Beweisverbot und Sachvortragsverbot: Materiell rechtswidrig erlangte Informationen im Zivilprozess [1 ed.] 9783161588655, 9783161588662, 3161588657

Charlotte Helene Müller untersucht die Folgen einer rechtswidrigen Informationsbeschaffung für die Informationsverwendun

113 106 2MB

German Pages [299] Year 2019

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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Teil 1: Einleitung
A. Einführung
B. Methodik
C. Themeneingrenzung
D. Gang der Untersuchung
Teil 2: Grundlagen
A. Dogmatische Vorfragen
I. Prozessrecht und materielles Recht
1. Relevanz für die Forschungsfrage
2. Grundsätzliches Prozessrechtsverständnis
a) Überblick
b) Trennungsgrundsatz
c) Abgrenzung in Randbereichen
d) Ergebnis
II. Berücksichtigungspflicht des Gerichts
1. Recht auf rechtliches Gehör
2. Recht auf Beweis
3. Kein uneingeschränkter Schutz
III. Parteienprozess
B. Stand der Forschung
I. Forschungsschwerpunkt Beweisverbot
1. Ursprung im Strafprozess
a) Überblick
b) Beschränkte Relevanz für die Diskussion im Zivilverfahren
c) Schlussfolgerung für die Untersuchung
2. Forschungsstand im Zivilprozess
3. Terminologische Diskussion
II. Forschungslücke Sachvortragsverbot
1. Schöpfung der Rechtsprechung
a) Zivilgerichte
b) Arbeitsgerichte
2. Kaum wissenschaftliche Befassung
3. Forschungslücke
C. Zusammenfassung
Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot
A. Diskussion in der Beweisverbotslehre
B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht
I. Relevante Grundrechte im Beweisverfahren
1. Berührte Grundrechte
2. Keine Verwirkung
3. Ergebnis
II. Grundrechtsbeeinträchtigung durch das Gericht
1. Grundrechtsverpflichtung
2. Grundrechtsverzicht
3. Beeinträchtigungshandlung
a) Begriff
b) Beweisverweigerung
c) Beweisaufnahme
d) Berücksichtigung bei der Entscheidungsfindung
e) Stellungnahme
f) Rechtswidrige Beweismittelbeschaffung
g) Ergebnis
III. Rechtfertigung der Beeinträchtigung
1. Einschränkbarkeit der Grundrechte
2. Zivilprozessordnung als einschränkendes Gesetz
3. Formelle Verfassungsmäßigkeit des einschränkenden Gesetzes
4. Materielle Verfassungsmäßigkeit des einschränkenden Gesetzes
a) Verhältnismäßige gesetzliche Grundlage
aa) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
(1) Zweck
(2) Geeignetheit
(3) Erforderlichkeit
(4) Angemessenheit
bb) Gebot der verfassungskonformen Auslegung
cc) Voraussetzung der verfassungskonformen Auslegung
(1) Auslegung des einfachen Gesetzesrechts
(2) Wortsinn
(3) Systematik
(4) Entstehungsgeschichte
(5) Zweck
(6) Ergebnis
dd) Grenzen der verfassungskonformen Auslegung
ee) Ergebnis
b) Bestimmtheitsgrundsatz
c) Ergebnis
5. Verfassungsmäßige Gesetzesanwendung: Abwägung
IV. Zwischenergebnis
C. Beweisverbot im Zivilprozess
I. Mittelbare prozessuale Fehlerfolge der rechtswidrigen Beweisbeschaffung
II. Kritik: Richterlicher Dezisionismus
III. Schlussfolgerung für die Terminologie
D. Verfahren, Rechtsfolge und Wirkung des Beweisverbots
I. Verfahren zur Feststellung eines Beweisverbots
1. Rügeerfordernis und Heilungsmöglichkeit
2. Beweis und Beweislast
II. Rechtsfolge des Beweisverbots
1. Fingierte Nichtexistenz
2. Überzeugungsbildung im Übrigen
3. Regelmäßig Beweislastentscheidung
III. Wirkung des Beweisverbots: Beweismittelalternativen
1. Freie Beweismittelwahl
2. Kausal erlangte Beweismittel: Sekundärbeweismittel
a) Problembeschreibung
b) Selbstständiges Beweisverbot
c) Reichweite des Beweisverbots: Fernwirkung
aa) Grundgedanke und Streitstand
bb) Keine Vergleichbarkeit zum Strafprozessrecht
cc) Argumente für eine Fernwirkung im Zivilprozess
dd) Argumente gegen eine Fernwirkung im Zivilprozess
ee) Dogmatische Bewertung
d) Ergebnis
3. Inhaltsgleiche Beweismittel: Surrogate und Derivate
a) Problembeschreibung
b) Zulässigkeit von inhaltsgleichen Beweismitteln
aa) Selbstständiges Beweisverbot
bb) Reichweite des Beweisverbots
c) Inhaltsgleiche Beweismittel
aa) Surrogate
bb) Derivate
d) Parteivernehmung
e) Parteianhörung
f) Vorhaltung im Beweisverfahren
g) Ergebnis
4. Ergebnis zu den Beweismittelalternativen
E. Zusammenfassung
Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot
A. Einleitung
B. Streitiger Sachvortrag
I. Lösungsansätze
II. Selbstständiges Sachvortragsverbot
1. Grundrechtsrelevanz der Sachvortragsangaben
2. Grundrechtsbeeinträchtigung durch das Gericht
a) Beeinträchtigungshandlung
aa) Verwendung von streitigem Sachvortrag als Ausnahme
bb) Beurteilung von Beweisanträgen
(1) Anfangswahrscheinlichkeit bei der Parteivernehmung
(2) Ausforschungsbeweis bei anderen Beweismitteln
(3) Grundrechtsbeeinträchtigung
cc) Vorhaltungen bei der Parteianhörung
dd) Berücksichtigung bei der Überzeugungsbildung
ee) Qualifizierter Parteivortrag
ff) Ergebnis
b) Eingriffsintensität: Einfluss der Beschaffungshandlung
aa) Verwendete Informationen
bb) Rechtswidrigkeit der Kenntniserlangung
cc) Irrelevanz der Beweismittelbeschaffung
dd) Praktische Probleme
ee) Ergebnis
c) Ergebnis
3. Rechtfertigung des Eingriffs: Sachvortragsverbot
a) Vergleichbarkeit zum Beweisverbot
b) Sachvortragsverbot und Rechtsfolge
4. Ergebnis
III. Reichweite des Beweisverbots
IV. Ergebnis
C. Unstreitiger Sachvortrag
I. Konfliktsituation: Kein Anknüpfungspunkt für ein Beweisverbot
II. (Verfassungsrechtlich begründetes) Sachvortragsverbot
1. Grundrechtsrelevanz der Sachvortragsangaben
2. Grundrechtsbeeinträchtigung durch das Gericht
a) Beweismittelähnliche Verwendung als Erkenntnismittel
b) Verwendung zur Subsumtion
c) Kein Grundrechtsverzicht
d) Eingriffsintensität: Rechtswidrige Informationsbeschaffung
e) Ergebnis
3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
a) Beeinträchtigung durch beweismittelähnliche Verwendung
b) Beeinträchtigung durch Subsumtion
aa) Befugnisnorm
bb) Verfassungsgemäße Befugnisnorm
cc) Verfassungskonforme Auslegung
dd) Verfassungsgemäße Gesetzesanwendung
ee) Ergebnis
4. Rechtsfolge
a) Nichtexistenz nur bei der gerichtlichen Maßnahme
b) Bestreitenserfordernis
c) Feststellungsverfahren
5. Unbegründete Kritik
6. Ergebnis
III. Beweisverfahren bei unstreitigem Sachvortrag
1. Beweisverfahren trotz Nichtbestreiten
a) Entscheidung über die Feststellungsbedürftigkeit
aa) Übereinstimmend vorgetragene Unwahrheit
bb) Unvergleichbarkeit
b) Rüge als Sonderfall?
c) Ergebnis
2. Beweisverfahren durch ausnahmsweise zulässiges Bestreiten
a) Vollständige und der Wahrheit gemäße Erklärung
b) Einschränkung der Wahrheitspflicht
aa) Strafrechtliche Selbstbelastungsfreiheit
bb) Grundrechtliche Interessen
c) Ausnahme wegen rechtswidriger Beweismittelbeschaffung
d) Ergebnis
3. Unterstellte Beweiserheblichkeit
4. Ergebnis
IV. Fazit
1. Dogmatisches Ergebnis
2. Rechtspolitische Einwände
3. Rechtstatsächliche Einwände
4. Ergebnis
D. Vermeintliche Sonderfälle
I. Anlass der Anmerkung
II. Glaubhaftmachung im Arrestverfahren
III. Vaterschaftsanfechtungsverfahren
IV. Fazit und Ausblick
E. Zusammenfassung
Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot
A. Einleitung
B. Prozessuales Verbot
I. Anknüpfungspunkt
II. Anknüpfung an das außerprozessuale Verhalten der Partei: Informationserlangung
1. Einleitung
2. Schadensersatzanspruch
a) Diskussion in der Beweisverbotslehre
b) Sachvortragsverbot
3. Schutzzweck der durch die Erlangung verletzten Norm
a) Diskussion in der Beweisverbotslehre
b) Sachvortragsverbot
4. Grundrechtswidrigkeit der Erlangung
a) Diskussion in der Beweisverbotslehre
b) Sachvortragsverbot
5. Bewertung und Zwischenergebnis
III. Anknüpfung an das prozessuale Verhalten der Partei: Tatsachenbehauptung und Beweisführung
1. Einleitung
2. Prozessuale Verwendungsbefugnis, §§ 422, 423 ZPO
a) Diskussion in der Beweisverbotslehre
b) Sachvortragsverbot
3. Redliche Prozessführung
a) Diskussion in der Beweisverbotslehre
b) Sachvortragsverbot
4. Ausnutzen einer rechtswidrig herbeigeführten Lage
a) Diskussion in der Beweisverbotslehre
b) Sachvortragsverbot
5. Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB
a) Diskussion in der Beweisverbotslehre
b) Sachvortragsverbot
6. Verbotsnormen des materiellen Rechts
a) Diskussion in der Beweisverbotslehre
b) Sachvortragsverbot
7. Indirekte Anknüpfung an das prozessuale Verhalten der Partei
a) § 444 ZPO
aa) Diskussion in der Beweisverbotslehre
bb) Sachvortragsverbot
b) § 183 GVG
aa) Diskussion in der Beweisverbotslehre
bb) Sachvortragsverbot
c) Generalprävention
aa) Diskussion in der Beweisverbotslehre
bb) Sachvortragsverbot
8. Zwischenergebnis
IV. Fazit: Kein an die Partei adressiertes prozessuales Verbot
C. Geltendmachungsverbot nach materiellem Recht
I. Anlass der Untersuchung
II. Abgrenzung zur Informationserlangung und zur Informationsverwendung
III. Unzulässige Rechtsausübung wegen rechtswidriger Kenntniserlangung
1. Rechtsprechung
2. Verallgemeinerungsfähigkeit
3. Wirkung und Vergleich zum gerichtlichen Verwendungsverbot
IV. Ergebnis: Koexistenz und Ergänzung
D. Exkurs: Vertraglich vereinbartes Sachvortragsverbot
I. Vereinbarung
1. Prozessvertrag
2. Materiell-rechtlicher Vertrag
3. Betriebsvereinbarungen
II. Wirkung
E. Zusammenfassung
Teil 6: Zusammenfassender Überblick
Literaturverzeichnis
Sachverzeichnis
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 9783161588655, 9783161588662, 3161588657

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Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht Band 162 herausgegeben von

Rolf Stürner

Charlotte Helene Müller

Beweisverbot und Sachvortragsverbot Materiell rechtswidrig erlangte Informationen im Zivilprozess

Mohr Siebeck

Charlotte Helene Müller, geboren 1989; Studium der Rechtswissenschaft in Münster und ­Paris; 2013 Erstes Juristisches Staatsexamen; 2015 Zweites Juristisches Staatsexamen; 2016–2018 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und ­Zivilverfahrensrecht der Universität Münster; 2019 Promotion; seit 2018 Richterin im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm. orcid.org/0000-0003-1412-2650

D6 Zugl.: Münster (Westf.), Univ., Diss. der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, 2019 ISBN  978-3-16-158865-5 / eISBN  978-3-16-158866-2 DOI  10.1628/978-3-16-158866-2 ISSN  0722-7574 / eISSN  2568-7255 (Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Times Antiqua gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat die vorliegende Arbeit im Sommersemester 2018 als Dissertation angenommen. Stand der Bearbeitung ist Juni 2018. Später erschienene Rechtsprechung und Literatur wurden für die Druckfassung punktuell bis September 2019 eingearbeitet. Zuvorderst bedanke ich mich bei meiner Doktormutter Frau Professor Dr. ­Petra Pohlmann für das Vertrauen und für die wissenschaftliche und persönliche Unterstützung. Herrn Professor Dr. Ingo Saenger danke ich für die zügige Er­ stellung des Zweitgutachtens. Die Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als Wissenschaftliche Mitar­ beiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und Zivilverfahrensrecht. Bei meinen Kolleginnen und Kollegen vom Lehrstuhl und von der Forschungsstelle für Versicherungswesen bedanke ich mich herzlich für die hilfreichen Denkanstöße und die gemeinsame Zeit. Die Promotionsförderung der Studienstiftung des Deutschen Volkes hat die Entstehung der Arbeit mit einem Stipendium gefördert, für das ich sehr dankbar bin. Herrn Professor Dr. Dres. h.c. Rolf Stürner danke ich für die Aufnahme in die Schriftenreihe der Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht. Für die vielfältige Unterstützung und das gewissenhafte Korrekturlesen danke ich von Herzen Herrn Dr. Marian Müller und Herrn Dr. Franz Müller. Münster, im September 2019

Charlotte Helene Müller

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV

Teil 1: Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Themeneingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 3 5 6

Teil 2: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

A. Dogmatische Vorfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Prozessrecht und materielles Recht . . . . . . . . . . . . . . . 1. Relevanz für die Forschungsfrage . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsätzliches Prozessrechtsverständnis . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Trennungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abgrenzung in Randbereichen . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Berücksichtigungspflicht des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . 1. Recht auf rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Recht auf Beweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kein uneingeschränkter Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . III. Parteienprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Forschungsschwerpunkt Beweisverbot . . . . . . . . . . . . . 1. Ursprung im Strafprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkte Relevanz für die Diskussion im Zivilverfahren c) Schlussfolgerung für die Untersuchung . . . . . . . . . . 2. Forschungsstand im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . 3. Terminologische Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 9 9 10 10 11 12 13 14 14 15 16 17 21 22 22 22 23 27 27 28

VIII

Inhaltsverzeichnis

II. Forschungslücke Sachvortragsverbot . . . . . . . . . . . . . . 1. Schöpfung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zivilgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Arbeitsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kaum wissenschaftliche Befassung . . . . . . . . . . . . . . 3. Forschungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30 30 31 33 34 38 39

Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot . . . . . . . .

41

A. Diskussion in der Beweisverbotslehre . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht . . . . . . . . . . I. Relevante Grundrechte im Beweisverfahren . . . . . . . . . . . 1. Berührte Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundrechtsbeeinträchtigung durch das Gericht . . . . . . . . . 1. Grundrechtsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundrechtsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beeinträchtigungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beweisverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Berücksichtigung bei der Entscheidungsfindung . . . . . e) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Rechtswidrige Beweismittelbeschaffung . . . . . . . . . g) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtfertigung der Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . 1. Einschränkbarkeit der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . 2. Zivilprozessordnung als einschränkendes Gesetz . . . . . . . 3. Formelle Verfassungsmäßigkeit des einschränkenden Gesetzes 4. Materielle Verfassungsmäßigkeit des einschränkenden Gesetzes a) Verhältnismäßige gesetzliche Grundlage . . . . . . . . . aa) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . (1) Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gebot der verfassungskonformen Auslegung . . . . . cc) Voraussetzung der verfassungskonformen Auslegung

41 42 43 43 47 48 48 48 49 50 50 51 52 53 54 56 57 58 58 60 60 62 62 62 62 64 64 66 67 68

Inhaltsverzeichnis

(1) Auslegung des einfachen Gesetzesrechts . . . . . (2) Wortsinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . (5) Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Grenzen der verfassungskonformen Auslegung . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verfassungsmäßige Gesetzesanwendung: Abwägung . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Beweisverbot im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mittelbare prozessuale Fehlerfolge der rechtswidrigen Beweisbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . II. Kritik: Richterlicher Dezisionismus . . . . . . . . . . . . . . . III. Schlussfolgerung für die Terminologie . . . . . . . . . . . . . D. Verfahren, Rechtsfolge und Wirkung des Beweisverbots . . . . . . I. Verfahren zur Feststellung eines Beweisverbots . . . . . . . . . 1. Rügeerfordernis und Heilungsmöglichkeit . . . . . . . . . . 2. Beweis und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsfolge des Beweisverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fingierte Nichtexistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überzeugungsbildung im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . 3. Regelmäßig Beweislastentscheidung . . . . . . . . . . . . . III. Wirkung des Beweisverbots: Beweismittelalternativen . . . . . 1. Freie Beweismittelwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kausal erlangte Beweismittel: Sekundärbeweismittel . . . . a) Problembeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Selbstständiges Beweisverbot . . . . . . . . . . . . . . . c) Reichweite des Beweisverbots: Fernwirkung . . . . . . . aa) Grundgedanke und Streitstand . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Vergleichbarkeit zum Strafprozessrecht . . . . cc) Argumente für eine Fernwirkung im Zivilprozess . . dd) Argumente gegen eine Fernwirkung im Zivilprozess . ee) Dogmatische Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhaltsgleiche Beweismittel: Surrogate und Derivate . . . . . a) Problembeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zulässigkeit von inhaltsgleichen Beweismitteln . . . . . .

IX 68 69 70 71 72 76 76 77 78 79 79 82 83 83 86 87 88 89 89 90 92 92 92 94 94 95 95 95 96 97 97 98 100 102 102 105 105 105 106

X

Inhaltsverzeichnis

aa) Selbstständiges Beweisverbot . . . . . . . . . . . . . bb) Reichweite des Beweisverbots . . . . . . . . . . . . c) Inhaltsgleiche Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Surrogate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Parteivernehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Parteianhörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Vorhaltung im Beweisverfahren . . . . . . . . . . . . . . g) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis zu den Beweismittelalternativen . . . . . . . . . . E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot . . . . . 119 A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Streitiger Sachvortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Selbstständiges Sachvortragsverbot . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundrechtsrelevanz der Sachvortragsangaben . . . . . . . . 2. Grundrechtsbeeinträchtigung durch das Gericht . . . . . . . a) Beeinträchtigungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verwendung von streitigem Sachvortrag als Ausnahme bb) Beurteilung von Beweisanträgen . . . . . . . . . . . (1) Anfangswahrscheinlichkeit bei der Parteivernehmung (2) Ausforschungsbeweis bei anderen Beweismitteln . (3) Grundrechtsbeeinträchtigung . . . . . . . . . . . cc) Vorhaltungen bei der Parteianhörung . . . . . . . . . dd) Berücksichtigung bei der Überzeugungsbildung . . . ee) Qualifizierter Parteivortrag . . . . . . . . . . . . . . ff) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eingriffsintensität: Einfluss der Beschaffungshandlung . . aa) Verwendete Informationen . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtswidrigkeit der Kenntniserlangung . . . . . . . cc) Irrelevanz der Beweismittelbeschaffung . . . . . . . dd) Praktische Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtfertigung des Eingriffs: Sachvortragsverbot . . . . . . a) Vergleichbarkeit zum Beweisverbot . . . . . . . . . . . . b) Sachvortragsverbot und Rechtsfolge . . . . . . . . . . . .

119 120 120 120 120 121 121 121 123 123 124 125 125 126 130 131 131 131 133 134 135 136 136 137 137 138

Inhaltsverzeichnis

4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Reichweite des Beweisverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Unstreitiger Sachvortrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Konfliktsituation: Kein Anknüpfungspunkt für ein Beweisverbot II. (Verfassungsrechtlich begründetes) Sachvortragsverbot . . . . . 1. Grundrechtsrelevanz der Sachvortragsangaben . . . . . . . . 2. Grundrechtsbeeinträchtigung durch das Gericht . . . . . . . a) Beweismittelähnliche Verwendung als Erkenntnismittel . b) Verwendung zur Subsumtion . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kein Grundrechtsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Eingriffsintensität: Rechtswidrige Informationsbeschaffung e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . a) Beeinträchtigung durch beweismittelähnliche Verwendung b) Beeinträchtigung durch Subsumtion . . . . . . . . . . . . aa) Befugnisnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfassungsgemäße Befugnisnorm . . . . . . . . . . cc) Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . dd) Verfassungsgemäße Gesetzesanwendung . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nichtexistenz nur bei der gerichtlichen Maßnahme . . . . b) Bestreitenserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Feststellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Unbegründete Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beweisverfahren bei unstreitigem Sachvortrag . . . . . . . . . 1. Beweisverfahren trotz Nichtbestreiten . . . . . . . . . . . . a) Entscheidung über die Feststellungsbedürftigkeit . . . . . aa) Übereinstimmend vorgetragene Unwahrheit . . . . . bb) Unvergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rüge als Sonderfall? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweisverfahren durch ausnahmsweise zulässiges Bestreiten a) Vollständige und der Wahrheit gemäße Erklärung . . . . . b) Einschränkung der Wahrheitspflicht . . . . . . . . . . . . aa) Strafrechtliche Selbstbelastungsfreiheit . . . . . . . . bb) Grundrechtliche Interessen . . . . . . . . . . . . . . c) Ausnahme wegen rechtswidriger Beweismittelbeschaffung

XI 139 139 141 141 141 145 146 146 146 148 149 150 151 151 151 152 152 153 155 157 159 160 160 161 162 162 164 165 166 166 166 168 169 172 172 172 176 177 179 182

XII

Inhaltsverzeichnis

d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unterstellte Beweiserheblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dogmatisches Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtspolitische Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtstatsächliche Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Vermeintliche Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anlass der Anmerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Glaubhaftmachung im Arrestverfahren . . . . . . . . . . . . . III. Vaterschaftsanfechtungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

185 186 187 188 188 189 192 194 195 195 195 197 198 199

Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot . . . . . . . . . . . . . . 201 A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Prozessuales Verbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anknüpfung an das außerprozessuale Verhalten der Partei: Informationserlangung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schadensersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Diskussion in der Beweisverbotslehre . . . . . . . . . . . b) Sachvortragsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schutzzweck der durch die Erlangung verletzten Norm . . . a) Diskussion in der Beweisverbotslehre . . . . . . . . . . . b) Sachvortragsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grundrechtswidrigkeit der Erlangung . . . . . . . . . . . . . a) Diskussion in der Beweisverbotslehre . . . . . . . . . . . b) Sachvortragsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bewertung und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . III. Anknüpfung an das prozessuale Verhalten der Partei: Tatsachenbehauptung und Beweisführung . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prozessuale Verwendungsbefugnis, §§  422, 423 ZPO . . . . a) Diskussion in der Beweisverbotslehre . . . . . . . . . . . b) Sachvortragsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Redliche Prozessführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

201 201 201 202 202 202 202 203 205 205 206 207 207 208 210 212 212 214 214 217 217

Inhaltsverzeichnis

a) Diskussion in der Beweisverbotslehre . . . . . . . . . . . b) Sachvortragsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausnutzen einer rechtswidrig herbeigeführten Lage . . . . . a) Diskussion in der Beweisverbotslehre . . . . . . . . . . . b) Sachvortragsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Unterlassungsanspruch aus §  1004 BGB . . . . . . . . . . . a) Diskussion in der Beweisverbotslehre . . . . . . . . . . . b) Sachvortragsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verbotsnormen des materiellen Rechts . . . . . . . . . . . . a) Diskussion in der Beweisverbotslehre . . . . . . . . . . . b) Sachvortragsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Indirekte Anknüpfung an das prozessuale Verhalten der Partei a) §  444 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Diskussion in der Beweisverbotslehre . . . . . . . . . bb) Sachvortragsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) §  183 GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Diskussion in der Beweisverbotslehre . . . . . . . . . bb) Sachvortragsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Diskussion in der Beweisverbotslehre . . . . . . . . . bb) Sachvortragsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit: Kein an die Partei adressiertes prozessuales Verbot . . . . C. Geltendmachungsverbot nach materiellem Recht . . . . . . . . . . I. Anlass der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzung zur Informationserlangung und zur Informationsverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unzulässige Rechtsausübung wegen rechtswidriger Kenntniserlangung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verallgemeinerungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirkung und Vergleich zum gerichtlichen Verwendungsverbot IV. Ergebnis: Koexistenz und Ergänzung . . . . . . . . . . . . . . D. Exkurs: Vertraglich vereinbartes Sachvortragsverbot . . . . . . . . I. Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prozessvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materiell-rechtlicher Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIII 217 219 221 221 221 223 223 225 229 229 230 233 233 233 234 235 235 236 237 237 238 240 240 242 242 243 244 244 245 246 250 251 251 251 254 255 256 257

XIV

Inhaltsverzeichnis

Teil 6: Zusammenfassender Überblick . . . . . . . . . . . . . . . 259 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Abkürzungsverzeichnis a. E. a. F. Abs. AcP AE AG Anm. AO ArbG ArbGG ArbRAktuell arg.ex. Art. AuA BAG BayObLG BB BB-BUZ BDSG Begr. Beschl.v. BetrVG BGB BGH BRAO BT-Drs BVerfG BVerfGE BVerwG BZRG CR DB DJT DNotZ DRiG DRiZ DSGVO

am Ende alte Fassung Absatz Archiv für die civilistische Praxis Arbeitsrechtliche Entscheidungen Amtsgericht, Aktiengesellschaft Anmerkung Abgabenordnung Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrecht Aktuell argumentum ex Artikel Arbeit und Arbeitsrecht Bundesarbeitsgericht Bayrisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater Allgemeine Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatz­ versicherung Bundesdatenschutzgesetz Begründer Beschluss vom Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Bundesrechtsanwaltsordnung Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Bundeszentralregistergesetz Computer und Recht Der Betrieb Deutscher Juristentag Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsches Richtergesetz Deutsche Richterzeitung Datenschutzgrundverordnung

XVI DuD EGMR EMRK Erwgr. etc. EzA f. / ff. FA FamFG FamRZ FS GG GmbH GRCh GRUR GS GWB Hrsg. i. V. m. InsO JA JR JURA Juris-PR ArbR Juris-PR VersR JuS JW JZ KG KUG LAG LAGE LG lit. m.w.Nw. MDR MMR NJ NJOZ NJW NJW-RR NJW-Spezial NVwZ NZA NZA-Beil. NZA-RR NZV

Abkürzungsverzeichnis Datenschutz und Datensicherheit Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention Erwägungsgrund et cetera Entscheidungssammlungen zum Arbeitsrecht folgende Fachanwalt Arbeitsrecht Familienverfahrensgesetz Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Festschrift Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gedächtnisschrift Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Herausgeber in Verbindung mit Insolvenzordnung Juristische Arbeitsblätter Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juris PraxisReport Arbeitsrecht Juris PraxisReport Versicherungsrecht Juristische Schulung Juristische Wochenschrift JuristenZeitung Kammergericht Kunsturhebergesetz Landesarbeitsgericht Landesarbeitsgerichtsentscheidungen Landgericht littera mit weiteren Nachweisen Monatsschrift für Deutsches Recht MultiMedia und Recht Neue Justiz Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Neue Juristische Wochenschrift-Spezial Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Beilage Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht

Abkürzungsverzeichnis NZWiSt ÖJZ OLG öZPO PatG r+s RdA RDV RG RGSt RGZ RL Rn. Rz. S. st.Rspr. StGB StPO u. a. Urt.v. UWG v. a. VersR Vgl. VwGO WM z.B. ZD ZFA ZfPW Ziff. ZIP ZPO ZStV ZStW ZZP

Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmens­ strafrecht Österreichische Juristen Zeitung Oberlandesgericht Zivilprozessordnung (Österreich) Patentgesetz Recht und Schaden Recht der Arbeit Recht der Datenverarbeitung Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Richtlinie Randnummer Randziffer Seite, Satz ständige Rechtsprechung Strafgesetzbuch Strafprozessordnung und andere Urteil vom Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vor allem Versicherungsrecht vergleiche Verwaltungsgerichtsordnung Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht zum Beispiel Zeitschrift für Datenschutz Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Stiftungs- und Vereinsrecht Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozess

XVII

Teil 1

Einleitung A. Einführung Die Rechtsanwendung ist tatsachenabhängig: Ein Rechtssatz kann nur dann angewandt werden, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen, an die er anknüpft, feststehen oder als feststehend zu behandeln sind.1 Auch deshalb sind in den meisten gerichtlichen Verfahren keine Rechtsfragen, sondern Darlegungs- und Beweisfragen streitentscheidend.2 Im Zivilprozess obliegen Tatsachenvortrag und Beweisführung grundsätzlich den Parteien. Sie müssen die ihre Rechtsposition begründenden Tatsachen dem Gericht schlüssig darlegen und im Bestreitens­ fall beweisen. Für eine erfolgreiche Prozessführung müssen die Parteien daher in Kenntnis der entscheidungserheblichen Tatsachen sein und über Beweismittel verfügen. Kenntnis- und Beweismittelbeschaffung finden üblicherweise vorprozessual, zumindest aber außerprozessual statt. Die jüngere Rechtsprechung zeigt, dass die Parteien sich dabei vermehrt digitaler und technischer Informationsquellen bedienen. Markante Beispiele sind die Durchsuchung von E-Mail-Postfächern3 oder Dienstcomputern,4 die heimliche DNA-Analyse5 und der Einsatz von Überwachungskameras,6 von Telefonabhörgeräten,7 von Ortungsgeräten8, von Keyloggern und Mausbewegungsrekordern mit automatischer Screen-Capture Software9

1  Benedicter, S.  7; Gomille, S.  3 f.; Götz, S.  25; AK-ZPO/Schmidt, Einleitung, Rn.  62; Tresen­ reuter, S.  128. 2  Benedicter, S.  1, 7; Betz, RdA 2018, 100, 102; Debernitz, S.  235; Geismann in: Einheit der Prozessrechtswissenschaft, 111, 111 f.; Peters, ZZP 76 (1963), 145; Störmer, JuS 1994, 238; Weichbrodt, S.  1. 3  Sander, CR 2014, 292–299. 4  BAG Urt. v. 31.01.2019 – 2 AZR 426/18 – juris. 5  BGH NJW 2006, 1657–1660; VGH Mannheim NJW 2001, 1082–1085. 6  BAG NJW 2017, 843–847. Allgemein zur Arbeitnehmerüberwachung U. Koch, ZFA 2018, 109, 118–120. Zu Dashcams BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  7–26. 7  OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577–1578. 8  BGH NJW 2013, 2668–2671. 9  BAG NZA 2017, 1327–1332.

2

Teil 1: Einleitung

und von vernetzen Smart Cams10. Ein Ende dieser technischen Entwicklung ist nicht absehbar.11 Den Vorteilen der neuen Technologien steht aber ein gesteigertes gesellschaftliches Bewusstsein für Datenschutz gegenüber, das sich in einer Vielzahl datenschützender Gesetze, allen voran der Europäischen Datenschutzgrundverordnung und dem Bundesdatenschutzgesetz, widerspiegelt.12 Deshalb sind viele Ermittlungsmethoden zwar technisch möglich, aber rechtlich unzulässig. Wenn die Parteien bei der Informations- und Beweismittelbeschaffung rechtswidrig gehandelt haben, muss im Prozess über die Frage entschieden werden, ob die rechtswidrig erlangten Informationen und Beweismittel prozessual zulässig sind. Eine diesbezüglich eindeutige Aussage des Gesetzgebers fehlt. Weder die Zivilprozessordnung noch das Arbeitsgerichtsgesetz noch die Europäische Konvention für Menschenrechte regeln prozessuale Folgen einer rechtswidrigen Beweismittel- und Informationsbeschaffung ausdrücklich.13 Die Zivilprozessordnung enthält zwar Regelungen über den Ausschluss bestimmter Beweisarten (§§  165 S.  1, 314 S.  2, 595 Abs.  2, 605 Abs.  1, 605a, 727 Abs.  1 a. E. ZPO), über den Ausschluss verspätet vorgebrachter Beweismittel und Tatsachenbehauptungen (§§  296, 530 f. ZPO) und über den Ausschluss nicht-präsenter Beweismittel (§§  294 Abs.  2, 356 ZPO). Diese Ausschlüsse beruhen aber nicht auf dem Beweismittel oder der Information und nicht auf deren Beschaffung, sondern haben verfahrensrechtliche Gründe.14 Aus der Nichtregelung einer prozessualen Sanktion lässt sich weder folgern, dass der vorprozessuale Rechtsverstoß prozessual folgenlos bleiben soll, noch dass er automatisch die prozessuale Unzulässigkeit der rechtswidrig erlangten Informationen oder Beweismittel zur Folge hat.15 Die Prozessrechtsforschung und die Gerichte haben sich lange Zeit nur eingeschränkt mit den prozessualen Folgen der materiell rechtswidrigen Informationsbeschaffung befasst. Seit Anfang der fünfziger Jahre wird unter dem Stichwort „Beweisverbot“ diskutiert, ob materiell rechtswidrig beschaffte Beweismittel in den Prozess eingeführt und dort verwendet werden können. Aber erst in den letzten Jahren wurde auch ein Sachvortragsverbot, das die Einführung und Verwen10 

Schwenke, NJW 2018, 823–827; Zimmermann in: Taeger, 171, 172 f. Röth, AE 2014, 274; Schwenke, NJW 2018, 823. 12  Nach Einschätzung von Greve, NVwZ 2017, 737, 744 (dort: Fn.  51) enthalten in Deutschland etwa 300 Fachgesetze datenschutzrechtliche Regelungen. 13  EGMR NJW 1989, 654, 655; BAG NJW 2017, 843, 844; BB 2019, 697, 698; BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  28; Ahrens, Kapitel  6, Rn.  9; Betz, RdA 2018, 100, 101; Brinkmann, AcP 206 (2006), 746, 749; MAH-Arbeitsrecht/Dendorfer-Ditges, §  35, Rn.  220; Tschöpe/Grimm, Teil  6 F, Rn.  212; Rogall in: FS Rieß, 951, 974; IT-Arbeitsrecht/ Tiede­mann, B., Rn.  495. Zum Sachvortragsverbot Heinemann, MDR 2001, 137, 141; Reichen­ bach, S.  215. 14  Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 317; Kodek in: FS Kaissis, 523, 538 (zur öZPO). 15  BGH r+s 2017, 462, 465. 11 

B. Methodik

3

dung der Informationen als Sachvortrag verhindern würde, von der Justiz erörtert.16 Dieses von den Gerichten geschaffene Sachvortragsverbot ist in seiner dogmatischen Konstruktion bisher nicht näher erforscht.17 Die vorliegende Arbeit wird deshalb der Frage nachgehen, ob und wie sich ein Sachvortragsverbot als prozessuale Folge der materiell rechtswidrigen Informationsbeschaffung in die Gesetzessystematik einfügt und welche Voraussetzungen und Rechtsfolgen ein solches Verbot hätte.

B. Methodik Die Untersuchung knüpft an die Beweisverbotslehre an und behandelt die Thematik losgelöst von Einzelfällen. Die Forschungsfrage steht in einem engen tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang mit dem bis heute kontrovers diskutierten Forschungsfeld der Beweisverbote. Gegenstand beider Fragen sind prozessuale Folgen eines vorprozes­ sualen Verstoßes gegen das materielle Recht. Tatsächlicher Ausgangspunkt ist also jeweils eine materiell rechtswidrige Handlung, die Informationsbeschaffung. Beim Beweisverbot ist diese Informationsbeschaffung die Beweisbeschaffung, etwa das rechtswidrige Entwenden einer Vertragsurkunde, von deren Existenz und Inhalt die Partei vorher Kenntnis hatte,18 und beim Sachvortragsverbot ist diese Informationsbeschaffung die Kenntnisbeschaffung, etwa die rechtswidrige Videoüberwachung eines Kellerraums im Mehrfamilienhaus, um Kenntnis von der Person zu erlangen, die dort regelmäßig Waschmaschinen beschädigt.19 Bei sogenannten Zufallsfunden, also Fälle, in denen die spätere Prozesspartei von sämtlichen Sachverhaltsinformationen nur durch ein zufällig gefundenes Beweismittel Kenntnis erlangt, ist es sogar derselbe tatsächliche Ausgangspunkt, die einheitliche Beschaffungshandlung. Ein solcher Zufallsfund liegt beispielsweise vor, wenn der Arbeitgeber anlasslos gefilmtes Videomaterial sichtet und dabei einen Vorfall bemerkt, den er anschließend zum Gegenstand einer Kündigung macht.20 Besonders deutlich wird der tatsächliche Zusammenhang schließ16 

Dazu Teil  2, B. II. 1. Dazu Teil  2, B. II. 2. 18  Beispielsweise zu gestohlenen Urkunden: Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469–503; ­Peters, ZZP 76 (1963), 145, 152–154; A. Roth, JR 1950, 715; Wais, S.  122–155; Werner, NJW 1988, 993, 994. 19  Beispiel nach OLG Köln NJW 2005, 2997–3000. Zur Frage, ob ein Sachvortragsverbot an die Kenntnisbeschaffung oder an die Beweisbeschaffung anknüpfen kann: Teil  4, B. II. 2. b) und Teil  4, C. II. 2. d). 20  Beispiel (abgewandelt) nach BAG NZA 2011, 571–575. Zur Unterscheidung von Basisund Zusatzwissen: Teil  4, B. II. 2. b) und Teil  4, C. II. 2. d) und insbesondere Teil  4, C. II 4. b). 17 

4

Teil 1: Einleitung

lich, wenn man das prozessuale Verbot als Sanktion der Informationsbeschaffungshandlung ansieht,21 denn das zum Zeitpunkt der Handlung geltende materielle Recht unterscheidet nicht danach, ob die Informationen im anschließenden Prozess als Beweismittel oder als Sachvortrag verwendet werden. Das Filmen des Videos verstößt gleichermaßen gegen das materielle Recht,22 unabhängig davon, ob die Partei in einem späteren Prozess (nur) die Kenntnisse aus dem Video vorträgt, oder (auch) das Video selbst als Beweismittel anbietet. Und die Prozess­ partei wird sich zur Einschätzung ihres Prozessrisikos nicht nur dafür interessieren, ob sie die ihr zur Verfügung stehenden Informationen prozessual als Beweismittel verwenden kann, sondern auch dafür, ob ihr bei der Informationsverwendung als Sachvortrag Grenzen gesetzt sind. Beweis- und Sachvortragsverbot befinden sich dogmatisch an derselben Schnittstelle von materiellem Recht und Prozessrecht, wo materiell-rechtliche Wertungen und zivilprozessuale Grund­ sätze aufeinander treffen.23 Somit stehen die Fragen auch in einem engen recht­ lichen Zusammenhang. Schließlich wird ein Sachvortragsverbot von Teilen der Literatur und Judikatur insbesondere für Fälle gefordert, in denen ein Beweisverbot „leerläuft“, „umgangen wird“ oder seinen „Zweck nicht erfüllen“ kann.24 Aufgrund dieser vielen Schnittstellen zwischen den Fragen ist es für die Untersuchung eines Sachvortragsverbots nicht nur sinnvoll, sondern zwingend erforderlich, Rückschlüsse aus der Forschung zu den Beweisverboten zu ziehen. Deshalb knüpft die Arbeit wesentlich an die dogmatischen Erkenntnisse der Beweisverbotslehre an, indem sie diese fortentwickelt und, wo nötig, in Frage stellt. Weil die Arbeit das Sachvortragsverbot zum Gegenstand hat, diskutiert sie die prozessuale Zulässigkeit materiell rechtswidrig erlangter Beweismittel nicht erschöpfend, sondern beschränkt sich darauf, die Lösungskonzepte zum Beweisverbot als Forschungsansatz zur Begründung eines Sachvortragsverbots heranzuziehen. Es soll geklärt werden, ob und mit welcher Wirkung sich die Lösungskonzepte der Beweisverbotslehre auf die hier zu untersuchende Thematik übertragen lassen und ob diese Konzepte die Konfliktsituation des rechtswidrig beschafften Sachvortrags befriedigend auflösen können oder ob sie durch sachvortragsverbotsspezifische Konzepte ergänzt werden müssen. Es gilt zu hinterfragen, ob ein Sachvortragsverbot eine genuin neue Problematik oder nur ein Teil 21 

So einige Lösungsansätze der Beweisverbotsforschung, dazu Teil  5, B. In Betracht kommen etwa Art.  6 DSGVO, §§  4, 24 BDSG, §  823 BGB i. V. m. dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und §  201a StGB. 23  Zu den gemeinsamen dogmatischen Grundlagen: Teil  2, A. 24  OLG Karlsruhe MMR 2009, 412, 414; Eylert, NZA-Beil. 2015, 100, 107; Heinemann, MDR 2001, 137, 142; Kort, NZA 2012, 1321, 1326; Natter in: Beschäftigtendatenschutz in der Reform, 133, 151; Sander, CR 2014, 292, 298; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 228; BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  31; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 58. 22 

C. Themeneingrenzung

5

der bekannten Problematik des Beweisverbots ist. Die Erkenntnisse dieser Untersuchung können deshalb ihrerseits die Forschung zu den Beweisverboten bereichern. Ziel der Arbeit ist die Ausarbeitung eines abstrakten Systems, unter das anschließend konkrete Einzelfälle subsumiert werden können. Dieses Ziel wird mit einem deduktiven Ansatz verfolgt, der auf die Analyse von Einzelfällen verzichtet. Wo es für das Verständnis als notwendig erachtet wird, werden kleine Beispielsfälle zur Veranschaulichung genannt. Diese sind vielfach dem Arbeitsrecht entnommen, da viele der praktischen Fälle von der Arbeitsgerichtsbarkeit entschieden wurden.25

C. Themeneingrenzung Gegenstand der Untersuchung ist das zivilprozessuale Regelverfahren nach der Zivilprozessordnung und, aufgrund der praktischen Relevanz, das arbeitsgerichtliche (Urteils-)Verfahren, für das gemäß §  46 Abs.  2 S.  1 ArbGG im Wesentlichen dieselben Vorschriften gelten. Forschungsthema sind die prozessualen Folgen der materiell rechtswidrigen Informationsbeschaffung. Informationsbeschaffung meint dabei jede Handlung, mit der Informationen erlangt werden, wobei diese Informationen sowohl die bloße Kenntnis von Tatsachen als auch (die Verfügungsmöglichkeit über) Beweismittel, wie Gegenstände, Schriftstücke oder Zeugen, sein können. Rechtswidrigkeit meint das Unwerturteil der Rechtsordnung über eine Handlung oder einen Erfolg.26 Innerhalb der Forschungsfrage bezieht sich die Rechtswidrigkeit stets auf das materielle Recht, denn die außerprozessuale Beschaffungshandlung kann nicht gegen Prozessrecht verstoßen, weil dieses außerprozessual nicht anwendbar ist.27 Soweit daher im Folgenden von der rechtswidrigen Informationsbeschaffung die Rede ist, meint dies immer einen Verstoß gegen materielles Recht. Dabei wird der Begriff zunächst im weitesten Sinne verstanden und insbesondere nicht nach Art oder Intensität des Rechtsverstoßes spezifiziert. Die Lösungskonzepte aus der Beweisverbotslehre knüpfen teilweise an bestimmte Rechtsverstöße an und greifen teilweise nur mittelbar auf einen Rechtsverstoß zurück. Eine Begriffseingrenzung vorab würde deshalb einer umfassenden Berücksichtigung dieses Forschungsstandes entgegenstehen. Entscheidende Frage 25  Die Häufigkeit in der Praxis dürfte aus der Natur des Arbeitsverhältnisses als persönliches Vertrauensverhältnis und Dauerschuldverhältnis und den gesetzlichen Kündigungsschutzregelungen resultieren. 26  Zum Begriff der Rechtswidrigkeit näher Wais, S.  34 f.; Werner, NJW 1988, 993, 996. 27  Betz, RdA 2018, 100, 103; Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 318.

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Teil 1: Einleitung

dieser Arbeit ist nicht, ob ein bestimmter Rechtsverstoß zur prozessualen Unzulässigkeit des Sachvortrags führt, sondern welche Rechtsverstöße aufgrund ­wel­cher Regelungen zur prozessualen Unzulässigkeit von Sachvortrag führen können. Aus diesem Grund wird die Rechtswidrigkeit der (vorprozessualen) Beschaf­fungshandlung hier nicht geprüft, sondern vorausgesetzt. Etwaige außerprozessuale Sanktionen und Rechtsfolgen, je nach Fallkonstellation bußgeld­ rechtliche, strafrechtliche, schadensrechtliche oder sachenrechtliche Folgen,28 werden deshalb nicht thematisiert. Diese außerprozessualen Rechtsfolgen sind von der prozessualen Zulässigkeitsfrage zu trennen.29 Ebenso ausgeklammert werden prozessuale Folgen verfahrensrechtlicher Verstöße des Gerichts. Dies sind beispielsweise Fälle, in denen das Gericht Zeugen fehlerhaft geladen oder fehlerhaft belehrt hat oder Fehler bei der Beweisbeschlussfassung gemacht hat. Die Beweisverbotslehre unterscheidet grundsätzlich danach, ob Beweisverbote Folge von Verfahrensfehlern des Gerichts oder Folge des Parteiverhaltens bei der Beweismittelbeschaffung sein sollen.30 Anerkanntermaßen haben die Fallgruppen keine zur gemeinsamen Behandlung zwingenden Ähnlichkeit.31 Verfahrensfehlerhaft erlangte Beweisergebnisse sind zudem für den Sachvortrag nicht relevant, denn dieser wird allein durch den Vortrag der Partei Gegenstand des Verfahrens und bedarf keiner mit einem Beweisverfahren vergleichbaren gerichtlichen Handlung. Es gibt keine den Beweisergebnissen entsprechenden „Sachvortragsergebnisse“.

D. Gang der Untersuchung Die Arbeit gliedert sich in sechs Teile, wovon Teil  1 diese Einleitung ist. In Teil  2 werden dogmatische Vorfragen beantwortet und die Erkenntnisse der Beweisverbotslehre sowie der Forschungsstand zum Sachvortragsverbot dargestellt. Der weitere Gang der Untersuchung orientiert sich am Forschungsstand 28  Zu den außerprozessualen Sanktionen etwa Balzer/Nugel, NJW 2013, 3397–3403; Brink/ Wybitul, ZD 2014, 225–231; Byers/Wenzel, BB 2017, 2036–2040; Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 319; Fricke, VersR 2009, 297–306; Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329–344; Tschöpe/ Grimm, Teil  6 F, Rn.  193–209, 220–223; Lachenmann/Schwiering, NZV 2014, 291–297; Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50–58; A. Müller, S.  30–109; A. Braun/Wisskirchen/Panzer-­ Heemeier, Teil I 4, Rn.  161–172; Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074–2080; Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745–1753; Venetis/Oberwetter; NJW 2016, 1051–1057; Washausen, S.  227–260. 29  Morgenroth, NZA 2014, 408, 409. Näher dazu in Teil  5, B. 30  Weichbrodt, S.  133–137. 31  Wais, S.  31 f., 33 f.; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377, 380. Zur Rechtsfolge von Verstößen gegen Verfahrensrecht siehe insbesondere Macht, S.  93–95; Störmer, JuS 1994, 334, 338; Wais, S.  40– 116.

D. Gang der Untersuchung

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der Beweisverbotslehre. Dieser wird jedoch nicht im Zusammenhang abgebildet,32 sondern die jeweiligen Lösungskonzepte werden als Forschungsansatz verwendet, um ein mögliches Sachvortragsverbot zu begründen. Die Untersuchung dieser Lösungskonzepte beginnt in Teil  3 mit dem über­ wiegend anerkannten Ansatz, der das Beweisverbot als ein an das Gericht adressiertes „Verwendungsverbot“ versteht und an die gerichtliche Verwendung der grundrechtlich geschützten, in den Beweismitteln enthaltenen Informationen anknüpft. Er wird zunächst auf seine theoretischen Grundlagen und anschließend auf seine prozessualen Auswirkungen, seinen Anwendungsbereich und seine Reichweite untersucht. Nur so kann das Rechtsinstitut Beweisverbot abschließend beurteilt und als Grundlage für weitere Erwägungen herangezogen werden. Ausgehend von diesen Feststellungen wird dann in Teil  4 ein an das Gericht adressiertes, an den Grundrechtsschutz der im Sachvortrag enthaltenen Informationen anknüpfendes „Sachvortragskenntnisnahme-“ oder „Sachvortragsverwendungsverbot“ erwogen. Dazu wird geprüft, ob der Sachvortrag selbst einem verfassungsrechtlich begründeten Verbot unterliegt und inwieweit sich ein Beweisverbot nach dem Lösungsansatz aus Teil  3 auf den dazugehörigen Sachvortrag auswirkt. In Teil  5 wird ein an die Parteien adressiertes „Behauptungsverbot“ erwogen. Dabei wird ebenfalls an die Erkenntnisse der Beweisverbotslehre angeknüpft, die mit unterschiedlichen Ansätzen ein „Beweisführungsverbot“ zu begründen versucht hat. Dabei wird der Tatsache Rechnung getragen, dass zwischen den Parteien neben dem Prozessrechtsverhältnis auch ein Rechtsverhältnis nach materiellem Recht besteht. Die gefundenen Ergebnisse werden abschließend in Teil  6 zusammengefasst.

32 

Zusammenhängende Darstellung etwa in Fink, S.  139–173; Gemmeke, S.  14–102; Kaissis, S.  56–68; Kaltenmeier, S.  17–77; Kodek, S.  96–121; Muthorst, S.  92–117; Reichenbach, S.  25–56; Tresenreuter, S.  5–42; Weichbrodt, S.  141–202; Werner, NJW 1988, 993–1002.

Teil 2

Grundlagen Gegenstand dieser Arbeit sind die prozessualen Folgen der rechtswidrigen Informationsbeschaffung in Bezug auf den Sachvortrag. Bevor dieser Forschungsfrage nachgegangen werden kann, ist sie in die Gesetzessystematik und den Forschungs­ stand einzuordnen. Deshalb werden in Teil  2 zunächst einige dogmatische Vorfragen (A.) und der Stand der Forschung zum Beweisverbot und zum Sachvortragsverbot (B.) dargestellt.

A. Dogmatische Vorfragen Die prozessualen Folgen der materiell rechtswidrigen Informationsbeschaffung berühren grundlegende Prinzipien der Gesetzessystematik (I.), des Verfassungsrechts (II.) und des Verfahrensrechts (III.). Sie sind als wesentliche Grundlage dieser Arbeit bei der weiteren Argumentation zu beachten. Diese dogmatischen Vorfragen stecken zudem die äußeren Grenzen des dogmatisch Zulässigen ab und ermöglichen so eine erste Eingrenzung der Problemlösungsmöglichkeiten.

I. Prozessrecht und materielles Recht 1. Relevanz für die Forschungsfrage Mit Verweis auf eine strikte Trennung von Prozessrecht und materiellem Recht wurden in der Vergangenheit jedwede Prozessfolgen einer rechtswidrigen Informationsbeschaffung abgelehnt: Materiell-rechtliche Rechtsverstöße seien ausschließlich durch das materielle Recht zu ahnden, das Rechtsgüter durch zivilrechtliche Abwehransprüche angemessen schütze und Rechtsverletzungen durch strafrechtliche Verbote hinreichend verhindere.1 Das Prozessrecht regele den Prozess als ein „moralinfreies“, formalisiertes Verfahren und sei daher vor materiell-rechtlichen Wertungen immun.2 Eine derart strikte Trennung der Teilrechtsordnungen wird in der Wissenschaft heute nicht mehr vertreten. 1  2 

Lang, S.  136 f. Goldschmidt, S.  295, 297.

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Teil 2: Grundlagen

Das Verhältnis von Prozessrecht und materiellem Recht ist für die Forschungsfrage aber auch jenseits der damaligen Extremauffassung entscheidend, denn sie befindet sich im Spannungsfeld der formalen Verfahrensgerechtigkeit und der materiellen Sachgerechtigkeit.3 Die prozessuale Gerechtigkeitserwartung zielt auf ein faires, Rechtsfrieden schaffendes Verfahren, während die materielle Gerechtigkeitserwartung die inhaltliche Sachentscheidung betrifft.4 Es ist aus Sicht der einen Partei prozessual ungerecht, wenn vorgetragener Sachvortrag oder angebotene Beweismittel nicht berücksichtigt werden, zugleich aber aus Sicht der anderen Partei materiell gerecht, dass die rechtswidrige Beschaffungshandlung sanktioniert wird. Demgegenüber ist es aus Sicht der anderen Partei prozessual ungerecht, wenn das Gericht durch Verwendung der rechtswidrig erlangten Informationen die Beschaffungshandlung „legalisiert“, zugleich aber aus Sicht der einen Partei materiell gerecht, wenn ein entstandenes subjektives Recht durchgesetzt wird. Die Herausforderung besteht darin, einen angemessen Ausgleich zwischen den beiden Gerechtigkeitserwartungen zu schaffen.5 Die Forschungsfrage liegt an der Schnittstelle der beiden Teilrechtsordnungen, weshalb viele Lösungskonzepte die problemlösende Norm dem materiellen Recht entnehmen oder aber Wertungen des materiellen Rechts auf das Prozessrechtsverhältnis übertragen. Das Verhältnis von Prozessrecht und materiellem Recht bildet daher eine wesentliche Grundlage der Untersuchung. Die Beziehung der beiden Teilrechtsordnungen zueinander kann hier nicht vertieft behandelt werden.6 Es ist aber das grundsätzliche Prozessrechtsverständnis im Allgemeinen herauszuarbeiten, um in der weiteren Arbeit daran anknüpfen zu können. Welche Wirkung dieses Verständnis im Konkreten bei den jeweiligen Begründungsansätzen von Beweisund Sachvortragsverboten entfaltet, wird dann an geeigneter Stelle diskutiert. 2. Grundsätzliches Prozessrechtsverständnis a) Überblick Das Prozessrechtsverständnis hat sich im Laufe der Zeit verändert:7 Geprägt vom römischen Aktionen-Denken, wurde das Prozessrecht zunächst ausschließ3  Eylert, NZA-Beil. 2015, 100, 105; Gemmeke, S.  2; Jäger, S.  255; Reichenbach, S.  6; Röth, AE 2014, 274. 4  H. Prütting in: Liber Amicorum Henckel, 261, 267; H. Prütting in: FS Gottwald, 507, 511. 5  Jäger, S.  255. 6  Zur „Unerschöpflichkeit“ des Themas: H. Prütting in: Liber Amicorum Henckel, 261. Überblick über den Streitstand: Gemmeke, S.  15–24, 188–198; Kaissis, S.  30–37; Reichenbach, S.  107–114. Die Problematik wird v. a. mit Blick auf Parteibegriff, Streitgegenstandsbegriff und die Rechtskraftlehre diskutiert, dazu Koussoulis in: Dogmatische Grundfragen, 7,10–16. 7  Zur historischen Veränderung und Entwicklung Gemmeke, S.  15–24; Koussoulis. in: Dogmatische Grundfragen, 7, 8 f.

A. Dogmatische Vorfragen

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lich als ein dem materiellen Recht dienendes Recht gesehen. Später verbreitete sich die Ansicht, die Rechtsgebiete seien als autonome Materien mit jeweils eigenen Wertungen strikt voneinander zu trennen. Nach dem modernen Prozessrechtsverständnis bestehen trotz der grundsätzlichen Autonomie vereinigende Elemente durch Funktionszusammenhänge, Wech­ selwirkungen und Überschneidungen.8 b) Trennungsgrundsatz Von Gesetzes wegen sind Zivilprozessrecht und materielles Zivilrecht prinzipiell getrennt.9 Das Zivilprozessrecht wird, wie auch die anderen Verfahrensrechtsordnungen, dem öffentlichen Recht zugeordnet.10 Im Prozessrecht sind daher neben den Partei­interessen auch die Interessen der Allgemeinheit zu berücksichtigen.11 Es regelt als formelles Recht den Ablauf eines Verfahrens, das auf die autoritative Entscheidung einer Rechtssache durch eine von den Streitparteien unabhängige Instanz ausgerichtet ist.12 Es hat damit einen eigenen Regelungsgegenstand, eigene Funktionen und eigene Wertungen.13 Während das materielle Recht unmittelbar und ohne Vermittlung durch Rechtspflegeorgane das Verhalten der Rechtssubjekte zueinander regelt, betrifft das Prozessrecht die insoweit qualifizierte Rechtsausübung in einem Verfahren vor Rechtspflegeorganen.14 Die Eigenständigkeit der Rechtsgebiete zeigt sich bereits in der äußerlichen Trennung der Kodifikationen und in der mitunter uneinheitlichen Terminologie. So haben die Begriffe des Anspruchs, der Einrede, des Verzichts und des Anerkenntnisses im Zivilprozessrecht eine andere Bedeutung als im materiellen Zivilrecht.15 Auch Form und Reichweite der gerichtlichen Entscheidung verdeutli8  Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  31; Gemmeke, S.  23, 188, 191; Grunsky, S.  7; Kaissis, S.  36; R. Koch, S.  11; Konzen, S.  20, 45, 71; Koussoulis in: Dogmatische Grundfragen, 7, 9; Muthorst, S.  141 f.; Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 619; Wagner, S.  60; Weichbrodt, S.  209; Zöllner, AcP 190 (1990), 471. 9  Konzen, S.  329. 10  RG RGZ 102, 217, 220; Arens, AcP 173 (1973), 250; Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  118; Muthorst, S.  144; H. Prütting in: Liber Amicorum Henckel, 261, 262; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  25 f.; Wagner, S.  14. Anders: Reichenbach, S.  58–60; Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 485. 11  Arens, AcP 173 (1973), 250; Fleck, S.  189; Konzen, S.  41. 12  Neuner, S.  4; Wagner, S.  13. 13  Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  31; Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 318; Muthorst, S.  141 f. MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  27; Werner, NJW 1988, 993, 999. 14  Henckel, S.  21; H. Prütting in: Liber Amicorum Henckel, 261, 262; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  28; Wagner, S.  13. 15  MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  29.

12

Teil 2: Grundlagen

chen die Trennung der Teilrechtsordnungen.16 Bei einer Prozessrechtsverletzung ergeht kein Sachurteil, sondern ein Prozessurteil, welches nur den Prozess, aber nicht das eingeklagte Recht betrifft.17 Nach §  280 ZPO kann über die Zulässigkeit einer Klage gesondert verhandelt werden. Die Rechtsbehelfsprüfung unterscheidet (formelle) Zulässigkeit und (materielle) Begründetheit (§  522 ZPO). Aus dieser gesetzlichen Trennung wird geschlussfolgert, dass Rechtsätze der jeweiligen Teilrechtsordnungen nicht wechselseitig austauschbar sind.18 Probleme des materiellen Rechts sollen nicht durch Prozessrecht und Probleme des Prozessrechts nicht durch materielles Recht gelöst werden.19 Während weitgehend Einigkeit ob der grundsätzlichen Trennung besteht, ist die Grenzziehung nicht eindeutig geklärt.20 Insbesondere ist umstritten, ob es sich um eine systematische21 oder um eine bloß funktionale22 Trennung handelt. c) Abgrenzung in Randbereichen Erschwert wird die Trennung der Teilrechtsordnungen durch wesentliche Funktionszusammenhänge, Wechselwirkungen und Überschneidungen. Denn trotz des grundsätzlich geltenden Trennungsprinzips stehen die Rechtsgebiete nicht beziehungslos nebeneinander. Die (prozessuale) Erzwingbarkeit ist wesentlich für den Geltungsgrund eines materiell-rechtlichen Rechtsatzes. Das materielle Recht braucht ein Verfahren, mit dem es durchgesetzt werden kann, um auch im materiellen Rechtskreis akzeptiert zu sein.23 Zugleich verfolgt das Zivilprozessrecht keinen Selbstzweck, sondern dient der Verwirklichung des materiellen Rechts.24 Dies folgt bereits daraus, dass der Gesetzgeber nicht ein einheitliches Prozessrecht, sondern verschiedene Verfahrensordnungen für die jeweiligen Gebiete des materiellen Rechts erlassen hat.25 Zudem überschneiden und beeinflussen sich materielles Zivilrecht und Zivilprozessrecht vielfach, sodass eine vollständige Trennung der Materien unmöglich ist.26 Pfändungsgrenzen und ‑verbote in der Zwangsvollstreckung berück16 

H. Prütting in: Liber Amicorum Henckel, 261, 262. Neuner, S.  1, 8 f., 109. 18  Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140, 141. 19  Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140, 152. 20  Arens, AcP 173 (1973), 250, 253; Henckel, S.  5–26; Konzen, S.  49–52, 329. 21  Arens, AcP 173 (1973), 250; Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140, 149; Konzen, S.  49. 22  So zB Henckel, der nach Lebensbereichen unterteilt, S.  21. 23  Neuner, S.  6, 11. 24  Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  28; Neuner, S.  6. 25  Gemmeke, S.  191. 26  Kaissis, S.  35; Konzen, S.  29; Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 485. Zum Strafrecht Sieber in: FS Roxin, 1113, 1117. 17 

A. Dogmatische Vorfragen

13

sichtigen materielle Gerechtigkeitsfragen, die parteibezogenen Sachurteilsvoraussetzungen in §§  50 ff. ZPO haben materiell-rechtliche Voraussetzungen wie Rechtsfähigkeit (§  50 Abs.  1 ZPO), Geschäftsfähigkeit (§  51, 52 ZPO), recht­ liches Interesse (§  66 ZPO) oder materielle Anspruchsgegnerschaft (§  72 ZPO) und die Rechtskraft eines Urteils kann durch eine Klage nach §  826 BGB durchbrochen werden. Und auch das Bürgerliche Gesetzbuch kennt prozessrechtliche Bestimmungen wie §§  407 Abs.  2, 1958, 2039 BGB und Normen, wie §§  204, 818 Abs.  4 BGB, die an prozessuale Ereignisse anknüpfen.27 Diese Wechselwirkungen und Überschneidungen gelten jedoch als Ausnahme zum Grundsatz der generellen Trennung.28 Die herausgearbeiteten Ausnahmen verdeutlichen aber, dass die normative Anordnung entscheidende Voraussetzung für eine Wertungsübertragung zwischen den Teilrechtsordnungen ist. Die Beeinflussung des jeweils anderen Rechtsgebiets kann ohne diesen Normbezug nicht erfolgen, weil der Trennungsgrundsatz anderenfalls ausgehebelt werden würde. Um materielle Wertungen oder Rechtssätze in den Prozess zu übertragen, bedarf es daher zwingend einer entsprechenden normativen Anordnung (Transforma­ tionsnorm), die eine konkrete Norm des materiellen Rechts für anwendbar erklärt oder rechtsordnungsübergreifende Wertungen enthält.29 Eine allgemeine Aussage zur Übertragungsmöglichkeit materiell-rechtlicher Wertungen in den Prozess ist deshalb nicht möglich. Vielmehr ist für jeden Rechtssatz gesondert zu prüfen, ob er im Prozess Wirkung entfaltet.30 d) Ergebnis Das moderne Prozessrechtsverständnis trennt also zwischen den Teilrechtsordnungen, schließt aber eine Wertungsübertragung nicht grundsätzlich aus. Wertun­ gen des materiellen Zivilrechts können im Zivilprozessrecht berücksichtigt werden, wenn diese Übertragung gesetzlich angeordnet oder diese Wertung rechtsordnungsübergreifend umgesetzt ist.

27 

Beispiele übernommen von Gemmeke, S.  194–196; Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 477 f. Gemmeke, S.  191, 198; Kaissis, S.  37; Koussoulis in: Dogmatische Grundfragen, 7, 8 f.; Muthorst, S.  141 f.; Zöllner, AcP 190 (1990), 471. Anders (Wechselwirkung als Grundsatz, Nichtübertragbarkeit als Ausnahme): Grunsky, S.  207; Reichenbach, S.  114. 29  Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  41; Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 318; Gemmeke, S.  197 f.; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  263; Werner, NJW 1988, 993, 999. Zum Strafprozess Rogall in: FS Grünwald, 523, 536. 30  Grunsky, S.  207; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  240, 242, 263 f.; Reichenbach, S.  114, 130. 28 

14

Teil 2: Grundlagen

II. Berücksichtigungspflicht des Gerichts Weitere wesentliche Grundlage der Arbeit sind die verfassungsrechtlich verbürgten, verfahrensrechtlich abgesicherten Rechte auf rechtliches Gehör und auf Beweis, die mit einer entsprechenden Berücksichtigungspflicht des Gerichts einhergehen. Sie stehen sowohl einem Beweisverbot als auch einem Sachvortragsverbot zunächst entgegen. 1. Recht auf rechtliches Gehör Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör, Art.  103 Abs.  1 GG. Dieses Recht beinhaltet neben Informationsrechten insbesondere die Äußerungsbefugnis der Parteien und die Pflicht des Gerichts, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen.31 Das Recht auf rechtliches Gehör ist zuvörderst ein elementares Prozessgrundrecht und grundrechtsgleiches Recht.32 Es zielt auf die Anerkennung der Parteien als aktiv handelnde Prozesssubjekte anstatt als bloße Prozessobjekte und steht daher in einem engen Zusammenhang zu der in Art.  1 Abs.  1 GG verankerten Menschenwürde.33 Das Recht auf rechtliches Gehör ist zugleich aber auch ein unverzichtbarer Bestandteil einer rechtsstaatlichen Prozessordnung und folgt deshalb auch aus Art.  6 Abs.  1 S.  1 EMRK, Art.  47 Abs.  2 GRCh.34 Das Gehörsrecht ist insoweit eine objektive Verfahrensnorm, die gesetzesrichtige und gerechte Entscheidungen garantieren soll.35 Es dient dem Allgemeininteresse an der Aufklärung entscheidungsrelevanter Tatsachen und soll die Richtigkeit der Entscheidung fördern.36 Deshalb bildet Art.  103 Abs.  1 GG die wichtigste verfassungsrechtliche 31 

BVerfG NJW 1978, 989; NJW 2005, 1487; NJW 2009, 1585, 1586; WM 2012, 492; BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  29; BAG NZA 2014, 143, 145; Frohn, S.  42; ­Hergenröder, S.  292; Isensee/Kirchhof/Knemeyer, §  178, Rn.  29–32; J. Prütting in: Einheit der Prozessrechtswissenschaft, 247, 249; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  243–254; AK-ZPO/­ ­Schmidt, Einleitung, Rn.  86. 32  BVerfG NJW 2003, 1924, 1926; Frohn, S.  45; Isensee/Kirchhof/Knemeyer, §  178, Rn.  15, 20; MüKo-ZPO/Rauscher, Rn.  233. Nicht unumstritten, vgl. Maunz/Dürig/Remmert, Art.  103 Abs.  1, Rn.  25. 33  BVerfG NJW 1958, 665; NJW 1954, 427; BGH NJW 1968, 354, 355; Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  283; Hergenröder, S.  291; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  233; AK-ZPO/ Schmidt, Einleitung, Rn.  85. 34  Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  16, 19; Isensee/Kirchhof/Knemeyer, §  178, Rn.  19 f.; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  233; AK-ZPO/Schmidt, Einleitung, Rn.  85; Zöller/Voll­ kommer, Einleitung, Rn.  100a f. 35  BVerfG NJW 1958, 665; NJW 1954, 427; NJW 2009, 1585, 1586; Isensee/Kirchhof/ Knemeyer, §  178, Rn.  19. 36  BVerfG NJW 1958, 665; NJW 1954, 427.

A. Dogmatische Vorfragen

15

Leitidee für die Ausgestaltung des Verfahrensrechts und ist als solche bei der Anwendung und Auslegung der Zivilprozessordnung stets zu berücksichtigen.37 Das Recht auf rechtliches Gehör war schon vor dessen Normierung im Grundgesetz als allgemeiner Grundsatz im Zivilprozessrecht anerkannt, ist aber durch die verfassungsrechtliche Verankerung gestärkt worden.38 In der Zivilprozessordnung ist das Recht auf rechtliches Gehör nicht ausdrücklich normiert, weil es der gesamten Verfahrensgestaltung geradezu selbstverständlich zugrunde liegt. Der kontradiktorische Zweiparteienprozess muss den Parteien die Darlegung ­ihrer Standpunkte vor Gericht in sachgerechter Weise ermöglichen.39 Zugleich folgt aus dem Rechtsprechungsauftrag an die Justiz die ureigene Pflicht des Gerichts, das Vorbringen der Parteien tatsächlich und rechtlich zu würdigen.40 2. Recht auf Beweis Das Recht auf Beweis wird direkt aus dem Grundgesetz abgeleitet. In der verfassungsrechtlichen Literatur ist jedoch umstritten, ob es dem Justizgewährungsanspruch, dem Recht auf ein faires Verfahren oder dem Recht auf rechtliches Gehör zuzuordnen ist.41 Die Schwierigkeit der Zuordnung beruht auf dem funktionalen Zusammenhang der genannten Rechte.42 Der Justizgewährungsanspruch, überwiegend aus Art.  20 Abs.  3 GG, Art.  47 GRCh, Art.  6 Abs.  1 S.  1 EMRK abgeleitet,43 ist die zwingende Konsequenz des staatlichen Entscheidungsmonopols, das nur in Ausnahmefällen ein Recht zur Selbsthilfe anerkennt, §§  229, 859 BGB.44 Die staatliche Rechtschutzmöglichkeit kompensiert die Selbsthilfe jedoch nur dann ausreichend, wenn sie effektiv und gerecht ist.45 Der Justizgewährungsanspruch erfordert demnach ein faires Verfahren. Fair ist ein Verfahren jedoch nur, wenn den Parteien rechtliches Gehör gewährt wird. Die Rechtsprechung leitet das Beweisrecht in ständiger Rechtsprechung aus Art.  103 Abs.  1 GG i. V. m. den 37 

BVerfG NJW 1957, 1228; NJW 1987, 2067; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  14, 24; Isensee/Kirchhof/Knemeyer, §  178, Rn.  23; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  234; Maunz/­ Dürig/Remmert, Art.  103 Abs.  1, Rn.  25. 38  Betz, RdA 2018, 100, 101; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  17. 39  BVerfG NJW 1981, 1431; Fleck, S.  34; Henckel, S.  146; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  17; Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 620; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 238. 40  Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  78 41  Scherpe, ZZP 129 (2016), 153, 168 f. (m. w. Nw.); Störmer, JuS 1994, 238, 240 (m. w. Nw.). 42  BVerfG NZA 2008, 1201, 1203; Betz, RdA 2018, 100, 102. 43 Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  20, Rn.  128; Isensee/Kirchhof/Papier, §  176, Rn.  7. 44  Benedicter, S.  146; Debernitz, S.  32; Frohn, S.  13; Grunsky, S.  2; Isensee/Kirchhof/­Papier, §  176, Rn.  1; Wais, S.  142; Weichbrodt, S.  202, 266. 45  Habscheid, ZZP 96 (1983), 306, 307; J. Prütting in: Einheit der Prozessrechtswissenschaft, 247, 248; R. Koch, S.  4.

16

Teil 2: Grundlagen

Grundsätzen der Zivilprozessordnung ab.46 Die Literatur folgt diesem Ansatz mehrheitlich.47 Das Recht auf rechtliches Gehör sei in seinem Anwendungsbereich vorrangig gegenüber dem Justizgewährungsanspruch.48 Letzterer sichere den Zugang zum Verfahren, während Art.  103 Abs.  1 GG den angemessenen Ablauf des Verfahrens gewährleiste.49 Auch das Recht auf Beweis ist ein grundrechtsgleiches Recht.50 Das Recht auf rechtliches Gehör umfasst daher neben der bereits erwähnten Berücksichtigungspflicht des Tatsachenvortrags insbesondere auch die Pflicht, erhebliche Beweisangebote zu beachten.51 Im Zivilprozess ist das Gericht deshalb grundsätzlich zur Beweisaufnahme verpflichtet, wenn eine Partei für eine streitige und entscheidungserhebliche Tatsachenbehauptung ein Beweismittel anbietet.52 Diese gerichtliche Pflicht, Beweismittel vollständig zu beachten, korrespondiert mit dem Recht auf Beweis der Prozessparteien.53 3. Kein uneingeschränkter Schutz Die grundrechtsgleichen Rechte auf rechtliches Gehör und auf Beweis gelten jedoch nicht absolut, sondern sind insbesondere durch kollidierendes Verfassungs­ recht einschränkbar.54 Derart ausfüllungsbedürftige Grundrechte sind zudem durch immanente Schranken begrenzt. Das Recht auf „rechtliches Gehör vor Gericht“ erfordert ein einfachgesetzliches System, in dem das Recht zur Anwendung gelangen kann.55 Das Recht beschränkt sich damit auf den durch das Prozessrecht vorgegebenen 46 

BVerfG NJW 1979, 413, 414; NJW 1985, 1150; NJW 2009, 1585, 1586; WM 2012, 492, 493; BGH NJW 2002, 3619, 3624; BAG NZA 2011, 571, 574; NJW 2014, 810, 814; NZA 2014, 143, 145. 47  Benedicter, S.  199; Betz, RdA 2018, 100, 102; Gemmeke, S.  41; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  69, 76; Sachs/Sachs, Art.  103, Rn.  28. 48 Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  20, Rn.  134; Jarass/Pieroth/Pieroth, Art.  103, Rn.  2. 49  BVerfG NZA 2008, 1201, 1203; Isensee/Kirchhof/Papier, §  176, Rn.  4. 50  BVerfG NJW 1986, 833; Isensee/Kirchhof/Knemeyer, §  178, Rn.  20. 51  BVerfG NJW 2009, 1585, 1586; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  76; Isensee/Kirchhof/ Knemeyer, §  178, Rn.  29–31; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  251. 52  BVerfG NJW 1993, 254, 255; NJW-RR 1995, 441; NJW-RR 2001, 1006, 1007; Stein/ Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  69. 53  Kaltenmeier, S.  11. 54  BVerfG NJW 2000, 1175, 1178; NJW 2009, 1585, 1586; Frohn, S.  48; Isensee/Kirchhof/ Knemeyer, §  178, Rn.  33; J. Prütting in: Einheit der Prozessrechtswissenschaft, 247, 250; Maunz/Dürig/Remmert, Art.  103 Abs.  1, Rn.  28; Tresenreuter, S.  77. 55  BVerfG NJW 1959, 427; NJW 1982, 1453; NJW 1985, 1150; Benedicter, S.  199 f.; Betz, RdA 2018, 100, 102; Hergenröder, S.  293; Kingreen/Poscher, Rn.  1158,1239; Isensee/Kirchhof/­ Knemeyer, §  178, Rn.  22; Jarass/Pieroth/Pieroth, Art.  103, Rn.  19 f.; J. Prütting in: Einheit der Prozessrechtswissenschaft, 247, 250.

A. Dogmatische Vorfragen

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Rahmen, soweit dieser grundsätzlich ausreichend ist, und kann insbesondere aus prozessualen Gründen auch eingeschränkt werden.56 Beschränkt ist das Recht daher bei sachlicher Unerheblichkeit, bei Verspätung und bei der Beschränkung der Nachprüfung auf Rechtsfragen in der Rechtsmittelinstanz.57 Bei der sachlichen Erheblichkeit ist die Ansicht der Parteien maßgebend, sodass das Recht auf rechtliches Gehör zunächst für alle Äußerungen gilt, die die jeweilige Partei für sachdienlich hält, und nur bei offensichtlicher Unerheblichkeit entfällt.58 Auch die auf prozessualen Gründen beruhenden Schranken müssen aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die rechtsstaatliche Bedeutung des Rechts auf rechtliches Gehör berücksichtigen. Die der effektiven Rechtschutzgewährung dienenden Präklusionsvorschriften wie §§  296a, 356 ZPO sind die spürbarste anerkannte Beschränkung des Rechts auf rechtliches Gehör. Die Justiz betont regelmäßig den strengen Ausnahmecharakter dieser vorsichtig anzuwendenden Normen.59 Das Recht auf rechtliches Gehör und auf Beweis steht etwaigen Einschränkungen in Form eines Sachvortrags- oder Beweisverbots also nicht generell entgegen. Im Grundsatz besteht zwar eine Berücksichtigungspflicht des Gerichts, die Äußerungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in seine Entscheidung einzubeziehen und etwaige Beweise zu erheben und zu würdigen. Die Nichtberücksichtigung ist aber eine mögliche Ausnahme.

III. Parteienprozess Schließlich ist in diesem Grundlagenteil kurz auf das grundlegende Kräfteverhältnis zwischen Parteien und Gericht im Zivilprozess einzugehen. Diese Frage ist insbesondere für die Adressatenstellung eines möglichen prozessualen Verbots von Bedeutung. Hierbei stehen sich die Prozessauffassungen des sozialen und des liberalen Zivilprozesses gegenüber. Die liberale Prozessauffassung versteht den Zivilprozess als ein rein technisches Instrument der Parteien, um ihre Privatangelegenheiten zu klären.60 Infolgedessen sind die Parteien maßgebliche Verfahrensge56 

BVerfG NJW 1979, 413, 414; NJW 1980, 1737, 1738; NJW 1985, 3005, 3008; NJW 1986, 833; NJW 2009, 1585, 1586; BGH NJW 1970, 946, 950; Benedicter, S.  199 f.; J. Prütting in: Einheit der Prozessrechtswissenschaft, 247, 250; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  254. Differenzierter: Maunz/Dürig/Remmert, Art.  103 Abs.  1, Rn.  25. 57  BVerfG NJW 1982, 1636, 1637; Maunz/Dürig/Remmert, Art.  103 Abs.  1, Rn.  98 f. 58  BVerfG NJW 1991, 29; NJW-RR 2007, 840, 841; BGH NJW 1992, 1314, 1315; NJW 1995, 397; NJW 2012, 1659; NJW 1988, 1016; OLG Karlsruhe Beschl.v.04.03.2014 – 1 W 4/14 – juris, Rz.  15; Fleck, S.  40; Reichenbach, S.  102; Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 590, 617. Wohl anders (objektiv): Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  83 f. 59  BVerfG NJW 1982, 1635; NJW 1985, 1150; BGH NJW 2012, 2808, 2809. 60  Brehm, S.  10–13; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  11.

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Teil 2: Grundlagen

stalter, während die Funktion des Gerichts eher passiv verstanden wird.61 Nach der sozialen Prozessauffassung dient die staatliche Rechtspflege nicht nur den beteiligten Parteien, sondern auch der Bewahrung der Rechtsordnung.62 Aufgrund des Sozialstaatsprinzips müsse der Prozess eine reale Waffengleichheit herstellen und das Gericht etwaige Defizite einer Partei ausgleichen.63 Zugunsten einer gestärkten Funktion des Gerichts wird die Parteienfreiheit eingeschränkt.64 Die soziale Prozessauffassung hat sich jedoch nicht durchgesetzt.65 Die heute geltende Zivilprozessordnung ist vielmehr eine liberal geprägte, wenn auch nicht in Reinform liberale, Prozessordnung.66 Während die ursprüngliche Fassung der Zivilprozessordnung stark liberalistisch geprägt war,67 wurde die Funktion des Gerichts zunehmend durch Gesetzesänderungen und durch die Handhabung in der Praxis gestärkt.68 Mit der liberalen Prägung gehen der Dispositionsgrundsatz und der Beibringungsgrundsatz als wesentliche Prozessmaximen einher.69 Prozessmaximen sind grundlegende rechtliche Leitlinien des Verfahrensrechts mit einem hohen Abstraktionsgrad, die auf einer wertenden, rechtspolitischen Grundentscheidung des geltenden Rechts beruhen.70 Sie haben deshalb keine Rechtsnormqualität.71 Obwohl die Grundpositionen ideologisch geprägt sind, sind die Maximen in der Verfahrensrealität keine unumstößlichen Dogmen, sondern nur wesentliche Ge61 

Beckhaus, S.  71; Brehm, S.  11; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  11; Stürner, ZZP 98 (1985), 237, 244. 62  Nachweise bei Brehm, S.  13–19; Gomille, S.  158–162; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  12–15; Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  299. 63  Nachweise bei Gomille, S.  161; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  12; Tresenreuter, S.  129; Weichbrodt, S.  238. 64  Nachweise bei MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  12. 65  Chudoba, S.  126; Gomille, S.  161; Grunsky, S.  13; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hart­ mann, Grdz. §  128, Rn.  26; Weichbrodt, S.  239. 66  BVerfG NJW 1979, 1925, 1927; Beckhaus, S.  74; Brehm, S.  2; Chudoba, S.  123; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grdz. §  128, Rn.  25; Herr, DRiZ, 1988, 57; Stein/Jonas/ Kern, vor §  128, Rn.  179; Martens, JuS 1974, 785, 788; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  11; AK-ZPO/Rüßmann, vor §  284, Rn.  11–14.; Stürner, S.  380. 67  Benedicter, S.  11; Brehm, S.  3; Chudoba, S.  124; C. Hahn, S.  210; Herr, DRiZ, 1988, 57; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  11. 68  Beckhaus, S.  72; Benedicter, S.  12; Brehm, S.  2; Chudoba, S.  123; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, Grdz. §  128, Rn.  25; Herr, DRiZ, 1988, 57; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  216; Martens, JuS 1974, 785, 788; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  11; AK-ZPO/ Rüßmann, vor §  284, Rn.  11–14; Stürner, S.  380. 69  Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  161. 70  Debernitz, S.  193; Grunsky, S.  16; Stein/Jonas/Kern, vor §  128 Rn.  3, 10; MüKo-ZPO/ Rauscher, Einleitung, Rn.  309; Weichbrodt, S.  207. 71  MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  311.

A. Dogmatische Vorfragen

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staltungsprinzipien.72 Die in ihr verkörperten rechtspolitischen Erwägungen sind daher im Rahmen der teleologischen und systematischen Auslegung zu berücksichtigen.73 Die vorliegende Arbeit wird die Debatte um die Geltung der einzelnen Maximen nicht ergänzen. Der Geltungsgrad als grundlegende Prinzipien hat für die Entscheidung in der konkreten Verfahrenssituation keine unmittelbare Bedeutung.74 Ziel ist es vielmehr, den grundsätzlichen Charakter der Zivilprozess­ ordnung darzustellen, um hieraus in der späteren Argumentation Rückschlüsse ziehen zu können. Die erste prägende Prozessmaxime ist der Dispositionsgrundsatz, auch Verfügungsmaxime genannt. Der Dispositionsgrundsatz beschreibt die private Kompetenz der Parteien, über das Verfahren im Ganzen zu verfügen und gewährt dabei das Recht, über die Einleitung, die Reichweite, die Fortführung und den vorzeitigen Abschluss des Verfahrens ohne Urteil zu entscheiden.75 Allein die Parteien bestimmen, ob, wann, wie, wie lange, mit wem und worüber prozessiert wird. Der Dispositionsgrundsatz ist das prozessuale Gegenstück zur materiell-­ rechtlichen Verfügungsbefugnis über private Rechte, denn er ermöglicht gerichtlichen Schutz, zwingt aber nicht zu seiner Inanspruchnahme.76 Einzelnormen wie §§  253 Abs.  1, 263, 269, 306, 308 ZPO verdeutlichen den Grundsatz einfachgesetzlich.77 Die zweite wesentliche Prozessmaxime ist der Beibringungsgrundsatz, auch Verhandlungsmaxime genannt. Der Beibringungsgrundsatz regelt die Aufgabenverteilung bei der Stoffsammlung und Tatsachenermittlung.78 In seiner Reinform besagt er, dass allein die Parteien den Streitstoff in den Prozess einführen und über seine Feststellungsbedürftigkeit entscheiden.79 Was von den Parteien nicht vorgetragen wurde, darf nicht berücksichtigt werden,80 und was überein72 

Grunsky, S.  17; Schmidt, DRiZ, 1988, 59; AK-ZPO/Schmidt, Einleitung, Rn.  36. Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  100; Grunsky, S.  16; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  311. 74  B. Hahn, S.  19. 75  Beckhaus, S.  70; Benedicter, S.  162; Cahn, AcP 198 (1998), 35, 36; Debernitz, S.  196–201; Gomille, S.  34; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  161; Martens, JuS 1974, 785; MüKo-­ZPO/ Rauscher, Einleitung, Rn.  312–313, 318–323; AK-ZPO/Schmidt, Einleitung, Rn.  37; Weichbrodt, S.  231. 76  Benedicter, S.  162; Debernitz, S.  194; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  161; MüKo-ZPO/ Rauscher, Einleitung, Rn.  312; AK-ZPO/Schmidt, Einleitung, Rn.  37; Schmidt, DRiZ, 1988, 59; Weichbrodt, S.  231. 77  Debernitz, S.  195. 78  Chudoba, S.  119; Grunsky, S.  163; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  314, 328. 79 AK-ZPO-Schmidt, Einleitung, Rn.  44. 80  Beckhaus, S.  70; Cahn, AcP 198 (1998), 35, 36; Chudoba, S.  119 f.; Debernitz, S.  202; Gomille, S.  5; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grdz. §  128, Rn.  23; Martens, JuS 1974, 785, 787; Weichbrodt, S.  236; AK-ZPO/Schmidt, Einleitung, Rn.  44. 73 

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Teil 2: Grundlagen

stimmend vorgetragen wurde, bindet das Gericht81. Die Geltung des Beibringungsgrundsatzes im Zivilprozess ist nicht unumstritten. Eine ausdrückliche Regelung als Verfahrensgrundsatz fehlt.82 Er wird teilweise rechtspolitisch aus der liberalen Grundidee des Prozesses abgeleitet.83 Dabei wird insbesondere auch auf den Zweck des Zivilverfahrens verwiesen, der nach herrschender Ansicht in der Durchsetzung subjektiver Rechte besteht.84 Teilweise wird er aber auch mit der prozessökonomischen Erwägung begründet, dass die Gerichte keinen Ermittlungsapparat haben und dass die gegeneinander gerichteten Interessen der Parteien für (ausreichende) gegenseitige Kontrolle und Korrektur bei der Sachverhaltsdarstellung sorgen.85 Eine positivistische Herleitung des Beibringungsgrundsatzes erfolgt anhand einiger Einzelnormen und teilweise durch einen Umkehrschluss, §§  128 Abs.  2, 138 Abs.  2, Abs.  3, 282, 286, 287, 288, 331 Abs.  1, 592 S.  1 ZPO und §§  616 Abs.  1, 617 Abs.  2, 622 ZPO a. F.86 Unstreitig gilt in der Zivilprozess­ ordnung daher kein reiner Beibringungsgrundsatz.87 Das zeigen bereits die ausdrücklichen Beschränkungen in §§  138 Abs.  1, 139, 141, 142–144, 273, 278 Abs.  3, 286 Abs.  1 S.  1, 287 Abs.  1 S.  3, 448 ZPO und §§  102, 258, 260 HGB.88 Nach überwiegender Auffassung ist der Beibringungsgrundsatz daher nur ein „Grundsatz mit Ausnahmen“.89 Wegen der Nichtregelung des Grundsatzes in Kombination mit der ausdrücklichen Regelung der Ausnahmen wird mitunter 81 

BGH DNotZ 1969, 670, 671; Cahn, AcP 198 (1998), 35, 36; Chudoba, S.  120; Debernitz, S.  202; Gomille, S.  379; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grdz. §  128, Rn.  24; AK-ZPO/­ Schmidt, Einleitung, Rn.  44. 82  Benedicter, S.  163; Chudoba, S.  121; Weyers in: FS Esser, 193, 196. 83  Beckhaus, S.  71; Benedicter, S.  11; Cahn, AcP 198 (1998), 35, 40; Grunsky, S.  20, 164, 166–170; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  211; Scherpe, ZZP 129 (2016), 153, 170; Schmidt, DRiZ, 1988, 59; Weichbrodt, S.  236; Weyers in: FS Esser, 193, 200. 84  Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  177. Zur Prozesszweckdiskussion: Benedicter, S.  145– 160; Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  5–30; Cahn, AcP 198 (1998), 35, 42 f.; B. Hahn, S.  65–82; Henckel, S.  48–65.; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  8–10; AK-ZPO/Schmidt, Einleitung, Rn.  8–21; Weichbrodt, S.  224–226. 85  Beckhaus, S.  71; Cahn, AcP 198 (1998), 35, 40; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  180; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  329; Scherpe, ZZP 129 (2016), 153, 171; Weichbrodt, S.  237; Weyers in: FS Esser, 193, 204. 86  Beckhaus, S.  71; Chudoba, S.  121, 178; Weyers in: FS Esser, 193, 196. 87  BGH DNotZ 1969, 670, 671; Beckhaus, S.  74; Benedicter, S.  11, 30; Chudoba, S.  124; R. Koch, S.  122, 351; Schmidt, DRiZ, 1988, 59; AK-ZPO/Schmidt, Einleitung, Rn.  43, 47; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 83; Weichbrodt, S.  238. 88  Beckhaus, S.  73; Chudoba, S.  124; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  176; Martens, JuS 1974, 785, 788; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  331; AK-ZPO/Schmidt, Einleitung, Rn.  49. 89  Benedicter, S.  11; Beckhaus, S.  74; Chudoba, S.  124; R. Koch, S.  122, 351; MüKo-ZPO/ Rauscher, Einleitung, Rn.  329; AK-ZPO/Schmidt, Einleitung, Rn.  49; Stürner, S.  62 f.; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 83; Weichbrodt, S.  238.

B. Stand der Forschung

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aber auch auf das Nichtbestehen des Beibringungsgrundsatzes geschlossen.90 Teile der Literatur wollen dem Zivilprozess keine Verhandlungs-, sondern eine Kooperationsmaxime, nach der die Stoffsammlung durch wechselseitiges Zusammenwirken von Gericht und Parteien erfolgt, zu Grunde legen.91 Das Urteil müsse auf der Wahrheit beruhen und dürfe nicht zu einem „Rechtsgutachten mit Vollstreckungskonsequenz“ werden.92 Die Zweiteilung in Tatsachenkompetenz der Parteien und Rechtskompetenz des Gerichts sei verfehlt.93 Gegen diese kooperative Auffassung sprechen aber die grundlegenden Wertungen der Zivilprozessordnung.94 Das gesetzliche System basiert auf „automatisch“ einsetzenden Erklärungspflichten der Parteien und motiviert diese durch Risikozuweisungen in Form von Substantiierungs-, Darlegungs- und Beweislasten zur Sachverhaltsaufklärung.95 Nach dem herrschenden Zivilprozessverständnis prägen Dispositions- und Beibringungsgrundsatz die prozessuale Funktion von Gericht und Parteien. Der Zivilprozess ist deshalb ein Parteienprozess.96

B. Stand der Forschung Die Forschung hat sich in Bezug auf Beweisverbote bereits eingehend den prozessualen Folgen der materiell rechtswidrigen Informationsbeschaffung gewidmet. Auf diesen Erkenntnissen der Beweisverbotslehre baut die Untersuchung methodisch auf, indem geprüft wird, ob, inwieweit und mit welcher Wirkung sich die dortigen Erwägungen und Lösungskonzepte auf die Ebene des Sachvortrags übertragen lassen und ob diese übertragenen Lösungskonzepte das Problem der rechtswidrig beschafften Informationen auch auf der Ebene des Sachvortrags befriedigend lösen können.97 In diesem Grundlagenteil sind zur Nachvollziehbarkeit der weiteren Untersuchung vorab einige Streitfragen der Beweisverbotsforschung darzustellen (I.). Anschließend wird der Forschungsstand beziehungsweise die Forschungslücke zum Sachvortragsverbot herausgearbeitet, um Notwendigkeit und Zielsetzung der Arbeit zu verdeutlichen (II.). 90 

Martens, JuS 1974, 785, 787; Weyers in: FS Esser, 193. Benedicter, S.  167 f., 190–192; B. Hahn, S.  302; R. Koch, S.  352; AK-ZPO/Schmidt, Einleitung, Rn.  53–60. 92  AK-ZPO/Schmidt, Einleitung, Rn.  53–60. 93  AK-ZPO/Schmidt, Einleitung, Rn.  53–60. 94  Chudoba, S.  126; Gomille, S.  161; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grdz. §  128, Rn.  26; Stürner, S.  63 f.; Weichbrodt, S.  238. 95  Stürner, S.  4–8, 63 f., 378. 96  BVerfG NJW 1979, 1925, 1927. 97  Zur Methodik oben Teil  1, B. 91 Dazu

22

Teil 2: Grundlagen

I. Forschungsschwerpunkt Beweisverbot Um die in Teil  3 und Teil  5 dargestellten Lösungskonzepte der Beweisverbotslehre besser einordnen zu können, sind einige Streitfragen vorab zu erläutern. Im Folgenden wird daher in der gebotenen Kürze auf den Diskussionsursprung im Strafprozessrecht hingewiesen (1.), der Forschungsstand zusammengefasst (2.) und die Verbindung von der inhaltlichen Diskussion zum terminologischen Streit hergestellt (3.). 1. Ursprung im Strafprozess Die Strafrechtswissenschaft erkannte das Problem rechtswidrig erlangter Beweismittel zuerst: Maßgeblich angestoßen von Ernst Beling, wurde es dort bereits Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts thematisiert.98 Dass sich ähnliche Fragen auch im Zivilprozess stellen, wurde von der Rechtswissenschaft erst deutlich später, Anfang der fünfziger Jahre, festgestellt.99 Die zivilprozessuale Forschung ist deshalb maßgeblich durch die strafprozessuale Diskussion geprägt.100 a) Überblick Auch im Strafprozess ist die prozessuale Fehlerfolge rechtswidrig erlangter Beweismittel umstritten. Bereits zwei Mal, 1966 (46. DJT) und 2008 (67. DJT), war das Thema auf der Agenda des Deutschen Juristentages. Die theoretischen Grundlagen sind dennoch nur ungenügend geklärt.101 Keinesfalls unangefochten ist die häufig vorgenommene Unterscheidung in Beweiserhebungs-102 und Beweisverwertungsverbote.103 So ist bereits streitig, ob die gerichtliche Beweisaufnahme Teil der Beweiserhebung oder der Beweis98  Anlässlich

seiner Tübinger Antrittsvorlesung, die er später in erweiterter Form veröffentlichte: Beling, S.  3. 99  Reichenbach, S.  6. Erste Autoren waren etwa Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469–503; Kellner, JR 1950, 270–271; Pleyer, ZZP 70 (1956), 321–338; A. Roth, JR 1950, 715; Siegert, NJW 1957, 689–691. 100  Werner, NJW 1988, 993, 994. 101  BT-Drs. 16/5846, S.  24 f.; BVerfG NStZ 2000, 489, 490; Bienert, S.  1; Jahn, S. C 20; Ranft in: FS Spendel, 719; Rogall in: FS Grünwald, 523; Weichbrodt, S.  43, 123, 356. Zum Meinungsstand Muthorst, S.  13–81; Weichbrodt, S.  42–126. 102  Die Beweiserhebungsverbote werden teilweise auch noch unterteilt in Beweisthemen-, Beweismittel- und Beweismethodenverbote Bienert, S.  10; Jahn, S. C 29–31; Meyer-Goßner/ Schmitt/Schmitt, Einl., Rn.  51. Dagegen Peres, S.  13; Störmer, S.  10. 103  Bienert, S.  9; Eisenberg, Erster Teil, Rn.  336, 356; Mergner, S.  8; Störmer, S.  5. Dagegen Jäger, S.  133–136; Peres, S.  1, 9, 13, 14.

B. Stand der Forschung

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verwertung ist104 und was unter dem Begriff der Verwertung zu verstehen ist.105 Mit dem Streit über die Begrifflichkeiten gehen Meinungsverschiedenheiten über die Wirkungen der Verbote im Vor- und Zwischenverfahren einher.106 Soweit die Forschung in Erhebungs- und Verwertungsverbote unterteilt, werden die Erhebungsverbote als diejenigen zwingenden Verfahrensvorschriften, die von den Strafverfolgungsorganen bei der Sachverhaltsermittlung zu beachten sind, definiert.107 Bei den Beweisverwertungsverboten wird wiederum zwischen selbständigen und – aus einem Beweiserhebungsverbot folgenden – unselbstständigen Verboten differenziert, welche jeweils in positivierte und nicht-positivierte unterteilt werden.108 Die nicht-positivierten selbstständigen Beweisverwertungsverbote werden mehrheitlich als Abwehranspruch aus der Verfassung hergeleitet.109 b) Beschränkte Relevanz für die Diskussion im Zivilverfahren Die Übertragbarkeit dieser strafprozessualen Diskussion auf den Zivilprozess wird uneinheitlich beurteilt. Überwiegend wird sie verneint.110 Andere fordern ausdrücklich111 oder durch stillschweigende Übernahme der Terminologie112 die Anwendung der strafprozessualen Lösungskonzepte auf den Zivilprozess. Vereinzelt wird versucht, rechtsgebietsübergreifende Konzepte zu entwickeln.113 Gegen eine Fruchtbarmachung der strafprozessualen Forschung im Zivilprozess sprechen eine Vielzahl von verfahrensrechtlichen und teleologischen Argumenten. Insbesondere der Verfahrensablauf der beiden Prozesse unterscheidet sich in wesentlichen Teilen. Während das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren Teil des Strafverfahrens ist, beginnt das Zivilverfahren erst mit der gerichtlichen Befassung, sodass die Beweisbeschaffung dort außerhalb des Verfahrens 104 

Störmer, S.  6. Bienert, S.  9: Beweisverwertung als Vorgang der „Einführung und Entscheidungsfindung“. Jahn, S. C 23; Störmer, S.  2 f.: Beweisverwertung als „Nutzung des Beweisträgers durch Erfassung des vollständigen Inhalts“. 106  Störmer, S.  6 (m. w. Nw.). 107  Jahn, S. C 27. 108  Jahn, S. C 33; Mergner, S.  10. 109  Weichbrodt, S.  107 f., 123. 110  BGH NJW 1982, 277, 278; ZZP 116 (2003), 371, 375; Ahrens, Kapitel  6, Rn.  23; Baum­ gärtel in: FS Klug, 477, 478; Fink, S.  124; Kodek in: FS Kaissis, 523, 524; Stein/Jonas/Thole, §  286, Rn.  39. 111  Krier, S.  203; Röckl/Fahl, NZA 1998, 1035, 1038. 112  Kodek, S.  18; MüKo-ZPO/Prütting, §  284, Rn.  62, 64. 113  Muthorst, S.  3. Viele Lösungskonzepte finden sich in vergleichbarer Form in beiden Diskussionen: Habscheid in: GS Arens, 187, 190; Muthorst, S.  117; Siegert, NJW 1957, 689; Weichbrodt, S.  202, 205. 105 

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Teil 2: Grundlagen

erfolgt.114 Deshalb kann die Beweisbeschaffung, die zunächst nur ein die spätere Beweisführung ermöglichender Realakt ist,115 allenfalls nach materiellem Recht rechtswidrig sein. Die Strafverfolgungsbehörden sind dementgegen bei der Beweissammlung an die prozessualen Regeln gebunden, sodass dort Verstöße gegen materielles Recht, die nicht zugleich einem prozessualen Verbot unterliegen, selten sind.116 In der Strafprozessordnung normierte Beweiserhebungsverbote schützen den Einzelnen vor der „Übermacht des Staates“ und beschränken die Ermittlungsbefugnisse der Behörden.117 Im Strafprozess sind sowohl das Ermittlungsorgan (Staatsanwaltschaft) als auch das Entscheidungsorgan (Gericht) staat­ liche, gemäß Art.  1 Abs.  3 GG grundrechtsverpflichtete Institutionen. Im Zivilprozess sind die Parteien im Gleichordnungsverhältnis für die Beweisbeschaffung verantwortlich.118 Im Prozess zeigen sich zudem wesentliche Unterschiede in Gestalt des Beweisgegners: Der Beschuldigte ist im Strafprozess nicht zur Mitwirkung verpflichtet, während die Partei nach §  138 Abs.  1 ZPO nicht nur zur Wahrheit, sondern gemäß §  138 Abs.  2 ZPO auch zur erwidernden Erklärung zu den behaupteten Tatsachen der Gegenseite verpflichtet ist. Andererseits kann der Beklagte den Prozess durch ein – wenn auch wahrheitswidriges – Geständnis in Form eines Anerkenntnisses gemäß §  307 ZPO ohne mündliche Verhandlung beenden. Zu dieser Disposition ist der Beschuldigte eines Strafverfahrens nicht ­befugt. Die Staatsanwaltschaft ist nach §§  152 Abs.  2, 170 Abs.  1 StPO zur Beweisbeschaffung und Anklageerhebung verpflichtet. Der Zivilprozess steht zur Disposition beider Parteien. Unvergleichbar sind zudem die unterschiedlichen Rechtsfolgen eines Straf- und eines Zivilurteils für den Einzelnen,119 die jeweils kollidierenden Interessen120 und nicht zuletzt auch die unterschiedlichen Prozess­ anlässe. Dem Strafprozess liegt immer der Verdacht einer strafbaren Handlung zugrunde, während die privatrechtliche Auseinandersetzung verschiedenste Lebensbereiche betreffen kann. Der wohl maßgebliche Unterschied besteht jedoch darin, dass im zivilprozessualen Parteiprozess die Entscheidung für ein Beweisverbot stets zu Lasten eines anderen Rechtssubjekts geht, während sie im Strafprozess in erster Linie die Allgemeinheit anbelangt.121 Einige Gemeinsamkeiten und Überschneidungen zwischen den Verfahrensarten könnten indes für eine Fruchtbarmachung der strafprozessualen Diskussion 114 

Kodek, S.  12; Kodek, ÖJZ 2001, 281; Kodek in: FS Kaissis, 523, 524. Goldschmidt, S.  433; Wais, S.  130 f. 116  Wais, S.  22. 117  Gemmeke, S.  94; Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  20, Rn.  137 f. 118  Kodek, ÖJZ 2001, 281; Werner, NJW 1988, 993, 995. 119  Rüffer/Halbach/Schimikowski/Muschner, §  213, Rn.  76; Wais, S.  17. 120  Gemmeke, S.  94; Kaissis, S.  6; Werner, NJW 1988, 993, 995. 121  Weichbrodt, S.  141. 115 

B. Stand der Forschung

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im Zivilprozessrecht sprechen. Gerade im Beweisverfahren sind sich die Prozessformen ähnlich. Bei beiden gilt grundsätzlich das Strengbeweisverfahren mit im wesentlichen ähnlichen Beweismitteln122 und der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, §  286 ZPO, §  261 StPO. Zudem kommt es zu Überschneidungen zwischen den Verfahren, beispielsweise im Adhäsionsverfahren oder bei der Beiziehung von Akten.123 Schließlich kann dieselbe tatsächliche Handlung Gegenstand eines Straf- und eines Zivilverfahrens (auf Schadensersatz) sein. Unmittelbare Rückschlüsse für die Frage nach den Folgen der rechtswidrigen Beweisbeschaffung einer Zivilprozesspartei können dennoch nicht aus dem Straf­ prozessrecht gezogen werden.124 Das liegt insbesondere daran, dass die strafprozessuale Diskussion wesentlich an die den verfahrens- und verfassungsrechtlichen Grenzen unterliegende Beweiserhebung des staatlichen Ermittlungsorgans anknüpft. Diese Ausgangssituation kann auf den Zivilprozess, dessen Prozessordnung keine Beschränkungen bei der vorprozessualen Beweisbeschaffung kennt und bei dem die Beweisbeschaffung durch nicht-grundrechtsverpflichtete Privatpersonen erfolgt, nicht übertragen werden.125 Jedoch werden Beweismittel auch im Strafverfahren mitunter von nicht-grundrechtsverpflichteten Privatpersonen beschafft. Ein solcher Fall liegt beispiels­ weise vor, wenn Privatpersonen nach einem Verkehrsunfall den Ermittlungsbehörden ihre (rechtswidrig gefertigten)126 Dashcam-Videoaufnahmen übergeben. Dieses Sonderproblem127 besteht allerdings nur, soweit die privaten Ermittlungshandlungen der staatlichen Ermittlungsbehörde nicht zurechenbar sind, denn anderenfalls wird die Ermittlung als staatliche Handlung angesehen.128 Dem Staat nicht zurechenbare Handlungen von Privatpersonen unterfallen unstreitig nicht dem Anwendungsbereich der Strafprozessordnung.129 Damit ähnelt die Problematik einerseits den „selbstständigen Beweisverwertungsverboten“, weil das Verbot nicht an einen Verstoß gegen strafprozessuale Vorschriften anknüpft, und an122 

Wais, S.  17. Weichbrodt, S.  214, 245–248. 124  BGH NJW 1982, 277, 278; ZZP 116 (2003), 371, 375; Ahrens, Kapitel  6, Rn.  23; Baum­ gärtel in: FS Klug, 477, 478; Fink, S.  124; Kodek in: FS Kaissis, 523, 524; Stein/Jonas/Thole, §  286, Rn.  39. 125  Fink, S.  125; Gemmeke, S.  92. 126  BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  7–26. 127  Zur Sonderstellung dieser Frage in der strafprozessualen Beweisverbotslehre: Bienert, S.  23–60, 85–98, 113–172; Dubois, S.  1; Fink, S.  125–133; Jäger, S.  124–128; Störmer, S.  113– 134; Weichbrodt, S.  114–120. 128  Bienert, S.  131 f.; Dubois, S.  5; Eisenberg, Erster Teil, Rn.  401; Gemmeke, S.  93; Keller in: FS Grünwald, 267, 276; Mergner, S.  29; Stoffer, S.  313–318, 321–354; Weichbrodt, S.  118. 129  Dubois, S.  27; Eisenberg, Erster Teil, Rn.  397; Jäger, S.  124 (m. w. Nw.); Jahn, S. C 102; Stoffer, S.  218; Weichbrodt, S.  116. 123 

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Teil 2: Grundlagen

dererseits den „unselbstständigen Beweisverwertungsverboten“, weil es an die Art der Beweisgewinnung und nicht der Verwertung anknüpft.130 Eine überzeugende Lösung dieses systematischen Sonderfalls ist bisher nicht gefunden.131 Teile der Literatur fordern ein Verwertungsverbot, um Selbstjustiz und Denun­ ziantentum zu sanktionieren,132 um den Staat nicht zum Hehler von Beweismaterial verkommen zu lassen,133 um die Rechtsverletzung nicht zu perpetuieren134 oder um die generalpräventive Funktion des Strafprozesses nicht zu gefährden135. Dabei wird teilweise auf eine „Hypothese rechtswidriger staatlicher Erlangung“ abgestellt, wonach ein Beweisverbot dann eingreift, wenn die private Rechtsverletzung unabdingbar war und der Staat das Beweismittel seinerseits nicht hätte selbstständig erlangen können.136 Rechtsprechung und wohl herrschende Lehre lehnen ein Verwertungsverbot aber ab, sofern nicht die Menschenwürde oder der hypothetische Anwendungsbereich von §  136a StPO berührt sind.137 Wohl unstreitig verhindert unabhängig von der Person, die das Beweismittel beschafft hat, ein „selbstständiges Beweisverwertungsverbot“ eine grundrechtsverletzende strafgerichtliche Verwertungshandlung.138 Auf die einzelnen Streitpunkte ist hier nicht näher einzugehen, denn auch die Beweisbeschaffung durch Private im Strafverfahren ist mit dem Zivilverfahren nicht vergleichbar, weil die private Beweisbeschaffung im Strafverfahren die Ausnahme darstellt, während sie im Zivilverfahren der Regelfall ist.139 Lösungsansätze wie die „Hypothese rechtswidriger staatlicher Erlangung“140 erscheinen brauchbar im Strafverfahren, in dem die Ermittlungsarbeit grundsätzlich hoheitliche Aufgabe ist, können aber nicht auf den Zivilrechtsstreit übertragen werden. Außerdem ist die beweisbeschaffende Privatperson im Zivilrechtsstreit regelmäßig auch Prozesspartei, weshalb sich im Zivilprozess andere Verbotsanknüpfungspunkte als im Strafprozess bieten. Die Zivilprozessparteien können, anders als die staatliche Ermittlungsperson im Strafver130 

Dubois, S.  9, 11. Dubois, S.  4; Stoffer, S.  428–452. 132  Sydow, S.  110. 133  Sydow, S.  116. 134  Jäger, S.  223. 135  Dubois, S.  101. 136 So Stoffer, S.  456, 461–471, die diese Fälle konsequenterweise als Unterfall der unselbstständigen Beweisverwertungsverbote ansieht, S.  475. 137  Gemmeke, S.  93; Jahn, S. C 102 f.; Jäger, S.  124 (m. w. Nw.); Keller in: FS Grünwald, 267, 273; Ranft in: FS Spendel, 719, 736; Rogall, JZ 1996, 944, 949; Weichbrodt, S.  117. Kritisch dazu: Bienert, S.  57; Dubois, S.  73; Störmer, S.  129–133. 138  BGH NJW 1960, 1580, 1581; Bienert, S.  113, 122; Frieberger, S.  41; Jäger, S.  125, 222 f.; Dubois, S.  11; Ranft in: FS Spendel, 719, 736; Stoffer, S.  452, 486 f.; Weichbrodt, S.  116. 139  Gemmeke, S.  95; Macht, S.  91. 140  Stoffer, S.  456, 461–471. 131 

B. Stand der Forschung

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fahren, mitunter bereits lange vor der gerichtlichen Auseinandersetzung eine nachbarschaftliche, familiäre, berufliche oder sonstige vertragliche Beziehung pflegen und haben dennoch, anders als die eigeninitiativ handelnde, private Ermittlungsperson im Strafverfahren eine Beziehung auf prozessualer Ebene. Zumindest eine schematische Übertragung der strafprozessualen Lösungskonzepte auf den Zivilprozess scheidet deshalb aus.141 c) Schlussfolgerung für die Untersuchung Trotz dieser beschränkten Relevanz der strafprozessualen Diskussion wird die Arbeit, wo sinnvoll, strafprozessuale Überlegungen aufzeigen und als Diskus­ sionsansatz heranziehen, denn trotz aller Unterschiede stellen sich in beiden Diskussionen zuweilen ähnliche dogmatische Fragen. Insbesondere ist der strafprozessuale Forschungsstand in einigen Teilbereichen der Problematik deutlich umfangreicher als der zivilprozessuale, sodass sich gerade dort ein Rückgriff auf die strafprozessualen Erwägungen anbietet. Dabei werden die verfahrensrechtlichen Unterschiede stets angemessen berücksichtigt. 2. Forschungsstand im Zivilprozess Die zivilprozessuale Fehlerfolge der rechtswidrigen Beweisbeschaffung ist bis heute nicht abschließend geklärt.142 Die zu diesem Thema erschienene Literatur ist nahezu unüberschaubar,143 und auch die umfangreich hierzu ergangene Rechtsprechung kann kaum zusammenhängend dargestellt werden.144 Trotz Äußerungen des Bundesgerichtshofs, des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts hat sich keine nachvollziehbare Entwicklungstendenz für eine allgemeingültige Lösung abgezeichnet,145 da die Entscheidungen notwendig auf Einzelfragen beschränkt waren. Bei der Darstellung des Forschungsstands wird üblicherweise danach unterschieden, ob alle, keine oder nur bestimmte Rechtsverstöße zur prozessualen Unzulässigkeit führen.146 Aufgrund des wachsenden Forschungsstandes wird 141 

Rogall in: FS Rieß, 951, 952 (m. w. Nw.); Stein/Jonas/Thole, §  286, Rn.  39. BGH NJW 2006, 1657, 1659; OLG Saarbrücken VersR 2009, 1478, 1479; Götz, S.  295; Katzenmeier, ZZP 116 (2003), 375; Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50, 57; Weichbrodt, S.  357. Anders BVerfG NZA 2002, 284 („im Grundsätzlichen geklärt“). 143  Kodek in: FS Kaissis, 523, 524. 144  Für eine zusammenhängende Darstellung der Judikatur bis 2003 Gemmeke, S.  103–159 und Kodek, S.  69–96. 145  BGH NJW 2006, 1657, 1659; Gemmeke, S.  158. Zum Strafprozessrecht ebenso Jahn, S. C 38. 146  Gemmeke, S.  15–102; Götz, S.  295; Kaltenmeier, S.  20–51; Macht, S.  96–101; Natter in: Beschäftigtendatenschutz in der Reform, 133, 138; Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074, 2077; 142 

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Teil 2: Grundlagen

diese Darstellung jedoch zunehmend unübersichtlich, da letztlich die meisten Lösungskonzepte in die dritte Kategorie fallen. Die Verbotsreichweite sagt zudem weniger über die theoretische Grundlage des Verbots als über seine Rechtsfolge aus. Deshalb trennen andere Autoren die Darstellung nach dem Rechtsgebiet, dem die verbotsbegründende Norm entnommen wurde (materielles Zivilrecht, Zivilverfahrensrecht, Verfassungsrecht etc.).147 Diese dogmatisch zunächst überzeugende Überlegung offenbart ihre Schwächen jedoch in der Ausführung. Letztlich werden hier Konzepte einander zugeordnet, deren alleinige Gemeinsamkeit darin besteht, dass die zugrundeliegende Norm aus derselben Kodifikation stammt. Sachdienlicher ist die Abbildung des Forschungsstands anhand der tatsächlichen Verbotsanknüpfungspunkte. Dabei kann an den vorprozessualen Beschaffungsakt der Partei oder eines Dritten, an das prozessuale Verhalten der Partei oder an das Verhalten des Gerichts angeknüpft werden.148 Diese Darstellung trennt vermeintlich ähnliche Lösungskonzepte und verbindet vermeintlich unterschiedliche. Die Differenzierung nach Verbotsadressaten erlaubt einen kritischen Abstand zur bisherigen Terminologie149 und eröffnet zugleich eine neue Sichtweise auf eine schon häufig untersuchte Thematik. Betrachtet man die Beweisverbotsforschung auf diese Weise, zeigt sich, dass sich weder ein unmittelbar an der Beweismittelbeschaffung anknüpfendes Verbot noch ein an dem prozessualen Verhalten der Partei anknüpfendes Verbot durchsetzen konnten. Beinahe unumstritten scheint hingegen die Anknüpfung an das – als grundrechtlicher Eingriffsakt zu qualifizierendes – Verhalten des Gerichts.150 3. Terminologische Diskussion Neben der dogmatischen Grundlage eines Beweisverbots ist auch die Bezeichnung dieses Rechtsinstituts umstritten.151 Inhaltliche Bedeutung kommt der weit verbreiteten Differenzierung zwischen Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverboten zu. Hier verbirgt sich hinter der Terminologie auch das Verständnis von Verbotsadressat und tatsächlichem Verbotsanknüpfungspunkt. Die aus der strafprozessualen Diskussion bekannte Terminologie wurde von weiten Teilen der zivilprozessualen Forschung überRittner/Rittner, NJW 2002, 1745, 1751; Störmer, JuS 1994, 334, 335; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 59; Werner, NJW 1988, 993, 997 f.; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377, 382–389. 147  Brinkmann, AcP 206 (2006), 746, 750–753.; Tresenreuter, S.  5–21, 21–42. 148  Zum vorprozessualen Beschaffungsakt: Teil  5, B. II. Zum prozessualen Verhalten der Prozesspartei: Teil  5, B. III. Zum gerichtlichen Verhalten: Teil  3. 149  Dazu sogleich: Teil  2, B. I. 3. 150  Dazu Teil  3. 151  Zum Terminologie-Streitstand z.B.: Reichenbach, S.  15–21; Weichbrodt, S.  45–49.

