung des Erlangungsaktes schlichtweg nicht aus. In praxi dürften diese Fallgestaltungen jedoch eher selten sein, zumal sich die meisten privaten Maßnahmen, die im weiten Feld der eigeninitiativen Beweismittelsuche relevant werden, im heimlichen Bereich abspielen. Vor diesem Hintergrund konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen ausschließlich auf die Situationen, in denen der Private eine spätere gerichtliche Verwertung beabsichtigt. Schließlich ist die prozessuale Unverwertbarkeit in solchen Fällen gänzlich irrelevant, in denen die eigeninitiative Verhaltensweise ihrerseits darauf angelegt ist, rechtswidrige Straftaten zu ermöglichen, die nicht mit der Beweismittelsuche selbst zusammenfallen. Exemplarisch ist etwa die Konstellation, in der ein Privater das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen zunächst allein deshalb aufnimmt, um diesen später erpressen zu können. An diesem einmal gefundenen Unwerturteil vermag sich auch dann nichts zu ändern, wenn der Aufnehmende zu einem nach1023
Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 31a. OLG Frankfurt NJW 1987, 1087. Das Gericht ließ dabei jedoch ausdrücklich offen, ob bereits die Herstellung der Aufnahme einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus § 823 Abs. 1 BGB begründet. 1024
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folgenden Zeitpunkt beschließt, von seinem ursprünglichen Vorhaben Abstand zu nehmen und die angefertigte Tonaufnahme nunmehr in den Dienst der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung zu stellen. 2. Maßgebliche Perspektive und relevanter Zeitpunkt Zwischen dem Zeitpunkt, in dem eine Privatperson eine prozessrelevante Information sichert, und dem Moment, in dem das entscheidende Gericht den Beweis erhebt und schließlich verwertet, liegt bisweilen ein erheblicher zeitlicher Abstand. Hinge die materielle Rechtmäßigkeit nun davon ab, ob ein konkretes Beweismittel im Ergebnis tatsächlich verwertet wird, führte dies zu einem ausgedehnten Schwebezustand: Über die Rechtmäßigkeit des Erlangungsaktes ließe sich erst dann verbindlich urteilen, wenn endgültig feststünde, ob das zuständige Gericht ein existierendes Beweismittel berücksichtigt oder aber von einem Beweisverbot ausgeht. Möglicherweise schließt sich an ein erstinstanzliches Urteil ein Berufungsoder Revisionsverfahren an, in dem die prozessuale Verwertbarkeit eines Beweismittels gänzlich anders bewertet wird. Zu guter Letzt divergieren die Kriterien, anhand derer die Gerichte über die Verwertbarkeit einzelner Beweismittel entscheiden, erheblich voneinander.1025 Vor diesem Hintergrund wäre die materielle Rechtmäßigkeit jedenfalls ein Stück weit auch vom Zufall abhängig. Diese Erwägungen betreffen die Frage, aus welcher Perspektive zu bestimmen ist, ob eine konkrete Handlung dazu geeignet ist, das von ihr verfolgte Ziel zu erreichen. Nicht selten werden erst während des gerichtlichen Verfahrens und somit erst nachträglich entscheidende Umstände bekannt, die das gewählte Mittel in einem anderen rechtlichen Licht erscheinen lassen. Umgekehrt beeinflussen jedoch nur solche Gesichtspunkte das konkrete Vorgehen des Handelnden, die dieser ex ante tatsächlich erkennt und insoweit auch berücksichtigen kann. Dieser persönliche Blickwinkel, dem stets eine prognostische Einschätzung innewohnt,1026 ist dabei freilich besonders irrtums- und fehleranfällig,1027 zumal zahlreiche Verteidigungssituationen von einer gewissen Unübersichtlichkeit geprägt sind. Obschon diese Gedanken letztlich sämtliche Handlungen berühren, die einem spezifischen Zweck dienen – und insoweit geeignet sein müssen, diesen auch zu erreichen –, gestalten sich diese im hier interessierenden Kontext der privaten Beweismittelsuche aus zwei Gründen als besonders komplex: Zum einen ist dies auf den beträchtlichen Zeitabstand zurückzuführen, der regelmäßig zwischen der privaten Vorgehensweise und der anschließenden gerichtlichen Entscheidung über die prozessuale Verwertbarkeit liegt. Zum anderen ist die prozessuale Verwertbarkeit selbst von verschiedenen
1025
Zum Strafverfahren Teil 1, D. I. 2. und zum Zivilverfahren Teil 1, D. II. 2. Vgl. dazu insb. Gallas, in: Bockelmann-FS, S. 155 (179); Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 130. 1027 Zu diesem Irrtumsrisiko etwa Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 107. 1026
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Faktoren abhängig, die sie zu einem unscharfen rechtlichen Resultat verschwimmen lassen, das nur selten von vornherein präzise feststeht. Ein tragfähiges Lösungskonzept kann dabei auf die überkommenen Grundsätze zurückgreifen, die im Rahmen der strafrechtlichen Rechtfertigungsdogmatik entwickelt wurden. Die eigeninitiative Suche nach Beweismitteln berührt zwar regelmäßig auch persönlichkeits- und datenschutzrechtliche Fragestellungen; allerdings betreffen diese mit der Eignung als zentralem Merkmal des anzustellenden Interessenausgleichs dasselbe rechtliche Kriterium, so dass sich ein einheitliches Verständnis aufdrängt. Obschon die strafrechtswissenschaftliche Diskussion darüber, aus welchem Blickwinkel die Erforderlichkeit – und sonach auch die Eignung – beurteilt werden muss, noch nicht gänzlich abgeschlossen ist,1028 stellt die zutreffende h. M. sub specie der §§ 32, 34 StGB auf eine objektivierte ex ante-Perspektive ab, der zufolge erst nachträglich erkennbar werdende Umstände unbeachtlich bleiben.1029 Entscheidend ist vielmehr, ob ein besonnener Beobachter in der Rolle des Angegriffenen bzw. des Verteidigers1030 davon ausgehen würde, die ergriffene Maßnahme sei dazu notwendig, die Bedrohung abzuwenden.1031 Vor diesem Hintergrund ist eine Verteidigungshandlung nicht allein deshalb ungeeignet, weil sie schlussendlich erfolglos geblieben ist.1032 Transferiert man diese Erkenntnis auf die private Beweismittelsuche, so folgt daraus, dass die Eignung auch hier aus dem Blickwinkel eines objektiven Beob1028 Vgl. statt aller C. Schröder, JuS 2000, 235 (239 ff.); Amelung, Jura 2003, 91, der sich vornehmlich mit dem Paradefall des Angriffs mit einer Scheinwaffe befasst. Ferner Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 132. Zum Ganzen schließlich auch Lenckner, in: Lackner-FS, S. 95 (98 f.). 1029 Für § 32 StGB Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 130; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 32 Rn. 10; Rengier, Strafrecht AT, § 18 Rn. 47; Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 46; C. Schröder, JuS 2000, 235 (241); Kaufmann, in: Welzel-FS, S. 393 (400 ff.); Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 184. So schließlich auch BGH NJW 1989, 3027; BGH NStZ 2009, 626 (627); BGH NStZ-RR 2013, 105 (106); NStZ-RR 2013, 139 (140), obschon sich die Ausführungen auf die Erforderlichkeit (und das mildeste zur Verfügung stehende Mittel) beziehen, ohne die Eignung speziell hervorzuheben. Abweichend hingegen Perron/Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 34; Burchard, HRRS 2012, 421 (439); Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 107; Geilen, Jura 1981, 308 (315), die auch nachträglich bekanntwerdende Umstände berücksichtigen wollen. Für § 34 StGB Rengier, Strafrecht AT, § 19 Rn. 21; Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 34 Rn. 60. A. A. hingegen Erb, in: MüKo-StGB4, § 34 Rn. 105 ff., der grundsätzlich von einer ex post-Betrachtung ausgeht. Nur in besonderen Ausnahmesituationen sei hingegen die ex ante-Perspektive maßgebend. 1030 Amelung, Jura 2003, 91 (96) spricht von einer „Durchschnittsperson in der Position des Angegriffenen“. Ähnlich Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 131; C. Schröder, JuS 2000, 235 (241); Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 513; ferner Rengier, Strafrecht AT, § 18 Rn. 47; Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 46, die auf einen besonnenen Drittbeobachter abstellen. Explizit gegen den Rekurs auf die Rolle des Verteidigers Burchard, HRRS 2012, S. 421 (439). Vgl. zum Ganzen auch C. Schröder, JuS 2000, 235 (240). 1031 Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 131. 1032 Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 42. Vgl. auch BGH NJW 1969, 802.
D. Auswirkungen der (Un)Verwertbarkeit
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achters zu bestimmen ist – und zwar zu dem Zeitpunkt, zu dem der Private in fremde Rechtspositionen eingreift. Sofern das gewonnene Beweismittel aus dieser Perspektive gerichtlich verwertbar ist, liegt die Eignung insoweit vor – selbst dann, wenn das entscheidende Gericht später berechtigterweise aufgrund einer umfassenden Rekonstruktion des Geschehens von einem Beweisverwertungsverbot ausgeht und sich die Prognose folglich als unzutreffend erweist. In diese Richtungen zielen auch die essenziellen Ausführungen bei Wölfl, der eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB dann für möglich hält, wenn die prozessuale Verwertbarkeit des Beweismittels nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint.1033
IV. Ergebnis für die Auswirkungen der Unverwertbarkeit Erweist sich ein Beweismittel, das von einem Privaten in der Intention gesichert wurde, dieses in einem nachfolgenden Straf- oder Zivilverfahren zu verwenden, von vornherein als unverwertbar, beeinflusst dies die Rechtmäßigkeit des eigeninitiativen Vorgehens. Vor diesem Hintergrund kann das außerprozessuale Verhalten nicht gänzlich eigenständig an den materiell-rechtlichen Vorgaben überprüft werden. Vielmehr verknüpft das Merkmal der Eignung den verfolgten Zweck mit dem eingesetzten Mittel und führt im Kontext der privaten Beweismittelsuche dazu, dass sich die prozessuale Wertung „verwertbar/unverwertbar“ auch im materiellen Recht auswirkt. Denn steht dem privat erlangten Beweismittel ein prozessuales Beweisverbot entgegen, ist der Erlangungsakt schlichtweg ungeeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen und muss insoweit als rechtswidrig eingestuft werden, sofern er materiell-rechtliche Verhaltensnormen verletzt. Entscheidend ist dabei jedoch nicht die tatsächliche spätere Verwertungsentscheidung des Gerichts, die regelmäßig erst mit einigem zeitlichen Abstand erfolgt, sondern vielmehr die ex ante-Perspektive eines objektiven Beobachters, der sich in der Rolle des handelnden Privaten befindet. Die Auswirkungen eines solchen Verständnisses sind weitreichend und betreffen sowohl die Ebene der eigeninitiativen Beweismittelsuche als auch die anschließende gerichtliche Verwertbarkeit. Vor diesem Hintergrund sollen die nachfolgenden Ausführungen in Teil 3 erste allgemeine Folgerungen aufzeigen, die die hier favorisierte Konzeption für die Beweisverbotslehre unweigerlich mit sich bringt. Besonders relevant ist die Frage, welche Folgen hieraus für die Entwicklung prozessualer Beweisverbote resultieren.
1033 Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 187. Zur Erfolgswahrscheinlichkeit einer Gefahrenabwehr auch Perron, in: Sch/ Sch, § 34 Rn. 19.
304
Teil 2: Grenzen der privaten Beweismittelsuche
E. Zusammenfassung Teil 2 Das materielle Recht setzt dem eigeninitiativen Vorgehen unterschiedliche Grenzen. Von besonderer Bedeutung ist dabei zunächst das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht, das als sonstiges Recht i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt ist. Aufgrund der Eigenschaft als sog. Rahmenrecht bedarf es grundsätzlich einer einzelfallgeprägten Interessenabwägung, um darüber entscheiden zu können, inwieweit eine konkrete Verhaltensweise eine rechtswidrige Verletzung zu begründen vermag. Eine Ausnahme ist anzuerkennen, sofern besondere Persönlichkeitsrechte betroffen sind, die – wie etwa § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB – eine einfachgesetzliche Regelung erfahren haben. In diesen Fällen lässt sich der persönlichkeitsrechtliche Verstoß bestimmen, ohne auf den Ausgleich konfligierender Interessen abstellen zu müssen, weil das Gesetz eine spezifische Bewertung vorsieht. Außerhalb dieses Bereichs ist der Verzicht auf die unrechtsbegründende Abwägungsentscheidung trotz gegenläufiger Postulate nach wie vor ausgeschlossen. Mit Blick auf die eigeninitiative Beweismittelsuche hat die Untersuchung gezeigt, dass der verfolgte Zweck – jenseits einiger grundsätzlicher Abwägungsparameter wie der Eingriffstiefe – eine entscheidende Rolle einnimmt. Dieses sog. Beweisinteresse lässt sich dabei in unterschiedliche Kategorien einordnen. Ein „schlichtes“ Beweisinteresse, das dem eigeninitiativen Verhalten stets zugrunde liegt, reicht für sich betrachtet nicht aus, um den persönlichkeitsrechtlichen Eingriff zu legitimieren. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, um das Gewicht des Beweisinteresses zu steigern, wobei eine Orientierung an spezifischen Rechtfertigungsszenarien möglich ist. Vor diesem Hintergrund ist von einem gesteigerten Beweisinteresse auszugehen, wenn sich der Private darauf beschränkt, den gegenwärtigen Rechtsverstoß eines anderen zu dokumentieren. Ähnliches gilt, wenn sich dem eigeninitiativen Beweismittelsucher eindeutige Tatsachen aufdrängen, die auf ein zukünftiges unerlaubtes Verhalten hindeuten. Regelmäßig stehen dabei Fälle im Vordergrund, in denen der spätere Beweisgegner ankündigt, in einem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren bewusst unwahre Behauptungen vorzubringen. Schließlich lässt sich das gesteigerte Beweisinteresse unter Rückgriff auf die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zur heimlichen Videoüberwachung von Arbeitnehmern konkretisieren. Sofern der Private einem hinreichend begründeten Verdacht nachgeht, der sich auf eine Straftat oder eine sonstige erhebliche Rechtsverletzung bezieht, streitet dies ebenfalls für die Rechtmäßigkeit des eigeninitiativen Vorgehens. Maßgebend bleibt freilich stets eine Gesamtbewertung der konkreten Umstände. Im datenschutzrechtlichen Kontext sind die Vorgaben der europäischen DSVGVO maßgeblich, die ihrer Regelungskonzeption nach ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aufstellt. Für den privaten Beweismittelsucher ist dabei Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO essenziell, der einen Ausgleich der konfligierenden Rechtspositionen und Interessen vorschreibt. Neben der spezifischen Eingriffsintensität wirkt es sich entscheidend auf die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung aus, in-
E. Zusammenfassung Teil 2
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wieweit diese anlassbezogen erfolgt. Um eine sachgerechte Entscheidung vornehmen zu können, muss zudem der technische Funktionsablauf berücksichtigt werden. Aus der strafrechtlichen Warte nehmen die Privatschutzdelikte der §§ 201, 201a StGB eine zentrale Rolle ein. Zwischen den Vorschriften zeigen sich jedoch erhebliche Unterschiede: Während § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB unabhängig davon einschlägig ist, ob das nichtöffentlich gesprochene Wort einen schutzwürdigen Inhalt aufweist, verlangt § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs. Dieser ist aber von vornherein nicht betroffen, wenn die Bildaufnahme ein rechtswidriges Verhalten dokumentiert, da insoweit stets ein gewisser Sozialbezug anzunehmen ist. Da die meisten Videoaufnahmegeräte – wie etwa Smartphones – zugleich auch den Ton aufzeichnen, ist das Verbot aus § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB von zentraler Bedeutung. Sofern das eigeninitiative Vorgehen den Tatbestand einer Strafvorschrift erfüllt, bereitet die Suche nach einem Rechtfertigungsgrund erhebliche rechtliche Hürden, die es zu überwinden gilt. Eine Erlaubnis gem. § 32 StGB kommt lediglich in den Fällen einer erpresserischen oder nötigenden Drohung in Betracht, da der Angriff insoweit über die verbale Kundgabe hinausreicht und etwa durch den Gebrauch einer heimlich angefertigten Tonaufnahme noch abgewehrt werden kann. Unerheblich ist dabei, dass die bloße Aufnahme für sich betrachtet nur eine Vorstufe der endgültigen Angriffsabwehr darstellt. Eine ungleich größere Bedeutung kommt dem rechtfertigenden Notstand gem. § 34 StGB zu. Dieser gestattet eine Gefahrenabwehr auch dann, wenn lediglich Rechtsgüter der Allgemeinheit betroffen sind; zu diesem Kreis rechnet auch das staatliche Strafverfolgungsinteresse. In diesem Zusammenhang – also beim Nachweis strafbarer Verhaltensweisen eines anderen – ist indes die gesetzgeberische Vorstellung zu berücksichtigen, nach der das Ermittlungsverfahren von staatlichen Stellen durchzuführen ist. Diese Wertung wird auf der Stufe der Angemessenheit i. S. d. § 34 S. 2 StGB virulent. Folglich ziehen echte eigeninitiative Ermittlungen, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verletzen, stets das Verdikt der Rechtswidrigkeit nach sich. Anders ist mit Blick auf die eigeninitiative Beweismitteldokumentation zu entscheiden, weil der Private insoweit stellvertretend für die staatlichen Behörden tätig wird, die regelmäßig nicht rechtzeitig anwesend sind. Schließlich begründet die drohende „Prozessniederlage“ für sich betrachtet keine notstandsauslösende Gefahr, weil die Verfahrensordnungen diese grundsätzlich nicht als abzuwehrenden Fremdkörper einstufen. Diese Grenze ist indes überschritten, wenn sich dem eigeninitiativen Beweismittelsucher der Eindruck aufdrängen muss, ein anderer werde sich in einem späteren gerichtlichen Verfahren unredlich verhalten – und etwa bewusst unrichtige Behauptungen vorbringen. Angesprochen sind insoweit die Fälle der unechten privaten Ermittlung. Im Unterschied zu den zuvor genannten Konstellationen der Notstandsrechtfertigung resultiert die Gefahr aus einem zukünftig drohenden Angriff, den der Betroffene indes nur durch ein sofortiges Tätigwerden effektiv abwehren kann. Ein Rückgriff auf weitere Rechtfertigungsgründe ist hingegen ausgeschlossen; dies gilt im Besonderen für die notwehrähnliche Lage, die gänzlich aus dem rechtlichen Vokabular zu streichen ist.
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Teil 2: Grenzen der privaten Beweismittelsuche
Die Untersuchung hat schließlich gezeigt, dass die materiell-rechtliche Bewertung des eigeninitiativen Vorgehens regelmäßig von der prozessualen Verwertbarkeit des erlangten Beweismittels abhängt. Das Merkmal der Eignung verknüpft das materielle Recht mit dem Prozessrecht. Entscheidend für die Bewertung ist dabei die ex ante-Perspektive eines objektiven Beobachters.
Teil 3
Erste allgemeine Folgerungen für die Beweisverbotslehre Da die gerichtliche (Un)Verwertbarkeit nach dem hier zugrunde gelegten Modell ein entscheidender Faktor dafür ist, ob das private Verhalten, das darauf abzielt, ein verwertbares Beweismittel zu gewinnen, rechtmäßig ist, folgt hieraus ein logischer Vorrang der prozessualen Wertung. Erst, wenn die Frage nach einem etwaigen Beweisverbot aus der maßgeblichen ex ante-Perspektive beantwortet ist, lassen sich auch verbindliche Aussagen über die Eignung des eigeninitiativen Erlangungsaktes treffen. Sofern die übrigen Anforderungen vorliegen, die an das außerprozessuale Verhalten des Privaten anzulegen sind, ist die prozessuale Komponente maßgeblich dafür, ob die Suche nach einem Beweismittel rechtmäßig oder aber rechtswidrig ist. Freilich können einzelne Vorgehensweisen des Privaten unabhängig von einem etwaigen prozessualen Einschlag materiell-rechtlich beurteilt werden: Dies betrifft namentlich solche Recherchemaßnahmen, die ohne einen begründeten Anlass erfolgen. Außerdem haben die bisherigen Überlegungen gezeigt, dass eine echte private Ermittlung stets rechtswidrig ist, wenn der Private den Tatbestand einer Strafnorm verwirklicht.1 Gerade in diesen Fällen ließe sich erwägen, ob aus dem materiell-rechtlichen Rechtsverstoß zugleich auf die prozessuale Unverwertbarkeit zu schließen ist. Nichtsdestoweniger beschreibt die Eignung in anderen Fallgestaltungen den zentralen Filter, um die eigeninitiative Maßnahme abschließend bewerten zu können. Insoweit fördert der hier zugrunde gelegte Ansatz einen weiteren neuralgischen Punkt zutage, der die Schnittstelle zwischen dem materiellen und dem formellen Recht tangiert: Der Vorrang der prozessualen Wertung lässt sich nur dann aufrechterhalten, wenn die gerichtliche Verwertbarkeit eines privat erlangten Beweismittels ihrerseits überhaupt ohne Ansehen des materiellen Rechts beurteilt werden kann.2
1
Teil 2, C. IV. 3. b) dd). Dazu instruktiv Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 273 ff., der die von ihm aufgestellte These jedoch als Begründung dafür genügen lässt, dass die Verwertung ohne Rückgriff auf die materiell-rechtliche Bewertung zu bestimmen ist. 2
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Teil 3: Erste allgemeine Folgerungen für die Beweisverbotslehre
A. Zirkelschluss zwischen materieller und formeller Bewertung In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Kriterien, die die gerichtliche Verwertbarkeit eines eigeninitiativ gewonnenen Beweismittels beeinflussen, nicht nur undurchsichtig sind, sondern – wie die anfänglichen Ausführungen gezeigt haben – nach wie vor in irgendeiner Art und Weise mit dem materiellen Unwerturteil zusammenzuhängen scheinen.3 Träfe diese These, wonach die prozessuale Verwertbarkeit ihrerseits von der materiellen Rechtslage abhinge, zu, resultierte hieraus ein unauflösbarer Zirkelschluss: Die Verwertbarkeit eines privat erlangten Beweismittels hinge entscheidend davon ab, ob das eigeninitiative Vorgehen rechtmäßig oder aber rechtswidrig gewesen ist. Umgekehrt ist jedoch – wie gesehen – die materielle Rechtmäßigkeit des privaten Erlangungsaktes – jedenfalls in einem nicht zu vernachlässigenden Umfang – davon abhängig, ob das Beweismittel prozessual verwertet werden kann. Ein dogmatisch überzeugendes Lösungskonzept, das zudem auch praktikabel ist, lässt sich jedoch nur entwickeln, wenn es gelingt, diese wechselseitige Interdependenz zu durchbrechen.
I. Mögliche Gründe für eine Berücksichtigung der materiellen Rechtswidrigkeit Zu diesem Zweck sollen zunächst diejenigen Gründe beleuchtet werden, die dafür sprechen, einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem rechtswidrigen Verhalten des Privaten, das sich außerhalb des gerichtlichen Verfahrens abspielt, und einem etwaigen Beweisverbot herzustellen. Im Vordergrund steht dabei die These, der Staat verhalte sich widersprüchlich, wenn er ein Beweismittel verwerte, dessen Erlangung von der Rechtsordnung untersagt sei und konsequenterweise negative Folgen nach sich ziehe.4 Auf diese Weise – so lautet eine weit verbreitete Annahme – fordere der Staat ein rechtswidriges Verhalten von Privaten geradezu heraus,5 da diesen gegenüber der Eindruck entstehe, eine Rechtsverletzung könne sich lohnen.6 Eng damit verbunden ist auch der Vorwurf, die materiell-rechtlichen Sanktionen genügten in weiten Teilen nicht, um einen Privaten zu rechtskonformem Handeln zu 3
Teil 1, D. III. Müssig, GA 1999, 119 (138 f.); Bayreuther, NZA 2005, 1038 (1042); Bienert, Private Ermittlungen, S. 93. Schließlich moniert Haffke, GA 1973, 65 (83), der Staat verhalte sich „sittlich fragwürdig“, wenn er einen vorausgehenden privaten Rechtsverstoß ausnutze. 5 Zu diesem Anreizargument Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89 (103); Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, S. 179; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 206. Ein daraus abgeleitetes Beweisverwertungsverbot hängt dann mit der Erwägung der Generalprävention zusammen, Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 52; Heese, JZ 2018, 942 (945). Relativierend Giesen, NZV 2020, 70 (75). 6 S. Götting, Beweisverwertungsverbote in Fällen gesetzlich nicht geregelter Ermittlungstätigkeit, S. 297. So auch Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 64, sofern der Private eine Straftat mit dem Ziel begehe, eine Verurteilung des Verletzten herbeizuführen. 4
A. Zirkelschluss zwischen materieller und formeller Bewertung
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veranlassen.7 Denn dieser verfolge regelmäßig das primäre Ziel, den Rechtsverstoß eines anderen nachzuweisen.8 Sollte ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel diesen Zweck erfüllen, könne der eigeninitiative Beweismittelsucher selbst entscheiden, ob er negative materiell-rechtliche Folgen um der Verwertbarkeit willen in Kauf nehme. Letztlich profitiere der Private – im Fall eines Strafverfahrens auch der Staat –9 von seinem rechtswidrigen Verhalten und ziehe aus diesem unmittelbare Vorteile.10 Unterschiedliche Stellungnahmen stehen zudem auf dem Standpunkt, der Staat mache sich gewissermaßen zum Komplizen der Privatperson11 oder agiere jedenfalls wie ein Hehler,12 der den vorausgehenden Rechtsverstoß eines anderen perpetuiere.13 Dies führe schließlich dazu, dass der Staat an Glaubwürdigkeit einbüße,14 indem das Vertrauen in die Bewährung der Rechtsordnung schwinde.15 Im zivilprozessualen Diskurs ist die Rede davon, das Gericht dürfe sich nicht zum Werkzeug des Beweisführers machen lassen.16 Einzelne Stimmen im strafverfahrensrechtlichen Kontext mahnen an, eine Strafe, die auf einem Beweismittel beruhe, das ein Privater in strafbarer Weise gerade in dieser Intention erlangt habe, verfehle ihren Zweck. Während Amelung insoweit auf die staatliche Straflegitimation rekurriert, die verlustig gehe, wenn der richterliche Strafausspruch seinerseits auf einer privaten Straftat aufbaue,17 verweist Bienert in diesem Zusammenhang vornehmlich auf die Rechtsfrieden stiftende Funktion des Strafverfahrens, die beeinträchtigt sei, wenn solche Beweismittel berücksichtigt würden.18 Die Quintessenz dieser rechtlichen und moralischen Bedenken bringt allen voran Mende zum Ausdruck, wenn er 7 Bernsmann, in: 22. Strafverteidigertag, S. 151 (158). Dazu auch Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 826. 8 Bernsmann, in: 22. Strafverteidigertag, S. 151 (158). 9 Vgl. etwa Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 64; Bienert, Private Ermittlungen, S. 92. 10 Dazu auch BGH NJW 1970, 1848 (1849); ferner Bienert, Private Ermittlungen, S. 92. 11 S. Götting, Beweisverwertungsverbote in Fällen gesetzlich nicht geregelter Ermittlungstätigkeit, S. 297. 12 Sydow, Kritik der Lehre von den Beweisverboten, S. 116; Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 204 ff.; Joerden, JuS 1993, 927 (928); Bienert, Private Ermittlungen, S. 93; Niehaus, NZV 2016, 551 (552). Teilweise Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 827. Diese Erwägung geht nach allem wohl auf Schmidt-Leichner, in: 46. Deutscher Juristentag, F 137 (139) zurück. 13 Koriath, Über Beweisverbote im Strafprozeß, S. 102. 14 S. Götting, Beweisverwertungsverbote in Fällen gesetzlich nicht geregelter Ermittlungstätigkeit, S. 297. 15 Vgl. auch Bienert, Private Ermittlungen, S. 94 sowie Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 828, die Gefahren für die Befriedungsfunktion des Strafverfahrens befürchten. 16 BGH NJW 1982, 277; BAG NJW 1983, 1691 (1692 f.). 17 Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 22, 64. 18 Bienert, Private Ermittlungen, S. 94. Die Lösungskonzeptionen unterscheiden sich insoweit, als Amelung von einem absoluten Verwertungsverbot ausgeht, während Bienert in eine Abwägungsentscheidung eintritt.
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Teil 3: Erste allgemeine Folgerungen für die Beweisverbotslehre
konstatiert, der Verwertungsakt lasse sich nicht isoliert – also ohne Berücksichtigung eines materiell-rechtlichen Verstoßes des Privaten – betrachten.19 In der jüngeren Vergangenheit ist ein weiteres Argumentationsmuster hervorgetreten, das auf der unmittelbaren Geltung der europäischen DSGVO in der nationalen Rechtsordnung beruht. So betont Niemann, es sei zu prüfen, „ob aus der DSGVO ein sekundärrechtliches, in unionsrechtskonformer Auslegung des nationalen Prozessrechts zu gewährleistendes Verwertungsverbot folgt“.20 Der Grundsatz des effet utile könne für die Annahme eines Verwertungsverbots streiten.21 Das BAG hat diesen Gedanken aufgegriffen, im Ergebnis aber mangels Relevanz in der konkreten Entscheidung nicht weiter vertieft.22
II. Kritik an der vorstehenden Argumentation und Auflösung des Zirkelschlusses Bei näherem Hinsehen lassen sich jedoch zentrale Einwände gegen die soeben dargestellten Bedenken formulieren, auf die mitunter schon zu Beginn der Untersuchung hingewiesen wurde. Um eine schlichte Wiederholung zu vermeiden, sollen die maßgeblichen Erwägungen durch den Filter betrachtet werden, in welchem Verhältnis das materielle Unwerturteil zu einer möglichen prozessualen Verwertung steht. Im dogmatischen Ausgangspunkt handelt es sich um unterschiedliche rechtliche Vorgänge, die zum einen zeitlich auseinanderfallen und zum anderen von verschiedenen Akteuren ausgeführt werden.23 Zwar ist durchaus zuzugestehen, dass die Geschehensabläufe nicht beziehungslos nebeneinander stehen, sondern vielmehr eine spezifische Interdependenz aufweisen: Die private Beweismittelsuche erfolgt zumeist nicht um ihrer selbst willen, sondern vielmehr, um auf diese Weise eine rechtlich relevante Tatsache nachzuweisen. Nichtsdestoweniger liegen verschiedene Handlungen vor, die eine divergierende Bewertung nach sich ziehen können, ohne sich dabei zwangsläufig dem Einwand der Widersprüchlichkeit aussetzen zu müssen.24 Ein solcher Widerspruch läge nur vor, wenn das Prozessrecht eine konkrete 19 Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 205. Gegen eine vollständige Trennung auch Bung/Huber, in: Beulke-FS, S. 655 (666); Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 822. 20 Niemann, in: JBArbR 2018, S. 41 (66 f.). Ähnlich auch H. Schmidt, JA 2018, 869 (872). 21 Niemann, in: JBArbR 2018, S. 41 (67); H. Schmidt, JA 2018, 869 (872). 22 BAG NZA 2018, 1329 (1335). Dazu auch die Entscheidungsbesprechungen von Fuhlrott, NZA-RR 2018, 597 (598) sowie Tiedemann, ZD 2019, 230 (231). 23 Werner, NJW 1988, 993 (999). Ähnlich Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 117. 24 Werner, NJW 1988, 993 (999); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 167 f.; Jäger, Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, S. 223 f., der auf die unterschiedlichen Zielsetzungen von materiellem und formellem Recht
A. Zirkelschluss zwischen materieller und formeller Bewertung
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Verhaltensweise erlaubte, die das materielle Recht ausdrücklich untersagt.25 Hinsichtlich des Verhältnisses der privaten Beweismittelsuche zur nachfolgenden gerichtlichen Verwertung liegt eine solche Situation indes gerade nicht vor, so dass es widerspruchsfrei möglich ist, ein eigeninitiativ erlangtes Beweismittel zu verwerten, obschon eine rechtswidrige Vorgehensweise zum privaten Fund geführt hat.26 Das materielle Recht regelt dabei die Verhaltensanforderungen, die der Private im außerprozessualen Bereich berücksichtigen muss.27 Um die Bürger zu einem rechtskonformen Verhalten zu veranlassen, sieht das materielle Recht unterschiedliche Rechtsfolgen vor, die bei einem Verstoß eingreifen und die von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen über Bußgelder bis hin zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe reichen. Eine prozessuale Sanktion – namentlich die Unverwertbarkeit eines rechtswidrig erlangten Beweismittels – lässt sich den einschlägigen Vorschriften des Zivil-, Datenschutz- und Strafrechts jedoch nicht entnehmen.28 Das materielle Recht verhält sich schlechterdings nicht dazu, inwieweit einzelne Verstöße im außerprozessualen Raum in die gerichtliche Sphäre hineinwirken sollen.29 Diese fehlende Konnexität zwischen dem Rechtsverstoß bei der Beweismittelsuche und der nachfolgenden gerichtlichen Verwertung beschreibt den neuralgischen Punkt der gesamten Beweisverbotsdogmatik, wie vornehmlich die scharfsinnigen Äußerungen von Greco30 zu strafprozessualen Beweisverboten eindrucksvoll belegen. Obschon hinweist. Ähnlich auch Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 96. Ferner Jansen, StV 2019, 578 (584); Kubiciel, GA 2013, 226 (234). Schließlich auch Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 286 Teil B Rn. 20; Gießler, NJW 1977, 1185 (1186). 25 Sieber, in: Roxin I-FS, S. 1113 (1119). Instruktiv zum „Wertungs- und Prinzipienwiderspruch“, Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 112 ff.; Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 41 ff., 50 ff. 26 Jansen, StV 2019, 578 (584); Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 96. Vgl. auch Sieber, in: Roxin I-FS, S. 1113 (1120 Fn. 23), der in diesen Konstellationen einen Normwiderspruch ablehnt. 27 Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 154; Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (318). Vgl. auch Dencker, StV 1994, 667 (671). 28 BGHZ 218, 348 (361); BAG NZA 2017, 112 (113); Kalb, Die funktionale Begründung strafprozessualer Beweisverbote, S. 174; Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 118; ders., JuS 1994, 334 (335); Bäumerich, JuS 2016, 803 (805); Dauster/ Braun, NJW 2000, 313 (318); Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 193 f.; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119 (121). Ähnlich auch Jäger, Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, S. 225. Instruktiv auch Muthorst, Das Beweisverbot, S. 186, 272, 318 f., der danach fragt, ob die Rechtswidrigkeit der Beweiserlangung auf der Wertung beruht, dass ein Beweismittel, das unter diesen Voraussetzungen erlangt wurde, nicht verwendet werden darf. 29 Betz, RdA 2018, 100 (103); Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 118; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 190 ff.; Katzenmeier, ZZP 2003, 375 (378). Vgl. auch Jäger, GA 2008, 473 (493); Rogall, JZ 2008, 818 (828). Vor diesem Hintergrund betont Kaspar, GA 2013, 206 (212), dass die materiellen Strafgesetze keine Beweiserhebungsnormen seien, an deren Verstoß ein unselbstständiges Beweisverwertungsverbot geknüpft werden könne. 30 Greco, in: Rogall-FS, S. 485 ff. Hierauf beziehen sich die nachfolgenden Erwägungen.
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Teil 3: Erste allgemeine Folgerungen für die Beweisverbotslehre
sich dessen Erwägungen primär auf die Kategorie unselbstständiger Beweisverwertungsverbote beziehen, die im Anschluss an staatlicherseits begangene Fehler bei der Beweiserhebung eingreifen, lassen sich durchaus generalisierende Aussagen ableiten, die auch auf die private Suche nach Beweismitteln zutreffen. Bevor jedoch diese Transferüberlegungen Platz greifen, muss die zentrale Prämisse, die Greco seiner Gedankenführung zugrunde legt, in den Vordergrund treten: Nach dessen Konzeption dienen die strafprozessualen Eingriffsbefugnisse, die die Strafprozessordnung allenthalben statuiert, nicht allein repressiven Zwecken, sondern fungieren vielmehr als „externe Schranken der Wahrheitsfindung“, die darauf abzielen, die Grundrechte der betroffenen Personen zu schützen.31 Dabei bleibe indes unklar, weshalb der Verstoß gegen eine Vorschrift, die dem außerprozessualen Schutz zu dienen bestimmt ist, ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen soll, da ein solches aus der Perspektive des intendierten Grundrechtsschutzes zu spät greife. Ein anderes Bild ergebe sich indes dann, wenn die Verwertung des Beweismittels ihrerseits nicht „grundrechtsindifferent“ sei, sondern – wie im Fall des Abspielens einer heimlich angefertigten Tonaufnahme – das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Form als „wissens- bzw. informationsbezogenes Grundrecht“ verletze.32 Bei Lichte besehen ist die rechtliche Ausgangssituation bei der privaten Beweismittelsuche nahezu identisch: Die materiell-rechtlichen Vorschriften stellen spezifische Grenzen auf, die der Einzelne bei seinem außerprozessualen Vorgehen zu berücksichtigen hat. Zwar vermag der verfolgte Zweck, ein entscheidungsrelevantes Beweismittel zu gewinnen, einzelne Verbindungslinien zwischen den Ebenen der Beweiserlangung und der nachfolgenden Verwertung zu begründen. Nichtsdestoweniger zielen die materiell-rechtlichen Normen ausschließlich darauf ab, einzelne Rechtsgüter – prozessunabhängig – vor einer Beeinträchtigung zu bewahren. Zudem beseitigt ein Beweisverwertungsverbot die eingetretene Rechtsverletzung nicht. Weil es sonach an der Konnexität mit der gerichtlichen Verwertung fehlt, können auch die Regelungen des Zivil-, Datenschutz- und Strafrechts als „externe Schranken der Wahrheitsfindung“ bezeichnet werden – wobei diese Erkenntnis sowohl die strafals auch die zivilprozessuale Diskussion tangiert. Schließich zwingen auch die Vorgaben der EMRK – insbesondere das Fairnessgebot aus Art. 6 Abs. 1 EMRK – nicht dazu, ein Beweismittel, das unter Verstoß gegen das nationale Recht erlangt wurde, nicht zu verwerten.33 Umgekehrt existiert auch im Prozessrecht keine Norm, die eine Übernahme materiell-rechtlicher Wertungen forderte.34 Es ist den Befürwortern einer tenden31
Greco, in: Rogall-FS, S. 485 (489 f.). Greco, in: Rogall-FS, S. 485 (492 f.). 33 EGMR NJW 1989, 654 (655). Dazu auch Esser, Auf dem Weg zu einem europäischen Strafverfahrensrecht, S. 182. 34 Werner, NJW 1988, 993 (999); Lang, Ton- und Bildträger, S. 132. Zu diesem Erfordernis auch Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469 (471, 491, 503), der aufgrund seiner Konzeption einer analogen Anwendung der §§ 422, 423 ZPO indes dazu gelangt, dass die materielle Rechtswidrigkeit in bestimmten Fällen die prozessuale Zulässigkeit beeinflusst. 32
A. Zirkelschluss zwischen materieller und formeller Bewertung
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ziellen Unverwertbarkeit zwar zugutezuhalten, dass eine zusätzliche prozessuale Sanktion durchaus ein probates Mittel sein kann, um den privaten Beweismittelsucher zu einem legalen Vorgehen zu bewegen.35 Augenscheinlich ist dies in Szenarien, in denen das Sanktionsrisiko des materiellen Rechts aus der Perspektive des eigeninitiativen Beweismittelsuchers zu vernachlässigen ist. Dies betrifft vor allem heimliche Überwachungsmaßnahmen, da der Verletzte einen etwaigen Rechtsverstoß – etwa in Form einer verdeckten Video- oder Tonaufnahme – in der konkreten Situation regelmäßig nicht bemerken wird, sondern erst im gerichtlichen Verfahren von diesem Kenntnis nimmt. Angesichts des geringen Aufdeckungsrisikos könnten sich Privatpersonen dazu veranlasst sehen, Ereignisse des täglichen Lebens – wie beispielsweise Autofahrten oder Telefongespräche – in weitem Umfang vorsichtshalber zu dokumentieren, um im Bedarfsfall vorbereitet zu sein. Erweist sich beispielsweise eine hergestellte Dashcam-Aufnahme nach Abschluss der Fahrt als „unbrauchbar“, weil es nicht zu einem Schadensereignis gekommen ist und folglich auch keine gerichtliche Auseinandersetzung droht, könnte der Betreiber der OnBoard-Kamera die aufgezeichneten Inhalte schlichtweg löschen; die aufgenommenen Personen würden hiervon wohl nie erfahren.36 Dem könnte ein Beweisverbot tatsächlich in effektiver Weise begegnen: Denn wüsste der Filmende, dass seine anlasslosen Aufnahmen stets unverwertbar wären, würde er wohl davon absehen, eine solche Kamera überhaupt im Fahrzeug zu installieren. Indes ist es weder die Aufgabe des Zivil- noch des Strafprozessrechts, eine solche „generalpräventive“ Wirkung zu entfalten und einen materiell-rechtlichen Verstoß im vorprozessualen Stadium zu ahnden oder von vornherein zu verhindern.37 Wenn das materielle Recht einzelne Schutzlücken aufweisen sollte oder in seinen möglichen Sanktionen zu milde erscheint, obläge es dem Gesetzgeber, diese zu schließen, wobei diesem eine weit auszulegende Einschätzungsprärogative zukommt. Die vorangehenden Aus35
Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 121 f. Vgl. zur Argumentation auch BGHZ 218, 348 (374). Zu ähnlichen Erwägungen im Kontext der staatlichen Beweiserhebung Conen, in: Eisenberg-FS, S. 459 ff.; Pest, JR 2015, 359 (367). Kritisch hingegen Greco, in: Rogall-FS, S. 485 (507); Reeb, Internal investigations, S. 138 f. 36 Allgemein zu diesem Gedankengang Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 80 f. 37 Für das Zivilprozessrecht: BGHZ 218, 348 (374); OLG Nürnberg NJW 2017, 3597 (3600); AG Bremerhaven BeckRS 2016, 119257 Rn. 14; Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 153, 154; Werner, NJW 1988, 993 (1000); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 165; Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (318); Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (372). So i. E. auch Kodek, in: KaissisFS, S. 523 (539). Abweichend hingegen OLG Karlsruhe MDR 2000, 847 (848): „Das Verwertungsverbot stellt auch eine Sanktion gegenüber einer rechtswidrigen Handlung dar“. Für das Strafprozessrecht: Jäger, GA 2008, 473 (493); ders., Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, S. 223; Jansen, StV 2019, 578 (584); Pawlik, JZ 2010, 693 (699); Schroth, in: Hilpert/Schroth, S. 186 (200). Vgl. schließlich zur Frage, ob die Beweisverwertungsverbote hinsichtlich der staatlichen Ermittlung eine Disziplinierungsfunktion erfüllen, Kubiciel, GA 2013, 226 (232 f.); Gropp, StV 1989, 216 (218); Conen, in: EisenbergFS, S. 459 ff.
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führungen haben indes belegt, dass das materielle Recht dem eigeninitiativen Vorgehen in unterschiedlichen Schattierungen maßgebliche Grenzen setzt und demzufolge ein ausreichendes Schutzniveau gewährleistet.38 Gerade vor dem Hintergrund eines offen gefassten allgemeinen Persönlichkeitsrechts, dessen Verletzung gem. § 823 Abs. 1 BGB empfindliche Schadensersatzverpflichtungen nach sich zieht, führt die prozessuale Verwertung nicht zu einem unbilligen Anreiz, einen Rechtsverstoß zu begehen.39 In diesem Zusammenhang ist auf einen nicht unwesentlichen Gesichtspunkt hinzuweisen, der leicht zu Missverständnissen führt: Die materiell-rechtliche Sanktionsmöglichkeit des eigeninitiativen Verhaltens begründet für sich betrachtet kein zwingendes Argument für die Verwertbarkeit eines so gewonnenen Beweismittels.40 Der Blick auf § 136a Abs. 3 S. 2 StPO verrät vielmehr, dass ein Beweisverwertungsverbot durchaus neben eine materiell-rechtliche Sanktion treten kann.41 Die vorangehenden Aussagen beziehen sich indes allein auf das beschriebene Anreizargument: Insoweit ist es gerade nicht die Aufgabe des Prozessrechts, verhaltenssteuernd auf den außerprozessualen Rechtsraum einzuwirken. Dabei lässt sich ein weiterer Aspekt heranziehen, der das Grundgerüst des Anreiz- oder Disziplinierungsgedankens betrifft und schließlich zum Einsturz bringt. Dessen Kernaussage geht dahin, ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel nicht zu verwerten, um Privatpersonen zukünftig zu einem rechtskonformen Vorgehen zu veranlassen – und beruht ersichtlich auf einem generalpräventiven Ansatz. Auf diese Weise werden jedoch inkonnexe Sachverhalte miteinander verbunden.42 Ein so begründetes Beweisverbot diente nämlich dem vorrangigen Zweck, die Betroffenen zukünftiger Gerichtsprozesse vor materiellen Rechtsverletzungen durch eigeninitiative Beweismittelsucher zu bewahren. Im Strafprozess wird die fehlende Konnexität aus einem weiteren Grund erkennbar: Ein prozessuales Beweisverbot belastet weniger den rechtswidrig 38 Kodek, in: Kaissis-FS, S. 523 (539); ders., Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 138 f.; Wölfl, JA 2001, 504 (506); Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 157; Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 118, 127; Werner, NJW 1988, 993 (1000); Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (318). Explizit für die Sanktionen nach der DSGVO Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 175 ff. 39 Werner, NJW 1988, 993 (1000). So auch Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Strafund Zivilprozess, S. 166. I. E. auch Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 157. Vgl. schließlich auch Jäger, Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, S. 224 Fn. 1058. 40 Dazu S. Götting, Beweisverwertungsverbote in Fällen gesetzlich nicht geregelter Ermittlungstätigkeit, S. 297. Anders hingegen Kubiciel, GA 2013, 226 (229), der in der strafrechtlichen Verfolgungsmöglichkeit eine zentrale Bedingung für den Grundsatz der Verwertbarkeit identifiziert. 41 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 826. 42 Jäger, Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, S. 70; Pawlik, JZ 2010, 693 (699). Zustimmend und teilweise weitergehend Kubiciel, GA 2013, 226 (232 f.).
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handelnden Privaten, der eigeninitiativ nach aussagekräftigen Beweismitteln sucht, als vielmehr die gesamte Rechtsgemeinschaft, die aber für den Rechtsbruch gerade nicht verantwortlich ist.43 Dem Privaten erwächst aus der gerichtlichen Verwertung eines rechtswidrig gewonnenen Beweismittels auch kein unbilliger Vorteil. Im Wesentlichen ist dies wiederum auf den Umstand zurückzuführen, dass eine Verletzung des materiellen Rechts negative Auswirkungen – beispielsweise durch eine Geld- oder Freiheitsstrafe – zeitigt.44 Im Einzelnen mag es zwar Fallkonstellationen geben, in denen der eigeninitiative Beweismittelsucher bestimmte Sanktionen bewusst in Kauf nimmt, weil die Aussicht auf die prozessuale Verwertbarkeit – objektiv betrachtet oder aber jedenfalls für ihn persönlich – die Risiken eines materiell-rechtlichen Nachteils überwiegt. Dies gilt vor allem dann, wenn wirtschaftlich bedeutende Ansprüche im Rahmen eines zivilgerichtlichen Verfahrens in Rede stehen. Sollten die etwaigen materiell-rechtlichen Folgen, die ein Rechtsverstoß bei der Beweiserlangung nach sich zöge, rechnerisch hinter dem Umfang der eingeklagten Forderung zurückstehen, resultiert hieraus ein positiver Saldo – oder mit anderen Worten: ein Vorteil –, der den Anspruchsinhaber jedenfalls zu einem rechtswidrigen Vorgehen ermutigen könnte.45 Dieser rein bilanzielle Gedankengang bedarf indes einer wertenden Korrektur: Denn berücksichtigt man hinsichtlich der Frage, ob tatsächlich ein Vorteil besteht, nicht allein wirtschaftliche sondern zugleich auch normative Aspekte, so erscheint zweifelhaft, ob tatsächlich von einem „echten“ Vorteil gesprochen werden kann, wenn es dem Privaten allein darum geht, die wahre Rechtslage nachzuzeichnen.46 Ferner bedarf auch der Einwand, das Gericht mache sich zum Werkzeug des Beweisführers oder agiere wie ein Hehler, einer kritischen Betrachtung, die wiederum präzise zwischen dem außerprozessualen Rechtsverstoß und der nachfolgenden gerichtlichen Nutzung differenziert. Dabei handelt es sich bei exakter Betrachtung um unterschiedliche Gedankengänge: Während die Hehlerei, die in § 259 StGB gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, einen eigenständigen Straftatbestand beschreibt, der an eine rechtswidrige Vortat anknüpft und dieser mithin zeitlich
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S. Götting, Beweisverwertungsverbote in Fällen gesetzlich nicht geregelter Ermittlungstätigkeit, S. 297. Instruktiv Kubiciel, GA 2013, 226 (232). 44 So geht etwa Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 156 davon aus, dass das Verhalten regelmäßig für den Privaten nachteilig sei. Vgl. auch Löffelmann, Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren, S. 222. 45 Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 156. Insoweit bestehen durchaus auch Überschneidungen mit dem zuvor entkräfteten Argument der Anreizwirkung. 46 Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 171. Doch selbst dann, wenn man den Vorteil ausschließlich rechnerisch bestimmten wollte, müsste wiederum berücksichtigt werden, dass es nicht die Aufgabe des Prozessrechts wäre, dies auszugleichen. Vgl. insoweit Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 156.
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nachfolgt,47 weist der Werkzeugbegriff auf die Konstruktion der mittelbaren Täterschaft hin,48 ohne auf einer vorangehenden Rechtsverletzung aufzubauen. Diese unterschiedliche rechtliche Konzeption wirkt sich auf die Begründung eines Beweisverwertungsverbots, das an den privaten Rechtsverstoß anknüpfen soll, erheblich aus. Nimmt man diese dogmatischen Erwägungen ernst, vermag das Argument, das Gericht mache sich zum Werkzeug des Beweisführers, für sich betrachtet nicht zu erklären, warum dies für den außerprozessualen Rechtsverstoß gilt.49 Dieser ist mit der privaten Erlangung abgeschlossen, so dass sich das Gericht hieran schlechthin nicht mehr beteiligen und sonach auch nicht als Werkzeug des eigeninitiativen Beweismittelsuchers dienen kann.50 Dieses Bild verschiebt sich indes, wenn man nicht allein die vorprozessuale Rechtsverletzung in die Bewertung einstellt, sondern zugleich berücksichtigt, dass die materiell-rechtlichen Vorschriften auch der prozessualen Nutzung entgegenstehen könnten. Besonders augenscheinlich tritt dieser Aspekt sub specie des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB hervor, der den Gebrauch einer unbefugt hergestellten Tonaufnahme pönalisiert. Sofern sich der Private innerhalb der gerichtlichen Verhandlung gem. § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar machte, wäre es jedenfalls nicht ausgeschlossen, den entscheidenden Richter insoweit als „Werkzeug einer strafbaren Handlung des Beweisführers“51 einzustufen.52 Hierauf ist an späterer Stelle zurückzukommen.53 Der Rekurs auf die Hehlerei ist demgegenüber scheinbar durchaus geeignet, eine Brücke zwischen dem materiell-rechtlichen Unwerturteil hinsichtlich der privaten Beweismittelsuche und der nachgelagerten prozessualen Verwertung zu schlagen. Schließlich – so lautet die Gedankenführung – perpetuiere der Staat das privat-deliktische Verhalten und trage auf diese Weise dazu bei, den Rechtsverstoß zu verfestigen. Indes kann eine solche Unrechtsvertiefung nicht für sämtliche Fallkonstellationen einer privaten Beweismittelsuche ohne Weiteres angenommen werden.54 47 Werner, NJW 1988, 993 (1000); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 162; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 181 f. 48 So explizit Werner, NJW 1988, 993 (1000); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Strafund Zivilprozess, S. 162. 49 Werner, NJW 1988, 993 (1000); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 162. 50 Werner, NJW 1988, 993 (1000); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 162. Gegen das Prinzip einer nachträglichen Zurechnung Kaspar, GA 2013, 206 (216); Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 802 ff.; Rogall, JZ 2008, 818 (828); Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 177 ff. 51 BGH NJW 1982, 277. 52 Generell gegen diese Begründungsfigur Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 286 Teil B Rn. 14; ders., NJW 2018, 2837 (2838). 53 Teil 3, B. I. 1. 54 Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 197; dies., GA 2008, 500 (508); ferner Jäger, Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, S. 224. Hingegen lehnt Dubois, Zur Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit von Beweismitteln,
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So weist Störmer zutreffend darauf hin, dass in der Verwertung eines Beweismittels, das ein Privater auf „menschenrechtswidrige“ Weise erlangt habe, nicht zwangsläufig ein unzulässiger Eingriff in Art. 1 Abs. 1 GG gesehen werden könne.55 Vor diesem Hintergrund muss sich die These vom Staat als Hehler auf ausgewählte Szenarien beschränken, die jedoch im Kontext heimlicher Ton- und Bildaufnahmen sowie des verdeckten Lauschzeugeneinsatzes grundsätzlich vorliegen könnten.56 Denn auch die gerichtliche Nutzung berührt Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen. Ungeachtet dessen verfängt der Hehlereigedanke57 aus einem anderen Grund von vornherein nicht: Denn der Staat, der ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel berücksichtigt, unterscheidet sich insoweit von einem Hehler, als er den vorangegangenen Rechtsverstoß des Privaten keineswegs billigt, sondern diesen – sofern die prozessualen Voraussetzungen vorliegen – in einem eigenständigen Gerichtsverfahren bewertet.58 Verwirklicht der eigeninitiative Beweismittelsucher den Diebstahlstatbestand des § 242 StGB,59 muss der staatliche Strafverfolgungsapparat einem dahingehenden Anfangsverdacht aufgrund des Legalitätsprinzips auch dann nachgehen, wenn er das so beschaffte Beweismittel in einem anderen Prozess verwertet.60 Eine hoheitliche Erklärung, die sich dahingehend interpretieren ließe, der Staat billige das eigeninitiative Vorgehen, liegt darin gerade nicht.61 Umgekehrt kann eine weitläufige Verwertbarkeit – auch strafrechtswidrig erlangter Beweismittel – als Ausfluss einer effektiven Rechtspflege gesehen werden, die eine funktionierende staatliche Kontrolle bewirkt.62 Auch aus dieser Warte greift der bereits erwähnte S. 91 den Gedanken der Hehlerei von vornherein ab, da der Tatbestand den Vermögensdelikten zuzuordnen sei und dessen Unrechtsgehalt u. a. in der Perpetuierung einer rechtswidrigen Besitzlage liege. Auf die Verwertungsproblematik treffe dies nicht zu. 55 Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 131. Zustimmend Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 198. Zu ähnlichen Erwägungen im Kontext der staatlichen Ermittlung Kalb, Die funktionale Begründung strafprozessualer Beweisverbote, S. 136. 56 So letztlich auch Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 197, die indes von seltensten Fällen spricht. 57 Zur Datenhehlerei gem. § 202d StGB Teil 5, B. III. 58 Jäger, Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, S. 223; ders., GA 2008, 473 (493); Pawlik, JZ 2010, 693 (701). Zustimmend Satzger, in: Roxin III-FS, S. 421 (432). Kaspar, GA 2013, 206 (220) betont, es fehle an einem einverständlichen Zusammenwirken. Vgl. auch Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 120 f., der grundlegende Unterschiede hervorhebt. 59 Vgl. auch Bienert, Private Ermittlungen, S. 157, die betont, eine Strafbarkeit scheide regelmäßig wegen der fehlenden Zueignungsabsicht aus. 60 So auch Kaspar, GA 2013, 206 (220). 61 Pawlik, JZ 2010, 693 (701); Kubiciel, GA 2013, 226 (235); Jäger, Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, S. 224 f. Vgl. auch VerfGH Rheinland-Pfalz NJW 2014, 1434 (1438). 62 Löffelmann, Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren, S. 223 f.
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Einwand nicht durch, der Staat verhalte sich widersprüchlich: Die materiell-rechtlichen Verbotsnormen belegen hinreichend deutlich, dass die eigeninitiative Vorgehensweise weder herausgefordert noch akzeptiert wird. Schließlich vermag auch der unionale Charakter der DSGVO an dem gefundenen Ergebnis nichts zu ändern.63 In Kapitel VIII der Verordnung sind die Rechtsfolgen geregelt, die aus einem Verstoß gegen die datenschutzrechtlichen Normen resultieren; ein prozessuales Beweisverbot findet sich insoweit jedoch – wie schon an anderer Stelle hervorgehoben – gerade nicht.64 Zudem gebietet auch der effet utile keine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Prozessrechts dergestalt, dass einem Verstoß bei der außerprozessualen Beweismittelsuche stets ein Verwertungsverbot nachfolgen müsste. Vielmehr genügen die weitreichenden Sanktionen der Art. 82 ff. DSGVO, um das europäische Datenschutzrecht effektiv durchzusetzen.65 Für letztverbindliche Klarheit wird insoweit jedoch erst der EuGH sorgen können.66
III. Ergebnis zum Zirkelschluss zwischen materieller und formeller Bewertung Nach alledem vermögen die Erklärungsansätze, warum das materiell-rechtliche Unwerturteil über die private Beweismittelsuche in die prozessuale Sphäre einwirken soll, nicht zu überzeugen. Diese Erkenntnis entfließt auch dem grundsätzlichen Trennungsgedanken, dem zufolge im materiellen und formellen Recht unterschiedliche Regelungsmaterien zu erblicken sind, die sich nur in eingeschränktem Umfang gegenseitig beeinflussen.67 Das materielle Recht, das dem eigeninitiativen Vorgehen verbindliche Grenzen setzt, enthält gerade keine spezifische Rechtsfolge, die auf die prozessuale Verwertbarkeit bezogen ist. Da auch die jeweiligen Prozessordnungen in diesem Kontext keine Vorschriften vorsehen, die sich materiellrechtliche Wertentscheidungen ausdrücklich zu eigen machen, fehlt es insoweit an einem normativen Hebel, der die Teilrechtsordnungen miteinander verbindet.68 Auf diese Weise schließt sich auch der Kreis zur eingangs vorgebrachten Kritik an den gegenwärtigen Lösungsansätzen, die in weiten Teilen eine dogmatische Begründung schuldig bleiben, auf welche Weise die materiell-rechtliche Bewertung auf die prozessuale Ebene transferiert werden kann.
63 BGH ZD 2021, 637, indes ohne nähere Begründung; ferner Zeyher, ZD 2021, 637 (639). I. E. auch Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 138. 64 So auch Niemann, in: JBArbR 2018, S. 41 (67); H. Schmidt, JA 2018, 869 (872). 65 Vgl. zur maßgeblichen Argumentation Tiedemann, ZD 2019, 230 (231). 66 H. Schmidt, JA 2018, 869 (872); Tiedemann, ZD 2019, 230 (231). 67 Dazu Teil 1, C. 68 Werner, NJW 1988, 993 (999); Kaspar, GA 2013, 206 (221).
B. Folgen für die Entwicklung prozessualer Beweisverbote
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Vor diesem Hintergrund ist der oben beschriebene Zirkelschluss dahingehend aufzulösen, dass ausschließlich die prozessuale Unverwertbarkeit das materiellrechtliche Unwerturteil hinsichtlich der außerprozessualen Beweismittelsuche zu beeinflussen vermag. Dieser Lösungsansatz ist im Konzept der materiell-rechtlichen Verhaltensanforderungen angelegt, da das Merkmal der Eignung einen solchen Transfer nicht nur erlaubt, sondern vielmehr nahelegt. Besteht der alleinige Zweck des eigeninitiativen Vorgehens darin, ein aussagekräftiges Beweismittel zu gewinnen, ist es nur folgerichtig, dieses Verhalten als untauglich einzustufen, wenn das entscheidende Gericht aufgrund eines Beweisverwertungsverbots daran gehindert ist, das angebotene Beweismittel zu nutzen. Der konträre Weg, von der materiellen Rechtswidrigkeit der eigeninitiativen Beweismittelsuche unmittelbar auf die prozessuale Ebene zu schließen, ist hingegen versperrt.69 Vom Standpunkt des hier zugrunde gelegten Lösungsmodells ist diese Erkenntnis konsequent: Da die gerichtliche Verwertbarkeit danach eine Voraussetzung für die materielle Rechtmäßigkeit des Erlangungsaktes ist, kann sie nicht zugleich auch deren Rechtsfolge sein.70
B. Folgen für die Entwicklung prozessualer Beweisverbote Die vorstehenden Erwägungen beeinflussen somit auch die Frage, auf welchem Fundament die Beweisverbotsdogmatik aufbaut: Diese muss sich konsequenterweise von den außerprozessualen Zwängen befreien und das innerprozessuale Verhalten selbst zum maßgeblichen Anknüpfungspunkt erheben. In diesem Kontext verbleiben zwei zentrale Argumentationsmuster: Da das einfache Recht einen Anwendungsvorrang genießt,71 ist zunächst zu überlegen, inwieweit sich aus materiellrechtlichen Vorschriften, die das innerprozessuale Verhalten betreffen, eine stimmige Beweisverbotslehre entwickeln lässt (I.). Das Prozessrecht selbst spricht insoweit jedenfalls keine ausdrücklichen Direktiven aus. Der anschließende Blick richtet sich
69 So auch Kaspar, GA 2013, 206 (224 f.), der insoweit von der sog. „Irrelevanzthese“ spricht. Gleichwohl anerkennt auch er eine spezifische Ausnahme in den Fällen der Menschenwürderelevanz. Ferner Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 275. Nach dem hier vertretenen Lösungsansatz gilt dies auch in den Fällen, in denen sich die materielle Rechtslage unabhängig von einem prozessualen Einschlag abschließend bewerten lässt. I. E. auch Baumann/Brenner, Die strafprozessualen Beweisverwertungsverbote, S. 157 Fn. 2, die betonen, es spiele für die Verwertbarkeit keine Rolle, ob der private Erlangungsakt gem. § 34 StGB gerechtfertigt sei. 70 So auch Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 183. Allerdings genügt diese These nicht als Begründung dafür, warum nicht auch das materielle Unwerturteil auf der prozessualen Ebene bedeutsam ist. 71 Instruktiv dazu im hier interessierenden Zusammenhang Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 48 ff. sowie Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 214.
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Teil 3: Erste allgemeine Folgerungen für die Beweisverbotslehre
dann auf die verfassungsrechtliche Ebene und rückt das überkommene Abwägungsmodell in den Fokus der Untersuchung (II.).
I. Materiell-rechtlicher Lösungsansatz Sowohl in der straf- als auch in der zivilprozessualen Diskussion haben sich verschiedene Ansätze entwickelt, die ein Beweisverwertungsverbot auch jenseits der weit verbreiteten Abwägungslösung anerkennen wollen.72 Der gemeinsame Ausgangspunkt liegt wiederum darin begründet, dass die jeweiligen Verfahrensordnungen keine Vorschriften enthalten, die sich explizit dazu äußern, inwieweit privat erlangte Beweismittel in das Verfahren eingeführt und vom entscheidenden Richter schließlich verwertet werden dürfen. Instruktiv ist sodann die aufgeworfene Folgefrage, ob außerhalb der Straf- und Zivilprozessordnung einfachgesetzliche Normen existieren, die dem innerprozessualen Umgang mit Beweismitteln spezifische Grenzen setzen und bei einem Verstoß zu einem Beweisverbot führen. Der Vorteil eines positiven Befunds läge dabei auf der Hand: Die verfassungsrechtliche Abwägungslösung könnte – immerhin partiell – zugunsten einer ausdrücklichen legislatorischen Wertentscheidung aufgegeben werden.73 Evident tritt dieser Gedankengang im Kontext heimlicher Tonaufnahmen in den Vordergrund, da § 201 StGB nicht allein die Aufnahme unter Strafe stellt, sondern – wie bereits erwähnt – auch den anschließenden Gebrauch unter bestimmten Voraussetzungen pönalisiert. Ließe sich die prozessuale Verwendung durch den Privaten oder aber der richterliche Gebrauch § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB subsumieren, und führte ein Verstoß unweigerlich zu einem Beweisverbot, begründete dies eine deutlich transparentere Lösung als das gegenwärtige Abwägungsmodell,74 das bisweilen im luftleeren Raum zu hängen scheint und dessen Parameter nach wie vor nicht gänzlich geklärt sind. Ähnliche Erwägungen werden in jüngerer Zeit vornehmlich im datenschutzrechtlichen Zusammenhang vorgebracht.75 Um die Ausführungen an dieser Stelle nicht zu überdehnen, soll die logisch vorgelagerte Frage, inwieweit sich das innerprozessuale Verhalten überhaupt am Maßstab des materiellen Rechts messen lassen muss, zunächst zurücktreten.76 In den Fokus rückt sonach allein die Überlegung, ob ein zwingendes Beweisverbot besteht,
72
Dazu schon Teil 1, D. So expressis verbis Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 215; Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 155. Ferner Reichenbach, AcP 206 (2006), 598 (607). 74 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 215; Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 8. 75 So etwa Bergwitz, NZA 2012, 353 (355); Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 8; Sander, CR 2014, 292 (296). 76 Zur materiell-rechtlichen Bewertung des innerprozessualen Verhaltens noch Teil 5. 73
B. Folgen für die Entwicklung prozessualer Beweisverbote
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wenn der prozessuale Umgang mit dem fraglichen Beweismittel gegen materiellrechtliche Vorschriften verstößt. Ein solcher Automatismus lässt sich indes nur begründen, wenn es gelingt, eine sichere Brücke zwischen dem materiellen und dem prozessualen Ufer zu errichten. Dieser Konstruktion steht der zentrale Trennungsgedanke scheinbar unüberwindlich gegenüber. Bei näherem Hinsehen trügt dieses vermeintlich klare Bild jedoch: Die Trennung zwischen dem materiellen und dem formellen Recht beschreibt allein den dogmatischen Ausgangspunkt. Zwischen den Rechtsbereichen lassen sich einzelne Verbindungslinien erkennen, die einen partiellen Wertungsaustausch jedenfalls nicht von vornherein versperren.77 Da der Transfer einer Wertung in eine andere rechtliche Sphäre jedoch die begründungsbedürftige Ausnahme beschreibt, bedarf es einer stichhaltigen Argumentation, warum dies im Kontext der Beweisverbote anzunehmen sein soll.78 In diesem Zusammenhang lassen sich erneut zwei maßgebliche Anknüpfungspunkte unterscheiden: Auf der einen Seite steht der Gebrauch des Beweismittels durch die Privatperson, der freilich insbesondere im zivilrechtlichen Verfahren entscheidend ist, da die beweisbelastete Partei die ihr günstigen Umstände nachweisen muss. Auf der anderen Seite benutzt auch der entscheidende Richter das fragliche Beweismittel, indem er zunächst Beweis erhebt und das Beweismittel anschließend verwertet. Diese Erwägungen zeigen, dass sich ein etwaiges Verbot nicht allein auf die prozessuale Verwertung beschränkt, sondern bereits die vorgelagerte Phase der gerichtlichen Beweiserhebung umfassen kann. Um diesen gesamten Kontext auch begrifflich sinnvoll zu erfassen, ist im Folgenden von einem Beweisverbot die Rede.79 1. Der materiell-rechtliche Rechtsverstoß des Privaten In der zivilprozessualen Diskussion knüpfen einzelne Verfechter eines einfachrechtlichen Lösungsansatzes das Beweisverbot unmittelbar an eine Rechtsverletzung des Privaten, die sich jedoch nicht außerhalb des gerichtlichen Verfahrens, sondern vielmehr im Rahmen der Beweisführung zugetragen hat.80 Verstoße die Beweisführung einer Partei gegen materiell-rechtliche Verbotsnormen, resultiere hieraus
77
Vgl. auch Reichenbach, AcP 206 (2006), 598 (619) m. w. N. Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 228; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 189. Abweichend hingegen Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 114; ders., AcP 206 (2006), 598 (619 f.), der nach einem Grund dafür sucht, warum die materiell-rechtlichen Vorschriften durch prozessuale Besonderheiten ausnahmsweise verdrängt werden. 79 Zur Terminologie bereits Teil 1, A. 80 A. Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Zivilverfahren, S. 297; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 80. 78
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Teil 3: Erste allgemeine Folgerungen für die Beweisverbotslehre
eine prozessuale Rechtsfolge.81 Zu diesen Vorschriften sollen neben den §§ 201 ff. StGB insbesondere die gesetzlichen Regelungen des Datenschutzrechts zählen.82 Reichenbach verbindet diese Überlegungen mit dem Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB und leitet hieraus ein Beweiserhebungsverbot ab, das aber seinerseits nicht zu einem Verwertungsverbot führen soll.83 Bei genauerem Hinsehen ist diese Konzeption eng mit der Annahme verwoben, die gesamte Rechtsordnung bilde eine Einheit, der ein kohärentes Wertungssystem zugrunde liege.84 Darin schwingt ein gewisser Argwohn gegenüber der Vorstellung mit, ein materiell rechtswidriges Verhalten könne trotz dieses Rechtsverstoßes prozessual zulässig sein – und dem Beweisführer in einer gerichtlichen Auseinandersetzung schließlich zum Erfolg verhelfen. In diese Richtung deutet auch eine plastische Formulierung des BGH, die dieser in einer zivilrechtlichen Entscheidung aus dem Jahr 1981 gewählt hat, in der eine heimlich angefertigte Tonbandaufnahme als Beweismittel verwendet werden sollte: Sofern die Verwertung den Tatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfülle, sei die Aufnahme dem Gericht verschlossen, da sich dieses „nicht zum Werkzeug einer strafbaren Handlung des Beweisführers machen“ dürfe.85 Dieses Gedankengebäude lässt sich nur dann sachgerecht bewerten, wenn man die maßgeblichen Unterschiede illuminiert, die gegenüber solchen Lösungsansätzen bestehen, die ein Beweisverbot mit dem außerprozessualen Verhalten des Privaten verbinden wollen. Insoweit haben die vorangehenden Ausführungen gezeigt, dass es bislang nicht gelungen ist, die zeitlich auseinanderfallenden Handlungen – die eigeninitiative Beweismittelsuche einerseits und den nachfolgenden Umgang mit dem Beweismittel im Gerichtsverfahren andererseits – rechtlich vollständig miteinander
81 A. Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Zivilverfahren, S. 297; Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 286 Teil B Rn. 13. Hingegen ist bei Bergwitz, NZA 2012, 353 (355) und Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329 (340) nicht gänzlich klar, ob diese an die Beweisführung der Partei und/oder den richterlichen Gebrauch anknüpfen. Vgl. auch Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 192 ff., der einzelne Verbindungslinien zwischen den verschiedenen Schritten der Datenverarbeitung feststellt. 82 Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 286 Teil B Rn. 7; Bergwitz, NZA 2012, 353 (355); Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329 (340); Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 128 f. Siehe ferner A. Götz, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Zivilverfahren, S. 297, der auf § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UWG a. F. verweist. BGH NJW 1982, 277 lässt es i. E. offen, ob sich das Beweisverwertungsverbot aus § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB ergibt. 83 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 130 f., 207. Dazu schon Teil 1, D. II. 3. d). 84 So auch Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 229. Zwar spricht sich Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 106 ff., 130, gegen die Einheitsthese aus, begreift den Wertungsaustausch sodann aber als Regelfall und schließt diesen erst aus, wenn sich hierfür eine Begründung finden lasse. 85 BGH NJW 1982, 277. Diesen Passus greift auch Hauser, in: Habscheid-FS, S. 139 (149) auf.
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zu verzahnen.86 Die Argumentation verschiebt sich jedoch zwangsläufig, wenn die innerprozessuale Beweisführung selbst den dogmatischen Ausgangspunkt darstellt: Dieses Verhalten findet im prozessualen Raum statt, so dass sich jedenfalls in temporaler Hinsicht keine Lücke auftut. Konsequenterweise ermöglicht es diese verschobene Anknüpfung auch, andere Faktoren zu berücksichtigen, wenn es darum geht, die innerprozessuale Vorgehensweise des Privaten materiell-rechtlich zu bewerten.87 Auswirkungen zeitigt dies vor allem dann, wenn sich erst während des Gerichtsverfahrens herausstellt, dass der Beweisgegner wahrheitswidrig vorträgt, und der Beweisführer sodann eine heimlich angefertigte Tonaufnahme abspielt – oder abspielen lässt –,88 um die „wahre“ Tatsachenlage nachzuweisen. Während die Aufnahme in diesem Fall anlasslos erfolgt – und sonach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB unzweifelhaft verwirklicht –, stellt der anschließende Gebrauch eine spezifische Reaktion auf das rechtswidrige Verhalten des Prozessgegners dar. Diese tatsächlichen Divergenzen zwischen dem außer- und dem innerprozessualen Verhalten genügen allerdings nicht, um eine Verbindungslinie zwischen dem materiellen Unwerturteil und der prozessualen Folge zu implementieren. Besonders deutlich wird dies bei einem Blick auf die ähnlich gelagerte Frage, inwieweit ein Beweisverbot eingreift, wenn ein Zeuge unter Verstoß gegen seine Verschwiegenheitspflicht aus § 203 StGB aussagt, obschon ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht.89 Denn auch in dieser Konstellation – in der es freilich nicht um einen Rechtsverstoß der Partei selbst und darüber hinaus auch nicht um ein Phänomen der eigeninitiativen Beweismittelsuche geht –90 steht das innerprozessuale Verhalten einer Privatperson unter Strafe.91 Trotz dieses strafbewehrten Verbots betont die h. M. sowohl im Zivil- als auch im Strafverfahrensrecht, dass es widerspruchsfrei möglich ist, dieses Verhalten materiell-rechtlich zu sanktionieren und gleichwohl prozessual zuzulassen.92 Zurückzuführen ist dies auf ein übergeordnetes Prinzip, das auch im 86
Teil 3, A. III. Instruktiv dazu Reichenbach, AcP 206 (2006), 598 (610 f.). Dies anerkennt auch Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 240. 88 Zur Diskussion um die Täterschaft von Partei und Richter Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 142. 89 Umfassend dazu Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 142 ff. 90 Zu den Unterschieden Rengier, Die Zeugnisverweigerungsrechte im geltenden und künftigen Strafverfahrensrecht, S. 335. 91 Instruktiv zur Vorgängerreglung des § 300 StGB a. F. Lenckner, NJW 1965, 321 (326 f.). 92 BGHSt 9, 59 (61 f.); 15, 200 (202); BGH NStZ 2018, 362 (363); Lang, Ton- und Bildträger, S. 126; Niese, Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen, S. 145; ders., ZStW 63 (1951), 199 (217); Eb. Schmidt, Der Arzt im Strafrecht, S. 56 ff.; Kohlhaas, DAR 1971, 62 (63); Sieber, in: Roxin I-FS, S. 1113 (1120 Fn. 23). Ablehnend hingegen Sydow, Kritik der Lehre von den Beweisverboten, S. 112 ff.; Dencker, Verwertungsverbote im Strafprozeß, S. 130 ff.; Lenckner, NJW 1965, 321 (326); Bienert, Private Ermittlungen, S. 130; Rengier, Die Zeugnisverweigerungsrechte im geltenden und künftigen Strafverfahrensrecht, S. 330 ff. Zur vergleichbaren Diskussion im Zivilprozessrecht BGH NJW 1977, 1198 (1199); NJW 1990, 1734 (1735); Berger, in: Stein/Jonas, § 383 Rn. 19; Scheuch, in: BeckOK-ZPO, § 383 Rn. 29; Damrau/Weinland, in: MüKo-ZPO, § 383 Rn. 42. Ferner Gießler, NJW 1977, 1185 (1185 f.), 87
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Kontext der sonstigen Beweismittel einschlägig ist: Materielles und formelles Recht entspringen nicht nur eigenständigen Rechtsquellen, sondern dienen auch unterschiedlichen Zwecken und werden demzufolge von divergierenden Wertungen beeinflusst.93 Dabei ist es grundsätzlich die alleinige Aufgabe des Prozessrechts, das gerichtliche Verfahren in geordnete – und sonach justizförmige – Bahnen zu lenken, um auf deren Grundlage eine gerechte Entscheidung zu ermöglichen.94 Sofern eine materielle Vorschrift – wie etwa § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB – ein bestimmtes Verhalten unter Strafe stellt, folgt hieraus zwar zweifelsohne eine rechtliche Missbilligung. Allerdings führt diese Bewertung nicht zwangsläufig dazu, dass dieses Verhalten zugleich prozessual unzulässig ist. Die materiell-rechtlichen Regeln begrenzen die menschliche Handlungsfreiheit und ordnen zugleich an, welche Konsequenzen ein normwidriges Benehmen nach sich zieht. Allerdings umfasst dieser Sanktionskanon gerade keine prozessualen Folgen, so dass sich ein Beweisverbot hieraus gerade nicht ergibt.95 An dieser Erkenntnis vermag auch der bereits erwähnte und vornehmlich in der zivilprozessualen Diskussion vorgebrachte Einwand nichts zu ändern, das Gericht dürfe sich nicht zum Werkzeug des privaten Rechtsverstoßes machen.96 Wie an anderer Stelle bereits ersichtlich wurde,97 deutet diese Formulierung des BGH auf die Konstruktion der mittelbaren Täterschaft hin, die es im materiellen Strafrecht erlaubt, objektive Tatbeiträge gem. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB zuzurechnen.98 Im prozessualen Kontext spricht allerdings mehr dafür, den Werkzeugbegriff in einem untechnischen Sinn zu interpretieren:99 Denn die Partei, die eine unbefugt hergestellte Tonaufnahme vor dem entscheidenden Richter abspielt, verwirklicht bereits in ihrer Person sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB;100 einer darüberhinausgehenden Zurechnung fremder Tatbeiträge gem. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB bedarf es sonach gerade nicht. Nachvollziehbar wird der Gedankengang hingegen, wenn man den Zweck beleuchtet, den der Private mit dem innerprozessualen Abspielen verfolgt und der darauf gerichtet ist, eine streitige Tatsache zu belegen, um die richterliche Entscheidung zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Dies der i. E. ein Beweisverwertungsverbot zwar nicht aus § 203 StGB ableitet, allerdings aus § 383 Abs. 3 ZPO. 93 Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 96; Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 232. 94 Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 96; Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469 (470 f.). 95 Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119 (121); Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (318); Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 233. 96 Generell gegen diese Begründungsfigur Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 286 Teil B Rn. 14. 97 Teil 3, A. I. 98 Statt aller Rengier, Strafrecht AT, § 43 Rn. 1 ff. 99 Ähnlich auch Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 237, freilich in etwas anderem Zusammenhang. 100 Dazu noch Teil 5, B. I. 1.
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erreicht der Beweisführer nur, wenn der entscheidende Richter die Tonaufnahme jedenfalls zur Kenntnis nimmt. Der beabsichtigte Erfolg hängt sonach davon ab, inwieweit es dem Privaten gelingt, den Richter zu seinen Zwecken zu instrumentalisieren. Zugleich erwächst hieraus unweigerlich auch ein Vorwurf an das Verhalten des Staates, der sich gewissermaßen in den Dienst des privaten Rechtsbruchs stellt und auf diese Weise die Integrität des Verfahrens gefährdet. Dieser Vorwurf ist aber bei näherem Hinsehen nur dann berechtigt, wenn der prozessuale Umgang mit dem konkreten Beweismittel gerade wegen des materiell-rechtlichen Verstoßes bei der Beweisführung unzulässig ist. Denn nur in diesem Fall erscheint es angemessen, das Gericht als Werkzeug einer privaten Rechtsverletzung einzustufen. Die vorangegangenen Ausführungen haben indes belegt, dass dieser Transfer mangels eines normativen Hebels nicht gelingt. Nutzt der entscheidende Richter sonach ein Beweismittel, obwohl das innerprozessuale Verhalten des Privaten rechtswidrig ist, erfüllt er grundsätzlich nur die ihm zugedachte Aufgabe.101 Grenzen vermag insoweit allein das Prozessrecht selbst festzulegen. Nach allem lässt sich aus dem materiell rechtswidrigen Verhalten des Privaten schlechterdings keine prozessuale Sanktion ableiten.102 Ein Beweismittel ist sonach auch dann grundsätzlich zu berücksichtigen, wenn sich eine Partei im Rahmen der Beweisführung oder aber ein Zeuge bei seiner Aussage strafbar macht. Hieraus resultiert ein Vorrang der prozessualen Wertung, sofern es um solche Vorgänge geht, die sich innerhalb des gerichtlichen Verfahrens abspielen.103 Aus diesem Grund ist die Verwertbarkeit eines rechtswidrig erlangten Beweismittels auch nicht davon abhängig, ob der innerprozessuale Gebrauch schließlich dazu dient, einem Prozessbetrug zu begegnen.104 Denn auch insoweit bedürfte es einer Verknüpfung zwischen der materiellen Rechtslage und dem prozessualen Resultat. 2. Der materiell-rechtliche Rechtsverstoß des Richters Im Unterschied zum eigeninitiativen Beweismittelsucher lässt sich das richterliche Verhalten exklusiv der prozessualen Sphäre zuordnen: Dieses beschränkt sich auf die einander nachfolgenden Vorgänge der Beweiserhebung und der anschließenden Verwertung; an der außerprozessualen Beweismittelsuche des Privaten ist 101
Möglich bliebe freilich noch eine rein materiell-rechtliche Interpretation des Werkzeugbegriffs, nach der das Gericht den Rechtsverstoß des Privaten gewissermaßen festigt. Allerdings könnte auch dies nicht erklären, warum diese materiell-rechtliche Bewertung dann wiederum unmittelbare prozessuale Auswirkungen zeitigen soll. 102 Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 148. 103 Dazu auch Tiedemann, in: Peters-FG, S. 131 (147), der insoweit auf die Fälle eines Geheimnisträgers verweist, dem kein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Dabei rechtfertige die prozessuale Aussagepflicht die tatbestandliche Verletzung des § 203 StGB; nicht aber folge aus dem materiell-rechtlichen Verbot ein Zeugnisverweigerungsrecht. 104 Vgl. auch Werner, NJW 1988, 993 (999). Zu den damit verbundenen Nachweisproblemen Teil 5, B. IV. 1. d).
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der Richter hingegen nicht beteiligt. Aus diesem Grund vermag auch eine nachträgliche Zurechnung des eigeninitiativen Verhaltens nicht zu überzeugen, da dieses bereits abgeschlossen ist. a) Datenschutzrechtliche Betrachtung In der zivilprozessualen Beweisverbotsdebatte erhalten in jüngerer Zeit vor allem solche Ansätze einigen Zuspruch, die den richterlichen Umgang mit einem privat erlangten Beweismittel an den Vorgaben des Datenschutzrechts messen wollen. Dogmatischer Ausgangspunkt ist der bereits erwähnte Grundsatz, wonach das einfache Recht einen Anwendungsvorrang gegenüber den verfassungsrechtlichen Gewährleistungen genießt.105 Existiere eine einfachgesetzliche Vorschrift, die den gerichtlichen Umgang mit angebotenen Beweismitteln regele, sei der Rückgriff auf die verfassungsrechtliche Interessenabwägung versperrt, da andernfalls die klare legislative Wertentscheidung unterlaufen würde.106 In diesem Kontext dränge sich das Datenschutzrecht auf, das nicht allein den Vorgang der eigeninitiativen Beweismittelsuche erfasse, sondern darüber hinaus bestimme, inwieweit ein erlangtes Beweismittel in den Prozess eingeführt und schließlich auch verwertet werden dürfe.107 Zwar kämen auch die datenschutzrechtlichen Erlaubnisnormen in weiten Teilen nicht umhin, die betroffenen Interessen im Einzelfall gegeneinander abzuwägen.108 Nichtsdestoweniger vollziehe sich die Abwägung immerhin in einem einfachgesetzlich vorgegebenen Rahmen und bewirke auf diese Weise einen Zugewinn an Rechtssicherheit.109 b) Strafrechtliche Betrachtung Noch deutlicher werden diese Erkenntnisse, wenn man den Blick auf die strafrechtlichen Verbotsnormen ausdehnt: Diese untersagen in abgeschlossenen Tatbeständen spezifische Verhaltensweisen und knüpfen an einen Verstoß besondere Sanktionen. Gerade aufgrund dieser erheblichen Rechtsfolgen bleibt das Strafrecht jedoch stets fragmentarisch und erfasst nur einen kleinen Teilbereich der Konflikte, die sich zwischen Menschen mit unterschiedlichen Interessenlagen ergeben kön105
Instruktiv Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivilund Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 214. 106 Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 214 f. 107 Bergwitz, NZA 2012, 353 (355); Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329 (340). Teilweise – und aus der strafprozessualen Perspektive – auch Gubitz, NStZ 2017, 727 (728), der insoweit allerdings den Gedanken der Zurechnung bemüht. 108 Vgl. dazu bereits Teil 2, B. II. 2. So schon Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622 (1626): „Datenschutzrecht ist Abwägungsrecht“. Ferner Schulz, in: Gola-DSGVO, Art. 6 Rn. 4. 109 Zu den Unterschieden von einfachgesetzlicher und verfassungsrechtlicher Lösung Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 213 ff.
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nen.110 Insoweit nimmt es auch kaum wunder, wenn sich nur einzelne Tatbestände finden lassen, denen sich das richterliche Verhalten subsumieren lässt: Besonders relevant sind dabei wiederum die §§ 201, 201a StGB, da diese nicht allein den unbefugten Herstellungsvorgang pönalisieren, sondern zugleich auch einzelne Verwendungsmodalitäten unter Strafe stellen.111 Obschon es sonach durchaus möglich erscheint, den staatlichen Gebrauch bestimmter Beweismittel materiellrechtlich zu sanktionieren, ist sowohl in der straf- als auch der zivilprozessualen Diskussion weitgehend ungeklärt, inwieweit beispielsweise § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB dem richterlichen Umgang mit privat erlangten Tonaufnahmen verfahrensrechtliche Grenzen zu setzen vermag.112 Vor diesem Hintergrund ist Wohlers beizupflichten, wenn er ausdrücklich darauf hinweist, dieser Fragenkreis bedürfe einer näheren Betrachtung.113 Einzelne Stimmen sprechen sich dafür aus, einen weitgehenden Gleichlauf zwischen der strafrechtlichen Bewertung auf der einen und einem prozessualen Beweisverbot auf der anderen Seite zu implementieren.114 Sofern der Richter eine ihm überlassene Tonaufnahme innerhalb des Verfahrens abspiele, verwirkliche er den Straftatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB und bedürfe folglich eines Rechtfertigungsgrundes, der gerade dieses Verhalten legitimiere.115 Fehle ein solcher – und lasse sich auch sonst keine Befugnisnorm finden –, müsse die Aufnahme als zulässiges Beweismittel ausscheiden.116 110
Zur fragmentarischen Natur des Strafrechts statt aller Hefendehl, JA 2011, 401. Im Kontext der strafprozessualen Beweisverbote Wohlers, JR 2016, 509 (512). 111 Hinzu tritt in begrenztem Umfang auch § 202d StGB. Zu diesem Teil 5, B. III. 112 So schon Bienert, Private Ermittlungen, S. 28. Dieser Einwand betrifft auch die Rechtsprechung. Wenige Entscheidungen rekurrieren ausdrücklich auf § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB, ohne aber die Auswirkungen auf die prozessuale Verwertbarkeit näher zu illuminieren. So etwa BGH NJW 1982, 277; KG JR 1981, 254 (255); BayObLG NJW 1990, 197 (198). Für das schweizerische Recht Godenzi, AJP 2012, 1243 (1246 f.). 113 Wohlers, JR 2016, 509 (514). 114 Zunächst Sendler, Die Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel im Strafprozeß, S. 100 f.; Roessler, Der Schutz der Vertraulichkeit des Wortes, S. 108 f.; sodann Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 214 f.; Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 156 f.; Otto, in: KleinknechtFS, S. 319 (338); B. Kramer, NJW 1990, 1760 (1764); Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 148 ff.; Beckemper/Wegner, JA 2003, 510 (513); Brunhöber, GA 2010, 571 (586). Vgl. auch Bienert, Private Ermittlungen, S. 121 ff. Für das schweizerische Recht Godenzi, AJP 2012, 1243 (1247 ff.). Schließlich Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 286 Teil B Rn. 34, der sich für eine parallele Prüfung von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB ausspricht. 115 BayObLG NJW 1990, 197 (198); Otto, in: Kleinknecht-FS, S. 319 (338); Beckemper/ Wegner, JA 2003, 510 (513); Bienert, Private Ermittlungen, S. 124 f. Für das schweizerische Recht Godenzi, AJP 2012, 1243 (1251). 116 B. Kramer, NJW 1990, 1760 (1764); Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Tonund Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 160; Brunhöber, GA 2010, 571 (586); Bienert, Private Ermittlungen, S. 122. Für das schweizerische Recht Godenzi, AJP 2012, 1243 (1253).
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Auf den ersten Blick weiß diese strafrechtliche Überlagerung des prozessualen Beweisrechts starke Argumente auf ihrer Seite, die hier unter besonderer Berücksichtigung des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB beleuchtet werden sollen. Das gilt zunächst für den augenscheinlich transparenteren Lösungsweg, der auf komplexe verfassungsrechtliche Abwägungsgesichtspunkte verzichtet und allein an die präziseren Normen des einfachen Rechts anknüpft.117 Hinzukommt die eindeutige Wertentscheidung des Gesetzgebers, der den Gebrauch einer Tonaufnahme als so bedrohlich einstuft, dass dieser nicht nur zivilrechtlich untersagt ist, sondern sogar strafrechtliche Sanktionen nach sich zieht. Für Bild- und Videoaufnahmen gilt diese Erkenntnis freilich nur in eingeschränktem Umfang, weil § 201a StGB vergleichsweise restriktive Anforderungen aufstellt. Aus der Strafbarkeit des entscheidenden Richters leitet Godenzi eine unmittelbare Konsequenz für die prozessuale Verwertbarkeit ab, die zwar das schweizerische Strafverfahrensrecht betrifft, aber gleichwohl einen generalisierbaren Aussagegehalt aufweist. Hiernach sei „die Nutzung des Materials […] tabu“.118 Selbst gewichtige Strafverfolgungsinteressen, die typischerweise in Fällen schwerer Kriminalität betroffen sind, könnten die unmissverständliche legislatorische Anordnung nicht überwinden.119 Diese Erwägungen deuten unweigerlich auf den immer wiederkehrenden Vorwurf hin, dem sich der Staat ausgesetzt sieht, wenn er seinerseits aktiv Rechtsverstöße begeht, um eine fremde Straftat nachweisen zu können: Eine Strafe, die auf einem staatlichen Rechtsbruch beruhe, gehe ihrer generalpräventiven Funktion verlustig.120 c) Kritische Analyse Nähert man sich den zentralen Problemlagen aus der Perspektive des entscheidenden Richters, tritt ein essenzieller Gesichtspunkt in den Vordergrund: Die unterschiedlichen Verhaltensnormen bewirkten einen unhaltbaren Widerspruch, wenn sie ein Verhalten auf der einen Seite ausdrücklich verlangten, auf der anderen aber mit einer Sanktion belegten. Konzentriert man diesen Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens auf seine Kernaussage, tritt wiederum die Frage in den Vordergrund, in welchem Verhältnis materielles und formelles Recht zueinander stehen.121 Der Konflikt erreicht an dieser Stelle insoweit seinen Höhepunkt, als es nicht um einen Rechtsbruch des Privaten außerhalb oder innerhalb des gerichtlichen Verfahrens, 117
Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 215. Freilich bleibt insoweit zu bedenken, dass die mögliche Rechtfertigung des staatlichen Verhaltens nach dieser Konzeption eine entscheidende Rolle spielt und neuerliche Fragen und Probleme aufwirft. Dazu noch Teil 5, B. IV. 2. 118 Godenzi, AJP 2012, 1243 (1253). 119 Godenzi, AJP 2012, 1243 (1253). 120 Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 20 ff., indes im Kontext der unselbstständigen Beweisverwertungsverbote infolge staatlicher Ermittlungen. 121 Vgl. dazu auch Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik der Straftatbestände zum Schutz von Verwaltungsrecht oder Verwaltungshandeln, S. 111 ff.
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sondern vielmehr einen solchen der staatlichen Entscheidungsträger selbst geht.122 Angesichts dieses divergierenden Anknüpfungspunktes lassen sich die vorstehenden Überlegungen, die das innerprozessuale Verhalten des Privaten betroffen und dabei Parallelen zur strafbaren Zeugenaussage gem. § 203 StGB offenbart haben, nicht ohne Weiteres übertragen. Zwar gilt wiederum der Grundsatz, wonach das materielle und das formelle Recht unterschiedlichen Funktionen dienen und infolgedessen eine abweichende rechtliche Bewertung möglich erscheint. Nichtsdestoweniger zeitigt es einen argumentativen Unterschied, ob der staatliche Umgang mit einem konkreten Beweismittel „nur“ auf einem rechtswidrigen Verhalten des Privaten aufbaut oder aber selbst unmittelbarer Gegenstand des materiell-rechtlichen Verbots ist. Insoweit ist eine essenzielle Überlegung voranzustellen: Der staatliche Gebrauch eines Beweismittels kann nicht prozessual erwünscht sein und zugleich einen Strafvorwurf oder eine sonstige materiell-rechtliche Sanktion nach sich ziehen.123 Denn ein solches Resultat führte zu rechtsstaatlich inakzeptablen Konsequenzen. Wäre etwa eine unbefugt hergestellte Tonaufnahme trotz eines strafbaren richterlichen Gebrauchs gem. § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB prozessual verwertbar, obläge es dem Richter, eine individuelle Abwägungsentscheidung zu treffen, die auf der einen Seite das drohende persönliche Sanktionsrisiko zu berücksichtigen hätte und auf der anderen den ehrenwerten Grundsatz der Wahrheitsermittlung.124 Je nachdem, welcher Position der entscheidende Richter dabei den Vorrang einräumt, würde er das Beweismittel entweder heranziehen – und dabei eine strafrechtliche Sanktion bewusst in Kauf nehmen –, oder aber zurückweisen – weil er gerade nicht bereit ist, materiell-rechtliche Folgen zu akzeptieren, um die Tatsachenlage vollständig aufzuklären. Ein solcher Zustand sorgte nicht nur für ein beträchtliches Maß an Rechtsunsicherheit, sondern würde das staatliche Gerichtsverfahren delegitimieren, indem ein Moment der Willkür Einzug erhielte. Die bloße Erkenntnis eines unhaltbaren Zustands oder eines bestehenden Widerspruchs verrät für sich betrachtet indes noch nicht, in welche Richtung dieser aufzulösen ist, zumal sich regelmäßig verschiedene Wege auftun.125 Im hier interessierenden Kontext bedürfen zwei Gesichtspunkte einer näheren Betrachtung.
122
Instruktiv insoweit B. Kramer, NJW 1990, 1760 (1763 f.); ferner Beckemper/Wegner, JA 2003, 510 (513). 123 In diese Richtung für das schweizerische Recht Godenzi, AJP 2012, 1243 (1247). Ebenso Wohlers, JR 2016, 509 (513). Schließlich auch Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 125. 124 Dazu Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 144. 125 Zu den denkbaren Ansätzen, einen Normwiderspruch aufzulösen, Sieber, in: Roxin IFS, S. 1113 (1123). Allgemein zu diesem Erfordernis Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 116.
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aa) Verbindungslinien zwischen dem materiellen Unwerturteil und einem Beweisverbot Zunächst stellt sich auch mit Blick auf das richterliche Verhalten in einem Strafoder Zivilprozess die Frage, inwieweit das materiell-rechtliche Unwerturteil überhaupt eine prozessuale Relevanz zu entfalten vermag. Die Vorschriften des Strafoder Datenschutzrechts ordnen eine prozessuale Sanktion jedenfalls nicht expressis verbis an. Um eine Übernahme der materiell-rechtlichen Wertung in den prozessualen Raum zu begründen, wendet sich Wölfl den strafprozessualen Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens zu.126 Sowohl § 359 Nr. 3 StPO als auch § 362 Nr. 3 StPO erlauben eine Wiederaufnahme des Verfahrens, „wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt habe, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflicht schuldig gemacht hat“. Zu diesen Amtspflichtverletzungen rechne auch eine Straftat nach § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB, so dass diese einen Wiederaufnahmegrund statuiere. Allerdings seien die §§ 359, 362 StPO nicht allein darauf beschränkt, die Rechtskraft ausnahmsweise zu durchbrechen, sondern entfalteten zugleich eine Vorwirkung. Bestimmte Verstöße sollten sich schlechthin nicht im Urteil niederschlagen und führten deshalb von vornherein zu einem prozessual unzulässigen Verhalten.127 Auf diese Weise mache sich das Prozessrecht die materiell-rechtlichen Wertungen zu eigen.128 Diese scharfsinnigen Überlegungen betreffen von vornherein ausschließlich das strafbare Verhalten des Richters und lassen sich nicht ohne Weiteres auf einen datenschutzrechtlichen Verstoß übertragen. Allein diese Erkenntnis begründet freilich keinen durchschlagenden Einwand gegen den Rekurs auf die §§ 359, 362 StPO. Man könnte hierin sogar einen Beleg dafür sehen, den Transfer eines materiellen Unwerturteils in den prozessualen Raum auf besondere und sonach strafbare Vorkommnisse zu beschränken. Indes spricht ein anderer Gesichtspunkt entscheidend dagegen, die Vorschriften über die Wiederaufnahme als umfassenden gesetzlichen Hebel für eine Übernahme teilrechtsordnungsfremder Wertungen zu begreifen: Die §§ 359, 362 StPO betreffen allein einen spezifischen Ausschnitt der vielfältigen Konfliktlagen, die sich zwischen dem materiellen und dem formellen Recht ergeben. Die Vorschriften zur Wiederaufnahme des Verfahrens lösen das Spannungsverhältnis, das zwischen den zentralen Prinzipien der Rechtssicherheit und einem wahrheitsgemäßen Urteil entstehen kann, und räumen dem zuletzt genannten aus-
126 Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 157 ff. Dabei deutet Wölfl in Fn. 158 an, dass sich ähnliche Überlegungen auch im zivilprozessualen Kontext (§ 580 Nr. 5 ZPO) ergeben könnten. 127 Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 157. 128 Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 159.
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nahmsweise und unter engen Bedingungen den Vorrang ein.129 Eine darüber hinausgehende Aussage, die sich auf die prozessuale Unverwertbarkeit einzelner Beweismittel bezieht, lässt sich den Normen indes gerade nicht entnehmen und würde ihren Anwendungsbereich schlicht überspannen. Diese Erkenntnis vermag auch mit Blick auf das allgemeine Schutzanliegen der materiell-rechtlichen Normen zu überzeugen, das darauf gerichtet ist, den einzelnen vor bestimmten Beeinträchtigungen zu bewahren.130 Betrachtet man diese „Aufgabenstellung“ aus einer übergeordneten Perspektive, wird deutlich, dass die materiellrechtlichen Verhaltensvorgaben darauf abzielen, das vielfältige Spannungsverhältnis zwischen der umfassenden Handlungsfreiheit auf der einen und dem Ruf nach einem effektiven Schutz spezifischer Rechtsgüter auf der anderen Seite sachgerecht aufzulösen. Das materielle Recht bewältigt diese Aufgabe, ohne etwaige beweisverbotsrechtliche Überlegungen in den Ausgleich einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund sind straf- oder datenschutzrechtliche Vorschriften schlechterdings ungeeignet, um „prozessuale Zulässigkeitsfragen“131 zu beantworten.132 Als Kontrollüberlegung ist es hilfreich, mit § 136a Abs. 3 S. 2 StPO ein geschriebenes Beweisverwertungsverbot heranzuziehen, das im Anschluss an verbotene Vernehmungsmethoden greift. Zwar adressiert die Regelung ausschließlich staatliche Stellen und entfaltet somit keine unmittelbare Wirkung, wenn es um eigeninitiativ erlangte Beweismittel geht. Nichtsdestoweniger lässt sich aus der schlichten Existenz des § 136a Abs. 3 S. 2 StPO ein abstrakter Grundsatz ableiten, der über den originären Anwendungsbereich der Norm hinausreicht. Die verbotenen Vernehmungsmethoden, die § 136a Abs. 1 StPO in nicht abschließender Aufzählung nennt,133 sind nicht allein prozessual unzulässig, sondern begründen regelmäßig auch ein strafbares Verhalten der Vernehmungsperson – so etwa, wenn diese den Beschuldigten misshandelt oder quält.134 Trotz des materiell-rechtlichen Verbots hat der Gesetzgeber die prozessualen Konsequenzen eigenständig im Verfahrensrecht normiert – und dabei gerade nicht an ein materiell rechtswidriges Vorgehen angeknüpft.135 Hieraus folgt letztlich, dass es eine spezifische Aufgabe des Prozessrechts ist, über die Verwertbarkeit von Beweismitteln zu entscheiden.
129
Dazu Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 431 f. In diese Richtung für die strafrechtlichen Verbotsnormen Sieber, in: Roxin I-FS, S. 1113 (1129). 131 Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 78. 132 Implizit wohl auch Petry, Beweisverbote im Strafprozess, S. 161. 133 BGHSt 5, 332 (334). Dazu Schmitt, in: Meyer-Gossner/Schmitt, § 136a Rn. 6. 134 Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 78. 135 Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 78. 130
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Teil 3: Erste allgemeine Folgerungen für die Beweisverbotslehre
bb) Auflösung des Widerspruchs: Prozessrechtsakzessorietät des materiellen Rechts Fehlt es aber an einem klaren gesetzlichen Anhaltspunkt, um das materiellrechtliche Unwerturteil auf die beweisverbotsrechtliche Ebene zu transferieren, verbleibt allein der zentrale Gedanke des Wertungswiderspruchs, um das Spannungsverhältnis zwischen einem rechtswidrigen Verhalten des Richters und der möglichen Verwertbarkeit eines eigeninitiativ erlangten Beweismittels näher zu konturieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich das maßgebliche Verhalten des Richters ausschließlich während des gerichtlichen Verfahrens abspielt. Ausgehend hiervon ist fraglich, ob eine materiell-rechtliche Bewertung des richterlichen Umgangs mit einem eigeninitiativ erlangten Beweismittel überhaupt möglich ist, ohne dabei die prozessualen Verhaltensanforderungen zu berücksichtigen. Diese resultieren vornehmlich aus den jeweiligen Prozessordnungen, die nicht nur den geordneten Ablauf des Verfahrens regeln,136 sondern darüber hinaus die dabei konfligierenden Interessenlagen in Einklang bringen.137 Zugleich – und dies beschreibt den dogmatischen Ausgangspunk des Konflikts – sind es aber gerade die materiell-rechtlichen Normen, die überhaupt festlegen, wann beispielsweise ein konkretes Verhalten in das Fahrwasser des Strafrechts gerät.138 Bestimmen sonach unterschiedliche Teilrechtsordnungen, unter welchen Voraussetzungen das Verhalten eines Normadressaten erlaubt ist, dürfen sich die ausgesprochenen Vorgaben nicht widersprechen.139 Da sowohl das Straf- als auch das Zivilprozessrecht den richterlichen Umgang mit Beweismitteln aus einem spezifischen – nämlich verfahrensorientierten – Blickwinkel regeln, sind deren Wertentscheidungen vorrangig zu berücksichtigen.140 Vor diesem Hintergrund ist Singelnstein zuzustimmen, der sich in jüngerer Vergangenheit ausdrücklich – und in einem übergeordneten Kontext, der sämtliche Amtshandlungen im Strafverfahren einschließt – für eine umfassende und strenge Prozessrechtsakzessorietät ausgesprochen hat.141 Nach dieser Konzeption bestimmt das Prozessrecht für sich betrachtet zwar nicht, ob eine bestimmte Amtshandlung des entscheidenden Richters strafrechtlich relevant ist, da diese Aufgabe primär dem
136 Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 96; Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469 (470 f.). 137 Sieber, in: Roxin I-FS, S. 1113 (1128). 138 Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik der Straftatbestände zum Schutz von Verwaltungsrecht oder Verwaltungshandeln, S. 136 f. 139 Tiedemann, in: Peters-FG, S. 131 (145); Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 124. 140 So auch Tiedemann, in: Peters-FG, S. 131 (147), indes bezogen auf die Aussage eines Zeugen. Zustimmend Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 121. 141 Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 120 ff.
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materiellen Recht zukommt, das einschlägige Tatbestände bereithalten muss.142 Nichtsdestoweniger wirken sich die verfahrensrechtlichen Regelungen an unterschiedlichen Stellen des Deliktsaufbaus auf die Strafbarkeit aus – insbesondere im Rahmen der Rechtswidrigkeit, die aufgrund eingeräumter Amtsbefugnisse entfallen kann.143 Erklärt das Prozessrecht eine bestimmte Handlung des Amtsträgers für zulässig, kann dieses Verhalten nicht zugleich strafbar sein.144 Sieber betrachtet das Verhältnis des materiellen zum prozessualen Strafrecht ebenfalls aus der Perspektive des Normwiderspruchs und untersucht dabei, inwieweit sich eine allgemeingültige Vorrangthese begründen lässt.145 Dabei spricht er sich für einen grundsätzlichen Vorrang des Prozessrechts aus, da die einschlägigen Normen regelmäßig inhaltsreicher ausgestaltet seien als die materiellen Verbotstatbestände. Eine Ausnahme sei nur dann anzunehmen, wenn der relevante Straftatbestand dem Schutz der Strafverfolgungsinteressen diene oder im Hinblick darauf jedenfalls eine speziellere Normierung vorsehe.146 Transferiert man diese allgemeinen Aussagen auf das spezifische Problem der Beweisverbote, resultieren hieraus zentrale Erkenntnisse, die nicht allein das Straf-, sondern zugleich auch das Zivilverfahrensrecht betreffen: Veranlasst das prozessuale Recht den entscheidenden Richter etwa dazu, eine Tonaufnahme trotz des grundsätzlichen Verbots aus § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB abzuspielen, kann im Ergebnis ein Strafvorwurf nicht widerspruchsfrei erhoben werden. Ob indes eine solche Befugnis tatsächlich besteht, folgt aus dem vorrangigen Prozessrecht selbst und muss zudem feststehen, bevor über die Strafbarkeit des richterlichen Verhaltens geurteilt werden kann.147 Besonders deutlich tritt dies in den Fällen hervor, in denen eine heimlich hergestellte Tonaufnahme zugunsten des Angeklagten eines Strafverfahrens wirkt – und nach der hier vertretenen Ansicht von vornherein keinem Beweisverbot unterliegt.148 Wäre nun die Strafbarkeit gem. § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB primär zu bestimmen, um aus dieser sodann die Unverwertbarkeit abzuleiten, bestünden erhebliche dogmatische Schwierigkeiten, dieses Ergebnis zu korrigieren, wenn die Tonaufnahme die Unschuld des Angeklagten belegt und sonach vom entscheidenden Richter berücksichtigt werden muss.149 Darüber hinaus dienen die §§ 201, 201a 142
Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 93, 121; Heghmanns, Grundzüge einer Dogmatik der Straftatbestände zum Schutz von Verwaltungsrecht oder Verwaltungshandeln, S. 136 f. 143 Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 128 ff. 144 Vormbaum, Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils, S. 95; Lüderssen/Jahn, in: Löwe-Rosenberg, Einl. Abschnitt M Rn. 46; Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 126. Von einem noch allgemeineren Standpunkt auch Tiedemann, in: Peters-FG, S. 131 (145). 145 Sieber, in: Roxin I-FS, S. 1113 (1122 ff.). 146 Sieber, in: Roxin I-FS, S. 1113 (1128 f.). 147 Andernfalls entstünde wiederum ein unauflösbarer Zirkelschluss, der bereits im Kontext der Rechtfertigung der privaten Beweismittelsuche hervorgetreten ist. Teil 3, A. 148 Zur Wirkung der Beweisverwertungsverbote als Belastungsverbote Teil 1, A. I. 3. 149 Das deutet auch Wohlers, JR 2016, 509 (514) an.
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StGB nicht in besonderer Weise dem Schutz des staatlichen Strafverfolgungsinteresses, so dass auch nach dem Modell von Sieber keine Vorrangigkeit des materiellen Rechts besteht.150 Ein sachgerechtes Resultat lässt sich nur gewinnen, wenn man die prozessuale Ermächtigung vorrangig – und ohne Ansehen der materiell-rechtlichen Verbotsnormen – bestimmt und deren Wertentscheidung sodann auf der Ebene des materiellen Rechts berücksichtigt.151 Reduziert man diesen Gedanken auf seine Kernaussage, so folgt aus der prozessualen Verwertbarkeit einer Tonaufnahme, dass den Richter kein Strafbarkeitsvorwurf aus § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB trifft.152 Spielt er eine Aufnahme hingegen trotz eines feststehenden Beweisverbots ab, zieht dieses Verhalten das Verdikt der Strafrechtswidrigkeit nach sich.153 Ein persönlicher Entscheidungskorridor, der dem Richter abverlangte, zwischen verschiedenen Nachteilen auszuwählen, existiert sonach gerade nicht. Zugleich resultiert hieraus eine weitere wichtige Grundannahme, die bereits hinsichtlich der eigeninitiativen Beweismittelsuche durch den Privaten hervortrat: Das materiell-rechtliche Werturteil lässt sich grundsätzlich erst dann abschließend fällen, wenn die prozessuale Rechtslage feststeht. 3. Ergebnis zu den materiell-rechtlichen Lösungsansätzen Ein Beweisverbot lässt sich nicht aus den materiell-rechtlichen Vorschriften des Straf- oder Datenschutzrechts ableiten. Zwar existieren durchaus einzelne Regelungen, die der Beweisführung des Privaten sowie dem richterlichen Gebrauch spezifische Grenzen setzen könnten. Dies gilt in erster Linie für § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB, nach dem es verboten ist, eine unbefugt hergestellte Tonaufnahme zu gebrauchen oder einem Dritten zugänglich zu machen. Allerdings ist es nicht gelungen, die grundsätzliche Trennung zwischen den Rechtsbereichen zu überwinden. Sonach bleibt es bei der Erkenntnis, dass selbst der innerprozessuale Verstoß gegen eine
150 Für das Zivilverfahren lassen sich aus der Überlegung, ob die verletzten Straftatbestände den Schutz des staatlichen Strafverfolgungsinteresses bezwecken, ohnehin keine weiteren Schlüsse ziehen. 151 In diese Richtung auch Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 35. Ferner Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 78, 120; Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 83. So i. E. auch Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 153, obschon er diesen Einwand für unzulässig hält, da auf die Fälle abgestellt werden müsse, in denen gerade keine prozessuale Befugnis bestehe und das richterliche Verhalten sonach strafbar sei. Vgl. für das schweizerische Recht Godenzi, AJP 2012, 1243 (1249 ff.); Walder, SJZ 89 (1993), 191 (193 Fn. 6). 152 So i. E. Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 35; Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 120. In diese Richtung auch Wietz/Zlobinski, in: Matt/Renzikowski, § 201 Rn. 14. 153 Zur weiteren Begründung dieser These Teil 5, B. IV. 2. Von einem übergeordneten Standpunkt aus auch Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 125.
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gesetzliche Strafvorschrift keine zwingenden prozessualen Auswirkungen zeitigt.154 Die Rechtsfolgen ergeben sich vielmehr aus dem materiellen Recht selbst.155 Gleichwohl stehen die beiden Rechtsbereiche nicht gänzlich beziehungslos nebeneinander, da sich für das richterliche Verhalten andernfalls erhebliche Wertungswidersprüche ergäben. Denn ein rechtsstaatliches Verfahren erlitte einen erheblichen Vertrauensverlust, wenn das Prozessrecht eine bestimmte hoheitliche Handlung forderte, die materiell-rechtlich verboten ist. Insoweit kann es nicht dem entscheidenden Richter obliegen, im konkreten Einzelfall zwischen unterschiedlichen Nachteilen – der eigenen Strafbarkeit oder dem Verzicht auf ein verwertbares Beweismittel – zu wählen. Dieser Konflikt lässt sich indes auflösen, wenn man den vorrangigen Blick auf die prozessuale Ebene lenkt: Sofern sich aus dem Prozessrecht die richterliche Befugnis ergibt, ein Beweismittel zu erheben und schließlich auch zu verwerten, begründet dieses Verhalten auch aus der materiell-rechtlichen Perspektive keinen rechtswidrigen Verstoß gegen geltende Gesetze. Begrifflich lässt sich dieser Wertungszusammenhang mit der Prozessrechtsakzessorietät des materiellen Rechts beschreiben.
