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German Pages 357 Year 2006
Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Band 164
Urheberrecht und moralische Rechtfertigung Von
Christian Gero Stallberg
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
CHRISTIAN GERO STALLBERG
Urheberrecht und moralische Rechtfertigung
Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Heinrich Dörner Dr. Dirk Ehlers Dr. Ursula Nelles
Band 164
Urheberrecht und moralische Rechtfertigung
Von
Christian Gero Stallberg
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahre 2004 / 2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D6 Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-12024-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Für Anna
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Wintersemester 2004 / 2005 als Dissertation angenommen. Sie entstand im Wesentlichen in den Jahren 2003 und 2004; einschlägige Literatur konnte bis September 2004 berücksichtigt werden. Ohne Unterstützung in vielfältiger Weise und von vielen Seiten wäre die vorliegende Arbeit nicht zustande gekommen. Von den vielen Menschen, die die Entstehung der Arbeit hilfreich begleitet haben, gilt mein Dank zunächst meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Thomas Hoeren. Er weckte mein Interesse für rechtsphilosophische Fragestellungen auf dem Gebiet des Informationsrechts. An seinem Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM) hatte ich zudem als wissenschaftlicher Mitarbeiter alle materiellen und immateriellen Freiräume, die notwendig sind, um ein grundsätzliches Werk wie das vorliegende zu schreiben. In gleicher Weise bin ich all jenen zahlreichen wissenschaftlichen Mitarbeitern und studentischen Hilfskräften des ITM dankbar, die mir in der einen oder anderen Weise behilflich waren, ohne dass sie sich dessen immer bewusst waren. Stellvertretend sei an dieser Stelle dem Assistenten des Instituts, Herrn Dr. Michael Bohne, gedankt, der mir nicht nur in wissenschaftlichen Fragestellungen stets ein zuverlässiger Gesprächspartner war. Dank gebührt auch jenen Menschen, die mir bereits in meinem Studium halfen, den Reiz des rechtswissenschaftlichen Denkens zu entdecken. Zu diesen Menschen gehören vor allem Herr Prof. Dr. Dr. h.c. Wilfried Schlüter, der mir in seinen Vorlesungen und Seminaren als Lehrer ein Vorbild war, sowie Herr Prof. Dr. Stefan Chr. Saar. Zu danken habe ich ferner Herrn Prof. Dr. Valentin Petev, der sich freundlicherweise der Mühe des Zweitgutachtens unterzog, sowie den Herausgebern der hiesigen Fakultätsschriftenreihe, hier vor allem Herrn Prof. Dr. Heinrich Dörner, für die Aufnahme in diese Schriftenreihe. Dem Freundeskreis Rechtswissenschaft e.V. an der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster sowie der Deutschen Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) danke ich herzlichst für die Gewährung großzügiger Druckkostenzuschüsse, die mir die vorliegende Publikation ermöglichten.
8
Vorwort
Für wertvolle Hinweise bei der Endkorrektur der vorliegenden Arbeit danke ich schließlich Herrn Dr. Joachim Hübner, der mir über Jahre hinweg ein immer interessierter Diskussionspartner war, sowie meinem Vater, Herrn Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Stallberg, der mich manches nochmals hinterfragen ließ. Münster, im September 2005
Christian Gero Stallberg
Inhaltsübersicht § 1 Einführung
23
A. Legitimationsprobleme des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
I. Moralische Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
II. Soziale Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
B. Rechtliche Relevanz einer moralischen Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
C. Das Defizit des gegenwärtigen Forschungsstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
D. Ziele und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
§ 2 Die moralische Begründung des Urheberrechts
33
A. Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
I. Der Begriff der moralischen Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
II. Das Urheberrecht als Rechtfertigungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
III. Die Begründung von Moralnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
B. Differenz der Begründungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
I. Individualistische und kollektivistische Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
II. Normative Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
55
A. Individualistische Rechtfertigungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
I. Arbeits-basierte Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
II. Persönlichkeits-basierte Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
10
Inhaltsübersicht III. Werk-basierte Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 IV. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
B. Kollektivistische Rechtfertigungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 I. Schranken-basierte Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 II. Effizienz-basierte Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 III. Demokratie-basierte Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 IV. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 C. Eine universalistisch-transzendentale Rechtfertigung des Urheberrechts . . . . . . . . 300 I. Die sprechakttheoretische Rekonstruktion des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 II. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
§ 4 Schluss
327
A. Eine analytische Typologie der Begründungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 B. Die rationale Bewertung der Begründungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 C. Die Lösung eines universalistisch-transzendentalen Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Sach- und Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
Inhaltsverzeichnis § 1 Einführung
23
A. Legitimationsprobleme des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
I. Moralische Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
II. Soziale Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
B. Rechtliche Relevanz einer moralischen Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
C. Das Defizit des gegenwärtigen Forschungsstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
D. Ziele und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
§ 2 Die moralische Begründung des Urheberrechts
33
A. Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
I. Der Begriff der moralischen Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
1. Rechtfertigung als Normübereinstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
2. Rechtfertigungsebene und Rechtfertigungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
II. Das Urheberrecht als Rechtfertigungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
1. Moraltheoretische Präzisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
2. Methodologische Präzisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
III. Die Begründung von Moralnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
1. Die Wahrheitsfähigkeit normativer Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
2. Objektive und intersubjektive Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
3. Die normative Richtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
B. Differenz der Begründungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
I. Individualistische und kollektivistische Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
12
Inhaltsverzeichnis II. Normative Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
55
A. Individualistische Rechtfertigungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
I. Arbeits-basierte Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
1. Die Eigentumstheorie Lockes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
a) Rechtfertigungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
aa) Theologisch-naturrechtliches Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
bb) Anthropologisch-vernunftrechtliches Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
b) Zuordnungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
aa) Derivativ-formales Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
bb) Utilitaristisch-gerechtigkeitstheoretisches Argument . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
c) Schranken des Eigentumserwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
aa) Spoilation-Proviso . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
bb) Sufficiency-Proviso . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
2. Applikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
a) Formalistischer Typus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
aa) Tatbestand des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
bb) Rechtsfolgen des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
(1) Inhalt des ursprünglichen „Eigentums“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
(2) Konsequenzen für das abgeleitete Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Übertragbarkeit des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Dauer des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Art der Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Schranken des Rechtserwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76 76 76 77 77
cc) Folgerichtigkeit des derivativ-formalen Arguments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Recht an der Arbeit des eigenen Geistes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79 80
(2) Die Vermischungsmetapher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Möglichkeit der Vermischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Transfer des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Erstreckung auf den ganzen Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81 82 84 86
dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
Inhaltsverzeichnis
13
b) Verdiensttheoretischer Typus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
aa) Begründung der Anerkennungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
(1) Konsequenzen qualitativer Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Mühekriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Unbehaglichkeitskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Wertkriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Qualitätskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91 91 91 92 93
(2) Moralischer Wert der Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Notwendige Anwendungsbedingungen des moralischen Verdienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Übereinstimmung mit den Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94 95 97
bb) Inhalt der Anerkennungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (1) Bestimmung der verdienten Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (2) Kritik der Beckerschen Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 cc) Probleme der Anerkennungsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (1) Kontraintuitive Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (2) Erkenntnistheoretische Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 II. Persönlichkeits-basierte Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 1. Entwicklungstheoretischer Typus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Die Eigentumstheorie Hegels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 aa) Rechtfertigungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (1) Drei Stufen der Idee des freien Willens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (2) Das Privateigentum als Teil des abstrakten Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . 116 bb) Zuordnungs- und Erwerbsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (1) Gegenstand der Aneignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (2) Wege der Aneignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 cc) Die Rekonstruktion des entwicklungstheoretischen Arguments . . . . . . . 120 b) Applikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 aa) Moralische Notwendigkeit des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 bb) Tatbestand des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (1) Gegenständliche Erfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (2) Konsequenzen für geistige Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 cc) Rechtsfolgen des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (1) Art der Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
14
Inhaltsverzeichnis (2) Übertragbarkeit des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (3) Dauer des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2. Identifikationstheoretischer Typus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 a) Die Begründung des Arguments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 aa) Identitätsabhängigkeit zwischen Urheber / Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (1) Integrationsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (2) Repräsentationsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 bb) Die normative Begründung des Abhängigkeitsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . 142 (1) Der soziale Ursprung der Integrationsabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 143 (2) Die Autonomiebedeutung der Repräsentationsabhängigkeit . . . . . . 144 cc) Die beiden Modelle des identifikationstheoretischen Arguments . . . . . 145 b) Applikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 aa) Tatbestand des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 bb) Rechtsfolgen des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Kritik der Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 aa) Normative Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 bb) Empirische Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 III. Werk-basierte Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. Kommunikationstheoretischer Typus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 a) Die Autortheorie Kants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 aa) Die Analyse der Rechtfertigungsargumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (1) Das Widerspruchs- und das Zwangsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (2) Das Verantwortungsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (3) Das Aufklärungsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 bb) Kritik der Kantschen Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (1) Widerspruchsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (2) Zwangsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (3) Verantwortungsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (4) Aufklärungsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 cc) Die Idee eines kommunikationstheoretischen Arguments . . . . . . . . . . . . . 167
Inhaltsverzeichnis
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(1) Sozialpsychologische These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (2) Epistemologische These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 b) Applikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 aa) Tatbestand des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 bb) Rechtsfolgen des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Exklusivitätstheoretischer Typus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Die Autortheorie Fichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 aa) Die geistige Form als ontologische Aneignungsschranke . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Die moralische Einbettung der Exklusivitätsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (1) Die Verwendung als autonomes Moralprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 (2) Die Verwendung als heteronomes Moralprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 cc) Das Modell des exklusivitätstheoretischen Arguments . . . . . . . . . . . . . . . . 189 b) Applikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 aa) Tatbestand des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 bb) Rechtsfolgen des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 c) Geltung des exklusivitätstheoretischen Arguments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 aa) Die Plausibilität der nicht-normativen Annahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 bb) Normativer Begründungszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 IV. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Institutionelle Rechtfertigungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Inhaltliche Rechtfertigungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 B. Kollektivistische Rechtfertigungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 I. Schranken-basierte Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Struktur des Arguments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Die Lockesche Proviso als Moralprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 b) Tatbestandliche Konkretisierung der Proviso . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 aa) Formal-analytischer Aspekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 bb) Material-normativer Aspekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (1) Das Problem normativer Handlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 213 (2) Die Beschränkung auf faktische Handlungsmöglichkeiten . . . . . . . . 215
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Inhaltsverzeichnis (a) Die Kritik Moores . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (b) Schwächen der Mooreschen Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 2. Applikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Institutionelle Rechtfertigung des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 aa) Verlust aktueller Handlungsmöglichkeiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 bb) Verlust potentieller Handlungsmöglichkeiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 b) Tatbestand des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 c) Rechtsfolgen des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 aa) Dauer des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 bb) Art der Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 II. Effizienz-basierte Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Die Grundlagen des Effizienzarguments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 a) Das Urheberrecht als Effizienzpromoter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 aa) Zustand der Allokationseffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 bb) Das Marktmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 cc) Marktversagen bei geistigen Werken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 dd) Die Anreizfunktion des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Effizienz als normatives Gebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 c) Die Struktur des urheberrechtlichen Effizienzarguments . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 2. Applikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 a) Tatbestand des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 aa) Die Idee / Ausdruck-Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 bb) Gestaltungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 b) Rechtsfolgen des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 aa) Urheberpersönlichkeitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 bb) Dauer des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 cc) Schranken des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 3. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 a) Ist das Urheberrecht ein Effizienzpromoter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 aa) Liegt ein Marktversagen vor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 bb) Alternativen zum Urheberrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
Inhaltsverzeichnis
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b) Ist Effizienz ein moralisches Gebot? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 aa) Größtmögliche Befriedigung beliebiger Bedürfnisse? . . . . . . . . . . . . . . . . 266 bb) Größtmögliche Befriedigung bestimmter Bedürfnisse? . . . . . . . . . . . . . . . 268 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 III. Demokratie-basierte Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 1. Netanels Democratic Paradigm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 a) Ein Minimalkonzept der Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 aa) Die normative Begründung der Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 bb) Die Zivilgesellschaft als Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 b) Das Urheberrecht als notwendige Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 aa) Produktionsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 bb) Strukturfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 cc) Symbolfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 2. Applikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 a) Tatbestand des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 aa) Demokratie und original expression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 bb) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 b) Rechtsfolgen des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 aa) Art der Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 bb) Dauer des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 cc) Schranken des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 3. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 IV. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 1. Institutionelle Rechtfertigungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 2. Inhaltliche Rechtfertigungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 C. Eine universalistisch-transzendentale Rechtfertigung des Urheberrechts . . . . . . . . 300 I. Die sprechakttheoretische Rekonstruktion des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 1. Sprache als Handlung: Die Theorie der Sprechakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 a) Was ist ein Sprechakt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 2 Stallberg
18
Inhaltsverzeichnis b) Die Vollzugsbedingungen des Sprechakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 c) Unterschiedliche Regelverstöße und ihre Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 2. Geistige Werke als komplexe Sprechakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 a) Sprechakt 1: Der Zuschreibungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 b) Sprechakt 2: Der zugeschriebene Akt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 aa) Äußerungsakt und propositionaler Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 bb) Der illokutionäre Akt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 3. Sprechakttheorie und Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 a) Begründung eines Namensnennungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 aa) Die sprechakttheoretische Rekonstruktion des Plagiats . . . . . . . . . . . . . . . 317 bb) Die moralische Bedeutung des fehlerhaften Sprechakts . . . . . . . . . . . . . . . 319 b) Begründung von Verwertungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 aa) Ein vierstufiges Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 bb) Begründungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 II. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
§ 4 Schluss
327
A. Eine analytische Typologie der Begründungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 B. Die rationale Bewertung der Begründungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 C. Die Lösung eines universalistisch-transzendentalen Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Sach- und Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
Abkürzungsverzeichnis a.A.
am Anfang
a. a. O.
am angegebenen / angeführten Ort
AcP
Archiv für die civilistische Praxis
a.E.
am Ende
Am. Econ. Rev.
American Economic Review
Am. Phil. Q.
American Philosophical Quarterly
ARSP
Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie
Aufl.
Auflage
Basic & App. Social Psych.
Basic and Applied Social Psychology
Bd.
Band
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen
Boston Coll. Intell. Prop. & Tech. Forum
Boston College Intellectual Property & Technology Forum
Business & Prof. Ethics J.
Business & Professional Ethics Journal
Bzw.
Beziehungsweise
Cal. L. Rev.
California Law Review
Can. J. Law & Jurisprudence
Canadian Journal of Law and Jurisprudence
Can. J. Phil.
The Canadian Journal of Philosophy
Cardozo Arts & Ent. L. J.
Cardozo Arts and Entertainment Law Journal
Chi.-Kent L. Rev.
Chicago-Kent Law Review
Colum. L. Rev.
Columbia Law Review
Copyright L. Sym.
Copyright Law Symposium
Cornell L. Rev.
Cornell Law Review
Ders.
Derselbe
Dies.
Dieselbe / dieselben
Duke L. J.
Duke Law Journal
Econ. J.
The Economic Journal
Ed.
Editor(s) / Edition
ed.
edited
EIPR
European Intellectual Property Review
Etc.
et cetera
f., ff.
Folgend, folgende
2*
20
Abkürzungsverzeichnis
Fn.
Fußnote
Fordham Intell. Prop. Media & Ent. L. J.
Fordham Intellectual Property, Media and Entertainment Law Journal
Ga. L. Rev.
Georgia Law Review
Gem.
Gemäß
Geo. L. J.
The Georgetown Law Journal
George Ma. L. Rev.
George Mason Law Review
GRUR
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht
Hamline L. Rev.
Hamline Law Review
Harv. J. L. & Pub. Pol’y
Harvard Journal of Law and Public Policy
Harv. L. Rev.
Harvard Law Review
Hofstra L. Rev.
Hofstra Law Review
Hrsg.
Herausgeber
hrsg.
herausgegeben
Intell. Prop. Q.
Intellectual Property Quarterly
Int. J. App. Phil.
The International Journal of Applied Philosophy
Int. R. L. & Econ.
International Review of Law and Economics
J. Abnorm. & Social Psych.
Journal of Abnormal and Social Psychology
J. Business Ethics
Journal of Business Ethics
J. Intell. Prop. L.
Journal of Intellectual Property Law
J. L. & Econ.
Journal of Law and Economics
J. Legal Stud.
The Journal of Legal Studies
J. Libertarian Stud.
The Journal of Libertarian Studies
J. Social Phil.
Journal of Social Philosophy
JZ
Juristenzeitung
KUR
Kunstrecht und Urheberrecht
Law & Critique
Law and Critique
McGill L. J.
McGill Law Journal
Mich. L. Rev.
Michigan Law Review
MMR
Multimedia und Recht
Musical Q.
The Musical Quarterly
N.C.L. Rev.
North Carolina Law Review
Ohio St. L. J.
Ohio State Law Journal
Phil. & Pub. Aff.
Philosophy and Public Affairs
Phil. & Soc. Action
Philosophy and Social Action
Phil. Q.
The Philosophical Quarterly
PROKLA
Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft
Pub. Aff. Q.
Public Affairs Quarterly
Abkürzungsverzeichnis Pub. Opinion Q.
Public Opinion Quarterly
Rdnr.
Randnummer
Rutgers L. J
Rutgers Law Journal
S.
Seite
Social Th. & Pr.
Social Theory and Practice
Stan. L. Rev.
Stanford Law Review
Tex. L. Rev.
Texas Law Review
21
u. a.
und andere / unter anderem
U. Chi. L. Rev.
The University of Chicago Law Review
UCLA L. Rev.
The University of California Los Angeles Law Review
U. Dayton L. Rev.
The University of Dayton Law Review
UFITA
Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht
UrhG
Urhebergesetz
u.U.
unter Umständen
Vand. L. Rev.
Vanderbilt Law Review
VersR
Versicherungsrecht
Vgl.
Vergleiche
Yale L. J.
Yale Law Journal
z. B.
Zum Beispiel
Z. f. phil. Forschung
Zeitschrift für philosophische Forschung
§ 1 Einführung Warum soll Urheberrecht überhaupt sein? – das ist die Frage, die diese Arbeit interessiert. Sie begibt sich damit auf ein Gebiet, das bislang nur wenig erforscht ist. Dies gilt besonders für den deutschen Wissenschaftsraum, wo zuletzt anlässlich der Urheberrechtsreform im Jahr 1965 einige Schritte in diese Richtung getan wurden.1 Gemessen an rationalen Maßstäben waren diese Schritte allerdings äußerst klein. Sie gingen im Ergebnis kaum über das hinaus, was bereits Schopenhauer mit Überzeugung behauptete, nämlich dass das „Gedankenwerk des Autors [ . . . ], wenn irgend etwas auf der Welt, sein Eigenthum“ sei.2 Stattdessen setzten sie in gleicher Weise die Moralität des Urheberrechts einfach als gegebenes Faktum voraus. So heißt es in einer einflussreichen Studie Hubmanns, „daß der subjektive Geist sich selbst im Werk fixiert und objektiviert, so daß sein Recht am Werk nichts anderes ist als ein Recht an der eigenen Seinsweise“3. Nicht nur, dass das Urheberrecht so nicht ernsthaft zur Disposition gestellt wurde; es unterblieb auch jeder Versuch, den Glauben an dessen Moralität zu rationalisieren. Statt Gründe zu suchen, die jenen Glauben als berechtigt ausweisen, sollte er sich bloß seiner Evidenz vergewissern – mithin: sich selbst glauben. Ein substantielles Fragen war das natürlich nicht. Dieses Defizit hatte aber seine Gründe: Einerseits war das naturrechtliche Denken in Selbstevidenzen noch in der rechtsphilosophischen Tradition verankert, andererseits teilten die Normadressaten noch einen gemeinsamen Wertehintergrund, der durch rhetorische Floskeln aktiviert werden konnte. Beides gilt schon lange nicht mehr. An jener unkritischen, lieber an metaphorischen Bildern denn an rationalen Argumenten hängenden Sichtweise leidet die deutsche Urheberrechtswissenschaft allerdings noch heute. Dagegen stellt sich die Lage im angloamerikanischen Raum vollkommen anders dar. Dort gibt es eine lebhafte und vielschichtige Diskussion, die sich auf einem hohen wissenschaftlichen, und das heißt: rationalen Niveau abspielt. Der themati1 Siehe hierfür exemplarisch die Schriften von Hubmann, Das Recht des schöpferischen Geistes; Lehmann, in: ders. u. a., Urheberrechtsreform ein Gebot der Gerechtigkeit, S. 7; ders., Über das Wesen des Urheberrechts; Ermecke, in: Lehmann u. a., Urheberrechtsreform ein Gebot der Gerechtigkeit, S. 15; ders., Die Verantwortung von Staat und Gesellschaft für das geistige Schöpfertum. 2 Schopenhauer, Handschriftlicher Nachlaß, S. 380. 3 Hubmann, Das Recht des schöpferischen Geistes, S. 72. In ähnlicher Weise – wenn auch weniger metaphorisch – hat Troller, in: Herschel u. a. (Hrsg.), Festschrift für Georg Rober, S. 655 (656, 665), dies vorausgesetzt, obschon es ihm gerade darum ging, die Urheberrechtsordnung unter dem Aspekt der Gerechtigkeit zu untersuchen.
24
§ 1 Einführung
sche Bereich dieser Diskussion ist groß. Er fängt mit Untersuchungen an, die sich darauf beschränken, einzelne gesetzliche Merkmale des copyrights moralphilosophisch zu betrachten. So wird z. B. versucht, die gesetzliche Schranke des Fair-Use theoretisch zu stützen und mit Inhalt zu füllen.4 Auch bestimmte Werkgattungen werden so einer Kritik unterzogen.5 Die Diskussion findet ihren Höhepunkt schließlich dort, wo generell über die moralische Rechtfertigung des Geistigen Eigentums6 oder aber des Urheberrechts7 gestritten wird. In diesem Rahmen finden dann auch jene Kritiker ihren Platz und ihr Gehör, die dem Geistigen Eigentum sowie dem Urheberrecht eher skeptisch oder gar ablehnend gegenüber stehen.8 Es ist nicht nur erstaunlich, dass ein vergleichbarer wissenschaftlicher Diskurs in Deutschland nicht existiert9; auch wird jene Debatte bislang nicht ersichtlich zur Kenntnis genommen.10 Hierzulande lässt sich daher längst nicht mehr von einem wissenschaftlichen Existenzkampf des Urheberrechts sprechen, wie ihn Josef Kohler noch am Ende des 19. Jahrhunderts feststellte.11 Die Gründe für diesen Befund liegen im Dunkeln. Es steht aber zu vermuten, dass sich darin eine Tendenz ausdrückt, die bereits im kontinentaleuropäischen Verständnis des Urheberrechts angelegt ist. Schließlich wird im angloamerikanischen Bereich das Urheberrecht traditionell als bloße Zweckmäßigkeitsentscheidung des Gesetzgebers gedeutet. Es ist dann insoweit kontingent, als es bei Nichtverwirklichung oder Fortfall seines Zwecks hinfällig wird. Diese Perspektive ist 4 Das theoretisch umfassendste Beispiel dafür ist Fisher, Harv. L. Rev. 101 (1988), S. 1659; weitere Beispiele, die mit je verschiedenen Ansätzen – mal formallogisch, mal Rawls, mal Locke – vorgehen, bei Bringsjord, Pub. Aff. Q. 3 (1989), S. 1; Nunziato, J. Intell. Prop. L. 9 (2002), S. 219, Damstedt, Yale L. J. 112 (2003), S. 1179. 5 So z. B. die Frage des Schutzes von Computerprogrammen, vgl. Johnson, Metaphilosophy 16 (1985), S. 276; Carey, Metaphilosophy 24 (1993), S. 76. 6 So vor allem Hettinger, Phil. & Pub. Aff. 18 (1989), S. 31; Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287; Spector, EIPR 8 (1989), S. 270; Drahos, A Philosophy of Intellectual Property; Fisher, in: Munzer (Ed.), New Essays in the Legal and Political Theory of Property, S. 168; Moore, Intellectual Property&Information Control. 7 Hier sind in erster Linie zu nennen Bruncken, Musical Q. 1916, S. 477; Yen, Ohio St. L. J. 51 (1990), S. 517; Friedman, Cardozo Arts & Ent. L. J. 13 (1994), S. 157; Warwick, Boston Coll. Intell. Prop. & Tech. Forum 060505; Garon, Cornell L. Rev. 88 (2003), S. 1278. 8 Siehe z. B. Breyer, Harv. L. Rev. 84 (1970), S. 281; Cole, J. Libertarian Stud. 15 (2001), S. 79; Martin, Phil. & Soc. Action 21 (1995), S. 7; Sterk, Mich. L. Rev. 94 (1996), S. 1197; Kinsella, J. Libertarian Stud. 15 (2001), S. 1; Palmer, in: Thierer / Crews (Ed.), Copy Fights: the Future of Intellectual Property in the Information Age, S. 43; Vaidhyanathan, Copyrights and Copywrongs; Boldrin / Levine, Am. Econ. Rev. 92 (2002), S. 209. 9 Mit Recht bemerkt daher Hoeren, KUR 2003, S. 58 (60), dass in Deutschland „jeder Versuch einer öffentlichen Diskussion über Sinn und Unsinn des Urheberrechts [ . . . ] im Keim erstickt [wird].“ [Einschub von mir]. 10 Dies bestätigt Goldstein, Copyright’s Highway, S. 20, wenn er konstatiert, in den kontinentaleuropäischen Ländern sei der Glaube an ein Naturrecht derart fest, dass die Debatte in den USA nicht einmal in Erwägung gezogen würde. 11 So noch Kohler, Das Autorrecht, S. 1.
A. Legitimationsprobleme des Urheberrechts
25
hierzulande unvorstellbar: Die Institution des Urheberrechts wird ganz überwiegend entweder als legislatorische Nachzeichnung naturrechtlicher Normen oder, infolge der Diskreditierung des Naturrechts, zumindest als Erfüllung moralischer Gebote erachtet. Darin liegt eine entscheidende Differenz. Die kontinentale Sichtweise scheint so zwar einer größeren Sensibilität für Moral entsprungen, führt aber ins genaue Gegenteil. In der grundfesten Überzeugung, dass das Urheberrecht sein soll, verstellt sie sich ohne Not den Blick dafür, warum es sein soll. So bleibt am Ende wenig mehr zurück als der blinde Glaube an eine Institution, deren Rationalität sie selbst nicht mehr einsehen, geschweige denn durch nachvollziehbare Gedankengänge begründen kann. Doch ist es überhaupt notwendig, einem solchen Glauben einen argumentativen Ausdruck zu geben? Immerhin ist bedenkenswert, ob es sinnvoll ist, die Frage nach der moralischen Rechtfertigung des Urheberrechts zu stellen. Warum sollte man sich den Kopf über Dinge zerbrechen, deren Relevanz nicht zu erkennen ist? Das Erfordernis einer moralischen Rechtfertigung des Urheberrechts und damit der Anlass der vorliegenden Untersuchung ergeben sich aus drei Gründen. Erstens (A.) sieht sich das Urheberrecht mit Legitimationsproblemen konfrontiert, zweitens (B.) ist ohne eine moralische Rechtfertigung das Rechtssystem überfordert und drittens (C.) lässt die gegenwärtige Forschung – nicht nur in Deutschland – eine systematische Untersuchung jenes Themas vermissen. Daraus ergibt sich die Aufgabe, zu versuchen, jener Notwendigkeit mit dieser Arbeit abzuhelfen (D.).
A. Legitimationsprobleme des Urheberrechts Das Bedürfnis für eine moralische Rechtfertigung des Urheberrechts ergibt sich zunächst aus Legitimationsproblemen desselben. Es ist mehr und mehr spürbar, dass das Urheberrecht nicht in gleicher Weise gesellschaftliche Akzeptanz erfährt, wie das Eigentum an körperlichen Gegenständen.12 Besonders bei Musikstücken, Filmen und Software ist die Piraterie heutzutage beinahe sozialadäquat; die Selbstverständlichkeit des Urheberrechts verliert sich. Es ist dann nicht mehr gewagt, zu behaupten, das Kopieren sei gar eine gesellschaftliche Geisteshaltung.13 Daraus resultiert dann zumeist der Ruf nach schärferen staatlichen Sanktionen, wie es heute oft geschieht. Doch dürfte die Wirkung von Sanktionen zweifelhaft sein14 – ein Recht, das nirgends auf freiwillige Befolgung und Akzeptanz hoffen darf, ist unsinnig. Es kann zwar seine eigene Anwendung vorschreiben, die Geltung dieses 12 Vgl. auch die empirische Studie von Logsdon / Kenner Thompson / Reid, J. Business Ethics 13 (1994), S. 849 (855), die zeigt, dass diese Entwicklung nicht an eine niedrige Stufe der Moralentwicklung im Kohlbergschen Sinne gebunden ist – „the implications of our study are serious, since even those who are capable of the most principled moral reasoning may engage in copying behavior.“ [Hervorhebung von mir]. 13 So die These von Weyh, Leviathan 1993, S. 517 (532). 14 Vgl. die Kritik bei Hoeren, KUR 2003, S. 58 (59); ders., MMR 2003, S. 217 (218).
26
§ 1 Einführung
Befehls aber nicht dekretieren. Dass eine gesetzliche Regelung als Recht erkannt und befolgt wird, basiert zuletzt auf außerrechtlichen Grundlagen. Diese bestehen in erster Linie in der Einsicht, ein bestimmter Normkomplex sei im Großen und Ganzen moralisch vernünftig. Warum aber schwindet die Einsicht in die Vernünftigkeit des Urheberrechts, obschon das Privateigentum sich bewährt hat? Die Legitimationsprobleme des Urheberrechts haben zwei Quellen, eine moralische und eine soziale. Probleme der ersten Art resultieren in erster Linie aus Merkmalen, die in der besonderen Seinsweise geistiger Werke liegen. Sie sind von den je vorherrschenden gesellschaftlichen Bedingungen unabhängig. Demgegenüber sind Probleme der zweiten Art solche, die erst durch gesellschaftliche Entwicklungen hervorgerufen werden. Diese haben heutzutage vor allem Gründe, die in der technischen Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationsformen liegen. Die völlige Trennung beider Ebenen ist freilich nur eine theoretische; tatsächlich bedingen sie sich in vielfacher Weise. Dass ontologische Merkmale, die eine Rechtfertigung fragwürdig oder schwierig erscheinen lassen, heutzutage schärfer hervortreten, liegt ja zumal an gesellschaftlichen Entwicklungen. Erst dadurch treten sie als normatives Problem ins Bewusstsein. Umgekehrt führen moralische Rechtfertigungsprobleme dazu, dass delegitimierende gesellschaftliche Entwicklungen verstärkt auftauchen.
I. Moralische Gründe Die moralischen Gründe, die dem Urheberrecht von Beginn an eine stärkere Kritikanfälligkeit als dem Privateigentum an körperlichen Gegenständen verschaffen, sind auf die Ontologie geistiger Werke zurückzuführen. Indem diese Objekte keine körperlichen, sondern gedachte Gegenstände sind, die nur als semiotisches oder semantisches Konstrukt in einer Gesellschaft existieren, besitzen sie Eigenschaften, die ihre Rechtszuweisung aus gesellschaftlicher Perspektive als stärker kritikanfällig erweist. Es sind mindestens drei normative Schwachstellen des Urheberrechts zu unterscheiden, die der Ontologie geistiger Werke entspringen.15 Das erste Problem ist das der Ubiquität: Geistige Werke können aufgrund ihrer Immaterialität überall und gleichzeitig genutzt werden. Der Inhalt eines Buches kann also, im Gegensatz zu seinem Medium – dem Buch –, ohne weiteres von unendlich vielen Menschen niedergeschrieben, weitergesagt, vervielfältigt etc. werden. Dies führt zu einer dringenden Frage: Warum soll ein Gut, das von Natur aus nicht knapp ist, anderen entzogen und künstlich verknappt werden?16
15 Anders als Honoré, McGill L. J. 8 (1962), S. 77 (88), meint, besteht daher durchaus ein rechtfertigungstheoretischer Unterschied zwischen unkörperlichen und körperlichen Objekten. Verfehlt ist daher auch, die Rechtfertigung des Urheberrechts als leichter zu bezeichnen, wie es Hubmann, Das Recht des schöpferischen Geistes, S. 75, 76, tut. 16 So etwa Hettinger, Phil. & Pub. Aff. 18 (1989), S. 31 (34 f.).
A. Legitimationsprobleme des Urheberrechts
27
Damit verbunden ist zweitens das Problem der größeren Einschränkung individueller Freiheit.17 Anders als das Eigentumsrecht an körperlichen Gegenständen, beschränkt das Urheberrecht die Handlungsfreiheit anderer Menschen nicht nur an einem bestimmten, sondern an jedem Ort. Das ist die logische Kehrseite der Ubiquität: Wenn geistige Werke überall nutzbar sind, so schränkt ihr urheberrechtlicher Schutz auch Menschen überall ein. Drittens stellt sich das Problem der fehlenden Urheberschaft. Denn es ist heute ein Gemeinplatz, dass geistige Werke niemals ausschließlich auf der Leistung derjenigen Person beruhen, der wir sie als Urheber oder Autor zuschreiben. Für diese Vorstellung ist folgende Aussage typisch, die speziell das Schreiben von Texten betrifft: „Für den Autor ist die Welt eine Art Steinbruch, dem er nicht nur seine Stoffe, Situationen, Episoden und Figuren entnimmt, sondern eben auch Schlagworte, Idiome, Redeweisen, verbale Stereotypen, bekannte Textstellen und typische Wortfolgen. Schreiben ist immer auch Aneignung von Welt und fremdem Gut.“18 Diese Auffassung lässt sich auf unterschiedliche Weise rationalisieren. Eine Art, dies zu tun, geht von der Dekonstruktion des Autors als ideologische Figur aus, wie es vor allem Foucault19 getan hat.20 Eine andere Art lässt sich mit dem Privatspracheargument Wittgensteins21 belegen.22
II. Soziale Gründe Neben die moralischen treten soziale Gründe, die die Legitimität des Urheberrechts in Frage stellen. Diese haben die ontologischen Probleme, die geistigen Werken zu Eigen sind, erst klarer ins Bewusstsein treten lassen. Der wichtigste Grund, warum dies geschehen ist, sind Veränderungen technischer Art. Damit wendet sich in merkwürdiger Weise der Entstehungsgrund des Urheberrechts gegen dieses selbst. In gleicher Weise, wie ein Bedürfnis für das Urheberrecht erst aufgrund des Buchdrucks entstand23, wird es nun bedroht – das „Urheberrecht entstand durch Technik. Durch Technik wird es wieder abgeschafft.“24 Zwei Aspekte sind für diese Entwicklung verantwortlich, eine gesteigerte Qualität und Quantität 17 Zu diesem Argument etwa Drahos, A Philosophy of Intellectual Property, S. 211 f.; Palmer, in: Thierer / Crews (Ed.), Copy Fights: the Future of Intellectual Property in the Information Age, S. 43 (54 f., 76 ff.). 18 Chotjewitz, Die Feder 1987, S. 29 (32) [Hervorhebung von mir]. 19 Vgl. insbesondere Foucault, in: ders., Schriften in vier Bänden, Bd. I, S. 1003 (1029 Fn. 15). 20 Zu dieser Kritik auch Boyle, Cal. L. Rev. 80 (1992), S. 1413 (1418 ff.); Hughes, Tex. L. Rev. 77 (1999), S. 922 (929 ff.). 21 Dieses Argument findet sich bei Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, §§ 243 ff. 22 Hierzu Friedland, Law & Critique 12 (2001), S. 185 (187). 23 Siehe etwa Goldstein, Copyright’s Highway, S. 21 f. 24 Weyh, Leviathan 1994, S. 94 (108).
28
§ 1 Einführung
der Möglichkeit, geistige Werke zu kopieren.25 Die größere Qualität von Kopien ist der fortschreitenden Digitalisierung zu verdanken. In der digitalen Welt kann eine Kopie nicht nur ebenso perfekt wie das Original ausfallen; sie kann sogar – wenn man Nachbearbeitungsmöglichkeiten in Betracht zieht – besser sein.26 Zwischen 0 und 1 als binären Code der digitalen Welt gibt es keinen Raum mehr für das, was Benjamin in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts als Aura eines Kunstwerks bezeichnete 27. Im digitalen Zeitalter ist der Begriff der Einmaligkeit nicht mehr von Relevanz. Daneben tritt eine größere Quantität der Möglichkeit des Kopierens. Deren Ursache ist vor allem das Internet, das eine unvorstellbare Verbreitung geistiger Werke ermöglicht. Für jeden Urheberrechtsinhaber erscheint daher das Internet als Alptraum – es ist ein Platz „where the ability to copy could not be better, and where the protection of law could not be worse.“28 Das heißt nicht, dass das Urheberrecht in keiner Weise im Internet durchgesetzt werden könnte. Lessig hat darauf aufmerksam gemacht, dass das Internet auch in einer Weise benutzt werden könnte, die eine größere Kontrolle, also eigentlich einen größeren Schutz ermöglicht.29 Bislang scheint dies aber noch nicht der Fall. Freilich sind qualitativ wie quantitativ gesteigerte Kopiermöglichkeiten nicht alleinige Ursache einer Urheberrechtskrise. Das, was technisch möglich ist, wird ja nicht eo ipso als moralisch legitim erachtet.30 Erst dann, wenn das Mögliche als das Unverwerfliche erscheint, ergibt sich ein Problem. Doch spielen hier offensichtlich die moralischen Schwächen, die bereits genannt wurden, ihre entscheidende Rolle.
B. Rechtliche Relevanz einer moralischen Rechtfertigung Die Frage nach einer moralischen Rechtfertigung des Urheberrechts erwächst nicht nur aus Legitimationsproblemen desselben. Auch die Rechtswissenschaft selbst ist auf eine Beantwortung dieser Frage angewiesen. Sie bedarf ihrer aus rechtspolitischen und aus rechtspraktischen Gründen.31 Dass die urheberrechtliche 25 Zur Bedrohung, die diese beiden Aspekte für das Urheberrecht bedeuten, auch Nuss, PROKLA 32 (2002), S. 11. 26 Vgl. Negroponte, Total Digital, S. 77. 27 Siehe Benjamin, in: ders., Illuminationen. Ausgewählte Schriften 1, S. 136 (141 ff.). 28 Lessig, Code and Other Laws of Cyberspace, S. 125. 29 Siehe Lessig, Code and Other Laws of Cyberspace, S. 124, 127. 30 Zur logischen Irrelevanz technischer Kopiermöglichkeiten bei der moralischen Beurteilung des Kopierens geistiger Werke Bringsjord, Pub. Aff. Q. 3 (1989), S. 1. Auch Smith, Lectures on Jurisprudence, S. 83, zieht den ethischen Unterschied verschiedener Technisierungsgrade des Kopierens in Zweifel. 31 Diese beiden Aspekte werden – ohne dass sie so benannt würden – in der Sache auch bei Fisher, in: Munzer (Ed.), New Essays in the Legal and Political Theory of Property, S. 168 (194 ff.), hervorgehoben.
C. Das Defizit des gegenwärtigen Forschungsstands
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Rechtspolitik auf eine moralische Konzeption des Urheberrechts angewiesen ist, leuchtet unmittelbar ein. Denn die Errichtung, Ausgestaltung und Weiterentwicklung des Urheberrechts setzt ja schon immer eine vorgängige Idee voraus, als deren Umsetzung sich das Urheberrecht ausnimmt. Diese Idee ist aber letzten Endes der moralische Grund des Urheberrechts selbst. Wie das Urheberrecht aussehen soll, weiß man schließlich nur dann, wenn man weiß, warum es überhaupt sein soll. Wer den Grund nicht kennt, deretwegen das Urheberrecht vernünftig ist, kann dessen Gestalt daher nicht an ihm ausrichten. Ein Gesetzgeber, der etwas vorschreibt, ohne zu wissen, warum er es vorschreibt, wird kaum wissen, wie er es vorschreiben soll. Dies erfährt er nur im Rückgang auf jene moralischen Gründe selbst. Die moralische Begründung des Urheberrechts besitzt daneben rechtspraktische Bedeutung. Denn die Auslegung und Anwendung des Urheberrechts ist in hohem Maße davon abhängig, welcher moralischen Konzeption man anhängt. Spätestens seit Esser auf die Bedeutung des Vorverständnisses in der juristischen Auslegung hingewiesen hat32, gilt auch hier, was für die moderne Hermeneutik schon immer ein Gemeinplatz war – die Interpretation eines Textes ist durch Vorurteile des je Interpretierenden bedingt. Hadfield hebt daher zu Recht hervor, dass urheberrechtliche Debatten stets eine Debatte über das Wesen des Urheberrechts selbst sind.33 Die Vorstellung, die man vom Urheberrecht besitzt, „fundamentally affects what one sees as the proper scope and application of copyright law“34. Sie entscheidet innerhalb eines Urheberrechtssystems letztlich darüber, wie strittige Auslegungsfragen, die etwa die tatbestandliche Reichweite oder die Grenzen des Urheberrechts betreffen können, gelöst werden. Für die Rechtspraxis ist die Vergewisserung über die Gründe, die das Urheberrecht moralisch rechtfertigen, daher nicht bloß akademisch.35 Sie spielt bei der richterlichen Entscheidung über Urheberrechtsfälle eine entscheidende Rolle.
C. Das Defizit des gegenwärtigen Forschungsstands Zu Anfang wurde festgestellt, dass die Frage nach der moralischen Rechtfertigung des Urheberrechts bislang keine wissenschaftliche Behandlung in Deutschland erfahren hat. Allein im angloamerikanischen Rechtskreis wird ihr derzeit Beachtung geschenkt. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber auch hier ein Defizit. Dieses liegt in der Art und Weise, wie das Thema behandelt wird. Dort, wo es überhaupt um die moralische Begründung des Urheberrechts bzw. des Geistigen Eigentums als solche geht, handelt es sich bloß um halbwegs geordnete Kasuistik. Diejenigen Argumente, die bislang aufgetaucht sind, werden unverbunden dar32 33 34 35
Hierzu Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung. Siehe Hadfield, Copyright L. Sym. 38 (1992), S. 1 (2). Hadfield, Copyright L. Sym. 38 (1992), S. 1 (2). So auch Lacey, Duke L. J. 1989, S. 1532 (1542).
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§ 1 Einführung
gestellt. Die Frage nach der Moralität des Urheberrechts wird so aber nicht von ihren Implikationen her erhellt, sondern in konkreten Antworten abgearbeitet. Wie diese in Beziehung zueinander stehen, auf welche theoretischen Perspektiven sie zurückzuführen sind, welche analytischen Anknüpfungspunkte sie wählen, bleibt so ungeklärt. Dies leistet allein eine Analytik, die versucht, auf gedankliche Differenzen zurückzugehen, die jene Antworten erst ermöglichen. Die beschriebene Schwäche gilt selbst für jene Beiträge, die noch am ehesten den Anspruch einer systematischen Erörterung grundsätzlicher moralischer Perspektiven auf das Urheberrecht befriedigen. So macht sich dies auch bei der wohl umfangreichsten Zusammenstellung verschiedener Rechtfertigungsmodelle bemerkbar, die Menell vorgelegt hat. Aufbauend auf einer Unterscheidung zwischen Utilitarian und Non-Utilitarian Theories of Intellectual Property36 unterscheidet er acht verschiedene nicht-utilitaristische Theorien, nämlich „Natural Rights / Labor Theory“, „Unjust Enrichment“, „Personhood Theory“, „Libertarian Theories“, „Distributive Justice“, „Democratic Theories“, „Radical / Socialist Theories“ und „Ecological Theories“.37 Das ist sicherlich eine beeindruckende Aufzählung von Gesichtspunkten; sie ist aber eine rein kasuistische. Es wird nicht deutlich, welche strukturellen Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen. Gleiches gilt für die Untersuchungen Fishers. Zwar unterschied er schon in einer frühen Studie eine ökonomische von einer kulturellen Perspektive38, um sie in einem zehn Jahre später veröffentlichten Aufsatz39 in vier Perspektiven aufgehen zu lassen, die er auch heute noch als die dominierenden bezeichnet: „Utilitarianism; Labor Theory; Personality Theory; and Social Planning Theory.“40 Die Strukturen, die ihnen vorausliegen, werden so aber nicht offenbart. Auch der bislang eigenständigste Versuch, die Rechtfertigung des Geistigen Eigentums zu diskutieren, leidet daran. Er wird in einer Monographie von Drahos verkörpert. Diese beruht maßgeblich auf einem Gegensatz, den Drahos zwischen „instrumentalism“ und „proprietarianism“ konstruiert.41 Unter proprietarianism versteht er zunächst eine Perspektive, die sowohl nicht-konsequentialistisch als auch konsequentialistisch begründet werden kann. Sie sei „a view that can be upheld within the context of very different moral theories.“42 Drahos hebt drei Merkmale hervor, die ihr zukämen. Erstens würde Eigentumsinteressen eine mora36 Siehe Menell, in: Bouckaert / De Geest (Ed.), Encyclopedia of Law and Economics, Vol. II, S. 129 (129). 37 Dazu Menell, Bouckaert / De Geest (Ed.), Encyclopedia of Law and Economics, Vol. II, S. 129 (156 ff.). 38 Siehe Fisher, Harv. L. Rev 101 (1988), S. 1659 (1695 ff.). 39 Siehe Fisher, Chi.-Kent L. Rev 73 (1998), S. 1203 (1212 ff.). 40 Fisher, in: Munzer (Ed.), New Essays in the Legal and Political Theory of Property, S. 168 (173). 41 Vgl. Drahos, A Philosophy of Intellectual Property, S. 199 ff. 42 Drahos, A Philosophy of Intellectual Property, S. 200.
D. Ziele und Gang der Untersuchung
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lische Priorität eingeräumt; zweitens müsse zwischen einer Person und dem Gegenstand eine „erste“ Beziehung bestehen; drittens würde eine Gemeinschaft vorausgesetzt, in der alle Dinge für jeden aneignungsfähig seien. Dagegen beruhe instrumentalism auf einer anderen Perspektive. Die Sprache von Eigentumsrechten würde hier ersetzt durch die Sprache von Monopolprivilegien. Dieser Ansatz „would require a strongly articulated conception of the public purpose and role of intellectual property.“43 Der Gegensatz, den Drahos elaboriert herausarbeitet, ist die Entgegensetzung von Lockeschem Naturrecht und utilitaristischer Zweckethik. Bei aller Kategorisierung vergisst Drahos aber, dass es letztlich nicht darum geht, ob das Urheberrecht Naturrecht oder Privileg ist – es geht darum, auf welchen analytischen Gründen das eine wie das andere beruhen kann.
D. Ziele und Gang der Untersuchung Drei Gründe sind es also, die der Frage nach der moralischen Rechtfertigung des Urheberrechts ihre Bedeutung geben: Erstens sieht sich das Urheberrecht mit Legitimationsproblemen konfrontiert, deren Ursprung moralischer sowie sozialer Natur ist. Wird die Frage nach seiner Moral nicht beantwortet, so werden diese Probleme nicht zu lösen sein. Zweitens basiert jede praktische Anwendung wie Fortentwicklung des Urheberrechts auf einer Vorstellung dessen, was das Urheberrecht ist und sein soll. Nur das Nachdenken über die Moralität des Urheberrechts hilft aber, sich darüber bewusst zu werden. Und drittens fehlt es bislang an wissenschaftlichen Arbeiten, die ein derartiges Denken in strukturierte Bahnen lenken. Dadurch besteht ein Rationalitätsdefizit, das in der häufigen Verwendung metaphorischer Leerformeln am klarsten zutage tritt. Kurzum: Es gibt gesellschaftliche, rechtspolitische bzw. rechtspraktische sowie wissenschaftliche Gründe, die der Frage nach der Moralität des Urheberrechts ihr Gewicht verleihen. Aus dieser Gemengelage ergeben sich drei Ziele, die die vorliegende Arbeit verfolgt. In erster Linie besteht ihre Aufgabe darin, ein begriffliches und gedankliches System zu entwickeln, das es ermöglicht, die Frage nach der Moralität des Urheberrechts differenzierter und rationaler zu behandeln, als es bislang der Fall ist. Dieses Programm ließe sich als eine Analytik des Urheberrechts als Gegenstand der Moral bezeichnen – die Frage nach seiner Rechtfertigung und ihre möglichen Antworten werden analytisch erfasst. Daran knüpft sich ein weiteres Ziel dieser Arbeit. Es besteht darin, innerhalb jenes analytischen Rahmens herauszuarbeiten, welche Stärken und Schwächen denkbare moralische Lesarten des Urheberrechts besitzen. Das führt zu einer rationalen Bewertung jener Antworten, die die Rechtfertigung des Urheberrechts begründen sollen. Und schließlich wird versucht, auf die Frage nach der Moralität des Urheberrechts eine neuartige Antwort zu geben, die die Probleme bisheriger Antworten entschärft. Es geht mir darum, einen argu43
Drahos, A Philosophy of Intellectual Property, S. 223.
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§ 1 Einführung
mentativen Weg vorzuzeichnen, auf dem in Zukunft weitere Schritte unternommen werden können. Alle diese Ziele sind von einer gemeinsamen Hoffnung getragen – der Hoffnung nämlich, auf diese Weise die Vorstellungen, die die Moralität des Urheberrechts betreffen, auf die aufgeklärte Ebene heutiger rechtsphilosophischer Diskurse zu heben. Die nachfolgende Untersuchung nimmt nun folgenden Gang. In einem ersten Teil (§ 2) wird zum einen geklärt, was es überhaupt heißt, nach einer moralischen Rechtfertigung des Urheberrechts zu fragen. Dazu werden die theoretischen Grundlagen und Vorentscheidungen erarbeitet, die diese Frage impliziert. So wird u. a. der Begriff der moralischen Rechtfertigung bestimmt; ferner wird gezeigt, wie der Begriff des Urheberrechts präzisiert werden muss, um als Rechtfertigungsgegenstand zu taugen. Zum anderen wird die Letztdifferenz entwickelt, anhand derer Begründungsmodelle des Urheberrechts stets gruppiert werden können, und ihre normative Relevanz erläutert. Auf diesen Grundlagen aufbauend, werde ich in einem zweiten Teil (§ 3) denkbare Rechtfertigungsmodelle typisieren und in ihrer moralischen Bedeutung für das Urheberrecht untersuchen. Dieser Teil bildet den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit. Er besteht aus insgesamt drei Komplexen. In den ersten beiden werden Argumente entwickelt, angewendet und kritisiert, die bislang entweder als halbwegs ausgearbeitetes Modell, zumindest aber als Idee in urheberrechtlichen Diskursen aufgetaucht sind. Sie werden typologisch erfasst und dort, wo sie nur als unbegründete Idee existierten, idealrekonstruiert. Im dritten Komplex wird dagegen ein völlig neues Argument entwickelt, das eine plausible Alternative zu den zuvor diskutierten darstellt. Zuletzt werden im Schlussteil (§ 4) die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit resümiert.
§ 2 Die moralische Begründung des Urheberrechts Thema dieser Arbeit ist die moralische Begründung des Urheberrechts.1 Es geht also um die Frage, ob und in welchem Maße eine entsprechende Rechtsbeziehung zwischen Urhebern und ihren Werken normativ gerechtfertigt ist. Eine Antwort auf diese Frage wird im nächsten Kapitel entwickelt. Um dies zu bewerkstelligen, ist jedoch sinnvoll, zuvor einige Vorüberlegungen anzustellen, die es erlauben, die späteren Erörterungen einerseits zu präzisieren und andererseits von unnötigen Ausführungen zu entlasten. Daher werden nachfolgend in einem ersten Teil die theoretischen Grundlagen jener Fragestellung geklärt (A.). Dazu gehören bestimmte Grundbegriffe und Annahmen, die der Frage nach der Moralität des Urheberrechts und ihren möglichen Antworten in der einen oder anderen Weise immer schon vorausgehen. Wovon ist überhaupt die Rede, wenn nach einer moralischen Begründung des Urheberrechts gefragt wird? Und: Lässt sich auf eine derartige Frage prinzipiell eine Antwort geben? Die jeweiligen Antworten legen fest, in welchem methodologischen Rahmen sich die Begründungsmodelle befinden, die im nächsten Kapitel diskutiert werden. Anschließend werde ich in einem zweiten Teil anhand der Perspektiven, die eine Rechtfertigung des Urheberrechts einnehmen kann, eine grundlegende Einteilung urheberrechtlicher Begründungsmodelle vorschlagen (B.). Dabei geht es darum, zu zeigen, auf welche grundlegende Differenz sich alle Begründungsmodelle am Ende zurückführen lassen. Mit anderen Worten: Welche unbewusst oder bewusst zugrunde gelegte Prämisse ist es, die die Argumente, mit denen das Urheberrecht gerechtfertigt werden soll, gegenüberstellt oder verbindet? Die von mir dargelegte Einteilung ist nicht nur aus heuristischen, sondern auch aus normativen Gründen sinnvoll. Denn es wird sich zeigen, dass aus jener Differenz auch eine Konsequenz erwächst, die den möglichen Inhalt eines Urheberrechts betrifft.
A. Theoretische Grundlagen Ist das Urheberrecht moralisch gerechtfertigt? – diese Frage lässt sich im Rahmen dieser Arbeit nur beantworten, wenn Klarheit über drei Dinge besteht. Erstens muss der Begriff der moralischen Rechtfertigung geklärt werden: Was heißt es überhaupt, etwas moralisch rechtfertigen zu wollen? Dies setzt voraus, einige ter1 Die Begriffe „moralische Begründung“, „moralische Rechtfertigung“ und „moralische Legitimation“ werden im Folgenden synonym gebraucht.
3 Stallberg
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§ 2 Die moralische Begründung des Urheberrechts
minologische und moralphilosophische Festlegungen zu treffen (I.). Zweitens muss bestimmt werden, unter welchem Blickwinkel das Urheberrecht überhaupt Gegenstand einer Rechtfertigung sein kann und sein sollte (II.). Es geht mithin darum, darzulegen, was innerhalb dieser Arbeit sinnvollerweise unter der Bezeichnung „Urheberrecht“ verstanden werden muss. Drittens muss schließlich die Möglichkeit einer solchen Rechtfertigung überhaupt angesprochen werden (III.): In welcher Hinsicht kann der Anspruch, etwas moralisch rechtfertigen zu wollen, ein sinnvolles Unterfangen darstellen?
I. Der Begriff der moralischen Rechtfertigung Eine Rechtfertigung des Urheberrechts setzt voraus, dass es mit einem Bewertungsmaßstab positiv übereinstimmt. Anders ausgedrückt: Nur wenn das Urheberrecht – ich nenne es der Einfachheit halber U – durch einen normativen Maßstab eine Bewertung erfährt, die es als wünschenswert auszeichnet, kann es gerechtfertigt sein.2 Nichts anderes geschieht heutzutage, wenn für eine Ausdehnung, Einschränkung oder gar Abschaffung des Urheberrechts mit verschiedenen Gründen gestritten wird. Stets wird das Urheberrecht mit einem Bewertungsmaßstab verglichen, der – je nach der Art der Übereinstimmung – ein positives oder negatives Urteil normativer Art über das Urheberrecht erlaubt. Von der Art der angeführten Gründe, die moralischer, rechtspolitischer oder rechtsdogmatischer Natur sein können, hängt dann der Geltungsanspruch der Rechtfertigung ab.3 Soweit es sich um einen rechtsdogmatischen Bewertungsmaßstab handelt, wird das Urheberrecht innerhalb einer Rechtsordnung legitimiert. Rechtspolitische Maßstäbe dienen dazu, das Urheberrecht innerhalb eines politischen Gemeinwesens zu legitimieren. Der Rekurs auf einen moralischen Bewertungsmaßstab ermöglicht hingegen, das Urheberrecht unabhängig von Vorgaben des jeweiligen Rechts- oder Politiksystems zu begründen. Diese Art der Rechtfertigung ist jene, die in dieser Arbeit interessiert – es geht einzig um die positive Übereinstimmung des Urheberrechts mit einem Maßstab der Moral. Einerseits soll damit ausgedrückt werden, dass es sich nicht um eine Rechtfertigung von U innerhalb eines konkreten Verfassungs- oder Rechtssystems handelt. Stattdessen geht es um einen Maßstab, der sich außerhalb, oder besser: über diesen Rechtskodifikationen befindet. Andererseits reicht die Festlegung auf 2 Damit unterscheidet sich die vorliegende Arbeit grundlegend von Untersuchungen, die die ideengeschichtliche Entwicklung des Urheberrechts nachzeichnen oder sein Zustandekommen als Ringen verschiedener Kräfte machtpolitisch erklären. 3 Oftmals werden rechtspolitische mit moralischen Gründen gleichgesetzt. Doch ist die Rechtspolitik einerseits weiter, andererseits enger als die Moral. Sie ist weiter, weil sie auch Gründe nicht-moralischer Natur einschließt. Sie ist jedoch enger, weil sie unter der Bedingung ihrer Durchsetzbarkeit innerhalb eines Gemeinwesens steht. Insofern besitzt sie einen pragmatischen Aspekt, der der Moral fremd ist.
A. Theoretische Grundlagen
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einen rechtsexternen Standpunkt allein noch nicht; diesen nimmt ja auch der Rechtspolitiker ein. Er kann sich aber, anders als der Ethiker, damit begnügen, auf eine Übereinstimmung mit praktizierten Wertvorstellungen innerhalb einer Gesellschaft zu verweisen. Das „Außerhalb“ einer moralphilosophischen Rechtfertigung geht demgegenüber – jedenfalls seinem Anspruch nach4 – über derartige empirische Maßstäbe hinaus. Es gilt ja nicht, zu zeigen, ob das Urheberrecht als moralisch gerechtfertigt angesehen wird, sondern ob es moralisch gerechtfertigt ist. Entscheidend ist daher, ob und inwieweit das Urheberrecht mit einem Maßstab in Einklang zu bringen ist, der, ohne zugleich sozial wirksam oder rechtlich positiviert sein zu müssen, eo ipso vernünftig ist. Auf welche Weise und in welchem Umfang man überhaupt von einer solchen Vernünftigkeit sprechen kann, werde ich später darlegen. An erster Stelle interessiert hier, welcher Art der Bewertungsmaßstab sein muss, um von einer Rechtfertigung sprechen zu können (1.). Anschließend werde ich zeigen, dass ein solcher Maßstab das Urheberrecht auf unterschiedliche Weise rechtfertigen kann (2.).
1. Rechtfertigung als Normübereinstimmung Wie ist ein moralischer Bewertungsmaßstab im Allgemeinen aufgebaut? In moralphilosophischen Kontexten kann man zweierlei Arten von normativen Maßstäben unterscheiden, deontische Begriffe und Wertbegriffe.5 Diese unterscheiden sich darin, welche Art von Urteil sie über den Bewertungsgegenstand erlauben.6 Deontische Begriffe beziehen sich auf eine Pflicht, auf ein Geboten-, Erlaubt- oder Verbotensein. Zentral ist hierbei das Gebot – das Sollen –, auf das sich die übrigen Begriffe zurückführen lassen.7 Nehmen wir beispielsweise an, dass ein Bewertungsmaßstab M1 mit dem Inhalt „x ist geboten“ gilt. Sofern nun das Urheberrecht mit M1 übereinstimmt, d. h. sofern U mit x identisch ist, ist zugleich U geboten. Infolgedessen ermöglicht M1 hier, ein Verpflichtungsurteil mit dem Inhalt „Das Urheberrecht ist geboten“ herzuleiten. Hingegen legen Wertbegriffe – man nennt sie auch axiologische Begriffe – fest, ob etwas gut oder schlecht ist. Ein axiologischer Bewertungsmaßstab M2 wäre daher „x ist gut“. Wenn das Urheberrecht mit M2 übereinstimmt, d. h. sofern U mit x identisch ist, ist U daher gut. Im Gegensatz zu M1 ermöglicht M2, ein Werturteil in Bezug auf das Urheberrecht abzugeben. Infolgedessen können zwei unterschiedli4 Zu dieser Einschränkung vgl. unten A. III. 2. zum eingeebneten Unterschied zwischen objektiver und intersubjektiver Normenbegründung. 5 Hierzu etwa von Kutschera, Grundlagen der Ethik, S. 1 ff. 6 Zur nachfolgenden Unterscheidung zwischen Verpflichtungs- und Werturteilen Frankena, Analytische Ethik, S. 27 f.; darauf aufbauend Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 84 Fn. 134. 7 So ist eine Handlung dann erlaubt, wenn es nicht geboten ist, sie zu unterlassen; ebenso ist eine Handlung verboten, wenn es geboten ist, sie zu unterlassen.
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che Dinge gemeint sein, wenn man davon spricht, dass das Urheberrecht moralisch gerechtfertigt ist. Erstens kann dies bedeuten, dass das Urheberrecht mit einem deontischen Maßstab der Moral, d. h. einem Gebot oder Sollen positiv übereinstimmt. Zweitens ist denkbar, dass dadurch festgestellt wird, dass das Urheberrecht mit einem axiologischen Maßstab, d. h. einem Wert positiv übereinstimmt. Wenn im Laufe dieser Arbeit von einer moralischen Rechtfertigung des Urheberrechts die Rede ist, ist damit gemeint, dass es mit einem deontischen Begriff – einer Norm, nicht allein mit einem Wert der Moral übereinstimmt. Dies liegt daran, dass Werturteile keine unmittelbar praktische, d. h. handlungsbezogene Wirkung besitzen: Ist etwas gut oder schlecht, so folgt daraus logisch längst nicht, dass es zugleich geboten, verboten oder erlaubt ist. Freilich, es ist durchaus plausibel, zu vertreten, dass Gutes zu tun und Schlechtes zu unterlassen sei. Dergleichen basiert dann allerdings auf der Annahme einer Norm, die dies vorschreibt – nicht bereits auf dem Werturteil selbst.8 Werturteile jeglicher Art bilden so nur die argumentative Basis dessen, was zur Begründung von Normen herangezogen wird. Sie gebieten kein Verhalten, sondern sind Gründe, mit denen eine Norm, die ein solches gebietet, erst begründet werden kann.9 Ein axiologischer Maßstab M3 mit dem Inhalt „Es ist gut, Urhebern die exklusive Kontrolle über ihre geistigen Werke einzuräumen“ könnte daher, sofern U mit M3 positiv übereinstimmt, allenfalls einen Rechtfertigungsgrund, nicht aber die Rechtfertigung selbst darstellen. Dies zeigt sich auch darin, dass eine wertmäßige Auszeichnung von U noch nichts darüber aussagt, in welchem Verhältnis es zu konkurrierenden Werten steht. So ist denkbar, dass ebenfalls der Bewertungsmaßstab M4 existiert, nachdem der Satz gilt „Es ist gut, jedem Individuum privaten Zugang zu geistigen Werken zu gewähren“. Räumt U den Urhebern die Kontrolle über ihre Werke ein, schließt es aber zugleich andere von deren Nutzung aus, so ist aus Sicht von M3 das Urheberrecht gut, aus Sicht von M4 das Urheberrecht schlecht. Ist das Urheberrecht nun gerechtfertigt? Eine Antwort hierauf erforderte eine Begründung dafür, ob und welcher der beiden Zustände besser oder schlechter ist. Eine axiologische Rechtfertigung des Urheberrechts wäre daher niemals – noch nicht einmal prima facie – endgültig. Sie müsste von vornherein damit rechnen, dass sie durch andere, höherrangige Werte verdrängt würde. Anders verhält es sich hingegen, wenn stattdessen ein deontischer Bewertungsmaßstab zugrunde gelegt wird. Eine hierauf aufbauende Rechtfertigung tritt mit einem wesentlich stärkeren Geltungsanspruch auf. Sie präsentiert sich nicht als noch abzuwägende normative Aussage, sondern als Ergebnis einer solchen Abwägung. Sofern z. B. behauptet wird, dass das Urheberrecht deshalb gerechtfertigt ist, 8 Die Unterscheidung, die Birnbacher, Analytische Einführung in die Ethik, S. 45 ff., zwischen axiologischen Werten und moralischen Werten trifft – letztere sollen eine unmittelbare Handlungsaufforderung beinhalten –, macht nur aus dieser Perspektive Sinn. 9 Zur diesbezüglichen Vorrangstellung der Werte vgl. auch Birnbacher, Analytische Einführung in die Ethik, S. 14.
A. Theoretische Grundlagen
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weil es mit der geltenden Norm N1 „Es ist geboten, Urhebern die exklusive Kontrolle über ihre geistigen Werke einzuräumen“ übereinstimmt, ist es prima facie gesollt. Daran ändert auch M4 nichts: Dargelegt werden müsste dazu vielmehr, inwiefern dieser Wert jenen Werten vorgeht, auf die N1 zurückzuführen ist. Selbst dann, wenn eine Norm N2 behauptet würde, die mit M4 übereinstimmte, ergäbe sich kein anderes Bild. Von vornherein ist klar, dass entweder nur N1 oder N2 gilt – es kann nicht zugleich a und non-a geboten sein. Es geht daher nicht um einen Widerspruch von Normen, sondern von Normsätzen. Bereits auf dieser semantischen Ebene muss geklärt werden, ob ein Widerspruch vorliegt – wegen einer etwaigen Fehlinterpretation – und welcher Normsatz allein richtig ist. Man kann diesen Unterschied also so ausdrücken: Bei einer deontischen Rechtfertigung sind nur ihre Gründe abwägungsfähig, nicht aber sie selbst. Sie bleibt soweit und solange Rechtfertigung, wie gezeigt wird, dass ihre Gründe fehlerhaft sind oder sie nicht gilt. Bei einer axiologischen Rechtfertigung ist dies anders; sie selbst ist der Abwägung fähig, so dass sie nicht ernsthaft als Rechtfertigung taugt.
2. Rechtfertigungsebene und Rechtfertigungsgehalt Eine moralische Rechtfertigung des Urheberrechts, wie sie bislang dargelegt wurde, kann in ihrer Aussage in zweierlei Hinsichten variieren, einerseits bzgl. der Rechtfertigungsebene, andererseits bzgl. des Rechtfertigungsgehalts. Zunächst: Die Rechtfertigung des Urheberrechts besitzt zwei verschiedene Ebenen, eine institutionelle und eine inhaltliche. Die institutionelle Ebene bezieht sich auf die Frage, ob ein Urheberrechtssystem prinzipiell, d. h. ungeachtet seiner inhaltlichen Ausgestaltung aufgrund einer Moralnorm begründet ist. Mit anderen Worten: Soll ein Urheberrecht überhaupt sein? Die inhaltliche Ebene öffnet sich hingegen erst dann, wenn die vorherige Frage bereits bejaht wurde. Sie beschäftigt sich damit, wie das Urheberrecht ausgestaltet werden soll, welche konkreten Befugnisse also von ihm umfasst sind. So z. B.: Soll ein Urheberrecht ein Namensnennungsrecht vermitteln? Soll nach dem Tod des Urhebers sein Urheberrecht fortbestehen? Beide Ebenen können nun mit einem unterschiedlichen Rechtfertigungsgehalt auftreten, der von der deontischen Struktur der Moralnorm abhängt, mit der sie übereinstimmen. Die schwächste Art der Legitimation ist diejenige, nach der U mit einer Moralnorm N übereinstimmt, die die Aussage macht, dass es dem Gesetzgeber erlaubt ist, eine Regelung U zu treffen. Dann ist U nur moralisch möglich10 – dem Gesetzgeber steht es also frei, ob er es umsetzt. Die stärkste Art der Legitimation liegt hingegen darin, wenn N dem Gesetzgeber gebietet, eine Regelung U zu treffen. Dann ist U sogar moralisch notwendig – der Gesetzgeber muss ein Urheberrechtssystem errichten. Hinsichtlich der institutionellen Rechtfertigungsebene des Urheberrechts muss eine dieser beiden Varianten stets vorliegen 10
Diese Terminologie taucht bereits bei Kant, Metaphysik der Sitten, S. 327, auf.
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§ 2 Die moralische Begründung des Urheberrechts
– ansonsten wäre das Urheberrecht als solches ja nicht gerechtfertigt. Anders verhält sich dies bei der inhaltlichen Ebene: Dort kann es konkrete Regeln geben, die nicht nur geboten oder erlaubt, sondern auch verboten sind. So ist durchaus denkbar, dass nach einer Moralnorm N dem Gesetzgeber U zwar institutionell geboten, eine konkrete Ausgestaltung U1 aber verboten ist. Dann ist U zwar moralisch möglich oder notwendig – die Ausgestaltung U1 ist allerdings moralisch unmöglich. Je nach dem Gehalt von N darf oder muss der Gesetzgeber dann ein Urheberrechtssystem errichten; er darf aber nicht die Gestaltung U1 wählen, sondern muss auf andere Umsetzungen wie U2 – Un zurückgreifen. Die vorstehenden gedanklichen und begrifflichen Differenzierungen ermöglichen, die theoretischen Arten zu erfassen, nach denen das Urheberrecht moralisch gerechtfertigt sein kann. Besonders die verschiedenen Rechtfertigungsgehalte werden im Folgenden eine bedeutende Rolle spielen. Auf der inhaltlichen Rechtfertigungsebene zeigen sie, inwieweit verschiedene Begründungsmodelle des Urheberrechts sich ausschließen oder aber nebeneinander bestehen können. Dadurch wird eine vielfach verbreitete Methode, das Urheberrecht zu legitimieren, einer rationalen Kontrolle unterworfen: Jene Art der Rechtfertigung nämlich, die glaubt oder zumindest vorgibt zu glauben, dass sich jedwede moralische Lesart des Urheberrechts mit anderen normativen Perspektiven in einer Abwägung oder einem Interessenausgleich versöhnen ließe. Diese Sichtweise bestimmt heutzutage die geltenden Urheberrechtssysteme und ihre Fortentwicklung. Dass sie allerdings nicht immer richtig ist, ist nach allem klar. Ist z. B. nach einer angeführten Moralnorm N1 eine unendliche Dauer des Urheberrechts, nach einer Moralnorm N2 hingegen ein Ende des Urheberrechts mit dem Tod des Urhebers moralisch notwendig, liegt ein unlösbarer Konflikt vor. Dieser wird nicht zugunsten eines Ausgleichs aufgelöst, wenn als ein Mittelweg die Dauer etwa auf 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers bestimmt wird. Stattdessen wird ein Ergebnis erreicht, das sowohl nach N1 als auch nach N2 moralisch unmöglich ist. Auf der institutionellen Ebene sind die obigen Entscheidungen hingegen zumeist nicht von Relevanz. Denn bis auf eine Ausnahme11 behaupten alle nachfolgenden Begründungsmodelle die moralische Notwendigkeit, nicht nur die moralische Möglichkeit des Urheberrechts. So wird die institutionelle Rechtfertigung des Urheberrechts häufig auch nicht näher thematisiert. Sie wird vielmehr entweder explizit oder implizit mit der Rechtfertigung konkreter Inhalte des Urheberrechts ausgedrückt oder vorausgesetzt. Soweit ich zwischen diesen beiden Ebenen keine Differenzierung vornehme, kann daher davon ausgegangen werden, dass eine moralische Notwendigkeit der urheberrechtlichen Institution unterstellt wird.
11 Es handelt sich hierbei um diejenige Begründung des Urheberrechts, die ich als Schranken-basierte Rechtfertigung bezeichne, hierzu § 3, B. I.
A. Theoretische Grundlagen
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II. Das Urheberrecht als Rechtfertigungsgegenstand Bislang ist von dem hier zu untersuchenden Gegenstand „Urheberrecht“ sehr allgemein gesprochen worden. An dieser Stelle soll in zweierlei Hinsicht eine Präzisierung dieses Gegenstands erfolgen. Erstens muss dies moraltheoretisch geschehen: Unter welchem Gesichtspunkt macht es überhaupt Sinn, von der moralischen Rechtfertigung des „Urheberrechts“ zu sprechen? Daneben muss zweitens eine methodologische Präzisierung vorgenommen werden, die den inhaltlichen Umfang betrifft, von dem auszugehen ist, wenn hier vom „Urheberrecht“ gesprochen wird. Wie sollte diese Vorstellung zweckmäßigerweise aussehen?
1. Moraltheoretische Präzisierung Aus moraltheoretischer Sicht ist relevant, dass dasjenige, was wir als „Urheberrecht“ bezeichnen, nichts anderes als eine Norm bzw. ein Normkomplex bestimmten Inhalts ist. Dies führt nämlich unmittelbar zu einer anderen Frage: Sind Normen überhaupt ein Gegenstand moralischer Bewertung? Moralphilosophisch ist dies aus zwei Gründen zu verneinen. Zum einen stellte es einen normtheoretischen Widerspruch dar, eine Norm anhand einer anderen Norm bewerten zu wollen. Denn eine solche Bewertung müsste ja ergeben, dass ein Sollen – nichts anderes wird durch eine Norm ausgedrückt – entweder gesollt oder nicht gesollt ist. Ein gesolltes Sollen oder ein nicht-gesolltes Sollen ist aber nun, wie Kelsen vortrefflich herausgearbeitet hat, ein Pleonasmus oder aber ein Widerspruch in sich.12 Zum anderen liegt dies daran, dass jede Norm auf eine Handlung bezogen ist.13 Ein Sollen beinhaltet eine Aufforderung, etwas in einer bestimmten Weise zu tun oder zu unterlassen. Nicht ohne Grund beschäftigt sich die Moralphilosophie daher mit der Frage, was Menschen tun sollen.14 Die deontischen Begriffe des Gebotenseins, Verbotenseins oder Erlaubtseins haben im Zusammenhang mit unbelebten Gegenständen keine sinnvolle Bedeutung – wie kann einer Norm vorgeschrieben werden, was sie zu tun hat? Soll das Urheberrecht sich etwa selbst abschaffen oder einführen? Auf diesen Erkenntnissen muss auch die Wahl des Anknüpfungspunkts der folgenden Begründungsmodelle aufbauen. Dementsprechend wäre es falsch oder doch zumindest ungenau, unmittelbar zu fragen, ob und inwiefern das Urheberrecht als Norm oder Normsystem moralisch gerechtfertigt ist. Denn gesetzliche 12 Siehe Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 359: „Wie könnte auch eine Norm, die einen Wert konstituiert – und jede gültige Norm konstituiert einen Wert –, wie könnte ein Wert bewertet werden, wie könnte ein Wert einen Wert oder gar einen negativen Wert haben! Ein wertvoller Wert ist ein Pleonasmus, ein wertwidriger Wert ein Widerspruch in sich selbst.“ 13 Dazu, dass daher nicht Normen, sondern allein ihre Akzeptanz im eigentlichen Sinn begründet werden kann, siehe auch Hoerster, Ethik und Interesse, S. 65 f., 163. 14 Hierzu etwa Birnbacher, Analytische Einführung in die Ethik, S. 12 ff.
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Normen sind keine menschlichen Handlungen, sondern beruhen auf diesen – sind ihr Handlungssinn.15 Es geht also um die gesetzgeberischen Handlungen, deren Sinn die Norm oder das Normsystem sind, die als „Urheberrecht“ bezeichnet werden.16 Streng genommen bezeichnet man daher, wenn man in moralischen Kontexten vom „Urheberrecht“ spricht, nichts anderes als jene Handlungen. Sind diese moralisch begründbar, ist sogleich auch ihr enthaltener Sinn, das Urheberrecht, gerechtfertigt. Um jedoch Missverständnisse zu vermeiden, die sich möglicherweise bei Verwendung dieser Begrifflichkeit einstellten, wird im Folgenden der Einfachheit halber vom „Urheberrecht“ gesprochen, obschon eigentlich nicht die Norm oder der Normkomplex selbst, sondern die zugrunde liegende gesetzgeberische Handlung gemeint ist. 2. Methodologische Präzisierung Eine andere, noch wichtigere Präzisierung betrifft den Inhalt des Normenkomplexes, der als „Urheberrecht“ in dieser Arbeit bezeichnet wird. Wenn in rechtspolitischen Diskursen darüber gestritten wird, ob und in welchem Maße das Urheberrecht moralisch gerechtfertigt sei, sind bei den Teilnehmern ja bereits Vorstellungen von dem zu rechtfertigenden Gegenstand vorhanden. Diese können, müssen aber nicht notwendig übereinstimmen. Es ist eher wahrscheinlich, dass sie sich nach Land und Rechtskultur unterscheiden. So werden Angehörige des kontinental-europäischen Rechtskreises das hier vorherrschende Bild des individualrechtlich geprägten droit d’auteur-Systems im Kopf haben. Vertreter des angloamerikanischen Rechtskreises werden hingegen zumeist von ihrem ökonomisch geprägten copyright als Untersuchungsgegenstand ausgehen. Ähnliches gilt auch dann, wenn innerhalb eines Rechtskreises unterschiedliche nationalstaatliche Regelungen diskutiert werden. Welche Erscheinungsform des Urheberrechts, sei es in einem bestimmten Land, sei es in einer bestimmten Rechtskultur, soll in dieser Arbeit nun gerechtfertigt werden? Nichts von alledem. Jede Festlegung auf eine dieser Erscheinungsformen hätte erhebliche methodologische Nachteile. Sie würde in gewisser Weise in eine moralische Engführung der folgenden Begründungsmodelle münden. Denn die Blickverengung auf eine bestimmte Gestalt des Urheberrechts ginge mit einer Ausblendung moralischer Optionen einher, die Gegenentwürfe eröffneten. Infolgedessen geht es in dieser Arbeit weniger um die nachträgliche Bewertung von Bestehendem, sondern gewissermaßen um seine Neugründung: Würde in einem fiktiven Ausgangszustand ein Gesetzgeber moralisch gerechtfertigt sein, ein Urheberrechtssystem zu errichten? Um diese Fragestellung nicht auf eine bestimmte Vorstellung Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 4; ders., JZ 20 (1965), S. 465 (465). In ähnlicher Weise bezeichnet Rawls, A Theory of Justice, S. 48, Institutionen – unter denen er Regelsysteme versteht – in dem Sinn als gerecht oder ungerecht, „that any realization of it would be just or unjust.“ [Hervorhebung von mir]. 15 16
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zu verengen, ist notwendig, dieser Arbeit ein allgemein gehaltenes und insofern offenes Vorstellungsbild des Urheberrechts zugrunde zu legen. Was nach Abzug aller konkreten Erscheinungsformen vom Urheberrecht übrig bleibt, ist das Gemeinsame und das Grundlegende, welches Ausgangspunkt jeder Vorstellung vom Urheberrecht ist. Unter „Urheberrecht“ verstehe ich daher allgemein eine exklusive Rechtsbeziehung zwischen Urhebern und ihren geistigen Werken. Zentral ist hierbei die Beschränkung auf eine exklusive Rechtsbeziehung. Damit wird umschrieben, dass Gegenstand der Rechtfertigung eine legislatorische Handlung – die gewährte Rechtsbeziehung – ist, die ausschließlich, also exklusiv ist. Das bedeutet, dass der Berechtigte, soweit die eingeräumte Rechtsbeziehung reicht, imstande ist, anderen einen Eingriff in die Beziehung zum Werk zu untersagen. Kurz: Der Urheber ist rechtlich imstande, andere von der Nutzung oder dem Gebrauch des Werks zumindest teilweise auszuschließen. Dadurch ist noch nicht gesagt, welche Art der Werknutzung vom Urheber ausgeschlossen werden kann. Das kann z. B. darin bestehen, zu verhindern, dass andere das Werk ändern, etwa ihren Namen darauf anbringen oder den Namen des Urhebers ändern. Dies kann auch darin bestehen, andere von der ökonomischen Verwertung des Werks auszuschließen. Wesentlich ist allein, dass andere in zumindest einem Aspekt von der freien Nutzung oder des Gebrauchs des Werks ausgeschlossen werden. Ferner geht es allein um eine Rechtsbeziehung zwischen Urhebern und ihren geistigen Werken. So wird ausgedrückt, dass gesellschaftliche Bezüge insofern irrelevant sind. Bereits der Aspekt der Exklusivität hebt dies hervor: Eine Rechtsbeziehung zwischen geistigen Werken und der Gesellschaft wäre nicht exklusiv – die Gesellschaft kann sich nicht selbst ausschließen. Da sie ja bereits alle Individuen umfasst, bleibt niemand mehr übrig, der ausgeschlossen werden könnte. Freilich wird hiermit nicht geleugnet, dass geistige Werke auch eine gesellschaftliche Bedeutung besitzen können. Die Ausblendung der Gesellschaft betrifft jedoch nur den Rechtfertigungsgegenstand, also die exklusive Rechtsbeziehung zwischen Urhebern und ihren Werken. Unberührt bleibt davon hingegen, welche moralischen Erwägungen jenen Gegenstand zu rechtfertigen vermögen. Es ist daher möglich, dass zwischen geistigen Werken und der Gesellschaft eine moralische Beziehung besteht, aufgrund derer erst eine exklusive Rechtsbeziehung zwischen Urhebern und ihren Werken begründet ist. Dergleichen betrifft jedoch nicht den Gegenstand, sondern den Grund seiner Rechtfertigung. Das führt auf eine grundsätzliche Charakteristik der Begründungsmodelle, die später angesprochen wird.17 Was aber ist das Objekt, das von der angesprochenen exklusiven Rechtsbeziehung erfasst wird? Eine präzise Antwort setzte voraus, die erkenntnistheoretische Möglichkeit und das phänomenologische Dasein geistiger Objekte zu erforschen. Darüber ließe sich freilich eine eigenständige Monographie anfertigen, die mit dem Thema der vorliegenden Arbeit nur mittelbar zu tun hat. An dieser Stelle wer17
Vgl. hierzu die Ausführungen in B. I.
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den daher nominaldefinitorisch unter „geistigen Werken“ zunächst geistige Gehalte oder Inhalte verstanden.18 Dadurch wird gewährleistet, dass die obige Definition nicht bereits normative Anforderungen an die geschützten Objekte stellt, die erst durch die später diskutierten Begründungsmodelle begründet werden sollen. Freilich scheint damit eine Abgrenzung zu anderen Normkomplexen, die sich ebenfalls mit Immaterialgütern beschäftigen, wie etwa dem Patent- und Markenrecht, unmöglich. Die entscheidende Differenz besteht indes in einem Merkmal, das nicht die Art, sondern den Ursprung des je geistigen Inhalts betrifft. Im urheberrechtlichen Kontext werden geistige Werke einer Person kausal zugerechnet, ihrem Urheber. Nicht umsonst spricht etwa das deutsche Urhebergesetz vom Schöpfer eines Werks (§ 7 UrhG). Es geht also um solche geistigen Inhalte, von denen geglaubt wird, dass sie ihre Existenz einer besonderen Erschaffung durch einen Menschen verdanken.19
III. Die Begründung von Moralnormen Wenn eine exklusive Rechtsbeziehung zwischen Urhebern und ihren Werken (U) dann moralisch gerechtfertigt ist, wenn sie mit einer Moralnorm (N) positiv übereinstimmt, hängt alles davon ab, ob letztere als normativ geltend ausgewiesen werden kann. Stimmt U mit N positiv überein, und folgt hieraus ein Verpflichtungsurteil mit dem Inhalt „U ist geboten“, so hängt die Begründbarkeit von U letztlich an N. Anders ausgedrückt: Gilt N, so gilt auch U. Wie aber kann gezeigt werden, dass N begründet ist? In der Moralphilosophie gehört die Frage der Begründbarkeit von Moralnormen zu den umstrittensten Fragen überhaupt. Es versteht sich von selbst, dass die vorliegende Arbeit der falsche Ort ist, diesen Streit aufzulösen – das ist Aufgabe metaethischer Abhandlungen. Dennoch kann jene Frage nicht vollends ignoriert werden. Denn die Art und Weise, wie man sie beantwortet, bestimmt über Status und Standort der Argumente, die im nächsten Kapitel diskutiert werden. Um zu zeigen, in welchem Maße dies der Fall ist, ist es hilfreich, drei verschiedene Gesichtspunkte jener Begründungsfrage zu unterscheiden. So lässt sich erkennen, dass einerseits nicht jeder dieser Aspekte in gleicher Weise umstritten ist, und andererseits nicht jeder Gesichtspunkt in einer bestimmten Weise beantwortet werden muss, um den nachfolgenden Argumenten einen normativen Sinn zu geben.
18 Später werde ich bei der sprechakttheoretischen Rekonstruktion des Urheberrechts (§ 3, C. I. 2.) auf jenes Dasein noch näher eingehen. 19 Nach zutreffender Auffassung – so vor allem Hubmann / Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, S. 50, 51, 123 – liegt einer Erfindung keine Schöpfung, sondern ein Auffinden latent vorhandener Gesetzmäßigkeiten zugrunde. Im Gegensatz zur nicht geschützten Entdeckung ist sie eine angewandte Erkenntnis dieser Gesetzmäßigkeiten, vgl. Hubmann / Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, S. 120.
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Der erste Aspekt der Begründungsfrage betrifft die Wahrheitsfähigkeit normativer Aussagen: Kann eine Aussage wie „Das Urheberrecht ist gesollt“ überhaupt wahr oder falsch sein? Oder bezeichnet sie allein Empfehlungen oder Wünsche? Je nachdem, ob man die Wahrheitsfähigkeit bejaht oder verneint, vertritt man einen ethischen Kognitivismus oder einen ethischen Non-Kognitivismus. Der zweite Aspekt, der die Bejahung der vorigen Frage voraussetzt, behandelt dagegen den Wahrheitsbegriff normativer Aussagen. Ist eine Aussage wie „Das Urheberrecht ist gesollt“ in einem objektiven oder nur intersubjektiven Sinn wahr oder falsch? Objektivistische Theorien bejahen ersteres: Hiernach gibt es Normen, die unabhängig von bestimmten Subjekten wahr oder falsch sind. Subjektivistische Ethiken behaupten das Gegenteil: Normen könnten niemals subjektunabhängig als wahr oder falsch erwiesen werden. Da jede Normbegründung hiernach auf konkrete Subjekte bezogen ist, kann dies nur intersubjektiv erfolgen. Und schließlich betrifft der dritte Aspekt die Erkennbarkeit normativer Aussagen: Wie können Normen, deren Wahrheitsfähigkeit unterstellt, letztlich als wahr oder falsch – sei es objektiv oder intersubjektiv – ausgezeichnet werden? Mit anderen Worten: Wie lässt sich überhaupt erkennen, dass der Behauptungssatz „Das Urheberrecht ist gesollt“ wahr oder falsch ist?20
1. Die Wahrheitsfähigkeit normativer Aussagen Für die vorliegende Arbeit ist besonders der erste Aspekt von Belang: Sind Normen wahrheitsfähig? Sind sie also – kognitivistisch gesprochen – Gegenstand des Erkennens oder des Wissens? Wird dies verneint, so ist von vornherein sinnlos, die Frage nach der Rechtfertigung des Urheberrechts zu stellen. Denn sind moralische Normen nicht wahr oder falsch, lassen sich diese auch nicht begründen. Sie zu begründen hieße ja gerade, zu zeigen, dass sie richtig, also wahr sind.21 Der Nachweis aber, dass das Urheberrecht mit einer nicht begründbaren Norm der Moral positiv übereinstimmt, vermag nichts mehr zu rechtfertigen. Im Gegenteil zeigte er nur, dass das Urheberrecht auch selbst nicht begründbar wäre. Aus diesem Grund muss in dieser Arbeit eine kognitivistische Lesart von normativen Aussagen vorgenommen werden: Es wird einfach vorausgesetzt, dass Normsätze Behauptungen ausdrücken, die wahr oder falsch sind. Diese Vorgehensweise ist nicht willkürlich, sondern aus zwei Gründen sinnvoll. Erstens nehmen diejenigen, die über Existenz und Reichweite des Urheberrechts moralisch streiten, gerade jenes an. Sie gehen zumindest unbewusst von der Wahrheitsfähigkeit normativer Aussagen aus. Indem sie den Anspruch erheben, durch ihre Argumente zu zeigen, dass das Urheberrecht bzw. seine Ausgestaltung unbe20 Diese Frage wird bisweilen bereits der Unterscheidung zwischen kognitivistischen und nicht-kognitivistischen Ansätzen zugeordnet, so z. B. Birnbacher, Analytische Einführung in die Ethik, S. 354; wie hier dagegen von Kutschera, Grundlagen der Ethik, S. 50 ff. 21 Siehe von Kutschera, Grundlagen der Ethik, S. 52.
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gründet oder begründet ist, setzen sie dessen Begründbarkeit implizit voraus. Als Teilnehmer jenes Diskurses ist man daher durchaus berechtigt, jene Grundannahme zu teilen. Der zweite Grund ist allerdings weitaus gewichtiger. Die ausdrückliche Verneinung der Wahrheitsfähigkeit normativer Aussagen stellte in solchen Fällen einen performativen Selbstwiderspruch dar. Dadurch würde etwas negiert werden – die Begründbarkeit moralischer Normen –, das die Aussage „Das Urheberrecht ist begründet bzw. nicht begründet“ ja gerade voraussetzt. Das gleiche Problem träfe diese Arbeit, wenn sie zwar die Wahrheitsfähigkeit normativer Aussagen verneinen wollte, zugleich aber die Rechtfertigung des Urheberrechts diskutierte. Angesichts des damit erhobenen Richtigkeitsanspruchs ist es daher methodologisch vernünftig, die Begründbarkeit von Moralnormen zu unterstellen. Nur so ist möglich, mit dieser Untersuchung überhaupt am moralischen Diskurs über das Urheberrecht teilzunehmen. Auf diese Wirkung beschränkt sich jene Annahme allerdings auch; sie bedeutet nicht, dass Normen der Moral auch tatsächlich begründbar sind. Dazu wird in dieser Arbeit keine Position bezogen.
2. Objektive und intersubjektive Begründung Weniger wichtiger für den Standort der nachfolgenden Argumente ist hingegen, wie der Wahrheitsbegriff – sind Normen objektiv oder nur intersubjektiv begründbar? – gefasst wird. Die Unterschiede, die zwischen modernen Vertretern beider Seiten bestehen, haben sich nämlich stark reduziert. Dies liegt daran, dass sich neuzeitliche Objektivisten wie Subjektivisten in erster Linie auf Verfahren stützen, um Normen zu begründen. Dergleichen führt auf beiden Seiten zu einer Annäherung, die allein theoretische Divergenzen bestehen lässt. Ein Beispiel hierfür bietet die heutzutage weit verbreitete Diskursethik, wie sie u. a. von Habermas und Alexy vertreten wird.22 Dieser liegt eine objektivistische Auffassung zugrunde; sie nimmt an, dass sich zumindest einige Normen mittels eines idealisierten Verfahrens objektiv begründen ließen. Eine Norm ist hiernach dann begründet, wenn alle Betroffenen ihr als Teilnehmer eines rationalen Diskurses zustimmen könnten.23 Rational ist der Diskurs nur dann, wenn er unter bestimmten Idealbedingungen verläuft. Die Vertreter jenes Ansatzes sind sich aber einig, dass jene Idealbedingungen niemals vorliegen.24 Ob eine Norm aus Sicht der Normunterworfenen zustimmungsfähig ist, wird damit aus einer unter vorbestimmten Idealbedingungen konstruierten und insofern hypothetischen Perspektive beurteilt. Soll deswegen nicht auf eine Normbegrün22 Eingehende Darstellung der Diskursethik bei Tschentscher, Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit, S. 217 ff. 23 So z. B. Alexy, in: ders., Recht, Vernunft, Diskurs. Studien zur Rechtsphilosophie, S. 127 (129 ff.); Habermas, Faktizität und Geltung, S. 138. 24 Hierzu Alexy, in: ders., Recht, Vernunft, Diskurs. Studien zur Rechtsphilosophie, S. 109 (124 ff.), zur Relativierung des Richtigkeitsbegriffs.
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dung überhaupt verzichtet werden, muss die Zustimmungsfähigkeit moralischer Normen faktisch an die konkreten Bedingungen einer bestimmten Gesellschaft – Wertvorstellungen, Interessen etc. – rückgekoppelt werden.25 Der ideell überhöhte Anspruch, Normen objektiv zu begründen, wandelt sich so unausgesprochen zur intersubjektiven Zustimmungsfähigkeit. Ähnliches ist bei subjektivistischen Ethiken zu beobachten, beispielsweise bei einer Interessenethik, wie sie Hoerster vertritt. Hier wird zwar von vornherein auf die konkreten Interessen und Präferenzen der jeweiligen Menschen abgestellt. Da der Interessenbegriff aber auch durch die Bezugnahme auf Rationalitätsbedingungen idealisiert wird – nur das aufgeklärte Eigeninteresse soll relevant sein26 – wird ebenfalls auf ein hypothetisches Interesse abgestellt. Man kann daher sagen, dass beide Theorien27 letztendlich darauf abstellen, ob eine Norm im Interesse aller liegen oder ihr durch alle zugestimmt werden würde. Die Argumente, die im Folgenden diskutiert werden, sind insofern solche, die nach ihrem Anspruch zeigen sollen, dass das Urheberrecht in einer bestimmten Weise im Interesse der Betroffenen wäre oder zustimmungsfähig wäre. Sie können in beliebige vertragstheoretische, diskursethische oder interessenethische Begründungsrahmen integriert werden.
3. Die normative Richtigkeit Bislang sind zwei Dinge festgestellt worden: Erstens muss in dieser Arbeit vorausgesetzt werden, dass normative Aussagen wahrheitsfähig sind. Zweitens ist gezeigt worden, dass die Frage, welcher Art von Wahrheit sie zugänglich sind, weniger wichtig ist. Denn schlussendlich bedeutet dies stets, zu fragen, ob eine Moralnorm im hypothetischen Interesse aller Betroffenen liegen würde. Nunmehr stellt sich allerdings die Frage, wie gezeigt werden kann, dass letzteres der Fall ist. Wie lassen sich Moralnormen erkennen? Oder anders ausgedrückt: Wann lässt sich behaupten, dass eine Norm zustimmungsfähig ist? Üblicherweise werden für eine solche Auffassung Gründe angeführt. Die im nachfolgenden Kapitel dargelegten Argumente bezwecken genau dies: Sie sollen ihrem Anspruch nach zeigen, dass das Urheberrecht institutionell wie inhaltlich in bestimmter Weise mit einer Norm übereinstimmt, die allgemein zustimmungsfähig ist. Es kommt mithin auf die Zustimmungsfähigkeit der Argumente an, die jene Norm begründen sollen. Wann sind derartige Argumente aber plausibel? Die Beantwortung dieser Frage muss zwei Fehlerquellen von Argumentationen unterscheiden. Einerseits ist möglich, 25 Dies zeigt sich etwa bei Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 255, wo eingeräumt wird, dass „jeder Diskurs an historisch vorgegebene und damit wandelbare normative Vorstellungen anknüpfen muß.“ 26 Siehe Hoerster, Ethik und Interesse, S. 37, 38. 27 So ausdrücklich zur Diskurstheorie Gril, Die Möglichkeit praktischer Erkenntnis aus Sicht der Diskurstheorie, S. 196, 197.
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dass das diskutierte Argument bereits einen inneren Fehler aufweist; dann ist seine interne Richtigkeit betroffen. Oder aber das besprochene Argument besitzt einen äußeren Mangel, so dass es an seiner externen Richtigkeit fehlt. Beide Aspekte unterliegen unterschiedlichen Falsifizierungsgraden. Die interne Richtigkeit eines Arguments betrifft die logische Folgerichtigkeit seines Gedankengangs. Es geht also darum, ob die jeweiligen Schlüsse, die das Argument aus seinen Prämissen deduziert, logisch richtig sind. Dies kann ohne weiteres überprüft werden. Doch können die Folgerungen selbst keinen eigenständigen Gehalt produzieren; sie teilen vielmehr den Wahrheitswert der Prämissen, den sie übertragen sollen.28 Dies betrifft die externe Richtigkeit eines Arguments – die Frage also, ob die eingeführten Prämissen selbst wahr sind. Diese normativen Prämissen fallen – nach dem bisher Gesagten – letztlich einer intersubjektivistischen Kontrolle anheim. Es kann bei ihnen nur gezeigt werden, inwieweit sie dem normativen Hintergrund widersprechen, den die Teilnehmer des moralischen Diskurses über das Urheberrecht teilen. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass die Folgen eines Arguments nicht mit Vorstellungen übereinstimmen, die sein Verwender bislang akzeptierte. Dann muss entweder das Argument modifiziert oder aber es müssen die konfligierenden Wertvorstellungen aufgegeben werden. In dieser Arbeit wird vor allem die interne Richtigkeit eine Rolle spielen: Ist das jeweilige Argument, soweit die Richtigkeit seiner Prämissen vorausgesetzt wird, folgerichtig? Nachrangig wird die externe Richtigkeit der jeweiligen Gedankengänge diskutiert.
B. Differenz der Begründungsmodelle Nachdem geklärt wurde, was es heißt, das Urheberrecht moralisch rechtfertigen zu wollen und in welchem Sinne dies theoretisch möglich ist, ist ein grundsätzlicher Blick auf mögliche Begründungsmodelle zu werfen. Es soll in einem ersten Schritt gezeigt werden, worin die grundlegende Differenz besteht, anhand derer sich alle Argumente unterscheiden lassen, mit denen die Moralität des Urheberrechts behauptet wird (I.). Nur so ist möglich, die verschiedenen Begründungsmodelle, die im nächsten Kapitel diskutiert werden, sinnvoll zu gruppieren. In einem zweiten Schritt werde ich zudem darlegen, dass jene Differenz nicht nur heuristische, sondern auch normative Bedeutung besitzt (II.). Sie bestimmt in einer Hinsicht bereits die möglichen inhaltlichen Wirkungen, die von den Begründungsmodellen ausgehen.
28
Hierzu etwa Albert, Traktat über kritische Vernunft, S. 11 ff.
B. Differenz der Begründungsmodelle
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I. Individualistische und kollektivistische Modelle Wie lassen sich diejenigen Argumente, mit denen eine Norm N begründet werden soll, die U institutionell wie inhaltlich rechtfertigt, sinnvoll gruppieren? Bekanntlich werden Handlungen im Bereich der normativen Ethik zumeist unter zwei verschiedenen Aspekten betrachtet und bewertet.29 Zum einen wird auf die Handlung als solche, d. h. auf die zugrunde liegenden Absichten, Gründe und Motive einer menschlichen Handlung abgestellt. Dann spielen in erster Linie intrinsische Merkmale einer Handlung für ihre ethische Beurteilung eine Rolle. Klassisches Beispiel hierfür ist die Ethik Kants, die die moralische Qualität einer Handlung allein vom Willen des je Handelnden abhängig macht.30 Zum anderen lässt sich die Handlung auch unter dem Blickwinkel ihrer Folgen, die sie in der Gesellschaft auslöst, betrachten. Somit werden an erster Stelle extrinsische Merkmale einer Handlung für ihre moralische Beurteilung herangezogen. Diese Perspektive hat sich vor allem in der Doktrin des angelsächsischen Utilitarismus niedergeschlagen, nach der die Moralität einer Handlung von dem Glück abhängt, das sie bei den Betroffenen hervorbringt.31 Die vorstehende Unterscheidung, die in den Begriffspaaren deontologisch / teleologisch, nicht-konsequentialistisch / konsequentialistisch bzw. nicht-utilitaristisch / utilitaristisch auftaucht, ist nicht nur die in der Moralphilosophie dominierende. Sie ist auch jene, in der sich die meisten Überlegungen bewegen, die sich mit der moralischen Rechtfertigung geistiger Schutzrechte beschäftigen. Allerdings wird sie hier nur selten durch ihre üblichen Bezeichnungen zum Ausdruck gebracht.32 In aller Regel herrscht stattdessen eine verwirrende Begriffsvielfalt vor, die weder in der Sache noch in der Terminologie einen nennenswerten Fortschritt bedeutet. So wird sie in den Begriffen „The Author’s right“ und „The Instrumental argument“33 ebenso ausgedrückt, wie sie als Gegensatz von „instrumental justification“ und „desert justification“34 begriffen wird. Eine andere Terminologie, die ebenfalls jene Folgenbetrachtung ausdrückt, zusätzlich aber begriffliche Fehlvorstellungen transportiert, ist diejenige zwischen ökonomischen und moralischen / naturrechtlichen Argumenten.35 Dabei wird übersehen, dass Ökonomie und Moral 29 Zu dieser Einteilung z. B. Frankena, Analytische Ethik, S. 32 ff.; von Kutschera, Grundlagen der Ethik, S. 71 ff. 30 Hierzu etwa Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 18: „Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille.“ [Hervorhebung im Original]. 31 Klassische Formulierung z. B. bei Bentham, An Introduction to the Principles of Morals and Legislation, S. 11 ff.; Sidgwick, The Methods of Ethics, S. 411. 32 Diese finden sich etwa bei Menell, in: Bouckaert / De Geest (Ed.), Encyclopedia of Law and Economics, Vol. II, S. 129; Nance, Harv. J. L. & Pub. Pol’y 13 (1990), S. 757 (763); Spector, EIPR 8 (1989), S. 270 (270). 33 Siehe Weinreb, Harv. L. Rev. 111 (1998), S. 1150 (1217 ff.). 34 Sterk, Mich. L. Rev. 94 (1996), S. 1197 (1197).
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keinen begrifflichen Gegensatz bilden, sondern – je nach Standpunkt – konvergieren können. Ebenso wenig sind Naturrecht und Moral notwendig identisch; gerade zeitgenössische Moralen suchen nicht-naturrechtliche Wege zu beschreiten. Das moralische Denken in Handlungsfolgen ist zwar eine einfache Methode, jedwedes menschliche Handeln zu beurteilen. Es ist für die vorliegende Arbeit allerdings zu unspezifisch. Man ist so nicht imstande, die entscheidende Differenz zwischen den Begründungsmodellen einzufangen, die beim Urheberrecht einander gegenüber stehen.36 Schließlich geht es zuletzt nicht um Folgen oder Nicht-Folgen des Urheberrechts – es geht um die Bedeutung geistiger Werke. Dies führt aber über zu einem Denken in Beziehungen: Für wen haben geistige Werke Bedeutung? In dieser Arbeit bietet sich daher eine andere, grundlegendere Unterscheidung an, die zwei Relationen auseinander hält, diejenige zwischen Urheber und Werk und diejenige zwischen Gesellschaft und Werk. Beide Verhältnisse lassen sich als Primärbeziehungen kennzeichnen; sie beschreiben eine moralische Beziehung, aufgrund derer erst eine rechtliche Beziehung – die Sekundärbeziehung – zwischen Urhebern und ihren geistigen Werken begründet ist. Je nachdem, innerhalb welcher primären Relation die Argumente gefunden oder konstruiert werden, die ein Urheberrecht moralisch tragen sollen, lassen sich zwei Arten von Begründungsmodellen trennen, individualistische und kollektivistische. Auf diese lassen sich letzten Endes alle Argumente zurückführen, die in Diskursen über die Moralität des Urheberrechts auftauchen. Unter individualistischen Begründungsmodellen verstehe ich danach jene, die ihre Gründe einer Beziehung zwischen Urheber und Werk entnehmen. Sie behaupten eine spezifische Beziehung zwischen Urheber und Werk (Primärbeziehung), aufgrund derer eine rechtliche Beziehung zwischen Urheber und Werk (Sekundärbeziehung) moralisch gerechtfertigt ist. Im Vordergrund steht also das schöpferische Individuum selbst, der Urheber. Nur in diesem Fall ist das gesetzliche Recht des Urhebers zugleich sein moralisches Recht – das Urheberrecht ist das Recht des Urhebers. Anders hingegen kollektivistische Begründungsmodelle: Sie suchen die Rechtfertigungsgründe des Urheberrechts im Verhältnis Gesellschaft / Werk. Es wird eine spezifische Beziehung zwischen der Gesellschaft und Werken (Primärbeziehung) angenommen, aufgrund derer eine rechtliche Beziehung zwischen Urhebern und ihren Werken (Sekundärbeziehung) gerechtfertigt ist. Moralische Quelle 35 Ein solches Vorgehen findet sich bei Breyer, Harv. L. Rev. 84 (1970), S. 281 (284 f.); Garon, Cornell L. Rev. 88 (2003), S. 1278 (1285); Yen, Ohio St. L. J. 51 (1990), S. 517 (517); ähnlich Warwick, Boston Coll. Intell. Prop. & Tech. Forum 060505, S. 3; wohl auch Stengel, ARSP 90 (2004), S. 20 (22). 36 In ähnlicher Weise gilt dies auch für das Begriffspaar proprietarianism / instrumentalism, das Drahos, A Philosophy of Intellectual Property, S. 199 ff., benutzt. Zwar bricht er so aus einer reinen Folgenbetrachtung aus; er öffnet sich aber nicht einem reinen Denken in Beziehungen. Vielmehr reduziert sich jene Differenz – da sie auf der Entgegensetzung von Locke und dem Utilitarismus beruht – auf die Einteilung in Naturrecht oder Privileg. Interessant ist indes, um wessen Naturrecht oder Privileg es am Ende geht.
B. Differenz der Begründungsmodelle
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des Urheberrechts ist demzufolge ein Kollektiv – die Gesellschaft. Das Urheberrecht beruht dann nicht auf einem moralischen Recht des Urhebers, sondern der Gesellschaft. Hinsichtlich der Differenzierung zwischen individualistischen und kollektivistischen Begründungsmodellen ist zweierlei klarzustellen, um nahe liegende Missverständnisse zu vermeiden. Erstens besagt dieser Gegensatz nicht, dass kollektivistische Rechtfertigungen des Urheberrechts nicht auf Individuen abzielten. Ganz im Gegenteil: Es ist durchaus die Regel, dass eine bestimmte gesellschaftliche Struktur gerade deswegen erwünscht ist, weil sie jedem Individuum einen Vorteil verschafft. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn behauptet wird, dass eine Gesellschaftsform, die sich nach dem ökonomischen Postulat der Effizienz richtet, jedem Menschen die größtmögliche Freiheit biete. Wird hier zusätzlich angenommen, dass das Urheberrecht Ausfluss jener Effizienz ist, so stellt dies längst keine individualistische Rechtfertigung des Urheberrechts in dem hier verstandenen Sinne dar. Moralisch zählt der Urheber hier ja bloß als allgemeines Individuum, nicht aber in seiner spezifischen Existenz – eben als Urheber. Er nimmt vielmehr teil an einer kollektivistischen Rechtfertigung, indem er, wie jeder andere auch, Mitglied der Gesellschaft ist. Der Unterschied zwischen individualistischen und kollektivistischen Begründungsmodellen liegt daher nicht in der Einbeziehung oder Nichteinbeziehung von Individuen. Er besteht vielmehr darin, welche Individuen dies sind – ausschließlich die Urheber oder darüber hinaus gehende Teile der Gesellschaft. Ein zweiter wichtiger Punkt kommt hinzu. Die obige Differenzierung behauptet nicht, dass jedes Argument stets eindeutig als individualistisch oder kollektivistisch eingeordnet werden kann. In vielen Fällen lässt sich nämlich nicht erkennen, ob ein Argument, mit dem das Urheberrecht gerechtfertigt werden soll, eine individualistische oder eine kollektivistische Basis besitzt. Dies liegt daran, dass es sich oftmals um rhetorische Leerformeln oder metaphorische Selbstevidenzen handelt, die bewusst oder – was häufiger der Fall ist – unbewusst jene Festlegung aussparen. So ist beispielsweise die beliebte Behauptung, dass der Urheber „sein Werk als Lohn seiner Arbeit verdiene“ und daher ein Urheberrecht gerechtfertigt sei, beiden Lesarten zugänglich. Zum einen ist denkbar, dass diese Lohngewährung eine von Natur aus bestehende Vorzugsstellung des Urhebers zu seinem Werk anerkennt. Dann handelt es sich um Rechtfertigungsgründe, die dem Verhältnis Urheber / Werk entstammen. Zum anderen kann es sein, dass jene Lohngewährung gesellschaftlich motiviert ist, indem sie den Urheber ermutigen soll, Werke zu schaffen. Dann geht es um Gründe, die das Verhältnis Gesellschaft / Werk betreffen. Welche Art von Rechtfertigung vorgetragen wird – was also die „primäre“ Primärbeziehung ist –, entscheidet sich stets anhand der Letztbegründung. Diese zeigt sich nicht in der rhetorischen Einkleidung eines Arguments oder in der jeweiligen Vorstellung dessen Verwenders. Durchaus denkbar und häufig ist ja, dass jemand meint, der Urheber verdiene sein Werk als gerechten Lohn seiner Arbeit unabhängig von gesellschaftlichen Bezügen – also individualistisch argumentiert –, und 4 Stallberg
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dies dennoch unter die unausgesprochene, weil stets angenommene kollektivistische Bedingung stellt, die Gesellschaft habe irgendwelche Vorteile davon. Die ersten Gründe, auf denen eine Rechtfertigung des Urheberrechts basiert, zeigen sich dann erst im Konfliktfall. Dort, wo eine individualistische mit einer kollektivistischen Begründung des Arguments unvereinbar ist – etwa dann, wenn die geschützten Werke gesellschaftlich wertlos sind – muss der je Argumentierende eine Entscheidung treffen. Diese erst offenbart den Vorrang einer der beiden Perspektiven und somit die moralische Letztbegründung des jeweiligen Arguments.
II. Normative Relevanz Die von mir vorgenommene Unterscheidung zwischen individualistischen und kollektivistischen Rechtfertigungsmodellen besitzt nicht nur heuristische Relevanz – sie zieht ebenfalls normative Konsequenzen nach sich. Wie sich später zeigen wird, lassen sich einige inhaltliche Gestaltungen des Urheberrechts durch individualistische Gründe von vornherein leichter oder schwerer begründen; umgekehrt gilt das gleiche für kollektivistische Argumente. An dieser Stelle möchte ich dagegen auf einen inhaltlichen Aspekt eingehen, der durch die Wahl zwischen individualistischen und kollektivistischen Modellen sogar ausgeschlossen oder erst ermöglicht wird: der postmortale Fortbestand des Urheberrechts. Anders als kollektivistische sind individualistische Rechtfertigungen nicht imstande, die moralische Notwendigkeit eines postmortalen Urheberrechts zu begründen. Dies liegt daran, dass derjenige, der individualistisch argumentierend auf jenes Ergebnis hinaus will, eine Prämisse voraussetzen muss, die er selbst in aller Regel nicht befürwortet. Es handelt sich hierbei um die Annahme, dass jeder Mensch auch nach seinem Tod weiterhin Interessen – das sind mentale Zustände – aktuell besitzt. Diese Annahme gilt heutzutage in wissenschaftlichen, zumal in juristischen Diskursen nicht mehr als Ausgangspunkt rationaler Begründungen. Es wird, was angesichts der empirischen Beweisschwierigkeiten nahe liegt, vorausgesetzt, dass der Tote nach seinem Tod keine aktuellen Interessen mehr besitzt.37 Ansonsten wäre auch höchst bedenklich, die Rechtsfähigkeit eines Menschen nach seinem Tod enden zu lassen. Die Ablehnung jener Annahme ist Grund dafür, dass das innerhalb der zivilrechtlichen Dogmatik anerkannte postmortale Persönlichkeitsrecht nicht als Schutz eines Toten verstanden wird. Stattdessen wird zutreffend angenommen, dass es bereits der Entfaltung des Verstorbenen zu Lebzeiten dient.38 Das Wissen darum, dass man nach dem Tod zum Objekt beliebiger Zwecke gemacht würde, könne bereits das jetzige Leben negativ beeinflussen. So entsteht heute auch zu37 Unmissverständlich vor allem von Blume, AcP 112 (1914), S. 367 (371); Schack, JZ 44 (1989), S. 609 (614). 38 Vgl. hierzu z. B. BGHZ 50, S. 133 (139); Bender, VersR 52 (2001), S. 815 (816); Heldrich, in: Kuchinke (Hrsg.), Rechtsbewahrung und Rechtsentwicklung, S. 163 (166, 167); Schack, JZ 44 (1989), S. 609 (614); ders., GRUR 87 (1985), S. 352 (355).
B. Differenz der Begründungsmodelle
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meist kein Streit darüber, ob die obige Prämisse überzeugend ist, ob sie also bewiesen werden kann – dies ist nach heutigen Erkenntnissen nicht möglich. Eher dürfte bestritten werden, dass sie überhaupt vorausgesetzt werden muss, soll ein postmortales Urheberrecht individualistisch begründet werden. Dass dies notwendig ist, lässt sich allerdings zeigen. Wer das Urheberrecht individualistisch rechtfertigt, stützt dies nach allem auf eine moralische Beziehung zwischen Urheber und Werk. Diese primäre Beziehung wird geschützt, indem dem Urheber ein legales Recht eingeräumt wird, das dergleichen ermöglicht. Der tiefere Grund einer Rechtfertigung liegt dann nicht in der Gesellschaft, sondern im Urheber selbst. Das Urheberrecht besteht um des Urhebers willen, den es in einer – je nach individualistischem Begründungsmodell – unterschiedlichen Weise schützt. Welche Interessen können nun geschützt werden, wenn das derart begründete Urheberrecht nach dem Tod des Urhebers weiter fortbesteht? Es sind drei Möglichkeiten denkbar: (1) Entweder man behauptet, dass das postmortale Urheberrecht die gegenwärtigen Interessen des verstorbenen Urhebers schützt. (2) Oder aber man nimmt an, dass es die vergangenen Interessen des verstorbenen Urhebers schützt. (3) Endlich ist möglich, dass das postmortale Urheberrecht die gegenwärtigen Interessen anderer Individuen schützt. Die Möglichkeit (1) ist diejenige, die niemand ernsthaft vertritt, da sie zur Annahme zwingt, dass nach dem Tod jemand weiterhin mental imstande ist, aktuell Interessen zu bilden. Sie ist daher weniger eine Frage der Wissenschaft als des Glaubens. Wer sie voraussetzt, muss sie – da ihre Richtigkeit weder evident, erkennbar noch offensichtlich ist – beweisen. Ihre Gegner haben es einfacher; sie können zwar nicht die Unrichtigkeit jener Annahme beweisen. Sie können aber immerhin beweisen, dass ihre Richtigkeit nicht bewiesen werden kann. Einen eleganten Weg aus diesem Dilemma scheint der Weg (2) zu eröffnen, der vor allem in der zivilrechtlichen Dogmatik des postmortalen Persönlichkeitsrechts in Erscheinung tritt. Obschon dort davon ausgegangen wird, dass das postmortale Recht die lebzeitige Entfaltung zukünftiger Toter schützt, wird der jeweilige Fortbestand nach dem Tod mit nachwirkenden Interessen des Toten begründet.39 Demnach könnte ein Fortbestand des Urheberrechts individualistisch gerechtfertigt sein, wenn und weil es die nachwirkenden Interessen des je verstorbenen Urhebers schützt. So scheint möglich, einerseits dem Glaubensbekenntnis von (1) aus dem Weg zu gehen, und andererseits zu verhindern, das jeweilige Recht allein den Interessen noch Lebender (3) zu überlassen. Einen solchen dritten Weg zwischen den Interessen des Toten und den Interessen der noch Lebenden gibt es jedoch nur in der Rhetorik. Das Reden vom Schutz nachwirkender bzw. vergangener Interessen verschleiert nämlich, worum es in Wirklichkeit geht. Stellt man nach dem Tod des jeweiligen Menschen – weil man 39 So ausdrücklich Larenz / Canaris, Schuldrecht Besonderer Teil, S. 533; genauer dagegen Schack, GRUR 87 (1985), S. 352 (355), der von „Vorwirkungen des Todes auf den Lebenden“ spricht [Hervorhebung im Original].
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§ 2 Die moralische Begründung des Urheberrechts
(1) nicht unterstellen und (3) vermeiden möchte – auf den Schutz nachwirkender oder vergangener Interessen ab, muss das Schutzobjekt gleichzeitig zum Schutzsubjekt werden. Wenn die aktuellen Interessen eines Menschen rechtlich „geschützt“ werden, so schützt man ja nicht die Interessen um ihretwillen – man schützt vielmehr den lebenden Menschen in seinen Interessen40. Dies zeigt sich im Fall der Verletzung: Was ist z. B., wenn nach dem Tod des Urhebers A ein Gesetzgeber auf die Idee käme, einen postmortalen Bestand des Urheberrechts aufzugeben? Würden dann die lebzeitigen Interessen von A rückwirkend verletzt? Freilich, die „Interessen“ würden – soweit man davon überhaupt sprechen kann, denn welche Qualen erlitten sie? – verletzt, nicht aber A selbst. Er ist lebzeitig in der Erwartung geschützt worden, dass nach seinem Tod sein Urheberrecht fortbestehe. Seine Entfaltung zu Lebzeiten ist niemals eingeschränkt worden; auch eine Gesetzesreform ändert daran nichts mehr. Man kann die in der Vergangenheit geäußerten Interessen von A nicht mehr schützen oder verletzen. Man kann sie allenfalls als Zeugnis eines einst geäußerten Willens noch beachten oder missachten – A selbst berührt dies jedenfalls nicht mehr. Die Behauptung des Schutzes nachwirkender Interessen des Toten meint daher in letzter Konsequenz etwas anderes. Rhetorisch geschickt wird verhüllt, dass sie auf den Schutz noch Lebender abzielt, die in ihrem eigenen Interesse am Fortbestand des Urheberrechts festhalten.41 Im obigen Beispielsfall bedeutet dies, dass das Festhalten an dem Urheberrecht von A noch lebende Menschen in ihren Interessen schützt. Diese Interessen können unterschiedlicher Art sein. Sie können etwa darin bestehen, im Falle des eigenen Todes auf eine gleiche Behandlung hoffen zu dürfen. Auch ökonomische oder emotionale Gründe können hier eine Rolle spielen. Wichtig ist allein, dass es dann stets um den Weg (3) geht: Es handelt sich um eine kollektivistische, nicht aber um eine individualistische Begründung derartiger Rechte.42 Wenn man von postmortalen Rechten spricht, so handelt es sich also um Rechte, die schützenswerte Interessen noch lebender Individuen beachten.
40 Gleiches gilt für andere Rechtspositionen wie Eigentum und Besitz: Wenn man hier vom Schutz des Eigentums oder des Besitzes spricht, meint man den Schutz eines Menschen. Dieser wird in seinem Eigentum und in seinem Besitz geschützt. 41 Dies kommt auch in einem Satz bei Schack, JZ 44 (1989), S. 609 (614), zum Ausdruck: „Wenn wir auf die vor uns Verstorbenen gewisse Rücksicht nehmen, ihr postmortales Persönlichkeitsrecht anerkennen, so tun wir das letztlich in unserem eigenen Interesse.“ [Hervorhebung von mir]. 42 Vgl. zu Urheberpersönlichkeitsrechten van den Bergh, Intell. Prop. Q. 1998, S. 17 (31): „If the right of integrity were simply intended as protection against subjective non-pecuniary harm, then there would be a good argument for having the right expire upon the death of the artist.“
C. Zusammenfassung
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C. Zusammenfassung In diesem Kapitel sind die theoretischen und begrifflichen Grundlagen geklärt worden, die den methodologischen Begründungsrahmen festlegen, innerhalb dessen sich die Untersuchung der nachfolgenden Begründungsmodelle des Urheberrechts abspielt. Behandelt wurden dabei folgende fünf Punkte: der Begriff der moralischen Rechtfertigung, das Urheberrecht als Gegenstand dieser Rechtfertigung und die Möglichkeit einer solchen Rechtfertigung; daneben die Letztdifferenz aller Rechtfertigungswege sowie ihre inhaltliche Konsequenz. (1) Die moralische Begründung des Urheberrechts setzt einen Begriff der moralischen Rechtfertigung voraus. Allgemein liegt eine solche vor, wenn das Urheberrecht mit einem Bewertungsmaßstab übereinstimmt, der es als wünschenswert auszeichnet. Es ist gezeigt worden, dass dieser Bewertungsmaßstab ein deontischer Begriff – eine Norm, kein Wert – sein muss. Nur in diesem Fall ist ein normatives Urteil möglich, das das Urheberrecht nicht zur Abwägung stellt, sondern bereits als Ergebnis einer Wertabwägung ausweist. Ferner wurden zwei Aussagenaspekte einer derartigen Rechtfertigung unterschieden, ihre Rechtfertigungsebene und ihr Rechtfertigungsgehalt. Die Rechtfertigungsebene bestimmt darüber, ob sich eine normative Aussage auf die Institution (das „ob“) oder den Inhalt (das „wie“) des Urheberrechts bezieht. Der Rechtfertigungsgehalt betrifft hingegen den deontischen Modus der jeweiligen Aussage. Je nachdem, ob die Institution bzw. der Inhalt des Urheberrechts erlaubt, verboten oder geboten ist, ist zwischen einer moralischen Möglichkeit, Unmöglichkeit und Notwendigkeit der jeweiligen Ebene zu unterscheiden. (2) Der Gegenstand der Rechtfertigung, das Urheberrecht, musste in zweifacher Hinsicht präzisiert werden. Aus moraltheoretischer Sicht kann im eigentlichen Sinne niemals eine Norm oder ein Normsystem gerechtfertigt werden. Einer solchen Bewertung sind nur die zugrunde liegenden menschlichen Handlungen zugänglich. Wenn in dieser Arbeit dennoch vom „Urheberrecht“ als Rechtfertigungsgegenstand gesprochen wird, ist daher die gesetzgeberische Handlung gemeint, deren Sinn jener Normkomplex ist. Methodologisch ist zudem sinnvoll, inhaltlich unter dem „Urheberrecht“ keinen Normkomplex einer nationalstaatlichen Rechtsordnung oder eines Rechtskreises zu verstehen. Dies begrenzte und vorbestimmte die nachfolgende Untersuchung über Gebühr. In dieser Arbeit wird daher unter „Urheberrecht“ allgemein eine exklusive Rechtsbeziehung zwischen Urhebern und ihren geistigen Werken verstanden. Dies drückt aus, dass dieses legale Recht dem Urheber gestattet, andere vom Gebrauch des entsprechenden Werks in zumindest einer Hinsicht auszuschließen. (3) Hinsichtlich der Möglichkeit der Rechtfertigung des Urheberrechts muss aus heuristischen Gründen vorausgesetzt werden, dass Moralnormen wahrheitsfähig, d. h. einer Begründung zugänglich sind. Alles andere ließe es nicht zu, die Frage nach der Rechtfertigung des Urheberrechts sinnvoll zu stellen. Weniger wichtig ist
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§ 2 Die moralische Begründung des Urheberrechts
hingegen, ob die Begründung von Moralnormen objektiv oder nur intersubjektiv erfolgen kann. Theoretische Gegensätze zeitgenössischer Theorien laufen praktisch auf einen intersubjektiven Maßstab hinaus. Von größerer Relevanz ist, wie die Wahrheit einer Moralnorm erkannt werden kann. Sie basiert auf der internen und externen Richtigkeit der Argumente, mit denen sie begründet werden soll. Während die interne Richtigkeit – die logische Folgerichtigkeit – ohne weiteres überprüft werden kann, ist die externe Richtigkeit der Prämissen nur einer intersubjektiven Kontrolle zugänglich. Schwerpunkt dieser Arbeit ist daher die interne Richtigkeit der diskutierten Argumente. (4) Daneben ist die grundlegende Differenz gezeigt worden, auf die sich alle Begründungsmodelle des Urheberrechts zuletzt zurückführen lassen. Diese besteht nicht, wie allenthalben angenommen, in dem traditionellen Gegensatz von Deontologie / Teleologie bzw. Nicht-Konsequentialismus / Konsequentialismus. Statt auf einem Denken in Handlungsfolgen basiert sie auf einem Denken in Beziehungen: Die grundlegende Differenz besteht in der jeweiligen moralischen Beziehung (Primärbeziehung), aus der die Rechtfertigungsgründe für die exklusive Rechtsbeziehung Urheber / Werk (Sekundärbeziehung) entnommen werden. Soweit diese Gründe der Beziehung Urheber / Werk entstammen, handelt es sich um individualistische Begründungsmodelle. Hier ist das gesetzliche Recht des Urhebers auch sein moralisches Recht. Hingegen handelt es sich um kollektivistische Begründungsmodelle, wenn die Argumente aus der Beziehung Gesellschaft / Werk resultieren. Das gesetzliche Recht des Urhebers basiert dann auf dem moralischen Recht der Gesellschaft. (5) Die Differenz zwischen individualistischen und kollektivistischen Modellen besitzt auch normative Konsequenzen. Eine individualistische Rechtfertigung des Urheberrechts ist nicht imstande, den postmortalen Fortbestand desselben rational zu begründen. Dies deswegen, weil gezeigt wurde, dass eine solche Behauptung die unbeweisbare Annahme voraussetzt, nach dem Tod hätten Menschen weiterhin mentale Zustände. Der verbreitete Versuch, diese Annahme durch Rekurs auf „nachwirkende Interessen“ des Urhebers zu vermeiden, und dennoch individualistisch zu argumentieren, schlägt fehl. Da kein menschliches Schutzsubjekt übrig bliebe, führte dies im Ergebnis dazu, unbelebte Gegenstände – hier: frühere Willens- und Interessenbekundungen – um ihrer selbst willen zu schützen. Dies ist ebenso wenig plausibel wie die Behauptung, der Schutz baulicher Denkmäler geschehe um ihrer selbst wegen. Die Rechtsordnung schützt Menschen in ihren Interessen. In beiden Fällen sind somit die Interessen lebender Menschen berührt, die als Grund des Schutzes fungieren. Nur eine kollektivistische Rechtfertigung ist daher fähig, den postmortalen Bestand des Urheberrechts zu begründen.
§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts In diesem Kapitel werden Argumente diskutiert, mit denen versucht werden kann, das Urheberrecht moralisch zu rechtfertigen. Nach allem geht es dabei um Argumente, mit denen eine Moralnorm begründet werden kann, nach der eine exklusive Rechtsbeziehung zwischen Urhebern und ihren geistigen Werken gerechtfertigt ist. Dadurch ist bereits ein einschränkendes Merkmal der nachfolgenden Untersuchung angesprochen: Ihr Gegenstand sind nur solche Begründungsmodelle, die das Urheberrecht rechtfertigen, d. h. es als Institution moralisch notwendig oder zumindest moralisch möglich ausweisen. Hingegen werden keine Ansätze diskutiert, die die moralische Unmöglichkeit des Urheberrechts – seine Illegitimität – behaupten. Dies geschieht aus zwei Gründen. Erstens bedarf aus heutiger aufgeklärter Sicht, die vom kantischen Autonomiebegriff geprägt ist, nicht die Freiheit des Individuums, sondern deren Einschränkung einer Legitimation. Indem das Urheberrecht genau dies offenkundig bewirkt – bis auf den Urheber schließt es ja mögliche Nutzer eines Werks aus –, trifft die Begründungslast nicht den, der es in Frage stellt, sondern jene, die es unterstützen.1 Und zweitens besitzt jenes Vorgehen systematische Vorzüge. Indem auf mögliche Gegenargumente nicht isoliert, sondern innerhalb der einzelnen Begründungsmodelle eingegangen wird, wird ihre moralische Bedeutung deutlicher. Es tritt zutage, welche Rechtfertigung sie zu Fall bringen und welche nicht. Die nachfolgenden Begründungsmodelle trifft eine weitere Einschränkung. Es liegt in der Natur der Sache, dass nicht der Anspruch erhoben werden kann, eine vollständige Erfassung aller denkbaren Begründungsmodelle zu bieten. Dies wäre wissenschaftstheoretisch unmöglich und würde zugleich den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Zwangsläufig umfassen die nachfolgend diskutierten Argumente daher nur einen Teil dessen, was in Diskursen über die Moralität des Urheberrechts behauptet werden kann oder wird. Dieses unausweichliche Problem wird in dieser Arbeit jedoch entschärft. Der Weg, auf dem dies geschieht, ist die Bildung von Argumentationstypen. Durch Herausarbeitung der denkbaren Anknüpfungspunkte, die aus analytischer Sicht jeder Rechtfertigung des Urheberrechts zugrunde liegen, ist es möglich, die hier ausgewählten Argumente als jeweiliges Beispiel eines 1 Vgl. auch Waldron, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 841 (887). Dagegen spricht nicht, dass die Nichtexistenz des Urheberrechts Urheber in ihren moralischen Rechten verletzen könnte. Das ist ja bereits ein Weg, die tatsächliche Freiheitseinschränkung, die bei Nutzern immer vorliegt, moralisch zu rechtfertigen; er ist daher auf eine Begründung angewiesen. In der Realität mag die Begründungslast umgekehrt sein: Wer bestehende Institutionen in Frage stellt, stößt zumeist auf Gegenwehr.
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
grundlegenden Typus darzustellen. So geben die diskutierten Argumente gleich bleibende Wesenszüge verschiedener Typen wieder, die gleichwohl im Detail anders ausgefüllt werden können. Doch bleiben zumindest die grundlegenden Thesen und Probleme, die den jeweiligen Typus betreffen, identisch. Dadurch ist gewährleistet, dass auch die Beurteilung von Argumenten, die in dieser Arbeit nicht enthalten sind, von der vorgenommenen Typenbildung profitiert. Die Wahl der Argumente, mit denen nachfolgend die einzelnen Rechtfertigungstypen veranschaulicht werden, hätte daher auch anders ausfallen können. Dennoch ist sie nicht willkürlich; sie richtet sich danach, welche Argumente richtungsbildend, besonders wirkungsmächtig oder aus meiner Sicht zumindest viel versprechend sind. Die Ausrichtung auf Argumentationstypen und die Erkenntnis, die als Beispiel benutzten Argumente könnten auch andere sein, spiegelt sich im Aufbau der Arbeit wider. Zum einen wird die oft anzutreffende Praxis, Rechtfertigungsversuche mit dem Gedankengut bestimmter Philosophen zu identifizieren, und als lockeanisch, hegelianisch, kantisch etc. zu etikettieren, verworfen. Dies geschieht nicht nur deswegen, weil eine solche Gleichsetzung nicht erkennen lässt, dass sie in aller Regel nur auf einzelnen Ideen, nicht aber auf der Theorie des angeführten Philosophen beruht. Innerhalb einer Untersuchung, die die Gründe untersucht, mit denen das Urheberrecht moralisch gerechtfertigt werden kann, interessiert nicht, auf wessen Ideen sie zurückgehen. Interessant ist allein der Typus, der durch sie verwirklicht wird – der inhaltliche Grundgedanke also, auf den sich das jeweilige Argument letztendlich stützt. Zum anderen wird, um die Vergleichbarkeit der Argumentationstypen zu vereinfachen, eine einheitliche Darstellung gewählt. Nach Beschreibung des jeweiligen Typus wird in einem ersten Schritt stets das konkrete Argument entwickelt, das ihn beispielhaft repräsentiert. Je nach Komplexität des Gedankengangs sind hier bisweilen umfangreiche Erörterungen notwendig. In einem zweiten Schritt wird dann dieses Argument angewendet, d. h. es werden seine Folgen für eine institutionelle und inhaltliche Rechtfertigung des Urheberrechts herausgearbeitet. Bei letzterer wird stets versucht, Aussagen hinsichtlich des Tatbestands und der Rechtsfolgen des Urheberrechts abzuleiten. Das qualitative und quantitative Ausmaß, in dem dies möglich ist, schwankt freilich beträchtlich. Diese Vorüberlegungen sollen reichen. Der Aufbau dieses Kapitels ist nun wie folgt: In einem ersten Teil (A.) werde ich insgesamt sechs Argumente diskutieren, die Beispiele für jene Rechtfertigungstypen sind, die ich als individualistisch bezeichne. Anschließend werde ich mich in einem zweiten Teil (B.) mit drei Argumenten beschäftigen, die beispielhaft die kollektivistischen Rechtfertigungstypen veranschaulichen. Schließlich werde ich im dritten und letzten Teil – sozusagen als Summe der vorherigen Erkenntnisse – eine moralische Lesart des Urheberrechts skizzieren, die aus meiner Sicht eine plausible Alternative zu den Argumenten darstellt, die üblicherweise zur Rechtfertigung des Urheberrechts angeführt werden (C.). Da sie versucht, den Gegensatz von individualistischen und kollektivistischen Rechtfertigungen zu überbrücken, bietet es sich an, sie als universalistisch-transzendentale Begründung zu begreifen.