B. Stand der Forschung

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nommen.152 Bereits der strafprozessuale Ursprung dieser Terminologie spricht jedoch gegen die Unterscheidung in Erhebungs- und Verwertungsverbote, da die Rechtswidrigkeit der Informationsbeschaffung nicht wie im Strafprozess aus der Prozessordnung, sondern aus dem materiellen Recht folgt. Eine zum Strafprozess identische Terminologie könnte außerdem fälschlicherweise suggerieren, dass die dortige Systematisierung schematisch auf den Zivilprozess übertragbar ist. Obendrein sind die Begriffe Erhebungsverbot und Verwertungsverbot, egal ob einzeln oder in Kombination verwendet, wegen des uneinheitlichen Begriffsverständnisses in der Forschung problematisch. Unter dem Begriff Beweiserhebung wird entweder der vorprozessuale Beschaffungsakt153 oder die Einführung des Beweismittels in den Prozess durch die Partei154 oder die Anordnung und Durchführung der Beweisaufnahme durch das Gericht155 verstanden und unter dem Begriff der Verwertung wird entweder jegliche Verwendung des Beweismittels im prozessualen Lebensbereich156 oder nur die Zugrundlegung des Beweis­ ergebnisses bei der Entscheidungsfindung157 gefasst. Die Begriffe Erhebungs­ verbot und Verwertungsverbot erlauben aufgrund dieses unterschiedlichen Wortgebrauchs keinen eindeutigen Rückschluss auf das gemeinte Rechtsinstitut. Daneben ist die Bezeichnung als Verbot diskutabel. Die Zivilprozessordnung selbst kennt keine verbotenen Beweismitteln. An einigen Stellen (beispielsweise §§  293, 356, 364 Abs.  3, Abs.  4, 444, 485 Abs.  1, 493, 580 ZPO) wird lediglich die Benutzbarkeit von Beweismitteln thematisiert. Dabei kann Benutzer sowohl das Gericht (§  293 ZPO) als auch die Partei (§§  444, 580 ZPO) sein. In der Literatur wurden bereits alternative Bezeichnung wie Beweishindernis158 oder Beweisunzulässigkeit159 vorgeschlagen. Dieser Unterscheidung dürfte jedoch keine weitere inhaltliche Bedeutung zukommen. 152 

Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 314; Reichenbach, S.  16 f.; Weichbrodt, S.  134. Beispiele: BGH NJW 1982, 1397, 1398; BGH NJW 2013, 2668, 2670; Kodek, S.  18; MüKo-ZPO/Prüt­ ting, §  284, Rn.  62, 64. Gegen die Übernahme der strafprozessualen Terminologie Störmer, S.  8. 153  OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799, 2800; Musielak/Voit/Foerste, §  284, Rn.  23; A. Braun/ Wisskirchen/Panzer-Heemeier, Teil I 4, Rn.  174. Anders MüKo-ZPO/Prütting, §  284, Rn.  62, der zwischen 3 Ebenen: Beweisbeschaffung, Beweiserhebung, Beweisverwertung unterscheidet, aber Beschaffung und Verwertung zusammenfasst. Nach Bäumerich, JuS 2016, 803 erfassen Beweiserhebungsverbote zugleich die Beweisbeschaffung durch die Partei und die Beweisaufnahme durch das Gericht. 154  Frieberger, S.  33. 155  Weichbrodt, S.  130. 156  BVerfG NJW 1992, 815, 816; Kiethe, MDR 2005, 965; Macht, S.  92 f. (m. w. Nw.); Mut­ horst, S.  187–191; A. Braun/Wisskirchen/Panzer-Heemeier, Teil I 4, Rn.  174; MüKo-ZPO/ Prütting, §  284, Rn.  62–68. 157  BVerfG NZA 2002, 284; NJW 2002, 3619, 3621 f.; OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799, 2800. 158  Goldschmidt, S.  450. 159  Morgenroth, NZA 2014, 408, 414.

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Teil 2: Grundlagen

Trotz terminologischer Unzulänglichkeiten wird in dieser Arbeit der mehrheitlich verwandte Ausdruck des „Verbots“ beibehalten. Die Entwicklung neuer ­Begrifflichkeiten erscheint für die ohnehin umfangreiche Forschung kontra­ produktiv und würde die Anschlussfähigkeit der Arbeit erschweren. Je nachdem, ob dieses Verbot ein Beweismittel oder den Sachvortrag betrifft, wird der Begriff eines Beweisverbots oder eines Sachvortragsverbots, ohne nähere Spezifizierung der verbotenen Handlung, verwandt. So kann zunächst offenbleiben, wer Adressat eines solchen Verbots ist und welche Handlung konkret „verboten“ ist. Nur dieses weite Begriffsverständnis ermöglicht eine umfassende Befassung mit der Problematik. Auch die Beweisverbotsforschung nutzt die Bezeichnung „Beweisverbot“ vielfach als eine Art Oberbegriff.160 Um den jeweiligen Verbotsanknüpfungspunkt zu verdeutlichen, werden in den folgenden Teilen 3–5 verschiedene Arbeitsbegriffe verwandt.161 Sie dienen nur der darstellungstechnischen Übersichtlichkeit, sollen aber keine neue Begrifflichkeit etablieren. Unter einem Beweisverbot beziehungsweise einem Sachvortragsverbot wird für die vorliegende Arbeit daher ein Rechtsinstitut verstanden, das in irgendeiner Form die prozessualen Wirkungen von Beweismitteln beziehungsweise Sachvortrag stört oder ausschließt.

II. Forschungslücke Sachvortragsverbot 1. Schöpfung der Rechtsprechung Die Idee eines Sachvortragsverbots als prozessuale Folge der rechtswidrigen Informationsbeschaffung ist zuvörderst eine Schöpfung der Gerichte. Anlass zu dieser Rechtsprechung gaben Fälle, in denen trotz rechtswidriger Informationsbeschaffung kein Beweisverbot vorlag, weil die Partei das verbotene Beweismittel ohne direkte Erwähnung und Einbringung in den Prozess – und damit ohne Anknüpfungspunkt für ein Beweisverbot – prozessual genutzt hat. Das waren beispielsweise Konstellationen, in denen verbotene Beweismittel als qualifizierter Sachvortrag in den Prozess eingeführt wurden, etwa durch Einfügen von Bildschirmfotos in der Klageerwiderung,162 oder Fälle, in denen ohne 160  Siehe nur BeckOK ZPO/Bacher, §  284, Rn.  19; Musielak/Voit/Foerste, §  284, Rn.  23; Gehrlein, VersR 2011, 1350; Prütting/Gehrlein/Laumen, §  284, Rn.  22; Germelmann/Matthes/ Prütting/Prütting, §  58, Rn.  32; MüKo-ZPO/Prütting, §  284, Rn.  62; Weichbrodt, S.  136. Auch die erste wesentliche Publikation zu Beweisverboten bezeichnete diese schlicht als „Beweisverbote“: Beling, S.  3. 161  Beispielsweise „Beweisverwendungsverbot“ in Teil  3, „Sachvortragsverwendungsverbot“ und „Sachvortragskenntnisnahmeverbot“ in Teil  4, „Beweisführungsverbot“ und „Behauptungs­ verbot“ in Teil  5. 162  Beispiel (abgewandelt) nach BAG NZA 2017, 1327, 1331.

B. Stand der Forschung

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Offenlegung der Informationsquelle besonders detailliert vorgetragen wurde, etwa durch wortgetreue Wiedergabe eines Telefonats163. In der Folge konnte die zur Wahrheit verpflichtete gegnerische Partei die behaupteten Tatsachen nicht zulässigerweise bestreiten, sodass die Beweiserheblichkeit der Tatsachen und damit das Beweisverfahren, in dem ein Beweisverbot hätte gerügt werden können, entfielen.164 a) Zivilgerichte In der zivilprozessualen Judikatur gibt es neben einzelnen instanzgerichtlichen Entscheidungen nur zwei Anwendungsfälle, Vaterschaftsanfechtung und Versicherungsvertragsanfechtung, in denen sich auch der Bundesgerichtshof zu einem Sachvortragsverbot geäußert hat. Das Kammergericht hatte 1966 darüber zu entscheiden, ob „auf verbotenen Wegen“ erlangtes Wissen zur Formulierung von Prozessbehauptungen und Beweisanträgen verwendet werden durfte.165 Es deutete an, dass es Fälle geben könnte, in denen der „Störer“ aufgrund von §  823 Abs.  1 BGB gehalten sei, von der „Verwertung des unerlaubt erlangten Wissens Abstand zu nehmen“, ließ die Frage aber im konkreten Fall dahingestellt.166 1993 entschied das Kammergericht, dass der Vortrag eines Arrestklägers über den Arrestgrund bei der Entscheidung nicht berücksichtigt werden durfte, weil er die zugrundeliegenden Informationen im Rahmen eines zur Verschwiegenheit verpflichtenden Anwaltsmandats erlangt hatte.167 Auf dieses zweite Urteil nahm im Jahr 2000 das Oberlandesgericht Karlsruhe Bezug, als es entschied, dass die rechtswidrige Kenntniserlangung von Informationen durch Abhören oder Aufzeichnungen vertraulicher Tele­ fongespräche zur „Unverwertbarkeit“ des nicht bestrittenen Vortrags führte.168 Das rechtswidrige Verhalten müsse sanktioniert und ein perpetuierender Grundrechtseingriff in die Persönlichkeitssphäre des Beklagten vermieden werden.169 Der Bundesgerichtshof äußerte sich erstmals im Rahmen einiger Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach §  1600b BGB a. F., §§  614, 660 ZPO a. F. zu einem 163 Beispiel

nach OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577, 1578. Insbesondere Kenntnisse aus Ton- oder Videoaufnahmen ermöglichen einen besonders substantiierten und präzisen Vortrag Gemmeke, S.  54; Kaissis, S.  43; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 124; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 68. 164  Eindrucksvoll LAG Sachsen Urt. v. 12.06.2003 – 2 Sa 790/02 – juris, Rz.  62, 67, wo das Gericht sowohl auf das nichtausreichende Bestreiten, als auch auf die Wahrheitspflicht hinwies. Ausführlicher zu dieser Konstellation: Teil  4, C. I. 165  KG NJW 1967, 115. 166  KG NJW 1967, 115, 116. 167  KG NJW 1994, 462. 168  OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577, 1578. 169  OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577, 1578.

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Teil 2: Grundlagen

Sachvortragsverbot.170 Die Darlegung der Vaterschaftszweifel in einer Vaterschaftsanfechtungsklage dürfe nicht mit einem rechtswidrig eingeholten Abstammungsgutachten erfolgen.171 Der betreffende Sachvortrag sei „unverwertbar“ und die Anfechtungsklage deshalb unschlüssig.172 Diese Entscheidung wurde auch vom Bundesverfassungsgericht gebilligt, das die Thematik aber eher als Beweisverbot einzuordnen schien.173 Im Anschluss an die Rechtsprechung zu Vaterschaftsanfechtungsklagen äußerte sich der Bundesgerichtshof nur in einigen Versicherungsvertragsanfechtungs­ klagen noch einmal zu einem Sachvortragsverbot.174 Gegenstand dieser Entscheidungen waren Fälle, in denen Versicherer aufgrund einer zu weit gefassten und deshalb unwirksamen Schweigepflichtentbindung175 Kenntnis erlangt hatten von Informationen, die eine falsche Beantwortung der Gesundheitsfragen bei Vertragsschluss durch den Versicherungsnehmer nahelegten, und in der Folge den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten wollten. Das Gericht konstatierte, dass dem „durch den Beibringungsgrundsatz und die Par­teienmaxime geprägten regulären Zivilverfahren“ ein „bereits am Vortrag ansetzendes Verwertungsverbot fremd“ sei.176 Unstreitiger Vortrag sei „ohne weiteres verwertbar“.177 Die anderslautenden Entscheidungen in den Vaterschaftsanfechtungsverfahren seien der Besonderheit des Anfechtungsverfahrens geschuldet: Weil dort der Untersuchungsgrundsatz gelte, müsse der Kläger nur bei objektiver Betrachtung geeignete Vaterschaftszweifel vortragen, während die Beweisaufnahme sodann von Amts wegen erfolge. Nur diese Besonderheit rechtfertige es, das Verbot bereits auf den Parteivortrag zu beziehen.178 Das Gericht deutete aber an, dass der Versicherungsnehmer möglicherweise wegen der rechtswidrigen Kenntniserlangung des Versicherers eine Beweisaufnahme herbeiführen könnte, ohne gegen die Wahrheitspflicht zu verstoßen.179 In diesen Versicherungsvertragsanfechtungsfällen prüfte der Bundesgerichtshof neben einem möglichen prozessualen „Verwertungsverbot“ auch, ob der Versicherer nach §  242 BGB materiell-rechtlich daran gehindert war, seine Arglistanfechtung auf die rechtswidrig erlangten Informationen zu 170 

BGH NJW 2005, 497, 498; BGH NJW 2006, 1657, 1658. Näher: Teil  4, D. III. OLG Celle FamRZ 2004, 481. Bestätigt durch BGH NJW 2005, 497, 498. 172  OLG Celle FamRZ 2004, 481. Bestätigt durch BGH NJW 2005, 497, 498. 173  BVerfG NJW 2007, 753, 758. 174  BGH NJW 2010, 289, 292; VersR 2011, 1249, 1250; NJW 2012, 301, 302. Näher Teil  5, C. III. 1. 175  BVerfG MMR 2007, 93, 94. 176  BGH NJW 2010, 289, 292. 177  BGH NJW 2012, 301, 302. Weniger eindeutig in VersR 2011, 1249, 1250 (Verwertungsverbot für unstreitige Tatsachen lasse sich „regelmäßig nicht begründen“). 178  BGH NJW 2010, 289, 292. 179  BGH NJW 2012, 301, 302. So schon vorher OLG Karlsruhe MMR 2009, 412, 414. 171 

B. Stand der Forschung

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stützen.180 In keinem der Fälle entschied sich der Bundesgerichtshof für eine Unzulässigkeit – er gelangte nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls stets zur Verwertbarkeit der Informationen. 2017 bekam das Gericht erneut die Gelegenheit zur Stellungnahme, als es einen gleichgelagerten Fall zu entscheiden hatte: Hier prüfte es nur ein materiell-rechtliches Hindernis nach §  242 BGB, ohne ein prozessuales Verbot zu erwähnen, entschied den Fall aber nicht abschließend.181 Abgesehen von den genannten Vaterschafts- und Versicherungsvertragsanfech­ tungsfällen äußerte sich der Bundesgerichtshof, wohl auch mangels Gelegenheit, nicht mehr zu einem Sachvortragsverbot. In einem jüngeren Urteil hinterfragte er allerdings die „Verwertbarkeit von Beweismitteln und Kenntnissen“.182 Auch das Bundesverfassungsgericht wählte diese Formulierung bereits.183 Es ginge aber wohl zu weit, diese differenzierende Formulierung als ein klares Bekenntnis für ein Sachvortragsverbot zu interpretieren.184 b) Arbeitsgerichte Ausdrücklich anerkannt ist das Sachvortragsverbot hingegen in der arbeitsgerichtlichen Judikatur. Obschon das Bundesarbeitsgericht bisher nur in einem Fall ein Sachvortrags­ (verwertungs)verbot festgestellt hat,185 erkennt es schon seit einigen Jahren das Rechtsinstitut als solches an. Im Jahr 2007 proklamierte es zwar noch: „Ein ‚Verwertungsverbot‘ von Sachvortrag kennt das deutsche Zivilprozessrecht nicht. Der beigebrachte Tatsachenstoff ist entweder unschlüssig oder unbewiesen, aber nicht unverwertbar. Dies gilt umso mehr, wenn der Sachverhalt unstreitig ist.“186 Ein solches Verbot stehe in deutlichem Widerspruch zu den Grundprinzipien des Verfahrens und würde den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör nach Art.  103 Abs.  1 GG umfassend einschränken.187 Im selben Urteil relativierte es diese Aussage aber bereits und stellte fest, dass ein prozessuales Verbot bei einem Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Grundpositionen einer Prozess­ partei in Betracht komme.188 2010 stellte das Gericht dann unmissverständlich 180 

BGH NJW 2010, 289, 290. BGH r+s 2017, 462, 465. Anders noch das OLG Schleswig, s. Tatbestand bei BGH r+s 2017, 462, 463. 182  BGH NJW 2013, 2668, 2670. Hervorhebung durch die Verfasserin. 183  BVerfG NJW 1992, 815, 816. 184  So aber Weber, ZZP 129 (2016), 57. 185  BAG NZA 2017, 1327–1332. 186  BAG NZA 2008, 1008, 1010. 187  BAG NZA 2008, 1008, 1010. 188  BAG NZA 2008, 1008, 1010. Diese Relativierung übersah beispielsweise das LAG Hessen Urt. v. 18.05.2009 – 17 Sa 1507/08 – juris, Rz.  41. 181 

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Teil 2: Grundlagen

klar, dass „rechtswidriges Verhalten einer Prozesspartei bei der Informations­ gewinnung zu einem Verwertungsverbot“ des unstreitigen Sachvortrags führen kann.189 Im Ergebnis wurde hierbei die Rechtsprechung zu den Beweisverboten ohne dogmatische Begründung unverändert und wortgleich angewendet und eine Einzelfallabwägung vorgenommen. In den Folgejahren prüfte das Gericht regelmäßig das Vorliegen eines Sachvortrags(verwertungs)verbots, kam aber im Rahmen einer Abwägung der Einzelfallumstände regelmäßig zur Verwertbarkeit des Vortrags.190 Ab 2016 begründete es das Verbot mit einer verfassungskonformen Auslegung „des Prozessrechts – etwa von §§  138 Abs.  3, 286, 331 Abs.  1 S.  1 ZPO“.191 2018 wurde es konkreter: Infolge der verfassungskonformen Auslegung sei unstreitiger Sachvortrag als bestritten zu behandeln.192 Seit 2013 differenziert es regelmäßig nicht mehr näher zwischen Beweis- und Sachvortragsverbot, sondern scheint diese als dasselbe Rechtsinstitut zu verstehen.193 2. Kaum wissenschaftliche Befassung Die Literatur hat die dogmatischen Grundlagen eines Sachvortragsverbots bisher nicht vertieft untersucht. Beinahe alle Einlassungen befassen sich zudem ausschließlich mit der Situation, in der die gegnerische Partei auf rechtswidriger Informationsbeschaffung beruhenden Sachvortrag wegen §  138 Abs.  1, Abs.  2 ZPO nicht zulässig bestreiten kann und deshalb der unstreitige Sachvortrag zur Entscheidungsgrundlage wird, ohne dass die Partei die rechtswidrige Beschaffungshandlung in einem Beweisverfahren rügen könnte.194 Monographien erwähnen beiläufig die Existenz eines „gesetzesfernen Sachvortragsverwertungsverbots“195 oder deuten ein Sachvortragsverbot nur als Folgeproblem196 an. Eine vertiefte Befassung fehlt bisher.197 189  BAG NZA 2011, 571, 573. Ebenso in NJW 2017, 843, 844; NZA 2017, 443, 445; NJW 2017, 2853, 2854; NZA 2017, 1327, 1328. 190  BAG NZA 2011, 571, 574; NJW 2017, 843, 845; NZA 2017, 443, 447; NJW 2017, 2853, 2855 f.; BB 2019, 697, 698. Ausnahme: BAG NZA 2017, 1327, 1331 f. 191  BAG NJW 2017, 843, 844; NZA 2017, 443, 445; NJW 2017, 2853, 2854; NZA 2017, 1327, 1328; BB 2019, 697, 698. 192  BAG BB 2019, 697, 699. Dogmatische Einordnung und Bewertung: Teil  4, C. III. 1. 193  „Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot“ – Beispielsweise in BAG NZA 2014, 143, 145; BAG NJW 2014, 810, 814; NJW 2017, 843, 844; NZA 2017, 443, 445; NJW 2017, 2853, 2854; NZA 2017, 1327, 1328. Ausdrückliche Ausnahme: BAG BB 2019, 697, 698. 194  Einzige ersichtliche Ausnahme, Weber, ZZP 129 (2016), 57–87 und im Nebensatz auch Stein/Jonas/Thole, §  286, Rn.  56. Ausführlicher zu der genannten Fallkonstellation: Teil  4, C. I. 195  Kroh, S.  228. 196  Reichenbach, S.  215–217. 197  Nach Fertigstellung des Manuskripts veröffentlichte Hübenthal unter dem Titel „‚Sachvortragsverwertungsverboteʻ in arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren?“ eine sich dem Thema

B. Stand der Forschung

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Die Handbuch- und Kommentarliteratur befasst sich beinahe ausschließlich nur sehr knapp mit einem Sachvortragsverbot.198 Wenige sprechen sich für die Rechtsfigur aus.199 Mehrheitlich wird konstatiert, ein Sachvortragsverbot sei dem deutschen Zivilprozessrecht fremd200 und sei mit den zivilprozessrechtlichen Grundsätzen und dem Beweisrecht unvereinbar201. Mitunter wird der Partei aber stattdessen das Recht zugestanden, die Einlassung zu verweigern202 oder wahrheitswidrig zu bestreiten203, damit in dem dann erforderlichen Beweisverfahren ein Beweisverbot zur Anwendung kommen kann. Aufsätze zum Sachvortragsverbot sind mehrheitlich knappe Zusammenfassungen oder Anmerkungen zu Gerichtsentscheidungen, in denen ein Sachvortragsverbot geprüft wurde.204 Inhaltliche Anmerkungen finden sich nur vereinerstmals eingehender widmende Monographie, wobei sie sich vor allem mit den prozessualen Folgen im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren hinsichtlich richterlicher Hinweis- und Belehrungspflichten und Reaktionsmöglichkeiten der Prozessbeteiligten beschäftigt. Auch Hüben­ thal befasst sich ausschließlich mit der Prozesssituation des unstreitigen Sachvortrags (Hüben­ thal, S.  19, 21, 43). Nach einem zusammenfassenden Überblick über die Rechtsprechung zu dem Rechtsinstitut und die in der Literatur vertretenen möglichen Alternativen zur Anerkennung des Rechtsinstituts, lehnt sie die Notwendigkeit eines Sachvortragsverbots ab (Hüben­ thal, S.  109, 193) und spricht sich für die Zulässigkeit eines „formalen“ einfachen Bestreitens, verbunden mit der Rüge (§  295 Abs. 1 ZPO) der rechtswidrigen Informationsgewinnung aus (Hübenthal S.  93–109). Dieser Lösungsansatz wird hier unter Teil 4, C. III diskutiert. 198  Etwas ausführlicher nur Stein/Jonas/Thole, §  286, Rn.  56 (geringer Bedarf in der Praxis); Beschäftigtendatenschutz/Thüsing/Pötters, §  21, Rn.  35 (einheitliche Rechtsfigur, beschränkt auf unstreitigen Sachvortrag); IT-Arbeitsrecht/Tiedemann, B., Rn.  490–523 (einheitliche Rechts­ ­figur, Rn.  490, 493 f., 523, beschränkt auf unstreitigen Sachvortrag, Rn.  499). 199  Musielak/Voit/Foerste, §  284, Rn.  23 (mit dem Zusatz („ÜberwM“); Prütting/Gehrlein/ Laumen, §  284, Rn.  28 („als Vorwirkung eines Beweisverwertungsverbots“); Saenger/Saenger, §  286, Rn.  21. 200  Ahrens, Kapitel  6, Rn.  29; Zöller/Greger, §  286, Rn.  15j; ErfK/Kania, §  87 BetrVG, Rn.  137; A. Braun/Wisskirchen/Panzer-Heemeier, Teil I 4, Rn.  176; Germelmann/Matthes/ Prütting/Prütting, §  58, Rn.  32; Schwab/Weth/N. Schwab, §  58 ArbGG, Rn.  72a (der aber dem Arbeitgeber die Verwendung des Wissens verbietet, Schwab/Weth/N. Schwab, §  58 ArbGG, Rn.  73). 201  MAH-Strafverteidigung/Becker, §  32, Rn.  173; Tschöpe/Grimm, Teil  6 F, Rn.  218; MüKo-­ ZPO/Prütting, §  284, Rn.  62, 67 (aber offengelassen in MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  340). 202  MAH-Strafverteidigung/Becker, §  32, Rn.  173; Zöller/Greger, §  138, Rn.  3a. Wohl auch HWK/Lembke, BDSG Vorb., Rn.  112. 203  BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  31; Saenger/Wöstmann, §  138, Rn.  2 (widersprüchlich insoweit Saenger/Saenger, §  286, Rn.  21). 204  Bergwitz, NZA 2012, 353, 359 (befürwortend); Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1205 (kritisch); Eylert, NZA-Beil. 2015, 100, 105 (kritisch); Fuchs, Juris-PR VersR 5/2009, Anm. 1 (kritisch); Fuhlrott/Oltmanns, NZA 2016, 785, 788 (kritisch); Fuhlrott, NZA 2017, 1308, 1310 (befürwortend); Grimm/Schiefer, RdA, 2009, 329, 342 (kritisch); Maschmann, NZA-Beil.

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Teil 2: Grundlagen

zelt. Lunk hält die Etablierung eines Sachvortragsverbots wegen der geltenden Dispositions- und Beibringungsmaxime und dem Anspruch auf rechtliches Gehör für dogmatisch bedenklich.205 Kritisch sind auch Rolf/Stöhr, die das materielle Recht in der Pflicht sehen, den Konflikt zu lösen.206 Reitz stellt zustimmend die Rechtsprechungsentwicklung des Bundesarbeitsgerichts zum Sachvortragsverbot seit dem Jahr 2007 dar207 und erklärt sowohl das Beweisverbot als auch das Sachvortragsverbot als das Ergebnis einer „umfassenden, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Abwägung der widerstreitenden verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen, die zu einem Ausgleich zu bringen sind“.208 Koch erläutert vornehmlich Einzelfälle der Bundesarbeitsgerichtsrechtsprechung zu Beweisverboten und Sachvortragsverboten aus den Jahren 2003 bis 2013.209 Er empfindet die Rechtsfolgen des Sachvortragsverbots als im Vergleich zu einem Beweisverbot weitergehender, weil bei einem Sachvortragsverbot das Gericht „bereits“ das Tatsachenvorbringen der Partei bei der Entscheidungsfindung nach §  286 ZPO nicht berücksichtigen dürfe und weil das Sachvortragsverbot unabhängig von Erklärungen der Gegenpartei von Amts wegen zu berücksichtigen sei.210 Das Sachvortragsverbot sei derzeit die Folge einer verfassungskonformen Auslegung verfahrensrechtlicher Vorschriften.211 Eine Regelung durch den Gesetzgeber wäre vorzugswürdig, sei aber nicht zu erwarten.212 Chandna-Hoppe spricht sich ebenfalls für ein Sachvortragsverbot aus, stellt dieses aber eher als ein an die Partei adressiertes Verbot dar.213 Nur vier Aufsätze haben sich eingehender mit dem Problem befasst. Davon lehnten die ersten drei Aufsätze das Sachvortragsverbot ab und machten teilweise Gegenvorschläge, die erreichen sollten, dass der unstreitige Sachvortrag streitig wird, damit in der dann erforderlichen Beweisaufnahme das bekanntere Rechtsinstitut Beweisverbot Wirkung entfalten kann. Heinemann verfasste im 2012, 50, 57 f. (kritisch); Neuhaus/Kloth, NJOZ 2009, 1370, 1390 (kritisch); Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074, 2078 f. (wohl befürwortend); Sander, CR 2014, 292, 298 f. (befürwortend); Schneider, MDR 2000, 1029, 1030 (kritisch); Schreiber, NJ 2008, 575, 576 (befürwortend); Thüsing/Pötters, EzA 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr.  13, 26 f. (befürwortend); Wellen­ hofer, FamRZ 2005, 665, 668 (kritisch). 205  Lunk, NZA 2009, 457, 458. 206  Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 125. 207  Reitz, NZA 2017, 273, 275–277. 208  Reitz, NZA 2017, 273, 277. 209  U. Koch, ZFA 2018, 109, 113–118. 210  U. Koch, ZFA 2018, 109, 110 f. 211  U. Koch, ZFA 2018, 109, 121. 212  U. Koch, ZFA 2018, 109, 125. 213  Chandna-Hoppe, NZA 2018, 614, 619. Überlegungen zu einem an die Partei adressierten Verbot unter Teil  5.

B. Stand der Forschung

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Jahr 2001 als Anmerkung zum Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe214 die erste ausführlichere Arbeit zum Sachvortragsverbot. Er lehnte die Rechtsfigur aus „dogmatischen und rechtsstaatlichen Gründen“ ab.215 Ein solches Verbot würde die Grundprinzipien der Dispositions- und Verhandlungsmaxime auflösen.216 „Ein Sachvortragsverwertungsverbot kennt der deutsche Zivilprozess nicht, der beigebrachte Tatsachenstoff ist entweder unerheblich, nicht schlüssig oder unbewiesen, aber niemals unverwertbar.“217 Stattdessen schlug Heinemann vor, die Wahrheitspflicht der Partei wegen Unzumutbarkeit einzuschränken und ihr ein „Recht zur Lüge“ einzuräumen, wenn der Gegner die Informationen rechtswidrig erlangt hat.218 Reichenbach prüfte im Zusammenhang mit der Recht­sprechung zur Vaterschaftsanfechtung im Jahr 2006 ein Sachvortragsverbot auf Grundlage des zivilrechtlichen Abwehranspruchs aus §  1004 Abs.  1 S.  1 BGB.219 Die prozessuale Verwertung der heimlichen DNA-Analyse sei ein privatautonomer Akt des Anfechtungsklägers und unterliege deswegen dem Privatrecht.220 Aufgrund des Anspruchs auf rechtliches Gehör lehnte er ein Sachvortragsverbot aber ab.221 2009 schlug Schreiber eine teleologische Reduktion der §§  138 Abs.  3, 331 Abs.  1 ZPO vor, die zur Folge haben sollte, dass als unzulässig gerügte Tatsachenbehauptungen nicht als zugestanden gelten und deshalb ein Beweisverfahren auch ohne Einschränkung der Wahrheitspflicht eröffnet werden konnte.222 2016 veröffentlichte Weber die, soweit ersichtlich, einzige Stellungnahme zum Sachvortragsverbot, die sich nicht auf die Situation des unstreitigen Sachvortrags beschränkt.223 Webers ausdrückliches Anliegen war es, den Alternativvorschlägen von Heinemann und Schreiber entgegenzutreten.224 Er sprach sich für ein Sachvortragsverbot aus,225 wobei sein Hauptargument war, dass nur das Sachvortragsverbot die „Problematik in ihrer gesamten Breite in den Griff bekomme“.226 Die vorgetragenen Bedenken im Hinblick auf den Beibringungs214 

OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577, 1578. Heinemann, MDR 2001, 137, 139 f. 216  Heinemann, MDR 2001, 137, 140. 217  Heinemann, MDR 2001, 137, 140. 218  Heinemann, MDR 2001, 137, 141 f. Dem folgte beispielsweise auch das OLG Karlsruhe MMR 2009, 412, 414. 219  Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 610–622. 220  Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 610. 221  Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 622 f. 222  Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 241 f. 223  Weber, ZZP 129 (2016), 57, 65–68. Nur im Nebensatz erwähnt dies auch Stein/Jonas/ Thole, §  286, Rn.  56. 224  Weber, ZZP 129 (2016), 57, 59. 225  Weber, ZZP 129 (2016), 57, 68–75, 81–84. 226  Weber, ZZP 129 (2016), 57, 73, 75, wobei er insbesondere die Notwendigkeit des 215 

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Teil 2: Grundlagen

grundsatz ließ er nicht gelten.227 Weber erklärt das Sachvortragsverbot als „Seitentrieb aus der Wurzel des korrespondierenden Beweisverwertungsverbots“.228 Er geht dabei ausdrücklich bewusst nicht näher auf die dogmatischen Grundlagen von Beweis- und Sachvortragsverbot ein, sondern zieht seine Rückschlüsse aus einem als existierend angenommenen Beweisverbot.229 3. Forschungslücke Eine Ursache für die Forschungslücke Sachvortragsverbot dürfte auch der strafprozessuale Ursprung der Diskussion sein. Die Frage nach einem Sachvortragsverbot stellt sich nur im Zivilprozess, weil dort die Unterscheidung zwischen Beweismittel und Sachvortrag eine ganz andere Bedeutung als im Strafprozess hat. Das vom Beibringungs- und Dispositionsgrundsatz geprägte Zivilprozessrecht erlaubt eine Entscheidungsfindung auf Grundlage einer „formellen Wahrheit“, die sich sowohl aus dem bewiesenen Sachvortrag als auch aus dem unstreitigen und deshalb nicht-beweisbedürftigen Sachvortrag zusammensetzt. Dem­ gegenüber ist im Strafprozess jede Tatsache beweisbedürftig, §  244 Abs.  2 StPO. Unbewiesener Sachvortrag kann im Strafprozess nicht zur Grundlage der Entscheidung gemacht werden, sodass sich die Frage nach einem Sachvortragsverbot dort nicht stellt. Die zivilprozessrechtliche Forschung zum Sachvortragsverbot beschränkt sich bisher darauf, auf die Rechtsprechung der Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit zu reagieren. Dieser Rechtsprechung werden tatsächliche Konfliktsituationen entnommen, denen dann (Alternativ-)Lösungsvorschläge gegenübergestellt werden. Die Literatur befasst sich dabei beinahe ausschließlich mit einer Konflikt­ situation des Beklagten, bei der dieser vor der Wahl steht, verfahrensrechtswidrig zu bestreiten, um im Beweisverfahren die rechtswidrige Beweismittelbeschaffung rügen zu können, oder seiner Wahrheitspflicht aus §  138 Abs.  1, Abs.  2 ZPO zu genügen und auf die Geltendmachung der rechtswidrigen Beschaffungshandlung zu „verzichten“.230 Es wird daher auch Aufgabe dieser Arbeit sein, herauszuarbeiten, dass sich das Sachvortragsverbot nicht auf diese eine Konfliktsitua­ tion beschränkt. Insbesondere blieb bisher unberücksichtigt, dass das Gericht nicht nur bei der Beweisaufnahme, sondern auch bei Parteianhörungen und bei

Gleichlaufs zwischen ZPO-Verfahren und FamFG-Verfahren betont, Weber, ZZP 129 (2016), 57, 87. 227  Weber, ZZP 129 (2016), 57, 81–84. 228  Weber, ZZP 129 (2016), 57, 81. 229  Weber, ZZP 129 (2016), 57, 60. 230  Ausführlich zu dieser Konfliktsituation: Teil  4, C. I.

C. Zusammenfassung

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der Entgegennahme von Sachvortrag Informationen sammelt und diese Informationen auch bei verschiedenen Verfahrensentscheidungen verwendet. Es wurde bereits aufgezeigt, dass die prozessuale Zulässigkeit von rechtswidrig beschafften Informationen im Sachvortrag in einem engen sachlichen und rechtlichen Zusammenhang zur prozessualen Zulässigkeit von rechtswidrig beschafften Beweismitteln steht.231 Trotz dieser Sachzusammenhänge bestehen aber auch wesentliche Unterschiede zwischen den Forschungsgebieten. Insbesondere haben Sachvortrag und Beweismittel eine grundsätzlich zu unterscheidende Funktion im Zivilprozess.232 Beweismittel werden erst dann relevant, wenn schlüssiger, entscheidungserheblicher, bestrittener Sachvortrag vorliegt, und dienen als Beleg des behaupteten Sachvortrags. In den folgenden Kapiteln ist daher zu untersuchen, ob die Lösungskonzepte der Beweisverbotslehre auch ein Sachvortragsverbot begründen können und ob ein so begründetes Sachvortragsverbot den Konflikt zwischen materieller und prozessualer Gerechtigkeit bei rechtswidrig beschafften Informationen im Sachvortrag ausreichend lösen kann. Die prozessualen Folgen der rechtswidrigen Informationsbeschaffung sind deshalb trotz des umfangreichen Forschungsstandes zu den Beweisverboten erneut zu untersuchen.

C. Zusammenfassung Bei Prüfung der zivilprozessualen Zulässigkeit von rechtswidrig beschafften Beweismitteln oder Informationen im Sachvortrag sind bestimmte Prinzipien zu berücksichtigen. Bei jedem denkbaren Lösungsweg beider Forschungsfragen sind der Trennungsgrundsatz, die Berücksichtigungspflicht des Gerichts und die leitende Funktion der Parteien im Zivilprozess als dogmatisches Grundgerüst zu beachten: Das Prozessgeschehen unterliegt dem Prozessrecht, welches nicht ohne Weiteres den Vorgaben des materiellen Rechts folgt. Normen des materiellen Rechts haben nur dann Auswirkung auf das Prozessgeschehen, wenn diese Wirkung normativ angeordnet ist. Das Gericht ist grundsätzlich verpflichtet, rechtliches Gehör zu gewähren und muss deshalb Äußerungen der Parteien zur Kenntnis nehmen und in seine Entscheidung einbeziehen und angebotene Beweise erheben und würdigen. Zugleich entscheiden im Zivilprozess die Parteien über den Tatsachenstoff und dessen Feststellungsbedürftigkeit, denn der Zivilgerichtsprozess ist nach dem herrschenden Prozessverständnis ein Parteienprozess. Keiner der drei Grundsätze gilt indes uneingeschränkt. Sie stehen einem prozes231  232 

Teil  1, B. Heinemann, MDR 2001, 137, 140; Lunk, NZA 2009, 457, 458; Gemmeke, S.  148.

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Teil 2: Grundlagen

sualen Verbot infolge der rechtswidrigen Informationsbeschaffung deshalb nicht grundsätzlich entgegen. Ein solches Verbot bedarf aber einer besonderen Legitimation. Das Sachvortragsverbot ist, anders als das Beweisverbot, bisher nur anlass­ bezogen und deshalb auf einzelne tatsächliche Konfliktsituationen beschränkt in der Wissenschaft thematisiert worden. Eine vertiefte Untersuchung fehlt. Bei der Beantwortung der Forschungsfrage ist maßgeblich auf der umfangreichen Beweisverbotsforschung aufzubauen. Dabei kann auch die strafprozessuale Forschung einbezogen werden, wobei aber zu berücksichtigen ist, dass sich die Problematik im Strafverfahren grundlegend von derjenigen im Zivilverfahren unterscheidet. Eine schematische Übernahme der Beweisverbotsforschung verbietet sich aber, denn Beweismittel und Sachvortrag haben eine unterschiedliche Funktion im Prozess.

Teil 3

An das Gericht adressiertes Beweisverbot A. Diskussion in der Beweisverbotslehre In der Beweisverbotsforschung und in der Rechtsprechung hat sich ein Lösungskonzept durchgesetzt, nach dem das Gericht Adressat des Beweisverbots ist. Ihm wird die prozessuale Verwendung des Beweismittels untersagt. Mögliche Verwendungshandlungen sind die Anordnung der Beweisaufnahme, die Durchführung der Beweisaufnahme im Wege der Vernehmung oder Inaugenscheinnahme, die Beweiswürdigung und die Zugrundelegung der Beweisergebnisse bei der Entscheidungsfindung oder bei sonstigen Prozessentscheidungen. Sie werden im Folgenden unter dem Begriff der Beweismaßnahmen zusammengefasst.1 Eine ausdrückliche Beschränkung der gerichtlichen Befugnisse, rechtswidrig erlangte Beweismittel bei der Anordnung, Durchführung oder Bewertung der Beweisaufnahme nicht zu berücksichtigen, findet sich nicht in der Zivilprozessordnung. Sie folgt auch nicht aus anderen Gesetzen, denn in Bezug auf das Beweisverfahren geht die Zivilprozessordnung als spezielleres Gesetz etwaigen datenschutzrechtlichen und strafrechtlichen Normen vor.2 Das Prozessrecht muss aus Gründen der Rechtssicherheit und Normenklarheit diese innerprozessualen Befugnisse des Gerichts abschließend regeln. In Ermangelung einer einfachgesetzlichen Regelung knüpfen deshalb sowohl die Judikatur als auch die herrschende Ansicht in der Literatur an die Verfassung an und leiten dort das Beweisverbot als Folge eines gerichtlichen Eingriffs in ein grundrechtlich geschütztes Abwehrrecht der Partei ab.3 Unter dieser Grundidee 1 Ähnlich

Peres, S.  17 („Beweisführungsmaßnahmen“). Der Begriff der Beweisführung ist nach der hier vertretenen Ansicht der Partei zuzuordnen (Teil  5). 2  BAG NZA 2017, 443, 445; NJW 2017, 843, 844; NZA 2017, 1327, 1329; NJW 2017, 2853, 2854; BB 2019, 697, 698; BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  28; Betz, RdA 2018, 100, 109; Eylert, NZA-Beil. 2015, 100, 105; U. Koch, ZFA 2018, 109, 121; H. Prütting, ZZP 106 (1993), 427, 459 f. Anders wohl LAG Köln NZA-RR 2015, 128, 130; Ahrens, Kapitel  6, Rn.  17; Bergwitz, NZA 2012, 353, 355; Greger, NZV 2015, 114, 115; Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329, 340; Kramer, NJW 1990, 1760, 1763 (zum Strafprozess); Sander CR 2014, 292, 296; Beschäftigtendatenschutz/Thüsing/Pötters, §  21, Rn.  31. Offen gelassen in BAG NJW 2014, 810, 814 f.; NZA 2014, 143, 145; ArbG Frankfurt Urt. v. 27.01.2016 – 6 Ca 4195/15 – juris, Rz.  46. 3  BVerfG NZA 2002, 284; NJW 2002, 3619, 3620; BGH NJW 2003, 1727, 1728; NJW-RR

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

eines verfassungsrechtlichen Lösungskonzepts vereinigen sich viele unterschiedliche Positionen. Uneinigkeit herrscht bei der Bestimmung des einschlägigen Grundrechts, bei der Bestimmung des als Eingriff zu qualifizierenden Verhaltens und bei der Beurteilung der Rechtfertigung. Insbesondere bleiben viele Stellungnahmen ohne nähere methodische Begründung thesenhaft.4 Eine zusammenhän­ gende und vollständige Wiedergabe der vertretenen Ansichten ist wegen dieser Lückenhaftigkeit und aufgrund der unübersichtlichen Anzahl nicht zielführend. Der verfassungsrechtliche Ansatz zielt auf eine verfassungskonforme Aus­ legung der Zivilprozessordnung. Zur besseren Eingliederung in den bisherigen Forschungsstand der Beweisverbote und in die Grundrechtsdogmatik wird im Folgenden jedoch anhand der üblichen dreistufigen Prüfung von Abwehrrechten5 geprüft, ob und wie das Gericht in ein Grundrecht eingreift, welche Rechtfertigungsmöglichkeiten bestehen und wie sich daraus ein Beweisverbot ableiten lässt (B.). Dabei werden die unterschiedlichen Positionen der Beweisverbotsforschung und Rechtsprechung berücksichtigt. Nachdem dann die grundsätzliche Struktur des Rechtsinstituts herausgearbeitet wird (C.), werden seine Rechtsfolge und Wirkungsweise im Prozess untersucht (D.). Ziel dieses Teil  3 ist es, Grundlage und Wirkung des Beweisverbots zu analysieren, um anschließend in Teil  4 prüfen zu können, ob dieses Lösungskonzept auch ein an das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot begründet.

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht Es ist zunächst herauszuarbeiten, welche Grundrechte der Parteien im Beweisverfahren mit rechtswidrig erlangten Beweismitteln relevant sind, welches gerichtliche Verhalten die Grundrechte der Partei beschränkt und inwieweit dieser Grundrechtseingriff gerechtfertigt werden kann. Die folgenden Ausführungen bleiben bewusst im Allgemeinen, denn Ziel ist nicht die erschöpfende Erörterung denkbarer Einzelfälle, sondern ein Überblick über die grundrechtliche Bedeutung rechtswidrig erlangter Beweismittel.

2010, 1289, 1292; Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  29; BAG NZA 2014, 243, 248; Balthasar, JuS 2008, 35; Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1202; Fink, S.  109; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, §  111, Rn.  24; Habscheid in: GS Peters, 840, 855; Kaissis, S.  151; Katzen­ meier, ZZP 116 (2003), 375, 377; Kroh, S.  223; Isensee/Kirchhof/Möstl, §  179, Rn.  35; K. H. Schwab in: FS Hubmann, 421, 428 f.; Schwab/Weth/N. Schwab, §  58 ArbGG, Rn.  72a; Störmer, JuS 1994, 334, 337; Washausen, S.  244; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 59. 4  So auch Macht, S.  44 (zur Judikatur); Stein/Jonas/Thole, §  286, Rn.  43. 5 Jarass/Pieroth/Jarass, vor Art.  1, Rn.  14; Möllers, S.  386–394.

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht

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I. Relevante Grundrechte im Beweisverfahren Beweismittel sind Informationsträger.6 Beweismittel, deren verkörperte Informationen in den Schutzbereich eines Grundrechts fallen, werden in der weiteren Arbeit als grundrechtsrelevante Beweismittel bezeichnet. 1. Berührte Grundrechte Weil die Betroffenheit des grundrechtlichen Schutzbereichs stets eine Frage des Einzelfalls ist, können im Folgenden nur generalisierende Aussagen darüber getroffen werden, welche Grundrechte typischerweise durch Beweismaßnahmen berührt sein können. Dies werden regelmäßig Grundrechte sein, die die Persönlichkeit schützen,7 wie die Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1, Art.  10, Art.  13 GG. Sie werden im Folgenden als Persönlichkeitsrechte bezeichnet. Der persönliche Schutzbereich dieser Grundrechte hat zwar zuvörderst die natürliche Person im Blick, beschränkt sich aber nicht darauf, Art.  19 Abs.  3 GG.8 Entscheidend ist stets der Rechtskreis der Prozesspartei (des Beweisgegners).9 Auf die Verletzung anderer Rechtsgüter bei der Beweisbeschaffung kommt es daher nicht an.10 Sachlich schützen sie vor der Offenbarung und Verwendung persönlicher, grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützter Daten im Beweisverfahren. Im Beweisverfahren relevant ist insbesondere das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, dessen sachlicher Anwendungsbereich nicht abschließend bestimmt, sondern entwicklungsoffen ist.11 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht wird als 6 

Muthorst, S.  154. BVerfG NJW 1992, 815; NZA 2002, 284; NJW 2002, 3619, 3621; BGH NJW 2003, 1727, 1728; NJW 2006, 1657, 1659; NJW 2013, 2668, 2670; Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  29; BAG NZA 2014, 143, 146; NJW 2014, 810, 814; NJW 2017, 843, 844; BB 2019, 697, 698; Balzer/Nugel, NJW 2013, 3397, 3399; Bergwitz, NZA 2012, 353, 354; MAH-Arbeitsrecht/Dendorfer-Ditges, §  35, Rn.  220; Fink, S.  4–109; Fischer, BB 1999, 154, 155; Zöller/ Greger, §  286, Rn.  15a; Habscheid in: GS Peters, 840–874; Habscheid in: GS Arens, 187–199; Kodek, S.  122–192; Krier, S.  171–177; Muthorst, S.  154–160; Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074, 2077 f.; Röth, AE 2014, 274, 275; Saenger/Saenger, §  286, Rn.  23; K. H. Schwab in: FS Hubmann, 421, 428 f. 8  BVerfG NJW 2002, 3619, 3622 (Beweisverbot aus Recht am gesprochenen Wort einer GmbH); Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2, Rn.  224; Merten/Papier/Enders, §  89, Rn.  76 f. (zu Geschäftsgeheimnissen und Geschäftsehre); Maunz/Dürig/Durner, Art.  10, Rn.  102; Maunz/Dürig/­ Papier, Art.  13, Rn.  17. 9  A. Braun/Wisskirchen/Panzer-Heemeier, Teil I 4, Rn.  174. 10  Etwa die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, BAG NJW 2008, 2732, 2734 f.; HWK/ Lembke, BDSG Vorb. Rn.  110 f.; Lunk, NZA 2009, 457, 462–464; Schlewing, NZA 2004, 1071, 1073–1077; Anders: LAG Bremen RDV 2006, 24. Dazu auch unten Teil  3, C. I. 11  BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  44; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2, Rn.  147. 7 

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

unbenanntes Freiheitsrecht aus Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG abgeleitet und schützt den engeren persönlichen Lebensbereich und die Erhaltung seiner Grundbedingungen.12 Die Rechte aus Art.  8 EMRK und Art.  7, 8 GRCh sind vergleichbar.13 Speziellere, unbenannte Freiheitsrechte sind als Ausprägungen des entwicklungsoffenen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt: Das Recht der Privatsphäre, das Recht auf Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit, welches das Recht am eigenen Wort und am eigenen Bild umfasst, und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.14 Das Recht der Privatsphäre definiert sich über den Informationsinhalt und die räumliche Intimität. Der Mensch soll einen abgeschirmten Lebensbereich haben, in dem er sich alleine oder mit engen Vertrauten frei entfalten kann. Informationen, wie Bilder oder Äußerungen, die diesem Bereich entstammen, sind unabhängig davon geschützt, wie diese bekannt geworden sind.15 Der Schutzbereich wird ausschließlich thematisch und räumlich begrenzt. Beweismittel, die Informationen aus dieser Persönlichkeitssphäre enthalten, sind daher grundrechtsrelevant. Beispiele sind Tagebuchaufzeichnungen, Selbstgespräche oder sexuell-intime Videoaufnahmen. Das Verfügungsrecht über die Darstellung seiner Person überlässt dem Einzelnen die Entscheidung darüber, ob und wieweit andere sein Leben ganz oder teilweise öffentlich darstellen dürfen.16 Geschützt wird insbesondere das Recht am eigenen Wort und am eigenen Bild. Jeder darf selbst bestimmen, ob er fotografiert oder gefilmt wird, ob seine Stimme aufgenommen wird und wie die Aufnahmen verwendet werden.17 Umfasst ist nicht nur die Entscheidung des Grundrechtträgers über die Verdinglichung seines Wortes oder Bildes und über die Verwendung etwaiger Aufnahmen seines Wortes oder Bildes, sondern auch die Entscheidung über den Personenkreis, der unabhängig von einer etwaigen Verdinglichung Kenntnis von einem Gesprächsinhalt erhalten soll.18 Geschützt wird also vor der Herstellung von Ton- oder Videoaufnahmen sowie vor der zumindest einseitig unerkannten und ungewollten Kommunikationsteilhabe einer dritten Person. Schutzzweck ist die Selbstbestimmung über die Zugänglichkeit der Kommunikation, ohne dass es auf eine besondere Persönlichkeitssensibilität der 12 

BVerfG NJW 1980, 2070; NJW 1997, 1769; Sachs/Murswiek/Rixen, Art.  2, Rn.  59–66. BAG NJW 2017, 843, 844; MAH-Arbeitsrecht/Dendorfer-Ditges, §  35, Rn.  220; Jarass/ Pieroth/Jarass, Art.  2, Rn.  36; IT-Arbeitsrecht/Tiedemann, B., Rn.  496. 14  BVerfG NJW 2012, 907, 912; Sachs/Murswiek/Rixen, Art.  2, Rn.  68–75a. 15  BVerfG NJW 2002, 3619, 3621; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2, Rn.  149–165; Jarass/­ Pieroth/Jarass, Art.  2, Rn.  47. 16  BVerfG GRUR 1973, 541, 544; NJW 1973, 1226, 1228; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2, Rn.  166–199. 17 Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  2, Rn.  45. 18  BVerfG NJW 2002, 3619, 3621; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2, Rn.  196. 13 

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht

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Kommunikationsinhalte ankommt.19 Grundrechtsrelevante Beweismittel sind daher nicht nur Ton- und Bildaufnahmen, sondern auch Zeugen, die die Partei heimlich belauscht oder beobachtet haben. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung regelt das Recht des Einzelnen, selbst über Preisgabe und Verwendung seiner Daten zu entscheiden.20 Schutzgegenstand ist die Entscheidungsfreiheit über die Offenbarung persönlicher Lebenssachverhalte.21 Der Schutz ist nicht informations-, sondern verwertungsbezogen.22 Der Anwendungsbereich ist insbesondere nicht auf sensible Daten beschränkt, sondern umfasst alle Daten zu den persönlichen oder sach­lichen Verhältnissen einer Person, sofern diese einer bestimmten oder bestimmbaren Person zugeordnet werden können.23 Erfasst wird sowohl die manuelle als auch die automatische Informationsverarbeitung.24 Der Grundrechtsträger soll unabhängig von der Verarbeitungsform generell vor staatlicher Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten geschützt sein. Auch die Verarbeitung der Daten im gerichtlichen Verfahren durch das Gericht fällt daher in den Schutzbereich.25 Danach sind alle Beweismittel grundrechtsrelevant, die Informationen enthalten, die der Prozesspartei persönlich oder sachlich zugeordnet werden können. Dieser Anwendungsbereich ist damit (zunächst) sehr umfangreich. Neben den unbenannten Persönlichkeitsrechten sind Art.  10 GG und Art.  13 GG verfassungspositive Träger des Persönlichkeitsschutzes. Art.  10 GG schützt die Vertraulichkeit des Informationsaustausches, Art.  13 GG die räumliche Privatheit und den Rückzugsort der Wohnung.26 Beide Grundrechte schützen damit besondere Bereiche der Persönlichkeit und Privatheit und sind deshalb gegenüber dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht spezieller und deshalb vorrangig anzuwenden.27 Geschützt wird nicht nur vor Eingriffen in die Kommunikation oder den Wohnraum selbst, sondern auch vor der anschließenden Verbreitung 19 

BVerfG NJW 2002, 3619, 3621. Erstmals in BVerfG NJW 1984, 419, 422. Zudem BVerfG NJW 2012, 907, 912; BAG NJW 2017, 843, 844; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2, Rn.  19; Beschäftigtendatenschutz/Thüsing/­ Pötters, §  21, Rn.  35. 21  Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2, Rn.  175. 22  Merten/Papier/Enders, §  89, Rn.  7, 10 f.; Macht, S.  188–192. 23  BVerfG NJW 1984, 419, 422; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2, Rn.  175; Jarass/Pieroth/ Jarass, Art.  2, Rn.  43; Macht, S.  192. 24  BVerfG BVerfGE 78, 77, 84; Macht, S.  185. 25  BVerfG NJW 2012, 907, 912; BAG NZA 2014, 243, 247; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2, Rn.  198. 26  Merten/Papier/Stettner, §  92, Rn.  29, 32. 27  BVerfG NJW 2004, 999, 1005; NJW 2007, 2464, 2465; Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  2, Rn.  38; Macht, S.  204 f.; Sachs/Murswiek/Rixen, Art.  2, Rn.  69, 138; Sachs/Pagenkopf, Art.  10, Rn.  53; Merten/Papier/Stettner, §  92, Rn.  27. 20 

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

und Verwertung der so erlangten Informationen.28 Grundrechtsrelevante Beweis­ mittel sind daher solche, die durch Verletzung der sachlichen Schutzbereiche von Art.  10, 13 GG erlangt wurden, beispielsweise E-Mails des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber durch Kommunikations-Überwachungsmaßnahmen erlangt hat oder Ton- und Bildaufnahmen, die ein Vermieter unberechtigterweise in der Wohnung seines Mieters aufgenommen hat.29 Die Differenzierung der sachlichen Schutzbereiche von Art.  10, 13 GG und Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG hat jedoch nur geringe Bedeutung, da die zu Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG entwickelten Grundsätze auf die spezielleren Persönlichkeitsschutzrechte übertragen werden.30 Neben oder anstelle der Persönlichkeitsrechte kann der Beweisgegner auch in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt sein, Art.  20 Abs.  3 GG, Art.  6 Abs.  1 S.  1 EMRK, Art.  47 Abs.  2 GRCh.31 Gegenstand dieses Rechts ist jedoch die Fairness des Verfahrens insgesamt, sodass ein Verstoß nur dann vorliegt, wenn sich das Verfahren in der Gesamtschau als unfair darstellt.32 Dieses umfassendere Recht wird bei der Zulässigkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel von den sachnäheren Persönlichkeitsrechten verdrängt.33 In Anbetracht der Vielfalt möglicher Lebenssachverhalte kann nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass auch andere Freiheitsgrundrechte durch die gerichtliche Verwendung von Beweismitteln berührt werden.34 Insbesondere sind hier Art.  2 Abs.  2 GG, Art.  4 GG, Art.  5 GG, Art.  12 GG und Art.  14 GG zu nennen. Im Regelfall werden sie aber durch die sachnäheren Persönlichkeitsrechte im Wege der Grundrechtskonkurrenz verdrängt.35

28  BVerfG NJW 2000, 55, 57; NJW 2004, 999, 1005; NJW 2010, 833, 835; Maunz/Dürig/ Durner, Art.  10, Rn.  121, 124; Merten/Papier/Enders, §  89, Rn.  11 f.; Krier, S.  169; Muthorst, S.  159; Röth, AE 2014, 274, 275; Sachs/Pagenkopf, Art.  10, Rn.  7a; Maunz/Dürig/Papier, Art.  13, Rn.  145; Störmer, S.  101. Anders: Brinkmann, AcP 206 (2006), 746, 748. 29  Nicht jedoch die sogenannte Mithörfalle, vgl. BVerfG NJW 2002, 3619, 3620 f. 30  BVerfG NJW 2006, 976, 980; Maunz/Dürig/Durner, Art.  10, Rn.  56–58; Sachs/Pagenkopf, Art.  10, Rn.  53. 31  So etwa Morgenroth, NZA 2014, 408, 411, der unter anderem auf das Recht der prozessualen Waffengleichheit abstellt. Zum Strafverfahren: BVerfG NJW 2012, 907, 910. 32  BVerfG NJW 2009, 3225, 3226; NJW 2012, 907, 909–911; EGMR NJW 1989, 654, 655; 1999, 3545; 2010, 3145, 3148. 33  BVerfG NJW 2009, 3225, 3226; NJW 2012, 907, 910; EGMR NJW 1989, 654, 655; Störmer, S.  57. 34  Habscheid, ZZP 96 (1983), 306, 322. 35  Muthorst, S.  161; Störmer, S.  38–53; Tresenreuter, S.  108.

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht

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2. Keine Verwirkung Teile der Literatur vertreten die Ansicht, der sich wahrheitswidrig verteidigende Beweisgegner verdiene keinen Schutz, und ein Beweisverbot käme deshalb nicht in Betracht.36 Diesem Einwand liegt der Gedanke zugrunde, dass das rechtswidrige Beweismittel die absolute und objektive Wahrheit belegt und dass der Beweisgegner beim Bestreiten dieser Wahrheit deshalb bewusst gelogen haben muss, weil es anderenfalls auf das Beweismittel gar nicht ankäme. Indes spricht die Rechtswidrigkeit der Beweiserlangung nicht automatisch für den objektiven Wahrheitsgehalt des erlangten Beweismittels.37 So kann ein Beweismittel rechtswidrig erlangt und dann nachträglich verändert werden, beispielsweise durch Veränderung einer gestohlenen Urkunde, oder ein Beweismittel kann nur einen eingeschränkten und damit verfälschenden Eindruck des Geschehens wiedergeben, beispielsweise eine Videokameraeinstellung, die nur das Entfernen eines Gegenstands zeigt, nicht jedoch das Einräumen des Gegenstands an anderer Stelle38. Zudem gibt es Fälle, in denen der Beweisgegner entweder objektiv die Wahrheit sagt oder er von seiner Sachverhaltsdarstellung derart überzeugt ist, dass sein Bestreiten nicht gegen die (nur subjektive) Wahrheitspflicht verstößt.39 Überdies kann grundrechtlicher Schutz nur verwehrt werden, wenn der Grundrechtsberechtigte sein Schutzrecht verwirkt hat. Die Voraussetzungen der Verwirkung liegen aber – auch im Falle eines sich bewusst wahrheitswidrig verteidigenden Beweisgegners – nicht vor. Grundrechte können nur sehr eingeschränkt verwirkt werden. Art.  18 GG regelt, welche Grundrechte verwirkungsfähig sind und welche Voraussetzungen an eine Verwirkung gestellt werden. Die Auflistung der verwirkungsfähigen Grundrechte ist abschließend.40 Die hier interessierenden Persönlichkeitsrechte sind in dieser Liste nicht enthalten. Auch die weiteren Voraussetzungen, Missbrauch zum Kampfe gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung und Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht, sind offensichtlich nicht erfüllt. Auch ein sich wahrheitswidrig verteidigender Beweisgegner hat seinen Grundrechtsschutz daher nicht verwirkt. 36 

Neuhaus/Kloth, NJOZ 2009, 1370, 1388 f. Ähnlich Rüffer/Halbach/Schimikowski/Musch­ ner, §  213, Rn.  79 f. 37  Konzen, S.  245. 38  Beispiel (abgewandelt) nach BAG NZA 2017, 443–449. Ähnlich auch der räumlich beschränkte Blickwinkel einer Dashcam auf ein Unfallgeschehen und seine Ursachen, Atzert/ Franck, RDV 2014, 136, 140. 39  Dazu kommt es beispielsweise bei einem Verkehrsunfall, bei dem sich beide Parteien von der Dashcam-Auswertung die Bestätigung ihrer Sachverhaltsdarstellung erhoffen, BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  48; AG München NJW-RR 2014, 413, 414; Balzer/­ Nugel, NJW 2014, 1622, 1625. Zur nur subjektiven Wahrheitspflicht Teil  4, C. III. 2. a). 40 Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  18, Rn.  4.

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

3. Ergebnis Im Ergebnis sind Beweismittel grundrechtsrelevant, wenn die darin verkörperten Informationen in den Schutzbereich eines – in der Regel die Persönlichkeit schützenden – Grundrechts fallen. Grundrechtsrelevant dürften, insbesondere aufgrund des weiten Anwendungsbereichs des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, sehr viele Beweismittel sein. Für die Grundrechtsrelevanz des Beweismittels dürfte die Beweismittelbeschaffung deshalb noch keine entscheidende Rolle spielen. Soweit die verkörperten Informationen allerdings nicht in den Schutzbereich eines Grundrechts fallen, kommt ein Beweisverbot nach diesem verfassungsrechtlichen Lösungskonzept von vornherein nicht in Betracht.

II. Grundrechtsbeeinträchtigung durch das Gericht 1. Grundrechtsverpflichtung Eine Grundrechtsbeeinträchtigung kann grundsätzlich nur durch Grundrechtsverpflichtete erfolgen.41 Das Zivilgericht tritt den Verfahrensbeteiligten in unmittelbarer Ausübung hoheitlicher Gewalt gegenüber und ist deshalb bei der prozessualen Entscheidungsfindung und der Verfahrensgestaltung unmittelbar an das Grundgesetz gebunden, Art.  1 Abs.  3 GG.42 Die prozessuale Entscheidungsfindung ist von der Sachentscheidung zu trennen. Bei der Sachentscheidung bestimmt das Gericht über die materielle Rechtsbeziehung der Beteiligten zueinander. Im Zivilprozess beschränkt sich die Grundrechtsbindung bei der Sachentscheidung darauf, die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte im Privatrecht zu beachten.43 Bei der prozessualen Entscheidungsfindung hingegen ist das Gericht zur rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet und darf mit seinen prozessualen Handlungen die Grundrechte der Beteiligten nicht verletzen.44 Außerhalb des Prozesses spielt der Beweisbarkeit geltend gemachter Rechte keine unmittelbare Rolle. Beweismaßnahmen betreffen daher nicht die Sachentscheidung, sondern die Verfahrensgestaltung und damit die prozessuale Entscheidungsfindung. 41 Jarass/Pieroth/Jarass,

vor Art.  1, Rn.  24. BVerfG NJW 1980, 580; NJW 2002, 3619, 3624; BAG NZA 2014, 243, 247; NZA 2014, 143, 145; NJW 2017, 843, 844; NJW 2017, 2853, 2854; NZA 2017, 1327, 1328; Kingreen/ Poscher, Rn.  229; Muthorst, S.  145; IT-Arbeitsrecht/Tiedemann, B., Rn.  496; Wais, S.  181; Washausen, S.  244. Anders Brinkmann, AcP 206 (2006), 746, 759 f. (keine hoheitliche Tätigkeit, bloß formale Aufgabenzuweisung). 43  Siehe dazu Teil  5, B. II. 4. 44  Kiethe, MDR 2005, 965, 968; Krier, S.  168. 42 

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht

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Dieses Verhalten ist daher unmittelbar an den Vorgaben des Grundgesetzes zu messen. 2. Grundrechtsverzicht Eine Grundrechtsbeeinträchtigung scheidet in jedem Fall aus, wenn der Beweisgegner auf den Grundrechtsschutz verzichtet hat. Sofern der Betroffene in die Maßnahme einwilligt und damit auf sein Grundrecht verzichtet, unterbricht er den Zurechnungszusammenhang, sodass keine Grundrechtsbeeinträchtigung vorliegt.45 Die grundsätzliche Verzichtsmöglichkeit ist anerkannt, sofern es sich um einen punktuellen Verzicht handelt, das Grundrecht im Einzelfall disponibel ist und die Verzichtserklärung von einem einwilligungsfähigen Grundrechtsberechtigten freiwillig abgegeben wird.46 Die prozessuale Verwendung von rechtswidrig erlangten Beweismitteln wird in der verfassungsrechtlichen Literatur als typisches Beispiel eines Verzichts auf die Persönlichkeitsrechte genannt.47 Es ist zu prüfen, ob dies alle rechtswidrig erlangten Beweismittel im Zivilprozess betrifft oder ob damit nur die Möglichkeit des Verzichts angesprochen ist. Zunächst könnte bereits die mit dem allgemeinen Prozessbetreiben einhergehende Entscheidung, sich dem staatlichen Gerichtsverfahren und seinen Regeln zu unterwerfen, als konkludenter Grundrechtsverzicht gewertet werden. Im Zivilprozess begeben sich die Prozessparteien im Regelfall durch Klageerhebung (§  253 Abs.  1 ZPO) und Klageerwiderung (§  277 ZPO) freiwillig vor das staatliche Gericht. Nach Beginn des Verfahrens können sie dieses durch Klagerücknahme (§  269 ZPO), Verzicht (§  306 ZPO), Anerkenntnis (§  307 ZPO) und Erledigungserklärungen autonom beenden. Eine Verzichtserklärung ist jedoch nicht in dem erforderlichen Maße freiwillig, wenn dem Verzichtenden bei Nichtverzicht gewichtige Nachteile entstehen.48 Verweigert sich der Betroffene dem staatlichen Gerichtsverfahren, drohen ihm gewichtige Nachteile, denn er wird keine Möglichkeit haben, als Kläger sein Recht durchzusetzen oder als Beklagter sein Recht zu verteidigen. Dieses Ergebnis wäre so nicht mit dem Justizgewährungsanspruch und dem Recht auf rechtliches Gehör vereinbar. In der Verfahrensbetreibung liegt daher kein Grundrechtsverzicht.49 Es wäre zudem wohl kein punktueller Verzicht. 45 

BVerwG NJW 2004, 1191, 1193; Starnecker, S.  132; Jarass/Pieroth/Jarass, vor Art.  1, Rn.  35. 46 Jarass/Pieroth/Jarass, vor Art.  1, Rn.  35 f.; Sachs/Sachs, vor Art.  1, Rn.  52–57. Ausführlich Starnecker, S.  132–135. 47  Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2, Rn.  228. 48  BVerfG NJW 1982, 375; BVerwG NJW 2004, 1191, 1193; Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  1, Rn.  36. 49  So auch H. Prütting, ZZP 106 (1993), 427, 440 zum datenschutzrechtlichen Verzicht.

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

Allerdings ist die Nichtrüge der konkreten Beweismaßnahme ein konkludenter Grundrechtsverzicht.50 Eine konkludente Grundrechtsverzichtserklärung ist ausreichend, wenn ein fehlender Widerspruch aufgrund einer Verkehrssitte in den beteiligten Kreisen als Einwilligung gedeutet werden kann.51 Eine solche Verkehrssitte ist im zivilprozessualen Verfahren ausdrücklich in §§  282, 295 ZPO normiert.52 Der Verzicht durch Nichtrüge der jeweiligen Beweismaßnahme wäre zudem punktuell auf das einzelne Beweismittel im anhängigen Zivilverfahren beschränkt. Ein Grundrechtsverzicht ist jedoch nur dann wirksam, wenn das betroffene Grundrecht disponibel ist. An dieser Disponibilität fehlt es namentlich dann, wenn der Kernbereich des Grundrechts betroffen ist.53 Allerdings schützen die Persönlichkeitsrechte gerade das Recht, persönliche Daten offenzulegen oder offen legen zu lassen.54 Dieses Offenlegungsrecht kommt im Ergebnis einem Verzicht auf Schutz vor Nichtoffenlegung gleich. Ein indisponibler Kern­ bereich ist daher nur schwer denkbar.55 Ein Grundrechtsverzicht liegt demnach nicht vor, wenn der Betroffene das gerichtliche Verhalten rügt oder wenn er im indisponiblen Kernbereich eines seiner Grundrechte berührt ist. In diesen Fällen kann das gerichtliche Verhalten eine Grundrechtsbeeinträchtigung darstellen. 3. Beeinträchtigungshandlung a) Begriff Welches gerichtliche Verhalten als Grundrechtsbeeinträchtigung zu qualifizieren ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Im Folgenden werden deshalb nur allgemeine Erwägungen angestellt. Dabei wird nicht der klassische Eingriffsbegriff, der eine unmittelbar, final, imperativ, rechtlich wirkende Verkürzung des grundrechtlichen Schutzbereichs voraussetzt,56 sondern der modernisierte Begriff zugrunde gelegt. Danach liegt eine Grundrechtsbeeinträchtigung vor, wenn das geschützte Verhalten untersagt, 50 

BVerfG NZA 2002, 284. BVerfG NJW 2002, 3619, 3623. 52  Zum Rügeerfordernis Teil  3, D. I. 1. 53 Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  1, Rn.  13 54  BVerfG NJW 2002, 3619, 3622; Merten/Papier/Enders, §  89, Rn.  47; Jarass/Pieroth/­ Jarass, Art.  2, Rn.  54; Art.  10, Rn.  13; Art.  13 Rn.  10; Neuhaus/Kloth, NJOZ 2009, 1370, 1390; Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074, 2079; Starnecker, S.  133 f.; Beschäftigtendatenschutz/­ Thüsing/Pötters, §  21, Rn.  35. 55  Von der Verzichtsmöglichkeit zu unterscheiden ist die Frage des unantastbaren Kern­be­ reichs, dazu unten Teil  3, B. III. 1. 56 Jarass/Pieroth/Jarass, vor Art.  1, Rn.  27. Wegen neuer Eingriffsformen vom modernen Begriff abgelöst worden, Starnecker, S.  127. 51 

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht

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erschwert oder unmöglich gemacht wird, wobei regelmäßig auch mittelbare oder rein faktische Handlungen als Eingriff gelten, sofern sie eine gewisse Erheblichkeit haben.57 Bei den Persönlichkeitsrechten erfolgen Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht nur durch Datensammlung und Aufzeichnung, sondern insbesondere durch Verarbeitung, Weitergabe und Verwertung der gesammelten Daten.58 Dem Gericht werden bereits gesammelte Daten vorgelegt, sodass nur die Beweismaßnahmen als mögliche Verwendung59 dieser vorgelegten Daten mögliche Eingriffshandlungen des Gerichts sind. Es ist jedoch umstritten, welche Beweismaßnahme des Gerichts konkret grundrechtsbeeinträchtigend ist. Als Beeinträchtigungshandlung werden die Beweisverweigerung, die Beweisaufnahme oder die Berücksichtigung bei der Entscheidungsfindung angesehen. b) Beweisverweigerung Wenige Stimmen der Literatur knüpfen an die Beweisverweigerung als Eingriffshandlung an.60 Durch die Entscheidung, einen Beweis nicht aufzunehmen oder nicht zu würdigen, berührt das Gericht das grundrechtsgleiche Recht des Beweisführers auf Beweis, Art.  103 Abs.  1 GG. Deshalb wird mitunter nicht geprüft, ob ein Eingriff in das Abwehrrecht des Beweisgegners erfolgen darf, sondern ob der Anspruch des Beweisführers eingeschränkt werden darf.61 Diese Herangehensweise verdeutliche, dass sich im Zivilverfahren, anders als im Strafverfahren, zwei gleichgeordnete Parteien gegenüberstehen.62 Einen Unterschied für den weiteren Prüfungsverlauf mache diese Vorgehensweise vor allem wegen der unterschiedlichen Einschränkbarkeit der Grundrechte und der Abwägungsgesichtspunkte.63 Diese Ansicht knüpft an ein Unterlassen an, denn das für die Beschränkung des Rechts auf Beweis maßgebliche Verhalten ist nicht die förmliche Ablehnung 57 Jarass/Pieroth/Jarass,

vor Art.  1, Rn.  28; Kingreen/Poscher, Rn.  264 f., 294; Isensee/ Kirchhof/Kube, §  148, Rn.  80 f.; Möllers, S.  388; Sachs/Sachs, vor Art.  1, Rn.  83–93; Starnecker, S.  127. 58  BVerfG NJW 2000, 55, 57; NJW 2004, 999, 1005; NJW 2010, 833, 835; Merten/Papier/ Enders, §  89, Rn.  11 f.; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2, Rn.  176; Maunz/Dürig/Durner, Art.  10, Rn.  121, 124; Krier, S.  169; Muthorst, S.  159; Sachs/Pagenkopf, Art.  10, Rn.  7a; Maunz/Dürig/ Papier, Art.  13, Rn.  145; Störmer, S.  101. 59  Dies dürfte im verfassungsrechtlichen Sinne eine „Datenverwertung“ sein. Damit keine Missverständnisse im zivilverfahrensrechtlichen Kontext entstehen (Teil  2, B. I. 3.), wird im Folgenden aber von einer Datenverwendung oder Informationsverwendung gesprochen. 60  Tresenreuter, S.  73. Evtl. auch Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 232. 61  Tresenreuter, S.  73. Evtl. auch Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 232. 62  Tresenreuter, S.  8. 63  Tresenreuter, S.  8.

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

des Beweisantrags, sondern die Nichtvornahme der Beweisaufnahme. Ziel des Gerichts bei der Nichtvornahme der Handlung ist nicht die Beschränkung der Rechte des Beweisführers, sondern die Nichtbeschränkung der Rechte des Beweisgegners. Eine Rechtsbeeinträchtigung des Beweisführers ist also eine bloße unbeabsichtigte Nebenfolge, ein Reflex, der nicht als Grundrechtsbeeinträchtigung qualifiziert werden kann.64 Denn ein Unterlassen ist nur dann eine Grundrechtsbeeinträchtigung, wenn das verlangte positive Handeln verfassungsrechtlich möglich ist.65 Die Frage, ob das positive Handeln, die Beweismaßnahme, verfassungsrechtlich möglich ist, ist daher zwingend vorrangig zu beantworten. Das Rechtsstaatsprinzip und das System des lückenlosen Grundrechtsschutzes durch Schaffung unbenannter Grundrechte begründet einen zentralen abwehrrechtlichen Gehalt der Verfassung, weshalb das positive Handeln, der Grundrechtseingriff, und nicht das Absehen von einem Grundrechtseingriff der Rechtfertigung bedarf.66 c) Beweisaufnahme Als mögliche Eingriffshandlung wird die Anordnung und Durchführung der Beweisaufnahme angesehen.67 Danach greife das Gericht in ein Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners ein, wenn es eine Ton- oder Videoaufnahme in Augenschein nimmt oder einen Zeugen, der heimlich belauscht oder beobachtet hat, vernimmt. Gegen die Beweisaufnahme als Grundrechtsbeeinträchtigung wird eingewandt, dass der Zivilprozess dem Beweisgegner die Möglichkeit gebe, Äußerungen und Handlungen sowie deren Hintergründe zu erläutern. Es drohe daher durch die Verdinglichung des Wortes oder Bildes keine entzerrte oder verkürzte Darstellung der Realität, sodass die Beweisaufnahme keine oder nur eine geringe Grundrechtsbeeinträchtigung darstelle.68 Zudem seien die Tatsachen durch den vorangegangenen Sachvortrag des Beweisführers im öffentlichen Gerichtsverfahren bereits der Persönlichkeitssphäre entrückt.69 Letzterem Argument steht aber entgegen, dass der vorangegangene streitige Tatsachenvortrag eine bloße 64 Jarass/Pieroth/Jarass,

vor Art.  1, Rn.  29. vor Art.  1, Rn.  32. 66 Jarass/Pieroth/Jarass, vor Art.  1, Rn.  26; Isensee/Kirchhof/Möstl, §  179, Rn.  73. Ähnlich Merten/Papier/Enders, §  89, Rn.  1. 67  Ahrens, Kapitel  6, Rn.  17; Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 318; Kodek, S.  127; Krier, S.  167, 170; Röckl/Fahl, NZA 1998, 1035, 1039; K. H. Schwab in: FS Hubmann, 421, 428 f. Teilweise beschränkt auf Beweismittel des Augenscheins und Urkunden, Fink, S.  100–105 (m. w. Nw.); AK-ZPO/Rüßmann §  284, Rn.  9. 68  Kodek, ÖJZ 2001, 281, 296; Lang, S.  135; H. Roth in: Recht der Persönlichkeit, 279, 290. 69  Werner, NJW 1988, 993, 1001. 65 Jarass/Pieroth/Jarass,

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht

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Behauptung ist, die nicht als unumkehrbare Offenbarung intimer Informationen angesehen werden kann.70 Kodek sieht in der Beweisaufnahme nur sehr beschränkt eine Grundrechtsbeeinträchtigung. Die Beweisaufnahme sei kein Eingriff, sofern das Beweismittel entscheidungserheblichen Sachverhalt betreffe, sondern nur, soweit darüber hinaus für den Prozess nicht relevante Bereiche erfasst werden.71 Deshalb sei das Gericht beispielsweise gehalten, nur den einen entscheidungserheblichen Satz aus dem Tagebuch (vor)zulesen, denn darin liege keine Grundrechtsbeeinträchtigung – im Vorlesen des übrigen Textes aber schon.72 Diese Überlegung kann nicht überzeugen. Zum einen begründet Kodek nicht, weshalb die Entscheidungserheblichkeit für einen Zivilprozess den Grundrechtsschutz für einen Teil des geschützten Tagebuchs aufhebt. Zum anderen ist dieser Vorschlag praktisch nicht handhabbar, denn in einem Tagebuch wird kaum jemals ein nur den Prozess betreffender Satz stehen, der von dem Rest des Textes logisch zwingend abtrennbar und dennoch für sich allein beweisergiebig ist. Der Inhalt eines Textes, insbesondere eines, der nicht für die Veröffentlichung geschrieben wurde, ist erst durch seinen Zusammenhang und durch entsprechende Deutung verständlich.73 Eine bloße Fraktion eines Textes hat dann aber kaum Beweiswert. Kodek gewährt letztlich faktisch keinerlei Grundrechtsschutz, weil entscheidungserhebliche Tatsachen dem Verbot nicht unterfallen können.74 Denn wenn das Tagebuch vollständig vorgelesen werden würde, wäre dies zwar bezüglich den nicht entscheidungserheblichen Tatsachen eine Grundrechtsbeeinträchtigung, diese bliebe aber (im Prozess) folgenlos, denn der nichtentscheidungserhebliche Sachverhalt ist nicht beweisbedürftig und kann daher ebenfalls keinem Beweisverbot unterliegen. d) Berücksichtigung bei der Entscheidungsfindung Auch die inhaltliche Berücksichtigung des Beweismittels bei der weiteren Entscheidungsfindung (Beweiswürdigung) wird als grundrechtsbeeinträchtigende Handlung angesehen.75 Grundrechtsverletzend sei dabei nicht nur der staatliche Umgang mit der Information durch Einbeziehung bei der Entscheidungsfindung,76 sondern auch die Fixierung der Information in den Urteilsgründen, die eine fort70 

Fink, S.  90. Kodek, S.  130–134, 138. 72  Kodek, S.  166. 73  Kaissis, S.  192; Wais, S.  157, 159. 74  Kodek, S.  138. 75  Jäckel, Beweisrecht der ZPO, 1. Kapitel, Rn.  105; Störmer, S.  37. 76  Muthorst, S.  157. 71 

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

bestehende Verwendungsmöglichkeit durch Aktenbeiziehung in anderen Verfahren ermögliche.77 Gegen eine Grundrechtsbeeinträchtigung durch Beweiswürdigung wird eingewandt, die Berücksichtigung der Informationen sei keine oder allenfalls nur eine geringe Beeinträchtigung, da die Informationen durch die Beweisaufnahme bereits gerichtsöffentlich gemacht worden seien.78 Überdies unterscheide sich die Nichtberücksichtigung nicht von der Berücksichtigung des Beweismittels, denn weil das Gericht die Nichtberücksichtigung des Beweismittels in den Entscheidungsgründen begründen müsse, würden die Informationen in jedem Fall im späteren Urteil stehen.79 e) Stellungnahme Bevor konkrete Beweismaßnahmen als mögliche Beeinträchtigungshandlungen untersucht werden, ist zunächst die Informationsverwendung als grundrechtsbeeinträchtigende Handlung dahingehend näher zu konkretisieren, dass sie sowohl durch äußerliche als auch durch informationelle Verwendung erfolgen kann. Äußerliche Verwendung meint hier die Inaugenscheinnahme der vorgelegten Beweismittel bei der Durchführung der Beweisaufnahme.80 Mit ihr geht eine (öffentliche) Wiedergabe der Informationen einher. Wenn das Gericht grundrechtsrelevante Beweismittel im Verfahren abspielt, vorliest, ansieht, laut befragt oder in sonstiger Form der Beweiserhebung unterzieht, greift es durch äußerliche Verwendung in die Persönlichkeitsrechte des Beweisgegners ein.81 Dem steht die Möglichkeit des Beweisgegners zur Stellungnahme und Richtigstellung nicht entgegen, denn der Schutzbereich schützt nicht nur vor der Informationsverwendung in Abwesenheit des Betroffenen. Eine äußerliche Verwendung erfolgt nur bei der Beweisaufnahme und, mangels Wiedergabe, nicht bei der Beweiswürdigung.82 Wer einen Grundrechtseingriff mit der Begründung ablehnt, die Informationen seien nicht mehr grundrechtlich geschützt, weil sie durch Sachvortrag oder Beweisaufnahme schon öffentlich geworden sind oder weil sie ohnehin im Urteilstext Niederschlag finden würden, reduziert die Grundrechtsbeeinträchtigung durch Informationsverwendung auf die äußerliche Verwendung. Neben der äußerlichen Verwendung kann jedoch auch die informationelle Verwendung grundrechtsbeschränkend sein. Die informationelle Verwendung ist die 77 

Wais, S.  168. Tresenreuter, S.  159. 79  Tresenreuter, S.  147. 80  Muthorst, S.  151–154. 81  Muthorst, S.  151. 82  Muthorst, S.  173. 78 

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht

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Entnahme des Informationsgehalts und dessen Einbeziehung in eine spätere Entscheidung.83 Wie dargelegt, schützen sowohl das Recht auf Selbstdarstellung als auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bereits vor dem bloßen Wissen des Staates und vor jeglicher Informationsverwendung des Staates. Schließlich verwirklicht sich die in der Informationserhebung liegende Gefahr für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf Selbstdarstellung vor allem in der Verwendung der Informationen.84 Aber auch das Recht auf Privatsphäre erlischt nicht durch einen einmal begangenen Verstoß. Schutzgegenstand des Rechts auf Privatsphäre ist nicht die einzelne Information selbst, sondern die Privatsphäre, der sie entstammt.85 Diese Privatsphäre wird jedoch durch einen vormaligen Eingriff nicht öffentlich. Folglich wird das Recht durch jede weitergehende Verwendung der erlangten Informationen fortwirkend oder erneut beeinträchtigt.86 Bei den spezielleren Persönlichkeitsrechten aus Art.  10 GG und Art.  13 GG werden die Verwendung und Weitergabe der erlangten Informationen ebenfalls als Eingriff qualifiziert, denn die Gefährdung erschöpft sich nicht in dem Eingriff in den Kommunikationsbereich oder in die Wohnung, sondern sie wird durch die weitere Verbreitung, Verarbeitung und Verwendung der dort erlangten Informationen noch intensiviert.87 Die fehlende Informationsherrschaft, mit der der Betroffene die Verwendung verhindern könnte, ist unmittelbare Folge des vorherigen Eingriffs.88 Dies gilt unabhängig davon, ob die initiale Kenntnisnahme zulässig war.89 Von allen oben genannten Grundrechten wird also die informationelle Verwendung der Daten geschützt. Die Verletzung dieser Grundrechte erfolgt damit als eine Art „Dauerdelikt“, weil die Erhebung, Speicherung, Weitergabe und Verwendung der Daten fortwirkend als Eingriff zu qualifizieren sind.90 Informationell verwendet werden die Informationen bei allen denkbaren Beweismaßnahmen, denn das Gericht entnimmt dabei entweder Informationen (etwa: Beweisaufnahme) oder bezieht sie in spätere Entscheidungen ein (etwa: Würdigung, Entscheidungsfindung). Jedwede informationelle Verwendung des Beweises und damit sowohl die Beweisaufnahme als auch die Berücksichtigung bei der Entscheidungsfindung ist daher als grundrechtlicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte zu qualifizieren.91 83 

Muthorst, S.  154, 157. Macht, S.  198. 85  Teil  3, B. I. 1. 86  Merten/Papier/Enders, §  89, Rn.  7, 10; Muthorst, S.  156, 158; Störmer, S.  206, 207. 87  BVerfG NJW 2000, 55, 57; NJW 2004, 999, 1005; NJW 2010, 833, 835; Jarass/Pieroth/ Jarass, Art.  10, Rn.  11, Art.  13, Rn.  7; Macht, S.  208 f.; Muthorst, S.  159. 88  Macht, S.  208. 89  Merten/Papier/Stettner, §  92, Rn.  23. 90  Merten/Papier/Stettner, §  92, Rn.  27. 91  BVerfG NZA 2002, 284; NJW 2002, 3619, 3624; Macht, S.  199; Muthorst, S.  157 f., 174; 84 

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

Je nach Einzelfall kann daher im Ergebnis grundsätzlich jede gegen den Willen einer Partei stattfindende Beweismaßnahme des Gerichts einen rechtfertigungsbedürftigen Grundrechtseingriff bedeuten, wenn die in dem Beweismittel verkörperten Informationen einem grundrechtlichen Schutzbereich zuzuordnen sind. f) Rechtswidrige Beweismittelbeschaffung Teilweise wird das gerichtliche Verhalten als „vertiefender“, „perpetuierender“ oder „erneuter“ Eingriff bezeichnet.92 Damit wird ein vorheriger Eingriff des Beweisführers impliziert. Dessen Verhalten stellt aber mangels Grundrechtsverpflichtung keinen Grundrechtseingriff dar.93 Allein die gerichtliche Beweismaßnahme ist eine Grundrechtsbeeinträchtigung. Die Bezeichnung ist untechnisch dahingehend zu verstehen, dass zwischen dem gerichtlichen Eingriff und der Beschaffungshandlung der Partei ein Zusammenhang besteht.94 Einerseits berührt das Parteiverhalten insbesondere wegen der anschließenden gerichtlichen Verwendung der so erlangten Beweise den Beweisgegner in seinen Rechten, und andererseits greift die gerichtliche Verwendung der Beweismittel insbesondere wegen der vorangegangenen Beschaffungshandlung in den Schutzbereich des Beweisgegners ein. Die Beweismittelbeschaffung bestimmt, ob und wie die Informationen gegen den Willen des Schutzberechtigten aus der Persönlichkeitssphäre entnommen und offenlegt wurden, und je stärker die Informationen zuvor vor der Kenntnis Dritter geschützt waren, umso intensiver wird der Eingriff durch die Verwendung sein. Die rechtswidrige Beweisbeschaffung hat damit Auswirkungen auf die Eingriffsqualität. Der moderne Eingriffsbegriff erfasst zwar zunächst sehr viele beeinträchtigend wirkende Handlungen. Auch er erfordert aber eine Verkürzung der Grundrechtssubstanz und damit eine gewisse Erheblichkeit der Beeinträchtigung, damit der Eingriff in der Grundrechtsdogmatik einem klassischen Eingriff Peres, S.  130 f. Der Eingriffsqualität der Informationsverwendung steht weder entgegen, dass die Informationen durch einen Dritten erlangt wurden (BVerwG NJW 2004, 2462, 2466; Merten/­ Papier/Enders, §  89, Rn.  11), noch dass die Verwendung durch ein Gericht erfolgt (BVerfG NJW 2012, 907, 912). 92  BGH NJW 1988, 1016, 1017; BAG NJW 2008, 2732, 2734; NZA 2011, 571, 573; NZA 2014, 143, 145; NJW 2017, 843, 845; BB 2019, 697, 698; OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577, 1578; LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 16.11.2011 – 3 Sa 284/11 – juris, Rz.  34; Chandna-Hoppe, NZA 2018, 614, 615; Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1202; Eylert, NZA-Beil. 2015, 100, 105; Fink, S.  108 f.; Schwab/Weth/N. Schwab, §  58 ArbGG, Rn.  74. 93  Siehe dazu Teil  5, B. II. 4. 94  So auch Kratz/Gubbels, NZA 2009, 652, 656, die auf die Perpetuierung des rechtswidrigen Zustands abstellen. Kritisch: Betz, RdA 2018, 100, 109.

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht

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in Zielsetzung und Wirkung gleichsteht.95 Dieses Erfordernis ist insbesondere bei weiten Anwendungsbereichen wie den Persönlichkeitsrechten eine erforderliche Einschränkung, denn anderenfalls wäre der Staat genötigt, in unübersehbarer Vielzahl zu vernachlässigende Grundrechtsbeeinträchtigungen rechtfertigen zu müssen. Diese Erheblichkeit wird regelmäßig fehlen, wenn die Beweismittel nach materiellem Recht zulässig erlangt wurden.96 Die in den rechtmäßig erlang­ ten Beweismitteln enthaltenen Informationen sind aufgrund des weiten sach­ lichen Schutzbereichs der Persönlichkeitsrechte ebenfalls grundrechtsrelevant, sodass die gerichtliche Verwendung der personenbezogenen Informationen auch den Schutzbereich der Persönlichkeitsrechte berühren würde. Diese Berührung hat aber regelmäßig mangels Erheblichkeit keine Eingriffsqualität.97 g) Ergebnis Grundsätzlich ist jede Beweismaßnahme des Gerichts mit einem grundrechts­ relevanten Beweismittel als Grundrechtseingriff zu qualifizieren. Jedoch wird in den meisten Fällen mangels Rüge ein Grundrechtsverzicht vorliegen. Nur bei gerügten Beweismaßnahmen greift das Gericht in Grundrechte ein und kann, abhängig von der verfassungsrechtlichen Rechtfertigbarkeit dieses Eingriffs, ­Adressat eines Beweisverbots sein. Die Rechtswidrigkeit der Beweismittelbeschaffung steht in keinem direkten Zusammenhang zur Grundrechtsbeeinträchtigung durch Informationsverwendung; sie ist aber für die Intensität des gerichtlichen Eingriffs von Bedeutung. Als grundrechtsrelevant werden in der Praxis üblicherweise nur solche Beweismaßnahmen gerügt, die sich auf rechtswidrig erlangte Beweismittel beziehen, sodass ein Eingriff bei rechtmäßig erlangten Beweismitteln bereits aus diesem Grund regelmäßig ausscheidet. Grundsätzlich können aber auch rechtmäßig erlangte Beweismittel personenbezogene und damit grundrechtlich geschützte Informa­ tionen enthalten, sodass auch die Beweismaßnahmen mit diesen Beweismitteln ein Grundrechtseingriff sein könnten. Ein derartiger Eingriff des Gerichts ist aber im Regelfall derart unerheblich, dass er – auch nach dem modernen Eingriffs­ begriff – nicht als Eingriff qualifiziert werden kann.

95  Maunz/Dürig/Herdegen, Art.  1 Abs.  3, Rn.  39; Jarass/Pieroth/Jarass, vor Art.  1, Rn.  28 f.; Isensee/Kirchhof/Kube, §  148, Rn.  80 f.; Sachs/Sachs, vor Art.  1, Rn.  83–93. Das Erheblichkeitserfordernis ist nicht unumstritten – Bei anderer Ansicht wären unerhebliche Eingriffe aber aufgrund der Rechte des Beweisgegners und der Allgemeinheit stets verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Dazu Teil  3, B. III. 4. a) aa). 96  IT-Arbeitsrecht/Tiedemann, B., Rn.  490. 97  Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329, 340; Röth, AE 2014, 274, 276. Ausnahmen s. Teil  3, C. I.

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

III. Rechtfertigung der Beeinträchtigung Die beeinträchtigende Beweismaßnahme könnte indes verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Gerechtfertigt ist ein Grundrechtseingriff, wenn das Grundrecht einschränkbar ist und der Eingriff die Grenzen dieser vorgesehenen Schranken, die Schranken-Schranken, wahrt.98 1. Einschränkbarkeit der Grundrechte Anknüpfend an die unverletzliche Würde des Menschen, enthält jedes Grundrecht einen Kernbereich, der schrankenlos gewährleistet wird, Art.  19 Abs.  2 GG (Wesensgehaltsgarantie). Eingriffe in diesen Kernbereich können verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden und sind deshalb stets unzulässig.99 Sie führen immer zu einem Beweisverbot.100 Sofern nicht die Menschenwürdegarantie betroffen ist, sind jedoch alle genannten Grundrechte einschränkbar. Die Persönlichkeitsrechte sind, auch wenn sie aus Art.  2 Abs.  1 GG i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG abgeleitet werden, nicht unverletzlich, denn Art.  1 Abs.  1 GG fungiert insoweit nicht als eigenständiges Grundrecht, sondern dient der materiellen Verstärkung des Art.  2 Abs.  1 GG.101 Sie unterfallen den Schrankentrias aus Art.  2 Abs.  1 GG und dort insbesondere der verfassungsmäßigen Ordnung.102 Sämtliche Ausprägungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, einschließlich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, unterliegen dieser Schranke.103 In der weiten Auslegung der verfassungsmäßigen Ordnung, als die Gesamtheit der verfassungsmäßigen Normen gehen die beiden weiteren Schranken, die Rechte Dritter und das Sittengesetz, regelmäßig auf.104 Im Ergebnis stellen die Schrankentrias daher einen einfachen Gesetzesvorbehalt dar.105 Erforderlich ist also ein eingreifendes oder dem Eingriff zugrundeliegendes Gesetz, ohne dass 98 Jarass/Pieroth/Jarass,

vor Art.  1, Rn.  14; Möllers, S.  391. BVerfG NJW 2012, 907, 908; Muthorst, S.  158; Merten/Papier/Rudolf, §  90, Rn.  67; K. H. Schwab in: FS Hubmann, 421, 428, 431; Starnecker, S.  175. 100  BVerfG NJW 2012, 907, 908; Gamp, DRiZ 1981, 41, 44, 46; Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  13, Rn.  26; Habscheid in: GS Peters, 840, 857; Kaissis, S.  151; Störmer, S.  58. Folter als Beispiel von Merten/Papier/Enders, §  89, Rn.  65. Allerdings ist auch hier ein den Eingriff ausschließender Verzicht durch freiwillige Informationsoffenlegung möglich, oben Teil  3, B. II. 2. 101  Starnecker, S.  136. 102  BVerfG NJW 1998, 1627, 1632; NJW 2002, 3619, 3624; Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  2, Rn.  58; Isensee/Kirchhof/Kube, §  148, Rn.  84; Macht, S.  217; Sachs/Murswiek/Rixen, Art.  2, Rn.  103; Muthorst, S.  158. 103  Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2, Rn.  133; Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  2, Rn.  58; Macht, S.  217; Sachs/Murswiek/Rixen, Art.  2, Rn.  90, 103. 104  Macht, S.  218; Starnecker, S.  137. 105  Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2, Rn.  133; Macht, S.  218. 99 

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht

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an dieses Gesetz nähere Anforderungen eines qualifizierten Gesetzesvorbehalts gestellt werden.106 Auch Art.  10 GG unterliegt einem einfachen Gesetzesvorbehalt, Art.  10 Abs.  2 S.  1 GG. Art.  13 GG enthält ein differenziertes Schrankensystem mit unterschiedlichen Anforderungen je nach Eingriff. Die dort genannten Eingriffe beziehen sich zwar auf die Informationsbeschaffung, dürften aber auch die Verwendung der beschafften Informationen rechtfertigen.107 Aus dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt ergeben sich besondere Anforderungen an das einschränkende Gesetz. Allerdings können Eingriffe durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt sein. Diese verfassungsimmanente Schranke, die sich aus der systematischen Auslegung des Grundgesetzes unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Verfassung ergibt, steht neben etwaigen ausdrücklichen Grundrechtsschranken.108 Ein ausdrücklicher Gesetzesvorbehalt steht der Einschränkbarkeit durch kollidierendes Verfassungsrecht allenfalls entgegen, wenn er die Einschränkbarkeit erkennbar abschließend regeln sollte.109 Dafür spricht bei Art.  13 GG zwar das differenzierte Schrankensystem; jedoch beziehen sich diese Schranken auf die physische Verletzung des Wohnraums, nicht auf die anschließende Informationsverwendung. Art.  13 GG ist insoweit also auch durch kollidierendes Verfassungsrecht einschränkbar. Maßgebliche kollidierende Verfassungsgüter sind neben dem subjektiven Recht des Beweisführers auf Beweis aus Art.  103 Abs.  1 GG insbesondere die Funktionsfähigkeit der Zivilrechtspflege.110 Auch soweit kollidierendes Verfassungsrecht als Eingriffsrechtfertigung dienen soll, unterliegen die Eingriffe dem allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes, denn der Ausgleich der kollidierenden Interessen ist primär Aufgabe des Gesetzgebers,111 und diese ungeschriebene Eingriffsmöglichkeit kann nicht geringere Voraussetzungen haben als die geschriebenen Möglichkeiten.112 Zusammenfassend sind die genannten Grundrechte, sofern sie nicht in ihrem Kernbereich betroffen sind, durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes einschränkbar. Ein Eingriff, der nicht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgt, ist dementgegen verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen.

106 

Kingreen/Poscher, Rn.  305.

107 Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  13,

Rn.  27, 31, 33; Macht, S.  268. BVerfG NJW 2004, 2814, 2816; Epping, Rn.  77–107; Jarass/Pieroth/Jarass, vor Art.  1, Rn.  48, 50; Art.  13, Rn.  12. 109  Maunz/Dürig/Herdegen, Art.  1 Abs.  3, Rn.  43. 110  Dazu sogleich, Teil  3, B. III. 4. a) aa) (1). 111 Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  1, Rn.  18, 50; Störmer, S.  66. 112  Maunz/Dürig/Herdegen, Art.  1 Abs.  3, Rn.  45; Kingreen/Poscher, Rn.  386. 108 

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

2. Zivilprozessordnung als einschränkendes Gesetz Gesetzliche Grundlage für die Beweismaßnahmen des Gerichts sind die zivilprozessualen Vorschriften, insbesondere §§  284 ff. ZPO und §§  355 ff. ZPO.113 Allerdings wird in diesen Vorschriften meist nicht ausdrücklich das „Ob“ der Maßnahmen, sondern das „Wie“, die konkrete Verfahrensgestaltung, geregelt. §  284 ZPO regelt die Voraussetzungen und das Verfahren der Beweisaufnahme nicht näher, sondern verweist auf die Titel fünf bis elf der Zivilprozessordnung. Der Titel fünf enthält allgemeine Vorschriften zu Zuständigkeit und Verfahren und die Titel sechs bis zehn enthalten besondere Regelungen zu Beweisaufnahme, Beweisantritt und Beweiskraft. Die Befugnis zur Vornahme der Beweismaßnahmen bei der Beweisaufnahme ist dort also nicht direkt geregelt, sondern wird vorausgesetzt. Allein §  286 Abs.  1 S.  1 ZPO enthält eine ausdrückliche Befugnis zur Vornahme einer Beweismaßnahme: Er regelt die Befugnis des Gerichts unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Auch die anderen Beweismaßnahmen beruhen jedoch auf den Vorschriften der Zivilprozessordnung, denn mit der Aussage darüber, wie ein Verhalten zu erfolgen hat, geht die Aussage über die Befugnis zum Verhalten indirekt einher.114 Um das einschlägige Grundrecht zulässigerweise zu beschränken, den Eingriff also zu legitimieren, müssen die Verfahrensnormen der Zivilprozessordnung formell und materiell verfassungsgemäß sein. 3. Formelle Verfassungsmäßigkeit des einschränkenden Gesetzes Eine vollständige Überprüfung der formellen Verfassungsmäßigkeit der §§  284 ff. ZPO und §§  355 ff. ZPO ist für die vorliegende Untersuchung nicht erforderlich. Insbesondere sind sie vom gemäß Art.  74 Abs.  1 Nr.  1 GG zuständigen Bundesgesetzgeber erlassen worden.115 Erwähnenswerte formelle Schranken-Schranke ist aber das Zitiergebot aus Art.  19 Abs.  1 S.  2 GG, wonach das einschränkende Gesetz das betroffene Grundrecht unter Angabe des Artikels benennen muss. Diese Hinweispflicht hat eine 113 

BVerfG NJW 2002, 3619, 3624; BGH NJW 2013, 2668, 2670; Bergwitz, NZA 2012, 353, 354; Habscheid in: GS Peters, 840, 852; Störmer, S.  256; Werner, NJW 1988, 993, 1001. Die Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung und des Bundesdatenschutzgesetzes begründen dementgegen keine gesetzliche Grundlage für die Beweismaßnahmen des Gerichts, dazu: Teil  3, A. 114  Stein/Jonas/Thole, §  284, Rn.  1, 40 leitet die Befugnis auch aus dem Justizgewährungsanspruch ab. 115  Maunz/Dürig/Maunz, Art.  74, Rn.  79.

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht

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Warn- und Besinnungsfunktion.116 In den genannten Vorschriften der Zivilprozessordnung findet sich jedoch kein Hinweis auf die Einschränkung von Grundrechten. Der Anwendungsbereich des Art.  19 Abs.  1 S.  2 GG ist in vielen Punkten umstritten. So findet das Zitiergebot nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgrund des Wortlauts nur bei Grundrechten Anwendung, die ausdrücklich eine „Einschränkung“ durch den Gesetzgeber vorsehen.117 Auf die Zivilprozessordnung übertragen, unterläge danach nur die Einschränkung der Art.  10, 13 GG dem Zitiergebot, nicht jedoch die Einschränkung des Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG.118 In der Literatur wird zudem vielfach vertreten, das Zitiergebot gelte nur für diejenigen Vorschriften, die gezielt und unmittelbar in ein Grundrecht eingreifen, weil in den anderen Fällen keine Warnung oder Besinnung des Gesetzgebers notwendig sei.119 Bei Informationseingriffen unterfallen danach nur die Vorschriften zur Datenerhebung, nicht jedoch die Vorschriften über die gerichtliche Datenverwendung dem Zitiergebot.120 Der Eingriff des Gerichts durch Informationsverwendung im Verfahren beeinträchtigt die Schutzbereiche der Grundrechte, insbesondere die Privatheit der Wohnung und Kommunikation, nur mittelbar. Schließlich findet das Zitiergebot unstreitig nur Anwendung bei nachkonstitutionellen Gesetzen.121 Abhängig davon, ob die betreffenden Normen der Zivilprozessordnung unverändert oder nur mit geringen Änderungen bereits in der vorkonstitutionellen Fassung des Gesetzes, in Kraft getreten am 01.10.1879, vorhanden waren, würde das Zitiergebot fernerhin aus diesem Grund keine Anwendung finden. Das Zitiergebot dürfte aufgrund dieser vielen Ausnahmen demnach auf möglicherweise grundrechtsbeschränkende Beweisrechtsnormen der Zivilprozessordnung nicht anwendbar sein. Die verfassungsrechtsspezifische Frage braucht an dieser Stelle aber nicht vertieft zu werden. Zwar führt ein Verstoß gegen das Zitiergebot grundsätzlich zur Nichtigkeit der einschränkenden Regelung.122 Die 116 

BVerfG NJW 2012, 833, 834; Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  19, Rn.  3; Maunz/Dürig/­ Remmert, Art.  19 Abs.  1, Rn.  41; Sachs/Sachs, Art.  19, Rn.  25; Starnecker, S.  139. 117  BVerfG NJW 1991, 1471, 1475; NJW 1999, 3399, 3400; NJW 2012, 833, 834; Jarass/ Pieroth/Jarass, Art.  19, Rn.  4 (m. w. Nw.). Kritisch Maunz/Dürig/Remmert, Art.  19 Abs.  1, Rn.  53 f.; Sachs/Sachs, Art.  19, Rn.  27–30. 118  BVerfG NJW 1970, 1268, 1269; Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  2, Rn.  58; Macht, S.  230. Kritisch Starnecker, S.  139. 119  BVerfG NJW 1999, 3399, 3400; Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  19, Rn.  5; Maunz/Dürig/ Remmert, Art.  19 Abs.  1, Rn.  57. 120  BVerfG NJW 2012, 907, 914; Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  19, Rn.  7. 121  BVerfG NJW 1956, 986; Maunz/Dürig/Remmert, Art.  19 Abs.  1, Rn.  48; Sachs/Sachs, Art.  19, Rn.  15. 122  BVerfG NJW 2012, 833, 834; Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  19, Rn.  7a; Maunz/Dürig/­ Remmert, Art.  19 Abs.  1, Rn.  47; Sachs/Sachs, Art.  19, Rn.  32; Starnecker, S.  139.