II. Verfassungsrechtlicher Lösungsansatz: Verwertung als Grundrechtseingriff Nachdem sich dem materiellen Recht schlechterdings keine unmittelbare Aussage dazu entnehmen lässt, ob ein Beweisverbot der gerichtlichen Wahrheitssuche entgegensteht, verbleibt – da sich auch das Prozessrecht zu dieser Frage weitgehend ausschweigt – de lege lata allein der Rückgriff auf verfassungsrechtliche Gewährleistungen.156 Wie die Ausführungen zu Beginn dieser Untersuchung belegt haben, schlägt auch der überwiegende Teil der Rechtsprechung in Straf- und Zivilsachen diesen Weg ein: Hiernach resultiert ein Beweisverwertungsverbot zumeist aus einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Dieser Lösungsvorschlag führt im Ergebnis zu einem sachgerechten Ausgleich der konfligierenden Interessenlagen, hat aber in seiner gegenwärtigen Anwendung dogmatische Unzulänglichkeiten offenbart. Diese beruhen im Wesentlichen auf der weit verbreiteten Vorstellung, der Rechtsverstoß des Privaten müsse eine irgendwie geartete prozessuale Konsequenz zeitigen, um ein integres Gerichtsverfahren zu gewährleisten. Gegenüber den mannigfaltigen Modellen und Theorien, die sich sowohl in der straf- als auch der zivilprozessualen Diskussion 154 Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 218; Tenckhoff, JR 1981, 255 (258); Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 78; Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 231 f.; Muthorst, Das Beweisverbot, S. 366. So letztlich auch Brehm, in: Stein/Jonas, Einl. Rn. 44. 155 Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (318). 156 So auch Kiethe, MDR 2005, 965 (966); Eylert, NZA-Beilage 2015, 100 (105).
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etabliert haben, bietet der verfassungsrechtliche Lösungsansatz den entscheidenden Vorteil, dass sich diese festgestellten Unschärfen beseitigen lassen. Zu Beginn steht zwangsläufig die gedankliche Operation, den staatlichen Umgang mit dem eigeninitiativ erlangten Beweismittel eines Privaten in den Vordergrund zu rücken, um auf diese Weise den maßgeblichen Bezugspunkt zu verändern. Bereits die Anknüpfung an das Verfassungsrecht macht deutlich, dass sich dieser Lösungsansatz von den materiell-rechtlichen Bewertungen löst – und somit folgerichtig auch von dem vorausgehenden Erlangungsakt durch eine Privatperson. Der staatliche Grundrechtseingriff ist unabhängig davon zu bewerten, ob das vorherige Verhalten durch einen grundrechtsberechtigten Bürger materiell-rechtlich erlaubt oder aber verboten ist. Aus der strafverfahrensrechtlichen Perspektive spiegelt sich diese Erkenntnis auch begrifflich wider: Angesprochen ist die Kategorie selbstständiger Beweisverwertungsverbote, weil die Frage nach der prozessualen Verwertbarkeit unabhängig von einem vorherigen Rechtsverstoß zu beantworten ist.157 In der wissenschaftlichen Diskussion besteht ein Grundkonsens darüber, welche Problemlagen mit den selbstständigen Beweisverwertungsverboten angesprochen sind.158 Obschon sonach eine gewisse Rechtstradition besteht, die auf einen stetigen Entwicklungsprozess zurückblicken kann, zeigen die nachfolgenden Erwägungen, dass an entscheidenden Stellen nach wie vor ungeklärte Fragen auftreten, die letztendlich auch auf die zivilprozessuale Konzeption ausstrahlen. Dies gibt Anlass dazu, die tradierten Bilder des verfassungsrechtlichen Abwägungsmodells erneut zu betrachten und dabei vornehmlich zwei zentrale Aspekte näher zu konturieren: Dies betrifft zunächst die allenthalben vorgebrachten Bedenken, eine verfassungsrechtliche Abwägungsentscheidung sei zu unbestimmt, um darauf eine rechtssichere Beweisverbotsdogmatik zu gründen, die das Fundament eines rechtsstaatlichen Gerichtsverfahrens bildet. Dieser Einwand hängt eng mit dem zweiten Gesichtspunkt zusammen: Ein Abwägungsmodell kann von vornherein nur dann auf stabilen Füßen stehen, wenn die jeweiligen Interessenparameter bekannt und verbindlich sind. 1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als hinreichender Prüfungsmaßstab? Der Rekurs auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine verschiedenen Ausprägungen159 soll nunmehr den Anlass dazu geben, diesen verbreiteten – und schließlich überzeugenden – Lösungsansatz nachzuzeichnen und an einzelnen 157
Zu diesem funktionellen Begriffsverständnis Teil 1, A. I. 2. Vgl. auch Keller, in: Grünwald-FS, S. 267 (268), der die selbstständigen Verwertungsverbote in seinem Beitrag ausklammert, „weil sie hinsichtlich privaten Unrechts keine spezifischen Probleme aufwerfen“. An der Geltungsberechtigung von selbstständigen Beweisverwertungsverboten zweifeln hingegen Sax, JZ 1965, 1 (6); Duttge, in: Heintschel-Heinegg-FS, S. 103 (112). 159 Dazu sogleich Teil 3, B. II. 2. Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 43 setzt noch allgemeiner an und spricht von „Grundrechte[n], die die Persönlichkeit schützen“. 158
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Stellen näher zu präzisieren. Zunächst müssen jedoch verschiedene Vorfragen geklärt werden, die den klaren Blick auf das verfassungsrechtliche Lösungsmodell erst freigeben. a) Weitere materielle Grundrechte und das Recht auf ein faires Verfahren In der jüngeren Zeit mehren sich die Stimmen, die in der vorschnellen Fokussierung auf das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG einen unvollständigen Bewertungsmaßstab erblicken und auf weitere Grundrechtspositionen oder grundrechtsgleiche Rechte verweisen, die durch eine staatliche Beweisverwertung verletzt werden könnten.160 Um diesen Einwand sachgerecht einordnen zu können, bedarf es einer Differenzierung zwischen materiellen Grundrechten auf der einen und sog. Prozessgrundrechten auf der anderen Seite.161 Im erstgenannten Fall treten allen voran die Glaubens- und Gewissensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG, die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG, die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG sowie die Eigentumsfreiheit aus Art. 14 GG in den Vordergrund.162 Inwieweit diese Gewährleistungen durch den richterlichen Umgang mit einem eigeninitiativ erlangten Beweismittel tatsächlich betroffen sind, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls, so dass bestimmte Schutzpositionen eher in Betracht kommen dürften als andere.163 Auswirkungen zeitigt die Bestimmung der betroffenen Grundrechte deshalb, weil diese unterschiedliche Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Eingriffs stellen. Bei näherem Hinsehen vermag aber der tatsächliche Umstand, dass die maßgeblichen Entscheidungen bislang nahezu ausnahmslos im Anwendungsbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts spielten, hinreichend klar zu verdeutlichen, im Kontext welchen Grundrechts die Diskussion schwerpunktmäßig zu führen ist.164 160
Umfassend Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 38 ff.; Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 69 ff.; Morgenroth, NZA 2014, 408 (410); Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 196 ff. 161 Diese Differenzierung auch vornehmend Morgenroth, NZA 2014, 408 (410); ders., ZStV 2012, 212 (213). 162 Zum Ganzen Muthorst, Das Beweisverbot, S. 159 ff.; Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 43 ff. Für Tagebuchaufzeichnungen Störmer, Jura 1994, 393 (396); F. Lorenz, GA 1992, 254 (273 ff.). Für Ton- und Bildaufnahmen Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 81 ff.; Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 69 ff. Aus der arbeitsgerichtlichen Warte Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 196 ff. 163 Vgl. Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 52. 164 In diese Richtung auch Störmer, Jura 1994, 393 (396). Siehe auch Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 47, der
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Insbesondere in den hier angesprochenen Fällen, in denen es um die Verwertbarkeit einer Ton- oder Bildaufnahme sowie die Aussage eines Lauschzeugen geht, erweist sich das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG als relevanter Prüfungsmaßstab.165 Es ist nach allem zwar nicht ausgeschlossen, dass auch andere materielle Grundrechte in die Betrachtung einzustellen sind oder diese – ausnahmsweise – gar vorrangig prägen. Entscheidend wäre dann, das Konkurrenzverhältnis der berührten Schutzpositionen zu bestimmen, worauf im Rahmen dieser Untersuchung jedoch nicht näher eingegangen werden soll.166 Im Bereich der materiellen Grundrechte bleibt sonach das allgemeine Persönlichkeitsrecht die zentrale Gewährleistung, anhand derer im Folgenden die Verwertungsverbotsdogmatik entwickelt werden soll. Hinsichtlich der sog. Prozessgrundrechte167 tritt allen voran das Recht auf ein faires Verfahren in den Vordergrund,168 das aus dem Rechtsstaatsprinzip i. V. m. den Freiheitsrechten entfließt169 und zudem in Art. 6 Abs. 1 EMRK eine Grundlage findet.170 Diese Gewährleistung ist nach gefestigter Rechtsprechung des BVerfG indes erst dann verletzt, wenn sich aus einer Gesamtschau ergibt, „dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben worden ist“.171 In einem Beschluss aus dem Jahr 2011, der sich mit den strafprozessualen Folgen einer rechtswidrigen Datenerhebung durch staatliche Stellen befasste, hat der Zweite Senat des BVerfG die Verwertungsfrage vorrangig am Maßstab der Verfahrensfairness gemessen – und das allgemeine hinsichtlich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von der „wichtigste[n] verfassungsrechtliche[n] Position des Beweisgegners“ spricht. 165 Statt aller Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 75. 166 Dazu etwa Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 38 ff.; Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 195 ff., obschon sich auch deren nachfolgende Erwägungen im Schwerpunkt auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht beziehen. 167 Zur Diskussion, inwieweit eine Anknüpfung an sog. Prozessgrundrechte möglich ist, Morgenroth, ZStV 2012, 212 (213 ff.); ders., NZA 2014, 408 (411 ff.). 168 Zu dieser Beobachtung auch Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 114. Vgl. schließlich Kalb, Die funktionale Begründung strafprozessualer Beweisverbote, S. 128 f., 176. Kritisch hingegen Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 55 ff.; ders., Jura 1994, 393 (397). Abweichend Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 209, die zwar einen Eingriff annimmt, aber davon ausgeht, das Recht auf ein faires Verfahren trete hinter das Gebot der prozessualen Waffengleichheit zurück. 169 BVerfGE 57, 250 (274 f.); 86, 288 (317); 118, 212 (231); 122, 248 (271); 130, 1 (25). 170 EGMR NJW 1989, 654 (655). 171 BVerfGE 57, 250 (275 f.); 86, 288 (317 f.); 122, 248 (272); 130, 1 (25 f.). So auch EGMR NJW 1989, 654 (655). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich nach der Rechtsprechung des EGMR aus der EMRK keine Beweisverbote für das nationale Recht unmittelbar ableiten lassen, EGMR NJW-RR 2018, 294 (298). Zum Ganzen Kalb, Die funktionale Begründung strafprozessualer Beweisverbote, S. 83 ff.
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Persönlichkeitsrecht zunächst ausdrücklich zurückgestellt.172 Der Grund für diese Prüfungsreihenfolge liege im umfassenderen Schutzgehalt des Rechts auf ein faires Verfahren begründet, der auch dann tangiert sei, wenn Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht einschlägig sei.173 Gleichwohl räumt das BVerfG ein, dass sich das Strafprozessrecht vor allem dann am Maßstab des Fairnessprinzips messen lassen müsse, wenn keine speziellere Gewährleistung eingreife.174 Diese Aussage, die sich auf das oben bereits angedeutete Konkurrenzverhältnis einzelner Grundrechtspositionen zueinander bezieht, führt im Anwendungsfeld der eigeninitiativen Beweismittelsuche faktisch zu einem Primat des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.175 Nur in seltenen Fällen, in denen beispielsweise fraglich ist, inwieweit entwendete Dokumente, die keinen persönlichkeitsrechtlich relevanten Inhalt aufweisen, verwertbar sind, führt der Blick auf die Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht weiter. Da sich das staatliche Verhalten insoweit jedoch darauf beschränkt, ein privat erlangtes Beweismittel zu erheben und zu verwerten, ist schon zweifelhaft, ob hierin überhaupt ein Eingriff in das vage Recht auf ein faires Verfahren erblickt werden kann.176 Vorzugswürdig erscheint es vielmehr, das Fairnessprinzip dann zu bemühen, wenn staatliche Maßnahmen elementare Grundbedingungen eines gerechten Prozessablaufs beeinträchtigen, indem sich Hoheitsträger etwa rechtsmissbräuchlich verhalten. Diese Fragen stellen sich jedoch insbesondere dann, wenn staatliche Stellen an der Suche nach Beweismitteln beteiligt sind und dabei contra legem agieren –177 und nicht so sehr bei der eigeninitiativen Beweismittelsuche durch Private, in die staatliche Stellen nicht unmittelbar involviert sind. In den letztgenannten Fällen nimmt der Staat ein privat erlangtes Beweismittel allein entgegen und berücksichtigt dieses im Rahmen einer prozessualen Entscheidung. Die vorangehenden Ausführungen haben dabei belegt, dass sich das staatliche Verhalten keineswegs als Akt der Hehlerei begreifen lässt; es fehlt gerade an einer Billigung des zeitlich vorausgehenden privaten Verhaltens.178 Als dogmatischer Anknüpfungspunkt bleibt folglich bloß die gerichtliche Nutzung des angebotenen Beweismittels. Dieses Verhalten wird man indes nicht dahingehend interpretieren können, das Gericht habe rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben. Anderes mag möglicherweise dann gelten, wenn die staatlichen Stellen das private Vorgehen gezielt herausfordern, um ihnen gesetzte Grenzen des einfachen Rechts bewusst zu um172
BVerfGE 130, 1 (27 f.). BVerfGE 130, 1 (27 f.). 174 BVerfGE 130, 1 (25); 122, 248 (271). Ferner VerfGH Rheinland-Pfalz, NJW 2014, 1434 (1435). 175 So i. E. auch Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 46. 176 Teilweise zweifelnd auch Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 46, da sich das Fairnessgebot auf das Verfahren in seiner Gesamtheit bezieht. Zur Bedeutung der Verfahrensfairness in den Fällen eines menschenunwürdigen Verhaltens Teil 3, B. III. 2. 177 So auch im verfassungsgerichtlichen Beschluss BVerfGE 130, 1. Paradigmatisch ist schließlich auch BGHSt 53, 294. 178 Teil 3, A. II. 173
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Teil 3: Erste allgemeine Folgerungen für die Beweisverbotslehre
gehen.179 In diese Kategorie könnte etwa der Ankauf von Steuerdaten-CDs fallen, da sich der Staat insoweit gerade nicht darauf beschränkt, ein eigeninitiativ gewonnenes Beweismittel zu verwerten, sondern durch die monetäre Gegenleistung das private Vorgehen gewissermaßen fördert. Nach allem kann das Recht auf ein faires Verfahren zurücktreten, obschon keineswegs ausgeschlossen ist, dass dieses neben die persönlichkeitsrechtliche Gewährleistung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG tritt, oder im Einzelfall gar an deren Stelle.180 Zunächst genügt die wegweisende Erkenntnis, dass das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht in nahezu sämtlichen Fallkonstellationen den relevanten Prüfungsmaßstab dafür liefert, ob ein Beweismittel, das eine Privatperson eigeninitiativ erlangt hat, vom entscheidenden Gericht verwertet werden darf. Vor diesem Hintergrund nimmt es auch kaum wunder, wenn sich die Rechtsprechung sowohl in Straf- als auch in Zivilsachen auf diese persönlichkeitsrechtliche Perspektive beschränkt; selbiges gilt in weiten Teilen auch für die Diskussion im wissenschaftlichen Schrifttum.181 b) Perspektivwechsel: Das Recht auf Beweis In der zivilprozessualen Diskussion scheinen sich die grundrechtlichen Vorzeichen in jüngerer Zeit bisweilen zu verschieben: Einige Stellungnahmen, die sich dem verfassungsrechtlichen Lager zuordnen lassen, heben das Recht auf Beweis in den Vordergrund, um sodann über die prozessuale Verwertbarkeit eines konkreten Beweismittels zu entscheiden.182 Die Gewährleistung als solche ist mittlerweile weitgehend anerkannt,183 obschon eine klare Einordnung in das verfassungsrechtliche
179 Lässt sich dies nicht belegen, scheitert auch eine Zurechnung des privaten Verhaltens aus. Dazu statt aller Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 633 ff. Zur Verfahrensfairness in den – hier nicht besprochenen – Fällen einer bewussten Umgehung des Zeugnisverweigerungsrechts, BVerfG NJW 2010, 287 (288); BGH NJW 2009, 2463 (2465 ff.). 180 Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 46. Vgl. zum ganzen Themenkreis auch Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 202 ff. 181 Vgl. Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 48; Trüg/Habetha, NStZ 2008, 481 (482 Fn. 7). Ferner Hahn, Ton- und Bildträger als Beweismittel im Strafprozess, S. 117 ff.; Lang, Ton- und Bildträger, S. 21. 182 Wegweisend Habscheid, ZZP (96) 1983, 306 (306 ff.); ferner Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 7, 73; Prütting, in: MüKoZPO, § 284 Rn. 18, 66; Betz, RdA 2018, 100 (109); Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (378); Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess, S. 362. Das Recht auf Beweis benennen schließlich auch Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2078). Vgl. zu ähnlichen Erwägungen hinsichtlich unselbstständiger Beweisverwertungsverbote im Strafverfahren Lucke, HRRS 2011, 527 (531). 183 Statt aller Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (378). Vgl. auch Kaltenmeier, Betriebsverfassungsrechtliches Beweisverwertungsverbot, S. 13.
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Koordinatensystem durch die Rechtsprechung noch aussteht.184 Auch deshalb sind die dogmatischen Grundlagen des Rechts auf Beweis sowie dessen einzelne Bestandteile nach wie vor nicht gänzlich geklärt.185 Diese Fragen können im Rahmen der vorliegenden Untersuchung indes offenbleiben, zumal sich zentrale inhaltliche Aussagen auch ohne die exakte verfassungsrechtliche Verortung etabliert haben. Nach den instruktiven Ausführungen von Nissen, der sich umfassend mit sämtlichen Facetten des Rechts auf Beweis beschäftigt hat, geht dessen Kerngehalt dahin, den Parteien des Zivilverfahrens eine effektive Durchsetzung ihrer tatsächlich bestehenden Rechte zu ermöglichen.186 Die verfassungsrechtliche Begründung von Beweisverboten, die sich nachteilig auf das Recht auf Beweis auswirken, stellt bei näherem Hinsehen nur einen Aspekt dieses umfassenden und eigenständigen prozessualen Grundrechts dar.187 In diesem Zusammenhang wird vornehmlich der Anspruch des Einzelnen bedeutsam, dass das erkennende Gericht die angebotenen Beweismittel erhebt und in die Entscheidungsfindung einbezieht.188 Aus dieser zentralen Aussage werden mitunter verbindliche Direktiven für die Annahme eines Beweisverbots abgeleitet: Sofern der entscheidende Richter die Erhebung – und wohl auch die Verwertung – eines Beweismittels ablehne, folge hieraus ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in das Recht auf Beweis.189 Eine solche Legitimation könne sich – und insoweit schließt sich der Kreis zu dem hier postulierten Lösungsansatz, der auf den Grundrechtseingriff durch die richterliche
184 Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess, S. 148, 268, der expressis verbis darauf hinweist, dass sich namentlich die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zwar mit verschiedenen prozessualen Grundrechtsgewährleistungen befasst, wenn es um die Ausgestaltung des Zivilprozessrechts geht. Den Begriff „Recht auf Beweis“ verwendet bislang – soweit ersichtlich – jedoch allein OLG Jena MDR 2012, 542 (543). 185 Instruktiv zu den dogmatischen Begründungsschwierigkeiten Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess, S. 148 ff.; Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 47 ff.; Scherpe, ZZP 129 (2016), 153 (167 ff.). Ferner Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 15 f. m. w. N. 186 Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess, S. 204. 187 Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess, S. 204, 362. Hingegen lehnt Muthorst, Das Beweisverbot, S. 163 einen eigenständigen Gewährleistungsgehalt ab, sondern geht vielmehr von einer Art Sammelbegriff aus. 188 Habscheid, ZZP (96) 1983, S. 306 (308). In diese Richtung auch Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (317). Zum Ganzen schließlich Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess, S. 362. Ähnlich auch BAG NJW 2008, 2732 (2734), das von einer Verpflichtung der Gerichte aus § 286 ZPO i. V. m. Art. 103 Abs. 1 GG spricht. Vgl. schließlich Kaltenmeier, Betriebsverfassungsrechtliches Beweisverwertungsverbot, S. 11 ff. 189 Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 7, 73; Störmer, JuS 1994, 334; Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (319); Altenburg/Leister, NJW 2006, 469 (470). Vgl. zudem Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (372); Betz, RdA 2018, 100 (109); Kiethe, MDR 2005, 965 (967). Ferner BAG NJW 2008, 2732 (2734). Ähnlich schließlich auch Brandt, Das englische Disclosure-Verfahren, S. 216, der eine Befugnisnorm fordert.
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Verwertung abstellt – aus kollidierenden Grundrechten ergeben,190 wobei insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG bedeutsam sei.191 Demzufolge erweist sich das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht als auslösender Mechanismus für ein prozessuales Beweisverbot.192 Die endgültige Entscheidung vermag wiederum erst eine umfassende Abwägung zu liefern, in der es um einen gerechten Ausgleich zwischen den tangierten Rechtspositionen nach Maßgabe der praktischen Konkordanz geht.193 Nach allem unterscheidet sich diese Konzeption primär durch den divergierenden Ausgangspunkt der Argumentation, ohne dabei jedoch zwingend zu abweichenden Ergebnissen zu gelangen.194 Bei genauerer Betrachtung hängt die jeweilige Gedankenführung auch von der eingenommenen Perspektive bzw. der aufgeworfenen Fragestellung ab: Sofern die prozessuale Unverwertbarkeit in Rede steht, tritt zugleich das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht als maßgeblicher Auslöser in den Vordergrund. Soll hingegen umgekehrt die mögliche Verwertung eines angebotenen Beweismittels begründet werden, erfolgt der Rekurs auf das zentrale Recht auf Beweis, das zu einer grundsätzlichen Berücksichtigung verpflichte.195 Im vorliegenden Kontext soll es um die negativen Grenzen der prozessualen Verwertung gehen, da diese nach der hier vertretenen Ansicht in besonderer Weise auf die ma190 So letztlich schon Habscheid, ZZP (96) 1983, 306 (321 f.). Vgl. auch Betz, RdA 2018, 100 (109): „Nur eine rechtswidrige Beweisverwertung ist eine hoheitliche Maßnahme nach Art. 1 Abs. 3 GG, die geeignet ist, den Anspruch des Beweisführers auf rechtliches Gehör zu beschränken“. Im Ausgangspunkt auch Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 86 ff., obschon dieser i. E. zu einem generellen Überwiegen des Rechts auf Beweis gelangt. Kritisch dazu Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 334. 191 Kiethe, MDR 2005, 965 (967); Morgenroth, NZA 2014, 408 (409). 192 Gerade hierin zeigen sich die Gemeinsamkeiten zum hier implementierten Lösungsansatz. Denn sofern die prozessuale Verwertung keine eigenständige Grundrechtsverletzung darstellt, ist das Beweismittel verwertbar. Vgl. auch Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 48. 193 Dies betont Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 344 f. Vgl. schließlich Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2078); Prütting, in: MüKo-ZPO, § 284 Rn. 66, der zugleich Schutzzweckerwägungen bemüht. 194 Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 48. Auf vermeintliche Unterschiede weist hingegen Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 8 hin. Gegen diese Konzeption explizit Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 51 f. Mitunter bleibt auch unklar, welchen dogmatischen Weg die einzelnen Stellungnahmen letztlich einschlagen, da sowohl von einem Eingriff in das Recht auf Beweis als auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gesprochen wird. So etwa bei Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (372, 377); Wirsching, NZV 2016, 13 (15); Kiethe, MDR 2005, 965 (968). 195 Vgl. auch Kiethe, MDR 2005, 965 (968), der betont, dass in der Verwertung der mögliche Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht liege, wohingegen die abgelehnte Verwertung den Eingriff in das Recht auf Beweis darstelle. Etwas abgeschwächt auch Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 48 f.
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terielle Rechtslage ausstrahlen, indem die Unverwertbarkeit unweigerlich die einfachrechtliche Rechtswidrigkeit beeinflusst.196 Aus diesem Blickwinkel drängt sich die Frage auf, wann ein spezifisches Beweismittel vom entscheidenden Gericht nicht herangezogen werden darf. Gleichwohl ist es das Verdienst der gegenläufigen Betrachtung, das Bewusstsein dafür geschärft zu haben, welche immense Bedeutung der prozessualen Verwertbarkeit zukommt.197 Das Recht auf Beweis prägt vor diesem Hintergrund die weitere Darstellung in erheblicher Weise.198 Ähnliche Erwägungen gelten im strafprozessualen Anwendungsfeld für die Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege.199 c) Zwischenergebnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht Nach allem beziehen sich die nachfolgenden Ausführungen auf die Frage, inwieweit der prozessuale Umgang mit einem privat erlangten Beweismittel grundrechtlich geschützte Positionen verletzt, wobei allein das besonders relevante Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG betrachtet werden soll. Den verfassungsrechtlichen Ausgangspunkt nimmt dabei Art. 1 Abs. 3 GG ein, nach dem die nachfolgenden Grundrechte neben der Gesetzgebung und der vollziehenden Gewalt auch die Rechtsprechung unmittelbar binden.200 2. Verwertung als Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Der richterliche Umgang mit einem eigeninitiativ erlangten Beweismittel stellt eine staatliche Maßnahme dar, die sich folglich an den grundrechtlichen Gewährleistungen messen lassen muss. Dies betrifft nicht allein die endgültige Verwertung eines Beweismittels, sondern bereits den vorausgehenden Akt der gerichtlichen Beweiserhebung.201 Trotz dieser weitreichenden Grundrechtsrelevanz, die das gesamte Beweisverfahren beeinflusst, konzentrieren sich die nachfolgenden Erwägungen auf den richterlichen Verwertungsakt. Hierfür spricht bereits der oben entwickelte Gedanke, wonach gerade die Unverwertbarkeit auf die materiell-rechtliche Bewertung der 196
Teil 2, D. III. Zur Bedeutung des Rechts auf Beweis Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess, S. 212. 198 Teil 3, B. II. 4. e) aa). 199 Dazu noch Teil 3, B. II. 4. d) aa). 200 BVerfGE 52, 203 (207); 106, 28 (48 f.); 117, 202 (240); Morgenroth, NZA 2014, 408 (409); Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2077). Abweichend für den Zivilprozess hingegen Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (759 f.). 201 Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 55. Vgl. auch Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 44 f., der die unterschiedliche Eingriffsintensität hervorhebt. 197
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außerprozessualen Beweismittelsuche ausstrahlt.202 Dies mag auf den ersten Blick verwundern, weil der Private, der eigeninitiativ nach relevanten Beweismitteln sucht, in seinem Bestreben auch dann erfolglos zu bleiben scheint, wenn das Gericht bereits die Beweiserhebung ablehnt. In der zivilprozessualen Diskussion betonen vor diesem Hintergrund einzelne Stimmen, der vorgelagerte Akt der Beweiserhebung sei entscheidend.203 Allerdings muss in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, dass aus dem richterlichen Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot nicht zwangsläufig auch ein Beweisverwertungsverbot resultiert,204 obschon dies in den Fällen, in denen der gerichtliche Umgang mit dem Beweismittel das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG tangiert, regelmäßig anzunehmen ist.205 Maßgeblich ist sonach, ob das Gericht das in Rede stehende Beweismittel schlussendlich in die Entscheidungsfindung einbezieht und verwertet. Die Überlegung, ob ein Beweismittel wegen eines Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht im Ergebnis unberücksichtigt bleiben muss, knüpft an den staatlichen Verwertungsakt selbst an. Dieser stellt in den hier diskutierten Fallkonstellationen grundsätzlich einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG dar.206 Obschon das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht inhaltlich keineswegs mit seinem zivilrechtlichen Pendant gleichgesetzt werden darf,207 besteht jedenfalls insoweit ein gemeinsamer Charakterzug, als beide Gewährleistungen entwicklungsoffen ausgestaltet sind und sonach auf neuartige Herausforderungen flexibel reagieren können.208 Die tatsächlichen Gefahren für die menschliche Persönlichkeit unterliegen einem stetigen Wandel und werden durch den technologischen Fortschritt forciert. Um diese mannigfaltigen Bedrohungen zu systematisieren, haben sich in der verfassungsrechtlichen Diskussion verschiedene Fallgruppen bzw. 202
Teil 2, D. III. Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 127; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 135; Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (381); ferner Morgenroth, NZA 2014, 408 (413). 204 Dies anerkennt auch Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (383). Grundlegend Muthorst, Das Beweisverbot, S. 192 f. 205 Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (383); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 135 betont, es handele sich „um ein und dasselbe Verbot“. 206 So auch Störmer, Jura 1994, 393 (395); Beulke, Jura 2008, 653 (659); Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2077); Singelnstein, in: Eisenberg-FS, S. 643 (646); BayObLG NJW 1994, 1671. Teilweise kritisch Hahn, Ton- und Bildträger als Beweismittel im Strafprozess, S. 144, der auf etwaige Unklarheiten im Kontext des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verweist. Skeptisch auch Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 131, der einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners ablehnt, wenn lediglich „tatbestandsrelevantes Verhalten“ nachgewiesen werden soll. Ferner Rogall, StV 1996, 513 (514). 207 Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2 Rn. 33; Rixen, in: Sachs, Art. 2 Rn. 67. Dazu auch schon Teil 2, A. I. 2. 208 BVerfGE 54, 148 (153); 65, 1 (41); Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2 Rn. 34; Epping, Grundrechte, Rn. 628. 203
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Schutzinhalte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entwickelt,209 die indes keineswegs einen abgeschlossenen Kanon beschreiben.210 Aus der Optik prozessualer Beweisverwertungsverbote, die an eine private Beweismittelsuche anschließen, treten – wie Müller zutreffend betont –211 vor allem drei zentrale Bestandteile des verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes hervor,212 die sich teilweise überschneiden und ihrerseits weitere Unterkategorien umfassen: das Recht auf Privatsphäre, das Recht auf Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Während das Recht auf Privatsphäre vornehmlich dann betroffen ist, wenn persönlichkeitssensible Inhalte – wie etwa tagebuchartige Aufzeichnungen –213 in Rede stehen, gewährt das Recht auf Selbstdarstellung dem Einzelnen grundsätzlich die Befugnis, darüber zu entscheiden, welcher Personenkreis von persönlichen Umständen und Belangen erfahren soll.214 Die Rechte am eigenen Bild215 und am gesprochenen Wort216 beschreiben dabei besondere Ausprägungen dieser Befugnis, die nicht bloß intime Inhalte betreffen, sondern weiter reichen.217 Geschützt ist das Verfügungsrecht als solches, das auch berührt sein kann, wenn „neutrale“ Aussagen oder Alltagsmomente verdinglicht und insoweit der Flüchtigkeit des Augenblicks beraubt werden.218 Schließlich gewährt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das das BVerfG im maßgeblichen Volkszählungsurteil entwickelt und dem
209 Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2 Rn. 31, 35; Rixen, in: Sachs, Art. 2 GG Rn. 59; Epping, Grundrechte, Rn. 630 ff. BVerfGE 106, 28 (43) spricht von einer Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Im Überblick zu den verschiedenen Ausprägungen Dautert, Beweisverwertungsverbote und ihre Drittwirkung, S. 63 ff.; Jarass, NJW 1989, 857 (858 f.). 210 BVerfGE 54, 148 (153 f.); 65, 1 (41); 119, 1 (24); BVerfG NJW 1992, 815. Ferner Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 2 Rn. 147. 211 Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 44. 212 Ähnlich auch Rixen, in: Sachs, Art. 2 Rn. 68 ff. Zur Wirkung der verschiedenen Fallgruppen als Ergänzung Muthorst, Das Beweisverbot, S. 155. 213 Rixen, in: Sachs, Art. 2 Rn. 69. Zur maßgeblichen Tagebuchentscheidung BVerfGE 80, 367 (373 ff.). Instruktiv zu dieser F. Lorenz, GA 1992, 254 (254 ff.). 214 BVerfGE 35, 202 (224); Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 2 Rn. 166 ff. 215 BVerfGE 35, 202 (224); 54, 148 (154 f.); BAG NJW 2017, 843 (844); NJW 2014, 810 (814); BAG NZA 2008, 1187 (1190). 216 BVerfGE 34, 238 (246 f.); 54, 148 (155); 54, 208 (217); 106, 28 (39); BGH NJW 2003, 1727 (1728). 217 Rixen, in: Sachs, Art. 2 Rn. 71. Eine abweichende Konzeption vertritt Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, Art. 2 Rn. 193, der das Recht am eigenen Bild als Konkretisierung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung begreift. 218 BVerfGE 106, 28 (41); BGH NJW 1988, 1016 (1017); NJW 2003, 1727 (1728). Gleichwohl sollen einzelne Aussagen im geschäftlichen Verkehr nicht am persönlichkeitsrechtlichen Schutz teilhaben, BVerfGE 34, 238 (247). Zum Ganzen Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 19; Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 75. Schließlich auch Singelnstein, in: Eisenberg-FS, S. 643 (645 ff.), indes im Kontext der unselbstständigen Beweisverwertungsverbote.
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allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zugeordnet hat,219 einen Schutz im Umgang mit persönlichen Daten.220 Versuchte man diese vielfältigen Erscheinungsformen des verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes im Kontext der prozessualen Beweisverwertungsverbote auf einen aussagekräftigen Kerngehalt zu reduzieren, fände man diesen in einer Formulierung, die das BVerfG in seinem Volkszählungsurteil hervorgehoben und in der Tagebuchentscheidung aufgegriffen hat:221 Hiernach soll der einzelne grundsätzlich selbst darüber disponieren können, „wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden“.222 Dahinter verbirgt sich die zutreffende Erkenntnis, dass Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG einen persönlichen Integritätsschutz gewährleisten,223 der durch die richterliche Verwertung eines persönlichkeitsrechtlich relevanten Beweismittels tangiert ist. Zu diesen zählen in erster Linie Ton- und Bildaufnahmen,224 die ein erlebtes Geschehen weitgehend originalgetreu reproduzieren können. Dies gilt gleichermaßen auch für Dashcam-Aufnahmen,225 die einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, ein Unfallereignis zu rekonstruieren. Schließlich stellt auch die Verwertung einer Zeugenaussage, die ein Privater im Anschluss an eine heimliche Lauschaktion tätigt, einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG dar, weil flüchtige Gesprächsinhalte offenbart werden.226 Die nachfolgenden Überlegungen konzentrieren sich dabei ausschließlich auf solche Konstellationen, in denen die gerichtliche Verwertung des eigeninitiativ erlangten Beweismittels (jedenfalls auch) die Grundrechte des Angeklagten im Strafverfahren bzw. der klägerischen oder beklagten Partei im Zivilverfahren tangiert. Ausgeklammert bleiben mithin die Fälle einer etwaigen „Drittwirkung“, die 219 Vgl. indes auch die Entscheidung zum „Recht auf Vergessen“, BVerfGE 152, 152 (188). Im Anschluss – und mit Blick auf den Datenschutz – ordnet Rixecker, in: MüKo-BGB9, Anh. § 12 Rn. 187 das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als „die erwachsen gewordene Tochter des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ ein. 220 BVerfGE 65, 1 (41 f.). Im Anschluss BVerfGE 78, 77 (84); 80, 367 (373); 113, 29 (45 f.); 115, 166 (187 f.); 115, 320 (341); 130, 1 (35). Vgl. schließlich Weichert, Informationelle Selbstbestimmung und strafrechtliche Ermittlung, S. 6 ff. Kritisch zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und dem Volkszählungsurteil Rogall, GA 1985, 1 (11 f.); Greco, in: Rogall-FS, S. 485 (503 f.). 221 In diese Richtung auch Kalb, Die funktionale Begründung strafprozessualer Beweisverbote, S. 126, 170; Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 18; ders., Jura 1994, 393 (395). 222 BVerfGE 65, 1 (41 f.); 80, 367 (373). Dem dient auch Art. 8 Abs. 1 EMRK. Dazu BGH NJW 2013, 2668 (2670). 223 Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2 Rn. 31; Rixen, in: Sachs, Art. 2 Rn. 59. 224 BVerfGE 34, 238 (246 f.); 106, 28 (39). Ferner Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 19; ders., Jura 1994, 393 (395); Bacher, in: BeckOK-ZPO, § 284 Rn. 21 ff. 225 BGHZ 218, 348 (369). 226 Schwab, in: Hubmann-FS, S. 421 (429).
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sich dadurch auszeichnen, dass Beweisverwertungsverbote über die unmittelbar in ihren Grundrechten verletzte Person hinaus ausgedehnt werden sollen.227 Relevant werden solche Erwägungen beispielsweise, wenn die gerichtliche Verwertung ausschließlich das Persönlichkeitsrecht eines Zeugen verletzt.228 Im hier interessierenden Kontext der eigeninitiativ erlangten Beweismittel sind derartige Fallkonstellationen zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, dürften aber in praxi eher selten sein, da sich die Bemühungen des Privaten – und konsequenterweise auch die anschließende Verwertung – typischerweise auf die Personen konzentrieren, die später selbst Angeklagter eines Straf- oder Partei eines Zivilprozesses sind. Trotz dieser klaren Ausrichtung des privaten Vorgehens sind mitunter auch Dritte von der eigeninitiativen Beweismittelsuche und der späteren Verwertung betroffen, die mit dem rechtlich relevanten Sachverhalt in keiner Verbindung stehen.229 Augenscheinlich ist dies bei umfassenden Videoaufnahmen, die über einen längeren Zeitraum andauern und folglich das Risiko aufweisen, unbeteiligte Dritte abzubilden.230 I. d. R. ist aber auch derjenige von der eigeninitiativen Aufnahme erfasst, dessen Verhalten im nachfolgenden Gerichtsverfahren entscheidungsrelevant ist. Ein etwaiges Beweisverwertungsverbot lässt sich insoweit aus der Verletzung „eigener“ Grundrechte ableiten, so dass es eines Rückgriffs auf die Verletzung „fremder“ Grundrechte nicht bedarf.231 Inwieweit indes die Interessen und Rechtspositionen unbeteiligter Dritter die verfassungsrechtliche Abwägungsentscheidung – namentlich im Zivilverfahren – zu beeinflussen vermögen, ist an anderer Stelle zu erörtern.232 Schließlich ist auch ein weiteres Missverständnis auszuräumen, das die Diskussion um prozessuale Beweisverwertungsverbote, die an ein eigeninitiatives Handeln anschließen, seit langem prägt. Zahlreiche Stellungnahmen heben darauf ab, das Gericht trage durch die prozessuale Nutzung eines rechtswidrig erlangten Beweismittels zu einer Vertiefung des Grundrechtseingriffs bei.233 Nach der gefes227 Zum Begriff Dautert, Beweisverwertungsverbote und ihre Drittwirkung, S. 8. Vgl. zur Diskussion, ob ein Beweisverwertungsverbot auch dann eingreift, wenn lediglich die Persönlichkeitsrechte von verfahrensunbeteiligten Personen betroffen sind, Wais, Die Verwertbarkeit fehlerhaft erzielter Beweisergebnisse und rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 119; Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469 (496). Aus der arbeitsrechtlichen Warte Dzida/Grau, NZA 2010, 1201 (1202 f.). 228 Dautert, Beweisverwertungsverbote und ihre Drittwirkung, S. 93, die sich für ein Beweisverwertungsverbot zulasten des Angeklagten ausspricht. 229 Vgl. statt aller Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 219 f. 230 BGHZ 218, 248 (373 f.). Ob die staatliche Verwertung die Persönlichkeitsrechte unbeteiligter Dritter tatsächlich tangiert, ist indes davon abhängig, welche Videosequenz vorliegt. Diese muss nicht zwangsläufig mit der ursprünglichen Aufnahme identisch sein, sondern kann durch technische Aufbereitung etwa auf den maßgeblichen Zeitpunkt zugeschnitten worden sein. 231 Zu diesem Vorrang einer „eigenen“ Grundrechtsverletzung Dautert, Beweisverwertungsverbote und ihre Drittwirkung, S. 93 f. 232 Teil 3, B. II. 4. c). 233 BGH NJW 1988, 1016 (1017); BAG NJW 2008, 2732 (2734); NJW 2017, 843 (845); Kiethe, MDR 2005, 965 (967); Eylert, NZA-Beilage 2015, 100 (106). Vgl. auch Chandna-
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tigten Konzeption, wonach die Grundrechte allein die staatliche Gewalt gem. Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar verpflichten, kann jedoch allein die gerichtliche Verwertung – und nicht das außerprozessuale Vorgehen des Privaten – einen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG begründen. Da die gerichtliche Nutzung eines eigeninitiativ erlangten Beweismittels sonach den erstmaligen Grundrechtseingriff beschreibt,234 ist es terminologisch verfehlt, von einer Wiederholung oder Perpetuierung zu sprechen.235 Dies gilt selbst dann, wenn man die Begriffe lediglich untechnisch interpretierte.236 Denn diese suggerieren einen rechtlichen Konnex zwischen der eigeninitiativen Suche nach Beweismitteln und der anschließenden staatlichen Verwertung, der sich gerade nicht begründen lässt.237 3. Die verfassungsmäßige Ordnung als Grundrechtsschranke Da das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht nicht schrankenlos gewährleistet ist, sondern vielmehr nach Maßgabe der überkommenen Grundrechtsdogmatik eingeschränkt werden kann, begründet der bloße Eingriff noch keine Vorentscheidung zugunsten eines Beweisverwertungsverbots. Ausschlaggebend ist vielmehr die verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ein, bedarf es zunächst einer gesetzlichen Grundlage, um diesen Eingriff überhaupt zu legitimieren.238 Aus der persönlichkeitsrechtlichen Warte ergibt sich diese Vorgabe aus der verfassungsmäßigen Ordnung, die nach der
Hoppe, NZA 2018, 614 (615), obschon diese allein auf die Perpetuierung eines bestehenden Eingriffs rekurriert. Schließlich BGHZ 218, 648 (670), wo der VI. Zivilsenat von einem fortgesetzten Eingriff spricht. 234 Vgl. auch Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 56. Ferner Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 127, der indes auf die Beweisaufnahme abstellt. Diese sei deshalb entscheidend, weil das Gericht hier erstmals in Kontakt mit dem fraglichen Beweismittel gerate. 235 Kopke, NZA 1999, 917 (918 f.). Mit abweichender Begründung Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 178 f. Anderes gilt allein in den Fällen der unselbstständigen Beweisverwertungsverbote, die an eine vorangehende Rechtsverletzung durch die staatlichen Strafverfolgungsbehörden anknüpfen. Dazu Singelnstein, in: EisenbergFS, S. 643 (649 f.). 236 Vgl. Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 56. 237 Zu den mittelbaren Zusammenhängen zwischen der außerprozessualen Erlangung und der staatlichen Verwertung Teil 3, B. II. 4. f). 238 Dallmeyer, HRRS 2009, 429 (430); Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Tonund Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 81. So auch Röckl/Fahl, NZA 1998, 1035 (1039). Dass die Schrankentrias des Art. 2 Abs. 1 GG auch sub specie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gilt, entspricht der gefestigten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, BVerfGE 65, 1 (44); 78, 77 (85); 120, 180 (201).
B. Folgen für die Entwicklung prozessualer Beweisverbote
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gefestigten Rechtsprechung des BVerfG sämtliche Rechtsnormen umfasst, „die formell und materiell mit der Verfassung in Einklang stehen“.239 In der Diskussion um (straf)prozessuale Beweisverwertungsverbote haben diese grundrechtsdogmatischen Aspekte über einen langen Zeitraum keine wesentliche Bedeutung eingenommen.240 Der maßgebliche Anstoß für eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Vorbehalt des Gesetzes im beweisrechtlichen Kontext ist auf Sydow zurückzuführen, der sich 1976 auf die Suche nach gesetzlichen Eingriffsbefugnissen begeben und diese zugleich von bloßen Aufgabenzuweisungen unterschieden hat.241 In der Folgezeit haben verschiedene Stimmen diese Erwägungen aufgegriffen und fortentwickelt.242 Obschon an der Geltung des Gesetzesvorbehalts keine ernstlichen Zweifel bestehen, rekurrieren die Entscheidungen, die das Prinzip einer grundrechtlichen Abwägung bemühen, um über die Verwertbarkeit eigeninitiativ erlangter Beweismittel zu urteilen, regelmäßig allein auf die inhaltlichen Parameter dieses Interessenausgleichs, ohne die methodischen Grundlagen zu benennen.243 Erst in der jüngeren Vergangenheit haben das BVerfG und im Anschluss daran auch der BGH die Frage aufgeworfen, inwieweit eine Rechtsgrundlage existiert, die den Grundrechtseingriff, der mit der gerichtlichen Beweisverwertung einhergeht, zu legitimieren vermag.244 Der vornehmlich inhaltsbezogene Zuschnitt des Abwägungsmodells bedarf einer kritischen Auseinandersetzung, da der vorschnelle Rückgriff auf bestimmte Grundannahmen den Blick dafür verstellt, das Problem in seiner gesamten Relevanz zu erfassen. In diesem Zusammenhang sei zunächst noch einmal daran erinnert, dass die Verfechter des verfassungsrechtlichen Abwägungsmodells dieses (auch) deshalb heranziehen, weil sich den jeweiligen Verfahrensordnungen keine Normen entnehmen lassen, die sich zum Umgang mit privat erlangten Beweismitteln explizit verhalten. Unbeachtet bleibt dabei aber zumeist ein essenzieller Gesichtspunkt: 239
BVerfGE 6, 32 (38); 80, 137 (153); 90, 145 (172); 128, 193 (206). Dazu Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 171; Reeb, Internal investigations, S. 131; Dautert, Beweisverwertungsverbote und ihre Drittwirkung, S. 52. Ein abweichendes Bild ergibt sich hingegen für die außerprozessuale Beweiserhebung, da insoweit zahlreiche Ermächtigungsgrundlagen existieren, Greco, in: Rogall-FS, S. 485 (488). Insoweit bleibt indes erörterungsbedürftig, ob diese allein die Beweiserhebung legitimieren oder aber auch die anschließende gerichtliche Beweisverwertung. 241 Sydow, Kritik der Lehre von den Beweisverboten, S. 13. 242 Dallmeyer, Beweisführung im Strengbeweisverfahren, S. 32 ff.; ders., HRRS 2009, 429 (430); Jahn, Gutachten C, S. 68; ders., in: Stöckel-FS, S. 259 (259 ff.); ders., StraFo 2011, 117 (125 f.). Vgl. ferner Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 80 f.; Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 62; ders., Jura 1994, 393 (397); Hamm, NJW 2003, 194; Strate, JZ 1989, 176 (178). 243 BVerfGE 34, 238 (248 ff.); 80, 367 (375 ff.); 117, 202 (241); BGHSt 14, 358; 36, 167. Zum Ganzen Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 83. So explizit schon Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 69. 244 BVerfG NJW 2010, 2937 (2938); BVerfGE 130, 1 (29, 35 ff.); BGHSt 56, 127 (134). 240
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Teil 3: Erste allgemeine Folgerungen für die Beweisverbotslehre
Sollte die Untersuchung der prozessualen Regelwerke zutage fördern, dass diese keine verfassungskonformen Grundlagen enthalten, die einen richterlichen Grundrechtseingriff durch die Beweisverwertung stützen, wäre ein solcher stets – und sonach unabhängig von den verfolgten Interessen sowie deren Gewicht – verfassungswidrig.245 Dieser neuralgische Punkt tritt in der gegenwärtigen Debatte auch deshalb in den Hintergrund, weil die prozessuale Verwertung nicht selten als der vorgesehene Regelfall begriffen wird.246 Die gerichtliche Wahrheitsfindung, die ihrerseits den Boden für eine gerechte Entscheidung ebnet, scheint – vor allem aus einem praktischen Blickwinkel – zu wichtig zu sein, um sie einer spezifischen Rechtfertigungslast zu unterwerfen.247 Nach diesem Verständnis stellt ein Beweisverwertungsverbot den begründungsbedürftigen Ausnahmefall dar, der die richterliche Wahrheitssuche beschränkt und deshalb einer besonderen Legitimation bedarf.248 Wechselt man jedoch die Perspektive und nimmt auch insoweit einen grundrechtsdogmatischen Blickwinkel ein, so erhellt, dass die Verwertung eines grundrechtsrelevanten Beweismittels a priori nur dann in Betracht kommt, wenn sich diese auf eine einfachgesetzliche Rechtsgrundlage stützen lässt.249 In diesem Zusammenhang treten die straf- und zivilprozessualen Vorschriften, die das jeweilige Beweisrecht regeln, in den Vordergrund, wobei zwischen den verschiedenen Verfahrensordnungen zu differenzieren ist.
245 Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 63; ders., Jura 1994, 393 (397). Vgl. dazu auch Gropp, StV 1989, 216 (219) m. w. N.; Laber, Die Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen im Strafverfahren, S. 79; ferner Singelnstein, NStZ 2020, 639 (644); ders., in: Eisenberg-FS, S. 643 (654) für die rechtswidrige Beweiserhebung durch den Staat. 246 Siehe nur Werner, NJW 1988, 993 (998 f.); Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (750); Prütting, in: MüKo-ZPO, § 284 Rn. 18. Kritisch dazu Trüg/Habetha, NStZ 2008, 481 (482); Wohlers, JZ 2011, 252 (254). Ferner Giesen, NZV 2020, 70 (75). 247 Vgl. etwa BVerfG NJW 2011, 2417 (2419). 248 Für den Strafprozess: BVerfG NJW 2010, 287; BGHSt 44, 243 (249); 51, 285 (290); 54, 69 (87); BGH NJW 2015, 2594 (2596); BGH StV 2021, 795; Bader, in: KK-StPO, Vorb. § 48 Rn. 27, 52; Kalb, Die funktionale Begründung strafprozessualer Beweisverbote, S. 131. So auch BVerfG NJW 2011, 2417 (2419). Kritisch zur Argumentationsstruktur der Rechtsprechung Dallmeyer, HRRS 2009, 429 (430 f.), indes bezogen auf die unselbstständigen Verwertungsverbote. Gegen die Ausnahmethese auch Bienert, Private Ermittlungen, S. 178; Niehaus, NZV 2016, 551 (553). Für den Zivil- bzw. Arbeitsgerichtsprozess: BAG NJW 2008, 2732 (2734); Prütting, in: MüKo-ZPO, § 284 Rn. 66; Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (317); Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329 (339); Altenburg/Leister, NJW 2006, 469 (470); Kiethe, MDR 2005, 965 (967); Werner, NJW 1988, 993 (999); Habscheid, ZZP (96) 1983, 306 (308); Chandna-Hoppe, NZA 2018, 614 (615); Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (750). 249 Störmer, Jura 1994, 393 (397); Röckl/Fahl, NZA 1998, 1035 (1039); Reeb, Internal investigations, S. 131 ff. Daher erteilt Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 75 f. der These, wonach die Unverwertbarkeit explizit begründet werden müsse, von vornherein eine Absage.
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a) Strafprozessuale Rechtsgrundlage Die Suche nach einer strafprozessualen Rechtsgrundlage erweist sich deshalb als diffizil, weil das Verfahrensrecht keine Norm bereithält, die sich explizit dazu äußert, unter welchen Voraussetzungen ein Beweismittel verwertet werden kann.250 Zwar normieren einzelne Vorschriften spezifische Grenzen und tragen auf diese Weise zu einem streng formalisierten Beweisverfahren bei.251 In weiten Teilen erschöpfen sich diese Normen indes in einer technischen Anleitung, die erklärt, wie bestimmte Beweismittel erhoben werden und sonach Eingang in die Hauptverhandlung finden.252 Eine ausdrückliche Befugnis i. S. e. Verwertungsermächtigung lässt sich indes nicht ohne Weiteres erkennen. Dieses vermeintliche Regelungsdefizit betrifft bei Lichte betrachtet keineswegs nur die hier diskutierte Konstellation einer privaten Beweismittelsuche, sondern tangiert auch den gesetzlich vorgesehenen Regelfall einer staatlichen Ermittlung, die sich an den verfahrensrechtlichen Vorgaben orientieren muss. Insoweit stellt sich ebenfalls die Frage, auf welche Rechtsgrundlage die staatliche Beweisverwertung in einem Strafverfahren gestützt werden kann – und zwar allen voran in solchen Fällen, in denen die Strafverfolgungsbehörden gesetzliche Grenzen bei der außerprozessualen Beweiserhebung missachtet haben.253 Angesprochen sind folglich die unselbstständigen Beweisverwertungsverbote, in deren Zusammenhang sich zentrale Thesen der sog. Beweisbefugnislehre entwickelt haben,254 an denen sich die nachfolgenden Erwägungen teilweise orientieren. Mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzes kommt den instruktiven Gedanken von Singelnstein erhebliche Sprengkraft 250 Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 107; Singelnstein, in: Eisenberg-FS, S. 643 (653). Die Rechtfertigungsgründe des materiellen Strafrechts dienen insoweit nicht als taugliche Grundrechtsschranke, Sydow, JuS 1978, 222 (223); Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 71; Laber, Die Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen im Strafverfahren, S. 82 f. Vgl. auch Rogall, JuS 1992, 551 (558). Abweichend Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 94 ff., der § 34 StGB als Grundrechtsschranke einstuft. Ferner Schwabe, NJW 1977, 1902 (1903 ff.). Dazu auch Röckl/Fahl, NZA 1998, 1035 (1039 f.). Zur Bedeutung des § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB Teil 5, B. III. 2. b). 251 Zum Ganzen Geismann, in: 1. Tagung Junger Prozessrechtswissenschaftler, S. 111 (117, 121 f.); Fezer, JuS 1977, 234. 252 Vgl. dazu Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 112; Störmer, Jura 1994, 393 (397); ähnlich Fezer, JuS 1977, 234 (235). 253 BVerfG NJW 2010, 2937 (2938); BVerfGE 130, 1 (29, 35 ff.); BGHSt 56, 127 (134); Singelnstein, NStZ 2020, 639 (643); ders., in: Eisenberg-FS, S. 643 (651 ff.); Lucke, HRRS 2011, 527 (531); Dallmeyer, HRRS 2009, 429 (430); Reeb, Internal investigations, S. 136 f. Vgl. schließlich auch Jahn, Gutachten C, S. 68 ff., der seine Beweisbefugnislehre im Kontext der unselbstständigen Verwertungsverbote entwickelt und sodann auf die selbstständigen Verwertungsverbote transferiert. 254 Zu dieser Jahn/Dallmeyer, NStZ 2005, 297 (303); Jahn, Gutachten C, S. 66 ff.; ferner Dallmeyer, Beweisführung im Strengbeweisverfahren, S. 50 ff. Vgl. schließlich auch Singelnstein, NStZ 2020, 639 (643 f.). Zu einzelnen Unterschieden in der jeweiligen Argumentation Greco, in: Rogall-FS, S. 485 (502 Fn. 87); Rogall, JZ 2008, 818 (824 f.).
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zu, der anmahnt, der Strafprozessordnung lasse sich schlechterdings keine Rechtsgrundlage für die Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel durch die staatlichen Ermittlungsbehörden entnehmen, so dass die gegenwärtige Abwägungspraxis rechtswidrig sei und es nunmehr dem Gesetzgeber obliege, eine eindeutige Rechtslage zu implementieren.255 Ein solches Ergebnis würde – wie Lesch bereits vor einigen Jahren zutreffend konstatiert hat – „die Dinge auf den Kopf stellen“256 und den Umgang mit vorhandenen Beweismitteln in praxi stark einschränken. Umgekehrt – und sonach gewissermaßen als Rettungsanker der Abwägungskonstruktion – wird schließlich auch vertreten, dem nationalen Strafverfahrensrecht sei eine Verwertungsbefugnis immanent.257 Bei näherem Hinsehen muss man den zuletzt genannten und dogmatisch durchaus unsicheren Schritt nicht gehen. Denn das Postulat der umfassenden Wahrheitserforschung findet in einzelnen strafprozessualen Vorschriften durchaus einen normativen Widerhall – und zwar unabhängig davon, ob es sich um staatlich oder eigeninitiativ erlangte Beweismittel handelt. Da eine präzisere Gesetzesgrundlage nicht existiert, rekurrieren zunehmende Stellungnahmen auf allgemeine Normen des Beweisrechts und plädieren dafür, entweder § 244 Abs. 2 StPO258 oder aber § 261 StPO259 als hinreichende Befugnisnorm zu begreifen.260 Schließlich lassen sich Stimmen ausmachen, die dafür eintreten, die beiden Vorschriften in ihrem Zusammenwirken als Rechtsgrundlage heranzuziehen, um Beweismittel im gerichtlichen
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Singelnstein, NStZ 2020, 639 (644). Lesch, GA 2000, 355 (364). So auch Greco, in: Rogall-FS, S. 485 (502). 257 Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 49, indes im Kontext der unselbstständigen Beweisverwertungsverbote. Vgl. auch Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 254 f. 258 LG Düsseldorf wistra 2011, 37 (38); Jahn, Gutachten C, S. 68 f.; ders., in: Stöckel-FS, S. 259 (270); ders., ZStW 118 (2006), 427 (444); ders., StraFo 2011, 117 (126); Laber, Die Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen im Strafverfahren, S. 85; Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 116; Lesch, GA 2000, 355 (365); Müssig, GA 1999, 119 (124); Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 77 f.; ders., Jura 1994, 393 (398); Kölbel, NStZ 2008, 241 (242); Fezer, JuS 1977, 234 (235). Explizit gegen § 244 Abs. 2 StPO als Ermächtigungsgrundlage für die Verwertung Sydow, Kritik der Lehre von den Beweisverboten, S. 13; Rogall, JZ 2008, 818 (825); ders., StV 1996, 513 (516); Dallmeyer, Beweisführung im Strengbeweisverfahren, S. 97 f. 259 BVerfGE 130, 1 (29, 35 ff.); BGHSt 56, 127 (134); Rogall, JZ 2008, 818 (822, 825); Dautert, Beweisverwertungsverbote und ihre Drittwirkung, S. 74. Gegen § 261 StPO als Rechtsgrundlage für die Verwertung Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 73 f. 260 Umfassend Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 172 ff. Zweifelnd demgegenüber Kalb, Die funktionale Begründung strafprozessualer Beweisverbote, S. 148; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 103; Singelnstein, in: Eisenberg-FS, S. 643 (653); Beulke, Jura 2008, 653 (656). Zum Inhalt der §§ 244, 261 StPO Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 299 f. 256
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Verfahren zu verwerten.261 Es würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen, eine allumfassende Analyse dahingehend durchzuführen, inwieweit die §§ 244 Abs. 2, 261 StPO den staatlichen Strafverfolgungsorganen lediglich eine Aufgabe zuweisen262 oder aber eine echte Befugnis aussprechen, die einen grundrechtlichen Eingriff zu rechtfertigen vermag, so dass sich die nachfolgenden Ausführungen auf wesentliche Grundzüge beschränken.263 Der Umgang mit Beweismitteln rechnet zu den zentralen Bestandteilen des Strafverfahrens,264 da eine schuldangemessene Verurteilung nur ergehen kann, wenn die maßgeblichen Tatsachen, die einer etwaigen Straftat zugrunde liegen, hinreichend sicher feststehen. Um diesen evidenten Vorgang in geordnete Bahnen zu lenken, weisen die beweisrechtlichen Vorschriften den mit der Sache befassten Gerichten nicht allein die Aufgabe zu, vorhandene Beweismittel im Rahmen der gesetzlichen Grenzen zu berücksichtigen, sondern statuieren vielmehr eine entsprechende Pflicht.265 Normativen Ausdruck findet diese Erkenntnis auch in § 244 Abs. 3 StPO, der die richterliche Ablehnung eines gestellten Beweisantrags – mithin nach dem hier vertretenen Begriffsverständnis die gerichtliche Beweiserhebung – regelt und auf den Wölfl explizit hingewiesen hat.266 Ausweislich seiner Struktur gestattet § 244 Abs. 3 StPO die Ablehnung eines Beweisantrags nur unter enumerativ aufgezählten Bedingungen. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass eine Beweiserhebung in allen nicht genannten Fällen – und sonach auch dann, wenn eine Beweismaßnahme mit einem Grundrechtseingriff einhergeht – nicht nur erfolgen darf,267 sondern angesichts der richterlichen Aufklärungspflicht auch erfolgen muss.268 Dieser klare Appell an das entscheidende Gericht betrifft indes nicht allein den Vorgang der Beweiserhebung, sondern gleichermaßen auch die Verwertung 261
BVerfG NJW 2010, 2937 (2938); Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 867. In diese Richtung auch Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 177. Kritisch hingegen Singelnstein, NStZ 2020, 639 (644), der diese Normen nicht genügen lässt. 262 So etwa Sydow, Kritik der Lehre von den Beweisverboten, S. 13; Gössel, in: Bockelmann-FS, S. 801 (812 Fn. 45); Strate, JZ 1989, 176 (178). Kritisch auch Rogall, in: RudolphiSymposium, S. 113 (146 f. Fn. 221); ders., JZ 2008, 818 (825). 263 Umfassend zum Ganzen: Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 114 ff.; Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 77 f. Instruktiv Sydow, Kritik der Lehre von den Beweisverboten, S. 13. Schließlich auch Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 174 f. 264 Statt aller Geismann, in: 1. Tagung Junger Prozessrechtswissenschaftler, S. 111 (112). 265 In diese Richtung auch Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 174; Müssig, GA 1999, 119 (124). 266 Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 116. Zustimmend Dautert, Beweisverwertungsverbote und ihre Drittwirkung, S. 76 f. 267 Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 116. 268 In diese Richtung Störmer, Jura 1994, 393 (398).
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eines bereits erhobenen Beweises. Um diesen Gesamtkontext des richterlichen Umgangs mit Beweismitteln hinreichend klar abzubilden, dienen die §§ 244 Abs. 2, 261 StPO gerade in ihrem Zusammenwirken als Rechtsgrundlage für sämtliche Beweismaßnahmen im Strafprozess.269 Vergleicht man die genannten Vorschriften mit den Regelungen der Strafprozessordnung, die die staatliche Beweiserhebung durch die Staatsanwaltschaft sowie die Polizei betreffen und die sonach außerprozessuale Ermittlungsbefugnisse statuieren, erhellt ein zentraler Unterschied: Die Regelungsdichte – und sonach auch die Bestimmtheit – der §§ 244 Abs. 2, 261 StPO weist ein deutlich geringeres Niveau auf,270 und begegnet vor diesem Hintergrund verfassungsrechtlichen Bedenken, die auf einen möglichen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot hinweisen,271 nach dem eine gesetzliche Vorschrift so präzise gefasst sein muss, dass sowohl der Regelungsinhalt als auch die spezifischen Rechtsfolgen von vornherein feststehen.272 Ausweislich dieser überkommenen Grundsätze anerkennen selbst die Stimmen, die in den §§ 244 Abs. 2, 261 StPO eine ausreichende Rechtsgrundlage erblicken, dass sich diese Normen an der Untergrenze des verfassungsrechtlich Zulässigen bewegen.273 Im Ergebnis befriedigen diese legislatorischen Vorgaben ein Bedürfnis, dem sich die überkommene Vorstellung vom Sinn und Zweck des Strafverfahrens verschrieben hat: Zwar betont auch der BGH, der Strafprozess ziele nicht darauf ab, die Wahrheit um jeden Preis – insbesondere zulasten essenzieller Rechte des Beschul-
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Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 867. Die Stimmen, die allein § 244 Abs. 2 StPO als Rechtsgrundlage für die Beweisverwertung genügen lassen, legen ein divergierendes Begriffsverständnis zugrunde. Siehe explizit Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 38 f.; Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 10 ff. 270 Dazu auch Jahn, Gutachten C, S. 69. In diese Richtung schon Gropp, StV 1989, 216 (219); Fezer, Grundfragen der Beweisverwertungsverbote, S. 1 f. Schließlich weist auch Chao, Einwirkungen der Grundrechte auf die Beweisverbote im Strafprozessrecht, S. 128 auf den hohen Detaillierungsgrad der Beweisgewinnungsvorschriften in der StPO hin. 271 Beulke, Jura 2008, 653 (656); Singelnstein, in: Eisenberg-FS, S. 643 (653). Ferner Gropp, StV 1989, 216 (219). Schließlich meldet auch Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 103 einzelne Zweifel an. 272 BVerfGE 31, 255 (264); 45, 400 (420); 58, 257 (278); 62, 169 (183); 83, 130 (145). 273 Jahn, Gutachten C, S. 69; Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 867. Vgl. etwa auch Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 126 ff., der für eine Orientierung am Rechtsgedanken der §§ 100a, 100c StPO eintritt. Hiervon divergiert wiederum der Ansatz von Reeb, Internal investigations, S. 139, der auf die hypothetische Anwendung der Beweiserhebungsnormen abstellt, diese aber mit den §§ 244 Abs. 2, 261 StPO verbindet. Für die Verfassungsmäßigkeit des § 261 StPO mit Blick auf die Normenbestimmtheit und Normenklarheit BVerfGE 130, 1 (36). Zustimmend Dautert, Beweisverwertungsverbote und ihre Drittwirkung, S. 74.
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digten – zu ermitteln.274 Das gerichtliche Verfahren soll vielmehr zu einer gerechten Entscheidung führen, die auf einer „faire[n] Ausgestaltung und Anwendung des Strafverfahrensrechts“275 beruht. Nichtsdestoweniger dürfen in diesem Zusammenhang die Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, die ihrerseits Verfassungsrang einnehmen,276 nicht vernachlässigt werden.277 Mit Blick auf dieses unverzichtbare Gebot eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens verlangt eine gerechte Entscheidung die „bestmögliche Ermittlung des wahren Sachverhalts“278 – weshalb es jedenfalls aus einer praktischen Perspektive nachvollziehbar wird, dass die weit überwiegende Auffassung von einem Primat der Verwertbarkeit ausgeht.279 Letztlich ist diese Erkenntnis jedoch nicht auf einen generellen Vorrang der Wahrheitserforschung zurückzuführen, der jedes Beweisverwertungsverbot als begründungsbedürftige Ausnahme einstuft.280 Vielmehr kann es sich – aus dem hier eingenommenen grundrechtlichen Blickwinkel – allein umgekehrt verhalten:281 Weil die strafprozessualen Befugnisnormen eine umfangreiche Verwertbarkeit gestatten – und insoweit eine taugliche Grundrechtsschranke implementieren –, erlauben diese weitläufige Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG.282 Die verfassungskonforme Auslegung und Anwendung der §§ 244 Abs. 2, 261 StPO vermag hinsichtlich der grundrechtsrelevanten Beweismittel sonach zu erklären, ob diese trotz eines grundrechtlichen Eingriffs verwertbar sind. Insbesondere genügt der schlichte Rekurs auf das viel zitierte Verhältnismäßigkeitsprinzip, wonach die konfligierenden Rechtspositionen in einen schonenden Ausgleich zu bringen sind, für sich betrachtet nicht, um einen Eingriff in 274 BGHSt 14, 358 (365); 31, 304 (309); 38, 219 (220); 38, 374 (373 f.). Ferner Landau, NStZ 2007, 121 (129). Zur Bedeutung der Wahrheit im Strafprozess Krauß, in: SchaffsteinFS, S. 411 (411 ff.). Instruktiv zur Bedeutung dieser zentralen Aussage des BGH Jahn, StraFo 2011, 117. 275 BVerfGE 122, 248 (272 f.). Vgl. auch Rieß, in: Schäfer-FS, S. 155 (170), der eine Ausrichtung am übergeordneten Ziel des Rechtsfriedens postuliert. 276 Landau, NStZ 2011, 537 (544). 277 Dazu bereits Niese, ZStW 63 (1951), 199 (214). Vgl. auch BVerfGE 33, 367 (383); 113, 29 (54); 122, 248 (272 f.); Fischer, in: KK-StPO, Einl. Rn. 3. Zur Bedeutung des Gebots einer effektiven Strafrechtspflege im spezifischen Kontext der Beweisverwertungsverbote Landau, NStZ 2011, 537 (545). Instruktiv zum Konflikt zwischen der Ermittlung des wahren Sachverhalts und den rechtsstaatlichen Grenzen Geismann, in: 1. Tagung Junger Prozessrechtswissenschaftler, S. 111 (112 f.). 278 BVerfGE 133, 168 (225); 130, 1 (26.). Ähnlich BVerfGE 63, 45 (61); 57, 250 (275); 122, 248 (270). Zum Ganzen – mit einigen kritischen Anmerkungen – Gärditz, in: PaeffgenFS, S. 439 (446 ff.). 279 BVerfG NJW 2010, 2937 (2938); BGHSt 27, 355 (357); 35, 32 (34); 37, 30 (32); 44, 243 (249); 51, 285 (290). So schon Beling, Die Beweisverbote, S. 28: „Alles wird von der strafprozessualen Wahrheitsfindung unbarmherzig zertreten“. 280 Vgl. Jahn, Gutachten C, S. 68. 281 Dautert, Beweisverwertungsverbote und ihre Drittwirkung, S. 75. Zum Verbot der Beweisverwertung als Regelfall Reeb, Internal investigations, S. 135. 282 Ähnlich Singelnstein, in: Eisenberg-FS, S. 643 (655).
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Teil 3: Erste allgemeine Folgerungen für die Beweisverbotslehre
das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht zu legitimieren.283 Dieser anerkannte Grundsatz erlaubt keinen Verzicht auf eine einfachgesetzliche Grundlage, sondern gewährleistet vielmehr, dass dem einschränkenden Gesetz im Lichte des betroffenen Grundrechts seinerseits spezifische Schranken begegnen.284 Nach alledem ist kaum von der Hand zu weisen, dass der Gesetzgeber durch präziser gefasste Vorschriften, die eine Beweisverwertung auch bei einzelnen Rechtsverstößen expressis verbis erlauben, einen erheblichen Beitrag dazu leisten könnte, der gesamten Beweisverbotsdebatte zu einem rechtlichen Fortschritt zu verhelfen.285 Allerdings zöge dieses Unterfangen, das in Teilbereichen zu einem Zugewinn an Rechtssicherheit führte, nicht nur einen erheblichen legislatorischen Aufwand nach sich, sondern liefe zugleich Gefahr, in einzelnen Facetten unvollständig zu bleiben.286 Das Beweisrecht zeichnet sich wie kaum eine andere Rechtsdisziplin durch stetig neue Herausforderungen aus, die größtenteils mit veränderten technischen Begebenheiten zusammenhängen und sonach nicht selten einer einzelfallgerechten Entscheidung bedürfen.287 Vor diesem Hintergrund verschieben sich die rechtlichen Bewertungsmaßstäbe, die Aufschluss darüber geben sollen, unter welchen Voraussetzungen ein Beweismittel im gerichtlichen Verfahren verwertet werden kann, allenthalben.288 Eine gesetzliche Befugnisnorm, die diesen Spagat zwischen einem hinreichenden Maß an Rechtssicherheit auf der einen und 283 Instruktiv Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 83. Vgl. auch Bienert, Private Ermittlungen, S. 28 m. w. N. 284 Aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung BVerfGE 7, 198 (208 ff.); 12, 113 (124 ff.). Aus dem Schrifttum Gropp, StV 1989, 216 (219); Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 72; ders., Jura 1994, 393 (396); Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 83. Vgl. bereits Strate, JZ 1989, 176 (179). 285 Dazu Singelnstein, NStZ 2020, 639 (644); ders., in: Eisenberg-FS, S. 643 (656); Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 82. Ferner Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 124, der einen Rückgriff auf die Regelbeispielstechnik erwägt. Zu einem konkreten Vorschlag Gropp, StV 1989, 216 (228): „Die Verwertung einer die Privatsphäre beeinträchtigenden elektroakustischen Aufzeichnung des nichtöffentlich gesprochenen Wortes des Beschuldigten gegen seinen Willen und zu seinen Lasten ist unbeschadet spezieller gesetzlicher Regelungen unzulässig, es sei denn, daß sie zum Beweis entscheidungserheblicher Tatsachen erforderlich ist und bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich des in Betracht kommenden Tatunrechts, der besonderen Beweistauglichkeit der Gesprächsaufzeichnung und des Unrechts der Beweisgewinnung, das Interesse an der Wahrheitsermittlung das Interesse am Schutz der Privatsphäre überwiegt“. 286 Zur zusätzlich drohenden Gefahr einer Verrechtlichung Greco, in: Rogall-FS, S. 485 (505 Fn. 109) m. w. N. 287 Laber, Die Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen im Strafverfahren, S. 85; Singelnstein, in: Eisenberg-FS, S. 643 (644). 288 Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 79 f.; Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 177. Zu einigen zentralen Grundfesten, die sich im Kontext des Abwägungsmodells entwickelt haben, siehe noch Teil 3, B. II. 4.
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einer flexiblen sowie einzelfallgerechten Reaktionsmöglichkeit auf der anderen Seite abbilden wollte, bliebe ihrerseits von vornherein unscharf.289 Gegenüber den gegenwärtigen Generalklauseln der §§ 244 Abs. 2, 261 StPO fiele der rechtliche Fortschritt sonach geringer aus, als es zunächst vermuten lässt.290 Auch deshalb können die strafprozessualen Regelungen bereits de lege lata als formell und materiell verfassungskonforme Rechtsgrundlage eingestuft werden, die einen Eingriff in das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zu legitimieren vermag. b) Zivilprozessuale Rechtsgrundlage In der zivilprozessualen Diskussion bestehen weitgehend ähnliche Fragestellungen, obschon es a priori scheint, als sei die Suche nach einer gesetzlichen Rechtsgrundlage weiter fortgeschritten als in der strafverfahrensrechtlichen Debatte. Sowohl das BVerfG als auch der BGH weisen im Hinblick auf die Verwertbarkeit von persönlichkeitsrechtlich relevanten Beweismitteln zunächst ausdrücklich darauf hin, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch die verfassungsmäßige Ordnung beschränkt werde.291 Zu dieser zählten „auch die zivilprozessualen Vorschriften über die Vernehmung von Zeugen (§§ 373 ff. ZPO) sowie über die richterliche Beweiswürdigung (§ 286 ZPO)“.292 Ähnliche Erwägungen finden sich auch im zivilprozessualen Schrifttum, wobei sich die einschlägigen Stellungnahmen zumeist darin erschöpfen, die einfachgesetzlichen Eingriffsgrundlagen zu benennen, und diesen den Inhalt zuzuschreiben, das Gericht sei grundsätzlich dazu verpflichtet, die angebotenen Beweismittel zu berücksichtigen –293 und zwar selbst dann, wenn diese einen grundrechtsrelevanten Inhalt aufweisen. Eine weitergehende Präzisierung unternimmt hingegen Müller, die betont, die zivilprozessualen Regelungen bestimmten größtenteils allein das „Wie“ des Beweisverfahrens, ohne dabei das „Ob“ – und somit die rechtliche Zulässigkeit eines angebotenen Beweismittels – aus-
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Auf das hohe Abstraktionsniveau des Themenkomplexes weist auch Jahn, StraFo 2011, 117 (126) hin. Zu ähnlichen Erwägungen Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 101; Laber, Die Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen im Strafverfahren, S. 85; Dautert, Beweisverwertungsverbote und ihre Drittwirkung, S. 78 m. w. N. Vgl. insoweit Gropp, StV 1989, 216 (228), dessen Vorschlag für eine gesetzliche Vorschrift ebenfalls eine einzelfallabhängige Interessenabwägung verlangt. 290 Vgl. auch Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 79; Laber, Die Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen im Strafverfahren, S. 85. Auf weitergehende Gefahren weist schließlich Petry, Beweisverbote im Strafprozess, S. 23 f. hin. 291 BVerfGE 106, 28 (48); BGH NJW 2013, 2668 (2670). 292 BVerfGE 106, 28 (48); BGH NJW 2013, 2668 (2670). Schließlich auch BAG NJW 2008, 2732 (2734). 293 Werner, NJW 1988, 993 (1000 f.); Bergwitz, NZA 2012, 353 (354); Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329 (339); Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 256. Teilweise auch Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (384).
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drücklich zu normieren.294 Indes lasse sich aus den verfahrensbezogenen Vorschriften zum „Wie“ indirekt auf die Befugnis zur Vornahme einer solchen Beweismaßnahme schließen. Berücksichtigt man diese Aussagen, so erhellt, dass die Suche nach einer tauglichen Rechtsgrundlage keineswegs abgeschlossen ist, sondern vielmehr vor ähnlichen rechtlichen Hürden steht, die schon in der strafprozessualen Auseinandersetzung offen zutage getreten sind. Dies gilt namentlich für den legislatorischen Ausgangspunkt: Die Zivilprozessordnung enthält keine allgemeingültige Vorschrift, die sich zum Umgang mit Beweismitteln, die von privater Seite erlangt wurden und nunmehr Eingang in das gerichtliche Verfahren finden sollen, explizit verhält.295 Vor diesem Hintergrund lässt sich eine staatliche Befugnis de lege lata von vornherein nur aus einer Zusammenschau solcher zivilprozessualen Normen gewinnen, die ihrerseits das Beweisverfahren regeln, wobei insoweit auch übergeordnete Gesichtspunkte des Zivilverfahrens berücksichtigt werden müssen. Zu diesen rechnen vornehmlich Sinn und Zweck des Zivilprozesses im Allgemeinen sowie des Beweisrechts im Besonderen. Mittlerweile ist weitgehend anerkannt, dass der Zivilprozess keineswegs den Selbstzweck verfolgt, die objektive Wahrheit zu ermitteln,296 sondern vielmehr darauf ausgerichtet ist, die subjektiven Rechtspositionen der beteiligten Parteien gerichtlich durchzusetzen.297 Diese Erkenntnis spiegelt sich auch in der Struktur des Zivilverfahrens deutlich wider, in dem gerade keine Aufklärung von Amts wegen
294 Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 60. Kritisch dazu auch Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 61 f. 295 Thole, in: Stein/Jonas, § 284 Rn. 1, 40; Bacher, in: BeckOK-ZPO, § 284 Rn. 44. Ferner Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 61, der sich explizit auf § 286 ZPO konzentriert. 296 Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (370 f.); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 145; Brehm, Bindung des Richters an den Parteivortrag und Grenzen freier Verhandlungswürdigung, S. 21 ff.; Kaltenmeier, Betriebsverfassungsrechtliches Beweisverwertungsverbot, S. 23; Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten bei der Sachverhaltsaufklärung, S. 287; Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 141; Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 15 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 77 Rn. 7; Diakonis, Grundfragen der Beweiserhebung von Amts wegen im Zivilprozess, S. 37 ff. Vgl. indes auch Niese, Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen, S. 16, der die Wahrheit als Ziel jedes Prozesses einstuft. 297 BGHZ 10, 333 (336); 161, 138 (143); Stürner, in: Baumgärtel-FS, S. 545 (545 ff.); Betz, RdA 2018, 100 (109); Fuhlrott/Schröder, NZA 2017, 278 (282); Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (371). Zur Rechtsfrieden stiftenden Funktion Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 224; Diakonis, Grundfragen der Beweiserhebung von Amts wegen im Zivilprozess, S. 36 m. w. N. Zur Übersicht über die verschiedenen Meinungen zum Prozesszweck Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten bei der Sachverhaltsaufklärung, S. 286 f. Instruktiv im Hinblick auf die Wahrheitsfindung Brandt, Das englische Disclosure-Verfahren, S. 205 ff.; Foerster, Transfer, S. 113 f.
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erfolgt.298 Es obliegt der beweisbelasteten Partei, die entscheidungserheblichen Tatsachen zu beweisen, sofern diese streitig sind. Wenn aber die Behauptung des Klägers, es sei zu einem mündlich abgeschlossenen Darlehensvertrag gekommen, durch den Prozessgegner nicht bestritten wird, findet die postulierte Tatsache unabhängig davon Eingang in das Verfahren, ob diese objektiv wahr ist und muss vom entscheidenden Gericht folglich berücksichtigt werden.299 Dieses Prinzip der sog. formellen oder zivilprozessualen Wahrheit300 markiert einen evidenten Unterschied zum Strafverfahren, in dem es stets primär um die Suche nach der materiellen Wahrheit geht,301 die aber freilich auch verfahrensrechtliche Standards einhalten muss.302 Auswirkungen zeitigt diese divergierende Bedeutung der Wahrheitssuche vor allem innerhalb der Güter- und Interessenabwägung.303 Nichtsdestoweniger steht außer Frage, dass eine gerechte Entscheidung, die ihrerseits eine wesentliche Grundbedingung für den angestrebten Rechtsfrieden darstellt, nur dann zu erreichen ist, wenn diese auf einer Tatsachenbasis beruht, die von den Parteien – gewissermaßen als Repräsentanten der Gesellschaft – akzeptiert wird.304 Diese Akzeptanz hängt in weiten Teilen davon ab, inwieweit es den Prozessbeteiligten möglich ist, ihre tatsächlich bestehenden Rechte effektiv durchzusetzen.305 Das Zivilprozessrecht lenkt den Rechtsstreit in geordnete Bahnen und stellt 298 Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 27 m. w. N.; Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten bei der Sachverhaltsaufklärung, S. 287; Brehm, Bindung des Richters an den Parteivortrag und Grenzen freier Verhandlungswürdigung, S. 25 ff. Daraus folgt zugleich, dass das Gericht nur solche Tatsachen verwerten darf, die von den Parteien vorgebracht wurden, BAG NJW 2008, 2732 (2733); Greger, in: Zöller, Vorb. zu §§ 128 ff. Rn. 10. 299 Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (317) m. w. N.; Brehm, Bindung des Richters an den Parteivortrag und Grenzen freier Verhandlungswürdigung, S. 22; Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 25. Zum Zusammenhang mit dem intendierten Prozesszweck Jauernig, JuS 1971, 329 (331). 300 Instruktiv und kritisch dazu Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten bei der Sachverhaltsaufklärung, S. 288 f. Vgl. auch P. Brand, NJW 2017, 3558 (3560); Brandt, Das englische Disclosure-Verfahren, S. 205 f. 301 Kiethe, MDR 2005, 965 (966); P. Brand, NJW 2017, 3558 (3562). Brehm, Bindung des Richters an den Parteivortrag und Grenzen freier Verhandlungswürdigung, S. 27 betont, dass die materielle Wahrheit im Zivilverfahren allenfalls ein Zwischenziel darstelle. Zustimmend Ahrens, ZZP 96 (1983), 1 (11 f.). Auf etwaige Unterschiede in den Prozessarten weist Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 18 hin. Zum Vergleich von Zivil- und Strafverfahren schließlich Foerster, Transfer, S. 108 ff., der zahlreiche Gemeinsamkeiten feststellt. 302 Statt aller Gärditz, in: Paeffgen-FS, S. 439 (445 f.). 303 Dazu noch Teil 3, B. II. 4. a). 304 Habscheid, in: Peters-GS, S. 840 (851); Heese, JZ 2018, 942 (943); Diakonis, Grundfragen der Beweiserhebung von Amts wegen im Zivilprozess, S. 33. Vgl. schließlich auch Peters, ZZP 76 (1963), 145 (145 f.). 305 Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 41; Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess, S. 138. Dazu auch Betz, RdA 2018, 100 (102).
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ein Surrogat für die grundsätzlich verpönte Selbsthilfe bereit, die zumeist auf ein Recht des Stärkeren hinausläuft.306 Sofern aber der Inhaber eines zivilrechtlichen Anspruchs die berechtigte Sorge haben muss, aufgrund zu hoher zivilverfahrensrechtlicher Hürden mit seiner Forderung vor Gericht zu scheitern, leidet hierunter zugleich die Akzeptanz der gerichtlichen Rechtsdurchsetzung: Eine Entscheidung, die auf unwahren oder unvollständigen Tatsachen beruht, begründet von vornherein gewisse Zweifel, die ihrerseits ausgeräumt werden müssen, um die Rechtsfrieden stiftende Funktion des Zivilverfahrens erreichen zu können.307 Die Dispositions- und Verhandlungsmaxime erlauben den Parteien zwar eine umfassende Einwirkungsmöglichkeit auf das Verfahren – und sonach zugleich auch auf den Umfang der Beweisaufnahme.308 Insoweit belegen beispielsweise die anerkannten Rechtsinstitute des Prozessvergleichs, des Anerkenntnisses sowie des Verzichts, dass sich die materiell-rechtliche Privatautonomie in der prozessualen Sphäre fortsetzt.309 Bei näherem Hinsehen führen diese Erwägungen aber in den neuralgischen Fallkonstellationen nicht weiter, in denen sich die Parteien gerade nicht einigen können, und im wahrsten Sinne des Wortes streiten. In einer solchen Situation muss den Parteien die realistische Möglichkeit erwachsen, die „wahren“ Tatsachen in den Prozess einzuführen,310 und schließlich auch zur richterlichen Entscheidungsgrundlage werden zu lassen. Die Verhandlungsmaxime ist zudem auch nicht als flexibles Parteieninstrument konzipiert, das den Beteiligten ermöglichen soll, einen beliebigen Sachverhalt zu präsentieren.311 Offenbar wird dies bereits bei einem Blick auf § 138 ZPO. Vielmehr soll die Beteiligung der Parteien an der Suche nach der „richtigen“ Tatsachengrundlage ähnlich – und idealiter sogar identisch – zur staatlich betriebenen Aufklärung im Ergebnis zum wahren Sachverhalt führen.312 Vor diesem Hintergrund zielt das Beweisrecht der Zivilprozessordnung – jedenfalls auch – darauf ab, die wahre Tatsachenlage aufzudecken und auf deren Grundlage eine 306 Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess, S. 138; Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 23; Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 41; Muthorst, Das Beweisverbot, S. 162; P. Brand, NJW 2017, 3558 (3558 f.); ferner Foerster, Transfer, S. 112. 307 Dazu Muthorst, Das Beweisverbot, S. 132. Vgl. auch Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess, S. 217, der hinsichtlich des Rechts auf Beweis von einem „Idealbild“ spricht, nach dem die Durchsetzung des materiellen Rechts mit der materiellen Rechtslage übereinstimmt. Gleichwohl sei die Wahrheitserforschung nur von ergänzender Bedeutung. 308 Diakonis, Grundfragen der Beweiserhebung von Amts wegen im Zivilprozess, S. 41. 309 Diakonis, Grundfragen der Beweiserhebung von Amts wegen im Zivilprozess, S. 41. Zur Diskussion um mögliche Einschränkungen des Beibringungsgrundsatzes Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 238 ff. 310 In diese Richtung auch Habscheid, ZZP (96) 1983, 306 (308). 311 Kern, in: Stein/Jonas, § 138 Rn. 1; Foerster, Transfer, S. 114. Schließlich auch AG Bremerhaven BeckRS 2016, 119257 Rn. 16, das betont, der Verhandlungsgrundsatz sei nicht „Ausdruck eines Prinzips einer nur formellen Wahrheit“. 312 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 77 Rn. 7; Kern, in: Stein/Jonas, § 138 Rn. 1; Foerster, Transfer, S. 114.
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gerechte Entscheidung zu fällen.313 Diese Erkenntnis entfließt schließlich auch dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Beweis, das in der jüngeren Diskussion eine zentrale Argumentationsgrundlage darstellt.314 Nach allem erfährt die Zivilprozessordnung bereits von Verfassungs wegen eine Ausrichtung, die man durchaus als beweisfreundlich einstufen kann. Unter Rekurs auf diese verfassungsrechtlichen Grundlagen ist die These, nach der die beweisrechtlichen Vorschriften der Zivilprozessordnung als hinreichende Befugnisnormen für einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG genügen,315 haltbar. Es bedarf indes – wie bereits erwähnt – eines Konglomerats verschiedener verfahrensrechtlicher Normen, um die beweisfreundliche Tendenz einfachgesetzlich zu gewährleisten, weil die Zivilprozessordnung „eine allgemeine Vorschrift über Beweis und Beweisführung“ gerade nicht kennt.316 Vorzugswürdig ist dabei eine Zusammenschau des § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO, der die freie Beweiswürdigung des Gerichts festschreibt, mit den §§ 355 ff. ZPO, die allgemeine Vorschriften über die Beweisaufnahme enthalten.317 Ein solcher Ansatz begegnet zwangsläufig denselben Bedenken, die schon in der strafprozessualen Diskussion hervorgetreten sind und sich aus dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot speisen. In diesem Zusammenhang ist jedoch bezeichnend, dass sich das zivilprozessuale Schrifttum zu dieser zentralen Frage weitgehend ausschweigt und eher den relevanten Abwägungstopoi zuwendet. Man wird diese Vorgehensweise de lege lata wohl gerade noch retten können, indem man dem verfahrensrechtlichen Normenprogramm eine grundsätzliche Verwertungsbefugnis 313 BVerfGE 106, 28 (49); BAG NJW 2008, 2732 (2734); Foerster, Transfer, S. 114; Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (748 f.); Greger, Beweis und Wahrscheinlichkeit, S. 2; Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 74; Brehm, in: Stein/Jonas, Einl. Rn. 25; Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten bei der Sachverhaltsaufklärung, S. 289 f.; Kockentiedt/Windau, NJW 2019, 3348. Zur Bedeutung der Wahrheitsfindung schließlich Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 26. Diese Erkenntnis bedeutet indes nicht zwingend, dass eine gerechte Entscheidung nur dann erreicht werden kann, wenn diese auf der wahren Sachlage beruht. Dazu Brehm, Bindung des Richters an den Parteivortrag und Grenzen freier Verhandlungswürdigung, S. 24. Zur zivilprozessualen Gerechtigkeit P. Brand, NJW 2017, 3558 (3559 f.). 314 Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 41; Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess, S. 362. Zu diesem bereits Teil 3, B. II. 1. b). 315 Statt aller Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 60 m. w. N. Höbe man die richterliche Ablehnung einer Beweismaßnahme als maßgeblichen Grundrechtseingriff hervor, bedürfte es für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ebenfalls einer gesetzlichen Grundlage. So ausdrücklich Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (319). Zur Diskussion insoweit Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 77 ff. 316 Thole, in: Stein/Jonas, § 284 Rn. 1. 317 Allgemeiner hingegen Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 60, die auf die §§ 284 ff., 355 ff. ZPO abstellt, allerdings auf sämtliche Beweismaßnahmen des Gerichts erstreckt und damit auch die Beweiserhebung einbezieht.
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zuschreibt.318 Bei näherem Hinsehen verpflichtet diese die Gerichte sogar dazu, sämtliche Beweismittel, die von den Parteien angeboten werden und zudem entscheidungserheblich sind, nicht nur zu erheben, sondern auch zu verwerten, es sei denn, die betroffenen Grundrechte des Beweisgegners überwiegen im Einzelfall.319 Freilich erschöpft sich diese Aussage weitgehend in einem Allgemeinplatz und lässt (noch) keine letztverbindliche Entscheidung zu. Maßgeblich bleibt sonach der konkrete persönlichkeitsrechtliche Eingriff, der in der Verwertung des eigeninitiativ erlangten Beweismittels liegt und im Rahmen der nachfolgenden Abwägung bewertet werden muss. Angesichts dieser doch vagen rechtlichen Vorgaben verbleibt der Eindruck eines höchst sensiblen Spannungsfelds zwischen dem Recht auf Beweis und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, das nach einer präziseren gesetzlichen Regelung geradezu schreit.320 Eine solche stünde jedoch vor denselben rechtlichen Herausforderungen wie im Strafverfahrensrecht: Sollte sich der Gesetzgeber in einer klar definierten Befugnisnorm dafür aussprechen, angebotene Beweismittel grundsätzlich auch dann zu verwerten, wenn diese einen grundrechtsrelevanten Inhalt aufweisen oder in sonstiger Weise das Persönlichkeitsrecht eines anderen berühren, müsste er zugleich – wenn er die gegenwärtige Rechtslage nicht grundlegend verändern wollte – einzelne Ausnahmen festlegen. Da einem solchen Unterfangen jedoch das Risiko innewohnt, nicht alle relevanten Gesichtspunkte ausreichend zu erfassen, bedürfte es (wohl) weiterhin einer Generalklausel, die den Abwägungsmaßstab der Rechtsprechung enthielte.321 Nach allem erweist sich die Suche nach einer tauglichen Rechtsgrundlage im zivilverfahrensrechtlichen Kontext als mindestens so kompliziert wie im zuvor beleuchteten Strafprozessrecht.322 Obschon sich eine gänzlich zufriedenstellende Lösung gegenwärtig wohl kaum finden lässt, ermöglicht der Rekurs auf übergeordnete Wertungen des Verfassungs- und Zivilverfahrensrechts jedenfalls eine Konzeption, die sowohl dogmatisch nachvollziehbar als auch praktikabel ist.
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Ähnlich wiederum Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 78. Man wird den historischen Gesetzgeber schließlich insoweit in Schutz nehmen können, als seinerzeit nicht abzusehen war, welche zentrale Rolle einerseits dem Recht auf Beweis und andererseits dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht im prozessualen Kontext zukommt. Vgl. zum anerkannten Grundsatz, wonach das Gericht die angetretenen Beweise der Parteien erschöpfen muss, BVerfGE 50, 32 (36); BGHZ 53, 245 (259 f.); Thole, in: Stein/Jonas, § 284 Rn. 40. 319 I. E. ähnlich Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 77 f.; Betz, RdA 2018, 100 (101). 320 Eine solche Regelung könnte auch die von Tresenreuter, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess, S. 6 ff. hervorgehobene Diskussion entschärfen, ob der maßgebliche verfassungsrechtliche Eingriff in der Verwertung eines persönlichkeitsrechtlich relevanten Beweismittels liegt oder aber – wie Tresenreuter verficht – in der Ablehnung derselben. 321 Zu weiteren Konsequenzen Teil 6, B. II. 322 Ähnlich auch Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 256.
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c) Zwischenergebnis zur verfassungsmäßigen Ordnung Sofern der richterliche Umgang mit einem privat erlangten Beweismittel keine verfassungsrechtlich geschützte Position verletzt, darf dieses – vorbehaltlich etwaiger prozessualer Verfahrensregelungen –323 in das Verfahren eingeführt und verwertet werden. Eine besondere gesetzliche Legitimation ist in diesem Zusammenhang nicht erforderlich, zumal sowohl die Straf- als auch die Zivilprozessordnung eine beweisfreundliche Ausrichtung erfahren haben.324 Stellt das staatliche Verhalten indes einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG dar, ist eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung – und sonach die prozessuale Nutzung des Beweismittels – nur möglich, wenn eine einfachgesetzliche Rechtsgrundlage existiert. In diesem Anwendungsfeld bedarf also – entgegen der vielfach postulierten Gegenmeinung – nicht das Beweisverwertungsverbot einer normativen Legitimation, sondern umgekehrt die prozessuale Verwertung selbst.325 Inhaltlich liegen diese konträren dogmatischen Ansätze indes nicht so weit auseinander, wie es zunächst scheint: Denn stets kommt es darauf an, die konfligierenden Rechtspositionen im konkreten Einzelfall zueinander in ein angemessenes Verhältnis zu setzen. Weder die Straf- noch die Zivilprozessordnung äußern sich expressis verbis dazu, unter welchen Voraussetzungen der entscheidende Richter ein privat erlangtes Beweismittel in die Entscheidungsfindung einbeziehen muss. Erst der Rekurs auf übergeordnete Wertungen der jeweiligen Prozessordnungen fördert dabei zutage, dass die Wahrheitssuche zwar nicht den alleinigen oder alles überlagernden Zweck des gerichtlichen Verfahrens darstellt, aber nach wie vor eine zentrale Rolle einnimmt. Vor diesem Hintergrund lassen sich bereits de lege lata Befugnisnormen finden, die den Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen grundsätzlich zu legitimieren vermögen. Da allerdings sowohl die §§ 244 Abs. 2, 261 StPO als auch die §§ 286 Abs. 1 S. 1, 355 ff. ZPO, die nach der hier favorisierten Lösung als hinreichende Gesetzesgrundlagen fungieren, einen weiten Aussageinhalt aufweisen, entscheidet letztlich erst die Abwägung zwischen den konfligierenden Verfassungsgütern darüber, ob ein konkretes Beweismittel im Einzelfall verwertbar ist.326 323 Im Urkundenprozess gem. §§ 592 ff. ZPO etwa sind nur bestimmte Beweismittel zugelassen. Zu insoweit bestehenden Beweiserhebungsverboten Prütting, in: MüKo-ZPO, § 284 Rn. 63. Zur Einordnung solcher Regelungen in den Gesamtkontext der Beweisverbotsdogmatik auch Muthorst, Das Beweisverbot, S. 190. 324 Abweichend Reeb, Internal investigations, S. 135, der stets eine gesetzliche Grundlage fordert. 325 Reeb, Internal investigations, S. 135; Dautert, Beweisverwertungsverbote und ihre Drittwirkung, S. 75. So auch Jahn, Gutachten C, S. 68; Singelnstein, NStZ 2020, 639 (644); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 103. Anzumerken ist jedoch, dass sich diese zuletzt genannten Stellungnahmen zunächst nur auf die unselbstständigen Verwertungsverbote konzentrieren. 326 Insoweit wird auch der Einwand von Rogall, JZ 2008, 818 (821) plausibel, wonach die „Beweisbefugnislehre“ der Abwägungskonzeption „keinen Schritt voraus“ sei.
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Teil 3: Erste allgemeine Folgerungen für die Beweisverbotslehre
Oder anders ausgedrückt: Die verfahrensrechtlichen Vorschriften erklären eigeninitiativ erlangte Beweismittel auch dann für verwertbar, wenn hieraus ein Eingriff in das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht folgt, es sei denn, die staatliche Maßnahme ist unverhältnismäßig, worüber durch eine umfassende Interessen- und Güterabwägung im Einzelfall zu befinden ist. Um diese Abwägungsentscheidung indes nicht zur bloßen Makulatur verkommen zu lassen, verbietet sich an dieser Stelle eine Vorrangthese:327 Inwieweit die prozessuale Verwertung eines privat erlangten Beweismittels den Regelfall oder aber die begründungsbedürftige Ausnahme darstellt, kann ohne Ansehen der tatsächlich betroffenen Interessen schlechthin nicht bestimmt werden. Zudem suggeriert ein „Regel-AusnahmeVerhältnis“ eine scheinbare Einmütigkeit, die de facto indes nicht besteht und den Blick auf eine ergebnisoffene Debatte bisweilen versperrt.328 Entscheidend ist sonach vielmehr die Erkenntnis, dass die grundrechtliche Rechtfertigung der prozessualen Nutzung jedenfalls nicht an einer fehlenden Befugnisnorm scheitert, obschon sich die genannten Vorschriften am unteren Rand des verfassungsrechtlich Zulässigen bewegen. Um letzte Bedenken, die vor allem aus der Warte des Bestimmtheitsgebots formuliert werden, gänzlich auszuräumen, bedürfte es eines legislativen Tätigwerdens. Auf diese Vor- und Nachteile eines erweiterten einfachgesetzlichen Beweisverbotsrechts ist an späterer Stelle noch einmal zurückzukommen.329 4. Abwägung im Einzelfall Die Begründung eines Beweisverwertungsverbots, das sich an eine außerprozessuale Beweismittelsuche durch eine Privatperson anschließt, hängt nach allem maßgeblich von einer grundrechtlichen Abwägungsentscheidung ab. Diese ist darauf ausgerichtet, die konfligierenden Gewährleistungen nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz zueinander ins Verhältnis zu setzen.330 Weil die Abwägung stets von den Umständen des konkreten Einzelfalls abhängig ist, lassen sich an dieser Stelle allein einige zentrale Direktiven festlegen, die den schwierigen Spagat zwischen einer voraussehbaren Entscheidung und einer flexiblen Reaktionsmöglichkeit bewältigen. Ein solches Bewertungskonzept, das auf die einzelfallbezogenen Faktoren abhebt, ist per definitionem mit einem gewissen Maß an Rechtsunsicherheit verbunden, 327 Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 48 f.; Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 286 Teil B Rn. 30; Balthasar, JuS 2008, 35 (39). 328 Instruktiv insoweit Kiethe, MDR 2005, 965 (968): „Diese Güterabwägung führt häufig dazu, dass die Gerichte im Ergebnis ein Verwertungsverbot annehmen, obwohl vom Ansatz her angesichts der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Rechts auf Beweisführung eher eine grundsätzliche Verwertbarkeit des angebotenen, aber rechtswidrig erlangten Beweismittels zu Grunde zu legen ist.“ Kritisch auch Dallmeyer, HRRS 2009, 429 (430). 329 Teil 6, B. II. 330 Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 222.
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da sich die Argumentationsschwerpunkte stets verschieben können, je nachdem, welche Interessen in welcher Intensität betroffen sind.331 Dieser Interessenausgleich, der sich nach dem überkommenen Verhältnismäßigkeitsprinzip bestimmt, ist freilich keine Besonderheit der prozessualen Beweisverwertungsverbote, sondern vielmehr in der grundrechtlichen Schrankensystematik verankert.332 Ungeachtet dessen betonen die Kritiker der Abwägungsthese allenthalben, diese sei zu unscharf und führe letztlich zu Ergebnissen, die im Vorfeld kaum noch prognostizierbar seien.333 Einem solchen Einwand kann bei Lichte betrachtet indes nicht das Wort geredet werden.334 Zwar würde eine gesetzliche Regelung, die etwa den Beweis mit einer privat angefertigten heimlichen Tonaufnahme oder einem entwendeten Tagebuch ausnahmslos – oder jedenfalls nach einem klaren Kriterienkatalog –335 untersagte, zweifelsohne dazu beitragen, dass die prozessuale Unverwertbarkeit unter erleichterten Bedingungen festzustellen wäre. Diesen Grad an Rechtssicherheit vermag das Abwägungskonzept von vornherein nicht zu erreichen. Allerdings – und dieser Gesichtspunkt scheint in der jüngeren Diskussion zunehmend in den Hintergrund zu treten – zielt die Interessenabwägung schlechterdings nicht darauf ab, ein starres System zu implementieren, in dem das Ergebnis von vornherein feststeht, sondern vielmehr darauf, die rechtlichen Grenzen an den Randbereichen zu konturieren. Der Vorwurf mangelnder Rechtssicherheit geht sonach am Anliegen vorbei, das die grundrechtliche Abwägungslösung verfolgt.336 Es kommt deshalb maßgeblich darauf an, das Abwägungsmodell von unzutreffenden Vorstellungen und Zielen zu befreien, die seit jeher mit diesem verbunden werden und dessen vermeintliche Undurchsichtigkeit belegen sollen. Nimmt man dieses „Profil“ des Lösungsansatzes ernst, kann es allein darum gehen, einige zentrale Grundannahmen zu treffen, die den Abwägungsprozess strukturieren. Wie komplex dieser Vorgang im Einzelnen ausfällt, zeigen die instruktiven Erwägungen von Gropp, der einen umfassenden Kriterienkatalog erstellt hat, um über die Verwertbarkeit einer eigeninitiativ angefertigten Tonaufnahme zu entscheiden.337 Einen Schwerpunkt soll in diesem Zusammenhang noch einmal die Interdependenz zum außerprozessualen Vorgehen des Privaten einnehmen. Nachdem die 331 Ähnlich auch Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 110; Kiethe, MDR 2005, 965 (970). Ferner Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 225, 229, die ebenfalls auf die Intensität des Eingriffs abstellt. 332 S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 56. 333 Bernsmann, in: 22. Strafverteidigertag, S. 151 (156 f.); Lucke, HRRS 2011, 527 (531); Heghmanns, ZIS 2016, 404 (412); Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (317); H. Roth, in: Erichsen, Recht der Persönlichkeit, S. 279 (285). 334 So auch Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (32). Schwächer hingegen Koriath, Über Beweisverbote im Strafprozeß, S. 98. 335 Vgl. dazu auch den Ansatz bei Gropp, StV 1989, 216 (227). 336 Vgl. dazu auch Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (43). 337 Gropp, StV 1989, 216 (227).
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bisherigen Erwägungen belegt haben, dass die materiell-rechtliche Bewertung der eigeninitiativen Beweismittelsuche als rechtmäßig bzw. rechtswidrig keine unmittelbaren Auswirkungen auf der Verwertungsebene zeitigt,338 drängt sich nunmehr die Frage auf, ob gleichwohl einzelne mittelbare Verbindungslinien zwischen den Vorgängen existieren. Zu Beginn dieses Abschnitts stehen jedoch zunächst bedeutende Unterschiede zwischen Straf- und Zivilverfahren im Vordergrund, die das Abwägungsprogramm maßgeblich beeinflussen.339 a) Grundlegende Unterschiede zwischen Straf- und Zivilverfahren Aus einer verfahrensübergeordneten Perspektive ist die Annahme eines Beweisverwertungsverbots zunächst einmal der materiellen Wahrheitsfindung abträglich.340 Darf der Richter ein existierendes Beweismittel nicht berücksichtigen, das – jedenfalls voraussichtlich – dazu geeignet ist, eine relevante Tatsache zu belegen, führt dieser Umstand zwangsläufig zu einer unvollständigen Sachverhaltsgrundlage. Weil aber das Verfahrensrecht – oder spezifischer ausgedrückt: das Beweisrecht – keine Wahrheitserforschung um jeden Preis anstrebt, werden solche „Lücken“ zugunsten höherwertiger Interessen akzeptiert. Man wird wohl sogar noch einen Schritt weiter gehen können und Beweisverwertungsverbote als essenzielle Bestandteile eines Gerichtsverfahrens einstufen, das sich dem Rechtsstaatsprinzip verschrieben hat.341 Von diesem abstrakten Standpunkt aus lassen sich sodann die maßgeblichen Unterschiede zwischen dem Straf- und dem Zivilprozess beleuchten. Die beiden Verfahrensarten divergieren nicht nur hinsichtlich des spezifischen Ablaufs, sondern verfolgen zudem unterschiedliche Zwecke, die sich in abweichenden Prozessmaximen verfestigen.342 Bei näherem Hinsehen spiegeln sich diese Distinktionen auch im jeweiligen Beweisrecht wider, da die Wahrheitssuche jeweils einen unterschiedlichen Stellenwert einnimmt.343 Während im Strafprozess der sog. Untersuchungsgrundsatz gilt, nach dem die Aufklärung des wahren Sachverhalts von 338
Teil 3, A. III. So auch Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 260. 340 BGHSt 56, 127 (135); BGHZ 170, 165 (170 f.). Ferner Lang, Ton- und Bildträger, S. 131, der hinsichtlich des Zivilverfahrens davon spricht, dass „auf ein Stück Gerechtigkeit“ verzichtet werde. Aus dieser Erwägung heraus stuft die Rechtsprechung die Beweisverwertungsverbote gemeinhin als begründungsbedürftige Ausnahme ein. Dazu schon Teil 3, B. II. 3. 341 Ähnlich Bienert, Private Ermittlungen, S. 81; Rieß, in: Schäfer-FS, S. 155 (193 f.); Niehaus, NZV 2016, 551 (556). 342 Vgl. statt aller Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 66 f. sowie Arens, AcP 173 (1973), 250 (251). Abweichend hingegen Foerster, Transfer, S. 138 f., der einen hohen Grad an Kongruenz konstatiert. Instruktiv zu solchen „synoptischen“ Betrachtungen der Verfahrensordnungen A. Popp, Verfahrenstheoretische Grundlagen der Fehlerkorrektur im Strafverfahren, S. 45 f., der dabei auch auf die begrenzte Aussagekraft derartiger Erwägungen hinweist. 343 Bäumerich, JuS 2016, 803 (806); Löffelmann, Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren, S. 112 f. Vgl. schließlich auch Rogall, StV 1996, 513. 339
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Amts wegen erfolgt,344 müssen die Parteien des Zivilprozesses selbst dafür Sorge tragen, dass das Gericht die entscheidungsrelevanten Beweismittel überhaupt berücksichtigen kann.345 Das Zivilverfahren ist als Rechtsstreit zwischen zwei Parteien ausgestaltet, die vor einem neutralen Gericht versuchen, ihre Rechtspositionen durchzusetzen. Hiernach scheint die Wahrheitssuche im Strafverfahren einen höheren Stellenwert einzunehmen als im Zivilprozess. Allerdings darf insoweit auch ein gegenläufiger Gedankengang nicht unbeachtet bleiben, der die Konsequenzen der prozessualen Unverwertbarkeit hervorhebt: Denn während ein Beweisverwertungsverbot im Strafverfahren „lediglich“ dazu führt, dass das öffentliche Interesse an einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege beeinträchtigt ist, wirkt sich ein solches im zivilrechtlichen Rechtsstreit stets auch zulasten einer Partei aus und zieht möglicherweise gravierende wirtschaftliche Konsequenzen nach sich.346 Zwar ist auch dem Zivilprozessrecht ein öffentliches Interesse an einem Rechtsfrieden stiftenden Verfahrensablauf nicht gänzlich fremd;347 gleichwohl stehen die Interessen der Parteien nach dem überkommenen liberalen Prozessverständnis unzweifelhaft im Vordergrund.348 Diese notwendigen Konsequenzen des Parteienprozesses sind im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist auch solchen Lehren eine Absage zu erteilen, die das Ergebnis der verfassungsrechtlichen Abwägung aus dem Strafprozess analog auf das Zivilverfahren übertragen wollen.349 Trotz dieser divergierenden Ausgangslage sollen die nachfolgenden Erwägungen zeigen, dass durchaus gemeinsame Abwägungstopoi bestehen. Insoweit liefern die Ausführungen auch einen Beitrag dazu, ein verfahrensübergreifendes Abwägungsmuster zu entwickeln.350 Um diese Diskussion möglichst präzise durchführen zu 344
Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 51. Rauscher, in: MüKo ZPO, Einl. Rn. 353; Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 110. Vgl. auch Geismann, in: 1. Tagung Junger Prozessrechtswissenschaftler, S. 111 (114). 346 Foerste, JZ 2003, 1111; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 140 f.; Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 286 Teil B Rn. 11, 19; Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 123. In diese Richtung auch BGH NJW 1982, 277 (278). Beispielhaft schließlich Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2078). 347 Vgl. etwa BVerfGE 106, 28 (49). Aus einem abstrakten Blickwinkel auch Arens, AcP 173 (1973), 250. 348 Zur Diskussion um eine liberale und soziale Prozessauffassung Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 238 f.; Rauscher, in: MüKo-ZPO, Einl. Rn. 11 ff.; Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 17 f. 349 So aber Kaltenmeier, Betriebsverfassungsrechtliches Beweisverwertungsverbot, S. 49 ff. Vgl. auch Röckl/Fahl, NZA 1998, 1035 (1038); Habscheid, in: Arens-GS, S. 187 (199); Foerster, Transfer, S. 120, insb. Fn. 46, 47. Gegen einen solchen Wertungstransfer Laumen/Prütting, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, Kap. 6 Rn. 2 m. w. N. 350 Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 260. Vgl. auch Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 181, der auf die Ähnlichkeiten der jeweiligen Abwägungsmodelle hinweist. 345
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können, finden sich an den relevanten Stellen stets Hinweise auf etwaige Gemeinsamkeiten und Differenzen. Dabei darf der verfolgte Ansatz keineswegs missverstanden werden: Es kann nicht darum gehen, ein einheitliches Abwägungsmodell zu entwickeln, das eine absolute Antwort auf die Frage liefert, ob dem Staat die Verwertung eigeninitiativ erlangter Beweismittel gestattet ist. Vergleichbar ist aber das Gedankengebäude, in dem die verschiedenen rechtlichen Interessen um eine gerechte Entscheidung ringen: Eine Privatperson geht bestimmten Umständen nach, weil sie erwartet oder befürchtet, diese in einem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren zu benötigen, um der Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen. Während dieses Phänomen im Strafverfahren mit Blick auf die staatlich geführten Ermittlungen den Ausnahmefall darstellt, ist das Zivilverfahren auf die eigeninitiative Beweismittelsuche angewiesen. Unabhängig davon stellt die richterliche Verwertung eines so erlangten Beweismittels einen hoheitlichen Eingriff dar, der sich von dem vorausgehenden Verhalten des Privaten rechtlich löst. Diese Erkenntnis trifft aber unabhängig davon zu, ob es sich um einen Straf- oder Zivilprozess handelt. Der methodische Ansatz verläuft sonach in beiden Verfahrensarten parallel; allein die inhaltlichen Bewertungskriterien divergieren – und zwar bisweilen erheblich. b) Das persönlichkeitsrechtliche Sphärenmodell Das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht wird – ähnlich wie das zivilrechtliche Pendant – gemeinhin in unterschiedliche Sphären eingeteilt, die jeweils voneinander abweichende Anforderungen an die Rechtfertigung stellen.351 Im spezifischen Kontext der strafprozessualen Beweisverwertungsverbote, die einer privaten Beweismittelsuche nachfolgen sollen, hat das BVerfG bereits 1973 festgestellt, dass ein Eingriff in den unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung, den es sodann als Intimsphäre bezeichnet,352 stets unzulässig sei und folglich auch nicht durch überwiegende Interessen der Allgemeinheit legitimiert werden könne.353 Außerhalb dieses absoluten Kernbereichs sei hingegen zu berücksichtigen, dass der Einzelne als gemeinschaftsgebundener Bürger staatliche Einbußen hinnehmen müsse, sofern eine Abwägung das Überwiegen der Allgemeininteressen ergebe. In 351 BVerfGE 27, 1 (6); 27, 344 (350 f.); 32, 373 (379); 34, 238 (245); 54, 148 (153 f.); 80, 367 (374). Zum Ganzen Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2 Rn. 36 ff.; Di Fabio, in: Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 2 Rn. 158; Geis, JZ 1991, 112 (112 ff.). 352 BVerfGE 34, 238 (245). So auch LG Zweibrücken NJW 2004, 85. Ferner Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2 Rn. 39. Zu möglichen Abgrenzungsschwierigkeiten Starnecker, Videoüberwachung zur Risikovorsorge, S. 175. Gegen den Begriff der Intimsphäre Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 27. 353 BVerfGE 34, 238 (246); 27, 344 (350 f.); 80, 367 (373 f.); 109, 279 (313 f.). Zu den Grundlagen der Sphärenbildung bereits BVerfGE 6, 32 (41). Insoweit hat das BVerfG die Sphärenbildung nicht erst in der Tonband-Entscheidung entwickelt. Dies postulieren aber Bradley, GA 1985, 99 (104); Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 108. Schließlich auch Beulke, Jura 2008, 653 (659 Fn. 77). Zum Ganzen auch Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 183; Geis, JZ 1991, 112 (112 ff.).