A. Individualistische Rechtfertigungsmodelle
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A. Individualistische Rechtfertigungsmodelle Individualistische Rechtfertigungsmodelle behaupten eine spezifische Beziehung zwischen Urheber und Werk, aufgrund derer sich das Urheberrecht als moralisch legitimiert erweise. Auf diese Weise wird das Urheberrecht aus einem kontingenten Zusammenhang herausgelöst, der es gesellschaftlichen Bedingungen unterwirft. Stattdessen wird es auf eine je unterschiedliche Weise fest an den vermeintlichen Ursprung des Werks selbst, an den Urheber gebunden. Das Programm dieser Vorstellung, wenngleich noch ganz im klassischen Naturrechtsdenken des 19. Jahrhunderts verankert, kommt bereits in der Auffassung Bluntschlis zum Ausdruck, zwischen Autor und Werk bestehe ein natürlicher Zusammenhang „wie zwischen Schöpfer und Geschöpf, und jener hat ein natürliches Recht, dasz dieses Verhältnisz geachtet werde.“2 Es sind verschiedene Wege denkbar, diesen Zusammenhang zu begründen. Sie unterscheiden sich in erster Linie darin, welcher Aspekt zwischen Urheber und Werk als moralisch maßgeblich erachtet wird. Doch lassen sie sich alle auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt zurückführen: Sie stellen jeweils Versuche dar, eine abstrakte Freiheits- und Gerechtigkeitsrhetorik zugunsten des Urhebers inhaltlich zu konkretisieren.3 Der je gewählte Anknüpfungspunkt, der dies erreichen soll, kann drei Formen annehmen. Erstens kann er sich auf eine Handlung des Urhebers, auf den dem Werk zugrunde liegenden Schöpfungsakt beziehen. Es ist dann diese Handlung, die einen Legitimationstitel begründet. Zweitens ist denkbar, dass nicht an eine Handlung, sondern die Person des Urhebers angeknüpft wird. Die Schöpferpersönlichkeit ist es dann, die den Grund einer moralischen Beziehung zum Werk in sich trägt. Drittens ist schließlich möglich, den relevanten Anknüpfungspunkt im Produkt des Urhebers, im geistigen Werk zu sehen. Dieses besitzt dann die Merkmale, die die Moralität des Urheber / Werk-Verhältnisses prägen. Individualistische Rechfertigungen des Urheberrechts divergieren also darin, ob sie die moralische Beziehung Urheber / Werk durch Merkmale der Handlung, der Person oder des Werks des Urhebers begründen. Diese Unterscheidung darf indes nicht missverstanden werden. Sie bedeutet nicht, dass Handlung, Person oder Werk des Urhebers jeweils schon die normativen Gründe enthielten, um das Urheberrecht zu rechtfertigen. Vielmehr enthalten sie Gründe, die gerade zeigen sollen, dass ohne das Urheberrecht eine anerkannte normative Prämisse – Freiheit, Gerechtigkeit – verletzt würde. Durch Annahmen, Thesen und Konstrukte, die ihren Anfang in der Handlung, der Person oder dem Werk des Urhebers finden, wird versucht, dies zu bewerkstelligen. Aufgrund der denkbaren Anknüpfungspunkte – Handlung, Person, Werk – unterscheide ich drei Typen einer individualistischen Rechtfertigung des Urheberrechts, Bluntschli, Deutsches Privatrecht, S. 115 [Hervorhebungen im Original]. Insofern nimmt jede individualistische Rechtfertigung – deswegen ist sie individualistisch – Bezug auf die Person des Urhebers. Sie ist deswegen aber noch längst keine Persönlichkeits-basierte Rechtfertigung im nachfolgenden Sinne. 2 3
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
eine Arbeits-basierte, eine Persönlichkeits-basierte und eine Werk-basierte. Bei einer Arbeits-basierten Rechtfertigung (I.) steht der Schöpfungsakt des Urhebers im Mittelpunkt der Begründung. Es wird behauptet, dass jene Handlung ein Anrecht auf das Produkt derselben vermittle. Diese These kann auf zwei verschiedene Weisen plausibel gemacht werden. Einerseits ist möglich, dass durch den Schöpfungsakt etwas in das Werk transferiert wird, das unzweifelhaft dem Urheber zusteht. Dadurch erstreckt sich das vorbestehende Recht nun auch auf das Werk. Da der Schöpfungsakt so nicht Ursprung des Rechts ist, sondern dieses nur formal weiterleitet, kann man diesen Weg als formalistischen Typus kennzeichnen. Andererseits ist denkbar, dass der Schöpfungsakt selbst eine inhaltliche Qualität besitzt, die eine Pflicht begründet, denselben durch Verleihung des Urheberrechts anzuerkennen. Der Urheber verdiente es dann originär, ein Urheberrecht an seinem Werk zu erlangen. Darin spiegelt sich der verdiensttheoretische Typus wider. Persönlichkeits-basierte Rechtfertigungen (II.) stellen hingegen die Person oder Persönlichkeit des Urhebers in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Die Beziehung zwischen Urheber und Werk wird als ein personales Abhängigkeitsverhältnis gedeutet, das es zu schützen gelte. Die Konstruktion einer Abhängigkeit des Urhebers zum Werk wird auf zwei Wegen bewerkstelligt. Entweder wird behauptet, dass das Urheberrecht – dies ist der entwicklungstheoretische Typus – für die Entwicklung des Urhebers zur freien Person notwendig sei. Oder aber es wird angenommen, dass er sich mit seinem Werk identifiziere – dies ist der identifikationstheoretische Typus. Eine Werk-basierte Rechtfertigung (III.) stützt sich schließlich auf die besondere Seinsweise geistiger Werke – ihre Immaterialität. Sie nimmt an, dass aufgrund dieses Merkmals geistige Objekte auch nach ihrer Erschaffung von ihrem Urheber abhingen. Dass das Werk vom Urheber abhängig sei, lässt sich auf zwei Wegen begründen. Auf der einen Seite ist möglich, von einer kommunikativen Abhängigkeit auszugehen: Die inhaltliche bzw. semantische Aneignung eines geistigen Werks sei nur mit dem Autor möglich. Das ist der kommunikationstheoretische Typus. Anders hingegen bei dem exklusivitätstheoretischen Typus: Die besondere ontologische Charakteristik des geistigen Werks führe dazu, dass dessen Aneignung zumindest teilweise nur durch den Autor möglich sei.
I. Arbeits-basierte Rechtfertigung Der wohl populärste Weg, das Urheberrecht individualistisch rechtfertigen zu wollen, besteht darin, einen moralischen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Urhebers, deretwegen er seine Urheberbezeichnung erlangt – die Werkschaffung –, und dem Produkt dieser Tätigkeit – das Werk – zu behaupten. Indem die Existenz eines geistigen Werks allein auf die schöpferische Arbeit seines Urhebers zurückgeführt wird, wird zugleich die Forderung nach rechtlicher Anerkennung dieses Tatbestands erhoben. Dies läuft auf eine Vereinigung von Urheberschaft und Urheberrecht in der Person des Urhebers hinaus: In dem Maße, als jemand die
A. Individualistische Rechtfertigungsmodelle
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Existenz eines geistigen Werkes kausal zu verantworten hat, wird ihm auch die normative Herrschaft überantwortet. Der primäre Bezug auf die geistige Arbeit des Urhebers rechtfertigt es, hier von einer Arbeits-basierten Rechtfertigung des Urheberrechts zu sprechen. Argumentativer Hintergrund dieser Rechtfertigung ist die verbreitete moralphilosophische Vorstellung, dass die menschliche Arbeit einen Erwerbstitel auf das Produkt derselben verleihe. Damit ist die sog. Arbeitstheorie des Eigentums beschrieben, die erstmals von John Locke am Ende des 17. Jahrhunderts entwickelt wurde4. Im deutschen Sprachraum hat ihr etwa Schopenhauer Ausdruck verliehen: „Denn Eigenthum [ . . . ] kann [ . . . ] nur dasjenige seyn, welches durch seine Kräfte [des Menschen] bearbeitet ist, durch Entziehung dessen man daher die Kräfte seines Leibes dem in diesem objektivirten Willen entzieht, um sie dem in einem andern Leibe objektivirten Willen dienen zu lassen. [ . . . ] Hieraus folgt, daß sich alles ächte, d. h. moralische Eigenthumsrecht ursprünglich einzig und allein auf Bearbeitung gründet“5. Freilich hatte diese Theorie ursprünglich nur körperliche Gegenstände im Auge; die Begründung eines Eigentums an geistigen Objekten stand noch nicht zur Diskussion. Dies hat sich grundlegend geändert. Mittlerweile gehört eine moralische Lesart des Urheberrechts, die in diesem das Mittel erblickt, dem Urheber zu ermöglichen, die „Früchte seiner Arbeit“ oder den „gerechten Lohn seiner Arbeit“ zu ernten, zum Standardrepertoire urheberrechtlicher Diskurse. In Deutschland hat vor allem Josef Kohler, der vielleicht bedeutendste deutsche Urheberrechtler des späten 19. Jahrhunderts, die Arbeitstheorie zur Begründung des Urheberrechts wie der Immaterialgüterrechte überhaupt aufgegriffen.6 Diese Entwicklung kulminierte in Deutschland in den 1950er Jahren, die für eine Renaissance naturrechtlicher Motive sorgten. In einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus jener Zeit heißt es u. a.: „Die Herrschaft des Urhebers über sein Werk, auf die sich sein Anspruch auf einen gerechten Lohn für eine Verwertung seiner Leistung durch Dritte gründet, wird ihm hiernach nicht erst durch den Gesetzgeber verliehen, sondern folgt aus der Natur der Sache, nämlich aus seinem geistigen Eigentum, das durch die positive Gesetzgebung nur seine Anerkennung und Ausgestaltung findet.“7 Zwar ist in der Folge die naturrechtliche Emphase dieses Urteils aufgegeben worden und einer positivistischen Haltung gewichen – am moralischen Wert der Arbeitsargumentation als Rechtfertigung für das Urheberrecht ist jedoch weithin festgehalten worden.8
Hierzu vor allem Locke, Second Treatise, §§ 25 ff. Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, Erster Band, § 62 [Einschub von mir]. 6 Siehe Kohler, Deutsches Patentrecht, S. 6 ff.; ders., Das Autorrecht, S. 98 ff. 7 BGHZ 17, S. 266 (278) [Hervorhebungen von mir]. Aus dem damaligen Schrifttum vgl. vor allem Hubmann, Das Recht des schöpferischen Geistes, S. 5. 8 Dagegen steht bei Schack, Urheberrecht, Rdnr. 5, 27, 61, 1229, noch ganz ein naturrechtliches Fundament des Urheberrechts im Vordergrund. 4 5
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
Dies ist dadurch begünstigt worden, dass von Anfang an die Plausibilität der Arbeit als Erwerbstatbestand geglaubt wurde. Auch bestanden niemals echte Zweifel an der Übertragbarkeit dieses Topos auf geistige Werke.9 Im Gegenteil ist die Vorstellung verbreitet, dass die moralische Idee der Arbeitstheorie gar in einem stärkeren Maße auf geistige Werke zutrifft. Denn diese bestünden ja – anders als körperliche Gegenstände – ausschließlich aufgrund der Arbeit des Urhebers: „So that in fact a production of mental labour may be regarded as property in a fuller sense than may a product of bodily labour; since that which constitutes its value is exclusively created by the worker.“10 Ist eine derartige Arbeits-basierte Rechtfertigung aber tatsächlich imstande, eine „powerful justification for intellectual property“11 anzubieten? Dies hängt davon ab, inwieweit sich hinter der metaphorischen Wendung von geistigen Werken als den „Früchten der Arbeit des Urhebers“ ein argumentativer Kern verbirgt. Denn hierbei handelt es sich ja zunächst um nichts anderes als eine bloß rhetorische und daher inhaltsarme12 Floskel, die sich auf ihre vorgebliche Selbstevidenz verlässt und an die intuitive Einsicht appelliert. Um zu beurteilen, ob die geistige Arbeit des Urhebers wirklich einen moralischen Anspruch auf die Werkherrschaft mit sich bringt, muss jene Metaphorik in ein rationales Argument überführt werden. Es liegt nahe, hierzu diejenige Theorie genauer zu untersuchen, auf die sich die Vertreter einer Arbeits-basierten Rechtfertigung direkt oder indirekt berufen: die Eigentumstheorie John Lockes. Dementsprechend werde ich im Folgenden zunächst 1.) die Lockesche Eigentumstheorie analysieren. Es wird sich zeigen, dass es möglich ist, dort zwei Argumente zu isolieren, mit deren Hilfe der Arbeitstatbestand auf verschiedene Weise rationalisiert werden kann. Dass meine Darstellung hierüber hinausgeht, ist einerseits der Tatsache geschuldet, dass eine Arbeits-basierte Rechtfertigung vielfach mit der ganzen Eigentumstheorie Lockes gleichgesetzt wird. Andererseits nimmt auch die später noch zu erörternde Schranken-basierte Rechtfertigung ihren Anfang dort. Anschließend 2.) werde ich darlegen, welche Konsequenzen diese Argumente jeweils für herkömmliche Konzeptionen des Urheberrechts mit sich bringen und inwieweit sie überzeugend sind. 9 So aber Kohler, Deutsches Patentrecht, S. 9 f., der zumindest diesen Aspekt als untersuchungswürdig erkennt. Freilich gelangt er im Ergebnis zur Anwendbarkeit: „Allein es [das Immaterialgüterrecht] unterscheidet sich vom Eigenthum nicht dem Grund und Wesen nach. Der Grund ist: die Erarbeitung, das Wesen: die exclusive ökonomische Ausbeute.“ [Einschub von mir]. 10 Spencer, The Principles of Ethics, Vol. II, § 305 [Hervorhebung von mir]. Siehe auch Bowker, in: Putnam (Ed.), The Question of Copyright. A Summary of the Copyright Laws at Present in Force in the Chief Countries of the World, S. 1 (2): „There is nothing which may more properly be called property than the creation of the individual brain. For property means a man’s very own, and there is nothing more his own than the thought, created, made out of no material thing (unless the nerve-food which the brain consumes in the act of thinking be so counted) which uses material things only for its record or manifestation.“ [Hervorhebung im Original]. 11 Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (330). 12 So zutreffend Drahos, A Philosophy of Intellectual Property, S. 48.
A. Individualistische Rechtfertigungsmodelle
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1. Die Eigentumstheorie Lockes Die Eigentumstheorie, die John Locke im fünften Kapitel des zweiten Buches seiner „Two Treatises of Government“ entfaltet, ist eine der meistdiskutiertesten Eigentumskonzeptionen. Sie stellte zur Zeit ihres Erscheinens im Jahre 1690 eine „revolutionär neue Erklärung“13 für die Begründung und Verteilung von Eigentum dar und löste das zuvor herrschende Paradigma, das Eigentum bereits durch Inbesitznahme entstehen ließ (sog. Okkupationstheorie), ab.14 In den Mittelpunkt wurde von Locke stattdessen erstmals die These gestellt, dass die menschliche Arbeit zugleich das Recht an ihrem Produkt begründet (sog. Arbeitstheorie).15 Den Anlass für diesen Paradigmenwechsel bot eine theologische Prämisse, von der Locke ausging. Er nahm einen vorgesellschaftlichen und vorstaatlichen Naturzustand an16, in dem eine gemeinschaftliche Rechtsposition aller Menschen an der ihnen gemeinsam von Gott gegebenen Welt besteht. Die Erde und alles, was auf ihr ist, „is given to men for the support and comfort of their being“17. All ihre Früchte, Tiere18 und auch ihr Land19 seien ursprünglich den Menschen gemeinsam von Gott gegeben. Zu dieser Annahme sah sich Locke als liberaler Staatstheoretiker gezwungen; der These seines Konkurrenten Filmer20, dass Adam und seinem jeweiligen Erben allein die Welt gehöre, und der daraus abgeleiteten Legitimität absolutistischer Monarchien, versuchte er eine egalitär-liberale Staatsform21 entgegenzusetzen.22 Locke musste nun aber erklären, wie diese funktional begründete Ausgangslage – Gemeineigentum – dennoch erlaubt, Privateigentum zu bilden. 13 Brocker, Arbeit und Eigentum, S. 125; in gleichem Sinne ebenfalls Brandt, Eigentumstheorien, S. 71. 14 Hierzu Brocker, Eigentumstheorien, S. 126. Es ist allerdings zu beachten, dass die Okkupationstheorie, anders als ihr Name auszudrücken scheint, eine kontraktualistische Fundierung besaß. Nicht die Okkupation, sondern ein vorgängiger Gesellschaftsvertrag, der diese erst erlaubte, war der rechtfertigende Grund. 15 Vgl. Brandt, Eigentumstheorien, S. 69 f.; Künzli, Mein und Dein, S. 197. 16 Unklar ist dabei, ob es sich um eine tatsächliche Annahme oder bloß ein fiktives Konstrukt von Locke handelt; s. hierzu Holzhey, in: ders. / Kohler (Hrsg.), Eigentum und seine Gründe, S. 19 (21); Macpherson, Besitzindividualismus, S. 236, nennt diesen Naturzustand eine „merkwürdige Mischung von historischer Imagination und logischer Abstraktion aus der bürgerlichen Gesellschaft“. Locke selbst scheint indes von seiner geschichtlichen Wirklichkeit auszugehen, vgl. ders., Second Treatise, § 14. 17 Locke, Second Treatise, § 26. 18 Dies sind die beiden Grundkategorien, die Locke für seine Anfangsbeispiele benutzt; vgl. ders., Second Treatise, § 26. 19 Hierzu Locke, Second Treatise, § 32. 20 Zusammenfassend zu diesem Standpunkt Dunn, Political Thought, S. 58 ff. 21 Siehe etwa Locke, Second Treatise, § 4, wo er konstatiert, dass der Naturzustand ein „state of perfect freedom“ und ein „state also of equality“ sei. 22 Hierzu etwa Brocker, Arbeit und Eigentum, S. 149 ff.; Snyder, Can. J. Phil. 16 (1986), S. 723 (733); zum Einfluss dieser These auf die Lockesche Argumentation vgl. im Einzelnen Tully, Discourse on Property, S. 53 ff.
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
Locke erkannte, dass eine Lösung nicht im einmütigen Konsens aller Menschen gefunden werden konnte – einen solchen hielt er aus faktischen Gründen für unwahrscheinlich. Dadurch aber, dass es unmöglich sei, den erforderlichen Konsens der gesamten Menschheit herzustellen, müssten alle Menschen trotz der von Gott gegebenen Erde und deren reichlichen Rohstoffen verhungern.23 Es musste daher möglich sein, etwas aus dem Gemeingut rechtmäßig zu entfernen, ohne diese Zustimmung zu besitzen. Locke glaubte nun die Lösung in der Bearbeitung der Dinge zu erkennen, in der Aneignung durch Arbeit.24 Jede gesellschaftliche oder gar staatliche Ableitung des Eigentums ablehnend, wird so der Grund desselben a priori in das Individuum selbst verlagert: „man [ . . . ] had still in himself the great foundation of property“25. Lockes Theorie ist damit gewissermaßen ein Prototyp individualistischer Rechtfertigung: Das Privateigentum beruht nicht auf Gesellschafts-, sondern auf Individualakten. Die Lockesche Eigentumskonzeption ist allerdings komplexer als die übliche Fokussierung auf den Arbeitstatbestand suggeriert. In ihr werden Existenz und Erwerb von Privateigentum durch unterschiedliche Argumentationsansätze gerechtfertigt, die sich oftmals ergänzen, gegenseitig stützen und überschneiden.26 Es ist daher sinnvoll, eine Rechtfertigungs- und eine Zuordnungsebene dieser Theorie zu unterscheiden. Nachfolgend werde ich zunächst in a) die erste Ebene untersuchen. Das sind diejenigen Argumente, die dazu dienen, die Existenz des Privateigentums als solches – gleichviel wie der konkrete Erwerbsakt aussieht – zu rechtfertigen. Anschließend werde ich in b) die zweite Ebene darstellen, die sich auf den konkreten Erwerbsakt bezieht. Hier tauchen die Argumente auf, mit denen die menschliche Arbeit als Anknüpfungspunkt des Eigentumserwerbs begründet werden kann. Beide Ebenen behandeln also die Gesichtspunkte des „Warum“ und des „Wie“ des originären Erwerbs von Privateigentum.27 Zuletzt c) werde ich die Aneignungsschranken der Lockeschen Eigentumstheorie darlegen.
a) Rechtfertigungsebene Die Rechtfertigungsebene der Lockeschen Eigentumstheorie wird gern übersehen. Dabei geht sie dem Tatbestand der Arbeit voraus, denn sie betrifft die Frage, ob die Institution des Privateigentums an sich gerechtfertigt ist. Sie wird durch zwei Argumente gebildet, die sich als theologisch-naturrechtliches und anthropologisch-vernunftrechtliches bezeichnen lassen. Vgl. Locke, Second Treatise, § 28. Hierzu etwa Locke, Second Treatise, § 29 a.E. 25 Locke, Second Treatise, § 44. 26 Der folgende Versuch einer analytischen Schematisierung und Freilegung dieser Argumente geschieht daher im vollen Bewusstsein dessen, dass Locke sie nicht durchweg derart systematisch vorgetragen hat. 27 Diese Trennung macht Snyder, Can. J. Phil. 16 (1986), S. 723 (734), deutlich. 23 24
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aa) Theologisch-naturrechtliches Argument Das theologisch-naturrechtliche Argument basiert auf der Annahme, dass Gott die Menschen in einem Naturzustand belassen hat, in dem ein jeder dazu verpflichtet sei, sich selbst und nach Möglichkeit die übrige Menschheit zu erhalten.28 Diese Argumentation knüpft unmittelbar an die theologische Ausgangsprämisse, d. h. die von Gott gegebene, gemeinschaftliche Rechtsposition an und lädt diese teleologisch auf, indem ihr eine göttliche Zweckbestimmung eingepflanzt wird. Das Argument besteht aus drei Stufen: (1) Der Mensch ist das Eigentum seines Schöpfers Gott und dazu bestimmt, so lange zu bestehen, wie dieser daran Gefallen findet.29 Gott gab daher den Menschen das Gebot, sich die Erde zu unterwerfen und sie zum Vorteil ihres Lebens zu gebrauchen.30 Dem entspricht die göttliche Pflicht zur Arbeit.31 Will der Mensch daher nicht das Eigentumsrecht Gottes verletzen oder sich seinem Unterwerfungsauftrag verweigern, muss er sich erhalten. Aus diesen beiden Prämissen folgt die Selbsterhaltungspflicht32 des Menschen. (2) Dieser Selbsterhaltungspflicht kann freilich nur nachgekommen werden, wenn es möglich ist, die Erde und ihre Früchte zu gebrauchen; dies setzt aber notwendigerweise die Möglichkeit der Aneignung voraus.33 (3) Indem Gott den Menschen befahl, die Erde zu unterwerfen, gab er ihnen also gleichzeitig die Vollmacht, sie sich anzueignen.34
bb) Anthropologisch-vernunftrechtliches Argument Das zweite Argument, das zumeist in Verbindung mit dem theologisch-naturrechtlichen Argument verwendet wird35, und dessen Herausarbeiten daher Schwierigkeiten bereitet, rechtfertigt den Eigentumserwerb mit anthropologischen und vernunftrechtlichen Erwägungen. Der Eigentumserwerb wird durch die conditio humana: den Selbsterhaltungstrieb des Menschen, sowie seine Vernunft gerechtfertigt. Man kann das Schicksal des Menschen auf die Formel bringen: „his wants forced him to labour“36. Es geht demnach nicht, wie beim theologisch-naturrechtVgl. Locke, Second Treatise, § 6 a.E. Hierzu Locke, Second Treatise, § 6: „they are his property, whose workmanship they are, made to last during his, not one another’s pleasure“. 30 Siehe Locke, Second Treatise, § 32. 31 Vgl. Locke, Second Treatise, §§ 32, 35. 32 Ausdrücklich so Locke, Second Treatise, § 6: „Everyone as he is bound to preserve himself, [ . . . ] so by the like reason when his own preservation comes not in competition, ought he, as much as he can, to preserve the rest of mankind“. 33 Hierzu Locke, Second Treatise, § 26. 34 Siehe Locke, Second Treatise, § 35: „So that God, by commanding to subdue, gave authority so far to appropriate.“. 35 Siehe z. B. Locke, Second Treatise, §§ 32, 35. 36 Locke, Second Treatise, § 35. 28 29
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lichen Argument, darum, durch die Aneignung einem göttlichen Auftrag zu entsprechen, sondern allein dem eigenen Trieb vernunftgeleitet zu folgen.37 Das Argument basiert auf vier Schritten: (1) Jeder Mensch hat von Natur aus einen Selbsterhaltungstrieb. (2) Diesem Selbsterhaltungstrieb entspricht ein Selbsterhaltungsrecht.38 (3) Um dieses Selbsterhaltungsrecht ausüben zu können, hat Gott den Menschen nicht nur mit den hierzu erforderlichen Sachmitteln in Form der Erde ausgestattet, sondern zugleich die Vernunft verliehen, die Erde zu seinem Vorteil und mithin zur eigenen Erhaltung zu nutzen.39 (4) Doch der vernunftmäßige Gebrauch der Dinge zur eigenen Erhaltung setzt deren Aneignung voraus, denn nur, wenn durch Entstehung von Eigentum andere von der Benutzung ausgeschlossen sind, sie kein Recht an dem Gegenstand haben, ist ein Ge- und Verbrauch legal möglich.40
b) Zuordnungsebene Die Zuordnungsebene der Lockeschen Eigentumstheorie enthält hingegen jene Argumente, die den Kern dessen bilden, was üblicherweise als Arbeitstheorie gekennzeichnet wird. Bei genauerer Betrachtung lassen sich hier zwei Argumente unterscheiden, die ich als derivativ-formales und utilitaristisch-gerechtigkeitstheoretisches kennzeichnen möchte.
aa) Derivativ-formales Argument Das Argument, das ich als derivativ-formales kennzeichnen möchte, ist jenes, das auf den ersten Blick der These, durch Arbeit finde ein Eigentumserwerb statt, ihre stringenteste Überzeugungskraft gibt. Anders als das theologisch-naturrechtliche und das anthropologisch-vernunftrechtliche Argument, die jeweils nur die Notwendigkeit des Privateigentums darlegen, trifft es eine Aussage über die Art und Weise des Erwerbs. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es den Eigentumserwerb vermittels menschlicher Arbeit auf ein vorheriges Eigentumsrecht stützt, so dass man von einem derivativen oder abgeleiteten Erwerb sprechen kann. Es besteht aus drei Schritten41: (1) Zwar ist von Anfang an alles auf der Erde Vorkommende den Menschen gemeinsam gegeben, doch schließt das selbstverständlich den je Einzelnen aus. So stellt Locke fest, dass „every man has property in his own 37 Zum Verhältnis zwischen Selbsterhaltungstrieb und Vernunft Strauss, Naturrecht und Geschichte, S. 237. 38 Vgl. Locke, Second Treatise, § 25; ders., First Treatise, § 86. 39 Vgl. Locke, Second Treatise, § 26. 40 Hierzu Locke, Second Treatise, § 26. 41 Diese Dreiteilung geht unmittelbar aus der Darstellung von Locke, Second Treatise, §§ 27, 44, hervor.
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person“, an der „nobody has any right to but himself“.42 Der Mensch ist der Eigentümer seiner selbst. (2) Hieraus folgt für ihn zwanglos, dass dann selbstverständlich auch die Arbeit seines Körpers und das Werk seiner Hände das Eigen des Menschen seien. Die Arbeit des Menschen ist sein Eigentum. (3) Ist dem so, müssen schließlich all jene Gegenstände, mit denen der Mensch seine ihm gehörende Arbeit vermischt hat, sein Eigentum sein.43 Denn durch die Hinzufügung seiner eigenen Arbeit, durch die Vermischung mit seinem Eigentum, habe der Mensch dem beanspruchten Gegenstand eine Differenz mitgegeben, die ihn nunmehr von den gemeinschaftlichen Dingen unterscheide; er schließe dadurch Ansprüche der übrigen Gemeinschaft aus.44 bb) Utilitaristisch-gerechtigkeitstheoretisches Argument Das utilitaristisch-gerechtigkeitstheoretische Argument beruht hingegen auf der Annahme, dass derjenige, der einen Gegenstand mit seiner Arbeit vermischt, das Eigentum an diesem gerechterweise verdiene, da erst diese Arbeit den Wert des Gegenstandes ausmache. Dieses Argument besteht aus zwei Schritten: (1) Locke nimmt an, dass die Arbeit des Menschen wertschaffend ist. Er entwickelt hierzu skizzenhaft eine Arbeitswertlehre, derzufolge die menschliche Arbeit der Faktor ist „that puts the difference of value on everything“45. So hält er es für eine bescheidene Schätzung, den Anteil der Arbeit am Wert eines bearbeiteten Gegenstandes auf 90 Prozent zu schätzen, da in den meisten Fällen eher von 99 Prozent auszugehen sei.46 Die Rohstoffe der Erde seien daher nur die „almost worthless materials“47, die erst im Wege der Bearbeitung Wert erlangten. (2) In einem zweiten Schritt geht Locke davon aus, dass jenes Merkmal es rechtfertigt, dem Bearbeiter den Gegenstand zukommen zu lassen. Wie kann jenes Wertkriterium dies bewerkstelligen? Die Antwort, die Locke anbietet, besitzt eine utilitaristische sowie eine gerechtigkeitstheoretische Seite. Utilitaristisch ist sie, soweit er betont, dass derjenige, der sich durch Bearbeitung von Land dasselbe aneigne, das Vermögen der Menschheit nicht verkleinere, sondern vergrößere.48 Daher wähnten sich die Einwohner demjenigen gegenüber verpflichtet, der den Getreidevorrat durch Bearbeitung eines brachliegenden Stück Landes vergrößere.49 Die Wertsteigerung rechtLocke, Second Treatise, § 27. Schild, in: Schwartländer / Willoweit (Hrsg.), Das Recht des Menschen auf Eigentum, S. 33 (34), spricht hier von einer Art Verleiblichung des Gegenstands dergestalt, dass sich das Eigentum an der eigenen Person auf den Gegenstand erstrecke. 44 Vgl. Locke, Second Treatise, § 27. 45 Locke, Second Treatise, § 40. 46 Siehe Locke, Second Treatise, § 40. 47 Locke, Second Treatise, § 43 a.E. 48 Locke, Second Treatise, § 37: „To which let me add, that he who appropriates land to himself by his labour, does not lessen but increase the common stock of mankind.“ 49 Vgl. Locke, Second Treatise, § 36. 42 43
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fertigt also den Eigentumserwerb, weil er das gesellschaftliche Wohl vergrößert. Gerechtigkeitstheoretisch argumentiert Locke dann, wenn er darauf hinweist, dass sich niemand beklagen oder einmischen dürfe, wenn sich jemand durch Arbeit Dinge aus dem Naturzustand aneigne. Denn ansonsten trachte man nach „the benefit of another’s pains, which he had no right to“50. Die Wertsteigerung wird als individueller Schmerzensakt gedeutet, der aus sich heraus verdienstvoll ist.
c) Schranken des Eigentumserwerbs Der Erwerb durch Arbeit scheint keine normativen, sondern allein faktische Aneignungsgrenzen zu kennen. Auf letztere hat auch Locke aufmerksam gemacht: das Maß des Eigentums finde bereits durch den Arbeitsumfang des Menschen („extent of men’s labour“) und seiner Bedürfnisse („conveniency of life“) eine natürliche Grenze.51 Freilich erkennt auch Locke, dass diese natürlichen Beschränkungen nur dann noch bestünden, wenn nicht die Erfindung des Geldes die Akkumulation von Eigentum ermöglicht hätte.52 Entscheidend ist daher, ob der Lockeschen Eigentumskonzeption auch normative Schranken inhärent sind. Zwar bleibt der Erwerbstatbestand der Arbeit diesbezüglich stumm – Locke erwähnt aber dennoch zwei Aneignungsschranken, die sog. Spoilation-Proviso und die sog. SufficiencyProviso.53 Sie sind nicht willkürliche Postulate Lockes, sondern Konsequenzen der Rechtfertigungsebene. Insofern sind jene Erwerbsschranken nur das negative Spiegelbild der vorgängigen Legitimierung des Privateigentums an sich.54 Das derivativ-formale und das utilitaristisch-gerechtigkeitstheoretische Argument treten hier hinter das theologisch-naturrechtliche und das anthropologisch-vernunftrechtliche Argument zurück. Abermals wird deutlich, dass nicht das vorrangige Eigentum, sondern nur dessen nachrangiger Erwerb dem Vollzug der Arbeit folgt.55
Locke, Second Treatise, § 34. Locke, Second Treatise, § 36 a.A. 52 Siehe Locke, Second Treatise, § 36 a.E. 53 Bisweilen wird erörtert, ob es daneben eine dritte Schranke gebe, die bewirke, dass nur durch persönliche Arbeit ein Gegenstand erworben werden könne. Dies wird mit Recht überwiegend verneint, siehe etwa Brandt, Eigentumstheorien, S. 85; Euchner, Naturrecht und Politik, S. 84 f.; Holzhey, in: ders. / Kohler (Hrsg.), Eigentum und seine Gründe, S. 19 (25); Künzli, Mein und Dein, S. 201; Macpherson, Besitzindividualismus, S. 248 f.; Schild, in: Schwartländer / Willoweit (Hrsg.), Das Recht des Menschen auf Eigentum, S. 33 (37). 54 Dieses Ergebnis einer interpretatorischen Rekonstruktion lässt sich auch explizit an einer Aussage Lockes festmachen: „The same law of nature, that does by this means give us property, does also bound that property too.“ (ders., Second Treatise, § 31); vgl. auch Kersting, ARSP 67 (1981), S. 157 (166). 55 Siehe auch Brandt, Eigentumstheorien, S. 83. 50 51
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aa) Spoilation-Proviso Die wohl wichtigste Schranke, die der Erwerbstatbestand der Eigentumskonzeption Lockes kennt, ist die sog. Spoilation-Proviso. Genauso, wie das theologischnaturrechtliche Argument dem Eigentumserwerb durch Arbeit Legitimität verschafft, begrenzt es zugleich dessen Reichweite.56 Denn die Erde und ihre Früchte haben hiernach eine Zweckbestimmung: Sie sind dem Menschen zur Erfüllung seiner Selbsterhaltungspflicht, zum Genuss („enjoy“) und zum Vorteil seines Lebens („any advantage of life“) gegeben. Nicht aber sind sie von Gott geschaffen worden „for man to spoil or destroy“57. Sofern dies nicht beachtet wird, überschreitet der Mensch daher seinen Anteil am Gemeingut: der mit seiner Arbeit vermischte Gegenstand ist dann „more than his share, and belongs to others“58. Das Verbot des Verschwendens durch Zerstörung oder Verderben führt damit dazu, dass sich der Mensch durch Arbeit nur insoweit Dinge aneignen darf („he may by his labour fix a property in“), als „anyone can make use of to any advantage of life before it spoils“59. Von der Art des angeeigneten Gegenstands hängt dann ab, wie sich eine Verletzung dieser Schranke auswirkt.60 Ist dieser ein solcher, der mangels richtiger Verwendung (due use) ohne weitere Gebrauchsmöglichkeit zugrunde gegangen ist (z. B. Früchte, Tiere), so hat die aneignende Person gegen das Naturgesetz verstoßen und muss bestraft werden (liable to be punished).61 Handelt es sich hingegen um einen solchen Gegenstand, der aufgrund unrichtiger Verwendung nicht selbst nutzlos geworden ist, sondern dessen Erzeugnisse verdorben sind (z. B. Ackerland), so kann dieser Gegenstand von anderen angeeignet werden62 und kehrt damit wieder in das Gemeingut zurück.
bb) Sufficiency-Proviso Die zweite Schranke, die der Eigentumskonzeption innewohnt, wird als Sufficiency-Proviso63 oder einfach nur als Lockes Proviso64 bezeichnet. Sie lässt sich auf die anthropologisch-vernunftrechtliche Begründung der Aneignung durch Ar56 Auf ihre theologische Fundierung weisen daher Holzhey, in: ders. / Kohler (Hrsg.), Eigentum und seine Gründe, S. 19 (24); Schild, in: Schwartländer / Willoweit (Hrsg.), Das Recht des Menschen auf Eigentum, S. 33 (40), hin. 57 Locke, Second Treatise, § 31. 58 Locke, Second Treatise, § 31. 59 Locke, Second Treatise, § 31. 60 Dies verkennt Brocker, Arbeit und Eigentum, S. 205 f., der generell davon ausgeht, ein Verstoß gegen diese Schranke ziehe keine Rechtsfolgen nach sich. 61 Dazu Locke, Second Treatise, § 37 a.E. 62 Vgl. Locke, Second Treatise, § 38 a.A. 63 So bezeichnet etwa von Snyder, Can. J. Phil. 16 (1986), S. 723 (741). 64 Diese Bezeichnung geht auf Nozick, Anarchy, State, and Utopia, S. 174 ff., zurück.
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beit zurückführen. Wenn jeder Mensch aus seinem anthropologischen Selbsterhaltungstrieb zugleich ein hierzu ermächtigendes Recht besitzt, muss sich die Aneignung zwangsläufig auf einen Teil beschränken, der andere Menschen nicht in der Verwirklichung ihres eigenen Selbsterhaltungsrechts behindert.65 Ansonsten führte dies zu einer Schädigung der Mitmenschen und zur Überschreitung des eigenen Rechts. Nach Locke bedeutet dies, dass eine Aneignung solange, wie „there is enough, and as good left in common for others“66, dem Naturzustand entspricht. Das Verhalten des Appropriierenden ist in einem solchen Fall keine Benachteiligung für die Mitmenschen; eher handelt er so, als nehme er überhaupt nichts.67 Zur Wirkungsweise dieser Schranke im Erwerbstatbestand äußert sich Locke indes genauso zaghaft, wie er sie nur sporadisch erwähnt. Da, anders als bei Überschreitung der Spoilation-Proviso, die Verletzung der Sufficiency-Proviso nicht zu einem unumkehrbaren Schaden führt, findet sich konsequenterweise kein Hinweis darauf, dass Folge dieser Überschreitung eine Sanktion sei. Aus seiner Bemerkung68, dass niemand außer dem Bearbeiter ein Recht auf dessen Arbeit habe, solange diese Schranke erfüllt sei, lässt sich aber schließen, dass von Beginn an kein Eigentumserwerb im Falle einer Überschreitung anzunehmen ist. e) Zusammenfassung Die sog. Arbeitstheorie, wie sie von John Locke begründet wurde, trifft Aussagen auf zwei verschiedenen Ebenen, einer Rechtfertigungs- und einer Erwerbsebene. Die Erwerbsebene betrifft die Frage, durch welchen Tatbestand ein Gegenstand rechtmäßig angeeignet werden kann. Diesen Tatbestand erblickt Locke in der Bearbeitung eines Gegenstands; dadurch trete ein originärer Eigentumserwerb an dem je bearbeiteten Gegenstand ein. Es sind nun zwei verschiedene Argumente, mit denen Locke die Arbeit als Aneignungstatbestand plausibel machen will. Zum einen liege dies daran, dass der Mensch durch die Bearbeitung seine Arbeit mit dem jeweiligen Gegenstand vermische. Er nehme so eine Rechtsübertragung vor, indem er dadurch das Eigentum an seiner selbst auf den bearbeiteten Gegenstand erweitere (derivativ-formales Argument). Zum anderen verdiene der Bearbeiter das Eigentum an dem bearbeiteten Gegenstand, da erst die Arbeit diesem Gegenstand seinen Wert verleihe (utilitaristisch-gerechtigkeitstheoretisches Argument). Je nachdem, ob die Wertschaffung aus gesellschaftlichen oder individuellen Gründen als Verdienstgrund fungiert, steht die utilitaristische oder gerechtigkeitstheoretische Seite im Vordergrund. Doch hat der Erwerbstatbestand der Arbeit Grenzen, die aus der Legitimität des Privateigentums als solchem resultieren. Denn für Locke liegt in der Arbeit nicht 65 66 67 68
So auch Macpherson, Besitzindividualismus, S. 227. Locke, Second Treatise, § 27 a.E. [Hervorhebungen von mir]. Locke, Second Treatise, § 33. Vgl. Locke, Second Treatise, § 27.
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die Legitimation des Privateigentums an sich, sondern nur dessen nachrangiger individueller Erwerb.69 Die Institution des Privateigentums ist aus anderen Gründen gerechtfertigt (Rechtfertigungsebene). Erstens deswegen, da es den Menschen befähige, seiner göttlichen Selbsterhaltungspflicht nachzukommen (theologischnaturrechtliches Argument). Diese Pflicht impliziert zugleich, dass eine Aneignung nur dann erlaubt ist, wenn sie dem eigenen Nutzen dient, der angeeignete Gegenstand mithin nicht verdirbt (Spoilation-Proviso). Zweitens sei die Einrichtung des Privateigentums legitim, weil der Mensch nur so sein triebkausales Selbsterhaltungsrecht ausüben könne (anthropologisch-vernunftrechtliches Argument). Dies impliziert zugleich, dass eine Aneignung nur dann rechtmäßig ist, wenn noch genug und gleich gute Gegenstände für andere übrig bleiben. Ansonsten würden andere Individuen an der Verfolgung ihres gleichen Rechts gehindert (SufficiencyProviso).
2. Applikation Es hat sich gezeigt, dass die Eigentumstheorie Lockes zwei unterschiedliche Argumente enthält, die dem Eigentumserwerb durch Arbeit Plausibilität verleihen können. Infolgedessen stehen zwei Möglichkeiten offen, die rhetorische Leerformel, dem Urheber stünden seine Werke als die Früchte seiner Arbeit zu, mit Inhalt zu füllen. Entweder man verwendet den Gedankengang, der sich im derivativ-formalen Argument niedergeschlagen hat70, oder aber man versucht, das utilitaristisch-gerechtigkeitstheoretische Argument für die Begründung des Urheberrechts fruchtbar zu machen71. Im Einklang mit diesen beiden Wegen unterscheide ich zwei Typen einer Arbeits-basierten Rechtfertigung des Urheberrechts, einen formalistischen und einen verdiensttheoretischen. Der formalistische Typus bedient sich des derivativ-formalen Arguments: er versucht, das Urheberrecht durch eine in der Werkschaffung liegende, formal-logische Erstreckung eines apriorischen Rechts zu rechtfertigen. Dagegen steht beim verdiensttheoretischen Typus das utilitaristisch-gerechtigkeitstheoretische Argument im Vordergrund. Die Werkschaffung ist nicht länger bloße Durchgangsstation einer vorbestehenden Rechtsposition; vielmehr besitzt sie eigene moralische Qualitäten, die das Urheberrecht als Verdienst des Urhebers rechtfertigen. Beide Ausprägungen einer Arbeits-basierten Rechtfertigung werden im Folgenden behandelt.
69 Dies erkennt man im Übrigen auch daran, dass das derivativ-formale Argument bereits von bestehendem Eigentum des Menschen an seinem Körper ausgeht. Privateigentum wird insofern bereits vorausgesetzt, wenngleich die Bedeutung des „property“ bei Locke nicht immer eindeutig zu bestimmen ist. 70 So etwa Spector, EIPR 8 (1989), S. 270 (270 f.). 71 So vor allem Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (609 ff.); ferner Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (300 ff.).
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Allerdings ist eines zu beachten: Es hat sich gezeigt, dass sich die Lockesche Eigentumstheorie nicht in diesen Argumenten erschöpft. Sie dienen Locke nur dazu, den Erwerb, nicht aber die Existenz des Privateigentums zu legitimieren. Letzteres wird hingegen erst durch theologische und anthropologische Prämissen begründet. Diejenigen, die sich heutzutage auf eine Arbeits-basierte Rechtfertigung des Urheberrechts berufen, und dabei – wie allenthalben üblich – auf die Eigentumstheorie Lockes verweisen, erkennen dies in aller Regel nicht. Es wird vielmehr der Erwerbstatbestand der Arbeit mit der gesamten Lockeschen Eigentumstheorie gleichgesetzt. 72 Dies führt zu zwei Konsequenzen. Erstens wird den Argumenten, die eigentlich nur den Erwerbstatbestand der Arbeit betreffen, auch eine Rechtfertigung des Eigentums an sich eingeschrieben. Anders ausgedrückt: Nicht nur der Erwerb des Urheberrechts, die inhaltliche Rechtfertigung, sondern auch dessen Existenz – die institutionelle Rechtfertigung – soll mit jenen Argumenten dargelegt werden. Zweitens wird versucht, eine Arbeits-basierte Rechtfertigung auf die Autorität der gesamten Lockeschen Theorie zu stützen. Aufgrund der Unterschiede ist eine Gleichsetzung der Arbeits-basierten Rechtfertigung mit der Eigentumstheorie Lockes, soweit nicht jene theologischen und anthropologischen Prämissen geteilt werden, verfehlt. a) Formalistischer Typus Eine moralische Begründung des Urheberrechts im Gewand des formalistischen Typus stützt sich auf den Dreischritt des derivativ-formalen Arguments: (1a) Der Mensch ist Eigentümer seiner Person, (1b) daher gehört ihm die Arbeit seines Körpers und das Werk seiner Hände, (1c) ergo muss auch all das, was er mit seiner Arbeit vermischt, sein Eigentum sein.73 Attraktivität erlangt ein solcher Ansatz dadurch, dass der verwendete Gedankengang in einem höheren Maße auf geistige als auf körperliche Objekte übertragbar erscheint. Dies zeigt sich bereits, wenn man die Ausgangsprämisse (1a) in den Blick nimmt. Wenn dort vom Eigentum des Menschen an seiner Person die Rede ist, so lässt dies – trotz des aus (1b) hervorgehenden, von Locke primär intendierten körperlichen Verständnisses – nicht nur Raum für die Erstreckung auf den menschlichen Geist. Es scheint gar, dass dann, wenn man jeder Person ihren Körper moralisch zuweist, erst recht der menschliche Geist einzubeziehen ist. Denn es ist durchaus plausibel, zu behaupten, dass die inneren Gedanken eines Menschen zu diesem in einer noch engeren Beziehung stehen als sein Körper.74 Wird das derivativ-formale Argument in dieser Hinsicht 72 Diese Anwendungsfehler werden auch bei Shiffrin, in: Munzer (Ed.), New Essays in the Legal and Political Theory of Property, S. 138 (139, 143, 148), thematisiert. 73 Vgl. Locke, Second Treatise, § 27. 74 Vgl. nur Bruncken, Musical Q. 1916, S. 477 (479): „If [ . . . ] a man is, by the very nature of justice, entitled to have dominion over the product of either his hand or his brain, we must certainly admit that artists should have copyright.“; so auch Spencer, The Principles of Ethics, Vol. II, § 305: „So that in fact a production of mental labour may be regarded as property in
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reformuliert und konkretisiert, ergibt sich folgender Gedankengang: Dadurch, dass der Mensch Eigentümer seines Geistes ist (2a), ihm folglich die Arbeit seines Geistes gehört (2b), ist er auch Eigentümer dessen, was er mit seiner intellektuellen Arbeit vermischt (2c). Die Übertragung dieser Argumentation auf die geistigen Erzeugnisse, die üblicherweise von der Institution des Urheberrechts geschützt werden, offenbart eine weitere Besonderheit. Die ursprüngliche Verwendung des derivativ-formalen Arguments bei Locke war darauf gerichtet, Eigentum an Gegenständen materieller Art zu begründen, die im Gemeingut aller Menschen standen. Da somit offenkundig eine Aneignung vorbestehender Gegenstände gerechtfertigt werden musste, konnte diese ihre Legitimität von vornherein nicht einem Schöpfungs-, sondern bestenfalls einem Vermischungsmythos verdanken. In der Verbindung der eigenen Arbeit mit dem anzueignenden Objekt wurde die Tätigkeit erblickt, die das Eigentum an der eigenen Person erweiterte. Bei immateriellen Objekten ist die Situation – zumindest theoretisch – eine andere. Es ist denkbar, wenn auch realiter ausgeschlossen75, dass diese nicht durch Vermischung geistiger Arbeit mit gegebenen Objekten, sondern ausschließlich durch jene Tätigkeit produziert worden sind. Dass diese Fälle genauso wie die Vermischung behandelt werden müssen, ergibt sich mittelbar aus (2c): Wenn sogar ein Eigentumsrecht an einem Produkt verliehen wird, das nur teilweise der eigenen Arbeit zu verdanken ist, so muss dies erst recht geschehen, wenn es vollständig auf jener beruht. Diese Besonderheit kann in einer Umformulierung des Vermischungstatbestands (2c) zu einem Schöpfungstatbestand (2c’) geschehen: Der Mensch ist Eigentümer dessen, was ausschließlich das Produkt seiner intellektuellen Arbeit ist. Trotz der Tatsache, dass jeder Urheber immer schon auf geistige Erzeugnisse anderer zurückgreift, ist es sinnvoll, diese beiden Ausprägungen des Arguments zu unterscheiden. Dafür sprechen heuristische Gründe: Nur so kann gezeigt werden, wo ihre strukturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten liegen. Dadurch tritt klarer hervor, an welchen Stellen der Vermischungstatbestand gegenüber dem Schöpfungstatbestand argumentative Vor- bzw. Nachteile besitzt und umgekehrt. Die Plausibilität der beiden Begründungslinien des derivativ-formalen Arguments unterstellend, werde ich zunächst darlegen, welche Konsequenzen sich für die Ausgestaltung des Tatbestands aa) und der Rechtsfolgen des Urheberrechts bb) ergeben. Erst anschließend wird der Aufgabe nachgegangen, die Überzeugungskraft des derivativ-formalen Arguments insgesamt zu bewerten cc).
a fuller sense that may a product of bodily labour; since that which constitutes its value is exclusively created by the worker.“ [Hervorhebung von mir]. 75 Hierzu bereits oben § 1, A. I.
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aa) Tatbestand des Urheberrechts Der hier diskutierte Ansatz verleiht in dem Maße ein moralisches Recht an geistigen Objekten, als diese teilweise (2c) oder vollständig (2c’) auf der intellektuellen Arbeit des Urhebers beruhen. Für die Frage, welche Art von Werken von der Institution des Urheberrechts geschützt werden müssen, kommt es somit entscheidend darauf an, welche geistigen Tätigkeiten man dem Begriff der Arbeit unterstellt. Nur solche geistigen Erzeugnisse, die ihre Existenz zumindest teilweise jenen Tätigkeiten verdanken, sind aus moralischer Sicht urheberrechtlich zu schützen und in den urheberrechtlichen Tatbestand einzubeziehen. Unproblematisch ist zunächst die generelle Beschreibbarkeit mentaler Aktivitäten als Arbeit: jede Tätigkeit bildet stets nur eine Kombination mentaler und physischer Aktivitäten ab, deren Mischungsverhältnis variiert.76 Weniger offensichtlich ist jedoch, ob bestimmte Anforderungen erfüllt werden müssen, um eine überwiegend intellektuelle Aktivität als Arbeit bezeichnen zu dürfen.77 In diesem Zusammenhang werden bisweilen verschiedene qualitative Kriterien diskutiert, die sich im Wesentlichen in Mühewaltung, Zeitaufwand, Unbequemlichkeit, Wertschaffung oder ähnlichem erschöpfen.78 Je nach Art des Kriteriums werden dann solche geistigen Objekte dem urheberrechtlichen Tatbestand entzogen, die auf einer Tätigkeit beruhen, die das gewählte Kriterium nicht erfüllt. Diese Versuche übersehen indes, dass es innerhalb des derivativ-formalen Arguments falsch wäre, den Begriff der Arbeit derart eng zu verstehen. Denn anders als bei dem noch zu diskutierenden verdiensttheoretischen Typus spielt dieser hier eine formale und untergeordnete Rolle. Grund dafür sind die unterschiedlichen Geltungsgründe: während beim utilitaristisch-gerechtigkeitstheoretischen Argument der Begriff der Arbeit qualitative Komponenten79 enthält, deretwegen eine rechtliche Zuordnung des Produkts erst gerechtfertigt erscheint, lässt sich beim derivativ-formalen Argument diese Zuordnung letzten Endes auf die Anfangsprämisse (2a) zurückführen. Ausgehend von der Annahme, dass der Mensch Eigentümer seines Geistes ist, wird gefolgert, dass ebenfalls die Aktivitäten dieses Geistes, namentlich die intellektuelle Arbeit (2b), diesem Menschen zuzuordnen sind.80 Die Erweiterung des Eigentumsrechts am eigenen Geist auf einen geistigen 76 Vgl. Rand, in: dies., Capitalism: The Unknown Ideal, S. 130 (130); Spector, EIPR 8 (1989), S. 270 (271); in diesem Sinne ebenfalls Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (612): „Thus, in a uselessly broad sense, all the products of human labor – even the wild strawberries we find and pick – are intellectual products.“ 77 Die Wichtigkeit dieser Frage ebenfalls hervorhebend Fisher, in: Munzer (Ed.), New Essays in the Legal and Political Theory of Property, S. 168 (185). 78 Siehe etwa die Übersicht bei Fisher, in: Munzer (Ed.), New Essays in the Legal and Political Theory of Property, S. 168 (185); ferner Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (300 ff.). 79 Je nachdem, ob der utilitaristische oder gerechtigkeitstheoretische Bestandteil im Vordergrund steht, handelt es sich um Kriterien, die entweder das gesellschaftliche Wohl oder aber die individuelle Mühewaltung fokussieren; vgl. dazu unten A. I. 2. b).
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Gegenstand vollzieht sich infolgedessen dadurch, dass seine Aktivität mit dem Gegenstand eine Verbindung eingeht, die auf teilweiser Vermischung (2c) oder ausschließlicher Schöpfung (2c’) beruhen kann. Innerhalb des derivativ-formalen Arguments ist der Begriff der Arbeit also nicht qualifizierend, sondern klassifizierend zu verstehen. Er umschreibt eine Tätigkeit, die das apriorische Eigentumsrecht am eigenen Geist erweitert, indem sie sich mit einem geistigen Objekt verbindet. Dies geschieht dadurch, dass dem Gegenstand etwas hinzugefügt wird – die eigene geistige Aktivität –, das diesen nunmehr unterscheidet und als eigenes Objekt kennzeichnet.81 Nicht die Arbeit selbst, sondern die Klasse der Handlungen, der sie angehört: die Aktivitäten des eigenen Geistes, sind die „mark to indicate that others are no longer free to acquire it“82. Für den Tatbestand des Urheberrechts bedeutet dies, dass ein denkbar weiter Begriff der geistigen Arbeit – verstanden als geistige Aktivität – zugrunde gelegt werden kann. Legt man den Vermischungstatbestand (2c) an, so erfasst dieser jede geistige Aktivität, die vorbestehenden Ideen und geistigen Werken etwas hinzufügt, indem sie ihnen durch Veränderung, Ergänzung, Modifizierung etc. einen unterschiedlichen geistigen Inhalt gibt. Fokussiert man hingegen den Schöpfungstatbestand (2c’), so wird jede geistige Aktivität erfasst, die – ohne auf vorbestehende geistige Objekte zurückzugreifen – ein geistiges Werk autonom hervorbringt. Der Tatbestand des Urheberrechts muss demnach, sofern das derivativ-formale Argument zur moralischen Begründung desselben dienen soll, alle geistigen Erzeugnisse erfassen, die teilweise (2c) oder ganz (2c’) auf der intellektuellen Aktivität eines Menschen beruhen. Für geltende Urheberrechtssysteme hat das zwei Konsequenzen: Erstens bedeutet dies, dass nicht nur der Ausdruck von Ideen, sondern auch diese Ideen selbst urheberrechtlich zu schützen sind. Ebenso ist zweitens der Weg für tatbestandliche Unterscheidungen verschlossen, die an qualitative Kriterien – wie etwa eine bestimmte Gestaltungshöhe, Individualität oder ähnliches – anknüpfen. Der Rekurs auf das derivativ-formale Argument verbietet somit jede tatbestandliche Anforderung, die über das Erfordernis eines auf der Aktivität eines menschlichen Individuums beruhenden geistigen Objekts hinausgeht. bb) Rechtsfolgen des Urheberrechts Die rechtliche Ausgestaltung des Urheberrechts und damit Art und Umfang der Rechte, die einem Urheber nach dem formalistischen Typus moralisch zustehen, hängt maßgeblich von der Ursprungsprämisse (2a) ab. Der innere Aufbau des derivativ-formalen Arguments führt nämlich zu der Konsequenz, dass durch Vermischung der eigenen Arbeit mit einem Gegenstand bestenfalls möglich ist, an die80 Vgl. auch Hettinger, Phil. & Pub. Aff. 18 (1989), S. 31 (37): „A person owns her body and hence she owns what it does, namely, its labor.“ [Hervorhebung von mir]. 81 Vgl. Locke, Second Treatise, §§ 27, 28. 82 Ryan, Property and Political Theory, S. 33.
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sem eine Rechtsposition zu erwerben, die mit derjenigen identisch ist, die a priori am eigenen Geist besteht (Mutterrecht). Denn logischerweise können aus einem Mutterrecht nicht umfangreichere Rechte deduziert werden, als dieses selbst beinhaltet. Das bedeutet, dass die mögliche rechtliche Ausdehnung des Urheberrechts (Tochterrecht) davon abhängt, welche Rechtspositionen das Recht am eigenen Geist umfasst. Im Folgenden wird daher zuerst dargelegt, welche Rechtsposition das Mutterrecht, d. h. die Ausgangsprämisse (2a) des derivativ-formalen Arguments beschreibt. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend, werden anschließend die Konsequenzen dargelegt, die hieraus für das Urheberrecht entstehen. (1) Inhalt des ursprünglichen „Eigentums“ Um zu klären, welche inhaltliche Ausgestaltung des Urheberrechts nach der hier diskutierten Theorie moralisch gerechtfertigt sein kann, muss demnach die Rechtsposition geklärt werden, die mit der Grundprämisse des „Eigentums am eigenen Geist“ (2a) umschrieben wird. Da (2a) nur Bestandteil vom übergeordneten „Eigentum an der eigenen Person“ (1a) ist, wird im Folgenden allein dieses behandelt. Dass es sich bei diesem „Eigentum“ nicht um das umfassende Privateigentum handelt, das üblicherweise an körperlichen Gegenständen besteht, zeigt bereits ein Blick auf die kontextuale Einbettung in die Theorie Lockes.83 Hier wird ausdrücklich die Verfügungsmacht an der eigenen Person eingeschränkt, indem verboten wird, sich durch Vertrag oder Zustimmung in die Versklavung oder unter die absolute Gewalt eines anderen Menschen zu begeben.84 In der Begründung dieses Verbots taucht die oben dargelegte Abhängigkeit zwischen Mutter- und Tochterrecht explizit auf: „Nobody can give more power than he has himself; and he that cannot take away his own life, cannot give another power over it.“85 Doch warum umfasst Locke zufolge das Recht jedes Menschen an seiner Person nicht die völlige Aufgabe seiner Freiheit? Diese Beschränkung findet ihren Grund in seinem Konzept der natural liberty: Nach dieser ist der Mensch von Natur aus frei von jeder höheren Gewalt, frei vom Willen und der legislativen Autorität des Menschen; allein das Naturrecht legt ihm Schranken auf.86 Konsequenz ist, dass die natürliche Freiheit des Menschen nur durch Verträge relativ beschränkt – etwa beim Übergang vom Naturzustand in die politische Gesellschaft –, nicht aber absolut genommen werden kann.87 83 Vgl. hierzu Day, Phil. Q. 16 (1966), S. 207 (215 ff.); Olivecrona, ARSP 61 (1975), S. 109 (109 ff.); Schwarzenbach, Social Th. & Pr. 14 (1988), S. 141 (144 ff.). 84 Hierzu Locke, Second Treatise, § 23: „For a man, not having the power of his own life, cannot, by compact, or his own consent, enslave himself to anyone, nor put himself under the absolute, arbitrary power of another, to take away his life, when he pleases.“ 85 Locke, Second Treatise, § 23. 86 Vgl. Locke, Second Treatise, § 22. 87 Die darin liegende Einschränkung des Tochterrechts zeigt zugleich den Widerspruch, der zwischen dem derivativ-formalen Argument und der Intention Lockes besteht, ein uneingeschränktes Privateigentum zu begründen.
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Die Deutung von (1a) als Freiheitsrecht88 ist auch dann plausibel, wenn man sich von der authentischen Interpretation im Kontext der Lockeschen Theorie löst. Dafür spricht bereits ein argumentsinterner Grund.89 Denn das derivativ-formale Argument kann, wie Becker überzeugend dargelegt hat, nur dann widerspruchsfrei funktionieren, wenn man der Anfangsprämisse (1a) ein Recht auf Freiheit zugrunde legt.90 Zur Veranschaulichung seiner Begründung wird hier nochmals der Aufbau des derivativ-formalen Arguments wiedergegeben. Dieses basiert auf einer Anfangsprämisse und zwei aufbauenden Ableitungen: (1a) Jeder ist Eigentümer seiner Person, (1b) daraus folgt, dass jeder Eigentümer der Werke seiner Hände und der Arbeit seines Körpers ist, und dies führt dazu (1c), dass man zugleich Eigentümer der Früchte seiner Arbeit ist. Die Prämissen (1a) und (1c) sind Becker zufolge nicht ohne weiteres miteinander vereinbar. Geht man davon aus, dass die Kinder eines Menschen das Produkt seiner Arbeit sind91, dann sind die Kinder nach obigem Argument – entgegen der Ausgangsprämisse (1a) – nicht Eigentümer ihrer Person und damit ihres Körpers.92 Oder aber man bestreitet, dass die Eltern in einem solchen Fall ein Eigentumsrecht an ihren Kindern besitzen – dann gilt indes (1c) nicht ausnahmslos. Becker sieht die Lösung dieses vermeintlichen Widerspruchs daher darin, den Ursprung des in (1a), (1b) und (1c) statuierten Prinzips in vorgängigen Rechten auf Freiheit und Leben zu verankern. Diese Lesart führt dazu, dass das Recht auf Freiheit nicht durch das abgeleitete Recht auf Eigentum aufgehoben werden kann: denn ersteres „is primary; it is from that that property rights to labor’s products derive.“93 Da ein Eigentumsrecht an den eigenen Kindern gerade die Prämisse unterminieren würde, auf der das derivativ-formale Argument aufbaut, muss es hier – will sich dieses Prinzip nicht selbst aufheben – eine Einschränkung erfahren.
88 Zu dieser Interpretation vgl. auch Palmer, in: Thierer / Crews (Ed.), Copy Fights: the Future of Intellectual Property in the Information Age, S. 43 (55). 89 Daneben ließe sich auch ein argumentsexterner Grund angeben, der aus einem sprachphilosophischen Argument besteht. Ginge man tatsächlich davon aus, dass (1a) von Eigentum spräche, führte dies zu bedeutungslosen Sätzen. Denn ein Satz wie „A gehört A“ oder „A besitzt A“ ist zweifellos sinnlos. Welchen Sinn macht es, wenn der Eigentümer A im Eigentum des Eigentümers A stünde? Die benutzten Verben, die ein Eigentumsverhältnis ausdrücken, sind stets irreflexiv. Sie beziehen sich nicht auf das Subjekt, sondern setzen notwendig ein unterscheidbares Objekt voraus. Hierzu Day, Phil. Q. 16 (1966), S. 207 (216 ff.); Larochelle, in: Buranen / Roy (Ed.), Perspectives on Plagiarism and Intellectual Property in a Postmodern World, S. 121 (125). 90 Hierzu Becker, Property Rights, S. 37. 91 Zu dieser Prämisse Becker, Property Rights, S. 38: „In any event, if anything is clearly a product of (one’s body) labor, a child is.“ 92 Zu diesem Einwand vgl. auch Nozick, Anarchy, State, and Utopia, S. 288 ff. 93 Becker, Property Rights, S. 39 [Hervorhebung im Original].
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(2) Konsequenzen für das abgeleitete Urheberrecht Die vorstehenden Überlegungen sind erhellend für vier Aspekte des Urheberrechts: (a) seine Übertragbarkeit, (b) seine Dauer, (c) die Art der Rechte, die von ihm eingeräumt werden, und (d) seine Erwerbsschranken. (a) Übertragbarkeit des Urheberrechts Eine moralische Theorie des Urheberrechts, die sich das derivativ-formale Argument zu Eigen macht, führt zu einem Urheberrecht, dessen Übertragung auf andere Personen ausgeschlossen ist. Kann das Mutterrecht, d. h. das Freiheitsrecht an der eigenen Person, nicht – wie oben gezeigt – in einem absoluten Sinne übertragen werden, so ist dies auch nicht mit dem Tochterrecht in Gestalt des Urheberrechts möglich. Daher ist nach einer Arbeits-basierten Rechtfertigung, die auf dem formalistischen Typus beruht, die Errichtung einer Institution geboten, die allein eine relative Übertragung, d. h. eine vertragliche Einräumung eines Nutzungsrechts an dem Urheberrecht zulässt. Infolgedessen können Urheberrechtssysteme, die – wie z. B. das angloamerikanische Copyrightsystem – die Unabhängigkeit von authorship und ownership postulieren, nicht mittels des derivativ-formalen Arguments legitimiert werden. Doch auch das kontinental-europäische Urheberrechtsverständnis bedarf hiernach einer Korrektur: Wenn dort, trotz des Festhaltens an einer Unübertragbarkeit des Urheberrechts, ein absolut eingeräumtes Nutzungsrecht als dingliches Recht konzeptualisiert wird94, so wird ebenfalls die Anfangsprämisse (1a) missachtet. Sofern man sich auf das derivativ-formale Argument beruft, lässt sich nicht widerspruchsfrei die Übertragbarkeit des Urheberrechts, also eine nicht-vertragliche Einräumung eines Nutzungsrechts fordern. Es stellt sich die Frage, ob gleiches für die Vererbung des Urheberrechts gilt. Da die Antwort davon abhängt, ob das Urheberrecht nach dem Tode des Urhebers weiter besteht, führt dies zur Dauer des Urheberrechts. (b) Dauer des Urheberrechts Die legitime Dauer des Urheberrechts richtet sich danach, wie sich das Mutterrecht nach dem Tod verhält und welche Beziehung zum Tochterrecht besteht. Da der Mensch mit dem Tod seine natürliche Freiheit verliert, muss zwangsläufig auch das hiervon abgeleitete Recht an der eigenen Person (1a) durch den Tod untergehen. Kann dann aber das Urheberrecht als Tochterrecht jenes untergegangenen Rechts fortbestehen? Legt man den Gedanken des derivativ-formalen Arguments zugrunde, und versteht das Urheberrecht als Ausdehnung des Rechts an der eigenen Person, mithin als Bestandteil eines einheitlichen Rechts, so ist das Ergebnis offensichtlich. Als Erweiterung der eigenen Person muss dieses Recht mit Untergang derselben verschwinden. Kann für eine über den Tod hinausgehende Dauer 94
Siehe Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 358 ff.; Schack, Urheberrecht, Rdnr. 529 ff.
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des Urheberrechts das derivativ-formale Argument keine legitimatorische Grundlage bilden, so schließt dies nicht aus, dass andere moralische Argumente daneben für einen Fortbestand des Urheberrechts eintreten können. Da durch einen postmortalen Bestand des Urheberrechts die Grundprämisse (1a) nicht tangiert, sondern allein überschritten wird, kann das derivativ-formale Argument zwar nicht selbst zur Rechtfertigung einer längeren Schutzdauer dienen, steht dieser aber auch nicht entgegen. Kurz: Eine postmortale Schutzdauer ist zwar nicht moralisch notwendig, aber moralisch möglich. Anders verhält es sich allerdings bei einer kürzeren Schutzdauer, die die Lebensspanne des Urhebers unterschreitet. Da dies letztendlich darauf hinausliefe, das Recht an der eigenen Person (1a) bereits während der Existenz dieser Person zu beschränken, untergräbt dies das derivativ-formale Argument: Moralisch notwendig ist hiernach eine Schutzdauer, die die Lebensdauer des Urhebers erreicht. (c) Art der Rechte Drittens stellt sich die Frage, welche Art von Rechten das Urheberrecht umfasst, wenn man das derivativ-formale Argument als Begründung desselben heranzieht. Diese Feststellung erfordert abermals, die Befugnisse zu betrachten, die vom Mutterrecht gewährt werden. Wie bisher gezeigt, bedeutet das Recht an der eigenen Person (1a) die Freiheit, den eigenen Körper und Geist nach Belieben zu nutzen. Begründet worden ist dies mit der argumentsinternen Notwendigkeit, die Freiheit der Person als Basis dieser Prämisse zugrunde zu legen. Dementsprechend sind dem Urheber diejenigen Rechte an seinem Werk einzuräumen, die mit diesem Freiheitsrecht an Körper und Geist identisch sind. Aufgrund des starken gegenständlichen Bezugs, den dieses Freiheitsrecht besitzt, wird dadurch primär die Einräumung von Verwertungsrechten des Urhebers gewährleistet. Ebenso wie jemand imstande ist, über die Nutzung seines Körpers zu bestimmen, ist er zugleich befugt, über die Nutzung seines Werks zu herrschen. Weniger klar ist hingegen, inwieweit sich Persönlichkeitsrechte des Urhebers mittels des derivativ-formalen Arguments begründen lassen. Wenn überhaupt, so bietet sich an, zu differenzieren, ob es sich um eher objektbezogene oder eher personenbezogene Rechte handelt.95 Personenbezogene Persönlichkeitsrechte, die überwiegend Ansehen, Ehre oder ideelle Interessen des Urhebers schützen, wie etwa die §§ 12, 13, 42 UrhG, dürften keine Parallele in den Rechten finden, die von (1a) erfasst werden. Hingegen scheint ein überwiegend objektbezogenes Recht, wie z. B. § 14 UrhG, der die Entstellung des Werks verbietet, eher von dieser Prämisse miteinbezogen. (d) Schranken des Rechtserwerbs Es liegt zuletzt der Schluss nahe, dass aus der Prämisse der natürlichen Freiheit, die das derivativ-formale Argument notwendigerweise zugrunde legen muss, auch 95
Zu dieser Unterscheidung Schack, Urheberrecht, Rdnr. 315.
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Schranken des Rechtserwerbs erwachsen. Die mögliche Basis hierfür bildet die Erkenntnis, dass das Argument sinnvollerweise nur insoweit Rechte einräumen kann, als diese nicht seine eigene Prämisse – die Freiheit des Individuums – unterminieren und somit zu seiner Selbstaufhebung führen. Problematisch ist vor allem, ob jemand ein Recht an einem geistigen Objekt erwirbt, dass zwar teilweise auf seiner geistigen Arbeit (2c) beruht, jedoch mit geistigen Erzeugnissen vermischt wurde, die ihrerseits aus der intellektuellen Arbeit anderer Individuen resultieren.96 Legt man hier die Argumentation zugrunde, die der argumentsinterne Grund hervorbrachte, scheint, falls man hier einen Rechtserwerb bejahen würde, sich das Ergebnis nicht von der Eltern-Kind Situation zu unterscheiden – die Freiheit des einen Individuums würde die des anderen eliminieren. Um dieses Resultat und den offenkundigen Widerspruch zur Prämisse der natürlichen Freiheit zu vermeiden, wäre man ebenso gezwungen, einen Rechtserwerb auszuschließen. Die Institution des Urheberrechts wäre so auszugestalten, dass kein Urheberrecht akquiriert werden kann, sofern der bearbeitete Gegenstand ein ebenfalls nach dieser Theorie geschütztes Werk ist.97 Ist dies richtig, so wird die Verwendbarkeit des derivativ-formalen Arguments überhaupt in Frage gestellt. Dadurch, dass in der Realität der Schöpfungstatbestand (2c’) ja nicht vorkommt, kann allein auf den Vermischungstatbestand (2c) rekurriert werden. Es bedarf nun aber eines riskanten Ausflugs in die Metaphysik, um an die Möglichkeit einer Vermischung mit präexistierenden Ideen oder sonstigen geistigen Objekten zu glauben, die nicht menschlichen Ursprungs sind. Regelfall ist vielmehr der, dass jemand bestehende geistige Erzeugnisse, die menschlichen Ursprungs sind, mit seiner intellektuellen Arbeit vermischt. Die übliche Konstellation führt damit stets zum obigen Problem: durch eine Rechtszuweisung wird anscheinend in die natürliche Freiheit der Vorurheber eingegriffen, indem ihnen ihre geistigen Erzeugnisse, die ja nur Ausdehnung derselben sind, entzogen werden. Abgesehen davon, dass dies nur im Hinblick auf noch lebende Vorurheber gilt, ist bei dieser Begründung einer möglichen Freiheitseinschränkung bisher vernachlässigt worden, dass bei geistigen Objekten eine ontologische Besonderheit besteht: ihre Nicht-Rivalität98. Anders als körperliche Gegenstände können die Urheber 96 Bisweilen wird gar behauptet, dass eine Arbeits-basierte Rechtfertigung, die auf dem formalistischen Typus basiert, stets einen Selbstwiderspruch provoziere. Immerhin gehe das Urheberrecht mit einem Freiheitsverlust der potentiellen Nutzer einher; so werde stets der Körper eines anderen Menschen in seiner Freiheit tangiert. Diese Ansicht, die besonders Palmer, in: Thierer / Crews (Ed.), Copy Fights: the Future of Intellectual Property in the Information Age, S. 43 (51 f., 77), vertritt, ist unrichtig. Sie übersieht, dass (1a) niemals die Freiheit umfassen kann, die angeeigneten Objekte anderer zu benutzen. Andernfalls liefe dies auf ein Freiheitsrecht eines jeden hinaus, das Freiheitsrecht anderer einzuschränken – das ist ein Selbstwiderspruch. 97 Stellt man nicht allein auf den Begriff der Arbeit, sondern auf den jeweiligen argumentativen Kontext ab, lässt sich damit sehr wohl ein Aneignungsverbot ableiten; dies übersieht Schild, in: Schwartländer / Willoweit (Hrsg.), Das Recht des Menschen auf Eigentum, S. 33 (37).
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vorbestehender Immaterialgüter diese auch nutzen, nachdem ein Zweitbearbeiter sie mit seiner intellektuellen Arbeit vermischt hat. Denn durch die Vermischung intellektueller Arbeit mit vorbestehenden Ideen bzw. Werken entsteht ein neues geistiges Objekt, das diese nicht ersetzt, sondern neben sie tritt. Ebenso wie durch eine unabhängige, d. h. ohne Vermischung mit dem vorbestehenden Objekt vollzogene Doppelschöpfung wird den Erstbearbeitern ihr Recht, ihre Werke zu nutzen, nicht durch die Vergabe eines Rechts an den Zweitbearbeiter genommen. Auf der einen Seite besteht so die Möglichkeit, den Ursprung eines Bearbeiterurheberrechts (§ 3 UrhG) moralisch zu rekonstruieren. Auf der anderen Seite wird jedoch sichtbar, dass eine gleichzeitige Beschränkung dieses Rechts durch ein Bearbeitungsrecht (§ 23 S. 1 UrhG), welches die Ausübung (§ 23 S. 1 UrhG) oder gar die Bearbeitung selbst (§ 23 S. 2 UrhG) von der Zustimmung des Vorurhebers abhängig macht, im Kontext des derivativ-formalen Arguments keine Rechtfertigung erfährt.
cc) Folgerichtigkeit des derivativ-formalen Arguments Aus heuristischen Gründen ist bislang die Folgerichtigkeit des derivativ-formalen Arguments unterstellt worden. Dadurch konnte gezeigt werden, welche moralischen Konsequenzen sich für Tatbestand und Rechtsfolgen eines Urheberrechts ergeben, das mittels dieser Begründungslinie verteidigt wird. Allerdings muss nunmehr geklärt werden, ob jene Unterstellung zutrifft, d. h. ob das derivativ-formale Argument überhaupt imstande ist, eine Begründung für eine derartige Rechtsinstitution zu liefern. Dies hängt davon ab, ob auf der einen Seite seine Ausgangsprämisse wahr ist (externe Richtigkeit), auf der anderen Seite die darauf aufbauenden Folgerungen schlüssig sind (interne Richtigkeit). Zur besseren Verdeutlichung dieser Unterscheidung sei an dieser Stelle der Gedankengang dieses Arguments nochmals wiedergegeben: (2a) Der Mensch ist Eigentümer seines Geistes, so dass (2b) ihm folglich auch die Arbeit seines Geistes gehört. Daraus ergibt sich (2c), dass er auch Eigentümer dessen ist, was er mit seiner intellektuellen Arbeit vermischt oder aber (2c’) ausschließlich durch diese produziert. Greift man die Ausgangsprämisse (2a) an, so wendet man sich bereits gegen die Annahme eines Mutterrechts, welches zur Begründung des Urheberrechts dienen könnte. Stellt man hingegen die hierauf aufbauenden Ableitungen (2b) und (2c) bzw. (2c’) in Frage, so wird zumindest bestritten, dass eine Verbindung zwischen diesem Mutterrecht und dem Urheberrecht hergestellt werden kann. Im Folgenden wird allein die Schlüssigkeit der beiden Ableitungen und damit die interne Richtigkeit in Frage gestellt. Das bedeutet, dass zunächst (1) der Schritt von (2a) zu (2b), anschließend (2) derjenige von (2b) zu (2c) bzw. (2c’) hinterfragt wird. Die externe Richtigkeit, die in der Ausgangsprämisse (2a) ihren Prüfstein 98 Hierzu die eingehenden Erörterungen bei der Effizienz-basierten Rechtfertigung, vgl. unten B. II. 1. a) cc).
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findet, wird hingegen als gegeben vorausgesetzt. Dieses Vorgehen ist aus zwei Gründen sinnvoll, die von unterschiedlicher Überzeugungskraft sind. Erstens scheint dies berechtigt, weil die Anfangsprämisse eines Freiheitsrechts eine gewisse Evidenz für sich in Anspruch nehmen kann. Dieser Aspekt tritt jedoch gegenüber dem zweiten beinahe vollständig in den Hintergrund: In erster Linie stellt ein solches Vorgehen nämlich in Rechnung, dass die interne Richtigkeit nicht nur in einem weitaus höheren Maße der Kontrolle fähig, sondern auch kritikanfälliger ist als die externe Richtigkeit. So wird sich im Folgenden zeigen, dass alle Ableitungen des Arguments mit Defiziten behaftet sind. Zumindest letzterer Grund wird daher dazu führen, dass sich Meinungsverschiedenheiten über die Überzeugungskraft des derivativ-formalen Arguments im urheberrechtlichen Kontext auf seine interne Schlüssigkeit konzentrieren werden. (1) Recht an der Arbeit des eigenen Geistes Die Verwendbarkeit des derivativ-formalen Arguments für die moralische Begründung des Urheberrechts hängt zunächst davon ab, ob sich aus der Prämisse, dass der Mensch Eigentümer seines Geistes ist (2a), folgern lässt, dass dem Menschen deswegen auch ein Recht an der Arbeit seines Geistes (2b) zukommt. Das Problem dieser Ableitung liegt weniger darin, eine rechtliche Verbindung zwischen dem Geist und dessen Arbeit herzustellen, sondern eher in der Art des Rechts, die (2b) voraussetzen muss, um als Grundlage für (2c) bzw. (2c’) dienen zu können. Wenn – wie oben dargelegt – das Eigentumsrecht am eigenen Geist (2a) bedeutet, dass jeder Mensch das ausschließliche Recht besitzt, seinen Geist auf alle erdenklichen Arten zu nutzen, so impliziert dies zugleich, dass die Nutzungshandlung der intellektuellen Arbeit erfasst wird.99 Von einem Eigentumsrecht an dieser Arbeit kann somit allein im Sinne eines Freiheitsrechts gesprochen werden, diese Handlung vornehmen zu dürfen.100 Aus der Berechtigung, den eigenen Geist nutzen zu dürfen, folgt so zugleich das Recht, mit diesem Geist zu arbeiten. Sofern nun aber eine Arbeitshandlung vollzogen wird, wird durch diesen Vollzug ebenfalls das Freiheitsrecht auf diese Handlung eingelöst.101 Zurück bleibt nur mehr eine Kausalbeziehung zwischen Geist und Arbeit, die – zumindest im Kontext dieses Arguments – keine moralische Bedeutung besitzt.102 Man kann somit von einem ex ante 99 Streng genommen handelt es sich hierbei um eine Redundanz, da das als Freiheitsrecht verstandene Recht an der eigenen Person nicht das Recht an der eigenen Arbeit vermittelt, sondern damit identisch ist (vgl. Valcke, Harv. J. L. & Pub. Pol’y 12 [1989], S. 941 [981, 983, 985]). Insofern trifft ebenfalls die Bemerkung von Becker zu, das Recht am eigenen K˛rper k˛nne nicht vom Recht an der Arbeit desselben getrennt werden (ders., Property Rights, S. 40). 100 Siehe Waldron, Phil. Q. 33 (1983), S. 37 (44); im Ergebnis ebenfalls darauf hinauslaufend Kramer, John Locke and the Origins of Private Property, S. 138 ff. 101 Siehe Waldron, Phil. Q. 33 (1983), S. 37 (44). 102 Vgl. Waldron, Phil. Q. 33 (1983), S. 37 (44).
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bestehenden Recht sprechen; es betrifft keine vorgenommenen, sondern allein noch zu vollziehende Handlungen. Nach alledem kann (2b) nur dann Ergebnis von (2a) sein, wenn man das gefolgerte Recht an der eigenen Arbeit als ein Recht zur Arbeit interpretiert. Diese Lesart der rechtlichen Verbundenheit zwischen Geist und Arbeit ist allerdings nicht diejenige, die (2b) voraussetzen muss, um den Gedankengang des derivativ-formalen Arguments aufrechtzuerhalten. Soll dieses zeigen, wie durch Vermischung der intellektuellen Arbeit mit einem Gegenstand (2c) oder Erschaffung desselben (2c’) eine Rechtsübertragung stattfindet, ist zwangsläufig erforderlich, dass an bereits vorgenommenen Arbeitshandlungen ein Recht fortbesteht. Denn wenn sich das Recht an der Arbeit im Vollzug derselben verbraucht, bleibt keine Rechtsposition mehr übrig, die in einen Gegenstand transferiert werden könnte. Da ein ex post bestehendes Recht an der eigenen Arbeit nicht aus (2a) gefolgert werden kann, bleibt – ebenso wie zwischen Geist und Arbeit – zwischen Arbeit und Produkt keine Rechts-, sondern allenfalls eine Kausalbeziehung zurück.103 Dadurch entsteht ein argumentatives Dilemma, das zwischen richtiger Ableitung und Argumentationsabbruch auf der einen sowie falscher Ableitung und Aufrechterhaltung des logischen Scheins auf der anderen Seite oszilliert. (2) Die Vermischungsmetapher Geht man über dieses Dilemma hinweg und nimmt dennoch an, dass jedem Menschen die Arbeit seines Geistes gehört (2b), stellt sich die anschließende Frage, ob deswegen jedem Menschen auch das gehört, was er mit dieser Arbeit vermischt (2c). Die Schlüssigkeit dieser Folgerung hängt von der Richtigkeit dreier Annahmen ab, die (2c) implizit voraussetzt. Erstens wird vorausgesetzt, dass ein Mensch die Arbeit seines Geistes mit einem Gegenstand vermischen kann. Zweitens wird unterstellt, dass diese Vermischung zu einer Erstreckung des Mutterrechts auf diesen Gegenstand führt. Drittens wird behauptet, dass der Umfang dieser Erstreckung den gesamten Gegenstand betrifft. Diese Annahmen gelten nicht nur für den Vermischungstatbestand (2c), sondern ebenso für den Schöpfungstatbestand (2c’). Zwar spricht dieser Tatbestand nicht mehr von der Vermischung der eigenen Arbeit, sondern stellt in den Vordergrund, dass ein Gegenstand ausschließliches Produkt der intellektuellen Arbeit ist. Soll dies jedoch nicht auf eine bloße Kausalitätsbeziehung hinauslaufen, die den Begründungszusammenhang des derivativ-formalen Arguments verließe, muss auch hier an der Idee des Rechtetransfers festgehalten werden. Ein solcher Transfer setzt aber notwendigerweise voraus, dass eine Vermischung stattfindet.104 Das zeigt, dass der argumentsinternen Umformu103 Auf das Urheberrecht übersetzt, bedeutet dies, dass allenfalls von einer Urheberschaft gesprochen, nicht aber ein Urheberrecht angenommen werden kann; zu dieser Unterscheidung schon Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, S. 4. 104 Vgl. Waldron, Phil. Q. 33 (1983), S. 37 (40): „So the idea that labour is literally mixed with an object is clearly crucial. Without it there would be no way of transferring the force of
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lierung a fortiori von (2c) zu (2c’) die Vorstellung eines höheren Grades der Vermischung zugrunde liegt. Infolgedessen hängt die Schlüssigkeit von (2c’) in gleichem Maße von der Richtigkeit der obigen Annahmen ab. (a) Möglichkeit der Vermischung Die erste Annahme, die der Vermischungstatbestand (2c) impliziert, besteht in der Möglichkeit, die eigene Arbeit mit einem Gegenstand zu vermischen. Dieser Annahme stehen zwei ernsthafte Einwände entgegen, die vor allem Waldron herausgearbeitet hat.105 Diese haben ihn nicht nur dazu veranlasst, den gesamten Tatbestand als „fundamentally incoherent“ zu bezeichnen, sondern auch festzustellen, dass die Vermischungsmetapher dem utilitaristisch-gerechtigkeitstheoretischen Argument keine eigenständige Begründung hinzufügen kann.106 Der erste Einwand, den ich als ontologisch klassifizieren möchte107, besteht darin, von vornherein auf die Unvereinbarkeit der beiden Mischungskomponenten hinzuweisen. Denn der Vermischungstatbestand setzt voraus, dass die (intellektuelle) Arbeit eines Menschen mit einem Objekt vermischt wurde. Da nun aber die Arbeit eines Menschen auf Handlungen basiert, bedeutet dies, dass der Tatbestand die Vermischung kategorial unterschiedlicher Dinge: von Handlungen mit einem Objekt, erfordert. Waldron bemerkt jedoch, dass die einzigen Dinge, die sich mit einem Objekt vermischen lassen, selber nur Objekte sein können.108 Wesentlich stärker ist allerdings ein logischer Einwand, der sich selbst dann, wenn man eine Handlung als Entität behandelt, erhebt.109 Dieser basiert auf der Erkenntnis, dass ein Vermischungsvorgang aus logischer Sicht vier Dinge beinhalten muss: 1a) die vermischende Person, 1b) der Gegenstand, der vermischt wird, 1c) der Gegenstand, in den vermischt wird, und 1d) die Vermischungshandlung. Das derivativ-formale Argument umfasst hingegen nur drei Bestandteile: 2a) die vermischende Person, 2b) der Gegenstand, in den vermischt wird und 2c) die Arbeitshandlung. Je nachdem, wie die Arbeitshandlung qualifiziert wird, führt dies dazu, dass entweder die Vermischungshandlung (wenn man die Arbeit als Gegenstand ansieht, der in einen Gegenstand vermischt wird) oder aber der zu vermischende Gegenstand fehlt (wenn man die Arbeit als Vermischungshandlung ansieht).110 Waldron konstatiert the entitlement to labour to the object which has been laboured on.“ [Hervorhebung im Original]. 105 Hierzu insgesamt Waldron, Phil. Q. 33 (1983), S. 37 (37 ff.); dieselben Ausführungen auch bei ders., The Right to Private Property, S. 184 ff. 106 Waldron, Phil. Q. 33 (1983), S. 37 (37, 39). 107 Waldron, Phil. Q. 33 (1983), S. 37 (40, 41), beschreibt das von diesem Einwand geltend gemachte Defizit des Vermischungstatbestands als „some sort of category mistake“. 108 Vgl. Waldron, Phil. Q. 33 (1983), S. 37 (40); siehe auch Day, Phil. Q. 16 (1966), S. 207 (209). 109 Waldron, Phil. Q. 33 (1983), S. 37 (41), nennt dies ein Defizit der „logical form“. 110 Siehe Waldron, Phil. Q. 33 (1983), S. 37 (40, 41).
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daher, dass die Aussage des „mixing one’s labour“ logisch nichts anderes sei, als die Behauptung des „mixing one’s mixing“111 Dieser logische Einwand lässt sich schwerlich erschüttern. Soll das derivativformale Argument funktionieren, d. h. soll ein Recht an einem Gegenstand von einer vorbestehenden Rechtsposition an der eigenen Arbeit abgeleitet werden, kommt man nicht umhin, zu zeigen, wie diese Arbeit in den entsprechenden Gegenstand hineingelangt ist.112 Es hilft daher nicht, das Vermischen der eigenen Arbeit mit einem Gegenstand nicht wörtlich, sondern als objektive Änderung (alteration of form, content, position or functioning) eines Gegenstands113 oder subjektive Einbeziehung desselben in das eigene Leben und dessen Pläne (bringing things within our purposive activities)114 verstehen zu wollen. Dergleichen verlässt den Begründungszusammenhang des derivativ-formalen Arguments und macht stillschweigend andere Prinzipien der Rechtsbegründung erforderlich.115 Erforderlich bleibt damit eine transferierende Tätigkeit, die – sei es als Vermischung, Verbindung oder Anhängung tituliert – die logische Form des dargelegten Vermischungsvorgangs teilt.116 Sie beinhalten alle die Idee, dass eine Person durch eine Tätigkeit einen Gegenstand zu einem anderen Gegenstand in Beziehung setzt.117 Dieses Problem betrifft nicht nur den Vermischungstatbestand (2c), sondern taucht auch dann auf, wenn ein immateriales Objekt ausschließlich auf der Handlung eines Urhebers beruht. Sofern der Schöpfungstatbestand (2c’) nicht allein eine Kausalbeziehung repräsentieren möchte, die – jedenfalls nach dem hier diskutierten derivativ-formalen Argument – keinen Anlass dazu gibt, ein Recht an dem erschaffenen Gegenstand anzunehmen118, muss auch er auf der Annahme eines rechtlichen Transfers basieren. Ihm fehlt es damit ebenso entweder an dem Waldron, Phil. Q. 33 (1983), S. 37 (41). So ebenfalls Waldron, Phil. Q. 33 (1983), S. 37 (41). 113 Vgl. Kramer, John Locke and the Origins of Private Property, S. 144 ff.: „On the other hand, the Lockean words present no insurmountable difficulties when we interpret them as some colorful though misleading ways of describing the transformations rendered in natural bounty by human toil. When human labor mixed or joined itself with the world’s materials, it altered them by employing them for the satisfaction of needs and desires.“ 114 So vor allem Simmons, The Lockean Theory of Rights, S. 273 ff.: „We bring things within our purposive activities (,mixing our labor‘ with them) when we gather them, hunt them, enclose them, and use them in other productive ways. [ . . . ] ,Mixing labor‘ in this way need not, of course, bring about any physical change in the object on which one labors. [ . . . ] The object is changed only in the sense of being brought within my life and plans“ [Hervorhebungen von mir]. 115 In diesem Sinne hat auch Hume, A Treatise of Human Nature, S. 505 f., darauf aufmerksam gemacht, dass man von einem Vermischen der eigenen Arbeit mit einem Gegenstand nur in einem bildlichen Sinne sprechen könne. Tatsächlich trete nur eine Veränderung des Gegenstands ein, die aber nach „preceding principles“ zum Eigentumserwerb führe. 116 Siehe Waldron, Phil. Q. 33 (1983), S. 37 (42). 117 Vgl. Waldron, Phil. Q. 33 (1983), S. 37 (42). 118 Vgl. auch Waldron, Phil. Q. 33 (1983), S. 37 (44). 111 112
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Gegenstand, der durch die ursächliche Arbeitshandlung in den geschaffenen Gegenstand integriert wurde, oder aber an der entsprechenden Integrationshandlung. Man könnte indes daran denken, dem logischen Einwand entgehen zu wollen, indem man das derivativ-formale Argument um die fehlende vierte Komponente, also die zusätzliche Vermischungshandlung, erweiterte. Durch eine solche Modifizierung scheint es, als sei dem logischen Einwand die Angriffsfläche genommen. Die Arbeitshandlung A würde nun durch eine Vermischungshandlung V in einen Gegenstand G durch eine Person P vermischt. Dennoch zeigt sich ein noch grundlegenderes Problem, das den Anfangs erwähnten ontologischen Einwand als beinahe zu nachsichtig offenbart. Hatte dieser behauptet, dass eine Handlung nicht in ein Objekt vermischt werden kann, so stellt sich nunmehr die Frage, ob eine Handlung überhaupt vermischt werden kann. Wie kann eine Handlung durch eine Handlung – egal in welchen Gegenstand – vermischt werden? Es ist bereits darauf aufmerksam gemacht worden, dass eine Handlung mit ihrer Vornahme der Vergangenheit angehört und es daher irreführend ist, wenn man über diese danach in irgendeiner Weise verfügen möchte.119 Dies stellt die Vermischbarkeit einer Handlung überhaupt in Frage: Soll eine Handlung H durch eine Vermischungshandlung V vermischt werden, so muss diese Handlung als Gegenstand gegenwärtig, d. h. im Zeitpunkt ihrer beabsichtigten Vermischung vorhanden sein. Dergleichen lässt sich nur konstruieren, wenn man – und das führt wieder an den Anfangspunkt des Problems und zum logischen Einwand zurück – auf die vierte Komponente verzichtet, indem man A und V gleichsetzt. Abermals wird man so mit der entlarvenden Aussage Waldrons konfrontiert, dass das derivativ-formale Argument nichts anderes besagt, als dass man das eigene Vermischen vermischt. (b) Transfer des Rechts Neben den Problemen, denen der Vermischungs- und Erschaffungstatbestand aufgrund einer nicht begründbaren Vermischungshandlung ausgesetzt sind, stellt sich eine weitere Hürde. Selbst dann, wenn man ihre Begründbarkeit unterstellt, erhebt sich nämlich die Frage, ob dadurch überhaupt – gleichviel in welchem Umfang – eine Übertragung des Rechts an der eigenen intellektuellen Arbeit auf ein geistiges Objekt als dessen Produkt vollzogen wird. Denn die Annahme, dass die eigene Arbeit mit einem Gegenstand vermischt werden kann, sagt noch nichts darüber, ob zugleich das Recht an dieser Arbeit nach der Vermischung weiter fortbesteht. Im Gegenteil: Warum sollte ein Bestandteil (die intellektuelle Arbeit), der einem Menschen moralisch zugeordnet wird, durch Integration in einen fremden Gegenstand diese Zuordnung beibehalten? Oder wie Nozick es am provokativsten 119 Das bedeutet nicht, dass Handlungen nicht vor ihrer Vornahme als Verfügungsgegenstand in Betracht kommen, indem das Recht, diese Handlung in Zukunft vorzunehmen, eingeschränkt wird (vgl. Kramer, John Locke and the Origins of Private Property, S. 138 ff.)
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formuliert hat: Warum ist die Vermischung nicht ein „way of losing what I own rather than a way of gaining what I don’t?“120 Diese Fragen weisen in die richtige Richtung, übersehen aber den entscheidenden Punkt. Ihnen lässt sich nämlich zunächst entgegenhalten, dass nur durch einen Rechtstransfer die Möglichkeit bestünde, die eigene Arbeit (2b) und so auch den eigenen Geist (2a) zu schützen.121 Dass ein Fortbestand des Rechts – im Falle der Richtigkeit der übrigen Prämissen – prima facie anzunehmen ist, erscheint daher eher als das Gegenteil plausibel. Die Argumentation, dass das vorbestehende Recht an der eigenen Arbeit respektiert und deswegen konsequenterweise beibehalten werden muss, wenn die Arbeit in einen Gegenstand vermischt wurde, fällt erst dann zusammen, wenn man nach der Bedingung fragt, die der Möglichkeit dieses Schutzes voraus liegt. Denn die Berechtigung an der eigenen Arbeit kann logischerweise nur weiterhin geschützt werden, wenn diese Arbeit – auch nach ihrer Vermischung – noch existiert. Selbst wenn man – was aus oben dargelegten Gründen höchst unplausibel ist – davon ausgeht, dass eine Handlung überhaupt vermischt werden kann, ist dies aber nicht der Fall. Nach dem Vermischungsvorgang existiert die Arbeit nicht mehr, sie kann demnach auch nicht durch die Einräumung eines solchen Rechts geschützt werden.122 Wie soll ein früher bestehendes Recht an der Arbeit ausgeübt werden? Selbst wenn man ein Recht an dem Gegenstand, der durch die Arbeit entstanden oder in den diese vermischt worden ist, einräumt, kann durch dieses Recht nicht das frühere Recht an der Arbeit genutzt werden.123 Das Argumentieren mit einem Rechtsfortbestand ist daher irreführend: wenn die Tätigkeit, die durch das Recht geschützt werden soll, nicht mehr existiert, muss auch das entsprechende Recht verschwinden. Tatsächlich verbirgt sich dahinter die davon unabhängige Frage, wer das beanspruchte Objekt124 bekommen soll, in das die Arbeit vermischt wurde (2c) oder aber dieser allein ihre Existenz verdankt (2c’). Es geht daher nicht um die Erstreckung eines vorbestehenden, sondern um die Begründung eines neuen Rechts. Zwar mögen gute Gründe dafür sprechen, dies zugunsten des Bearbeiters oder Schöpfers des Gegenstands zu beantworten. Das derivativ-formale Argument ist hierzu aber nicht imstande: Jene Gründe sind keinesfalls – und das ist hier entscheidend! – mittels einer Ableitung aus (2b) zu gewinnen.
Nozick, Anarchy, State, and Utopia, S. 174 f. Zu diesem Argument vgl. Brennan, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 677 (692). 122 So Waldron, Phil. Q. 33 (1983), S. 37 (43). 123 Siehe hierzu das Beispiel von Waldron, Phil. Q. 33 (1983), S. 37 (43). 124 Das erkenntnistheoretische Problem, ob die Grenzen des Objekts bestimmbar sind, mit dem die Arbeit vermischt wurde, soll an dieser Stelle nicht interessieren (dazu vor allem Nozick, Anarchy, State, and Utopia, S. 174 f.). Es bleibt aber zumindest festzuhalten, dass bei geistigen Objekten diese Frage um so schwieriger zu beantworten ist: Wie soll festgestellt werden, mit welchen vorbestehenden Ideen das eigene Werk vermischt wurde und auf welchen geistigen Erzeugnissen es beruht? 120 121
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(c) Erstreckung auf den ganzen Gegenstand Schließlich liegt in der Ableitung von (2b) zu (2c) bzw. (2c’) die Behauptung, dass der Umfang einer – nach allem freilich kaum unterstellbaren – Erstreckung des Rechts den gesamten Gegenstand betrifft, der mit der eigenen Arbeit vermischt oder auf diese Weise erschaffen wurde. An dieser Stelle ist man rasch geneigt, die Rechtfertigung hierfür in einer Wertsteigerung des Gegenstands zu erblicken, die den Wert desselben erhöht oder gar vollständig ausmacht. Selbst wenn man darüber hinweg sieht, dass sich umgehend die weitere Frage stellte, warum dieses Recht dann nicht auf den je hinzugefügten Wert begrenzt bliebe125, ist diese Argumentation jedoch verfehlt. Denn hierdurch wird beinahe unbemerkt ein neues ethisches Prinzip eingeführt, das den Begründungsrahmen des derivativ-formalen Arguments verlässt. Derartige Gründe können nur innerhalb eines Arguments Platz greifen, das – wie das im Anschluss zu diskutierende utilitaristisch-gerechtigkeitstheoretische Argument – Überlegungen der Wohlfahrtsmaximierung oder der gerechten Verteilung von Gütern einbezieht. Derartige Wertungen lässt der formalistische Typus nicht zu. Legt man die Fiktion zugrunde, dass die Annahmen (1) und (2) entgegen obiger Einwände richtig sind, bleibt allein der Rekurs auf den Schutz des vorbestehenden Rechts (2b), um die Folgerung von (2c) bzw. (2c’) plausibel zu machen. Geht man also davon aus, dass in einen Gegenstand ein Bestandteil integriert wurde, an dem ein Recht fortbesteht, kann sich dieses Recht logischerweise auch nur auf eben diesen Bestandteil beziehen. Sofern nicht der Schöpfungstatbestand (2c’) in Rede steht, ist von vornherein nicht möglich, die Erstreckung auf den gesamten Gegenstand aus dem derivativ-formalen Argument zu legitimieren. Hier könnte allenfalls eine partielle, d. h. auf den Bestandteil beschränkte Rechtsposition in Frage kommen, die etwa dem Miteigentum an körperlichen Sachen entspräche.126 Das ganze Werk kann allenfalls dann betroffen sein, wenn auf den Schöpfungstatbestand rekurriert wird. Dies setzt indes voraus, dass ein geistiges Objekt allein auf der intellektuellen Arbeit seines Urhebers beruht. Mag dies theoretisch noch denkbar sein, so ist dies praktisch doch ausgeschlossen. Geistige Werke sind stets gesellschaftliche Produkte127: der Urheber ist eingebettet in einen je schon vorhandenen kulturellen, ideengeschichtlichen und intellektuellen Zusammenhang.128 In Bezug auf (2c) ist diese Behauptung daher nicht aus (2b) begründbar, in Bezug auf (2c’) basiert sie demgegenüber auf einer zusätzlichen Annahme, die zumindest realiter nicht begründbar ist. Siehe Nozick, Anarchy, State, and Utopia, S. 175. Brennan, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 677 (692), meint, dass „joint property cannot be defended easily as an extension of the self, without straining the intrinsic values of integrity and autonomy that justify granting the right in the first place.“ 127 Vgl. Hettinger, Phil. & Pub. Aff. 18 (1989), S. 31 (38). 128 Siehe auch Yen, Ohio St. L. J. 51 (1990), S. 517 (554): „Instead, authors live and work as members of an artistic community and a broader society whose creations, values and experiences form an integral part of the author’s creative vision.“ 125 126
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dd) Zusammenfassung Eine Arbeits-basierte Rechtfertigung des Urheberrechts, die auf dem formalistischen Typus basiert, behauptet, dass das Urheberrecht die moralisch notwendige Folge eines Rechtetransfers auf ein geistiges Objekt darstelle. Hierzu macht sie sich das derivativ-formale Argument der Lockeschen Eigentumstheorie zu Eigen. In der Werkschaffung wird so eine Handlung erblickt, die ein vorbestehendes Recht auf das bearbeitete geistige Objekt erweitert. Die moralischen Folgen, die diese Art der Argumentation auslöst (1), basieren allerdings in letzter Konsequenz auf einem unschlüssigen Gedankengang (2). (1) Führt man das derivativ-formale Argument in einen moralischen Diskurs über Existenz und Umfang des Urheberrechts ein, so muss man – bei konsequenter Anwendung seines Gedankengangs – zu folgenden Aussagen gelangen: (a) In Bezug auf den Tatbestand des Urheberrechts führt diese Legitimationsgrundlage zum Schutz aller geistigen Objekte, die auf der intellektuellen Aktivität eines Menschen beruhen. Dies hat zur Konsequenz, dass die Institutionalisierung seiner moralischen Aussagen in Form eines Urheberrechtssystems keine Kriterien einbeziehen darf, die nach Art (Idee oder Ausdruck einer Idee) oder Qualität (Gestaltungshöhe, Individualität etc.) des geistigen Objekts differenzieren. (b) In Bezug auf die Rechtsfolgen des Urheberrechts ermöglicht dieses Argument vier Aussagen, deren gemeinsame Ursache sich in seiner Ausgangsprämisse befindet: Erstens schließt es die Übertragbarkeit des Urheberrechts aus und lässt nur Raum für eine vertragliche Gestattung der Nutzung desselben. Zweitens gebietet es, dass die Dauer des Urheberrechts mindestens die Lebensspanne des Urhebers erreichen muss. Eine darüber hinausgehende Schutzdauer wird zwar nicht legitimiert, ihre moralische Begründung durch andere Prinzipien aber nicht ausgeschlossen. Drittens müssen den Urhebern nach dem derivativ-formalen Argument Verwertungsrechte an ihrem Werk eingeräumt werden. Persönlichkeitsrechte erfahren durch dieses Argument praktisch keine moralische Unterstützung; ihre Einräumung bedarf anderer Grundlagen. Viertens gibt es keine Erwerbsschranke, die etwa im Falle einer Doppelschöpfung oder einer Bearbeitung des Werks ein Urheberrecht ausschließt. (2) Die vorstehenden Aussagen können allerdings nur dann moralische Geltung besitzen, wenn das derivativ-formale Argument imstande ist, einen richtigen Begründungszusammenhang herzustellen. Die Tauglichkeit des Arguments zur Begründung moralischer Aussagen ist jedoch zu verneinen. Dies liegt daran, dass zumindest seine interne Richtigkeit, d. h. sein innerer Folgerungszusammenhang mit erheblichen Defiziten behaftet ist. (a) Bereits die erste Ableitung, die von dem „Recht am eigenen Geist“ (2a) – das als Freiheitsrecht zu deuten ist – zum „Recht an der Arbeit des Geistes“ (2b) gelangen will, sorgt für ein Dilemma. Diese Ableitung ist nur richtig, wenn man (2b) so interpretiert, dass ein Recht zur Arbeit des Geistes, d. h. die Freiheit be-
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steht, diesen nutzen zu dürfen. Dann ist (2b) freilich nicht nur eine bloße Redundanz, sondern, da dieses Recht durch den Vollzug der Handlung eingelöst wird, zudem nicht imstande, eine Basis für einen späteren Rechtetransfer auf ein geistiges Objekt zu bilden. (b) Ebenso ist die zweite Ableitung, die durch Vermischung der eigenen intellektuellen Arbeit mit einem geistigen Objekt (2c) oder ausschließlicher Schaffung desselben (2c’) ein Recht an diesem entstehen lassen will, nicht begründbar. Das liegt erstens daran, dass es nicht möglich ist, eine Vermischung einer Tätigkeit mit einem Gegenstand zu bewerkstelligen. Nicht nur, dass aus ontologischer Perspektive kategorial unterschiedliche Dinge vermischt werden sollen. Daneben fehlt aus logischer Sicht dem Argument – je nach Einordnung der intellektuellen Arbeit – entweder eine Vermischungshandlung oder aber eine zu vermischende Handlung. Selbst bei Unterstellung einer Vermischung lässt sich zweitens nicht begründen, warum dadurch das Recht an der eigenen Arbeit auf einen Gegenstand transferiert wird. Das zunächst plausible Argument, dass nur auf diese Weise das Recht an der Arbeit des eigenen Geistes geschützt wird, hält genauerer Prüfung nicht stand. Denn es setzt notwendigerweise voraus, dass der Schutzgegenstand, mithin die intellektuelle Arbeit nach der Vermischung noch existiert. Da nun aber jede Handlung bereits mit ihrem Vollzug nicht mehr existiert, liegt diese Bedingung nicht vor. Drittens hat sich gezeigt, dass selbst dann, wenn die vorigen Kritikpunkte sich als falsch erweisen, keine argumentsinterne Begründung ersichtlich ist, die es erlauben würde, dieses Recht auf das gesamte Werk statt auf einen Teilbereich desselben moralisch zu erstrecken. b) Verdiensttheoretischer Typus Der verdiensttheoretische Typus einer Arbeits-basierten Rechtfertigung verleiht der Behauptung, dem Urheber stehe sein Werk als Frucht seiner Arbeit zu, einen anderen legitimatorischen Anstrich. Anders als der formalistische Typus versucht er nicht, in der Werkschaffung bloß einen abgeleiteten Erwerbsgrund des Urheberrechts zu erblicken. Statt die Arbeit des Urhebers als formalen Mittler einer apriorischen Rechtsposition zu begreifen, wird behauptet, die Werkschaffung stelle einen originären Grund dar, dem Urheber sein Werk rechtlich zuzuordnen. Dieser Grund wird auf einen moralischen Verdienst des Urhebers zurückgeführt, der in der Werkschaffung liege – der Urheber verdiene sein Werk gleichsam als Belohnung seiner Arbeit.129 Diese Rechtfertigung greift auf das utilitaristisch-gerechtigkeitstheoretische Argument zurück, das Locke in seiner Eigentumstheorie verwen129 Die metaphorischen Gestalten, in denen dieses Argument seine rhetorische Entfaltung erfährt, reichen von „Man soll nicht ernten, was ein anderer gesät hat“ (vgl. Sterk, Mich. L. Rev. 94 [1996], S. 1197 [1230]) bis gar zu „Jeder Kuh ihr Kalb“ (vgl. Breyer, Harv. L. Rev. 84 [1970], S. 281 [285]). Gegen die rechtfertigungstheoretische Deutung von Immaterialgüterrechten als Belohnungen hat sich vor allem Kohler, Deutsches Patentrecht, S. 6, 13, gewendet.
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det. Je nachdem, welcher Aspekt dieses Arguments rhetorisch in den Vordergrund tritt, lassen sich zwei Begründungsstränge unterscheiden.130 Einerseits kann – dies ist der utilitaristische Aspekt – das Urheberrecht gerechtfertigt werden, indem es zur Erreichung eines gesellschaftlichen Zwecks eingesetzt wird (Anreizthese). Im Mittelpunkt steht dann die Prämisse, die Schaffung von geistigen Werken sei aus gesellschaftlicher Perspektive wünschenswert. Nimmt man zusätzlich an, dass nur durch das Urheberrecht potentiellen Urhebern ein Anreiz gegeben wird, derartige Werke zu schaffen, entsteht eine instrumentale Rechtfertigung. Andererseits kann – dies ist der gerechtigkeitstheoretische Aspekt – das Urheberrecht auch durch nicht-instrumentale bzw. zweckfreie Gründe gerechtfertigt werden. So wird die Kreierung eines Werks allein wegen ihrer in der Vergangenheit liegenden Vornahme belohnt. Der Urheber verdient das Urheberrecht dann nicht, weil er etwas tun soll; er verdient es, weil er etwas getan hat – dies wird durch das Urheberrecht anerkannt (Anerkennungsthese). Die folgenden Erörterungen befassen sich allein mit der Anerkennungsthese. Diese Beschränkung trägt zunächst dem Umstand Rechnung, dass die Anreizthese keine individualistische, sondern eine kollektivistische Rechtfertigung des Urheberrechts darstellt. Sie ist mit der später zu erörternden Effizienz-basierten Rechtfertigung identisch. Doch ist dieser Grund hier nicht der entscheidende; dieser liegt vielmehr darin, dass das Konzept des moralischen Verdienstes ausgesprochen antiinstrumental ist.131 Dieses Merkmal wird bei der späteren Analyse jenes Konzepts noch schärfer hervortreten. Daraus resultiert, dass die Anreizthese allenfalls rhetorisch die Gestalt des verdiensttheoretischen Typus annehmen kann. Dass der Urheber sein Urheberrecht „verdient“, basiert in diesem Fall gerade nicht auf seinem moralischen Verdienst. Soweit versucht wird, der Anreizthese dennoch das Aussehen einer verdiensttheoretischen Rechtfertigung zu geben, geschieht dies aus anderen Gründen. In dem Glauben, eine instrumentale Rechtfertigung sei von vornherein weniger stabil und kritikanfälliger, wird versucht, den Schein einer zweckfreien Rechtfertigung aufrecht zu erhalten.132 Der Versuch, das Urheberrecht mittels der Anerkennungsthese zu rechtfertigen, setzt implizit zwei Prämissen voraus, deren Vorliegen getrennt zu untersuchen ist.133 Erstens setzt dies voraus, dass sich durch qualitative Merkmale der werkZur folgenden Unterscheidung auch Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (303). Zur Inkompatibilität von moralischem Verdienst und utilitaristischer Rechtfertigung vgl. auch Feinberg, in: ders., Doing and Deserving. Essays in the Theory of Responsibility, S. 55 (80 ff.), der lapidar feststellt: „Desert is essentially a nonutilitarian concept“. Zu widersprüchlichen Mischformen dieser beiden Ansätze in der Geschichte des Copyright Law siehe Hadfield, Copyright L. Sym. 38 (1992), S. 1 (5 ff.). 132 Zu beobachten etwa bei Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (303); zur kritischen Analyse dieses Vorgangs Waldron, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 841 (851). 133 Zutreffend weist daher Palmer, in: Thierer / Crews (Ed.), Copy Fights: the Future of Intellectual Property in the Information Age, S. 43 (57), darauf hin, dass „not all labor is rewarded, and not all of the rewards to labor are in the form of property rights.“ 130 131
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schaffenden Handlung eine moralische Pflicht begründen lässt, den Urheber eines Werks in irgendeiner Form anzuerkennen. Dies betrifft die Begründung der Anerkennungspflicht. Zweitens muss vorausgesetzt werden, dass diese Anerkennungspflicht gerade den Inhalt hat, dem jeweiligen Urheber ein exklusives Recht an dem geschaffenen Werk zu gewähren. Dies betrifft den Inhalt der Anerkennungspflicht. Die erste Prämisse beeinflusst den Tatbestand des Urheberrechts: Sie legt fest, welche Anforderungen dieser an die Werkschaffung stellen muss, um zu einer Pflicht zu führen, den Urheber anzuerkennen. Die zweite Prämisse regelt letztlich die Rechtsfolgen des Urheberrechts: Wie muss die exklusive Rechtbeziehung ausgestaltet sein, um dem Verdienst des Urhebers zu entsprechen? Dementsprechend wird nachfolgend zunächst aa) die Begründung, anschließend bb) der Inhalt einer entsprechenden moralischen Anerkennungspflicht diskutiert. Schließlich cc) werden praktische Probleme der Anerkennungsthese aufgezeigt.
aa) Begründung der Anerkennungspflicht Innerhalb einer verdiensttheoretischen Rechtfertigung kann der Begriff der intellektuellen Arbeit nicht länger als bloße Aktivität des menschlichen Geistes verstanden werden. Denn anders als beim derivativ-formalen Argument wird kein vorbestehendes Recht weitergeleitet, sondern originär begründet. Um zu begründen, dass der Urheber diejenigen geistigen Erzeugnisse, die auf seiner geistigen Arbeit beruhen, aus moralischer Sicht verdient, bedarf es daher zusätzlicher, qualitativer Kriterien. Diese müssen den Arbeitsbegriff derart normativ aufladen, dass er die moralische Begründung einer Pflicht in sich trägt, im Falle seines Vorliegens dem Urheber ein Recht an seinem Werk einzuräumen. Dies führt zunächst zu der Frage, welche qualitativen Anforderungen überhaupt imstande sind, die Begründung einer moralischen Anerkennungspflicht zu bewerkstelligen. In der Sache werden hierzu insgesamt vier unterschiedliche Kriterien diskutiert, wenngleich deren Terminologie und Betonung sehr verschieden sind. Es bietet sich an, die in diesem Kontext auftauchenden Kriterien in ein Mühekriterium, ein Unbehaglichkeitskriterium, ein Wertkriterium und ein Qualitätskriterium einzuteilen.134 Diese Unterscheidung ist zwar insofern theoretisch, als praktisch vielfach Kombinationen gebildet werden, die dazu führen, dass nur ein kumulatives Vorliegen bestimmter Kriterien die moralische Anerkennungspflicht auszulösen imstande ist. Da zwischen den einzelnen Kriterien jedoch kein notwendiger Zusammenhang besteht, ist es sinnvoll, sie im Folgenden getrennt zu betrachten. So wird zunächst dargelegt, welche Konsequenzen die einzelnen Kriterien für den Tatbestand des Urheberrechts mit sich bringen (1). Anschließend ist zu untersuchen, ob und welche Kriterien überhaupt in der Lage sind, eine moralische Pflicht auf Anerkennung auszulösen (2). 134 Vgl. die Zusammenstellung bei Fisher, in: Munzer (Ed.), New Essays in the Legal and Political Theory of Property, S. 168 (185), die jedoch nicht die hier verwendeten Bezeichnungen benutzt.
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(1) Konsequenzen qualitativer Kriterien (a) Mühekriterium Erhebt man das Mühekriterium135 zum Maßstab intellektueller Arbeit, so stellt man darauf ab, ob und in welchem Maße die schöpferische Tätigkeit des Urhebers mit Anstrengung und Mühewaltung verbunden war oder auf eigener Leistung beruht. Negativ gewendet bedeutet dies, dass all jene geistigen Erzeugnisse keinen Schutz beanspruchen können, die statt auf aufgewendeter Mühe eher auf Zufall, Glück oder natürlichen Talenten basieren.136 Im Mittelpunkt steht damit ein „The harder one tries“137-Prinzip: Es zählt allein die freiwillige Vornahme von Handlungen, die dem Urheber ein Maß eigener Anstrengung abverlangen. Der Urheber verdient sein Werk demnach, weil und soweit es auf seiner subjektiv verstandenen Anstrengung beruht, die nicht von außerhalb seiner Verantwortung liegenden Faktoren bestimmt wird. Die Anwendung des Mühekriteriums auf den urheberrechtlichen Tatbestand führt daher dazu, dass es moralisch geboten ist, all jene geistigen Erzeugnisse zu schützen, die Resultat autonomer Anstrengung des individuellen Urhebers sind. Tatbestandliche Ausgestaltungen, die nach Art (Idee oder Ausdruck einer Idee) oder Qualität (Gestaltungshöhe, Individualität etc.) des geistigen Objekts differenzieren, sind infolgedessen illegitim. Denn beide Differenzierungen gehen nicht notwendigerweise mit dem hier diskutierten Mühekriterium einher: Sowohl banalste Ideen als auch Ausführungen derselben können auf großer Anstrengung und Mühe des jeweiligen Urhebers beruhen. Schließlich hängt dies von der individuellen Konstitution ab: Was für den einen leicht, mag für den anderen schwierig sein. Kehrseite dieses Kriteriums ist freilich, dass geistige Erzeugnisse, deren hohe künstlerische Qualität nicht auf individueller Mühewaltung, sondern auf einem angeborenen Genius beruht, nicht geschützt werden. Ihr Schutz bleibt freilich durch die Hinzuziehung anderer Kriterien moralisch möglich. (b) Unbehaglichkeitskriterium Nach dem Unbehaglichkeitskriterium138 ist hingegen nur diejenige intellektuelle Arbeit verdienstvoll, die für den Urheber eine unangenehme Aktivität darstellt, 135 Als notwendiges Kriterium angesehen von Hettinger, Phil. & Pub. Aff. 18 (1989), S. 31 (41 f.); Weinreb, Harv. L. Rev. 111 (1998), S. 1150 (1226). 136 So vor allem Hettinger, Phil. & Pub. Aff. 18 (1989), S. 31 (42): „A person who is born with extraordinary natural talents, or who is extremely lucky, deserves nothing on the basis of these characteristics.“ [Hervorhebung im Original]; siehe auch Fisher, Harv. L. Rev. 101 (1988), S. 1659 (1757 f.). 137 Hettinger, Phil. & Pub. Aff. 18 (1989), S. 31 (42, 43). 138 Diskussion dieses Kriteriums als „avoidance theory of labor“ bei Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (302 ff.); im Ergebnis gefordert von Weinreb, Harv. L. Rev. 111 (1998), S. 1150 (1226). Dieses Merkmal stimmt im Übrigen mit dem Lockeschen Verständnis der Arbeit überein, siehe Locke, Second Treatise, § 34: „He [ . . . ] ought not to meddle with what was
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d. h. deren Vollzug ihn Überwindung kostet und daher von ihm vermieden wird. Das bedeutet zwar nicht, dass es sich bei dieser Tätigkeit um diejenige handeln muss, die der jeweilige Urheber als Erstes vermeiden will. Ausreichend ist, dass es sich um eine relativ unangenehme Tätigkeit handelt, der andere Tätigkeiten vorgezogen werden.139 Doch wird zumindest verlangt, dass die Tätigkeit eine solche ist, die dem Urheber kein Vergnügen bereitet hat.140 Der Urheber verdient sein Werk hiernach daher, weil der Vollzug einer unangenehmen Tätigkeit, deren Vornahme eine innere Überwindung kostet, unsere Beachtung vermittels einer Kompensation der aufgeladenen Schmerzen verdient.141 Für den Tatbestand des Urheberrechts bedeutet dies, dass aus moralischer Sicht geboten ist, solche geistigen Erzeugnisse zu schützen, die auf einer für den Urheber unangenehmen Tätigkeit beruhen. Noch weniger als beim zuvor dargestellten Mühekriterium lassen sich somit Qualitätsanforderungen oder eine Idee / Ausdruck-Dichotomie moralisch rechtfertigen. Denn man wird nicht unterstellen wollen, dass die Schaffung von Ideen oder qualitativ anspruchslosen Werken mehr Vergnügen oder weniger Unannehmlichkeit bereitet als die von anderen Werken. Im Gegenteil führt dieses Kriterium zur merkwürdigen Konsequenz, dass ein Großteil der anspruchsvollsten künstlerischen Werke keinen Schutz erlangt. Denn Weinreb hat sicherlich Recht, wenn er feststellt, dass „[a] great many people ,work‘ in the arts for their own pleasure“142. Dass viele der großartigsten Werke ohne dieses Vergnügen nicht das Licht der Welt erblickt hätten, ist wohl zu vermuten. (c) Wertkriterium Verwendet man das Wertkriterium143, so kommt es nicht länger darauf an, ob der Urheber mit seiner intellektuellen Arbeit eigene Mühe investiert oder aber eine für ihn unangenehme Aktivität vollzogen hat. Vielmehr ist allein maßgeblich, ob das Produkt dieser Arbeit, das geistige Erzeugnis, einen Wert besitzt. Um die Trennung zum anschließend darzustellenden Qualitätskriterium aufrecht zu erhalten, kann der Wert dieses Produkts allerdings nicht in einem objektiv verstandenen Sinne, sondern nur intersubjektiv, d. h. in seiner gesellschaftlichen Bedeutung bestehen.144 Dies macht es möglich, dass ein Werk einen hohen Wert besitzen und doch already improved by another’s labour: if he did, ’tis plain he desired the benefit of another’s pains, which he had no right to“ [Hervorhebung von mir]. 139 Vgl. Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (304). 140 Siehe auch Weinreb, Harv. L. Rev. 111 (1998), S. 1150 (1226). 141 Vgl. etwa Waldron, The Right to Private Property, S. 204, der dieses „compensatory element“ hervorhebt. 142 Weinreb, Harv. L. Rev. 111 (1998), S. 1150 (1226); hingegen meint Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (302), dass die Kreierung von Ideen etwas sei, „we generally have to discipline ourselves to do, like forcing oneself to till the fields or work the assembly lines.“ Doch scheint hier das Mühekriterium gemeint zu sein. 143 Thematisiert von Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (623 ff.); Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (305 ff.)
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zugleich minderer Qualität sein kann; umgekehrt gilt, dass trotz hoher Qualität des Werks nur ein geringer oder gar kein Wert denkbar ist. Denn der Urheber verdient hiernach sein Werk nicht, weil es eine bestimmte interne Qualität besitzt, sondern allein deswegen, weil es extern einen Wert für die Gesellschaft begründet. Die Gestalt des urheberrechtlichen Tatbestands hängt somit davon ab, was als sozialer Wert gilt. Nimmt man eine ökonomische Perspektive ein, so hängt der soziale Wert vom jeweiligen Marktwert ab. Demgegenüber ermittelt man den sozialen Wert im Wege einer Nützlichkeitsperspektive, wenn man fragt, inwieweit kulturelle, institutionelle, geschichtliche oder technische Entwicklungen in eine als wünschenswert vorausgesetzte Richtung befördert werden. Gleichviel, welche Perspektive man einnimmt, führt das Wertkriterium zur Konsequenz, dass die Werke eines Urhebers in aller Regel nicht mit ihrer Entstehung Schutz erlangen. Da ihr sozialer Wert sich häufig sehr viel später, mitunter erst nach dem Tod ihres Urhebers zeigt, liegt bis dahin kein oder, wie im letzteren Fall, niemals ein Schutzgrund vor. Dies zeigt, dass das Wertkriterium, wird es zur moralischen Grundlage des urheberrechtlichen Schutzes erhoben, zu einem radikalen Wandel bestehender Urheberrechtsregime führt. Denn innerhalb dieser werden unzählige Werke geschützt, die jedenfalls bislang keinen gesellschaftlichen Wert besitzen.145 Allein schon die theoretische Möglichkeit, in den Genuss des Urheberschutzes zukommen, ohne jemals das geschützte Werk zu veröffentlichen und somit seine gesellschaftliche Verwendbarkeit zu ermöglichen, zeigt dies in aller Klarheit. (d) Qualitätskriterium Legt man dem Begriff der intellektuellen Arbeit das Qualitätskriterium146 zugrunde, so setzt man moralisch voraus, dass das hergestellte geistige Erzeugnis eine ausgezeichnete Qualität besitzt. Das heißt, dass das Werk des Urhebers das gewöhnliche menschliche Können, die „ordinary human achievements“147 überschreitet, indem es sich z. B. als außergewöhnlich „original, or difficult, or brave, or beautiful“148 darstellt. Es kommt also weder darauf an, ob die Aktivität von einem Maß an Anstrengung und Unbehaglichkeit begleitet wurde, noch ob der produzierte Gegenstand einen gesellschaftlichen Wert besitzt. Ausschlaggebend sind allein interne objektive Merkmale wie Originalität, Neuartigkeit, Ästhetik oder 144 Obwohl dieses Kriterium auf den gesellschaftlichen Effekt eines Werks abstellt, muss es nicht zwangsläufig als instrumentale Rechtfertigung begriffen werden. Solange das Urheberrecht als Belohnung auch gewährt wird, wenn es nicht als Anreiz zur Werkschöpfung erforderlich ist, liegt weiterhin eine nicht-instrumentale und somit verdiensttheoretische Rechtfertigung vor. 145 In diesem Sinne ebenfalls Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (308, 309). 146 Als „excellence“ Argument diskutiert von Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (621 ff.); siehe auch Fisher, in: Munzer (Ed.), New Essays in the Legal and Political Theory of Property, S. 168 (185). 147 Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (621). 148 Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (621).
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dergleichen.149 Der Urheber verdient infolgedessen sein Werk, weil es aufgrund seiner Qualität unsere Anerkennung verdient. Für den Tatbestand des Urheberrechts bedeutet dies, dass aus moralischer Sicht die Implementierung dieser qualitativen Anforderungen in Form eines Kriteriums wie etwa der Gestaltungshöhe erforderlich ist. Der Schutz eines Werks ist danach moralisch geboten, wenn es in besonderem Maße von dem Gewöhnlichen, dem Naheliegenden oder dem Üblichen abweicht. Infolgedessen führt eine verdiensttheoretische Rechtfertigung, die sich das Qualitätskriterium zu Eigen macht, ebenfalls zu einem fundamentalen Wandel der geltenden Urheberrechtspraxis. Innerhalb dieser werden unzählige Werke geschützt, die in keiner Weise originell, sondern völlig gewöhnlich sind. Desgleichen kann eine Unterscheidung zwischen Idee und Ausdruck derselben moralisch nicht aufrechterhalten werden; auch Ideen können durch ihren Einfallsreichtum die erforderliche Qualität erreichen. (2) Moralischer Wert der Kriterien Bislang wurde gezeigt, welche Anforderungen die obigen Kriterien an den Tatbestand des Urheberrechts stellen, sofern sie als Voraussetzung einer moralischen Anerkennungspflicht fungieren. Nun muss untersucht werden, ob ein einzelnes oder eine Kombination der oben genannten Kriterien, mittels derer der Arbeitsbegriff normativ aufgeladen werden kann, tatsächlich imstande ist, eine derartige Pflicht zu konstituieren. Diese Beurteilung erfordert, dass das Konzept des moralischen Verdienstes näher in Augenschein genommen wird. Diesem Konzept liegt folgende dreigliedrige Relation zugrunde: Ein Mensch M verdient dann unsere Anerkennung A150, wenn dafür ein Grund G besteht, der die Basis seines moralischen Verdienstes ausmacht.151 Die oben dargestellten Kriterien begründen demnach im Falle ihres Vorliegens eine moralische Anerkennungspflicht, wenn und weil sie als Grund G und damit als Verdienstbasis fungieren können. Wann ist dies aber der Fall? Welche Kriterien sind imstande, die Rolle von G zu übernehmen? Die Beantwortung dieser Frage wird insofern erschwert, als sich dem Begriff des moralischen Verdienstes seine hinreichenden Anwendungsbedingungen nicht vollständig entnehmen lassen. Dies liegt daran, dass sie in hohem Maße auf externen Wert- und Zielvorstellungen beruhen.152 Von vornherein ist damit ausgeschlos149 Auch wenn dies faktisch immer in einer Gesellschaft beurteilt wird, verbleibt doch zumindest ideell ein Unterschied zum Wertkriterium. 150 Ich benutze hier den allgemeinen Begriff der Anerkennung, um eine Behandlung auszudrücken (Anerkennungshandlung), die jemand von seinen Mitmenschen verdient, deren Inhalt aber noch nicht feststeht. Zu den unterschiedlichen Bedeutungen vgl. etwa Honneth, Z. f. phil. Forschung 51 (1997), S. 25. 151 Hierzu insgesamt Feinberg, Justice and Personal Desert, in: ders., Doing and Deserving. Essays in the Theory of Responsibility, S. 55 (61); Kleinig, Am. Phi. Q. 8 (1971), S. 71 (71); Lamont, Phil. Q. 44 (1994), S. 45 (45). 152 So vor allem Lamont, Phil. Q. 44 (1994), S. 45 (45 ff.).
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sen, positiv angeben zu wollen, ob und welche Kriterien a priori G erfüllen. Immerhin bleibt aber möglich, negativ zu zeigen, welche Kriterien niemals G erfüllen. Dazu ist in einem ersten Schritt erforderlich (a), die notwendigen Bedingungen aufzudecken, die der Anwendung des moralischen Verdienstes und damit G innewohnen. Anschließend können die oben dargestellten Kriterien auf ihre Übereinstimmung mit diesen Bedingungen hin verglichen werden (b). (a) Notwendige Anwendungsbedingungen des moralischen Verdienstes Der Begriff des moralischen Verdienstes beinhaltet zwei analytische Bedingungen, ohne deren Vorliegen von vornherein sinnlos ist, von einem moralischen Verdienst zu sprechen. Erstens darf G keine Fakten einbeziehen, die andere Menschen oder die Gesellschaft als Ganzes betreffen. Soll das Verdienst eines Menschen seinen intrinsischen Wert widerspiegeln, muss der Grund, der das Verdienst eines Menschen ausmacht, allein aus Tatsachen bestehen, die diesem Menschen selbst anhaften.153 G muss demnach eine Tatsache oder Qualität sein, die M selbst betrifft, so dass von G als einen individualistischen Grund154 gesprochen werden kann. Als Tatsachen oder Qualitäten, die G bilden können, kommen daher prinzipiell nur Eigenschaften oder Handlungen von M in Betracht.155 Neben der Voraussetzung, dass nur solche Tatsachen oder Qualitäten als Verdienstbasis G in Betracht kommen, die M selbst anhaften, liegt dem Konzept des moralischen Verdienstes noch eine zweite Notwendigkeit voraus. Diese Tatsachen müssen M nicht nur kausal oder physikalisch anhaften, sie müssen ihm überdies moralisch zuzurechnen sein. Bedingung einer moralischen Zurechnung ist aber, dass M für die G zugrunde liegenden Tatsachen verantwortlich ist, diese mithin auf autonomen Handlungen von M beruhen.156 Der Gedanke, dass zwischen dem Verdienst und der Autonomie eines Menschen ein Zusammenhang besteht, wird durch eine andere intuitive Einsicht gestützt. Namentlich Rawls hat darauf hingewiesen, dass ebenso wenig, wie 153 Siehe Feinberg, in: ders., Doing and Deserving. Essays in the Theory of Responsibility, S. 55 (58 f.): „In general, the facts which constitute the basis of a subject’s desert must be facts about that subject.“; ähnlich Kleinig, Am. Phi. Q. 8 (1971), S. 71 (73). 154 Im Anschluss an Scheffler, Cal. L. Rev. 88 (2000), S. 965 (983 f.), der diese Gründe „individualistic reasons“ nennt. 155 Vgl. Feinberg, in: ders., Doing and Deserving. Essays in the Theory of Responsibility, S. 55 (58). 156 Vgl. Walzer, Sphären der Gerechtigkeit, S. 374: „Die Idee der Verdienstlichkeit impliziert eine gewisse Vorstellung von menschlicher Autonomie. Ehe ein Mensch sich achtbar und rühmlich verhalten kann, muß er für sein Verhalten verantwortlich sein; er muß ein moralisch Handelnder sein; seine Verhaltensweisen und seine Leistungen müssen seine eigenen sein.“ Dergleichen klingt bereits bei Kant, Grundlegung der Metaphysik der Sitten, S. 18, an: „Einige Eigenschaften sind sogar diesem guten Willen selbst beförderlich und können sein Werk sehr erleichtern, haben aber dem ungeachtet keinen innern unbedingten Wert, sondern setzen immer noch einen guten Willen voraus, der die Hochschätzung, die man übrigens mit Recht für sie trägt, einschränkt, und es nicht erlaubt, sie für schlechthin gut zu halten.“ [Hervorhebung im Original].
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jemand seine Ausgangsposition in der Gesellschaft verdient, man seine natürlichen Fähigkeiten, Gaben und Talente verdient.157 Da deren Verteilung allein „outcome of the natural lottery“158 und damit zufällig sei, seien sie aus moralischer Sicht willkürlich und irrelevant.159 Diese moralische Irrelevanz bedeutet, dass ihre Verteilung ein bloßes Faktum ist, dessen Beurteilung sich Gerechtigkeitsmaßstäben verschließt.160 Ob die Nutznießung dieser Talente gerechtfertigt ist, ist damit eine Frage, die von den je bestehenden Institutionen beantwortet werden muss.161 Wird sie positiv beantwortet, so kann sie jedenfalls nicht mit einem moralischen Verdienst begründet werden.162 Diese Überlegungen bedeuten freilich nicht, dass G ausschließlich aus solchen individualistischen Gründen bestehen muss, die ihrerseits verdient sind, mithin ebenfalls eines Verdienstgrundes G’ bedürfen.163 Ein derartiger Regress stellte das Konzept des moralischen Verdienstes überhaupt in Frage. Denn dieser scheiterte ja bereits daran, dass zumindest die eigene Existenz nicht der eigenen Autonomie zu verdanken ist, da diese ja jene voraussetzt.164 Richtigerweise müssen daher jene arbiträren Tatsachen, die allen Menschen kraft ihres Menschseins gleichermaßen zukommen, außer Betracht bleiben.165 Diese Basiseigenschaften B, die die eigene Existenz und das Vorhandensein gattungstypischer Merkmale umfassen, bedürfen – da insoweit ein egalitärer Ausgangspunkt gewahrt bleibt – keines eigenen Verdienstgrundes G’. Der moralische Verdienst geht demnach soweit, wie der Verantwortlichkeitsbereich eines moralisch handelnden Subjekts auf der Basis seiner vorausgesetzten Existenz als Zugehöriger der menschlichen Gattung reicht.
157 Grundlegend Rawls, A Theory of Justice, S. 86 ff., 273 ff.; vgl. auch Gauthier, Morals by Agreement, S. 220; siehe ebenfalls Dreier, ARSP 73 (1987), S. 159 (162). 158 Rawls, A Theory of Justice, S. 64. 159 Siehe Rawls, A Theory of Justice, S. 7, 63, 64, 65, 274. 160 Vgl. Rawls, A Theory of Justice, S. 87; in ähnlicher Weise hat im Übrigen schon Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 49, festgestellt: „Von einer Ungerechtigkeit der Natur über ungleiches Austeilen des Besitzes und des Vermögens kann nicht gesprochen werden, denn die Natur ist nicht frei und darum weder gerecht noch ungerecht.“ [Hervorhebung im Original]. 161 Siehe auch Waldron, The Right to Private Property, S. 405: „[O]wning a talent is one thing, and benefiting from it in a scheme of social co-operation is quite another.“ 162 Vgl. Waldron, The Right to Private Property, S. 406. 163 In diesem Sinne ist Rawls allerdings häufig interpretiert worden; so durch Nozick, Anarchy, State, and Utopia, S. 225; Zaitchik, Phil. & Pub. Aff. 6 (1977), S. 370 (370 ff.). 164 Insoweit zutreffend Nozick, Anarchy, State, and Utopia, S. 226: „If nothing of moral significance could flow from what was arbitrary, then no particular person’s existence could be of moral significance, since which of the many sperm cells succeeds in fertilizing the egg cell is (so far as we know) arbitrary from a moral point of view.“ 165 Hierzu auch Sher, Phil. & Pub. Aff. 8 (1979), S. 361 (365).