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

Nichtigkeit entfällt jedoch, soweit die Norm derart verfassungskonform ausgelegt werden kann, dass sie zur nicht zitierten Grundrechtseinschränkung nicht berechtigt.123 Dies ist bei den Beweisrechtsnormen der Fall.124 4. Materielle Verfassungsmäßigkeit des einschränkenden Gesetzes Die wichtigsten materiellen Schranken-Schranken und Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit einschränkender Gesetze sind der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der Bestimmtheitsgrundsatz. a) Verhältnismäßige gesetzliche Grundlage aa) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Übermaßverbot) darf das grundrechtsbeschränkende Gesetz nur einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgen.125 Der Grundsatz folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Freiheitsrechte von der staatlichen Gewalt nur im unerlässlichen Maße beschränkt werden dürfen.126 (1) Zweck Ein legitimer Gesetzeszweck ist grundsätzlich jedes öffentliche, nicht generell von der Verfassung ausgeschlossene Interesse.127 Der verfolgte Zweck ist durch subjektive und objektive Gesetzesauslegung zu ermitteln.128 Die Zivilprozessordnung hat den Schutz und die Durchsetzung subjektiver Rechte in einem geordneten rechtsstaatlichen und effektiven Verfahrensverlauf zum Regelungszweck.129 Das Beweisrecht der Zivilprozessordnung im Speziellen dient dem legitimen Zweck der Wahrheitsermittlung des streitigen Sachverhalts. Die zwar kontextbezogene, aber dennoch möglichst wirklichkeitsgetreue Sachverhaltsrekonstruktion ist denknotwendige Voraussetzung für die rechtliche 123 

Maunz/Dürig/Durner, Art.  10, Rn.  142; Maunz/Dürig/Remmert, Art.  19 Abs.  1, Rn.  47. Dazu sogleich: Teil  3, B. III. 4. a) bb)–dd). 125  BVerfG NJW 1966, 243, 244; NJW 2004, 999, 1008; NJW 2006, 1939, 1941; NJW 2007, 2464, 2468; NJW 2008, 822, 828; Epping, Rn.  48–61; Felix, S.  371; Jarass/Pieroth/­ Jarass, Art.  20, Rn.  112; Kingreen/Poscher, Rn.  330–351; Möllers, S.  391. 126  BVerfG NJW 1966, 243, 244. 127  BVerfG NJW 2010, 47, 52; Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  20, Rn.  117; Starnecker, S.  151. 128 Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  20, Rn.  116. Zur Unterscheidung subjektiv/objektiv Teil  3, B. III. 4. a) cc). 129  Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 317; H. Prütting in: FS Gottwald, 507, 511; Wagner, S.  16. Näheres zum Prozesszweck Teil  3, B. III. 4. a) aa). 124 

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht

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Beurteilung, denn der Normbefehl des Gesetzgebers knüpft an bestimmte Lebenssituationen an.130 Verfassungsrechtlich legitimiert ist der Gesetzeszweck durch das Recht auf rechtliches Gehör131 und dem Allgemeingut einer funktionsfähigen Zivilrechtspflege.132 Anders als die private Streitbeilegung soll die staatliche Institution nicht nur die Einzelfallgerechtigkeit verwirklichen, sondern auch eine objektiv richtige Entscheidung fällen, um so einen Beitrag zur Fortentwicklung des Rechts und zur Rechtssicherheit zu leisten.133 Dieser Beitrag ist von hohem allgemeinen Interesse, denn jede Form der privaten Streitbeilegung orientiert sich bei der Entscheidungsfindung an den Grundlagen und Maßstäben der staatlichen Justiz.134 Im System der Rechtsverwirklichung kommt der Zivilgerichtsbarkeit daher eine prägende Aufgabe zu, die sie nur dann erfüllen kann, wenn ihre Entscheidungen über die Anforderung der Einzelfallgerechtigkeit hinaus möglichst objektiv richtig und gerecht sind.135 Es ist deshalb von grundlegendem Interesse der Allgemeinheit, dass Gerichte zivilrechtliche Sachverhalte aufklären und entscheiden.136 Überdies ist die Gewähr rechtlichen Gehörs einer der Grundpfeiler eines rechtsstaatlichen Verfahrensrechts und deshalb ein wesentliches Allgemeingut.137 Schließlich soll die Rechtspflege dazu dienen, eine gewaltsame, eigenmächtige Anspruchsdurchsetzung zu vermeiden.138 Die Verwendung (auch) von grundrechtsrelevanten Beweismitteln, auf deren Schutz der Beweisgegner nicht durch eine unterbliebene Rüge verzichtet hat, müsste ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel sein, um den Zweck des Beweisrechts, die Sachverhaltsermittlung, zu erreichen.

130  Benedicter, S.  7; Gomille, S.  3 f.; Götz, S.  25; AK-ZPO/Schmidt, Einleitung, Rn.  62; Tresen­reuter, S.  128. 131  Teil  2, A. II. 132  BVerfG NJW 2002, 3619, 3624; BGH NJW 2003, 1727, 1728; Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  29; BAG NZA 2011, 571, 574; NJW 2017, 843, 844; NZA 2017, 443, 445; LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 16.11.2011 – 3 Sa 284/11 – juris, Rz.  35; Ahrens, Kapitel  6, Rn.  16; Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1202; Fuhlrott/Schröder, NZA 2017, 278, 281 f.; Natter in: Beschäftigtendatenschutz in der Reform, 133, 150; Neuhaus/Kloth, NJOZ 2009, 1370, 1387; H. Prütting, ZZP 106 (1993), 427, 468; Reitz, NZA 2017, 273, 277; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 119 f.; Tresenreuter, S.  116; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 59. 133  Gaier, NJW 2016, 1367, 1370. 134  So zu Schlichtung und Schiedsgerichtsbarkeit: Gaier, NJW 2016, 1367, 1370. 135  Gaier, NJW 2016, 1367, 1370 f. 136  Natter in: Beschäftigtendatenschutz in der Reform, 133, 153. 137  H. Prütting, ZZP 106 (1993), 427, 468. 138  Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 229.

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

(2) Geeignetheit Ein Mittel ist geeignet, wenn es den verfolgten Zweck zumindest fördert.139 Die Zweckerreichung ist für die Geeignetheit nicht erforderlich.140 Das Beweisverfahren ist auch bei rechtswidrig erlangten Beweismitteln nicht gänzlich ungeeignet, die Wahrheit zu ermitteln. Insbesondere sind solche Beweismittel nicht zwingend weniger zur Wahrheitsfindung geeignet als andere Beweismittel. (3) Erforderlichkeit Erforderlich ist das Mittel, wenn es kein weniger belastendes, gleich geeignetes Mittel gibt.141 Ein die Persönlichkeitsrechte weniger belastendes, für die prozessuale Wahrheitsermittlung gleich geeignetes Mittel als das Beweisverfahren ist nicht ersichtlich. Eingriffsmindernd könnte zunächst der Ausschluss der Öffentlichkeit, §  172 Nr.  2, 3 GVG, verbunden mit einer Schweigepflichtanordnung, §  174 Abs.  3 GVG, sein. Noch weitergehend wäre ein Ausschluss der Parteiöffentlichkeit, vergleichbar §  99 Abs.  2 VwGO.142 Die herrschende Meinung hält ein zivilprozessuales Geheimverfahren für grundsätzlich unvereinbar mit dem Grundsatz der Parteiöffentlichkeit.143 Dieser Grundsatz hat sich im Zivilprozessrecht, insbesondere in den §§  131, 134, 135, 253 Abs.  5, 299, 357 Abs.  1 ZPO, niedergeschlagen und folgt im Übrigen aus Art.  103 Abs.  1 GG. Vorliegend dürfte ein Parteiausschluss indes ohnehin nicht eingriffsmindernd wirken, da die Geheimhaltung der Information vor dem Beweisführer, dem der Inhalt durch die vorgeworfene Beschaffungshandlung bereits bekannt ist, keinen weiteren Nutzen hätte. Auch der Ausschluss der Öffentlichkeit hat nur wenig Einfluss auf die Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung, da nicht nur die äußerliche Verwendung, sondern vor allem die informationelle Verwendung des Beweismittels in den Schutzbereich eingreift. Letzterer Eingriff würde aber durch eine beschränkte Zuhörerschaft nicht weniger belastend. Auch wenn der Ausschluss der Öffentlichkeit den 139 

BVerfG NJW 1971, 1255, 1256; NJW 2010, 833, 838; Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  20, Rn.  118; Möllers, S.  391. 140  BVerfG NJW 2010, 833, 838; Starnecker, S.  154. 141  BVerfG NVwZ 2001, 790, 793; Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  20, Rn.  119; Möllers, S.  392. 142 Zum in-camera-Verfahren Gomille, S.  327–332; Götz, S.  395–451; Hauck, NJW 2016, 2218, 2222; Kürschner, NJW 1992, 1804. Zum Düsseldorfer Verfahren Beckhaus, S.  132–137; Hauck, NJW 2016, 2218, 2222; R. Koch, S.  232–234. Kritisch hierzu insb. Götz, S.  182–186. Zu den neuen Regelungen in Art.  2 Nr.  1 RL 2016/943, Hauck, NJW 2016, 2218–2223. 143  BGH NJW 1992, 1817, 1819; Hauck, NJW 2016, 2218, 2222; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  71; Germelmann/Matthes/Prütting/Prütting, §  58, Rn.  45. Weitere Nachweise bei Götz, S.  402 (Götz selbst befürwortet ein in-camera-Zwischenverfahren, S.  403.)

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht

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Eingriff nur begrenzt abmildert, sollte er im Rahmen seiner Zulässigkeit nach §  172 GVG als eingriffsmildernde Maßnahme in der Einzelfallabwägung in Erwägung gezogen werden.144 Dabei muss jedoch die normative Bedeutung des Öffentlichkeitsgebots beachtet werden, denn die Öffentlichkeit des Verfahrens hat durch das mit ihr einhergehende Erfordernis einer transparenten, vorhersehbaren und objektiv nachvollziehbaren Entscheidungsfindung eine wesentliche Kontrollfunktion.145 Weniger belastend wäre hingegen eine grundsätzliche Einschränkung des Beweisverfahrens auf rechtmäßig erlangte oder auf nichtgrundrechtsrelevante Beweismittel. Dadurch würde aber auch der Informationsumfang beschränkt, auf dessen Grundlage das Gericht über die Wahrheit einer Tatsache entscheidet. Zur Wahrheitsermittlung wäre dieses Vorgehen deshalb nicht gleichgeeignet.146 In der Literatur wird als milderes Mittel die Einführung institutioneller Schranken vorgeschlagen, wonach rechtswidrig erlangte Beweismittel nur bei Beweisnot und nur subsidiär, nach Ausschöpfung aller sonstigen Beweismittel, verwendet werden dürfen.147 Eine derart vorweggenommene Beweiswürdigung widerspricht jedoch den grundsätzlichen Wertungen des zivilprozessualen Beweisrechts und dem Recht auf Beweis.148 Außerdem wäre die Maßnahme nicht weniger belastend, denn der Eingriff wird dadurch nicht schwächer, sondern allenfalls verzögert. Selbst diese Verzögerung dürfte indes nur selten vorkommen, denn der Beweisführer wird aus eigenem Interesse heraus stets andere, rechtmäßig erlangte Beweismittel vorziehen und nur ausnahmsweise und bei entsprechender Beweisnot auf rechtswidrig beschaffte Beweismittel zurückgreifen, weil er dadurch zugleich seine strafrechtlich relevante oder deliktische Beschaffungshandlung offenbaren müsste.149 Ohnehin ist fraglich, wie die Subsidiarität wegen rechtswidriger Beweisbeschaffung festgestellt werden kann, ohne das Beweismittel und seine Beschaffung zu erörtern.150 Das (unbeschränkte) Beweisrecht ist deshalb zur Sachverhaltsfeststellung erforderlich.

144 

Zur Abwägung Teil  3, B. III. 5. Geismann in: Einheit der Prozessrechtswissenschaft, 111, 113. 146  Macht, S.  243 f. 147  H. Roth in: Recht der Persönlichkeit, 279, 293; Götz, S.  301–311; Wais, S.  167 f. 148  BVerfG NJW 1993, 254, 255; NJW-RR 1995, 441; NJW-RR 2001, 1006, 1007; Zöller/ Greger, §  286, Rn.  12; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  76; Kwaschik, S.  262. Anders Götz, S.  311, der als Rechtsgrundlage den Rechtsgedanken der §§  445 Abs.  1, 448, 450 Abs.  2 ZPO heranzieht. 149  Gemmeke, S.  54. 150  Kodek in: FS Kaissis, 523, 547. 145 

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

(4) Angemessenheit Schließlich darf das Mittel zur Zweckerreichung im Vergleich zur Grundrechtsbeeinträchtigung nicht unangemessen, also unverhältnismäßig im engeren Sinne, sein.151 Die Beweismaßnahmen dürfen zur Sachverhaltsfeststellung nicht über die Maße in die Persönlichkeitsrechte eingreifen. Das betroffene Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners muss gegen die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und dem Beweisrecht des Beweisführers abgewogen werden.152 Dabei müssen zunächst die abstrakte Wertigkeit und Bedeutung der widerstreitenden Positionen gegenübergestellt werden.153 Jedoch besteht zwischen den jeweiligen Freiheitsgrundrechten der Prozessparteien kein eindeutiger Wert­ vorzug, und das Abwehrrecht des Beweisgegners und das Gemeinschaftsgut der Zivilprozesspflege können wegen ihrer Disparität nicht abstrakt verglichen werden.154 Somit ist keines der Verfassungsgüter von Gesetzes wegen vorrangig.155 Im Falle einer Verfassungsgüterkollision fordert die Angemessenheit deshalb eine Güter- und Interessenabwägung zur Schaffung größtmöglicher praktischer Konkordanz der kollidierenden Positionen.156 Damit wird die Einheit der Verfassung gewahrt.157 Die betroffenen Güter sind in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so in Ausgleich zu bringen, dass sie bestmöglich ihre jeweilige Wirkung entfalten können. Ein harmonisierendes Abwägen soll damit der Optimierung aller beteiligten Schutzgüter dienen, ohne dass pauschal einem der Vorrang zuerkannt wird.158 Das Beweisrecht der Zivilprozessordnung muss deshalb beiden Abwägungspositionen gerecht werden. Freilich bedeutet sowohl die Durchführung der Beweismaßnahme als auch ihre Nichtdurchführung im konkreten Einzelfall jeweils die vollständige Verdrängung eines der Verfassungsgüter, denn ein Mittelweg 151 

BVerfG NJW 2010, 833, 852; Epping, Rn.  57; Möllers, S.  392; Starnecker, S.  172. BVerfG NJW 2002, 3619, 3624; BGH NJW 2003, 1727, 1728; Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  29; BAG NJW 2017, 843, 844; LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 16.11.­ 2011 – 3 Sa 284/11 – juris, Rz.  35; Ahrens, Kapitel  6, Rn.  16; Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1202; Eylert, NZA-Beil. 2015, 100, 106; Neuhaus/Kloth, NJOZ 2009, 1370, 1387; Tresenreuter, S.  116; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 59. 153  Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  231; Macht, S.  245 f.; F. Müller/Christensen, S.  412; Möllers, S.  381; Tresenreuter, S.  116. 154  Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  231. 155  BVerfG NJW 2002, 3619, 3624; NJW 2007, 753, 758; BGH NJW 1988, 1016, 1018; NJW 2003, 1727, 1729; BAG NZA 2012, 1025, 1028; Ahrens, Kapitel  6, Rn.  34; Balthasar, Jus 2008, 35, 39; Macht, S.  245–247; Neuhaus, P, Rn.  96, 101; Washausen, S.  248. 156  Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2, Rn.  134; Jarass/Pieroth/Jarass, vor Art.  1, Rn.  46, 52; Möllers, S.  392; Reimer, Rn.  685. 157  Sodan, JZ 1999, 864, 871. 158  F. Müller/Christensen, S.  410; Sodan, JZ 1999, 864, 871. 152 

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht

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existiert nicht. Entweder wird das Beweismittel im Verfahren berücksichtigt oder nicht. Auf die Ausgeglichenheit im Einzelfall kommt es aber bei der Verhältnismäßigkeit des Gesetzes nicht an. Diese erfordert vielmehr einen verfassungsverwirklichenden Ausgleich der gleichrangigen Güter im Generellen. Das Gesetz muss derart verfasst sein, dass die Grundrechtsbeeinträchtigung unterbleibt, wenn die Interessen der einen Seite die Interessen der anderen Seite übersteigen, und stattfindet, wenn die Interessen der anderen Seite die der einen Seite übersteigen.159 Eine uneingeschränkte Einbeziehung der grundrechtsrelevanten Beweismittel in das Verfahren wäre unverhältnismäßig. Sie würde das Zivilverfahren zu einem persönlichkeitsrechtsfreien Raum machen. Zugleich wäre aber auch ein vollständiger Ausschluss der rechtswidrig erlangten und grundrechtsrelevanten Beweismittel nicht angemessen, denn in vielen Fällen wird der einhergehende Grundrechtseingriff auf Seiten des Beweisgegners im Verhältnis weniger schwer wiegen als die sonst drohenden Gefahren für die Funktionsfähigkeit der Rechtsordnung und dem Beweisrecht der Prozesspartei. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass bereits festgestellt wurde, dass fast jede gerügte Beweismaßnahme mit einem grundrechtsrelevanten Beweismittel zunächst einmal einen rechtfertigungsbedürftigen Grundreinrechtseingriff darstellt. Würde man diesen vielen Eingriffen die Rechtfertigung versagen, entspräche dies nicht mehr dem Gebot des nach allen Seiten schonendsten Ausgleichs. Folgerichtig muss nur in bestimmten Fällen die Verwendung der Beweismittel unterbleiben, wenn die Abwägungsposi­ tion des Beweisgegners im Einzelfall stärker wiegt als die des Beweisführers. Die Zivilprozessordnung muss also Regelungen enthalten, wonach Beweismaßnahmen im Einzelfall aufgrund der überwiegenden Grundrechtsinteressen des Beweisgegners unterbleiben müssen. Die Zivilprozessordnung enthält keine ausdrückliche Beschränkung derartiger Beweismaßnahmen, könnte aber möglicherweise dahingehend verfassungskonform ausgelegt werden. Anderenfalls ist sie unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig.160 bb) Gebot der verfassungskonformen Auslegung Die verfassungskonforme Auslegung dient der Normerhaltung, indem sie die Konsequenzen eines Verfassungsverstoßes verhindert.161 Sie ist kein Erkenntnismittel bei der Inhaltsermittlung, sondern eine Vorzugsregel bei der Auswahlentscheidung, die auf die inhaltsbestimmende Auslegung im eigentlichen Sinne 159 

Macht, S.  247 f. BVerfG NVwZ 2007, 1396, 1401; NVwZ 2015, 510, 515; Felix, S.  180; Höpfner, S.  153; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  160; Wank, S.  60, 65. 161  Höpfner, S.  151, 171. 160 

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

folgt.162 Sie setzt eine vorab durch Auslegung im engeren Sinne zu ermittelnde Mehrdeutigkeit der Norm voraus, wobei mindestens eine Auslegungsmöglichkeit zu einem Verstoß gegen Verfassungsrecht führt und mindestens eine weitere mit dessen Vorgaben vereinbar ist.163 Kommt die inhaltsbestimmende Auslegung ausschließlich zu verfassungswidersprechenden Ergebnissen, ist die Norm un­ gütig.164 Bei nur verfassungskonformen Auslegungsergebnissen findet die verfassungskonforme Auslegung ebenfalls keine Anwendung. Raum für das Rechts­ institut besteht nur, wenn nach der inhaltsbestimmenden Auslegung sowohl verfas­sungswidersprechende als auch verfassungskonforme Interpretationsmöglichkeiten verbleiben. Im Anschluss an die inhaltsbestimmende Auslegung verwirft die verfassungskonforme Auslegung die verfassungswidersprechenden Auslegungsergebnisse und ist damit qualitativ eine Teilnichtigkeitserklärung, eine modifizierte Normenkassation.165 cc) Voraussetzung der verfassungskonformen Auslegung Es ist zunächst durch inhaltsbestimmende Auslegung zu ermitteln, ob das Beweisrecht der Zivilprozessordnung bei grundrechtsrelevanten Beweismitteln Einschränkungen in der Befugnis zur Vornahme von Beweismaßnahmen vorsieht. Nur wenn das Beweisrecht mehrdeutig ist und sowohl die verfassungs­ widersprechende, unbeschränkte Lesart als auch die verfassungskonforme, beschränkte Lesart zulässt liegt die Voraussetzung einer verfassungskonformen Auslegung vor. (1) Auslegung des einfachen Gesetzesrechts Bei der Auslegung einfachen Gesetzesrechts ist weder ausschließlich der vom historischen Gesetzgeber gewollte Inhalt (subjektives Auslegungsziel) noch ausschließlich der aus dem Wandel der Rechtstatsachen, Rechtsnormen oder Werten als (aktuell) vom Gesetz gewollt erkannte Inhalt (objektives Auslegungsziel) maßgeblich, denn heute ist überwiegend anerkannt, dass es kein exklusives Auslegungsziel gibt und deshalb beide Erkenntnisse nebeneinander heranzuziehen 162  Canaris in: FS Kramer, 141, 146, 152; Epping, Rn.  67; Herresthal, JuS 2014, 289, 296; Höpfner, S.  157–159; Kingreen/Poscher, Rn.  8c; Lüdemann, JuS 2004, 27, 28; F. Müller/Chris­ tensen, S.  133, 135, 453; Möllers, S.  256; Reimer, Rn.  239, 630; Schumann in: FS Kerameus, 1209, 1211; Zöller/Vollkommer, Einleitung, Rn.  98. 163  BVerfG NJW 1965, 1427; NJW 1972, 1123, 1125; NJW 1993, 2861, 2863; NVwZ 2007, 1396, 1401; NJW 2009, 209, 213; NVwZ 2015, 510, 515 (st. Rspr.); BGH NJW 2014, 3160, 3162; Canaris in: FS Kramer, 141, 154; Höpfner, S.  152, 175; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  160, 165; Lüdemann, JuS 2004, 27, 30; Reimer, Rn.  633. 164  BVerfG NVwZ 2007, 1396, 1401; NJW 2009, 209, 213; Möllers, S.  249; Wank, S.  65. 165  Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  85; Höpfner, S.  159, 177.

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sind.166 Der Wille des historischen Gesetzgebers kann wegen der Gewaltenteilung, Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG, und der Gesetzesbindung der Gerichte, Art.  20 Abs.  3, Art.  97 Abs.  1 GG, nicht ignoriert werden. Er allein kann aber auch nicht maßgebend sein, denn Gesetzesrecht dient der Regelung von Lebenssachverhalten und muss sich deshalb dem stetigen Wandel der relevanten Rechtstatsachen und Werte anpassen können, um nicht seinen Regelungsbezug zu verlieren, sondern zeitlos zu sein. Dies gilt insbesondere bei älteren Regelungswerken wie der Zivilprozessordnung.167 Dem Auslegungsziel dienen in der juristischen Methodik die Auslegung des Wortlautes, der Systematik, der Entstehungsgeschichte und des Zwecks.168 Keines der Auslegungskriterien hat per se Vorrang vor den anderen.169 Auch das Rechtsinstitut der verfassungskonformen Auslegung räumt keinem Auslegungsmittel, sondern nur bestimmten Auslegungsergebnissen den Vorrang ein.170 (2) Wortsinn Mit der Auslegung des Wortsinns einer Regelung beginnt jeder Auslegungsprozess, denn dadurch wird die Grenze, innerhalb derer ein vom Gesetz verwendeter Begriff überhaupt ausgelegt werden kann, gebildet.171 Eine reine Wortsinnauslegung ist jedoch unmöglich, da sich die Bedeutung eines Wortes im Laufe der Zeit und je nach Zusammenhang wandeln kann und der juristische Sprachgebrauch nicht immer mit dem normalen Sprachgebrauch identisch ist.172 Bei den Beweisnormen bereitet die Wortlautauslegung des Normtextes Schwierigkeiten, denn die Befugnis zur jeweiligen Beweismaßnahme ist nicht 166  BVerfG NJW 1952, 737, 738; NJW 1960, 1563, 1564; NJW 2002, 1779, 1781; NJW 2003, 1305, 1306; NJW 2012, 376, 377 (st. Rspr); Bydlinski, S.  34; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  139; Möllers, S.  215; Wank, S.  34 f.; Würdinger, JuS 2016, 1, 6. Zum Streit etwa Hassold, ZZP 94 (1981), 192–210; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  137–141; Möllers, S.  208–215; Reimer, Rn.  246–250; Wank, S.  29–36; Würdinger, JuS 2016, 1, 2–5. 167  BVerfG NJW 1973, 1221, 1225; Schumann in: FS Kerameus, 1209, 1241; Wank, S.  32–34. 168  BVerfG NJW 1960, 1563, 1564; NJW 2009, 209, 213; NJW 2012, 376, 377; Bydlinski, S.  26–60; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  141–159; Möllers, S.  108 f.; Reimer, Rn.  269; Schumann in: FS Kerameus, 1209, 1210; Wank, S.  41. Anhand dieser Kriterien erfolgt auch die Auslegung der Zivilprozessordnung: Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  46, 53; Rosenberg/Schwab/­ Gottwald, §  7, Rn.  8; Schumann in: FS Kerameus, 1209, 1242; Zöller/Vollkommer, Einleitung, Rn.  92. 169  BVerfG NJW 1960, 1563, 1564; NJW 2002, 1779, 1781; Wank, S.  75. 170  Höpfner, S.  161. 171  Möllers, S.  113. Bei der Zivilprozessordnung ist diese Wortsinngrenze jedoch wegen der zeitlichen Entwicklung weniger streng, Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  63 f.; Rosenberg/Schwab/­ Gottwald, §  7, Rn.  9. 172  Möllers, S.  114, 195 f.

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

ausdrücklich, sondern konkludent in den Verfahrensregelungen mitgeregelt. Und auch dort finden sich keine Hinweise auf eine Ausnahmeregel für rechtswidrig erlangte oder grundrechtsrelevante Beweismitteln. Die maßgeblichen Vorschriften enthalten Regelungen zu „den Beweisen“ (§§  284 S.  2, 371 Abs.  1 S.  1, 402 ZPO), der „Beweisaufnahme“ (§§  355 Abs.  1 S.  1, 361 Abs.  1 ZPO), den „Beweismitteln“ (§  445 Abs.  1 ZPO) oder dem Ergebnis „einer etwaigen Beweisaufnahme“ (§  286 Abs.  1 S.  1 ZPO). Dieser Wortlaut spricht weder für noch gegen eine Ausnahmeregel, da er die normunterfallenden Beweismittel nicht näher benennt.173 Weder lässt sich aus ihm schließen, dass ausnahmslos alle Beweismittel den Regelungen unterfallen, noch dass bestimmte Beweismittel ausgenommen sind. Auch aus einer vergleichenden Betrachtung der strafprozessualen Normen lässt sich kein Rückschluss ziehen. Dort unterfallen ausdrücklich „alle Tatsachen und Beweismittel“ der Beweisaufnahme (§  244 Abs.  2 StPO), sofern die Beweiserhebung nicht unzulässig ist, §  244 Abs.  3 S.  1 StPO. Der Zusatz „alle“ fehlt in den zivilprozessualen Normen. Daraus könnte die Beschränktheit der Befugnis im Zivilprozess geschlossen werden. Andererseits enthält die Strafprozessordnung, anders als die Zivilprozessordnung, aber auch ausdrückliche Beschränkungen, etwa das Beweisaufnahmeverbot in §  136a Abs.  1 StPO und das Verwertungsverbot in §  136a Abs.  3 S.  2 StPO. Aus dem Fehlen entsprechender Normen in der Zivilprozessordnung ließe sich wiederum die Unbeschränktheit der dortigen Befugnis schließen. Im Ergebnis spricht der Wortlaut der Zivilprozessordnung weder für noch gegen eine der Deutungsmöglichkeiten.174 (3) Systematik Die systematische Auslegung will Wertungswidersprüche im Gesetz vermeiden und erschließt daher die Bedeutung eines Tatbestandsmerkmals aus seinem jeweiligen Regelungszusammenhang.175 Das systematische Auslegungskriterium berücksichtigt neben der äußeren Systematik des Gesetzes, die etwa den Satzbau der Norm, den Gesetzesaufbau oder die amtliche Überschrift umfasst, auch Gesichtspunkte einer inneren Systematik, die die logische Widerspruchsfreiheit des Gesetzes im Stufengebilde der Rechtsordnung beschreibt.176

173 

Zum Strafprozessrecht BVerfG NJW 2012, 907, 914. Zum Strafprozessrecht BVerfG NJW 2012, 907, 914. Zum Verwaltungsverfahren Macht, S.  257 f. 175  Möllers, S.  127. 176  Bydlinski, S.  31; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  145, 149; Möllers, S.  129, 131; Reimer, Rn.  311–317; Wank, S.  57 f. 174 

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht

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Wegen des Vorrangs der Verfassung und dem Verständnis der Rechtsordnung als Einheit ist einfaches Recht grundsätzlich verfassungsfreundlich oder verfassungsorientiert auszulegen.177 Dieser Grundsatz gilt insbesondere für das öffentlich-rechtliche Zivilverfahrensrecht, denn hier gelten die Grundrechte unmittelbar und nicht bloß mittelbar wie etwa im materiellen Zivilrecht.178 Die verfassungsfreundliche Auslegung ist von der verfassungskonformen Auslegung zu unterscheiden. Während letztere eine Vorrangregel darstellt, ist erstere Teil der systematischen Inhaltsbestimmung und damit gleichrangig neben den anderen Auslegungskriterien zu berücksichtigen.179 Verfassungsrechtlich ist eine Beschränkung erforderlich, damit das Beweisrecht ein verhältnismäßiger, verfassungsgemäßer Eingriff in das Grundrecht des Beweisgegners ist. Zugleich erfordert die innere Systematik des Prozessrechts aber eine materiellrechtsfreundliche Auslegung, nach der die Anwendung von Verfahrensrecht nicht dazu führen soll, dass das materielle Recht nicht mehr durchgesetzt werden kann, sofern nicht eigene Wertungsprinzipien des Prozessrechts dies erfordern.180 Das streitbegründende Recht könnte bei einer entsprechenden Beweisbeschränkung eventuell nicht mehr durchgesetzt werden. Die materiellrechtsfreundliche Auslegung spricht daher eher für eine unbeschränkte Lesart der Befugnisnormen. Auch die systematische Auslegung ist daher wertungsoffen. (4) Entstehungsgeschichte Zur Entstehungsgeschichte einer Norm gehören nicht nur die Entwürfe und Debatten zum Gesetz und etwaigen Vorgängerregelungen, sondern auch die Entwicklung des Gesetzes seit seinem Inkrafttreten.181 Der historische Gesetzgeber von 1877 hat sich mit der Problematik rechtswidrig erlangter oder grundrechtsrelevanter Beweismittel nicht auseinandergesetzt. Mögliche Folgen einer rechtswidrigen Beweisbeschaffung wurden erst später durch die Wissenschaft thematisiert. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts wur177  BVerfG NJW 1973, 1221, 1223; Canaris in: FS Kramer, 141, 142–146, 150; Herresthal, JuS 2014, 289, 296; Höpfner, S.  178–184; Lüdemann, JuS 2004, 27, 29; Möllers, S.  252; Wank, S.  60; Zöller/Vollkommer, Einleitung, Rn.  98. 178  Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  294; Chudoba, S.  160 f. Nach Ansicht von Goldschmidt, S.  149; Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 266; Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 619; Wagner, S.  15 f. soll die Zugehörigkeit zum öffentlichen Recht keine Bedeutung für die Auslegung des Prozessrechts haben. 179  Canaris in: FS Kramer, 141, 154; Herresthal, JuS 2014, 289, 296; Höpfner, S.  157, 161, 178–184; Lüdemann, JuS 2004, 27, 28 f.; Reimer, Rn.  398, 630; Wank, S.  60. 180  Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  92, 98; Götz. S.  28; Schumann in: FS Larenz, 571, 576 f.; Schumann in: FS Kerameus, 1209, 1220; Zöller/Vollkommer, Einleitung, Rn.  92, 99. 181  Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  72 f.; Reimer, Rn.  347, Wank, S.  67 f.

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

de die Thematik in der Strafrechtswissenschaft und Anfang der fünfziger Jahre in der Zivilrechtswissenschaft als Problem erkannt.182 Der historische Gesetzgeber hat sich daher nicht bewusst für oder gegen eine Beschränkung rechtswidrig erlangter Beweismittel entschieden. Aus der Entwicklung des Beweisrechts kann ebenfalls keine eindeutige Position zu möglichen Beschränkungen gefolgert werden, denn entsprechende Änderungen der genannten Normen wurden nicht vorgenommen und, soweit erkennbar, auch nicht diskutiert.183 Der Gesetzgeber könnte sich aber durch ein „beredtes Schweigen“ gegen ein Beweisverbot entschieden haben, weil er dieses trotz der seit Jahrzehnten bekannten Thematik nicht geregelt hat.184 Andererseits hat der Gesetzgeber verschiedentlich gezeigt, dass er Beweisverbote (§  136a Abs.  3 S.  2 StPO) und Einschränkungen des zivilprozessualen Beweisrechts (§§  295 f. ZPO) grundsätzlich anerkennt. Auch hat er ausreichend Gelegenheit gehabt, sich ausdrücklich gegen ein Beweisverbot auszusprechen und die insoweit bestehende Rechtspraxis zu korrigieren. Mit seiner Untätigkeit könnte er daher auch bewusst auf sein Rechtsetzungsrecht verzichtet haben.185 Aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgt, dass Richterrecht einem entgegenstehenden, nachfolgenden Gesetzesrecht weichen muss.186 Der Gesetzgeber hätte also gegen die Lösung der Praxis vorgehen können. Die Entstehungs- und insbesondere die Entwicklungsgeschichte lässt somit beide Deutungsmöglichkeiten zu. (5) Zweck Die teleologische Auslegung berücksichtigt den normprägenden Grundgedanken einer Norm.187 Dabei kann nicht ein einzelner Normzweck herausgearbeitet werden, denn jede Norm ist das Ergebnis einer Interessenabwägung durch den Gesetzgeber und ist deswegen „teleologisch mehrdimensional.“188 Das Beweisrecht ordnet den tatsächlichen Ablauf des prozessualen Beweisverfahrens. Zweck des Beweisverfahrens ist zuvörderst die Ermittlung des zu entscheidenden tatsächlichen Lebenssachverhalts. Hierfür ist eine ausnahmslose Beweismaßnahmenbefugnis zielführend. 182 

Dazu Teil  2, B. I. Entsprechende Gesetzesvorschläge aber zum BDSG: BT-Drs. 17/7176, S.  4; BT-Drs. 17/4853, S.  2, 7, 8. 14, 17, 19–21 184  Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 319; Habscheid, ZZP 96 (1983), 306, 322; Tresen­ reuter, S.  83. Zur methodischen Argumentation Möllers, S.  211, 421. 185  Kirchhof, NJW 1986, 2275, 2276 f.; Isensee/Kirchhof/Kube, §  148, Rn.  85. Zur methodischen Argumentation Möllers, S.  211, 421. 186  Hergenröder, S.  198; Isensee/Kirchhof/Kingreen, §  263, Rn.  2. 187  Bydlinski, S.  41 f.; Hassold in: FS Larenz, 211, 227; Reimer, Rn.  357. 188  Reimer, Rn.  365. 183 

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht

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Das Beweisrecht im Zivilprozess darf jedoch nicht isoliert betrachtet werden, denn das Beweisverfahren ist grundsätzlich Teil des dazugehörigen Rechtsstreits. Der Zweck des Zivilprozesses an sich ist somit für die teleologische Auslegung ebenfalls von Bedeutung.189 Über den Zweck des Zivilprozesses gibt es immer wieder dogmatische und politische Auseinandersetzungen.190 Nach der wohl überwiegenden Auffassung dient der Prozess allein der Verwirklichung subjektiver Rechte.191 Die damit einhergehende Konfliktlösung, die Bewährung des objektiven Rechts und die Schaffung von Rechtsfrieden sind dementgegen Nebenfolgen mit nachrangigem Stellenwert.192 Es kann nicht eindeutig beantwortet werden, ob die subjektiven Rechte eher mit oder eher ohne eine lückenlose Wahrheitserforschung verwirklicht werden.193 Das subjektive Recht des Beweisführers, der Klageanlass, wird mit einer ausnahmslosen Wahrheitserforschung im Regelfall besser verwirklicht, denn dessen Bestehen kann mit mehr Beweismitteln nachgewiesen werden. Das subjektive Recht des Beweisgegners, welches durch die Beweismaßnahme verletzt wird, erfordert das Ausbleiben der Wahrheitserforschung. Auch die Sekundärzwecke des Zivilprozesses, Rechtsfrieden, Konfliktlösung, und Bewährung des objektiven Rechts, erlauben keine eindeutige Stellungnahme. Eine bedingungslose Aufklärung kann dazu führen, dass die tatsächliche Grundlage des Rechtsstreits gefunden und rechtlich beurteilt wird. Dies würde den Rechtsfrieden fördern, den Konflikt lösen und dem objektiven Recht Geltung verleihen. Denn wenn die Bürger ihre Streitigkeiten nicht vollständig vor die Gerichte tragen könnten, würden sie sich nicht ausreichend für die Aufgabe ihrer Selbsthilferechte kompensiert fühlen.194 Zugleich schadet die bedingungslose Aufklärung dem Rechtsfrieden und der Konflikt­ lösung, wenn sie das damit einhergehende Unrecht ignoriert und die vorangegangene Selbsthilfe des Beweisführers faktisch billigt. Die Festigung des Normver189 

Benedicter, S.  145; Grunsky, S.  1. Beckhaus, S.  286 f.; Benedicter, S.  145–160; Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  5–30; Cahn, AcP 198 (1998), 35, 42 f.; B. Hahn, S.  65–82; Henckel, S.  48–65.; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  8–10; AK-ZPO/Schmidt, Einleitung, Rn.  8–21; Weichbrodt, S.  224–226. 191  Beckhaus, S.  287; Benedicter, S.  145–159, 159; Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  5, 9, 30; Debernitz, S.  193; Kaissis, S.  19; R. Koch, S.  1; H. Prütting in: FS Gottwald, 507, 511; H. Prüt­ ting, ZZP 106 (1993), 427, 428; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  8–10; AK-ZPO/ Schmidt, Einleitung, Rn.  10; Stürner, S.  49; Zöller/Vollkommer, Einleitung, Rn.  39, 92. 192  Benedicter, S.  145–151, 159; Debernitz, S.  193; Kaissis, S.  19; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  8–10; Zöller/Vollkommer, Einleitung, Rn.  39, 92. 193  Kodek, ÖJZ 2001, 281, 287; Weichbrodt, S.  203. Anders Betz, RdA 2018, 100, 105 (Verwertung dient der Verwirklichung des materiellen Rechts mehr als die Nichtverwertung). 194 Das staatliche Zivilverfahren dient aber als Kompensation für das Selbsthilferecht: Bene­dicter, S.  146; Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  102; Debernitz, S.  32; Frohn, S.  13; Grunsky, S.  2; Isensee/Kirchhof/Papier, §  176, Rn.  1; Wais, S.  142; Weichbrodt, S.  202, 266. 190 

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

trauens innerhalb der Gesellschaft könnte darunter leiden, wenn ein Gerichtsverfahren einen Normverstoß ahndet und zugleich einen anderen duldet.195 Die Wahrheitsermittlung ist dementgegen zwar Zweck des Beweisrechts, aber nicht des Zivilprozesses selbst.196 Ohnehin entspricht die prozessuale Wahrheit nicht der objektiven Wirklichkeit, denn sie ist aus prozessökonomischen und normativen Gründen beschränkt197 und gilt nur relativ und kontextbezogen.198 Diese Beschränkung der Wahrheitsfindung im Zivilprozess ist aus Gründen der Effizienz und Rechtsstaatlichkeit notwendig, denn in einer zivilisierten Rechtsordnung darf die absolute Wahrheit weder oberstes Gebot noch Selbstzweck sein.199 Dies gilt insbesondere im Zivilprozess, wo der Staat Streitschlichter und damit gewissermaßen eine Art Dienstleister ist. Die Allgemeinheit und der Staat haben deshalb, anders als etwa im Straf- oder Verwaltungsverfahren, im Zivilverfahren kein echtes eigenes Interesse an dem tatsächlichen Geschehensablauf und deshalb keinen Anspruch auf lückenlose Aufklärung.200 Allerdings ist die staatliche Institution keine private Streitbeilegung. Sie soll nicht nur die Einzelfallgerechtigkeit verwirklichen, sondern auch eine objektiv richtige Entscheidung fällen, um so einen Beitrag zur Fortentwicklung des Rechts und zur Rechtssicherheit zu leisten, an deren Grundlagen und Maßstäben sich die private Streitbeilegung orientiert.201 Um objektiv richtig und gerecht zu urteilen, muss das Gericht für die Rechtsfindung zunächst den wahren Sachverhalt ermitteln. Ziel kann dabei jedoch nur eine prozessual ordnungsgemäß gewonnene Wahrheit sein, also eine bestmögliche Rekonstruktion des Sachverhalts mit zivilprozessualen Mitteln.202 Die Wahrheitsfindung ist kein eigenständiger Prozesszweck, sondern eine Art operatives Zwischenziel mit lediglich dienender Funktion.203 195 

Dubois, S.  101, 154, 156; Weichbrodt, S.  136. Brehm, S.  27; Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  25; Beckhaus, S.  287, 290, 283; Fleck, S.  180; Weichbrodt, S.  136. Anders A. Roth, JR 1950, 715; Werner, NJW 1988, 993, 1002, die deshalb ein Beweisverbot ablehnen. 197  Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 317; H. Prütting in: FS Gottwald, 507, 515. Zu den gesetzlichen Einschränkungen Teil  1, A (ökonomisch etwa §  295 ZPO; normativ etwa §§  138 Abs.  2, 288 ZPO und die Entscheidung nach Beweislast bei non liquet- Beweislage). 198  Benedicter, S.  155; Weichbrodt, S.  29–32. Zum Wahrheitsbegriff Weichbrodt, S.  19–33. 199  Fink, S.  141; Fischer, BB 1999, 154, 155; Gemmeke, S.  2, 25 f.; H. Prütting in: FS Gottwald, 507, 515; Weichbrodt, S.  18, 203. 200  Brand, NJW 2017, 3558, 3562. 201  Gaier, NJW 2016, 1367, 1370. Dafür spricht auch der §  38 DRiG, der verlangt, dass ein Richter der Wahrheit und der Gerechtigkeit dient. Dies zeigt, dass es ein Ergebnis geben kann, dass zwar unwahr aber gerecht ist, Betz, RdA 2018, 100, 101. 202  Brehm, S.  27; Fleck, S.  33; Gemmeke, S.  27; Habscheid in: GS Peters, 840, 853; Kalten­ meier, S.  77; H. Prütting in: FS Gottwald, 507, 513. 203  Benedicter, S.  155; Brehm, S.  27; Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  25; Beckhaus, S.  287, 196 

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht

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Neben dem konkreten Anliegen des jeweiligen Gesetzes sind sogenannte allgemeine Gesetzeszwecke, wie Folgenkontrolle, Praktikabilität, Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit, bei der Auslegung zu berücksichtigen.204 Auch hier entsteht aber kein eindeutiges Bild. Die Folgenkontrolle spricht für eine Beschränkungsmöglichkeit der Beweismaßnahmenbefugnis, denn der ökonomisch handelnde Beweisführer wird künftig die prozessualen Folgen in seine Kosten-Nutzen-Abwägung einbeziehen, bevor er Beweismittel rechtswidrig beschafft.205 Auch die Einzelfallgerechtigkeit spricht für eine Beschränkungsmöglichkeit der Beweismaßnahmenbefugnis. Praktikabilität, Rechtssicherheit und der zivilprozessuale Beschleunigungsgrundsatz sprechen für eine ausnahmslose Verwendung aller Beweismittel, denn in diesen Fällen erübrigt sich die notwendige Abwägung im Einzelfall.206 Schließlich sind auch bei der teleologischen Auslegung Verfassungsvorgaben zu berücksichtigen. Die verfassungsorientierte Auslegung berücksichtigt neben der systematischen auch die inhaltliche Ausstrahlungswirkung der Verfassung auf das einfache Gesetzesrecht und hat damit eine im Verhältnis zum Verfassungsrecht widerspruchsfreie Anwendung des Gesetzes zum Ziel.207 Der Vorrang der Verfassung und die Einheit der Rechtsordnung sind nicht nur systematische Stufenregelungen; sie fordern auch eine Harmonisierung der Einzelnormen einer Rechtsordnung. Auch bei der Bestimmung des Normzwecks sind daher die Verfassungsvorgaben zu berücksichtigen.208 Es wurde bereits festgestellt, dass verfassungsrechtlich eine Ausnahmeregelung erforderlich ist, um das Beweisrecht als verhältnismäßigen, verfassungsgemäßen Eingriff in das Grundrecht des Beweisgegners zu gestalten. Im Ergebnis stehen die verschiedenen Zwecke des Beweisrechts und der Zivilprozessordnung teilweise im Widerspruch miteinander. Auch die teleologische Argumentation spricht sich daher nicht ausschließlich für eines der beiden Auslegungsergebnisse aus.209

290, 283; Stürner, S.  49, 378; Tresenreuter, S.  159. Nachweise zur anderen Ansicht etwa bei Kaissis, S.  15–29; Benedicter, S.  152–158. 204  Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  153 f.; Reimer, Rn.  359; Wank, S.  71–74. 205  Zur prozessökonomischen Auslegung: Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  110 f.; Zöller/ Vollkommer, Einleitung, Rn.  95. Zur Folgenkontrolle: Möllers, S.  165–177; Reimer, Rn.  370 f. 206  A. Roth, JR 1950, 715; Wais, S.  151 (allerdings bezüglich gestohlener Urkunden). 207  Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  577; Bydlinski, S.  54; Höpfner, S.  178, 180. 208  BVerfG NJW 1999, 1322, 1324; Canaris in: FS Kramer, 141, 150; Höpfner, S.  179 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  211; Peres, S.  50. 209  Zum Strafprozessrecht BVerfG NJW 2012, 907, 914.

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

(6) Ergebnis Die Auslegungskriterien kommen somit insgesamt zu keinem eindeutigen Ergebnis. Die maßgeblichen Vorschriften können sowohl einschränkend als auch umfassend ausgelegt werden. Sie sind mehrdeutig. Damit gibt es zwei Auslegungsmöglichkeiten, wovon eine, die uneingeschränkte Auslegung, gegen die Verfassung verstößt. Die Voraussetzungen für eine verfassungskonforme Auslegung liegen damit vor. dd) Grenzen der verfassungskonformen Auslegung Die Zulässigkeit der verfassungskonformen Auslegung folgt dogmatisch aus Art.  1 Abs.  3, 20 Abs.  3 GG und rechtstheoretisch aus dem Respekt vor dem Gesetzgeber und dem Prinzip der Normerhaltung (favor legis).210 Durch sie wird das Maximum des gesetzgeberischen Willens aufrechterhalten, was nach der Verfassung aufrechterhalten werden kann.211 Die Auslegung ist also das mildere Mittel im Verhältnis zur vollständigen Kassation, die einen deutlich drastischeren Eingriff in die Normsetzungsgewalt des Gesetzgebers hätte.212 In seiner Begründung findet das Institut aber seine Grenzen: Soweit das Auslegungsergebnis nicht mehr der Entscheidung des Normsetzers entspricht, kann das Vorgehen nicht mit dem Respekt gegenüber dem Gesetzgeber begründet werden. Stattdessen liegt darin ein unzulässiger Eingriff in die rechtspolitische Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers, der selbst entscheiden können muss, ob und durch welche verfassungsgemäße Regelung er die verfassungswidrige Regelung ersetzen will.213 210  Zur Zulässigkeit: BVerfG WM 2016, 1431; Debernitz, S.  226; Höpfner, S.  184, 191; Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  20, Rn.  67 f.; Sachs/Sachs, Art.  20, Rn.  120 f. Zur verfassungskonformen Auslegung durch die Fachgerichte: BVerfG BVerfGE 48, 40, 45; BVerfGE 68, 337, 344; Höpfner, S.  198–203.; Möllers, S.  246; Reimer, Rn.  631. Zur dogmatischen Grundlage: BVerfG NJW 1979, 151; NJW 1992, 2947, 2950; NJW 1994, 2475, 2476; NJW 2004, 1305, 1311; NVwZ 2007, 1396, 1401; Canaris in: FS Kramer, 141, 146–153; Felix, S.  180; Herresthal, JuS 2014, 289, 296; Höpfner, S.  151, 171, 184–191; Möllers, S.  250. 211  BVerfG NJW 1959, 1123, 1124; NVwZ 2007, 1396, 1401; BGH NJW 2014, 3160, 3162. 212  BVerfG NJW 1953, 1057, 1059; NVwZ 2015, 510, 515; Canaris in: FS Kramer, 141, 153; Höpfner, S.  159, 170; Lüdemann, JuS 2004, 27, 28; Möllers, S.  250. 213  BVerfG NJW 1958, 1388, 1389; NJW 1972,1934, 1940; NJW 1992, 2947, 2957; NJW 2009, 209, 213; NVwZ 2015, 510, 515; BGH NJW 2013, 2674, 2678; Canaris in: FS Kramer, 141, 151 f.; Reimer, Rn.  638. Zur Abgrenzung von Auslegung und Rechtsfortbildung: Bydlins­ ki, S.  76–79; Canaris in: FS Kramer, 141, 155; Danwerth, ZfPW 2017, 230, 239; Epping, Rn.  68; Hassold in: FS Larenz, 211, 219 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  187 f., 211; Meier/­ Jocham, JuS 2016, 392, 393; Möllers, S.  112, 410–435. Das BVerfG ist bei der Abgrenzung großzügig, vgl. die uneinheitliche Bezeichnung der angewandten Methodik in NJW 2004, 1305, 1306, 1310. Zur unpräzisen Abgrenzung des BVerfG auch Möllers, S.  251, 259.

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht

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Üblicherweise wird die Grenze der Auslegung im Wortlaut der Norm und dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers gesehen.214 Diese Grenze wurde hier bereits wegen der Uneindeutigkeit des Wortlauts nicht überschritten.215 Die gesetzgeberische Entscheidung wird insoweit respektiert, als das prinzipielle Ziel der auszulegenden Norm nicht verfehlt oder verfälscht wird, indem ihr die eigentlich gewollte praktische Bedeutung genommen und ein anderen normativer Gehalt unterlegt wird.216 Eine solche Verfälschung droht insbesondere dann nicht, wenn die Auslegung nur solche Normanwendungsfälle berührt, die sich insgesamt als Sonderfälle darstellen.217 Dies gilt insbesondere bei einer beschränkenden Auslegung, wo die sonst erforderliche Verwerfung der Norm einen regellosen Zustand aller Normanwendungsfälle zur Folge hätte.218 Es entspricht nicht dem Interesse des Gesetzgebers, eine Norm insgesamt für nichtig zu erklären, weil ein kleiner, abgrenzbarer Bereich dies erfordert.219 Im Zivilverfahren sind als grundrechts­ relevant gerügte Beweismittel die Ausnahme.220 Die Beschränkung der Beweismaßnahmenbefugnis betrifft deswegen nur Normanwendungsfälle, die nach Art und Zahl von untergeordneter Bedeutung sind. Der grundsätzliche rechtspolitische Wille des Gesetzgebers bleibt deshalb unberührt. ee) Ergebnis Die beweisrechtlichen Normen der Zivilprozessordnung sind daher so einschränkend verfassungskonform auszulegen, dass Beweismaßnahmen unzulässig sind, wenn im Einzelfall der Grundrechtseingriff durch Vornahme der Beweismaßnahme in die Rechte des Beweisgegners schwerer wiegen würde als der Eingriff durch Unterlassen der Beweismaßnahme in die Funktionsfähigkeit der Zivil-

214  BVerfG NJW 1981, 39, 42; NJW 1992, 2947, 2950; NJW 1994, 2475, 2476; NJW 2004, 1305, 1311; NVwZ 2007, 1396, 1401; NJW 2009, 209, 213; NVwZ 2015, 510, 515 (st. Rspr.); BGH NJW 2013, 2674, 2678; Felix, S.  180; Epping, Rn.  67; Herresthal, JuS 2014, 289, 297; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  161; Macht, S.  249; Reimer, Rn.  635 f. Stärker den Zweck betonend: Canaris in: FS Kramer, 141, 158; Wank, S.  44, 83 f.; Zöller/Vollkommer, Einleitung, Rn.  93. Stärker den Wortlaut betonend: Bydlinski, S.  76; Meier/Jocham, JuS 2016, 392, 393. Kritisch zu einer derart pauschalen Abgrenzung, Möllers, S.  112 f.; Reimer, Rn.  636. 215 Zudem ist die Wortlautgrenze in der Zivilprozessordnung vergleichsweise weniger streng: Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  63 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  7, Rn.  9. 216  BVerfG NJW 1958, 1227; NJW 1972, 1934, 1940; NJW 1973, 1221, 1226; NJW 1981, 39, 43; NVwZ 2007, 1396, 1401; NVwZ 2015, 510, 515. 217  Canaris in: FS Kramer, 141, 159; Reimer, Rn.  634, 636. 218  BVerfG NJW 1959, 1123, 1124; NVwZ 2007, 1396, 1401; BGH NJW 2014, 3160, 3162; Herresthal, JuS 2014, 289, 297. 219  Herresthal, JuS 2014, 289, 297. 220  Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 318.

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

rechtspflege und das Beweisrecht des Beweisführers.221 Aufgrund dieser Normbeschränkung muss das Gericht anhand einer Abwägung im Einzelfall prüfen, ob die Informationsverwendung bei der gerügten Beweismaßnahme mit den Grundrechten vereinbar ist.222 Zugleich folgt aus diesen Erwägungen, dass die einschränkende Auslegung durch die entgegenstehenden Interessen des Beweisführers und der Allgemeinheit begrenzt ist. Die Einschränkung der Beweismaßnahmenbefugnis ist also nur insoweit möglich, als dies notwendig ist, um die Persönlichkeitsrechte des Beweisgegners zu wahren, ohne die entgegenstehenden Interessen über die Maße zu beeinträchtigen. Eine insoweit weitergehende Einschränkung wäre ebenso verfassungswidrig wie eine fehlende Einschränkung. Denn dann zwingen die Verfassungsgüter der Allgemeinheit und die Grundrechte des Beweisführers zur „umgekehrten“ verfassungskonformen Auslegung. Die dann unverhältnismäßig einschränkende Auslegung des Beweisrechts wäre nicht mehr verfassungskonform, und die einzig verfassungskonforme Lesart des Beweisrechts ist in diesen Fällen diejenige, die die Beweismaßnahme zulässt. Diese Auslegung stellt praktische Konkordanz zwischen den betroffenen Rechten her, sodass die beweisrechtlichen Normen verhältnismäßig sind. b) Bestimmtheitsgrundsatz Nach dem aus Art.  20 Abs.  3 GG folgenden Bestimmtheitsgrundsatz müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß etwaiger Grundrechtseingriffe hinreichend begrenzt und für den Bürger so voraussehbar sein, dass er sein Verhalten hiernach auszurichten vermag.223 Diesen Anforderungen wird das Beweisrecht der Zivilprozessordnung gerecht. Die Vorschriften dienen der Tatsachenaufklärung im Prozess. Insbesondere beschränken sich die möglichen Eingriffe thematisch auf beweisbedürftige Tatsachen. Tatsachen sind im Zivilprozess beweisbedürftig, wenn sie entscheidungserheblich und streitig sind.224 Sowohl die Entscheidungserheblichkeit als auch die Streitigkeit der Tatsachen bestimmen die Parteien selbst durch Fest­ 221  BVerfG NJW 2007, 753, 758; BGH NJW 2005, 497, 499; NJW 2013, 2668, 2670; BAG NJW 2017, 843, 844; NJW 2017, 2853, 2854; NZA 2017, 1327, 1328; Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  294; Reinhard, NZA 2016, 1233, 1238 f.; Reitz, NZA 2017, 273, 276; Schumann in: FS Kerameus, 1209, 1238; IT-Arbeitsrecht/Tiedemann, B., Rn.  494. Im Ergebnis ähnlich Muthorst, S.  125–135, 378 f. Offengelassen von Weber, ZZP 129 (2016), 57, 60. Mit gleicher Begründung für das Verwaltungsverfahren: Macht, S.  248–261; Frieberger, S.  56–58 (zum AVG). 222  BAG NJW 2017, 2853, 2854. 223  BVerfG NJW 1977, 1723, 1724; NJW 1991, 1471, 1473; Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  20, Rn.  83; Sachs/Sachs, Art.  20, Rn.  129. 224  Musielak/Voit/Foerste, §  284, Rn.  1; Störmer, JuS 1994, 238, 239.

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht

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legung des Streitgegenstands, §§  253, 277, 307 ZPO, und durch Tatsachenerklärung nach §  138 ZPO. Bei dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird darüber hinaus die präzise Bestimmung des Verwendungszwecks der Informationen gefordert.225 Dieser Zweckbindungsgrundsatz gilt jedoch denknotwendig nur für die Daten­ erhebungsgesetze.226 Die Beweismaßnahmen sind jedoch Datenverwendungs­ gesetze. c) Ergebnis Die beweisrechtlichen Normen sind materiell verfassungsgemäß. 5. Verfassungsmäßige Gesetzesanwendung: Abwägung Die jeweilige Beweismaßnahmenbefugnis ist nach der verfassungskonformen Auslegung beschränkt, wenn im Einzelfall das Interesse des Beweisgegners am Unterlassen der Maßnahme schwerer wiegt als das Interesse des Beweisführers und der Allgemeinheit an der Vornahme der Beweismaßnahme. Das Gericht stellt dies durch Abwägung im Einzelfall fest, wobei es ebenfalls den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten muss.227 Wiegt der Eingriff auf Seiten des Beweisgegners schwerer als auf Seiten des Beweisführers, ist das Gericht zur ­Beweismaßnahme nicht berechtigt. Im umgekehrten Fall kann und muss es die Beweismaßnahme nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung durchführen („umgekehrte“ verfassungskonforme Auslegung). Auf Seiten des Beweisgegners ist die Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung maßgeblich.228 Diese wurde im Bereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts teilweise im Wege einer „Je-desto“-Formel oder „Sphärentheorie“ bestimmt, wonach der Eingriff als umso intensiver deklariert wurde, je stärker die Intimsphäre betroffen war.229 Diese starre Kategorisierung nach Persönlichkeitssphären ist jedoch berechtigterweise zunehmender Kritik ausgesetzt und dient daher allenfalls als grobe Richtlinie.230 Auch Bereiche der Privat- oder Sozialsphäre können daher Gegenstand eines besonders intensiven Grundrechtseingriffs sein. Dies gilt insbesondere im Bereich der informationellen Selbstbestim225 

BVerfG NJW 1984, 419, 422; Starnecker, S.  176. Macht, S.  231. 227  BVerfG NJW 1963, 1597, 1598; Jarass/Pieroth/Jarass, vor Art.  1, Rn.  45; Art.  20 Rn.  114. 228  BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  40; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  231; Wirsching, NZV 2016, 13, 15. 229  Balzer/Nugel, NJW 2013, 3397, 3400; Isensee/Kirchhof/Kube, §  148, Rn.  86. 230  Isensee/Kirchhof/Kube, §  148, Rn.  86–88; Merten/Papier/Rudolf, §  90, Rn.  69; Starnecker, S.  174; Störmer, S.  23–33. 226 

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

mung, deren Schutz verarbeitungs- und nicht informationsbezogen gewährt wird.231 Die Sphären können aber bei der Abwägung als einer von mehreren Aspekten berücksichtigt werden. Selbstverständlich macht es einen Unterschied, ob ein Gespräch im Restaurant oder in Privaträumen belauscht wird, ob geschäftlicher Schriftverkehr oder Tagebuchaufzeichnungen eingesehen werden und ob Videoaufnahmen im Straßenverkehr oder im Schlafzimmer gefertigt werden. Bei der Intensität des Eingriffs ist der enge Zusammenhang der Eingriffshandlungen Beweisaufnahme und Beweiswürdigung zu beachten. Die Aufnahme erfolgt zum Zweck der Würdigung, die Würdigung setzt die vorherige Aufnahme voraus. Vergleichbar der Rechtsprechung zu additiven Eingriffen,232 sind diese Einwirkungen als Gesamtbeeinträchtigung zusammenzurechnen, denn auch hier treffen die Beeinträchtigungen denselben Adressaten, treten im gleichen Zeitraum auf, dienen im Wesentlichen demselben Zweck und berühren jeweils das gleiche Grundrecht.233 Zudem sind die Umstände der Beweisbeschaffung zu berücksichtigen.234 Sie bestimmen maßgeblich über die Intensität des gerichtlichen Eingriffs. Dabei kommt es nicht unmittelbar darauf an, ob diese Umstände zugleich die Rechtswidrigkeit oder sogar Strafrechtswidrigkeit der Beschaffungshandlung nach materiellem Recht begründet haben, sondern wie sich diese Umstände auf die Eingriffsstärke bei der gerichtlichen Verwendung auswirken. Ein solcher Umstand ist insbesondere die Heimlichkeit des Vorgehens.235 Zur Eingriffsminderung sollte die Möglichkeit eines Ausschlusses der Öffentlichkeit nach §  172 GVG in Erwägung gezogen werden. Bei der Abwägung darf jedoch nicht verkannt werden, dass die Persönlichkeitsrechte kein Recht auf Unbeweisbarkeit sind, also nicht dazu dienen, vor der Verantwortung für rechtswidriges Handeln zu schützen.236 Schutzgegenstand ist allein das Selbstbestimmungs- bzw. das Persönlichkeitsrecht. Allein diese Kriterien dürfen daher bei der Abwägung berücksichtigt werden – nicht jedoch Aspekte, die den streitgegenständlichen, materiellen Anspruch betreffen.

231 

BVerfG NJW 1984, 419, 422; Macht, S.  188–192; Starnecker, S.  174. BVerfG NJW 2009, 2033, 2045. Vertieft dazu auch Starnecker, S.  365–371. 233 Jarass/Pieroth/Jarass, vor Art.  1, Rn.  46a. 234  BAG NZA 2014, 143, 147; Bergwitz, NZA 2012, 353, 357; Greger, NZV 2015, 114, 115; Störmer, S.  133; Wirsching, NZV 2016, 13, 15. 235  BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  50 f.; BAG NZA 2014, 143, 147; Tschöpe/Grimm, Teil  6 F, Rn.  214; U. Koch, ZFA 2018, 109, 123; Schwab/Weth/N. Schwab, §  58 ArbGG, Rn.  73; IT-Arbeitsrecht/Tiedemann, B., Rn.  490, 497. 236  BGH NJW 1982, 277, 278; OLG Saarbücken VersR 2009, 1479, 1481; Kodek in: FS Kaissis, 523, 544; Neuhaus/Kloth, NJOZ 2009, 1370, 1388; Werner, NJW 1988, 993, 1002. „Der Datenschutz ist kein Tatenschutz“: OLG Nürnberg VersR 2002, 179; Rüffer/Halbach/ Schimikowski/Muschner, §  213, Rn.  79; Neuhaus/Kloth, NJOZ 2009, 1370, 1388. 232 

B. Verfassungsrechtlicher Eingriff durch das Gericht

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Auf Seiten des Beweisführers ist vornehmlich die Intensität des Eingriffs in dessen Recht auf Beweis zu berücksichtigen. Maßgeblich ist dabei etwa der Beweiswert und die Beweistatsache, denn es macht einen Unterschied, ob der grundrechtsrelevante Beweis eine direkt unter ein Tatbestandsmerkmal subsumierbare Tatsache oder nur ein Indiz hierfür belegen soll.237 Daneben sind die Umstände der Beweisbeschaffung zu berücksichtigen.238 Solche Umstände sind jedenfalls bei „Notwehr oder notwehrähnlicher Lage“ von Bedeutung. Diese von der Rechtsprechung regelmäßig verwandte Formulierung239 dürfte untechnisch gemeint sein.240 Maßgeblich ist, dass die Rechtsverwirklichung von einer besonderen Bedeutung für den Beweisführer ist und deshalb das Interesse an der Beweisführung über das übliche, „schlichte“ Maß hinausgeht.241 Daher sind das Vorhandensein und die Erreichbarkeit anderer Beweismittel oder das Verschulden an der Beweislosigkeit zu berücksichtigen.242 Anders als beim Beweisgegner können auf Seiten des Beweisführers auch der persönliche oder wirtschaftliche Wert des streitgegenständlichen materiellen Anspruchs in die Abwägung einbezogen werden.243 Denn je höher der Anspruchswert, umso schwerer wiegt die Versagung der Beweismöglichkeit. Schließlich ist das Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden Rechtspflege stets als Argument zugunsten einer Beweismaßnahme zu berücksichtigen.244 Insbesondere die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung verweist bei der Abwägung im Einzelfall zudem regelmäßig auf den Schutzzweck der Norm.245 Die einschlägige Literatur hat dieses Abwägungskriterium teilweise übernommen.246 237 

BAG NJW 2014, 810, 816; OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799, 2800. Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1202; Wirsching, NZV 2016, 13, 15. 239  BVerfG NJW 2002, 3619, 3624; NJW 2007, 753, 758; BGH NJW 1958, 1344, 1345; NJW 2003, 1727, 1728; NJW 2005, 497, 499; NJW-RR 2010, 1289; 1292. Von der Literatur teilweise übernommen, siehe nur Gamp, DRiZ 1981, 41, 48; Kroh, S.  224; Morgenroth, NZA 2014, 408, 409; Röth, AE 2014, 274, 276. 240  So im Ergebnis wohl auch Fink, S.  29–34; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 120. 241  BVerfG NJW 2002, 3619, 3624; NJW 2007, 753, 758; BGH NJW 1988, 1016, 1018; NJW 2003, 1727, 1729; Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  31; BAG NZA 2012, 1025, 1028. 242  BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  47; LAG Berlin-Brandenburg BB 2016, 891, 895. 243  BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  55; OLG Saarbrücken VersR 2009, 1478, 1481; Eylert, NZA-Beil. 2015, 100, 106; Fuhlrott/Schröder, NZA 2017, 278, 282; Reitz, NZA 2017, 273, 277; Wirsching, NZV 2016, 13, 15; Zimmermann in: Taeger, 171, 182. 244  Dazu Teil  3, B. III. 4. a) aa) (1). 245  BAG NJW 2008, 2732, 2734; NZA 2011, 571, 573; LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 16.11.2011 – 3 Sa 284/11 – juris, Rz.  34. 246  Bergwitz, NZA 2012, 353, 354; MAH-Arbeitsrecht/Dendorfer-Ditges, §  35, Rn.  220, 227; Fischer, BB 1999, 154; Musielak/Voit/Foerste, §  286, Rn.  6; Tschöpe/Grimm, Teil  6 F, 238 

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

Unklar bleibt dabei aber meist, auf welche Norm dieser Lösungsansatz verweist: die verfassungsrechtliche (Grundrechts-)Norm, die im Prozess verletzt wird,247 oder die einfachgesetzliche Norm, die vorprozessual verletzt wird248? Beide dürften kein maßgebliches Abwägungskriterium sein. Der Schutzzweck der einfachgesetzlichen Norm hat keine Auswirkungen auf die hier vorzunehmende Abwägung. Es widerspräche der Normenhierarchie, wenn die verfassungsrechtliche Bewertung von einfachgesetzlichen Regelungszwecken abhängig gemacht werden würde.249 Der Schutzzweck der verfassungsrechtlichen Norm ist demgegenüber nur eine andere Bezeichnung für den Schutzbereich. Sollte dieser jedoch nicht berührt sein, läge schon gar kein Eingriff vor, der gerechtfertigt werden müsste. Der Verweis auf den Schutzzweck der verfassungsrechtlichen Norm wäre daher bedeutungslos und könnte allenfalls als Herausstellung der verfassungsrechtlichen Anknüpfung des Abwägungsvorgangs verstanden werden.

IV. Zwischenergebnis Das Beweisverbot ist mithin kein unmittelbar aus der Verfassung abgeleiteter Abwehranspruch,250 sondern die Konsequenz der verfassungskonformen Aus­ legung des zivilprozessualen Beweisrechts.251 Es ist die Einschränkung der den Gerichten durch die Zivilprozessordnung eingeräumten Befugnis, Beweismaßnahmen vorzunehmen. Das Beweisverbot ist daher die Konsequenz einer eingeschränkten Befugnisnorm.

Rn.  212; Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329, 339; Kaltenmeier, S.  78 f.; MüKo-ZPO/Prütting, §  284, Rn.  66; Germelmann/Matthes/Prütting/Prütting, §  58, Rn.  36; Prütting/Gehrlein/Lau­ men, §  284, Rn.  26 f.; Saenger/Saenger, §  286 Rn.  20; Schwab/Weth/N. Schwab, §  58 ArbGG, Rn.  72a; Stein/Jonas/Thole, §  286, Rn.  51–54. 247  So wohl LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 16.11.2011 – 3 Sa 284/11 – juris, Rz.  34; MüKo-ZPO/Prütting, §  284, Rn.  66. 248  So BAG NZA 2011, 571, 573; Bergwitz, NZA 2012, 353, 354; MAH-Arbeitsrecht/Den­ dorfer-Ditges, §  35, Rn.  220; Fischer, BB 1999, 154, 155; Schwab/Weth/N. Schwab, §  58 ArbGG, Rn.  72a; Stein/Jonas/Thole, §  286, Rn.  51–54. 249  Morgenroth, NZA 2014, 408, 413. 250  So beispielsweise Chandna-Hoppe, NZA 2018, 614, 618; MüKo-BGB/Henssler, §  626, Rn.  349a. 251  BVerfG NJW 2007, 753, 758; BGH NJW 2005, 497, 499; NJW 2013, 2668, 2670; BAG NJW 2017, 843, 844; NJW 2017, 2853, 2854; NZA 2017, 1327, 1328; BB 2019, 697, 698; Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  294; MAH-Arbeitsrecht/Dendorfer-Ditges, §  35, Rn.  66; Rein­ hard, NZA 2016, 1233, 1238; Reitz, NZA 2017, 273, 276; Schumann in: FS Kerameus, 1209, 1238; IT-Arbeitsrecht/Tiedemann, B., Rn.  494. Im Ergebnis ähnlich Muthorst, S.  125–135, 378 f. Offengelassen von Weber, ZZP 129 (2016), 57, 60. Für das Verwaltungsverfahren: Macht, S.  248–261; Frieberger, S.  56–58 (zum AVG).

C. Beweisverbot im Zivilprozess

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Die Beweisrechtsnormen als Befugnisnormen sind so auszulegen, dass eine Beweismaßnahme nicht erfolgen darf, wenn sie im Einzelfall so schwerwiegend in die Grundrechte des Beweisgegners eingreifen würde, dass dies nicht mit den Verfassungsrechtsgütern der funktionsfähigen Rechtspflege und des Beweisrechts des Beweisführers begründet werden kann. Diese Auslegung hat zur Folge, dass das Gericht die Umstände des Einzelfalls würdigen und gegeneinander abwägen muss. Anhand einer solchen Abwägung entscheidet auch die überwiegende Judikatur, wenn auch ohne methodische Erläuterung,252 in der Praxis über das Vorliegen eines Beweisverbots.253 Die Prüfung eines Beweisverbots hat dabei zweistufig zu erfolgen, denn nur, wenn die Informationsverwendung in Grundrechte eingreift, kommt es auf eine Abwägung im Einzelfall an.254 Eine Regel zum Ausgang der erforderlichen Abwägung lässt sich nicht aufstellen, denn dazu sind die Fallgestaltungen zu vielfältig. Zwar werden bestimmte Beschaffungsakte, die massiv in die Rechte der Partei eingreifen, regelmäßig zu einem Beweisverbot führen und andere Beschaffungsakte, die die Rechte der Partei nur eingeschränkt berühren, regelmäßig nicht zu einem Beweisverbot führen. Weil aber nicht nur der Beschaffungsakt und die damit verbundene Eingriffsintensität der gerichtlichen Informationsverwendung maßgeblich sind, sondern auch die Interessen des Beweisführers im konkreten Fall, lässt sich für die überwiegende Mehrzahl der Fälle keine Regel benennen. Eine Beschaffungshandlung kann in einem Fall unverhältnismäßig sein und zum Beweisverbot führen, in einem anderen Fall aber verhältnismäßig sein und kein Beweisverbot zur Folge haben.

C. Beweisverbot im Zivilprozess I. Mittelbare prozessuale Fehlerfolge der rechtswidrigen Beweisbeschaffung Rechtswidrig erlangte Beweismittel unterliegen im Zivilprozess einem Beweisverbot, wenn ihre prozessuale Verwendung durch das Gericht einen nicht zu rechtfertigenden Grundrechtseingriff darstellt. 252  Fuhlrott/Schröder, NZA 2017, 278, 282; Beschäftigtendatenschutz/Thüsing/Pötters, §  21, Rn.  31. 253  Vgl. nur BVerfG NJW 2002, 3619, 3624; NJW 1992, 815, 816; BGH NJW 1982, 277, 278; NJW 1991, 1180; NJW 2003, 1727, 1728; NJW 2013, 2668, 2670; BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  29 f., 39–56; BAG NJW 1983, 1691, 1692; NJW 2003, 3436, 3437; OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577, 1578; NJW 2002, 2799; MMR 2009, 412, 414; OLG Celle NJW 2004, 449, 450; OLG Nürnberg NJW 2017, 3597, 3598; OLG Hamm NJW-RR 1996, 735; LAG Hessen ZD 2014, 377, 379; LAG Hamm NJW‑RR 2018, 13, 15. 254  Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074, 2078; IT-Arbeitsrecht/Tiedemann, B., Rn.  497.

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

Die Rechtswidrigkeit der Beschaffungshandlung hat keinen direkten Einfluss auf die Zulässigkeit der prozessualen Verwendung, weil sie zunächst nur die materielle Rechtslage unabhängig vom späteren Prozess beurteilt.255 Die Rechtswidrigkeit der Beschaffungshandlung hat aber für die Zulässigkeit der Beweismaßnahme mittelbare Bedeutung. Zum einen führt die Rechtmäßigkeit der Beweisbeschaffung regelmäßig zur fehlenden Eingriffsqualität.256 Zum anderen beeinflussen die Umstände, die zur Rechtswidrigkeit der Beschaffung führen, zugleich auch die gerichtliche Einzelfallabwägung über die Zulässigkeit der Verwendung.257 Die Eingriffsintensität der gerichtlichen Maßnahme ist auch danach zu bemessen, wie tief und in welcher Form der Beweisführer zuvor in die Privatsphäre des Beweisgegners eingedrungen ist. Regelmäßig wird dabei ein indizierender Zusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit der Beschaffungshandlung und der Unzulässigkeit des Beweismittels bestehen.258 Dies ist vor allem bei den Verbotsnormen des die Persönlichkeitsrechte konkretisierenden Datenschutzrechts der Fall.259 Die Gerichte prüfen die Zulässigkeit von Beweismaßnahmen deshalb vielfach in einem zweistufigen Verfahren, bei dem sie zuerst über die (eigentlich nicht streitgegenständliche) Rechtswidrigkeit der Beschaf-

255  Siehe nur BVerfG NZA 2002, 284; BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  29; BAG NZA 2011, 571, 573; NZA 2017, 443, 445; NJW 2017, 843, 844; NZA 2017, 1327, 1329; NJW 2017, 2853, 2854; OLG Saarbrücken VersR 2009, 1478, 1480; BB 2019, 697, 698; LAG Rheinland-Pfalz ZD 2015, 488, 491; Chandna-Hoppe, NZA 2018, 614, 618; MAH-Arbeitsrecht/Dendorfer-Ditges, §  35, Rn.  220; Frieberger, S.  37; Fuhlrott/Schröder, NZA 2017, 278, 279, 281; Zöller/Greger, §  286, Rn.  15a; Tschöpe/Grimm, Teil  6 F, Rn.  212; Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329, 339; Kratz/Gubbels, NZA 2009, 652, 656; HWK/Lembke, BDSG Vorb., Rn.  110; A. Braun/Wisskirchen/Panzer-Heemeier, Teil I 4, Rn.  174; Reitz, NZA 2017, 273, 277; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 120 f.; Saenger/Saenger, §  286 Rn.  20; Schlewing, NZA 2004, 1071, 1074; Schwab/Weth/N. Schwab, §  58 ArbGG, Rn.  72a, 74; Stein/Jonas/Thole, §  286, Rn.  39, 52 f.; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377, 389. 256  Teil  3, B. II. 3. f). 257  BAG NZA 2014, 143, 147; Bergwitz, NZA 2012, 353, 357; Greger, NZV 2015, 114, 115; Störmer, S.  133; Wirsching, NZV 2016, 13, 15. Kritisch: Betz, RdA 2018, 100, 109. 258  Fuhlrott, NZA 2017, 1308; Fuhlrott/Oltmanns, NZA 2018, 413, 415; Kratz/Gubbels, NZA 2009, 652, 656; Reitz, NZA 2017, 273, 277; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 120 f.; Stein/­ Jonas/Thole, §  286, Rn.  39, 51, 53. Nicht ausdrücklich: BAG NZA 2017, 1327, 1329. Kritisch: Betz, RdA 2018, 100, 109. 259  BAG NJW 2017, 2853, 2854; NZA 2017, 1327, 1329; BB 2019, 697, 698 f.; Chandna-­ Hoppe, NZA 2018, 614, 619; Fuhlrott, NZA 2017, 1308; Fuhlrott/Oltmanns, NZA 2018, 413, 415; Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074, 2078; Reitz, NZA 2017, 273, 277. Ein Automatismus, wie ihn etwa das LAG Baden-Württemberg DuD 2017, 111, 112 und das LAG Hamm DB 2016, 2968, 2969 angenommen haben, besteht allerdings nicht, Fuhlrott/Schröder, NZA 2017, 278, 279, 280 f.; Kodek in: FS Kaissis, 523, 536; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 121. Offengelassen in BAG NJW 2014, 810, 815.

C. Beweisverbot im Zivilprozess

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fungshandlung und anschließend über die Verfassungswidrigkeit der Verwendung entscheiden.260 Die materiell rechtswidrige Beweisbeschaffung führt aber auch bei den Datenschutzrechtsverstößen nicht automatisch zur prozessualen Unzulässigkeit.261 Nicht alle Kriterien, die für die materiell-rechtliche Rechtswidrigkeit der Beweisbeschaffung maßgeblich sind, sind auch bei der Verfassungs- und Prozessrechtswidrigkeit262 der Beweismaßnahmen zu beachten. Unterschiede ergeben sich insbesondere bei Personenverschiedenheit und bei einer Beweisbeschaffung ohne – möglicherweise rechtfertigende – Beweisintention.263 Insbesondere verschärfen die Rechte von am Prozess unbeteiligten Dritter nicht die Eingriffs­ intensität bei der Beweismittelverwendung, haben aber entscheidenden Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Beschaffungshandlung.264 So wird das dauerhafte, anlasslose Filmen einer großen Personenzahl regelmäßig datenschutzrechtlich unzulässig sein; über die Intensität des Eingriffs in die Rechte des Beweisgegners bei der Verwendung im Prozess trifft dieser Aspekt jedoch keine Aussage.265 Zudem beurteilt die materielle Rechtswidrigkeit zunächst nur die Rechtsgüter des Beweisgegners. Im Prozess sind aber auch das Interesse an einer funktionieren Zivilrechtspflege und das Recht auf rechtliches Gehör, die für die Zulässigkeit von Beweismitteln sprechen, zu berücksichtigen. Allerdings können auch rechtmäßig erlangte Beweismittel Gegenstand des verfassungsrechtlich gebotenen Beweisverbots sein.266 Dies ist der Fall bei der Zweckentfremdung vertraulich erlangter Beweismittel, deren Verwendungsbe260 

Beispielsweise BAG NZA 2014, 143, 146; NZA 2017, 443, 445; BB 2019, 697, 698. So ver­fahren auch einige Vertreter der Literatur: Balthasar, Jus 2008, 35, 39; Bäumerich, JuS 2016, 803; Tschöpe/Grimm, Teil  6 F, Rn.  215; Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074, 2078; Reitz, NZA 2017 273, 277. 261  BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  29; Betz, RdA 2018, 100, 110; Chandna-­Hoppe, NZA 2018, 614, 618; Stein/Jonas/Thole, §  286, Rn.  39, 51, 53; Zimmermann in: Taeger, 171, 184. Anders wohl BAG NJW 2017, 2853, 2854; NZA 2017, 1327, 1329; Kratz/ Gubbels, NZA 2009, 652, 656. 262  Die Beweismaßnahme ist sowohl verfassungswidrig, als auch (wegen der verfassungskonformen Auslegung) prozessrechtswidrig. 263  Fink, S.  92 f. 264 BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  52; Bayreuther, NZA 2005, 1038, 1042; Bergwitz, NZA 2012, 353, 357 f. Etwa der in seinen Mitbestimmungsrechten verletzte Betriebsrat BAG NJW 2008, 2732, 2734 f.; HWK/Lembke, BDSG Vorb., Rn.  110 f; Lunk, NZA 2009, 457, 462–464; Schlewing, NZA 2004, 1071, 1073–1077. Anders: LAG Bremen RDV 2006, 24. 265  BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  52; Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1202 f.; Kroh, S.  224 f. 266  BGH NJW 1964, 1139, 1144; OLG Celle NJW 1965, 1677, 1679; Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1204; Röth, AE 2014, 274, 276; Störmer, S.  38; Stein/Jonas/Thole, §  286, Rn.  39. Anders: BAG BB 2019, 697, 698; Gemmeke, S.  47. Im Strafprozess BVerfG NJW 2012, 907, 913.

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

fugnis sich auf einen konkreten Zweck beschränkte. Ein Beispiel sind einverständlich gefertigte, nicht für die Offenbarung gegenüber Dritten bestimmte Audio- oder Videoaufnahmen.267 Diese Fälle dürften jedoch eher selten zu einem Beweisverbot führen, da sich die ursprünglich freiwillige Weitergabe auf die Eingriffsintensität auswirkt. Anknüpfungspunkt für das an das Gericht adressierte Beweisverbot (Verwendungsverbot) ist daher zwar die gerichtliche Beweismaßnahme. Deren Zulässigkeit hängt jedoch maßgeblich von den Umständen der Beschaffung ab. Im Ergebnis führt die rechtswidrige Beschaffungshandlung daher nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar zu einem prozessualen Verbot.

II. Kritik: Richterlicher Dezisionismus An dem verfassungsrechtlichen Lösungskonzept wird kritisiert, dass seine einzelfallbezogene Abwägungslösung zu Rechtsunsicherheit führe.268 Die Abwägung von Verfassungsgütern sei ein politischer Akt und führe zu einem richterlichen Dezisionismus.269 Zudem sei es unzweckmäßig, das Beweisverfahren mit einer Abwägung zu belasten, die eigentlich zum Verfahren über die Rechtsgutverletzung gehöre.270 Diese Argumente vermögen nicht zu überzeugen. Die Güterabwägung ist streitgegenständlich und keine unzweckmäßige Verfahrensbelastung. Die Abwägung ermittelt nicht die Rechtmäßigkeit der Beschaffungshandlung, sondern die prozessrechtliche Zulässigkeit des gerichtlichen Verhaltens. Die Beurteilung dieser beiden Rechtsfragen ist nicht zwingend kongruent, denn weder erfordern alle materiellen Verbotsnormen eine Güterabwägung noch sind die Abwägungskriterien, sofern eine Abwägung vorzunehmen ist, deckungsgleich.271 Wegen fehlender Vorhersehbarkeit kann einem gerichtlichen Abwägungsprozess denknotwendig keine absolute Rechtssicherheit zugesprochen werden. Eine solche wird jedoch von der Rechtsordnung auch nicht generell gefordert: Ein Abwägungserfordernis ist kein Fremdkörper in der deutschen Rechtsordnung, sondern findet sich sowohl im materiellen Recht als auch im Verfahrensrecht.272 267  Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 611; Wais, S.  121; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377, 394 f. Ähnlich: KG NJW 1994, 462, 463 (Informationsoffenbarung im Anwaltsmandat). 268  Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 319; H. Roth in: Recht der Persönlichkeit, S.  279, 286; Tresenreuter, S.  20. 269  Gemmeke, S.  162, 213; Keller in: FS Grünwald, 267, 269 (zum Strafprozess). 270  Brinkmann, AcP 206 (2006), 746, 761. 271  Zimmermann in: Taeger, 171, 184. Anders Kratz/Gubbels, NZA 2009, 652, 656. 272  Beispielsweise §§  283a Abs.  1 Nr.  2, 710, 765a Abs.  1, 758a Abs.  3, Abs.  4 ZPO, §§  134, 138, 275 Abs.  3, 314 Abs.  1, 543 Abs.  1 BGB, §  240 Abs.  2 StGB.

C. Beweisverbot im Zivilprozess

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Gerade das formelle Verfahrensrecht erfordert aber ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit, denn Fehleinschätzungen der Partei ob der Erfolgsaussichten ihrer Klage oder Verteidigung sind mit gerichtlichen und eventuell außergerichtlichen Kosten verbunden. Eine Abwägung ist für die vorliegende Kollisionssituation zwischen Verfassungsgütern, Prozessgrundsätzen und Gerechtigkeitssinn dennoch das richtige Rechtsinstrument.273 Die Güterabwägung bietet die notwendige Flexibilität, um diese Kollision unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls gerecht zu lösen.274 Die Rechtssicherheit steht dabei in einem Spannungsfeld zur Einzelfallgerechtigkeit. Das damit einhergehende Maß an Rechtsunsicherheit kann durch konkretisierende Methoden reduziert werden. Offene Abwägungssituationen werden durch kategoriale Unterscheidungen, Normhypothesen, Abstufungen, Konfliktfolgen-Analyse und Typisierung konkretisiert.275 Bei der Zulässigkeit rechtswidrig beschaffter Beweismittel ist insbesondere die Typisierung durch Auswertung höchstrichterlicher Entscheidungen gängig.276 Richterlicher Dezisionismus droht damit nicht. Das trotz der konkretisierenden Mechanismen verbleibende Maß an Rechtsunsicherheit ist jedoch zugunsten der Einzelfallgerechtigkeit hinzunehmen.

III. Schlussfolgerung für die Terminologie Das an das Gericht adressierte Beweisverbot ist kein Verbot im klassischen Sinne einer ausdrücklichen Unterlassensanordnung,277 sondern das Resultat einer fehlenden, weil eingeschränkt ausgelegten, Befugnisnorm.278 Die Bezeichnung Verbot ist deshalb nicht ganz treffend, wird aber beibehalten, da sie der in der einschlägigen Forschung üblichen entspricht.279

273  Zu den kollidierenden Verfassungsgütern: Teil  3, B. III. Zu den widersprechenden Prozessgrundsätzen: Teil  3, B. III. 4. a) aa). Zu den Gegensätzen formeller und materieller Gerechtigkeit: Teil  2, A. I. 1. 274  Katzenmeier, ZZP 116 (2003), 375, 377; Kiethe, MDR 2005, 965, 970; Gehrlein, VersR 2011, 1350, 1358; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  232; Macht, S.  240. 275  Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 221; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  232; Rogall in: FS Hanack, 293, 298 f. 276  Zur Methodik: Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  232; Möllers, S.  318–331 (Vergleichs­ fallmethode), 340–342 (Fallgruppen). Beweisverbots-Fallgruppen: Ahrens, Kapitel  6, Rn.  38– 71; Balthasar, Jus 2008, 35, 36–39; Gehrlein, VersR 2011, 1350, 1350–1358.; Jäckel, Beweisrecht der ZPO, 1. Kapitel, Rn.  106–109; Prütting/Gehrlein/Laumen, §  284, Rn.  30–38; Stein/ Jonas/Thole, §  286, Rn.  57–82; IT-Arbeitsrecht/Tiedemann, B., Rn.  500–522. 277  Köbler, S.  453. 278  So auch zum Verwaltungsverfahren Macht, S.  291. 279  Dazu schon oben Teil  2, B. I. 3.

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

Das Beweisverbot begrenzt jede grundrechtsbeschränkende Beweismaßnahme und kann deshalb weder als Beweiserhebungsverbot noch als Beweisverwertungsverbot bezeichnet werden. Das Gericht ist schon vor der Beweisaufnahme verpflichtet zu prüfen, ob es die Informationen verwenden darf und muss, sofern dem ein Verbot entgegensteht, die Verwendung in Form der Beweisaufnahme unterlassen.280 Zeigt sich hingegen erst während der Beweisaufnahme, dass die Verwendung nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann, so muss das Gericht die Beweisaufnahme gegebenenfalls abbrechen und darf die bisherigen Ergebnisse nicht verwenden.281 Es handelt sich also um ein Verbot, das sich auf alle Formen der Informationsverwendung bezieht und – abhängig vom Verfahrenszeitpunkt – die Beweisaufnahme, die Beweiswürdigung oder die Beweisverwendung zur Entscheidungsfindung verhindert. Eine Differenzierung nach Art der Informationsverwendung ist nicht geboten.282 Auch die Einheit der mündlichen Verhandlung spricht gegen eine Unterteilung in einzelne Prozessphasen.283 Schließlich sind Beweisaufnahme und -würdigung nicht chronologisch abgrenzbar.284 So würdigt das Gericht die Beweismittel regelmäßig schon während der Beweisaufnahme, indem es entscheidet, ob es weitere Fragen an den Zeugen stellt, ob es Vorhalte macht, ob es vorangegangene Zeugen mit neuen Erkenntnisse konfrontiert und ob zusätzliche Beweismittel, wie etwa ein Sachverständigenbeweis, erforderlich sind. Die „verbotene“ Handlung ist daher nicht näher zu bezeichnen. Der Begriff Beweisverbot bezeichnet das Rechtsinstitut hinreichend.

D. Verfahren, Rechtsfolge und Wirkung des Beweisverbots Nachdem durch die verfassungskonforme Auslegung der Zivilprozessordnung die Zulässigkeitsgrenze rechtswidrig erlangter Beweismittel abstrakt festgelegt wurde, sind die konkreten Auswirkungen des Beweisverbots im Prozess, namentlich das Verfahren zur Feststellung eines Beweisverbots (I.), die Rechts­ folge eines festgestellten Beweisverbots (II.) und seine Reichweite und Wirkung (III.) zu untersuchen. 280  Beling, S.  30; MAH-Arbeitsrecht/Dendorfer-Ditges, §  35, Rn.  220; Kempter/Steinat, DB 2016, 2415, 2417; U. Koch, ZFA 2018, 109, 110; Muthorst, S.  186; Sydow, S.  117. 281  BAG NZA 2014, 243, 247; BGH NJW 1970, 1848, 1849; Beling, S.  31; Macht, S.  292; Sydow, S.  117; IT-Arbeitsrecht/Tiedemann, B., Rn.  523. 282  BVerfG NZA 2002, 284; Störmer, JuS 1994, 334, 338; Baumgärtel, Rn.  107 f.; MAH-Arbeitsrecht/Dendorfer-Ditges, §  35, Rn.  220; Fink, S.  84; Macht, S.  93; Muthorst, S.  188 f., 191– 193, 202; Venetis/Oberwetter, NJW 2016, 1051–1056. 283  Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 314. 284  Macht, S.  93; Muthorst, S.  191.

D. Verfahren, Rechtsfolge und Wirkung des Beweisverbots

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I. Verfahren zur Feststellung eines Beweisverbots Ein Beweisverbot wird auf Rüge hin geprüft und, soweit erforderlich, durch ein Strengbeweisverfahren festgestellt, wobei die Nichtbeweisbarkeit zulasten des Beweisgegners geht. 1. Rügeerfordernis und Heilungsmöglichkeit Die Rechtsprechung prüft nur nach einer entsprechenden Rüge des Beweisgegners, ob ein Beweisverbot vorliegt.285 Für dieses Rügeerfordernis sprechen die verfassungsrechtliche Grundlage des Beweisverbots und die Möglichkeit des Grundrechtsverzichts.286 Insbesondere beinhalten die Persönlichkeitsrechte die Befugnis zur Informationsoffenlegung.287 Der Einzelne muss daher der gerichtlichen Verwendung seiner geschützten Informationen zustimmen können. Die verfahrensrechtliche Disponibilität der Beweisverbote ist überdies wegen der Befriedungsfunktion des Zivilprozesses erforderlich. Sofern die Parteien entgegen ihrem Willen keine umfassende Aufklärung auf Grundlage aller Beweismittel erhalten, wird der Prozess dieser Funktion nicht gerecht. Allerdings liegt bei einem Grundrechtsverzicht mangels Grundrechtseingriff bereits kein Beweisverbot vor. Somit entfiele, auch wenn das Gericht grundsätzlich zur Prüfung von Amts wegen verpflichtet wäre, das Prüferfordernis, denn ein Beweisverbot läge (offensichtlich) nicht vor. Allein aus der Möglichkeit, auf den Grundrechtsschutz verzichten zu können, lässt sich ein Rügeerfordernis deshalb nicht begründen, denn dieses betrifft nicht die Möglichkeit, sondern allenfalls die Erklärungsform eines Verzichts. Der herrschenden Ansicht ist dennoch zuzustimmen. Die Prüfung von Amts wegen stellt eine Ausnahme zum grundsätzlichen Rügeerfordernis bei zivilprozessualen Verfahrensmängeln dar, denn im Zivilprozess unterfallen nur die Sachurteilsvoraussetzungen der Prüfung von Amts wegen.288 Das sind alle sachlichen, persönlichen und formellen Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit das Gericht sachlich über das Klagebegehren verhandeln und entscheiden kann.289 Das 285 

BGH NJW 1985, 1158, 1159; NJW-RR 2007, 1624, 1627. Dem folgen Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622, 1625; Baumgärtel, Rn.  108; Fricke, VersR 2009, 297, 305; Gemmeke, S.  217–221; Zöller/Greger, §  295, Rn.  3; Kodek, S.  178; Krier, S.  174 f.; Reichenbach, S.  203; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 231. Anders Musielak/Voit/Foerste, §  286, Rn.  6; Muthorst, S.  239. Ähnlich im Strafverfahren („Widerspruchslösung“): BGH NJW 1992, 1463, 1466. 286  Krier, S.  174. 287  BVerfG NJW 2002, 3619, 3622; Merten/Papier/Enders, §  89, Rn.  47; Jarass/Pieroth/­ Jarass, Art.  2, Rn.  54; Art.  10, Rn.  13; Art.  13 Rn.  10; Neuhaus/Kloth, NJOZ 2009, 1370, 1390; Starnecker, S.  133 f. 288  Gemmeke, S.  219; Krier, S.  173; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  354. 289  Zöller/Greger, vor §  253, Rn.  9.

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

Beweisverbot regelt zwar mit der Beweismaßnahmenbefugnis eine gerichtliche Befugnis, hindert es aber nur an der Beweismaßnahme, nicht an der Fällung eines Sachurteils. Die Rügenotwendigkeit wird vom Wortlaut des §  282 Abs.  1 ZPO gestützt („Beweiseinreden“), der nicht zwischen verschiedenen beweisrelevanten Einwänden unterscheidet.290 Wenn der Beweisgegner das Verbot in (fahrlässiger Un-) Kenntnis der Sach­ lage nicht rechtzeitig rügt, verliert er sein Rügerecht nach §  295 Abs.  1 ZPO.291 Das Beweisverbot ist eine verzichtbare Verfahrensvorschrift, denn sie regelt die verfahrensrechtliche Befugnis des Gerichts und schützt dabei die Rechte des Beweisgegners.292 Weil in der Nichtrüge trotz (fahrlässiger Un-) Kenntnis der Beweisbeschaffungsumstände ein Grundrechtsverzicht liegt,293 läge ein Grundrechtseingriff als Voraussetzung des Beweisverbots nicht vor, sodass eine Prüfung von Amts wegen ohnehin nicht veranlasst wäre. Auch im Kernbereich der Grundrechte dürfte die Geltendmachung dispositiv sein, denn auch insoweit ist das Offenlegungsrecht Ausdruck des jeweiligen Persönlichkeitsrechts, und maßgebliche Eingriffshandlung ist die Informationsverwendung, nicht jedoch die (heimliche) Informationsbeschaffung.294 2. Beweis und Beweislast Den Nachweis eines Beweisverbots prüft die Rechtsprechung im Freibeweisverfahren.295 Dort stehen Verfahren und Erkenntnismittel im Ermessen des Gerichts: Das Verfahren ist daher nicht auf die gesetzlichen Beweismittel beschränkt, kann ohne Beweisantritt erfolgen und unterliegt nicht den Verfahrensvorschriften aus §§  355 ff. ZPO (Unmittelbarkeit und Parteiöffentlichkeit).296 Gesetzlich ist dieses Verfahren nur sehr eingeschränkt und bei Einverständnis der Parteien vorgesehen, §  284 S.  2–4 ZPO. Die Rechtsprechung verwendet es daneben zur Ermitt290 

Gemmeke, S.  219; Krier, S.  173. BGH NJW 1985, 1158, 1159; NJW-RR 2007, 1624, 1627; Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622, 1625; Baumgärtel, Rn.  108; Fricke, VersR 2009, 297, 305; Gemmeke, S.  217–221; ­Zöller/Greger, §  295, Rn.  3; Kodek, S.  178; Krier, S.  174 f.; Reichenbach, S.  203; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 231; Stein/Jonas/Thole, §  286, Rn.  55. Anders Schellhammer, 1.  Buch 7.  Teil, Rn.  526. §  295 gilt auch vor den Arbeitsgerichten, BAG NZA 2015, 544, 556. 292  Zu den Voraussetzungen des §  295 Abs.  1 ZPO MüKo-ZPO/Prütting, §  295, Rn.  2, 6. 293  Dazu oben Teil  3, B. II. 2. 294  Krier, S.  174; Neuhaus/Kloth, NJOZ 2009, 1370, 1390; Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074, 2079. Anders Kodek, S.  178 und andeutungsweise auch OLG Saarbrücken VersR 2009, 1522, 1523. 295  BGH NJW 2003, 1123, 1124. Ebenso im Strafrecht: Jahn, S. C 108; Pitsch, S.  304. 296  Muthorst, S.  242; MüKo-ZPO/Prütting, §  284, Rn.  26; Prütting/Gehrlein/Laumen, §  284, Rn.  19. 291 

D. Verfahren, Rechtsfolge und Wirkung des Beweisverbots

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lung der von Amts wegen zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen.297 Diese umstrittene298 Ausnahme greift hier nicht, da das Beweisverbot keine Sachurteilsvoraussetzung ist. Eine darüberhinausgehende Ausnahmeregelung für Beweisverbote kann nicht mit den Argumenten der Praktikabilität und Prozessökonomie begründet werden, denn diese Gesichtspunkte sprechen letztlich bei jeder Beweisfrage für ein Freibeweisverfahren.299 Das Beweisverbot beinhaltet insoweit keine Besonderheit. Eine weitergehende Einschränkung würde dem Ausnahmecharakter des Freibeweisverfahrens nicht gerecht. Es gelten daher die Grundsätze des Strengbeweises.300 Das Risiko der Unaufklärbarkeit (materielle Beweislast) trägt mangels anderweitiger Regelung derjenige, der sich auf das Beweisverbot beruft, der Beweisgegner.301 Dies entspricht der ungeschriebenen Grundregel, wonach jede Partei für diejenigen Tatsachen beweisbelastet ist, die den Tatbestand der Norm ausfüllen, auf deren Rechtsfolge sie sich beruft (Günstigkeitsprinzip).302 Dessen ungeachtet kann nach den allgemeinen Grundsätzen den Beweisführer eine sekundäre Darlegungslast treffen. Danach muss die gegnerische Partei (hier: Beweisführer) im Rahmen ihrer Erklärungslast aus §  138 Abs.  2 ZPO nähere Angaben über die in ihrem Wahrnehmungsbereich erfolgten, dem Darlegungspflichtigem verborgenen Umstände machen, sofern der Darlegungspflichtige greifbare Anhaltspunkte für seine Behauptung geliefert hat und der gegnerischen Partei Angaben zumutbar sind.303

297 

Etwa BGH NJW 1951, 441, 442; NJW 1992, 627, 628; NJW 2011, 778, 779. Kritisch etwa MüKo-ZPO/Prütting, §  284, Rn.  28; Prütting/Gehrlein/Laumen, §  284, Rn.  21. 299 Ähnlich Muthorst, S.  242. 300  Zöller/Greger, §  286, Rn.  15a; Katzenmeier, ZZP 116 (2003), 375, 376; Prütting/Gehrlein/Laumen, §  284, Rn.  29; Muthorst, S.  242. 301  Langheid/Wandt/Eberhard, §  213, Rn.  140; Zöller/Greger, §  286, Rn.  15a; Schneider, MDR 2000, 1029, 1030; Schwab/Weth/N. Schwab, §  58 ArbGG, Rn.  73; Neuhaus/Kloth, NJOZ 2009, 1370, 1390; Weichbrodt, S.  277; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377, 385. Ebenfalls im Strafrecht: BGH NJW 2003, 1123, 1124; Jahn, S. C 108; Pitsch, S.  305. Im Strafrecht ist dies eine Beweislastsonderregel, weshalb dort Beweismaßreduktionen und partielle Beweislastumkehrregelungen diskutiert werden, Pitsch, S.  305 f. 302  BGH NJW 1991, 1052, 1053; Beckhaus, S.  87; Zöller/Greger, vor §  284, Rn.  17a; Stein/ Jonas/Thole, §  286, Rn.  105 f. 303  BVerfG NJW 2000, 1483, 1484; BGH NJW 2012, 3774, 3775; Zöller/Greger, vor §  284, Rn.  34; Stein/Jonas/Thole, §  286, Rn.  101. 298 

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

II. Rechtsfolge des Beweisverbots 1. Fingierte Nichtexistenz Aufgrund des Beweisverbots, dem Nichtvorhandensein einer Befugnisnorm, fehlt dem Gericht die notwendige gesetzliche Grundlage, um die im Beweismittel verkörperten Informationen in den Prozess einzubeziehen und bei seiner Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.304 Das Beweisverbot begrenzt jede grundrechtsbeschränkende Beweismaßnahme. Das Gericht ist deshalb schon vor der Beweisaufnahme verpflichtet zu prüfen, ob es die Informationen verwenden darf, und muss, soweit ein Verbot erkennbar ist, die Verwendung in Form der Beweisaufnahme unterlassen.305 Das verbotene Augenscheinobjekt darf nicht angesehen oder angehört werden, die verbotene Urkunde nicht gelesen, der verbotene Zeuge oder Sachverständige nicht vernommen werden. Zeigt sich hingegen erst während der Beweisaufnahme, dass die Verwendung nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann, so muss das Gericht die Beweisaufnahme abbrechen und als nicht geschehen betrachten und darf die bisherigen Ergebnisse nicht verwenden.306 Auf diese Weise muss das Gericht bei allen Beweismaßnahmen die unzulässigen Beweise ignorieren. Das betroffene Beweismittel gilt für das Verfahren insgesamt als nicht existent.307 Handelt das Gericht entgegen dem Beweisverbot ohne gesetzliche Grundlage, ist die Entscheidung fehlerhaft und kann in der Folge angefochten werden.308 Andere prozessuale Rechtsfolgen, etwa in Form eines Verfahrenshindernisses, hat ein Verstoß indes nicht.309 2. Überzeugungsbildung im Übrigen Es bleibt dem Gericht unbenommen, seine Überzeugung auf Basis anderer, zulässiger Beweismittel und dem sonstigen Inhalt der Verhandlung zu bilden.310 Nur das wegen des Beweisverbots unzulässige Beweismittel ist als nicht existent zu behandeln. 304 

Teil  3, B. IV. Beling, S.  30; MAH-Arbeitsrecht/Dendorfer-Ditges, §  35, Rn.  220; Kempter/Steinat, DB 2016, 2415, 2417; U. Koch, ZFA 2018, 109, 110; Muthorst, S.  186; Sydow, S.  117. 306  BAG NZA 2014, 243, 247; BGH NJW 1970, 1848, 1849; Beling, S.  31; Macht, S.  292; Sydow, S.  117. 307  Macht, S.  292; Sydow, S.  117. 308  Beling, S.  31 (zum Strafprozess); Zöller/Heßler, §  538, Rn.  27. Differenzierter: MüKo-­ ZPO/Rimmelspacher, §  583, Rn.  44. 309  Zum Strafprozess EGMR NJW 2010, 3145, 3150; Beling, S.  31. Für andere Rechtsfolgen­ vorschläge im Strafrecht Jahn, S. C 104–107. 310  BVerfG NJW 2002, 3619, 3624, Fink, S.  85; Gemmeke, S.  40, 55; Kaissis, S.  3; Kodek, S.  137; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 125; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 79. 305 

D. Verfahren, Rechtsfolge und Wirkung des Beweisverbots

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Regelmäßig wird das Gericht aber aufgrund informeller Beweissichtung vor Beginn der mündlichen Verhandlung oder aufgrund der Erörterungen im Rahmen der Beweisverbotsentscheidung den Inhalt dieser unzulässigen Beweismittel bereits kennen.311 Das Ausblenden von bekannten Beweismitteln bei der Überzeugungsbildung wird mitunter als überfordernde Herausforderung für das Gericht angesehen.312 Die Kenntnis von Existenz und Inhalt der Beweismittel habe die Befangenheit des Gerichts in der Sachentscheidung zur Folge.313 Dem kann nicht zugestimmt werden. Es spricht nichts dagegen, dass das in der Sache erkennende Gericht zugleich über die Zulässigkeit der Beweismittel entscheidet. Eine Trennung der Entscheidungsbefugnisse wäre sogar hinderlich, da sich die Fragestellung nicht aus dem übrigen Verfahrenskontext exakt heraustrennen lässt.314 Überdies ist eine Trennung nicht erforderlich, denn der Entscheidungsbegründungszwang, §  313 Abs.  2 ZPO, ermöglicht eine ausreichende Kontrolle.315 Der Begründungszwang ermöglicht nicht nur die externe Kontrolle, sondern bereits die interne Kontrolle durch das Gericht selbst, das entscheiden muss, ob es ausreichend Anhaltspunkte für die Überzeugungsbildung in seiner Begründung anführen kann. Eine Trennung entspricht zudem nicht dem gesetzlichen Verständnis eines Spruchkörpers, denn schließlich verlangt der Gesetzgeber von Richtern auch an anderer Stelle die Fähigkeit zur Abstraktion, etwa bei normierten prozessualen Verboten wie §  136a Abs.  3 S.  2 StPO, §  51 Abs.  1 BZRG, bei Präklusionsvorschriften wie §  296 Abs.  1 ZPO oder bei Informationen, die zwar schriftlich eingereicht wurden, aber entgegen §  128 Abs.  1 ZPO nicht zum Inhalt der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.316 Überdies ist das Gericht regelmäßig verschiedensten Einflüssen ausgesetzt, die es ignorieren können muss, etwa einer tendenziösen Prozessberichterstattung durch die Medien oder stark wertenden Parteivorträgen.317 Diese richterliche Fähigkeit wird im Strafrecht und Arbeitsrecht sogar den ehrenamtlichen Richtern zugetraut.318 Die Notwendigkeit, ihm bekannte Beweismittel zu ignorieren, überfordert das Gericht deshalb nicht. Das Beweisverbot hat daher keine Auswirkungen auf die Besetzung des Gerichts. 311 

OLG Celle NJW 1965, 1677, 1679; Gemmeke, S.  38; Kodek, S.  136. OLG Celle NJW 1965, 1677, 1679; Kodek, S.  136; Sydow, S.  117; Wais, S.  151 f. 313  Kodek, S.  137; Pitsch, S.  300; Störmer, S.  86 f.; Sydow, S.  118 f. 314  Beispielsweise die Reichweite des Verbots Reinecke, S.  242 315  Reinecke, S.  242 316  RG RGSt 72, 268, 273; BGH NJW 1997, 1792, 1793; NJW 1998, 1163, 1165; Gemmeke, S.  38 f.; Knoll, S.  146; Weichbrodt, S.  154. Zum Strafrecht Sydow, S.  118. 317  BGH NJW 1997, 1792, 1793; NJW 1998, 1163, 1165; Gemmeke, S.  39; Weichbrodt, S.  154. 318  BGH NJW 1998, 1163, 1165; Gemmeke, S.  38; Reichenbach, S.  128; Weichbrodt, S.  155. 312 

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

3. Regelmäßig Beweislastentscheidung Kann der Beweisführer weitere Beweismittel nicht benennen und konnte das Gericht auch sonst keine Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der behaupteten Tatsachen erlangen, besteht also eine non liquet-Situation, dann ergibt sich die Entscheidung aus den Regeln über die materielle, objektive Beweislast (Feststellungslast).319 Dies ist keine Besonderheit von Beweisverboten, sondern die allgemeine Folge einer Beweislosigkeit. Auch wenn das Gericht aufgrund der Beweislage keine Überzeugung über die Tatsachenlage bilden konnte, muss es dem Justizgewährungsanspruch genügen und eine Sachentscheidung treffen, §  300 Abs.  1 ZPO.320 Die objektive Beweislastverteilung ist dann das methodische Instrument, mithilfe dessen das Gericht über die Rechtsanwendung bei Beweislosigkeit entscheidet, denn sie regelt die gesetzliche Risikoverteilung und fingiert damit die Überzeugungsbildung zugunsten des (Nicht-)Bestehens der Tatsachen.321 Weil mit der Beweismittelbenennung möglicherweise die Offenbarung einer deliktischen und/oder strafrechtlich relevanten Handlung einhergeht, wird der Beweisführer das unzulässige Beweismittel nicht ohne Not offenbaren.322 Benennt er das Beweismittel dennoch, wird es daher meist das einzig zur Verfügung stehende sein. Deshalb führt ein Beweisverbot in der Praxis regelmäßig zu einer (non liquet-)Entscheidung nach Beweislastregeln.323

III. Wirkung des Beweisverbots: Beweismittelalternativen In den meisten Fällen wird der Beweisführer die Unzulässigkeit seines Beweismittels zumindest erahnen. Er wird daher, soweit es ihm möglich ist, nicht das unzulässige Beweismittel selbst zum Beweis anbieten, sondern auf andere Erkenntnisquellen zurückgreifen. Im Folgenden wird herausgearbeitet, inwieweit er dabei indirekt durch Beweismittelalternativen das verbotene Beweismittel zur Entscheidungsgrundlage werden lassen kann. Mögliche Beweismittelalternativen sind kausal durch das verbotene Beweismittel erlangte Sekundärbeweismittel (2.) und inhaltsgleiche Beweismittel in Form von Derivaten oder Surrogaten (3.). 319 

MüKo-ZPO/Prütting, §  284, Rn.  106. Benedicter, S.  15. 321  Chudoba, S.  145; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Anh. §  286, Rn.  1; Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  138; R. Koch, S.  3; MüKo-ZPO/Prütting, §  284, Rn.  106; §  286, Rn.  93, 100–102. 322  Gemmeke, S.  54. 323  BAG NZA 2014, 143, 148; OLG Karlsruhe MMR 2009, 412, 415; Fink, S.  85; Gemmeke, S.  40, 55; Kodek, S.  137. 320 

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1. Freie Beweismittelwahl Dem Versuch, das verbotene Beweismittel indirekt durch andere Beweismittel prozessfördernd einzusetzen, steht der Grundsatz der unmittelbaren Beweisaufnahme nicht entgegen. Die Zivilprozessordnung kennt nur eine formelle Unmittelbarkeit, §  355 Abs.  1 ZPO. Anders als im Strafprozess, §  250 StPO, kennt der vom Verhandlungsgrundsatz geprägte Zivilprozess aber keine materielle Unmittelbarkeit.324 Es gibt also weder ein Verbot, indirekte Beweismittel heranzuziehen, noch ein Gebot, sachnähere, vermeintlich zuverlässigere Beweismittel vorzuziehen. Es gilt der Grundsatz der freien Beweismittelwahl.325 Mit der fehlenden Unmittelbarkeit einhergehende Rückschlüsse auf den Beweiswert sind ausschließlich in der Beweiswürdigung zu berücksichtigen.326 2. Kausal erlangte Beweismittel: Sekundärbeweismittel a) Problembeschreibung Sekundärbeweismittel, deren Zulässigkeit üblicherweise unter dem Begriff der Fernwirkung von Beweisverboten diskutiert wird, sind solche Beweismittel, die durch Verwendung der aus dem verbotenen Primärbeweismittel gewonnenen Informationen erlangt wurden.327 Der Arbeitgeber, der seinen Arbeitnehmer bei einem Diebstahl derart gefilmt hat, dass das Filmmaterial einem Beweisverbot unterfällt, erlangt mögliche ­Sekundärbeweismittel, wenn er die Aufnahmen durchsieht und darauf einen ihm bis dahin nicht bekannten Augenzeugen ermittelt328, oder wenn er aufgrund der Entdeckungen im Video den Kassenstreifen seiner bei ihm angestellten Kas­ siererin auf Ungereimtheiten überprüft329 oder wenn er das Video dem Arbeit324  BGH NJW 1984, 2039, 2040; Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  40 f.; Götz, S.  304; Stein/Jonas/Thole, §  284, Rn.  33 f. 325  Musielak/Voit/Foerste, §  284, Rn.  22; Zöller/Greger, §  355, Rn.  1; Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  40; MüKo-ZPO/Prütting, §  284, Rn.  51 f.; Stein/Jonas/Thole, §  284, Rn.  33 f. 326  Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  41. 327  Gemmeke, S.  205; Jäger, S.  111; Knoll, S.  18, 28; Mergner, S.  37; Muthorst, S.  205; Pitsch, S.  89; Reinecke, S.  45. Die Fernwirkung ist von der Fortwirkung von Beweisverboten zu unterscheiden, die vornehmlich die Auswirkung von (hoheitlichen) Vernehmungsfehlern bei vorherigen Aussagen auf spätere Aussagen bezeichnet, Hengstenberg, S.  15; Mergner, S.  37; Pitsch, S.  105; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, Einl., Rn.  57a. Die Fortwirkung ist im Zivilprozess grundsätzlich von untergeordneter Bedeutung (seltene Ausnahme: OLG Karlsruhe MMR 2009, 412, 415) und zumindest für die vorliegende Untersuchung zu vorprozessualen Verstößen der Parteien ohne Relevanz. Der Frage wird daher nicht weiter nachgegangen. 328  Beispiel nach Bergwitz, NZA 2012, 353, 358. 329  Beispiel nach BAG NZA 2011, 571–575.