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der wissenschaftlichen Debatte firmiert dieser Abwägungsbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unter der sog. Privatsphäre, die vor allem private Gespräche – in Abgrenzung zu rein geschäftlichen Unterredungen – umfasst.354 Das Sphärenmodell wird schließlich durch die sog. Sozialsphäre komplettiert, deren exakte Umrisse indes zunehmend verschwimmen. Berührt die richterliche Verwertung eines privat erlangten Beweismittels diese äußerste Stufe des Persönlichkeitsschutzes, soll dieses Verhalten zwar stets zulässig sein.355 Unklar scheint indes, ob es bereits an einem Eingriff in den sachlichen Schutzbereich der Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG fehlt,356 oder aber die gegenläufigen Interessen schlichtweg überwiegen.357 Ungeachtet der bestehenden Unklarheiten konnte sich diese strukturelle Prägung des persönlichkeitsrechtlichen Interessenausgleichs weitgehend durchsetzen und bestimmt die einzelnen Entscheidungen nach wie vor erheblich.358 Dies gilt nicht allein für das Strafverfahren, sondern gleichermaßen auch für die zivilprozessuale Diskussion um Beweisverwertungsverbote,359 die ebenfalls eine „Sphärenaffinität“ aufweist.360 Im Ausgangspunkt verwundert dieser Gleichlauf freilich keineswegs, da es um eine verfassungsrechtliche Fragestellung geht, die erst im zweiten Schritt – 354
Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 720; Beulke, Jura 2008, 653 (659); Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 183. Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 777 spricht vom „Bereich des privaten Lebens“. LG Düsseldorf NStZRR 2011, 84 (85) bemüht schließlich den Terminus der „allgemeine[n] persönliche[n] Geheimnissphäre“. 355 Statt aller Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 183 m. w. N. 356 Darauf deuten die Ausführungen in BVerfGE 34, 238 (247) hin. So auch Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 111; Küpper, JZ 1990, 416 (418); Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 25; S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 55; Gössel, in: Löwe-Rosenberg, Einl. Abschnitt L. Rn. 83; BayObLG NJW 1990, 197 (198). In BGHZ 218, 348 (369 ff.) tritt der VI. Zivilsenat hingegen in einen ausführlichen Abwägungsprozess ein, obschon „nur“ die Sozialsphäre berührt sei. 357 Für eine Abwägung Finger, JA 2006, 529 (537). Vgl. schließlich Balzer/Nugel, NJW 2013, 3397 (3400) sowie Degenhart, JuS 1992, 361 (364), die zwischen der Sozial- und der Öffentlichkeitssphäre differenzieren. Abweichend wiederum Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 77 sowie Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 23 f., die jeweils nur von zwei Sphären ausgehen. 358 BGHSt 36, 167 (173); BayObLG NJW 1990, 197 (198); NJW 1994, 1671; LG Zweibrücken NJW 2004, 85. Ferner Beulke, Jura 2008, 653 (661); ders., in: SSW-StPO, Einl. Rn. 303; S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 55; Brunhöber, GA 2010, 571 (587 f.). Diesen Einfluss konstatiert auch Kube, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 148 Rn. 86. 359 BGHZ 218, 348 (370 f.); BGH NJW 2013, 2668 (2670); NJW 2003, 1727 (1728); NJW 1982, 277. Explizit auch Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 276; Balzer/Nugel, NJW 2013, 3397 (3400); Röckl/Fahl, NZA 1998, 1035 (1040 f.). 360 Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 181.
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nämlich bei den konkret betroffenen Interessen, die in die Abwägung einzustellen sind – danach differenzieren muss, in welchem konkreten Verfahren ein privat erlangtes Beweismittel verwertet werden soll. In der jüngeren Zeit gewinnen jedoch solche Stimmen kontinuierlich an Zuspruch, die dem Sphärenansatz nach der verfassungsgerichtlichen Diktion kritisch gegenüberstehen.361 Diese berechtigte Kritik speist sich insbesondere aus dem Umstand, dass nach wie vor keine klare Vorstellung darüber herrscht, welche Bestandteile der menschlichen Persönlichkeitsentfaltung zum unantastbaren Kernbereich bzw. zur Intimsphäre rechnen und wie eine Abgrenzung zur geringer geschützten Privatsphäre gelingen soll.362 Ausweislich der verfassungsgerichtlichen Begründung lässt sich eine abstrakte Umschreibung nur schwerlich treffen, so dass stets die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen seien.363 Zu beachten ist dabei: Eine Zuordnung zu den unterschiedlichen Sphären des verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsrechts darf nach dem Muster der strikten Kategorisierung nicht offenbleiben, da sich das gesamte Rechtfertigungsprogamm danach richtet, welche Stufe tatsächlich betroffen ist.364 In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass das BVerfG – soweit ersichtlich – noch keine Entscheidung getroffen hat, in der ein staatlicher Eingriff in den Kernbereich der Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG vorlag,365 obschon gerade die viel besprochene Tage361 Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 389; Amelung, NJW 1990, 1753 (1755); Martini, JA 2009, S. 839 (844); Rohlf, Der grundrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 25, 41 ff.; Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 112 f.; BastonVogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 193 ff.; Kube, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 148 Rn. 87; Wölfl, NVwZ 2002, 49 (51); Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 71; Gössel, in: Löwe-Rosenberg, Einl. Abschnitt L. Rn. 89 ff.; Jahn, Gutachten C, S. 83. Ferner Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 75. Die fehlende Rechtssicherheit mahnt auch Lucke, HRRS 2011, 527 (531) an. Schließlich weisen auch Schroth, JuS 1998, 969 (979) und Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 183 auf die Anwendungsschwierigkeiten der Sphärentheorie hin. 362 Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 109. Kritisch zum Kernbereich bereits Schünemann, ZStW 90 (1978), 11 (19 ff.); Plagemann, NStZ 1987, 570 (570 f.). Teilweise ferner Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 185. Instruktiv Rohlf, Der grundrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 41, der betont, es gebe so viele Abgrenzungsvorschläge wie Vertreter der Sphärentheorie. 363 BVerfGE 34, 238 (248); 80, 367 (374); BVerfG NJW 2011, 2417 (2419). Dies moniert Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 75. 364 So auch Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 88; Küpper, JZ 1990, 416 (418) postuliert ausdrücklich, dass die „Abgrenzungs- vor der Abwägungsfrage zu klären“ sei. Zustimmend S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 59. Zum Ganzen Gössel, in: Löwe-Rosenberg, Einl. Abschnitt L. Rn. 84. 365 Starnecker, Videoüberwachung zur Risikovorsorge, S. 173; Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 113; Gössel, in: Löwe-Rosenberg, Einl. Abschnitt L. Rn. 86; Jahn, Gutachten C, S. 84; Kächele, Der strafrechtliche Schutz vor unbefugten Bildaufnahmen, S. 70. So schon F. Lorenz, GA 1992, 254 (263).
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buchentscheidung des Zweiten Senats366 starken Gegenwind hervorgerufen hat.367 Nach den insoweit maßgeblichen Ausführungen sollen die durchaus persönlichen tagebuchartigen Aufzeichnungen dann nicht dem unantastbaren Kernbereich angehören, wenn sie sich unmittelbar auf konkrete strafbare Handlungen konzentrieren und diese schildern.368 Diese These ließe sich durchaus von den Tagebucheinträgen lösen und ganz allgemein auf eigeninitiativ erlangte Beweismittel im Strafprozess übertragen: Sofern sich diese – und das dürfte im strafgerichtlichen Verfahren regelmäßig anzunehmen sein – auf eine konkrete strafbare Handlung beziehen,369 um deren Nachweis es geht, ist der Kernbereich nach dem verfassungsgerichtlichen Verständnis von vornherein nicht tangiert.370 In diesem Zusammenhang drängt sich freilich die Frage auf, ob es angesichts dieser restriktiven Lesart überhaupt noch einen Persönlichkeitskern gibt, der jedem staatlichen Eingriff, der dem Zweck der Strafverfolgung dient, von vornherein verschlossen bleibt.371 Schließlich bleibt zu bedenken, dass das BVerfG den Kernbereich nicht ohne Rekurs auf eine wertende Abwägung zu bestimmen vermag, da es insoweit auf die Intensität des Sozialbezugs ankommen soll.372 Von einem abwägungsresistenten Persönlichkeitsgehalt bleibt 366 BVerfGE 80, 367. Bemerkenswert ist insoweit die „Patt-Situation“, da sich die Hälfte der Verfassungsrichter für einen Eingriff in den Kernbereich aussprach. Dazu Amelung, NJW 1990, 1753 (1754). 367 Amelung, NJW 1990, 1753 (1754 ff.); Wolter, StV 1990, 175 (180); Küpper, JZ 1990, 416 (420); Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 71; F. Lorenz, GA 1992, 254; Schroth, JuS 1998, 969 (979); Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 198 f.; Geis, JZ 1991, 112 (114 ff.); Roxin, in: Wolter-FS, S. 1057 (1063 ff.). Zum Ganzen auch Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 390 ff. 368 BVerfGE 80, 367 (375); 109, 279 (31); 113, 348 (391). Auch neuere Stimmen greifen diesen Gedanken auf, BVerfGE 130, 1 (22); Zimmermann, GA 2013, 162 (167). Zuletzt BVerfG ZD 2018, 475 (476). 369 Enger wohl Jäger, GA 2008, 473 (491), der von einem straftatbezogenen Inhalt des Beweismittels spricht. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Zimmermann, GA 2013, 162 (168), der auf die angepassten Vorgaben des BVerfG hinweist. 370 In diese Richtung Wohlers, JR 2016, 509 (510); ders., JZ 2011, S. 252; Koch, GA 2005, 589 (604); Gössel, in: Löwe-Rosenberg, Einl. Abschnitt L. Rn. 92. Vgl. auch ders., GA 1991, 483 (506), der dieses Ergebnis indes als unhaltbar einstuft. 371 Gössel, in: Löwe-Rosenberg, Einl. Abschnitt L. Rn. 94; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 109 f.; Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 58; Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 199; Amelung, NJW 1990, 1753 (1756); Roxin, in: Wolter-FS, S. 1057 (1058). Vgl. schließlich auch Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 104. Kritisch zur Relativierung des grundrechtlichen Schutzes aus der Perspektive der Menschenwürdegarantie Geis, JZ 1991, 112 (114 ff.); Wolter, in: Kühne-FS, S. 379 (380 ff.); Degenhart, JuS 1992, 361 (363). BGHSt 50, 206 (210); 57, 71 (75) gehen bei einem Selbstgespräch im Krankenzimmer davon aus, dass der unantastbare Kernbereich der Persönlichkeit berührt sei. Kritisch im Vergleich zum Tagebuchbeschluss Warg, NStZ 2012, 237 (242); Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 71 f. m. w. N. Ferner Zimmermann, GA 2013, 162 (163 ff.). 372 Jäger, Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, S. 13; Gössel, in: Löwe-Rosenberg, Einl. Abschnitt L. Rn. 94; Roxin, in: Wolter-FS, S. 1057 (1064).
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nach alledem nicht mehr viel übrig. Umgekehrt suggeriert das starre Sphärenmodell, ein Eingriff in die Privat- oder Sozialsphäre sei generell mit einer geringen Intensität verbunden.373 Gerade mit Blick auf die verarbeitungsbezogene Schutzrichtung, die das BVerfG dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung gegeben hat,374 erscheint eine solche Annahme jedoch unhaltbar.375 In dieser Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kommt es gerade nicht darauf an, ob eine spezifische Information besonders sensibel ist.376 Trotz dieser dogmatischen Unzulänglichkeiten mangelt es nicht an Versuchen, den Intimbereich näher auszubuchstabieren, um auf diese Weise zugleich der Forderung nach einer rechtssicheren und voraussehbaren Entscheidung zu genügen.377 Allerdings bleibt ein solches Unterfangen notwendigerweise unvollständig, da sich die einzelnen Präzisierungen stets nur auf einen Teilbereich des verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsrechts beziehen und sonach nur einen Bruchteil des gesamten Konstrukts berühren.378 Angesichts der fortschreitenden technischen Entwicklung ist zudem keineswegs ausgeschlossen, dass sich einzelne Trennlinien zwischen den Persönlichkeitssphären sukzessive verschieben. Gerade sub specie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zeigt sich der Vorteil einer entwicklungsoffenen Gewährleis-
Ferner F. Lorenz, GA 1992, 254 (264). Kritisch schließlich auch Krauß, in: Gallas-FS, S. 365 (379 f.). 373 Ähnlich Kube, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 148 Rn. 87. 374 BVerfGE 65, 1 (43). 375 Macht, Verwertungsverbote bei rechtswidriger Informationserlangung im Verwaltungsverfahren, S. 189. Auf die Frage, ob das BVerfG die Sphärentheorie in seinem Volkszählungsurteil aufgegeben oder modifiziert hat, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter eingegangen werden. Dazu Benda, DuD 1984, 86 (88); Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 79; Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 113; Degenhart, JuS 1992, 361 (363 Fn. 68); Starnecker, Videoüberwachung zur Risikovorsorge, S. 174 m. w. N. 376 Dazu schon Teil 3, B. II. 2. 377 Siehe etwa Geis, JZ 1991, 112 (115 ff.); Laber, Die Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen im Strafverfahren, S. 59 ff.; Roxin, in: Wolter-FS, S. 1057 (1059 ff.); Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 86 ff., 264 ff.; Rohlf, Der grundrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 227; Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 105 ff.; Zimmermann, GA 2013, 162 (165 ff.) ordnet der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ein Prüfungsschema zu. Teilweise auch Wolter, in: Meyer-GS, S. 493 (510 ff.), allerdings mit Blick auf die Menschenwürdegarantie. Vgl. schließlich auch Gössel, GA 1991, 483 (506) sowie Rogall, StV 1996, 513 (514), die auf das Erfordernis eines absolut geschützten Kernbereichs hinweisen. 378 Exemplarisch für diese Erkenntnis stehen die Ausführungen von Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 105 ff., der sich auf die Fallkonstellation heimlicher Tonbandaufnahmen beschränkt und anhand eines Modells, das sich an den §§ 52, 53 Abs. 1 Nr. 1 – 3a StPO orientiert, eine Konturierung des Kernbereichs vornimmt. Gleichwohl bedarf es auch nach seiner Konzeption weiterer Begründungslinien, die wiederum nicht ohne einzelne Ausnahmen auskommen.
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tung, die auf neuerliche Gefahren angemessen zu reagieren vermag.379 Um diesen dynamischen Prozess grundrechtlich abzubilden, dürfen die Kategorien der menschlichen Persönlichkeit nicht länger als starre Bereiche fungieren, sondern vielmehr als Orientierungspunkte, die die Einzelfallabwägung strukturieren.380 Je intensiver ein staatlicher Eingriff das persönlichkeitsrechtliche Substrat berührt, desto gewichtiger müssen die konfligierenden Interessen ausfallen, um eine Legitimation zu begründen. Dieser Interpretationsansatz überschneidet sich mit den Ausführungen zum zivilrechtlichen Persönlichkeitsrecht, das dem eigeninitiativen Vorgehen auf der einfachrechtlichen Ebene Grenzen setzt.381 Fasst man die Überlegungen zusammen, lassen sich diese auf eine generalisierende Aussage reduzieren: Es ist an der Zeit, den rechtlichen Persönlichkeitsschutz – und zwar sowohl aus der Warte des einfachen als auch des Verfassungsrechts – von den Fesseln einer zu starren Sphärentheorie zu lösen.382 Der Sphärengedanke beschreibt sonach nur einen Abwägungsparameter unter mehreren und bedarf stets einer Einordnung in den spezifischen Kontext.383 Auf diese Weise gelingt es, den persönlichkeitsrechtlichen Sphärenansatz von dem berechtigten Vorwurf zu befreien, eine rein ergebnisorientierte Zuordnung zu treffen, die vom zu begründenden Resultat abhängt, ob das Beweismittel schließlich verwertbar oder unverwertbar sein soll.384 c) Etwaige Drittinteressen In der Diskussion um die einzelnen Abwägungstopoi taucht nur partiell die Frage auf, inwieweit sog. Drittinteressen zu berücksichtigen sind – mithin solche Rechtspositionen und Belange, die weder dem Beweisführer noch dem Beweisgegner im Zivilverfahren oder dem Beschuldigten im Strafprozess zuzuordnen sind. Regelmäßig dürfte dieser Umstand den tatsächlichen Bedingungen des eigenin379 Vgl. insoweit auch Degenhart, JuS 1992, 361; Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 201 m. w. N. 380 So auch Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 200; Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 80; Degenhart, JuS 1992, 361 (364). In diese Richtung deuten auch die Ausführungen bei SeggerPiening, ZZP 132 (2019), 359 (384). 381 Teil 2, A. IV. 2. a). 382 Kube, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 148 Rn. 88. Dies schließt keineswegs aus, dass es einen Persönlichkeitskern gibt, der de facto absolut gilt, da überwiegende Interessen, die den Eingriff zu legitimieren vermögen, kaum vorstellbar sind. Allerdings bedarf es hierfür einer präzisen Begründung, wobei der schlichte Rekurs auf eine unantastbare Intimsphäre nicht genügt. 383 Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 80; Kube, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 148 Rn. 88. Ferner Degenhart, JuS 1992, 361 (364), der von einer Richtlinie für die Abwägung spricht. 384 Vgl. dazu auch Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 71. Ähnlich Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, S. 199 f.
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itiativen Vorgehens geschuldet sein: In den typischen Konstellationen der heimlichen Tonaufnahme oder des Lauschzeugeneinsatzes beschränken sich die Maßnahmen ausschließlich auf den Beweisgegner oder den Verdächtigen einer Straftat, so dass die spätere Verwertung auch nur deren Persönlichkeitsrechte tangiert. Komplexer fällt der Abwägungsvorgang indes bei solchen Bild- und Videoaufnahmen aus, die auch gänzlich unbeteiligte Personen erfassen. Evident ist dies in den zunehmenden Fällen der Dashcam-Aufzeichnungen, da diese zumeist nicht allein die Protagonisten des Unfallgeschehens – und sonach die späteren Parteien des Zivilverfahrens – erfassen, sondern gewöhnlich auch Passanten und weitere Straßenverkehrsteilnehmer abbilden.385 Wird eine solche Aufnahmesequenz im gerichtlichen Verfahren abgespielt und verwertet, berührt dies auch die Persönlichkeitsrechte dieser außenstehenden Dritten – und zwar unabhängig davon, ob diese im Prozess als Zeugen über ihre persönliche Wahrnehmung des Schadensereignisses berichten oder hieran schlechterdings nicht teilnehmen. Diese Überlegung ist freilich keineswegs nur dem Zivilverfahren vorbehalten, sondern greift auch in einem Strafprozess Platz,386 so dass es wiederum um einen übergeordneten Aspekt der Beweisverbotsdogmatik geht. Thole verweist für den Zivilprozess darauf, allein die Rechte und Interessen der Prozessbeteiligten seien relevant, so dass es nicht ins Gewicht falle, wenn die Aufnahme auch weitere Personen erfasse.387 Dieser vollständige Ausschluss von potenziellen Drittinteressen greift indes zu kurz:388 Zwar zeitigt die prozessuale Verwertung einer solchen Aufzeichnung keine negativen wirtschaftlichen Konsequenzen für die abgebildeten Dritten, da sich das Gerichtsverfahren nicht auf deren Ansprüche bezieht. Nichtsdestoweniger wird deren Erscheinungsbild zum Gegenstand in einem staatlichen Verfahren, so dass eine Persönlichkeitsrechtsverletzung droht.389 Dabei muss man keineswegs besondere Ausnahmekonstellationen bemühen, in denen der unbeteiligte Dritte in einer unvorteilhaften Position aufgenommen und gezeigt wird oder es sich um den Videofilm eines Stalkers handelt, der zufällig (auch) einen Verkehrsunfall zeigt.390 Umgekehrt dürfen die tangierten Persönlichkeitsrechte nicht überbewertet werden, da die abgebildeten unbeteiligten Personen regelmäßig im Hintergrund des dokumentierten Geschehens verbleiben. Da sich die Unfallereignisse zudem typischerweise im öffentlichen Verkehrsraum abspielen, wiegt der Eingriff auch nach Maßgabe des modifizierten Sphärengedankens eher
385 BGHZ 218; 348 (373 f.); LG Heilbronn NJW-RR 2015, 1019 (1021); ferner Niehaus, NZV 2016, 551 (554) m. w. N. 386 Statt aller Jansen, StV 2019, 578 (582); Niehaus, NZV 2016, 551 (554). 387 Thole, in: Prütting-FS, S. 573 (584); ferner Greger, in: Zöller, § 286 Rn. 15c. Ähnlich Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 85. Greger, NZV 2015, 114 (115) lehnt bereits die Eingriffsqualität ab. 388 Ähnlich auch Heese, JZ 2018, 942 (944 f.); Giesen, NZV 2020, 70 (73). 389 Giesen, NZV 2020, 70 (73). 390 In diese Richtung aber Giesen, NZV 2020, 70 (73).
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gering.391 Diese Bewertung mag freilich dann anders ausfallen, wenn die verdeckt eingesetzte Kamera die Waschküche oder Tiefgarage eines Mehrfamilienhauses filmt und die Personen sonach in einer geschützteren Atmosphäre erfasst. Um die Eingriffsintensität abzumildern, kommen technische Aufbereitungsmethoden in Betracht. So ist etwa daran zu denken, solche Personen post festum unkenntlich zu machen, deren Verhalten für die Rekonstruktion des entscheidungsrelevanten Sachverhalts gänzlich irrelevant ist. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die prozessuale Verwertung überhaupt nur dann einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte unbeteiligter Personen bewirken kann, wenn die abgespielte Sequenz auch tatsächlich das Erscheinungsbild eines Dritten tangiert. Hingegen bleiben solche Ausschnitte für die Abwägungsentscheidung unbeachtet, die zwar das zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht oder datenschutzrechtliche Normen verletzen, aber in der gerichtlichen Verhandlung schlichtweg nicht gezeigt werden.392 Insoweit tritt wiederum die essenzielle Trennung zwischen der außerprozessualen Beweismittelsuche und der anschließenden gerichtlichen Verwertung zutage. Dem materiellen Recht kommt die Aufgabe zu, die Rechtspositionen unbeteiligter Dritter in ausreichendem Umfang zu schützen, indem es beispielsweise Schadensersatzansprüche gewährt. Eine gewisse „Sonderrolle“ kommt schließlich Beweismitteln zu, deren Verwertung erheblich in die Grundrechte des Verletzten einer Straftat eingreift. Angesprochen sind vor allem Videoaufnahmen eines Sexualdelikts, die nicht nur den Täter der Straftat, sondern zugleich das Opfer abbilden.393 Ein weiteres Beispiel sind auch die an anderer Stelle bereits erwähnten Fotografien eines Arztes von seinem Patienten, bei dem er häusliche Misshandlungen vermutet. Der richterliche Umgang mit derartigen Aufnahmen berührt die Belange des verletzten Opfers erheblich, so dass diese im Rahmen der Interessenabwägung nicht vernachlässigt werden dürfen. Zugleich sind gerade in diesem Zusammenhang verfahrensrechtliche Regelungen notwendig, die den Kreis derjenigen, die von dem Inhalt der Aufnahme Kenntnis nehmen, möglichst geringhalten. Nach alledem bleiben die Rechtspositionen der Verfahrensbeteiligten in erster Linie maßgeblich dafür, ob ein persönlichkeitsrechtlich relevantes Beweismittel in einem Straf- oder Zivilverfahren verwertbar ist. Die Interessen unbeteiligter Dritter
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So i. E. auch Giesen, NZV 2020, 70 (73). Fraglich ist insoweit die Einschätzung des LG Heilbronn NJW-RR 2015, 1019 (1021), das von einem „schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte“ ausgeht, da eine Vielzahl von Personen betroffen sei. 392 So auch BGHZ 218, 348 (374). Vgl. für Tagebuchaufzeichnungen Laber, Die Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen im Strafverfahren, S. 71. A. A. Niehaus, NZV 2016, 551 (554). Gegen eine Aufspaltung der Aufnahme in einen rechtmäßigen und einen rechtswidrigen Teil auch Froitzheim, NZV 2018, 109 (114), indes aus materiell-rechtlicher Perspektive. So auch Giesen, NZV 2020, 70 (73). 393 Zur Frage der materiellen Rechtfertigung solcher Aufnahmen bereits Teil 2, C. IV. 3. b) cc).
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nehmen innerhalb des Abwägungsprozesses zumeist nur eine untergeordnete Rolle ein, dürfen aber nicht von vornherein ausgeblendet werden. d) Strafprozessrecht Aus der strafprozessualen Warte sind zwei divergierende Ausgangslagen zu trennen, die sich danach unterscheiden, ob ein Beweismittel zulasten oder zugunsten des Angeklagten verwertet werden soll. Nach der hier zugrunde gelegten Ansicht statuieren die strafprozessualen Beweisverwertungsverbote allein sog. Belastungsverbote.394 Konsequenterweise ist ein persönlichkeitsrechtlich relevantes Beweismittel generell verwertbar, wenn es dazu beiträgt, die Unschuld des Angeklagten zu belegen. Auf das Gewicht der konfligierenden Interessen kommt es dabei nicht an, da die Verurteilung eines möglicherweise Unschuldigen von vornherein keine verfassungsrechtliche Legitimation erfahren kann.395 Sonach beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen ausschließlich auf die Verfahrenskonstellation, in der sich das fragliche Beweismittel zulasten des Angeklagten auswirken würde. Im Abschnitt über die strafprozessuale Rechtsgrundlage ist bereits deutlich hervorgetreten, welchen Stellenwert die Wahrheitssuche im Strafverfahren einnimmt.396 Ebenso anerkannt ist jedoch, dass es nicht darum geht, die Wahrheit um jeden Preis zu erforschen,397 sondern zugleich grundlegende Strukturprinzipien zu beachten sind, die dem gesamten Verfahren erst seine Legitimität verleihen. In diesem Spannungsfeld zwischen der effektiven Strafrechtspflege, die eine möglichst umfangreiche Ermittlung der maßgeblichen Tatsachen verlangt, und dem Individualrechtsschutz des Beschuldigten stellen die Beweisverwertungsverbote keine unliebsame Hürde dar, die es zu überwinden gilt, um ein wahres und gerechtes Urteil fällen zu können. Vielmehr sind sie zwingender Bestandteil eines rechtsstaatlichen Verfahrens, das sich jedenfalls auch darauf konzentriert, die Rechtspositionen des Einzelnen – namentlich des Beschuldigten – hinreichend zu schützen.398 Von diesem rechtlichen Standpunkt aus gilt es nun, die einzelfallgeprägte Güter- und Interessenabwägung zu strukturieren. Nach den maßgeblichen Kriterien, die das BVerfG in seiner zentralen TonbandEntscheidung aus dem Jahr 1973 entwickelt hat, die sodann vom BGH399 übernommen wurden und nach wie vor Gültigkeit beanspruchen, stehen sich – jedenfalls 394
Teil 1, A. I. 3. Erb, GA 2017, 113 (113 f.); Löffelmann, Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren, S. 102 m. w. N. 396 Teil 3, B. II. 3. a). Instruktiv dazu auch Löffelmann, Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren, S. 99 ff. 397 BGHSt 14, 358 (365); 31, 304 (309); 38, 214 (220). 398 Vgl. dazu Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 18 m. w. N.; ferner Kühne, in: AKStPO, vor § 48 Rn. 47. 399 BGHSt 36, 167 (173). 395
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innerhalb der abwägungsoffenen Privatsphäre – die Erfordernisse einer wirksamen Rechtspflege und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gegenüber.400 Da beiden Belangen eine besondere verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt,401 bedarf es einer konkreten Kontrastierung, die sich am überkommenen Verhältnismäßigkeitsprinzip ausrichten muss. In diesem Zusammenhang ist schließlich auch zu berücksichtigen, ob der in Rede stehende Beweisgegenstand für die Wahrheitssuche entscheidend ist und sich gewissermaßen als einziges Mittel erweist, um die rechtliche Verantwortlichkeit festzustellen.402 Dieser vorläufige Blick auf die bemühten Abwägungstopoi, die in der wissenschaftlichen Diskussion weitgehend geteilt werden,403 beschreibt den komplexen Interessenausgleich zunächst nur sehr abstrakt. Nichtsdestoweniger zeigt er bereits die Grundfesten des Abwägungsprogramms auf, die im folgenden Schritt eine nähere Ausgestaltung erfahren. aa) Das staatliche Strafverfolgungsinteresse Die gesellschaftliche Akzeptanz des strafrechtlichen Sanktionssystems hängt ganz entscheidend davon ab, wie effektiv die staatliche Strafrechtspflege ausgestaltet ist. Blieben zahlreiche Straftaten ungesühnt, würde dies die Hemmschwelle der Täter erheblich senken und weitere Normverstöße nach sich ziehen, die das Vertrauen der Rechtsgemeinschaft erschütterten.404 Gerechtigkeit, die ihrerseits zu den Grundbedingungen des Rechts zählt, ist angesichts dieser Erkenntnis nur zu erreichen, wenn eine effektive – und sonach funktionstüchtige –405 Strafrechtspflege gewährleistet ist und der staatliche Strafanspruch in ausreichendem Umfang durchgesetzt wird.406 Dieses staatliche bzw. öffentliche407 Strafverfolgungsinteresse entspringt dem ver400
BVerfGE 34, 238 (248 f.). Vgl. auch S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 37, die auf die verfassungsrechtliche Absicherung der Interessen hinweist. 402 BVerfGE 34, 238 (250). 403 Den Konflikt zwischen dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse und den individuellen Freiheitsrechten betonen im Grundsatz auch Schroth, JuS 1998, 969 (978 f.); Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 110; Küpper, JZ 1990, 416 (418). Allgemein für sämtliche Beweisverwertungsverbote im Strafprozess S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 37; Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (29 f.). 404 Vgl. Landau, NStZ 2007, 121 (127); Fischer, in: KK-StPO, Einl. Rn. 1. 405 Instruktiv Landau, NStZ 2007, 121. Zur jüngeren Diskussion um diesen schillernden Rechtsbegriff der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege Dallmeyer, HRRS 2009, 429 (432 f.). Kritisch Lucke, HRRS 2011, 527 (531). Ferner F. Lorenz, GA 1992, 254 (278); Hassemer, StV 1982, 275 (275 ff.). 406 BVerfGE 34, 238 (248 f.); 51, 324 (343). Instruktiv zum Ganzen Landau, NStZ 2011, 537 (544). Im Ausgangspunkt auch Wolter, in: Meyer-GS, S. 493 (502), der aber zugleich auf die Risiken dieses Abwägungsparameters hinweist. 407 Entscheidend ist sonach nicht das persönliche Interesse einer Einzelperson – vornehmlich des Verletzten einer Straftat. Dieses ist freilich Bestandteil des öffentlichen Straf401
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fassungsrechtlich verankerten Rechtsstaatsprinzip408 und genießt folglich ebenso wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Verfassungsrang.409 Als Abwägungsparameter ist das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nicht allein bei den selbstständigen Beweisverwertungsverboten relevant, sondern prägt auch die Entscheidung darüber, inwieweit ein staatlicher Fehler bei der Beweiserhebung die prozessuale Unverwertbarkeit nach sich zieht.410 In beiden Verbotskategorien steht das Gewicht dieses Allgemeininteresses in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Schwere des Delikts, dessen Aufklärung in Rede steht.411 Ausweislich der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ruft die Verwertung einer heimlich hergestellten Tonaufnahme dann keine Bedenken hervor, wenn es um den Nachweis schwerer Kriminalität geht, wobei der Zweite Senat ausdrücklich auf Straftaten „gegen Leib und Leben anderer, […] die existenziellen Grundlagen der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder gegen sonstige Rechtsgüter vergleichbaren Ranges“412 verweist. Aus dieser Interdependenz zwischen dem Aufklärungsinteresse und dem konkreten Tatvorwurf folgt zwangsläufig, dass das gleiche Beweismittel in verschiedenen Strafverfahren ein divergierendes Schicksal ereilen kann: Im Prozess gegen einen Mörder wird dieses sonach eher verwertbar
verfolgungsinteresses. Teilweise abweichend hingegen LG Zweibrücken NJW 2004, 85 (86), das vom Interesse des Geschädigten an der Strafverfolgung spricht. Vgl. schließlich auch Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 311 f., der in den Fällen einer Dauergefahr neben dem Strafverfolgungsinteresse auch die besondere Schutzbedürftigkeit des Aufnehmenden berücksichtigen will. Instruktiv zum Interesse des Opfers an der Wahrheitserforschung Löffelmann, Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren, S. 108 f. Dieses sei „nicht in erster Linie vom Gewicht des durch die Strafnorm geschützten Rechtsguts abhängig“. 408 BVerfGE 80, 367 (375). Vgl. auch Fischer, in: KK-StPO, Einl. Rn. 1. 409 Störmer, Jura 1994, 393 (395); Landau, NStZ 2011, 537 (544). 410 BGHSt 47, 172 (179); 54, 69 (87); BGH NJW 2015, 2594. Vgl. zum Ganzen Beulke/ Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 705 m. w. N. 411 BVerfGE 34, 238 (249); 80, 367 (375); BGHSt 19, 325 (333); 34, 397 (401); 36, 167 (174); Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (34); S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 58; Jansen, StV 2019, 578 (583); Laber, Die Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen im Strafverfahren, S. 70; Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 35; ders., Jura 1994, 393 (395); Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 120, 129; H. Schneider, NStZ 2016, 553 (555); Bienert, Private Ermittlungen, S. 152. Indirekt auch Krey, Zur Problematik privater Ermittlungen des durch eine Straftat Verletzten, S. 100, der ebenfalls die Schwere der aufzuklärenden Straftat berücksichtigen will. Ferner Brunhöber, GA 2010, 571 (588); Gropp, StV 1989, 216 (224). Für die Fernwirkung Wolter, NStZ 1984, S. 276 (278). Siehe schließlich auch BVerfGE 106, 28 (49). 412 BVerfGE 34, 238 (349 f.). Zustimmend BayObLG NJW 1994, 197 (198).
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sein als in einem Verfahren, das sich „nur“ auf eine Beleidigung oder einen Hausfriedensbruch – und sonach auf deutlich geringeres Unrecht – bezieht.413 Für die Frage, welches Gewicht ein spezifischer Strafvorwurf einnimmt, kann es unzweifelhaft keine Rolle spielen, wie häufig sich ein bestimmtes Delikt in der Kriminalstatistik wiederfindet.414 Zwar ist es begrifflich nicht von vornherein ausgeschlossen, die Schwere einer Straftat anhand dieses quantitativen Parameters zu bestimmen, wobei man dann freilich eher eine gesamtgesellschaftliche oder rechtspolitische Betrachtungsweise wählen müsste. Eine solche Anknüpfung, die – soweit ersichtlich – auch nicht ernsthaft erwogen wird, führte jedoch zu einem erheblichen Maß an Rechtsunsicherheit, da die Häufigkeit einer spezifischen Straftat zwangsläufig gewissen Schwankungen unterliegt.415 Möglicherweise ließen sich auch regionale Unterschiede feststellen, die hinsichtlich der prozessualen Verwertbarkeit eine zersplitterte Rechtslage bewirkten.416 Entscheidend kann sonach allein eine qualitative Perspektive sein, die an die inhaltliche Schwere der konkreten Straftat anknüpft. Um eine hinreichend präzise Aussage zu ermöglichen, kommt es jedoch nicht bloß auf den abstrakten Deliktsvorwurf an, sondern vielmehr darauf, wie das spezifische Tatunrecht im Einzelnen zu gewichten ist.417 Von diesem Standpunkt aus ist es theoretisch denkbar, ein und dasselbe Beweismittel im Verfahren gegen den Haupttäter zu verwerten, während dieses im Prozess gegen einen untergeordneten Gehilfen einem Beweisverwertungsverbot begegnet.418 Diese gespaltene Verwertbarkeit begründet jedoch keinen logischen Widerspruch, sondern ist lediglich Ausfluss des unterschiedlichen Interesses an der Strafverfolgung. Der Rekurs auf das übergeordnete Rechtsstaatsprinzip stärkt dieses Ergebnis: Sofern der Strafvorwurf weniger schwer wiegt, muss es die Rechtsgemeinschaft verkraften können, dass einzelne Umstände unaufgeklärt bleiben, wenn der Nachweis nur mit erheblichen Grundrechtseingriffen möglich wäre. Den Zusammenhang mit der Schwere des Delikts nehmen einige Stimmen zum Anlass, an der Berechtigung dieses Maßstabs zu zweifeln, da dieser im Ergebnis 413 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 782. Ferner Störmer, Jura 1994, 393 (395); Laber, Die Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen im Strafverfahren, S. 70. 414 Dencker, Verwertungsverbote im Strafprozeß, S. 96. 415 Dencker, Verwertungsverbote im Strafprozeß, S. 96. 416 Dencker, Verwertungsverbote im Strafprozeß, S. 96. 417 BVerfGE 34, 238 (250); BGHSt 19, 325 (334). Vgl. auch LG Zweibrücken NJW 2004, 85 (86), nach dem es zu berücksichtigen sei, dass es sich nicht nur um eine einzelne Diebstahlstat handele, sondern eine Serie. Kritisch hingegen Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (34). Vgl. schließlich Löffelmann, Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren, S. 114 f., der darauf hinweist, dass die Beurteilung einem gesellschaftlichen Wandel unterliegen könne. 418 Kritisch dazu Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (34); Beckemper/Wegner, JA 2003, 510 (514); Dencker, Verwertungsverbote im Strafprozeß, S. 96.
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darauf hinauslaufe, ein „Zwei-Klassen-Recht“ zu implementieren.419 Im Bereich der Schwerstkriminalität – so lautet die Befürchtung – könne die Abwägung de facto zu einer absoluten Verwertbarkeit führen,420 obschon Taten aus diesem Kriminalitätsbereich mitunter sehr „intim“ ausfielen.421 Zudem wirke sich ein Eingriff in die Rechte des Angeklagten besonders intensiv aus, wenn ein gewichtiger Strafvorwurf in Rede stehe, so dass gerade in diesen Konstellationen auf eine penible Einhaltung der verfahrensrechtlichen Vorgaben geachtet werden müsse.422 Bei näherem Hinsehen gehen diese Einwände jedoch ins Leere, weil das Abwägungsmodell die Eingriffsintensität nicht unberücksichtigt lässt, sondern dem Strafverfolgungsinteresse gegenüberstellt.423 Zöge man die schutzwürdige Position des Angeklagten auch hinsichtlich des staatlichen Interesses an einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege heran, beeinflusste diese beide Seiten der Abwägungsentscheidung und verschöbe die Bewertung einseitig zulasten der effektiven Strafverfolgung.424 Triebe man diese Argumentation auf die Spitze, resultierte hieraus ein schützenswertes Interesse des Angeklagten an der Unverwertbarkeit eines Beweismittels, das umso stärker ausfiele, je gewichtiger der erhobene Strafvorwurf ist. Vom zentralen Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege bliebe dann ersichtlich nicht mehr viel übrig. Das Kriterium der Tatschwere überzeugt darüber hinaus auch aus positiven Gründen als sachgerechtes Differenzierungsinstrument: Zum einen zeichnen sich gewichtige Straftaten – deren präzise Konkretisierung freilich noch aussteht – durch einen erheblichen Sozialbezug aus und können folglich per se nicht als besonders intimer Ausfluss der menschlichen Persönlichkeit begriffen werden.425 Exemplarisch sei an dieser Stelle wiederum auf Delikte gegen Leib und Leben mit dem Mordtatbestand an deren Spitze verwiesen. Die Tötung eines anderen Menschen verletzt nicht allein die Rechtsgüter des betroffenen Opfers in irreversibler Weise, sondern erschüttert das gesellschaftliche Vertrauen in die Rechtsordnung und verlangt gerade deshalb eine justizförmige Antwort in der Form eines effektiven Strafverfahrens. 419 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 782. Ausschließlich im Kontext der unselbstständigen Beweisverwertungsverbote: Beulke, ZStW 103 (1991), 657 (672); Fezer, StV 1989, S. 290 (294); Müssig, GA 1999, 119 (142). Ferner Löffelmann, Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren, S. 115, der den gesetzlichen Strafrahmen nur als bedingt verlässlich einstuft. Vgl. bereits Kohlhaas, NJW 1972, 238 (239): „Nichts ist fataler als das Abwägen nach größerer oder kleinerer Kriminalität […]“. 420 Beulke, Jura 2008, 653 (655); ders., StV 1990, 180 (184). Vgl. auch Jahn, Gutachten C, S. 61. 421 Finger, JA 2006, 529 (537). 422 Dencker, Verwertungsverbote im Strafprozeß, S. 96 f., 125 f. Im Kontext der unselbstständigen Beweisverwertungsverbote Heghmanns, ZIS 2016, 404 (407); Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 24 Rn. 28. 423 H. Schneider, NStZ 2016, 553 (555) spricht von „der anderen Waagschale des Abwägungsvorgangs“. 424 Zur Diskussion im Kontext der unselbstständigen Beweisverwertungsverbote H. Schneider, NStZ 2016, 553 (555). 425 Zum Sozialbezug im Kontext des § 201a StGB Teil 2, C. II. 1. d).
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Zum anderen stellt sich der Rekurs auf die Schwere des Delikts als nachvollziehbarer Bestandteil des anerkannten Verhältnismäßigkeitsprinzips dar.426 Während es schlechthin unbillig und unverhältnismäßig erschiene, den Nachweis eines einfachen Ladendiebstahls mittels persönlichkeitssensibler Tonaufnahmen zu führen, verändern sich die Vorzeichen der Abwägung, wenn etwa eine Tat mit terroristischem Hintergrund angeklagt ist. Schließlich bleibt zu bedenken, dass die prozessuale Verwertbarkeit auch hinsichtlich gravierender Straftaten keine Befugnis vermittelt, bei der Suche nach entscheidungsrelevanten Beweisen in fremde Rechtspositionen einzugreifen. Das materielle Recht setzt dem eigeninitiativen Vorgehen spezifische Grenzen, die auch eine richterliche Verwertbarkeit nicht zu verschieben oder gar aufzuheben vermag. Beschreibt die Schwere der Straftat sonach einen Umstand, der dazu geeignet ist, das öffentliche Strafverfolgungsinteresse zu kategorisieren, stellt dies zunächst nur den ersten Schritt auf dem Weg zu einem hinreichend voraussehbaren Abwägungsvorgang dar. Ohne eine nähere Umschreibung, welche Delikte ein besonderes Gewicht aufweisen und sonach als gravierend gelten, bliebe ein unerträgliches Maß an Variabilität, wie der Blick auf einen jüngeren Beschluss des LG Düsseldorf eindrucksvoll belegt.427 Dieser Entscheidung lag eine Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 AO zugrunde, wobei sich die Höhe der hinterzogenen Steuern „auf vorsichtig geschätzte 7.839 E“ belief. Das Gericht hob innerhalb der Interessenabwägung zwar explizit hervor, dass es sich insoweit nicht um ein besonders schwerwiegendes Delikt handele, obschon „der gegen die Beschuldigten bestehende Tatverdacht der Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 AO auch nicht zu bagatellisieren“428 sei und gelangte vor diesem Hintergrund zur prozessualen Verwertbarkeit des privat erlangten Datenmaterials. Eine solche Begründung kann von vornherein nicht überzeugen, da sie endlich dazu führt, auch geringfügiges Unrecht zu Schwerstkriminalität hochzustilisieren, um das gewünschte Ergebnis – die prozessuale Verwertbarkeit eines privat erlangten Beweismittels – herbeizuführen.429 Dieser Tendenz, die Interessenabwägung vom gewünschten Ergebnis aus zu betreiben, kann indes nur dann begegnet werden, wenn es gelingt, den Abwägungsparameter des Strafverfolgungsinteresses zu präzisieren.430 426 Jansen, StV 2019, 578 (583). Ähnlich auch S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 57 f. unter Rekurs auf die Unschuldsvermutung. Insoweit komme es darauf an, die Grenzen auszuloten, innerhalb derer dem Betroffenen ein vertretbares Sonderopfer abverlangt werden könne. Ferner Schroth, in: Hilpert/Schroth, S. 186 (204). Kritisch zur Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Kontext der Beweisverwertungsverbote Dencker, Verwertungsverbote im Strafprozeß, S. 96 f., 125 f. 427 LG Düsseldorf wistra 2011, 37 (37 ff.). 428 LG Düsseldorf wistra 2011, 37 (39). 429 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 782 Fn. 51. Vgl. zu ähnlichen Erwägungen Niehaus, NZV 2016, 551 (555). 430 Dazu auch S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 59.
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Diesem Ansinnen haben sich bereits unterschiedliche Konzeptionen verschrieben, die im Rahmen dieser Untersuchung indes nur verkürzt wiedergegeben werden können.431 Gemeinsamer Ausgangspunkt ist dabei die Erkenntnis, dass sich eine Abwägungsentscheidung, die hinreichend prognostizierbar sein soll, zwangsläufig an gesetzlichen Vorgaben orientieren muss.432 Sowohl das materielle als auch das formelle Recht stellen in einigen Vorschriften – jedenfalls implizit – auf die Schwere einzelner Straftaten ab und knüpfen hieran weitergehende Rechtsfolgen. Dies gilt in besonderer Weise für § 100a StPO, der eine staatliche Telekommunikationsüberwachung unter anderem davon abhängig macht, ob der Verdacht einer schweren Straftat besteht. In ihrem Abs. 2 bestimmt die Eingriffsnorm dabei in einem umfassenden enumerativen Katalog, welche Delikte insoweit in Betracht kommen – und sonach überhaupt als Auslöser der Überwachungsmaßnahme dienen. Obschon sich die Regelung ausschließlich auf das staatliche Ermittlungsverfahren – mithin die außerprozessuale Beweiserhebung – konzentriert, mangelt es nicht an Versuchen, diese legislatorische Einstufung bestimmter Straftaten über ihren originären Anwendungsbereich hinaus fruchtbar zu machen. Eingedenk dessen postulieren zahlreiche Verfechter der Abwägungslösung, das staatliche Strafverfolgungsinteresse sei in den Fällen einer heimlich angefertigten Tonaufnahme stets dann besonders gewichtig, wenn es um den Nachweis einer Tat i. S. d. § 100a Abs. 2 StPO gehe.433 Auch das BVerfG hat diesen Rekurs in seiner Tonband-Entscheidung erwogen, schlussendlich jedoch bewusst offen gelassen.434 Von wenigen Ausnahmen abgesehen umfasst der Katalog des § 100a Abs. 2 StPO solche Taten, die eine Höchststrafe von mehr als fünf Jahren vorsehen,435 und orientiert sich sonach insbesondere an der Rechtsfolgenseite.436 Zusätzlich verlangt § 100a Abs. 1 Nr. 2 StPO jedoch, dass die Katalogtat auch im Einzelfall schwer wiegt und trägt auf diese Weise 431 Gropp, StV 1989, 216 (226) hält eine Differenzierung zwischen Verbrechen und Vergehen für möglich. Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (34) thematisiert einen Rekurs auf § 393 Abs. 2 S. 2 AO i. V. m. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO. Vgl. schließlich die Diskussion bei S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 60 f., inwieweit auf solche Delikte abgestellt werden könne, die ein staatsanwaltschaftliches Tätigwerden auch bei privater Kenntnisnahme fordern. Teilweise auch Niehaus, NZV 2016, 551 (555), der bei Straftaten, „die ohne Folgen geblieben sind“ von der Unverwertbarkeit anlassloser Dashcam-Aufnahmen ausgeht. Zugleich weist Niehaus auch auf den Bedeutungsgehalt des § 100h StPO hin. 432 Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (34); Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 136. 433 Ausdrücklich Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 111; Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 145. Ferner Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (34); Hilland, Das Beweisgewinnungsverbot des Paragraphen 136a StPO, S. 27 f.; Laber, Die Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen im Strafverfahren, S. 70. 434 BVerfGE 34, 238 (250). 435 Statt aller Günther, in: MüKo-StPO, § 100a Rn. 65. 436 Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung des § 100a Abs. 2 StPO BVerfGE 129, 208 (241 ff.).
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dem gewichtigen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG Rechnung.437 Gerade dieser verfassungsrechtliche Befund verdeutlicht den spezifischen Kontext, in den die heimliche Überwachung der Telekommunikation durch staatliche Strafverfolgungsbehörden eingebettet ist.438 Die hohen Eingriffsvoraussetzungen des § 100a StPO sind insoweit Ausfluss der besonderen Gefahren, die von einem hoheitlichen Eingriff in den zwischenmenschlichen Kommunikationsvorgang ausgehen.439 Der Staat erlangt auf diese Weise nicht nur Kenntnis vom Gesprächsinhalt, sondern zugleich auch vom Umfang der jeweiligen Kommunikationsbeziehung und gewinnt folglich ein mehr oder weniger umfassendes Persönlichkeitsbild des Überwachten. Hiervon divergiert die Situation in den Fällen, in denen ein Privater entscheidungsrelevante Beweismittel anbietet und sich der staatliche Eingriff allein auf die gerichtliche Verwertung beschränkt. Unterscheidet sich aber bereits die rechtliche Ausgangslage, verbietet sich ein unmittelbarer Transfer des abschließenden Katalogs aus § 100a Abs. 2 StPO auf die Ebene der prozessualen Verwertbarkeit eigeninitiativ erlangter Beweismittel.440 Möglich bleibt indes eine grobe Orientierung an den Straftaten des § 100a Abs. 2 StPO, da diese typischerweise ein erhebliches Gewicht aufweisen und deshalb auch ein gesteigertes Strafverfolgungsinteresse nach sich ziehen. Allerdings ist es keineswegs ausgeschlossen, ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung – und schließlich die prozessuale Verwertbarkeit eines persönlichkeitsrechtlich relevanten Beweismittels – auch dann anzunehmen, wenn sich der Verdacht auf ein Delikt bezieht, das außerhalb des § 100a Abs. 2 StPO liegt.441 Dies gilt exemplarisch für eine Körperverletzung gem. §§ 223 ff. StGB, die beim Opfer gravierende Folgen hervorruft, aber – im Gegensatz zur einfachen Erpressung gem. § 253 StGB – nicht zu den schweren Straftaten i. S. d. § 100a Abs. 2 StPO rechnet.442 Das konkrete Tatunrecht des kör437
BVerfGE 129, 208 (243). Dies verdeutlich auch der Wortlaut des § 100a Abs. 2 StPO, der von schweren Straftaten „im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1“ spricht und sonach gerade keine allgemeingültige Kategorie der schweren Straftaten implementiert. 439 Ähnliches gilt auch für die Online-Durchsuchung gem. § 100b StPO sowie die akustische Wohnraumüberwachung gem. § 100c StPO, die jeweils den Verdacht einer besonders schweren Straftat verlangen. Vgl. schließlich auch Wolter, NStZ 1984, 276 (278); Maiwald, JuS 1978, 379 (381 f.) sowie S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 59 f., die postulieren, der Katalog des § 100a Abs. 2 StPO orientiere sich bisweilen auch an kriminaltaktischen Erwägungen. 440 Kritisch auch S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 59 f. Nach Gropp, StV 1989, 216 (225 f.) ist der Rekurs auf § 100a StPO zu starr. Ähnliche Erwägungen finden sich bei Wolter, NStZ 1984, 276 (278), indes im Kontext der Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten. 441 In diese Richtung auch BayObLG NJW 1994, 1671, wo es um den Vorwurf eines Meineids gem. § 154 StGB ging, der gerade nicht zu den Katalogtaten des § 100a Abs. 2 StPO rechnet. Abweichend hingegen Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 115 m. w. N. 442 S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 59 f. 438
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perlichen Eingriffs kann dabei ein deutlich höheres Gewicht einnehmen und folglich ein gesteigertes öffentliches Interesse an einer effektiven und umfänglichen Strafverfolgung nach sich ziehen.443 Hingegen vermag der vereinzelt gebliebene Rekurs auf die §§ 138, 139 Abs. 3 StGB444 von vornherein nicht zu überzeugen, da sich die Schutzrichtung dieser materiell-rechtlichen Straftatbestände allein darauf beschränkt, eine zukünftige Rechtsverletzung, die mit einer der genannten Taten einhergehen würde, zu verhindern.445 Zwar zeichnen sich die Taten, die § 138 Abs. 1, 2 StGB in seinem Katalog abschließend nennt, ebenso wie jene des § 100a Abs. 2 StPO durch eine besondere Unrechtsqualität aus.446 Bei Lichte besehen entfließt die Selektion der einzelnen Delikte dabei jedoch dem spezifischen Konflikt, dem die Strafnorm zu begegnen versucht:447 Die strafbewehrte Anzeigepflicht, der genügen muss, wer von dem Vorhaben oder der Ausführung einer der genannten Taten erfährt, steht im Zusammenhang mit den besonderen Gefahren, die von den aufgezählten Delikten ausgehen. Im Kontext der strafprozessualen Verwertbarkeit von eigeninitiativ erlangten Beweismitteln geht es hingegen darum, einen zurückliegenden Rechtsverstoß zu belegen und schließlich angemessen zu sanktionieren. Vor diesem Hintergrund verschiebt sich die Interessenlage ganz erheblich:448 Während es sub specie der §§ 138, 139 StGB vordergründig um ein präventives Anliegen geht,449 erfolgt die Entscheidung über die Verwertbarkeit aus einer repressiven Warte. Nach alledem lässt sich dem materiellen Strafrecht – mit Ausnahme des Strafrahmens, den die einzelnen Delikte vorsehen – keine Aussage dazu entnehmen, welche Taten als schwer einzustufen sind und ein gesteigertes Verfolgungsinteresse begründen. Schlussendlich verbleibt trotz der vorgestellten Konkretisierungsbemühungen ein ambivalentes Bild: Der umfassende Katalog des § 100a Abs. 2 StPO erlaubt zwar eine grobe Orientierung, in welchen Fällen von einer schweren Straftat auszugehen ist, die ein gewichtiges Verfolgungsinteresse nach sich zieht. Nichtsdestoweniger beseitigt der Blick auf die strafprozessuale Vorschrift der Telekommunikations443 Dies entspricht freilich auch den verfassungsrechtlichen Erwägungen, wonach Straftaten „gegen Leib und Leben anderer“ ein gewichtiges Strafverfolgungsinteresse auslösen, BVerfGE 34, 238 (249 f.). 444 S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 62 f. 445 Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 138 Rn. 3. 446 Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, § 138 StGB Rn. 7. Ferner Marquardt/Dannewitz, in: Rudolphi-FS, S. 497 (497 ff.), die sich instruktiv mit Inhalt, Grenzen und Funktion des Straftatenkatalogs in § 138 StGB befassen. 447 Vor diesem Hintergrund erhellt auch, warum die jeweiligen Kataloge des § 138 StGB auf der einen und des § 100a Abs. 2 StPO auf der anderen Seite nicht identisch ausfallen. 448 Anders hingegen S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 61, die von der Kehrseite des jeweiligen Interesses spricht. 449 Statt aller Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, § 138 StGB Rn. 2. Zu Zweifeln an der Präventionstauglichkeit Marquardt/Dannewitz, in: Rudolphi-FS, S. 497 (501 ff.).
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überwachung keineswegs sämtliche Zweifel, die an der Abwägungslösung bestehen. Dies gilt insbesondere für das verbleibende Maß an Rechtsunsicherheit, obschon dieses deutlich geringer ausfällt als bisweilen behauptet. Eine letztverbindliche Entscheidung vermag insoweit allerdings nur der Gesetzgeber zu treffen, der eine spezifische Norm implementieren müsste, die sich zur Verwertbarkeit eigeninitiativ erlangter Beweismittel ausdrücklich verhielte. Solange eine solche Regelung indes fehlt, bleibt allein der vorsichtige Rückgriff auf die Wertungen des § 100a Abs. 2 StPO, der allerdings kein abschließendes Bild zeichnet. Wie gewichtig das Strafverfolgungsinteresse in concreto ausfallen muss, hängt auch davon ab, wie intensiv die prozessuale Verwertung in das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht eingreift. bb) Eingriffstiefe: Der „modifizierte“ Sphärengedanke Das öffentliche Interesse an der effektiven Strafverfolgung kollidiert mit dem Interesse des Betroffenen, das berührte Grundrecht möglichst unbeschadet zu erhalten. Entscheidungsrelevant ist dabei, wie tief die richterliche Verwertung des Beweismittels in das geschützte Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG eingreift.450 In diesem Zusammenhang sind die vorstehenden Ausführungen zu berücksichtigen, wonach die überkommene Sphärentheorie des BVerfG allein eine grobe Richtlinie beschreibt.451 Je näher der Eingriff an das Substrat der menschlichen Persönlichkeit heranreicht, desto gewichtiger muss das staatliche Strafverfolgungsinteresse ausfallen, um die prozessuale Verwertbarkeit zu begründen. Die Verwertung einer Tonaufnahme begegnet deshalb einer höheren Rechtfertigungslast, wenn diese ein Gespräch beinhaltet, das der Beschuldigte mit einer engen Bezugsperson in vertraulicher Atmosphäre geführt hat. Hingegen liegt eine geringere Eingriffsintensität vor, wenn die Aufnahme eine Unterhaltung reproduziert, die lautstark in der Öffentlichkeit geführt und zwangsläufig von einem größeren Zuhörerkreis wahrgenommen werden konnte. Zudem lassen sich auch Unterschiede zwischen den einzelnen Beweismitteln konstatieren: Während die soeben beschriebene Tonaufnahme das konservierte Gespräch originalgetreu wiedergibt und insoweit eine erhöhte Eingriffsintensität aufweist, beinhaltet die Verwertung einer Zeugenaussage, die aus einer heimlichen Lauschaktion herrührt, tendenziell ein geringeres Gewicht – selbst, wenn das Vorgehen des Lauschzeugen nicht nur moralisch äußerst bedenklich erscheint. Maßgeblich ist stets auch der konkrete Konversationsinhalt. Sofern sich das Beweismittel explizit auf die nachzuweisende Straftat bezieht, liegt in dessen prozessualer Verwertung zwangsläufig ein eher geringwertiger Eingriff in das verfassungsrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht. Demzufolge wirkt es sich zugunsten der gerichtlichen Verwertbarkeit einer Tonaufnahme aus, wenn diese etwa 450 451
So auch Brunhöber, GA 2010, 571 (587). Dazu Teil 3, B. II. 4. b).
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eine aufzuklärende Beleidigung unmittelbar belegt, und sich nicht bloß auf ein nachträgliches Gespräch bezieht, in dem es (auch) um die zurückliegende Straftat geht. Der Sozialbezug ist in diesen Fällen, in denen die dokumentierte Äußerung selbst das strafbare Verhalten darstellt, ungleich größer.452 Dies gilt auch in der Konstellation, in der es dem Privaten gelingt, einen fremden Rechtsverstoß mittels einer Bild- oder Videoaufnahme zu konservieren.453 Zwar ließe sich prima facie ein besonderes Schutzbedürfnis des Betroffenen formulieren, dem daran gelegen sein dürfte, sein kriminelles Verhalten jedenfalls vor der Verfahrensöffentlichkeit geheim halten zu können. Dieses Geheimhaltungsinteresse verdient indes gerade keinen gesteigerten rechtlichen Schutz, weil das dokumentierte Verhalten der geltenden Rechtsordnung widerspricht. Bereits diese singulären Ausführungen verdeutlichen, dass es durchaus möglich ist, die Eingriffstiefe auch jenseits eines starren Sphärenmodells zu konturieren. Freilich lassen sich durch diesen Lösungsansatz nicht sämtliche Unwägbarkeiten beseitigen. Solange eine gesetzliche Vorschrift indes nicht existiert, die zu einem erheblichen Zugewinn an Rechtssicherheit beitragen könnte, bleibt nur die aufgezeigte Orientierung an spezifischen Fallgruppen. Das Entwicklungspotential des Abwägungsmodells ist sonach keineswegs erschöpft, sondern muss vielmehr erst sukzessive freigelegt werden. Dabei ist auch zu berücksichtigten, dass sich einzelne tatsächliche Umstände, die bereits die vorgelagerte private Beweismittelsuche geprägt haben, auf der Ebene der gerichtlichen Verwertung wiederfinden. Hierauf ist im Anschluss an die zivilgerichtlichen Überlegungen an zentraler Stelle zurückzukommen.454 cc) Der „ultima-ratio-Gedanke“: Mögliche Konflikte mit der Rechtsprechung des EGMR In den pathologischen Fällen, die schließlich auch das BVerfG beschäftigt haben, nehmen die eigeninitiativ erlangten Beweismittel auch deshalb häufig eine zentrale Rolle ein, weil diese für die richterliche Entscheidungsfindung essenziell sind.455 Die faktische Bedeutung des konkreten Beweismittels ist gerade dann besonders gewichtig, wenn der Nachweis einer Straftat ausschließlich mit diesem gelingt und das entscheidende Gericht insoweit auf dieses angewiesen ist.456 Steht die Schuld des 452
Vgl. zu diesen Erwägungen auch Zimmermann, GA 2013, 162 (166 f.), allerdings bezogen auf die Kernbereichsrechtsprechung des BVerfG. 453 Paradigmatisch insoweit BGH BeckRS 2020, 21303. In dem Verfahren ging es um ein spontan aufgenommenes Video durch einen Privaten, das die Tat – einen gemeinschaftlich begangenen Mord aus niedrigen Beweggründen – zeigte. Dieses hielt das Gericht ohne nähere Begründung für verwertbar. 454 Teil 3, B. II. 4. f). 455 Auf diesen Umstand weist auch LG Zweibrücken NJW 2004, 85 (86) hin. 456 BGHSt 34, 397 (401); 36, 167 (174); Jansen, StV 2019, 578 (583); H. Schneider, NStZ 2016, 553 (554).
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Angeklagten hingegen auch ohne das privat gewonnene Beweismittel zweifelsfrei fest, wird dieses typischerweise überhaupt nicht in das Verfahren einbezogen und folglich von vornherein nicht Gegenstand einer rechtlichen Diskussion.457 Der Private, der etwa eine heimliche Tonaufnahme angefertigt hat, die ein umfassendes Geständnis des Beschuldigten beinhaltet, dürfte diese tendenziell eher zurückhalten, sofern bereits anderweitige Beweismittel in ausreichendem Maß vorhanden sind. Andernfalls müsste er sein eigenes Verhalten, das den Straftatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt und – vorbehaltlich etwaiger Rechtfertigungsgründe – ebenfalls verboten ist, gegenüber den Strafverfolgungsorganen offenlegen. Auf diese Weise würde er möglicherweise ein Strafverfahren gegen sich selbst provozieren. Auch das BVerfG und in dessen Anschluss der BGH messen dem Umstand, ob es sich um „das einzige Mittel zur Überführung des Täters bei schweren Straftaten“458 handelt, erhebliche Bedeutung innerhalb des Interessenausgleichs bei.459 In der wissenschaftlichen Debatte firmiert dieser Abwägungsgesichtspunkt, der ebenfalls auf die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls abstellt, unter dem Begriff des „ultima-ratio-Gedankens“.460 Bei näherem Hinsehen kollidieren diese Erwägungen jedoch mit den Vorgaben des EGMR, die dieser in seiner wegweisenden Schenk-Entscheidung461 aufgestellt hat.462 Zwar betonen die Straßburger Richter explizit, dass sich der EMRK keine Bestimmung dazu entnehmen lasse, inwiefern einzelne Beweismittel, die von Privaten rechtswidrig erlangt wurden, in einem nationalen Gerichtsverfahren zulässig sind.463 Vor diesem Hintergrund konzentriere sich die rechtliche Prüfung allein darauf, ob das Verfahren insgesamt als fair i. S. d. Art. 6 Abs. 1 EMRK einzustufen sei. In diesem Kontext sei allerdings unter anderem entscheidend, dass es sich bei dem Beweismittel, dessen prozessuale Verwertbarkeit fraglich erscheint, nicht um das einzige handele, das die Verurteilung des Beschuldigten stütze.464
457 Womöglich wird man sogar noch eine Stufe vorher ansetzen können: Sofern die Straftat auch ohne eigeninitiativ erlangte Beweismittel nachgewiesen werden kann, wird der Private zumeist schon darauf verzichten, solche überhaupt zu sichern. 458 BVerfGE 34, 238 (250). 459 BGHSt 36, 167 (174). 460 Gropp, StV 1989, 216 (224); Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 779; Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 165; Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (35). In diese Richtung auch Bienert, Private Ermittlungen, S. 159. 461 EGMR NJW 1989, 654. 462 S. Götting, Beweisverwertungsverbote in Fällen gesetzlich nicht geregelter Ermittlungstätigkeit, S. 276 Fn. 9. Zu den Parallelen und Unterschieden in der Rechtsprechung der nationalen Gerichte und des EGMR Warnking, Strafprozessuale Beweisverbote in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, S. 277. 463 EGMR NJW 1989, 654 (655). 464 EGMR NJW 1989, 654 (656). Daneben stellt der EGMR vor allem auf Verteidigungsrechte ab, die dem Betroffen etwa ermöglichen, die Authentizität des inkriminierten Beweis-
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Während die nationale Rechtsprechung sonach eine besondere Bedeutung des konkreten Beweismittels verlangt, die zuvorderst dann anzunehmen sein soll, wenn es sich um das einzige handelt, schlägt der EGMR die entgegengesetzte Richtung ein. Im Schrifttum finden sich einzelne Ansichten, die das nationale Abwägungsmodell durch eine konventionskonforme Interpretation mit dem Maßstab des EGMR in Einklang zu bringen versuchen.465 Das verfassungsgerichtliche ultima-ratio-Erfordernis verlange ausschließlich, dass sich das privat erlangte Beweismittel faktisch auf die Entscheidungsfindung auswirke.466 Bestehe eine solche Einflussoption hingegen nicht, sei das Beweismittel von vornherein nicht erforderlich und das entscheidende Gericht auf dieses gerade nicht angewiesen.467 Umgekehrt könne das Beweismittel jedoch auch dann notwendig sein, wenn dieses nicht das einzige sei, sondern lediglich eines unter mehreren, die grundsätzlich zur Verfügung stehen.468 Dieses Verständnis nimmt allein die faktischen Grundbedingungen der gerichtlichen Verwertbarkeit in Bezug, die zu Beginn dieses Abschnitts hervorgehoben wurden und eng mit prozesstaktischen Erwägungen zusammenhängen: Sofern das Beweismittel keinen Mehrwert für die Urteilsfindung bewirkt, findet es regelmäßig schon keinen Eingang in das Verfahren, da der Private aufgrund einer risikoorientierten Entscheidung davon absehen wird, dieses zu nutzen. Eine solche Interpretation der nationalen Rechtsprechung löst den Konflikt mit den Vorgaben des EGMR weitgehend praxisgerecht auf. Gropp hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, das so verstandene ultima-ratio-Erfordernis statuiere allein eine zwingende Voraussetzung für die prozessuale Verwertbarkeit, ohne aber innerhalb des maßgeblichen Interessenausgleichs „positiv für sie zu sprechen“.469 Soweit ersichtlich fehlt indes eine Stellungnahme dazu, wie dieser Konflikt aufzulösen ist, wenn es sich bei dem privat erlangten Beweismittel tatsächlich einmal um das einzige handeln sollte, das die wahre Tatsachenlage zu belegen vermag. Aus der Warte der nationalen Rechtsprechung wäre dieses zweifelsohne notwendig, um eine wahrheitsgemäße Entscheidung zu treffen. Ebenso eindeutig fiele indes das Urteil des EGMR aus: Da weitere Beweise nicht existieren, müssten hieraus erhebliche Zweifel an einem fairen Verfahren erwachsen, sofern der entscheidende Richter sein Urteil auf das eigeninitiativ gewonnene Beweismittel stützte. mittels anzuzweifeln. Zum Ganzen Warnking, Strafprozessuale Beweisverbote in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, S. 273 ff. 465 Gropp, StV 1989, 216 (224 Fn. 11). Vgl. schließlich Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 779, die indes auch betont, dass sich die konträren Grundgedanken von BVerfG und EGMR nur schwer miteinander vereinbaren lassen. 466 Gropp, StV 1989, 216 (224 Fn. 11). 467 Gropp, StV 1989, 216 (224 Fn. 11). 468 Gropp, StV 1989, 216 (224 Fn. 11); Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 165. 469 Gropp, StV 1989, 216 (224 Fn. 11). Zustimmend Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 165.
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Dieser evidente Widerspruch zwischen den Gerichten und deren herausgearbeiteten Leitplanken zwingt dazu, die maßgeblichen Gründe zu erhellen, die hinter der restriktiven Auslegung des EGMR stehen. Zwar begründet die Entscheidung ihren zentralen Gedankengang nicht ausdrücklich, nach dem eine „Vielzahl von Beweisen“ zugunsten eines fairen Verfahrens sprechen soll. Dem Gesamtkontext lässt sich indes entnehmen, dass der EGMR den Beweiswert sowie die Authentizität470 einer privat angefertigten – und den schweizerischen Gerichten zufolge rechtswidrigen – Tonaufnahme infrage stellt.471 Diese Bedenken treffen unweigerlich einen berechtigten und zugleich neuralgischen Punkt, da das eigeninitiative Vorgehen stets interessengeleitet erfolgt und das Risiko in sich birgt, eine verzerrte Realität abzubilden. Nimmt der Private beispielsweise eine Konversation mit seinem Gesprächspartner heimlich auf, so wird er seine eigenen Äußerungen vorsichtig wählen und gleichzeitig versuchen, seinem Gegenüber eine entscheidungsrelevante Aussage zu entlocken, die unter Umständen nur einen Teil der Wahrheit beschreibt, der aber für den intendierten Prozess evident ist. Hinzukommen nachträgliche Manipulationsmöglichkeiten, die in Zeiten des digitalen Fortschritts ohne großen Aufwand und gesteigerte technische Fertigkeiten vorgenommen werden können.472 Bei näherem Hinsehen sind diese berechtigten Zweifel am Beweiswert indes nicht dazu geeignet, die prozessuale Verwertbarkeit in einem solchen Umfang auszuschließen, wie dies die Ausführungen des EGMR im „Fall Schenk“ nahelegen. Das nationale Recht implementiert in § 261 StPO den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung, dem zufolge der entscheidende Richter nach seinem freien Ermessen darüber befinden muss, inwieweit ein bestimmtes Beweismittel eine relevante Tatsache zu belegen vermag. In diesem Zusammenhang können inhaltliche Zweifel an der Authentizität eines privat erlangten Beweismittels in ausreichendem Maß berücksichtigt werden, ohne dieses vorschnell aus dem Verfahren auszusondern.473 Ungeachtet dessen drängt sich die Frage auf, wie das Kriterium der „Vielzahl von Beweisen“ quantitativ zu bemessen ist.474 Da insoweit neuerliche Abgrenzungsschwierigkeiten drohen, erscheint es nach alledem vorzugswürdig, auf diese Vorgabe des EGMR gänzlich zu verzichten. dd) Hypothesenbildung Abschließend rückt die Frage in den Fokus, inwieweit hypothetische Verlaufserwägungen geeignet sind, den Interessenausgleich sub specie der selbstständigen 470
EGMR NJW 1989, 654 (656). In diese Richtung deuten auch die Ausführungen bei Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 779. 472 Vgl. dazu die Auseinandersetzung bei Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 248 f. Ferner Seiler, in: Peters-FS, S. 447 (459). Schon Eb. Schmidt, in: Jellinek-GS, S. 625 (627 f.) weist auf die Manipulationsmöglichkeiten hin. 473 Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 249. 474 Kritisch auch Esser, Auf dem Weg zu einem europäischen Strafverfahrensrecht, S. 184. 471
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Beweisverwertungsverbote zu beeinflussen.475 Bevor nach einer überzeugenden Antwort zu suchen ist, bedarf es einer näheren Präzisierung: Nicht angesprochen ist an dieser Stelle das oben beschriebene Lösungsmodell der „Hypothese rechtswidriger staatlicher Beweiserhebung“.476 Dieses beschreibt einen eigenständigen Ansatz, der gewissermaßen neben dem verfassungsrechtlichen Abwägungskonzept steht. Im Rahmen dieses Abschnitts tritt demgegenüber der Gedanke in den Vordergrund, ob der Abwägungsvorgang mittels einer Verlaufshypothese konkretisiert oder gar korrigiert werden kann. Diese Argumentation ist im Rahmen der unselbstständigen Beweisverwertungsverbote weit verbreitet und grundsätzlich anerkannt.477 Insoweit soll es sich zugunsten der Verwertbarkeit auswirken, wenn die staatlichen Ermittlungsbehörden, denen ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, das fragliche Beweismittel auch auf rechtmäßige Weise erlangt hätten. Der tatsächliche Rechtsverstoß wird dabei durch eine fiktive Ermittlungsmaßnahme ersetzt, die den gesetzlichen Anforderungen genügt. Bereits dieser zuletzt genannte Gesichtspunkt zeigt die Begründungsschwierigkeiten auf, denen die Verlaufshypothese im Kontext der selbstständigen Beweisverwertungsverbote begegnet. Diese knüpfen gerade nicht an einen Rechtsverstoß im Zuge der Beweiserlangung an, sondern sind von diesem außerprozessualen Vorgehen rechtlich unabhängig. Konsequenterweise fehlt es dann aber an einem dogmatischen Anknüpfungspunkt dafür, fiktive Handlungen einzubeziehen, die sich explizit auf die vorangehende Beweiserhebung konzentrieren.478 Andernfalls verlöre das Beweisverwertungsverbot seine Selbstständigkeit und müsste sich fortan in die Kategorie der unselbstständigen Beweisverwertungsverbote einreihen. Lässt man diesen zentralen Einwand einmal beiseite, erscheint der Rekurs auf die Hypothesenbildung, den Frank hinsichtlich rechtswidriger Tonbandaufnahmen durch Private postuliert,479 bestechend progressiv. Das detaillierte Regelungsgeflecht der Strafprozessordnung, das den Strafverfolgungsbehörden weitgehend klare rechtliche Grenzen setzt, ließe sich über seinen originären Anwendungsbereich hinaus fruchtbar machen, um die Interessenabwägung auf der Verwertungsebene rechtssicherer auszugestalten. Da es in den Fällen einer privaten Beweismittelsuche 475 Instruktiv S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 80 ff. 476 Teil 1, D. I. 8. 477 Statt aller H. Schneider, NStZ 2016, 553 (555). Zur Kritik Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 135 f. Ausführlich zum Ganzen Rogall, NStZ 1988, 385 (385 ff.). 478 So auch S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 81; Kelnhofer, Hypothetische Ermittlungsverläufe, S. 216. I. E. auch Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (42 Fn. 250). 479 Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 112. Auch Kelnhofer, Hypothetische Ermittlungsverläufe, S. 247 f. plädiert für eine Hypothesenbildung in den Fällen eines rechtswidrigen privaten Vorgehens. Allerdings trennt er diese Kategorie von den so bezeichneten verfassungsrechtlichen Verwertungsverboten ab.
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an einem staatlichen Beweiserhebungsfehler indes mangele, könne es dabei nicht darum gehen, das rechtswidrige hoheitliche Handeln durch eine rechtmäßige Vorgehensweise der Ermittlungsbehörden zu substituieren. Vielmehr bleibe allein die Möglichkeit, die eigeninitiative Maßnahme durch eine fiktive staatliche Beweiserhebung zu ersetzen.480 Hinter dieser These steht wiederum der Gedanke, wonach der Staat aus dem rechtswidrigen Verhalten einer Privatperson keine Vorteile ziehen soll, sofern ihm das inkriminierte Beweismittel selbst vorenthalten bleiben müsste.481 Allerdings versperren gerade die Unterschiede, die zwischen einem privaten und einem staatlichen Vorgehen bestehen, den Weg zu einer hypothetischen Verlaufsanalyse. Während der Private in seinem eigeninitiativen Verhalten grundsätzlich frei ist und keiner spezifischen Erlaubnis bedarf, müssen die staatlichen Stellen ihre hoheitlichen Eingriffe stets legitimieren.482 Zu diesem Zweck sieht die Strafprozessordnung verschiedene Befugnisnormen vor, die es den Ermittlungsbehörden gestatten, in die geschützten Rechtspositionen einzugreifen. Für den Privaten, der eigeninitiativ nach belastenden Beweismitteln sucht, entfalten diese Vorschriften aber gerade keine Bindungswirkung. Griffe man auch in diesem Zusammenhang auf die Verlaufshypothese zurück und ersetzte das private Vorgehen durch staatliche Ermittlungsmaßnahmen, führte dies schlussendlich dazu, die eigeninitiative Beweismittelsuche faktisch an den rechtlichen Maßstäben zu messen, die ausschließlich die Ermittlungsbehörden adressieren. Für das hier gefundene Ergebnis streitet auch ein weiterer Gedanke, der im bisherigen Verlauf der Untersuchung bereits zutage getreten ist: Die materiell-rechtliche Bewertung des eigeninitiativen Verhaltens spielt für die Frage, ob ein Beweismittel prozessual verwertbar ist, schlichtweg keine Rolle.483 Ist aber das außerprozessuale Vorgehen für die anschließende Verwertbarkeit irrelevant, darf diese fehlende Interdependenz nicht durch einen schlichten Austausch des Erlangungsaktes unterlaufen werden. Nach alledem bleiben hypothetische Ermittlungsverläufe innerhalb der selbstständigen Beweisverwertungsverbote unbeachtlich.484 Im Kontext der eigeninitiativen Beweismittelsuche lässt sich diese Erkenntnis bestätigen, indem man auf die zentralen Unterschiede zwischen einem privaten und einem staatlichen Vorgehen blickt.
480 Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 113. Teilweise abweichend hingegen Kelnhofer, Hypothetische Ermittlungsverläufe, S. 247 f. 481 Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 113. Vgl. auch Haffke, GA 1973, 65 (83), der insoweit von einem sittlich fragwürdigen Verhalten spricht. 482 Teil 1, B. II. 1. b). 483 Teil 3, A. II. 484 S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 81; Kelnhofer, Hypothetische Ermittlungsverläufe, S. 216.
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ee) Ergebnis zur Abwägung im Strafprozess Im Rahmen der strafprozessualen Interessenabwägung kollidieren das staatliche Strafverfolgungsinteresse, das auf eine umfassende Wahrheitsforschung abzielt, und das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Während die Eingriffsintensität nach Maßgabe des modifizierten Sphärengedankens zu bestimmen ist, wird das staatliche Strafverfolgungsinteresse insbesondere durch das Gewicht der angeklagten Tat beeinflusst. Dabei ermöglicht der Katalog des § 100a Abs. 2 StPO eine Orientierung, welche Straftaten tendenziell ein erhöhtes Unrecht aufweisen, implementiert aber gerade keine abschließende Aufzählung. e) Zivilprozessrecht Im Zivilprozess stehen sich – anders als im zuvor beschriebenen Strafverfahren – gleichberechtigte Parteien gegenüber, die um ihr Recht streiten. Der Staat nimmt dabei eine vermittelnde Position ein und fungiert als Schlichter des rechtlichen Diskurses.485 Da der Richter gem. Art. 1 Abs. 3 GG in Ausübung seiner hoheitlichen Tätigkeit unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist, greift die Verwertung eines persönlichkeitsrechtlich relevanten Beweismittels gleichwohl in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ein. Diese Ausgangssituation – einerseits die Privaten, die ihre jeweiligen Rechtspositionen geltend machen sowie andererseits der Staat, der eine verbindliche Entscheidung fällt – beeinflusst den verfassungsrechtlichen Interessenausgleich. aa) Interesse des Beweisführers: Das zivilprozessuale Verwertungsinteresse und das Recht auf Beweis Um die schutzwürdigen Belange des Beweisführers näher zu konturieren, ist es hilfreich, dessen Anliegen zunächst abstrakt zu umschreiben. Das Interesse ist darauf gerichtet, dass der entscheidende Richter ein relevantes Beweismittel berücksichtigt und sonach bei der Bewertung der konkreten rechtlichen Frage heranzieht. Auf diese Weise strebt der Private an, die wahre Tatsachenlage zu belegen, um auf deren Grundlage seine tatsächlich bestehenden Rechte durchsetzen zu können. Bereits an dieser Stelle tritt ein essenzieller Unterschied zu den strafverfahrensrechtlichen Erwägungen hervor:486 Die Entscheidung, ob ein konkretes Beweismittel strafprozessual verwertbar ist, hängt maßgeblich von dem öffentlichen Interesse an einer effektiven und funktionstüchtigen Strafrechtspflege ab – und weniger von einem
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Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 74. Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 66; Dencker, Verwertungsverbote im Strafprozeß, S. 109. 486
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individuellen Bedürfnis des Verletzten einer Straftat.487 Im Zivilverfahren steht demgegenüber das subjektive Interesse des Beweisführers selbst im Vordergrund.488 Das zivilprozessuale Verwertungsinteresse, das eng mit dem bereits erwähnten Recht auf Beweis zusammenhängt,489 vermag für sich betrachtet freilich noch nicht verbindlich zu erklären, ob der Eingriff in das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht legitimiert werden kann. In diesem Zusammenhang hat bereits das BVerfG angemahnt, „das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern“490 könne nicht genügen. Vielmehr bedürfe es besonderer Umstände, die dazu beitragen, dass das Interesse des Beweisführers „über das stets bestehende ,schlichte‘ Beweisinteresse“ hinausgehe.491 Das Bemühen der Rechtsprechung, die verfassungsrechtliche Abwägungsentscheidung zu strukturieren und das Beweisinteresse dabei zu kategorisieren, ist im Ausgangspunkt zwar begrüßenswert.492 Allerdings vermögen die gewählten Konkretisierungsversuche von vornherein nicht zu überzeugen, da sie die gesamte Beweisverbotsdogmatik auf tönerne Füße stellen. Ein gesteigertes Beweisinteresse soll nach den maßgeblichen Ausführungen des BVerfG, denen sich der BGH angeschlossen hat,493 namentlich dann vorliegen, wenn sich der Beweisführer in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage befinde, indem er beispielsweise eine erpresserische Drohung heimlich aufnehme.494 Dieser Rekurs auf materielle Rechtfertigungsgründe insinuiert dabei eine Interdependenz zwischen dem außerprozessualen Erlangungsakt und der prozessualen Verwertung durch das Gericht, die sich jedoch gerade nicht begründen lässt. Das verfassungsrechtliche Be487
Teil 3, B. II. 4. d) aa). BGHZ 218, 348 (375). Instruktiv ferner Fuhlrott/Schröder, NZA 2017, 278 (282); Habscheid, in: Peters-GS, S. 840 (851). 489 Teil 3, B. II. 1. b). Zur Kritik an der verbreiteten Vorgehensweise, das Recht auf Beweis als bloßen Argumentationsansatz für die Beweisverwertungsverbote zu bemühen, Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess, S. 204, 268 ff. 490 BVerfGE 106, 28 (50). Wiese, in: Lorenz-FS, S. 915 (938) betont zwar explizit, die verfassungsgerichtlichen Ausführungen bezögen sich allein auf die Verwertbarkeit eines rechtswidrig erlangten Beweismittels. Da der verfassungsrechtliche Eingriff durch den richterlichen Verwertungsakt indes unabhängig davon ist, ob die außerprozessuale Erlangung rechtmäßig oder aber rechtswidrig erfolgte, vermag diese Einordnung nicht zu überzeugen. Vgl. zur Argumentation im Strafprozessrecht Kaspar, GA 2013, 206 (221). 491 BVerfGE 106, 28 (50). 492 Das BVerfG ordnet seine Präzisierungsbemühungen wohl nicht dem individuellen Interesse des Beweisführers zu, sondern vielmehr dem allgemeinen Interesse an einer funktionstüchtigen Straf- und Zivilrechtspflege. Dies verwundert auch deshalb, weil die vorgeschlagene Konkretisierung mittels einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage auf die individuelle Situation des Beweisführers hindeutet. Insgesamt liegt es näher, die verfassungsgerichtlichen Erwägungen dem persönlichen Bereich des Beweisführers zuzuordnen. Zum allgemeinen Interesse an einer funktionstüchtigen Zivilrechtspflege noch Teil 3, B. II. 4. e) cc). 493 BGH NJW-RR 2010, 1289 (1292); BGHZ 162, 1 (6); BGH NJW 2003, 1727 (1728). 494 BGHZ 27, 284 (290); BVerfGE 106, 28 (50). 488
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weisverwertungsverbot knüpft – wie gesehen – ausschließlich an den richterlichen Verwertungsakt an und ist sonach unabhängig davon zu bestimmen, ob der Private im außerprozessualen Raum rechtmäßig oder aber rechtswidrig handelt.495 Selbst wenn man den Hinweis auf die Notwehr sowie die notwehrähnliche Lage in einem untechnischen Sinn interpretierte, und darin allein ein Indiz der besonderen Notsituation des Beweisführers sähe,496 überzeugte dies keineswegs: Das Verhältnis des materiellen Rechts zum Prozessrecht und der Verwertbarkeit beschreibt nicht nur einen komplexen Zusammenhang zweier Teilrechtsordnungen, sondern betrifft zugleich einen neuralgischen Punkt der nicht minder vielschichtigen Beweisverbotsproblematik. Eine dogmatisch fundierte und ebenso praktikable Lösung sollte von vornherein darauf bedacht sein, eine präzise Terminologie zu verwenden, um jeglichen Verwechslungsgefahren vorzubeugen. Vor diesem Hintergrund bleiben die einfachrechtlichen Rechtfertigungsgründe der materiellen Bewertung vorbehalten und wirken sich innerhalb des verfassungsrechtlichen Abwägungsvorgangs schlichtweg nicht aus. Hinsichtlich der notwehrähnlichen Lage lässt sich sogar noch ein weitergehender Schritt vollziehen und diese gänzlich aus dem rechtlichen Vokabular streichen, zumal deren Grenzen ohnehin äußerst vage ausfallen.497 Da das Beweisinteresse, von dem das BVerfG allenthalben spricht,498 in der wissenschaftlichen Diskussion regelmäßig mit dem Hinweis auf die Rechtfertigungsgründe einhergeht, erscheint es vorzugswürdig, auf der prozessualen Ebene terminologisch abzuweichen und den Begriff des Verwertungsinteresses zu bemühen.499 Auf diese Weise gelingt es, die rechtlichen Unterschiede zwischen der eigeninitiativen Beweismittelsuche und der nachfolgenden staatlichen Verwertung auch begrifflich auszudrücken. Ist das Verwertungsinteresse von diesen unpassenden Bewertungsmaßstäben befreit, drängt sich die nachgelagerte Frage auf, welche Aspekte dieses sodann näher zu konturieren vermögen. In der jüngeren Diskussion taucht dabei vornehmlich der Terminus der Beweisnot auf, der sich zugunsten des Beweisführers auswirken soll.500 Insbesondere in den Fällen einer Dashcam-Aufnahme stünden dem Geschädigten regelmäßig keine anderen aussagekräftigen Beweismittel zur Verfügung, die eine
495
Teil 3, A. II. So etwa Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 81. 497 Dazu schon Teil 2, C. IV. 4. b) cc). Im Ausgangspunkt auch Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119 (120), die den Begriff indes vor allem deshalb kritisieren, weil das Notwehrrecht eine Güterabwägung gerade nicht verlange. 498 BVerfGE 106, 28 (50). 499 So auch Wiese, in: Lorenz-FS, S. 915 (937). 500 BGHZ 218, 348 (371); OLG Nürnberg NJW 2017, 3597 (3601) mAnm. Bouwmann; Greger, NZV 2015, 114 (116); Ahrens, MDR 2015, 926 (928); Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (385 f.); Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 230 f. BAG NJW 2003, 1691 (1693) spricht vom „Beweisnotstand“. 496
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detaillierte Rekonstruktion des Unfallgeschehens erlauben.501 Sofern Zeugen am Unfallort anwesend waren und das Schadensereignis beobachtet haben, seien deren Aussagen vielfach ungenau und der damit verbundene Beweiswert dementsprechend gering.502 Zudem sei die Schnelligkeit des Straßenverkehrsgeschehens zu berücksichtigen, so dass im Ergebnis von einer besonderen Beweisnot auszugehen sei, die für die Verwertbarkeit einer Dashcam-Aufzeichnung im Zivilverfahren streite.503 Bevor eine valide Aussage zu dieser Gedankenführung möglich ist, muss zunächst deren tatsächlicher Ausgangspunkt hervortreten. Wie bereits an anderer Stelle betont, nimmt die Beweisnot primär eine deskriptive Funktion ein, indem sie die Umstände beschreibt, die einen Privaten zur eigeninitiativen Beweismittelsuche und der anschließenden prozessualen Beibringung erst veranlassen.504 Hiernach liegt eine Beweisnot in sämtlichen Fallkonstellationen vor, in denen der Beweispflichtige befürchtet, eine entscheidungserhebliche Tatsache ohne das fragliche Beweismittel nicht belegen zu können. In älteren Stellungnahmen findet sich der Ausdruck, der Beweisführer müsse auf das konkrete Beweismittel angewiesen sein.505 Dieser Befund deutet bereits auf eine missliche Lage hin und ermöglicht die kritische Auseinandersetzung mit der Beweisnot als vermeintlich entscheidendem Abwägungsparameter: Denn die Frage, ob ein persönlichkeitsrechtlich relevantes Beweismittel verwertbar ist, stellt sich typischerweise dann, wenn weitere aussagekräftige Beweismittel nicht existieren – und sonach eine Beweisnot vorliegt.506 Denn ist dem Privaten die Beweisführung auch auf andere – eingriffsschonendere – Weise möglich, wird er regelmäßig davon absehen, ein Beweismittel anzubieten, das geschützte Rechtspositionen des Beweisgegners verletzt, da er andernfalls sein möglicherweise rechtswidriges Verhalten offenbarte.507 Aus dieser Perspektive wird zugleich deutlich, dass die Beweisnot für sich betrachtet noch kein hinreichendes Kriterium für die prozessuale Verwertbarkeit darstellt, sondern vielmehr dessen Grundvoraussetzung beschreibt.508 Bei näherem Hinsehen anerkennt auch der BGH diesen Umstand, wenn er in seiner Dashcam-Entscheidung postuliert, es liege eine besondere Beweisnot vor.509 501 Bäumerich, JuS 2016, 803 (807); Laumen/Prütting, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, Kap. 6 Rn. 21. 502 BGHZ 218, 348 (371); ferner Laumen/Prütting, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, Kap. 6 Rn. 21. 503 BGHZ 218, 348 (371). 504 Teil 2, C. IV. 3. b) aa) (1). 505 BGH NJW 2003, 1727 (1728). Ferner BAG NJW 1983, 1691 (1692). Instruktiv zum Ganzen H. Roth, in: Erichsen, Recht der Persönlichkeit, S. 279 (293). 506 Paradigmatisch insoweit OLG Hamm NJW-RR 1996, 735. 507 Zu ähnlichen Erwägungen im Kontext des Strafprozessrechts Teil 3, B. II. 4. d) cc). 508 So auch H. Roth, in: Erichsen, Recht der Persönlichkeit, S. 279 (293), der zudem auf die enge Verbindung zur Subsidiarität hinweist. 509 BGHZ 218, 348 (371).
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Diese Formulierung deutet implizit darauf hin, dass sich unterschiedliche Kategorien der Beweisnot feststellen lassen, ohne dabei zu verraten, welches Gewicht diesen im Einzelfall zukommen soll. Zwar bietet der VI. Zivilsenat zwei Aspekte an, um die vermeintlich besondere Notlage des beweispflichtigen Anspruchsstellers zu konturieren. Allerdings überzeugt weder der vorgeschlagene Rekurs auf den geringeren Beweiswert einer Zeugenaussage noch der Hinweis auf die Schnelligkeit des Straßenverkehrs. Die Aussage eines Zeugen ist per se mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor belastet, weil sie stets das subjektive Erfahrungsbild wiedergibt und betrifft nicht allein den Unfallprozess, sondern vielmehr sämtliche zivilrechtliche Streitigkeiten, in denen es auf die Wahrnehmungen einer Person ankommt.510 Leitete man aus der fehlenden Objektivität jedoch ein allgemeingültiges Argument dafür ab, vermeintlich „bessere“ Beweismittel vorzuziehen, führte dies unweigerlich dazu, die Zeugenaussage zu einem Beweismittel zweiter Klasse zu degradieren, obschon die Zivilprozessordnung eine solche qualitative Bewertung gerade nicht vornimmt.511 Der möglicherweise geringere Beweiswert einer Zeugenaussage spricht insoweit weder für eine gesteigerte Beweisnot noch für die prozessuale Verwertbarkeit einer Dashcam-Aufnahme oder eines sonstigen persönlichkeitsrechtlich relevanten Beweismittels. Dies gilt schließlich auch für die suggerierte Schnelligkeit des Schadensereignisses, da dieser Umstand nicht allein Unfälle im Straßenverkehr betrifft, sondern typischerweise in der Natur der deliktsrechtlichen Haftung begründet liegt.512 Folglich ist die Beweisnot in den Konstellationen einer Dashcam-Aufzeichnung nicht gewichtiger als in den Fällen, in denen es um die Dokumentation einer gegenwärtigen Körperverletzung geht.513 Weiterführend ist indes der Gedanke, das Gewicht des Verwertungsinteresses mit dem wirtschaftlichen und persönlichen Wert des verfolgten Anspruchs zu verknüpfen.514 Dieser Gesichtspunkt lässt sich insbesondere mit dem individualrechtsschützenden Zweck des Zivilprozesses vereinbaren. Stehen hohe Vermögenswerte in Rede, folgt hieraus zugleich ein gesteigertes Interesse des Beweisführers daran, das von ihm beigebrachte Beweismittel zu verwerten.515 Umgekehrt bleibt eine heimlich angefertigte Tonaufnahme, die ein privates Gespräch zwischen den Kaufvertragsparteien dokumentiert – von außergewöhnlichen Umständen einmal abgesehen –, 510 Froitzheim, r+s 2018, 499 (500). Ferner Giesen, NZV 2020, 70 (73 f.), der betont, es handele sich nicht um ein „Alleinstellungsmerkmal von straßenverkehrsrechtlichen Haftungsprozessen“. 511 Giesen, NZV 2020, 70 (74). 512 Heese, JZ 2018, 942 (943); Giesen, NZV 2020, 70 (73). 513 Giesen, NZV 2020, 70 (73). Der Autor weist zudem darauf hin, dass eingriffsintensive Verhaltensweisen regelmäßig mit einer besonderen Beweisnot einhergehen. So verstanden, legitimierte letztlich die gravierende Eingriffsintensität die prozessuale Verwertung. 514 Wirsching, NZV 2016, 13 (15); Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 81. Ferner Giesen, NZV 2020, 70 (73), der darauf abstellt, welche Bedeutung die Entscheidung für die Allgemeinheit hat. 515 Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 81.
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dann unverwertbar, wenn sich der Zahlungsanspruch auf einen geringen Betrag beschränkt.516 Dieser Gedanke entfließt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, nach dem das verfolgte Ziel zu dem eingesetzten Mittel in einem angemessenen Verhältnis stehen muss.517 Zu weitgehend ist es jedoch, wenn das OLG Hamm hinsichtlich einer heimlich angefertigten Tonaufnahme eine „gleichsam lebenswichtige Bedeutung“ verlangt.518 Zudem wirkt es sich zugunsten des Verwertungsinteresses aus, wenn das konkrete Beweismittel nicht nur ein (schwaches) Indiz für die gerichtliche Entscheidungsfindung darstellt, sondern unmittelbar eine anspruchserhebliche Tatsache belegt.519 Irrelevant ist hingegen, inwieweit der Beweisführer seine missliche Lage – mithin die oben beschriebene Beweisnot – selbst verursacht hat. Solche viktimologischen Erwägungen werden allen voran in den Darlehens-Fällen virulent, in denen der Kreditgeber darauf verzichtet, den Vertragsschluss zu dokumentieren oder jedenfalls eine unbare Zahlungsmodalität zu vereinbaren.520 Das Verwertungsinteresse ist nicht deshalb weniger wert, weil es der Beweisführer zu einem früheren Zeitpunkt – aus eigener Nachlässigkeit oder einer gesteigerten Vertrauenserwartung heraus – verpasst hat, ausreichende Beweismittel zu sichern.521 Dieser Vorwurf ist zwar nicht bedeutungslos, betrifft aber ausschließlich die materiell-rechtliche Bewertung der außerprozessualen Beweismittelsuche.522 Insoweit geht es um einen abweichenden Anknüpfungspunkt, der zeitlich vorgelagert und außerhalb der prozessualen Sphäre zu verorten ist. Schließlich drängt sich die Frage auf, welche Bedeutung dem Verwertungsinteresse sowie dem Recht auf Beweis innerhalb der Abwägung abstrakt zukommen soll. Nimmt man die jüngere Rechtsprechung des BGH zu datenschutzrechtswidrig hergestellten Dashcam-Aufnahmen einmal aus, verfestigt sich der Eindruck, als sei das Verwertungsinteresse des Beweisführers tendenziell gering zu bewerten. Eingedenk des bereits erwähnten Rechts auf Beweis, das dem Zivilverfahren zugrunde liegt und verfassungsrechtlich abgesichert ist, vermag dies indes nicht zu überzeu-
516 Pauschale Grenzbeträge, die den Bereich nach unten und oben generell festlegen, wird man an dieser Stelle kaum setzen können, da es sich insoweit nicht um ein absolutes Kriterium handelt. Sofern die Anspruchshöhe indes unter 100 Euro liegt, spricht viel für die prozessuale Unverwertbarkeit eines Beweismittels, das in fremde Persönlichkeitsrechte eingreift. In anderem Zusammenhang hebt Stürner, in: Baumgärtel-FS, S. 545 (551 f.) auf das durchschnittliche Monatsgehalt des Bundesbürgers ab. 517 So auch BAG NJW 2014, 810 (816). 518 OLG Hamm NJW-RR 1996, 735. 519 BAG NJW 2014, 810 (816). Zustimmend Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 81. 520 BGH NJW 2003, 1727 (1728); NJW 1991, 1180. 521 Anders hingegen BGH NJW 2003, 1727 (1728); NJW 1991, 1180; Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 81; Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (389). 522 Dazu Teil 2, A. IV. 2. c).
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gen.523 Diese Erkenntnis verfestigt sich, wenn man den Blick auf die Folgen lenkt, die die prozessuale Unverwertbarkeit für den Beweisführer nach sich zieht. Sofern diesem – wie regelmäßig – keine weiteren aussagekräftigen Beweismittel zur Verfügung stehen, wird die Unverwertbarkeit zugleich dessen prozessuale Niederlage begründen.524 An dieser Stelle wirken sich auch die oben erörterten Unterschiede zwischen dem Straf- und dem Zivilprozess aus: Im Zivilverfahren belastet die Unverwertbarkeit unmittelbar die geschützte Rechtsposition des Beweisführers.525 Vor diesem Hintergrund lässt sich auch nicht behaupten, das Interesse an der gerichtlichen Verwertbarkeit wiege im Zivilverfahren per se geringer als im Strafprozess. bb) Rechtspositionen des Beweisgegners: Eingriffstiefe und „modifizierter“ Sphärengedanke Diesem Recht auf Beweis, das für eine weitgehende Verwertbarkeit sämtlicher Beweismittel im Zivilverfahren streitet, steht das verfassungsrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gegenüber. In dieser Hinsicht spielt es eine entscheidende Rolle, wie tief der richterliche Verwertungsakt in den geschützten Persönlichkeitsbereich des Beweisgegners eingreift.526 Ebenso wie im Strafprozess wirkt sich dabei der modifizierte Sphärengedanke aus: Je gewichtiger der Eingriff im Einzelfall wiegt, desto stärker müssen die gegenläufigen Interessen ausfallen, um eine prozessuale Verwertung zu legitimieren.527 Das Gespräch zwischen den Ehegatten in der gemeinsamen Wohnung528 genießt etwa einen höheren Persönlichkeitsschutz als das Erscheinungsbild eines Straßenverkehrsteilnehmers, das dieser in der Öffentlichkeit abgibt.529 Die vorangehenden Ausführungen haben indes belegt, dass der Rekurs auf einen vermeintlich unantastbaren Kernbereich, innerhalb dessen eine Abwägungsentscheidung von vornherein ausgeschlossen ist, nicht verfängt. Der Sphärenansatz beschreibt folglich ein dynamisches Persönlichkeitsbild und strukturiert den erforderlichen Interessenausgleich, ohne jedoch einen absoluten Maßstab festzusetzen. Relevanz entfaltet ferner, welche Facette des allgemeinen Persönlichkeitsrechts tangiert ist.530 Insoweit ist es indes nicht entscheidend, die allenthalben bemühten Ausprägungen des verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes in ein spezifi523
In diese Richtung auch Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (387). Auf die hohe Bedeutung des Rechts auf Beweis im Grundrechtsgefüge weist zudem Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess, S. 212 hin. 524 Zu diesen Erwägungen instruktiv Foerste, JZ 2003, 1111, der zudem auf den regelmäßig drohenden Prozessbetrug hinweist. 525 Teil 3, B. II. 4. a). 526 Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 79. 527 Teil 3, B. II. 4. b). 528 BGH NJW 1970, 1848. 529 BGHZ 218, 348 (373); AG Bremerhaven BeckRS 2016, 119257 Rn. 13. 530 Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (385). So auch BGHZ 218, 348 (372).
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sches Rangverhältnis einzuordnen. Eine solche Bewertung wäre ohnedies von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil sich schlechterdings nicht abstrakt feststellen lässt, ob etwa das Recht am eigenen Wort grundsätzlich gewichtiger ist als die Befugnis, über das eigene Erscheinungsbild zu disponieren. Ausschlaggebend sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalls. Nichtsdestoweniger können einzelne Grundannahmen formuliert werden: Die Verwertung einer heimlichen Tonaufnahme etwa ist tendenziell eingriffsintensiver als die Vernehmung eines Lauschzeugen mitsamt der anschließenden Verwertung der Aussage, da die konservierte Aufzeichnung das gesprochene Wort nicht allein inhaltsgetreu wiedergibt, sondern auch die Gesprächslautstärke und den Duktus offenbart.531 Diese unterschiedliche Eingriffstiefe spiegelt sich auch auf materiell-rechtlicher Ebene wider, da § 201 StGB den Umgang mit Tonaufnahmen in größerem Umfang verbietet als Lauschaktionen.532 Noch entscheidender ist schließlich aber eine Erkenntnis, die eng mit der gerichtlichen Tendenz zusammenhängt, ein persönlichkeitsrechtlich relevantes Beweismittel nicht zu verwerten.533 Hierin zeigt sich unzweifelhaft die evidente Bedeutung, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht im verfassungsrechtlichen Gesamtgefüge einnimmt und die durch die „datenschutzrechtlichen Bedrohungen“ jedenfalls nicht gesunken ist. Das ausgeprägte Schutzniveau ist grundsätzlich zu begrüßen – bedarf aber gerade im Anwendungsfeld der gerichtlichen Verwertbarkeit eigeninitiativ erlangter Beweismittel einer kritischen Betrachtung. Legte man nämlich die Hürden der prozessualen Verwertbarkeit zu hoch an, würde das allgemeine Persönlichkeitsrecht allzu leicht dazu führen, den Beweisgegner vor seiner zivilrechtlichen Verantwortung zu bewahren.534 Ein solches „Recht auf Unbeweisbarkeit“ entfließt Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG indes gerade nicht.535 Darüber hinaus vertrüge sich ein solches von vornherein nicht mit dem zentralen Recht auf Beweis, das seinerseits verfassungsrechtlich abgesichert ist und das Zivilprozessrecht wesentlich beeinflusst. Das weitgehende Verbot der Selbsthilfe lässt 531 BGH NJW 1994, 2289 (2292 f.); Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (385). Zu weiteren Vergleichen zwischen divergierenden Konstellationen Giesen, NZV 2020, 70 (73); Thole, in: Prütting-FS, S. 573 (579 f.). 532 In diese Richtung auch Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (385). Gleichwohl bleibt zu bedenken, dass die einfachgesetzlichen Vorschriften nicht ohne Weiteres über den Umfang des Grundrechtsschutzes entscheiden können, da andernfalls der Gesetzgeber hierüber weitgehend frei disponieren könnte. 533 Instruktiv Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 286 Teil B Rn. 30, der von einer „Prävalenz des Persönlichkeitsschutzes“ spricht. Ferner Kiethe, MDR 2005, 965 (968); Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 269; Balthasar, JuS 2008, 35 (39); Nissen, Das Recht auf Beweis im Zivilprozess, S. 364. 534 Dies betont letztlich auch BGH NJW 1982, 277 (278), ohne diesen Gedanken in späteren Entscheidungen zu bemühen. 535 Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 80. Ähnlich auch Kodek, in: Kaissis-FS, S. 523 (544); ders., Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 130, 152; Werner, NJW 1988, 993 (1002). In abgeschwächter Form schließlich Thole, in: PrüttingFS, S. 573 (584).
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sich nur dann legitimieren und aufrechterhalten, wenn dem Einzelnen die Möglichkeit zukommt, seine subjektiven Rechte im Rahmen eines staatlichen Verfahrens effektiv durchzusetzen.536 Da der Prozess zudem ein geordneter und streng reglementierter Raum ist, spricht einiges dafür, den verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutz nicht überzubetonen.537 cc) Allgemeininteresse an einer funktionstüchtigen Zivilrechtspflege und einer materiell richtigen Entscheidung Das Zivilverfahren ist primär darauf gerichtet, die subjektiven Rechtspositionen der beteiligten Parteien durchzusetzen.538 Nichtsdestoweniger hat das BVerfG eindrucksvoll hervorgehoben, dass im Zivilprozess „die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das Streben nach einer materiell richtigen Entscheidung wichtige Belange des Gemeinwohls“ sind,539 die ebenfalls zugunsten der Verwertbarkeit sprechen und sonach in die Interessenabwägung einzustellen sind.540 Hinter dieser These verbirgt sich – zumeist unausgesprochen – der Gedanke, wonach die Verwertung eines eigeninitiativ erlangten Beweismittels erheblich dazu beiträgt, die wahre Sachlage aufzudecken und auf deren Grundlage ein materiell richtiges Urteil zu fällen.541 Um das Gewicht dieses Abwägungsparameters sachgerecht bewerten zu können, bedarf es zunächst einer Antwort auf die Frage, welche Rolle die materielle Wahrheit im zivilprozessualen Kontext einnimmt.542 An dieser Stelle tritt der Zusammenhang mit dem bereits erwähnten Zweck des Zivilverfahrens wiederum offen zutage. Dabei verdeutlicht die gesamte Struktur des Zivilprozesses, dass dieser nicht darauf abzielt, die objektive Wahrheit um jeden Preis zu ermitteln.543 Die Dispositions- sowie die Beibringungsmaxime erlauben es den beteiligten Parteien, in erheblichem Umfang
536
Dazu bereits Teil 3, B. II. 3. b). Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, Vor § 286 Teil B Rn. 30. Zu vergleichbaren Erwägungen auf der materiell-rechtlichen Ebene Bull, JZ 2017, 797 (799 f.). 538 Dazu Teil 3, B. II. 3. b). 539 BVerfGE 106, 28 (49). 540 BGHZ 218, 348 (369); AG Bremerhaven BeckRS 2016, 119257 Rn. 16; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119 (120); Greger, NZV 2015, 114 (116). So auch ders., in: Zöller, § 286 Rn. 15a; Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 81. Ähnlich Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 220. Explizit dagegen Mitsch, GVRZ 2018, 4 Rn. 11. 541 H. Roth, in: Erichsen, Recht der Persönlichkeit, S. 279 (288); Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119 (124). 542 Instruktiv dazu Brandt, Das englische Disclosure-Verfahren, S. 213 ff. 543 Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469 (473); Brehm, Bindung des Richters an den Parteivortrag und Grenzen freier Verhandlungswürdigung, S. 24 ff. Zum Zusammenhang zwischen Prozesszweck und Prozessmaximen Brandt, Das englische Disclosure-Verfahren, S. 203. 537
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auf den Verfahrensablauf einzuwirken544 und den Richter sogar zu einem Urteil zu veranlassen, das der objektiven Tatsachenlage nicht oder jedenfalls nicht vollständig entspricht. Allerdings griffe es deutlich zu kurz, den Zivilprozess als bloßes Instrument der privaten Streitbeilegung einzustufen und ausschließlich mit subjektiven Interessen der Parteien zu verknüpfen.545 Vielmehr hängt die gesellschaftliche Akzeptanz eines zivilgerichtlichen Urteils auch davon ab, ob es der staatlichen Entscheidungsinstanz gelingt, ein hinreichendes Maß an objektiver Wahrheit zu gewährleisten.546 Dieser Umstand beeinflusst auch die Frage, inwieweit eine gerichtliche Entscheidung als gerecht empfunden wird.547 Im Ausgangspunkt ist das allgemeine Interesse an der Wahrheitssuche geringer zu bewerten als innerhalb des strafverfahrensrechtlichen Abwägungsprozesses,548 in dem es – wie gesehen – ganz entscheidend auf das staatliche Strafverfolgungsinteresse und die präzise Rekonstruktion des Tathergangs ankommt.549 Müller spricht insoweit davon, im Zivilverfahren bestehe kein „echtes eigenes Interesse [der Allgemeinheit sowie des Staates] an dem tatsächlichen Geschehensablauf“.550 Verfahrensrechtlichen Ausdruck findet diese These letztlich in dem Umstand, dass im Zivilprozess gerade keine Sachverhaltsermittlung von Amts wegen erfolgt. Gleichwohl darf das allgemeine Interesse an einer objektiv wahren Urteilsgrundlage nicht vorschnell in den Hintergrund treten, da die richterliche Entscheidung über den konkreten Konflikt hinaus zur Rechtsfortbildung beiträgt.551 544
Habscheid, in: Peters-GS, S. 840 (851). Vgl. dazu auch Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, S. 207. 545 Ausdrücklich Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 74. Vgl. indes auch P. Brand, NJW 2017, 3558 (3562), der von einer „Dienstleistung des Staates zur Durchsetzung subjektiver Rechte“ spricht. 546 Ähnlich Brandt, Das englische Disclosure-Verfahren, S. 215. Teilweise auch Giesen, NZV 2020, 70 (74). Vgl. ferner Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 26, der die Wahrheitsermittlung als einen wesentlichen Zweck jedes Zivilverfahrens begreift. Greger, Beweis und Wahrscheinlichkeit, S. 2 spricht von einem Idealbild, wenn „wirklicher und [durch den Richter] für wirklich gehaltener Sachverhalt […] übereinstimmen“. In diese Richtung auch Unberath, ZZP 120 (2007), 323 (324). 547 Habscheid, in: Peters-GS, S. 840 (851). Zur zivilprozessualen Gerechtigkeit P. Brand, NJW 2017, 3558 (3559 f.). Zum Zusammenhang von Wahrheit und Gerechtigkeit auch Betz, RdA 2018, 100 (110). 548 Giesen, NZV 2020, 70 (74 Fn. 35). Vgl. auch Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 182 Fn. 878. Kritisch hingegen AG Bremerhaven BeckRS 2016, 119257 Rn. 16. 549 Teil 3, B. II. 3. a). Dazu auch P. Brand, NJW 2017, 3558 (3562); Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 66. 550 Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 74. Ähnlich auch Giesen, NZV 2020, 70 (74), der betont, das Allgemeininteresse sei „regelmäßig allein mittelbar betroffen“. Anders hingegen Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119 (124), die das Interesse an einer materiell richtigen Gerichtsentscheidung als essenziellen Gemeinwohlbelang einstufen. 551 Zu dieser Funktion Gaier, NJW 2016, 1367 (1370).