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(b) Übereinstimmung mit den Kriterien Aufgrund der Erkenntnis, dass notwendige Bedingung einer jeden moralischen Anerkennungspflicht ist, dass G aus einer Tatsache über M besteht, für die M zudem moralisch verantwortlich ist, wird die Wahl der Kriterien, die zur Begründung einer verdiensttheoretischen Rechtfertigung des Urheberrechts herangezogen werden können, bereits in zweifacher Weise eingeschränkt. Einerseits lässt sich zeigen, dass das Wertkriterium niemals diese notwendigen Bedingungen erfüllt, so dass dessen Konsequenzen für den Tatbestand des Urheberrechts moralisch unmöglich sind. Dadurch, dass dieses Kriterium einen intersubjektiv bestehenden, gesellschaftlichen Wert eines Werks zur normativen Maßgabe des moralischen Verdienstes erhebt, missachtet es die notwendigen Anwendungsbedingungen dieses Konzepts.166 Einmal beschreibt dieses Kriterium keinen individualistischen Grund, wie ihn G voraussetzt. Denn der Wert eines geistigen Werks ist keine Tatsache oder Qualität, die M selbst anhaftet. Vielmehr ist dieser Wert ein rein soziales Phänomen, das von mannigfachen gesellschaftlichen Faktoren geprägt wird und diesen anhaftet.167 Daneben wird deutlich, dass diese nicht-individualistischen Faktoren keinesfalls der Autonomie des Urhebers zuzurechnen sind. Welche ökonomische Wertschätzung, welchen sozialen Stellwert sein Werk erfährt, ist von kontingenten Umständen abhängig, auf die er keinen Einfluss hat und die sich seiner Verantwortung entziehen.168 Sie hängen vom zeitgenössischen Geschmack, von Bedürfnissen, Präferenzen und anderen geschichtlichen und kulturellen Bedingtheiten ab.169 Nicht zuletzt zeigt sich dies darin, dass trotz gleicher intellektueller Arbeit der Wert eines Werks je nach den vorherrschenden sozialen Faktoren völlig unterschiedlich sein kann.170 Doch ist die Schöpfungshandlung eines Urhebers, dessen Werk aus Sicht der Gesellschaft keinen Wert besitzt, nicht oder weniger verdienstvoll? Wird sie dann zu einer Tugend, wenn viele Jahre nach dem Tod des Urhebers sein Werk Wertschätzung genießt? Diese Fragen bestätigen die vorherige Analyse des moralischen Verdienstes, indem sie unser intuitives Verständnis desselben 166 Vgl. insbesondere die Kritik eines wertbasierten Verdienstkonzepts des Geistigen Eigentums bei Hardin, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 659 (667 ff.). Eine konträre Meinung vertritt Becker, Property Rights, S. 55, wenn er das Wertkriterium gar zur notwendigen Voraussetzung des moralischen Verdienstes erhebt: „Deserving a benefit for producing something which only you profit from is a strange notion. So the applicability of the argument is confined to cases which the product of one’s labor itself [ . . . ] adds value to others’ lives.“ 167 Siehe Hettinger, Phil. & Pub. Aff. 18 (1989), S. 31 (38). 168 Dazu auch Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Anm. zu § 64: „Der schlechteste Roman kann insofern mehr Wert haben als das gründlichste Buch – Wert hängt erst vom Verkauf, Geschmack des Publikums ab“. 169 Siehe Scheffler, Cal. L. Rev. 88 (2000), S. 965 (985): „[T]he economic value of people’s talents is socially determined in the sense that it depends both on the number of people with similar talents and on the needs, preferences, and choices of others.“ 170 Vgl. Hettinger, Phil. & Pub. Aff. 18 (1989), S. 31 (38).
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begrifflich freilegen. Sie zeigen, dass das moralische Verdienst eines Menschen niemals von der kontingenten Wertschätzung durch die übrigen Individuen abhängen kann.171 Dieselbe ist eine Tatsache, die weder im Urheber selbst verankert ist noch in seinen Verantwortlichkeitsbereich fällt. Eine verdiensttheoretische Rechtfertigung des Urheberrechts kann sich daher nicht des Wertkriteriums bedienen.172 Auf der anderen Seite lässt sich zeigen, dass die Wahl des Mühekriteriums zwingend erforderlich ist, sofern man die Legitimationsgrundlage des Urheberrechts im moralischen Verdienst des Urhebers verankert. Dies liegt daran, dass die notwendigen Anwendungsbedingungen, die sich im Minimalgehalt von G manifestieren, mit diesem Kriterium identisch sind.173 Indem das Mühekriterium darauf abstellt, ob die schöpferische Tätigkeit des Urhebers – in Abgrenzung zu Zufall, Glück oder natürlichen Talenten – auf eigener Leistung bzw. Mühewaltung beruht, erhebt es ebenfalls die Autonomie des Urhebers zur Meßlatte seines moralischen Verdienstes. Der Grund einer moralischen Anerkennungspflicht kraft Verdienstes muss einer autonomen Handlung des Urhebers entsprungen sein. Im Ergebnis werden dadurch die notwendigen Bedingungen von G, d. h. seine individualistische und zurechenbare Dimension durch das Mühekriterium integriert. Die Konsequenzen, die dieses Kriterium für die tatbestandliche Struktur des Urheberrechts mit sich bringt, sind daher moralisch notwendig. Nur solche Werke dürfen und müssen geschützt werden, die dieses Maß autonomen Ursprungs besitzen. Hinreichend ist das Mühekriterium aber nicht. Erhellend ist ein Blick auf die retributive Gerechtigkeit; dort ist die Autonomie einer Handlung kein hinreichender Grund, dieselbe zu pönalisieren. Sie ist allein eine notwendige Bedingung, die stets die Frage offen lässt, welche eigenverantwortlichen Handlungen und mit welchen Maßnahmen sie bestraft werden sollen. Gleiches gilt im Falle einer auf dem moralischen Verdienst aufbauenden distributiven Gerechtigkeitstheorie. Die Autonomie allein, die das Mühekriterium gewährleistet, reicht nicht aus, um eine moralische Anerkennungspflicht und somit ein Urheberrecht zu begründen. Nach alledem hat sich gezeigt, dass die Wahl der Kriterien bereits insofern eingeschränkt ist, als einerseits das Wertkriterium niemals, andererseits das Mühekriterium notwendigerweise Bestandteil einer Verdienst-basierten Rechtfertigung des Zu einer ähnlichen Argumentation vgl. Rawls, A Theory of Justice, S. 274. Mit aller Schärfe Waldron, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 841 (856): „It may thus have no connection with anything we could plausibly call his desert. He cannot infer from the fact that his product sells well that he is a good person; all he can infer is that it is probably worth writing another song.“; im Ergebnis ebenso Sterk, Mich. L. Rev. 94 (1996), S. 1197 (1238). Völlig unverständlich ist daher die Behauptung von Becker, Property Rights, S. 50: „I cannot imagine any objection to the assertion that such ’adding of value’ must be a basis for a desert-claim.“ [Hervorhebung im Orginal]. 173 Vgl. auch Rawls, A Theory of Justice, S. 274, der ebenfalls auf den Zusammenhang zwischen der eigenen Mühewaltung und dem Konzept des moralischen Verdienstes hinweist. 171 172
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Urheberrechts ist. Wie verhält es sich nun aber mit den bisher nicht thematisierten Kriterien, dem Unbehaglichkeits- und dem Qualitätskriterium? Formulieren sie – sei es alternativ oder kumulativ – möglicherweise hinreichende Bedingungen des moralischen Verdienstes, die, indem sie neben das Mühekriterium treten, imstande sind, eine Anerkennungspflicht zu begründen? Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass das Konzept des moralischen Verdienstes sich nicht vollständig begrifflich erschließt, sondern eine normative Konzeption erfordert, die seine hinreichenden Anwendungsbedingungen vorgibt.174 Weder ist daher denkbar, seine hinreichenden Bedingungen vollständig darzulegen, noch kann abschließend beurteilt werden, ob das Unbehaglichkeits- und das Qualitätskriterium zusammen oder einzeln dieses zu leisten vermögen. An dieser Stelle sollen immerhin Bedenken geäußert werden, die prima facie gegen die Überzeugungskraft dieser Kriterien im Rahmen des moralischen Verdienstes sprechen. Diese Zweifel basieren im Wesentlichen auf den Schwierigkeiten, dasjenige Rationalitätspotential dieser Kriterien zu rekonstruieren, das eine solche Schlussfolgerung zu stützen vermag. Der rationale Kern des Unbehaglichkeitskriteriums tritt am klarsten zutage, wenn es innerhalb der Anreizthese verwendet wird. Wenn man davon ausgeht, dass die Schaffung geistiger Werke positive Effekte innerhalb der Gesellschaft auslöst, man diese erreichen will und zusätzlich annimmt, dass die Werkschaffung typischerweise ein Maß an Unbehaglichkeit mit sich bringt, das motivatorisch überwunden werden muss, ist der Gedankengang plausibel. Löst man das Kriterium aus diesem instrumentalen Kontext heraus, legt man es der hier diskutierten Anerkennungsthese zugrunde, bleibt allerdings die Frage, warum eine unbehagliche Tätigkeit qua Unbehaglichkeit einen moralischen Verdienst auslösen sollte. Zwar bleibt richtig, dass theoretisch ein nicht-instrumentaler Gebrauch des Unbehaglichkeitskriteriums möglich bleibt175, doch scheint die rationale Begründung eines solchen Gebrauchs zu fehlen. Freilich ist denkbar, dieses Kriterium zu erweitern, indem man es empirisch mit einer vorausgesetzten Qualität oder dem Wert des Werkes verknüpft. Legt man infolgedessen die These zugrunde, dass jede unbehagliche Werkschöpfung eine bestimmte Qualität oder einen bestimmten Wert zeitigt, ergibt sich in der Tat eine rationale Basis. Dann bliebe allerdings ein Rechtfertigungszusammenhang übrig, der in Wirklichkeit nicht das Unbehaglichkeitskriterium, sondern das Qualitäts- oder das Wertkriterium in den Vordergrund stellte. Da letzteres bereits als nicht verwendbar erwiesen wurde, bleibt allein das Qualitätskriterium als hinreichender Grund eines moralischen Verdienstes übrig. Doch auch hier ergeben sich offensichtliche Schwierigkeiten. Nicht nur, dass sich das epistemologische Problem stellt, ob und wie die objektive Qualität eines Werkes beurteilt werden kann. Viel schwerer wiegt das Begründungsdefizit, der fehlende rationale Grund, weswegen dieses Kriterium eine derartige Pflicht auslösen sollte. Denn selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass ein Werk unzweifelhaft 174 175
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So vor allem Lamont, Phil. Q. 44 (1994), S. 45 (45 ff.). Zu diesem Gebrauch Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (303).
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eine objektive Qualität besitzt, stellt sich die Frage, warum die Gesellschaft aufgrund dessen eine moralische Dankesschuld trifft. Denn erstens gibt es unzählige Dinge, bei denen trotz ihrer unbestreitbaren Qualität niemals behauptet wird, dass eine moralische Pflicht zur Anerkennung besteht. Und zweitens hat bereits Proudhon die neuralgische Frage aufgeworfen, warum die Gesellschaft überhaupt etwas belohnen sollte, was sie nicht in Auftrag gegeben hat.176 Häufig wird man geneigt sein, Qualität und gesellschaftlichen Wert eines Werkes zu verknüpfen, um darauf zu antworten, dass die Belohnung Ausgleich derjenigen Vorteile ist, die der Gesellschaft nunmehr offen stehen.177 Doch da gezeigt wurde, dass der Wert eines Werks niemals das moralische Verdienst eines Urhebers beeinflussen kann, kann diese Antwort – jedenfalls nicht innerhalb einer verdiensttheoretischen Rechtfertigung! – befriedigen. Losgelöst und abgetrennt von einer instrumentalen Argumentation, die den Sprung in die Normativität mittels einer vorausgesetzten gesellschaftlichen Bedeutung bewerkstelligt, bleibt die Überzeugungskraft dieses Kriteriums offen.
bb) Inhalt der Anerkennungspflicht Dargelegt wurde bislang, wie schwierig es ist, vermittels des Konzepts vom moralischen Verdienst eine Pflicht der Allgemeinheit begründen zu wollen, den Urheber eines Werks anzuerkennen. Wenn überhaupt, so hat sich herausgestellt, kann die erforderliche normative Aufladung des Begriffs der intellektuellen Arbeit nur eine Kombination leisten, die aus dem Mühekriterium und dem Qualitätskriterium besteht. Doch ist offen geblieben, welche rationale Grundlage dies hätte. Blickt man über dieses Begründungsdefizit einstweilen hinweg und unterstellt, dass diese Kriterien tatsächlich die Begründbarkeit einer Anerkennungspflicht verbürgen, ist man aber noch nicht am Ziel. Denn es ist längst nicht gesagt, dass diese Pflicht den Inhalt hätte, dem Urheber ein gesetzliches Recht an seinem Werk, eben ein Urheberrecht einzuräumen. Indes wird genau diese Konsequenz, ohne sich ihrer Richtigkeit zu vergewissern, in urheberrechtlichen Diskursen zumeist gezogen. Es spricht einiges dafür, dass dies an der vorschnellen Ineinssetzung des Grundes der Anerkennungspflicht G, d. h. der autonomen Schöpfung eines geistigen Werks mit der Anerkennungshandlung A selbst liegt.178 Aus der Prämisse, dass der Urheber wegen seines Werks unsere Anerkennung verdient, wird so die unreflektierte Behauptung, dass der Urheber eines Werk sein Werk verdient.
176 Vgl. Proudhon, Was ist das Eigentum?, S. 64. Warum man eine „creative debt“ gegenüber Urhebern haben sollte, wie Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 117, meint, bleibt daher offen. 177 Auf diese Weise versucht etwa Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (623 ff.), „Proudhon’s challenge“ zu entkräften. Es lässt sich freilich bereits bezweifeln, ob aus empirischer Sicht jene Verknüpfung als möglich zu erachten ist. 178 Zutreffend Hettinger, Phil. & Pub. Aff. 18 (1989), S. 31 (41).
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Dass dies vielleicht ein verständlicher, aber kaum zu plausibel machender Automatismus ist, wird allerdings klar, wenn man sich die mannigfachen Möglichkeiten anschaut, die theoretisch als Anerkennungshandlungen in Betracht kommen. Denkbare Handlungen der Anerkennung, die sich im nicht-rechtlichen Bereich befinden, sind etwa Auszeichnungen, Preise, Lobpreisungen, Danksagungen, Titelverleihungen oder auch die Zahlung öffentlicher Finanzmittel. 179 Es stehen daher unzählige Wege offen, der Qualität des Werkes öffentlich Bewunderung teil werden zu lassen.180 Warum sollte daher gerade die Pflicht bestehen, das moralische Verdienst eines Urhebers durch eine rechtliche Anerkennungshandlung zu würdigen? Und warum sollte, selbst wenn man dergleichen annimmt, dies ausgerechnet auf die Einräumung exklusiver Befugnisse hinauslaufen? Diese Fragen im Sinne des Urhebers zu beantworten, ist schwierig. Dies schon deswegen, weil die Festlegung und Bestimmung, welche Anerkennungshandlung dem moralischen Verdienst eines Individuums entspricht, aufgrund eines fehlenden Maßstabs undurchführbar scheint.181 Dies werde ich beispielhaft anhand des Versuchs Beckers, dieses Problem zu lösen, veranschaulichen. Er glaubt adäquate Kriterien gefunden zu haben, mit denen die Bestimmung der verdienten Anerkennungshandlung durchgeführt werden kann. In einem ersten Schritt werden diese Kriterien dargelegt und auf die hier interessierende Frage des Urheberrechts übertragen (1). In einem zweiten Schritt werde ich allerdings zeigen, dass diese Kriterien nicht die ihnen zugedachte Funktion erfüllen können (2). (1) Bestimmung der verdienten Anerkennung Becker ist der Auffassung, dass die Frage, welche Behandlung verdient und infolgedessen als probate Anerkennung des moralischen Verdienstes zu erachten ist, anhand zweier Kriterien beantwortet werden muss.182 Erstens kommen nur solche Anerkennungshandlungen als Belohnung in Betracht, die den Zwecken entsprechen, die M mit seiner Handlung verfolgt hat (purposes of the labor). Wenn dieser verfolgte Zweck allein durch die Anerkennungshandlung A1 und nicht durch 179 Vgl. Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (622); Feinberg, in: ders., Doing and Deserving. Essays in the Theory of Responsibility, S. 55 (62); Hettinger, Phil. & Pub. Aff. 18 (1989), S. 31 (41); Sterk, Mich. L. Rev. 94 (1996), S. 1197 (1238). 180 Siehe auch Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (622). 181 Grundlegend Hume, A Treatise of Human Nature, S. 502: „’Twere better, no doubt, that every were possess’d of what is most suitable to him, and proper for his use: But besides, that this relation of fitness may be common to several at once, ’tis liable to so many controversies, and men are so partial and passionate in judging of these controversies, that such a loose and uncertain rule wou’d be absolutely incompatible with the peace of human society.“; siehe auch Palmer, in: Thierer / Crews (Ed.), Copy Fights: the Future of Intellectual Property in the Information Age, S. 43 (57). 182 Vgl. die Ausführungen bei Becker, Property Rights, S. 52 ff., deren Gehalt hier in systematischer Form vorgetragen wird; vgl. auch ders., Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (625 f.).
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
A2-An erfüllt werden kann, ist einzig diese Handlung adäquat. Kann die Handlungsintention durch mehrere Anerkennungshandlungen (A1, A2, A3) befriedigt werden, stehen folglich mehrere Optionen offen.183 Neben dieses Zweckkriterium tritt indes noch eine zweite Voraussetzung. Denn die Anerkennungshandlung muss nicht nur der Handlungsintention von M entsprechen, sondern zugleich in einem angemessenen Verhältnis zu dessen Verdienst stehen (proportionality requirement). Nach den bisherigen Erkenntnissen bedeutet dieses Proportionalitätskriterium, dass das Verhältnis zwischen A1 bzw. A1, A2, A3 und den Gründen der Anerkennung (G), d. h. also der aufgewendeten Mühe und der Qualität des Werks, zu betrachten ist.184 Soweit mehrere Anerkennungshandlungen dem Zweckkriterium entsprechen, ist demnach diejenige verdient, die diesem Verhältnis am besten entspricht. Ist hingegen nur eine Anerkennungshandlung zweckdienlich, so kann – falls keine Übereinstimmung mit dem Proportionalitätskriterium dargelegt werden kann – u.U. keine Anerkennungshandlung verdient sein. Geht man von der Richtigkeit der Beckerschen Perspektive aus, so hängt die Verleihung eines Urheberrechts davon ab, ob sie sich im Licht dieser Kriterien als verdiente Anerkennung des Urhebers darstellt. Dem Zweckkriterium zufolge muss allererst das Ziel, das der Urheber durch seine Werkschaffung zu verwirklichen suchte, zumindest auch durch die Zuweisung von urheberrechtlichen Befugnissen zu erreichen sein. Von vornherein ausgeschlossen ist dies dort, wo das angestrebte Ziel keiner Anerkennungshandlung bedarf, um seine Realisierung zu erfahren. Das ist vorstellbar, wenn der Urheber durch die Schaffung seines Werks einzig einem inneren Streben gefolgt ist, welches durch die Werkschaffung eo ipso erfüllt und befriedigt wird. Ein solcher interner Zweck wäre etwa dann zu bejahen, wenn ein Künstler sein Werk um des Werks willen kreiert, ein Wissenschaftler allein um der Wahrheit willen forscht.185 Insofern die intellektuelle Arbeit als Selbstzweck fungiert, bedarf es also keiner weiteren Anerkennungshandlung; sie ist ihre eigene Belohnung und Anerkennung.186 183 Neuerdings hat Becker dieses Kriterium ein Stück weit auf eine objektive Ebene verlegt, indem er nicht mehr empirisch auf den tatsächlichen Zweck des Arbeitens abstellt, sondern hypothetisch die Akzeptierbarkeit dieser Handlung in den Vordergrund rückt (hypothetical account of fittingness). Soweit ein „fully informed laborer“ diese vorgenommene Handlung als „fitting“ akzeptieren würde, sei die Anerkennungshandlung passend (ders., Chi.Kent L. Rev. 68 [1993], S. 609 [625 f.]). 184 Becker, Property Rights, S. 52, geht stattdessen davon aus, dass die Anerkennungshandlung in einem angemessenen Verhältnis zum Wert der Arbeit stehen müsse. Von der Prämisse ausgehend, dass der gesellschaftliche Wert notwendige Bedingung des moralischen Verdienstes sei, ist dies folgerichtig. Dargelegt wurde jedoch, dass dergleichen niemals, d. h. weder notwendig noch hinreichend als Grund des moralischen Verdienstes in Betracht kommt. 185 Vgl. Hettinger, Phil. & Pub. Aff. 18 (1989), S. 31 (41): „Many intellectual laborers produce beautiful things and discover truths as ends in themselves.“; dazu auch Becker, Property Rights, S. 55. 186 Dass Becker diese Konsequenz letztendlich nicht ziehen möchte, weist darauf hin, dass seine eigene Argumentation nicht konsistent ist (ders., Property Rights, S. 55 f.).
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Umgekehrt ist die Verleihung eines Urheberrechts die einzig mögliche Art der Anerkennung, wenn der Schöpfungshandlung des Urhebers ein externer Zweck eignet, der unmittelbar auf die Erzeugung dieser Rechte – und nicht auf durch diese erst vermittelte Sekundärziele – gerichtet ist. Zwischen diesen beiden gegensätzlichen Polen sind freilich Situationen denkbar, in denen das Urheberrecht, wenn auch nicht als einzige, so doch als eine von vielen Anerkennungshandlungen prima facie in Betracht kommt. Dies zumal dann, wenn es nicht unmittelbar Inhalt der Intention des Urhebers war, aber doch als Umsetzung der primär bezweckten Ziele, wie etwa wirtschaftlicher oder auch ideeller Anerkennung, dienen kann. Dies führt zur Anwendung des zweiten Kriteriums, das Becker zur Ermittlung der verdienten Anerkennungshandlung anführt. Nach dem Proportionalitätskriterium ist diejenige Anerkennung adäquat, die sich im Verhältnis zum Verdienstgrund – nach allem: die aufgewendete Mühe und Qualität des Werks – als angemessen darstellt. Geht es dem Urheber primär darum, die Bewunderung seines Könnens, seiner Kreativität, seiner Schaffenskraft, mithin Ruhm und Ehre, hervorzurufen, so scheinen verschiedene Anerkennungshandlungen diesen Zielen zu entsprechen. So ist zu vermuten, dass z. B. die Verleihung des Nobelpreises ein größeres Maß an Anerkennung verleiht, als jedwede Einräumung eines Urheberrechts. Freilich ist dies nur die Obergrenze einer proportionalen Anerkennung, die bei außerordentlicher Qualität moralisch angemessen erscheint. Für den durchschnittlichen Werkschöpfer wird daher, auch wenn er höchste Ehrungen anstrebt, eine andere Art der Anerkennung angemessener sein. Hier scheint als Untergrenze ausreichend, dass zumindest die namentliche Zuordnung zum Urheber gewährleistet wird und so eine Identifikation von Werk und Urheber möglich bleibt.187 Denn auf längere Sicht dürfte Aufbau, Sicherung und Stabilisierung einer Anerkennung gerade diese Identifikationsbasis voraussetzen. Das bedeutet, dass grundlegende Urheberpersönlichkeitsrechte, wie etwa das Namensnennungsrecht, durchaus angemessen sein können, wenngleich der Urheber nicht diese Rechte selbst, sondern allein deren Ergebnis bezweckt hat.188 Ist hingegen die wirtschaftliche Verwertung primäres Ziel des Urhebers, so scheint eine Anerkennung in Form von Urheberverwertungsrechten ausgeschlossen. Dagegen spricht, dass ansonsten das Verdienst des Urhebers einer sozioökonomischen Kontingenz anheim gestellt würde. Durch die Abhängigkeit der wirtschaftlichen Erträge von der vorherrschenden Marktsituation führte dies letzthin zum Prinzip, dass der Urheber dasjenige verdient, was er bekommt.189 Das jedoch ist schwerlich mit dem Proportionalitätskriterium in Einklang zu bringen: Soll dieses Kriterium die Angemessenheit der Anerkennungshandlung normativ verbürgen, muss es dies mit Blick auf die Relation von Verdienstgrund und Anerkennungshandlung tun, und Vgl. Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (622). Man kann freilich auch behaupten, dass auch die Zuweisung von Verwertungsrechten zu dieser Art von ideeller Anerkennung verhilft, indem der Umfang der Nachfrage die Wertschätzung der anderen Menschen abzulesen ermöglicht. 189 Siehe auch Hardin, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 659 (668). 187 188
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kann sich nicht auf dasjenige zurückziehen, was faktisch als Anerkennung erbracht wird. (2) Kritik der Beckerschen Kriterien Höchst zweifelhaft ist indes, ob die beiden Kriterien, die Becker zur Bestimmung der adäquaten Anerkennungshandlung einführt, überhaupt imstande sind, ihre zugedachte Aufgabe zu erfüllen. Vor allem das Zweckkriterium lässt eine rationale Grundlage vermissen: Warum sollte der Inhalt einer moralischen Anerkennungspflicht von der Intention des verdienstvoll Handelnden abhängen? Eine Begründung für dieses Becker zufolge „constitutive feature of the principle of desert“190 lässt sich nur ansatzweise seinen Ausführungen entnehmen. Der Gedankengang scheint folgendermaßen zu sein: Da jede menschliche Arbeit zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks, nämlich der Befriedigung eines Wunsches, vorgenommen wird, ist, soweit sie unsere Anerkennung verdient, diejenige Anerkennungshandlung vorzunehmen, die diesem Zweck entspricht und damit den Wunsch befriedigt.191 Ansonsten käme man in die Situation, eine verdienstvolle Tätigkeit schlimmstenfalls mit einer Anerkennung zu belohnen, die den Bedürfnissen des Urhebers widerstrebt und dieser gar ablehnt. So ist z. B. ein Süßigkeitenriegel „not (usually) a fitting reward for someone who does not like sweets.“192 Im Ergebnis ist demnach derjenige Akt der Anerkennung verdient, den M als einen solchen akzeptiert.193 Diese Argumentation führt indes in die Irre; sie verkennt völlig den moralischen Unterschied zwischen einer benötigten und einer verdienten Anerkennungshandlung.194 Ohne begrifflichen Widerspruch lässt sich nämlich die Behauptung aufstellen, dass jemand eine bestimmte Art der Strafe verdient, diese aber nicht durch seine Handlung gewollt hat. Umgekehrt ist denkbar, dass jemand, der etwa aus masochistischen Gründen seine Bestrafung bezweckt, diese nicht zwangsläufig verdient. Nichts anderes gilt im Bereich des distributiven Verdienstes: Jemand mag unsere Anerkennung verdienen, obwohl er ihrer nicht bedarf oder sie gar ablehnt; andererseits mag jemand sie benötigen, aber nicht verdienen.195 Nicht nur, dass die Bedürfnisse eines Menschen niemals Basis seiner verdienten Behandlung sein können; sie werden üblicherweise sogar mit dem Verdienst kontrastiert.196
Becker, Property Rights, S. 52. Vgl. Becker, Property Rights, S. 52. 192 Becker, Property Rights, S. 52. 193 Ausdrücklich auf diese Akzeptanz abstellend Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (625 f.). 194 Zu dieser Unterscheidung Kleinig, Am. Phi. Q. 8 (1971), S. 71 (74). 195 Vgl. Kleinig, Am. Phi. Q. 8 (1971), S. 71 (74). 196 Vgl. Feinberg, in: ders., Doing and Deserving. Essays in the Theory of Responsibility, S. 55 (93). 190 191
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Freilich, Becker behauptet nicht, dass der von ihm vorausgesetzte Zusammenhang zwischen Verdienst und Bedürfnis die Begründung einer moralischen Anerkennungspflicht betrifft. Seinen Ausführungen ist vielmehr zu entnehmen, dass der Inhalt dieser Pflicht durch diesen Zusammenhang bestimmt wird. Anders formuliert: Nicht das Bestehen eines moralischen Verdienstes hängt vom subjektiven Wollen ab, sondern allein der Inhalt dessen, was man aufgrund desselben verdient. Gleichwohl bleibt der Charakter dieser randscharfen Unterscheidung ein theoretischer. Denn es zeigt sich, dass das Zweckkriterium im äußersten Fall auf ein Ergebnis hinausläuft, das diese Differenz einebnet. So führt seine folgerichtige Anwendung dazu, dass ein Urheber, der mit größter Anstrengung und Hingabe ein qualitativ hervorstechendes Werk erschaffen hat und – unter obiger Suspendierung des Begründungsdefizits – daher unsere Anerkennung verdient, keine Anerkennung erlangt, wenn er diese nicht durch die Werkschaffung bezweckt hat. Das Bekenntnis zum Bestehen einer Anerkennungspflicht bleibt mithin substanzlos: Übrig bleibt eine Pflicht zur Anerkennung, deren Inhalt gerade keine Anerkennung beinhaltet. Dass Becker dieses kontraintuitive Ergebnis, das er selbst als „strange result“ bezeichnet, im Rekurs auf „our ideals of moral character“ vermeiden will, zeigt in aller Deutlichkeit, dass er im Grunde nicht an dem behaupteten Zusammenhang zwischen Verdienst und Bedürfnis festhält.197 In Wirklichkeit hebt er darauf ab, ob eine Anerkennungshandlung angemessen ist und somit dem Proportionalitätskriterium entspricht.198 In der Beckerschen Konzeption bleibt das Zweckkriterium daher mit Recht funktionslos; es geht vollkommen im Proportionalitätskriterium auf. Infolgedessen bleibt nur mehr zu untersuchen, inwiefern das Proportionalitätskriterium als Mittel taugt, die verdiente Anerkennungshandlung zu bestimmen. Wie bereits erwähnt, setzt dieses Kriterium voraus, dass die Anerkennungshandlung in einem angemessenen Verhältnis zum Verdienst steht. Doch welche Art der Anerkennung A steht in einem angemessenen Verhältnis zum Verdienstgrund G? Wie lassen sich Mühewaltung des Urhebers und Qualität des Werks mit der Anerkennungshandlung vergleichen? Becker sucht diese Angemessenheit durch einen Vergleich zwischen dem Wert der Arbeit und dem Wert der Anerkennung zu ermitteln.199 In der Tat scheint dies plausibel, wenn sich der Grund der Anerkennung G nach dem Wertkriterium richtet. Da dies aber nicht mit dem Konzept des moralischen Verdienstes in Einklang gebracht werden kann, kann nicht auf eine Wertrelation rekurriert werden. Demzufolge kann man nur fragen, ob die Anerkennungshandlung A in Relation zur Mühe des Urhebers und der Qualität des Werks G angemessen ist. Das bedeutet, dass man ebenfalls Mühewaltung und Qualität in Bezug auf die Anerkennungshandlung zu betrachten hat.
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Becker, Property Rights, S. 55. Vgl. Becker, Property Rights, S. 53, 55 f. Siehe Becker, Property Rights, S. 54.
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Dies bringt erhebliche Schwierigkeiten mit sich: Wie lassen sich Qualität und Mühewaltung der Anerkennung messen? Und: Müssen diese Kriterien, trotz ihrer begrifflichen Identität, nicht auf andere Weise mit Inhalt gefüllt werden als jene, die den Begriff der Arbeit normativ konturieren? Für eine derartige Inkommensurabilität spricht bereits, dass es ja nicht um die Feststellung einer verdienstvollen Anerkennung, sondern einer verdienstadäquaten Anerkennung geht. Den Kriterien der Qualität und Mühewaltung ist in diesem Kontext eine andere Funktion zugedacht, die eine andersartige Konkretisierung erfordert. Die Frage der Angemessenheit wird infolgedessen nicht beantwortet, sondern auf die Ebene jener Kriterien heruntergebrochen, wo sie sich als Begriffsbestimmung von neuem stellt. Nach allem bleibt vom Proportionalitätskriterium wenig mehr übrig als die Aussage, dass jene Anerkennungshandlung in einem angemessenen Verhältnis zur intellektuellen Arbeit des Urhebers steht, die dem Verdienst des Urhebers entspricht. Dass man dadurch unweigerlich in eine Tautologie gerät, die die Frage der angemessenen Anerkennungshandlung durch Rückverweis auf die verdiente Anerkennungshandlung – welche ja gerade ermittelt werden sollte – beantwortet, zeigt die Unzulänglichkeit auch dieses Kriteriums.
cc) Probleme der Anerkennungsthese Die vorstehenden Erörterungen haben gezeigt, dass der Versuch, die Institution des Urheberrechts mittels der Anerkennungsthese zu rechtfertigen, bereits große theoretische Probleme aufwirft. Weder konnte überzeugend bestimmt werden, welche Art von Gründen eine moralische Pflicht impliziert, die intellektuelle Arbeit des Urhebers anzuerkennen, noch wann eine derartige Pflicht tatsächlich eine Rechtszuweisung an den Urheber – das Urheberrecht – beinhaltet. Infolgedessen war bereits idealiter eine verdiensttheoretische Rechtfertigung des Urheberrechts nicht begründbar. Freilich steht trotz dieser Erkenntnis zu vermuten, dass in moralischen Diskursen über Berechtigung und Ausgestaltung des Urheberrechts weiterhin Argumente eingeführt werden, die sich diese Theorie zu Nutze machen. Es ist daher sinnvoll, zusätzlich zu zeigen, dass ein solcher Ansatz, wird er tatsächlich als Rechtfertigungsmodell benutzt, ebenfalls realiter zu Problemen führt. Im Folgenden wird auf zwei Aspekte aufmerksam gemacht, die die reale Umsetzung jenes Modells als fragwürdig erscheinen lassen. Erstens führt es zu urheberrechtlichen Konsequenzen, die den intuitiven Überzeugungen widersprechen, die im Rahmen nicht-instrumentaler Rechtfertigungen des Urheberrechts existieren (1). Zwar ist durchaus denkbar, dass sich dadurch gerade die Unrichtigkeit dieser Intuitionen zeigt. Doch beruht die hier vorgebrachte Kritik darauf, dass sich derjenige Argumentationsteilnehmer, der sich auf dieses Argument beruft, auf kontraintuitive Ergebnisse einlassen muss, die seiner eigenen Begründungsintention widersprechen. Zweitens führt die Anwendung der Anerkennungsthese zu erkenntnistheoretischen Schwierigkeiten, die ihre generelle
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Praktikabilität in Frage stellen (2). Damit beruht dieser Kritikpunkt darauf, dass derjenige Argumentationsteilnehmer, der dieses Argument verwendet, letztlich eine nicht durchführbare und damit realitätsferne Perspektive einnimmt. (1) Kontraintuitive Ergebnisse Wenn man richtigerweise annimmt, dass ein Bereich eigener moralischer Autonomie besteht, der es rechtfertigt, von der generellen Brauchbarkeit des Verdienstkriteriums auszugehen200, stellt sich dennoch und gerade in Bezug auf das Urheberrecht ein Dilemma. Je unwahrscheinlicher ein Werk, je größer sein Abweichen vom Üblichen, Alltäglichen, Gewöhnlichen, desto stärker scheint es aus urheberrechtlicher Sicht schutzwürdig zu sein. Gerade das künstlerische Genie, dessen Genius imstande ist, Vorheriges zu überschreiten, indem es stilbildende Kunst schafft, gilt dem traditionellen Urheberrechtsverständnis als „verdienstvoller“ Urheber. Damit geraten die je individuellen Talente und Begabungen der Urheber in den Blickpunkt, die gerade bei den hochwertigsten Werken den wesentlichsten Anteil an ihrer Erschaffung besitzen. Denn es dürfte eine sichere Erkenntnis sein, dass die künstlerisch hochwertigsten Werke ein besonderes Maß an Individualität und Einzigartigkeit besitzen, aufgrund dessen sie nicht von anderen Menschen bei gleicher Anstrengung ebenso hätten hervorgebracht werden können.201 Die spekulative Annahme, dass in jedem Menschen gleichursprünglich die Fähigkeiten ruhen, die dichterische Kraft eines Goethe zu entfalten, ist mit Recht ernsthaft nirgends anzutreffen. Ein normatives Verständnis des Urheberrechts, das sich jedwedem instrumentalen Kontext verschließt, stört sich daher nicht an nicht-egalitären Bedingungen; ja, es setzt diese geradezu voraus. Das zeigt aber zugleich, dass gerade dort, wo durch den angeborenen Genius der künstlerische Autonomiebereich einerseits erweitert, andererseits aber die moralische Autonomie verengt wird, eine verdiensttheoretische Rechtfertigung des Urheberrechts am fragwürdigsten ist. Ihre konsequente Anwendung führt nämlich zu einer vollständigen Verkehrung der mit ihr zu legitimierenden normativen Intuitionen: Je gewöhnlicher das Werk, je leichter seine Zurückführung auf egalitäre und nicht kontingente Bedingungen, desto schutzfähiger gilt es dieser Ansicht. Umgekehrt sind Werke, die ihre unwahrscheinliche Existenz einem besonderen Talent des Urhebers verdanken und dadurch den Bestand gleichgegebener Fähigkeiten verlassen, hiernach weniger verdienstvoll und in geringerem Maße schutzfähig. Diese Überlegungen zeigen, dass eine Argumentation, die das Urheberrecht als moralischen Verdienst des Urhebers ausweist, zumeist eine rhetorische Formel ist. Will man nicht zu den beschriebenen kontraintuitiven ErSo etwa auch Becker, Property Rights, S. 49 f. Siehe auch Sterk, Mich. L. Rev. 94 (1996), S. 1197 (1237): „The same is true – to an even greater degree – with intellectual works: all may have the same opportunity to use the existing world as background for a creative work, but only some have the talent necessary to capitalize on that background material.“ 200 201
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gebnissen gelangen – und dies ist ja in aller Regel der Fall –, darf und muss diese Rechtfertigung in Wirklichkeit nicht auf dem Konzept des moralischen Verdienstes, sondern auf anderen moralischen Konzepten basieren. (2) Erkenntnistheoretische Schwierigkeiten Neben das Problem, dass eine verdiensttheoretische Rechtfertigung des Urheberrechts zu Ergebnissen führt, die in der Regel nicht mit dem Begründungsziel einer nicht-instrumental argumentierenden Rechtfertigung zu vereinbaren sind, tritt ein Umsetzungsdefizit. Wie bislang gezeigt, setzt das Konzept des moralischen Verdienstes als seine notwendige Anwendungsbedingung das Mühekriterium voraus. Grund hierfür ist, dass nur solche Handlungen und Eigenschaften als Verdienstgrund einer Person in Betracht kommen, für die diese allein verantwortlich zeichnet. Das bedeutet zugleich, dass jene arbiträren Eigenschaften, die von Natur aus den Menschen individuell zukommen, nur insofern als Verdienstgrund in Betracht kommen, wie diese als Basis des Menschseins überhaupt fungieren. So muss die eigene Existenz, das Besitzen von gattungstypischen Merkmalen, wie z. B. Armen und Beinen, nicht selbst dieser Autonomie zu verdanken sein. Auf Grundlage dieser egalitären Basis und unter Ausblendung ihres nicht autonomen Ursprungs gilt es dann, diejenigen Anstrengungen zu sondieren, die der moralischen Autonomie zuzurechnen sind. Es stellt sich allerdings die Frage, ob auch die individuelle Anstrengung, die zu leisten ein Mensch imstande ist, nicht ganz oder zu einem gewissen Grad bereits auf nicht-egalitären Vorbedingungen beruht. Namentlich Rawls hat in seiner A Theory of Justice darauf hingewiesen, dass auch der Wille und die Fähigkeit, eigene Anstrengung zu mobilisieren, von natürlichen und sozialen Faktoren beeinflusst wird.202 Auch wenn diese wechselseitige Beeinflussung nicht das Ende aller moralischen Autonomie bedeutet203, so führt sie doch zu einem Erkenntnisproblem, das die Umsetzung jenes Konzepts als Legitimationsgrundlage des Urheberrechts fragwürdig erscheinen lässt. Denn wie soll derjenige Beitrag des Urhebers, der auf eigener Autonomie beruht, von demjenigen geschieden werden, der vorgängigen natürlichen und sozialen Dispositionen entsprungen ist? So klar die theoretische Unterscheidbarkeit der beiden Kausalfaktoren auch ist, so unmöglich ist doch ihre praktische, d. h. erkenntnismäßige Trennbarkeit.204 Dies gilt zumal im urheberrechtlichen Kontext, wo es ein Gemeinplatz ist, dass aufgrund der geistigen Einbettung eines Urhebers in einen tradierten Sinnhorizont – etwas anderes gälte nur im Falle eines Modellversuchs – niemals ein Werk vollkommen unabhängig geschaffen werden kann.205 Die aus 202 Siehe Rawls, A Theory of Justice, S. 64, 274; ähnlich Nagel, Equality and Partiality, S. 105. 203 So wird Rawls aber von Fisher, Harv. L. Rev 101 (1988), S. 1659 (1760), missverstanden. 204 Vgl. Nagel, Equality and Partiality, S. 119.
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diesem Einfluss resultierende erkenntnistheoretische Unmöglichkeit, den Bereich der Autonomie von demjenigen der Heteronomie zu scheiden, hat Rawls dazu veranlasst, die Verdienstidee als Gerechtigkeitskonzept aus praktischen Gründen insgesamt zu verwerfen.206 In Bezug auf die Rechtfertigung des Urheberrechts gilt dies in ähnlicher Weise: Wenn kein Mensch und damit auch keine gesetzgebende Institution den Teil festzustellen vermag, der auf der Autonomie des Urhebers beruht, so hängt es allein vom Zufall ab, ob im Einzelfall eine Rechtszuweisung geschieht, die dem moralischen Verdienst des Urhebers entspricht. In den allermeisten Fällen wird die moralische Pflicht entweder unzureichend oder aber überobligatorisch erfüllt werden. Wenn aber nur der Zufall über die Moralität eines gesetzlichen Urheberrechtssystems regiert, steht die Brauchbarkeit dieser Theorie in höchstem Maße in Frage. dd) Zusammenfassung Eine Arbeits-basierte Rechtfertigung des Urheberrechts, die auf dem verdiensttheoretischen Typus basiert, vertritt die Anerkennungsthese. Sie behauptet, dass das Urheberrecht die moralisch notwendige Anerkennung des Verdienstes des Urhebers sei. Hierzu wird in der Werkschaffung des Urhebers der moralische Tatbestand erblickt, der eine solche Anerkennungspflicht begründet. Dies setzt voraus, dass dieser Handlung moralische Qualitäten innewohnen, die zwei Eigenschaften besitzen. Zunächst (1) müssen sie imstande sein, eine moralische Pflicht zu begründen, die Werkschaffung überhaupt anzuerkennen (Begründung der Anerkennungspflicht). Und daneben (2) muss diese Pflicht gerade beinhalten, das Verdienst des Urhebers durch ein Urheberrecht anzuerkennen (Inhalt der Anerkennungspflicht). Bereits auf dieser theoretischen Ebene ist die Anerkennungsthese problematisch; beiden Annahmen steht ein ernsthaftes Begründungsdefizit gegenüber. Zusätzlich (3) führt sie auch zu einem praktischen Problem: Ihre Verwendung führt zu inhaltlichen Aussagen, die ihre Verwender zumeist nicht teilen. (1) Die Analyse des Konzepts vom moralischen Verdienst zeigt, dass denkbare Kriterien zwei Merkmale notwendig erfüllen müssen, um eine Anerkennungspflicht begründen zu können. Sie müssen einerseits individualistisch, andererseits moralisch zurechenbar sein. Bei den vier Kriterien, die in diesem Kontext diskutiert werden, hat sich insofern gezeigt, dass eines unbrauchbar, ein anderes notwendig ist. Das Wertkriterium ist unbrauchbar, weil es, indem es auf einen gesell205 Vgl. etwa Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1556); Hettinger, Phil. & Pub. Aff. 18 (1989), S. 31 (38); Yen, Ohio St. L. J. 51 (1990), S. 517 (554). Zu der Frage, ob dieser Umstand generell gegen die Legitimation des Urheberrechts spricht, vgl. Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 169 ff. 206 Vgl. Rawls, A Theory of Justice, S. 274. Ich folge hier der überzeugenden, da am Wortlaut orientierten Interpretation von Moriarty, J. Social Phil. 33 (2002), S. 131, die die Rawlsschen Ausführungen als epistemologische Begründung ansieht; zur gegenteiligen Auffassung symptomatisch Sandel, Liberalism and the Limits of Justice, S. 66 ff.
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schaftlichen Wert des Werks abstellt, nicht-individualistische und nicht zurechenbare Merkmale einbezieht. Hingegen ist das Mühekriterium, das auf die Mühewaltung des Urhebers abstellt, notwendig; es integriert die notwendigen Bedingungen des moralischen Verdienstes. Indes sind die hinreichenden Anwendungsbedingungen des moralischen Verdienstes nicht analytischer, sondern normativer Art. Es konnte daher nicht abschließend geklärt werden, welche Kriterien zum Mühekriterium hinzutreten müssen, um eine Anerkennungspflicht zu begründen. Immerhin wurde gezeigt, dass es dem Unbehaglichkeits- und dem Qualitätskriterium hierfür an einer rationalen Basis fehlt. Beim Unbehaglichkeitskriterium bleibt offen, warum der Urheber ein Werk qua Unbehaglichkeit verdienen sollte. Soweit man dies mit dem Wertkriterium in Verbindung bringt, ist dies von vornherein nicht möglich. Bindet man es hingegen an das Qualitätskriterium, so ist es von diesem abhängig. Warum aber sollte die Gesellschaft moralisch verpflichtet sein, den Urheber, trotz einer unbestreitbaren Qualität seines Werks, zu belohnen? Oder: Warum ist man verpflichtet, etwas zu belohnen, was man nicht in Auftrag gegeben hat? (2) Selbst wenn man Kriterien findet, mit denen sich eine moralische Anerkennungspflicht begründen lässt, bleibt ein Problem. Es muss dargelegt werden, warum ausgerechnet die Einräumung des Urheberrechts Inhalt dieser Anerkennungspflicht ist. Zumeist wird hier die Annahme, der Urheber verdiene wegen seines Werks unsere Anerkennung, ungeprüft zur Behauptung erweitert, der Urheber eines Werks verdiene sein Werk. Doch existieren unzählige andere Möglichkeiten nicht-rechtlicher Art, das Verdienst des Urhebers anzuerkennen. Dazu gehören etwa Auszeichnungen, Preise, Lobpreisungen, Danksagungen, Titelverleihungen oder auch die Zahlung öffentlicher Finanzmittel. Um das Urheberrecht als einzig adäquate Anerkennungshandlung zu qualifizieren, bedarf es eines Maßstabes, mit dessen Hilfe bestimmt werden kann, welche Anerkennung dem jeweiligen individuellen Verdienst entspricht. Anhand eines Versuchs, diesen Maßstab zu begründen, wurde indes gezeigt, dass die Zweifel, die schon Hume hinsichtlich der Existenz eines solchen Maßstabs vorgetragen hat, begründet sind. (3) Neben den Schwierigkeiten, denen die theoretische Begründung einer verdiensttheoretischen Rechtfertigung des Urheberrechts ausgesetzt ist, stößt auch ihre praktische Verwendung auf Probleme. Das erste Problem betrifft die argumentative Einführung des Arguments in einen urheberrechtlichen Diskurs. Wer es verwendet, verwendet zugleich dessen inhaltliche Aussagen. Diese widersprechen jedoch in aller Regel den moralischen Intuitionen, die mit jenem Argument gerade rationalisiert und moralisch verfestigt werden sollen. Diesen ist nämlich in aller Regel gemein, dass eine Abweichung vom Üblichen, Alltäglichen und Normalen in höherem Maße einem urheberrechtlichen Schutz als zugänglich gedacht wird. Die Anerkennungsthese führt nun aber zum Gegenteil. Sie führt dazu, dass die Schutzfähigkeit eines Werks in dem Maße abnimmt, als es auf nicht-autonomen Bedingungen beruht. Dies ist Folge davon, dass als moralischer Verdienstgrund nur autonome Handlungen fungieren können. Gerade das Ausmaß der Einzigartig-
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keit eines Werks hängt aber wesentlich von angeborenen und insofern nichtautonomen Fähigkeiten seines Urhebers ab. Der je Argumentierende hat dann nur die Wahl, seine Intuitionen abzulegen oder aber die Anerkennungsthese aufzugeben. Das zweite Problem betrifft ein Erkenntnisproblem der gesetzgeberischen Umsetzung der Anerkennungsthese. Dieser steht ein Erkenntnisdefizit entgegen, das die Moralität eines solchen Urheberrechtssystems der Zufälligkeit preisgibt. Aufgrund der von Rawls hervorgehobenen Erkenntnis, dass die Fähigkeit, eigene Anstrengung zu mobilisieren, von sozialen und natürlichen Vorbedingungen beeinflusst wird; aufgrund der Tatsache, dass zumal die Entwicklung geistiger Werke insoweit heteronom ist, als sie von jeher anderen intellektuellen Einflüssen ausgesetzt ist, ist es unmöglich, die auf der Autonomie des Urhebers beruhenden Werkbestandteile zu isolieren. Ist dies aber so, so hängt die Moralität eines zu legitimierenden Urheberrechtssystems letztlich vom bloßen Zufall ab.
II. Persönlichkeits-basierte Rechtfertigung Neben den Versuchen, den Grund einer moralischen Beziehung zwischen Urhebern und ihren Werken in einer Handlung – die Werkschaffung – zu erblicken, gibt es jene, die diesen der Person bzw. Persönlichkeit207 des Urhebers entnehmen wollen. Ihnen ist gemeinsam, dass zwischen Urheber und Werk ein personales Abhängigkeitsverhältnis behauptet wird, als dessen Schutz sich das Urheberrecht darstelle. Diese Begründung des Urheberrechts bezeichne ich als Persönlichkeits-basierte Rechtfertigung. Je nachdem, wie die Abhängigkeit zwischen Urheber und Werk konstruiert wird, sind zwei Typen einer solchen Rechtfertigung zu unterscheiden, ein entwicklungstheoretischer und ein identifikationstheoretischer.208 Der entwicklungstheoretische Typus nimmt an, dass das Urheberrecht notwendig sei, um die Entwicklung des Urhebers zur Person zu gewährleisten. Indem das Person-Sein als notwendige Bedingung der menschlichen Freiheit erachtet wird, ist es – soweit ein Freiheitsrecht vorausgesetzt wird – moralisch notwendig, ein Urheberrecht einzuräumen. Dagegen geht der identifikationstheoretische Typus209 davon aus, dass 207 Im Folgenden werden die Begriffe Person und Persönlichkeit synonym verwendet. Damit wird nicht verkannt, dass in der Regel der Begriff der Person allgemeine Merkmale, der Begriff der Persönlichkeit besondere Merkmale eines Individuums widerspiegelt. Zu unterschiedlichen Definitionen von „Persönlichkeit“ siehe die instruktive Aufzählung bei Allport, Persönlichkeit, S. 26 ff. 208 Terminologisch wie in der Sache abweichend Fisher, in: Munzer (Ed.), New Essays in the Legal and Political Theory of Property, S. 168 (189 f.). Indem er allgemein die Beförderung menschlicher Interessen und Bedürfnisse als deren Spezifikum kennzeichnet, verleiht er der Klasse der Persönlichkeits-basierten Rechtfertigungen kaum eigene Konturen. Eine Grenzziehung zu kollektivistischen Rechtfertigungen wird so unmöglich. 209 Allgemein zu einer derartigen Persönlichkeits-basierten Rechtfertigung Radin, Stan. L. Rev. 32 (1982), S. 957 (959 f.); im Hinblick auf das Urheberrecht diskutiert von Becker,
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durch die Werkschaffung eine psychische Beziehung zwischen Urheber und Werk zustande komme: Das Werk werde vom Urheber als Bestandteil seiner Persönlichkeit empfunden und so zur eigenen Identität gerechnet. Um etwaige Identifikationsstörungen oder psychische Pathologien des Urhebers zu verhindern, sei jene Beziehung in rechtlicher Form, und das heißt: in Gestalt des Urheberrechts zu schützen. Indem beiden Typen – mal explizit, mal implizit – die Freiheit des Individuums als normative Ausgangsprämisse zugrunde liegt, stellen sie Versuche dar, die oben bezeichnete Freiheitsrhetorik zu konkretisieren. Nicht zu den Persönlichkeits-basierten Rechtfertigungen rechne ich hingegen solche, die ihre Überzeugungskraft der Vorstellung entnehmen, die Persönlichkeit des Urhebers werde durch den Schöpfungsakt ganz oder teilweise in das kreierte Werk integriert. Die Metaphoriken, in denen dieser Gedanke in Erscheinung tritt, sind zahllos. Sie lassen sich daran erkennen, dass auf eine individuelle Prägung des Werks durch den Urheber abgestellt wird, die rhetorisch als Abdruck, Stempel oder Spiegelung der Schöpferpersönlichkeit gedeutet wird. So heißt es z. B. bei Hubmann: „Indem er [der Urheber] den Gegenständen der realen Welt, dem rohen Material, dem unbehauenen Stein, der Leinwand, dem Papier sein Inneres aufprägt, gibt er ein Stück seines eigenen Wesens hinzu“210. Hier wird keine Abhängigkeit des Urhebers von seinem Werk behauptet – dieses wird ja nicht als psychischer Bestandteil der Urheberpersönlichkeit begriffen. Im Gegenteil wird die Persönlichkeit selbst als ontologischer Bestandteil des Werks gedeutet. Dies zeigt, dass es sich in der Sache um eine Begründung handelt, die auf dem derivativ-formalen Argument Lockes basiert.211 Es geht hier ebenfalls um die Frage, ob durch die Werkschaffung ein dem Urheber zuzuordnender Bestandteil – seine Gedanken, sein Geist – in das Werk derart integriert wird, dass das Recht an diesem Bestandteil auf das Werk übergeht und sich darauf erstreckt. Man gelangt infolgedessen zu einer Arbeits-basierten Rechtfertigung in Form des derivativ-formalen Arguments, deren Mängel bereits dargelegt worden sind.
1. Entwicklungstheoretischer Typus Eine Persönlichkeits-basierte Rechtfertigung, die dem entwicklungstheoretischen Typus entspricht, überträgt die Eigentumstheorie Hegels212 auf das UrheberChi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (626 ff.); Sterk, Mich. L. Rev. 94 (1996), S. 1197 (1239 ff.); siehe auch Lacey, Duke L. J. 1989, S. 1532 (1539, 1542). 210 Hubmann, Das Recht des schöpferischen Geistes, S. 29 f. [Einschub von mir]. 211 Auch Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (339), erkennt dies; er nennt diesen Ansatz daher den „personality counterpart to the varying amounts of labor one ,puts’ into different objects“. 212 Siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 41 – 71; stark verkürzt finden sich diese Gedanken auch bei ders., Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, §§ 488 – 492.
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recht. Dieser Theorie liegt – verkürzt gesprochen – die Vorstellung zugrunde, dass das Privateigentum notwendige Bedingung der menschlichen Freiheitsverwirklichung sei. Als erste Stufe derselben ermögliche es die Bewusstseinsentwicklung des Menschen zur Person. Eine moralische Lesart des Urheberrechts, die sich diese Theorie zu Eigen macht, behauptet daher, dass die Verleihung des Urheberrechts an den Urheber die notwendige Bedingung seiner Freiheit bedeute. Sie nimmt erstens an, dass das Urheberrecht notwendig sei, um die Entwicklung des jeweiligen Urhebers zur Person zu gewährleisten. Zweitens wird das Person-Sein an die Freiheit rückgebunden: Um frei zu sein, müsse man überhaupt Person sein. Auf diese Weise wird das Urheberrecht nicht mehr als Ausfluss einer apriorischen Berechtigung am eigenen Körper oder als Anerkennung des moralischen Verdienstes, sondern als Notwendigkeit erachtet, in der der Urheber zu sich selbst als Person findet. Dieser Gedankengang ähnelt insofern dem später zu erörternden identifikationstheoretischen Typus, als die von Hegel behauptete Notwendigkeit, die das Eigentum für die Entwicklung zur Person besitzt, ebenfalls als eine psychologische gedeutet werden könnte.213 Aufgrund der bewusstseinsphilosophischen und metaphysischen Annahmen, die der Hegelschen Entwicklungstheorie des freien Willens zugrunde liegen, liegt aber näher, von einer kognitiv-bewusstseinsphilosophischen Beziehung zu sprechen. Im urheberrechtlichen Kontext wird Hegels Eigentumstheorie dagegen in einer anderen Hinsicht oftmals missverstanden: Mitunter wird geglaubt, sie setze den Transfer der Persönlichkeit oder zumindest eines Bestandteils derselben in das geistige Objekt voraus.214 Wäre dies richtig, so stellte die hegelianische Perspektive keine Persönlichkeits-basierte, sondern eine Arbeitsbasierte Rechtfertigung des Urheberrechts dar. Dass es sich dabei indes um eine unrichtige Interpretation der Hegelschen Argumentation handelt, wird im Folgenden deutlich werden.215 Nachfolgend wird in einem ersten Komplex a) die Eigentumstheorie Hegels in ihrer Argumentationsstruktur offen gelegt. Nach Skizzierung ihrer Grundannahmen wird gezeigt, welche Gründe für die Legitimität des Privateigentums sprechen und auf welche Weise ein Gegenstand angeeignet werden kann. Die Ergebnisse dieser Analyse werden schließlich vereint und in einem entwicklungstheoretischen Argument zusammengefasst. Anschließend wird in einem zweiten Komplex b) versucht, dieses Argument auf das Urheberrecht zu übertragen. Dabei wird sich vor allem die Unrichtigkeit eines weit verbreiteten Vorurteils zeigen; denn bei fol213 So etwa, wenn DeLong, in: Thierer / Crews (Ed.), Copy Fights: the Future of Intellectual Property in the Information Age, S. 17 (26), die Hegelsche Rechtfertigung als „argument from psychology“ deutet; ähnlich May, A Global Political Economy of Intellectual Property Rights, S. 7; vorsichtiger dagegen Drahos, A Philosophy of Intellectual Property, S. 78. 214 Paradigmatisch hierfür Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (340, 341); in ähnlicher Weise auch Cotter, N.C.L. Rev. 76 (1997), S. 1 (7). 215 Dies wird eingehend auch von Waldron, The Right to Private Property, S. 360 ff., gezeigt.
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gerichtiger Anwendung ist die Hegelsche Eigentumstheorie nicht imstande, das Urheberrecht institutionell zu rechtfertigen.
a) Die Eigentumstheorie Hegels Die legitimitätsstiftende Rekonstruktion, die Hegel für die institutionelle Existenz des Privateigentums entwickelt, spiegelt sich im folgenden, oft zitierten Paradigma wider, das den Abschnitt über „Das Eigentum“ in seiner Rechtsphilosophie einleitet: „Die Person muss sich eine äußere Sphäre ihrer Freiheit geben, um als Idee zu sein.“216 Um diese Aussage zu verstehen, um ihre Argumentation nachzeichnen zu können, sind drei Fragenkreise zu beleuchten: Was versteht Hegel unter einer „Person“ bzw. die „Idee“ einer Person? Worin liegt „eine äußere Sphäre ihrer Freiheit“? Und: Wie kann sie sich diese Sphäre geben? Nur wenn diese Fragen beantwortet werden können, ist es möglich, der Hegelschen Perspektive mehr als eine auf Selbstevidenz abzielende Leerformel abzugewinnen. Die Klärung dieser Fragen ist Aufgabe der folgenden zwei Abschnitte, die die Argumentation Hegels in eine konsistente Form bringen sollen. Zunächst aa) wird dort versucht, den Zugang zum Verständnis derjenigen Gründe freizulegen, die Hegel für die Vernünftigkeit des Privateigentums anführt (Rechtfertigungsebene). Dies wird nicht möglich sein, ohne die Ausführungen Hegels in den methodologischen Gesamtkontext seiner Rechtsphilosophie einzuordnen.217 Anschließend bb) wird auf der Zuordnungsebene dargelegt, welche Gegenstände zu Privateigentum werden können und auf welche Weise dies geschieht. Endlich cc) werden diese beiden Ebenen in einem entwicklungstheoretischen Argument strukturiert. Bevor dies geschieht, sind in aller Kürze zwei Prämissen218 darzustellen, die den Rahmen der intellektuellen Unternehmungen Hegels bilden. Dies deshalb, weil sie den Status der Hegelschen Theorie als moralische Rechtfertigung überhaupt betreffen. Denn erstens glaubt Hegel, dass in jedem Gegenstand bereits die Vernunft – in der Hegelschen Terminologie: seine Idee219 – als Potential inbegriffen sei. Gleichsam wie die Keime eines Baumes, die diesen bereits ganz enthalten, obschon sie noch nicht er selbst sind220, wohne in jedem Gegenstand eine Idee, wenngleich noch nicht voll entfaltet. Und zweitens nimmt er an, dass diese „Keime“ der Vernunft, die jedem Gegenstand immanent seien, notwendigerweise – wenn auch erst am Ende einer Entwicklung – zur vollen Entfaltung gelangten.221 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 41 [Hervorhebung im Original]. Allgemein zum Aufbau seiner Rechtsphilosophie Ilting, in: Riedel (Hrsg.), Materialien zu Hegels Rechtsphilosophie, Bd. 2, S. 52; zu den systembedingten Verständnisschwierigkeiten siehe Meyer, in: Holzhey / Kohler (Hrsg.), Eigentum und seine Gründe, S. 69 (75 f.). 218 Zu diesen siehe auch Siep, in: ders. (Hrsg.), G.W.F. Hegel. Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 5 (8 f.). 219 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 2. 220 Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 1 Zusatz. 216 217
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Wenn alles in einem notwendigen Entwicklungsprozess begriffen ist, in dem es zur Vernunft hin fortschreitet, und so seine immanente Idee zu Geltung bringt222, scheint der moralische Status der Hegelschen Theorie bedroht. Soweit sie sich begnügt, der „eigenen immanenten Entwicklung der Sache selbst zuzusehen“223, scheint sie nicht normativ, sondern deskriptiv zu sein. Doch wäre dies ein voreiliger Schluss: Auch die Annahme, die Wirklichkeit nähere sich der Vernunft an, besitzt nämlich ein kritisch-normatives Potential. Immerhin können so diejenigen Gegenstände gekennzeichnet werden, die derzeit noch nicht ihrer Vernunftidee entsprechen.224 aa) Rechtfertigungsebene Die Rechtfertigungsebene der Hegelschen Eigentumstheorie basiert auf zwei grundlegenden Annahmen. (1) Auf der einen Seite liegt ihr die Vorstellung zugrunde, der freie Wille des Menschen entwickle sich in einem dreistufigen Prozess. (2) Auf der anderen Seite sieht sie in der Institution des Privateigentums als Teil des Rechts die erste dieser Stufen als verwirklicht an. Beide Annahmen zusammen erklären, was Hegel als Person bzw. Idee einer Person begreift. (1) Drei Stufen der Idee des freien Willens Die Eigentumstheorie Hegels basiert an erster Stelle auf der Vorstellung von einem „Stufengange der Entwicklung der Idee des an und für sich freien Willens“225. Die Idee der Freiheit, d. h. die noch nicht aktualisierte und daher nur begriffliche Potentialität des Willens (der Wille an sich), verwirklicht sich (der Wille für sich) hiernach in einem dreistufigen Prozess zu ihrer absoluten Existenz (der Wille an und für sich). Hegel zufolge setzt die Freiheit des Menschen demnach voraus, dass drei Stadien der Bewusstseinsentwicklung zu durchlaufen sind. Jedes dieser Stadien entspricht jeweils einer Seite der Idee des freien Willens. (1) Erstens beinhaltet diese Idee ein negatives Moment226, das „Element der reinen Unbestimmt221 Zu Hegels Geschichtsphilosophie vgl. Ottmann, in: Siep (Hrsg.), G.W.F. Hegel. Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 267 (275 ff.). 222 Diese Vorstellung kulminiert in der berühmten Aussage: „Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig.“; siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Vorrede; erhellende Aufklärung dieses Ausspruchs bei Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, § 6; zu populären Missverständnissen siehe Larenz, in: Binder / Busse / ders., Einführung in Hegels Rechtsphilosophie, S. 5 (6 f.). 223 Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 2. 224 Hierzu auch Siep, in: ders. (Hrsg.), G.W.F. Hegel. Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 5 (19); Wood, Hegel’s Ethical Thought, S. 8 ff.; zum normativen Charakter vgl. auch Honneth, Leiden an Unbestimmtheit, S. 34. 225 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 33. 226 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 5, nennt dies „die negative oder die Freiheit des Verstandes“ [Hervorhebung im Original].
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heit oder reinen Reflexion des Ich in sich“227. Es geht darum, von allen individuellen Bedürfnissen, Eigenschaften, Trieben etc. abzusehen und so, fern von jeder Besonderheit, sich seiner Allgemeinheit selbstreflexiv zu vergewissern.228 (2) Die zweite Seite der Idee des freien Willens besteht aus einem optionalen Moment229, das „absolute Moment der Endlichkeit oder Besonderung des Ich.“230 Durch die autonome Wahl von Zielen, Präferenzen und Bedürfnissen etc. geht der Mensch von der unterschiedslosen Unbestimmtheit in ein bestimmtes Ich über.231 (3) Das dritte Element des freien Willens ist nun, ganz im Sinne der Hegelschen Dialektik, die synthetisierte Einheit der beiden vorigen Elemente.232 Indem der Mensch seine Besonderheiten reflektiert, sie als kontingente Möglichkeiten seiner eigenen Setzung realisiert, führt er sie denkend in die Allgemeinheit zurück. Es gilt, wie Hegel sagt, „ein Bestimmtes zu wollen, aber in dieser Bestimmtheit bei sich zu sein und wieder in das Allgemeine zurückzukehren.“233 (2) Das Privateigentum als Teil des abstrakten Rechts Wie werden diese drei ideellen Stufen der Willensfreiheit nun realisiert? Hegel zufolge entspricht jeder dieser Stufen eine rechtliche Sphäre, die sie zu Verwirklichung bringt.234 Für Hegel liegt der Vernunftgehalt des Rechts daher in der Ermöglichung des freien Willens; es sei das „Reich der verwirklichten Freiheit“235 Er benutzt den Rechtsbegriff indes in einem weiteren Sinne als heutzutage üblich.236 Rein funktional versteht er darunter all das, was „Bestimmung und Dasein der Freiheit“237 ist. „Recht“ ist insofern nicht nur das positiv-gesatzte Recht – Hegel nennt dies das abstrakte oder formelle Recht238 –, sondern auch die Moralität und die Sittlichkeit. Die Sphären des „Rechts“, die die dreistufige Willensfreiheit umsetzen, sind infolgedessen das abstrakte Recht, die Moralität und die Sittlichkeit. An dieser Stelle ist allein jene Sphäre relevant, der Hegel das Eigentum zuHegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 5. Nach Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 5, geht es um die „absolute Möglichkeit, von jeder Bestimmung, in der Ich mich finde oder die Ich in mich gesetzt habe, abstrahieren zu können“ [Hervorhebungen im Original]. 229 Diese Bezeichnung habe ich von Honneth, Leiden an Unbestimmtheit, S. 23, übernommen. 230 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 6 [Hervorhebung im Original]. 231 Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 6. 232 Hierzu Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 7. 233 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 7 Zusatz. 234 Siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 30. 235 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 4. 236 Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 30, § 33 Zusatz; siehe dazu auch Siep, in: ders. (Hrsg.), G.W.F. Hegel. Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 5 (20 f.). 237 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 30. 238 Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 33. 227 228
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ordnet: derjenigen des abstrakten Rechts. Dieses verwirklicht das erste Element des freien Willens, indem es die institutionelle Möglichkeit schafft, von den eigenen Besonderheiten abzusehen und sich seines abstrakten Ichs reflexiv zu vergewissern. Im individuellen Vollzug dieser Möglichkeit wird das Subjekt erst zur Person – es transzendiert sein konkretes Ich dergestalt, dass es sich als „das Unendliche, Allgemeine und Freie weiß“239. Darin zeigt sich, dass Hegel zufolge jedes Subjekt nicht schon a priori eine Person, sondern bloß begriffliche Möglichkeit derselben ist.240 Die Möglichkeit, sich zur Person zu entwickeln, fördert das abstrakte Recht nun auf dreierlei Weisen241: (i) Durch das Privateigentum wird die Möglichkeit, sich als abstraktes Ich zu denken, gegenständlich und selbstreflexiv erfahrbar – sie wird, wie Hegel sagt242, objektiv; (ii) durch Verträge mit anderen Subjekten wird diese Erfahrung auf eine höhere, wechselseitige Ebene der Anerkennung als Person gehoben; (iii) durch die Sanktionierung von Unrecht werden die vorgehenden Darstellungen aufrechterhalten und als Selbsterfahrung bestätigt. Indem Hegel so das Privateigentum als rechtliche Sphäre deutet, in der das Individuum sich als abstraktes Ich und so als Person erfahren kann, wird es eo ipso als vernünftig erwiesen.243 Es ist nicht gerechtfertigt, weil es Mittel zu einem individuellen Zweck ist; es ist gerechtfertigt, weil es Zweck des Individuums ist. Denn auch wenn das Eigentum, wie Hegel sagt, „in Rücksicht auf das Bedürfnis, indem dieses zum Ersten gemacht wird, als Mittel“ erscheint, so ist „die wahrhafte Stellung aber [ . . . ], dass vom Standpunkte der Freiheit aus das Eigentum als das erste Dasein derselben, wesentlicher Zweck für sich ist.“244 Freilich leugnet Hegel nicht, dass jeder Mensch, wenn auch nicht in seiner Allgemeinheit als Person, bestimmte Bedürfnisse durch angeeignete Gegenstände zu befriedigen sucht. Doch sei dieser Bedürfnisgebrauch „nur die Erscheinung und besondere Weise“ des abstrakten Willens, Eigentum zu besitzen.245
239 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 35 [Hervorhebung im Original]; siehe auch ders., Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 49. Indem Hegel dem Begriff der Person alle Merkmale der individuellen Persönlichkeit entnimmt und so dem Subjekt seine gesamte Subjektivität entzieht, nähert er sich neuzeitlichen Vertragstheoretikern wie Rawls an, die einen ähnlichen entindividualisierten Personenbegriff verwenden (etwa ders., A Theory of Justice, S. 118 ff.). 240 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 35 Zusatz. 241 Siehe auch Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 40. 242 Siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 45, 46. 243 Siehe etwa Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 41 Zusatz, § 49. 244 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 45 [Hervorhebung im Original]. 245 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 59.
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bb) Zuordnungs- und Erwerbsebene Die Eigentumstheorie Hegels enthält nicht nur Aussagen darüber, warum die Institution des Privateigentums vernünftig ist. Sie enthält auch Ausführungen dazu, welche Gegenstände dem Privateigentum unterfallen und wie sie angeeignet werden können. Der erste Punkt betrifft die zu Anfang aufgeworfene Frage nach der „äußeren Sphäre der Freiheit“ einer Person – woraus besteht diese? Der zweite Punkt betrifft hingegen die Frage, was es bedeutet, sich eine solche Sphäre zuzulegen; wie kann sich also, wie Hegel sagt, eine Person „eine äußere Sphäre ihrer Freiheit geben, um als Idee zu sein“246? (1) Gegenstand der Aneignung Der Aspekt, welche Gegenstände dem Privateigentum unterfallen, betrifft die Frage nach der „äußeren Sphäre der Freiheit“, in der der Mensch seiner selbst als Person Gewahr wird. Hegel konkretisiert diese Sphäre als das „von ihm [der Mensch] unmittelbar Verschiedene und Trennbare“247. Welche Objekte erfüllen dieses Erfordernis? Nach Hegelschem Verständnis besitzen nur solche Gegenstände die geforderte unmittelbare Verschiedenheit, die ohne Vermittlung des subjektiven Willens248, und das heißt: von Natur aus, als verschieden gedacht und begrifflich bestimmt sind.249 Dasjenige, was bereits seinem Begriff nach dieser vom Individuum getrennten Sphäre angehört, ist „das Äußerliche überhaupt – eine Sache, ein Unfreies, Unpersönliches und Rechtloses.“250 Die Person als Unmittelbarkeit des freien Willens, d. h. der von allen Besonderheiten und Willensbestimmungen abstrahierte Willen, findet insofern ihr verwirklichtes Dasein ebenfalls in einem Allgemeinen, einem nicht durch Willensbestimmungen und Besonderheiten Vermittelten.251 Infolgedessen sind Gegenstände, die zwar eine äußerliche Existenz haben, diese aber entweder einer Bestimmung des Willens verdanken oder nicht „an sich“, d. h. ihrer immanenten Idee nach, auf eine solche Existenz angelegt sind, nicht eigentumsfähig. Denn die äußerlichen Gegenstände sind gerade durch ihre Bestimmung gekennzeichnet, sich selbst ihr Äußeres zu sein.252 Insoweit kennt also auch die Eigentumstheorie Hegels eine Aneignungsschranke253 – sie wird bei Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 41 [Hervorhebung im Original]. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 41, 43 [Hervorhebung im Original; Einschub von mir]. 248 Siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 43. 249 Zum Begriff der Unmittelbarkeit vgl. die aufschlussreichen Passagen bei Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 10, 11. 250 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 42 [Hervorhebung im Original]. 251 Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 41, 43. 252 Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 42, § 42 Zusatz. 253 In Anspielung auf die Eigentumstheorie Lockes bezeichnet Drahos, A Philosophy of Intellectual Property, S. 78 f., diese Schranke als Proviso. 246 247
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der moralischen Notwendigkeit des Urheberrechts noch von Bedeutung sein. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nach Hegel all jene Gegenstände zueignungsfähige Sachen sind, die ohne Vermittlung des Willens gemäß ihrer begrifflichen Bestimmung, und das heißt: von Natur aus, in der Außenwelt existieren. (2) Wege der Aneignung Der zweite Aspekt der Zuordnungsebene – wie kann man sich eine äußere Sphäre der Freiheit geben? – betrifft die Art und Weise, wie sich ein Individuum eine Sache aneignen kann. Für Hegel ist Bestimmungsgrund des Eigentums der Wille254: Genauso, wie jemand sein Leben und seinen Körper nur hat, insofern er es will – weil er es bzw. ihn durch Selbstmord aufgeben kann255 –, ist das Eigentum nur Manifestation, ja Individuation des Willens. Der Modus, in dem und durch den Privateigentum erworben werden kann, liegt Hegel zufolge in dem Hineinlegen des Willens in einen Gegenstand.256 Dieser Modus stimmt zwar in vielen Fällen mit der ersten Okkupation eines Gegenstands überein. Doch sei diese nur Symptom, nicht Ursache und Grund des Eigentumserwerbs, denn „[d]er Erste ist nicht dadurch rechtlicher Eigentümer, weil er der Erste ist, sondern weil er freier Wille ist“257. Vielmehr realisiert und zeigt sich in der Besitznahme der Wille des Besitznehmenden; ihre Geltung als Eigentumserwerb resultiert aus der Erkennbarkeit des Willens. Der Erwerbstatbestand – das Hegelsche Wille-in-eine-Sachelegen – besteht mithin aus zwei Dingen: dem inneren Willen, „daß etwas mein sein solle“ und der äußeren Darstellung dieses Willens durch die Besitznahme, dem „Dasein, welches jenes Wollen hierdurch erhält“258. Durch die Erkennbarkeit, die der Wille so in seinem äußeren Dasein erfährt, entferne sich seine Subjektivität und arbeite sich zur Objektivität heraus.259 Hegel unterscheidet nun, hinaufgehend von der Einzelheit zur Allgemeinheit, drei Weisen der Besitznahme: die körperliche Ergreifung, die Formierung und die Bezeichnung.260 (i) Die körperliche Ergreifung ist zwar die vollständigste Weise der Besitznahme, indem sie den Willen in gegenwärtigster Form erkennbar werden lässt; doch ist sie „subjektiv, temporär und dem Umfange nach, sowie durch die qualitative Natur der Gegenstände höchst eingeschränkt.“261 Da der Bereich, der durch die körperlichen Kräfte eines Menschen in Besitz genommen werden kann, begrenzt Siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 44, 45, 46. Siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 47. 256 Zu dieser vor allem im urheberrechtlichen Rechtfertigungskontext oft missverstandenen Metapher vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 44. 257 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 50. 258 Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 51, § 51 Zusatz [Hervorhebung im Original]. 259 Siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 51 Zusatz. 260 Dazu Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 54. 261 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 55. 254 255
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ist, entsteht meist eine Divergenz zwischen dem Willen und seiner äußeren Manifestation. Während diese nur das unmittelbar Besessene betreffe, gehe jener „gleich dahin über, daß [ . . . ] das damit Zusammenhängende mein sei.“262 (ii) Die Grenzen der körperlichen Ergreifung zeigen sich besonders im Verhältnis zur Formierung, die, unabhängig von einer raum-zeitlichen Gegenwart des Individuums sowie einem ständig vorhandenen Wissen und Wollen, dem Willen „eine für sich bestehende Äußerlichkeit“ gebe.263 Hegel zufolge setzt dies ein Verhalten voraus, das eine Änderung der anzueignenden Sache mit sich bringt. Nur so bleibe die Handlung, die das Individuum an der Sache vollziehe, nicht länger nur als trennbare Äußerlichkeit wahrnehmbar, sondern werde an den Gegenstand assimiliert.264 Als Beispiele führt Hegel vor allem Fälle der Bearbeitung organischer Materie an, wie etwa das Bebauen eines Ackers.265 Daran zeigt sich in der Tat, wie die Formierung „das Subjektive und Objektive in sich vereinigt“ und daher die „angemessenste Besitznahme“ ist.266 Durch das „Heraussetzen eines Innerlichen“267 lässt sich der subjektive Wille nicht länger am Individuum, sondern am angeeigneten Objekt selbst erkennen. (iii) Mit der Bezeichnung unterscheidet Hegel schließlich die allgemeinste Kategorie, das Grundelement jeder Besitznahme. Denn sowohl in der körperlichen Ergreifung wie auch in der Formierung liegt ja letztlich ein Zeichen, dessen Bedeutung sein soll, dass der Wille des Aneignenden in die Sache gelegt wurde.268 Diese letzte, im Hintergrund stets mitlaufende und gedachte Weise der Besitzergreifung führe dazu, dass „die Sache nicht gilt als das, was sie ist, sondern als das, was sie bedeuten soll.“269 Doch auch Hegel bleibt nicht verborgen, dass außerhalb der körperlichen Besitznahme und der Formierung die Kategorie der Bezeichnung in die Unbestimmtheit und Zweideutigkeit ausufert.270 Wird der aneignende Wille, besser: die gewollte oder vorgestellte Besitzergreifung, nicht mehr durch eine Handlung des Individuums oder am Objekt selbst nach außen hin dokumentiert, so stellt das Zeichen nurmehr eine Vorstellung der Vorstellung dar.271 Die Erkennbarkeit des Willens ist hier nicht länger garantiert. cc) Die Rekonstruktion des entwicklungstheoretischen Arguments Durch die bisherigen Überlegungen ist der Sinn des zu Anfang aufgeführten Hegelschen Eigentumsparadigmas deutlich geworden. Die Bedeutung von „Person“, 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271
Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 55 Zusatz. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 56. Siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 56. Siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 56, § 56 Zusatz. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 56. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Anmerkung zu § 57. Siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 58 Zusatz. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 58 Zusatz. Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 58, Anmerkung zu § 58. Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Anmerkung zu § 58.
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ihrer „Idee“ und der Zusammenhang zur äußerlichen Sphäre als ihrer Daseinsform erhellen vor dem Hintergrund der dreistufigen Entwicklung des freien Willens. Diese Freiheitsverwirklichung setzt voraus, dass drei Bewusstseinsstadien zu durchlaufen sind. Auf der ersten Stufe, derjenigen der negativen Willensfreiheit, muss der Mensch lernen, sich selbst als abstraktes Ich, als losgelöst von seinen Trieben, partikulären Bedürfnissen, Eigenschaften etc. zu denken. Diese Stufe ist der Inbegriff der Person – nur dasjenige Subjekt, das die Abstraktion von jeder Besonderheit des eigenen Ichs zu vollziehen imstande ist, entspricht diesem Stadium. Für Hegel ist nun das Person-Sein unmittelbar mit der Existenz von Privateigentum verknüpft: Er glaubt, dass nur im und durch einen äußeren Gegenstand, der einem Menschen rechtlich zugeordnet wird, sich dieser seiner Existenz als Allgemeines reflexiv bewusst werden könne. Für diesen kognitiven Lerneffekt scheinen aus Hegels Sicht nach allem drei Umstände zu sprechen: Erstens, dass die rechtliche Fähigkeit, Eigentümer zu sein – die Rechtsfähigkeit –, an abstrakte Voraussetzungen anknüpft, die die je eigene Subjektivität des einzelnen ausblendet. Zweitens, dass nur solche Gegenstände dem Eigentum unterfallen, die ihrerseits ohne Vermittlung und Bestimmung des subjektiven Willens der Äußerlichkeit angehören. Und drittens, dass die je individuelle Verwendung, der eine angeeignete Sache zugeführt wird, das Eigentumsrecht unberührt lässt. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Bedeutung des Privateigentums für die Entwicklung zur Person darin liegt, dass es als Teil des abstrakten Rechts nur die abstrakten Merkmale des Menschen für rechtlich relevant erklärt und diesem jene dadurch veranschaulicht. Die vorstehenden Ausführungen ermöglichen die Rekonstruktion eines fünfstufigen entwicklungstheoretischen Arguments, das der Hegelschen Eigentumstheorie zugrunde liegt: (i) Der Mensch ist zur Freiheit seines Willens bestimmt; seine Idee ist, frei zu sein. (ii) Diese Freiheitsverwirklichung setzt voraus, dass in einem dreistufigen Prozess bestimmte Bewusstseinsentwicklungen zu durchlaufen sind. Auf der ersten Stufe, derjenigen der negativen Willensfreiheit, muss der Mensch lernen, sich selbst als abstraktes Ich, als losgelöst von seinen Trieben, partikulären Bedürfnissen, Eigenschaften, zu denken. (iii) Diese Stufe der Willensfreiheit wird durch das abstrakte Recht verwirklicht, indem dieses den Menschen nicht in seinen je besonderen Eigenschaften, sondern nur als abstrakte Person integriert, und, dieselbe veranschaulichend, in dieser Abstraktion zu Bewusstsein bringt. (iv) Im Privateigentum als Teil des abstrakten Rechts wird dem Menschen sein Person-Sein dadurch gegenständlich und erfahrbar, dass sein subjektiver Wille, eine Sache besitzen zu wollen, ohne Blick auf seine individuellen Bedürfnisse, Zwecke und Eigenschaften anerkannt und sohin objektiv wird. (v) Da sich nach allem das Privateigentum als Verwirklichung der ersten Stufe der Willensfreiheit darstellt, ist seine Vernünftigkeit und Notwendigkeit272 erwiesen.
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Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 49 Zusatz, § 50 Zusatz.
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
b) Applikation Nach Darlegung der Gründe, die Hegel für die Vernünftigkeit des Privateigentums anführt, ist zu beantworten, ob diese auch imstande sind, das Urheberrecht moralisch zu legitimieren. Dies scheint in einer Hinsicht einfacher, als es etwa bei Anwendung der Lockeschen Eigentumstheorie der Fall war. Denn Hegel hat sich, wenn auch eher kursorisch, innerhalb seiner Eigentumstheorie explizit zu urheberrechtlichen Fragen geäußert.273 Dieser Umstand ist verlockend; er führt dazu, dass diejenigen, die das Gedankengebäude der Hegelschen Eigentumstheorie zur moralischen Grundlegung des Urheberrechts nutzen, überwiegend auf die von Hegel als Anwendungsergebnisse präsentierten Aussagen zurückgreifen. In dem Maße jedoch, als die deduktive Rückführung jener Ergebnisse auf die Hegelsche Eigentumstheorie vernachlässigt wird, verliert sich der argumentative Kontext, innerhalb dessen das Urheberrecht als vernünftig erwiesen werden sollte. Dies ist umso misslicher, als sich bei näherer Prüfung zeigt, dass die einschlägigen Aussagen Hegels zumeist den Folgerungszusammenhang seiner Eigentumstheorie verlassen. So wandelt sich der Versuch, das Urheberrecht moralisch zu rekonstruieren, unbemerkt zu einem Autoritätsbeweis: Nicht mehr die durch rationale Argumente vermittelte Einsicht, sondern die durch den Namen Hegels erzeugte Ehrfurcht wird zur Rechtfertigung des Urheberrechts erhoben. Damit ist die Schwierigkeit umrissen, die die Anwendung der Hegelschen Eigentumstheorie auf das Urheberrecht begleitet. Sie bedeutet, der Verlockung zu widerstehen, die skizzenhaften Aussagen Hegels zum Urheberrecht ohne Rückbindung an seine Theorie zu übernehmen. Diese sind allenfalls erstes Indiz, meistens aber nur Ausgangspunkt für jene Ergebnisse, die anhand seiner Eigentumstheorie eigenständig abzuleiten sind. Im Folgenden wird daher zunächst untersucht aa), ob die Hegelsche Eigentumstheorie überhaupt eine moralische Rechtfertigung des Urheberrechts bietet. Trifft also das entwicklungstheoretische Argument auch auf die Institution des Urheberrechts zu und begründet deren moralische Notwendigkeit?274 Während Hegel dies im Ergebnis bejaht, werde ich zeigen, dass eine derartige Behauptung seine Eigentumstheorie – hier die zentralen Schritte (iii) und (iv) des entwicklungstheoretischen Arguments – verlässt. Obschon dadurch eine moralische Rechtfertigung des Urheberrechts mittels der Eigentumstheorie Hegels bereits gescheitert ist, werde ich dennoch aus heuristischen Gründen anschließend darlegen, welche Konsequenzen das entwicklungstheoretische Begründungsmodell 273 Diese Ausführungen finden sich vor allem in den §§ 67 ff. seiner Grundlinien der Philosophie des Rechts. 274 Freilich lässt sich das entwicklungstheoretische Argument auch schwächer fassen, so dass es – wenn überhaupt – nurmehr die moralische Möglichkeit des Urheberrechts bewirkt. Indem die beweisbedürftige Prämisse (i) des Arguments entfernt wird, verliert es seine zweifelhafte geschichtsphilosophische Prägung. Die Moralität des Urheberrechts kann dann nur eine konditionale sein: Wenn man die Freiheit des Menschen zu verwirklichen trachtet, so müssen die weiteren Konsequenzen des Arguments akzeptiert werden.
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für Tatbestand bb) und Rechtsfolgen cc) des Urheberrechts mit sich bringt. Dieses Vorgehen basiert auf der Vermutung, dass auch zukünftig die Eigentumstheorie Hegels – zumindest rhetorisch – als Rechtfertigungsmodell des Urheberrechts verwendet werden wird. Für diesen Fall ist immerhin darzulegen, welche Folgen derjenige akzeptieren muss, der sich fälschlicherweise auf diese Argumentation stützt oder doch vorgibt zu stützen. aa) Moralische Notwendigkeit des Urheberrechts Kann mittels der Eigentumstheorie Hegels überhaupt ein Recht an geistigen Erzeugnissen gerechtfertigt werden? Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, ob dies mit der Hegelschen Vorstellung kompatibel ist, nach der der Mensch sich im Eigentum ein äußerliches Dasein seiner Freiheit gibt, um als abstrakte Person zu existieren. Ein derartiges Dasein ist, wie bereits gezeigt, nach Auffassung Hegels nur durch Aneignung von Sachen möglich. Nur sofern die dem Urheberrecht unterliegenden geistigen Erzeugnisse „ihrer Natur nach ein Äußerliches“275 sind – wie Hegel die Sachqualität beschreibt –, kann ihre rechtliche Aneignung mithilfe der Hegelschen Eigentumstheorie als vernünftig erwiesen werden. Zutreffend stellt Hegel in Anwendung seiner Theorie daher fest, dass Gegenstände, die nicht der unvermittelten Äußerlichkeit angehörten, wie etwa „Kenntnisse, Wissenschaften, Talente usf.“, die also „dem freien Geiste eigen und ein Innerliches desselben“ seien, unter rechtlichem Blickwinkel als Besitz, nicht aber als Eigentum deklariert werden könnten. Man könne von ihnen allenfalls, in einem alltagssprachlichen Sinne, als „inneres Eigentum des Geistes“ oder geistiges Eigentum sprechen.276 Indes glaubt Hegel an die Möglichkeit, derartige Gegenstände aus ihrer Innerlichkeit in ein äußerliches Dasein zu überführen, so dass sie unter die Bestimmung des juristisch-rechtlichen Eigentums fallen. Denn der freie Geist könne „ihnen durch die Äußerung ein äußerliches Dasein geben und sie veräußern [..], wodurch sie unter die Bestimmung von Sachen gesetzt werden.“277 Diese Aussage Hegels ist überraschend; sie steht – was allenthalben übersehen wird278 – in offenem Widerspruch zu seiner Prämisse, dass das vom freien Willen „Unterschiedene, was die Sphäre seiner Freiheit ausmachen kann, gleichfalls als das von ihm unmittelbar Verschiedene und Trennbare bestimmt“279 ist. Denn offenkundig handelt es sich Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 65 [Hervorhebung im Original]. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 43 [Hervorhebung im Original]. 277 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 43 [Hervorhebung im Original]. 278 Siehe etwa Sterk, Mich. L. Rev. 94 (1996), S. 1197 (1241), der behauptet, dass Immaterialgüterrechte „entirely consistent with Hegel’s conception of property“ seien; unkritisch ebenso Beverley-Smith, Appropriation of Personality, S. 297; einzig Radin, Harv. L. Rev. 100 (1987), S. 1849 (1894 Fn. 165), deutet einen begrifflichen Widerspruch in Hinblick auf das Urheberrecht an; ihr folgend – wenngleich nur mit Blick auf ihre allgemeine Kritik am Hegelschen Eigentumskonzept – Netanel, Rutgers L. J. 24 (1993), S. 347 (360 Fn. 54). 279 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 41 [Hervorhebung im Original]. 275 276
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bei jenem Übergang, der die subjektiven Eigenschaften aus der internen in die externe Sphäre führen soll, um eine durch den Geist vermittelte Äußerlichkeit, wie auch Hegel freimütig zugibt.280 Dennoch beugt sich Hegel nicht dieser Konsequenz. Stattdessen versucht er sie durch einen merkwürdigen Rettungsversuch zu vermeiden. So behauptet er einfach, dass diese Gegenstände „nicht zuerst ein Unmittelbares“ seien, sondern „es erst durch die Vermittlung des Geistes, der sein Inneres zur Unmittelbarkeit und Äußerlichkeit herabsetzt“281, würden. Ist diese Behauptung plausibel? Die Unterscheidung zwischen einer anfänglichen und nachträglichen Unmittelbarkeit der Äußerlichkeit, die Hegel darin vornimmt, ist in zweierlei Hinsicht irreführend. Erstens gerät sie in Konflikt mit dem Begriff der Unmittelbarkeit, wie ihn Hegel im Kontext seiner Eigentumstheorie ansonsten verwendet. Denn dort wird das Unmittelbare ja als begriffliches – und gerade nicht willensvermitteltes282 – Dasein beschrieben, das a priori, von Natur aus gegeben ist. So etwa wenn Hegel konstatiert, dass all das, was „nach seinem Begriffe ist“, „nur unmittelbar, nur natürlich“283 sei. Im Gegensatz zur Vermittlung, die „ein Anfangen und ein Fortgegangensein zu einem Zweiten“284 darstellt, ist das Unmittelbare also ein Erstes, ein Apriori. Die Transformation eines inneren Gegenstands in die Äußerlichkeit kann demnach schon rein begrifflich nicht zur unmittelbaren Verschiedenheit und Äußerlichkeit dieses Gegenstands führen.285 Schwerer als diese begriffliche Inkonsistenz, die man möglicherweise mit semantischen Ungenauigkeiten erklären möchte, wiegt jedoch ein zweiter Grund. Hegel unterminiert mit der geänderten Lesart des Unmittelbarkeitserfordernisses die teleologische Komponente seines Argumentationsgangs, die sich in den Prämissen (iii) und (iv) desselben befindet. Hiernach dient das abstrakte Recht – dessen Ausprägung ja das Privateigentum ist – dazu, dem Menschen die negative Seite seiner Willensfreiheit lernend zu veranschaulichen, indem es ihn als von allen Bestimmungen freies Dasein, als abstrakte Person, darstellt. Das bedeutet, wie Hegel nicht müde wird zu betonen, dass im abstrakten Recht von allen individuellen Besonderheiten – etwa Absichten, Bedürfnissen, Fähigkeiten, Eigenschaften – des jeweiligen Menschen abgesehen werden müsse.286 Diese Lernfunktion des abstrakten Rechts missachtet Hegel, wenn er geistige Werke seiner Eigentumstheorie unterstellen möchte. Die Anerkennung eines Urheberrechts führte dazu, dass der Mensch im abstrakten Recht nicht nur Dasein als Person – also aufgrund seiner Allgemeinheit –, sondern auch aufgrund seiner Partikularität erfahren 280 281 282 283 284 285 286
Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 43. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 43 [Hervorhebung von mir]. Hierzu Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 43. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 10 Zusatz. Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, § 12. Dies betont auch Radin, Harv. L. Rev. 100 (1987), S. 1849 (1894, 1894 Fn. 165). Siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 35, § 37, § 45, § 49.
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würde. Denn dadurch würden ja Objekte, die gerade auf den individuellen Fähigkeiten und Talenten des jeweiligen Werkschöpfers beruhen, in das abstrakte Recht integriert. Die damit verbundene Entgrenzung der im abstrakten Recht dargestellten Person widerspricht offenkundig der ihm zugeschriebenen Lernfunktion. Die negative Freiheit des Willens, die dort ihre Umsetzung findet, wandelte sich in ihr Gegenteil. Sie würde zum Erkennen der eigenen Bestimmtheit und Besonderheit, zum Erkennen der immer schon vorgegebenen Determinanten, die in den jeweiligen Eigenschaften des Individuums liegen. Die im abstrakten Recht liegende Freiheit, sich selbst als noch ungesetzt und unbeschränkt zu denken, geriete so durch die Institution des Urheberrechts zur Erfahrung der Unfreiheit.
bb) Tatbestand des Urheberrechts Geht man dennoch – wie es ja Hegel offenkundig tut – davon aus, dass das entwicklungstheoretische Argument einen brauchbaren Weg darstellt, das Urheberrecht moralisch zu rechtfertigen, so stellt sich freilich eine weitere Frage. Welche geistigen Erzeugnisse sollen dem Tatbestand dieses Rechts unterfallen? Eine Antwort setzt voraus, dass sich der Hegelschen Eigentumstheorie Anforderungen entnehmen lassen, die bestimmte Arten geistiger Objekte vom urheberrechtlichen Schutz ausnehmen. Ein Weg, dies zu bejahen, besteht in der populären Annahme, die Hegelsche Eigentumstheorie setze voraus, dass ein Werk die Persönlichkeit seines Schöpfers widerspiegle, gleichsam den Stempel des Urhebers trage.287 Diese Vorstellung bereitet den moralischen Weg für ein tatbestandliches Kriterium, das nur an denjenigen geistigen Werken ein Urheberrecht verleiht, die die Persönlichkeit des Urhebers repräsentieren. Sofern man glaubt, dass vor allem Werke der Kunst eine solche Prägung aufweisen, ist es nur folgerichtig, der Hegelschen Eigentumstheorie am ehesten eine Rechtfertigung für Rechte an Kunstwerken zu entnehmen.288 Solchen Auffassungen liegt jedoch ein tief greifendes Missverständnis zugrunde. Die Vorstellung, die Hegelsche Eigentumstheorie begründe die Moralität des Eigentums dadurch, dass sie die psychische oder ontologische Integration der Persönlichkeit in eine Sache behaupte, ist falsch. Wenn, wie deutlich gezeigt wurde, der rationale Kern des entwicklungstheoretischen Arguments in dem kogni287 Dieses populäre Missverständnis findet sich etwa bei Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 ( 340, 341). 288 Dies tut vor allem Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (330); kritisch hierzu Drahos, A Philosophy of Intellectual Property, S. 79 ff. Dagegen behauptet anscheinend Cotter, N.C.L. Rev. 76 (1997), S. 1 (9 Fn. 34), dass sich Aussagen Hegels zur Vervielfältigung von Kunstwerken (Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 68) der normative Sinn entnehmen lasse, dass er umgekehrt Kunstwerken den urheberrechtlichen Schutz entziehen wolle. Dies beruht indes auf einem Missverständnis; gerade wegen der dort von ihm hervorgehobenen gestalterischen Eigentümlichkeit von Kunstwerken verneint Hegel eindeutig nur die technische Möglichkeit, Kunstwerke zu kopieren; ebenso Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (338); Netanel, Rutgers L. J. 24 (1993), S. 347 (377).
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tiven Lerneffekt liegt, den das rechtlich anerkannte Innehaben einer Sache vermittelt, so bleibt für eine solche Vorstellung289 – die in hohem Maße auf die kontextfreie Betrachtung der Hegelschen Metapher vom Willen-in-eine-Sache-legen zurückzuführen ist –, kein Raum. Die Gefahr derartiger Fehlinterpretationen wird jedoch auch durch Anmerkungen Hegels, die das Urheberrecht betreffen, provoziert. Zwar äußert er sich darin nicht explizit zu Fragen, die um qualitative (Gestaltungshöhe, Individualität) oder klassifikatorische Anforderungen (Idee oder Ausdruck derselben) an das zu schützende Werk ranken. Doch lässt sich aus ihnen immerhin mittelbar schließen, dass Hegel die eigentümliche Form290 oder Partikularität291 eines Geisteswerks als qualitatives Schutzerfordernis betrachtet. Diese Auffassung Hegels kann freilich nur insoweit eine Rolle spielen, als sie sich im Licht seiner Eigentumstheorie als begründet erweist. Soll die Moralität des Urheberrechts durch das entwicklungstheoretische Argument Hegels einsichtig – und nicht durch die Autorität Hegels oktroyiert! – werden, müssen sich tatbestandliche Anforderungen, die zwischen verschiedenen geistigen Objekten differenzieren, aus der Hegelschen Eigentumstheorie selbst deduzieren lassen. Die nachfolgenden Ausführungen lassen sich als Versuch verstehen, dies zu bewerkstelligen. (1) Gegenständliche Erfordernisse Die Ableitung tatbestandlicher Kriterien stößt zunächst auf Schwierigkeiten. Denn neben dem Postulat, dass nur Sachen dem Privateigentum unterfallen können, scheint die Hegelsche Eigentumstheorie keine weitere Voraussetzung an den Aneignungsgegenstand zu stellen. Da Hegel, freilich zu unrecht, von der Sacheigenschaft geistiger Objekte im Falle ihre Entäußerung ausgeht, wären so alle geistigen Erzeugnisse unterschiedslos urheberschutzfähig. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich indes, dass in den Überlegungen, die Hegel über die Art und Weise der Aneignung, der Besitznahme einer Sache anstellt, dem Aneignungsobjekt unbemerkt eine weitere Qualität zugeschrieben wird. Hegel erklärt dort, wie der subjektive Wille, eine Sache als die Eigene zu besitzen, objektiv wird, in Hegelscher Terminologie: der Wille des Aneignenden in eine Sache gelegt werden kann. Diese Objektivation erblickt Hegel darin, den entsprechenden Willen durch Besitz289 Vgl. hierzu auch die hervorragende und gründliche Analyse bei Waldron, The Right to Private Property, S. 360 ff. 290 Siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 69: „Indem übrigens das Geistesprodukt die Bestimmung hat, von anderen Individuen aufgefaßt [ . . . ] zu werden, so hat ihre Äußerung [ . . . ] immer leicht eine eigentümliche Form, so daß sie das daraus erwachsende Vermögen als ihr Eigentum betrachten und für sich das Recht solcher Produktion daraus behaupten können.“ [Hervorhebung im Original]. 291 Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Anmerkung zu § 69: „Musenalmanach, Geometrie ist kein besonderer Einfall, – also ist es jedem erlaubt, solchen Einfall zu exploitieren.“ [Hervorhebung im Original].
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nahme äußerlich darzustellen. Gemeint ist damit nicht nur die körperliche Ergreifung, sondern in letzter Konsequenz das Setzen eines Zeichens, dessen Bedeutung sein soll, dass der Aneignende seinen Willen in die Sache gelegt hat.292 Erst in der Besitznahme als Darstellung einer gewollten Aneignung kann also aus einem subjektiven Willen eine für alle erkennbare Freiheitsverwirklichung erwachsen. Dies lässt eine unausgesprochene, weil von Hegel vorausgesetzte Eigenschaft erkennen, die ein Aneignungsobjekt neben seiner Sachqualität besitzen muss – an ihm muss die Darstellung des besitzenden Willens möglich sein. Daraus erhellt, dass die einzige Möglichkeit, im Wege der Hegelschen Eigentumstheorie geistige Werke eines differenzierten Schutzes zu unterstellen, in einer verschieden angenommenen Tauglichkeit liegen kann, von ihnen Besitz zu ergreifen. Um diese Tauglichkeit hinsichtlich geistiger Objekte zu beurteilen, müssen die Wege betrachtet werden, durch die der Aneignungswille für andere durch ein Zeichen erkennbar werden kann. Wie bereits dargelegt, unterscheidet Hegel diesbezüglich drei Modi, die körperliche Ergreifung, die Formierung und die Bezeichnung.293 Da eine körperliche Ergreifung eines Geisteswerks aufgrund seiner Unkörperlichkeit bereits begrifflich ausgeschlossen ist, können hier nur die anderen beiden Modi zu Einsichten verhelfen. Unter diesen beiden scheint, da die Bezeichnung – wie Hegel betont – sehr unbestimmt und zweideutig ist294, der Modus der Formierung besonders passend für die Besitzergreifung eines geistigen Objekts.295 Sie betrifft den Fall, dass der Wille, die Sache als das Eigene zu besitzen, an der Sache selbst zu erkennen ist. Der Aneignungsgegenstand zeigt so auf sich selbst; als sein eigenes Zeichen stellt er sich selbstreferentiell als einem Menschen zugehörig vor. Nach Auffassung Hegels ist dies Folge davon, dass der Gegenstand solchermaßen verändert wird, dass „das, was ich an ihm tue, nicht als ein Äußerliches bleibt, sondern assimiliert wird“296. Die als Besitznahme zu deutende Handlung bleibe nicht länger als Trennbares vorhanden, sondern amalgamiere mit dem gewollten Gegenstand. Die Beispiele, die Hegel für diese Art der Besitzergreifung gibt, betreffen vor allem organische Gegenstände: „Bearbeitung der Erde, Kultur der Pflanzen, Bezähmen, Füttern und Hegen der Tiere“297. Diese Aufzählung zeigt indes, dass Hegel nicht, wozu man angesichts des Begriffs „Formierung“ schnell neigt, jeder körperlichen Änderung eine kennzeichnende Kraft im Sinne einer Besitznahme zumisst. Vielmehr zeigt sich, dass es sich um intentionale Änderungen handeln muss: Änderungen, die von Betrachtern auf die Verfolgung eines Zwecks zurückgeführt werden.298 Diese Interpretation fügt sich in die Auffassung Hegels Siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 58 Zusatz. Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 54. 294 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 58, Anmerkung zu § 58. 295 In diesem Sinne Palmer, in: Thierer / Crews (Ed.), Copy Fights: the Future of Intellectual Property in the Information Age, S. 43 (60); davon scheint auch Knowles, Phil. Q. 33 (1983), S. 45 (50 f.), auszugehen. 296 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 56. 297 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 56. 292 293
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ein, durch das Hineinlegen des eigenen Willens in eine Sache erhalte diese ihre Zweckbestimmung.299 Die Formierung ist also nur Folge eines Zwecks, den der Handelnde mit ihr verfolgt und den sie offenbart. Der Integration des Gegenstands in einen individuellen Sinnzusammenhang, als deren Konsequenz sich die Änderung der physischen Gestalt ausnimmt, wird von Hegel die Bedeutung zugeschrieben, von einem Beobachter als Besitznahme interpretiert zu werden. Die Zeichenfunktion der Formierung beruht also darauf, dass (i) eine erkennbare Änderung eines Gegenstands (ii) von Beobachtern auf die Handlung eines Menschen zurückgeführt wird, (iii) als deren Grund eine Zweckverfolgung mit und durch den Gegenstand erscheint. (2) Konsequenzen für geistige Werke Nimmt man diese Überlegungen Hegels auf und stellt sie in einen urheberrechtlichen Kontext, so bedeutet dies, dass nur solche geistigen Werke einem Urheberschutz unterliegen, die den obigen Voraussetzungen entsprechen. Zentrale Bedeutung erlangen hier die durch (i) und (ii) ausgedrückten Erfordernisse300: Das geistige Werk muss die Handlung eines Menschen, die isoliert beobachtet als Besitznahme zu deuten gewesen wäre, derart assimiliert haben, dass es sich als durch ihn geändertes Etwas darstellt. Ohne eine wahrnehmbare, auf ein menschliches Verhalten zurückführende Änderung eignet dem Geisteswerk kein objektives Moment, das auf den Besitzwillen eines Subjekts schließen ließe. Was bei Hegel die Erde des Ackers war, die durch den Besitznehmenden bearbeitet wurde, ist im Falle geistiger Objekte der geistige Boden, von dem jedes Geisteswerk zehrt – vorbestehende Gedanken, Ideen und Werke anderer. Sollen Gedanken eines Menschen als eigenständiges Geisteswerk anerkannt werden, müssen sie sich daher als Änderung dieses geistigen Bodens darstellen; sie müssen dem bisherigen geistigen Fundus etwas Neues hinzufügen. Um dem Urheberschutz zu unterfallen, muss sich ein geistiges Objekt infolgedessen von bereits bestehenden geistigen Inhalten301 unter298 Dies kommt im Übrigen zum Ausdruck bei Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 56: „Das Formieren ist insofern die der Idee angemessenste Besitznahme, weil sie das Subjektive und Objektive in sich vereinigt, übrigens nach der qualitativen Natur der Gegenstände und nach der Verschiedenheit der subjektiven Zwecke unendlich verschieden.“ [Hervorhebung von mir]. 299 Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 44; hierzu auch Ritter, in: ders., Metaphysik und Politik, S. 256 (269). 300 Die Voraussetzung des intentionalen Handelns (iii), die auf die Zweckverfolgung durch das Geistesobjekt abstellt, dürfte stets gegeben sein. Dies zumindest dadurch, dass es ein Gemeinplatz ist, dass der Zweck geistiger Objekte in der Kommunikation mit der rezipierenden Wirklichkeit besteht (siehe etwa Knowles, Phil. Q. 33 [1983], S. 45 [51]). Von Beobachtern dürfte ein Geisteswerk daher zumindest als Kommunikationsangebot aufgefasst werden. 301 Der Begriff des geistigen Inhalts wird hier weiter verwendet, als es in der urheberrechtlichen Dogmatik der Fall ist. Er umfasst sowohl die Art und Weise (die sog. Form) als auch den eigentlichen Inhalt eines Werks.
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scheiden. Diejenigen Werke, die sich nicht als unterscheidungskräftig erweisen, sondern als bloße Wiedergabe bestehender Geistesinhalte wahrgenommen werden, können keinen Schutz beanspruchen.302 Demnach lässt sich in der Tat – wenn auch nur mittelbar – dem entwicklungstheoretischen Begründungsmodell ein qualitatives Kriterium für eine tatbestandliche Differenzierung des Urheberrechts entnehmen. Damit lassen sich zeitgenössische Anforderungen, die etwa in Form einer verlangten Gestaltungshöhe, Originalität oder Individualität auftauchen, moralisch erklären. Verstanden als Postulat, sich von vorbestehenden Geistesobjekten abzugrenzen, lassen sich diese als moralische Konsequenz der Hegelschen Formierung – nicht aber als Ergebnis seiner allgemeinen Eigentumstheorie! – darstellen. Ein klassifikatorischer Ausschluss bestimmter Kategorien von Werken lässt sich hingegen, jedenfalls aus normativer Sicht, nicht entnehmen.303 Freilich wird die Wahrscheinlichkeit, ein Werk als neuartig zu begreifen, mit seiner geistigen Ausdifferenziertheit steigen. Je allgemeiner und abstrakter ein Geistesinhalt formuliert ist, desto größer wird die Gefahr eines fehlenden Unterschieds zum Bisherigen sein. Bei Ideen, deren Gestalt üblicherweise wenige Konturen erkennen lässt, wird daher die Erkennbarkeit einer menschlichen Änderung weniger offensichtlich oder wahrscheinlich sein. Insoweit lässt sich immerhin ein tatsächliches Schutzgefälle zwischen Ideen und ihren konkreten Umsetzungen konstatieren.
cc) Rechtsfolgen des Urheberrechts Bislang ist dargelegt worden, dass nach der Hegelschen Eigentumstheorie – geht man über ihre Unanwendbarkeit auf das Urheberrecht hinweg – diejenigen geistigen Objekte dem Tatbestand des Urheberrechts unterfallen, die als Änderung wahrgenommen werden. Erst dann, wenn sie von bisherigen Geistesobjekten abweichen, setzen sie einen Unterschied und zeigen sich als menschliche Formierung. Nunmehr werden die Rechtsfolgen des Urheberrechts dargestellt, die sich aus der konsequenten Anwendung des entwicklungstheoretischen Arguments ergeben. Drei Bereiche werden diesbezüglich diskutiert: (1) die Art der Rechte, die das Urheberrecht vermittelt, (2) ihre Übertragbarkeit und (3) die Dauer des Urheberrechts.
302 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 69, macht darauf aufmerksam, dass sich nicht genau angeben lässt, wann im Einzelfall ein solcher Unterschied besteht, oder es sich vielmehr um ein Plagiat handelt. Daraus schließt er, dass dies nicht der gesetzlichen Regelung zugänglich sei, sondern ein Plagiat „müßte daher eine Sache der Ehre sein und von dieser zurückgehalten werden.“ [Hervorhebung im Original]. 303 Hingegen glaubt Netanel, Rutgers L. J. 24 (1993), S. 347 (377 Fn. 130), dass Hegel den Schutz von Ideen ausschließen wollte. Auch wenn sich dies einer Einzelbemerkung Hegels entnehmen ließe: das entwicklungstheoretische Argument gibt – wie dargelegt – für eine solche Schlussfolgerung keinen Anlass.
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(1) Art der Rechte Welche Art von urheberrechtlichen Befugnissen lassen sich mittels der Hegelschen Eigentumstheorie moralisch begründen? Es ist sehr verbreitet und populär, Urheberpersönlichkeitsrechte durch Rekurs auf Hegels Eigentumstheorie moralisch stabilisieren und absichern zu wollen.304 Indem das entwicklungstheoretische Argument nicht selten – und wie gesehen: zu unrecht – im Sinne eines Vermischungstatbestands Lockescher Provenienz verstanden wird, nimmt dies nicht wunder. Freilich bieten außerhalb dieser Fehlvorstellung weder Hegels Anmerkungen zum Urheberrecht noch, was weitaus wichtiger ist, der rationale Kern seiner Eigentumstheorie eine Handhabe, Urheberpersönlichkeitsrechte zu begründen. Hegel scheint der Gegensatz von vermögensrechtlichen und persönlichkeitsrechtlichen Befugnissen des Urhebers nicht bekannt zu sein: das Privateigentum ist für ihn bereits das „Recht der Persönlichkeit als solcher“305 So nimmt er diejenigen Ausschließlichkeitsbefugnisse auf, die traditionell mit dem Sacheigentum verbunden werden, und setzt sie mit dem Recht der Person gleich. Doch auch dort, wo Hegel ausdrücklich die Übertragung urheberrechtlicher Befugnisse anspricht, geht es ihm stets nur um die allgemeine Art und Weise, das Werk zu vervielfältigen.306 Das Urheberrecht, das Hegel im Sinn hat, erschöpft sich in einer vermögensrechtlichen Befugnis: dem Vervielfältigungsrecht. Diese Bemerkungen fügen sich in die Teleologie der Hegelschen Argumentation: Verwertungsrechte können unterschiedlichsten Bedürfnissen dienen, zu verschiedenen Zwecken eingesetzt werden – sie sind insofern abstrakt. Ihre Integration ins abstrakte Recht stellt den Menschen als noch in seinen Inhalten unbestimmtes PersonSein dar, das sich seine Bestimmungen noch geben kann und muss. Demgegenüber besitzen Urheberpersönlichkeitsrechte schon immer einen Bezug zur Partikularität des jeweiligen Individuums. Sie schützen nicht den allgemeinen Willen, einen Gegenstand zu beliebigen Zwecken zu gebrauchen, sondern die je ideellen Interessen des Individuums. Das entwicklungstheoretische Argument spendet den Urheberpersönlichkeitsrechten somit keine Legitimation; doch hält es immerhin die moralische Möglichkeit offen, jene einzuführen. (2) Übertragbarkeit des Urheberrechts Die Frage, ob aus Sicht der Hegelschen Eigentumstheorie das Urheberrecht übertragbar ist, wird zumeist mit Blick auf die Möglichkeit eines derartigen Transfers behandelt. Diese Perspektive schließt freilich bereits die Prämisse ein, das Recht am körperlichen Gegenstand und das Recht am darin enthaltenen Geistes304 Diese Feststellung macht auch Sterk, Mich. L. Rev. 94 (1996), S. 1197 (1242); Beispiele hierfür etwa bei Damich, Ga. L. Rev. 23 (1988), S. 1 (28 Fn. 135); Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (350); Lacey, Duke L. J. 1989, S. 1532 (1542, 1564). 305 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 40 [Hervorhebung im Original]. 306 Siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 69.
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werk stellten zwei trennbare Rechtspositionen dar. Hegel behandelt die Übertragbarkeit des Urheberrechts indes aus einer völlig anderen Perspektive, deren Wurzeln zweifacher Art sind. Einerseits erkennt er, dass die Besonderheit von Schriftwerken darin liegt, dass mit ihnen nicht nur der körperliche Gegenstand – das Buch oder Manuskript – erworben wird, sondern zugleich die tatsächliche Fähigkeit übergeht, dasselbe zu reproduzieren.307 Andererseits weiß Hegel um das wirtschaftliche Interesse des Schriftstellers, durch den Verkauf eines Manuskripts oder Buches nicht zugleich die darin enthaltende Vervielfältigungsmöglichkeit rechtlich mitveräußern zu wollen.308 Aus dieser Gemengelage entspringt die Intention Hegels, zu zeigen, dass der Urheber sich „der allgemeinen Art und Weise [ . . . ] dergleichen Produkte und Sachen zu vervielfältigen“ 309 nicht notwendigerweise mit dem Verkauf des Werkstücks begebe, sondern „sich dieselbe als eigentümliche Äußerung vorbehalten kann“310. Dadurch wird klar, dass für Hegel nicht die Möglichkeit der rechtlichen Übertragung dieses Vermögens zweifelhaft ist – von dieser geht er offenkundig aus311 –, sondern aus seiner Sicht zu diskutieren ist, ob dieses Vermögen notwendig mit der Übertragung des Werkstücks auf den Erwerber übergeht. Eine solche Notwendigkeit bestünde, wenn das faktische Vermögen, das Buch zu vervielfältigen, vom Eigentum am körperlichen Werkstück rechtlich mit umfasst wäre. Welche Gründe könnten dafür sprechen? Hegel gibt zu bedenken, dass eine Trennung beider Rechte das Eigentum am körperlichen Gegenstand konterkarieren könne. Es sei zu fragen, ob „eine solche Trennung des Eigentums der Sache von der mit ihr gegebenen Möglichkeit, sie gleichfalls zu produzieren, im Begriffe zulässig ist und das volle, freie Eigentum [ . . . ] nicht aufhebt“312. Denn das Privateigentum als „wesentlich freies, volles Eigentum“313 ermögliche es, die gehörende Sache in ihrem ganzen Umfang zu 307 Siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 68, Anmerkung zu § 68. Bei Kunstwerken verneint Hegel dagegen dort, dass der Käufer in den Besitz der allgemeinen Art und Weise der Vervielfältigung komme. Grund hierfür ist, dass er die Form eines Kunstwerks so sehr für das Eigentümliche des jeweiligen Schöpfers hält, dass jede Reproduktion Resultat eigener geistiger Geschicklichkeit sei. Anders als bei Schriftwerken, die Gedanken in Zeichen festhielten, die bereits vorhanden seien, sei bei Kunstwerken der Modus der Produktion selbst das Eigentümliche. 308 Siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Anm. zu § 64. 309 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 69 [Hervorhebung im Original]. 310 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 69 [Hervorhebung von mir]. 311 Vgl. auch Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Anmerkung zu § 69: „Es gehört mein [ . . . ] ausdrücklicher Wille dazu, – wenn auch diese Seite veräußert wird“; so daher mit Recht Boytha, in: Becker u. a. (Hrsg.), Festschrift für Reinhold Kreile, S. 109 (115); Cotter, N.C.L. Rev. 76 (1997), S. 1 (9); Fisher, in: Munzer (Ed.), New Essays in the Legal and Political Theory of Property, S. 168 (191); Netanel, Rutgers L. J. 24 (1993), S. 347 (377). Entgegen der Kritik von Netanel, Rutgers L. J. 24 (1993), S. 347 (377 Fn. 132), bejaht auch Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (348, 350) dies. Seine Einlassung, dies gelte nicht für Urheberpersönlichkeitsrechte, ist allerdings substanzlos – diese lassen sich nicht der Hegelschen Theorie entnehmen. 312 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 69.
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benutzen und zu gebrauchen314. Infolgedessen bedeutete es, wie es Hegel formuliert, das „Verhältnis eines absoluten Widerspruchs“315, ginge man davon aus, dass jemand Eigentümer einer Sache sein könne, obschon ein Anderer ein voll umfängliches Gebrauchsrecht an derselben Sache besäße. Bereits die begriffliche Unterscheidung sei eine leere Abstraktion; eines der beiden konkurrierenden Rechte müsse stets weichen und sich als leeres Herrschaftsrecht darstellen.316 In der rechtlichen Trennung eines Urheber- und eines Eigentumsrechts erkennt Hegel allerdings keinen solchen Widerspruch. Für diese Zulässigkeit und die Trennung beider Rechte führt Hegel zwei Argumente an, ein begriffliches und ein instrumentelles. Das begriffliche Argument besagt, dass der unmittelbare Gebrauch der Sache – bei einem Buch das Lesen – von dem enthaltenen Vermögen, sie zu reproduzieren, verschieden und trennbar ist.317 Es gehe auf der einen Seite um den Wert des verkörperten Gedankens, auf der anderen Seite um den Wert der Vervielfältigung dieses Gedankens.318 Da es sich also seiner Natur nach um zwei verschiedene Arten des Gebrauchs handele, könne der Vorbehalt des Vermögens nicht zu einem leeren Eigentumsrecht führen – als „Herrenschaft ohne utile“319 bezeichnet werden. Das instrumentelle Argument, das im individualistischen Kontext der Hegelschen Eigentumstheorie als Fremdkörper erscheinen muss, beruft sich darauf, dass die Beförderung der Wissenschaften und Künste es erfordere, die Schaffenden gegen Diebstahl zu sichern. Die Schlussfolgerungen Hegels verdienen freilich nur dann Beachtung, wenn sie von seiner Eigentumstheorie gestützt werden. Es ist daher erforderlich, zu zeigen, ob sich die Übertragbarkeit des Urheberrechts aus Sicht des entwicklungstheoretischen Arguments als moralisch legitimiert erweist. Im Vordergrund stehen hierbei zwei Prämissen dieses Arguments. Erstens, dass der Mensch seine negative Willensfreiheit erlange, indem er sich selbst als noch unbestimmtes und uneingeschränktes Ich zu denken lernen müsse. Und zweites, dass das Privateigentum diesen Lernprozess ermögliche: Als Teil des abstrakten Rechts werde dem Menschen dort jene Freiheit dadurch erfahrbar, dass sein subjektiver Wille, eine Sache besitzen zu wollen, ohne Blick auf seine individuellen Bedürfnisse, Zwecke und Eigenschaften anerkannt und sohin objektiv werde. Diese teleologisch-funktionalen Prämissen des entwicklungstheoretischen Arguments sprechen für die Übertragbarkeit des Urheberrechts. Denn diese fördert den beschriebenen Lernprozess auf zweierlei Weisen. Erstens dadurch, dass dem Urheber auf diese Weise, genauso wie er durch die Besitznahme seinen Willen in das Werk legen konnte, ermöglicht 313 314 315 316 317 318 319
Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 62 [Hervorhebung im Original]. Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 61, 62. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 62. Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 62. Siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 69. Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Anmerkung zu § 69. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 69 [Hervorhebung im Original].
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wird, seinen Willen diesem wieder zu entziehen. Infolgedessen wird die Darstellung als abstraktes Ich, das über seinen Willen frei entscheiden kann, aufrechterhalten. So wie mein Besitzwille mir durch das Eigentumsrecht objektiv wird, geschieht dies umgekehrt, wenn das Recht auch die Negation dieses Willens veranschaulicht.320 Auch Hegel geht daher von der Übertragbarkeit des Eigentums aus; die Besitznahme, das Hineinlegen des Willens, könne selbstverständlich zurückgenommen werden.321 Ein zweiter Grund kommt hinzu: Wenn nach Vorstellung Hegels der Mensch im Privateigentum sich selbst als Person erfährt, so muss auch eine stärkere Form dieses kognitiven Lerneffekts zulässig sein. Diese liegt gerade in der vertraglichen Übertragung des Eigentums. Denn dies bedeutet Erfahrung des Person-Seins durch andere Personen – die selbstzentrierte Erfahrung des freien Willens bricht auf, indem das Moment der wechselseitigen Anerkennung hinzutritt.322 Nicht länger beruht das Eigentum dann auf dem subjektiven Willen des einzelnen, der sich im Gegenstand objektiviert. Stattdessen wird diese Wille selbst auf eine höhere Ebene, derjenigen des gemeinsamen Willens, gehoben. So ist die Hegelsche Wendung zu verstehen, dass durch den Vertrag „jeder mit seinem und des anderen Willen aufhört, Eigentümer zu sein, es bleibt und es wird“323. Die in der vertraglichen Veräußerung zum Ausdruck kommende Willensbeziehung ist „der eigentümliche und wahrhafte Boden, in welchem die Freiheit Dasein hat“324 Hegel sieht denn auch in der Entäußerung eines Gegenstands die „wahre Besitzergreifung“325. Trotz dieser rationalen Gründe, die für die Übertragbarkeit des Urheberrechts sprechen, wird bisweilen das Gegenteil behauptet. Ihren argumentativen Ausgangspunkt finden diese Meinungen in Ausführungen, die Hegel über die Grenzen der Veräußerung in den §§ 66, 67 seiner Rechtsphilosophie macht. Als unveräußerlich bezeichnet Hegel dort diejenigen Güter und Eigenschaften, „welche meine eigenste Person und das allgemeine Wesen meines Selbstbewusstseins ausmachen, wie meine Persönlichkeit überhaupt, meine allgemeine Willensfreiheit, Sittlichkeit, Religion“326. Nur beschränkt veräußerlich nennt er zudem die besonderen körper320 Man kann freilich auf den Gedanken kommen, zu bestreiten, dass das Zeichen, welches das Werk durch die Formierung erhält – das „Dies ist mein!“ –, stets beseitigt werden kann. Dieser Behauptung läge die These zugrunde, dass ein am Werk assimiliertes Besitzzeichen einen stärkeren Erklärungswert als die ausdrückliche Aufgabe des Eigentums besäße. Wenn die Formierung von einer außerhalb des Werks stehenden Aneignungshandlung unabhängig ist, so heißt dies jedoch nicht, dass nicht ihr positiver Erklärungswert durch eine andere Handlung aufgehoben werden kann. 321 Siehe Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 65. 322 Vgl. auch Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 71: „Der Vertrag setzt voraus, daß die darin Tretenden sich als Personen und Eigentümer anerkennen“ [Hervorhebung im Original]. 323 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 74 [Hervorhebung im Original]. 324 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 71 [Hervorhebung im Original]. 325 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 65 Zusatz.
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lichen und geistigen Geschicklichkeiten und Möglichkeiten der Tätigkeit des einzelnen.327 Ihr Gebrauch durch andere – im Wege der Veräußerung ihrer Produktionen – sei nur quantitativ beschränkt möglich. Denn durch ihre vollständige Veräußerung „würde ich das Substantielle derselben, meine allgemeine Tätigkeit und Wirklichkeit, meine Persönlichkeit zum Eigentum eines anderen machen“328. Hegel greift hier die Begründung auf, mit der er bereits die Frage zu beantworten suchte, ob die Trennung von Geistesrecht und Eigentumsrecht begrifflich zulässig ist: Sofern das Gebrauchsrecht die Totalität des gebrauchten Gegenstands ausmacht, bleibe kein zusätzliches Recht am Gebrauchsgegenstand mehr übrig. Der Gebrauch der allgemeinen Eigenschaften und Fähigkeiten des einzelnen durch andere müsse begrenzt sein; ansonsten wandelten sie sich zu Kräften der anderen – denn die „Totalität der Äußerungen einer Kraft ist die Kraft selbst“329. Bilden diese Ausführungen eine vernünftige Basis, die Übertragbarkeit des Urheberrechts zu verneinen? Das Gegenteil zeigt sich, bettet man diese Aussagen in den funktionalen Zusammenhang der Hegelschen Eigentumstheorie ein. Unveräußerlich sind nach den Aussagen Hegels ja diejenigen allgemeinen Bestimmungen des Individuums, die ihrer Natur nach, und das heißt: bereits begrifflich, dem Menschen ein Inneres sind, und nur durch Vermittlung zur Unmittelbarkeit herabgesetzt werden können.330 Es sind dies die allgemeinen Merkmale der abstrakten Person – diejenigen Eigenschaften, die übrig bleiben, wenn von allen individuellen Besonderheiten abgesehen wird: die Willensfreiheit, die Fähigkeit zur Arbeit etc.331 Diese Einschränkung entspricht der teleologischen Ausrichtung der Hegelschen Theorie: Wenn man sich derjenigen Merkmale begeben könnte, die gerade durch das abstrakte Recht denkend erschaut werden sollen – das Dasein als freier, denkender, körperbesitzender Mensch –, würde dies das Ziel des abstrakten Rechts, nämlich die Freiheit des negativen Willens zu erreichen, unterminieren. In der Innehabung dieser abstrakten Merkmale liegt ja gerade „die Möglichkeit des Gegensatzes zwischen dem, was er [der Geist] nur an sich und nicht auch für sich ist“332. Doch geht es bei der Veräußerung des Urheberrechts an einem Werk gerade nicht um die Übertragung solcher Eigenschaften. Nicht die allgemeine Fähigkeit, kreativ zu schaffen, wird dort übertragen; vielmehr werden nur konkrete Ergebnisse dieser Fähigkeit veräußert. Mit anderen Worten: Der Urheber begibt sich nicht seiner allgemeinen Fähigkeit, zu malen, zu schreiben etc. Was er veräußert, wenn er sein Urheberrecht an einem von ihm geschaffenen Werk veräußert, ist nur ein konkretes Ergebnis dieses Prozesses. Die Hegelsche Eigentumstheorie führt Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 66. Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 67. 328 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 67 [Hervorhebung im Original]. 329 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 67 [Hervorhebung im Original]. 330 Dies lässt sich erkennen bei Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §§ 65, 66. 331 Ähnlich Sterk, Mich. L. Rev. 94 (1996), S. 1197 (1243). 332 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 66 [Hervorhebung im Original; Einschub von mir]. 326 327
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daher bei konsequenter Anwendung zur vollständigen Übertragbarkeit des Urheberrechts. (3) Dauer des Urheberrechts Bei der moralisch gebotenen Dauer des Urheberrechts, die die Anwendung des entwicklungstheoretischen Begründungsmodells impliziert, sind zwei Fragenkomplexe zu unterscheiden. Der erste betrifft die Frage, ob es hiernach möglich ist, dass bereits während der Lebensdauer des Urhebers dessen Urheberrecht untergeht. Hingegen betrifft der zweite Komplex die Frage, ob nach dem Tod des Urhebers dessen Urheberrecht weiterhin bestehen kann. Die Beantwortung der ersten Frage berührt in vielerlei Hinsicht die Ausführungen, die bereits zur Übertragbarkeit des Urheberrechts gemacht worden sind. Denn für die Möglichkeit einer Dereliktion des Urheberrechts sprechen ebenfalls die Erwägungen, die Hegel auf der Zuordnungs- und Erwerbsebene seiner Eigentumstheorie anstellt. Hegel beantwortet dort die Frage, wie ein Gegenstand angeeignet werden kann, dahingehend, dass sowohl der innere Wille, eine Sache zu besitzen, als auch die Äußerlichkeit desselben erforderlich sei. Die logische Konsequenz, dass umgekehrt das Wegfallen eines dieser beiden Elemente zur Aufgabe des Eigentums führt, lässt sich ausdrücklich den Ausführungen Hegels zur Verjährung des Privateigentums entnehmen.333 In abermaliger Betonung der Bedeutung, die die Gegenwart des subjektiven Willens für das Eigentumsrecht hat, stellt er dort fest, dass die Sache herrenlos werde, sobald jener Wille nicht mehr existiere.334 Die Verjährung des Eigentumsrechts wird von Hegel daher als Vermutung einer Dereliktion, also als konkludente Aufgabe des Besitzwillens rekonstruiert.335 Dass dieses Resultat nicht nur begrifflich bedingt, sondern zudem aus dem Gedankengang der Hegelschen Eigentumstheorie funktional folgt, lässt sich den teleologischen Gründen entnehmen, die bereits zur Übertragbarkeit des Urheberrechts angeführt wurden. Somit führt der argumentative Rekurs auf die Hegelsche Eigentumstheorie dazu, dass das Urheberrecht derelinquiert werden kann.336 Ob das Urheberrecht spätestens mit dem Tod des Urhebers untergeht, oder aber darüber hinaus post mortem auctoris besteht, betrifft den zweiten Fragenkomplex. Diese Frage, die Hegel vermutlich im Sinne eines postmortalen Urheberrechts beantwortet wissen wollte337, lässt sich aufgrund zweier Erwägungen gegenteilig Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 64. Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 64. 335 Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 64 Zusatz, § 65 Zusatz. 336 Dies führt zu einem Abweichen vom deutschen Recht, wo eine Dereliktion des Urheberrechts nicht möglich ist; vgl. etwa Schack, Urheberrecht, Rdnr. 310, 311. 337 Indiz hierfür ist die Aussage Hegels (ders., Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 64), dass das „Privateigentumsrecht der Familie eines Schriftstellers an dessen Produktionen verjährt“ [Hervorhebung im Original]. Die darin enthaltene Annahme, dass das Urheberrecht auch nach dem Tod des Schriftstellers existiere – wie sollte es anders als durch Erbgang 333 334
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beantworten. Gegen ein über den Tod des Urhebers bestehendes Urheberrecht spricht erstens, dass mit dem Tod des Urhebers dessen subjektiver Wille, sein Werk als das Seinige besitzen zu wollen, nicht mehr vorhanden ist. Wie auch bei der Dereliktion fehlt es an der Gegenwart des Besitzwillens, ohne den kein Eigentumsrecht nach der Hegelschen Eigentumstheorie zugestanden wird. Dieser Eindruck bestätigt und verfestigt sich zweitens durch einen Blick auf die maßgebliche Rechtfertigungsebene der Hegelschen Theorie. Rationaler Kern des Privateigentums ist hiernach, den Menschen in die Lage zu versetzen, sich seiner selbst als abstraktes Ich, als Person zu vergewissern. Durch den Tod des Urhebers fällt diese Zwecksetzung des Eigentums freilich fort. Im Tod kann sich – es sei denn man unterlegte ein theologisch-metaphysisches Glaubensbekenntnis und verließe dann zugleich den irdischen Boden reale Diskurse – kein Mensch seiner selbst bewusst werden. Das hegelianische Begründungsmodell muss daher konsequenterweise zu einer auf das Leben des Urhebers beschränkten Dauer des Urheberrechts führen.338 Angesichts der dargelegten Übertragbarkeit des Urheberrechts ist indes zu bemerken, dass das Bestehen des Urheberrechts nicht länger an den Urheber, sondern an den jeweiligen Rechtsinhaber gebunden ist. Es geht mit derjenigen Person unter, die es gerade innehat.
c) Zusammenfassung Eine Persönlichkeits-basierte Rechtfertigung des Urheberrechts, die auf dem entwicklungstheoretischen Typus basiert, macht sich die Eigentumstheorie Hegels zu Eigen. Wie diese nimmt sie an, dass es notwendige Bedingung der menschlichen Freiheit sei, Person zu sein. Sie behauptet infolgedessen, dass das Urheberrecht moralisch gerechtfertigt sei, weil es die Entwicklung des Urhebers zur Person fördere. Die genaue Untersuchung der Hegelschen Theorie hat jedoch überraschende Erkenntnisse zutage gefördert. Auf der einen Seite hat sich gezeigt, dass sie – entgegen gängiger Vorurteile, die auf einer oberflächlichen Rezeption beruhen – streng genommen zur moralischen Unmöglichkeit des Urheberrechts führt. Auf der anderen Seite hat sich herausgestellt, dass selbst dann, wenn dies ignoriert wird, sie nicht dazu dienen kann, jene Ergebnisse moralisch zu stützen, die ihr üblicherweise zugeschrieben werden. (1) Die Plausibilität des entwicklungstheoretischen Arguments besteht in der Annahme, der Mensch werde im Eigentum in jeder Hinsicht als entindividualisiertes Subjekt dargestellt. Dadurch sei es ihm möglich, sich selbst als noch unbeauf die Familie übergegangen sein? –, begründet die Vermutung eines postmortalen Urheberrechts. 338 So auch Sterk, Mich. L. Rev. 94 (1996), S. 1197 (1242), der aufgrund der Rolle, die das Privateigentum innerhalb der Hegelschen Eigentumstheorie für die Persönlichkeitsentwicklung spielt, es für „particularly difficult“ hält, einen postmortalen Bestand des Urheberrechts zu begründen.