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

nehmer vorprozessual vorführt, um von ihm ein schriftliches Geständnis zu erlangen330. Der Arbeitgeber wird in einem Gerichtsprozess nicht das verbotene Video, das Primärbeweismittel, als Beweis anbieten, sondern das Sekundärbeweismittel in Gestalt des Zeugens, des Kassenstreifens oder des schriftlichen Geständnisses. Im Unterschied zu den unten zu untersuchenden inhaltsgleichen Beweismitteln331 reproduzieren oder verkörpern Sekundärbeweismittel nicht nur den Inhalt des Primärbeweismittels, sondern haben einen eigenen Gehalt. Der Zeuge berichtet nicht darüber, was auf der Videoaufnahme zu sehen ist, sondern darüber, was er selbst gesehen hat, der Kassenstreifen enthält nur Informationen über die verbuchten Vorgänge, und die Niederschrift des Geständnisses stellt nicht das Video nach, sondern bezeugt die in Reaktion darauf abgegebene Erklärung. b) Selbstständiges Beweisverbot Auf eine etwaige Ausstrahlungswirkung oder Fernwirkung des Primärbeweisverbots kommt es nicht an, wenn das Sekundärbeweismittel selbst einem Beweisverbot unterliegt. Zunächst ist deshalb ein „selbstständiges“ Beweisverbot nach den oben erläuterten Grundlagen zu untersuchen. Das an das Gericht adressierte Beweisverbot begründet sich in einer verfassungskonformen Auslegung der Zivilprozessordnung, wonach die gerichtliche Beweismaßnahme unzulässig ist, wenn sie einen unverhältnismäßigen und damit ungerechtfertigten Grundrechtseingriff in die Rechte des Beweisgegners darstellt.332 Maßgeblich ist also, ob die mit der gerichtlichen Beweismaßnahme einhergehende informationelle und äußerliche Verwendung der Beweismittel und der darin enthaltenen Informationen in den Schutzbereich eines Grundrechts des Beweisgegners eingreifen. Ein selbstständiges Beweisverbot kommt daher in Betracht, wenn und soweit das Gericht grundrechtsrelevante Informationen verwendet. Unproblematisch sind die im verbotenen Primärbeweismittel enthaltenen Informationen grundrechtsrelevant. Diese werde aber weder äußerlich noch informationell verwendet, wenn das Primärbeweismittel im Prozess nicht vorgelegt wird. Nicht das Gericht, sondern der nicht grundrechtsverpflichtete Beweisführer verwendet die Informationen aus dem Primärbeweismittel. Das Gericht verwendet dementgegen nur die Informationen aus dem Sekundärbeweismittel. Ein beweisverbotsbegründender Eingriff liegt insoweit nicht vor.333 330 

Beispiel nach LAG Mannheim RDV 2000, 27, 29. Teil  3, D. III. 3. 332  Im Einzelnen Teil  3, B. 333  Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1206; Knoll, S.  65; Krier, S.  181; Thüsing/Pötters, EzA 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr.  13, 26. 331 

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Mit der gerichtlichen Beweismaßnahme werden aber die im Sekundärbeweismittel enthaltenen Informationen äußerlich oder informationell verwendet. Wie jedes andere Beweismittel, das dem Gericht vorgelegt wird, werden auch Sekundärbeweismittel äußerlich bei der Beweiserhebung und informationell bei der Informationsentnahme und Einbeziehung in die Entscheidungsfindung verwendet. Diese Informationsverwendung hat aber nur dann Eingriffsqualität, wenn die im Sekundärbeweismittel enthaltenen Informationen (ausreichend)334 grundrechts­ relevant sind. Die Sekundärbeweismittel sind nicht schon wegen der Grundrechtsrelevanz des primären Beweismittels ausreichend grundrechtsrelevant.335 Erfährt beispielsweise der Vermieter durch Videoüberwachung im Wohnraum seines Mieters den Namen eines für ihn brauchbaren Zeugen und benennt er anschließend allein diesen Zeugen im Prozess, dann liegt in der Zeugenvernehmung und Aussagenauswertung kein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des beklagten Mieters.336 Auch in der Einsicht und Berücksichtigung eines schriftlichen Geständnisses des zuvor unzulässig gefilmten Arbeitsnehmers liegt kein Eingriff in dessen Persönlichkeitsrechte.337 Die im Sekundärbeweismittel enthaltenen Informationen können aber unabhängig vom Primärbeweismittel ihrerseits grundrechtsrelevant sein.338 Im obigen Geständnis-Fall kann ein Grundrechtseingriff durch Informa­ tionsverwendung vorliegen, wenn der Geständnisnachweis nicht mit Zeugen oder Urkundenbeweis, sondern seinerseits mit einer heimlichen Videoaufnahme geführt werden soll. Sofern das Sekundärbeweismittel selbst grundrechtsrelevant ist, kann dieses aufgrund einer Einzelfallabwägung einem Beweisverbot unterliegen. Es unterscheidet sich insoweit nicht von anderen Beweismitteln. c) Reichweite des Beweisverbots: Fernwirkung aa) Grundgedanke und Streitstand Sind die Sekundärbeweismittel nicht schon von sich aus unzulässig, ist zu untersuchen, ob ihre Unzulässigkeit aus dem hypothetischen Beweisverbot, dem das Primärbeweismittel unterliegen würde, folgt. Das hypothetische Beweisverbot 334  „Ausreichend“

meint eine über die normale Grundrechtsrelevanz, die alle personenbezogenen Daten infolge des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung haben, hinausgehende Grundrechtsrelevanz infolge der Beweisbeschaffung. Zur regelmäßig fehlenden Erheblichkeit als Eingriffsvoraussetzung bei rechtmäßig erlangten Beweismitteln Teil  3, B. II. 3. f). 335  Thüsing/Pötters, EzA 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr.  13, 26. 336  Vergleichbarer Fall im Strafrecht BVerfG Beschl.v.08.12.2005 – 2 BvR 1686/04 – juris, Rz.  8. Ähnlich wohl Kaissis, S.  225, der in einem vergleichbaren Fall nicht auf ein selbstständiges Beweisverbot, sondern auf das Rechtsinstitut Fernwirkung abstellt. 337  LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 16.11.2011 – 3 Sa 284/11 – juris, Rz.  29, 40. 338  Zu einem durch Drohung und Täuschung erlangten Geständnis LAG Mannheim RDV 2000, 27, 30 (Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages).

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

ist dasjenige, das gerichtliche Beweismaßnahmen mit dem Primärbeweismittel, würde dieses im Prozess vorgelegt, unterbinden würde. Es ist hypothetisch, weil das auf einem Grundrechtseingriff beruhende Beweisverbot erst bei gerügter Einführung in den Prozess entsteht und festgestellt wird. Im Falle der Nichteinführung des Primärbeweismittels existiert es daher nicht. Eine mögliche „Fernwirkung“ zivilprozessualer Beweisverbote auf sekundär erlangte Beweismittel ist in Judikatur und Literatur umstritten.339 Etwas missverständlich lehnt das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung zwar die Eingriffsqualität der Beweismaßnahme ab, entscheidet aber im Anschluss über die Zulässigkeit des Sekundärbeweismittels anhand einer Einzelfallabwägung.340 Nicht deutlich wird in der Entscheidung, ob das Gericht nur ein selbstständiges Beweisverbot prüft und dabei anhand der Abwägung die Eingriffsqualität ablehnt, oder ob es zuerst die Eingriffsqualität und damit das selbstständige Verbot ablehnt und anschließend mit der Abwägung eine mögliche Fernwirkung diskutiert. Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte führt allein die Verneinung einer Fernwirkung nicht dazu, dass das Verfahren insgesamt unfair war.341 bb) Keine Vergleichbarkeit zum Strafprozessrecht Die strafprozessuale Forschung diskutiert die Fernwirkungsproblematik deutlich intensiver als die Zivilprozessforschung. Dort wird die Fernwirkung als zweite, retrospektive Stufe eines zweistufigen Vorgehens betrachtet. Zunächst wird aus prospektiver Sicht die Zulässigkeit der Informationsverwendung aus dem verbotenen Beweismittel beurteilt (Ermittlungsverbot, Vorwirkung) und anschließend, retrospektiv, die strafprozessuale Zulässigkeit der durch die Informationsverwendung erlangten sekundären Beweismittel (Fernwirkung).342 Eine Fernwirkung hat sich in der strafrechtlichen Judikatur nicht durchgesetzt. Die Instanzgerichte verfolgen uneinheitliche, meist rein kasuistische Ansätze.343 Der Bundesgerichtshof hat nur in einem Einzelfall eine Fernwirkung angenommen.344 339 

Kaissis, S.  219; Gemmeke, S.  210; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 75. BVerfG Beschl.v.08.12.2005 – 2 BvR 1686/04 – juris, Rz.  8. 341  EGMR NJW 2010, 3145, 3148. 342  Knoll, S.  26, 27; Reinecke, S.  72; Stoffer, S.  487 f. 343  Knoll, S.  44; Ossenberg, S.  46. 344  BGH NJW 1980, 1700, 1701(Beweisverbot aus Art.  1 §  7 Abs.  3 G10). Als Einzelfall gekennzeichnet und gewertet, BGH NJW 1980, 1700, 1701; OLG Köln NZV 2001, 137, 138; Mergner, S.  40; Ossenberg, S.  46 f.; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, Einl., Rn.  57; Störmer, S.  238; Weichbrodt, S.  121. 340 

D. Verfahren, Rechtsfolge und Wirkung des Beweisverbots

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Nach wie vor ist die Frage der Fernwirkung eine der umstrittensten strafprozessrechtlichen Fragen.345 Ansatzpunkte für eine Fernwirkung werden im Schutzzweck des Beweisverbots346 oder in der Art des Verbots347 gesehen. Davon ausgehend, wird dann überwiegend die Lösung anhand einer Abwägung im Einzelfall gesucht.348 Angelehnt an die amerikanische Rechtslage, wo mit der Lehre von der „Frucht des verbotenen Baumes“ eine grundsätzliche Fernwirkung angenommen wird,349 wird auch in Deutschland der Sanktions- und Disziplinierungszweck als Argument für eine Fernwirkung angeführt.350 Überwiegend wird diese Argumentation jedoch abgelehnt, weil das deutsche Beweisverbot nicht die rechtswidrig ermittelnden Polizeibeamten disziplinieren, sondern die Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens sichern soll,351 weil das deutsche Beamtenrecht ausreichend Disziplinierungsmöglichkeiten für rechtswidrig agierende Polizeibeamten vorsehe,352 weil die Unzulässigkeit des Beweismittels nicht zu Lasten des einzelnen Polizeibeamten, sondern zu Lasten der Allgemeinheit gehe,353 und weil diese Begründung nicht auf die unselbstständigen Beweisverwertungsverbote anwendbar sei.354 Schließlich legt die Lehre den Begriff der „Verwertung“ unterschiedlich weit aus und schlussfolgert aus der jeweiligen Auslegung auf ein Verbot der vorprozessualen Informationsnutzung und auf das Bestehen oder Nichtbestehen der Fernwirkung.355

345 

Jäger, S.  111, 226; Jahn, S. C 91; Pitsch, S.  311; Störmer, S.  236. Zum Streitstand Eisen­ berg, Erster Teil, Rn.  403–410; Gemmeke, S.  206; Jäger, S.  111–116, 226–229; Knoll, S.  29–44; Krier, S.  180; Mergner, S.  37; Muthorst, S.  206; Ossenberg, S.  46–74; Pitsch, S.  311–316; Rogall, JZ 1996, 944, 948 f.; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, Einl., Rn.  57; Weichbrodt, S.  120–123. 346  Jäger, S.  228; Mergner, S.  57 f.; Ossenberg, S.  60–64 (m. w. Nw.); Reinecke, S.  104; Stoffer, S.  488. 347  BGH NJW 1978, 1390; NJW 1980, 1700, 1701; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, Einl., Rn.  57. 348  Mergner, S.  55 f.; Ossenberg, S.  51–53 (m. w. Nw.). 349  Jäger, S.  111; Kaissis, S.  220–222; Mergner, S.  70–78; Ossenberg, S.  75–114; Pitsch, S.  373–414. 350  Jäger, S.  114. 351  Jäger, S.  115 (m. w. Nw.); Ossenberg, S.  167–173; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, Einl., Rn.  57. 352  Ossenberg, S.  58, 174 (m. w. Nw.). 353  Ossenberg, S.  58, 174 (m. w. Nw.). 354  Ossenberg, S.  174. 355  Etwa bei §  136a Abs.  3 S.  2 StPO. Hengstenberg, S.  13; Knoll, S.  19; Mergner, S.  50; Ossenberg, S.  56 (m. w. Nw.); Peres, S.  13; Reinecke, S.  9–42. Kritisch zur rein begrifflichen Diskussion: Knoll, S.  18; Mergner, S.  95.

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

Sowohl für als auch gegen eine Fernwirkung werden zudem rechtsstaatliche und ethische Erwägungen herangezogen.356 Gegen eine Fernwirkung werden vornehmlich kriminalpolitischen Argumente vorgetragen. Es sei unverhältnismäßig, wenn ein einzelner Fehler das gesamte Strafverfahren lahmlegen könne,357 und es sei praktisch unmöglich, den erforderlichen Kausalitätsnachweis zu erbringen.358 Wer die Fernwirkung grundsätzlich anerkennt, setzt zumeist einen tatsächlich äquivalenten Kausalitätszusammenhang und eine rechtlich relevante Zurechenbarkeit zwischen Primärbeweismittel und Beschaffung des Sekundärbeweismittels voraus359 und berücksichtigt hypothetisch rechtmäßige Beschaffungsmöglichkeiten fernwirkungsausschließend.360 Die strafprozessuale Diskussion zur Fernwirkung ist nicht auf den Zivilprozess übertragbar.361 Im Strafverfahren ist nicht nur das Hauptverfahren, sondern auch die Ermittlung im Vorverfahren staatliche Handlung. Deshalb kann die staatliche Verwendung von Informationen aus dem Primärbeweismittel als Grundrechtseingriff qualifiziert werden und so von dem prozessualen Beweisverbot bezüglich des Primärbeweismittels auf ein vorprozessuales Ermittlungsverbot für Sekundärbeweismittel geschlossen werden.362 Die Fernwirkung ist damit letztlich eine Folge des Verstoßes gegen das Beweiserhebungsverbot.363 Beim Zivilprozess handelt jedoch eine nicht grundrechtsverpflichtete Partei als Ermittlungsperson. Ein Rückschluss aus dem Strafverfahrensrecht ist daher nicht zielführend.364 cc) Argumente für eine Fernwirkung im Zivilprozess Teile der Literatur und der Judikatur sprechen sich für eine mögliche Fernwirkung von Beweisverboten im Zivilprozess aus.365 356 

Jäger, S.  115 (m. w. Nw.); Mergner, S.  47; Ossenberg, S.  59 (m. w. Nw.); Störmer, S.  237 (m. w. Nw.). 357  BVerfG Beschl.v.08.12.2005 – 2 BvR 1686/04 – juris, Rz.  9, 11; BGH NJW 1978, 1390; NJW 1984, 2772, 2773; NJW 1988, 1223, 1224; NJW 2006, 1361, 1363; OLG Köln NZV 2001, 137, 138; Jäger, S.  113 (m. w. Nw.); Knoll, S.  29 f. (m. w. Nw.); Krier, S.  180 (m. w. Nw.); Ranft in: FS Spendel, 719, 734. 358  BGH NJW 1984, 2772, 2773; NJW 1987, 2525, 2526; NJW 2006, 1361, 1363; Knoll, S.  31 (m. w. Nw.); Ossenberg, S.  54–57 (m. w. Nw.). 359  Jäger, S.  26 f.; Pitsch, S.  89–91; Reinecke, S.  42–62. 360  BGH NJW 1978, 1390; NJW 1984, 2772, 2773; Jäger, S.  229–236; Ossenberg, S.  67, 73 (m. w. Nw.); Reinecke, S.  204–216; Störmer, S.  254. Dagegen: Mergner, S.  64. 361  Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1206; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 234; Anders: Krier, S.  203. Offengelassen BGH NJW 2006, 1657, 1659. 362  Reinecke, S.  72, 180. 363  Knoll, S.  28; Reinecke, S.  74. 364  Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1206; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 234. 365  OLG Köln NJW 1979, 1216, 1217; OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577, 1578; Gemmeke,

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Überwiegend wird anhand einer Einzelfallabwägung darüber entschieden, ob das jeweilige Sekundärbeweismittel zulässig ist.366 Einer der wenigen ausdrücklich genannten dogmatischen Anknüpfungspunkte für diese Einzelfallabwägung ist die Begründung mit einem Erstrechtschluss zu den theoretischen Grundlagen des Beweisverbots: Wenn schon das „Ob“ des Beweisverbots nur anhand des Einzelfalls mittels Abwägung feststellbar sei, dann gelte das erst Recht für seine Reichweite, das „Wie“.367 Anstelle einer dogmatischen Begründung begründen viele Fürsprecher die Fernwirkung mit rechtspolitischen und praxisbezogenen Argumenten.368 Die Fernwirkung ergebe sich aus der Ratio der Beweisverbote.369 Die Verwertung der Sekundärbeweismittel schädige dem Ansehen der Rechtspflege370 und setze einen Anreiz für die rechtswidrige Beschaffung des Primärbeweismittels.371 Zudem bestehe die Gefahr, dass das verbotene Primärbeweismittel mittelbar durch die Verwendung des Sekundärbeweismittels mitverwendet werde, denn vielfach würde dem Sekundärbeweismittel nur durch seine Beziehung zum Primär­ beweismittel maßgeblicher Beweiswert zukommen.372 Ohne Fernwirkung werde das Beweisverbot deshalb zur Sinnlosigkeit degradiert.373 Die Verbotsfernwirkung wird nur bei kausal erlangten Sekundärbeweismitteln angedacht.374 Das ist in jedem Fall richtig, denn anderenfalls wäre ein Beweisverbot faktisch ein Verfahrenshindernis. Einige Vertreter schließen darüber hinaus Sekundärbeweismittel, die theoretisch unabhängig vom Primärbeweismittel hätten erlangt werden können, von der Verbotsfernwirkung aus.375

S.  214; Zöller/Greger, §  286, Rn.  15j; Kaissis, S.  225; Krier, S.  203; Siegert, NJW 1957, 689, 690; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 235. Nicht ganz eindeutig LAG Mannheim RDV 2000, 27, 30. 366  Fuhlrott/Oltmanns, NZA 2016, 785, 789; Zöller/Greger, §  286, Rn.  15j; Natter in: Beschäftigtendatenschutz in der Reform, 133, 153. 367  Mergner, S.  67, 131–133. 368  Krier, S.  182. 369  Gemmeke, S.  213; Zöller/Greger, §  286, Rn.  15j; Kaissis, S.  225; Kodek, S.  140 (iE); Krier, S.  203; Muthorst, S.  205, 212; Reinecke, S.  138–201, 181. 370  Krier, S.  185. 371  Krier, S.  196. 372  Krier, S.  185. 373  Krier, S.  182. 374  Gemmeke, S.  214 f.; Kaissis, S.  225; Krier, S.  190; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 235. 375  BAG NZA 2011, 571, 575; Gemmeke, S.  215 f.; Kaissis, S.  225 f.; Krier, S.  191–196; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 235 f. Kritisch hierzu Mergner, S.  64.

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

dd) Argumente gegen eine Fernwirkung im Zivilprozess Vielfach wird eine Fernwirkung von Beweisverboten im Zivilprozess aber abgelehnt.376 Insbesondere wird versucht, die Frage ausgehend von der strafprozessrechtlichen Diskussion zu beantworten. Eine Fernwirkung im Zivilprozess sei abzulehnen, weil für Privatpersonen keine strengeren Anforderungen gelten dürfen als für die Strafverfolgungsbehörden377 und weil der Grundrechtsschutz im Zivilverfahren nicht weiter reiche als im Strafverfahren378. Diese Argumentation verfängt wegen der bereits oben angesprochenen wesentlichen Unterschiede zwischen den Verfahrensarten nicht. Im Zivilprozess geht es um eine mögliche Fernwirkung eines nur hypothetisch bestehenden Beweisverbots, das wegen der grundrechtsgebundenen Herleitung nicht an den nicht grundrechtsverpflichteten Beweisführer adressiert sein kann. Unabhängig von dieser Unvergleichbarkeit ist aber insbesondere der Rückschluss vom Gleichordnungsverhältnis auf die Nichterforderlichkeit einer Disziplinierung falsch. Anders als im Strafverfahren, wo der Fehler des Polizeibeamten die Allgemeinheit schutzlos stellen würde, träfen im Zivilverfahren die nachteiligen Folgen zumindest im Regelfall den vorprozessual agierenden Beweisbeschaffer. Wird die Disziplinierung als Ziel gesetzt spricht das Gleichordnungsverhältnis eher für als gegen eine Fernwirkung.379 ee) Dogmatische Bewertung Beide Seiten der Diskussion sind stark rechtspolitisch geprägt und vernachlässigen dabei die Dogmatik des geltenden Rechts. Allein mit Gerechtigkeitsgedanken oder möglichen praktischen Umsetzungsproblemen kann das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsinstituts nicht begründet werden.380 Zu prüfen ist stattdessen, ob sich die Unzulässigkeit des kausal durch das verbotene Primärbe376  BAG NZA 2011, 571, 574; LAG Schleswig-Holstein, BeckRS 2012, 65854; Ahrens, Kapitel  6, Rn.  30; Bergwitz, NZA 2012, 353, 359; Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1206; Grimm/ Schiefer, RdA 2009, 329, 342; Heinemann, MDR 2001, 137, 139; Kort, NZA 2012, 1321, 1326; Kroh, S.  228; Prütting/Gehrlein/Laumen, §  284, Rn.  27; HWK/Lembke, BDSG Vorb., Rn.  112; Saenger/Saenger, §  286 Rn.  21; Thüsing/Pötters, EzA 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr.  13, 26; Beschäftigtendatenschutz/Thüsing/Pötters, §  21, Rn.  34; IT-Arbeitsrecht/Tiede­ mann, B., Rn.  498. Offengelassen: BGH NJW 2006, 1657, 1659; BAG NZA 2011, 571, 574. 377  Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074, 2079; Thüsing/Pötters, EzA 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr.  13, 26; Beschäftigtendatenschutz/Thüsing/Pötters, §  21, Rn.  34. 378  Heinemann, MDR 2001, 137, 139. 379  Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 234. 380  Dubois, S.  150; Reinecke, S.  181. Es gilt der Grundsatz „Das Recht bestimmt die Praxis, nicht die Praxis das Recht“, BVerfG NJW 2013, 1058, 1070; NJW 2015, 2787, 2793. Aller-

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weismittel erlangten Sekundärbeweismittels, welches selbst keinem Beweisverbot unterliegen würde, dogmatisch begründen lässt. Der Begriff der Fernwirkung umschreibt letztendlich eine Ausweitung des Rechtsinstituts Beweisverbot. Zunächst ist deshalb zu bewerten, ob sich die angedachte Fernwirkung des hypothetischen Beweisverbots als Ausweitung der Rechtsfolge oder des Tatbestandes zeigt. Erst wenn die Unvollständigkeit des Gesetzes identifiziert ist, kann beurteilt werden, ob diese durch Auslegung oder Rechtsfortbildung zu vervollständigen ist. Zudem unterscheiden sich die Anforderungen an die Vervollständigung, wenn (schon) der Tatbestand und nicht (erst) die Rechtsfolge einer Norm erweitert werden soll. Insbesondere bei Normen mit Sanktionswirkung ist zu unterscheiden, ob ein bisher nicht sanktioniertes Verhalten sanktioniert werden soll oder ob ein bereits zu sanktionierendes Verhalten anders sanktioniert werden soll, denn bei letzterem bestünde zumindest bezüglich der Sanktionsanordnung Rechtssicherheit, und „nur“ die Ausgestaltung der Sanktion wäre ungeklärt, während bei einer Tatbestandsausweitung schon die Sanktionsanordnung ungeklärt wäre.381 Das Beweisverbot ist eine Einschränkung der gerichtlichen Befugnisse bei bestimmten Beweismitteln, die in der Folge als nichtexistent gelten. Die Fernwirkung wäre ein Rechtsinstitut, dass auch in anderen Situationen – wenn nämlich die Beweismittel nicht selbst unter die Voraussetzungen des Beweisverbots subsumiert werden können – die gerichtlichen Befugnisse einschränken würde. Damit würden also die Voraussetzungen erweitert und dieselbe Rechtsfolge auf einen anderen Tatbestand angewandt. Die Rechtsfolgenseite bleibt dementgegen unberührt. Eine Ausweitung der Rechtsfolge würde bedeuten, dass das Gericht neben den bekannten Einschränkungen beim Primärbeweismittel noch weiteren Einschränkungen bei demselben Beweismittel unterliegen würde. Da aber der Beweisführer in dem Wissen um die Unzulässigkeit des Primärbeweismittels regelmäßig nur das Sekundärbeweismittel im Prozess anbieten wird, besteht das einschränkende Beweisverbot beim primären Beweismittel nur hypothetisch. Dann ist bereits der Verbotstatbestand nicht erfüllt, sodass eine Ausweitung der Rechtsfolge gar nicht erst in Betracht kommt. Auch wenn der Beweisführer beide Beweismittel vorlegt und das Beweisverbot des Primärbeweismittels damit existiert und festgestellt ist, läge aber keine Ausweitung der Rechtsfolge vor. Die Rechtsfolge würde nämlich nicht bezüglich des primären Beweismittels erweitert, sondern in gleichem Maße auf die sekundären Beweismittel angewandt. Trotz des insoweit missverständlichen Ausdrucks „Fernwirkung“ handelt es sich deshalb um eine Ausweitung des Tatbestandes und nicht der Rechtsfolge. dings gibt es auch eine, bei der Auslegung zu beachtende, „normative Kraft des Faktischen“, Möllers, S.  174 f. 381  Dazu auch Maunz/Dürig/Remmert, Art.  103 Abs.  2, Rn.  68, 74.

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Davon ausgehend, ist nun zu untersuchen, ob die Ausweitung des Verbots­ tatbestandes dogmatisch begründet werden kann. Der Versuch, die Fernwirkung mittels Erst-Recht-Schluss abzuleiten, kann nicht überzeugen. Es wurde erwogen, von dem Abwägungsbedürfnis beim „Ob“ des Beweisverbots auf das „Wie“, dessen Reichweite, zu schließen.382 Der Erst-Recht-Schluss verkennt aber die theoretischen Grundlagen des Beweisverbots. Das dortige Abwägungserfordernis begründet sich nicht aus sich selbst heraus, sondern beruht auf der dahinterstehenden Grundrechtkollision. Eine solche Kollision liegt hier aber gerade nicht vor, denn die Beweismaßnahme greift nicht in die Grundrechte des Beweisgegners ein. Anderenfalls unterfiele das Sekundärbeweismittel bereits einem selbstständigen Beweisverbot.383 Das Beweisverbot ist nicht ausdrücklich in der Zivilprozessordnung geregelt, sondern findet seine Grundlage in der verfassungskonformen Auslegung des Gesetzes. Auch für die Ausweitung des Verbots auf Sekundärmittel kommt es deshalb zunächst auf die Auslegung an. Die Zivilprozessordnung trifft keine eindeutige Aussage über den Umfang der gerichtlichen Beweismaßnahmenbefugnis und ist deshalb anhand der verfassungskonformen Auslegung als Vorzugsregel dahingehend auszulegen, dass ein Beweisverbot dann vorliegt, wenn der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Beweisgegners nicht durch die Interessen des Beweisführers und der Allgemeinheit gerechtfertigt ist.384 Nur die kollidierenden Grundrechte des Beweisgegners rechtfertigten die Ausnahme vom grundsätzlichen Beweisberücksichtigungsgebot. Sind die Grundrechte des Beweisgegners nicht berührt, wäre eine Ausnahme dagegen verfassungswidrig, da sie einen ungerechtfertigten Eingriff in das Recht auf Beweis und die Funktionsfähigkeit der Zivilrechtspflege bedeuten würde.385 Es kann dahinstehen, ob die Maxime, Ausnahmeregelungen seien grundsätzlich eng auszulegen, Auslegungsregel oder bloß heuristische Norm ist.386 Auch ohne diese Maxime kommt die Auslegung der Zivilprozessordnung zu dem Ergebnis, dass das Beweisverbot nicht für solche Beweismittel begründet werden kann, bei denen die gerichtlichen Beweismaßnahmen keine Grundrechtsrelevanz haben.387 Die Unzulässigkeit des Primärbeweismittels strahlt nicht auf die Zulässigkeit des Sekundärbeweismittels aus. Eine Fernwirkung in dieser Form ist abzulehnen. 382 

Mergner, S.  67, 131–133. Teil  3, D. III. 2. b). 384  Teil  3, B. IV. 385  „Umgekehrte“ verfassungskonforme Auslegung, Teil  3, B. III. 4. a) ee). 386 Dazu Möllers, S.  127 f., 134 f., 201; Reimer, Rn.  340–344. 387  Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1206; Thüsing/Pötters, EzA 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr.  13, 26. 383 

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d) Ergebnis Sekundärbeweismittel, die der Beweisführer kausal durch Verwendung von Informationen aus dem Primärbeweismittel erlangt hat, sind nur dann unzulässig, wenn sie selbst (ausreichend) grundrechtsrelevante Informationen enthalten und damit selbst dem Tatbestand des Beweisverbots unterfallen. Dieses Beweis­ verbot unterscheidet sich dogmatisch nicht von dem – das Primärbeweismittel betreffende – Verbot. Ist die Beweismaßnahme kein Grundrechtseingriff, besteht dementgegen kein Beweisverbot.388 Eine etwaige Fernwirkung von Beweismitteln lässt sich dogmatisch nicht begründen und wäre verfassungswidrig. „Einer Prozesspartei kann die Möglichkeit, die für sie günstigen Tatsachen mit rechtlich unbedenklichen Mitteln nachzuweisen, nicht deshalb versagt werden, weil sie das Wissen von der Geeignetheit eines solchen Mittels auf rechtswidrige Weise erlangt hat.“389 3. Inhaltsgleiche Beweismittel: Surrogate und Derivate a) Problembeschreibung Der Beweisführer könnte durch die Benennung inhaltsgleicher Beweismittel versuchen, das verbotene Beweismittel indirekt prozessfördernd einzusetzen. Inhaltsgleiche Beweismittel sind solche, die keinen eigenen, über das verbotene Beweismittel hinausgehenden Beweisinhalt haben, sondern nur die dort enthaltene Information ableiten, wiedergeben oder vermitteln.390 Insoweit unterscheiden sie sich von den Sekundärbeweismitteln. Derartige Beweismittel entstehen insbesondere als Begleitprodukte im Zuge der Beweisbeschaffung oder als anschließend angefertigte Reproduktionen. Sie werden hier als Surrogate und Derivate bezeichnet.391 Ein „Surrogat“ hat den gleichen Beweisinhalt wie das originäre Beweismittel und unterscheidet sich von diesem nur hinsichtlich des den Inhalt transportierenden Beweismittels. Ein „Derivat“ leitet seinen Inhalt aus dem originären Beweismittel ab und hat zwar nicht den gleichen Inhalt, sein Inhalt geht aber nicht über den Inhalt des originären Beweismittels hinaus. Der Zeuge, der das unzulässige Video aufgenommen hat, ist als Surrogat zu verstehen; der Zeuge, der das unzulässige Video später angesehen hat, ist als Derivat zu verstehen. Bevor aber die genauen Grenzen dessen, was ein Surrogat oder 388  Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1206; Thüsing/Pötters, EzA 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr.  13, 26. 389  BAG NZA 2011, 571, 575. 390  Knoll, S.  19, Muthorst, S.  213; Reinecke, S.  34, 35, 68. Reinecke spricht deshalb von mittelbaren Beweismitteln, S.  69. 391  Zum Begriff „Surrogat“ auch Muthorst, S.  213, Weber, ZZP 129 (2016), 57, 76, die den Begriff wohl weiter fassen (alle inhaltsgleichen Beweismittel).

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Derivat darstellt, abgesteckt werden, soll zunächst die Zulässigkeit dieser Beweissurrogate und Beweisderivate bestimmt werden. b) Zulässigkeit von inhaltsgleichen Beweismitteln aa) Selbstständiges Beweisverbot Auch die inhaltsgleichen Beweismittel können, wie die Sekundärbeweismittel, zunächst einem selbstständigen Beweisverbot unterfallen. Das ist wie bei jedem anderen Beweismittel der Fall, wenn die informationelle und äußerliche Verwendung der darin enthaltenen Informationen durch das Gericht einen Eingriff in die Grundrechte des Beweisgegners darstellt, der nicht durch entgegenstehende Interesse des Beweisführers oder der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Die Informationsverwendung als Eingriffshandlung des Gerichts unterscheidet sich nicht von der Eingriffshandlung bei anderen Beweismitteln. Entscheidend für die Eingriffsqualifikation ist, ob die inhaltsgleichen Beweismittel derart grundrechtsrelevant sind, dass die Informationsverwendung eine erhebliche Grundrechtsbeeinträchtigung wäre. Dabei hängt die Grundrechtsrelevanz von den in dem Beweismittel verkörperten Informationen ab, nicht von der äußerlichen Gestalt des Beweismittels. Auch verfahrensrechtlich ist nicht die materielle Existenz des Beweismaterials, sondern der von ihm verkörperte oder mitgeteilte geistige Inhalt ausschlaggebend.392 Allein die Anwesenheit eines Zeugen vor Gericht hat keinen Mehrwert, wenn er nicht die entscheidenden Informationen vermittelt. Das Beweismittel ist also ein bloßer Informationsträger, der es erlaubt, den Informationsgehalt im Verfahren zu erschließen.393 Damit ist verfassungsund verfahrensrechtlich nicht die Form des Informationsträgers entscheidend, sondern der geistige Gehalt. Inhaltsgleiche Beweismittel transportieren den Inhalt des originären Beweismittels.394 Ist der geistige Gehalt eines Beweismittels grundrechtsrelevant, so ist auch der geistige Gehalt von seinen inhaltsgleichen Beweismitteln grundrechtsrelevant. Somit sind alle Beweismittel mit demselben Inhalt gleichermaßen grundrechtsrelevant und können einem Beweisverbot unterfallen.395 392  BVerfG NZA 2002, 284; BGH NJW 1964, 1139, 1143; BAG NJW 2017, 843, 844; OLG Düsseldorf NJW 1966, 214; BayObLG NJW 1990, 197, 198; OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799, 2800; ArbG Düsseldorf ZD 2011, 185, 188; ArbG Frankfurt RDV 2006, 214, 215; Zöller/­ Greger, §  286, Rn.  15j; Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329, 342; Gross/Lorenz, FA 2003, 229, 232; Jäger, S.  133; Jahn, S. C 25; Muthorst, S.  154; Reinecke, S.  24; Störmer, S.  8 f., 254. 393  Muthorst, S.  154. 394  Knoll, S.  19; Reinecke, S.  34, 35. 395  BVerfG NZA 2002, 284; BGH NJW 1964, 1139, 1143; BAG NJW 2017, 843, 844; OLG Düsseldorf NJW 1966, 214; BayObLG NJW 1990, 197, 198; OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799, 2800; Gross/Lorenz, FA 2003, 229, 232; Kodek, S.  135; Reinecke, S.  28 f.; Saenger/Saenger,

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Beweismaßnahmen mit Surrogaten oder Derivaten eines verbotenen originären Beweismittels sind somit verfassungsrechtliche Eingriffe. Das Ergebnis der im Einzelfall erforderlichen Abwägung muss indes für das originäre und für das inhaltsgleiche Beweismittel nicht automatisch gleich lauten. Zwar wird die informationelle Verwendung der inhaltsgleichen Beweismittel im Regelfall gleich eingriffsintensiv sein, der Eingriff durch äußerliche Verwendung kann aber mitunter weniger intensiv sein. So wird das Wortprotokoll weniger grundrechtsbeschränkend als das Abspielen des Tonbands sein und die Darstellung des Zeugen weniger grundrechtsbeschränkend als das Abspielen des Videos sein, denn Surrogate und Derivate reproduzieren das Verhalten nur mittelbar. Im Regelfall wird die Abwägung beim originären Beweismittel aber mit der Abwägung bei den inhaltsgleichen Beweismitteln übereinstimmen, weil die Eingriffsintensität der gerichtlichen Beweismaßnahme insbesondere von der informationellen Verwendung abhängt.396 Deshalb werden meist entweder alle oder keines der Beweismittel zulässig sein. bb) Reichweite des Beweisverbots Die Unzulässigkeit der inhaltsgleichen Beweismittel könnte weiterhin mit der Reichweite des Beweisverbots des originären Beweismittels begründet werden. Diese Überlegung ist insbesondere von Bedeutung, wenn die Beweismaßnahme mit dem Surrogat bzw. Derivat weniger eingriffsintensiv als mit dem originären Beweismittel ist und deshalb aufgrund der Einzelabwägung kein selbstständiges Beweisverbot vorliegt. Weil die inhaltsgleichen Beweismittel im Unterschied zu den Sekundärbeweismitteln keinen nennenswerten, über den des originären Beweismittels hinausgehenden eigenen Beweisinhalt haben, trifft die Entscheidung gegen eine Fernwirkung des Beweisverbots auf Sekundärbeweismittel keinerlei Aussage über eine Auswirkung auf inhaltsgleiche Beweismittel.397 Auch bei den inhaltsgleichen Beweismitteln kann eine solche Wirkung aber nicht mit der verfassungskonformen Auslegung begründet werden, wenn kein ungerechtfertigter Eingriff in die Grundrechte des Beweisführers erfolgt. Insoweit gelten die gleichen Feststellungen wie zu den Sekundärbeweismitteln. §  286, Rn.  21; IT-Arbeitsrecht/Tiedemann, B., Rn.  498; Wais, S.  177; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 70. Mit anderer Begründung (Beschaffung erfolgt ausschließlich als Folge des rechtswidrig erlangten Originärbeweismittels), Reitz, NZA 2017, 273, 277. 396 Nach Muthorst, S.  154 hat die äußerliche Verwendung grundsätzlich nur wegen der damit verbundenen informationellen Verwendung verfahrensrechtliche Bedeutung. 397  ArbG Düsseldorf ZD 2011, 185, 188; Knoll, S.  18 f.; IT-Arbeitsrecht/Tiedemann, B., Rn.  498.

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Aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung bietet aber der Gedanke einer Umgehung einen möglichen Anknüpfungspunkt für eine vom Beweisverbot ausgehende, das Beweissurrogat oder -derivat treffende Verbotswirkung. Danach könnten inhaltsgleiche Beweismittel als Umgehungstatbestände automatisch so zu behandeln sein wie der umgangene Sachverhalt selbst.398 Eine Gesetzesumgehung liegt vor, wenn der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm vereitelt wird, indem rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten missbräuchlich verwendet werden, um den Tatbestand der Norm nicht zu verwirklichen.399 In Abgrenzung zur bloßen Tatbestandsvermeidung handelt es sich bei der Umgehung um einen Kunstgriff, durch den die eigentliche Rechtsfolge in missbräuchlicher Weise vermieden wird.400 Es ist umstritten, ob es besonderer Regelungen für die Lösung der Umgehungsproblematik bedarf, oder ob die Zulässigkeit eines Umgehungsgeschäfts mit den Grundprinzipien der Auslegung und Analogie bzw. mit einer die Analogie übersteigenden Rechtsfortbildung gelöst werden kann.401 Der Streit lässt sich auf die unterschiedlichen Verständnisse von Gesetzesauslegung zurückführen.402 Maßgebliche Voraussetzung ist in jedem Fall ein dem Normzweck widersprechendes Handeln. Dem „Normzweck“ wird aber durch die Vorlage inhaltsgleicher Beweismittel nicht widersprochen. In den Sonderkonstellationen, in denen trotz Inhaltsgleichheit das Abwägungsergebnis beim originären Beweismittel anders lautet als beim Derivat oder Surrogat, ist der Grundrechtsreingriff auf Seiten des Beweisgegners weniger intensiv als der Eingriff in die entgegenstehenden Verfassungsgüter der Funktionalität der Zivilrechtspflege und des Rechts auf Beweis. Die Verfassung fordert in diesem Fall kein Beweisverbot, sondern zwingt zur Wahrung des Rechts auf rechtliches Gehör.403 Der Kunstgriff in Form der Vorlage des Surrogats oder Derivats umgeht also kein Verbot, sondern vermeidet oder verringert die Eingriffsintensität. Der Beweisführer entzieht sich also nicht missbräuchlich der eigentlich drohenden Rechtsfolge. Er verschleiert nicht den eigentlich unzulässigen Rechtsakt durch einen vermeintlich zulässigen,404 sondern beschränkt sein Handeln auf das zulässige Maß. Das Verwenden von Surrogaten oder Derivaten ist deshalb keine Gesetzesumgehung. In den Sonderkonstellatio398  Von einer „Umgehung“ sprechen etwa ArbG Düsseldorf ZD 2011, 185, 188, Zöller/ Greger, §  286, Rn.  15j; Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329, 342; Kodek, S.  134; Knoll, S.  19; Macht, S.  292; Reichenbach, S.  208; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 121. 399  BGH NJW 1996, 2940, 2942; BAG NJW 1961, 798, 799; MüKo-BGB/Armbrüster, §  134, Rn.  11; Benecke, S.  208; Möllers, S.  163, 222; Wank, S.  73. 400  MüKo-BGB/Armbrüster, §  134, Rn.  11; Möllers, S.  164; Wank, S.  73. 401  Zum Streit Benecke, S.  3 f., 80 f., 87, 109, 179 f., 208 f., 212 f.; Sieker, S.  9–11, 45, 214. 402  Benecke, S.  80; Sieker, S.  214. 403  Zur „umgekehrten“ verfassungskonformen Auslegung Teil  3, B. III. 4. a) ee). 404  Zu Umgehungsstrategien Sieker, S.  4, 46–57, 215.

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nen, in denen zwar ein inhaltsgleiches Beweismittel vorliegt, aber dennoch nach entsprechender Abwägung kein Beweisverbot begründet werden kann, vermag deshalb auch der Gedanke einer missbräuchlichen Umgehung nicht die Unzu­ lässigkeit des Beweismittels begründen. In diesen Fällen ist das inhaltsgleiche Beweismittel daher zulässig. c) Inhaltsgleiche Beweismittel Nachdem die Grenzen der prozessualen Zulässigkeit inhaltsgleicher Beweismittel bestimmt wurden, soll nun genauer untersucht werden, welche Beweismittel als inhaltsgleich gelten. aa) Surrogate Surrogate werden insbesondere als Begleitprodukte im Zuge der Beweisbeschaffung gewonnen. Dazu gehören Zeugen, die bei der Beschaffung des originären Beweismittels tätig waren, indem sie die Audio- oder Videoaufnahme technisch durchgeführt haben,405 indem sie Daten aus der Internetkommunikation des Beweisgegners erfasst haben406 oder indem sie intime Bereiche, wie den Umkleidespind, heimlich durchsucht haben.407 Darf im konkreten Fall die Videoaufnahme nicht in Augenschein genommen werden, die Niederschrift der Daten nicht als Urkunde gewertet werden und das im Spind gefundene Beweismittel nicht in Augenschein genommen werden, dann dürfen auch die bei der Beschaffung tätigen Zeugen nicht vernommen werden, denn sie unterliegen ebenfalls einem Beweisverbot.408 Es handelt sich bei ihnen um bloße Begleitprodukte der das Beweisverbot auslösenden Beschaffungshandlung, um eine zwangsläufige Nebenfolge der technischen Durchführung. Sie vermitteln kein eigenes Wissen, sondern ersetzen das originäre Beweismittel, um an seiner Stelle ein vergleichbares Beweisergebnis zu erzeugen.409 Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen der Zeuge zwar zeitgleich, aber rechtmäßig Kenntnis erlangt hat. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Zeuge sich in einem Gespräch mit dem Beweisgegner befindet und das Gespräch heimlich aufzeichnet. Auch wenn die Tonaufnahme einem Beweisverbot 405 

Zum Strafprozess BGH NJW 1964, 1139, 1144; BayObLG NJW 1990, 197, 198; Knoll, S.  16; Reinecke, S.  28 f. 406  OLG Karlsruhe MMR 2009, 412, 414. 407  BAG NZA 2014, 143, 145. 408  BAG NZA 2014, 143, 145; BayObLG NJW 1990, 197, 198; OLG Karlsruhe MMR 2009, 412, 414; Knoll, S.  16. Brink/Wybitul, ZD 2014, 225, 229 sprechen irreführenderweise von einer Fernwirkung. 409  Knoll, S.  19; Reinecke, S.  68.

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unterfällt, kann dennoch der Zeuge zum Inhalt des Gesprächs vernommen werden. Er gibt Auskunft über das von ihm geführte Gespräch, nicht bloß über den Inhalt der Tonaufnahme. Er ist deshalb kein technisches Begleitprodukt der Tonaufnahme, kein Beweissurrogat. Mit der Vernehmung dieses Zeugen und der Würdigung seiner Aussage greift das Gericht nicht in die Grundrechte des Beweisgegners ein.410 Die Persönlichkeitsrechte sind nicht berührt, weil sich der Beweisgegner selbst auf diese Weise seinem Gesprächspartner dargestellt hat. Das Vertrauen in die Vertraulichkeit oder Verschwiegenheit des Gesprächspartners ist grundrechtlich nicht geschützt.411 Die Vernehmung des Zeugens und die Würdigung seiner Aussage wäre daher zulässig.412 bb) Derivate Eine weitere Form der inhaltsgleichen Beweismittel sind Reproduktionen jeglicher Art. Solche Beweismittelderivate entstehen nach der Gewinnung des verbotenen Beweismittels und geben dessen Inhalt wieder. Hierzu gehört etwa der Zeuge, der das eigentliche Geschehen nicht erlebt hat, sondern seine Kenntnis allein durch Abspielen der verbotenen Video- oder Tonaufnahme erlangt hat,413 der Sachverständige, der allein auf Basis verbotener Beweismittel begutachtet,414 oder die Tabelle oder Niederschrift, die allein anhand der Ton- oder Videoaufnahme erstellt wurde.415 Mit den Informationen aus dem Derivat verwendet das Gericht mittelbar die Informationen aus dem verbotenen Beweismittel.416 Die 410 

BVerfG NZA 2002, 284, 285; Zöller/Greger, §  286, Rn.  15j; Gross/Lorenz, FA 2003, 229, 232; Reitz, NZA 2017, 273, 278. Wenn der Zeuge sein zulässig erlangtes Wissen mithilfe des Tonbands auffrischt, ist dies kein Fall unzulässig erlangten Wissens. Die Frage ist mit dem Fall vergleichbar, bei dem die Partei das Wissen des Zeugen vor dessen Aussage auffrischt. Sie betrifft den Beweiswert (Glaubwürdigkeit des Erinnerns) und ist in der Beweiswürdigung zu klären. Beweiswürdigung und Beweiszulässigkeit sind strikt zu trennen (dazu Wieczorek/Schütze/ Ahrens, §  286, Rn.  6; Beling, S.  3 f.; Gemmeke, S.  61 f.; Kodek, S.  15; Muthorst, S.  200 f., 371 f.). 411  BVerfG NZA 2002, 284, 285; OLG Köln NJW-RR 1994, 720, 721. 412  BVerfG NZA 2002, 284, 285; Reichenbach, S.  209. 413  BVerfG NZA 2002, 284; BGH NJW 1964, 1139, 1143; OLG Düsseldorf NJW 1966, 214; BayObLG NJW 1990, 197, 198; OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799, 2800; ArbG Frankfurt RDV 2006, 214, 215; ArbG Düsseldorf ZD 2011, 185, 188; Zöller/Greger, §  286, Rn.  15j; Gross/­ Lorenz, FA 2003, 229, 232; Reinecke, S.  28 f.; Schwab/Weth/N. Schwab, §  58 ArbGG, Rn.  74. 414  ArbG Düsseldorf ZD 2011, 185, 188. 415  BVerfG NZA 2002, 284; BayObLG NJW 1990, 197, 198; OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799, 2800; ArbG Düsseldorf ZD 2011, 185, 188. Anders (Zulässigkeit von Transkripten), Kodek in: FS Kaissis, 523, 545. 416  BVerfG NZA 2002, 284; BGH NJW 1964, 1139, 1143; OLG Düsseldorf NJW 1966, 214; BayObLG NJW 1990, 197, 198; OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799, 2800; Zöller/Greger, §  286, Rn.  15j; Gross/Lorenz, FA 2003, 229, 232; Reinecke, S.  28 f.

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Derivate haben keinen eigenen Aussagegegenstand, sondern geben fremdes Wissen wieder.417 d) Parteivernehmung In jedem Fall kennt die Partei selbst den Inhalt eines unzulässigen Beweismittels und kann diesen wiedergeben. Die Parteivernehmung eignet sich daher aus Sicht des Beweisführers in besonderem Maße zur indirekten Verwendung unzulässiger Beweismittel. Das Zivilverfahrensrecht kennt drei Arten einer Parteivernehmung, die Vernehmung des Gegners auf Antrag der beweispflichtigen Partei, §  445 ZPO, die einverständliche Parteivernehmung, §  447 ZPO, und die Parteivernehmung von Amts wegen, §  448 ZPO. Spielt die einverständliche Vernehmung der beweispflichtigen Partei in der Gerichtspraxis wegen des regelmäßig fehlenden Einverständnisses des Gegners ohnehin schon eine geringe Rolle,418 ist dies erst Recht der Fall, wenn die Partei Surrogat oder Derivat für ein verbotenes Beweismittel ist. Der Beweisgegner, der sich bezüglich des originären Beweismittels auf ein Beweisverbot beruft, wird dem Beweisführer nicht die Möglichkeit geben, den Nachweis stattdessen durch eigene Aussage erbringen zu können. Von Interesse ist hier also insbesondere die Vernehmung von Amts wegen und die Vernehmung des Beweisgegners. In beiden Fällen unterliegt die Partei keiner Aussagepflicht, sondern nur einer Aussagelast, §  446 (§  453 Abs.  2) ZPO. Die Weigerung kann aber zum fiktiven Erwiesensein der behaupteten Tatsache führen, §  446 ZPO. Ähnlich wie §  447 ZPO wird auch §  445 ZPO in der Praxis nur selten beantragt, denn der Beweisführer wird regelmäßig kein Interesse daran haben, dem Gegner die Möglichkeit zu geben, seine Streitdarstellung mit Beweiskraft vor Gericht erklären zu können.419 Verfügt der Beweisführer aber ausschließlich über verbotene Beweismittel, wird er auch dieses Beweismittel in Betracht ziehen. Die gegnerische Partei wird insbesondere dann als Beweismittel für ihn interessant, wenn ihr Vorhaltungen aus dem verbotenen Beweismittel gemacht werden können.420 Sowohl die Anordnung421 der Parteivernehmung von 417 

Knoll, S.  19; Reinecke, S.  34, 35. Gehrlein, ZZP 110 (1997), 451, 461. 419  Gehrlein, ZZP 110 (1997), 451, 458. 420  Zur Zulässigkeit des Vorhalts unten Teil  3, D. III. 3. f). 421  BGH NJW 1990, 1721, 1722; NJW 1999, 363, 364 (st.Rspr.); Benedicter, S.  120; Zöller/ Greger, §  448, Rn.  4b; Stickelbrock, S.  592–597. Zur Einschränkung aus Gründen der Waffengleichheit: EGMR NJW 1995, 1413, 1414; BVerfG NJW 2001, 2531, 2532; BGH NJW 1999, 363, 364; NJW 2013, 2601, 2602; Benedicter, S.  120; Greger, MDR 2014, 313, 314 f. Kritisch Kwaschik, S.  256–263. Gemmeke, S.  46 f., 53 verneint eine Beweisnot, infolge eines Beweisverbots. Zumindest wird das Gericht dem Grundsatz der Waffengleichheit nach herr418 

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Amts wegen als auch die Auswahl der zu vernehmenden Partei422 stehen im Ermessen des Gerichts. Die in den §§  445–455 ZPO geregelte Parteivernehmung ist ein förmliches Beweismittel.423 Diese Erkenntnis folgt nicht nur aus der systematischen Stellung im zweiten Buch der Zivilprozessordnung, sondern auch aus dem Wortlaut, wonach die Parteivernehmung der „Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache“ dient, §  448 ZPO. Zudem folgt die Beweismittelqualifikation aus der Genese des Gesetzes, denn die Parteivernehmung ersetzt den vormals geltenden Parteieid, welcher seinerseits Beweismittel war.424 Abgesehen von besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen, unterscheidet sich die Parteivernehmung weder in ihrem prozessualen Ablauf noch in der Würdigung ihres Ergebnisses von der Zeugenvernehmung, §§  451, 453 Abs.  1 ZPO. Sie dient in gleichem Maße der Tatsachenfeststellung und Überzeugungsbildung,425 und die Partei ist zur wahrheitsgemäßen Wiedergabe von Tatsachenwissen verpflichtet.426 Die Parteivernehmung ist damit einerseits in gleichem Maße Beweisstoff wie jedes anderes Beweismittel; andererseits ist sie aber auch nur Beweisstoff wie jedes andere Beweismittel und hat keine darüberhinausgehende Bedeutung.427 Das Beweismittel Parteivernehmung ist deswegen grundsätzlich so zu behandeln wie ein Zeuge in der gleichen Situation. Ist die Parteivernehmung also ein bloßes Surrogat oder Derivat des verbotenen Beweismittels, etwa weil die Kenntnis bei Anfertigung eines Videos erlangt wurde oder weil sie ausschließlich auf der Sichtung der zuvor angefertigten, verbotenen Video- oder Tonaufnahme beruht, dann ist die Parteivernehmung in gleichem Maße unzulässig, wie es eine Zeugenvernehmung in dieser Situation wäre.428 War die Partei aber selbst unmittelbarer Gesprächszeuge und hat die verbotene Tonaufnahme nur als zusätzliches schender Ansicht auch durch Anhörung gerecht, EGMR NJW 1995, 1413, 1414; BVerfG NJW 2001, 2531, 2532; NJW 2013, 1727, 1729; BGH NJW 1999, 363, 364; NJW 2006, 1429, 1431; NJW 2013, 2601, 2602; Benedicter, S.  120; Greger, MDR 2014, 313, 314 f. Kritisch Kwaschik, S.  256–263. 422  Stein/Jonas/Berger, §  448, Rn.  17 f.; Gehrlein, ZZP 110 (1997), 451, 464; Stickelbrock, S.  597–599. Maßgebliches Kriterium dürfte die Sachnähe sein: BGH NJW 1999, 363, 364; Greger, MDR 2014, 313; Zöller/Greger, §  448, Rn.  5; Stickelbrock, S.  598. 423  Benedicter, S.  50; Stein/Jonas/Berger, vor §  445, Rn.  1; Oepen, ZZP 113 (2000), 347, 362; Polyzogopoulos, S.  74. 424  Polyzogopoulos, S.  74. 425  Benedicter, S.  50; Polyzogopoulos, S.  75. 426  Oberhammer, ZZP 113 (1999), 295, 321. 427  Stein/Jonas/Berger, vor §  445, Rn.  8; Polyzogopoulos, S.  80. 428  BVerfG NJW 2002, 3619, 3624; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 70. Anders (Parteivernehmung des Gegners immer zulässig): KG NJW 1956, 26, 27; Kodek, S.  103; A. Roth, JR 1950, 715.

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Beweismittel gefertigt, so kann die Unzulässigkeit der Parteivernehmung nicht mit der Unzulässigkeit der Tonaufnahme als Beweismittel begründet werden. Zu den sonstigen inhaltsgleichen Beweismitteln besteht also insoweit kein Unterschied. e) Parteianhörung Die §§  278 Abs.  1, 137 Abs.  4 ZPO werden als gesetzliche Grundlage der Parteianhörung angesehen.429 Unter den Begriff der Parteianhörung fällt jede vom Gericht gestattete Äußerung der anwesenden Partei zur Aufklärung des Sachverhalts.430 Die Parteianhörung ist kein Beweismittel, sondern lediglich ein unverbindliches Informationsmittel, das Erkenntnis darüber bringen soll, welche Tatsachen im Streit stehen, indem es den Prozessstoff durch Aufklärungen und Klarstellungen festlegt und vervollständigt und so Lücken, Widersprüche und Unklarheiten im Streitstand entfernt.431 Die Angaben sind als Parteivorbingen, als Behauptung und somit als Streitstoff zu qualifizieren.432 Sie sind kein Beweismittel. Dies folgt bereits aus dem Zweck der Anhörung, der in der Tatsachensammlung und nicht in der Tatsachenfeststellung besteht.433 Die Angaben in der Parteianhörung dienen der Identifikation des Streitstandes und sind damit eine Willenserklärung, während die Angaben in der Parteivernehmung der Aufklärung und Feststellung der zuvor behaupteten Tatsachen dienen und deshalb eine Wissenserklärung sind.434 Auch die Gesetzessystematik verdeutlicht, dass die Parteiangaben im Rahmen einer Anhörung kein Beweismittel sind. Das Gesetz trennt die Parteifunktionen als Prozesssubjekt und als Beweisobjekt.435 Erstens ist die Parteivernehmung keines der im Strengbeweisverfahren zulässigen Beweismittel, denn diese sind in den Titeln fünf bis elf (abschließend436) aufgeführt. Die Parteianhörung ist in diesen Titeln nicht genannt. Zweitens lässt sich aus der detaillierten Regelung 429 

Kopp, NJOZ 2017, 330, 333; Oepen, ZZP 113 (2000), 347, 355. Polyzogopoulos, S.  82. 431  BGH MDR 1967, 834; NJW-RR 1988, 394, 395; NJW-RR 1990, 1061, 1063; Stein/­ Jonas/Althammer, §  141, Rn.  1, 3; Benedicter, S.  98; Brehm, S.  240 f.; Eschelbach/Geipel, MDR 2012, 198; Gehrlein, ZZP 110 (1997), 451, 454; Gomille, S.  431; Zöller/Greger, §  141, Rn.  1; Kopp, NJOZ 2017, 330, 333; Lange, NJW 2002, 476, 480; Oepen, ZZP 113 (2000), 347, 353, 362; Polyzogopoulos, S.  100–114, 119; Schneider, §  47, Rn.  1533; Stickelbrock, S.  599. 432  Stein/Jonas/Althammer, §  141, Rn.  36; Benedicter, S.  98; Zöller/Greger, §  141, Rn.  1; Kopp, NJOZ 2017, 330, 333; Kwaschik, S.  28–33. Anders Polyzogopoulos, S.  104–107, 108 (weder Behauptung noch Beweis). 433  RG JW 1936, 45; Benedicter, S.  50; Polyzogopoulos, S.  119. 434  Münks, S.  176. 435  Polyzogopoulos, S.  15, 81. 436  Kwaschik, S.  259–261; Polyzogopoulos, S.  110. 430 

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der Parteivernehmung in den §§  445 ff. ZPO schlussfolgern, dass Parteiwissen nur dann bei der Klärung einer streitigen Frage berücksichtigt werden kann, wenn dieses durch Parteivernehmung in den Prozess eingeführt wurde.437 Die Voraussetzungen der §§  445 ff. ZPO wären überflüssig, wenn die an keine weiteren Voraussetzungen geknüpfte Anhörung ebenfalls beweistauglich wäre.438 Drittens unterscheidet sich die Parteianhörung formal wesentlich von den übrigen Beweismitteln.439 Verfahrensvorschriften, wie die Aussagenprotokollierung zur Nachprüfbarkeit in der nächsten Instanz oder die Anwendung der Regelungen zu den Zeugenvernehmungen, existieren nicht.440 Ein Beweisbeschluss ist nicht erforderlich, die Anhörung ist nicht auf das Beweisthema begrenzt und die Wissensgrundlage muss, anders als bei der Parteivernehmung, §§  396 Abs.  2, 451 ZPO, nicht angegeben werden.441 Die Partei kann sich vertreten lassen442 und ist nicht im selben Maße zur Wahrheit verpflichtet wie bei der Parteivernehmung.443 Die Wertung der Anhörung als Beweismittel widerspräche der eindeutigen gesetzgeberischen Entscheidung und wäre eine Zweckentfremdung der eigentlich informellen Anhörung.444 Weil die Parteianhörung kein Beweismittel ist, kann sie nicht als inhaltsgleiches Beweismittel eingeführt werden.445 f) Vorhaltung im Beweisverfahren Auch die Formulierung eines Vorhalts mit dem Beweismittelinhalt könnte einem Beweisverbot unterfallen.446 Der Vorhalt ist ein bloßer Vernehmungsbehelf, ein Anreiz oder Anlass zur Tätigung einer Aussage.447 Vorgehalten werden können frühere Aussagen, Aussagen anderer Zeugen, entgegengesetzte Parteibehauptungen oder Inhalte von Ur437 

Oepen, ZZP 113 (2000), 347, 353. Benedicter, S.  97; Brehm, S.  241 f.; Zöller/Greger, §  141, Rn.  1a; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, §  141, Rn.  2; Polyzogopoulos, S.  114, 121. 439  Stein/Jonas/Berger, vor §  445, Rn.  4 f.; Kwaschik, S.  32; Polyzogopoulos, S.  123. Rechtspolitische Kritik Polyzogopoulos, S.  139. 440  RG JW 1936, 45; Zöller/Greger, §  141, Rn.  7; Polyzogopoulos, S.  120, 122, 142. 441  Oepen, ZZP 113 (2000), 347, 356. 442  Stein/Jonas/Althammer, §  141, Rn.  40 f. Zudem §  141 Abs.  3 S.  2 ZPO entnehmbar. 443  Oepen, ZZP 113 (2000), 347, 350. Anders Polyzogopoulos, S.  132. 444  Kwaschik, S.  32; Lange, NJW 2002, 476, 481; Oepen, ZZP 113 (2000), 347, 353; Poly­ zogopoulos, S.  123. 445  Zu einem der Zulässigkeit der Anhörung entgegenstehenden Sachvortragsverbot Teil  4, B. II. 2. a) cc). 446  Wegen dieser „Umgehungsmöglichkeit“ lehnte A. Roth, JR 1950, 715 bereits 1950 das Rechtsinstitut eines Beweisverbots ab. 447  Gemmeke, S.  56; Muthorst, S.  214; Weichbrodt, S.  158. Zum Strafprozess BGH NJW 438 

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kunden oder Augenscheinbeweismitteln.448 Die Aussageperson obliegt einer prozessualen449, möglicherweise strafrechtlich relevanten450 Wahrheitspflicht und muss deshalb wahrheitsgemäß zu etwaigen Vorhaltungen Stellung nehmen. Entscheidungsgrundlage wird nicht die Vorhaltung, sondern allein die darauf erfolgte Reaktion oder Aussage.451 Der Vorhalt ist deshalb kein Beweismittel und folglich kein Beweissurrogat oder Beweisderivat. Auch das für die Entscheidungsfindung relevante Beweismittel, die auf den Vorhalt hin getätigte Aussage des Zeugen, der Partei oder des Sachverständigen, ist weder Surrogat noch Derivat. Diese Aussage hat einen eigenen Aussagegegenstand, denn nicht das verbotene Beweismittel, sondern nur die Reaktion der Aussageperson wird gewürdigt. Darin liegt aber keine informationelle oder äußerliche Verwendung des verbotenen Beweisinhalts. Die Würdigung der Aussage ist daher kein Eingriff in den grundrechtlichen Schutzbereich und deshalb nicht unzulässig. Durch den Vorhalt bei der Partei- oder Zeugenvernehmung oder der Sachverständigenbefragung wird der Inhalt des verbotenen Beweismittels aber in den Prozess eingeführt und öffentlich erörtert. Darin liegt eine Informationsverwendung. Der Vorhalt ist damit einem inhaltsgleichen Beweismittel sehr ähnlich.452 Um einem Beweisverbot zu unterfallen, müsste die Vorhaltung also nach den oben herausgearbeiteten Grundsätzen als Grundrechtseingriff qualifiziert werden können. Als mögliche Grundrechtseingriffe wurden alle Beweismaßnahmen identifiziert, bei denen das Gericht die dem persönlichkeitsrechtlichen Schutzbereich unterfallenden Informationen informationell oder äußerlich verwendet. Bei der Vorhaltung werden die Informationen des verbotenen Beweismittels ver­ wendet, um ein anderes Beweisergebnis zu erzielen. Dieses Vorgehen ist eine Beweismaßnahme, denn es handelt sich um eine Methode zur Gewinnung von Beweismitteln.453 Ein Grundrechtseingriff kann diese Maßnahme nur sein, wenn sie vom grundrechtsverpflichteten Gericht vorgenommen wird.454 In der Zivilprozessordnung ist die nicht ausdrücklich geregelte Vorhaltung Teil der Befra-

1960, 1630, 1631; NJW 1978, 1390; NJW 1987, 1652, 1654; Reinecke, S.  31; Meyer-Goßner/ Schmitt/Schmitt, §  249, Rn.  28. 448  Musielak/Voit/Huber, §  396, Rn.  4. Anders: Haehling von Lanzenauer, DRiZ 1966, 223, 224 (Vorhaltungen prozessrechtswidrig). 449  Für Zeugen folgt dies aus §  392 S.  3 aE ZPO, Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  121, Rn.  17. 450  §§  153 ff., 263 StGB. 451  Gemmeke, S.  56; Muthorst, S.  214; Weichbrodt, S.  158. Zum Strafprozess BGH NJW 1960, 1630, 1631; NJW 1978, 1390; NJW 1987, 1652, 1654; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, §  249, Rn.  28. 452  Gemmeke, S.  57; Reinecke, S.  31; Macht, S.  292; Weichbrodt, S.  159. 453  Muthorst, S.  189; Reinecke, S.  32, 33. 454  Kodek, S.  135.

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gung.455 Grundsätzlich obliegt es dem Gericht, Fragen zu stellen, §§  396 Abs.  2, Abs.  3, 402, 451 ZPO. Allerdings haben die Parteien ein Fragerecht gemäß §§  397, 402, 451 ZPO. Dieses Recht beschränkt sich aber vornehmlich auf die Vorlage von Fragen, §  397 Abs.  1 ZPO; die direkte Befragung durch die Partei oder deren Sitzungsvertreter ist nur nach den Maßstäben des §  397 Abs.  2 ZPO zulässig. Dabei sind nur zulässige Fragen, also solche, die auch das Gericht stellen dürfte, erlaubt.456 Bei Zweifeln über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet das Gericht, §  397 Abs.  3 ZPO. Daraus folgt, dass zwar eine direkte Befragung durch die Parteien möglich ist, der Inhalt der Frage aber auch dann im Verantwortungsbereich des Gerichts liegt. Die Partei kann zwar Fragen stellen; die inhaltlichen Grenzen der Frage legt aber das Gericht fest. Bei fehlender Zulässigkeit muss das Gericht die Frage unterbinden.457 Deshalb stellt sich die Vorhaltung als gerichtliche Maßnahme dar, auch wenn die Frage im Einzelfall von der Partei oder ihrem Sitzungsvertreter gestellt wurde.458 Der Vorhalt ist deswegen eine gerichtliche Beweismaßnahme und kann daher Eingriffsqualität haben. Die Befugnis zur Fragenstellung wäre nach den oben herausgearbeiteten Grundsätzen verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Frage nicht gestellt werden kann, wenn sie einen ungerechtfertigten Eingriff in den grundrechtlichen Schutzbereich des Beweisgegners bedeuten würde. Die Vorhaltung kann daher als Beweismaßnahme einem Beweisverbot unterliegen, sodass Informationen aus einem verbotenen Beweismittel nicht zum Inhalt einer Vorhaltung gemacht werden dürfen.459 Aus der Unzulässigkeit des Vorhalts folgt die Unzulässigkeit der daraufhin getätigten Aussage.460 Der Vorhalt ist kein inhaltsgleiches Beweismittel. Er ermöglicht es aber dennoch, das Beweismittel inhaltsgleich in den Prozess einzuführen. Dem kann durch Beweisverbot begegnet werden. Das Beweisverbot regelt nicht die abs455  MüKo-ZPO/Damrau, §  396, Rn.  3; §  397, Rn.  2; Musielak/Voit/Huber, §  396, Rn.  4. Anders: Haehling von Lanzenauer, DRiZ 1966, 223, 224. 456  MüKo-ZPO/Damrau, §  397, Rn.  6; Musielak/Voit/Huber, §  397, Rn.  1 f. 457  Musielak/Voit/Huber, §  397, Rn.  1. 458  Kodek, S.  135. Anderenfalls müsste hier wohl ein Unterlassungsanspruch aus §  1004 BGB erörtert werden. 459  OLG Karlsruhe MMR 2009, 412, 415; ArbG Kassel BB 1955, 31 (Vorhalt gegenüber Zeugen); Gemmeke, S.  57; Kodek, S.  103; Kodek, ÖJZ 2001, 281, 282; Kodek in: FS Kaissis, 523, 526; Muthorst, S.  189, 214; Wais, S.  81; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 70; Weichbrodt, S.  160. Zum Strafprozess BGH NJW 1955, 721, 722; NJW 1978, 1390; Peres, S.  13; Reinecke, S.  32, 33, 65; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, §  249, Rn.  28; §  252, Rn.  12a. Anders KG NJW 1956, 26, 27; A. Roth, JR 1950, 715. 460  Dies ist keine Besonderheit des Beweisverbots, sondern die allgemeine Folge eines unzulässigen Vorhalts: BGH NJW 1978, 1390; NJW 1982, 455; NJW 1984, 2772, 2773; NJW 1988, 1223, 1224 (zum Strafprozess).

D. Verfahren, Rechtsfolge und Wirkung des Beweisverbots

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trakte Existenzberechtigung eines einzelnen Beweismittels, sondern beschränkt nur die Befugnis des Gerichts, mit diesem Beweismittel Beweismaßnahmen durchzuführen. Eine dieser Beweismaßnahmen ist der Vernehmungsbehelf der Vorhaltung. g) Ergebnis Inhaltsgleiche Beweismittel, werden meist ebenfalls einem Beweisverbot unterfallen. Dies kann aber nicht mit einer etwaigen Ausstrahlung oder Reichweite vom originären Beweisverbot begründet werden. Vielmehr folgt das Verbot, das inhaltsgleiche Beweismittel prozessual zu berücksichtigen, aus derselben dogmatischen Begründung wie das erstgenannte Beweisverbot. Die verfassungskonforme Auslegung verhindert die grundrechtsverletzende Beweismaßnahme. Die Grundrechtsverletzung kann in der Informationsverwendung inhaltsgleicher Beweismittel (Surrogate, Derivate) oder in der inhaltsgleichen Informationsverwendung des originären Beweismittels (Vorhalt) zur Erlangung andere Beweismittel bestehen. 4. Ergebnis zu den Beweismittelalternativen Als alternative Beweismittel zu dem verbotenen Beweismittel wurden Sekundärbeweismittel und inhaltsgleiche Surrogate und Derivate identifiziert. Diese Alternativen sind zwar grundsätzlich inhaltlich zu unterscheiden,461 ihre Unzulässigkeit folgt aber aus den gleichen Erwägungen. Danach sind sowohl inhaltsgleiche Beweismittel als auch Sekundärbeweismittel nur unzulässig, wenn die gerichtliche Maßnahme einen grundrechtlichen Eingriff darstellt und dieser nach einer Einzelfallabwägung unzulässig ist. Während die Surrogate und Derivate eines verbotenen Beweismittels wegen der inhaltlichen Korrespondenz regelmäßig ebenfalls unzulässig sein werden, besteht keine derartige Schlussfolgerung bei den Sekundärbeweismitteln, bei denen im Einzelfall zu untersuchen ist, inwieweit sie selbst ausreichend grundrechtsrelevant sind. Liegen die Voraussetzungen eines Beweisverbots nicht vor, kann die Unzulässigkeit in beiden Fällen nicht aus der Reichweite der originären oder primären Beweismittel abgeleitet werden. Prozessual unterscheiden sich diese Beweisverbote nicht von den Beweis­ verboten, die das originäre oder primäre Beweismittel betreffen. Auch hier ist grundsätzlich die Rüge erforderlich, und die materielle Beweislast trifft den Rügenden, der dieser im Strengbeweisverfahren genügen muss. Das verbotene Beweismittel gilt als rechtlich nicht existent. 461  ArbG

Düsseldorf ZD 2011, 185, 188; Knoll, S.  18; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 77.

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Teil 3: An das Gericht adressiertes Beweisverbot

E. Zusammenfassung Das an das Gericht adressierte Beweisverbot knüpft nicht an die Beweisbeschaffung, sondern an die Grundrechtsrelevanz der Informationen und deren gerichtliche Verwendung an. Dogmatische Grundlage ist die verfassungskonform einschränkende Auslegung der Beweismaßnahmenbefugnis. Die Rechtswidrigkeit der Beschaffungshandlung hat nur mittelbaren Einfluss auf die prozessuale Zulässigkeit, indem sie die Eingriffsintensität bestimmt. Regelmäßig wird bei rechtmäßiger Beweisbeschaffung wegen fehlender Rüge oder wegen fehlender Eingriffserheblichkeit kein Eingriff vorliegen. Im Übrigen beeinflusst die Eingriffsintensität infolge der rechtswidrigen Beweisbeschaffung die Rechtfertigbarkeit der Beweismaßnahme. Das Beweisverbot soll nach seiner dogmatischen Grundlage allein die grundrechtswidrige Handlung des Gerichts verhindern. Eine Sanktionierung der Beweisbeschaffung ist dementgegen kein Zweck des Beweisverbots, sondern allenfalls eine damit einhergehende Begleiterscheinung.462 Dieses Lösungskonzept überzeugt in Hinblick auf die dogmatischen Vorfragen aus Teil  2, weil er die Belange beider Prozessparteien berücksichtigt und ein auf die Wahrheitsfindung gerichtetes, aber dennoch gerechtes Verfahren gewährleistet. Das Konzept steht insbesondere in keinem Konflikt zum Prinzip der Trennung von materiellem Recht und Prozessrecht. Der materiell-rechtliche Grundrechtsverstoß des Gerichts entfaltet wegen des Vorrangs der Verfassung und der deshalb gebotenen verfassungskonformen Auslegung des Beweisrechts prozessuale Wirkung. Der materiell-rechtliche Verstoß der Partei entfaltet dementgegen keine unmittelbare Wirkung im Prozessrecht. Ein durch verfassungskonforme Auslegung begründetes Beweisverbot kann jedes Beweismittel betreffen, unabhängig davon, ob es das Primärbeweismittel, ein Sekundärbeweismittel oder ein Surrogat oder Derivat des originär erlangten Beweismittels ist. Entscheidend ist nicht der Informationsträger, sondern die darin verkörperte grundrechtsrelevante Information und dass diese vom Gericht mit Eingriffsqualität verwendet wird.

462 

Schlewing, NZA 2004, 1071, 1073; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119; Wais, S.  181.

Teil 4

An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot A. Einleitung Eigentlicher Forschungsgegenstand der Arbeit ist nicht das Beweis-, sondern das Sachvortragsverbot, das bisher vorwiegend von den Gerichten thematisiert wurde, in seiner dogmatischen Konstruktion aber weitestgehend unerforscht ist.1 Insbesondere das an der Entwicklung des Rechtsinstituts Sachvortragsverbot intensiv beteiligte Bundesarbeitsgericht geht aber in jüngeren Urteilen dazu über, nicht mehr zwischen Beweis- und Sachvortragsverbot zu differenzieren und scheint diese als Spielarten desselben Rechtsinstituts zu verstehen.2 Es ist daher zunächst das dogmatische Lösungskonzept auf das Sachvortragsverbot anzuwenden, das sich in der Beweisverbotslehre durchgesetzt hat. Danach folgt das zivilprozessuale Beweisverbot aus der verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts zur Vermeidung eines Grundrechtseingriffs durch die jeweilige Beweismaßnahme. Im Folgenden soll deswegen geprüft werden, ob dieselben Erwägungen, die in Teil  3 zu einer verfassungskonformen Auslegung zugunsten eines Beweisverbots geführt haben, auch ein an das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot als prozessuale Folge der rechtswidrigen Beschaffungshandlung begründen können. Das Rechtsinstitut Beweisverbot, wie es in Teil  3 dargestellt wurde, knüpft an die Informationsverwendung des Gerichts an und schränkt dessen Verwendungsbefugnisse in bestimmten Fällen ein. Bevor dieser Ansatz auf die Sachvortrags­ ebene übertragen werden kann, ist eine grundlegende Unterscheidung der Zivilprozessordnung zu beachten. Die Aufgabe des Zivilgerichts bei der Tatsachenfest­ stellung und Tatsachenzugrundelegung hängt maßgeblich von den Erklärungen der Parteien ab. Während streitiger Sachvortrag eine bloße Behauptung einer Partei ist, die das Gericht noch auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen muss, ist un1 

Zum Forschungsstand: Teil  2, B. II. oder Beweisverwertungsverbot“ – Beispielsweise in BAG NZA 2017, 443, 445; NJW 2017, 843, 844; NJW 2017, 2853, 2854; NZA 2017, 1327, 1328. Indes differenzierend in BAG BB 2019, 697, 698. Im Ansatz auch der BGH in NJW 2013, 2668, 2670 und das BVerfG in NJW 1992, 815, 816 („Kenntnisse und Beweismittel“). Ausdrückliche Gleichstellung auch bei IT-Arbeitsrecht/Tiedemann, B., Rn.  490, 493 f., 523. 2 „Sachvortrags-

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

streitiger Sachvortrag ausdrücklicher Konsens beider Parteien und als solcher ohne Überprüfung der Wahrheit der gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu legen. Wegen dieser unterschiedlichen Handlungsbefugnisse des Gerichts werden im Folgenden ein mögliches Sachvortragsverbot bei streitigem Sachvortrag (B.) und ein mögliches Sachvortragsverbot bei unstreitigem Sachvortrag (C.) getrennt geprüft.3 Anschließend wird auf (vermeintliche) Sonderfälle von Sachvortragsverboten der Rechtsprechung eingegangen (D.).

B. Streitiger Sachvortrag I. Lösungsansätze Wie bei den Beweismittelalternativen, sind auch bei einem Verbot des streitigen Sachvortrags zunächst zwei auf den dogmatischen Grundlagen aus Teil  3 aufbauende Begründungen denkbar. Einmal könnte die Verwendung des Sachvortrags selbst verfassungsrechtlich relevant sein und somit der Sachvortrag von einem selbstständigen Verbot betroffen sein. Dieser Lösungsansatz basiert auf der Grundrechtrelevanz der Sachvortragsangaben. Daneben könnte der Sachvortrag als Nebenfolge des Beweisverbots, welches das dazugehörige Beweismittel betrifft, verboten sein. Dieser Ansatz stellt also auf die Grundrechtsrelevanz des Beweismittels ab.

II. Selbstständiges Sachvortragsverbot Soweit die gerichtliche Verwendung des Sachvortrags einen Grundrechtseingriff darstellt, ist zu erwägen, ob dieser verfassungsrechtlich gerechtfertigt oder ob eine Begrenzung der gerichtlichen Befugnisse erforderlich ist. 1. Grundrechtsrelevanz der Sachvortragsangaben Zunächst müssten die streitigen Sachvortragsangaben grundrechtsrelevant sein. Ob die einzelnen Informationen in den Schutzbereich eines Grundrechts fallen, ist eine Frage des Einzelfalls, die sich nicht von der Grundrechtsrelevanz von Beweismitteln unterscheidet.4 Auch hier sind vor allem die persönlichkeitsschützenden Grundrechte relevant. 3  Dieser Unterscheidung machte die bisherige Literatur nicht. Einzige ersichtliche Ausnahme, Weber, ZZP 129 (2016), 57–87 und im Nebensatz auch Stein/Jonas/Thole, §  286, Rn.  56. 4  Zum Schutzbereich der insbesondere das Persönlichkeitsrecht schützenden Grundrechte Teil  3, B. I. 1.

B. Streitiger Sachvortrag

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Für die Grundrechtsrelevanz ist die Verkörperung der Informationen im Sachvortrag nicht entscheidend. Bereits bei den inhaltsgleichen Beweismittelalternativen wurde festgestellt, dass die Grundrechtsrelevanz an die im Beweismittel enthaltenen Informationen anknüpft, nicht aber an dem sie transportierenden Informationsträger.5 Dort wurde auch erkannt, dass die Vorhaltung, welche selbst kein Beweismittel ist, ebenfalls durch ein „Beweisverbot“ verboten sein kann.6 Für die Grundrechtsrelevanz ist damit weder die äußere Form der Information noch deren prozessuale Zuordnung zu Beweismittel oder Sachvortrag ausschlaggebend. Dabei handelt es sich lediglich um verschiedene Informationstransportmittel. Insbesondere die versteckte Beweismittelverwendung im qualifizierten Parteivortrag7 zeigt die Irrelevanz des prozessualen Transportmittels für den Grundrechtsschutz. Die dort als Sachvortrag eingeführten Belege könnten auch als Beweismittel benannt werden. Deshalb kann auch der Sachvortrag einer Partei grundrechtsrelevant sein.8 2. Grundrechtsbeeinträchtigung durch das Gericht a) Beeinträchtigungshandlung aa) Verwendung von streitigem Sachvortrag als Ausnahme Die äußerliche Verwendung der in Beweismitteln verkörperten Informationen erfolgt insbesondere bei der Inaugenscheinnahme, die informationelle Verwendung sowohl bei der Entnahme des Informationsgehalts als auch bei dessen Einbeziehung in eine spätere Entscheidung.9 Dabei ist das Verfahrensstadium, in dem die Inaugenscheinnahme erfolgt, der Informationsgehalt entnommen wird oder eine Entscheidung getroffen wird, und auch die Art der Entscheidung irrelevant. Die Verwendung als Entscheidungsgrundlage ist deshalb nicht auf die Urteils­ fällung beschränkt, sondern beinhaltet daneben Entscheidungen, die der End­ entscheidung vorgelagert sind.10 Die Eingriffsqualifikation erfordert nur ein dem grundrechtsverpflichteten Gericht zurechenbares, beschränkendes Verhalten. Wenn der Sachvortrag streitig bleibt, verwendet jedoch regelmäßig nicht das Gericht, sondern die Partei die darin enthaltenen Informationen. Streitiger Sachvortrag im Zivilverfahren ist zuvörderst eine Behauptung der nicht grundrechtsverpflichteten Prozesspartei. Sie verwendet die rechtswidrig erlangten Informa5 

Teil  3, D. III. 3. b) aa). Teil  3, D. III. 3. f). 7  Dazu unten Teil  4, B. II. 2. a) ee). 8  BVerfG NJW 1992, 815, 816; BGH NJW 2005, 497, 498 f.; OLG Celle FamRZ 2004, 481; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 230; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 82. Anders Kodek, S.  140. 9  Zum Grundrechtseingriff durch Informationsverwendung Teil  3, B. II. 10  Brehm, S.  2 spricht von einer „vorgelagerten Verhandlungswürdigung“. 6 

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

tionen im Rahmen ihrer Prozessführung, um ihre Prozessbehauptungen zu formulieren.11 Das Gericht verwendet die streitigen Tatsachenbehauptungen dementgegen nicht. Zwar muss es die Informationen bei der Entscheidung, ob die Tatsachen streitig oder unstreitig sind, berücksichtigen. Diese Berücksichtigung ist aber von der bisher dargestellten Informationsverwendung zu unterscheiden, denn das Gericht prüft nicht, ob es die behaupteten Informationen für richtig oder glaubhaft erachtet, sondern es gleicht die beiden Behauptungen dahingehend ab, ob diese inhaltlich übereinstimmen. Damit dürfte das Gericht aber nicht erheblich in die Grundrechte des Beweisgegners eingreifen.12 Bei der Urteilsfindung werden grundsätzlich nur bewiesene oder zugestandene Informationen der Entscheidung zugrunde gelegt. Dort verwendet das Gericht also nur die in den Beweismitteln oder im unstreitigen Sachvortrag verkörperten Informationen. Wenn der Sachvortrag streitig bleibt, urteilt das Gericht anhand des nach objektiver Beweislast ermittelten Sachverhalts.13 Auch hier verwendet es nicht den streitigen Sachvortrag. Den streitigen Vortrag nimmt das Gericht daher grundsätzlich nur zur Kenntnis, verwendet ihn aber nicht.14 Die bloße Kenntnisnahme kann nicht als Grundrechtsbeschränkung qualifiziert werden, da eine Handlung des grundrechtsverpflichteten Gerichts fehlt.15 Die Kenntnisnahme ist kein vermeidbares Verhalten. Denn um die Grundrechtsrelevanz der Informationen beurteilen zu können, muss das Gericht zwingend zuvor von diesen Informationen Kenntnis erlangen. Eine eingeschränkte Befugnis zur Kenntnisnahme des Vortrags ist ohne Änderung der personellen Besetzung des Gerichts tatsächlich nicht umsetzbar, ohne dass damit ein umfassender und deshalb unzulässiger Eingriff in Art.  103 Abs.  1 GG einherginge, denn die Prozesspartei würde mit ihren Behauptungen keinerlei Gehör vor Gericht finden. Ein Grundrechtseingriff des Gerichts 11 

Reichenbach, S.  216. Wenn man bereits in dieser Informationsverwendung einen erheblichen (dazu Teil  3, B. II. 3. f) ) Grundrechtseingriff sieht, müsste man auch dies als einen möglichen Anknüpfungspunkt für ein Sachvortragsverbot betrachten. Zu beachten ist aber: Sofern das Gericht die Informationen als unstreitig erachtet, dürfte die Entscheidungsfindung auf Grundlage der unstreitigen Tatsachen der gravierendere Grundrechtseingriff sein, als die Entscheidung über die Unstreitigkeit, sodass letzterer Eingriff keine eigenständige Bedeutung haben dürfte. Sofern das Gericht die Informationen aber als streitig erachtet, ist dies im Ergebnis eine Entscheidung zugunsten des Betroffenen (dazu: Teil  4, C. III.). 13  Teil  3, D. I. 2. 14  Wellenhofer, FamRZ 2005, 665, 668. 15  Allgemein zur fehlenden Eingriffsqualität bei bloßer Kenntnisnahme: Merten/Papier/ Enders, §  89, Rn.  49 f. (z.B. Kamera-Monitor-Verfahren). Anders Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2, Rn.  176 (ohne Begründung) und wohl auch Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 229 f. (Duldung des (unstreitigen) Vortrags als verfassungsrechtlicher Eingriff). 12 

B. Streitiger Sachvortrag

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kann daher nur dann vorliegen, wenn das Gericht die Informationen aktiv verwendet und nicht nur passiv entgegennimmt. Nur in bestimmten Konstellationen verwendet das grundrechtsverpflichtete Gericht die im streitigen Sachvortrag verkörperten Informationen. Dazu kommt es insbesondere dann, wenn der Beweisführer keine zulässigen Beweismittel benennen kann und deshalb versucht, seine Behauptung auf andere Weise nachzuweisen. Die in Betracht kommenden Prozesssituationen sollen im Folgenden identifiziert werden. bb) Beurteilung von Beweisanträgen Das Gericht verwendet streitigen Sachvortrag bei der Beurteilung von Beweisanträgen. Zu dieser Prozesssituation kommt es, wenn der Beweispflichtige nur von unzulässigen Beweismitteln weiß und deswegen andere Beweismittel zu benennen versucht. Dieser Versuch ist aber ohne ausreichend tatsächliche Anhaltspunkte für ein bestimmtes Beweisergebnis als unzulässiger Ausforschungs­ beweis zurückzuweisen. Das Problem stellt sich insbesondere bei dem Beweismittel der Parteivernehmung (Anfangswahrscheinlichkeit oder Anbeweis), ist hierauf aber nicht beschränkt.16 (1) Anfangswahrscheinlichkeit bei der Parteivernehmung Die Parteivernehmung erfolgt nur subsidiär und nur bei einer gewissen Anfangswahrscheinlichkeit. Beide Voraussetzungen sind wohl der geschichtlichen Entwicklung aus dem Parteieid geschuldet.17 Darin kommt eine gewisse Skepsis gegenüber dem Beweiswert einer von eigenen Interessen geleiteten Beweisperson zum Ausdruck, denn weder soll eine beweispflichtige Partei der Beweislast ohne weiteres allein durch ihre eigenen Bekundungen genügen können noch sollen die Parteien dem Interessenskonflikt ohne Not ausgesetzt werden.18 Die Parteien sind subsidiäre Beweismittel, wie sich dem Wortlaut in §  445 ZPO („mit anderen Beweismittel nicht vollständig geführt oder andere Beweismittel nicht vorgebracht“) und §  448 ZPO („auch“) entnehmen lässt.19 Die Subsidiarität verhindert die Parteivernehmung aber nicht, sondern verzögert sie 16 

BGH NJW 2012, 2427, 2431; Benedicter, S.  43–47; Kiethe, MDR 2003, 1325, 1326. Zum Erfordernis eines Anfangsverdachts bei der Parteivernehmung, Teil  3, D. III. 3. d). 17 Dazu Coester-Waltjen, ZZP 113 (2000), 269, 270 f., 289; Oberhammer, ZZP 113 (1999), 295, 297 f. 18  Gehrlein, ZZP 110 (1997), 451, 454; Zöller/Greger, vor §  445, Rn.  4. 19  Gemmeke, S.  53; Zöller/Greger, vor §  445, Rn.  4; Polyzogopoulos, S.  62. Kritisch zur Gesetzeslage Coester-Waltjen, ZZP 113 (2000), 269, 291; Kwaschik, S.  20 f., 291 f., 293–309; Oberhammer, ZZP 113 (1999), 295, 316.

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

nur.20 Verhindern kann sie aber die zweite wesentliche Zulässigkeitsvoraussetzung, die eine Anfangswahrscheinlichkeit oder einen Anbeweis verlangt. Dieses Erfordernis kann aus dem Wortlaut in §  445 ZPO („nicht vollständig geführt“) und §  448 ZPO („nicht ausreicht“) abgeleitet werden.21 Für die Anfangswahrscheinlichkeit genügt nicht, dass sich die Behauptungen beweislos gegenüberstehen und die Tatsache ebenso gut wahr wie unwahr sein kann.22 Es bedarf tatsächlicher Anhaltspunkte in der bisherigen Beweisaufnahme, in unstreitigen Indizien oder im Prozessverhalten der Parteien, anhand derer ein gewisses Maß an Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann.23 Dazu gehört der streitige Sachvortrag. (2) Ausforschungsbeweis bei anderen Beweismitteln Bei anderen Beweismitteln wird eine vom Grundgedanken her vergleichbare Zulässigkeitsbeschränkung anhand der Grenzen des Ausforschungsbeweises gezogen. Die Unzulässigkeit eines ausforschenden Beweisantrags ist in der Zivilprozessordnung nicht geregelt. Rechtsprechung und Literatur unterscheiden zwischen unbestimmt formulierten Beweisanträgen und solchen, die zwar ausreichend konkretisiert wurden, die aber gestellt wurden, um ins Blaue Behauptetes zu bestätigen oder um neue Tatsachen für weiteres Vorbringen zu ermitteln.24 Der hier nicht interessierende, unbestimmt formulierte Beweisantrag ist stets unzulässig.25 Dies folgt bereits aus dem Gesetzeswortlaut, wonach der Beweisantritt durch Bezeichnung des Beweismittels und der zu beweisenden Tatsachen erfolgt, §§  371 Abs.  1 S.  1, 373, 403, 424 ZPO. Die hier interessierende zweite Kategorie, Beweisanträge, die willkürlich ins Blaue hinein gestellt sind26 oder die näheres Tatsachenvorbringen erst ermöglichen sollen,27 sind nur im Falle des 20 

Gemmeke, S.  54. Zur notwendigen Wahrscheinlichkeit Stein/Jonas/Berger, §  448, Rn.  5 f. Kritisch zur derzeitigen Gesetzeslage Coester-Waltjen, ZZP 113 (2000), 269, 291; Kwaschik, S.  23–26, 291 f., 293–309; Oberhammer, ZZP 113 (1999), 295, 316 f. 22  BGH VersR 1980, 229; NJW 1989, 3222, 3223; NJW-RR 1991, 983, 984; NJW-RR 1992, 920, 921; NJW 1999, 363, 364; NJW-RR 2006, 672, 673; Stein/Jonas/Berger, §  448, Rn.  5 f.; Gehrlein, ZZP 110 (1997), 451, 463; Kiethe, MDR 2003, 1325, 1326. 23  Stein/Jonas/Berger, §  448, Rn.  5; Gehrlein, ZZP 110 (1997), 451, 462. 24  Zu den Fallgruppen: BVerfG NJW 2009, 1585, 1586; BGH NJW-RR 2014, 1188, 1190; BeckOK ZPO/Bacher, §  284, Rn.  40; Beckhaus, S.  247; Chudoba, S.  61 f.; MüKo-ZPO/Prütting, §  284, Rn.  79. 25  Chudoba, S.  97 f., 116 f., 128 f., 139 f., 173 f., 194; MüKo-ZPO/Prütting, §  284, Rn.  79. 26  BGH NJW-RR 2015, 829, 830; NJW 2012, 2427, 2431. 27  BGH NJW-RR 2002, 1433, 1435; NJW-RR 2004, 337, 338; NJW-RR 2015, 829, 830; BeckOK ZPO/Bacher, §  284, Rn.  40. 21 

B. Streitiger Sachvortrag

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Rechtsmissbrauchs unzulässig.28 Die Anforderungen an den Beweisantrag sind insoweit deutlich geringer im Vergleich zur Parteivernehmung. Nur beim Fehlen jeglicher tatsächlichen Anhaltspunkte oder Indizien ist der Antrag als erkennbar willkürlich und rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen.29 Allein die Behauptung, ein Beweismittel würde ein bestimmtes Ergebnis erzielen, genügt aber nicht zur Antragsbegründung.30 Zur Beurteilung der vorgetragenen Anhaltspunkte kann das Gericht den Beweisführer zur Offenlegung seiner Erkenntnisquelle auffordern.31 (3) Grundrechtsbeeinträchtigung Um über die Zulässigkeit des Beweisantrags zu entscheiden, muss das Gericht daher prüfen, ob Indizien im (streitigen) Sachvortrag für ein taugliches Beweisergebnis sprechen. Dafür muss es die ihm vorgelegten Informationen feststellen, bewerten und in die Entscheidung einbeziehen. Die Informationen werden dabei nicht nur informationell, sondern auch äußerlich verwendet, denn die Informationen werden im Verfahren vorgetragen und erörtert, und anschließend wird auf ihrer Grundlage eine beweisrelevante Verfahrensentscheidung getroffen. Das Gericht verwendet also streitige Sachvortragsinformationen. Sofern diese streitigen Sachvortragsinformationen grundrechtsrelevant sind, stellt dies einen Grundrechtseingriff dar. cc) Vorhaltungen bei der Parteianhörung Eine weitere grundrechtsbeschränkende Handlung ist die Vorhaltung im Rahmen einer Parteianhörung. Sie birgt insbesondere deshalb prozessuale Gefahren, weil die wahrheitsgemäße Beantwortung mitunter als Geständnis nach §  288 Abs.  1 ZPO verstanden werden könnte.32 28  Zur

Herleitung Chudoba, S.  63, 97, 116–118, 145–153, 171; Rosenberg/Schwab/Gott­ wald, §  117, Rn.  16–20; Musielak/Voit/Stadler, §  138, Rn.  6. Wenn trotz des unzulässigen Ausforschungsbeweisantrags eine Beweisaufnahme stattgefunden hat, ist die Berücksichtigung der Beweisergebnisse allerdings nicht von vornherein unstatthaft, BGH NJW 2006, 1657, 1659; OLG Brandenburg NJW-RR 2001, 1727; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Einf. §  284, Rn.  31; Peters, ZZP 76 (1963), 145, 157. 29  BGH NJW 1991, 2707, 2709; NJW 2012, 2427, 2431; NJW-RR 2015, 829, 830; BAG EzA §  615 BGB 2002 Nr.  2, S.  5–6; Chudoba, S.  97 f., 116 f., 128 f., 139 f., 173 f., 194; Kiethe, MDR 2003, 1325, 1328; MüKo-ZPO/Prütting, §  284, Rn.  79. 30  OLG Naumburg VRS 129 (2015), 273, 275. 31  BGH NJW-RR 2002, 1433, 1435; Musielak/Voit/Foerste, §  284, Rn.  18; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Einf. §  284, Rn.  29. Anders (keine Offenlegungspflicht): BGH WM 1985, 736, 737. 32  MüKo-ZPO/Prütting, §  288, Rn.  27.

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

Die Vorhaltung in der Parteianhörung ist, wie schon die Vorhaltung in der Beweisaufnahme, als Grundrechtseingriff zu qualifizieren.33 Auch hier stellt grundsätzlich das grundrechtsverpflichtete Gericht die Fragen.34 Dabei werden die Informationen insbesondere äußerlich, bei der Erörterung und Konfrontation, aber auch informationell, bei etwaigen Schlussfolgerungen, verwendet. Der Vorhalt bei der Parteianhörung ist deshalb ein Grundrechtseingriff und kann in der Folge Anknüpfungspunkt für ein Verbot sein.35 Weil er die Parteianhörung (als streitigen Sachvortrag) und nicht das Beweismittel der Parteivernehmung betrifft, wird er hier als möglicher Anwendungsfall eines streitigen Sachvortragsverbots genannt.36 dd) Berücksichtigung bei der Überzeugungsbildung Außerdem verwendet das Gericht streitige Sachvortragsangaben, wenn es sie als Verhandlungsinhalt im Rahmen der Überzeugungsbildung nach §  286 Abs.  1 S.  1 ZPO berücksichtigt. Gemäß §  286 Abs.  1 S.  1 ZPO entscheidet das Gericht „unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme“. Parteivorbingen und Angaben im Rahmen der Parteianhörung sind keine Beweismittel, sondern als Behauptung und somit als Streitstoff zu qualifizieren.37 Sie sind Verhandlungsinhalt im Sinne des §  286 Abs.  1 S.  1 ZPO.38 In welchen Konstellationen das Gericht die streitigen Parteiangaben bei der Überzeugungsbildung berücksichtigen darf, hängt vom Verhältnis der beiden Entscheidungsgrundlagen, Verhandlungsinhalt und Beweisaufnahmeergebnis, ab. Unproblematisch können die streitigen Parteiangaben neben einer etwaigen Beweisaufnahme berücksichtigt werden, denn dann stehen die Entscheidungsgrundlagen nicht in einem klar abgrenzbaren Bezug zueinander, sondern fügen sich wie eine Art Puzzle zusammen. Der Verhandlungsinhalt ist dann nicht bloß Ergänzung der Beweisaufnahme, sondern die Entscheidungsgrundlagen sind funktionell identische, gleichgeordnete Überzeugungsmittel.39 Das folgt insbe33 

Teil  3, D. III. 3. f). Stein/Jonas/Althammer, §  141, Rn.  35. 35  Ein Verbot bejahend: OLG Karlsruhe MMR 2009, 412, 415; LAG Bremen RDV 2006, 24; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 77. Anders Sankol, MMR 2009, 415, 416. 36  Zur Vorhaltung bei Beweismitteln (Vernehmung der Partei, des Zeugen oder des Sachverständigen): Teil  3, D. III. 3. f). 37  Stein/Jonas/Althammer, §  141, Rn.  36; Benedicter, S.  98; Zöller/Greger, §  141, Rn.  1; Kopp, NJOZ 2017, 330, 333; Kwaschik, S.  28–33. Anders Polyzogopoulos, S.  104–107, 108 (weder Behauptung noch Beweis). 38  Brehm, S.  246, Gomille, S.  431 f.; MüKo-ZPO/Prütting, §  286, Rn.  8. 39  Brehm, S.  248; Gomille, S.  433, 436. Zum Streit, ob die Anhörung nur hinsichtlich ihres 34 

B. Streitiger Sachvortrag

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sondere aus dem Wortlaut des §  286 Abs.  1 S.  1 ZPO, wo der Verhandlungsinhalt vor dem Beweisergebnis genannt wird und die Begriffe mit dem Wort „und“ verbunden sind. Ob ein Beweismittel oder ein Verhandlungsinhalt das Gericht überzeugt, ist eine abstrakt nicht zu beantwortende Frage des Einzelfalls, denn das Gericht würdigt alle Umstände und gewichtet sie je nach ihrem individuellen Überzeugungswert. Dabei kann es den Angaben einer Partei trotz entgegen­ stehender Zeugenaussagen Glauben schenken.40 Diese Konstellation könnte problematisch sein, wenn die Partei dank der Anhaltspunkte aus dem verbotenen Beweismittel besonders substantiiert und präzise vortragen kann und so das Gericht ohne Nutzung des Beweismittels überzeugen kann.41 Möglicherweise kann das Gericht den Angaben der Partei bei der Anhörung auch ohne Beweisaufnahme im Rahmen der Entscheidungsfindung nach §  286 Abs.  1 S.  1 ZPO Glauben schenken. Dies ist zunächst davon abhängig, ob ein zulässiges Beweismittel angeboten wurde. Ist das der Fall, muss das Gericht Beweis erheben. §  286 ZPO regelt nicht das Erfordernis einer Beweisaufnahme, sondern die Beweiswürdigung im Anschluss an eine etwaige Beweisaufnahme, wie sich aus der Systematik der §§  284–286 ZPO (Beweisaufnahme, Verhandlung nach Beweisaufnahme, Beweiswürdigung) und aus dem Wortlaut §  286 Abs.  1 S.  1 ZPO („Ergebnis“) ergibt. Die Norm regelt die Beziehung von Verhandlungsinhalt und Beweisergebnis also nur für den Zeitpunkt des Würdigens, also nach Erschöpfung aller Beweisantritte, nicht jedoch für den vorgelagerten Zeitpunkt, wenn über die Vornahme einer Beweisaufnahme entschieden wird.42 Anderenfalls könnte die Beweisaufnahme wegen schon vorhandener Überzeugung aus dem Verhandlungsinhalt entgegen dem Verbot der Beweisantizipation und dem Recht auf Beweis abgelehnt werden.43 §  286 Abs.  1 S.  1 ZPO entbindet also nicht von der Pflicht zur erschöpfenden Beweisaufnahme im förmlichen Beweisverfahren. Das Gericht muss für entscheidungsrelevante streitige Tatsachen zulässigen und angebotenen Beweis stets erheben.44 Inhalts oder auch hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der angehörten Partei als Verhandlungsinhalt gewürdigt werden darf, Brehm, S.  251 f. 40  BVerfG NJW 2001, 2531, 2532; BGH NJW 1993, 1638, 1640; NJW 1999, 363, 364; NJW 2003, 2527, 2528; BeckOK ZPO/Bacher, §  286, Rn.  13; Kopp, NJOZ 2017, 330, 333; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 68. Dies sind Fälle, bei denen die Anhörung den Beweis der Gegenseite erschüttert, nicht eine Beweisführung durch Anhörung, Geipel, §  29, Rn.  459. 41  Kaissis, S.  43; Gemmeke, S.  54. 42  Kwaschik, S.  258, 262. 43  Kwaschik, S.  258, 262. 44  MüKo-ZPO/Prütting, §  284, Rn.  41. Ausnahme der Rechtsprechung nur zugunsten des Beweisführers, wenn kein Gegenbeweisangebot oder Gegenindizien vorliegen: BGH NJW 1982, 940, 941; NJW 2007, 3067; BAG NZA-RR 2008, 457, 461; BeckOK ZPO/Bacher, §  286, Rn.  10; BeckOK ZPO/von Selle, §  141, Rn.  3.

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

Wenn keine Beweismittel vorliegen, ist fraglich, ob das Gericht über die streitigen Tatsachen stets nach Beweislast entscheiden muss, weil der Verhandlungsinhalt nur als Begleitumstand neben etwaigen Beweisaufnahmeergebnissen berücksichtigt werden soll, oder ob es sich allein anhand der Parteiangaben von der Wahrheit überzeugen kann, weil der Verhandlungsinhalt gleichwertige Entscheidungsgrundlage ist.45 Der Wortlaut des §  286 Abs.  1 S.  1 ZPO spricht scheinbar gegen eine Abhängigkeit des Verhandlungsinhalts von der Beweisaufnahme, denn der Verhandlungsinhalt wird vor dem Beweisaufnahmeergebnis genannt, das Wort „und“ legt eine Gleichwertigkeit nahe, und das Gesetz erkennt durch das Wort „etwaige“ an, dass es Fälle geben kann, in denen nur nach dem Verhandlungsinhalt entschieden wird. Der Wortlaut lässt sich aber nicht dazu ein, weshalb eine Beweisaufnahme in einem „etwaigen“ Entscheidungsfall nicht stattgefunden hat. Damit könnten insbesondere nur Fälle des unstreitigen Sachvortrags gemeint sein, wo eine Beweisaufnahme nicht erforderlich ist. Zudem spricht die Gesetzessystematik klar gegen eine Überzeugungsbildung allein auf Grundlage des streitigen Parteivortrags. Würde der Verhandlungsinhalt gleichermaßen wie ein Beweisaufnahmeergebnis zur gerichtlichen Überzeugung führen können, durchbräche dies den numerus clausus der Strengbeweismittel. Die Beweisführung ohne Beweisaufnahme umgeht die §§  445 ff. ZPO und die Regeln des Strengbeweises, der den streitigen Sachvortrag nicht als Beweismittel anerkennt.46 Außerdem widerspricht eine Entscheidung ohne Beweisaufnahme den Regeln der Darlegungs- und Beweislast, wonach Bestrittenes bewiesen werden muss.47 Grundsätzlich kann deshalb der Beweis nicht durch reinen (streitigen) Parteivortrag geführt werden, sondern der streitige, unbewiesene Sachvortrag führt zur Beweislastentscheidung.48 Die Parteianhörung und Anhaltspunkte aus streitigem Sachvortrag können allerdings den notwendigen Anbeweis für eine Parteivernehmung nach §  448 ZPO führen, innerhalb derer die Angaben zum Vollbeweis verdichtet werden können. Die Rechtsprechung macht von dieser Grundregel eine Ausnahme: Klarer und widerspruchsfreier Sachvortrag, dem kein Gegenbeweis entgegengesetzt wurde, soll als Überzeugungsmittel ausreichen.49 Diese Ausnahme wird allerdings vor 45 

Nur unterstützend nach Ansicht von Stein/Jonas/Berger, vor §  445, Rn.  6; Gehrlein, ZZP 110 (1997), 451, 455; Polyzogopoulos, S.  113. 46  Brehm, S.  246; Eschelbach/Geipel, MDR 2012, 198, 200; Kwaschik, S.  241, 259; Münks, S.  177. Zur fehlenden Beweismitteleigenschaft der Parteianhörung oben Teil  3, D. III. 3 e). 47  Eschelbach/Geipel, MDR 2012, 198; Kwaschik, S.  241, 259, 263; Polyzogopoulos, S.  113; Schneider, §  7, Rn.  104. 48  Eschelbach/Geipel, MDR 2012, 198, 199; Greger, MDR 2014, 313, 316; Zöller/Greger, vor §  284, Rn.  15; Kwaschik, S.  263; Polyzogopoulos, S.  113. 49  BVerfG NJW 2001, 2531, 2532; BGH VersR 1980, 229; NJW-RR 1991, 983, 984; NJWRR 1992, 920, 921; NJW 1999, 363, 364; NJW 2003, 2527, 2528; NJW-RR 2006, 672, 673; NJW 2013, 2601, 2602; Stein/Jonas/Althammer, §  141, Rn.  5; Stein/Jonas/Berger, vor §  445,

B. Streitiger Sachvortrag

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allem zu Ungunsten einer widersprüchliche Angaben machenden Partei angewendet.50 Zu dieser Ausnahmesituation der Rechtsprechung käme es also beispielsweise, wenn der gegnerischen Partei bei der Anhörung rechtswidrig erlangte Informationen vorgehalten würden und diese daraufhin widersprüchlich antworten würde.51 Es widerspräche dem Verständnis der freien Beweiswürdigung, wenn man aus dieser Rechtsprechung ableiten wollte, dass Gericht könne nach Gutdünken entscheiden, welche Parteidarstellung überzeugender ist.52 Das schlüssige, aber unbewiesene Parteivorbringen, welches ebenso gut wahr wie unwahr sein kann, genügt auch der Rechtsprechung nicht.53 Auch sie entscheidet nicht anhand der bloßen Parteibehauptung, sondern anhand der darin vorgetragenen Indizien als Entscheidungsgrundlage.54 Dogmatisch betrachtet sind das diejenigen Indizien, die zunächst den nötigen Anbeweis für eine Parteivernehmung begründen.55 Die Rechtsprechung kürzt den dogmatisch vorgeschriebenen Weg ab und nutzt die den Anbeweis begründenden Indizien direkt für die Entscheidungsfindung. Das Vorgehen ist also im Ergebnis der Beweiswürdigung im Anschluss an eine Parteivernehmung gleichzusetzen. Der Zulässigkeit dieses Vorgehens soll hier nicht weiter nachgegangen werden. Es genügt festzustellen, dass die streitigen Angaben der Partei nach der Rechtsprechung unmittelbar und nach der Gesetzessystematik mittelbar als Anbeweis für die Parteivernehmung, zur Entscheidungsgrundlage des §  286 Abs.  1 S.  1 ZPO werden. Danach gilt für (streitige) Parteiangaben: Neben einer etwaigen Beweisaufnahme sind sie stets zu berücksichtigen. Wenn keine Beweisaufnahme stattgefunden hat, können sie nur mittelbar als Anbeweis für eine Parteivernehmung – oder, nach umstrittener Rechtsprechung, auch unmittelbar – zur Entscheidungsgrundlage werden. In allen Fällen werden sie als Tatsachenbeleg und damit beweismittelähnlich verwendet.56 Insbesondere wegen der Nähe zur Beweisaufnahme und Beweiswürdigung sind die Befragung bei der Anhörung und die spätere Bewertung, Gewichtung und Zugrundelegung der Informationen aus der Anhörung und sonstiger ParteiRn.  7; Brehm, S.  241, 270; Kopp, NJOZ 2017, 330, 333 f.; Oberhammer, ZZP 113 (1999), 295, 322. BGH NJW 1982, 940, 941 betont den Ausnahmecharakter. 50  Stein/Jonas/Althammer, §  141, Rn.  7; Oepen, ZZP 113 (2000), 347, 354. 51  Zum Vorhalt als Eingriff oben Teil  4, B. II. 2. a) cc). 52  BGH NJW-RR 1989, 898, 899; Stein/Jonas/Althammer, §  141, Rn.  3; Schneider, §  7, Rn.  104. So aber C. Hahn, S.  271, 275; Reichenbach, S.  128 f. 53  OLG Naumburg VRS 129 (2015), 273, 274. 54  Kiethe, MDR 2003, 1325, 1328; Polyzogopoulos, S.  112 f.; Schneider, §  7, Rn.  99. 55  BGH MDR 1967, 834; Kopp, NJOZ 2017, 330, 334. Wohl anders: BGH NJW 2003, 2527, 2528 (Überzeugungsbildung möglich, obwohl kein ausreichender Anbeweis für eine Parteivernehmung). 56  Brehm, S.  241, 270.