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Teil 3: Erste allgemeine Folgerungen für die Beweisverbotslehre
Im Ergebnis verstärkt das Allgemeininteresse an einer funktionstüchtigen Zivilrechtspflege und einer materiell richtigen Entscheidung das persönliche Recht auf Beweis.552 Zwar stehen die subjektiven Rechtspositionen, deren Durchsetzung die beteiligten Parteien bezwecken, unweigerlich im Vordergrund.553 Indes hängen die gesellschaftliche Akzeptanz sowie die Qualität des Zivilverfahrens eng damit zusammen, ob es dem Einzelnen nicht allein theoretisch sondern vor allem faktisch möglich ist, seine tatsächlich bestehenden Rechte effektiv durchzusetzen.554 So verstanden nimmt das Allgemeininteresse in der zivilprozessualen Abwägungsentscheidung eine unterstützende und ausgleichende Funktion ein. Berechtigterweise hat bereits Habscheid darauf hingewiesen, „daß auch ein öffentliches Interesse an der Ermittlung des wahren Sachverhalts besteht“.555 dd) Ergebnis zur Abwägung im Zivilprozess Beschränkt man den zivilprozessualen Abwägungsvorgang auf seine Kernbestandteile, so streitet das Verwertungsinteresse, das dem verfassungsrechtlich anerkannten Recht auf Beweis entfließt und durch das Allgemeininteresse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege sowie einer materiell richtigen Entscheidung verstärkt wird, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG um das sachgerechte Ergebnis. Die Belange von dritten Personen, die allenfalls als Zeuge im Prozess auftreten, nehmen lediglich eine untergeordnete Bedeutung ein.556 Trotz einzelner Vorgaben, die den Abwägungsmaßstab zu präzisieren versuchen, verbleibt im Vergleich zu den strafprozessualen Direktiven ein höheres Maß an Rechtsunsicherheit.557 Eine prozessuale Norm, die wie § 100a StPO dem Abwägungsvorgang weitere Strukturen verleiht, existiert gerade nicht. Einzelne Stimmen wollen diese Lücke unter Rekurs auf § 32 BDSG a. F. schließen,558 der die Datenverarbeitung im Beschäftigungsverhältnis regelt.559 Selbst wenn man den Umstand beiseitelässt, dass diese Vorschrift unmittelbar allein die materiell-rechtliche Ebene 552 Dahinter steht zugleich die kaum empirisch belegbare These, wonach die Verwertung eines (rechtswidrig) erlangten Beweismittels regelmäßig auch zu der Entscheidung führe, die der materiellen Rechtslage tatsächlich entspreche, H. Roth, in: Erichsen, Recht der Persönlichkeit, S. 279 (288). 553 Jacoby, Zivilprozessrecht, Rn. 13. 554 Zur Schnittmenge zwischen formeller und materieller Wahrheit als Qualitätsmaßstab des Zivilverfahrens Unberath, ZZP 120 (2007), 323 (324). Zustimmend Brandt, Das englische Disclosure-Verfahren, S. 215. 555 Habscheid, ZZP (96) 1983, 306 (322). 556 Dazu Teil 3, B. II. 4. c). 557 Zur weiteren Präzisierung mahnt bereits Katzenmeier, ZZP 2003, 375 (378) an. Vgl. auch Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (384); Thole, in: Stein/Jonas, § 286 Rn. 50. 558 Fuhlrott/Schröder, NZA 2017, 278 (282); Betz, RdA 2018, 100 (109 f.). 559 Nach dem neuen BDSG findet sich die entsprechende Regelung in § 26 BDSG.
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betrifft,560 dürfte es kaum gelingen, anhand der normierten Vorgaben ein übergreifendes Lösungskonzept zu entwickeln. Trotz der bestehenden Unwägbarkeiten erlaubt die Abwägungslösung auch de lege lata einen pragmatischen Umgang mit den relevanten Konstellationen. Das Primat der Einzelfallgerechtigkeit tritt dabei indes offen zutage. Weitergehende und verbindliche Vorgaben vermag jedoch allein der Gesetzgeber zu treffen. Hierauf ist an nachgelagerter Stelle zurückzukommen.561 f) Tatsächliche Bedeutung der privaten Beweismittelsuche Sowohl im Rahmen der straf- als auch der zivilprozessualen Abwägungsentscheidung haben sich einzelne Kriterien herauskristallisiert, die einen spezifischen Bezug zu den Umständen aufweisen, die ihrerseits die außerprozessuale Beweismittelsuche prägen. Dies betrifft vornehmlich den Gesichtspunkt, welche Intensität der hoheitliche Eingriff in das Persönlichkeitsrecht aufweist. Auf den ersten Blick scheint diese Erkenntnis dem gewählten Ansatz, der allein die staatliche Beweisverwertung zum maßgeblichen Anknüpfungspunkt erhebt, zu widersprechen. Schließlich haben die bisherigen Ausführungen gezeigt, dass die materiell-rechtliche Bewertung des eigeninitiativen Vorgehens keinerlei Auswirkungen auf der prozessualen Ebene zeitigt.562 Gleichwohl ist anzuerkennen, dass die tatsächlichen Umstände, denen der Private bei seinem eigeninitiativen Vorgehen begegnet ist, auf die nachfolgende Verwertung ausstrahlen.563 Nimmt der Private etwa eine vertrauliche Konversation heimlich mittels seines Smartphones auf, verletzt dieses Vorgehen nicht allein den Tatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB, sondern bewirkt zugleich einen gewichtigen Eingriff in das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht.564 Verwertet der entscheidende Richter dieses vertrauliche Gespräch im Rahmen eines Straf- oder Zivilverfahrens, bedeutet dies nach dem modifizierten Sphärengedanken ebenfalls einen gravierenden Eingriff – nunmehr allerdings in die verfassungsrechtliche Gewährleistung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Umgekehrt führt die Filmaufnahme eines 560 Betz, RdA 2018, 100 (109) betont, dass das BDSG a. F. auf die richterliche Maßnahme nicht unmittelbar anwendbar sei. Gleichwohl lasse sich § 32 BDSG a. F. entnehmen, wann ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht erlaubt sei. Einen anderen Lösungsweg schlagen Fuhlrott/Schröder, NZA 2017, 278 (282) ein. 561 Teil 6, B. 562 Teil 3, A. II. 563 Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (382 f.); Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 228; ferner Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 56, 84. Teilweise auch Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 141. Abweichend hingegen Kodek, in: Kaissis-FS, S. 523 (544), der die Umstände des Zustandekommens gänzlich ausblendet. 564 Zu den Zusammenhängen des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Teil 2, A. III. 2. b).
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Geschehens, das sich im öffentlichen Straßenverkehr abspielt, lediglich zu einer geringeren Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts, die sich konsequenterweise auch im Rahmen der richterlichen Verwertung fortsetzt. Die tatsächlichen Umstände stellen sonach einen Konnex zwischen der außerprozessualen Beweismittelsuche des Privaten und der anschließenden staatlichen Verwertung her, der allerdings nicht mit einer Eingriffsidentität verwechselt werden darf.565 An dieser Stelle sei noch einmal daran erinnert, dass sich das zivilrechtliche und das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht nicht vollumfänglich decken und aus einem Verstoß gegen die einfachrechtliche Gewährleistung keineswegs automatisch auf die Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschlossen werden darf.566 In diesem Zusammenhang verschwimmt die Debatte um die prozessuale Abwägungslösung seit jeher und hat auf diese Weise dazu beigetragen, dass die Frage nach Beweisverwertungsverboten sowohl im Straf- als auch im Zivilverfahren kontrovers diskutiert wird. Entscheidend ist dabei, den dogmatischen Ausgangspunkt nicht zu vernachlässigen, der die konkrete Gestalt der aufgezeigten Verbindungslinie festlegt: Dieser liegt in der Grundrechtsbindung des Richters aus Art. 1 Abs. 3 GG begründet und verlangt eine verfassungsrechtliche Beurteilung. Irrelevant ist dabei, ob das außerprozessuale Verhalten des Privaten nach Maßgabe des einfachen Gesetzesrechts erlaubt oder aber verboten ist.567 Die etwaige Rechtswidrigkeit des eigeninitiativen Vorgehens intensiviert den staatlichen Grundrechtseingriff schlichtweg nicht, so dass es – um ein eindringliches Beispiel von Dencker zu bemühen – für die Verwertbarkeit keine Rolle spielt, ob die tagebuchartigen Aufzeichnungen durch einen Windstoß vor die Füße eines Privaten fallen oder aber von diesem entwendet werden.568 Vor diesem Hintergrund überzeugt auch der mitunter hervorgehobene Gedanke nicht, nach dem die rechtswidrige Erlangung zumindest eine mittelbare Bedeutung entfalte und insoweit die prozessuale Ebene beeinflusse.569 Dogmatischer An-
565 Vgl. dazu auch Löffelmann, Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren, S. 212 f. 566 Dazu Teil 2, A. I. 2. Vgl. auch Simokat, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 228 f., die betont, der Verwertungsakt greife in geringerem Umfang in das Persönlichkeitsrecht ein als die unmittelbare Erlangung. 567 Kaspar, GA 2013, 206 (221); Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 38; Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 141; Rogall, JZ 2008, 818 (828). 568 Dencker, Verwertungsverbote im Strafprozeß, S. 104, 108, der diesen Umstand indes selbst kritisch betrachtet und eine abweichende Lösung durchaus für möglich hält. Kritisch ferner Rogall, JZ 2008, 818 (828). Für die Irrelevanz hingegen Kaspar, GA 2013, 206 (221). 569 So aber Kratz/Gubbels, NZA 2009, 652 (656); Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 84. Vgl. auch Thole, in: Stein/Jonas, § 286 Rn. 51; Bayreuther, NZA 2005, 1038 (1042); Bergwitz, NZA 2012, 353 (357); Brunhöber, GA 2010, 571 (586 f.). Solchen Erwägungen steht auch Dencker, Verwertungsverbote im Strafprozeß, S. 108 nicht gänzlich abgeneigt gegenüber. Abgeschwächt auch Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119 (120), die in Fällen, in
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knüpfungspunkt dieser Argumentation ist zwar der richterliche Verwertungsakt, weshalb das rechtswidrige Vorgehen des Privaten keinesfalls unmittelbar und gleichsam automatisch ein Verwertungsverbot nach sich ziehen soll.570 Gleichwohl wirkten sich die Umstände der eigeninitiativen Beweismittelsuche auch im Rahmen der gerichtlichen Abwägungsentscheidung aus, so dass sich regelmäßig eine indizierende Verbindung zwischen der außerprozessualen Rechtswidrigkeit und der innerprozessualen Unzulässigkeit begründen lasse.571 Bei näherem Hinsehen vermag allein der erste Teil der gewählten Argumentationskette zu überzeugen: Die tatsächlichen Bedingungen, die das private Vorgehen prägen, können nicht unbeachtet bleiben, wenn der entscheidende Richter in eine Abwägungsentscheidung darüber eintritt, inwieweit er die ihm vorliegenden Beweismittel verwerten darf. Aus einer rein tatsächlichen Perspektive knüpft die richterliche Maßnahme an die außerprozessualen Umstände der eigeninitiativen Beweismittelsuche an und transferiert diese in die prozessuale Sphäre. Allerdings folgt hieraus gerade kein rechtlicher Konnex zwischen dem außerprozessualen und dem innerprozessualen Vorgehen: Es fehlt schlechthin an einer validen Erklärung dafür, weshalb die gebotene Trennung zwischen dem materiellen und dem formellen Rechtskreis an dieser Stelle aufgehoben werden sollte.572 Mit Blick auf diese rechtliche Irrelevanz muss bei der Diskussion um ein etwaiges Beweisverwertungsverbot schlechterdings darauf verzichtet werden, die Rechtswidrigkeit der eigeninitiativen Vorgehensweise als Parameter der Interessenabwägung heranzuziehen.573 Nach dem hier implementierten Lösungsmodell muss zudem berücksichtigt werden, dass die prozessuale Verwertbarkeit – jedenfalls in den Fällen, in denen die eigeninitiative Beweismittelsuche bezweckt ist – ihrerseits eine zwingende Voraussetzung der materiellen Rechtmäßigkeit darstellt.574 Zwar mag es Fallgestaltungen geben, in denen der außerprozessuale Rechtsverstoß von vornherein feststeht – etwa, weil der Private ohne einen konkreten Anlass fremde Rechtspositionen missachtet oder seinerseits ausschließlich rechtswidrige Ziele verfolgt. Gerade in diesen Konstellationen lässt sich ein gewisses Unbehagen gegenüber der gerichtlichen Verwertung nicht leugnen: Es scheint, als belohne das Prozessrecht den Privaten, der die geltenden Grenzen bewusst überschreitet, um sich einen persönlichen denen bereits die materiell-rechtliche Bewertung eine Güterabwägung verlangt, davon ausgehen, dass dieses Resultat die prozessuale Abwägung vorzeichne. 570 Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 86. Im Ansatz auch Kratz/Gubbels, NZA 2009, 652 (656), obschon diese i. E. von der generellen Unverwertbarkeit ausgehen. 571 Bergwitz, NZA 2012, 353 (357); Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 84. In diese Richtung auch Reitz, NZA 2017, 273 (277); Niehaus, NZV 2016, 551 (555). Schwächer hingegen etwa Brunhöber, GA 2010, 571 (587), die das rechtswidrige Verhalten des Privaten innerhalb der Abwägung berücksichtigen will. 572 Dazu Teil 3, A. II. 573 Kaspar, GA 2013, 206 (221) m. w. N. Abweichend und insoweit widersprüchlich Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 131. 574 Dazu Teil 2, D. III.
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Vorteil zu verschaffen. Allerdings obliegt es dem Gesetzgeber, vermeintliche Lücken im rechtlichen System zu schließen, und dabei etwa das materielle Schutzniveau anzupassen. Da dem Prozessrecht diese Aufgabe gerade nicht zukommt, spielt die materiell-rechtliche Bewertung des privaten Vorgehens selbst dann keine Rolle, wenn der außerprozessuale Rechtsverstoß offenkundig zutage tritt. Umgekehrt ist ein heimlich belauschtes Gespräch nicht allein deshalb verwertbar, weil der Zuhörer zufällig von diesem Kenntnis genommen und die beweisrelevante Information ohne einen Rechtsverstoß erlangt hat. Die Rechtmäßigkeit des privaten Verhaltens bedingt nicht automatisch die prozessuale Verwertbarkeit.575 Steht sonach die Frage im Raum, ob ein bestimmtes Beweismittel vom entscheidenden Gericht verwertet werden darf, lässt sich hierauf eine Antwort finden, ohne die eigeninitiative Beweismittelsuche am Maßstab des einfachen Gesetzesrechts zu bewerten.576 Freilich schlagen zahlreiche Judikate gerade den entgegengesetzten Weg ein und bemühen eine zweistufige Prüfung, die sich zunächst der privaten Beweiserlangung zuwendet und anschließend die prozessuale Verwertbarkeit beleuchtet.577 Auch die allenthalben bemühte Formulierung, die gerichtliche Verwertung vertiefe oder perpetuiere den privaten Rechtsverstoß,578 lässt sich diesem Argumentationsmuster zuordnen. Nach dem hier implementierten Lösungsmodell erweisen sich diese materiell-rechtlichen Erwägungen als „überflüssiges Hilfsmittel“579. Nach allem ist der Konnex zwischen dem eigeninitiativen Vorgehen des Privaten und der nachfolgenden gerichtlichen Verwertung allein tatsächlicher, nicht aber rechtlicher Natur.580 Dieser Umstand muss innerhalb der einzelnen Abwägungsparameter präzise benannt werden, um terminologische Missverständnisse von vornherein auszuschließen. Folglich geht die Quintessenz dieser Überlegungen dahin, die materielle Rechtswidrigkeit einer eigeninitiativen Verhaltensweise nicht als abwägungsrelevanten Umstand zu begreifen.
575 Freilich lassen sich in diesen Fällen regelmäßig andere Umstände finden, die für die prozessuale Verwertbarkeit streiten. Dies gilt etwa für die Lautstärke des geführten Gesprächs sowie das konkrete Umfeld, in dem dieses stattfindet. 576 BayObLG NJW 1994, 1671; Grünwald, JZ 1966, 489 (496); Greger, NZV 2015, 114 (115); Kaspar, GA 2013, 206 (221); Kalb, Die funktionale Begründung strafprozessualer Beweisverbote, S. 174; Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 38; Betz, RdA 2018, 100 (109). Teilweise auch Hahn, Ton- und Bildträger als Beweismittel im Strafprozess, S. 149. 577 BGHZ 218, 348; BAG NZA 2014, 143 (146); NZA 2017, 443 (445 ff.); LAG BerlinBrandenburg ZD 2021, 170. Vgl. schließlich auch zum Lösungsweg der Rechtsprechung Bienert, Private Ermittlungen, S. 37 f. 578 BGH NJW 1988, 1016; BAG NJW 2008, 2732 (2734); Bergwitz, NZA 2012, 353 (357); Wiese, in: Lorenz-FS, S. 915 (936). 579 Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 159; Dencker, Verwertungsverbote im Strafprozeß, S. 108. 580 Vgl. auch Heese, JZ 2018, 942 (946), der sich wohl dafür ausspricht, die einzelnen Ebenen klarer miteinander zu verzahnen.
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III. Sonderfall menschenunwürdige Behandlung Eine gewisse Sonderrolle nehmen schließlich Fallkonstellationen ein, in denen der Private bei seinem eigeninitiativen Vorgehen solche Methoden anwendet, die hier unter dem Oberbegriff der menschenunwürdigen Behandlung zusammengefasst werden sollen und zu denen insbesondere Foltermaßnahmen rechnen. An anderer Stelle der vorliegenden Untersuchung trat bereits hervor, dass die h. M. in der strafprozessualen Diskussion postuliert, bei eklatanten Menschenrechtsverletzungen sei ein Beweismittel per se nicht verwertbar.581 In diesem Zusammenhang wurden auch die Bedenken ersichtlich, die einer solchen Bewertung entgegenstehen: Zum einen bereitet es erhebliche dogmatische Schwierigkeiten, einen Verstoß des Privaten gegen die Menschenwürde zu begründen, da diese nach überwiegender – allerdings wieder zunehmend bestrittener –582 Ansicht allein den Staat unmittelbar verpflichtet.583 Auf der anderen Seite besteht nach wie vor keine Einigkeit darüber, welche Verstöße derart eklatant sind, dass sie unumgänglich zur prozessualen Unverwertbarkeit führen sollen.584 Schiebt man diese Vorbehalte einstweilen beiseite, bleibt die zutreffende Erkenntnis, wonach der Rechtsordnung einzelne absolute Grundfesten immanent sind, die selbst durch gewichtige Gegeninteressen nicht beeinträchtigt werden dürfen.585 Von diesem Standpunkt aus zielen die nachfolgenden Erwägungen darauf ab, dieses unbestrittene Ergebnis in ein dogmatisch plausibles Konstrukt zu integrieren. Blickt man dabei auf das bisher im Rahmen dieser Untersuchung entwickelte Lösungsmodell, treten zunächst erhebliche Zweifel hervor, inwieweit eigeninitiative Foltermaßnahmen gleichsam automatisch ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen sollen. Aus der materiell-rechtlichen Perspektive geraten solche Verhaltensweisen in das Fahrwasser gewichtiger Straftatbestände, zu denen allen voran die Körperverletzungsdelikte sowie die Nötigung und die Freiheitsberaubung zählen. Prozessrechtlich steht indes die Frage im Vordergrund, ob der entscheidende Richter, der ein so gewonnenes Beweismittel gebraucht, seinerseits eine Grundrechtsverletzung begeht. Regelmäßig stehen dabei keine persönlichkeitsrechtlich relevanten Inhalte im Vordergrund, so dass der Rekurs auf die Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht weiterführt. Paradigmatisch sind insoweit Fälle, in denen es dem Privaten unter Einsatz von Foltermethoden gelingt, ein Geständnis des von ihm 581
Teil 1, D. I. 5. Für eine unmittelbare Drittwirkung der Menschenwürdegarantie Hillgruber, in: BeckOK-GG, Art. 1 Rn. 8; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 53; Beulke, Jura 2008, 653 (661); Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 143; Matula, Private Ermittlungen, S. 196; Neuner, NJW 2020, 1851 (1852). 583 Kaspar, GA 2013, 206 (222). 584 So auch Bienert, Private Ermittlungen, S. 45 f. 585 In diese Richtung auch Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 107; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 116 f. 582
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Verdächtigten zu erlangen, das in einem Strafverfahren verwertet werden soll.586 Vernimmt der entscheidende Richter den Privaten als Zeuge und verwertet dessen Aussage, begründet allein dies keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder gar der Menschenwürde des Angeklagten.587 Folglich bedarf es einer abweichenden Begründung, warum in diesen Konstellationen gleichwohl ein unbedingtes Beweisverwertungsverbot angezeigt ist.588 Den Ausgangspunkt der Überlegungen bildet dabei die Erkenntnis, dass das staatliche Gerichtsverfahren seine Legitimität verlöre, wenn dieses auf einem Verstoß gegen den zentralen Grundsatz der nationalen Verfassung aufbaute.589 1. Staatliche Schutzpflicht Zunächst drängt sich dabei die bereits erwähnte Schutzpflichtkonstruktion auf, die jedoch nicht an das eigeninitiative Verhalten selbst anknüpft, sondern vielmehr den staatlichen Stellen aufträgt, die Grundrechte auch im Verhältnis zwischen gleichberechtigten Privatpersonen zu schützen.590 Weil die grundrechtlichen Schutzpflichten allerdings vornehmlich die Legislative adressieren und dieser dabei einen weitreichenden Entscheidungsspielraum einräumen, ist dieser Ansatz ungeeignet, die gesamte Beweisverbotsdogmatik zu begründen.591 Gerade die mannigfaltigen Verbotstatbestände des materiellen Strafrechts belegen, dass der Gesetzgeber keinesfalls untätig geblieben ist und seinem Schutzauftrag insoweit nachgekommen ist.592 Folglich verbleiben von vornherein nur ausgewählte Situationen, in denen sich ein evidentes Schutzdefizit aufdrängt und die den Staat gleichzeitig dazu verpflichten, dieses durch eine konkrete Entscheidung – in diesem Fall das prozessuale
586 Vgl. dazu etwa den fiktiven Fall bei Bienert, Private Ermittlungen, S. 163, in dem der Private den Verdächtigen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt tagelang einsperrt. Ein weiteres Beispiel findet sich bei Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 107. 587 So auch Heghmanns, ZIS 2016, 404 (411); Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 117, 143. Vgl. auch Jäger, Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, S. 224. A. A. hingegen Wolter, in: Meyer-GS, S. 493 (510 f.); Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 108 m. w. N. Vgl. auch Kaspar, GA 2013, 206 (222), der indes keine letztverbindliche Aussage trifft, sondern einen staatlichen Grundrechtsverstoß für gut vertretbar hält. Kritisch schließlich Bienert, Private Ermittlungen, S. 44, allerdings bezogen auf den Fall, in dem ein Dritter – und nicht der Beschuldigte – gefoltert wurde. 588 Gegen ein zwingendes Beweisverwertungsverbot Löffelmann, Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren, S. 223 f. 589 Wolter, in: Meyer-GS, S. 493 (503) m. w. N. 590 Instruktiv Rogall, in: SK-StPO, § 136a Rn. 15; Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 125 f. 591 Explizit Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 817. Zum Ganzen bereits Teil 1, D. I. 6. 592 Kaspar, GA 2013, 206 (223).
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Verwertungsverbot – zu beseitigen.593 Die hoheitliche Einschätzungsprärogative müsste mit anderen Worten auf null reduziert sein,594 um hieraus eine unbedingte Rechtsfolge abzuleiten. Eine solche Beschränkung der staatlichen Handlungsoptionen lässt sich mit Blick auf die gravierenden Folgen, die eine menschenunwürdige Behandlung nach sich zieht und die sowohl physischer als auch psychischer Natur sein können, durchaus begründen. Verstärkend hinzu kommen in diesem Zusammenhang das grundrechtliche Misshandlungsverbot aus Art. 104 Abs. 1 S. 2 GG, das letztlich die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG konkretisiert,595 sowie das Folterverbot aus Art. 3 EMRK, dem sich ebenfalls eine staatliche Schutzpflicht entnehmen lässt.596 Zwar vermag auch ein umfassendes Beweisverwertungsverbot den vorausgegangenen Rechtsverstoß des Privaten weder zu beseitigen noch die erlittenen Rechtsverletzungen auszugleichen.597 Allerdings darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die absolute prozessuale Konsequenz eine generalpräventive Wirkung entfaltet, die eigeninitiative Beweismittelsucher gerade dann von ihrem Vorhaben abhalten dürfte, wenn diese zu dem alleinigen Zweck handeln, ein (verwertbares) Beweismittel in das Verfahren einzubringen.598 In diesem Zusammenhang besteht auch kein unauflösbarer Widerspruch zu der Erkenntnis, wonach es grundsätzlich dem materiellen Recht vorbehalten ist, die Grenzen des außerprozessualen Verhaltens festzulegen. Die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG steht an der Spitze der nationalen Verfassung und stellt sonach das Fundament dar, auf dem die gesamte Rechtsordnung aufbaut.599 Mit Blick auf das Menschenbild, das der Verfassung zugrunde liegt, ist es legitim, einen hinreichenden Schutz nicht allein durch materiell-rechtliche Vorkehrungen zu gewährleisten, sondern daneben auch verfahrensrechtliche Instrumente zu bemühen.600
593 Vgl. mit Blick auf den Schutz des menschlichen Lebens BVerfGE 46, 160 (164 f.); 115, 118 (160). 594 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 814. 595 Das Misshandlungsverbot konkretisiert letztlich die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG, Degenhart, in: Sachs, Art. 104 Rn. 41; Radtke, in: BeckOK-GG, Art. 104 Rn. 28. 596 EGMR NJW 2002, 2851 (2852); NJW 2015, 3771; Valerius, in: BeckOK-StPO, Art. 3 EMRK Rn. 8. Ferner Gaede, StV 2004, 46 (52). 597 So auch Kaspar, GA 2013, 206 (223). Hieraus leitet Heghmanns, ZIS 2016, 404 (411 Fn. 69) ab, dass die Schutzpflicht insoweit ins Leere greife. Ähnlich Jäger, Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, S. 224. 598 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 817; Kaspar, GA 2013, 206 (223). Kritisch hingegen Reeb, Internal investigations, S. 138 f.; Pawlik, JZ 2010, 693 (699). 599 Vgl. BVerfGE 6, 32 (36, 40 f.); 12, 45 (51); 45, 187 (227); 72, 105 (115); 109, 279 (311). 600 Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 126. Vgl. auch Habscheid, in: Peters-GS, S. 840 (861).
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Allerdings leuchtet es aus dieser Warte nicht ein, warum die h. M. in der strafprozessualen Diskussion das Verwertungsverbot auf eklatante Verletzungen der Menschenwürde beschränken will.601 Da eine Abstufung unterschiedlich intensiver Beeinträchtigungen kaum möglich ist, kann hierauf von vornherein verzichtet werden. Folglich genügt die „bloße“ menschenunwürdige Behandlung, um die staatlichen Stellen zu einem hinreichenden Schutz zu verpflichten.602 Auslöser ist insoweit die besondere Unrechtsintensität und demzufolge ein qualitatives Moment. Diese Überlegungen weisen in einen Bereich, den Pawlik als Phänomen der „kollektive[n] Selbstachtung“ beschreibt, und dem er solche Situationen zuordnet, in denen die Rechtsgemeinschaft auf bestimmte Vorteile verzichtet, „weil mit einem Menschen in einer Weise umgegangen worden ist, die schlichtweg nicht sein soll“.603 Die anschließenden Ausführungen belegen dabei implizit, dass dieser Bereich nicht zu weit ausgelegt werden darf, um die besonders gravierenden Verstöße – zu denen als markantes Exempel die Folter zählt – nicht zu bagatellisieren.604 Nimmt man diesen Gedanken ernst, ist es zukünftig ein wichtiges Anliegen, den spezifischen Umfang des menschenunwürdigen Verhaltens rechtssicher festzulegen.605 Führt man diese Erwägungen zusammen, lässt sich durchaus ein Anwendungsfeld konstruieren, innerhalb dessen ein Beweisverwertungsverbot zwingend geboten ist, wenn der Staat seiner grundrechtlichen Schutzpflicht genügen will. Der Einschätzungsspielraum ist insoweit auf null reduziert. Um diesen abwägungsfesten Bereich eines menschenunwürdigen Verhaltens klarer abzugrenzen, böte sich de lege ferenda eine prozessuale Vorschrift an, die ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot statuierte.606 2. Faires Verfahren Mit denselben rechtlichen Überlegungen kann sich ein absolutes Beweisverwertungsverbot auch aus dem tragenden Strukturprinzip des fairen Verfahrens ergeben, das sowohl den Straf- als auch den Zivilprozess entscheidend beeinflusst und in Art. 6 Abs. 1 EMRK als selbstständiges Menschenrecht ausgestaltet ist.607 Das 601
Zur Kritik schon Teil 1, D. I. 5. Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 126. 603 Pawlik, JZ 2010, 693 (700 f.); Kleinknecht, NJW 1966, 1537 (1543) spricht in ähnlichem Zusammenhang von der „Rechtsidee“. Zweifelnd hingegen Kaspar, GA 2013, 206 (222), der zugleich andere Begründungsansätze für unzulänglich erklärt. 604 Pawlik, JZ 2010, 693 (701 f.). Vgl. dazu auch die Überlegungen von Wolter, in: MeyerGS, S. 493 (510 ff.). 605 Vgl. auch Bienert, Private Ermittlungen, S. 156, die sich für den Rekurs auf den Begriff der Folter ausspricht und dabei auf Art. 1 des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame oder erniedrigende Behandlung oder Strafe abstellt. 606 Kaspar, GA 2013, 206 (222). Dazu noch Teil 6, B. 607 Valerius, in: BeckOK-StPO, Art. 6 EMRK Rn. 1. 602
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BVerfG leitet das Recht auf ein faires Verfahren aus dem Rechtsstaatsprinzip i. V. m. den Freiheitsrechten ab und anerkennt eine Verletzung dann, wenn sich aus einer Gesamtschau ergibt, „dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben worden ist“.608 Dieser Bereich des rechtsstaatlich Unverzichtbaren lässt sich unter Rekurs auf die besondere Bedeutung eines menschenwürdigen Gerichtsverfahrens konturieren, der auch durch Art. 3 EMRK gespeist wird. Zwar bindet das Folterverbot allein den Staat und adressiert gerade nicht den Privaten, der sich menschenunwürdiger Methoden bedient.609 Bei näherem Hinsehen knüpfen die hier vorgebrachten Erwägungen indes nicht unmittelbar an das außerprozessuale Verhalten an, sondern heben die Rolle des entscheidenden Gerichts und sonach den staatlichen Verwertungsakt in den Vordergrund. Nach diesem Verständnis genügt ein Verfahren den Anforderungen des fair trial jedoch nur dann, wenn die staatlichen Stellen von vornherein den schädlichen Eindruck vermeiden, als billigten sie menschenunwürdige oder folterähnliche Maßnahmen und stützten hierauf sogar eine verbindliche Entscheidung, die weitreichende Konsequenzen für den Betroffenen entfaltet.610 Freilich bedeutete es auch vom Standpunkt dieses Argumentationsmusters einen erheblichen Fortschritt, wenn der Gesetzgeber diesen unverbrüchlichen Bereich in den jeweiligen Verfahrensordnungen festschriebe.
3. Zwischenergebnis zum menschenunwürdigen Verhalten Das staatliche Gerichtsverfahren erführe einen erheblichen Ansehensverlust, wenn solche Beweismittel in großem Umfang verwertbar wären, die auf einem menschenunwürdigen Verhalten des eigeninitiativen Beweismittelsuchers aufbauen. Um dem entgegenzuwirken, drängen sich de lege lata zwei Begründungswege auf: Zum einen die grundrechtlichen Schutzpflichten, die staatliche Stellen dazu verpflichten, die Grundrechte auch vor privaten Beeinträchtigungen zu bewahren. Sofern der Private auf menschenunwürdige Methoden zurückgreift, kann die Einschätzungsprärogative auf null reduziert sein und die Gerichte deshalb dazu veranlassen, ein darauf beruhendes Beweismittel schlechthin nicht zu verwerten. Zum anderen lässt sich ein absolutes Beweisverwertungsverbot in den Fällen menschenunwürdigen Verhaltens auch aus dem Recht auf ein faires Verfahren ableiten. Eine Weiterentwicklung dieser lediglich vorläufigen Gedanken muss zunächst daran ansetzen, den Bereich des menschenunwürdigen Verhaltens näher zu konturieren.611 Dabei böten sich de lege ferenda prozessuale Vorschriften in den jeweiligen 608
BVerfGE 57, 250 (275 f.); 86, 288 (317 f.); 122, 248 (272); 130, 1 (25 f.). Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 117. 610 Vgl. auch Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 117, der betont, der Schutz der Menschenwürde könne nicht übertrieben werden. 611 Vgl. die Erkenntnis von Kodek, in: Kaissis-FS, S. 523 (540), wonach Fälle der Privatfolter im Zivilprozess nicht bekannt sind. 609
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Verfahrensordnungen an, die vornehmlich der Rechtssicherheit dienten. Entscheidend kann in diesem Kontext indes nicht sein, ob das eigeninitiative Verhalten rechtswidrig und nach den Tatbeständen des Strafgesetzbuchs untersagt ist. Der Bereich des menschenunwürdigen Verhaltens bewegt sich aus der prozessualen Warte vielmehr außerhalb der materiell-rechtlichen Bewertung und fügt sich sonach in das hier zugrunde gelegte Verständnis ein, wonach die materielle Rechtswidrigkeit nicht auf die prozessuale Ebene ausstrahlt.
IV. Nachweis der tatsächlichen Umstände im Prozess Sofern sich einzelne tatsächliche Umstände der eigeninitiativen Beweismittelsuche auf die gerichtliche Verwertbarkeit auswirken, stellt sich die berechtigte Folgefrage, auf welche Weise sich der entscheidende Richter von dem außerprozessualen Geschehensablauf, der zur Erlangung des konkreten Beweismittels geführt hat, Kenntnis verschaffen darf. Oder aus der umgekehrten Perspektive des Privaten formuliert: Inwieweit muss dieser einen Nachweis dafür anbieten, welche tatsächlichen Bedingungen die außerprozessuale Situation geprägt haben? Diese praktischen Gesichtspunkte, die vor allem im zivilverfahrensrechtlichen Kontext virulent werden, behandelt diese Untersuchung bewusst nur oberflächlich, um den Kern der aufgeworfenen Probleme nicht aus dem Blick zu verlieren.612 Zudem berühren diese Erwägungen eher den Fragenkreis der Beweiserhebung, da dem Gericht zu diesem Zeitpunkt regelmäßig nicht bekannt sein dürfte, welcher spezifische Inhalt dem in Rede stehenden Beweismittel zukommt. In diesem Kontext finden insbesondere die zivilprozessualen Stimmen Gehör, die nicht ohne Grund betonen, die prozessuale Zulässigkeit müsse feststehen, bevor beurteilt werde, ob die konkrete Aussage des Beweisgegners wahrheitswidrig ist.613 Exemplarisch dient insoweit die Konstellation einer heimlichen Tonaufnahme, die ein Gespräch dokumentiert, das für die strafrechtliche Verurteilung eines Konversationsteilnehmers oder einen zivilrechtlichen Anspruch bedeutsam ist. Eine Entscheidung darüber, ob dieses Beweismittel zunächst erhoben und sodann auch verwertet werden darf, ist regelmäßig erst dann möglich, wenn der entscheidende Richter die Aufnahme abgespielt und den konkreten Inhalt zur Kenntnis genommen hat.614 Ohne dieses Vorgehen lässt sich wohl kaum valide beurteilen, ob die prozessuale Verwertung nach Maßgabe des modifizierten Sphärengedankens einen 612 Instruktiv Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 89 ff. Zum etwaigen Rügeerfordernis im Zivilverfahren Fricke, VersR 2010, 308 (316); Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 177 ff.; Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622 (1625); Bruns, NZFam 2021, 913 (916). Kritisch hingegen Laumen/Prütting, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, Kap. 6 Rn. 43. 613 Pleyer, ZZP 69 (1956), 321 (335); Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469 (473). 614 Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 289; Gropp, StV 1989, 216 (226 f.); Küpper, JZ 1990, 416 (420) für tagebuchartige Aufzeichnungen.
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intensiven oder aber nur einen geringfügigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG begründet. Es wäre zwar nicht ausgeschlossen, dem Privaten, der ein solches Beweismittel vorbringt, die Obliegenheit aufzuerlegen, die relevanten tatsächlichen Umstände sowie den Inhalt der aufgezeichneten Konversation zunächst zu schildern, um dem Richter eine erste Entscheidungsgrundlage zu bieten.615 Bei Lichte betrachtet überzeugt eine solche Vorgabe indes aus zwei Gründen nicht: Zunächst resultierten hieraus erhebliche praktische Schwierigkeiten, da die Einschätzung des privaten Beweismittelsuchers zwangsläufig subjektiv geprägt ist – und der Beschuldigte im Strafverfahren bzw. der Beweisgegner im Zivilprozess regelmäßig einen anderen Geschehensablauf postulieren werden.616 Die letztverbindliche Klarheit wird erst das in Rede stehende Beweismittel ans Tageslicht befördern können. Darüber hinaus liefe auch die Schilderung des Privaten über den Inhalt des aufgenommenen Gesprächs bereits auf eine mittelbare Verwertung der Tonaufnahme hinaus. Um das Beweisverbot jedoch so weit wie möglich von objektiven Faktoren abhängig zu machen, spricht mehr dafür, dem entscheidenden Richter den Zugriff auf das fragliche Beweismittel zu gestatten, und dessen Inhalt für die Frage zu berücksichtigen, inwieweit ein Erhebungs- oder Verwertungsverbot eingreift.617 Ohne eine behutsame Sichtung des privat erlangten Beweismaterials ist eine sachgerechte Bewertung zumeist nicht möglich. Andernfalls würde die unzureichende Nachweismöglichkeit dazu führen, eigeninitiativ erlangte Beweismittel, die persönlichkeitsrechtlich relevant sind, in weiten Teilen von vornherein als prozessual unbrauchbar einzustufen. Denn während sich ein Eingriff in das umfangreiche verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht vergleichsweise einfach und beispielsweise ohne vollumfängliche Kenntnis des exakten Inhalts einer Tonaufnahme feststellen lässt, bedarf es für die rechtfertigende Abwägung einer präzisen Analyse der konkreten Umstände. Vor dem erstmaligen Abspielen der Tonaufnahme steht sonach regelmäßig allein der potenzielle Eingriff in die Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG fest, der aus einer Beweisverwertung folgte. Bliebe man an dieser Stelle stehen, dürfte der Richter das persönlichkeitsrechtlich relevante Beweismittel (zu diesem Zeitpunkt) schlechthin nicht berücksichtigen. Die vorangehenden Ausfüh615 Vgl. etwa Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (386). Zu ähnlichen Erwägungen im Kontext der strafrechtlichen Rechtfertigung des Gebrauchs einer Tonbandaufnahme Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 335. Ferner Rengier, Die Zeugnisverweigerungsrechte im geltenden und künftigen Strafverfahrensrecht, S. 339, der auf ein informatives Gespräch durch den Richter hinweist. 616 Vgl. in diesem Zusammenhang auch H. Roth, in: Erichsen, Recht der Persönlichkeit, S. 279 (284), der auf eine Prozesslüge des Beweisgegners abstellt. Um den Nachweis zu ermöglichen, sei zunächst zu unterstellen, dass eine solche vorliege. Ferner Gropp, StV 1989, 216 (226); Lang, Ton- und Bildträger, S. 130. 617 In diese Richtung auch Laber, Die Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen im Strafverfahren, S. 104. Vgl. auch Petry, Beweisverbote im Strafprozess, S. 161, der zunächst für ein alleiniges Abspielen des Richters vor sich selbst plädiert. Schließlich Lang, Ton- und Bildträger, S. 130.
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rungen haben indes belegt, dass die umfassende Interessenabwägung die entscheidende Stellschraube einer gerechten Beweisverbotskonzeption darstellt. Aus demselben Grund ist es nicht überzeugend, dem Beweisgegner in der zivilgerichtlichen Verhandlung aufzutragen, die Voraussetzungen eines Verwertungsverbots nachzuweisen.618 Führt man diesen Gedanken fort, wirkte sich die Unaufklärbarkeit zwangsläufig zulasten des in seinem Persönlichkeitsrecht betroffenen Beweisgegners aus. Auch dieses Ergebnis erscheint unbillig. Um eine weitgehend objektive und faire Entscheidung zu ermöglichen, bedarf es einer vorläufigen Begutachtung des eigeninitiativ erlangten Beweismittels durch den Richter, bevor dieser überhaupt in die einzelfallabhängige Interessenabwägung einsteigt. Diese Gedanken leiten unweigerlich zu einer weiteren Frage über, die die wissenschaftliche Diskussion nach wie vor beschäftigt: Ist es dem entscheidenden Richter überhaupt möglich, konkrete Tatsachen gleichsam wieder zu vergessen, wenn sich nach der erstmaligen Kenntnisnahme vom Gesprächsinhalt herausstellt, dass die Tonaufnahme nicht verwertet werden darf?619 Besonders misslich erscheint diese Situation dann, wenn der Richter ohne das inkriminierte Beweismittel eine Entscheidung fällen muss, die – jedenfalls nach seiner persönlichen Bewertung – materiell unrichtig ist.620 Allerdings ist diese Problemlage keineswegs exklusiv den Fällen der eigeninitiativen Beweismittelsuche vorbehalten, sondern betrifft den richterlichen Umgang mit sämtlichen Beweismitteln, die von einem Verwertungsverbot betroffen sein können.621 Obschon es dem entscheidenden Richter durchaus zumutbar ist, unverwertbare Beweise und die mit ihnen verbundenen Tatsachen aus seiner Entscheidungsfindung auszublenden,622 erschiene de lege ferenda eine prozessuale Regelung überlegenswert, die einem anderen als dem erkennenden Richter die Aufgabe übertrüge, die prozessuale Verwertbarkeit eines konkreten Beweismittels vorab zu beurteilen.623 Eine solche Vorschrift könnte außerdem normieren, 618 So aber Greger, in: Zöller, § 286 Rn. 15a; Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Strafund Zivilprozess, S. 277; E. Schneider, MDR 2000, 1029 (1030). 619 Dazu etwa Grünwald, JZ 1966, 489 (550 f.); Dahs, in: Strafverteidiger-Frühjahrssymposium 1988, S. 122 (129 f.); Koriath, Über Beweisverbote im Strafprozeß, S. 48 f.; Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 136; Heinitz, JR 1964, 441 (444). Hinsichtlich einer Urkunde Wais, Die Verwertbarkeit fehlerhaft erzielter Beweisergebnisse und rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 151 f. 620 Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 136. Vgl. auch Grünwald, JZ 1966, 489 (501). 621 Küpper, JZ 1990, 416 (420), der auf eine staatliche Vernehmung hinweist, die unter Einsatz von verbotenen Vernehmungsmethoden geführt wird. Vgl. auch Katzenmeier, ZZP 2003, 375, der auf einzelne Unterschiede zwischen dem Straf- und dem Zivilprozess eingeht. 622 Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 38 f.; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 128. Vgl. auch Koriath, Über Beweisverbote im Strafprozeß, S. 48 f., der zwischen einer psychischen und einer rationalen Ebene differenziert. 623 Dahs, in: Strafverteidiger-Frühjahrssymposium 1988, S. 122 (130); Küpper, JZ 1990, 416 (420); Bienert, Private Ermittlungen, S. 167; Laber, Die Verwertbarkeit von Tagebuch-
C. Perspektivwechsel: Blick auf die eigeninitiative Beweismittelsuche
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inwieweit ein Ausschluss der Verfahrensöffentlichkeit angezeigt ist, um den persönlichkeitsrechtlichen Eingriff abzumildern.624 Denn andernfalls führte die richterliche Überprüfung des Beweismittels zu einer Persönlichkeitsbeeinträchtigung, der ein erhebliches Gewicht zukommt.
C. Perspektivwechsel: Der erneute Blick auf die eigeninitiative Beweismittelsuche Abschließend soll das beschriebene Lösungskonzept betreffend die prozessuale Verwertbarkeit noch aus dem Blickwinkel der eigeninitiativen Beweismittelsuche betrachtet werden. Die bisherigen Ausführungen haben belegt, dass die materiellrechtliche Bewertung des außerprozessualen Erlangungsakts nicht auf die prozessuale Ebene ausstrahlt. Vielmehr verhält es sich gerade umgekehrt: Die prozessuale (Un)Verwertbarkeit wird – über das Merkmal der Eignung – mit der materiellen Rechtslage verbunden. Ungeachtet dessen ist es jedoch das materielle Recht, das letztlich ausschlaggebend dafür ist, welche Sanktionen oder Rechtsfolgen eine Privatperson zu befürchten hat, die sich bei der eigeninitiativen Beweismittelsuche über geltende Normen hinwegsetzt. Der Gesetzgeber hat folglich nicht nur einfachgesetzliche Grenzen implementiert, die der Private bei seinem Verhalten berücksichtigen muss, sondern zugleich auch die konkreten Konsequenzen festgelegt, die bei einem Verstoß drohen. Nach dem hier entwickelten Lösungsmodell sind zwei Gesichtspunkte für die materiell-rechtliche Bewertung der privaten Beweismittelsuche essenziell und sollen an dieser Stelle noch einmal hervorgehoben werden: Das eigeninitiative Vorgehen ist nur dann geeignet, den intendierten Zweck zu erreichen, wenn das Beweismittel – aus der maßgeblichen ex ante-Perspektive – auch prozessual verwertbar ist.625 Die gerichtliche Verwertbarkeit wiederum bestimmt sich nach einer grundrechtlich geprägten Abwägung, die unmittelbar an den staatlichen Verwertungsakt anknüpft und nicht davon abhängt, ob der Private rechtmäßig oder aber rechtswidrig vorgegangen ist.626 aufzeichnungen im Strafverfahren, S. 85 f.; Löffelmann, Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren, S. 180 ff., 215. Vgl. auch Jahn, in: Stöckel-FS, S. 259 (286); ders., StraFo 2011, 117 (121); Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 72, 80; F. Lorenz, GA 1992, 254 (277). A. A. hingegen Grünwald, JZ 1966, 489 (501), der die Besorgnis der Befangenheit postuliert. 624 Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 118 f.; Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 80. Vgl. dazu auch Bienert, Private Ermittlungen, S. 170; Otto, in: Kleinknecht-FS, S. 319 (333); Laber, Die Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen im Strafverfahren, S. 102; Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 146, 243 f. 625 Teil 2, D. III. 626 Teil 3, B. II.
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Führt man diese beiden Erwägungen auf der außerprozessualen Ebene zusammen, so folgt daraus eine zentrale Erkenntnis: Die Eignung, die sämtliche Methoden der eigeninitiativen Beweismittelsuche prägt, transferiert die verfassungsrechtliche Abwägungsentscheidung auf die Ebene des materiellen Rechts. Die materiellrechtliche Bewertung des außerprozessualen Vorgehens des Privaten hängt folglich davon ab, zu wessen Gunsten das Pendel des verfassungsrechtlichen Interessenausgleichs ausschlägt. Paglotke hat in diesem Kontext berechtigterweise darauf aufmerksam gemacht, dass der rechtfertigende Notstand gem. § 34 StGB bereits nach seiner normativen Struktur eine Interessenabwägung verlangt und es sonach zu einer doppelten Abwägung kommt.627 Bei Lichte besehen ist dies jedoch keine alleinige Besonderheit des § 34 StGB, sondern betrifft im selben Umfang auch die persönlichkeits- und datenschutzrechtliche Zulässigkeit der privaten Beweismittelsuche. Zwar mögen sich dabei einzelne Parameter der verfassungsrechtlichen Abwägung mit dem einfachrechtlichen Pendant überschneiden oder jedenfalls einen ähnlichen Inhalt aufweisen.628 Nichtsdestoweniger dürfen die Abwägungsentscheidungen keineswegs von vornherein gleichgesetzt werden, da sie sich zum einen auf unterschiedliche Akteure mit divergierenden Interessen beziehen und zum anderen voneinander abweichende Zeitpunkte betreffen, zwischen denen sich relevante Gesichtspunkte durchaus ändern oder verschieben können.629 Namentlich das staatliche Interesse an einem gerechten Urteil, dem der entscheidende Richter verpflichtet ist, kann nicht auf die einfachrechtliche Ebene übertragen werden und dort das eigeninitiative Vorgehen rechtlich beeinflussen.630 Konsequenterweise ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Beweismittel zwar nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Abwägung verwertet werden kann, obschon die einfachrechtliche Abwägung – etwa sub specie des § 34 StGB oder des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO – zulasten des privaten Beweismittelsuchers ausgeht.631 Besonders deutlich wird dies mit Blick auf Dashcam-Aufnahmen im öffentlichen Straßenverkehr: Während die datenschutzrechtliche Rechtmäßigkeit davon abhängt, ob der Einsatz der On-Board627 Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 277. I. E. stellt auch Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 311 sub specie des § 34 StGB eine doppelte Abwägung fest. 628 Aus der persönlichkeitsrechtlichen Warte gilt dies insb. für den Sphärengedanken. 629 Abweichend hingegen Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 277 f., der von einem weitgehenden Gleichlauf der Abwägungsentscheidungen ausgeht. In besonderen Ausnahmesituationen solle jedoch eine Durchbrechung möglich sein. Vgl. auch Holzinger, Beweisverwertungsverbote bei mitbestimmungswidrig erlangten Beweisen im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 70 Fn. 285, die ebenfalls davon ausgeht, die Abwägungsentscheidungen führten regelmäßig zum selben Ergebnis. So auch Panzer, Mitarbeiterkontrolle und neue Medien, S. 293 f. 630 In diese Richtung auch Hahn, Ton- und Bildträger als Beweismittel im Strafprozess, S. 97; Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, S. 311. 631 Zu berücksichtigen ist ferner, dass § 34 StGB ein wesentliches Überwiegen verlangt und folglich spezifische Anforderungen an die Abwägung stellt, die auf der verfassungsrechtlichen Ebene nicht verankert sind.
D. Zusammenfassung Teil 3
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Kamera anlassbezogen erfolgt,632 wirkt sich dieser Gesichtspunkt auf der nachgelagerten Ebene der prozessualen Verwertung schlechterdings nicht aus. Der staatliche Eingriff ist nicht deshalb eingriffsintensiver, weil die Aufnahme aus einer Situation herrührt, in der sich der eigeninitiative Beweismittelsucher (noch) nicht dazu herausgefordert fühlen durfte, in fremde Rechtspositionen einzugreifen, um ein etwaiges Schadensereignis zu dokumentieren. Der abschließende Blick gilt schließlich noch der Notwehrrechtfertigung, die – anders als die zuvor dargestellten Erlaubnissätze und Grenzen privaten Handelns – im Ausgangspunkt gerade keine Interessenabwägung vorsieht. Diesen grundlegenden Pfeiler des Notwehrrechts scheint das hier vertretene Lösungsmodell a priori zum Einsturz zu bringen, da der verfassungsrechtliche Interessenausgleich über das Merkmal der Eignung auch in den § 32 StGB Einzug erhält.633 Bei näherem Hinsehen wird jedoch nicht die Notwehrbefugnis selbst unter einen generellen Abwägungsvorbehalt gestellt, sondern – vermittelt über die Eignung – lediglich danach gefragt, ob der angestrebte Zweck erreichbar ist. Diese Frage berührt jedoch einen Umstand, der außerhalb des § 32 StGB begründet liegt und folglich auch von einer Abwägungsentscheidung abhängen kann. Nach alledem bleibt die weitgehende Eigenständigkeit des materiellen Rechts gewahrt. Die prozessuale Verwertbarkeitsentscheidung nimmt zwar gewissermaßen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit des privaten Erlangungsaktes. Gleichwohl folgt daraus keine vollumfängliche Überformung der einfachrechtlichen Gebots- und Verbotsnormen. Denn die prozessuale Verwertbarkeit eines Beweismittels, das von privater Seite erlangt wurde, begründet für sich betrachtet noch keine materiell-rechtliche Befugnis,634 sondern stellt lediglich eine der relevanten Voraussetzungen dar.
D. Zusammenfassung Teil 3 Sofern eine Privatperson eigeninitiativ nach Beweismitteln sucht, ist dieses Vorgehen am Maßstab des materiellen Rechts zu messen. Allerdings verhalten sich die materiell-rechtlichen Normen nicht dazu, inwieweit ein solches Beweismittel in einem Straf- oder Zivilprozess verwertet werden kann. Ein Automatismus zwischen einem außerprozessualen Rechtsverstoß und einem Beweisverwertungsverbot lässt sich schlichtweg nicht begründen. Umgekehrt enthalten auch die jeweiligen Verfahrensordnungen keine Vorschrift, die eine materiell-rechtliche Wertung in die prozessuale Sphäre transferierte. Ein Beweisverwertungsverbot kann vor diesem 632
Teil 2, B. II. 3. c). Erstaunlicherweise äußert sich Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 276 nur sehr knapp zu diesem Phänomen, indem er postuliert, die Verwertbarkeit sei „Teil des Rechtfertigungstatbestandes der §§ 32, 34 StGB“. 634 Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 278. 633
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Teil 3: Erste allgemeine Folgerungen für die Beweisverbotslehre
Hintergrund nicht aus dem Rechtsverstoß des Privaten abgeleitet werden, den dieser bei der Erlangung einzelner Beweismittel begeht. Aus demselben Grund verfängt auch die These nicht, ein rechtmäßig erlangtes Beweismittel sei stets und ausnahmslos verwertbar.635 Vielmehr verhält es sich nachgerade umgekehrt: Ist ein Beweismittel unverwertbar, so strahlt diese prozessuale Bewertung auf die materiellrechtliche Ebene aus, sofern der Private in der Intention tätig geworden ist, ein Beweismittel zu erlangen, das einen entscheidungsrelevanten Umstand belegen soll. Existiert kein Verwertungsverbot und ist das Beweismittel sonach verwertbar, ermöglicht erst diese Erkenntnis den Schluss darauf, dass das außerprozessuale Vorgehen geeignet ist, das verfolgte Ziel zu erreichen. Auf diese Weise gelingt es, einen unauflösbaren Zirkelschluss zwischen dem materiellen und dem Prozessrecht zu vermeiden. Da sich die eigeninitiative Beweismittelsuche jedenfalls nicht unmittelbar auf die gerichtliche Verwertbarkeit auswirkt, verbleibt ausschließlich der Rekurs auf das innerprozessuale Verhalten selbst. Weil das einfache Recht gegenüber den verfassungsrechtlichen Vorgaben grundsätzlich vorrangig heranzuziehen ist, richtet sich der erste Blick auf die Frage, ob einzelne Normen existieren, die dem prozessualen Umgang mit eigeninitiativ erlangten Beweismitteln spezifische Grenzen setzen. Die Untersuchung hat zwar gezeigt, dass sowohl im Straf- als auch im Datenschutzrecht verschiedene Vorschriften bestehen, denen sich das Verhalten des Privaten oder aber des Richters im Prozess durchaus subsumieren ließe. Paradigmatisch ist in diesem Kontext § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB, der den Gebrauch unbefugt hergestellter Tonaufnahmen pönalisiert. Gleichwohl fehlt es wiederum an einem normativen Hebel, der die Lücke zwischen der materiell-rechtlichen Bewertung und einer möglichen prozessualen Konsequenz zu schließen vermag. Dies gilt wegen des überkommenen Trennungsgedankens selbst dann, wenn gerade der richterliche Gebrauch eines Beweismittels in Rede steht. Insbesondere in diesem Zusammenhang haben sich indes erhebliche Spannungen zwischen einem materiell-rechtlichen Verbot und einer prozessualen Verhaltensaufforderung herauskristallisiert: Es erschiene widersprüchlich, auf der einen Seite ein strafbewehrtes Verbot auszusprechen, auf der anderen Seite aber dieses Verhalten prozessual nachgerade zu verlangen. Dieser Konflikt lässt sich jedoch auflösen, wenn man die prozessualen Befugnisse vorrangig betrachtet und diese sodann auf die materiell-rechtliche Ebene überträgt. Diese Prozessrechtsakzessorietät des materiellen Rechts führt zu einem Vorrang der verfahrensrechtlichen Wertungen, die bereits im Kontext der eigeninitiativen Beweismittelsuche zutage getreten ist. Scheidet ein Rekurs auf materiell-rechtliche Vorschriften des Straf- und Datenschutzrechts sonach aus, verbleibt de lege lata allein der Rückgriff auf das verfassungsrechtliche Abwägungsmodell. Sofern der richterliche Verwertungsakt keine grundrechtsrelevanten Positionen tangiert, bestehen an der prozessualen Verwert635 So auch Kaspar, GA 2013, 206 (210); Bockemühl, Private Ermittlungen im Strafprozeß, S. 116 ff.
D. Zusammenfassung Teil 3
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barkeit grundsätzlich keine berechtigten Zweifel. Den Schwerpunkt der Diskussion bilden indes hoheitliche Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, obschon es nicht ausgeschlossen ist, dass weitere grundrechtliche Gewährleistungen betroffen sind. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gilt indes nicht schrankenlos; vielmehr können Eingriffe legitimiert werden, wenn sie sich auf eine einfachgesetzliche Grundlage stützen, die verfassungskonform ist, und zudem ihrerseits verhältnismäßig sind. Obschon die Verfahrensordnungen keine ausdrücklichen Vorschriften enthalten, die sich zum Umgang mit eigeninitiativ erlangten Beweismitteln und deren prozessualer Verwertung äußern, lassen sich diesen solche Normen entnehmen, die jedenfalls eine verwertungsfreundliche Tendenz aufweisen. Im Strafprozessrecht folgt dies aus den §§ 244 Abs. 2, 261 StPO, während im Zivilprozessrecht die §§ 286 Abs. 1 S. 1, 355 ff. ZPO eingreifen. Diese bilden eine hinreichende gesetzliche Eingriffsgrundlage für den gerichtlichen Umgang mit Beweismitteln, auch wenn sie sich am unteren Rand des verfassungsrechtlich Zulässigen bewegen. Schließlich ist die Einzelfallabwägung nach wie vor der entscheidende Bewertungsfaktor dafür, ob ein konkretes Beweismittel schlussendlich verwertet werden darf. Weil sich der überkommenen Sphärentheorie keine trennscharfen Abgrenzungskriterien entnehmen lassen, fungiert diese als bloßer Orientierungsmaßstab und beschreibt allein einen relativen Abwägungsparameter unter vielen. Im Strafprozessrecht kollidiert das allgemeine Persönlichkeitsrecht mit dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse, dessen Relevanz davon abhängt, wie gewichtig die verfolgte Straftat ausfällt. Insoweit bietet es sich de lege lata an, den Katalog aus § 100a Abs. 2 StPO als grobe Orientierungsgröße heranzuziehen. Zugunsten der Verwertbarkeit spricht auch, wenn sich das Beweismittel ausschließlich auf das strafrechtlich relevante Verhalten des Angeklagten bezieht, da dieses einen besonderen Sozialbezug aufweist, der zu einem geringeren Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht führt. Im Zivilprozessrecht stehen sich hingegen vornehmlich das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht und das private Verwertungsinteresse gegenüber, das seinerseits aus dem Recht auf Beweis herrührt und ebenfalls Verfassungsrang genießt. Gänzlich irrelevant ist dabei, ob sich der Beweisführer im außerprozessualen Stadium in einer besonderen Rechtfertigungssituation – vor allem einer notwehrähnlichen Lage – befand. Vielmehr hängt das Gewicht des Verwertungsinteresses davon ab, welche wirtschaftliche Bedeutung der nachzuweisende Umstand für den Betroffenen hat. Ferner wird das individuelle Verwertungsinteresse durch das Allgemeininteresse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege verstärkt, das auch im Zivilverfahren nicht vernachlässigt werden darf. In beiden Verfahrensarten beschreibt das Abwägungsmodell, das an den richterlichen Verwertungsakt selbst anknüpft, sonach einen praktikablen Mechanismus, um sachgerechte Ergebnisse dogmatisch nachvollziehbar zu begründen. Das eigeninitiative Verhalten des Privaten wirkt sich dabei nicht unmittelbar in der ge-
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richtlichen Sphäre aus, da der staatliche Eingriff seine rechtliche Gestalt nicht deshalb verändert, weil eine vorausgehende private Verhaltensweise ihrerseits erlaubt oder aber verboten ist. Eingedenk dessen ist es keineswegs ausgeschlossen, dass ein Beweismittel, das auf strafbare Weise erlangt wurde, vom Gericht verwertet werden kann. Nichtsdestoweniger strahlen die tatsächlichen Umstände, die das eigeninitiative Vorgehen geprägt haben, auf die prozessuale Ebene aus. Dieser Zusammenhang ist indes allein tatsächlicher, nicht hingegen rechtlicher Natur. Ist die gerichtliche Verwertbarkeit aber unabhängig davon zu bestimmen, ob die eigeninitiative Beweissicherung contra legem erfolgt, resultiert daraus zugleich unweigerlich, dass die weit verbreitete Frage, inwieweit ein Beweismittel verwertet werden kann, das ein Privater auf rechtswidrige Weise gewonnen hat, in dieser Form weitgehend unpassend ist, weil sie den konträren Ursachenzusammenhang jedenfalls implizit voraussetzt. Zwar mag es Fallgestaltungen geben, in denen einem eigeninitiativen Vorgehen die Rechtswidrigkeit gewissermaßen auf die Stirn geschrieben steht. Nur in diesen Fällen ließe sich überhaupt erwägen, ob das Beweismittel gerade wegen des außerprozessualen Rechtsverstoßes unverwertbar ist.636 Im darüber hinausgehenden Bereich hängt die materiell-rechtliche Bewertung jedoch gerade davon ab, ob das Beweismittel prozessual verwertbar ist, weshalb über diese Frage zum einen vorrangig zu entscheiden ist und zum anderen ohne Ansehen des materiellen Unwerturteils.637 Präziser muss folglich schlicht danach gefragt werden, ob ein Beweismittel, das eine Privatperson eigeninitiativ erlangt hat, vom entscheidenden Gericht verwertet werden darf. Einen Sonderstatus nehmen schließlich die Beweismittel ein, die ein Privater durch menschenunwürdige Behandlung eines anderen erlangt hat. Sofern der hoheitliche Verwertungsakt seinerseits einen Grundrechtseingriff bewirkt, lassen sich unter Rekurs auf das vorgestellte Abwägungsmodell gerechte Ergebnisse erzielen. Schwierigkeiten weisen indes solche Fälle auf, in denen das eigeninitiative Vorgehen menschenunwürdig ist, die richterliche Verwertung aber gleichwohl keinen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG bewirkt. Zur Lösung bieten sich zwei Begründungswege an: Zunächst lässt sich an die grundrechtlichen Schutzpflichten anknüpfen, die den Staat dazu anhalten, die Grundrechte auch vor einer Beeinträchtigung durch Private zu bewahren. Der weitreichende Entscheidungsspielraum, der den staatlichen Stellen grundsätzlich zusteht, ist in diesem besonderen Fall auf null reduziert und führt schlussendlich zu einem absoluten Verwertungsverbot. Daneben kann dieses allein zutreffende Ergebnis auch unter Rückgriff auf das faire Verfahren begründet werden. Nach alledem beschreibt das neu vermessene Abwägungsmodell einen pragmatischen Lösungsansatz, der ersichtlich und ganz bewusst der Einzelfallgerechtigkeit den Vorrang einräumt. Rechtssichere Vorgaben vermag hier allein der Ge636 Vgl. Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 274 f. Die vorausgehenden Ausführungen haben indes gezeigt, dass dieser Weg dogmatisch nicht überzeugt. 637 So auch Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 275.
D. Zusammenfassung Teil 3
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setzgeber zu schaffen. Ein einfachrechtliches Beweisverbotskonzept wird jedoch die vielschichtigen Problemlagen, die aus dem Zusammenwirken von verschiedenen Handlungsvorgängen resultieren, nicht vollumfänglich lösen können, sondern allenfalls in klarer strukturierte Bahnen lenken. Auch de lege ferenda bleiben Verwertungsverbote sonach in weiten Teilen mit dem Prinzip einer umfassenden Abwägungsentscheidung verbunden.638
638 Vgl. auch S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 37; Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (31). Schließlich auch Dünnebier, MDR 1964, 965 (968).
Teil 4
Übergabe an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden Gelingt es einer Privatperson, das strafbare Verhalten eines anderen zu dokumentieren oder durch eigeninitiative Ermittlungsmaßnahmen aufzudecken, erfolgt im nächsten Schritt zumeist eine Kontaktaufnahme mit den staatlichen Strafverfolgungsbehörden. In diesem Zusammenhang wird der Private seine Erkenntnisse schildern und gewonnene Beweismittel an die Polizei oder die Staatsanwaltschaft übergeben, um diese bei der Strafverfolgung zu unterstützen.1 Insoweit handelt es sich um ein „Sonderproblem“, das sich ausschließlich im strafrechtlich relevanten Bereich auftut und mit der gesetzlich vorgesehenen Struktur des Strafverfahrens zusammenhängt.2 Das eigeninitiativ erlangte Beweismittel gelangt dabei erstmals – und im Vergleich zum Zivilverfahren folglich zu einem früheren Zeitpunkt – mit dem prozessualen Raum in Berührung. Der legitime Zweck – die staatliche Strafverfolgung zu unterstützen – allein räumt dem eigeninitiativen Beweismittelsucher freilich nicht die Befugnis ein, in beliebigem Umfang in die geschützten Rechtspositionen eines anderen, den er eines strafbaren Verhaltens verdächtigt, einzugreifen. Augenscheinlich wird dies vornehmlich dann, wenn der Übergabeakt den Tatbestand einer Strafnorm erfüllt, weshalb sich die nachfolgenden Ausführungen an diesem Szenario orientieren (A.). Sodann sollen jedoch auch die datenschutzrechtlichen Implikationen in den Blick genommen werden (B.), bevor einzelne Ausführungen zur kunsturhebergesetzlichen Betrachtung dieses Kapitel abschließen (C.). Die grundlegenden Erwägungen zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht, das die Entwicklung der §§ 201, 201a StGB in weiten Teil beeinflusst hat, gelten auch in diesem Stadium, in dem die private Suche nach Beweismitteln in die staatliche Sphäre mündet.
1
Vgl. den Sachverhalt bei BVerfGE 34, 238. Sowohl im Zivil- als auch im Strafverfahren kommt es nicht selten vor, dass eine Privatperson anwaltliche Hilfe in Anspruch nimmt. Im Rahmen dieser Kontaktaufnahme kann der Private potenziell relevante Beweismittel an den Rechtsanwalt übergeben. Insoweit ließe sich danach fragen, inwieweit der Private und/oder der Rechtsanwalt durch dieses Verhalten rechtliche Risiken eingehen. Da der Rechtsanwalt jedoch keine staatliche Stelle ist, können diese Fragen innerhalb dieser Untersuchung offenbleiben. 2
A. Strafrechtliche Betrachtung des Übergabeaktes
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A. Strafrechtliche Betrachtung des Übergabeaktes In der wissenschaftlichen Diskussion um Beweisverbote blieb lange Zeit unbeleuchtet, welches rechtliche Schicksal die Übergabe des privat erlangten Beweismittels an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden ereilt. Spätestens mit dem staatlichen Ankauf von Steuerdaten-CDs hat sich insoweit ein Paradigmenwechsel zugetragen. Zwar stehen in diesem mannigfaltig diskutierten Themenfeld regelmäßig andere Fragestellungen im Fokus.3 Nichtsdestoweniger gewinnt der Aspekt, inwieweit der Übergabeakt strafbar ist oder aber gerechtfertigt werden kann, in der beweisrechtlichen Debatte zunehmend an Bedeutung.4 Bevor die maßgeblichen Argumentationslinien nachgezeichnet werden, bedarf es jedoch zunächst eines Blicks auf die §§ 201, 201a StGB, da diese verschiedene Tatmodalitäten enthalten, die den Umgang mit Ton- und Bildaufnahmen unter Strafe stellen.5
I. Übergabe von Tonaufnahmen – § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB Gem. § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB wird bestraft, wer eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. 1. So hergestellte Aufnahme Nach wie vor besteht erheblicher Diskussionsbedarf darüber, inwiefern der Verwendungstatbestand mit dem Aufnahmeverbot aus § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB zusammenhängt.6 Die rechtlichen Unsicherheiten speisen sich dabei aus dem Adverb 3 Diese Schwerpunktsetzung betonen auch Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 128 sowie Satzger, in: Achenbach-FS, S. 447 (454). Dies betrifft zunächst die zentrale Frage nach einem Beweisverwertungsverbot, die regelmäßig den Schwerpunkt der Diskussion bildet. Darüber hinaus beleuchten zahlreiche Diskussionsbeiträge, inwieweit der staatliche Ankauf rechtmäßig ist, vgl. statt aller Trüg/ Habetha, NJW 2008, 887 (887 ff.). In diesem Zusammenhang wird indes mitunter die Frage aufgeworfen, ob der staatliche Ankäufer als Teilnehmer zu bestrafen ist. Wegen der Akzessorietät von Anstiftung und Beihilfe finden sich dabei auch Ausführungen zu der Frage, inwieweit das private Verhalten von einem Erlaubnistatbestand gedeckt ist, Sieber, NJW 2008, 881 (884); Kaiser, NStZ 2011, 383 (388); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304). 4 Vgl. etwa die instruktiven Ausführungen bei Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 128 ff.; Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 987 ff.; Satzger, in: Achenbach-FS, S. 447 (449 ff.). 5 Lauschzeugen dürften in diesem Verfahrensstadium (noch) keine Rolle spielen, da die Aussage vor den Bediensteten der Polizei oder Staatsanwaltschaft jedenfalls keine öffentliche Mitteilung i. S. d. § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB ist. Zu diesem Tatbestand Teil 5, B. I. 2. 6 Statt aller Tag, in: Dölling/Duttge/König/Rössner, HK-GS, § 201 StGB Rn. 8; Wölfl, Jura 2003, 742. Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (145 ff.) zeigt, dass diese Fragen auch für § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB relevant werden.
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Teil 4: Übergabe an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden
„so“, dessen tatbestandliche Bedeutung verschieden bewertet wird,7 und betreffen auch die hier interessierende Konstellation, in der eine Privatperson eine Tonaufnahme an die Strafverfolgungsbehörden übergibt. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob ein Verstoß gegen § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB nur dann in Betracht kommt, wenn bereits der Aufnahmevorgang seinerseits rechtswidrig erfolgte, oder ob der Gebrauch einer Aufnahme auch dann unter Strafe steht, wenn der Herstellungsakt von einem Rechtfertigungsgrund gedeckt war. Da sich das eigeninitiative Vorgehen typischerweise heimlich zuträgt und sonach gerade nicht von einer rechtfertigenden Einwilligung erfasst wird, treten die Fälle in den Vordergrund, in denen die Tonaufnahme gem. § 32 StGB oder aber § 34 StGB gerechtfertigt und deshalb nicht unbefugt hergestellt wurde. Nach der sog. dualistischen Betrachtungsweise, die vor allem in der Vergangenheit großen Zuspruch erhielt,8 beschränkt sich der streitige Verweis ausschließlich auf den Normtext des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB, ohne dabei seinerseits das Merkmal unbefugt in Bezug zu nehmen.9 Der Gebrauch sowie das Zugänglichmachen einer Tonaufnahme, die das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen beinhaltet, stellen nach dieser Konzeption eigenständige Eingriffe dar, die sich von den Umständen des Aufnahmevorgangs gänzlich lösen, so dass irrelevant sei, ob der Herstellungsakt contra legem erfolgte. Im Vergleich dazu steht die sog. monistische Betrachtungsweise auf dem deutlich restriktiveren Standpunkt, dem zufolge ausschließlich unbefugte Aufnahmen in den Anwendungsbereich des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB fallen.10 Komplettiert wird das Meinungsspektrum von einer vermittelnden Position, die zwar im Ausgangspunkt ebenfalls auf einem monistischen Fundament basiert, aber das Merkmal unbefugt doppelfunktionell interpretiert.11 Nach der tatbestandlichen Konzeption – und in Übereinstimmung mit der gegenwärtigen h. M. – vermag nur die monistische Interpretation zu überzeugen. Dem 7 Vgl. zum Ganzen Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 209 ff.; Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (145 ff.); Wormer, Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre, S. 175 ff.; Hettinger/Engländer/Wessels, Strafrecht BT 1, Rn. 593; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 76 ff.; Wölfl, Jura 2003, 742; ders., Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 151 f.; Blei, in: Henkel-FS, S. 109 (109 ff.). 8 Statt aller Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 209 f. m. w. N., der insoweit noch von der h. M. spricht. 9 Rudolphi, in: Schaffstein-FS, S. 433 (447); Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 209 ff.; Wölfl, Jura 2003, 742 (743 f.). 10 Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 16; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NKStGB, § 201 Rn. 12; Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 263 f.; Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 155; B. Kramer, NJW 1990, 1760 (1762); Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 142; Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 201 Rn. 9. 11 Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 73; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 16; Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 16; Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 25; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 265; ferner Blei, in: Henkel-FS, S. 109 (114).
A. Strafrechtliche Betrachtung des Übergabeaktes
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dualistischen Begriffsverständnis steht bereits die gesetzgeberische Intention entgegen, § 201 StGB gerade nicht als allgemeines Indiskretionsdelikt auszugestalten.12 Vielmehr müssen die einzelnen von § 201 Abs. 1 StGB unter Strafe gestellten Vorgänge in ihrem Zusammenwirken gesehen werden: Der Gebrauch eines heimlich angefertigten Tonbands legitimiert die Strafandrohung nur dann, wenn die Aufnahme ihrerseits unbefugt – und sonach rechtswidrig – hergestellt wurde.13 Dieses restriktive Verständnis des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB lässt sich auch auf viktimodogmatische Erwägungen stützen: Sofern der Aufnahmevorgang bereits von Rechts wegen gestattet ist, darf der Sprechende nicht darauf vertrauen, die Flüchtigkeit der von ihm geäußerten Worte stehe weiterhin unter dem vollen strafrechtlichen Schutz.14 Die Gegenstimmen monieren zwar vermeintliche Strafbarkeitslücken, die von einem solchen restriktiven Verständnis des Tatbestands ausgehen und verweisen auf die Gefahren, die von der Verwendung einer gerechtfertigten Aufnahme ausgehen können.15 So kritisiert etwa Lenckner, dass nach der monistischen Konzeption eine Strafbarkeit allein wegen des gerechtfertigten Aufnahmevorgangs entfalle, wenn der Private in der Situation des Beweisnotstands ein fremdes Gespräch aufgezeichnet habe, die Aufnahme dann aber zu einem späteren Zeitpunkt seinen Stammtischfreunden vorspiele, um diese zu erheitern.16 Dies führe letztlich dazu, dass eine einmal rechtmäßig hergestellte Aufnahme „vogelfrei“ würde und in beliebigem Umfang ungestraft eingesetzt werden könnte.17 Um diese missliche Lage zu verhindern, müsse auch die durch Notwehr oder Notstand legitimierte Tonaufnahme dem § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB unterfallen, so dass eine weitere Verwendung nur rechtmäßig sei, wenn sich hierfür wiederum eine eigenständige Erlaubnis ergebe.18 Allerdings – so räumt Lenckner relativierend ein – dürfe eine Aufnahme, die ein Privater zu einem bestimmten Zweck rechtmäßig angefertigt habe, zu eben diesem Zweck regelmäßig auch verwendet werden.19 Der objektive Tatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB scheide nur dann aus, wenn sich der Sprechende mit der Aufnahme 12
BT-Drs. 7/550, S. 235; Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 16. So auch Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 16. Instruktiv dazu: ders., in: LK-StGB12, Vor § 201 Rn. 13; Rogall, in: Hirsch-FS, S. 665 (677 ff.). Vgl. schließlich auch die Erwägungen bei Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (139 f.), die sich auf den Gesamtkontext der §§ 201 ff. StGB beziehen. 13 Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 142. In eine ähnliche Richtung auch Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 263 f. So auch A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201 Rn. 6; Rengier, Strafrecht BT II, § 31 Rn. 4. 14 Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 18. 15 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 212; Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (146). 16 Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (146). 17 Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (146 f.). 18 Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 16. 19 Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (147). Inhaltlich werden dabei erstaunliche Parallelen zum datenschutzrechtlichen Zweckbindungsgrundsatz deutlich. Zu diesem Teil 4, B.
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Teil 4: Übergabe an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden
einverstanden erkläre; dies sei auf die doppelte Bedeutung des Merkmals unbefugt im Rahmen des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB zurückzuführen, dem sowohl eine tatbestandliche als auch eine rechtswidrigkeitsbezogene Funktion zukomme.20 Gerade dieser zuletzt genannte Aspekt streitet jedoch entschieden gegen eine abgeschwächte Konzeption des monistischen Lösungsansatzes, der zwischen der konsentierten Aufnahme einerseits und der gerechtfertigten Aufnahme andererseits unterscheidet und nur die zweite in das Fahrwasser des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB geraten lassen will. Dem Merkmal unbefugt, das ausschließlich auf die anerkannten Rechtfertigungsgründe – zu denen auch die gewohnheitsrechtlich anerkannte Einwilligung rechnet – verweist,21 lässt sich eine solche Differenzierung schlechthin nicht entnehmen.22 Den Anhängern des vermittelnden Lösungsvorschlags ist zwar insoweit beizupflichten, als ein nachvollziehbares Bedürfnis besteht, den Gebrauch einer Aufnahme, die unter den Voraussetzungen der §§ 32, 34 StGB hergestellt wurde, unter Strafe zu stellen, wenn die rechtfertigenden Umstände in der Zwischenzeit entfallen sind.23 Bei Lichte besehen gilt dies jedoch im selben Umfang auch für konsentierte Aufzeichnungen, da sich das Einverständnis regelmäßig nicht auf einen beliebigen Gebrauch der Aufnahme erstreckt, sondern nur einzelne Umgangsformen intendiert. Sofern sich etwa zwei Geschäftspartner im Vorfeld einer bedeutsamen Vertragsverhandlung – jeweils im Vertrauen, der andere verhalte sich redlich – darauf einigen, ihr Gespräch zu Geschäftszwecken mittels einer Tonaufnahme zu dokumentieren, beschränkt sich die Zustimmung auf einen klar umrissenen Bereich. Händigt ein Gesprächspartner das Tonband aufgrund eines nachträglich gefassten Entschlusses an einen Konkurrenzunternehmer aus, erscheint dieses Verhalten nicht minder strafwürdig als das oben erörterte Abspielen vor den Stammtischfreunden. In letzter Konsequenz führte dieser Gedankengang jedoch zurück zur dualistischen Interpretation des Tatbestands, die sich indes nicht mit der legislatorischen Vorstellung vereinbaren lässt und auch im Wortlaut keine Stütze findet. Vor diesem Hintergrund fallen sämtliche Aufnahmen, die von einem anerkannten Rechtfertigungsgrund gedeckt sind, von vornherein aus dem tatbestandlichen Anwendungsbereich des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB.24
20 Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (147 ff.); Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 16. So i. E. auch Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 25, der davon spricht, der Tatbestand lebe wieder auf. 21 Teil 2, C. IV. 2. 22 Dies anerkennt selbst Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (147). Kritisch gegenüber einer solchen Differenzierung, die im Wortlaut der Norm keinen Anhaltspunkt findet, Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 81. 23 Vgl. etwa Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 140; Blei, in: Henkel-FS, S. 109 (114). 24 So explizit: Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 18; A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201 Rn. 6; Rengier, Strafrecht BT II, § 31 Rn. 4. Ferner wohl auch Kargl, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 12; Hettinger/Engländer/Wessels, Strafrecht BT 1,
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2. Gebrauchen oder Zugänglichmachen Dem Gebrauchen unterfällt insbesondere das Abspielen der unbefugt hergestellten Tonaufnahme, mithin die akustische Reproduktion.25 Dabei muss die Person, die nunmehr die vorhandene Aufnahme hörbar macht, nicht mit derjenigen identisch sein, die zuvor § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB verwirklicht hat.26 Die Variante des Zugänglichmachens an einen Dritten umfasst die Fälle, in denen einem anderen die Möglichkeit eröffnet wird, die Tonaufnahme zu gebrauchen oder jedenfalls vom Inhalt Kenntnis zu nehmen.27 Die bloße Mitteilung des aufgenommenen Inhalts in mündlicher oder schriftlicher Form genügt hingegen nicht.28 Regelmäßig dürfte das aufgezeichnete Wort unmittelbar auf dem Aufnahmegerät gespeichert sein. Übergibt der Private das Trägermedium an die Strafverfolgungsbehörden und verschafft diesen sonach den unmittelbaren Besitz, liegt darin unzweifelhaft ein Zugänglichmachen,29 da den staatlichen Stellen die jederzeitige akustische Reproduktion möglich ist. Der Tatbestand ist unabhängig davon erfüllt, ob der Empfänger die Aufnahme überhaupt abspielt.30 Sofern der Private das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit seinem Smartphone aufgenommen hat, dürfte er jedoch zumeist davon absehen, dieses dauerhaft an die Strafverfolgungsbehörden auszuhändigen. Ein tatbestandsmäßiges Zugänglichmachen ist allerdings auch dann anzunehmen, wenn dem Empfänger der Zugriff auf eine digitale Aufnahmedatei oder eine Kopie hiervon eröffnet wird.31 Spielt der Private die Aufnahme unmittelbar vor den Bediensteten der Strafverfolgungsbehörden ab, liegt in diesem Verhalten zugleich auch ein Gebrauch der Aufnahme.32
Rn. 594, die auf den Gedanken der Unrechtsperpetuierung verweisen. Vgl. für das schweizerische Recht Godenzi, AJP 2012, 1243 (1248), die auf die Parallele zur Hehlerei abstellt. 25 BT-Drs. 8/2545, S. 9; Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 71; Tag, in: Dölling/Duttge/König/Rössner, HK-GS, § 201 StGB Rn. 9; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 17; Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 17, der zugleich auch auf weitere Möglichkeiten eines Gebrauchens hindeutet. 26 Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 17; Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 16. 27 Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 20; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 17. 28 BGHZ 73, 120 (123); Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 27; Schünemann, in: LKStGB12, § 201 Rn. 18; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 201 Rn. 4. 29 Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 27. Zur Frage, ob die Bediensteten der Staatsanwaltschaft und der Polizei als Dritte i. S. d. Norm eingestuft werden können, Teil 4, A. II. 1. b). 30 Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 27. 31 Hinsichtlich eines überlassenen Internetlinks, über den die Tonaufnahme abgerufen werden konnte, AG Mönchengladbach-Rheydt BeckRS 2018, 41231 Rn. 20. Ferner Cornelius, JZ 2015, 693 (695). 32 Zur Überschneidung der Tatbestandsvarianten Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 17.
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II. Übergabe von Bildaufnahmen Die Vorschrift des § 201a Abs. 1 StGB enthält in den Nummern 4 und 5 zwei unterschiedliche Tatbestandsmodalitäten, die einzelne Weitergabeakte bestrafen und dabei – ähnlich § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB – an die Umstände des Herstellungsvorgangs anknüpfen. Darüber hinaus stellt § 201a Abs. 2 StGB das Zugänglichmachen ansehensschädigender Bildaufnahmen unter Strafe. 1. Übergabe unbefugt hergestellter Bildaufnahmen – § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB Gem. § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB wird bestraft, wer eine durch eine Tat nach den Nummern 1 bis 3 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht. Hinter dieser Strafvorschrift steht die legislatorische Einschätzung, wonach „die (unbefugte) Nutzung einer (unbefugten) Bildaufnahme […] ebenso strafwürdig ist wie deren Herstellung“.33 Im Unterschied zu den Verwendungstatbeständen des § 201 StGB besteht sub specie des § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB weitgehende Klarheit darüber, dass der Verweis auf die genannten Herstellungsmodalitäten zugleich das Merkmal unbefugt erfasst.34 Dies ist vornehmlich auf die Existenz des § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB zurückzuführen, der ausdrücklich das wissentlich unbefugte Zugänglichmachen befugt hergestellter Bildaufnahmen pönalisiert.35 Erfüllt der Herstellungsvorgang sonach nicht einen der Tatbestände des § 201a Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 StGB – weil etwa die Sozialadäquanzklausel des § 201a Abs. 4 StGB das konkrete Vorgehen straflos stellt –36 oder greift ein anerkannter Rechtfertigungsgrund ein, fällt die anschließende Nutzung einer solchen Aufnahme schlichtweg nicht unter § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB. Bei näherem Hinsehen beschränken sich die Fallkonstellationen, in denen die Übergabe von Bild- oder Videoaufnahmen an die Strafverfolgungsbehörden in das Fahrwasser des § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB gelangt, auf einen äußerst überschaubaren Bereich. Dies ist jedoch nicht vordergründig auf die zuvor geschilderte Struktur des Tatbestands zurückzuführen, der nur unbefugt hergestellte Aufnahmen erfasst. Entscheidend für die geringe Relevanz des § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB ist vielmehr das enge Begriffsverständnis des höchstpersönlichen Lebensbereichs. Bildmaterial fällt nur dann unter § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB, wenn sich die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs unmittelbar aus der Aufnahme selbst ergibt.37 Nach dem hier zugrunde gelegten Ansatz ist der höchstpersönliche Lebensbereich des 33
BT-Drs. 15/2466, S. 5. Valerius, in: LK-StGB12, § 201a Rn. 23; ders., in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 81; Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 118. 35 Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 27; Cornelius, ZRP 2014, 164 (165). 36 Zur Einordnung des § 201a Abs. 4 StGB Teil 2, C. II. 5. 37 Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 27. 34
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Abgebildeten jedoch nicht betroffen, wenn die Bild- oder Videoaufnahme lediglich eine fremde Rechtsverletzung dokumentiert.38 Gerade solche Aufzeichnungen weisen jedoch einen hohen Beweiswert auf und dürften sonach in einem etwaigen Strafverfahren besonders gefragt sein; zu denken ist etwa an die Aufzeichnungen einer Überwachungskamera, die die Täter eines bewaffneten Wohnungseinbruchs bei ihrer Tat zeigen und den staatlichen Stellen eine Identifikation erlauben oder einen sonstigen Ermittlungsansatz liefern. Übergibt ein Bewohner diese Videoaufnahmen an die Strafverfolgungsbehörden, liegt dieses Verhalten jedoch von vornherein außerhalb des tatbestandlichen Anwendungsbereichs des § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB. Einschlägig ist dieser hingegen in der bereits geschilderten Konstellation, in der ein Arzt intime Bildaufnahmen seines Patienten anfertigt, um diese an die Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten. a) Tathandlungen des § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB: Gebrauchen oder Zugänglichmachen Die Tathandlungen des § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB sind unzweifelhaft dem § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB nachempfunden,39 obschon wegen des divergierenden Tatobjekts einzelne Abweichungen bestehen. Ausweislich der Begründung zum Gesetzesentwurf soll das Gebrauchen solche Vorgänge erfassen, in denen der Täter – der mit dem Hersteller der Aufnahme wiederum nicht identisch zu sein braucht –40 die technischen Möglichkeiten des Bildträgers ausnutzt, wozu exemplarisch das „Speichern, Archivieren oder Kopieren“ rechnen.41 Dieses technische Begriffsverständnis führt dazu, das analoge Vorzeigen einer unbefugt hergestellten Aufnahme von vornherein nicht als Gebrauchen einzustufen.42 Für dieses Ergebnis streitet allerdings nicht nur der Vergleich mit § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB, bei dem das Gebrauchen ebenfalls voraussetzt, dass „die technischen Möglichkeiten des Tonträgers ausgenutzt werden“.43 Auch die Gesetzesbegründung stützt diese Interpretation: Während der Bundesrat in der Begründung zu seinem Gesetzesentwurf das Sichtbarmachen noch ausdrücklich nannte,44 hat der Bundestag anschließend auf diese prägnante For38
Teil 2, C. II. 1. d). Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201a Rn. 16; Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 118. 40 Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 59; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NKStGB, § 201a Rn. 18; Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 119. 41 BT-Drs. 15/2466, S. 5. So auch Hoyer, in: SK-StGB, § 201a Rn. 34. A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 52 verlangt ausdrücklich eine technische Einwirkung auf den Bildträger. Ähnlich Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 119. 42 So Lagardère/Fink, HRRS 2008, 247 (248). Ähnlich Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 119 f. 43 Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 17. 44 BT-Drs. 15/1891, S. 7. 39
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mulierung verzichtet.45 Schließlich erlaubt das restriktive Verständnis des Gebrauchens eine klare Abgrenzung von der zweiten Tathandlungsvariante des Zugänglichmachens, obwohl einzelne Überschneidungen möglich bleiben. Das Bildmaterial ist einem Dritten zugänglich gemacht, wenn dieser entweder auf die Bildaufnahme zugreifen oder aber von deren Gegenstand Kenntnis nehmen kann.46 Während die h. M. insoweit gerade keine Übertragung der körperlichen Verfügungsgewalt fordert und sonach das bloße Vorzeigen einer Fotografie oder das Abspielen eines Videofilms genügen lässt,47 spricht sich eine restriktivere Strömung dafür aus, den Tatbestand teleologisch zu reduzieren. Nach dieser zuletzt genannten Ansicht muss sich die dritte Person der Aufnahme physisch bemächtigen können.48 Mit Blick auf das Verhalten gegenüber der Polizei oder der Staatsanwaltschaft wirkt sich dieser Gesichtspunkt indes nicht weiter aus, da der Private, der im Besitz einer beweisrelevanten Aufnahme ist, das Trägermedium typischerweise an die Strafverfolgungsbehörden übergeben oder jedenfalls eine digitale Version zur Verfügung stellen dürfte – und somit gerade eine physische Zugriffsmöglichkeit einräumt. Nahezu unbeleuchtet ist hingegen die zentrale Frage, ob die Bediensteten der Staatsanwaltschaft oder der Polizei überhaupt als Dritte i. S. d. Norm einzustufen sind.49 b) Bedienstete der Strafverfolgungsbehörden als Dritte Bei genauerem Hinsehen betrifft dieser Gesichtspunkt keineswegs nur den Umgang mit höchstpersönlichen Bildmaterialien i. S. d. § 201a StGB,50 sondern konsequenterweise auch das Zugänglichmachen einer unbefugt hergestellten Tonaufnahme. Die nachfolgenden Erwägungen orientieren sich zwar schwerpunktmäßig an § 201a StGB, lassen sich aber ohne Weiteres auf § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB übertragen.
45 BT-Drs. 15/2466, S. 5. Zu dieser Argumentation insb. Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 119 f. 46 BT-Drs. 15/2466, S. 5; Valerius, in: LK-StGB12, § 201a Rn. 25; Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 29; Flechsig, ZUM 2004, 605 (614); M. Zöller, in: Wolter-FS, S. 679 (692). 47 Kargl, ZStW 117 (2005), 324 (334); ders., in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NKStGB, § 201a Rn. 18; M. Zöller, in: Wolter-FS, S. 679 (692); A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 59; Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 80. Schließlich auch BT-Drs. 15/1891, S. 5. 48 A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201a Rn. 17; Bosch, in: SSW-StGB, § 201a Rn. 21. 49 Eine Ausnahme bilden insoweit Lagardère/Fink, HRRS 2008, 247 (249). Im Anschluss an diese auch Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 120 Fn. 564. 50 Die Frage, ob die Bediensteten der Strafverfolgungsbehörden als Dritte einzustufen sind, betrifft freilich nicht allein § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB, sondern ebenso die weiteren Verwendungstatbestände der Norm.
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Ausgangspunkt der Überlegungen ist zwangsläufig der Wortlaut der Vorschrift, der zugleich die äußerste Grenze der zulässigen Auslegung beschreibt.51 In dieser Hinsicht legt § 201a StGB nahe, zwischen drei Personen zu unterscheiden: Neben dem Adressaten der Norm („wer“) und dem abgebildeten Opfer der Tat („einer anderen Person“) steht der Dritte, dem die Bildaufnahme zugänglich gemacht wird. Nimmt man den Wortlaut ernst, muss es sich bei dem Dritten konsequenterweise um eine Person handeln, die weder mit dem Täter noch mit dem abgebildeten Opfer identisch ist.52 Dies trifft sowohl auf die Bediensteten der Staatsanwaltschaft als auch der Polizei zu, die einem Anfangsverdacht nachgehen und Ermittlungen führen. Nichtsdestoweniger sprechen sich Lagardère und Fink dafür aus, Polizeibeamte, denen inkriminierte Bildmaterialien übergeben werden, schlechterdings nicht als Dritte zu begreifen, weil es nicht der gesetzgeberischen Intention entspreche, die Vorlage an die Ermittlungsbehörden zu sanktionieren.53 § 201a StGB diene dem Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs; lege eine Privatperson der Polizei sensible Bildaufnahmen vor, folge hieraus aber gerade keine Schadensvertiefung. Die Bediensteten der staatlichen Ermittlungsbehörden gerieten regelmäßig in Kontakt mit Sachverhalten, die auf einem unerlaubten Handeln beruhen und seien dabei spezifischen Verschwiegenheitspflichten unterworfen. Zudem laufe ein Verbot, sachdienliche Hinweise an die Strafverfolgungsorgane weiterzuleiten, dem Sinn und Zweck des Strafrechts zuwider. Der Bürger müsse sich darauf verlassen können, „dass nicht bereits das Herantreten als solches an die staatlichen Behörden zum Anknüpfungspunkt eigener Strafverfolgung gemacht wird“.54 Darüber hinaus spreche auch die Effektivität der Strafverfolgung dafür, Polizeibeamte nicht als Dritte einzuordnen. Denn die staatliche Ermittlungstätigkeit würde lahmgelegt, wenn der Private stets befürchten müsste, sich selbst einem Strafverfolgungsrisiko auszusetzen, wenn er einzelne Informationen mit den Verfolgungsbehörden teilt. Bestehe allerdings ein Beweisverwertungsverbot, könnte man der Auffassung sein, auch Polizeibeamte als Dritte i. S. d. Norm zu begreifen, da das Strafverfolgungsinteresse insoweit nicht entgegenstehe.55 Zwar sei eine solche Argumentation zutreffend und nachvollziehbar. Allerdings könne es nicht die Aufgabe des Bürgers sein, die komplexe Frage nach einem Beweisverwertungsverbot zu beantworten, bevor er Kontakt zu den Strafverfolgungsbehörden aufnehme. Nach alledem sei ein Polizeibeamter, der auch als solcher auftrete, kein Dritter i. S. d. § 201a StGB.56 Dieser Gedankengang vermag indes nicht zu überzeugen, weil er das Verhalten des Privaten, das sich an der Schnittstelle zur staatlichen Strafverfolgung abspielt, 51
Rengier, Strafrecht AT, § 5 Rn. 5. Vgl. zu parallelen Erwägungen im Kontext des § 259 StGB Rengier, Strafrecht BT I, § 22 Rn. 61. 53 Lagardère/Fink, HRRS 2008, 247 (248 ff.). Hierauf beziehen sich die nachfolgenden Ausführungen. 54 Lagardère/Fink, HRRS 2008, 247 (249). 55 Lagardère/Fink, HRRS 2008, 247 (249). 56 Lagardère/Fink, HRRS 2008, 247 (250). 52
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von vornherein straflos stellt und das materiell-rechtliche Verbot in diesem Bereich de facto außer Kraft setzt. Bislang hat sich – soweit ersichtlich – jedoch allein Hengst zu den dargestellten Thesen und deren rechtlichen Konsequenzen geäußert und dabei konstatiert, weder der Gesetzestext noch die Gesetzesbegründung böten einen Anhaltspunkt dafür, den Tatbestand des § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB von vornherein abzulehnen, wenn es um die Übergabe von unbefugt hergestellten Bildmaterialien an die Polizei gehe.57 Vielmehr sei der Interessenkonflikt auf der nachgelagerten Rechtfertigungsebene zu lösen. Im Ergebnis ist dieser Rechtsansicht beizupflichten, obschon die Begründung in einzelnen Teilen unvollständig bleibt und gerade nicht auf die mannigfaltigen Anknüpfungspunkte eingeht, auf die sich Lagardère und Fink stützen. Deren Argumentation steht und fällt mit dem zentralen Rekurs auf das geschützte Rechtsgut des höchstpersönlichen Lebensbereichs. Dieses ist bei näherem Hinsehen bereits tangiert, wenn einem Außenstehenden die Möglichkeit eröffnet wird, vom Inhalt einer sensiblen Bild- oder Videoaufnahme Kenntnis zu nehmen. Gerade hierin zeigt sich der gewichtige Unterschied zur bloßen Beobachtung einer intimen Situation: Durch die bildliche Dokumentation wird das Ereignis über seine tatsächliche Dauer hinaus erlebbar und damit zugleich dem Machtbereich der abgebildeten Personen entzogen. Diese können nicht mehr allein durch ihr Verhalten beeinflussen, wer – vermittelt über die Bildaufnahme – Einblick in den konservierten Ausschnitt aus ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich nimmt. Angesichts der fortschreitenden technischen Entwicklung, die eine unkomplizierte Vervielfältigung erlaubt, ist der Kreis potenzieller „Zuschauer“ faktisch unbegrenzt. Von der Übergabe intimen Bildmaterials an die Polizei oder die Staatsanwaltschaft gehen zwar – auch aufgrund der gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten – keine grenzenlosen Weiterverbreitungsrisiken aus. Allerdings kommt es hierauf nicht an: Denn durch die Vorlage der Aufnahmen seitens einer Privatperson an die Strafverfolgungsbehörden hat sich bereits die Gefahr realisiert, vor der § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB schützen möchte, da zusätzliche Personen visuell Einblick in die höchstpersönliche Sphäre nehmen können. An der eingetretenen Rechtsgutsverletzung vermögen weder die Verschwiegenheitspflichten der Beamten noch der streng formalisierte Ablauf des Strafverfahrens etwas zu ändern. Diese rechtsstaatlichen Errungenschaften begrenzen lediglich das Ausmaß der Rechtsgutsverletzung, schließen eine solche aber nicht von vornherein aus. Auch in anderen Zusammenhängen ist die Interaktion des Privaten mit den Ermittlungsbehörden nicht schon deshalb straflos, weil es darum geht, die staatliche Strafverfolgung zu fördern. Neben der Übergabe inkriminierter Steuerdaten-CDs betrifft dies den Bruch von materiellen Schweigeverpflichtungen, die aus § 203 StGB folgen. Der ehrenwerte Zweck – die Strafverfolgungstätigkeit des Staates zu unterstützen – erklärt für sich betrachtet noch nicht, warum das materielle Verbot in diesem spezifischen Bereich von vornherein nicht gelten soll.
57
Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 120 Fn. 564.
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Eine zusätzliche Stütze findet diese Argumentation in der geflügelten Formulierung, wonach das Strafverfahren nicht darauf abziele, die Wahrheit um jeden Preis zu ermitteln.58 Zwar adressiert diese Aussage unmittelbar nur die staatlichen Strafverfolgungsbehörden und dient insbesondere als Argument dafür, einer grenzenlosen Beweisverwertung entgegenzutreten. Nichtsdestoweniger lassen sich dieser essenziellen Grundthese des gesamten Strafverfahrens auch Konsequenzen für das private Verhalten entnehmen, das nicht selten am Beginn der polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen steht. Denn die staatlichen Stellen sind in weiten Teilen darauf angewiesen, dass Privatpersonen, die von begangenem Unrecht erfahren haben oder dieses gar erleben, Anzeige erstatten. Es wäre jedoch rechtsstaatlich äußerst bedenklich, den Bürger um der Effektivität der Strafverfolgung willen generell von den materiell-rechtlichen Verhaltensregeln zu befreien, wenn er inkriminierte Beweismittel an die Polizei oder die Staatsanwaltschaft aushändigt. Wenn Lagardère und Fink auf den Beispielsfall verweisen, in dem eine Person im Altpapier illegale kinderpornographische Aufnahmen findet und diese sodann an die Polizei übergibt,59 mag das gefundene Ergebnis – die Straflosigkeit sub specie des § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB – zwar unzweifelhaft überzeugen. Ein potenziell anderes Bild entsteht jedoch, wenn die beweisrelevanten Aufnahmen selbst nicht das corpus delicti darstellen und sich der Verdacht, den das Beweismittel erhärten soll, nur auf einen weniger gewichtigen Strafvorwurf bezieht. Zu denken ist etwa an eine Tonaufnahme, die ein Geständnis enthält, in dem der Aufgenommene einräumt, einen einfachen Ladendiebstahl begangen zu haben. Nähme man die Strafverfolgungsbehörden generell von dem Begriff des Dritten aus, fehlte jede Möglichkeit, das aufzuklärende Unrecht – und somit ein differenzierendes Moment – in die rechtliche Bewertung einzubeziehen. Ob es im Einzelfall tatsächlich um die „Wahrnehmung staatsbürgerlicher Pflichten“60 geht – wie Lagardère und Fink erklären –, ist vielmehr eine Frage der Rechtfertigung, die einen sachgerechten Interessenausgleich ermöglicht – nicht aber des objektiven Tatbestands. Hieraus resultiert auch kein unhaltbares Strafbarkeitsrisiko für den couragierten Bürger, da neben einer potenziellen Rechtfertigung auch das Vorsatzerfordernis als ausreichendes Korrektiv dient. Der Gedankengang, die Strafverfolgungsbehörden von vornherein nicht als Dritte einzustufen, steht sonach auf tönernen Füßen. Dies belegt schließlich auch der Blick auf den vermeintlichen Zusammenhang des Begriffs des Dritten mit den prozessualen Beweisverwertungsverboten. Nach der Argumentation von Lagardère und Fink scheitert der mögliche Konnex allein deshalb, weil es nicht die Aufgabe des handelnden Bürgers sein könne, die schwierige rechtliche Frage nach einem Beweisverwertungsverbot zu lösen, um darauf basierend zu entscheiden, ob die Strafverfolgungsbehörden als Dritte anzusehen sind oder nicht. Angesichts der vielfältigen Streitfragen, die sich im Kontext der privaten Beweismittelsuche und der 58
BGHSt 14, 358 (365). Lagardère/Fink, HRRS 2008, 247 (248). 60 Lagardère/Fink, HRRS 2008, 247 (248). 59
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prozessualen Verwertbarkeit nach wie vor stellen, scheint dieser Einwand zunächst gewichtig. Allerdings setzt er implizit voraus, dass die Probleme um die Verwertbarkeit eigeninitiativ erlangter Beweismittel keiner präziseren Lösung zugänglich sind. Denn sollte es gelingen, die rechtlichen Leitlinien – etwa durch gesetzlich festgeschriebene Beweisverbote – dergestalt festzulegen, dass dem Privaten jedenfalls in spezifischen Situationen von Anfang an deutlich wird, ob sein Verhalten ein verwertbares oder aber unverwertbares Beweismittel zutage fördert, würde der beschriebene Einwand nicht nur an Überzeugungskraft einbüßen, sondern zugleich eine vage Rechtslage implementieren. Ginge es um eine verwertbare Bild- oder Tonaufnahme, wäre die Übergabe an die Strafverfolgungsbehörden nach wie vor tatbestandslos, da diese nicht als Dritte i. S. d. §§ 201, 201a StGB eingestuft werden könnten. Anders müsste man indes entscheiden, wenn dem strafverfahrensrechtlichen Gebrauch von vornherein ein Beweisverbot entgegenstünde: In diesem Fall wären auch die Bediensteten der Polizei und der Staatsanwaltschaft taugliche Dritte. Der Begriff des Dritten erführe auf diese Weise eine gespaltene Auslegung, die sich jedoch – um noch einmal die Argumentation von Hengst zu bemühen – weder aus dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung ergibt. Nach alledem rechnen auch die Angehörigen der Strafverfolgungsbehörden zu den Dritten i. S. d. §§ 201, 201a StGB, so dass die Weitergabe beweisrelevanter Ton-, Bild- und Videoaufnahmen an die Polizei oder die Staatsanwaltschaft jedenfalls nicht von vornherein tatbestandslos ist. Der Konflikt zwischen den strafrechtlichen Verbotsnormen auf der einen und dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse auf der anderen Seite lässt sich sachgerecht auf der Ebene der Rechtfertigung lösen. 2. Übergabe befugt hergestellter Bildaufnahmen – § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB Im Unterschied zu § 201 StGB, der einzelne Verwendungsformen des aufgezeichneten oder abgehörten Wortes allein dann unter Strafe stellt, wenn der vorausgehende Einbruch in die geschützte Sphäre seinerseits tatbestandsmäßig und rechtswidrig erfolgte, erfasst § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB gerade die Fälle, in denen der Täter eine befugt hergestellte Bildaufnahme einer dritten Person wissentlich unbefugt61 zugänglich macht. Dabei geht es in der Lebenswirklichkeit vor allem um intime Aufnahmen, die der Partner oder die Partnerin anfertigt, und nach dem Ende der Liebesbeziehung weiterverbreitet.62 Während die abgebildete Person das ursprüngliche Herstellen noch gebilligt hat – und die Strafbarkeit insoweit aufgrund 61 Zur Diskussion um dieses umstrittene Merkmal, auf die im Rahmen dieser Untersuchung nicht weiter eingegangen werden soll, Bosch, in: SSW-StGB, § 201a Rn. 24; Hoyer, in: SKStGB, § 201a Rn. 36; A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201a Rn. 21. 62 Graf, in: MüKo-StGB4, § 201a Rn. 64; Valerius, in: LK-StGB12, § 201a Rn. 27; Altenhain, in: Matt/Renzikowski, § 201a Rn. 17; Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 35. Vgl. etwa den Sachverhalt bei LG Kiel NJW 2007, 1002. Nach BGH NJW 2020, 3608 sind auch Selbstaufnahmen von § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB erfasst.
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einer rechtfertigenden Einwilligung entfällt –, ist die anschließende Weitergabe nicht (mehr) von der Zustimmung gedeckt. Denn diese erfolgt typischerweise in der Erwartung, dass die Bildaufnahmen keiner weiteren Person zugänglich gemacht werden. Allerdings ist der Anwendungsbereich des § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB keineswegs auf die Konstellationen beschränkt, in denen durch die Weitergabe befugt hergestellten Bildmaterials ein Vertrauensmissbrauch63 erfolgt.64 Um diese These zu unterstützen, verweisen die einschlägigen Stellungnahmen auf den Fall, in dem ein Einbrecher intime Bildaufnahmen entwendet und diese anschließend an dritte Personen weitergibt.65 Ein besonderes Vertrauensverhältnis, das durch die Weitergabe enttäuscht werden könnte, besteht gerade nicht; gleichwohl fällt dieser Sachverhalt in den Anwendungsbereich des § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB, da dieser den Schutz der Dispositionsfreiheit bezweckt.66 Der Abgebildete soll selbst entscheiden können, welcher Personenkreis von einer bestimmten Aufnahme Kenntnis nehmen darf. Kommt es aber auf ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Täter des § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB und dem abgebildeten Opfer gerade nicht an, spielt es auch keine Rolle, aus welchem Grund das in Rede stehende Bildmaterial befugt hergestellt wurde.67 Beschränkte man den tatbestandlichen Anwendungsbereich allein auf konsentierte Aufnahmen, wäre die Norm hinsichtlich solchen Bildmaterials, das die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, faktisch bedeutungslos, da der Abgebildete in derartigen Situationen regelmäßig keine wirksame Einwilligung erteilt haben dürfte.68 Der Wortlaut des § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB differenziert zudem nicht zwischen einzelnen Befugnissen, so dass eine einheitliche Interpretation vorzugswürdig ist. Von diesen Überlegungen ausgehend lässt sich die tatbestandliche Reichweite der Strafvorschrift vermessen: Diese verlangt zunächst eine „Bildaufnahme der in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten Art“ und – in den hier interessierenden Fällen – sonach, dass sich die abgebildete Person zum Zeitpunkt der Aufnahme in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum aufhält bzw. in 63
So auch BGH NJW 2020, 3608 (3609); Borgmann, NJW 2004, 2133 (2135); Koch, GA 2005, 589 (601) sprechen von einem Vertrauensbruch. Auch Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 121 f. erkennt hierin den Unrechtskern der Vorschrift. 64 Valerius, in: LK-StGB12, § 201a Rn. 27; ders., Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 82; Heuchemer/Paul, JA 2006, 616 (620). Zur Diskussion, inwieweit § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB im Kontext von Vertragsverstößen relevant wird, Koch, GA 2005, 589 (602); Graf, in: MüKoStGB4, § 201a Rn. 67; Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 35 m. w. N. 65 Valerius, in: LK-StGB12, § 201a Rn. 27; ders., in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 82; Heuchemer/Paul, JA 2006, 616 (620). 66 Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 35. So i. E. auch Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201a Rn. 19. Heuchemer/Paul, JA 2006, 616 (620) sprechen allgemeiner vom Schutz des Persönlichkeitsrechts. 67 Auch Mitsch, Jura 2006, 117 (119); Bosch, in: SSW-StGB, § 201a Rn. 24; Fischer, Strafgesetzbuch, § 201a Rn. 27 betonen, dass sämtliche Rechtfertigungsgründe erfasst sind, die dazu führen, dass eine Aufnahme befugt hergestellt wurde. 68 Vgl. Graf, in: MüKo-StGB4, § 201a Rn. 70.
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einem Zustand der Hilflosigkeit befindet.69 Unerheblich ist demgegenüber, inwieweit diese Umstände während des nachfolgenden Zugänglichmachens noch vorliegen. Das Zugänglichmachen, das ebenso zu verstehen ist wie sub specie des § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB, muss sodann zu einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs der abgebildeten Person führen. Hieraus folgt implizit, dass der Bildinhalt den höchstpersönlichen Lebensbereich betreffen muss;70 ob der Herstellungsvorgang seinerseits eine Verletzung nach sich zieht, ist demgegenüber irrelevant.71 Zurückzuführen ist dies auf den Wortlaut der Norm: § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB verlangt – im Unterschied zu § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB – gerade keine Tat nach den Nummern 1 bis 3, sondern lediglich eine Aufnahme nach der in den Nummern bezeichneten Art. Prägend ist schließlich das schon genannte Merkmal der befugt hergestellten Bildaufnahme: Nach den zuvor herausgearbeiteten Kriterien betrifft dieses zunächst sämtliche Rechtfertigungsgründe, die dazu führen, dass eine Strafbarkeit wegen der Herstellung entfällt. Auf den ersten Blick scheint die Befugnis mit dem Verweis auf die anerkannten Rechtfertigungsgründe abschließend umschrieben.72 Bei Lichte betrachtet führte diese Auslegung indes dazu, die Situationen aus dem tatbestandlichen Anwendungsbereich des § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB auszusondern, in denen die Anfertigung des Bildmaterials straflos ist, weil der Aufnehmende einen Zweck i. S. d. § 201a Abs. 4 StGB verfolgt. Konsequenterweise bliebe straflos, wer die zu einem legitimen Ziel hergestellte Bildaufnahme später in zweckwidriger Weise einem Dritten zugänglich macht. Seinem Unrechtsgehalt nach entspricht dieses Vorgehen aber ohne Weiteres den Konstellationen, in denen das ursprüngliche Verhalten des Täters von einer rechtfertigenden Einwilligung gedeckt war – und die zweifelsohne unter § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB fallen. Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, den Kreis der befugt hergestellten Bildaufnahmen nicht allein auf die anerkannten Rechtfertigungsgründe zu beschränken, sondern auch die Sozialadäquanzklausel des § 201a Abs. 4 StGB einzubeziehen. Nach alledem umfasst § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB sämtliche Aufnahmen, deren Herstellung aus einem spezifischen Grund nicht verboten ist, der aber das nachfolgende Zugänglichmachen nicht (mehr) zu legitimieren vermag. Im Kontext der eigeninitiativen Beweismittelsuche ist die Bedeutung des § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB trotz der erweiterten Interpretation des Tatbestands gering. Dies ist zum einen auf das restriktive Begriffsverständnis des höchstpersönlichen Lebensbereichs zurückzuführen, der nicht tangiert ist, wenn es um Aufnahmen geht, die einen fremden Rechtsbruch dokumentieren. Übergibt der Private so beschaffenes 69
Fischer, Strafgesetzbuch, § 201a Rn. 26. Bosch, in: SSW-StGB, § 201a Rn. 27; Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 33. A. A. Borgmann, NJW 2004, 2133 (2135). 71 Altenhain, in: Matt/Renzikowski, § 201a StGB Rn. 17; Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 33. 72 Dies legt a priori auch die hier vertretene Interpretation des Merkmals unbefugt nahe, das allein auf die anerkannten Rechtfertigungsgründe verweist. Dazu schon Teil 2, C. IV. 2. 70
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Bildmaterial an die Strafverfolgungsbehörden, verletzt auch das Zugänglichmachen von vornherein nicht den höchstpersönlichen Lebensbereich.73 Zum anderen hängt die überschaubare Relevanz des § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB mit der geringen Bedeutung der anerkannten Rechtfertigungsgründe im Kontext eigeninitiativer Bildund Videoaufnahmen zusammen. Ein nennenswerter Anwendungsbereich verbleibt bei näherem Hinsehen im beweisrechtlichen Zusammenhang wohl nur in zwei Konstellationen: Zunächst gilt dies für Fälle, in denen die Aufnahme § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB tatbestandlich verwirklicht, aber ausnahmsweise von einem anerkannten Rechtfertigungsgrund gedeckt ist. Dies ist etwa anzunehmen, wenn der Aufnehmende eine Vergewaltigung dokumentiert, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum zuträgt. Da das Opfer der Vergewaltigung in seinem höchstpersönlichen Lebensbereich betroffen ist, bedarf die tatbestandsmäßige Aufnahme einer Rechtfertigung, die via § 34 StGB gelingen kann, sofern das Verhalten – mithin die Dokumentation eines gegenwärtigen Rechtsbruchs – dazu geeignet ist, das mit ihm verfolgte Ziel – den Täter zu identifizieren und schließlich den staatlichen Strafverfolgungsanspruch durchsetzen zu können – zu erreichen. Darüber hinaus wird § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB im hier interessierenden Kontext in den Fällen des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB relevant, in denen die Strafbarkeit des Herstellens an der Sozialadäquanzklausel des § 201a Abs. 4 StGB scheitert, weil der Aufnehmende den Zweck verfolgt, ein Beweismittel zu sichern. Paradigmatisch sind Situationen, in denen der Aufnehmende etwa eine gegenwärtige Gewalttat zu Beweiszwecken dokumentiert, bei der sich das Opfer in einer hilflosen Lage befindet.74 Da der Herstellungsvorgang in den Fällen des § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB seinerseits nicht strafbar ist – weil entweder die Sozialadäquanzklausel oder aber ein anerkannter Rechtfertigungsgrund eingreift –, bedarf es in den genannten Fällen einer präzisen Analyse, inwieweit diese legitimierenden Umstände auch das nachfolgenden Zugänglichmachen gestatten. Darauf ist sogleich näher einzugehen. 3. Ansehensschädigende Bildaufnahmen – § 201a Abs. 2 S. 1 StGB Schließlich drängt sich die Frage auf, ob die Übergabe von Bild- und Videomaterial an die Strafverfolgungsbehörden unter § 201a Abs. 2 S. 1 StGB fällt. Hiernach macht sich strafbar, wer eine Bildaufnahme einer dritten Person zugänglich macht, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden. Entgegen des ursprünglichen Entwurfs ist der Herstellungsvorgang selbst nicht tatbestandsmäßig,75 da sich die im Gesetzgebungsprozess geäußerte Befürchtung 73 Man könnte bereits erwägen, an einer Bildaufnahme der in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten Art zu zweifeln. Denn der Bildinhalt betrifft bei einem dokumentierten Rechtsbruch schlechterdings nicht den höchstpersönlichen Lebensbereich. 74 Vgl. zu diesen Konstellationen, in denen die Hilflosigkeit des abgebildeten Opfers zur Schau gestellt werden muss, Teil 2, C. II. 3. 75 BT-Drs. 18/2601, S. 37.