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stimmtes Abstraktum zu erfahren. So werde das Individuum darin gefördert, sich als noch unbestimmt und insofern frei zu denken. Diese Stufe der Bewusstseinsentwicklung ist Hegel zufolge das Dasein als Person. Die kognitive Lernfunktion, die Hegel dem Privateigentum zuschreibt, wird durch das Urheberrecht jedoch konterkariert. Ihr widerspricht die Zuweisung von geistigen Gegenständen, die nur aufgrund einer Leistung existieren, die den je subjektiv vorhandenen Fähigkeiten und Eigenschaften des Urhebers entsprungen ist. Das Urheberrecht spiegelt insofern gerade die Individualität des jeweiligen Urhebers wider – dieser wird nicht als noch allgemeines, sondern als besonderes Ich dargestellt. Er erfährt sich so bereits als gesetztes Hier und Jetzt, das in seinen Eigenschaften und Talenten gefangen und insofern unfrei ist. Die Individualität eines geistigen Werks, die in unseren Vorstellungen eng mit dem Urheberrecht verbunden ist, lässt sich nicht mit dem entindividualisierten Individuum des entwicklungstheoretischen Arguments vereinbaren. (2) Sofern man diese unausweichlichen Konsequenzen ignoriert und dennoch voraussetzt, dass die Hegelsche Eigentumstheorie zur Rechtfertigung des Urheberrechts dienen kann, widerlegen ebenfalls die Resultate, auf die man sich dann einlassen muss, populäre Vorstellungen in vier Hinsichten: (a) Auf tatbestandlicher Seite hat sich gezeigt, dass die häufig anzutreffende Meinung, die Theorie Hegels erfordere die Einbeziehung der Schöpferpersönlichkeit in das kreierte Werk, nicht aufrechterhalten werden kann. Dergleichen beruht auf einer verkürzten Interpretation der Hegelschen Eigentumstheorie, die der ontologischen Metaphorik erliegt, die Hegel unbewusst mit der Formel des Wille-in-eine-Sache-legens beschwört. Doch lässt sich immerhin mithilfe seiner Theorie ein qualitatives Kriterium moralisch rekonstruieren, das die Neuheit des Werks im Sinne eines Unterschieds zum Vorbestehenden postuliert. (b) In Hinblick auf die möglichen Rechtsfolgen des Urheberrechts hat sich zudem herausgestellt, dass – entgegen verbreiteter Ansicht – das entwicklungstheoretische Argument Hegels keine Urheberpersönlichkeitsrechte zu begründen imstande ist. Diese bleiben zwar moralisch möglich; doch finden allein vermögensrechtliche Befugnisse dort eine normative Stütze im Sinne ihrer moralischen Notwendigkeit. (c) Ferner ist dargelegt worden, dass sich aus der entwicklungstheoretischen Rechtfertigung die moralische Notwendigkeit ergibt, das Urheberrecht als übertragbar auszugestalten. Nur so wird der Wille, eine Sache besitzen zu wollen, in seiner Negation anerkannt und auf einer höheren Ebene – diejenige der wechselseitigen Anerkennung im Vertrag – dem Menschen gegenwärtig. (d) Schließlich ist belegt worden, dass nach der Hegelschen Eigentumstheorie die Dereliktion des Urheberrechts moralisch zulässig sein muss; diese führt zur Aufrechterhaltung der Darstellung des freien Willens. Hingegen ist eine über den Tod hinausgehende Dauer des Urheberrechts hiernach nicht begründbar: die Lernfunktion, welche das Urheberrecht erfüllt, wird durch den Tod des Urhebers gegen-
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standlos. Doch bleibt die Herleitung eines portmortalen Urheberrechts durch andere Begründungsmodelle moralisch möglich.
2. Identifikationstheoretischer Typus Ein bislang noch kaum beschrittener Weg, ein Urheberrecht mittels einer Persönlichkeits-basierten Rechtfertigung zu legitimieren, besteht darin, eine psychische Beziehung zwischen einem Urheber und seinem Werk zu behaupten.339 Genauso wie beim entwicklungstheoretischen Typus wird auf diese Weise eine Abhängigkeit des Urhebers von seinem Werk begründet, die durch das Urheberrecht geschützt wird. Indes besteht die Funktion dieser Anerkennung nicht länger darin, die kognitive Entwicklung des Urhebers zur Person im Sinne eines abstrakten Ichs zu gewährleisten. Im Gegenteil wird angenommen, dass das geschaffene Werk zur je besonderen Identität des Urhebers gehöre. Dahinter steht der Gedanke, dass der Akt der Werkschaffung und dessen Produkt in das Selbstkonzept eingehen, das das Bewusstsein des Urhebers konstruiert. Was er nach eigener Wahrnehmung ist, war und werden wird, ist mit seiner Werkschaffung verbunden. Das Urheberrecht ist demnach die in rechtliche Form gegossene Anerkennung dieser psychischen Beziehung. Indem diese in ihrem Bestand geschützt wird, werde die Identität des Urhebers bewahrt und stabilisiert. Diese Art der Rechtfertigung eines Urheberrechts soll als identifikationstheoretische bezeichnet werden. Wenngleich diese Argumentation noch sehr allgemein gehalten ist, so lassen sich doch bereits drei Annahmen erkennen, die sie impliziert. (i) Sie setzt die normative Regel voraus, dass eine psychische Abhängigkeit zu geistigen Objekten, die die Identität des Urhebers betrifft, geschützt werden soll. (ii) Daneben basiert sie auf der empirischen Annahme, dass zumindest einige Urheber in eine derartige Abhängigkeit geraten. (iii) Und schließlich nimmt sie an, dass in diesen Fällen adäquater Schutz nur durch die Einräumung eines Rechts geschehen kann. Diejenigen, die eine identifikationstheoretische Argumentation verwenden, müssen zu jeder dieser Annahmen eine Begründung anbieten. In Bezug auf (i) müssen sie darlegen, wie eine Identitätsabhängigkeit theoretisch definiert und aus welchen normativen Gründen sie zu schützen ist. Ferner müssen sie empirisch nachweisen, dass die Annahmen (ii) und (iii) zutreffen. Daraus geht hervor, dass der identifikationstheoretische Ansatz verschiedene Varianten zulässt. Während (ii) und (iii) 339 Dergleichen findet sich, zudem in Kurzform, allein bei Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (626 ff.), der allerdings dieses Argument merkwürdigerweise als Arbeitsbasierte Rechtfertigung durch Verdienst einordnet, ebenfalls ders., Property Rights, S. 49. Angedeutet wird eine psychische Beziehung auch bei Netanel, Rutgers L. J. 24 (1993), S. 347 (400 ff.); Sterk, Mich. L. Rev. 94 (1996), S. 1197 (1239); als allgemeine Eigentumsrechtfertigung wird sie bei Radin, Stan. L. Rev. 32 (1982), S. 957 (959 ff.), kursorisch angedeutet. Angesichts der geringen Aufmerksamkeit, die die Psychologie solchen Objekt-Abhängigkeiten gewidmet hat (vgl. T. Habermas, Geliebte Objekte, S. 19) verwundert dies indes nicht.
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inhaltlich vorgegeben sind, ist es denkbar, dass die Prämisse (i) auf verschiedene Weise theoretisch definiert und normativ begründet wird. Um diese Möglichkeiten aufzuzeigen, werde ich im nachfolgenden Teil a) zwei verschiedene Wege darstellen, auf denen ein identifikationstheoretisches Argument entwickelt werden kann. Danach werde ich in b) erläutern, welche moralischen Folgen die Anwendung dieser beiden Argumente für das Urheberrecht besitzt. Schließlich werde ich in c) zeigen, welche Schwächen jene diskutierten Begründungswege besitzen und welche Probleme jede identifikationstheoretische Rechtfertigung lösen muss.
a) Die Begründung des Arguments Ausgehend von den eingangs skizzierten Voraussetzungen, auf denen eine identifikationstheoretische Rechtfertigung aufbaut, lässt sich ein vierstufiges Grundargument des identifikationstheoretischen Typus darlegen. Dieses kann als Basis der nachstehenden Erörterungen dienen, mit denen seine unterschiedliche Konkretisierung vorgestellt wird. Dieses Argument lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: (a) Es ist moralisch geboten, dass eine psychische Beziehung eines Individuums zu einem geistigen Objekt, aufgrund derer eine Identitätsabhängigkeit entsteht, durch die Gesellschaft geschützt wird; (b) eine derartige Identitätsabhängigkeit entsteht bei einigen Urhebern geistiger Werke; (c) dieser Schutz kann allein durch die Einräumung eines Rechts am Werk verwirklicht werden; (d) somit ist es moralisch geboten, diese Urheber in ihrer psychischen Beziehung zu ihrem Werk durch Rechtseinräumung zu schützen. Diejenigen Annahmen des Arguments, deren Ausfüllung unterschiedliche Gestalt annehmen kann, finden sich in der Prämisse (a): Einerseits ist zu klären, was unter einer Identitätsabhängigkeit zu verstehen ist, andererseits muss normativ begründet werden, warum eine solche Beziehung von der Gesellschaft zu schützen ist. Anschließend wird möglich sein, zwei verschiedene Modelle eines identifikationstheoretischen Arguments zu konstruieren. Hingegen müssen die empirischen Voraussetzungen in (b) und (c), soll das Argument funktionieren, vorausgesetzt werden. Ihre Richtigkeit oder zumindest ihre Überprüfbarkeit wird später thematisiert.
aa) Identitätsabhängigkeit zwischen Urheber / Werk Die Begründung des identifikationstheoretischen Arguments ist in erster Linie davon abhängig, wie man eine Identitätsabhängigkeit des Urhebers zu seinem Werk in (a) theoretisch definiert. Dieser Begriff ist für das Argument aus mindestens zwei Gründen zentral. Erstens, weil nur so empirisch überprüft werden kann, ob die in (b) behauptete Beziehung einiger Urheber zu ihrem Werk besteht. Und zweitens, weil nur so untersucht werden kann, ob, wie es (c) voraussetzt, als Schutz des Urhebers allein eine Rechtseinräumung in Betracht kommt und wenn
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ja, welche Rechte dies sind. Daneben kann dieser Begriff, wenn auch nicht logisch zwingend, eine normative Bedeutung besitzen. Denn der Weg, auf dem die Identitätsabhängigkeit konstruiert wird, bestimmt zugleich die Folgen, die eine Missachtung dieser Beziehung hätte. Sie kann so dazu dienen, negative Konsequenzen herauszustellen, die ihre Nichtbeachtung für den Urheber besitzt. Der Begriff der Identitätsabhängigkeit erlaubt daher, je nach Fassung, das Moralprinzip in (a) konsequentialistisch zu stärken. Wie lässt sich aber eine Abhängigkeit zwischen Werk und Urheber konstruieren? Ich möchte an dieser Stelle zwei Arten unterscheiden, wie theoretisch behauptet werden kann, dass ein Urheber zu seinem Werk in eine psychische Identitätsabhängigkeit gerät.340 Die erste Möglichkeit lässt sich als Integrationsthese, die zweite als Repräsentationsthese bezeichnen. Diese Unterscheidung impliziert nicht, dass keine anderen Wege denkbar sind, dem Begriff der Identitätsabhängigkeit Konturen zu verleihen. Doch scheint sie, wenn auch nicht bewusst und systematisch entwickelt, den Ausführungen zugrunde zu liegen, die eine psychische Beziehung zwischen einem Urheber und seinem Werk andeuten. In beiden Fällen geht es um die Stabilisierung der personalen Identität des Urhebers.341 Einerseits dadurch, dass eine alte Identität bewahrt und nicht durch eine neue abgelöst wird, andererseits dadurch, dass die Konstruktion einer anderen Identität ermöglicht oder kontrolliert wird. (1) Integrationsthese Legt man die Integrationsthese zugrunde, so behauptet man, dass ein Werk in die personale Identität des Urhebers integriert werde. Die Schaffung des Werks wird psychischer Bestandteil der Identität des Urhebers: er sieht und definiert sich als Urheber seines Werks.342 Die Einheit, die er in seinen Augen war, ist und wird – sein Selbstkonzept –, bildet sich auch durch dieses Ereignis. Dieses Selbstkonzept, das durch das Bewusstsein des Urhebers konstruiert wird, würde daher gestört, wenn ihm die Urheberschaft entzogen würde.343 Denn seine personale Identität, die durch seine Eigenschaft als Urheber des Werks mitkonstituiert wird, könnte durch eine soziale Identität, die diese Eigenschaft ausschließt und leugnet, in Konflikt geraten. Als Folge ließe sich eine Art Identitätsstörung behaupten. Die Inte340 Eine weitaus differenziertere Taxonomie der spezifischen Funktionen persönlicher Objekte findet sich bei T. Habermas, Geliebte Objekte, S. 422 ff. Indes sind diese Funktionen nicht allein auf die Identität einer Person bezogen, sondern gehen darüber hinaus. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle ein anderer Weg eingeschlagen. 341 Zur Unterscheidung von personaler und sozialer Identität vgl. Weigert, in: Lapsley / Power (Ed.), Self, Ego, and Identity, S. 263 (265). 342 Da solche persönlichen Objekte weder Teil des Körpers noch der Psyche eines Menschens sind, schreibt ihnen T. Habermas, Geliebte Objekte, S. 18, einen „merkwürdigen Zwischenstatus zwischen eigener Person und Außenwelt“ zu. 343 Allgemein zu Störungen T. Habermas, Geliebte Objekte, S. 40 f.
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grationsthese liegt etwa der Konzeption zugrunde, die Radin entwirft.344 Sie geht von der Feststellung aus, dass die meisten Menschen bestimmte Objekte besitzen, die sie als Teil ihrer Selbst empfinden. Diese Objekte seien mit der Persönlichkeit eines Menschen verbunden: Sie seien Teil davon, wie wir uns als fortbestehende persönliche Entitäten konstituierten345. Eine solche Beziehung zu einem Gegenstand liege vor, wenn sein Verlust einen Schmerz verursache, der nicht durch Ersatzgegenstände gelindert werden könne. Im Gegensatz zu Gegenständen, die substituierbar sind (fungible property), nennt Radin diese Art von Besitzverhältnis personal property.346 Diese Vorstellung scheint ebenfalls, wenn auch unklarer formuliert, der Auffassung Beckers zugrunde zu liegen.347 Es sei eine allgemeine Beobachtung, dass das psychologische Wohlergehen einer Person ursächlich mit dem Wohlergehen eines Gegenstandes verbunden sein könne.348 Worin dieses „Wohlergehen“ genau besteht, wird von Becker allerdings nicht eindeutig bestimmt. Mal bezieht er es auf die Identität, mal auf die psychologische Integrität einer Person. Jedenfalls könne, sofern es dem Gegenstand „schlecht“ ergeht (fares badly), der Sinn für das Selbst oder den Selbstwert vermindert werden. Diese Verknüpfung zwischen dem Wohlergehen des Werks und dem Wohlergehen des Urhebers führt dazu, ein persönliches Bedürfnis des Urhebers für das Wohlergehen seiner Produkte anzunehmen.349 Dass als persönliche Objekte oder personal property auch unkörperliche Gegenstände in Betracht kommen, wird von T. Habermas ausdrücklich erwähnt.350 (2) Repräsentationsthese Die Repräsentationsthese bezeichnet hingegen die Vorstellung, ein Werk repräsentiere teilweise oder vollständig die Persönlichkeit des Urhebers.351 Damit ist gemeint, dass ein Werk – zumindest aus Sicht des Urhebers – psychische Merkmale seines Urhebers abbildet. Dadurch besitzt es die Fähigkeit, seine soziale IdenHierzu Radin, Stan. L. Rev. 32 (1982), S. 957 (959 ff.). Dies zeigt, dass Radin trotz der Verwendung des Persönlichkeitsbegriffs in Wirklichkeit eine Identitätsbeziehung umschreibt. Denn sie stellt offenkundig nicht auf die Gesamtheit der psychischen Merkmale eines Menschen ab (zu diesem Persönlichkeitsbegriff Haußer, Identitätspsychologie, S. 3). 346 Vielfache Beispiele für diese Objekte bei T. Habermas, Geliebte Objekte, S. 9 ff., der sie als persönliche Objekte kennzeichnet. Das Merkmal der fehlenden Substituierbarkeit wird bei ders., Geliebte Objekte, S. 21, ebenfalls erwähnt. 347 Hierzu Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (626 f.). 348 Siehe Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (626 Fn. 44). 349 Vgl. Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (627). 350 So T. Habermas, Geliebte Objekte, S. 18, der etwa Musik und Gedichte erwähnt; vgl. auch ders., Geliebte Objekte, S. 402 ff. 351 Allgemein für persönliche Objekte findet sich dieser Ansatz auch bei T. Habermas, Geliebte Objekte, S. 422 ff. 344 345
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tität zu beeinflussen. Sofern die personale Identität, die durch das Bewusstsein des Urhebers konstituiert wird, mit den repräsentierten Merkmalen nicht in Einklang steht, entsteht eine Gefahr. Denn durch Bekanntwerden des Werks kann eine soziale Identität entstehen, die mit der personalen in Widerspruch gerät. Durch Kontrolle dieser Repräsentation kann der Urheber hingegen seine soziale Identität steuern.352 Eine solche Vorstellung findet ansatzweise in den Ausführungen Netanels eine Entsprechung. Geistige Werke werden von ihm als Mittel betrachtet, mit und in denen sich der Urheber darstellt. Die Kontrolle über das Dargestellte sei insofern Teil der Wahl, „which aspect or conception of one’s identity one wishes to present to others“353. Dies sei der Weg, sich selbst öffentlich zu definieren. Dass dies geschehe, sei ein „integral part of one’s self-perception and psyche“354. Indem Netanel so die Bedeutung betont, die die Kontrolle eines Werks für die soziale Identität des Urhebers innehat, schließt er an Aspekte der informationellen Privatheit an. Auch hier geht es darum, die Kontrolle über die eigene Selbstdarstellung auszuüben.355
bb) Die normative Begründung des Abhängigkeitsschutzes Sowohl die Integrations- als auch die Repräsentationsthese definieren eine Identitätsabhängigkeit eines Urheber zu seinem Werk derart, dass ihre Beachtung die personale Identität des Urhebers stabilisiert. Eine Nichtbeachtung kann in beiden Fällen zu einem Konflikt zwischen personaler und sozialer Identität führen. Aufgrund dieser negativen Folge356 besteht ein Bedürfnis des betroffenen Urhebers, seine Identitätsabhängigkeit zu schützen. Doch wie lässt sich, was (a) voraussetzt, die Befriedigung gerade dieses individuellen Bedürfnisses normativieren? Worin liegt der moralische Unterschied zu anderen menschlichen Bedürfnissen, die nicht derart geschützt werden?357 Ein erster Unterschied besteht darin, dass dieses Bedürfnis auf einer Abhängigkeit beruht, die psychisch bedingt ist. Es reicht daher nicht aus, dass ein Urheber allein den subjektiven Willen besitzt, die Verwertung seines Werks zu kontrollieren. Verhindert wird so, dass ein Urheberrecht mittels eines ethischen Subjektivismus gestützt wird – die Moralität des Urheberrechts hängt nicht davon ab, dass der Urheber es will. 352 Allgemein zur identitätsbildenden Funktion, die persönliche Objekte in der Selbstdarstellung besitzen, T. Habermas, Geliebte Objekte, S. 14. 353 Netanel, Rutgers L. J. 24 (1993), S. 347 (401). 354 Netanel, Rutgers L. J. 24 (1993), S. 347 (402). 355 Hierzu insgesamt Rössler, Der Wert des Privaten, S. 209. 356 Rössler, Der Wert des Privaten, S. 335, macht allerdings darauf aufmerksam, dass ein Unterschied zwischen sozialer und personaler Identität „in keiner Weise zu schwerwiegenden kognitiven oder psychologischen Dissonanzen zu führen [braucht].“ Mit der hier vorgelegten Konzeption einer Identitätsabhängigkeit wird dergleichen insofern als Arbeitshypothese unterstellt. 357 Auf dieser Frage basiert die Kritik von Sterk, Mich. L. Rev. 94 (1996), S. 1197 (1244).
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Dieses Merkmal ist allerdings nicht hinreichend: Es wäre unplausibel, anzunehmen, dass jede psychische Abhängigkeit, gleichviel auf welchen individuellen Abnormalitäten sie beruhte, zu schützen wäre.358 Es müssen daher andere Unterschiede hinzutreten, um der Identitätsabhängigkeit eines Urhebers eine moralische Bedeutung beizumessen. Welche sind dies?359 Es bieten sich zwei Argumente an, mit denen man die unterstellte Identitätsabhängigkeit, die einigen Urhebern widerfährt, als schützenswert auszeichnen kann. Diese Argumente korrespondieren mit den beiden Wegen, eine Identitätsabhängigkeit theoretisch zu konstruieren. Die Integrationsthese kann moralisch gewendet werden, indem die von ihr angenommene Abhängigkeit auf einen heteronomen Ursprung zurückgeführt wird (1). Die Repräsentationsthese kann hingegen dadurch normativ aufgewertet werden, dass ihre Missachtung als Autonomieeinschränkung des Urhebers gedeutet wird (2). (1) Der soziale Ursprung der Integrationsabhängigkeit Ein Argument, das eine Identitätsabhängigkeit des Urhebers im Sinne der Integrationsthese moralisch auszeichnet, wird von Becker entwickelt.360 Die moralische Pflicht, eine Identitätsabhängigkeit des Urhebers zu seinem Werk zu schützen, wird nicht länger (allein) aus den negativen Folgen ihrer Nichtbeachtung, sondern aus dem Ursprung der Identitätsabhängigkeit hergeleitet. Um dies zu bewerkstelligen, fügt Becker zur normativen Begründung von (a) eine zweiteilige Argumentation ein: (i) Er geht davon aus, dass Bedürfnisse, die von gesellschaftlichen Normen generiert und getragen werden, ihrerseits aber nur mithilfe anderer gesellschaftlicher Normen befriedigt werden können, entweder die Aufstellung dieser notwendigen Hilfsnormen oder aber die Abschaffung der Bedürfnisbegründenden Normen moralisch erfordern. Diese normative Regel führt er auf den plausiblen Grundsatz zurück, dass derjenige, der eine ungerechtfertigte Gefährdung für jemanden verursacht, verpflichtet ist, für dieses Risiko Sorge zu tragen. Folgerichtig bezieht Becker daher nur solche Bedürfnis-begründenden Normen ein, die keine gerechtfertigten Lasten auferlegen.361 (ii) Entscheidend ist nun, dass Becker die angenommene Identitätsabhängigkeit, der Urheber geistiger Produkte bisweilen verfallen, auf gesellschaftliche Normen 358 Radin, Stan. L. Rev. 32 (1982), S. 957 (961), hat hier vor allem Arten von Fetischismus im Blick; zu anderen pathologischen Objekt-Abhängigkeiten T. Habermas, Geliebte Objekte, S. 364 ff. 359 Radin, Stan. L. Rev. 32 (1982), S. 957 (968 ff.), glaubt die relevanten Unterschiede einem „objective moral consensus“ entnehmen zu können, der darüber Auskunft gibt, ob eine Abhängigkeit „healthy“ und daher schützenswert sei. Selbst wenn man einen Konsens als Moralquelle akzeptiert, ist aber fraglich, ob ein solcher existiert. So führt dies letztlich auf Argumente zurück, mit denen man die Vernünftigkeit eines hypothetischen Konsenses darlegen kann. Diese lassen sich ebenso ohne Einbettung in eine Konsenssituation fruchtbar machen. 360 Hierzu Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (627). 361 Vgl. Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (627 Fn. 45).
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zurückführt. Diese Normen identifizierten menschliche Qualität (human excellence) mit Autorschaft, Originalität und Einzigartigkeit, und beförderten die AutorIdentifikation mit den entsprechenden Produkten.362 So mündeten diese Normen, die als Anreiz für die Produktion geistiger Objekte wirkten, letztlich in eine ungerechtfertigte Gefährdung der Urheber. Nach Beckers Ansicht können die Bedürfnisse, die aus der gesellschaftlich hervorgerufenen Identitätsabhängigkeit resultieren, zudem nicht durch den jeweiligen Urheber selbst gestillt werden. Vielmehr seien dazu zusätzliche gesellschaftliche Normen erforderlich. Aus der Beckerschen Argumentation ergibt sich die moralische Pflicht, entweder die entsprechenden Rechtsnormen einzuführen, oder aber die Bedürfnis-begründenden Normen abzuschaffen. (2) Die Autonomiebedeutung der Repräsentationsabhängigkeit Als Argument, mit dem man den Schutz einer Identitätsabhängigkeit im Sinne der Repräsentationsthese plausibel machen kann, bietet sich ein freiheitstheoretischer Hintergrund an.363 So kann (i) behauptet werden, dass jeder Mensch das Recht hat, frei zu sein, und (ii) angenommen werden, dass der Schutz des psychischen Bedürfnisses, die durch ein Werk vermittelte Selbstdarstellung zu kontrollieren, diese Freiheit erst ermöglicht. Damit lässt sich an Erwägungen Rösslers anknüpfen, mit denen sie ein Recht auf Privatheit, insbesondere auf informationelle Privatheit, begründet364. Sie stellt eine Konzeption von Freiheit als Autonomie in den Mittelpunkt ihrer Begründung und behauptet, dass diese durch Kontrolle der Selbstdarstellung bedingt ist. Autonomie oder Selbstbestimmung bedeutet hiernach, dass ein gutes Leben nicht allein in der formalen Freiheit liegt, unterschiedliche Entscheidungen treffen zu können, sondern diese zudem in einer bestimmten Haltung zu sich selbst zu treffen.365 Diese Haltung betrifft die selbstbezogene Frage, welches Leben man führen und wer man sein will. Selbstbestimmt ist infolgedessen eine Handlungswahl, „die ich gewählt habe, in reflektierter Entscheidung darüber, ob dies (diese Option, dieses Leben) tatsächlich das ist, was ich will, ob dieses tatsächlich die Weise ist, wie ich leben will.“366 Dieses Sich-zu-sich-verhalten erfordert nach Ansicht Rösslers Authentizität: eine Person muss sich mit ihren Wünschen und Handlungen identifizieren, um sie beurteilen 362 Insofern gleicht Beckers Vorstellung derjenigen von Foucault, in: ders., Schriften in vier Bänden, Bd. I, S. 1003 (1029 Fn. 15), der die ideologische Funktion der Autorschaft betont. 363 Der Rekurs auf freiheitstheoretische Erwägungen wird auch von Radin, Stan. L. Rev. 32 (1982), S. 957 (960), erwogen. Im Grunde führt dies zu einer Art Hybridlösung, da eine psychische Beziehung nicht aus sich selbst heraus, sondern erst mittels einer freiheitstheoretischen Beziehung normativ ausbuchstabiert wird. 364 Hierzu Rössler, Der Wert des Privaten, S. 83 ff., 201 ff. 365 Siehe Rössler, Der Wert des Privaten, S. 95 ff. 366 Rössler, Der Wert des Privaten, S. 99 [Hervorhebung im Original].
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zu können.367 Dies könne nur gelingen, wenn man sich als jemand in verschiedenen Kontexten und Hinsichten verstehe.368 Hierauf aufbauend, stuft Rössler die eigene Kontrolle über die Selbstdarstellung als konstitutiv für das Selbstverständnis als autonome Person ein. Der maßgebliche Grund dafür scheint in ihrer Annahme zu bestehen, dass Authentizität nur durch eine gewisse „Stabilität des Gefüges von Erwartungen, Wissen, Annahmen und selektiver Selbstmitteilung“ 369 einer Person entstehen kann. Denn dies trete nicht ein, sofern eine Person nicht kontrollieren, wissen oder abschätzen könne, wer welche Information über sie hat. Dies führe zu falschen oder enttäuschten Erwartungen „hinsichtlich des Wissens und damit einer bestimmten Haltung oder Einstellung von Interaktions- und Kommunikationspartnern einer Person gegenüber.“370 So würden unauthentische Formen von Auseinandersetzung generiert: die beteiligten Personen seien in relevanter Hinsicht anders, als sie sich zu verstehen geben; sie stünden in einer anderen Beziehung zu der getäuschten Person, als diese annehme.371 Normative Erwartungshorizonte über das Wissen anderer, die für die Ausübung von Autonomie notwendig sind, werden so gestört. Ein Verhalten steht dann unter falschen Bedingungen – es ist nur noch ein vermeintlich selbstbestimmtes Verhalten.372 Rössler meint, dass so auch das authentische Finden einer Antwort auf die Frage, wie man leben will, nicht möglich ist. Ihre Auffassung suggeriert, dass die Beurteilung der eigenen Wünsche nur in einem authentischen Umfeld gelingen kann, das die selbstbestimmte Identität bewahrt. Ohne Identität kann man sich nicht mit Handlungen identifizieren, ohne Identifikation gibt es keine autonomen Handlungen.373
cc) Die beiden Modelle des identifikationstheoretischen Arguments Kombiniert man die Integrations- und die Repräsentationsthese mit ihren jeweiligen normativen Konzeptionen, so lassen sich zwei verschiedene identifikationstheoretische Argumente isolieren, ein Integrations- und ein Repräsentationsargument. Sie differenzieren und erweitern das am Anfang vorgestellte Basisargument auf den Ebenen (a) und (b). Hingegen bleiben die Annahmen in (c) und (d) jeweils identisch. Das Integrationsargument lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: (a1) Wer eine ungerechtfertigte Gefahr für bestimmte Menschen verursacht, hat die Pflicht, 367 368 369 370 371 372 373
So Rössler, Der Wert des Privaten, S. 103. Vgl. Rössler, Der Wert des Privaten, S. 121. Rössler, Der Wert des Privaten, S. 253. Rössler, Der Wert des Privaten, S. 205. Siehe Rössler, Der Wert des Privaten, S. 209. Vgl. Rössler, Der Wert des Privaten, S. 208. Siehe etwa Rössler, Der Wert des Privaten, S. 103.
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in Bezug auf diese Gefahr für diese Menschen Sorge zu tragen; (a2) menschliche Bedürfnisse, die von gesellschaftlichen Normen generiert und getragen werden, und deren Erfüllung nur durch zusätzliche gesellschaftliche Normen gesichert werden kann, müssen entweder durch Generierung entsprechender Hilfsnormen gesichert oder aber durch Änderung der Bedürfnis-begründenden Normen beseitigt werden; (b1) durch die Werkschaffung geraten einige Urheber in eine psychische Identitätsabhängigkeit, die ein Bedürfnis für das Wohlergehen dieser Produkte konstituiert; (b2) diese Abhängigkeit wird generiert und getragen von gesellschaftlichen Normen, die menschliche Qualität mit Autorschaft, Originalität und Einzigartigkeit identifizieren und eine Autor-Identifikation mit geistigen Produkten befördern; (c) der so gebotene Schutz kann allein durch die Einräumung eines Rechts am Werk verwirklicht werden; (d) somit ist es moralisch geboten, diese Urheber in ihrer psychischen Beziehung zu ihrem Werk durch Rechtseinräumung zu schützen. Das Repräsentationsargument lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: (a1) Jeder Mensch hat das Recht, ein autonomes Leben zu führen; (a2) Autonomie setzt voraus, dass man die eigenen Handlungen je darauf reflektiert, wer man ist und sein will; (a3) diese Befragung kann nur gelingen, wenn man in den jeweiligen Kontexten sich authentisch hält; (a4) dies macht es erforderlich, die eigene Selbstdarstellung kontrollieren zu können; (b1) durch die Schaffung eines Werks geraten einige Urheber in eine psychische Identitätsabhängigkeit derart, dass sie glauben, ihr Werk bilde ihre Persönlichkeit ganz oder teilweise ab; (b2) dadurch entsteht ein Bedürfnis nach Kontrolle darüber, ob, wie und wem das Werk zugänglich gemacht wird; (c) der so gebotene Schutz kann allein durch die Einräumung eines Rechts am Werk verwirklicht werden; (d) somit ist es moralisch geboten, diese Urheber in ihrer psychischen Beziehung zu ihrem Werk durch Rechtseinräumung zu schützen.
b) Applikation Im Folgenden soll die Richtigkeit der beiden identifikationstheoretischen Argumente vorausgesetzt werden. Das bedeutet, dass einerseits ihr normativer Kern, andererseits ihre empirischen Annahmen als wahr vorausgesetzt werden. Dieses Vorgehen dient dazu, zunächst diejenigen moralischen Konsequenzen aufzuzeigen, die die Anwendung dieser Argumente für das Urheberrecht besitzt.
aa) Tatbestand des Urheberrechts Die tatbestandliche Fassung des Urheberrechts hängt davon ab, wie der Begriff der Identitätsabhängigkeit ausgefüllt und normativ gewendet wird. Geschieht dies im Rückgriff auf das Integrationsargument, so ist notwendig, dass das Werk Bestandteil der psychischen Identität seines Urhebers geworden ist.374 Hingegen ist im Falle des Repräsentationsarguments erforderlich, dass das Werk die Persönlich-
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keit des Urhebers ganz oder teilweise widerspiegelt. Geht man darüber hinweg, ob und wie diese tatbestandlichen Erfordernisse überhaupt empirisch beurteilt werden können, so ergibt sich hiernach, dass theoretisch jeder geistige Inhalt dem urheberrechtlichen Schutz zugänglich ist. Dies liegt daran, dass beide Argumente auf ein subjektives Merkmal abstellen: die Identitätsabhängigkeit des Urhebers. Entscheidend ist daher nicht, ob für Beobachter ein geistiges Werk Merkmale der Urheberpersönlichkeit offenbart oder aber sie der Meinung sind, dass ein Urheber sich mit seinem Werk identifiziert. Es kommt hier allein auf die individuelle Psyche des Urhebers an. Moralisch notwendig ist der Schutz all jener geistigen Objekte, von denen ihr Urheber psychisch abhängt. Tatbestandliche Differenzierungskriterien, wie etwa eine Gestaltungshöhe oder eine Idee / Ausdruck-Dichotomie, lassen sich daher nicht begründen. Auch verschiedene Grade der Identitätsabhängigkeit, die ja durchaus denkbar sind375, ändern daran nichts. Diese betreffen allein die Frage, in welchem Umfang Schutzmaßnahmen erforderlich sind, um jene Abhängigkeit zu schützen. Etwas anderes wäre nur unter jeweils zwei Annahmen der Fall: (i) Es ist denkbar, dass behauptet wird, das Integrationsargument stelle auf eine objektiv erkennbare Integration ab. Oder aber es wird angenommen, dass zumindest eine subjektive Integration dann oder nur dann vorliege, wenn sie auch objektiv beobachtbar sei. Gegen den ersten Weg spricht bereits, dass damit die individualistische Vorstellung einer psychischen Beziehung des Urhebers zu seinem Werk – die ja notwendig auf das jeweilige Subjekt bezogen ist – aufgegeben wird. Er läuft auf eine andere Perspektive hinaus: Es wird nicht länger gefragt, ob ein Urheber von seinem Werk psychisch abhängig ist, sondern ob er berechtigt ist, sich derart zu fühlen. Damit wird auf eine höhere Norminstanz verwiesen, die, nachdem der Rekurs auf Gott oder die Natur diskreditiert wurde, nurmehr in der Gesellschaft selbst bestehen kann. Dann wird indes kollektivistisch argumentiert. Die zweite Möglichkeit basiert hingegen auf der These, dass das, was objektiv erkennbar ist, auch oder nur dann subjektiv besteht. Als Erkenntnisprogramm ist diese These höchst unplausibel, zumindest aber nicht verifizierbar. Allenfalls nachvollziehbar ist sie dann, wenn sie als Konsequenz des Unvermögens deklariert wird, eine subjektive Abhängigkeit zu erkennen. Ungeachtet des Gerechtigkeitsdefizits, das in jeder Vermutungsregel steckt, bewahrt sie dies aber nicht davor, zu belegen, dass zumindest eine entsprechende Wahrscheinlichkeit in ihr steckt. (ii) In Hinblick auf das Repräsentationsargument wäre ebenfalls möglich, die erkennbare Persönlichkeitsdarstellung als maßgeblich zu behaupten. Oder aber man behauptete, dass sie zumindest mit der subjektiven Wahrnehmung identisch wäre. Die erste Deutung missachtete allerdings den normativen Hintergrund jenes Arguments. Wenn es um den Schutz der Autonomie geht, die ja von authentischen Erwartungserwartungen des Urhe374 Freilich muss dies aufgrund gesellschaftlicher Normen geschehen sein, hierzu Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (628). 375 Siehe T. Habermas, Geliebte Objekte, S. 495.
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bers bedingt ist, sind allein diese subjektiven Umstände relevant. Gegen die zweite Deutung sind dagegen die gleichen Gründe vorzubringen, die bereits beim Integrationsargument erwähnt wurden. bb) Rechtsfolgen des Urheberrechts Bei den Rechtsfolgen, die eine identifikationstheoretische Rechtfertigung auslöst, ist ebenfalls zu unterscheiden, auf welche Weise die Identitätsabhängigkeit theoretisch definiert und normativ begründet wird. Soweit das Integrationsargument verwendet wird, scheinen ausschließlich persönlichkeitsrechtliche Befugnisse des Urhebers ableitbar. Dies hat damit zu tun, dass nur diese Rechte der Vorstellung gerecht werden können, der Urheber identifiziere sich mit seinem produzierten Werk und sei daher mit dessen „Wohlbefinden“ verbunden. Der Urheber muss, soll dieses Selbstkonzept nicht gestört werden, all jene Handlungen verhindern können, die in diese Beziehung eingreifen. Wie sollte aber die wirtschaftliche Verwertung eines Werks die Identität des Urhebers berühren? Wird dadurch das „Wohlbefinden“ eines Werks und daher dasjenige des Urhebers berührt? Es ist schwierig, sich vorzustellen, dass die wirtschaftliche Verwertung eines Werks nicht nur das evidente monetäre Wohlbefinden, sondern auch die psychische Identität des Urhebers tangiert. Herleiten lassen sich dagegen ein Recht auf Namensnennung und ein Recht, Entstellungen oder Änderungen des Werks zu verhindern. Ähnliches gilt für das Repräsentationsargument. Geht es hier darum, dem Urheber die Kontrolle darüber einzuräumen, ob, wie und wem gegenüber er sich darstellt, so sind die entsprechenden persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse begründbar. Es ist daher moralisch notwendig, dass der Urheber das Recht hat, zu entscheiden, ob sein Werk veröffentlicht wird, wem es zugänglich ist und wie dies geschieht. Hingegen sind vermögensrechtliche Befugnisse ebenfalls nicht denkbar. Der fehlende ökonomische Bezug der beiden Argumente kommt ebenfalls zum Vorschein, wenn man nach der Übertragbarkeit jener Rechte fragt. Sind diese deduzierten Rechte des Urhebers übertragbar? Diese Frage muss verneint werden. Dies liegt daran, dass die Entstehung jener Rechte ja durch ein psychisches Abhängigkeitsverhältnis bedingt ist – der Urheber identifiziert sich derart mit dem Akt der Werkschaffung und seinem Produkt, dass ein Verlust psychische Schmerzen verursachen würde. Nun ist aber die Übertragung jenes Objekts gerade die Negation einer Abhängigkeitsbeziehung.376 Sie setzt, in Worten Radins, ein fungible property voraus, dessen Beziehung zum Inhaber nicht emotional, sondern instrumental ist. Wird das Recht, das übertragen werden soll, aber auf ein personal property zurückgeführt, ist seine Übertragung unmöglich. Sie leugnete den Grund, auf dem das Recht, das übertragen werden soll, ja gerade steht. Solange also, wie eine psychische Abhängigkeit vorliegt, kann keine Übertragung stattfinden. Besteht diese nicht, wird dem Urheberrecht indes der moralische Boden entzogen, auf dem 376
Hierzu Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (345, 347).
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es steht. Um Urheberrechte übertragen zu können, dürfen diese daher nicht moralische Folge einer Identitätsabhängigkeit zwischen Urheber und Werk sein. Die Dauer der Rechte, die sich ableiten lassen, ist gleichermaßen davon abhängig, wie die Identitätsabhängkeit konstruiert wird. Sofern das Integrationsargument verwendet wird, ist theoretisch möglich, dass bereits zu Lebzeiten des Urhebers seine Rechte untergehen. Denn es ist ja durchaus denkbar, dass sich seine Identität vom je geschaffenen Werk emanzipiert. So ist es sicher kein Einzelfall, dass sich Schriftsteller, Musiker oder andere Werkschaffende in einem Werk nicht mehr wieder erkennen, das sie in einer frühen Schaffensperiode kreierten.377 Dies mag sich etwa gerade in dem Bestreben ausdrücken, entsprechende Rechte zu veräußern oder gar öffentlich Distanz auszudrücken. Freilich wird damit die gesetzliche Verankerung des Urheberrechts erheblich erschwert: ist das Recht unter der auflösenden Bedingung einer fehlenden Identitätsabhängigkeit eingeräumt, wird es allzu unsicher. Etwas anderes gilt allerdings für das Repräsentationsargument. Dies führt gerade dort, wo ein Urheber sich nicht länger mit seinem Werk identifiziert, zur Verstärkung der Argumentation. Gerade wenn ein Werk nicht mehr zur Identität gerechnet wird, muss hiernach dessen Urheber zumindest seine Veröffentlichung oder aber Namensnennung verhindern können. In der Frage, ob urheberrechtliche Befugnisse nach dem Tod des Urhebers bestehen, stimmen hingegen beide Argumente überein. Werden Rechte des Urhebers auf einer Abhängigkeitsbeziehung gegründet, die zwischen seiner Psyche und dem Werk besteht, sind diese an das Schicksal jener Psyche gebunden. Nur solange, wie diese Psyche existiert, sind derartige Rechte moralisch sinnvoll. In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass heutzutage die Annahme, nach dem Tod eines Menschen lebe sein Bewusstsein weiter, in wissenschaftlichen Diskursen wenig Überzeugungskraft besitzt.378 Dies bedeutet, dass ein postmortales Urheberrecht nicht mit einer identifikationstheoretischen Argumentation plausibel gemacht werden kann. c) Kritik der Argumente Die hier vorgestellten identifikationstheoretischen Argumente können auf zweierlei Arten kritisiert werden. Einerseits aa) können die Begründungen angegriffen werden, mit denen sie jeweils eine moralische Pflicht plausibel zu machen glauben. Andererseits bb) ist denkbar, die empirischen Annahmen, die sie voraussetzen, zu bezweifeln. Beide Gesichtspunkte werden im Folgenden untersucht. Entkräftet sei jedoch von vornherein eine anscheinende Schwäche, die jede identifikationstheoretische Argumentation trifft: ihre Subjektivität. Ihr Ursprung liegt in der individuell verschiedenen psychischen Konstitution der je betroffenen Urheber. Manche Urheber mögen schneller in eine psychische Abhängigkeit geraten als andere. Infolgedessen ist es vorstellbar, dass bei unterschiedlichen Werken, die für 377 378
Vgl. Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (347 f.). Vgl. hierzu oben § 2, B. II.
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einen objektiven Betrachter künstlerisch und ästhetisch vollkommen gleichwertig sind, dennoch nur einige Urheber in den Genuss eines Urheberrechts gelangen, andere Urheber hingegen nicht. Der Rekurs auf eine psychische Abhängigkeit führt daher zu einer unterschiedlichen Behandlung der Urheber. Auf den ersten Blick erscheint dies als moralisches Problem. Es ließe sich so formulieren: Derjenige Urheber, der weniger schnell in eine Identitätsabhängigkeit gerät – man könnte zugespitzt sagen: psychisch stabiler ist –, wird dafür bestraft. In jedem Fall wandelt sich das Urheberrecht so zum Privileg der abhängigen Urheber. Auf den zweiten Blick ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Jene Konsequenz ist kein zu missbilligender Nebeneffekt, sondern liegt in der Natur des identifikationstheoretischen Arguments. Die moralische Begründung, mit der es das Urheberrecht zu rechtfertigen versucht, basiert ja gerade auf dem Schutzbedürfnis, das eine Identitätsabhängigkeit begründet. Sofern ein Urheber nicht in seiner Identität von seinem Werk psychisch abhängig ist, besitzt er dieses Bedürfnis eben nicht. Aus Sicht des identifikationstheoretischen Arguments besteht daher kein moralischer Nachteil darin, kein Urheberrecht zu besitzen379; er besteht vielmehr darin, in eine psychische Abhängigkeit zum Werk zu geraten. Erst diese rechtfertigt es, ein Urheberrecht zu verleihen. Missbilligt man diese Konsequenz, zeigt dies lediglich, dass man die Rechtfertigung des Urheberrechts in anderen Argumenten erblickt.
aa) Normative Probleme Aus normativer Sicht ist in erster Linie das Integrationsargument angreifbar.380 Denn die Begründung, mit der Becker die Integrationsthese moralisch auszeichnet, ist mit zwei Schwächen behaftet. Erstens ist diese Begründung intern unrichtig, weil sie eine inkonsistente Ableitung beinhaltet. Und zweitens ist sie, selbst wenn man dieses Defizit ausblendet, nicht imstande, die entscheidende Frage – Ist das Urheberrecht gerechtfertigt? – zu beantworten. Inkonsistent ist das Argument, weil Becker das spezielle Moralprinzip (a2), das er aus (a1) ableitet, in einer Weise auslegt und auslegen muss, die diesen Ableitungszusammenhang verlässt. Denn (a1) ist offenkundig deshalb plausibel, weil es eine Art Verursacherprinzip behauptet: Derjenige, der eine Gefahr oder Gefährdung hervorruft, muss diese ebenfalls beseitigen. In (a2) müssten nun aber unter dem Begriff „gesellschaftliche Normen“ völlig unterschiedliche Sachverhalte gleichgestellt werden, wenn es auf den Sachverhalt aus (b2) zur Anwendung gebracht werden soll. Denn es geht einerseits um die willentliche Setzung einer Rechtsnorm, andererseits um tradierte Vorstellungen und Erwartungen, die in weiten Teilen einer Gesellschaft bestehen. Sind diese Tei379 Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (628), stellt dies allerdings so dar, wenngleich er im Ergebnis jene Konsequenz als unausweichlich anerkennt. 380 Das Repräsentationsargument wird nach hier vertretener Auffassung dagegen als normativ plausibel erachtet.
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len oder gar der ganzen Gesellschaft zurechenbar? Der moralische Begriff der Verantwortung ist hier fehl am Platz; noch nicht einmal ist möglich, die kausalen Gegebenheiten aufzudecken. Soweit in einer Gesellschaft tatsächlich Autorschaft mit menschlicher Qualität gleichgesetzt wird, handelt es sich um nicht gesteuerte, faktische Erwartungshorizonte, denen man höchstens entgegenwirken kann – verantworten kann und muss sie niemand. Gegen das Integrationsargument spricht ein weiterer Punkt. Selbst wenn man jenen Übergang als plausibel ansieht, und einen Verantwortungszusammenhang bejaht, lässt die Beckersche Argumentation nämlich eines offen: Sollen eher die gesellschaftlichen Normen, die eine Identitätsabhängigkeit verursachen, aufgehoben oder aber entsprechende Hilfsnormen aufgestellt werden? Beides ist nach der Argumentation Beckers möglich, wenngleich er selbst von letzterem ausgehen dürfte.381 Diese Wahl aber ist der neuralgische Punkt der gesamten Argumentation: Ist die institutionelle Einrichtung eines Urheberrechts moralisch gerechtfertigt oder aber sollen jene gesellschaftliche Vorstellungen, die gerade die Identifikation des Urhebers mit seinem Werk befördern, bekämpft werden? Becker gibt keine Möglichkeit an die Hand, diese Frage zu beantworten. Sein Argument ist daher, selbst wenn man seine normative Richtigkeit annimmt, nicht zielführend. Es bleibt genau bei der Frage stehen, die mittels der identifikationstheoretischen Rechtfertigung beantwortet werden sollte: Ist ein Urheberrecht moralisch geboten?
bb) Empirische Probleme Weitaus größer als die normativen sind hingegen die empirischen Probleme, die jede Art einer identifikationstheoretischen Rechtfertigung treffen. Das Hauptproblem besteht hier in der Annahme von (b1), einige Urheber gerieten in eine Identitätsabhängigkeit zu ihren Werken.382 Lässt sich diese Feststellung belegen? Dies muss verneint werden. Empirische Studien, die dergleichen untersuchen, existieren nicht. Zwar gibt es Untersuchungen darüber, unter welchen Umständen Menschen glauben, dass sie bestimmte Ideen bereits kennen.383 Damit ist allerdings nicht einmal die Anmaßung der Urheberschaft, geschweige denn eine psychische Abhängigkeit verbunden.384 Allerdings besteht das empirische Problem der identifikationstheoretischen Rechtfertigung nicht allein in einem Mangel an entsprechenden Studien. Dies ließe sich ja theoretisch beheben. Das Problem reicht aber wesentlich tiefer. Denn es ist zu bezweifeln, ob das theoretische Konzept der Identitätsabhän381 Becker, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 609 (627), lässt einerseits beide Wege in seinem Argument zu, glaubt aber andererseits, theoretisch ein Argument für ein Urheberrecht gefunden zu haben. 382 Zu den mannigfachen Problemen, die beim empirischen Befund einer Objektabhängigkeit entstehen, siehe T. Habermas, Geliebte Objekte, S. 444 ff. 383 Siehe Wicklund / Reuter / Schiffmann, Basic & Appl. Social Psych. 9 (1988), S. 13. 384 Vgl. Wicklund / Reuter / Schiffmann, Basic & Appl. Social Psych. 9 (1988), S. 13 (29).
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gigkeit überhaupt empirisch überprüfbar ist. Da es eine rein psychische und damit innere Tatsache betrifft, ist es niemals unmittelbar erkennbar. Vielmehr muss sich jede empirische Studie auf Beobachtungen und insofern auf mittelbare Zugänge stützen. Infolgedessen ist es äußerst schwierig, eine psychische Abhängigkeit von subjektiven Präferenzen zu unterscheiden. Sogar dann, wenn die Betroffenen selbst befragt würden und aufrichtig antworteten, wäre diese Unterscheidung problematisch. Denn oftmals sind sich selbst die Betroffenen einer Abhängigkeit nicht bewusst. Wie T. Habermas hervorhebt, wird in den meisten Fällen ein Objekt nämlich erst dann als persönliches Objekt erfahrbar, wenn die psychische Beziehung gestört wird.385 Besteht die Lösung daher darin, aufgrund bestimmter allgemeiner Annahmen von einer Identitätsabhängigkeit einfach auszugehen und diese zu unterstellen? Auch dies stellt keine Lösung dar. Und dies noch nicht einmal in erster Linie deswegen, weil das, was für die Identität und Persönlichkeit eines Menschen wichtig ist, nur in Grenzen verallgemeinert und objektiviert werden kann.386 Vielmehr können solche Unterstellungen, auch wenn sie notwendig und unumgänglich sein sollten, niemals eine moralische Rechtfertigung tragen. Der Grund ist folgender: Derartige Fiktionen sind innerhalb gegebener Normsysteme, wo sie, wie im Rechtssystem, häufig auftreten, problemlos möglich. Sie sind legitim, weil sie durch höherrangige Normen, etwa der Verfassung, gerechtfertigt werden. Eine Rechtsnorm kann daher durchaus realitätsferne Annahmen inkorporieren. Das Urheberrechtssystem selbst ist so imstande, unrealistische Prämissen vorauszusetzen. Dies gilt aber nicht, wenn das letzte Prinzip, auf denen solche Systeme beruhen, ebenfalls auf einer Fiktion basiert. Anders ausgedrückt: Die Moralnormen, die jene Systeme in letzter Instanz rechtfertigen sollen, müssen fiktionsfrei sein. Schließlich können sie ihre eigenen Unterstellungen nicht selbst rechtfertigen. Dazu bedürfte es einer zusätzlichen Rechtfertigung – dann sind jene Normen aber keine Letztbegründung mehr.
d) Zusammenfassung Eine Persönlichkeits-basierte Rechtfertigung, die dem identifikationstheoretischen Typus angehört, stützt sich auf folgenden Gedanken: Sie nimmt eine psychische Abhängigkeit an, die zwischen allen oder zumindest einigen Urhebern und ihren Werken bestehe. Um diese Annahme für eine moralische Begründung des Urheberrechts nutzbar zu machen, setzt sie zudem voraus, dass eine solche psychische Abhängigkeit geschützt werden und dies durch das Urheberrecht geschehen solle.
385 386
Siehe T. Habermas, Geliebte Objekte, S. 17. Vgl. hierzu Rössler, Der Wert des Privaten, S. 224.
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(1) Es sind zwei Wege dargestellt worden, wie eine derartige Identitätsabhängigkeit theoretisch konstruiert und normativ fundiert werden kann. Das Integrationsargument behauptet, ein Werk werde in die personale Identität des Urhebers integriert: In seinem psychischen Selbstkonzept definiere sich ein Urheber als Urheber seines Werks. Eine Entziehung der Urheberschaft könne daher zu einer Identitätsstörung führen; die personale Identität des Urhebers, die ihn gerade als Urheber konstituiere, könne durch eine soziale Identität, die diese Eigenschaft leugne, in Konflikt geraten. Da diese Identifikation durch gesellschaftliche Normen befördert würde, sei die Gesellschaft verpflichtet, sie durch das Urheberrecht zu schützen. Demgegenüber nimmt das Repräsentationsargument an, ein Werk repräsentiere teilweise oder vollständig die Persönlichkeit des Urhebers – es bilde psychische Merkmale seines Urhebers ab. Sofern die personale Identität, die dem Selbstkonzept des Urhebers zugrunde liege, mit den repräsentierten Merkmalen nicht in Einklang stehe, könne eine soziale Identität entstehen, die der personalen widerspreche. Ohne Kontrolle der durch das Werk bewirkten Selbstdarstellung sei indes keine Autonomie möglich: Freie Handlungen setzten stets ein authentisches Ich voraus, das also mit sich und den Vorstellungen anderer kongruent sei. (2) Der Rekurs auf eine psychische Abhängigkeit führt dazu, dass der Tatbestand des Urheberrechts sämtliche geistigen Objekte erfassen muss, bei denen dergleichen vorliegt. Aufgrund fehlender empirischer Untersuchungen wäre es unplausibel, eine solche Abhängigkeit eher bei bestimmten Werkkategorien, Gestaltungshöhen oder ähnlichem anzunehmen. Hier kann kein genereller Unterschied behauptet werden: Alle geistigen Werke sind daher, soweit eine entsprechende Abhängigkeit besteht, schutzfähig. Hinsichtlich der Rechtsfolgen bietet der identifikationstheoretische Typus jedoch allein für persönlichkeitsrechtliche Befugnisse eine tragfähige Basis. Es wäre unplausibel, eine psychische Beziehung anzunehmen, deren Störung sich in der ökonomischen Verwertung eines Werks bemerkbar macht. Der Urheber muss vielmehr in der Lage sein, seine soziale Identität, nicht aber sein Vermögen zu kontrollieren. Es ist moralisch notwendig, dass er über die Veröffentlichung, seine Namensnennung und die Entstellung und Veränderung seines Werks entscheiden kann. Ausgeschlossen ist indes die Übertragbarkeit der begründeten Rechte. Dies liegt daran, dass andernfalls gerade der Grund negiert würde, auf dem das Recht selbst steht: eine psychische Abhängigkeit. Liegt diese vor, kann eine Übertragung nicht möglich sein – der Urheber hängt ja an seinem Werk; liegt sie hingegen nicht vor, so gibt es kein Recht, das übertragen werden könnte. Ähnliches gilt für die Dauer des Urheberrechts; auch diese hängt nach dem identifikationstheoretischen Typus von einer psychischen Abhängigkeit ab. Sie muss daher in jedem Fall auf das Leben des Urhebers begrenzt sein – spätestens mit dem Tod entfällt schließlich eine psychische Abhängigkeit. Soweit das Integrationsargument verwendet wird, kann dies auch früher, d. h. zu Lebzeiten des Urhebers geschehen. Es ist denkbar, dass ein Urheber sich nicht mehr mit seinem Werk identifiziert und der Schutzgrund entfällt. Für das Repräsentationsargument gilt in diesem Punkt jedoch etwas ande-
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res. Hier führt eine fehlende Identifikation nicht zu einer Schwächung, sondern zu einer Verstärkung der Argumentation. Gerade dann, wenn sie fehlt, muss der Urheber imstande sein, eine öffentliche Verbreitung seines Werks einzuschränken. (3) Allerdings besitzt jede identifikationstheoretische Rechtfertigung auch Schwachpunkte. Diese liegen nicht so sehr in ihren normativen Annahmen. Zwar ist auch hier – hinsichtlich des Integrationsarguments – gezeigt worden, dass diese nicht durchweg überzeugend sind. Dennoch ist dies nicht der entscheidende Punkt, der gegen eine solche Rechtfertigung spricht. Schwerer wiegt das Problem, zugleich die empirischen Annahmen jener These zu stützen. Schließlich basiert das Argument im Wesentlichen auf der Annahme einer psychischen Identitätsabhängigkeit: Theoretisch lässt sich dies fraglos konstruieren – doch lässt sich die Richtigkeit dieser theoretischen Konstrukte auch belegen? Nicht nur, dass hierzu, soweit ersichtlich, keine empirischen Studien existieren. Es ist zweifelhaft, ob sie sich überhaupt empirisch überprüfen ließen. Denn es handelt sich durchweg um innere Zustände, die nicht durch Beobachtung erschlossen werden können. Auch der Urheber selbst dürfte zumeist nicht imstande sein, objektiv Auskunft darüber zu geben. Infolgedessen ist es schwierig, wenn nicht unmöglich, eine psychische Abhängigkeit von subjektiven Präferenzen des Urhebers – die ja kein ausreichender Schutzgrund wären – zu unterscheiden.
III. Werk-basierte Rechtfertigung Das letzte Merkmal, an das eine individualistische Rechtfertigung des Urheberrechts innerhalb der Relation Urheber / Werk argumentativ anknüpfen kann, ist das Werk selbst. Moralische Begründungen, die derart vorgehen, lassen sich daher alle einem Argumentationstypus zuordnen, den ich als Werk-basierte Rechtfertigung bezeichnen möchte. Im Mittelpunkt dieses Typus steht stets die besondere Seinsweise geistiger Werke – ihre Immaterialität. Dieser wird eine spezifische Eigenschaft zugeschrieben, die ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Urheber und Werk konstituiere. Das Urheberrecht wird so als moralische Konsequenz dieser Abhängigkeit gedeutet. Jedoch geht es dabei, anders als bei Persönlichkeits-basierten Rechtfertigungen, nicht länger um eine Abhängigkeit des Urhebers vom Werk. Im Gegenteil wird behauptet, das geistige Werk selbst hänge von seinem Urheber ab. Bei dieser Abhängigkeit geht es freilich um keine ursächliche – dies wäre trivial. Vielmehr werden geistige Werke als unselbstständige Entitäten angesehen, die auch nach oder trotz ihrer Erschaffung existenziell an den Urheber gebunden blieben. Je nachdem, auf welche Weise bzw. in welchem Umfang eine derartige Abhängigkeit angenommen wird, sind mindestens zwei Untertypen einer Werk-basierten Rechtfertigung zu unterscheiden, ein kommunikationstheoretischer und ein exklusivitätstheoretischer. Der kommunikationstheoretische Typus (1.) konstruiert eine
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Abhängigkeit zwischen Urheber und Werk, indem er die kommunikative Seite des geistigen Werks betont. Der geistige Gehalt, der durch ein solches Werk transportiert werde, könne nur dann authentisch mitgeteilt werden, wenn eine Zurechnung zu dessen Urheber aufgebaut bleibe. Anders ausgedrückt: Seine inhaltliche Aneignung sei nur im hermeneutischen oder psychologischen Rekurs auf seinen Autor möglich. Anders hingegen beim exklusivitätstheoretischen Typus (2.): Zwar wird auch hier eine besondere ontologische Charakteristik des geistigen Werks betont. Diese besteht indes nicht in einer Bedingung, sondern Grenze der geistigen Aneignung. Es wird behauptet, dass geistige Werke bestimmte Eigenschaften hätten, aufgrund derer sie zumindest teilweise nur durch ihren Urheber angeeignet werden könnten.
1. Kommunikationstheoretischer Typus Der kommunikationstheoretische Rechtfertigungstypus des Urheberrechts gründet seine Argumentation auf eine behauptete Abhängigkeit des Werks von dessen Urheber. Diese Abhängigkeit wird als eine kommunikative gedeutet: ohne Zurechnung zu seinem Schöpfer könne das im Werk Mitgeteilte nicht oder nicht so übertragen werden, wie von jenem beabsichtigt.387 Auf diese Weise wird das Geisteswerk auf seinen Urheber funktional bezogen und moralisch verbunden. Diese kommunikationstheoretische Perspektive hat ihren markantesten Niederschlag in der Autortheorie Kants gefunden.388 Freilich wird diese Perspektive in Kants Überlegungen389 mehr angedeutet, denn systematisch entfaltet. Wie eine noch nicht gänzlich begriffene Idee schwebt sie über den Argumenten, mit denen Kant ihrer habhaft zu werden glaubt. Die von ihm angestrebte Rationalisierung misslingt denn auch auf ganzer Linie – Kants Gedankengänge sind höchst sprunghaft und metaphorisch. Eine argumentative Einhegung der Vorstellung, das Urheberrecht sei Bedingung einer funktionierenden Kommunikation, gelingt noch nicht. Stattdessen erhält die kommunikative Abhängigkeit zwischen Werk und Urheber, wie es Gierke wohlwollend formuliert hat, einen „seltsam eingekleideten Ausdruck“390.
387 Da dieser Aspekt immer schon den Empfänger der Kommunikation – die Öffentlichkeit – miteinschließt, ist der argumentative Schritt zu einer kollektivistischen Rechtfertigung nicht fern. Solange die Freiheitsbetätigung des einzelnen Urhebers als Kommunizierenden im Mittelpunkt steht, ist dieser freilich noch nicht vollzogen. 388 Wenn im Folgenden von der Autortheorie Kants gesprochen wird, so sind damit die Argumente gemeint, die meiner Interpretation zugrunde liegen. 389 Diese werden entwickelt bei Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (79 ff.); vgl. auch ders., Metaphysik der Sitten, S. 404 f. 390 Gierke, Deutsches Privatrecht, Erster Band, S. 764, der mit Kant zumindest insoweit übereinstimmt, als er ebenfalls die Abhängigkeit des Werks von der Persönlichkeit des Urhebers behauptet.
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In der Rezeption der Kantschen Gedanken ist jene Idee infolgedessen völlig übersehen worden. Stattdessen hat man die Theorie Kants aufgrund ihres freiheitstheoretischen Hintergrunds391 vorschnell mit derjenigen Hegels vermengt392, oder aber, soweit sie als eigenständig erkannt wurde, auf ihren metaphysischen Teil reduziert393. Dass die Gleichsetzung mit der Theorie Hegels unrichtig ist, zeigt sich schon darin, dass Kant, im Gegensatz zu Hegel, ein geistiges Werk als vom Urheber abhängige und daher unselbständige Entität deutet. Daneben bettet er seine Autortheorie nicht – wie es Hegel tat – in sachenrechtliche Erwägungen ein, sondern begreift das Urheberrecht als persönliches oder doch zumindest auf dingliche Art persönliches Recht. Ebenso vermittelt die Reduzierung der Kantschen Theorie auf ihre metaphysischen Züge ein falsches Bild. Dabei wird jene in ihr enthaltene Idee vernachlässigt, die es erlaubt, ein kommunikationstheoretisches Argument zu entwickeln, das ein größeres Maß an Plausibilität besitzt. Im Folgenden werden in einem ersten Teil a) die Argumente, die in Kants Gedanken implizit enthalten sind, systematisch entwickelt. Dort wird sich zeigen, dass die Kantsche Argumentation vielfältiger ist, als dies in der üblichen Reduzierung auf ihre metaphysischen Züge zum Ausdruck kommt. So wird es möglich sein, die Idee einer funktionierenden Kommunikation, die der Kantschen Theorie zugrunde liegt, in einem kommunikationstheoretischen Argument zu reformulieren. In einem zweiten Teil b) werde ich dieses Argument, trotz seiner Schwächen, auf das Urheberrecht übertragen.
a) Die Autortheorie Kants Eine systematische Begründung des Urheberrechts durch Kant existiert nicht. Dies liegt an der Zielsetzung, die er mit seiner einschlägigen Abhandlung „Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks“ verfolgt. Dort soll nicht das Bestehen eines Autorrechts, sondern vielmehr das Verhalten eines Nachdruckers im Verhältnis zum Erstverleger als rechtswidrig erwiesen werden. Dies glaubt Kant „leicht und deutlich“394 durch zwei syllogistische Vernunftschlüsse darlegen zu können, die durch eine abschließende Anmerkung gestützt werden. Darin sucht Kant erstens positiv zu beweisen, dass der Erstverleger ein Recht gegen den Nachdrucker besitze, ihm den Nutzen herauszugeben und seinen Schaden zu ersetzen. Und zweitens möchte Kant negativ darlegen, dass der Nachdrucker durch den bloßen Erwerb eines Werkexemplars keinen Anspruch auf Vervielfältigung des Werks innehabe. Trotz dieser andersartigen Ziele führt der Kantsche Beweisgang zugleich Vgl. Dreier, ARSP 73 (1987), S. 159 (165). Wohltuendes Gegenbeispiel jedoch bei Drahos, A Philosophy of Intellectual Property, S. 80 f. 393 Paradigmatisch hierfür ist die Rezeption von Kohler, der die Kantschen Gedanken auf das Argument reduziert, das ich als Zwangsargument bezeichne, siehe III. 1. a) bb) (2). 394 Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (79). 391 392
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zur moralischen Begründung eines Urheberrechts. Dies liegt daran, dass seine Beweisführung eine rein akzessorische ist. In beiden Schlüssen ist Kants Argumentation von der Idee eines Urheberrechts bedingt: erstens, da er das Recht des Verlegers auf ein vorgängiges Recht des Autors stützt, zweitens, weil er das materielle Sacheigentum vom immateriellen Urheberrecht abgrenzen muss. Das zentrale Paradigma, das jene Idee bestimmt, und welches die Kantsche Argumentation beeinflusst, besteht in der Vorstellung des Schriftwerks als Rede.395 Das Buch ist hiernach bloß das Werkzeug, mit dem die Rede des Autors an sein Publikum überbracht wird: in ihm und durch ihn spricht der Autor gleichsam zu seinen Lesern. Diese Vorstellung bewegt Kant letztlich dazu, zwei Rechte des Autors an dessen Werk zu behaupten396: (i) der Autor habe das unveräußerliche Recht, dass seine Rede zum Publikum immer in seinem Namen gehalten werde. Das ist die Formulierung eines Rechts auf Namensnennung. (ii) Der Autor habe ferner das angeborene Recht, zu verhindern, dass ein anderer ihn ohne seine Einwilligung zum Publikum reden lasse. Dem entspricht ein Veröffentlichungsrecht des Urhebers und, nach Auffassung Kants, wohl auch das Recht auf körperliche und unkörperliche Verwertung seines Werks. Wie aber begründet Kant die Ableitung dieser Rechte aus der obigen Metapher? Lassen sich der Vorstellung, durch ein Buch spreche der Verfasser zu seinen Lesern, überhaupt plausible Argumente entnehmen? Und wenn ja: Stützen diese auch die behaupteten Rechte? Um diese Fragen zu beantworten, werde ich im Folgenden zunächst aa) vier unterschiedliche Argumente isolieren, mit denen Kant seine Behauptung begründet. Deren übergreifender Gesichtspunkt befindet sich in dem Dreiecksverhältnis zwischen Autor, Verleger und Publikum, das nach Ansicht Kants vom Begriff der Rede entfaltet wird. Anschließend bb) werde ich jene Argumente einer kritischen Würdigung unterziehen, um später cc) den Argumenten, die aus heutiger Sicht am plausibelsten sind, eine Idee zu entnehmen, die sich zu einem kommunikationstheoretischen Argument ausbauen und verdichten lässt. aa) Die Analyse der Rechtfertigungsargumente Bei genauerer Analyse lassen sich vier verschiedene Argumente erkennen, die Kant seiner Autortheorie zugrunde legt: ein Widerspruchs-, ein Zwangs-, ein Verantwortungs- und ein Aufklärungsargument. Während die ersten beiden Argumente (1), die Kant hauptsächlich im ersten Vernunftschluss entwickelt, allein das Verhältnis Autor-Verleger im Blick haben, nimmt das Verantwortungsargument (2) eine Zwischenposition ein. Sein Gedankengang, der sich im Wesentlichen im zweiten Vernunftschluss befindet, schließt sowohl das Verhältnis Autor-Verleger als 395 Richtigerweise hebt Palmer, in: Thierer / Crews (Ed.), Copy Fights: the Future of Intellectual Property in the Information Age, S. 43 (62), daher hervor: „Thus, the key to Kantian copyright is speech; when no speech is present, no copyright accrues to the creator.“ 396 Vgl. hierzu Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (86).
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auch das Autor-Publikum Verhältnis ein. Endlich löst das Aufklärungsargument (3), das in den am Ende der Kantschen Abhandlung folgenden allgemeinen Anmerkungen inbegriffen ist, jene Positionen zugunsten der Autor-Publikum Sphäre auf. (1) Das Widerspruchs- und das Zwangsargument Das Widerspruchs- und das Zwangsargument, mit denen Kant ein Autorrecht plausibel zu machen glaubt, lassen sich hauptsächlich seinem ersten Beweis entnehmen. Dort versucht er in einem dreistufigen Vernunftschluss darzulegen, dass dem Erstverleger gegen den Nachdrucker Ansprüche auf Nutzungsherausgabe und Schadensersatz zustünden. Der Obersatz dieses Beweises besteht in einer Norm, die für Kant „ohne Zweifel in den Elemtentarbegriffen des Naturrechts“397 liegt: der römisch-rechtlichen Annahme nämlich, dass derjenige, der ein Geschäft eines anderen in dessen Namen und doch gegen dessen Willen vornimmt, ihm die gezogenen Nutzen herauszugeben und die entstandenen Schäden zu ersetzen habe. Die Voraussetzungen dieser Regel sieht Kant im Hinblick auf den Nachdruck als erfüllt an. Er legt dar, dass der Druck eines Schriftwerks ein Geschäft im Namen des jeweiligen Verfassers sei und im Falle des Nachdrucks wider dessen Willen erfolge. Die Richtigkeit dieser Behauptung setzt in erster Linie voraus, dass jeder Verleger das Geschäft eines anderen – nämlich das des jeweiligen Autors tätigt. Dazu muss Kant jedoch das Schriftwerk als von seinem Urheber abhängigen Gegenstand darstellen. Denn wäre dem Autor möglich, jede (moralisch relevante) Verbindung zu seinem Werk durch den Verkauf seines Manuskripts aufzulösen, so würde ein Verleger nicht stets ein Geschäft des Autors wahrnehmen. In der Begründung der Fremdheit des Geschäfts entwickelt Kant daher jene untrennbaren Verbindungen, die zwischen Urheber und Werk bestünden.398 Dazu geht Kant auf die Grundlagen der Vervielfältigung von Werken zurück: Was ist überhaupt ein Schriftwerk? Und: Was tut der Verleger, wenn er jenes verlegt? Ersteres beantwortet Kant dadurch, dass er das Spezifische eines Buches oder Schriftwerks freilegt; dieses liege darin, dass es „eine Rede vorstellt, die jemand durch sichtbare Sprachzeichen an das Publikum hält.“399 Zugleich wird so bereits die Tätigkeit des Verlegers beschrieben: Dieser stelle den Autor „als redend öffentlich auf und vermittelt nur die Überbringung dieser Rede ans Publicum“400. Diese metaphorischen Vorstellungen eröffnen Kant den Raum, den er braucht, um die Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (80). Ob dieses Geschäft im Fall des Nachdrucks auch gegen den Willen des Autors geschieht, rückt dagegen in den Hintergrund. Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (81 f.), bejaht dies indes mit der Erwägung, eine angenommene Einwilligung des Autors sei unmöglich. Nach Einräumung eines Erstdruckrechts könne keine weitere Erlaubnis erteilt werden, da dies ansonsten für beide Verleger verderblich sei. 399 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 404. 400 Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (80). 397 398
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Fremdheit des Geschäfts plausibel zu machen. Wenn der Verleger, indem er das Schriftwerk eines Autors veröffentlicht, die darin enthaltene Handlung des Autors – dessen Rede – zu Leben erweckt und den Autor gleichsam sprechen lässt, so geschieht diese Handlung im Namen ihres Autors. Im Namen des Verlegers entstehe hingegen nur „das stumme Werkzeug der Überbringung einer Rede des Autors ans Publicum“ – also könne der Verleger die als Rede des Autors ausgewiesenen Gedanken nur im Namen desselben publizieren.401 Doch in welchem Sinn spricht Kant hier von einem Nicht-Können des Verlegers? Warum sollte ein Verleger nicht imstande sein, ein Schriftwerk vollumfänglich im eigenen Namen zu verlegen? Kants Antwort ist nicht leicht zu entziffern. Dies liegt vor allem daran, dass er in seiner Terminologie schwankt. Denn das Nicht-Können, von dem er spricht, scheint er mal als eine logische, mal als eine moralische Unmöglichkeit zu begreifen. Eine logische Unmöglichkeit (Widerspruchsargument) wird bezeichnet, wenn Kant konstatiert, es sei ein Widerspruch, „eine Rede in seinem Namen zu halten, die doch nach seiner eigenen Anzeige und gemäß der Nachfrage des Publicums die Rede eines andern sein soll.“402 Darin liegt freilich eine banale Erkenntnis der Aussagenlogik: Liegt – wie dies Kant offensichtlich403 voraussetzt – in dem Druck eines Buches die stillschweigende Aussage „Durch mich spricht ausschließlich ein anderer; ich vermittle bloß dessen Rede“ (A), so bedeutete es einen Widerspruch, wenn der Verleger zugleich behauptete „Ich selbst spreche durch mich; ich vermittle ausschließlich meine Rede“ (B). Nur eine dieser beiden Aussagen kann der Verleger, ohne in einen performativen Selbstwiderspruch zu geraten, aufrechterhalten. Denn da B die Negation von A darstellt (und umgekehrt), kann man nicht sinnvollerweise A und Nicht-A behaupten. Das Widerspruchsargument lässt sich so folgendermaßen zusammenfassen: (i) Soweit der Verleger – was üblich ist – das Buch im Namen des Autors publiziert, (ii) kann er dies nicht zugleich in eigenem Namen tun und muss daher (iii) notwendigerweise ein fremdes Geschäft, eben dasjenige des Autors, vornehmen. Doch Kant will mehr – er muss auch mehr wollen. Denn der Verleger kann diesem logischen Nicht-Können problemlos entgehen, sofern er sich z. B. selbst als Verfasser der verlegten Schrift ausgibt. Dass dies möglich ist, möchte auch Kant nicht bestreiten.404 In seinen Ausführungen finden sich denn auch Hinweise darauf, dass er das beschriebene Nicht-Können zudem als moralische Unmöglichkeit (Zwangsargument) verstanden wissen wollte. So konstatiert Kant, der Verleger dürfe nicht ohne Einwilligung des Verfassers dessen Schriften publizieren405; dies Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (81). Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (86) [Hervorhebung im Original]. 403 Siehe vor allem Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (81). 404 Siehe etwa Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 404: „Dieser aber, nämlich der Verleger, spricht [ . . . ] nicht in seinem eigenen Namen (denn sonst würde er sich für den Autor ausgeben), sondern im Namen des Schriftstellers“ [Hervorhebung von mir]. 401 402
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sei vielmehr das Geschäft des Autors, ihm also moralisch zuzuordnen. Zur Begründung nimmt er eine metaphysische Lesart des Schriftwerks vor, nach der der Autor in seiner Schrift buchstäblich zu seinem Leser rede406. Die Schriften eines Autors sind hiernach ein Kommunikationsmedium, welches dessen Gedanken nicht nur wiedergeben – dies ist der Gemeinplatz verkörperter Gedanken –, sondern den Autor selbst sprechen lassen: „In einem Buche als Schrift redet der Autor zu seinem Leser“407. Kant bricht so aus einer gegenständlichen Erfassung des geistigen Gehalts eines Schriftwerks aus und deutet diesen als Handlung, die nur Dasein in der Person des Autors haben könne.408 Im Ergebnis löst er sich dadurch von der bloßen Metaphorik seiner Metapher – er lässt sie real werden. So bekommt freilich auch die Tätigkeit des Verlegers eine andere Bedeutung. Dieser wird gleichsam als Sprachrohr des Autors gedeutet, durch den der Autor zum Publikum rede.409 Er reaktiviert eine Handlung des Autors, die gewissermaßen im Buch konserviert war. Dann ist das Verlegen eines Buches folgerichtig ein Sprechen-Lassen des verlegten Autors410: es ist ein „Gebrauch der Kräfte“411 des Autors. Sofern das Schriftwerk eines Autors ohne Einwilligung verlegt wird, wird dieser gegen seinen Willen dazu gebracht, seine Rede vorzutragen. Die Heteronomie des Handelns, die dem Autor dadurch aufgezwungen wird, ist für Kant also der Grund, auf dem ein moralisches Nicht-Können basiert. Dadurch schließt Kant, ohne dies ausdrücklich zu benennen, an seine rechtsphilosophischen Erwägungen an, als deren Konsequenz sich auch seine Autortheorie erweist. Dort legt er dar, dass es ein einziges ursprüngliches Recht gebe, welches jedermann von Natur aus, kraft seines Menschseins zukomme, das Recht der Freiheit.412 Dieses bedeute, unabhängig zu sein „von eines anderen nötigender Willkür“413. Legt man dies der Interpretation zugrunde, so besteht das Zwangsargument aus folgendem Gedankengang: (i) Der Mensch besitzt ein angeborenes Recht, von jeder nötigenden Willkür frei zu sein; (ii) dieses Recht wird verletzt, wenn jemand zur Vornahme einer Handlung gezwungen wird; (iii) ein Schriftwerk stellt eine Handlung des Autors dar; er spricht darin buchstäblich zu seinen Lesern; (iv) der Verleger lässt daher durch den Verlag eines Buches dessen Autor öffentlich sprechen – er erzwingt eine Handlung des Autors; (v) ergo handelt es sich dabei um einen Eingriff in das Freiheitsrecht des Vgl. Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (83, 84, 86). So Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (80, 81). 407 Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (80). 408 Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (86). In dieser Annahme liegt freilich jene metaphysische Schlussfolgerung, die Kohler, AcP 82 (1894), S. 141 (182), später als „abenteuerliche Ausgeburt eines unjuristischen Genius“ brandmarken sollte. 409 Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (80). 410 Später hat Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 405, die Suggestion des Sprechen-Lassens des Autors durch ein Nachsprechen des Verlegers ein wenig entschärft. 411 Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (80). 412 Siehe Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 345. 413 Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 345. 405 406
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Autors, um ein für den Verleger fremdes Geschäft, zu dessen Vornahme er der Einwilligung des Autors bedarf. Das Nicht-Können, das den Verleger betrifft, beruht also in erster Linie nicht auf einem logischen Widerspruch im Handeln, sondern auf einem Nicht-Dürfen. (2) Das Verantwortungsargument Das Verantwortungsargument, das die vorherigen Argumente stützt, befindet sich in dem zweiten Beweis Kants. Durch einen Vernunftschluss möchte er dort widerlegen, dass das Recht, das Schriftwerk nachzudrucken, vom Erwerb eines Werkexemplars mit umfasst sei. Mit anderen Worten: Vermittelt das Eigentum am Werkexemplar die legitime Vervielfältigung des darin enthaltenen Werks? Kant verneint dies mit einer Argumentation, die die Freiheitsverletzung, die der Autor durch den Nachdruck erfährt, weniger metaphysisch als das Zwangsargument offenbart. Dazu legt er zunächst die plausible Annahme dar, aus dem Eigentum an einer Sache folge nur ein negatives Recht, andere Menschen von deren Gebrauch abzuhalten. Niemals aber folge aus dem Eigentum an einer Sache ein Recht, von einer Person positiv „zu fordern, dass sie etwas leisten oder mir worin zu Diensten sein solle“414. Es geht bei diesem Recht, wie Kant an anderer Stelle ausführt, um den „Besitz der Willkür eines anderen, als Vermögen, sie durch die meine, nach Freiheitsgesetzen zu einer gewissen Tat zu bestimmen“415. Ein derartiges Recht, in Kantscher Terminologie: ein persönlich bejahendes Recht, könne nur aus einer vertraglichen Vereinbarung resultieren. Um aus dieser einleuchtenden Prämisse Gewinn zu ziehen, muss Kant nun begründen, dass das Recht, ein Schriftwerk zu verlegen, ein solches persönliches Recht ist. Er tut dies, indem er auf den Aspekt der Zurechnung eines Werks zu seinem Autor abstellt. Der Verfasser werde durch die Publizierung seines Werks „verbindlich gemacht“; er werde genötigt, für alles einzustehen, was er durch den Verleger tun lasse oder wozu er sich durch diesen verbindlich mache.416. Diesen noch sehr allgemein gehaltenen Verantwortungszusammenhang konkretisiert Kant dahingehend, dass der Schriftsteller gezwungen werde, dass „er ein gewisses Geschäft, welches der Verleger auf seinem Namen führt, für sein eigenes erkenne und verantworte“417 Das Geschäft, auf das Kant hier abstellt, ist die Rede des Autors an sein Publikum: der Verleger ist nur Vermittler jenes Geschäfts – er überbringt die an die Öffentlichkeit gerichtete Rede.418 Dahinter steht der Gedanke, dass mit der Veröffentlichung seines Werks der Autor, sei es gewollt oder ungewollt, faktisch in die Pflicht genommen wird. Die Rede, die es zur Sprache bringt, 414 415 416 417 418
Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (83). Kant, Die Metaphysik der Sitten, S. 382. Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (83). Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (84). Siehe hierzu besonders Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (85).
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wird ihm zugerechnet und auf ihn bezogen. Für diese muss er – anders als der übermittelnde Verleger, der sich ja als bloßes Medium von jeder Verantwortung frei zeichnet419 – einstehen und sie verantworten. Folgerichtig ist das Recht, ein Werk zu vervielfältigen, nicht ein Recht an einer Sache, sondern an einer Person.420 Das Verantwortungsargument lässt sich daher folgendermaßen zusammenfassen: (i) Der Mensch besitzt ein angeborenes Recht, von jeder nötigenden Willkür frei zu sein; (ii) dieses Recht wird verletzt, wenn jemand zur Vornahme einer Handlung gezwungen wird; (iii) eine publizierte Rede wird ihrem Verfasser als seine eigene Handlung zugerechnet – er muss sie zwangsläufig verantworten; (iv) ergo handelt es sich dabei um einen Eingriff in das Freiheitsrecht des Autors, um ein für den Verleger fremdes Geschäft, über dessen Vornahme der Verfasser entscheiden muss. (3) Das Aufklärungsargument In Kants Abhandlung steckt schließlich ein weiteres Argument, das im Wesentlichen in den allgemeinen Anmerkungen zu finden ist, die er seinen Vernunftschlüssen nachschickt. Dieses Argument ist dasjenige, welches als Aufklärungsargument bezeichnet werden kann. In diesen Anmerkungen möchte Kant die Einsichten, von denen er glaubt, dass er sie zuvor durch seine Vernunftschlüsse bewiesen hat, durch zusätzliche Erwägungen stützen. Dass der Verleger ein Buch nicht ohne die Einwilligung des Verfassers verlegen könne, bestätige sich aus „gewissen Verbindlichkeiten, die demselben nach allgemeinem Geständnisse anhängen.“421 So behauptet er, das Publikum könne im Falle des Todes des Verfassers verlangen, dass der Verleger das Werk veröffentliche oder aber einem anderen Verleger hierzu die Möglichkeit gebe. Auch im Falle der Änderung des Werks oder seiner geringen Auflage durch den Verleger hat Kant zufolge das Publikum das Recht, den Verleger „zu mehrerer Richtigkeit oder Vergrößerung des Verlags zu nöthigen“422. Doch woher leiten sich die beschriebenen Rechte ab? Die angesprochenen Verbindlichkeiten führt Kant auf die Beziehung des Autors zu seinem Publikum zurück. Er spricht von einem „Recht des Publicums [ . . . ] an einem Geschäfte mit dem Autor“423. Jenes Geschäft – was immer es auch sein mag – wolle der Autor durch seine Veröffentlichung mit seinem Publikum betreiben. Aus diesem Grund besitze der Verleger das Manuskript allein unter der Bedingung, es zur Erfüllung des Geschäfts zwischen Autor und Publikum zu gebrauchen. Rechte und Pflichten des Verlegers 419 Vgl. Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (81): „Durch mich läßt ein Schriftsteller euch dieses oder jenes buchstäblich hinterbringen, lehren u.s.w. Ich verantworte nichts, selbst nicht die Freiheit, die jener sich nimmt, öffentlich durch mich zu reden; ich bin nur der Vermittler der Gelangung an euch“. 420 Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (84). 421 Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (85). 422 Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (85). 423 Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (85).
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leiten sich so aus dem Verhältnis zwischen Autor und Publikum her – als deren Erfüllungsgehilfe ist er dieser Geschäftsbeziehung unterworfen. Das Geschäft zwischen Autor und Publikum, auf das sich Kant hier allenthalben bezieht, also die Rede des Autors an sein Publikum, wird von ihm nicht explizit erörtert. Das Spezifische, das Kant in einer Rede des Autors erblickt, wird aber in jenen Ausführungen angedeutet, in denen er eine Abgrenzung des Schriftwerks zum Kunstwerk vornimmt. Nach Kantscher Vorstellung sind Kunstwerke anders als Schriftwerke der freien Benutzung preisgegeben: sie könnten ohne Einwilligung ihres Urhebers „nachgeahmt, abgeformt und die Kopien derselben öffentlich verkehrt werden“424. Worin liegt die Differenz, die diese unterschiedliche Behandlung rechtfertigt? Kant schließt zunächst an die schon beim Zwangsargument auftauchende Vorstellung an, die in Bücher enthaltenen Reden seien Handlungen, die „nur in einer Person ihr Dasein haben können“.425 Demgegenüber erblickt er in Kunstwerken bloße Gegenstände – „für sich selbst existirende Dinge“426. Bliebe er hierbei stehen, bedeutete dies indes nicht die Formulierung eines neuen, sondern allein die Anwendung eines schon bekannten Arguments. Diese Unterscheidung wird denn von Kant nur vordergründig als ontologische behandelt. Es zeigt sich, dass er sie vielmehr in eine sprachtheoretische Differenz auflöst. Paradigmatisch hierfür ist die Feststellung, die Rede eines Schriftstellers enthalte „nicht bloß Gedanken, wie etwa Gemälde, symbolische Vorstellung irgend einer Idee oder Begebenheit“427. Gegenstand ist das Kunstwerk nach Kantscher Vorstellung also deshalb, weil es nur Gedanken, Ideen oder Begebenheiten enthalte.428 Anders ausgedrückt: Der Sprechakt, der sich in einem Kunstwerk manifestiert, ist für Kant allein ein deskriptiver.429 Deutlich wird zugleich, dass dann das Schriftwerk ein Mehr enthalten muss – etwas, das über den Inhalt eines bloßen Gedankens hinausgeht. Erst dieser Aspekt kann sein unselbstständiges Dasein in der Person seines Verfassers ausmachen. Doch worin besteht dieser Mehrwert einer Rede im Kantschen Sinne? Der Rekurs auf eine Handlung, den Kant allenthalben bei der Rede herstellt, ist erhellend. Eine Rede besitzt zusätzlich einen normativen Gehalt: sie fordert das Publikum auf, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten. Es kann vermutet werden, dass der Handlungsbezug, den die Rede im Gegensatz zum bloßen Gedanken transportiert, derjenige ist, den Kant auch in den Mittelpunkt der Aufklärung stellte. Nach seinem Verständnis legt der Verfasser einer Rede eine kritische Prüfung Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (85). Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (86). 426 Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (86). 427 Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (81) [Hervorhebung von mir]. 428 Dies übersieht Hubmann, UFITA 106 (1987), S. 145 (152), der Kant vorwirft, er übersehe „die geistige Schicht“, die ein Kunstwerk trage. 429 In der Terminologie der Searlschen Sprechakttheorie handelte es sich um einen assertorischen illokutionären Akt, C. I. 2. b) bb). 424 425
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weltlicher Zustände dar; er fordere sein Publikum auf, bestehende Einrichtungen zu überdenken und zu reformieren.430 Das Publikum werde dadurch seiner Unmündigkeit enthoben – es wird angeleitet, sich der eigenen Vernunft zu bedienen.431 Dies sei der öffentliche Gebrauch der Vernunft, als deren Ergebnis sich eine Schrift präsentiere.432 Er bedeutet daher, als Bürger oder Geistlicher „in der Qualität eines Gelehrten“433 zur Welt zu sprechen, diese zum Räsonnieren aufzufordern. Dass dies auf ein Recht der Namensnennung hinausläuft, zeigt sich darin, dass Kant das Recht fordert, „sich seiner eigenen Vernunft zu bedienen und in seiner eigenen Person zu sprechen“434. Das Aufklärungsargument lässt sich mithin folgendermaßen zusammenfassen: (i) Der Mensch besitzt die uneingeschränkte Freiheit, seine Vernunft öffentlich zu gebrauchen, um so aufklärerisch tätig zu werden; (ii) dieser Gebrauch funktioniert nur dann, wenn jeder in seiner eigenen Person sprechen kann, d. h. der Name des Autors genannt wird; (iii) dieses Recht wird daher verletzt, wenn die Rede eines Autors nicht unter seinem Namen publiziert wird; (iv) ergo handelt es sich dabei um einen Eingriff in das Freiheitsrecht des Autors, um ein für den Verleger fremdes Geschäft, über dessen Vornahme der Verfasser entscheiden muss. bb) Kritik der Kantschen Argumente Bisher konnten durch Analyse der Kantschen Ausführungen vier verschiedene Argumente rekonstruiert werden, die seiner Autortheorie, wenn auch bisweilen nur schemenhaft, zugrunde liegen. Im Folgenden werden die Schwachstellen dieser Argumente skizziert. (1) Widerspruchsargument Das Widerspruchsargument ließ sich folgendermaßen zusammenfassen: Sofern (i) der Verleger das Buch im Namen des Autors publiziert, (ii) kann er nicht zugleich in eigenem Namen handeln und nimmt daher (iii) notwendigerweise ein fremdes Geschäft, dasjenige des Autors, vor. Dieses Argument besitzt zwei Defizite. Erstens ist seine Anwendbarkeit stark begrenzt: Sein Gedankengang funktioniert von vornherein nur, wenn die Prämisse (i) vorliegt, d. h. der Verleger muss den Autor der überbrachten Rede namentlich kennzeichnen. Tut er dies nicht, so ist das Argument bereits unanwendbar. Das bedeutet aber, dass all diejenigen Fälle, in denen ein Werk ohne Nennung seines ursprünglichen Verfassers vervielfältigt wird – dies ist der praktisch wichtige Fall des Plagiats –, nicht als unmoralisch 430 431 432 433 434
Siehe Kant, Was ist Aufklärung?, S. 56. Vgl. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 130. Vgl. besonders Kant, Was ist Aufklärung?, S. 55, 57, 58, 60. Kant, Was ist Aufklärung?, S. 58. Kant, Was ist Aufklärung?, S. 57.
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ausgewiesen werden können. Gravierender ist jedoch ein zweiter Mangel. Selbst dann, wenn die Voraussetzung (i) vorliegt und der Verleger die Rede im Namen ihres Verfassers, genauer: unter dessen Namen, publiziert, ist das Kantsche Argument entweder unvollständig oder inkonsistent. Unvollständig ist das Argument, wenn man das fremde Geschäft in (iii) im Sinne von (ii) als Bezeichnung der Urheberschaft versteht. Dann bedeutet (iii) nur die Feststellung, dass derjenige, der die Rede als fremd ausweist, sie nicht zugleich als eigene ausweisen kann. Offen bleibt aber, warum die Publikation des Werks, sofern die logische Unmöglichkeit beachtet wird, im Falle der Nichteinwilligung des Autors moralisch verboten ist. Um dies zu verhindern, scheint eine rettende Interpretation nahe liegend, die allerdings zur Inkonsistenz des Arguments führt. Versteht man das fremde Geschäft in (iii) nicht nur faktisch als Geschäft im Namen des Autors, sondern normativ als ihm zugewiesenes Geschäft, so gelangt man zwar zur gewünschten Aussage. Doch lässt sich dies gerade nicht aus (ii) folgern, wo nur ein tatsächliches Handeln umschrieben wird. Offensichtlich beruht das Widerspruchsargument daher, sofern es das Urheberrecht legitimieren soll, auf einer rhetorisch verschleierten Gleichsetzung von faktischen (Handeln im Namen eines anderen) und normativen Tatsachen (fremdes Geschäft). Es vermittelt keine plausible Möglichkeit, das Urheberrecht moralisch zu rechtfertigen. (2) Zwangsargument Auch das Zwangsargument, das aufgrund seiner rhetorischen Kraft die meiste Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, ist mit Mängeln behaftet. Sein Gedankengang bestand in folgendem: (i) Der Mensch besitzt ein angeborenes Recht, von jeder nötigenden Willkür frei zu sein; (ii) dieses Recht wird verletzt, wenn jemand zur Vornahme einer Handlung gezwungen wird; (iii) ein Schriftwerk stellt eine Handlung des Autors dar: er spricht darin buchstäblich zu seinen Lesern; (iv) der Verleger lässt daher durch den Verlag eines Buches dessen Autor öffentlich sprechen – er erzwingt eine Handlung des Autors; (v) ergo handelt es sich dabei um einen Eingriff in das Freiheitsrecht des Autors, um ein für den Verleger fremdes Geschäft, zu dessen Vornahme er die Einwilligung des Autors bedarf. Dieser Gedankengang scheint zunächst plausibel; dies nicht nur aufgrund seiner zustimmungsfähigen Ausgangsprämisse (i), sondern auch seiner Folgerichtigkeit. Problematisch sind indes die ontologisch-metaphysischen Annahmen, die Kant in den Schritten (iii) und (iv) in das Argument einführt. Bereits die in (iii) enthaltene Prämisse, Schriftwerke stellten als Geisteswerke im buchstäblichen Sinne eine Handlung des Autors dar, lässt sich nicht halten. Freilich, das Schriftwerk beruht ursächlich auf einer Handlung, doch gehört diese im Zeitpunkt ihrer Vornahme der Vergangenheit an. Sie ist daher nicht, wie die Kantsche Metaphorik glauben machen will, als Handlung in dem Geisteswerk gleichsam vorrätig. Dieser Vorstellung liegt ein ähnlicher ontologischer Fehl-
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schluss zugrunde, wie er bereits bei dem formalistischen Typus einer Arbeitsbasierten Rechtfertigung kritisiert wurde. Die in (iv) enthaltene Schlussfolgerung, der Verleger aktiviere die inbegriffene Handlung und lasse den Autor sprechen, kann daher nicht überzeugen. Dennoch war die Metaphorik des Kantschen Arguments so stark, dass selbst ein Dogmatiker wie Kohler zunächst nicht imstande war, sie gänzlich zurückzuweisen. So glaubte er anfangs, dass sich jenes Argument zumindest für den Fall der uneingewilligten Erstveröffentlichung verwerten ließe.435 Später erkannte er allerdings, dass das Bild vom Sprechen des Autors an sein Publikum generell eine „verwunderliche Vorstellung“ sei, und kritisierte sie als „abenteuerliche Ausgeburt eines unjuristischen Genius“436. Er hielt dies für eine absurde Schlussfolgerung mit der sich ebenso gut beweisen lasse, „daß es nicht gestattet sei, den Brief eines Angeklagten zur Verlesung zu bringen.“437 (3) Verantwortungsargument Auch das Verantwortungsargument ist, wenngleich in geringerem Maße, der Kritik ausgesetzt. Es ließ sich folgendermaßen zusammenfassen: (i) Der Mensch besitzt ein angeborenes Recht, von jeder nötigenden Willkür frei zu sein; (ii) dieses Recht wird verletzt, wenn jemand zur Vornahme einer Handlung gezwungen wird; (iii) eine publizierte Rede wird ihrem Verfasser als seine eigene Handlung faktisch zugerechnet – er muss sie zwangsläufig verantworten; (iv) ergo handelt es sich dabei um einen Eingriff in das Freiheitsrecht des Autors, um ein für den Verleger fremdes Geschäft, über dessen Vornahme der Verfasser entscheiden muss. Der kritische Punkt dieser Argumentation liegt in den Schritten (iii) und (iv): Wird jemand, wenn seine Rede unter seinem Namen publiziert wird, zu einer Handlung gezwungen? Anzunehmen wäre dies nur dann, wenn erstens ein Verantwortungszusammenhang aufgebaut und dieser zweitens den Urheber zu einer Handlung zwingen würde. Bereits der erste Aspekt ist irreführend: Das, was publiziert wird, wird nicht nur dem Autor, sondern auch seinem Verleger zugerechnet. Auch dessen Prestige und Ansehen wird sich letztlich danach richten, welche Inhalte er verlegerisch publiziert. Insofern muss auch der Verleger verantworten, was er publiziert hat. Allenfalls wird dem Autor seine Rede daher auch als die Seinige zugerechnet. Freilich stellt sich die Frage, ob die Zurechnung bzw. Zurechenbarkeit eines Werks zu seinem Autor eine Handlung desselben erzwingt. Führt dieser Zurechnungszusammenhang dazu, dass der Autor eine Handlung vornehmen muss? Zwar werden Leser eines Buches bestimmte Inhalte mit seinem Autor in Verbindung So noch Kohler, Das Autorrecht, S. 346. Kohler, AcP 82 (1894), S. 141 (182); ders., Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, S. 76. 437 Kohler, AcP 82 (1894), S. 141 (190 f.); ders., Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, S. 84. 435 436
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bringen, sie werden sich ein subjektives Bild von ihm machen. Soweit dies negativ ist, wird er möglicherweise eine Missachtung seiner Person oder seines Werks erfahren. Aber: Wo besteht ein unmittelbarer Zwang, auf irgendeine Weise zu handeln? Letztlich geht es hier um etwas anders. Es geht allgemein um negative Konsequenzen, die an die Zurechnung geknüpft sind. Nun ist aber ein ethisches Prinzip, nach dem jede Handlung, soweit sie in irgendeiner Form ungünstige Folgen für jemanden hat, nicht ohne dessen Einwilligung vorgenommen werden darf, unbrauchbar. Kaum eine Handlung wäre mehr zustimmungsfrei, eine Gesellschaft erlahmte. Eine Einschränkung dieses Prinzips auf eine bestimmte Handlung – die Veröffentlichung des Werks eines Autors – wäre indes unplausibel. Diese Präzisierung wäre eine bloße petitio principii – sie behauptete gerade das, was das Verantwortungsargument ja selbst begründen sollte. (4) Aufklärungsargument Das Aufklärungsargument, das nunmehr zu betrachten ist, ließ sich folgendermaßen zusammenfassen: (i) Der Mensch besitzt die uneingeschränkte Freiheit, seine Vernunft öffentlich zu gebrauchen, um so aufklärerisch tätig zu werden; (ii) dieser Gebrauch funktioniert nur dann, wenn jeder in seiner eigenen Person sprechen kann, d. h. der Name des Autors genannt wird; (iii) dieses Recht wird daher verletzt, wenn die Rede eines Autors nicht unter seinem Namen publiziert wird; (iv) ergo handelt es sich dabei um einen Eingriff in das Freiheitsrecht des Autors, um ein für den Verleger fremdes Geschäft, über dessen Vornahme der Verfasser entscheiden muss. Das Aufklärungsargument besitzt heutzutage mit Abstand die größte Rationalität. Es beinhaltet bereits die neuzeitliche Idee einer funktionierenden Kommunikation. Seine Schwäche liegt allerdings darin, dass in (ii) ohne Begründung behauptet wird, der öffentliche Gebrauch der Vernunft funktioniere nur, wenn man im eigenen Namen, und das heißt: mit Namensnennung, sprechen könne. Warum ist dies notwendig? Eine These, mit der dies plausibel gemacht werden könnte, fand sich bei Kant noch nicht. Nachfolgend wird versucht, eine solche These zu entwickeln. cc) Die Idee eines kommunikationstheoretischen Arguments Trotz der Defizite, mit denen die Kantschen Argumente behaftet sind, bleibt doch das Gefühl, die Handlung des Verlegers greife in eine Tätigkeit des Autors ein, die dieser mit und in Richtung auf sein Publikum treibe. Nur ringt Kant noch um die Formulierung tragfähiger Gründe, die diesem Gefühl einen rationalen Boden verleihen könnten. Die Kantsche Theorie ist daher in der Tat „noch unreif“438, wie es Bluntschli genannt hat. Ihre vier Argumente, die Kant höchst undeutlich skizziert, basieren entweder auf dunkler Metaphorik oder sind noch unvollständig. 438
Bluntschli, Deutsches Privatrecht, S. 113.
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Dies gilt besonders für das Widerspruchs- und das Zwangsargument, von denen vor allem das letztere für die bisherige Rezeption der Kantschen Autortheorie stand. Dagegen ist zumindest die Idee, die im Aufklärungs- und im Verantwortungsargument zutage tritt, vielversprechender. In ihr wird bereits die Vorstellung eines spezifischen Kommunikationsverhältnisses sichtbar, das Kant zwischen Autor und Publikum konstituiert. Der Autor will hiernach seine Rede, die bereits begriffsimmanent auf ein Publikum abzielt, der Öffentlichkeit zugänglich machen. Und nicht nur das – er will zudem die Einstellungen und das Verhalten seiner Rezipienten in seinem Sinne beeinflussen. Der Verleger ist hierbei bloße Notwendigkeit, dessen sich der Autor als Mittler bedient. Jenes Kommunikationsverhältnis ist jedoch, so muss man Kant wohl verstehen, durch die Namensnennung des Autors funktional bedingt. Die Zurechnung eines Werks zu seinem Autor scheint für Publikum wie Autor gleichermaßen wichtig zu sein. Erst durch Herstellung eines Verantwortungszusammenhangs macht sich der Autor „verbindlich“: erst jetzt kann die aufklärerische Kommunikation gelingen. Fehlt ein solcher Zurechnungszusammenhang, so scheint dieses Verhältnis, aus welchen Gründen auch immer, gestört. Wenngleich dieser Wesenszug der Kantschen Theorie bislang vernachlässigt wurde, ist in neuerer Zeit zumindest eine Hinwendung zu einer derartigen Terminologie zu verzeichnen.439 So wird die Kantsche Theorie als Begründung eines „right of communication“ 440 bezeichnet: nach Kant sei „an author’s right [ . . . ] that of the communication of one’s thought“441. Freilich liegt hier die Betonung ganz auf dem Zwangsargument: der Nachdruck oder die fehlende Namensnennung wird als Verletzung autonomer Kommunikation gedeutet. Die Stichworte, die Kant gegeben hat, werden noch nicht als spezifisch kommunikationstheoretisches Problem erkannt, das die Idee einer funktionierenden Kommunikation zwischen Autor und Publikum, oder allgemeiner formuliert: zwischen Urheber und rezipierender Wirklichkeit, beinhaltet. Setzt man hingegen, wie es Kant tut, voraus, dass das Gelingen jener persuasiven Kommunikation die Zurechnung erfordert, so lässt sich ein originär kommunikationstheoretisches Argument formulieren. Dieses Argument nimmt die Vorstellung Kants, dass die in einer Rede enthaltene Kommunikation eine beeinflussende Dimension besitzt, in sich auf: (i) Jeder Mensch besitzt das Recht, mit anderen Menschen zu kommunizieren; (ii) ein pragmatisch-normativer Inhalt kann nur dann erfolgreich kommuniziert werden, wenn die Person des Kommunizierenden mitkommuniziert wird; (iii) das Recht zur Kommunikation wird daher verletzt, wenn der Name des Kommunizierenden nicht genannt wird. 439
Vgl. Breyer, Harv. L. Rev. 84 (1970), S. 281 (290); Cotter, N.C.L. Rev. 76 (1997), S. 1
(8). 440 Netanel, Cardozo Arts & Ent. L. J. 12 (1994), S. 1 (17, 18); ders., Rutgers L. J. 24 (1993), S. 347 (375 f.). 441 Netanel, Rutgers L. J. 24 (1993), S. 347 (374); siehe auch ders., Cardozo Arts & Ent. L. J. 12 (1994), S. 1 (17).
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Dieses Argument besitzt freilich nur dann moralische Relevanz, wenn die in ihm enthaltenen Prämissen begründbar sind. Relativ einfach erscheint dies für die Formulierung der kommunikativen Freiheit in (i): Geht man, wie heute üblich, davon aus, dass Kommunikation eine anthropologische Grundkonstante ist442, so liegt der Schluss auf ein dieses Verhalten ermöglichendes Recht nahe. Doch bleibt, ebenso wie bei Kant, die Herleitung der in (ii) unterstellten Annahme offen: Warum funktioniert jene Kommunikation nicht, wenn keine Zurechnung des Kommunizierten erfolgt oder erfolgen kann? Denkbar sind hier mindestens zwei Thesen, die diesen Begründungszusammenhang schließen, eine sozialpsychologische und eine epistemologische. Legt man die sozialpsychologische These zugrunde, so behauptet man, der Erfolg oder doch die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs einer überredenden Kommunikation hänge psychologisch zu einem gewissen Grad von der Person des Autors ab.443 Dahinter steht der Gedanke, dass z. B. ein bekannter Autor, der wegen seiner Aufrichtigkeit, Sachkunde und Tadellosigkeit geschätzt wird, mit seinen Forderungen auf mehr Verständnis hoffen dürfe, als etwa jemand, der völlig unbekannt oder gar als unzuverlässig und unqualifiziert bekannt sei.444 Kant hatte womöglich dies im Sinn, als er davon sprach, sich durch eine Rede „verbindlich“ zu machen. Denn dies heißt ja auch: für eine Rede als Garant ihrer Vernunft und Richtigkeit einzustehen, sich als vernünftige Autorität445 zu verbürgen. Sofern man die epistemologische These verwendet, setzt man hingegen auf einer Ebene an, die derjenigen der Überzeugungswirkung voraus liegt.446 So kann man behaupten, die Person des Autors sei nicht erst für die Akzeptanz des vermittelten Inhalts, sondern bereits für dessen Erkenntnis von Bedeutung. Dahinter steht die Erwägung, dass ohne Kenntnis der Beweggründe, Lebensbedingungen, Gefühle etc. des Autors der übermittelte Inhalt nicht oder nicht so dekodiert werden könne, wie er von jenem gemeint war. Jene Umstände könnten von vornherein 442 Zum Ganzen Burkart, Kommunikationswissenschaft, S. 130 ff.; so konstatiert Luhmann, in: ders., Aufsätze und Reden, S. 76 (76): „Ohne Kommunikation gibt es keine menschlichen Beziehungen, ja kein menschliches Leben.“ 443 Damit wird deutlich gemacht, dass diese These nicht voraussetzt oder behauptet, dass jede Kommunikation auf Überzeugung gerichtet sei und eine Einstellungsübernahme erfordere. Dergleichen ist schon deswegen unplausibel, weil Kommunikation auch die Ablehnung eröffnet, vgl. Luhmann, Soziale Systeme, S. 204 Fn. 18, S. 212. 444 Diese Vorstellung scheint Bettig, Copyrighting Culture, S. 12, 13, zugrunde zu legen, wenn er die Nichtexistenz eines Urheberrechts im frühen Indien auf den Brauch zurückführt, dass es dort darauf ankam, was jemand sagte, und nicht, wer es sagte. 445 Zum Zusammenhang zwischen Vernunft und Autorität siehe Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 261 ff., besonders S. 263, 264. Foucault, in: ders., Schriften in vier Bänden, Bd. I, S. 1003 (1016); ders., Die Ordnung des Diskurses, S. 20, macht darauf aufmerksam, dass vor allem im Mittelalter die Autorzuschreibung als „Index der Wahrheit“ diente. 446 Möglich ist auch, mithilfe der epistemologischen These ein Argument zu konstruieren, das auf die Funktion einer jeden Art von Kommunikation – und damit nicht nur den normativen Bestandteil – abstellt. Dies ginge dahin, zu behaupten, dass Kommunikation Verstehen von Mitteilungen beinhalte. Da dieses Argument sich in seinen Problemen nicht von dem hier diskutierten unterscheidet, wird auf dessen Erörterung verzichtet.
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nicht ermittelt werden, falls der wahre Autor nicht genannt werde. Sind die vorstehenden Thesen plausibel? (1) Sozialpsychologische These Die sozialpsychologische These scheint nicht unplausibel zu sein, denn viele Menschen legen sie ihrem Verhalten alltäglich zugrunde. So glauben Diskussionsteilnehmer, wissenschaftliche Autoren, Zeitungskolumnisten etc. ihre verlautbarten Meinungen und Argumente durch Berufung auf berühmte Personen stützen zu können.447 Doch lässt sich dieser Glaube auch in eine empirisch abgesicherte Erkenntnis überführen? Hierzu lassen sich Daten heranziehen, die im Rahmen der sog. Persuasionsforschung448 ermittelt wurden. Dieser sozialpsychologische Forschungszweig sucht die Faktoren zu bestimmen, die ein Individuum dazu bewegen, seine Einstellungen und Meinungen zu ändern. Bei der Suche nach den Bedingungen einer „persuasive communication“ geht man davon aus, dass eine Kommunikation einen Prozess darstellt, „by which an individual (the communicator) transmits stimuli (usually verbal) to modify the behavior of other individuals (the audience).“449 Dementsprechend wird angenommen, dass die Wirkung einer auf Verhaltensänderung angelegten Kommunikation durch drei verschiedenen Aspekte beeinflusst wird: die Kommunikationsquelle, die Kommunikationsinhalte und die Rezipienten.450 Für den hier interessierenden Faktor der Kommunikationsquelle ist in einer einflussreichen empirischen Studie gezeigt worden, dass Quellen, die eine hohe Glaubwürdigkeit besitzen, in größerem Ausmaß eine Überzeugungswirkung auslösen, als dies bei Quellen mit einer niedrigen Glaubwürdigkeit der Fall ist.451 Wenngleich die Einschätzung, ob eine Quelle glaubwürdig ist, im angesprochenen Experiment auf der Meinung der befragten Personen beruhte, lässt sich diese Eigenschaft trotz aller kultureller Differenzen auf den Sachverstand und die Vertrauenswürdigkeit reduzieren.452 Die Glaubwürdigkeit eines Kommunikators wird demnach durch Wahrnehmungen über Wissen, Intelligenz, Ernsthaftigkeit und 447 Darauf machen Hovland / Janis / Kelley, Communication and Persuasion, S. 19, aufmerksam. Freilich kann man ebenso gut der Meinung sein, dass es sich dabei weniger um ein „können“ als ein „müssen“ handelt – eine Konvention also, derer man sich nicht entziehen kann. 448 Dazu insgesamt Aronson, Sozialpsychologie, S. 89 ff.; im Folgenden wird vor allem die einflussreiche Studie von Hovland / Janis / Kelley, Communication and Persuasion, zugrunde gelegt, die auch noch heutzutage gilt, vgl. Burkart, Kommunikationswissenschaft, S. 466. 449 Hovland / Janis / Kelley, Communication and Persuasion, S. 12. 450 Siehe Hovland / Janis / Kelley, Communication and Persuasion, S. 11 f. 451 Siehe Hovland / Weiss, Pub. Opinion Q. 15 (1951), S. 635; vgl. auch Kelman / Hovland, J. Abnorm. & Social Psych. 48 (1953), S. 327 (327 ff.); dazu insgesamt Hovland / Janis / Kelley, Communication and Persuasion, S. 27 ff. 452 Vgl. Hovland / Janis / Kelley, Communication and Persuasion, S. 21.
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Informiertheit beeinflusst.453 Legt man dies zugrunde, so ist ein positiver Kommunikator jemand, dessen Eigenschaften die Akzeptanz seiner Meinung befördern.454 Demgegenüber ist ein negativer Kommunikator derjenige, dessen Eigenschaften die Akzeptanz seiner Meinung vermindern. Festgestellt wurde, dass zwar der Informationsgehalt, den die Rezipienten aufnehmen, in beiden Fällen gleich ist.455 Doch variiert die Neigung, diese Information zu akzeptieren und in die eigene Meinungsbildung zu integrieren.456 Dieses Phänomen lässt sich als ein Prestige-Effekt kennzeichnen. Im Extremfall kann dieser dazu führen, dass allein das Wahrnehmen einer bestimmten Quelle zur Akzeptanz ihrer Meinung führt.457 Interessant ist allerdings, dass dieser Effekt zeitlich begrenzt ist. So wurde beobachtet, dass sich nach Ablauf einiger Wochen die mitgeteilten Inhalte von ihrem Kommunikator emanzipieren. Sie werden dann unabhängig von der Glaubwürdigkeit ihres Kommunikators abgelehnt oder angenommen. Dieser Effekt wird als Sleeper-Effect bezeichnet.458 Er wird allgemein damit erklärt, dass man die Quelle eines Inhalts schneller vergisst als diesen selbst.459 Wird das kommunikationstheoretische Argument in seiner Prämisse (ii) durch die sozialpsychologische These gestützt, so erfährt es eine Stärkung und eine Einschränkung. Da die empirischen Daten zeigen, dass die Überzeugungskraft, die eine glaubwürdige Quelle besitzt, nur wenige Wochen anhält, läuft dies auf das Postulat einer dauerhaften Zurechnung hinaus. Die Bezeichnung des Autors muss daher stets mit seinem Werk verbunden bleiben. Um dem Argument zu entsprechen, reichte es daher nicht aus, dem Autor ein Recht einzuräumen, eine einmalige Nennung seines Namens durchzusetzen. Aufgrund des sog. Sleeper-Effect ist vielmehr erforderlich, dass dieses Recht mit dem Augenblick entsteht, in dem das Werk der rezipierenden Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Dies ist eine Stärkung des kommunikationstheoretischen Arguments. Dadurch, dass die sozialpsychologische These von der Glaubwürdigkeit des Kommunikators abhängt, wird jenes Argument allerdings auch zweifach eingeschränkt. Erstens vermag es nur in Fällen, wo die Nennung des Autors einen positiven Effekt auf die Überzeugung hat, einen moralischen Anspruch auf ein Namensnennungsrecht zu begründen. Es sind zwei Konstellationen denkbar, in denen eine solche Wirkung eintreten kann. Im Fall der Anonymität ist ein Recht auf Namensnennung nur dann moralisch erfor453 Siehe Hovland / Janis / Kelley, Communication and Persuasion, S. 20. Freilich gelten je nach Kultur andere Faktoren als für die Glaubwürdigkeit des Kommunikators maßgeblich, siehe dies., Communication and Persuasion, S. 20 f. 454 Zur Unterscheidung zwischen einem positiven und einem negativen Kommunikator siehe Kelman / Hovland, J. Abnorm. & Social Psych. 48 (1953), S. 327 (327, 328). 455 Vgl. Hovland / Weiss, Pub. Opinion Q. 15 (1951), S. 635 (641 f.). 456 Siehe Hovland / Weiss, Pub. Opinion Q. 15 (1951), S. 635 (642). 457 Siehe Hovland / Janis / Kelley, Communication and Persuasion, S. 13. 458 Vgl. etwa Hovland / Janis / Kelley, Communication and Persuasion, S. 19. 459 Siehe Hovland / Janis / Kelley, Communication and Persuasion, S. 19 ff.; Kelman / Hovland, J. Abnorm. & Social Psych. 48 (1953), S. 327 (327).
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derlich, wenn der Autor ein positiver Kommunikator ist. Denn handelte es sich um einen neutralen oder gar negativen Kommunikator, so wäre die Überzeugungswirkung entweder unbeeinflusst oder gar vermindert. Geht es hingegen um den Fall einer Falschzuschreibung, so ist die Namensnennung bereits erforderlich, wenn sie im Vergleich zu dem angegebenen Namen glaubwürdiger oder weniger unglaubwürdig wirkt. Hier ist die Eigenschaft eines positiven Kommunikators zwar nicht notwendig, aber ebenso nicht hinreichend. Stattdessen ist innerhalb positiver wie negativer Kommunikatoren eine graduelle Abstufung des positiven wie des negativen Effekts vorzunehmen. Neben diese normative Begrenzung tritt zweitens eine praktische Schwäche der sozialpsychologischen These. Diese liegt darin, dass sich jene Fälle kaum in eine gesetzliche Regelung umsetzen lassen. Denn eine gesetzliche Regelung müsste ja tatbestandliche Bedingungen aufstellen, die jene Fälle erfassen. Doch wie soll dies geschehen? Die Glaubwürdigkeit eines Autors ist keine statische Eigenschaft, sie kann sich im Laufe der Zeit vergrößern oder verringern. Im Falle der anonymen Veröffentlichung eines Werks müssten daher, um jene Beurteilung vorzunehmen, drei Variablen ermittelt werden: die Glaubwürdigkeit G eines Autors A zu einem Zeitpunkt T. Nennt man diesen Wert X, so muss X ein positiver Wert sein. Bereits diese Feststellung setzte Daten voraus, die sich im Nachhinein nicht mehr ermitteln ließen. Wie sollte der Glaubwürdigkeitsfaktor ermittelt werden, der bereits im Zeitpunkt seiner Feststellung vergangen ist? Weitaus komplizierter wird es im Fall einer Falschzuschreibung. Einerseits verdoppelt sich die Prozedur, andererseits sind komparative Operationen notwendig. Nicht nur, dass für zwei Personen der Wert X ermittelt werden müsste. Auch müssten diese verglichen werden. Die Beurteilung, ob ein Autor eine größere Überzeugungswirkung entfaltet, lässt sich aber letztlich nicht graduell, sondern allenfalls absolut beurteilen. (2) Epistemologische These Für die epistemologische These spricht, dass vor allem in der literaturwissenschaftlichen Praxis ihre Richtigkeit zugrunde gelegt wird.460 Hier ist durchaus üblich, dass man einen Text durch Rückgriff auf Intentionen, Gefühle, Lebensbedingungen etc. des Autors zu verstehen versucht. Diese Vorgehensweise lässt sich jedoch nicht, wie noch bei der sozialpsychologischen These der Fall, durch empirische Belege stützen. Denn ihr liegen zwei erkenntnistheoretische Prämissen zugrunde, die nicht empirischer, sondern philosophischer Natur sind. Sie setzt voraus, dass erstens im Text eines Autors ein objektiver Sinngehalt theoretisch existiert, und dieser zweitens, wenn überhaupt, nur im interpretatorischen Rückgriff auf den Autor dekodiert werden kann. Diese Annahmen knüpfen an eine hermeneutische Tradition an, die vor allem mit den Namen Schleiermacher und Dilthey 460 Vgl. Jannidis / Lauer / Martinez / Winko, in: dies. (Hrsg.), Texte zur Theorie der Autorschaft, S. 7 (8).
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verbunden ist. Bei dem Verstehensprozess, der sich zwischen Autor, Text und Leser vollzieht, wird hiernach dem Autor die maßgebliche Funktion zugewiesen. Dieser stellt die Autorität dar, die einem Text seinen Sinn gibt. Folgerichtig wurde davon ausgegangen, dass sich ein Leser eines Textes in den Autor gleichsam hineinversetzen müsse, um dessen Text zu verstehen. Durch das „Sichhineinversetzen [ . . . ] in einen Menschen oder ein Werk“ sollte das Autorerlebnis nachgebildet und nacherlebt werden.461 Dass es sich dabei um eine Forderung handelte, die nur annäherungsweise verwirklicht werden konnte, versteht sich von allein. Freilich wurde diese Autorfokussierung bereits insofern abgeschwächt, als man davon ausging, dass ein Leser den Autor besser verstehen könne, als dieser sich selbst.462 Doch haben sich hermeneutische Ansätze in neuerer Zeit von dieser Auffassung entfernt. Der Autor wird nicht mehr als Schlüssel zum Verständnis seiner Mitteilung, sondern allenfalls als gleichberechtigter Faktor neben Text und Leser erkannt. Der Vorgang des Verstehens wird als ein schöpferischer Prozess gedeutet, dessen Ideal nicht länger darin besteht, die Differenz zwischen Autor und Leser zu überwinden. Ganz im Gegenteil: in dieser Differenz wird gar eine Möglichkeit erkannt, einen Text besser zu verstehen.463 Der Abstand, der zwischen Autor und Rezipient liegt, fördere den Verstehensprozess. Der Autor hat insofern keinen privilegierten Zugang zu seinem Werk; er befindet sich vielmehr in der gleichen Lage wie andere Exegeten.464 Die völlige Loslösung vom Autor als „Verstehensnorm“465 und die Hinwendung zum Rezipienten spitzt sich schließlich im sog. Poststrukturalismus466 zu. Diese Bewegung hat in der Literaturwissenschaft ihren Anfang genommen und ist dort am prägnantesten von Barthes und Foucault formuliert worden.467 Für sie ist Verstehen nurmehr die subjektive Konstruktion des jeweiligen Rezipienten, für deren Gelingen ein Rückgriff auf das Zuschreibungssubjekt „Autor“ weder möglich, noch notwendig sei. Nicht notwendig ist dies, weil bereits das Ideal eines objektiven Verständnisses ausdrücklich aufgegeben wird. Ein Text beziehe seinen Sinn Siehe Dilthey, Der Aufbau der geschichtlichen Welt, S. 265 f. Siehe Schleiermacher, Hermeneutik und Kritik, S. 94; ihm folgend Dilthey, Der Aufbau der geschichtlichen Welt, S. 268. 463 Vgl. hierzu die Ausführungen von Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 281 f., zur Überwindung der hermeneutischen Differenz, die durch die Zeit geschaffen wird. 464 Siehe Japp, in: Fohrmann / Müller (Hrsg.), Diskurstheorie und Literaturwissenschaft, S. 223 (226). 465 Jannidis / Lauer / Martinez / Winko, in: dies. (Hrsg.), Texte zur Theorie der Autorschaft, S. 7 (8). 466 Dieser Begriff stützt sich darauf, dass dessen Vertreter zwar vom sog. Strukturalismus ausgehen, der eine geschlossene Struktur eines Textes und daher die textinterne Rekonstruierbarkeit seines Sinnes annimmt, sich von diesem aber in bestimmten Annahmen abgrenzen; hierzu etwa Eagleton, Einführung in die Literaturtheorie, S. 110 ff., besonders S. 123 ff. 467 Im Folgenden stützen sich daher die Ausführungen auf diese beiden Denker. Freilich soll damit nicht suggeriert werden, dass deren Konzeptionen vollkommen identisch seien. 461 462
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weder aus dem Autor noch aus sich selbst. Der Ort, wo Sinn entsteht, wird vielmehr in die Subjektivität des Lesers verlegt.468 Dort trifft das im Text Enthaltene zusammen und tritt in einen durch den Leser vermittelten Dialog. Diese konstruktivistische Perspektive weist die Sinnbildung nicht dem Ursprung, sondern dem Ziel eines Textes zu.469 Doch führt dieser Dialog nicht auf einen endgültigen Sinn; vielmehr werde unentwegt Sinn gebildet, der sich stets wieder auflöse.470 Die Vorstellung, aus einer Schrift könne ein einziger Sinn dekodiert werden, wird daher als falsches Ideal zurückgewiesen. Doch bleibt nicht trotzdem, wenn auch durch das rezipierende Subjekt erschwert, der Autor als Bezugspunkt theoretisch bestehen? Auch dies wird aus poststrukturalistischer Perspektive verneint. Ein Rekurs auf den Autor wird für nicht möglich gehalten, weil dessen Existenz als Sinnstifter überhaupt abgestritten wird. Denn die Vielfalt, die im Leser in sinnstiftenden Dialog tritt, sei nicht Produkt des Schreibers, sondern entstamme verschiedenen Kulturen. Ein Text sei stets ein „Gewebe von Zitaten aus unzähligen Stätten der Kultur“471 – in ihm könne niemals etwas Originelles erschaffen, sondern allein Geschehenes nachgeahmt werden. Losgelöst von der romantischen Vorstellung des Genius, der Einzigartiges erschafft, wird der Verfasser auf die bloße Kausalität reduziert, bereits vorgegebene Elemente vermischt und im Text miteinander konfrontiert zu haben.472 Als Individuum tauche der Schriftsteller, wie Foucault pointiert formuliert hat, nur noch in der „Einmaligkeit seiner Abwesenheit“473 auf. Das Schöpfersubjekt eines Werks, dem wir die Eigenschaft eines Autors zuschreiben, wird so als Fiktion diskreditiert. Es sei ein vom Leser konstruiertes Vernunftwesen; was üblicherweise an einem Individuum als Autor bezeichnet wird, sei die „psychologisierende Projektion der Behandlung, die man Texten angedeihen lässt.“474 Die Schrift enthalte nichts, was nur in ihrem angeblichen Autor enthalten sei. Sie nehme seine Identität nicht in sich auf, sondern löse sie auf, absorbiere sie.475 In ähnlicher Weise hat auch Foucault das Schreiben als „die Öffnung eines Raumes, in dem das schreibende Subjekt unablässig verschwindet“476 be468 Dies kommt bei Barthes, in: Jannidis u. a. (Hrsg.), Texte zur Theorie der Autorschaft, S. 185 (192), zum Ausdruck: „Nicht sein Ursprung oder seine Stimme sind der wahre Ort der Schrift, sondern die Lektüre.“ 469 Die Parallelen zum Konstruktivismus werden bei Schmidt, in: Fohrmann / Müller (Hrsg.), Diskurstheorien und Literaturwissenschaft, S. 134 (146 ff.), erörtert. 470 Siehe Barthes, in: Jannidis u. a. (Hrsg.), Texte zur Theorie der Autorschaft, S. 185 (191). 471 Barthes, in: Jannidis u. a. (Hrsg.), Texte zur Theorie der Autorschaft, S. 185 (190). 472 Hierzu Barthes, in: Jannidis u. a. (Hrsg.), Texte zur Theorie der Autorschaft, S. 185 (190); siehe auch Foucault, in: ders., Schriften in vier Bänden, Bd. I, S. 1003 (1029 Fn. 15). 473 Foucault, in: ders., Schriften in vier Bänden, Bd. I, S. 1003 (1009). 474 Foucault, in: ders., Schriften in vier Bänden, Bd. I, S. 1003 (1017). 475 Siehe Barthes, in: Jannidis u. a. (Hrsg.), Texte zur Theorie der Autorschaft, S. 185 (185). 476 Foucault, in: ders., Schriften in vier Bänden, Bd. I, S. 1003 (1008).
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zeichnet. So sorgen Sprache und Leser auf ihre je eigene Weise für das Verschwinden des Autorkonzepts. Die Sprache, indem sie ein unübersteigbares Apriori ist; die Leser, indem sie ihren je eigenen Sinn konstruieren. Dies ist die Bedeutung, die hinter der von Barthes eingeführten Formel vom „Tod des Autors“ steht.477 Sie erklärt gleichermaßen, was Foucault dazu veranlasst hat, dem Autor die Rolle des Toten in einem Schreibspiel aufzugeben, das zwischen Text und Leser abläuft.478 Der Tod des Autors bezeichnet das Aufhören derjenigen Funktionen, die wir dem Subjekt zurechnen, das wir üblicherweise als Autor bezeichnen. Aus poststrukturalistischer Sicht wird der Autor infolgedessen, wie auch der Inhalt insgesamt, vom Leser konstruiert. Nicht nur wird die erkenntnistheoretische Bedeutung des Zuschreibungssubjekts „Autor“ geleugnet, sondern diesem gar seine „genealogische Autorität“479 entzogen. Dies alles zeigt, dass die epistemologische These keineswegs so selbstverständlich ist, wie ihre häufige Befolgung in der Praxis glauben lässt. Im Gegenteil suggerieren die in ihr enthaltenen Prämissen ein Verstehensmodell, das nach allem die Wirklichkeit vermutlich zu simpel abbildet. Man muss nicht unbedingt eine poststrukturalistische Perspektive einnehmen, um dies zu erkennen.480 Einen Hinweis darauf beinhaltet bereits die Tatsache, dass es eine Vielzahl von Texten gibt, bei denen in der Praxis der Autorperson zwar eine persuasive, aber keine erkenntnistheoretische Bedeutung zugesprochen wird. Dies ist vor allem bei nicht-fiktionalen Texten der Fall, wie etwa im Bereich der Wissenschaft. Freilich, dieses Faktum ist ebenso wenig ein Beweis wie die Verwendung jener These bei fiktionalen Texten. Es lässt sich nicht entscheiden, ob die epistemologische These richtig ist. Immerhin zeigen diese Überlegungen, dass derjenige, der diese These verwendet, diese Einwände entkräften und sich den poststrukturalistischen Argumenten aussetzen muss. Ihre Verwendbarkeit in urheberrechtlichen Diskursen wird dadurch nicht unwesentlich erschwert.
b) Applikation Es ist gezeigt worden, dass die Kantschen Gedanken, erweitert zu einem kommunikationstheoretischen Argument, kaum zur moralischen Rechtfertigung eines Urheberrechts dienen können. Dies liegt daran, dass die beiden Thesen, die dieses Argument wesentlich stützen, mit unterschiedlichen Mängeln behaftet sind. Während die sozialpsychologische These in ihrer normativen Reichweite begrenzt und großen praktischen Schwierigkeiten ausgesetzt ist, ist die Richtigkeit der epistemo477 So ausdrücklich Barthes, in: Jannidis u. a. (Hrsg.), Texte zur Theorie der Autorschaft, S. 185 (193). 478 Siehe Foucault, in: ders., Schriften in vier Bänden, Bd. I, S. 1003 (1009). 479 Japp, in: Fohrmann / Müller (Hrsg.), Diskurstheorie und Literaturwissenschaft, S. 223 (227). 480 Kritische Betrachtung bei Netanel, Rutgers L. J. 24 (1993), S. 347 (404 ff.).
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logischen These bereits nicht begründbar. Um dennoch zu zeigen, welche moralischen Konsequenzen sich für das Urheberrecht ergeben, wenn man das kommunikationstheoretische Argument verwendet, wird dessen Richtigkeit im Folgenden unterstellt. Einerseits wird so von den Problemen abgesehen, die die sozialpsychologische These treffen. Stattdessen wird aus heuristischen Gründen angenommen, dass der Autor stets eine Person ist, die die überzeugende Wirkung eines kommunizierten Inhalts verstärkt. Andererseits wird behauptet, dass das Verstehensmodell der epistemologischen These der Wirklichkeit entspricht. Dieses Vorgehen berücksichtigt die denkbare Möglichkeit, dass andere Wege aufgezeigt werden könnten, die das kommunikationstheoretische Argument stützen. Für diesen Fall ist es sinnvoll, zu zeigen, welche Folgen der Verwender jenes Arguments akzeptieren muss.
aa) Tatbestand des Urheberrechts Wendet man das kommunikationstheoretische Argument an, so unterfallen nur solche geistigen Werke dem Urheberrecht, die als Gegenstand einer Kommunikation aufzufassen sind. Das bedeutet, dass mit und durch das Werk Bedeutungsinhalte mitgeteilt werden müssen. Dies ist freilich immer der Fall, sofern es sich um ein Geisteswerk handelt. Denn was sollte ein Geisteswerk anderes sein, als ein in menschlichen Zeichen verkörperter Bedeutungsgehalt? Rein begrifflich transportiert ein geistiges Werk immer einen Bedeutungsinhalt – es ist identisch mit diesem. Qualifizierungsprobleme, die entstehen können, resultieren daher nicht aus der Beurteilung, ob ein Geisteswerk etwas bedeutet – natürlich tut es das! –, sondern ob der betrachtete körperliche Gegenstand dergleichen beinhaltet. Ist der körperliche Gegenstand ein Medium, das ein Geisteswerk beinhaltet? – das ist die Frage, die interessiert.481 Doch reicht dies nicht aus; das kommunikationstheoretische Argument führt zu einer weiteren Ausdifferenzierung der mitgeteilten Bedeutungsinhalte. Das Geisteswerk muss zusätzlich darauf gerichtet sein, die Rezipienten zur Änderung ihrer Einstellung, zur Änderung ihres Verhaltens aufzufordern.482 Im Verhältnis zu geltenden Urheberrechtssystemen wird der Tatbestand eines Urheberrechts so stark eingeschränkt. Dies bedeutet nicht, wie Kant noch gemeint hatte483, dass Werke der bildenden Künste generell vom Urheberschutz ausgenom481 Dieses Argument stimmt mit gängigen Vorstellungen überein, die im urheberrechtlichen Kontext anzutreffen sind. So etwa bei Schricker, in: ders. (Hrsg.), UrhG, Einl Rdnr. 7, wenn er behauptet, das Urheberrecht diene dem Schutz qualifizierter menschlicher Kommunikation. 482 Diese Differenzierung entfällt, wenn man von der Plausibilität der epistemologischen These ausgeht und diese zugleich einem allgemeinen kommunikationstheoretischen Argument unterlegt, das von dem Erfordernis einer persuasiven Kommunikation absieht. Da dies der einzige Unterschied ist, wird auf die separate Darstellung eines solchen Arguments verzichtet.