130

Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

angaben bei der Entscheidung unproblematisch gerichtliche Maßnahmen, bei denen die vorgetragenen Informationen äußerlich und informationell verwendet werden. Soweit die Parteiangaben also als Tatsachenbeleg verwendet werden, kann darin ein Grundrechtseingriff und damit ein Anknüpfungspunkt für ein Verbot liegen.57 ee) Qualifizierter Parteivortrag Grundrechtsrelevante Informationen werden vom Gericht auch bei einem „qualifizierten Vortrag“ verwendet. Dabei handelt es sich nicht um eine eigene Prozesssituation, sondern um einen Kommunikationsvorgang, der in allen oben genannten Prozesssituationen, insbesondere aber bei den unmittelbar zur Entscheidung nach §  286 Abs.  1 S.  1 ZPO verwandten Parteiangaben, erfolgen kann. Qualifizierter Parteivortrag ist ein besonders substantiiertes Parteivorbringen, das mit Belegen gestützt wird, um Stringenz, Glaubhaftigkeit und Überzeugungskraft der Tatsachenbehauptung zu fördern.58 Diese Belege, etwa Fotoaufnahmen oder private Gutachten, sind aber bloßer Parteivortrag, keine Beweismittel.59 Ein Beweisverbot scheidet daher aus.60 Wenn der Beweisführer in seinem Vortrag direkt Bezug zu verbotenen Beweismitteln nimmt, indem er beispielsweise seinem schriftsätzlichen Sachvortrag Bildschirmfotos beilegt,61 werden diese als versteckte Informationsträger in den Prozess eingeführt.62 Die grundrechtsbeschränkende Informationsverwendung erfolgt dann äußerlich in der öffentlichen Feststellung der Informationen sowie informationell in der anschließenden Entscheidung durch Zugrundelegung, Bewertung und Gewichtung. Auch hier erfolgt der Grundrechtseingriff also durch informationelle und äußerliche Informationsverwendung. Der Eingriff durch äußerliche Verwendung dürfte hier grundsätzlich grundrechtsinten­ siver als bei normalem Sachvortrag sein, da hier der unmittelbare Informationsträger vor Gericht präsentiert wird. Anders als eine Tatsachenbehauptung, ver57 

BAG NZA 2017, 1327, 1328. BGH NJW 1982, 2874, 2875; NJW 1986, 3077, 3079; NJW 1992, 1459; NJW-RR 2009, 1112, 1113; NJW-RR 2014, 545. 59  BGH VersR 1981, 576; NJW 1986, 3077, 3079; NJW-RR 1994, 255, 256; NJW-RR 2007, 1409, 1410; NJW-RR 2008, 1252, 1256; VGH Baden-Württemberg, NJW 2001, 1082, 1084; Ahrens, Kapitel  44, Rn.  36 f.; Kopp, NJOZ 2017, 330, 333; MüKo-ZPO/Zimmermann, §  402, Rn.  9. Nur bei Zustimmung beider Parteien kann ein Privatgutachten als Sachverständigengutachten beweismäßig verwendet werden, BGH NJW 1986, 3077, 3079, NJW-RR 1994, 255, 256; Ahrens, Kapitel  44, Rn.  42; Kopp, NJOZ 2017, 330, 333. 60  Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 599; Wellenhofer, FamRZ 2005, 665, 668. 61  Beispiel nach BAG NZA 2017, 1327, 1332. 62  Weichbrodt, S.  156. 58 

B. Streitiger Sachvortrag

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mitteln unmittelbare Informationsträger wie Bilder oder Gutachten häufig den Anschein der absoluten Wahrhaftigkeit. Der qualifizierte Parteivortrag kann damit Gegenstand eines grundrechtlich begründeten Verbots sein.63 ff) Ergebnis Streitiger, nicht bewiesener Sachvortrag ist grundsätzlich eine bloße Behauptung der Partei, die vom Gericht nicht grundrechtsrelevant verwendet wird. Das bloße Zurkenntnisnehmen des Vortrags ist keine grundrechtsrelevante Eingriffshandlung. Nur in bestimmten Prozesssituationen verwendet das Gericht die im streitigen Sachvortrag verkörperten Informationen. Als relevante Prozesssituationen wurden die Bewertung von Beweisanträgen, die Vorhaltung bei der Parteianhörung und die Berücksichtigung bei der Überzeugungsbildung identifiziert. Gemeinsam ist diesen Situationen, dass der Sachvortrag vom Gericht – wie ein Beweismittel – als Tatsachenbeleg behandelt wird, der entweder unmittelbar der Überzeugungsbildung nach §  286 Abs.  1 S.  1 ZPO oder der Erlangung von Beweis­ ergebnissen und prozessualen Zugeständnissen dient. Im Einzelfall kann damit die gerichtliche Verwendung von streitigem, grundrechtsrelevantem Sachvortrag ein Grundrechtseingriff sein.64 b) Eingriffsintensität: Einfluss der Beschaffungshandlung Die (rechtswidrige) Art und Weise der Informationsbeschaffung beeinflusst die Intensität des gerichtlichen Grundrechtseingriffs, denn sie bestimmt, ob und wie die Informationen gegen den Willen des Schutzberechtigten aus der Persönlichkeitssphäre entnommen und offengelegt wurden.65 Bei dem Eingriff durch Sachvortragsverwendung ist jedoch zwischen der Beweismittelbeschaffung und der Sachverhaltskenntniserlangung zu unterscheiden, denn verbotsauslösend kann nur diejenige Handlung sein, bei der die verwendeten Informationen erlangt wurden. aa) Verwendete Informationen Nur die Beschaffung der vom Gericht verwendeten Informationen entscheidet über die Eingriffsintensität. Andere rechtswidrig erlangte Informationen sind 63  BAG

NZA 2017, 1327, 1332 (Screenshots im streitigen Sachvortrag). Für ein Verbot Weber, ZZP 129 (2016), 57, 70 f. So auch VGH Baden-Württemberg NJW 2001, 1082, 1084, wobei aber die Verwendbarkeit als Beweismittel geprüft wurde. 64  BVerfG NJW 1992, 815, 816; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 230; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 82. Anders Kodek, S.  140. 65  Dazu oben Teil  3, B. II. 3. f).

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

zwar auch grundrechtlich geschützt; in diesen Schutzbereich wird jedoch ohne Informationsverwendung nicht eingegriffen. Deswegen ist im Einzelfall streng zu prüfen, welche Informationen verwendet werden. Grundsätzlich verwendet das Gericht in den oben beschriebenen Situationen nur die im Sachvortrag enthaltenen Informationen. Der Sachvortrag ist eine bloße Behauptung, die zunächst weder beweisbar noch besonders detailliert, wahrscheinlich oder widerspruchsfrei sein muss.66 Er ist notwendige Voraussetzung des Rechtsstreits. Auf das Beweismittel kommt es hingegen nur an, wenn der Sachvortrag beweisbedürftig ist. Die in einem Beweismittel enthaltenen Informationen werden deshalb erst Prozessgegenstand, wenn der Sachverhalt dargetan und als beweisbedürftig bewertet worden ist. Ist ein Beweismittel wegen eines Beweisverbots als nichtexistent zu behandeln,67 wird der beweisbedürftige Sachvortrag weder unzulässig noch unschlüssig, sondern nur unbewiesen. Auf den Sachvortrag hat das Beweismittel daher weder inhaltlich noch rechtlich Einfluss. Soweit die Prozesspartei von den anspruchsbegründenden Tatsachen recht­ mäßig Kenntnis erlangt hat und lediglich etwaige Beweismittel rechtswidrig beschafft hat, berührt das die Zulässigkeit des Sachvortrags der Partei nicht. Die im Beweismittel verkörperten Informationen werden nicht automatisch mit der Sachvortragsverwendung „mitverwendet“. Die Informationen im Sachvortrag werden nicht dadurch grundrechtsrelevant, weil der Sachvortrag nur durch ein Beweismittel nachgewiesen werden kann, welches selbst grundrechtsrelevant ist und einem Beweisverbot unterfällt. Ein Sachvortragsverbot kann in diesen Fällen nicht aus dem Verfassungsrecht abgeleitet werden. Wie schon bei den Sekundärbeweismitteln, fehlt es an einem Grundrechtseingriff als entscheidende Voraussetzung. Die Sachvortragsinformationen werden zwar verwendet, sind aber nicht (ausreichend) grundrechtsrelevant,68 und die Beweismittelinformationen sind zwar grundrechtsrelevant, werden aber nicht verwendet. Nur beim qualifizierten Parteivortrag, wenn Beweismittel als Sachvortrag vorgelegt werden, verwendet das Gericht auch die im Beweismittel verkörperten Informationen. Deshalb ist dort die rechtswidrige Beweismittelbeschaffung bei Beurteilung der Eingriffsintensität zu berücksichtigen.

66 

BGH NJW-RR 2003, 69, 70; NJW 2012, 1647, 1648; NJW-RR 2015, 910, 912; Zöller/ Greger, §  138, Rn.  7b; Schultz, NJW 2017, 16, 18 f.; BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  10, 12; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  5 f., 9; Saenger/Wöstmann, §  138, Rn.  4. 67  Teil  3, D. II. 1. 68  „Ausreichend“ meint insoweit eine über die normale Grundrechtsrelevanz, die alle personenbezogenen Daten infolge des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung haben, hinausgehende Grundrechtsrelevanz infolge der Beweisbeschaffung. Zur regelmäßig fehlenden Erheblichkeit als Eingriffsvoraussetzung bei rechtmäßig erlangten Beweismitteln Teil  3. B. II. 3. f).

B. Streitiger Sachvortrag

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bb) Rechtswidrigkeit der Kenntniserlangung Sofern nur die im Sachvortrag verkörperten Informationen verwendet werden, ist allein die Erlangung der Sachverhaltskenntnis für die Eingriffsintensität relevant. Rechtswidrig ist die Kenntniserlangung, wenn die Partei die anspruchs- oder rechtsbegründenden Tatsachen nur durch vorwerfbares Verhalten erfahren hat. Bei einer rechtswidrigen Kenntniserlangung hatte die Partei vor dem vorwerfbaren Verhalten keinerlei Informationen, mit denen sie einen Rechtsstreit hätte führen können. Typischerweise sind dies Fälle, in denen die Sachverhaltskenntnis und das Beweismittel als Zufallsfund durch einen einheitlichen Akt erlangt wurden und dem Beweisführer nur die bei diesem Akt entstandenen Beweismittel zur Verfügung stehen, etwa wenn der Arbeitgeber durch Videoüberwachung vom Kündigungsgrund erfährt und diesen mit dem Videomaterial belegen will.69 Beweismittel und Sachvortrag haben dann den gleichen inhaltlichen Gehalt.70 Sie sind Transportmittel derselben Information. Maßgeblich ist die Tatsachenkenntnis, die den Sachvortrag im Prozess ermöglicht. Wenn die Partei nach der initial rechtswidrigen Kenntniserlangung weitere (rechtmäßige) Ermittlungsmaßnahmen aufnimmt oder losgelöst von der initialen Handlung auch auf anderem Wege von dem Sachverhalt erfährt, ist diese spätere Kenntniserlangung nicht rechtswidrig. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der oben beschriebene Arbeitgeber nach seiner initialen Kenntniserlangung durch das rechtswidrig gefertigte Video die Kasseneinträge im Kassenstreifen überprüft und so vom gleichen Kündigungsgrund Kenntnis erlangt.71 Nur wenn das initial erlangte Wissen über den später erlangten Kenntnisstand hinausgeht, kann dieses Mehr an Wissen (Zusatzwissen) einem Verbot unterfallen. In dem beschriebenen Fall wären das die Details, die im Video zu sehen sind, sich aber nicht aus dem Kassenstreifen ergeben, etwa auffälliges Umschauen. Soweit das initial erlangte Wissen durch das später rechtmäßig erlangte Wissen bestätigt wird, ist es nicht mehr rechtswidrig erlangt, sodass ein Verbot hier nicht begründet werden kann.72 In dem beschriebenen Fall wären das etwaige Auffälligkeiten bei den kassierten Vorgängen.73 69 

Beispiel nach BAG NZA 2014, 243, 247. Weber, ZZP 129 (2016), 57, 81. 71  Beispiel nach BAG NZA 2011, 571–575. 72  BAG NZA 2011, 571, 574; LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 16.11.2011 – 3 Sa 284/11 – juris, Rz.  39. Anders Weber, ZZP 129 (2016), 57, 79, der ein Sachvortragsverbot annimmt, aber zugleich den Beweis mit anderen Beweismitteln zulässt. 73  Im Fall des BAG NZA 2011, 571–575 war dies ein Personaleinkauf nach Ladenschluss, bei dem produktbezogene Gutscheine für den Kauf von anderen Produkten verwendet wurden. 70 

134

Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

cc) Irrelevanz der Beweismittelbeschaffung Zur rechtswidrigen Beweismittelbeschaffung trotz rechtmäßiger Kenntniserlangung kommt es insbesondere dann, wenn die Partei auch ohne die rechtswidrige Handlung den Prozess hätte anstrengen können oder sich in ihm hätte verteidigen können, weil sie bereits zuvor auf unproblematische Weise Kenntnis oder zumindest einen Verdacht von den anspruchs- oder rechtsbegründenden Tatsachen erlangt hatte, sie dann aber das Risiko der Prozessniederlage wegen fehlender Substantiiertheit oder Beweislosigkeit nicht eingehen wollte.74 Diese Situation kann als die klassische Konstellation der Beweisverbote beschrieben werden, denn mit ihr befassen sich insbesondere die älteren Literaturbeiträge zu den Beweisverboten infolge rechtswidriger Beschaffung. Sie behandeln beispielsweise das Entwenden von Vertragsurkunden, deren Existenz und Inhalt vorher bekannt ist, oder das planmäßige Platzieren von Lauschzeugen vor einem für sie entscheidenden Gespräch.75 Die Rechtswidrigkeit der Beweismittelbeschaffung hat als solche keinen Einfluss auf die Eingriffsintensität der reinen Sachvortragsverwendung.76 Jedoch kann mit der rechtswidrigen Beweismittelbeschaffung eine weitergehende, dann rechtswidrige Kenntniserlangung einhergehen. Soweit das rechtswidrig beschaffte Beweismittel das bereits bekannte Wissen nur bestätigt, gibt es nur makelloses Wissen wieder. So verhält es sich beispielsweise bei der Vertragspartei, die für den Nachweis des Vertragsschlusses die Notizbücher des Vertragspartners entwendet oder diesen telefonisch konfrontiert und dabei das Gespräch auf Tonband aufnimmt. Anders verhält es sich, wenn das Beweismittel Zusatzwissen vermittelt, das über das bisherige, zulässig erlangte Wissen hinausgeht. In diesen Fällen ist zwischen dem unproblematischen Basiswissen, dem „Rumpfvortrag“,77 und dem rechtswidrig erlangten Zusatzwissen zu unterscheiden. Zulässiges Basiswissen ist beispielsweise der Verdacht, der Arbeitnehmer sei nicht arbeitsunfähig, weil die Krankmeldungen zu regelmäßig erfolgen und deshalb unglaubhaft sind. Konkrete GPS-Daten des krankgeschriebenen Arbeitnehmers aus einer heimlichen Überwachung oder Aufzeichnungen in heimlich eingesehenen Patientenakten sind dementgegen rechtswidrig erlangtes Zusatzwissen. Das zulässig erlangte Basiswissen berührt den grundrechtlichen Schutzbereich des 74 

Weber, ZZP 129 (2016), 57, 65. gestohlenen Urkunden: Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469–503; Peters, ZZP 76 (1963), 145, 152–154; A. Roth, JR 1950, 715; Wais, S.  122–155; Werner, NJW 1988, 993, 994. Zu Zeugen, die planmäßig als Lauschzeugen platziert werden: BGH NJW 1970, 1884–1850; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377, 393–397. 76  Dazu oben Teil  4, B. II. 2. b) aa). 77  Weber, ZZP 129 (2016), 57, 82. 75 Zu

B. Streitiger Sachvortrag

135

Prozessgegners nicht (ausreichend).78 In der gerichtlichen Verwendung des Rumpfvortrags liegt deshalb kein Grundrechtseingriff, sodass es auf eine Rechtfertigung oder Abwägung gar nicht erst ankommt. Ein Sachvortragsverbot kommt nicht in Betracht.79 Nur die Verwendung des rechtswidrig erlangten Zusatzwissens ist ein Grundrechtseingriff und kann deshalb Gegenstand eines Verbots sein.80 dd) Praktische Probleme Die beschriebene Differenzierung der Wissensgrundlagen ist in der Praxis nicht unproblematisch. Insbesondere eine taktisch denkende Partei wird die rechtswidrige Informationsbeschaffung nicht offenbaren, sondern versuchen, das Gericht direkt durch sehr präzisen Sachvortrag zu überzeugen. Sie wird nicht berichten, dass sie auf einem Überwachungsvideo den Diebstahl gesehen hat, sondern dass der Diebstahl zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgt ist, dass eine bestimmte Sache gestohlen wurde, wie der Dieb aussah oder wie er gekleidet war und wie er sich davor, dabei oder danach verhalten hat. Allerdings ist auch ein sehr substantiierter Vortrag regelmäßig nicht allein wegen der präzisen Angaben glaubhaft, sondern bedarf einer Kenntlichmachung der Quellen, um zu überzeugen. Erst dieser Kontext macht detailgetreue Angaben glaubhaft. Außerdem wird ein Gericht insbesondere bei überraschend exakten Angaben, etwa wortwörtlichen Wiedergaben von vertraulichen Gesprächsinhalten, regelmäßig Anlass haben, die Ordnungsgemäßheit der Kenntniserlangung dieses Wissens zu hinterfragen beziehungsweise wird die gegnerische Partei dies entsprechend rügen.81 In diesen Fällen kann das Gericht daher die Partei zum Nachweis ihrer Informationsquellen auffordern.82 Eine Weigerung, dies zu tun, wird zumindest die Überzeugungskraft des Vortrags schmälern. So wird das Gericht die Fälle der rechtswidrigen Kenntniserlangung regelmäßig erkennen und entsprechend differenzieren können.

78 

Nicht ausreichend meint zumindest nicht in einem für die Eingriffsqualität erforderlichen Maße, Teil  3, B. II. 3. f). 79  BVerfG NJW 2002, 3619, 3624; BAG EzA §  615 BGB 2002 Nr.  2, S.  6 f.; NZA 2014, 243, 249; ArbG Frankfurt Urt. v. 27.01.2016 – 6 Ca 4195/15 – juris, Rz.  36; Kaissis, S.  43. Unklar dazu Weber, ZZP 129 (2016), 57, 69, 82. 80  BAG NZA 2017, 1327, 1331; LAG Bremen RDV 2006, 24; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 69. 81  So etwa in OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577. 82  BGH NJW-RR 2002, 1433, 1435; Musielak/Voit/Foerste, §  284, Rn.  18; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Einf. §  284, Rn.  29. Anders BGH WM 1985, 736, 737; Kiethe, MDR 2003, 1325, 1327; Oepen, ZZP 113 (2000), 347, 356. Für Zeugen ausdrücklich in §  396 Abs.  2 ZPO geregelt.

136

Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

Dennoch verbleiben schwierige Abgrenzungsfälle. Wenn beispielsweise ein Autofahrer den anderen durch Handzeichen beleidigt, hat dieser zulässigerweise Kenntnis von dieser Tatsache erlangt. Wenn er aber erst aufgrund der (hier als rechtswidrig unterstellten)83 Dashcam-Aufnahmen Angaben zum Nummernschild des Wagens und zu Aussehen und Kleidung des Fahrers machen kann, wäre das Wissen um den Anspruchsgegner rechtswidrig erlangt. Er hätte dieses Wissen aber auch rechtmäßig erlangen können, wenn er ein aufmerksamer Beobachter mit einem fotografischen Gedächtnis gewesen wäre. In einem solchen Fall dürfte sich die Rechtswidrigkeit der Wissenserlangung praktisch kaum nachweisen lassen.84 Dieses Nachweisproblem steht dem Rechtsinstitut Sachvortragsverbot nicht grundsätzlich entgegen.85 Es ist aber eine beachtenswerte Schwäche. ee) Ergebnis Im Einzelfall ist genau zu prüfen, welche Informationen vom Gericht verwendet werden. Dies sind im Regelfall nur die Informationen im Sachvortrag, sodass nur die Erlangung der Sachverhaltskenntnis bei der Eingriffsintensität zu berücksichtigen ist. Die Beweisbeschaffung berührt die Eingriffsintensität der Sachvortragsverwendung nur, wenn die im Beweismittel verkörperten Informationen durch qualifizierten Parteivortrag mitverwendet werden. Allerdings geht mit der Beweismittelbeschaffung stets eine Sachverhaltskenntniserlangung einher. War diese rechtmäßig, kann sie eine ursprünglich rechtswidrige Kenntnis „heilen“. War die mit der Beweismittelbeschaffung einhergehende Sachverhaltskenntnis­ erlangung rechtswidrig, ist das damit einhergehende Wissen, soweit es nicht bereits rechtmäßig erlangt wurde, rechtswidrig erlangt. c) Ergebnis Die gerichtliche Verwendung von streitigem, grundrechtsrelevantem Sachvortrag ist ein Grundrechtseingriff.86 Der streitige Sachvortrag wird aber nur in bestimmten Prozesssituationen vom Gericht verwendet. Von diesen Prozesssitua­ tionen abgesehen, verwendet das Gericht nur den unstreitigen Sachverhalt, den bewiesenen Sachverhalt oder den nach den Regeln der objektiven Beweislast ermittelten Sachverhalt. Der streitige Sachvortrag wird dementgegen nur zur Kenntnis genommen und nicht verwendet. 83 

So BGH Urt. v. 15.5. 2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  7–26. So auch Stein/Jonas/Thole, §  284, Rn.  56. 85  „Das Recht bestimmt die Praxis, nicht die Praxis das Recht“, BVerfG NJW 2013, 1058, 1070; NJW 2015, 2787, 2793. 86  BVerfG NJW 1992, 815, 816; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 230; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 82. Anders Kodek, S.  140. 84 

B. Streitiger Sachvortrag

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Bei der Beurteilung der Eingriffsintensität ist genau zu prüfen, welche Informationen das Gericht verwendet. Abhängig davon, ist nur die Rechtswidrigkeit der Sachverhaltskenntniserlangung oder auch die Rechtswidrigkeit der Beweismittelbeschaffung entscheidend. 3. Rechtfertigung des Eingriffs: Sachvortragsverbot a) Vergleichbarkeit zum Beweisverbot Bei der Eingriffsrechtfertigung ergeben sich keine wesentlichen Unterschiede zu den Erwägungen in Teil  3, B. III. Auch die Verwendung grundrechtlich relevanter Informationen aus streitigem Sachvortrag ist grundsätzlich durch die Zivilprozessordnung legitimiert. Auch hier ist die Befugnis nicht ausdrücklich geregelt, lässt sich dem Gesetz aber entnehmen. Die Verwendungsbefugnis folgt bei der Beweisantragsentscheidung durch Beschluss oder Anordnung indirekt aus §§  371, 373, 403, 420 f., 445 f. ZPO, bei Fragen und Vorhaltungen im Rahmen der Anhörung aus §§  136 Abs.  1, Abs.  2, 139 Abs.  1 ZPO und bei der Überzeugungsbildung aus §  286 Abs.  1 S.  1 ZPO.87 Damit diese Normen verfassungsgemäß sind, müssen sie die Verhältnismäßigkeit wahren und die kollidierenden Interessen, Funktionsfähigkeit der Zivilrechtspflege und Recht auf rechtliches Gehör einerseits, Persönlichkeitsrechte andererseits, in Ausgleich bringen. Die Grundrechtskollision ist im Grundsatz mit derjenigen vergleichbar, die bei den Beweismaßnahmen vorliegt. Obwohl hier nicht „nur“ die Verwendung des Beweismittels, sondern die des Sachvortrags verboten werden soll, ist dies kein intensiverer Eingriff in das Recht auf rechtliches Gehör.88 Denn Gegenstand des Verbots ist nicht der streitige Sachvortrag insgesamt, was einen deutlich intensiveren Eingriff in das Recht auf rechtliches Gehör bedeuten würde, sondern bloß die beweismittelähnliche Nutzung des Sachvortrags in den beschriebenen Prozesssituationen. Nicht die Zulässigkeit der Tatsachenbehauptung steht in Frage, sondern die Verwendung der darin enthaltenen Indizien und Anhaltspunkte als Beweisantragsbegründung, als Vorhaltung oder als Entscheidungsgrundlage.89 Die Tatsachenbehauptung wird vom Gericht nur zur Kenntnis genommen, aber nicht grundrechtsrelevant verwendet. Die Eingriffsintensität dieser beweismittel­ ähnlichen Verwendung ist daher mit der Beweismittelverwendung vergleichbar. Die Grundrechtskollision entspricht daher der bei den Beweismaßnahmen vorliegenden Interessenlage, sodass insgesamt auf Teil  3, B. III. 4. a) verwiesen werden kann. Auch hier ist die ausnahmslose Eingriffsbefugnis unverhältnismä87 

Zur teilweise nur indirekten Herleitung siehe Teil  3, B. III. 2. Das verkennen etwa Fuhlrott, NZA 2017, 1308, 1310; U. Koch, ZFA 2018, 109, 110 f. 89  So wohl auch Weber, ZZP 129 (2016), 57, 79. 88 

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

ßig, soweit sie nicht einschränkend verfassungskonform ausgelegt wird. Diese verfassungskonforme Auslegung ist möglich und zulässig, da mangels ausdrücklicher Regelung die Befugnis zur Sachvortragsverwendung unterschiedlich ausgelegt werden kann.90 Die Auslegung berührt insbesondere den verfahrensprägenden Beibringungsgrundsatz nicht wesentlich, da die Tatsachenbehauptung als Sachvortrag im eigentlichen Sinne nicht betroffen ist.91 Allein die Nutzung der darin enthaltenen Informationen als Erkenntnismittel durch das Gericht wird durch diese Auslegung unterbunden. Die Parteiherrschaft wird deshalb nicht stärker beschränkt als bei der das Beweisverbot begründenden Auslegung. b) Sachvortragsverbot und Rechtsfolge Aus der verfassungskonformen Auslegung folgt ein Sachvortragsverbot, das die jeweilige Informationsverwendung verbietet, soweit dadurch ein grundrechtlich geschütztes Recht einer Partei verletzt wird, ohne dass dies zur Gewährleistung eines als höherwertig einzustufenden Interesses gerechtfertigt erscheint. Infolge der Auslegung kommt es damit zu einem „Verwendungsverbot“, denn ohne Befugnisnorm darf das Gericht den streitigen Sachvortrag in der jeweiligen Prozesssituation nicht verwenden. Im Einzelfall sind dann die konkret betroffenen Verfassungsrechte in Einklang zu bringen, wobei zwischen dem Eingriff, der bei der Informationsverwendung erfolgt, und dem Eingriff, der bei Unterbleiben der Informationsverwendung erfolgt, abzuwägen ist. Bei einem Verbot muss das Gericht die Informationen bei seiner Entscheidung als nichtexistent behandeln. Die §§  371, 373, 403, 420 f., 445 f. ZPO sind daher so anzuwenden, dass rechtswidrig erlangte Informationen nicht der Entscheidung über den Beweisantrag zugrunde gelegt werden können, wenn darin eine Grundrechtsverletzung läge. Die Informationen dürfen dann nicht vom Gericht verwendet werden – mit der Folge, dass sie bei der Entscheidung als nichtexistent gelten und im Einzelfall ein unzulässiger Ausforschungsbeweisantrag vorliegen kann92 oder der für die Parteivernehmung erforderliche Anbeweis fehlt.93 Die §§  136 Abs.  1, Abs.  2, 139 Abs.  1 ZPO sind verfassungskonform einschränkend auszulegen, sodass die rechtswidrig erlangten Informationen nicht 90  Eine ausdrückliche Beschränkung der Befugnis fehlt auch hier aufgrund der fehlenden ausdrücklichen Befugnisregelung. Zu den Voraussetzungen einer verfassungskonformen Auslegung Teil  3, B. III. 4. a) cc). 91  Weber, ZZP 129 (2016), 57, 79, 84. Grundlegend zum Beibringungsgrundsatz oben Teil  2, A. III. 92  Kaissis, S.  43; Muthorst, S.  189. Anders Kodek, S.  140 (der allerdings eine Fernwirkung prüft); Weber, ZZP 129 (2016), 57, 79. 93  Weichbrodt, S.  158–160. Vergleichbar dazu: Rechtsprechung zur Anfechtung der Vaterschaft, unten Teil  4, D. III.

B. Streitiger Sachvortrag

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Gegenstand von Vorhalten oder Fragen sein dürfen, wenn dadurch ungerechtfertigt in die Grundrechte der befragten Partei eingegriffen würde. Auch §  286 Abs.  1 S.  1 ZPO ist so verfassungskonform auszulegen, dass rechtswidrig erlangte Informationen nicht der Entscheidung zugrunde gelegt werden dürfen, wenn dadurch unverhältnismäßig in die Grundrechte der Partei eingegriffen würde.94 Die Informationen sind nur im Rahmen der jeweiligen gerichtlichen Entscheidung nichtexistent. Der Sachvortrag als Tatsachenbehauptung bleibt nach diesen Grundsätzen existent, denn nur die Befugnis zur Informationsverwendung wird durch das Verbot eingeschränkt. Die Klage ist deshalb nicht schon wegen Unschlüssigkeit, also wegen fehlender Substantiiertheit des Vorbringens, unbegründet. Die gerichtliche Maßnahme kann grundsätzlich erfolgen, sie darf aber nicht mit der nichtexistenten Information begründet werden.95 Andere, nicht grundrechtsrelevante Indizien und Beweismittel können aber den Beweisantrag begründen, Gegenstand einer Vorhaltung sein oder vom Gericht bei seiner Entscheidung zur Anordnung einer Beweisaufnahme oder seiner Überzeugungsbildung verwendet werden.96 4. Ergebnis Soweit die Informationen im streitigen Sachverhalt derart rechtswidrig erlangt wurden, dass ihre gerichtliche Verwendung unverhältnismäßig in die Grundrechte einer Partei eingreifen würde, gelten sie bei dieser konkreten Entscheidung als rechtlich nichtexistent. Das Verwendungsverbot bei streitigem Sachvortrag unterscheidet sich weder in seiner dogmatischen Begründung noch in seiner Rechtfolge von dem Verwendungsverbot bei Beweismaßnahmen. Konsequenterweise gilt dann auch dasselbe Feststellungsverfahren.97

III. Reichweite des Beweisverbots Teilweise wird ein Sachvortragsverbot als unselbstständige Nebenfolge des Beweisverbots angesehen und deshalb unabhängig von den oben herausgearbeiteten Prozesssituationen angenommen.98 94 

U. Koch, ZFA 2018, 109, 121. Im Ergebnis auch Weber, ZZP 129 (2016), 57, 70 f. Macht, S.  293. 96  BAG NZA 2017, 1327, 1331. 97  Zu Beweisverfahren, Beweislast und Rügeerfordernis, oben Teil  3, D. I. Anders U. Koch, ZFA 2018, 109, 111, der eine Prüfung von Amts wegen für richtig erachtet, mit der Folge, dass Beweisverbot und Sachvortragsverbot unterschiedliche Folgen in der Säumnissituation haben, U. Koch, ZFA 2018, 109, 122. 98  OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577, 1578. Möglicherweise auch Weber, ZZP 129 (2016), 95 

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

Das Konzept entstammt dem Strafverfahren, wo die Beweisverbote unmittelbar nur für die Schuldfrage in der Hauptverhandlung gelten,99 die rechtswidrige Beweisbeschaffung aber, abhängig von der Verwendungsbegriffsdefinition, schon vorher Auswirkungen haben könnte. Ein weites Begriffsverständnis bezieht hier jedes Nutzbarmachen von Beweisergebnissen zu Verfahrenszwecken, also auch zur Sachverhaltserforschung im Vor- und Zwischenverfahren, ein.100 Unter den Begriffen Vorauswirkung und Frühwirkung wird deshalb diskutiert, ob die Beweisverbote bei der Begründung eines Anfangsverdachts bei §  152 Abs.  2 StPO101 oder bei der Anordnung von Maßnahmen wie Untersuchungshaft oder Durchsuchungen102 zu beachten sind. Die Besonderheit liegt hier insbesondere in dem Konflikt zwischen dem Beweisverbot und dem auch für die Gefahrenabwehr bedeutsamen Ermittlungserfordernis. Der Idee, dass eine spätere Unverwendbarkeit der Informationen sich bereits auf frühere Entscheidungen auswirkt, ist insoweit nachzugehen, als das Gericht im Zivilprozess wegen des Beweisverbots bereits daran gehindert sein könnte, den Sachvortrag zur Kenntnis zu nehmen.103 Eine derartige Nebenfolge des Beweisverbots wurde bezüglich Sekundärbeweismitteln und inhaltsgleichen Beweismitteln abgelehnt.104 Sie liegt aus denselben Gründen beim Sachvortrag nicht vor. Das Beweisverbot hat weder im Vorfeld noch in der Nachfolge Auswirkungen auf den Sachvortrag. Soweit kein Grundrechtseingriff in der Verwendung des Sachvortrags liegt, gibt es keine Grundrechtskollision, die eine verfassungskonforme Auslegung begründen würde. Vielmehr verbietet sich ein Verbot in diesen Fällen aufgrund der (umgekehrten) verfassungskonformen Auslegung zugunsten des Rechts auf rechtliches Gehör.105 Soweit also die prozessuale Verwendung des streitigen Sachvortrags nicht grundrechtlich relevant ist, wird seine prozessuale Zulässigkeit auch nicht von einem Beweisverbot berührt.106

57, 81 f. („flankierendes Verbot als Seitentrieb“), der dies allerdings nicht als eine Frage der Fernwirkung/Reichweite sieht, Weber, ZZP 129 (2016), 57, 76. 99  BVerfG NJW 2011, 2417, 2418. 100  Hengstenberg, S.  42; Knoll, S.  19; Reinecke, S.  9–42, insb. 22–27, 38, 180. 101  Hengstenberg, S.  34–38; Kasiske, JURA 2017, 16, 23; Muthorst, S.  215. 102  BVerfG NJW 2011, 2417, 2420; BGH NJW 1990, 1799; NJW 1992, 1975, 1976; Hengsten­ berg, S.  31 f.; Kasiske, JURA 2017, 16, 23. 103  Weitere Überlegungen zu einer Vorwirkung im Zivilprozess: Weber, ZZP 129 (2016), 57, 78; Prütting/Gehrlein/Laumen, §  284, Rn.  28. 104  Teil  3, D. III. 2. c) und Teil  3, D. III. 3 b) bb). 105  Zur verfassungsrechtlichen Grenze des Beweisverbots aufgrund „umgekehrter“ verfassungskonformer Auslegung oben Teil  3, B. III. 4. a) ee). 106  BVerfG NJW 2002, 3619, 3624; BAG NZA 2014, 243, 249; LAG Schleswig-Holstein

C. Unstreitiger Sachvortrag

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IV. Ergebnis Der Grundrechtsschutz beschränkt die dem Gericht nach einfachgesetzlichem Recht zustehende Befugnis zur Informationsverwendung. Für diesen verfassungsrechtlichen Rahmen ist nicht die prozessuale Verkörperung, sondern der materielle Gehalt der Information entscheidend. Deshalb kann mit denselben Erwägungen, mit denen ein Beweisverbot begründet wurde, auch ein Verbot des streitigen Sachvortrags begründet werden. Streitiger Sachvortrag ist im Zivilprozess vor allem eine Prozessbehauptung der Parteien. Nur in wenigen Prozesssituationen wird er vom Gericht selbst verwendet. In diesen Situa­ tionen nutzt das Gericht den streitigen Sachvortrag als Erkenntnismittel und damit gleich einem Beweismittel, sodass kein Unterschied zur Verwendung von Beweismitteln besteht. Soweit aber Informationen nicht (ausreichend) grundrechtsrelevant sind oder vom Gericht nicht verwendet werden, kommt ein Verbot mangels Grundrechtseingriff nicht in Betracht. Folgerichtig gebietet die verfassungskonforme Auslegung nicht die Außerachtlassung der Tatsachenbehauptung. Die prozessuale Unzulässigkeit folgt dann auch nicht als „Nebenwirkung“ aus dem Beweisverbot. Das Beweisverbot und das Verbot, streitigen Sachvortrag in bestimmten Situationen zu verwenden, sind daher ähnliche Rechtsfiguren.

C. Unstreitiger Sachvortrag I. Konfliktsituation: Kein Anknüpfungspunkt für ein Beweisverbot Rechtswidrig erlangte Informationen können auch im unstreitigen Sachvortrag verkörpert sein. Auch insoweit ist deshalb zu prüfen, ob das Gericht diese Informationen grundrechtsbeschränkend verwendet und ob die entsprechende Befugnisnorm aus verfassungsrechtlichen Gründen zu beschränken ist. Anders als beim streitigen Sachvortrag besteht die Konfliktlage aber nicht nur in der Verwendung des Sachvortrags, sondern auch in einem („erzwungenen“) Ausbleiben des Beweisverfahrens, welches als Anknüpfungspunkt für das Beweisverbot identifiziert wurde. Diese Konfliktsituation wird in der Forschung als Hauptanwendungsfall eines Sachvortragsverbots gesehen.107 Grundlage der Ausführungen in Teil  3 war stets, dass die betroffene Partei den Sachvortrag des Gegners bestreitet, daraufhin ein Beweisverfahren erforderlich wird, welches aber Urt. v. 16.11.2011 – 3 Sa 284/11 – juris, Rz.  39; ArbG Frankfurt Urt. v. 27.01.2016 – 6 Ca 4195/15 – juris, Rz.  36. 107  Dazu ausführlich Teil  2, B. II. 2.

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

wegen eines Beweisverbots scheitert. Ein Beweisverfahren findet aber bei unstreitigem Sachvortrag nicht statt, da dieser nicht beweisbedürftig ist.108 Beweisbedürftig ist nur entscheidungserheblicher streitiger Sachvortrag, der nicht nach §  291 ZPO offenkundig ist oder nach §  292 ZPO vermutet werden kann.109 Soweit der Sachvortrag unstreitig ist, entfällt also das Beweisverfahren und mit ihm der Anknüpfungspunkt des Beweisverbots. Der unstreitige Sachvortrag wird vielmehr ohne beweismäßige Überprüfung zur Entscheidungsgrundlage gemacht.110 Dieses Ergebnis wird in Frage gestellt, wenn dadurch die rechtswidrige Informationserlangung zum Prozesssieg führt. Hintergrund ist die beschränkte Möglichkeit der gegnerischen Partei, die Tatsachenbehauptung als beweisbedürftig zu erklären. Im Zivilprozess wird das Ersuchen, Tatsachenbehauptungen zum Gegenstand einer Beweisaufnahme zu machen, durch Bestreiten erklärt.111 Eine andere Äußerungsmöglichkeit, ein Beweisverfahren zu verlangen, kennt das binäre System der Zivilprozessordnung, die nur zwischen streitigem und unstreitigem Vortrag unterscheidet, nicht.112 Die Zulässigkeit dieser Beweisverfahrensbeantragung ist jedoch durch §  138 ZPO beschränkt. Danach muss die Partei wahrheitsgemäß und substantiiert auf den Vortrag der Gegenpartei antworten, damit ein Bestreiten als Beweisaufnahmeforderung vorliegt. §  138 Abs.  1 ZPO fordert die vollständige und wahrheitsgemäße Erklärung der Parteien. Auch das Bestreiten als Erklärung, die vom Gegner vorgetragene Tatsache sei unwahr, unterfällt dieser Wahrheitspflicht.113 Ein pauschales Anzweifeln genügt regelmäßig nicht, um für die Beweiserheblichkeit ausreichend zu bestreiten. Aus dem funktionellen Zusammenspiel von §  253 Abs.  2 Ziff.  2 ZPO (bestimmte Angaben) und §  138 Abs.  2, Abs.  3 ZPO (Erklärung des Gegners) ergibt sich ein Wechselspiel der jeweiligen Substantiierungslasten, die den Grad der erforderlichen Konkretisierung bestimmen.114 Danach reicht zwar in der Regel einfaches, pauschales Bestreiten („das stimmt nicht“) aus.115 Abhängig vom Substantiierungsgrad des Vortrags der einen Partei steigt aber der Umfang der Erklärungslast der anderen 108  OLG Hamburg VersR 2008, 770, 772; LAG Niedersachsen NZA-RR 2010, 406, 408; Balzer/Nugel, NJW 2013, 3397, 3399; Eylert, NZA-Beil. 2015, 100, 105; Musielak/Voit/ Foerste, §  284, Rn.  20; Frohn, S.  87; Zöller/Greger, §  138, Rn.  9; vor §  284, Rn.  10; MüKo-­ ZPO/Prütting, §  284, Rn.  62, 76. 109  Musielak/Voit/Foerste, §  284, Rn.  1; Störmer, JuS 1994, 238, 239. 110  Frohn, S.  87. 111  Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  12. 112  Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 231. 113  Zöller/Greger, §  138, Rn.  2; Kiethe, MDR 2007, 625; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 228; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  2. 114  Beckhaus, S.  77. 115  BGH NJW 1999, 1404, 1405; BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  17.

C. Unstreitiger Sachvortrag

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Partei.116 Der Gegner muss dann, soweit möglich, zu jeder relevanten Einzelbehauptung eine mit positiver Gegendarstellung versehene Erklärung abgeben.117 Dabei kann die Substantiierungslast für vorangegangenen Vortrag durch späteres Gegenvorbringen unschlüssig und nachbesserungsbedürftig werden. Die Darlegungsrisikoverteilung kann sich daher stetig während des Prozessverlaufs ver­ ändern.118 Nur wenn die Voraussetzungen des §  138 Abs.  4 ZPO (Bestreiten mit Nichtwissen) vorliegen, kann ein substantiierter Vortrag pauschal bestritten werden.119 Das Bestreiten mit Nichtwissen, ermöglicht die Herstellung der Beweisbedürftigkeit ohne Verletzung der Wahrheitspflicht.120 Es ist jedoch nur zulässig, soweit die Partei nicht darlegungs- oder beweisbelastet ist und sie tatsächlich keine Kenntnis von den Tatsachen hat, etwa weil diese außerhalb ihrer Wahrnehmung stattgefunden haben oder sie diese glaubhaft vergessen hat.121 Außerdem ordnet §  138 ZPO eine Kontradiktionslast an.122 Das Bestreiten muss deshalb ausdrücklich erklärt werden. Nicht ausdrücklich bestrittene Tatsachen sind gemäß §  138 Abs.  3 ZPO als zugestanden zu werten. Dies gilt auch, soweit Tatsachen nicht wirksam, das heißt nicht ausreichend substantiiert123 oder unzulässig mit Nichtwissen124 bestritten wurden. Diese Beschränkungen des §  138 ZPO sind unproblematisch, soweit die erklärte Tatsache unwahr ist. In diesen Fällen kann die Partei den Vortrag unproblematisch wahrheitsgemäß bestreiten. Anders verhält es sich, wenn die Tatsache wahr ist, die Kenntnis davon aber aus einer rechtswidrigen Handlung rührt. Mitunter verfügt der Prozessgegner nur aufgrund der zum Beweisverbot führenden Beschaffungshandlung über Informationen, die ihm einen derart detaillierten Vortrag ermöglichen, dass nur ein entsprechend qualifiziertes Bestreiten eine Beweisaufnahme herbeiführen kann.125 Dann verhindert §  138 ZPO die (zulässige) 116 

BGH NJW 1999, 1404, 1405; NJW 2015, 468, 469; Benedicter, S.  21, 23; Zöller/Greger, §  138, Rn.  8 f.; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 124; Schultz, NJW 2017, 16, 21; BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  18; Saenger/Wöstmann, §  138, Rn.  6. 117  Zöller/Greger, §  138, Rn.  10a; Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  30; AK-ZPO/Schmidt, Einleitung, Rn.  58; Saenger/Wöstmann, §  138, Rn.  4. 118  Stürner, S.  8. 119  BGH NJW 2010, 1357, 1358; BAG NJW 2004, 2848, 2851. 120  BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  23. 121  BGH NJW-RR 2002, 612, 613; NJW 2009, 2894, 2895; Zöller/Greger, §  138, Rn.  13; Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  42; R. Koch, S.  123–126; Schultz, NJW 2017, 16, 20; BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  24; Saenger/Wöstmann, §  138, Rn.  7. 122  Benedicter, S.  49; Frohn, S.  87. 123  Frohn, S.  87; Zöller/Greger, §  138, Rn.  8b; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 124; Schneider, §  7, Rn.  100. 124  Zöller/Greger, §  138, Rn.  13; Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  44; R. Koch, S.  126; Schultz, NJW 2017, 16, 20. 125  Gemmeke, S.  54; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 124; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 68. Siehe

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

Herbeiführung einer Beweisaufnahme, und so führen zivilprozessrechtliche, also einfachgesetzliche Vorgaben zum Fehlen des Anknüpfungspunktes für das verfassungsrechtlich begründete Beweisverbot. Diese Fallsituation soll an einem Beispielsfall erläutert werden: Der Arbeitgeber erfährt durch unzulässige Videoaufnahmen von einem Fehlverhalten des Arbeitnehmers. Nur dank des Videomaterials kann der Arbeitgeber sehr substantiiert zum kündigungsrelevanten Sachverhalt vortragen. Der Arbeitnehmer kann diesen Vortrag prozessrechtlich nicht zulässig bestreiten. Pauschales Bestreiten ist nicht ausreichend, §  138 Abs.  2 ZPO, substantiiertes, aber wahrheitswidriges Bestreiten verstößt gegen §  138 Abs.  1 ZPO, und ein Bestreiten mit Nichtwissen, §  138 Abs.  4 ZPO, ist nicht zulässig, da sich das Geschehen in der eigenen Wahrnehmung des Arbeitnehmers abgespielt hat. Der Vortrag gilt deshalb gemäß §  138 Abs.  3 ZPO als zugestanden, ein Beweisverfahren entfällt und der Vortrag des Arbeitgebers wird Entscheidungsgrundlage trotz der vorwerfbaren Beschaffungshandlung. Würde der Arbeitnehmer aber entgegen der Anordnung von §  138 Abs.  1 ZPO wahrheitswidrig bestreiten, würde er im Prozess obsiegen, da der Arbeitgeber seiner Beweislast nicht mit zulässigen Beweismitteln genügen könnte und deshalb beweisfällig bliebe. Diese Situation wird vielfach als unbillig empfunden, weil dadurch bei „konsequenter Anwendung“ des §  138 ZPO ein mögliches Beweisverbot leerlaufe.126 Die Beweisverbote würden ihr Ziel, die Grundrechte der Prozessparteien zu wahren, verfehlen.127 Das Beweisverbot werde insbesondere in den Fällen entwertet, in denen die vorprozessualen Verstöße besonders gravierend seien.128 Denn der auf einer eingriffsintensiven Videoüberwachung basierende Vortrag ist regelmäßig weitaus substantiierter als der auf einer weniger eingriffsintensiven Detektivüberwachung basierende Vortrag. Und je substantiierter der Vortrag, umso weniger kann der Prozessgegner ausreichend und in prozessrechtlich zulässiger Weise (pauschal) bestreiten. Die rechtliche Handhabung dieser Konfliktsituation wird in Judikatur und Literatur nicht einheitlich beurteilt.129 Ein Lösungsansatz verbietet, abhängig von dem Ergebnis einer Grundrechtsabwägung, die gerichtliche Verwendung des undazu etwa die Fälle LAG Sachsen Urt. v. 12.06.2003 – 2 Sa 790/02 – juris, Rz.  62; LAG Baden-­ Württemberg Urt. v. 06.02.2012 – 4 Sa 55/11 – juris Rz.  37, 77. 126  OLG Karlsruhe MMR 2009, 412, 414; Eylert, NZA-Beil. 2015, 100, 107; Heinemann, MDR 2001, 137, 142; Kort, NZA 2012, 1321, 1325 f.; Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50, 57; Natter in: Beschäftigtendatenschutz in der Reform, 133, 151; Sander, CR 2014, 292, 298; BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  31; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 228; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 58. 127  Schreiber, ZZP 122 (2009), 227. 128  Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 125. 129  Dazu ausführlich: Teil  2, B. II.

C. Unstreitiger Sachvortrag

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streitigen Sachvortrags („Sachvortragsverwertungsverbot“).130 Das Bundesarbeitsgericht hat dieses Rechtsinstitut in einer Reihe von aktuellen Entscheidungen ausdrücklich anerkannt.131 Ein anderer Lösungsansatz knüpft an §  138 ZPO an.132 Die Vertreter dieser Ansicht wollen so vermeiden, das mit dem Sachvortragsverbot ein neues Rechtsinstitut geschaffen wird. Stattdessen soll auch in der oben beschriebenen Konstellation ein Beweisverfahren stattfinden, das dann Anknüpfungspunkt für das bereits bekannte und anerkannte Rechtsinstitut Beweisverbot wäre. Weite Teile von Rechtsprechung und Forschung gehen schließlich von der uneingeschränkten Verwendbarkeit des Vortrags in dieser Konstellation aus.133 Im folgenden Kapitel wird beiden Ansätzen nachgegangen: Zunächst wird entsprechend der Erwägungen aus Teil  3 und Teil  4 B. ein an die Grundrechts­ relevanz der verkörperten Informationen und deren gerichtliche Verwendung anknüpfendes Sachvortragsverbot (II.) und anschließend der an §  138 ZPO anknüpfende Ansatz untersucht (III.).

II. (Verfassungsrechtlich begründetes) Sachvortragsverbot Sofern das gerichtliche Verwenden der im unstreitigen Sachvortrag verkörperten Informationen einen Grundrechtseingriff darstellt, ist zu erwägen, ob dieser zu einer verfassungskonformen, einschränkenden Auslegung der prozessrechtlichen Befugnisse des Gerichts zwingt und somit ein Sachvortragsverbot begründet. 130  BAG NZA 2011, 571, 573; NZA 2017, 443, 445; NJW 2017, 843, 844 f.; BB 2019, 697, 698; LAG Köln LAGE §  611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr.  3, 5; LAG Rheinland-Pfalz ZD 2015, 488, 491; OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577, 1578; OLG Saarbücken VersR 2009, 1478, 1479; Bergwitz, NZA 2012, 353, 359; Brors, BB 2011, 1536; Reitz, NZA 2017, 273, 275; Thüsing/­Pötters EzA 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr.  13, 27; Tiedemann, ZD 2012, 342; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 69. 131  BAG NJW 2008, 2732, 2735; NZA 2011, 571, 573; NZA 2017, 443, 445; NJW 2017, 843, 844 f.; BB 2019, 697, 698. 132  OLG Karlsruhe MMR 2009, 412, 414 f.; Eylert, NZA-Beil. 2015, 100, 107; Heinemann, MDR 2001, 137, 141; Kort, NZA 2012, 1321, 1326; Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50, 58; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 241; BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  31; Weichbrodt, S.  283; Saenger/Wöstmann, §  138, Rn.  2. 133  LAG Sachsen Urt. v. 12.06.2003 – 2 Sa 790/02 – juris, Rz.  62; LAG Mecklenburg-Vorpommern Urt. v. 18.05.2004 – 1 Sa 387/03 – juris, Rz.  46 f.; LAG Baden-Württemberg Urt. v. 06.02.2012 – 4 Sa 55/11 – juris, Rz.  78–83; Fuhlrott/Oltmanns, NZA 2016, 785, 788; Kodek in: FS Kaissis, 523, 529 (dort Fn.  28); Neuhaus/Kloth, NJOZ 2009, 1370, 1390; Schneider, MDR 2000, 1029, 1030; Schwab/Weth/N. Schwab, §  58 ArbGG, Rn.  72a (ausdrücklicher noch in der 2.  Auflage, Schwab/Weth(2.  Auflage)/N. Schwab, §  58 ArbGG, Rn.  75); Zeiss, ZZP 89 (1976), 377, 390.

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

1. Grundrechtsrelevanz der Sachvortragsangaben Die Grundrechtsrelevanz der im unstreitigen Sachvortrag verkörperten Informationen unterscheidet sich nicht von der Grundrechtsrelevanz der im streitigen Sachvortrag verkörperten Informationen. Die Verkörperung im Sachvortrag ist nicht entscheidend, weil es auf den Informationsgehalt und nicht auf den Informationsträger ankommt.134 Einschlägig sind zuvörderst die persönlichkeitsschützenden Grundrechte.135 2. Grundrechtsbeeinträchtigung durch das Gericht Das grundrechtsverpflichtete Gericht müsste durch informationelle oder äußerliche Informationsverwendung das vor Informationspreisgabe schützende Grundrecht erheblich beeinträchtigen. Einschlägige Eingriffshandlungen sind also das Feststellen, das Bewerten und die Zugrundelegung der grundrechtsrelevanten Tatsachen.136 Bei der Bestimmung der maßgeblichen Eingriffshandlung sind im Falle des unstreitigen Sachvortrags zwei Verwendungsformen zu unterscheiden: Wenn nur eine Hilfstatsache oder ein Indiz streitig ist, kann der unstreitige Sachvortrag als Erkenntnismittel im Rahmen der Beweisaufnahme oder der Beweiswürdigung verwendet werden. Wenn die den Tatbestand ausfüllende Tatsache selbst unstreitig ist, sodass ein Beweisverfahren gar nicht erst erforderlich ist, wird der unstreitige Sachvortrag nur bei der Subsumtion verwendet. a) Beweismittelähnliche Verwendung als Erkenntnismittel Wie der streitige Sachvortrag, kann auch der unstreitige Sachvortrag vom Gericht als Erkenntnismittel im Rahmen der Beweisaufnahme oder der Beweiswürdigung verwendet werden. Zu dieser Prozesssituation kommt es beispielsweise im arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzprozess, wenn ein geringes Fehlverhalten zugestanden wird und aus diesem auf ein gravierendes Fehlverhalten geschlossen werden soll: einmaliger Diebstahl einer geringen Summe im Verhältnis zu regelmäßigem Diebstahl137; kurzzeitige, einmalige Arbeitsunterbrechung im Verhältnis zu regelmäßigem und andauerndem Arbeitszeitbetrug138. Der Arbeitnehmer wird in diesen 134 

Dazu oben Teil  3, D. III. 3. b) aa) und Teil  4, B. II. 1. Dazu Teil  3, B. I. und Teil  4, B. II. 1. 136  Dazu Teil  3, B. II. und Teil  4, B. II. 2. a). 137  Beispiel nach LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 16.11.2011 – 3 Sa 284/11 – juris. 138  Beispiel nach LAG Hamm DB 2016, 2968, 2969 (Sachvortragsverwendung wurde hier jedoch nicht gerügt). 135 

C. Unstreitiger Sachvortrag

147

Fällen die kurzzeitige Arbeitsunterbrechung oder das Einstecken des geringen Geldbetrags rechtfertigen und zugleich vortragen, dass dieses Fehlverhalten eine Ausnahme und kein in dem für die Kündigung erforderlichem Maße regelmäßiges oder wiederholtes Verhalten ist. Der unstreitige einmalige Verstoß ist aber ein zu beachtendes Indiz bei der Beurteilung des Vorwurfs der Regelmäßigkeit und der Wiederholung. Ähnlich liegt es, wenn nur ein Teilaspekt eines geteilten Geschehens unstreitig ist, zum Beispiel die Tatsache, dass der Arbeitnehmer etwas aus dem Lagerraum entfernt hat, aber streitig bleibt, ob er dieses Etwas anschließend zweckgerecht verwendet oder für seinen persönlichen Gebrauch entwendet hat.139 Das Gericht führt zum Beweis der beweiserheblichen (Haupt-)Tatsachen ein Beweisverfahren durch und berücksichtigt den unstreitigen Sachvortrag dabei als Hilfstatsache oder Indiz (indirekter Beweis). Hilfstatsachen betreffen die Beweiskraft eines Beweismittels, und Indizienbeweise betreffen tatbestandsfremde Tatsachen, die erst den Schluss auf das (Nicht-)Vorliegen eines gesetz­ lichen Tatbestandsmerkmals rechtfertigen sollen.140 Die Eingriffsqualität der beweismittelähnlichen Verwendung von im Sachvortrag verkörperten Informationen wird nicht dadurch beeinflusst, dass der Sachvortrag streitig oder unstreitig ist.141 Die unstreitigen Sachverhaltsangaben werden als Verhandlungsinhalt neben einer etwaigen Beweisaufnahme der Überzeugungsbildung nach §  286 Abs.  1 S.  1 ZPO zugrunde gelegt.142 Unstreitiger Sachvortrag kann außerdem selbstverständlich Gegenstand eines Vorhalts sein oder bei der Begründung eines Beweismittelantrags verwendet werden.143 Die Vorhaltung, Bewertung, Gewichtung und Zugrundelegung der Informationen bei der Entscheidung sind gerichtliche Maßnahmen, die die enthaltenen Informationen äußerlich, insbesondere aber informationell, verwenden und somit als Eingriff qualifizieren.144 Der Verbotsanknüpfungspunkt ist insoweit derselbe wie bei der Verwendung von streitigem Sachvortrag (oder Beweismitteln). Die Eingriffshandlung ist die beweismittelähnliche Verwendung des unstreitigen Sachvortrags.

139 

Beispiel nach BAG NZA 2017, 443–449. Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  111, Rn.  15. 141  Zur beweismittelähnlichen Verwendung, oben Teil  4, B. II. 2. a). 142  Stein/Jonas/Thole, §  286, Rn.  13. 143  Etwa in BGH Beschl.v.08.12.2011 – IV ZR 5/10 – juris, Rz.  16. 144  Teil  4, B. II. 2. a). 140 

148

Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

b) Verwendung zur Subsumtion Wenn die Haupttatsache selbst unstreitig ist, wird kein Beweisverfahren durchgeführt. Das Gericht entscheidet allein über die rechtliche Beurteilung des unstreitigen Sachverhalts. Zuweilen wird daraus gefolgert, dass unstreitiger Sachvortrag nicht im Sinne eines Grundrechteingriffs verwendet wird.145 Wegen der unterschiedlichen Rolle des Gerichts bei der Beweiswürdigung und bei der Berücksichtigung von unstreitigem Tatsachenvortrag liege ein Grundrechtseingriff nur bei der Beurteilung und Feststellung der Wahrheit, nicht jedoch bei deren Bewertung vor.146 Die Bedenken können nicht geteilt werden. Auch ohne Beweisverfahren muss das Gericht den ihm zur Entscheidung vorgelegten Tatsachenstoff daraufhin prüfen, ob und inwieweit er die abstrakten Voraussetzungen enthält, von denen die Rechtsordnung den Eintritt der gewünschten Rechtswirkung abhängig gemacht hat.147 Dafür muss es die tatsächlichen Vorgänge, auch wenn sie unstreitig sind, erfassen und unter der rechtlichen Norm subsumieren. Dabei wird der konkrete Lebenssachverhalt unter eine abstrakte Norm vergleichend unter- oder zugeordnet.148 Auch unstreitige Tatsachen entsprechen nicht von sich aus dem abstrakten Tatbestandsmerkmal der Norm, von der das Gericht dann allein die Rechtsfolge abzulesen hätte. Vielmehr muss es im Einzelfall prüfen, ob das tatsächliche Geschehen den rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen entspricht. Dies wird besonders bei weit gefassten, offen formulierten Tatbestandsmerkmalen augenscheinlich, deren Vorliegen regelmäßig durch Abwägung der Einzelfallumstände geprüft wird. Bei der Subsumtionsprüfung verwendet das Gericht die im unstreitigen Sachvortrag enthaltenen Informationen informationell, indem es den Informationsgehalt entnimmt und in die Entscheidung einbezieht.149 Die gerichtliche Berücksichtigung von Sachvortrag und den darin enthaltenen Informationen bei der Entscheidungsfindung und dessen rechtliche Bewertung kann daher ein Grundrechtseingriff sein.150

145  LAG Baden-Württemberg Urt. v. 06.02.2012 – 4 Sa 55/11 – juris, Rz.  80; Gemmeke, S.  148 (der allerdings auch für das Beweisverbot allein an die Beweisaufnahme anknüpft). 146  Gemmeke, S.  148. 147  Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  133, Rn.  27, 31–33; BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  10. 148  Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  133, Rn.  27; Köbler, S.  418; Möllers, S.  103. 149  Zur informationellen Verwendung Teil  3, B. II. 3. e). 150  Im Ergebnis auch BVerfG NJW 1992, 815, 816; BAG NZA 2011, 571, 574; NZA 2017, 443, 445; NJW 2017, 843, 844; NJW 2017, 2853, 2854; BB 2019, 697, 698; LAG Köln LAGE §  611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr.  3, S.  5; OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577, 1578; Sander,

C. Unstreitiger Sachvortrag

149

c) Kein Grundrechtsverzicht Auf die Qualifikation als Grundrechtseingriff käme es indes nicht an, wenn dieser durch Verzicht ausgeschlossen wäre.151 Ein Grundrechtsverzicht ist möglich, weil den Persönlichkeitsrechten ein Offenlegungsrecht immanent ist.152 Insbesondere könnte das als Zugestehen zu wertende Nichtbestreiten, §  138 Abs.  3 ZPO, die Erklärung eines Grundrechtsverzichts sein. Das Zugestehen oder Nichtbestreiten könnte zunächst als Verzicht auf das grundrechtliche Persönlichkeitsrecht in Form der Geltendmachung des Beweisverbotseinwands gewertet werden.153 Dieser Verzicht ist deshalb naheliegend, weil das Zugestehen zuvörderst die Wirkung hat, dass sich ein Beweisverfahren erübrigt und somit die Einführung des Beweismittels und der Streit um dessen Zulässigkeit entfällt. Für die vorliegende Untersuchung hätte dieser Verzicht jedoch keine Bedeutung. Der Eingriff liegt nur in der Sachvortragsverwendung, nicht in der Beweismittelverwendung. Ohne Grundrechtseingriff fehlt aber der Bezugspunkt des Verzichts. Das Nichtbestreiten könnte aber als Verzicht auf die Geltendmachung der Grundrechtswidrigkeit der Sachvortragsverwendung gewertet werden. Diese Annahme folgt aus der Zwangssituation der Partei im binären System der Zivilprozessordnung, wonach die Partei nur zugestehen oder bestreiten kann. Allerdings kann das Prozessrecht als einfachgesetzliches Recht nicht die Möglichkeiten des Grundrechtsverzichts einschränken. Das Nichtbestreiten kann allenfalls als Indiz für einen Grundrechtsverzicht dienen. Sofern die Partei aber die Zulässigkeit des Sachvortrags ausdrücklich rügt oder die Einlassung wegen der rechtswidrigen Informationsbeschaffung verweigert, kann das prozessuale Nichtbestreiten nicht als Grundrechtsverzicht gedeutet werden.154 Nur wenn die Partei den Sachvortrag ausdrücklich zugesteht oder nicht (ausreichend) bestreitet, ohne dabei die Zulässigkeit des Sachvortrags zu rügen, ist von einem Grundrechtsverzicht auszugehen.155

CR 2014, 292, 299; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 242; Thüsing/Pötters EzA 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr.  13, 27; Beschäftigtendatenschutz/Thüsing/Pötters, §  21, Rn.  35. 151  Zu Anforderungen und Rechtsfolge eines Grundrechtsverzichts oben Teil  3, B. II. 2. 152  Dazu Teil  3, B. II. 2. 153 So Neuhaus/Kloth, NJOZ 2009, 1370, 1390. 154  BAG NZA 2011, 571, 574; NJW 2017, 843, 845; LAG Rheinland-Pfalz ZD 2015, 488, 491; LAG Hessen Urt. v. 10.12.2012 – 17 Sa 982/12 – juris, Rz.  28; OLG Saarbücken VersR 2009, 1479; OLG Saarbrücken VersR 2009, 1522, 1524; Zöller/Greger, §  138, Rn.  3a; Pötters/ Wybitul, NJW 2014, 2074, 2078; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 241; Beschäftigtendatenschutz/Thüsing/Pötters, §  21, Rn.  35; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 84. 155  Heinemann, MDR 2001, 137, 142; Neuhaus/Kloth, NJOZ 2009, 1370, 1390; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 230; Thüsing/Pötters EzA 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr.  13, 27.

150

Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

Das Rügeerfordernis entspricht dem zivilverfahrensprägenden Grundsatz der Parteiherrschaft. Insbesondere kann wegen entsprechender Verkehrssitte die Nichtrüge einer konkludenten Verzichtserklärung gleichgesetzt werden. Bei der beweismittelähnlichen Verwendung folgt die Verkehrssitte zur Rüge bereits aus §§  282, 295 ZPO, und bei der Verwendung durch Subsumtion folgt sie aus dem Zusammenhang dieser Verwendung mit den meistens parallel stattfindenden beweismittelähnlichen Verwendungshandlungen:156 Wenn es als übliche Verkehrssitte angesehen wird, dass die rechtswidrige Beschaffung von Informationen gerügt wird, dann sollte diese Verkehrssitte einheitlich und unabhängig von der konkreten Verwendungshandlung gelten. Eine solche Zulässigkeitsrüge verstößt nicht gegen die prozessuale Wahrheitspflicht aus §  138 Abs.  1 ZPO, denn die Rüge bezieht sich nicht auf die Wahrheit der Tatsachen, sondern auf deren Verwendbarkeit. d) Eingriffsintensität: Rechtswidrige Informationsbeschaffung Auch hier beeinflusst die Art und Weise der Informationsbeschaffung die Intensität des gerichtlichen Grundrechtseingriffs, denn sie bestimmt, ob und wie die Informationen gegen den Willen des Schutzberechtigten aus der Persönlichkeitssphäre entnommen und offenlegt wurden.157 Beim unstreitigen Sachvortrag werden grundsätzlich nur in ihm verkörperte Informationen verwendet.158 Wenn nur die Sachverhaltsinformationen verwendet werden, ist nur die Erlangung der Sachverhaltskenntnis für die Eingriffsintensität entscheidend. Wenn aber nur die im Beweismittel verkörperten Informationen, nicht aber die im Sachverhalt verkörperten Informationen grundrechtsrelevant waren, fehlt ein Grundrechtseingriff als entscheidende Voraussetzung für ein mögliches Sachvortragsverbot. Der Sachvortrag wird zwar verwendet, wird aber durch das rechtswidrig erlangte Beweismittel nicht grundrechtsrelevant,159 und das Beweismittel ist zwar grundrechtsrelevant, wird aber mangels Beweisverfahren nicht verwendet. Ein verfassungsrechtlich hergeleitetes Verwendungsverbot kommt in dieser Konstellation mithin nicht in Betracht.160 Jedoch ist die mit der Beweismittelbeschaffung stets einhergehende Sachverhaltskenntniserlangung zu berücksichti156  Zur Verkehrssitte wegen §§  282, 295 ZPO Teil  3, B. II. 2. Zum Zusammenhang der prozessualen Verbote Teil  1, B. 157  Dazu oben Teil  3, B. II. 3. f) und Teil  4, B. II. 2. b). 158  Dazu Teil  4, B. II. 2. b) aa). 159  Zumindest nicht in einem für die Eingriffsqualität erforderlichen Maße (Erheblichkeit als Eingriffsvoraussetzung fehl regelmäßig bei rechtmäßig erlangten Beweismitteln): Teil  3, B. II. 3. f). 160  Kein Sachvortragsverbot bei einer nur rechtswidrigen Beweisbeschaffung etwa in LAG Hessen Urt. v. 18.05.2009 – 17 Sa 1507/08 – juris, Rz.  41. Anders wohl LAG Köln LAGE §  611

C. Unstreitiger Sachvortrag

151

gen. War diese rechtmäßig, kann sie eine ursprünglich rechtswidrige Kenntnis „heilen“. War die Beweismittelbeschaffung rechtswidrig, ist auch die damit einhergehende Sachverhaltskenntnis, soweit nicht vorher rechtmäßig erworben, rechtswidrig erlangt.161 e) Ergebnis Das Gericht verwendet unstreitige Sachverhaltsangaben als Erkenntnismittel bei seinen Entscheidungen im Rahmen des Beweisverfahrens162 in gleicher Weise, wie es die streitigen Tatsachenbehauptungen dort als Indizien oder Anhaltspunkte zugrunde legt. Daneben verwendet das Gericht unstreitige Sachverhaltsangaben zur Subsumtion. Beide Verwendungsformen sind als grundrechtliche Eingriffe zu qualifizieren. Das Gericht verwendet dabei regelmäßig nur die im Sachvortrag verkörperten Informationen, weshalb bei der Eingriffsintensität allein die Sachvortragskenntniserlangung maßgeblich ist. Sofern die Rechtswidrigkeit der Kenntniserlangung gerügt wurde, kann das prozessuale Nichtbestreiten oder Zugestehen der Tatsachen nicht als grundrechtlicher Verzicht auf den Schutz vor deren Verwendung gedeutet werden. 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Fraglich ist, ob der mit der Verwendung des grundrechtsrelevanten unstreitigen Sachvortrags einhergehende Grundrechtseingriff gerechtfertigt ist. Weil die einschlägigen Persönlichkeitsrechte durch einen einfachen Gesetzesvorbehalt beschränkt sind, müsste die Informationsverwendung durch eine verfassungskonforme, die Verwendung gestattende und im Einzelfall verfassungskonform angewendete Befugnisnorm gerechtfertigt sein.163 a) Beeinträchtigung durch beweismittelähnliche Verwendung Wenn der unstreitige Sachvortrag beweismittelähnlich im Rahmen der Wahrheitsfindung und Überzeugungsbildung genutzt wird, sind die zugrundeliegenden Befugnisnormen dieselben, die auch die Verwendung des streitigen Sachvortrags regeln.

BGB Persönlichkeitsrecht Nr.  3, S.  3 f., das ein Sachvortragsverbot in Betracht zieht, obwohl die Kenntniserlangung rechtmäßig und nur die Beweismittelbeschaffung rechtswidrig war. 161  Hierzu insgesamt Teil  4, B. II. 2. b) cc). 162  Beweisantrag, Vorhalt, Überzeugungsbildung, Teil  4, B. II. 2. a). 163  Dazu insgesamt oben Teil  3, B. III.

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

Insgesamt kann daher auf die Ausführungen in Teil  3, B. III. und Teil  4, B. II. 3. verwiesen werden. Auch die Verwendung grundrechtlich relevanter Informa­ tionen aus unstreitigem Sachvortrag ist grundsätzlich durch die §§  136 Abs.  1, Abs.  2, 139 Abs.  1, 286 Abs.  1 S.  1, 371, 373, 403, 420 f., 445 f. ZPO legitimiert. Damit diese Normen nicht verfassungswidrig sind, müssen sie die Verhältnis­ mäßigkeit wahren und die kollidierenden Rechte, Funktionsfähigkeit der Zivilrechtspflege und Recht auf rechtliches Gehör auf der einen, Persönlichkeitsrechte auf der anderen Seite, in Ausgleich bringen. Die ausnahmslose Eingriffsbefugnis wäre unverhältnismäßig und ist deshalb einschränkend verfassungskonform auszulegen. Diese verfassungskonforme Auslegung ist wegen der Deutungs­ offenheit der nicht ausdrücklich geregelten Befugnisnormen zulässig. Im Einzelfall führt diese eingeschränkt ausgelegte Befugnisnorm dann zu einem Verwendungsverbot, wenn der Eingriff der Informationsverwendung schwerer wiegt als der Eingriff der unterbliebenen Informationsverwendung. Infolge des Verbots wäre der Sachvortrag für das Verfahren als beweismittelähnliches Erkenntnismittel nicht existent. Der (ursprüngliche und streitige) Sachvortrag als Behauptung würde von diesem Verbot dementgegen nicht berührt, denn untersagt würde nur die Befugnis zur beweismittelähnlichen Verwendung bei der Beurteilung von Beweisanträgen (§§  371, 373, 403, 420 f., 445 f. ZPO), bei Befragungen und Vorhaltungen (§§  136 Abs.  1, Abs.  2, 139 Abs.  1 ZPO) und zur Verwendung im Rahmen der Entscheidungsfindung (§  286 Abs.  1 S.  1 ZPO). b) Beeinträchtigung durch Subsumtion Anders verhält es sich, wenn der unstreitige Sachvortrag nicht Gegenstand eines Beweisverfahrens ist, sondern allein im Rahmen der rechtlichen Entscheidung durch Subsumtion verwendet wird. Er wird dann nicht beweismittelähnlich verwendet, sodass auf die Aussagen zur Beweismittelverwendung und beweismittel­ ähnlichen Sachvortragsverwendung nicht pauschal verwiesen werden kann. aa) Befugnisnorm Zunächst ist daher die zugrundeliegende Norm zu ermitteln, welche die Informationsverwendung, (auch) von grundrechtsrelevanten Informationen, zur Subsumtion regelt. Fehlt eine solche Norm, ist der Eingriff wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gesetzesvorbehalt164 nicht gerechtfertigt. Wie schon bei den Beweismaßnahmen und der beweismittelähnlichen Verwendung von streitigem Sachvortrag, findet sich auch bezüglich der Subsumtion keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage. Das zugrundeliegende Gesetz ist 164 

Dazu Teil  4, B. III. 1.

C. Unstreitiger Sachvortrag

153

aber auch hier die Zivilprozessordnung. Die gerichtliche Subsumtion ist eine Frage des Verfahrensrechts, nicht des materiellen Rechts, und das Zivilverfahrensrecht ist maßgeblich in der Zivilprozessordnung geregelt. In seinem Anwendungsbereich ist diese das gegenüber dem Bundesdatenschutzgesetz speziellere und abschließend geregelte Gesetz.165 Eine konkrete Norm in der Zivilprozessordnung, an die für die Subsumtionsbefugnis angeknüpft werden könnte, findet sich indes nicht. §  138 ZPO regelt nicht die Verwendungsbefugnis des Gerichts, sondern die Vortragspflichten der Parteien. §  139 ZPO regelt zwar Befugnisse und Pflichten des Gerichts, dies aber auf der der Entscheidung vorgelagerten Ebene der Stoff- und Streitstandsammlung. §  300 Abs.  1 ZPO ordnet den Erlass eines Endurteils an, regelt damit aber nur das „Ob“ und nicht das „Wie“ der Entscheidungsfindung. §  308 ZPO regelt wiederum nur die Grenzen der Entscheidungsbefugnis. Dennoch enthält die Zivilprozessordnung eine Befugnisnorm für die Tatsachenverwendung bei der Subsumtion. Die Subsumtion ist für die gerichtliche Entscheidungsfindung zwingend erforderlich. Die Entscheidungsfindung im Zivilprozess ist wiederum ureigenste Aufgabe der Zivilgerichte und begründet sich in der Verfahrensbetreibung der Parteien, die durch ihre Anträge eine Gerichtsentscheidung erbitten.166 Die Befugnis zur Entscheidungsfindung und damit die Befugnis zur Subsumtion ist daher ein ungeschriebener Grundsatz, der aus der Natur der Sache folgt und der Zivilprozessordnung immanent ist. Weil eine ausdrückliche Norm fehlt, fehlt eine Beschränkung für rechtswidrig erlangte, grundrechtsrelevante Informationen. Grundsätzlich ist das Gericht daher befugt, alle verfahrensgegenständlichen Informationen für seine Subsumtion und Entscheidungsfindung zu verwenden. Es ist für die Eingriffsrechtfertigung unproblematisch, dass die Befugnis zur Informationsverwendung nicht ausdrücklich durch eine gesetzliche Norm geregelt ist, sondern nur von diesen abgeleitet werden kann.167 bb) Verfassungsgemäße Befugnisnorm Diese gesetzliche Grundlage müsste verfassungsgemäß sein, um den darauf basierenden Grundrechtseingriff durch Informationsverwendung zu rechtfertigen. Unterschiede zu den bisherigen Ausführungen ergeben sich namentlich in der materiellen Verfassungsgemäßheit und dort der Verhältnismäßigkeit.168 Die ge165 

Teil  3, A. Ähnlich Stein/Jonas/Thole, §  284, Rn.  16. Verfassungsrechtlich folgt die Befugnis zur Subsumtion auch aus dem Justizgewährungsanspruch, Art.  20 Abs.  3 GG, Art.  47 GRCh, Art.  6 Abs.  1 S.  1 EMRK. 167  Schreiber, NJ 2008, 575, 576. So auch schon zum Beweisverbot, siehe Teil  3, B. III. 2. 168  Zu den sonstigen Anforderungen: Teil  3, B. III. 166 

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

setzliche Grundlage ist verhältnismäßig, wenn sie geeignet, erforderlich und angemessen ist, um einen legitimen Zweck zu verfolgen.169 Zweck der Informationsverwendung zur Subsumtion ist die Zuordnung des konkreten Sachverhalts zu einer abstrakten Norm und damit die Entscheidung in einem Streitverhältnis. Dieser Zweck ist legitim. Denn es ist nicht nur im Einzel­ interesse der das Gericht anrufenden Parteien, sondern auch von grundlegendem Interesse der Allgemeinheit, dass Gerichte zivilrechtliche Sachverhalte aufklären und entscheiden.170 Die uneingeschränkte Informationsverwendung zur Subsumtion ist geeignet, die Entscheidung im Rechtsstreit herbeizuführen, denn sie erlaubt die Anwendung von abstrakten Regelungen auf den konkreten Sachverhalt. Dazu sind grundrechtsrelevante Informationen nicht weniger geeignet als andere. Dies gilt insbesondere bei unstreitigen Informationen, denn diese sind grundsätzlich deshalb nicht zulässig bestreitbar, weil sie wahr sind. Die uneingeschränkte Informationsverwendung ist erforderlich, um unter die Rechtsnorm zu subsumieren. Eine beschränkte Informationsverwendung würde dazu führen, dass bestimmte Tatsachen bei der Entscheidung unberücksichtigt blieben und damit nicht der wahre, sondern ein fiktiver Sachverhalt entschieden würde. Die für die Entscheidungsfindung geeignete und erforderliche uneingeschränkte Informationsverwendung müsste indes angemessen sein. Hier ist zwischen dem betroffenen persönlichkeitsschützenden Grundrecht auf der einen und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und dem Recht auf rechtliches Gehör auf der anderen Seite abzuwägen, wobei keines der Verfassungsgüter abstrakt vorrangig ist.171 Erforderlich ist deshalb eine harmonisierende Güter- und Interessenabwägung zur Schaffung größtmöglicher praktischer Konkordanz der kollidierenden Positionen, wobei die betroffenen Güter in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so in Ausgleich zu bringen sind, dass sie weitgehend ihre Wirkung entfalten können. Dabei kommt es auf die Ausgeglichenheit nicht im Speziellen, sondern im Generellen an, denn im konkreten Einzelfall bedeutet sowohl die Informationsverwendung als auch die Nichtverwendung jeweils die vollständige Verdrängung eines der Verfassungsgüter. Bei diesem Maßstab lässt sich eine ausgleichende Harmonie also nicht erzielen. Vielmehr muss die Norm im Generellen sowohl Fälle akzeptieren, in denen das eine Verfassungsgut überwiegt, als auch solche, in denen das andere überwiegt. Auf abstrakt-gesetzlicher Ebene ist eine uneingeschränkte Einbeziehung der grundrechtsrelevanten Informationen in 169 

Zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Teil  3, B. III. 4. a) aa). Teil  3, B. III. 4. a) aa) (1). 171  Teil  3, B. III. 4. a) aa) (4). 170 

C. Unstreitiger Sachvortrag

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das Verfahren ebenso unverhältnismäßig wie eine uneingeschränkte Nichteinbeziehung.172 Das Gebot des nach allen Seiten schonendsten Ausgleichs fordert, dass in bestimmten Fällen die Informationsverwendung unterbleibt. Die Zivilprozessordnung ist also verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Informationsverwendung im Einzelfall aufgrund der überwiegenden Grundrechtsinteressen der im Persönlichkeitsrecht betroffenen Partei unterbleiben muss.173 Durch diese einschränkende Auslegung ist die ungeschriebene Befugnisnorm dann verhältnismäßig und verfassungsmäßig. cc) Verfassungskonforme Auslegung Diese verfassungskonforme Auslegung zur Normerhaltung ist zulässig.174 Die Voraussetzungen für eine verfassungskonforme Auslegung liegen vor, denn die allgemeine Gesetzesauslegung ergibt, dass die Informationsverwendungsbefugnis in der Zivilprozessordnung sowohl verfassungskonform eingeschränkt als auch verfassungsnonkonform unbeschränkt ausgelegt werden kann. Die Wortlautauslegung der nicht ausdrücklich normierten Befugnisnorm spricht weder für noch gegen das Vorliegen einer Ausnahmeregel. Auch aus der Nichtregelung können keine Rückschlüsse gezogen werden, da die Thematik noch relativ wenig Aufmerksamkeit erlangt hat, sodass sich die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte nicht näher zu einer Sachvortragseinschränkung einlässt. Auch die systematische Auslegung ist nicht eindeutig. Für eine Beschränkung sprechen mit dem Grundsatz der verfassungsfreundlichen Auslegung die dargestellten verfassungsrechtlichen Hintergründe.175 Dagegen werden regelmäßig der Verhandlungsgrundsatz176 und die Dispositionsmaxime177 als pauschale Schlagwortargumente angeführt. Tatsächlich sprechen diese Prozessmaximen nicht gegen eine beschränkte Auslegung. Durch die beschränkte Informations172 

Macht, S.  247 f. BAG NJW 2017, 843, 844; Morgenroth, NZA 2014, 408, 412; U. Koch, ZFA 2018, 109, 121; Reitz, NZA 2017, 273, 276–278. 174  Zum Gebot der verfassungskonformen Auslegung, ihren Voraussetzungen und Grenzen, Teil  3, B. III. 4. a) bb)–dd). 175  Zu diesem Grundsatz Teil  3, B. III. 4. a) cc. 176  BGH NJW 2010, 289, 292; LAG Sachsen-Anhalt Urt. v. 15.04.2008 – 11 Sa 522/07 – juris, Rz.  41; LAG Baden-Württemberg Urt. v. 06.02.2012 – 4 Sa 55/11 – juris, Rz.  82; Gemmeke, S.  147; Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1205; Tschöpe/Grimm, Teil  6 F, Rn.  218; Grimm/ Schiefer, RdA, 2009, 329, 342; Lunk, NZA 2009, 457, 458; Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50, 57. Zum Verhandlungsgrundsatz Teil  2, A. III. 177  LAG Baden-Württemberg Urt. v. 06.02.2012 – 4 Sa 55/11 – juris, Rz.  82; Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1205; Grimm/Schiefer, RdA, 2009, 329, 342; Heinemann, MDR 2001, 137, 139; Lunk, NZA 2009, 457, 458. Zum Dispositionsgrundsatz Teil  2, A. III. 173 

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

verwendung wird weder das Verfahren gegen den Willen der Parteien betrieben noch der Streitgegenstand verändert. Die Verfügungsbefugnis über das Verfahren im Ganzen bleibt unberührt. Die Auslegung steht deshalb in keinem Widerspruch zum Dispositionsgrundsatz. Die beschränkte Informationsverwendung dürfte allerdings dem reinen Verhandlungsgrundsatz widersprechen, denn dieser verbietet nicht nur die Beachtung nicht vorgetragener Tatsachen, sondern gebietet auch die (uneingeschränkte) Berücksichtigung unstreitig vorgetragener Tatsachen. Einen derart reinen Verhandlungsgrundsatz kennt die Zivilprozessordnung aber nicht. Dies zeigen insbesondere andere Informationsverwendungsbeschränkungen, wie die Vorschriften der Präklusion, §§  296, 530 ZPO. Überdies fordert der Beibringungsgrundsatz auch in seiner Reinform nur die Berücksichtigung des von den Parteien einvernehmlich dem Gericht zur Entscheidung vorlegten Vortrags. Wenn eine Partei aber diese Berücksichtigung ausdrücklich nicht wünscht und dies durch Rüge kenntlich macht, fehlt es an dieser Einvernehmlichkeit.178 Der Normzweck, der im Rahmen der teleologischen Auslegung zu berücksichtigen ist, ist ebenfalls mehrdeutig, denn bereits die Zwecke des Prozesses und die konkrete Informationsverwendung sind nicht singulär, und diese Zwecke werden durch eine grundrechtsbeschränkende Informationsverwendung teilweise zugleich gefördert und behindert.179 Gegen eine Beschränkung sprechen das Ziel, die subjektiven Rechte der vortragenden Partei zu schützen, das Ziel, den tatsächlichen Lebenssachverhalt zu entscheiden, das Bedürfnis nach Rechts­ frieden durch Entscheidung des tatsächlichen Lebenssachverhalts und Praktikabilitätserwägungen. Dafür sprechen das Ziel, die subjektiven (Persönlichkeits-) Rechte der anderen Partei zu schützen, das Bedürfnis nach Rechtsfrieden, welcher durch faktische Billigung des Rechtseingriffs missachtet würde, Präven­ tionserwägungen, Einzelfallgerechtigkeit und die inhaltliche Ausstrahlungswirkung der Verfassung auf das einfache Gesetzesrecht. Die Zivilprozessordnung ist somit mehrdeutig. Nach dem Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung ist deshalb diejenige Lesart anzuwenden, die bei bestimmten grundrechtsrelevanten Informationen Einschränkungen in der Befugnis zur Informationsverwendung vorsieht. Dieses Auslegungsergebnis widerspricht nicht der grundsätzlichen Entscheidung des Normsetzers, denn es betrifft insbesondere nur Ausnahmefälle und erhält daher das prinzipielle Normziel.180 Im Ergebnis muss die Zivilprozessordnung daher einschränkend verfassungskonform ausgelegt werden, sodass die Verwendung von im unstreitigen Tatsachenvortrag verkörperten Informationen bei der Subsumtion und Entscheidungs178 

Schreiber, NJ 2008, 575, 576; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 229. Insoweit kann umfänglich auf die Erwägung bei den Beweisverboten verwiesen werden: Teil  3, B. III. 4. a) cc) (5). 180  Zu den Grenzen der Auslegung Teil  3, B. III. 4. a) dd). 179 

C. Unstreitiger Sachvortrag

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findung nicht zulässig ist, wenn im Einzelfall der Grundrechtseingriff in das Persönlichkeitsrecht schwerer wiegen würde als der Eingriff in die Rechtspflege und die Rechte des Vortragenden.181 dd) Verfassungsgemäße Gesetzesanwendung Die Normbeschränkung durch die verfassungskonforme Auslegung der Befugnisnorm ist wie ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal zu lesen, das eine Abwägung im Einzelfall fordert.182 Die verfassungskonforme Auslegung der Subsumtionsbefugnis ist in vielen Punkten mir der verfassungskonformen Auslegung der Beweismaßnahmenbefugnisse und der Befugnis zur beweismittelähnlichen Verwendung von Sachvortrag vergleichbar. Beide kommen zu dem Ergebnis, dass es Grenzen der Informationsverwendung geben muss. Diese Grenze ist im Einzelfall, durch eine Gesamtabwägung zu ermitteln (praktische Konkordanz).183 Wiegt der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht schwerer als der Eingriff in das Recht auf rechtliches Gehör und in die Funktionsfähigkeit der Zivilrechtspflege, ist das Gericht zur Informationsverwendung nicht berechtigt. Im umgekehrten Fall können und müssen die Informationen verwendet werden, denn dann zwingen das Recht auf rechtliches Gehör und in die Funktionsfähigkeit der Zivilrechtspflege zur „umgekehrten“ verfassungskonformen Auslegung.184 Bei den Abwägungskriterien auf Seiten des Prozessgegners ergeben sich keine wesentlichen Unterschiede zur Beweismittelverwendung und beweismittelähn­ lichen Sachvortragsverwendung. Maßgeblich sind auch hier die Intensität von Dauer und Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigung und damit die Umstände der rechtswidrigen Kenntniserlangung.185 Nicht in die Abwägung mit einzubeziehen sind jedoch etwaige Sanktionsgedanken186 oder die Rechtswidrigkeit der Beweismittelbeschaffung187. Die verfassungskonforme Auslegung soll nur vor 181  BAG NZA 2011, 571, 573; NZA 2017, 443, 444; NZA 2017, 1327, 1328; NJW 2017, 843, 844; NJW 2017, 2853, 2854; U. Koch, ZFA 2018, 109, 121; Reitz, NZA 2017, 273, 276. Nach anderer Ansicht eine teleologische Reduktion, Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 241. Offengelassen ob Auslegung oder Rechtsfortbildung Morgenroth, NZA 2014, 408, 412. 182  Dazu Teil  3, B. III. 5. 183  BAG NZA 2011, 571, 573 f.; LAG Rheinland-Pfalz ZD 2015, 488, 491 f.; LAG Köln LAGE §  611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr.  3, S.  5 f.; OLG Saarbücken VersR 2009, 1479, 1480; Morgenroth, NZA 2014, 408, 412; Reitz, NZA 2017, 273, 277; Sander, CR 2014, 292, 298 f.; Schreiber, NJ 2008, 575, 576. 184  Zur „umgekehrten“ verfassungskonformen Auslegung auch Teil  3, B. III. 4. a) ee). 185  Dazu Teil  3, B. III. 5. 186  Anders wohl OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577, 1578; Tiedemann, ZD 2012, 342. 187  Anders wohl OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577, 1578; Reitz, NZA 2017, 273, 277;

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

dem Eingriff durch die Verwendung des grundrechtsrelevanten Sachvortrags schützen. Auf der anderen Seite ist insbesondere die Intensität des Eingriffs in das Recht auf rechtliches Gehör zu berücksichtigen. Dieser Eingriff ist abstrakt betrachtet deutlich schwerwiegender als der in das Recht auf Beweis im Falle der Beweismittelverwendung und beweismittelähnlichen Sachvortragsverwendung. Zwar wird auch beim Subsumtions-Sachvortragsverbot nur die Verwendung bei der Entscheidungsfindung eingeschränkt, nicht die zeitlich vorgelagerte Behauptung an sich. Teilweise wird deshalb vertreten, die Abwägung sei mit der bei den Beweisverboten identisch.188 Allerdings verbleibt bei einem Beweisverbot oder beweismittelähnlichem Sachvortragsverbot die Möglichkeit, das Gericht mit anderen, zulässigen Beweismitteln zu überzeugen. Eine solche Alternative gibt es bei einem Subsumtions-Sachvortragsverbot nicht. Eine rechtswidrige Kenntniserlangung schließt bereits per Definition andere, zulässige Beweismittel aus, da diese die Rechtswidrigkeit der Kenntniserlangung heilen würden.189 Und andere Beweismittel könnten wegen der dargelegten Irrelevanz der Beweissituation für die Sachvortragsverwendung ohnehin nicht die Prozessniederlage abwenden. Die Nichtverwendung des Sachvortrags führt daher beinahe zwingend zur Prozessniederlage. Im Tatsächlichen dürfte die Eingriffsschwere aber bei der Informationsverwendung zur Subsumtion und bei der Verwendung zur Wahrheitsfindung vergleichbar sein.190 Auch das Beweisverbot führt in der Praxis regelmäßig zur Prozessniederlage, denn das verbotene Beweismittel ist meist das einzige zur Verfügung stehende, sodass das Beweisverbot zur Beweislosigkeit führt. Zudem kommt es bei dem Sachvortragsverbot durch Subsumtion auf den Inhalt der unstreitigen Tatsache an, ob aus der Nichtverwendung wirklich die Prozessniederlage folgt. Insbesondere ist maßgeblich, ob nur Zusatzwissen unzulässig ist. In diesen Fällen kann nämlich das verbleibende, zulässige Rumpfwissen für den Prozesssieg ausreichend sein.191 Ähnlich verhält es sich, wenn nur einer von mehreren vorgetragenen Kündigungsgründen nicht festgestellt wird und die Kündigung dennoch wegen der anderen Gründe wirksam ist. Der Eingriff ist Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 232; Beschäftigtendatenschutz/Thüsing/Pötters, §  21, Rn.  35, die das Sachvortragsverbot mit dem Leerlaufen des Beweisverbots begründen. 188  Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 232; Beschäftigtendatenschutz/Thüsing/Pötters, §  21, Rn.  35. 189  Teil  4, B. II. 2. b) cc). 190 Anders U. Koch, ZFA 2018, 109, 110, der das Sachvortragsverbot in ein „prozessual vorgelagertes Stadium des Verfahrens“ einordnet. Dies überzeugt nicht, weil sowohl das Sachvortragsverbot als auch das Beweisverbot jede gerichtliche Maßnahme betreffen können, unabhängig davon, ob diese die Überzeugungsbildung von §  286 ZPO oder eine Entscheidung während des Beweisverfahrens (Vorhalt, Indiz für Anbeweis bei der Parteivernehmung) betrifft. 191  Weber, ZZP 129 (2016), 57, 66.

C. Unstreitiger Sachvortrag

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daher nicht pauschal schwerwiegender, wenn statt Beweis(ähnlichen)maßnahmen die Sachvortragsverwendung bei der Subsumtion beschränkt wird. Für die Schwere des Eingriffs sind vielmehr die konkreten Auswirkungen auf das Ergebnis des Prozessverhältnisses entscheidend. Diese Auswirkungen sind bei der Abwägung zu berücksichtigen.192 Daneben muss der Wert des streitgegenständlichen materiellen Anspruchs in die Abwägung einbezogen werden.193 Nicht überzeugen kann die Berücksichtigung der hypothetischen Möglichkeit rechtmäßiger Informationserlangung.194 Der Grundrechtskonflikt folgt schließlich aus der rechtswidrigen Informationserlangung durch die Prozesspartei. Wenn diese Erlangungshandlung noch in dem Prozess grundrechtsbeschränkend fortwirkt, kann sie nicht als bloße Formalität unbeachtet gelassen oder durch eine nicht genutzte, aber hypothetisch zur Verfügung gestandene rechtmäßige Alternative geheilt werden. Neben dem persönlichen Interesse der erklärenden Partei hat das Recht auf rechtliches Gehör und die umfassende Verwendung der vorgetragenen Informationen auch für das Gemeinschaftsgut der funktionierenden Rechtspflege eine wesentliche Funktion, denn die Sachverhaltsfeststellung und Beurteilung sind entscheidende Voraussetzungen des Zivilprozesses und deshalb von grundlegender Bedeutung. Auch dies muss daher in der Abwägung berücksichtigt werden.195 ee) Ergebnis Im Ergebnis folgt aus der Grundrechtsbindung des Gerichts daher auch bei unstreitigem Sachvortrag eine Grenze, die die Verwendungsbefugnis bei der Subsumtion einschränkt und so ein Sachvortragsverbot begründet. Damit führen dieselben verfassungsrechtlichen Überlegungen, die ein Beweisverbot und ein beweismittelähnliches Sachvortragsverbot begründet haben, auch zu einem Sachvortragsverbot bei der subsumtionsmäßigen Zugrundelegung von unstreitigem Sachvortrag.196 192 Insoweit

besteht tatsächlich Ähnlichkeit zu den Abwägungsgesichtspunkten des Beweisverbots, wo auch die Existenz von Alternativbeweismitteln in die Abwägung mit einzubeziehen war: Teil  3, B. III. 5. 193  OLG Saarbrücken VersR 2009, 1478, 1481; Eylert, NZA-Beil. 2015, 100, 106; Fuhlrott/ Schröder, NZA 2017, 278, 282; Reitz, NZA 2017, 273, 277; Wirsching, NZV 2016, 13, 15; Zimmermann in: Taeger, 171, 182. 194  J. Braun, S.  766; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 235. 195  Teil  3, B. III. 5. 196  BAG NZA 2011, 571, 573; NZA 2017, 443, 444; NZA 2017, 1327, 1328; NJW 2017, 843, 844; NJW 2017, 2853, 2854; U. Koch, ZFA 2018, 109, 121; Reitz, NZA 2017, 273, 277; Beschäftigtendatenschutz/Thüsing/Pötters, §  21, Rn.  35; IT-Arbeitsrecht/Tiedemann, B., Rn.  493 f.

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

4. Rechtsfolge a) Nichtexistenz nur bei der gerichtlichen Maßnahme Bei der beweismittelähnlichen Verwendung von unstreitigem Sachvortrag ergeben sich keine Unterschiede zu der Beweismittelverwendung oder der beweismittelähnlichen Verwendung von streitigem Sachvortrag. Die Information gilt bei der Maßnahme des Gerichts als rechtlich nichtexistent, kann aber Gegenstand der Parteibehauptung sein.197 Dem entspricht auch die Rechtsfolge der beschränkt ausgelegten Befugnis zur Sachvortragsverwendung bei der Subsumtion. Das Gericht darf den betroffenen Sachvortrag bei der Feststellung des Tatbestandes nicht berücksichtigen und der Entscheidung nicht zugrunde legen.198 Nur insoweit gilt die Information als nicht­ existent. Die Partei kann den Vortrag aber als Behauptung einführen.199 Dem Gericht ist nicht die Kenntnisnahme des Vortrags an sich verboten, weil dies ein umfassender Eingriff in Art.  103 Abs.  1 GG wäre.200 Sobald aber der Vortrag zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen wird, dann aber aus rechtlichen Gründen nicht der Entscheidung zugrunde gelegt wird, ist dies mit Art.  103 Abs.  1 GG vereinbar.201 Deshalb begründet das Sachvortragsverbot insoweit nicht ein Kenntnisnahmeverbot, sondern ein Zugrundelegungsverbot.202 Die Klage oder die Rechtsverteidigung der Partei ist deshalb nicht unschlüssig, denn der erforderliche subsumtionsfähige Sachvortrag wurde von der Partei dargelegt. Er kann aber als solcher nicht vom Gericht verwendet werden. Die Zivilprozessordnung kennt deshalb nicht nur unschlüssigen, unerheblichen oder unbewiesenen Sachvortrag203, sondern auch unzulässigen oder nichtverwendbaren Sachvortrag. 197 

Teil  4, B. II. 3. b). BAG NZA 2017, 1327, 1328; U. Koch, ZFA 2018, 109, 121; Morgenroth, NZA 2014, 408, 412; Reitz, NZA 2017, 273, 276–278. 199  LAG Sachsen Urt. v. 12.06.2003 – 2 Sa 790/02 – juris, Rz.  62; LAG Mecklenburg-Vorpommern Urt. v. 18.05.2004 – 1 Sa 387/03 – juris, Rz.  46 f.; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  340 („Verbot des reinen Sachvortrags“); Weber, ZZP 129 (2016), 57, 79. Das verkennen Gross/Lorenz, FA 2003, 229, 232; Reichenbach, S.  216, die in dem Sachvortragsverbot ein Behauptungsverbot sehen. 200  BVerfG NJW 1982, 1453. 201  BVerfG NJW 1982, 1636, 1637; NJW 1983, 1307, 1308; NJW 1986, 833; NJW 2006, 976, 977; AK-ZPO/Schmidt, Einleitung, Rn.  86; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 232. 202  Anders und deswegen kritisch BAG NJW 2008, 2732, 2734; LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 16.11.2011 – 3 Sa 284/11 – juris, Rz.  32; Grobys, NJW 2008, 2736; Heinemann, MDR 2001, 137, 140; Lunk, NZA 2009, 457, 458. 203  So die wiederholte aber verfälschend verkürzte Wiedergabe von BAG NJW 2008, 2732, 2733. Etwa in Ahrens, Kapitel  6, Rn.  29; Fuhlrott/Oltmanns, NZA 2016, 785, 788.; Grimm/ Schief­er, RdA 2009, 329, 342; Heinemann, MDR 2001, 137, 140; Germelmann/Matthes/Prüt198 

C. Unstreitiger Sachvortrag

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b) Bestreitenserfordernis Weil in der Praxis vor allem Fälle von nur rechtswidrig erlangtem Zusatzwissen auftreten,204 ist regelmäßig zwischen zulässigem Basiswissen und unzulässigem Zusatzwissen zu unterscheiden. Wenn das Wissen vollständig rechtswidrig erlangt wurde, ist der Sachvortrag insgesamt nicht zulässig. So etwa, wenn der Voyeur seine Nachbarn filmt und dabei auf einen rechtlich relevanten Sachverhalt stößt.205 Wenn aber die Kenntniserlangung nur in Teilen rechtswidrig war, ist das unabhängig erlangte Basiswissen von dem Sachvortragsverbot nicht betroffen. Die Partei darf nicht schlechter gestellt werden, als sie prozessual stünde, wenn sie von der rechtswidrigen Beschaffungshandlung abgesehen hätte.206 In diesen Fällen muss die Partei die Verwendbarkeit des Zusatzwissens rügen und daneben das zulässig erlangte, dem Verbot nicht unterfallende Basiswissen bestreiten, damit dieses nicht als zugestanden gilt, §  138 Abs.  3 ZPO. Entgegen dem Grundsatz, dass eine Partei auf qualifizierten Vortrag stets qualifiziert gegenvortragen muss, um ein Beweisverfahren zu erwirken,207 genügt in diesem Fall aber eine angepasste Bestreitenspflicht. Der Substantiierungsumfang beim Bestreiten orientiert sich dann an dem zulässigen Sachvortrag. Die Anforderungen entsprechen denjenigen, die bestünden, wenn der Gegner die unzulässigen (und deshalb fingiert nichtexistenten) Tatsachen nicht vorgetragen hätte.208 Abhängig vom Gehalt des Basiswissens, genügt dann ein pauschales Bestreiten mit der Folge, dass in der dann notwendigen Beweisaufnahme bezüglich des bloß behaupteten Rumpfvortrags der Beweis gelingen oder aber wegen Beweisfälligkeit scheitern kann. Damit diese angepasste Substantiierungspflicht sich in den üblichen Verfahrensablauf eingliedert, muss das Gericht bei der Entscheidung, ob der Sachstand streitig ist, prüfen, ob die Zusatzkenntnis verwendbar ist. Ist sie es nicht, muss ting/Prütting, §  58, Rn.  32. Wie hier: BAG NZA 2011, 571, 573; NJW 2017, 843, 844 f.; NZA 2017, 443, 445; LAG Niedersachsen NZA-RR 2010, 406, 408; LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 16.11.2011 – 3 Sa 284/11 – juris, Rz.  42; LAG Köln LAGE §  611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr.  3, S.  3 f.; LAG Rheinland-Pfalz ZD 2015, 488, 491; OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577, 1578; Bergwitz, NZA 2012, 353, 359; Brors, BB 2011, 1536; Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1205; Reitz, NZA 2017, 273, 275; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 69. 204  Weber, ZZP 129 (2016), 57, 65. 205  Beispiel nach Weber, ZZP 129 (2016), 57, 68. 206  Weber, ZZP 129 (2016), 57, 68. 207  Teil  4, C. I. 208  OLG Saarbücken VersR 2009, 1479; OLG Karlsruhe MMR 2009, 412, 414 f.; Fuhlrott, NZA 2017, 1308, 1311 (vage); Kort, NZA 2012, 1321, 1326; BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  31; Saenger/Wöstmann, §  138, Rn.  2. Wohl anders LAG Sachsen Urt. v. 12.06.2003 – 2 Sa 790/02 – juris, Rz.  62; ArbG Frankfurt Beschl.v.30.05.2012 – 7 BV 168/12 – juris, Rz.  36.

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

das Gericht den Vortrag als streitig erklären. Das Gericht würde gegen §  139 Abs.  1 ZPO verstoßen, wenn es erst im Rahmen der Überzeugungsbildung nach §  286 Abs.  1 S.  1 ZPO auf Nichtexistenz der Zusatzkenntnis erkennt, da es so dem Erklärenden die Möglichkeit nehmen würde, weitere Beweismittel und Indizien zu benennen. Das Gericht darf dabei nicht erst prüfen, ob es auch ohne die Zusatzkenntnis von der Wahrheit des Sachverhalts überzeugt ist, denn dann würde es eine unzulässige Beweisantizipation vornehmen.209 c) Feststellungsverfahren Die prozessualen Voraussetzungen unterscheiden sich nicht von denen bei einem Beweisverbot oder einem beweismittelähnlichen Sachvortragsverbot, denn aufgrund der gleichen Herleitung und der gleichen Rechtsfolge (fingierte Nichtexistenz) treffen die dortigen Erwägungen auch hier zu. Insbesondere ist eine Verfahrensrüge erforderlich.210 Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen trägt die Partei, die sich auf das Verbot beruft, wobei das Beweisverfahren im Strengbeweis durchgeführt wird.211 5. Unbegründete Kritik Das Rechtsinstitut des Sachvortragsverbots stößt indes wiederholt auf Kritik in Judikatur und Literatur.212 Auffallend an der Kritik ist, dass die Gegenargumente meist über das pauschal genannte Stichwort nicht hinausgehen. Insbesondere werden vermeintliche Konflikte mit den allgemeinen Zivilverfahrensprinzipen, namentlich dem Beibrin-

209 

Zur Beweisantizipation Zöller/Greger, vor §  284, Rn.  10a. BAG NZA 2011, 571, 574; LAG Hessen Urt. v. 10.12.2012 – 17 Sa 982/12 – juris, Rz.  28; LAG Rheinland-Pfalz ZD 2015, 488, 491. Anders (Prüfung von Amts wegen) BAG NZA 2017, 443, 445; NJW 2017, 843, 845; BB 2019, 697, 698; U. Koch, ZFA 2018, 109, 111. Die Prüfung von Amts wegen hätte insbesondere zur Folge, dass Beweisverbot und Sachvortragsverbot unterschiedliche Folgen in der Säumnissituation haben, U. Koch, ZFA 2018, 109, 122. 211  Zu den Verfahrensvoraussetzungen: Teil  3, D. I. 212  BGH NJW 2010, 289, 292; LAG Mecklenburg-Vorpommern Urt. v. 15.08.2002 – 1 Sa 296/01 – juris, Rz.  34; LAG Mecklenburg-Vorpommern Urt. v. 18.05.2004 – 1 Sa 387/03 –, juris Rz.  46 f.; LAG Sachsen-Anhalt Urt. v. 15.04.2008 – 11 Sa 522/07 – juris, Rz.  41; LAG Baden-­ Württemberg Urt. v. 06.02.2012 – 4 Sa 55/11 – juris Rz.  80; LAG Hessen Ur.v.18.05.2009 – 17 Sa 1507/08 – juris, Rz.  41; Ahrens, Kapitel  6, Rn.  29; MAH-Strafverteidigung/Becker, §  32, Rn.  173; Fuhlrott/Oltmanns, NZA 2016, 785, 788; Heinemann, MDR 2001, 137, 139; Tschöpe/ Grimm, Teil  6 F, Rn.  218; Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50, 57; MüKo-ZPO/Prütting, §  284, Rn.  62, 76; Schneider, MDR 2000, 1029, 1030; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377, 390. Wohl auch Kroh, S.  227 f.; Tresenreuther, S.  47. 210 

C. Unstreitiger Sachvortrag

163

gungs- und Verhandlungsgrundsatz213 und der Dispositionsmaxime214, nicht näher begründet. Dass diese Konflikte so nicht vorliegen, wurde bereits im Rahmen der Auslegung erörtert.215 Unzutreffend ist der Vorwurf, das Gericht entscheide gegen den Willen der Beteiligten gleich einer inquisitorischen Macht.216 Das Sachvortragsverbot wird nur auf Rüge hin geprüft und angewandt, weil anderenfalls ein Grundrechtsverzicht anzunehmen ist.217 Sollten beide Parteien übereinstimmend die Zugrundelegung des Sachvortrags wollen, liegt also kein Grundrechtskonflikt und damit kein Sachvortragsverbot vor. In dessen Anwendungsbereich gibt es also keinen übereinstimmenden Willen der Parteien, sodass sich das Gericht nicht dem Willen beider Parteien widersetzt, sondern vielmehr dem Willen einer Partei folgt.218 Auch wird eingewandt, dass ein Sachvortragsverbot den Unterschied zwischen Beweismittel und Tatsachenvortrag nivelliere.219 Dies ist jedoch nicht der Fall. Zwar können beide ein Verwendungsverbotsgegenstand sein, werden deshalb aber nicht unzulässig gleichbehandelt. Grund der jeweiligen Verbote ist es, dass sowohl Sachvortrag als auch Beweismittel grundrechtsrelevante Informa­ tionen beinhalten können und dass sowohl Sachvortrag als auch Beweismittel vom grundrechtsgebundenen Gericht verwendet werden und sich daher an denselben grundrechtlichen Vorgaben messen lassen müssen. Gerade weil das Sachvortragsverbot allein auf die Grundrechtsrelevanz des Sachvortrags und nicht des Beweismittels abstellt, wird dem Unterschied zwischen Beweismittel und Sachvortrag aber ausreichend Rechnung getragen. Ein Sachvortragsverbot stellt keine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung dar.220 Die Beweissituation ist für die Grundrechtsrelevanz des Sachvortrags und damit für das Sachvortragsverbot von keiner Bedeutung. Soweit zulässige Beweismittel existieren, entfällt in der Regel per Definition die Grund213  BGH NJW 2010, 289, 292; LAG Sachsen-Anhalt Urt. v. 15.04.2008 – 11 Sa 522/07 – j­uris, Rz.  41; LAG Baden-Württemberg Urt. v. 06.02.2012 – 4 Sa 55/11 – juris, Rz.  82; Dzida/ Grau, NZA 2010, 1201, 1205; Gemmeke, S.  147; Tschöpe/Grimm, Teil  6 F, Rn.  218; Grimm/ Schiefer, RdA, 2009, 329, 342; Heinemann, MDR 2001, 137, 140; Lunk, NZA 2009, 457, 458; Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50, 57. 214  LAG Baden-Württemberg Urt. v. 06.02.2012 – 4 Sa 55/11 – juris, Rz.  82; Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1205; Grimm/Schiefer, RdA, 2009, 329, 342; Heinemann, MDR 2001, 137, 139 f.; Lunk, NZA 2009, 457, 458. 215  Teil  4, C. II. 3. b) cc). 216  So aber Gemmeke, S.  148; Heinemann, MDR 2001, 137, 140; Lunk, NZA 2009, 457, 458. 217  Schreiber, NJ 2008, 575, 576; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 229; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 84. Anders (Prüfung von Amts wegen) BAG NZA 2017, 443, 445; NJW 2017, 843, 845. 218  Weber, ZZP 129 (2016), 57, 83 f. 219  So aber Gemmeke, S.  148; Heinemann, MDR 2001, 137, 140; Lunk, NZA 2009, 457, 458. 220  So aber Heinemann, MDR 2001, 137, 140.