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durchsetzen konnte, die Strafbarkeit würde andernfalls zu weit ausgedehnt.76 Vor diesem Hintergrund beschreibt § 201a Abs. 2 StGB ein „besonderes Indiskretionsdelikt“,77 das mit dem Schutz vor ansehensschädigenden Aufnahmen einen spezifischen Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berührt.78 Gänzlich irrelevant ist dabei, ob das Anfertigen der Aufnahme seinerseits befugt oder aber unbefugt erfolgte.79 Nach wie vor bestehen berechtigte Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit der Norm.80 Dies ist auf den Umstand zurückzuführen, dass der Gesetzgeber verschiedene Begriffe in die Vorschrift aufgenommen hat, die entweder für sich betrachtet einen unklaren Bedeutungsgehalt aufweisen oder aber jedenfalls durch ihr Zusammenwirken einen Zustand der Rechtsunsicherheit befördern.81 Im Vordergrund der Kritik steht dabei der Terminus des Ansehens, der jedenfalls eine gewisse Nähe zum persönlichen Geltungsanspruch oder der Reputation des Einzelnen suggeriert,82 in der Gesetzesbegründung aber keine weitergehende Ausgestaltung erfahren hat.83 Einzelne Stimmen sprechen sich dafür aus, den strafrechtlichen Ehrschutz aus den §§ 185 ff. StGB heranzuziehen, um den Begriff näher zu konturieren.84 Im Rahmen dieser Diskussion, die in der vorliegenden Untersuchung nicht erschöpfend ausgeführt werden soll,85 ist freilich zu berücksichtigen, dass die Beleidigungstatbestände primär vor solchen Tatsachenbehauptungen schützen, die inhaltlich unwahr oder jedenfalls nicht erweislich wahr sind.86 Die Aufnahmen i. S. d. § 201a Abs. 2 StGB betreffen demgegenüber Ereignisse, die sich tatsächlich zugetragen haben, und ermöglichen es dem Betrachter, einen Einblick in reale Geschehensabläufe zu nehmen.87 Für den Abgebildeten resultieren hieraus besondere Ge76
BT-Drs. 18/3202 (neu), S. 28. Zur Kritik Wieduwilt, K&R 2014, 627 (630 f.). Vgl. auch van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 223. Dagegen Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 220, die § 201a Abs. 2 StGB als „eine Art Ehrdelikt“ bezeichnet. 78 So auch A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201a Rn. 24. 79 Graf, in: MüKo-StGB4, § 201a Rn. 74; Hoyer, in: SK-StGB, § 201a Rn. 44. 80 Eisele/Sieber, StV 2015, 312 (314 f.); Mavany, AfP 2017, 478 (481); Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2. Dagegen Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 231. 81 Eisele/Sieber, StV 2015, 312 (315). 82 Vgl. dazu van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 206. 83 Bosch, Jura 2016, 1380 (1386). Außerdem existiert bislang – soweit ersichtlich – noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 201a Abs. 2 StGB. 84 Eisele/Sieber, StV 2015, 312 (315); Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 39; Busch, NJW 2015, 977 (978); Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 222 f.; Heuchemer, in: BeckOKStGB, § 201 Rn. 21; Reuschel, NJW 2021, 17 (19). Schließlich auch Hoyer, in: SK-StGB, § 201a Rn. 46, der allerdings den Begriff des höchstpersönlichen Lebensbereichs gänzlich an den §§ 186, 187 StGB ausrichten will. Dazu schon Teil 2, C. II. 1. c). 85 Instruktiv dazu van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 222 ff. 86 Das betonen auch Eisele/Sieber, StV 2015, 312 (315) ausdrücklich. Vgl. dazu auch Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 223. 87 A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201a Rn. 24. 77
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fahren, die sich von einer unwahren Tatsachenbehauptung i. S. d. §§ 186, 187 StGB unterscheiden.88 Können andere Personen von realen Lebenssachverhalten Kenntnis nehmen, die den Abgebildeten in einer peinlichen oder entwürdigenden Situation zeigen, sind die Risiken für das Persönlichkeitsrecht gerade deshalb besonders groß, weil die Aufnahmen den Eindruck vermitteln, das „wahre Gesicht“ des Betroffenen offenzulegen.89 Dessen Wahrnehmung durch andere und somit das Ansehen90 nehmen Schaden, weil sich dem Betrachter einer solchen Aufnahme zwangsläufig der Eindruck aufdrängen muss, das bisherige Bild, das er von dem Betroffenen habe, entspreche nicht der Realität und bedürfe folglich einer Korrektur. Um diese tatbestandsimmanenten Unterschiede angemessen zu berücksichtigen, stellen die Verfechter einer beleidigungsspezifischen Interpretation des Ansehensbegriffs auf eine hypothetische Vergleichsanalyse ab. Maßgeblich sei, ob die mündliche Kundgabe des foto- oder videografierten Geschehens zu einer Strafbarkeit gem. §§ 185 ff. StGB führte, wenn dieses unwahr wäre.91 Zwar gelingt es auf diese Weise, § 201a Abs. 2 StGB inhaltlich aufzuladen, indem die fortgeschrittene Diskussion um den strafrechtlichen Ehrbegriff fruchtbar gemacht werden kann. Allerdings bereitet die Interpretation der Ehre ihrerseits erhebliche Schwierigkeiten, die endlich dazu beitragen, sub specie des § 201a Abs. 2 StGB neuerliche Unklarheiten zu provozieren.92 Schließlich würde der Tatbestand des § 201a Abs. 2 StGB – interpretierte man diesen als Ehrdelikt – den unverdienten guten Ruf des Abgebildeten schützen.93 Da ein solches Interesse indes kaum schutzwürdig erscheint, bestehen auch aus der Warte des ultima-ratio-Prinzips erhebliche Bedenken an einer derartigen Interpretation.94 Nach allem spricht mehr dafür, den Begriff des Ansehens aufgrund der divergierenden Schutzrichtung des § 201a Abs. 2 StGB von den §§ 185 ff. StGB zu lösen.95 Entscheidend dürfte angesichts der bestehenden Unsicherheiten zunächst einmal sein, einen Grundkonsens dafür zu entwickeln, welche Aufnahmeinhalte für den 88 van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 236 spricht von einem „Exklusivitätsverhältnis“. 89 Dies anerkennt auch Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 223. 90 van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 209 weist zutreffend darauf hin, dass das Ansehen – anders als die Ehre – stets von der Betrachtung durch einen Außenstehenden abhänge. 91 Eisele/Sieber, StV 2015, 312 (315); Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 230. 92 Mavany, AfP 2017, 478 (481). 93 So i. E. Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 39, der von Situationen spricht, in denen der Abgebildete den Geltungsanspruch gerade nicht verdiene. Dazu auch van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 234. Freilich muss insoweit relativierend berücksichtigt werden, dass der Indiskretionsschutz seinem Wesen nach als „Bestandsgarantie eines möglicherweise falschen Persönlichkeitsbildes“ wirkt, Rogall, in: Hirsch-FS, S. 665 (682). 94 van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 234. 95 Kritisch gegenüber einer Orientierung an den §§ 185 ff. StGB daher Bosch, in: SSWStGB, § 201a Rn. 16; Mavany, AfP 2017, 478 (481 f.); van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 234.
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Abgebildeten so belastend sind, dass sie dessen Ansehen überhaupt beschädigen können.96 Dabei ist indes nicht die subjektive Einschätzung des Abgebildeten maßgeblich, sondern vielmehr eine objektivierte Sichtweise.97 Irrelevant ist auch, ob es tatsächlich zu einer Schädigung des Ansehens kommt:98 Der Gesetzgeber hat § 201a Abs. 2 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet, zu dessen Verwirklichung bereits die Eignung genügt, das Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu beeinträchtigen.99 Das Merkmal „erheblich“, das seinerseits als Quelle weiterer Auslegungsschwierigkeiten dient,100 fungiert gewissermaßen als Korrektiv und bewirkt, dass nicht jede unvorteilhafte Situation in das Fahrwasser des § 201a Abs. 2 StGB gerät. Auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 201a Abs. 2 StGB sonach rechtlich äußerst vage sind und in Zukunft eine weitergehende Konkretisierung erforderlich ist, dürfte es wohl gelingen, solche Bildaufnahmen zu erfassen, die den Abgebildeten dabei zeigen, wie dieser eine Straftat begeht.101 Wird derartiges Bildmaterial einem Dritten zugänglich gemacht, zeitigt dies regelmäßig weitreichende Konsequenzen für den Abgebildeten, da ein strafbares Verhalten neben den rechtlichen Folgen typischerweise auf eine ablehnende Haltung stößt und den Täter in seiner gesellschaftlichen Stellung diskreditiert. Diese negative Wirkung ist umso stärker, je größer der Personenkreis ausfällt, der von der ansehensschädlichen Bildaufnahme Kenntnis nehmen kann.102 Unerheblich ist dabei, ob das Bildmaterial eine Situation visualisiert, die dem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzurechnen ist oder ob das Zugänglichmachen zu einer Verletzung dieses spezifischen Be-
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A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201a Rn. 25; Graf, in: MüKo-StGB4, § 201a Rn. 75; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201a Rn. 10. Vgl. auch Bosch, Jura 2016, 1380 (1386), der betont, ein allgemeiner Konsens lasse sich nur in Extremfällen finden. 97 Die Gesetzesbegründung stellt auf einen durchschnittlichen Betrachter ab, BT-Drs. 18/ 2954, S. 12. Zur dagegen gerichteten Kritik Eisele/Sieber, StV 2015, 312 (315); Bosch, Jura 2016, 1380 (1386); van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 244. 98 Mitsch, GVRZ 2018, 4 Rn. 8. 99 van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 240; Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 30. A. A. Graf, in: MüKo-StGB4, § 201a Rn. 15, der von einem Verletzungsdelikt ausgeht. Auf die Schwierigkeiten, zwischen der Eignung und der Nichteignung zu trennen, weisen namentlich Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201a Rn. 10 sowie Bosch, in: SSW-StGB, § 201a Rn. 16 hin. 100 Vgl. zur Diskussion um das Begriffsverständnis Eisele/Sieber, StV 2015, 312 (315 f.); Mavany, AfP 2017, 478 (482); van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 245 ff.; Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 223 ff. 101 A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201a Rn. 25; Mitsch, GVRZ 2018, 4 Rn. 6. 102 Vor diesem Hintergrund sprechen sich einige Stimmen dafür aus, die Tathandlung des § 201a Abs. 2 StGB auf das öffentliche Zugänglichmachen zu beschränken, Eisele/Sieber, StV 2015, 312 (316).
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standteils des allgemeinen Persönlichkeitsrechts führt.103 Der Gesetzgeber hat – im Unterschied zu einigen Tatmodalitäten des § 201a Abs. 1 StGB – bewusst darauf verzichtet, die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs als zusätzliches Tatbestandsmerkmal zu implementieren.104 Entscheidend ist allerdings, dass sich die Eignung, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, aus der Aufnahme selbst ergibt, und nicht erst aus den Umständen, unter denen das Zugänglichmachen erfolgt.105 Abgrenzungsschwierigkeiten drängen sich auf, wenn die dokumentierte Handlung verschiedenen Interpretationen zugänglich ist, von denen nur einzelne ansehensschädlich wirken. Relevant ist dies insbesondere bei aufgezeichneten Straftaten von Arbeitnehmern, deren Verhalten ein durchschnittlicher Betrachter des Bildmaterials auch als neutrale Verhaltensweise deuten könnte, die dem zugewiesenen Aufgabenbereich angehört.106 Weil die Art und Weise des Zugänglichmachens für die Ansehensschädlichkeit unerheblich ist, wirkt es sich auch nicht auf die rechtliche Bewertung aus, dass die relevante Tathandlung gegenüber den staatlichen Strafverfolgungsbehörden erfolgt. Bild- und Videoaufnahmen, die lediglich das Opfer einer Gewalttat zeigen, liegen indes von vornherein außerhalb des § 201a Abs. 2 StGB.107 Eine ansehensschädigende Wirkung lässt sich nicht begründen, wenn die abgebildete Person unverschuldet in die Situation geraten ist.108
4. Tatbestandsausschluss gem. § 201a Abs. 4 StGB Sofern die Übergabe einer Bild- oder Videoaufnahme die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 201a StGB grundsätzlich erfüllt, bedarf es sodann eines Blicks auf die Sozialadäquanzklausel des § 201a Abs. 4 StGB, bevor die allgemeinen Rechtfertigungsgründe in den Vordergrund treten. Dabei haben die bisherigen Untersuchungen bereits ergeben, dass das Beweisinteresse und sonach auch die Motivation, eine Straftat anzuzeigen, zu den ähnlichen Zwecken i. S. d. § 201a Abs. 4 StGB rechnen.109 Obschon die anzustellende Interessenabwägung, die § 201a Abs. 4 StGB verlangt, von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt, lassen sich für den hier interessierenden Bereich einige Leitlinien festlegen. Steht eine Bildaufnahme i. S. d. § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB in Rede, vermag die Sozialadäquanzklausel weder den Aufnahmevorgang noch die anschließende 103 Heiß, Der strafrechtliche Bildnisschutz, S. 226; Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 37. Abweichend van Bergen, Abbildungsverbote im Strafrecht, S. 259, die den Schutz auf solche Aufnahmen beschränkt, „die Tatsachen höchstpersönlicher Natur abbilden“. 104 BT-Drs. 18/2601, S. 37. Schließlich auch Busch, NJW 2015, 977 (978 f.). 105 Mitsch, GVRZ 2018, 4 Rn. 6; Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 40. 106 Mitsch, GVRZ 2018, 4 Rn. 6. 107 BT-Drs. 18/3202 (neu), S. 28; A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201a Rn. 25. 108 Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 40. 109 Teil 2, C. II. 5. b).
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Übergabe an die Polizei oder die Staatsanwaltschaft straflos zu stellen. Eine Erlaubnis lässt sich insoweit nur über die anerkannten Rechtfertigungsgründe konstituieren. Anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn der Private eine gegenwärtige Gewalttat, die sich außerhalb einer Wohnung oder einer gegen Einblick besonders geschützten Räumlichkeit ereignet, zu Beweiszwecken dokumentiert und dabei das Opfer der körperlichen Zwangseinwirkung in einer hilflosen Lage i. S. d. § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB abbildet. Übergibt der Private das gewonnene Bildmaterial nunmehr an die Strafverfolgungsbehörden, um diesen effektive Nachforschungen zu ermöglichen, ist ein Tatbestandsausschluss nach § 201a Abs. 4 StGB naheliegend. Regelmäßig ist in diesen Fällen bereits der Herstellungsvorgang selbst aufgrund der Sozialadäquanzklausel straflos;110 diese rechtliche Bewertung umfasst konsequenterweise auch das nachfolgende Zugänglichmachen an die Polizei oder die Staatsanwaltschaft i. S. d. § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB.111 Der Übergabeakt baut auf der vorherigen Beweismitteldokumentation auf und setzt diese logisch fort; beide Vorgänge beruhen auf derselben rechtlichen Motivation. Einschlägig ist die Sozialadäquanzklausel schließlich auch in den Fällen des § 201a Abs. 2 StGB, der nach seiner tatbestandlichen Konzeption allein das Zugänglichmachen an einen Dritten pönalisiert und den Herstellungsvorgang nicht erfasst. Paradigmatisch sind nach den vorangehenden Ausführungen insoweit Bild- oder Videoaufnahmen, die eine gegenwärtige Straftat dokumentieren, und das Ansehen des abgebildeten Straftäters beeinträchtigen können. In dieser Konstellation streiten zwei Gesichtspunkte für das überwiegende Interesse des Privaten, der seine Bildaufnahmen mit den Strafverfolgungsbehörden teilt: Zum einen zeigt die Aufnahme gerade das rechtswidrige Verhalten eines anderen, das zwangsläufig den höchstpersönlichen Lebensbereich verlässt und in die rechtlich geschützte Sphäre eines anderen eingreift. Zum anderen entspricht die Übergabe des erlangten Bildmaterials an die staatlichen Stellen auch den legislatorischen Vorstellungen, nach denen die Strafverfolgung durch spezifische Institutionen erfolgen soll – und gerade nicht dem Verletzten überlassen bleibt. Auf den zuletzt genannten Gedanken, der die Akzeptanz des staatlichen Strafverfahrens zum Ausdruck bringt, ist sogleich sub specie des § 34 StGB noch einmal zurückzukommen.112
III. Rechtfertigung der Übergabe Im Anwendungsfeld der §§ 201, 201a StGB hat sich eine umfangreiche Debatte darüber entwickelt, welche Rechtfertigungsgründe ein tatbestandsmäßiges Verhalten im Einzelfall gestatten. Allerdings betreffen die einschlägigen Diskussionsbeiträge größtenteils nur die rechtliche Bewertung des Aufnahmevorgangs, ohne aber 110
Teil 2, C. II. 5. b). Zur Einschlägigkeit des § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB, sofern der Aufnahmevorgang seinerseits von der Sozialadäquanzklausel gedeckt ist, Teil 4, A. II. 2. 112 Teil 4, A. III. 2. b). 111
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das nachfolgende Gebrauchen oder Zugänglichmachen zu beleuchten. Um diesen Fragenkreis sachgerecht erschließen zu können, bietet sich der Rekurs auf die mannigfaltigen Stellungnahmen an, die im Kontext des Verkaufs von SteuerdatenCDs zu einer fruchtbaren Auseinandersetzung beitragen. 1. Rechtfertigung des Verkaufs von Steuerdaten-CDs Der staatliche Ankauf von Steuerdaten-CDs hat vornehmlich deshalb das breite Interesse auf sich gezogen, weil die nationalen Behörden den Rechtsverstoß einer Privatperson nicht nur hinzunehmen scheinen, sondern sogar entlohnen und auf diese Weise geradezu herausfordern. Es nimmt folglich auch kaum wunder, dass dieser Aspekt der finanziellen Gegenleistung auch die Frage beherrscht, ob die Übergabe des inkriminierten Datenmaterials strafbar ist.113 Im Vordergrund stand dabei der Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gem. § 17 UWG a. F.,114 der die Weitergabe der Steuerdaten-CDs an die staatlichen Strafverfolgungsstellen grundsätzlich untersagte.115 Obschon die Vorschrift mit Wirkung vom 26. 4. 2019 durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung vom 18. 4. 2019 aufgehoben wurde,116 sind die entwickelten Gedanken zur möglichen Rechtfertigung dieses Verhaltens nach wie vor gültig. Eine Erlaubnis gem. § 32 StGB scheidet schon deshalb aus, weil das tatbestandliche Verhalten – der Verkauf des Datenmaterials – mit dem Schutz des staatlichen Strafverfolgungsinteresses sowie des Steueranspruchs ausschließlich Rechtsgütern der Allgemeinheit dient,117 die ihrerseits aber gerade keine Notwehrlage auszulösen vermögen. Die überwiegende Ansicht lehnt darüber hinaus auch eine 113
Vgl. indes auch Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 26, der betont, dass eine strikte Trennung zwischen der rechtlichen Beurteilung der Erlangung und der Weitergabe der Daten nicht immer möglich ist. 114 Zur Systematik der Vorschrift Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 82 f.; Rahimi-Azar, JuS 2017, 930 (931). Abhängig vom konkreten Vorgehen des Datenverkäufers ließ sich der Strafvorwurf an unterschiedliche Modalitäten des Tatbestands anknüpfen, Spernath, NStZ 2010, 307. In der wissenschaftlichen Diskussion stand dabei zumeist § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG im Mittelpunkt, Satzger, in: Achenbach-FS, S. 447 (449); Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 978; Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304); Pawlik, JZ 2010, 693 (697); Kaiser, NStZ 2011, 383 (388). LG Bochum BeckRS 2010, 7104 nennt hinsichtlich der Strafbarkeit der staatlichen Ankäufer §§ 17 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG, 27 Abs. 1 StGB. 115 Auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Strafnorm soll hier nicht weiter eingegangen werden. Dazu Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 81 ff.; Satzger, in: Achenbach-FS, S. 447 (450 f.); RahimiAzar, JuS 2017, 930 (931 ff.). 116 BGBl. I S. 466 ff. 117 Statt aller Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 136 f.
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Teil 4: Übergabe an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden
Rechtfertigung gem. § 34 StGB ab und stützt sich dabei auf verschiedene Prüfungspunkte:118 Zunächst sei schon fraglich, ob sich der Private überhaupt auf den rechtfertigenden Notstand berufen könne, wenn er ausschließlich staatliche Interessen verfolge. § 34 StGB erfasse zwar grundsätzlich auch Rechtsgüter der Allgemeinheit und des Staates, gewährleiste allerdings kein „Unrechtsverhinderungsrecht“.119 Hinter diesem Einwand verbirgt sich insbesondere die Befürchtung, der vorschnelle Rekurs auf den rechtfertigenden Notstand könnte ein geordnetes staatliches Verfahren, das dem Schutz von Allgemeinrechtsgütern dient, unterlaufen.120 Des Weiteren überwiege das geschützte Interesse an der staatlichen Strafverfolgung bzw. an der Steuererhebung das beeinträchtigte Interesse der Bank, deren Geschäftsgeheimnisse weitergegeben werden, nicht wesentlich.121 Ein ausländisches Finanzinstitut habe schlicht keinen Anlass, das Interesse eines fremden Staates anzuerkennen, der die inkriminierten Daten ankauft, um die nationale Strafverfolgung effektiv betreiben zu können.122 Dies ergebe sich unmittelbar aus dem Solidaritätsgedanken,123 auf dem das Notstandsrecht wesentlich beruht.124 Darüber hinaus sei die wirtschaftliche Bedeutung für den nationalen Haushalt überschaubar, wohingegen das betroffene Geldhaus möglicherweise in eine existenzbedrohende Situation geraten könne, wenn sensible Kundendaten preisgegeben werden.125 Eine Erlaubnis gem. § 34 StGB scheitere aber jedenfalls am fehlenden subjektiven Rechtfertigungselement, da der Private die Datensätze typischerweise allein deshalb verkaufe, um sich selbst zu bereichern.126 Dass dieses Verhalten zu steuerlichen 118 Gegen eine Rechtfertigung des Geheimnisverrats Sieber, NJW 2008, 881 (884); Pawlik, JZ 2010, 693 (698); Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 987; Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 114; Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 192. 119 Sieber, NJW 2008, 881 (884); Perron, in: Sch/Sch, § 34 Rn. 10. Kritisch hingegen Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 113; Pawlik, JZ 2010, 693 (698); Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 142. 120 Sieber, NJW 2008, 881 (884); Perron, in: Sch/Sch, § 34 Rn. 10. Pawlik, JZ 2010, 693 (698) spricht von einem „sorgfältig austarierte[n] System staatlicher Zwangsbefugnisse“. Vgl. auch Spernath, NStZ 2010, 307 (308), der unter Rekurs auf „gesetzlich geregelte Ermittlungsmöglichkeiten“ darauf hinweist, die Gefahr für das deutsche Besteuerungsrecht sei anders abwendbar. 121 Spernath, NStZ 2010, 307 (308); Pawlik, JZ 2010, 693 (698); Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 991; Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Sieber, NJW 2008, 881 (884). Abweichend hingegen Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 174; Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 114. 122 Pawlik, JZ 2010, 693 (698). 123 Pawlik, JZ 2010, 693 (698). 124 Dazu auch schon Teil 2, C. IV. 1. 125 Spernath, NStZ 2010, 307 (308). 126 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 994; Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 186 ff.; Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 114. Abweichend Satzger, in: Achenbach-FS, S. 447 (453).
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Mehreinnahmen führe und nicht selten auch den entscheidenden Baustein dafür darstelle, ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung einzuleiten, sei allenfalls ein bloßer Reflex.127 Ein anderes Ergebnis lasse sich auch nicht unter Rückgriff auf § 158 StPO erzielen. Das Recht zur Strafanzeige implementiere keinen eigenständigen Rechtfertigungsgrund, der es erlaube, materielle Strafvorschriften zu verletzen.128 Zudem reiche der Verkauf eigeninitiativ erlangter Steuerdaten über die reine Anzeige einer Straftat hinaus.129 Der Datenverkäufer verlange für die Übermittlung der Informationen eine finanzielle Gegenleistung und trete zu diesem Zweck in wirtschaftliche Verhandlungen mit den staatlichen Stellen.130 Insoweit liege ein aliud zur Strafanzeige vor,131 die sich nach den gefestigten Vorstellungen in der bloßen Mitteilung eines strafverfolgungswürdigen Sachverhalts erschöpfe.132 Betrachtet man diese Argumente näher, stehen einer Rechtfertigung gem. § 34 StGB drei zentrale Einwände entgegen: Neben der Frage, ob das staatliche Strafverfolgungsinteresse überhaupt ein notstandsfähiges Rechtsgut darstellt, sind sowohl die Interessen- und Güterabwägung als auch das subjektive Rechtfertigungselement problematisch. Die vorgebrachten Bedenken sind gewichtig und dürfen jedenfalls nicht vorschnell außer Acht gelassen werden. In diesem Zusammenhang ist jedoch unverkennbar, dass sich einzelne Überlegungen auf die besonderen Umstände beziehen, die mit dem staatlichen Ankauf unweigerlich einhergehen. Die nachfolgenden Ausführungen versuchen, diese Gesichtspunkte zu abstrahieren, um für die Fallkonstellationen der §§ 201, 201a StGB ein überzeugendes Lösungskonzept zu entwickeln.
127
Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392). Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 186; Sieber, NJW 2008, 881 (884); Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 113; Rahimi-Azar, JuS 2017, 930 (934). A. A. Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304); Kaiser, NStZ 2011, 383 (388); Satzger, in: Achenbach-FS, S. 447 (451). In diese Richtung auch Schroth, in: Hilpert/Schroth, S. 186 (191 f.). 129 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 988; Pawlik, JZ 2010, 693 (698 Fn. 68); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392). A. A. hingegen Satzger, in: Achenbach-FS, S. 447 (453), der den erstrebten wirtschaftlichen Vorteil als unerheblich einstuft. 130 Pawlik, JZ 2010, 693 (698 Fn. 68). 131 Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 988. Ähnlich auch Schünemann, NStZ 2008, 305 (308), obschon sich dieser auf den staatlichen Ankauf im Vergleich zur finanziellen Belohnung für sachdienliche Hinweise bezieht. 132 Zum Begriff der Strafanzeige Erb, in: Löwe-Rosenberg, § 158 Rn. 9; Köhler, in: Meyer-Gossner/Schmitt, § 158 Rn. 2. 128
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Teil 4: Übergabe an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden
2. Rechtfertigung der Übergabe von Ton- und Bildaufnahmen Zunächst scheidet auch hinsichtlich der Übergabe von Ton- und Bildaufnahmen an die staatlichen Stellen, die dazu dienen soll, den verdächtigten Straftäter zu überführen oder jedenfalls einen entscheidenden Hinweis auf dessen Identität zu liefern, eine Erlaubnis gem. § 32 StGB aus, da es an einem Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut mangelt.133 Betroffen ist ausschließlich das staatliche Strafverfolgungsinteresse, das aber gerade kein Individualrechtsgut darstellt. Insbesondere genügt es für eine Rechtfertigung qua Notwehr nicht, wenn der eigeninitiative Beweismittelsucher allein darauf abzielt, einen – aus seiner Sicht – schuldigen Täter der gerechten Strafe zuzuführen. Das materielle Recht kennt keinen „privaten Verfolgungsanspruch“, der dem Verletzten einer Straftat exklusiv zuzuordnen ist.134 Andernfalls liefe man Gefahr, das ausbalancierte System der staatlichen Ermittlungsmaßnahmen einzureißen, indem der Private unter dem Schutzschild der Notwehr umfassend in fremde Rechtspositionen eingreifen dürfte, um „seinen“ Verfolgungsanspruch durchzusetzen. Darüber hinaus verbietet sich auch der unmittelbare Rekurs auf ein etwaiges Recht zur Strafanzeige, das sich aus § 158 StPO ergeben könnte. Zwar trifft der oben formulierte Einwand, wonach der Verkauf von Steuerdaten-CDs über eine bloße Anzeige i. S. d. § 158 StPO hinausreiche und demzufolge ein aliud sei, auf die unentgeltliche Übergabe von Ton- und Bildmaterial nicht im selben Umfang zu, da eine finanzielle Gegenleistung typischerweise nicht erfolgt. Gleichwohl statuiert das Recht zur Anzeige keine generelle Befugnis, um in die strafrechtlich geschützten Rechtspositionen eines anderen, den man einer Straftat verdächtigt, einzugreifen. Zudem lässt sich § 158 StPO keine klare Aussage dazu entnehmen, ob jede Strafanzeige, die den Tatbestand einer materiellen Strafvorschrift erfüllt, gerechtfertigt ist oder aber zusätzliche Abstufungen erfolgen müssen.135 Denn es macht einen erheblichen Unterschied, ob die unbefugt hergestellte Tonaufnahme lediglich einen einfachen Diebstahl nachweisen soll oder aber ein Kapitalverbrechen, an dessen Aufklärung ein gesteigertes Interesse des Staates und der Öffentlichkeit besteht. Um diese Gesichtspunkte angemessen berücksichtigen zu können, liegt es nahe, eine 133 Hinsichtlich der Tonaufnahmen käme eine Rechtfertigung gem. § 32 StGB zwar in Betracht, wenn eine erpresserische oder nötigende Drohung in Rede steht. In diesen Fällen ist aber bereits die Aufnahme i. S. d. § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB regelmäßig gerechtfertigt, so dass die anschließende Weitergabe keine so – nämlich unbefugt – hergestellte Aufnahme betrifft. Zur Rechtfertigung der Aufnahme gem. § 32 StGB Teil 2, C. IV. 3. a). 134 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 350, allerdings bezogen auf die außerprozessuale Erlangung durch den Privaten. Für den prozessualen Gebrauch gelten indes dieselben Einwände. 135 Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 186; Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 113. Vgl. auch den essenziellen Gedanken von Erb, in: Löwe-Rosenberg, § 158 Rn. 2, der darauf hinweist, dass – mit Ausnahme des § 138 StGB – auch keine Pflicht besteht, den Behörden von der Kenntnis strafbaren Verhaltens zu berichten.
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ausgleichende Interessenabwägung zu bemühen. Auf diese Weise ist aber bereits dem rechtfertigenden Notstand gem. § 34 StGB der Boden bereitet, der eine sachgerechte Lösung erlaubt. a) Notstandslage Nach dem hier vertretenen Lösungsansatz ist der Anwendungsbereich des § 34 StGB weit gefasst und auch dann betroffen, wenn eine Gefahr für Rechtsgüter der Allgemeinheit oder des Staates droht. Zu diesem Kreis der notstandsfähigen Rechtsgüter rechnet auch das staatliche Strafverfolgungsinteresse, zumal die übrigen Voraussetzungen des § 34 StGB dafür Sorge tragen, dass der Private das „sorgfältig austarierte System staatlicher Zwangsbefugnisse“136 nicht unterläuft. Zentrales Korrektiv ist dabei die Angemessenheit, die dazu führt, echten privaten Ermittlungen die rechtfertigende Wirkung des § 34 StGB zu versagen, da das gesetzlich vorgesehene staatliche Ermittlungsverfahren vorrangig ist.137 Nimmt man diese Vorgaben der Notstandsrechtfertigung ernst, resultiert hieraus gerade kein umfassendes „Unrechtsverhinderungsrecht“. Anerkennt man das staatliche Strafverfolgungsinteresse als notstandsfähiges Rechtsgut i. S. d. § 34 StGB, ist die drohende Gefahr typischerweise gegenwärtig, wenn der Private den Strafverfolgungsbehörden die gewonnenen Beweismittel zugänglich macht.138 Die Gegenwärtigkeit ist anzunehmen, so lange die staatlichen Stellen noch keine ausreichende Kenntnis von der aufzuklärenden Straftat haben und folglich das begründete Risiko existiert, ein schuldiger Täter könnte ungestraft davonkommen. An diesem Punkt des Rechtfertigungsprogramms tritt ebenfalls deutlich hervor, warum der Rekurs auf Allgemeinrechtsgüter notwendig ist, um die Weitergabe von Beweismitteln an die zuständigen Ermittlungsbehörden sach- und interessengerecht bewerten zu können. Stellte man ausschließlich auf die verletzten Individualrechtsgüter des Opfers der aufzuklärenden Straftat ab, scheiterte eine Notstandslage – von den Konstellationen einer Wiederholungsgefahr einmal abgesehen – an der Gegenwärtigkeit. Die Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit oder der Ehre, die eigeninitiativ hergestellte Ton- oder Bildaufnahmen nachzuweisen geeignet sind, liegen abgeschlossen in der Vergangenheit und scheiden sonach als Anknüpfungspunkt für § 34 StGB aus. Erst der Rückgriff auf das Strafverfolgungsinteresse eröffnet die Möglichkeit, die Übergabe von Beweismitteln, die den Tatbestand einer Strafnorm erfüllt, überhaupt zu rechtfertigen.
136
Pawlik, JZ 2010, 693 (698). Teil 2, C. IV. 3. b) dd). 138 Dazu Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 148. 137
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Teil 4: Übergabe an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden
b) Notstandshandlung Die ergriffene Gefahrenabwehrmaßnahme muss erforderlich und angemessen sein. Zunächst ist dabei entscheidend, dass das gewählte Mittel überhaupt dazu geeignet ist, der Gefahr effektiv zu begegnen. Auf diese Weise werden das bedrohte Rechtsgut und die Maßnahme der Gefahrenabwehr in einen spezifischen Zusammenhang gesetzt. Im hier interessierenden Kontext steht eine Gefahr für das staatliche Interesse an einer wirkungsvollen Strafverfolgung in Rede, so dass die prozessualen Einschläge wiederum offenkundig hervortreten.139 Dürfen die Ermittlungsbeamten das überreichte Beweismittel aufgrund eines Beweisverbots nicht berücksichtigen, ist die Übergabe an die Strafverfolgungsbehörden schlichtweg ungeeignet, um das intendierte Anliegen zu fördern. Vor diesem Hintergrund muss der Private eine komplexe Abwägungsentscheidung treffen, welche Gesichtspunkte für oder gegen ein prozessuales Beweisverbot streiten, wobei die ex ante-Perspektive maßgeblich ist. Umstände, die erst nachträglich bekannt werden und die Gefahrenabwehr retrospektiv in einem anderen Licht erscheinen lassen, stehen einer Erlaubnis sonach nicht entgegen. Darüber hinaus verlangt die Erforderlichkeit, dass sich der Handelnde unter mehreren gleich effektiven Verteidigungsmitteln für dasjenige entscheidet, das die Rechtsgüter des anderen am wenigsten beeinträchtigt.140 Sofern der Private eine beweisrelevante Tatsache im selben Umfang etwa durch eine Zeugenaussage belegen kann, soll der gleichwohl erfolgende Rückgriff auf eine Tonaufnahme nach Ansicht des AG Mönchengladbach-Rheydt nicht erforderlich sein.141 Insoweit ist allerdings in Rechnung zu stellen, dass der Beweiswert einer subjektiven Zeugenaussage deutlich geringer ist als derjenige einer Ton- oder Videoaufnahme, die das tatsächliche Geschehen – jedenfalls vermeintlich – originalgetreu wiedergibt. Eine darüberhinausgehende Auswahl zwischen verschiedenen Beweismitteln dürfte dem Privaten zudem nur in seltenen Fällen möglich sein. Des Weiteren spricht auch die zentrale Voraussetzung des § 34 StGB, nach der das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegen muss, nicht von vornherein gegen eine Rechtfertigung des privaten Übergabeaktes. Evident ist dies in den Fällen einer heimlichen Tonaufnahme, die das Geständnis eines Verdächtigen konserviert. Macht der Private den Strafverfolgungsbehörden eine solche Aufnahme zugänglich, greift dieses Verhalten nicht in geschützte Rechtspositionen unbeteiligter Dritter ein, sondern betrifft ausschließlich den Verdächtigen der aufzuklärenden Straftat, der das gesamte Vorgehen erst veranlasst und folglich die Gefahrensituation herausgefordert hat.142 Insoweit liegt eine Konstellation des Defensiv139
D. III. 140
Zur parallelen Diskussion hinsichtlich des eigeninitiativen Erlangungsaktes Teil 2,
Roxin/Greco, AT I, § 16 Rn. 23. AG Mönchengladbach-Rheydt BeckRS 2018, 41231 Rn. 30. 142 Diesen Umstand der Verantwortlichkeit bemüht auch Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 165 f. 141
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notstands vor, bei der die geringere Schutzwürdigkeit des Eingriffsopfers innerhalb der Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen ist.143 Daneben lassen sich im Rahmen der Güter- und Interessenabwägung auch die Wertungen des § 158 StPO fruchtbar machen. Zwar resultiert aus dem prozessualen Anzeigerecht kein eigenständiger Rechtfertigungsgrund; nichtsdestoweniger unterstreicht § 158 StPO die Bedeutung der Strafanzeige im verfahrensrechtlichen Gesamtgefüge und steigert das Erhaltungsinteresse.144 Obschon die Strafprozessordnung ein staatlich betriebenes Ermittlungsverfahren vorschreibt, sind Polizei und Staatsanwaltschaft darauf angewiesen, dass Privatpersonen ihre Beobachtungen schildern und Anzeige erstatten. Die Strafanzeige ist folglich nicht nur ein essenzieller Bestandteil einer effektiven Strafverfolgung, sondern vielfach deren faktische Grundlage. Um sich dabei nicht selbst dem Verdacht einer unwahren Behauptung – und sonach einer etwaigen Straftat gem. §§ 164, 145d StGB oder gem. § 186 StGB – auszusetzen, ist es nachvollziehbar, wenn Private taugliche Beweismittel vorlegen, um ihre Aussage zu validieren.145 Insoweit besteht – im Unterschied zum Verkauf von beweiserheblichen Informationen, bei dem es sich um ein aliud handelt – ein enger Konnex zur Strafanzeige i. S. d. § 158 StPO – und somit zugleich zu einem gesetzlich vorgesehenen Institut.146 Dies allein vermag zwar noch nicht zu begründen, ob im Einzelfall tatsächlich das Erhaltungsgut wesentlich überwiegt; allerdings lässt sich eine dahingehende Tendenz formulieren.147 Zu berücksichtigen ist ferner auch das Gewicht des Strafverfolgungsinteresses, zu dessen Schutz der Private die Beweismittel weiterleitet. Dabei kann als Orientierungsgröße auf die Schwere der Straftat abgestellt werden: Je gewichtiger die aufzuklärende Straftat ist, desto größer ist auch das Strafverfolgungsinteresse. Dieser Mechanismus kommt auch innerhalb der staatlichen Eingriffsbefugnisse zum Ausdruck, die die Strafprozessordnung vorsieht, und entspringt dem anerkannten Verhältnismäßigkeitsprinzip. Gegen eine Rechtfertigung des Übergabeaktes spricht allerdings, wenn zwischen dem eigeninitiativen Beweismittelsucher und dem abgebildeten Opfer einer Gewalttat eine besondere Vertrauensbeziehung besteht. Offenkundig ist dies in den Konstellationen des § 203 StGB:148 Fotografiert etwa der Arzt die Verletzungen eines 143
Dazu schon Teil 2, C. IV. 3. b) cc). Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 113; Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 167. Vgl. auch Satzger, in: Achenbach-FS, S. 447 (452). 145 Vgl. zu dieser Argumentationsstruktur auch Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 58. Dazu schon Teil 2, C. IV. 3. b) aa) (2) (a). 146 Diesen Gedanken bemüht Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 167 auch im Fall des Verkaufs von SteuerdatenCDs. 147 Im Unterschied zur Anerkennung des § 158 StPO bietet diese Lösung den Vorteil, dass mittels der Abwägung ein zusätzliches Korrektiv besteht, um die Besonderheiten des Einzelfalls angemessen zu berücksichtigen. 148 Zu pauschal ist aber die These von Timm, Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht, S. 70, wonach „ein reines Strafverfolgungsinteresse bezüglich bereits begangener Delikte die 144
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Teil 4: Übergabe an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden
Patienten und übergibt die Bildaufnahmen anschließend den Strafverfolgungsbehörden, beeinträchtigt dieses Verhalten nicht allein das Persönlichkeitsrecht, sondern zugleich das besondere rechtliche Vertrauensverhältnis. Zweifel an einem wesentlich überwiegenden Interesse bestehen auch dann, wenn es um Videoaufnahmen geht, die das verletzte Opfer einer Straftat – etwa eines Sexualdelikts – abbilden. Insoweit ist der zuvor beschriebene Bereich des Defensivnotstands verlassen, da das Verhalten des Privaten die Rechtsgüter einer „unbeteiligten“ Person berührt. Denn das Opfer einer Straftat hat die Gefahrenlage nicht zurechenbar verursacht, so dass dessen Interessen stärker ins Gewicht fallen.149 Schließlich lassen sich diese Überlegungen auch mit den zentralen Grenzlinien vereinbaren, die das Korrektiv der Angemessenheit zieht. Hiernach scheidet eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB aus, wenn der Gesetzgeber ein rechtlich geordnetes Verfahren vorschreibt, um einer spezifischen Gefahrenlage zu begegnen. Der Blick auf den Vorrang des staatlichen Strafverfahrens fördert dabei einen entscheidenden Gesichtspunkt zutage: Durch die Übergabe des eigeninitiativ erlangten Beweismittels an die Polizei oder die Staatsanwaltschaft widersetzt sich der Handelnde gerade nicht der legislatorischen Direktive, wonach die Strafverfolgung von Amts wegen zu erfolgen hat.150 Vielmehr liegt es nachgerade umgekehrt: Der Private leitet seine Erkenntnisse an die zuständigen Stellen weiter, um diesen zu ermöglichen, ihrer gesetzlich zugewiesenen Aufgabe effektiv nachzukommen.151 Sonn beschränkt diese Argumentation jedoch allein auf solche Fälle, in denen der Private die relevanten Beweise ohne rechtswidrigen Verstoß gegen eine Strafnorm erlangt hat, da nur in diesen Konstellationen kein Eingriff in die strafprozessualen Befugnisse des Staates erfolge.152 Dies verfängt indes nicht, da der Übergabeakt, der den Tatbestand einer Strafvorschrift erfüllt, einen eigenständigen Unrechtsvorwurf begründet und sonach auch die mögliche Rechtfertigung von den Umständen abhängt, die gerade während dieses Verhaltens vorliegen – nicht aber von einem zeitlich davor begangenen Rechtsverstoß. Sofern der Private echte eigeninitiative Ermittlungen durchführt und dabei heimliche Ton- oder Bildaufnahmen anfertigt, mag dieses Vorgehen Offenbarung nicht“ erlaube. Maßgeblich ist auch insoweit die Güter- und Interessenbewertung in der spezifischen Situation. 149 In diesem Szenario sind die Parallelen zum Ankauf von Steuerdaten-CDs zudem stärker ausgeprägt. Denn auch das in seinen Rechten betroffene Bankinstitut hat die Gefahrenlage i. S. d. § 34 StGB nicht hervorgerufen. 150 Insoweit sind die Ausführungen von AG Mönchengladbach-Rheydt BeckRS 2018, 41231 Rn. 30 jedenfalls ungenau, da das Gericht die prozessualen Vorschriften der §§ 100a ff. StPO bemüht, um eine Rechtfertigung des Zugänglichmachens i. S. d. § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB abzulehnen. 151 So auch Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 143, 151. Vgl. schließlich auch Ambos, Beweisverwertungsverbote, S. 113, der betont, § 34 StGB könne dann eingreifen, wenn keine vorrangigen strafprozessualen Ermächtigungsgrundlagen umgangen würden. 152 Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 142 f.
A. Strafrechtliche Betrachtung des Übergabeaktes
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gem. §§ 201, 201a StGB strafbar sein. Im Rahmen einer etwaigen Rechtfertigung spielt dabei – wie gesehen – eine zentrale Rolle, dass der Gesetzgeber ein förmliches Verfahren vorsieht, in dem die Ermittlungsbehörden – und nicht der Private selbst – einem Verdacht nachgehen.153 Ob die nachfolgende Weiterleitung an die Verfolgungsbehörden wegen einer Gefahr für das staatliche Strafverfolgungsinteresse gerechtfertigt ist, muss aber unabhängig davon bestimmt werden, welche Faktoren die Herstellung selbst beeinflusst haben.154 Der Vorrang des strafprozessual geregelten Ermittlungsverfahrens nimmt hinsichtlich der eigeninitiativen Beweismittelsuche ein anderes Gewicht ein als auf der Ebene der anschließenden Übergabe an Polizei und Staatsanwaltschaft. c) Subjektives Rechtfertigungselement Schließlich steht auch das subjektive Rechtfertigungselement einer Erlaubnis gem. § 34 StGB nicht entgegen – und zwar unabhängig davon, welche Voraussetzungen man an dieses anlegt.155 Im Unterschied zum oben beschriebenen Verkauf von Steuerdaten-CDs verlangt der Hinweisgeber in den hier diskutierten Fällen für seine Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden gerade keine finanzielle Gegenleistung. Zwar mögen neben dem Strafverfolgungsinteresse auch weitere – zumeist persönliche – Motive dafür ausschlaggebend sein, dass der Private den staatlichen Stellen relevante Beweismittel aushändigt. Paradigmatisch sind insoweit etwa individuelle Rehabilitationsinteressen oder Rachegelüste, die namentlich dann bedeutsam werden, wenn das verletzte Opfer der aufzuklärenden Straftat selbst handelt. Nichtsdestoweniger beschreiben diese Zielsetzungen – anders als der finanzielle Anreiz – keinen Grund, der das Interesse an der Gefahrenabwehr generell zurücktreten lässt. 3. Ergebnis zur Rechtfertigung des Übergabeaktes Nach alledem folgt hieraus eine zentrale Erkenntnis: Selbst dann, wenn man die Einwände, die einer Rechtfertigung des Verkaufs von Steuerdaten-CDs an die Strafverfolgungsbehörden entgegengebracht werden, für berechtigt hält, schließen diese eine Erlaubnis der unentgeltlichen Übergabe beweisrelevanter Ton- und Bildaufnahmen gem. § 34 StGB jedenfalls nicht von vornherein aus. Das Strafverfolgungsinteresse stellt ein notstandsfähiges Rechtsgut dar, zumal die weiteren 153
Teil 2, C. IV. 3. b) dd). Zudem ist zu berücksichtigen, dass nach dem hier vertretenen monistischen Lösungsmodell ohnehin nur solche Aufnahmen unter § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB fallen, die unbefugt – und sonach rechtswidrig – hergestellt wurden. Wäre die Übergabe eines solchen Tonbands an die Strafverfolgungsbehörden stets rechtswidrig, nähme man diesem Verhalten seine eigenständige Bedeutung und verknüpfte das rechtliche Schicksal ausschließlich mit dem Aufnahmevorgang. 155 Zur Diskussion statt aller Roxin/Greco, AT I, § 14 Rn. 96 ff. 154
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Teil 4: Übergabe an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden
Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstands ein ausreichendes Korrektiv bereithalten, um die legislatorischen Wertungen nicht zu unterlaufen. Entscheidend ist insbesondere, dass der Private, der die erlangten Beweismittel an die Ermittlungsbehörden weiterleitet, das staatliche Strafverfahren anerkennt und diesem nicht zuwiderhandelt. Dies betrifft freilich ausschließlich den hier in Rede stehenden Übergabeakt; die außerprozessuale Beweismittelsuche ist eigenständig zu bewerten. Im Rahmen der Eignung ist nach dem hier verfolgten Lösungskonzept zu berücksichtigen, inwieweit ein etwaiges Beweisverbot besteht und dazu führt, dass die Übergabe das verfolgte Ziel – dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse zu dienen – schlechterdings nicht zu erreichen vermag. Die Interessenabwägung wird hauptsächlich vom Gewicht der aufzuklärenden Straftat beeinflusst. Zentral ist zudem auch die gesetzliche Wertung des § 158 StPO, der das Institut der Strafanzeige normiert und auf diese Weise das Erhaltungsgut stärkt. Schließlich steht auch das subjektive Rechtfertigungselement regelmäßig nicht entgegen, wenn der Private die gewonnenen Beweismittel unentgeltlich übergibt.
B. Datenschutzrechtliche Betrachtung des Übergabeaktes Da das unionale Datenschutzrecht einen weiten Anwendungsbereich aufweist – und auch nichtöffentliche Stellen adressiert –, muss der Private, der ein eigeninitiativ erlangtes Beweismittel an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden übergibt, regelmäßig auch die Vorgaben der DSGVO berücksichtigen. Nach der Grundaussage des Art. 6 Abs. 1 DSGVO bedarf jeder Verarbeitungsvorgang, der personenbezogene Daten betrifft, einer Erlaubnisnorm und muss auf seine datenschutzrechtliche Zulässigkeit hin überprüft werden.156 Im Zuge einer Weiterverarbeitung bereits erhobener Daten ist zudem der sog. Zweckbindungsgrundsatz zu berücksichtigen, der zu den zentralen datenschutzrechtlichen Maximen rechnet und in Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO verankert ist.157 Hiernach dürfen personenbezogene Daten nur für konkrete Zwecke erhoben und nicht in einer mit diesen Zwecken unvereinbaren Weise weiterverarbeitet werden. Trotz dieses bedeutsamen Grundsatzes sperrt sich das Datenschutzrecht nicht gänzlich gegen eine nachträgliche Zweckänderung. Dies folgt aus Art. 6 Abs. 4 DSGVO, der seinerseits zu den umstrittensten Vorschriften des neuen Datenschutzrechts zählt.158 Sofern die Weiterverarbeitung zu einem Zweck erfolgt, der mit dem ursprünglichen Ziel der Datenerhebung unvereinbar ist, verlangt Art. 6 Abs. 4 156
Dazu schon Teil 2, B. II. 1. Culik/Döpke, ZD 2017, 226 (227); Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 5 DSGVO Rn. 63; Schantz/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 397 m. w. N. 158 Marsch, in: Sydow/Marsch, § 24 BDSG Rn. 2. Auf die nach wie vor bestehenden Unklarheiten weisen auch Albers/Veit, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 6 DSGVO Rn. 111 hin. 157
B. Datenschutzrechtliche Betrachtung des Übergabeaktes
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Hs. 1 DSGVO alternativ eine Einwilligung der betroffenen Person oder aber eine Rechtsvorschrift, die zusätzlichen Voraussetzungen genügen muss. Fehlt es an einer solchen Legitimationsgrundlage, ist eine weitere Verarbeitung der erhobenen Daten nur zulässig, wenn Primär- und Sekundärzweck kompatibel sind.159 Um die Kompatibilität sachgerecht bewerten zu können, enthält Art. 6 Abs. 4 Hs. 2 DSGVO einzelne Konkretisierungen, die jedoch ihrerseits nicht abschließend sind.160
I. Übergabe ohne Zweckänderung Keine nennenswerten rechtlichen Schwierigkeiten bestehen, wenn die Weiterverarbeitung der personenbezogenen Daten nach wie vor dem ursprünglichen Zweck dient – und sonach überhaupt keine Zweckänderung vorliegt.161 Mit Blick auf die hier in Rede stehende Übergabe von eigeninitiativ erlangten Beweismitteln an die Strafverfolgungsbehörden ist dies besonders augenscheinlich: Ist etwa die Filmaufnahme einer gegenwärtigen Straftat gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO rechtmäßig, kann für die anschließende Übermittlung der personenbezogenen Daten an die Polizei oder die Staatsanwaltschaft nichts Anderes gelten, wenn der Private von Beginn an diesen Zweck verfolgt hat. Der zweite Datenverarbeitungsvorgang setzt den ersten logisch fort und ist ebenfalls gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zulässig. Dies ergibt sich auch aus einem Umkehrschluss aus Art. 6 Abs. 4 DSGVO, der sich expressis verbis auf einen „anderen Zweck“ bezieht und die zweckwahrende Datenverarbeitung sonach gerade nicht erfasst.162
II. Übergabe mit Zweckänderung Komplexer fällt die datenschutzrechtliche Bewertung indes aus, wenn die nachfolgende Weiterverarbeitung zu einem anderen Zweck erfolgt, der zudem mit der ursprünglichen Zielsetzung unvereinbar ist. Paradigmatisch sind insoweit Dashcam-Aufnahmen, die typischerweise in der Intention erfolgen, das Straßenverkehrsgeschehen zu dokumentieren, um im Bedarfsfall zivilrechtliche Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Ist das Verhalten des Unfallgegners jedoch nicht allein zivilrechtlich, sondern auch strafrechtlich bedeutsam – weil etwa ein 159 Vgl. zum Aussagegehalt des Art. 6 Abs. 4 DSGVO Schulz, in: Gola-DSGVO, Art. 6 Rn. 203. 160 Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO Rn. 186; Schulz, in: Gola-DSGVO, Art. 6 Rn. 204; Kühling/Martini/Heberlein, Die Datenschutz-Grundverordnung und das nationale Recht, S. 41. 161 Dies wird man etwa für die erstmalige Speicherung der erhobenen Daten annehmen können, Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 105. 162 Ziegenhorn/von Heckel, NVwZ 2016, 1585 (1589); Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 104.
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Teil 4: Übergabe an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden
Verstoß gegen § 315c StGB oder § 142 StGB vorliegt –, mag sich der Betreiber der mobilen On-Board-Kamera im Nachhinein dazu entscheiden, die Videoaufnahmen an die Strafverfolgungsbehörden zu übergeben. Während der primäre Zweck in der zivilrechtlichen Beweissicherung lag, betrifft der sekundäre – und zugleich inkompatible – Zweck das staatliche Strafverfolgungsinteresse.163 Da eine Einwilligung des Betroffenen, dessen straftatbestandsmäßiges Verhalten aufgedeckt werden soll, regelmäßig nicht vorliegen dürfte, kommt es entscheidend darauf an, inwieweit eine Rechtsvorschrift i. S. d. Art. 6 Abs. 4 Hs. 1 DSGVO existiert, die eine Zweckänderung gestattet. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut kommt sowohl eine unionsrechtliche als auch eine mitgliedstaatliche Rechtsnorm in Betracht, „die in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz der in Art. 23 Absatz 1 genannten Ziele darstellt“. Der deutsche Gesetzgeber hat in den §§ 23 – 25 BDSG verschiedene Regelungen zur zulässigen Zweckänderung getroffen, und dabei insbesondere danach unterschieden, ob die Weiterverarbeitung der erhobenen Daten durch öffentliche oder nichtöffentliche Stellen erfolgt. Zudem hält § 4 Abs. 3 S. 3 BDSG für die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume eine besondere Vorschrift bereit, die als lex specialis gegenüber den allgemeinen Normen der §§ 23 – 25 BDSG vorrangig ist.164 Da Dashcam-Aufnahmen regelmäßig im öffentlichen Verkehrsraum erfolgen, richtet sich der primäre Blick sonach auf § 4 Abs. 3 S. 3 BDSG; dessen Aussagegehalt überschneidet sich jedoch ohnehin in weiten Teilen mit § 24 Abs. 1 Nr. 1 BDSG, der die Zweckänderung durch nichtöffentliche Stellen im Allgemeinen betrifft. Beide Normen erlauben eine Weiterverarbeitung für einen anderen Zweck, wenn dies zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist. Dieses Ziel anerkennt auch Art. 23 Abs. 1 lit. d DSGVO, so dass die nationalen Vorschriften insoweit datenschutzkonform sind.165 A priori scheint die Rechtslage sonach eindeutig zu sein: Sofern der Private eine Dashcam-Aufnahme, die zunächst ausschließlich in einem etwaigen Unfallprozess als Beweismittel dienen sollte, an die Strafverfolgungsbehörden übergibt, ist diese Zweckänderung von § 4 Abs. 3 S. 3 BDSG gedeckt und
163 Instruktiv dazu Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 105. 164 Wilhelm-Robertson, in: BeckOK-Datenschutzrecht, § 4 BDSG Rn. 42; Frenzel, in: Paal/Pauly, § 4 BDSG Rn. 32. Dem Rekurs auf § 4 Abs. 3 S. 3 BDSG steht nicht entgegen, dass § 4 Abs. 1 BDSG teilweise unionsrechtswidrig ist, weil insoweit eine Öffnungsklausel fehlt. Vielmehr sind die einzelnen Regelungen des § 4 BDSG eigenständig daraufhin zu überprüfen, ob die unionale DSGVO eine nationale Regelung gestattet. Dazu Scholz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Anh. 1 Art. 6 DSGVO Rn. 25, 114. 165 Ausdrücklich für § 4 Abs. 3 S. 3 BDSG Scholz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Anh. 1 Art. 6 DSGVO Rn. 113 f.; Starnecker, in: Gola/Heckmann-BDSG, § 4 Rn. 61. Hinsichtlich des § 24 Abs. 1 Nr. 1 BDGS spricht Frenzel, in: Paal/Pauly, § 24 BDSG Rn. 5 von einer datenschutzrechtlichen Privilegierung zugunsten der Strafverfolgung. Nach Kramer, in: Auernhammer, § 24 BDSG Rn. 4 ist die Europarechtskonformität des § 24 BDSG wegen der Unbestimmtheit fraglich.
B. Datenschutzrechtliche Betrachtung des Übergabeaktes
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datenschutzrechtlich erlaubt, sofern die Interessenabwägung166 zugunsten des Betreibers ausfällt.167 Dies legt auch Erwägungsgrund 50 S. 9 zur DSGVO nahe, der den Hinweis auf Straftaten als berechtigtes Interesse des Verantwortlichen bezeichnet. Nach wie vor umstritten ist jedoch das spezifische Zusammenspiel des Art. 6 Abs. 4 DSGVO mit den nationalen Normen zur Zweckänderung. Zwar schränkt der Verweis auf die Ziele des Art. 23 DSGVO, denen die mitgliedstaatlichen Vorschriften dienen müssen, die nationale Regelungsbefugnis ein. Nichtsdestoweniger kommt den Mitgliedstaaten angesichts des weiten Katalogs des Art. 23 Abs. 1 DSGVO ein umfassender Gestaltungsspielraum zu.168 Vor diesem Hintergrund befürchten manche, der zentrale Harmonisierungsgedanke des europäischen Datenschutzrechts nehme Schaden, wenn man Art. 6 Abs. 4 DSGVO als umfassende Öffnungsklausel interpretiere.169 Um dies zu verhindern fordern diese Stimmen, Art. 6 Abs. 4 DSGVO in Zusammenschau mit den Öffnungsklauseln des Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 DSGVO zu betrachten: Eine nationale Vorschrift zur Zweckänderung sei nur dann möglich, wenn die DSGVO den Mitgliedstaaten auch die Regelungsbefugnis für die ursprüngliche Datenverarbeitung einräume; dies sei vornehmlich in den Konstellationen des Art. 6 Abs. 1 lit. c und lit. e DSGVO anzunehmen170 – nicht aber im Kontext des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Eine solche restriktive Interpretation des Art. 6 Abs. 4 DSGVO vermag indes nicht zu überzeugen.171 Zunächst legt die DSGVO den Umfang der angestrebten Harmonisierung selbst fest und implementiert – wie die Existenz der Öffnungsklauseln ausdrücklich belegt – gerade kein gänzlich abgeschlossenes Regelungssystem, das sich von vornherein gegen nationale Einflüsse sperrte.172 Darüber hinaus lässt sich dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 4 DSGVO kein Hinweis auf ausgewählte 166
Vgl. zu dieser Schulz, in: Gola-DSGVO, Art. 6 Rn. 252. Scholz, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Anh. 1 Art. 6 DSGVO Rn. 114. Dies allein begründet freilich noch keine Befugnis zugunsten der Strafverfolgungsbehörden, die personenbezogenen Daten zu verarbeiten. Insoweit bedarf es eigenständiger Regelungen. Dazu Kramer, in: Auernhammer, § 24 BDSG Rn. 14. 168 Auf die Reichweite des Art. 23 Abs. 1 DSGVO weist auch Schulz, in: Gola-DSGVO, Art. 6 Rn. 248 hin. 169 Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO Rn. 200; ferner Albers/Veit, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 6 DSGVO Rn. 112. 170 BVerwG NVwZ 2019, 473 (476); Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO Rn. 180, 200. Gegen eine eigene Öffnungsklausel auch Reimer, in: Sydow/Marsch, Art. 6 DSGVO Rn. 93. 171 BGH NJW 2020, 536 (540). Für eine Einordnung des Art. 6 Abs. 4 DSGVO als echte Öffnungsklausel auch Ziegenhorn/von Heckel, NVwZ 2016, 1585 (1590 f.); Culik/Döpke, ZD 2017, 226 (229); Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 4 DSGVO Rn. 18; Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 105; Marsch, in: Sydow/Marsch, § 24 BDSG Rn. 6. I. E. auch Kühling/ Martini/Heberlein, Die Datenschutz-Grundverordnung und das nationale Recht, S. 43 f., obschon gewisse Zweifel anklingen. 172 So auch Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 4 DSGVO Rn. 18. 167
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Teil 4: Übergabe an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden
Erlaubnissätze des Art. 6 Abs. 1 DSGVO entnehmen.173 Vielmehr ist dieser offen gefasst und nimmt allein die in Art. 23 Abs. 1 DSGVO genannten Ziele in Bezug. Auf diese Weise gelingt zudem eine hinreichende Rückkopplung an die datenschutzrechtlichen Vorgaben des Unionsgesetzgebers,174 so dass eine zersplitterte Rechtslage kaum ernsthaft drohen dürfte. Nach alledem ist die Übergabe rechtmäßig erhobener Daten zu Zwecken der effektiven Strafverfolgung regelmäßig zulässig, da die Interessen des Betroffenen zumeist nicht überwiegen dürften.175 Stehen Videoaufnahmen öffentlich zugänglicher Räume in Rede, fungiert § 4 Abs. 3 S. 3 BDSG als taugliche Rechtsgrundlage für eine zweckändernde Weiterverarbeitung; im Übrigen ist § 24 Abs. 1 Nr. 1 BDSG einschlägig. Nach dem hier vertretenen Lösungsansatz hängt die datenschutzrechtliche Bewertung freilich wiederum davon ab, inwieweit das eigeninitiativ erlangte Beweismittel aus der maßgeblichen ex ante-Perspektive verwertbar ist.
III. Ergebnis zur datenschutzrechtlichen Betrachtung des Übergabeaktes Übergibt der Private die eigeninitiativ erlangten Beweismittel an die staatlichen Strafverfolgungsstellen, hängt die datenschutzrechtliche Zulässigkeit zunächst einmal davon ab, zu welchem Zweck die ursprüngliche Datenverarbeitung erfolgte. In den Fällen einer Zweckänderung müssen die besonderen Vorgaben des Art. 6 Abs. 4 DSGVO berücksichtigt werden. Der deutsche Gesetzgeber hat von der umfassenden Öffnungsklausel des Art. 6 Abs. 4 DSGVO Gebrauch gemacht und mit den §§ 4 Abs. 3 S. 3, 24 Abs. 1 Nr. 1 BDSG nationale Rechtsvorschriften geschaffen, die eine Weiterverarbeitung erhobener Daten erlauben, sofern dies zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist. Unabhängig davon, ob die Weitergabe der eigeninitiativ gewonnenen Beweismittel eine Zweckänderung darstellt, bedarf es wiederum einer Abwägung der betroffenen Interessen, um die Rechtmäßigkeit zu beurteilen. Dabei legen die datenschutzrechtlichen Grundannahmen eine Prävalenz des Strafverfolgungsinteresses nahe, wie sich etwa auch aus Erwägungsgrund 50 S. 9 zur DSGVO ergibt. Zu guter Letzt bleibt freilich zu bedenken, dass die Übergabe nur dann rechtmäßig ist, wenn ein Beweisverbot nicht entgegensteht.
173 Culik/Döpke, ZD 2017, 226 (229); Kühling/Martini/Heberlein, Die DatenschutzGrundverordnung und das nationale Recht, S. 43; Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 105. 174 Marsch, in: Sydow/Marsch, § 24 BDSG Rn. 6. 175 Schulz, in: Gola-DSGVO, Art. 6 Rn. 252 betont, das Abwägungsergebnis scheine insoweit bereits vorweggenommen.
C. Kunsturhebergesetzliche Betrachtung des Übergabeaktes
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C. Kunsturhebergesetzliche Betrachtung des Übergabeaktes Der abschließende Blick ist sodann auf die §§ 22 ff. KUG zu richten, die den Umgang mit Bildnissen betreffen und dabei ein abgestuftes Schutzkonzept implementieren.176 Auf der ersten Stufe legt § 22 S. 1 KUG fest, dass ein Bildnis grundsätzlich nur dann verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden darf, wenn eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt. Von diesem Grundsatz sieht § 23 Abs. 1 KUG auf der zweiten Stufe einzelne Ausnahmen vor. Schließlich enthält § 23 Abs. 2 KUG auf der dritten Stufe ein weiteres Korrektiv, dem zufolge die berechtigten Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden dürfen. Auf diese Weise konturieren die genannten Vorschriften einen spezifischen Ausschnitt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts177 und normieren dementsprechend ein besonderes Persönlichkeitsrecht, dessen Verletzung § 33 KUG unter Strafe stellt. In der wissenschaftlichen Diskussion um Beweisverbote treten die §§ 22 ff. KUG nahezu ausnahmslos erst dann in den Vordergrund, wenn die Frage im Raum steht, welche Vorschriften den Umgang mit Bildaufnahmen in der Gerichtsverhandlung begrenzen.178 Nur wenige Stellungnahmen beziehen sich ausdrücklich auf die Übergabe von eigeninitiativ hergestellten Bildnissen an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden und beleuchten, inwieweit die §§ 22 ff. KUG bereits diesem Vorgehen rechtliche Grenzen setzen.179 Unabhängig davon, welches konkrete Verfahrensstadium betroffen ist, drängt sich die zentrale und nach wie vor weitgehend ungeklärte Frage auf, welche Bedeutung die §§ 22 ff. KUG überhaupt einnehmen, seitdem die unionale DSGVO gilt.
I. Ausgangslage des Normkonflikts Den rechtlichen Ausgangspunkt bildet die Erkenntnis, dass sich der Regelungsbereich der §§ 22 ff. KUG in weiten Teilen mit der DSGVO überschneidet.180 176
BVerfGE 120, 180 (202); 101, 361 (387 f.); BGH NJW 2007, 1981 (1982); Raji, ZD 2019, 61. 177 Raji, ZD 2019, 61. 178 Zum Zivilverfahren Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 160 ff.; Froitzheim, NZV 2018, 109 (115); Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622 (1625); Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 96 f.; Baumgärtel, in: Klug-FS, S. 477 (486); Atzert/Franck, RDV 2014, 136 (139). Instruktiv im Kontext einer Fotoaufnahme, die explizit als Beweismittel in einem Mietrechtsstreit dienen sollte, LG Oldenburg AfP 1991, 652 (653). Zum Strafverfahren Jansen, StV 2019, 578 (581). 179 Den Übergabeakt beleuchtet allein Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 107 ff. umfassend. 180 Instruktiv dazu Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 143 ff.; Raji, ZD 2019, 61 (61 f.); Ziebarth/Elsaß, ZUM 2018, 578 (578 f.). Schließlich auch Sundermann, K&R 2018, 438 (441).
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Teil 4: Übergabe an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden
Zu den Bildnissen i. S. d. KUG rechnen sämtliche Foto- und Videoaufnahmen, auf denen die Person des Abgebildeten erkennbar ist,181 wobei der Vorschrift ein weites Begriffsverständnis zugrunde liegt.182 In diesen Fällen ist zugleich regelmäßig der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet, da personenbezogene Daten i. S. d. Art. 4 Nr. 1 DSGVO vorliegen.183 Weil die Weitergabe von beweisrelevanten Bildnissen an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden zudem keine Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten darstellt, steht in den hier interessierenden Konstellationen die sog. Haushaltsausnahme gem. Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO nicht entgegen.184 Trotz dieser tatbestandlichen Überschneidungen stellen die beiden Regelungsregime unterschiedliche Vorgaben auf, nach denen sich der rechtliche Umgang mit Personenbildnissen bestimmt.185 Besonders deutlich wird dies bei einem Blick auf die mannigfaltigen Informationspflichten, die den Verantwortlichen nach der DSGVO treffen.186 Vor diesem Hintergrund ist entscheidend, in welchem Verhältnis die genannten Vorschriften zueinander stehen und inwieweit sich die §§ 22 ff. KUG in das datenschutzrechtliche Normgefüge integrieren lassen.187 Die Vorteile einer Fortgeltung der §§ 22 ff. KUG liegen dabei auf der Hand: Die Normen blicken nicht nur auf eine lange Rechtstradition zurück, sondern auch auf eine gefestigte Rechtsprechung, die dem jungen europäischen Datenschutzrecht zwangsläufig (noch) fehlen.188 Die DSGVO enthält keine ausdrückliche Kollisionsregel und unterscheidet sich insoweit von § 1 Abs. 3 S. 1 BDSG a. F., der die Subsidiarität der datenschutzrechtlichen Vorschriften explizit anordnete.189 Nach der Regelungskonzeption der DSGVO erlaubt diese nationale Vorschriften nur dann, wenn sich in dem euro181 BGHZ 26, 349 (351); BGH NJW 1979, 2205; NJW 2000, 2201 (2202); Specht-Riemenschneider, in: Dreier/Schulze, § 22 KUG Rn. 1, 3; Kirchhoff, NVwZ 2021, 1177 (1179). 182 Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, S. 26 f. 183 Raji, ZD 2019, 61 (62); Krüger/Wiencke, MMR 2019, 76 (77); Benedikt/Kranig, ZD 2019, 4; Ziebarth/Elsaß, ZUM 2018, 578; B. Lorenz, K&R 2016, 450 (453); Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 143. Zutreffend weist Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter, S. 31 darauf hin, dass eine Kollision zwischen KUG und DSGVO nicht stets besteht. 184 Scheidet eine Anwendung der DSGVO jedoch gem. Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO aus, ist der Rückgriff auf das KUG ohne Weiteres möglich. Dazu Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 154. 185 Ziebarth/Elsaß, ZUM 2018, 578. 186 Zu den damit verbundenen Herausforderungen Reuter/Schwarz, ZUM 2020, 31 (33 ff.); Raji, ZD 2019, 61 (66). Auswirkungen hat die Anwendbarkeit des KUG auch hinsichtlich der Einwilligung. Dazu statt aller Zielbauer, RDV 2021, 200. 187 So auch Hildebrand, ZUM 2018, 585 (589). 188 Krüger/Wiencke, MMR 2019, 76; Assmus/Winzer, ZD 2018, 508 (512); ferner Sundermann, K&R 2018, 438 (441); Kahl/Piltz, K&R 2018, 289. 189 Lauber-Rönsberg, AfP 2019, 373 (375); Raji, ZD 2019, 61 (62); Assmus/Winzer, ZD 2018, 508 (511).
C. Kunsturhebergesetzliche Betrachtung des Übergabeaktes
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päischen Regelwerk eine Öffnungsklausel findet, die den Mitgliedstaaten gewisse Konkretisierungs- oder Abweichungsoptionen einräumt. Existiert eine solche hingegen nicht, genießt die DSGVO gegenüber dem nationalen Recht Anwendungsvorrang. In diesem Zusammenhang tritt die Regelung des Art. 85 DSGVO in den Vordergrund,190 die den Mitgliedstaaten einzelne Abweichungen vom datenschutzrechtlichen Schutzniveau gestattet. Der konkrete Aussagegehalt der Vorschrift ist jedoch nach wie vor ungeklärt und dogmatischer Anknüpfungspunkt für die Frage, welche Bedeutung die §§ 22 ff. KUG de lege lata einnehmen.
II. Öffnungsklausel gem. Art. 85 DSGVO Art. 85 Abs. 1 DSGVO erlaubt den Mitgliedstaaten, das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in Einklang zu bringen. Für journalistische, wissenschaftliche, künstlerische und literarische Zwecke sieht Art. 85 Abs. 2 DSGVO ausdrücklich vor, dass die Mitgliedstaaten Abweichungen oder Ausnahmen von bestimmten Kapiteln der DSGVO regeln dürfen. Insbesondere im journalistischen Kontext ist mittlerweile anerkannt, dass die §§ 22 ff. KUG solche Gesetze darstellen, die die Öffnungsklausel des Art. 85 Abs. 2 DSGVO ausfüllen.191 Diese Erkenntnis beschränkt sich indes ausschließlich auf den Umgang mit Personenbildnissen zu den explizit genannten Zwecken des Art. 85 Abs. 2 DSGVO192 und führt sonach hinsichtlich der Übergabe an die Strafverfolgungsbehörden nicht weiter.193 Art. 85 Abs. 2 DSGVO ermöglicht folglich allein eine bereichsspezifische Geltung der §§ 22 ff. KUG.194 Ein weitergehender Anwendungsbereich der §§ 22 ff. KUG ließe sich nur begründen, wenn Art. 85 Abs. 1 DSGVO eine eigenständige Öffnungsklausel implementierte.195 Im Unterschied zu Art. 85 Abs. 2 DSGVO beschränkt sich die Vor-
190 Zu anderen Öffnungsklauseln, die im Zusammenhang mit den §§ 22 ff. KUG relevant werden könnten, Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 180 ff. 191 BGH NJW 2020, 3715 (3716); BGH MMR 2021, 152 (153); OLG Köln ZD 2018, 434 (435); Krüger/Wiencke, MMR 2019, 76 (77); Assmus/Winzer, ZD 2018, 508 (512). Abweichend hingegen Benedikt/Kranig, ZD 2019, 4 (5 f.). Instruktiv zum Ganzen Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter, S. 37 ff. 192 Lauber-Rönsberg, AfP 2019, 373 (376). So auch Cl. Müller, GRUR-Prax 2018, 383; Faulhaber/Scheurer, jM 2019, 2 (3). 193 Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 108. 194 Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter, S. 37; Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057 (1061). Zu beachten bleibt freilich, dass die Herstellung von Bildnissen nicht am Maßstab der §§ 22 ff. KUG zu beurteilen ist. 195 Krüger/Wiencke, MMR 2019, 76 (77 f.); Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter, S. 28 m. w. N.
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Teil 4: Übergabe an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden
schrift nicht auf abschließend genannte Zwecke,196 und reicht demzufolge über den medienrechtlichen Bereich hinaus. Umstritten ist jedoch, inwieweit Art. 85 Abs. 1 DSGVO dem nationalen Gesetzgeber überhaupt eine echte Gestaltungsbefugnis einräumt. Diese zentrale und äußerst praxisrelevante Frage ist Gegenstand einer umfangreichen Diskussion, die hier nur in ihren Grundzügen wiedergegeben werden soll.197 Weite Teile des Schrifttums begreifen Art 85 Abs. 1 DSGVO als fakultative Öffnungsklausel, und ermöglichen sonach, die §§ 22 ff. KUG auch außerhalb der privilegierten Zwecke anzuwenden.198 Ein abweichendes Verständnis des Art. 85 Abs. 1 DSGVO führe dazu, der Vorschrift jeglichen Anwendungsbereich zu nehmen, so dass diese endlich redundant wäre.199 Zudem resultiere aus der restriktiven Einordnung des Art. 85 Abs. 1 DSGVO eine Aufspaltung des KUG:200 Während sich der Umgang mit Personenbildnissen zu privilegierten Zwecken am Maßstab der §§ 22 ff. KUG messen lassen müsste, gölten für den nicht privilegierten Bereich die Vorgaben der DSGVO. Schließlich streite auch die Entstehungsgeschichte dafür, Art. 85 Abs. 1 DSGVO als Öffnungsklausel zu begreifen.201 Zu berücksichtigen ist freilich, dass die Einordnung des Art. 85 Abs. 1 DSGVO als eigenständige Öffnungsklausel den Mitgliedstaaten keinen uferlosen Gestaltungsspielraum einräumte. Die nationalen Vorschriften müssten – ausweislich des Wortlauts von Art. 85 Abs. 1 DSGVO – den Schutz personenbezogener Daten mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in Einklang bringen. Allerdings – und dies leitet bereits zur Kritik an der vorstehenden Auslegung über – fällt der Anwendungsbereich der Meinungs- und Informationsfreiheit äußerst weit aus und betrifft die menschliche Kommunikation in zahlreichen Facetten.202 196
Krüger/Wiencke, MMR 2019, 76 (77 f.); Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057 (1061); Lauber-Rönsberg, AfP 2019, 373 (377); Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter, S. 48. 197 Umfassend dazu Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter, S. 43 ff. 198 Ziebarth/Elsaß, ZUM 2018, 578 (582); Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057 (1061 f.); Lauber-Rönsberg, AfP 2019, 373 (377); Cornils, ZUM 2018, 561 (570); Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter, S. 71; Krüger/Wiencke, MMR 2019, 76 (78). 199 Ziebarth/Elsaß, ZUM 2018, 578 (582); Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter, S. 54. Dazu auch Krüger/Wiencke, MMR 2019, 76 (78). A. A. Kühling/Martini/Heberlein, Die Datenschutz-Grundverordnung und das nationale Recht, S. 287. 200 Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057 (1061). 201 Lauber-Rönsberg, AfP 2019, 373 (377). Instruktiv zum Gesetzgebungsverfahren Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter, S. 59 ff. 202 Schantz/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 398. Dazu auch Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter, S. 57 f., die gar davon spricht, es „könnte der Versuch der Mitgliedstaaten unternommen werden, jede Datenverarbeitung als vom Schutzbereich der Meinungs- und Informationsfreiheit erfasst anzusehen“.
C. Kunsturhebergesetzliche Betrachtung des Übergabeaktes
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Insoweit besteht das Risiko, Art. 85 Abs. 1 DSGVO als umfassendes Einfallstor für nationale Sonderregelungen zu begreifen. Das zentrale Anliegen der DSGVO, ein weitgehend einheitliches Datenschutzniveau zu gewährleisten, nähme erheblichen Schaden.203 Nach der überzeugenden Gegenauffassung enthält Art. 85 Abs. 1 DSGVO deshalb keine Öffnungsklausel, sondern lediglich einen an die Mitgliedstaaten adressierten Anpassungsauftrag.204 Diesem zufolge sind die nationalen Gesetzgeber dazu angehalten, ihre bestehenden Vorschriften über die freie Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit an die Vorgaben der DSGVO anzupassen.205 Hieraus folgt – im Unterschied zu Art. 85 Abs. 2 DSGVO – aber gerade keine Befugnis, von den unionalen Vorgaben abzuweichen. Für diese Einordnung streiten vornehmlich systematische Erwägungen:206 Art. 85 Abs. 3 DSGVO verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, gem. Art. 85 Abs. 2 DSGVO erlassene Rechtsvorschriften gegenüber der Kommission mitzuteilen. Nach dem eindeutigen Wortlaut erfasst diese sog. Notifizierungspflicht aber gerade nicht Art. 85 Abs. 1 DSGVO.207 Handelte es sich bei diesem jedoch um eine eigenständige Öffnungsklausel, führte dies zu dem kaum überzeugenden Resultat, den Mitgliedstaaten über die privilegierten Zwecke des Art. 85 Abs. 2 DSGVO hinaus Abweichungen von den datenschutzrechtlichen Vorschriften zu gestatten, ohne die Kommission unterrichten zu müssen.208 Bei dieser Auslegung wäre Art. 85 Abs. 2 DSGVO schlechthin überflüssig, da sich sämtliche nationalen Anpassungen bereits auf den weiter gefassten Art. 85 Abs. 1 DSGVO stützen ließen.209 Auf diese Weise würde das „auszisellierte Regelungssystem des 203 Buchner/Tinnefeld, in: Kühling/Buchner, Art. 85 DSGVO Rn. 12. Ebenso Raji, ZD 2019, 61 (65). 204 Kühling/Martini/Heberlein, Die Datenschutz-Grundverordnung und das nationale Recht, S. 286; Raji, ZD 2019, 61 (64); Zielbauer, RDV 2021, 200 (201); Sundermann, K&R 2018, 438 (441); Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 209. Schließlich auch Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 85 DSGVO Rn. 6. 205 Kühling/Martini/Heberlein, Die Datenschutz-Grundverordnung und das nationale Recht, S. 286; Zeyher, Strafprozessuale Beweisverwertung von privatem Videomaterial am aktuellen Beispiel der Dashcam, S. 108. 206 Kühling/Martini/Heberlein, Die Datenschutz-Grundverordnung und das nationale Recht, S. 287; Zielbauer, RDV 2021, 200 (201); Raji, ZD 2019, 61 (64); Sundermann, K&R 2018, 438 (441); Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 209. 207 Die Befürworter einer Öffnungsklausel sehen hierin ein Versäumnis des Unionsgesetzgebers, Lauber-Rönsberg, AfP 2019, 373 (377). Vgl. auch Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter, S. 52 ff. Anders hingegen Ziebarth/Elsaß, ZUM 2018, 578 (582 f.). 208 Kühling/Martini/Heberlein, Die Datenschutz-Grundverordnung und das nationale Recht, S. 288; Raji, ZD 2019, 61 (64 f.); Zielbauer, RDV 2021, 200 (201); Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 209. Vgl. auch Bienemann, in: Sydow/Marsch, Art. 85 DSGVO Rn. 11, die indes betont, es könnte sich bei Art. 85 Abs. 3 DSGVO auch um einen Fehlverweis handeln. 209 Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 209; Raji, ZD 2019, 61 (65). Dazu auch Krüger/Wiencke, MMR 2019, 76 (78).
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Teil 4: Übergabe an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden
Art. 6 Abs. 1 – 3 DSGVO“210 konterkariert. Nach alledem sprechen die besseren Argumente dafür, allein in Art. 85 Abs. 2 DSGVO eine Öffnungsklausel zu erblicken.
III. Konsequenzen für die §§ 22 ff. KUG Sofern der Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet ist, können die §§ 22 ff. KUG nur dann herangezogen werden, wenn der Verantwortliche die Bildnisse zu den privilegierten Zwecken des Art. 85 Abs. 2 DSGVO verwendet.211 Dies führt zwangsläufig dazu, dass die §§ 22 ff. KUG nur noch eine partielle Anwendung finden.212 Außerhalb der journalistischen, wissenschaftlichen, künstlerischen und literarischen Zwecke beurteilt sich der Umgang mit Personenbildnissen nach Art. 6 DSGVO,213 wobei hinsichtlich der Übergabe beweisrelevanter Aufnahmen an die Strafverfolgungsbehörden regelmäßig Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO einschlägig ist.214 Da dieser – wie gesehen – eine umfassende Abwägung der konfligierenden Positionen verlangt, drängt sich die berechtigte Frage auf, inwieweit die Wertungen der §§ 22 ff. KUG im Rahmen des datenschutzrechtlichen Interessenausgleichs berücksichtigt werden können.215 Namentlich das LG Frankfurt spricht sich für eine solche Auflösung des Normkonflikts aus und zieht die §§ 22, 23 KUG „unter Berücksichtigung einer entsprechenden europarechtsautonomen Auslegung“216 heran.217 Diese mittelbare Bedeutung der nationalen Vorschriften ist allerdings mit Blick auf das europäische Schutzkonzept zweifelhaft.218 Die DSGVO regelt in ihrem Anwendungsbereich autonom, unter welchen Voraussetzungen eine Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig ist. Ein Rekurs auf mitgliedstaatliche Vorschriften und die dazu ergangene Rechtsprechung ist nur dann möglich, wenn eine 210 Kühling/Martini/Heberlein, Die Datenschutz-Grundverordnung und das nationale Recht, S. 287. 211 So auch Sundermann, K&R 2018, 438 (441). 212 Vgl. dazu Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter, S. 28. 213 Sundermann, K&R 2018, 438 (441). 214 Dazu Teil 4, B. 215 Wiederum umfassend Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter, S. 80 ff. 216 LG Frankfurt ZD 2018, 587 (588); ZD 2020, 204 (205). Zustimmend Hoeren, ZD 2018, 588; Zielbauer, RDV 2021, 200 (201 f.). 217 Für eine Berücksichtigung der §§ 22, 23 KUG sub specie des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO auch Sundermann, K&R 2018, 438 (443); Hansen/Brechtel, GRUR-Prax 2018, 369 (370); Scharpf, jurisPR-ITR 2021, 18/2021 Anm. 6; Faulhaber/Scheurer, jM 2019, 2 (3). Schließlich auch Raji, ZD 2019, 61 (66), der von einer Abwägungshilfe spricht. 218 Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter, S. 85 f.
D. Zusammenfassung Teil 4
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Öffnungsklausel existiert.219 Da Art. 85 Abs. 1 DSGVO einen reinen Anpassungsauftrag darstellt, fehlt es im hier interessierenden Zusammenhang an einem dogmatischen Anknüpfungspunkt, um die Wertungen der §§ 22 ff. KUG in den datenschutzrechtlichen Kontext zu integrieren.220 Andernfalls würden die genannten Normen ohne eine echte Öffnungsklausel über die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung entscheiden. Trotz dieses nachvollziehbaren dogmatischen Einwands sind sub specie des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO keine abweichenden Ergebnisse zu erwarten,221 zumal die Auslegung der §§ 22 ff. KUG bereits „europäisch“ beeinflusst ist.222 Für letztverbindliche Klarheit wird indes erst der EuGH sorgen können.223
IV. Ergebnis zur kunsturhebergesetzlichen Betrachtung des Übergabeaktes Die §§ 22 ff. KUG spielen hinsichtlich der Übergabe von beweisrelevanten Personenbildnissen an die Strafverfolgungsbehörden keine nennenswerte Rolle (mehr). Das unionale Datenschutzrecht erfasst diesen Vorgang i. d. R. abschließend; die Rechtmäßigkeit bemisst sich sonach am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Zudem statuiert Art. 85 Abs. 1 DSGVO keine fakultative Öffnungsklausel, sondern enthält lediglich einen an die Mitgliedstaaten gerichteten Anpassungsauftrag.
D. Zusammenfassung Teil 4 Sofern es dem Privaten gelingt, ein Beweismittel zu erlangen oder anzufertigen, das die Straftat eines anderen belegt, erfolgt regelmäßig eine Übergabe an die Polizei oder die Staatsanwaltschaft. Dieser Vorgang unterscheidet sich von der vorausgehenden Suche nach dem Beweismittel und bedarf folglich einer eigenständigen materiell-rechtlichen Bewertung. Aus der strafrechtlichen Perspektive werden wiederum die Privatschutzdelikte der §§ 201, 201a StGB relevant, die einzelne Tatmodalitäten beinhalten, die an den Umgang mit einer hergestellten Ton- oder Bildaufnahme anknüpfen. Auch wenn die rechtlichen Einbußen, die von einer Weitergabe an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden ausgehen, geringer zu bewerten sein sollten, überzeugt es nicht, dieses Verhalten schlechthin von dem strafbewehrten Verbot auszunehmen. Die Bediensteten der Polizei und der Staatsanwaltschaft sind konsequenterweise als Dritte i. S. d. §§ 201, 201a StGB einzu219
Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter, S. 86. Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter, S. 86. 221 Kirchhoff, NVwZ 2021, 1177 (1181); Reuter/Schwarz, ZUM 2020, 31 (33). 222 Dazu auch Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter, S. 84; Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057 (1060). 223 Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter, S. 86. 220
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Teil 4: Übergabe an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden
stufen. Sofern die Übergabe einer Ton- oder Bildaufnahme den Tatbestand der genannten Strafnormen verwirklicht, gelingt eine Rechtfertigung allein unter Rekurs auf den rechtfertigenden Notstand gem. § 34 StGB. Die notstandsauslösende Gefahr betrifft dabei das staatliche Strafverfolgungsinteresse, das zum Kreis der geschützten Rechtsgüter zählt. Anders als auf der Ebene der außerprozessualen Beweismittelsuche steht der Vorrang des staatlichen Ermittlungsverfahrens einer Erlaubnis nicht entgegen: Die Übergabe des Beweismittels an die zuständigen Ermittlungsbehörden verdeutlicht gerade, dass der Private das gesetzlich vorgesehene Verfahren insoweit akzeptiert. Letztlich wird diese Erkenntnis auch durch das Anzeigerecht aus § 158 StPO bestätigt, das zwar keinen eigenständigen Rechtfertigungsgrund statuiert, aber im Rahmen der Interessenabwägung des § 34 StGB Berücksichtigung findet. Die datenschutzrechtliche Bewertung hängt entscheidend davon ab, inwieweit die Übergabe des Beweismittels an die staatlichen Stellen dem Zweck zu dienen bestimmt ist, der bereits die ursprüngliche Datenverarbeitung geprägt hat. Strebt der Private nach wie vor dasselbe Ziel an, lässt sich die Weiterverarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO stützen. Komplexer fallen die Erwägungen indes aus, wenn der eigeninitiative Beweismittelsucher zunächst ausschließlich zivilrechtliche Intentionen verfolgt und erst zu einem späteren Zeitpunkt den Entschluss gefasst hat, (zugleich) strafrechtliche Zwecke wahrzunehmen. Der nationale Gesetzgeber hat jedoch von der Öffnungsklausel des Art. 6 Abs. 4 DSGVO Gebrauch gemacht und in den §§ 4 Abs. 3 S. 3, 24 Abs. 1 Nr. 1 BDSG einzelne Regelungen implementiert, die eine Weiterverarbeitung personenbezogener Daten gestatten, wenn dies zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist. Die kunsturhebergesetzlichen Regelungen der §§ 22 ff. KUG spielen mit Blick auf die Übergabe eines Bildnisses an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden keine Rolle mehr. Vor dem Hintergrund des unionalen Anwendungsvorrangs sind mitgliedstaatliche Vorschriften nur dann möglich, wenn sich der DSGVO eine Öffnungsklausel entnehmen lässt. Insoweit hat die Untersuchung gezeigt, dass der Rückgriff auf Art. 85 Abs. 2 DSGVO nicht weiterführt, da dieser lediglich spezifische Konstellationen regelt, die vorliegend jedoch nicht tangiert sind. Im Unterschied dazu normiert Art. 85 Abs. 1 DSGVO schon keine Öffnungsklausel, sondern lediglich einen Anpassungsauftrag, der mitgliedstaatliche Abweichungen aber gerade nicht gestattet. Zu beachten bleibt freilich, dass in sämtlichen Konstellationen ein etwaiges Beweisverwertungsverbot über das Merkmal der Eignung in das materiell-rechtliche Urteil betreffend den Übergabeakt einfließt.
Teil 5
Umgang mit Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren Das materielle Recht setzt dem menschlichen Verhalten im außerprozessualen Raum spezifische Grenzen und ordnet auf diese Weise das gesellschaftliche Zusammenleben. Zivil- und strafrechtliche Vorschriften sorgen dafür, dass grundlegende Verhaltensmaßstäbe unabhängig davon gelten, ob einzelne Personen eine stärkere oder schwächere Stellung einnehmen. Im hier interessierenden Kontext traten die materiell-rechtlichen Normen bislang insbesondere sub specie der eigeninitiativen Beweismittelsuche hervor, die regelmäßig außerhalb eines staatlich geordneten Verfahrens erfolgt – und gerade deshalb besondere Fragestellungen evoziert. Archiviert ein Privater fremde Gespräche heimlich mittels eines Aufnahmegeräts oder fertigt er Videoaufnahmen von anderen Personen an, beurteilt sich die Rechtmäßigkeit dieses Verhaltens am Maßstab der straf- und datenschutzrechtlichen Vorschriften, obschon einzelne prozessuale Einschläge existieren. Diese Wertungen treten auch dann hervor, wenn ein Privater die eigeninitiativ erlangten Beweismittel an die Strafverfolgungsbehörden übergibt – und somit gewissermaßen die Schwelle zum staatlichen Ermittlungsverfahren überschreitet. Der primäre Bewertungsmaßstab bleibt in all diesen Konstellationen unzweifelhaft das materielle Recht. Diese Perspektive verschiebt sich jedoch, wenn man das innerprozessuale Verhalten in den Blick nimmt: Zum einen tritt mit dem entscheidenden Richter ein staatlicher Akteur hinzu, der gem. Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist. Zum anderen beinhalten die jeweiligen Prozessordnungen eigenständige Vorschriften, die das Verfahren in geordnete Bahnen lenken und sonach unweigerlich auch das Verhalten der Beteiligten beeinflussen. Angesprochen sind insoweit die Vorgänge der Beweisführung durch einen Privaten1 sowie der Beweiserhebung und der anschließenden -verwertung durch den entscheidenden Richter. Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, dass ein Beweisverbot nicht auf den Verstoß gegen materiell-rechtliche Normen gestützt werden kann – und zwar selbst dann nicht, wenn der richterliche Umgang mit einzelnen Beweismitteln das Verdikt 1 Zu berücksichtigen ist freilich, dass Privatpersonen in einem zivilgerichtlichen Verfahren zumeist durch einen Rechtsanwalt vertreten werden. Da dieser jedoch keine staatliche Stelle ist, sondern den Mandanten vor Gericht vertritt, erfolgt im weiteren Verlauf der Überlegungen keine Differenzierung danach, ob der Private oder aber dessen Prozessbevollmächtigter handelt. Aus Gründen einer stringenten Darstellung wird zudem stets vom Verhalten des Privaten gesprochen.
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Teil 5: Umgang mit Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren
der Strafrechtswidrigkeit nach sich zieht. Diese Gedanken setzen implizit voraus, dass sich das innerprozessuale Verhalten der Verfahrensbeteiligten überhaupt an materiell-rechtlichen Maßstäben bewerten lässt. Um diesen Gesichtspunkt sachgerecht zu erörtern, muss zunächst der rechtliche Rahmen für das innerprozessuale Verhalten der Privatpersonen auf der einen und des erkennenden Richters auf der anderen Seite feststehen (A.). Sodann rücken die einzelnen Grenzen des materiellen Rechts in den Vordergrund. Der erste Blick gilt dabei den strafrechtlichen Verbotstatbeständen (B.), da sich in diesem Zusammenhang zentrale Leitplanken entwickelt haben. Anschließend werden die datenschutzrechtlichen Erlaubnisnormen beleuchtet (C.), bevor einzelne Erwägungen zu zivilrechtlichen Verhaltensvorgaben (D.) Teil 5 abschließen.
A. Der rechtliche Rahmen für innerprozessuales Verhalten Bei Lichte besehen berührt die aufgeworfene Frage wiederum einen Ausschnitt des komplexen Themenkreises, in welchem Verhältnis formelles und materielles Recht zueinander stehen. Im Ausgangspunkt ist heute nahezu unbestritten, dass das materielle Recht grundsätzlich für alle menschlichen Verhaltensweisen gilt – und sonach auch innerprozessuale Handlungen rechtswidrig sein können.2 Das Prozessrecht normiert gerade keinen abschließenden Verhaltenskodex, der sämtliche Vorgaben des materiellen Rechts per se verdrängt.3 Hinsichtlich des Umgangs mit privat erlangten Beweismitteln wird dies besonders deutlich, da eine Verfahrensvorschrift, die die Beweisführung und die anschließende Verwertung regelt, schlechterdings nicht existiert. Nichtsdestoweniger müssen die spezifischen Umstände – das heißt vornehmlich, dass in einem staatlichen Verfahren gehandelt wird –
2 Seiler, in: Peters-FS, S. 447 (460); Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 33; Brehm, in: Stein/Jonas, Einl. Rn. 42 ff.; Reichenbach, AcP 206 (2006), 598 (615). So schon Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, S. 197. Anders wohl allein Zeiss, NJW 1967, 703 (703 f.), der die Lehre von Goldschmidt und Niese dahingehend interpretiert, dass danach die Rechtswidrigkeit als prozessuale Kategorie gänzlich und in jedem möglichen Sinn ausscheidet. Kritisch gegen diese These Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 94. Ferner A. Popp, Verfahrenstheoretische Grundlagen der Fehlerkorrektur im Strafverfahren, S. 267 f., 358 f. 3 Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, S. 296 f.; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 98; ders., AcP 206 (2006), 598 (616). A. A. Blomeyer, Schadensersatzansprüche, S. 149, der den Zivilprozess – vergleichbar mit dem Bereich des Straßenverkehrs – als besonderen Rechtsraum einordnet, der einem spezifischen Regelungsregime unterworfen sei. Ferner Zeiss, NJW 1967, 703 (707), der ein innerprozessuales Verhalten nur dann als rechtswidrig einstuft, wenn ein Verstoß gegen die Pflicht zur redlichen Prozessführung vorliegt. Kritisch indes Hellwig, NJW 1968, 1072 (1076); Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, S. 290 ff. Im Vordergrund steht dabei allerdings regelmäßig die Frage, inwieweit die Inanspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens – etwa durch eine Klageerhebung – zivilrechtliche Schadensersatzansprüche auszulösen vermag.
A. Der rechtliche Rahmen für innerprozessuales Verhalten
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angemessen berücksichtigt werden.4 Um dies hinreichend deutlich abzubilden, differenzieren die nachfolgenden Ausführungen zwischen dem innerprozessualen Verhalten der Privatperson (I.) und des entscheidenden Richters (II.).
I. Innerprozessuales Verhalten der Privatperson Sofern das innerprozessuale Verhalten einer Privatperson in Rede steht, geht es vornehmlich um die Beweisführung in einem zivilgerichtlichen Verfahren, in dem die Parteien wegen des geltenden Darlegungs- und Beibringungsgrundsatzes dazu angehalten sind, die streitentscheidenden Tatsachen zu belegen. Inwieweit ein solches Vorgehen materiell-rechtliche Konsequenzen nach sich zu ziehen vermag, hängt entscheidend vom spezifischen Verständnis des zivilprozessualen Verfahrens selbst ab. Mitunter ähnliche Erwägungen gelten im Ausgangspunkt auch für innerprozessuale Verhaltensweisen im Strafverfahren, obschon die Übergabe von Beweismitteln an die staatlichen Stellen typischerweise bereits im Vorfeld der Hauptverhandlung stattfindet.5 1. Innerprozessuales Verhalten im Zivilverfahren Der Gesetzgeber gestattet die Selbsthilfe nur unter restriktiven Vorgaben und verweist die Privatpersonen grundsätzlich darauf, den geordneten Rechtsweg zu beschreiten. Diese legislatorische Vorstellung trifft aber nur dann auf gesellschaftliche Akzeptanz, wenn das Verfahrensrecht eine effektive Rechtsdurchsetzung ermöglicht und keine unüberwindbaren Hürden aufstellt.6 Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf, ob ein innerprozessuales Verhalten, das darauf gerichtet ist, die „wahre“ Rechtslage in einem dafür vorgesehenen gerichtlichen Verfahren darzulegen und insoweit a priori opportun erscheint, überhaupt in Konflikt mit den materiell-rechtlichen Vorschriften geraten kann.7 In der rechtswissenschaftlichen Diskussion firmieren diese Gesichtspunkte, die typischerweise materiell-rechtliche Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit prozessrelevantem Verhalten – wie insbesondere der Klageerhebung – betreffen,8 unter der befürchteten „Verkümmerung des Rechtsschutzes“.9 Reichenbach ist es dabei gelungen, diese grundlegenden Erwägungen, die das essenzielle Verhältnis zwischen sachlichem und prozessualem 4
Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 302. Dazu Teil 4. 6 Dazu schon Teil 3, B. II. 3. b). 7 In diese Richtung auch Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, S. 310, der diese Erwägung im Rahmen einer Privilegierung innerprozessualen Parteiverhaltens anstellt. 8 Aus der Rechtsprechung BGHZ 36, 18 (20 f.); 74, 9 (13 ff.). Zum Ganzen Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, S. 192 ff. 9 Zeiss, NJW 1967, 703 (705); Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, S. 276. Vgl. auch Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 303. 5
468
Teil 5: Umgang mit Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren
Recht betreffen, auch für die Beweisverbotslehre fruchtbar zu machen.10 Denn müsste der Private, der ein eigeninitiativ erlangtes Beweismittel beibringt, regelmäßig befürchten, dass gerade dieser innerprozessuale Vorgang persönliche strafoder zivilrechtliche Folgen zeitigt, könnte er sich dazu veranlasst sehen, auf die Wahrheitsermittlung – und die vorhandene Informationsquelle – zu verzichten.11 Freilich verliert dieses Argument an Gewicht, wenn der Beweisführer das in Rede stehende Beweismittel selbst außerprozessual in rechtswidriger Manier erlangt hat, da die rechtlichen Sanktionen insoweit bereits an dieses vorgelagerte Verhalten anknüpfen können. Die Privatperson, die ein fremdes Gespräch heimlich mittels eines Tonaufnahmegeräts konserviert und dabei gegen § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB verstoßen hat, wird wohl auch in Kauf nehmen, bei der gerichtlichen Verwendung eine neuerliche strafbewehrte Rechtsverletzung zu begehen. Nichtsdestoweniger sind auch Fallgestaltungen denkbar, in denen der Beweisführer das Beweismittel nicht selbst erlangt hat und folglich auch nicht für einen etwaigen vorausgehenden Rechtsverstoß verantwortlich zeichnet. Jedenfalls in diesen Konstellationen ist eine potenzielle „Verkümmerung des Rechtsschutzes“ durch eine drohende Sanktion nicht von der Hand zu weisen. Allerdings reicht dieses Risiko nicht so weit, um die materiell-rechtlichen Verhaltensanforderungen gänzlich aus dem prozessualen Raum zu verdrängen und einen eigenständigen Rechtswidrigkeitsmaßstab zu implementieren.12 Zum einen beschreibt die Wahrheitssuche nur eine Facette des zivilprozessualen Rechtsstreits, der zudem gerade nicht darauf angelegt ist, die materielle Wahrheit um jeden Preis aufzudecken.13 Einzelne Einschränkungen genügen sonach nicht, um einer „Verkümmerung des Rechtsschutzes“ das Wort zu reden – und zwar selbst dann nicht, wenn sich diese mittelbar aus etwaigen materiell-rechtlichen Sanktionen ergeben. Zum anderen gibt die gerichtliche Inanspruchnahme keinen Freibrief, andere Verfahrensbeteiligte in deren materiell-rechtlich geschützten Positionen zu beeinträchtigen.14
10 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 101 ff.; ders., AcP 206 (2006), 598 (617). 11 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 103. Vgl. auch BGH NJW 1987, 3138 (3139). 12 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 103. Abweichend hingegen ders., AcP 206 (2006), 598 (617) hinsichtlich der Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Informationen. 13 BGHZ 153, 165; Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469 (473); Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 142; Konzen, Rechtsverhältnisse zwischen Prozeßparteien, S. 246; Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 101. 14 In diese Richtung auch Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 302; Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, S. 196.
A. Der rechtliche Rahmen für innerprozessuales Verhalten
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2. Innerprozessuales Verhalten im Strafverfahren Im strafprozessualen Kontext ist die Frage, woraus sich die maßgeblichen Verhaltensanforderungen im innerprozessualen Raum ergeben, zumeist von eher untergeordneter Bedeutung. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass Private ihre eigeninitiativ erlangten Beweismittel regelmäßig bereits im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden aushändigen und nicht selbst in den Prozess einführen. Übergibt der Beweismittelsucher eine heimlich angefertigte Tonaufnahme an die Staatsanwaltschaft oder spielt diese vor den ermittelnden Polizeibeamten ab, muss sich dieses Vorgehen zweifelsohne am Maßstab des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB messen lassen.15 Innerhalb der Hauptverhandlung ist es aber zumeist nicht eine Privatperson, die das Tonband als Beweismittel anbietet oder gar abspielt; dies erfolgt vielmehr durch die staatlichen Stellen. Allerdings lassen sich einzelne Fallkonstellationen ausmachen, in denen das innerprozessuale Verhalten eines Privaten im Vordergrund steht. Dies betrifft zunächst die Aussage eines Lauschzeugen, der in der Hauptverhandlung schildert, welche Wahrnehmungen er zuvor gemacht hat. Eine Sonderrolle nehmen schließlich auch die Fälle ein, in denen sich der Angeklagte einer – möglicherweise manipulierten – erdrückenden Beweislage ausgesetzt sieht und den einzigen Ausweg darin erblickt, eine ihm erst zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehende Tonaufnahme vorzulegen, die beispielsweise eine zentrale Zeugenbehauptung als Falschaussage entlarven soll. In beiden Situationen begründet der Umstand, dass sich der mögliche Verstoß gegen § 201 Abs. 1 Nr. 2 oder Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB innerhalb des gerichtlichen Verfahrens abspielt, für sich betrachtet noch nicht die Straffreiheit dieser beweisrechtlich relevanten Maßnahme. 3. Konsequenzen für das innerprozessuale Verhalten von Privatpersonen Entscheidend – und dies gilt sowohl für das Zivil- als auch das Strafverfahren – ist vielmehr, inwieweit sich diese innerprozessualen Verhaltensweisen legitimieren lassen – sei es durch die anerkannten Rechtfertigungsgründe oder aber das Prinzip der Interessenabwägung, das sowohl sub specie des Datenschutzrechts als auch des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts bedeutsam ist. Innerhalb der bindenden materiell-rechtlichen Vorgaben müssen indes die besonderen Umstände berücksichtigt werden, die das innerprozessuale Verhalten von Privatpersonen beeinflussen.16 Diese Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände, unter denen eine innerprozessuale Handlung erfolgt, bedingt allerdings keinen zwingenden und umfassenden Gleichlauf zwischen dem formellen und dem materiellen Recht, da es sich insoweit um eigenständige Rechtskreise handelt, die von unterschiedlichen Wertungen beeinflusst werden. Vor diesem Hintergrund ist ein divergierendes Er15 16
Dazu Teil 4, A. I. Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 105.
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Teil 5: Umgang mit Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren
gebnis schlichtweg nicht ungewöhnlich.17 Allein die Erkenntnis, dass eine bestimmte Verhaltensweise – etwa die Zeugenaussage in einem Straf- oder Zivilverfahren – prozessual zulässig ist, beinhaltet keine Entscheidung darüber, ob diese zugleich auch aus der materiell-rechtlichen Perspektive erlaubt ist. Exemplarisch kann dabei wiederum auf die Aussagen eines schweigepflichtigen Zeugen verwiesen werden, die nach h. M. trotz des Verstoßes gegen § 203 StGB auf keine prozessualen Bedenken stoßen.18
II. Das richterliche Verhalten im Prozess Ein komplexeres Bild ergibt sich, wenn man die Verfahrensrolle des Richters in den Blick nimmt, da dieser dazu verpflichtet ist, eine verbindliche Entscheidung zu treffen.19 Es steht ihm sonach – um bei dem zuvor bemühten Vergleich mit dem schweigepflichtigen Zeugen zu bleiben, dem ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht – gerade nicht frei, ob er eine spezifische prozessrelevante Handlung (etwa die Beweiserhebung) vornimmt oder aber unterlässt.20 Diese besondere Stellung kommt auch in Art. 97 Abs. 1 GG zum Ausdruck, dem zufolge Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Die richterliche Unabhängigkeit, die zu den tragenden Säulen der rechtsstaatlichen Gerichtsbarkeit zählt,21 soll gewährleisten, dass Richter ohne äußere Einflussnahme allein nach den gesetzlichen Vorgaben judizieren. Bei näherem Hinsehen verlangt diese zentrale Vorstellung, dass es dem Richter faktisch auch möglich sein muss, die geltenden Gesetze, deren äußere Grenzen vielfach nicht gänzlich rechtssicher feststehen, auszuschöpfen.22 Gerade die umfassende Debatte, inwieweit eigeninitiativ erlangte Beweismittel vor Gericht verwertbar sind, verdeutlicht, in welchem weitreichenden Spektrum sich die rechtliche Entscheidungsfindung bewegen kann. Die richterliche Unabhängigkeit sowie die Entscheidungsfreude23 erführen eine erhebliche Einbuße, wenn der Richter befürchten müsste, für sämtliche Rechtsverstöße persönlich belangt werden zu können.24 Hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche statuiert § 839 Abs. 2 S. 1 BGB das sog. Spruchrichterprivileg, nach 17
Brehm, in: Stein/Jonas, Einl. Rn. 42. Dazu schon Teil 3, B. I. 1. 19 Zum gesamten Themenfeld der Strafbarkeitsrisiken, die bei der Strafverfolgung drohen, Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 27 ff. 20 Dazu auch Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 405 f. 21 Gerhold, in: BeckOK-GVG, § 1 Rn. 1. 22 Zu diesem Gedanken Schroeder, GA 1993, 389 (394). 23 Vgl. etwa BGHSt 32, 357 (363); 41, 247 (251). Kritisch hingegen Fischer, Strafgesetzbuch, § 339 Rn. 31. 24 Bange, in: BeckOK-StGB, § 339 Rn. 28; Kuhlen, HRRS 2015, 492 (493); Reinert, in: BeckOK-BGB, § 839 Rn. 105. Kritisch aus der amtshaftungsrechtlichen Perspektive Papier/ Shirvani, in: MüKo-BGB8, § 839 Rn. 381. 18
A. Der rechtliche Rahmen für innerprozessuales Verhalten
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dem der Amtsträger, der seine Amtspflicht bei dem Urteil in einer Rechtssache verletzt, nur dann verantwortlich ist, „wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht“.25 Die amtshaftungsrechtlichen Gesichtspunkte berühren einen eigenständigen Fragenkreis und sollen im Rahmen dieser Untersuchung nicht näher beleuchtet werden. Weiterführend ist indes ein Gedanke, der bei näherer Betrachtung eng mit dem Spruchrichterprivileg des § 839 Abs. 2 S. 1 BGB zusammenhängt und in der Frage kulminiert, inwieweit der entscheidende Richter Gefahr läuft, sich im Zuge des gerichtlichen Verfahrens strafbar zu machen, wenn er privat erlangte Beweismittel erhebt und schließlich verwertet. Eine Antwort hierauf kann nicht ohne Rekurs auf § 339 StGB gefunden werden, der nach h. M. nicht allein die vorsätzliche Rechtsbeugung pönalisiert,26 sondern zugleich eine sog. Sperrwirkung entfaltet und den Rückgriff auf andere Straftatbestände, die in einem inneren Zusammenhang mit der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache stehen, ausschließt, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 339 StGB nicht erfüllt sind.27 Die mannigfaltigen Begründungsansätze der Sperrwirkung, die sich bisweilen ergänzen oder jedenfalls überschneiden,28 können im Rahmen dieser Untersuchung ebenso dahingestellt bleiben wie die exakte dogmatische Verortung.29 Entscheidend ist vielmehr die Erkenntnis, dass das strafrechtliche Wertesystem immanente Grenzen enthält, die den Richter vor einem unbilligen Sanktionsrisiko zu schützen vermögen.30
III. Ergebnis zum rechtlichen Rahmen für innerprozessuales Verhalten Sowohl das innerprozessuale Verhalten einer Privatperson als auch dasjenige des entscheidenden Richters muss neben den formellen Vorgaben der jeweiligen Pro25
Reinert, in: BeckOK-BGB, § 839 Rn. 178; Teichmann, in: Jauernig, § 839 Rn. 29 ff. Umfassend zu diesem zentralen Straftatbestand Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 157 ff. 27 BGHSt 10, 294 (298); 32, 357 (364 f.); 41, 247; BGH NStZ 2015, 651 (652); Uebele, in: MüKo-StGB3, § 339 Rn. 71; Bange, in: BeckOK-StGB, § 339 Rn. 28. Explizit gegen die Sperrwirkung Stein/Deiters, in: SK-StGB, § 339 Rn. 5 ff.; Begemann, NStZ 1996, 389. 28 Uebele, in: MüKo-StGB3, § 339 Rn. 71; Kuhlen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 339 Rn. 91; Schroeder, GA 1993, 389 (391 ff.); Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 552 ff. 29 Sinner, in: Matt/Renzikowski, § 339 Rn. 33; Schroeder, GA 1993, 389 (396) und Uebele, in: MüKo-StGB3, § 339 Rn. 72 plädieren für einen Rechtfertigungsgrund. Kudlich, in: SSWStGB, § 339 Rn. 35 tritt für einen Strafausschlussgrund ein. Für eine Einordnung auf Ebene der Konkurrenzen unter Rekurs auf die Spezialität des § 339 StGB Kuhlen, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 339 Rn. 92. Zum Ganzen Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 555 ff. 30 Zur weiteren Analyse der tatbestandlichen Reichweite des § 339 StGB sowie der damit verbundenen Sperrwirkung Teil 5, B. V. 26
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Teil 5: Umgang mit Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren
zessordnungen auch die materiellen Grenzen einhalten. Zwar stellt das Gerichtsverfahren einen besonderen rechtlichen „Raum“ dar, der von spezifischen Regelungen beeinflusst wird. Nichtsdestoweniger gelten in diesem die materiell-rechtlichen Regelungen fort. Das innerprozessuale Verhalten einer Privatperson nimmt insbesondere im zivilgerichtlichen Verfahren eine zentrale Rolle ein, in dem sich die Parteien als gleichberechtigte Personen gegenüberstehen und wegen der überkommenen Beibringungsmaxime dafür verantwortlich sind, die ihnen günstigen Tatsachen nachzuweisen, sofern diese streitig sind. Diese prozessuale Struktur, die eine Beweisführung durch die prozessbeteiligten Privatpersonen verlangt, vermag für sich betrachtet indes nicht zu legitimieren, warum dieses Verhalten fremde Rechtspositionen verletzen darf. Vielmehr ist entscheidend, die besonderen prozessualen Umstände, unter denen die Beweisführung erfolgt, sachgerecht in die materiellrechtliche Bewertung einzustellen. Das richterliche Verhalten ist angesichts der intensiven Eingriffe, die eine hoheitliche Entscheidung in einem Gerichtsverfahren nach sich ziehen kann, einem erhöhten Risiko ausgesetzt, in das Fahrwasser materiell-rechtlicher Verhaltensverbote zu geraten. Um die richterliche Unabhängigkeit nicht über Gebühr einzuschränken, entfaltet § 339 StGB, der die vorsätzliche Rechtsbeugung bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache pönalisiert, eine Sperrwirkung gegenüber anderen Straftatbeständen.