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men sind. Auch diese können, wenn auch stärker verschlüsselt, einen normativpragmatischen Gehalt transportieren. Immerhin wird so ein Begriff der Kunst zugrunde gelegt, der etwa von Adorno484 vertreten wurde: Kunst ist nur, was die gesellschaftlichen Verhältnisse kritisieren und ändern will.485 Es bleibt offen, ob sich in dieser Differenzierung diejenige von Idee und Ausformung derselben widerspiegelt. Nimmt man die Idee als bloßen Gedankeninhalt, der sich erst in seiner Ausformung normativ gestaltet – eine Vorstellung deren Richtigkeit zweifelhaft ist! –, so wäre dies der Fall.486
bb) Rechtsfolgen des Urheberrechts Die urheberrechtlichen Befugnisse, die durch das kommunikationstheoretische Argument begründet werden können, sind auf das Recht auf Namensnennung beschränkt. Dies ist unmittelbare Folge der Annahme, dass eine persuasive Kommunikation funktional auf die Zurechnung bezogen ist. Nur wenn der Autor eines Werks mit seinem Werk in Verbindung gebracht wird oder werden kann, ist (i) die Überzeugung durch seine Autorität gewahrt (sozialpsychologische These), (ii) oder wird erst die verstehende Interpretation ermöglicht (epistemologische These). Dies impliziert zugleich, dass dieses Recht nicht betroffen ist, sofern zwar der Name nicht genannt, das Werk allerdings so geändert wird, dass sein Inhalt ein anderer ist.487 Dass eine solche Umarbeitung bereits dann vorliegt, wenn das Werk in eine andere Sprache übersetzt wird, lässt sich hingegen nicht aus dieser Argumentation folgern.488 Ist das abgeleitete Recht auch übertragbar? Kant hatte dies mithilfe des Zwangsarguments verneint; die Analogie zur Unübertragbarkeit einer Handlung half dabei.489 Für das kommunikationstheoretische Argument stellt sich die Lage anders dar. Hier führt die Frage der Übertragbarkeit auf die kommunikative Freiheit zurück, auf der jenes Recht basiert. Denn eine Übertragung des Namensnennungsrechts berührt stets dieses Ursprungsrecht, auf das es funktional bezogen ist. Eine vollständige Übertragung geriete offenkundig mit der Ausgangsprämisse des kommunikationstheoretischen Arguments in Konflikt. Die in (i) enthaltene Behauptung, dieses Recht stehe jedem Individuum zu, würde konterkariert. Insoweit läuft der kommunikationstheoretische Typus auf eine moralische Unmöglichkeit der Übertragung hinaus. Außerhalb einer vollständigen Übertragung verhält sich das Argument allerdings neutral – sie bleibt moralisch möglich. Vgl. Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (81, 86). Vgl. Adorno, Ästhetische Theorie. 485 Siehe dazu Hauskeller, Was ist Kunst?, S. 81 ff. 486 Siehe hierzu Wicklund, in: Drahos (Ed.), Intellectual Property, S. 81 (83). 487 In diesem Sinne auch Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (86 f.). 488 So aber Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (87), der sich allerdings auf das Zwangsargument zu beziehen scheint. 489 Siehe Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (80, 86). 483 484
12 Stallberg
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Eine andere Frage ist, ob das Recht auf Namensnennung mit dem Tod des Autors erlischt. Hier lässt sich dem kommunikationstheoretischen Argument eine Antwort entnehmen, deren Ursprung ebenfalls in seiner Ausgangsprämisse liegt. Denn dort wird festgelegt, dass das Recht, zu kommunizieren, den je Kommunizierenden schützt. Mit anderen Worten: es soll die Freiheit des einzelnen geschützt werden, mit anderen zu kommunizieren. Ist der zu schützende Freiheitsträger nicht mehr existent, gibt es zumindest ab jenem Zeitpunkt auch dieses Recht nicht mehr. Folgerichtig muss auch das Recht auf Namensnennung, das sich als Folge dieses Freiheitsrechts darstellt, untergehen.490 Das bedeutet freilich nicht, dass die Autorschaft des verstorbenen Urhebers keine kommunikative Bedeutung mehr hat. Geht man von der Gültigkeit der sozialpsychologischen und epistemologischen These aus, so behält er diese Bedeutung. Verstehen und Persuasion sind an ihn gebunden; insofern bleibt das Werk von seinem Urheber abhängig.491 Doch muss diese Abhängigkeit nicht mehr in Form eines Namensnennungsrechts rechtlich anerkannt werden. Freilich bleibt der postmortale Bestand des Namensnennungsrechts durch kollektivistische Argumente moralisch möglich; die Prämisse (i) wird nicht unterminiert, wenn dies geschieht.
c) Zusammenfassung Der kommunikationstheoretische Typus einer Werk-basierten Rechtfertigung des Urheberrechts stützt sich auf eine Abhängigkeit des Werks zu seinem Urheber. Diese wird auf eine Eigenschaft der Seinsweise geistiger Werke zurückgeführt – auf ihren kommunikativen Gehalt. Durch geistige Werke kommuniziere der Urheber seine Gedanken an die Öffentlichkeit. Diese könnten nur dann in der beabsichtigten Form kommuniziert werden, falls eine Zurechnung zu ihm erfolge. Geschehe dies nicht, so werde daher die Kommunikationsfreiheit des je kommunizierenden Urhebers verletzt. Um dies zu verhindern, ist eine rechtliche Zuordnung des Werks zum Urheber zu wählen, die die funktionalen Bedingungen seiner Kommunikation schützt. Diese Argumentation liegt letzten Endes bereits der Autortheorie Kants als Idee zugrunde. Sie lässt sich allgemein so formulieren: (i) Jeder Mensch besitzt das Recht, mit anderen Menschen zu kommunizieren; (ii) ein pragmatisch-normativer Inhalt kann nur dann erfolgreich kommuniziert werden, wenn die Person des Kommunizierenden mitkommuniziert wird; (iii) das Recht zur Kommunikation wird daher verletzt, wenn der Name des Kommunizierenden nicht genannt wird. 490 Kohler, AcP 82 (1894), S. 141 (198); ders., Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, S. 93, meint ebenfalls, aus der Kantschen Theorie folge, dass das Autorrecht mit dem Tod des Autors erlischt. 491 Daher ist das Argument, das Palmer, in: Thierer / Crews (Ed.), Copy Fights: the Future of Intellectual Property in the Information Age, S. 43 (65), gegen die Abhängigkeit eines Werks von seinem Autor einwendet – selbst nach dessen Tod existiere ein Werk weiter! – nicht stichhaltig.
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(1) Da die Annahme einer kommunikativen Freiheit durchaus plausibel ist, hängt dieses Argument in erster Linie von der Annahme (ii) ab: Warum funktioniert jene Kommunikation nicht, wenn keine Zurechnung des Kommunizierten erfolgt oder erfolgen kann? Hier liegen zwei Thesen nahe, eine sozialpsychologische und eine epistemologische. Die sozialpsychologische These behauptet, der Erfolg oder doch die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs einer überredenden Kommunikation hänge psychologisch zu einem gewissen Grad von der Person des Autors ab. Demgegenüber nimmt die epistemologische These an, die Person des Autors sei nicht erst für die Akzeptanz des vermittelten Inhalts, sondern bereits für dessen Erkenntnis von Bedeutung. (2) Beide Thesen sind bei genauerer Betrachtung wenig überzeugend. Gegen die sozialpsychologische These sprechen praktische Gründe. Sie kann nur in Fällen, wo die Nennung des Autors einen positiven Überzeugungseffekt hat, die moralische Notwendigkeit eines Namensnennungsrechts begründen. Im wichtigen Fall des Plagiats müsste daher geprüft werden, ob der Plagiator aufgrund einer größeren Glaubwürdigkeit eine stärkere Überzeugungskraft besitzt. Das ist nicht nur normativ ziemlich fragwürdig; auch ist zweifelhaft, wie ein solcher Vergleich gesetzlich umzusetzen wäre. Die Glaubwürdigkeit ist einerseits kein statischer Wert, sondern Schwankungen unterworfen. Andererseits dürfte schwierig sein, verschiedene Personen in ihrer Glaubwürdigkeit zu beurteilen und zu vergleichen. Auch die epistemologische These ist nicht unproblematisch. Die Annahme, dass erstens im Text eines Autors ein objektiver Sinngehalt theoretisch existiere, und dieser zweitens nur im interpretatorischen Rückgriff auf den Autor dekodiert werden könne, suggeriert ein zu simples Modell der hermeneutischen Aneignung geistiger Inhalte. Der moderne Poststrukturalismus hat dies mit seinen polemischen Angriffen auf den Autorbegriff überdeutlich gezeigt. Diejenigen, die diese These verwenden wollen, müssen diese Einwände daher entkräften. (3) Nimmt man die Plausibilität einer oder beider Thesen dennoch an, führt das kommunikationstheoretische Argument dazu, dass tatbestandlich der Schutz solcher geistigen Werke moralisch notwendig ist, die zwei Voraussetzungen erfüllen. Erstens ist erforderlich, dass sie einen Bedeutungsinhalt mitteilen. Da dies immer der Fall ist – ein Geisteswerk ist nichts anderes, als ein in menschlichen Zeichen verkörperter Bedeutungsgehalt – kommt es allein darauf an, ob der je betrachtete körperliche Gegenstand dergleichen beinhaltet. Ein zweites Erfordernis tritt hinzu, soweit die sozialpsychologische These verwendet wird: Der mitgeteilte Bedeutungsinhalt muss dann zusätzlich darauf gerichtet sein, die Rezipienten zur Änderung ihrer Einstellung, zur Änderung ihres Verhaltens aufzufordern. (4) Die Rechte, die der kommunikationstheoretische Typus begründet, erschöpfen sich in einem Recht auf Namensnennung. Allein die Referenz auf den Autor ist notwendig: Nur wenn der Autor eines Werk mit seinem Werk in Verbindung gebracht wird oder werden kann, ist entweder die Überzeugung durch seine Autorität gewahrt (sozialpsychologische These) oder wird erst die verstehende Interpretation 12*
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ermöglicht (epistemologische These). Das so begründete Namensnennungsrecht ist jedoch nicht übertragbar. Dies folgt aus der kommunikativen Freiheit, auf der jenes Recht basiert. Die Übertragbarkeit geriete offenkundig mit dieser Ausgangsprämisse in Konflikt. Denn die in (i) enthaltene Behauptung, dieses Recht stehe jedem Individuum zu, würde konterkariert. Insoweit läuft der kommunikationstheoretische Typus auf eine moralische Unmöglichkeit der Übertragung hinaus. Auch kann ein postmortaler Bestand des Namensnennungsrechts nicht begründet werden. Schließlich soll das Urheberrecht aus Sicht des kommunikationstheoretischen Typus die Freiheit der Urheber schützen, zu kommunizieren. Die angefangene Kommunikation mag dann weiterhin von einer namensmäßigen Zurechnung abhängen – der Urheber selbst ist jedoch als zu schützender Freiheitsträger nicht mehr existent. Ein Fortbestehen des Urhebers nach dem Tod bleibt aber moralisch möglich, soweit entsprechende Argumente gefunden werden. Die kommunikative Freiheit wird dadurch nicht berührt.
2. Exklusivitätstheoretischer Typus Eine Werk-basierte Rechtfertigung, die auf dem exklusivitätstheoretischen Typus basiert, versucht eine rechtliche Beziehung zwischen einem Urheber und seinem Werk dadurch zu begründen, dass eine seinsmäßige Beziehung behauptet wird, die zwischen beiden bestehe. Hiernach ist ein geistiges Werk von Natur aus exklusiv: es schließt andere als den Urheber in seiner Aneignung notwendig aus. Das Urheberrecht wird so als normative Bestätigung dieses Exklusivitätsverhältnisses gedeutet.492 Ein derartiges Argument besteht aus zwei Teilen, einem ontologischen und einem normativen. Der ontologische Teil beinhaltet eine These über die Seinsweise eines geistigen Werks. Diese besagt, dass ein geistiges Werk ganz oder teilweise derart beschaffen sei, dass es ausschließlich von seinem Urheber angeeignet werden könne. Der normative Teil des Arguments legt dagegen dar, wie aufgrund dieser ontologischen Exklusivitätsthese eine moralische Verbindung des Urhebers zu seinem Werk behauptet werden kann. Dies kann dadurch geschehen, dass entweder die Exklusivitätsthese zu einem selbstständigen Moralprinzip erhoben oder aber mit einem anderen Moralprinzip und zusätzlichen Annahmen verbunden wird. Eine derartige Rechtfertigung des Urheberrechts lässt sich den Gedanken Fichtes zur Rechtswidrigkeit des Büchernachdrucks entnehmen. Sie sind im urheberrechtlichen Kontext vor allem wegen der Unterscheidung zwischen Form und Inhalt eines Geisteswerks wirksam geworden.493 Die Rezeption dieser Fichteschen 492 Dieser Art von Begründung kann man eine Kritik des Urheberrechts gegenüberstellen, die auf der angenommen Non-Exklusivität eines geistigen Werks beruht. Sie besagt ontologisch, dass ein Werk non-exklusiv sei und folgert daraus normativ, dass jene natürliche NonExklusivität nicht durch rechtliche Regelungen künstlich zerstört werden dürfe. Diese Kritik wird innerhalb der kritischen Beurteilung der Fichteschen Theorie behandelt.
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Dichotomie hat sich allerdings darauf beschränkt, mit ihr die Frage zu beantworten, wieweit ein geistiges Werk vom Urheberrecht geschützt wird.494 Sie ist so allein zur normativen Grenze zwischen Urheber- und Allgemeininteressen geworden.495 Dagegen ist der Gesichtspunkt, der Fichte erst zur Entwicklung dieser Unterscheidung bewegte, vernachlässigt worden: Welche normativen Gründe sprechen dafür, dass ein geistiges Werk überhaupt rechtlich geschützt wird? Die Begründung, die Fichte zu geben versucht, enthält all die Stärken und Schwächen, die einer Rechtfertigung innewohnen, die auf der Exklusivitätsthese aufbaut. In einem ersten Teil a) werde ich diese Begründung analysieren und in einem systematischen Argument rekonstruieren. Anschließend werde ich in einem zweiten Teil b) die Konsequenzen schildern, die diese Art der Rechtfertigung für das Urheberrecht mit sich bringt. Zuletzt werde ich in einem dritten Teil c) die Defizite des exklusivitätstheoretischen Typus offen legen.
a) Die Autortheorie Fichtes Fichtes Autortheorie, die wenige Jahre nach derjenigen Kants publiziert wurde, stellt wie diese einen Versuch dar, die Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks zu beweisen. Für Fichte ist eines von vornherein klar: der Nachdruck sei ein Verfahren „gegen welches jeder Wohldenkende einen innern Abscheu fühlt.“496 Den Ursprung dieses spontanen Gefühls erblickt Fichte in der verbreiteten Vorstellung, dem Verfasser komme ein fortdauerndes Eigentum an seinem Buch zu. Als Reaktion auf eine Abhandlung, die diesen Glauben als noch unbewiesen abgetan hatte, versucht er ihn nun zu rationalisieren. Fichtes Methodik, die an das Rawlssche Verfahren des reflective equilibrium erinnert497, ist dabei folgende: Wenn sich zeigen ließe, dass jener Glaube auf ein allseits anerkanntes Prinzip zurückgeführt werden könnte, so wäre seine Richtigkeit bewiesen. Die Vorstellungen, die über ein Urheberrecht existieren, würden dann den Beweiswert jenes Grundsatzes teilen, der ihnen, wenngleich noch unreflektiert, zugrunde liegt. Mit anderen Worten: Fichte sucht einen evident einsichtigen Grundsatz, mit dem der Glaube, der Verfasser eines Buchs habe eine eigentumsähnliche Beziehung zu diesem inne, als richtig 493 Hervorhebung dieser Bedeutung etwa bei Bappert, Wege zum Urheberrecht, S. 270 ff.; siehe auch Kohler, AcP 82 (1894), S. 141 (183 f.); ders., Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, S. 76 f. 494 Auch ihre erkenntnistheoretische Plausibilität ist kaum angezweifelt worden; andeutungsweise findet sich eine derartige Kritik bei Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, § 19 III. 495 Zuletzt etwa Berking, Die Unterscheidung von Inhalt und Form im Urheberrecht, S. 18 ff.; exemplarisch auch Loewenheim, in: Schricker (Hrsg.), UrhG, § 2 Rdnr. 50 ff. Zu einer rein individualistischen Begründung dieser Dichotomie, die die Allgemeininteressen berücksichtigt, siehe Drassinower, Can. J. Law & Jurisprudence 16 (2003), S. 3. 496 Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (409). 497 Zu diesem Verfahren siehe etwa Rawls, A Theory of Justice, S. 18.
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bewiesen werden kann. Diesen Grundsatz (G) glaubt Fichte in dem Satz gefunden zu haben, dass man das Eigentum an einem Gegenstand notwendig behalte, sofern dessen Zueignung durch jemand anders physisch unmöglich sei.498 Ohne die Ambivalenz499 dieses Satzes zu thematisieren, fragt Fichte nun, ob ein Buch ein derartiger Gegenstand sei: Beinhaltet ein Buch also etwas, dessen Zueignung durch einen anderen als den Urheber physisch unmöglich ist? Im Folgenden wird in einem ersten Teil aa) dargelegt, wie Fichte diese Frage durch Behauptung seiner Exklusivitätsthese positiv beantwortet. Anschließend werde ich in bb) analysieren, wie Fichte damit ringt, diese ontologische Annahme zusammen mit G moralisch nutzbar zu machen. Schließlich werde ich in cc) die Gedanken Fichtes in einem ideal-rekonstruierten Argument zusammenfassen und so als Modell systematisch erfassen.
aa) Die geistige Form als ontologische Aneignungsschranke Um darlegen zu können, dass ein Buch einen nicht aneignungsfähigen Bestandteil enthalte, knüpft Fichte zunächst an die Unterscheidung zwischen einer körperlichen und einer geistigen Seite eines Buchs an. Doch führt er eine zusätzliche Differenz ein, die ihn von Kant unterscheidet. Denn er trennt außerdem das Materielle und die Form eines geistigen Werks.500 Das Materielle ist hiernach der Inhalt des Buchs, die Gedanken, die es vorträgt. Hingegen sei die Form die Art, wie die Gedanken vorgetragen würden, die Wendungen und Worte, mit denen der Inhalt dargelegt werde. Diese Unterscheidung erlaubt Fichte, die Exklusivitätsthese auf einen Teil eines geistigen Werks zu begrenzen. Hinsichtlich des Inhalts eines Buches behauptet Fichte nämlich, dass er durch andere als den Urheber angeeignet werden könne. Dies geschehe zwar nicht unmittelbar durch den Kauf eines Buchs, doch sei die Aneignung durch die Vornahme einer zusätzlichen Handlung möglich. Indem das Buch gelesen und sein Inhalt durchdacht werde, werde dieser automatisch in unsere eigene Ideenverbindung aufgenommen. Die Gedanken des Autors würden so in das Denksystem des Rezipienten integriert und zu Eigen gemacht. Diese Möglichkeit sei denn auch alleiniger Grund des Bücherkaufs. Niemand wolle schließlich das Papier eines Buches benutzen, um damit zu tapezieren. Um dies zu veranschaulichen, führt Fichte als Beispiel die „Kritik der reinen Ver498 Vgl. Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (410). 499 Zwei Interpretationen von G sind möglich. Mit dem „Eigentum“, auf das sich die erste Hälfte des Satzes bezieht, kann Fichte entweder ein empirisches oder ein normatives Besitzverhältnis ansprechen. Es ist damit offenkundig, dass die Interpretation von G unterschiedliche Konsequenzen für seine moralische Verwendbarkeit besitzt. Welche dieser Möglichkeiten von Fichte intendiert ist, und welche Schwächen dieser Grundsatz besitzt, wird später untersucht. 500 Siehe Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (411).
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nunft“ von Kant an. Die darin enthaltenen Gedanken seien solange ausschließliches Eigentum Kants gewesen, bis sie sich jemand durch fleißiges und vernünftiges Studium angeeignet hätte.501 Fichte geht insoweit offenkundig von einem empirisch-psychischen Eigentumsbegriff aus – „Eigentum“ entspricht der gedanklichen Aneignung eines geistigen Inhalts. Demgegenüber behauptet Fichte, dass es physisch unmöglich sei, sich die Form dieser Gedanken anzueignen.502 Die Ideenverbindung und die Zeichen, mit denen der Inhalt vorgetragen wird, könnten nicht zugeeignet werden. Wie begründet Fichte diese physische Unmöglichkeit einer Aneignung? Fichte geht davon aus, dass jeder Mensch eine individuelle Art besitzt, geistige Inhalte zu denken. Jeder habe „seinen eignen Ideengang, seine besondere Art sich Begriffe zu machen, und sie unter einander zu verbinden“503. Die Fichtesche Annahme, dass jeder Mensch nur in seiner eigenen Denkart denken kann, führt zu einer Art Kommunikationsbarriere: Fremde Gedanken, die uns jemand mitteilt oder derer wir habhaft werden wollen, können wir nur in unserer eigenen Denkart erfassen. Indem man fremde Gedanken rezipiert, indem diese von uns verarbeitet werden, werden sie immer schon in der Analogie unserer Denkart gedacht. Im Gegensatz zum geistigen Inhalt eines Werks, der für Fichte übertragbar ist504, hält er die Form des Inhalts daher für nicht kommunizierbar. Sie sei vielmehr die besondere Denkart, die psychisch bewusstseinsmäßige Konstitution des jeweiligen Individuums. Es ist daher nur folgerichtig, wenn Fichte konstatiert, es sei absolut unmöglich, neben den Gedanken eines Autors auch deren jeweilige Form in das eigene Denksystem aufzunehmen. Freilich, dies setzt voraus, dass jedes geistige Werk den Formaspekt beinhaltet. Doch lässt sich ein Inhalt ohne Form denken? Fichte verneint dies. Ohne Formgebung seien Inhalte nicht zu denken oder darzustellen. Jeder müsse daher einer Vorstellung eine Form geben, und diese könne keine andere sein „als die seinige, weil er keine andere hat“505. Da hiernach jeder Inhalt nur in einer konkreten Form gedacht oder kommuniziert werden kann, jedes Bewusstsein aber seine ihm eigene Formgebung hat, ist jede gedankliche Aneignung eines fremden Inhalts immer eine Formveränderung. Die geäußerten Gedanken nehmen dann stets die Denkform des Rezipienten an.
501 Vgl. Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (411). 502 Siehe hierzu Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (412). 503 Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (412). 504 Das ergibt sich bereits daraus, dass Fichte sogar davon ausgeht, es sei möglich, dass zwei Menschen ohne voneinander zu wissen, dieselben Gedanken haben könnten (ders., in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 [412]). 505 Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (412).
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Die Exklusivitätsthese, die Fichte mit der Behauptung einer ontologischen Aneignungsschranke entwirft, ist nach allem eine partielle. Sie bezieht sich nicht auf den Inhalt, sondern nur auf die Form eines geistigen Werks. Um Missverständnissen vorzubeugen muss betont werden, dass der Formbegriff, den Fichte verwendet, ein immaterieller ist. Er beschreibt nicht die konkrete Abfolge und Kombination der körperlichen Zeichen, mit denen ein Inhalt vom Urheber ausgedrückt werden soll. Denn diese Zeichenebene – sie lässt sich als materielle Form bezeichnen – ist nicht dem Urheber physisch vorbehalten. Sie kann, wie auch Fichte erkennt, durch andere beliebig nachgeahmt, kopiert und verändert werden. Die Fichtesche Exklusivitätsthese wäre, würde sie den materiellen Formbegriff inkorporieren, daher offensichtlich falsch. Sie bezieht sich stattdessen auf die immaterielle Form eines geistigen Inhalts: die je individuelle Bewusstseinsform, in der der Urheber Inhalte denkt und die durch die gewählten Zeichen ausgedrückt werden soll. Die Exklusivitätsthese Fichtes lässt sich daher in folgenden Gedankenschritten zusammenfassen: (i) Gedankliche Inhalte können jedem Bewusstsein immer nur in einer bestimmten Form erscheinen; (ii) werden durch ein Werk geistige Inhalte geäußert, wird daher zugleich ihre notwendige Form durch sprachliche Zeichen mitgeäußert; (iii) jedes individuelle Bewusstsein besitzt seine ihm eigene Weise, geistigen Inhalten eine Form zu geben; (iv) daher wird die Form eines geäußerten Gedankeninhalts notwendig verändert, sofern er rezipiert wird; (v) also ist die geistige Form, die ein Urheber seinem Werk gegeben hat, nur ihm selbst zugänglich.
bb) Die moralische Einbettung der Exklusivitätsthese Auf der Grundlage der ontologischen Annahmen, die Fichte in seiner Exklusivitätsthese macht, lässt sich im Sinne eines empirischen Eigentumsbegriffs behaupten, niemand könne sich die immaterielle Form eines fremden Werks aneignen. Dies reicht freilich nicht aus, um das Ziel zu erreichen, das Fichte verfolgt. Denn schließlich wendet er sich gegen ein Verhalten, das faktisch geschehen kann und auch geschieht: dem unerlaubten Nachdruck eines Buches – die Vervielfältigung seiner materiellen Form. Das Gefühl, dieses Verhalten sei unmoralisch, soll als berechtigt erwiesen werden. Um dies zu erreichen, muss Fichte eine moralische Pflicht begründen, die jenes Verhalten verbietet. Doch wie lässt sich eine moralische Relevanz der Exklusivitätsthese begründen? Die Beantwortung dieser Frage führt auf den Grundsatz G zurück, den Fichte an den Anfang seiner Begründung stellt. Danach behalte jemand notwendig das Eigentum an einem Gegenstand, dessen Zueignung durch einen anderen physisch unmöglich sei.506 Entsprechend seiner zu Beginn vorgestellten Methodik ist klar, dass Fichte diesem Satz auf irgendeine Weise die Fähigkeit zuschreibt, den Glauben an ein Urheberrecht zu legitimieren. So nimmt er schließlich an, dass aus G, zusammen mit der Exklusivitätsthese, 506 Vgl. Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (410).
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zwei Rechte des Schriftstellers folgen: erstens das Recht, dass jeder ihn als Verfasser des Buches anerkenne (Namensnennungsrecht); und zweitens das Recht, zu verhindern, dass „Niemand in sein ausschließliches Eigenthum dieser Form Eingriffe thue, und sich des Besitzes derselben bemächtige.“ 507 Weniger klar ist hingegen, mit welcher Interpretation von G Fichte diese Schlussfolgerungen abzuleiten glaubt. Denkbar sind zwei Möglichkeiten, den Grundsatz G in eine moralische Begründung einzubetten.508 Er kann erstens normativ als selbstständiges Moralprinzip gedeutet (autonome Verwendung) oder zweitens als unselbstständige Aussage normativer oder deskriptiver Art in ein anderes Moralprinzip integriert werden (heteronome Verwendung). Beide Wege scheinen auch in Fichtes Gedanken eine Rolle zu spielen. (1) Die Verwendung als autonomes Moralprinzip Die erste Möglichkeit führt dazu, den im Grundsatz G enthaltenen Eigentumsbegriff nicht empirisch, sondern normativ zu lesen. Dann besagt GN, dass dasjenige, was nicht physikalisch durch einen anderen angeeignet werden kann, moralisch nicht angeeignet werden soll. Dass Fichte diese Lesart ebenfalls in Betracht zieht, lässt sich daran erkennen, wie er umgekehrt die mögliche Aneignung des geistigen Inhalts eines Buches gutheißt. Der Inhalt eines Buches „dessen Eigenthum vermöge seiner geistigen Natur Vielen gemein sein kann, so daß doch jeder es ganz besitze, hört durch die Bekanntmachung eines Buches freilich auf, ausschliessendes Eigenthum des ersten Herrn zu sein [ . . . ], bleibt aber sein mit Vielen gemeinschaftliches Eigenthum.“509 Darin kommt ein normatives Prinzip (P) zum Ausdruck, das heutzutage bisweilen gegen die Existenz eines Urheberrechts angeführt wird:510 Dasjenige, was von allen gemeinsam angeeignet werden kann – nicht ex507 Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (413); siehe auch ders., in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (422). 508 Theoretisch ist ebensogut möglich, die Exklusivitätsthese direkt, d. h. ohne Umweg über G in eine moralische Begründung einzubetten. Denn G ist ja, zumindest deskriptiv, nichts anderes als die tautologische Wiedergabe der Exklusivitätsthese (siehe unten). Es stehen dann die gleichen Interpretationswege offen, die für G offen stehen. Um die methodologische Trennung zwischen ontologischer Annahme und Moralprinzip aufrechtzuerhalten, wird indes an der Fichteschen Vorgehensweise festgehalten. 509 Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (412) [Hervorhebung im Original]. 510 Entscheidend für die normative Deutung dieser Passage ist die „Bekanntmachung“, von der Fichte spricht. Hatte er bei Aufstellung der Exklusivitätsthese zuvor einen empirischen Eigentumsbegriff verwendet, indem er auf die gedankliche Aneignung abstellte, so ändert er dies hier. Da in der Veröffentlichung eines Buches noch keine gedankliche Aneignung seines Inhalts liege – wie Fichte am Beispiel Kants ausdrücklich darlegt –, sondern nur die Möglichkeit derselben, kann dies nur ein Schwenken auf einen normativen Eigentumsbegriff bedeuten. Siehe auch Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (418, 419).
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klusiv ist –, soll auch allen gemeinsam gehören. Es ist anzunehmen, dass auch das entsprechende Komplementärprinzip von Fichte gestützt wird: Alles, was von Natur aus exklusiv ist, soll auch einem einzelnen ausschließlich gehören. Benutzt man GN als autonomes Moralprinzip, stößt man indes auf zwei Schwierigkeiten. Einerseits läuft dies auf die Formulierung einer Norm hinaus, die dem Konzept der moralischen Pflicht zuwiderläuft. Denn GN kann weder befolgt noch verletzt werden, da er eine physikalische Gesetzmäßigkeit zur moralischen Pflicht erhebt. Wenngleich dies normlogisch möglich ist, so ist dies doch moralisch sinnlos. Eine moralische Pflicht impliziert immer ein zu selbstbestimmten Handlungen fähiges Subjekt, an dessen Gewissen sie appelliert. Dieser Appell ist überflüssig, wenn diese Pflicht weder befolgt noch missachtet werden kann. Daher ist eine Pflicht, deren Inhalt nur das wiederholt, was bereits notwendigerweise eintritt, ebenso sinnlos wie eine Pflicht, die etwas vorschreibt, das niemand erfüllen kann.511 Die Aufstellung einer moralischen Pflicht, die keiner ihrer Adressaten befolgen oder verletzen kann, ist mit einer menschenleeren Welt vergleichbar, in der den Normen ihre Subjekte fehlen. Selbst wenn man die moraltheoretische Sinnlosigkeit eines autonomen Gebrauchs von GN außer Acht lässt, führt er andererseits nicht zu den beiden Rechten, die Fichte begründen möchte. Weder lässt sich daraus ein Recht ableiten, den Namen des originären Autors zu nennen, noch lässt sich so der Nachdruck sprachlicher Zeichen moralisch verhindern. Um dies zu erreichen, wäre nämlich erforderlich, die Exklusivitätsthese nicht nur auf die geistige, sondern auch auf die sprachzeichliche Form eines Inhalts zu beziehen. „Form“ bezeichnete dann nicht mehr die Formgebung der geistigen Substanz (immaterielle Form), sondern die Anordnung der sprachlichen Zeichen, die die geistige Form darstellen oder darzustellen versuchen (materielle Form). Dass die Exklusivitätsthese dann offensichtlich falsch wäre, zeigt schon das Vorkommnis des Nachdrucks. (2) Die Verwendung als heteronomes Moralprinzip Aus diesen Gründen steht allein die heteronome Verwendungsmöglichkeit offen. Der im Grundsatz G enthaltene Eigentumsbegriff muss, normativ oder empirisch gedeutet, unselbstständig in ein zusätzliches Moralprinzip integriert werden. Gegen eine empirische Deutung (GE) spricht jedoch, dass dies auf eine banale Aussage hinausliefe: Dasjenige, was nur eine bestimmte Person aneignen kann, kann nicht von anderen angeeignet werden. Dadurch würde lediglich die Aussage der Exklusivitätsthese in tautologischer Form wiederholt: Da die immaterielle Form eines geistigen Werks nur dem Urheber zugänglich ist, ist sie keinem anderen zu511 Siehe auch Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 10, 11. Noch weitergehender ließe sich sagen, dass beide Fälle nicht nur ähnlich, sondern identisch sind. Denn die Pflicht, nicht in eine Rechtsposition des Schriftstellers einzugreifen, impliziert ja eine Handlung – das Unterlassen einer Handlung ist ja auch eine Handlung. In beiden Fällen wird daher gleichermaßen ein Verhalten gefordert, das nicht erfüllt werden kann.
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gänglich. Es bliebe offen, wozu ein Rückgriff auf G überhaupt erforderlich wäre. Daher muss an der normativen Lesart festgehalten werden. Um GN für eine moralische Begründung nutzbar zu machen, ist jedoch erforderlich, ihm ein moralisches Prinzip M zur Seite zu stellen, das auf seinen Inhalt zurückgreift. Dieser Weg ist auch derjenige, den Fichte einzuschlagen versucht. Dies lässt sich erkennen, wenn man die Ausführungen betrachtet, mit denen er die beiden Rechte, die er aus G abzuleiten glaubt, in ihrer Richtigkeit bestärken will. Gegenstand dieser Ausführungen sind die Vorstellungen, die gemeinhin über das Plagiat und das Zitat existieren.512 Fichte weist dort darauf hin, es sei stets Brauch gewesen, den Gebrauch von Ideen anderer nicht als anstößig zu empfinden. Dies erkenne an, dass es psychisch möglich sei, sich die Gedanken eines anderen anzueignen. Umgekehrt werde stets missbilligt, wenn jemand, ohne den Verfasser zu nennen, wörtlich abgeschrieben habe. Den Grund dafür erblickt Fichte darin, dass das Plagiat als unmoralische Handlung bewertet werde. Doch was ist die Ursache für diese Bewertung? Fichte lehnt zwar sämtliche Gründe ab, die üblicherweise angeführt werden: Ursache sei weder ein ökonomischer Grund, noch die Leugnung des wahren Autors. Ersteres zeige sich daran, dass auch bei Büchern, die keinen ökonomischen Wert hätten, der Vorwurf des Plagiats aufrechterhalten bleibe. Gleiches gelte für das zweitere: auch bei einem Buch, dessen Autor anonym geblieben sei, werde der Plagiator als unmoralisch getadelt. Doch ist die eigene Antwort Fichtes nicht leicht zu entziffern. Die Unmoralität beruhe darauf, dass der Plagiator „sich eines Dinges bemächtiget, welches nicht sein ist.“513 Er bemächtige sich der Form der Gedanken, die im ausschließlichen Eigentum ihres Verfassers stünden. Nun ist nach allem klar, dass Fichte damit nicht den Vorwurf erheben kann, der Plagiator eigne sich die immaterielle Form, in der sich die Gedanken des Verfassers befinden, gedanklich an. Bereits die Fichtesche Behauptung, dass die geistige Form niemals angeeignet werden könne, steht dem entgegen. Mit der „Bemächtigung“, die er dem Plagiator vorwirft, muss sich Fichte daher bewusst von einer „Aneignung“ abgrenzen wollen. Worin liegen aber der Unterschied und seine moralische Relevanz? Der Unterschied der „Bemächtigung“ zur „Aneignung“ wird durch Fichtes Erörterung des Zitats erhellt. Für Fichte liegt die Bedeutung einer Bemächtigung darin, die eigenen Worte des Verfassers anzuführen. Man benutze die identische Formulierung, die der Verfasser verwendet habe. Im Gegensatz zur Aneignung, die die gedankliche Integration der immateriellen Form voraussetzt, bezeichnet die Bemächtigung also denjenigen Akt, mit dem die sprachlichen Zeichen, die diese Form repräsentieren oder repräsentieren wollen, identisch benutzt werden. Aber wie lässt sich diese Differenz nun moralisch aufladen? Mir scheint, dass das Mo512 Hierzu Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (413, 414). 513 Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (414) [Hervorhebung von mir].
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ralprinzip M, das zusammen mit GN zur Unmoralität der Bemächtigung führt, sich aus einem weiteren Beispiel Fichtes ablesen lässt.514 Dort legt er dar, warum kein Dozent es dulde, seine Rede nachzudrucken, aber doch erlaube, sich seine Gedanken als Zuhörer zu Eigen zu machen und zu verbreiten. Die moralische Differenz konstruiert Fichte dort folgendermaßen: Im letzten Fall seien die Gedanken durch eigenes Nachdenken in die eigene Denkart und ihren Sinnhorizont eingegangen – sie hätten die Form des Rezipienten angenommen. Im letzten Fall „bemächtigten“ sich die Rezipienten dagegen der materiellen Form des Geisteswerks, obwohl sie sich niemals deren immaterielle Seite aneignen könnten. Sie „kränken ihn [den Dozenten] also in seinem vollkommnen Rechte.“515 Der von Fichte angedeutete Widerspruch, der einer Bemächtigung anhaftet – sie ist der Versuch einer Aneignung, die ontologisch unmöglich und normativ verboten ist! –, und die behauptete Kränkung des Urhebers bergen das Moralprinzip M. Es ermöglicht, die Schwächen, die einem autonomen Gebrauch von GN anhaften, zu überbrücken. Da das von GN vermittelte Recht des Urhebers nicht verletzt werden kann – die gegenteilige Annahme verließe die Exklusivitätsthese! – spricht Fichte nur noch von einer „Kränkung“ dieses Rechts. Sie ist auf den Versuch der Formentziehung zurückzuführen. Indem der Plagiator sich als Autor eines Textes und somit als Ursprung dessen materieller Form (Anordnung der sprachlichen Zeichen) geriere, behaupte er eine Unmöglichkeit: Er behaupte, auch im physischen Besitz der immateriellen Form (geistigen Dekodierung) zu sein. Denn die immaterielle Form eines geistigen Werks werde durch dessen materielle Form repräsentiert. Durch diese Behauptung werde der Urheber daher in seinem Recht „gekränkt“: Durch die Leugnung seiner ontologischen Vorrangstellung (Exklusivitätsthese), werde zugleich sein normatives Vorrecht GN bestritten. Das Moralprinzip M, mit dem Fichte aus GN und der Exklusivitätsthese die Rechte des Urhebers begründen möchte, ist daher folgendes: Niemand solle behaupten, im Besitz eines Gegenstands zu sein, der von ihm nicht in Besitz genommen werden könne und aus diesem Grund dem einzig Besitzenden rechtmäßig zugewiesen sei. Ansonsten kränke man denjenigen, der im Besitz dieser Sache sei. Allgemeiner gesprochen: Was man nicht kann, das soll man auch nicht behaupten zu können! – denn es kränkt denjenigen, der das Behauptete als einziger kann. Dies zeigt aber auch, dass Fichtes Versuch, den Grundsatz GN mit einem anderen Moralprinzip M zu vereinen, in Wirklichkeit eine umständliche Umformulierung von GN in eine Anerkennungspflicht GA darstellt. Sofern die Zueignung eines Gegenstands durch jemand anderen physisch unmöglich sei, solle die ontologische Vorrangstellung des Besitzenden anerkannt werden, da er ansonsten gekränkt werde. Dass dieser Grundsatz weniger plausibel ist, als es 514 Siehe Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (414). 515 Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (414) [Hervorhebung von mir; Einschub von mir]; ders., in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (416).
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GE oder GN auf den ersten Blick sind, könnte ein Grund für den verhüllenden Aufwand Fichtes sein.
cc) Das Modell des exklusivitätstheoretischen Arguments Legt man die Anerkennungspflicht GA und die Exklusivitätsthese zugrunde, so ist der Argumentationsgang, der Fichtes Gedanken unentwickelt zugrunde liegt, folgender: (a) Niemand soll die Aneignung eines Gegenstandes behaupten, die für ihn ontologisch unmöglich, für mindestens einen anderen Menschen aber ontologisch möglich ist, da ansonsten dessen diesbezüglicher ontologischer Vorrang abgestritten und er so gekränkt wird. (b) Die immaterielle Form eines geistigen Werks kann niemals durch einen anderen als den Urheber gedanklich angeeignet werden. (c) Indem man die materielle Form eines fremden geistigen Werks als die Seinige ausgibt oder aber ohne Erlaubnis ihres Urhebers vervielfältigt oder wiedergibt, behauptet man zugleich, im physischen Besitz der immateriellen Form zu sein. (d) Daher ist es geboten, sich nicht als Autor eines fremden Werkes auszugeben oder aber dieses ohne Erlaubnis zu vervielfältigen oder wiederzugeben. Eine exklusivitätstheoretische Rechtfertigung muss nicht zwangsläufig diese Form besitzen. Vielmehr ist theoretisch denkbar, das Argument in mehreren Punkten zu variieren. So kann die in (b) enthaltene Exklusivitätsthese auf andere Teile als die Form eines Werks oder gar auf das ganze Werk bezogen werden. Dadurch kann die Reichweite des Arguments vergrößert oder verkleinert werden. Gleiches gilt für die Handlung in (c), der eine Aneignungsbehauptung unterstellt wird. Je mehr Handlungen hier einbezogen werden, desto größer ist der Bereich derjenigen Handlungen, die von dem Argument als unmoralisch etikettiert werden. Schließlich ist denkbar, dass für (a) ein anderes Moralprinzip gefunden wird, welches die Argumentation stützt. Wenn im Folgenden allein an der Fichteschen Variante festgehalten wird, so liegt dies vor allem daran, dass alle Abweichungen letztlich die gleichen Probleme teilen, wie jene. Sie müssen vor allem in (a) ein Moralprinzip formulieren, das es erlaubt, die Exklusivitätsthese normativ auf einen Bereich zu erstrecken, für den ihre ontologische Aussage gar nicht gilt.516 b) Applikation Um den exklusivitätstheoretischen Typus, der den Ausführungen Fichtes entnommen werden kann, anzuwenden, wird an dieser Stelle dessen Richtigkeit unter516 Dieses Problem entsteht nicht, wenn eine Exklusivitätsthese fomuliert wird, die auch die Aneignungsmöglichkeit der materiellen Form eines geistigen Werks verneint. Eine solche These kann aus zwei Gründen allerdings nicht ernstgenommen werden. Erstens steht sie offenkundig im Widerspruch zu existierenden Raubkopien und Plagiaten. Und zweitens wird damit bereits der Anlass geleugnet, aufgrunddessen sie entwickelt wurde, nämlich das Raubkopieren und Plagiieren von geistigen Werken als unmoralisch darzulegen.
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stellt. Das bedeutet, dass erstens das Moralprinzip in (a), zweitens die Exklusivitätsthese in (b) und drittens auch die Handlungsinterpretation in (c) als plausibel vorausgesetzt werden. So ist möglich, zu zeigen, welche Konsequenzen dieses Argument für aa) den Tatbestand und bb) die Rechtsfolgen eines Urheberrechts mit sich bringt.
aa) Tatbestand des Urheberrechts Welche geistigen Objekte unterfallen der rechtlichen Beziehung, die sich durch das Fichtesche Argument begründen lässt? Dies richtet sich nach der in (b) enthaltenen Exklusivitätsthese Fichtes. Denn nur ein Urheber, dessen geistiges Werk einen Bestandteil besitzt, der von dieser These als nicht aneignungsfähig ausgewiesen wird, kann durch eine Aneignungsbehauptung (c) gekränkt werden. Das bedeutet, dass nur solche geistigen Werke dem urheberrechtlichen Tatbestand unterfallen, die eine immaterielle Form besitzen. Lässt dies Raum für tatbestandliche Differenzierungen? Sind geistige Werke denkbar, die ohne dergleichen existieren? Da jedes geistige Werk bereits begrifflich einen geistigen Inhalt beinhaltet, ferner jeder geistige Inhalt, wie Fichte überzeugend darlegt, immer schon die Form seines Denkers besitzt, muss diese Frage verneint werden. Freilich, die geistige Formgebung eines Werks ist verschiedenen Differenzierungsgraden zugänglich.517 Doch ist das exklusivitätstheoretische Argument insofern blind: Es kennt nicht – was dafür ja notwendig wäre – verschiedene Grade der Kränkung des Urhebers. Entscheidend ist allein, dass der Urheber durch eine Aneignungsbehauptung gekränkt wird. So bietet es kein Einfallstor oder Anknüpfungspunkt dafür, unterschiedliche Grade der geistigen Form moralisch anders zu bewerten.518 Infolgedessen heißt dies, dass es moralisch notwendig ist, jedes geistige Werk urheberrechtlich zu schützen. Es wäre aber falsch, zu meinen, dass das exklusivitätstheoretische Argument so zu einem Schutz des geistigen Inhalts eines Werks führte. Indem es auf die behauptete Aneignung der immateriellen Form abstellt, schützt es nicht einen Gedankeninhalt, sondern dessen geistige Form, die dieser notwendig besitzt.519 Denkbar scheint hingegen, eine tatbestandliche Einschrän517 Vgl. Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (419). 518 Anderer Meinung anscheinend Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (414), wo er das Zitatrecht in Hinblick auf Werke, „zu deren Verfertigung gemeinhin nicht viel Geist gehört“ nicht als rechtfertigungsbedürftig erachtet; siehe auch ders., in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (418). 519 So wird im Übrigen erkennbar, dass ein Gebrauch der Idee / Ausdruck-Dichotomie als Schutzgrenze, wie er bisweilen in der urheberrechtlichen Dogmatik vorgenommen wird, sich zumindest nicht normativ auf die Fichtesche Inhalt / Form-Unterscheidung berufen kann. Denn jene Dichotomie blickt auf den Grad der materiellen Form eines geistigen Werks: Ist ein geistiger Inhalt derart durch wahrnehmbare Zeichen ausdifferenziert, dass der Schutz die-
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kung des Arguments aus den Verletzungshandlungen in (c) abzuleiten. Denn die Vornahme dieser Handlungen ist dadurch bedingt, dass ein geistiges Werk eine materielle Formgebung besitzt. Ist es bisher nur im Geist seines Urhebers existent, so kann schließlich niemand die Aneignung der immateriellen Form desselben durch Besitznahme seiner materiellen Form behaupten. Stellt somit die Materialität der Form eine tatbestandliche Schutzvoraussetzung dar? Ebenso gut ist möglich, sie nicht als Entstehungsbedingung der begründeten Rechtsbeziehung, sondern erst als Möglichkeit der Verletzung derselben einzuordnen.520 Für die erste Lesart spricht aber, dass die Aufstellung eines moralischen Verbots, das niemals verletzt werden kann, moralphilosophisch sinnlos ist.521
bb) Rechtsfolgen des Urheberrechts Aus dem exklusivitätstheoretischen Typus lassen sich diejenigen Rechte ableiten, die die Handlungen verhindern, die in (c) als Aneignungsbehauptungen der immateriellen Form vorausgesetzt werden. Im Falle der Fichteschen Variante ist dies in erster Linie ein Recht auf Namensnennung, daneben das Recht, über die Vervielfältigung oder Wiedergabe der materiellen Form zu entscheiden. In diesen Handlungen erblickt Fichte stets die kränkende Behauptung, die immaterielle Form des geistigen Werks – entgegen ihrer exklusiven ontologischen Bindung an ihren Urheber – angeeignet zu haben. Schwieriger zu beantworten ist, ob dieses Argument auch die freie Übertragbarkeit jener Rechte impliziert. Zwar geht Fichte davon aus, dass nur die Erteilung einer Lizenz – er nennt es Nießbrauch – an den Rechten des Urhebers möglich ist.522 Denn das Recht auf die Form sei, da ja auch diese selbst nicht physisch übertragbar sei, ein „natürliches, angebornes, unzuveräußerndes Eigenthumsrecht“523. Doch macht Fichte es sich zu einfach. Seine Rhetorik verbirgt, dass es einerseits um die rechtliche Übertragung der materiellen und andererseits um die physische Übertragbarkeit der immateriellen Form geht. Eine analoge Behandlung von beiden ist keineswegs selbstverständlich. Ob das Recht an der materiellen das Schicksal der immateriellen Form teilt, kann argumentsintern vielmehr nur, wenn überhaupt, im Rückgriff auf das Moralprinzip in (a) beser Formgebung nicht die Handlungsmöglichkeiten der Allgemeinheit zu stark beeinträchtigt? Beides wird vom Fichteschen Argument nicht berücksichtigt. 520 Dies gleicht der rechtsdogmatischen Frage, ob die aus § 2 Abs. 2 UrhG abgeleitete Voraussetzung, eine persönlich geistige Schöpfung müsse der menschlichen Wahrnehmung zugänglich sein, den Werkbegriff (so etwa Loewenheim, in: Schricker (Hrsg.), UrhG, § 2 Rdnr. 20) oder aber die Entstehung des Schutzes (so Ahlberg, in: Nicolini / ders. (Hrsg.), UrhG, § 2 Rdnr. 44) betrifft. 521 Hierzu bereits A. III. 2. a) bb) (1). 522 Vgl. Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (415). 523 Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (416).
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antwortet werden. Geklärt werden muss, auf welchen Erwägungen dieses Prinzip basiert: Schützt es die Interessen des Urhebers, indem es ihn vor einer tatsächlichen Kränkung bewahren will? Oder aber soll eine unterstellte Kränkung aus gemeinschaftlichen Interessen verhindert werden? Im ersten Fall spricht nichts dagegen, die aus dem exklusivitätstheoretischen Argument abgeleiteten Rechte dem Urheber zur Disposition zu überlassen. Soweit er sich durch Handlungen aus (c) niemals gekränkt fühlt, mag er diese generell zulassen, indem er die entsprechenden Rechte überträgt. Im zweiten Fall stellt sich die Lage anders dar. Hier kann aus gemeinschaftlichen Interessen – etwa dem erzieherischen Ziel, dass sich Urheber durch bestimmte Verhaltensweisen gekränkt zu fühlen haben – auch dann an einer Unübertragbarkeit festgehalten werden, wenn sich ein konkreter Urheber niemals gekränkt fühlt. Demnach hängt die Frage der Übertragbarkeit davon ab, ob das Moralprinzip in (a) individualistisch oder kollektivistisch hergeleitet wird. Da hier der exklusivitätstheoretische Typus im Kontext individualistischer Begründungsmodelle diskutiert wird, und eine plausible kollektivistische Begründung nicht offenkundig ist, ist die Rechtsübertragung moralisch möglich. Für die Dauer der Rechte, die aus diesem Argument abgeleitet werden, gilt ähnliches. Sofern, wie hier geschehen, eine individualistische Begründung unternommen wird, verschwinden mit dem Tod des Urhebers auch seine Rechte. Der Urheber kann nicht, es sei denn man unterlegte einen metaphysisch-theologischen Glauben, nach seinem Tod eine Kränkung erfahren. Etwas anderes wäre nur im Falle einer kollektivistischen Reformulierung möglich: Interessen der Allgemeinheit, wie etwa die zukünftige Erwartung, nach dem Tod selbst nicht derart „gekränkt“ zu werden, können durch einen postmortalen Rechtsbestand reziprok geschützt werden.
c) Geltung des exklusivitätstheoretischen Arguments Bislang wurde aus heuristischen Gründen angenommen, dass das exklusivitätstheoretische Argument, das Fichte entwickelt, richtig ist. Infolgedessen wurden das Moralprinzip (a), die Exklusivitätsthese (b) und die Handlungsinterpretationen (c) als wahr vorausgesetzt. Nunmehr wird untersucht, inwiefern diese Unterstellungen nicht nur methodisch sinnvoll, sondern auch berechtigt waren. Dementsprechend kann jenes Argument von drei Seiten in Frage gestellt werden. Wendet man sich gegen seine normativen Annahmen, so zieht man das Moralprinzip (a) in Zweifel, demzufolge niemand behaupten solle, im Besitz eines Gegenstands zu sein, den er unmöglich in Besitz nehmen könne. Greift man seine ontologischen Annahmen an, so stellt man die Exklusivitätsthese (b) in Frage. Dann wird abgestritten, die immaterielle Form eines geistigen Werks könne niemals durch einen anderen als den Urheber angeeignet werden. Lehnt man die Prämisse (c) ab, so kritisiert man schließlich die Handlungsinterpretation, nach der in der Vervielfältigung, Wiedergabe oder namensmäßigen Aneignung der materiellen Form die Be-
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hauptung liege, im physischen Besitz der immateriellen Form zu sein. Nachfolgend werde ich zunächst überprüfen, ob die nicht-normativen Behauptungen des Arguments in (b) und (c) haltbar sind. Anschließend werde ich darauf eingehen, ob die normative Behauptung in (a), mit der Fichte sein Argument moralisch wendet, plausibel ist. aa) Die Plausibilität der nicht-normativen Annahmen Mit seiner Exklusivitätsthese stellt Fichte die Behauptung auf, dass Gedanken niemals identisch übertragen werden könnten: Es verbleibe etwas beim Mitteilenden, das nicht kommuniziert werden könne. Insoweit ist diese These durchaus plausibel. Sie knüpft auf diese Weise an einen kommunikationstheoretischen Gemeinplatz an. Denn die metaphorische Vorstellung, durch den Akt der Kommunikation werde eine Art Ware von der einen auf die andere Seite transportiert, wird heute allgemein abgelehnt.524 Indes beschränkt Fichte die Exklusivitätsthese auf die geistige Form eines Inhalts – an die Kommunizierbarkeit geistiger Inhalte glaubt er dagegen. Ist dies ebenfalls plausibel? Dagegen sprechen zwei Gründe. Erstens ist angesichts der wachsenden Verbreitung konstruktivistischer Kommunikationsmodelle bezweifelbar, ob überhaupt etwas identisch kommuniziert werden kann.525 Und zweitens ist die Trennung von Inhalt und Form erkenntnistheoretisch überaus problematisch.526 Kann man den Inhalt eines Gedankens von seiner Form trennen und umgekehrt? Es ist bezeichnend, dass Fichte selbst letztere Frage verneint, ohne es jedoch zu bemerken. Denn immerhin behauptet er, geistige Inhalte könnten nicht ohne Form existieren. Sie erscheinen hiernach also jedem Bewusstsein immer in der subjektabhängigen Form. Wie ist dann aber möglich, die Form von einem Inhalt gedanklich abzuziehen, wenn doch alles, was gedacht wird, immer bereits in einer Form gedacht wird? Dieses Defizit stellt allerdings keine Schwächung der Fichteschen Argumentation dar. Stattdessen zeigt es, dass die eingeschränkte Exklusivitätsthese Fichtes auf geistige Inhalte erweitert werden könnte. So würde das Fichtesche Argument noch verstärkt, indem so die Rechte auf geistige Inhalte erstreckt würden. Die Exklusivitätsthese ist daher nicht nur plausibel, sondern sogar sehr vorsichtig formuliert. Die Argumentation Fichtes kann jedoch nur funktionieren, wenn zudem die Handlungsinterpretation in (c) richtig ist: Liegt in der Aneignung der materiellen 524 Vgl. Luhmann, in: ders., Aufsätze und Reden, S. 94 (98); ders., Die Gesellschaft der Gesellschaft, Erster Teilband, S. 194; ders., Soziale Systeme, S. 193, 194. Etwas anderes wird auch nicht von jenen Gegnern des Urheberrechts behauptet, die sich eine Non-Exklusivitätsthese zu Eigen machen. Diese These besagt, geistige Werke seien so beschaffen, dass sie von allen Menschen gemeinsam genutzt werden könnten. Sie bezieht diese Aussage allerdings nicht auf die immaterielle, sondern – was plausibel ist – auf die materielle Seite eines geistigen Werks. 525 Zum Konstruktivismus siehe etwa Burkart, Kommunikationswissenschaft, S. 302 ff. 526 Exemplarische Kritik dieser Unterscheidung bei Heidegger, in: ders., Holzwege, S. 7 (16 ff.).
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Form eines geistigen Werks – durch Vervielfältigung, Wiedergabe oder eigener Namensnennung – zugleich die Behauptung, dessen immaterielle Form angeeignet zu haben? Die Schwäche von (c) liegt darin, dass sehr unterschiedliche Handlungen auf jeweils gleiche Weise interpretiert werden. Dabei ist nur die Annahme überzeugend, in der Verwertung eines fremden Werks unter eigenem Namen (Plagiat) liege die Behauptung, sich die immaterielle Form eines Werks angeeignet zu haben. Denn anders als im Falle der Vervielfältigung oder Wiedergabe gibt sich ein Plagiator durch die Nennung seines Namens immerhin als Urheber des plagiierten Werks aus. Dass davon auch die ontologische Stellung mit umfasst ist, die nach der Exklusivitätsthese jedem Urheber notwendigerweise zukommt, ist einsichtig. Was sollte anderes als die besondere Beziehung, die ein Urheber zu seinem Werk hat, in jener Behauptung zum Ausdruck kommen? Diese besteht nach der Exklusivitätsthese aber darin, einzig möglicher Inhaber der immateriellen Form zu sein. Das Plagiat stellt insofern das Paradigma der Aneignungsbehauptung in (c) dar. Vollkommen anders sieht dies aber in Hinblick auf die Vervielfältigung und Wiedergabe eines Werks unter Beibehaltung der Urheberkennzeichnung aus. Bedeutet dieses Verhalten wirklich, zu behaupten, im physischen Besitz der immateriellen Form zu sein? Diese Frage zu bejahen hieße, jene Handlungen mit einem Plagiat gleichzustellen. Denn ebenso wie die Urheberschaft an die immaterielle Form gebunden ist, geht umgekehrt diese Form mit der Urheberschaft einher. Zu behaupten, im Besitz der immateriellen Form eines Werks zu sein, hieße daher, sich als Urheber zu gerieren. Dies aber ist gerade die Handlungsdomäne des Plagiators. Soll nicht der handlungstheoretische Unterschied zwischen einem Plagiat und der unerlaubten Vervielfältigung und Wiedergabe eines Werks eingeebnet werden, ist daher von der Fichteschen Bewertung Abstand zu nehmen. Infolgedessen lässt sich mittels der exklusivitätstheoretischen Rechtfertigung nur ein Recht auf Namensnennung begründen.
bb) Normativer Begründungszusammenhang Der Weg, auf dem Fichte seine partielle Exklusivitätsthese in einen moralischen Kontext stellen will, ist ebenfalls problematisch. Ist es begründbar, anzunehmen, niemand solle behaupten, im Besitz eines Gegenstandes zu sein, den er unmöglich in Besitz nehmen könne? Gegen dieses Moralprinzip wenden sich implizit all jene, die auf der Basis einer Non-Exklusivitätsthese die Legitimität des Urheberrechts in Zweifel ziehen. Diese These besagt, geistige Objekte seien von Natur aus so beschaffen, dass sie von unendlich vielen Menschen in identischer Weise gleichzeitig benutzt werden könnten, ohne dass jemand in seinem Gebrauch eingeschränkt würde.527 Freilich, diese These gilt nicht für den ökonomischen Gebrauch geistiger 527 Siehe hierzu besonders Hettinger, Phil. & Pub. Aff. 18 (1989), S. 31 (34); Lessig, Code and Other Laws of Cyberspace, S. 131 ff. Diese ontologische Eigenschaft bezeichnet man als Nicht-Rivalität, hierzu unten B. II. 1. a) cc).
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Objekte. Da eine marktwirtschaftliche Verwertung stets ein Nutzungsbedürfnis voraussetzt, das durch ein Ausschließlichkeitsrecht künstlich erzeugt werden muss, ist hier ein paralleler Gebrauch ausgeschlossen. Doch ist dies ein Einwand gegen die Non-Exklusivitätsthese? Ist es willkürlich, wie Alfino meint528, nur einen Gebrauch, der durch das geistige Objekt selbst und nicht erst durch menschliche Normen vermittelt wird, einzubeziehen? Ganz im Gegenteil: dieser Ausschluss ist notwendig. Denn die Non-Exklusivitätsthese ist ja keine soziale, sondern eine ontologische These. Sie macht eine Aussage über die Seinsweise geistiger Objekte. Diese aber hat nichts damit zu tun, dass ein ausschließlicher Gebrauch – nichts anderes ist ja die ökonomische Verwertung! – eines jeden Objekts bereits begrifflich einen parallelen Gebrauch nicht zulässt. So kann die Non-Exklusivitätsthese gerade die Entscheidung beeinflussen, ob an einem geistigen Objekt ein ausschließlicher Gebrauch in Form eines Urheberrechts eingeräumt werden soll. Die Non-Exklusivitätsthese ist in ihrer Richtigkeit demnach nicht vom ökonomischen Gebrauch abhängig, sondern umgekehrt jener Gebrauch eher von ihr. Die Non-Exklusivitätsthese wird von Gegnern des Urheberrechts daher als moralisches Hindernis desselben gedeutet.529 So etwa, wenn behauptet wird, diese Eigenschaft geistiger Objekte münde generell in einen „strong prima facie case against the wisdom of private and exclusive intellectual property rights“530. Oder aber es wird behauptet, aufgrund der parallelen Benutzbarkeit bestehe kein Bedürfnis, durch eine exklusive Rechtszuordnung einen Verteilungskonflikt zu regeln.531 Vielmehr werde dadurch lediglich eine künstliche Knappheit kreiert – also etwas Unnatürliches erzeugt.532 Aber auch prinzipielle Befürworter des Urheberrechts erkennen die Non-Exklusivitätsthese und ihre moralische Relevanz. So erkennt etwa Kant von vornherein, dass sich die Rechtswidrigkeit des Büchernachdrucks nicht begründen lässt, indem man auf die angebliche Entziehung des Werks abstellt. Denn dies sei ja offenkundig nicht der Fall, „das Eigenthum des Verfassers an seinen Gedanken [ . . . ] bleibt ihm ungeachtet des Nachdrucks“533. Kant macht so darauf aufmerksam, dass die Gedanken dem Verfasser immer bleiben. Gleichzeitig ist er davon überzeugt, dass dies kein Argument für, sondern eher gegen ein Autorrecht darstellt. Selbst Fichtes Ausführungen war ja zu entnehmen, dass Dinge, die parallel aneignungsfähig sind, allen gemeinsam gehören sollen. Aus diesem Grund ordnet er den geistigen Inhalt eines Werks allen gemeinsam zu. Dennoch zieht er die gleiche Konsequenz nicht für die materielle Form, die ebenso von allen zugleich genutzt werden kann.534 Vielmehr wird jenes Prinzip (P) insoweit von Vgl. Alfino, Business & Pro. Ethics J. 10 (1991), S. 85 (97). Vgl. auch Goldstein, Copyright’s Highway, S. 12, 144. 530 Hettinger, Phil. & Pub. Aff. 18 (1989), S. 31 (35). 531 So nachdrücklich Kinsella, J. Libertarian Stud. 15 (2001), S. 1 (22). 532 Vor allem von Kritikern wie Kinsella, J. Libertarian Stud. 15 (2001), S. 1 (23, 25) wird dieser Aspekt in den Vordergrund gestellt. 533 Kant, in: ders., Kants Werke Bd. VIII, S. 77 (79). 528 529
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Fichtes Argumentation verdrängt, mit der er die moralischen Konsequenzen, die er aus seiner Exklusivitätsthese ableitet, auch auf die materielle Form eines Werks erstreckt. Dies gelingt ihm, indem er GN schließlich zur Anerkennungspflicht GA erweitert, die nicht länger nur die Aneignung der immateriellen Form selbst, sondern schon deren Behauptung unterbindet. Dass die materielle Form eines Werks von allen gemeinsam angeeignet werden kann, bleibt so normativ belanglos.535 Stattdessen wird ihre Aneignung als der unmoralische Versuch gewertet, auch in den Besitz der geistigen Form eines Werks zu gelangen. Der kritische Punkt der Fichteschen Begründung liegt in dieser normativen Überschreitung der ontologischen Exklusivitätsthese. Obschon diese nur die immaterielle Form umfasst, versucht Fichte sie durch GA normativ auf die materielle Form zu erstrecken. Ein solches Vorgehen kann auf unterschiedliche Weisen kritisiert werden. Einerseits kann versucht werden, zu zeigen, dass GA unrichtig ist. Andererseits kann dies geschehen, indem gezeigt würde, dass das Prinzip P ausnahmslos gilt und in konfligierenden Fällen ein höheres Gewicht als GA besitzt. Ein einfacherer Weg besteht indes darin, darzulegen, dass GA selbst im Fall seiner Gültigkeit nicht die Funktion erfüllt, die Fichte ihm zuschreibt. Dies ist der Weg, der sich hier anbietet. Denn dieser Satz lässt sich ebenso gut gegen die Existenz des Urheberrechts wenden. Hinter diesem steht die Idee, dass niemand etwas behaupten solle, was für ihn ontologisch unmöglich, für mindestens eine andere Person aber ontologisch möglich sei, denn sonst würden jene Menschen gekränkt, deren ontologische Stellung dadurch abgestritten werde. Wird durch die rechtliche Zuweisung der materiellen Form an den Urheber aber nicht ebenfalls eine Exklusivität behauptet, die ontologisch gar nicht möglich ist? Würden daher nicht die Menschen, die ontologisch vom Gebrauch der materiellen Form nicht ausgeschlossen werden können, ebenfalls dadurch gekränkt, dass man durch eine exklusive Rechtszuweisung an den Urheber ihre ontologische Stellung missachtete oder leugnete? Dies ist schwerlich zu verneinen. Gegner wie Befürworter können daher gleichermaßen auf eine Kränkung verweisen, die durch GA moralische Relevanz erhält. Heißt dies nun aber, dass aus GA zwei widersprechende Aussagen folgen? Das hängt davon ab, wie man diesen Satz auslegt. Denn der Grund dieser Parado534 Möglicherweise spiegelt sich darin auch der Idealismus Fichtes wider, der geistigen Substanz eine höhere Seinsweise als der körperlichen Materie einzuräumen. 535 Dass dieses Vorgehen schwerfällt, dokumentiert Fichte selbst. Die normative Kluft zwischen der Exklusivität der immateriellen und der Non-Exklusivität der materiellen Form, die Fichte mit Macht zugunsten eines Urheberrechts überbrücken will, bricht an einer Stelle wieder auf. Fichte, in: ders., Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1, S. 409 (417), möchte dort die ganze Unmoralität darstellen, die der Nachdruck besitzt: „Wenn ferner jeder Diebstahl dadurch, daß er an Dingen geschieht, die ihrer Natur nach nicht unter Verwahrung gehalten werden können, sträflicher wird; so ist der des Nachdruckers, welcher an einer Sache verübt wird, die jedem offen stehen muß, wie Luft und Aether, einer der sträflichsten.“ [Hervorhebung von mir]. Fichte widerspricht sich hier selbst: Wie sollte der Nachdrucker einen Gegenstand stehlen können, der jedem – also auch dem Nachdrucker – moralisch offen stehen muss und ontologisch offen steht?
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xie liegt darin, dass jeweils eine mögliche Aneignungshandlung mit der Behauptung einer unmöglichen Aneignung als identisch gesetzt wird. Einerseits wird mit der faktischen Aneignung der materiellen Form eines geistigen Werks die Exklusivität der immateriellen Form bestritten, andererseits wird mit der rechtlichen Aneignung der materiellen Form durch den Urheber zugleich deren Non-Exklusivität geleugnet. Um diesen Widerspruch aufzulösen, muss zwischen zwei Auslegungen von GA gewählt werden. Entweder wird in diesen Satz hineingelesen, eine Aneignungshandlung könne niemals zugleich eine Behauptungshandlung sein. Oder aber im Falle eines Widerspruchs wird ein Aneignungstatbestand ethisch höher bewertet als der andere. Die erste Möglichkeit hilft weder Befürwortern noch Gegnern des Urheberrechts. Denn erstens bestreitet niemand, dass der materielle Teil eines Werks angeeignet werden kann. Und zweitens ist es überzeugend, im Falle eines Plagiats eine Identität dieser Handlung mit einer Aneignungsbehauptung der immateriellen Form anzunehmen. Somit steht nur die zweite Alternative als Lösungsmöglichkeit offen. Nur dann, wenn GA in seiner Aussage auf eine bestimmte Aneignungshandlung beschränkt wird, kann er für oder gegen die Legitimität des Urheberrechts verwendet werden. Dann ist nur noch eine Behauptung unmoralisch, die entweder eine ontologische Ausschließlichkeitsposition oder aber eine ontologische Nicht-Ausschließlichkeitsposition tangiert. Je nach getroffener Wahl wird so entweder der exklusive oder nicht-exklusive Aspekt geistiger Werke ethisch ausgeblendet. Doch wie soll eine entsprechende ethische Gewichtung argumentsintern begründet werden? Als Anknüpfungspunkt bietet sich der Kränkungsgedanke an, den GA beinhaltet. Für den ersten Weg ließe sich so anführen, dass die Behauptung eines Besitzes, der nur einer einzigen Person zukommt, als qualitativ größere Kränkung darstellt werden kann. Hingegen könnte für den zweiten Weg sprechen, dass die Behauptung eines ausschließlichen Besitzes, der allen gemeinsam zugänglich ist, einen größeren Personenkreis betrifft und als quantitativ größere Kränkung erfahren werden kann. Welche Handlung ist nun unmoralischer? Diese Frage spiegelt letztlich den Gegensatz von individualistischen und kollektivistischen Rechtfertigungen wider. Sie scheint mir, wenigstens argumentsintern, nicht endgültig entscheidbar. Infolgedessen ist GA nur dann im Sinne Fichtes verwendbar, wenn eine bestimmte Auslegung vorausgesetzt wird, deren rationale Begründbarkeit nicht ersichtlich ist. d) Zusammenfassung Bei einer Werk-basierten Rechtfertigung, die auf dem exklusivitätstheoretischen Typus beruht, steht ebenfalls die Seinsweise geistiger Objekte im Mittelpunkt. Diese besitze eine Eigenschaft, die eine Abhängigkeit des Werks von seinem Urheber begründe. Doch wird nicht länger behauptet, ihr kommunikativer Gehalt sei nur durch Rückbindung an ihren Urheber zugänglich. Vielmehr liegt ihr die Exklusivitätsthese zugrunde: Es wird angenommen, geistige Werke seien ganz oder teil-
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weise derart beschaffen, dass sie ausschließlich von ihrem Urheber gedanklich angeeignet werden könnten. Um mit dieser ontologischen Vorrangstellung des Urhebers, die sich in einem rein geistigen Aspekt erschöpft, dennoch Verhaltensweisen wie z. B. die Vervielfältigung eines Werks moralisch einschränken zu können, die die sprachzeichliche Seite eines Werks betreffen, sind zwei zusätzliche Annahmen erforderlich. Erstens muss normativ angenommen werden, bereits Handlungen, die eine der Exklusivitätsthese widersprechende Aneignung bloß behaupten, seien moralisch verboten. Und zweitens muss eine interpretierende Perspektive eingenommen werden, derzufolge solche Aneignungsbehauptungen in bestimmten Verwertungshandlungen eines geistigen Werkes zu finden seien. (1) Eine derartige Argumentation liegt, wenngleich noch unentwickelt, den Ausführungen Fichtes zum Büchernachdruck zugrunde. Aus ihnen lässt sich ein fünfstufiges Argument rekonstruieren: (a) Niemand soll die Aneignung eines Gegenstandes behaupten, die für ihn ontologisch unmöglich, für mindestens einen anderen Menschen aber ontologisch möglich ist, da ansonsten dessen diesbezüglicher ontologischer Vorrang abgestritten und er so gekränkt wird; (b) die immaterielle Form eines geistigen Werks kann niemals durch einen anderen als den Urheber gedanklich angeeignet werden; (c) indem man die materielle Form eines fremden geistigen Werks als die Seinige ausgibt oder aber ohne Erlaubnis ihres Urhebers vervielfältigt oder wiedergibt, behauptet man, im physischen Besitz der immateriellen Form zu sein; (d) daher ist es geboten, sich nicht als Autor eines fremden Werkes auszugeben oder aber es ohne Erlaubnis zu vervielfältigen oder wiederzugeben. (2) Setzt man die Gültigkeit dieses Arguments voraus, so ergibt sich die Ausgestaltung des urheberrechtlichen Tatbestands aus den Prämissen (b) und (c). Danach ist erforderlich, dass einerseits ein Inhalt eine geistige Form besitzt und andererseits diese Form – ansonsten wäre eine Kränkungshandlung nicht möglich! – durch wahrnehmbare Zeichen geäußert wurde. Dies führt dazu, dass jeder geäußerte Gedanke den Urheberschutz auslöst. Denn ein Gedanke kann nicht anders, wie Fichte überzeugend darlegt, als in einer Formgebung existieren. Freilich unterfällt nicht dieser Gedanke selbst, sondern nur seine sprachzeichliche Form dem urheberrechtlichen Schutz. Das bedeutet aber auch, dass eine graduelle Differenzierung des urheberrechtlichen Tatbestands, wie sie etwa in einem Idee / Ausdruckoder Originalitätskriterium mitunter geschieht, nach dem exklusivitätstheoretischen Argument moralisch unmöglich ist. (3) Die Rechte des Urhebers, die sich mit dem Argument begründen lassen, korrespondieren mit den Handlungen, die in (c) als Aneignungsbehauptungen interpretiert werden. Sollen diese verhindert werden, so ist es moralisch notwendig, dem Urheber ein Recht auf Namensnennung und das Recht, über die Wiedergabe und Vervielfältigung zu entscheiden, einzuräumen. Dagegen lässt sich die Frage, ob diese Rechte auch übertragbar sind, argumentsintern nicht beantworten. Hängt dies doch davon ab, auf welchen Erwägungen das Moralprinzip in (a) beruht. Wäh-
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rend eine individualistische Herleitung, die auf die tatsächliche Kränkung des Urhebers abstellt, die Übertragbarkeit moralisch ermöglicht, kann eine kollektivistische Fundierung zum Gegenteil führen. Ähnliches gilt für die Dauer der abgeleiteten Rechte. Kann hier eine individualistische Herleitung nicht dazu benutzt werden, die Rechte des Urhebers über seinen Tod hinaus andauern zu lassen, ist eine kollektivistische Begründung frei darin, eine längere Dauer einzuführen. Wird der exklusivitätstheoretische Typus, wie an dieser Stelle, in einen individualistischen Kontext eingestellt, ist daher die Übertragbarkeit wie auch die postmortale Dauer moralisch möglich, aber nicht notwendig. (4) Der Gedankengang des Arguments ist in zweierlei Hinsicht problematisch. Erstens sind die Handlungsinterpretationen in (c), die die rechtlichen Befugnisse des Urhebers bestimmen, teilweise angreifbar. Geht man im Sinne der Exklusivitätsthese davon aus, dass ausschließlich dem Urheber eines Werks dessen immaterielle Form zugänglich ist, so mündet die Behauptung, diese Form angeeignet zu haben, stets in der Anmaßung der Urheberschaft. Dergleichen liegt aber nur vor, wo ein fremdes Werk plagiiert wird. Wird es hingegen unter Beibehaltung der richtigen Urheberbezeichnung vervielfältigt oder wiedergegeben, ist dies nicht der Fall. Hier dennoch eine Anmaßung der Urheberschaft anzunehmen, hieße, den handlungstheoretischen Unterschied zwischen dem Plagiieren und dem Vervielfältigen oder Wiedergeben eines Werks außer Acht zu lassen. Daher kann das exklusivitätstheoretische Argument, wenn überhaupt, nur dazu dienen, ein Recht auf Namensnennung plausibel zu begründen. Zweitens ist das Moralprinzip in (a), mit dem das Argument erst normativ nutzbar wird, mit Defiziten behaftet. Diese sind durch die schwierige Aufgabe bedingt, die dieses Prinzip erfüllen muss: Es muss die ontologische Aussage der Exklusivitätsthese auf einen Bereich normativ erstrecken, für den diese selbst im Fall ihrer Normativierung nicht gilt. Dies gelingt nur, indem in (a) ein allgemeines Moralprinzip formuliert wird, das bereits eine Behauptung, die einen ontologischen Status anmaßt, als Kränkung des Statusinhabers qualifiziert. Indes kann dieses Prinzip ebenso gut von Gegnern eines Urheberrechts verwendet werden, die die Non-Exklusivität geistiger Werke betonen. Denn zumindest deren sprachzeichliche Ebene ist ja von Natur aus von allen gemeinsam benutzbar, ohne dass jemand ausgeschlossen würde. Wird diese ontologische Eigenschaft geistiger Werke durch ein Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers missachtet, lässt sich daher mit gleichem Recht eine Kränkung der ausgeschlossenen Nutzer postulieren. Um diesen Konflikt zugunsten einer Seite aufzulösen, wäre eine einschränkende Interpretation von (a) notwendig. Diese müsste darüber entscheiden, welche „Kränkung“ schwerer wiegt. Eine solche Entscheidung kann zumindest nicht argumentsintern begründet werden. Vielmehr beruht sie letztlich auf dem argumentsexternen Gegensatz zwischen individualistischen und kollektivistischen Moralvorstellungen, der nicht endgültig entscheidbar ist.
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
IV. Ergebnisse Besteht ein besonderes Verhältnis zwischen Urhebern und ihren geistigen Werken, deretwegen das Urheberrecht moralisch gerechtfertigt ist? – Diejenigen, die diese These zu begründen suchen, argumentieren individualistisch. Das Urheberrecht, verstanden als exklusive Rechtsbeziehung zwischen Urhebern und ihren Werken, ist dann nicht aus gesellschaftlichen Gründen gerechtfertigt; es ist gerechtfertigt, weil es eine untrennbare Beziehung berücksichtigt, die zwischen einem Individuum und seinem geistigen Produkt besteht. Dass der Urheber in irgendeiner Weise mit seinem geistigen Werk moralisch verbunden ist, ist vorwiegend im kontinentaleuropäischen Raum verbreitete Lehrmeinung. Aber wie lässt sich dies begründen? Man kann versuchen, eine derartige Beziehung theoretisch auf drei verschiedene Weisen plausibel zu machen. Je nachdem, welcher argumentative Ausgangspunkt innerhalb der Relation Urheber / Werk gewählt wird, basiert eine Rechtfertigung dann entweder auf der Handlung, der Person oder dem Werk des Urhebers. Die sich daraus ergebenden Typen einer individualistischen Rechtfertigung – eine Arbeits-basierte, eine Persönlichkeits-basierte und eine Werk-basierte Rechtfertigung – sind in diesem Kapitel beispielhaft anhand von jeweils zwei Untertypen diskutiert wurden. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Diskussion in Hinblick auf eine institutionelle und inhaltliche Rechtfertigung des Urheberrechts werden im Folgenden dargestellt und bewertet. 1. Institutionelle Rechtfertigungsebene Eine institutionelle Rechtfertigung des Urheberrechts ist – das konnte erwartet werden – stets mit argumentativen Schwierigkeiten verbunden. Keines der diskutierten Argumente war durchweg plausibel oder folgerichtig. Überraschend ist allerdings, dass gerade die Rechtfertigungsgründe, die am häufigsten verwendet werden, die schwächsten sind. Dies konnte angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der man sich auf sie beruft, nicht unbedingt erwartet werden. (1) Dies betrifft etwa die beliebte Behauptung, Urhebern stünden ihre geistigen Werke als die Früchte ihrer Arbeit zu. Diese Formel ist nicht nur auf den ersten Blick eine inhaltsleere, wenngleich wirkungsvolle Metaphorik. Auch die Argumente John Lockes, auf die sich eine solche Arbeits-basierte Rechtfertigung indirekt beruft, konnten nicht helfen, diese Vorstellung nachträglich zu rationalisieren. Entweder sie bestanden aus einem unschlüssigen Gedankengang – so wie beim formalistischen Typus – oder aber es fehlte bereits an einem falsifizierbaren Begründungszusammenhang, wie beim verdiensttheoretischen Typus. Aufgrund ihrer rhetorischen Kraft ist daher zwar nachvollziehbar, warum jene Argumente vor allem im angloamerikanischen Schrifttum zuweilen als eine „powerful justification for intellectual property“536 bezeichnet oder gar eine „Lockean theory of intel536
Hughes, Geo. L. J. 77 (1988), S. 287 (330).
A. Individualistische Rechtfertigungsmodelle
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lectual property“537 verteidigt wird. Begründet ist dies freilich nicht: Wenn jene Metaphorik nicht nur an das Gefühl appellieren, sondern auch vor der Vernunft Bestand haben soll – nur dies ist eine moralische Rechtfertigung! –, bedarf es einer plausiblen Begründung, die es, zumindest bislang, noch nicht gibt. (2) Ähnliches gilt für eine Persönlichkeits-basierte Rechtfertigung, die sich – in ihrem entwicklungstheoretischen Typus – auf die Eigentumstheorie Hegels stützt. Diese Theorie geht davon aus, dass das Privateigentum notwendig sei, um den Menschen die Entwicklung zum Person-Sein zu ermöglichen. Indem sie von der Rechtsordnung als abstraktes Ich dargestellt würden, könnten sie lernen, sich selbst als freies Ich zu denken. Indes ist nicht nur zutage getreten, dass diese Theorie nicht imstande ist, das Urheberrecht zu rechtfertigen. In letzter Konsequenz folgt aus ihr gar, dass das Urheberrecht nicht zu rechtfertigen, also moralisch unmöglich ist. Schließlich werden durch das Urheberrecht gerade menschliche Merkmale berücksichtigt, die höchst individuell sind: kreative Talente und Fähigkeiten. Nur unbeachtlich überzeugender ist die identifikationstheoretische Variante der Persönlichkeits-basierten Rechtfertigung. Ihre Vorstellung, zumindest einige Urheber gerieten in eine psychische Abhängigkeit zum Werk, lässt sich zwar theoretisch konstruieren. Ihre empirische Richtigkeit ist aber genauso wie ihre normative Schlussfolgerung – Urheberrecht als Therapie –, weder nachprüfbar noch rational begründbar. (3) Überzeugender sind dagegen jene Argumente, die den Grund einer moralischen Beziehung nicht in einer Handlung oder der Person, sondern im Werk des Urhebers suchen. Diese werden häufig vernachlässigt. Es sind zwei verschiedene Typen einer solchen Werk-basierten Rechtfertigung diskutiert worden, ein kommunikationstheoretischer und ein exklusivitätstheoretischer. Trotz der Defizite, die sie jeweils besitzen, hat sich gezeigt, dass ihnen vergleichsweise moderne Ideen zugrunde liegen. Sie knüpfen daran an, dass ein geistiges Werk einen kommunikativen Gehalt besitzt, eine kommunikative Handlung darstellt. Es liegt dann nahe, diese Handlung etwaigen Bedingungen und Grenzen der Kommunikation zu unterwerfen. Ihr größter Vorteil liegt darin, dass sie – anders als die zuvor kritisierten Argumente – auf diese Weise die spezifische Seinsweise geistiger Werke berücksichtigen: ihre Immaterialität. Eine Arbeits-basierte sowie eine Persönlichkeits-basierte Rechtfertigung missachten dies. Sie ließen sich ebenso auf körperliche Gegenstände zur Anwendung bringen – freilich mit den gleichen Mängeln. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie dadurch einen moralisch relevanten Umstand übersehen, der die Rechtfertigung des Urheberrechts betrifft.
537 Moore, in: ders. (Ed.), Intellectual Property: Moral, Legal, and International Dilemmas, S. 81 (82).
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2. Inhaltliche Rechtfertigungsebene Daneben – das war weniger offenkundig – sind die inhaltlichen Konsequenzen, die aus den jeweiligen Argumenten folgen, zumeist nicht die, die man mit ihnen zu begründen sucht. Es hat sich vor allem ein Vorurteil als falsch erwiesen, das häufig gegen eine individualistische Rechtfertigung in Stellung gebracht wird: Jene Vorstellung nämlich, eine individualistische Rechtfertigung führe durchweg zu grenzenlosen und unbeschränkten Rechten des Urhebers. Dies kann mit Abstrichen allein für den Tatbestand des Urheberrechts gelten; individualistisch lassen sich in der Tat nur sehr eingeschränkt Kriterien begründen, die nach Art oder Qualität des geistigen Werks differenzieren. Die Rechtsfolgen des Urheberrechts, die eine individualistische Rechtfertigung umfasst, sind indes stark eingrenzt. Einerseits ist ein postmortaler Bestand des Urheberrechts auf diese Weise nicht begründbar, andererseits sind, je nach Argument, entweder nur Vermögens- oder nur Persönlichkeitsrechte begründbar. (1) Eine Arbeits-basierte Rechtfertigung des Urheberrechts ist nicht imstande, den Tatbestand des Urheberrechts durch Kriterien einzuschränken, die nach Art (Idee oder Ausdruck einer Idee) oder Qualität (Gestaltungshöhe, Individualität etc.) des geistigen Werks differenzieren. Vielmehr führt sie zum Schutz aller geistigen Werke, die auf der intellektuellen Aktivität eines Menschen beruhen (formalistischer Typus) oder Resultat autonomer Anstrengung des individuellen Urhebers sind (verdiensttheoretischer Typus). Letzteres führt freilich dazu, dass der Schutz geistiger Werke, deren hohe künstlerische Qualität nicht auf individueller Mühewaltung, sondern auf einem angeborenen Genius beruht, nicht begründbar ist. Ihr Schutz bleibt jedoch durch die Hinzuziehung anderer Kriterien moralisch möglich. In Bezug auf die Rechtsfolgen des Urheberrechts ermöglicht allein der formalistische Typus genauere Aussagen. Erstens schließt er die Übertragbarkeit des Urheberrechts aus. Zweitens gebietet er, dass die Dauer des Urheberrechts mindestens die Lebensspanne des Urhebers erreichen muss. Ein postmortaler Bestand ist jedoch nur moralisch möglich. Drittens müssen den Urhebern allein Verwertungsrechte an ihrem Werk eingeräumt werden. Persönlichkeitsrechte erfahren durch dieses Argument praktisch keine moralische Unterstützung. (2) Auch eine Persönlichkeits-basierte Rechtfertigung hat Probleme, Kriterien zu begründen, die den urheberrechtlichen Tatbestand betreffen. Der identifikationstheoretische Typus ist hierzu nicht imstande: Es wäre unplausibel, eine psychische Abhängigkeit eher bei bestimmten Werkkategorien, Gestaltungshöhen oder ähnlichem anzunehmen. Immerhin ist aber der entwicklungstheoretische Typus in der Lage, die Neuheit des Werks als tatbestandliches Kriterium zu begründen. Auch hinsichtlich der Rechtsfolgen unterscheiden sich beide Typen stark: Der identifikationstheoretische Typus bietet allein für persönlichkeitsrechtliche Befugnisse eine tragfähige Basis. Es ist moralisch notwendig, dass der Urheber über die Veröffentlichung, seine Namensnennung und die Entstellung und Veränderung seines Werks entscheiden kann. Anders der entwicklungstheoretische Typus: Dieser
B. Kollektivistische Rechtfertigungsmodelle
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ist nicht imstande, Persönlichkeitsrechte zu begründen. Diese bleiben zwar moralisch möglich; doch können allein vermögensrechtliche Befugnisse als moralisch notwendig begründet werden. Die Übertragbarkeit der Rechte wird ebenfalls unterschiedlich behandelt. Der entwicklungstheoretische Typus führt zur moralischen Notwendigkeit, der identifikationstheoretische Typus zur moralischen Unmöglichkeit der Übertragbarkeit. Hingegen ist die begründbare Dauer des Urheberrechts gleich: In beiden Fällen kann dies maximal – der identifikationstheoretische Typus impliziert gar die Möglichkeit eines früheren Endes – für die Lebenszeit des Urheber dargelegt werden. (3) Eine Werk-basierte Rechtfertigung ist ebenfalls nicht imstande, tatbestandliche Kriterien zu begründen, die nach Art oder Qualität der Werke unterscheiden. Dergleichen ist hiernach moralisch unmöglich. Das kommunikationstheoretische Argument führt vielmehr dazu, dass tatbestandlich der Schutz solcher geistigen Werke moralisch notwendig ist, die einen Bedeutungsinhalt mitteilen. Da ein Geisteswerk nichts anderes ist, als ein in menschlichen Zeichen verkörperter Bedeutungsgehalt, kommt es allein darauf an, ob der je betrachtete körperliche Gegenstand dergleichen beinhaltet. Je nach Begründung des kommunikationstheoretischen Typus kann allenfalls erforderlich sein, dass der mitgeteilte Bedeutungsinhalt darauf gerichtet ist, andere zur Änderung ihrer Einstellung bzw. ihres Verhaltens aufzufordern. Ähnlich verhält es sich beim exklusivitätstheoretischen Typus: Erforderlich ist allein, dass ein geistiger Inhalt wahrnehmbar geworden ist. Dies führt dazu, dass jeder geäußerte Gedanke den Urheberschutz auslöst. Die Rechte, die eine Werk-basierte Rechtfertigung begründet, erschöpfen sich stets in einem Recht auf Namensnennung. Weitere Rechte bleiben moralisch möglich; sie können durch zusätzliche Argumente gerechtfertigt werden. Der kommunikationstheoretische Typus verbietet jedoch die Übertragbarkeit dieses Rechts, der exklusivitätstheoretische Typus gibt hierauf hingegen überhaupt keine Antwort.
B. Kollektivistische Rechtfertigungsmodelle Den argumentativen Gegensatz von individualistischen bilden die kollektivistischen Rechtfertigungsmodelle des Urheberrechts. Anders als jene versuchen diese nicht, das Urheberrecht im Rekurs auf eine spezifische Verbindung zwischen Urheber und Werk moralisch zu stützen. Stattdessen gehen sie von einer Beziehung zwischen Kollektiv und Werk aus, die jenes Recht legitimieren soll. Dieses Kollektiv wird regelmäßig mit der Gesellschaft gleichgesetzt, der der Urheber als Mitglied angehört.538 Diejenigen, die kollektivistisch argumentieren, verabschieden 538 Logisch zwingend ist die Gleichsetzung mit der Gesamtgesellschaft nicht. Denkbar wäre, dieses Kollektiv auf partikulare Gruppen beschränken zu wollen, etwa auf diejenigen der Verleger. Dann wäre das Urheberrecht gerechtfertigt, weil es den Verlegern nützt. Es kann freilich bezweifelt werden, ob ein solches Argument auf allgemeine Zustimmung hoffen
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sich so von der Idee, das Urheberrecht sei nicht nur das gesetzliche, sondern auch das moralische Recht des Urhebers. Denn das Urheberrecht wird nicht mehr an den Urheber moralisch rückgebunden, sondern allein gesellschaftlichen Zwecken unterworfen. Das wohl bekannteste Beispiel, in dem sich eine derartige Rechtfertigung des Urheberrechts widerspiegelt, beinhaltet die US-amerikanische Verfassung. In Art. I Sec. 8 heißt es dort, dass der „Congress shall have Power [ . . . ] To promote the Progress of Science and useful Arts, by securing for limited Times to Authors and Inventors the exclusive Right to their respective Writings and Discoveries“. Darin kommt implizit eine Auffassung zum Ausdruck, die den moralischen Grund des Urheberrechts darin erblickt, gesellschaftliche Ziele zu erreichen, nämlich den Fortschritt der Wissenschaft und der nützlichen Künste zu befördern. Daran lässt sich erkennen, dass eine kollektivistische Argumentation üblicherweise konsequentialistisch vorgeht. Sie stellt auf die gesellschaftlichen Folgen ab, die an die institutionelle Errichtung eines Urheberrechts anknüpfen.539 Infolgedessen erblickt sie die Rechtfertigung des Urheberrechts darin, dass dieses die Entwicklung, die Stabilisierung oder die Erreichung eines für gut erachteten gesellschaftlichen Zustands fördere. Jede kollektivistische Rechtfertigung geht daher von einer bestimmten Gesellschaftskonzeption aus, die sie normativ voraussetzt. Freilich sind die Vorstellungen darüber, wie eine wünschenswerte Gesellschaft auszusehen hat, theoretisch unbegrenzt – eine Typenbildung ist daher ungleich schwerer als bei individualistischen Rechtfertigungen. Dennoch lässt sich eine Einteilung treffen, die Ordnung in diese Vielfalt bringt. Strukturelle Unterschiede bestehen nämlich darin, wie voraussetzungsreich die jeweilige Konzeption ist, wie stark also die normativen Annahmen sind, auf denen sie beruht. Davon hängt dann ab, welche gesellschaftliche Funktion geistigen Werken in der jeweiligen Konzeption zugeschrieben wird, welchen Bedürfnissen sie also dienen. Auf drei Wegen kann eine Gesellschaftskonzeption definieren, wie ihre Mitglieder leben sollen: (i) Der erste Weg ist derjenige, der die Menschen selbst entscheiden lässt, was sie für ein gutes Leben halten. Es bleibt ihnen überlassen, welche Bedürfnisse sie ausbilden und welche Ziele sie in ihrem Leben verfolgen wollen. Normativ ist dieser Ansatz nur insoweit, als er eine Gesellschaft für wünschenswert hält, die eine größtmögliche Befriedigung der jeweiligen Bedürfnisse aller kann. Bereits begrifflich ausgeschlossen ist, jenes Kollektiv auf die Gruppe der Urheber selbst beschränken zu wollen. Dann handelte es sich nicht mehr um eine kollektivistische, sondern um eine individualistische Rechtfertigung. 539 Aus diesem Grund werden kollektivistische Rechtfertigungen häufig als „utilitaristisch“ etikettiert. So wird der Begriff des Utilitarismus jedoch in einem weiteren Sinne verwendet, als üblich ist. Er beschreibt dann allgemein ein Programm, bei dem der gesellschaftliche Nutzen einer Regelung ihren moralischen Wert ausmacht. Der spezifische Gedanke des Utilitarismus hingegen – größtmögliches Glück für die größtmögliche Zahl – wird so fallengelassen. Er spiegelt sich mit Abstrichen allein bei der Effizienz-basierten Rechtfertigung wider.
B. Kollektivistische Rechtfertigungsmodelle
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Menschen ermöglicht. Dies ist eine ökonomische Gesellschaftskonzeption. (ii) Eine zweiter Weg besteht darin, die Entscheidung, was ein gutes Leben ist, den Menschen zumindest teilweise abzunehmen. Bestimmte menschliche Bedürfnisse werden dann höher bewertet als andere oder aber, soweit sie bislang noch nicht existieren, gänzlich vorgeschrieben.540 Hier kann man von Soll-Bedürfnissen sprechen: Ein bestimmte Sorte von Bedürfnissen wird normativ ausgezeichnet. Auf diese Weise wird eine kulturelle Gesellschaftskonzeption eingenommen. (iii) Drittens kann schließlich ein noch allgemeinerer Weg zwischen Ist- und Soll-Bedürfnissen betreten werden. Er enhält sich jeder Aussage darüber, ob in einer Gesellschaft beliebige oder bestimmte Bedürfnisse befriedigt werden sollen. Er fordert allein, dass menschliche Bedürfnisse, werden sie befriedigt, sich in einem minimalen Handlungsrahmen halten sollen. Diese Perspektive ist also negatives Korrelat der vorherigen: Sie setzt der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse nur äußere Grenzen, entwirft mithin eine negative Gesellschaftskonzeption. Im Einklang mit diesen Gesichtspunkten werden nachfolgend drei kollektivistische Begründungsmodelle diskutiert, deren Reihenfolge sich danach richtet, wie normativ anspruchsvoll ihre Gesellschaftskonzeption ist. Diese Argumentationstypen bezeichne ich als Schranken-basierte, Effizienz-basierte und Demokratie-basierte Rechtfertigung des Urheberrechts. Sie beantworten auf je unterschiedliche Weise, ob und warum geistige Werke in einer Gesellschaft benötigt werden. Eine Schranken-basierte Rechtfertigung (I.) schlägt den Weg der negativen Gesellschaftskonzeption ein. Sie rechtfertigt das Urheberrecht, indem sie eine neutrale Beziehung zwischen der Gesellschaft und geistigen Werken behauptet. Da das Urheberrecht nicht gegen minimale Schranken verstoße, die in einer Gesellschaft einzuhalten seien, könne gegen seine Existenz moralisch nichts eingewandt werden. Dagegen folgt eine Effizienz-basierte Rechtfertigung (II.) dem Weg der ökonomischen Gesellschaftskonzeption. Das gesellschaftliche Bedürfnis nach geistigen Werken wird nicht als normativ notwendig, sondern als rein faktisch, als beliebig empfunden. Um dieses Bedürfnis zu befriedigen, sei das Urheberrecht jedoch als Anreiz erforderlich. Es ist insofern nur Mittel, ein Bedürfnis wie jedes andere effizient zu befriedigen. Eine Demokratie-basierte Rechtfertigung (III.) ist hingegen ein Beispiel für eine kulturelle Gesellschaftskonzeption. Geistigen Werken wird hier eine besondere Bedeutung im menschlichen Leben zugesprochen – sie seien für eine demokratisch regierte Gesellschaft unentbehrlich. Da aber ein derartiges Herrschaftssystem wünschenswert sei, sei auch das Bedürfnis nach geistigen Werken ein besonderes. Dieser kulturelle Weg kann freilich auch auf andere als auf politische Weise beschritten werden. Dass ein Mangel an geistigen Werken zu einem „state of cultural stasis“541 führe, lässt sich ja auf unzählige Weisen behaup540 Hierzu gehört im Übrigen auch eine Gesellschaftskonzeption, die allein die Freiheit der Menschen gewährleisten möchte. Schließlich setzt diese immerhin ein Bedürfnis nach Freiheit normativ voraus; der ökonomische Weg ist hingegen theoretisch auch für ein Bedürfnis nach Unfreiheit offen. Diese Möglichkeit übersieht Dworkin, in: ders., A Matter of Principle, S. 221 (229 ff.).
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ten542. Der Rekurs auf eine politische Kultur in Form der Demokratie scheint mir noch am wenigsten kontrovers, so dass sie allein nachstehend diskutiert wird.
I. Schranken-basierte Rechtfertigung Diejenige kollektivistische Rechtfertigung des Urheberrechts, deren Gesellschaftskonzeption am wenigsten auf normativ gehaltvollen Annahmen basiert, argumentiert gleichsam negativ. Das Urheberrecht sei nicht gerechtfertigt, weil es die Verwirklichung eines bestimmten Gesellschaftsideals positiv fördere. Vielmehr sei es gerechtfertigt, weil seine Existenz keinerlei negative gesellschaftliche Konsequenzen hervorrufe. Infolgedessen liegt der moralische Grund des Urheberrechts in universalen gesellschaftlichen Schranken – indem es diese nicht verletzt, ist es moralisch nicht zu beanstanden. Es bietet sich daher an, eine solche Argumentation als Schranken-basierte Rechtfertigung zu bezeichnen. Das Urheberrecht ist dann nicht Ergebnis eines begründenden, sondern eines begrenzenden Prinzips, das jeder vernünftigen Gesellschaftskonzeption inhärent ist. Welches Prinzip kann jedoch eine derartige Geltung beanspruchen? Anders ausgedrückt: Welcher allgemein konsensfähigen Schranke unterliegt menschliches Handeln? Hier wird gern auf die Lockesche Eigentumstheorie zurückgegriffen. Genauer: Die Kehrseite des anthropologisch-vernunftrechtlichen Arguments – jedes Individuum hat ein Recht auf Selbsterhaltung –, das Locke in seiner Eigentumstheorie verwendet, wird herangezogen. Denn wenn jeder Mensch aufgrund eines anthropologischen Selbsterhaltungstriebs zugleich ein Selbsterhaltungsrecht besitzt, sind Aneignungen nur bedingt zulässig. Sie müssen sich auf einen Teil beschränken, der andere Menschen nicht in der Verwirklichung ihres eigenen Selbsterhaltungsrechts behindert.543 Dieser Gedanke manifestiert sich in der Erwerbsschranke der sog. Sufficiency-Proviso544: Danach ist eine Aneignung von Gegenständen nur zugelassen, sofern danach „enough, and as good left“545 für andere verbleibt. Ein derartiges Vorgehen ist vor allen Dingen bei Moore546 und Gordon547 zu beobachten. Beide machen sich gleichermaßen die Lockesche Proviso als gesellschaftliche Schranke zu Eigen, um geistige Schutzrechte moralisch zu begründen. Doch divergiert ihre Auffassung darüber, was ihr Gebrauch ermöglicht. So glaubt Moore dadurch eine Möglichkeit gefunden zu haben, unabhängig von kollektiven Friedman, Cardozo Arts & Ent. L. J. 13 (1994), S. 157 (158). Fisher, in: Munzer (Ed.), New Essays in the Legal and Political Theory of Property, S. 168 (192), bezeichnet diese Möglichkeiten als endlos. 543 So auch Macpherson, Besitzindividualismus, S. 227. 544 Im Folgenden werde ich diese Schranke, die vor allem von Nozick (Anarchy, State, and Utopia, S. 175) als Locke’s Proviso bezeichnet wurde, nur als Proviso kennzeichnen. 545 Locke, Second Treatise, §§ 27, 33. 546 Vgl. hierzu Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 6 f., 71 ff., 103 ff. 547 Vgl. hierzu Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1533 ff.). 541 542
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Zweckmäßigkeitserwägungen zu einer „more solid foundation for intellectual property“548 zu gelangen. Er meint, den moralischen Grund derartiger Rechte verstärkt zu haben, indem er sie in die zugrunde liegende menschliche Handlung zurück verlegt.549 Dass die Schranken-basierte Perspektive in Wirklichkeit nicht eine individualistische Rechtfertigung ist – der Urheber spielt ja hier moralisch nicht als Urheber, sondern nur als Individuum eine Rolle –, sondern die verbundenen Individuen einer Gesellschaft fokussiert werden, wird nicht bemerkt. Anders hingegen Gordon. Obschon sie ebenfalls dieser Fehldeutung aufsitzt550, gilt ihre Aufmerksamkeit keineswegs einer stärkeren Verankerung dieser Rechte in der Person des Urhebers. Im Gegenteil möchte sie eine Rechtfertigung entwickeln, die zugunsten der Öffentlichkeit bereits „protections for expressive activity“551 enthält und somit Kommunikationsinteressen anderer Individuen vorgängig normativ auszeichnet. Die Verwendung der Proviso geschieht damit aus einer anderen Perspektive; sie dient Gordon zufolge als eine „central source of significant free speech protections“552. Wie sich zeigen wird, wird damit freilich der normative Gehalt der Lockeschen Proviso überfordert. Beide missverstehen so letztendlich die Wirkung einer Schranken-basierten Rechtfertigung: Moore verkennt ihren kollektivistischen Charakter, Gordon überschätzt dagegen ihren normativen Gehalt. In Auseinandersetzung mit diesen beiden Ansätzen wird im Folgenden daher zunächst der Inhalt eines Modells präsentiert, das diesen Defiziten aus dem Weg geht (1.). Dass Moore dabei größere Beachtung geschenkt wird, liegt daran, dass sein Ansatz eine größere Dichte besitzt und systematisch ausgereifter ist. Anschließend wird versucht, das so entwickelte Argument auf die institutionelle und inhaltliche Rechtfertigung des Urheberrechts zu übertragen (2.).
1. Struktur des Arguments Aus analytischer Sicht lässt sich eine Schranken-basierte Rechtfertigung des Urheberrechts in zwei unterschiedliche Komplexe aufteilen. Sie besteht zum einen aus einem allgemeinen Moralprinzip, das menschliches Handeln in einer Gesellschaft normativ begrenzt. Das ist die Schranke, aufgrund derer das Urheberrecht – 548 Moore, in: ders. (Ed.), Intellectual Property: Moral, Legal, and International Dilemmas, S. 81 (82). 549 Deutlich wird dies an der von Moore benutzten Wendung, Individuen seien vermittels ihrer Handlung imstande, die moralische Landschaft unilateral zu verändern, vgl. ders., Intellectual Property&Information Control, S. 126, 136: „Sometimes individuals can unilaterally change the moral landscape.“ 550 So insbesondere Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1564, 1588). 551 Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1607). 552 Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1538, 1535).
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
weil es sie angeblich nicht überschreite – als legitim behauptet wird. Zum anderen erfordert eine derartige Rechtfertigung regelmäßig eine tatbestandliche Konkretisierung jener Schranke. Nur so ist möglich, zu ermitteln, ob und inwieweit das Urheberrecht institutionell wie inhaltlich gerechtfertigt ist. Beide Schritte sind daher erforderlich, falls, wie hier, die Lockesche Proviso als Basis einer Schrankenbasierten Rechtfertigung verwendet werden soll. Dementsprechend wird zunächst in a) die Lockesche Proviso als allgemeines Moralprinzip reformuliert. Anschließend wird – was einen größeren Aufwand bedeutet – in b) versucht, die Tatbestandsmerkmale jenes Prinzips auszufüllen und inhaltlich anzureichern. Da sich beide Komplexe vor allem bei Moore, mit Abstrichen auch bei Gordon wieder finden, bilden ihre Interpretationen und Begründungen den Ausgangspunkt der nachfolgenden Diskussion.
a) Die Lockesche Proviso als Moralprinzip Die moralische Aufwertung der Lockeschen Proviso zu einem allgemeinen Prinzip geschieht in zweierlei Hinsicht: In logischer Hinsicht verstehen Moore als auch Gordon die Proviso nicht länger als notwendige Bedingung, der jede Rechtfertigung privaten Eigentums unterliegt. Stattdessen entnehmen sie ihr eine selbstständige legitimierende Wirkung, indem sie sie, anknüpfend an eine bisweilen vertretene Interpretation553, als hinreichende Bedingung554 begreifen. So gewendet, ist eine Aneignung von Objekten bereits dann gerechtfertigt, „if the appropriation of an unowned object leaves enough and as good for others“555. Diesem gewandelten Verständnis entspricht es, dass der Tatbestand der Arbeit, den Locke auf der Zuordnungsebene seiner Theorie entfaltet, gänzlich in den Hintergrund rückt und nurmehr eine untergeordnete Rolle besitzt. Wahrgenommen als eine von vielen denkbaren Möglichkeiten, die als „weak claim generating activity“556 bloß einen prima facie bestehenden, vermuteten Anspruch auf Nutzung und Besitz kreieren557, ist er vollständig auf die legitimierende Wirkung der Proviso angewiesen. Denn die von ihr aufgestellten Bedingungen konstituierten ein „possible set of con553 Siehe etwa Waldron, Phil. Q. 29 (1979), S. 319 (321); Wolf, Ethics 105 (1995), S. 791 (795 f.). 554 Vgl. Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 107; ähnlich Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1565). 555 Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 107. 556 Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 108; bisweilen charakterisiert Moore den Tatbestand der Arbeit, ohne in der Sache eine andere Aussage machen zu wollen, auch als „prima facie claim“ oder „weak presumptive possession and use claim“ (ders., Intellectual Property&Information Control, S. 107). 557 Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 107, 108, 124; so ebenfalls Hettinger, Phil. & Pub. Aff. 18 (1989), S. 31 (39, 40). Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1553), kommt in der Sache zum gleichen Ergebnis, wenn sie von einem Anspruch spricht, der bei anderen eine „prima facie duty to respect“ auslöse.
B. Kollektivistische Rechtfertigungsmodelle
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ditions“558, „where the prima facie claim remains undefeated“.559 Erst das Vorliegen dieser Bedingungen macht aus dem vermeintlichen Anspruch daher ein bestehendes Recht.560 Aus logischer Sicht ist somit festgelegt, dass die noch zu klärende deontische Qualität der Proviso stets mit Vorliegen ihrer Voraussetzungen eintritt: ihr Tatbestand impliziert ihre Rechtfertigungswirkung. Diese Lesart der Proviso hat – unabhängig davon, ob sich diese Aussagen als authentische Interpretation der Lockeschen Eigentumstheorie erweisen – eine starke Plausibilität. Sie liegt in erster Linie in dem von Moore betonten Vernunftgehalt der Lockeschen Proviso. Sofern niemand eine Verschlechterung seiner Situation durch eine Aneignung hinnehmen müsse, könne sich auch niemand über diese beklagen.561 Und in der Tat: Aus welchem Grund sollte jemand berechtigt sein, eine Handlung in Frage zu stellen, die ihn nicht schlechter stellt? In der Proviso liegt – wie Moore zutreffend erkennt – daher eine einleuchtende Regel: Die eigene Besserstellung ist insoweit erlaubt, wie niemand dadurch eine Verschlechterung erleidet.562 Vorschnell ist indes, wenn Moore glaubt, darin das wohlfahrtsstaatliche Pareto-Kriterium zu erblicken, nach dem ein Zustand A einem Zustand B vorzuziehen ist, falls in Zustand B niemand schlechter und mindestens einer besser gestellt wird.563 Denn so würde der normative Kern564 der Lockeschen Proviso über Gebühr verengt; es würde nicht nur negativ eine Nichtschädigung, sondern zudem positiv eine Besserstellung verlangt. So sieht sich Moore denn auch gezwungen, seiner „Pareto-based proviso on acquisition“565 eine Klarstellung hinzuzufügen: Sie gewinne ihre Plausibilität streng genommen aus der Tatsache, dass niemand geschädigt werde.566 Schlussendlich wird die Proviso so als klassisches Schädigungsverbot (No-Harm principle) im Sinne des neminem laedere gedeu558 Im Gegensatz zu Moore ist Wolf der Auffassung, dass die Proviso nicht nur eine hinreichende, sondern zugleich auch notwendige Bedingung jedweder Aneignung darstelle (ders., Ethics 105 [1995], S. 791 [804 Fn. 40]). 559 Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 107. 560 Vgl. Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 97, 108 f. 561 Vgl. Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 109. Hingegen stützt Gordon diese Lesart auf eine streng exegetische Einordnung in den Kontext des Lockeschen Naturrechts: Ausgehend von der im Naturzustand bestehenden Pflicht, niemandem einen Schaden zuzufügen (Locke, Second Treatise, § 6), wird die Proviso als spezielle Ausprägung dieses Gedankens wahrgenommen, vgl. Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1538, 1542). 562 Siehe Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 109. 563 Vgl. Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 6, 109; ähnlich Child, The Monist 73 (1990), S. 578 (581), bei dem allerdings deutlicher wird, dass keine Besserstellung erforderlich ist. 564 So stellt Gauthier, Morals by Agreement, S. 204, explizit fest, die „crucial distinction that we must establish is between worsening someone’s situation and failing to better it, since the proviso prohibits only the former, not the latter.“ 565 Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 110. 566 Vgl. Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 6, 109, 142.
14 Stallberg
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
tet.567 Damit steht die deontische Qualität der als Nicht-Schädigungsprinzip reformulierten Proviso fest: Sofern niemand durch die zu beurteilende Aneignung einen Schaden erleidet, ist diese erlaubt – also moralisch möglich.
b) Tatbestandliche Konkretisierung der Proviso Die wichtigste Aufgabe einer Schranken-basierten Rechtfertigung, die auf der Lockeschen Proviso basiert, besteht in der tatbestandlichen Konkretisierung des Schädigungsverbots. Diese Bedeutung resultiert daraus, dass der neuralgische Punkt dieses Begründungsmodells ja nicht in dem höchst plausiblen No-HarmPrinciple, sondern in der Feststellung liegt, ob die durch das Urheberrecht getroffene Rechtszuweisung eine Schädigung anderer Mitmenschen mit sich bringt.568 Dabei handelt es sich nicht um eine reine Tatsachenfeststellung, sondern um eine Beurteilung, die bereits versteckte normative Annahmen enthält.569 In welchem Maße derartige Annahmen erforderlich sind, wird klarer, wenn man zwei Dimensionen des Schädigungsbegriffs unterscheidet, eine formal-analytische und eine material-normative.570 Bei der formal-analytischen Dimension aa) geht es um formale Prämissen, die sich bereits sprachanalytisch dem Begriff der Schädigung entnehmen lassen. Diese betreffen die Frage, welche Vergleichssituationen bei der Beurteilung einer Schädigung herangezogen werden. Bei der material-normativen Dimension bb) geht es hingegen um materiale Prämissen, die dem Schädigungsbegriff allererst normativ eingegeben werden. Diese betreffen die Frage, welche Positionen, Güter, Bedürfnisse etc. vom Begriff der Schädigung als relevant erachtet werden.
567 Siehe Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 109, 142; Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1544 f.); die Verankerung des No-Harm-Principles in der Eigentumstheorie Lockes ebenfalls hervorhebend Becker, Property Rights, S. 42 f.; Nozick, Anarchy, State, and Utopia, S. 175. Dass Moore trotzdem an der irreführenden Terminologie im Sinne des Pareto-Kriteriums festhält, dürfte daran liegen, dass er einerseits die Besserstellung auf die aneignende Person reduziert, andererseits diese nicht als normative, sondern de facto bestehende Regelmäßigkeit begreift; vgl. ders., Intellectual Property&Information Control, S. 111, 142. 568 In ähnlicher Weise hat auch Nozick, Anarchy, State, and Utopia, S. 175, hervorgehoben, dass der „crucial point is whether appropriation of an unowned object worsens the situation of others“. 569 Mit Recht betont Weinreb, Harv. L. Rev. 111 (1998), S. 1150 (1219), dass die Behauptung, die Einräumung eines Urheberrechts entziehe anderen Individuen nichts, in Wahrheit keine Tatsachenfestellung ist, „but rather a disguised normative proposition, to the effect that others ought not feel deprived or at least ought not oppose the deprivation.“ [Hervorhebung im Original]. 570 Diese Unterscheidung entspricht in etwa derjenigen Moores zwischen der „baseline of comparison“ und den „terms of being worsened“; hierzu ders., Intellectual Property&Information Control, S. 112 ff.
B. Kollektivistische Rechtfertigungsmodelle
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aa) Formal-analytischer Aspekt Der formal-analytische Aspekt, der innerhalb der tatbestandlichen Konkretisierung der Proviso zu klären ist, betrifft die Wahl der zu vergleichenden Zustände. Um festzustellen, ob eine Schädigung infolge einer Aneignung aufgetreten ist, müssen logischerweise zwei Zustände miteinander verglichen werden. Nur wenn ein Vergleich dieser Zustände eine negative Differenz zutage fördert, kann von einer Schädigung gesprochen werden. Unproblematisch ist insofern, dass einer dieser Zustände (Aneignungszustand) sich zeitlich nach der in Rede stehenden Aneignung befinden muss. Schwieriger scheint indessen, den Zeitpunkt zu bestimmen, der für den Ausgangszustand maßgeblich ist. Aus sprachanalytischer Sicht scheint zwar klar, dass dieser Zeitpunkt notwendigerweise vor der Aneignung liegen muss. Dennoch sind hier Missverständnisse üblich, die auf begrifflichen Unschärfen beruhen. Moore gibt ein Beispiel, das diese erhellt: Liegt eine Schädigung anderer vor, wenn jemand eine Maschine erfinde, die anderen Menschen das Leben retten könne, sich jedoch anschließend weigere, sie zu diesem Zweck zur Verfügung zu stellen?571 Intuitiv könnte man dazu neigen, dies zu bejahen. Ein solcher Standpunkt würde indes den Begriff der Schädigung überfordern – eine Schlechterstellung würde mit einer unterbliebenen Besserstellung gleichgesetzt.572 Denn der Zustand eines Todkranken, der im Ausgangszustand – also vor der Erfindung – bereits krank war, ist ja nicht durch die Erfindung oder deren Vorenthaltung verschlechtert worden. Vielmehr ist sein Gesundheitszustand durch Vorenthaltung der Maschine nicht verbessert worden. Würde man hier keine begriffliche und moralische Differenz erlauben, führte dies zu absurden Konsequenzen. Dann würde jeder immer schon durch die Güter anderer „geschädigt“, denn man erführe ja eine Besserstellung, wenn man diese Güter selbst besäße.573 Auch wenn so auf der einen Seite klar ist, dass der Ausgangszustand vor der Aneignung liegen muss, steht auf der anderen Seite noch nicht fest, welcher vorangehende Zeitpunkt zu wählen ist. Dass hier nicht eine statische Festlegung dieses Zustands in Frage kommt, wie ihn etwa die Theorie Lockes durch die Fokussierung des Naturzustands nahe legt, dürfte einsichtig sein.574 In dem Maße, als sich die gegebene Situation eines Individuums verändert, muss sich natürlich ebenfalls diese „baseline of comparison“ verändern.575 Sichtbar wird dies insbesondere am Beispielsfall eines Diebstahls: Wenn hier als Ausgangszustand ein Zeitpunkt vor dem rechtmäßigen Erwerb des gestohlenen Gegenstands definiert wird, schädigt der Dieb den Eigentümer nicht. Daher kann nur ein sich dynamisch verhaltender 571 Zu diesem Beispiel Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 94; ähnlich argumentierend Nozick, Anarchy, State, and Utopia, S. 181. 572 Hierzu auch Gauthier, Morals by Agreement, S. 204. 573 Vgl. Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 95. 574 Hierzu Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 92 ff., 113 f. 575 Siehe Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 93.
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Vergleichspunkt, der stets unmittelbar vor der Aneignung liegt, alle moralisch relevanten Veränderungen des Wohlbefindens berücksichtigen.576 Im Wege einer analytischen Betrachtung des Schädigungsbegriffs lässt sich so bereits eine formale Eingrenzung ermitteln, die bei der späteren Anwendung auf das Urheberrecht von Bedeutung sein wird.
bb) Material-normativer Aspekt Welche Positionen, Güter, Bedürfnisse etc. dürfen in den beiden Vergleichszuständen verglichen werden, um eine etwaige negative Differenz zu ermitteln? Diese Frage betrifft die material-normative Dimension des Schädigungsbegriffs. Sie ist nur anhand von normativen Annahmen zu beantworten, die vorgängig einige Faktoren als moralisch relevant, andere als irrelevant bestimmen. Jene Prämissen sind es, die neben den formal-analytischen Vorgaben maßgeblich die Rechtfertigung des Urheberrechts beeinflussen. Für die weiteren Erwägungen bietet es sich an, die verschiedenen Dinge, die die Situation eines Individuums kennzeichnen können, als Handlungsmöglichkeiten aufzufassen. Darunter können sowohl Güter, Interessen, Bedürfnisse, Rechte und sonstige Positionen eines Individuums subsumiert werden. Moore unterscheidet diesbezüglich – wenngleich nicht den Begriff der Handlungsmöglichkeiten erwähnend, sondern seine Terminologie des „term of being worsened“ aufgreifend – drei Standpunkte, von denen aus man moralisch relevante und moralisch irrelevante Handlungsmöglichkeiten bestimmen kann. Er wendet sich sowohl gegen einen objektiven Ansatz, den er in Ausführungen Nozicks ausmacht, als auch gegen einen subjektiven Ansatz, den er an Gauthier sichtbar werden lässt.577 Vielmehr glaubt er, allein sein eigener Ansatz, den er als all things considered view578 bezeichnet, sei adäquat. An dieser Stelle wird eine abweichende Einteilung eingeführt, die sich nach der Art der Handlungsmöglichkeiten richtet, die man normativ auszeichnet. Diese können entweder rein faktischer Natur sein. Dann bezieht man sich – so wie Nozick es tut – auf aktuell oder potentiell bestehende Möglichkeiten eines Individuums, die ihm faktisch offen stehen. Oder aber man erachtet mit Gordon nur solche Handlungsmöglichkeiten als moralisch relevant, die rein normativer Natur sind. Dies führt dazu, dass solche Handlungsmöglichkeiten in den Blick genommen werden, die dem Individuum zwar nicht faktisch offen stehen, ihm aber offen stehen sollen. Diese Differenz ermöglicht zudem verschiedene Kombinationen – wie sie z. B. bei Moore und Gauthier auftauchen –, die dadurch entstehen, dass man sowohl faktische als auch normative Handlungsmöglichkeiten in unterschiedlichem Grade als moralisch relevant erachtet. 576 577 578
Siehe Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 113. Vgl. Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 83. So die Bezeichnung von Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 86, 88.
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Infolgedessen hängt die Ausdehnung der material-normativen Dimension des Schädigungsbegriffs davon ab, welche Art von Handlungsmöglichkeiten man einbezieht, um eine Schädigung festzustellen. Je mehr normative Handlungsmöglichkeiten vom moralischen Fokus der Proviso erfasst werden, desto stärker sind die normativen Annahmen, die man ihr einpflanzt. Die damit erhöhte Kritikanfälligkeit einer Schranken-basierten Rechtfertigung des Urheberrechts ist aber nicht der entscheidende Grund, weswegen im Folgenden gegen die Einbeziehung normativer und für die alleinige Integration faktischer Handlungsmöglichkeiten in den Schädigungsbegriff argumentiert wird. Denn es wird sich zeigen, dass in dem Maße, als normative Handlungsmöglichkeiten integriert werden, zugleich die Proviso durch andere Moralprinzipien ausgetauscht und gegenstandslos wird. In diesem Sinne wird nachfolgend zunächst (1) dargelegt, warum Ansätze, die hauptsächlich oder zumindest auch normative Handlungsmöglichkeiten als moralisch relevant erachten, zu verwerfen sind. Anschließend (2) werde ich Kritik, die an einem Verständnis des Schädigungsbegriffs im Sinne rein faktischer Handlungsmöglichkeiten erhoben wird, zurückweisen. (1) Das Problem normativer Handlungsmöglichkeiten Um darlegen zu können, warum die Einbeziehung normativer Handlungsmöglichkeiten den Rahmen der Proviso sprengt, und diese daher nicht bei der Beurteilung des Urheberrechts einbezogen werden dürfen, werden an dieser Stelle zwei Ansätze skizziert, die diesen Weg eingeschlagen haben. Die Auffassung Gordons ist geprägt von einem Verständnis, das der Proviso hauptsächlich eine einhegende Wirkung entnimmt: Ihr primärer Zweck bestehe darin, das Geistige Eigentum zugunsten der Meinungsfreiheit zu begrenzen und infolgedessen „free speech interests“ zu befördern.579 Der Bestand des Menschen sei von der Erfüllung von „intellectual, expressive, and artistic needs“ abhängig.580 Menschliche Kommunikationsbedürfnisse sollten daher befriedigt, Kommunikationsfähigkeiten ausgeübt und entwickelt werden können.581 Einzelne anthropologische Annahmen werden damit zu moralischen Ansprüchen verdichtet, die nicht geschädigt werden dürfen und so die Vergabe geistiger Schutzrechte einschränken. Bei Gordon geht es daher nicht um eine Schädigung faktischer, sondern normativer Handlungsmöglichkeiten.582 Solange im Ausgangszustand eine bestimmte Information nicht existiert, kann sie schließlich nicht kommuniziert werden – eine Schädigung ist dann nur denkbar, sofern ein moralisches Recht auf Kommunikation existiert, das aktuell Vgl. Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1538). Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1555). 581 Hierzu Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1567 ff.). 582 Zwar gibt Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1563, 1572), zu verstehen, auch faktische Handlungsmöglichkeiten dürften nicht tangiert werden. Diese würden aber nur als Reflexwirkung der alles überragenden normativen Handlungsmöglichkeiten vor Schaden bewahrt, hierzu dies., Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1581). 579 580
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und potentiell vorhandene Informationen betrifft. In ähnlicher Weise, ohne freilich den Bezug zum Geistigen Eigentum zu suchen, bestimmt Gauthier den Schädigungsbegriff. Jedoch nimmt er eine alle Fesseln sprengende Perspektive ein, indem die geschützten normativen Handlungsmöglichkeiten völlig der individuellen Bedürfnis- und Interessenbefriedigung anheim gestellt werden. Seiner Auffassung nach richtet sich dies nach der „expected utility“ des je Betroffenen, die sich in Relation zu seinen rational verfolgten Handlungspräferenzen ergebe.583 So stellt er fest, die Situation eines anderen verschlechtere sich nicht, solange sein selbstdefinierter Nutzen, den er durch den Eingriff in seine Sphäre erhalte, nicht kleiner sei als im Falle keiner Intervention.584 Diese Ansätze, die sich dadurch auszeichnen, dass sie den Schädigungsbegriff ganz oder teilweise mit Blick auf normative Handlungsmöglichkeiten fassen, konterkarieren die Proviso. Deren Verwendung als selbstständiges Legitimationsmodell einer Aneignung wird ad absurdum geführt. Dies tritt zutage, wenn man sich den moralischen Mechanismus der Proviso vor Augen führt: Sobald ihre Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, sofern also eine Aneignung keine Schädigung anderer mit sich bringt, impliziert sie ja, dass diese Aneignung erlaubt ist.585 So verleiht die Proviso der aneignenden Person ein moralisches Recht, das die Beanspruchung des angeeigneten Gegenstands durch andere verhindert. In dem Maße, als der Schädigungsbegriff im Rückgriff auf normative Handlungsmöglichkeiten bestimmt wird, ist die Proviso aber außerstande, diese Rechterzeugung weiter aufrechtzuerhalten: Ihr rechtsbegründender Charakter wird durch einen rechtsrelativen Gebrauch ersetzt.586 Denn wenn die Moralität einer Aneignungshandlung davon abhängt, ob sie in Widerstreit mit vorgängigen Rechten anderer gerät, wiederholt die Proviso nur, was ihr dieselben bereits in den Mund legen.587 Lübbe hat dieses Problem in Bezug auf den Grundsatz des neminem laedere treffend so formuliert: „Die Frage, ob die Herbeiführung eines Nachteils eine Schädigung ist, hängt offenbar davon ab, ob der Handelnde ein Recht auf diese Handlung hatte. Wie soll dann umgekehrt die Frage, ob jemand ein Recht auf eine Handlung hat, mit Rekurs auf das Schädigungsverbot geklärt werden können?“588 Die Belastung der Proviso mit dieser Art von Doppel-Normativität, die den normativen Teil des Schädigungsbegriffs seinerseits durch externe Normen und Werte bestimmt, führt nicht nur zum Verlust ihrer rechtsbegründenden Funktion. Überdies produziert ein rechtsrelativer Gebrauch der Proviso keinerlei Aussage, die nicht bereits in den integrierten moralischen Rechten enthalten wäre. Bereits die Vgl. Gauthier, Morals by Agreement, S. 203, 205. So Gauthier, Morals by Agreement, S. 211. 585 Vgl. hierzu oben B. I. 1. a). 586 Zu dieser Unterscheidung Lübbe, ARSP-Beiheft 74 (2000), S. 73 (74). 587 Ähnlich argumentiert auch Kant, Zum ewigen Frieden, S. 204, bei der Frage, wie die Freiheit eines Menschen definiert werden kann. 588 Lübbe, ARSP-Beiheft 74 (2000), S. 73 (73). 583 584
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Existenz dieser Rechte sorgt nämlich dafür, dass im Falle ihrer Verletzung gegen ein moralisches Gebot – eben die Beachtung dieser Rechte – verstoßen wird. Das bedeutet nichts anderes, als dass eine Aneignungshandlung bereits deswegen moralisch nicht erlaubt und illegitim ist. Nimmt man etwa wie Gordon an, jedem Menschen stehe ein moralisches Recht zu, seine Kommunikationsbedürfnisse durch Teilhabe an Informationen und dem je gegebenen kulturellen Hintergrund zu verwirklichen, so bedarf es im Falle einer Verletzung dieses Rechts durch ein Urheberrechtssystem nicht mehr der Proviso, um dessen moralische Illegitimität festzustellen. Infolgedessen bedeutet der geschilderte rechtsrelative Gebrauch der Proviso eine Nutzung derselben als argumentative Leerformel, innerhalb derer konkurrierende Moralen miteinander abgewogen und in Einklang zu einander gebracht werden. Will man die Proviso als eigenständiges Moralprinzip ernst nehmen, darf sie aber nicht als bloßer Ort der Abwägung missbraucht, sondern muss in diese einbezogen werden. Aus diesem Grund dürfen allein faktische Handlungsmöglichkeiten den normativ-materialen Aspekt des Schädigungsbegriffs prägen. Nur so lässt sich gewährleisten, dass die Legitimationswirkung dieses Prinzips selbst – mag diese noch so gering ausfallen! – und nicht externe Moralprinzipien, die sich im Hintergrund verborgen halten und eigener Erörterung bedürfen, Gegenstand der Diskussion werden. (2) Die Beschränkung auf faktische Handlungsmöglichkeiten Ein Schädigungsbegriff, der ausschließlich faktische Handlungsmöglichkeiten – sei es aktueller oder potentieller Art – moralisch berücksichtigt, belässt der Proviso hingegen ihre eigenständige Bedeutung. Ein derartiger Standpunkt, der in ähnlicher Form von Nozick589 vertreten wird, ist indes von Moore als nicht adäquater Definitionsversuch verworfen und zum Ausgangspunkt seiner eigenen Theorie gemacht worden590. Im Folgenden soll daher nachgezeichnet werden, welche Kritik Moore an einer normativen Aufladung der Proviso vorbringt, die sich auf die Integration faktischer Handlungsmöglichkeiten beschränkt, und welchen alternativen Standpunkt er hierzu entwickelt. Anschließend wird dargelegt, dass diese Kritik zwar einen richtigen Kern beinhaltet, jedoch nicht dazu taugt, die von Moore gezogenen Schlussfolgerungen und somit auch seine Theorie zu stützen. (a) Die Kritik Moores Nozick behauptet, ein anderes Individuum könne durch eine Aneignung entweder geschädigt werden, indem es die Gelegenheit verliere, seine Situation durch eine bestimmte Aneignung zu verbessern.591 Oder aber eine Aneignung führe da589 590 591
Vgl. Nozick, Anarchy, State, and Utopia, S. 176. Vgl. Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 78. Siehe Nozick, Anarchy, State, and Utopia, S. 176.
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zu, dass ein anderes Individuum nicht länger imstande sei, weiterhin zu nutzen, was es früher frei nutzen konnte.592 Mit beiden Varianten stellt Nozick ersichtlich auf die hier präferierten faktischen Handlungsmöglichkeiten der Individuen ab. Danach ist eine Aneignung moralisch gerechtfertigt, soweit der Vergleich zwischen Ausgangs- und Aneignungszustand ergibt, dass niemand eine Einbuße an Aneignungs- oder Nutzungsmöglichkeiten erleidet. Beides wird von Moore angegriffen. Gegen die erste Variante wendet er ein, danach könne niemals eine Aneignung legitim sein, denn jeweils gehe diese mit dem Verlust der Möglichkeit anderer, den konkret angeeigneten Gegenstand anzueignen, einher.593 Doch auch eine Sichtweise, die auf artgleiche Gegenstände abstelle, sei verengt: Dadurch, dass lediglich die Möglichkeit der Aneignung fokussiert werde, werde die Existenz anderer moralisch relevanter Faktoren übersehen, die unter Umständen in diesen Fällen zu einer Besserstellung führen könnten.594 Auch in Hinblick auf die zweite Variante differenziert Moore zwei verschiedene Lesarten, die er beide verwirft. Lege man einen engen Nutzungsbegriff zugrunde, der die Nutzung des konkret angeeigneten Objekts betreffe, so sei eine Aneignung niemals legitim, da sie stets mit dem Verlust dieser Nutzungsfreiheit verbunden sei.595 Doch auch die Erweiterung des Begriffs auf die Nutzung artgleicher Gegenstände ist Moore zufolge nicht befriedigend. Diese Version sei zu schwach, da sie übersehe, dass Individuen auch dann, wenn im Moment der Aneignung artgleiche Gegenstände zur Nutzung übrig blieben, zukünftige Möglichkeiten verlieren könnten, Dinge zu nutzen oder Vermögen zu erwerben.596 Moore versucht diesen behaupteten Defiziten durch einen all things considered view aus dem Weg zu gehen. Eine derartige allgemeine Lesart der Proviso stelle sicher, dass ein konkretes Aneignungsobjekt nie allein, gleichviel, ob in einem Zustand des Überflusses oder der Knappheit, moralisch relevant sein, sondern nur innerhalb eines „individual’s overall level of well-being“597 zählen könne. Dies bedeutet, dass Moore alle denkbaren faktischen und normativen Handlungsmöglichkeiten bei dem Vergleich zwischen Ausgangs- und Aneignungszustand einbezieht. So kann nur nach einer Gesamtsaldierung von verlorenen und gewonneVgl. Nozick, Anarchy, State, and Utopia, S. 176. Siehe Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 74; auch Nozick hat sich mit einer ähnlichen, als „reverse argument“ (ders., Anarchy, State, and Utopia, S. 180) bezeichneten Begründung gegen diese Fassung des Schädigungsbegriffs gewandt. Siehe auch Locke, Second Treatise, § 33, der behauptet, niemand könne sich in seinen Rechten verletzt fühlen, sofern jemand einen Schluck Wasser aus einem Fluss trinke. 594 Vgl. Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 74 f. Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 110, bezieht sich auf eine Aussage von Locke, Second Treatise, § 37: Derjenige, der sich durch seine Arbeit Land aneignet, verkleinere nicht das Gemeingut, sondern vergrößere dieses. 595 Vgl. Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 75, 76. 596 Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 77 f.; er stützt sich insofern maßgeblich auf Gauthier, Morals by Agreement, S. 279. 597 Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 88. 592 593
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nen Handlungsmöglichkeiten aller Arten die Frage eine Schädigung beurteilt werden. In dieser Überlegung steckt der Kompensationsgedanke, den Moore verschiedentlich hervorhebt.598 Damit tritt die Frage, ob und wann eine Schädigung im Sinne der Proviso vorliegt, in den Hintergrund. Stattdessen ist nun von Bedeutung, ob eine Aneignung eine ungerechtfertigte Schädigung (unjustifiable harm) hervorruft.599 Infolgedessen hängt die Wirkungsweise der Proviso davon ab, welchen normativen Handlungsmöglichkeiten man innerhalb einer Abwägung den Vorrang einräumt. Ob man, wie Moore es tut, bei dieser Beurteilung maßgeblich eine weite ökonomische Perspektive600 einnimmt, nach der es auf den Stand des materiellen Wohlbefindens (level of material well-being), inklusive Möglichkeitseinbußen (opportunity costs), ankommt601, oder aber mit Gordon verengend allein die Bedeutung kommunikativer Freiheiten betont602, und infolgedessen ein „loss of freedom of expression“ kaum für kompensationsfähig hält603, ist dann nur noch eine Frage der Gewichtung gegenläufiger Prinzipien. (b) Schwächen der Mooreschen Kritik Die Einwände, die Moore gegen einen Standpunkt vorbringt, der allein faktische Handlungsmöglichkeiten als relevant erachtet, sind plausibel. In der Tat scheint es merkwürdig, eine Aneignung allein deswegen moralisch zu verwerfen, weil sie andere daran hindert, den konkreten Gegenstand selber anzueignen oder zu nutzen, obwohl artgleiche Gegenstände in ausreichendem Maße vorhanden sind. Das Beispiel einer Person, die durch das Trinken eines Schluckes Wasser oder das Einatmen der Luft Handlungen vornimmt, die schwerlich als moralisch verwerflich gekennzeichnet werden können, ist dafür paradigmatisch. Ebenfalls kann es eine Rolle im moralischen Kontext spielen, ob eine Aneignung – obwohl keine artgleichen Gegenstände zur Aneignung oder Nutzung existieren – kompensatorische Vorteile mit sich bringt, die die Nachteile überwiegen. Dennoch treffen diese Einwände nicht die hier vertretende Auffassung, eine zum Moralprinzip reformulierte Proviso setze einen Schädigungsbegriff voraus, dessen normativer Aspekt allein im Rückgriff auf faktische Handlungsmöglichkeiten gewonnen wird. Denn in der Sache wendet sich die Argumentation Moores gegen eine Alleinstellung der Proviso als Moralprinzip und ihren externen Geltungsbereich. Es geht um ihr Verhältnis zu anderen Prinzipien der Moral, nicht aber um ihre interne Beschaffenheit. Hierzu etwa Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 109 f. Vgl. Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 83. 600 Zu den verschiedenen Prämissen, die Moore zu dieser Perspektive bewegen, vgl. ders., Intellectual Property&Information Control, S. 84 ff. 601 So Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 95. 602 Zum engen Schädigungsbegriff bei Gordon vgl. dies., Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1564). 603 Hierzu Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1572, 1609). 598 599
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Natürlich gilt – wie auch bei anderen Prinzipien der Fall – das Moralprinzip der Proviso nur unter einer bestimmten Vorrangrelation, die von den konkreten Umständen der zu beurteilenden Aneignung und anderen gegenläufigen Prinzipien abhängig ist.604 Dies sollte aber nicht dazu führen, die Proviso aus dem Spektrum gegenläufiger Moralprinzipien abzuziehen, indem ihr eigenständiger Gehalt durch Integration derselben eliminiert würde. In diesem Lichte zeigt sich auch, dass der all things considered view, vermittels dessen Moore die material-normative Dimension des Schädigungsbegriff bestimmt und die beschriebenen Abwägungsprozesse in die Proviso verlegt, nicht adäquat ist. Der darin enthaltene Gedanke, dass die moralische Beurteilung einer Aneignung nicht allein an der Proviso zu messen, sondern dass deren moralisches Urteil mit gegenläufigen Prinzipien in Einklang zu bringen sei, ist extern zu realisieren. Er nötigt nicht, die Abwägung konkurrierender Prinzipien innerhalb der Proviso selbst zu vollziehen. Ganz im Gegenteil führte – wie oben gezeigt wurde – ihre Einbeziehung zur Aufgabe der Proviso als eigenständiges Moralprinzip und zum Verzicht auf die Teilnahme an dieser Abwägung. 2. Applikation Es gilt nun, das Schranken-basierte Rechtfertigungsmodell, das auf den letzten Seiten dargelegt wurde, auf das Urheberrecht zu übertragen. Dabei kann in zweierlei Hinsicht keine weitreichende Rechtfertigung des Urheberrechts erwartet werden. Die erste Einschränkung liegt bereits dem deontischen Charakter der reformulierten Proviso zugrunde: Dadurch, dass sie moralisch Auskunft darüber gibt, ob eine Aneignung erlaubt ist, kann sie nicht die Einführung eines Urheberrechtssystems gebieten. Sie kann allenfalls – was unter a) geprüft wird – eine institutionelle Rechtfertigung im Sinne einer moralischen Möglichkeit begründen. Selbst unter der unwahrscheinlichen Annahme, dass nur eine konkrete Ausgestaltung des Urheberrechtssystems der Proviso entspräche, wäre daher keine Einführung desselben moralisch geboten. Ebenso gut ist dann denkbar, auf die Einführung eines Urheberrechts ganz zu verzichten; der normative Gehalt der Proviso liegt eben nicht in dem strikten Gebot eines bestimmten Verhaltens, sondern in der Legitimation desselben im Falle seiner Durchführung. Immerhin bedeutet dies, dass ex post ein Urheberrechtssystem verboten werden kann, sofern es der Proviso widerspricht. Dann ist es moralisch unmöglich. Doch auch die inhaltliche Rechtfertigung des Urheberrechts – sogleich b) und c) – ist Grenzen unterworfen. Grund hierfür ist der neuralgische Punkt der Proviso, der weniger in ihrer moralischen Plausibilität denn in der Bestimmung ihrer tatbestandlichen Merkmale liegt. Wann eine Schädigung anderer vorliegt, ist nur unter Einbeziehung normativer Vorgaben zu beantworten. Je genauer diese Antwort 604 Vgl. hierzu die Ausführungen zur Prinzipienkollision bei Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 78 ff.