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

rechtsrelevanz des Sachvortrags; dies aber nicht wegen der Beweisbarkeit, sondern wegen der nicht grundrechtsrelevanten Tatsachenkenntniserlangung, die damit einhergeht. Soweit keine zulässigen Beweismittel existieren, hat dies keinen Einfluss auf die Grundrechtsrelevanz des Sachvortrags.221 Weder die Beweisbarkeit noch die Nichtbeweisbarkeit beeinflusst also die Zulässigkeit oder Verwendbarkeit des Sachvortrags. Eine (vorweggenommene) Beweiswürdigung erfolgt daher nicht. Richtig ist dementgegen der Einwand, die Nichtverwendung würde zu einem wahrheitswidrigen Urteil führen.222 Tatsächlich wird unstreitiger Sachvortrag ­regelmäßig der Wahrheit entsprechen, denn anderenfalls würde er bestritten werden (können). Zur Unzulässigkeit des Sachvortragsverbots führt diese Wahrheitswidrigkeit jedoch nicht, denn die absolute Wahrheit ist nicht Ziel des Zivilprozesses,223 und die Zivilprozessordnung kennt auch an anderen Stellen die Notwendigkeit, die Wahrhaftigkeit des dem Urteil zugrunde gelegten Sachverhalts wegen übergeordneter Prinzipien einzuschränken.224 In dem herausgearbeiteten Anwendungsbereich begegnet das Sachvortragsverbot damit keinen durchgreifenden Bedenken. 6. Ergebnis Im Ergebnis kann also die Verwendung unstreitigen Sachvortrags in zwei Situationen einem Verbot unterfallen: Einmal kann unstreitiger Sachvortrag bei der Beweisaufnahme oder bei der Beweiswürdigung als Erkenntnismittel verwendet werden. Daneben kann die Verwendung des unstreitigen Sachvortrags bei der Subsumtion einem Sachvortragsverbot unterliegen. Die Behauptung der Partei und deren Kenntnisnahme durch das Gericht wird durch keines der Verbote berührt. Zu einem Verbot kommt es in beiden Situationen, wenn die Sachvortragskenntniserlangung derart rechtswidrig war, dass auch die gerichtliche Verwendung einen Grundrechtseingriff darstellen würde, der als solcher so schwer wiegt, dass zu dessen Vermeidung ein Eingriff in das Recht auf rechtliches Gehör und in die Funktionsfähigkeit der Zivilrechtspflege gerechtfertigt ist. Die Beweismittelbeschaffung spielt indes keine Rolle, sofern und soweit mit ihr nicht die Kenntniserlangung des Sachverhalts untrennbar verbunden ist.225 221 

Teil  4, B. II. 2. b) cc). Schneider, MDR 2000, 1029, 1030; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377, 390. 223  Teil  3, B. III. 4. a) cc) (5). 224  So etwa die Präklusionsvorschriften in §§  296, 530 ZPO zugunsten der Verfahrensbeschleunigung oder die Anforderungen an die Postulationsfähigkeit vor Landgerichten. 225  Kein Sachvortragsverbot bei einer nur rechtswidrigen Beweisbeschaffung etwa in LAG Hessen Urt. v. 18.05.2009 – 17 Sa 1507/08 – juris, Rz.  41. 222 

C. Unstreitiger Sachvortrag

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Das Beweisverbot und das Verbot, streitigen oder unstreitigen Sachvortrag beweismittelähnlich zu verwenden, sind daher ähnliche Rechtsfiguren. Auch das Verbot, unstreitigen Sachvortrag bei der Subsumtion zu verwenden, unterscheidet sich von diesen Rechtsfiguren nur geringfügig: Die dogmatische Konstruktion ist auch hier die verfassungskonforme Auslegung zur Vermeidung einer Grundrechtsverletzung, und es verbietet nicht die Kenntnisnahme, sondern nur die Zugrunde­ legung. Unterschiede können sich jedoch bezüglich der Abwägungsgesichtspunkte, des Entscheidungszeitpunkts und der Hinweispflicht des Gerichts ergeben.

III. Beweisverfahren bei unstreitigem Sachvortrag Bei der eingangs beschriebenen Konfliktsituation226 ist Kern der Kritik aber das Ausbleiben des Beweisverfahrens und damit das Nichteingreifen des Beweisverbots. Die Partei muss wählen, ob sie verfahrensrechtlich korrekt nicht bestreitet und in der Folge den Prozess verliert oder ob sie verfahrenswidrig bestreitet und in der Folge nach einer Beweislastentscheidung den Prozess gewinnt. Darauf hat das Verbot von unstreitigem Sachvortrag im Sinne des Teil  4, C. II. keinen Einfluss. Es hat nur die Nichtexistenz des unstreitigen Sachvortrags bei der Subsumtion zur Folge. Das kann zwar im Einzelfall ebenso zum Prozesssieg der im Persönlichkeitsrecht verletzten Partei führen, beruht dann aber auf der rechtswidrig erlangten Sachvortragskenntnis. Ist nur die Beweismittelbeschaffung rechtswidrig, hat dies aber kein Sachvortragsverbot zur Folge. Die Konfliktsituation bleibt also zumindest teilweise neben dem Rechtsinstitut Sachvortragsverbot bestehen. Ohne Beweisverfahren kann allenfalls ein Sachvortragsverbot der Informa­ tionsverwendung Grenzen setzen, denn einem Beweisverbot fehlt der Anknüpfungspunkt. Die darin enthaltenen Informationen werden nicht verwendet, weil sie aus verfahrensrechtlichen Gründen entbehrlich sind. Bei unstreitigem Vortrag kommt es auf den Inhalt der Beweismittel nicht an. Bei Nichtverwendung der Informationen gibt es aber keinen Anlass, die Verwendungsbefugnis des Gerichts durch Beweisverbot einzuschränken. Daher wird im Folgenden der Frage nachgegangen, ob und wie ein Beweisverfahren und damit ein Anknüpfungspunkt für das geforderte Beweisverbot in der fraglichen Konstellation herbeigeführt werden kann. Dazu wird geprüft, ob ein Beweisverfahren wegen der rechtswidrigen Beweisbeschaffung auch bei unstreitigem Sachvortrag stattfinden kann (1.), ob die rechtswidrige Beweisbeschaffung ein wahrheitswidriges Bestreiten gestattet (2.) oder ob die rechtswidrige Beweisbeschaffung eine Unterstellung der Beweis­ erheblichkeit erlaubt (3.). 226 

Teil  4, C. I.

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

1. Beweisverfahren trotz Nichtbestreiten Zunächst ist zu hinterfragen, ob die Unstreitigkeit des Sachvortrags zwingend das Ausbleiben eines Beweisverfahrens zur Folge hat oder ob das Gericht trotz rechtlich zugestandenem Vortrag das Beweisverfahren eröffnen kann. a) Entscheidung über die Feststellungsbedürftigkeit §§  138 Abs.  3, 331 Abs.  1 S.  1 ZPO bestimmen, dass nicht bestrittene Tatsachen als zugestanden anzusehen sind. §  288 Abs.  1 ZPO bestimmt weiter, dass zugestandene Tatsachen „keines Beweises bedürfen“. Dieser mehrdeutige („bedürfen nicht“) Wortlaut kann als zwingende („dürfen nicht“) oder optionale („brauchen nicht, können aber“) Regel verstanden werden.227 Ganz überwiegend wird er jedoch so ausgelegt, dass das Gericht in diesen Fällen keinen Beweis erheben darf und der Sachverhalt ohne Nachprüfung der Entscheidung zugrunde gelegt werden muss („dürfen nicht“).228 Dieses Verständnis ist jedoch keineswegs unangefochten, sondern wird zumindest bei übereinstimmend vorgetragener Unwahrheit diskutiert. aa) Übereinstimmend vorgetragene Unwahrheit Die Diskussion über die Entscheidungshoheit beschäftigte sich bisher durchweg mit der Frage, ob die Parteien übereinstimmend unwahr vortragen dürfen und das Gericht an diesen unwahren Vortrag gebunden ist.229 Die dort relevanten Erwägungen sollen kurz skizziert werden. Fokus der Diskussion ist der Konflikt zwischen den Parteien, gemeinsam auf der einen Seite, und dem Gericht auf der anderen Seite („Parteifreiheit gegen Richtermacht“)230. Die Bindung des Gerichts an unwahren Vortrag wird als Folge der Parteienfreiheit, die Nichtbindung als Einschränkung derselben zugunsten der Wahrheitsfindung betrachtet. Die Diskussion ist deshalb stark von den unter227  Cahn, AcP 198 (1998), 35, 38; R. Koch, S.  121; Schmidt, DRiZ, 1988, 59, 60; AK-ZPO/ Schmidt, §  138, Rn.  67. 228  BGH DNotZ 1969, 670, 671; OLG Hamburg VersR 2008, 770, 772; LAG Niedersachsen NZA-RR 2010, 406, 408; Cahn, AcP 198 (1998), 35, 36; Chudoba, S.  120; Debernitz, S.  202; Eylert, NZA-Beil. 2015, 100, 105; Frohn, S.  87; Gemmeke, S.  147; Gomille, S.  379; Zöller/ Greger, §  138, Rn.  9, 11; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grdz. §  128, Rn.  24; Heine­ mann, MDR 2001, 137, 139; Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50, 57; MüKo-ZPO/Prütting, §  284, Rn.  62, 76; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung, Rn.  330; AK-ZPO/Schmidt, Einleitung, Rn.  44. 229  B. Hahn, S.  265, 273; AK-ZPO/Schmidt, Einleitung, Rn.  60; Weyers in: FS Esser, 193, 202 f. 230  B. Hahn, S.  19.

C. Unstreitiger Sachvortrag

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schiedlichen Prozessauffassungen des sozialen und des liberalen Prozesses geprägt.231 Nach der sozialen Prozessauffassung haben die Parteien kein Ver­ fügungsrecht über Tatsachen.232 Das Gericht kann unstreitige Behauptungen ­unberücksichtigt lassen.233 Das deutsche Zivilprozessrecht ist durch die Dispositions- und die Verhandlungsmaxime grundsätzlich liberal geprägt.234 Nach der liberalen Prozessauffassung haben die Parteien ein Verfügungsrecht über Tatsachen, denn der Verzicht auf die Überprüfung der Wahrheit wird als partieller Verzicht der Rechtsverfolgung gesehen.235 Das Gericht muss unstreitige Behauptungen bei der Entscheidung zugrunde legen, auch wenn es nicht von der Wahrheit überzeugt ist.236 Der Dispositionsgrundsatz hat auf die Stoffsammlung nur mittelbare Auswirkungen durch die Bestimmung des Streitgegenstandes.237 Aus ihm folgt allein die Dispositionsbefugnis über den Prozess als Ganzes, nicht über einzelne Tatsachen.238 Auf die vorliegende Frage hat er daher keine Auswirkungen. Anders verhält es sich mit dem Verhandlungsgrundsatz: Die teleologische Auslegung von §§  138 Abs.  3, 331 Abs.  1 S.  1, 288 ZPO befindet sich im Spannungsfeld zwischen Wahrheitspflicht und Verhandlungsgrundsatz. Die §§  138 Abs.  3, 331 Abs.  1 S.  1, 288 ZPO können so verstanden werden, dass sich das Gesetz mit der „formellen Wahrheit“ begnügt, also der Verhandlungsgrundsatz die Wahrheitspflicht eingrenzt, oder dass das Gesetz davon ausgeht, dass nur wahre Behauptungen unstreitig sind, also die Wahrheitspflicht den Verhandlungsgrundsatz einschränkt.239 Für letztere Ansicht werden insbesondere mögliche Folgewirkungen einer Rechtsstreitigkeit auf Dritte angeführt.240 Außerdem hätten die Parteien ausreichend außerprozessuale Möglichkeiten, den Streit auf Basis unwahrer Tatsachen beizulegen, sodass ihnen dieses Recht nicht auch im staatlichem Prozess zuteil kommen müsse.241 Die staatliche Justiz soll nicht nur die Einzelfallgerechtigkeit verwirklichen, sondern auch eine objektiv richtige Entscheidung fällen, um so einen Beitrag zur Fortentwicklung des Rechts und 231 

Dazu Teil  2, A. III. Brehm, S.  10, 15. 233  Bomsdorf, S.  283; Brehm, S.  19; Cahn, AcP 198 (1998), 35, 70; AK-ZPO/Schmidt, §  138, Rn.  67; Schmidt, DRiZ, 1988, 59, 60. 234  Dazu Teil  2, A. III. 235  Brehm, S.  10; Wagner, S.  622. 236  Brehm, S.  9, 28, 46; H. Prütting in: FS Gottwald, 507, 509. 237  Benedicter, S.  162. 238  Weichbrodt, S.  236. 239  Brehm, S.  22 f.; R. Koch, S.  112; AK-ZPO/Schmidt, §  138, Rn.  62. 240  R. Koch, S.  115, 119 f. Zumindest keine Bindung an ein offenkundig unwahres Geständnis, BGH NJW 1979, 2089. 241  B. Hahn, S.  273; Weyers in: FS Esser, 193, 202 f. 232 

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

zur Rechtssicherheit zu leisten.242 Für die erste Ansicht wird dementgegen angeführt, dass die Wahrheitspflicht aus §  138 Abs.  1 ZPO nur eine Redlichkeitspflicht der Parteien untereinander sei und deshalb der übereinstimmend vorgetragenen Unwahrheit nicht entgegenstehe.243 Systematisch könnte die Nennung der Wahrheitspflicht (§  138 Abs.  1 ZPO) vor der Regelung über unstreitigen Sachvortrag (§  138 Abs.  3 ZPO) eine Gewichtung nahelegen, die gegen die Zulässigkeit von übereinstimmend unwahrem Vortrag spricht.244 Auch aus der Nähe des gesetzlich normierten Geständnisses (§  288 Abs.  1 S.  1 ZPO) zu den Beweis­ würdigungsregelungen (§§  286 Abs.  1 S.  1, 287 ZPO) wird gefolgert, dass das Gericht nicht unumstößlich an den Vortrag gebunden ist.245 Nach der ganz herrschenden Meinung entscheiden im Regelfall246 aber allein die Parteien über die Feststellungsbedürftigkeit der Tatsachen, und das Gericht ist an den unstreitigen Sachvortrag gebunden.247 bb) Unvergleichbarkeit Die Argumente der bisherigen Diskussion sind letztlich nur von geringer Aussagekraft für die Frage, ob im Interesse der einen Partei ein Beweisverfahren erfolgen kann. Denn anders als bei dem übereinstimmend unwahren Vortrag geht es im vorliegenden Fall gerade nicht um den Gegensatz von Parteifreiheit und Richtermacht.248 Es wollen nicht beide Parteien etwas übereinstimmend, sondern eine Partei wünscht sich die Feststellungsbedürftigkeit, die andere aber nicht. Es soll nicht das Gericht an einen unwahren Vortrag gebunden werden, sondern eine Partei wünscht sich die Beweisaufnahme zulasten der Wahrheitsfindung. Die Ausgangssituationen der beiden Auslegungsfragen sind deshalb grundverschieden. Die Diskussion um die Bindung an gemeinsam vorgetragenen, unwahren Sachvortrag zeigt aber, dass die grundsätzliche Entscheidungshoheit der Parteien über die Feststellungsbedürftigkeit von Tatsachen nicht unumstritten ist. 242 

Dazu Teil  3, B. III. 4. a) aa) (1). Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  79; Wagner, S.  621, 708. 244  AK-ZPO/Schmidt, §  138, Rn.  68 f.; Schmidt, DRiZ, 1988, 59, 60. 245  Schmidt, DRiZ, 1988, 59, 60. 246  Ausnahme bei Offenkundigkeit und bei Relevanz für die Rechte Dritter, BGH VersR 1970, 826, 827; NJW 1978, 2154, 2157; Wagner, S.  628. Anders Cahn, AcP 198 (1998), 35, 70; AK-ZPO/Schmidt, §  138, Rn.  67; Schmidt, DRiZ, 1988, 59, 60. 247  BGH DNotZ 1969, 670, 671; BAG NJW 2008, 2732, 2733; LAG Niedersachsen NZA-RR 2010, 406, 408; MAH-Strafverteidigung/Becker, §  32, Rn.  172 f.; Brehm, S.  9, 28, 46; Eylert, NZA-Beil. 2015, 100, 105; Musielak/Voit/Foerste, §  284, Rn.  14a; Grimm/Schiefer, RdA, 2009, 329, 342; Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  81; Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50, 57; Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074, 2078; MüKo-ZPO/Prütting, §  284, Rn.  89; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 241; Musielak/Voit/Stadler, §  138, Rn.  7. 248  Schreiber, NJ 2008, 575, 576; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 229. 243 

C. Unstreitiger Sachvortrag

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b) Rüge als Sonderfall? Wenn bereits die Bindung an gemeinsam vorgetragenen, unwahren Sachvortrag nicht unumstritten ist, könnte das Gericht erst Recht aufgrund einer Parteirüge ausnahmsweise befugt sein, ohne ausreichendes Bestreiten Beweis zu erheben. Nach diesem Lösungsansatz könnten aufgrund einer Beweisverbotsrüge die §§  138 Abs.  3, 331 Abs.  1 S.  1, 288 ZPO einschränkend ausgelegt oder teleologisch reduziert werden, damit das Gericht Beweis erheben kann und dann das Beweisverbot seine Wirkung entfalten kann.249 §  138 Abs.  3 ZPO könnte dabei als bloße Auslegungsregel verstanden werden, die die Fiktion eines Zugeständnisses nicht erlaubt, wenn der Wunsch, zugestehen zu wollen, nicht aus dem Verhalten der Partei hervorgeht.250 Wenn also eine Partei die Einlassung verweigert, dürfe das nicht als Zugestehen gewertet werden.251 Für diesen Lösungsansatz wird angeführt, dass allein er es ermögliche, dass die betroffene Partei weder lügen noch sich selbst belasten müsse.252 Die Vertreter dieser Ansicht wünschen also eine Ausweitung der gesetzlich eingeschränkten gerichtlichen Verwendungsbefugnis, um diese dann wieder einschränken zu können: §  138 Abs.  3 ZPO ist nach dem grundsätzlichen, oben herausgearbeiteten Verständnis eine Einschränkung der Wahrheitsprüfung,253 und auch das Beweisverbot ist eine einschränkende Auslegung der gerichtlichen Beweismaßnahmenbefugnisse254. Allerdings folgt aus der in §  138 Abs.  3 ZPO geregelten Einschränkung die Zugrundelegung der unstreitigen Tatsachen bei der Entscheidung, während die mit dem Beweisverbot einhergehende, gewünschte Einschränkung die Nichtzugrundelegung der streitigen und unbewiesenen Tatsachen zur Folge hätte. Neben der bereits erwähnten Mehrdeutigkeit des Wortlauts von §§  138 Abs.  3, 288 ZPO werden vor allem teleologische Argumente für eine einschränkende Auslegung angeführt. Schutzzweck und Funktion des Beweisverbots können nach dieser Ansicht nur gewahrt werden, wenn das Gericht auf Rüge hin ein Beweisverfahren eröffnen kann.255 Diese Ansicht verkennt aber, dass das in Teil  3 ermittelte Beweisverbot allein den Schutz vor einer unverhältnismäßigen 249 

Eylert, NZA-Beil. 2015, 100, 107; Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50, 58; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 241; Weichbrodt, S.  283. Wohl auch BAG BB 2019, 697, 699; BGH NJW 2012, 301, 302; OLG Saarbrücken VersR 2009, 1478, 1479; HWK/Lembke, BDSG Vorb., Rn.  112. 250  Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 231. 251  OLG Saarbücken VersR 2009, 1479; LAG Rheinland-Pfalz ZD 2015, 488, 491; Zöller/ Greger, §  138, Rn.  3a; Natter in: Beschäftigtendatenschutz in der Reform, 133, 152; Beschäftigtendatenschutz/Thüsing/Pötters, §  21, Rn.  35. 252  Weichbrodt, S.  283. 253  Teil  4, C. III. 1. a). 254  Teil  3, B. IV. 255  OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577, 1578; Eylert, NZA-Beil. 2015, 100, 107.

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

Informationsverwendung des Gerichts bezweckt.256 Eine solche liegt aber nicht vor, denn ohne Beweisaufnahme werden die Informationen aus dem Beweis­ mittel gerade nicht verwendet. Außerdem ist das Nichtbestreiten regelmäßig nur aus dem Grund unmöglich, dass der Sachvortrag der Wahrheit entspricht. Das Beweisverbot ist aber kein Behelf der Partei, um sich vor einer rechtmäßigen Inanspruchnahme zu schützen. Und schließlich bezweckt das Beweisverbot nicht die Sanktionierung der Beschaffungshandlung,257 sodass die fehlende (prozessuale) Sanktionierung keine einschränkende Auslegung begründen kann. Der Schutzzweck des Beweisverbots ist daher nicht berührt. Insbesondere aber wird die einschränkende Auslegung von §§  138 Abs.  3, 331 Abs.  1 S.  1, 288 ZPO aus verfassungsrechtlichen Gründen gefordert.258 Entscheidende Voraussetzung dafür ist ein Grundrechtseingriff. Ein solcher liegt nicht in der Informationsverwendung durch das Gericht, denn die Beweismittel werden nicht verwendet, und der verwendete Sachvortrag ist von den Beweismitteln zu unterscheiden.259 Der maßgebliche Grundrechtseingriff könnte aber in einem erzwungenen Zugestehen und damit in einer erzwungenen Informationspreisgabe liegen.260 Allerdings fingiert §  138 Abs.  3 ZPO nur ein Zugeständnis. Die Norm zwingt weder zur aktiven Informationspreisgabe noch stellt sie die Wahrheit der Tatsachen fest. Eine Fiktion ist ein Rechtssatz, der eine in Wahrheit nichtvorliegende Tatsache als vorliegend behandelt.261 So verhält es sich auch mit §  138 Abs.  3 ZPO („sind als zugestanden anzusehen“). §  138 Abs.  3 ZPO bestimmt also nur, dass für die Zwecke des Verfahrens davon ausgegangen wird, dass die Parteien die Wahrheit der Tatsache nicht festgestellt wissen möchten. Über die Wahrheit der Tatsache sagt dies aber nichts weiter aus, insbesondere weil nach herrschender Meinung auch übereinstimmend unwahrer Vortrag das Gericht bindet.262 §  138 Abs.  3 ZPO zwingt also zu keiner Informationspreisgabe und greift deshalb nicht in ein Grundrecht ein. Ein Grundrechtseingriff könnte schließlich darin liegen, dass die Prozesspartei entgegen Art.  103 Abs.  1 GG nicht mit der Behauptung gehört wird, das Beweismittel sei rechtswidrig erlangt worden.263 Aufgrund der binären Struktur des Prozessrechts und der Wahrheitspflicht hat die Partei kein prozessuales Mittel, um die Beweisaufnahme herbeizuführen und um dort ihre Rechte zu verteidigen. Das Fehlen einer 256 

Kort, NZA 2012, 1321, 1324. Dazu Teil  3, E. Teil  3, E. 258  OLG Saarbrücken VersR 2009, 1478, 1479; Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50, 58; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 241 (teleologische Reduktion); Weichbrodt, S.  282 f. (teleologische Reduktion). 259  Teil  4, B. II. 2. b) und Teil  4, C. II. 2. d). 260  Natter in: Beschäftigtendatenschutz in der Reform, 133, 151 f. 261  Köbler, S.  151. 262  Zum übereinstimmend unwahren Parteivortrag Teil  4, C. III. 1. a) aa). 263  Morgenroth, ZStV 2012, 212, 221. 257 

C. Unstreitiger Sachvortrag

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Rügemöglichkeit verstößt aber nicht gegen das Recht auf rechtliches Gehör. Dieses erfordert nicht die Berücksichtigung jeden Vortrags, sondern nur von solchem, der entscheidungsrelevant ist.264 Wenn ein Beweismittel nicht verfahrensgegenständlich ist, ist seine Verwendbarkeit nicht entscheidungsrelevant. Weder in der Informationsverwendung noch in der Geständnisfiktion und der fehlenden Beweisverbotsrügemöglichkeit liegt daher ein Grundrechtseingriff. Eine einschränkende Auslegung von §§  138 Abs.  3, 331 Abs.  1 S.  1, 288 ZPO ist daher aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gefordert. Die vorgetragenen Argumente können eine einschränkende Auslegung oder teleologische Reduktion nicht begründen. Zudem sprechen eine Reihe von Argumenten gegen eine eingeschränkte Lesart. Würde man die Beweisaufnahme in das Belieben des Gerichts stellen, hätte dies einen nicht unerheblichen Unsicherheitsfaktor für die Parteien zur Folge.265 Diese Rechtsunsicherheit ist gerade im formellen Prozessrecht zu vermeiden. Zur Herstellung von Rechtssicherheit wäre das Gericht gezwungen, stets bei einer Beweisverbotsrüge das Beweisverfahren zu eröffnen. Das würde aber nicht nur dem grundsätzlichen System der Zivilprozessordnung widersprechen, das ein Beweisverfahren nur bei streitigem und entscheidungserheblichem Sachvortrag vorsieht, sondern es würde auch den Prozess verlangsamen und die Rechte der gegnerischen Partei aus Art.  103 GG massiv einschränken. Überdies macht der vorgeschlagene Lösungsansatz nicht ausreichend deutlich, welche Folge die eingeschränkte Auslegung oder teleologische Reduktion von §§  138 Abs.  3, 331 Abs.  1 S.  1, 288 ZPO hätte. Die Vertreter dieses Lösungskonzepts erklären, die Einlassungsverweigerung dürfe infolge der Auslegung nicht als Zugeständnis gewertet werden.266 Die Zivilprozessordnung kennt aber nur streitigen oder unstreitigen Vortrag, ein „Dazwischen“ existiert nicht.267 Wenn also die Auslegungsregel aus §§  138 Abs.  3, 331 Abs.  1 S.  1, 288 ZPO nicht auf das Zugeständnis schließen lässt, dann kann sie nur auf ein Bestreiten schließen lassen. Damit wird also die Erklärung der Partei als Bestreiten gewürdigt. So wird ihr Verhalten im Ergebnis als prozessrechtswidrig (und möglicherweise strafrechtswidrig)268 ausgelegt, obwohl sie nicht prozessrechtswidrig handeln wollte.269 264 

Dazu Teil  2, A. II. Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 241. 266  OLG Saarbücken VersR 2009, 1479; LAG Rheinland-Pfalz ZD 2015, 488, 491; Zöller/ Greger, §  138, Rn.  3a; Natter in: Beschäftigtendatenschutz in der Reform, 133, 152; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 241; Beschäftigtendatenschutz/Thüsing/Pötters, §  21, Rn.  35. 267  Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 231. 268  Zur Strafrechtswidrigkeit (Prozessbetrug): Teil  4, C. III. 2. a). Zur Strafrechtswidrigkeit auch bei prozessrechtlicher Zulässigkeit Teil  4, C. III. 2. c) und Teil  5, B. III. 6. 269 Anders Schreiber, ZZP 122 (2009), 227–242, der zwar §  138 Abs.  3 ZPO als objektiv-normative Auslegungsregel versteht (S.  231) und die Auslegung der Erklärung als Bestrei265 

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

Auch wenn eine Partei rügt, der Gegner habe sich Beweismittel rechtswidrig beschafft oder habe keinerlei rechtmäßig beschaffte, zulässige Beweismittel, ist das Gericht an den unstreitigen Sachvortrag gebunden.270 c) Ergebnis Unstreitiger Sachvortrag wird im Zivilprozess nicht durch ein Beweisverfahren überprüft. Das Gericht ist an den übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt gebunden. Die Parteien können ohne ausreichendes Bestreiten kein Beweisverfahren fordern. Es gibt kein Recht auf Prüfung der Wahrheit durch das Gericht, wenn die Parteien von der Wahrheit Kenntnis haben.271 Von diesem Grundsatz ist auch dann keine Ausnahme zu machen, wenn eine Partei rügt, der Gegner habe nur unzulässige, weil rechtswidrig beschaffte Beweismittel. Diese Beweisverbotsrüge führt nicht dazu, dass das Gericht ohne ausreichendes Bestreiten Beweis erheben kann. 2. Beweisverfahren durch ausnahmsweise zulässiges Bestreiten Da ein Beweisverfahren nur bei ausreichendem Bestreiten eröffnet werden kann, muss die Partei die Tatsachenbehauptung bestreiten, um die Rechtswidrigkeit der Beweisbeschaffung zu rügen. Nur wenn der Sachvortrag streitig und damit beweisbedürftig ist, kann das dann eingreifende Beweisverbot zum vermeintlich gerechten Ergebnis führen.272 Deshalb ist die prozessrechtliche Unzulässigkeit des Bestreitens im Falle einer rechtwidrigen Beweisbeschaffung zu hinterfragen. Dabei stehen die Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht aus §  138 Abs.  1 ZPO und deren Grenzen zur Diskussion. a) Vollständige und der Wahrheit gemäße Erklärung §  138 Abs.  1 ZPO betrifft „die Erklärungen der Parteien“. Erklärung meint dabei sowohl den Vortrag als auch den Gegenvortrag, also das Bestreiten.273 In beiden Fällen muss die Erklärung vollständig und der Wahrheit gemäß sein. ten wegen der binären Regelungstechnik als „widersinniges Verlangen“ ansieht (S.  237), zugleich aber die teleologische Reduktion von §  138 Abs.  3, 331 Abs.  1, 288 ZPO befürwortet (S.  241). 270  Gemmeke, S.  147 f.; Heinemann, MDR 2001, 137, 140. 271  Lindenberg, S.  79. 272  LAG Sachsen-Anhalt Urt. v. 15.04.2008 – 11 Sa 522/07 – juris, Rz.  41; Heinemann, MDR 2001, 137, 141; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 238 f. 273  Benedicter, S.  49; Gomille, S.  19; Zöller/Greger, §  138, Rn.  9; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, §  138 Rn.  29; Lindenberg, S.  79; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  2.

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Mit der Pflicht zur Wahrheit kann bereits aus praktischen Gründen nur die Pflicht zur subjektiven Wahrheit gemeint sein, denn eine Person ist naturgemäß in ihrer Wahrheitserfassung limitiert.274 Die Partei darf also nicht wider besseren Wissens falsche Behauptungen aufstellen oder zutreffende Behauptungen bestreiten.275 Die Behauptung oder das Bestreiten ohne konkrete Anhaltspunkte auf ­Basis von Schlussfolgerungen oder Vermutungen ist aber im Umkehrschluss zu §  138 Abs.  4 ZPO zulässig, denn infolge des Beibringungsgrundsatzes sind die Parteien genötigt, sich dazu zu erklären, worüber sie keine zuverlässige Kenntnis haben können.276 Auch die redlichste Prozessführung erfordert wegen §  138 Abs.  3 ZPO Behauptungen, deren Wahrheit die Partei nicht kennen kann.277 Der Wortlaut von §  138 Abs.  1 ZPO ist hinsichtlich der Vollständigkeitspflicht nicht eindeutig. Dass „Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig abzugeben“ sind, kann die Vollständigkeit aller relevanten Tatsachen bedeuten. Dann müssten die Parteien alle ihnen bekannten, entscheidungsrelevanten Tatsachen unabhängig von ihrer Darlegungs- und Beweislast vortragen. Grammatikalisch naheliegender ist aber die Deutungsmöglichkeit, dass diejenigen Erklärungen, die abgegeben werden, vollständig sein müssen. Das Adjektiv „vollständig“ bezieht sich auf das Wort „Erklärungen“, nicht auf „Tatsachen“. Anderenfalls hätte es „Tatsachen müssen vollständig erklärt werden.“ heißen müssen. Außerdem steht die Vollständigkeitspflicht im Zusammenhang zur Wahrheitspflicht in §  138 Abs.  1 ZPO und nicht zum Erklärungsumfang in §  138 Abs.  2 ZPO. Deshalb sieht die weit überwiegende Meinung in dem Gebot der Vollständigkeit nur ein Verbot der Halbwahrheit.278 Die Parteien dürfen also im Rahmen ihres Vortrags keine Einzelheiten verschweigen, die das Gesamtbild des Geschehens verfremden würden. Eine weitergehende Aufklärungspflicht besteht aber nicht. Eine andere Lesart würde dem System der prozessualen Risikoverteilung durch Darlegungs- und Beweislast nicht gerecht werden.279 Die Vollständigkeitspflicht ist damit Teil der Wahrheitspflicht.280

274  Fleck, S.  33; Grunsky, S.  182; Kiethe, MDR 2007, 625; R. Koch, S.  110 f.; H. Prütting in: FS Gottwald, 507, 509; Reitz, NZA 2017, 273, 274; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  2. 275  Chudoba, S.  95; Fleck, S.  34, 214; Kiethe, MDR 2007, 625; Konzen, S.  284; Reichen­ bach, S.  118; Reitz, NZA 2017, 273, 274; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 228; MüKo-ZPO/ Wagner, §  138, Rn.  2. 276  BVerfG WM 2012, 492, 493; BGH WM 1985, 736, 737; Chudoba, S.  94 f.; Kiethe, MDR 2007, 625, 626; H. Prütting in: FS Gottwald, 507, 509; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  9. 277  Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  65, Rn.  66. 278  Beckhaus, S.  73; Benedicter, S.  48; Reitz, NZA 2017, 273, 274; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  2. Anders Lindenberg, S.  85. 279  Beckhaus, S.  73; Benedicter, S.  48. 280  Fleck, S.  212; Grunsky, S.  184.

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

Die Pflichten aus §  138 Abs.  1 ZPO sind öffentlich-rechtliche Pflichten gegenüber dem Gegner und gegenüber dem Gericht.281 Sie bestehen nicht zum Selbstzweck, sondern dienen dem fairen Verfahrensablauf.282 Die Pflichten gelten auch für die Prozessbevollmächtigten.283 Es handelt sich um echte Rechtspflichten.284 Anders als bei einer Rechtslast, deren Beachtung im freien Belieben der Parteien steht,285 missbilligt die Zivilprozessordnung die Nichterfüllung einer Rechtspflicht als prozessrechtswidrig.286 Eine unmittelbare Rechtsfolge des Verstoßes gegen §  138 Abs.  1 ZPO ist indes nicht geregelt. Die häufig zu lesende Aussage, erkennbar unwahres Vorbringen bleibe im Rahmen der Beweiswürdigung unberücksichtigt,287 besagt letztlich nur, dass erkennbar unwahres Vorbringen das Gericht nicht von der Wahrheit überzeugen kann. Darin liegt aber keine Sanktion der prozessrechtswidrigen Lüge. Das Ergebnis ist vielmehr dem Entscheidungsprozess des Gerichts geschuldet, das dem erkennbar unwahren Vortrag keinen Glauben schenken wird. Die Folgen der Lüge sind eher mittelbarer Natur. Die Tatsache, dass gelogen wurde, kann als Verhandlungsinhalt im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden.288 Außerdem kann das Lügen Tathandlung eines (versuchten) Prozessbetrugs sein289 und Schadensersatzforderungen nach sich ziehen, §§  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §  263 StGB, §  826 BGB, die nach erfolgreicher Wiederauf281  Reitz, NZA 2017, 273, 274; Musielak/Voit/Stadler, §  138, Rn.  1. Anders Fleck, S.  211; Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  79. 282  Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50, 57. Anders Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  79. 283  BGH NJW 1952, 1148; Zöller/Greger, §  138, Rn.  6; Kiethe, MDR 2007, 625, 626; Lin­ denberg, S.  42; H. Prütting in: FS Gottwald, 507, 509; Reitz, NZA 2017, 273, 274; AK-ZPO/ Schmidt, §  138, Rn.  38 f., 49 f.; Musielak/Voit/Stadler, §  138, Rn.  8; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  4. Umstritten ist aber welche Norm diese Pflicht begründet: §  138 ZPO (dazu Lindenberg, S.  43–45, 50 f.), §  1 BRAO (dazu Lindenberg, S.  47–50, 54–64.), §  34 BRAO (dazu Linden­ berg, S.  45 f., 51 f.), §  43a Abs.  3 S.  2 BRAO (dazu Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  16; Linden­ berg, S.  46 f., 53 f.; Reitz, NZA 2017, 273, 274; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 242; Musielak/ Voit/Stadler, §  138, Rn.  8), Nr.  4.4 CCBE (dazu Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  16). 284  Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  213; Chudoba, S.  92; Gomille, S.  19; Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  1; R. Koch, S.  111; Reitz, NZA 2017, 273, 274; Schumann, JA 1976, 637, 639; MüKo-­ZPO/Wagner, §  138, Rn.  1. Anders Goldschmidt, S.  127. 285  Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  209; Schumann, JA 1976, 637, 639. 286  Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  214; Schumann, JA 1976, 637, 639. 287  Zöller/Greger, §  138, Rn.  7; Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  14; Reitz, NZA 2017, 273, 274; Musielak/Voit/Stadler, §  138, Rn.  7; Weichbrodt, S.  280; Saenger/Wöstmann, §  138, Rn.  3. 288  Grunsky, S.  183; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  15. 289  MAH-Strafverteidigung/Becker, §  32, Rn.  173; Zöller/Greger, §  138, Rn.  7; Grunsky, S.  183; Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  17; Kiethe, MDR 2007, 625, 626; Lunk, NZA 2009, 457, 459; Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50, 57; Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074, 2079; Reichen­ bach, S.  217; Reitz, NZA 2017, 273, 274; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 228; Musielak/Voit/ Stadler, §  138, Rn.  8; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  15; Saenger/Wöstmann, §  138, Rn.  3.

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nahme des Verfahrens (§  580 Nr.  4 ZPO) geltend gemacht werden können.290 Auch der Rechtsanwalt kann sich eines (versuchten) Prozessbetrugs strafbar machen oder Schadensersatzforderungen ausgesetzt sein.291 Gegen ihn kommen daneben anwaltsgerichtliche Maßnahmen nach §  113 BRAO in Betracht.292 Zurecht wird allerdings kritisiert, dass das Lügen im Prozess in der Praxis beinahe ungeahndet bleibt.293 Insbesondere Verurteilungen wegen Prozessbetrugs sind selten.294 Denn nicht jeder bewusst unwahre Vortrag ist eine Straftat.295 Die Abgrenzung zwischen dem noch zulässigen prozessualen Taktieren und der schon strafbaren Täuschungshandlung sehr schwierig. Die Strafbarkeitsschwelle zum Betrug ist aufgrund von praktischen Nachweisproblemen und dogmatischen Schwierigkeiten noch nicht ausjudiziert.296 Denn bereits auf rechtlicher Ebene ergeben sich vielseitige dogmatische Hürden, die hier in aller Kürze dargestellt werden: Tatbestandliche Täuschungshandlung ist die Behauptung unwahrer Tatsachen oder die Behauptung, dass wahre Tatsachen nicht wahr seien (Bestreiten).297 Das Bestreiten dürfte allerdings nur dann eine Täuschungshandlung sein, wenn der Täuschende auf die Nichtbeweisbarkeit vertraut, da sonst nur eine Prozessverzögerung beabsichtigt sein dürfte.298 Aufgrund der Täuschungshandlung unterliegt das Gericht einem Irrtum. Sofern es aufgrund der Täuschungshandlung lediglich nicht vom Gegenteil überzeugt ist und nach Beweislast entscheidet, ist aber ein erweiterter Irrtumsbegriff notwendig, weil durch die Beweislastverteilung die Unkenntnis einer entscheidungserheblichen Tatsache der positiven Vorstellung des Gerichts gleichgestellt wird.299 Mit dem Urteil verfügt das getäusch-

290  Eisenberg in: FS Salger, 15, 19; Zöller/Greger, §  138, Rn.  7; Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  17, 20; Kiethe, MDR 2007, 625, 626; Reichenbach, S.  120; Reitz, NZA 2017, 273, 274; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  15; Musielak/Voit/Stadler, §  138, Rn.  8; Saenger/Wöstmann, §  138, Rn.  3. 291  Reitz, NZA 2017, 273, 274. 292  Kiethe, MDR 2007, 625, 627. 293  Gomille, S.  25; Grunsky, S.  181, 183; Kiethe, MDR 2007, 625, 627. 294  Eisenberg in: FS Salger, 15, 18; Krell, JR 2012, 102; Meinecke, NZWiSt 2016, 47. 295  Meinecke, NZWiSt 2016, 47, 48. 296  Krell, JR 2012, 102; Meinecke, NZWiSt 2016, 47. Zum Prozessbetrug allgemein: Eisen­ berg in: FS Salger, 15–29; Krell, JR 2012, 102–109; Meinecke, NZWiSt 2016, 47–52; Seier, ZStW 201 (1990), 563–595. 297  Koffka, ZStW 54 (1935), 45, 56. Zur Frage ob nur qualifiziertes oder auch einfaches Bestreiten ausreichende Täuschungshandlung ist: Eisenberg in: FS Salger, 15, 20; Krell, JR 2012, 102, 104; Meinecke, NZWiSt 2016, 47, 50. 298  Koffka, ZStW 54 (1935), 45, 56. 299  Eisenberg in: FS Salger, 15, 21 f.; Koffka, ZStW 54 (1935), 45, 48 f.; Krell, JR 2012, 102, 105 f.; Reichenbach, S.  119. Kein Irrtum jedoch bei einer nach §  138 Abs.  3 ZPO fingierten Wahrheit, Koffka, ZStW 54 (1935), 45, 46.

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te Gericht über das Vermögen der geschädigten Partei.300 Der Prozessbetrug ist folglich ein Dreiecksbetrug, wo der Getäuschte und Verfügende nicht der Geschädigte ist.301 Das für die Zurechnung erforderliche Näheverhältnis zwischen Verfügendem und Geschädigtem folgt aus der durch die Gerichtsanrufung erteilten Vermögensverfügungsbefugnis und aus der hoheitlichen Stellung des Gerichts.302 Das (vorläufig) vollstreckbare Urteil ist ein kausaler Vermögenschaden.303 Zumeist wird aber die Täuschungshandlung weder zum Irrtum des Gerichts noch zum entsprechenden Urteilserlass führen, so dass üblicherweise nur ein Versuchsdelikt in Betracht kommt.304 Subjektiv ist neben dem Vorsatz jedoch insbesondere die Absicht erforderlich, sich einen rechtswidrigen, (stoffgleichen) Vermögensvorteil zu verschaffen. Der erstrebte Vorteil ist neben der Geltendmachung eines unberechtigten Anspruchs insbesondere auch die Befreiung von einer Verbindlichkeit durch Abwehr eines berechtigten Anspruchs.305 Sofern das Urteil aber der wahren Rechtslage entspricht, fehlt es je nach Vorstellung der Partei an der Bereicherungsabsicht.306 Neben diesen dogmatischen Hürden kommt in der Praxis hinzu, dass sowohl beim versuchten als auch beim vollendeten Delikt der erforderliche Vorsatz regelmäßig schwer nachzuweisen ist.307 Im Ergebnis handelt eine Partei, die unwahre oder unvollständige Erklärungen abgibt, also prozessrechtswidrig. Die Folgen dieser rechtswidrigen Handlung sind aber zumindest in der Praxis beschränkt. b) Einschränkung der Wahrheitspflicht Bereits bei Einführung der Wahrheitspflicht im Jahre 1933 wurde diskutiert, ob den Parteien in Sonderfällen Weigerungsrechte zustehen.308 Insbesondere die 300 

Krell, JR 2012, 102, 106. Eisenberg in: FS Salger, 15, 23; Gomille, S.  373; Kodek, ÖJZ 2010, 627, 630; Krell, JR 2012, 102, 106; Meinecke, NZWiSt 2016, 47, 48; Reichenbach, S.  119; Seier, ZStW 201 (1990), 563, 564. 302  Eisenberg in: FS Salger, 15, 23; Kodek, ÖJZ 2010, 627, 630; Krell, JR 2012, 102, 106; Meinecke, NZWiSt 2016, 47, 48; Seier, ZStW 201 (1990), 563, 565. 303  Krell, JR 2012, 102, 107; Meinecke, NZWiSt 2016, 47, 48. Nach anderer Ansicht nur schadensgleiche Vermögensverfügung; Reichenbach, S.  119; Seier, ZStW 201 (1990), 563, 565. 304  Meinecke, NZWiSt 2016, 47, 51. 305  BGH NJW 1997, 750. 306  BGH NJW 1997, 750, 751; Eisenberg in: FS Salger, 15, 24; Koffka, ZStW 54 (1935), 45, 59. Daneben könnte es in diesen Fällen aber bereits am notwendigen Schaden fehlen, Koffka, ZStW 54 (1935), 45, 59. 307  Krell, JR 2012, 102; Meinecke, NZWiSt 2016, 47. Zur Frage, ob ein Verstoß gegen §  138 Abs.  1 ZPO vorsätzliches Handeln impliziert: Reichenbach, S.  118. 308  Chudoba, S.  89; Lindenberg, S.  40 f. Zu den Hintergründen der Debatte um die Wahrheitspflicht Brehm, S.  160–167 (m. w. Nw.). 301 

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hier nicht interessierende Unwahrheit zu eigenen Ungunsten wird aufgrund der geltenden Verhandlungsmaxime vielfach als unproblematisch empfunden.309 Die Einschränkung der Wahrheitspflicht aus einseitigen Geheimhaltungsinteressen ginge dementgegen zu Ungunsten des Gegners. Ob und wie die Wahrheitspflicht insoweit eingeschränkt ist, hängt von den berührten Geheimhaltungsinteressen ab. Solche können aus der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung und aus Berufs-, Geschäfts- und Persönlichkeitsgeheimnissen folgen. aa) Strafrechtliche Selbstbelastungsfreiheit Die Wahrheitspflicht könnte wegen der strafrechtlichen Selbstbelastungsfreiheit, nemo tenetur se ipsum accusare, eingeschränkt sein, wenn anderenfalls eine Straftat offengelegt werden müsste.310 Dieser aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht, Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG, und dem Recht auf faires Verfahren, Art.  20 Abs.  3 GG, abgeleitete Grundsatz besagt, dass niemand verpflichtet ist, an der gegen ihn gerichteten Strafverfolgung mitzuwirken.311 Dieser Grundsatz betrifft zwar nicht nur innerhalb des Strafverfahrens getätigte Aussagen, regelt bei in anderen Verfahren getätigten Aussagen aber nur deren Verwendung im Strafverfahren.312 Das zeigen bereits die Regelungen der §  97 Abs.  1 S.  3 InsO, §  33g Abs.  6, Abs.  9 GWB, §  630c Abs.  2 S.  3 BGB, §  393 Abs.  2 S.  1 AO, wonach zwar zunächst eine unbeschränkte Auskunftspflicht im jeweiligen Verfahren besteht, die so zu Tage getretenen Informationen aber nur mit Zustimmung des zur Auskunft Verpflichteten in einem Strafverfahren gegen ihn verwendet werden dürfen. Zur Einschränkung der Wahrheitspflicht aus §  138 Abs.  1 ZPO lässt sich die Selbstbelastungsfreiheit daher eigentlich nicht ein. Sie fordert allenfalls, dass die im Zivilprozess getätigte Aussage nicht im Strafprozess berücksichtigt wird.313 Allerdings dehnt das Zeugnisverweigerungsrecht aus §  384 Nr.  2 ZPO den strafprozessualen Schutz auf den Zivilprozess aus. Dieses Zeugnisverweige309  Cahn, AcP 198 (1998), 35, 37; Chudoba, S.  93; Fleck, S.  213; Grunsky, S.  182; Henckel, S.  147; Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  6; Wagner, S.  625. Anders: R. Koch, S.  114–116; Martens, JuS 1974, 785, 789. Dazu auch oben (übereinstimmende Unwahrheit), Teil  4, C. III. 1. a) aa). 310  OLG Kassel JW 1937, 2768, 2769; OLG Düsseldorf NJOZ 2004, 3127, 3128; Heine­ mann, MDR 2001, 137, 142. Anders OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 2001, 1649; LAG Hessen Teilurt. v. 24.05.2002 – 9/2 Sa 1370/00 – juris, Rz.  61. 311  BVerfG NJW 1981, 1431, 1431; Benedicter, S.  63 f., 216; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2, Rn.  187; Schaefer, NJW-Spezial 2010, 120. 312  BGH ZZP 116 (2003), 371, 374; OLG München NJOZ 2008, 617, 618 f.; Schaefer, NJW-Spezial 2010, 120; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 239. 313  BVerfG NJW 1981, 1431, 1433; OLG München NJOZ 2008, 617, 618 f.; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 239.

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rungsrecht greift gleichwohl nicht für die Partei. Der eindeutige Wortlaut („Zeuge“), die systematische Verortung in Buch 2, Titel 7, sowie der fehlende Verweis in §  451 ZPO schließen eine unmittelbare Anwendung auf die Parteienaussage oder Parteienbehauptung aus. Die Vorschrift kann auch nicht analog angewandt werden. Aufgrund des bereits angesprochenen fehlenden Verweises in §  451 ZPO ist bereits die Planwidrigkeit einer Lücke zweifelhaft. Zudem greift auch der Rechtsgedanke des §  384 Nr.  2 ZPO nicht.314 Im Gegensatz zum Zeugen hat eine Partei eigene Interessen am Ausgang des Prozesses und deshalb eine andere Zumutbarkeitsgrenze als der Zeuge.315 Zudem trifft die Partei keine Aussagepflicht entsprechend §  390 ZPO.316 Und auch eine entsprechende Anwendung des allgemeinen strafprozessualen Selbstbelastungsfreiheitsgrundsatzes im Zivilverfahren überzeugt nicht. Es kann kein Grundsatz dahingehend begründet werden, dass niemand verpflichtet ist, an der zivilrechtlichen Verurteilung zu seinem Nachteil mitzuwirken.317 Zwar kann die Zwangssituation im Strafprozess, wo der Grundsatz unabhängig von der Strafhöhe gilt, nicht pauschal härter als im potentiell existenzbedrohenden Ziviloder Arbeitsgerichtsprozess angesehen werden.318 Anders als im Strafverfahren nimmt die Partei aber freiwillig am Gerichtsverfahren teil.319 Sie kann sich dem Verfahren und damit der Zwangssituation aus eigener Kraft durch Rücknahme, §  269 ZPO, Verzicht, §  306 ZPO, oder Anerkenntnis, §  307 ZPO, entziehen.320 Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Einschränkung der Wahrheitspflicht im Zivilprozess stets zulasten des Gegners geht.321 Dass auch die strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit beschränkt ist, wenn andere Rechtsgüter im Zuge dessen verletzt würden, zeigen der Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort, §  142 StGB, und die strafschärfende Verdeckungsabsicht, etwa in 314 

Ahrens, Kapitel  7, Rn.  50; Benedicter, S.  64; Martens, JuS 1974, 785, 789; BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  31.1; Musielak/Voit/Stadler, §  138, Rn.  3; Stürner, S.  190; MüKo-­ ZPO/Wagner, §  138, Rn.  14. 315  R. Koch, S.  204; Stürner, S.  190. 316  Benedicter, S.  64. 317  BGH ZZP 116 (2003), 371, 374. Diskutiert wird aber – im Zusammenhang mit etwaigen Aufklärungspflichten – ein Grundsatz nemo contra se edere tenetur, wonach keine Partei verpflichtet ist, der gegnerischen Prozessführung zum Erfolg zu verhelfen. Dazu: Beckhaus, S.  253–258; Benedicter, S.  29–31; v. Hartz/Schuster, VersR 2003, 1366, 1367; Gomille, S.  30 f. 318 Anders Beckhaus, S.  257. 319  BVerfG NJW 1981, 1431. 320  LAG Hessen Teilurt. v. 24.05.2002 – 9/2 Sa 1370/00 – juris, Rz.  61; Chudoba, S.  93; Martens, JuS 1974, 785, 789; Reitz, NZA 2017, 273, 275; BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  31.1; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  14; Weichbrodt, S.  280. 321  BGH ZZP 116 (2003), 371, 374; Ahrens, Kapitel  7, Rn.  60; Beckhaus, S.  257; R. Koch, S.  216; AK-ZPO/Schmidt, §  138, Rn.  35; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 239; Musielak/Voit/ Stadler, §  138, Rn.  3.

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§§  211 Abs.  2, 315 Abs.  3 Nr.  1b StGB.322 Ferner ist zu beachten, dass die strafprozessuale Selbstbezichtigungsfreiheit durch weitreichende hoheitliche Ermittlungsbefugnisse kompensiert wird, während die Zivilprozesspartei wegen des Beibringungsgrundsatzes deutlich stärker auf die Mitwirkung der anderen Partei angewiesen ist.323 Die strafprozessuale Selbstbelastungsfreiheit schränkt die Wahrheitspflicht im Zivilverfahren nicht ein. Außerdem können weder die strafprozessuale Selbst­ belastungsfreiheit noch das zivilprozessuale Zeugnisverweigerungsrecht auf die Zivilprozesspartei übertragen werden. Eine Einschränkung der Wahrheitspflicht bei Straftaten wäre zudem wertungswidersprüchlich, weil so die nicht nur rechtswidrig, sondern sogar strafbar handelnde Partei bevorteilt würde.324 Richtigerweise wird daher überwiegend eine Einschränkung der Wahrheitspflicht wegen Straftatoffenbarung verneint.325 bb) Grundrechtliche Interessen Unabhängig von der Straftatoffenlegung könnte aber das Persönlichkeitsrecht die Pflichten aus §  138 Abs.  1 ZPO einschränken.326 Falsch wäre es, im Wege eines Erst-Recht-Arguments von der Unbeachtlichkeit der Straftatoffenlegung auf die Unbeachtlichkeit der Persönlichkeitsoffen­ barung zu schließen. Die Straftatoffenbarung ist kein Mehr im Vergleich zum Persönlichkeitsschutz, sondern dieser umfasst als Mehr die Selbstbezichtigungsfreiheit. Eine direkte oder analoge Anwendung des Zeugnisverweigerungsrechts aus §  384 Nr.  2 ZPO („zur Unehre gereichen“) kommt aus dem bereits dargestellten Gründen nicht in Betracht.327 Eine Einschränkung der Wahrheitspflicht könnte aber aus den grundgesetzlichen Persönlichkeitsrechten folgen, denn eine Pflicht zur Informationspreisgabe berührt den Verpflichteten in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht.328 322  Ähnlich BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  56; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 239; Stürner, S.  186. 323  BVerfG NJW 1981, 1431; R. Koch, S.  216; Stürner, S.  185, 188. 324  Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 239; Stürner, S.  199. 325  Chudoba, S.  93; Zöller/Greger, §  138, Rn.  3; Lunk, NZA 2009, 457, 459; Martens, JuS 1974, 785, 789; Reitz, NZA 2017, 273, 275; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 238; BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  31.1; Musielak/Voit/Stadler, §  138, Rn.  3. Offengelassen BAG NZA 2011, 571, 574. 326  OLG Kassel JW 1937, 2768, 2769; Heinemann, MDR 2001, 137, 141. Zumindest in Erwägung ziehen dies auch Ahrens, Kapitel  7, Rn.  58 f.; Stürner, S.  199. 327  Teil  4, C. III. 2. b) aa). 328  Heinemann, MDR 2001, 137, 140.

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Vom Geheimnisschutz aufgrund der Privatsphäre und der Gefahr strafrecht­ licher Verfolgung ist der Geheimnisschutz im unternehmerischen Bereich zu unterscheiden.329 Das Interesse an der Geheimhaltung von Berufs- und Geschäftsgeheimnissen ist durch Art.  12 GG grundrechtlich geschützt.330 Anders als bei den Geheimhaltungsinteressen aus Persönlichkeitsgründen oder Strafbarkeitsgründen, zielt der Geheimnisschutz im unternehmerischen Bereich insbesondere auf das Verfahren bei der (vorprozessualen) Informationsbeschaffung.331 Diesen Problemen kann regelmäßig durch ein Geheimverfahren begegnet werden.332 Daneben beschränkt die Pflicht aus §  138 Abs.  1 ZPO das Geheimhaltungsinteresse an Geschäftsgeheimnissen.333 Insoweit sind die Erwägungen mit dem Geheimhaltungsinteresse an persönlichen Daten vergleichbar, denn der Art.  12 GG im beruflichen Lebensbereich ist insoweit das Pendant zu den Persönlichkeitsrechten im privaten Lebensbereich.334 Insoweit liegt ein Grundrechtseingriff vor, denn ein staatlicher Legislativakt verpflichtet zur Preisgabe von Informationen, an deren Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse besteht.335 Zu prüfen ist, ob diese Beschränkung verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist oder ob eine Einschränkung der Wahrheitspflicht erforderlich ist. In der Diskussion um die Einschränkung der Wahrheitspflicht machen die Befürworter einer solchen Einschränkung häufig nicht ausreichend deutlich, ob sie ein bloßes Äußerungsverweigerungsrecht befürworten oder darüberhinausgehende Beschränkungen in Form eines Rechts zur Lüge fordern.336 Zweifellos steht der Partei ein Verweigerungsrecht dahingehend zu, dass sie sich der Pflicht aus §  138 Abs.  1 ZPO vollständig durch Verfahrensbeendigung oder teilweise durch Schweigen entziehen kann. Die Verfahrensbetreibung im Zivilprozess ist freiwillig. Es steht den Parteien frei, sich dem staatlichen Verfahren auszusetzen, §§  269, 306, 307 ZPO. Der Verfahrensgegenstand und dessen (wirtschaftlicher) Wert können aber durchaus einen faktischen Zwang zur 329 

Benedicter, S.  62 f.; R. Koch, S.  205–214. Gomille, S.  309. 331  Benedicter, S.  62 f. 332  BGH GRUR 2010, 318, 319 f.; Ahrens, Kapitel  7, Rn.  65–77; Hauck, NJW 2016, 2218, 2222. Zum in der Praxis etablierten Düsseldorfer Verfahren (§  140c Abs.  3 PatG: Besichtigungsanspruch aus §  140c Abs.  1 PatG wird mittels Kombination aus selbstständigem Beweisverfahren und einstweiliger Verfügung auf Besichtigungsduldung durchgeführt): Beckhaus, S.  132– 137; Hauck, NJW 2016, 2218, 2222; R. Koch, S.  232–234. Zur Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse), RL 2016/943: Druschel/Jauch, BB 2018, 1218–1223; Hauck, NJW 2016, 2218, 2221 f. 333  BGH NJW 1992, 1817, 1819. 334  Gomille, S.  308 f. 335  Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 229. 336  Reitz, NZA 2017, 273, 275; Stürner, S.  176. 330 

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Rechtsverteidigung oder Rechtsdurchsetzung ausüben, sodass zumindest ein mittelbarer staatlicher Zwang zur Informationsfreigabe bestehen könnte. Aber auch wenn sich die Partei für das Verfahren entscheidet, zwingt die Pflicht aus §  138 Abs.  1 ZPO zu keiner Aussage. Die Zivilprozessordnung kennt keine Zwangsmittel, um eine Erklärung der Partei herbeizuführen. §  138 Abs.  3 ZPO zeigt, dass es Sachvortrag geben kann, der weder ausdrücklich bestritten noch ausdrücklich zugestanden wurde. Die Zivilprozessordnung erkennt also ein Schweigerecht der Parteien an. Wenn eine Partei aus Geheimhaltungsinteressen bestimmte Informationen im Zivilprozess nicht offenbaren möchte, kann sie die Aussage verweigern.337 Allerdings muss sie dann die zivilprozessualen Konsequenzen tragen.338 In diesem Fall gilt der gegnerische Vortrag als zugestanden, §  138 Abs.  3 ZPO, und die ausdrückliche Aussageverweigerung kann im Rahmen der Beweiswürdigung als Verhandlungsinhalt gewürdigt werden.339 Sowohl die Verfahrensbeendigung als auch das Schweigen sind daher für die Partei faktisch nachteilig, da sie entweder vollständig auf ein Recht verzichten oder aber den Grundstein eines für sie nachteiligen Prozessergebnisses legen muss. Es verbleibt daher ein faktischer Zwang zur Aussage. Dieser verbleibende faktische Zwang zur Informationspreisgabe ist im Regelfall dennoch gerechtfertigt. Ein darüberhinausgehendes Recht zur Lüge ist verfassungsrechtlich unzulässig. Den Rechten aus Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1, Art.  12 GG steht nämlich das Aufklärungsinteresse der gegnerischen Partei gegenüber.340 Der Zivilprozess basiert auf Vortrag und Gegenvortrag, auf Rede und Gegenrede.341 Dieses System wäre bei einer Einschränkung der Wahrheitspflicht durch ein Recht zur Lüge gefährdet. Die Unwahrheit verhindert eine funktionierende Kommunikation.342 Der Konflikt zwischen Aufklärungs- und Geheimhaltungsinteresse ist durch das Schweigerecht in §  138 Abs.  3 ZPO und

337 

BVerfG NJW 1981, 1431, 1431 f.; BGH NJW 1992, 1817, 1819; BAG NZA 2004, 489, 492; OLG München NJOZ 2008, 617, 618 f.; LAG Hessen Teilurt. v. 24.05.2002 – 9/2 Sa 1370/00 – juris, Rz.  61; R. Koch, S.  215; BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  31.1; Musielak/ Voit/Stadler, §  138, Rn.  3; Saenger/Wöstmann, §  138, Rn.  2. 338  BVerfG NJW 1981, 1431, 1431 f.; BGH NJW 1992, 1817, 1819; BAG NZA 2004, 489, 492; OLG München NJOZ 2008, 617, 618 f.; LAG Hessen Teilurt. v. 24.05.2002 – 9/2 Sa 1370/00 – juris, Rz.  61; R. Koch, S.  215; BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  31.1; Musielak/ Voit/Stadler, §  138, Rn.  3; Saenger/Wöstmann, §  138, Rn.  2. 339  OLG München NJOZ 2008, 617, 618 f. 340  Ahrens, Kapitel  7, Rn.  58 f.; Stürner, S.  199. 341  BVerfG NJW 1981, 1431; Fleck, S.  34; Henckel, S.  146; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  17; R. Koch, S.  216; Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 620; Schreiber, NJ 2008, 575, 576; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 238. 342  Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 238.

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die Möglichkeit der Prozessbeendigung ausreichend gelöst.343 Wer eine gerichtliche Klärung des Sachverhalts wünscht, muss zu einem gewissen Maße auf seine Geheimhaltungsinteressen verzichten und an der Sachverhaltsaufklärung mitwirken. Wer sich der Mitwirkung verweigert, muss die Konsequenzen tragen. Eine einschränkende Auslegung des §  138 Abs.  1 ZPO, die eine unwahre oder unvollständige Erklärung ermöglichen würde, ist mit diesen Grundsätzen nicht vereinbar. Die Erklärungspflicht ist also insoweit dispositiv, als die Partei entscheiden kann, ob sie sich äußert, §§  138 Abs.  3, 331 Abs.  3 ZPO. Wenn sie sich für die Äußerung entschieden hat, kann sie aber nicht über das „Wie“ der Äußerung disponieren. Dann regelt §  138 Abs.  1 ZPO nichtdisponible Verhaltensanforderungen: Die Erklärung muss, wenn sie erfolgt, der Wahrheit entsprechen und vollständig sein.344 c) Ausnahme wegen rechtswidriger Beweismittelbeschaffung Fraglich ist, ob bei rechtswidriger Beweismittelbeschaffung von dem Grundsatz der vollständigen und wahrheitsgemäßen Erklärung eine Ausnahme zu machen ist. Teile der Judikatur und der Literatur sprechen der Partei wegen der rechtswidrigen Beweismittelbeschaffung des Gegners ein Recht auf unwahre oder unvollständige Behauptung zu.345 Im Ergebnis wird damit eine einschränkende Auslegung des §  138 Abs.  1 ZPO zum Schutze des Persönlichkeitsrechts gefordert,346 denn aufgrund der binären Struktur der Zivilprozessordnung kann die Partei nur durch wahrheitswidriges Bestreiten die Beweisaufnahme herbeiführen, um dort ihre durch die Beweismittelbeschaffung verletzten Rechte zu verteidigen. Um eine einschränkende Auslegung mit dem Persönlichkeitsrecht zu rechtfertigen, müsste in der Wahrheitspflicht trotz rechtswidriger Beweismittelbeschaf343  BVerfG NJW 1981, 1431, 1431 f.; BAG NZA 2004, 489, 492; LAG Hessen Teilurt. v. 24.05.2002 – 9/2 Sa 1370/00 – juris, Rz.  61; OLG München NJOZ 2008, 617, 618 f.; Zöller/ Greger, §  138, Rn.  3, 9; R. Koch, S.  215; Reitz, NZA 2017, 273, 275; BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  31.1; Musielak/Voit/Stadler, §  138, Rn.  3; Saenger/Wöstmann, §  138, Rn.  2. Möglicherweise anders zu entscheiden, wenn die Partei nicht wahrheitsgemäßen Vortrag zur Straftat bestreiten will, sondern wahrheitswidrigen Vortrag nur durch Offenbarung einer Straftat widerlegen kann. Dazu: Stürner, S.  181. 344  Chudoba, S.  93; Zöller/Greger, §  138, Rn.  3; R. Koch, S.  115, 119 f.; Lunk, NZA 2009, 457, 459; Martens, JuS 1974, 785, 789; Reitz, NZA 2017, 273, 275; AK-ZPO/Rüßmann, §  284, Rn.  10; AK-ZPO/Schmidt, §  138, Rn.  52; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 238; BeckOK ZPO/ von Selle, §  138, Rn.  31 f.; Musielak/Voit/Stadler, §  138, Rn.  3. Offengelassen BAG NZA 2011, 571, 574. 345  LAG Sachsen-Anhalt Urt. v. 15.04.2008 – 11 Sa 522/07 – juris, Rz.  41; Zöller(2007)/ Greger, §  138, Rn.  3; Heinemann, MDR 2001, 137, 141 f. 346  Heinemann, MDR 2001, 137, 141.

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fung ein derart intensiver Grundrechtseingriff liegen, der trotz des grundsätzlich ausreichenden Rechts zum Schweigen nicht gerechtfertigt ist.347 Bei dieser Frage ist zu berücksichtigen, dass die Partei bei der wahrheitsgemäßen Gegenrede keine Informationen von sich aus offenbaren muss. Sie wünscht nicht die Freistellung von einer Preisgabepflicht, sondern möchte, um ein für sie nach­ teiliges Urteil zu vermeiden, bereits offenbarte Informationen verdeckt wissen.348 Nur in der Pflicht, den wahren Vortrag ausdrücklich zuzugestehen oder ihn anderenfalls durch Schweigen als zugestanden behandeln zu lassen, liegt aber kein stärkerer Eingriff als im Normalfall. §  138 Abs.  1 ZPO macht diese Informationspreisgabe zur Bedingung der Verfahrensbetreibung. Die Beweissituation des Gegners hat auf die Intensität des die Informationspreisgabe erzwingenden Grundrechtseingriffs keine Auswirkungen. Es macht deshalb keinen Unterschied, ob der Gegner keine Beweismittel oder nur unzulässige, also fingiert nichtexistente Beweismittel, zur Verfügung stehen hat. Ein Recht, unwahr zu bestreiten, kann nicht mit dem im materiellen Zivilrecht „lange anerkannten“ Recht zur Lüge begründet werden.349 Das angesprochene Recht liegt bei der Beantwortung unzulässiger Fragen des Arbeitgebers im Bewerbungsgespräch vor und schließt die Anfechtbarkeit wegen Täuschung nach §  123 Abs.  1 Alt.  1 BGB aus.350 Das dortige Recht zur Lüge stellt aber eine Notwehrhandlung dar, die wegen der situationsbedingten Abwesenheit des Staates notwendig ist, um eigene Rechte zu verteidigen.351 Wegen des Gewaltmonopols des Staates ist aber jedes Notwehrrecht grundsätzlich subsidiär.352 Sofern also der Staat rechtsschützend zur Verfügung steht, gibt es kein Recht auf Selbsthilfe durch Notwehr. Im Prozess steht aber der Staat in Form des Spruchkörpers rechtsschützend zur Verfügung. Ein Notwehrrecht kann daher im Prozess nicht entstehen.353 Es sprechen nicht nur keine Argumente für ein Recht auf unwahres Bestreiten wegen der rechtswidrigen Beweisbeschaffung, sondern es sprechen auch entscheidende Argumente dagegen. Bereits die Vorstellung, das zur Beweisaufnahme führende Recht zur Lüge habe das Feststellen des Beweisverbots und damit eine für den Lügenden vorteil347  Zur

grundsätzlichen Rechtfertigung der grundrechtsbeschränkenden Informationsfreigabepflicht infolge §  138 Abs.  1ZPO, siehe oben Teil  4, C. III. 2. b) bb). 348  Möglicherweise anders zu entscheiden, wenn die Partei nicht wahrheitsgemäßen Vortrag zur Straftat bestreiten will, sondern wahrheitswidrigen Vortrag nur durch Offenbarung einer Straftat widerlegen kann. Dazu: Stürner, S.  181. 349  So aber Heinemann, MDR 2001, 137, 142. 350  MüKo-BGB/Armbrüster, §  123, Rn.  41–48a. 351  Schreiber, NJ 2008, 575, 576; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 240. Dazu auch Brossette, S.  138 f. 352  Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 240. 353  Schreiber, NJ 2008, 575, 576; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 240.

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

hafte Beweislastentscheidung zur Folge, ist fehlerhaft. Ein Recht zum unwahren Bestreiten kann allenfalls die Beweisaufnahme herbeiführen. Ob das Gericht dann das angebotene Beweismittel als zulässig erachtet, unterliegt einer gesonderten Entscheidung. Das Gericht kann in dem stattfindenden Beweisverfahren aufgrund anderer Indizien zum Nachteil des Lügenden von der Wahrheit des Vortrags überzeugt sein. Insbesondere müsste der Lügende nicht nur pauschal wahrheitswidrig bestreiten, sondern wegen des aus §  138 Abs.  2 ZPO folgenden Gebots, qualifiziert zu Bestreiten, eine wahrheitswidrige Gegendarstellung geben.354 Diese Gegendarstellung dürfte aber regelmäßig unglaubhaft sein. Außerdem muss das Gericht dieses Verhalten nach den allgemeinen Grundsätzen bei der Beweiswürdigung entsprechend berücksichtigen.355 Mit dem Stattfinden der Beweisaufnahme geht deshalb keinesfalls zwingend die Beweislastentscheidung und der Prozesssieg einher.356 Eine einschränkende Auslegung des §  138 Abs.  1 ZPO kann zudem nur die prozessuale Zulässigkeit der Lüge bestimmen, hat aber keine Auswirkungen auf die strafrechtliche Beurteilung.357 Die lügende Partei und ihr prozessbevollmächtigter Rechtsanwalt würden sich deshalb möglicherweise strafrechtlich und standesrechtlich verantwortlich machen, und bei einer Verurteilung sähen sie sich etwaigen Schadensersatzforderungen ausgesetzt. Aus dem mit der Lüge einhergehenden (versuchten) Prozessbetrug wird teilweise überdies eine Notwehrlage der gegnerischen Partei abgeleitet, in deren Folge trotz der rechtswidrigen Beweismittelbeschaffung kein Beweisverbot eingreife.358 Zumindest wäre ein in bestimmten Fällen eingreifendes Recht zum unwahren Bestreiten für die betroffene Partei und deren prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt wegen der Unsicherheit im Einzelfall unzumutbar.359 Die Partei weiß im Regelfall nicht, welche Beweismittel der Gegner hat und kann allenfalls erahnen, 354 

Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50, 57. BGH NJW-RR 2003, 69, 71; Zöller/Greger, §  138, Rn.  7; Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  14; Reitz, NZA 2017, 273, 274; Musielak/Voit/Stadler, §  138, Rn.  7; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  15; Weichbrodt, S.  280. 356  Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50, 57; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 125; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 69. 357  BAG NZA 2011, 571, 574; LAG Hessen Teilurt. v. 24.05.2002 – 9/2 Sa 1370/00 – juris, Rz.  61; MAH-Strafverteidigung/Becker, §  32, Rn.  173; Bergwitz, NZA 2012, 353, 359; Gold­ schmidt, S.  126; Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50, 57; Weichbrodt, S.  282 f. Anders (Einheit der Rechtsordnung) Meinecke, NZWiSt 2016, 47, 48. 358  Bergwitz, NZA 2012, 353, 359; Foerste, NJW 2004, 262, Kodek, ÖJZ 2010, 627, 628; Morgenroth, NZA 2014, 408, 412. Kritisch zu einer das Beweisverbot ausschließenden Notwehrlage oben Teil  3, B. III. 5. 359  BAG NZA 2011, 571, 574; Bergwitz, NZA 2012, 353, 359; Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50, 57; IT-Arbeitsrecht/Tiedemann, B., Rn.  499. 355 

C. Unstreitiger Sachvortrag

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wie er sie sich beschafft hat. Deshalb kann sie ex ante das Abwägungsergebnis des Gerichts zum Vorliegen eines Beweisverbots nicht prognostizieren.360 Das Risiko, dieses Abwägungsergebnis falsch einzuschätzen, würde jeweils die lügende Partei tragen. Sie kann nicht ausschließen, dass das wahrheitswidrige Bestreiten zur Beweisaufnahme führt, in der das Gericht die Beweismittel als zulässig erachtet, und eventuell in Verbindung mit der unzulässigen Lüge des Bestreitenden den Beweis dann insgesamt als geführt ansieht. Der Vorschlag überzeugt auch aufgrund seiner Konstruktion nicht. Mit dem Recht zur unwahren Erklärung wegen rechtswidriger Beweisbeschaffung würde die Prozessordnung von einer Partei zur Wahrung ihrer (vermeintlich angegriffenen) Rechte prozessual unredliches Verhalten verlangen.361 Das kann eine rechts­ staatliche Verfahrensordnung nicht fordern. Das Verfahren vor einem staatlichen Gericht kann nicht eine Lüge als notwendige Verfahrenshandlung vorsehen. Überdies ist die Anerkennung eines Rechts auf Lüge rechtspolitisch kontraproduktiv, denn gerade das taktisch bedingte wahrheitswidrige Bestreiten im Prozess provoziert die rechtswidrigen Beschaffungshandlungen: In vielen Fällen greift die Partei auf unlautere Ermittlungstätigkeiten zurück, weil sie befürchtet, nicht ausreichend Nachweise für ihre Behauptung zu haben.362 Diese Sorge begründet sich in dem erwarteten wahrheitswidrigen Bestreiten des Gegners. Würde ein Recht zum unwahren Bestreiten anerkannt werden, würde sich diese Sorge noch verstärken. Das könnte wiederum weitere rechtswidrige Informations- und Beweismittelbeschaffungshandlungen provozieren. Der Partei steht deshalb auch im Falle rechtswidriger Beweisbeschaffung kein Recht auf unwahres Bestreiten zu.363 d) Ergebnis Das wahrheitswidrige Bestreiten ist auch im Falle einer rechtswidrigen Beweismittelbeschaffung prozessual unzulässig.

360 

Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 125; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 83. BAG NJW 2017, 843, 845; BAG Urt. v. 20.10.2016 – 2 AZR 395/15 – juris, Rz.  20; OLG Saarbrücken VersR 2009, 1522, 1523, Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50, 57. 362  Weber, ZZP 129 (2016), 57, 65 f. 363  BAG NZA 2011, 571, 573; Grimm/Schiefer, RdA, 2009, 329, 342; Gross/Lorenz, FA 2003, 229, 232; Lunk, NZA 2009, 457, 459; Natter in: Beschäftigtendatenschutz in der Reform, 133, 151; Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074, 2078; Reitz, NZA 2017, 273, 278; Schreiber, NJ 2008, 575, 576. 361 

186

Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

3. Unterstellte Beweiserheblichkeit Ein dritter Lösungsansatz versucht die genannten dogmatischen Bedenken zu umgehen, indem er die Beweisbarkeit der Tatsachenbehauptung zur Voraussetzung für die Zugrundelegung des unstreitigen Tatsachenvortrags macht.364 Für die Entscheidung über die Zulässigkeit des unstreitigen Sachvortrags wird danach die fehlende Beweiserheblichkeit unterstellt. Diese Überlegung unterscheidet sich von der vorangegangen dahingehend, dass sie nicht den Anknüpfungspunkt des Beweisverbots, das Beweisverfahren, herbeiführen möchte. Stattdessen knüpft sie an die Verwendung des Sachvortrags an. Dabei beurteilt sie die Zulässigkeit des Vortrags danach, ob dieser, würde ein Beweisverfahren stattfinden, beweisbar wäre. Im Ergebnis ähnelt dieser Ansatz dem Sachvortragsverbot wegen rechtswidriger Sachverhaltskenntnis­ erlangung (Teil  4, B. II. und Teil  4, C. II.), denn wenn der Sachvortrag zulässig beweisbar ist, ist notwendigerweise auch die Kenntnis rechtens, sodass kein Grundrechtseingriff in der Sachvortragsverwendung durch Subsumtion vorläge. Allerdings sind die Anforderungen an den Nachweis der rechtmäßigen Kennt­ niserlangung geringer als der Beweis der Tatsache selbst. So ist erstens der Beweisgegenstand ein anderer: Für den Nachweis der Kenntniserlangung genügt der glaubhafte Nachweis, wie die erklärende Partei diese Tatsachen behaupten konnte. Die Partei muss nicht nachweisen, dass die Tatsache wahr ist, sondern sie muss nachweisen, wie sie zu der Überlegung gelangt ist, dass diese Tatsache wahr ist. Dafür genügt aber der Nachweis des Gedankengangs, der zur entsprechenden Vermutung führt. Für die Substantiierung von Sachvortrag sind weder gesicherte Informationen erforderlich noch sind Vermutungsäußerungen unzulässig.365 Zweitens ist die Darlegungs- und Beweislast umgekehrt verteilt: Während der Erklärende nach diesem Ansatz die unterstellt beweiserheblichen Tatsachen darlegen und beweisen muss, obliegt die Darlegungs- und Beweislast der das Sachvortragsverbot begründenden Tatsachen dem Gegner.366 Der Erklärende muss diesbezüglich nur auf entsprechend qualifiziertes Vorbringen reagieren. Drittens geht das Erfordernis der Beweisbarkeit über das Sachvortragsverbot hinaus, weil die Beweisbarkeit ein Mehr zur Sachvortragsverwendung ist. Beim Sachvortragsverbot ist die rechtswidrige Beschaffung etwaiger Beweismittel

364  Natter in: Beschäftigtendatenschutz in der Reform, 133, 152; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 125. 365  Chudoba, S.  97; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  8 f. 366  Allerdings dürfte den Erklärenden eine sekundäre Darlegungslast treffen, Teil  3, D. I. 2. (zum Beweisverbot); Teil  4, B. II. 4.; Teil  4, C. II. 4. c).

C. Unstreitiger Sachvortrag

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nicht relevant, sofern diese keinen Einfluss auf die Sachverhaltskenntniserlangung hatte.367 Einen vierten wesentlichen Unterschied bildet nach der Rechtsprechung das Beweisverfahren. Nach Ansicht der Rechtsprechung kann die Partei das Gericht im Freibeweisverfahren von seiner Kenntniserlangung überzeugen, sodass auch die Versicherung an Eides statt, §  294 Abs.  1 ZPO, mögliches Beweismittel ist.368 Für den Beweis der Tatsache wäre dementgegen das Strengbeweisverfahren statthaft. Der Vorschlag nach einer hypothetischen Beweisbarkeit fordert im Ergebnis ein Beweisverfahren, das dogmatisch nicht begründet werden kann.369 Dieses Problem kann aber nicht dadurch umgangen werden, dass das Beweisverfahren nur hypothetisch erfolgt. Überhaupt ist unklar, wie ein hypothetisches Beweisverfahren in der Praxis zulässig ausgestaltet werden kann. Der Einwand, dass dieses Vorgehen eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung wäre,370 ist berechtigt. Eine hypothetische Beweisaufnahme findet im Falle unstreitigen Sachvortrags somit ebenso wenig statt wie eine reale Beweisaufnahme. 4. Ergebnis Die rechtswidrige Beweisbeschaffung und das daraus folgende Beweisverbot haben somit nicht zur Folge, dass unstreitiger Sachvortrag ausnahmsweise beweisbedürftig ist oder nicht wahrheitsgemäß bestreitbarer Vortrag ausnahmsweise bestritten werden kann oder unstreitiger Sachvortrag nur bei hypothetischer Beweisbarkeit zulässig ist. Dieses Ergebnis ist insoweit unbefriedigend, als damit die Konfliktsituation nicht vollständig gelöst ist. Denn in der Praxis bleibt die Prozesslüge eine sinnvolle Prozesstaktik, und die Partei kann sich weiterhin überlegen, ob sie sich verfahrensrechtlich korrekt verhält, oder in der Hoffnung auf eine Beweisverbotsentscheidung verfahrensrechtswidrig bestreitet. Unbefriedigend ist nicht das mit der Lüge einhergehende Risiko für die Partei,371 sondern die Tatsache, dass diese Taktik nicht verhindert werden kann und so die verfahrensrechtswidrig handelnde Partei einen Vorteil gegenüber der verfahrensrechtmäßig handelnden Partei erlangen kann. Dieses Problem ist aber 367 

Teil  4, B. II. 2. b) und Teil  4, C. II. 2. d). die hier vertretene Ansicht (Strengbeweis), Teil  3, D. I. 2. (Beweisverbot), Teil  4, B. II. 4.; Teil  4, C. II. 4. c). 369  Teil  4, C. III. 370  Heinemann, MDR 2001, 137, 140. 371  Dazu Teil  4, C. III. 2. c). 368  Anders

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

kein Sonderproblem der Beweisverbote. Prozesstaktisches Bestreiten einer Partei, die weiß, dass die andere Partei nur unzulässige Beweismittel zur Verfügung hat, unterscheidet sich nicht wesentlich von dem prozesstaktischen Bestreiten einer Partei, die hofft oder weiß, dass die andere Partei keine Beweismittel zur Verfügung hat. Es ist richtig, dass die Partei die beschriebenen Risiken trägt, wenn sie sich entscheidet, unwahr zu bestreiten. Die Partei kann diese Lüge nicht mit der Notwendigkeit, ihre (Persönlichkeits-)Rechte verteidigen zu müssen, rechtfertigen.372 Wenn die Beweismittel nicht in das Verfahren eingeführt werden, dann kann ihre (hypothetische)373 Unzulässigkeit in Folge rechtswidriger Beschaffung keine Rechte der Partei verletzen. Einzig im vorprozessualen Verhalten findet in diesen Fällen eine Rechtsverletzung statt. Diese hat aber keine Auswirkungen auf den Prozess und ist deshalb nicht durch das Prozessrecht zu verhindern. Es ist keine Umgehung der Beweisverbote, wenn das hypothetische Beweisverbot nicht zur Beweisbedürftigkeit oder zur Befugnis, wahrheitswidrig zu bestreiten, führt.374 Beweisverbote sind keine Verbote im klassischen Sinn, sondern eingeschränkte Befugnisse und können deshalb nicht umgangen werden. Die eingeschränkte Befugnis zur Beweismaßnahme wird nicht dadurch umgangen, dass keine Beweismaßnahme stattfindet.

IV. Fazit 1. Dogmatisches Ergebnis Teil  4, C. II. hat gezeigt, dass ein an das Gericht adressiertes verfassungsrechtlich begründetes Verbot, unstreitigen Sachvortrag zu verwenden, (nur) bei grundrechtsrelevanter Verwendung von im Sachvortrag verkörperten Informationen in Betracht kommt. Wenn nur die im Beweismittel verkörperten (nicht verwendeten) Informationen, nicht aber die im Sachverhalt verkörperten (vom Gericht verwendeten) Informationen grundrechtsrelevant sind, fehlt ein Grundrechtseingriff als entscheidende Voraussetzung für ein mögliches Sachvortragsverbot. Die Beweismittelbeschaffung ist für ein Sachvortragsverbot deshalb irrelevant.375 Die Beweismittelbeschaffung kann nur dann Bedeutung im Fall erlangen, wenn auch die Kenntnisbeschaffung teilweise unzulässig war: Dann kann infolge 372 

So aber LAG Sachsen-Anhalt Urt. v. 15.04.2008 – 11 Sa 522/07 – juris, Rz.  41; Heine­ mann, MDR 2001, 137, 142. 373  Das Beweisverbot entsteht erst mit Prozessrelevanz, davor ist es hypothetisch Teil  3, D. III. 2. c) aa). 374  So aber Heinemann, MDR 2001, 137, 142. 375  Teil  4, C. II. 2. d).

C. Unstreitiger Sachvortrag

189

des (das Zusatzwissen betreffende) Sachvortragsverbots weniger substantiiertes Bestreiten für die Beweiserheblichkeit genügen, weil der verbleibende („Rumpf“-)Sachvortrag insoweit zulässig pauschal bestritten werden kann. Bei einer dann möglicherweise erforderlichen Beweisaufnahme könnte dann aufgrund der Beweismittelbeschaffung ein Beweisverbot festgestellt werden.376 Bei zulässiger Kenntnisbeschaffung und nur unzulässiger Beweisbeschaffung liegt im Falle des unstreitigen Sachvortrags weder ein Beweis- noch Sachvortragsverbot vor.377 Nur potentiell unzulässige Beweismittel führen bei unstreitigem Sachvortrag nicht zu einem Beweisverbot. Ohne Beweisverfahren kommt es auf die Existenz oder den Inhalt etwaiger Beweismittel nicht an, weshalb eine Einschränkung der Beweismaßnahmenbefugnis des Gerichts (Beweisverbot) nicht in Frage steht. In diesen Fällen ist aber auch die Verwendung des Vortrags uneingeschränkt zulässig. Beweismittel und Sachvortrag würden anderenfalls unzulässig gleichbehandelt werden.378 In Übereinstimmung mit der hier gefundenen Lösung diskutiert auch die Rechtsprechung vornehmlich nur dann ein Sachvortragsverbot, wenn die Sachverhaltskenntniserlangung rechtswidrig war.379 Andere Teile der Judikatur und Literatur empfinden die Konstellation, in der die rechtswidrige Beweisbeschaffung mangels Beweisverfahren keine prozessualen Folgen hat und insoweit „ungesühnt“ bleibt, aber dennoch als problematisch.380 Die von ihnen vorgetragenen rechtspolitischen und rechtstatsächlichen Einwände werden im Folgenden untersucht. 2. Rechtspolitische Einwände Rechtspolitisch wird moniert, dass der Erklärende von seiner rechtswidrigen Beweisbeschaffung profitiert, wenn sie keine prozessualen Folgen hat.381 376 

Teil  4, C. II. 4. b). Teil  4, C. II. 2. d) und Teil  4, C. III. 378  Gemmeke, S.  148; Heinemann, MDR 2001, 137, 140; Lunk, NZA 2009, 457, 458. 379  Sachverhaltskenntnis insgesamt rechtswidrig erlangt: BAG NJW 2008, 2732–2736; NJW 2017, 843–847; NZA 2017, 443–449; OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577–1578; LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 16.11.2011 – 3 Sa 284/11 – juris; LAG Sachsen-Anhalt Urt. v. 15.04.2008 – 11 Sa 522/07 – juris. Bereits vorher Sachverhaltskenntnisse oder konkrete Verdachtsmomente, aber rechtswidrige Kenntniserlangung von Zusatzwissen: OLG Karlsruhe MMR 2009, 412–416; LAG Mecklenburg-Vorpommern Urt. v. 15.08.2002 – 1 Sa 296/01 – juris; LAG Sachsen Urt. v. 12.06.2003 – 2 Sa 790/02 – juris; LAG Mecklenburg-Vorpommern Urt. v. 18.05.2004 – 1 Sa 387/03 – juris; LAG Niedersachsen NZA-RR 2010, 406–410; LAG Hessen Urt. v. 21.01.2013 – 17 Sa 904/12 – juris; LAG Rheinland-Pfalz Urt. v. 25.11.2014 – 8 Sa 363/14 – juris; ArbG Frankfurt Beschl.v.30.05.2012 – 7 BV 168/12 – juris. 380  Nachweise bei Teil  4, C. I. 381  OLG Karlsruhe MMR 2009, 412, 414; Eylert, NZA-Beil. 2015, 100, 107; Heinemann, 377 

190

Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

Dieses Problem wird dadurch entschärft, dass das mit dem Beweismittel erlangte Zusatzwissen Gegenstand eines Sachvortragsverbots sein kann, sodass der danach verbleibende Rumpfvortrag – abhängig vom Umfang der rechtmäßig erlangten Basiskenntnis – regelmäßig nur pauschal bestritten werden muss und anschließend wahrscheinlich nicht beweisbar sein wird. Wenn etwa eine Partei zum Zugangsnachweis einer E-Mail unzulässig Daten ausgelesen hat, um zu wissen, von welchem Anschluss diese E-Mail wann gelesen wurde, könnte das Beweismittel (Datenausdruck, Zeugenaussage des Datenauswertenden etc.) nach Abwägung einem Beweisverbot unterfallen. Ebenso kann die damit erlangte Zusatzkenntnis, dass die E-Mail sicher gelesen wurde und von welchem Anschluss und wann sie gelesen wurde, nach Abwägung einem Sachvortragsverbot unterfallen. Zulässiger Vortrag bleibt aber, dass die E-Mail abgeschickt wurde und, als zulässige Vermutung382, dass die E-Mail irgendwann zugegangen ist. Der Gegner wird diesen Zugang dann pauschal bestreiten. Prozessual folgenlos bleibt die rechtswidrige Beweisbeschaffung also nur, wenn die wesentliche Basiskenntnis rechtmäßig und kein nennenswertes Zusatzwissen rechtswidrig erlangt wurde. Der Arbeitgeber, der seinem ihm gegenüber handgreiflich gewordenen Arbeitnehmer gekündigt hat, hat diese Kenntnis wegen seiner Anwesenheit rechtmäßig erlangt. Aufnahmen einer heimlichen Videoüberwachung könnten ihm allenfalls die Kenntnis weiterer Details vermitteln und als Beweismittel dienen. Die Handgreiflichkeit kann der Arbeitgeber aus eigener Erfahrung vortragen. In diesem Vortrag liegt aber regelmäßig keine Unbilligkeit, die es zu beseitigen gäbe. Die vermeintliche Konfliktlage ist keine Besonderheit der Beweisverbote oder der rechtswidrigen Beweisbeschaffung. Die Partei ist stets zur wahrheitsgemäßen Erklärung verpflichtet und trägt, wenn sie sich zur wahrheitswidrigen Erklärung entscheidet, stets das Risiko, dass sie die Situation falsch einschätzt und die andere Partei ihr nicht bekannte Beweismittel zur Verfügung stehen hat, aufgrund derer das Gericht dennoch überzeugt und ihr gegebenenfalls ein versuchter Prozessbetrug nachgewiesen werden kann. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die lügende Partei glaubt, die andere habe gar keine oder nur unzulässige Beweismittel. Letztendlich erhöht sich in diesen Fällen lediglich das Risiko der Partei, bei ihrer Lüge entdeckt zu werden, beziehungsweise dass die Abwägung des Gerichts kein Beweisverbot zur Folge MDR 2001, 137, 142; Kort, NZA 2012, 1321, 1325 f.; Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50, 57; Natter in: Beschäftigtendatenschutz in der Reform, 133, 151; Sander, CR 2014, 292, 298; Schreiber, NJ 2008, 575, 576; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 228; BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  31. 382  Zur Zulässigkeit von Vermutungen im Sachvortrag: BVerfG WM 2012, 492, 493; BGH WM 1985, 736, 737; Chudoba, S.  94 f.; Kiethe, MDR 2007, 625, 626; H. Prütting in: FS Gottwald, 507, 509; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  9.

C. Unstreitiger Sachvortrag

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hat. Der Erfolg prozessrechtswidrigen Taktierens wird damit eingeschränkt. Insbesondere ist es eine typische Folge des auf dem Beibringungsgrundsatz basierenden Verhandlungsmodells („Rede und Gegenrede“), dass sich die Partei, die Informationen geheim halten will, im Konflikt zwischen der Informationsoffenlegung und der Inkaufnahme von Prozessnachteilen befindet.383 Problematisch könnten aber die Fälle sein, in denen die Partei zunächst rechtswidrig Kenntnis erlangt hat, diese Kenntnis aber danach „geheilt“ wurde.384 Dies sind insbesondere Fälle, in denen bei der vorprozessualen Auseinandersetzung bereits über die rechtswidrig beschafften Beweismittel diskutiert wurde und damit die gleichzeitig rechtswidrig erlangte Sachverhaltskenntnis von anderer Seite bestätigt wurde. Ein Beispiel wäre die vorprozessuale Vorführung von rechtswidrig beschafftem Videomaterial, bei der die gefilmte Person sich zu den Geschehnissen geständig einlässt.385 Dadurch würde eine rechtmäßige Kenntnis­ erlangung vorliegen. In diesen Fällen kann ein Sachvortragsverbot dogmatisch, wegen des fehlenden (erheblichen) Grundrechtseingriffs, nicht begründet werden.386 Dieser prozessuale Vorteil schafft Anreiz dazu, die Sachverhaltskenntnis­ erlangung zu legalisieren, indem weitere Beweismittel (und damit die Bestätigung des Sachverhalts) gesucht werden. Auf diese Weise ermutigt das Prozessrecht also zu weiteren, möglicherweise ebenfalls rechtswidrigen Nachforschungen. Allerdings ist die Sanktionierung von materiellen Rechtsverstößen und die damit einhergehende präventive Abschreckung Aufgabe des materiellen Rechts.387 Diese Konstellation unterscheidet sich schließlich nicht von derjenigen, in der der Beweisführer nach zulässigen Sekundärbeweismitteln sucht, um das primär erlangte unzulässige Beweismittel nicht in den Prozess einführen zu müssen.388 Insgesamt trifft der Einwand, die Beweisverbote würden ihren Zweck, die Grundrechte der Prozessparteien zu wahren, verfehlen,389 nicht zu. Die Beweisverbote sollen die Grundrechte im Prozess wahren. Die vorprozessuale Rechtsverletzung können sie nicht mehr verhindern, sondern allenfalls sanktionieren. Die Sanktion obliegt aber nicht dem Prozessrecht, sondern dem materiellen Recht.390 Deshalb werden die Beweisverbote in den beschriebenen Situationen nicht umgangen. Sie sind bloß nicht einschlägig. 383 

Götz, S.  26. BAG NZA 2011, 571–575. 385  So etwa in LAG Mannheim RDV 2000, 27–30; LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 16.11.­ 2011 – 3 Sa 284/11 – juris. 386  Teil  3, B. II. 3. f) und Teil  4, B. II. 2. b) und Teil  4, C. II. 2. d). 387  Dazu Teil  5, B. III. 7. c). 388  Dazu oben Teil  3, D. III. 2. 389 So Schreiber, ZZP 122 (2009), 227. 390  Ahrens, Kapitel  6, Rn.  26; Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 318; Kodek in: FS Kaissis, 523, 536; Werner, NJW 1988, 993, 999. 384 

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

Auch Billigkeitsgesichtspunkte fordern deshalb keine Ausweitung des ermittelten Anwendungsbereichs des Sachvortragsverbots bei unstreitigem Sachvortrag. 3. Rechtstatsächliche Einwände Neben den rechtspolitischen Einwendungen werden auch rechtstatsächliche Schwierigkeiten diskutiert. So wird eingewandt, das Bewusstsein über ein mögliches Sachvortragsverbot provoziere „taktische Spielchen” der Partei, die Herkunft ihres Wissens nicht zu offenbaren.391 In der Folge könnte dies den Prozessablauf verlangsamen. Tatsächlich ist der Erklärende grundsätzlich nicht verpflichtet, seine Informationsquelle zu offenbaren. Seine Darlegungslast ist zunächst immer auf diejenigen Tatsachen beschränkt, die notwendig sind, um die Beweiserheblichkeit beurteilen oder die Rechtsfolge bestimmen zu können.392 Die Angaben müssen dafür nicht besonders wahrscheinlich, plausibel oder widerspruchsfrei sein.393 Insbesondere müssen keine Anhaltspunkte vorgetragen werden.394 Die Prozessbeteiligten können auch Schlussfolgerungen oder Vermutungen äußern.395 Die Anforderungen an den Sachvortrag der Partei sind wegen des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art.  103 Abs.  1 GG sehr gering.396 Die Partei kann also immer zunächst ohne nähere Angaben zu ihren Quellen vortragen. Darin liegt keine Besonderheit des Sachvortragsverbots. Auf die Kenntniserlangung kommt es im Normalfall auch gar nicht an. Soweit der Gegner bestreitet, kommt es ohnehin zum Beweisverfahren, und die behaupteten Tatsachen müssen bewiesen werden. Soweit der Gegner nicht bestreitet, ist die Kenntniserlangung für gewöhnlich gar nicht prozessrelevant. Nur wenn der Gegner die Kenntniserlangung als rechtswidrig rügt und entsprechende Anhaltspunkte vorträgt, muss die Partei ihre Quelle benennen.397 Wenn die Informationserlangung für das Verfahren relevant ist, wird die Kenntnisquelle daher durch die übliche Wechselwirkung von Vor391 

Ahrens, Kapitel  6, Rn.  29. Chudoba, S.  103; BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  11; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  5, 9, 18. 393  BVerfG WM 2012, 492, 493; BGH NJW-RR 2015, 910, 912; Chudoba, S.  107 f.; Schultz, NJW 2017, 16, 18 f.; BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  12; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  9. 394  Chudoba, S.  97; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  9. 395  BVerfG WM 2012, 492, 493; BGH WM 1985, 736, 737; Chudoba, S.  94 f.; Kiethe, MDR 2007, 625, 626; H. Prütting in: FS Gottwald, 507, 509; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  9. 396  BVerfG WM 2012, 492, 493; BGH NJW 2012, 1647, 1648; Frohn, S.  88, 94; Schultz, NJW 2017, 16, 18. 397  Zur Darlegungs- und Beweislast der das Sachvortragsverbot begründenden Tatsachen Teil  3, D. I. 2. (Beweisverbot); Teil  4, B. II. 4.; Teil  4, C. II. 4. c). 392 

C. Unstreitiger Sachvortrag

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trag und Gegenvortrag regelmäßig zügig im Verfahren erörtert werden. Die Gefahr einer Prozessverschleppung wegen taktischer Nichtoffenbarung von Informationsquellen dürfte daher gering sein. Ebenfalls prozessverlangsamend wäre es, wenn die gegnerische Partei jeden Vortrag prozesstaktisch als unzulässig rügen könnte. Es wird deshalb eingewandt, das Anerkennen des Rechtsinstituts Sachvortragsverbot habe zur Folge, dass die Parteien künftig nicht nur bei streitigen, sondern auch bei unstreitigen Tatsachen in unzumutbarer Weise stets ihre Beschaffungsmodalitäten offenlegen müssten.398 Dieser Einwand erweckt den Anschein, dass künftig jeder Sachvortrag direkt mit Quellennachweisen belegt sein muss. Verkannt wird dabei, dass diese Offenlegung nur in den seltensten Fällen erforderlich sein wird – nämlich dann, wenn der Prozessgegner die Grundrechtswidrigkeit der gerichtlichen Verwendung prozessual gerügt und die rechtswidrige Kenntniserlangung dargelegt hat. Denn zunächst trägt der Prozessgegner die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Verbotsvoraussetzungen.399 Ohne eine solche Rüge ist ein Quellennachweis im Vortrag nicht erforderlich. Es bleibt bei dem Grundsatz, dass jede Partei nur gehalten ist, substantiiert vorzutragen. Hinreichend substantiiert ist jeder Vortrag von Tatsachen, die in Verbindung mit einem Rechtsatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen.400 Nähere Einzelheiten sind nur dann vorzutragen, wenn diese für die Rechtsfolge entscheidend sind oder wenn die Einlassung des Gegners nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zulässt.401 Wenn aber schon der Vortrag von Einzelheiten nicht gefordert ist, dann erst Recht nicht deren Erkenntnisquellen.402 Die Gefahr, dass nunmehr pauschal jeder Vortrag als unzulässig gerügt wird, dürfte aber zu vernachlässigen sein. Die notwendige Substantiierung der Unzulässigkeitsbehauptung dürfte die rügende Partei nur in den wenigen Fällen erfüllen können, in denen die Kenntniserlangung tatsächlich derart rechtswidrig gewesen ist, dass auch die Informationsverwendung im Prozess ein ungerechtfertigter Grundrechtseingriff sein könnte. Die entscheidende tatsächliche Schwierigkeit des Rechtsinstituts dürfte aber darin liegen, dass der Gegner schutzlos steht, wenn er nicht weiß, wie der Erklä398  Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1205; Tschöpe/Grimm, Teil  6 F, Rn.  218; Lunk, NZA 2009, 457, 458. 399  Teil  3, D. I. 2. (Beweisverbot); Teil  4, B. II. 4.; Teil  4, C. II. 4. c). 400  BVerfG WM 2012, 492, 493; BGH NJW-RR 2003, 69, 70; NJW 2012, 1647, 1648; Beckhaus, S.  78; Zöller/Greger vor §  253, Rn.  23; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  83 f.; Kopp, NJOZ 2017, 330; Schultz, NJW 2017, 16, 18; BeckOK ZPO/von Selle, §  138, Rn.  10; MüKo-­ ZPO/Wagner, §  138, Rn.  5 f.; Saenger/Wöstmann, §  138, Rn.  4. 401  Benedicter, S.  21; Kopp, NJOZ 2017, 330. 402  Chudoba, S.  97; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  9.

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

rende die Informationen erlangt hat.403 Regelmäßig wird es offensichtlich sein, dass die Informationen nur rechtswidrig erlangt worden sein können. So verhält es sich etwa dann, wenn die Partei Unterhaltungen zwischen Dritten wortgetreu wiedergeben kann404 oder exakte Zeitangaben zu Geschehnissen machen kann, bei denen sie nicht anwesend war405. Auch in diesen Fällen wird die Partei aber vermutlich nicht wissen, wie der Gegner an die Informationen gelangt ist. Sie wird aber ausreichend Grund haben, die Verwendung des Sachvortrags zu rügen und darzulegen, dass eine Kenntniserlangung nur rechtswidrig erfolgt sein kann.406 In diesen Fällen träfe dann den Erklärenden die sekundäre Darlegungslast. Schwieriger ist dies, wenn der Erklärende zunächst eher vage Behauptungen aufstellt, um seine Kenntnisquelle nicht zu offenbaren, und wenn für die Partei deshalb nicht ersichtlich ist, wie der Erklärende die Kenntnis erlangt hat. Dann kann die Partei zunächst pauschal bestreiten. Mit zunehmender Konkretisierung des Erklärenden wird sich regelmäßig seine Erkenntnisquelle offenbaren. Aufgrund der Einheit der mündlichen Verhandlung ist es zulässig, das pauschale Bestreiten im Laufe des Verfahrens anzupassen.407 Die verbleibenden Fälle, in denen der Gegner die Rechtswidrigkeit der Kenntniserlangung nicht erkennt, sind hinzunehmen. Es liegt in der Natur der Rechtsverteidigung, dass nur derjenige, der die Rechtsverletzung erkennt, seine Rechte verteidigen kann. 4. Ergebnis Dem dogmatischen Ergebnis widersprechen daher weder rechtspolitische Einwendungen noch rechtstatsächliche Schwierigkeiten. Etwaige potentielle Beweisverbote haben keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit von unstreitigem Sachvortrag und dessen Zugrundelegung bei der gerichtlichen Entscheidung.

403 

Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 125. OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577. 405  LAG Bremen RDV 2006, 24. 406  Beispielsweise mit dem Einwand, die Partei könne die Daten des Computers nur durch entsprechendes Auslesen erlangt haben, den Inhalt des Telefonats nur durch entsprechendes Mithören vernommen haben oder die Angaben des Geschehens mangels Anwesenheit einer Person nur durch Videoaufnahmen. So etwa im Fall OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577. 407  C. Hahn, S.  214; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  9. 404 

D. Vermeintliche Sonderfälle

195

D. Vermeintliche Sonderfälle I. Anlass der Anmerkung Während die Arbeitsgerichtsbarkeit insbesondere in den letzten Jahren regelmäßig Anlass hatte, die prozessuale Zulässigkeit von Sachvortrag zu hinterfragen, finden sich nur wenige Stellungnahmen von den Zivilgerichten hierzu.408 Deshalb werden die wenigen dazu ergangenen Gerichtsurteile mitunter als Sonderfälle angesehen. Tatsächlich folgen diese Urteile aber dem oben gezeichneten Muster.