B. Strafrechtliche Grenzen des innerprozessualen Verhaltens Von gesteigertem Interesse sind zunächst die Vorschriften der §§ 201, 201a StGB, die einzelne Weitergabe- und Verbreitungsformen unter Strafe stellen. Dies gilt nicht allein wegen der besonderen Strahlkraft strafrechtlicher Verbotsnormen, sondern auch aufgrund ihrer Zielrichtung, besondere Persönlichkeitsrechte zu schützen, die im Fall ihrer Verletzung automatisch einen rechtswidrigen Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht begründen.31 Eine weitere Grenze ist in § 202d StGB zu erblicken, der die sog. Datenhehlerei pönalisiert und schon aufgrund der tatbestandlichen Struktur, die an eine vorangehende rechtswidrige Tat durch einen anderen anknüpft, eine zentrale Rolle einzunehmen scheint.
I. § 201 StGB Eine etwaige Strafbarkeit gem. § 201 StGB kommt hinsichtlich des innerprozessualen Verhaltens unter zwei divergierenden Gesichtspunkten infrage. Sofern 31
Teil 2, A. III. 2. a).
B. Strafrechtliche Grenzen des innerprozessualen Verhaltens
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eine unbefugt hergestellte Tonaufnahme in Rede steht, drängt sich ein Verstoß gegen § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf, wenn eine Privatperson oder der entscheidende Richter diese im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens abspielen (1.). Darüber hinaus untersagt § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB die öffentliche Mitteilung des aufgenommenen oder abgehörten nichtöffentlich gesprochenen Wortes im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach (2.). Diese Tatbestandsmodalität wird zuvorderst in ausgewählten Konstellationen des Lauschzeugeneinsatzes relevant. 1. Tonaufnahmen – § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB Gem. § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB wird bestraft, wer eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. Nach dem im Rahmen dieser Untersuchung verfolgten Ansatz liegt der Strafnorm eine monistische Konzeption zugrunde, so dass allein unbefugt hergestellte Tonaufnahmen von dem Verbot erfasst werden.32 Die Erwägungen zur außerprozessualen Beweismittelsuche haben belegt, dass dieses Szenario keinesfalls selten ist und deshalb faktisch zu vernachlässigen wäre. Insbesondere dann, wenn das eigeninitiative Verhalten darauf gerichtet ist, eine bloß zivilrechtlich relevante Tatsache zu belegen, lässt sich eine heimliche Aufnahme des nichtöffentlich gesprochenen Wortes regelmäßig nicht unter Rekurs auf § 34 StGB rechtfertigen.33 Sofern eine Privatperson in der zivilprozessualen Verhandlung einen – unbefugt hergestellten – Tonträger als Beweismittel anbietet oder die Aufnahme gar abspielt (bzw. abspielen lässt), liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB a priori eindeutig vor –34 und zwar unabhängig davon, welcher Tathandlungsvariante dieses Verhalten schlussendlich subsumiert wird.35 Auch der Angeklagte, der zu seiner Verteidigung eine unbefugt hergestellte Tonaufnahme in der gerichtlichen Hauptverhandlung vorbringt, verwirklicht den objektiven Tatbestand der Strafnorm. Schließlich gilt dies auch für den entscheidenden Richter, der den Tonträger im Wege des Augenscheinsbeweises36 in das Verfahren einführt oder die Aufnahme hinsichtlich der konkreten Entscheidungsfindung – möglicherweise auch isoliert und 32 Teil 4, A. I. 1. Explizit zur Auslegung des Merkmals unbefugt im Kontext des innerprozessualen Gebrauchs eines Tonbands Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Tonund Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 152; Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 210. 33 Teil 2, C. IV. 3. b) ff). 34 BGH NJW 1982, 277; BAG NJW 1983, 1691 (1692). 35 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 142. Zur Auslegung der Tathandlungen Teil 4, A. I. 2. 36 BGHSt 36, 167 (173); B. Kramer, NJW 1990, 1760; Weiss, Heimliche Tonaufnahmen durch Strafverfolgungsorgane, S. 150. Für den Zivilprozess Pleyer, ZZP 69 (1956), 321 (322 f.).
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außerhalb der eigentlichen Verhandlung – abspielt.37 Einzelne Stimmen werfen eher beiläufig die Frage auf, ob der Tatbestand teleologisch zu reduzieren sei, wenn die Reproduktion der Aufnahme ausschließlich dazu dient, in einem staatlichen Gerichtsverfahren die wahre Tatsachenlage zu rekonstruieren.38 Hinter diesen Überlegungen dürfte wohl die besondere Verfahrensrolle stehen, die der entscheidende Richter im Vergleich zu den Privatpersonen einnimmt: Dieser ist aufgrund seiner Stellung dazu aufgerufen, eine verbindliche Entscheidung zu treffen – und zwar nicht allein in der Sache selbst, sondern auch hinsichtlich eines etwaigen Beweisverbots. Dieser Entscheidungszwang könnte im Ergebnis dazu führen, dass der Richter einem gesteigerten Strafbarkeitsrisiko ausgesetzt ist, und sonach dessen Entscheidungsfreudigkeit unverhältnismäßig eingeschränkt wird. Bei Lichte besehen trägt diesen Bedenken bereits § 339 StGB hinreichend Rechnung, da die Vorschrift eine Sperrwirkung entfaltet und eine Strafbarkeit gem. § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB nur vorsieht, wenn der Richter die strengeren Voraussetzungen des Rechtsbeugungstatbestands erfüllt.39 Eine darüber hinausgehende Privilegierung lässt sich auf der tatbestandlichen Ebene nicht begründen und ist aus der Perspektive des geschützten Rechtsguts auch nicht geboten, da gerade der innerprozessuale Gebrauch einer Tonaufnahme einen besonders intensiven Eingriff darstellt.40 Für dieses Ergebnis streiten schließlich auch gesetzessystematische Erwägungen. Indem der Gesetzgeber in § 201 Abs. 3 StGB den unbefugten Gebrauch einer Tonaufnahme durch Amtsträger, zu denen gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. a StGB auch Richter zählen, qualifiziert bestraft,41 legt dies implizit den Schluss nahe, dass der Grundtatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB seinerseits nicht zu weit geraten ist und auch das richterliche
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Gropp, StV 1989, 216 (221 f.); Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 119 f.; Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 83. So wohl auch B. Kramer, NJW 1990, 1760 (1763). Offenlassend indes Gamp, ZZP 96 (1983), 115 (117). Abweichend hingegen Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 142, der wohl von der alleinigen Täterschaft des Privaten ausgeht. In diese Richtung deuten auch die Ausführungen in BGH NJW 1982, 277. Hiervon divergiert die Fragestellung, inwieweit bei der (heimlichen) Aufnahme von Vernehmungen i. S. d. StPO das Schutzgut des § 201 Abs. 1 StGB überhaupt tangiert ist, vgl. Weiss, Heimliche Tonaufnahmen durch Strafverfolgungsorgane, S. 52 ff., 62 f. Aus diesen Überlegungen kann aber entgegen Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 150 Fn. 610 nicht gefolgert werden, die Vorschrift betreffe allein Tonaufnahmen durch Privatpersonen. 38 B. Kramer, NJW 1990, 1760 (1763); Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 142 f. Indes lehnen die Stellungnahmen eine solche Restriktion berechtigterweise ab. Vgl. schließlich auch Bienert, Private Ermittlungen, S. 28 Fn. 139. 39 Teil 5, A. II. 40 B. Kramer, NJW 1990, 1760 (1763); Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 143; Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 151. 41 § 201 Abs. 3 StGB normiert deshalb ein sog. unechtes Amtsdelikt, Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 345.
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Verhalten erfasst.42 Schließlich unterscheidet sich § 201 StGB in einem wesentlichen Gesichtspunkt von anderen Strafnormen, die nach ihrer tatbestandlichen Konzeption ebenfalls in erhöhtem Maß durch die richterliche Verhandlungsführung verwirklicht werden könnten.43 Besonders augenscheinlich wird dies bei einem vergleichenden Blick auf die Datenhehlerei nach § 202d StGB sowie den Besitz kinderpornographischer Inhalte gem. § 184b StGB, die solche Handlungen bereits tatbestandlich aussondern, die ausschließlich der rechtmäßigen Erfüllung dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen.44 Auf diese Weise privilegiert der Gesetzgeber konkrete und grundsätzlich strafbewehrte Verhaltensweisen, sofern besondere Begebenheiten vorliegen. Indem ein solcher bewusster normativer Hebel im Rahmen des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB aber gerade nicht existiert, lassen sich hieraus weitere Indizien ableiten, die gegen eine generelle Straflosigkeit des Richters sprechen, der eine unbefugt hergestellte Tonaufnahme gebraucht. Ein sachgerechter Umgang ist nach allem auf der Ebene der Rechtswidrigkeit zu suchen. 2. Öffentliche Mitteilung – § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB Gem. § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB wird weiterhin bestraft, wer „das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Nr. 1 abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt.“ Hinter dieser häufig kritisierten Strafnorm,45 die erst nachträglich im Jahr 1990 in den § 201 StGB integriert wurde,46 steht die Erkenntnis, dass sowohl das Aufnehmen als auch das Abhören fremder Gespräche typischerweise zu dem Zweck erfolgen, die gewonnenen Informationen später auch zu veröffentlichen und dieses Verhalten ebenfalls strafwürdiges Unrecht darstellt.47
42 Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 150. Abweichend hingegen Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 335 Fn. 470. 43 In Anlehnung an Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 110 ließe sich von „Strafverfolgungsdelikten“ sprechen. 44 Zu § 202d Abs. 3 StGB Eisele, in: Sch/Sch, § 202d Rn. 15 f.; Graf, in: MüKo-StGB4, § 202d Rn. 30 ff.; Michaelis, MMR 2020, 586 (590). Schließlich auch Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 114, der auf den Ausnahmecharakter dieses Tatbestandsausschlusses sub specie der Strafverfolgungsdelikte, die Individualrechtsgüter schützen, spricht. Zu § 184b Abs. 5 StGB Ziegler, in: BeckOK-StGB, § 184b Rn. 21 ff. 45 Zur Kritik Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (139 f.); Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 26. 46 Zu den historischen Hintergründen instruktiv Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135. 47 BT-Drs. 11/6714, S. 3; Bosch, in: SSW-StGB, § 201 Rn. 10. Dazu auch Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 18; Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (136 ff.). Auf die Strafwürdigkeit weist auch BT-Drs. 11/7414, S. 3 explizit hin. Aus dem genannten Schutzanliegen resultieren gewisse Parallelen zum Hehlereitatbestand des § 259 StGB, Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (137 f.).
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Im Kontext der eigeninitiativen Beweismittelsuche und der prozessualen Verwertung spielt die Strafvorschrift bislang keine nennenswerte Rolle.48 Dies mag zwar mit dem originären Anwendungsbereich der Norm zu erklären sein, der sich vornehmlich auf die Medienberichterstattung erstreckt und auf einige öffentlichkeitswirksame Fälle zurückzuführen ist, die dem Gesetzgebungsverfahren vorausgegangen sind.49 Gleichwohl darf nicht außer Acht bleiben, dass der Strafvorschrift auch weitere Anwendungsfelder zukommen,50 zu denen auch der innerprozessuale Umgang mit privat erlangten Beweismitteln rechnen könnte. Dabei lassen sich zwei unterschiedliche Konstellationen feststellen: Zunächst betrifft dies Privatpersonen, die über den Inhalt des aufgenommenen oder mit einem Abhörgerät belauschten Wortes berichten, ohne dabei eine Tonaufnahme abzuspielen.51 Darüber hinaus vermag auch das richterliche Verhalten in das Fahrwasser des § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB zu geraten; angesprochen sind damit die Bereiche der mündlichen Urteilsverkündung einerseits sowie der schriftlichen Abfassung der Urteilsgründe andererseits. In Übereinstimmung mit den Aussagen zu § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB bezieht sich auch § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB nur auf solche Vortaten, die ihrerseits unbefugt – mithin rechtswidrig – erfolgten.52 Sofern etwa der Lauschzeugeneinsatz i. S. d. § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB gem. §§ 32, 34 StGB gerechtfertigt war, scheidet bei einer nachfolgenden öffentlichen Mitteilung des abgehörten Wortes bereits der objektive Tatbestand des § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB aus, so dass eine Strafbarkeit unabhängig davon entfällt, ob ein Rechtfertigungsgrund gerade die Publikation gestat-
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Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 148 ff. spricht die Norm zwar an, wendet sich dann aber ebenfalls anderen rechtlichen Gesichtspunkten zu. Ähnliches gilt auch für Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 123, der § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB hinsichtlich der Ablehnung eines Beweisantrags gem. § 244 Abs. 3 StPO diskutiert. Schließlich rekurriert Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 230 f. im Kontext der hier ausgeklammerten Sachvortragsverbote kurz auf § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB. 49 Vgl. BT-Drs. 11/6714, S. 3; BT-Drs. 11/7414, S. 3; Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 74. Auf den Einfluss dieser Fälle weist auch Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (140) hin. 50 Auch Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (144) betont, dass die Strafnorm in anderen Fällen relevant werden kann. 51 Relevant wird dies namentlich in den Fällen, in denen ein Lauschzeuge aussagt, Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 148. Darüber hinaus ist freilich auch möglich, dass die klagende oder beklagte Partei ihrerseits über ein belauschtes Gespräch berichtet. Insoweit werden Zusammenhänge mit einem etwaigen Sachvortragsverbot augenscheinlich. 52 Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 26; Fischer, Strafgesetzbuch, § 201 Rn. 8; R. Schmitz, JA 1995, 118 (120). Hierauf deuten auch die Formulierungen in den Begründungen BT-Drs. 11/ 6714, S. 3 und BT-Drs. 11/7414, S. 4 hin, in denen von illegal aufgenommenen bzw. abgehörten Gesprächsinhalten die Rede ist. Vgl. schließlich instruktiv zur gesamten Diskussion Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (145 ff.).
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tet.53 Zwar unterscheidet sich der Mitteilungstatbestand von den anderen Begehungsmöglichkeiten des § 201 StGB insoweit, als dieser „nur“ einen mittelbaren Einbruch in die geschützte Sphäre des nichtöffentlich gesprochenen Wortes pönalisiert54 und vor diesem Hintergrund letztendlich ein Indiskretionsdelikt beschreibt.55 Der Gesetzgeber hat dieses jedoch nicht in einem eigenständigen Tatbestand – oder jedenfalls einem separaten Absatz – mit gesonderten normativen Voraussetzungen geregelt, sondern in die bestehenden Strukturen des § 201 StGB integriert.56 Das indiskrete Verhalten kann vor diesem Hintergrund nicht ohne die Art und Weise der Informationsermittlung – das Wie – bewertet werden. Der objektive Tatbestand des § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB verlangt eine öffentliche Mitteilung des nichtöffentlich gesprochenen Wortes eines anderen im Wortlaut oder aber seinem wesentlichen Inhalt nach. Irrelevant ist dabei, wer die vorangehende Tatmodalität – das unbefugte Aufnehmen oder aber das Abhören mit einem Abhörgerät – begangen hat;57 unerheblich ist ebenso, in welcher Form die öffentliche Mitteilung erfolgt, so dass neben der mündlichen auch die schriftliche Wiedergabe umfasst ist.58 Inwieweit das private oder richterliche Verhalten im Prozess gegen das Publikationsverbot aus § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB verstößt, hängt im Wesentlichen davon ab, welche Bedeutung dem Terminus öffentlich zukommt. Maßgeblich ist im Ausgangspunkt, ob die Mitteilung von einem größeren und unbestimmten Personenkreis wahrgenommen werden kann, deren einzelne Mitglieder nicht durch persönliche Beziehungen miteinander verbunden sind.59 Die wissenschaftliche Diskussion beschränkt sich – ganz nach den legislatorischen Vorstellungen – nahezu ausnahmslos auf Veröffentlichungen in den Medien,60 die in 53 In diese Richtung auch Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 26. Abweichend hingegen – wie sub specie des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB – Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (150); Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 23; Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 27. Ferner Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 76.02. Ebenso müssten auch die Anhänger des dualistischen Modells argumentieren. 54 Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 18. Diese mittelbare Verletzung hatte die Begründung zu § 182 E 1962, BT-Drs. IV/650, S. 332, gerade nicht genügen lassen, um eine Strafbarkeit annehmen zu können. Zum Ganzen auch Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (141). 55 Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 74; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 23; Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 26. Schließlich Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/ Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 18, der darauf hinweist, dass es sich nicht um ein „reines Indiskretionsdelikt“ handele. Vgl. auch Rogall, in: Hirsch-FS, S. 665 (677 f.). 56 Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (145). 57 Insoweit ist unstrittig, dass sowohl der Aufnehmende bzw. Abhörende als auch ein bislang Unbeteiligter als Täter des § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB in Betracht kommen können. Dazu Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 24; Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 74; Tag, in: Dölling/Duttge/König/Rössner, HK-GS, § 201 StGB Rn. 14. 58 Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 36; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 26; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 19; R. Schmitz, JA 1995, 118 (120). 59 BT-Drs. 11/6714, S. 3; BT-Drs. 11/7414, S. 4; Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 36. 60 Vgl. auch Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 230 f.
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praxi eine bedeutende Rolle spielen.61 Nichtsdestoweniger stellt auch die gerichtliche Verhandlung mitsamt der Urteilsverkündung einen Raum dar, den man der Öffentlichkeit i. S. d. § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB zuordnen muss.62 Dies ergibt sich bereits aus einem Vergleich mit der Interpretation des Merkmals nichtöffentlich,63 in dessen Kontext weitgehende Einigkeit darüber herrscht, dass das gesprochene Wort in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung zugleich auch öffentlich ist und dessen Aufnahme sonach gerade nicht unter § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB fällt.64 Für diese These streitet auch der zentrale Öffentlichkeitsgrundsatz des § 169 Abs. 1 S. 1 GVG, der sowohl für den Straf- als auch den Zivilprozess gilt und nach wie vor ein „tragendes Prinzip des Verfahrensrechts“ beschreibt.65 Nach diesem übt die Öffentlichkeit eine gewisse Kontrollfunktion aus, indem sie von den prozessualen Vorgängen, die sich gerade nicht hinter verschlossenen Türen abspielen, grundsätzlich Kenntnis nehmen kann.66 Transferiert man diesen Gedankengang auf die Ebene des § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB, können keine ernstlichen Zweifel daran bestehen, die innerprozessualen Vorgänge, die sich auf die inhaltliche Wiedergabe des aufgenommenen oder abgehörten Wortes erstrecken, als öffentliche Mitteilung aufzufassen.67 Dabei ist es bedeutungslos, ob der Inhalt tatsächlich von einem größeren Personenkreis wahrgenommen wird, da die bloße Möglichkeit hierzu genügt.68 Schließlich spricht auch die Intention des § 201 StGB, den Sprechenden im Vertrauen auf die Flüchtigkeit seines geäußerten Wortes zu schützen, für dieses Verständnis. Denn angesichts der weitreichenden Konsequenzen, die ein gerichtliches Verfahren für den hiervon negativ Betroffenen mit sich bringt, ist das Schutzbedürfnis gerade in der innerprozessualen Sphäre besonders ausgeprägt. Vor diesem Hintergrund ist die öffentliche Mitteilung in einem Gerichtsverfahren auch geeignet, die berechtigten Interessen des Betrof-
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Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (144). Implizit auch Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 123 für das Verlesen eines Ablehnungsbeschlusses. Offenlassend hingegen Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 230 f. 63 In diese Richtung deutet auch der Verweis bei Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 74. 64 Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 16; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 10. Abweichend hingegen Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 257 f. 65 Pabst, in: MüKo-ZPO, § 169 GVG Rn. 1, der allerdings zugleich die abnehmende Bedeutung des Öffentlichkeitsgrundsatzes anmahnt. 66 So schon BGHSt 3, 386 (390). Ferner Geismann, in: 1. Tagung Junger Prozessrechtswissenschaftler, S. 111 (113); Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 65. 67 In diese Richtung auch Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 123, allerdings bezogen auf die Ablehnung eines Beweisantrags gem. § 244 Abs. 3 StPO. Sofern die Verhandlung allerdings nichtöffentlich erfolgt, scheidet auch der Tatbestand des § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB aus. Vgl. dazu im Kontext des § 201 Abs. 1 StGB Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 10. 68 Statt aller Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 74 m. w. N. Unerheblich ist auch, ob der Verhandlung überhaupt Zuhörer beiwohnen, vgl. Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 10. 62
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fenen zu beeinträchtigen.69 Für die schriftliche Abfassung der Urteilsgründe gilt dies ebenfalls. Eine etwaige Straflosigkeit ergibt sich folglich auch nicht aus der sog. Bagatellklausel des § 201 Abs. 2 S. 2 StGB.70 Nach dieser sollen gänzlich belanglose Gespräche, wie etwa solche über das Wetter,71 aus dem tatbestandlichen Anwendungsbereich des § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB ausscheiden.
II. § 201a StGB Ähnlich wie § 201 StGB untersagt auch § 201a StGB einzelne Verwendungsmodalitäten im Umgang mit Bild- und Videoaufnahmen, die schon an anderer Stelle beleuchtet wurden.72 Um eine wiederholte Erörterung der relevanten Tatbestandsmerkmale zu vermeiden, orientiert sich die nachfolgende Darstellung an den maßgeblichen Tathandlungen und untersucht, inwieweit diese in der gerichtlichen Verhandlung einschlägig sind. 1. Gebrauchen i. S. d. § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB Gem. § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB wird bestraft, wer eine durch eine Tat nach den Nummern 1 bis 3 hergestellte Aufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht. Das Gebrauchen ist dabei in einem technologischen Sinn zu interpretieren; das analoge Vorzeigen unbefugt angefertigten Bildmaterials fällt sonach nicht unter die Tatbestandsalternative.73 Tatbestandslos ist zudem auch das bloße Betrachten einer Bild- oder Videoaufnahme, weil andernfalls ein unhaltbarer Widerspruch zu § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB entstünde, der das voyeuristische Beobachten einer intimen Situation gerade nicht pönalisiert.74 Wenn aber der „freche Blick“ auf ein tatsächliches Geschehen straflos ist, darf für das Betrachten einer Aufnahme, die ein solches Ereignis dokumentiert, nichts anderes gelten.75 Konsequenterweise spricht sich die mittlerweile überwiegende Ansicht dafür aus, ein 69
Auf eine tatsächlich eingetretene Verletzung kommt es hingegen nicht an, Tag, in: HKGS, § 201 StGB Rn. 15. 70 Zur Bagatellklausel BT-Drs. 11/7414, S. 4; Tag, in: Dölling/Duttge/König/Rössner, HKGS, § 201 StGB Rn. 15. Diese gilt allein für den Publikationstatbestand und entfaltet mit Blick auf § 201 Abs. 1 StGB gerade keine Relevanz, OLG Thüringen NStZ 1995, 502 (503). 71 BT-Drs. 11/7414, S. 4; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 20. 72 Dazu bereits Teil 4, A. II. 73 Teil 4, A. II. 1. a). 74 A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201a Rn. 16; Bosch, in: SSW-StGB, § 201a Rn. 20. 75 Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 79; Koch, GA 2005, 589 (601); A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 51 f.; Lagardère/Fink, HRRS 2008, 247. A. A. Borgmann, NJW 2004, 2133 (2135); Hoppe, GRUR 2004, 990 (992); Sauren, ZUM 2005, 426 (429).
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Teil 5: Umgang mit Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren
Gebrauchen nur dann anzunehmen, wenn der Täter eine eigenständige Verfügungsgewalt über die Aufnahme erlangt hat.76 Methodisch lässt sich dieses sachgerechte Ergebnis mittels einer teleologischen Reduktion des Tatbestands erreichen,77 die sicherstellt, dass sich die anwesenden Zuschauer einer öffentlichen Gerichtsverhandlung nicht wegen eines Gebrauchs der unbefugt hergestellten Aufnahme strafbar machen, wenn sie diese betrachten.78 2. Zugänglichmachen i. S. d. § 201a Abs. 1 Nrn. 4 und 5, Abs. 2 StGB Eine größere Bedeutung nimmt die Tathandlung des Zugänglichmachens an eine dritte Person ein, die nicht nur sub specie des § 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB relevant wird, sondern auch im Kontext des § 201a Abs. 1 Nr. 5 StGB, der den wissentlich unbefugten Umgang mit befugt hergestellten Aufnahmen betrifft, sowie des § 201a Abs. 2 StGB, der sich auf ansehensschädigendes Bildmaterial bezieht. Im Ausgangspunkt fallen unter das Zugänglichmachen solche Verhaltensweisen, durch die einem Dritten entweder der Zugriff auf die Aufnahme oder aber die Kenntnisnahme von dessen Gegenstand ermöglicht wird.79 Einzelne Stimmen sprechen sich auch hinsichtlich dieser Tatbestandsvariante für eine teleologische Reduktion aus und verlangen, eine dritte Person müsse sich der Aufnahme physisch bemächtigen können.80 Hinter dieser restriktiven Auslegung steht der Gedanke, die Reichweite der einzelnen Tatmodalitäten präzise aufeinander abzustimmen: Sofern das bloße Betrachten kein tatbestandsmäßiges Gebrauchen darstelle, dürfe für das Zugänglichmachen nichts anderes gelten, wenn einer anderen Person nur ermöglicht werde, den Bildinhalt visuell wahrzunehmen.81 Die Diskussion um das richtige Begriffsverständnis des Zugänglichmachens wirkt sich auch hinsichtlich der hier interessierenden Fragestellung aus, inwieweit der innerprozessuale Umgang mit Beweismitteln unter § 201a Abs. 1 Nrn. 4 und 5, Abs. 2 StGB fällt, wobei zwischen dem privaten und dem richterlichen Vorgehen zu differenzieren ist. Steht das Verhalten des Privaten in Rede, der eine Bild- oder Videoaufnahme in der gerichtlichen Verhandlung als Beweismittel anbietet und dem entscheidenden Richter i. d. R. zugleich eine körperliche Zugriffsmöglichkeit einräumt, bestehen keine Zweifel daran, dieses Verhalten auch vom Standpunkt des restriktiven Lösungsansatzes als tatbe76
Valerius, in: LK-StGB12, § 201a Rn. 24; Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 28; A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201a Rn. 16; Koch, GA 2005, 589 (601); Heuchemer/Paul, JA 2006, 616 (619); M. Zöller, in: Wolter-FS, S. 679 (691). 77 A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201a Rn. 16; Bosch, JZ 2005, S. 377 (380); M. Zöller, in: Wolter-FS, S. 679 (691). 78 Vgl. auch Flechsig, ZUM 2004, 605 (614). 79 BT-Drs. 15/2466, S. 5; Valerius, in: LK-StGB12, § 201a Rn. 25; Eisele, in: Sch/Sch, § 201a Rn. 29; Flechsig, ZUM 2004, 605 (614); M. Zöller, in: Wolter-FS, S. 679 (692). 80 A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201a Rn. 17; Bosch, in: SSW-StGB, § 201a Rn. 21. 81 A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 201a Rn. 17.
B. Strafrechtliche Grenzen des innerprozessualen Verhaltens
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standsmäßiges Zugänglichmachen zu begreifen. Größere Schwierigkeiten bereitet die teleologische Reduktion jedoch hinsichtlich des richterlichen Umgangs mit dem Beweismittel: Verwendet der Richter das Bildmaterial, fehlt es typischerweise an einer physischen Zugriffsmöglichkeit durch einen Dritten. Die Personen, die einer öffentlichen Gerichtsverhandlung beiwohnen, mögen zwar vom Gegenstand der Bild- oder Videoaufnahme Kenntnis erlangen, wenn einzelne Sequenzen abgespielt bzw. vorgezeigt werden; eine eigenständige Verfügungsgewalt, aus der die abstrakte Gefahr einer unkontrollierbaren Weiterverbreitung resultiert, fehlt allerdings. Bei näherem Hinsehen spricht indes einiges dafür, bereits dann von einem Zugänglichmachen auszugehen, wenn der Täter seine Verfügungsmacht über das Bildmaterial dazu ausnutzt, anderen Personen die schlichte Kenntnisnahme zu ermöglichen.82 Gerade hierin zeigt sich die besondere Gefahr für das Persönlichkeitsrecht, die von der Dokumentation eines flüchtigen Geschehens ausgeht.83 Denn erst die dauerhafte Konservierung eines vergänglichen Ereignisses ermöglicht es weiteren Personen, Einblick in die persönlichen Lebensverhältnisse des Abgebildeten zu nehmen, obschon diese bei der Herstellung der Aufnahme selbst nicht anwesend waren. Dieses Risiko verwirklicht sich unabhängig davon, ob der Dritte eine eigenständige Verfügungsgewalt über das vorgezeigte Bildmaterial erlangt oder nicht. Zudem weist bereits das Vorzeigen von Aufnahmen i. S. d. § 201a StGB einen hinreichenden Unrechtsgehalt auf, der mit dem Herstellungsvorgang jedenfalls vergleichbar ist.84 Dieser Gesichtspunkt tritt in der öffentlichen und zugleich öffentlichkeitswirksamen Gerichtsverhandlung deutlich hervor: Für den Betroffenen stellt es einen erheblichen Eingriff in dessen Persönlichkeitsrecht dar, wenn sensible Inhalte nicht nur beschrieben, sondern mittels Bild- oder Videoaufnahmen präsentiert werden.85 Schließlich resultiert aus diesem weiten Begriffsverständnis auch kein Widerspruch zur Straflosigkeit des bloßen Betrachtens: Denn im Unterschied zum Betrachtenden hat derjenige, der einem Dritten die Kenntnisnahme vom Bildgegenstand ermöglicht, regelmäßig die Verfügungsgewalt über die Aufnahme inne und setzt insoweit ein deutlich gesteigertes Risiko für die Persönlichkeitsrechte des Abgebildeten. Diese Erkenntnis bestätigt sich bei einem vergleichenden Blick auf § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB: Den Tatbestand erfüllt unzweifelhaft, wer eine unbefugt 82 Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201a Rn. 18; ders., ZStW 117 (2005), 324 (334); M. Zöller, in: Wolter-FS, S. 679 (692); A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 59; Valerius, in: Handbuch des Strafrechts 4, § 13 Rn. 80. Schließlich auch BT-Drs. 15/1891, S. 5. 83 Vgl. zu diesem Gedanken auch Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 147, allerdings im datenschutzrechtlichen Kontext. 84 Vgl. auch BT-Drs. 15/1466, S. 5. Auf die gravierenden Auswirkungen der Nutzung weist allgemein M. Zöller, in: Wolter-FS, S. 679 (693) hin. 85 Tatbestandslos handelt hingegen, wer bloß in mündlicher oder schriftlicher Form darüber berichtet, welchen Inhalt eine Aufnahme hat, Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201a Rn. 18; ders., ZStW 117 (2005), 324 (334); Hengst, Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild, S. 121. Zustimmend Graf, in: MüKo-StGB4, § 201a Rn. 60; ferner Flechsig, ZUM 2004, 605 (615).
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Teil 5: Umgang mit Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren
hergestellte Tonaufnahme gegenüber einer anderen Person abspielt,86 und zwar unabhängig davon, ob sich dieser der Aufnahme physisch bemächtigen kann. Das bloße Zuhören hingegen ist auch sub specie des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB straflos.87 3. Tatbestandsausschluss gem. § 201a Abs. 4 StGB Sofern die innerprozessuale Verwendung einer Bild- oder Videoaufnahme unter § 201a StGB fällt, ist dieses Verhalten straflos, wenn die Voraussetzungen der Sozialadäquanzklausel vorliegen. Nicht einschlägig ist § 201a Abs. 4 StGB allerdings dann, wenn unbefugte Bildaufnahmen einer Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, den Gegenstand des Strafvorwurfs bilden. In diesen Fällen verbleibt allein die Option einer Rechtfertigung. Das Beweisinteresse stellt einen ähnlichen Zweck i. S. d. § 201a Abs. 4 StGB dar und erlaubt den Gebrauch bzw. das Zugänglichmachen, wenn dieses berechtigte Interesse überwiegt. Zuvor ist nach dem hier implementierten Lösungskonzept indes danach zu fragen, ob ein etwaiges Beweisverbot besteht, das den prozessualen Umgang mit der konkreten Aufnahme ausschließt. In einem solchen Fall ist das Bildmaterial schlechterdings ungeeignet, um dem Beweisinteresse zu dienen.88 War hingegen bereits der Herstellungsvorgang von der Sozialadäquanzklausel gedeckt, gilt dies auch für die nachfolgende prozessuale Verwendung, sofern sich die handlungsleitenden Faktoren nicht maßgeblich verändert haben.89
III. § 202d StGB Die strafrechtliche Betrachtung soll schließlich durch einen Rekurs auf die Datenhehlerei gem. § 202d StGB abgeschlossen werden. Ihrer tatbestandlichen Struktur nach knüpft die Vorschrift an die rechtswidrige Vortat eines anderen an. Vor diesem Hintergrund beschränken sich die nachfolgenden Erwägungen ausschließlich auf die etwaige Strafbarkeit des Richters, der die eigeninitiativ erlangten Beweismittel einer Privatperson – des „Vortäters“ – prozessual verwendet. In diesem Themenfeld ist § 202d StGB bislang – soweit ersichtlich – nicht in Erscheinung getreten. Dies verwundert zum einen deshalb, weil der Tatbestand ein besonderes Anschlussdelikt normiert, das auf dem vorangehenden Rechtsverstoß 86 Statt aller Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 17, der darauf verweist, dass zugleich auch ein Gebrauchen der Aufnahme vorliegt. 87 Auf etwaige Ungenauigkeiten in der Diskussion um das Gebrauchen weist A. Schmitz, Strafrechtlicher Schutz vor Bild- und Wortaufnahmen, S. 51 hin. 88 Teil 2, D. III. 89 Vgl. auch die Erwägungen zur Übergabe von Bildaufnahmen an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden, Teil 4, A. II. 4.
B. Strafrechtliche Grenzen des innerprozessualen Verhaltens
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eines anderen aufbaut – und seiner Struktur nach auch das richterliche Verhalten, das an die private Beweismittelsuche anknüpft, erfassen könnte. Zum anderen greifen die Verfechter eines umfassenden Beweiswertungsverbots, das auf den privaten Rechtsverstoß folgen soll, nicht selten auf den Gedanken zurück, der Staat agiere wie ein Hehler und perpetuiere die eingetretene Rechtsverletzung.90 Diese beiden Erwägungen sind Grund genug, um die Relevanz des § 202d StGB für die aufgeworfene Forschungsfrage näher zu beleuchten. Auf die einzelnen Schwierigkeiten, die aus der missglückten Formulierung des Straftatbestands und den mitunter vagen Tatbestandsvoraussetzungen folgen, soll im Rahmen dieser Untersuchung jedoch nicht umfassend eingegangen werden.91 Vielmehr stehen die spezifischen Zusammenhänge mit der richterlichen Beweiserhebung und -verwertung im Vordergrund. 1. Schutzrichtungen der Datenhehlerei Die Vorschrift stellt einzelne Umgangsformen mit nicht allgemein zugänglichen Daten92 unter Strafe, die ein anderer93 durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat und orientiert sich seiner tatbestandlichen Konzeption nach an der Sachhehlerei i. S. d. §259 StGB.94 In subjektiver Hinsicht verlangt § 202d StGB die Absicht des Täters, sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen.95 Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers schützt § 202d StGB nicht allein das formelle Datengeheimnis96 – mithin die Verfügungsbefugnis des Berechtigten –, sondern trägt zugleich einem allgemeinen Sicherheitsinteresse Rechnung.97 Die Bereitschaft des Hehlers, an das vorausgehende Unrecht eines anderen anzuknüpfen, 90
Dazu Teil 3, A. I. Zur Diskussion, ob Daten aus dem sog. Darknet von der Strafnorm erfasst werden, Gercke, ZUM 2016, 825 (827 f.); Rode, in: Rengier-FS, S. 301 (305); Rengier, Strafrecht BT II, § 31 Rn. 42 m. w. N. Zudem ist auch das geschützte Rechtsgut der Norm streitig, vgl. Stam, StV 2017, 488 (489); Singelnstein, ZIS 2016, 432 (434 f.); Stuckenberg, ZIS 2016, 526 (530 f.); Reinbacher, GA 2018, 311 (315). Schließlich zu verfassungsrechtlichen Bedenken Golla/von zur Mühlen, JZ 2014, 668 (670). 92 Zum Begriff der Daten Eisele, in: Sch/Sch, § 202a StGB Rn. 2 ff.; Kargl, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 202d Rn. 6. Zum Merkmal „nicht allgemein zugänglich“: BT-Drs. 18/5088, S. 45; Hoyer, in: SK-StGB, § 202d Rn. 4; Graf, in: MüKo-StGB4, § 202d Rn. 11 f.; Fischer, Strafgesetzbuch, § 202d Rn. 5. Kritisch zur daraus resultierenden Weite des Delikts Stuckenberg, ZIS 2016, 526 (530). 93 Da § 202d StGB sonach die Vortat eines anderen verlangt, scheidet eine Strafbarkeit des Privaten, der relevante Daten zum Beweis anbietet, regelmäßig aus, da dieser die Daten zumeist selbst erlangt hat. 94 Rode, in: Rengier-FS, S. 301 (302); Singelnstein, ZIS 2016, 432. Kritisch Stuckenberg, ZIS 2016, 526 (531 f.); Bosch, in: SSW-StGB, § 202d Rn. 1. Zum Vergleich von Sach- und Datenhehlerei Berghäuser, JA 2017, 244. 95 Dazu Eisele, in: Sch/Sch, § 202d Rn. 18 ff.; Graf, in: MüKo-StGB4, § 202d Rn. 28 f. 96 Kritisch dazu Stuckenberg, ZIS 2016, 526 (531); Golla/von zur Mühlen, JZ 2014, 668 (670); Eisele, in: Sch/Sch, § 202d Rn. 2. 97 BT-Drs. 18/5088, S. 26. 91
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Teil 5: Umgang mit Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren
liefert regelmäßig einen gewichtigen Anreiz für das rechtswidrige Verhalten des Vortäters.98 Offenkundig ist diese Anreizwirkung in den bereits erwähnten Fällen, in denen staatliche Stellen horrende Summen dafür ausgeben, um Steuerdaten-CDs zu erwerben. Denn ohne die finanzielle Gegenleistung – die für die Privatperson angesichts der kolportierten Summen eine weitaus größere Motivation als die prozessuale Verwertbarkeit eines Beweismittels liefern dürfte – würden die Verkäufer wohl regelmäßig davon absehen, die Daten zu beschaffen oder weiterzugeben. Immerhin droht diesen Personen, bei denen es sich zumeist um (ehemalige) Mitarbeiter ausländischer Banken oder Kreditinstitute handelt, das Risiko, wegen ihres rechtswidrigen Verhaltens strafrechtlich verfolgt zu werden.99 Vor dem Hintergrund der besonderen Anreizwirkung, die von einem Ankauf inkriminierter Beweismittel ausgeht, erscheint es jedenfalls fraglich, warum der Gesetzgeber gerade dieses Verhalten gem. § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB per se straflos stellt.100 2. Tatbestandsausschluss gem. § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB Es nimmt folglich kaum wunder, dass sich die meisten wissenschaftlichen Stellungnahmen zu § 202d StGB, der 2015 Eingang in das Strafgesetzbuch fand,101 umfassend – und bisweilen äußerst kritisch –102 mit dem Tatbestandsausschluss gem. § 202d Abs. 3 StGB befassen. Allerdings beschränken sich die einschlägigen Diskussionsbeiträge zumeist auf den Vorgang des staatlichen Ankaufs von SteuerdatenCDs,103 ohne aber das anschließende Verhalten des Richters im Prozess zu beleuchten. Aus dieser eingeschränkten Perspektive resultiert indes ein verzerrtes und zugleich unvollständiges Bild. Denn der objektive Tatbestand des § 202d Abs. 1 StGB ist weit gestrickt,104 so dass a priori auch der entscheidende Richter Gefahr 98
BT-Drs. 18/5088, S. 26. Tag, in: Dölling/Duttge/König/Rössner, HK-GS, § 202d StGB Rn. 2 spricht insoweit von einer „Attraktivitätsreduktion“. 99 Zur Strafbarkeit der besagten Bankmitarbeiter statt aller Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 977 ff. m. w. N. Der Tatbestandsausschluss des § 202d Abs. 3 StGB hilft insoweit nicht weiter, vgl. Rode, in: Rengier-FS, S. 301 (307). 100 Vgl. auch Jäger, in: Joecks-GS, S. 701, der diesen Bereich als „das Bemerkenswerteste an der neu geschaffenen Regelung“ bezeichnet. 101 Zur Entstehungsgeschichte der Strafvorschrift Stuckenberg, ZIS 2016, 526 (526 ff.). 102 Klengel/Gans, ZRP 2013, 16 (18); Bohnert, in: Schiller-FS, S. 68 (71 f.); Stam, StV 2017, 488 (490); Singelnstein, ZIS 2016, 432 (436); Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 202d Rn. 14; Heger, in: Lackner/Kühl, § 202d Rn. 1; Jäger, in: Joecks-GS, S. 701 (703). 103 Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 202d Rn. 12, 14; Graf, in: MüKo-StGB4, § 202d Rn. 35; Eisele, in: Sch/Sch, § 202d Rn. 16; Tag, in: Dölling/Duttge/ König/Rössner, HK-GS, § 202d StGB Rn. 10. Auch BT-Drs. 18/5088, S. 48 nennt insoweit nur die „Ermittlungen“. 104 Zur Reichweite des Tatbestands Singelnstein, ZIS 2016, 432 (433). Ferner Golla/von zur Mühlen, JZ 2014, 668 (670), die § 202d StGB kritisch als „universelles Anschlussdelikt“ einstufen.
B. Strafrechtliche Grenzen des innerprozessualen Verhaltens
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läuft, in das Fahrwasser der Strafnorm zu geraten. Dies ist vornehmlich deshalb anzunehmen, weil die Tathandlung des Sich-Verschaffens bereits dann erfüllt ist, wenn der Hehler die Verfügungsmacht über die Daten erlangt hat und dabei einverständlich mit dem Vortäter zusammenwirkt.105 Zwar spielt die Strafnorm – von den erwähnten Steuerdaten-CDs einmal abgesehen – in der bisherigen Debatte um Beweisverbote keine nennenswerte Rolle.106 Angesichts einer schnell fortschreitenden Digitalisierung, die mit einem zunehmenden Datenaufkommen verbunden ist, drängt sich allerdings die Vermutung auf, § 202d StGB könnte zukünftig an Bedeutung gewinnen.107 Die nachfolgenden Erwägungen orientieren sich gleichwohl an den mannigfaltigen Stellungnahmen zum staatlichen Ankauf von Steuerdaten-CDs, um diese in einem Straf- oder Steuerverfahren zu verwerten. Ausgehend von dieser spezifischen Materie lassen sich jedoch zugleich Rückschlüsse auf den sonstigen Umgang mit eigeninitiativ erlangten Beweismitteln ziehen. a) Reichweite des Tatbestandsausschlusses Bedeutsam für das Strafbarkeitsrisiko des Richters ist dabei, ob die prozessuale Beweiserhebung und die nachfolgende Verwertung „ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen“, wie es § 202d Abs. 3 S. 1 StGB festschreibt. Der Tatbestandsausschluss ist ersichtlich demjenigen des § 184b Abs. 5 StGB nachempfunden,108 obschon sich die gewählten Formulierungen an einzelnen Stellen unterscheiden. Relevant ist in beiden Fällen, welche Umgangsformen einer rechtmäßigen Pflicht entfließen. Dabei scheint § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB die Reichweite des Tatbestandsausschlusses im hier interessierenden Kontext maßgeblich zu präzisieren, indem insbesondere „solche Handlungen von Amtsträgern […], mit denen Daten ausschließlich der Verwertung in einem Besteuerungsverfahren, einem Strafverfahren oder einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zugeführt werden sollen“ straffrei bleiben. De facto legalisiert der Gesetzgeber auf diese Weise die mittlerweile gängige Praxis, Steuerdaten-CDs aus dem Ausland zu erwerben, um diese sodann in steuerstrafrechtlichen Angelegenheiten zu 105 Statt aller Bosch, in: SSW-StGB, § 202d Rn. 5, 6; Altenhain, in: Matt/Renzikowski, § 202d Rn. 10. 106 Dies dürfte auch auf den subjektiven Tatbestand zurückzuführen sein, der neben dem allgemeinen Vorsatz eine Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht verlangt. 107 Die Diskussion um die Reichweite der tauglichen Vortaten bei Tag, in: Dölling/Duttge/ König/Rössner, HK-GS, § 202d StGB Rn. 8 zeigt zudem, dass die äußersten Grenzen des tatbestandlichen Anwendungsbereichs nach wie vor nicht abschließend vermessen sind. Insoweit ist es nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft weitere Fallkonstellationen, die den Umgang mit strafrechtswidrig erlangten Daten im Kontext der privaten Beweismittelsuche betreffen, dem § 202d StGB subsumiert werden. 108 BT-Drs. 18/5088, S. 48. Ferner A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 202d Rn. 5; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 202d Rn. 12; Altenhain, in: Matt/ Renzikowski, § 202d StGB Rn. 11.
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Teil 5: Umgang mit Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren
nutzen.109 Im Ergebnis ist es überzeugend, diese Straffreiheit – und somit die Privilegierung des Tatbestandsausschlusses – nicht allein den ermittelnden Amtsträgern zukommen zu lassen, die das Geschäft mit dem Datenverkäufer abwickeln, sondern auch auf den Richter zu erstrecken, der die relevanten Daten schließlich in einem Gerichtsverfahren verwendet.110 Mit dem Wortlaut des § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB lässt sich diese Interpretation ohne Weiteres vereinbaren. Denn auch der richterliche Umgang ist darauf ausgerichtet, die in Rede stehenden Daten der Verwertung zuzuführen. Die Beweisverwertung schließt diesen Vorgang sogar endlich ab. Ohnehin liegt dem Tatbestandsausschluss ein weites Begriffsverständnis zugrunde, da sich dieser auf sämtliche Handlungen von Amtsträgern bezieht, mit denen Daten ausschließlich der Verwertung in bestimmten Verfahren zugeführt werden sollen. Freilich kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob die staatlichen Stellen die inkriminierten Daten ankaufen oder unentgeltlich erhalten. Die gewählte Formulierung („sollen“) legt dabei eine Interpretation nahe, die an die Vorstellungen der handelnden Person anknüpft. Irrelevant ist demgegenüber, ob die Verhaltensweise das mit ihr verfolgte Ziel schlussendlich auch erreicht. Führt man diesen Gedanken fort, spielt es konsequenterweise auch keine Rolle, ob dem innerprozessualen Umgang ein Beweisverbot entgegensteht. Der Tatbestandsausschluss des § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB ist sonach weiter gefasst als die Sozialadäquanzklausel gem. § 201a Abs. 4 StGB. Diese Erwägungen betreffen jedoch zunächst nur die strafrechtliche Bewertung und veranschaulichen, dass dem entscheidenden Richter im Strafprozess aus der Perspektive des § 202d StGB kein Vorwurf zu erwachsen droht. b) Strafprozessuale Auswirkungen des § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB Bei näherem Hinsehen drängt sich indes der Eindruck auf, als reiche der Tatbestandsausschluss über die strafrechtliche Einordnung des relevanten Verhaltens hinaus und legitimiere den Ankauf mitsamt der nachfolgenden Beweisverwertung zugleich aus strafprozessualer Warte.111 Insoweit ist wiederum der Fragenkreis berührt, inwieweit sich das materielle und das formelle Recht gegenseitig beeinflussen. Sollte § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB eine unmittelbare strafprozessuale Bedeutung zukommen, wäre dies insbesondere für den Ankauf und die weitere Verwendung von 109
So schon Bohnert, in: Schiller-FS, S. 68 (74). Vgl. auch Stam, StV 2017, 488 (490); ferner Rengier, Strafrecht BT II, § 31 Rn. 43. Kritisch, ob der Gesetzgeber dieses Ziel vollumfänglich erreicht hat, Bosch, in: SSW-StGB, § 202d Rn. 9. 110 Vgl. auch Rode, in: Rengier-FS, S. 301 (307), der den „Erwerb und die Verwendung rechtswidrig erlangter Daten“ in einem Atemzug nennt. 111 Dies betonen auch Rode, in: Rengier-FS, S. 301 sowie Bosch, in: SSW-StGB, § 202d Rn. 1. Vgl. auch die Formulierung in BT-Drs. 18/5088, S. 48. Dix/Kipker/Schaar, ZD 2015, 300 (303) befürchten, dass gesetzliche Verwertungsverbote durch die Privilegierung des Staates unterlaufen werden könnten. Schließlich auch Fischer, Strafgesetzbuch, § 202d Rn. 3 m. w. N.
B. Strafrechtliche Grenzen des innerprozessualen Verhaltens
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Steuerdaten-CDs in mehrfacher Hinsicht relevant: Zunächst ließe sich der Ankauf durch die Strafverfolgungsbehörden – mithin die staatliche Beweiserhebung außerhalb des Gerichtsverfahrens – formell-rechtlich legitimieren. Auf die Diskussion, inwieweit die Ermittlungsgeneralklauseln der §§ 161, 163 StPO dieses Verhalten gestatten,112 käme es dann nicht mehr an.113 Des Weiteren führte eine prozessuale Aufladung des Tatbestandsausschlusses dazu, einem etwaigen Beweisverbot von vornherein die Grundlage zu entziehen.114 Auf die überkommene Abwägungslösung dürfte in diesem Zusammenhang nicht abgestellt werden, da das Gesetz eine ausdrückliche – und insoweit vorrangige – Wertung enthielte, die für die prozessuale Verwertbarkeit stritte. § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB würde nach diesem Verständnis zugleich eine Ermächtigungsgrundlage darstellen, die dem entscheidenden Richter einen beweisrechtlichen Umgang mit den Daten im Strafverfahren sowie die damit verbundenen Grundrechtseingriffe gestattete.115 Einem solchen Lösungsmodell steht jedoch die Erkenntnis entgegen, dass ein prozessrechtlich bedeutsames Verhalten nicht allein deshalb zulässig ist, weil es strafrechtlich nicht zu beanstanden ist.116 Das Prozessrecht hängt von eigenständigen Bewertungsmaßstäben ab, die sich von den strafrechtlichen Verhaltensanforderungen unterscheiden. Da sich das richterliche Verhalten – ebenso wie dasjenige der Strafverfolgungsbehörden – aber im Anwendungsbereich des Strafprozessrechts abspielt, das besondere Eingriffsbefugnisse statuiert und dabei die rechtlichen Spannungen zwischen dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse und den Rechtspositionen der Betroffenen ausgleicht,117 ist der vorrangige Blick auf dieses zu richten, um über die prozessuale Rechtslage zu entscheiden.118 Hierfür spricht endlich auch der Wortlaut des § 202d Abs. 3 S. 1 StGB, der die Kernaussage des Tatbestandsausschlusses enthält und die Erfüllung einer rechtmäßigen Pflicht ver112
Beulke, Jura 2008, 653 (664); Kölbel, NStZ 2008, 241 (243); Spernath, NStZ 2010, 307 (311); Sonn, Strafbarkeit des privaten Entwendens und staatlichen Ankaufs inkriminierender Kundendaten, S. 280 f.; Trüg/Habetha, NJW 2008, 887 (890); Stoffer, Wie viel Privatisierung „verträgt“ das strafprozessuale Ermittlungsverfahren?, Rn. 1004; Satzger, in: Roxin III-FS, S. 421 (426). Allgemein zur Frage, auf welche Rechtsgrundlage der Datenankauf gestellt werden kann, Bohnert, in: Schiller-FS, S. 68 (74). 113 Instruktiv dazu Jäger, in: Joecks-GS, S. 701 (705 f.). 114 Jäger, in: Joecks-GS, S. 701 (708). In diese Richtung auch Michaelis, MMR 2020, 586 (590). 115 In diese Richtung etwa Jäger, in: Joecks-GS, S. 701 (708). Selbst wenn man einem solchen Ansatz folgte, würde § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB im Zivilverfahren keine unmittelbare Rolle spielen, da vom Tatbestandsausschluss allein das Besteuerungsverfahren, das Strafverfahren und das Ordnungswidrigkeitenverfahren genannt werden. Möglich bliebe freilich der Rekurs auf § 202d Abs. 3 S. 1 StGB. 116 Explizit Stam, StV 2017, 488 (490); Rode, in: Rengier-FS, S. 301 (308). Schließlich auch Ostendorf, ZIS 2010, 301 (305); Altenhain, in: Matt/Renzikowski, § 202d Rn. 11; Bosch, in: SSW-StGB, § 202d Rn. 12. 117 Sieber, in: Roxin I-FS, S. 1113 (1128). 118 Dazu schon Teil 3, B. I. 2. c) bb). So i. E. auch Bohnert, in: Schiller-FS, S. 68 (75), der für die Einführung einer ausdrücklichen strafprozessualen Ermächtigungsgrundlage plädiert.
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Teil 5: Umgang mit Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren
langt. Welchen konkreten Handlungspflichten der einzelne Amtsträger in den unterschiedlichen Abschnitten des Strafverfahrens zu genügen hat, lässt sich grundsätzlich jedoch nicht § 202d StGB entnehmen, sondern vielmehr der Strafprozessordnung.119 Nach alledem implementiert § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB keine strafprozessuale Ermächtigungsgrundlage,120 sondern beschränkt sich seinem Aussagegehalt nach ausschließlich auf die strafrechtliche Bewertung.121 c) Prozessrechtsakzessorietät des § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB Der Wortlaut des § 202d Abs. 3 S. 1 StGB erlaubt sogar den gegenläufigen Schluss, wonach die Strafbarkeit wegen Datenhehlerei nur dann entfällt, wenn die Voraussetzungen einer strafprozessualen Befugnisnorm ihrerseits vollumfänglich erfüllt sind. Diese Interpretation, die sich in das hier zugrunde gelegte Konzept des prozessrechtsakzessorischen Strafrechts uneingeschränkt einfügen würde, ist jedoch keineswegs zwingend, sondern hängt davon ab, in welchem Verhältnis § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB zu § 202d Abs. 3 S. 1 StGB steht. Zwar geht die ganz h. M. davon aus, dass die explizit genannten Vorgänge des § 202d Abs. 3 S. 2 Nrn. 1 und 2 StGB die rechtmäßigen beruflichen oder dienstlichen Pflichten konkretisieren.122 Allerdings bleiben die Konsequenzen, die ein solches Verständnis im strafprozessualen Kontext mit sich bringt, regelmäßig unbeachtet.123 Denn handelte es sich tatsächlich um die bloße Konkretisierung eines allgemeinen Grundsatzes, der seinerseits von außerstrafrechtlichen Pflichten beeinflusst wird, folgte hieraus eine strenge Prozessrechtsakzessorietät des Tatbestandsausschlusses. Für dieses Verständnis streitet vornehmlich der Wortlaut („insbesondere“),124 der vermuten lässt, dass § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB lediglich einen spezifischen Unterfall hervorhebt.125 Wenn aber nach dem allgemeinen Grundsatz des § 202d Abs. 3 S. 1 StGB eine rechtmäßige Pflicht – im Sinne einer gesetzlichen Befugnis – erfüllt werden muss, gilt dies zwangsläufig auch für den präzisierten Sonderfall. Eine solche Interpretation geriete indes mit der legislatorischen Vorstellung in Konflikt, nach der der Ankauf von 119
In diese Richtung auch Stam, StV 2017, 488 (490). Zur ambivalenten Rolle des § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB sogleich. 120 Stam, StV 2017, 488 (490); Rode, in: Rengier-FS, S. 301 (310). 121 Stam, StV 2017, 488 (490). 122 Eisele, in: Sch/Sch, § 202d Rn. 15; Brodowski/Marnau, NStZ 2017, 377 (378) sowie Henseler, NStZ 2020, 258 sprechen von Regelbeispielen. 123 Eine Ausnahme stellen insoweit Dix/Kipker/Schaar, ZD 2015, 300 (304 f.) dar, die betonen, das Verhältnis des Tatbestandsausschlusses zu den Amtsbefugnissen sei nach wie vor ungeklärt. Zustimmend Singelnstein, ZIS 2016, 432 (437). Instruktiv schließlich auch Jäger, in: Joecks-GS, S. 701 (705 f.). 124 Diese Formulierung zeigt zugleich, dass der Tatbestandsausschluss des § 202d Abs. 3 StGB nicht auf die explizit genannten Konstellationen beschränkt ist. Dazu Singelnstein, ZIS 2016, 432 (436). 125 Vgl. auch BT-Drs. 15/5088, S. 48, in der ebenfalls von einem „Unterfall des § 202d Abs. 3 S. 1 StGB“ die Rede ist. Ebenso Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 202d Rn. 18.
B. Strafrechtliche Grenzen des innerprozessualen Verhaltens
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Steuerdaten-CDs schlechthin nicht vom Anwendungsbereich des § 202d Abs. 1 StGB erfasst sein soll.126 Dieses eindeutige Ergebnis lässt sich nur dann uneingeschränkt aufrechterhalten, wenn man jedenfalls de lege lata die Ebene der prozessrechtlichen Zulässigkeit – die mangels einer expliziten Ermächtigungsgrundlage für das staatliche Vorgehen von einigen Unwägbarkeiten abhängt – ausblendet. Im Ergebnis kollidieren sonach zwei unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten, die einen weiteren Beleg für die missglückte Formulierung des gesamten Tatbestands liefern. Schlussendlich ist es die Aufgabe des Gesetzgebers, § 202d Abs. 3 StGB von den aufgezeigten Konflikten und Wertungswidersprüchen zu befreien.127 d) Ergebnis und Konsequenzen für den Zivilprozess Nimmt man die legislatorischen Vorstellungen ernst, stellt § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB den strafprozessualen Umgang mit Daten, die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, in umfassender Weise straffrei, begründet aber selbst keine strafprozessuale Befugnis. Aus § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB folgt nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis auch nicht die prozessuale Verwertbarkeit eines Beweismittels.128 Im Zivilprozess bleibt es mangels einer ausdrücklichen Konkretisierung bei der Anwendung des § 202d Abs. 3 S. 1 StGB, der seinerseits prozessrechtsakzessorisch zu interpretieren ist. Die rechtmäßige Pflicht des entscheidenden Richters beurteilt sich sonach gem. §§ 284 ff., 355 ff. ZPO.129 Hieraus folgt eine Privilegierung des Strafrichters, da dieser auch dann in den Genuss des Tatbestandsausschlusses kommt, wenn die in Rede stehenden Daten schlussendlich einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. Im Zivilverfahren hängt der Tatbestandsausschluss hingegen davon ab, inwieweit der Richter einer rechtmäßigen Pflicht nachkommt. Eine solche lässt sich jedoch nur dann begründen, wenn die prozessualen Vorschriften die Beweiserhebung sowie die anschließende Verwertung gestatten.
126 BT-Drs. 15/5088, S. 48; BR-Drs. 249/15, S. 52. Vgl. auch Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 202d Rn. 12; Graf, in: MüKo-StGB4, § 202d Rn. 33; Bosch, in: SSW-StGB, § 202d Rn. 9; ferner Jäger, in: Joecks-GS, S. 705 (705 f.). 127 Möglich wäre auf der einen Seite die Implementierung strafprozessualer Befugnisnormen, die sich inhaltlich mit § 202d Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB decken. Auf der anderen Seite wäre auch eine Loslösung des gesamten Tatbestandsausschlusses von dem Begriff der rechtmäßigen Pflichten denkbar. Hinter diesem zuletzt genannten Ansatz steht wiederum die Erkenntnis, dass es zunächst die Aufgabe des Strafrechts ist, die materiellen Grenzen des Verhaltens durch präzise gefasste Tatbestände festzulegen. 128 Ausdrücklich auch Stam, StV 2017, 488 (490). 129 Der Rekurs auf §§ 284 ff., 355 ff. ZPO bietet sich hier deshalb an, weil nicht allein die Beweisverwertung, sondern zugleich auch die Beweiserhebung angesprochen ist. Der schlichte Rückgriff auf § 286 ZPO würde dies jedoch nicht abbilden. Vgl. Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 60, die hinsichtlich sämtlicher Beweismaßnahmen des Gerichts auf die §§ 284 ff., 355 ff. ZPO abstellt.
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Teil 5: Umgang mit Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren
IV. Rechtfertigung Sowohl dem entscheidenden Richter als auch dem Privaten, der ein entscheidungsrelevantes Beweismittel anbietet, drohen sonach verschiedene Strafbarkeitsrisiken. Die einschlägigen Straftatbestände sehen zwar einzelne Privilegierungen vor, die bereits auf Tatbestandsebene eingreifen. Nichtsdestoweniger verbleiben zahlreiche Fallkonstellationen, in denen eine sachgerechte Lösung erst auf der nachgelagerten Stufe der Rechtfertigung möglich ist.130 Weil aber die spezifischen Verhaltensanforderungen, die den Richter auf der einen und die privaten Verfahrensbeteiligten auf der anderen Seite treffen, erheblich voneinander abweichen, bedarf es wiederum einer strikten Differenzierung. Darüber hinaus gilt es, auch die Unterschiede zwischen dem Straf- und dem Zivilprozess in angemessenem Umfang zu berücksichtigen. 1. Rechtfertigung der Privatperson Zunächst soll die Frage untersucht werden, ob das innerprozessuale Vorgehen des Privaten von den anerkannten Rechtfertigungsgründen gedeckt ist. Denn allein der Umstand, dass sich das Verhalten in einem gerichtlichen Verfahren und sonach einem besonderen rechtlichen „Raum“ abspielt, der von spezifischen formellen Regelungen beherrscht wird, gestattet für sich betrachtet nicht, in fremde Rechtspositionen einzugreifen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen.131 Die Suche nach einem einschlägigen Erlaubnissatz betrifft dabei schwerpunktmäßig das zivilgerichtliche Verfahren, da die Parteien insoweit die streitigen Tatsachen beweisen müssen und dem entscheidenden Richter taugliche Beweismittel anbieten. Die gerichtliche Verhandlung ist sonach regelmäßig der Moment, in dem die staatlichen Stellen erstmals von der Existenz des Beweismittels erfahren. Im Strafprozess hingegen, der vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägt ist, dürfte die Privatperson gewonnene Beweismittel bereits im Vorfeld der Hauptverhandlung an die Ermittlungsbehörden aushändigen. Der strafprozessuale Gebrauch eines Beweismittels durch einen Privaten stellt sonach eine Ausnahmesituation dar, auf die im Rahmen dieser Untersuchung gleichwohl eingegangen werden soll. Wegweisend ist dabei, ob das jeweilige Beweismittel die Schuld des Angeklagten belegen soll oder aber dessen Unschuld.
130 Relevant werden insoweit vornehmlich solche eigeninitiativen Maßnahmen, die sich allein darauf bezogen haben, einen zivilrechtlich relevanten Umstand nachzuweisen. Einschlägig sind jedoch auch echte private Ermittlungen, die bezwecken, eine vergangene Straftat aufzuklären. Dazu Teil 2, C. IV. 5. 131 Vgl. auch Haffke, GA 1973, 65 (66, 68) sowie Rengier, Die Zeugnisverweigerungsrechte im geltenden und künftigen Strafverfahrensrecht, S. 328 für die Aussage eines schweigepflichtigen Zeugen. Ebenso Weidemann, in: BeckOK-StGB, § 203 Rn. 53 m. w. N.; ferner Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 292 f.
B. Strafrechtliche Grenzen des innerprozessualen Verhaltens
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a) Materielle Rechtfertigungsgründe im Prozess Zentrale Voraussetzung ist zunächst, dass die materiellen Rechtfertigungsgründe im prozessualen Raum überhaupt anwendbar sind und eine Verteidigungsmaßnahme, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, zu legitimieren vermögen. Eine eingehende Diskussion erfolgt insoweit ausschließlich in der zivilverfahrensrechtlichen Sphäre. Vor diesem Hintergrund beziehen sich die nachfolgenden Erwägungen zunächst auf diese, um die zentralen Argumentationslinien sodann auf den Strafprozess zu übertragen. Dient der Zivilprozess dazu, den rechtlichen Konflikt zwischen den streitenden Parteien in einem geordneten Verfahren beizulegen, gebührt der erste Blick zwangsläufig der Prozessordnung. Denn diese normiert nicht allein den Ablauf des Verfahrens, sondern regelt darüber hinaus auch, welchen Verhaltensanforderungen die prozessbeteiligten Personen zu genügen haben. Von diesem Standpunkt aus drängen sich berechtigte Bedenken auf, inwieweit dieses abgestimmte Regelungssystem durch einen umfangreichen Rückgriff auf die materiellen Rechtfertigungsgründe ergänzt werden darf.132 Denn eröffnete beispielsweise jede unberechtigte Klageerhebung unweigerlich das gesamte Arsenal des weit gestrickten Notwehrrechts, drohte ein Zustand der gewaltsamen und eigenmächtigen Rechtsdurchsetzung, den das überkommene Institut des Zivilverfahrens gerade zu vermeiden bezweckt.133 Umgekehrt überzeugt es jedoch auch nicht, die anerkannten Rechtfertigungsgründe während der Dauer eines Zivilprozesses ruhen zu lassen oder gar gänzlich auszuschließen, da ein solches Verständnis zu einem Ungleichgewicht zwischen den Parteien führte. Ließe sich etwa der innerprozessuale Gebrauch einer unbefugt hergestellten Tonaufnahme schlechterdings nicht gem. § 32 StGB oder § 34 StGB rechtfertigen, befände sich der Inhaber einer solchen Aufnahme in einem Dilemma, wenn der Prozessgegner wahrheitswidrige Aussagen tätigt und sonach ein Prozessbetrug droht. Er müsste sich – sofern keine sonstigen Beweismittel existieren – zwischen den unliebsamen Optionen entscheiden, die ihm zustehende materielle Rechtsposition entweder aufzugeben ober aber ein gewichtiges Strafbarkeitsrisiko einzugehen, um sein Recht zu verteidigen. Der perfide Prozessgegner, der um die „Beweisnot“ seines Kontrahenten weiß, könnte diese Situation zu seinen rechtswidrigen Zwecken instrumentalisieren.134 Um diesen prozessualen Angriff, der sich seinerseits an den Grenzen des materiellen Rechts messen lassen muss, sachgerecht abwehren zu können, bedarf es des Rückgriffs auf die anerkannten Rechtfertigungsgründe. Diese können sonach auch eine innerprozessuale Verteidigungsmaßnahme, die den Tatbestand einer Strafnorm verwirklicht, materiell132 Dazu Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 317; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 170. Vgl. auch schon Klee, JW 1939, 129. 133 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 170. 134 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 319. Zustimmend Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 171.
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Teil 5: Umgang mit Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren
rechtlich legitimieren.135 Im Rahmen der einzelnen Rechtfertigungsvoraussetzungen bedarf es freilich stets einer genauen Prüfung, inwieweit die prozessualen Umstände zu einer spezifischen Modifikation Anlass geben. Ein genereller Ausschluss der materiellen Rechtfertigungsgründe trägt diesen Anforderungen jedoch nicht hinreichend Rechnung. Aus der strafprozessualen Perspektive kann nichts Anderes gelten: Nähme man dem Angeklagten von vornherein die Möglichkeit, seine prozessuale Verteidigung auch auf die materiellen Rechtfertigungsgründe zu stützen, erführe dessen Stellung eine gewichtige Einschränkung, die sich mit den verfahrensrechtlichen Idealvorstellungen und der besonderen Schutzbedürftigkeit des Angeklagten nur schwer vereinbaren ließe. Freilich darf der Rekurs auf die materiell-rechtlichen Erlaubnissätze im Ergebnis nicht dazu führen, dass sich der zu Unrecht Angeklagte einschneidender Gewaltmittel bedient, um den Angriff abzuwenden. Dieser Gesichtspunkt betrifft indes nicht die Frage, ob die Rechtfertigungsgründe überhaupt anwendbar sind, sondern vielmehr die spezifische Reichweite. Nach allem stellen weder das Zivil- noch das Strafverfahrensrecht einen abschließenden Regelungskomplex dar, der die materiell-rechtlichen Erlaubnissätze von vornherein ausschlösse. Dieses Ergebnis ist auch deshalb sachgerecht, weil sich das innerprozessuale Verhalten der Privatpersonen am Maßstab des materiellen Rechts messen lassen muss. Greifen aber die strafrechtlichen Verbote auch im prozessualen Raum, muss dies auch für die materiellen Rechtfertigungsgründe gelten. b) Rechtfertigung im Strafverfahren Dient ein eigeninitiativ erlangtes Beweismittel in einem Strafprozess dazu, den Tathergang wahrheitsgemäß zu belegen,136 zeitigt es einen erheblichen Unterschied, ob insoweit die Unschuld des Angeklagten nachgewiesen werden soll oder aber dessen Verantwortlichkeit. Zurückzuführen ist dies auf die besondere Rolle, die dem Angeklagten nach den prozessualen Vorstellungen zukommt, sowie auf die weitreichenden Einbußen, die aus der Verurteilung in einem Strafverfahren resultieren.
135 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 319; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 171. I. E. auch Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 165, indes ohne nähere Begründung. Abweichend hingegen Klee, JW 1939, 129 (129 f.), der schlussendlich die Rechtswidrigkeit des Angriffs ablehnt. 136 Im Rahmen dieser Untersuchung stehen allein solche Beweismittel in Rede, die den tatsächlichen Tathergang belegen sollen. Ausgeklammert bleiben hingegen manipulierte Beweismittel, die zwar das wahrheitsgemäße Endergebnis – die Schuld bzw. Unschuld des Angeklagten – herbeiführen, zu diesem Zweck aber unwahre Ereignisse vorspiegeln. Dazu gehören etwa manipulierte Urkunden oder unwahre Zeugenaussagen.
B. Strafrechtliche Grenzen des innerprozessualen Verhaltens
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aa) Rechtfertigung des unschuldigen Angeklagten Trotz der gravierenden Rechtsfolgen, die eine verhängte Freiheits- oder Geldstrafe nach sich zieht, ist es dem unschuldigen Angeklagten nicht gestattet, sich um jeden Preis zu verteidigen. Eine zentrale und zugleich unüberwindliche Grenze ist mit der Rechtskraft des Urteils erreicht: Selbst wenn dieses inhaltlich unrichtig ist, hat der Verurteilte dessen Anordnungen zu befolgen und darf sich diesen nicht widersetzen.137 Die Rechtsordnung akzeptiert das Urteil, so dass diesem der Erfolgsunwert fehlt.138 Im Rahmen dieses Kapitels stehen jedoch ausschließlich solche Verhaltensweisen in Rede, mittels derer der unschuldige Angeklagte ein inhaltlich falsches Urteil von vornherein abzuwenden versucht. Paradigmatisch ist etwa der Fall, in dem der Angeklagte innerhalb der Hauptverhandlung eine unbefugt hergestellte Tonaufnahme abspielt, um die Aussage eines Belastungszeugen als Lüge zu entlarven. Im Ergebnis besteht Einigkeit darüber, das tatbestandsmäßige Verhalten i. S. d. § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB über die materiellen Rechtfertigungsgründe zu legitimieren.139 Nichtsdestoweniger soll diese unangefochtene These durch einige Bemerkungen näher begründet werden. Vorwegzuschicken ist dabei, dass sich die Ausführungen allein auf die besondere Konstellation beschränken, in der der Angeklagte entlastende Beweismittel anbietet, die er zuvor eigeninitiativ erlangt hat. Dieses Vorgehen bewegt sich in den überkommenen Grenzen, die das Strafprozessrecht selbst vorsieht und die vornehmlich in § 244 Abs. 3 StGB zum Ausdruck kommen. Weitergehende rechtliche Bedenken drängen sich demgegenüber auf, wenn der Angeklagte beispielsweise den lügenhaften Aussagen des Hauptbelastungszeugen mit Gewalt begegnet und sonach zu einem Mittel greift, das die Strafprozessordnung gerade nicht vorsieht.140 Diese Fälle entfernen sich vom verfahrensrechtlichen Leitbild und verlangen nach einer eigenständigen Diskussion, auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden soll. Da die Rechtsordnung keine besonderen Verteidigungsrechte des unschuldigen Angeklagten kennt, beurteilt sich die Rechtfertigung eines tatbestandsmäßigen Verhaltens nach den allgemeinen Erlaubnissätzen des materiellen Rechts.
137 Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 60. Dies gilt gleichermaßen, wenn es um die Verurteilung eines schuldigen Täters geht. Möglich bleiben freilich die anerkannten Rechtsmittel des Prozessrechts, namentlich Berufung und Revision. 138 Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 60. 139 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 339 f.; Eisele, in: Sch/ Sch, § 201 Rn. 33; Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 232. 140 Im Ausgangspunkt großzügiger hingegen Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 232.
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Teil 5: Umgang mit Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren
(1) Notwehr Sofern der Angeklagte einem gegenwärtigen rechtswidrigen141 Angriff ausgesetzt ist, kann dessen Verteidigungsmaßnahme gem. § 32 StGB erlaubt sein, wenn diese ausschließlich die Rechtsgüter des Angreifers tangiert.142 Als Angreifer kommen sowohl die Bediensteten der Strafverfolgungsorgane – der anklagende Staatsanwalt und der entscheidende Richter –143 als auch Privatpersonen, die am Verfahren beteiligt sind, in Betracht.144 Im Vordergrund steht dabei die schon beschriebene Konstellation, in der ein Belastungszeuge eine unwahre Tatsachenbehauptung äußert, um die Verurteilung des Angeklagten herbeizuführen. Insoweit steht ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff im Raum, der sich auf die Freiheit oder jedenfalls das Vermögen bezieht und sonach ein notwehrfähiges Rechtsgut betrifft.145 Zwar tritt die endgültige Rechtsgutsverletzung erst durch die anschließende Verurteilung ein, die nicht durch den lügenden Zeugen, sondern den entscheidenden Richter herbeigeführt wird.146 Der Angriff i. S. d. § 32 StGB verlangt indes keine unmittelbare Kausalität, da das Notwehrrecht auf dem Prinzip des Rechtsgüterschutzes beruht und auch durch mittelbare Einwirkungen tangiert ist.147 Vor diesem Hintergrund spielt es 141 Zur Diskussion, inwieweit es bei der Notwehrrechtfertigung für die Rechtswidrigkeit des Angriffs nicht nur auf das Erfolgsunrecht, sondern zugleich auch auf das Handlungsunrecht ankommt, Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 14 ff.; Rönnau/Hohn, in: LK-StGB13, § 32 Rn. 108 f. 142 Instruktiv zum Ganzen Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 211 ff. 143 Diese Fälle sollen im Rahmen dieser Untersuchung ausgeklammert bleiben, da die vom Angeklagten ergriffene Abwehrmaßnahme – das Angebot eines entlastenden Beweismittels – zumeist nicht ausschließlich die Rechtsgüter des „angreifenden“ Richters oder Staatsanwalts tangiert. Gleichwohl soll auf einen relevanten Gesichtspunkt hingewiesen werden, der auf die zentrale These zurückzuführen ist, nach der die Rechtswidrigkeit eines Angriffs entfällt, wenn zugunsten des Angreifers ein Rechtfertigungsgrund einschlägig ist, vgl. Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 14; Rönnau/Hohn, in: LK-StGB13, § 32 Rn. 113 m. w. N. Insoweit wirkt sich auch die Frage aus, wie die Sperrwirkung des § 339 StGB dogmatisch einzuordnen ist. Sollte diese als Rechtfertigungsgrund fungieren, zeitigte dies erhebliche rechtliche Konsequenzen: Beruht ein unrichtiges Urteil auf dem fahrlässigen Verhalten des entscheidenden Richters, schiede nach dieser Interpretation nicht nur dessen Strafbarkeit gem. § 339 StGB aus. Zugleich müsste dessen Angriffsverhalten im Kontext des § 32 StGB als rechtmäßig eingestuft werden, da die Sperrwirkung des § 339 StGB eingriffe. Der unschuldige Angeklagte könnte sich insoweit nicht nach Maßgabe des § 32 StGB verteidigen. Bei Lichte besehen wäre darüber hinaus auch der Weg zu einer Rechtfertigung gem. § 34 StGB abgeschnitten. Denn kann sich der Angreifer seinerseits auf einen Rechtfertigungsgrund berufen, darf diese Wertung nicht durch Rückgriff auf den weitergehenden § 34 StGB umgangen werden. Den Angegriffenen trifft vielmehr eine Duldungspflicht. Dazu Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 19 Rn. 19. Zur Sperrwirkung des § 339 StGB Teil 5, A. II. 144 Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 219. 145 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 339 f., der zudem einen Angriff auf die Ehre annimmt. 146 Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 221 f. 147 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 320; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 175 m. w. N., allerdings bezogen auf den Prozessbetrug im Zivilverfahren. Dazu noch Teil 5, B. IV. 1. c) aa).
B. Strafrechtliche Grenzen des innerprozessualen Verhaltens
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für die Annahme einer Notwehrlage auch keine Rolle, ob das richterliche Verhalten, das die Rechtsgutsverletzung unmittelbar herbeiführt, dem lügenden Zeugen gem. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB zugerechnet werden kann.148 Andernfalls müsste die bloß fahrlässig getätigte Falschaussage stets als notwehrauslösender Angriff des Belastungszeugen ausscheiden, da mangels Vorsatzes eine mittelbare Täterschaft nicht in Betracht kommt.149 Aus der Perspektive des Angeklagten, der die wahre Tatsachenlage durch eine unbefugt hergestellte Tonaufnahme belegen könnte, zeitigt es indes keinen Unterschied, ob die drohende Verurteilung auf einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Verhalten des Zeugen aufbaut. In beiden Fällen stellt das Verhalten einer Privatperson einen kausalen Faktor dar, der zu einer gegenwärtigen Beeinträchtigung eines notwehrfähigen Rechtsguts führt. Richtet sich die Verteidigungsmaßnahme sodann ausschließlich gegen den Belastungszeugen, weil gerade dessen Stimme auf der Tonaufnahme zu hören ist und die Falschaussage entlarvt, ist dieses Vorgehen gem. § 32 StGB erlaubt. An der Eignung des Beweismittels bestehen keine rechtlichen Bedenken: Denn da die Beweisverbote nach dem hier verfolgten Ansatz ausschließlich als Belastungsverbote fungieren, ist die beigebrachte Tonaufnahme prozessual verwertbar. Möglich ist es schließlich auch, dass der Angeklagte im Zuge seiner Verteidigung nicht selbst den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, sondern einen Dritten hierzu veranlasst. Angesprochen ist insoweit die Aussage des Lauschzeugen i. S. d. § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB – und folglich eine Konstellation der Nothilfe. Mit Blick auf die vorangehenden Erwägungen bestehen indes keine relevanten rechtlichen Unterschiede. Eine Rechtfertigung kommt insoweit schließlich auch über die grundsätzliche Pflicht zur Zeugenaussage aus § 48 Abs. 1 S. 2 StPO in Betracht. (2) Rechtfertigender Notstand Fehlt es indes an einem rechtswidrigen Angriff oder tangiert die Abwehrmaßnahme (auch) die Rechtspositionen unbeteiligter Dritter, scheidet der Rekurs auf das Notwehrrecht aus. Insoweit verbleibt allein der rechtfertigende Notstand, der – im Unterschied zu § 32 StGB – eine umfassende Abwägung der konfligierenden Güter und Interessen verlangt. Angesichts der gravierenden Folgen, die eine inhaltlich unrichtige Verurteilung nach sich zieht, dürften die Interessen des unschuldigen Angeklagten jedoch i. d. R. wesentlich überwiegen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen ein Lauschzeuge von einem etwaigen Zeugnisverweigerungsrecht keinen Gebrauch macht und mit seiner Aussage den Tatbestand des § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB verwirklicht, um den Angeklagten vor einem materiell unrichtigen Urteil zu bewahren. 148
Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 175. Abweichend hingegen Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 223. Vgl. schließlich Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 339, der ebenfalls auf die Grundsätze der mittelbaren Täterschaft abstellt. 149 So i. E. Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 222 f., der in diesen Fällen allein einen Angriff der Strafverfolgungsorgane annimmt.
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Teil 5: Umgang mit Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren
(3) Zwischenergebnis zur Rechtfertigung des unschuldigen Angeklagten Verteidigt sich der unschuldige Angeklagte, indem er entlastende Beweismittel anbietet, ist dieses Verhalten in weiten Teilen bereits durch das Notwehrrecht gedeckt. Namentlich dann, wenn sich die Abwehrmaßnahme auch gegen die Rechtsgüter unbeteiligter Dritter richtet, bedarf es des Rückgriffs auf den rechtfertigenden Notstand gem. § 34 StGB. Das Ergebnis einer weitläufigen Rechtfertigung bestätigt sich, wenn man die parallelen Erwägungen zu § 203 StGB heranzieht. In dessen Anwendungsfeld ist weitgehend konsensfähig, dass der Schweigepflichtige gem. § 34 StGB gerechtfertigt ist, wenn zu seinen Lasten eine unbegründete strafrechtliche Verurteilung droht, der er nur durch einen Bruch der Verschwiegenheitspflicht effektiv begegnen kann.150 Konsequenterweise gilt dies auch dann, wenn der Schweigepflichtige als Zeuge trotz eines bestehenden Zeugnisverweigerungsrechts aussagt, um einen Unschuldigen vor der strafrechtlichen Verurteilung zu schützen.151 bb) Rechtfertigung sonstiger „privater“ Verfahrensbeteiligter Hiervon ist die Frage zu unterscheiden, ob das innerprozessuale Verhalten des Privaten auch dann gerechtfertigt werden kann, wenn es darauf gerichtet ist, die Schuld des Angeklagten zu beweisen. Insoweit ist zunächst noch einmal in Erinnerung zu rufen, dass es sich um eine Ausnahmekonstellation handelt. Denn typischerweise händigen Privatpersonen belastende Beweismittel bereits im Vorfeld des Gerichtsprozesses an die Strafverfolgungsbehörden aus, so dass die Rechtfertigungserwägungen bereits in einem vorausgehenden Verfahrensabschnitt relevant werden.152 Eine abweichendes Bild ergibt sich allerdings bei der Aussage eines Lauschzeugen, der ein fremdes Gespräch mittels eines Abhörgeräts belauscht hat und erst in der Hauptverhandlung über seine Wahrnehmungen i. S. d. § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB berichtet. Allerdings statuiert § 48 Abs. 1 S. 2 StPO eine Pflicht des Zeugen, zur Sache auszusagen, sofern keine im Gesetz vorgesehene Ausnahme vorliegt. Diese Ausnahmen resultieren zuvorderst aus den Zeugnisverweigerungsrechten der §§ 52 ff. StPO, die jedoch im Kontext des heimlichen Lauschzeugeneinsatzes keine maßgebliche Rolle spielen dürften. Vor diesem Hintergrund verbleibt es typischerweise bei der Aussagepflicht des § 48 Abs. 1 S. 2 StPO, die zugleich als 150 BGHSt 1, 366 (368); Michalowski, ZStW 109 (1997), 519 (536); Eisele, in: Sch/Sch, § 203 StGB Rn. 60. Vgl. auch Schünemann, in: LK-StGB12, § 203 Rn. 143. Anders hingegen Bohnert, NStZ 2004, 301 (306). 151 So die h. M.: OLG Celle NJW 1965, 362 (363); Cierniak/Niehaus, in: MüKo-StGB4, § 203 Rn. 95; Hoyer, in: SK-StGB, § 203 Rn. 89; Eisele, in: Sch/Sch, § 203 Rn. 57; Bosch, in: SSW-StGB, § 203 Rn. 42; A. Popp, in: AnwaltKommentar StGB, § 203 Rn. 52; Fischer, Strafgesetzbuch, § 203 Rn. 89; Haffke, GA 1973, 65 (68); Henssler, NJW 1994, 1817 (1823); Rengier, Die Zeugnisverweigerungsrechte im geltenden und künftigen Strafverfahrensrecht, S. 340; Timm, Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht, S. 69. A. A. hingegen Schünemann, in: LK-StGB12, § 203 Rn. 142, der befürchtet, die Schweigepflichten könnten ausgehöhlt werden. Differenzierend schließlich Michalowski, ZStW 109 (1997), 519 (535 f.). 152 Teil 4, A. III.
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materiell-rechtlicher Erlaubnissatz wirkt.153 Andernfalls käme es zu einem unauflösbaren Widerspruch zwischen einer prozessualen Verhaltenspflicht und einem strafbewehrten Verhaltensverbot. Da sich die Zeugenaussage zudem im prozessualen „Raum“ abspielt, sind dessen Wertungen vorrangig.154 Die materiell-rechtlichen Rechtfertigungsgründe werden unter Berücksichtigung der vorausgehenden Erkenntnisse ausschließlich dann relevant, wenn ein Zeuge entgegen eines bestehenden Zeugnisverweigerungsrechts i. S. d. § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB aussagt oder aber im Rahmen seiner Aussage (unbefugt) hergestellte Tonoder Bildaufnahmen anbietet, um seine Behauptungen zu stützen. Auf diese besonderen Fälle beziehen sich die nachfolgenden Erwägungen. Eine Erlaubnis gem. § 32 StGB scheidet dabei regelmäßig aus, da es an einem Angriff auf ein notwehroder nothilfefähiges Rechtsgut fehlt.155 Insbesondere ist dem geltenden Recht ein privater Verfolgungsanspruch des Verletzten einer Straftat fremd. Vor diesem Hintergrund verbleibt zunächst der Rekurs auf den rechtfertigenden Notstand gem. § 34 StGB. Des Weiteren normiert § 201 Abs. 2 S. 3 StGB einen besonderen Rechtfertigungsgrund, der abschließend beleuchtet werden soll. (1) Rechtfertigender Notstand Der Kreis der notstandsfähigen Rechtsgüter ist weit gefasst. Nach dem hier zugrunde gelegten Lösungskonzept fällt auch das staatliche Interesse an einer effektiven Strafverfolgung in den Anwendungsbereich des § 34 StGB.156 Wird der Angeklagte, der die ihm vorgeworfene Straftat tatsächlich begangen hat, mangels hinreichender Beweise freigesprochen, erleidet das staatliche Strafverfolgungsinteresse einen Schaden. Hierauf lässt sich die Gefahr i. S. d. § 34 StGB stützen, die grundsätzlich die Notstandsbefugnisse auslöst. Ausgeschlossen ist hingegen der Rekurs auf die drohende „Prozessniederlage“157 oder das Verteidigungsverhalten des Angeklagten, sofern dieses die Grenzen des Prozessrechts wahrt. Im Anwendungsbereich des § 203 StGB begegnet diese Argumentation, die den Weg hin zu einer Rechtfertigung gem. § 34 StGB erst eröffnet, erheblicher Kritik,158 153
Tiedemann, in: Peters-FG, S. 131 (147) mit Blick auf § 203 StGB. Tiedemann, in: Peters-FG, S. 131 (147). 155 Zu einer besonderen Ausnahmekonstellation Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 341 ff., der den Sachverhalt des vom OLG Celle NJW 1695, 1677 gefällten Urteils modifiziert. Insoweit geht es um die Situation, in der der schuldige Angeklagte den Belastungszeugen in der Hauptverhandlung einer Lüge bezichtigt. Regelmäßig dürfte sich der Belastungszeuge, dem sich eine solche Befürchtung aufdrängt, aber bereits im Vorfeld der Hauptverhandlung darum bemühen, ein aussagekräftiges Beweismittel – etwa eine heimliche Tonaufnahme – anzufertigen. Dann aber steht die Frage im Raum, ob die eigeninitiative Beweismittelsuche rechtmäßig ist. 156 Teil 2, C. IV. 3. b) aa) (2) (b). 157 Dazu Teil 2, C. IV. 3. b) aa) (3) (c). 158 Gegen eine Rechtfertigung Rengier, Die Zeugnisverweigerungsrechte im geltenden und künftigen Strafverfahrensrecht, S. 341; Haffke, GA 1973, 65 (69); Zander, Umfang und 154
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die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung freilich nicht vollumfänglich wiedergegeben werden kann.159 Weiterführend könnte allerdings ein Gedanke sein, den Haffke explizit hervorhebt: bezwecke der Zeuge mit seiner Aussage ausschließlich, die Schuld des Angeklagten zu beweisen, passe bereits der Rechtsgedanke des § 34 StGB nicht.160 Der rechtfertigende Notstand ziele darauf ab, eine drohende Gefahr abzuwenden, so dass ein präventives Moment entscheidend sei. Hinsichtlich der angeklagten Straftat sei der Schaden jedoch endgültig eingetreten und könne lediglich gesühnt, nicht aber verhindert werden.161 Bei näherem Hinsehen greift dieser Einwand indes nicht durch: Zwar ist Haffke insoweit zuzustimmen, als der Schaden an den Rechtspositionen, die durch die angeklagte Straftat beeinträchtigt wurden, nicht geeignet ist, um die notstandsauslösende Gefahr zu begründen.162 Hat der Angeklagte den Verletzten etwa misshandelt, eröffnet die endgültige Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit – von den Fällen einer Wiederholungsgefahr einmal abgesehen –163 keine Notstandsbefugnisse, weil eine Gefahrenabwehr schlichtweg nicht (mehr) möglich ist. Diese Erkenntnis wirkt sich aber gerade nicht auf das staatliche Strafverfolgungsinteresse aus, dem nach wie vor ein Schaden droht, solange der Angeklagte nicht zur Rechenschaft gezogen worden ist. Die Rechtseinbuße ist sonach nicht endgültig eingetreten, sondern dauert an. Von diesem Standpunkt aus liegt folglich eine typische Notstandslage vor, so dass § 34 StGB auch seinem Rechtsgedanken nach einschlägig ist. Begreift man das staatliche Strafverfolgungsinteresse als notstandsfähiges Rechtsgut, führt allein diese Erkenntnis nicht dazu, dass jedes innerprozessuale Verhalten, das dem Nachweis einer begangenen Straftat dient, automatisch gem. § 34 StGB erlaubt ist.164 Vielmehr hält die Interessenabwägung, die zudem ein wesentliches Überwiegen des Erhaltungsguts verlangt, ein sachgerechtes Korrektiv bereit. Im Kontext der materiellen Schweigepflicht merkt auch Rengier zutreffend an, „daß bei der Aufklärung schwerer Straftaten die Strafverfolgungsinteressen die durch die §§ 53 StPO und 203 StGB geschützten allgemeinen und individuellen VerschwieGrenzen des ärztlichen Berufsgeheimnisses, S. 234; Schünemann, in: LK-StGB12, § 203 Rn. 141; Cierniak/Niehaus, in: MüKo-StGB4, § 203 Rn. 95; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/ Paeffgen, NK-StGB, § 203 Rn. 66; Michalowski, ZStW 109 (1997), 519 (530 f.). 159 Instruktiv zur Frage, inwieweit der Bruch der ärztlichen Schweigepflicht unter Rekurs auf eine Gefahr für kollektive Rechtsgüter gerechtfertigt werden kann, Zander, Umfang und Grenzen des ärztlichen Berufsgeheimnisses, S. 229 ff. 160 Haffke, GA 1973, 65 (69), der diese Erwägungen jedoch im Kontext der Interessenabwägung bemüht. Inhaltlich scheinen die Aussagen allerdings bereits die Frage nach dem notstandsfähigen Rechtsgut zu betreffen. 161 Haffke, GA 1973, 65 (69). 162 Haffke, GA 1973, 65 (69). 163 Zur Rechtfertigung in den Fällen der Wiederholungsgefahr Cierniak/Niehaus, in: MüKo-StGB4, § 203 Rn. 95; Michalowski, ZStW 109 (1997), 519 (530); Zander, Umfang und Grenzen des ärztlichen Berufsgeheimnisses, S. 207 ff. 164 Diese Befürchtung hegt etwa R. Schmitt, JuS 1967, 19 (25) im Kontext heimlicher Tonbandaufnahmen.
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genheitsinteressen“ nicht stets überwiegen.165 Aus dieser Erkenntnis resultiert ein zusätzliches Argument dafür, das staatliche Strafverfolgungsinteresse als notstandsfähiges Rechtsgut anzuerkennen. Denn zu einer Abwägung der konfligierenden Rechtspositionen – und sonach einem einzelfallgerechten Interessenausgleich – gelangt man nur, wenn man zuvor eine Gefahr i. S. d. § 34 StGB für das staatliche Strafverfolgungsinteresse anerkennt und diese vorgelagerte Prüfungsstufe nicht pauschal verweigert. Andersfalls ließe sich eine Rechtfertigung auch in besonders gravierenden Fallkonstellationen nicht begründen, in denen dem Angeklagten eine besonders schwere Straftat vorgeworfen wird.166 Zu denken ist etwa an die Aussage eines Lauschzeugen, dem es durch echte eigeninitiative Ermittlungsmaßnahmen gelungen ist, das Geständnis des eigenen Ehegatten,167 das dieser gegenüber einer vertrauten Person ablegt, heimlich mittels eines Aufnahmegeräts aufzuzeichnen. Ohne den Rekurs auf das staatliche Strafverfolgungsinteresse blieben sowohl das Abspielen gem. § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB als auch die Zeugenaussage in der Hauptverhandlung gem. § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB selbst dann strafbar, wenn sich das aufgezeichnete Geständnis auf einen Mord bezieht. Zwar ließe sich erwägen, diese Einbuße der Wahrheitsfindung zugunsten des besonderen Verhältnisses des Angeklagten zur Person des Zeugen zu akzeptieren. Allerding normiert § 52 StPO lediglich ein Zeugnisverweigerungsrecht und verpflichtet den Aussagenden gerade nicht dazu, von diesem auch Gebrauch zu machen. Stellt sich der Zeuge in den Dienst der Wahrheit, darf eine Rechtfertigung dieses Verhaltens jedenfalls nicht gänzlich ausgeschlossen sein. Zu berücksichtigen bleibt schließlich, dass eine Rechtfertigung gem. § 34 StGB nach dem hier zugrunde gelegten Lösungsmodell von vornherein ausscheidet, wenn ein Beweisverbot entgegensteht. In diesem Fall ist die Verteidigungshandlung nicht geeignet, die Gefahr für das staatliche Strafverfolgungsinteresse abzuwenden. An dieser Stelle beeinflussen sonach die prozessualen Wertungen das Ergebnis des materiell-rechtlichen Erlaubnissatzes. (2) Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gem. § 201 Abs. 2 S. 3 StGB Das Gesetz statuiert in § 201 Abs. 2 S. 3 StGB einen besonderen Rechtfertigungsgrund, der einen eingeschränkten Anwendungsbereich aufweist und aus165 Rengier, Die Zeugnisverweigerungsrechte im geltenden und künftigen Strafverfahrensrecht, S. 342. Im Anwendungsbereich des § 203 StGB müssen zudem die besonderen Wertungen des § 53 StPO berücksichtigt werden, statt aller Hoyer, in: SK-StGB, § 203 Rn. 89 m. w. N. Instruktiv zum Ganzen Michalowski, ZStW 109 (1997), 519 (530 f.). Zur Komplexität der Abwägung schließlich auch Lenckner, in: Göppinger, Arzt und Recht, S. 159 (183 f.). 166 Insoweit lenkt auch Eisele, in: Sch/Sch, § 203 StGB Rn. 58 ein. Vgl. Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 44. 167 Aufgrund eines Zeugnisverweigerungsrechts aus § 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO besteht gerade keine Aussagepflicht i. S. d. § 48 Abs. 1 S. 2 StPO, so dass insoweit eine Rechtfertigung ausscheidet.
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schließlich die Taten nach § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB zu legitimieren vermag.168 Im Unterschied zu § 34 StGB verlangt der Erlaubnissatz gerade nicht die Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr und ist aus dieser Warte sonach weiter gefasst.169 Bei näherem Hinsehen illustriert gerade dieser Umstand, in welchen Fallgestaltungen es eines Rückgriffs auf § 201 Abs. 2 S. 3 StGB überhaupt bedarf: Denn liegt eine Gefahr i. S. d. § 34 StGB vor, lässt sich auch die öffentliche Mitteilung nach den überkommenen Grundsätzen des Notstands rechtfertigen, sofern die geschützten Interessen wesentlich überwiegen. Praktisch relevant wird der Erlaubnissatz des § 201 Abs. 2 S. 3 StGB, der die Rechtfertigung gem. § 34 StGB keinesfalls verdrängt oder modifiziert,170 folglich nur, wenn eine notstandsauslösende Gefahr nicht besteht.171 Die vorangehenden Ausführungen haben indes belegt, dass sich innerhalb der Hauptverhandlung typischerweise eine Notstandslage gem. § 34 StGB begründen lässt. Da § 201 Abs. 2 S. 3 StGB für die aufgeworfene Forschungsfrage sonach irrelevant ist, soll dieser spezifische Rechtfertigungsgrund nicht weiter beleuchtet werden.172 (3) Zwischenergebnis Sofern die innerprozessuale Aussage eines Lauschzeugen den Tatbestand des § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB erfüllt, ist diese i. d. R. durch die Aussagepflicht aus § 48 Abs. 1 S. 2 StPO gerechtfertigt. Lediglich dann, wenn der Zeuge entgegen eines Zeugnisverweigerungsrechts aussagt oder aber im Zusammenhang mit seinen Ausführungen unbefugt hergestellte Ton- oder Bildaufnahmen anbietet, bedarf es des Rückgriffs auf § 34 StGB. Diese Erkenntnis führt indes nicht – wie bisweilen befürchtet – zu einer grundsätzlichen Notstandsrechtfertigung, zumal ein solches Verständnis der besonderen Stellung des Beschuldigten schlechterdings zuwiderliefe. Vielmehr bedarf es einer umfassenden Interessenabwägung, innerhalb derer sämtliche Umstände des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen sind. c) Rechtfertigung im Zivilverfahren Aufgrund der Struktur des Zivilverfahrens, nach der es den Parteien obliegt, die streitigen Tatsachen zu beweisen, stellt sich die Frage, inwieweit der prozessuale Gebrauch eigeninitiativ erlangter Beweismittel, die den Tatbestand einer Strafnorm 168
Teil 2, C. IV. 4. a). Bosch, in: SSW-StGB, § 201 Rn. 16; ferner Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 48. 170 Auf die parallele Anwendbarkeit des § 34 StGB weist etwa Graf, in: MüKo-StGB4, § 201 Rn. 55 hin. Abweichend hingegen Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 37, der postuliert, § 34 StGB komme nicht in Betracht, wenn der Täter allein öffentliche Interessen verfolge. 171 Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (151); Eisele, in: Sch/Sch, § 201 Rn. 33a. 172 Zum Terminus des überragenden öffentlichen Interesses Lenckner, in: Baumann-FS, S. 135 (152 ff.); Hoyer, in: SK-StGB, § 201 Rn. 35. Zu etwaigen verfassungsrechtlichen Bedenken Schünemann, in: LK-StGB12, § 201 Rn. 29; Kargl, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 201 Rn. 33. 169
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erfüllen, von den anerkannten Rechtfertigungsgründen gedeckt ist, im Vergleich zum Strafverfahren deutlich häufiger. Ein materiell unrichtiges Urteil beruht zumeist auf dem pflichtwidrigen Verhalten einer Partei.173 Insoweit lassen sich auch hier im Ausgangspunkt zwei unterschiedliche Szenarien feststellen:174 Zum einen kann der Kläger eine unberechtigte Klage erheben und mittels unwahrer Tatsachenbehauptungen versuchen, das Gericht zu einer inhaltlich falschen Entscheidung zu bewegen, die zum Nachteil des Beklagten wirkt.175 Zum anderen ist auch eine unzutreffende Einlassung des Beklagten möglich, der den Tatsachenvortrag des Klägers bestreitet und eine gerichtliche Entscheidung anstrebt, die sich zulasten des materiell berechtigten Anspruchsinhabers auswirkt.176 In beiden Konstellationen reagiert der Private auf das innerprozessuale Verhalten seines Kontrahenten, so dass dieselben rechtlichen Herausforderungen bestehen. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner weitergehenden Differenzierung; vielmehr ist eine gemeinsame Diskussion möglich. aa) Notwehr: Verteidigung gegen den Prozessbetrug Die vorangehenden Gedanken haben bereits verdeutlicht, dass es i. d. R. um die Reaktion auf eine spezifische Verhaltensweise des Beweisgegners geht. Konsequenterweise steht insoweit eine mögliche Rechtfertigung gem. § 32 StGB im Vordergrund. (1) Notwehrlage Die Rechtfertigung gem. § 32 StGB verlangt zunächst einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut. Bestreitet der Prozessgegner innerhalb des zivilgerichtlichen Verfahrens die wahrheitsgemäßen Tatsachenbehauptungen seines Kontrahenten oder behauptet schlicht Unwahres, begründet dies nach zutreffender Ansicht einen Angriff auf das Vermögen.177 Regelmäßig ist dem Prozessgegner die wahre Sachlage sogar bewusst, so dass ihm ein (versuchter) Prozessbetrug gem. § 263 StGB vorgeworfen werden kann.178 173
Paglotke, Notstand und Notwehr, S. 245. So auch Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 313; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 174; Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 148. 175 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 313. 176 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 313. 177 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 325; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 174; Foerste, NJW 2004, 262 (262 f.). Abweichend hingegen Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (316), die auf die prozessuale Stellung der Partei abstellen und ein notwehrfähiges Individualrechtsgut insoweit ablehnen. 178 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 313; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 177; Foerste, NJW 2004, 262 (262 f.). Darauf, ob der Angriff i. S. d. § 32 StGB seinerseits einen Straftatbestand verwirklicht, kommt es freilich nicht an, Rengier, Strafrecht AT, § 18 Rn. 30. Zur Diskussion, ob unvorsätzliche 174
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Geht es um die berechtigte Forderung des Klägers, deren Bestand der Beklagte leugnet, stehen die §§ 229, 230 BGB, die es ausnahmsweise gestatten, zivilrechtliche Ansprüche im Wege der Selbsthilfe zu sichern, der Annahme einer Notwehrlage nicht entgegen. Zwar lässt sich den Vorschriften implizit entnehmen, dass es für eine Rechtfertigung gem. § 32 StGB nicht genügen kann, wenn der Anspruchsinhaber lediglich eine ihm zustehende Forderung durchzusetzen versucht.179 Insoweit stellen die §§ 229, 230 BGB strengere Vorgaben auf, die nicht durch den weiter gefassten § 32 StGB umgangen werden dürfen.180 Allerdings erschöpft sich das Verhalten des Schuldners in den hier relevanten Fallkonstellationen gerade nicht darin, einen fälligen und einredefreien Anspruch nicht zu erfüllen, sondern reicht wegen des wahrheitswidrigen Tatsachenvortrags darüber hinaus.181 Angesichts dieses zusätzlichen Unwertgehalts ist es legitim, eine Notwehrlage anzunehmen182 und den Kreis der zulässigen Verteidigungsmöglichkeiten über die rechtlichen Grenzen der §§ 229, 230 BGB zu erweitern. Hierfür streitet schließlich auch das telos, auf dem die begrenzte Zulässigkeit der Selbsthilfe beruht: Sind sich verschiedene Personen darüber uneinig, ob bzw. in welchem Umfang etwaige Forderungen bestehen, dürfen sie ihren rechtlichen Standpunkt grundsätzlich nicht eigenmächtig sowie unter Gewaltanwendung durchsetzen, sondern müssen den gerichtlichen Weg beschreiten. Vor diesem Hintergrund ist das Selbsthilferecht auch nur auf die vorläufige Sicherung eines Anspruchs gerichtet, nicht aber auf die endgültige Befriedigung.183 Leugnet aber der Prozessgegner innerhalb des gerichtlichen Verfahrens, vom Kläger eine bestimmte Geldsumme als Darlehen erhalten zu haben, und verteidigt sich der Anspruchsinhaber daraufhin, indem er etwa eine rechtswidrig hergestellte Tonaufnahme als Beweismittel abspielt, erfolgt das gesamte Verhalten im prozessualen Raum. Die Befürchtung, der Anspruchsinhaber könnte seine Forderung außerhalb der geordneten Bahnen des Zivilverfahrens eigenmächtig durchsetzen, greift insoweit nicht durch. Die Erwägungen weisen jedoch auf einen neuralgischen Punkt hin, der in ähnlicher Konturierung auch schon die Rechtfertigung in der strafgerichtlichen Hauptverhandlung betroffen hat: Sofern sich eine Partei gegen einen Angriff verteidigt, der in der Form einer Prozesshandlung (zumeist: wahrheitswidriges Bestreiten der Tatsachenlage) erfolgt, stellt sich die Frage, welche Abwehrmaßnahmen überhaupt ergriffen werden dürfen. Dies betrifft bei Lichte betrachtet jedoch nicht die Notwehrlage als auslösendes Moment des Verteidigungsrechts, sondern den nach-
Rechtsgutsverletzungen eine Notstandslage zu begründen vermögen, Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 60 f. m. w. N. 179 Statt aller Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 173 f., der zugleich auf die unterschiedlichen Lösungsansätze hinweist. 180 Dazu schon Teil 2, C. IV. 3. b) aa) (3) (f). 181 Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 325; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 174. 182 Vgl. auch Rönnau/Hohn, in: LK-StGB13, § 32 Rn. 105. 183 Rengier, Strafrecht AT, § 21 Rn. 3.
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gelagerten Aspekt der erlaubten Notwehrhandlung. Hierauf ist sogleich zurückzukommen. Unerheblich ist ferner, dass die Prozesspartei, die eine unwahre Behauptung aufstellt, den Vermögensschaden nicht allein und unmittelbar durch das eigene Verhalten herbeizuführen vermag, sondern der „Mithilfe“ des entscheidenden Richters bedarf, der schließlich das Urteil fällt. Insoweit genügt bereits die mittelbare Beeinträchtigung des notwehrfähigen Rechtsguts, um einen Angriff i. S. d. § 32 StGB zu begründen.184 Vor diesem Hintergrund spielt es auch keine Rolle, ob man den Prozessbetrug als sog. „Dreiecksbetrug“ begreift oder aber zusätzlich auf die Kriterien der mittelbaren Täterschaft gem. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB abstellt.185 An der Gegenwärtigkeit des Angriffs bestehen in praxi keine ernstlichen Zweifel: Der Beweisführer186 wird sich typischerweise erst dann dem Risiko aussetzen, durch den Gebrauch eines Beweismittels den Tatbestand eines Strafgesetzes zu verwirklichen, wenn der Prozessgegner dessen Vortrag bestreitet oder von sich aus unwahre Behauptungen aufstellt.187 Zu diesem Zeitpunkt steht die Beeinträchtigung des Vermögens jedenfalls unmittelbar bevor.188 Schließlich ist die unwahre Tatsachenbehauptung einer Prozesspartei auch rechtswidrig. Auf die Diskussion, ob es neben dem Erfolgsunwert auch eines Handlungsunwerts bedarf,189 kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.190 In den Fällen, in denen der Lauschzeuge über seine Wahrnehmungen gem. § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB berichtet, um ein materiell unrichtiges Urteil abzuwenden, geht es nicht um die Verteidigung „eigener“ Rechtspositionen. Folglich steht eine Konstellation der Nothilfe im Raum; die vorherigen Aussagen zur Rechtfertigung gelten gleichwohl entsprechend.
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Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 320 ff.; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 175 f. Zur vergleichbaren Diskussion im Rahmen des Strafprozesses Teil 5, B. IV. 1. b) aa) (1). 185 Statt aller Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 175. Zur Diskussion um die Einordnung des Prozessbetrugs in die Kategorien des § 263 StGB Eisele, Strafrecht BT II, Rn. 572. Die h. M. stellt auf einen Dreiecksbetrug ab, vgl. Krell, Jura 2012, 102 (105, 106); Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 263 Rn. 340. 186 In den Fällen des Lauschzeugen handelt freilich nicht die Partei des Zivilprozesses, sondern vielmehr ein Dritter. Insoweit steht dann eine Konstellation der Nothilfe in Rede. 187 Ist die Tatsache hingegen unstreitig, bedarf es schon keines Beweises. 188 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 179. Für einen gegenwärtigen Angriff auch Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 296 f.; Foerste, NJW 2004, 262 (262 f.). Vgl. schließlich Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 328, der fordert, dass „der Rechtstreit alsbald entscheidungsreif zu werden droht“. 189 Kühl, in: Lackner/Kühl, § 32 Rn. 5; Perron/Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 19/20. 190 Zutreffend Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 177.