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ausfallen soll, desto stärkere normative Prämissen sind der Proviso einzugeben. Indes ist gezeigt worden, dass diese material-normative Dimension des Schädigungsbegriffs notwendigerweise schwach gehalten werden muss: allein faktische Handlungsmöglichkeiten dürfen moralische Relevanz besitzen. Schwache normative Annahmen führen jedoch zu schwachen normativen Aussagen. Es bleibt so ein großer Bereich offen, der gleichermaßen nach der Proviso erlaubt ist. Dieser muss durch andere moralische Prinzipien geregelt werden. Der Kernbereich dessen, was die reformulierte Proviso überzeugend zu leisten vermag, ist daher die Begründung eines moralischen Rahmens, innerhalb dessen mannigfache Urheberrechtssysteme moralisch erlaubt sind.
a) Institutionelle Rechtfertigung des Urheberrechts Kann das Urheberrecht als Institution durch eine Schranken-basierte Rechtfertigung moralisch begründet werden? Dies hängt davon ab, ob eine exklusive Rechtsbeziehung zwischen Urhebern und ihren geistigen Werken dem Verbot, andere Mitmenschen nicht zu schädigen, entspricht. Nach allem richtet sich dies nach zwei Kriterien: Aus formal-analytischer Sicht liegt eine Schädigung nur dann vor, wenn sich die Situation eines anderen nach der exklusiven Rechtszuordnung des geistigen Werks (Aneignungszustand) schlechter darstellt, als im Vergleich zur Situation unmittelbar vor dieser Rechtszuweisung (Ausgangszustand). Aus material-normativer Hinsicht ist bei diesem Vergleich allein ein Verlust an faktischen Handlungsmöglichkeiten relevant, die im Ausgangszustand vorhanden waren. Dabei kann es sich entweder um aktuelle aa) oder aber potentielle bb) Handlungsmöglichkeiten handeln.
aa) Verlust aktueller Handlungsmöglichkeiten? Erfahren Mitmenschen durch die Existenz des Urheberrechts einen Verlust aktueller Handlungsmöglichkeiten? Diese Frage ist aus zwei Gründen zu verneinen. Zunächst spricht hierfür ein Gedanke, der die formal-analytische Dimension des Schädigungsbegriffs betrifft. Eine Schädigung liegt nur vor, wenn das Urheberrecht anderen etwas entzieht, was ihnen zuvor – also im Ausgangszustand – zur Verfügung gestanden hat. Somit ist ausgeschlossen, eine Schlechterstellung zu begründen, indem die Situation des Urhebers mit derjenigen der Nicht-Urheber im Aneignungszustand verglichen wird. Der festzustellende Rechtezuwachs des Urhebers – und die damit korrespondierende Pflicht anderer Individuen – ist daher allenfalls ein Nachteil, nicht aber eine Schädigung der übrigen Mitmenschen. Doch auch dann, wenn der Ausgangs- mit dem Aneignungszustand verglichen wird, kann dergleichen nicht festgestellt werden. Denn die Freiheitseinschränkung, der potentielle Nutzer im Aneignungszustand unterliegen, resultiert nicht aus einer Reduzierung früherer aktueller Handlungsmöglichkeiten – vor der Erschaffung des
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Werks konnte logischerweise niemand die Freiheit besitzen, dieses Werk zu nutzen. Vielmehr resultiert die gefühlte Einschränkung daraus, dass durch die Schöpfung des Urhebers neue tatsächliche Nutzungsmöglichkeiten geschaffen werden, deren Gebrauch zugleich rechtlich limitiert wird. Bisweilen wird jedoch versucht, dieses Resultat zu entkräften. Dies dadurch, indem behauptet wird, die fehlende Nutzungsmöglichkeit – vor allem im Vergleich zu privilegierten Nutzern – bedeute ein Gefühl der Frustration oder Machtlosigkeit.605 Dieser Einwand geht an der obigen Argumentation vorbei. Zwar mag sein, dass derartige Gefühle bei anderen Individuen existieren. Doch beruhen diese ja nicht auf einem Verlust faktischer Handlungsmöglichkeiten, sondern auf einer unterbliebenen Einräumung derselben – Handlungsmöglichkeiten, die nach der Werkschaffung erstmals offen stehen, werden anderen Menschen zugleich verboten. An eine Schädigung ist dann nur zu denken, wenn man von moralischen Rechten der Individuen ausgeht, alle je tatsächlich verfügbaren Werke nutzen zu dürfen. Das hier diskutierte Moralprinzip der Proviso ist für derartige Überlegungen allerdings blind. Weder knüpft es aufgrund seiner Fokussierung der Schädigung an eine Besserstellung an, noch erlaubt sein rechtsbegründender Charakter, die Frage der Schädigung mit Blick auf normative Handlungsmöglichkeiten anderer zu beantworten. Deshalb können Erwägungen, die z. B. an anthropologisch verankerte Informationsbedürfnisse anknüpfen und diesen einen moralischen Status einräumen, in diesem argumentativen Kontext keine Rolle spielen.
bb) Verlust potentieller Handlungsmöglichkeiten? Eine Schädigung anderer durch das Urheberrecht scheint eher denkbar, wenn man nicht die aktuellen, sondern die potentiellen Handlungsmöglichkeiten untersucht, die anderen Individuen im Ausgangszustand offen stehen. Die Annahme, das Urheberrecht führe nach diesen Kriterien zu einer Schädigung anderer Individuen, kann theoretisch auf zweifache Art begründet werden. Einerseits ist denkbar, zu behaupten, die potentielle Möglichkeit, das jeweilige geistige Werk zu nutzen, sei anderen genommen worden. Andererseits kann darauf abgestellt werden, dass die Möglichkeit, das jeweilige geistige Werk selbst zu erschaffen, weggefallen sei. Es geht also darum, ob anderen Individuen (i) ihr potentieller Status als Urheber – also eine Erschaffungsmöglichkeit – oder (ii) ihr potentieller Status als Nutzer – eine Gebrauchsmöglichkeit – genommen wird. Beide Aspekte sind nicht von der Hand zu weisen. Sie betreffen letztlich aber nicht die institutionelle, sondern, auf je verschiedene Weise, die inhaltliche Rechtfertigung des Urheberrechts. (i) So hat Nozick zwar das im Patentrecht geltende Prioritätsprinzip als Schädigung begriffen, die in dem Verlust der zukünftigen Möglichkeit bestehe, die glei605 Weinreb, Harv. L. Rev. 111 (1998), S. 1150 (1218 f., 1224 f.); in die gleiche Richtung geht die Argumentation von Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1567 ff.).
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che Erfindung zu tätigen.606 Er hat dies aber keineswegs zum Anlass genommen, die Legitimität des Patentrechts an sich zu verwerfen. Stattdessen bietet ihm dies einen Weg, die limitierte Dauer von Patenten anhand der Proviso zu rekonstruieren: Um eine Schädigung zu vermeiden, sei eine zeitliche Beschränkung aufzuerlegen, die sich daran ausrichten müsse, wie lange es gedauert haben würde, ohne Kenntnis dieser Erfindung eine unabhängige Entdeckung zu machen.607 Im Bereich des Urheberrechts sieht die Lage nicht anders aus. Die Idee Nozicks stellt nicht die Institution des Urheberrechts in Frage; sie lässt vielmehr einige Merkmale, die in geltenden Urheberrechtssystemen auftauchen, als moralisch notwendig erscheinen. So wird der Grundsatz der Doppelschöpfung608, demzufolge anderen Individuen offensteht, das gleiche Werk zu schaffen und dafür in den Genuss des Urheberschutzes zu gelangen, plausibel. Im Licht der Proviso stellt er sich als eine Maßnahme dar, Eingriffe in potentielle Erschaffungsmöglichkeiten zu vermeiden. Ganz gelingt dies freilich nicht: Derjenige, der seine Urheberschaft an einer angeblichen Doppelschöpfung behauptet, trägt jetzt immerhin die Beweislast, sein Werk als originär und nicht – wenn auch unbewusst – dupliziert auszuweisen.609 Doch kann eine befristete Dauer des Urheberrechts dazu dienen, diesen Resteingriff zu kompensieren. (ii) Ähnlich verhält es sich, wenn man danach fragt, ob die potentielle Handlungsmöglichkeit, das Werk zu nutzen, durch ein Urheberrecht beschnitten wird. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn das jeweilige Werk auch ohne die Einräumung des Urheberrechts geschaffen worden wäre. Allein hier kann davon gesprochen werden, dass eine potentielle Gebrauchsmöglichkeit betroffen ist. Weinreb hat nämlich mit Recht hervorgehoben, dass die Verneinung jener Frage stillschweigend voraussetze, dass die Werkschaffung durch den Erwerb des Urheberrechts kausal bzw. motivatorisch bedingt sei. Denn sofern ein derartiger Zusammenhang nicht vorliege, werde anderen Menschen die potentielle Werknutzung durch die – insoweit unnötige – Einräumung des Urheberrechts entzogen.610 Ob und in welchem Maße ein solcher Kausalzusammengang existiert, berührt indes nicht die institutionelle Rechtfertigung des Urheberrechts. Er zeigt allein, mit welchem Inhalt ein solches Recht moralisch begründet werden kann. Denn wenn die Moralität des Urheberrechts davon abhängt, ob das je geschützte Werk durch dessen Existenz motivatorisch bedingt ist, dürfen eben nur Werke geschützt werden, die dies erfüllen. Dies führt zur Aufgabe, die tatbestandlichen Bedingungen zu benennen, denen geistige Werke entsprechen müssen.
606 Child, The Monist 73 (1990), S. 578 (588 f.), ist dagegen der Auffassung, dass selbst das Patentrecht aufgrund der unendlich großen Menge aneignungsfähiger Ideen zu keiner Schädigung anderer führe. 607 Siehe Nozick, Anarchy, State, and Utopia, S. 182. 608 Vgl. etwa Schack, Urheberrecht, Rdnr. 161. 609 Dazu Rehbinder, Urheberrecht, Rdnr. 49. 610 So Weinreb, Harv. L. Rev. 111 (1998), S. 1150 (1218).
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b) Tatbestand des Urheberrechts Die Bewertung des urheberrechtlichen Tatbestands im Licht der Proviso kann die vorhergehenden Erwägungen aufgreifen, um zu klären, welche geistigen Werke legitimerweise geschützt werden dürfen. Der Tatbestand des Urheberrechts muss derart konstruiert werden, dass er einen Eingriff in potentielle Erschaffungs- wie Nutzungsmöglichkeiten anderer Individuen vermeidet. Der erste Aspekt lässt sich anhand folgender Frage aufwerfen: Sollte nur der konkrete Ausdruck einer Idee oder bereits die darin enthaltende Idee selbst geschützt werden? Die Antwort ergibt sich aus den Merkmalen, die die bisherige Präzisierung des Schädigungsbegriffs hervorgebracht hat. Da erstens von einer Schädigung anderer nur gesprochen werden kann, wenn sich eine negative Differenz zwischen Ausgangs- und Aneignungszustand ergibt, und zweitens diese Schädigung allein auf einer Minderung aktuell oder potentiell vorhandener Handlungsmöglichkeiten basieren kann, die faktischer Natur sind, besteht zwischen einer Idee und ihrem Ausdruck kein moralischer Unterschied.611 Gleichermaßen wird durch den an ihre Schaffung anknüpfenden Schutz nicht in eine bestehende und nur begrenzt in eine zukünftige Handlungsmöglichkeit eingriffen. Evident ist dies vor allem in Bezug auf aktuell bestehende Handlungsmöglichkeiten: Solange bestimmte Ideen noch nicht geschaffen sind, gehören sie nicht zum faktischen Bestand kommunikativer Handlungsfreiheiten. Dergleichen ist allein denkbar, wenn man von einem moralischen Recht und so von einer Handlungsfreiheit normativer Art ausgeht, am jeweils aktuell oder potentiell verfügbaren Bestand aller Kommunikationsformen vollständig teilzuhaben.612 Solche Erwägungen, die durchaus plausibel sind, können in dem hier diskutierten Moralprinzip jedoch nur dann eine Rolle spielen, wenn es den Begriff der Schädigung in Abhängigkeit von anderen normativen Prinzipien definierte. Da dies letztlich – wie oben gezeigt – zur Auswechslung des moralischen Prinzips führte, können derartige Ansichten nicht in die Proviso integriert werden, ohne zugleich ihren eigenständigen rechtsbegründenden Charakter aufzugeben. Dies mag misslich sein und einen berechtigten Grund darstellen, diese Art von Legitimation zu kritisieren. Immerhin öffnet es aber den Blick dafür, was heutzutage in entsprechenden Diskursen als normativ unhintergehbar vorausgesetzt wird. Möglich erscheint allein, den tatbestandlichen Verzicht eines Schutzes von Ideen im rekonstruktiven Licht der Proviso als einen Versuch zu deuten, die Schädigung anderer durch den Verlust potentieller Erschaffungsmöglichkeiten gering zu halten. Diesem Ansatz verleiht Nachdruck, dass die Wege und Möglichkeiten, Ideen einen 611 In diesem Sinne ebenfalls Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 154 ff., wenngleich ohne nähere Begründung; anders im Ergebnis hingegen Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1581). 612 In diese Richtung geht Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1581), wenn sie eine Schädigung auch bei unwahrscheinlichen Ideen damit begründen will, dass deren Schutz zumindest die „equality of creative liberty“ verletze.
B. Kollektivistische Rechtfertigungsmodelle
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Ausdruck zu verleihen, potentiell vielgestaltiger sind als die Ideen selbst. Infolgedessen ist man – selbst wenn man daran glaubt, dass das Universum denkbarer Ideen nahezu unbegrenzt ist – dazu gezwungen, zumindest ein theoretisch größeres Maß an Handlungsrestriktion zuzugeben. Eine größere Reduzierung des potentiellen Bestands kommunikativer Freiheiten, die sich als Schädigung anderer Individuen darstellt, kann aber – ebenso wenig wie beim Schutz des Ausdrucks – keine moralische Erklärung für einen völligen Schutzverzicht bieten. Zwar wäre auch hier die Anerkennung einer Doppelschöpfung kein adäquates Mittel, diesen Verlust völlig zu neutralisieren.613 Doch kann die größere Einschränkung potentieller Erschaffungsmöglichkeiten durch die Festlegung einer geringeren Schutzdauer des Urheberrechts an Ideen berücksichtigt werden.614 Die gleiche Argumentation trifft im Übrigen auch auf andere Kriterien zu, die jenseits der Dichotomie von Idee und Ausdruck an die Schutzfähigkeit eines Werks gestellt werden. So kann der Grad der Wahrscheinlichkeit einer Schöpfung, der sich in geltenden Urheberrechtssystemen als Originalität oder Gestaltungshöhe tatbestandlich manifestiert, ebenfalls nicht zu einem Schutzverzicht führen. Seine moralische Relevanz findet er erst bei der Frage der Schutzdauer. Schließlich muss der Tatbestand des Urheberrechts noch einen zweiten Aspekt berücksichtigen: Er muss ebenfalls einen Eingriff in potentielle Nutzungsmöglichkeiten anderer Individuen vermeiden. Ein derartiger Eingriff ist dann anzunehmen, wenn das Urheberrecht auch solche Werke schützt, die ohne diesen Schutz geschaffen worden wären. In einem derartigen Fall würden andere Menschen geschädigt, indem ihnen die zukünftige Möglichkeit entzogen würde, das jeweilige Werk zu nutzen.615 Existiert ein Werk jedoch deswegen, weil der Urheber es in der Erwartung schuf, anschließend ein Urheberrecht zu erwerben, trifft dies nicht zu – wenn es ohne das Urheberrecht niemals existierte, kann es durch dasselbe schließlich niemandem entzogen werden. Die Moralität des urheberrechtlichen Tatbestands führt insofern auf folgende Frage zurück: Welche Werke benötigen einen Anreiz in Form des Urheberrechts, um erschaffen zu werden? Diese Frage berührt die Probleme der sog. Anreizfunktion des Urheberrechts. Da sie im Mittelpunkt der Effizienz-basierten Rechtfertigung des Urheberrechts steht, werden ihre Probleme dort behandelt.616 Festzuhalten bleibt aber, dass das Urheberrecht, sofern es mit dem Schädigungsverbot gerechtfertigt werden soll, nur solche Werke erfassen 613 Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1582), erkennt dies ebenfalls, schließt daraus aber voreilig, dass Ideen nicht geschützt werden dürften. 614 Dagegen spricht nicht, dass so das Problem entstünde, bei der Dauer des Urheberrechts zwischen einer Idee und ihrem Ausdruck differenzieren zu müssen. Diese Unterscheidung, die ohne Frage höchsten Schwierigkeiten ausgesetzt ist, ist ja bei einem Schutzverzicht ebenfalls zu vollziehen, nämlich auf der Ebene des Tatbestands. 615 Zwar gilt dies nur unter der Voraussetzung, dass das jeweilige Werk überhaupt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Geschieht dies nicht, so ist freilich auch das Urheberrecht selbst nur eine theoretische Erwägung. 616 Siehe unten B. II. 3. a).
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
darf, deren Existenzgrund das Urheberrecht selbst ist. Im Einzelfall mögen hier große erkenntnismäßige Probleme bestehen; doch müsste zumindest der Versuch gemacht werden, Werkgattungen zu bestimmen, deren Schaffung typischerweise einen Anreiz benötigt. c) Rechtsfolgen des Urheberrechts Da das Urheberrecht nur legitim ist, soweit und solange es niemandem einen Schaden zufügt, sind auch seine Rechtsfolgen nur in diesem Maße legitim. Eine Schranken-basierte Rechtfertigung, die auf dem allgemeinen Schädigungsverbot basiert, erlaubt daher nur solche Rechtsfolgen des Urheberrechts, die keine faktischen Handlungsmöglichkeiten anderer beschneiden. Da es – wie bereits gezeigt – hier maßgeblich um potentielle Erschaffungs- und Nutzungsmöglichkeiten anderer geht, steht die zeitliche Befristung des Urheberrechts im Mittelpunkt aa). Dagegen tritt die Frage, welche Rechte an die Einräumung des Urheberrechts geknüpft werden dürfen, in den Hintergrund bb). aa) Dauer des Urheberrechts In Hinblick auf die Dauer der Urheberrechts, die sich mittels der Proviso moralisch begründen lässt, ist bereits erwähnt worden, dass ein Gedankengang fruchtbar gemacht werden kann, den Nozick in Bezug auf das Patentrecht entwickelt hat.617 Danach schädige zwar das Patentrecht insoweit niemanden, als es keiner Person etwas entziehe, was ihr zuvor zur Verfügung gestanden habe. Doch schädige das Patent jene Menschen, die den gleichen Gegenstand unabhängig davon später erfunden hätten. Um diese Schlechterstellung zu vermeiden, fordert Nozick, auch im Patentrecht eine unabhängige Doppelschöpfung rechtlich anzuerkennen.618 Doch entgeht ihm nicht, dass eine derartige Anerkennung angesichts der tatsächlichen Barrieren, mit denen sie konfrontiert wird, nicht ausreicht. Sofern eine Erfindung in die Welt tritt, erhöht sich nämlich die Wahrscheinlichkeit, dass sie bewusst oder unbewusst in unser Wissen tritt: Sie vermindert dadurch „drastically [ . . . ] the chances of actual independent invention.“619 Aufbauend auf der Annahme, dass in Abwesenheit der ursprünglichen Erfindung jemand die gleiche Erfindung gemacht haben würde, erblickt er daher die Lösung in einer zeitlichen Befristung des Patents. Diese müsse – im Sinne einer groben Faustregel – sich daran annähern, wie lang es gedauert hätte, bis die gleiche Erfindung, unabhängig und ohne Kenntnis von ihrer bisherigen Existenz, gemacht worden wäre.620 617 Diese Überlegung findet sich bei Nozick, Anarchy, State, and Utopia, S. 182; für die Übertragung dieser Gedanken Spector, EIPR 8 (1989), S. 270 (271). 618 Dieser Argumentation folgend Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 163 ff. 619 Nozick, Anarchy, State, and Utopia, S. 182.
B. Kollektivistische Rechtfertigungsmodelle
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Die Quintessenz dieses Gedankengangs besteht also – übertragen auf das Urheberrecht – darin, die von ihm verursachte Beeinträchtigung potentieller Handlungsmöglichkeiten zu kompensieren, indem das Urheberrecht nur solange gewährt wird, wie es gedauert hätte, bis sich die nur potentiell bestehenden Möglichkeiten aktualisiert hätten. Dies resultiert daraus, dass die rechtliche Anerkennung einer Doppelschöpfung nur vordergründig imstande ist, den eingeschränkten Handlungsspielraum wiederherzustellen. Einerseits aufgrund der Tatsache, dass das Werk bewusst oder unbewusst Eingang in unsere Vorstellungswelt findet, und daher die Wahrscheinlichkeit einer Doppelschöpfung abnimmt.621 Andererseits – das ist dem Gedankengang Nozicks hinzuzufügen – wegen der rechtlichen Erschwerung, die in der Bürde der Beweislast besteht.622 Ob diese Argumentation imstande ist, eine zeitliche Befristung des Urheberrechts moralisch zu legitimieren, hängt davon ab, ob ihre zentrale Prämisse auch hier gilt: Ist es tatsächlich so, dass jedes Werk zwangsläufig geschaffen wird? Ist es – um mit Moore zu sprechen – plausibel zu glauben, dass „had Picasso not painted or Bach not created that someone else sometime later would have created similar expressions?“623 Zweifellos muss die Antwort auf diese Frage aus heutiger Sicht – will man nicht einem geschichtsphilosophischen Determinismus anheim fallen – negativ ausfallen. Trotzdem wäre verfehlt, wie Moore es tut624, vorschnell daraus zu folgern, dass eine zeitliche Befristung des Urheberrechts per se ausgeschlossen ist.625 Denn immerhin steht außer Frage, dass nicht die Existenz aller vom Urheberrecht geschützten Werke eine gleiche Unwahrscheinlichkeit besitzt.626 Durch die obige Feststellung wird daher allein eine Befristung der urheberrechtlichen Schutzdauer diskreditiert, die jedes Werk betrifft und unterschiedslos eine einheitliche Dauer festsetzt. Hingegen ist im Licht der Proviso moralisch erlaubt, ein System der zeitlichen Befristung zu implementieren, das in ausdifferenzierter Weise die unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsgrade einer zwangsläufigen Schöpfung widerspiegelt. Einerseits ausgehend vom tendenziellen Variationsgefälle, das zwischen Idee und Ausdruck besteht, andererseits die je vorhandene Einzigartigkeit oder Vgl. Nozick, Anarchy, State, and Utopia, S. 182. In diesem Sinne ebenfalls Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 169; vgl. auch Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1582), die davon spricht, dass gleichsam eine Infektion anderer stattfinde. 622 Obschon Nozick erkennt, dass die Beweislast den späteren Erfinder trifft, scheint er dies nicht als eine Schlechterstellung zu realisieren, ders., Anarchy, State, and Utopia, S. 182. 623 Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 167. 624 Vgl. Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 167 ff. 625 Spector, EIPR 8 (1989), S. 270 (271), tendiert ebenfalls dazu, das Urheberrecht zeitlich zu befristen. Durch seine pauschale Annahme, die identische oder ähnliche Erschaffung urheberrechtlicher Werke sei „highly unlikely“, folgert er allerdings, dass – im Gegensatz zum Patentrecht – eine längere Dauer zu wählen sei, da eine Schädigung anderer „over a lengthy period of time“ auszuschließen sei. 626 Dies erkennt im Übrigen auch Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 167. 620 621
15 Stallberg
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
Gewöhnlichkeit berücksichtigend, legt ein derart gestuftes System fest, ob und in welchem Maße die Dauer des Urheberrechts begrenzt ist. Das beschriebene System einer zeitlichen Befristung ist aus Sicht des hier diskutierten Moralprinzips das allein moralisch mögliche.627 Nur so wird verhindert, dass andere eine Schädigung erfahren, indem ihre zum Zeitpunkt der Schöpfung potentiellen Handlungsmöglichkeiten – Erschaffung und Nutzung des Werks – reduziert werden. Freilich bedeutet die praktische Umsetzung eines solchen Systems nur eine Annäherung an diesen moralischen Anspruch. Denn ein nach den obigen Kriterien gestuftes System, das theoretisch von zeitlich unbefristeter bis zu einer relativ kurzen oder gar keinen Schutzdauer reichen kann, ist auf die Festlegung konkreter Zeiträume angewiesen, die notwendigerweise von Unterschieden im Einzelfall absehen. Dies bedeutet nicht, dass derartige Festlegungen willkürlich sind – sie beruhen ja auf nachvollziehbaren Berechnungsgrundlagen. Die Begrenzung des menschlichen Erkenntnisvermögens führt aber zwangsläufig dazu, dass die nach der Proviso moralisch gebotene Einschränkung in vielen Fällen nicht oder nicht vollständig erreicht wird. Daraus kann jedoch kein generelles Argument gegen eine Befristung des Urheberrechts gewonnen werden. Wer wie Moore die exakte Bestimmbarkeit der zeitlichen Dauer in Frage stellt, um eine Befristung zu unterbinden628, wendet sich tatsächlich nicht gegen ihre moralische Richtigkeit, sondern gegen ihre epistemologische Erkennbarkeit. Zwischen beiden Aspekten einen Zusammenhang herzustellen, hieße, von jeder Ethik Abschied zu nehmen. Das von der Proviso gebotene System bleibt so zwar nur eine regulative Idee im Kantschen Sinne629; ihre moralische Geltung wird aber nicht dadurch beeinträchtigt, dass ihre Befolgung nur annäherungsweise möglich ist.
bb) Art der Rechte Eine Schranken-basierte Rechtfertigung stützt alle jene Rechte des Urhebers, durch die keine anderen Individuen geschädigt werden. Dabei ist Folgendes zu berücksichtigen: Bislang wurde gezeigt, dass die Proviso dazu führt, dass die exklusive Zuordnung eines konkreten geistigen Erzeugnisses solange legitimiert ist, bis der Zeitpunkt erreicht wird, an dem seine Hervorbringung durch eine andere Person hypothetisch zu erwarten gewesen wäre. Innerhalb dieses Zeitraums, der – je nach Unwahrscheinlichkeit der konkreten Schöpfung – von gar keinem bis zu einem ewigen Schutz reichen kann, bleiben aber alle faktischen Handlungsmög627 Daher können die in anderen Begründungszusammenhängen durchaus plausiblen Hinweise Moores (ders., Intellectual Property&Information Control, S. 167 ff.), die vor allem den Vergleich zum Eigentum an körperlichen Gegenständen heranziehen, hier keine Rolle spielen. 628 So etwa Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 168. 629 Zum Begriff des regulativen Prinzips der Vernunft Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 472.
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lichkeiten, die anderen im Ausgangszustand potentiell zustanden, unangetastet. Keine Rolle kann daher spielen, in welchem Ausmaß welche Rechte dem Urheber an seinem Werk gesetzlich eingeräumt werden.630 Keines der Nutzungs- oder Persönlichkeitsrechte, die an das erschaffene Werk anknüpfen, ist imstande, innerhalb der moralisch legitimierten Schutzdauer zu einer Reduzierung potentieller Handlungsmöglichkeiten zu führen. Das bedeutet zugleich, dass eine Vielzahl von Urheberrechtssystemen mit unterschiedlich stark ausgeprägten Rechten des Urhebers denkbar ist, die gleichermaßen andere Individuen nicht schädigen. Welches dieser Systeme ist aber aus moralischer Sicht vorzugswürdig? Es liegt nahe, auf die Perspektive des Urhebers abzustellen: Diejenige Regelung, die ihm einen Schaden zufügt, ist moralisch zu verwerfen; unter jenen, die gleichermaßen ohne Schlechterstellung auskommen, muss der Gesetzgeber eine Wahlentscheidung treffen. In diesem Licht scheint die ablehnende Haltung verständlich, die Moore in Bezug auf den Erschöpfungsgrundsatz631 und die amerikanische Fair Use Doctrine632 einnimmt. Beide Einschränkungen des Urheberrechts hält er für moralisch illegitim; nur ihre vertragliche Implementierung zwischen Urhebern und Nutzern sei möglich. Während die Abwendung vom Erschöpfungsgrundsatz allein von der Motivation geprägt ist, sich von einer wohlfahrtsmaximierenden Rechtfertigung zu lösen, argumentiert Moore hinsichtlich des Fair Use Grundsatzes zusätzlich mit der verschlechterten Situation des Urhebers: Der Verlust an Kontrolle, der mit einer derartigen Schranke einhergehe, sei ein „relevant kind of worsening or harm“633. Indem man der Proviso – so wie es Gordon ebenfalls tut634 – eine reziproke Wirkungsweise einschreibt, deren moralischer Fokus sowohl die Schädigung anderer als auch die des Urhebers umfasst, gerät folgende Frage ins Visier: Erleidet der Urheber überhaupt einen Verlust an Kontrolle über sein Werk, sofern der Gesetzgeber ihm kein oder nur ein beschränktes Urheberrecht verleiht? Diese Frage muss verneint werden – ein Schadenseintritt auf Seiten des Urhebers ist a priori ausgeschlossen. Anders als körperliche Gegenstände, deren Verdinglichung bereits ein Maß an faktischer Kontrolle und Ausschluss anderer ermöglicht, unterliegen geistige Gehalte nicht einer derartigen Kontrolle. Es ist daher nicht möglich, davon zu sprechen, dass der Urheber durch die Verwehrung oder nur eingeschränkte Einräumung eines Urheberrechts eine zuvor bestehende, faktische Kontrolle über sein Werk verliert. Richtig ist vielmehr, dass nie eine Kontrolle bestand, die er verlieren konnte. Ganz im Gegenteil: Durch die Verleihung eines Urheberrechts, das – gleichviel in welchem Umfang es gewährt wird – nichts anderes als die rechtliche 630 Anders hingegen Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1605), die der Auffassung ist, dass die Fair Use Doctrine Teil jeder „intellectual property doctrine“ sein müsse. 631 Siehe Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 156 ff., 174. 632 Dazu Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 160 ff., 174. 633 Moore, Intellectual Property&Information Control, S. 162. 634 Vgl. etwa Gordon, Yale L. J. 102 (1993), S. 1533 (1561).
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Konstruktion eines künstlichen Dominiums ist, stehen ihm Kontrollmöglichkeiten offen, die ihm zuvor nicht zur Verfügung standen.635 Durch die Institution des Urheberrechts wird aus Sicht der Proviso damit nicht eine Reduzierung, sondern in jedem Fall eine Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten des Urhebers bewirkt. In dem Maße, als eine Nichteinräumung als Kontrollverlust und damit Schädigung des Urhebers empfunden wird, wird der moralische Gehalt der Proviso überstiegen. Dergleichen lässt sich nur durch den Rückgriff auf externe Prinzipien bewerkstelligen, die bereits vorgängig dem Urheber ein moralisches Recht auf sein Werk verleihen. Nimmt man etwa eine individualistische Perspektive ein, so ist in der Tat denkbar, dass dem Urheber eine ihm moralisch zustehende Kontrolle entzogen wird. Dass sich dies jedoch nicht mit dem hier diskutierten Moralprinzip verträgt, sofern es überhaupt Moralprinzip bleiben soll, wurde bereits gezeigt.
3. Zusammenfassung Eine Schranken-basierte Rechtfertigung stellt das normativ voraussetzungsärmste Modell einer kollektivistischen Rechtfertigung des Urheberrechts dar. Sie nimmt nicht etwa an, dass das Urheberrecht gerechtfertigt ist, weil es zur Befriedigung tatsächlich bestehender oder doch zumindest erwünschter gesellschaftlicher Bedürfnisse notwendig sei. Vielmehr versucht sie das Urheberrecht moralisch zu rechtfertigen, indem sie behauptet, es stehe im Einklang mit einem begrenzenden Prinzip: Dadurch, dass das Urheberrecht sich an eine minimale Schranke halte, der alles menschliche Handeln unterliege, sei dessen gesetzliche Einführung erlaubt, also moralisch möglich. Das bedeutet zugleich, dass eine Schranken-basierte Rechtfertigung nur zu einem institutionell schwach legitimierten Urheberrecht gelangt. Denn ist seine Einführung nur moralisch möglich, so man kann ebenso gut auf sie verzichten. Die Wirkung einer Schranken-basierten Rechtfertigung beschränkt sich also darauf, darüber Auskunft zu geben, ob ein Urheberrecht, sofern es besteht, erlaubt oder verboten ist. Dieses Modell ist vorstehend anhand des Grundsatzes des neminem laedere, also dem Gebot, niemandem Schaden zuzufügen, diskutiert worden. Dabei wurden seine normativen Aussagen allgemein (1) und hinsichtlich des Urheberrechts (2) präzisiert, um sie anschließend auf Tatbestand (3) und Rechtsfolgen (4) des Urheberrechts anzuwenden. Wie soeben angedeutet, besitzt eine solche Rechtfertigung nicht zu unterschätzende Nachteile (5). (1) Bei der tatbestandlichen Konkretisierung des allgemeinen Schädigungsverbots wurden zwei Dimensionen des Schädigungsbegriffs herausgearbeitet, eine formal-analytische und eine material-normative. Erstere betrifft die Wahl der Zustände, die bei Feststellung einer Schädigung sinnvollerweise zu vergleichen sind. 635 Vom Standpunkt Gordons, die ja normative Handlungsmöglichkeiten der Individuen im Kommunikationsbereich annimmt, ist es gar geboten, dass die Fair Use Doctrine im Bereich der Intellectual Property Rights existiert (dies., Yale L. J. 102 [1993], S. 1533 [1605]).
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Diese Zustände – Ausgangs- und Aneignungszustand – müssen zeitlich verschieden sein. Die zweite Dimension betrifft die Frage, welche Güter, Bedürfnisse, Interessen etc. in den beiden Zuständen moralisch zählen. Diese Positionen lassen sich mit dem Begriff der faktischen und normativen Handlungsmöglichkeit erfassen. Erstere sind solche, die einem Menschen tatsächlich aktuell oder potentiell offenstehen. Letztere betreffen dagegen Handlungen, die einem Menschen offenstehen sollen, also zustehen. Für das Schädigungsverbot sind allein faktische Handlungsmöglichkeiten moralisch relevant. Nur so wird verhindert, dass es seiner rechtsbegründenden Funktion enthoben wird. Denn je stärker das Schädigungsverbot externe Werte integriert, desto weniger erzeugt es eigene moralische Aussagen. Dass eine normative Handlungsmöglichkeit nicht beschränkt werden darf, ergibt sich ja bereits aus dieser selbst, und nicht erst aus dem Schädigungsverbot. (2) Ein derart ausdifferenziertes Prinzip verlangt also, dass das Urheberrecht nicht in faktisch bestehende Handlungsmöglichkeiten anderer eingreift. Da ein Eingriff in aktuelle Handlungsmöglichkeiten ausscheidet – vor Erschaffung eines Werks konnte ja niemand die Freiheit besitzen, es zu nutzen! –, kann dies nur bedeuten, keine potentiellen Handlungsmöglichkeiten anderer einzuschränken. Daraus ergeben sich zwei Maßgaben für das Urheberrecht: Einerseits muss es so ausgestaltet sein, dass es anderen nicht die potentielle Möglichkeit nimmt, das jeweilige geistige Werk zu nutzen. Andererseits muss das Urheberrecht beachten, dass es nicht die potentielle Möglichkeit anderer einschränkt, das jeweilige geistige Werk selbst zu erschaffen. Mit anderen Worten: Das Urheberrecht darf anderen Individuen weder ihren potentiellen Status als Urheber – also eine Erschaffungsmöglichkeit – noch ihren potentiellen Status als Nutzer – eine Nutzungs- bzw. Gebrauchsmöglichkeit – nehmen. (3) Um auf tatbestandlicher Seite einen Eingriff in potentielle Erschaffungsmöglichkeiten anderer zu verhindern, scheint es nahe zu liegen, auf den Schutz von Ideen zu verzichten. Da es mehr Wege geben dürfte, Ideen einen Ausdruck zu verleihen als jene selbst zu entwickeln, besteht ein theoretisch größeres Maß an Handlungsrestriktion. Dennoch bietet dies – ebenso wie beim Schutz des Ausdrucks – keine moralische Erklärung für einen völligen Schutzverzicht. Denn die größere Einschränkung potentieller Erschaffungsmöglichkeiten kann immerhin durch die Festlegung einer geringeren Schutzdauer des Urheberrechts an Ideen berücksichtigt werden. Die tatbestandliche Gleichstellung von Ideen und ihrem Ausdruck ist daher ebenso wie ihre Unterscheidung moralisch möglich. Gleiches gilt für Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines geistigen Werks, wie sie sich etwa in einer bestimmten Gestaltungshöhe, Originalität etc. äußern. Diese müssen ebenfalls nicht zu einem Schutzverzicht, sondern können mit gleichem Recht zu einer modifizierten Schutzdauer führen. Damit der Tatbestand des Urheberrechts zudem einen Eingriff in potentielle Nutzungsmöglichkeiten anderer Individuen vermeidet, darf er jedoch nur solche geistigen Werke schützen, die aufgrund des Urheberrechts geschaffen wurden. Das sind
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solche Werke, die nur existieren, weil ihr Urheber sie in der Erwartung schuf, anschließend ein Urheberrecht zu erwerben. Denn nur dann, wenn ein Geisteswerk ohne das Urheberrecht niemals existierte, kann es durch dasselbe niemandem entzogen werden. Andernfalls würde anderen Menschen die zukünftige Möglichkeit entzogen, das jeweilige Werk zu nutzen. Welche Werke einen Anreiz in Form des Urheberrechts benötigen, um erschaffen zu werden, ist zwar schwierig zu beantworten.636 Doch entbindet dies nicht von der Aufgabe, diese Frage tatbestandlich zu berücksichtigen. (4) Auf der Rechtsfolgenseite muss berücksichtigt werden, dass durch Verleihung eines Urheberrechts potentielle Erschaffungs- und Nutzungsmöglichkeiten anderer Individuen eingeschränkt werden können. Um eine Schädigung zu vermeiden, ist daher der Grad dieser Einschränkung, der von der Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit des je geschützten Werkes abhängt, durch die Dauer des Schutzrechts auszugleichen. Je wahrscheinlicher die Schöpfung eines Werks ist, desto kürzer muss seine Schutzdauer sein. Eine zeitliche Befristung durch eine statische Regel, wie sie üblicherweise in Urheberrechtssystemen zu finden ist, kann dies – soweit nicht eine minimale Dauer eingesetzt wird – nicht gewährleisten. Sie ist daher moralisch unmöglich. Um dem Schädigungsverbot zu entsprechen, ist eine dynamische Regel erforderlich, die die unterschiedlichen Einschränkungsintensitäten zeitlich übersetzt und insofern kompensiert. Innerhalb dieser Dauer ist die Art der eingeräumten Rechte dann belanglos: Alle faktischen Handlungsmöglichkeiten, die anderen im Ausgangszustand potentiell zustanden, bleiben unangetastet. Da der Zeitpunkt, in dem sie sich aktualisiert hätten, mit dem Ende der Schutzdauer zusammenfällt, ist jede Ausgestaltung des Urheberrechts nach Art und Umfang gleichermaßen moralisch erlaubt. (5) Eine Schranken-basierte Rechtfertigung des Urheberrechts besitzt zwei Nachteile. Einerseits gelangt sie nur zur moralischen Möglichkeit des Urheberrechts, d. h. das Urheberrecht ist nicht geboten, sondern erlaubt. Sie kann daher niemals als Argument für die Einführung oder Beibehaltung des Urheberrechts dienen, sondern nur gegen bestimmte Urheberrechtssysteme in Stellung gebracht werden. Andererseits gilt auch dies nur in sehr beschränktem Maße. Denn sie eröffnet einen großen Bereich, innerhalb dessen mannigfache Gestaltungen des Urheberrechts gleichermaßen moralisch möglich sind. Dies zusammen bedeutet, dass eine Schranken-basierte Rechtfertigung sowohl institutionell wie inhaltlich zu schwachen Aussagen gelangt. Jede moralische Begründung des Urheberrechts, die derart vorgeht, ist daher eine minimale. Der Nachteil dieses Modells liegt damit in seinem offenkundigen Vorzug: Durch die Beschränkung auf eine plausible gesellschaftliche Schranke – hier: das Gebot der Nichtschädigung – ist es zwar blind gegenüber mannigfachen Werten, die, sei es berechtigt oder unberechtigt, eine gewichtige Rolle im praktischen Diskurs über das Urheberrecht spielen. Der Vorzug 636 Näheres zu den Problemen dieser sog. Anreizfunktion des Urheberrechts bei der Effizienz-basierten Rechtfertigung.
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einer Schranken-basierten Rechtfertigung liegt allerdings darin, dass ihr Verzicht auf normativ gehaltvolle Präsuppositionen diese zugleich vor Augen führt.
II. Effizienz-basierte Rechtfertigung Die mit Abstand populärste und meistdiskutierte Variante einer kollektivistischen Rechtfertigung des Urheberrechts beruht auf dessen ökonomischer Lesart. Dies gilt besonders für den angloamerikanischen Bereich, wo das einschlägige Schrifttum kaum noch zu übersehen ist.637 Trotz aller Unterschiede im Detail und verschiedener Gewichtungen lässt sich das Programm dieser Rechtfertigung auf eine gemeinsame Formel bringen. Diese besteht in der Vorstellung, das Urheberrecht „can be explained as a means for promoting efficient allocation of resources.“638 Es wird demnach als Mittel gedeutet, das zu einer ökonomisch effizienten Produktion und Verwendung der von ihm geschützten immateriellen Werke führe.639 Bei dieser Erklärung bleibt es jedoch nicht. Schließlich wird nicht nur gezeigt, dass das Urheberrecht – in einer bestimmten Ausgestaltung – ökonomisch sinnvoll ist. Daneben wird dieser Tatbestand auch dazu benutzt, auf dessen moralische Notwendigkeit zu schließen. Erst durch diesen Schritt steht am Ende einer ökonomischen Analyse des Urheberrechts zugleich ein Legitimitätsanspruch – dieser lässt sich als Effizienz-basierte Rechtfertigung des Urheberrechts bezeichnen. Diese Art der Argumentation stützt sich auf zwei Quellen. Ihr empirischer Ausgangspunkt ist das Grundproblem der klassischen Wirtschaftswissenschaften: Mit diesen geht sie davon aus, dass angesichts knapper Ressourcen und unendlicher menschlicher Bedürfnisse Verteilungskonflikte entstehen. Um diese Konflikte so klein wie möglich zu halten, ist erforderlich, Ressourcen nicht zu verschwenden, sondern effizient einzusetzen. Sie müssen also so verwendet werden, dass tendenziell ein Maximum an Bedürfnisbefriedigung aller Menschen erreicht wird (sog. Allokationseffizienz).640 Ihr normativer Ideengeber ist dagegen der Utilitarismus. 637 Die Zahl der Beiträge, die sich mit diesem Thema beschäftigen, nimmt ständig zu; siehe allein zum bisherigen Schrifttum die umfangreiche Bibliographie bei Gordon / Bone, in: Bouckaert / De Geest (Ed.), Encyclopedia of Law and Economics, Vol. II, S. 189 (204 ff.). Neben unzähligen Aufsätzen gibt es mittlerweile auch mehrere Monographien, hervorzuheben sind hier Landes / Posner, The Economic Structure of Intellectual Property; daneben Gordon / Watt, The Economics of Copyright; Towse, Creativity, Incentive and Reward; Watt, Copyright and Economic Theory. 638 Landes / Posner, J. Legal Stud. 18 (1989), S. 325 (325) [Hervorhebung von mir]. 639 Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (308), trennt hingegen diese Gesichtspunkte. Je nachdem, ob die Produktion oder Verwendung geistiger Werke im Vordergrund steht, unterscheidet er zwischen einem incentive approach und einem neoclassicist approach. In dieser Arbeit werden indes beide Gesichtspunkte unter dem Begriff der Effizienz-basierten Rechtfertigung gefasst. 640 Zum Begriff der Allokationseffizienz Samuelson / Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, S. 176.
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
Mit diesem nimmt sie an, dass die Moralität menschlicher Handlungen bzw. Institutionen von deren gesellschaftlichen Konsequenzen abhängen. Ebenso teilt sie die Auffassung, dass es dabei um die Erreichung eines gesellschaftlichen Optimalzustands menschlichen Wohlbefindens gehe, wenngleich sie die bekannte Formel des „greatest happiness of the greatest number“ mit dem Begriff der Allokationseffizienz in einem spezifisch ökonomischen Sinne ausfüllt.641 Im nachfolgenden ersten Teil (1.) werde ich mich mit den skizzierten Grundlagen der Effizienz-basierten Rechtfertigung des Urheberrechts beschäftigen. Dabei werden zwei Fragenkreise angesprochen: Auf welchen Annahmen basiert die ökonomische Analyse des Urheberrechts und wie kann behauptet werden, dass das Urheberrecht ein Effizienzpromoter ist? Und: Wie lässt sich dies für eine moralische Begründung des Urheberrechts nutzbar machen? Anschließend (2.) werde ich zeigen, wie das dargestellte Argumentationsmuster benutzt wird, um einzelne Merkmale des Urheberrechts moralisch zu rekonstruieren oder zu kritisieren. Zuletzt (3.) werden einige Einwände gegen eine Effizienz-basierte Rechtfertigung des Urheberrechts vorgebracht. Angesichts der vielfältigen Unterschiede und der umfangreichen Literatur muss sich die folgende Darstellung auf die Grundlinien einer solchen Argumentation beschränken; dies gilt besonders für den zweiten und dritten Teil.
1. Die Grundlagen des Effizienzarguments Das Argument, mit dem Vertreter der Effizienz-basierten Rechtfertigung das Urheberrecht legitimieren wollen, lässt sich auf zwei Annahmen zurückführen. In einem ersten Schritt wird angenommen, ein rechtliches Exklusivverhältnis zwischen Urhebern und ihren Werken sei ökonomisch sinnvoll, also effizient. Sodann wird in einem zweiten Schritt mithilfe der Prämisse, dass das, was ökonomisch sinnvoll auch normativ gesollt sei, die moralische Notwendigkeit des Urheberrechts behauptet. Der Schwerpunkt der folgenden Darstellung liegt auf der ersten Prämisse: Wie kann gezeigt werden, dass das Urheberrecht – zunächst allein verstanden als exklusives Recht des Urhebers – ein taugliches Mittel ist, die Bedürfnisbefriedigung in einer Gesellschaft zu befördern? Dazu werde ich in a) allererst klären, auf welchen impliziten wirtschaftswissenschaftlichen Voraussetzungen diese Fragestellung beruht, um anschließend die Antwort des Effizienzarguments in diesem Kontext begründen zu können. Im nachfolgenden Teil b) werde ich dann die zweite Annahme, die die ökonomische Analyse des Urheberrechts erst moralisch nutzbar macht, skizzieren. Schließlich werde ich die Ergebnisse in systematischer Form festhalten c).
641 Zu den Unterschieden dieser beiden Ansätze Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 177 ff.
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a) Das Urheberrecht als Effizienzpromoter Die ökonomische Lesart des Urheberrechts basiert auf der klassischen Problemsituation der Wirtschaftswissenschaften: unendliche Bedürfnisse der Menschen auf der einen stehen einer Knappheit von Ressourcen auf der anderen Seite gegenüber.642 Daraus ergibt sich die Fragestellung, wie Ressourcen so eingesetzt und verwendet werden können, dass sie ein Höchstmaß an Bedürfnisbefriedigung aller erreichen und nicht verschwendet werden. Dieses Maximum ist der ideale Zustand der sog. Allokationseffizienz – jede höhere Bedürfnisbefriedigung eines Individuums ginge hier zu Lasten eines anderen.643 Aufgabe der Ökonomen ist es, zu zeigen, wie dieser Zustand erreicht oder doch zumindest befördert werden kann. Wie kann ein effizienter Einsatz von Ressourcen – jedenfalls theoretisch – gewährleistet werden? Die Effizienz-basierte Rechtfertigung des Urheberrechts integriert die beiden Gesichtspunkte dieser Fragestellung – Effizienzbegriff und Wege zur Effizienz – in ihre Argumentation. Sie legt einen Maßstab fest, der die Beurteilung eines effizienten Einsatzes von Ressourcen ermöglicht aa), und setzt mit der traditionellen Ökonomik voraus, dass diese Aufgabenstellung idealiter durch den Markt gelöst wird bb). Hierauf aufbauend wird behauptet, dass in Hinblick auf Immaterialgüter ein Versagen des Marktes vorliege cc), das am effizientesten durch die Institution des Urheberrechts korrigiert werden könne dd). aa) Zustand der Allokationseffizienz Wann ist die Verwendung von Ressourcen zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse in einer Gesellschaft effizient oder doch zumindest effizienter als in einem anderen Zustand? Das Effizienzargument muss ein Kriterium angeben, das diese Frage beantwortet. Ansonsten wäre es ihm unmöglich, zu zeigen, dass die Institution des Urheberrechts ökonomisch effizient ist. Wie aber kann gemessen werden, ob aggregierte Bedürfnisse einer Vielzahl von Individuen in einem Zustand A mehr oder weniger erfüllt werden als in einem Zustand B? Eine nahe liegende mathematische Verrechnung des Nutzens verschiedener Individuen, wie es noch Bentham644 getan hat, hat sich als haltlos erwiesen.645 Das Effizienzargument kann sich heutzutage jedoch auf zwei Maßstäbe stützen, die die neuere Wohlfahrtsökonomik zur Lösung jener Problematik entwickelt hat.646 Nach dem sog. 642 Zu diesem Ausgangspunkt der Wirtschaftswissenschaften Samuelson / Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, S. 28, 29. 643 Vgl. auch Samuelson / Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, S. 176. 644 Vgl. Bentham, An Introduction to the Principles of Morals and Legislation, S. 38 ff. 645 Zu den Problemen, die dieses Verfahren durch das Erfordernis einer kardinalen Nutzenmessung und eines interpersonellen Nutzenvergleichs besitzt, siehe Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 41 ff. 646 Zu diesen beiden Maßstäben vgl. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 48 ff.; Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 25 ff.
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
Pareto-Kriterium ist ein gesellschaftlicher Zustand B einem gesellschaftlichen Zustand A vorzuziehen (pareto-superior), wenn zumindest ein Gesellschaftsmitglied B bevorzugt und (i) niemand anders A bevorzugt oder aber (ii) alle anderen indifferent sind.647 Ein Zustand, bei dem eine Verbesserung stets nur gelingt, wenn zugleich mindestens eine Person schlechter gestellt wird, ist hiernach pareto-optimal. Das ist der Zustand der Allokationseffizienz. Weniger konsenstheoretisch verfährt hingegen das Kaldor / Hicks-Kriterium bei der Feststellung, wann ein größeres Ausmaß an Bedürfnisbefriedigung vorliegt. Damit ein Zustand B einem Zustand A vorzuziehen ist, ist zwar auch hier notwendig, dass mindestens ein Individuum B bevorzugt. Doch ist nunmehr unbeachtlich, ob andere Gesellschaftsmitglieder A präferieren und in B daher schlechter gestellt wären. Entscheidend ist allein, dass diejenigen, die Zustand B bevorzugen, dort die Anhänger von A kompensieren könnten, und zugleich selbst noch einen Vorteil behielten.648 Aufgrund der Impraktikabilität, der das Pareto-Kriterium aufgrund seines Konsenserfordernisses ausgesetzt ist – welche Maßnahmen haben schon keine nachteiligen Folgen? –, wird heutzutage überwiegend das Kaldor / Hicks-Kriterium benutzt.649 Auch Vertreter einer Effizienz-basierten Rechtfertigung des Urheberrechts stützen sich auf dieses Kriterium. Im Anschluss an Posner wird allerdings zumeist, ohne dass dies in der Sache einen Unterschied macht, vom Kriterium der Vermögensmaximierung gesprochen (wealth maximization). 650 Diese Bezeichnung drückt aus, dass das Bestehen einer Kompensationsmöglichkeit von monetären Gesichtspunkten abhängig ist.651 Ob eine Maßnahme die Allokationseffizienz befördert, wird so eine monetäre Frage, bei der Gewinne und Verluste saldiert werden. Eine Sozialverbesserung liegt dann vor, wenn eine Ressource – Bodenschätze, Dienste, Güter etc. – im neuen Zustand dorthin gelangt, wo sie einen größeren oder gar den größten Wert besitzt. Dieser Wert wird daran gemessen, welchen Geldbetrag Menschen bereit sind, für sie zu zahlen, oder aber wieviel Geld sie auf der Angebotseite dafür verlangen.652 Ein einfaches Beispiel soll dies veranschaulichen. Wenn A ein Buch besitzt, das er für einen Betrag von 25 A verkaufen würde, 647 Bisweilen wird hiervon ein schwaches Pareto-Kriterium unterschieden. Danach ist ein Zustand B einem Zustand A nur dann vorzuziehen, wenn alle Gesellschaftsmitglieder B vorziehen. 648 Vgl. Kaldor, Econ. J. 69 (1939), S. 550 (551). Aus diesem Grund wird eine Verbesserung im Sinne des Kaldor / Hicks-Kriteriums auch als potentiell Pareto-Superior bezeichnet, vgl. Posner, Economic Analysis of Law, S. 13. 649 Vgl. Posner, Economic Analysis of Law, S. 13: „When an economist says that free trade or competition or the control of pollution or some other policy or state of the world is efficient, nine times out of ten he means Kaldor-Hicks efficient.“ [Hervorhebung von mir]. 650 Vgl. etwa Posner, J. Legal. Stud. 8 (1979), S. 103 (119 ff.); ders., The Problems of Jurisprudence, S. 356 ff.; ders., Economic Analysis of Law, S. 10 ff. 651 Dies liegt daran, dass in den wenigsten Fällen noch Tauschgeschäfte vorgenommen werden, die eine Kompensation in Naturalien ermöglichen. 652 Siehe Posner, Economic Analysis of Law, S. 10; ders., The Problems of Jurisprudence, S. 356.
B. Kollektivistische Rechtfertigungsmodelle
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und B bereit ist, für dieses Buch 50 A zu zahlen, führt die Vornahme dieser Transaktion – sofern keine negativen Effekte für Dritte entstehen – stets zu einer sozialen Verbesserung in Höhe von 25 A. Dabei ist gleichgültig, auf welchen Preis sich A und B einigen. Vereinbaren die Parteien z. B. einen Preis von 40 A, so besitzt B nun ein Buch, das für ihn einen Wert von 50 A besitzt. Seine monetäre Bedürfnisbefriedigung erhöht sich daher um 10 A.653 Ebenfalls verbessert sich die Situation von A: er hat ein Buch für 40 A verkauft, das für ihn nur einen Wert von 25 A besaß. Daher erhöht sich seine monetäre Bedürfnisbefriedigung um 15 A.654 Selbst wenn diese Transaktion negative Effekte für Dritte auslöst, kann sie doch effizient sein. Dies ist solange der Fall, wie eine Schädigung Dritter nicht den Gewinn von 25 A übersteigt und daher eine Kompensation möglich ist.655 Dieses Beispiel zeigt, dass das Vermögensmaximierungs-Kriterium, anders als sein Name suggeriert, nicht die Vermögensmaximierung zum primären Ziel erhebt. Sie ist vielmehr Reflex oder angenommener Indikator einer nicht-pekuniären Steigerung der Bedürfnisbefriedigung, hier bei B.656
bb) Das Marktmodell Das Vermögensmaximierungs-Kriterium korrespondiert mit dem ökonomischen Marktmodell, auf dem das Effizienzargument beruht. Dahinter steht die Vorstellung vom Markt als einen Mechanismus, mit dessen Hilfe die Verwendung von Ressourcen gelenkt wird.657 Nach den je vorhandenen Bedürfnissen seiner Teilnehmer bilden sich durch Angebot und Nachfrage Preise, die handlungssteuernde Wirkung entfalten. Sie signalisieren den Marktteilnehmern, wie sie sich verhalten 653 Die positive Differenz zwischen dem Preis, den man zu zahlen bereit und imstande ist, und dem Preis, den man letztendlich zahlt, nennt man in ökonomischen Kontexten Konsumentenrente (consumer surplus); hierzu Pindyck / Rubinfeld, Microeconomics, S. 122 ff., 290 ff. 654 Der positive Saldo zwischen dem Preis, den man für ein Produkt verlangt, und dem Preis, den man tatsächlich bekommt, heißt Produzentenrente (produce surplus), siehe Pindyck / Rubinfeld, Microeconomics, S. 290 ff. 655 Prima facie erscheint denkbar, dass eine Kaldor / Hicks-Verbesserung auch dann eintritt, wenn B das Buch dem A nicht abkauft, sondern unentgeltlich entwendet. Schließlich liegt auch hier eine gesteigerte Bedürfnisbefriedigung i.H.v. 25 A vor: B hat einen Nutzenzugewinn von 50 A, B einen Verlust von 25 A. Dennoch besteht Posner – ohne dies erkennbar zu begründen – darauf, dass gezahlt werden müsse (ders., J. Legal. Stud. 8 [1979], S. 103 [121 ff.]; ders., The Problems of Jurisprudence, S. 357). Zwei Gründe dürften für die Richtigkeit dieser Forderung sprechen. Erstens ist nur so eine monetäre Kompensation von Schädigungen Dritter möglich; und zweitens steht nur so ein halbwegs objektiver Maßstab zur Verfügung, an dem die subjektive Wertschätzung überhaupt gemessen werden kann. 656 Siehe auch Posner, The Problems of Jurisprudence, S. 356: „But the real addition to social wealth consists of the $10 increment in nonpecuniary satisfaction that A derives from the purchase, compared with that of B.“ [Hervorhebung im Original]. 657 Zum Marktbegriff siehe Pindyck / Rubinfeld, Microeconomics, S. 9 ff.; Samuelson / Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, S. 50 ff.
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
müssen, um ihren Eigennutzen zu erhöhen, d. h. ihre Präferenzen zu befriedigen. Produzenten werden diejenigen Güter anbieten, bei denen sie ihre Gewinne maximieren können; Konsumenten werden hingegen solche Güter kaufen, die ihre Bedürfnisse am effizientesten befriedigen. Der Marktmechanismus regelt damit den Einsatz von Ressourcen in dreierlei Weise: er entscheidet darüber, welche Güter produziert werden, auf welche Weise dies geschieht, und wohin sie gelangen. Die aggregierten Entscheidungen, die der Markt hervorbringt, sind hierbei nicht beliebig oder willkürlich. Indem seine Teilnehmer überwiegend rational agieren – dies ist die Annahme des homo oeconomicus –, werden Ressourcen stets so eingesetzt, dass sie zu einer Steigerung der in Geldeinheiten gemessenen Bedürfnisbefriedigung führen. Automatisch treten Sozialverbesserungen im Sinne des Kaldor / Hicks- oder Vermögensmaximierungs-Kriteriums ein. In einem funktionierenden Markt führt die rationale Verfolgung eigener Interessen daher zugleich zu einem Zuwachs des gesellschaftlichen Gesamtwohls – das ist das Prinzip der unsichtbaren Hand, das zuerst Adam Smith formulierte.658 Allerdings kann dies nur optimal gelingen, wenn verschiedene Idealbedingungen erfüllt sind, die sich als perfekter oder vollständiger Wettbewerb bezeichnen lassen.659 Liegen diese vor, so bildet der Preis eines Guts stets den wirklichen Wert (Grenznutzen) als auch die vollständigen Kosten (Grenzkosten) einer jeden zusätzlichen Produkteinheit ab.660 Diese Bedingungen lassen sich alle auf die Signalwirkung von Preisen zurückführen. Wo Marktpreise nicht mehr den wirklichen gesellschaftlichen Bedarf von Ressourcen widerspiegeln, sondern einzelne Kosten- und Nutzenaspekte ausblenden, führt der Markt zu einer Nicht-, Unter- oder Überbenutzung dieser Ressourcen. Die Handlungen von Produzenten und Konsumenten werden dann von falschen monetären Signalen gelenkt. Man spricht hier von einem Marktversagen (market failure).661 In solchen Fällen kann es gerechtfertigt sein, wenn staatliche Maßnahmen diese Mängel korrigieren und den Markt simulieren. Ein vollständiger Wettbewerb setzt nun die folgenden vier Merkmale voraus: Erstens dürfen keine Monopole bestehen: hier kann und wird ein einzelner Anbieter den Preis eines Guts über dessen eigentlichen Nutzen erhöhen, so dass dies zu einer Unterbenutzung führt.662 So stellte bereits Mill fest, dass „the usual instrument for producing artificial dearness is monopoly.“663 Eine der wichtigsten Be658 Zum Ganzen Samuelson / Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, S. 52 ff., 59 ff., besonders S. 318 ff. 659 Zu diesen Bedingungen Pindyck / Rubinfeld, Microeconomics, S. 611 ff.; Samuelson / Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, S. 59 ff., 327. 660 Siehe Samuelson / Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, S. 177. 661 So Pindyck / Rubinfeld, Microeconomics, S. 296: „Loosely speaking, market failure means that prices fail to provide the proper signals to consumers and producers, so that the market does not operate as we have described it.“ 662 Zu den Einzelheiten siehe Pindyck / Rubinfeld, Microeconomics, S. 354 ff. 663 Mill, Principles of Political Economy, Book V Ch. X § 4.
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dingungen ist zweitens das Nichtbestehen von Externalitäten. Nur diejenigen Personen, die über eine Transaktion entscheiden, dürfen von deren Nutzen und Kosten betroffen sein.664 Sowohl nützliche als auch schädliche Effekte einer Transaktion auf Dritte sind zu vermeiden. Der Grund ist einleuchtend: Je nach Art des externen Effekts – positiv oder negativ – ist der wirkliche soziale Nutzen oder Schaden einer Transaktion höher bzw. niedriger, als der Marktpreis den Parteien zu verstehen gibt. Ein Produkt wird dann entweder unter- oder überproduziert. Drittens impliziert das Vorliegen eines vollständigen Wettbewerbs die vollständige Informiertheit seiner Teilnehmer; nur so können Marktentscheidungen authentisch sein. Und viertens dürfen Güter keinerlei Handelsbeschränkung unterliegen. Denn ist ein Gut überhaupt nicht oder nur unter Inkaufnahme von Transaktionskosten frei handelbar, so wird womöglich verhindert, dass es dorthin gelangt, wo es den höchsten Preis erzielt und damit den höchsten Wert besitzt.
cc) Marktversagen bei geistigen Werken Eine Effizienz-basierte Rechtfertigung des Urheberrechts knüpft an die obigen Bedingungen an. Sie nimmt an, dass ein Marktversagen in Hinblick auf geistige Werke vorliege. Der Marktmechanismus sei nicht imstande, den Gebrauch und Einsatz von geistigen Werken effizient zu regulieren. Diese Behauptung setzt allererst voraus, dass geistige Werke überhaupt eine ökonomische Relevanz besitzen und die Frage ihrer effizienten Nutzung aufwerfen. Dies ist nur dann der Fall, wenn ein Konflikt um knappe Ressourcen entsteht. Erstens ist notwendig, dass überhaupt ein Bedarf an denjenigen geistigen Objekten besteht, die üblicherweise vom Urheberrecht geschützt werden. Und zweitens müssen diese Bedürfnisse zwangsläufig zu einem Verteilungskonflikt führen. Während die erste Voraussetzung von Vertretern der Effizienz-basierten Rechtfertigung nicht thematisiert und wie selbstverständlich angenommen wird665, findet die zweite Voraussetzung stärkere Beachtung. Schließlich kann ein Verteilungskonflikt nur dort entstehen, wo die nachgefragten Güter in ihrer Verwendung begrenzt sind – in einer Welt des Überflusses sind Fragen der ökonomischen Effizienz belanglos.666 Ist dies aber auch bei geistigen Objekten der Fall? Dagegen scheinen zwei ontologische Eigenschaften geistiger Werke zu sprechen, die ihnen den Status von sog. public goods verleihen667: ihre
Siehe hierzu Gordon, Colum. L. Rev. 82 (1982), S. 1600 (1607). Angedeutet aber bei Gordon, in: Ott / Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse der rechtlichen Organisation von Innovationen, S. 328 (348); ausdrücklich dies., in: dies. / Watt (Ed.), The Economics of Copyright, S. XIV (XVII): „However, more research is needed to determine how much new authorship the public does indeed desire.“ 666 Zum ökonomischen Zusammenhang zwischen Knappheit und Effizienz Samuelson / Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, S. 28, 29. 667 Vgl. etwa Cooter / Ulen, Law and Economics, S. 103; Gordon, Colum. L. Rev. 82 (1982), S. 1600 (1611); Landes / Posner, J. Legal Stud. 18 (1989), S. 325 (326); Palmer, 664 665
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Nicht-Rivalität und ihre Nicht-Exklusivität668. Von Nicht-Rivalität spricht man, wenn ein Gut benutzt werden kann, ohne dass dadurch sein Konsum durch andere eingeschränkt würde. Kurz: Es ist möglich, kostenneutral Bedürfnisse unendlich vieler Menschen zu befriedigen. Dieser Sachverhalt trifft bei geistigen Werken zu. Sobald die Informationen, die ein Buch, ein Musikstück etc. transportieren, bekannt geworden sind, können sie von allen Menschen benutzt werden, ohne dass jemand – insbesondere ihr Urheber – von ihrem Gebrauch ausgeschlossen wird. Die NichtExklusivität eines Guts besteht hingegen darin, dass es praktisch nicht möglich ist, andere von dessen Gebrauch auszuschließen, sobald es auf einem Markt gehandelt wird. Auch dies betrifft geistige Werke; ihr Gebrauch und ihr Zugang kann, sobald sie geäußert werden, aufgrund ihrer Unkörperlichkeit nur unter Inkaufnahme hoher Kosten kontrolliert werden. Infolgedessen scheint von vornherein nicht möglich, dass konfligierende Verwendungen geistiger Werke entstehen. Auch eine Übernutzung geistiger Werke, die zu der von G. Hardin bezeichneten „Tragedy of the Commons“ – zu ihrer Zerstörung – führt669, ist nicht denkbar.670 Denn geistige Werke werden durch ihren Gebrauch nicht verbraucht; im Gegensatz zu anderen public goods sind sie nicht erschöpfbar.671 Geistige Werke lösen insofern kein Problem der Bedürfnisbefriedigung aus, das ökonomisch gelöst werden müsste. Ganz im Gegenteil: Sie bieten allen Teilnehmern einer Gesellschaft die Gelegenheit, sie ohne Verursachung sozialer Kosten zu konsumieren.672 Es besteht insoweit also eine Überfluss-, keine Knappheitssituation an Ressourcen. Warum wird aber dennoch diese Hamline L. Rev. 12 (1989), S. 261 (275 f.); Posner, Economic Analysis of Law, S. 41; van den Bergh, Intell. Prop. Q. 1998, S. 17 (20); anders hingegen Garon, Cornell L. Rev. 88 (2003), S. 1278 (1328); differenzierend Croskery, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 631 (633). 668 Allgemein zu dieser Unterscheidung Pindyck / Rubinfeld, Microeconomics, S. 672 ff.; Croskery, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 631 (631 ff.). 669 Beispiel für dieses Resultat anhand von Weideland bei G. Hardin, in. ders. / Baden (Ed.), Managing the Commons, S. 16 (20, 21). 670 So vor allem Landes / Posner, J. Legal Stud. 18 (1989), S. 325 (362); ebenfalls Landes, George Ma. L. Rev. 9 (2000), S. 1 (11). Anders nunmehr Landes / Posner, U. Chi. L. Rev. 70 (2003), S. 471 (484 ff.); dies., The Economic Structure of Intellectual Property Law, S. 13 f., die die Möglichkeit einer Übernutzung geistiger Werke annehmen und daher den statischen Knappheitseffekt betonen; ebenfalls Gordon, in: Ott / Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse der rechtlichen Organisation von Innovationen, S. 328 (330 Fn. 5). 671 Theoretisch sind allerdings auch geistige Werke erschöpfbar. Denn ihre Existenz knüpft an diejenige von Menschen an. Ein Buch, ein Gemälde, ein Musikstück etc. besitzen nur insoweit einen geistigen Gehalt, als es Menschen gibt, die ihnen, jenseits der physischen Sinneswahrnehmungen, einen Bedeutungsgehalt zuschreiben. Auf einer Welt, auf der keine Menschen existierten, gäbe es daher ebenfalls keine geistigen Werke mehr. Übrig bliebe bedeutungs- und sinnleere Materie. Angesichts der Tatsache, dass dann auch keine Bedürfnisse mehr zu befriedigen wären, ist dies aber ökonomisch unbeachtlich. 672 So stellt auch Gordon, in: dies. / Watt (Ed.), The Economics of Copyright, S. XIV (XV), fest, dass historisch gesehen die public-good-Eigenschaft geistiger Werke kein Problem, sondern eine „opportunity“ war.
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Eigenschaft geistiger Werke nicht als Vorzug, sondern als ökonomisches Problem angesehen?673 Wenn in der public good-Eigenschaft geistiger Werke das Argument für eine effizienztheoretische Rechtfertigung des Urheberrechts gesehen wird, so beruht dies auf einem bisher ausgeblendeten Knappheitsaspekt. Es geht nicht um eine statische, sondern um eine dynamische Knappheit geistiger Werke.674 Mit anderen Worten: betroffen ist das menschliche Bedürfnis nach immer neuen geistigen Werken. Soweit ein stetes Bedürfnis nach diesen Gütern besteht – dies muss immer vorausgesetzt werden –, ist die fortwährende Produktion derselben erforderlich, um Konflikte menschlicher Bedürfnisse zu verhindern. Ökonomisch gesprochen: Es geht nicht um den statischen, sondern dynamischen Aspekt der Allokationseffizienz, der geistige Werke zum Gegenstand von Effizienzüberlegungen macht.675 Die Produktion geistiger Werke besitzt also ökonomische Relevanz. Führt nun der Marktmechanismus selbst zu einer entsprechenden Produktion geistiger Werke? Oder aber führt deren besondere Charakteristik zu einem Marktversagen? Letzteres wird von Vertretern des Effizienzarguments angenommen. Es wird behauptet, ohne eine Internalisierung des Nutzens geistiger Werke trete eine suboptimale Neuproduktion geistiger Werke ein. Diese Nichtfunktionalität des Marktes wird auf die public good-Eigenschaft geistiger Werke zurückgeführt. Aufgrund ihrer Nicht-Rivalität und Nicht-Exklusivität könnten Dritte geistige Werke benutzen, ohne eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Dieser externe Nutzeffekt führt dann zu einem Trittbrettfahrer-Problem.676 Viele Menschen werden ihr Bedürfnis nach und ihre Wertschätzung von geistigen Werken verschweigen, in der Hoffnung, diese Werke im Fall ihrer Herstellung kostenlos mitbenutzen zu können.677 Infolgedessen wird der soziale Wert geistiger Werke nicht länger in einem authentischen Marktpreis wiedergegeben. Die vom Markt dargestellte Bedürfnislage ist geringer, als dies in Wirklichkeit der Fall ist. Die Entscheidung eines potentiellen Urhebers darüber, seine Arbeitskraft und sonstige Ressourcen in die Kreierung neuer Werke zu investieren, wird von geringeren monetären Anreizen beeinflusst. Zudem muss ein zukünftiger Urheber befürchten, dass andere seine Werke kos673 So etwa Hadfield, Copyright L. Sym. 38 (1992), S. 1 (14); van den Bergh, Intell. Prop. Q. 1998, S. 17 (20). 674 Siehe Palmer, Hamline L. Rev. 12 (1989), S. 261 (276 Fn. 50); dies scheint Plant, Economica 1 (1934), S. 30 (31), zu verkennen, wenn er behauptet, das Urheberrecht sei nicht die Konsequenz, sondern die Kreierung von Knappheit; so auch Kinsella, J. Libertarian Stud. 15 (2001), S. 1 (22). 675 Zu den beiden Aspekten der Allokationseffizienz allgemein Bartling / Luzius, Volkswirtschaftslehre, S. 46; anders hingegen van den Bergh, Intell. Prop. Q. 1998, S. 17 (19), der den Begriff der Allokationseffizienz enger fasst. In Hinblick auf Immaterialgüter Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 577, 578. 676 Vgl. hierzu Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 96. 677 Gordon, U. Dayton L. Rev. 17 (1992), S. 853 (863 ff.), hat diese Situation mit dem sog. Gefangenendilemma rekonstruiert.
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tengünstiger – sie tragen ja nicht die Kosten der Werkschaffung – kopieren und verkaufen werden. Doch führt dies alles notwendig zu einer Unterproduktion geistiger Werke? Die dargelegte Argumentation ist nicht unumstritten. So wird angeführt, natürliche Wettbewerbsvorteile des Urhebers verhinderten ein Marktversagen. Zudem wird betont, auch im Fall des Marktversagens führten nicht-ökonomische Gründe zur Produktion geistiger Werke. Diese Kritik wird später eingehend erörtert.
dd) Die Anreizfunktion des Urheberrechts Wer das Effizienzargument verwendet, behauptet zusätzlich, dass das dargelegte Marktversagen am effizientesten durch die Institution des Urheberrechts korrigiert werde. Die exklusive Zuweisung geistiger Werke wird als Mittel gesehen, potentielle Urheber zur Werkschaffung zu motivieren. Das ist die angenommene Anreizfunktion des Urheberrechts – sie ist zwar nicht das einzige, aber doch das zentrale Paradigma der Effizienz-basierten Rechtfertigung.678 Dem liegt die Vorstellung zugrunde, die oben skizziert wurde. Es wird angenommen, dass ein potentieller Urheber nur dann Werke schaffen werde, wenn er einen ökonomischen Vorteil erwarten könne. Die erwarteten Einkünfte aus dem Verkauf von Werkkopien müssen also höher oder zumindest genauso hoch sein, wie die erwarteten Produktionskosten. Ohne die Existenz eines Urheberrechts – dies ist die unterstellte Annahme – könne selbst im Fall eines entsprechenden Bedürfnisses diese Kompensation nicht eintreten. Denn während der Urheber nicht nur die Kosten einer Kopie, sondern auch die einmaligen Kosten der Werkschaffung tragen muss, trifft den Kopierer nur der erstere Kostenfaktor. Könnten diese das Werk günstiger anbieten, so könne der Urheber gar nicht oder zumindest nicht in ausreichendem Maße seine Kosten kompensieren. Das Urheberrecht stütze hingegen die Erwartungen des Urhebers.679 In seiner Eigenschaft als property right internalisiere es die externen Effekte geistiger Werke.680 Es sorge dafür, dass sich positive wie negative Effekte, die die Entscheidung zur Werkschaffung für Dritte, aber nicht für den Entscheidenden auslöse, auf den Entscheidenden niederschlage. 678 Die zentrale Stellung des Anreizparadigmas innerhalb einer Effizienz-basierten Rechtfertigung ist neuestens von Landes / Posner in Frage gestellt worden. Entgegen ihrer früheren Auffassung halten sie dies nicht mehr für vorrangig: „[t]hat belief cannot be defended confidently on the basis of current knowledge. The concerns we highlight have rather to do with such things as optimal management of existing stocks of intellectual property, congestion externalities, search costs, rent seeking, and transaction costs.“; siehe dies., The Economic Structure of Intellectual Property Law, S. 9 f., 11, 70. 679 Landes / Posner, J. Legal Stud. 18 (1989), S. 325 (328, 329), machen darauf aufmerksam, dass die erwarteten Einnahmen auch für das Risiko des Scheiterns kompensieren. Das ist der Faktor der Unsicherheit der Nachfrage – er generiert einen zusätzlichen Anti-Anreiz, Werke zu schaffen. Doch ist dies kein spezifisches Phänomen geistiger Werke, sondern betrifft alle Produkte gleichermaßen. 680 Zum Ganzen Demsetz, Am. Econ. Rev. 57 (1967), S. 347 (348 ff.).
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Allerdings führt dieses Paradigma zu zwei Schwierigkeiten, die seine Ambivalenz ausmachen. Die erste Schwierigkeit besteht in einem Zielkonflikt, der zwei gegenläufige Aspekte der Allokationseffizienz betrifft. Auf der einen Seite soll das Urheberrecht einen Wohlfahrtsverlust verhindern, indem es eine Unterproduktion neuer geistiger Werke vermeidet. Dies geschieht dadurch, dass die externen Nutzeffekte durch das Urheberrecht internalisiert werden. Das ist der dynamische Aspekt der Allokationseffizienz. Auf der anderen Seite führt das Urheberrecht aber zu einem Wohlfahrtsverlust, indem es eine Unterbenutzung bestehender Werke hervorruft.681 Denn die Verleihung eines Monopols – dies ist das Urheberrecht682 – führt typischerweise dazu, dass der Preis eines geistigen Werks dessen Grenznutzen wie auch Grenzkosten übersteigt – der Konsum sinkt. Das ist der statische Aspekt der Allokationseffizienz. Es besteht also ein Zielkonflikt zwischen optimaler Verbreitung bestehender und optimaler Produktion neuer geistiger Werke.683 Folglich ist ein Urheberrechtssystem nur insoweit gerechtfertigt als gezeigt werden kann, dass sein saldierter Gesamtnutzen durch eine größere Produktion höher ist, als seine durch Unterbenutzung entstehenden sozialen Kosten. Die zweite Schwierigkeit des Anreizparadigmas besteht hingegen in der Mitteltauglichkeit des Urheberrechts als Anreiz. Je umfangreicher der rechtliche Schutz des Urhebers ausfällt, desto größer scheint auf den ersten Blick der Anreiz zu sein, geistige Werke zu schaffen. Zu berücksichtigen ist indes, dass dies nur ex ante gilt – denn darin liegt zugleich eine Erschwerung für zukünftige Urheber. Um aus vorbestehenden Werken zu schöpfen, müssen diese ex post höhere Kosten durch Lizenzgebühren auf sich nehmen. Auch hier muss daher versucht werden, den Grad des urheberrechtlichen Schutzes zu finden, der diese beiden in Wettstreit stehenden Interessen optimal ausbalanciert. Soll das Effizienzargument überzeugen, muss demnach gezeigt werden, welche Regelung beide Konflikte so ausbalanciert, dass insgesamt eine Steigerung der Allokationseffizienz zu verzeichnen ist. Befürworter einer effizienztheoretischen Rechtfertigung bemühen allerdings noch andere Aspekte, um einzelne urheberrechtliche Regelungen ökonomisch zu rekonstruieren.684 Dies liegt daran, dass das Anreizparadigma ja allein den Konflikt zwischen Monopolstellung und Trittbrettfahrerproblem austarieren soll. Es entscheidet so in erster Linie darüber, dass ein 681 Siehe Koboldt, in: Ott / Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse der rechtlichen Organisation von Innovationen, S. 69 (76); Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 377. Dies ist allerdings eine Annahme, die nicht uneingeschränkt plausibel ist. Ist es wirklich so, dass jedes geschützte Werk in keiner Weise substituierbar ist? Die Antwort auf diese Frage dürfte auch von der Weite des Werkbegriffs abhängen. 682 von Hayek, in: ders., Individualism and Economic Order, S. 107 (113, 114). 683 So allgemein Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 577, in Hinblick auf gewerbliche Schutzrechte. Dies hat dazu geführt, dass die Effizienzbasierte Rechtfertigung bisweilen als paradox bezeichnet wird, so etwa bei Hettinger, Phil. & Pub. Aff. 18 (1989), S. 31 (48). 684 Siehe vor allem Gordon / Bone, in: Bouckaert / De Geest (Ed.), Encyclopedia of Law and Economics, Vol. II, S. 189 (194).
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exklusives Recht des Urhebers sinnvoll ist. Bei der Frage, wie dieses exklusive Recht im Einzelnen ausgestaltet werden soll, kommen hingegen auch andere Gesichtspunkte zum Tragen. Denn der Inhalt des Urheberrechts muss stets daran gemessen werden, ob er auch die übrigen Idealbedingungen eines vollkommenen Marktes beachtet und fördert. So spielt ebenfalls eine Rolle, inwiefern ein Urheberrechtssystem etwa Transaktionskosten durch Schranken minimiert oder vollständige Informiertheit durch Urheberbezeichnungen generiert. Bei der Anwendung des Effizienzarguments auf das Urheberrecht sind auch diese Aspekte zu beachten. b) Effizienz als normatives Gebot Diejenigen, die das Urheberrecht aus ökonomischer Perspektive betrachten, interessieren sich in aller Regel nicht für eine normative Fundierung ihres Blickwinkels. Sie beschränken sich darauf, zu zeigen, wie und warum bestimmte urheberrechtliche Regelungen dem Effizienzziel entsprechen. Dieses Ziel selbst wird nicht näher thematisiert oder in Frage gestellt. Dies liegt vermutlich daran, dass häufig die Plausibilität und Gewichtigkeit dieses Arguments vorausgesetzt wird. Es wird einfach implizit unterstellt, dass das Effizienzziel gemeinhin ein wünschenswertes Ziel sei.685 Ein solches Vorgehen kann allerdings nur indirekt legitimatorische Wirkung entfalten. Allein insoweit, wie das Effizienzziel bereits gesellschaftlich anerkannt wird, besitzen ökonomische Ausführungen dann einen moralischen Bezug. Indes ist kaum anzunehmen, dass das Effizienzziel durchgehend oder gar überwiegend als gesellschaftlicher Wert behandelt wird. Schließlich ist nicht abzustreiten, dass in moralischen Debatten an erster Stelle Werte wie Gerechtigkeit, Freiheit, Menschenwürde, Solidarität etc. eine Rolle spielen. Es ist daher ein gewagter Schritt von Landes / Posner, angesichts des überbordenden Schrifttums davon auszugehen, dass „[t]oday it is acknowledged that analysis and evaluation of intellectual property law are appropriately conducted within an economic framework that seeks to align that law with the dictates of economic efficiency.“686 Dass eine effizienztheoretische Betrachtung des Urheberrechts einen normativen Anspruch erheben kann, lässt sich nicht einfach aus der Anzahl der Beiträge ableiten, die dies stillschweigend unterstellen. Es wäre eine merkwürdige Konsequenz, wenn sich das Defizit jenes Begründungsverzichts dadurch aufhöbe, indem es nur häufig genug durchgeführt würde. Eine Effizienz-basierte Rechtfertigung kann sich daher nicht damit begnügen, die ökonomische Vernunft eines Urheberrechtssystems aufzuzeigen. Sie muss viel685 Zwar ist durchaus denkbar, dass man sich allein auf eine positive Effizienzanalyse beschränken will, ohne zugleich eine normative Empfehlung aussprechen zu wollen, vgl. Posner, J. Legal. Stud. 8 (1979), S. 103 (109, 110). In den meisten Fällen dürfte das eine aber kaum mehr vom anderen zu trennen sein. 686 Landes / Posner, The Economic Structure of Intellectual Property Law, S. 4 [Hervorhebungen von mir].
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mehr auch behaupten – so sie denn Rechtfertigung sein will –, dass dieser ökonomischen Vernunft gemäß gehandelt werden soll. Infolgedessen muss das Effizienzargument einen Weg finden, zu begründen, dass das, was ökonomisch sinnvoll ist, auch normativ richtig ist. Wie aber lässt sich dies mit rationalen Mitteln darlegen? In erster Linie geht es dabei nicht um die Begründung, dass die größtmögliche Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse – diese können ja auch im Streben nach Werten wie Gerechtigkeit etc. bestehen – ein wünschenswertes Ziel ist. Dies ist plausibel, wenngleich auch hier kritische Einwände denkbar sind. Vielmehr besteht die Aufgabe darin, zu zeigen, warum das Kaldor / Hicks- bzw. das Vermögensmaximierungs-Kriterium das Maß ist, das den Grad der Bedürfnisbefriedigung abbildet. Warum ist eine größere Bedürfnisbefriedigung in einem Zustand anzunehmen und dieser daher vorzuziehen, in dem einige Individuen schlechtergestellt sind, allerdings durch die monetären Vermögensvorteile anderer kompensiert werden könnten?687 Es sind unterschiedliche Versuche unternommen worden, dieser Schlussfolgerung Plausibilität zu verleihen.688 An dieser Stelle sollen allein jene Argumente skizziert werden, die der wohl bekannteste Vertreter einer effizienz-orientierten Rechtspolitik, Richard A. Posner, maßgeblich angeregt hat. Posner hat sich bemüht, das Ziel der wealth maximization einerseits konsenstheoretisch und andererseits pragmatisch zu fundieren.689 Diese beiden Wege unterscheiden sich auf den ersten Blick nur methodologisch.690 Der dahinter stehende Gedanke einer instrumentalen Rechtfertigung bleibt nämlich gleich: Wenn aufgezeigt werden kann, dass ein Gemeinwesen, das sich nach dem Vermögensmaximierungs-Kriterium richtet, zu einer größeren Bedürfnisbefriedigung aller führt, scheint jenes Krite687 Mit dem Bezug auf eine Vergrößerung der Bedürfnisbefriedigung schließt diese Frage von vornherein aus, die Vermögensmaximierung als Selbstzweck, als intrinsisch gut auszuweisen. Dies ist deshalb gerechtfertigt, weil nicht erkennbar ist, wie die Maximierung von Geld um seiner selbst und nicht um anderer Ziele willen begründet werden kann. Hierzu vor allem Dworkin, in: ders., A Matter of Principle, S. 237 (242 ff.); siehe auch Coleman, Hofstra L. Rev. 8 (1980), S. 509 (531, 532). 688 Umfassend zu den verschiedenen Wegen und ihren Schwächen Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 169 ff.; vgl. auch Coleman, Hofstra L. Rev. 8 (1980), S. 509 (526 ff.). Gänzlich ausser Acht gelassen wird an dieser Stelle die von Eidenmüller angesprochene Möglichkeit einer indirekten Begründung des Effizienzziels, indem konkurrierende Ziele wie etwa die Verteilungsgerechtigkeit angegriffen werden. 689 Eine konsenstheoretische Argumentation findet sich bei Posner, Hofstra L. Rev. 8 (1980), S. 487; erst später hat er pragmatisch argumentiert, siehe Posner, The Problems of Jurisprudence, S. 374 ff. Zu dieser Argumentation Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 38. 690 Dieser methodologische Unterschied darf aber nicht überschätzt werden. Das Abstellen auf einen hypothetischen Konsens stellt nämlich keine selbstständige Möglichkeit dar, moralische Normen zu begründen. Ein derartiger Konsens ist nunmal kein tatsächlicher Konsens. Er führt nur zur Frage, warum letzterer vernünftig wäre. Dies hängt jedoch davon ab, warum die zu begründende Norm begründet ist. Hierzu Dworkin, Taking Rights Seriously, S. 150 ff.; ders., in: ders., A Matter of Principle, S. 267 (275 ff.).
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rium normativ begründet. Dennoch besteht bei genauerem Hinsehen ein wesentlicher Unterschied zwischen den Thesen Posners. Während seiner konsenstheoretischen Begründung überwiegend die Auffassung zugrunde liegt, dass die Vermögensmaximierung zu einer größeren Befriedigung beliebiger Bedürfnisse führt, stellt er in der pragmatischen Begründung primär darauf ab, dass durch die Vermögensmaximierung bestimmte Werte befördert werden. Mit der ersten These behauptet Posner, dass die Anwendung jenes Kriteriums zumindest auf lange Sicht zu einer vermögensmäßigen Besserstellung aller führe. Als Beispiel dient ihm die Frage, ob im Straßenverkehr eine Verschuldens- oder Gefährdungshaftung vorzuziehen sei.691 Nimmt man an, dass eine Gefährdungshaftung zu höheren Fahrtkosten und so insgesamt zu höheren sozialen Kosten führt, ist allein eine Verschuldenshaftung effizient. Solange Individuen, die kein Auto fahren, von einer solchen Regelung nicht negativ betroffen sind, dürften diese nichts dagegen einzuwenden haben. Offensichtlich ist eine Verschuldenshaftung aber von Nachteil für diejenigen Individuen, die durch einen unverschuldeten Unfall verletzt worden sind. Inwiefern profitieren diese dann von einer Verschuldenshaftung? Posner erblickt ihren Vorteil darin, dass die Benutzung von Verkehrsmitteln generell kostengünstiger werde.692 Jene These wird von Posner durch eine zweite erweitert, indem er zusätzlich annimmt, dass die Befolgung des Kaldor / Hicks-Kriteriums zu einer größeren Verwirklichung verschiedener moralischer Werte, insbesondere zu mehr Freiheitsrechten führe. Dabei stützt er sich auf die Beobachtung, dass Menschen in denjenigen Gesellschaften, „in which markets are allowed to function more or less freely not only are wealthier than people in other societies but have more political rights, more liberty and dignity, are more content [ . . . ] – so that wealth maximization may be the most direct route to a variety of moral ends.“693 Dies sieht er vor allem anhand der Entwicklung kommunistischer Staaten bestätigt, die einer zentral-organisierten Planwirtschaft anhingen oder noch anhängen.
691 Hierzu Posner, Hofstra L. Rev. 8 (1980), S. 487 (492 ff.). Der Gedanke einer intrinsischen Begründung der wealth maximization kommt auch bei Posner, J. Legal. Stud. 8 (1979), S. 103 (119), zum Ausdruck. 692 Nicht auszuschließen ist jedoch, dass einzelne Individuen niemals die betroffenen Verkehrsmittel benutzen. Insoweit gilt die obige Aussage nicht. Dies mag ein Grund sein, weshalb Posner letztlich davon abgeht, eine Besserstellung aller Individuen zu behaupten, was sich hier in seinem Abgehen vom Konsenserfordernis niederschlägt: „No institution, of course, will command the implicit consent of everyone. But only a fanatic would insist that absolute unanimity is required to legitimize a social institution such as the negligence system.“ (ders., Hofstra L. Rev. 8 [1980], S. 487 [495]). 693 Posner, The Problems of Jurisprudence, S. 382. Kritik dieses Arguments bei Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 264 ff.
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c) Die Struktur des urheberrechtlichen Effizienzarguments Aus den bisherigen Erörterungen lässt sich der Gedankengang einer Effizienzbasierten Rechtfertigung des Urheberrechts in einem sechsstufigen Argument strukturieren. Dieses Argument enthält in (1) seine moralische Ausgangsprämisse, die durch (2) in ihrer Bedeutung konkretisiert wird. In (3) und (4) enthält es zwei Prämissen, die geistige Werke erst zum ökonomischen Problem und sonach zu seinem Gegenstand werden lassen. Schließlich wird in (5) jene Behauptung aufgestellt, die für die Rechtfertigung des Urheberrechts maßgeblich ist: Nur das Urheberrecht könne jenes Problem effizient lösen, so dass es in (6) folgerichtig als gerechtfertigt angesehen wird. Die Struktur des effizienztheoretischen Arguments ist mithin folgende: (1) Eine Gesellschaft ist so zu gestalten, dass ein Höchstmaß an Bedürfnisbefriedigung aller Menschen erreicht wird. (2) Der Grad der Bedürfnisbefriedigung in einer Gesellschaft ist anhand des Gesamtvermögens einer Gesellschaft zu messen (Vermögensmaximierungs-Kriterium). (3) Menschen haben ein stetes Bedürfnis nach immer neuen geistigen Werken. (4) Der Markt selbst ist jedoch nicht imstande, für eine ausreichende Produktion von geistigen Werken zu sorgen (These des Marktversagens). (5) Dieses Marktversagen kann am effizientesten – im Sinne von (1) – korrigiert werden, indem durch das Urheberrecht ein Produktionsanreiz gegeben wird. (6) Daher ist das Urheberrecht moralisch gerechtfertigt.
2. Applikation Kann nun die Errichtung oder Aufrechterhaltung eines bestimmten Urheberrechtssystems mit jenem Argument – im Fall seiner unterstellten Richtigkeit – begründet werden? Alles hängt hier von der Prämisse (5) ab: Befördern die je untersuchten Regelungen insgesamt die Allokationseffizienz oder aber sorgen sie für einen Wohlfahrtsverlust? Um dies zu beantworten, ist primär die Anreizfunktion des Urheberrechts in den Blick zu nehmen, die eine Unterproduktion von geistigen Werken verhindern soll. Wie müssen Tatbestand und Rechtsfolgen des Urheberrechts ausgestaltet sein, um diese Funktion zu fördern? Einerseits ist hier zu beachten, dass keine unnötigen Kosten für zukünftige Werkschaffende verursacht werden. Die Kosten einer Werkschaffung müssen so niedrig wie möglich gehalten werden. Andererseits dürfen auch die sozialen Kosten nicht außer Acht gelassen werden, die eine Monopolstellung erzeugt. Wie lässt sich eine Unterbenutzung von geistigen Werken so weit als möglich verhindern und mit der Anreizfunktion harmonisieren? Sekundär geht es schließlich darum, zu verhindern, dass urheberrechtliche Merkmale andere Bedingungen eines vollständigen Marktes konterkarieren und so sonstige soziale Kosten und Fehlallokationen hervorrufen. Zu diesen Bedingungen gehört etwa, dass das Urheberrecht dort, wo prohibitive Transaktionskos-
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ten eine Nutzungsvereinbarung blockieren, das hypothetische Marktergebnis simuliert.694 Um mit dem Vermögensmaximierungs-Kriterium zu beantworten, welche urheberrechtliche Ausgestaltung all diese Aufgaben am effizientesten löst, wären umfangreiche empirische Studien notwendig. Nur so könnte festgestellt werden, in welchem Ausmaß Kosten und Nutzen mit bestimmten urheberrechtlichen Merkmalen verbunden sind.695 Solche Daten existieren jedoch nicht – ja es ist höchst zweifelhaft, ob sie jemals zur Verfügung stehen werden. Eine effizienztheoretische Analyse des Urheberrechts ist daher in einem großen Maße spekulativ. Zwar ist möglich, zu zeigen, welche Kosten- und Nutzenfaktoren eine Regelung theoretisch nach sich zieht.696 Wie stark diese hingegen tatsächlich ins Gewicht fallen – ob also die Kosten die Nutzen überwiegen oder umgekehrt –, ist und bleibt Gegenstand von Vermutungen.697 Daraus folgt eine gewisse Beliebigkeit effizienztheoretischer Aussagen: Je nachdem, von welchen Prämissen diese ausgehen, lässt sich beinahe jede Regelung und jedes Merkmal geltender Urheberrechtssysteme – jedenfalls als Modell- und Gedankenspiel – als effizient oder ineffizient behaupten. Die einschlägige Literatur, die sich mit diesen Aspekten – also mit der mehr oder minder spekulativen Gewichtung von Kosten und Nutzen des Urheberrechts – beschäftigt, ist vielleicht auch deswegen kaum noch zu übersehen.698 Nachfolgend wird daher nur an einigen zentralen Merkmalen, die den Tatbestand a) und die Rechtsfolgen b) des Urheberrechts betreffen, die effizienztheoretische Argumentationsweise beispielhaft veranschaulicht. Hauptsächlich werde ich dabei die einflussreiche Untersuchung in den Blick nehmen, die Landes / Posner vorgelegt haben. Mit Recht wird diese Studie als „the most comprehensive economic treatment of copyright to date“699 bezeichnet. 694 Diese drei Faktoren werden auch bei Gordon, in: Ott / Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse der rechtlichen Organisation von Innovationen, S. 328 (360), erwähnt. 695 In diesem Sinne Lessig, The Future of Ideas, S. 203: „Which side outweighs the other can’t be known a priori.“ Man kann freilich hinzufügen, dass eine derartige Erkenntnis auch a posteriori nicht gewonnen werden dürfte. 696 In diesem Sinne auch Landes / Posner, The Economic Structure of Intellectual Property Law, S. 56: „Although for the reasons that we have been exploring it is difficult, indeed probably impossible, to say whether copyright is necessarily a good thing or a bad thing from the standpoint of optimizing the production of expressive works, it is easy to spot particular distortions that a copyright law corrects.“ 697 Vgl. Watt, Copyright and Economic Theory, S. 112, 123. Auch Breyer, Harv. L. Rev. 84 (1970), S. 281 (292), erkennt dies, meint aber immerhin, dass sich Vermutungen über signifikante Verschiebungen anstellen ließen. Ohne Zahlenmaterial ist dies freilich genauso zweifelhaft. 698 Dass im Ergebnis dennoch die Mehrheit dazu gelangt, die effizienztheoretische Rechtfertigung des Urheberrechts anzunehmen, hält Watt, Copyright and Economic Theory, S. 113, allein für eine „reflection of the belief that there exists a natural right to protection of individual property.“ 699 Gordon / Bone, in: Bouckaert / De Geest (Ed.), Encyclopedia of Law and Economics, Vol. II, S. 189 (192); so auch Kay, Int. Rev. L. & Econ. 13 (1993), S. 337 (337); van den
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a) Tatbestand des Urheberrechts aa) Die Idee / Ausdruck-Unterscheidung Kann gezeigt werden, dass eine normative Unterscheidung zwischen Idee und Ausdruck eines geistigen Werks aus ökonomischer Sicht notwendig ist? Landes / Posner gehören zu denjenigen, die dies bejahen.700 Sie glauben, dass effizienztheoretisch ein urheberrechtlicher Schutz von Ideen nicht begründbar sei. Hierzu bieten sie vier Thesen an, die die Effizienz einer derartigen tatbestandlichen Differenzierung nahe legen. (1) Der Schutz von Ideen führe zu einer Erhöhung der Erschaffungskosten eines geistigen Werks, so dass die Anzahl der produzierten Werke abnehme. Denn zukünftige Urheber müssten entweder zusätzliche Arbeit in die Entwicklung originärer Ideen investieren oder aber ein entsprechendes Nutzungsrecht für eine bestehende Idee erwerben. Grundlage dieser These ist offenkundig die Annahme, dass es weitaus schwieriger ist, eine neue Idee zu schaffen als einer vorbestehenden Idee eine neue Ausdrucksweise zu geben. (2) Daneben wird behauptet, alle potentiellen Urheber hinter dem Rawlsschen Schleier des Nichtwissens würden einer derartigen tatbestandlichen Differenzierung zustimmen. Denn wenn niemand wisse, wer als Erster eine Idee kreiere, die die übrigen Urheber benutzen wollten, sei zu vermuten, dass alle den Nichtschutz von Ideen präferierten. Daraus folgern Landes / Posner, dass eine solche Regel Pareto-Optimal wäre. (3) Außerdem bestehe die Gefahr, dass der Schutz von Ideen das sog. rent-seeking ermutigen würde. Gemeint ist damit, dass eine Überproduktion von Ideen eintritt, in der Erwartung, diese später gewinnbringend – im Falle bezahlungswilliger Nutzer – einzusetzen. Da davon ausgegangen werden könne, dass die Produktionskosten einer Idee im Vergleich zu ihrem Gewinnpotential recht niedrig seien, würden möglichst viele Ideen in möglichster geringer Formgebung kreiert. Dies führe zwar zu einer beschleunigten Entwicklung neuer Ideen; ihre Verbreitung hingegen werde nicht befördert. (4) Und viertens machen Landes / Posner darauf aufmerksam, dass aufgrund des Schutzes von Ideen die administrativen Kosten stiegen, falls die Anzahl produzierter Werke – entgegen der ersten These! – zumindest gleiche bliebe, da die gerichtliche Durchsetzung entsprechender Rechte aufgrund der Unbestimmtheit von Ideen schwieriger sei. Diese vier Thesen sind von unterschiedlicher Überzeugungskraft. Am plausibelsten erscheint These (1): Geht man davon aus, dass der Spielraum, neue Ideen zu kreieren, weniger umfangreich ist als derjenige, den man bei der konkreten Ausgestaltung von Ideen hat, ist das Ergebnis folgerichtig. Die Monopolisierung von Bergh, Intell. Prop. Q. 1998, S. 17 (18); Watt, Copyright and Economic Theory, S. 128; Weinreb, Harv. L. Rev. 111 (1998), S. 1150 (1238). 700 Siehe Landes / Posner, J. Legal Stud. 18 (1989), S. 325 (347 ff.); dies., The Economic Structure of Intellectual Property Law, S. 91 ff.; ihnen folgend van den Bergh, Intell. Prop. Q. 1998, S. 17 (27); im Ergebnis ebenso Gordon / Bone, in: Bouckaert / De Geest (Ed.), Encyclopedia of Law and Economics, Vol. II, S. 189 (195); Kurzkritik bei Weinreb, Harv. L. Rev. 111 (1998), S. 1150 (1240 Fn. 368).
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Ideen würde in der Tat zu einer Kostensteigerung führen, die sich in einer Reduzierung geistiger Werke niederschlägt. These (4) kann damit bereits außer Acht gelassen werden. Doch ist dieses Ergebnis zugleich weniger effizient? Landes / Posner nehmen dies in (1) offenkundig an. Der neuralgische Punkt liegt indes in einer Unterstellung: Implizit wird angenommen, dass das stetige Bedürfnis nach neuen Werken eher Varianten von bestehenden Ideen, nicht aber so sehr die Entwicklung neuer Ideen selbst betrifft. Doch was ist sozial wertvoller: Viele Werke, die Varianten weniger Ideen sind, oder aber wenige Werke, die meist originäre Ideen enthalten? Diese Frage lässt sich effizienztheoretisch nicht beantworten, ohne eine empirische Untersuchung über die jeweiligen geldgestützten Bedürfnisse anzustellen. Auch These (3) ist in diesem Zusammenhang zu lesen: Wer glaubt, dass Ideen von allein entwickelt werden und keines monetären Anreizes durch das Urheberrecht bedürfen oder aber nicht sozial wertvoll sind, wird natürlich die Gefahr einer Überproduktion erkennen.701 Umgekehrt wird derjenige, der eine Unterproduktion von Ideen verhindern will, das Gegenteil behaupten. Nicht überzeugen kann ebenfalls das Argument (2). Durch das Abstellen auf das Pareto-Kriterium wird suggeriert, der Nichtschutz von Ideen führe zu einer Sozialverbesserung. Dies ist aus drei Gründen zweifelhaft: (i) Indem Landes / Posner das Erfordernis der Zustimmung nur auf potentielle Urheber erstrecken, werden mögliche negative Wirkungen auf Dritte missachtet. Das Pareto-Kriterium setzt aber gerade voraus – und deswegen ist es ja unpraktikabel –, dass kein Mitglied einer Gesellschaft den Schutz von Ideen bevorzugt. (ii) Selbst wenn man diesen Aspekt ausblendet, bleibt ein Makel: Ist wirklich zu vermuten, dass alle potentiellen Urheber einem Nichtschutz von Ideen zustimmen würden? Dies scheint nur dann der Fall zu sein, wenn diese risikoavers handeln und daher nicht darauf spekulieren, dass sie eine Idee als Erster kreieren. Diese Annahme, die der Rawlsschen Maximin-Regel702 entspricht, ist nicht belegbar.703 (iii) Und schließlich: Ein hypothetischer Konsens ist etwas anderes als ein tatsächlicher – das Pareto-Kriterium stellt indes allein auf letzteren ab.
701 Dieser Gesichtspunkt taucht bei Gordon / Bone, in: Bouckaert / De Geest (Ed.), Encyclopedia of Law and Economics, Vol. II, S. 189 (195), auf: „One way that copyright law attempts to minimize the social cost of exclusivity is by limiting the grant of exclusivity to ‘expression’ and placing no restraints on the public’s use of the most important informational building blocks, namely, general ideas.“ Dieses Argument ist merkwürdig: Einerseits wird der Wert von Ideen betont, indem die sozialen Kosten ihrer Unterbenutzung in den Vordergrund gestellt werden, andererseits wird ein monetärer Anreiz zur Produktion neuer Ideen verweigert. Soll dies Sinn machen, muss vorausgesetzt werden, dass die Produktion von Ideen – im Gegensatz zu Varianten von Ideen – keinen besonderen Anreiz verlangt. Kann dies jedoch belegt werden? 702 Vgl. hierzu Rawls, A Theory of Justice, S. 132 ff. 703 So die Kritik bei Kersting, Die politische Philosophie des Gesellschaftsvertrags, S. 280 – 282.
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bb) Gestaltungskriterien Lässt sich durch das Effizienzargument ein tatbestandliches Kriterium rechtfertigen, das sich in einer wie auch immer gearteten Gestaltungsanforderung äußert? Lassen sich gar komplette Arten geistiger Werke vom Schutz ausschließen? Der ursprüngliche Gedanke, auf dem das Effizienzargument beruht, scheint dergleichen zu suggerieren. Das Urheberrecht soll hiernach ja ein ökonomisches Problem lösen – es soll einen Bedürfniskonflikt, der nicht durch den Markt effizient geregelt werden kann, schlichten. Das heißt zugleich, dass die Frage, welche Werke geschützt werden, von den Bedürfnissen der Marktteilnehmer abhängt. Besteht z. B. kein Bedarf nach bestimmten Arten von Werken, so ist das Problem einer diesbezüglichen Unterproduktion von vornherein ausgeschlossen. Objekte, die nicht gebraucht und daher keine konfligierenden Bedürfnisse verursachen, können nicht unterproduziert werden.704 Ein exklusives Recht an solchen Werken ist dann nicht nur überflüssig – es ist aus Sicht der Effizienz-basierten Rechtfertigung sogar moralisch unmöglich. Denn jedes Gesetz verursacht administrative Kosten: es ist daher ökonomisch nicht irrelevant, Gesetze zu erlassen, die nicht erforderlich sind. Doch ist der vorgestellte Gedankengang korrekt? Er ist zwar schlüssig, basiert allerdings auf einer problematischen Annahme. Er unterstellt, dass für bestimmte Arten von Werken kein entsprechendes Bedürfnis bestehe. Dabei wird außer Acht gelassen, dass die Überprüfung einer derartigen Annahme das Urheberrecht bereits voraussetzt. Denn wie kann sich der Bedarf nach geistigen Werken anders artikulieren als über die marktmäßige Nachfrage? Damit die Marktpreise den wirklichen Bedarf widerspiegeln und als authentische Signale für das Verhalten von Urhebern wie Nutzern fungieren können, ist ja eine exklusive Rechtszuweisung erforderlich. Nur so kann verhindert werden, dass durch den Trittbrettfahrereffekt, den geistige Werke als public goods mit sich bringen, eine Unter- aber auch Überproduktion eintritt. Daher müssen grundsätzlich alle Werke, egal, ob nun besonders originell oder individuell gestaltet, geschützt werden. Allerdings stellt sich die Frage, ob dies auch für eine Doppelschöpfung gilt: Wenn hier nur ein bereits bestehendes Werk dupliziert wird, ist dann nicht ein Recht unnötig oder überflüssig? Schließlich basiert die Effizienz-basierte Rechtfertigung auf einem angenommenen Bedürfnis nach neuen Werken. Lässt sich mit dem Effizienzargument daher die moralische Notwendigkeit verteidigen, eine unabhängige Doppelschöpfung urheberrechtlich zu schützen? Oder aber sollte, wie im Patentrecht der Fall, vielmehr eine Art Prioritätsprinzip gelten? Diese Fragen lassen sich ansatzweise beantworten, wenn man die Nutzen und Kosten einer Prioritätslösung in Betracht zieht.705 Zunächst: Welche Vorteile besitzt diese Lösung 704 Es sei denn, man unterstellt, dass Menschen bestimmte Bedürfnisse haben sollen, und vermengt so die ökonomische mit der kulturellen Perspektive. Eine solche Vermischung geschieht etwa bei Tyerman, UCLA L. Rev. 18 (1971), S. 1100 (1103), wenn er im ökonomischen Kontext auf die Rolle abstellt, die „printed material plays in an enlightened democratic society“.
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für die Anreizfunktion des Urheberrechts? Es ist denkbar, wenn auch höchst unwahrscheinlich, dass der Anreiz, ein geistiges Werk zu schaffen, erhöht wird. Indem das Risiko entfällt, dass jemand durch eine identische Werkschöpfung als Marktkonkurrent auftritt, lässt sich evtl. ein erhöhter Marktpreis erzielen. Indes ist das Risiko einer Doppelschöpfung nur ein theoretisches. Anders als bei Patenten kommt eine identische Werkschaffung, die unabhängig von dem zeitlich früheren Werk ist, praktisch nicht vor. Es handelt sich bestenfalls um unbewusstes Anlehnen an ein vorbestehendes Werk. Eine Steigerung des Anreizes ist daher zweifelhaft. Noch ein zweiter Punkt kommt hinzu: es fehlt das Phänomen des Trittbrettfahrens. Denn im Fall einer Doppelschöpfung trägt jeder der Urheber die vollen Produktionskosten des Werks. So wird das Gefangenendilemma, das ja maßgeblich die Unterproduktion geistiger Werke bedingt, bereits überwunden.706 Wenn überhaupt ist daher nur ein geringer Nutzen eines urheberrechtlichen Prioritätsprinzips zu verzeichnen. Hingegen verursacht eine solche Lösung soziale Kosten. Potentielle Urheber wären gezwungen, ihre noch nicht zugänglich gemachten Werke danach zu überprüfen, ob sie mit urheberrechtlich geschützten Werken zufällig übereinstimmen. Letzten Endes wäre, da dies angesichts der Fülle urheberrechtlicher Werke kaum möglich ist, eine Registrierung unumgänglich. Dadurch könnten erneut Kosten entstehen, die in keinem Verhältnis zu dem marginalen Nutzen stünden. Ob letzten Endes eine Prioritätslösung ineffizient ist, basiert freilich auf einer Vermutung. Es stehen keine Daten zur Verfügung, mit denen sich dies endgültig beantworten ließe. b) Rechtsfolgen des Urheberrechts aa) Urheberpersönlichkeitsrechte Die rechtliche Befugnis, die ein effizienztheoretisch konstruiertes Urheberrecht vermittelt, ist in erster Linie ein Verwertungsrecht. Dies folgt aus dem Anreizparadigma: Potentiellen Urhebern soll ein monetärer Anreiz gegeben werden, geistige Werke zu produzieren. Das bedeutet, dass ihnen ein Recht eingeräumt werden muss, das ihnen – im Fall einer entsprechenden Nachfrage – ermöglicht, die Kosten ihrer Werkschaffung zu amortisieren. Sie müssen berechtigt sein, andere Nutzer und Kopierer vom Gebrauch des Werks auszuschließen. Nur so können sie ihre geistigen Werke gewinnbringend auf dem Markt einsetzen. Um zu gewährleisten, dass jene Rechte an den Ort ihrer größten Wertschätzung gelangen, müssen sie zudem frei handelbar und übertragbar sein. Schließlich gehört dies ebenfalls zu den Idealbedingungen eines vollständigen Wettbewerbs. Eine Effizienz-basierte 705 Siehe hierzu Landes / Posner, J. Legal Stud. 18 (1989), S. 325 (345 ff.); vgl. auch Gordon / Bone, in: Bouckaert / De Geest (Ed.), Encyclopedia of Law and Economics, Vol. II, S. 189 (198 f.); Posner, Economic Analysis of Law, S. 40. 706 Darauf machen Gordon / Bone, in: Bouckaert / De Geest (Ed.), Encyclopedia of Law and Economics, Vol. II, S. 189 (198), aufmerksam.
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Rechtfertigung bietet auf den ersten Blick dagegen wenig Raum, Urheberpersönlichkeitsrechte moralisch zu rekonstruieren. Denn diese schützen nach traditionellem Verständnis gerade keine monetären, sondern ideelle Interessen. Sie scheinen daher nichts mit einer Vermögensmaximierung i. S. d. Kaldor / Hicks-Kriteriums gemein zu haben. Dennoch hat man sich bemüht, auch hier einen Zusammenhang zur Allokationseffizienz zu begründen.707 Dies auf zweierlei Weise: (1) Einerseits wird behauptet, die Mitteltauglichkeit des Urheberrechts als Anreiz werde durch Urheberpersönlichkeitsrechte bewahrt; (2) andererseits wird angenommen, so würden sonstige Kosten für Dritte und die Allgemeinheit vermieden. Rechte, wie das Recht auf Namensnennung, das Veröffentlichungsrecht oder das Recht, eine Entstellung des eigenen Werks zu verbieten, werden so als Konsequenz dieser beiden Aspekte dargestellt. Doch wie wird der Wechsel von einer ideellen hin zu einer monetären Lesart dieser Rechte vollzogen? Dies geschieht dadurch, dass auf die Bedeutung dieser Rechte abgestellt wird, „reputational externalities“708 zu kontrollieren. Dahinter verbirgt sich die Vorstellung, jedes geistige Werk eines Urhebers stelle eine Werbung für alle seine übrigen Werke dar. Sein gesamtes Werkschaffen begründe so einen bestimmten Ruf, der sich auf den Wert seiner gegenwärtigen und zukünftigen Werke auswirke.709 Dieser Gesichtspunkt macht die wichtigsten Persönlichkeitsrechte eines Urhebers plausibel. Ohne ein Veröffentlichungsrecht, Namensnennungsrecht, ohne das Recht, Entstellungen seiner Werke zu verhindern, kann ein Urheber diesen Ruf schließlich nicht gezielt einsetzen und bewahren. Entfernt man z. B. den Namen des Urhebers von seinem Werk, so entfernt man insofern zugleich das entsprechende Werk oder Werkexemplar aus seinem Œuvre.710 Eine positive Wertschätzung kann sich nicht mehr auf dieses Werk erstrecken. Auch das Recht, Entstellungen zu verhindern, ist so erklärbar. Wird das Gemälde eines Malers entstellt, in schädlichen Kontexten präsentiert, entstehen hier zugleich externe Kosten für geschaffene oder zukünftige Werke.711 Ebenso ist das Veröffentlichungsrecht einer solchen Lesart zugänglich: Kann der Urheber nicht verhindern, dass Werke, die womöglich sich schädlich auf seinen Ruf auswirken, veröffentlicht werden, sinkt der Marktpreis für zukünftige Werke. 707 So etwa Hansmann / Santilli, J. Legal. Stud. 26 (1997), S. 95 (95 ff.); van den Bergh, Intell. Prop. Q. 1998, S. 17 (20, 30 ff.); gegen eine effizienztheoretische Begründung von Urheberpersönlichkeitsrechten – jedenfalls gegen solche, die Nachzahlungsansprüche des Urhebers begründen – Landes / Posner, J. Legal Stud. 18 (1989), S. 325 (327). 708 Hansmann / Santilli, J. Legal. Stud. 26 (1997), S. 95 (95, 104, 142). 709 Siehe van den Bergh, Intell. Prop. Q. 1998, S. 17 (30). 710 Hansmann / Santilli, J. Legal. Stud. 26 (1997), S. 95 (132). 711 Ein besonderes Problem entsteht freilich dann, wenn es um die Zerstörung eines Werks der bildenden Künste geht. Sollte der Urheber dies verhindern können? Dafür spricht nach allem, dass sonst der Werbeeffekt dieses Werks vernichtet wird. Jedoch ist ebensogut möglich, dass zukünftige Werke des Urhebers durch diese Verknappung an Wert gewinnen. Hierzu Hansmann / Santilli, J. Legal. Stud. 26 (1997), S. 95 (111).
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Die ökonomische Bedeutung von Urheberpersönlichkeitsrechten, die in (1) und (2) behauptet wurde, wird so plausibler. Wenn es stimmt, dass ohne die vorstehenden Rechte der Ruf eines Urhebers beschädigt werden kann, ist nicht ausgeschlossen, dass auch dessen Erlöse aus seinen Werken sinken. Es ist dann aber denkbar – wenn auch reine Spekulation –, dass dies soweit geht, dass kein monetärer Anreiz mehr vorhanden ist, neue Werke zu schaffen. Dann würde tatsächlich die Anreizfunktion des Urheberrechts unterminiert. Daneben ist möglich, dass auch negative Effekte für Dritte entstehen. Denn der Ruf von geistigen Werken betrifft auch die jeweiligen Eigentümer von Werkexemplaren. Dies gilt besonders im Fall von Gemälden, Skulpturen oder anderen Werken der bildenden Kunst. Der Wert dieser Stücke ist vom Bewahren des Rufs des Urhebers abhängig.712 Schließlich wird behauptet, Urheberpersönlichkeitsrechte vermieden auch Kosten für die Allgemeinheit. Freilich können damit nicht diejenigen Kosten gemeint sein, die eine etwaige Unterproduktion, also die Anreizfunktion, betreffen. Der Gedanke ist hier ein anderer. Geistige Werke, besonders die wichtigsten von ihnen, würden Elemente der Kultur einer Gesellschaft.713 Sie seien Bezugspunkte und Zeichen der sozialen Kommunikation, so dass deren Verlust oder deren Änderung „be costly to the community at large, depriving that community, as it were, of a widely used part of its previously shared vocabulary.“714 Indem der Urheber das Recht, Entstellungen seines Werks zu verhindern, ausübt, um seinen Erlös zu sichern, schütze er zugleich jene Interessen. Das Recht, die Entstellung des Werks zu verhindern, verhindere so auch Kosten der Gemeinschaft.715 Die vorstehenden Überlegungen sind nicht völlig von der Hand zu weisen. Der Ruf eines Urhebers kann eine wertbildende Funktion besitzen – positiv wie negativ –, die unter Umständen die Nachfrage nach dessen Werken stimuliert. Diese Perspektive eröffnet allerdings auch Probleme. Denn Urheberpersönlichkeitsrechte verursachen ebenfalls potentielle Kosten. So kann das Anreizparadigma im Falle des Namensnennungsrechts mit Marktinformationen in Konflikt geraten. Dieses Recht bedeutet auch, auf die Namensnennung verzichten zu können: Was ist, wenn ein Urheber ein Pseudonym verwendet, um den Wert seines Werks aufgrund seines schlechten Rufs nicht zu schmälern? Es mag zwar sein, dass die Anreizfunktion befördert wird, indem der Urheber größere Erlöse zu erwarten hat. Doch ist dies nicht unbedingt von Vorteil – ganz im Gegenteil: Indem potentiellen Konsumenten Informationen vorenthalten werden, die den Wert des geistigen Werks beeinflussen, wird eine nicht authentische Nachfrage generiert. Sie ist zumindest höher, als sie im Fall vollständiger Informiertheit der Konsumenten eigentlich wäre. Dies führt zu einer Überproduktion und so zu einer Fehlallokation von Ressourcen. Dies spricht gar dafür, dass es effizienztheoretisch geboten ist, stets den Namen des Ur712 713 714 715
Siehe Hansmann / Santilli, J. Legal. Stud. 26 (1997), S. 95 (105). Vgl. van den Bergh, Intell. Prop. Q. 1998, S. 17 (31). Hansmann / Santilli, J. Legal. Stud. 26 (1997), S. 95 (106). van den Bergh, Intell. Prop. Q. 1998, S. 17 (21).
B. Kollektivistische Rechtfertigungsmodelle
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hebers zu nennen. Auch können die verschiedenen Nutzenfaktoren, also die Interessen des Urhebers, Dritter und der Gemeinschaft in Konflikt geraten. Was ist etwa, wenn ein Urheber unter einem Pseudonym auftritt, das den Wert eines Werks schmälert und er damit einen Wertverlust bei Dritten verursacht? Wie eine Verrechnung stattfinden soll, können auch Hansmann / Santilli nicht beantworten.716 Letztlich krankt die effizienztheoretische Rekonstruktion von Urheberpersönlichkeitsrechten an ihrer mangelnden empirischen Fundierung.
bb) Dauer des Urheberrechts Sollte die Dauer des Urheberrechts befristet sein? Und wenn ja, wie lange sollte sie andauern? Aus effizienztheoretischer Sicht werden diese Fragen in erster Linie mithilfe der Anreizfunktion des Urheberrechts beantwortet.717 Das bedeutet, dass das Bestehen eines Urheberrechts bestenfalls solange gerechtfertigt sein kann, wie seine Dauer tatsächlich ein monetäres Motiv für die Werkschaffung des jeweiligen Urhebers war oder sein konnte. Da dieser Erwartungshorizont freilich nicht unendlich ist oder sein konnte, muss die Dauer des Urheberrechts notwendig begrenzt sein.718 Doch lässt sich angeben, wie lange das Urheberrecht gewährt werden soll? Bisweilen auftretende Vermutungen legen dies nahe. So meinen Landes / Posner, dass Einkommenserwartungen, die 25 Jahre in die Zukunft reichten, nur noch einen geringen Effekt auf eine Werkschaffung besäßen, auch wenn dies nicht auszuschließen sei. Letzteres sei aber zumindest bei einer 100jährigen Dauer der Fall – diese „would have no effect on most authors’ incentives.“719 Indes ist die Angabe einer jeden Dauer ohne Rückbindung an empirische Daten spekulativ. Zumal es je nach Urheber und der Art des geistigen Werks variieren wird, inwieweit Einkommenserwartungen in die Zukunft reichen.720 Freilich dürfte eine postmortale Dauer so kaum begründbar sein. Dennoch oder gerade wegen dieser unterschielichen Motive kann eine generelle Dauer oder zumindest ein System genereller Siehe Hansmann / Santilli, J. Legal. Stud. 26 (1997), S. 95 (107, 108). Diese traditionelle Sichtweise der urheberrechtlichen Dauer findet sich etwa bei Gordon / Bone, in: Bouckaert / De Geest (Ed.), Encyclopedia of Law and Economics, Vol. II, S. 189 (198); Landes / Posner, J. Legal Stud. 18 (1989), S. 325 (361 ff.); Liu, Mich. L. Rev. 101 (2002), S. 409 (430 ff.); Posner, Economic Analysis of Law, S. 40, 41; van den Bergh, Intell. Prop. Q. 1998, S. 17 (27 f.). 718 Im Übrigen folgt aus der Anreizfunktion, dass eine rückwirkende (retroaktive) Verlängerung des Urheberrechts durch den Gesetzgeber nicht gerechtfertigt sein kann. Sie stellt in ihrem rückwirkenden Teil keinen Anreiz dar, erhöht aber die sozialen Kosten, indem der Zugang durch Werknutzer erschwert wird, hierzu Landes / Posner, J. Legal Stud. 18 (1989), S. 325 (362); Lessig, The Future of Ideas, S. 198. 719 Landes / Posner, J. Legal Stud. 18 (1989), S. 325 (362). Noch nachdrücklicher bereits gegen eine 75jährige Dauer Lessig, The Future of Ideas, S. 252: „There is no author who decides whether or not to write a book depending upon whether he or his estate will receive money three-quarters of a century from now.“ 720 So mit Recht van den Bergh, Intell. Prop. Q. 1998, S. 17 (28). 716 717
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
Regeln effizienztheoretisch sinnvoll sein. Sie vermindert einerseits administrative Kosten721, andererseits reduziert sie den Aufwand von Ressourcen, der notwendig ist, um die Gemeinfreiheit eines Werks festzustellen. Doch selbst dann, wenn diese Maximaldauer generell oder im Einzelfall empirisch nachgewiesen wäre, hieße dies noch längst nicht, dass sie eo ipso gerechtfertigt wäre. An erster Stelle sind die sozialen Kosten zu berücksichtigen, die das Urheberrecht notwendig verursacht, und die durch jede zeitliche Ausweitung desselben vergrößert werden. Einerseits geht es um den Zielkonflikt des Urheberrechts: Jede Verlängerung des Urheberrechts führt zu einer Ausweitung des Monopols, das es verleiht. So wird die Unterbenutzung des Werks, die durch das Anheben des Preises über den Grenznutzen verursacht wird, erhöht. Andererseits wird die Anreizfunktion unterminiert: potentielle Urheber treffen höhere Kosten, um auf bestehende Werke zurückzugreifen. Dies alles muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass jede Rechtsverlängerung des jeweiligen Urhebers einen absinkenden Nutzeffekt besitzt. Je länger die Dauer des Urheberrechts, desto weniger wirkt sich die jeweilige Verlängerung als monetärer Anreiz aus.722 Daneben ist vor allem noch ein anderer Kostenfaktor zu berücksichtigen: die sog. tracing costs. Das sind diejenigen Kosten, die ein potentieller Nutzer eines geistigen Werks aufwenden muss, um dessen Urheber wegen einer Lizenzvereinbarung zu suchen (tracing).723 Je länger ein Urheberrecht nach dem Tod des Urhebers andauert, desto schwerer ist es, den aktuellen Inhaber des Urheberrechts zu ermitteln. Auch wenn dies durch die institutionelle Verankerung einer Registrierung – freilich mit zusätzlichen Kosten! – gelöst werden könnte: Das tracing cost Argument spricht zumindest für eine Begrenzung an dem Punkt, ab dem Anreizeffekte zu vernachlässigen sind.724 Eine Effizienz-basierte Rechtfertigung spricht nach alledem für eine zeitliche Befristung des Urheberrechts. Dieser traditionellen Sichtweise haben neuestens Landes / Posner widersprochen725 – abermals zeigt sich die argumentative Flexibilität des Effizienzarguments. Entgegen ihrer früheren Auffassung meinen sie nunmehr, eine endgültige zeitliche Befristung sei nicht ökonomisch effizient. Vielmehr sei ein System vorzuziehen, bei dem der Urheberrechtsinhaber sein Recht nach Ablauf unbegrenzt verlängern könne. Dies führe zu zweierlei Kategorien von WerSiehe van den Bergh, Intell. Prop. Q. 1998, S. 17 (28). Vgl. Gordon / Bone, in: Bouckaert / De Geest (Ed.), Encyclopedia of Law and Economics, Vol. II, S. 189 (198). Dies geschieht aufgrund des ökonomischen Gesetzes vom abnehmenden Grenznutzen, hierzu Samuelson / Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, S. 106. 723 Hierzu Landes / Posner, J. Legal Stud. 18 (1989), S. 325 (361); Cooter / Ulen, Law and Economics, S. 125. 724 So Landes / Posner, J. Legal Stud. 18 (1989), S. 325 (361). 725 Vgl. Landes / Posner, U. Chi. L. Rev. 70 (2003), S. 471 (471); dies., The Economic Structure of Intellectual Property Law, S. 210 ff.; ähnliche Gedanken finden sich auch bei Posner, Economic Analysis of Law, S. 43, 44, der allerdings seine Schlussfolgerungen bewusst offen hält. 721 722
B. Kollektivistische Rechtfertigungsmodelle
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ken: Einerseits solchen Werken, deren Monopolisierung größere Nutzen als Kosten verursache, und andererseits solchen Werken, deren Monopolisierungskosten ihre Nutzen übersteige. Sie behaupten, „that this sorting might produce a more efficient system of copyright than the present system.“726 Doch warum ist dies effizienter? Ihre These des „Indefinitely Renewable Copyright“ verteidigen Landes / Posner auf zweierlei Weise. Einerseits geschieht dies indirekt: sie relativieren die Kostenfaktoren, die üblicherweise gegen eine Verlängerung der urheberrechtlichen Dauer angeführt werden und zeigen zugleich, dass ein verlängerbares Urheberrecht stattdessen zu einer Kostenreduzierung führt.727 So meinen sie, dass sich tracing costs durch die Einführung einer Registrierung verhindern ließen: „It is not perpetual property rights but the absence of registration that creates prohibitive tracing costs.“728 Besonders bei immer wieder verlängerbaren Urheberrechten sei dies möglich; jedes Mal wenn das Urheberrecht erneuert würde, müssten Name und Adresse des aktuellen Inhabers angegeben werden. Eine Gebühr könne die entstehenden Verwaltungskosten der Registrierung decken. Ein alternativer Weg sei eine Notiz auf dem Werk selbst, die Name des Inhabers und die letzte Registrierung beinhalte. Daneben vermuten sie, dass durch ein erneuerbares Urheberrecht die sozialen Kosten einer Unterbenutzung vermindert würden. Auf empirische Daten gestützt, nehmen sie nämlich an, dass eine größere Anzahl von geistigen Werken nicht mehr geschützt und jedermann zugänglich wäre, da nur noch die wertvollsten Werke weiterhin geschützt wären.729 Dieser Behauptung liegt freilich die These zugrunde, dass in der Summe der Gebrauch vieler Werke zu einer höheren Wohlstandssteigerung führt. Andererseits begründen sie ihre These direkt, indem sie darlegen, wie ein verlängerbares Urheberrecht die public good-Problematik geistiger Werke effizienter behebt. Dabei greifen sie auf das traditionelle Anreizargument zurück, geben ihm aber eine vollkommen andere Wendung. Denn die hieraus üblicherweise gezogene Konsequenz, das Urheberrecht dürfe maximal nur so lang andauern, wie ein Anreizeffekt besteht, stellen Landes / Posner in Frage. Hingegen behaupten sie nun, dass dieses Argument eine darüber hinausgehende Dauer des Urheberrechts rechtfertige.730 Lässt sich dies mit dem Anreizparadigma vereinbaren? Die zentrale Annahme, mit der Landes / Posner dies erreichen, besteht darin, von Übernutzungseffekten (congestion externalities) bei geistigen Werken ausgehen. Es gehe nicht mehr nur darum, einen Produktionsanreiz zu schaffen – auch müsse ein Anreiz existieren, geschaffene Werke in ihrem Wert zu erhalten und zu fördern. Dieser Paradigmenwechsel ist nicht zu unterschätzen. Seine Radikalität macht sich darin Landes / Posner, U. Chi. L. Rev. 70 (2003), S. 471 (482). Vgl. Landes / Posner, U. Chi. L. Rev. 70 (2003), S. 471 (475 ff.). 728 Landes / Posner, U. Chi. L. Rev. 70 (2003), S. 471 (477). 729 Vgl. Landes / Posner, U. Chi. L. Rev. 70 (2003), S. 471 (474). 730 Landes / Posner, U. Chi. L. Rev. 70 (2003), S. 471 (476): „It has seemed so to many students of copyright, but its soundness no longer seems obvious to us.“; siehe auch Posner, Economic Analysis of Law, S. 43 f. 726 727
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
bemerkbar, mit welcher Selbstverständlichkeit Landes / Posner bisher das Gegenteil behaupteten: „There is no congestion externality in the case of information, including the text of a book, and hence no benefit (yet potentially substantial costs) in perpetuating ownership beyond the period necessary to enable the author or publisher to recoup the fixed costs of creating the work.“731 Wie lässt sich eine hiervon abrückende Sichtweise begründen? Landes / Posner stellen hierzu die These auf, eine unkontrollierte Nutzung eines geistigen Werks in Bezug auf Häufigkeit und Kontext könne zu seiner Entwertung führen. So sei etwa die Comicfigur „Mickey Mouse“ weit weniger wert, wenn sie jeder z. B. in Büchern, Filmen und Musikstücken benutzen könne. Nicht nur würde die Öffentlichkeit des Gebrauchs ermüden; auch würde das Bild der Comicfigur verwischt. Infolgedessen sinke die Nachfrage bis der kommerzielle Wert der Figur gleich null sei. Diese Beobachtung mag richtig sein – doch welche Schlüsse lassen sich aus ihr ziehen? Die Herleitung der These, dass nur dasjenige geschätzt wird, was knapp ist, erscheint unplausibel. Dass Werke nicht allein wegen ihrer Knappheit, sondern auch und gerade wegen ihres davon unabhängigen Wertes geschätzt werden, ist offenkundig. Schließlich gibt es, wie auch Landes / Posner am Beispiel von Shakespeare zugestehen, eine Reihe von geistigen Werken, die trotz ihrer Gemeinfreiheit keinen Nachfrageeinbruch erlebt haben (z. B. Bücher von Autoren wie Goethe oder Kant, Musikstücke von Bach und Mozart). Eher könnte man daran denken, dass eine Verknappung den Wert eines geistigen Werks künstlich erhöht. Aber selbst wenn diese These richtig wäre, wäre ihre effizienztheoretische Bedeutung nicht eindeutig: Abermals stellte sich die Frage, ob eine Benutzung eines Werks durch einige wenige, die einen hohen Marktpreis bezahlen können, zu einer höheren Vermögensmaximierung führt, als der häufigere Gebrauch des Werks durch viele aber weniger Zahlende in ihrer Gesamtsumme.732 Dies lässt sich nur durch unbewiesene Vermutungen entscheiden.
cc) Schranken des Urheberrechts Der Vorteil einer jeden kollektivistischen Rechtfertigung besteht darin, dass sie ermöglicht, auch Schranken des Urheberrechts moralisch zu erklären. Indem das Urheberrecht bestimmten gesellschaftlichen Interessen dient, enthält es von Anfang an eine Beschränkung zugunsten dieser Interessen. Dies gilt auch für eine Effizienz-basierte Rechtfertigung des Urheberrechts. Eine Einschränkung des Urheberrechts ist hiernach insoweit moralisch geboten, als sie insgesamt zu einer Landes / Posner, J. Legal Stud. 18 (1989), S. 325 (362). Dies erkennt auch Posner, Economic Analysis of Law, S. 44: „The value of any given copy of Mickey Mouse might be very low if (because the copyright had expired) unlimited copying were permitted; but if the number of copies was sufficiently great the total value of the character under a regime of unlimited copying might be greater that if it were copyrighted, even though each copy was worth less.“ 731 732
B. Kollektivistische Rechtfertigungsmodelle
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Wohlfahrtssteigerung im Sinne des Kaldor / Hicks- bzw. VermögensmaximierungsKriteriums führt. Gordon hat dieses Erfordernis präzisiert: Eine Schranke des Urheberrechts sei unter drei Bedingungen effizienztheoretisch gerechtfertigt.733 Erstens sei erforderlich, dass die jeweilige Schranke eine Transaktion simuliere, die aufgrund eines Marktversagens unterblieben wäre. Zweitens müsse diese Transaktion eine Benutzung des geistigen Werks ermöglichen, die zu einem sozialen Nutzen führe. Und drittens dürfe schließlich die Simulierung dieser Transaktion nicht die Anreizfunktion des Urheberrechts unterminieren, genauer: der Nutzen dürfe nicht geringer als die Kosten sein. Welche urheberrechtlichen Schranken entsprechen diesen Bedingungen? Als Beispiel soll hier der Versuch von Landes / Posner dienen, ein Zitierrecht moralisch zu rekonstruieren. Sie glauben, dass das Zitieren von geistigen Werken jene Bedingungen erfüllt.734 Sie nehmen an, in einem solchen Fall überstiegen die jeweiligen Transaktionskosten – die Kosten, die bei der Aushandlung einer Lizenz entstehen – den Nutzen des Zitierenden. Aus diesem Grund unterbleibe eine Transaktion, die für den Urheber wie für den Nutzer ökonomisch sinnvoll sei. Freilich bleibt dann offen, warum eine kompensationsfreie Schranke zugunsten des Zitierenden effizient ist: Erleidet der Urheber nicht einen Schaden und wird so nicht die Anreizfunktion des Urheberrechts geschmälert, wenn er hierfür keine Vergütung erhält? Diese Frage wird von Landes / Posner auf zweierlei Art verneint. Nachrangig wird darauf hingewiesen, dass jede Kompensation des Urhebers – sei es durch Schadensersatz oder Zwangslizenz – administrative Kosten verursache. In erster Linie versuchen sie, bereits den Schaden des Urhebers zu verneinen. Hierfür führen sie drei Gründe an: (i) Sie behaupten, dass ein Schaden des Urhebers deswegen nicht vorliege, weil die Einkommenserwartungen des Urhebers nur den Kauf eines vollständigen Exemplars des geistigen Werks beträfen.735 Diese Erwartungen würden durch ein Zitat nicht betroffen – dieses sei schließlich kein Substitut des gesamten Werks.736 Derjenige, der das Werk so nutze, hätte daher nicht das ganze Werk gekauft.737 (ii) Dadurch, dass das Zitieren wegen der prohibitiven Transaktionskosten unterblieZu diesen Bedingungen Gordon, Colum. L. Rev. 82 (1982), S. 1600 (1614 ff.). Siehe Landes / Posner, J. Legal Stud. 18 (1989), S. 325 (357); dies., The Economic Structure of Intellectual Property Law, S. 115 ff. 735 Vgl. Landes / Posner, J. Legal Stud. 18 (1989), S. 325 (357); so auch Landes, George Ma. L. Rev. 9 (2000), S. 1 (10). 736 Zu diesem Gedanken auch Posner, Economic Analysis of Law, S. 43. 737 Dies weist auf ein generelles Erkenntnisproblem: Wie soll festgestellt werden, ob jemand das geistige Werke – im Fall seiner rechtlichen oder tatsächlichen Einhegung – tatsächlich gekauft hätte? Wäre dies feststellbar, könnten gar Raubkopierer – effizienztheoretisch gesprochen – sich völlig moralisch verhalten, wenn sie das geistige Werk tatsächlich niemals gekauft hätten. Denn wenn jemand kein potentieller Käufer war, verliert der Verkäufer keinen Vermögenswert durch die unerlaubte Kopie. Hierzu Landes / Posner, The Economic Structure of Intellectual Property Law, S. 47, die freilich darauf aufmerksam machen, dass nicht unterschieden werden könne „between those who really were unwilling to pay and those who faked their unwillingness in order to avoid having to pay.“ 733 734
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
ben wäre, hätte der Urheber zudem nie einen monetären Nutzen gezogen – von einer Schädigung könne daher nicht gesprochen werden.738 (iii) Zuletzt wird angenommen, dass in manchen Fällen des Zitats – so etwa im Fall einer Buchrezension – auch dann kein Schaden vorliege, wenn es den Kauf des zitierten Werks teilweise substituiere.739 Dies wird damit begründet, dass der Urheber aufgrund des Werbeeffekts eine Lizenz ohne Vergütung erteilt hätte. Dies gelte selbst dann, wenn das Werk im Einzelfall negative Kritiken erfahren würde. Denn nur wenn gewährleistet sei, dass Buchrezensionen unabhängig sind, könnten Buchrezensionen insgesamt eine glaubhafte Form der Werbung darstellen.740 Alle Begründungen sind problematisch. Zunächst: Die Annahme, ein Schaden des Urhebers sei deswegen abzulehnen, weil die entsprechende Transaktion aufgrund ihrer Kosten unterblieben wäre, lässt sich ebenso gut auf den jeweiligen Nutzer erstrecken. Auch dieser hätte ja niemals profitiert, wenn die Transaktionskosten weiterhin bestünden. Insofern wird nicht das hypothetische Marktergebnis simuliert, sondern einseitig Partei ergriffen. In dieser Form ist das Argument daher unplausibel. Es setzt vielmehr voraus, dass der Urheber sowieso auf eine Vergütung verzichtet hätte. Dies ist eine unbewiesene Behauptung; jedenfalls bleibt dem Markt aber selbst die Möglichkeit, Transaktionskosten zu vermeiden, indem z. B. Urheber direkt die Erlaubnis für solche Zitate generell erteilen, indem entsprechendes dem Werkexemplar beigefügt wird.741 Und zuletzt: Es ist eine willkürliche Unterstellung, dass die Erlöserwartungen, die einen Urheber zur Werkschaffung motivieren, nur den Verkauf von Werkexemplaren betreffen: Warum gilt dies nicht auch für andere Nutzungen wie das Zitieren? Der Gedankengang, mit dem am überzeugendsten eine Schranke zugunsten des Zitierens begründet werden kann, ist daher ein anderer. Jede Kritik – sei sie positiv oder negativ – führt zu einer Steigerung der Informiertheit der Konsumenten. Sollte sie die Nachfrage nach einem Buch senken, führt sie daher nicht zu einer Effizienzeinbuße. Vielmehr tragen ihre Informationen dazu bei, den wahren gesellschaftlichen Wert eines Buchs zu ermitteln.742 Nur so kann eine Fehlallokation von Ressourcen – hier: die Arbeit der Autoren – verhindert werden. Dies gilt freilich nur solange, wie Zitate kein Substitut für das Produkt sind und die Leser schon deswegen auf den Kauf eines Buchs verzichten. 738 So Landes / Posner, The Economic Structure of Intellectual Property Law, S. 116; ebenfalls Landes, J. Legal Stud. 21 (1992), S. 79 (86): „Thus, a fair use privilege creates a clear benefit to A but does no harm to B since high transactions costs would have prevented B from transacting with A.“ 739 Vgl. Landes / Posner, The Economic Structure of Intellectual Property Law, S. 117. 740 So Landes / Posner, J. Legal Stud. 18 (1989), S. 325 (359): „Ex ante, publishers are better off if reviewers are free to quote without permission; it makes reviews a credible form of book advertising.“; ähnlich auch Posner, Economic Analysis of Law, S. 42. 741 So erkennen auch Landes / Posner, J. Legal Stud. 18 (1989), S. 325 (358), dass eine zu große Ausdehnung von Schranken verhindert, dass der Markt selbst Mechanismen zur Vermeidung von Transaktionskosten entwickelt. 742 Siehe Posner, Economic Analysis of Law, S. 42.