II. Glaubhaftmachung im Arrestverfahren 1994 entscheid das Kammergericht über den Arrestantrag eines Anwalts gegen seinen Mandanten zur Sicherung seiner Honoraransprüche.409 Der Anwalt begründete den nach §  917 Abs.  1 ZPO erforderlichen Arrestgrund damit, dass sein Mandant ihm in einem anwaltlichen Gespräch berichtet hatte, dass er wesentliche Vermögensanteile an seinen Sohn übertragen werde. Das Gericht erkannte die „Verwertung des Vortrags entsprechend der zu den Beweisverboten entwickelten höchstrichterlichen Rechtsprechung“ als „nicht zulässig“.410 In seiner Begründung spricht das Gericht dann von der nicht zulässigen Darlegung und Glaubhaftmachung mittels der so erlangten Informationen.411 Diese Entscheidung und das dort erkannte Verbot wurde teilweise als Besonderheit des Arrestverfahrens,412 als Besonderheit der Einforderung anwaltlicher Leistungsansprüche,413 oder als Besonderheit einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Partei414 erkannt. Tatsächlich entspricht das Verbot den hier gefundenen Ergebnissen. Das vom Kammergericht erkannte Verbot ist zum einen ein Beweisverbot in Gestalt eines Glaubhaftmachungsverbots.415 Gemäß §  920 Abs.  2 ZPO sind im Arrestverfah408 

Überblick über die Judikatur in Teil  2, B. II. 1. KG NJW 1994, 462, 462–463. 410  KG NJW 1994, 462. 411  KG NJW 1994, 462, 463. 412  Heinemann, MDR 2001, 137, 139 f.: Verbot nur zum Schutz der anderenfalls benachteiligten anderen Gläubiger und nur wegen des beschränkten rechtlichen Gehörs des Gegners. 413  Berger, MDR 2003, 970, 971 f.; Everts, NJW 2002, 3136, 3137 f.: Zum Schutz des anwaltlichen Vertrauensverhältnisses (§  43a Abs.  2 BRAO, §  203 Abs.  1 Nr.  3 StGB), das eine Abwägung zwischen den Rechten aus Art.  12, 14 GG und Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG über die Zulässigkeit anwaltlicher Honorarforderungen fordert. 414  Stein/Jonas/Thole, §  284, Rn.  56. 415  Everts, NJW 2002, 3136, 3138; BeckOK ZPO/Mayer, §  920, Rn.  11. 409 

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Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

ren der Arrestanspruch und der Arrestgrund glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung, §  294 Abs.  1 ZPO, ist eine besondere Form der Beweisführung, wobei sich die Mittel der Glaubhaftmachung und der erforderliche Überzeugungsgrad vom Vollbeweis unterscheiden.416 Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn nach gerichtlicher Überzeugung ihr Vorliegen wahrscheinlicher ist als ihr Nichtvorliegen.417 Über die Glaubhaftmachung entscheidet das Gericht genauso wie über den Vollbeweis.418 Die in den Mitteln der Glaubhaftmachung enthaltenen Informationen werden also vom Gericht ebenso verwendet wie die in Beweismitteln enthaltenen Informationen. Darin kann deshalb gleichermaßen ein ungerechtfertigter Grundrechtseingriff sein, der zur verfassungskonformen Auslegung der zugrundeliegenden, deutungsoffenen Normen zwingt. Die Zulässigkeitsgrenzen bei der Beweisaufnahme und Beweiswürdigung wirken auch bei der Glaubhaftmachung.419 Das vom Kammergericht erkannte Verbot ist zum anderen ein Sachvortragsverbot. Von den in der anwaltlichen Beratung vertraulich mitgeteilten Informa­ tionen hat der Anwalt zwar rechtmäßig Kenntnis erlangt. Diese Kenntniserlangung war jedoch zweckgebunden an die Beratung, sodass die zweckfremde Informationsverwendung zur Sicherung eigener Ansprüche rechtswidrig ist.420 Das rechtswidrig verwendete Wissen kann der Anwalt nach den obigen Grundsätzen zwar vortragen, das grundrechtsgebundene Gericht darf es aber je nach Abwägungsergebnis nicht verwenden. Im Fall des Kammergerichts war der Sachverhalt streitig, sodass die (beweismittelähnliche) Informationsverwendung namentlich bei der Prüfung der Glaubhaftmachung unzulässig wäre.421 Das vom Kammergericht erkannte Verbot ist mithin die Entscheidung, dass das Gericht die Informationen weder als streitigen Sachvortrag noch als Mittel der Glaubhaftmachung durch Versicherung an Eides statt bei der Entscheidung, ob der klagende Anwalt den Arrestgrund glaubhaft gemacht hat, verwenden durfte. Der Fall ist deshalb weder eine Besonderheit des Arrestverfahrens noch eine Besonderheit anwaltlicher Honorarforderungen oder verschwiegenheitsverpflichteter Parteien. Er zeigt vielmehr, dass die durch die Grundrechte gezogenen Grenzen der Informationsverwendung das Gericht auch im einstweiligen Rechtsschutz binden. Die Unverwendbarkeit kann und muss der Schuldner, wenn eine mündliche Verhandlung stattfindet (§  922 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 ZPO), in der mündlichen Ver416 

MüKo-ZPO/Drescher, §  920, Rn.  14 f., 19 f.; MüKo-ZPO/Prütting, §  294, Rn.  1. MüKo-ZPO/Drescher, §  920, Rn.  14; BeckOK ZPO/Mayer, §  920, Rn.  12. 418  MüKo-ZPO/Prütting, §  294, Rn.  26. 419  BeckOK ZPO/Mayer, §  920, Rn.  11; Zöller/Vollkommer, §  920, Rn.  8. 420  Dazu oben Teil  3, C. I. 421  Sachvortragsverbot bei streitigem Sachvortrag, Teil  4, B. II. 417 

D. Vermeintliche Sonderfälle

197

handlung, anderenfalls (§  922 Abs.  1 S.  1 Alt.  2 ZPO) im Widerspruchsverfahren, §  925 ZPO, rügen. Bei Nichtrüge kann ein Grundrechtsverzicht vermutet werden.422

III. Vaterschaftsanfechtungsverfahren Die wenigen Stellungnahmen des Bundesgerichtshofs zum Sachvortragsverbot befassten sich insbesondere mit dem Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach §§  1600 ff. BGB a. F.423 Das Anfechtungsverfahren unterlag gemäß §§  640 Abs.  1, Abs.  2 Nr.  2, 616 Abs.  1 ZPO a. F. der Amtsermittlung. Grundsätzlich hätte für die Schlüssigkeit der Klage deshalb die bloße Behauptung des „Vaters“ genügt, nicht Vater zu sein.424 Allerdings war die Klagemöglichkeit zum Kindeswohle durch eine Zweijahresfrist ab Kenntnis beschränkt, §  1600b Abs.  1 BGB a. F. Bei diesem Fristerfordernis legte die Rechtsprechung dem klagenden Vater eine (sekundäre) Darlegungslast bezüglich objektiver, einen Anfangsverdacht begründender Umstände auf425 und begründete dieses besondere Schlüssigkeitserfordernis verfassungsrechtlich mit Art.  6 GG.426 Dieses von der Literatur für unzulässig empfundene Darlegungserfordernis427 brachte den Vater regelmäßig in Beweisnot.428 Wollte der Anfechtende seine Zweifel mit einem heimlich veranlassten Vaterschaftstest begründen, wiesen die Gerichte die Klage wegen des mit der Verwendung des Tests einhergehenden Grundrechtseingriffs als unschlüssig ab.429 Die Gerichte sahen sich genötigt, im Rahmen der Schlüssigkeit des Klageantrags die Zulässigkeit des Gutachtens zu prüfen, weil sonst allein die Schlüssigkeit der Klage zur faktischer Verwendung des Gutachtens geführt hätte.430 Aufgrund des geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes hätte das Gericht bei schlüssigem Antrag nämlich selbst einen, dann nach §  372a Abs.  1 ZPO zu duldenden, Vaterschafts422 

Teil  3, B. II. 2. und Teil  4, C. II. 2. c). Daneben hat sich der BGH nur in den Versicherungsfällen (Dazu Teil  2, B. II. 1. und Teil  5, C. III. 1.) zu einem Sachvortragsverbot geäußert. Zum legalen Vorgehen bei Vaterschaftszweifeln nunmehr §  1598a BGB, §  17 GenDG. 424  Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745, 1750. 425  BGH NJW 1998, 2976; NJW 2005, 497, 498 f.; S. Braun, MDR 2010, 482, 483; Rittner/ Rittner, NJW 2002, 1745, 1750; Wellenhofer, NJW 2008, 1185. 426  BVerfG NJW 2007, 753, 756. Kritisch Wellenhofer, NJW 2008, 1185. 427  Brosius-Gersdorf, NJW 2007, 806, 812; Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 601–603; Wellenhofer, FamRZ 2005, 665, 666. 428  S. Braun, MDR 2010, 482, 483; Wellenhofer, NJW 2008, 1185. 429  BVerfG NJW 2007, 753, 756; BGH NJW 2005, 497, 499; NJW 2006, 1657, 1658; OLG Celle FamRZ 2003, 481; Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745, 1751; Wellenhofer, NJW 2008, 1185. 430  Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745, 1751–1753. 423 

198

Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

test veranlassen müssen. So wäre das heimlich eingeholte Gutachten letztlich mittelbar verwendet worden. Entgegen den obigen Ergebnissen führte das Sachvortragsverbot damit bereits zur Unschlüssigkeit der Klage.431 Dieses Vorgehen steht in keinem Widerspruch zu den bisherigen Ergebnissen, denn auch hier wird letztlich die beweismittelähnliche Verwendung des streitigen Sachvortrags in Gestalt des Vaterschaftstests verboten.432 Auch dieses Sachvortragsverbot ist ein auf der Grundrechtsrelevanz der Information gestütztes Informationsverwendungsverbot, dessen Rechtsfolge die Nichtexistenz der jeweiligen Informationen für die jeweilige Informationsverwendung fingiert. Die Vaterschaftsrechtsprechung stellt auf den Grundrechtseingriff des Gerichts durch die Zugrundelegung bei der Entscheidung über die Schlüssigkeit ab.433 Dogmatisch handelt es sich deshalb ebenfalls um eine Eingrenzung der Informationsverwendung bei der gerichtlichen Entscheidung. Weil die gerichtliche Entscheidung hier aber bereits die Schlüssigkeit betrifft, hat die Rechtsfolge der Eingrenzung, die fingierte Nichtexistenz, die Unschlüssigkeit zur Folge. Darin liegt aber kein Kenntnisnahme-, sondern ein Verwendungsverbot. Die Rechtsprechung stellt nicht deshalb eine Besonderheit dar, weil sie an den Vortrag anknüpfte und die Unschlüssigkeit zur Folge hatte, sondern sie ist eine Besonderheit, weil sie eine weitere Ebene der gerichtlichen Verwendung geschaffen hat. Diese Besonderheit ist ein Folgeproblem der hier nicht zu thematisierenden Anfangsverdachtsrechtsprechung im Vaterschaftsanfechtungsverfahren gewesen.434 Dieses Darlegungserfordernis und die damit einhergehende konkrete Rechtsfolge des Sachvortragsverbots ist aber ein nicht verallgemeinerbarer Sonderfall.435

IV. Fazit und Ausblick Die beiden Fallsituationen unterscheiden sich bezüglich der dogmatischen Konstruktion des Sachvortragsverbots daher nicht vom normalen Erkenntnisverfahren in der Hauptsache. Entscheidend ist, ob in der konkreten Prozesssituation ein Informationsverwenden des Gerichts vorliegt und ob dieses einen ungerechtfertigten Grundrechtseingriff in die Rechte einer Partei darstellt. Dabei ergibt sich 431 

Sonst nicht verwendbar statt unschlüssig Teil  4, C. II. 4. a). Prütting/Gehrlein/Laumen, §  284, Rn.  37; Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745, 1751, 1753. 433  BVerfG NJW 2007, 753, 756; BGH NJW 2005, 497, 499; NJW 2006, 1657, 1658; OLG Celle FamRZ 2003, 481; Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745, 1751; Wellenhofer, NJW 2008, 1185. 434  BGH NJW 2010, 289, 292; Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 623; Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745, 1751, 1753; Wellenhofer, FamRZ 2005, 665, 668; Wendt, NJ 2010, 349, 350. 435  BGH NJW 2010, 289, 292; Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745, 1751, 1753; Wendt, NJ 2010, 349, 350. 432 

E. Zusammenfassung

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die Verbotsrechtsfolge aus den jeweiligen prozessualen Folgen der Nichtverwendung in der konkreten Prozesssituation. Die Fallsituationen weisen auf ein Folgeproblem hin, dem hier nicht weiter nachgegangen werden soll. Inwieweit das Sachvortragsverbot auch in anderen Verfahrensarten Anwendung findet, müsste an anderer Stelle genauer untersucht werden.436 Erörterungsbedürftig sind insbesondere Verwendungsverbote im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, wo nach §  83 Abs.  1 ArbGG ein eingeschränkter Untersuchungsgrundsatz gilt. Denn ein identischer arbeitsrechtlicher Lebenssachverhalt kann je nach Konstellation (etwa: Beteiligung des Betriebsrats im Kündigungsfall) im Urteils- oder im Beschlussverfahren aufgeklärt werden.437 Das Zwischenergebnis lässt jedoch erwarten, dass die Zivilprozessordnung stets so auszulegen ist, dass die Befugnis des Gerichts zur Informationsverwendung zu beschränken ist, wenn die betroffene Partei grundrechtsberechtigt ist und die Informationsverwendung in ihre Grundrechte ungerechtfertigt eingreifen würde. Problematisch dürfte daher weniger sein, ob das Verbot anwendbar ist, sondern ob die Voraussetzungen des Verbots vorliegen.

E. Zusammenfassung Neben dem Beweisverbot kennt das Zivilprozessrecht ein Sachvortragsverbot als Folge materiell rechtswidriger Beschaffungshandlungen. Das Lösungskonzept, das sich in der Beweisverbotslehre durchgesetzt hat, ist auch auf Sachvortragsebene anzuwenden. Beide Institute begründen sich in der verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts zur Vermeidung eines Grundrechtseingriffs durch die jeweilige Gerichtshandlung. Das verfassungsrechtlich hergeleitete Verbot stellt sich damit im Ergebnis als ein Informationsverwendungsverbot dar, das an die grundrechtswidrige Informationsverwendung des Gerichts anknüpft und die Nichtberücksichtigung der Information bei der jeweiligen Verfahrensentscheidung zur Folge hat. Die Information ist insoweit als nichtexistent zu betrachten. Der Informationsträger der grundrechtsrelevanten Informationen ist dabei irrelevant, sodass alle inhaltsgleichen Beweismittel und auch streitiger und unstreitiger Sachvortrag dem Verbot unterfallen können, sofern sie grundrechtsbeschränkend verwendet werden. 436  Interdisziplinäre Untersuchungen zu den Beweisverboten: Teil  2, B. I. 1. b). Jahn, S. C 51–53 konstatiert jedoch die geringe Relevanz der interdisziplinären Diskussion aus Sicht des Strafprozessrechts. 437 Sachvortragsverbot im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren: ArbG Frankfurt Beschl.v.30.05.2012 – 7 BV 168/12 – juris, Rz.  37 f.

200

Teil 4: An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot

Entscheidende Voraussetzung für ein Verbot ist der Grundrechtseingriff durch die äußerliche oder informationelle Informationsverwendung des Gerichts. Beim Sachvortrag ist dies regelmäßig die beweismittelähnliche Verwendung, kann aber auch bei der gerichtlichen Subsumtion erfolgen. Wenn die gerichtliche Verwendung rechtswidrig erlangter Informationen einen nicht zu rechtfertigenden Grundrechtseingriff darstellt, ist die jeweilige zur Verwendung befähigende Befugnisnorm einschränkend verfassungskonform auszulegen. Das Sachvortragsverbot folgt aus der Grundrechtsbindung der Rechtsprechung, Art.  1 Abs.  3 GG. Es verbietet daher nicht die Parteibehauptung, sondern die gerichtliche Verwendung der damit eingeführten Informationen. Die Prozessbehauptung der Partei wird mangels Grundrechtsverpflichtung nicht berührt. Der Vortrag ist danach nicht wegen eines an die Partei adressierten Verbots unschlüssig, sondern wegen eines an das Gericht adressierten Verbots unverwendbar. Weil auch die Kenntnisnahme von Sachvortrag kein grundrechtsbeeinträchtigendes gerichtliches Verhalten ist, kann auch insoweit die Unschlüssigkeit des Vortrags keine Verbotsfolge sein.438 Im zivilprozessualen Regelverfahren hat das verfassungsrechtlich begründete Sachvortragsverbot deshalb immer nur die gerichtliche Unverwendbarkeit der Informationen und nie die Unschlüssigkeit des Vortrags zur Folge. Bei einem Sachvortragsverbot ist sorgfältig zwischen rechtswidrig beschafftem Zusatzwissen und rechtmäßig erlangtem Basiswissen zu unterscheiden. Sachvortragsverbote liegen häufig in Fällen rechtswidrig beschafften Zusatzwissens vor, in denen die Partei schon vorher eine Behauptung hätte aufstellen können, diese aber weniger substantiiert gewesen wäre.439 Wenn bei dem rechtswidrigen Beschaffungsakt ein Beweismittel erlangt wurde, unterfällt das Beweismittel einem Informationsverwendungsverbot in Form eines Beweisverbots und der Sachvortrag bezüglich des dabei erlangten Zusatzwissens einem Informationsverwendungsverbot in Form eines Sachvortragsverbots. Daraus folgt umgekehrt, dass jedes Beweisverbot von einem Sachvortragsverbot hinsichtlich seines gleichzeitig erlangten Zusatzwissens flankiert wird.440 Soweit der Sachvortrag prozessual unstreitig ist, kommt nur ein Sachvortragsverbot, mangels Beweisverfahren jedoch kein Beweisverbot in Betracht.

438 

Teil  4, B. II. 2. a) aa) und Teil  4, C. II. 2. und Teil  4, C. III. 2. c). Weber, ZZP 129 (2016), 57, 65. 440  Weber, ZZP 129 (2016), 57, 82. 439 

Teil 5

An die Partei adressiertes Verbot A. Einleitung Das aus der verfassungskonformen Auslegung folgende, an das Gericht adressierte Sachvortragsverbot knüpft erst an die gerichtliche Informationsverwendung im Prozess an und berücksichtigt daher eine rechtswidrige Informations­ beschaffung nur mittelbar. Stattdessen oder daneben ist die Anknüpfung an das Parteiverhalten denkbar. Ein daran anknüpfendes Verbot könnte die rechtswidrige Informationsbeschaffung möglicherweise unmittelbar berücksichtigen. Die Prozessparteien sind jedoch nicht nur durch das prozessuale Rechtsverhältnis verbunden, sondern, anders als das Gericht, auch durch ein materiell-­ rechtliches Rechtsverhältnis. Deswegen wird im Folgenden nicht nur ein im prozessualen Rechtsverhältnis begründetes Behauptungsverbot (B.), sondern auch ein im materiell-rechtlichen Rechtsverhältnis begründetes Geltendmachungsverbot (C.) erwogen. Schließlich ist aufgrund der praktischen Relevanz für den Arbeitsgerichtsprozess in einem kurzen Diskurs (D.) auf die Folgen eines vertraglich vereinbarten Sachvortragsverbots einzugehen, wobei insbesondere der Frage nachzugehen ist, ob derartige Absprachen dem Prozessrechtsverhältnis oder dem materiell-rechtlichen Rechtsverhältnis zuzuordnen sind.

B. Prozessuales Verbot I. Anknüpfungspunkt Das Parteiverhalten bietet vielfache Anknüpfungsmöglichkeiten für ein Beweisverbot. Zwischen den Parteien besteht das streitgegenständliche Rechtsverhältnis, zumeist fand zwischen ihnen die rechtswidrige Beschaffungshandlung statt und zwischen ihnen wird der Rechtsstreit geführt. Zudem ist die Rolle der Parteien im als Parteiprozess ausgestalteten Zivilprozess sehr stark. Das Parteiverhalten ist mithin ein besonders naheliegender Anknüpfungspunkt für ein prozessuales Verbot infolge materiell rechtswidriger Informationserlangung.

202

Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

Deshalb haben sich in der Beweisverbotslehre mehrere daran anknüpfende Verbotsansätze herausgebildet. Auch wenn sie sich in der Beweisverbots­ forschung nicht durchsetzen konnten, sollen sie hier auf ihre Eignung, ein an die Partei adressiertes Sachvortragsverbot zu begründen, untersucht werden. Aufgrund der zahlreichen Stellungnahmen in der Beweisverbotslehre werden die Lösungsansätze im Folgenden nicht auf ihre Eignung, ein Beweisverbot begründen zu können, sondern nur auf ihre Eignung, ein Sachvortragsverbot begründen zu können, untersucht. Dargestellt werden deshalb nur das jeweilige Lösungskonzept der Beweisverbotslehre und die wesentlichen Kritikpunkte daran. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt dann aber auf der Herleitung eines Sachvortragsverbots auf Grundlage des jeweiligen Lösungskonzepts.

II. Anknüpfung an das außerprozessuale Verhalten der Partei: Informationserlangung 1. Einleitung Erster möglicher Anknüpfungspunkt für ein an die Partei adressiertes prozessuales Verbot ist die vor oder zumindest außerhalb des gerichtlichen Verfahrens stattfindende Beschaffungshandlung. Ein unmittelbar an die rechtswidrige Beschaffungshandlung anknüpfendes Verbot hätte wohl deutlich weitreichendere Folgen als das nur mittelbar daran anknüpfende gerichtliche Verbot aus Teil  4. Deshalb soll die Prüfung mit diesem chronologisch frühestmöglichen Anknüpfungspunkt beginnen. 2. Schadensersatzanspruch a) Diskussion in der Beweisverbotslehre In der Beweisverbotslehre wurde vorgeschlagen, dass die (vorprozessuale) Beschaffungshandlung einen deliktischen Schadensersatzanspruch begründe, dessen Rechtsfolge ein prozessuales Beweisverbot sei.1 Der deliktische Schaden sei die Niederlage im Prozess.2 Weil die Prozess­ niederlage als Schaden erst mit der materiellen Rechtskraft feststehe und dann aufgrund der materiellen Rechtskraft nicht mehr nachträglich ausgleichbar sei, verkürze das Prozessrecht den deliktischen Rechtsschutz.3 Um diese Verkürzung

1  J. Braun, S.  764 f.; Grunsky, S.  445; Konzen, S.  245 –249; Larenz/Canaris, Schuldrecht, S.  507. 2  Konzen, S.  180, 249. 3  J. Braun, S.  765; Konzen, S.  249.

B. Prozessuales Verbot

203

zu vermeiden, müsse bereits im Rechtsstreit die Schadenentstehung durch ein Beweisverbot verhindert werden.4 Zur praktischen Umsetzung des Beweisverbots im Prozess wurde nicht immer Stellung bezogen. Mitunter wurde zur Geltendmachung eine Widerklage des Beweisgegners auf Schadensersatz aus §§  823, 826 BGB gefordert.5 Das Lösungskonzept hat sich in der Beweisverbotslehre nicht durchgesetzt. Kritiker vermissten einen tatbestandlichen Schaden. Ein Schaden im Rechts­ sinne liege schon deshalb nicht vor, weil die Entscheidung materiell richtig sei, etwa weil die verurteilte Leistung ohnehin geschuldet sei.6 Selbst wenn der Schaden darin bestünde, dass der nur fällige Anspruch zu einem titulierten Anspruch werde,7 fehle es an dem erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang.8 Denn unabhängig von der Definition des Vermögensbegriffs entstehe ein Schaden nur, wenn das rechtswidrig beschaffte Beweismittel die Behauptung bestätige und zum Prozesssieg führe. In dem Fall habe aber der Beweisgegner nachweislich vor Gericht gelogen, sodass die Schadensverursachung wegen des prozessualen Gegenrechts auf Wahrheit nicht rechtswidrig sei.9 Als Gegenargument zu einem Beweisverbot als deliktische Rechtsfolge wurde auch darauf hingewiesen, dass die Gewährung vorbeugenden Schadensersatzes systemwidrig sei.10 b) Sachvortragsverbot Das Lösungskonzept ist auf die Sachvortragsebene übertragbar, da es nicht auf beweisspezifischen Erwägungen beruht. Aus dem deliktischen Schadensersatz­ anspruch kann aber auch kein Sachvortragsverbot hergeleitet werden. Die deliktsspezifische Diskussion zur Frage, ob die Prozessniederlage ein Schaden ist und ob dieser Schaden ein kausaler und rechtswidriger Schaden ist, kann dahingestellt bleiben, denn das Deliktsrecht ist hier bereits aus anderen Gründen nicht anwendbar. Auf die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen ist hier daher nicht einzugehen. Das Lösungskonzept möchte durch ein prozessuales Verbot das Entstehen des (vermeintlichen) deliktischen Schadens verhindern. Der repressive Deliktsschutz 4 

Konzen, S.  249. Brinkmann, AcP 206 (2006), 746, 762–764. 6  BGH, NJW 1987, 3255, 3256; Fink, S.  155; Gemmeke, S.  80; Kaissis, S.  64; Pleyer, ZZP 70 (1956), 321, 331; Weichbrodt, S.  187; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377, 388. 7  Kodek, S.  188; Muthorst, S.  107. 8  Kodek, S.  188 f. 9  Reichenbach, S.  78; Werner, NJW 1988, 993, 1002. 10  Betz, RdA 2018, 100, 105; Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 317. 5 

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Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

knüpft aber an eine Rechtsgutverletzung als Haftungsgrund an.11 Im vorliegenden Fall ist das Rechtsgut aber allenfalls gefährdet, eine Rechtsgutverletzung liegt (noch) nicht vor. Denn der Schaden entsteht erst mit der materiellen Rechtskraft. In diesem Fall fehlt es sowohl an der haftungsauslösenden Tatbestands­ voraussetzung der Rechtsgutverletzung als auch an dem erlittenen Schaden, der nach den §§  249 ff. BGB durch „Zustands-Wiederherstellung“ ausgeglichen werden könnte. Der präventive Deliktsschutz ist abschließend durch Abwehransprüche wie §  1004 BGB geregelt.12 Auch eine Anknüpfung an die deliktische Erlangungshandlung als Rechtsgutverletzung begründet keinen Schadensersatzanspruch in Form eines prozessualen Verbots. Zwar kann dann durchaus ein Schadensersatzanspruch entstehen; dieser betrifft aber den kausalen und eingetretenen Schaden, der nach §§  249 ff. BGB zu ersetzen ist. So ist etwa im Falle eines Urkundendiebstahls der Besitzverlust der Vermögensschaden, und der Anspruch hat dementsprechend die Wiedereinräumung des Besitzes, §  249 Abs.  1 BGB, oder die Geldentschädigung, §  251 Abs.  1 BGB, zum Inhalt. Dieser Anspruch trifft aber keine Aussage darüber, ob der Inhalt dieser Urkunde dann in der prozessualen Tatsachenbehauptung wiedergegeben werden kann.13 Außerdem hätte die Ableitung eines prozessualen Verbots nach diesem Lösungskonzept zur Folge, dass die Voraussetzungen für ein solches nur dann vorliegen, wenn in der Folge der Prozess verloren wird. Die ganz offensichtliche Schwierigkeit dieses Lösungskonzepts ist deshalb, dass bei der Entscheidung, ob eine Behauptung zulässig ist, noch nicht feststeht, ob die Zulässigkeit kausal zum Prozesssieg führt. Dies hängt aber insbesondere von der gerichtlichen Würdigung ab, die allerdings zwingend nach der Entscheidung über die Zulässigkeit der Behauptung oder des Beweismittels erfolgt, da sich die gerichtliche Würdigung nur auf den dafür gesetzlich vorgesehenen, durch etwaige Zulässigkeitsgrenzen beschränkten Gegenstandsbereich bezieht.14 Anderenfalls würde das Gericht eine – wegen des Rechts auf rechtliches Gehör verbotene15 – antizipierte Würdigung vornehmen. Gegen ein prozessuales Verbot aus Schadensersatz 11 

MüKo-BGB/Wagner, vor §  823, Rn.  39. MüKo-BGB/Wagner, vor §  823, Rn.  39. Zur Frage ob §  1004 BGB ein prozessuales Verbot begründet, unten Teil  5, B. III. 5. 13  Morgenroth, NZA 2014, 408, 410. Anders Konzen, S.  30, 178 f. (Übertragung der materiellen Wertung in den Prozess). 14  Zu Beweismitteln Wieczorek/Schütze/Ahrens, §  286, Rn.  6; Gemmeke, S.  61 f.; Kodek, S.  15; Muthorst, S.  200 f., 371 f. Auch die Rechtsprechung trennt teilweise nicht ausreichend zwischen Beweiszulässigkeit und Beweiswert: BGH NJW 1970, 1848, 1849 (Glaubwürdigkeit des „Spitzel-Zeugens“); ArbG Kassel BB 1955, 31 (Fälschungsmöglichkeit bei Tonbandaufnahmen). 15  Zöller/Greger, §  286, Rn.  12; Kwaschik, S.  262. 12 

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spricht zudem, dass auch andere Faktoren die Erfolgsaussichten einer Klage beeinflussen. Der Prozesssieg kann deshalb nicht entscheidende Voraussetzung für die Unzulässigkeit der Behauptung sein. Die rechtswidrige Beschaffungshandlung kann zwar einen Schadensersatz­ anspruch begründen; dieser hat aber kein prozessuales Verbot zur Rechtsfolge. 3. Schutzzweck der durch die Erlangung verletzten Norm a) Diskussion in der Beweisverbotslehre Es gibt keine Norm des materiellen Straf- oder Zivilrechts, die als Rechtsfolge der rechtswidrigen (Beschaffungs-)Handlung die zivilprozessuale Unzulässigkeit der beschafften Informationen oder Beweismittel anordnet. Jedoch wird mitunter aus dem Schutzzweck der bei der Erlangungshandlung verletzten Norm ein Beweisverbot abgeleitet.16 Das Lösungskonzept hat seinen Ursprung im Strafrecht, wo es sich auf verfahrensfehlerhaft erhobene Beweisergebnisse bezieht.17 Es wurde schon darauf hingewiesen, dass ein zivilprozessuales Beweisverbot infolge rechtswidriger Beweisbeschaffung weder mit strafprozessualen Beweisverboten noch mit Beweisverboten infolge von Verfahrensfehlern gleichgesetzt werden kann.18 Die Vertreter dieser Ansicht prüfen, ob Sinn und Zweck der bei der Beschaffungshandlung verletzten Norm einer prozessualen Zulässigkeit entgegenstehen.19 Teilweise wird ein Beweisverbot aufgrund des Schutzzwecks der verletzten Norm nur bei einfachgesetzlichen Verstößen20, teilweise nur bei verfassungsrechtlich relevanten Beweismitteln angenommen,21 und teilweise wird eine Differenzierung für entbehrlich gehalten.22 Kritiker halten dem Lösungskonzept entgegen, dass die Reichweite der Schutz­ zwecke rechtspolitisch und apodiktisch festgelegt werden können.23 Im Ergebnis ließe sich mit hinreichender Argumentation aus jeder Norm ein entsprechender Schutzzweck ableiten, sodass letztlich entgegen dem grundsätzlichen Recht auf Beweis beinahe sämtliche rechtswidrigen Erlangungshandlungen zu einem Be16  Bayreuther, NZA 2005, 1038, 1042; Gross/Lorenz, FA 2003, 229; Grunsky, S.  445; Kalten­ meier, S.  69; Stein/Jonas(1972)/Schumann/Leipold, §  284, Bem. B III 1a. 17  Tresenreuter, S.  40; Weichbrodt, S.  190. 18  Teil  1, C. und Teil  2, B. I. 1. 19  Kaltenmeier, S.  65. 20  Baumgärtel in: FS Klug (1983), 477, 483 f., 491. 21  Fink, S.  162. 22  Kaltenmeier, S.  64–66. 23  Ahrens, Kapitel  6, Rn.  28; Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 317; Kaissis, S.  60; Kodek in: FS Kaissis, 523, 541.

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weisverbot führen würden.24 Der Schutzzweck der bei der Beschaffungshandlung verletzten Verbotsnormen wie §  242 StGB und §  201 StGB reiche nicht bis in den Zivilprozess.25 Insbesondere zeigten die Mitwirkungspflichten im Zivilprozess, dass die Persönlichkeitsrechte nicht im selben Maße außerhalb und innerhalb des Prozesses geschützt werden.26 b) Sachvortragsverbot Das Lösungskonzept ist auf die Sachvortragsebene zwar übertragbar, da es keinen inhaltlichen Unterschied macht, ob die erlangten Informationen als Behauptung oder als Beweismittel im Prozess eingeführt werden. Jedoch ist auch die in der Beweisverbotslehre angemahnte Schwäche auf die Sachvortragsebene übertragbar. Die Ableitung eines prozessualen Verbots aus dem Schutzzweck der einzelnen Normen erscheint ergebnisorientiert und rechtspolitisch motiviert. Eine derartige Ausweitung des Normzwecks ist jedoch methodisch nicht vertretbar. Der Schutzzweck einer Norm ist das Ziel, zu dessen Schutz ein Rechtssatz aufgestellt worden ist.27 Es handelt sich also um einen situationsunabhängigen Wert, der nicht beliebig erweiterbar ist, ohne gegen die verfassungsrechtliche Gewaltenteilung zu verstoßen. Schutzzweckerwägungen sind Teil der systematischen Auslegung. Auch andere Argumente sprechen gegen eine die Auslegung der materiell-rechtlichen Normen als prozessuale Verbotsgrundlage. Materielle Verhaltensnormen sehen als Rechtsfolge Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche oder strafrechtliche Sanktionen, aber kein zivilprozessuales Behauptungsverbot vor. Auch eine erweiterte Auslegung der Verbotsnormen überzeugt nicht. Vor seiner Einführung in den Prozess ist das Beweismittel prozessordnungsrechtlich irrelevant. Wegen der prozessordnungsrechtlichen Irrelevanz gibt es kein Regelungsbedürfnis aus prozessordnungsrechtlichen Gesichtspunkten und deshalb kein Auslegungsbedürfnis.28 Anderenfalls bestünde eine große Rechtsunsicherheit. Denn die Rechtsfolgen einer Norm wären davon abhängig, ob in der Zukunft ein möglicher Prozess stattfinden wird. Eine solche Rechtsunsicherheit kann im materiellen Strafrecht bereits wegen Art.  103 Abs.  2 GG, §  1 StGB keinen Bestand haben und ist auch im materiellen Zivilrecht vor dem Hintergrund des Art.  20 Abs.  3 GG zu vermeiden. Prozessuale Folgen können deshalb erst in Bezug auf einen

24 

Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 317. Weichbrodt, S.  191; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377, 389. 26  Kodek in: FS Kaissis, 523, 541 (Aussage- und Urkundenvorlagepflichten). 27  Köbler, S.  385. 28  Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 318. 25 

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konkreten Prozess entstehen. Den Normen des materiellen Rechts, die bei der Erlangung verletzt werden, fehlt deshalb die prozessuale Schutzrichtung.29 Soweit der Beweisführer bei der Erlangungshandlung gegen Normen des materiellen Rechts verstößt, haben diese jedenfalls nicht die Verhinderung der Prozessstoffsammlung zum Schutzzweck, sondern den Schutz der Individualrechtsgüter wie Eigentum, Besitz, Körper und des privatrechtlichen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.30 4. Grundrechtswidrigkeit der Erlangung a) Diskussion in der Beweisverbotslehre Auch die Grundrechtswidrigkeit der Beweisbeschaffung wurde in der Beweisverbotslehre als Grundlage eines Beweisverbots bemüht.31 Aus einem Verstoß gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht bei der Beschaffungshandlung folge zwingend im Sinne einer „Automatikwirkung“32 ein Beweisverbot. Dies gelte insbesondere unabhängig davon, ob durch die prozessuale gerichtliche Verwendung ein neuerlicher Eingriff erfolge.33 Dementgegen führe die einfachgesetzliche Rechtswidrigkeit der Erlangungshandlung zu keinem Beweisverbot.34 Nicht immer wird klar, ob diese Auffassung auf eine Grundrechtswidrigkeit aufgrund unmittelbarer Drittwirkung, auf eine Grundrechtswidrigkeit aufgrund fehlender staatlicher Schutzinstrumentarien35 oder auf eine privatrechtliche, deliktische Rechtswidrigkeit36 abstellen. Regelmäßig wird diese Frage bei der Prüfung des Grundrechtsverstoßes übergangen und die Erlangungshandlung des Beweisführers als verfassungsrechtliche Eingriffshandlung geprüft, als wäre sie von einem Grundrechtsverpflichteten vorgenommen worden.37 Mit dem Argument der fehlenden Grundrechtsadressatenstellung des Beweisführers werden ein Grundrechtsverstoß durch die Erlangungshandlung und ein darauf beruhendes Beweisverbot zu Recht verneint.38 Auch die Ableitung eines

29 

Kaissis, S.  60. Zum Strafprozessrecht Stoffer, S.  456. Kaissis, S.  60. 31  OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799, 2800; Gamp, DRiZ 1981, 41, 44; Lenz/Meurer, MDR 2000, 73, 75. 32  Gamp, DRiZ 1981, 41, 44. 33  So zumindest bei einer „Verletzung“ von Art.  1 Abs.  1 GG: Habscheid in: GS Peters, 840, 860 f. 34  Gamp, DRiZ 1981, 41, 44. 35  Reichenbach, S.  48. 36  BAG NJW 2003, 3436, 3437; Siegert, NJW 1957, 689, 690. 37  Beispielsweise OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799, 2800. 38  Störmer, S.  120. 30 

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Beweisverbots aus der Schutzwirkung der Grundrechte wird abgelehnt.39 Es bestünden bereits begriffliche Zweifel, denn die Schutzpflicht verlange ein positives Handeln. Ein Beweisverbot wäre aber angesichts der gerichtlichen Berücksichtigungspflicht ein staatliches Unterlassen.40 Überdies fehle es an den tatsächlichen Voraussetzungen, um ein staatliches Handeln zu erzwingen. Eine zum Tätigwerden zwingende Beeinträchtigung liege erst bei einer Gefährdung der Grundrechtsausübung wegen fehlender oder völlig ungeeigneter staatlicher Schutzmaßnahmen vor.41 Ein die Grundrechtsausübung gefährdendes Maß an Selbstjustiz durch Erlangungshandlungen sei aber nicht nachweisbar.42 Ungeachtet dessen verstoße ein aus der Schutzpflicht abgeleitetes Beweisverbot gegen den gesetzgeberischen Entscheidungsspielraum bei der Umsetzung seiner Schutzpflichten.43 b) Sachvortragsverbot Auch die „Grundrechtswidrigkeit der Beschaffungshandlung“ basiert nicht auf beweisspezifischen Erwägungen, sodass das Lösungskonzept prinzipiell auf die Sachvortragsebene übertragen werden kann. Auch hier kann aber die Grundrechts­ widrigkeit der Erlangungshandlung kein Sachvortragsverbot begründen. Selbst wenn aus der „Grundrechtsrelevanz“ eine gewisse Eingriffsschwere geschluss­ folgert werden könnte, bedeutet dies nicht, dass aus dem Verletzungsakt eine automatische Folge für die prozessuale Zulässigkeit abgeleitet werden kann.44 Die Beschaffungshandlung ist mangels Adressatenstellung des regelmäßig nichthoheitlich handelnden Beweisführers kein Grundrechtseingriff. Dies gilt unabhängig davon, ob die Information als Tatsachenbehauptung oder als Beweismittel verwendet wird. Die Horizontalwirkung der Grundrechte im Privatrecht, genannt Drittwirkung, war bereits vor Inkrafttreten des Grundgesetzes Gegenstand juristischer Diskussionen.45 Nach heute herrschender Auffassung haben die Grundrechte im Privatrechtsverkehr jedoch nur eine Ausstrahlungswirkung, wonach die Wertentscheidung der Grundrechte bei der Auslegung und Anwendung einfachen Rechts zu berücksichtigen ist.46 Früher wurde insoweit 39 

Störmer, S.  127. Störmer, S.  125. 41 Jarass/Pieroth/Jarass, vor Art.  1, Rn.  56. 42  Störmer, S.  127. 43  Brinkmann, AcP 206 (2006), 746, 761; Störmer, S.  127. 44  Frieberger, S.  41. 45  Kulick, NJW 2016, 2236. 46  BVerfG NJW 1958, 257, 258; NJW 2006, 207, 208 (st.Rspr.); Jarass/Pieroth/Jarass, vor Art.  1, Rn.  33; Art.  1, Rn.  52 f.; Störmer, S.  120. 40 

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von einer „mittelbaren Drittwirkung“ gesprochen.47 Aufgrund des Wortlauts des Art.  1 Abs.  3 GG und aufgrund der Grundrechtsfunktionen sind Private nach allgemeiner Auffassung nicht im Sinne einer unmittelbaren Drittwirkung an Grundrechte gebunden.48 Mangels einer Grundrechtsadressatenstellung des Handelnden kann daher kein Grundrechtsverstoß vorliegen. In der Grundrechtsdogmatik weitestgehend anerkannt ist jedoch die Schutzwirkung von Grundrechten gegen vom Verhalten Dritter ausgehender Gefahren.49 Aus dieser Schutzwirkung kann aber ebenfalls kein Sachvortragsverbot abgeleitet werden. Die Kritik in der Beweisverbotslehre ist auf die Sachvortragsebene übertragbar. Insbesondere liegt die Umsetzung der Schutzmaßnahmen im gesetzgeberischen Entscheidungsspielraum, denn das aus dem Untermaßverbot abgeleitete Handlungsgebot verpflichtet den Staat nur, einen Mindestschutzstandard sicherzustellen.50 Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, seiner Schutzpflicht in Bezug auf rechtswidrige Informationsbeschaffungshandlungen durch Sanktionen im materiellen Bußgeldrecht, Strafrecht, Schadensersatzrecht und Abwehranspruchsrecht nachzukommen.51 Weil diese Sanktionen in ihrer Rechts­ folge von Art und Intensität der jeweiligen Verletzungshandlung abhängen, sind sie für den Schutz der durch den Eingriff verletzten Rechtsgüter grundsätzlich auch ausreichend.52 Insbesondere haben die meisten Beschaffungshandlungen einen eher geringen Unrechtsgehalt. Fälle von Privatfolter oder ähnlichem sind nicht bekannt.53 Der Mindestschutzstandard ist also gewährleistet.54 Unter dem Stichwort des Grundrechtseingriffs bei der Erlangungshandlung kann daher nur der Versuch verstanden werden, ein prozessuales Verbot aus dem privatrechtlichen Allgemeinen Persönlichkeitsrecht abzuleiten. Dieses Recht 47 

BVerfG NJW 1958, 257, 258; Kulick, NJW 2016, 2236; Sachs/Sachs, vor Art.  1, Rn.  32. BVerfG NJW 1958, 257, 257; Jarass/Pieroth/Jarass, Art.  1, Rn.  48, 58; Kingreen/Poscher, Rn.  239 f.; Sachs/Sachs, Art.  1, Rn.  116. 49  Sachs/Sachs, vor Art.  1, Rn.  35 f. 50  Brinkmann, AcP 206 (2006), 746, 761; Möllers, S.  241 f., 388; Störmer, S.  127. 51 Zu außerprozessualen Sanktionen etwa Balzer/Nugel, NJW 2013, 3397–3403; Brink/­ Wybitul, ZD 2014, 225–231; Byers/Wenzel, BB 2017, 2036–2040; Fricke, VersR 2009, 297– 306; Tschöpe/Grimm, Teil  6 F, Rn.  193–209, 220–223; Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329–344; Lachenmann/Schwiering, NZV 2014, 291–297; Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50–58; A. Müller, S.  30–111; A. Braun/Wisskirchen/Panzer-Heemeier, Teil I 4, Rn.  161–172; Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074–2080; Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745–1753; Venetis/Oberwetter; NJW 2016, 1051–1057; Washausen, S.  227–260. 52  Ahrens, Kapitel  6, Rn.  26; Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 318; Kodek in: FS Kaissis, 523, 539 f.; A. Braun/Wisskirchen/Panzer-Heemeier, Teil I 4, Rn.  161–172. 53  Kodek in: FS Kaissis, 523, 540. 54  Wenn dieser Mindestschutzstandard nicht mehr gewährleistet ist, ist dessen Wiederherstellung Aufgabe des Gesetzgebers, Grundsatz der Gewaltenteilung. 48 

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wurde zuerst im materiellen Zivilrecht entwickelt.55 Erst später ist es als unbenanntes Grundrecht von der verfassungsrechtlichen Lehre übernommen worden.56 Es wird von der ganz herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung als sonstiges Recht im Sinne des §  823 Abs.  1 BGB anerkannt.57 Inhaltlich bestehen keine wesentlichen Unterschiede zwischen dem zivilrechtlichen und dem grundrechtlichen Allgemeinen Persönlichkeitsrecht.58 Allerdings hat die Verletzung des privatrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine andere Rechtsfolge: sie begründet einen Anspruch auf Schadensersatz aus §  823 Abs.  1 BGB. Verfassungsrechtlich relevant ist die Verletzung jedoch nicht.59 Die Vertreter dieser Ansicht greifen letztlich nicht auf die Werte der Verfassung, sondern auf einen deliktischen Schadensersatzanspruch zurück. Dass dieser kein prozessuales Sachvortragsverbot zur Folge hat, wurde bereits erörtert.60 Überdies ist die Unterscheidung des Lösungskonzepts in grundrechtsrelevante und einfachgesetzliche Verstöße fragwürdig. Letztendlich wird es wenige einfachgesetzeswidrige Beschaffungshandlungen geben, die nicht ebenfalls dem sachlichen Schutzbereich eines Grundrechts unterfallen. Schließlich berührt auch der Urkundendiebstahl das Grundrecht der Eigentumsfreiheit aus Art.  14 GG. Man könnte die Unterscheidung allerdings auch so verstehen, dass ein Verbot nur in den Fällen entsteht, in denen die Beschaffungshandlung nur dem Schutzbereich eines Grundrechts unterfällt, nicht jedoch dem Tatbestand einer einfachgesetzlichen Norm. Dies hätte aber die paradoxe Folge, dass der Schutzbereich des Grundrechts stärker geschützt wird, wenn er keine strafrechtliche Normierung erfahren hat, obwohl Sinn und Zweck der Normierung die Stärkung des Rechtsgüterschutzes ist.61 5. Bewertung und Zwischenergebnis Die rechtswidrige Informationsbeschaffungshandlung ist nicht der richtige Anknüpfungspunkt für ein prozessuales Verbot. Weder ein Beweisverbot noch ein Sachvortragsverbot kann so begründet werden. Dieses Zwischenergebnis folgt bereits aus der rein praktischen Erwägung, dass die Rechtswidrigkeit der Beschaffungshandlung nicht bis zum Prozess fortdauern muss oder dass zwar die Beschaffungshandlung nicht rechtswidrig gewe55 

BGH NJW 1954, 1404, 1405; BAG NJW 1956, 359, 360, Merten/Papier/Rudolf, §  90, Rn.  3 (m. w. Nw.). 57  BGH NJW 1954, 1404, 1405; Gemmeke, S.  86; MüKo-BGB/Wagner, §  823, Rn.  295; Störmer, JuS 1994, 334, 336. 58  Merten/Papier/Enders, §  89, Rn.  18; Maschmann in: FS Hromadka, 233, 237. 59  Störmer, JuS 1994, 334, 336. 60  Teil  5, B. II. 2. 61  Gemmeke, S.  87. 56 

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sen sein muss, die Information dennoch makelbehaftet sein kann. Insbesondere hindert eine nachträgliche Genehmigung des Betroffenen die fortdauernde Rechtswidrigkeit.62 Genehmigt der Gegner im Nachgang des Erlangungsakts die Tonbandaufnahme oder den Besitz der gestohlenen Urkunde, wird das Gericht kein prozessuales Verbot prüfen. Andererseits provoziert die Zweckentfremdung eines zunächst einvernehmlich aufgenommenen, intimen Videos die Frage nach einem prozessualen Verbot.63 Eine weitere Schwachstelle dieser frühen Anknüpfung ist es, dass ein prozessuales Verbot ausscheidet, wenn die Erlangungshandlung der Prozesspartei nicht zurechenbar ist, etwa weil Dritte ohne ihr Wissen gehandelt haben.64 Darin zeigt sich, dass der Vorwurf nicht in der prozessualen Verwendung liegt, sondern in der Beschaffungshandlung selbst. Dieser wird aber durch das materielle Strafund Zivilrecht sanktioniert.65 Unmittelbar von der Rechtswidrigkeit der Beschaffungshandlung auf die Unzulässigkeit im Prozess zu schließen, überzeugt auch systematisch nicht. Im Ergebnis berufen sich die genannten Lösungsansätze auf eine einheitliche Rechtsordnung als übergeordnetes Prinzip.66 Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass die prozessuale Zulässigkeit einer rechtswidrig beschafften Information inkonsequent und widersprüchlich sei und daher der Einheit der Rechtsordnung entgegenstehe.67 Dadurch wird eine tatsächliche Verknüpfung von Beschaffungsund Prozesshandlung behauptet, die so nicht besteht. Vielmehr sind Beschaffungshandlung und prozessuale Verwendung zwei tatsächlich zu unterscheidende Handlungen. Das vorprozessuale Verhalten ist abgeschlossen, bevor die prozessuale Handlung beginnt. Es ist deshalb nicht derselbe Rechtsakt.68 Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung verlangt jedoch allenfalls, dass ein Rechtsakt nicht an einer Stelle von der Rechtsordnung gebilligt und an anderer Stelle verurteilt wird und dass entsprechende Normwidersprüche aufgelöst werden.69 Hier würde jedoch gefordert, den gleichen Maßstab an zwei verschiedene 62 

Ahrens, Kapitel  6, Rn.  21, 24; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377, 394. Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 611; Wais, S.  121; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377, 394. Ähnlich: KG NJW 1994, 462, 463 (rechtswidrige Verwendung nach rechtmäßiger Kenntnis­ erlangung im Anwaltsmandat). 64  Gemmeke, S.  64 f.; Konzen, S.  181. 65  Ahrens, Kapitel  6, Rn.  26; Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 318; Kodek in: FS Kaissis, 523, 536; Werner, NJW 1988, 993, 999. 66  Kaltenmeier, S.  58; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377, 389. 67  LAG Berlin ZZP 96 (1983), 113; Habscheid in: GS Arens, 187, 195; Kellner, JR 1950, 270, 271; Stein/Jonas(1987)/Leipold, §  284, Rn.  56; Siegert, NJW 1957, 689, 690. 68  Betz, RdA 2018, 100, 102; Gemmeke, S.  64; Werner, NJW 1988, 993, 999. 69  Nachweise bei Betz, RdA 2018, 100, 102 f.; Kaissis, S.  53 f.; Weichbrodt, S.  220–223. Zum Prinzip einer einheitlichen Rechtsordnung näher unten Teil  5, B. III. 6. 63 

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Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

Rechtsakte zu setzen. Es ist weder inkonsequent noch widersprüchlich, wenn eine Rechtsordnung einen Rechtsakt als rechtswidrig verurteilt, einen anderen, daran anknüpfenden Rechtsakt jedoch nicht.70 Außerdem sprechen teleologische Argumente gegen diese Argumentation. Durch die Gleichstellung der materiell-rechtlichen Rechtswidrigkeit mit der prozessualen Unzulässigkeit wird das Recht auf rechtliches Gehör völlig übergangen. Ein derart einseitiges Lösungskonzept vernachlässigt das Bedürfnis nach materieller Gerechtigkeit. Der Anspruch aus einem Vertrag erlischt nicht dadurch, dass der Anspruchsinhaber die für den Beweis erforderliche Vertrags­ urkunde vorprozessual gestohlen hat.71 Genauso ändert eine rechtswidrige Videoüberwachung nichts daran, dass eine Kündigung berechtigt und ein Arbeitsverhältnis zerrüttet ist, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber systematisch bestiehlt. Es kann daher nicht unmittelbar von der Rechtswidrigkeit der Erlangungshandlung auf die Unzulässigkeit der Informationsverwendung im Prozess geschlossen werden.72 Auch nach dem Bundesverfassungsgericht hat die Rechtswidrigkeit der Erlangungshandlung keine unmittelbare beweisrechtliche Folge.73 Dieses Ergebnis gilt unabhängig davon, ob die erlangten Informationen sich im Prozess als Beweismittel oder als Behauptung wiederfinden. Die Handlungen vor Prozessbeginn sind ausschließlich nach materiellem Recht zu beurteilen.74

III. Anknüpfung an das prozessuale Verhalten der Partei: Tatsachenbehauptung und Beweisführung 1. Einleitung Zweiter möglicher Anknüpfungspunkt für ein an die Partei adressiertes Verbot ist das prozessuale Handeln der Partei. Dann wäre das prozessuale Verbot ein Behauptungsverbot, anknüpfend an den Tatsachenvortrag, oder ein Beweisfüh70  Vgl. etwa die Straflosigkeit von Selbstbegünstigung (§  257 Abs.  3 S.  1 StGB) und Selbsthehlerei (arg.ex §  259 Abs.  1 StGB). 71  Beispiel nach Wais, S.  140. 72  Siehe nur BVerfG NZA 2002, 284; BAG NZA 2011, 571, 573; NZA 2017, 443, 445; NJW 2017, 843, 844; NZA 2017, 1327, 1329; NJW 2017, 2853, 2854; BB 2019, 697, 698; OLG Saarbrücken VersR 2009, 1478, 1480; LAG Rheinland-Pfalz ZD 2015, 488, 491; MAH-Arbeitsrecht/Dendorfer-Ditges, §  35, Rn.  220; Fuhlrott/Schröder, NZA 2017, 278, 279, 281; Frieberger, S.  37; Zöller/Greger, §  286, Rn.  15a; Tschöpe/Grimm, Teil  6 F, Rn.  212; Kratz/ Gubbels, NZA 2009, 652, 656; A. Braun/Wisskirchen/Panzer-Heemeier, Teil I 4, Rn.  174; Reitz NZA 2017, 273, 277; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 120 f.; Schlewing, NZA 2004, 1071, 1073; Schwab/Weth/N. Schwab, §  58 ArbGG, Rn.  72a, 74; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377, 389. 73  BVerfG NZA 2002, 284. 74  Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 318; Werner, NJW 1988, 993, 999.

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rungsverbot, anknüpfend an den Beweisantritt oder die Übergabe der Beweismittel. Wie das gerichtliche Verbot wäre auch ein solches Behauptungs- oder Beweisführungsverbot nur eine mittelbare Folge der Erlangungshandlung. Das prozessuale Verhalten der Parteien ist grundsätzlich der naheliegendste Anknüpfungspunkt für eine prozessuale Zulässigkeitsbeschränkung von Tatsachenbehauptungen. Er berücksichtigt, dass der Zivilprozess ein Parteienprozess ist, und wahrt zugleich die Besonderheiten der prozessualen Sphäre. Zur Begründung eines Beweisführungsverbots war die Anknüpfung an das Parteiverhalten indes weniger überzeugend, da das Gericht im Beweisverfahren, anders als auf Sachvortragsebene, eine erhebliche Mitverantwortung bei der Sachverhaltsrekonstruktion hat.75 Ein an die Partei adressiertes Beweisführungsverbot würde aber nur den Beweisantritt durch die Partei und nicht die Beweiserhebung von Amts wegen erfassen. Die Zulässigkeit von Beweismitteln muss jedoch unabhängig von der Beweisinitiative geregelt sein.76 Wenig überzeugend hält Reichenbach dem entgegen, Beweisverbote hätten bei der Beweis­ erhebung von Amts wegen keine praktische Bedeutung, da nur der Beweisführer Interesse an dem rechtswidrig erlangten Beweismittel habe und dieser daher immer die Beweiserhebung beantragen werde.77 Zum einen ist dies ein rein pragmatisches, kein rechtsdogmatisches Argument, und zum zweiten geht die Aus­ sage über die bloße Behauptung nicht hinaus. Gerade vor dem Hintergrund der neueren Technik dürfte sich diese Einschätzung nicht bestätigen. So haben beispielsweise bei Verkehrsunfällen häufig beide Parteien Interesse an der Beweisaufnahme durch Inaugenscheinnahme von Videomaterial durch Dashcams, wenn der wirkliche Ablauf eines solchen Unfallgeschehens menschlich kaum wahrnehmbar war, sodass sich beide Parteien von der Videoauswertung die Bestätigung ihrer Behauptungen erhoffen.78 Anders verhält es sich mit dem Sachvortrag, der nicht bloß Erkenntnismittel, sondern auch Behauptung ist. Anders als das Beweisverfahren ist die Einführung von Tatsachen allein Aufgabe der Parteien. Eine gerichtliche Handlungsmöglichkeit – vergleichbar der Beweiserhebung von Amts wegen – besteht hier nicht. Das Gericht kann weder die Einführung von Tatsachen noch die Entscheidung über die Beweisbedürftigkeit, also das Bestreiten, ersetzen.79 Soweit sich keine 75 

Götz, S.  26; MüKo-ZPO/Prütting, §  284, Rn.  89, 107; Störmer, JuS 1994, 238. So schon Kellner, JR 1950, 270, 271. J. Braun, S.  765 schließt daraus (ohne nähere Erklärung), dass die an die Partei adressierten Verbote auch für die Beweiserhebung von Amts wegen gelten müssen. 77  Reichenbach, S.  222. 78  BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  48; AG München NJW-RR 2014, 413, 414; Balzer/Nugel, NJW 2014, 1622, 1625. 79  Benedicter, S.  14; MüKo-ZPO/Prütting, §  284, Rn.  89; Scherpe, ZZP 129 (2016), 153, 176. 76 

214

Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

Partei auf die Tatsachen beruft, werden sie nicht zum Prozessstoff.80 Einem Behauptungsverbot stehen daher weniger grundlegende Zweifel gegenüber als einem Beweisführungsverbot. 2. Prozessuale Verwendungsbefugnis, §§  422, 423 ZPO a) Diskussion in der Beweisverbotslehre Ein an das prozessuale Parteiverhalten anknüpfendes Lösungskonzept ist die sogenannte Verwendungsbefugnis, abgeleitet aus §§  422, 423 ZPO.81 Die Lehre von der Verwendungsbefugnis ist mit dem strafprozessualen Lösungskonzept des hypothetischen Ermittlungsverlaufs vergleichbar.82 Nach diesem Lösungsvorschlag sollen die Voraussetzungen, die nach §§  422, 423 ZPO an die Vorlagepflicht von Urkunden gestellt werden, auf die Vorlageberechtigung von §  420 ZPO übertragen werden.83 In §§  422, 423 ZPO ist die Vorlegungslast des Beweisgegners geregelt, wenn er die maßgebliche Urkunde in den Händen hält. Dabei handelt es sich entgegen dem Wortlaut um keine Pflicht, sondern um eine Last, da es keine Durchsetzungsmöglichkeit gibt, und die Nichtbefolgung bloß verfahrensrechtliche Sanktionen bewirkt.84 Gemäß §  422 ZPO ist der Beweisgegner zur Vorlage von Urkunden, die sich in seinem Besitz befinden, verpflichtet, wenn der Beweisführer einen bürgerlich-rechtlichen Anspruch darauf hat. Nach §  423 ZPO liegt diese Vorlegungslast vor, wenn der Beweisgegner Bezug auf die Urkunde genommen hat. Die Lehre der Verwendungsbefugnis betrachtet diese normierte Vorlegungslast als Schranke des Beweisgegners, die Vorlage der Urkunde verlangen zu können. Die Vorlagelast des einen entspreche der Verwendungsbefugnis des anderen.85 Diese Verwendungsbefugnis müsse aber unabhängig davon gelten, wer die Urkunden in den Händen halte. Hat der Beweisführer die Urkunde vorprozessual gestohlen, ist nach dieser Ansicht danach zu fragen, ob der Beweisgegner, befände sich die Urkunde noch in seinem Besitz, vorlagebelastet wäre. Ein Beweisverbot läge nur dann vor, wenn die Urkunde in seine „prozessfreie Sphäre“ falle.86 80 

Münks, S.  176. Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469, 488 f. In Teilen übernommen von J. Braun, S.  765; Fink, S.  175–229; Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  111, Rn.  26; Kaissis, S.  175, 204; MüKo-ZPO/ Prütting, §  284, Rn.  67; AK-ZPO/Rüßmann, §  284, Rn.  8; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377, 398. Kodek in: FS Kaissis, 523, 541 f. nennt die Mitwirkungspflicht als Argument gegen ein Beweisverbot, verwehrt sich aber dem Umkehrschluss (Beweisverbot bei fehlender Mitwirkungspflicht). 82  Weichbrodt, S.  175 (m. w. Nw.). 83  Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469, 478, 488. 84  Gemmeke, S.  96; Kaltenmeier, S.  43. 85  Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469, 478. 86  Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469, 480. 81 

B. Prozessuales Verbot

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Methodisch arbeiten die Vertreter dieser Ansicht mit einer „rechtsähnlichen Anwendung“87 oder mit einer Analogie.88 Anwendung findet die Lösung auf Urkunden und, im Wege einer weiteren Analogie, auch auf Beweismittel des Augenscheins, nicht jedoch auf die Vernehmungsbeweise.89 Diese Ungleichbehandlung sei jedoch gerechtfertigt, weil die Beweismittel Urkunden und Augenschein anders als die Vernehmungsbeweise eine objektive Reproduktion vor Gericht ermöglichen und deshalb einen größeren Eingriff in die Rechte des Beweisgegners darstellen.90 Bei den Vernehmungsbeweisen könne die rechtswidrige Beschaffungshandlung zudem bei der Beweiswürdigung nach §  286 ZPO berücksichtigt werden.91 (Berechtigter) Schwerpunkt der Kritik ist die Methodik des Lösungskonzepts. Eine analoge Anwendung der §§  422, 423 ZPO auf §  420 ZPO scheitert an der erforderlichen vergleichbaren Interessenlage. Die Vorlegungslast des Beweisgegners ist grundlegend zu unterscheiden von der Verwendungsbefugnis des Beweisgegners über Urkunden, die er im eigenen Besitz hat.92 Bei der Gleichstellung wird insbesondere der verbleibende Entscheidungsspielraum des Beweisgegners und des Gerichts bei der Vorlagepflicht nicht ausreichend berücksichtigt. Wird der Vorlegungslast nicht nachgekommen, kann die Behauptung des Beweisführers vom Gericht als erwiesen angesehen werden, §  427 S.  2 ZPO. Die Nichtvorlage führt aber nicht zwingend zum Erwiesensein der Behauptung. Außerdem kann der Beweisgegner frei entscheiden, ob er die Rechtsfolge des §  427 ZPO riskieren möchte, da das Gesetz keine Durchsetzungsmöglichkeit der Vorlegungslast kennt.93 Die Gleichsetzung der Vorlagelast mit der Verwendungsbefugnis würde diesen Entscheidungsspielraum umgehen. Die Kritiker mahnen außerdem an, dass die rechtswidrige Beschaffungshandlung nicht damit gerechtfertigt werde könne, dass die Urkunde auch rechtmäßig hätte beschafft werden können. Das Problem des Beweisverbots bestehe gerade deshalb, weil die Urkunde nicht in rechtmäßiger Weise mittels gerichtlicher Anordnung, sondern eigenmächtig und rechtswidrig erlangt worden sei.94 Das Lösungskonzept sei überdies nicht mit der geschichtlichen Entwicklung der Urkundenedition und dem Zweck der §§  422, 423 ZPO, das Verfügungsrecht des Beweisgegners vor 87 

Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469, 488. Fink, S.  183. 89  Fink, S.  201, 203, 205. Anders (Lösungsweg eingeschränkt anwendbar) Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469, 497–502. 90  Fink, S.  226–229; AK-ZPO/Rüßmann, §  284, Rn.  9. 91  Fink, S.  226–229. 92  Kodek, S.  113; Weichbrodt, S.  175. 93  Gemmeke, S.  96; Kaltenmeier, S.  43. 94  Werner, NJW 1988, 993, 994. 88 

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Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

Eingriffen des Beweisgegners zu schützen, vereinbar.95 Die Verwendungsbefugnis sei deshalb keine Analogie oder rechtsähnliche Anwendung, sondern eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung.96 Im Übrigen verlagere die Lehre von der Verwendungsbefugnis das Problem nur.97 Im Regelfall sei §  810 BGB der für §  422 ZPO entscheidende Vorlegungsanspruch. Dieser sei aber mit seiner Tatbestandsvoraussetzung des rechtlichen Interesses derart ungenau, dass die Wertungsfrage nur übertragen werde.98 Um diesem Vorwurf zu begegnen, wurde das rechtliche Interesse später von Fink als Beweisinteresse definiert.99 Diesem Vorschlag wurde allerdings zurecht entgegengehalten, dass nach dieser Definition das rechtliche Interesse stets vorläge, sodass der Vorlageanspruch aus §  810 BGB ebenfalls immer bestünde.100 Weiterer wesentlicher Vorwurf war die eingeschränkte praktische Relevanz des Lösungskonzepts, das nur Fälle behandelte, in denen ein Beweismittel rechtswidrig beschafft wurde, und nicht solche, in denen ein Beweismittel rechtswidrig geschaffen wurde101 – zumal in den Fällen rechtswidriger Beschaffung für den Beweisführer kein Anlass zum rechtswidrigen Handeln bestünde, da §  427 ZPO diesen Fall ausreichend kompensiere.102 Sollte der Beweisführer dennoch trotz bestehender Vorlagepflicht des Beweisgegners rechtswidrig den Besitz der Urkunde erlangt haben, würde der Beschleunigungsgrundsatz der Zivilprozessordnung ohnehin zum gleichen Ergebnis führen. Denn wenn der Beweisgegner zur Vorlage verpflichtet sei, würde das Gericht in der Praxis nicht erst die Urkundenrückgabe fordern, um sie anschließend wieder förmlich vorlegen zu lassen.103 Nicht überzeugend ist ferner die Ungleichbehandlung verschiedener Beweismittel. Indem die Lehre der Verwendungsbefugnis die auf Augenscheinsobjekte und Urkunden beschränkte Anwendbarkeit mit der objektiven Reproduktionsmöglichkeit rechtfertigt, behauptet sie einen Zusammenhang zwischen Beweismittelart, Beweiswert und Eingriffsintensität, der so nicht zwingend ist.104 Bereits die pauschale Aussage, ein verminderter Beweiswert habe eine verminderte Eingriffsintensität in die Rechte des Beweisgegners, ist fragwürdig. Das sachverständige 95 

Baumgärtel in: FS Klug, 477, 481; Wais, S.  124 f. Kodek, S.  114; Reichenbach, S.  26. 97  Kodek, S.  111. 98  Baumgärtel in: FS Klug, 477, 482; Kaissis, S.  173 f.; Weichbrodt, S.  175 f.; Zeiss, ZZP 89 (1976), 377, 386. 99  Fink, S.  215, 218. 100  Habscheid, ZZP 96 (1983), 306, 325. 101  Werner, NJW 1988, 993, 996. 102  Gemmeke, S.  102; Kaissis, S.  172; Kodek, S.  112; Weichbrodt, S.  176. 103  Wais, S.  128. 104  Tresenreuter, S.  26. 96 

B. Prozessuales Verbot

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Zeugnis eines Psychologen ist beispielsweise ungleich eingriffsintensiver als eine Vertragsurkunde. Auch das Argument, Augenscheinsobjekte und Urkunden hätten einen per se höheren Beweiswert, überzeugt nicht, denn auch dort beeinflussen Fehlinterpretationen, ein schlechter Zustand und Fälschungsmöglichkeiten den Beweiswert.105 Zudem gibt es bei diesen Beweismitteln, anders als bei Zeugen oder Sachverständigen, keine Möglichkeit zur Nachfrage und Erläuterung, sodass der Inhalt interpretationsbedürftig bleibt. Soweit für die Vernehmungsbeweismittel auf §  286 ZPO verwiesen wird, verkennt die Lehre von der Verwendungsbefugnis die Grenzen der freien Beweiswürdigung106 und den grundlegenden Unterschied zwischen Beweiszulässigkeit und Beweiswürdigung.107 Die Beweiswürdigung dient nur der Feststellung, ob ein Beweismittel positiv ergiebig war. Die Frage der Zulässigkeit ist zwingend davor zu beantworten. b) Sachvortragsverbot Für die Lehre der Verwendungsbefugnis spricht, dass sie mit den §§  420 ff. ZPO an eine prozessrechtliche Norm anknüpft, die wiederum an Umstände des materiellen Rechts anknüpft und damit dessen Wertungen in das Prozessrecht transferiert. Dem Trennungsprinzip wird somit Rechnung getragen. Da ausschließlich an die Verwendung bestimmter Beweismittel angeknüpft wird, lässt sich der Lösungsvorschlag indes nicht auf die Tatsachenbehauptung der Parteien übertragen. Eine den §§  420 ff. ZPO entsprechende Norm auf Sachvortragsebene existiert nicht, und die Wertung, die an die Vorlage und Verwendung von Gegenständen anknüpft, ist nicht auf Tatsachenbehauptungen übertragbar. Ein Sachvortragsverbot kann so nicht begründet werden. 3. Redliche Prozessführung a) Diskussion in der Beweisverbotslehre Auch Treu und Glauben, als Ausdruck eines übergeordneten Rechtsprinzips, wurde als dogmatische Grundlage für ein Beweisverbot herangezogen.108 Bei redlicher Prozessführung seien rechtswidrig erlangte Beweismittel unzulässig. 105 

Beispielsweise auch der räumlich beschränkte Blickwinkel einer Dashcam auf ein Unfallgeschehen und seine Ursachen, Atzert/Franck, RDV 2014, 136, 140. 106  Tresenreuter, S.  27. 107  Dazu Wieczorek/Schütze/Ahrens, §  286, Rn.  6; Beling, S.  3 f.; Gemmeke, S.  61 f.; Kodek, S.  15; Muthorst, S.  200 f., 371 f. 108  LG Frankfurt NJW 1982, 1056; LAG Berlin ZZP 96 (1983), 113, 114; Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89, 103; Baumgärtel in: FS Klug, 477, 484; Gemmeke, S.  163–205; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, §  111, Rn.  26.

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Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

Treu und Glauben als allgemeiner Rechtsgrundsatz gilt nach heute anerkannter Ansicht auch im Zivilprozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien.109 Es ist ein rechtsethisches Prinzip, das in §  242 BGB ausdrücklich kodifiziert wurde, aber ubiquitär gilt.110 Im Verfahren verbietet der Grundsatz von Treu und Glauben insbesondere den Rechtsmissbrauch durch dysfunktionale Inanspruchnahme der Institution und begründet das Institut der Verwirkung.111 Daneben gebietet er prozessuale Rücksichtnahme und redliche Prozessführung und verbietet diejenigen Handlungen, die den prozessualen Wertungen widersprechen.112 Um dem allgemeinen Prinzip Kontur zu verleihen, wurden von Rechtsprechung und Literatur Fallgruppen herausgebildet, deren Abgrenzung jedoch mitunter schwer zu bestimmen ist.113 Unterschieden werden Fälle des widersprüchlichen Verhaltens (insbesondere entgegen vertraglicher Vereinbarung), des Missbrauchs prozessualer Befugnisse (Prozessschikane, Prozessverschleppung), des arglistigen Verschaffens prozessualer Rechtslagen (z.B. Gerichtsstanderschleichung) und der Verwirkung.114 Die Beweisführung mit einem rechtswidrig erlangten Beweismittel wird von einigen Stimmen in der Literatur als Fall der arglistigen Verschaffung einer prozessualen Rechtslage subsumiert.115 Die Folge der Treuwidrigkeit sei die Unzulässigkeit der Beweisführung.116 Diese verbiete die Beweisaufnahme und, sofern dennoch Beweis erhoben wurde, die Berücksichtigung der Beweisergebnisse.117 Von den Vertretern anderer Lösungswege wird regelmäßig auf die Subsidiarität der Generalklausel hingewiesen.118 Dies gelte auch dann, wenn ein Beweis-

109  BGH NJW 1965, 1532; NJW 1978, 426; Betz, RdA 2018, 100, 106; Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  221, 223 f.; Gemmeke, S.  178 (m. w. Nw.); Palandt/Grüneberg, §  242, Rn.  4; Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  32; Kaltenmeier, S.  32; Schumann, JA 1976, 637, 640–646; Zöller/ Vollkommer, Einleitung, Rn.  56; Wais, S.  135. Zur Entwicklung des allgemeinen Rechtsgrundsatzes Treu und Glauben: Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89, 90 f.; Gemmeke, S.  164–167. 110  Fleck, S.  185 f.; Palandt/Grüneberg, §  242, Rn.  1. 111  Fleck, S.  181, 197; Schumann, JA 1976, 637, 640. 112  Schumann, JA 1976, 637, 640. 113  Gemmeke, S.  183. 114  Zu den Fallgruppen Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  227–234; Gemmeke, S.  183–187; Kaltenmeier, S.  37–39; Schumann, JA 1976, 637, 642–645; Zöller/Vollkommer, Einleitung, Rn.  57. Konzen, S.  253, 335 empfindet diese Fallgruppen in Teilen als zu weitgefasst. 115  Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89, 103; Kaltenmeier, S.  39 (iE aber kritisch, wegen der Subsidiarität von Treu und Glauben). 116  Gemmeke, S.  202, der aber dennoch von einem „Beweisverwertungsverbot“ spricht. 117  Gemmeke, S.  203. 118  Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469, 471, 491 (der ein Verbot aus §§  421 ff. ZPO analog herleitet); Kaltenmeier, S.  33, 39, 40, 69, 70 (die ein Verbot aus dem Schutzzweck der materiell-rechtlichen Norm herleitet).

B. Prozessuales Verbot

219

verbot zwar nicht ausdrücklich einfachgesetzlich geregelt sei, sich aber aus der verfassungsrechtlichen Auslegung ergebe.119 Inhaltlich stoßen sich die Kritiker an der Subsumtion der Beweisführung mit dem rechtswidrig beschafften Beweismittel als unredliche Prozessführung.120 Eine solche Subsumtion entspreche nicht dem System der entwickelten Fallgruppen, die nur das innerprozessuale Verhalten beträfen.121 Die Unredlichkeit der Prozessführung könne nicht allein mit der rechtswidrigen Beschaffung begründet werden. Zudem wird unter dem Stichwort der beidseitigen Treuwidrigkeit auf die prozessuale Treuwidrigkeit des Gegners hingewiesen, der gegen seine Wahrheitspflicht aus §  138 Abs.  1 ZPO verstoße.122 Es sei deshalb fraglich, welche der beiden Prozessparteien prozessual unredlicher handele.123 Aufgrund der zeitlich logischen Prüfreihenfolge berücksichtige das Gericht stets nur einseitig den feststellbaren Verstoß des Beweisführers, denn der Vorwurf der prozessualen Lüge setze die Beweisbarkeit der Tatsachenbehauptung mit dem makelbehafteten Beweismittel voraus und könne ohne verbotene Beweisantizipation nicht festgestellt werden.124 Letztlich zeige gerade diese Abhängigkeit von der Prüfreihenfolge die Schwäche des Lösungskonzepts: Unabhängig von der Schwere des Unredlichkeitsvorwurfs im jeweiligen Fall entscheide allein die Prüfreihenfolge des Gerichts über die Gerechtigkeit.125 Dieses Ergebnis wird als besonders unbefriedigend empfunden, weil der Grundsatz von Treu und Glauben gerade auf Redlichkeit und Gerechtigkeit abstellt.126 b) Sachvortragsverbot Das Lösungskonzept kann auf die Sachvortragsebene übertragen werden, da es auf die Unredlichkeit des Parteiverhaltens abstellt, ohne sich auf bestimmte Normen oder beweismittelspezifische Besonderheiten zu beschränken.

119 

Baumgärtel, Rn.  85. Fink, S.  159 und Kaissis, S.  49 finden den Begriff grundsätzlich zu unbestimmt. 121  Betz, RdA 2018, 100, 106; Wais, S.  139 f. 122 Dagegen Konzen, S.  245, der darauf hinweist, dass rechtswidrig erlangte Beweismittel nicht zwingend die Wahrheit transportieren bzw., dass das gegnerische Bestreiten nicht automatisch gegen die Pflicht aus §  138 Abs.  1 ZPO verstößt. 123  Kodek, S.  105. Allgemein zum „Mangel an korrespondierendem Verhalten“ (zulässiger Einwand, aber kein schlechthin geltender Grundsatz): MüKo-BGB/Schubert, §  242, Rn.  422, 430; Schulze/Schulze, §  242, Rn.  29. 124  Fink, S.  143 f., 160; Konzen, S.  245; Muthorst, S.  102; Pleyer, ZZP 70 (1956), 321, 335. 125  Peters, ZZP 76 (1963), 145, 151. 126  Fink, S.  160 f. 120 

220

Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

Die Argumente, die diesem Lösungsvorschlag in der Diskussion um Beweisverbote entgegengehalten wurden, stehen auch der Ableitung eines Sachvortrags­ verbots entgegen.127 Auf den ersten Blick ist das Lösungskonzept mit dem Prinzip der Trennung von Prozessrecht und materiellem Recht vereinbar. Als erforderliche Transformationsnorm, um Wertungen des einen Rechtsgebiets in das andere zu übertagen, gelten auch allgemeine Rechtsprinzipen wie Treu und Glauben.128 Der Grundsatz von Treu und Glauben ist aber kein Behelf, um allgemeine Gerechtigkeitsforderungen durchzusetzen, sondern ein Prinzip, um im jeweiligen Rechtskontext die dort geltenden Wertungen zu vervollkommnen. Als allgemeiner Rechtssatz ist er weder subsumtionsfähig noch können aus ihm konkrete Rechtsfolgen abgeleitet werden.129 Um eine der Gewaltenteilung widersprechende Billigkeitsjustiz zu vermeiden, müssen Rechtsprechung und Literatur Funktions­ kreise herausarbeiten und Fallgruppen präzisieren.130 Das grundsätzliche Prinzip von Treu und Glauben hat deshalb je nach Teilbereich der Rechtsordnung einen anderen Inhalt.131 So können an das prozessuale Verhalten nicht dieselben Wertungen gestellt werden wie an das außerprozessuale Verhalten. Zum Prozess kommt es schließlich deshalb, weil im streitbefangenen Rechtsverhältnis die Verständigungsbereitschaft zwischen den Parteien fehlt. Das einseitige Streitverhalten ist im Prozess die Normalform.132 Weil das Prozessverhältnis ein Streitverhältnis ist, ist der Grundsatz von Treu und Glauben im Prozess insgesamt zurückhaltender anzuwenden als im materiellen Recht.133 Allein aus der Geltung von Treu und Glauben im Prozess kann deshalb nicht abgeleitet werden, dass vorprozessuale Verstöße gegen das materielle Recht im Prozess Wirkung entfalten. Auch wenn das Rechtsprinzip sowohl im materiellen Recht als auch im Prozessrecht Bestand hat, bedeutet dies nicht, dass die Redlichkeitsmaßstäbe dieselben sind. Die Unredlichkeit der prozessualen Handlung wird nach dem Lösungskonzept in der Beweisverbotslehre ausschließlich mit der Rechtswidrigkeit des vorangegangenen, außerprozessualen Verhaltens begründet.134 Das Lösungskonzept knüpft damit weniger an das prozessuale Verhalten, sondern an das vorprozessuale Verhalten an. Damit werden die außerprozessuale, rechtswidrige Beweiserlangung und die Unredlichkeit der Prozessführung 127 

Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 237. Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  40. 129  Baumgärtel, Rn.  84; Palandt/Grüneberg, §  242, Rn.  2. 130  Baumgärtel, Rn.  84; Palandt/Grüneberg, §  242, Rn.  2, 5. 131  Baumgärtel, Rn.  84; Palandt/Grüneberg, §  242, Rn.  4 f.; Schulze/Schulze, §  242, Rn.  1. 132  Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 269. 133  Schumann, JA 1976, 637, 640. 134  Betz, RdA 2018, 100, 106. 128 

B. Prozessuales Verbot

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gleichgesetzt. Im Prozessrecht schützt das Prinzip von Treu und Glauben aber vornehmlich die Institution des Zivilprozesses und ist daher auf die genannten Fallgruppen beschränkt. Die Einführung von Tatsachen kann darunter ebenso wenig subsumiert werden wie die Beweisführung. Letztlich widerspricht das Lösungskonzept also dem Trennungsprinzip. Der Verweis auf das allgemeine Rechtsprinzip und die Wertungen des materiellen Rechts setzt nämlich voraus, was eigentlich erst zu beweisen ist: die Allgemeinheit des Prinzips und die damit einhergehende Überwindung des Trennungs­ gedankens.135 4. Ausnutzen einer rechtswidrig herbeigeführten Lage a) Diskussion in der Beweisverbotslehre Ein weiterer allgemeiner Rechtsgrundsatz wird als Grundlage eines Beweisverbots angesehen: Das Ausnutzen einer rechtswidrig herbeigeführten Lage. Danach sei es verboten, eine rechtswidrig herbeigeführte Lage auszunutzen, und deshalb sei auch die Beweisführung mit rechtswidrig beschafften Beweismitteln unzulässig.136 Insbesondere aus §  162 BGB könne der Grundsatz abgeleitet werden, dass niemand aus seinem rechtswidrigen Handeln rechtliche Vorteile ziehen dürfe und dass das Ausnutzen einer rechtswidrig herbeigeführten Lage unzulässig sei.137 Kritiker bezweifeln die Existenz eines solchen allgemeinen Rechtsgrund­ satzes.138 Überdies stelle die Durchsetzbarkeit eines tatsächlich entstandenen Anspruches normativ keinen rechtlichen Vorteil dar, denn diese sei Folge des ursprünglichen Rechtsverhältnisses und nicht der rechtswidrigen Beschaffungshandlung.139 b) Sachvortragsverbot Das Lösungskonzept ist auf die Sachvortragsebene übertragbar. Erkennt man das Ausnutzungsverbot als allgemeinen Rechtsgrundsatz an, macht es keinen Unterschied, ob die Ausnutzung der rechtswidrig herbeigeführten Lage durch Beweisführung oder Tatsachenbehauptung erfolgt. 135 

Konzen, S.  82; Weichbrodt, S.  171; Werner, NJW 1988, 993, 999. Gemmeke, S.  72, 224; Stein/Jonas(2008)/Leipold, §  284, Rn.  87; Schwab/Weth/N. Schwab, §  58 ArbGG, Rn.  74. Ähnlich BAG NZA 1998, 307, 309. 137  Gemmeke, S.  72, 201. 138  Ahrens, Kapitel  6, Rn.  29; Kodek, ÖJZ 2001, 281, 290; Weichbrodt, S.  170. 139  Weichbrodt, S.  171. Vergleichbar die Frage nach einem Vermögensschaden, dazu oben Teil  5, B. II. 2. 136 

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Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

Mit den kritischen Argumenten der Beweisverbotslehre kann aber auch ein Sachvortragsverbot nicht auf diesem Weg begründet werden. Ob das Verbot, eine rechtswidrig herbeigeführte Lage auszunutzen, ein allgemeiner Rechtsgrundsatz ist, kann bezweifelt werden.140 Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz ist eine verallgemeinerungsfähige, abstrakte Rechtsidee, die induktiv ermittelt wird und in einer einzelnen Bestimmung für einen beschränkten Geltungsbereich zum Ausdruck gekommen oder gänzlich ungeregelt ist.141 Der beschränkt geregelte Geltungsbereich des behaupteten Ausnutzungsverbots könnte §  162 BGB sein, wonach der treuwidrig verhinderte Bedingungseintritt fingiert wird. Übertragbarer Regelungsgegenstand von §  162 BGB wäre aber allenfalls die verweigerte, obschon billigerweise zu erwartende Mitwirkung.142 Allerdings verweist §  162 BGB in seinem Wortlaut auf Treu und Glauben. Die Regelung ist also eine Konkretisierung dieses allgemeineren Rechtsprinzips, nicht ein eigenes allgemeines Rechtsprinzip.143 Auch wenn aus dem Grundsatz von Treu und Glauben eine Missbilligung rechtswidriger Lagen abgeleitet werden könnte, wäre die Rechtsfolge einer solchen Missbilligung nicht zwingend die Fiktion desjenigen, das billigerweise zu erwarten gewesen wäre. §  162 BGB etwa reagiert mit einem fiktiven Bedingungseintritt. §§  12, 862, 1004 BGB, die ebenfalls an eine rechtswidrige Lage anknüpfen, verbieten nicht das Ausnutzen der Lage, sondern gebieten vielmehr die Wiederherstellung der rechtmäßigen Situation. An anderen Stellen erkennt das Bürgerliche Gesetzbuch an, dass rechtswidrige Lagen mitunter nur eine mittelbare Missbilligungsfolge nach sich ziehen, so etwa beim gutgläubigen Eigentumserwerb nach §§  932 f., 937 Abs.  1 BGB. Das Rechtsinstitut der Verjährung verdeutlicht schließlich, dass die Rechtsordnung rechtswidrige Lagen nicht dauerhaft missbilligt, §§  194 ff. BGB. Selbst wenn man einen allgemeinen Rechtsgrundsatz mit dem Inhalt, rechtswidrig erlangte Lagen nicht ausnutzen zu dürfen, anerkennen wollte, wäre dessen Regelung subsidiär zum ausdrücklich normierten Recht. Die rechtswidrig herbeigeführte Lage nach einer rechtswidrigen Beschaffungshandlung ist die Kenntnis von Informationen oder der Besitz von Urkunden oder Augenscheinsobjekten. Das materielle Recht begegnet dieser rechtswidrig herbeigeführten Lage mit Beseitigungs-, Wiederherstellungs- und Schadensersatzansprüchen, namentlich §§  823 f., 1004 Abs.  1 S.  1 BGB. Etwaige aus einem allgemeinen 140  Dafür: BAG NJW 1998, 1331, 1333; NJW 2008, 872, 876; OLG Karlsruhe NJW 2000, 1577, 1578; Gemmeke, S.  72, 201; Stein/Jonas(2008)/Leipold, §  284, Rn.  87. Dagegen: Ahrens, Kapitel  6, Rn.  29; Kodek, ÖJZ 2001, 281, 290; Stein/Jonas/Thole, §  284, Rn.  53. Weichbrodt, S.  170; MüKo-BGB/Westermann, §  162, Rn.  18. Evtl. auch BGH NJW 1997, 750. 141  Köbler, S.  350; Möllers, S.  354–356. 142  MüKo-BGB/Westermann, §  162, Rn.  19. 143  Weichbrodt, S.  170; MüKo-BGB/Westermann, §  162, Rn.  1.

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Rechtsgrundsatz abgeleitete, weitergehende Wirkungen würde diese Tatbestände umgehen. Zudem ist die rechtswidrig herbeigeführte Lage zunächst nur nach materiellem Recht rechtswidrig. Wieso aus dieser materiell-rechtlichen Rechtswidrigkeit oder aber aus dem prozessualen Ausnutzen der materiell-rechtswidrigen Lage eine prozessuale Sanktion folgen soll, begründet der Ansatz nicht.144 Das Argument, die rechtmäßige Situation könne im Falle der rechtswidrigen Erlangungshandlung nur durch ein prozessuales Verbot wiederhergestellt werden,145 entspricht letztlich dem Lösungskonzept des (vorbeugenden) Schadensersatz­ anspruchs.146 Mit dem Verweis auf ein allgemeines Rechtsprinzip wird versucht, die Wertungen des materiellen Rechts auf das Prozessrecht zu übertragen. Die Allgemeinheit eines Rechtsprinzips mit diesem Inhalt wird dabei mehr behauptet als nachgewiesen.147 Vielmehr ist die Existenz eines allgemeinen, auch im Prozessrecht geltenden Prinzips zweifelhaft, denn der Prozess zielt auf ein effizientes und formalisiertes Verfahren. Dem stünde ein wertungsoffenes Prinzip ohne konkrete Rechtsfolge entgegen. Das verdeutlichen Normen wie §  295 Abs.  1 ZPO, der bei nicht rechtzeitiger Rüge die Heilung bestimmter Prozessrechtsverstöße anordnet. Ein Sachvortragsverbot folgt deshalb nicht aus einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach das Ausnutzen einer rechtswidrig erlangten Lage verboten wäre. 5. Unterlassungsanspruch aus §  1004 BGB a) Diskussion in der Beweisverbotslehre Reichenbach begründet ein Beweisverbot aus einem Anspruch des Beweisgegners gegen den Beweisführer auf Unterlassen der Beweisführung aus §  1004 Abs.  1 S.  2 BGB.148 Er knüpft dabei nicht an die vorprozessuale Erlangung, sondern an die pro­ zessuale Verwendung als andauernde Störungshandlung an. Aus dem Unterlassungsanspruch folge ein an den Beweisführer gerichtetes Beweisführungsverbot, die Richtigkeit seiner Behauptung nicht mit dem fraglichen Beweismittel nachweisen zu dürfen.149 144 

Fink, S.  156; Kaissis, S.  51; Kodek, S.  106. Stein/Jonas(2008)/Leipold, §  284, Rn.  87. 146  Dazu oben Teil  5, B. II. 2. 147  Weichbrodt, S.  171. Ähnlich Konzen, S.  82. 148  Reichenbach, S.  57. Dagegen etwa Kodek in: FS Kaissis, 523, 529. 149  Reichenbach, S.  58. 145 

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Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

Allerdings greife dieses Beweisführungsverbot zeitlich nur vor der Beweisaufnahme. Sofern die Rechtswidrigkeit der Erlangungshandlung erst während der Beweisaufnahme erkennbar werde, sich der Sachvortrag aber als wahr herausgestellt hat, liege wegen einer Duldungspflicht des Beweisgegners kein Beweisverbot vor, und das Gericht könne das Beweisergebnis seiner Entscheidung zugrunde legen.150 Die Duldungspflicht folge aus der Notwehrlage (§  227 BGB oder §  32 StGB) des Beweisführers, in der er sich wegen der wahrheitswidrigen Einlassung des Beweisgegners befinde.151 Zwar bestehe diese Duldungspflicht auch vor der Beweisaufnahme, der beweisbelastete Beweisführer könne sie aber regelmäßig nur durch das makelbehaftete Beweismittel selbst beweisen.152 An dieser Lösung wird die Unterscheidung der ex-ante- und ex-post-Beurteilung eines Beweisverbots kritisiert. Regelmäßig wird die Rechtswidrigkeit der Beschaffungshandlung erst bei oder nach der Beweisaufnahme erkennbar. So erfordern einige besonders relevante Verbotsnormen die Abwägung der betroffenen Interessen, wobei wesentliche Abwägungskriterien, wie die Eingriffsintensität, teilweise erst durch Sichtung der Beweismittel erkennbar werden.153 Vor diesem Hintergrund wird hinterfragt, ob ein Gericht auf die – die Rechtsgüter der Partei möglicherweise verletzende – Beweiserhebung verzichten würde, wenn es sein „Fehlverhalten“ durch die spätere Würdigung selbst legitimieren kann.154 Denn wenn das Beweismittel nicht rechtswidrig verwendet wurde, liege kein Beweisverbot vor. Und wenn das Beweismittel rechtswidrig verwendet wurde, es aber den Sachvortrag belege, liege wegen der dargestellten Duldungspflicht ebenfalls kein Beweisverbot vor. Und wenn das Beweismittel rechtswidrig verwendet wurde und den Sachvortrag nicht belege, liege zwar ein Beweisverbot vor, dieses sei aber irrelevant, weil der Beweisgegner aufgrund der dann eintretenden Beweisfälligkeit ohnehin im Prozess obsiege und deshalb nicht beschwert sei. Das Gericht könnte also zunächst den Beweis erheben und prüfen, ob der Sachvortrag damit bewiesen werden kann. Kann er bewiesen werden, liegen die Voraussetzungen eines Verbots nicht vor. Kann er nicht bewiesen werden, besteht mangels Beschwer kein Revisionsgrund des Beweisgegners und mangels Rechtsverletzung kein Revisionsgrund des Beweisführers. Schließlich überzeuge rechtsdogmatisch nicht, dass der Lösungsvorschlag die unrechtliche Reaktion auf ein Unrecht zu Recht werden lässt, indem die rechts150 

Reichenbach, S.  207. Reichenbach, S.  172–192, 205. 152  Reichenbach, S.  183–192. 153  Insbesondere die auf die Erforderlichkeit abstellenden datenschutzrechtlichen Normen, wie Art.  6 DSGVO, §§  4, 24 BDSG oder §  823 BGB i. V. m. dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht. 154  Weichbrodt, S.  190 151 

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widrige Beschaffungshandlung des Beweisführers durch die unzulässige Beweis­ aufnahme des Gerichts zum Prozesssieg des Beweisführers führt.155 b) Sachvortragsverbot Das vom Beurteilungszeitpunkt abhängige Lösungskonzept, das zwischen der Beurteilung vor und nach der Beweisaufnahme differenziert, lässt sich so nicht auf die Sachvortragsebene übertragen. Bevor die Tatsachenbehauptung geäußert wird, kann über ihre Zulässigkeit rein faktisch nicht geurteilt werden. Eine bereits geäußerte Behauptung steht aber ebenso im Raum wie das bereits gefundene Beweisergebnis. Auch die Behauptung könnte aber grundsätzlich Gegenstand eines Unterlassungsanspruchs sein. Insoweit ist das Lösungskonzept auf die Sachvortragsebene übertragbar. Außerhalb eines Prozesses kann wegen der rechtswidrigen Beschaffung ein Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch auf Beenden der Beschaffungshandlung oder Löschung und Nichtverwendung der erlangten Informationen nach §  1004 Abs.  1 S.  2 BGB i. V. m. dem (zivilrechtlichen) Allgemeinen Persönlichkeitsrecht bestehen.156 Nach dem Lösungskonzept von Reichenbach ist aber nicht die rechtswidrige Beschaffung, sondern die Tatsachenbehauptung im Prozess die entscheidende Störungshandlung. Einem Unterlassungsanspruch gegen die Verwendung der erlangten Informationen als Tatsachenbehauptung im Zivilprozess steht, die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen dahingestellt, jedenfalls eine Duldungspflicht entgegen. Im ­Zivilprozess sollen die Parteien als Ausgleich zum Gewaltmonopol des Staates alles, was sie für die Wahrung ihrer Rechte subjektiv als erforderlich erachten, vortragen dürfen, ohne Rechtsnachteile befürchten zu müssen.157 Der kontradiktorische Zivilprozess ist auf diesen Vortrag angelegt und angewiesen und muss den Parteien daher die Darlegung ihrer Standpunkte vor Gericht in sachgerechter 155 

Weichbrodt, S.  190. BGH NJW 1988, 1016, 1017; KG NJW 1956, 26, 27; Konzen, S.  316. Weitere einschlägige (vertrags-, wettbewerbs-, datenschutz-, oder deliktsrechtlicher) Unterlassungsansprüche etwa bei Balzer/Nugel, NJW 2013, 3397–3403; Brink/Wybitul, ZD 2014, 225–231; Byers/­ Wenzel, BB 2017, 2036–2040; Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 319; Fricke, VersR 2009, 297–306; Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329–344; Tschöpe/Grimm, Teil  6 F, Rn.  193–209, 220– 223; Lachenmann/Schwiering, NZV 2014, 291–297; Maschmann, NZA-Beil. 2012, 50–58; A. Müller, S.  30–111; A. Braun/Wisskirchen/Panzer-Heemeier, Teil I 4, Rn.  161–172; Pötters/ Wybitul, NJW 2014, 2074–2080; Rittner/Rittner, NJW 2002, 1745–1753; Venetis/Oberwetter; NJW 2016, 1051–1057; Washausen, S.  227–260. 157  BVerfG NJW 1991, 29; NJW-RR 2007, 840, 841; BGH NJW 1992, 1314, 1315; NJW 1995, 397; NJW 2012, 1659; NJW 1988, 1016; OLG Karlsruhe Beschl.v.04.03.2014 – 1 W 4/14 – juris, Rz.  15; Kiethe, MDR 2007, 625, 629; Fleck, S.  40; Reichenbach, S.  102; Reichen­ bach, AcP 206 (2006), 598, 590, 617. 156 

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Weise ermöglichen (Prinzip von Rede und Gegenrede).158 Im prozessualen Lebensbereich, in dem die Tatsachenbehauptung der Sachaufklärung dient, muss dem Recht auf rechtliches Gehör Rechnung getragen werden. Daraus folgt eine Duldungspflicht im Sinne des §  1004 Abs.  2 BGB.159 Aus denselben Gründen wird auch bei Ehrschutzklagen gegen gerichtliche Verfolgung oder gerichtliches Vorbringen kein (einstweiliger) Rechtsschutz gewährt.160 Dort werden als mögliche, aber umstrittene Ausnahmen Schmähungen ohne sachlichen Bezug,161 Behauptungen, deren Unhaltbarkeit ohne weiteres auf der Hand liegt,162 sowie die Verbreitung von Tatsachen auch außerhalb des Prozesses163 genannt. Diese Ausnahmen haben gemein, dass sie nicht vom Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst sind, weil sie keinen unmittelbaren Bezug zum prozessualen Streitgegenstand haben und deshalb ausgeschlossen ist, dass sie die Entscheidungsfindung beeinflussen. Anders verhält es sich aber bei Behauptungen über Tatsachen, von denen der Behauptende durch Rechtsverletzung Kenntnis erlangt hat. Diese haben einen sachlichen Bezug, sind nicht offensichtlich unhaltbar und erfolgen im Prozess.164 Sie sind daher vom Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst und können den genannten Ausnahmen daher nicht gleichgestellt werden. Der prozessuale Zusammenhang erfordert die Berücksichtigung der Rechte aus Art.  103 Abs.  1 GG und steht deshalb der materiell-rechtlichen Rechtswidrigkeit der Tat158  BVerfG NJW 1981, 1431; Fleck, S.  34, 40; Henckel, S.  146; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  17; Reichenbach, S.  216; Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 620; Schreiber, NJ 2008, 575, 576; Schreiber, ZZP 122 (2009), 227, 238. 159  Fleck, S.  39 f.; Henckel, S.  33; Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  21. Entsprechend zu Beweis­ mitteln: BGH NJW 1988, 1016, 1018; KG NJW 1956, 26, 27; LG Gießen MDR 1996, 266. 160  BVerfG NJW 1991, 29; NJW 1991, 2074, 2075; NJW-RR 2007, 840, 841; BGH NJW 1971, 284; NJW 1992, 1314, 1315; NJW 1995, 397; NJW 1998, 1399, 1401; NJW 2012, 1659, 1660; OLG Karlsruhe Beschl.v.04.03.2014 – 1 W 4/14 – juris, Rz.  15; Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  21; Kiethe, MDR 2007, 625, 627 f.; Piekenbrock, JZ 2006, 586–593 (kritisch); Reichen­ bach, S.  102, 216; Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 617. Neben dem Nichtbestehen des materiellen Anspruchs werden auch institutionelle Argumente gegen die Zulässigkeit von Ehrschutzklage gegen zivilprozessualen Sachvortrag angeführt: BVerfG NJW-RR 2007, 840, 841; BGH NJW 1971, 284, 285; NJW 1988, 1016; NJW 1992, 1314, 1315; BGH NJW 1995, 397; NJW 1998, 1399, 1401; NJW 2012, 1659; OLG Karlsruhe Beschl.v.04.03.2014 – 1 W 4/14 – juris, Rz.  17; Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  22; Piekenbrock, JZ 2006, 586, 590 f.; Walter, JZ 1988, 307. 161  BVerfG NJW-RR 2007, 840, 841; Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  21, 23; Kiethe, MDR 2007, 625, 629; Walter, JZ 1986, 614, 618. Offen gelassen BGH NJW 1971, 284, 285; NJW 2012, 1659, 1660. 162  Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  21; Kiethe, MDR 2007, 625, 627; Walter, JZ 1986, 614, 618. Offen gelassen BGH NJW 1971, 284, 285; NJW 1998, 1399, 1402; NJW 2012, 1659, 1660. 163  Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  23. 164  Morgenroth, ZStV 2012, 212, 216.

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sachenbehauptung entgegen. Ein Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch nach materiellem Recht gegen die prozessuale Tatsachenbehauptung liegt also wegen einer aus dem Recht auf rechtliches Gehör folgenden Duldungspflicht schon tatbestandsmäßig nicht vor. Auch wenn ein Unterlassungsanspruch bestünde, würde er nicht zur Unzulässigkeit der dennoch vorgenommenen Handlung führen. Der Unterlassungsanspruch ordnet nicht die Unzulässigkeit der vorgenommenen Handlung an. Dazu müsste er als Rechtsfolge eine Fiktionswirkung begründen. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr gebietet er ein bestimmtes Handeln. Der Verstoß gegen den Unterlassungsanspruch hat nur Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche, §§  1004 Abs.  1 S.  1, 823 Abs.  1 BGB zur Folge. Der Unterlassungsanspruch als eine Aufforderung zur Untätigkeit kann an sich auch nicht zwangsvollstreckt werden. Nach §  890 Abs.  1 S.  1 ZPO kann die Untätigkeit nur durch Ordnungsgeld oder Ordnungshaft erzwungen werden. Sie gilt aber nicht, wie etwa die Abgabe einer Willenserklärung nach §  894 S.  1 ZPO, mit der rechtskräftigen Verurteilung als erfolgt. Die Nichtbefolgung des Unterlassungsanspruchs kann daher nicht unmittelbar die prozessuale Unzulässigkeit der vorgenommenen Handlung zur Folge haben. Da zeitlich vor der Tatsachenbehauptung bereits rein faktisch kein Urteil über die Äußerungsmöglichkeit getroffen werden kann, kann ein Behauptungsverbot nur an die bereits geäußerte Behauptung anknüpfen. Ein an die Partei gerichtetes Verbot hätte also zur Folge, dass der Vortragende zur Zurücknahme der Behauptung gezwungen wird. Auch diese Rücknahme wäre aber als Wissenserklärung eine nicht vertretbare Handlung und daher nur nach §  888 Abs.  1 S.  1 ZPO vollstreckbar. Ein Unterlassungsanspruch führt daher nicht zur Unzulässigkeit der dennoch vorgenommenen Handlung. Schließlich spricht gegen ein durch einen Unterlassungsanspruch begründetes Behauptungsverbot die Trennung vom materiellem Recht und Prozessrecht, wonach eine Prozesshandlung nicht wegen materiell-rechtlicher Rechtswidrigkeit automatisch auch prozessrechtlich unzulässig ist. Die Tatsachenbehauptung ist eine Prozesshandlung, weil sie nach ihrem erkennbaren Zweck auf die Herbeiführung einer prozessrechtlichen Wirkung abzielt.165 Indem sie nicht der Herbeiführung von Rechtsfolgen auf dem Gebiet des Privatrechts dient, sondern a­ llein der Ausübung des öffentlich-rechtlichen Rechts auf Gewährung von Rechtschutz, unterscheidet sie sich grundlegend vom bürgerlich-rechtlichen Rechts­ geschäft.166 Nur in Ausnahmefällen ist prozessualer Sachvortrag zugleich materiell-rechtliche Rechtshandlung, etwa weil zugleich eine Gestaltungserklärung

165  166 

Henckel, S.  33; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  239, 241, 248, 252, 357. Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  238.

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Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

(Kündigung, Anfechtung, etc.) vorgenommen wird.167 Diese Ausnahme liegt jedoch bei der bloßen Behauptung nicht vor.168 Es ist daher Aufgabe des Prozessrechts zu bestimmen, ob eine Handlung prozessuale Folgen hat und inwieweit Wertungsmaßstäbe des materiellen Rechts zu beachten sind.169 Sofern nicht durch prozessrechtliche Normen oder Grundsätze angeordnet, führen deshalb auch Rechtsmissbrauch (§  138 BGB) oder gesetzliche Verbote (§  134 BGB) nicht zur Nichtigkeit der Prozesshandlung.170 Anderenfalls bestünde eine Unsicherheit, die mit dem formalisierten Prozessgeschehen nicht vereinbar wäre.171 Mithin könnte allenfalls eine Wertungsübertragung aus der materiell-rechtlichen Unterlassungspflicht zu einer prozessualen Unzulässigkeit und Nichtexistenz führen. Um prozessuale Wirkung zu entfalten, müsste die Wertung des Unterlassungsanspruchs ausdrücklich in das Prozessrecht transferiert werden. Eine solche Transformationsnorm fehlt aber. Reichenbach geht dementgegen davon aus, dass materiell-rechtliche Wertungen grundsätzlich auch prozessrechtliche Wirkungen entfalten, wenn dem keine prozessrechtlichen Eigenarten entgegenstehen.172 Der Prozess sei ein Privatrechtsverhältnis, weil er im Interesse der Parteien betrieben werde.173 Indem er nicht die Durchbrechung des Trennungsgrundsatzes, sondern den Trennungsgrundsatz selbst als Ausnahme betrachtet, wendet er sich gegen das herrschende Prozessrechtsverständnis.174 Infolgedessen begründet er nicht näher, wie und wieso der Trennungsgrundsatz überwunden werden soll.175 Die bereits ausgeführten Wertungen des Art.  103 Abs.  1 GG im Prozessrecht sprechen aber unabhängig von diesem Regel-Ausnahmeverhältnis gegen die Wertungsübertragbarkeit von materiellem Recht in das Prozessrecht. Das Recht auf rechtliches Gehör erfordert, dass die Parteien alles vortragen können, was sie für die Verteidigung ihrer Rechte notwendig erachten. Selbst wenn man die Wirkungen des materiellen Rechts grundsätzlich übertragen möchte, sprechen diese wesentlichen prozessrechtlichen Wertungen gegen die 167 

Zu sogenannten doppelfunktionalen Handlungen: Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  43; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  358; Konzen, S.  52; Neuner, S.  125. Dagegen Henckel, S.  31, 33. Dabei wird derselbe Sachverhalt hinsichtlich der materiellen Rechtsfolge nach materiellem Recht und hinsichtlich der prozessualen Folge nach Prozessrecht beurteilt, Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  43; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  359; Konzen, S.  94. Kritisch: Neuner, S.  125. Wobei aber Beeinflussungen durch die andere Teilrechtsordnung möglich sind, Konzen, S.  183. 168  Zur Abgrenzung Henckel, S.  30, 32. Anders Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 618. 169  Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  240, 242, 263 f. 170  Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  323, 325. Zum Trennungsprinzip Teil  2, A. I. 171  Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  323, 325. 172  Reichenbach, S.  114. 173  Reichenbach, S.  76. 174  Dazu Teil  2, A. I. 175  Weichbrodt, S.  189.

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Übertragung. Die Rechtswidrigkeit der Prozesshandlung hätte deshalb, auch wenn sie nach materiellem Recht vorläge, nicht die prozessuale Unzulässigkeit zur Folge. Gegen ein durch Unterlassungsanspruch begründetes Behauptungsverbot spricht daher, dass ein Unterlassungsanspruch wegen der aus dem Recht auf rechtliches Gehör folgenden Duldungspflicht nicht vorliegt, ein solcher auch nicht die Unzulässigkeit der dennoch vorgenommenen Handlung zur Folge hätte und dieser materiell-rechtliche Anspruch zudem keine prozessuale Wirkung entfalten würde. §  1004 Abs.  1 S.  1, S.  2 BGB i. V. m. dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht begründet daher kein prozessuales Behauptungsverbot.176 6. Verbotsnormen des materiellen Rechts a) Diskussion in der Beweisverbotslehre Ein weiteres Lösungskonzept knüpft an Verbotsnormen des materiellen Rechts an. Unter Heranziehung einzelner Normen des materiellen Rechts wird das prozessuale Verhalten der Partei als nach materiellem Recht rechtswidrig erkannt, und aus dieser Rechtswidrigkeit des Verhaltens wird dann die prozessuale Unzulässigkeit des Beweises gefolgert. Dahinter steht die Idee einer einheitlichen Rechtsordnung, die widersprüchlich wäre, wenn sie bestimmte Informationen nach materiellem Recht schützt, diesen Schutz aber während des Verfahrens ausblendet. Danach soll eine normangleichende Auslegung auf Grundlage des Gedankens, das Gleiches gleichbehandelt werden muss, Regelungswidersprüche vermeiden.177 Derartig herangezogene Verbotsnormen sind etwa die Vorschriften des Datenschutzrechts,178 die §§  201 ff. StGB,179 oder aber speziellere Vorschriften wie §  17 Abs.  2 S.  1 Nr.  2 UWG.180 Maßgebliche, den Tatbestand der Verbotsnorm ausfüllende Handlung ist dabei wiederum (wie bei dem Konzept Reichen­ bachs) nicht die Beschaffungshandlung, sondern die Beweisführung durch die Partei.181 Diesen Lösungswegen wird entgegengehalten, dass in den meisten Fällen bereits der Tatbestand der Verbotsnorm nicht erfüllt sei, weil die Normen nicht auf 176 

Brinkmann, AcP 206 (2006), 746, 751. Möllers, S.  164. 178  Bergwitz, NZA 2012, 353, 355; Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329, 340; Beschäftigtendatenschutz/Thüsing/Pötters, §  21, Rn.  31. 179  BGH NJW 1982, 277; Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  111, Rn.  24; Greger, NZV 2015, 114, 115; Kaissis, S.  155; Kramer, NJW 1990, 1760, 1763; AK-ZPO/Rüßmann, §  284, Rn.  7. Grundsätzliche Erwägung auch Merten/Papier/Enders, §  89, Rn.  58. 180  Götz, S.  297. 181  Das verkennt etwa Kodek in: FS Kaissis, 523, 537. 177 

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zivilprozessuale Handlungen ausgelegt seien und die Vorschriften des Zivilprozessrechts die straf- und datenschutzrechtlichen Normen als leges speciales verdrängen.182 Ohnehin sprächen die genannten Normen nur materielle Rechtsfolgen, aber keine prozessuale Rechtsfolge aus.183 Selbst aus einer möglichen Strafbarkeit der Beweisführung folgten nicht ohne weiteres prozessuale Folgen für das Beweismittel.184 b) Sachvortragsverbot Das Lösungskonzept ist grundsätzlich auf die Ebene des Sachvortrags übertragbar, soweit die Einführung der Informationen in das Zivilverfahren durch die Behauptung gleichermaßen tatbestandliche Handlung sein kann.185 Der Lösungsansatz baut auf zwei zu untersuchenden Thesen auf: Die Tatsachenbehauptung verstößt gegen materielles Recht, und dieser Verstoß hat prozessuale Folgen. Es ist zunächst zu untersuchen, ob die Tatsachenbehauptung gegen Normen des materiellen Rechts verstößt. Im Regelfall unterscheidet das materielle Recht nicht danach, ob ein Verhalten im zivilprozessualen Kontext stattfindet. Parteiprozesshandlungen können also grundsätzlich nach materiellem Recht rechtswidrig sein.186 Die Subsumtion der Tatsachenbehauptung als Tathandlung der §§  201 ff. StGB dürfte allenfalls in Sonderfällen möglich sein. Anders als die Übergabe von Beweismitteln,187 ist die Prozessbehauptung als bloße Inhaltsmitteilung mangels akustischer Reproduktion kein Gebrauchen oder Zugänglichmachen einer unbefugt angefertigten Aufnahme im Sinne des §  201 Abs.  1 Nr.  1, 2 StGB.188 In Be182  Noch zum BDSG a. F. H. Prütting, ZZP 106 (1993), 427, 438 f., 459 f. Ähnlich BAG NJW 2017, 843, 844 (Umkehrschluss aus §  1 Abs.  4 BDSG (a. F.)). Zu §  22 KUG auch BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  57. 183  So zum BDSG (a. F.): BAG NJW 2017, 843, 844; NJW 2017, 2853, 2854; BB 2019, 697, 699; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 121. Zu §  213 VVG: BGH r+s 2017, 462, 465; Neuhaus/ Kloth, NJOZ 2009, 1370, 1386. 184  Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  44; Dauster/F.Braun, NJW 2000, 313, 318; Kodek, S.  143–146, 150; Muthorst, S.  186 f., 366 f., 369; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 121. 185  Götz, S.  299 (Fn.  804) kommt so zu einem (wohl an das Gericht adressierten) „Berücksichtigungsverbot“. 186  Fleck, S.  179; Henckel, S.  33; Neuner, S.  126; Reichenbach, S.  93–101; Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 614–617. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die materiell-recht­ liche Rechtswidrigkeit prozessuale Folgen hat. 187  So zumindest BGH NJW 1982, 277; Kramer, NJW 1990, 1760, 1763. Grundsätzlich auch Greger, NZV 2015, 114, 115, aber einschränkend bezüglich des Tatbestandsmerkmals „unbefugt“. Kritisch Götz, S.  298. 188  BT-Drucks. 08/2545, S.  9; BGH NJW 1979, 647, 648; Schönke/Schröder/Lenckner/­ Eisele, §  201, Rn.  17.