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(2) Notwehrhandlung § 32 StGB gestattet allein solche Verteidigungsmaßnahmen, die sich gegen die Rechtsgüter des Angreifers richten.191 Darüber hinaus muss das gewählte Abwehrverhalten geeignet sein, den Angriff endgültig zu beenden oder jedenfalls abzumildern.192 Auf den ersten Blick scheint das Notwehrrecht in den hier beschriebenen Fällen, in denen der Prozessgegner wahrheitswidrige Behauptungen aufstellt, ein weites Feld potenziell erlaubter Gegenmaßnahmen zu eröffnen: Denn neben dem Nachweis der tatsächlichen Sachlage könnte der Betroffene auf prozessfremde Mittel zurückgreifen und seinen Kontrahenten beispielsweise durch Gewalt oder sonstige Drohungen dazu veranlassen, einzulenken und den unwahren Tatsachenvortrag zu revidieren. Am äußersten Ende dieses weiten Verteidigungsspektrums stünde schließlich die Tötung des Prozessgegners, die den Angriff zweifelsohne beenden würde. Zwar verlangt die Rechtfertigung gem. § 32 StGB, dass sich der Angegriffene des relativ mildesten Mittels bedient und sorgt auf diese Weise für ein rechtliches Korrektiv: Zwischen mehreren Optionen, die den Angriff effektiv abzuwehren vermögen, muss der Verteidiger diejenige auswählen, die die Rechtpositionen des Angreifers am geringsten beeinträchtigt.193 Nichtsdestoweniger lassen sich allein unter Rekurs auf dieses Kriterium nicht alle Konstellationen der prozessfremden Verteidigung sachgerecht bewerten.194 Dies wird besonders deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass die Eignung nach dem hier implementierten Lösungsansatz nicht allein tatsächlich, sondern vielmehr auch normativ zu bewerten ist. Bezweckt der Angegriffene, die Beeinträchtigung durch ein Beweismittel abzuwehren, das die wahre Rechtslage offenbart, ist dieses Vorgehen nur dann erfolgreich, wenn das entscheidende Gericht das angebotene Beweismittel auch erheben und schließlich verwerten darf. Sonach trägt der Angegriffene – zumindest aus der maßgeblichen ex ante-Perspektive – das Risiko eines Beweisverbots. Die schlichte Anwendung von Gewalt gegen den Angreifer könnte folglich effektiver sein, da sie gerade nicht von den prozessualen Zwängen abhängt. Allerdings würde der unbefangene Rückgriff auf das gesamte Arsenal tatsächlich geeigneter Abwehrmaßnahmen dazu führen, einen zentralen Grundpfeiler des zivilgerichtlichen Rechtsschutzes zum Einsturz zu bringen: Das gerichtliche Verfahren tritt an die Stelle der grundsätzlich verpönten Selbsthilfe, die nur in engen Grenzen erlaubt ist. Dieses grundsätzliche Verbot der Selbsthilfe unterliefe man aber, wenn man die zulässigen Notwehrhandlungen gegen prozessuale Angriffe auch auf prozessfremde Verteidigungsmittel erstreckte.195 Im Ergebnis verbleiben ausschließlich solche 191
Statt aller Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 122. Rengier, Strafrecht AT, § 18 Rn. 33. 193 Seelmann, ZStW 89 (1977), 36 (37 f.); Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 129; Perron/ Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 36. 194 In diese Richtung auch Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 180. Abweichend hingegen Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 332, der die Gewaltanwendung als ungeeignetes Verteidigungsmittel einstuft. 195 I. E. auch Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 180. 192
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Abwehrmaßnahmen, die sich – wie die Beweisführung – in die anerkannten Kategorien des Prozessrechts einordnen lassen. Dieses restriktive Verständnis kann auch im Wortlaut des § 32 StGB verankert werden, der eine gebotene Verteidigung verlangt,196 und das schneidige Schwert des Notwehrrechts insoweit sozialethischen Einschränkungen unterwirft. bb) Notstand Berührt die gewählte Verteidigungsmaßnahme solche Rechtspositionen, die nicht dem Angreifer zuzuordnen sind, scheidet eine Rechtfertigung gem. § 32 StGB aus. In den hier relevanten Fallkonstellationen stehen Tonaufnahmen im Vordergrund, die jedenfalls auch die Stimme eines außenstehenden Dritten197 betreffen. Der tatbestandliche Gebrauch i. S. d. § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB lässt sich – außerhalb der Fälle einer rechtfertigenden Einwilligung – allein gem. § 34 StGB legitimieren.198 Im Rahmen der anzustellenden Interessen- und Güterabwägung kommt es vornehmlich darauf an, welches Gewicht die angegriffene Rechtsposition einnimmt. Zwar schlagen auf Seiten des Beweisführers „nur“ dessen Vermögen sowie das Beweisinteresse zu Buche – und nicht etwa die körperliche Unversehrtheit oder das Leben. Nichtsdestoweniger kann auch den Vermögensinteressen eine überragende Bedeutung für den Einzelnen zukommen.199 Erst die konkrete Gegenüberstellung im Einzelfall führt zu einer interessengerechten Lösung. Zu berücksichtigen ist dabei, dass sich die tatsächlichen Umstände im Vergleich zur vorausgehenden Beweismittelsuche verändert haben können. Augenscheinlich wird dies, wenn der Beweisführer lediglich einen Ausschnitt aus einer angefertigten Tonaufnahme anbietet: Innerhalb der notstandsrechtlichen Abwägung dürfen nur die Interessen derjenigen Personen berücksichtigt werden, die von der prozessualen Verwendung des Beweismittels betroffen sind. Enthält die Aufnahme – jenseits der im Zivilverfahren abgespielten Sequenz – auch das gesprochene Wort einer weiteren Person, mag dies zwar für die strafrechtliche Bewertung des Herstellungsvorgangs gem. § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB relevant sein; für die Rechtfertigung des Gebrauchs oder des Zugänglichmachens i. S. d. § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist dies hingegen bedeutungslos.
196
an. 197
Dies deutet auch Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 180
Nicht angesprochen ist damit die Konstellation, in der das nichtöffentlich gesprochene Wort einer solchen Person aufgenommen wurde, die – beispielsweise in Absprache mit dem Kläger – nunmehr im Zivilverfahren als Zeuge falsch aussagt. Der Beweisgegner, der die unwahre Aussage mittels der zuvor hergestellten Tonaufnahme zu belegen vermag, kann sich hinsichtlich der prozessualen Verwendung auf § 32 StGB stützen, da sich die Verteidigungsmaßnahme gegen den Angreifer richtet. Zur Bedeutung derartiger Fallkonstellationen für die Entwicklung von Beweisverwertungsverboten bereits Teil 3, B. II. 2. 198 Zur (fehlenden) Relevanz des § 201 Abs. 2 S. 3 StGB Teil 5, B. IV. 1. b) bb) (2). 199 Foerste, JZ 2003, 1111 (1112); Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 298; Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 168.
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cc) Zwischenergebnis für die Rechtfertigung im Zivilverfahren Da unwahre Sachverhaltsschilderungen in der zivilprozessualen Praxis regelmäßig vorkommen,200 nimmt die Rechtfertigung qua Notwehr eine zentrale Rolle ein. Um den geordneten Verfahrensablauf dabei jedoch nicht zu gefährden oder sogar zugunsten der eigenmächtigen Rechtsdurchsetzung aufzuopfern, beschränken sich die zulässigen Verteidigungsmaßnahmen auf solche Handlungen, die dem Prozessrecht seiner äußeren Form nach bekannt sind. Die Möglichkeit, den Gebrauch eines rechtswidrig erlangten Beweismittels im Zivilverfahren materiell-rechtlich zu legitimieren, erfährt mit Blick auf parallele Fragestellungen sub specie des § 203 StGB eine zusätzliche Stütze: Sofern ein Berufsgeheimnisträger seine Schweigepflicht missachtet, um ein unrichtiges zivilgerichtliches Urteil, das zu seinen Lasten ausfällt, abzuwenden, ist dieses Verhalten nach der überwiegenden Ansicht grundsätzlich gem. § 34 StGB gestattet.201 d) Nachweis der Rechtfertigungsvoraussetzungen Steht der innerprozessuale Gebrauch von eigeninitiativ erlangten Beweismitteln in Rede, drängt sich regelmäßig die Frage auf, inwieweit ein Nachweis über die etwaigen rechtfertigenden Umstände überhaupt möglich ist. Behauptet etwa der Beweisführer in einer zivilgerichtlichen Verhandlung, die beklagte Partei äußere unzutreffende Tatsachen und begehe einen (versuchten) Prozessbetrug, kollidieren zwei konträre Aussagen, die für sich betrachtet keinen sicheren Schluss darauf zulassen, welcher Prozessbeteiligte den objektiv wahren Sachverhalt schildert. Der Nachweis der rechtfertigenden Umstände ist regelmäßig nur unter Rückgriff auf das Beweismittel möglich, dessen prozessuale Zulässigkeit gerade streitig ist.202 Zumeist lässt sich erst nach der richterlichen Beweiserhebung abschließend bewerten, ob der Prozessgegner wahrheitsgemäß oder aber wahrheitswidrig ausgesagt hat.203 Allerdings muss bereits vorher über die Zulässigkeit des Beweismittels entschieden werden.204 200
Foerste, NJW 2004, S. 262 (263) spricht von Alltagserlebnissen. Lenckner, GA 1985, 295 (298); Eisele, in: Sch/Sch, § 203 StGB Rn. 60; ferner Altenhain, in: Matt/Renzikowski, § 203 Rn. 61. A. A. Schünemann, in: LK-StGB12, § 203 Rn. 142. 202 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 183 f.; Segger-Piening, ZZP 132 (2019), 359 (386); Kodek, in: Kaissis-FS, S. 523 (547). Vgl. schließlich Haffke, GA 1973, 65 (72 f.), der sich im Kontext der ärztlichen Schweigepflicht mit etwaigen Nachweisschwierigkeiten befasst. 203 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 184. So auch Werner, NJW 1988, 993 (999 f.); Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 150. 204 Zeiss, ZZP 89 (1976), 377 (384); Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 184. Diesen insoweit zutreffenden Gedanken bemühen – wenn auch in etwas anderem Zusammenhang – auch Gemmeke, Beweisverwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren, S. 32; Fink, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 143 f.; Werner, NJW 1988, 993 (1000); Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell201
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Hinge die prozessrechtliche Zulässigkeit eines Beweismittels – jedenfalls auch – von den Vorgaben der materiellen Rechtfertigungsgründe ab, müsste der prozessuale Umgang mangels eines endgültigen Nachweises konsequenterweise unterbleiben.205 Das entscheidende Gericht dürfte die Aussage des Beweisführers jedenfalls nicht ohne Weiteres als wahr unterstellen,206 da dies das Gleichgewicht zwischen den Prozessparteien erheblich störte.207 Bei genauerer Betrachtung stellen sich die aufgeworfenen Streitfragen nach dem hier entwickelten Lösungsmodell gerade nicht in der aufgezeigten Relevanz.208 Da die prozessuale Verwertbarkeit gänzlich unabhängig von der materiell-rechtlichen Bewertung ist, spielt es schlichtweg keine Rolle, inwieweit die Voraussetzungen eines Erlaubnistatbestands vorliegen. Vielmehr verhält es sich gerade umgekehrt: Über das Merkmal der Eignung wirken die prozessualen Wertungen in das materielle Recht hinein. Vor diesem Hintergrund bedarf es auch keines Nachweises darüber, ob die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes erfüllt sind, bevor der Private das Beweismittel innerprozessual gebraucht oder anbietet.209 Spielt der Beweisführer in einer zivilgerichtlichen Verhandlung etwa eine unbefugt hergestellte Tonaufnahme i. S. d. § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB ab, um – seinen Aussagen zufolge – einen gegenwärtigen Angriff auf sein Vermögen abzuwehren, lässt sich die materielle Rechtfertigung retrospektiv beurteilen.210 Von diesem Standpunkt aus bereitet es dann auch keine nennenswerten Schwierigkeiten, das Verhalten des Beweisgegners als Prozessbetrug zu entlarven. rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 48. Vgl. schließlich Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 99. 205 Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 192. Abweichend hingegen Foerste, NJW 2004, 262 (263), der es genügen lässt, wenn der Beweisführer die aus seiner Sicht bestehende Gefahrenlage im Nachhinein belegen kann. 206 So aber Balthasar, JuS 2008, 35 (36); H. Roth, in: Erichsen, Recht der Persönlichkeit, S. 279 (285). Ferner Foerste, in: Musielak/Voit, § 286 Rn. 8. Diese Erwägungen betreffen letztlich die von Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140 (147) postulierte „Ergebnisoffenheit des Rechtsstreits“. Dabei rekurriert Häsemeyer auf die Konstellation, in der im Streit um die Prozessfähigkeit davon auszugehen ist, dass diese vorliegt. Vgl. zu diesen Erwägungen Kodek, in: Kaissis-FS, S. 523 (547). 207 Kritisch i. E. auch Kodek, in: Kaissis-FS, S. 523 (547). Umfassend zur Frage, ob eine Reduzierung des Beweismaßes möglich ist, Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 185 ff. 208 Freilich stellt sich die Frage, inwieweit ein Nachweis der Umstände möglich ist, die für die prozessuale Zulässigkeit eines Beweismittels entscheidend sind. Dazu Teil 3, B. IV. 209 Vgl. zu diesem Gedanken auch Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 150. 210 Vgl. auch Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 206 f., nach dessen Ansatz ein Beweisverwertungsverbot nicht eingreift, wenn sich aus der ex post-Betrachtung ergibt, dass die Voraussetzungen des Notwehrrechts vorliegen. Ferner Arzt, JZ 1973, 506 (508), der betont, die Notwehrrechtfertigung setze eine Ungewissheit über die richtige Darstellung des Beweisgegners gewissermaßen voraus. Gleichwohl lehnt Arzt eine Erlaubnis qua „Notwehr bei Beweisnot“ i. E. unter Rekurs auf die eingeschränkte Selbsthilfemöglichkeit grundsätzlich ab.
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2. Rechtfertigung des Richters Ein neuralgischer Punkt ist schließlich erreicht, wenn es um die Frage geht, ob das Verhalten des Richters, der ein eigeninitiativ erlangtes Beweismittel prozessual verwendet und dabei den Tatbestand einer Strafnorm erfüllt, gerechtfertigt werden kann. In der beweisrechtlichen Diskussion taucht dieser Gesichtspunkt zumeist nur am Rand auf. Hinsichtlich des richterlichen Umgangs mit Beweismitteln steht regelmäßig im Vordergrund, inwieweit eine gesetzliche Rechtsgrundlage existiert, die geeignet ist, den grundrechtlichen Eingriff zu legitimieren.211 Eine Rechtfertigung des Richters kommt a priori aus zwei unterschiedlichen Aspekten in Betracht: Auf der einen Seite könnten die überkommenen Erlaubnissätze der §§ 32, 34 StGB nicht nur das prozessuale Verhalten einer Privatperson rechtfertigen, sondern darüber hinaus auch den staatlichen Stellen einzelne Beeinträchtigungen fremder Rechtspositionen gestatten. Auf der anderen Seite stehen die speziellen gesetzlichen Befugnisse, die sich aus den jeweiligen Verfahrensordnungen ergeben und den Umgang mit Beweismitteln betreffen. Dieser zweite Ansatzpunkt verdeutlicht zugleich, dass durchaus Überschneidungen mit der zuvor schon erwähnten Suche nach einer hinreichend bestimmten Grundrechtsschranke bestehen. a) Rückgriff auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe Inwieweit sich Hoheitsträger überhaupt auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe berufen können, sofern sie die ihnen zugewiesenen Aufgaben erfüllen, ist seit jeher umstritten.212 Die mannigfaltigen Stellungnahmen beziehen sich vornehmlich auf polizeiliches Handeln und untersuchen dabei insbesondere, ob der finale Rettungsschuss gem. § 32 StGB im Wege der Nothilfe erlaubt ist.213 Konzentriert man sich allein auf die gängigen Argumentationsmuster,214 lassen sich im Kern drei 211
Dazu Teil 3, B. II. 3. Nach Rogall, JuS 1992, 551 (556) handelt es sich um eine „alte und vieldiskutierte Streitfrage“. Zum Ganzen Rönnau/Hohn, in: LK-StGB13, § 32 Rn. 216 ff.; Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 442 ff.; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 395 ff.; Jahn, Das Strafrecht des Staatsnotstandes, S. 272 ff.; Béguelin, GA 2013, 473 (474 ff.); Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 108 ff.; Engländer, Grund und Grenzen der Nothilfe, S. 176 ff. Hiervon ist – jedenfalls im Ausgangspunkt – die Frage zu unterscheiden, ob die §§ 32, 34 StGB als Grundrechtsschranke herangezogen werden können. Dazu mit instruktiven und zutreffend kritischen Bemerkungen Sydow, JuS 1978, 222 (223); Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 71; Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 107 ff. 213 Zu den Hintergründen Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 186; Perron/Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 42b. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass zahlreiche Polizeigesetze – mithin Landesgesetze zur Gefahrenabwehr – einen sog. Notrechtsvorbehalt aufweisen. Dazu Béguelin, GA 2013, 473 (477 ff.); Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 108 ff.; Rogall, JuS 1992, 551 (556 f.). 214 Einen Überblick über weitere Lösungsansätze geben Jahn, Das Strafrecht des Staatsnotstandes, S. 272 ff.; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 395 ff.; Rogall, JuS 1992, 551 (556 ff.). 212
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Ansichten unterscheiden.215 Nach der strafrechtlichen Konzeption gelten die materiellen Rechtfertigungsgründe auch für Hoheitsträger,216 wobei mitunter ein Ausschluss anzunehmen sein soll, wenn die Normen, die das staatliche Vorgehen im spezifischen Kontext regeln, abschließend sind.217 Die Anhänger des öffentlichrechtlichen Lösungsansatzes lehnen hingegen den Rekurs auf die §§ 32, 34 StGB von vornherein ab und berufen sich auf den exklusiven Charakter der staatlichen Eingriffsbefugnisse, die nicht durch die materiellen Rechtfertigungsgründe erweitert werden dürften.218 Eine vermittelnde Theorie219 differenziert schließlich zwischen der strafrechtlichen und der öffentlich-rechtlichen Wirkung: Hiernach könne das Verhalten des Hoheitsträgers materiell-rechtlich rechtmäßig sein, obschon aus der öffentlich-rechtlichen Perspektive ein Rechtsverstoß vorliege, wenn die Voraussetzungen der spezifischen Ermächtigungsgrundlage nicht erfüllt sind.220 Im Rahmen dieses Kapitels steht jedoch ausschließlich die mögliche Rechtfertigung des Straf- oder Zivilrichters im Raum, der ein eigeninitiativ erlangtes Beweismittel erhebt und verwertet. Für dieses Szenario verbietet sich der Rückgriff auf die Eingriffsbefugnisse aus den §§ 32, 34 StGB von vornherein.221 Die beweisrechtlichen Vorschriften bilden einen Kernbereich der jeweiligen Verfahrensordnungen, der nicht durch die Erlaubnissätze des materiellen Rechts unterminimiert werden darf. Zudem drängen sich mit Blick auf das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG sowie das Verhältnismäßigkeitsprinzip,
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So auch Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 443. BGHSt 31, 304 (307); BGH NStZ 2005, 31; BayObLG JZ 1991, 936; B. Kramer, NJW 1990, 1760 (1762); Rengier, Strafrecht AT, § 18 Rn. 95 f.; Perron/Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 42c; Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 112; Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 153. 217 Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 432. In diese Richtung auch Perron/Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 42b. 218 Rönnau/Hohn, in: LK-StGB13, § 32 Rn. 220; Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 444; Jahn, Das Strafrecht des Staatsnotstandes, S. 417 ff.; Kindhäuser, in: Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 32 Rn. 85; Kunz, ZStW 95 (1983), 973 (982); Rosenau, in: SSW-StGB, § 34 Rn. 4; Seelmann, ZStW 89 (1977), 36 (56). Vgl. auch Amelung, JuS 1986, 329 (332 f.); ders., NJW 1977, 833 (839 f.), der einen Rekurs auf das Notwehrrecht anerkennt, sofern es um die bloße Selbstverteidigung des Amtsträgers geht. Dagegen wiederum Perron/ Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 42b; Mittag, Außerprozessuale Wirkungen strafprozessualer Grundrechtseingriffe, S. 227 m. w. N. 219 Rönnau/Hohn, in: LK-StGB13, § 32 Rn. 219 sprechen insoweit von einer „Spaltungslösung“; Béguelin, GA 2013, 473 (476) nennt das Modell „Differenzlösung“; Fechner, Grenzen polizeilicher Notwehr, S. 82 spricht von der „verfassungsrechtliche[n] Begrenzungslösung“. 220 Fechner, Grenzen polizeilicher Notwehr, S. 85 f.; Sydow, JuS 1978, 222 (224 f.); Rogall, JuS 1992, 551 (559); Mittag, Außerprozessuale Wirkungen strafprozessualer Grundrechtseingriffe, S. 227 f.; Ellbogen, Jura 2005, 339 (341); Beaucamp, JA 2003, 402 (403 f.); Mitsch, NJW 2017, 3124 (3126); Neuhaus, GA 2004, 521 (526); Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 189 m. w. N. 221 Für das gegenteilige Ergebnis jedenfalls offen Brunhöber, GA 2010, 571 (586 f.). 216
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dem das staatliche Handeln verpflichtet ist, erhebliche Bedenken auf.222 Zwar haben die vorangehenden Ausführungen gezeigt, dass auch im prozessualen Kontext verschiedene Situationen auftreten, in denen eine Notwehr- oder Notstandslage vorliegt. Für den entscheidenden Richter stellen diese jedoch keine unvorhergesehenen Ausnahmeszenarien dar, die den Rückgriff auf die materiellen Rechtfertigungsgründe der §§ 32, 34 StGB möglicherweise gestatten könnten. Vielmehr handelt es sich um ein insoweit typisches und berufsadäquates Risiko. Darüber hinaus verfängt das zentrale Argument, auf das sich die Befürworter einer rechtfertigenden Wirkung für Hoheitsträger stützen, im Hinblick auf den richterlichen Umgang mit Beweismitteln gerade nicht. Sowohl die Verfechter der strafrechtlichen als auch der vermittelnden Lösung betonen, es sei unbillig, den Hoheitsträger gegenüber einem privaten Nothelfer zu benachteiligen, indem nur dem letztgenannten eine Erlaubnis gem. § 32 StGB zukomme.223 Während dieser Einwand bei einem polizeilichen Verhalten jedenfalls nachvollziehbar ist,224 führt er bei der richterlichen Beweiserhebung und -verwertung ins Leere: Diese Vorgänge sind nach der gesetzlichen Konzeption ausschließlich bestimmten Hoheitsträgern überantwortet, so dass ein Vergleich mit etwaigen Verteidigungsoptionen einer Privatperson schlechterdings nicht in Betracht kommt. Nach allem kann das richterliche Verhalten im Prozess, das den Tatbestand einer Strafnorm erfüllt, nicht gem. §§ 32, 34 StGB gerechtfertigt werden.225 b) Partizipation des Richters an der Rechtfertigung des Privaten Die bisherigen Erwägungen haben belegt, dass sich der innerprozessuale Umgang des Richters mit eigeninitiativ erlangten Beweismitteln aus der strafrechtlichen Warte nicht auf die §§ 32, 34 StGB stützen lässt. Diese Erkenntnis betrifft jedoch ausschließlich den unmittelbaren Rekurs auf die überkommenen Erlaubnissätze des materiellen Rechts. Eine divergierende Frage ist jedoch, inwieweit das richterliche Verhalten an einer etwaigen Erlaubnis der Privatperson partizipiert. Eine solche „mittelbare Drittwirkung“ wurde – soweit ersichtlich – im beweisrechtlichen Zusammenhang bislang nicht erwogen. Die nachstehenden Ausführungen sollen so-
222
Engländer, Grund und Grenzen der Nothilfe, S. 194 ff. BayObLG JZ 1991, 936; Bockelmann, in: Dreher-FS, S. 235 (240); Rengier, Strafrecht AT, § 18 Rn. 96; Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 194; Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 153; Rogall, JuS 1992, 551 (557). Abweichend indes Seelmann, ZStW 89 (1977), 36 (56 ff.), der das Nothilferecht des Privaten aus dem Vergleich mit den am Verhältnismäßigkeitsmaßstab ausgerichteten Eingriffsbefugnissen von Hoheitsträgern einschränkt und damit die gleichsam konträre Blickrichtung wählt. Instruktiv zum Ganzen Engländer, Grund und Grenzen der Nothilfe, S. 179 ff., der eine mögliche „Harmonisierung von Nothilfe und staatlicher Gefahrenabwehr“ in beide Richtungen untersucht. 224 Dagegen indes Amelung, JuS 1986, 329 (332); Engländer, Grund und Grenzen der Nothilfe, S. 198 ff. 225 Aus denselben Gründen scheidet auch der Rückgriff auf § 201 Abs. 2 S. 3 StGB aus. 223
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nach einen ersten Versuch darstellen, eine mögliche Brücke zwischen der privaten Rechtfertigung und der richterlichen Verwendungsbefugnis zu schlagen. Eine stichhaltige Analyse muss zunächst noch einmal die rechtliche Ausgangssituation hervorheben: Da die untersuchten Strafnormen der §§ 201, 201a StGB – jedenfalls in weiten Teilen –226 die weitere Verwendung nur dann pönalisieren, wenn das vorangehende Verhalten seinerseits unbefugt war, scheidet eine Strafbarkeit des Richters grundsätzlich aus, wenn der eigeninitiative Herstellungsakt der jeweiligen Aufnahme rechtmäßig erfolgte. Das Problem einer strafrechtlichen Rechtfertigung stellt sich hinsichtlich des richterlichen Verhaltens nicht. Ein abweichendes Bild ergibt sich jedoch, sofern die eigeninitiative Suche nach Beweismitteln, die den Tatbestand einer Strafnorm verwirklicht, nicht auf die §§ 32, 34 StGB gestützt werden kann. In dieser Konstellation fällt indes nicht nur der richterliche Umgang mit dem inkriminierten Beweismittel unter die §§ 201, 201a StGB. Die genannten Strafnormen untersagen zugleich auch die Übergabe einer unbefugt hergestellten Ton- oder Bildaufnahme an die Strafverfolgungsbehörden oder die Nutzung in einem Zivil- oder Strafverfahren durch die Privatperson. Zu deren Gunsten – und insoweit tritt der entscheidende Unterschied deutlich hervor – können jedoch die §§ 32, 34 StGB eingreifen. Gerade auf diese Fälle, in denen die eigeninitiative Beweismittelsuche zwar rechtswidrig ist, die nachfolgende Verwendung durch den Privaten aber gerechtfertigt werden kann, beziehen sich die anschließenden Ausführungen. Zu untersuchen ist dabei, inwieweit die Rechtfertigungswirkung auch auf den Umgang des Richters mit dem Beweismittel ausstrahlt. Als gedankliche Stütze könnte dabei die zuvor schon angesprochene Erwägung dienen, Hoheitsträger mit Blick auf die Erlaubnissätze des materiellen Rechts nicht schlechter zu stellen als Privatpersonen. Freilich müsste man diesen Gedanken von der konkreten richterlichen Beweiserhebung oder -verwertung lösen und auf das innerprozessuale Verhalten insgesamt beziehen. Bei näherem Hinsehen kommen zwei unterschiedliche Ansätze in Betracht, die sich danach unterscheiden, ob sie bereits auf der Tatbestands- oder aber erst auf der Rechtfertigungsstufe eingreifen. Zunächst ließe sich erwägen, die richterliche Verwendung einer unbefugt hergestellten Ton- oder Bildaufnahme in den geschilderten Fällen von den objektiven Tatbeständen der §§ 201 Abs. 1 Nr. 2, 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB auszunehmen. Zu diesem Zweck müsste man die monistische Konzeption, die den beiden Strafnormen nach der hier vertretenen Ansicht zugrunde liegt, modifizieren: Trotz einer unbefugt hergestellten Aufnahme könnte die weitergehende Verwendung tatbestandslos sein, sofern das vorausgehende Verhalten des Privaten, durch das die staatlichen Stellen überhaupt erst Kenntnis von dem konkreten Beweismittel nehmen, rechtmäßig ist. Einem solchen Verständnis steht jedoch der Wortlaut der §§ 201 Abs. 1 Nr. 2, 201a Abs. 1 Nr. 4 StGB entgegen, der das jeweilige Verbot mit dem unbefugten Herstellungsvorgang verknüpft. Ob eine „zwischenge226 Zu den „Ausnahmen“ sub specie des § 201 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 StGB bereits Teil 4, A. II. 2. und 3.
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schaltete“ Verwendung der inkriminierten Aufnahme rechtmäßig oder aber rechtswidrig ist, spielt gerade keine Rolle. Zudem führte eine abweichende Interpretation dazu, sämtliche Nutzungen straffrei zu stellen, sobald nur eine vorausgehende Verwendungshandlung befugt war. Sonach verbleibt allein die Möglichkeit, den entscheidenden Richter an der Rechtfertigung des Privaten partizipieren zu lassen. Eine solche Konzeption verstieße nicht von vornherein gegen die zuvor herausgearbeitete These, der zufolge die §§ 32, 34 StGB für das richterliche Verhalten im Prozess gerade nicht gelten. Während es insoweit um eine unmittelbare Anwendung der überkommenen Erlaubnissätze ging, steht nunmehr im Vordergrund, ob die Rechtfertigung der Privatperson über deren rechtliche Sphäre hinausreicht und mittelbar auch den Richter erfasst. Dieser würde die Erlaubnis zum konkreten Umgang mit einem inkriminierten Beweismittel sonach von der Legitimation des Privaten ableiten. Eine derartige Interpretation wäre insbesondere mit der Struktur des Notwehrrechts vereinbar, das auf zwei Säulen fußt.227 Neben dem Schutz der betroffenen Individualrechtsgüter dient § 32 StGB zugleich dazu, die Rechtsordnung in ihrem Bestand zu verteidigen. Die Parallelen zur hier diskutierten „mittelbaren Drittwirkung“ werden bei einem Blick auf die sog. aufgedrängte Nothilfe deutlich, in der der Angegriffene die Verteidigung durch einen unbeteiligten Helfer ablehnt.228 Nach der zutreffenden Ansicht scheidet eine Rechtfertigung gem. § 32 StGB aus, da eine Verteidigung gegen den Willen des Angegriffenen dem Individualschutzprinzip zuwiderliefe.229 Formuliert man diesen Gesichtspunkt positiv, wird ersichtlich, dass der Nothelfer seine Eingriffsbefugnis letztlich von einer anderen Person – nämlich dem Angegriffenen – ableitet.230 Eine vergleichbare rechtliche Konstruktion läge auch dem Gedanken der „mittelbaren Drittwirkung“ zugrunde: Das richterliche Verhalten wäre gerade deshalb erlaubt, weil eine Privatperson auf Hilfe angewiesen ist und diese 227
Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 1 ff.; Perron/Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 1 f. Umfassend zu den vertretenen Begründungsansätzen des Notwehrrechts Rönnau/Hohn, in: LK-StGB13, § 32 Rn. 62 ff. 228 Dazu BGHSt 5, 245 (248); BGH StV 1987, 59; Sternberg-Lieben/Sternberg-Lieben, JuS 1999, 444 (444 ff.); Rönnau/Hohn, in: LK-StGB13, § 32 Rn. 208 ff.; Kuhlen, GA 2008, 282 (285). Instruktiv Engländer, Grund und Grenzen der Nothilfe, S. 99 ff. 229 BGHSt 5, 245 (248); BGH StV 1987, 59; Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 116; ferner Erb, in: MüKo-StGB4, § 32 Rn. 182; Perron/Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 25/26. Umfassend Engländer, Grund und Grenzen der Nothilfe, S. 99 ff., der das Notwehr- bzw. Nothilferecht jedoch allein individualistisch begründet. Zugleich zeigt Engländer auch einzelne Ausnahmekonstellationen auf, in denen der ablehnende Wille des Angegriffenen unbeachtlich sein soll. Zwischen verschiedenen Szenarien differenzierend Sternberg-Lieben/Sternberg-Lieben, JuS 1999, 444 (444 ff.). A. A. hingegen Schroeder, in: Maurach-FS, S. 127 (141), der den Gesichtspunkt der Rechtsbewährung vom Individualschutz abstrahiert. 230 Engländer, Grund und Grenzen der Nothilfe, S. 91, 99; Roxin/Greco, AT I, § 15 Rn. 116; Rönnau/Hohn, in: LK-StGB13, § 32 Rn. 204; Kuhlen, GA 2008, 282 (288); Perron/ Eisele, in: Sch/Sch, § 32 Rn. 25/26. Für die Wahrnehmung eines eigenen Rechts hingegen Bitzilekis, Die neue Tendenz zur Einschränkung des Notwehrrechts, S. 72. Vgl. auch Haas, Notwehr und Nothilfe, S. 281 f., der überindividuelle Aspekte bemüht.
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nicht ablehnt. Dieser Aspekt leitet zu einem zweiten Punkt über, der im Kontext der richterlichen Verwendung eines eigeninitiativ erlangten Beweismittels a priori dafür spricht, eine „mittelbare Drittwirkung“ der materiellen Erlaubnissätze anzuerkennen. Der Private, der eine unbefugt angefertigte Ton- oder Bildaufnahme an die Strafverfolgungsbehörden übergibt oder aber in einem Gerichtsverfahren anbietet, erreicht sein finales Ziel nur dann, wenn der entscheidende Richter das Beweismittel schlussendlich auch berücksichtigt. Andernfalls bleibt die Verteidigungsmaßnahme der Privatperson rechtlich wirkungslos. Bei genauerer Betrachtung vermag eine solche „mittelbare Drittwirkung“ jedoch nicht zu überzeugen. Trotz der strukturellen Ähnlichkeiten zur Nothilfe unterscheidet sich die hier beleuchtete Konstellation in einem zentralen rechtlichen Strukturelement von dieser. Denn auch bei der Nothilfe kommt es – trotz des individualrechtlichen Schutzes – im Ergebnis darauf an, ob die Voraussetzungen des § 32 StGB in der Person des handelnden Helfers vorliegen. Die voranstehenden Ausführungen haben jedoch gerade belegt, dass sich der Rückgriff auf die Erlaubnissätze des materiellen Rechts für den entscheidenden Richter verbietet. Dieser kann also – im Unterschied zu einem sonstigen Nothelfer – gerade nicht nach Maßgabe des § 32 StGB gerechtfertigt werden. Man würde aber das derivative Element der Nothilfe schlechthin überspannen, wenn man eine Rechtfertigung auch in den Fällen ermöglichte, in denen der unmittelbare Rekurs auf das Notwehrrecht fehlschlägt. Dieses beschränkt sich vielmehr auf die Erkenntnis, dass eine Eingriffsbefugnis aus § 32 StGB ausscheidet, wenn das angegriffene Opfer eine Verteidigung ablehnt, gestattet aber keine mittelbare Partizipation an einer fremden Rechtfertigung. Zudem passt der Gedanke eines abgeleiteten Verteidigungsrechts von vornherein nicht, wenn es um die Überführung eines schuldigen Angeklagten in einem Strafverfahren geht. Der Private wird insoweit belastende Beweismittel bereits im Vorfeld des Gerichtsprozesses an die Strafverfolgungsbehörden übergeben. Sofern er dabei den Tatbestand einer Strafnorm verwirklicht, gelingt die materielle Rechtfertigung allein nach Maßgabe des § 34 StGB.231 Die notstandsauslösende Gefahr droht dabei dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse, das durch eine fehlende Verfolgung in Mitleidenschaft gezogen würde, so dass die Privatperson nicht zum Schutz eigener Rechtspositionen tätig wird, sondern vielmehr selbst als Notstandshelfer agiert. Dabei wäre es fernliegend, eine richterliche Befugnis aus diesem Verteidigungsrecht des Privaten abzuleiten, zumal der entscheidende Richter aufgrund seiner hoheitlichen Stellung näher mit dem bedrohten Rechtsgut – dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse – verbunden ist. Schließlich spricht auch der prozessuale Einschlag, der sowohl das Notwehr- als auch Notstandsrecht betrifft, gegen eine „mittelbare Drittwirkung“ der §§ 32, 34 StGB zugunsten des Richters. Nach dem hier implementierten Lösungsmodell kommt es für die Rechtfertigung der Privatperson (auch) darauf an, ob das Gericht das eigeninitiativ erlangte Beweismittel verwenden darf oder ein Beweisverbot entgegensteht. Die prozessuale Verwertbarkeit ist sonach ein 231
Teil 4, A. III. 2.
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integraler Bestandteil der materiellen Erlaubnissätze. Partizipierte aber die richterliche Befugnis an der Rechtfertigung des Privaten, führte diese Verknüpfung schlussendlich wiederum auf die prozessuale Ebene: Die Erlaubnis des Richters hinge entscheidend davon ab, ob er dazu berechtigt ist, das eigeninitiativ erlangte Beweismittel im Gerichtsverfahren zu nutzen. Das ist jedoch gerade die Frage, um deren Antwort es vorliegend geht. Nach alledem bedarf es einer eigenständigen Befugnis, die den richterlichen Umgang mit Beweismitteln legitimiert. Eine „mittelbare Drittwirkung“ der §§ 32, 34 StGB scheidet hingegen aus. c) Die verfahrensrechtlichen Befugnisse als materielle Rechtfertigungsgründe Da ein Rückgriff auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe sonach ausscheidet, nehmen die prozessualen Befugnisse aus den jeweiligen Verfahrensordnungen eine zentrale Rolle ein. Gerade in diesem Kontext zeigt sich deutlich, dass diesen eine multifunktionelle Bedeutung zukommt:232 Eine prozessuale Ermächtigung entfaltet – neben der prozessrechtlichen – auch eine verfassungsrechtliche, materiellrechtliche und staatshaftungsrechtliche Wirkung.233 Weder die Straf- noch die Zivilprozessordnung enthalten spezifische Regelungen, die dem entscheidenden Richter erlauben, eigeninitiativ erlangte Beweismittel von Privatpersonen zu erheben und schließlich zu verwerten, sofern er dabei den Tatbestand einer Strafnorm verwirklicht. Nichtsdestoweniger haben die bisherigen Untersuchungen gezeigt, dass sich beiden Verfahrensordnungen solche Normen entnehmen lassen, die eine verwertungsfreundliche Tendenz aufweisen.234 Nach dem hier entwickelten Lösungsmodell genügen diese Vorschriften den grundrechtlichen Anforderungen und dienen folglich als verfassungskonforme Grundrechtsschranken, um den hoheitlichen Eingriff in die Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zu legitimieren. Zwar können die rechtlichen Voraussetzungen, die an einen materiellen Rechtfertigungsgrund gestellt werden, von den Kriterien divergieren, die aus der grundrechtsdogmatischen Perspektive zu erfüllen sind.235 Gleichwohl weist Singelnstein zutreffend darauf hin, dass das materiell-rechtliche Ergebnis regelmäßig der prozessualen Position entspricht.236 Für diesen Gleichlauf streiten nicht zuletzt auch das 232 Mittag, Außerprozessuale Wirkungen strafprozessualer Grundrechtseingriffe, S. 38. Explizit zur rechtfertigenden Wirkung strafprozessualer Handlungsermächtigungen Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 153. 233 Mittag, Außerprozessuale Wirkungen strafprozessualer Grundrechtseingriffe, S. 38. Ferner Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 93; Ostendorf, JZ 1981, 165; Rosenau, in: SSW-StGB, Vor §§ 32 ff. Rn. 27. 234 Teil 3, B. II. 3. 235 Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 349. 236 Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 349 f.
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Prinzip der Einheit der Rechtsordnung237 sowie ein zentraler Gedanke, der bereits an anderer Stelle in Erscheinung getreten ist: Es wäre schlichtweg unhaltbar, dem entscheidenden Richter aus prozessrechtlicher und verfassungsrechtlicher Warte zu gestatten, ein bestimmtes Beweismittel zu verwenden und an dieses Verhalten sodann eine strafrechtliche Sanktion zu knüpfen.238 Dies führte dazu, dem Richter eine individuelle Entscheidung zu überantworten, in der sich die Wahrheitssuche als Grundlage eines gerechten Urteils und das persönliche Strafbarkeitsrisiko gegeneinander ausspielen würden. Mit Blick auf diesen Wertungswiderspruch, den es unbedingt zu vermeiden gilt, dienen die §§ 244 Abs. 2, 261 StPO im Strafverfahren als Rechtfertigungsgrund für die gerichtliche Beweiserhebung und die anschließende Verwertung;239 im Zivilprozess erfüllen die §§ 284 ff., 355 ff. ZPO diese Funktion. Eine Rechtfertigung kommt indes allein dann in Betracht, wenn dem richterlichen Umgang mit dem eigeninitiativ erlangten Beweismittel kein Beweisverbot entgegensteht.240 Insoweit tritt wiederum der Vorrang der prozessualen Wertentscheidung deutlich hervor, den der Begriff der Prozessrechtsakzessorietät präzise zum Ausdruck bringt.241 Dass dieses Ergebnis auch sachgerecht ist, zeigt sich, wenn man die Konstellation illuminiert, in der ein Richter das Beweisverbot missachtet und etwa eine unbefugt hergestellte Tonaufnahme abspielt. Sofern der entscheidende Richter vorsätzlich handelt und auch nicht irrtümlicherweise davon ausgeht, zu dieser Verhaltensweise befugt zu sein, ist es legitim, hieran einen Strafvorwurf zu knüpfen.242 Allein die Intention, die inkriminierte Tonaufnahme zugunsten der objektiven Wahrheitsfindung zu verwenden, genügt für sich betrachtet nicht, um hieraus eine Erlaubnis abzuleiten.243 Angesichts der beweisfreundlichen Tendenz, die sowohl die §§ 244 Abs. 2, 261 StPO als auch die §§ 284 ff., 355 ff. ZPO aufweisen, führt die hier verfochtene Lösung unweigerlich dazu, das richterliche Verhalten de facto weitgehend von den strafrechtlichen Verboten aus §§ 201, 201a, 202d StGB zu befreien. Allerdings folgt hieraus gerade keine umfassende Privilegierung, die insbesondere sämtliche Vorgänge des Strafverfahrens – und somit allen voran die eingriffsintensiven Ermitt-
237
Vgl. etwa Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, § 15 Rn. 167; Fincke, GA 1971, 41 (45). 238 Teil 3, B. I. 2. c) bb). 239 Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 83; Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 120; Wölfl, Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, S. 153. 240 So auch Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 120 ff. 241 Dazu schon Teil 3, B. I. 2. c) bb). 242 Wiederum Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 123. Zur Relevanz der Sperrwirkung des § 339 StGB Teil 5, B. V. 243 So für das Strafverfolgungsinteresse Otto, in: Kleinknecht-FS, S. 319 (338).
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lungsmaßnahmen der Polizei und der Staatsanwaltschaft – erfasste.244 Die genannten beweisrechtlichen Vorschriften gestatten allein den richterlichen Umgang mit Beweismitteln und verhalten sich gerade nicht dazu, inwieweit sonstige Bedienstete der Strafverfolgungsbehörden außerhalb des Gerichtsprozesses dazu befugt sind, in strafrechtlich geschützte Rechtspositionen der Bürger einzugreifen. Ein Hausfriedensbruch oder eine Sachbeschädigung, die im Zuge der staatlichen Ermittlungsmaßnahmen erfolgen, können sonach von vornherein nicht gem. §§ 244 Abs. 2, 261 StPO gerechtfertigt werden.245 Ein gewichtiger Einwand gegen die Rechtfertigungswirkung der beweisrechtlichen Prozessnormen ist schließlich nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen:246 Die Erwägungen im Kapitel über die Konsequenzen für die Begründung eines Beweisverbots haben bereits zutage gefördert, dass sich die beweisrechtlichen Vorschriften am unteren Ende des verfassungsrechtlich Zulässigen bewegen.247 Der Gesetzgeber könnte durch eine präzisere Ausgestaltung der Befugnisnormen dazu beitragen, die Bedenken, die aus dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz resultieren, zu überwinden. Hierauf ist an späterer Stelle noch einmal zurückzukommen.248
V. Zugunsten des Richters: Sperrwirkung des § 339 StGB Die komplexen Fragestellungen, die mit der etwaigen Rechtfertigung des richterlichen Verhaltens im Straf- oder Zivilverfahren verbunden sind, verbleiben in praxi weitgehend unbeleuchtet. Zurückzuführen ist dies im Wesentlichen auf die privilegierende Sperrwirkung des § 339 StGB:249 Sofern der entscheidende Richter die hohen Hürden des Rechtsbeugungstatbestands nicht reißt, verbietet sich zugleich der Rückgriff auf weitergehende Straftatbestände – zu denen im hier relevanten Kontext in erster Linie die §§ 201, 201a, 202d StGB rechnen. Da die Reichweite der Sperrwirkung erheblich davon abhängt, wie restriktiv man den Rechtsbeugungstatbestand begreift,250 bedarf es eines näheren Blicks auf die Voraussetzungen des § 339 StGB. Um die Relevanz für die aufgeworfene Forschungsfrage zu unterstreichen, soll diese Betrachtung durch den Filter des rich244
Zu diesen Bedenken für das schweizerische Recht Godenzi, AJP 2012, 1243 (1251). Vgl. wiederum Godenzi, AJP 2012, 1243 (1251). 246 Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 349. Ein ähnlicher Gedanke findet sich auch bei Godenzi, AJP 2012, 1243 (1251), die eine „spezielle Ermächtigung oder einen ausdrücklichen Vorbehalt“ fordert, um die tatbestandsmäßige Verwertung zu rechtfertigen. 247 Teil 3, B. II. 3. 248 Teil 6, B. II. 1. 249 Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 495. 250 Stein/Deiters, in: SK-StGB, § 339 Rn. 4; Leipold/Tsambikakis/Zöller, in: AnwaltKommentar StGB, § 339 Rn. 47; Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 158. 245
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terlichen Umgangs mit privat erlangten Beweismitteln erfolgen. Es bestehen keine Zweifel, dass sowohl die richterliche Beweiserhebung als auch die anschließende Verwertung solche Vorgänge darstellen, die sich bei der Leitung einer Rechtssache ereignen. Dies gilt gleichermaßen für den Straf- wie den Zivilprozess. Die Tathandlung des § 339 besteht in einer Beugung des Rechts, wozu sowohl die materiellen als auch die formellen Normen rechnen.251 Eine Strafbarkeit des Richters kommt im hier interessierenden Zusammenhang von vornherein nur in Betracht, wenn er sich – vorsätzlich und in rechtswidriger Weise – über ein bestehendes Beweisverbot hinwegsetzt und insoweit contra legem handelt.252 Zurückzuführen ist diese Erkenntnis auf den bereits genannten Grundsatz der Prozessrechtsakzessorietät, nach dem die prozessualen Wertungen in das materielle Strafrecht transferiert werden müssen.253 Bei den Tatbeständen, die wie § 339 StGB die Rechtspflege schützen, wirkt sich die Prozessrechtsakzessorietät bereits innerhalb des objektiven Tatbestands aus, während vergleichbare Erwägungen bei den Delikten zum Schutz von Individualrechtsgütern typischerweise erst auf der Ebene der Rechtswidrigkeit Platz greifen.254 Prozessordnungsgemäße Handlungen fallen sonach von vornherein nicht in den tatbestandlichen Anwendungsbereich des § 339 StGB, da es an einer Beugung des formellen Rechts fehlt. Nach wie vor ungeklärt ist demgegenüber, welche Qualität ein richterlicher Rechtsverstoß aufweisen muss, um die tatbestandlichen Grenzen des Rechtsbeugungstatbestands zu überschreiten. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung genügt nicht jede objektiv unvertretbare Entscheidung;255 vielmehr bedürfe es eines „elementaren Verstoß[es] gegen die Rechtspflege, bei dem sich der Amtsträger bewusst und in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei vom Gesetze entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an seinen eigenen Maßstäben ausrichtet“.256 Die Kombination von objektiven und subjektiven Kriterien257 führt im Ergebnis zu weitreichenden Restriktionen des 251
Uebele, in: MüKo-StGB3, § 339 Rn. 24; Rengier, Strafrecht BT II, § 61 Rn. 10. Zur Rechtsbeugung durch Verletzung von Verfahrensrecht BGH NJW 2019, 789 (791) m. w. N. 252 Dallmeyer, GA 2004, 540 (542). 253 Teil 3, B. I. 2. c) bb). 254 Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 394. 255 Zur Unvertretbarkeit als maßgebliches Kriterium des Rechtsbeugungstatbestands Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 170; Dallmeyer, GA 2004, 540 (546 f.); Heger, in: Lackner/Kühl, § 339 Rn. 5a. In der wissenschaftlichen Diskussion firmiert diese Interpretation des Tatbestands unter dem Begriff der objektiven Theorie, statt aller Uebele, in: MüKo-StGB3, § 339 Rn. 27. 256 BGHSt 32, 357 (364); 34, 146 (149), 38, 381 (383); 40, 169 (178); 40, 272 (283); 42, 343 (345); 62, 312 (315 f.); BGH NJW 2019, 789 (791); BGH NStZ 2015, 651 (652). Schließlich auch BVerfG NJW 2020, 675 (678). Überblicksartig zur Rechtsprechung des BGH Giehring, in: Wolter-FS, 699 (705 ff.). 257 Fischer, Strafgesetzbuch, § 339 Rn. 15; Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 172. Vgl. schließlich Uebele, in: MüKo-StGB3, § 339 Rn. 26. Kritisch dazu Wohlers/Gaede, GA 2002, 483 (489 f.).
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Tatbestands und befreit zahlreiche beweisrechtliche Verstöße des Richters von jeglichem Sanktionsrisiko, da die angenommene Sperrwirkung den Rückgriff auf weniger restriktive Strafnormen – wie etwa § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB – verbietet.258 Trägt man diese beiden Erwägungen – die einschränkende Interpretation des § 339 StGB sowie die Sperrwirkung, die der Straftatbestand entfaltet – zusammen, so erwächst hieraus die ernstliche Befürchtung, als könnte § 339 StGB der „richterlichen Ungebundenheit“ erheblichen Vorschub leisten.259 Es nimmt folglich auch kaum wunder, dass die extrem restriktive Lesart der Rechtsprechung in der Literatur auf weitreichende Ablehnung gestoßen ist.260 Die Diskussion, wie die Tathandlung des § 339 StGB näher zu spezifizieren ist, hält nach wie vor an.261 Indes ist es nicht das Anliegen dieser Untersuchung, sämtliche Lösungsansätze zu analysieren und auf ihre Plausibilität zu überprüfen. Um dem Tatbestand allerdings weitere Konturen zu verleihen – und dabei zugleich die zwingenden rechtlichen Konsequenzen eines Verstoßes gem. § 24 DRiG zu berücksichtigen –, ist die Intention der Rechtsprechung, einen hinreichend gewichtigen Verstoß zu fordern, durchaus legitim.262 Denn andernfalls müsste ein Richter, der ein inkriminiertes Beweismittel erhebt oder verwertet, stets befürchten, ein Strafverfahren gegen sich zu provozieren, wenn die Rechtsmittelinstanz nachfolgend von einem Verwertungsverbot ausgeht. Hier tritt die Relevanz für die richterliche Unabhängigkeit deutlich hervor. Ein praktikabler Ausweg ließe sich indes auch mittels einer restriktiven Interpretation des subjektiven Tatbestands erreichen –263 obschon die ganz h. M. unter Rekurs auf die legislatorische Entstehungsgeschichte dolus eventualis genügen lässt.264 Nach allem steht jedenfalls 258
Dallmeyer, GA 2004, 540 (551). Vgl. auch Fischer, Strafgesetzbuch, § 339 Rn. 21. Dallmeyer, GA 2004, 540 (550). Relativierend hingegen Uebele, in: MüKo-StGB3, § 339 Rn. 41. 260 Seebode, JR 1994, 1 (4); Spendel, NJW 1996, 809 (809 ff.); Schaefer, NJW 2002, 734 (734 f.); Wohlers/Gaede, GA 2002, 483 (489 ff.); Fischer, Strafgesetzbuch, § 339 Rn. 30 ff.; Dallmeyer, GA 2004, 540 (548 ff.); Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 172 ff. Ferner Giehring, in: Wolter-FS, S. 699 (716 ff.), der sich umfassend mit den Erwägungen befasst, die nach dem BGH für eine Restriktion streiten. Der Rechtsprechung hingegen in weiten Teilen zustimmend Uebele, in: MüKo-StGB3, § 339 Rn. 43. 261 Mückenberger, in: AnwaltKommentar StGB, § 339 Rn. 21; Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 168 ff.; Giehring, in: Wolter-FS, S. 699 (723 ff.). Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Rechtsbeugung“ bereits Geppert, Jura 1981, 78 (80); Behrendt, JuS 1989, 945 (948 f.). 262 Vgl. insoweit auch Wohlers/Gaede, GA 2002, 483 (489). Ebenfalls für eine restriktive Auslegung Heine/Hecker, in: Sch/Sch, § 339 Rn. 11; Uebele, in: MüKo-StGB3, § 339 Rn. 40 ff.; Kuhlen, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 339 Rn. 60 ff.; Rengier, Strafrecht BT II § 61 Rn. 17. Kritisch dagegen Fischer, Strafgesetzbuch, § 339 Rn. 30 ff. 263 Dazu auch BGHSt 59, 144 (146 ff.). Der 2. Strafsenat interpretiert das Erfordernis der bewussten Entfernung von Recht und Gesetz dahingehend, dass der entscheidende Richter die Schwere des Rechtsverstoßes erkannt haben muss. Dazu auch Fischer, Strafgesetzbuch, § 339 Rn. 42. 264 BGHSt 40, 272 (276); BGH NStZ 2013, 655 (657); Hilgendorf, in: LK-StGB12, § 339 Rn. 86 ff. m. w. N. Zum Zusammenhang des Vorsatzproblems mit dem Umfang der Sperrwirkung Schroeder, GA 1993, S. 389 (390 f.). 259
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fest, dass eine allgemein anerkannte Formel, die verrät, welche richterlichen Verhaltensweisen eine Beugung des Rechts i. S. d. § 339 StGB darstellen, nach wie vor aussteht. Ungeachtet dieser interpretatorischen Schwierigkeiten spricht jedoch einiges dafür, in den Konstellationen, in denen der entscheidende Richter ein Beweisverbot missachtet, ein tatbestandsmäßiges Verhalten i. S. d. § 339 StGB anzunehmen: Der richterliche Umgang mit Beweismitteln betrifft einen zentralen Abschnitt sowohl des Zivil- als auch des Strafverfahrens, der den Ausgang des Gerichtsprozesses erheblich zu beeinflussen vermag und sonach auch die Rechtspositionen der beteiligten Personen tangiert. Vor diesem Hintergrund beschreibt das Beweisrecht – das hier in einem weiten Sinn begriffen werden soll und sowohl die gerichtliche Beweiserhebung als auch die anschließende Verwertung umfasst – eine essenzielle Disziplin des jeweiligen Prozessrechts.265 Setzt sich der entscheidende Richter über diese Grenzen vorsätzlich hinweg, begründet dies erhebliche Gefahren für die am Prozess unmittelbar beteiligten Privatpersonen und legitimiert sonach eine Bestrafung nach § 339 StGB.266 Der tatbestandlich vorausgesetzte Vor- oder Nachteil ist bereits dann anzunehmen, wenn die Missachtung der beweisrechtlichen Vorgaben zu einer Beweislage führt, die bei einem prozessordnungsgemäßen Ablauf nicht eingetreten wäre.267 Unerheblich ist insoweit, ob die abschließende Entscheidung des Richters, etwa die zivilrechtliche Verurteilung des Beklagten, der „wahren“ Rechtslage entspricht – und dem Kläger der Anspruch sonach in Wirklichkeit zusteht.268 Schließlich bedarf es – wie in den vorstehenden Passagen bereits angeklungen – eines vorsätzlichen Handelns: Diese Hürde ist nicht schon dann überwunden, wenn der Richter einzelne Zweifel an seiner rechtlichen Entscheidung hegt, sondern verlangt nach dem überkommenen Verständnis des Eventualvorsatzes, dass er eine Beugung des Rechts jedenfalls billigt.269 Auf diese Weise ist zugleich sichergestellt, dass eine Strafbarkeit des Richters entfällt, wenn dieser irrtümlich davon ausgeht, zu einer beweisrelevanten Maßnahme befugt zu sein: Sub specie des § 339 StGB mangelt es an einem vorsätzlichen Verhalten,270 während die Strafbarkeit wegen 265 Vgl. zu dieser Argumentationsstruktur auch BGHSt 59, 144 (147), wonach es für die Schwere darauf ankommen soll, welche Bedeutung der verletzten Norm zukommt. 266 In diese Richtung auch Uebele, in: MüKo-StGB3, § 339 Rn. 45. Hinsichtlich heimlicher Tonbandaufnahmen Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 122 f. Zum Ganzen schließlich Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 176. 267 Vgl. Behrendt, JuS 1989, 945 (948 f.). Ferner Volk, NStZ 1997, 412 (413), der dafür eintritt, den Nachteilsbegriff normativ aufzuladen. 268 Hilgendorf, in: LK-StGB12, § 339 Rn. 39; Dallmeyer, GA 2004, 540 (542). Zustimmend Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 180. 269 Rengier, Strafrecht BT II, § 61 Rn. 20; Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 181. Vgl. auch Fischer, Strafgesetzbuch, § 339 Rn. 40, der im Gewicht des Verfahrensverstoßes eine indizielle Wirkung erblickt. 270 Zur Differenzierung zwischen verschiedenen Arten des Irrtums hinsichtlich § 339 StGB Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 182, 428 ff.
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einer anderen Tat – etwa § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB – jedenfalls aufgrund der Sperrwirkung des Rechtsbeugungstatbestands ausscheidet.271 Im Anschluss an zwei jüngere Judikate des BGH hat sich eine neuerliche Diskussion darüber entfacht, inwieweit bestimmte Straftaten ausnahmsweise von der Sperrwirkung des § 339 StGB ausgenommen sind.272 Nach der Argumentation des 3. Strafsenats, die zuvor bereits der 4. Strafsenat in einem obiter dictum erwogen hat,273 soll die privilegierende Sperrwirkung entfallen, wenn das richterliche Verhalten „nicht erst im Zusammenhang mit einer nach außen hin zu treffenden Entscheidung […] zur Erfüllung eines Straftatbestands führt“.274 Ein Rückgriff auf einen anderen Straftatbestand – in der maßgeblichen Entscheidung stand eine Urkundenfälschung gem. § 267 StGB im Raum – sei vielmehr möglich, wenn das Verhalten „für sich alleine gegen Strafgesetze verstößt“.275 Man wird den inneren Zusammenhang zwischen der anderen Straftat und der Leitung bzw. Entscheidung einer Rechtssache vom Sinn und Zweck der Sperrwirkung her begreifen müssen:276 Diese dient vornehmlich dazu, die richterliche Unabhängigkeit zu wahren, die ihrerseits insbesondere dann betroffen ist, wenn es um einen Vorgang der Entscheidungsfindung selbst geht. Während sich dieser spezifische Konnex bestreiten lässt, wenn der entscheidende Richter die Urteilsgründe nachträglich und entgegen § 275 Abs. 1 StPO ändert oder ergänzt, erscheinen die gerichtliche Beweiserhebung und die anschließende Verwertung in einem anderen Licht. Denn diese Vorgänge fließen unmittelbar in die richterliche Entscheidungsfindung ein und sind sonach eng mit dieser verbunden – mit der Konsequenz, dass Straftatbestände, die diesen Abschnitt des Gerichtsverfahrens betreffen, von der Sperrwirkung umfasst sind. Nach alledem bleibt aus der Perspektive des richterlichen Umgangs mit Beweismitteln eine zentrale Erkenntnis: Wegen der Sperrwirkung des § 339 StGB droht ein Strafbarkeitsvorwurf allein dann, wenn der entscheidende Richter die formellen Grenzen des Beweisrechts vorsätzlich missachtet und sich über ein bestehendes Beweisverbot hinwegsetzt. Existiert ein solches indes nicht, gebieten die prozessualen Vorgaben, ein entscheidungsrelevantes Beweismittel zu erheben und 271 Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 564. Vgl. auch Stein/Deiters, in: SK-StGB, § 339 Rn. 6, die davon ausgehen, dass es eines Rückgriffs auf die Sperrwirkung nicht bedürfe, um dieses Ergebnis zu begründen. Glaube der Richter irrtümlich, zu diesem Vorgehen befugt zu sein, griffen die Regelungen zum Erlaubnistatbestandsirrtum ein. 272 BGH NStZ 2013, 655 (657); NStZ 2015, 651 (653). Instruktiv Kuhlen, HRRS 2015, 492 (496 ff.); ders., in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK-StGB, § 339 Rn. 94. Ferner Bange, in: BeckOK-StGB, § 339 Rn. 28; Rengier, Strafrecht BT II, § 61 Rn. 21; Sinner, in: Matt/Renzikowski, § 339 Rn. 33. 273 BGH NStZ 2013, 655 (657). 274 BGH NStZ 2015, 651 (653). 275 BGH NStZ 2015, 651 (653). 276 In diese Richtung wohl auch Bosch, Jura 2016, 219. Andere Interpretationsmöglichkeiten zeigt Kuhlen, HRRS 2015, 492 (498 ff.) auf, der sich i. E. dafür ausspricht, eine Ausnahme von der Sperrwirkung anzuerkennen, wenn der Täter einen bewussten Rechtsbruch begeht. Kritisch dazu Bange, in: BeckOK-StGB, § 339 Rn. 28.
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schließlich zu verwerten.277 Berücksichtigt der entscheidende Richter diese Grenzen, gerät dessen Verhalten auch nicht in das Fahrwasser strafrechtlicher Verbotsnormen. Sub specie des § 339 StGB fehlt es bereits an einer tauglichen Tathandlung, da der Richter, der sich an die formellen Vorgaben hält, das Recht nicht beugt. Darüber hinaus scheidet auch eine Strafbarkeit wegen anderer Straftatbestände – exemplarisch § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB – aus. Der zuletzt geäußerte Gedanke beruht dabei nicht allein auf der Sperrwirkung des Rechtsbeugungstatbestands, sondern zugleich auch auf der materiell-rechtlichen Wirkung einer prozessualen Befugnis. Angesprochen ist damit die Frage, in welchem Verhältnis die richterliche Privilegierung aus § 339 StGB zu den prozessualen Befugnissen aus §§ 244 Abs. 2, 261 StPO sowie §§ 284 ff., 355 ff. ZPO steht.278 Im vorliegenden Kontext ist diese Überlegung vornehmlich von akademischem Interesse und soll aus diesem Grund nicht weiter vertieft werden. Letztlich hängt eine dogmatisch zufriedenstellende Lösung davon ab, an welcher Stelle des strafrechtlichen Prüfungsaufbaus die Sperrwirkung verortet wird.279
VI. Ergebnis zu den strafrechtlichen Grenzen des innerprozessualen Verhaltens Mit Blick auf die Verbotsnormen des Kernstrafrechts treten vor allem die §§ 201, 201a, 202d StGB in den Vordergrund. Eine teleologische Reduktion zugunsten des richterlichen Umgangs mit eigeninitiativ erlangten Beweismitteln ist dabei abzulehnen; sachgerechte Ergebnisse sind vielmehr auf der Ebene der materiellen Rechtfertigung zu suchen. Dabei ist strikt zwischen dem innerprozessualen Verhalten der Privatperson und demjenigen des entscheidenden Richters zu differenzieren. Ein Rückgriff auf die überkommenen Erlaubnissätze des materiellen Rechts ist nur zugunsten des Privaten möglich. Im strafprozessualen Kontext müssen dabei wiederum zwei Konstellationen voneinander abgegrenzt werden: Auf der einen Seite steht die Verteidigung des Angeklagten, der sich gegen einen zu Unrecht erhobenen Strafvorwurf zu wehren versucht. Bietet der Angeklagte in einem solchen Fall eine entlastende Tonaufnahme an, um den Angriff auf seine Freiheit bzw. sein Vermögen 277
Zu dahingehenden Erwägungen bereits Teil 3, B. II. 3. In diese Richtung auch Stein/Deiters, in: SK-StGB, § 339 Rn. 5 f., die vergleichbare Fragen im Kontext der Untersuchungshaft gem. §§ 112 ff. StPO diskutieren. Sofern der Richter aufgrund einer vertretbaren Ansicht einen Haftbefehl erlasse, scheide eine Strafbarkeit wegen einer Freiheitsberaubung gem. § 239 StGB schon deshalb aus, weil dieses Verhalten wegen der prozessualen Befugnis gerechtfertigt sei. Eines Rückgriffs auf § 339 StGB und die Sperrwirkung bedürfe es nicht. 279 Zur umstrittenen dogmatischen Einordnung der Sperrwirkung Teil 5, A. II. Begreift man die Sperrwirkung als Rechtfertigungsgrund, tritt diese bei den §§ 201, 201a, 202d StGB neben die Amtsbefugnisse aus §§ 244 Abs. 2, 261 StPO sowie §§ 286 Abs. 1 S. 1, 355 ff. ZPO. Vgl. zum Ganzen auch Singelnstein, Strafbare Strafverfolgung, S. 576 f. 278
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Teil 5: Umgang mit Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren
abzuwenden, ist das Abspielen gem. § 32 StGB gestattet, sofern sich die Verteidigungshandlung ausschließlich gegen Rechtsgüter des Angreifers richtet. Da die Beweisverbote als Belastungsverbote fungieren, bereitet die Eignung aus der rechtlichen Warte keine Schwierigkeiten. Berührt die Abwehrmaßnahme hingegen die Rechtsgüter unbeteiligter Dritter, ist der rechtfertigende Notstand gem. § 34 StGB einschlägig. Auf der anderen Seite sind die Fallgestaltungen zu verorten, in denen es sonstigen verfahrensbeteiligten Personen darum geht, die Schuld des Angeklagten zu belegen. Regelmäßig steht dabei die Aussage eines Lauschzeugen in Rede. Sofern diese den Tatbestand des § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB verwirklicht, ist die Tat zumeist gem. § 48 Abs. 1 S. 2 StPO gerechtfertigt, der eine grundsätzliche Pflicht zur Zeugenaussage statuiert. Eines Rückgriffs auf materiell-rechtliche Erlaubnissätze bedarf es nur in besonderen Ausnahmekonstellationen. Insoweit verbleibt dann zumeist nur der Rekurs auf § 34 StGB. Als notstandsfähiges Rechtsgut drängt sich das staatliche Strafverfolgungsinteresse auf, dem eine gegenwärtige Gefahr droht, wenn der tatsächlich schuldige Angeklagte keine angemessene Strafe erfährt. Ein besonderes Augenmerk ist dabei jedoch auf die Interessenabwägung des § 34 StGB zu legen, innerhalb derer die besondere Schutzbedürftigkeit des Angeklagten nicht unbeachtet bleiben darf. Steht hingegen eine zivilgerichtliche Streitigkeit in Rede, ist der tatbestandsmäßige Gebrauch eines eigeninitiativ erlangten Beweismittels zumeist vom Notwehrrecht gedeckt. Der Beweisführer wird typischerweise erst dann auf ein solches Beweismittel zurückgreifen, wenn der Prozessgegner eine unwahre Tatsachenbehauptung aufstellt. In diesen Fällen liegt ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff i. S. d. des § 32 StGB auf das Vermögen vor. Beiden Prozessarten ist außerdem gemeinsam, dass sich das Arsenal der erlaubten Verteidigungsmaßnahmen auf solche Vorgehensweisen beschränkt, die den jeweiligen Prozessordnungen nicht fremd sind. Folglich scheidet die Anwendung von Gewalt als rechtmäßige Verteidigungsmaßnahme grundsätzlich aus. Schließlich bereitet der Nachweis der rechtfertigenden Umstände nach dem hier zugrunde gelegten Lösungsmodell keine besonderen Schwierigkeiten: Die prozessuale Zulässigkeit hängt gerade nicht davon ab, inwieweit das Verhalten des Privaten von einem Erlaubnissatz gedeckt ist. Konsequenterweise kann retrospektiv über die materielle Rechtfertigung entschieden werden. Steht die Legitimation des richterlichen Umgangs mit dem eigeninitiativ erlangten Beweismittel in Rede, verbietet sich der Rückgriff auf die §§ 32, 34 StGB – und zwar auch im Weg einer „mittelbaren Drittwirkung“. Die Erlaubnis, Beweismittel zu erheben und zu verwerten, kann jedoch auf die prozessualen Befugnisnormen gestützt werden. Sonach fungieren die §§ 244 Abs. 2, 261 StPO im Strafverfahren und die §§ 284 ff., 355 ff. ZPO im Zivilverfahren nicht nur als verfassungskonforme Grundrechtsschranke, sondern zugleich als Erlaubnistatbestände mit materiell-rechtlicher Wirkung. Zugleich sorgt die Sperrwirkung des § 339 StGB für eine Privilegierung des Richters.
C. Datenschutzrechtliche Grenzen des innerprozessualen Verhaltens
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In sämtlichen Konstellationen bleibt schließlich zu bedenken, dass die Rechtfertigung ihrerseits davon abhängt, ob dem konkreten Vorgehen ein Beweisverbot entgegensteht.
C. Datenschutzrechtliche Grenzen des innerprozessualen Verhaltens Das Datenschutzrecht hat in der jüngeren Vergangenheit zunehmend an Bedeutung gewonnen. In der modernen und technisch geprägten Gesellschaft werden kontinuierlich personenbezogene Daten in automatisierter Weise verarbeitet. Diese Erkenntnis spiegelt sich auch in der prozessualen Wirklichkeit wider: Große Teile des gerichtlichen Verfahrens betreffen den Umgang mit entscheidungsrelevanten Informationen, bei denen es sich um personenbezogene Daten handelt.280 Trotz des besonderen rechtlichen „Raums“, den das gerichtliche Verfahren einnimmt, sind die datenschutzrechtlichen Anforderungen in diesem nicht obsolet.281 Gleichwohl nimmt es den Anschein, als habe das formelle Prozessrecht einige Mühe damit, die rechtlichen Anforderungen des Datenschutzrechts zu integrieren.282 Um das Zusammenspiel der Regelungsmaterien sachgerecht abbilden zu können, müssen wiederum verschiedene Konstellationen unterschieden werden. Zunächst tritt das innerprozessuale Verhalten des Privaten – hauptsächlich im Zivilverfahren – in den Vordergrund (I.). Anschließend wird der richterliche Umgang mit personenbezogenen Daten untersucht, wobei zwischen dem Straf- und dem Zivilverfahren zu differenzieren ist (II.).
I. Datenschutzrechtliche Bewertung des privaten Verhaltens Angesichts des weiten Anwendungsbereichs der DSGVO muss sich das prozessuale Vorgehen des Privaten, der eigeninitiativ erlangte Beweismittel anbietet, regelmäßig an deren Vorgaben messen lassen. Insbesondere ist der Ausschlussgrund des Art. 2 Abs. 2 lit. d DSGVO nicht einschlägig: Zwar kann sich das Verhalten der Privatperson darauf beziehen, die staatliche Strafverfolgung zu fördern. Indes ist dieser sachliche Aspekt nur eine Voraussetzung des Art. 2 Abs. 2 lit. d DSGVO, der zusätzlich ein personales Kriterium statuiert und insoweit verlangt, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständige Behörde erfolgt. Vor diesem 280
Vgl. Hornung/Schindler/Schneider, ZIS 2018, 566. Instruktiv Brink/Wolff, NVwZ 2011, 134. Demgegenüber lässt BAG NZA 2018, 1329 (1335) die Frage nach der Eröffnung des Anwendungsbereichs der DSGVO offen. 282 So schon Brink/Wolff, NVwZ 2011, 134 hinsichtlich des verfassungsgerichtlichen Volkszählungsurteils. 281
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Teil 5: Umgang mit Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren
Hintergrund greift der Ausschlussgrund schlechterdings nicht ein, wenn eine Privatperson im Strafverfahren eigeninitiativ erlangte Beweismittel vorbringt.283 1. Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO Fällt das innerprozessuale Verhalten des Privaten in den Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 1 DSGVO, ist dieses folglich unabhängig davon am Maßstab der europäischen DSGVO zu beurteilen, ob ein straf- oder zivilgerichtliches Verfahren in Rede steht.284 Der Umgang mit eigeninitiativ erlangten Beweismitteln, die personenbezogene Daten enthalten, ist dabei gem. Art. 6 Abs. 1 DSGVO nur rechtmäßig, wenn einer der nachfolgenden Erlaubnisgründe vorliegt. Dabei vermag in den hier untersuchten Fällen namentlich Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO als relevante Rechtsgrundlage zu dienen:285 Entscheidend ist sonach – wie schon im Kontext der außerprozessualen Beweismittelsuche erörtert –, ob die Rechtsposition der betroffenen Person überwiegt, so dass eine umfassende Interessenabwägung anzustellen ist. In diesem Zusammenhang kann zunächst auf die oben entwickelten Abwägungsparameter verwiesen werden;286 essenziell ist insbesondere, ob die Verarbeitung personenbezogener Daten anlassbezogen erfolgt. Einzelnen datenschutzrechtlichen Vorschriften lässt sich darüber hinaus – allgemein gesprochen – entnehmen, dass das Interesse, beweisrelevante Umstände in einem Gerichtsverfahren zu belegen, ein besonderes Gewicht einnimmt.287 Im zivilprozessualen Kontext tritt insoweit Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO in den Vordergrund, der die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten erlaubt, wenn dies zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen erforderlich ist. Wenn aber sogar der Umgang mit besonders sensiblen und sonach zugleich besonders schützenswerten Daten zum Zweck der Rechtsverfolgung zulässig sein kann, muss dies erst recht für „normale“ personenbezogene Daten sub specie des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gelten.288 Die Wertung des Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO ersetzt zwar keineswegs den einzelfallab283
Vgl. auch Bäcker, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 2 DSGVO Rn. 30. Die Haushaltsausnahme aus Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO steht nicht entgegen. So für die zivilprozessuale Beweisführung ausdrücklich Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 115. 285 Teilweise abweichend Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 186, der insb. § 4 Abs. 3 S. 1 BDSG als vorrangige und abschließende Regelung ansieht. Vgl. zur alten Rechtslage auch Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2075 ff.). 286 Teil 2, B. II. 3. 287 Dazu Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 187. 288 So auch Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 187; Ory/Weth, NJW 2018, 2829 (2831); Weichert, in: Kühling/ Buchner, Art. 9 DSGVO Rn. 83, 85. Abweichend hingegen Rieger, MDR 2021, 783, der sich expressis verbis dafür ausspricht, die Bereichsausnahme des Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO ohne Weiteres auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zu übertragen. 284
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hängigen Interessenausgleich, lässt aber eine Tendenz zugunsten der prozessualen Beweisführung erkennen. Der abschließende Blick gebührt noch der Erforderlichkeit: Nach dem hier entwickelten Lösungsansatz ist das innerprozessuale Verhalten des Privaten von vornherein ungeeignet, den verfolgten Zweck zu erreichen, wenn ein Beweisverbot existiert und die nachfolgende Nutzung durch den entscheidenden Richter verbietet. In diesem Fall ist die Vorgehensweise der Privatperson rechtswidrig. Dies gilt auch dann, wenn die Beweisführung im selben Maß auch ohne das datenschutzrechtlich relevante Beweismittel möglich ist.289 2. Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung bei Zweckänderung Komplexer fallen die datenschutzrechtlichen Erwägungen in den Konstellationen einer Zweckänderung aus. Nach dem bereits beleuchteten Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO dürfen personenbezogene Daten nicht in einer mit dem primären Zweck nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden. Von diesem zentralen Grundsatz sieht Art. 6 Abs. 4 DSGVO eine Ausnahme vor, die den Mitgliedstaaten ermöglicht, nationale Vorschriften zu implementieren, die eine Weiterverarbeitung zu anderen Zwecken gestatten. Von dieser Öffnungsklausel hat der deutsche Gesetzgeber vornehmlich in den §§ 23 – 25 BDSG Gebrauch gemacht.290 Für die Datenverarbeitung durch eine nichtöffentliche Stelle ist dabei § 24 BDSG maßgeblich, der eine Zweckänderung – vorbehaltlich des stets durchzuführenden Interessenausgleichs – in zwei Konstellationen zulässt: Zum einen gilt dies in den Fällen, in denen die Datenverarbeitung zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist. Zum anderen ist eine rechtmäßige Zweckänderung auch dann möglich, wenn sie zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche erforderlich ist. Hierunter fällt zweifelsohne die Beweisführung in einem zivilgerichtlichen Verfahren, so dass eine Zweckänderung a priori grundsätzlich erlaubt zu sein scheint. Bei näherem Hinsehen besteht für den zivilverfahrensrechtlichen Themenkreis eine entscheidende Einschränkung: Für Videoaufnahmen öffentlich zugänglicher Räume anerkennt § 4 Abs. 3 S. 3 BDSG eine Weiterverarbeitung der personenbezogenen Daten zu einem anderen Zweck nur dann, wenn dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist. Die Privilegierung der zivilrechtlichen Anspruchsdurchsetzung, die § 24 Abs. 1 Nr. 2 BDSG vorsieht, fehlt sonach in § 4 Abs. 3 S. 3 BDSG. Ein Rückgriff auf den weiter gefassten § 24 Abs. 1 Nr. 2 BDSG verbietet sich in den Fällen der Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume jedoch aus systematischen Gründen: § 4 Abs. 3 S. 3 BDSG beschränkt sich auf einen bestimmten Anwendungsfall der Datenverarbeitung und ist insoweit lex specialis. Daraus folgt: 289 Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 187 f. 290 Zum Ganzen schon Teil 4, B. II.
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Sofern eine Privatperson eine Videoaufnahme anfertigt, die den öffentlich zugänglichen Raum betrifft, um damit ausschließlich ein Beweismittel für ein etwaiges Strafverfahren zu erlangen, scheidet eine rechtmäßige Zweckänderung zugunsten der Beweisführung in einem Zivilverfahren aus.291
II. Datenschutzrechtliche Bewertung des richterlichen Verhaltens Das richterliche Verhalten berührt sowohl im Straf- als auch im Zivilprozess in erheblichem Umfang personenbezogene Daten und erweist sich wegen des grundsätzlich öffentlich geführten Gerichtsverfahrens als besonders eingriffsintensiv.292 Dies gilt vor allem für die Vorgänge der Beweiserhebung und der anschließenden Verwertung. Trotz dieser herausragenden praktischen Bedeutung des Datenschutzrechts finden sich verhältnismäßig wenige Stellungnahmen, die der Frage nachgehen, welche Auswirkungen die datenschutzrechtlichen Vorschriften der DSGVO und des neu gefassten BDSG auf den Verfahrensablauf haben.293 Es scheint gar, als versuchte die prozessuale Wirklichkeit, sich gegen die datenschutzrechtlichen Einflüsse zu wehren.294 Hinter diesen Bedenken, die tradierten Verfahrensabläufe datenschutzrechtlich zu überformen,295 dürfte vor allem die Schwerfälligkeit des Datenschutzrechts stehen, die dazu führen könnte, die richterliche Entscheidungsfindung erheblich zu obstruieren. Allein diese praktischen Einwände vermögen für sich betrachtet jedoch nicht zu erklären, weshalb zugunsten des entscheidenden Richters von den Maßstäben der DSGVO abgewichen werden sollte. Zu weitgehend ist auch die pauschale These von Kühling und Raab, Erwägungsgrund 20 zur DSGVO ermögliche es den Mitgliedstaaten, die Datenverarbeitung bei der gerichtlichen Tätigkeit durch eigenständige Vorschriften vom Anwendungsbereich der DSGVO auszunehmen.296 Eine solche
291 Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 194. 292 In diese Richtung etwa Schwichtenberg, in: Kühling/Buchner, Vor §§ 45 ff. BDSG Rn. 2. Vgl. auch BSGE 100, 25 = NZS 2009, 99, nach dem das „Gerichtsverfahren kein datenschutzfreier Raum“ ist. Zur Diskussion, wer als datenschutzrechtlich „Verantwortlicher“ i. S. d. Art. 4 Nr. 7 DSGVO einzustufen ist, Elfring, NJW 2022, 902 (905). 293 Schwichtenberg/Camprubi, NK 2020, 91 (93). Im strafverfahrensrechtlichen Kontext steht zudem nicht das gerichtliche Verfahren, sondern das Stadium der staatlichen Ermittlungen im Vordergrund. Siehe etwa zur zentralen Problematik hinsichtlich der Einwilligung El-Ghazi, ZIS 2019, 110. 294 In diese Richtung auch Singelnstein, NStZ 2020, 639 (644); Meyer-Mews, StraFo 2019, 449 (455). 295 Vgl. dazu Singelnstein, NStZ 2020, 639 (644). 296 Kühling/Raab, in: Kühling/Buchner, Art. 2 DSGVO Rn. 30.
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Aussage lässt sich dem Erwägungsgrund schlechthin nicht entnehmen.297 Dieser bringt gerade umgekehrt zum Ausdruck, dass die DSGVO auch für die Tätigkeit der Gerichte gilt.298 Zwar sollen hiernach mitgliedstaatliche Regelungen dazu möglich sein, wie die Verarbeitung im Einzelnen auszusehen habe. Eine Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs der DSGVO ist damit aber keineswegs verbunden.299 Hierfür streitet schließlich auch ein Umkehrschluss aus einzelnen Vorschriften der DSGVO, die – wie etwa Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO – unmittelbar die Gerichte nennen und zumeist von einzelnen datenschutzrechtlichen Anforderungen befreien.300 Solcher Regelungsmechanismen bedürfte es aber von vornherein nicht, wenn Erwägungsgrund 20 zur DSGVO ohnehin eine umfangreiche Ausnahme von den datenschutzrechtlichen Vorgaben statuierte. Zu Beginn dieses Abschnitts steht sonach eine zentrale Erkenntnis: Die DSGVO ist auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den entscheidenden Richter grundsätzlich anwendbar.301 1. Datenschutzrechtliche Vorgaben im Strafprozess Dieser Grundsatz erfährt für das Strafverfahren aufgrund des Art. 2 Abs. 2 lit. d DSGVO eine bedeutsame und praxisrelevante Einschränkung. Hiernach ist die DSGVO auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verfolgung von Straftaten nicht anwendbar. Diese Vorgänge bewegen sich aus der datenschutzrechtlichen Perspektive der Europäischen Union indes nicht im luftleeren Raum, sondern unterfallen der JI-RL,302 die ein unionsweit einheitliches Schutzniveau in Strafsachen anstrebt.303 Deren Anwendungsbereich ist komplementär zum Ausschluss des Art. 2 Abs. 2 lit. d DSGVO 297
Ory/Weth, NJW 2018, 2829 (2830). Ähnlich auch Engeler, in: Specht-Riemenschneider/Mantz, Handbuch europäisches und deutsches Datenschutzrecht, § 22 Rn. 8; Wiebe/ Eichfeld, NJW 2019, 2734. 298 Raum, in: Auernhammer, Art. 37 DSGVO Rn. 41; Engeler, in: Specht-Riemenschneider/Mantz, Handbuch europäisches und deutsches Datenschutzrecht, § 22 Rn. 6; Grittmann, in: Taeger/Gabel, Art. 55 DSGVO Rn. 10; Elfring, NJW 2022, 902 (903). 299 Ory/Weth, NJW 2018, 2829 (2830). 300 Wiebe/Eichfeld, NJW 2019, 2734; Bieresborn, DRiZ 2019, 18; Krüger/Resch/Vogelgesang, jM 2021, 310. 301 Engeler, in: Specht-Riemenschneider/Mantz, Handbuch europäisches und deutsches Datenschutzrecht, § 22 Rn. 6; Schmitt/Resch, jM 2020, 134; Wiebe/Eichfeld, NJW 2019, 2734; Ory/Weth, NJW 2018, 2829 (2830); Krüger/Resch/Vogelgesang, jM 2021, 310; Elfring, NJW 2022, 902; Selmayr, in: Ehmann/Selmayr, Art. 55 Rn. 13; Körffer, in: Paal/Pauly, Art. 55 DSGVO Rn. 5; Schantz/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 1373; Bieresborn, DRiZ 2019, 18; Leopold, NZS 2018, 357; ders., DRiZ 2018, 423. Offen gelassen von BAG NZA 2018, 1329 (1335). 302 Zur Diskussion über die Gesetzgebungskompetenz Schwichtenberg, in: Kühling/Buchner, Vor §§ 45 ff. BDSG Rn. 1; Braun, in: Gola/Heckmann-BDSG, § 45 Rn. 7; Johannes/ Weinhold, Das neue Datenschutzrecht bei Polizei und Justiz, § 1 Rn. 13. 303 Hornung/Schindler/Schneider, ZIS 2018, 566 (567).
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ausgestaltet.304 Sofern das richterliche Verhalten im Strafverfahren unter die JI-RL fällt, ist damit zwangsläufig die Erkenntnis verbunden, dass die DSGVO insoweit unanwendbar ist, weil die jeweiligen Begriffe identisch zu verstehen sind. Ungeachtet einzelner Interpretationsschwierigkeiten305 scheint die JI-RL a priori sämtliche Datenverarbeitungen im strafverfahrensrechtlichen Kontext zu umfassen, sofern diese ganz oder teilweise automatisiert erfolgen oder aber die Daten in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Für die Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörden ist dies einhellig anerkannt. Einzelne Stimmen hegen allerdings Zweifel daran, ob die justizielle Tätigkeit306 der Strafgerichte überhaupt von der JI-RL erfasst ist, da diese in der deutschsprachigen Fassung – übereinstimmend mit Art. 2 Abs. 2 lit. d DSGVO – von Behörden spricht.307 Eine europarechtsautonome Auslegung des Begriffs belege, dass die Gerichte nicht als Behörden einzustufen seien.308 Nur diese Interpretation führe außerdem dazu, ein einheitliches Datenschutzregime für die ordentliche Gerichtsbarkeit zu implementieren.309 Hiernach fiele der richterliche Umgang mit personenbezogenen Daten in sämtlichen Gerichtsverfahren in den Anwendungsbereich der DSGVO. Eine solche Lesart übersieht jedoch, dass der Richtliniengeber selbst davon ausging, die JI-RL auch auf die justizielle Tätigkeit der Strafgerichte zu beziehen. Diese legislatorische Intention, die im Rahmen der unionsrechtsautonomen Auslegung nicht vernachlässigt werden darf,310 ergibt sich jedenfalls mittelbar aus Regelungen wie Art. 18 JI-RL oder Erwägungsgrund 80 zur JI-RL, die von einer „gerichtlichen Entscheidung“ bzw. der „Tätigkeit der nationalen Gerichte“ sprechen.311 Vor diesem Hintergrund steht die überwiegende Ansicht berechtigterweise auf dem Standpunkt, dass die Strafgerichte unter den unionsrechtlichen Behördenbegriff aus Art. 2 Abs. 2 lit. d DSGVO sowie Art. 1 Abs. 1 JI-RL fallen.312 Folglich 304
Hornung/Schindler/Schneider, ZIS 2018, 566 (567). Zur Diskussion um den Anwendungsbereich Hornung/Schindler/Schneider, ZIS 2018, 566 (569 ff.). 306 Vgl. zum Verständnis dieses Begriffs EuGH NJW 2022, 2321; Elfring, NJW 2022, 902 (904). 307 Engeler, in: Specht-Riemenschneider/Mantz, Handbuch europäisches und deutsches Datenschutzrecht, § 22 Rn. 10; Elfring, NJW 2022, 902 (903). Vgl. auch Bäcker/Hornung, ZD 2012, 147 (149), die den Begriff als „sehr unglücklich gewählt“ einordnen. 308 Engeler, in: Specht-Riemenschneider/Mantz, Handbuch europäisches und deutsches Datenschutzrecht, § 22 Rn. 10, der insoweit auf einen Vergleich mit der englischen Sprachfassung abstellt. So auch Elfring, NJW 2022, 902 (903 f.), der zudem die französische Formulierung heranzieht. 309 Engeler, in: Specht-Riemenschneider/Mantz, Handbuch europäisches und deutsches Datenschutzrecht, § 22 Rn. 10. 310 Stief, StV 2017, 470 (473). 311 So explizit Hornung/Schindler/Schneider, ZIS 2018, 566 (573 Fn. 80); El-Ghazi, ZIS 2019, 110 (112). Ferner Meyer-Mews, StraFo 2019, 449. 312 Hornung/Schindler/Schneider, ZIS 2018, 566 (573 Fn. 80); El-Ghazi, ZIS 2019, 110 (112); Schantz/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Rn. 239; Meyer-Mews, StraFo 2019, 449; 305
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ist auf den richterlichen Umgang mit personenbezogenen Daten im Strafverfahren nicht die DSGVO, sondern die JI-RL anwendbar, sofern die weiteren Anwendungsvoraussetzungen vorliegen. Weil Art. 8 Abs. 1 JI-RL ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt statuiert,313 bedarf die behördliche Datenverarbeitung – in Übereinstimmung mit Art. 6 Abs. 1 DSGVO – einer rechtlichen Grundlage. a) Umsetzung im nationalen Recht und Verhältnis zwischen BDSG und StPO Im Unterschied zur DSGVO gilt die JI-RL, die gemeinhin als deren „kleine Schwester“ bezeichnet wird,314 in den Mitgliedstaaten nicht unmittelbar, sondern bedarf der Umsetzung in nationales Recht.315 Bevor relevante Einzelheiten näher beleuchtet werden, ist hervorzuheben, dass dem deutschen Gesetzgeber im Anwendungsbereich der JI-RL – auch aufgrund des weitgehenden Verzichts auf spezifische Vorgaben –316 ein ungleich größerer legislativer Gestaltungsspielraum zukommt als im Kontext der DSGVO. Die JI-RL sieht lediglich einen Mindeststandard vor, so dass es dem nationalen Gesetzgeber unbenommen ist, restriktivere Vorschriften zu erlassen.317 Der deutsche Gesetzgeber ist dem Umsetzungsauftrag insbesondere durch die §§ 45 ff. BDSG im dritten Teil des BDSG nachgekommen;318 bereichsspezifische Regelungen für das Strafverfahren finden sich zudem in den §§ 474 ff. StPO.319 Vor diesem Hintergrund ist ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, in welchem Verhältnis die Regelungskomplexe zueinander stehen.320 Im Ausgangspunkt ist dabei anerkannt, dass die StPO das speziellere Gesetz ist und den Vorgaben des BDSG Stief, StV 2017, 470 (473). Ohne ausdrückliche Begründung auch Bäcker, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 2 DSGVO Rn. 30; Schwichtenberg/Camprubi, NK 2020, 91 (93); Singelnstein, NStZ 2020, 639; Ory/Weth, NJW 2018, 2829 (2830). 313 El-Ghazi, ZIS 2019, 110 (113); Schwichtenberg, DuD 2016, 605 (605 f.); Basar, StraFo 2019, 222 (226). 314 Zunächst Schwichtenberg, DuD 2016, 605. Im Anschluss daran Basar, StraFo 2019, 222 (226); Schwichtenberg/Camprubi, NK 2020, 91 (92); Ernst, in: Paal/Pauly, Art. 2 DSGVO Rn. 14. 315 Schwichtenberg/Camprubi, NK 2020, 91 (92). 316 Schwichtenberg, in: Kühling/Buchner, Vor §§ 45 ff. BDSG Rn. 2 moniert etwa, dass der europäische Gesetzgeber keine Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote normiert hat. 317 Mit instruktiver Begründung Schwichtenberg, in: Kühling/Buchner, Vor §§ 45 ff. BDSG Rn. 5. Ferner El-Ghazi, ZIS 2019, 110; Schwichtenberg/Camprubi, NK 2020, 91 (92); Johannes/Weinhold, Das neue Datenschutzrecht bei Polizei und Justiz, § 1 Rn. 14. 318 Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU), BGBl. I, S. 2097 ff. 319 Siehe dazu Singelnstein, NStZ 2020, 639; Schwichtenberg/Camprubi, NK 2020, 91 (92); Johannes/Weinhold, in: Sydow/Marsch, § 45 BDSG Rn. 7, 16. 320 Singelnstein, NStZ 2020, 639; Basar, StraFo 2019, 222 (229). BT-Drs. 19/4671, S. 44 betont, es ergebe sich ein „neuartiges Regelungsgefüge“.
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grundsätzlich vorgeht (§ 1 Abs. 2 S. 1 BDSG).321 Allerdings hat sich der nationale Gesetzgeber dagegen entschieden, die datenschutzrechtlichen Anforderungen im Strafverfahren vollumfänglich und abschließend in der StPO zu regeln.322 Dies verdeutlicht nicht zuletzt § 500 Abs. 1 StPO, der den dritten Teil des BDSG für anwendbar erklärt, wenn öffentliche Stellen der Länder im Anwendungsbereich der StPO personenbezogene Daten verarbeiten.323 Im Kern regeln die datenschutzrechtlichen Vorschriften der StPO lediglich Abweichungen und Besonderheiten von den allgemeinen Anforderungen, die sich aus dem dritten Teil des BDSG ergeben.324 Hieraus resultiert eine Verschränkung der Regelungsmaterien, die schließlich auch durch den Umstand befeuert wird, dass die §§ 45 ff. BDSG mitunter deutlich detaillierter ausgestaltet sind.325 Für den Rechtsanwender erwächst hieraus die Schwierigkeit, das „Datenschutzstrafprozessrecht“326 aus verschiedenen Gesetzen zu entnehmen.327 Unabhängig davon, in welchem Regelwerk die einzelnen Vorschriften verankert sind, müssen diese jedenfalls den Vorgaben der JI-RL genügen.328 § 45 BDSG legt den Anwendungsbereich des dritten Teils des BDSG fest,329 und bemüht dabei weitgehend denselben Wortlaut wie Art. 1 Abs. 1 JI-RL. Es nimmt folglich auch kaum wunder, dass sich der Streit, ob die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Strafgerichte von der Regelungsmaterie erfasst ist, sub specie des § 45 BDSG wiederholt.330 Neben den zuvor bemühten Argumenten, die für die Anwendbarkeit der JI-RL auf die justizielle Tätigkeit der Strafgerichte sprechen, streitet auch der Wortlaut des § 45 S. 1 BDSG für dieses Verständnis. Der nationale Gesetzgeber hat sich für den weit gefassten Terminus der öffentlichen Stelle entschieden, dem sich nicht nur die Ermittlungsbehörden – mithin die Staatsanwaltschaft und die Polizei – subsumieren lassen, sondern ohne Weiteres auch die Strafgerichte.331 Der bereits erwähnte § 500 Abs. 1 StPO sorgt dafür, dass die 321 Schwichtenberg, in: Kühling/Buchner, Vor §§ 45 ff. BDSG Rn. 4; Johannes/Weinhold, in: Sydow/Marsch, § 45 BDSG Rn. 16; Weßlau/Puschke, in: SK-StPO, Vor § 474 Rn. 30; Singelnstein, NStZ 2020, 639; von Häfen, in: BeckOK-StPO, § 500 Rn. 4; Schwichtenberg/ Camprubi, NK 2020, 91 (93). Schließlich auch BT-Drs. 19/4671, S. 44. 322 Weßlau/Puschke, in: SK-StPO, Vor § 474 Rn. 33; von Häfen, in: BeckOK-StPO, § 500 Rn. 4. 323 Weßlau/Puschke, in: SK-StPO, Vor § 474 Rn. 33; Puschke, in: SK-StPO, § 500 Rn. 1. 324 BT-Drs. 19/4671, S. 45. Ferner von Häfen, in: BeckOK-StPO, § 500 Rn. 4. 325 Singelnstein, NStZ 2020, 639; Basar, StraFo 2019, 222 (229); Johannes/Weinhold, in: Sydow/Marsch, § 45 BDSG Rn. 16 sprechen von einem Nebeneinander. 326 Basar, StraFo 2019, 222 (226). 327 Auf bestehende Unstimmigkeiten weisen zutreffend Weßlau/Puschke, in: SK-StPO, Vor § 474 Rn. 30 hin. Ferner Schwichtenberg/Camprubi, NK 2020, 91 (93). 328 Singelnstein, NStZ 2020, 639. 329 Zur Einordnung Wolff, in: BeckOK-Datenschutzrecht, § 45 BDSG Rn. 2. 330 Vgl. zum Ganzen Schwichtenberg, in: Kühling/Buchner, § 45 BDSG Rn. 5. Braun, in: Gola/Heckmann-BDSG, § 45 Rn. 15 plädiert dafür, den Begriff der Strafverfolgung restriktiv auszulegen und gerade nicht auf die strafgerichtliche Tätigkeit zu beziehen. 331 Schwichtenberg, in: Kühling/Buchner, § 45 BDSG Rn. 5.
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§§ 45 ff. BDSG auch für die öffentlichen Stellen der Länder gelten, sofern diese im Anwendungsbereich der StPO personenbezogene Daten verarbeiten.332 Im hier interessierenden Kontext ist dies vornehmlich für die Gerichte der Länder relevant: Die Anforderungen für die Datenverarbeitung im Strafverfahren ergeben sich insoweit nicht aus den jeweiligen Landesdatenschutzgesetzen, sondern vielmehr aus der StPO sowie den §§ 45 ff. BDSG.333 b) Anforderungen an den richterlichen Umgang mit Beweismitteln Nach dem in § 47 Nr. 1 BDSG implementierten Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bedarf jede Verarbeitung personenbezogener Daten einer Rechtsgrundlage,334 die aber – wie die voranstehenden Ausführungen gezeigt haben – nicht zwingend aus dem BDSG selbst folgen muss. Bei näherem Hinsehen verzichten die §§ 45 ff. BDSG sogar weitgehend darauf, eigenständige Rechtsgrundlagen zu implementieren.335 Zudem schweigen sich auch die bereichsspezifischen Vorschriften der §§ 474 ff. StPO weitgehend zu der Frage aus, inwieweit der innerprozessuale Umgang des Richters mit personenbezogenen Daten aus der datenschutzrechtlichen Warte erlaubt ist. Die zentralen Vorgänge der richterlichen Beweiserhebung und der anschließenden Verwertung werden gerade nicht in Bezug genommen. Auch für den datenschutzrechtlichen Kontext gilt die oben entwickelte These, nach der die gerichtliche Beweiserhebung sowie die -verwertung materiell-rechtlich nicht verboten sein können, wenn sie zugleich prozessual erlaubt sind.336 Insoweit ist es naheliegend, die §§ 244 Abs. 2, 261 StPO nicht nur als strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund zu begreifen, sondern zugleich als datenschutzrechtlichen Erlaubnistatbestand,337 obschon die Vorschriften – soweit ersichtlich – bislang noch nicht in 332 Dazu auch Singelnstein, NStZ 2020, 639 (644). Zur Regelungsintention des Gesetzgebers BT-Drs. 19/4671, S. 71. Ferner Seidl, jurisPR-ITR 14/2020, Anm. 3. 333 So i. E. auch Puschke, in: SK-StPO, § 500 Rn. 2. 334 Hertfelder, in: BeckOK-Datenschutzrecht, § 47 BDSG Rn. 6; Schwichtenberg, in: Kühling/Buchner, § 47 BDSG Rn. 5; Schwichtenberg/Camprubi, NK 2020, 91 (94 f.); MeyerMews, StraFo 2019, 449 (453). Vgl. zu den Unterschieden im analogen Umgang mit personenbezogenen Daten Johannes/Weinhold, in: Sydow/Marsch, § 45 BDSG Rn. 35 ff. Der Anwendungsbereich der §§ 45 ff. BDSG ist i. E. weiter als derjenige der DSGVO, da die manuelle Datenverarbeitung unabhängig davon erfasst wird, ob eine Speicherung in einem Dateiensystem erfolgt. 335 Schwichtenberg, in: Kühling/Buchner, § 45 BDSG Rn. 8, 9. Eine Ausnahme stellt insoweit § 48 BDSG dar, der besondere Kategorien personenbezogener Daten betrifft. Dieser Begriff taucht wiederum nicht in den §§ 474 ff. StPO auf und trägt sonach zu den Friktionen zwischen BDSG und StPO bei, Weßlau/Puschke, in: SK-StPO, Vor § 474 Rn. 30. 336 Dazu schon Teil 3, B. I. 2. c). 337 Alternativ dazu käme der Rekurs auf die Generalklausel des § 3 BDSG in Betracht, der aufgrund seiner systematischen Stellung (Teil 1: Gemeinsame Bestimmungen) auch im Anwendungsbereich der §§ 45 ff. BDSG gilt. Dazu Johannes/Weinhold, in: Sydow/Marsch, § 45 BDSG Rn. 15. Für eine Einordnung des § 3 BDSG als ausreichende Rechtsgrundlage Reimer,
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die Kategorie des bereichsspezifischen Datenschutzrechts eingeordnet wurden. Ein solches Verständnis der strafprozessualen Regelungen lässt sich jedoch mit den vagen Vorgaben des Art. 8 Abs. 1 JI-RL vereinbaren, der lediglich verlangt, dass die „Verarbeitung für die Erfüllung einer Aufgabe erforderlich ist, die von der zuständigen Behörde zu den in Artikel 1 Absatz 1 genannten Zwecken wahrgenommen wird“. Auf diese Weise erfolgt wiederum eine unmittelbare Rückkopplung an die Beweisverbotsdogmatik: Steht der richterlichen Verarbeitung personenbezogener Daten ein Beweisverbot entgegen, ist die Verhaltensweise auch datenschutzrechtlich verboten. Zu bedenken ist freilich, dass die §§ 244 Abs. 2, 261 StPO ihrerseits keine klaren Vorgaben für den richterlichen Umgang mit Beweismitteln statuieren und erst durch den Rekurs auf die umfangreiche Rechtsprechung zu Beweisverboten justiziable Konturen erhalten.338 Zudem beziehen sich die genannten Vorschriften – anders als die §§ 474 ff. StPO – ihrem Wortlaut nach gerade nicht ausdrücklich auf die Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Eine präziser gefasste Rechtsnorm könnte insoweit Abhilfe schaffen. Nichtsdestoweniger wird man die §§ 244 Abs. 2, 261 StPO de lege lata als datenschutzrechtliche Erlaubnissätze begreifen können, die dem Richter gestatten, personenbezogene Daten zu verarbeiten, um eine verbindliche Entscheidung zu fällen. Die prozessualen Regelungen ordnen die richterliche Beweiserhebung und die anschließende Verwertung – und betreffen jedenfalls implizit auch solche Beweismittel, die personenbezogene Daten enthalten.339 Dafür spricht auch ein vergleichender Blick auf § 48 BDSG, der die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten betrifft und als zulässig einstuft, wenn dies zur Aufgabenerfüllung unbedingt erforderlich ist. Auch insoweit bleibt der Zulässigkeitsmaßstab eher vage und steht den Anforderungen der §§ 244 Abs. 2, 261 StPO aus dem Blickwinkel der hinreichenden Bestimmtheit in nichts nach. 2. Datenschutzrechtliche Vorgaben im Zivilverfahren Demgegenüber ist das richterliche Vorgehen im Zivilprozess am Maßstab der DSGVO zu messen, sofern eine ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung in Rede steht oder aber eine nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgt, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.340 Ein Rückgriff auf nationales Datenschutzrecht ist insoweit nur möglich, in: Sydow/Marsch, § 3 BDSG Rn. 3. Kritisch hingegen Schwichtenberg, in: Kühling/Buchner, § 47 BDSG Rn. 6. 338 Zu diesen Bedenken bereits Teil 3, B. II. 3. a). 339 Vgl. auch den Gedankengang bei Brink/Wolff, NVwZ 2011, 134 (135), indes noch zum alten Datenschutzrecht sowie zum Verwaltungs- und Sozialgerichtsprozess. 340 Instruktiv dazu Ory/Weth, NJW 2018, 2829 (2830); Schmitt/Resch, jM 2020, 134; Bieresborn, DRiZ 2019, 18; Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 125 ff. Ferner Krüger/Resch/Vogelgesang, jM 2021, 310. Ein Ausschluss der DSGVO resultiert insoweit auch nicht aus Art. 2 Abs. 2 lit. a DSGVO. Dazu Wiebe/Eichfeld, NJW 2019, 2734.
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wenn die DSGVO eine mitgliedstaatliche Regelung gestattet.341 Vor diesem Hintergrund gebührt der erste Blick stets dem unionalen Regelwerk, bevor anschließend die nationalen Vorschriften beleuchtet werden können. a) Vorgaben der DSGVO Nach dem bereits an verschiedenen Stellen dieser Untersuchung erörterten Art. 6 Abs. 1 DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur dann gestattet, wenn sie sich auf einen der nachfolgend aufgezählten Erlaubnissätze stützen kann. Hinsichtlich der gerichtlichen Beweiserhebung und der anschließenden Verwertung tritt insoweit Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO in den Vordergrund,342 nach dem die Verarbeitung rechtmäßig ist, sofern diese „für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich [ist], die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde“. Die rechtsprechende Tätigkeit, die nach Art. 92 GG den Richtern anvertraut ist und sowohl den Vorgang der Beweiserhebung als auch denjenigen der nachfolgenden Verwertung umfasst,343 rechnet ohne Zweifel hierzu.344 Bei näherem Hinsehen stellt Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO für sich betrachtet jedoch keinen eigenständigen Erlaubnistatbestand dar,345 sondern fungiert – wie sich aus Art. 6 Abs. 3 S. 1 DSGVO ergibt –346 lediglich als sog. „Scharniernorm“.347 Es bedarf folglich einer Rechtsgrundlage, die sich entweder aus dem Unionsrecht oder aber aus dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaates ergeben muss, dem der Verantwortliche unterliegt. Art. 6 Abs. 3 DSGVO stellt folglich eine Öffnungsklausel dar, die den Mitgliedstaaten einen eigenständigen Regelungsspielraum eröffnet.348 Stehen hingegen besondere Kategorien personenbezogener Daten in Rede, genügt der Rekurs auf Art. 6 Abs. 1 lit. e, Abs. 3 DSGVO nicht, um die gerichtliche Da341
Im Überblick Leopold, NZS 2018, 357 (358). So die h. M.: Ory/Weth, NJW 2018, 2829 (2831); Schmitt/Resch, jM 2020, 134 (135); Greger, in: Zöller, Vorb. zu § 284 Rn. 11; Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 184. Nur vereinzelt wird auf Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO verwiesen. Vgl. zum Ganzen Bieresborn, DRiZ 2019, 18 (19). Der Rekurs auf die Interessenabwägungsklausel des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO ist gem. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO ausgeschlossen. 343 Schmitt/Resch, jM 2020, 134 (137). Vgl. auch Heberlein, in: Ehmann/Selmayr, Art. 37 Rn. 21; Nguyen/Stroh, in: Gola-DSGVO, Art. 55 Rn. 17. 344 Freye/Schnebbe, ZD 2020, 502 (504). So auch Schmitt/Resch, jM 2020, 134 (135). 345 Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO Rn. 120; Albers/Veit, in: BeckOKDatenschutzrecht, Art. 6 DSGVO Rn. 57; Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 71. 346 Zum nach wie vor umstrittenen Verhältnis von Art. 6 Abs. 2 DSGVO zu Art. 6 Abs. 3 DSGVO Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 2 DSGVO Rn. 16 ff. m. w. N. 347 Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 79; Schmitt/Resch, jM 2020, 134 (135). 348 Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 3 DSGVO Rn. 19. 342
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tenverarbeitung zu legitimieren.349 Art. 9 Abs. 1 DSGVO spricht insoweit ein grundsätzliches Verbot aus, das nur in den abschließend aufgezählten Fällen des Art. 9 Abs. 2 DSGVO nicht gilt. Im hier relevanten Kontext des gerichtlichen Umgangs mit personenbezogenen Daten ist Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO einschlägig,350 der die justizielle Tätigkeit der Gerichte351 vom Verarbeitungsverbot des Abs. 1 ausnimmt. Einzelne Stimmen wollen aus dieser spezifischen Privilegierung im Wege eines Erst-recht-Schlusses folgern, jede Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Gerichte sei am Maßstab des Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO zu beurteilen, so dass es eines Rückgriffs auf Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO insoweit nicht bedürfe.352 Einem solchen Verständnis ist jedoch aus zwei Gründen entgegenzutreten. Zum einen ist der exakte Aussagegehalt des Art. 9 Abs. 2 DSGVO nach wie vor nicht gänzlich geklärt. Während die wohl überwiegende Ansicht davon ausgeht, die Norm statuiere eigenständige Erlaubnissätze,353 steht eine beachtliche Gegenauffassung auf dem Standpunkt, Art. 9 Abs. 2 DSGVO entbinde lediglich vom allgemeinen Verbot des Abs. 1, so dass es – wie bei jeder sonstigen Datenverarbeitung auch – einer Erlaubnis nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 1 DSGVO bedürfe.354 Zum anderen verkennen die Verfechter einer ausufernden Interpretation des Art. 9 Abs. 2 DSGVO, wie sich diese auf den nationalen Gestaltungsspielraum auswirkt. Denn während Art. 6 Abs. 1 lit. e, Abs. 3 DSGVO – wie zuvor bereits erwähnt – erst im Zusammenspiel mit einer mitgliedstaatlichen (oder unionalen) Rechtsgrundlage „funktioniert“, beinhaltet Art. 9 DSGVO eine so weitreichende Öffnungsklausel gerade nicht. Die privilegierende Wirkung des Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO würde auf diese Weise geradezu konterkariert. Ein Ausgleich lässt sich insoweit auch nicht mittels Erwägungsgrund 20 S. 1 zur DSGVO erreichen, der einen mitgliedstaatlichen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der justiziellen Tätigkeit der Gerichte vorsieht. Zwar kann dieser Gesichtspunkt bei der Auslegung einzelner Vorschriften der DSGVO herangezogen werden; eigenständige Öffnungsklauseln implementieren die Erwägungsgründe jedoch nicht.355
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Explizit Schmitt/Resch, jM 2020, 134 (135). Schmitt/Resch, jM 2020, 134 (136). 351 Zur Diskussion um die unionale Auslegung dieses Begriffs im Anwendungsbereich der DSGVO Schmitt/Resch, jM 2020, 134 (137); Selmayr, in: Ehmann/Selmayr, Art. 55 Rn. 12; Wiebe/Eichfeld, NJW 2019, 2734 (2736 ff.). 352 Schmitt/Resch, jM 2020, 134 (137). Zustimmend Krüger/Resch/Vogelgesang, jM 2021, 310 (314). Vgl. schließlich auch Ory/Weth, NJW 2018, 2829 (2831); Bieresborn, DRiZ 2019, 18 (19). 353 Mester, in: Taeger/Gabel, Art. 9 DSGVO Rn. 2. Offenlassend hingegen Kampert, in: Sydow/Marsch, Art. 9 DSGVO Rn. 62. 354 Zur Diskussion Petri, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 9 DSGVO Rn. 2; Schulz, in: Gola-DSGVO, Art. 9 Rn. 5. Vgl. auch Schiff, in: Ehmann/Selmayr, Art. 9 Rn. 32. Ferner unter Teil 6, B. II. 2. 355 So auch Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 221. In diese Richtung auch Wiebe/Eichfeld, NJW 2019, 2734. 350
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b) Vorgaben des nationalen Rechts Verarbeitet der entscheidende Richter „normale“ personenbezogene Daten, die nicht unter Art. 9 DSGVO fallen, bedarf es nach den vorstehenden Ausführungen gem. Art. 6 Abs. 3 S. 1 DSGVO einer Rechtsgrundlage, um das konkrete Vorgehen datenschutzrechtlich zu legitimieren. aa) § 3 BDSG als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Diese scheint der deutsche Gesetzgeber in § 3 BDSG geschaffen zu haben, der die Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen regelt und dabei eine Art Generalklausel statuiert.356 Hiernach ist die Verarbeitung erlaubt, „wenn sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit des Verantwortlichen liegenden Aufgabe oder in Ausübung öffentlicher Gewalt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde, erforderlich ist“. Die inhaltlichen Überscheidungen mit Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO sind evident – und speisen die Kritik an der nationalen Vorschrift.357 Diese rührt insbesondere von der abstrakten Formulierung des § 3 BDSG her,358 die gegenüber dem ebenfalls vagen Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO zu keinem rechtlichen Mehrgewinn führt. Einzelne Stimmen mahnen zudem einen Verstoß gegen das unionale Wiederholungsverbot an,359 das letztlich die Auslegungskompetenz des EuGH sicherstellen soll.360 Neben diese berechtigten Einwände tritt ein weiterer Gesichtspunkt, der das Verhältnis des BDSG zu den jeweiligen Landesdatenschutzgesetzen betrifft. Ausweislich des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG gilt das BDSG für die Datenverarbeitung durch die öffentlichen Stellen der Länder – zu denen auch die jeweiligen Gerichte zählen – nur subsidiär. Um auf das bundeseinheitliche BDSG zurückgreifen zu können, darf der Datenschutz nicht durch Landesgesetz geregelt sein. Darüber hinaus muss die öffentliche Stelle des Landes entweder Bundesrecht ausführen oder aber als Organ der Rechtspflege tätig werden, wobei es sich nicht um eine Verwaltungsangelegenheit handeln darf. Ohne diese Vorgaben vertieft zu beleuchten, zeigt sich deutlich, dass der Rekurs auf das BDSG hinsichtlich der Datenverarbeitung durch die öffentlichen Stellen der Länder davon abhängt, ob das jeweilige Landesdatenschutzgesetz den relevanten Sachverhalt regelt.361 Die Landesdatenschutzgesetze der einzelnen Bundesländer enthalten hinsichtlich der Datenverar356 Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 84; BT-Drs. 18/ 11325, S. 80 spricht von einer „allgemeine[n] Rechtsgrundlage“. 357 Dazu Eßer, in: Auernhammer, § 3 BDSG Rn. 5; Frenzel, in: Paal/Pauly, § 3 BDSG Rn. 2, 3; Schmitt/Resch, jM 2020, 134 (135 Fn. 16). 358 Frenzel, in: Paal/Pauly, § 3 BDSG Rn. 2. 359 Frenzel, in: Paal/Pauly, § 3 BDSG Rn. 1. 360 Instruktiv zu diesem Kühling/Martini/Heberlein, Die Datenschutz-Grundverordnung und das nationale Recht, S. 6 ff. 361 Ory/Weth, NJW 2018, 2829 (2830). Darauf weisen auch Krüger/Resch/Vogelgesang, jM 2022, 8 (12) hin.