B. Kollektivistische Rechtfertigungsmodelle
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3. Kritik Eine effizienztheoretische Begründung des Urheberrechts kann auf zwei verschiedene Weisen kritisiert werden. Auf der einen Seite a) ist möglich, zu bestreiten, dass das Urheberrecht ein effizientes Mittel ist, die Bedürfnisbefriedigung einer Gesellschaft zu steigern (interne Kritik). Kurzum: Die Eigenschaft des Urheberrechts als Effizienzpromoter wird bezweifelt. Dies kann dadurch geschehen, dass bereits das hierfür notwendige Marktversagen in Bezug auf geistige Werke abgelehnt wird. Dann gibt es nichts, was durch ein Urheberrecht oder eine institutionelle Alternative zu korrigieren wäre. Ebenfalls ist denkbar, zwar das erforderliche Marktversagen anzunehmen, dessen effizienteste Korrektur aber anderen Mitteln als dem Urheberrecht zuzuschreiben: Warum sollten nicht andere staatliche Maßnahmen oder nicht-ökonomische Gründe zur Produktion geistiger Werke führen? Auf der anderen Seite b) kann in Zweifel gezogen werden, ob die Einrichtung des Urheberrechts, selbst wenn es als Effizienzpromoter diente, auch moralisch geboten ist (externe Kritik). Dies betrifft die Frage, ob begründbar ist, dass das, was ökonomisch sinnvoll, auch normativ geboten ist. Diese Kritik führt letztlich zu einer Kritik des Maßstabs, mit dem die Bedürfnisbefriedigung in einer Gesellschaft gemessen wird: dem Vermögensmaximierungs-Kriterium.
a) Ist das Urheberrecht ein Effizienzpromoter? Die These, das Urheberrecht stelle das effizienteste Mittel dar, ein Marktversagen bei geistigen Objekten zu korrigieren, setzt zweierlei voraus. Erstens ist erforderlich, dass die Produktion von geistigen Werken nicht durch die unsichtbare Hand des Marktes selbst bewerkstelligt wird. Liegt also diesbezüglich ein Marktversagen vor, das sich in einer Unterproduktion äußert? Diese Frage wird, wie oben gezeigt, von Verwendern des Effizienzarguments mit der Trittbrettfahrer-Problematik bejaht, die öffentliche Güter generell auslösen. Und zweitens muss angenommen werden, dass das Urheberrecht diese Schwierigkeit am effizientesten löst, indem es einen Anreiz zur Produktion geistiger Werke darstellt. Beide Annahmen sind in vielerlei Hinsicht umstritten. Seit dem Aufsatz von Plant743, spätestens aber durch den wirkungsmächtigen Beitrag von Breyer744 in den 70er Jahren, ist zunächst aa) die These des Marktversagens hinterfragt worden. Diese Kritik geht im Kern dahin, anzunehmen, dass dem Urheber Marktmechanismen zur Verfügung stehen, die die Trittbrettfahrer-Problematik zumindest entschärfen. Ebenfalls ist denkbar bb), dass ein Marktversagen, selbst wenn es vorliegen sollte, durch andere Mechanismen als das Urheberrecht effizienter korrigiert werden kann. Neben dem bereits bei Schopenhauer auftauchenden Einwand, geistige Werke würden auch oder gerade in Abwesenheit von monetären Anreizen geschaffen745, taucht in 743 744
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Plant, Economica 1 (1934), S. 167. Breyer, Harv. L. Rev. 84 (1970), S. 281.
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neuerer Zeit ein zusätzlicher Gedanke auf. Es wird darauf hingewiesen, dass der Staat selbst für einen monetären Anreiz sorgen könne. Indes ist eines klar: Um beurteilen zu können, ob die genannten Kritikpunkte zutreffen, wären empirische Daten nötig, die nicht vorhanden sind. Eine interne Kritik der Effizienz-basierten Rechtfertigung, die die ökonomische Effizienz des Urheberrechts in Frage stellt, teilt so die empirischen Probleme einer Effizienz-basierten Begründung des Urheberrechts.746 Die genannte Kritik ist daher mit den gleichen Schwierigkeiten konfrontiert, die ihre Gegner treffen. Sie kann zwar auf Aspekte hinweisen, die möglicherweise gegen die Effizienz des Urheberrechts sprechen. Doch kann deren ökonomisches Gewicht nur vermutet werden, da es sich schließlich nur um Modelle und Gedankenspiele handelt, die nicht auf tatsächlichen Daten basieren. Freilich bleibt immer noch ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Denn nach hier vertretener Ansicht bedarf nicht die Abschaffung des Urheberrechts, sondern dessen Einführung oder Beibehaltung einer Rechtfertigung.747 Die empirischen Defizite sind daher nicht so sehr ein Problem der Kritiker als vielmehr derjenigen, die die Begründungslast des Urheberrechts tragen, indem sie es zu stützen versuchen.
aa) Liegt ein Marktversagen vor? Ist es richtig, dass ohne die Existenz eines Urheberrechtssystems die Produktion geistiger Werke aufhören oder doch zumindest verringert werden würde? Diejenigen, die diese Frage verneinen, nehmen an, der Marktmechanismus selbst – d. h. ohne staatliche Intervention – sei imstande, diese Produktion zu gewährleisten und in ausreichendem Maße geistige Werke hervorzubringen. Die externen Nutzeffekte, die das Trittbrettfahrer-Problem erzeugt, würden durch den Markt selbst internalisiert, so dass ein Marktversagen nicht vorliege. Diese Behauptung wird hauptsächlich auf ein historisches Faktum gestützt, auf das als erster Plant aufmerksam gemacht hat.748 Während des 19. Jahrhunderts war es in den USA nicht verboten, die Schriftwerke ausländischer Autoren zu kopieren. Diese konnten gesetzlich nicht verhindern, dass ihre Werke dort frei kopiert und verkauft wurden. Trotz des fehlenden Urheberschutzes bestanden dennoch zwischen amerikanischen Verlegern und englischen Autoren vertragliche Vereinbarungen. Diese brachten den Autoren manchmal sogar höhere Erträge ein als auf dem englischen Markt, wo ihre Werke urheberrechtlich geschützt waren. Zudem waren die Preise für Bücher in Siehe Schopenhauer, Parerga und Paralipomena, § 272. Vgl. auch Watt, Copyright and Economic Theory, S. 123: „This is surely a reflection on the fact that, in the end, all arguments both for and against regulatory interventions in the form of copyright law must rely on some measure of social welfare, which is impossible to measure empirically.“ 747 Hierzu oben § 3. 748 Dazu Plant, Economica 1 (1934), S. 167 (172, 173). 745 746
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den USA geringer als in England. Dieses Resultat ist verblüffend. Während das Urheberrecht in England zu niedrigen Löhnen und hohen Buchpreisen führte, resultierte der Nichtschutz in den USA zu höheren Löhnen und niedrigeren Buchpreisen. Wie ist dies zu erklären? Plant macht auf vier Mechanismen aufmerksam, die dieses Resultat beförderten. Erstens bestand ein Vorteil darin, als Erster ein Buch auf dem amerikanischen Markt veröffentlichen zu können (Zeitvorteil). Verleger zahlten daher englischen Autoren pauschale Summen, um Vorausblätter zu bekommen. Zweitens bestand unter den großen Verlegern ein stillschweigendes Übereinkommen, nicht die Bücher des anderen zu kopieren. Verträge zwischen Verlegern und Autoren wurde daher auch von Konkurrenten beachtet (soziale Konventionen). Drittens wurden diejenigen Verleger, die sich daran nicht hielten, von den kapitalkräftigen Verlegern durch sog. bekämpfende Auflagen abgestraft (Vergeltungsmaßnahmen). Sobald jemand ein von ihnen verlegtes Buch kopierte, wurde eine größere und billigere Auflage auf den Markt gebracht, um, wenn auch unter Verlusten, den Konkurrenten in den Bankrott zu treiben. Und viertens machten sich amerikanische Verleger eine Niedrigpreispolitik zu Eigen, die zu einem Preis führte, der nur die Hälfte des englischen Buchpreises ausmachte. Potentielle Kopierer, die bereits einen zeitlichen Nachteil hatten, wurden so zusätzlich abgeschreckt (Preispolitik). Diese historische Begebenheit gibt Anlass dazu, die These vom Marktversagen ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Die Bedeutung des Kostenvorteils, den der Kopierer besitzt, scheint geringer zu sein als üblicherweise angenommen. Der Markt selbst kann also Mechanismen produzieren, um dieses Problem zu lösen. Freilich ist zu berücksichtigen, dass dies nicht für alle Werke gleichermaßen gilt.749 Wie Breyer für den Büchermarkt gezeigt hat, ist z. B. der Zeitvorteil am größten bei Unterhaltungsliteratur.750 Hier wird der Profit bereits innerhalb weniger Monate erwartet. Bei den Ausbildungsbüchern fällt dieser Vorteil nicht so stark ins Gewicht; hier sind die Zeitspannen, um den Gewinn zu erzielen, größer. Gegenkritiker versuchen allerdings, die damalige Situation als nicht übertragbar auf unsere heutige Zeit darzustellen. Ihr Hauptargument ist die veränderte technische Situation: Vor allem wegen der leichteren, billigeren und schnelleren Kopiermöglichkeiten heutzutage sei eine historische Analogie unangebracht.751 In dieser Pauschalität ist diese Behauptung aber zweifelhaft. Dem ließe sich ebenso gut entgegenhalten, dass auch die Verleger heutzutage günstiger und billiger produzieren können. Daneben entkräftet dieses Argument, selbst wenn es richtig ist, nicht die anderen Mechanismen, die Plant dargestellt hat.752 Warum sollten nicht auch hier soziale Konventionen, Vergeltungsmaßnahmen und Niedrigpreise funktionieren? 749 Vgl. hierzu auch Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 587. 750 Breyer, Harv. L. Rev. 84 (1970), S. 281 (300). 751 So etwa Landes / Posner, J. Legal Stud. 18 (1989), S. 325 (331); van den Bergh, Intell. Prop. Q. 1998, S. 17 (23). 752 Kritik dieser Mechanismen bei Tyerman, UCLA L. Rev. 18 (1971), S. 1100 (1108 ff.).
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Breyer und Palmer machen zudem noch auf andere Marktmechanismen aufmerksam, die sich entwickeln könnten, um die Trittbrettfahrer-Problematik zu entschärfen. So sieht Palmer ein Mittel einerseits in technologischen Einzäunungsmethoden, die die Nicht-Exklusivität geistiger Werke bekämpfen, wie etwa Kopierschutzmaßnahmen. Andererseits sei möglich, ein geistiges Werk mit einem körperlichen Substrat zu bündeln, bei dem die Exklusionskosten niedriger seien.753 Als Beispiel führt er Shareware an: Hier werde die Bezahlung dadurch attraktiv, dass Informationen zu dem Produkt (Bedienungsanleitung, Produktbeschreibung etc.) geliefert würden. Breyer schlägt bei seiner Analyse des Büchermarktes dagegen eine andere Strategie vor.754 Potentielle Käufer könnten sich im Vorhinein organisieren und gemeinsame Gebote für ein Buch abgeben. So könne der Verleger von garantierten Einnahmen ausgehen und werde dazu bewegt, das entsprechende Buch zu publizieren. Ob ein Marktversagen eintreten würde, wenn kein Urheberrecht existierte, ist nach allem also nicht eindeutig festzustellen.
bb) Alternativen zum Urheberrecht? Selbst wenn man von einem Marktversagen bei geistigen Werken ausgeht, ist denkbar, dass dieses Versagen durch andere Mechanismen effizienter beseitigt oder gemindert werden kann. So wird häufig darauf hingewiesen, dass es unzählige Fälle gebe, wo geistige Werke nicht aus monetären Gründen geschaffen würden.755 Diese nicht-monetären Motive bestünden etwa darin, Ideen zu verbreiten, Anerkennung zu erfahren oder auch seinen Ruf zu verbessern. Schopenhauer hat dieses Argument noch radikaler formuliert – er behauptet gar, „Honorar und Verbot des Nachdrucks sind im Grunde der Verderb der Literatur. Schreibenswertes schreibt nur, wer ganz allein der Sache wegen schreibt.“756 Zumindest die gemäßigte Version jenes Arguments mag in manchen Bereichen tatsächlich zutreffen. So dürften gerade im Wissenschaftsbereich viele Publikationen auf idealistische Gründe zurückgeführt werden können. In gleicher Weise trifft dies auf denjenigen Bereich zu, den man zu den schönen Künsten rechnet.757 Dennoch behauptet heute niemand mehr, dass dieser Mechanismus allein eine Unterproduktion verhindern könne. Zumal ansonsten ein entscheidender Aspekt übersehen würde: Wenngleich in solchen Fällen geistige Werke aus nicht-monetären Gründen produziert werden, heißt dies ja noch lange nicht, dass dies auch für ihre Verbreitung gilt. So werden z. B. Verleger die je produzierten Werke in aller Regel nur dann verlegen, wenn Siehe Palmer, Hamline L. Rev. 12 (1989), S. 261 (289 ff.). Vgl. Breyer, Harv. L. Rev. 84 (1970), S. 281 (302 ff.). 755 Siehe etwa Hurt / Schuchman, Am. Econ. Rev. 56 (1966), S. 421 (425 f.); Plant, Economica 1 (1934), S. 167 (168 f.); Sterk, Mich. L. Rev. 94 (1996), S. 1197 (1213). 756 Schopenhauer, Parerga und Paralipomena, § 272; hierzu auch Kohler, Das Autorrecht, S. 93 f. 757 Vgl. hierzu vor allem Gifford, Cardozo Arts & Ent. L. J. 18 (2000), S. 569. 753 754
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ihnen monetäre Gewinne winken.758 Idealistische Autoren treffen nicht stets auf idealistische Verleger. Eine Produktion geistiger Werke liefe so aber weitestgehend ins Leere – sie stünden ja dann nicht zur Bedürfnisbefriedigung zur Verfügung.759 Gewichtiger ist daher eine andere Strategie. Denkbar ist ebenfalls, dass ein mögliches Marktversagen bei geistigen Werken durch andere staatliche Maßnahmen als ein Urheberrechtssystem effizienter gelöst werden kann.760 Denn immerhin ist, wie oben gezeigt, zu berücksichtigen, dass ein solches System soziale Kosten verursacht. Durch die Verleihung eines Monopols an den Urheber werden die Preise eines Werks dessen Grenzkosten und Grenznutzen regelmäßig überschreiten. So wird Nutzern der Zugang verwehrt, die nicht bereit sind, mehr als den Grenznutzen zu zahlen. Das Urheberrecht vermeidet daher zwar eine Unterproduktion geistiger Werke, führt aber zu deren Unterbenutzung. Wie Plant in Hinblick auf den Büchermarkt formuliert hat: „More authors write books because copyright exists, and a greater variety of books is published; but there are fewer copies of the books which people want to read.“761 Eine Alternative zum Urheberrecht muss an dieser Stelle ansetzen: Sie muss einerseits ein funktionales Äquivalent zum Urheberrecht bilden, andererseits dessen soziale Kosten vermeiden. Eine solche Alternative wird zunehmend in einem staatlichen Belohnungssystem gesehen.762 Dahinter steht die Vorstellung, dass der Staat potentiellen Urhebern finanzielle Belohnungen gewährt, um so die Anreizfunktion des Urheberrechts zu substituieren.763 Dadurch geschaffene Werke werden nicht mehr monopolisiert – sei es durch Private oder durch den Staat –, sondern gehen in das kulturelle Gemeingut ein, dessen Benutzung jedem frei steht. Auf der einen Seite wird so die Werkschaffung stimuliert, auf der anderen Seite werden geschaffene Werke unmittelbar der Allgemeinheit 758 Siehe Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (340); ders., Vand. L. Rev. 51 (1998), S. 217 (250). 759 Zwar wird durch die Verbreitungsmöglichkeit, die das Internet heutzutage bietet, theoretisch eine Alternative zu Verlegern geboten. Doch stellt sich das Problem hier abermals: Um zu gewährleisten, dass potentielle Nutzer von dieser Möglichkeit erfahren und Gebrauch machen, ist eine Distributionsplattform erforderlich, die einen gewissen Bekanntheitsgrad besitzt. Hier stellt sich die Frage der Distributionskosten in Form von Werbekosten erneut. 760 Verschiedene Modelle (staatlich / nicht-staatlich) wie auch Mischformen werden von Croskery, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 631 (636 ff.), diskutiert. 761 Plant, Economica 1 (1934), S. 167 (192). 762 Genereller Anhänger eines solchen Modells ist Calandrillo, Fordham Intell. Prop. Media & Ent. L. J. 9 (1998), S. 301; bzgl. Patenten Shavell / Ypersele, J. L. & Econ. 44 (2001), S. 525; als Argument gegen ein Urheberrecht verwendet bei Breyer, Harv. L. Rev. 84 (1970), S. 281 (282, 283); Hettinger, Phil. & Pub. Aff. 18 (1989), S. 31 (49); Hurt / Schuchman, Am. Econ. Rev. 56 (1966), S. 421 (426); Moore, Hamline L. Rev. 26 (2003), S. 601 (619 ff.). 763 Hiervon sind solche Systeme zu unterscheiden, bei denen der Staat nicht nur die Produktion geistiger Werke finanziert, sondern diese auch selbst besorgt, vgl. Cooter / Ulen, Law and Economics, S. 103, 118; ausführlich Croskery, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 631 (636, 637).
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zur Verfügung gestellt. Theoretisch wird so ein Zustand optimaler Produktion und Allokation von geistigen Werken erreicht.764 In der Tat ist ein solches Belohnungsmodell überaus plausibel. Die Probleme des Urheberrechts werden gelöst, ohne dass seine Vorteile aufgegeben werden. Freilich handelt es sich dabei nur um ein Gedankenmodell; verlässliche Daten hierzu sind, wie schon beim Urheberrecht selbst, nicht verfügbar. Seine Gegner haben es so allerdings auch schwerer, seine Plausibilität zu widerlegen. Von allen Kritikpunkten, die vorgebracht werden, scheinen mir aber zwei Aspekte wesentlich.765 An erster Stelle stellt sich die Frage, ob ein solches System tatsächlich effizienter ist. Zwar sind die administrativen Kosten, die ein solches System verursachen würde, von geringer Relevanz: einerseits ist zu vermuten, dass ein steuerfinanziertes Belohnungssystem in bestehende Steuersysteme integriert werden könnte, andererseits würden potentielle Kosten womöglich durch den Wegfall von Rechtsdurchsetzungskosten ausgeglichen. Doch hängt die Effizienz eines staatlichen Belohnungssystems von etwas anderem ab. Ein solches System arbeitet nur dann effizient, wenn es zwei Fragen richtig zu beantworten weiß: Für welche Arten von geistigen Werken sollen Belohnungen gewährt werden? Und: Wie hoch sollen diese Belohnungen sein? Nur wenn beide Parameter so gewählt werden, dass die gewährten Belohnungen den sozialen Wert eines geistigen Werks – und das heißt: die Nachfrage und damit die Bedürfnisse der Gesellschaft – widerspiegeln, ist dieses System effizient. Doch wie sollen diese Parameter festgestellt werden? Der Markt selbst, der der ureigenste Ort ist, an dem seine Teilnehmer ihre Präferenzen offenbaren und so den Wert ermitteln, scheidet bei einem staatlichen Belohnungssystem als Anwortgeber aus. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass durch andere Mechanismen, etwa Nutzerbefragungen oder ähnliches, der Bedarf nach und die Wertschätzung von bestimmten geistigen Werken ermittelt wird. Doch wird man davon ausgehen können, dass zumindest der erhobene Wert nicht demjenigen entspricht, der in einem freien Markt ermittelt worden wäre.766 Ein Effizienzverlust scheint insoweit unvermeidbar. In welchem Verhältnis stehen dann Effizienzgewinne und Effizienzver764 Daneben besteht ein Vorteil, der nicht die Effizienz, sondern einen Gerechtigkeitsaspekt betrifft. Von geistigen Werken profitiert auf lange Sicht die gesamte Gesellschaft – nicht nur diejenigen, die sie unmittelbar benutzen. Durch eine steuerfinanzierte Förderung geistiger Werke wird jener Nutzen dann gleichmäßig finanziert, genauer: internalisiert; hierzu Breyer, Harv. L. Rev. 84 (1970), S. 281 (286, 287); anderer Auffassung Spector, Int. J. App. Phil. 6 (1991), S. 65 (66). 765 Eine Aufstellung der verschiedenen Kritikpunkte findet sich bei Calandrillo, Fordham Intell. Prop. Media & Ent. L. J. 9 (1998), S. 301 (344 ff.). 766 Vgl. Croskery, Chi.-Kent L. Rev. 68 (1993), S. 631 (640); zu diesen Problemen auch Arrow, in: The Rate and Direction of Inventive Activity, S. 609 (623); Dworkin, in: ders., A Matter of Principle, S. 221 (226 f.). Aus diesem Grund lehnte bereits Mill, Principles of Political Economy, Bk. V Ch. X § 4, ein Belohnungssystem für Patente ab. Er glaubte ebenfalls, dass entsprechende Daten nicht durch den Staat marktfern ermittelt werden könnten.
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luste eines staatlichen Belohnungssystems? Sind sie im Vergleich zu einem Urheberrechtssystem geringer? Ist daher ein staatliches Belohnungssystem – trotz jener Schwäche – im Sinne des Kaldor / Hicks-Kriteriums überlegen und vorzuziehen? Befürwortern wie Gegnern fehlen abermals empirische Daten, um diese Fragen in ihrem Sinne zu beantworten. Das vorherige Problem, das die Effizienz eines Belohnungssystems in Zweifel zieht, führt zugleich zu einem anderen Kritikpunkt. Wenn die Bedürfnisse der Menschen nicht ausreichend antizipiert werden können, führt dann die Intervention des Staates nicht zwangsläufig zu einer teilweisen Bevormundung seiner Bürger? Dies hieße, dass neben einem unumgänglichen Effizienzverlust zugleich eine Einschränkung der menschlichen Freiheit einherginge. Doch selbst wenn die Informationen des Staates vollständig wären: Besteht nicht stets die Gefahr, dass ein staatliches Belohnungssystem zu einer ideologischen Förderung geistiger Werke führt und so der Zensur Auftrieb gibt? Diese Einwände sind beachtlich und werden daher zur Recht häufig genannt.767 Doch ist ihre Reichweite begrenzt. Sobald man die Intervention des Staates auf diese Weise angreift, verlässt man nämlich den Gedankengang der Effizienz-basierten Rechtfertigung. Es geht dann nicht mehr darum, zu zeigen, dass ein staatliches Belohnungssystem eine weniger effiziente Lösung hervorbringt. Stattdessen wird dieses System – ungeachtet seiner Effizienz – aus anderen normativen Gründen verworfen. Diese Argumente fügen daher einer internen Kritik des Effizienzarguments nichts hinzu. Sie können nur dann Wirkung entfalten, wenn damit das Effizienzziel selbst oder das VermögensmaximierungsKriterium angegriffen werden. Dies führt über zur externen Kritik des Effizienzarguments.
b) Ist Effizienz ein moralisches Gebot? Neben den Einwänden, die die Eigenschaft des Urheberrechts als Effizienzpromoter in Frage stellen, ist auch die Moralität des Effizienzziels zweifelhaft. Soll das Urheberrecht überhaupt nach effizienztheoretischen Gesichtspunkten ausgestaltet werden? Es geht hierbei weniger darum, zu beurteilen, ob die größtmögliche, und das heißt: effiziente Bedürfnisbefriedigung aller Menschen ein erwünschtes Ziel ist. Wer wollte dagegen ernsthaft etwas einwenden? Jene Frage führt vielmehr über zur Plausibilität des Kriteriums, mit dem die Allokationseffizienz üblicherweise gemessen wird, dem Kaldor / Hicks- oder Vermögensmaximierungs-Kriterium. Denn dieses verabschiedet sich explizit von dem Erfordernis, nie767 Siehe etwa Gordon, in: Ott / Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse der rechtlichen Organisation von Innovationen, S. 328 (330 f.); auch der Demokratie-basierte Ansatz von Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283, (288, 352 ff.), basiert teilweise darauf. Anders indes Hettinger, Phil. & Pub. Aff. 18 (1989), S. 31 (49), der nicht generell in der staatlichen Finanzierung – Beispiel ist hier die Finanzierung von Hochschulen – die Gefahr einer inhaltlichen Kontrolle erblickt.
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mand dürfe eine Verschlechterung seiner Situation erfahren. Ausreichend ist hiernach vielmehr, dass diese Nachteile kompensiert werden könnten. Dieses Merkmal macht das Kriterium höchst kritikanfällig: Warum sollte es zulässig sein, die Gewinne einiger Menschen höher zu bewerten als die Verluste anderer? Anhand der Thesen Posners sind bislang zwei Wege unterschieden worden, mit denen sich darauf möglicherweise eine Antwort geben lässt. Beide wollen zeigen, dass zumindest auf lange Sicht die Anwendung dieses Kriteriums allen Menschen Vorteile bietet. So soll offenkundig der Nachteil des Vermögensmaximierungs-Kriteriums – die unnötige Zustimmung und damit die Inkaufnahme von schädlichen Drittwirkungen – relativiert werden. Sie unterscheiden sich nur darin, worin dieser Vorteil besteht. Zum einen ist möglich, zu glauben aa), dass auf lange Sicht die Vermögensmaximierung zu einer größeren Befriedigung beliebiger Bedürfnisse in der Gesellschaft führt. Zum anderen bb) kann behauptet werden, dass auf lange Sicht bestimmte moralische Werte durch die Vermögensmaximierung befördert werden. Bei genauerer Betrachtung kann die normative Bedeutung dieser instrumentalen Begründungen von zweierlei Art sein. In der schwachen Version beinhalten sie die Aussage, das so gemessene Effizienzziel sei einer von mehreren konkurrierenden Werten. In ihrer starken Version behaupten sie hingegen, dass das derart gemessene Effizienzziel der höchste und damit einzige Wert sei, den eine Gesellschaft befolgen solle. Eine Kritik des Vermögensmaximierungs-Kriteriums kann daher von unterschiedlicher Reichweite sein. Sie kann dessen normative Bedeutung relativieren, indem sie seine Stellung als höchstes Gut in Frage stellt. Oder aber sie streitet bereits ab, dass ein so verstandenes Effizienzziel überhaupt eine moralische Wirkung besitzt. Die nachfolgende Kritik schlägt den letzteren Weg ein; sie versucht zu zeigen, dass das Vermögensmaximierungs-Kriterium überhaupt keinen moralischen Anspruch geltend machen kann.
aa) Größtmögliche Befriedigung beliebiger Bedürfnisse? Die Posnersche These, die Befolgung des Vermögensmaximierungs-Kriteriums führe letzten Endes zu einer größeren Bedürfnisbefriedigung aller Menschen, setzt zweierlei voraus. Erstens ist erforderlich, dass eine Sozialverbesserung im Sinne jenes Kriteriums überhaupt eine Steigerung individueller Bedürfnisbefriedigung mit sich bringt. Und zweitens muss die Anwendung dieses Kriteriums zumindest auf lange Sicht dazu führen, dass jeder eine vermögensmäßige Besserstellung erfährt. Beiden Bedingungen stehen beachtliche Einwände entgegen. Zunächst: Ist das Kaldor / Hicks- oder Vermögensmaximierungs-Kriterium imstande, das Ausmaß an Bedürfnisbefriedigung zu messen? Führt jede Verbesserung i. S. d. Kaldor / Hicks-Kriteriums zu einer größeren individuellen Bedürfnisbefriedigung? Dass dies nicht so ist, lässt sich leicht erkennen. Folgendes Beispiel kann dazu dienen: Der Forscher A hat ein Medikament entwickelt, das eine bislang unheil-
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bare Krankheit heilt. Dieses Medikament bietet er für 1000 A an. Der Mittellose B leidet akut unter jener Krankheit und benötigt daher das Medikament, um sein Leben zu verlängern. Hingegen hat der Millionär C Angst, in Zukunft an der Krankheit zu erkranken, und möchte sich bereits jetzt mit dem notwendigen Heilmittel ausrüsten. Beide sind daher bereit, die geforderte Summe zu zahlen. Doch nur C allein ist finanziell imstande, diese Summe tatsächlich aufzubringen. Wer soll das Medikament bekommen? Nach dem Vermögensmaximierungs-Kriterium ist die Antwort eindeutig. Nur der Verkauf an C ist effizient, da dieser auch imstande ist, den Preis zu bezahlen. Es wird mithin unterstellt, dass das Medikament bei C eine größere Bedürfnisbefriedigung als bei B auslöst. Darüber lässt sich freilich streiten; man wird hier eher zu der Annahme neigen, dass das Medikament in den Händen von B aufgrund seiner aktuellen Lebensgefährdung einen größeren Wert besitzt. Noch klarer tritt die Unzulänglichkeit des Kriteriums hervor, wenn man annimmt, dass B dem A sein gesamtes Vermögen in Höhe von 1500 A anbietet, um das Medikament zu bekommen. Wenn hier dennoch C das Medikament bekommt, weil er dem A 3000 A anbietet – einen Bruchteil seines Vermögens! – wird das Problem noch offenkundiger. Ist hier das Medikament dorthin gelangt, wo es die größte Wertschätzung erfährt? Wohl kaum. Dieses Beispiel zeigt, dass der Geldbetrag, den jemand für ein Gut zu zahlen bereit und imstande ist, nicht allein eine Frage der Wertschätzung ist. Dies wird auch und gerade durch die finanziellen Möglichkeiten bestimmt, die jemandem zur Verfügung stehen. Die Verteilung von Gütern richtet sich dann nicht nach den dringlichsten Bedürfnissen, sondern nach denjenigen Bedürfnissen, die mit der größten Kaufkraft ausgestattet sind.768 So kann es dazu kommen, wie Samuelson / Nordhaus pointiert formulieren, dass „die Katze der Reichen genau die Milch trinkt, die für die Gesundheit der Kinder der Armen so dringend nötig wäre.“769 Ein genereller Zusammenhang zwischen Wertschätzung – also Ausmaß der Bedürfnisbefriedigung – und geldgestützter Nachfrage ist daher abzulehnen. Das ist nicht das einzige Problem. Denn selbst wenn man über dieses Problem hinwegsieht, ist die obige These angreifbar. Angenommen, der Betrag, den jemand zu zahlen bereit und imstande ist, lässt tatsächlich einen Rückschluss auf die Wertschätzung des Guts zu. Mit anderen Worten: Der Preis, den jemand zu zahlen bereit und imstande ist, stellt eine verlässliche Größe dar, die sich interpersonal vergleichen lässt. Der Millionär C schriebe dann tatsächlich dem Medikament einen höheren Wert zu, als der todkranke B. Folglich wäre es geboten, stets dem Millionär C das Medikament oder seinen Katzen die Milch zu geben. Ein derartiges Vorgehen führte zu einem Gerechtigkeitsproblem. Denn so würden einige Bedürfnisse überhaupt nicht, andere hingegen in hohem Maße befriedigt. Eine höhere Bedürfnisbefriedigung – sofern man sie einfach unterstellt – verursachte dann eine 768 769
Vgl. Dworkin, in: ders., A Matter of Principle, S. 221 (222). Samuelson / Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, S. 62.
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ungerechte Güterverteilung. Wenn indes gezeigt werden könnte, dass auf lange Sicht dieses Defizit verschwände, scheint dies weniger problematisch. Dies ist das Argument Posners. Er glaubt, dass eine Generalkompensation eintritt, die zu einer vermögensmäßigen Besserstellung aller führt und damit eine größere Bedürfnisbefriedigung aller widerspiegelt. Warum aber sollte dadurch, dass so das Vermögen des A gemehrt wird, letztendlich auch eine Vermögenssteigerung bei B eintreten? Dies ist eine empirische Frage, die bislang nicht überprüft worden ist und insofern nur spekulativ beantwortet werden kann.770
bb) Größtmögliche Befriedigung bestimmter Bedürfnisse? Schließlich ist auch die Behauptung, in Gesellschaften, in denen das Kaldor / Hicks- bzw. Vermögensmaximierungs-Kriterium angewendet werde, würden auf lange Sicht bestimmte moralische Werte befördert, zweifelhaft. Zwar gehören die von Posner angesprochenen Rechte und Werte heutzutage zum klassischen Kanon zustimmungsfähiger Normen: Freiheit und Menschenwürde – das sind Werte, die von vielen Menschen geschätzt werden. Es ist daher höchst plausibel, anzunehmen, dass diese ein Ziel darstellen, das befördert werden soll. Doch ist der einzige oder doch beste Weg, dies zu erreichen, die Anwendung des Vermögensmaximierungs-Kriteriums? Die Beispiele, mit denen Posner dies zu belegen sucht, sind die heutigen westlichen rechtsstaatlichen Demokratien, in denen eine prosperierende Marktwirtschaft herrscht. Diese Beispiele sind aus mindestens zwei Gründen wenig hilfreich, um einen Zusammenhang zu begründen.771 Erstens: Die fokussierten Wirtschaftssysteme zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie nicht durchgehend effizienz-orientiert gestaltet sind, sondern sozialstaatliche Komponenten integrieren. Vermögen wird in diesen Systemen auch nach Gerechtigkeitsgesichtspunkten umverteilt. Sie können daher bereits aus diesem Grund nicht als Beleg dafür dienen, dass die Anwendung des Vermögensmaximierungs-Kriteriums die entsprechenden Rechte hervorbringt. Im Gegenteil zeigen sie, dass dieses Kriterium nirgends konsequent angewendet wird. Und zweitens ist der Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem und politischem System noch längst nicht geklärt. Unterschiedliche historische Daten führen hier zu sich widersprechenden Deutungen.772 Das kann nicht verwundern. Es ist zu vermuten, dass die Entstehungsbedingungen für rechtstaatliche Demokratien weitaus komplexer sind, als die These Posners 770 Siehe Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 245; anders hingegen Schäfer / Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S. 38: „Der Behauptung, für eine derartige Generalkompensation gebe es keinen empirischen Beleg, muss jedoch widersprochen werden.“ 771 Verschiedene Einwände finden sich bei Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 264 ff., insbesondere S. 267 ff. 772 Vgl. zu den unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten z. B. Ferguson, Politik ohne Macht, S. 335 ff.; zum zweifelhaften Zusammenhang zwischen Markt und Demokratie Vorländer, Demokratie, S. 107 – 109.
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nahe legt. Ökonomische Faktoren mögen hier eine Rolle spielen – ihre genaue Bedeutung ist und bleibt unklar.
4. Zusammenfassung Eine Effizienz-basierte Rechtfertigung des Urheberrechts behauptet, dass eine exklusive Rechtsbeziehung zwischen Urhebern und ihren Werken ökonomisch sinnvoll sei. Indem diese die Verschwendung von Ressourcen verhindere, führe sie zu einer effizienteren Gesamtbefriedigung menschlicher Bedürfnisse. Dieser Gedanke basiert zunächst auf der These des Marktversagens: Obwohl gesellschaftliche Bedürfnisse nach geistigen Werken vorhanden seien, sei der Marktmechanismus nicht oder nicht ausreichend imstande, deren Produktion zu gewährleisten. Als Begründung dient hier die Trittbrettfahrer-Problematik öffentlicher Güter: Weil der Zugang zu geistigen Werken schwer zu unterbinden sei, sie zudem gleichzeitig von unendlich vielen Menschen genutzt werden könnten, spekuliere jeder auf ihre unentgeltliche Nutzung. So spiegele die offenbarte Nachfrage nicht den wahren Wert geistiger Werke wider. Potentielle Urheber gingen so von falschen Marktsignalen aus: Sie setzten dann ihre Arbeitskraft nicht in dem Maße zur Erschaffung geistiger Werke ein, wie der reale Bedarf es erfordere. Der Markt funktioniert dann ineffizient – er führt zu einer Fehlallokation von Ressourcen. Eine Effizienz-basierte Rechtfertigung hält das Urheberrecht für die Lösung jener Problematik. Auf der einen Seite nimmt sie an, dass das Urheberrecht dieses Marktversagen korrigiert: Indem es geistige Werke durch ein Exklusivrecht künstlich verknappe, mache es sie zu einem handelbaren Produkt. Es erschaffe so einen monetären Anreiz für Werkschaffende, der die Produktion zukünftiger Geisteswerke in ausreichendem Maße gewährleiste. Auf der anderen Seite glaubt sie, dass das Urheberrecht ebenfalls das effizienteste Mittel ist, um jenes Marktversagen zu korrigieren. Selbstverständlich ist dies nicht, denn das Urheberrecht ruft Kosten für die Urheber wie für die Allgemeinheit hervor. So erlaubt es zwar Urhebern, ihre Investitionen zu amortisieren; doch verteuert es zugleich die Werkschaffung, da potentielle Urheber den Zugang zu vorbestehenden Werken bezahlen müssen. Außerdem ruft die verliehene Monopolstellung des Urhebers eine Unterbenutzung hervor: Potentielle Nutzer werden durch Preise, die den Grenznutzen übersteigen, ausgeschlossen. Wer das Effizienzargument vertritt, nimmt daher an, dass das Urheberrecht diese Konflikte in einer Weise löst, die im Großen und Ganzen zu einem Wohlfahrtszuwachs führt. (1) Der Gedankengang der Effizienz-basierten Rechtfertigung beruht im Einzelnen auf einem sechsstufigen Argument: (i) Eine Gesellschaft ist so zu gestalten, dass ein Höchstmaß an Bedürfnisbefriedigung aller Menschen erreicht wird. (ii) Der Grad der Bedürfnisbefriedigung in einer Gesellschaft ist anhand des Gesamtvermögens einer Gesellschaft zu messen (Vermögensmaximierungs-Kriterium). (iii) Menschen haben ein stetes Bedürfnis nach immer neuen geistigen Werken.
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(iv) Der Markt selbst ist jedoch nicht imstande, für eine ausreichende Produktion von geistigen Werken zu sorgen (These des Marktversagens). (v) Dieses Marktversagen kann am effizientesten – im Sinne von (i) – korrigiert werden, indem durch das Urheberrecht ein Produktionsanreiz gegeben wird. (vi) Daher ist das Urheberrecht moralisch gerechtfertigt. (2) Auf den ersten Blick besitzt diese Argumentation große Vorteile. Dies in zweifacher Hinsicht: Erstens ist sie theoretisch imstande, alle Merkmale bestehender Urheberrechtssysteme moralisch zu bewerten. Schließlich ist jede urheberrechtliche Regelung einer ökonomischen Analyse, d. h. einer Kosten / NutzenRechnung zugänglich. So sagt eine effizienztheoretische Lesart stets, ob eine Regelung moralisch notwendig oder moralisch unmöglich ist – entweder sie ist effizient oder sie es nicht. Das ist ein Vorteil in der Reichweite ihrer moralischen Aussagen. Und zweitens besitzt eine derartige Rechtfertigung einen normativen Vorzug: Statt vorzuschreiben, welche Bedürfnisse Menschen haben sollen, fordert sie nur die größtmögliche Befriedigung jener Bedürfnisse, die in einer Gesellschaft tatsächlich vorzufinden sind. Indem eine Effizienz-basierte Rechtfertigung so jedem Menschen freistellt, wie er leben will, beruht sie auf einer relativ voraussetzungsarmen Gesellschaftskonzeption. Dadurch wächst die Chance ihrer allgemeinen Zustimmungsfähigkeit beträchtlich. (3) Eine Effizienz-basierte Rechtfertigung hat aber auch Schwächen. Denn beide Vorteile sind nur theoretischer Natur: Auf tatbestandlicher Ebene ist anhand der Idee / Ausdruck-Dichotomie, qualitativer Gestaltungskriterien und der Lehre von der Doppelschöpfung zwar beispielhaft gezeigt worden, dass und wie derartige Merkmale effizienztheoretisch rekonstruiert werden können. Dabei hat sich indes gezeigt, dass es durchweg an empirischen Daten fehlt, um die theoretischen Konstruktionen auch praktisch zu stützen. Gleiches gilt für die Rechtsfolgen des Urheberrechts. Hier wurde das Effizienzparadigma hinsichtlich der Art der Rechte, der Dauer und der Schranken des Urheberrechts theoretisch benutzt, ohne es empirisch absichern zu können. So wurde klar, wie sehr eine effizienztheoretische Analyse von empirischen Daten abhängt, die jedenfalls bislang nicht vorhanden sind. Wenn aber das Gewicht der in Betracht kommenden Nutzen- und Kostenfaktoren des Urheberrechts nicht feststeht, beruht seine institutionelle wie inhaltliche Effizienz auf bloßen Vermutungen. Je nachdem, welchen Spekulationen man anhängt, ist das Urheberrecht effizienztheoretisch moralisch notwendig oder moralisch unmöglich. (4) In normativer Hinsicht besteht die Schwäche einer Effizienz-basierten Rechtfertigung vor allem darin, ein geeignetes Kriterium zu finden, mit dem die Bedürfnisbefriedigung einer Gesellschaft gemessen werden kann. Denn wenngleich die allgemeine Forderung, eine Gesellschaft solle für eine größtmögliche Bedürfnisbefriedigung ihrer Mitglieder sorgen, plausibel ist, so muss doch festgestellt werden können, wann dies der Fall ist. Kurz: Wann liegt die sog. Allokationseffizienz vor? Dies wird heute allenthalben mit dem Kaldor / Hicks- oder
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Vermögensmaximierungs-Kriterium beantwortet. Anders als beim unpraktikablen Pareto-Kriterium, bei dem niemand eine Verschlechterung seiner Situation erfahren darf, ist danach ausreichend, dass einige eine vermögensmäßige Besserstellung erfahren, die ihnen erlauben würde, Nachteile anderer zu kompensieren. Dies macht das Kriterium in zweierlei Hinsicht kritikanfällig. Erstens ist zweifelhaft, ob der Preis, den man für ein Produkt zu zahlen bereit und imstande ist, tatsächlich einen Rückschluss auf die jeweilige Wertschätzung zulässt. Schließlich werden so Bedürfnisse nur in dem Maße für relevant erklärt, als sie auch geldgestützt sind. Und zweitens stellt sich die Frage, warum es zulässig sein sollte, die Gewinne einiger Menschen über die Verluste anderer zu stellen. Zwar wird versucht, zu zeigen, dass zumindest auf lange Sicht die Anwendung dieses Kriteriums allen Menschen Vorteile bietet. Doch ist höchst zweifelhaft, zumindest aber empirisch offen, ob durch die Vermögensmaximierung eine größere Befriedigung beliebiger Bedürfnisse oder aber bestimmte moralische Werte befördert werden.
III. Demokratie-basierte Rechtfertigung Ein anderer Versuch, das Urheberrecht kollektivistisch zu rechtfertigen, besteht darin, es als notwendige Bedingung eines demokratisch organisierten Gesellschaftssystems zu erachten. Dann wird behauptet, dass das Urheberrecht die kommunikativen Grundlagen schaffe, auf die ein demokratisch regiertes Gemeinwesen angewiesen sei. Setzt man zusätzlich voraus, dass eine derartige Staats- und Regierungsform Ziel jeder vernünftigen Gesellschaft sein muss, so ist das Urheberrecht moralisch begründet. Der moralische Grund sowie die Grenzen des Urheberrechts basieren dann nicht länger auf einer Gesellschaftskonzeption, die die Befriedigung beliebiger Bedürfnisse zum Ziel erhebt. Ebensowenig wird auf äußere Minimalgrenzen des menschlichen Bedürfnishandelns abgestellt, innerhalb derer sich das Urheberrecht legitimerweise bewege. Stattdessen werden bestimmte Bedürfnisse – hier: das Bedürfnis nach einer demokratischen Gesellschaftsform – zur Rechtfertigung des Urheberrechts herangezogen. Diese Argumentation – sie lässt sich als Demokratie-basierte Rechtfertigung bezeichnen – findet, wie auch ihr effizienztheoretisches Pendant, ihren Ursprung im angloamerikanischen Rechtskreis. Ihre Idee taucht dort ansatzweise bereits in der Rechtsprechung des US-amerikanischen Supreme Courts auf.773 In systematischer Form ist sie jedoch erst von Neil Netanel in einer Reihe von Beiträgen entwickelt worden.774
773 Vgl. hierzu die Entscheidung Harper & Row, Publishers, Inc. v. Nation Enterprises, 471 U.S. 539, 558 (1985), in der vom Urheberrecht als „engine of free expression“ gesprochen wird. 774 Siehe Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283; ders., Vand. L. Rev. 51 (1998), S. 217; ders., Vand. L. Rev. 53 (2000), S. 1879.
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Diese Entwicklung ist im Kern auf zwei gedankliche Ausgangspunkte zurückzuführen. Einerseits liegt ihr der seit jeher diskutierte Konflikt zwischen dem USamerikanischen Copyright-System und dem ersten Zusatz der US-amerikanischen Verfassung, der die freie Rede schützt, zugrunde. Anstatt wie üblich das Urheberrecht als Einschränkung der freien Rede aufzufassen, und daher urheberrechtliche Schranken als Ausfluss dieses Konflikts zu deuten775, geht Netanel einen anderen Weg. Er hebt bereits die konstitutive Bedeutung des Urheberrechts für die Ermöglichung der freien Rede hervor.776 So wird die Existenzberechtigung des Urheberrechts vorgängig in das Prinzip eingelassen, auf dem auch der erste Verfassungszusatz beruht: der Demokratie. Andererseits fußt dieser Ansatz nicht nur auf der Harmonisierung zweier vorgeblich konkurrierender Ideale. Er ist auch und gerade als Gegenreaktion auf die – vor allem in den USA – verbreitete ökonomische Lesart des Urheberrechts entstanden. Zwar wird an dem effizienztheoretischen Anreizparadigma festgehalten: Dass die ausreichende Erschaffung geistiger Werke ohne monetäre Anreize nicht möglich sei, bleibt feste Prämisse. Doch wird die Frage, warum die Produktion geistiger Werke sowie ihr Anreiz durch das Urheberrecht überhaupt wünschenswert ist, nicht mehr effizienztheoretisch, sondern demokratietheoretisch beantwortet.777 Im Folgenden wird diese Perspektive dargestellt (1.), auf das Urheberrecht übertragen (2.) und in ihren Defiziten erläutert (3.).
1. Netanels Democratic Paradigm Eine Demokratie-basierte Rechtfertigung gibt nach allem eine Antwort auf die Frage: Warum Urheberrecht? Ihre Antwort besteht darin, zu behaupten, dass eine bestimmte Konzeption des Urheberrechts notwendige Funktionsvoraussetzung eines demokratischen Regierungssystems sei. Diese Behauptung basiert zwangsläufig auf zwei Argumentationsschritten. Als erstes muss sie darlegen, was sie unter einem demokratischen Regierungssystem versteht. Eine Demokratie-basierte Rechtfertigung setzt daher stets eine bestimmte Demokratiekonzeption voraus. In einem zweiten Schritt muss sie zeigen, dass diese Konzeption erstens auf die Existenz geistiger Werke angewiesen ist und warum sie zweitens die Produktion dieser Werke nur durch ein Urheberrecht als sinnvoll erachtet. Beide Punkte – besonders der zweite – finden sich auch in der Perspektive wieder, die Netanel in seinem democratic paradigm778 entwirft. Sie dient daher hier als Beispiel einer Demokratie-basierten Rechtfertigung des Urheberrechts. Nachfolgend werde ich in a) darleSo z. B. Diefenbach, Pub. Aff. Q. 8 (1994), S. 225 (230 ff.). Ausdrücklich Netanel, Vand. L. Rev. 51 (1998), S. 217 (226 Fn. 27). 777 Siehe Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (288), wo er feststellt, dass „copyright’s primary goal is not allocative efficiency, but the support of a democratic culture.“ 778 Dies ist die Bezeichnung, die Netanel für seinen demokratietheoretischen Begründungsrahmen mehrfach verwendet; siehe ders., Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (288, 289, 291). 775 776
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gen, wie sich ein zustimmungsfähiges Minimalkonzept der Demokratie entwickeln lässt, das bereits aus analytischer Sicht bestimmter Erfordernisse bedarf. Anschließend wird in b) gezeigt, welche Gründe aus Sicht Netanels dafür sprechen, dass das Urheberrecht notwendige Bedingung eines solchen Demokratiekonzepts ist. a) Ein Minimalkonzept der Demokratie Eine Demokratie-basierte Rechtfertigung ist auf eine Konzeption der Demokratie angewiesen. Ansonsten liefe der Nachweis, dass das Urheberrecht notwendige Bedingung jener Konzeption sei, ins Leere. Doch existiert nicht eine einheitliche Vorstellung von dem, was Demokratie ist? Keineswegs. Die häufige Verwendung des Demokratiebegriffs verschleiert, dass es eine Fülle unterschiedlicher Konzeptionen gibt, deren Unterschiede nicht zu vernachlässigen sind.779 Demokratie ist daher immer ein „politischer Kampfbegriff“780 geblieben, der zu unterschiedlichsten Zwecken mißbraucht wurde.781 Trotz aller Unterschiede kann aber begrifflich folgendes Minimalkonzept zugrunde gelegt werden: „Demokratie“ steht für eine bestimmte Herrschaftsform, deren Ideal die Identität von Herrschern und Beherrschten ist. Ihr Ideal ist also die Selbstherrschaft – ein Volk regiert sich selbst. Da dieses Ideal – dasjenige der direkten oder unmittelbaren Demokratie – nicht praktisch umgesetzt werden kann, hat es sich heutzutage überwiegend zu einer repräsentativen Demokratie gewandelt. Die Bürger können durch Wahlen Einfluss nehmen auf die Regierung und so mittelbar sich selbst regieren. Konzeptionelle Unterschiede bestehen vor allem darin, wieweit diese Einflussnahme gehen darf. Dies hängt davon ab, ob das Demokratiekonzept erweitert und mit zusätzlichen inhaltlichen Maßgaben, etwa mit republikanischen oder liberalen782 Vorstellungen, verbunden wird.783 Geklärt ist damit aber noch nicht, warum jenes Konzept überhaupt eine vernünftige Gesellschaftskonzeption ist und auf welchen gesellschaftlichen Bedingungen es basiert. In Teil aa) wird daher dargelegt, welche theoretischen Möglichkeiten bestehen, das demokratische Ideal der Selbstregierung normativ zu begründen, und wie Netanel sich dieser Frage weitgehend entzieht. Der Teil bb) beschäftigt sich hingegen damit, welche Bedingungen dieses Konzept erst möglich machen. Im 779
Zu diesen Konzeptionen etwa Held, Models of Democracy; Schmidt, Demokratietheo-
rien. Vorländer, Demokratie, S. 9. Dies wird etwa festgestellt von Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, S. 1; Schmitt, Verfassungslehre, S. 225. 782 Häufig wird übersehen, dass die Verbindung von Demokratie und Liberalismus keine notwendige ist. Zu diesem Unterschied von Hayek, The Constitution of Liberty, S. 103: „Liberalism is a doctrine about what the law ought to be, democracy a doctrine about the manner of determining what will be the law.“ 783 Zu unterschiedlichen Konzeptionen Habermas, in: ders., Die Einbeziehung des Anderen. Studien zur politischen Theorie, S. 277. 780 781
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Mittelpunkt steht hier, aus welchen Gründen Netanel behauptet, dass die Zivilgesellschaft als Bedingung jener Demokratie fungiere. aa) Die normative Begründung der Demokratie Von zentraler Bedeutung für eine Demokratie-basierte Rechtfertigung ist der Status des zugrunde gelegten Demokratiekonzepts. Je nachdem, von welcher Art dieser ist – empirisch oder normativ – kann eine solche Rechtfertigung eine höchst unterschiedliche Reichweite besitzen. Legt sie ein empirisches Demokratiekonzept zugrunde, so beschränkt sie sich darauf, zu zeigen, dass für die Funktionsfähigkeit eines bestehenden demokratischen Systems das Urheberrecht erforderlich ist. Dann ist ihre normative Kraft als Rechtfertigung allerdings stark begrenzt; sie gilt dann nur innerhalb dieses Systems und ist zudem von dessen realer Existenz abhängig. Wird dieses System geändert oder aufgegeben, so ist auch sie hinfällig. Oder aber eine Demokratie-basierte Rechtfertigung geht darüber hinaus, indem sie eine bestimmte normative Demokratiekonzeption entwirft, die, unabhängig von ihrer realen Verwirklichung, ein Regierungsmodell als wünschenswert darstellt. Wird gezeigt, dass das Urheberrecht notwendige Bedingung jener Konzeption ist, so wird zugleich ihre normative Geltung universalisiert. Dann hängt ihre argumentative Stärke von derjenigen des je entworfenen Systems ab. Netanels democratic paradigm schlägt daher letzteren Weg ein. Es basiert auf einem normativen Demokratiekonzept, um eine allgemeingültige Begründung des Urheberrecht anzubieten. Denn wenn, wie Netanel richtig bemerkt, „the value of democratic governance is contingent [ . . . ] the idea that copyright law should be tailored to support democratic institutions is, at best, one of particular rather than global import.“784 Freilich ergibt sich damit zugleich die Aufgabe, eine normative Begründung des demokratischen Regierungssystems anzubieten, wie es hier als Minimalkonzept vorausgesetzt wird. Wie kann dies geschehen? Es sind zwei grundverschiedene Wege denkbar, eine derartige Begründung theoretisch zu entwickeln. So ist möglich, dem demokratischen Verfahren, ungeachtet seiner Folgen und Resultate, bereits einen moralischen Eigenwert zuzuschreiben. Eine rein intrinsische Begründung der Demokratie wird indes nirgends ernsthaft vertreten – und dies aus gutem Grund. Denn bestimmte unbillige Konsequenzen, wie etwa Hexenverbrennungen, Antisemitismus etc., sind auch in Demokratien erwachsen. Würde man dergleichen aus Liebe zum demokratischen Ideal dennoch in Kauf nehmen? Dies allenfalls dann, wenn man zugleich jene Konsequenzen billigt. Schumpeter hat aber wohl zu Recht darauf hingewiesen, dass es „letzte Ideale und Interessen [gibt], die auch der glühendste Demokrat über die Demokratie stellen wird, und wenn er sich zur kompromisslosen Treue ihr gegenüber bekennt, so meint er damit einzig, dass er überzeugt ist, die Demokratie werde jene Ideale und Interessen wie Gewissens- und Redefreiheit, Gerechtigkeit, eine anständige Regierung usw. garantieren.“ 785 Hin784
Netanel, Vand. L. Rev. 51 (1998), S. 217 (237).
B. Kollektivistische Rechtfertigungsmodelle
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ter einer jedweden Rechtfertigung der Demokratie befindet sich also durchweg eine extrinsische Begründung – das ist der Glaube, dass ein demokratisches Regierungssystem bestimmte wünschenswerte Resultate hervorbringt. Sofern man der Demokratie keinen Eigenwert, sondern einen instrumentalen Wert zuschreibt, muss man diesen benennen. Welcher Wert kann dies sein? Die Möglichkeiten, die Demokratie instrumental zu begründen, lassen sich im Wesentlichen auf zwei Ansätze reduzieren. Die erste Art der Begründung – sie ließe sich als formal kennzeichnen – nimmt die Folgen in den Blick, die unmittelbar mit dem demokratischen Entscheidungsverfahren zusammenhängen. Hier steht der Konfliktlösungscharakter der Demokratie im Vordergrund; das demokratische Verfahren sorge dafür, dass Meinungsunterschiede friedlich gelöst werden könnten. Je nachdem, wie diese Auffassung theoretisch unterlegt wird – interessenethisch oder relativistisch –, ist dieses Verfahren sinnvoll, weil es entweder vermeide, dass Ressourcen durch eine gewaltsame Entscheidung verschwendet würden786, oder aber anerkenne, dass jede Entscheidung und jede Meinung moralisch gleichwertig sei, und diesen egalitären Charakter in der Mehrheitsentscheidung widerspiegele.787 Demgegenüber steht eine materiale Begründung, die die Entscheidungsform der Demokratie zugunsten des produzierten Entscheidungsinhalts zurücktreten lässt. Auf der einen Seite wird vermutet, dass das Demokratieprinzip imstande ist, vernünftige Entscheidungsinhalte – was das auch immer sein mag – hervorzubringen. Das Demokratiemodell „stützt sich genau auf die Kommunikationsbedingungen, unter denen der politische Prozess die Vermutung für sich hat, vernünftige Resultate zu erzeugen, weil er sich dann auf ganzer Breite in einem deliberativen Modus vollzieht.“788 Dies wird diskursethisch begründet: aus dem Diskursprinzip ergebe sich die Notwendigkeit des Demokratieprinzips. 789 Auf der anderen Seite wird vermutet, dass Entscheidungsinhalte produziert werden, die ein bestimmtes Ziel – am verbreitesten ist die Vorstellung der Freiheitsverwirklichung – befördern. Dann ist die Demokratie diejenige Regierungsform, die den Menschen ein größtmögliches Maß an Freiheit bietet.790 785 Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S. 384 [Einschub von mir]; in diesem Sinne auch von Hayek, The Constitution of Liberty, S. 104 ff. 786 Siehe zu diesem Gedanken aus jüngster Zeit etwa Engländer, Diskurs als Rechtsquelle?, S. 163 ff. 787 So vor allem Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, S. 101 ff.; ders., Allgemeine Staatslehre, S. 369 ff. 788 Habermas, in: ders., Die Einbeziehung des Anderen. Studien zur politischen Theorie, S. 277 (285 ff.). [Hervorhebung im Original]. 789 Vgl. Alexy, in: ders., Recht, Vernunft, Diskurs. Studien zur Rechtsphilosophie, S. 127 (163, 164): „Die Diskurstheorie [ . . . ] erweist sich auch als Basistheorie des demokratischen Verfassungsstaates.“; so auch Habermas, Faktizität und Geltung, S. 154: „Der entscheidende Gedanke ist, daß sich das Demokratieprinzip der Verschränkung von Diskursprinzip und Rechtsform verdankt.“ 790 Dieser Gedanke kommt etwa bei Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Bd. I, S. 150, zum Ausdruck.
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
Netanel bietet – was angesichts einer urheberrechtlichen Untersuchung nicht verwundert – keine neue Rechtfertigung der Demokratie an. Er vermeidet es allerdings auch, sich explizit auf ein existierendes Begründungsmodell festzulegen.791 Anstatt zu begründen, warum die demokratische Regierungsform als universaler Wert anerkannt werden solle, zieht er sich ganz darauf zurück, dass sie weltweit in zunehmenden Maße so angesehen werde. Aus diesem Grund liege es an autokratischen Staaten, ihr Abweichen von der demokratischen Norm zu begründen.792 Infolgedessen sei es schlichtweg vernünftig, die demokratische Regierungsform als universalen Wert anzusehen.793 Bei wohlwollender Lesart, die den Vorwurf eines naturalistischen Fehlschlusses vermeidet, wechselt Netanel so von einem normativen zu einem empirischen Fundament der Demokratie. Doch ist dieses pragmatische Vorgehen sinnvoll? Dagegen spricht, dass das Verzichten auf einen normativen Anspruch eine Demokratie-basierte Rechtfertigung angreifbar macht. Ihre argumentative Kraft ist dann möglicherweise auf ein Zeitalter beschränkt, in der die Demokratie weitestgehend Anerkennung findet. Dennoch scheinen mir zwei Gründe dafür zu sprechen, das Vorgehen Netanels gutzuheißen. Erstens tarnen sich in aller Regel auch autokratisch regierte Staaten mit dem Siegel der Demokratie794, was darauf hindeutet, dass tatsächlich ein Primat der Demokratie existiert. Entscheidend ist zweitens, dass dort, wo über die moralische Rechtfertigung eines Urheberrechts öffentlich gestritten wird – dies dürfte, wenn überhaupt, nur in demokratischen Staaten der Fall sein –, das Konzept der Demokratie praktisch unangefochten ist. Daraus ergibt sich: Wo eine Demokratie-basierte Rechtfertigung des Urheberrechts überhaupt diskutiert wird, kann sie in ihren (demokratietheoretischen) Prämissen auch als anerkannt gelten.
bb) Die Zivilgesellschaft als Bedingung Von welchen gesellschaftlichen Bedingungen ist die Existenz des bislang skizzierten Demokratiekonzepts abhängig? Netanel stellt hierzu das Konzept der Zivilgesellschaft in den Vordergrund. Darunter versteht er „the sphere of voluntary, nongovernmental association in which individuals determine their shared purposes and norms.“795 Er hält diese Sphäre für den Ursprungsort der öffentlichen Kommunikation und des öffentlichen Diskurses; sie sei der Raum, „in which political, social, and aesthetic norms are debated and determined.“796 Netanel glaubt, dass 791 In Netanels Darstellung der Zivilgesellschaft und ihrer Bedeutung für die Demokratie macht sich allerdings bemerkbar, dass er wohl, wenn überhaupt, dem Habermasschen Demokratiemodell anhängt, das von vernünftigen Entscheidungen ausgeht. 792 Vgl. Netanel, Vand. L. Rev. 51 (1998), S. 217 (243). 793 So Netanel, Vand. L. Rev. 51 (1998), S. 217 (244). 794 Siehe auch Vorländer, Demokratie, S. 111, 119. 795 Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (342). 796 Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (342).
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ohne eine solche Sphäre eine demokratische Herrschaftsform zum Scheitern verurteilt sei. Mit anderen Worten: Die Zivilgesellschaft ist notwendige Bedingung einer demokratischen Regierungsform. Netanel nennt hierfür drei Gründe797, die jedoch nicht strikt auseinander zu halten sind. Alle ranken um die Bedeutung der Zivilgesellschaft als „realm of public communication and discourse.“798 Erstens könne nur in einer solchen Sphäre sich der Glaube an und das Verständnis vom demokratischen Prozess entwickeln. Eine demokratische Ordnung sei nämlich von einem Bereich abhängig, in dem die Bürger Selbstbestimmung, Verantwortlichkeit, streitbare Fähigkeiten und gegenseitige Anerkennung lernten. Bestehe ein solcher Bereich nicht, so werde das Leben in einer Demokratie als fremdbestimmt angesehen – es werde nicht erkannt, dass deren Gesetze und Normen aus den Verpflichtungen eines sich selbst-regierenden Gemeinwesens resultierten. Zweitens würden nur so die Eigenschaften ausgebildet, die die Bürger bräuchten, um der Volkssouveranität Ausdruck zu verleihen. Schließlich seien Mitwirkungsrechte allein hierzu nicht ausreichend – wie sollten diese auch ausgeübt werden? Vielmehr setzt dies die Kapazität und Kompetenz voraus, die Handlungen der politisch Verantwortlichen zu beurteilen und zu beeinflussen. Erst die Zivilgesellschaft ermögliche dies: hier lernten die Menschen in ihrer Verbundenheit ihre Interessen zu definieren und zu artikulieren. Und drittens biete eine Zivilgesellschaft Gelegenheiten einer kollektiven Selbstbestimmung außerhalb staatlicher Institutionen. Was dort eingeübt, praktiziert und getestet werde, stelle so den Fundus dessen dar, was auf staatlicher Ebene umgesetzt werde und werden könne. Mit der Betonung der Bedeutung, die eine bürgerliche Sphäre für das Funktionieren einer Demokratie besitzt, knüpft Netanel an Beobachtungen an, die bereits Tocqueville gemacht hat.799 Diese Idee tritt auch bei neueren partizipatorischen oder deliberativen Demokratiekonzepten auf, wie sie etwa Habermas vertritt. Hier wird ebenfalls eine Zivilgesellschaft bzw. öffentliche Sphäre als Ort der Kommunikationsströme angesehen, die sich im demokratischen Verfahren dann umsetzen.800 Die Idee dieses Konzepts ist einleuchtend: Nur im Wege der Bürgerbeteiligung an sozialen, ästhetischen, politischen, moralischen Diskursen entstehen erst jene InHierzu Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (341 ff.). Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (342). 799 Siehe Tocqueville, Über die Demokratie in Amerika, S. 597: „Träte die Regierung überall an die Stelle der Vereinigungen, so wäre die sittliche und die geistige Kraft eines demokratischen Volkes nicht weniger gefährdet als sein Handel und sein Gewerbe. Nur durch die gegenseitige Wirkung der Menschen aufeinander erneuern sich Gefühle und die Gedanken, weitet sich das Herz und entfaltet sich der Geist des Menschen.“ 800 Siehe hierzu Schmidt, Demokratietheorien, S. 260 f. Vgl. Habermas, in: ders., Die Einbeziehung des Anderen. Studien zur politischen Theorie, S. 277 (291): „Genau genommen, entspringt diese [die kommunikativ erzeugte Macht] den Interaktionen zwischen rechtsstaatlich institutionalisierter Willensbildung und kulturell mobilisierten Öffentlichkeiten, die ihrerseits in den Assoziationen einer von Staat und Ökonomie gleich weit entfernten Zivilgesellschaft eine Basis finden.“ [Einschub von mir]; ders., Faktizität und Geltung, S. 532 f. 797 798
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halte, die später in einer Demokratie politisch wirksam werden können. Dazu ist eine Sphäre erforderlich, innerhalb derer sich derartige Diskurse abspielen können. Dies ist die Sphäre der Zivilgesellschaft; der Raum nicht-staatlicher, privatimer Assoziationen. Dort können sich jene autonomen und vielfältigen Stimmen bilden, die den Gegenstand späterer politischer Diskurse bilden. Von Hayek hat diesen Funktionszusammenhang anschaulich auf den Punkt gebracht: Da in einer Demokratie die Regierung durch die Meinung der Bevölkerungsmehrheit angeleitet werden soll, setzt dies sinnvollerweise voraus, dass diese Meinung von der jeweiligen Regierung unabhängig ist. Ansonsten leitete die Regierung schließlich sich selbst an.801 Allerdings läuft dies nicht auf eine herrschaftsfreie Zivilgesellschaft hinaus. Wie Netanel hervorhebt, sei diese nur teilweise von legalen und politischen Institutionen unabhängig.802 Sie bedürfe auch und gerade rechtlicher Verankerungen. So müsse das Recht dafür sorgen, dass die Zivilgesellschaft selbst demokratische Züge trage. Es müsse also kommunikative Strukturen schaffen, „associational and communicative frameworks“ anbieten, die jene Freiräume schüfen, in den Menschen ihre eigenen Interessen erkennen, bilden und artikulieren könnten. Dazu sei eine Kombination von privater Initiative und Staatseinmischung erforderlich. Der Markt sei eines dieser Mittel. Einerseits könne er diese Sphäre bedrohen: dort könnten sich Macht, Ressourcen auf wenige akkumulieren, so dass die Teilhabe anderer am zivilen und politischen Leben bedroht sei. Hier müsse der Staat eingreifen, um eine derartige „market-based hierarchy“803 zu vermeiden. Andererseits biete der Markt auch Möglichkeiten. Er unterstütze zu einem gewissen Maße individuelle Möglichkeiten der politischen Autonomie und assoziativen Vielheit, die ansonsten nicht bestünden. Der Markt müsse daher vom Staat so genutzt werden, dass er den unabhängigen demokratischen Charakter einer Zivilgesellschaft fördere. Ein Mittel, dies zu tun, sei das Urheberrecht. b) Das Urheberrecht als notwendige Bedingung Auf welche Weise fördert das Urheberrecht nun jene Grundlagen – die demokratische Zivilgesellschaft –, die für eine Demokratie notwendig sind?804 Netanels Antwort besteht aus insgesamt drei Thesen. Die ersten beiden finden sich in der Behauptung wieder, „that a robust copyright is a necessary (though not necessarily sufficient) condition both for the creation and dissemination of that expression and for its independent and pluralist character.“805 Darin liegen zwei Funktionen, die Hierzu von Hayek, The Constitution of Liberty, S. 109. Hierzu Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (344). 803 Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (346). 804 Netanel, Vand. L. Rev. 51 (1998), S. 217 (248), unterscheidet hier im Einzelnen die Einführung, die Konsolidierung und die Verstärkung bzw. Erweiterung der Demokratie. 805 Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (288, 289) [Hervorhebung von mir]. Netanel hat dies später relativiert (ders., Vand. L. Rev. 51 [1998], S. 217 [247 f.]); er hält dies nunmehr 801 802
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Netanel dem Urheberrecht zuschreibt, eine Produktions- und eine Strukturfunktion.806 Diese betreffen verschiedene Aspekte der von der Zivilgesellschaft generierten Kommunikationsströme: Einerseits soll das Urheberrecht die Quantität, andererseits die Qualität des gesellschaftlichen Diskurses sichern.807 Später hat Netanel noch auf eine zusätzliche Funktion des Urheberrechts aufmerksam gemacht, bei der er von einer „symbolic potency“ oder „symbolic force“ des Urheberrechts spricht.808 Im Einklang mit seiner übrigen Terminologie bietet sich an, diesen Aspekt als Symbolfunktion des Urheberrechts zu bezeichnen. Diese Funktion ist indes ein Fremdkörper in der Nentanelschen Konzeption; sie kann – wie sich zeigen wird – nur schwerlich als Bedingung der Zivilgesellschaft begriffen werden. aa) Produktionsfunktion Die Produktionsfunktion des Urheberrechts, die Netanel hervorhebt809, teilt mit der Effizienz-basierten Rechtfertigung die zentrale Prämisse des Anreizparadigmas. Sie nimmt ebenfalls an, dass das Urheberrecht notwendig sei, um potentielle Urheber zu bewegen, geistige Werke zu schaffen.810 Doch geht es nicht länger um die größtmögliche Befriedigung der Nachfrage nach einem beliebigen Gut. Durch diesen Anreiz werde vielmehr dafür gesorgt, dass auf einem weiten Feld von politischen, sozialen, kulturellen und ästhetischen Angelegenheiten geistige Inhalte produziert und verbreitet würden. Im Mittelpunkt steht damit die Förderung öffentlicher Kommunikation. Diese Aspekte als „Produktionsfunktion“ des Urheberrechts zu bezeichnen, wie es Netanel tut, greift also eigentlich zu kurz. Umschrieben wird einerseits die Produktion, andererseits die Zirkulierung geistiger Werke. Warum sind diese beiden Aspekte lebenswichtige Komponenten einer demokratischen Zivilgesellschaft? Netanel nennt drei Gründe, die eng miteinander zusammenhängen. Erstens sei ihre Verbreitung Baustein jedes demokratischen Zusammenschlusses. Derartige Vereinigungen hingen in ihrer Bildung wie Operation vom Austausch von Informationen und Ideen ab. Nur so sei schließlich ihre Gründung wie auch eine Selbstvergewisserung über die Ziele jener Vereinigung denkbar. Zumal allein für eine Möglichkeit, eine Demokratie zu befördern. Dies mindert die moralische Kraft einer Demokratie-basierten Rechtfertigung beträchtlich: Das Urheberrecht ist dann institutionell nur moralisch möglich. Es konkurriert mit anderen Wegen, unter denen der Gesetzgeber wählen kann. 806 Siehe Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (288). 807 Vgl. Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (339). 808 Siehe Netanel, Vand. L. Rev. 51 (1998), S. 217 (273, 274); bereits angedeutet findet sich dies bei Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (352 Fn. 313). 809 Hierzu Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (347 ff.). 810 Siehe Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (293): „Without copyright, creative expression would likely be both underproduced and, no less importantly, underdisseminated.“
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in der heutigen Zeit, wo kaum mehr eine direkte Kommunikation von Angesicht zu Angesicht stattfinde, sondern ein Zunehmen indirekter Kommunikation durch Radio, TV, Filme, Zeitungen, Bücher etc. zu konstatieren sei, seien die Bürger auf eine Verbreitung angewiesen. Der zweite Grund knüpft hieran an: Es geht um die Bildung der Bürger. Bildung setzt jedoch ein verfügbares Wissen voraus, aus dem hierzu geschöpft werden kann. Das Urheberrecht löse dieses Problem – es stelle für Urheber und Verleger einen Anreiz dar, neues Wissen zu erschaffen und zu verbreiten. Und drittens diene diese öffentliche Kommunikation dazu, eine kritische Komponente der Zivilgesellschaft zu wahren. Deliberation und robustes Debattieren sei die Essenz der Demokratie. Zusammenfassend besteht die Produktionsfunktion des Urheberrechts also darin, zunächst Kommunikation zu produzieren, zweitens dadurch das Wissen – also der Gegenstand der Kommunikation – zu vermehren und drittens das kritische Potential der Zivilgesellschaft zu entfachen. Soweit die Produktionsfunktion, die Netanel dem Urheberrecht zuschreibt, bei diesem Inhalt stehen bleibt, besitzt sie allerdings nur eingeschränkte Überzeugungskraft. Schließlich ist bereits bei der Effizienz-basierten Rechtfertigung darauf aufmerksam gemacht worden, dass es immer auch geistige Werke gibt, die ohne Anreiz durch das Urheberrecht geschaffen werden. Zudem sind durch die Existenz des Internets die Kosten, die bei der Verbreitung von geistigen Werken entstehen, rapide gesunken. Vor diesem Hintergrund – den auch Netanel erkennt811 – scheint die Produktionsfunktion des Urheberrechts an Gewicht zu verlieren. Soll sie weiterhin Bedeutung haben, ist erforderlich, ihre Aussage umzuformulieren und durch eine andere Funktion zu stützen. Die modifizierte Lesart, die Netanel daher vorschlägt, ist Folgende.812 Auf der einen Seite sorge das Urheberrecht immerhin dafür, dass bestimmte geistige Werke kreiert und verbreitet würden, die ansonsten nicht existierten; auf der anderen Seite besäßen diese geistigen Werke einen zusätzlichen kommunikativen Wert. Neben den rein quantitativen Aspekt der Produktionsfunktion muss also ein qualitativer treten. Dieser wird von der Produktionsfunktion allein nicht adäquat widergespiegelt. Seine Verankerung findet er in der nachfolgenden Strukturfunktion des Urheberrechts.
bb) Strukturfunktion Die Strukturfunktion des Urheberrechts erblickt Netanel darin, dass „copyright promotes the democratic character of public discourse.“813 Damit wird – wenn auch etwas umständlich – die qualitative Seite der gesellschaftlichen Kommunikation betont, die ein demokratisches Herrschaftssystem bedingt. Dies basiert auf der Annahme, dass nicht jede öffentliche Kommunikation eine demokratische Zivilgesellschaft unterstütze. Vielmehr sei dies nur dann der Fall, „if such expression is 811 812 813
Vgl. Netanel, Stan. L. Rev. 54 (2001), S. 1 (28 f.). Siehe Netanel, Stan. L. Rev. 54 (2001), S. 1 (29). Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (347, 352).
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autonomous and diverse.“814 Der Schwerpunkt der Strukturfunktion liegt damit in der Behauptung, das Urheberrecht gewährleiste einen Rahmen, innerhalb dessen jene Autonomie und Diversität geistiger Werke ermöglicht werde. Auf diese Weise wird zugleich ein Einwand ausgeräumt, der noch bei der Effizienz-basierten Rechtfertigung gegen die Anreizwirkung des Urheberrechts geltend gemacht werden konnte: Warum sollten nicht andere Anreizmechanismen das Urheberrecht ablösen? Schließlich ist ja denkbar, dies durch staatliche Belohnungssysteme zu bewerkstelligen.815 Während ein effizienztheoretischer Ansatz hier mit spekulativen Kosten-Nutzen-Hypothesen agieren musste, besitzt eine Demokratie-basierte Rechtfertigung eine bequemere Ausgangslage. Sie kann sich darauf zurückziehen, in einer staatsfreien Anreizstruktur selbst ein normatives Postulat zu erblicken, dessen Begründung in der unterstellten Qualität der je hervorgebrachten geistigen Werke liegt. Auf welche Weise sorgt das Urheberrecht nun für jene beiden Bedingungen, also für Autonomie und Diversität der Kommunikation? Netanel sieht den Grund darin, dass ohne das Urheberrecht potentielle Urheber und Verleger in ein Abhängigkeitsverhältnis gerieten. Sie seien dann, wie er anhand historischer Beispiele belegt, auf staatliche oder private Hilfe angewiesen. Dies bedrohe indes die Autonomie und Vielfalt des Ausdrucks. Im Falle staatlicher Kontrolle sei unwahrscheinlich, dass lebensfähige zivile Institutionen bestehen blieben. Bei einer privaten Kontrolle sei eine Kommunikationshierarchie, nicht eine gleichberechtigte Partizipation am Diskurs zu erwarten. Eine „sphere of democratic public discourse“, die zu einer bestimmten Qualität der Kommunikation führe, sei daher nur durch ein Marktmodell – das Urheberrecht – zu haben. Erst hier sei eine beträchtliche Unabhängigkeit gegeben. Dadurch werde ein robuster, pluralistischer und unabhängiger Sektor geschaffen, in dem soziale Normen aus der Partizipation der Bürger hervorgingen, nicht hingegen von Regierungen oder Privaten gemacht würden. Allerdings erkennt Netanel, dass das Marktmodell ebenfalls zu einer hierarchischen Struktur des Diskurses führen kann. Schließlich haben Medienkonzentrationen und eine durch das Urheberrecht marktgenerierte Hierarchie – er wird dies später Redehierarchie nennen816 – nachteilige Folgen. So werden die Autonomie und die Diversität des Ausdrucks, die das Urheberrecht gerade gewährleisten soll, konterkariert. Im schlimmsten Fall unterminiert diese Redehierachie das demokratische Herrschaftssystem.817 Netanel stellt daher klar, dass gewisse staatliche Eingriffe notwendig seien, um diese Wirkungen zu korrigieren.818 Dennoch hebt er Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (352). So Netanel, Vand. L. Rev. 51 (1998), S. 217 (228). 816 Siehe Netanel, Vand. L. Rev. 53 (2000), S. 1879 (1884): „In sum, absent preventative regulation, market hierarchy [ . . . ] translates inevitably into what I will refer to as ,speech hierarchy‘ – the disproportionate power of wealthy speakers and audiences to determine the mix of speech that comprises public discourse.“ 817 Vgl. Netanel, Vand. L. Rev. 53 (2000), S. 1879 (1884). 814 815
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eines hervor: Wie stark die negativen Auswirkungen des Marktes auch sein mögen – ein gänzlich staatsunterstütztes Regime sei wesentlich schlimmer. Und nicht nur das: Eine gewisse Redehierarchie sei nicht nur unausweichlich, sie sei sogar notwendig. Sie sei gleichsam „the price we must pay if the press is to be able to fulfill its vital watchdog and agenda-setting roles.“819 Anders gewendet: Die freie Rede wird zugunsten der freien Presse eingeschränkt. Hier besteht daher ein enger Zusammenhang zwischen dem Urheberrecht und der Medienpolitik.820 Es besteht ein Konflikt zwischen Redehierarchie auf der einen und der Ausdrucksvielfalt auf der anderen Seite. Dieser ist letztendlich nicht zu lösen: Das Ausmaß der Diversität, das für eine Demokratie notwendig ist, kann ebenso wenig821, wie das optimale Mischungsverhältnis zwischen Redehierarchie und Diversität ermittelt werden822.
cc) Symbolfunktion Netanel hat später noch eine weitere Funktion des Urheberrechts betont, die ebenfalls zur Stabilisierung und Verstärkung einer demokratischen Zivilgesellschaft beitrage. Netanel spricht hierbei von einer „symbolic potency“ oder „symbolic force“ des Urheberrechts823; im Einklang mit seiner übrigen Terminologie soll sie hier als Symbolfunktion des Urheberrechts bezeichnet werden. Dahinter steht eine Idee, die sich grundlegend von den vorhergehenden Funktionen abgrenzt. Das Urheberrecht wird nicht länger als rechtstechnisches Mittel, das menschliches Verhalten steuert, sondern als kulturelles Material gedeutet, aus dem seinerseits Sozialnormen entspringen: „It affirms certain social roles, values, and understanding of individual capacity and negates others.“824 Dahinter verbirgt sich die Vorstellung, dass das Urheberrecht für ein aufgeklärtes Menschenbild stehe – es also symbolisiere –, das einen mündigen und rationalen Menschen voraussetze. Es betone so den Wert der individuellen Kreativität und unterstreiche so den Wert individueller Beiträge zum öffentlichen Diskurs. Folge sei eine Stärkung des Wertes des Individuums selbst. Wie aber wird dadurch die Demokratie gestärkt? Netanels Antwort ist eine liberalistische: „it lends support to a regime of personal liberty, striking at the core of authoritarian government.“825 Die Symbolfunktion betrifft also nicht die Demokratie selbst, sondern nur ihre inhaltliche Verbindung Siehe Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (359). Netanel, Vand. L. Rev. 53 (2000), S. 1879 (1885). 820 Siehe Netanel, Vand. L. Rev. 53 (2000), S. 1879 (1886). 821 So Netanel, Vand. L. Rev. 53 (2000), S. 1879 (1899). 822 Siehe Netanel, Vand. L. Rev. 53 (2000), S. 1879 (1926). 823 Siehe Netanel, Vand. L. Rev. 51 (1998), S. 217 (228 f., 272 ff.); angedeutet bereits bei Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (352 Fn. 313). 824 Netanel, Vand. L. Rev. 51 (1998), S. 217 (272). 825 Netanel, Vand. L. Rev. 51 (1998), S. 217 (229) [Hervorhebung von mir]. 818 819
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mit dem Liberalismus. Es geht hier um eine Stärkung des Gedankens, dass das Individuum einen Wert besitzt, der gesellschaftlich nicht verfügbar ist. Doch lässt sich die Symbolfunktion des Urheberrechts überhaupt mit dem Netanelschen Konzept der Zivilgesellschaft in Einklang bringen? Wenn, wie Netanel betont, eine Zivilgesellschaft erforderlich ist, weil sich nur so eine Vielfalt an regierungsfernen Meinungen bildet, die politisch wirksam werden können, impliziert dies keineswegs, dass sich bestimmte Meinungen bilden sollen. Dies wird indes durch die Symbolfunktion gefordert: Das Urheberrecht soll dafür sorgen, dass eine bestimmte Auffassung verbreitet wird, nämlich die, dass das Individuum einen eigenständigen Wert habe. Netanel wechselt also von der Zivilgesellschaft als Generierungsort von Kommunikationsströmen auf einen bestimmten Inhalt jener Ströme – hier: der Liberalismus. Selbst dann, wenn sich dieser Perspektivenwechsel in das Konzept der Zivilgesellschaft integrieren ließe826, ergibt sich ein Problem. Er funktionierte nur, wenn das Urheberrecht tatsächlich den Wert des Individuums betonte. Dies ist nur dann der Fall, wenn im Hintergrund stets eine individualistische Rechtfertigung mitliefe. Nur dann, wenn das Urheberrecht aus moralischen Rechten des Individuums folgte, könnte es dieses symbolisieren.827 Ist das Urheberrecht hingegen gesellschaftlich verankert, so symbolisiert es gerade nicht den Wert des Individuums, sondern den der gesellschaftlichen Verbundenheit. Dies ist das Problem der Symbolfunktion: Mit ihr will Netanel eine Sichtweise normativ einholen, die sein kollektivistisches democratic paradigm eigentlich nicht zulässt, nämlich eine individualistische Begründung des Urheberrechts.
2. Applikation Zu welchen inhaltlichen Konsequenzen führt die Anwendung einer Demokratiebasierten Rechtfertigung des Urheberrechts, wie sie Netanel entwickelt? In einem ersten Schritt führt sie zunächst dazu, dass „[e]ach arena of copyright must therefore be critically examined in light of copyright’s essential democratic purposes.“828 Das bedeutet nichts anderes, als dass die inhaltliche Rechtfertigung des Urheberrechts davon abhängt, was die demokratiebezogenen Funktionen, die Netanel ihm zuschreibt, voraussetzen. Kurzum: Welche Ausgestaltung des Urheber826 Dies scheint nicht vollständig ausgeschlossen zu sein, da Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (343), vereinzelt davon spricht, dass in der Zivilgesellschaft „mutual recognition“ – gegenseitige Anerkennung – erlernt würde. Dieser Begriff lässt Raum, den Wert des Individuums als Mittel dieser Anerkennung zu funktionalisieren. 827 Die Tatsache, dass das Urheberrecht zumindest gesetzlich ein Individualrecht ist, reicht hierzu nicht. Schließlich ist in diesem Sinne jedes gesetzliche Recht, soweit es überhaupt Menschen betrifft, ein Individualrecht – eben das Recht eines Individuums. Soll gerade das Urheberrecht, wie Netanel meint, den Wert des Individuums widerspiegeln, kann dies nur bedeuten, dass nicht seine Zuweisung, sondern sein Grund ein individualistischer ist. Es muss seine moralische Verankerung im Urheber als Individuum finden. 828 Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (297) [Hervorhebung von mir].
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
rechts erfordern jene Funktionen, um selbst zu funktionieren? Der Tatbestand a) als auch die Rechtsfolgen b) des Urheberrechts müssen sich danach richten, inwiefern sie der Produktions-, Struktur- als auch der Symbolfunktion des Urheberrechts entsprechen. In welcher Gestalt kann eine exklusive Rechtsbeziehung zwischen Urhebern und ihren Werken also dazu beitragen, jene Kommunikationsströme zu generieren, die sowohl quantitativ, qualitativ als auch symbolisch für eine Demokratie erforderlich sind? a) Tatbestand des Urheberrechts Die Demokratie-basierte Rechtfertigung, wie sie bislang dargelegt wurde, sprach stets allgemein von „geistigen Werken“. Sie erklärte hingegen nicht, welche Art von Bedeutungsgehalten oder kommunikativen Handlungen geschützt werden sollen, also als „geistige Werke“ anzusehen sind. Diese Antwort muss sich aus dem postulierten Zweck des Urheberrechts ergeben. Die von Netanel hervorgehobenen demokratietheoretischen Funktionen des Urheberrechts müssen darüber bestimmen, welche geistigen Werke zu schützen sind. Dann sind jene geistigen Werke zu schützen, deren Erschaffung und Zirkulierung erstens eines Anreizes bedarf (Produktionsfunktion), zweitens Ausdruck der Vielfalt und autonomen Kreativität sind (Strukturfunktion) und drittens den Wert des Individuums symbolisieren (Symbolfunktion). Welche geistigen Werke sind dies? Netanels Anwort bleibt merkwürdig unbestimmt. Dies liegt daran, dass er derartige Differenzierungen, die seine eigene Konzeption ja geradezu nahelegt, vernachlässigt. Er beschränkt sich vielmehr darauf, zu behaupten, dass „Copyight law is designed to foster the creation and public communication of original expression.“829 Es geht ihm also um solche kommunikativen Inhalte, die ursprünglich sind, d. h. vom jeweiligen Urheber selbst mitgeteilt wurden.830 Prima facie erscheint dies durchaus vernünftig; schließlich sollen sich in einem demokratischen Herrschaftssystem autonome Meinungen bilden und zu Mehrheiten verdichten. Von den politisch Verantwortlichen kann hier keine Autonomie erwartet werden.831 aa) Demokratie und original expression Dennoch stellt sich die Frage, ob jede Art ursprünglichen Ausdrucks in gleicher Weise für eine demokratische Zivilgesellschaft wichtig ist. So könnte man daran denken, dass nicht jeder geistige Inhalt diese Rolle gleichermaßen erfüllen Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (347) [Hervorhebung von mir]. Inwieweit deren Hervorbringung besondere Kreativität erfordert hat, bleibt dabei außer Acht, siehe Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (347 Fn. 298). 831 Siehe von Hayek, The Constitution of Liberty, S. 112: „It is almost necessary that he be unoriginal, that he fashions his program from opinions held by large numbers of people. The successful politician owes his power to the fact that he moves within the accepted framework of thought, that he thinks and talks conventionally.“ [Hervorhebung von mir]. 829 830
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kann. Dieser Standpunkt wird von Netanel allerdings explizit abgelehnt: „It bears emphasizing that the constitutive role of copyrightable creative expression in a democratic civil society is limited neither to works of authorship that explicitly adress matters of political or social importance nor to those that present ideas in a rationally apprehensible manner.“832 Daraus ergibt sich zweierlei. Einerseits wird das Erfordernis abgestritten, die geschützten Inhalte müssten sich auf einen bestimmten gesellschaftlichen Bereich beziehen. Demokratietheoretisch sind Koch- und Bastelbücher danach genauso wichtig wie Bücher über politische Philosophie. Andererseits wird behauptet, dass die geschützten Inhalte nicht in einer rational zugänglichen Art und Weise geäußert werden müssen – die Koch- und Bastelbücher können also zudem unverständlich geschrieben, ja wirr sein. Zusammen bedeutet dies, dass es weder auf den Inhalt eines geistigen Werks noch auf die Art und Weise, wie dieser ausgedrückt wird (ob sie verstanden werden können), ankommt. Lässt sich dies wirklich begründen? Netanel versucht es zumindest.833 Er behauptet, viele geistige Werke hätten sogar dann politische und soziale Implikationen, wenn sie keinerlei ideologischen – er meint hier wohl politischen – Charakter hätten. Literatur und Kunst seien subtile aber mächtige Wege, Einstellungen zu verändern oder zu verstärken. Sogar abstrakte Kunst sei imstande, akzeptierte Denkmodi anzufechten und herauszufordern. Dies sei der Grund, warum totalitäre Staaten bestimmte Arten von Kunst und Musik verböten, obschon sie in manchen Kontexten harmlos erschienen. In gleicher Weise verteidigt Netanel den Schutz populärer Kultur. Auch Unterhaltung zeige oft strittige Fragen oder tiefe Risse innerhalb einer Gesellschaft, genauso wie sie Werte und Einstellungen verstärken könne.834 Der Grund sei folgender: Um verstanden zu werden, müssten sich Filme, Musikstücke, Fernsehprogramme etc. immer schon in der Währung der vorherrschenden Praktiken, Ideologien, Stereotype bewegen, die sie so entweder verstärken oder herausfordern.835 Dies gelte gar für Figuren wie Mickey Mouse oder Bart Simpson; sie könnten benutzt werden, um kulturelle Werte und Annahmen zu untergraben oder zu verstärken. Netanel meint daher, dass der Bereich populärer Kultur in beträchtlichem Maße als Ressource und Spielfeld für demokratische Kultur und bürgerliche Assoziation diene.836 Folglich sei egal, dass die Mehrzahl geistiger Werke weniger der Aufklärung denn der Unterhaltung gewidmet sei.837
Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (350, 359). Hierzu Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (350, 351). 834 Vgl. auch Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (358): „Such works, however, form a major part of our copyright-supported discursive universe.“ 835 Hierzu auch Netanel, Vand. L. Rev. 51 (1998), S. 217 (227). 836 Diese These Netanels dürfte ein unrealistisches Ideal darstellen. Sie ist nur dann richtig, wenn man einen bestimmten Rezipienten voraussetzt. Dieser darf populäre Kultur nicht nur selbstgenügsam konsumieren; er muss stattdessen eine kritische Haltung einnehmen, indem er gemeinsam mit anderen sich bei der Beobachtung populärer Kultur selbst beobachtet. Mir scheint, dass dieses Verhalten eher untypisch ist. 832 833
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
bb) Kritik Die Annahme, eine Demokratie-basierte Rechtfertigung fordere den Schutz aller kommunikativen Ausdrücke, soweit sie nur ursprünglich sind, ist wenig überzeugend. Dies aus zwei Gründen: (i) Auf der einen Seite bestimmt die Ursprünglichkeit eines kommunikativen Gehalts nicht allein über die Bedeutung, die er für eine Demokratie besitzt. Denn erstens dürfte es einen gewichtigen Unterschied machen, ob es sich um Werke handelt, die das politische Handeln direkt oder indirekt thematisieren. Dass künstlerische und populäre Kommunikation wichtig ist, heißt ja noch längst nicht, dass sie einer politischen Kommunikation ebenbürtig ist.838 Dies gibt auch Netanel zu, wenn er konstatiert, dass auch dann, wenn „artistic speech does make a certain contribution to democratic governance, it may be that political speech [ . . . ] has a greater and more direct importance for democratic governance and thus should be treated differently in the First Amendment context.“839 Warum dies nicht auch im urheberrechtlichen Kontext gelten sollte – das Urheberrecht ist ja gerade der freien Rede vorgelagert! – bleibt unklar. Und zweitens kann nicht ernsthaft behauptet werden, dass geistige Werke, die rational nicht verständlich sind, eine demokratietheoretische Bedeutung hätten. Wenn in der Zivilgesellschaft jene Diskurse stattfinden sollen, aus denen später politische Entscheidungen erwachsen, muss ein Dialog stattfinden. Ein rational nicht zugängliches Werk hat aber keinen dialogischen, sondern nur noch einen monologischen Wert.840 (ii) Auf der anderen Seite differenziert Netanel nicht nach Werken, die auch ohne das Urheberrecht produziert werden und immer noch autonom zustande kommen. Schließlich ist nicht für jeden ursprünglichen kommunikativen Gehalt gleichermaßen ein Anreiz erforderlich – Menschen kommunizieren. Wenn Kommunikation ein anthropologisches Grundbedürfnis ist, wäre es höchst unplausibel, anzunehmen, dass jede Art von Kommunikation eines Anreizes bedarf. Es kann also festgehalten werden: Wenn sowohl demokratietheoretische Bedeutung als auch Anreizerfordernis kommunikativer Gehalte differiert, muss auch ihre urheberrechtliche Behandlung differieren. Es wäre höchst seltsam, wenn diese Behandlung trotz ihrer moralischen Ungleichheit identisch wäre. Darin, dass Netanel diese Unterschiede überwiegend einebnet, liegt auf tatbestandlicher Ebene das Defizit seiner Konzeption.841
Siehe Netanel, Vand. L. Rev. 51 (1998), S. 217 (227). So die Kritik bei Yoo, Vand. L. Rev. 53 (2000), S. 1933 (1959). 839 Siehe Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (352 Fn. 312). 840 Betont wird dieser Aspekt vor allem von Friedman, Cardozo Arts & Ent. L. J. 13 (1994), S. 157 (170, 171). 841 Vgl. auch Yoo, Vand. L. Rev. 53 (2000), S. 1933 (1960), der ebenfalls kritisiert, dass in Netanels Konzeption offen bleibe, welche Rolle bestimmte kommunikative Gehalte im demokratische Prozess spielten. 837 838
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b) Rechtsfolgen des Urheberrechts Die Rechtsfolgen, die ein demokratietheoretisch begründetes Urheberrecht nach sich zieht, können nur jene sein, die seiner Produktions-, Struktur- und Symbolfunktion entsprechen. Das bedeutet, dass sich Art und Umfang der urheberrechtlichen Befugnisse nach ihrer Fähigkeit richten, die Kommunikationsleistungen zu erzeugen, auf die eine Demokratie quantitativ, qualitativ sowie symbolisch angewiesen ist.
aa) Art der Rechte Diejenigen Befugnisse des Urhebers, die sich mithilfe des demokratietheoretischen Arguments rechtfertigen lassen, beruhen auf der Produktions-, der Strukturund der Symbolfunktion. Aus der Produktions- und der Strukturfunktion ergibt sich zwanglos die moralische Notwendigkeit von Verwertungsrechten: Wenn angenommen wird, dass die Herstellung und Verbreitung geistiger Werke eines finanziellen Anreizes bedarf; wenn ferner vorausgesetzt wird, dass nur das Urheberrecht imstande ist, diesen Anreiz so zu schaffen, dass er Autonomie und Viefalt garantiert, so leuchtet dies unmittelbar ein. Diese beiden Gesichtspunkte sind allerdings nicht geeignet, auch Urheberpersönlichkeitsrechte moralisch zu begründen. Einzig die Symbolfunktion scheint imstande, diese Idee zu stützen. Die Defizite dieser Funktion sind indes bereits dargelegt worden: Sie ist Ausprägung einer individualistischen Perspektive, die nicht in das kollektivistische Konzept einer Demokratiebasierten Rechtfertigung integriert werden kann. Eine Demokratie-basierte Rechtfertigung ist aber nicht nur unfähig, die moralische Notwendigkeit von Urheberpersönlichkeitsrechten darzulegen. Aus ihrer Sicht scheint gar das genaue Gegenteil, also die moralische Unmöglichkeit derartiger Rechte plausibel. Dies zeigt sich, wenn man ein Namensnennungsrecht in den Blick nimmt. Nicht nur, dass die Bildung von Meinungen ebenso gut funktioniert, wenn die Inhalte ohne ihren Erzeuger kommuniziert werden. Schließlich dürfte im politischen Entscheidungsprozess am Ende ohnehin niemand mehr wissen, auf wen die umgesetzen Ideen zurückgehen.842 Auch ließe sich behaupten, dass Meinungsbildung in gewisser Weise sogar besser funktioniert, wenn eine derartige Zurechnung entfällt. Nur so wird nämlich gewährleistet, dass die Überzeugungskraft einer Meinung allein von ihrem Inhalt und nicht auch von ihrem Kommunikator ausgeht.843 Besteht das Ziel der Demokratie aber darin, jene kommunikativen Gehalte politisch wirksam werden zu lassen, die als richtig gelten, sollten Umstände, die nicht deren interne Richtigkeit, sondern die Zufälligkeit der rhetorischen Überzeugungskraft betreffen, abgeschirmt werden. 842 843
Vgl. von Hayek, The Constitution of Liberty, S. 112, 113. Zu diesem Zusammenhang vgl. oben A. III. 1. a) cc) (1).
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
bb) Dauer des Urheberrechts Welche zeitliche Dauer des Urheberrechts läßt sich mittels der Demokratie-basierten Rechtfertigung moralisch begründen? Eine Antwort muss berücksichtigen, dass diese Rechtfertigung ebenfalls auf dem Anreizparadigma basiert. Freilich wird diese Prämisse nicht mehr – wie noch bei der Effizienz-basierten Rechtfertigung – in den Dienst einer maximalen Bedürfnisbefriedigung gestellt. Es geht vielmehr um die Generierung von Kommunikationsströmen, die ein quantitativ (Produktionsfunktion) wie qualitativ (Strukturfunktion) hohes Maß an Meinungsbildung gewährleisten. Das Urheberrecht muss daher zumindest solange andauern, wie jener Anreizzweck erreicht worden ist. Dies ist moralisch notwendig. Steht dem Gesetzgeber aber auch frei, eine längere Dauer festzulegen? Anders als bei einer effizienztheoretischen Begründung kann dies zwar nicht mit dem Hinweis verneint werden, dies führe zu einem Marktversagen. Entscheidend ist aber, dass eine überobligatorische Dauer des Urheberrechts neue, zusätzliche Kommunikationen verhindert. Mit Recht meint Netanel daher, dass es aus demokratietheoretischer Sicht besser sei, geistige Werke nach Ablauf jener minimalen Dauer der Gemeinfreiheit zu überlassen, anstatt weiterhin monetäre Vorteile an die Rechtsinhaber zu transferieren.844. Dennoch scheint Netanel nicht den logischen Schluss ziehen zu wollen, dass eine längere Dauer stets moralisch unmöglich ist. Stattdessen meint er, dass selbst dann, wenn der demokratische Nutzen eines Urheberrechts erfüllt sei, eine längere Dauer des Urheberrechts gerechtfertigt sein könne.845 Das ist freilich missverständlich ausgedrückt. Denn sind alle demokratischen Nutzeffekte erfüllt, kann eine Demokratie-basierte Rechtfertigung teleologisch wie begrifflich keine Rechtfertigung mehr bieten. Netanel meint daher etwas anderes. Er geht von dem Fall aus, dass eine längere Dauer notwendig ist, um die ursprünglichen demokratischen Nutzeffekte weiterhin zu gewährleisten. Dabei hat er die Verbreitung von geistigen Werken im Auge, an denen wegen zeitlichen Ablaufs kein Urheberrecht mehr besteht. Als Beispiel dient Netanel das Internet.846 Um dessen kommunikatives Potential zu entfachen, sei es notwendig, gemeinfreie Werke digital verfügbar zu machen. Dazu bedürfe es allerdings eines finanzielle Anreizes: Angesichts der Kosten, den die digitale Bearbeitung verursache, und der Leichtigkeit, mit der anschließend digitale Werke kopiert werden könnten, sei ansonsten mit einer geringen Zirkulierung zu rechnen. Daraus resultiert zunächst ein limitiertes Recht, das die Digitalisierung gemeinfreier Werke betrifft. Doch greift das Netanelsche Argument eigentlich weiter. Es geht letzten Endes darum, allgemein die Publikation und Verbreitung gemeinfreier Werke zu sichern. Damit schliesst es an Erwägungen an, die – wenngleich unter dem Gesichtspunkt der Allokationseffizienz – bei der Effizienz-basierten Rechtfertigung eine Rolle spielen. 844 845 846
Siehe Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (369). Vgl. Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (369). Siehe Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (369 f.).
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Hinsichtlich der gebotenen Befristung des Urheberrechts, die am demokratischen Zweck orientiert ist, räumt Netanel ein, dass sie nicht exakt bestimmt werden könne. Es sei „difficult, if not impossible, to determine with any degree of precision the term of copyright that would lead to optimum support for creative autonomy, while still allowing for sufficient user access.“847 Dennoch erscheint es ihm eindeutig, dass die derzeitige Länge – hier sind 70 Jahre nach dem Tod gemeint – eine mehr als hinreichende Hilfe für einen unabhängigen und vielfältigen Sektor biete. Jede Verlängerung sei daher – aus Sicht der Demokratie-basierten Rechtfertigung – unberechtigt. In derartigen spekulativen Behauptungen, die empirisch nicht weiter überprüfbar sind, gleicht die Demokratie-basierte Rechtfertigung abermals der effizienztheoretischen Perspektive. Netanel scheint sich dessen bewusst zu sein. Letzten Endes bleibt von jenen Hypothesen daher nur die Forderung bestehen, der Gesetzgeber müsse das democratic paradigm wenigstens an erster Stelle berücksichtigen, wenn es darum gehe, die Länge des Urheberrechts festzulegen.848 Dies provoziert dann natürlich die Frage nach dem Inhalt jenes Gebots: Wie soll der Gesetzgeber etwas beachten, was er gar nicht beachten kann?849
cc) Schranken des Urheberrechts Zum einen ergeben sich Netanel zufolge Schranken aus der Produktionsfunktion des Urheberrechts. Er stellt fest, dass der Grad „to which copyright promotes or inhibits their creation, dissemeniation, and reformulation is of fundamental importance to the democratic, participatory character of civil society.“850 Es reicht also nicht aus, dass geistige Werke erschaffen werden und als Kommunikationsangebote auftauchen. Es muss auch möglich sein, sie in gewisser Weise zu verändern, eine gedankliche Konzeption darauf aufbauen zu lassen. Schließlich kann an jenem Angebot ja auch nicht jeder teilhaben – Geld hat schließlich nicht jeder. Gerechte – und das heißt: demokratiefördernde – Distribution funktioniert also nur, wenn zumindest Ideen oder Wissen verbreitet werden darf. Bildung setzt diesen Zugang voraus: „Since effective, democratic education encourages independent thinking through active learning, the access to existing knowledge must involve an opportunity to reformulate ideas and transform expressive works, as well as simply to contemplate them.“851 Das Urheberrecht muss also hinsichtlich der Reformulierung, der Umformung und des Genusses von geistigen Werken begrenzt werden. Das ist einsichtig: Die Teilhabe am Prozess der Meinungsbildung setzt immer die KenntNetanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (369). So Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (369). 849 Die Unbestimmtheit der Netanelschen Aussagen ist daher kritisiert worden, siehe Yoo, Vand. L. Rev. 53 (2000), S. 1933 (1959). 850 Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (348) [Hervorhebung von mir]. 851 Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (349) [Hervorhebung von mir]. 847 848
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nis, Kritik und Interpretation bisheriger Ideen und Meinungen voraus.852 Daraus erklärt sich zwar, warum Netanel tatbestandlich den urheberrechtlichen Schutz auf expression beschränkt. Welche konkreten Nutzungsrechte anderen an diesen zustehen sollen – was gilt als Reformulierung? –, bleibt dagegen unbestimmt. Zum anderen leitet Netanel aus der Strukturfunktion des Urheberrechts Grenzen desselben ab.853 Ausdrucksvielfalt werde nicht allein durch einen staatlich unabhängigen Sektor geschaffen; erforderlich sei auch die Auferlegung von Grenzen bei der privaten Kontrolle geistiger Werke. Diese Grenzen seien Netanel zufolge als lebenswichtige und integrale Bestandteile der Strukturfunktion zu begreifen. Durch die Vergabe von Urheberrechten würden nämlich zwar kommunikative Machtstrukturen diversifiziert, ohne sich übermäßig in den Ausdrucksinhalt einzumischen. Solche Machtstrukturen riefen allerdings zugleich das Problem einer Markt-basierten Redehierarchie herauf. Dem müsse eine Grenze gesetzt werden: Ein Urheberrecht, das dem democratic paradigm gehorcht, müsse umgestaltenden Nutzen erlauben. Daraus zeigt sich, dass eine demokratietheoretische Perspektive Urheberschutz wie seine Grenzen auf eine Stufe stellt. Beide Aspekte folgen gleichermaßen aus dem Zweck, die für eine Demokratie erforderlichen Kommunikationen zu erzeugen. So beruhen Schranken nicht auf gegenläufigen Interessen, sondern offenbaren bloß die demokratischen Prinzipien, auf denen das Urheberrecht beruht. Diese Argumentation ist allerdings ebenfalls nicht in der Lage, die genauen Nutzungsrechte anderer zu benennen. 3. Kritik Die Schwächen der Demokratie-basierten Rechtfertigung, wie sie Netanel vertritt, sind bereits vereinzelt erwähnt worden. Insgesamt basieren sie weniger auf normativen, als auf konzeptionellen und empirischen Gesichtspunkten. Denn immerhin ist die moralische Prämisse, nämlich das Postulat eines demokratischen Herrschaftssystems, höchst überzeugend.854 Darin liegt ein Vorzug gegenüber einer effizienztheoretischen Perspektive, deren Programm bereits bei der Suche eines plausiblen Effizienzkriteriums scheitert. Der ökonomischen Lesart ist sie auch darin überlegen, dass sie es versteht, die Intuition einzuholen, geistige Werke besäßen als Kommunikation besonderer Art ebenfalls eine besondere gesellschaftliche Bedeutung. Der Fortschritt zu einer ökonomischen Sichtweise des Urheberrechts bleibt dennoch vergleichsweise gering. Der hier diskutierten Demokratie-basierten Rechtfertigung gelingt es letztlich nicht, sich als überlegenes Gegenmodell zur ökonomischen Sichtweise anzubieten. Der Hauptgrund besteht darin, dass ihre Siehe auch Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (351). Hierzu Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (362 f.). 854 Darin sind sich auch die Kritiker der Netanelschen Konzeption einig, vgl. Yoo, Vand. L. Rev. 53 (2000), S. 1933 (1962); Weinreb, Harv. L. Rev. 111 (1998), S. 1150 (1233 Fn. 339). 852 853
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Argumentation darauf angewiesen ist, gesellschaftliche Wirkungszusammenhänge einzufangen, deren Komplexität nicht überschaubar ist. Dass dies am Ende nicht gelingt, liegt daher weniger an der Umsetzung Netanels, sondern ist strukturell bedingt. Dies zeigt sich einerseits bei der Frage, wie geistige Werke mit dem demokratischen Prozess interagieren, und andererseits dabei, wie das Urheberrecht mit jenem Prozess zusammenhängt. (i) Eine Demokratie-basierte Rechtfertigung muss geistige Werke in hochkomplexe Kommunikationsprozesse einbetten; sie muss die Frage beantworten, welche Art von Kommunikationsleistungen für eine Demokratie erforderlich ist. Das führt notwendigerweise zu undifferenzierten Aussagen, die ihr den Vorwurf der Unbestimmtheit einbringen.855 Diese Schwierigkeit hat sich besonders bei der Frage des urheberrechtlichen Tatbestands gezeigt. Indem Netanel allein auf die Forderung einer original expression abhebt, zudem unterstellt, dass alle derartigen kommunikativen Gehalte eines Anreizes bedürften, bietet er keine Differenzierung zwischen verschiedenen kommunikativen Gehalten an. Das ist demokratietheoretisch in zweifacher Hinsicht bedenklich. Erstens: Wenn allein die Ursprünglichkeit eines kommunikativen Gehalts zählt, werden auch solche Äußerungen für relevant erklärt, die völlig unverständlich bzw. rational nicht zugänglich sind. Als Beispiel mag hier hochabstrakte Kunst dienen, die derart originell ist, dass sie niemand zu begreifen imstande ist. Dergleichen kann aber nicht als Beitrag zu einem politischen Dialog, sondern allenfalls als Monolog aufgefasst werden. Eine derartige Lesart der Originalität birgt daher die Gefahr eines kommunikativen Solipsismus.856 Und zweitens führt der Schutz von kommunikativen Gehalten, die eines Anreizes bedürfen, zu einem Problem. Dieses Paradigma basiert ja darauf, dass geistige Werke nur dann geschaffen werden, wenn sie Aussicht auf finanziellen Erfolg haben. Wenn man aber berücksichtigt, dass Demokratie eine Methode ist, um gerade diejenigen Konzepte zutage zu fördern, nach denen bislang noch kein Interesse besteht857, führt das Anreizparadigma zu einer merkwürdigen Konsequenz. Gefördert werden dann jene kommunikativen Inhalte, denen bereits eine entsprechende Nachfrage gegenübersteht. (ii) Daneben muss eine Demokratie-basierte Rechtfertigung beantworten, in welcher Weise das Urheberrecht den demokratischen Prozess beeinflusst: Führt das Urheberrecht letzten Endes zu einer Förderung oder einer Minderung der kommunikativen Ströme, auf die eine Demokratie angewiesen ist? Diese Frage führt zu empirischen Problemen, die denjenigen gleichen, die die Effizienz-basierte Rechtfertigung lösen muss. Ihre Lösung setzte voraus, dass die betroffenen Interessen demokratietheoretisch verrechnet werden könnten.858 Dass dies – zumindest bisVgl. Yoo, Vand. L. Rev. 53 (2000), S. 1933 (1960). Das ist ein Nachteil gegenüber der sprechakttheoretischen Perspektive, die ich später skizzieren werde. 857 Dazu von Hayek, The Constitution of Liberty, S. 109 ff. 858 Siehe Yoo, Vand. L. Rev. 53 (2000), S. 1933 (1935). 855 856
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lang – nicht der Fall ist, gibt auch Netanel zu.859 Um sie zu umgehen, muss eine Demokratie-basierte Rechtfertigung daher notwendig mit Unterstellungen arbeiten. Dies zeigt sich bei Netanel durch die Annahme bestimmter Funktionen – Produktions-, Struktur- und Symbolfunktion –, die das Urheberrecht besitze. Solche Annahmen sind natürlich immer angreifbar: „Why should it be taken for granted, for example, that copyright does not reduce access by as much or more than it increases production? Why should it be supposed that the market is a less insistent and narrow-minded master that privat patronage?“860 Aus diesem Grund hält Weinreb der Netanelschen Perspektive vor, das Vertraute mit dem Notwendigen zu verwechseln.861
4. Zusammenfassung Eine Demokratie-basierte Rechtfertigung versucht das Urheberrecht zu rechtfertigen, indem sie einen notwendigen Zusammenhang zwischen Demokratie und Urheberrecht behauptet. Dabei geht es nicht – wie man glauben könnte – um die Annahme, das Urheberrecht sei notwendige Folge eines demokratischen Gesellschaftssystems. Vielmehr behauptet sie, das Urheberrecht sei bereits notwendige Bedingung desselben. Dahinter steht der Gedanke, eine Demokratie sei auf bestimmte Kommunikationsströme angewiesen, die durch das Urheberrecht, wenn nicht gewährleistet, so doch erst ermöglicht würden. Indem diese Idee mit dem plausiblen Bedürfnis nach einer demokratischen Gesellschaftsform verbunden wird, entsteht eine moralische Begründung, die sich scharf von einer effizienztheoretischen Perspektive abgrenzt. Zwar baut sie ebenfalls auf dem Anreizparadigma auf, demzufolge die ausreichende Erschaffung geistiger Werke ohne monetäre Anreize nicht möglich sei. Doch wird diese Annahme nunmehr in einen demokratietheoretischen Begründungszusammenhang integriert, der geistigen Werken nicht eine beliebige, sondern eine besondere Bedeutung zuweist. Wenn eine Demokratie-basierte Rechtfertigung zu zeigen versucht, dass und wie das Urheberrecht notwendige Bedingung einer demokratisch regierten Gesellschaft ist, muss sie zwei Dinge darlegen. Erstens muss sie ein bestimmtes Demokratieverständnis konzeptionell wie normativ entwickeln (1). Zweitens muss sie zeigen, dass diese Konzeption auf die Existenz geistiger Werke angewiesen ist und warum sie die Produktion dieser Werke nur durch ein Urheberrecht als sinnvoll erachtet (2). Erst dann kann sie zeigen, zu welchen Konsequenzen sie hinsichtlich des Tatbestands (3) und der Rechtsfolgen (4) des Urheberrechts gelangt. Diese Punkte sind anhand der Perspektive demonstriert worden, die Netanel in seinem democra859 Sogar Netanel, Yale L. J. 106 (1996), S. 283 (289), beklagt, dass es an einem „systematic understanding of how copyright supports democratic institutions“ fehle. 860 Siehe Weinreb, Harv. L. Rev. 111 (1998), S. 1150 (1233 Fn. 339). 861 So Weinreb, Harv. L. Rev. 111 (1998), S. 1150 (1233 Fn. 339).
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tic paradigm entwirft. An ihr zeigt sich deutlich, welche Nachteile eine Demokratie-basierte Rechtfertigung besitzt (5) (1) Eine Demokratie-basierte Rechtfertigung setzt stets die Demokratie als normative Prämisse voraus. Sieht man von konzeptionellen Unterschieden ab, die die Verbindung mit inhaltlichen Maßgaben betreffen, geht es um das Ideal der Selbstherrschaft. Da dies nicht umsetzbar ist, hat es sich überwiegend zu einer repräsentativen Demokratie gewandelt. Es gibt verschiedene Wege, jenes Ideal plausibel zu machen. Diese haben gemein, dass sie durchweg extrinsisch argumentieren; das ist die Idee, die Demokratie bringe für gut gehaltene Resultate hervor. Eine eher formale Begründung blickt auf die Folgen, die mit dem demokratischen Entscheidungsverfahren zusammenhängen. Hier steht der friedliche Konfliktlösungscharakter der Demokratie im Vordergrund. Demgegenüber geht es einer eher materialen Begründung nicht um die Entscheidungsform, sondern um den produzierten Entscheidungsinhalt. Eine Demokratie-basierte Rechtfertigung muss jedoch keinen dieser Wege einschlagen. Sie kann sich pragmatisch darauf zurückziehen, dass dort, wo über die Moralität des Urheberrechts überhaupt öffentlich diskutiert wird, die Demokratie auch anerkannt ist. Konzeptionell muss sie darlegen, auf welchen gesellschaftlichen Bedingungen die Demokratie basiert. Netanel stellt hierzu das Konzept der Zivilgesellschaft in den Vordergrund, dessen Wichtigkeit seit Tocqueville bekannt ist. Die Zivilgesellschaft ist hiernach notwendige Bedingung einer demokratischen Regierungsform. Sie steht für eine staatsfreie Sphäre, in der die Bürger ihre Ziele, Normen und Lebensentwürfe entwickeln. Daraus entspringen dann erst jene Kommunikationsströme, die sich im demokratischen Verfahren umsetzen und politisch wirksam werden. Dies ist einleuchtend: Wenn in einer Demokratie die Regierung durch die Meinung der Bürger angeleitet werden soll, setzt dies sinnvollerweise voraus, dass diese Meinung regierungsunabhängig entstehen kann. (2) Eine Demokratie-basierte Rechtfertigung behauptet, dass das Urheberrecht notwendig sei, um jene gesellschaftlichen Bedingungen einer Demokratie zu gewährleisten. Netanel schreibt dem Urheberrecht drei Funktionen zu, mit denen es dies erreiche. Das Urheberrecht ermutige dazu, geistige Inhalte auf politischem, sozialem, kulturellem und ästhetischem Gebiet zu produzieren und zu verbreiten (Produktionsfunktion). Es geht also um die quantitative Förderung öffentlicher Kommunikation durch Anreiz. Die Strukturfunktion betrifft dagegen die qualitative Seite jener Kommunikation. Sie nimmt an, dass das Urheberrecht einen Bereich schaffe, in dem ohne staatliche oder private Abhängigkeit kommuniziert werde. Das Urheberrecht ermögliche so die Autonomie und Diversität geistiger Werke. Zuletzt geht es um die Symbolfunktion des Urheberrechts. Indem es den Wert individueller Kreativität unterstreiche, symbolisiere es den Wert des Individuums selbst. Doch ist diese Funktion nicht mit einer Demokratie-basierten Rechtfertigung kompatibel. Einmal betrifft sie nicht die Demokratie selbst, sondern nur ihre Verbindung mit dem Liberalismus. Selbst dann, wenn man diese vornimmt oder
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unterstellt, bleibt ein Problem. Den Wert des Individuums kann das Urheberrecht nur symbolisieren, wenn es individualistisch begriffen wird. Soweit es aber – wie bei jeder kollektivistischen Rechtfertigung – gesellschaftlich verankert wird, symbolisiert es gerade nicht den Wert des Individuums, sondern den der gesellschaftlichen Verbundenheit. (3) Eine Demokratie-basierte Rechtfertigung führt zum Schutz derjenigen kommunikativen Gehalte, auf die der demokratische Prozess angewiesen ist, und die ohne das Urheberrecht nicht produziert und verbreitet worden wären. Sie muss daher begründen, welche Inhalte wichtig sind und welche nicht. Darin liegt indes eine unlösbare Schwierigkeit. Einerseits scheint klar, dass nicht jeder kommunikative Gehalt eine derartige Relevanz besitzt. Andererseits ist aber ebenso klar, dass dies von vornherein nicht entschieden werden kann. Netanel beschränkt sich – wohl auch wegen dieser Probleme – darauf, zu fordern, den Ausdruck von Inhalten zu schützen, die ursprünglich sind, d. h. vom jeweiligen Urheber selbst mitgeteilt wurden. Dies führt dazu, dass sich die geschützten Inhalte auf keinen bestimmten gesellschaftlichen Bereich beziehen müssen. Daneben ist dann nicht erforderlich, dass die geschützten Inhalte in einer verständlichen Art und Weise geäußert werden müssen. Dass alle kommunikativen Gehalte, soweit sie nur ursprünglich sind, für eine Demokratie Bedeutung haben, ist jedoch fragwürdig. Erstens dürfte es einen gewichtigen Unterschied machen, ob es sich um Werke handelt, die das politische Handeln direkt oder indirekt thematisieren. Dass z. B. künstlerische und populäre Kommunikation wichtig ist, heißt ja noch nicht, dass sie einer politischen Kommunikation ebenbürtig ist. Zweitens kann nicht ernsthaft behauptet werden, dass geistige Werke, die rational nicht verständlich sind, eine demokratietheoretische Bedeutung hätten. Wenn in der Zivilgesellschaft jene Diskurse stattfinden sollen, aus denen später politische Entscheidungen erwachsen, muss ein Dialog, kein Monolog stattfinden. Und drittens ist der Schutz von kommunikativen Gehalten, die eines Anreizes bedürfen, problematisch. Dieses Paradigma basiert ja darauf, dass geistige Werke nur dann geschaffen werden, wenn sie Aussicht auf finanziellen Erfolg haben. Wenn man aber berücksichtigt, dass Demokratie eine Methode ist, um gerade diejenigen Konzepte zutage zu fördern, nach denen bislang noch kein Interesse besteht, führt das Anreizparadigma zu einer merkwürdigen Konsequenz. Gefördert werden dann jene kommunikativen Inhalte, denen bereits eine entsprechende Nachfrage gegenübersteht. (4) Indem einer Demokratie-basierten Rechtfertigung das Anreizparadigma in Gestalt der Produktionsfunktion zugrunde liegt, führt sie zwangslos zur moralischen Notwendigkeit von Verwertungsrechten. Urheberpersönlichkeitsrechte kann sie dagegen nicht begründen; es bleibt sogar zweifelhaft, ob sie nicht gar moralisch unmöglich sind. Dies zeigt das Beispiel des Namensnennungsrechts. Schließlich besteht das Ziel der Demokratie darin, jene kommunikativen Gehalte politisch wirksam werden zu lassen, die als richtig gelten. Dies wird nur gewähr-
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leistet, wenn die Überzeugungskraft einer Meinung allein von ihrem Inhalt und nicht auch von ihrem Kommunikator ausgeht. So funktioniert Meinungsbildung in gewisser Weise besser, wenn eine Namenszurechnung unterbleibt. Die Dauer der Verwertungsrechte richtet sich – wie bei der Effizenz-basierten Rechtfertigung – nach dem Anreizparadigma. Das Urheberrecht muss mindestens solange andauern, wie erforderlich ist, um einen monetären Anreiz zu schaffen, geistige Werke zu produzieren. Dies ist moralisch notwendig. Wie lange diese Mindestdauer ist, kann aber nicht exakt bestimmt werden; jede Festlegung ist daher notwendig spekulativ. Der Unterschied zu einer effizienztheoretischen Perspektive besteht dann nur darin, bei der Länge der Dauer nicht die Förderung der Effizienz, sondern diejenige der Demokratie als regulative Idee vorauszusetzen. Eine längere Dauer als jene, die die Anreizfunktion erfüllt, ist zumeist moralisch unmöglich. Dadurch werden in aller Regel neue Kommunikationen verhindert. Etwas anderes gilt nur dann, wenn diese notwendig ist, um die ursprünglichen demokratischen Nutzeffekte weiterhin zu gewährleisten. Hier geht es darum, die Publikation und Verbreitung gemeinfreier Werke zu sichern. Damit wird an Erwägungen angeschlossen, die – wenngleich unter dem Gesichtspunkt der Allokationseffizienz – bei der Effizienz-basierten Rechtfertigung eine Rolle spielen. Sie betreffen eigentlich keine Verlängerung des Urheberrechts, sondern dessen Neueinräumung an gemeinfreien Werken. Eine Demokratie-basierte Rechtfertigung ermöglicht zudem, Schranken des Urheberrechts moralisch zu begründen. Argumentativer Anknüpfungspunkt sind die Produktions- und die Strukturfunktion des Urheberrechts. Die Produktionsfunktion zeigt, dass eine Verbreitung geistiger Werke nicht durch ihre Erschaffung garantiert wird. Schließlich kann aus finanziellen Gründen nicht jeder jedes Kommunikationsangebot in Anspruch nehmen. Der Strukturfunktion wird zudem nicht allein dadurch entsprochen, dass ein staatlich unabhängiger Sektor geschaffen wird. Ist sie richtig, so werden durch das Urheberrecht zwar keine staatlichen, aber immerhin private Machtstrukturen geschaffen, Dies führt zum Problem einer Marktbasierten Redehierarchie. Beide Aspekte legen nahe, dass Refomulierungen, Umgestaltungen, aber auch Werkgenuss in Grenzen gestattet sein müssen. Wo diese Grenzen – in Verrechnung mit dem Anreizparadigma – beginnen und wo sie enden, kann jedoch nicht gesagt werden. Eine Demokratie-basierte Rechtfertigung ist daher auch nicht in der Lage, die genauen Nutzungsrechte anderer zu benennen, die sich als moralisch notwendige Schranken ausnehmen. (5) Der Vorzug einer Demokratie-basierten Rechtfertigung besteht in ihrer normativen Ausgangsprämisse. Indem sie auf dem anerkannten Postulat eines demokratischen Herrschaftssystems basiert, ist es schwer, sie in Frage zu stellen. Ebenfalls verleiht sie der plausiblen Intuition Ausdruck, dass geistige Werke nicht ein Gut unter vielen sind, sondern als Kommunikation eine besondere Bedeutung besitzen. In beiden Punkten ist sie einer Effizienz-basierten Rechtfertigung überlegen. Dennoch kommt sie nicht weit über diese hinaus. Ihre Schwächen liegen näm-
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lich in konzeptionellen und empirischen Problemen: Sie ist darauf angewiesen, gesellschaftliche Wirkungszusammenhänge einzufangen, deren Komplexität nicht überschaubar sind. Einerseits setzt sie das Wissen voraus, wie geistige Werke mit dem demokratischen Prozess interagieren. Nur so kann sie beantworten, welche Art von Kommunikationsleistungen für eine Demokratie erforderlich ist. Die Schwierigkeit, dies zu bestimmen, führt notwendigerweise zu angreifbaren Aussagen. Andererseits muss sie beantworten, wie das Urheberrecht selbst auf den demokratischen Prozess einwirkt. Führt es insgesamt zu einer Förderung oder einer Minderung der kommunikativen Ströme, auf die eine Demokratie angewiesen ist? Diese Frage führt zu ähnlichen empirischen Problemen, die auch die Effizienz-basierte Rechtfertigung nicht bewältigen konnte. Beide Aspekte sind dafür verantwortlich, dass die inhaltlichen Aussagen einer Demokratie-basierten Rechtfertigung wenig konkret sind.