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tracht käme allenfalls eine nach §  201 Abs.  2 Nr.  2 StGB strafbare öffentliche Mitteilung des wesentlichen Inhalts, wenn die Mitteilung vor Gericht, entgegen der Vorstellung des Gesetzgebers, als ausreichend öffentlich erachtet wird, indem sie von einem größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten oder durch nähere Beziehungen nicht verbundenen Personenkreis unmittelbar zur Kenntnis genommen werden kann.189 Eine Subsumtion unter §  201a StGB käme wohl allenfalls dann in Betracht, wenn die Bildaufnahme als qualifizierter Parteivortrag190 selbst im Sachvortrag enthalten ist. Die bloße Mitteilung von Filminhalten stellt aber kein Gebrauchen oder Zugänglichmachen nach §  201a Abs.  1 Nr.  3 StGB dar, da das Tatobjekt Bildaufnahme dann nicht vorliegt.191 Die übrigen, den persönlichen Lebens- und Geheimbereich schützenden Straftatbestände aus dem fünfzehnten Abschnitt des Strafgesetzbuchs sind offensichtlich nicht durch eine Tatsachenbehauptung als Tathandlung verwirklicht. §  17 Abs.  2 Nr.  2 UWG stellt ganz allgemein auf die Verwendung oder Mitteilung von Geschäftsgeheimnissen ab. Unter diese Begriffe lässt sich die Behauptung ebenso gut subsumieren wie die Beweisführung.192 Im Datenschutzrecht wird zwar mit dem Begriff der Verarbeitung ebenfalls ein sehr weiter Begriff genutzt, vgl. Art.  6 DSGVO, §  1 Abs.  1 BDSG, jedoch erfordert diese Verarbeitung, wenn sie nicht automatisiert ist, ein Dateisystem, Art.  2 Abs.  1 DSGVO, §  1 S.  2 BDSG. Eine Sachverhaltsäußerung steht in keinem Zusammenhang zu einem Dateisystem im Sinne des Art.  4 Nr.  6 DSGVO und fällt deshalb nicht in den Anwendungsbereich der Norm. Zudem ist die Verarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen weitestgehend ausdrücklich vom Verbotsgrundsatz ausgenommen: Erwgr. 52 S.  3, Art.  9 Abs.  2 lit.  f) DSGVO, §  24 Abs.  1 Nr.  2 BDSG.193 Die Tatsachenbehauptung dürfte daher regelmäßig keinen materiellen Verbotsnormen widersprechen. Bereits die erste These des Lösungsansatzes ist daher (überwiegend) nicht bestätigt. Die zweite These des Ansatzes ist die, dass die materielle Rechtswidrigkeit der Prozesshandlung prozessuale Folgen hat. Aber auch sofern eine Subsumtion der Behauptung unter die genannten oder sonstigen, hier nicht erörterten Verbots­ normen des materiellen Rechts als möglich erachtet wird, begründet sich daraus kein prozessuales Behauptungsverbot. Keine der Normen spricht ein prozessua-

189  Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele, §  201, Rn.  26. Der Gesetzesentwurf bezog sich jedoch ausdrücklich auf eine Veröffentlichung in Medien, BT-Drucks. 11/6714, S.  3. 190  Dazu oben Teil  4, B. II. 2. a) ee). 191  MüKo-StGB/Graf, §  201a, Rn.  56. 192  Zur Beweisführung Götz, S.  297. Zum Sachvortragsverbot Götz, S.  299 (Fn.  804). 193  Auch das BDSG a. F. begrenzte nicht die Zulässigkeit von Parteivorbringen, BAG NZA 2017, 443, 445; NJW 2017, 843, 844; BB 2019, 697, 699.

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les Verbot als ausdrückliche Rechtsfolge aus.194 Rechtsfolgen einer datenschutzrechtswidrigen Datenverarbeitung sind Schadensersatzpflicht (Art.  82 DSGVO, §  83 BDSG), Geldbuße (Art.  83 DSGVO, §  43 BDSG) und Geld- oder Freiheitsstrafe (§§  42, 84 BDSG). Rechtsfolge der strafrechtlichen Normen und von §  17 Abs.  2 Nr.  2 UWG ist eine Geld- oder Freiheitsstrafe (§§  38–45b StGB, §  17 Abs.  1 UWG). Eine prozessuale Auswirkung als ungeschriebene oder stillschweigende Rechtsfolge derartiger Sanktionsnormen könnte allenfalls durch eine Auslegung begründet werden.195 Allein aus der Rechtswidrigkeit nach materiellem Recht oder der Strafbarkeit der Äußerung kann aber nicht deren Unzulässigkeit im Prozess gefolgert werden. Die Sanktionsmechanismen der strafrechtlichen Strafe und der prozessualen Zulässigkeit verfolgen unterschiedliche Ziele.196 Dieses grundlegende Verständnis des Gesetzgebers zeigt sich etwa in der Normierung des Beweisverbots in §  136a Abs.  3 S.  2 StPO neben der unter Strafe gestellten Aussageerpressung von Amtsträgern gemäß §  343 StGB, in den erfolglosen Änderungsvorschlägen zum Bundesdatenschutzgesetz zur Einfügung eines Beweisverbots neben den bestehenden Verbotsnormen197 und in der prozessualen Zulässigkeit strafrechtswidriger Zeugenaussagen198. Möglicherweise könnte aber die Unrechtsbewertung aus dem materiellen Recht auf das Prozessrecht übertragen werden. Die genannten Normen des materiellen Rechts haben gemein, dass sie der Schutzbedürftigkeit bestimmter Informationen Rechnung tragen. Diese Schutzbedürftigkeit wäre zugleich normative Grundlage eines die prozessuale Verwendung beschränkenden Rechtssatzes.199 Bereits bei einem möglichen Unterlassungsanspruch aus §  1004 Abs.  1 S.  2 BGB i. V. m. dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht wurde eine solche Wertungsübertragbarkeit diskutiert. Die Situation ist vergleichbar, weil §  1004 BGB als Unterlassungsgebot gleichermaßen wirkt wie ein Verbot, denn beide ordnen ein bestimmtes Verhalten an. Nach dem Trennungsprinzip ist die Widerrechtlich194 Anders

Kramer, NJW 1990, 1760, 1764. Götz, S.  297: aus der in der materiell-rechtlichen Norm zum Ausdruck kommenden Wertung folgt ein Beweisverbot. 196  Stoffer, S.  456. 197  BT-Drs. 17/7176, S.  4; BT-Drs. 17/4853, S.  2, 7, 8. 14, 17, 19–21. 198  BGH NJW 1990, 1734, 1735; NJW 1994, 2220, 2225; BayObLG NJW-RR 1991, 6, 7; Stein/Jonas/Berger, §  383, Rn.  19; Götz, S.  295; Pleyer, ZZP 70 (1956), 321, 330; Saenger/ Siebert, §  383, Rn.  7, 12. Auch §  383 Abs.  3 ZPO begründet nur eine Rücksichtnahmepflicht des Gerichts, verhindert aber nicht die Verwertbarkeit der Aussage bei Nichtbeachtung, BayOblG NJW-RR 1991, 6, 7; Stein/Jonas/Berger, §  383, Rn.  73; MüKo-ZPO/Damrau, §  383, Rn.  42; Saenger/Siebert, §  383, Rn.  18. Anders Konzen, S.  247. 199  Ohne Weiteres folgt aus diesem Schutzzweck jedoch nicht die Rechtsfolge eines Beweisverbots, Muthorst, S.  184. 195 So

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keit nach materiellem Recht für den Prozess jedoch grundsätzlich irrelevant.200 Eine Transformationsnorm fehlt, und der Übertragbarkeit stehen die Grundsätze des Zivilprozessrechts und das Recht auf rechtliches Gehör entgegen, die erfordern, dass die Parteien in ihrer Rechtsverteidigung weitestgehend unbeschränkt sind.201 Der Konflikt zwischen materiell-rechtlicher Sanktionsnorm und Prozessgrundsätzen besteht gleichermaßen bei Ehrschutzklagen und wird dort auf dieselbe Weise gelöst.202 Eine ähnliche Wertung liegt auch dem Umgang im Prozess mit einer materiellen Verschwiegenheitspflicht von Zeugen zugrunde, §§  383 Abs.  1 Nr.  4–6, Abs.  3 ZPO: Indem sich der Gesetzgeber für ein Aussageverweigerungsrecht und gegen ein Vernehmungsverbot entschieden hat, verdeutlicht er, dass er die materiell-rechtlichen Sanktionen für den Geheimnisbruch als ausreichend erachtet.203 Auch wenn die Tatsachenbehauptung daher einer Verbotsnorm des materiellen Rechts widerspräche, hätte dies keine Auswirkungen auf ihre prozessuale Zulässigkeit. Aus etwaigen Verbotsnormen des materiellen Rechts folgt daher kein prozessuales Behauptungsverbot.204 7. Indirekte Anknüpfung an das prozessuale Verhalten der Partei Einige Lösungsansätze knüpfen zwar an das Parteiverhalten an, leiten daraus aber eine Verhaltensanordnung an das Gericht ab. Sie werden hier unter dem Stichwort der indirekten Anknüpfung untersucht. a) §  444 ZPO aa) Diskussion in der Beweisverbotslehre Gemäß §  444 ZPO können in Folge einer Urkundenbeseitigung die Behauptungen des Gegners über Beschaffenheit und Inhalt der Urkunde als bewiesen ange200 

Konzen, S.  32, 43, 302 f. Zum Trennungsprinzip oben Teil  2, A. I. diesem Grund dürfte auch die materiell-rechtliche Rechtswidrigkeit, sollten die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, entfallen, denn die Prozesspartei soll auch keine Strafverfolgung oder zivilrechtliche Inanspruchnahme wegen ihrer Rechtsverteidigung fürchten müssen, BGH NJW 2012, 1659, 1660; Grunsky, S.  207; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  52. Ähnlich Konzen, S.  32, 183, 245, Reichenbach, S.  101–105; Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 617. 202  Konzen, S.  28. Zu den Ehrschutzklagen Teil  5, B. III. 5. 203  Kodek in: FS Kaissis, 523, 540. 204  BAG NZA 2017, 443, 445; NJW 2017, 843, 844; NZA 2017, 1327, 1329; NJW 2017, 2853, 2854; BB 2019, 697, 698; Eylert, NZA-Beil., 2015, 100, 105; U.Koch, ZFA 2018, 109, 121; Muthorst, S.  370; Rolf/Stöhr, RDV 2012, 119, 120. 201 Aus

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sehen werden. Die Norm ist ein gesetzlich besonders geregelter Fall der Beweisvereitelung.205 Aus ihr wird zudem der Rechtsgedanke für den allgemeinen Grundsatz der Beweisvereitelung entnommen.206 Durch „eine Art Umkehrschluss“ wurde §  444 ZPO zudem als normative Grundlage eines Beweisverbots vorgeschlagen.207 Auch wenn die Vertreter dieses Lösungswegs ihre Methodik kaum begründet haben, wurde er insbesondere aus methodischen Gründen kritisiert.208 Durch einen Umkehrschluss zu §  444 ZPO gelange man nicht zu einem Beweisverbot. Der Umkehrschluss ist die Folgerung, dass die Rechtsfolge nur für den geregelten Tatbestand, nicht aber für ihn ähnliche Sachverhalte greift.209 Vorliegend werde aber gerade die Rechtsfolge auf einen nicht geregelten Tatbestand übertragen. Diese Vorgehensweise sei methodisch aber allenfalls eine Analogie.210 Für einen Analogieschluss fehle es aber an der vergleichbaren Interessenlage, da §  444 ZPO nicht die Rechtswidrigkeit, sondern das widersprüchliche Verhalten des Beweisgegners sanktioniere, wenn dieser sich nach der Vereitelungshandlung auf die Beweisfälligkeit berufe.211 Außerdem treffe §  444 ZPO keine Aussage über die Zulässigkeit des Beweismittels, sondern nur über die Beweisbedürftigkeit des zugrundeliegenden Tatsachenvortrags.212 Die Folgen der Beweisvereitelung, wie die Beweiserleichterung oder die Beweislastumkehr, seien stets der Wahrheitsermittlung förderlich; ein Beweisverbot würde aber die gegenteilige Rechtsfolge darstellen.213 bb) Sachvortragsverbot Wegen der Anknüpfung an die beweisrechtliche Norm des §  444 ZPO scheint die Herleitung eines Sachvortragsverbots mittels dieses Lösungsvorschlags ausgeschlossen. Tatsächlich bezieht sich das dargestellte Lösungskonzept aber nur vordergründig auf die spezielle Norm des §  444 ZPO. Aus der Beweisvereitelung leitet es aber einen allgemeinen Rechtsgedanken der Gerechtigkeit ab. Dieser Rechts­ gedanke würde sich nicht allein auf das Beweisrecht beschränken, sondern wäre auf Sachvortragsebene übertragbar. Im Ergebnis bezieht sich das an die Gerech205 

MüKo-ZPO/Schreiber, §  444, Rn.  1,6. Zöller/Greger, §  286, Rn.  14a. 207  Kellner, JR 1950, 270, 271. 208  Gemmeke, S.  73. 209  Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.  209; Weichbrodt, S.  173. 210  Gemmeke, S.  73. 211  Tresenreuter, S.  29. 212  Dilcher, AcP 158 (1959/1960), 469, 472; Gemmeke, S.  73; Werner, NJW 1988, 993, 1001. 213  Tresenreuter, S.  30–31. 206 

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tigkeit anknüpfende Lösungskonzept damit auf den Grundsatz von Treu und Glauben.214 Es wurde aber bereits dargelegt, dass der Grundsatz von Treu und Glauben kein prozessuales Verbot begründet.215 Auch der unmittelbare Rechtsgedanke der Regelung vermag kein prozessuales Verbot zu begründen. Während zu einem Beweisverbot noch die Gemeinsamkeit besteht, beweisrelevantes, rechtswidriges Verhalten zu sanktionieren, fehlt eine solche Gemeinsamkeit zum Sachvortragsvortragsverbot. Insbesondere aber knüpft die Beweisvereitelung an ein Verhalten des Beweisgegners an; ein prozessuales Verbot würde jedoch an ein Verhalten des Vortragenden und des Beweisführers anknüpfen. Die Situationen sind daher insgesamt nicht miteinander vergleichbar. §  444 ZPO begründet daher kein an die Partei gerichtetes Verbot, Tatsachen, von der sie rechtswidrig Kenntnis erlangt hat, zum Gegenstand von prozessualen Tatsachenbehauptungen zu machen. b) §  183 GVG aa) Diskussion in der Beweisverbotslehre Von Kellner wurde §  183 GVG als Grundlage für ein Beweisverbot herangezogen.216 Nach dieser Norm hat das Gericht, wenn eine Straftat in einer Sitzung begangen wird, den Tatbestand festzustellen und der zuständigen Behörde das darüber aufgenommene Protokoll mitzuteilen, §  183 S.  1 GVG. Obwohl Kellner selbst nur auf die „Empfindlichkeit“ des Gesetzes für rechtswidriges Verhalten im Prozess hingewiesen hat,217 ohne seine Argumentation methodisch näher zu begründen, verwerfen die Kritiker sein Lösungskonzept insbesondere aus methodischen Gründen. Eine für die Analogie erforderliche, vergleichbare Interessenlage bestehe nicht, denn §  183 GVG erfasse nur das rechtswidrige Verhalten der Parteien im Prozess, nicht jedoch die außerprozessuale Beweisbeschaffung.218 Zudem erfülle nicht jede rechtswidrige Beschaffungshandlung einen Straftatbestand, sodass nach diesem Lösungskonzept nicht alle rechtswidrig beschafften Beweismittel auch unzulässig wären.219 Auch die Rechtsfolge der Norm sei kein dem Beweisverbot vergleichbarer Regelungsgedanke. §  183 GVG weise dem Gericht nur eine Funktion im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu, nicht jedoch die Befugnis, über den Verstoß zu entscheiden und diesen zu ahnden. Dies sei ausschließlich Aufgabe des zu214 

Reichenbach, S.  32; Weichbrodt, S.  173. Teil  5, B. III. 3. 216  Kellner, JR 1950, 270, 271. 217  Kellner, JR 1950, 270, 271. 218  Gemmeke, S.  74; Kaissis, S.  40; Kodek, S.  99. 219  Gemmeke, S.  74. 215 

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ständigen Strafgerichtes.220 Regelungszweck sei die Sicherung der Strafverfolgung, nicht eine prozessuale Sanktionierung.221 Zudem „verspüre niemand sonst diese Empfindlichkeit“ des Gerichtsverfassungsgesetzes.222 bb) Sachvortragsverbot Das Konzept ist auf Sachvortragsebene übertragbar, aber vermag auch hier nicht zu überzeugen. Die Trennungsthese steht diesem Lösungsansatz nicht entgegen. §  183 GVG ist eine prozessuale Verhaltensnorm für das Gericht, die an die materiell-rechtliche Rechtswidrigkeit des Parteiverhaltens anknüpft. Problematisch ist bereits die Frage, an welche Straftat der Tatbestand des §  183 GVG im Falle der Tatsachenbehauptung nach rechtswidriger Informa­ tionserlangung anknüpft. Tatbestandmäßige Straftat kann nicht die außerprozessuale Erlangungshandlung sein. §  183 GVG ist unmittelbar nur bei Verhalten in der Sitzung anwendbar. Die Beschaffungshandlung unterfällt daher nicht dem Tatbestand. Auch eine entsprechende Anwendung ist nicht möglich. Die Norm ist eine Ausnahmevorschrift, die der schwerwiegenden Missachtung gegenüber dem Gericht, vor dem die Tat begangen wird, gerecht werden soll.223 Zugleich zwingt sie aber das Gericht zu einem Handeln. Um die richterliche Unabhängigkeit nicht durch eine Feststellungspflicht unverhältnismäßig einzuschränken, ist die Norm entsprechend eng auszulegen.224 Straftaten, die außerhalb der Sitzung begangen werden, unterfallen daher auch dann nicht der Feststellungspflicht, wenn das Gericht von ihnen Kenntnis erlangt. In diesem Falle besteht nur eine Anzeigemöglichkeit.225 Tatbestandsmäßige Straftat kann nur die Beweisführung sein.226 Dieses Verhalten dürfte jedoch regelmäßig nicht strafbar sein.227 Ohnehin führt die Norm in ihrer Rechtsfolge zu keinem prozessualen Verbot. Dem Gericht wird nur eine Tätigkeit im Rahmen des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens zugeteilt.228 Über die prozessuale Bedeutung der strafrechtlichen Handlung wird keinerlei Regelung getroffen. Aus der Feststellungspflicht kann auch keine übergeordnete Wertung dahingehend abgeleitet werden. §  183 GVG fordert das Gericht auf, den Sachverhalt festzustellen und der „zuständigen 220 

Gemmeke, S.  75; Kaissis, S.  40; Weichbrodt, S.  173. Kodek, S.  99. 222  Weichbrodt, S.  173. 223  MüKo-ZPO/Zimmermann, §  183 GVG, Rn.  1. 224  MüKo-ZPO/Zimmermann, §  183 GVG, Rn.  1. 225  MüKo-ZPO/Zimmermann, §  183 GVG, Rn.  1. 226  Muthorst, S.  100. 227  Oben Teil  5, B. III. 6. 228  MüKo-ZPO/Zimmermann, §  183 GVG, Rn.  1. 221 

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Stelle“ mitzuteilen. Darin wird deutlich, dass das Zivilgericht nicht für die inhaltliche Entscheidung zuständig ist, sondern dass die Beurteilung des strafrecht­ lichen Verhalten vom eigentlichen Prozess zu isolieren ist. §  183 GVG scheint insoweit sogar eher für die prozessuale Zulässigkeit rechtswidrig erlangter Informationen im Tatsachenvortrag zu sprechen. c) Generalprävention aa) Diskussion in der Beweisverbotslehre Unter dem Begriff der Generalprävention können diejenigen Argumentationen zusammengefasst werden, die die prozessuale Verwendung als indirekte Förderung der rechtswidrigen Beschaffungshandlung229 und somit als Anreiz230 für rechtswidriges Handeln erkennen, die dem Handelnden eine Kosten-Nutzen-Rechnung gestatte.231 Vergleichbare Argumente sind die Mahnungen, das Gericht werde zum Werkzeug einer strafbaren Handlung des Beweisführers,232 die prozessuale Verwendung durch das Gericht sei eine mittelbare Begünstigung der rechtswidrigen Beschaffungshandlung233 und das Gericht sei Hehler von Beweismitteln.234 Diese strafrechtlichen Vorwürfe gegenüber dem Gericht sind nicht im technischen Sinne, sondern bildlich gemeint.235 Die meisten dieser Ansätze gehen über das bloße Argument nicht hinaus. Allein Kaissis versucht sich an einer näheren Begründung.236 Er erkennt in der Erlangungshandlung zwei Dimensionen: die Rechtsgutverletzung und die Schaffung einer Beweismöglichkeit. Das materielle Recht könne aber nur die Rechtsgutverletzung, nicht jedoch die Beweismöglichkeitsschaffung ahnden.237 Wenn der Abschreckungseffekt der materiell-rechtlichen Strafandrohung unwirksam bleibe, sei aus generalpräventiven Gründen ein „rechtspolitisches Korrektiv“ in Form 229  Baumgärtel, ZZP 69 (1956), 89, 104, der aber in späteren Arbeiten einräumt, dieser Aspekt könne nur ein ergänzendes Argument sein, Baumgärtel in: FS Klug (1983), 477, 483; Baumgärtel, Rn.  89. 230  BGH NJW 1970, 1848, 1849; LG Memmingen DuD 2016, 401, 402; Musielak/Voit/ Foerste, §  286, Rn.  6 (Generalprävention). 231  Dubois, S.  156. 232  BGH NJW 1982, 277; BAG NJW 1983, 1692. 233  Habscheid in: GS Peters, 840, 861. 234  Sydow, S.  116 (zur rechtswidrigen Beweiserlangung Privater im Strafprozess). 235  Mit der strafrechtlichen Bewertung setzen sich einige Autoren dennoch vertieft auseinander: Gemmeke, S.  75 f.; Jäger, S.  223–225; Muthorst, S.  99; Weichbrodt, S.  162 f.; Werner, NJW 1988, 993, 1000. Richtigerweise handelt es sich allenfalls um ein rechtspolitisches Argument, Kaissis, S.  52; Weichbrodt, S.  167. 236  Kaissis, S.  119–126. 237  Kaissis, S.  119.

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eines Beweisverbots notwendig.238 Voraussetzung für das Verbot sei, dass die Prozesspartei spätestens mit Vollendung der Erlangungshandlung Beweisintention hatte und dass die Erlangung nicht auf rechtmäßige Art möglich gewesen wäre.239 Dem Gedanken der Generalprävention wird insbesondere das Schuldprinzip entgegengehalten.240 Ein Beweisverbot wäre eine zusätzliche prozessuale Sanktion, die unabhängig vom Schuldgehalt erfolgen würde.241 Diese zusätzliche Strafe wäre die Prozessniederlage infolge der Unzulässigkeit. Das Strafmaß wäre dann aber nicht abhängig von der Schuld, §  46 Abs.  1 StGB, sondern vom Streitwert des Rechtsstreits. Dagegen wird wiederum berechtigterweise eingewandt, das Verbot stelle nur die ursprüngliche Beweislage wieder her, die Prozessniederlage folge jedoch aus den Beweislastregeln.242 Die Kritiker bezweifeln zudem die generalpräventive Wirkung. Diese sei schon denklogisch auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen der Beweisführer bei der Erlangung mit Beweisintention handele.243 Diesen Aspekt hat aber zumindest Kaissis berücksichtigt, der nur bei Vorliegen einer Beweisintention ein Beweisverbot anwenden will.244 Ferner sei der Zivilprozessordnung der Ausschluss von Beweismitteln als Strafe fremd.245 Aufgabe des Zivilgerichts sei die Klärung der Rechtslage in einem fairen Verfahren, nicht jedoch eine Sanktionierung von außerprozessualem Verhalten. Dies folge unter anderem aus §  149 ZPO und §  183 GVG, die strafrechtlichen Fragen aus dem Zivilverfahren fernhalten. Schließlich wird eingewandt, das materielle Recht sei ein grundsätzlich ausreichendes Korrektiv für die rechtswidrige Beschaffungshandlung.246 bb) Sachvortragsverbot Der Gedanke ist grundsätzlich auf die Zulässigkeit von Tatsachenbehauptungen übertragbar.247 Allerdings kann mit dem Argument der Generalprävention weder ein Beweisverbot noch ein Sachvortragsverbot dogmatisch begründet werden. 238  Kaissis, S.  123. Ähnlich (auf die prozessuale Waffengleichheit abstellend) Morgenroth, ZStV 2012, 212, 215; Morgenroth, NZA 2014, 408, 411; Weichbrodt, S.  313–354. 239  Kaissis, S.  123 f. Ähnlicher Ansatz im Strafprozess Dubois, S.  157. 240  Kodek, S.  107; Kodek, ÖJZ 2001, 281, 289; Kodek in: FS Kaissis, 523, 539. 241  BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  52. 242  Reichenbach, S.  129. 243  Ahrens, Kapitel  6, Rn.  26. 244  Kaissis, S.  123 f. 245  Weichbrodt, S.  165; Werner, NJW 1988, 993, 1000. 246  Dauster/F. Braun, NJW 2000, 313, 318; Kodek in: FS Kaissis, 523, 539; Werner, NJW 1988, 993, 999. 247  So etwa in BAG BB 2019, 697, 698.

B. Prozessuales Verbot

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Zweifellos beeinflusst das Prozessrecht die außergerichtliche Abwicklung von Rechtsverhältnissen.248 Erfolgsaussichten in einem Prozess bestimmen darüber, ob er angestrengt wird, und beeinflussen deshalb sicherlich auch die Entscheidung, ob vorprozessual eine rechtswidrige Beschaffungshandlung vorgenommen wird.249 Aber auch wenn ein prozessuales Verbot präventive Wirkung entfalten kann, ist dies keine ausreichende Begründung für ein solches Verbot. Der Präventionsgedanke kann als rein rechtspolitisches Argument nur unterstützend ­herangezogen werden, nicht jedoch als Grundlage für ein prozessuales Verbot dienen.250 Gegen die Begründung einer prozessualen Sanktion aus generalpräventiven Gründen sprechen zudem Art.  103 Abs.  2 GG und Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG. Nach Art.  103 Abs.  2 GG ist für die Bestrafung nämlich erforderlich, dass die Strafbarkeit vor Tatbegehung gesetzlich bestimmt war. Dem würde eine nichtnormierte, prozessuale Sanktionierung nicht gerecht. Auch wenn man ein Beweisverbot nicht als „Strafe“ im Sinne des Art.  103 Abs.  2 GG ansieht, so obliegt doch die Regelung als rechtspolitische Handlung im gewaltenteilenden Rechtsstaat, Art.  20 Abs.  2 S.  2 GG, dem Gesetzgeber. Der Vorschlag ist deshalb kein Lösungskonzept, sondern allenfalls als Regelungsvorschlag zu verstehen. Auch stehen diesem Regelungsvorschlag – Einführung eines prozessrechtlichen Verbots zur Verhinderung des vorprozessualen Unrechts – berechtigte Bedenken entgegen: Ein prozessuales Verbot hätte allenfalls einen auf den Prozess beschränkten Präventiveffekt. Das rechtswidrig erlangte Beweismittel könnte infolgedessen weiterhin erfolgreich außerprozessual benutzt werden, etwa indem das kompromittierende Beweismaterial dem Gegner vorgehalten wird, um diesen zur außergerichtlichen Streitbeilegung zu bewegen.251 Ein derart beschränkter Präventiveffekt dürfte nicht ausreichen, um den mit dem Regelungsvorschlag einhergehenden Eingriff in das Recht auf rechtliches Gehör zu rechtfertigen.252 Außerdem ist die dogmatische Begründung des Regelungsvorschlags fragwürdig. Es handelt sich um eine Korrektur der vermeintlich nicht ausreichenden Präventivwirkung des materiellen Straf- und Zivilrechts durch ein prozessuales Verbot. Weshalb diese Korrektur im Prozessrecht erfolgen soll, wird aber rechts­ dogmatisch nicht begründet.253 Ziel der Prävention soll die Verhinderung der 248 

Stein/Jonas/Brehm, vor §  1, Rn.  6; Natter in: Beschäftigtendatenschutz in der Reform, 133, 148. Zur ökonomischen Verhaltenssteuerung der Rechtsprechung R. Koch, S.  5 f. 249 Kritisch: Betz, RdA 2018, 100, 105. 250  Frieberger, S.  39; Kaissis, S.  52; Weichbrodt, S.  167. 251  Betz, RdA 2018, 100, 105. So zum Beispiel in LAG Mannheim RDV 2000, 27, 29. 252  Betz, RdA 2018, 100, 105. Zum Eingriff in das Recht auf rechtliches Gehör: Teil  2, A. II. 253  Gemmeke, S.  78, 162; Kodek, S.  109. Zur ökonomischen Steuerungswirkung der Rechtsprechung R. Koch, S.  5 f.

240

Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

außerprozessualen Beschaffungshandlung sein. Die Probleme des materiellen Rechts sollen aber grundsätzlich nicht durch das Prozessrecht gelöst werden.254 Ohnehin ist fraglich, ob das Prozessrecht überhaupt taugliche Regelungen bereitstellt, um materiell-rechtliche Verstöße zu ahnden.255 Wenn das materielle Recht nicht ausreichende Präventionswirkung entfaltet, müssen zunächst die entsprechenden Regelungen des materiellen Rechts geändert werden. 8. Zwischenergebnis Auch das prozessuale Verhalten der Parteien führt zu keiner prozessualen Zulässigkeitsbeschränkung von Beweismitteln und Tatsachenbehauptungen. Für eine Anknüpfung an das prozessuale Verhalten der Parteien spricht zwar die Trennung zwischen außerprozessualer Beschaffungshandlung und Prozesssphäre. Die Lösungsansätze versuchen, nicht von der Rechtswidrigkeit der Erlangungshandlung unmittelbar auf die Unzulässigkeit der prozessualen Ver­ wendung zu schließen, sondern die prozessuale Unzulässigkeit als Folge des Prozessverhaltens zu sehen, welches wegen der Rechtswidrigkeit der Beschaffungshandlung seinerseits ebenfalls rechtswidrig ist. Diese mittelbare Konstruktion erlaubt es, anders als der erste, unmittelbar auf die Beschaffungshandlung abstellende Ansatz, auf Unterschiede zwischen vorprozessualem und prozessualem Rechtsverhältnis einzugehen. Allerdings lässt sich keine rechtliche Grundlage für ein solches Verbot im geltenden Recht finden. In der Beweisverbotslehre hat sich kein an die Parteien gerichtetes Beweisführungsverbot durchsetzen können. Die dortigen Überlegungen waren zwar überwiegend auf die Frage nach der Zulässigkeit des Sachvortrags übertragbar, konnten aber auch hier kein Behauptungsverbot begründen. Aus keinem der Ansätze konnte ein prozessuales Hindernis, Tatsachen zu behaupten, abgeleitet werden.

IV. Fazit: Kein an die Partei adressiertes prozessuales Verbot Weder als unmittelbare Folge der vorprozessualen Handlung noch als mittelbare Folge, anknüpfend an die prozessuale Handlung, konnte ein an die Partei gerichtetes prozessuales Verbot konstruiert werden, rechtswidrig erlangte Informationen zum Gegenstand ihrer Tatsachenbehauptungen zu machen. Einzige prozessuale Folge der rechtswidrigen Beschaffung von Informationen und Beweismitteln ist mithin die im Einzelfall möglicherweise eingeschränkte 254 

BGH Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – juris, Rz.  52; Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140, 152; Kodek, S.  107; Kodek, ÖJZ 2001, 281, 289; Kodek in: FS Kaissis, 523, 538 f. 255  Frieberger, S.  38; Kodek in: FS Kaissis, 523, 538.

B. Prozessuales Verbot

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Verwendungsbefugnis des Gerichts.256 Im Übrigen führen (vorprozessuale) Verstöße gegen das materielle Recht nicht zu einem prozessualen Verbot.257 Dies folgt maßgeblich aus dem Trennungsprinzip und der insoweit fehlenden gesetzlichen Regelung, die die beiden zu trennenden Rechtsgebiete an dieser Stelle verbinden müsste. Dieses Ergebnis überzeugt, weil ein Behauptungsverbot sich auch nicht in die rechtspolitische Grundauslegung der Zivilprozessordnung einfügt.258 Stärker noch als gegen ein Beweisführungsverbot, das sich ebenfalls nicht hat durchsetzen können, sprechen grundlegende Zivilprozessprinzipien gegen ein Behauptungsverbot. Insbesondere würde es im Vergleich zu einem Beweisführungsverbot stärker in das Recht auf rechtliches Gehör eingreifen.259 Ein solches Verbot würde der Partei jegliche Möglichkeit nehmen, das ihr nach materiellem Recht zustehende Recht durchzusetzen oder zu verteidigen.260 Der Zivilprozess ist darauf angelegt und angewiesen, dass die Parteien alles vortragen, was sie für die Wahrung ihrer Rechte notwendig erachten.261 Dieser Grundsatz wird inhaltlich nur durch das nicht sanktionierte Gebot des §  138 Abs.  1 ZPO, wahrheitsgemäß vorzutragen,262 und das Erfordernis der Entscheidungserheblichkeit263 beschränkt. Wie weit das Äußerungsrecht reicht, zeigt sich aber insbesondere in dem Recht, vor Gericht Vermutungen zu äußern. Der Beibringungsgrundsatz nötigt die Parteien, sich dazu zu erklären, worüber sie keine zuverlässige Kenntnis haben können, also Vermutungen zu äußern.264 Wenn aber die Behauptung von vermuteten Tatsachen zulässig ist, dann muss auch die Behauptung von zwar bekannten, aber rechtswidrig bekannten Tatsachen zulässig sein. Im Vergleich zur Beweisführung greift die Behauptung zugleich weniger intensiv in die Rechte des Prozessgegners ein. Die Wiedergabe von rechtswidrig erlangten Informationen im Sachvortrag ist zunächst eine bloße Tatsachenbehauptung, während 256 

Teil  3 und Teil  4. OLG Saarbücken VersR 2009, 1479, 1480. 258  BGH NJW 2010, 289, 292; Wendt, NJ 2010, 349, 350. 259  BAG NJW 2008, 2732, 2734; LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 16.11.2011 – 3 Sa 284/11 – juris, Rz.  32; Grobys, NJW 2008, 2736; Heinemann, MDR 2001, 137, 140; Lunk, NZA 2009, 457, 458; Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 623. 260  Gross/Lorenz, FA 2003, 229, 232; Reichenbach, S.  216; Schneider, MDR 2000, 1029, 1030. 261  Fleck, S.  40; Reichenbach, S.  216; Reichenbach, AcP 206 (2006), 598, 620. 262  Schneider, MDR 2000, 1029, 1030. Präklusionsnormen wie §§  296, 527, 528 ZPO sind keine inhaltliche, sondern eine zeitliche Beschränkung. 263  Scherpe, ZZP 129 (2016), 153, 176. Wobei in erster Linie die Parteien die Entscheidungserheblichkeit bestimmen, Teil  2, A. III. 264  BVerfG WM 2012, 492, 493; BGH WM 1985, 736, 737; Chudoba, S.  94 f.; Kiethe, MDR 2007, 625, 626; H. Prütting in: FS Gottwald, 507, 509; MüKo-ZPO/Wagner, §  138, Rn.  9. 257 

242

Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

Wort- und Bildaufnahmen als objektive Verhaltensfixierung eine scheinbar absolute Wahrheit transportieren. Dass diese Wiedergabe deutlich einschneidender ist, zeigen insbesondere die §§  201 ff. StGB, die ausschließlich an die Verwendung des Bild- oder Tonmaterials anknüpfen.265 Außerdem stellt der Sachvortrag nach der prozessualen Struktur eine bloße Behauptung dar. Die Verletzung ist also auch insofern geringer, als der Wahrheitsgehalt des Gesagten von vornherein zur Diskussion gestellt wird. Die gegnerische Partei hat die Gelegenheit, durch Bestreiten auf diese Behauptung zu reagieren. Ein Behauptungsverbot findet keine rechtliche Grundlage und ist zudem rechtspolitisch mit den dem Zivilprozessrecht zugrundeliegenden Grundsätzen unvereinbar.266

C. Geltendmachungsverbot nach materiellem Recht I. Anlass der Untersuchung Das Prozessrecht schränkt infolge einer rechtswidrigen Informationserlangung nur die Befugnis des Gerichts zur Verwendung dieser Informationen ein. Die Rechte der Partei, die Informationen im Prozess vorzutragen, sind jedoch unberührt. Obschon die Informationsverwendung hier als prozessuales Problem erfasst wird, kann die materiell-rechtliche Situation in dieser Untersuchung nicht unbeachtet bleiben. Der Zivilprozess dient der Durchsetzung von privaten Rechten und der Klärung zivilrechtlicher Streitigkeiten. Er existiert nicht um seiner selbst willen.267 Folgerichtig kann auch eine prozessuale Arbeit nicht an der ohnehin nur schwer zu ziehenden Grenze zwischen materiellen und prozessualem Recht stehen bleiben. Insbesondere bei einer Thematik, die im Grenzbereich zwischen den beiden Teilrechtsordnungen steht, müssen beide Rechtsbereiche auf Lösungsmöglichkeiten überprüft werden. Nachdem ein prozessuales, an die Partei adressiertes Verbot nicht abgeleitet werden konnte, ist deshalb nunmehr im materiellen Recht nach Einschränkungen zu suchen. Die Zivilprozessparteien sind durch zwei parallele Rechtsverhältnisse verbunden. Neben dem Prozessrechtsverhältnis besteht das materielle Rechtsverhältnis zwischen den Parteien fort.268 Im Folgenden ist zu untersuchen, ob und in welchen Fällen ein materiell-rechtliches Verbot, rechtswidrig beschaffte Informatio265 

Dazu oben Teil  5, B. III. 6. BGH NJW 2010, 289, 292; Wendt, NJ 2010, 349, 350. 267  Teil  2, A. I. 2. c). 268  Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140, 162. 266 

C. Geltendmachungsverbot nach materiellem Recht

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nen zu verwenden, vorliegt, welche Auswirkungen es hat und wie es sich zu dem prozessualen, an das Gericht adressierten Verbot verhält.

II. Abgrenzung zur Informationserlangung und zur Informationsverwendung Das hier zu untersuchende Geltendmachungsverbot betrifft weder die Informa­ tionsbeschaffung noch die Informationsverwendung als tatsächliche Handlungen, sondern die Geltendmachung des Rechts an sich. Es wurde bereits erörtert, dass das materielle Recht zwar die Informations­ beschaffung verurteilt,269 es aber die anschließende Informationsverwendung im Prozess nicht eingrenzen kann: Etwaige Verbotsnormen aus dem Strafrecht und Datenschutzrecht oder aber die zivilrechtlichen Schadensersatz-, Beseitigungsund Unterlassungsansprüche aus §  823 ff. BGB beziehungsweise §  1004 BGB gelten in der prozessualen Sphäre nur begrenzt und müssen die übergeordneten Wertungen, insbesondere die des Art.  103 Abs.  1 GG, berücksichtigen.270 Eine separate Unterlassungs- oder Schadensersatzklage ist daher nur zulässig, sofern und soweit ein über das Unterlassen der Informationsverwendung im konkreten Prozess hinausgehendes Rechtsschutzinteresse vorliegt, beispielsweise wenn gefertigte Ton- oder Videoaufnahmen nicht nur im Prozess verwendet, sondern zugleich auch online veröffentlicht werden. Klagegegenstand kann dann aber nur die außerprozessuale Online-Veröffentlichung sein, nicht die prozessuale Verwendung.271 Die Geltendmachung des Rechts beschreibt dementgegen nicht die prozessuale Behauptung, sondern die Rechtsausübung innerhalb der Rechtsbeziehung zwischen den Parteien. Weil sie nicht die prozessuale Handlung betrifft, unterliegt sie nicht den Einschränkungen des Art.  103 Abs.  1 GG.

269  Bei Verstößen gegen das Datenschutzrecht und das Strafrecht kommen strafrechtliche und bußgeldrechtliche Folgen und bei Verstößen gegen das Zivilrecht Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche in Betracht Teil  1, B. und Teil  5, B. II. 4. Mitunter kann aber schon bei der Rechtmäßigkeitsbeurteilung der Erlangungshandlung die spätere prozessuale Verwendungsabsicht im Einzelfall als Duldungs- oder Rechtfertigungsgrund gelten, KG NJW 1956, 26, 27; LG Memmingen DuD 2016, 401, 402 (jeweils zur Beweismittelerlangung). Kritisch J. Braun, S.  762 f. 270  Dazu ausführlich Teil  5, B. III. 5 und Teil  5, B. III. 6. 271  Entsprechend zu Beweismitteln: BGH NJW 1988, 1016, 1017; BAG NZA 2015, 994, 995; KG NJW 1956, 26, 27; Reichenbach, S.  218.

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Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

III. Unzulässige Rechtsausübung wegen rechtswidriger Kenntniserlangung Insbesondere der Bundesgerichtshof hat aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ein Geltendmachungsverbot abgeleitet. Es handelt sich bei dieser Rechtsprechung um eine der wenigen Stellungnahmen des Bundesgerichtshofs zu einem Sachvortragsverbot. Es ist zu untersuchen, inwiefern dieser Ansatz mit der oben herausgearbeiteten Dogmatik vereinbar ist und ob er über die der Rechtsprechung konkret zugrundeliegenden Fallsituation hinaus auf andere Lebenssachverhalte angewandt werden kann. 1. Rechtsprechung Die Judikatur hat in einer Reihe von Entscheidungen zur Anfechtung von Versicherungsverträgen wegen arglistiger Täuschung die Unzulässigkeit der Rechtsausübung wegen rechtswidriger Informationsbeschaffung geprüft.272 Hintergrund dieser Rechtsprechung war, dass der damalige §  4 Abs.  2 S.  2 BBBUZ eine zu weit gefasste, gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßende Schweigepflichtsentbindung enthielt.273 Aufgrund dieser Klausel erlangte der Versicherer dann bei der Leistungsfallprüfung in einigen Fällen Informationen, die belegten, dass der Versicherte seiner Anzeigepflicht bei Vertragsabschluss nicht nachgekommen war, und focht deshalb den zugrunde­ liegenden Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung nach §  123 Abs.  1 BGB an.274 Diese Informationserlangung war wegen der unwirksamen Schweige­ pflichtentbindung aber nach materiellem Recht rechtswidrig. Im Prozess wurde dann über die Zulässigkeit des auf diesen Informationen aufbauenden Sachvortrags gestritten. Die Gerichte prüften dabei aber nicht nur ein mögliches prozessuales Verbot, sondern daneben ein materiell-rechtliches Verbot aus §  242 BGB.275 Danach dürfe die Anfechtung nicht auf die rechtswidrig erlangten Informationen gestützt werden, wenn dies wegen des unredlichen Erwerbs der Rechtsposition oder der Voraussetzungen der Rechtsausübung eine unzulässige Rechtsausübung im Sinne des §  242 BGB wäre. Die Unzulässigkeit 272  BGH NJW 2010, 289, 291; VersR 2011, 1249, 1250; NJW 2012, 301; OLG Saarbrücken VersR 2009, 1478, 1481; OLG Jena VersR 2011, 380, 382. 273  BVerfG MMR 2007, 93, 94. 274  BGH NJW 2010, 289–292; OLG Jena VersR 2011, 380, 382. 275  BGH NJW 2010, 289, 290; VersR 2011, 1249, 1250; NJW 2012, 301; OLG Jena VersR 2011, 380, 382; Langheid/Wandt/Eberhard, §  213, Rn.  139; Looschelders, JR 2010, 530, 531; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Muschner, §  213 VVG, Rn.  85; Neuhaus, P, Rn.  89; Langheid/­ Rixecker/Rixecker, §  213, Rn.  25; Washausen, S.  242–245; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 64. Beziehungsweise „vertragliches oder gesetzliches“ Verbot, OLG Saarbrücken VersR 2009, 1522, 1524.

C. Geltendmachungsverbot nach materiellem Recht

245

sei durch eine umfassende Abwägung zu ermitteln.276 Rechtsfolge sei das Verbot, von dem Gestaltungsrecht der Anfechtung Gebrauch zu machen.277 2. Verallgemeinerungsfähigkeit Überlegungen zu einem materiell-rechtlichen Geltendmachungsverbot im Zusammenhang mit rechtswidriger Sachverhaltskenntniserlangung finden sich, soweit ersichtlich, allein in der einschlägigen Rechtsprechung zur Anfechtung von Versicherungsverträgen. Das Institut der unzulässigen Rechtsausübung selbst ist allerdings kein Sonderfall. Der vom Bundesgerichtshof erwogene Lösungsweg ist weder versicherungs- noch anfechtungsspezifisch. Er ist auf jede Rechtsdurchsetzung übertragbar, die dem Verbot der unzulässigen Rechtsausübung unterliegt.278 Treu und Glauben ist ein rechtsethisches Prinzip, dass mit gewisser Abstraktion ubiquitär Geltung beansprucht.279 Im Zivilrecht ist dieser Grundsatz in §  242 BGB kodifiziert. Nicht zuletzt aufgrund ihres rechtsethischen Ursprungs wird diese Norm weit ausgelegt. Entgegen Wortlaut und systematischer Stellung des §  242 BGB ist die Anwendbarkeit nicht auf Schuldverhältnisse beschränkt.280 Regelmäßig wird aber eine rechtliche Sonderverbindung in Form eines qualifiziert sozialen Kontakts zwischen den Beteiligten gefordert.281 Deshalb kann ein materiell-rechtliches Geltendmachungsverbot ebenso bei anderen Gestaltungsrechten eingreifen.282 So kann etwa der Kündigungserklärung eines Arbeitgebers die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden. Aber auch die Geltendmachung eines Anspruchs kann mit dieser Einrede im Einzelfall abgewehrt werden.283 Nur diejenige Rechtsdurchsetzung, die nicht dem Verbot der unzulässigen Rechtsausübung unterliegt, kann keinem Geltendmachungsverbot unterliegen.284 276  BGH NJW 2010, 289, 291; NJW 2012, 301, 302; r+s 2017, 462, 466; OLG Jena VersR 2011, 380, 382; OLG Saarbrücken VersR 2013, 1157, 1162; Langheid/Wandt/Eberhard, §  213, Rn.  139; Looschelders, JR 2010, 530, 531; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Muschner, §  213, Rn.  88 f.; Washausen, S.  243; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 64. 277  BGH r+s 2017, 462, 465; Neuhaus, P, Rn.  89; Washausen, S.  243. 278  Weber, ZZP 129 (2016), 57, 74. 279  Fleck, S.  185; Palandt/Grüneberg, §  242, Rn.  1, 4. 280  Palandt/Grüneberg, §  242, Rn.  1, 3 f.; MüKo-BGB/Schubert, §  242, Rn.  93; Schulze/ Schulze, §  242, Rn.  1. 281  Palandt/Grüneberg, §  242, Rn.  5, 39; MüKo-BGB/Schubert, §  242, Rn.  93–95; Schulze/ Schulze, §  242, Rn.  3. Dagegen Fleck, S.  188. 282  Weber, ZZP 129 (2016), 57, 65, 74. 283  Weber, ZZP 129 (2016), 57, 65. 284  Weber, ZZP 129 (2016), 57, 74, der als Beispiel die den Gläubigerschutz zu achtende Geltendmachung des Einlageanspruchs einer AG oder GmbH nennt (Dazu BGH NJW 1962, 1009; ZIP 1982, 1320).

246

Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

Der Rechtsmissbrauch in Gestalt der unzulässigen Rechtsausübung verhindert die Inanspruchnahme und Verwirklichung eines an sich geltenden Rechts.285 Aufgrund einer atypischen Interessenlage wird dem Recht also seine Wirkung versagt.286 Der darin zum Ausdruck kommende Ausnahmecharakter fordert, dass die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung insgesamt restriktiv zu handhaben ist und nur bei eindeutigem, grobem Rechtsmissbrauch einschlägig sein kann.287 Eine Fallgruppe des Rechtsmissbrauchs ist die Unzulässigkeit wegen einer missbräuchlich begründeten Rechtsstellung, allgemeiner ausgedrückt wegen missbilligtem früheren Verhaltens.288 Das ist der Fall, wenn die Ent­ stehungsgründe eines subjektiven Rechts oder einer günstigen Rechtslage unzulässig herbeigeführt werden.289 Der Missbrauch bestimmt sich dann durch eine Abwägung im Einzelfall.290 Die rechtswidrige Informationsbeschaffung führt den Entstehungsgrund des streitgegenständlichen Rechts nicht missbräuchlich herbei, denn der Informationsbeschaffende wirkt nicht auf das Geschehen ein, sondern erlangt nur davon Kenntnis. Am obigen Beispiel veranschaulicht: den Entstehungsgrund des Anfechtungsrechts wegen arglistiger Täuschung hat allein der Versicherte mit seinen unwahren Angaben bei Vertragsschluss herbeigeführt. Die Kenntniserlangung und damit die faktische Geltendmachungsmöglichkeit ist aber eine „gün­ stige Rechtslage“. Dazu genügt jeder tatsächliche oder rechtliche Zusammenhang zwischen Rechtsausübung und dem früheren unredlichen Verhalten.291 Dadurch hat der Versicherer eine – möglicherweise missbräuchlich begründete – Rechtsstellung inne. Die rechtswidrige Kenntniserlangung der für die Geltendmachung des Rechts erforderlichen Informationen kann deshalb nach Treu und Glauben zur Unzulässigkeit der Rechtsausübung führen.292 3. Wirkung und Vergleich zum gerichtlichen Verwendungsverbot Einer unzulässigen Rechtsausübung wird die rechtliche Wirkung versagt, sodass die Geltendmachung des Rechts nicht zulässig ist.293 Etwaiger Vortrag vor Gericht wäre deshalb aus materiell-rechtlichen Gründen unschlüssig. Nicht die In285 

MüKo-BGB/Schubert, §  242, Rn.  202 f., 206; Schulze/Schulze, §  242, Rn.  21 f., 24. MüKo-BGB/Schubert, §  242, Rn.  206, 226. 287  Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  324. 288  Palandt/Grüneberg, §  242, Rn.  43–45; MüKo-BGB/Schubert, §  242, Rn.  250–308. 289  MüKo-BGB/Schubert, §  242, Rn.  284; Schulze/Schulze, §  242, Rn.  27. 290  MüKo-BGB/Schubert, §  242, Rn.  50; Schulze/Schulze, §  242, Rn.  14. 291  Schulze/Schulze, §  242, Rn.  26. 292  BGH r+s 2017, 462, 465; Washausen, S.  243; Weber, ZZP 129 (2016), 57, 64. 293  BGH r+s 2017, 462, 465; MüKo-BGB/Schubert, §  242, Rn.  206, 226; Schulze/Schulze, §  242, Rn.  21; Washausen, S.  243. 286 

C. Geltendmachungsverbot nach materiellem Recht

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formationsverwendung ist unzulässig, sondern die Informationen sind nicht ­tatbestandsmäßig. Die Partei kann das geltend gemachte Recht nicht mit den erlangten Informationen begründen. Ihre Folge ist also eine definierte Unsub­su­ mierbarkeit der Tatsache unter das Tatbestandsmerkmal. Das Verbot stellt nicht die prozessuale Zulässigkeit des Vortrags in Frage, sondern betrifft allein die Entscheidung in der Sache. In Folge des Geltendmachungsverbots ist die Information nicht mehr entscheidungserheblich und ein Beweis daher überflüssig, denn für die Sachentscheidung kommt es auf die Wahrheit dieser Tatsache nicht mehr an.294 Rechtsfolge ist deshalb nicht die Rechtswidrigkeit oder Unzulässigkeit des prozessualen Handelns, sondern die Unbegründetheit der Klage. Dieses Rechtsinstitut ist deshalb strikt von den Versuchen zu trennen, ein prozessuales Verbot mit dem materiellen Recht zu begründen.295 Diese Folge der Unzulässigkeit betrifft jede Geltendmachung des Rechts. Sie ist nicht prozessspezifisch und wirkt deshalb sowohl im Prozess als auch außerhalb des Prozesses. Das Verbot knüpft also an keine prozessuale Handlung und insbesondere an keine gerichtliche Handlung an. Anknüpfungspunkt ist vielmehr die Geltendmachung des Rechts durch die Partei. Wesentlicher Unterschied zum die gerichtliche Verwendung einschränkenden Verbot ist daher der unterschied­ liche Anknüpfungspunkt. Deshalb ist das materiell-rechtliche Geltendmachungsverbot in seiner Wirkung weder mit einem Beweisverbot noch mit einem Sachvortragsverbot gleichzusetzen. Grund hierfür ist, dass im materiellen Recht nicht zwischen Sachvortrag und Beweis unterschieden wird. Die Unterscheidung erfolgt erst im gerichtlichen Verfahren. Im materiellen Recht ist allein die Informationsverwendung maßgeblich. Allerdings wird die Rechtswidrigkeit der Beschaffungshandlung regelmäßig nur dann die Unzulässigkeit der Rechtsausübung zur Folge haben, wenn diese Beschaffungshandlung die Sachverhaltskenntnis betrifft. Maßgeblich ist, ob die Kenntniserlangung der konkreten Information derart unbillig ist, dass die daraufhin getätigte Rechtsgeltendmachung oder Rechtsverteidigung aufgrund einer Abwägung im Einzelfall unzulässig ist. Allein die rechtswidrige Beweisbeschaffung bei im Übrigen rechtmäßiger Sachverhaltskenntnis dürfte in aller Regel nicht derart unbillig sein, dass die Rechtsausübung an sich unzulässig wäre. Damit tritt das Geltendmachungsverbot eher mit dem Sachvortragsverbot als mit einem Beweisverbot in Konkurrenz. Da aber nicht an die gerichtliche Eingriffshandlung angeknüpft wird, ist unerheblich, ob die unzulässige Rechts-

294 Ähnlich

Muthorst, S.  362 f. zu „absoluten Verwertungsverboten“. Weber, ZZP 129 (2016), 57, 73. Zur Begründung eines prozessualen Verbots aus materiellen Rechtsnormen Teil  5, B. II.; Teil  5, B. III. 5; Teil  5, B. III. 6. 295 

248

Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

ausübung im Prozess Folgen für ein Beweismittel oder für den (unstreitigen) Sachvortrag hat.296 Den zweiten, maßgeblichen Unterschied zwischen den Rechtsinstituten Geltendmachungsverbot und prozessuales Verbot bilden die unterschiedlichen Wirkungskreise und Grenzen. Der Wirkungskreis des materiell-rechtlichen Verbots wegen unzulässiger Rechtsausübung ist einerseits weitgehender, da es der Rechtsgeltendmachung stets und unabhängig von einem Prozess entgegensteht. Andererseits kann aber auch das prozessuale Verbot über die Grenzen des materiell-rechtlichen Verbots hinausgehen, da es nicht an das materielle Recht, sondern an die prozessuale Durchsetzbarkeit anknüpft und ihr deswegen die Grenzen des zwingenden Rechts nicht im gleichen Maße entgegenstehen. So kann das Geltendmachungsverbot nach überwiegender Ansicht nicht das Recht zur außerordentlichen Kündigung beschränken.297 Das prozessuale Verbot kann eine solche Einschränkung hingegen zumindest faktisch zur Folge haben. Das materiell-rechtliche Verbot wirkt außerdem relativ und ist auf das konkrete Rechtsverhältnis beschränkt.298 Schließlich sind die Voraussetzungen der beiden Rechtsinstitute nicht kongruent. Beide Rechtsinstitute erfordern eine Abwägung der Umstände im Einzelfall. Die wenigen hierzu ergangenen Veröffentlichungen sehen deshalb eine Art Gleichlauf zwischen den beiden Verboten.299 Die Interessenabwägung sei jeweils dieselbe. Grund für die Ansicht in der Literatur dürfte sein, dass die Rechtsprechung in den einschlägigen Entscheidungen regelmäßig nach einer ausführlichen Abwägung im Rahmen des §  242 BGB entschieden hat, dass die Abwägung aus denselben Gründen bei dem prozessualen Verbot zu Lasten des Versicherten ausgehe.300 Es ist allerdings falsch, daraus den Schluss zu ziehen, deshalb liefen die Institute stets parallel. Die Aussage der Gerichte ist vielmehr so zu verstehen, dass im jeweils entschiedenen Fall die konkreten Argumente, die bereits im Rahmen der Abwägung des §  242 BGB für die eine Partei sprachen, auch im Rahmen der prozessualen (verfassungsrechtlichen) Abwägung eine entsprechende Entscheidung begründeten. Tatsächlich sind die Abwägungspositionen und die deshalb zu berücksichtigenden Kriterien nicht deckungsgleich. Die Abwägungspositionen bei der Missbrauchsprüfung gemäß §  242 BGB und bei der Frage nach einem rechtfertigbaren Grundrechtseingriff durch gerichtliche Informationsverwendung im Zivilprozess sind grundsätzlich zu un296 

BGH NJW 2012, 301, 302; r+s 2017, 462, 466; OLG Saarbrücken VersR 2009, 1522, 1523; Neuhaus, P, Rn.  101. 297  Reinhard, NZA 2016, 1233, 1239; Ulrici, Juris-PR ArbR 36/2010, Anm.  3, C. 298  Palandt/Grüneberg, §  242, Rn.  41; Muthorst, S.  366 f., 369. 299  Looschelders, JR 2010, 530, 531; Washausen, S.  245; Wendt, NJ 2010, 349, 350. 300  BGH NJW 2010, 289, 292; NJW 2012, 301, 302; OLG Jena VersR 2011, 380, 382.

C. Geltendmachungsverbot nach materiellem Recht

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terscheiden. Der Zivilprozess ist nicht nur ein Nachvollziehen bzw. Wiederholen der Leistungsprüfung des Versicherers301, sondern ein hoheitliches Tätigwerden mit der entsprechenden Grundrechtsdimension. Daraus folgen auch die unterschiedlichen Abwägungskriterien. Auf der Ebene des materiellen Rechts sind die für das Prozessrecht maßgeblichen Argumente nicht übertragbar. Weder ist die Funktionalität der Zivilrechtspflege noch das Recht auf rechtliches Gehör bei einer außerprozessualen Streitigkeit zu berücksichtigen. Und auch innerhalb des Prozesses verbietet das Geltendmachungsverbot nicht das Vorbringen, sondern hindert die Tatbestandserfüllung auf materiell-rechtlicher Ebene. Es hat die Unbegründetheit der Klage, nicht die Rechtswidrigkeit oder Unzulässigkeit des prozessualen Handelns zur Folge. Dementgegen sind auf materieller Ebene Kriterien entscheidend, die in der prozessualen Abwägung zumindest weniger maßgeblich sind. So ist etwa zu berücksichtigen, ob die Beschaffungshandlung vorsätzlich rechtswidrig erfolgt ist,302 und ob eine alternative, rechtmäßige Beschaffung möglich gewesen wäre.303 Außerdem sind hier materielle Interessen Dritter, etwa der Versichertengemeinschaft, stärker zu beachten.304 Insbesondere ist bei der Prüfung, ob die Rechtsausübung wegen rechtswidrigem Vorverhalten unzulässig ist, die Treuwidrigkeit der anderen Partei zu berücksichtigen.305 Dieser Aspekt wird in der Grundrechtsabwägung aus Teil  4 nicht berücksichtigt. Schließlich sind die Institute verfahrenstechnisch unterschiedlich zu behandeln. Aufgrund der grundrechtlichen Verzichtsmöglichkeit und der Verkehrssitte werden prozessuale Verbote grundsätzlich nur auf eine Rüge des Verletzten hin geprüft.306 Die materiell-rechtliche Einwendung der unzulässigen Rechtsausübung ist im Prozess aber von Amts wegen zu beachten.307 Das hat insbesonde301 

So aber Fricke, VersR 2009, 297, 304. BGH NJW 2010, 289, 291; r+s 2017, 462, 465; Langheid/Rixecker/Rixecker, §  213, Rn.  26. 303  BGH NJW 2010, 289, 291; OLG Hamburg VersR 2008, 770, 772; OLG Saarbrücken VersR 2009, 1478, 1481; Fuchs, Juris-PR VersR 5/2009, Anm.  1; Rüffer/Halbach/Schimikowski/ Muschner, §  213, Rn.  72; Langheid/Rixecker/Rixecker, §  213, Rn.  27; MüKo-BGB/Schubert, §  242, Rn.  228. Kritisch Washausen, S.  246. 304  OLG Saarbrücken VersR 2009, 1478, 1481; Neuhaus, P, Rn.  92; Neuhaus/Kloth, NJOZ 2009, 1370, 1387; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Muschner, §  213, Rn.  80; Washausen, S.  246. 305  BGH NJW 2010, 289, 291; OLG Saarbrücken VersR 2009, 1478, 1481. Nach einer Ansicht sind die Informationen bei Arglist des Versicherungsnehmers immer verwendbar (nur der Rechtstreue darf Rechtstreue verlangen), Langheid/Wandt/Eberhard, §  213, Rn.  142; Fricke, VersR 2009, 297, 304 f.; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Muschner, §  213, Rn.  90. Nach anderer Ansicht ist die Treuwidrigkeit nur ein Abwägungsaspekt von mehreren, BGH r+s 2017, 462, 466; Neuhaus, P, Rn.  95, 97; Washausen, S.  247. 306  Dazu oben Teil  3, D. I.; Teil  4, B. II. 4; Teil  4, C. II. 4. c). 307  BGH NJW 1962, 1344; VersR 2011, 1249, 1250; NJW 2012, 301, 302; r+s 2017, 462, 465; OLG Saarbrücken VersR 2009, 1522, 1523; Palandt/Grüneberg, §  242, Rn.  21; Neuhaus, P, Rn.  101; Schulze/Schulze, §  242, Rn.  5, 25; Washausen, S.  243. 302 

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Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

re in der Säumnissituation zur Folge, dass ein solches Geltungsmachungsverbot dem Erlass eines Versäumnisurteils entgegenstehen kann.308 Mithin bestehen wesentliche Unterschiede in Anwendungsbereich, Voraussetzung und Wirkung der vermeintlich deckungsgleichen Rechtsinstitute. Deshalb kann im Einzelfall ein prozessuales Verbot bestehen, ohne dass die Rechtsausübung nach materiellem Recht unzulässig wäre, oder die Rechtsausübung kann nach §  242 BGB unzulässig sein, ohne dass prozessrechtlich die Befugnis des Gerichts zur Informationsverwendung beschränkt wäre.

IV. Ergebnis: Koexistenz und Ergänzung Das an die Partei adressierte materiell-rechtliche Geltendmachungsverbot und das an das Gericht adressierte prozessuale Verwendungsverbot schließen sich nicht gegenseitig aus. Sie existieren nebeneinander und ergänzen sich. Behauptete Rechte müssen von bestimmten Tatsachen getragen werden, die im gerichtlichen Verfahren dargelegt und, soweit streitig, bewiesen werden müssen. Ob die Tatsachen das geltend gemachte Recht tragen, ist eine Frage, die sich sowohl im Verfahren als auch unabhängig vom gerichtlichen Verfahren stellt. Dem könnte im Einzelfall die unzulässige Rechtsausübung gemäß §  242 BGB entgegenstehen. Dabei handelt es sich um eine Frage des materiellen Rechts.309 Davon zu unterscheiden ist die Befugnis des Gerichts, grundrechtsrelevante Informationen in Form von Beweismitteln oder Sachvortrag zu berücksichtigen. Das eine Verbot liegt nur im (staatlichen) Gerichtsprozess vor und regelt die prozessuale Durchsetzung. Das andere ist unabhängig von einem Prozess gegeben und regelt die materielle Rechtslage. Beide Rechtsinstitute haben ihre eigene Berechtigung.310 Da sie weder in den Voraussetzungen noch in ihrer Wirkung deckungsgleich sind, vermag keines der beiden das jeweils andere zu verdrängen. Auch hat das Vorliegen der Voraussetzungen des einen keine Auswirkung auf das Vorliegen der Voraussetzungen des anderen. Die Rechtsinstitute können sich im Einzelfall überschneiden oder ergänzen, aber nicht ersetzen. Außerhalb eines staatlichen Zivilprozesses hat ausschließlich eine Zulässigkeitsprüfung nach materiellem Recht zu erfolgen. Innerhalb eines Verfahrens in der staatlichen Zivilgerichtsbarkeit ist die Zulässigkeitsprüfung nach materiellem Recht hingegen eine wesentliche Ergänzung zur prozessualen Lösung, denn sie vermag in vielen Fällen Billigkeits- und Fairnessgesichtspunkte zu berück308 

U. Koch, ZFA 2018, 109, 122 (allerdings zum prozessualen Sachvortragsverbot). verhält es sich mit dem „Berücksichtigungsverbot“ nicht mitgeteilter Kündigungsgründe in Folge unvollständiger Unterrichtung des Betriebsrats, BAG NZA 2014, 143, 149. 310 Ähnlich Weber, ZZP 129 (2016), 57, 74. 309  Ähnlich

D. Exkurs: Vertraglich vereinbartes Sachvortragsverbot

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sichtigen, die in der grundrechtlichen Abwägung verfehlt sind.311 Insbesondere die Arbeitsgerichtsbarkeit beschränkt sich insoweit fälschlicherweise zumeist alleine auf die Prüfung des prozessualen Verwendungsverbots.312

D. Exkurs: Vertraglich vereinbartes Sachvortragsverbot In einem knappen Exkurs soll zu einem vertraglich vereinbartem Sachvortragsverbot Stellung genommen werden, denn insbesondere in arbeitsrechtlichen Betriebsvereinbarungen werden regelmäßig nicht nur der Informationsbeschaffung, sondern auch der Informationsverwendung des Arbeitgebers Grenzen gesetzt. Diese Möglichkeit soll hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden, eine vertiefte Befassung ist nicht angezeigt, denn sie knüpft nicht zwingend an eine rechtswidrige Informationserlangung an.

I. Vereinbarung Durch vertragliche Regelung können die Parteien vor und während des Prozesses über ihre dispositiven prozessualen Rechte verfügen. Grundsätzlich sind dabei zwei Regelungsmöglichkeiten zu unterscheiden: Die Parteien können einen materiell-rechtlichen Vertrag (hier eine Verpflichtung zur Unterlassung einer Informationsverwendung) oder einen Prozessvertrag (hier eine Verpflichtung zum Unterlassen von Sachvortrag oder Beweisführung) schließen. 1. Prozessvertrag Prozessverträge dienen der einverständlichen Handlung im Prozess und werden meist mit Blick auf eine spezifische prozessuale Situation geschlossen.313 Der Prozessvertrag ist ein materiell-rechtlicher Vertrag, der prozessuale Befugnisse regelt und dessen Wirkungen sich nach dem Prozessrecht richten.314 Der Vertrag muss sich stets auf einen konkreten Rechtsstreit beziehen.315 Prozessverträge sind im Rahmen der Dispositionsbefugnis zulässig, soweit sie nicht gegen die guten 311 

Weber, ZZP 129 (2016), 57, 74. Mögliche Ausnahme allerdings LAG Bremen RDV 2006, 24, das zwar ein „Beweisverwertungsverbot“ prüft, dabei aber nicht auf das Gericht, sondern den Arbeitgeber abstellt. 313  Wagner, S.  648. 314  RG RGZ 102, 217, 222 (Klagerücknahmeversprechen); Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  14; Schumann in: FS Larenz, 571, 602. Anders Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  337; Wagner, S.  685. Offengelassen BGH NJW 1990, 441. 315  Grunsky, S.  209; Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 296 f.; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  344. Speziell zu Beweismittelverträgen Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 307; Jäckel, Be312 

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Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

Sitten oder ein gesetzliches Verbot verstoßen.316 Die Dispositionsbefugnis orientiert sich im Zivilprozess am Umfang der Dispositions- und Verhandlungsmaxime und liegt deshalb dann vor, wenn die Prozesshandlung im Belieben der Parteien steht.317 Die Grenzen sind durch Auslegung im Einzelfall zu bestimmen, bei der neben den Interessen der Parteien insbesondere das Interesse der Rechtspflege an einem gleichförmigen und effektiven Verfahren zu berücksichtigen ist.318 Der Ausschluss bestimmter Beweismittel und die Beschränkung auf bestimmte Beweismittel kann Gegenstand eines solchen Vertrags sein, da die Benennung der Beweismittel den Parteien obliegt.319 Auch die Vereinbarung, bestimmte Tatsachen nicht zu bestreiten, ist möglich (sog. Geständnisvertrag), sofern damit kein zwingendes materielles Recht umgangen wird.320 Spiegelbildlich kann vereinbart werden, bestimmte Tatsachen nicht zu behaupten. Denn soweit die Parteien einvernehmlich unwahr vortragen dürfen, können sie auch einvernehmlich lückenhaft vortragen.321 Die Zulässigkeitsgrenze setzen auch hier die Dispositions- und Verhandlungsmaxime, nach der die Parteien über den Streitgegenstand und über die Beweiserheblichkeit entscheiden.322 Nicht der Parteiendis­ position unterliegt dementgegen die gerichtliche Beweiswürdigung, sodass Vereinbarungen über deren Umfang oder aber über die Voraussetzungen eines Anscheinsbeweises nicht möglich sind.323 weisvereinbarungen, S.  27. Zu Vereinbarungen über Tatsachenbehauptungen und Bestreiten Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  74; Wagner, S.  642. 316  BGH NJW 1958, 1397; WM 1973, 144; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  336; Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  66, Rn.  4–8; Stürmer, S.  119. Wagner, S.  125–129 spricht von „Vertragsgerechtigkeit“. 317  Grunsky, S.  208; Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  8; Konzen, S.  191. Allgemein zum Dispositionserfordernis: Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 295; Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  7; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  336; MüKo-ZPO/Prütting, §  286, Rn.  162; Schlosser in: FS Vollkommer, 217, 226; Wagner, S.  57–86. 318  Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  8; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  330; Konzen, S.  191; Wagner, S.  65, 209. 319  RG RGZ, 96, 57, 59; BGH WM 1973, 144; Musielak/Voit/Foerste, §  286, Rn.  16; Grun­ sky, S.  209; Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 306 f.; Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  107; MüKo-ZPO/Prütting, §  286, Rn.  164; Reinhard, NZA 2016, 1233, 1239; Schlosser in: FS Vollkommer, 217, 226; Stürmer, S.  119; Stein/Jonas/Thole, §  286, Rn.  287; Wagner, S.  685, 687. Dazu auch §  399 ZPO. Anders LG Köln MDR 1960, 846; Schneider, MDR 1960, 846, 847. Offengelassen AK-ZPO/Rüßmann, §  284, Rn.  10. 320  Streitig, Wagner, S.  640–643 (m. w. Nw.). Dafür: Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  67, 82; Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  46; Stürmer, S.  119; Stein/Jonas/Thole, §  286, Rn.  287; Wagner, S.  688. 321  Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 296; Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  66, 76; Schlosser in: FS Vollkommer, 217, 225, 229; Wagner, S.  646, 683. Zur Zulässigkeit von einvernehmlich unwahrem Vortrag Teil  4, C. III. 1. a) aa). 322  Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 296, 306; Stürmer, S.  119; Wagner, S.  634, 687. 323  RG RGZ 69, 57, 59; Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 307; Jäckel, Beweisvereinbarun-

D. Exkurs: Vertraglich vereinbartes Sachvortragsverbot

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In Folge des Vertrags führen die Parteien dann die ohnehin in ihrer Disposition stehenden Handlungen nicht aus. Problematisch ist die Wirkung des Vertrags nur bei vertragsbrüchigem Verhalten.324 Nach überwiegender Ansicht ist der Verstoß vom Gericht ebenso zu beachten und zu sanktionieren wie ein Verstoß gegen gesetzliche Prozesspflichten, sodass das Gericht gegebenenfalls über Bestand und Wirksamkeit des Prozessvertrags entscheiden muss.325 Die entgegen dem Vertrag vorgenommene Prozesshandlung ist als vertragsbrüchiges oder widersprüchliches Verhalten wegen §  242 BGB unzulässig.326 Ein entgegen dem Beweismittelvertrag gestellter Beweisantrag ist unzulässig und zurückzuweisen.327 Das Gericht ist jedoch nicht gehindert, die Beweismittel im Rahmen seiner Befugnisse von Amts wegen zu erheben, da die Parteien nur über ihre eigenen, nicht aber über die gerichtlichen Befugnisse disponieren können.328 Vertragswidriger Vortrag oder vertragswidriges Bestreiten ist nach Treu und Glauben als unzulässig zu bewerten.329 Dabei handelt es sich ebenfalls um eine Fallgruppe der unzulässigen Rechtsausübung, welche an die sachliche Unvereinbarkeit der Verhaltensweisen beziehungsweise den geschaffenen Vertrauenstatbestand anknüpft: Die Fallgruppe des Widerspruchs zu früherem (nicht missbilligten) Verhalten.330 Allerdings kann die Parteivereinbarung mangels Dispositionsbefugnis nicht dem

gen, S.  125 f., 134. Anders Stein/Jonas/Thole, §  286, Rn.  292; Wagner, S.  693 f., 709. Anderslautende Verträge sind nicht nichtig, sondern lediglich nicht bindend, Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  128. 324  Grunsky, S.  211. 325  Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  21; Wagner, S.  233–236, 276, 691. Eine zusätzliche Erfüllungsklage wäre dementgegen zu umständlich und kostspielig und daher nicht im Sinne der Parteien: RG RGZ 102, 217, 222; Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 308; Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  18. Ausnahmsweise Schadensersatz bei Nichtberücksichtigung im Erstprozess, Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  23; Wagner, S.  254–275. 326  RG RGZ 102, 217, 222 f.; Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  18; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  349; Schumann, JA 1976, 637, 643. Konzen, S.  192, 335, hält dies für einen unnötigen Umweg und spricht sich stattdessen für eine unmittelbare Verfügungswirkung aus. 327  Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 311; Wagner, S.  685. Anders (keine Bindung) AK-ZPO/­ Rüßmann, §  284, Rn.  10. 328  Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  111; MüKo-ZPO/Prütting, §  286, Rn.  164. Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  112 plädiert aber für eine Berücksichtigung der Vereinbarung bei der gerichtlichen Ermessensentscheidung. Ähnlich Stürmer, S.  120 (Ermessensreduktion auf Null). Anders (Keine Erhebung von Amts wegen) Musielak/Voit/Foerste, §  286, Rn.  16; Wagner, S.  688, 690. 329  Stein/Jonas/Kern, §  138, Rn.  46; Schlosser in: FS Vollkommer, 217, 230 (bezogen auf die Verwendung von Informationen, die (vertraulich) in einem früheren Zivilverfahren erlangt wurden); MüKo-BGB/Schubert, §  242, Rn.  321, 354. 330  MüKo-BGB/Schubert, §  242, Rn.  309. Zur Fallgruppe allgemein: MüKo-BGB/Schubert, §  242, Rn.  309–421.

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Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

Gericht die Verwendung der Information verbieten.331 Der Vortrag muss also schon als nicht erfolgt gelten. Die Vertragswidrigkeit ist jedoch nicht von Amts wegen zu prüfen, sondern nur bei entsprechender Einrede der Partei („Einredetheorie“).332 Wegen der Privatautonomie ist es Sache der Partei, ob sie das ihr vertraglich zustehende Recht geltend macht.333 2. Materiell-rechtlicher Vertrag Daneben können die Parteien einen Feststellungsvertrag über ihre Befugnisse nach materiellem Recht schließen, um materiell-rechtliche Beziehungen oder einzelne Tatsachen dem Streit entrücken.334 Dabei vereinbaren die Parteien ohne Bezug zu einem anhängigen oder drohenden Prozess, dass ein bestimmtes Recht oder Tatbestandsmerkmal (nicht) vorliegt.335 Der Vertrag soll den Rechtsstreit vermeiden.336 Zu trennen sind diese Verträge von solchen, die die Informationsbeschaffung regeln. Sofern keine vertraglichen Regeln zur Informationsverwendung bestehen, regeln diese nur die Vertragswidrigkeit der Kenntniserlangung oder der Beweismittelbeschaffung. Der hier gemeinte Vertrag regelt darüber hinaus, dass die vertragswidrig erlangten Informationen nicht zur Begründung des behaupteten Rechts herangezogen werden dürfen. Auch den materiellen Vertrag und die dortige Verpflichtung, bestimmte Informationen nicht zur Begründung heranzuziehen, muss das Gericht in seiner Sachentscheidung berücksichtigen.337 Diese Rechtsfolge beruht ebenfalls auf §  242 BGB und der Fallgruppe des widersprüchlichen früheren Verhaltens.338 Anders als im prozessualen Vertrag, ist es der Partei aber nicht versagt, prozessual vorzutragen oder zu beweisen. Der Vortrag kann aber auf materieller Ebene nicht das geltend gemachte Recht begründen. In Abgrenzung zum prozessualen Vertrag regelt der materielle Vertrag die Rechtsbeziehung absolut. Der Prozessvertrag hat dementgegen nur verfahrens331  So zu der gerichtlichen Beweisverwendung RG RGZ 69, 57, 59; Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 307; Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  125 f., 134. Anders Stein/Jonas/Thole, §  286, Rn.  292; Wagner, S.  693 f., 709. Wohl kritisch Schlosser in: FS Vollkommer, 217, 225. 332  Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  18; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  349; Stürmer, S.  123 f. Anders Wagner, S.  242–253, 276. 333  Grunsky, S.  211; Häsemeyer, ZZP 118 (2005), 265, 308; Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  18. 334  Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  68; Wagner, S.  620. 335  Wagner, S.  646. 336  Wagner, S.  646. 337  Wagner, S.  620. 338  Wybitul, BB 2010, 2431. Zur Fallgruppe allgemein MüKo-BGB/Schubert, §  242, Rn.  309–421; Schulze/Schulze, §  242, Rn.  36 f.

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rechtliche Wirkung. Er ist ausschließlich auf die Durchführung eines konkreten Prozesses ausgerichtet und entwickelt in einem anderen als dem angedachten Rechtsstreit oder außerprozessual keine Bindung.339 Die Wirkung der beiden Verträge mag im Prozess ähnlich sein, aber die Rechtsfolgen des materiellen Vertrags sind deutlich weitreichender.340 Ob ein materiell-rechtlicher Vertrag oder ein Prozessvertrag geschlossen worden ist, ist durch Auslegung zu entscheiden, §§  133, 157 BGB. Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Parteien eine unmittelbare, aber relative Wirkung in einem konkreten Rechtsstreit oder eine absolute Vertragswirkung erzeugen wollten.341 Die äußere Form des Vertrags ist dabei nicht von Bedeutung. Insbesondere kann ein prozessualer Vertrag mit dem das materielle Rechtsverhältnis regelnden materiellem Vertrag verbunden sein.342 Im Regelfall werden die Parteien, sofern der Vertrag nicht während eines anhängigen Rechtsstreits geschlossen wird, materielle Verträge schließen wollen.343 3. Betriebsvereinbarungen Ein Anwendungsbeispiel aus der Praxis, bei dem ein Geltendmachungsverbot als Folge einer rechtswidrigen Informationsbeschaffung vereinbart wird, sind Betriebsvereinbarungen. In ihren Datenschutzregelungen enthalten sie auf der Basis des §  87 Abs.  1 Nr.  6 BetrVG vor allem Vorgaben zu Informationsbeschaffungshandlungen, insbesondere Videoüberwachungen, die festlegen, wie und wozu welche Daten vom Arbeitgeber erhoben werden dürfen. Vermehrt werden in Betriebsvereinbarungen aber auch Regelungen aufgenommen, die die Verwendung der entgegen ihren Datenschutzregelungen beschafften Informationen durch den Arbeitgeber verbieten und die teilweise sogar ausdrücklich als „Beweisverwertungsverbote“ bezeichnet werden.344 Diese „Beweisverwertungsverbote“ können aber nicht mit den gerichtlichen Verboten aus Teil  3 und Teil  4 gleichgesetzt werden. Arbeitgeber und Betriebsrat können in Betriebsvereinbarungen wegen fehlender Dispositionsbefugnis keine Regelungen darüber treffen, ob die entgegen den Vorgaben der Betriebsvereinbarung beschafften Informationen einem gerichtlichen Beweis- oder Sachvortragsverbot unterliegen. Die gerichtliche Handlung selbst ist nicht dispositiv.345 339  Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  69; MüKo-ZPO/Prütting, §  286, Rn.  162; Wagner, S.  647. 340  Wagner, S.  654. 341  Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  5, 10, 69; Wagner, S.  646. 342  Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  24 f., 179; Stein/Jonas/Kern, vor §  128, Rn.  356. 343  Wagner, S.  654 f. 344  Fuhlrott/Oltmanns, NZA 2018, 413, 416; Jentsch/Kilian, AuA 2015, 158. 345  Das ist aber keine Besonderheit der Betriebsvereinbarungen, siehe Teil  5, D. I. 1. Dennoch besonders herausgestellt in MAH-Arbeitsrecht/Dendorfer-Ditges, §  35, Rn.  66; Jentsch/

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Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

Die Prozessparteien können allenfalls in einem Prozessvertrag vereinbaren, die Informationen dem Gericht nicht vorzutragen oder Beweismittel nicht anzubieten.346 Die Betriebsvereinbarung kann in einem Prozess zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kein Prozessvertrag sein, weil sie nicht zwischen den Prozessparteien geschlossen wurde, und kann auch nicht in einen Prozessvertrag zugunsten des jeweiligen Arbeitnehmers umgedeutet werden, da insoweit der konkrete Prozessbezug fehlt.347 Auch in einem Verfahren zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber dürfte bei Abfassung einer Betriebsvereinbarung der erforder­ liche konkrete Prozessbezug fehlen.348 Somit sind Verwendungsbeschränkungen in Betriebsvereinbarungen stets als materiell-rechtliche Geltendmachungsverbote zu verstehen. Sie ordnen an, dass die Geltendmachung bestimmter Rechte, wie etwa die Vornahme personeller Maßnahmen, mit bestimmten Informationen nicht begründet werden darf.349 Die Rechtsfolge ist daher die Unwirksamkeit der Maßnahme, beispielsweise der Kündigung.350 Auch als materiell-rechtliches Verwendungsverbot muss die Betriebsvereinbarung aber Dispositionsgrenzen wahren. Diese sind jedoch nicht prozessualer Art, denn ein Eingriff in die gerichtliche Rechtsanwendung liegt nicht vor, weil schon auf materieller Ebene disponiert wird.351 Sie sind vielmehr dem materiellen Recht zu entnehmen. So darf etwa in den Betriebsvereinbarungen nicht das Recht zur außerordentlichen Kündigung beschränkt werden.352

II. Wirkung Bei vertraglichen Vereinbarungen sind zwei Konstruktionsmöglichkeiten zu unterscheiden: die prozessuale Beschränkungsvereinbarung und die materiell-rechtliche Beschränkungsvereinbarung. Erforderlich ist in beiden Fällen eine Kilian, AuA 2015, 158. Zur fehlenden Befugnis des Betriebsrats ausführlich Fuhlrott/Olt­ manns, NZA 2018, 413, 416; Jentsch/Kilian, AuA 2015, 158, 158–160. 346  Teil  5, D. I. 347  MAH-Arbeitsrecht/Dendorfer-Ditges, §  35, Rn.  67. Mit anderer Begründung Fuhlrott/ Oltmanns, NZA 2018, 413, 417. Anders Reinhard, NZA 2016, 1233, 1239. 348  Zum Prozessbezug als Auslegungskriterium Teil  5, D. I. 2. 349  LAG Berlin-Brandenburg NZA-RR 2010, 347, 350; MüKo-BGB/Henssler, §  626, Rn.  350. Offengelassen in LAG Hessen NZA-RR 2011, 294, 298. 350  LAG Berlin-Brandenburg NZA-RR 2010, 347, 349; MüKo-BGB/Henssler, §  626, Rn.  350. Offengelassen in LAG Hessen NZA-RR 2011, 294, 298. 351  Jäckel, Beweisvereinbarungen, S.  179; Im Ergebnis auch Lindemann/Simon, BB 2001, 1950, 1955; Reinhard, NZA 2016, 1233, 1238 f. 352 Ob daraus die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung folgt oder das Geltendmachungsverbot deshalb nur eingeschränkt angewandt wird, ist eine hier nicht weiter interessierende Frage des materiellen Rechts. Dazu Fuhlrott/Oltmanns, NZA 2018, 413, 417; Schindele, ArbRAktuell 2017, 41; Ulrici, Juris-PR ArbR 36/2010, Anm.  3, C.

E. Zusammenfassung

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zulässige und ausdrücklich auf die Informationsverwendung bezogene Vereinbarung. Selten werden prozessuale Vortrags- oder Beweismittelbeschränkungen vereinbart, denn dies setzt eine Einigkeit innerhalb des Rechtsstreits voraus. Sofern die Parteien aber eine solche Beschränkung vereinbaren, muss das Gericht diese im Rahmen der Dispositionsbefugnis der Parteien beachten und dennoch Vorgetragenes oder dennoch gestellte Beweisanträge als unzulässig betrachten. Seine eigene, unabhängig vom Tätigwerden der Parteien bestehende Kompetenz zur Beweiserhebung von Amts wegen ist dadurch aber nicht eingeschränkt. Eine Beschränkung durch Prozessvertrag ist ein prozessuales Informationsverwendungsverbot, welches ausschließlich an die Parteien adressiert ist. Es kann aber auch unabhängig von einer rechtswidrigen Informationserlangung vereinbart werden. Weitaus häufiger werden die Parteien aber ein materiell-rechtliches Verbot vereinbaren. Darin untersagen sie sich die Befugnis aufgrund bestimmter Informationen ein Recht geltend zu machen. Dieses Verbot steht der Rechtsdurchsetzung grundsätzlich entgegen, unabhängig davon ob das Recht außerprozessual oder prozessual durchgesetzt werden soll. Es untersagt nicht den Vortrag, sondern es bewirkt, dass der vorgetragene Inhalt vom Gericht zwar berücksichtigt wird, aber das geltend gemachte Recht nicht zu begründen vermag. Allerdings sind etwaige Beweisanträge in der Folge auch prozessual unzulässig, da der Sachverhalt insoweit nicht entscheidungserheblich ist. Das vereinbarte Verbot ist nicht an das Handeln des Gerichts, sondern an das Handeln der Partei gerichtet. Es kann daher neben dem gesetzlichen – durch verfassungskonforme Auslegung begründeten – an das Gericht adressierten Informationsverwendungsverbot bestehen. Im Übrigen steht es aber in keinem Zusammenhang zu den prozessualen Folgen rechtswidriger Informationserlangung, denn es kann auch unabhängig von einer rechtswidrigen Informationserlangung vereinbart werden.

E. Zusammenfassung Die Zivilprozessordnung kennt kein an die Partei gerichtetes prozessuales Verbot, rechtswidrig beschaffte Informationen in den Prozess einzuführen. Ein Sachvortragsverbot im Sinne eines Behauptungsverbots existiert nicht. Die Parteien können aber in Ausnahmefällen infolge der rechtswidrigen In­ formationsbeschaffung nach materiellem Recht daran gehindert sein, die erlangten Informationen zur Rechtsverfolgung zu verwenden. Ein solches Geltend­ machungsverbot folgt aus dem aus Treu und Glauben abgeleiteten Grundsatz der unzulässigen Rechtsausübung. Dabei geht es nicht um die Informationsver­ wendung an sich, sondern um die Tatbestandsmäßigkeit der Informationen. Die

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Teil 5: An die Partei adressiertes Verbot

Partei kann das geltend gemachte Recht nicht mit den erlangten Informationen begründen. Die Folge des Geltendmachungsverbots ist also eine definierte Unsubsumierbarkeit der Tatsache unter das Tatbestandsmerkmal. Diese materiell-rechtlichen Einschränkungen existieren unabhängig von einem anhängigen Rechtsstreit im staatlichen Zivilverfahren. Sofern ein solches Verfahren aber anhängig ist, kann die rechtswidrige Erlangungshandlung sowohl zur materiell-­ rechtlichen Unsubsumierbarkeit der Tatsache als auch zur prozessualen Unverwendbarkeit der Information durch das Gericht führen.

Teil 6

Zusammenfassender Überblick Die vorliegende Arbeit hat die Frage aufgeworfen, ob die materiell rechtswidrige Informationsbeschaffung in einem anschließenden Zivilprozess nur zu einem Beweis- oder auch zu einem Sachvortragsverbot führen kann. Dazu wurde, entsprechend der dogmatischen Erkenntnisse der Beweisverbotsforschung, sowohl ein an das Gericht adressiertes Verwendungsverbot als auch ein an die Partei adressiertes Behauptungsverbot diskutiert. Abschließend können folgende Ergebnisse festgehalten werden:

Dogmatische Vorfragen 1.  Überlegungen zu einem Sachvortrags- oder Beweisverbot infolge der materiell rechtswidrigen Beschaffungshandlung müssen berücksichtigen, dass materiell-rechtliche Wertungen im Prozessrecht nur Wirkung entfalten, wenn sie prozessrechtlich angeordnet sind, dass der Zivilprozess ein Parteienprozess ist und dass das Gericht aus Art.  103 Abs.  1 GG grundsätzlich verpflichtet ist, Sachvortrag und Beweismittel der Parteien zu berücksichtigen.

An das Gericht adressiertes Beweisverbot 2.  Das an das Gericht adressierte Beweisverbot ist kein unmittelbar aus der Verfassung abgeleiteter Abwehranspruch, sondern begründet sich in der verfassungskonform eingeschränkt ausgelegten gerichtlichen Verwendungsbefugnis bei Beweismaßnahmen. 3. Gesetzliche Grundlage für die Beweismaßnahmen des Gerichts sind die §§  284 ff., 355 ff. ZPO. Diese Normen sind verfassungskonform so auszulegen, dass Beweismaßnahmen unzulässig sind, wenn im Einzelfall der Grundrechtseingriff in die Rechte des Beweisgegners schwerer wiegen würde als der Eingriff in die Funktionsfähigkeit der Zivilrechtspflege und das Beweisrecht des Beweisführers.

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Teil 6: Zusammenfassender Überblick

4.  Ein Beweisverbot liegt vor, wenn die in dem Beweismittel verkörperten Informationen grundrechtlich geschützt sind, das Gericht in das Grundrecht eingreift, indem es diese Informationen verwendet, und das Interesse am Unterlassen der Beweismaßnahme im Einzelfall das Interesse am Durchführen der Beweismaßnahme überwiegt. Dies ist durch Abwägung der Eingriffsintensität in die (persönlichkeitsschützenden) Grundrechte des Beweisgegners und der Eingriffsintensität in das Recht auf Beweis des Beweisführers und das Gemeinschaftsgut der funktionierenden Zivilrechtspflege festzustellen. 5.  Der materiell-rechtliche Verstoß bei der Informationsbeschaffung beeinflusst die Zulässigkeit der prozessualen Verwendung nur mittelbar. Er bestimmt die Intensität des gerichtlichen Eingriffs und damit auch, ob die Beweismaßnahme überhaupt als Grundrechtseingriff qualifiziert werden kann. Schließlich kann er in einigen Fällen auch das Abwägungsergebnis indizieren. 6.  (Nur) zum Schutz der beweisgegnerischen Grundrechte ist es erforderlich, die Beweismaßnahmenbefugnis einzuschränken. Eine weitergehende Einschränkung wäre aufgrund der kollidierenden Grundrechte des Beweisführers und Interessen der Allgemeinheit verfassungswidrig („umgekehrte“ verfassungskonforme Auslegung). 7.  Inhaltsgleiche Surrogate und Derivate eines verbotenen Beweismittels sind regelmäßig unzulässig, während Sekundärbeweismittel nur unzulässig sind, wenn die enthaltenen Informationen (aus anderen Gründen) grundrechtsrelevant sind.

An das Gericht adressiertes Sachvortragsverbot 8.  Beweis- und Sachvortragsverbot sind dogmatisch ähnlich. In beiden Fällen ist die zugrundeliegende Befugnisnorm der Zivilprozessordnung einschränkend verfassungskonform auszulegen, sodass die gerichtliche Verwendung der im Beweismittel oder im Sachvortrag verkörperten Informationen unzulässig ist, wenn im Einzelfall der Grundrechtseingriff in die Rechte der einen Partei schwerer wiegen würde als der Eingriff in die Zivilrechtspflege und die Rechte der anderen Partei. Auch das Sachvortragsverbot verbietet nicht die Behauptung der Partei, sondern die Sachvortragsverwendung des Gerichts. 9. Weder die äußere Form noch die prozessuale Zuordnung zu Beweismittel oder Sachvortrag entscheiden darüber, ob eine Information grundrechtsrelevant

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ist. Beweismittel und Sachvortrag sind lediglich prozessuale Informationstransportmittel. 10.  Die im streitigen und unstreitigen Sachvortrag verkörperten Informationen verwendet das Gericht wenn es Beweisanträge bewertet, wenn es diese Informationen bei einer Parteianhörung vorhält und wenn es die Informationen bei der Überzeugungsbildung berücksichtigt. Gemeinsam ist diesen Situationen, dass das Gericht den Sachvortrag – beweismittelähnlich – als Tatsachenbeleg behandelt. Unstreitige Sachverhaltsangaben verwendet das Gericht zudem bei der Subsumtion. Auszulegende Befugnisnormen sind die §§  371, 373, 403, 420 f., 445 f. ZPO (Beurteilung von Beweisanträgen), §§  136 Abs.  1, Abs.  2, 139 Abs.  1 ZPO (Vorhaltungen), §  286 Abs.  1 S.  1 ZPO (Berücksichtigung bei der Überzeugungsbildung) und die Befugnis zur Subsumtion, die der Zivilprozessordnung immanent ist. 11. Entscheidend ist, ob die vom Gericht verwendeten Informationen grundrechtsrelevant sind. Wenn die Sachvortragsverwendung gerügt wird, ist grundsätzlich nur die Sachverhaltskenntniserlangung entscheidend. Die Beweismittelbeschaffung ist nur relevant, wenn mit ihr zugleich Zusatzwissen erlangt wurde. Dann ist zwischen zulässig erlangtem Basiswissen und unzulässig erlangtem Zusatzwissen zu differenzieren, denn nur das unzulässig erlangte Zusatzwissen unterfällt einem Sachvortragsverbot. 12.  Wenn das Sachvortragsverbot nur Zusatzwissen betrifft, beeinflusst es die Substantiierungsanforderungen an den gegnerischen Sachvortrag, §  138 Abs.  2 ZPO: der Gegner muss das zulässig erlangte Basiswissen (pauschal) bestreiten, um zu vermeiden, dass dieses Basiswissen als zugestanden gilt, §  138 Abs.  3 ZPO. 13.  Mit jedem Beweisverbot geht hinsichtlich des gleichzeitig erlangten Zusatzwissens auch ein potentielles Sachvortragsverbot einher. 14.  Das Beweisverbot und das Verbot, streitigen oder unstreitigen Sachvortrag beweismittelähnlich zu verwenden, sind ähnliche Rechtsfiguren. Auch das Verbot, unstreitigen Sachvortrag bei der Subsumtion zu verwenden, unterscheidet sich von diesen Rechtsfiguren nur geringfügig hinsichtlich der Abwägungskriterien und der Anforderungen an die Hinweispflicht des Gerichts. 15.  Die rechtswidrige Beweisbeschaffung hat nicht zur Folge, dass unstreitiger Sachvortrag ausnahmsweise beweisbedürftig ist oder nicht wahrheitsgemäß be-

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Teil 6: Zusammenfassender Überblick

streitbarer Vortrag ausnahmsweise wahrheitswidrig bestritten werden darf. Sekundärbeweismittel und Sachvortragsinformationen sind nicht wegen einer „Fernwirkung“ des Beweisverbots unzulässig.

An die Partei adressiertes Verbot 16.  Die Partei ist zivilprozessual nicht daran gehindert, materiell rechtswidrig erlangte Informationen in den Prozess einzuführen. Ein prozessuales Sachvortragsverbot in Form eines Behauptungsverbots existiert nicht. 17. Aus dem Verstoß gegen eine materiell-rechtliche Norm bei der Beschaffungshandlung folgt weder als Schadensersatz noch aus Schutzzweckerwägungen oder wegen der Grundrechtswidrigkeit der Beschaffungshandlung ein prozessuales Verbot. 18.  Ein Behauptungsverbot kann auch nicht als mittelbare Folge der Beschaffung, anknüpfend an die prozessuale Handlung, abgeleitet werden. Ein Verbot folgt weder aus dem Prozessrecht (§§  422 f., 444, ZPO, §  183 GVG) noch aus dem materiellen Recht (§  1004 BGB, Verbotsnormen des materiellen Rechts) noch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen (Treu und Glauben, Ausnutzen einer rechtswidrig herbeigeführten Lage) und auch nicht aus generalpräventiven Erwägungen. 19.  Rechtsverstöße bei der vorprozessualen Informationsbeschaffung führen ohne eine die materiell-rechtlichen Wertungen in das Prozessrecht übertragende Regelung nicht zu einem an die Partei adressierten prozessualen Verbot. Ein solches Behauptungsverbot ließe sich außerdem nicht mit dem Recht auf rechtliches Gehör und dem parteibezogenen Charakter des Zivilprozesses vereinbaren. 20.  Die Partei kann aber nach materiellem Recht daran gehindert sein, das geltend gemachte Recht mit den rechtswidrig erlangten Informationen zu begründen. Dieses Geltendmachungsverbot folgt aus dem aus Treu und Glauben abgeleiteten Grundsatz der unzulässigen Rechtsausübung und ist durch eine Abwägung im Einzelfall festzustellen. In der Folge sind rechtswidrig erlangte Informationen nicht tatbestandsmäßig. Das materiell-rechtliche Geltendmachungsverbot wirkt einerseits außerhalb des staatlichen Zivilverfahrens und ergänzt andererseits innerhalb des Zivilprozesses das prozessuale gerichtliche Verwendungsverbot.

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Sachverzeichnis Abstrakt-gesetzlich  88, 154, 202 f., 238 Abwägung  66 f., 78 ff., 86 f., 104, 154 ff., 247 Abwägungskriterien  51, 79 ff., 86, 107, 157 ff., 248 f. Abwehranspruch  41, 51 f., 82 Allgemeines Persönlichkeitsrecht  43 ff., 177 Analogie  108, 215 f., 234 Anfangsverdachtsrechtsprechung 198 Antizipierte Beweiswürdigung  65, 163 f., 187, 204 Anwaltshonorar  195 f. Arbeitsgerichtsbarkeit  33 f., 81, 145, 199, 251 Arrestverfahren  31, 195 f. Ausforschung  123 ff., 138 Auslegung  68 ff., 103, 155 ff., 167 ff., 206, 255 Ausnutzungsverbot  221 f. Außergerichtliche Streitbeilegung  239 Äußerliche Verwendung  54 f., 64, 96 f., 106 f., 121, 126, 130, 147 Ausstrahlung  48, 75, 96, 104, 156, 208 Automatismus  47, 84 f., 207 f. Basiswissen  134, 161, 190 Befangenheit 93 Befugnisnorm  60, 82 f., 92, 137 ff., 151 ff. Behauptungsverbot  201 ff. Beredtes Schweigen  72 Berücksichtigungspflicht  14 ff., 208 Berücksichtigungsverbot  53 ff., 126 ff., 148 ff., 250 Beschlussverfahren (arbeitsgerichtliches)  199 Beschränkungsvereinbarung 256 Bestimmtheitsgrundsatz 78 Bestreitenserfordernis  142 ff., 161 Betriebsvereinbarung  255 f.

Beweisantrag  31, 123 ff., 137 ff., 152, 213, 253, 257 Beweisbedürftigkeit  78, 142, 166 ff., 186, 192 Beweiserhebungsverbot  22 ff., 88, 100 Beweisführungsverbot  201 ff. Beweisintention  85, 238 Beweislast  90 ff., 128, 162, 184, 186, 193 Beweismaßnahme  41, 51 ff., 60, 92, 115 f., 137 Beweismaßnahmenbefugnis  60, 79 Beweismittelähnliche Sachvortragsverwendung  129, 137, 146 f., 150 ff., 160, 196, 198 Beweismittelalternativen  94 ff. Beweismittelbeschaffung  48, 56 ff., 80 ff., 134 ff., 151, 157, 182 f., 202 ff. Beweismittelvertrag  251 ff. Beweismittelwahl 95 Beweisnot  65, 197 Beweisverbot – in Form von Verwendungsverbot  86 – in Form von Glaubhaftmachungsverbot  195 – in Form von Beweisführungsverbot  201 ff. – Beweiserhebungs-/Beweisverwertungsverbot  22 ff., 88 Beweisvereitelung  234 f. Beweisvertrag  251 ff. Beweisverwertungsverbot  22 ff., 88, 255 Beweiswert  81, 101, 123, 216 f. Binäre Struktur  142, 149, 170, 182 Bundesarbeitsgericht  27, 33 f., 119, 145 Bundesgerichtshof  27, 31 ff., 98, 197 f., 244 f. Bundesverfassungsgericht  27, 32 f., 61, 98, 212

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Sachverzeichnis

Dashcam  25, 47, 136, 213, 217 Datenschutzrecht  2, 41, 84 f., 153 f., 229 ff. Derivat  105 f., 110 ff, Dezisionismus  86 ff. Disponibilität  49 f., 89, 182, 253, 256 Dispositionsmaxime  19, 155 f., 167, 251 ff. DNA 1 Doppelfunktionale Handlung  228 Dritte  85 f., 209 f., 249 Drittwirkung  207 ff. Duldungspflicht  224 ff. E-Mail  1, 46, 190 Ehrschutzklagen  226, 233 Eingriffsintensität  57, 79 f., 84 f., 108, 131, 133 f., 150 f., 216 Einheit der mündlichen Verhandlung  88, 194 Einheit der Rechtsordnung  71, 75, 211, 229 Einzelfallgerechtigkeit  63, 74 f., 87, 156, 167 Entstehungsgeschichte  71 f., 155 Erkenntnismittel  138, 146, 152, 213 Erklärungspflicht  21, 182 Ermittlungsverbot  98, 100 Erst-Recht-Schluss  104, 179 Faktischer Zwang  181 Fallgruppen 83 Favor legis  67, 76, 155 Fernwirkung  95 ff. Feststellungsbedürftigkeit  19, 166 f. Flankierendes Verbot  140, 200 Formelle Wahrheit  38, 167 Fortwirkung 95 Fragerecht  116 ff., 126, 137, 139 Funktionsfähigkeit der Zivilrechtspflege  59, 66 ff., 104, 137, 152 ff. Geltendmachungsverbot  242 ff. Generalprävention  237 ff. Gerechtigkeit (materielle)  10, 13, 144, 190 ff., 211, 220 ff., 247, 250 ff. Gerechtigkeit (prozessuale)  10 ff. Gesetzesvorbehalt  58 f., 151 f. Geständnisvertrag 252 Gewaltenteilung  69, 72, 76, 206, 220, 239 Glaubhaftmachung  195 f.

Glaubhaftmachungsverbot 195 GPS  1, 134 Grenzbereich  4, 10, 242 Grundrechtskollision  66, 104, 137, 140 Grundrechtsrelevanz  43, 57, 63 ff., 96 f., 106, 120 ff., 132, 146 f., 163 Grundrechtsverpflichtung  24 f., 48, 56, 96, 100, 102, 115, 121 ff., 126, 146, 207 Günstigkeitsprinzip 91 Harmonisierung  66 f., 75, 154 f. Hehlerei  26, 237 Heilung  89, 136, 158 Hinweispflicht  162, 165 Hypothetische Beweisbarkeit  187 f. Hypothetische Rechtmäßigkeit  100, 159, 214 Hypothetisches Beweisverbot  97 f., 103 In camera Verfahren  64 Informationelle Verwendung  54 f., 64, 96, 106 f., 121, 146, 200 Informationsträger  43, 105 f., 121, 133, 146 Inhaltsgleiche Beweismittel  105 ff. Inquisitorische Macht  163, 166 ff. Interdisziplinär  23 ff., 199 Justizgewährungsanspruch  15 f., 49, 94, 153 Kammergericht  31, 195 f. Kenntnisnahme  122, 200 Kenntnisnahmeverbot  122, 160 ff., 198 Kernbereich  50, 58 Keylogger 1 Konkurrenz  46, 247 Kontradiktorisch  15, 255 Lauschzeuge  45, 52, 80, 134 Liberaler Zivilprozess  17 ff., 167 Makelbehaftet  134, 211, 219, 224 Mausbewegungsrekorder 1 Mindestschutzstandard 209 Mitwirkungspflicht  24, 179, 182, 206, 222 Nachweisproblem  135 f., 175, 186 Nebenwirkung 141 Nichtbestreiten  149, 166 ff., 252

Sachverzeichnis Nichtexistenz (fingierte)  92 f., 103, 132, 138 f., 152, 160 ff., 183, 198 Non liquet  74, 94 Normerhaltung  67, 76, 155 Notwehr  81, 183 f., 224 Objektive Wahrheit  47, 174, 167, 216, 242 Offenlegungspflicht  31, 125, 135, 192 ff. Öffentlichkeitsgebot  64 f., 80 Originäres Beweismittel  105 ff. Parteianhörung  113 ff., 125 ff. Parteienprozess  17 ff., 213 Parteiherrschaft  138, 150, 166 ff. Parteivernehmung  111 ff., 123 ff. Persönlichkeitsrechte  43 ff., 50, 120, 146, 179 Praktische Konkordanz  66, 78, 154, 157 Primärbeweismittel  95 ff., 191 Prinzip der Normerhaltung  67, 76, 155 Prognose 185 Prozessbetrug  174 ff., 184, 190 Prozessfreie Sphäre  214 Prozessgrundrecht  14, 43 ff., 191 Prozesshandlung  211, 227 f., 252 f. Prozessniederlage  134, 158 Prozessökonomie  20, 53, 74 f., 91, 135 f., 156, 239 Prozesstaktik  187 f., 192 f., 135 f. Prozessvertrag  251 ff. Qualifizierter Parteivortrag  30, 121, 130 ff., 231 Quellennachweis  135, 192 ff. Recht auf Beweis  15 f., 65, 81, 104, 127, 158, 205 Recht auf rechtliches Gehör  14 ff., 49, 63, 108, 137, 152 ff., 171, 212, 226 ff. Recht zur Lüge  37, 181 ff. Rechtmäßige Informationserlangung  57, 65, 84 ff., 132 ff., 151, 190 ff., 247 Rechtsähnliche Anwendung  215 f. Rechtsausübung  243 ff. Rechtsfortbildung  76, 103, 108 Rechtsmissbrauch  108 f., 125, 218, 228, 246 ff.

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Rechtspolitik  18 ff., 76 f., 101 f., 185, 189 f., 206, 239, 241 f. Rechtssicherheit  41, 63, 74 f., 86 f., 171, 184, 206 Rechtstatsächlich  192 ff. Reichweite  97 ff., 107 ff., 139 ff. Reproduktionen  105 ff. Richtermacht  163, 166 ff. Risiko  4, 21, 91, 94, 134, 185 ff. Rüge  50, 89 f., 117, 135, 139, 149 f., 161 f., 169 ff., 193 f., 249 Rumpfvortrag  134 f., 158, 161, 189 f. Sachverhaltskenntniserlangung  131 ff., 150 f., 161 ff., 186 ff., 246 f. Sachvortragsverbot – in Form von Kenntnisnahmeverbot  122, 160 ff., 198 – in Form von Verwendungsverbot  138, 152, 198, 246 ff. – in Form von Zugrundelegungsverbot  160 ff. – in Form von Berücksichtigungsverbot  126 ff., 148 ff., 250 – in Form von Behauptungsverbot  201 ff. Sanktion  10, 103, 157, 170, 191, 206, 209, 211, 237 ff. Schadensersatzanspruch  174 f., 202 ff., 210 Schutzzweck  81 f., 169 f., 205 ff. Screen Capture Software  1 Sekundärbeweismittel  95 ff. Selbstbelastungsfreiheit  169, 177 f., 180 ff. Smart Cam  2 Sozialer Zivilprozess  17 f., 167 Sphärentheorie 79 Störungshandlung  223 ff. Strafbarkeit  175 f., 230 ff., 236, 239 Strafe  232, 238 f. Strafprozess  22 f., 70, 98 ff., 177 ff., 214 Substantiierungspflicht  21, 142 ff., 161, 186, 193 Subsumtion  148, 152 ff., 186 Surrogat  105 ff. Systematik  70 f., 113, 127 f. Tatbestandsmerkmal  157, 247, 254 Teilrechtsordnung  9 ff., 228, 212 Teleologische Reduktion  157, 170 f.

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Sachverzeichnis

Terminologie  28 ff., 87 f. Transformationsnorm  13, 220, 228, 233 Trennungsgrundsatz  9 ff., 217, 220 f., 227 f., 232, 236, 241 Treu und Glauben  217 ff., 244 ff. Überzeugungsbildung  92 ff., 126 ff., 147, 151 Umgehung  108 f., 188 Umgekehrte verfassungskonforme Auslegung  78 f., 140, 157 Umkehrschluss  20, 173, 234 Unmittelbarkeit  90, 95 Unrechtsbewertung 232 Unschlüssigkeit  132, 139, 143, 160, 197 f., 246 Unsubsumierbarkeit 247 Unterlassungsanspruch  51 f., 92, 223 ff., 251 Urkunde  3, 47, 92, 109, 134, 204, 210 f., 214 ff., 222, 233 Vaterschaftsanfechtung  31 f., 197 ff. Verbotsanknüpfungspunkt  7, 28, 30, 86, 141 ff., 147, 186, 201 ff., 212 ff., 233 ff., 247 Verbotsnorm  86, 205 f., 229 ff. Verfahrensfehler  3, 133 Verfassungskonforme Auslegung  42, 67 ff., 104, 138 ff., 154 ff. Verfassungsorientierte Auslegung  71, 75 Verhaltensfixierung  242 Verhaltenssteuerung 239 Verhältnismäßigkeit  62 ff., 79, 137, 152 f. Verhandlungsgrundsatz  19 ff., 95, 155 f., 167, 191, 252 Verkörperung  43, 96, 106, 121 ff., 132 f., 146 f., 150, 188 Vermutungen  173, 186, 190, 192, 241

Versäumnisurteil 250 Versicherungsvertragsanfechtung  31 f., 244 ff. Vertragliche Vereinbarung  251 ff. Verwendungsbefugnis  119, 137, 153, 165, 169, 214 ff. Verwendungsverbot  86, 138, 152, 198, 246 ff. Verwirkung  47, 218 Verzicht  49 f., 89, 149 f., 163, 197, 249 Video  3 f., 31, 44, 47, 52, 80, 86, 95 ff., 105 ff., 112, 133 f., 190 ff., 211 ff., 243, 255 von Amts wegen  89 f., 162, 213, 249, 254 Vorhaltung  88, 114 ff., 125 f. Vorlagepflicht  214 ff. Vorprozessuales Verhalten  1, 6, 25, 28 f., 188, 191, 202 ff. Vorwirkung  35, 98, 140 Waffengleichheit  18, 46, 111, 238 Wahrheitsfindung  62 ff., 73 f., 166 ff. Wahrheitspflicht  24, 114 f., 142 ff., 150, 166 ff., 172 ff., 190, 219, 241 Wortlaut  69 ff., 155, 169 Wortlautgrenze  69, 77 Zeuge  45, 107, 114 ff., 178 f. Zeugnisverweigerungsrecht  177 ff. Zitiergebot  60 ff. Zufallsfund  3, 133 Zugrundelegungsverbot  160 ff. Zusatzwissen  133 ff., 158, 161 f., 189 f. Zweck des Beweisrechts  63, 72 ff. Zweck des Zivilprozesses  12, 20, 62, 73 ff., 86, 242 Zweckentfremdung  79, 85, 211 Zweistufige Prüfung  83 f., 98