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beitung durch Gerichte divergierende Regelungen,362 so dass – jedenfalls theoretisch – eine „länderspezifische Zerstückelung“363 drohen könnte, die schlussendlich einem kaum wünschenswerten „Föderalismus im Verfahrensrecht“364 erheblichen Vorschub leisten würde.365 Schließlich streitet ein weiterer Aspekt dagegen, § 3 BDSG als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Gerichte zu bemühen. So ist weitgehend konsensfähig, dass § 3 BDSG als bloßer Auffangtatbestand lediglich geringfügige Eingriffe zu legitimieren vermag.366 Insoweit drängen sich aber ernstliche Zweifel auf, ob die bedeutsamen Vorgänge der gerichtlichen Beweiserhebung und der anschließenden Verwertung angesichts der weitreichenden rechtlichen Konsequenzen für die Verfahrensbeteiligten diesem Eingriffsspektrum zugeordnet werden können. bb) §§ 284 ff., 355 ff. ZPO als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Einem rechtlichen Ausweg ist im BDSG selbst der Weg geebnet. Gem. § 1 Abs. 2 S. 1 BDSG gehen andere Rechtsvorschriften des Bundes über den Datenschutz vor. Ähnliche Regelungen finden sich auch in einigen Landesdatenschutzgesetzen – oder folgen jedenfalls aus dem überkommenen Grundsatz lex specialis derogat legi generali.367 Vor diesem Hintergrund verdrängt etwa § 4 BDSG, der die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume betrifft, den Auffangtatbestand des § 3 BDSG.368 Allerdings vermag diese speziellere Regelung die zuvor konstatierten Schwierigkeiten nur in einem schmalen Anwendungsfeld – nämlich für Videoaufnahmen öffentlich zugänglicher Räume – zu lösen. Außerhalb dieses Themenbereichs fehlen im Datenschutzrecht allgemeine Rechtsgrundlagen,369 die bestimmen, unter welchen Voraussetzungen personenbezogene Daten innerhalb des gerichtlichen Verfahrens verarbeitet werden dürfen. Angesichts dessen drängt sich der Rekurs auf die Zivilprozessordnung geradezu auf.370 Allerdings sieht diese gerade keine Regelungen vor, die sich explizit zu der
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Dazu im Überblick Wiebe/Eichfeld, NJW 2019, 2734 (2735). Wiebe/Eichfeld, NJW 2019, 2734 (2735). 364 Ory/Weth, NJW 2018, 2829 (2830). 365 Relativierend Engeler, in: Specht-Riemenschneider/Mantz, Handbuch europäisches und deutsches Datenschutzrecht, § 22 Rn. 18; Bieresborn, DRiZ 2019, 18 (18 Fn. 11). 366 BT-Drs. 18/11325, S. 81; Freye/Schnebbe, ZD 2020, 502 (504); Klar/Kühling/Petri, in: Kühling/Buchner, § 3 BDSG Rn. 9. 367 Wiebe/Eichfeld, NJW 2019, 2734 (2735 Fn. 17). 368 Vgl. Reimer, in: Sydow/Marsch, § 3 BDSG Rn. 5. 369 § 26 BDSG sieht zwar ebenfalls eine Rechtsgrundlage vor, bezieht sich aber auf die besondere Verarbeitungssituation des Beschäftigungsverhältnisses. 370 Wiebe/Eichfeld, NJW 2019, 2734 (2735); Bieresborn, DRiZ 2019, 18 (19). Vgl. auch Liebscher, Datenschutz bei der Datenübermittlung im Zivilverfahren, S. 55, die anmahnt, das Normenverhältnis nicht auf die gesamte Verfahrensordnung zu beziehen, sondern für eine 363
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Frage verhalten, inwieweit der entscheidende Richter solche Beweismittel erheben und verwerten darf, die personenbezogene Daten enthalten.371 Nichtsdestoweniger haben die bisherigen Untersuchungen gezeigt, dass die §§ 284 ff., 355 ff. ZPO als hinreichende Befugnisnormen fungieren, um den staatlichen Eingriff in das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht, der mit der gerichtlichen Beweiserhebung und der anschließenden Verwertung regelmäßig einhergeht, zu legitimieren.372 Diese Vorschriften beziehen sich zwar nicht expressis verbis auf personenbezogene Daten, sondern nehmen in abstrakter Weise die beweisrechtlichen Vorgänge des Gerichts in den Blick. Dabei erstrecken sich die §§ 284 ff., 355 ff. ZPO nicht nur auf die genannten Beweismittel, sondern implizit auch auf die darin enthaltenen personenbezogenen Daten.373 Insoweit ist den genannten Vorschriften – jedenfalls mittelbar – auch eine datenschützende Funktion zuzusprechen. Von diesem Standpunkt aus verdrängen die §§ 284 ff., 355 ff. ZPO konsequenterweise nicht nur die Erlaubnisnorm aus § 4 BDSG, sondern zugleich den Auffangtatbestand des § 3 BDSG; die prozessualen Vorschriften gehen gem. § 1 Abs. 2 S. 2 BDSG vor.374 Für die Vorgänge der richterlichen Beweiserhebung und der nachfolgenden Beweisverwertung folgt die datenschutzrechtliche Befugnis sonach aus Art. 6 Abs. 1 lit. e, Abs. 3 DSGVO i. V. m. §§ 284 ff., 355 ff. ZPO. Freilich wäre eine legislatorische Korrektur, die auch die Vorgaben des Art. 6 Abs. 3 S. 2 DSGVO375 sowie des § 1 Abs. 2 S. 2 BDSG376 berücksichtigt, zweifelsohne zu begrüßen, um einen rechtssichereren Umgang zu ermöglichen. Hierauf ist an späterer Stelle noch einmal zurückzukommen.377
konkrete gesetzliche Vorschrift zu bestimmen. Instruktiv zum Verhältnis zwischen ZPO und DSGVO mit Blick auf die Betroffenenrechte Krüger/Resch/Vogelgesang, jM 2022, 8 (10 ff.). 371 Dazu expressis verbis Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 95, 110. 372 Teil 3, B. II. 3. b). 373 Brink/Wolff, NVwZ 2011, 134 (135), allerdings noch unter Geltung der DSRL. Vgl. auch die Überlegung von Krüger/Resch/Vogelgesang, jM 2022, 8 (11), wonach die ZPO „bereits ein datenschutzorientiertes Regelwerk darstellt“. 374 So i. E. auch Bieresborn, DRiZ 2019, 18 (19); Leopold, NZS 2018, 357 (358). Noch zum Datenschutzrecht unter dem Regime der DSRL Brink/Wolff, NVwZ 2011, 134 (135). Abweichend hingegen Wiebe/Eichfeld, NJW 2019, 2734 (2735); Ory/Weth, NJW 2018, 2829 (2832). Allerdings ist zu beachten, dass sich die jeweiligen Stellungnahmen nicht explizit auf den richterlichen Umgang mit Beweismitteln beziehen, sondern vielmehr allgemeiner Natur sind, oder aber die Betroffenenrechte in Bezug nehmen. 375 Zum teilweise umstrittenen Verständnis des Art. 6 Abs. 3 S. 2 DSGVO Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 3 DSGVO Rn. 27 ff.; Frenzel, in: Paal/Pauly, Art. 6 DSGVO Rn. 41; Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, Art. 6 DSGVO Rn. 121. 376 Wiebe/Eichfeld, NJW 2019, 2734 (2735). 377 Teil 6, B. II.
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3. Ergebnis zur datenschutzrechtlichen Bewertung des richterlichen Verhaltens und Schlussfolgerung Die prozessuale Wirklichkeit steht vor neuen Herausforderungen, seitdem die DSGVO in den Mitgliedstaaten unmittelbar gilt. Zentrale Streitfragen betreffen nach wie vor den Umgang mit etwaigen Betroffenenrechten und Informationspflichten, die gerichtliche Arbeitsabläufe empfindlich beeinflussen können.378 Die Spannungen zwischen den (gestiegenen) datenschutzrechtlichen Anforderungen auf der einen und den prozessualen Vorstellungen von einem rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren auf der anderen Seite vermag erst der nationale Gesetzgeber interessen- und sachgerecht aufzulösen.379 Zu diesem Zweck sieht das unionale Regelungsregime sowohl für den Straf- als auch den Zivilprozess weitreichenden legislatorischen Gestaltungsspielraum vor.380 Dieser entscheidende Gesichtspunkt tritt auch in Erwägungsgrund 20 S. 1 zur DSGVO offen zutage. Nach dem hier entwickelten Lösungsmodell bemisst sich der richterliche Umgang mit Beweismitteln, die personenbezogene Daten enthalten, weitgehend anhand der überkommenen Normen des nationalen Prozessrechts. Im Strafverfahren ist die DSGVO aufgrund des Ausschlusses gem. Art. 2 Abs. 2 lit. d DSGVO ohnehin nicht anwendbar. Die stattdessen geltenden Vorgaben der JI-RL bedürfen einer Umsetzung in nationales Recht und eröffnen dem mitgliedstaatlichen Gesetzgeber einen weiten Regelungsspielraum. Vor diesem Hintergrund fungieren die §§ 244 Abs. 2, 261 StPO als datenschutzrechtliche Erlaubnistatbestände. Im Zivilprozess fällt die Begründung vergleichsweise komplexer aus, da die DSGVO unmittelbar gilt und keinen Ausschlussgrund für das zivilgerichtliche Verfahren kennt. Nach dem insoweit maßgeblichen Art. 6 Abs. 1 lit. e, Abs. 3 DSGVO bedarf es einer unionalen oder mitgliedstaatlichen Regelung, die als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung dient. Die Öffnungsklausel aus Art. 6 Abs. 3 S. 1 DSGVO erlaubt den Rückgriff auf die §§ 284 ff., 355 ff. ZPO, die nach der hier vertretenen Beweisverbotslehre als Befugnisnormen den staatlichen Grundrechtseingriff zu legitimieren vermögen. Auch wenn sich die genannten Vorschriften nicht ausdrücklich auf personenbezogene Daten beziehen, umfassen sie diese jedenfalls implizit, und gehen als speziellere Normen den allgemeinen datenschutzrechtlichen Erlaubnissätzen gem. § 1 Abs. 2 BDSG vor. Der Spezialitätsgrundsatz beugt zugleich einem drohenden Flickenteppich vor, der aus der teilweisen Subsidiarität des BDSG gegenüber den Landesdatenschutzgesetzen resultieren könnte.381 Das Zivilverfahrensrecht gilt un378 Krüger/Resch/Vogelgesang, jM 2021, 310 (311 ff.); dies., jM 2022, 8 (8 ff.); Ory/Weth, NJW 2018, 2829 (2831 ff.); Leopold, NZS 2018, 357. 379 Krüger/Resch/Vogelgesang, jM 2022, 8 (13). 380 Dazu auch die Kurzinformation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages https://www.bundestag.de/resource/blob/670138/f6381a66ede2527f61fcfae82d3495ac /WD-3-211-19-pdf-data.pdf (zuletzt abgerufen am: 13. 09. 2022). 381 So i. E. auch Bieresborn, DRiZ 2019, 18 (19 Fn. 11); Engeler, in: Specht-Riemenschneider/Mantz, Handbuch europäisches und deutsches Datenschutzrecht, § 22 Rn. 18.
C. Datenschutzrechtliche Grenzen des innerprozessualen Verhaltens
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abhängig davon, ob die Daten von einer öffentlichen Stelle des Bundes oder eines Landes verarbeitet werden. Durch diese Anknüpfung an die Vorschriften der jeweiligen Verfahrensordnungen, die ihrerseits zweifelsohne deutlich präziser ausfallen könnten, gelingt es auch im datenschutzrechtlichen Kontext, einen Gleichlauf zwischen der prozessualen Verwertbarkeit eines Beweismittels und der materiell-rechtlichen Bewertung herzustellen: Sofern dem konkreten richterlichen Verhalten ein Beweisverbot entgegensteht, zieht eine gleichwohl erfolgende Verarbeitung personenbezogener Daten zu Beweiszwecken unweigerlich das Verdikt der datenschutzrechtlichen Unzulässigkeit nach sich, da die Voraussetzungen des verfahrensrechtlichen Erlaubnissatzes nicht vorliegen. Das europäische Datenschutzrecht zielt nach alledem gerade nicht darauf ab, das nationale Prozessrecht zu überformen oder gar zu lähmen.382 Der Ball liegt vielmehr bei den Mitgliedstaaten,383 die von den eröffneten Regelungsspielräumen Gebrauch machen müssen.384 Zukünftig wird es vor allem darauf ankommen, durch präzisere Regelungen im nationalen Recht für ein höheres Maß an Rechtssicherheit zu sorgen. Offene Fragen betreffen insbesondere einen etwaigen Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen einander nachfolgenden Phasen der Datenverarbeitung.385 Ist ein Verarbeitungsschritt ohne weitere Prüfung allein deshalb rechtswidrig, weil ein vorangegangener Vorgang datenschutzrechtlich unzulässig war? Jedenfalls im prozessualen Raum sprechen – wie im Rahmen dieser Untersuchung an verschiedenen Stellen illuminiert – gute Gründe gegen einen solchen Wertungsgleichlauf. Das Gericht agiert unter gänzlich anderen rechtlichen Voraussetzungen als der Private, der im vorprozessualen Stadium nach entscheidungsrelevanten Beweismitteln sucht und dabei regelmäßig personenbezogene Daten verarbeitet. Eine klarstellende Regelung in den Verfahrensordnungen könnte diese Diskussion im Keim ersticken. Der Rückgriff auf die §§ 244 Abs. 2, 261 StPO sowie die §§ 284 ff., 355 ff. ZPO ermöglicht es, die nationalen Vorstellungen von einem rechtsstaatlichen Gerichts382 Wiebe/Eichfeld, NJW 2019, 2734 (2738); Krüger/Resch/Vogelgesang, jM 2022, 8 (13). Dazu auch die Kurzinformation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages https://www.bundestag.de/resource/blob/670138/f6381a66ede2527f61fcfae82d3495ac/ WD-3-211-19-pdf-data.pdf (zuletzt abgerufen am: 13. 09. 2022). Eine unionale Gesetzgebungskompetenz für das nationale Prozessrecht besteht ohnehin nicht, BSG BeckRS 2018, 42368 Rn. 31. 383 Vgl. auch Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 6 Abs. 3 DSGVO Rn. 2, der sub specie der Öffnungsklausel aus Art. 6 Abs. 3 S. 1 DSGVO betont, dass diese endlich der unionalen Kompetenzverteilung entspreche, wonach die Mitgliedstaaten zur Regelung befugt sind, sofern die jeweiligen Sachverhalte innerstaatliche Angelegenheiten betreffen. 384 Krüger/Resch/Vogelgesang, jM 2022, 8 (13). In diese Richtung auch Engeler, in: Specht-Riemenschneider/Mantz, Handbuch europäisches und deutsches Datenschutzrecht, § 22 Rn. 14. 385 Dazu instruktiv und umfassend Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 195 ff.
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Teil 5: Umgang mit Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren
verfahren auch unter dem unionalen Datenschutzregime beizubehalten. Oder, um es mit den Worten von Schütz auszudrücken: „Der im Zuge der DSGVO entstandene ,Hype‘ um den Datenschutz darf nicht die Fundamentalprinzipien des rechtsstaatlichen Gerichtsprozesses aufheben.“386
D. Zivilrechtliche Grenzen des innerprozessualen Verhaltens Der abschließende Blick in diesem Kapitel gebührt den zivilrechtlichen Verhaltensanforderungen, die jedoch angesichts des weiten Anwendungsbereichs der DSGVO zunehmend in den Hintergrund rücken dürften. In besonderem Maß gilt dies für das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das sich im hier interessierenden Kontext in weiten Teilen mit dem Datenschutzrecht überschneidet.387 Gleichwohl sind einzelne Fallkonstellationen möglich, in denen allein das generalklauselartige Rahmenrecht einschlägig ist. Angesprochen ist beispielsweise die Konstellation, in der ein Lauschzeuge in der gerichtlichen Verhandlung über seine außerprozessualen Wahrnehmungen berichtet, ohne den Tatbestand des § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB zu verwirklichen. Insoweit sorgt die stets erforderliche Interessenabwägung für einen sachgerechten Ausgleich der konfligierenden Positionen. Dabei gilt wiederum: Sofern ein Beweisverbot entgegensteht, ist die konkrete Verhaltensweise schlechterdings ungeeignet, das verfolgte Ziel – den Nachweis eines rechtserheblichen Verstoßes – zu erreichen und sonach rechtswidrig. Da der entscheidende Richter ohnehin gem. Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar grundrechtsgebunden ist, fällt die Abwägung für diesen deckungsgleich mit dem verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG aus. Bedeutsamer erscheint hingegen der Rekurs auf die Vorgaben des KUG, da dieses in § 33 KUG eine Strafvorschrift enthält.388 Für den Privaten ist dieses Strafbarkeitsrisiko im hier interessierenden Zusammenhang zu vernachlässigen, da sich dessen Umgang mit Bildnissen – wie gesehen – grundsätzlich am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO messen lassen muss. Mangels einer Öffnungsklausel verbietet sich der Rückgriff auf die §§ 22 ff. KUG von vornherein.389 Anders ist die rechtliche Ausgangslage jedoch für den urteilenden Richter, der im Rahmen der Entscheidungsfindung nicht selten mit Bildnissen i. S. d. § 22 S. 1 KUG konfrontiert sein dürfte. Im Strafverfahren ist die Anwendbarkeit der §§ 22 ff. KUG evident, da Art. 2 Abs. 2 lit. d DSGVO dazu führt, dass der Anwendungsbereich der Verordnung nicht
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Schütz, NZS 2019, 719. Zum Verhältnis des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts zum Datenschutzrecht Teil 2, B. V. 388 Ausführlich zum Verhältnis von KUG und DSGVO Teil 4, C. 389 Teil 4, C. III. Vgl. zur „alten“ Rechtslage die instruktiven Ausführungen des LG Oldenburg AfP 1991, 652 (653). 387
D. Zivilrechtliche Grenzen des innerprozessualen Verhaltens
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eröffnet ist.390 Gleichwohl existieren in Form der JI-RL europäische Vorgaben, die der nationale Gesetzgeber zu berücksichtigen hat.391 Diffiziler ist die Rechtslage wiederum im zivilverfahrensrechtlichen Raum, da die sachlichen Anwendungsvoraussetzungen des Art. 2 DSGVO insoweit vorliegen. Ein Rückgriff auf das nationale KUG ist daher nicht ohne Weiteres möglich. Die vorangehenden Erwägungen haben jedoch belegt, dass das unionale Regelwerk verschiedene Öffnungsklauseln enthält und den Mitgliedstaaten ermöglicht, die datenschutzrechtlichen Vorgaben zu konkretisieren. Auf die rechtlichen Details soll im Rahmen dieser Untersuchung indes nicht näher eingegangen werden.392 Entscheidend ist schlichtweg die Erkenntnis, dass ein Rückgriff auf die §§ 22 ff. KUG sowohl im Straf- als auch im Zivilprozess nicht von vornherein ausgeschlossen ist, sofern das richterliche Verhalten in Rede steht. Gem. § 22 S. 1 KUG dürfen Bildnisse nur mit einer Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Selbst wenn es gelänge, die gerichtliche Beweiserhebung und die nachfolgende Verwertung unter die genannten Verhaltensweisen zu fassen,393 griffe insoweit die Ausnahme des § 24 KUG ein. Hiernach dürfen die Behörden für Zwecke der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit Bildnisse auch ohne die Einwilligung des Berechtigten sowie des Abgebildeten oder seiner Angehörigen vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zur Schau stellen. Die Privilegierung des § 24 KUG betrifft auch die justizielle Tätigkeit von Gerichten,394 so dass ein Verstoß gegen § 22 KUG insoweit nicht droht. Bei näherem Hinsehen fungiert § 24 KUG aber gerade nicht als umfassende Befugnisnorm;395 vielmehr nimmt die Regelung allein die genannten Verhaltensweisen vom grundsätzlichen Verbot des § 22 KUG aus.396 Die originäre Erlaubnis, in fremde Rechtsgüter einzugreifen, muss schlussendlich aus einer spezifischen Rechtsgrundlage folgen.397 Im prozessualen Kontext treten wiederum die §§ 244 Abs. 2, 261 StPO auf der einen, sowie die §§ 284 ff., 355 ff. ZPO auf der anderen Seite in den Vordergrund.
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Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 159. Instruktiv dazu Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 165 f. 392 Vgl. dazu Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 203 ff. 393 Zur Diskussion Jansen, StV 2019, 578 (581); OLG Nürnberg NJW 2017, 3597 (3602); BGHZ 218, 348 (376 f.). Vgl. auch Atzert/Franck, RDV 2014, 136 (139); Bruns, NZFam 2021, 913 (915). Schließlich auch LG Oldenburg AfP 1991, 652 (653). 394 LG Oldenburg AfP 1991, 652 (653); Atzert/Franck, RDV 2014, 136 (139). Zum Begriff der Behörde Specht-Riemenschneider, in: Dreier/Schulze, § 24 KUG Rn. 6. 395 Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 165, 206 f. 396 Specht-Riemenschneider, in: Dreier/Schulze, § 24 KUG Rn. 2; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, S. 202. 397 Klein, Personenbilder im Spannungsfeld, S. 165, 206 f. 391
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Teil 5: Umgang mit Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren
E. Zusammenfassung Teil 5 Obschon sich das innerprozessuale Verhalten des Privaten sowie des entscheidenden Richters in einem besonderen rechtlichen „Raum“ abspielen, gelten neben den formellen Vorgaben auch die Regelungen des materiellen Rechts. Greift die Beweisführung in fremde Rechtspositionen ein, ist diese nicht allein deshalb erlaubt, weil sich der Verstoß in einem gerichtlichen Verfahren ereignet. Zugunsten des entscheidenden Richters muss die Sperrwirkung des § 339 StGB berücksichtigt werden, die bezweckt, die richterliche Unabhängigkeit nicht in unverhältnismäßiger Weise zu beschränken. In strafrechtlicher Hinsicht haben sich die §§ 201, 201a, 202d StGB als relevante Verbotsnormen erwiesen. Da vornehmlich § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB ein weiter Anwendungsbereich zukommt, sind die Erwägungen zu einer etwaigen Rechtfertigung des innerprozessualen Vorgehens essenziell. Insoweit ist strikt zwischen dem Verhalten des Privaten und demjenigen des entscheidenden Richters zu differenzieren. Nur zugunsten des ersten ist der Rückgriff auf die materiellen Erlaubnissätze der §§ 32, 34 StGB möglich, wobei zwischen der Rechtfertigung im Strafverfahren auf der einen und im Zivilverfahren auf der anderen Seite zu unterscheiden ist. Sämtlichen Konstellationen ist aber gemeinsam, dass sich das Arsenal der zulässigen Verteidigungsmittel auf solche Vorgehensweisen beschränkt, die von der jeweiligen Prozessordnung grundsätzlich anerkannt sind. Vor diesem Hintergrund scheidet die gewaltsame Verteidigung gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff im prozessualen „Raum“ aus. Verwirklicht der entscheidende Richter beim Umgang mit einem eigeninitiativ erlangten Beweismittel den Tatbestand einer Strafnorm, bemisst sich die Rechtfertigung an den prozessualen Befugnisnormen der §§ 244 Abs. 2, 261 StPO im Strafverfahren und der §§ 284 ff., 355 ff. ZPO im Zivilverfahren. Diese fungieren sonach nicht nur als verfassungskonforme Grundrechtsschranken, sondern zugleich als Erlaubnissätze mit materiell-rechtlicher Wirkung. Die datenschutzrechtliche Bewertung muss ebenfalls danach unterscheiden, ob das Verhalten der Privatperson oder aber des Richters in Rede steht. Für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch einen Privaten ist Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO die maßgebliche Erlaubnisnorm. In den Fällen einer Zweckänderung bedarf es gem. Art. 6 Abs. 4 DSGVO i. V. m. Art. 23 DSGVO des Rückgriffs auf nationale Vorschriften, die sich in §§ 4, 24 BDSG finden. Der richterliche Umgang mit personenbezogenen Daten bemisst sich im strafverfahrensrechtlichen Kontext nicht an der DSGVO, da diese gem. Art. 2 Abs. 2 lit. d DSGVO nicht anwendbar ist. Die Vorgaben der insoweit relevanten JI-RL bedürfen einer Umsetzung im nationalen Recht und eröffnen dem mitgliedstaatlichen Gesetzgeber einen weiten Regelungsspielraum. Vor diesem Hintergrund ist es legitim, die §§ 244 Abs. 2, 261 StPO als datenschutzrechtliche Erlaubnistatbestände einzustufen. Im Zivilverfahren ist der entscheidende Richter demgegenüber an die DSGVO gebunden. Gem. Art. 6 Abs. 1 lit. e, Abs. 3 DSGVO bedarf es aber auch insoweit einer mitgliedstaatlichen (oder unionalen) Regelung, die als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung dient. Mit
E. Zusammenfassung Teil 5
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Blick auf diese Öffnungsklausel ist es möglich, auf die §§ 284 ff., 355 ff. ZPO zurückzugreifen. Aus der zivilrechtlichen Warte verbleibt allein das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das aufgrund der anzustellenden Interessenabwägung einen flexiblen Umgang ermöglicht. Weitgehend irrelevant sind hingegen die Vorgaben der §§ 22 ff. KUG. Für den entscheidenden Richter ist jedenfalls die Privilegierung des § 24 KUG einschlägig, so dass ein Strafbarkeitsrisiko insoweit nicht besteht. Nach dem hier entwickelten Lösungsansatz muss wiederum berücksichtigt werden, dass die prozessuale Unverwertbarkeit auf die materiell-rechtliche Ebene ausstrahlt.
Teil 6
Zusammenfassung, Ausblick und legislatorischer Handlungsbedarf Der letzte Teil der Untersuchung ist zunächst darauf gerichtet, die wesentlichen Erkenntnisse überblicksartig zusammenzufassen (A.). In diesem Kontext ist zugleich zu überprüfen, wie sich der entwickelte Lösungsansatz auf konkrete Fallkonstellationen auswirkt. Hiervon ausgehend sollen (vermeintliche) Defizite beleuchtet werden, die mit einer grundrechtlichen Abwägungsentscheidung einhergehen. Dieser Gesichtspunkt führt unweigerlich zu der Folgefrage, inwieweit der nationale Gesetzgeber dazu aufgerufen ist, präzisere Regelungen zu schaffen, um das gesamte Themenfeld rechtssicherer zu gestalten (B.).
A. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse und Überprüfung im Einzelfall Die rechtliche Ausgangslage ist eindeutig: Weder das Straf- noch das Zivilverfahrensrecht enthalten eine Vorschrift, die sich ausdrücklich dazu verhält, inwieweit Beweismittel, die eine Privatperson ohne staatliche Veranlassung erlangt hat, prozessual verwertet werden dürfen. Diese legislatorische Lücke hat eine umfassende Debatte befeuert, in deren Verlauf sich mannigfaltige Lösungsansätze entwickelt haben, die in allen Einzelheiten kaum noch zu überblicken sind.1 Allerdings beschränkt sich die Diskussion zumeist auf die Frage, ob rechtswidrig gewonnenen Beweismitteln ein prozessuales Verwertungsverbot entgegensteht. Diese Aussage impliziert einen Zusammenhang zwischen der eigeninitiativen Beweismittelsuche, die an den materiell-rechtlichen Verhaltensnormen zu messen ist, und einem etwaigen Beweisverwertungsverbot. Zahlreiche Verfechter einer solchen Konnexität unterstellen dabei ein rechtswidriges Verhalten der Privatperson, ohne auf die einzelnen Grenzen näher einzugehen – und untersuchen sonach nur einen Teilbereich. Auch in der Rechtsprechung finden sich regelmäßig materiell-rechtliche Argumentationsmuster, wenn die Verwertbarkeit eines eigeninitiativ gewonnenen Beweismittels in Rede steht. Unbeachtet bleibt dabei allerdings, ob eine abschließende materiell-rechtliche Bewertung der privaten Beweismittelsuche überhaupt möglich ist, ohne dabei bereits prozessuale Erwägungen zu berücksichtigen. In einem ersten 1
Teil 1, D.
A. Wesentliche Erkenntnisse und Überprüfung im Einzelfall
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Schritt ist es deshalb entscheidend, die beiden Ebenen – die eigeninitiative Beweismittelsuche auf der einen und die prozessuale Verwertung auf der anderen Seite – sowohl begrifflich als auch inhaltlich voneinander zu trennen und differenziert zu betrachten. Dabei lässt sich das eigeninitiative Vorgehen in verschiedene Kategorien untergliedern, die sich in einzelnen Facetten überschneiden können.2 Echte private Ermittlungen beziehen sich auf das Unterfangen, einen zurückliegenden Rechtsverstoß aufzudecken. Demgegenüber ist von unechten privaten Ermittlungen zu sprechen, wenn das handlungsleitende Motiv darin besteht, einen zukünftig drohenden Rechtsverstoß nachzuweisen. Eine private Beweismitteldokumentation ist schließlich anzunehmen, wenn sich das maßgebliche Verhalten darauf beschränkt, einen gegenwärtigen Rechtsbruch aufzuzeichnen.
I. Rechtliche Bewertung der eigeninitiativen Beweismittelsuche Neben dem zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht und einzelnen praxisrelevanten Strafvorschriften, zu denen allen voran die §§ 201, 201a StGB rechnen, sind neuerdings auch die datenschutzrechtlichen Vorgaben der DSGVO zu beachten. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist als generalklauselartiges Rahmenrecht ausgestaltet: Ein rechtswidriger Verstoß ist nur nach Maßgabe einer einzelfallabhängigen Interessen- und Güterabwägung festzustellen.3 Ein essenzieller – aber gleichwohl nicht allein entscheidender – Gesichtspunkt ist dabei das sog. Beweisinteresse,4 das die Intention des Privaten beschreibt, ein relevantes Beweismittel zu gewinnen und in einem etwaigen Gerichtsverfahren zu verwenden. Die jüngeren gerichtlichen Entscheidungen stellen vornehmlich dann auf das Beweisinteresse ab, wenn der prozessuale Verwertungsakt des entscheidenden Richters in Rede steht. Bei Lichte betrachtet reichen die Ursprünge dieses maßgeblichen Abwägungsparameters indes auf die vorgelagerte Ebene der eigeninitiativen Beweismittelsuche zurück. Um insoweit eine valide Bewertung vornehmen zu können, muss das Beweisinteresse verschiedenen Kategorien zugeordnet werden. Dabei drängt sich zuvorderst eine Orientierung an den überkommenen Rechtfertigungsgründen des materiellen Rechts auf, obschon es innerhalb der persönlichkeitsrechtlichen Abwägung nicht darauf ankommt, ob sämtliche Voraussetzungen eines spezifischen Erlaubnistatbestands vorliegen. Ein gesteigertes Beweisinteresse liegt hiernach insbesondere dann vor, wenn sich das beweissichernde Verhalten des Privaten ausschließlich darauf beschränkt, eine gegenwärtige fremde Rechtsverletzung zu dokumentieren.5 Ebenso ist zu entscheiden, wenn sich dem eigeninitiativen Beweismittelsucher ein konkretisierter Verdacht dahingehend aufdrängt, ein anderer werde zukünftig eine Rechtsverletzung begehen, der jedoch nur durch ein gegenwärtiges Tätigwerden effektiv 2
Teil 1, B. Teil 2, A. IV. 4 Teil 2, A. IV. 3. a). 5 Teil 2, A. IV. 3. b) aa). 3
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Teil 6: Zusammenfassung, Ausblick und legislatorischer Handlungsbedarf
begegnet werden kann.6 Schließlich ist ein gesteigertes Beweisinteresse in Anlehnung an die arbeitsgerichtliche Judikatur anzunehmen, wenn der Private einem konkreten Verdacht nachgeht, der sich auf eine Straftat oder sonstige erhebliche Rechtsverletzung bezieht, womit die Fälle einer echten eigeninitiativen Ermittlung angesprochen sind.7 Demgegenüber reicht ein „schlichtes“ Beweisinteresse nicht aus, um den Eingriff in die geschützte Persönlichkeitssphäre zu legitimieren. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist hauptsächlich bei heimlich mithörenden Zeugen relevant, die fremde Gespräche ohne technische Hilfsmittel belauschen. Hierzu rechnet auch das Mithören einer fernmündlich geführten Unterhaltung.8 Ist dieses verdeckte Vorgehen ausschließlich darauf gerichtet, die persönliche Neugier zu befriedigen, liegt ein gesteigertes Beweisinteresse gerade nicht vor. Paradigmatisch sind auch die Fälle, in denen der (vermeintliche) Inhaber eines zivilrechtlichen Anspruchs ein Gespräch mit dem Anspruchsgegner führt und dieses heimlich von einem Lauschzeugen mithören lässt.9 Der Ort der Lauschaktion sowie die Vertraulichkeit des geführten Gesprächs – und somit zugleich auch die Eingriffsintensität – können dabei freilich stark divergieren. Rückblickend betrachtet erweist sich dieses Vorgehen regelmäßig als probates Mittel, um einen Prozessbetrug im gerichtlichen Verfahren effektiv abzuwenden.10 Für die persönlichkeitsrechtliche Interessenabwägung ist indes entscheidend, dass sich die maßgeblichen Gesichtspunkte, die auf einen Prozessbetrug hindeuten, bereits im Zeitpunkt des Lauschzeugeneinsatzes, der regelmäßig weit im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens erfolgt, hinreichend deutlich abzeichnen.11 Diese Umstände liegen ohne Weiteres vor und begründen sonach ein gesteigertes Beweisinteresse, wenn der Belauschte bereits vor dem abgehörten Gespräch offenbart, die anspruchsbegründenden Tatsachen in einem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren zu leugnen.12 Tatsächliche Schwierigkeiten dürften insoweit namentlich deshalb bestehen, weil der Belauschte nur selten eine derart eindeutige Aussage abgeben wird. I. d. R. erschöpft sich dessen Verhalten darin, die Rechtsauffassung seines Gegners zu bestreiten oder aber auf die an ihn gerichteten Forderungen schlichtweg nicht zu reagieren.13 Zwar mag auch diese Verhaltensweise eine beweispflichtige Privatperson dazu drängen, eigeninitiativ tätig zu werden und beweisrelevante Umstände mithilfe eines Lauschzeugen zu sichern. Allerdings genügt dies für sich betrachtet (noch) nicht, um ein gesteigertes 6
Teil 2, A. IV. 3. b) aa). Teil 2, A. IV. 3. b) bb). 8 Instruktiv dazu Foerste, NJW 2004, 262; Helle, JR 2000, 353. 9 BVerfGE 106, 28; BGH NJW 2003, 1727; NJW 1994, 2289; NJW 1991, 1180; NJW 1982, 1397; NJW 1970, 1848; OLG Düsseldorf NJW 2000, 1578. Im Arbeitsrecht ist der Lauschzeuge insb. bei Kündigungsgesprächen bedeutsam. Dazu BAG NJW 2010, 104; NJW 1998, 1331; NJW 1983, 1691. 10 Foerste, NJW 2004, 262 (262 f.); ders., JZ 2003, 1111 (1113). 11 Löwisch/Wallisch, SAE 1998, 289 (291) m. w. N. 12 Werner, NJW 1988, 993 (997); Löwisch/Wallisch, SAE 1998, 289 (291). 13 So etwa im Sachverhalt von BGH NJW 2003, 1727 (1728). 7
A. Wesentliche Erkenntnisse und Überprüfung im Einzelfall
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Beweisinteresse zu begründen, da andernfalls jeder, der seinem Gegenüber in einer rechtlich relevanten Angelegenheit bloß widerspricht oder untätig bleibt, damit rechnen müsste, bei zukünftigen Gesprächen heimlich belauscht zu werden.14 Vor diesem Hintergrund führt nur ein eindeutiges Verhalten des Anspruchsgegners, das auf den künftigen Prozessbetrug hindeutet, dazu, dem Lauschzeugen sowie dessen Veranlasser ein gesteigertes Beweisinteresse zu attestieren. Ein solches lässt sich beispielsweise dann begründen, wenn der Darlehensnehmer die versprochene Darlehensrückzahlung mit fadenscheinigen Begründungen immer weiter nach hinten schiebt. Dem Datenschutzrecht kommt aufgrund des weiten Anwendungsbereichs eine zentrale Bedeutung zu. Die DSGVO legt dabei eine Verbotsstruktur mit Erlaubnisvorbehalt zugrunde, so dass die Datenverarbeitung nur rechtmäßig ist, wenn eine dahingehende Befugnis besteht.15 Für den privaten Beweismittelsucher ist dabei insbesondere Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO entscheidend, der schlussendlich eine Abwägung der kollidierenden Positionen verlangt.16 Ein Rückgriff auf mitgliedstaatliche Regelungen ist hingegen nur möglich, wenn die DSGVO sog. Öffnungsklauseln vorsieht. Die DSGVO enthält keine spezifische Vorschrift, die den Umgang mit den mittlerweile weit verbreiteten und sonach besonders praxisrelevanten Videoaufnahmen regelt. Im nationalen Datenschutzrecht findet sich zwar in § 4 BDSG eine ausdrückliche Erlaubnisnorm; diese ist auf das eigeninitiative Verhalten eines Privaten allerdings nicht anwendbar, da es insoweit an einer Öffnungsklausel im Unionsrecht fehlt.17 § 4 BDSG ist aus diesem Grund teilweise unionsrechtswidrig. Folglich ist die Rechtmäßigkeit einer Dashcam oder eines sonstigen Videoüberwachungssystems am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zu bestimmen. Zentraler Abwägungsfaktor ist dabei der Anlass der Datenverarbeitung: Dokumentiert eine On-Board-Kamera den gesamten Fahrtverlauf, führt dies per se zur datenschutzrechtlichen Unzulässigkeit.18 Anders ist jedoch zu entscheiden, wenn die Videoaufzeichnung anlassbezogen erfolgt;19 hierzu bieten sich unterschiedliche technische Optionen an.20 Vorzugswürdig ist dabei ein System der Zwischenspeicherung, das vorausgehende Aufnahmen stetig überschreibt, sofern nicht ein auslösender Umstand die Speicherung bewirkt. Insbesondere bei stationären Kameraeinrichtungen wirkt es sich zulasten des Betreibers aus, wenn betroffene Personen faktisch keine Möglichkeit haben, dem dauerhaft überwachten Bereich auszuwei14 So i. E. auch BGH NJW 2003, 1727 (1728), allerdings mit nicht überzeugender Begründung. 15 Teil 2, B. II. 16 Teil 2, B. II. 2. 17 Teil 2, B. II. 2. 18 Teil 2, B. II. 3. c). 19 So im Sachverhalt von AG Nienburg ZD 2015, 341 (342 f.). 20 Teil 2, B. II. 3. c).
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Teil 6: Zusammenfassung, Ausblick und legislatorischer Handlungsbedarf
chen.21 Zudem muss das berechtigte Interesse des Verantwortlichen tatsächlich bestehen – und darf nicht allein hypothetisch sein.22 Eine langfristig angelegte Videoüberwachung, die allein deshalb erfolgt, weil den Betreiber das subjektive Gefühl einer potenziellen, aber nicht näher zu spezifizierenden Bedrohung beschleicht, genügt sonach nicht, um die Verarbeitung personenbezogener Daten zu legitimieren. Zudem treffen den Verantwortlichen verschiedene Informations- und Hinweispflichten, die zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten beitragen. Aus der Warte des materiellen Kernstrafrechts treten in erster Linie die §§ 201, 201a StGB in den Vordergrund, die als Privatschutzdelikte bezeichnet werden können.23 Trotz der ähnlichen Struktur der beiden Tatbestände implementieren diese ein stark divergierendes Schutzniveau: Während das gesprochene Wort umfassend geschützt ist, fallen nur wenige Bild- und Videoaufnahmen in den tatbestandlichen Anwendungsbereich des § 201a StGB.24 Zurückzuführen ist dies auf das restriktive Verständnis des höchstpersönlichen Lebensbereichs. Dieser ist von vornherein nicht betroffen, wenn sich die abgebildete Person rechtswidrig verhält, weil hieraus zugleich ein gewisser Sozialbezug erwächst, der den höchstpersönlichen Lebensbereich zwangsläufig verlässt.25 Fertigt der behandelnde Arzt jedoch während einer Heilbehandlung von seinem schwerverletzten Patienten heimlich Bild- oder Videoaufnahmen an, um diese anschließend an die Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten, verwirklicht dies den Tatbestand des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Dies gilt auch dann, wenn ein außenstehender Beobachter eine gegenwärtige Straftat – etwa eine Vergewaltigung – dokumentiert, und dabei das Opfer abbildet, das in seinem höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt ist. Gerade in dem zuletzt genannten Exempel bereitet die Rechtfertigung des Aufnahmevorgangs erhebliche Schwierigkeiten, wenn das Opfer eine Strafverfolgung von vornherein ablehnt.26 Eine Privatperson, die das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt, gerät in das Fahrwasser des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB – und zwar selbst dann, wenn sich die aufgezeichneten Äußerungen in bloßen Beleidigungen erschöpfen.27 Ausschlaggebend ist sonach die Frage, ob ein materiellrechtlicher Erlaubnissatz das tatbestandsmäßige Verhalten ausnahmsweise gestattet. Geht es um die Aufnahme einer erpresserischen oder nötigenden Drohung, kommt
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Teil 2, B. II. 3. c). EuGH ZD 2020, 148 (149) mAnm. Lachenmann. Ähnlich BVerwG NJW 2019, 2556 (2559). 23 Teil 2, C. 24 Zu den Unterschieden zwischen den Strafnormen Teil 2, C. III. 25 Teil 2, C. II. 1. d). 26 Teil 2, C. IV. 3. b) cc). 27 Teil 2, C. I. 1. 22
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eine Rechtfertigung gem. § 32 StGB in Betracht.28 Die bloße Herstellung einer solchen Tonaufnahme ist zwar für sich betrachtet noch nicht dazu geeignet, den fortdauernden Angriff effektiv zu beseitigen, stellt aber eine notwendige Vorstufe dar.29 In den Fällen einer beleidigenden Äußerung30 fehlt es hingegen an einem Angriff, der über die Kundgabe hinausreicht, so dass eine Erlaubnis aus § 32 StGB mangels Eignung ausscheidet. Eine Rechtfertigung der Aufnahme ist jedoch nach Maßgabe des § 34 StGB möglich: Das staatliche Strafverfolgungsinteresse stellt ein notstandsfähiges Rechtsgut dar, dem zwangsläufig eine Gefahr droht, wenn der verantwortliche Straftäter unbehelligt davonkommt.31 Im Ausgangspunkt gilt dies auch für die heimliche Aufnahme eines Gesprächs, in dem der verdächtige Täter einräumt, für eine bereits vergangene Straftat verantwortlich zu sein.32 Der StPO schwebt allerdings das Leitbild eines staatlich betriebenen Ermittlungsverfahrens vor, so dass einer echten eigeninitiativen Ermittlung insoweit die Angemessenheit i. S. d. § 34 S. 2 StGB fehlt.33 Nicht gerechtfertigt werden kann auch die Tonaufnahme eines zivilrechtlich relevanten Verhandlungsgesprächs aus einer bloßen Beweisnot heraus. Paradigmatisch ist etwa der Sachverhalt, der einem Urteil des BGH aus dem Jahr 1987 zugrunde lag: Die Ehefrau des späteren Beklagten rief beim späteren Kläger an, um sich zu vergewissern, wer der richtige Anspruchsgegner hinsichtlich offener Fuhrlohnansprüche sei. Dieses Gespräch nahm die Anruferin heimlich mittels eines Tonbandgeräts auf.34 Zu einer Rechtfertigung gem. § 34 StGB gelangt man in derartigen Konstellationen allein dann, wenn sich bereits im Zeitpunkt der Aufnahme hinreichend deutlich abzeichnet, dass der Anspruchsgegner in einer etwaigen gerichtlichen Verhandlung die wahre Tatsachenlage leugnen wird. Insoweit steht ein drohender Prozessbetrug in Rede.35 Ein Rückgriff auf weitere Erlaubnissätze verbietet sich demgegenüber sowohl in straf- als auch zivilrechtlich bedeutsamen Angelegenheiten. Dies gilt nicht allein für die notwehrähnliche Lage und die Wahrnehmung berechtigter Interessen i. S. d. § 193 StGB, sondern ebenso für die datenschutzrechtlichen Befugnisnormen.36 Die vorausgehenden Erwägungen zu sämtlichen Grenzen des materiellen Rechts stehen unter dem Vorbehalt, dass der eigeninitiative Beweismittelsucher den von ihm verfolgten Zweck auch erreichen kann. Neben eine tatsächliche Komponente tritt 28
Teil 2, C. IV. 3. a) aa). Im Sachverhalt der Entscheidung KG JR 1981, 254 hätten sich Erwägungen zum Verfall der Persönlichkeit daher erübrigt. Eine Rechtfertigung wäre via § 32 StGB möglich gewesen. 29 Teil 2, C. IV. 3. a) bb) (2). 30 OLG Frankfurt NJW 1967, 1047. Ähnlich auch der Sachverhalt bei BGH NJW 1982, 277, in dem es um die Aufnahme einer Verleumdung ging. 31 Teil 2, C. IV. 3. b) aa) (2) (b). 32 So etwa im Sachverhalt von LG Kaiserslautern BeckRS 2005, 6876. 33 Teil 2, C. IV. 3. b) dd). 34 BGH NJW 1988, 1016. 35 So etwa im Sachverhalt von KG NJW 1956, 26 (27). 36 Teil 2, C. IV. 4.
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dabei auch eine normative: Richtet sich das Verhalten des Privaten – wie zumeist – darauf, ein Beweismittel zu gewinnen, um damit den Nachweis eines rechtserheblichen Umstands in einem etwaigen Gerichtsverfahren zu ermöglichen, ist dieses Vorgehen schlechthin ungeeignet, wenn das erlangte Beweismittel prozessual unverwertbar ist.37 Auf diese Weise strahlt die prozessuale Bewertung auf die materiellrechtliche Ebene aus. Maßgeblich ist insoweit jedoch nicht die endgültige Verwertungsentscheidung des Gerichts, sondern die ex ante-Perspektive eines objektiven Beobachters.38 Insoweit muss der private Beweismittelsucher eine komplexe Abwägungsentscheidung vornehmen.
II. Konsequenzen für die Entwicklung eines Beweisverbots Die Entscheidung über ein prozessuales Beweisverbot beeinflusst sonach die Frage, ob der außerprozessuale Erlangungsakt nach Maßgabe des materiellen Rechts erlaubt ist. Diese Erkenntnis führte zu einem unauflösbaren Zirkelschluss, wenn die Verwertbarkeit ihrerseits davon abhinge, inwieweit die eigeninitiative Beweismittelsuche contra legem erfolgte.39 Allerdings lässt sich dem materiellen Recht gerade keine Aussage dazu entnehmen, inwieweit ein außerprozessualer Rechtsverstoß ein Beweisverbot zu begründen vermag. Dies gilt auch für den jüngst bemühten Erklärungsansatz, den unionsrechtlichen effet utile in den Vordergrund zu rücken und aus einem datenschutzrechtlichen Verstoß bei der eigeninitiativen Suche nach Beweismitteln unmittelbar auf die prozessuale Unverwertbarkeit zu schließen.40 Vor diesem Hintergrund kann ein Beweisverbot de lege lata ausschließlich an das innerprozessuale Verhalten selbst geknüpft werden. Insoweit drängt sich wiederum zunächst der Rekurs auf das einfache Recht auf, das sowohl der Beweisführung durch den Privaten als auch dem richterlichen Gebrauch eines eigeninitiativ erlangten Beweismittels spezifische Grenzen setzen könnte. Nichtsdestoweniger fehlt es auch in diesem Zusammenhang an einem normativen Hebel, der die materiell-rechtliche Wertung – etwa des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB – auf die prozessuale Ebene transferierte.41 Selbst der innerprozessuale Verstoß gegen eine Strafvorschrift begründet kein zwingendes Beweisverbot; die Rechtsfolgen resultieren vielmehr ausschließlich aus dem materiellen Recht, dem eine prozessuale Sanktion jedoch fremd ist.42 Sonach verbleibt allein die Option, an das überkommene verfassungsrechtliche Abwägungsmodell anzuknüpfen, das den richterlichen Verwertungsakt zum maß-
37
Teil 2, D. III. Teil 2, D. III. 2. 39 Teil 3, A. 40 Teil 3, A. II. 41 Teil 3, B. I. 3. 42 Teil 3, B. I. 3. 38
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geblichen Ausgangspunkt erklärt.43 Regelmäßig greift die hoheitliche Verwertung eines eigeninitiativ erlangten Beweismittels durch das entscheidende Gericht in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ein – oder tangiert eine besondere Ausprägung desselben, wie etwa das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.44 Insoweit spielt es indes keine Rolle, ob das außerprozessuale Vorgehen des Privaten rechtmäßig oder aber rechtswidrig erfolgte, da diese Bewertung für den staatlichen Grundrechtseingriff bedeutungslos ist. Allerdings gelten diese grundrechtlichen Gewährleistungen nicht schrankenlos. Um einen Eingriff zu legitimieren, bedarf es jedoch zunächst einer gesetzlichen Grundlage, die ihrerseits mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben in Einklang steht. Folglich muss nicht die Unverwertbarkeit eines privat erlangten und persönlichkeitsrechtlich relevanten Beweismittels als besonderer Ausnahmefall legitimiert werden; entscheidend ist vielmehr, die prozessuale Verwertbarkeit, die zu einem Grundrechtseingriff führt, verfassungsrechtlich zu begründen.45 Weder die Strafnoch die Zivilprozessordnung statuieren jedoch eine ausdrückliche Befugnis, die dem entscheidenden Richter gestattet, durch den prozessualen Umgang mit eigeninitiativ erlangten Beweismitteln in die geschützten Rechtspositionen der Verfahrensbeteiligten einzugreifen. Nichtsdestoweniger lassen sich den Verfahrensordnungen solche Vorschriften entnehmen, die eine verwertungsfreundliche Tendenz aufweisen.46 Im Strafprozess dienen die §§ 244 Abs. 2, 261 StPO als Befugnisnormen; im Zivilverfahren erfüllen die §§ 286 Abs. 1 S. 1, 355 ff. ZPO diese Funktion, obschon sich die genannten Regelungen wegen ihres abstrakten Aussagegehalts am unteren Ende des verfassungsrechtlich Zulässigen bewegen. Entscheidend für die Frage, ob ein konkretes Beweismittel verwertet werden darf, bleibt schließlich die Abwägung der konfligierenden Güter und Interessen im Einzelfall.47 Die Einteilung in verschiedene Persönlichkeitssphären dient dabei allein einer strukturellen Orientierung, ohne das Ergebnis verbindlich vorzuzeichnen.48 Im Strafverfahren stehen sich das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das staatliche Strafverfolgungsinteresse gegenüber, das seinerseits davon beeinflusst wird, wie gewichtig der erhobene Strafvorwurf im konkreten Fall zu bewerten ist.49 Zur näheren Konturierung bietet sich der Rekurs auf den Katalog des § 100a Abs. 2 StPO an, der allerdings nur eine grobe Orientierung ermöglicht. Darüber hinaus ist maßgeblich zu berücksichtigen, ob das angebotene Beweismittel gerade die Straftat des Angeklagten dokumentiert oder aber lediglich weiter entfernt liegende Hinweise auf dessen Täterschaft liefert. Soll das eigeninitiativ erlangte Beweismittel hingegen 43
Teil 3, B. II. Teil 3, B. II. 2. 45 Teil 3, B. II. 3. 46 Teil 3, B. II. 3. c). 47 Teil 3, B. II. 4. 48 Teil 3, B. II. 4. b). 49 Teil 3, B. II. 4. d) aa). 44
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die Unschuld des Angeklagten belegen, ist dieses stets verwertbar: Die Beweisverwertungsverbote sind als Belastungsverbote ausgestaltet.50 Nach Maßgabe dieser Leitlinien sind heimlich angefertigte Tonaufnahmen prozessual verwertbar, wenn es um den Nachweis eines (versuchten) Tötungsdelikts51 oder eines sexuellen Kindesmissbrauchs52 geht. Aufgrund der Schwere der genannten Straftaten vermag auch eine (vermeintlich) vertrauliche Gesprächsatmosphäre – und sonach eine gesteigerte Eingriffstiefe in das Persönlichkeitsrecht – hieran nichts zu ändern. Auch die Anstiftung zu einer Brandstiftung53 rechnet zu den gewichtigen Straftaten, an deren Aufklärung dem Staat besonders gelegen ist. Demgegenüber ist eine heimliche Gesprächsaufzeichnung unverwertbar, wenn sich diese lediglich darauf bezieht, einen Meineid54 oder eine versuchte Anstiftung zu einer solchen Tat55 zu beweisen. Schließlich wiegt auch eine beleidigende Äußerung im Vergleich mit den Katalogtaten des § 100a Abs. 2 StPO eher gering. Nichtsdestoweniger ist eine Tonaufnahme strafprozessual verwertbar, wenn diese gerade die verbale Kundgabe als solche dokumentiert.56 Der persönlichkeitsrechtliche Eingriff, der in der richterlichen Verwertung liegt, ist hier marginal: Es liefe auf eine Perversion der Grundrechte hinaus, wenn diese dem Einzelnen die Freiheit einräumten, unter deren Deckmantel fremde Rechtspositionen in strafrechtlich bedeutsamem Ausmaß zu beeinträchtigen und wegen des Schutzschilds des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht zur Verantwortung gezogen werden zu können. Eine Videoaufnahme ist zunächst dann unzweifelhaft verwertbar, wenn diese ein Tötungsdelikt57 oder einen Raub58 dokumentiert. Zurückführen lässt sich diese Erkenntnis a priori wiederum auf die Schwere der aufzuklärenden Straftat. Folglich muss die rechtliche Begründung der prozessualen Verwertbarkeit zwangsläufig divergieren, wenn weniger gewichtige Vorwürfe im Raum stehen – wie beispielsweise ein Diebstahl oder Betrug in einem Kaufhaus,59 oder aber eine Nötigung.60 Beschränkt sich die Videosequenz, deren Verwertung streitig ist, ausschließlich auf das strafbare Verhalten einer anderen Person, führt dies dazu, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der anzustellenden Abwägung zurücktritt. Entscheidend ist dabei nicht das gesamte Videomaterial, sondern allein der Ausschnitt, der im kon50
Teil 1, A. I. 3. BGH, Urt. v. 2. 12. 1975 – 1 StR 681/75. Vgl. ferner den Sachverhalt bei LG Kaiserslautern BeckRS 2005, 6876 sowie EGMR NJW 1989, 654. 52 BGH BeckRS 2010, 23042. 53 BGHSt 36, 167 (174). 54 OLG Düsseldorf NJW 1966, 214. 55 BGHSt 14, 358. 56 OLG Frankfurt NJW 1967, 1047. 57 BGH BeckRS 2021, 21303. 58 BGH JR 2016, 542. 59 OLG Hamburg NStZ 2017, 726. 60 BGH ZD 2021, 637. 51
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kreten Strafverfahren tatsächlich vorliegt. Hinter dieser Erkenntnis steht die dogmatische Begründung der Beweisverbote, die ausschließlich an den staatlichen Verwertungsakt anknüpfen. Auch der Ort der Aufnahme sowie die Heimlichkeit wirken sich innerhalb der verfassungsrechtlichen Abwägungsentscheidung nicht maßgeblich aus, wenn ein solches Tatvideo in Rede steht. So fällt etwa der richterliche Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht deshalb intensiver aus, weil der aufgenommene Täter von der Videoüberwachung keine Kenntnis hatte. Der Verhältnismäßigkeitsmaßstab sorgt schließlich für ein ausreichendes Korrektiv: Bei gänzlich untergeordneten Straftaten kann die Verwertung einer Videoaufnahme unverhältnismäßig und daher abzulehnen sein. Denkbar ist dies beispielsweise bei einer geringfügigen Sachbeschädigung oder einem Hausfriedensbruch. Ähnliche Erwägungen gelten auch für die gegenwärtig viel diskutierten Dashcam-Aufnahmen.61 Sofern diese in einem strafrechtlichen Verfahren relevant werden, geht es zumeist um den dokumentierten Rechtsbruch selbst. Dass der Aufnahmevorgang – insbesondere bei einer anlasslos betriebenen On-Board-Kamera – datenschutzrechtlich verboten ist, vermag an der geringen Eingriffstiefe, die dem Verwertungsakt zu attestieren ist, nichts zu ändern. Aus alledem folgt eine zentrale Erkenntnis für das Strafverfahren: Eigeninitiativ erlangte Beweismittel sind grundsätzlich verwertbar, wenn sich diese darauf beschränken, den strafbaren Rechtsbruch eines anderen zu dokumentieren. Das betroffene allgemeine Persönlichkeitsrecht tritt wegen des besonderen Sozialbezugs des aufgenommenen Verhaltens in diesen Fällen hinter das staatliche Strafverfolgungsinteresse zurück. Im Zivilverfahren kollidiert das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht mit dem Verwertungsinteresse des Beweisführers, das aus dem Recht auf Beweis herrührt.62 Dieses wird durch das Allgemeininteresse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege und einer materiell richtigen Entscheidung verstärkt.63 Für die Verwertbarkeit ist es jedoch entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung gänzlich irrelevant, inwieweit sich der Private in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage befindet. Die richterliche Verwertung einer Tonaufnahme ist per se eingriffsintensiv, da sie das gesprochene Wort reproduziert und sonach ein zurückliegendes Geschehen unmittelbar erlebbar macht. Zu einem Beweisverwertungsverbot führt dies jedenfalls dann, wenn der Sprechende darauf vertrauen darf, dass seine Äußerungen nicht unbemerkt aufgezeichnet werden, weil der Gesprächspartner dies ausdrücklich zusichert. Eine solche Täuschung beeinflusst nicht allein die rechtliche Zulässigkeit der eigeninitiativen Vorgehensweise, sondern verstärkt zugleich den Grundrechtseingriff, der in der gerichtlichen Verwertung zu erblicken ist. Stehen jedoch aufseiten des Beweisführers, der im zivilgerichtlichen Verfahren eine heimlich angefertigte 61
OLG Stuttgart NJW 2016, 2280 (2282). Teil 3, B. II. 4. e) aa). 63 Teil 3, B. II. 4. e) cc).
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Tonaufnahme anbietet, äußerst gewichtige Rechtspositionen auf dem Spiel, kann die Abwägung ausnahmsweise zu seinen Gunsten ausfallen.64 Vergleichbare Erkenntnisse liefert der Blick auf die ähnlich gelagerte Konstellation des Lauschzeugeneinsatzes, obschon zu berücksichtigen ist, dass der persönlichkeitsrechtliche Eingriff im Vergleich zu der zuvor erörterten Tonaufnahme geringer ausfällt.65 Entgegen der jüngeren Rechtsprechung nimmt der Inhalt des belauschten Gesprächs eine zentrale Rolle ein:66 Es zeitigt einen gewichtigen Unterschied, ob die richterliche Verwertung der Zeugenaussage ausschließlich geschäftliche Gesichtspunkte betrifft oder aber (auch) persönliche Belange. Die Aussage des Lauschzeugen ist jedenfalls dann verwertbar, wenn sich diese auf eine strafbare Äußerung bezieht.67 Betrifft die Aussage des Lauschzeugen hingegen ein vertraulich geführtes Gespräch, führt dies tendenziell zur Unverwertbarkeit. Darüber hinaus ist auch der Ort des Lauschzeugeneinsatzes für die Eingriffstiefe des richterlichen Verwertungsaktes maßgeblich. Rührt das abgehörte Wort aus einem Gespräch her, das etwa in der Wohnung der belauschten Person oder einem anderen geschützten Rückzugsraum erfolgte, wiegt der persönlichkeitsrechtliche Eingriff besonders schwer.68 Zugunsten der Verwertbarkeit spricht demgegenüber, wenn die mitgehörte Konversation in einer öffentlichen Gastwirtschaft erfolgt.69 Insoweit zeigt sich, dass die tatsächlichen Umstände der eigeninitiativen Beweismittelsuche – anders als die materiell-rechtliche Bewertung – auch auf der prozessualen Ebene bedeutsam werden.70 Das Gewicht des privaten Verwertungsinteresses hängt schließlich von der wirtschaftlichen und persönlichen Bedeutung des Rechtsstreits für den Beweisführer ab.71 Die Aussage ist jedenfalls dann verwertbar, wenn es um die Abwehr eines Angriffs auf die berufliche Existenz geht.72 Bei Darlehensrückzahlungsansprüchen73 oder sonstigen zivilrechtlichen Forderungen74 verbieten sich hingegen pauschale Aussagen;75 maßgeblich sind die Höhe des konkreten Anspruchs und die wirtschaftliche Bedeutung für den Beweisführer. Irrelevant ist demgegen64
Teil 3, B. II. 4. e) aa). BGH NJW 1994, 2289 (2992 f.). 66 So auch Prütting, in: MüKo-ZPO, § 284 Rn. 72. Abweichend hingegen etwa BGH NJW 2003, 1727 (1728). Anders noch BGH NJW 1982, 1397 (1398). 67 BGH NJW 1982, 277. 68 BGH NJW 1991, 1180. Vor diesem Hintergrund ist auch die Annahme eines Verwertungsverbots hinsichtlich des sog. Ehespions in BGH NJW 1970, 1848 nachvollziehbar. 69 BGH NJW 1994, 2289 (2993). 70 Teil 3, B. II. 4. f). 71 Teil 3, B. II. 4. e) aa). 72 BGH NJW 1994, 2289 (2992). 73 BGH NJW 2003, 1727 (1728); NJW 1991, 1180. 74 BGH NJW-RR 2010, 1289; BGH NJW 1994, 2289; NJW 1982, 1397; OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577. 75 Die jüngere Rechtsprechung tendiert hingegen zur weitgehenden Unverwertbarkeit, BVerfGE 106, 28 (50 f.); BGH NJW 2003, 1727 (1728); NJW 1991, 1180. 65
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über, ob der Lauschzeuge ein Gespräch gezielt oder aber rein zufällig mithört,76 da dies den persönlichkeitsrechtlichen Eingriff durch den Richter in seiner Intensität nicht verändert. Bei Lichte besehen sind die Hürden für die prozessuale Verwertbarkeit tendenziell hoch.77 Eigeninitiativ angefertigte Videoaufnahmen betreffen regelmäßig Konstellationen, in denen der Betreiber der Kamera Schadensersatz fordert.78 Der angebotene Ausschnitt bezieht sich deshalb regelmäßig auf das rechtswidrige Verhalten einer anderen Person.79 Zeigt die vorgelegte Sequenz den Beklagten etwa bei einer Sachbeschädigung, fällt der richterliche Eingriff in das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG eher gering aus. Insoweit treten wiederum die Argumentationslinien hervor, die schon die strafprozessuale Diskussion beeinflusst haben: Die Freiheitsrechte würden über Gebühr beansprucht, wenn sie dem Einzelnen faktisch gestatteten, die Rechte anderer Personen (vorsätzlich) zu verletzen, ohne hierfür belangt werden zu können. Bei diesen Tatvideos spielt der Ort der Videoaufnahme auf der prozessualen Ebene – entgegen der Rechtsprechung – eine eher untergeordnete Rolle. Auch wenn sich das dokumentierte Schadensereignis in der Waschküche80 oder der Tiefgarage eines Mehrfamilienhauses81 zuträgt, streitet der Umstand, dass die Aufnahme gerade den Rechtsbruch dokumentiert, für die Verwertbarkeit.82 Als ausreichendes Korrektiv lässt sich die wirtschaftliche Bedeutung veranschlagen: Bei einer gänzlich untergeordneten Sachbeschädigung – so etwa bei der Zerstörung eines handelsüblichen Klingelschilds – wäre die Verwertung einer heimlich angefertigten Videoaufnahme unverhältnismäßig. Bei anfallenden Reparaturkosten i. H. v. 250 Euro ist diese Grenze der Unverhältnismäßigkeit jedoch nicht überschritten.83 Die Bedenken, die gegen eine umfangreiche Videoüberwachung in geschützten Räumlichkeiten bestehen, lassen sich auf der Ebene des materiellen Rechts ausräumen. Vergleichbare Erwägungen gelten auch für Dashcam-Aufnahmen. Zwar beziehen sich diese in den meisten Fällen nicht darauf, bewusste Rechtsverstöße anderer Verkehrsteilnehmer zu dokumentieren, und unterscheiden sich ergo von Aufzeichnungen, die vorsätzliche Sachbeschädigungen belegen sollen. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, den die richterliche Verwertung bewirkt, ist bei den On-Board-Kameras jedoch deshalb gering, weil sich das aufgezeichnete Verhalten typischerweise im 76
Abweichend hingegen BAG NJW 2010, 404 (407); Kaissis, Die Verwertbarkeit materiell-rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozeß, S. 124; Bruns, NZFam 2021, 913 (914). 77 Kritisch insoweit Foerste, JZ 2003, 1111; ders., NJW 2004, 262. 78 OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799; OLG Köln NJW 2005, 2997. 79 So auch die Sachverhalte von OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 241 und AG Zerbst NJWRR 2003, 1595. 80 OLG Köln NJW 2005, 2997. 81 OLG Karlsruhe NJW, 2002, 2799. 82 So auch Greger, in: Zöller, § 286 Rn. 15c. 83 So lag der Sachverhalt von OLG Köln NJW 2005, 2997.
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öffentlichen Verkehrsraum abspielt. Aus demselben Grund sind auch die Persönlichkeitsrechte von abgebildeten Passanten, die an dem Unfallereignis gänzlich unbeteiligt sind, nur in geringem Maße betroffen. In Übereinstimmung mit den strafverfahrensrechtlichen Erwägungen bemisst sich die Verwertbarkeit ausschließlich anhand der vorgelegten Videosequenz. Dem verfassungsrechtlich geprägten Abwägungsmodell wohnt freilich trotz der bemühten dogmatischen Präzisierung zwangsläufig eine gewisse Unwägbarkeit inne: Denn maßgeblich bleiben schlussendlich die konkreten Umstände des Einzelfalls. Da sich eine unmittelbare Verbindungslinie zwischen dem materiellen Recht und der prozessualen Verwertbarkeit de lege lata aber nicht herstellen lässt, ist der verbleibende Rest an Rechtsunsicherheit gegenwärtig in Kauf zu nehmen. Eine nicht mehr verhandelbare Grenze ist jedoch überschritten, wenn der eigeninitiative Beweismittelsucher in menschenunwürdiger Art und Weise vorgeht und eine andere Person etwa unter Anwendung von Foltermethoden zu einem Geständnis nötigt.84 Das absolute Beweisverwertungsverbot lässt sich in diesen Fallkonstellationen aus zwei Richtungen begründen: Zum einen kann ein solches auf die grundrechtlichen Schutzpflichten gestützt werden, die angesichts der gravierenden eigeninitiativen Vorgehensweise keinen hoheitlichen Gestaltungsspielraum mehr gewähren; zum anderen verlangt auch das Institut eines fairen und rechtsstaatlichen Grundsätzen genügenden Verfahrens dieses Ergebnis. Essenziell ist nach alledem, die Rolle des materiellen Rechts in der beweisverbotsrechtlichen Diskussion dogmatisch richtig einzuordnen – und insbesondere nicht überzubewerten: Das materiell-rechtliche Unwerturteil mag zwar nachvollziehbare Bedenken wecken, zeitigt aber keine prozessualen Konsequenzen. Vor diesem Hintergrund kann die landläufig gestellte Frage, inwieweit rechtswidrig gewonnene Beweismittel in einem Straf- oder Zivilverfahren verwertet werden können, von vornherein nur einen Teilbereich abdecken. Auch die These, wonach der entscheidende Richter rechtmäßig von Privatpersonen erlangte Beweismittel stets und ohne Weiteres verwerten darf, ist unzutreffend. Die Umstände, die das eigeninitiative Vorgehen beeinflusst haben, wirken sich nicht in rechtlicher, sondern allein in tatsächlicher Hinsicht auf die nachfolgende Verwertung aus.85 Maßgeblich bleibt aber die verfassungsrechtliche Abwägung, wobei es entscheidend darauf ankommt, diese ergebnisoffen zu führen; ein Primat des Persönlichkeitsschutzes ist trotz der Gefahren in einer zunehmend technologisierten Welt abzulehnen.
III. Übergabe an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden Sofern eine Privatperson ein Beweismittel erlangt, das geeignet ist, die Straftat eines anderen zu belegen, erfolgt zumeist eine Kontaktaufnahme mit den staatlichen 84 85
Teil 3, B. III. Teil 3, B. II. 4. f).
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Strafverfolgungsbehörden. Kommt es dabei zu einer Übergabe der gewonnenen Beweismittel, muss sich dieses Verhalten ebenfalls an den materiell-rechtlichen Verhaltensgeboten messen lassen.86 Erfüllt die Übergabe den Tatbestand einer Strafnorm, lässt sich eine Erlaubnis zumeist unter Rekurs auf § 34 StGB begründen.87 Das Strafverfolgungsinteresse stellt nach der hier vertretenen Ansicht ein notstandsfähiges Rechtsgut dar. Zudem ist ein weiterer Gesichtspunkt essenziell: Der Private, der ein Beweismittel an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden übergibt, stellt sich in den Dienst des gesetzlich vorgesehenen Verfahrens – und verhält sich aus dieser Perspektive rechtskonform.88 Entscheidend bleibt freilich der Güter- und Interessenausgleich im konkreten Einzelfall. Mit Blick auf die datenschutzrechtliche Zulässigkeit ist zunächst bedeutsam, zu welchem Zweck die ursprüngliche Datenverarbeitung erfolgte. Liegt eine Zweckänderung vor, müssen die Vorgaben des Art. 6 Abs. 4 DSGVO beachtet werden.89 Indes hat der deutsche Gesetzgeber von dieser weiten Öffnungsklausel Gebrauch gemacht und in den §§ 4 Abs. 3 S. 3, 24 Abs. 1 Nr. 1 BDSG ausdrückliche Regelungen implementiert, die eine Weiterverarbeitung gestatten, wenn dies zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.90 Zwar bedarf es wiederum einer konkreten Abwägung im Einzelfall; allerdings legen die datenschutzrechtlichen Erwägungsgründe insoweit einen großzügigen Maßstab nahe. Nach dem hier entwickelten Lösungsmodell bleibt aber stets zu bedenken, dass sowohl die strafrechtliche als auch die datenschutzrechtliche Erlaubnis (auch) davon abhängen, ob das übergebene Beweismittel – aus der maßgeblichen ex ante-Perspektive – prozessual verwertbar ist. Die §§ 22 ff. KUG spielen hinsichtlich der Übergabe von Bild- oder Videoaufnahmen hingegen keine Rolle, da dieser Vorgang von Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO erfasst wird. Da eine Öffnungsklausel insoweit nicht existiert, verbietet sich der Rückgriff auf die kunsturhebergesetzlichen Normen.91
IV. Rechtswidriges Verhalten im Prozess Das materielle Recht setzt dem menschlichen Verhalten spezifische Grenzen. Dies gilt auch dann, wenn sich einzelne Vorgänge ausschließlich im prozessualen Raum abspielen – wie etwa die Beweisführung durch eine Privatperson oder aber der richterliche Umgang mit eigeninitiativ erlangten Beweismitteln.92 Insbesondere 86
Teil 4. Teil 4, A. III. 2. 88 Teil 4, A. III. 2. b). 89 Teil 4, B. II. 90 Teil 4, B. II. 91 Teil 4, C. III. 92 Teil 5, A. 87
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verdrängen die prozessualen Normen die materiell-rechtlichen Verhaltensanforderungen nicht. Entscheidend ist vielmehr, die besonderen Umstände des innerprozessualen Vorgehens in die materiell-rechtliche Bewertung einfließen zu lassen. Für den entscheidenden Richter ist dabei § 339 StGB zu berücksichtigen, der nicht allein die vorsätzliche Rechtsbeugung pönalisiert, sondern darüber hinaus eine Sperrwirkung entfaltet.93 Erfüllt das Verhalten einer Privatperson den Tatbestand einer Strafvorschrift, bestimmt sich eine etwaige Rechtfertigung zumeist nach den überkommenen Erlaubnissätzen. Da die Verfahrensordnungen keine abschließenden Verhaltensregelungen vorsehen, ist der Rückgriff auf die §§ 32, 34 StGB möglich.94 In der strafprozessualen Hauptverhandlung ist danach zu unterscheiden, ob der Angeklagte ein eigeninitiativ erlangtes Beweismittel anbietet, um seine Unschuld zu belegen, oder aber ein sonstiger Verfahrensbeteiligter tätig wird, um den Angeklagten zu überführen. In der zuerst genannten Konstellation liegt regelmäßig ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff vor, der eine Verteidigung nach Maßgabe des § 32 StGB erlaubt.95 Diese Erkenntnis gilt jedoch nur für solche Abwehrmaßnahmen, die sich – wie etwa das Abspielen einer unbefugt hergestellten Tonaufnahme – mit den prozessualen Vorstellungen eines fairen Verfahrens vereinbaren lassen.96 Die Eignung bereitet dabei keine Schwierigkeiten, da die Beweisverbote – wie schon an anderer Stelle erwähnt – ausschließlich als Belastungsverbote fungieren. In der zweiten Konstellation, in der es schwerpunktmäßig um die belastende Aussage eines Lauschzeugen i. S. d. § 201 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB geht, resultiert die Erlaubnis i. d. R. aus der Aussagepflicht des § 48 Abs. 1 S. 2 StPO.97 Steht die Verteidigung in einem zivilgerichtlichen Verfahren in Rede, beurteilt sich die materielle Rechtfertigung zumeist gem. § 32 StGB. Der Private, der ein eigeninitiativ erlangtes Beweismittel anbietet, reagiert damit regelmäßig auf den unwahren Tatsachenvortrag des Prozessgegners – und folglich auf einen (versuchten) Prozessbetrug i. S. d. § 263 StGB.98 Die Untersuchung hat dabei gezeigt, dass eine Rechtfertigung wiederum davon abhängt, ob dem angebotenen Beweismittel ein Beweisverbot entgegensteht; in diesem Fall ist die gewählte Verteidigungsmaßnahme ungeeignet, den Angriff abzuwehren.99 Nimmt ein Gesprächspartner eine wirtschaftlich bedeutende Vertragsverhandlung ohne weiteren Anlass heimlich mittels seines Smartphones auf, ist dieses Verhalten gem. § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar; der Aufzeichnungsvorgang kann mangels einer Rechtfertigungssituation schlechterdings nicht legitimiert werden. Behauptet 93
Teil 5, A. II. Teil 5, B. IV. 1. a). 95 Teil 5, B. IV. 1. b) aa) (1). 96 Teil 5, B. IV. 1. b) aa). 97 Teil 5, B. IV. 1. b) bb). 98 Teil 5, B. IV. 1. c) aa) (1). 99 Teil 5, B. IV. 1. c) aa) (2). 94
A. Wesentliche Erkenntnisse und Überprüfung im Einzelfall
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der Vertragspartner in einem späteren Gerichtsprozess, ein Gespräch mit seinem Kontrahenten habe überhaupt nicht stattgefunden, bleibt zumeist nur die unbefugt hergestellte Aufnahme, um die wahre Rechtslage zu belegen. Die relevanten Umstände haben sich zwischen den Zeitpunkten der ursprünglichen Aufnahme und dem nachfolgenden Gebrauch im Zivilverfahren entscheidend verändert: Der Herstellungsakt erfolgte anlasslos und diente allein dazu, im Fall einer möglichen rechtlichen Auseinandersetzung, die sich jedoch zu diesem Zeitpunkt keinesfalls abzeichnete, ein aussagekräftiges Beweismittel anbieten zu können. Demgegenüber stellt das spätere Abspielen des aufgenommenen Gesprächs eine Reaktion auf die Verhaltensweise des Prozessgegners dar. Während die Aufnahme selbst gem. § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar bleibt, ist der nachfolgende Gebrauch gem. § 32 StGB gerechtfertigt,100 sofern ein Beweisverbot nicht entgegensteht. Insoweit kann dem Aufnehmenden auch nicht vorgeworfen werden, er habe die Beweisnot selbst verschuldet und das Verhalten der Gegenseite veranlasst, indem er die vertragliche Vereinbarung allein mündlich geschlossen habe.101 Ein derartiges Vorgehen mag zwar nachlässig erscheinen, ist aber rechtlich nicht bemakelt und betrifft zudem ausschließlich den Vorgang der Aufnahme selbst, ohne aber auf den nachfolgenden Gebrauch auszustrahlen. Sofern die richterliche Beweiserhebung oder -verwertung den Tatbestand einer Strafnorm erfüllen, scheidet eine Rechtfertigung nach den §§ 32, 34 StGB von vornherein aus, da diese auf Hoheitsträger grundsätzlich nicht anzuwenden sind.102 Auch eine „mittelbare“ Drittwirkung der §§ 32, 34 StGB, die den entscheidenden Richter an der Rechtfertigung des Privaten partizipieren ließe, ist abzulehnen.103 Die Erlaubnis bemisst sich vielmehr an den prozessualen Befugnisnormen der §§ 244 Abs. 2, 261 StPO auf der einen sowie den §§ 284 ff., 355 ff. ZPO auf der anderen Seite.104 Diese fungieren folglich nicht nur als verfassungskonforme Grundrechtsschranken, sondern zugleich als materiell-rechtliche Rechtfertigungsgründe. Auf diese Weise ist darüber hinaus sichergestellt, dass der entscheidende Richter aus der prozessualen Warte nicht zu einem Verhalten veranlasst wird, das strafrechtlich untersagt ist. Sofern der richterlichen Beweiserhebung und der anschließenden Verwertung kein Beweisverbot entgegensteht, darf an das prozessrechtskonforme Verhalten kein Strafvorwurf geknüpft werden. Andernfalls drohte ein nicht hinzunehmender Widerspruch zwischen divergierenden rechtlichen Anforderungen. Neben den strafrechtlichen Grenzen werden hauptsächlich die datenschutzrechtlichen Normen der europäischen DSGVO relevant, die im Ausgangspunkt auch für die innerprozessuale Verarbeitung personenbezogener Daten gelten. Mit Blick auf den Privaten ist dabei wiederum der Erlaubnissatz des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO 100
Ähnlich Otto, in: Kleinknecht-FS, S. 319 (338). I. E. auch Reichenbach, § 1004 BGB als Grundlage von Beweisverboten, S. 182 f. 102 Teil 5, B. IV. 2. a). 103 Teil 5, B. IV. 2. b). 104 Teil 5, B. IV. 2. c). 101
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entscheidend, der einen Interessenausgleich verlangt.105 Der richterliche Umgang mit Beweismitteln, die personenbezogene Daten beinhalten, bedarf ebenfalls einer spezifischen Erlaubnis. Für den entscheidenden Richter im Strafverfahren folgt diese Erkenntnis jedoch nicht aus der DSGVO, da diese gem. Art. 2 Abs. 2 lit. d DSGVO unanwendbar ist.106 Die unionalen Vorgaben entfließen vielmehr der JI-RL, die der deutsche Gesetzgeber vornehmlich – aber nicht ausschließlich – in den §§ 45 ff. BDSG in nationales Recht umgesetzt hat. Für die richterliche Beweiserhebung und die anschließende Verwertung fungieren die §§ 244 Abs. 2, 261 StPO als hinreichend bestimmte Erlaubnissätze.107 Im Zivilverfahren ist demgegenüber die DSGVO unmittelbar anzuwenden. Die Vorgänge der richterlichen Beweiserhebung und der nachfolgenden Beweisverwertung lassen sich dabei auf Art. 6 Abs. 1 lit. e, Abs. 3 DSGVO i. V. m. §§ 284 ff., 355 ff. ZPO stützen.108 Steht dem richterlichen Umgang ein Beweisverbot entgegen, scheidet nach dem hier entwickelten Lösungsansatz eine datenschutzrechtliche Befugnis automatisch aus. Mit Blick auf das Zivilrecht verbleibt noch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das aufgrund der anzustellenden Interessenabwägung einen flexiblen Umgang ermöglicht. Demgegenüber sind die Vorschriften der §§ 22 ff. KUG für das innerprozessuale Verhalten des Privaten sowie des entscheidenden Richters weitgehend unbedeutend.109
B. Legislatorischer Handlungsbedarf Die vermeintliche Schwachstelle des hier zugrunde gelegten Abwägungsmodells liegt auf der Hand: Indem die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind, verbleibt trotz der bemühten Präzisierung zwangsläufig ein unwägbares Moment. Für den Betroffenen einer solchen Maßnahme ist dies auch deshalb misslich, weil die Grundrechtseingriffe, die mit der richterlichen Beweiserhebung und der anschließenden Verwertung verbunden sind, gewichtig ausfallen. Nach dem hier entwickelten Lösungsansatz tritt ein weiterer gravierender Gesichtspunkt hinzu: Da die Rechtmäßigkeit der eigeninitiativen Beweismittelsuche entscheidend von der prozessualen Verwertbarkeit abhängt, muss der Private in einer bisweilen unübersichtlichen Situation beurteilen, ob seine Vorgehensweise von vornherein ungeeignet ist, weil schlussendlich ein Beweisverbot entgegensteht.110 Zwar hat die Untersuchung gezeigt, dass sich einzelne Leitplanken feststellen lassen, die den Abwägungsvorgang zumindest teilweise strukturieren. Nichtsdestoweniger bleibt es stets 105
Teil 5, C. I. 1. Teil 5, C. II. 1. 107 Teil 5, C. II. 1. b). 108 Teil 5, C. II. 2. b) bb). 109 Teil 5, D. 110 Kritisch dazu Lagardère/Fink, HRRS 2008, 247 (249). 106
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eine Entscheidung im Einzelfall, ob das eigeninitiativ erlangte Beweismittel in einem Straf- oder Zivilprozess verwertbar ist. Es nimmt folglich kaum wunder, wenn allenthalben – und teilweise auch schon im Rahmen dieser Untersuchung – der Ruf ertönt, der Gesetzgeber sei dazu angehalten, präzisere Regelungen zu schaffen.111 Die verschiedenen Facetten dieser Forderung sollen in diesem letzten Abschnitt beleuchtet werden, um die weitere Diskussion voranzutreiben. Dabei drängen sich a priori zwei unterschiedliche Regelungsansätze auf.
I. Materiell-rechtliche Regelungen Zunächst könnte der Gesetzgeber die materiell-rechtlichen Normen schärfen, um auf diese Weise die außerprozessuale Beweismittelsuche selbst stärker zu begrenzen. Dies könnte beispielsweise den tatbestandlichen Umfang des § 201a StGB betreffen, der angesichts seiner spezifischen Vorgaben nur wenige Bild- und Videoaufnahmen erfasst – und in seinem Anwendungsbereich deutlich restriktiver ausgestaltet ist als der vergleichbare § 201 StGB.112 Eine solche materiell-rechtliche Anpassung scheint insbesondere dann ein probates Mittel zu sein, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, die gegenwärtigen Verhaltensgebote bzw. -verbote genügten nicht, um den Privaten von einer rechtswidrigen Beweismittelsuche abzuhalten. Doch auch bei präziseren Vorschriften des materiellen Rechts bleibt der Konnex zur prozessualen Ebene bestehen: Über die Rechtmäßigkeit lässt sich nur dann sachgerecht urteilen, wenn man die etwaigen Beweisverbote berücksichtigt.
II. Prozessrechtliche Regelungen Der Schlüssel für eine präzisere Beweisverbotsdogmatik ist deshalb im prozessualen Raum selbst zu suchen. Dabei sind bei näherem Hinsehen wiederum verschiedene Aspekte bedeutsam. 1. Präzisere Befugnisnormen Die Untersuchung hat gezeigt, dass sowohl die Vorschriften des Straf- als auch des Zivilprozessrechts eine verwertungsfreundliche Tendenz aufweisen. Allerdings wecken die §§ 244 Abs. 2, 261 StPO sowie die §§ 284 ff., 355 ff. ZPO berechtigte Zweifel daran, ob die Vorgaben des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots eingehalten werden. Um diesen Einwand von vornherein zu entkräften, wären de lege 111 In bisweilen unterschiedlicher Ausgestaltung und Reichweite Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 240 ff.; Kaspar, GA 2013, 206 (225); Kubiciel, GA 2013, 226 (235 ff.); Brunhöber, GA 2010, 571 (588). Relativierend Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (319). Teilweise auch Ahrens, NJW 2018, 2837. 112 Teil 2, C. III.
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ferenda solche Regelungen wünschenswert, die dem entscheidenden Richter die ausdrückliche Befugnis zuweisen, eigeninitiativ erlangte Beweismittel grundsätzlich zu erheben und schließlich auch zu verwerten. Auswirkungen hätte dies nicht allein auf der verfassungsrechtlichen, sondern zugleich auch auf der materiell-rechtlichen Ebene: Die Befugnisnormen des Prozessrechts stellen nicht allein taugliche Grundrechtsschranken dar, sondern fungieren darüber hinaus als materielle Rechtfertigungsgründe und datenschutzrechtliche Erlaubnissätze. Allerdings vermag eine präziser gefasste Befugnisnorm für sich betrachtet die Unwägbarkeiten des verfassungsrechtlichen Abwägungsmodells noch nicht zu beseitigen. Denn inwieweit der konkrete Grundrechtseingriff schlussendlich gerechtfertigt werden kann, hängt vom Ausgleich der konfligierenden Rechtspositionen im Einzelfall ab. Etwas Anderes gälte nur dann, wenn der Gesetzgeber neben einer ausdrücklichen Befugnisnorm zugleich einzelne Beweisverbote in den jeweiligen Verfahrensordnungen implementierte. In diesem Fall bedürfte es des Rückgriffs auf das verfassungsrechtliche Abwägungsmodell nicht, da das vorrangige einfache Recht eine verbindliche Aussage träfe. 2. Geschriebene Beweisverwertungsverbote Sollte sich der Gesetzgeber dafür entscheiden, explizite Beweisverbote in die Straf- und Zivilprozessordnung aufzunehmen, böte sich eine Orientierung an § 136a StPO an,113 der bestimmte staatliche Vernehmungsmethoden verbietet und in seinem Abs. 3 S. 2 ein Verwertungsverbot ausspricht. Bezeichnend ist dabei, dass die prozessuale Unverwertbarkeit nicht mit einem materiell-rechtlichen Verstoß verknüpft wird: Für die Rechtsfolge des § 136a Abs. 3 S. 2 StPO spielt es etwa keine Rolle, inwieweit die Vernehmungsmethode zugleich eine rechtswidrige Nötigung gem. § 240 StGB darstellt.114 Entscheidend ist vielmehr eine bestimmte Art und Weise der Beschuldigtenvernehmung, die sich mit den Vorstellungen eines fairen Strafverfahrens schlichtweg nicht vereinbaren lässt.115 Diese Irrelevanz des materiellen Rechts müsste der Gesetzgeber auch berücksichtigen, wenn er Beweisverbote für bestimmte eigeninitiativ erlangte Beweismittel anordnen wollte. Denn andernfalls drohte wiederum der bereits beschriebene Zirkelschluss: Die Verwertbarkeit hinge von der materiell-rechtlichen Bewertung der außerprozessualen Beweismittelsuche ab, während diese jedoch nach dem hier entwickelten Lösungsansatz nur unter Rekurs auf die prozessuale Rechtslage möglich ist. Darüber hinaus dürften gesetzlich angeordnete Beweisverbote nicht dazu führen, eigeninitiativ erlangte Beweismittel gänzlich aus dem gerichtlichen Verfahren zu verbannen. Auch wenn das Prozessrecht nicht darauf gerichtet ist, die Wahrheit um 113
Mende, Grenzen privater Ermittlungen, S. 241. Sydow, Kritik der Lehre von den Beweisverboten, S. 99. 115 Kaltenmeier, Betriebsverfassungsrechtliches Beweisverwertungsverbot, S. 36 f. Ähnlich auch Eufinger, DB 2017, 1266 (1267 f.). 114
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jeden Preis zu ermitteln, stellt die Suche nach einer materiell richtigen Entscheidung nach wie vor einen essenziellen Bestandteil dar. Dieser mag zwar im zivilgerichtlichen Verfahren etwas schwächer ausgeprägt sein; allerdings gewährleistet das verfassungsrechtlich abgesicherte Recht auf Beweis, dass vorgebrachte Beweismittel nicht ohne Weiteres abgelehnt werden dürfen. In diesem Spanungsfeld zwischen der Wahrheitssuche auf der einen und dem persönlichkeitsrechtlichen Schutzbedürfnis der Verfahrensbeteiligten auf der anderen Seite kommt dem Gesetzgeber grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Allein in den Fällen eines menschenunwürdigen Vorgehens ist dieser auf null reduziert; einem gesetzlich explizit angeordneten Beweisverbot käme insoweit vor allem eine deklaratorische Bedeutung zu. Der Forderung nach einfachgesetzlichen Beweisverboten begegnet in jüngerer Zeit Knaut – bezogen auf das zivilgerichtliche Verfahren – mit einer gewissen Skepsis, die er auf die Ausgestaltung der europäischen DSGVO zurückführt.116 Geschriebene Beweisverbote im nationalen Prozessrecht ließen sich zwar im Ausgangspunkt auf die Öffnungsklausel des Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 DSGVO stützen; allerdings würden solche Vorschriften nicht für die Übermittlung von Daten durch die Prozessparteien gelten, da es insoweit an einer Öffnungsklausel fehle. Gleichwohl ergäben geschriebene Beweisverbote dennoch Sinn, da die gerichtliche Verwertung „viel entscheidender als ein an den Beweisführer gerichtetes Übermittlungsverbot“ sei.117 Problematisch sei jedoch, dass eine mitgliedstaatliche Regelungsoption weitgehend fehle, wenn es um besondere Kategorien personenbezogener Daten i. S. d. Art. 9 DSGVO gehe. Diese dürften von einem geschriebenen Beweisverbot sonach überwiegend nicht erfasst werden. Da nationale Beweisverbotsnormen jedoch unbrauchbar seien, wenn sie in weitem Umfang sensitive Daten i. S. d. Art. 9 DSGVO ausschließen müssten, führe dies „zu einer Sperre der DS-GVO für Beweis- und Sachvortragsverwertungsverbote auf nationaler Ebene insgesamt“.118 Folglich bedürfe es zunächst einer Öffnungsklausel in Art. 9 DSGVO, um dem nationalen Gesetzgeber eine Regelungsmöglichkeit einzuräumen. Bei näherem Hinsehen steht die DSGVO mitgliedstaatlichen Beweisverboten aber auch de lege lata nicht entgegen. Nach zutreffender Ansicht, die von Erwägungsgrund 51 S. 5 zur DSGVO gestützt wird, regelt Art. 9 Abs. 2 DSGVO nicht, unter welchen Voraussetzungen eine Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten rechtmäßig ist, sondern bestimmt allein, wann eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verarbeitungsverbot des Art. 9 Abs. 1 DSGVO greift.119 Vor diesem Hintergrund muss neben einen Ausnahmetatbestand des Art. 9 Abs. 2 116 Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 217 ff. Hierauf beziehen sich die nachfolgenden Erwägungen. 117 Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 220. 118 Knaut, Die Bedeutung des Datenschutzrechts bei Beweisverboten in Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, S. 222. 119 Petri, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Art. 9 DSGVO Rn. 2.
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DSGVO zugleich ein Erlaubnissatz i. S. d. Art. 6 DSGVO treten, so dass sich die Vorschriften normativ überlagern.120 Wird aber der Rechtmäßigkeitsgrund des Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO in Bezug genommen, muss dies zugleich auch für die Öffnungsklausel aus Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 DSGVO gelten. Art. 6 Abs. 1 lit. e DSVGO stellt für sich betrachtet nämlich noch keine Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung dar; vielmehr bedarf es einer unionalen oder mitgliedstaatlichen Regelung.121 Für die nationale Befugnis, zivilprozessuale Beweisverbote zu normieren, streitet darüber hinaus Erwägungsgrund 20 S. 1 zur DSGVO: Auch wenn dieser den richterlichen Umgang mit personenbezogenen Daten nicht vom Anwendungsbereich der DSGVO ausnimmt122 und entgegen vereinzelter Stimmen auch keine Öffnungsklausel implementiert,123 legt dieser eine datenschutzrechtliche Zurückhaltung für die gerichtliche Tätigkeit nahe.124 Diese ist Ausfluss der Souveränität der Mitgliedstaaten und der zentralen Unabhängigkeit der Justiz. Nach alledem ist es dem nationalen Gesetzgeber möglich, geschriebene Beweisverbote in die Prozessordnungen aufzunehmen – und zwar auch dann, wenn die angesprochenen Beweismittel personenbezogene Daten enthalten. Während die DSGVO für die Datenverarbeitung durch den Strafrichter ohnehin nicht anwendbar ist, sorgen die Öffnungsklauseln des Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 DSGVO im zivilverfahrensrechtlichen Kontext für eine sachgerechte Lösung. Aus denselben Gründen stehen auch präziser gefassten Befugnisnormen keine datenschutzrechtlichen Bedenken entgegen. Zu berücksichtigen bleibt ein letzter Gesichtspunkt, den Knaut in seiner kritischen Analyse zum legislativen Handlungsspielraum berechtigterweise betont: Hinsichtlich der Übermittlung personenbezogener Daten an das Gericht fehlt es an einer Öffnungsklausel. Die Rechtmäßigkeit bestimmt sich in diesem Zusammenhang – und darüber hinaus auch für die außerprozessuale Beweismittelsuche durch eine Privatperson – allein am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Nach dem Lösungskonzept, das im Rahmen dieser Untersuchung entwickelt wurde, strahlt die prozessuale Unverwertbarkeit unabhängig von einer etwaigen datenschutzrechtlichen Öffnungsklausel auf die materiell-rechtliche Ebene aus.125 Sollte der nationale Gesetzgeber mithin ausdrückliche Beweisverbote in die Prozessordnungen aufnehmen, beeinflussten diese unweigerlich auch die datenschutzrechtliche Erlaubnis 120
Albers/Veit, in: BeckOK-Datenschutzrecht, Art. 9 DSGVO Rn. 11. Die Frage, ob neben einen Ausnahmetatbestand des Art. 9 Abs. 2 DSGVO zusätzlich eine Erlaubnis i. S. d. Art. 6 Abs. 1 DSGVO treten muss, ist bislang noch nicht durch den EuGH geklärt. Siehe dazu den Vorlagebeschluss BAG ZD 2022, 56 (59). 121 Dazu schon Teil 5, C. II. 2. a). 122 Teil 5, C. II. 123 Kühling/Martini/Heberlein, Die Datenschutz-Grundverordnung und das nationale Recht, S. 20. 124 Krüger/Resch/Vogelgesang, jM 2022, 8 (10) sprechen von einer „Privilegierung der Funktionsfähigkeit der Justiz durch die DSGVO selbst“. 125 Teil 2, D. III.
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des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO – obschon eine Öffnungsklausel gerade nicht existiert. Auf den ersten Blick scheint dieses Ergebnis mit der datenschutzrechtlichen Regelungsstruktur der DSGVO in Widerspruch zu geraten, nach der eine mitgliedstaatliche Abweichung nur in bestimmten Konstellationen gestattet ist. Allerdings erschiene es paradox, ein geschriebenes Beweisverbot zwar bei der datenschutzrechtlichen Bewertung des richterlichen Verhaltens zu berücksichtigen, aber bei der eigeninitiativen Beweismittelsuche, die darauf gerichtet ist, ein verwertbares Beweismittel zu erlangen, auszublenden. Die gewählte Vorgehensweise des Privaten ist in diesem Fall nicht geeignet, das verfolgte Ziel zu erreichen. Von diesem Standpunkt aus zeitigt es aber keinen relevanten Unterschied, ob eine tatsächliche oder aber eine rechtliche Hürde entgegensteht. Dieser Ursachenzusammenhang ist geradezu kein Regelungsbestandteil des unionalen Datenschutzregimes. Sollte sich der nationale Gesetzgeber dazu entschließen, eigeninitiativ erlangte Beweismittel in bestimmten Fällen mit einem prozessualen Erhebungs- oder Verwertungsverbot zu belegen, käme ihm dabei eine weitläufige Einschätzungsprärogative zu, die von zwei gegenläufigen Thesen begrenzt wird: Auf der einen Seite steht die Erkenntnis, dass die eigeninitiative Beweismittelsuche trotz einer bisweilen verwertungsfreundlichen Judikatur keineswegs überhandzunehmen droht.126 Auf der anderen Seite ist die Forderung zu verorten, nach der jedenfalls solche Beweismittel unverwertbar sein sollen, die eine Privatperson mit strafbaren Mitteln erlangt hat.127 Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das verfassungsrechtliche Abwägungsmodell, das die prozessuale Unverwertbarkeit eines privat erlangten Beweismittels allein an den richterlichen Grundrechtsverstoß knüpft, zwangsläufig zu einzelnen Schutzlücken führt.128 Paradigmatisch sind insoweit die Fälle, in denen es dem Privaten gelingt, beweisrelevante Dokumente zu entwenden, die – anders als tagebuchartige Aufzeichnungen – ausschließlich einen persönlichkeitsneutralen Inhalt aufweisen und sonach nicht in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG fallen.129 Obschon das private Verhalten gem. § 242 StGB verboten ist und der Verstoß – vorbehaltlich eines Rechtfertigungsgrundes – eine strafrechtliche Sanktion nach sich zieht, begründet die richterliche Verwertung des so erlangten Beweismittels keinen Grundrechtseingriff – und führt konsequenterweise auch nicht zu einem Beweisverwertungs-
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Dauster/Braun, NJW 2000, 313 (318). Hierin erkennt Kubiciel, GA 2013, 226 (229) eine faktische Geltungsbedingung für die grundsätzliche Verwertbarkeit von Beweismitteln im Strafverfahren, die ein Privater mit strafbaren Mitteln erlangt hat. 127 Beschlüsse, 67. Deutscher Juristentag, S. 14. 128 Brinkmann, AcP 206 (2006), 746 (753 Fn. 41); Kaspar, GA 2013, 206 (221 f.); Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 70. Darauf weist i. E. auch Ch. Müller, Beweisverbot und Sachvortragsverbot, S. 48 hin. 129 Zu solchen Dokumenten Kodek, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Zivilprozeß, S. 164 f.
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Teil 6: Zusammenfassung, Ausblick und legislatorischer Handlungsbedarf
verbot.130 Dies gilt auch für die gerichtliche Verwertung einer Zeugenaussage, die dem Privaten allein deshalb möglich ist, weil er den Verdächtigen im Vorfeld des Gerichtsverfahrens dazu genötigt hat, ein Geständnis abzulegen.131 In diesen Konstellationen stellt ein geschriebenes Beweisverbot die einzige Möglichkeit dar, um eine prozessuale Rechtsfolge auszusprechen. Auch wenn einzelne ausdrückliche Beweisverbote die gesamte Diskussion auf stabilere Pfeiler stellten, bliebe zu berücksichtigen, dass es sich um Stückwerk handelte.132 Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung verändern sich die Methoden der eigeninitiativen Beweismittelsuche allenthalben. Um auf diese angemessen reagieren zu können, müsste eine gesetzlich vorgegebene Beweisverbotslehre stets Raum belassen, der im Einzelfall auszufüllen ist. Gerade hierin ist der besondere Vorteil eines flexiblen Abwägungsmodells zu sehen. Da es dem Gesetzgeber schlichtweg unmöglich ist, alle relevanten Konstellationen zu regeln, bleiben Beweisverbote auch de lege ferenda in weiten Teilen mit dem Prinzip einer umfassenden Abwägungsentscheidung verbunden.133 Gleichwohl gilt: Je klarer die prozessualen Beweisverbote geregelt werden, umso deutlicher treten auch die materiell-rechtlichen Grenzen hervor. Entscheidend bleibt nach allem die eingenommene Perspektive. Der Blick ist stets von der prozessualen auf die materiell-rechtliche Ebene zu richten.
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Vgl. zu dieser Argumentation auch Weichbrodt, Der verbotene Beweis im Straf- und Zivilprozess, S. 181; Störmer, Dogmatische Grundlagen der Verwertungsverbote, S. 130. Abweichend Bacher, in: BeckOK-ZPO, § 284 Rn. 27, der auf eine Abwägung abstellt. 131 Kaspar, GA 2013, 206 (221 f.). Weitere Beispiele nennt Frank, Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater, S. 70. 132 Wie komplex einzelne Regelungen aussehen könnten, verdeutlicht der Vorschlag von Gropp, StV 1989, 216 (228). Zu legislatorischen Schwierigkeiten bei der Reform des schweizerischen Strafprozessrechts Godenzi, Private Beweisbeschaffung im Strafprozess, S. 334 ff. Schon Kohlhaas, DRiZ 1966, 286 (287) hat gezeigt, dass gesetzliche Regelungen nur in gewissem Umfang möglich sind. Die aufgeworfenen Fragen und Probleme sind nach wie vor aktuell. 133 Vgl. auch S. Schröder, Beweisverwertungsverbote und die Hypothese rechtmäßiger Beweiserlangung im Strafprozeß, S. 37; Rogall, ZStW 91 (1979), 1 (31); Wohlers, JR 2016, 509 (511).
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Stichwortverzeichnis Abhörgerät 183 ff. Abwägung – allgemeines Persönlichkeitsrecht 125 ff. – Beweisverwertung 364 ff. – Datenschutzrecht 168 ff. – rechtfertigender Notstand 259 ff. Abwägungsmodell – Drittinteressen 373 ff. – Strafprozess 64 ff., 376 ff. – Zivilprozess 85 ff., 392 ff. Allgemeine Handlungsfreiheit 50, 158 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 107 ff., 336 ff. – Fallgruppen 117 – Interessenabwägung 125 ff. – Rahmenrecht 130, 151 – Schutzinhalt 116 f. – Unrechtsindikation 126 ff. – Verhältnis zu den besonderen Persönlichkeitsrechten 117 ff. Amtsermittlungsgrundsatz 490 Anfangsverdacht 46, 264, 317 Anreizargument 314 Anwendungsvorrang des einfachen Rechts 319 Anwendungsvorrang des Unionsrechts 159 f. Anzeigerecht 240 f., 445 f. Arbeitsrecht 144 ff. Augenscheinsbeweis 473 Befugnisnorm 561 – Strafprozessrecht 352 ff. – Zivilprozessrecht 361 ff. Behörde 528 Beibringungsgrundsatz 51, 252, 400 Beibringungsmaxime siehe Beibringungsgrundsatz Berechtigtes Interesse 164 ff. Besondere Persönlichkeitsrechte 117 ff. Beweisbefugnislehre 351
Beweiserhebung 35 – durch Private 39 ff. Beweisführung 42 Beweisinteresse – allgemeines Persönlichkeitsrecht 137 ff. – Beweisverwertung 86, 393 f. – Datenschutzrecht 164 – Strafrecht 212 ff., 234 f., 260 Beweislast 250 Beweismitteldokumentation 54, 228 ff. Beweisnot 87, 238 f., 394 ff. Beweisverbot 34 ff. Beweisverwertung – Strafverfahren 40 f. – Zivilverfahren 41 f. Beweisverwertung als Grundrechtseingriff 343 ff. Beweisverwertungsverbot – Anknüpfung an materiell-rechtlichen Rechtsverstoß des Privaten 321 ff. – Anknüpfung an materiell-rechtlichen Rechtsverstoß des Richters 325 ff. – Belastungsverbote 38 f. – Drittwirkung 346 f. – Nachweis 412 ff. – selbstständige 37, 66 – Terminologie 34 ff. – unselbstständige 37 – verfassungsrechtlicher Lösungsansatz 335 ff. Beweiswürdigung 249 Bildaufnahmen – ansehensschädigende Bildaufnahmen 211, 437 ff. – Gebrauch 429 f., 479 f. – Hilflosigkeit 204 ff. – teleologische Reduktion 203, 480 f. – Zugänglichmachen 430, 480 ff. Darlegungslast 106, 218 Darlehensfall 397, 502, 547
620
Stichwortverzeichnis
Dashcam 54, 171, 547 f., 553, 555 f. Datenhehlerei 482 ff. Datenschutzrecht 151 ff. – automatisierte Verarbeitung 153 – besondere Kategorien personenbezogener Daten 533, 563 – Betrachtung des Übergabeaktes 452 ff. – datenschutzrechtliche Rechtfertigungsgründe 285 ff. – Erforderlichkeit 167 f. – Grenzen des innerprozessualen Verhaltens 523 ff. – Hinweispflichten 174 f. – Öffnungsklausel 459 ff., 533 f., 563 ff. – personenbezogenes Datum 153 – Rechtmäßigkeit der Verarbeitung 160 ff. – Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 158 – Verhältnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht 175 ff. Dauergefahr 245 f. Dispositionsmaxime 252, 360, 400 f. DNA-Analyse 30 Dreistufentheorie 65 effet utile 310, 318 Ehespion-Urteil 139 Ehrbegriff 194 ff. Eignung 149 f., 168, 228 ff., 298 ff. Einheit der Rechtsordnung 82 f., 288, 289 Einheitstheorie 61 f., 83 Einheitsthese siehe Einheitstheorie Einschätzungsprärogative 75, 112, 313, 409 Ermittlungsmonopol 46 ff. Ermittlungsrecht 50, 52, 267 Europäische Menschenrechtskonvention 312, 386 ff. Extremlösungen – Strafprozess 60 ff. – Zivilprozess 82 ff. fair trial 411 Faires Verfahren 337 ff., 410 ff. Falschaussage 300, 469, 495 Fernmeldegeheimnis 337, 383 Festnahmerecht 282 ff. Foltermaßnamen 407 Folterverbot 72, 409, 411
Funktionstüchtige Zivilrechtspflege 400 ff. Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege 343 Geeignetheit siehe Eignung Geständnis 52, 180, 223, 433, 448, 499 Gewaltmonopol 256, 266, 284, 291 GPS-Gerät 30 Grundrechte – mittelbare Drittwirkung 114 f. – Schranke 348 ff. – Schutzpflichten 73 ff., 408 ff. – unmittelbare Drittwirkung 110 Grundrechtsbindung 73, 404 Güter- und Pflichtenabwägung 280 f. Harmonisierungsgedanke 455 Haushaltsausnahme 154 ff. Hehlerei des Staates 61, 316 f. Hilfssheriff 167 Höchstpersönlicher Lebensbereich 190 ff. Hörfalle 44 Hypothese rechtswidriger staatlicher Beweiserhebung 77 ff. Hypothesenbildung 389 ff. Innerprozessuales Verhalten 466 ff. – datenschutzrechtliche Grenzen 523 ff. – strafrechtliche Grenzen 472 ff. – zivilrechtliche Grenzen 540 ff. Integrität des Verfahrens 25, 325 Intimsphäre – allgemeines Persönlichkeitsrecht 131, 370 – Strafrecht 191 ff. JI-RL
527 ff.
Kernbereich privater Lebensgestaltung 192, 368, 370 f. Keylogger 30 Kunsturhebergesetz 457 ff., 540 f. Lauschzeuge 29, 127 f., 135, 139, 186, 495 f., 546 f., 554 f. Legalitätsprinzip 48, 317 Leserbrief-Entscheidung 108, 110, 112
65,
Stichwortverzeichnis Manipulierte Beweismittel 253 f., 268, 389 Menschenrechtswidrigkeit 72 f. Menschenunwürdige Behandlung 407 ff. Nothilfe 495, 503, 508 – aufgedrängte 512 Notstand 218, 236 ff., 495, 497 ff., 505 – Angemessenheit 263 ff. – Übergabe von Ton- und Bildaufnahmen 446 ff. – utilitaristische Konzeption 218 Notwehr 224 ff. – des unschuldigen Angeklagten 494 f. – notwehrfähiges Rechtsgut 225 f., 446, 501 – Übergabe von Ton- und Bildaufnahme 446 – Verteidigung gegen den Prozessbetrug 501 ff. Notwehrähnliche Lage 86 f., 140, 272 ff., 393 f. Öffentliche Mitteilung des nichtöffentlich gesprochenen Wortes 475 ff. Öffentliche Stelle 530 Offizialprinzip 46, 48 Parallelermittlungen 61 Parteienprozess 58 Perpetuierungsgedanke 92 Präventivnotwehr 230, 237, 255, 292 Private Beweismittelsuche – Begriff 39 ff. – Kategorien 43 ff. Private Ermittlungen 45 ff., 223, 244 – echte private Ermittlungen 52 f. – Legitimation 49 ff. – unechte private Ermittlungen 53 – Zulässigkeit 46 ff. Prozessbetrug 253, 257, 292, 491 – Verteidigung 501 ff. Prozessgrundrechte 338 ff. Prozessniederlage 247 ff. – Niederlage des Beschuldigten 267 f. Prozessrechtsakzessorietät 332 ff. Prozessrechtsverständnis 56, 61
621
Recht am eigenen Bild 120, 189 Recht am eigenen Wort 120, 178 Recht auf Beweis 340 ff. Recht auf ein faires Verfahren 337 ff. Recht auf informationelle Selbstbestimmung 175, 345 Recht auf Privatsphäre 345 Recht auf Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit 345 Recht zur Anzeige siehe Anzeigerecht Rechtfertigung der Privatperson 216 ff. – im Strafverfahren 492 ff. – im Zivilverfahren 500 ff. – Nachweis 506 f. – Prozess 490 ff. – subjektives Rechtfertigungselement 234 f. – Übergabe 446 ff. Rechtfertigung des Richters 508 ff. – mittelbare Drittwirkung 510 ff. Rechtfertigung von Hoheitsträgern 508 ff. Rechtfertigungsgründe im Prozess 491 ff. Rechtsbeugung 471 – Sperrwirkung 471, 516 ff. Rechtsgut – Allgemeinrechtsgüter 242, 291, 444 – Individualrechtsgüter 225, 291, 446, 512 Rechtsgüter der Allgemeinheit siehe Rechtsgut Schadensersatzanspruch 96 f. Schenk-Entscheidung 387 f. Schutzzweck der Norm 93 f. Schweigepflicht 498, 506 Selbsthilferecht 256 f. Selbsthilfeverbot 95 ff. Sozialadäquanzklausel 211 ff., 441 f., 482 Sphärenmodell 65, 130 ff., 191, 368 ff. – Intimsphäre 368 – Privatsphäre 369 – Sozialsphäre 369 Sphärentheorie siehe Sphärenmodell Spruchrichterprivileg 470 f. Stationäre Kamerasysteme 157, 547 Steuerdaten-CDs 443 ff. Strafbarkeit des Richters 470 f. – Abfassung der Urteilsgründe 479
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Stichwortverzeichnis
– Begründung eines Beweisverwertungsverbots 326 ff. – Bildaufnahmen 481 – Datenhehlerei 482 ff. – Tonaufnahmen 473 f. Strafverfolgungsbehörde 43 ff., 430 ff. Strafverfolgungsinteresse – als Anknüpfungspunkt für die prozessuale Verwertbarkeit 65, 377 ff. – als Anknüpfungspunkt für die Rechtfertigung 242 ff. Subsidiarität – Datenschutzrecht 458, 538 – Notwehrrecht 232 Tagebuchentscheidung 67, 346, 370 f. Telefonzeuge 128 Telekommunikation 382 f. Tonaufnahme 182 f. – Gebrauchen 427 – Herstellung 548 f. – Übergabe 423 ff. – Verwertbarkeit 552, 553 f. – Zugänglichmachen 427 Tonband-Entscheidung 376, 382 Trennungsdogma 56, 63, 84 f., 99 Trennungsgedanke 56, 83, 104 Trennungsthese siehe Trennungsdogma Treu und Glauben 98 ff. Übergabe an die Strafverfolgungsbehörden 422 ff. Übermaßverbot 111, 200 Ultima-ratio-Gedanke 386 ff. Unbefangenheit der menschlichen Kommunikation 181, 182, 186 Unbefugt 219 ff., 270 Unschuldsvermutung 251 Unterlassungsanspruch 97 ff. Untersuchungsgrundsatz 366 Unverwertbarkeit als Hindernis der materiellen Rechtmäßigkeit 297 ff. Verbotene Vernehmungsmethoden 331 Verfallstheorie 180 Verfassungsmäßige Ordnung 348 ff. – strafprozessuale Rechtsgrundlage 351 ff. – zivilprozessuale Rechtsgrundlage 357 ff.
Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes 179 – doppelfunktionell 424 ff. – dualistische Betrachtung 424 ff. – monistische Betrachtung 424 ff. Verwertbarkeit als Rechtfertigungsgrund 295 ff. Verwertungsinteresse 392 ff. Verwirkungstheorie siehe Verfallstheorie Videoaufnahme 30, 169, 173, 203 f., 547 f. – Verwertbarkeit 552 f., 555 f. Volkszählungsurteil 345 f. Vorbehalt des Gesetzes 349 ff. – strafprozessuale Rechtsgrundlage 351 ff. – zivilprozessuale Rechtsgrundlage 357 ff. Vorrang der prozessualen Wertentscheidung 515 Vorrang des materiellen Rechts 294 f., 298 Vorrang des Prozessrechts 333 Vorrang des staatlichen Strafverfahrens 267, 450 Vorrätige Beweissicherung 238, 252 Wahrheit 35, 248, 468, 562 f. – formelle 359 – materielle 359 Wahrnehmung berechtigter Interessen 136, 278 ff., 289 Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen 270 ff., 499 f. Wahrung berechtigter Interessen 160, 289 Werkzeug des Beweisführers 309, 315 f. Wertungsaustausch 57, 321 Wertungswiderspruch 515 Wiederaufnahme des Verfahrens 330 f. Wiederholungsverbot 535 Wohnung 200 ff. Zeugenaussage 329, 396, 448 – Aussagepflicht 496 f. – Zeugnisverweigerungsrecht 323, 495 ff., 499 Zirkelschluss 27, 308 ff., 562 – Auflösung 310 ff. Zivilrechtspflege 86, 400 Zurechnungslösung 44 Zweckänderung 453 ff., 525 f. Zweckbindungsgrundsatz 136, 452