IV. Ergebnisse Die Frage, warum eine exklusive Rechtsbeziehung zwischen Urhebern und ihren geistigen Werken gerechtfertigt ist, muss nicht durch eine moralische Aufwertung jener Beziehung selbst beantwortet werden. Es ist ebenso gut möglich, das Urheberrecht durch moralische Gründe zu stützen, die einer Beziehung zwischen der Gesellschaft und geistigen Werken entstammen. Eine solche Begründung ist in dieser Arbeit als kollektivistisch bezeichnet worden. Wer sie benutzt, behauptet nicht länger, dass das Urheberrecht zugleich das moralische Recht des Urhebers sei; er behauptet stattdessen, dass es dasjenige der Gesellschaft sei, in dessen Diensten es stets stehe. Dieses Vorgehen basiert auf der Annahme, das Urheberrecht fördere die Entwicklung, die Stabilisierung oder die Erreichung eines für gut erachteten gesellschaftlichen Zustands. Unterschiede bestehen allein darin, welcher Zustand dies ist – welche Gesellschaftskonzeption also normativ vorausgesetzt wird. Denkbare Konzeptionen lassen sich danach ordnen, wie normativ gehaltvoll sie sind. Entscheidend ist, ob sie das menschliche Bedürfnishandeln unter minimale Schranken stellen, oder die maximale Befriedigung beliebiger bzw. die Befriedigung bestimmter Bedürfnisse gebieten. In dieser Reihenfolge sind in diesem Kapitel drei Typen einer kollektivistischen Rechtfertigung diskutiert worden, die ich als Schranken-basierte, Effizienz-basierte und Demokratie-basierte Rechtfertigung bezeichne. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Diskussion hinsichtlich der institutionellen sowie inhaltlichen Rechtfertigung des Urheberrechts werden im Folgenden dargestellt und bewertet. 1. Institutionelle Rechtfertigungsebene Die institutionelle Rechtfertigung des Urheberrechts durch kollektivistische Modelle besitzt gravierende Schwächen. Zwar bedienen sich diese stets einer plausib-
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len Ausgangsprämisse normativer Art: Wer wollte schon gegen die Nicht-Schädigung anderer, gegen die größtmögliche Befriedigung menschlicher Bedürfnisse oder gegen das Postulat der Demokratie etwas einwenden? Doch wird der darauf aufbauende Gedankengang durch tatsächliche Annahmen geschwächt, deren Richtigkeit rein hypothetisch ist. Und dies liegt nicht in erster Linie daran, dass alle Modelle die empirisch unsichere Anreizfunktion des Urheberrechts einbeziehen. Ohne diese Prämisse lassen sich ja ohnehin keine Verwertungsrechte begründen. Vielmehr integrieren sie daneben – je nach Modell verschieden – weitere Aussagen über kausale und gesellschaftliche Wirkungszusammenhänge, deren Komplexität sie konzeptionell wie empirisch überfordern. (1) Eine Schranken-basierte Rechtfertigung enthält sich jeder Aussage darüber, ob geistige Werke gesellschaftlich notwendig sind. Stattdessen begründet sie das Urheberrecht durch das Ausbleiben negativer Folgen: Es sei soweit erlaubt, wie es keinen Schaden anrichte. Hierfür ist entscheidend, dass anderen Individuen keine potentiellen Handlungsmöglichkeiten, also ihr potentieller Status als Urheber oder als Nutzer genommen wird. Ersteres wird betroffen, wenn ein anderer das Werk auch geschaffen hätte, zweiteres wird schon dann betroffen, wenn der Urheber das Werk auch ohne Anreiz des Urheberrechts geschaffen hätte. Diese Aspekte weisen allerdings auf Fragen, von denen vor allem die erstere nicht beantwortet werden kann. Ob ein geistiges Werk irgendwann geschaffen worden wäre, lässt sich erst dann feststellen, wenn es geschaffen wurde. Daneben besitzt die Schranken-basierte Rechtfertigung eine zusätzliche Schwäche. Indem sie auf einer minimalen moralischen Prämisse beruht, ist sie zwar in normativer Hinsicht beinahe unangreifbar. Diese Immunität besitzt allerdings einen hohen Preis; sie führt zu einer äußerst schwachen institutionellen Rechtfertigung. Denn wenn das Urheberrecht niemandem schadet, so ist es zwar nicht verboten – geboten ist es aber auch nicht. Ist aber seine Einführung oder Beibehaltung nur moralisch möglich, so kann man ebenso gut auf sie verzichten. So zeigt sie am Ende nur, dass eine Begründung, die die Notwendigkeit geistiger Werke gänzlich ausblendet, niemals ein Argument für die Notwendigkeit des Urheberrechts selbst sein kann. (2) Bei der Effizienz-basierten Rechtfertigung ergibt sich ein etwas anderes Bild. Indem sie davon ausgeht, dass ein Bedürfnis nach geistigen Werken vorhanden ist, ist sie theoretisch auch imstande, die moralische Notwendigkeit des Urheberrechts darzulegen. Hierzu nimmt sie an, dass das Urheberrecht das effzienteste Mittel sei, um ein Marktversagen zu korrigieren, das die Produktion geistiger Werke betreffe. Wird diese These mit der plausiblen Annahme verbunden, eine Gesellschaft solle für eine maximale – also: insgesamt effiziente – Befriedigung menschlicher Bedürfnisse sorgen, ist das Ziel erreicht. Die Probleme des effizienztheoretischen Arguments liegen allerdings in einem anderen Bereich, in dem seiner Umsetzung. Es muss erstens ein Kriterium finden, mit dem sich die graduelle Erfüllung dieser Prämisse überhaupt messen lässt. Das heutzutage verwendete Kaldor / Hicks- oder Vermögensmaximierungs-Kriterium führt zu Gerechtigkeitsdefiziten. Es stellt die Gewinne einiger Menschen über die Verluste anderer. Zweitens muss jenes Argu-
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ment zeigen, dass das Urheberrecht das effizienteste Mittel zur Korrektur des Marktversagens ist. Das hängt von empirischen Daten ab, die jedenfalls bislang nicht vorhanden sind. Das effizienztheoretische Argument ist dann aber ein beliebiges: je nachdem, welche Hypothese man setzt, lässt sich entweder die moralische Unmöglichkeit oder Notwendigkeit des Urheberrechts behaupten. (3) Ähnlichen Problemen sieht auch eine Demokratie-basierte Rechtfertigung ins Auge. Sie beruht auf der Idee, eine Demokratie sei auf bestimmte Kommunikationsströme angewiesen, die durch das Urheberrecht erst ermöglicht würden. Zwar basiert sie so ebenfalls auf einer plausiblen Ausgangsprämisse, die in Form der Demokratie ein weithin zustimmungsfähiges Postulat aufstellt. Auch ist sie – wie die Effizienz-basierte Rechtfertigung – theoretisch imstande, die moralische Notwendigkeit des Urheberrechts zu begründen. Trotzdem ist eine Demokratie-basierte Rechtfertigung mit Mängeln behaftet. Schließlich steht sie vor der Aufgabe, darlegen zu müssen, welche Auswirkungen das Urheberrecht auf ein demokratisches Gesellschaftssystem besitzt. Ist es tatsächlich dessen notwendige Bedingung? Um hierüber Auskunft zu geben, müsste – neben der Annahme der Anreizfunktion – beantwortet werden, welche geistigen Werke demokratietheoretisch zirkulieren müssen, und ob das Urheberrecht als Ganzes zu einer qualitativen wie quantitativen Steigerung jener Zirkulierung gelangt. Jede Antwort beruht hier auf ebenso spekulativen Erwägungen wie die bzgl. der Effizienz des Urheberrechts. Immerhin besitzt eine Demokratie-basierte Rechtfertigung einen Vorzug, der sie gegenüber den anderen kollektivistischen Modellen auszeichnet. Sie blendet nicht länger die besondere Ontologie geistiger Werke – ihre Immaterialität – aus, sondern betont, dass in ihrem kommunikativen Gehalt ihre Notwendigkeit begründet liegt. So wird erkannt, dass die spezifische Seinsweise geistiger Werke von moralischer Relevanz sein dürfte.
2. Inhaltliche Rechtfertigungsebene Die empirischen und konzeptionellen Defizite kollektivistischer Begründungen, die auf der institutionellen Ebene angesprochen wurden, schlagen auch inhaltlich durch. Anders als bei individualistischen Modellen lassen sich ihre inhaltlichen Aussagen – bis auf wenige Ausnahmen – nicht aus ihrem Gedankengang selbst, sondern nur aus empirischen Annahmen entnehmen, die nicht feststehen oder überprüfbar sind. Sie hängen in ihrer Überzeugungskraft daher davon ab, wie überzeugend die unterstellten Daten sind. Konzeptionell teilen sie allerdings eine gemeinsame Aussage: Indem sie alle die Anreizfunktion integrieren, führen sie nur zum Schutz solcher geistigen Werke, die eines Anreizes bedürfen. Ansonsten eröffnen sie einen weiten Raum, in dem theoretisch das gerechtfertigt werden kann, was zuvor empirisch unterstellt wurde. (1) Eine Schranken-basierte Rechtfertigung gelangt zu sehr unbestimmten Aussagen; sie eröffnet einen großen Bereich, innerhalb dessen mannigfache Gestaltun-
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gen des Urheberrechts gleichermaßen moralisch möglich sind. Tatbestandlich besteht so allein die Einschränkung, dass nur der Schutz von geistigen Werken moralisch möglich ist, die aufgrund des Urheberrechts geschaffen wurden. Im Übrigen sind sonstige Kriterien gleichermaßen moralisch möglich. Das heißt etwa, dass die tatbestandliche Einführung oder Abschaffung einer bestimmten Gestaltungshöhe, Originalität, Idee / Ausdruck-Dichotomie etc. moralisch möglich ist. Bei den Rechtsfolgen muss sich die Dauer des Urheberrechts an der Wahrscheinlichkeit des Werks anpassen. Je wahrscheinlicher die Schöpfung eines Werks ist, desto kürzer muss seine Schutzdauer sein. Auch wenn sich dies nicht empirisch feststellen lässt, bedeutet dies immerhin, dass eine starre Regel, wie sie üblicherweise in Urheberrechtssystemen zu finden ist, moralisch unmöglich ist. Innerhalb dieser Dauer ist die Art der eingeräumten Rechte dann belanglos: Jede Ausgestaltung des Urheberrechts ist gleichermaßen moralisch möglich. (2) Bei der Effizienz-basierten Rechtfertigung zeigt sich am klarsten, wie abhängig eine kollektivistische Begründung von hypothetischen Annahmen ist. Die einzigen Aussagen, die sich bereits konzeptionell aus ihr ableiten lassen, beruhen auf dem angenommenen Anreizparadigma. Wenn das Urheberrecht eine Unterproduktion geistiger Werke verhindern soll, indem es ihre finanzielle Verwertung ermöglicht, folgt einerseits daraus, dass nur solche geistigen Werke zu schützen sind, die aufgrund dieser Erwartung geschaffen wurden. Andererseits ist – soll ein solcher Anreiz gewährleistet werden – die Einräumung von Verwertungsrechten moralisch notwendig. Im Übrigen hängt eine effizienztheoretische Argumentation von den jeweiligen empirischen Annahmen ab, die sie unterstellt. Je nachdem, welche Annahmen dies sind, können Umfang des Urheberrechts, seine Dauer sowie seine Schranken höchst unterschiedlich sein. Es fehlt aber an empirischen Daten, um diese theoretischen Konstruktionen zu stützen. Das tatsächliche Gewicht der in Betracht kommenden Nutzen- und Kostenfaktoren steht nicht fest. Unterschiedliche Ausgestaltungen des Urheberrechts können daher effizienztheoretisch moralisch notwendig oder moralisch unmöglich sein. (3) Mit ähnlichen Unsicherheiten hat eine Demokratie-basierte Rechtfertigung zu kämpfen. Sie führt tatbestandlich zum Schutz derjenigen kommunikativen Gehalte, auf die der demokratische Prozess angewiesen ist, und die ohne das Urheberrecht nicht produziert und verbreitet worden wären. Während letzteres mit den Problemen der Effizienz-basierten Rechtfertigung identisch ist, stellt ersteres eine zusätzliche Schwierigkeit dar. Es muss begründet werden, welche Inhalte demokratietheoretisch wichtig sind und welche nicht. Einerseits scheint klar, dass nicht jeder kommunikative Gehalt eine derartige Relevanz besitzt. Andererseits ist aber ebenso klar, dass die Frage, wann diese Relevanz vorliegt, kaum entschieden werden kann. Auf der Rechtsfolgenseite führt eine Demokratie-basierte Rechtfertigung konzeptionell zur moralischen Notwendigkeit von Verwertungsrechten. Urheberpersönlichkeitsrechte kann sie dagegen nicht begründen. Ansonsten hängen ihre Aussagen davon ab, wie sie die Wechselwirkungen zwischen Urheberrecht und Demokratie einschätzt. Je nachdem, welche Unterstellungen hier gemacht werden,
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können Umfang, Dauer und Schranken des Urheberrechts sehr unterschiedlich aussehen. Der Unterschied zu einer effizienztheoretischen Perspektive besteht dann nur darin, bei dem Inhalt des Urheberrechts nicht die Förderung der Effizienz, sondern diejenige der Demokratie als regulative Idee vorauszusetzen. Da die Wirkungen des Urheberrechts demokratietheoretisch nicht verrechnet werden können, bleibt jede Festlegung gleichermaßen spekulativ.
C. Eine universalistisch-transzendentale Rechtfertigung des Urheberrechts Die vorhergehende Untersuchung hat eines gezeigt: Dasjenige, was geistige Werke von anderen Gegenständen unterscheidet – also ihr Dasein als kommunikative Handlung –, ist nicht nur ihr ontologisches, sondern auch ihr moralisches Spezifikum. Und dies nicht nur in dem Sinne, wie üblicherweise angenommen wird, nämlich als Problem einer moralischen Begründung des Urheberrechts. Ganz im Gegenteil: In der besonderen Ontologie geistiger Werke liegt letzten Endes keine moralische Schwäche des Urheberrechts, sondern, wenn überhaupt, der Grund seiner moralischen Rechtfertigung. Denn wenn ein exklusives Recht an geistigen Werken wegen deren Immaterialität kritikanfälliger als ein solches an körperlichen Gegenständen erscheint, kann es ja gerade nicht mit Argumenten gerechtfertigt werden, die jenes Merkmal durchweg ausblenden. Wie sollten auch jene Gründe, die die Moralität des körperlichen Eigentums darlegen, rechtfertigen können, was im Vergleich zu diesem moralisch fragwürdiger ist? Die Begründungsmodelle, die den vermeintlichen Schwachpunkt des Urheberrechts nicht als Vorteil begreifen, können ihn auch nicht überwinden. Die Immaterialität geistiger Werke ist daher – soll Urheberrecht überhaupt sein – der Schlüssel zur moralischen Rechtfertigung des Urheberrechts. Insofern hatte Schopenhauer durchaus Recht, wenn er bemerkte, dass das Urheberrecht „nicht, wie jedes andere, ein materielles, sondern ein geistiges, immaterielles“ sei, und daher absurd sei, es „wie ein materielles, d. h. nach den Regeln, die von diesem gelten würden, behandeln [zu] wollen“.862 Jede plausible moralische Begründung des Urheberrechts muss daher ihren Anfang in der kommunikativen Qualität geistiger Werke nehmen. Mit Schopenhauer ließe sich sagen: Die Moralität des Urheberrechts folgt notwendig den Regeln des Immateriellen. Dieser Weg wurde von zwei diskutierten Rechtfertigungsmodellen eingeschlagen, der Werk-basierten und der Demokratie-basierten Rechtfertigung des Urheberrechts. Dennoch war die Art und Weise, wie sie jene Qualität moralisch nutzbar machten, grundverschieden. Während die Werk-basierte Rechtfertigung individualistisch argumentierte, ging die Demokratie-basierte Rechtfertigung kollektivistisch vor. Dies führte zu unterschiedlichen inhaltlichen Ergebnis862 Schopenhauer, Handschriftlicher Nachlaß, S. 380 [Hervorhebung im Original; Einschub von mir].
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sen. Erstere wies auf die Wichtigkeit von Urheberpersönlichkeitsrechten – hier: das Namensnennungsrecht – hin, zweitere stellte die Verwertungsrechte in den Vordergrund. So griffen die diskutierten Modelle gleichermaßen zu kurz. Die Werk-basierte Rechtfertigung vernachlässigte die Möglichkeit, dass eine bestimmte Art menschlicher Kommunikation eines Anreizes bedarf. Daneben war sie nicht imstande, Schranken des Urheberrechts zu begründen. Hingegen konnte die Demokratie-basierte Rechtfertigung nicht die Vorstellung normativ einholen, dass das je kommunizierende Individuum in manchen Fällen in einer besonderen Beziehung zum Kommunizierten steht. Warum sollen etwa Urheberpersönlichkeitsrechte eingeräumt werden? Dafür hat sie keine Antwort. Der Gedanke von Urheberpersönlichkeitsrechten wurde stattdessen vollständig durch den Produktionsgedanken absorbiert. Eine moralische Begründung des Urheberrechts, die richtigerweise die kommunikative Qualität geistiger Werke in den Mittelpunkt stellt, scheint daher zwei Vernunftseiten zu besitzen, die miteinander zu verbinden sind, eine individualistische und eine kollektivistische. Nur so können die Nachteile beider Begründungsansätze behoben werden. Doch lässt sich dergleichen überhaupt bewerkstelligen? Schließlich drückt sich in diesen Sichtweisen ein theoretischer Gegensatz aus, der nicht dadurch entschärft würde, indem man ihre jeweiligen Aussagen einfach kombinierte. Denn die Behauptung, das Urheberrecht sei deswegen gerechtfertigt, weil eine spezifische Beziehung zwischen Urheber / Werk und zwischen Gesellschaft / Werk bestehe, führt nicht weiter. Dies zeigt sich schon darin, dass dann offen bliebe, welcher Beziehung im Konfliktfall der Vorzug zu geben wäre.863 Eine Begründung des Urheberrechts, die zwar die Vorzüge, nicht jedoch die Grenzen beider Perspektiven aufgreifen möchte, muss anders vorgehen. Sie darf nicht versuchen, die individualistische und kollektivistische Sichtweise zu kombinieren, sondern muss sie überwinden. Dazu ist erforderlich, auf einer ursprünglicheren Ebene anzusetzen, die beide Perspektiven gleichsam auflöst und so aus ihrer Entgegensetzung befreit. Eine solche Rechtfertigung möchte ich universalistisch-transzendental nennen. Sie ist weder individualistisch noch kollektivistisch, sondern beiden Beziehungen als Bedingung ihrer Möglichkeit vorgelagert. Wo könnte eine derartige Rechtfertigung des Urheberrechts zu finden sein? Wenn erkannt ist, dass das Urheberrecht, wenn irgend möglich, seine Rechtfertigung nur in der kommunikativen Qualität geistiger Werke finden kann, liegt es nahe, auf die Grundlagen von Kommunikation überhaupt zurückzugehen. Die Moralität eines Rechts, das besondere Kommunikationsleistungen betrifft, lässt sich so möglicherweise den allgemeinen Bedingungen menschlicher Kommunikation entnehmen, d. h. auf unausweichliche Regeln der Kommunikation selbst zurückführen. Dann ist die Rechtfertigung des Urheberrechts weder in einer Beziehung zwischen Urheber und Werk – individualistisch – noch in einer Beziehung zwischen Gesellschaft und Werk – kollektivistisch – zu suchen. Vielmehr ergeben sich 863 Das bedeutet freilich auch, dass dort, wo keine Konflikte entstehen – dies dürfte nur sehr selten der Fall sein –, beide Perspektiven nebeneinander stehen können.
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beide Beziehungen nebeneinander aus einer vorgängigen Perspektive, die die Beziehung Urheber / Werk und Gesellschaft / Werk auf das zurückführt, was beide erst ermöglicht, nämlich die menschliche Sprache. Meine Antwort auf die Frage nach der Rechtfertigung des Urheberrechts ist daher eine sprachphilosophische. Sie sucht aus der Differenz zwischen individualistischen und kollektivistischen Argumenten auszubrechen, indem sie auf das Apriori dieser Differenz, nämlich die menschliche Sprache zurückgeht. In dem sprachlichen Medium selbst werden jene Bedingungen und Regeln gesucht, die eine exklusive Rechtsbeziehung hinsichtlich jener sprachlichen Akte, die vom Urheberrecht als geistige Werke geschützt werden, plausibel machen. Das skizzierte Vorgehen kann als sprechakttheoretische Rekonstruktion des Urheberrechts bezeichnet werden. Es wird nachfolgend in Grundzügen entwickelt.
I. Die sprechakttheoretische Rekonstruktion des Urheberrechts Dem Begründungsprogramm, das hier als sprechakttheoretische Rekonstruktion des Urheberrechts bezeichnet wird, liegen zwei theoretische Ideen zugrunde. Die erste Idee besteht darin, anzunehmen, dass der Vollzug menschlicher Sprache regelgeleitetes Handeln ist. Sie geht bereits auf den späten Wittgenstein zurück864, ist aber systematisch erst in der Theorie der Sprechakte ausgearbeitet worden, wie sie von Austin und Searle entwickelt wurde. Die zweite Idee besteht darin, anzunehmen, dass es sich bei jenen sprachlichen Regeln um Regeln handelt, die moralische Implikationen nach sich ziehen. Diese Schlussfolgerung ist schon in der Theorie der Sprechakte angelegt; sie ist mit letzter Konsequenz in der sog. Diskurstheorie gezogen worden, wie sie vor allem von Apel, Habermas und Alexy entwickelt wurde. Die Umsetzung dieser Ideen erfolgt nachfolgend in drei Schritten: Zunächst (1.) wird die Theorie der Sprechakte in ihren wesentlichen Aussagen dargelegt. Anschließend (2.) wird mit ihrer Hilfe analysiert und begründet, auf welche Weise ein geistiges Werk als komplexer Sprechakt zu begreifen ist. Schließlich (3.) wird dieser Tatbestand verwendet, um das Urheberrecht teilweise moralisch zu rekonstruieren. Einerseits – hinsichtlich eines Namensnennungsrechts – geschieht dies mit der Figur des fehlerhaften Sprechakts. Andererseits – hinsichtlich von Verwertungsrechten – wird im Rückgriff auf das Wesen der Sprache selbst argumentiert. Die vollständige Durchführung und Ausarbeitung des umrissenen Programmes wäre ein Unterfangen, das eine eigenständige Monographie erforderte. Es wird daher in dieser Arbeit in mehrfacher Weise begrenzt. Die erste Einschränkung betrifft 864 Siehe etwa Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, § 23: „Das Wort ,Sprachspiel’ soll hier hervorheben, daß das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätigkeit, oder einer Lebensform.“ [Hervorhebung im Original]. Dazu, dass ein Sprachspiel sich nur durch Regeln konstituiert, als Spiel nur durch praktische Regeln erkannt wird, vgl. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, § 54.
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die theoretische Grundlegung, die zweite den betrachteten Untersuchungsbereich. Als theoretischer Unterbau wird allein jene Fassung der Sprechakttheorie benutzt, wie sie von ihrem wohl bekanntesten Vertreter Searle vertreten wird. Außer Betracht bleiben daher andere Spielarten, Modifizierungen und Kritiken dieser Theorie. Daneben wird die Sprechakttheorie analytisch nur auf einen Ausschnitt dessen angewendet, was heutzutage als geistiges Werk angesehen wird. Die folgenden Ausführungen stellen daher zwangsläufig nur eine Skizze dar, die sowohl in theoretischer als auch in tatsächlicher Hinsicht keine Vollständigkeit beansprucht. Sie reicht allerdings aus, um Argumente zu entwickeln, die einen Weg vorzeichnen, der jenseits des Konflikts zwischen individualistischen und kollektivistischen Rechtfertigungen liegt.
1. Sprache als Handlung: Die Theorie der Sprechakte Dass der Vollzug von Sprache ein regelgeleitetes Handeln bedeutet, in letzter Konsequenz Sprachtheorie also Handlungstheorie ist865, ist die Idee der Theorie der Sprechakte. Sie hebt denn auch hervor, dass das Grundelement oder die kleinste Einheit jeder sprachlichen Kommunikation nicht ein Symbol, ein Wort oder ein Satz ist, wie es noch Saussure866 behauptete. Es ist vielmehr deren jeweilige Produktion oder Hervorbringung im Vollzug des Sprechaktes.867 Dies leuchtet ein, wenn man sich vergegenwärtigt, dass ein Zeichen nur dann dem Bereich sprachlicher Kommunikation angehört, wenn es als hervorgebrachtes Zeichen aufgefasst wird. Das verweist auf seinen menschlichen Ursprung: Zeichen, die durch Tiere oder Naturphänomene verursacht sind, gehören nicht dazu. Nicht jede menschliche Handlung ist jedoch bereits Kommunikation; nur solchen Handlungen, denen bestimmte Intentionen zugeschrieben werden, gelingt dies. Nur diese Handlungen sind jene, die Searle als Sprechakte bezeichnet. Eine Sprache sprechen bedeutet dann nichts anderes, als Sprechakte auszuführen. Wenn aber die Hervorbringung eines Zeichens nur unter bestimmten Bedingungen ein Sprechakt ist, also als Kommunikation aufgefasst wird, wird eines klar. Es muss bestimmte Regeln geben, auf denen die Möglichkeit von Sprechakten beruht und denen ihr Vollzug folgt.868 Auf diesen Prämissen aufbauend, hat Searle vor allem versucht, den Aufbau von Sprechakten a), ihre Vollzugsbedingungen b) sowie ihre Fehler c) zu analysieren. Die folgenden Ausführungen erschließen diese Überlegungen, soweit sie für diese Arbeit von Belang sind. So ausdrücklich Searle, Sprechakte, S. 31. Vgl. etwa Saussure, Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft, S. 19, wo er die Sprachwissenschaft als diejenige Wissenschaft begreift, „welche das Leben der Zeichen im Rahmen des sozialen Lebens untersucht“ [Hervorhebungen im Original]; siehe auch Krämer, Sprache, Sprechakt, Kommunikation, S. 19 ff. 867 Hierzu Searle, Sprechakte, S. 30. 868 Vgl. Searle, Sprechakte, S. 30. 865 866
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a) Was ist ein Sprechakt? Was ist nun ein Sprechakt? Unter diesem Begriff vereint Searle drei verschiedene Akte.869 Diese lassen sich z. B. an einfachen Sätzen wie etwa (i) „Das Urheberrecht ist gut“, (ii) „Ist das Urheberrecht gut?“ und (iii) „Urheberrecht, sei gut!“ erkennen. Wenn ein Sprecher diese Sätze vollzieht, tut er dreierlei. Erstens äußert er verschiedene Wörter; er bringt also physisch wahrnehmbare Zeichen bzw. Symbole hervor. Zweitens weisen diese Zeichen inhaltlich auf ein Objekt und verbinden es mit einem Prädikat. Referenz und Prädikation – wie Searle sagen würde – sind vorliegend in allen drei Fällen gleich. Stets geht es um das „Urheberrecht“ und die Eigenschaft „gut“. Was sich unterscheidet, ist jedoch der dritte Akt, der mit den obigen Sätzen vollzogen wird. Im ersten Fall stellt die Äußerung eine Behauptung, im zweiten eine Frage und im dritten einen Befehl dar. In der gleichen Reihenfolge, wie soeben erläutert, unterscheidet Searle daher zwischen dem Äußerungsakt, dem propositionalen und dem illokutionären Akt.870 Diese Akte hängen eng miteinander zusammen. Der einzige Akt, der isoliert auftreten kann, ist ein Äußerungsakt – man kann etwas äußern, ohne etwas zu sagen. Anders verhält es sich bei den beiden anderen Akten. Ein propositionaler Akt impliziert stets einen illokutionären Akt wie umgekehrt auch dieser jenen.871 Im Übrigen sind sie freilich ungebunden. So können verschiedene Äußerungsakte denselben propositionalen Akt vollziehen. Auch kann derselbe propositionale Akt mit unterschiedlicher illokutionärer Rolle, diese mit unterschiedlichen propositionalen Akten auftreten.872 Nach allem treten also Äußerungsakt, propositionaler und illokutionärer Akt stets gemeinsam auf, soweit überhaupt kommunziert wird. Es bietet sich an, den Vollzug dieses Dreiklangs, wie es auch Searle tut, einfach als Vollzug eines illokutionären Akts oder Sprechakts zu bezeichnen. Ein Satz, der einen derartigen illokutionären Akt hervorbringt, lässt sich dann als elementarer Satz, der illokutionäre Akt folglich als elementar bezeichnen.873 Da ein solcher Akt stets aus einer illokutionären Rolle (R) und einem propositionalen Gehalt (p) besteht, ist die allgemeine Form eines elementaren illokutionären Aktes R(p).874 Neben der elementaren ist Zu den nachfolgenden Ausführungen Searle, Sprechakte, S. 38 ff. Daneben unterscheidet Searle noch den sog. perlokutionären Akt. Dieser betrifft die – außerhalb des Verstehens stehende – Wirkung, die von illokutionären Akten bezweckt wird, z. B. das Ziel, durch Argumente jemanden zu überzeugen, vgl. Searle, Sprechakte, S. 42. Da dieser Akt für die Sprechakttheorie wie auch für diese Untersuchung eher unwichtig ist, wird er im Folgenden nicht näher erwähnt. 871 Siehe hierzu Searle, Sprechakte, S. 40, 41, 42. Zu den wenigen Ausnahmen, bei denen der propositionale Gehalt fehlt, siehe ders. / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 9. 872 Siehe Searle, Sprechakte, S. 41; ders. / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 8. 873 Vgl. Searle / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 2. 874 Siehe Searle, Sprechakte, S. 51. 869 870
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eine weitere Form des illokutionären Aktes wichtig. Werden mehrere elementare illokutionäre Akte verbunden, so bilden sie einen komplexen illokutionären Akt, der mindestens die Form (R1(p1) & R2(p2)) besitzt.875 Sätze, die derartige Akte vollziehen, heißen dementsprechend komplex. Diesen komplexen Sprechakten gleichen auf dem ersten Blick jene, die Searle als indirekte Sprechakte bezeichnet. Das sind solche, die durch einen anderen illokutionären Akt implizit vollzogen werden.876 Wie bei den komplexen illokutionären Akten kann ein Äußerungsakt so zwei verschiedene Sprechakte enthalten. Doch besteht ein wesentlicher Unterschied: Der nicht-wörtliche bzw. indirekte Sprechakt wird durch den wörtlichen bzw. direkten Sprechakt nicht mitvollzogen, sondern vollzogen. Daraus ergibt sich, dass sie nicht nebeneinander stehen, sondern der indirekte Sprechakt primär, der direkte hingegen nur sekundär ist.877 b) Die Vollzugsbedingungen des Sprechakts Sprechakte können nur vollzogen werden, weil es Regeln gibt, die sie ermöglichen. Erst wenn und weil Handlungen diesen Regeln entsprechen, vollziehen sie Sprache, haben sie Bedeutung. Diese Regeln sind in der Terminologie Searles konstitutive878; sie bestimmen, dass etwas als etwas in einem bestimmten Kontext gilt. Dadurch ermöglichen sie erst, dass es Sprechakte gibt. Es handelt sich also um bestimmte Akte, die erst dadurch vollzogen werden, dass sie mit bestimmten konstitutiven Regeln übereinstimmen.879 Welche Regeln sind es nun, die konstitutiv für den Vollzug bestimmter Sprechakte sind? Entsprechend den drei Aspekten eines vollständigen Sprechakts, dem Äußerungsakt, dem propositionalen und dem illokutionären Akt, lassen sich verschiedene Bedingungen formulieren.880 Es handelt sich dabei insgesamt um fünf Gruppen von Bedingungen, Eingabe- und Ausgabebedingungen, Bedingungen des propositionalen Gehalts, Einleitungs- und Vorbereitungsbedingungen, Aufrichtigkeitsbedingungen sowie die wesentlichen Bedingungen. Die erste Gruppe von Bedingungen nennt Searle Eingabe- und Ausgabebedingungen. Das sind solche, die die allgemeinen Bedingungen des Sprechens – die Ausgabe – und des Verstehens – die Eingabe – betreffen. Schließlich ist der Vollzug eines Sprechakts darauf angewiesen, dass bei Sprecher und Zuhörer keine Hierzu Searle / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 3, 4. Hierzu Searle, in: ders., Ausdruck und Bedeutung. Untersuchungen zur Sprechakttheorie, S. 51; ders. / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 10, 11. 877 Vgl. Searle, in: ders., Ausdruck und Bedeutung. Untersuchungen zur Sprechakttheorie, S. 51 (54). 878 Zum Unterschied zwischen konstitutiven und regulativen Regeln vgl. Searle, Sprechakte, S. 54 ff.; siehe auch ders., The Construction of Social Reality, S. 43 ff. 879 So Searle, Sprechakte, S. 59. 880 Zu diesen Bedingungen Searle, Sprechakte, S. 88 ff.; ders. / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 12 ff. 875 876
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Kommunikationshindernisse physischer oder sprachlicher Art vorliegen. Die zweite Gruppe von Bedingungen, die Searle formuliert, sind die Bedingungen des propositionalen Gehalts.881 Damit wird umschrieben, dass die illokutionäre Rolle (R) eines Sprechakts in vielen Fällen seinen möglichen propositionalen Gehalt (p) eingrenzt. Als Beispiel kann hier das Versprechen dienen. Um diesen Akt zu vollziehen, kann p nicht eine vergangene Handlung betreffen. Der Inhalt des Versprechens muss sich immer auf eine zukünftige Handlung beziehen. Ebenfalls kann man nicht versprechen, dass ein anderer etwas tut – versprechen kann man allenfalls, dass man dafür sorgt, dass ein anderer etwas tut. Das Versprechen muss sich inhaltlich also stets auf eine Handlung des jeweiligen Sprechers beziehen. Die dritte Gruppe von Bedingungen bezeichnet Searle als Einleitungs- bzw. Vorbereitungsbedingungen.882 Das sind Bedingungen, deren Vorliegen vom Sprecher im Vollzug eines Sprechakts stets impliziert wird. Sie ergeben sich einmal aus der illokutionären Rolle R eines Sprechakts: So muss im Fall des Versprechens – um es von einer Warnung abzugrenzen – unterstellt werden, dass das Versprochene etwas ist, was im Interesse des Zuhörers liegt. Ferner muss angenommen werden, dass der Sprecher die versprochene Handlung nicht ohnehin vornehmen wird und auch imstande ist, sie vorzunehmen. Letzteres gilt für alle Sprechakte, die dem Zuhörer eine Handlung auferlegen wollen; sie setzen immer voraus, dass dieser die Handlung vornehmen kann. Einleitungsbedingungen können sich daneben auch aus dem propositionalen Gehalt p des Sprechakts ergeben. So setzt etwa die Behauptung, der französische König sei glatzköpfig, voraus, dass es einen französischen König gibt. Ebenso basiert z. B. die Frage, ob jemand aufgehört habe, mit seiner Frau Tennis zu spielen, auf der Prämisse, dass er eine Frau hat und mit dieser zuvor Tennis gespielt hat. Die vierte Gruppe von Bedingungen sind jene, die Searle Aufrichtigkeitsbedingungen nennt.883 Diese Bedingungen basieren auf der Erkenntnis, dass die Äußerung eines propositionalen Gehalts stets einen psychologischen Zustand identischer Art zum Ausdruck bringt. Stellt man z. B. eine Behauptung, dass x auf, so wird zugleich der Glaube, dass x, mit ausgedrückt. Verspricht man x, so wird zugleich die Intention, x zu erfüllen, ausgedrückt. Befiehlt man x, so wird zugleich der Wunsch oder Wille, dass x getan werde, ausgedrückt. Schließlich gibt es noch die wesentlichen Bedingungen oder den illokutionären Witz eines Sprechakts.884 Damit wird umschrieben, dass jeder illokutionäre Akt einen Zweck besitzt, der mit 881 Hierzu Searle, Sprechakte, S. 89; ders. / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 16. 882 Siehe Searle, Sprechakte, S. 89 – 92; ders. / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 16 – 18. 883 Siehe Searle, Sprechakte, S. 92 f.; ders. / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 18, 19. 884 Vgl. Searle, Sprechakte, S. 93; zu dieser Voraussetzung im Einzelnen ders. / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 13 – 15.
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seiner Existenz intern verbunden ist. Wie Searle / Vanderveken sagen: „In general we can say that the illocutionary point of a type of illocutionary act is that purpose which is essential to its being an act of that type.“885 Dieser Zweck besteht etwa im Fall von Versprechen darin, sich zur Übernahme einer Handlung zu verpflichten. Wenn der Sprechakt erfolgreich vollzogen wird, wird zugleich diese wesentliche Bedingung erfüllt. c) Unterschiedliche Regelverstöße und ihre Folgen Bislang wurde dargelegt, welche Arten von Bedingungen Searle unterscheidet, denen der Vollzug eines Sprechakts unterliegt. Unbehandelt blieb dabei, welche Konsequenzen eine Verletzung jener Bedingungen für den Vollzug des Sprechakts auslöst. Dies hängt davon ab, ob die genannten Bedingungen den Erfolg oder aber bloß die Fehlerhaftigkeit des Sprechakts betreffen. Es gibt daher drei Möglichkeiten: ein Sprechakt ist nicht erfolgreich, er ist erfolgreich aber fehlerhaft, oder er ist erfolgreich und fehlerfrei.886 Letzteres – der Fall des „ideal speech act“887 – liegt offensichtlich dann vor, wenn alle vorgenannten Bedingungen in jeder Hinsicht durch einen Sprechakt R(p) erfüllt werden. Nach allem ist dies dann der Fall, wenn (i) bei Sprecher und Zuhörer die allgemeinen Eingabe- und Ausgabebedingungen vorliegen, die die sprachliche Kommunikation überhaupt erst ermöglichen; (ii) der Sprecher die Proposition p ausdrückt, und zugleich die Bedingungen des propositionalen Gehalts erfüllt, die R auferlegt; (iii) der Sprecher die Einleitungs- und Vorbereitungsbedingungen, die R sowie p implizieren, voraussetzt; (iv) der Sprecher den psychologischen Zustand besitzt und ausdrückt, der mit R(p) übereinstimmt (Aufrichtigkeitsbedingungen); und (v) die Äußerung des Sprechers als das gilt, was den illokutionären Zweck von R bzgl. der Proposition p ausmacht (Wesentliche Bedingungen). Demgegenüber ist der Vollzug von R(p) ohne weiteres erfolglos, wenn die Eingabe- und Ausgabebedingungen (i) nicht gegeben sind. Ferner dann, wenn die Bedingungen des propositionalen Gehalts (ii) oder die wesentlichen Bedingungen (v) nicht vorliegen. In all diesen Fällen wird der Sprechakt nämlich entweder gar nicht als Kommunikation oder zumindest nicht mit der intendierten illokutionären Rolle aufgefasst. Es bleiben somit zwei Fälle, in denen ein Sprechakt erfolgreich, aber dennoch fehlerhaft sein kann, nämlich beim Fehlen von Einleitungsbedingungen (iii) sowie von Aufrichtigkeitsbedingungen (iv).888 Erstere betreffen das, was der Vollzug eines Sprechakts R(p) für den Sprecher impliziert. So setzt ein Versprechen voraus – wie bereits dargelegt –, dass der Sprecher imstande ist, die versprochene Handlung durchzuführen. Weiß der Sprecher, dass er dazu nicht in der 885 886 887 888
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Searle / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 14. Hierzu Searle / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 12, 13. Searle / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 22. Vgl. auch Searle / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 23.
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Lage ist, fehlt es also an jener Bedingung. Der Sprechakt ist fehlerhaft. Doch ändert dies nichts an seinem Erfolg: Indem jeder Sprechakt mit seinen Einleitungsbedingungen intern verknüpft ist, werden diese für Zuhörer auch dann impliziert, wenn diese tatsächlich nicht vorliegen oder vom Sprecher selbst nicht vorgenommen werden.889 Ähnliches gilt für Aufrichtigkeitsbedingungen: Sie betreffen das, was der Sprecher durch den Vollzug des Aktes als psychischen Zustand notwendig zum Ausdruck bringt. Durch ein Versprechen wird z. B. stets ausgedrückt, dass man die Intention besitzt, es zu erfüllen. Ist ein Sprecher unaufrichtig und intendiert jenes nicht, ist sein Versprechen zwar fehlerhaft; es bleibt dennoch bei dessen Erfolg.890
2. Geistige Werke als komplexe Sprechakte Die Sprechakttheorie wird hier dazu benutzt, diejenige Handlung zu rekonstruieren, die den Sprechakt hervorbringt, der als „geistiges Werk“ aufgefasst und bezeichnet wird.891 So treten als Ergebnis die sprachlichen Regeln zutage, die dieses Handeln als Sprechakt erst ermöglichen. Freilich setzt diese Lesart implizit voraus, dass geistige Werke überhaupt als Sprechakte zu begreifen sind. Doch kann sich diese Annahme auf eine einleuchtende Erkenntnis stützen: Diejenigen Objekte, die als „geistige Werke“ gelten, existieren nur in der und durch die Sprache – sie sind also institutionelle Tatsachen892. Dies kann mit einem Beispiel verdeutlicht werden. Betrachtet man allein die körperliche Seite eines Gemäldes oder eines Buches893, so ist kein Unterschied zu anderen Gegenständen erkennbar, die ebenfalls menschlichen Ursprungs sind, wie etwa Stühle oder Schraubenzieher. Es handelt sich stets um physisch existierende Gegenstände – sog. natürliche Tatsachen im Sinne Searles –, die es auch dann noch gäbe, wenn es keine Menschen mehr gäbe. Das heißt zwar nicht, dass natürliche Tatsachen keinen Bezug zur menschlichen Sprache hätten.894 Schließlich ist z. B. ein Stuhl nur deswegen ein „Stuhl“, weil 889 Vgl. Searle / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 17. Etwas anderes wäre nur dann der Fall, wenn der Sprecher explizit die Einleitungsbedingungen verneinte, die der Sprechakt, den er vollziehen wollte, implizierte. Dann wäre der Sprechakt auch hier erfolglos. 890 Vgl. Searle, Sprechakte, S. 9 f.; ders. / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 18 f. Dies gilt freilich abermals unter der Prämisse, dass der Sprecher nicht explizit das Fehlen dieser Intention mitteilt. Dann wäre das Versprechen nicht erfolgreich. 891 In anderen Bereichen, wie z. B. der Bildwissenschaft, ist die sprechakttheoretische Analyse fester Bestandteil, siehe etwa Sachs-Hombach, Das Bild als kommunikatives Medium, S. 77, 164. 892 Zur Unterscheidung zwischen institutionellen (institutional facts) und natürlichen Tatsachen (brute facts) Searle, Sprechakte, S. 78 – 83; ders., The Construction of Social Reality, S. 1 ff., 31 ff. 893 Die folgende Argumentation ist natürlich nicht auf Gemälde oder Bücher beschränkt, sondern lässt sich auf jegliche Gegenstände ausweiten, die als geistige Werke in Betracht kommen, also z. B. auch auf Filme, Musik, Skulpturen, Tanz etc.
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das Wort „Stuhl“ diesen Gegenstand symbolisiert. Der symbolisierte Gegenstand selbst ist jedoch kein sprachliches Phänomen – seine physischen Eigenschaften existieren unabhängig von einem Zeichen, das sie symbolisiert.895 Ebenso behält auch ein Gemälde oder Buch in einer sprachlosen Welt seine physischen Eigenschaften: Leinwand, Ölfarben etc. oder Druckerschwärze, Papierblätter etc. bleiben existent. Gilt ein Gemälde oder ein Buch als „geistiges Werk“, so werden jedoch dadurch keine physischen Eigenschaften beschrieben. Schließlich soll dieser Begriff nicht eine Leinwand mit aufgetragenen Ölfarben oder eine gebundene Ansammlung von Papierblättern mit Druckerschwärze symbolisieren – dies wird ja bereits hinlänglich durch den Begriff des Gemäldes oder des Buches geleistet. Was bleibt aber daneben übrig, was symbolisiert werden könnte? Darauf gibt es nur eine Antwort: Wenn ein Gemälde oder ein Buch als geistiges Werk gilt, muss es mehr sein, als es selbst ist. Es muss sich daher seinerseits um ein Symbol handeln, das etwas meint, darstellt oder symbolisiert, das außerhalb seiner selbst liegt. Dies führt zu einer Verdopplung der Symbolik: Das Wort „geistiges Werk“ symbolisiert eine bestimmte Symbolik, die einem Symbol zukommt. So repräsentiert dieser Begriff im Fall eines Gemäldes und Buches nicht ihre physische Existenz – ihr Dasein als bloßes Symbol –, sondern einen Teil ihrer Bedeutung, die sie kraft ihres Symbolseins besitzen. Jede Symbolik setzt allerdings voraus, dass es eine konstitutive Regel896 gibt, die festlegt, unter welchen Umständen etwas als etwas gilt.897 Vorliegend müsste also eine Regel bestehen, derzufolge ein bestimmtes physisches Zeichen unter bestimmten Umständen als geistiges Werk gilt. Da solche Regeln nur sprachlich existieren können898, liegt auch die Möglichkeit der Existenz geistiger Werke in der Sprache – sie sind Sprechakte.899 Nachfolgend wird versucht, anhand einer sprechakttheoretischen Alltagsphänomenologie genau jene Regeln zu rekonstruieren, denen ein Sprechakt entsprechen muss, um ein Symbol hervorzubringen, das als geistiges Werk gilt. Dabei wird die 894 Eindeutig Searle, The Construction of Social Reality, S. 2: „Of course, in order to state a brute fact we require the institution of language, but the fact stated needs to be distinguished from the statement of it.“ [Hervorhebung im Original]. 895 Siehe etwa Searle, The Construction of Social Reality, S. 27. 896 Zu diesem Begriff und seine Abgrenzung zu dem der regulativen Regel Searle, Sprechakte, S. 54 – 68. 897 Vgl. Searle, The Construction of Social Reality, S. 60, 61. 898 Siehe hierzu die ausführliche Begründung bei Searle, The Construction of Social Reality, S. 59 ff., insbesondere S. 64 ff. 899 Da das Urheberrecht sich so auf eine institutionelle Tatsache bezieht, hat MacCormick, Intell. Prop. Q. 2002, S. 227 (234), gefolgert, dass der Schutz des Urheberrechts darin liege, sich selbst zu schützen. Schließlich gehe es um einen künstlichen Schutzgegenstand, der durch das Urheberrecht erst erschaffen werde. Doch wäre dies nur dann richtig, wenn die konstitutiven Regeln, auf denen geistige Werke beruhen, allein vom Urheberrecht erzeugt würden. Dies kann bezweifelt werden: Bücher, Gemälde etc. blieben ja auch dann geistige Werke, wenn sie niemals als solche geschützt würden.
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These aufgestellt und begründet, dass ein Sprechakt nur dann als geistiges Werk gilt, wenn es sich um einen komplexen illokutionären Akt bestimmer Art handelt. Das bedeutet, dass er mindestens zwei illokutionäre Akte explizit oder implizit enthält, so dass er die Form (R1(p1) & R2(p2)) besitzt. Der erste Sprechakt R1(p1) wird nachfolgend als Zuschreibungsakt a), der zweite Sprechakt R2(p2) als der zugeschriebene Akt b) beschrieben900. Zu dieser Unterscheidung ist zweierlei zu sagen: Erstens handelt es sich dabei allein um eine gedachte Differenz. Das bedeutet, dass tatsächlich beide Akte miteinander zusammenhängen – Zuschreibungsakt und zugeschriebener Akt bedingen sich gegenseitig. Sie sind daher nur analytisch trennbar. Zweitens ist der zugeschriebene Akt nicht – wie er es suggerieren könnte – notwendigerweise eine einzige Handlung. Vielmehr kann er, und wird in aller Regel auch, aus mehreren Akten bestehen, seinerseits also ein komplexer illokutionärer Akt sein.
a) Sprechakt 1: Der Zuschreibungsakt Die erste These ist jene, die den ersten Teil des komplexen illokutionären Aktes betrifft, der als „geistiges Werk“ bezeichnet wird, nämlich R1(p1). Sie besagt, dass „geistige Werke“ nur von solchen Sprechakten hervorgerufen werden, die explizit oder implizit mit einer Behauptung der Urheberschaft einhergehen. Anders ausgedrückt: Nur solche durch eine menschliche Handlung hervorgebrachten Zeichen oder Symbole gelten als geistige Werke, die auf einen Menschen als ihren Urheber weisen – eine Zuschreibung enthalten. Das bedeutet, dass die illokutionäre Rolle von R1 eine Behauptung ist, deren propositionaler Gehalt zumindest die Aussage beinhaltet, dass der Sprechakt R2(p2) einen Urheber bzw. mehrere Urheber besitzt, nicht notwendigerweise wer oder welche dies sind. Diesen ersten Teil des komplexen illokutionären Aktes „geistiges Werk“ nenne ich den Zuschreibungsakt. Es bietet sich an, die illokutionäre Rolle der Behauptung mit B, den Inhalt der Urheberbehauptung mit u zu kennzeichnen, so dass er in die Form B(u) gebracht werden kann. Worin liegt nun die Begründung dafür, dass der Sprechakt „geistiges Werk“ notwendig einen derartigen Zuschreibungsakt enthält? Die Annahme des Gegenteils widerspräche unseren sprachlichen Konventionen. Schließlich sind Sätze wie „Das ist ein geistiges Werk, das keinen Urheber hat“ oder „Es gibt geistige Werke ohne Urheber“ ebenso merkwürdig wie die Aussage „Das ist eine Wirkung, die keine Ursache hat“ oder „Es gibt Wirkungen ohne Ursachen“.901 Dies liegt an einem begrifflichen Widerspruch: Indem sich die Begriffe 900 Zur Vereinfachung ließe sich dieser auch als Zuschreibungsgegenstand bezeichnen, um in der üblichen Gegenstandsontologie zu verbleiben. Freilich wird damit überspielt, dass es sprechakttheoretisch eben nicht um einen Gegenstand – hier das Zeichen –, sondern letztlich um die menschliche Handlung geht, die hinter diesem Zeichen steckt. 901 Dies gilt freilich dann nicht, wenn man die Aussagen dahingehend versteht, dass sie die gegenwärtige Existenz des Urhebers, nicht aber die Existenz eines Urhebers als solche
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„Urheber“ und „Werk“ ebenso wie die Begriffe „Ursache“ und „Wirkung“ wechselseitig bedingen, kann der eine nicht ohne den anderen bejaht oder verneint werden. Es handelt sich um zwei zusammengehörige Seiten, die innerhalb der bestehenden Sprachgemeinschaft nur als Einheit gedacht werden können.902 Geistige Werke implizieren daher immer die Sinnhaftigkeit der Frage nach ihrem Urheber. Das bedeutet nichts anderes, als dass sie zugleich die theoretische Möglichkeit der Beantwortung jener Frage implizieren. 903 Wird diese Frage hinsichtlich eines „geistigen Werks“ verneint, so liegt darin nur die Verneinung, dass es sich um ein geistiges Werk handelt. Es ist wichtig, zu betonen, dass die These des Zuschreibungsakts eine rein sprachpragmatische ist. Sie behauptet nur, dass die Zuschreibung der Urheberschaft sprachlich notwendiger Bestandteil dessen ist, was der Vollzug des Sprechakts „geistiges Werk“ voraussetzt. Sie bedeutet dagegen nicht, dass die institutionelle Tatsache der Urheberschaft, die durch die Sprachgemeinschaft konstituiert wird, auch berechtigt oder sinnvoll ist. Eine Kritik, die dies bezweifelt, trifft daher nicht die hier vorgelegte Begründung.904 Zudem ist der Zuschreibungsakt zwar notwendig, aber längst nicht hinreichend, um ein geistiges Werk zu vollziehen. Schließlich kann jemand diesen explizit vornehmen – etwa durch Anbringung seines Namens auf eine gefundene Baumwurzel –, ohne deswegen ein geistiges Werk hervorgebracht zu haben. Ein Kontext, in dem ein Sprechakt als impliziter Zuschreibungsakt gilt, dürfte dagegen nur vorliegen, wo der zugeschriebene Akt selbst bestimmten Bedingungen genügt. Ob der Zuschreibungsakt letzten Endes seinen Zweck erfüllt, also den Sprechakt des geistigen Werks erfolgreich vollzieht, liegt also immer an dem Sprechakt, den er zuschreibt. Dieser Aspekt betrifft den zweiten Teil des komplexen Sprechakts „geistiges Werk“.
b) Sprechakt 2: Der zugeschriebene Akt Die zweite These betrifft den zweiten Sprechakt des komplexen illokutionären Aktes „geistiges Werk“. Dieser Sprechakt wurde bislang durch R2(p2) dargestellt. Er drückt denjenigen Akt aus, auf den sich der Zuschreibungsakt B(u) bezieht und daher zuschreibt. Es liegt nahe, ihn als zugeschriebenen Akt zu bezeichnen. Der verneinen. Ein solches Verständnis beseitigt intuitiv den begrifflichen Widerspruch, der ansonsten bestünde. Dadurch wird dieser abermals bestätigt. 902 Im Fall der Begriffe Ursache / Wirkung ließe sich gar mit Kant behaupten, dass es sich nicht um die dispositive Konvention einer Sprachgemeinschaft – so aber letztlich Hume, A Treatise of Human Nature, S. 400 –, sondern um notwendige, der Vernunft a priori entspringende Begriffe handle, vgl. Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 226 ff. 903 Dieser Umstand scheint mir auch bei Heidegger, in: ders., Holzwege, S. 7 (7), hervorzutreten: „Der Künstler ist der Ursprung des Werks. Das Werk ist der Ursprung des Künstlers. Keines ist ohne das andere.“ 904 Paradigmatisch für eine solche Kritik ist die Position des sog. Poststrukturalismus, zu dieser etwa Jaszi, Duke L. J. 1991, S. 455.
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zugeschriebene Akt ist mit dem Zuschreibungsakt existentiell verbunden: Nicht nur vervollständigt er diesen und bestimmt so darüber, ob der komplexe Sprechakt „geistiges Werk“ vorliegt. Er bestimmt bereits über den Erfolg des Zuschreibungsakts an sich. Kurzum: Der zugeschriebene Akt öffnet den Kontext, in dem der Zuschreibungsakt erst vollzogen werden kann – R2(p2) ist daher Bedingung seines Gelingens. Das lässt sich leicht zeigen. Sofern jemand z. B. seinen Namen auf eine gefundene Baumwurzel anbringt und behauptet, deren Urheber zu sein, mangelt es nicht nur an einem geistigen Werk. Der Zuschreibungsakt ist schon nicht erfolgreich. Denn B(u) ist nicht nur falsch, sondern es fehlt an einer propositionalen Einleitungsbedingung, indem die Behauptung der Urheberschaft gerade ein Werk als zugeschriebenen Akt impliziert. Allerdings wird der Zuschreibungsakt im Fall eines Romans, eines Gemäldes oder eines Musikstücks auch dann vollzogen, wenn keinerlei Urheberbezeichnung angebracht ist. Hier wird der Zuschreibungsakt also implizit vollzogen, ohne dass es diesen ausdrücklich bedurft hätte. Vergleichsweise schwierig ist dagegen, den zugeschriebenen Akt R2(p2) in seinen Bestandteilen zu rekonstruieren: Wie muss der Sprechakt aussehen, der automatisch die Urheberschaft impliziert und so ein geistiges Werk zustande bringt? Um diese Frage zu beantworten, müsste erstens eine entsprechende sprachliche Konvention existieren und zweitens möglich sein, diese aufzufinden. Es spricht viel dafür, dass bereits, ebenso wie im Bereich des Kunstbegriffs, keine einheitliche sprachliche Regel existiert, die darüber entscheidet, wann ein Sprechakt als geistiges Werk gilt. Doch auch wenn sie existierte, wäre sie bei der Vielfalt dessen, was heutzutage als geistiges Werk angesehen wird, kaum zu entdecken. Eine Lösung dieses Problems ist daher zwar nicht möglich; sie ist aber auch nicht notwendig. Ohne weiteres kann sich die nachfolgende Rekonstruktion auf Merkmale beschränken, die einerseits einen Kernbereich geistiger Werke betreffen und sich andererseits sprachphilosophisch erklären lassen. Dass sich dann die sprechakttheoretische Rekonstruktion des Urheberrechts, die später durchgeführt wird, nur auf diesen Bereich erstreckt, ist kein Nachteil. Schließlich wird so nicht die Möglichkeit genommen, auf andere Weise zu begründen, dass auch anders geartete Sprechakte einem Urheberrecht als geistige Werke unterliegen sollten.
aa) Äußerungsakt und propositionaler Gehalt Die Analyse dessen, was der zugeschriebene Akt R2(p2) voraussetzt, kann mit der Analyse seines propositionalen Gehalts p2 anfangen. Dazu sind einerseits der Äußerungsakt, andererseits der propositionale Akt zu betrachten, den er vollzieht. Der Äußerungsakt ist diejenige Handlung, die einen Laut, ein Zeichen oder ein Symbol setzt. Hingegen ist der propositionale Akt der Ausdruck einer Proposition, also die Setzung eines Zeichens mit Bedeutung.905 Es ist sicherlich nicht gewagt, 905 Diese sprechakttheoretische Unterscheidung entspricht auf urheberrechtlicher Ebene derjenigen zwischen Idee und Ausdruck derselben.
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zu behaupten, dass die Frage, ob ein Sprechakt ein geistiges Werk darstellt, maßgeblich von diesen beiden Faktoren abhängt. Drei Beispiele sollen dazu dienen, diesen Eindruck zu untermauern: (i) Ein Sprecher behauptet: „Es wird morgen regnen“; (ii) Ein Sprecher stellt die vorhergehende Behauptung in Gedichtform auf; (iii) Ein Sprecher sagt: „Ba Be Bi“ und meint damit, dass es morgen regnen werde. Alle diese Beispiele basieren darauf, dass es möglich ist, durch verschiedene Äußerungsakte denselben propositionalen Akt zu vollziehen. Genau dies tun oder versuchen sie zumindest. Doch dürfte die Frage, in welchem Fall der Sprechakt als geistiges Werk gilt oder gelten kann, unterschiedlich zu beantworten sein. So wird Fall (i) niemals als geistiges Werk angesehen werden können. Anders aber Fall (ii): Hier ist es durchaus denkbar, dass es sich um ein geistiges Werk handelt. Der Fall (iii) schließlich dürfte nicht einmal als Sprechakt aufzufassen sein. Es stellt sich dann aber die Frage, warum nur im Fall (ii) daran zu denken ist, dass dort ein geistiges Werk vorliegt, das den Zuschreibungsakt implizit auslöst. Die These, die nachfolgend als Antwort angeboten wird, basiert auf folgender Annahme: Sobald der propositionale Akt des Sprechers dasjenige, was bislang symbolisiert und / oder die Art und Weise, wie es symbolisiert wurde, teilweise überschreitet, wird er als „geistiges Werk“ aufgefasst. Der Begriff des geistigen Werks erfasst dann jene Akte, die sich teils den bisherigen Regeln der Sprachgemeinschaft entziehen, jene Regeln aber doch soweit befolgen, als sie notwendig sind, um die Möglichkeit zu wahren, überhaupt als Sprechakt gelten zu können. Dadurch bleibt zugleich die Anschlussfähigkeit an jene neue Sprachregel gewahrt, die durch den Regelbruch des Sprechers implizit eröffnet wird. Dieses Merkmal ließe sich als regelhafter Regelbruch bezeichnen. Diese Annahme hilft nun zu begreifen, warum es besondere Sprechakte gibt, deren Erfassung eines besonderen Begriffs bedarf und die einen besonderen Bezug zum Sprecher besitzen, indem sie als Kontext eines Zuschreibungsakts fungieren. Wenn durch die partielle Überschreitung des sprachlich Möglichen ein Sprechakt nicht mehr der sprachlichen Vollzugsform entspricht, so dürfte die gemeinte Proposition oder die gesagte Äußerung sprachlich eben nicht mehr anders als durch die Verknüpfung mit ihrem Aktor wiedergegeben werden. Ebenso hilft der Begriff des geistigen Werks dabei, dasjenige zu erfassen, das sich sprachlich (noch) nicht ädaquat wiedergeben lässt.906 Die These, dass geistige Werke aus sprachphilosophischer Sicht regelhafte Regelbrüche sind, erklärt auch die obigen Beispiele. In Fall (i) liegt kein Regelbruch vor; Fall (iii) ist hingegen zwar ein Regelbruch, der jedoch völlig regellos ist. Erst im Fall (ii) liegt ein Regelbruch vor, der dadurch, dass er sich noch an bisherige Regeln teilweise hält, imstande ist, neue zu begründen. Die vorstehende These fügt sich zudem in kunsttheoretische Überlegungen ein. Sie entspricht einer seit Kant 906 Ist die These des regelhaften Regelbruchs richtig, könnte sie im Übrigen auch erklären, warum die Dauer des Urheberrechts zeitlich begrenzt ist. Schließlich ist nach einer bestimmten Zeit möglich, den Sprechakt des geistigen Werks ohne Zurechnung zu versprachlichen.
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populären Ansicht, die Kunst existentiell an das Genie bindet. Das ist ein Mensch, der imstande ist, „dasjenige, wozu sich keine bestimmte Regel geben läßt, hervorzubringen.“907 Diesen Aspekt bezeichnet Kant als Originalität. Doch bedeutet dies nicht, dass das Genie sich außerhalb jeder Regel bewegt. Schließlich gibt es auch „originalen Unsinn“908 – dasjenige also, was sich als eine regellose Regelüberschreitung beschreiben ließe. Die eigentliche oder sinnhafte Originalität – die also immer die Deutung auf Bedeutung hin zulässt – muss dagegen auf Regeln rekurrieren, die ihre Originalität erst ermöglichen.909 Denn um „einen Zweck ins Werk zu richten, [ . . . ] werden bestimmte Regeln erfordert, von denen man sich nicht frei sprechen darf.“910 Ein Werk, das regelbrechend und zugleich regelbegründend ist, hat in Kants Terminologie Geist. Dieser besteht darin, „das Unnennbare in dem Gemütszustande bei einer gewissen Vorstellung auszudrücken und allgemein mitteilbar zu machen, der Ausdruck mag nun in Sprache, oder Malerei, oder Plastik bestehen“. Das erfordert nun, das Unnennbare „in einen Begriff (der eben darum original ist und zugleich eine neue Regel eröffnet, die aus keinen vorhergehenden Prinzipien oder Beispielen hat gefolgert werden können) zu vereinigen, der sich ohne Zwang der Regeln mitteilen läßt.“911 Diese Sichtweise stützt das hier skizzierte Paradigma des regelhaften Regelbruchs, nach dessen Lesart Originalität nicht monologisch, sondern dialogisch ist.912
bb) Der illokutionäre Akt Vergleichsweise einfach ist die Bestimmung der illokutionären Rolle R2, die der Gegenstand der Zuschreibung – der zugeschriebene Akt – erfüllen muss, um als geistiges Werk zu gelten. Zwar kann dieser nicht, wie im Fall des Zuschreibungsakts, auf eine bestimmte illokutionäre Rolle – dort die Behauptung – beschränkt werden. Doch kann sie mithilfe einer Taxonomie von Sprechakten, die Searle entwickelt hat, systematisiert werden. Er unterscheidet insgesamt zwischen fünf Arten von illokutionären Akten, nämlich Assertive, Direktive, Kommissive, Expressive und Deklarationen.913 Assertive sind solche illokutionären Akte, die mitteilen, dass Kant, Kritik der Urteilskraft, S. 242. Kant, Kritik der Urteilskraft, S. 242. An anderer Stelle (ders., Kritik der Urteilskraft, S. 255, 256) nennt Kant die Handlung, die dem zugrunde liegt, das Manieren: Es sei „eine andere Art von Nachäffung, nämlich der bloßen Eigentümlichkeit (Originalität) überhaupt, um sich ja von Nachahmern so weit als möglich zu entfernen, ohne doch das Talent zu besitzen, dabei zugleich musterhaft zu sein.“ [Hervorhebung im Original]. 909 Eine derartige Originalität ist für Kant exemplarisch: „mithin, selbst nicht durch Nachahmung entsprungen, anderen doch dazu, d.i. zum Richtmaße oder Regel der Beurteilung, dienen müssen.“; siehe Kant, Kritik der Urteilskraft, S. 242. 910 Kant, Kritik der Urteilskraft, S. 245. 911 Kant, Kritik der Urteilskraft, S. 254. 912 Der Vorzug einer dialogischen Lesart der Originalität wird auch von Friedman, Cardozo Arts & Ent. L. J. 13 (1994), S. 157 (179), hervorgehoben. 907 908
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etwas der Fall ist. Sie legen sich darauf fest, dass die zum Ausdruck gebrachte Proposition wahr ist. Dazu gehört z. B. das Behaupten, das Beschreiben, das Bestätigen, das Informieren, das Bezeugen etc.914 Direktive sind hingegen darauf angelegt, zu versuchen, den Hörer zur Vornahme einer Handlung zu bewegen. Hierher gehört das Bitten, das Befehlen, das Anordnen, Auffordern, Plädieren, Beten, Empfehlen etc.915 Bei den Kommissiven geht es darum, dass der Sprecher sich selbst auf ein Verhalten festlegt. Beispiele hierfür sind das Versprechen, das Drohen, das Garantieren, das Zustimmen etc.916 Expressive sind jene Sprechakte, mit denen der Sprecher einen psychischen Zustand ausdrücken will, der auf den propositionalen Gehalt gerichtet ist. Dazu gehören das Gratulieren, das Entschuldigen, das Danken, das Bedauern, das Gutheißen etc.917 Die Deklarationen schließlich betreffen jene Fälle, wo der illokutionäre Akt eine Korrespondenz von Realität und propositionalem Gehalt zustande bringt. Als Beispiele sind hier das Fluchen, Nominieren, Taufen etc. zu nennen.918 Alle diese Kategorien lassen sich aus dem Verhältnis von Sprache und Welt entnehmen: Jeder Sprechakt muss seinen propositionalen Gehalt in bestimmter Weise auf die Welt beziehen. Die Art und Weise, wie dies geschieht, hängt von der Ausrichtung des propositionalen Gehalts ab. Vier Möglichkeiten sind denkbar:919 Erstens ist möglich, dass der propositionale Gehalt einem unabhängig davon existierenden Status in der Welt entsprechen soll (Wort-auf-Welt-Ausrichtung). Dies entspricht den Assertiven. Zweitens kann es sein, dass umgekehrt die Welt verändert werden soll, um dem propositionalen Gehalt zu entsprechen (Welt-auf-Wort-Ausrichtung). Das ist der Fall bei den Direktiven und Kommissiven. Drittens können beide Ausrichtungen kombiniert werden; die Welt soll im Sinne des propositionalen Gehalts verändert werden, indem die Welt zugleich als verändert präsentiert wird (Doppelausrichtung). Das ist der Fall der Deklarationen. Viertens gibt es den Fall, wo keine Ausrichtung stattfindet, da diese bereits von der Äußerung vorausgesetzt wird (leere Ausrichtung). Dies sind die Expressive. Welche illokutionäre Rolle R2 für den Sprechakt des geistigen Werks notwendig ist, hängt also von der Welt-Ausrichtung des propositionalen Gehalts ab. Wie schon bei der Rekonstruktion des propositionalen Gehalts selbst ist indes nicht 913 Siehe Searle, in: ders., Ausdruck und Bedeutung. Untersuchungen zur Sprechakttheorie, S. 17 (31 ff.); ders. / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 52 ff. 914 Weitere Beispiele bei Searle / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 182 ff. 915 Vgl. die Beispiele bei Searle / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 198 ff. 916 Beispiele bei Searle / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 192 ff. 917 Siehe die Beispiele bei Searle / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 211 ff. 918 Siehe die Beispiele bei Searle / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 205 ff. 919 Hierzu Searle / Vanderveken, Foundations of Illocutionary Logic, S. 53.
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möglich, festzustellen, welche Ausrichtung sprachlich bei geistigen Werken vorausgesetzt wird. An dieser Stelle wird daher angenommen, dass Sprechakte zumindest dann als geistiges Werk gelten, wenn ihre Ausrichtung derjenigen von Assertiven und Direktiven entspricht.920 Diese Annahme beruht nicht nur darauf, dass es kunsttheoretisch durchaus übliche Perspektiven sind, Kunst als Wirklichkeitsbeschreibung – so die platonische bzw. aristotelische Auffassung als Mimesis – oder als Weltveränderung im Adornoschen Sinne aufzufassen. Sie beruht ebenfalls darauf, dass die Ausrichtung der Kommissive, Expressive und Deklarationen kaum als diejenige erscheint, die für geistige Werke typisch ist. Niemand wird glauben, dass ein Sprechakt deswegen ein geistiges Werk ist, weil sich sein Sprecher dadurch verpflichten will, etwas zu tun. Gleiches gilt für Deklarationen: Ein Sprechakt gilt niemals als geistiges Werk, weil dadurch eine Taufe, eine Exkommunzierung etc. vollzogen wird. Nur bei Expressiven scheint die Lage weniger eindeutig. Ist es nicht ein Merkmal geistiger Werke, dass sie ausdrücken, etwas zu bedauern oder gutzuheißen? Dieser Eindruck dürfte wohl nur dann entstehen, wenn man darin eine kritische Haltung erkennt. Um den Abstand zu den Direktiven zu wahren, kann darin aber nur das schlichte, kritikfreie Äußern eines Bedauerns oder Gutheißens liegen. Alles andere liefe auf eine Welt-auf-Wort-Ausrichtung hinaus, die nur zu den Direktiven zurückführte. 3. Sprechakttheorie und Urheberrecht Bislang wurde skizziert, wie sich geistige Werke sprechakttheoretisch beschreiben lassen. Anders ausgedrückt: Welche Sprechakte müssen vollzogen werden, damit das vorliegt, was als „geistiges Werk“ bezeichnet wird? Es ging also um den Versuch einer sprachpragmatischen Phänomenologie der institutionellen Tatsache, die wir als geistiges Werk begreifen. Damit ist noch nichts darüber gesagt, warum eine andere institutionelle Tatsache, die sich auf jene bezieht, nämlich das Urheberrecht, moralisch gerechtfertigt ist. Infolgedessen scheint notwendig, den Blick von der institutionellen Tatsache der Urheberschaft zu derjenigen des Urheberrechts zu schwenken. Dabei würde indes übersehen, dass es nicht darum geht, eine sprechakttheoretische Einordnung legislativer Akte und ihrer Regeln vorzunehmen. Es wäre daher falsch, zu versuchen, das Urheberrecht als Handlung sprechakttheoretisch zu rekonstruieren. Ziel muss vielmehr sein, die vorhergehende sprechakttheoretische Erfassung des geistigen Werks in eine Argumentation einzubetten, die zugleich das Recht, das sich auf diese Akte bezieht, plausibel macht. Auf welche Weise lässt sich dies bewerkstelligen? In dieser Arbeit werden zwei Strategien verwendet, um dies zu erreichen.921 Die erste besteht darin, Handlungen in den Blick zu nehmen, die üblicherweise als Ver920 Das heißt nicht, dass ein komplexer Sprechakt, der als geistiges Werk gilt, nicht auch einen jener anderen ausgerichteten Sprechakte vollzieht. Doch bedeutet es, dass diese Tatsache für sein Dasein als geistiges Werk nicht konstitutiv ist.
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letzung urheberrechtlicher Befugnisse angesehen werden. Auf der Grundlage der vorherigen Erkenntnisse kann dann analysiert werden, ob diese Handlungen gegen sprachpragmatische Regeln verstoßen, die geistigen Werken zugrunde liegen. Soweit sie dies tun, kann anhand der Figur des fehlerhaften Sprechakts ein Widerspruch aufgezeigt werden, der sich moralisch wenden lässt. Die zweite Strategie fokussiert hingegen nicht die Fehlerhaftigkeit des Sprechakts, den ein Verletzer vollzieht, sondern die sprachliche Notwendigkeit derjenigen Sprechakte, die als geistige Werke gelten. Dazu ist erforderlich, ein Telos der Sprache vorauszusetzen, auf das die menschliche Sprache angelegt ist. Ist der Vollzug von Sprechakten, die geistige Werke sind, notwendig, um dieses Ziel zu erreichen, kann auch ihre moralische Notwendigkeit plausibel gemacht werden. Die Funktionsweise der ersten Strategie wird anhand der Begründung eines Namensnennungsrechts a) demonstriert. Indem die Bedingungen des Zuschreibungsakts herausgearbeitet werden, kann die sprechakttheoretische Fehlerhaftigkeit eines Plagiats gezeigt werden. Dagegen wird die zweite Strategie hinsichtlich der Begründung von Verwertungsrechten b) in ihrer Funktionsweise veranschaulicht. Ausgehend von einem bestimmten Wesen der Sprache – Abildung und Veränderung der Welt – wird anhand des zugeschriebenen Aktes gezeigt, dass jenes Wesen auf die Existenz geistiger Werke angewiesen ist. Dass die Vornahme dieser Sprechakte an das Urheberrecht gebunden ist, ist dagegen eine Annahme, die auf die Anreizfunktion des Urheberrechts zurückgreifen muss. a) Begründung eines Namensnennungsrechts Die sprechakttheoretische Begründung des Namensnennungsrechts besteht aus zwei Teilen. Zunächst wird das Plagiat sprechakttheoretisch rekonstruiert; es wird also gezeigt, welchen Sprechakt derjenige vornimmt, der ein geistiges Werk plagiiert. Dabei wird sich zeigen, dass der Zuschreibungsakt, der vollzogen wird, in zweierlei Hinsicht als fehlerhafter Sprechakt zu qualifizieren ist. Im einem zweiten Schritt geht es dann um die Angabe von Gründen, die dieser Fehlerhaftigkeit moralisches Gewicht verleihen. Hier wird letztlich eine bestimmte Lesart des Kategorischen Imperativs Kants bemüht, um ein Namensnennungsrecht zu begründen. aa) Die sprechakttheoretische Rekonstruktion des Plagiats Um die Brauchbarkeit des sprechakttheoretischen Ansatzes zu demonstrieren, und zugleich einsichtig zu machen, wie das Konzept des fehlerhaften Sprechakts 921 Diese Strategien sind nicht die einzig denkbaren. So können bereits aus der Tatsache, dass geistige Werke überhaupt Sprechakte sind, bestimmte moralische Implikationen abgeleitet werden. So lässt sich etwa zwanglos erklären, warum geistige Werke niemals durch Tiere oder Naturphänomene hervorgebracht werden können. Ein Sprechakt ist schließlich eine Handlung, die von einem Mitglied der Sprachgemeinschaft im Einklang mit deren Regeln vollzogen wird.
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funktioniert, bietet sich vor allem das Beispiel des Plagiats an. Ein Plagiator ist gemeinhin jemand, der sich wissentlich als Urheber eines geistigen Werks ausgibt, obwohl er es nicht selbst geschaffen hat. Dieses Verhalten wird selbst dort, wo es nicht einmal ein urheberrechtlich geschütztes Werk betrifft, zumeist als unmoralisch bewertet. Sprechakttheoretisch betrachtet, gleicht ein Plagiat freilich zunächst dem Sprechakt, der oben als „geistiges Werk“ analysiert wurde. Indem der Plagiator behauptet, Urheber des Sprechakts zu sein, den er ebenfalls mitvollzieht, beinhaltet das Plagiat zwei Sprechakte, den Zuschreibungsakt sowie den zugeschriebenen Akt. Wie kann nun aber sprechakttheoretisch begründet werden, dass es durchaus rational ist, den Plagiator als unmoralisch Handelnden anzusehen? Die Antwort liegt in einer tieferen Analyse dessen, was die Behauptung des Plagiators, er sei Urheber des zugeschriebenen Akts, implizieren und ausdrücken muss, um erfolgreich vollzogen zu werden. Auf diese Weise wird sichtbar, dass der Zuschreibungsakt B(u) bestimmten Bedingungen unterliegt, die der Plagiator verletzt. Erstens unterliegt der Vollzug von B(u) Einleitungsbedingungen, die sich aus dem propositionalen Gehalt u der Behauptung B ergeben. Die Behauptung des Plagiators, er sei Urheber, kann nämlich nur dann gelingen, wenn es eine sprachliche Regel gibt, nach der jemand als Urheber gelten kann. Mit anderen Worten: Es muss immer schon vorausgesetzt werden, dass die Existenz von Urheberschaft als institutionelle Tatsache überhaupt besteht. Ohne Urheberschaft gibt es auch kein Plagiat und umgekehrt. Aus diesem Grund ist u intern mit der Voraussetzung der Urheberschaft verknüpft. Indem sich der Plagiator als Urheber bezeichnet, behauptet er also implizit, dass derjenige, der Urheber ist, als solcher auch zu behandeln sei.922 Wenn mit B(u) immer kontrafaktisch vorausgesetzt wird, dass der Urheber als Urheber anzuerkennen ist, gerät der Plagiator in ein Dilemma. Einerseits macht sein Zuschreibungsakt nur Sinn, wenn er voraussetzt, dass der Urheber als Urheber anerkannt wird. Andererseits kann er dies nicht voraussetzen, will er auch als Nicht-Urheber – eben als Plagiator – als Urheber anerkannt werden. Zugespitzt würde dies auf die Behauptung hinauslaufen: „Ich bin der Urheber des Werks, streite aber ab, dass es einen Urheber gibt.“ Dergleichen wäre offenkundig widersinnig. Hier wäre der Sprechakt nicht nur fehlerhaft, sondern nicht erfolgreich. Allerdings wird ein Plagiator dies vermeiden; er wird verschweigen, dass er nicht der Urheber ist. So muss er zwar kontrafaktisch jene Unterstellungen durch B(u) vollziehen, sie faktisch aber doch nicht vornehmen. Dann ist sein Sprechakt zwar fehlerhaft, aber erfolgreich. Es liegt – wie Austin sagt – allein ein Missbrauch bzw. die Unredlichkeit eines Sprechakts vor.923 Noch eine andere Fehlerhaftigkeit tritt in solchen Fällen hinzu. Denn zweitens unterliegt der Vollzug von B(u) auch bestimmten Aufrichtigkeitsbedingungen, de922 Es kann mit Urheber-Sein nicht gemeint sein, denjenigen anzuerkennen, der sich als Urheber ausgibt. Schließlich nimmt der Plagiator implizit in Anspruch, nicht als Plagiator, sondern als Urheber anerkannt zu werden. 923 Vgl. Austin, Zur Theorie der Sprechakte, S. 46, 58.
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nen er entsprechen muss. Diese ergeben sich aus der illokutionären Rolle der Behauptung B: Durch eine Behauptung wird stets ausgedrückt, dass der Sprecher glaubt, dass die behauptete Proposition wahr ist.924 Dies lässt sich daran erkennen, dass es nicht möglich wäre, eine Behauptung aufzustellen und zugleich ihre Wahrheit zu leugnen. Dieser Widerspruch führte nämlich dazu, dass solche Äußerungsakte gar nicht mehr als Behauptung aufgefasst würden. Soll der Sprechakt der Behauptung erfolgreich vollzogen werden, muss also der psychologische Zustand der Wahrhaftigkeit ausgedrückt werden. Im Fall des Plagiats glaubt der Plagiator nun zwar nicht, dass seine Behauptung wahr ist. Ansonsten wäre der Sprecher ja kein Plagiator mehr, sondern allenfalls jemand, der unbewusst einen unrichtigen Zuschreibungsakt vornimmt. Um die Erfolgslosigkeit seiner Behauptung zu vermeiden, wird er aber diesen Glauben nicht mitteilen. Stattdessen wird er durch den Vollzug von B(u) den kontrafaktischen psychologischen Zustand ausdrücken, den er faktisch nicht besitzt. Dann ist der Sprechakt ebenfalls zwar fehlerhaft, aber erfolgreich.
bb) Die moralische Bedeutung des fehlerhaften Sprechakts Der Sprechakt, den ein Plagiator vornimmt, ist also erfolgreich, aber fehlerhaft. Einerseits verstößt er gegen eine Einleitungsbedingung, da er etwas impliziert, das der Plagiator selbst nicht voraussetzen kann, solange er überhaupt Plagiator ist. Andererseits verletzt er eine Aufrichtigkeitsbedingung, indem er einen psychologischen Zustand zum Ausdruck bringt, den der Plagiator als Plagiator niemals besitzen kann. Um dadurch zu begründen, dass das Plagiat verboten und das Namensnennungsrecht des Urhebers moralisch notwendig ist, muss gezeigt werden, dass derartige Fehler moralische Relevanz besitzen. Wie kann dies gelingen? Man könnte dazu neigen, hier die Figur des performativen Selbstwiderspruchs heranzuziehen, wie sie in der Diskurstheorie populär geworden ist.925 So ist z. B. der Sprechakt „Ich behaupte, dass ich Urheber bin, glaube dies aber nicht“ ein handlungspragmatischer Widerspruch, der zu einem Misslingen dieses Sprechakts führt. Schließlich muss eine Behauptung stets den Glauben an die Wahrheit derselben zum Ausdruck bringen, um überhaupt als Behauptung aufgefasst zu werden.926 Vgl. Searle, Sprechakte, S. 99 f. Vgl. etwa ihren Gebrauch bei Alexy, in: ders., Recht, Vernunft, Diskurs. Studien zur Rechtsphilosophie, S. 127 (135, 136); Habermas, in: ders., Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, S. 53 (105). Der Gebrauch dieser Figur ist jedoch massiv kritisiert worden, siehe z. B. Engländer, Diskurs als Rechtsquelle?, S. 42 ff.; Gril, Die Möglichkeit praktischer Erkenntnis aus Sicht der Diskurstheorie, S. 53 ff. Dies betrifft aber nur ihre zirkuläre Verwendung als Mittel, Regeln begründen zu wollen, die erst zu einem performativen Widerspruch führen. Dass indes ein performativer Widerspruch ein zwingendes Argument ist, sofern diese Regeln feststehen, wird auch von Kritikern bejaht, vgl. etwa Tugendhat, Vorlesungen über Ethik, S. 166 – 168. 926 Vgl. die Analyse bei Searle, Sprechakte, S. 99, 100. 924 925
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Dadurch ist aber wenig gewonnen. Erstens stellte sich die Frage nach der moralischen Relevanz: Denn wenn ein Widerspruch bereits dazu führt, dass der Sprechakt nicht nur fehlerhaft, sondern erfolglos ist, wäre unsinnig, seinen Erfolg zu verbieten. Und zweitens handelt es sich beim Sprechakt des Plagiierens ohnehin nicht um einen performativen Widerspruch, also einen Widerspruch im Handlungsvollzug. Indem dieser Sprechakt seine notwendigen Bedingungen impliziert und ausdrückt, ist er ja äußerlich widerspruchsfrei und daher auch erfolgreich. Der Widerspruch, in den sich ein Plagiator verfängt, liegt auf einer anderen Ebene, derjenigen des Wollens. Indem der Plagiator seinen Sprechakt so vornimmt, wie er ihn vornimmt, zeigt er, dass er die Erfüllungs- und Aufrichtigkeitsbedingungen anerkennt, die an dessen Vollzug geknüpft sind.927 Gerade deswegen gibt er ja vor, dass sie in seinem Fall vorliegen. Er weiß also, dass zur Ausführung seines Sprechakts zwei Dinge notwendig sind. Erstens die Institution der Urheberschaft, ohne die der von ihm behauptete propositionale Gehalt u sinnlos wäre. Zweitens der Glaube an die Wahrhaftigkeit des Gehalts, ohne den seine Behauptung B nicht möglich wäre. Um den Erfolg seines Sprechakts zu garantieren, muss der Plagiator also einerseits wollen, dass sowohl die Institution der Urheberschaft als auch der Glaube an die Wahrhaftigkeit weiterhin existieren. Auf der anderen Seite kann er nicht wollen, dass der Sprechakt des Plagiats Inhalt einer allgemeinen Praxis wird, da er ansonsten nicht imstande wäre, diesen zu vollziehen. In der Unmöglichkeit, das eigene Verhalten allgemein wollen zu können, ohne es zugleich unmöglich zu machen, liegt der Widerspruch seines Tuns. Dieser führt zum Vorwurf einer notwendigen Inkonsistenz, die sein Verhalten stets impliziert und es zugleich unmoralisch macht. Diese Argumentation ist letztlich eine kantische: Sie bringt diejenige Version des Kategorischen Imperativs928 zum Ausdruck, derzufolge man nach denjenigen Maximen handeln soll, von denen man zugleich wollen kann, dass sie ein allgemeines Gesetz werden.929 Damit beruht sie auf einem einleuchtenden Prinzip, nämlich dem der Universalisierung bzw. Unparteilichkeit. Dieses Merkmal ist eine minimale Anforderung an moralische Urteile überhaupt.930 Schließlich wird eine Handlung nur dann allgemeine Zustimmung finden, wenn sie ebenfalls allgemein realisierbar ist. Insofern zeigt die vorgelegte Begründung auch, dass der Kategorische Imperativ nicht, wie häufig behauptet931, ein völlig inhaltsleeres Prinzip ist.932 Ihre Schwäche besteht einzig darin, dass sie nur funktioniert, solange es 927 Zu dieser Argumentation vgl. die Analyse des unaufrichtigen Versprechens bei Searle, Sprechakte, S. 95, 96. 928 Eine Zusammenstellung der drei Versionen findet sich bei Birnbacher, Analytische Einführung in die Ethik, S. 140 ff. 929 Vgl. Kant, Grundlegung der Metaphysik der Sitten, S. 51. 930 Vgl. Birnbacher, Analytische Einführung in die Ethik, S. 408; Mackie, Ethik, S. 104 f.: „In gewisser Weise ist dieses Prinzip unbestritten.“ 931 Klassische Kritik bei Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 135.
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sprachliche Regeln gibt, die die Institution der Urheberschaft und die Behauptung ermöglichen. Denn „ein Widerspruch“, wie Hegel zutreffend sagt, „kann sich nur mit etwas ergeben, das ist, mit einem Inhalt, der als festes Prinzip zum voraus zugrunde liegt.“933 Sie ist daher nicht imstande, derartige Regeln selbst moralisch zu begründen. Das ist aber vorliegend kein Nachteil. Ohnehin kann der Sprechakt des Plagiats erfolgreich nur vollzogen werden, soweit bereits jene Regeln existieren, die seine Erfüllungs- und Aufrichtigkeitsbedingungen ermöglichen. Soweit er überhaupt sein kann, kann er somit stets als unmoralisch diskreditiert werden. Daraus ergibt sich, dass das Namensnennungsrecht des Urhebers insoweit moralisch notwendig ist.934
b) Begründung von Verwertungsrechten Die sprechakttheoretische Begründung von Verwertungsrechten ist weitaus komplizierter. Denn sie kann nicht durch den Nachweis gelingen, die Verwertung eines geistigen Werks stelle einen fehlerhaften Sprechakt dar. Schließlich lässt eine Verwertung – anders als das Plagiat – sowohl Zuschreibungsakt als auch zugeschriebenen Akt unberührt. Die hier vorgeschlagene Begründung schlägt daher einen anderen Weg ein. Sie versucht bereits die sprachliche Notwendigkeit derjenigen Sprechakte zu begründen, die als geistige Werke gelten. Zusammen mit der Annahme, Verwertungsrechte seien für deren Vollzug erforderlich, gelangt sie so zur moralischen Notwendigkeit dieser Befugnisse. In einem ersten Schritt aa) wird dieser Gedankengang in einem vierstufigen Argument präsentiert. Anschließend bb) werden zwei Begründungsprobleme dieses Arguments erläutert.
aa) Ein vierstufiges Argument Wie kann sprachphilosophisch gezeigt werden, dass Verwertungsrechte des Urhebers moralisch begründet sind? Ein Weg, dies zu erreichen, scheint mir in einem vierstufigen Argument zu liegen. (i) Die erste Stufe basiert auf der Analyse des zugeschriebenen Akts. Genauer: Sie macht sich die Eigenschaften seines propositionalen Gehalts zu Eigen. Geistige Werke können danach als regelhafte Regelbrüche charakterisiert werden. Sie sind solche Sprechakte, die die Möglichkeiten dessen erweitern, was sprachlich gesagt werden kann. Man kann den Inhalt der ersten Stufe daher in der Annahme zusammenfassen, dass geistige Werke zu einer Steigerung linguistischer Möglichkeiten führen. (ii) Die zweite Stufe des Ar932 Zutreffend daher Birnbacher, Analytische Einführung in die Ethik, S. 149, 150; Hoerster, Ethik und Interesse, S. 108 f. 933 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 135. 934 Freilich gilt dies nur, soweit und solange überhaupt die Institution der Urheberschaft existiert. Ist dies nicht der Fall, kann sich die Frage nach einem Recht des Urhebers ohnehin nicht mehr stellen.
21 Stallberg
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guments basiert auf zwei Teilaspekten, die die Notwendigkeit einer solchen Steigerung plausibel machen sollen. Erstens wird ein Wesen oder Telos der Sprache vorausgesetzt: Es wird angenommen, dass die menschliche Sprache darauf angelegt ist, Welt abzubilden oder zu verändern. Das ist die These, dass Sprache auf Abbildung und Änderung der Welt gerichtet ist. Zweitens wird unterstellt, dass Welt nicht statisch, sondern dynamisch ist. Durch ihre stetige Veränderung entstehen neue Blickwinkel deskriptiver wie normativer Art. Um diese sprachlich einzuführen, muss daher eine entsprechend ausdifferenzierte Sprache vorhanden sein. (iii) Auf der dritten Stufe des Arguments wird zweierlei angenommen. Erstes muss vorausgesetzt werden, dass der Vollzug jener Sprechakte, die als geistige Werke gelten, nicht von selbst geschieht, sondern eines Anreizes bedarf. Und zweitens muss behauptet werden, dass dieser Anreiz nur in Form von Verwertungsrechten gegeben werden kann. (iv) Die vierte Stufe besteht in der Schlussfolgerung, dass Verwertungsrechte moralisch geboten sind.
bb) Begründungsprobleme Nachdem der Inhalt der ersten Stufe bereits bei der Analyse des geistigen Werks hergeleitet wurde, müssen hier allein die Stufen (ii) und (iii) näher dargelegt werden. Die zweite Stufe basiert auf der These, dass das Telos der Sprache darin liege, die Welt abzubilden oder zu verändern. Kann dergleichen begründet werden? Die Behauptung, Sprache besitze ein Telos, ist an sich nicht neu. Sie ist vor allem von Habermas erhoben werden, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Sprache wird von ihm als Ort der Rationalität gedeutet; ihr wohne das Telos der Verständigung inne.935 Eine solche Soll-These kann natürlich leicht kritisiert werden, etwa mit dem Hinweis, dass Sprache ja auch benutzt werde, um einen Dissens zu schaffen.936 An dieser Stelle wird mit „Telos“ jedoch etwas anderes umschrieben. Es geht nicht darum, worauf Sprache gerichtet sein soll, sondern notwendig gerichtet ist. Diese Lesart kann sich auf die Arten von Welt-Ausrichtung stützen, die Searle zufolge Sprache überhaupt haben kann. Sie kann auf die Welt oder die Welt auf sie gerichtet sein.937 Im ersten Fall geht es um Abbildung der Welt, im zweiten um Änderung der Welt. Es erscheint nun nicht unplausibel, in dem, was Sprache leistet, auch ihren – wenn auch vielleicht nicht einzigen – Zweck zu erblicken. Dann lässt sich aber sagen, dass das Telos der Sprache auch darin liegt, Welt abzubilden oder zu verändern. Dass sich aber die Welt stets 935 Vgl. etwa Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 1, S. 387; ders., Faktizität und Geltung, S. 18. 936 So die Kritik bei Luhmann, in: ders., Aufsätze und Reden, S. 94 (103): „Man kann auch kommunizieren, um Dissens zu markieren, und es gibt keinen zwingenden Grund, die Konsenssuche für rationaler zu halten als die Dissenssuche.“ 937 Natürlich können diese Richtungen kombiniert werden. Da aber bei der Analyse des Sprechakts des geistigen Werks nur diese beiden Richtungen zugelassen wurden, kann man sich hier auf sie beschränken.
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verändert, ihre sprachliche Erfassung sich daher ebenfalls verändern muss, dürfte einsichtig sein. Die größten Probleme birgt die dritte Stufe des Arguments. Sie sind mit denjenigen identisch, die durch die angenommene Anreizfunktion des Urheberrechts verursacht werden. Im Einzelnen bedeutet dies, dass das Argument voraussetzen muss, dass die spracherweiternden Sprechakte, die als geistige Werke gelten, nicht von allein vollzogen werden, sondern eines Anreizes bedürfen. Effizienztheoretisch gesprochen, handelt es sich dabei um die Annahme eines Marktversagens. Und zweitens muss behauptet werden, dass ein erforderlicher Anreiz, jene Sprechakte vorzunehmen, nur durch Verwertungsrechte an denselben kreiert werden kann. Diese werden als Erfüllungsgehilfe jener sprachphilosophischen Notwendigkeit betrachtet. Das hier präsentierte, vierstufige Argument ist daher in seiner Überzeugungskraft von der Richtigkeit der Anreizfunktion des Urheberrechts abhängig. Diese kann nun – wie schon bei der Effizienz-basierten und der Demokratie-basierten Rechtfertigung – nicht empirisch belegt werden. Ist dann aber das hier dargelegte Argument nicht ebenso defizitär wie jene Ansätze? Wohl kaum. Sein argumentativer Vorteil besteht immerhin darin, dass es nicht mehr, wie die Effizienz-basierte und Demokratie-basierte Rechtfertigung, kollektivistisch im Rekurs auf gesellschaftliche Bedürfnisse argumentiert, sondern jene Probleme einfach in den Ort verlegt, wo der Ursprung geistiger Werke liegt, nämlich in die menschliche Sprache.
II. Ergebnisse Die Idee, die Perspektiven von individualistischen und kollektivistischen Rechtfertigungen miteinander zu versöhnen, indem man auf dasjenige zurückgeht, was beide erst ermöglicht, kann man als universalistisch-transzendentale Rechtfertigung des Urheberrechts bezeichnen. Um diese Idee mit Leben zu füllen, wurde an dieser Stelle der Versuch einer sprechakttheoretischen Rekonstruktion des Urheberrechts gewagt. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass das, was wir „geistige Werke“ nennen, nur in der und durch die menschliche Sprache existiert. Es handelt sich daher – in der Searleschen Terminologie – nicht um natürliche, sondern institutionelle Tatsachen. Die Gegenstandsontologie, die der Begriff des geistigen Werks transportiert, verdeckt nämlich, dass es nicht um physisch wahrnehmbare Daten, sondern um deren Deutung als Sinn geht. Nur wenn ein Buch, ein Gemälde, eine Skulptur etc. als etwas gilt, was es selbst nicht ist, kann es ein geistiges Werk sein. Allein, diese Symbolik erzeugt sich nicht von selbst. Derartige Gegenstände können nur etwas symbolisieren, wenn sie einer Regel entsprechen, die festlegt, dass etwas unter bestimmten Bedingungen als etwas anderes gilt. Solche konstitutiven Regeln können nur sprachlich existieren. Es war daher Aufgabe einer sprechakttheoretischen Rekonstruktion (1), die alltagssprachlichen Regeln aufzudecken, die in der einen oder anderen Weise mitlau21*
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
fen, sofern wir von „geistigen Werken“ sprechen. Diesen Tatbestand habe ich verwendet, um das Urheberrecht teilweise moralisch zu rekonstruieren. Einerseits wurde ein Namensnennungsrecht (2) mithilfe der Figur des fehlerhaften Sprechakts begründet. Andererseits wurden Verwertungsrechte (3) gerechtfertigt, indem mit dem Wesen der Sprache selbst argumentiert wurde. Zuletzt (4) möchte ich einige Klarstellungen und Einwände ansprechen, die die umrissene Perspektive betreffen. (1) Bei der sprechakttheoretischen Analyse wurde die These entwickelt, dass geistige Werke komplexe Sprechakte in der Form (R1(p1) & R2(p2)) sind, die analytisch aus Zuschreibungsakt und zugeschriebenen Akt bestehen. Der erste Teil der These besagt, dass nur solche durch eine menschliche Handlung hervorgebrachten Zeichen als „geistige Werke“ gelten, die explizit oder implizit auf einen Menschen als ihren Urheber weisen. Unter dem Zuschreibungsakt R1(p1) verstehe ich daher jenen Sprechakt, dessen illokutionäre Rolle R1 eine Behauptung ist, deren propositionaler Gehalt p1 zumindest die Aussage beinhaltet, dass der Sprechakt R2(p2) einen Urheber bzw. mehrere Urheber besitzt, nicht notwendig welche dies sind. Der zweite Teil der These betrifft den zugeschriebenen Akt, der durch R2(p2) dargestellt wird. Er drückt denjenigen Akt aus, auf den sich der Zuschreibungsakt bezieht und daher zuschreibt. Der zugeschriebene Akt öffnet den Kontext, in dem der Zuschreibungsakt R1(p1) erst vollzogen werden kann – er ist daher Bedingung dessen Gelingens. Bei der Rekonstruktion seiner Bestandteile wurde auf einen Kernbereich abgestellt, von dem ich glaube, dass er sich sprachphilosophisch erklären lässt. Dabei wurde der propositionale Akt p2 als regelhafter Regelbruch charakterisiert. Dies umschreibt die These, dass ein Sprechakt nur dann als geistiges Werk gilt, wenn sein propositionaler Akt sich teils den bisherigen sprachlichen Regeln entzieht, diese aber soweit befolgt, als sie notwendig sind, um überhaupt als Sprechakt zu gelten. Nur so bleibt die Anschlussfähigkeit an jene neue Sprachregel gewahrt, die der Regelbruch des Sprechers implizit eröffnet. Dies erklärt, warum hier der Kontext des Zuschreibungsakts eröffnet wird. Indem ein Sprechakt das sprachlich Mögliche teilweise überschreitet, kann er insoweit nicht mehr in den Regeln der Sprache wiedergegeben werden. Es liegt dann nahe, diesen blinden Fleck des Sprechakts durch Verknüpfung mit seinem Aktor wiederzugeben. Die illokutionäre Rolle R2 wurde dagegen unter Rückgriff auf die Welt-Ausrichtung des propositionalen Gehalts schematisiert. So wurde begründet, dass Sprechakte zumindest als geistiges Werk gelten, wenn sie den propositionalen Gehalt der Welt (Wort-auf-Welt-Ausrichtung) oder umgekehrt die Welt dem propositionalen Gehalt entsprechen lassen wollen (Welt-auf-Wort-Ausrichtung). Ersteres kann als Abbildung, letzteres als Veränderung der Welt begriffen werden. (2) Die moralische Notwendigkeit eines Namensnennungsrechts lässt sich mithilfe der sprechakttheoretischen Fehlerhaftigkeit des Plagiats begründen. Denn der Zuschreibungsakt R1(p1), den ein Plagiator vornimmt, ist zwar erfolgreich, aber
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fehlerhaft. Einerseits verstößt er gegen eine propositionale Einleitungsbedingung, da er etwas impliziert, das der Plagiator selbst nicht voraussetzen kann, solange er überhaupt Plagiator ist. Das liegt daran, dass der Plagiator kontrafaktisch voraussetzen muss, dass der Urheber als Urheber anzuerkennen ist, wenngleich er dazu faktisch nicht imstande ist. Andererseits verletzt er eine Aufrichtigkeitsbedingung, indem er einen kontrafaktischen psychologischen Zustand zum Ausdruck bringt, den der Plagiator als Plagiator faktisch niemals besitzen kann. Schließlich funktioniert der Zuschreibungsakt als Behauptung nur, wenn er ausdrückt, dass sein Sprecher glaubt, die behauptete Proposition sei wahr. Durch die dargelegte Fehlerhaftigkeit entsteht so ein Widerspruch im Wollen. Dieser besteht in der Unfähigkeit, das eigene Verhalten allgemein wollen zu können, ohne es zugleich unmöglich zu machen. Zwar setzt dies immer schon die Existenz der Urheberschaft voraus – sofern es diese nicht gibt, gibt es aber auch kein Plagiat. Damit verstößt das Verhalten eines Plagiators stets gegen das Universalisierungsprinzip, das als Erfordernis jedes moralischen Urteils gilt. So handelt es sich bei dieser Begründung letztlich um eine sprachphilosophische Einbettung des Kategorischen Imperativs Kants. (3) Die moralische Notwendigkeit von Verwertungsrechten lässt sich hingegen im Rekurs auf das Wesen der Sprache selbst begründen. Dazu kann folgendes vierstufiges Argument dienen. (i) Aus der These des regelhaften Regelbruchs folgt, dass geistige Werke zu einer Steigerung linguistischer Möglichkeiten führen. (ii) Es ist erstens anzunehmen, dass die menschliche Sprache funktional darauf angelegt ist, die Welt abzubilden oder zu verändern. Zweitens wird unterstellt, dass das, was „Welt“ ist, nicht statisch, sondern dynamisch ist. Durch ihre stetige Veränderung entstehen neue Blickwinkel deskriptiver wie normativer Art. Um diese sprachlich einzuführen, muss daher eine entsprechend ausdifferenzierte Sprache vorhanden sein. (iii) Der Vollzug jener Sprechakte, die als geistige Werke gelten, geschieht nun nicht von selbst, sondern bedarf eines Anreizes; dieser Anreiz kann nur in Form von Verwertungsrechten gegeben werden. (iv) Also sind Verwertungsrechte moralisch notwendig. (4) Gegen die sprechakttheoretische Begründung eines Namensnennungsrechts sowie von Verwertungsrechten sind verschiedene Einwände denkbar. Beispielsweise ist möglich, die normative Beweisführung des skizzierten Modells zu kritisieren. Schließlich lässt sich die Behauptung, aus bestimmten sprachlichen Fehlern und Notwendigkeiten folgten normative Regeln, nicht mehr selbst im Rekurs auf sprachliche Regeln begründen. Sie schließt daher, zumindest psychologisch, im letzten Schritt von Tatsachen auf Normen. Doch ist dieser Fehler keiner, der nur der vorgelegten Konzeption anhaftet. Vielmehr betrifft er jedes denkbare Begründungsmodell: Alle Modelle müssen mit einer unbewiesenen Prämisse beginnen, auf der ihre Argumentation beruht. Jener Einwand betrifft daher in letzter Instanz nicht meine Argumentation, sondern die Begründungsfähigkeit moralischer Normen überhaupt. Da diese – wie zu Anfang gezeigt938 –, angenommen werden muss, 938
Siehe oben § 2, A. III. 1.
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§ 3 Begründungsmodelle des Urheberrechts
um sinnvoll über die Moralität des Urheberrechts diskutieren zu können, geht dieser Einwand an der Sache vorbei. Doch ergibt sich daraus ein weiterer, gewichtigerer Einwand: Worin liegt überhaupt der Vorteil des präsentierten Modells, wenn es doch die Schwächen der anderen Modelle teilt? Der Vorzug einer sprechakttheoretischen Rechtfertigung des Urheberrechts liegt in zweierlei. Erstens vermeidet sie es, in den unlösbaren Konflikt zwischen individualistischen und kollektivistischen Argumenten zu geraten. Stattdessen geht sie auf das zurück, was Vertreter beider Positionen verbindet, nämlich ihre Koexistenz in der Sprachgemeinschaft. So ist das Namensnennungsrecht des Urhebers nicht mehr gerechtfertigt, weil es eine moralische Beziehung Urheber / Werk oder Gesellschaft / Werk berücksichtigt. Es ist gerechtfertigt, weil in beiden Beziehungen sprachliche Regeln stets dazu führen, dass der Sprechakt des Plagiators fehlerhaft ist. Ähnliches gilt bei Verwertungsrechten. Zwar setzt ihre Begründung die Annahme der Anreizfunktion voraus; dies geschieht aber nicht länger aus gesellschaftlichen Gründen. Stattdessen wird auf die immanente Funktion der Sprache selbst abgestellt, die in beiden Beziehungen notwendig gleich ist. Ein zweiter Vorteil kommt hinzu. Eine sprechakttheoretische Begründung bringt die Ontologie geistiger Werke am besten zur Geltung. Sie beschränkt sich nicht – wie die Werkbasierte und Demokratie-basierte Rechtfertigung – darauf, deren Daseinsform bloß argumentativ zu integrieren. In der Sprache als deren Vollzugsform wird vielmehr das zentrale Argument erblickt, mittels dessen das Urheberrecht moralisch begründet werden kann.
§ 4 Schluss Zu Beginn dieser Arbeit wurde auf ein grundlegendes Defizit aufmerksam gemacht, in dem sich das urheberrechtliche Denken gegenwärtig befindet. Trotz eines immer größer werdenden Legitimationsdrucks, der auf der Institution des Urheberrechts lastet; trotz der offenkundigen Unfähigkeit, jenem Druck nicht nur rhetorisch, sondern rational zu begegnen, ohne zugleich die Inkonsistenzen der eigenen Argumentation zu offenbaren, ist das wissenschaftliche Interesse an der Moralität des Urheberrechts vor allem in Deutschland gering. Es fehlt bislang an einem Versuch, diese Frage und ihre Antworten auf eine begriffliche und systematische Ebene zu überführen, die ihre rationale Behandlung erleichtert, wenn nicht gar erst möglich macht. Auf den vorstehenden Seiten ist der Versuch gemacht worden, dieses Defizit zu beseitigen. Erstens wurde eine Analytik des Urheberrechts als Gegenstand der Moral entwickelt. Gedankliche Differenzierungen führten so zu einer analytischen Typologie der Begründungsmodelle, die erlaubt, gegenwärtige und zukünftige Argumente einzuordnen, vergleichbar zu halten und zu entwickeln (A.). Zweitens wurden Argumente, die jenen Typen entsprechen, anhand von Beispielen idealrekonstruiert, auf das Urheberrecht angewendet und in ihren Defiziten offen gelegt. So wurde eine rationale Bewertung jener Modelle vorgelegt (B.). Drittens wurde versucht, die Defizite bisheriger Begründungsperspektiven in einem universalistisch-transzendentalen Modell zu überwinden (C.). Dazu wurde ein Argument skizziert, dessen Basis eine sprechakttheoretische Rekonstruktion geistiger Werke ist. Die wichtigsten Ergebnisse dieser drei Aspekte werden nachfolgend umrissen. Ob und wieweit die vorliegende Arbeit ihre Ziele erreicht hat, ja überhaupt erreichen kann, ist Gegenstand des Fazits (D.).
A. Eine analytische Typologie der Begründungsmodelle (1) Auf einer ersten Beobachtungsebene wurde die Unterscheidung zwischen individualistischen und kollektivistischen Rechtfertigungen eingeführt. Statt die grundlegende Differenz aller Begründungsmodelle des Urheberrechts mithilfe des traditionellen, aber unspezifischen Denkens in Handlungsfolgen zu suchen, basiert jene Unterscheidung auf einem Denken in Beziehungen. Sie richtet sich nach der jeweiligen moralischen Beziehung (Primärbeziehung), aus der die Rechtfertigungsgründe für die exklusive Rechtsbeziehung Urheber / Werk (Sekundärbeziehung) entnommen werden. Soweit diese Gründe der Beziehung Urheber / Werk entstammen, handelt es sich um individualistische Begründungsmodelle. Hier ist
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§ 4 Schluss
das gesetzliche Recht des Urhebers auch sein moralisches Recht. Hingegen handelt es sich um kollektivistische Begründungsmodelle, wenn die Argumente aus der Beziehung Gesellschaft / Werk resultieren. Das gesetzliche Recht des Urhebers basiert dann auf dem moralischen Recht der Gesellschaft. (2) Auf einer zweiten Beobachtungsebene wurde zudem gezeigt, dass individualistische sowie kollektivistische Begründungsmodelle gedanklich in je drei Untertypen zergliedert werden können. (a) Aus analytischer Sicht sind bei individualistischen Argumenten drei Anknüpfungspunkte innerhalb der Primärbeziehung Urheber / Werk denkbar, um die Sekundärbeziehung – das Urheberrecht – zu plausibilisieren. Erstens kann man auf eine Handlung des Urhebers, auf den dem Werk zugrunde liegenden Schöpfungsakt abstellen. Es ist dann diese Handlung, die einen Legitimationstitel begründet. Zweitens ist denkbar, dass nicht an eine Handlung, sondern an die Person des Urhebers angeknüpft wird. Die Schöpferpersönlichkeit ist es dann, die den Grund einer moralischen Beziehung zum Werk in sich trägt. Drittens ist schließlich möglich, den relevanten Anknüpfungspunkt im Produkt des Urhebers, im geistigen Werk selbst zu sehen. Dieses besitzt dann die Merkmale, die die Moralität des Urheber / Werk-Verhältnisses prägen. Da individualistische Rechtfertigungen also darin divergieren, ob sie die moralische Beziehung Urheber / Werk durch Merkmale der Handlung, der Person oder des Werks des Urhebers begründen, wurden drei Argumentationsmodelle unterschieden. Diese wurden als Arbeits-basierte, Persönlichkeits-basierte und Werk-basierte Rechtfertigung typologisch erfasst. (b) Auch bei kollektivistischen Argumenten sind drei Gesichtspunkte denkbar, die innerhalb der Primärbeziehung Gesellschaft / Werk fokussiert werden können, um das Urheberrecht als Sekundärbeziehung zu rechtfertigen. Stets wird ein als gut erachteter gesellschaftlicher Zustand herausgehoben, dessen Entwicklung, Stabilisierung oder Erreichung das Urheberrecht fördere. Sie unterscheiden sich nur darin, wie normativ voraussetzungsreich die jeweilige Gesellschaftskonzeption ist, auf der sie beruhen. Dies hängt davon ab, welchen Bedürfnissen geistige Werke in der jeweiligen Konzeption dienen. Wird eine ökonomische Gesellschaftskonzeption zugrunde gelegt, so bleibt jedem überlassen, welche Bedürfnisse er ausbilden und in seinem Leben verfolgen will. Wünschenswert ist allein die größtmögliche Befriedigung der jeweiligen Bedürfnisse aller Menschen. Eine kulturelle Gesellschaftskonzeption bewertet dagegen einige Bedürfnisse höher als andere. Man kann daher von Soll-Bedürfnissen sprechen. Eine negative Gesellschaftskonzeption befindet sich zwischen Ist- und Soll-Bedürfnissen. Wünschenswert ist allein, dass die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse äußere Schranken beachtet. Diese Konzeptionen führten zu drei Argumentationstypen, die als Schranken-basierte, Effizienz-basierte und Demokratie-basierte Rechtfertigung bezeichnet wurden. (3) Den vorstehenden individualistischen und kollektivistischen Rechtfertigungsmodellen liegen – in Kurzform – folgende Argumentationsgänge zugrunde:
A. Eine analytische Typologie der Begründungsmodelle
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(a) Eine Arbeits-basierte Rechtfertigung behauptet, dass die Handlung, die der Urheber im Schöpfungsakt eines Geisteswerks vollzieht, ein Anrecht auf das Produkt derselben vermittle. Dies kann auf zweifache Weise plausibel gemacht werden. Der formalistische Typus nimmt an, dass jener Akt etwas in das Werk transferiere, das zuvor dem Urheber zustand, und so das vorbestehende Recht auf das Werk weiterleite. Dagegen geht der verdiensttheoretische Typus davon aus, dass der Schöpfungsakt eine materiale Qualität besitze, die die originäre Pflicht begründe, denselben durch Verleihung des Urheberrechts anzuerkennen. (b) Eine Persönlichkeits-basierte Rechtfertigung nimmt an, dass der Urheber zu seinem Werk in ein personales Abhängigkeitsverhältnis gerate, das es zu schützen gelte. Eine solche Abhängigkeit kann auf zwei Arten konstruiert werden. Entweder wird behauptet, dass das Urheberrecht – dies ist der entwicklungstheoretische Typus – für die Entwicklung des Urhebers zur freien Person notwendig sei. Oder aber es wird angenommen, dass er sich mit seinem Werk identifiziere – dies ist der identifikationstheoretische Typus. (c) Eine Werk-basierte Rechtfertigung geht davon aus, dass die besondere Ontologie geistiger Objekte dazu führe, dass diese auch nach ihrer Erschaffung von ihrem Urheber abhingen. Dass das Werk vom Urheber abhängig ist, lässt sich auf zwei Wegen begründen. Der kommunikationstheoretische Typus nimmt an, dass die inhaltliche bzw. semantische Aneignung eines geistigen Werks nur mit dem Autor möglich sei. Dagegen behauptet der exklusivitätstheoretische Typus, dass die gedankliche Aneignung eines geistigen Werks zumindest teilweise nur durch den Autor möglich sei. (d) Eine Schranken-basierte Rechtfertigung schlägt den Weg der negativen Gesellschaftskonzeption ein. Sie rechtfertigt das Urheberrecht, indem sie eine neutrale Beziehung zwischen der Gesellschaft und geistigen Werken behauptet. Da das Urheberrecht nicht gegen minimale Schranken verstoße, die in einer Gesellschaft einzuhalten seien, könne gegen seine Existenz moralisch nichts eingewandt werden. (e) Eine Effizienz-basierte Rechtfertigung verwirklicht hingegen die ökonomische Gesellschaftskonzeption. Das gesellschaftliche Bedürfnis nach geistigen Werken wird nicht als normativ notwendig, sondern als rein faktisch, als beliebig empfunden. Um dieses Bedürfnis effizient zu befriedigen, sei das Urheberrecht jedoch als Anreiz erforderlich. Es ist insofern nur Mittel, ein Bedürfnis wie jedes andere zu befriedigen. (f) Eine Demokratie-basierte Rechtfertigung ist ein Beispiel für eine kulturelle Gesellschaftskonzeption. Geistigen Werken wird hier eine besondere Bedeutung im menschlichen Leben zugesprochen; sie seien für eine demokratisch regierte Gesellschaft unentbehrlich. Wenn aber ein derartiges Herrschaftssystem wünschenswert ist, ist auch das Bedürfnis nach geistigen Werken zugleich ein wünschenswertes, also ein Soll-Bedürfnis.
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§ 4 Schluss
B. Die rationale Bewertung der Begründungsmodelle Eine rationale Bewertung der obigen Argumentationstypen hat gezeigt, dass sie alle mit Begründungsdefiziten behaftet sind: (1) Eine Arbeits-basierte Rechtfertigung basiert letztlich nur auf einer inhaltsleeren, wenngleich wirkungsvollen Metaphorik. Denn es ist – zumindest bislang – nicht ersichtlich, wie sie rationalisiert werden kann. (a) Als formalistischer Typus fehlt es ihr an einem folgerichtigen Gedankengang: Schließlich müsste vor allem begründet werden, wie der Urheber seine intellektuelle Arbeit mit einem Gegenstand vermischen, also in diesen transferieren kann. Dagegen spricht, dass es erstens ontologisch sowie logisch unmöglich ist, eine Handlung mit einem Gegenstand zu vermischen. Zweitens ist nicht klar, warum so das Recht an der eigenen Arbeit sich auf einen Gegenstand erstreckte. Da sich jede Handlung in ihrer Vornahme erschöpft, bliebe ja nichts mehr übrig, was geschützt werden könnte. Drittens ist keine Begründung ersichtlich, die es erlauben würde, dieses Recht auf das gesamte Werk statt auf einen Teil desselben moralisch zu erstrecken. (b) Der verdiensttheoretische Typus ist nicht imstande, darzulegen, warum die Werkschaffung zu einer Pflicht führen sollte, den Verdienst des Urhebers durch ein Urheberrecht anzuerkennen. Erstens ist unklar, welche Erfordernisse – neben einer autonomen Handlung des Urhebers – hinzutreten müssen, um eine Anerkennungspflicht zu begründen. Einem Unbehaglichkeits- oder einem Qualitätserfordernis fehlt es jedenfalls an einer rationalen Basis. Warum sollte der Urheber ein Werk qua Unbehaglichkeit verdienen? Warum ist man verpflichtet, etwas zu belohnen, was man nicht in Auftrag gegeben hat? Zweitens fehlt eine Begründung dafür, warum – angesichts unzähliger anderer Wege – gerade das Urheberrecht Inhalt jener Pflicht ist. Einen Maßstab, mit dem das Urheberrecht als einzig adäquate Anerkennung qualifiziert werden könnte, gibt es nicht. So wird die Annahme, der Urheber verdiene wegen seines Werks unsere Anerkennung, vorschnell zur Behauptung, der Urheber eines Werks verdiene sein Werk. (2) Eine Persönlichkeits-basierte Rechtfertigung hat ebenfalls Probleme, eine nachvollziehbare moralische Begründung des Urheberrechts anzubieten. (a) Als entwicklungstheoretischer Typus geht sie davon aus, dass das Privateigentum notwendig sei, um den Menschen die Entwicklung zum Person-Sein zu ermöglichen. Indem sie von der Rechtsordnung als abstraktes Ich dargestellt würden, könnten sie lernen, sich selbst als freies Ich zu denken. Durch das Urheberrecht werden aber vor allen Dingen menschliche Merkmale berücksichtigt, die höchst individuell sind, nämlich kreative Talente und Fähigkeiten. Dann wird der Urheber aber im Urheberrecht nicht als unbestimmte Person, sondern als bereits bestimmter und insofern unfreier Mensch integriert. Aus dieser Argumentation folgt in letzter Konsequenz, dass das Urheberrecht nicht zu rechtfertigen, also moralisch unmöglich ist.
B. Die rationale Bewertung der Begründungsmodelle
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(b) Der identifikationstheoretische Typus der Persönlichkeits-basierten Rechtfertigung ist kaum überzeugender. Seine Vorstellung, zumindest einige Urheber gerieten in eine psychische Abhängigkeit zum Werk, lässt sich zwar theoretisch konstruieren. Ihre empirische Richtigkeit ist aber genauso wie ihre normative Schlussfolgerung – Urheberrecht als Therapie –, weder nachprüfbar noch rational begründbar. Denn es handelt sich durchweg um innere Zustände, die nicht durch Beobachtung erschlossen werden können. Auch der Urheber selbst dürfte zumeist nicht imstande sein, objektiv Auskunft darüber zu geben. Infolgedessen ist es schwierig, wenn nicht unmöglich, eine psychische Abhängigkeit von subjektiven Präferenzen des Urhebers – die kein ausreichender Schutzgrund wären – zu unterscheiden. (3) Obwohl eine Werk-basierte Rechtfertigung immerhin erkennt, dass die spezifische Seinsweise geistiger Werke – ihre Immaterialität – bei der moralischen Begründung des Urheberrechts eine Rolle spielt, leidet sie ebenfalls an Begründungsproblemen. (a) Als kommunikationstheoretischer Typus muss sie begründen, dass (i) das Verstehen oder (ii) die Überzeugungskraft eines geistigen Werks epistemologisch bzw. sozialpsychologisch von der Person des Autors abhängt. Gegen (i) spricht, dass die Annahme, im Text eines Autors existiere ein objektiver Sinngehalt, der nur im interpretatorischen Rückgriff auf diesen verstanden werden könne, zu simpel ist. Der moderne Poststrukturalismus hat dies mit seinen Angriffen auf den Autorbegriff überdeutlich gezeigt. Dagegen ist (ii) nur dort richtig, wo die Nennung des Autors einen positiven Überzeugungseffekt besitzt. Das hängt von der Glaubwürdigkeit des Autors im Vergleich zu anderen Personen ab. Ein solcher Vergleich ist kaum gesetzlich umzusetzen. Die Glaubwürdigkeit ist einerseits kein statischer Wert, sondern Schwankungen unterworfen. Andererseits dürfte schwierig sein, verschiedene Personen in ihrer Glaubwürdigkeit zu beurteilen und zu vergleichen. (b) Der exklusivitätstheoretische Typus muss die Aussage, die geistige Aneignung eines geistigen Werks sei nur durch den Autor möglich, in einer Weise normativieren, die sie auch auf die sprachzeichliche Aneignung erstreckt. Dies gelingt nur, wenn ein Moralprinzip vorausgesetzt wird, nach dem bereits die Anmaßung eines ontologischen Status als unmoralische Kränkung des Statusinhabers zu qualifizieren ist. Ein derartiges Prinzip kann aber ebenso gut von Gegnern eines Urheberrechts verwendet werden, die die Non-Exklusivität geistiger Werke betonen. Denn deren sprachzeichliche Ebene ist ja von Natur aus von allen gemeinsam benutzbar, ohne dass jemand ausgeschlossen würde. Wird diese ontologische Eigenschaft geistiger Werke durch ein Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers missachtet, lässt sich daher mit gleichem Recht eine Kränkung der ausgeschlossenen Nutzer postulieren. Welche „Kränkung“ schwerer wiegt, kann nicht argumentsintern entschieden werden. Das führt letztlich auf den argumentsexternen Gegensatz zwischen individualistischen und kollektivistischen Moralvorstellungen, der nicht endgültig entscheidbar ist.
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§ 4 Schluss
(4) Eine Schranken-basierte Rechtfertigung muss zeigen, dass das Urheberrecht anderen Individuen keine potentiellen Handlungsmöglichkeiten, also ihr potentieller Status als Urheber oder als Nutzer genommen wird. Ersteres wird betroffen, wenn ein anderer das Werk auch geschaffen hätte, zweiteres wird schon dann betroffen, wenn der Urheber das Werk auch ohne Anreiz des Urheberrechts geschaffen hätte. Ob ein geistiges Werk irgendwann ohnehin geschaffen worden wäre, lässt sich aber erst dann feststellen, wenn es geschaffen wurde. Daneben führt eine Schranken-basierte Rechtfertigung zu einer äußerst schwachen institutionellen Rechtfertigung. Denn wenn das Urheberrecht niemandem schadet, so ist es zwar nicht verboten – geboten ist es aber auch nicht. Ist aber seine Einführung oder Beibehaltung nur moralisch möglich, so kann man ebenso gut auf sie verzichten. (5) Eine Effizienz-basierte Rechtfertigung besitzt hauptsächlich zwei Schwachpunkte. Da sie auf dem Postulat der maximalen Bedürfnisbefriedigung menschlicher Bedürfnisse beruht, muss sie ein Kriterium finden, mit dem sich die graduelle Erfüllung dieser Prämisse überhaupt messen lässt. Das heutzutage verwendete Kaldor / Hicks- oder Vermögensmaximierungs-Kriterium führt aber zu Gerechtigkeitsdefiziten. Es stellt die Gewinne einiger Menschen über die Verluste anderer. Daneben muss sie zeigen, dass das Urheberrecht das effizienteste Mittel zur Korrektur des Marktversagens ist. Das hängt von empirischen Daten ab, die jedenfalls bislang nicht vorhanden sind. Das effizienztheoretische Argument ist dann aber ein beliebiges: je nachdem, von welcher Hypothese man ausgeht, lässt sich entweder die moralische Unmöglichkeit oder Notwendigkeit des Urheberrechts behaupten. (6) Mit ähnlichen Schwierigkeiten hat eine Demokratie-basierte Rechtfertigung zu kämpfen. Sie muss vor allem begründen, auf welche kommunikativen Gehalte der demokratische Prozess angewiesen ist. Zwar ist klar, dass nicht jeder kommunikative Gehalt eine derartige Relevanz besitzt. Es ist aber ebenso klar, dass die Frage, wann diese Relevanz vorliegt, kaum entschieden werden kann. Zudem hängen ihre Aussagen von den Wechselwirkungen zwischen Urheberrecht und Demokratie ab. Je nachdem, welche Unterstellungen hier gemacht werden, können Umfang, Dauer und Schranken des Urheberrechts sehr unterschiedlich aussehen. Der Unterschied zu einer effizienztheoretischen Perspektive besteht dann nur darin, bei dem Inhalt des Urheberrechts nicht die Förderung der Effizienz, sondern diejenige der Demokratie als regulative Idee vorauszusetzen. Da die Wirkungen des Urheberrechts demokratietheoretisch nicht verrechnet werden können, bleibt jede Festlegung gleichermaßen spekulativ.
C. Die Lösung eines universalistisch-transzendentalen Modells
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C. Die Lösung eines universalistisch-transzendentalen Modells (1) Ist eine Rechtfertigung des Urheberrechts individualistisch, so schwankt sie zwischen der Handlung, der Person und dem Werk des Urhebers; ist sie kollektivistisch, so bewegt sie sich zwischen Schranken, Effizienz und Demokratie der Gesellschaft. Beide Perspektiven stehen sich im Konfliktfall unversöhnlich gegenüber – eine Entscheidung zwischen Urheber und Gesellschaft ist dann unvermeidlich. Alles andere, etwa der populäre Versuch eines Interessenausgleichs bzw. Kompromisses, wäre hier normtheoretisch sinnlos. Da zwei widerstreitende Normsätze nicht beide normativ gelten können, gilt entweder nur einer, oder es liegt schon kein Konflikt vor. Den Versuch, den Gegensatz von individualistischer und kollektivistischer Perspektive zu überwinden, habe ich universalistisch-transzendental genannt. Er geht auf die Bedingung zurück, die jene Differenz von Urheber und Gesellschaft überhaupt erst möglich macht, nämlich ihre Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Sprache. (2) Diese Idee einer Rechtfertigung wurde durch eine sprechakttheoretische Rekonstruktion des Urheberrechts skizziert. Dieses Vorgehen basiert einerseits auf der Erkenntnis, dass das, was wir „geistige Werke“ nennen, nur in der und durch die menschliche Sprache existiert. So kann z. B. ein Buch oder ein Gemälde überhaupt nur „geistiges Werk“ sein, wenn es einer sprachlich-existenten Regel entspricht, nach der es als etwas gilt, was es selbst nicht ist. Wenn geistige Werke so aber Sprechakte darstellen, deren Vollzug konventionale Regeln der menschlichen Sprache in Anspruch nimmt, liegt es andererseits nahe, diese auch zum Ausgangspunkt moralischer Regeln zu machen. Auf diese Weise war es möglich, eine plausible Argumentation zu entwickeln, mit der das Urheberrecht teilweise moralisch rekonstruiert werden konnte. Sprechakttheoretischer Ausgangspunkt war hierbei die – freilich differenziertere – These, dass geistige Werke komplexe Sprechakte sind, die analytisch aus Zuschreibungsakt und zugeschriebenem Akt bestehen. (3) So konnte die moralische Notwendigkeit eines Namensnennungsrechts mithilfe der Figur des fehlerhaften Sprechakts begründet werden. Zum einen wurde gezeigt, dass der Zuschreibungsakt, den ein Plagiator vornimmt, zwar erfolgreich, aber fehlerhaft ist. Der Plagiator verstößt nämlich gegen zwei sprachliche Bedingungen, die jener Akt notwendig impliziert, sofern er als Sprechakt erfolgreich ist. Dann muss der Plagiator etwas kontrafaktisch anerkennen, wozu er faktisch nicht imstande ist. Zum anderen wurde mithilfe des Kategorischen Imperativs Kants gezeigt, dass diese sprechakttheoretische Fehlerhaftigkeit zugleich eine moralische ist. Denn es entsteht ein Widerspruch im Wollen, der sich in der Unfähigkeit äußert, das eigene Verhalten allgemein wollen zu können, ohne es zugleich unmöglich zu machen. Dann verletzt das Verhalten eines Plagiators stets das Universalisierungsprinzip, das jedem moralischen Urteil innewohnt.
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§ 4 Schluss
(4) Daneben konnte die moralische Notwendigkeit von Verwertungsrechten im Rekurs auf das Wesen der Sprache selbst begründet werden. Dazu wurde angenommen, dass die menschliche Sprache funktional darauf angelegt ist, die Welt abzubilden oder zu verändern. Da „Welt“ nichts Statisches, sondern etwas Dynamisches ist, kann das Telos der Sprache nur erreicht werden, wenn diese sich ständig selbst ausdifferenziert. Dies leisten jene Sprechakte, die als geistige Werke gelten; als regelhafter Regelbruch führt ihr zugeschriebener Akt stets zu einer Steigerung linguistischer Möglichkeiten. Der Vollzug dieser Sprechakte geschieht aber nicht durchgehend von selbst, sondern bedarf eines Anreizes. Der wichtigste Anreiz ist hier ein monetärer, der in Form von Verwertungsrechten gegeben werden kann. Dann sind Verwertungsrechte insoweit moralisch notwendig. (5) Das skizzierte Modell besitzt zwei wesentliche Vorzüge: Einerseits geht es einem normativen Defizit der anderen Lesarten aus dem Weg, andererseits ist es spezifischer als diese. Ein normatives Defizit wird vermieden, indem der unlösbare Konflikt zwischen individualistischen und kollektivistischen Argumenten überwunden wird. So ist ein Namensnennungsrecht nicht gerechtfertigt, weil es eine individualistische oder kollektivistische Beziehung berücksichtigt; es ist gerechtfertigt, weil in beiden Beziehungen der Sprechakt des Plagiators gleichermaßen fehlerhaft ist. In ähnlicher Weise sind Verwertungsrechte aufgrund der Funktion der Sprache selbst notwendig, die in beiden Beziehungen stets gleich ist. Das Modell ist zudem spezifischer, weil es die Ontologie geistiger Werke nicht nur argumentativ integriert, sondern in der Sprache als ihrer Vollzugsform das zentrale Argument einer moralischen Rechtfertigung erblickt. (6) Es handelt sich bei der hier präsentierten Perspektivenverschiebung also um eine zweifache. Ontologisch gibt sie das im Urheberrecht traditionelle Gegenstandsdenken zugunsten eines Denkens in kommunikativen Handlungen auf. Geistige Werke sind dann nicht als Objekte, sondern als Sinn von Sprechakten zu begreifen, deren Vollzugsform sie sind. Moralphilosophisch überwindet sie dagegen das Denken in individualistischen bzw. kollektivistischen Beziehungen zugunsten eines Denkens in Sprachregeln. Das Urheberrecht folgt dann nicht aus moralischen Vorrechten des Urhebers oder der Gesellschaft, sondern aus der Sprache als deren gemeinsamer Daseinsform. Wenn ein solcher ontologischer und moralischer Paradigmenwechsel durch diese Arbeit vollzogen wäre, wenn das traditionelle Denken zugunsten eines Denkens in kommunikativen Handlungen und ihren Regeln aufgegeben würde, wäre viel erreicht.
D. Fazit Ist die gesetzliche Institution des Urheberrechts nur das Ergebnis eines Ringens verschiedener gesellschaftlicher Kräfte, ist sie nur kontingenter Ausfluss machtpolitischer Erwägungen? Oder findet sie Halt in der Vernunft des Menschen, gibt
D. Fazit
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es also Argumente moralischer Art, die sie – unabhängig von egoistischen, politischen und gesellschaftlichen Zwängen – als begründet ausweisen? Die Antworten auf diese Fragen werden vermutlich über die Zukunft des Urheberrechts entscheiden. Ohne eine rationale, in sich konsistente Konzeption des Urheberrechts bleibt es bei Urheberrechtssystemen, in denen vor allem der Widerspruch System hat. In diese Lage stoßen dann Reformvorhaben, die nicht mehr konzeptionell begriffen, sondern nur noch interessenpolitisch erklärt werden können. So schwindet mehr und mehr die Einsicht in die moralische Vernunft dessen, was als Urheberrecht institutionalisiert werden kann. Ohne Erneuerung dieser Einsicht wird das Urheberrecht auf Dauer nicht zu haben sein; durch Zwang allein wird es seinem schleichenden Autoritätsverlust nicht entgehen können. Die vorliegende Arbeit sollte daher ein Wegbereiter jener Erneuerung sein. Ihr Gegenstand war die Moralität des Urheberrechts als Frage: Lässt sich die moralische Intuition, mit der sich das Urheberrecht umgibt, in Vernunftgründe überführen? Diese Aufgabe war komplex. Es war daher unumgänglich, eine Vielzahl an einzelnen Gesichtspunkten zugunsten einer größeren Übersichtlichkeit und systematischen Klarheit zurücktreten zu lassen. So mögen manche hier nicht die Antworten finden, die sie gesucht oder erwartet haben. Ihnen ist zu sagen, dass diese Arbeit ihren Sinn in erster Linie darin sieht, das moralische Nachdenken über das Urheberrecht zu rationalisieren, indem sie es in vorstrukturierte Bahnen lenkt. Ihr Sinn ist dagegen nicht, das Denken in diesen Bahnen selbst schon in jeder Hinsicht vollzogen zu haben. Das ist die Aufgabe jener, die auf dieser Arbeit aufbauen mögen. Ähnliches gilt für etwaige Zweifel, die die Plausibilität der Gedankengänge, Unterscheidungen und Begrifflichkeiten dieser Arbeit betreffen. Natürlich sind diese nicht sakrosankt; sie beruhen zuletzt auf Prämissen, die keiner Begründung mehr fähig sind. Stets liegt – wie Wittgenstein pointiert formulierte – am „Grunde des begründeten Glaubens [ . . . ] der unbegründete Glaube.“1 Die Frage ist nur, wie schnell man auf diesen Grund gelangt, mit welcher Fallhöhe man sich also zufrieden gibt. Meine Hoffnung ist, dass die geringe Fallhöhe, die bislang Rechtfertigungsdiskurse des Urheberrechts beherrschte, durch diese Arbeit größer geworden ist. Dann wäre zugleich erfüllt, was Kohler einst für Nachlassverbindlichkeiten früherer Denker hielt: nämlich „die schöpferische Kraft unserer Generation auf die Probe zu stellen“, um nicht vor dem Genius früherer Theoretiker und ihren Ideen zu erröten.2
1 2
Wittgenstein, Über Gewißheit, § 253. Vgl. Kohler, Das Autorrrecht, S. 1.
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Sach- und Personenverzeichnis Adorno 177, 316 Alexy 44, 302 Alfino 195 All Things Considered View 212, 216 f., 218 Allokationseffizienz 231 f., 233 ff., 241 – dynamischer Aspekt 239, 241 – statischer Aspekt 241 Aneignungszustand 211, 219 Anerkennungspflicht – Begründung der 90 ff. – Inhalt der 100 ff. Anerkennungsthese siehe These Anreizfunktion siehe Funktion Anreizthese siehe These Anthropologisch-vernunftrechtliches Argument siehe Argument Apel 302 Arbeits-basierte Rechtfertigung siehe Rechtfertigung Arbeitsbegriff 72 f., 90, 94, 106 Arbeitstheorie des Eigentums 59 f., 61 Argument – anthropologisch-vernunftrechtliches 63 f. – Aufklärungsargument 157, 158, 162 ff., 167 – begriffliches 132 – derivativ-formales 64 f., 75, 79 ff. – instrumentelles 132 – Integrationsargument 145 f., 150 f., 153 f. – kommunikationstheoretisches 171 – Repräsentationsargument 145 f., 153 – theologisch-naturrechtliches 63 – utilitaristisch-gerechtigkeitstheoretisches 65 f., 88 f. – Verantwortungsargument 157, 161 f., 166 f., 168 – Widerspruchsargument 158 f., 164 f. – Zwangsargument 158 ff., 165 f., 168, 177 Assertive 314 ff.
Aufklärungsargument siehe Argument Aufrichtigkeitsbedingungen 305, 306, 307, 308, 318, 320, 321 Ausgangszustand 211, 213, 219, 220, 227, 230 Äußerungsakt 304, 305, 312 f., 319 Austin 302, 318 Authentizität 144 f. Autonomie – künstlerische und moralische 107 f. – und Urheberrecht 181 – und Verdienst 95 f. Axiologische Begriffe siehe Wertbegriffe Barthes 173, 175 Becker 75, 101 ff., 141, 143 f., 150 f. Bedingungen des propositionalen Gehalts 305, 306, 307 Begriff der Arbeit siehe Arbeitsbegriff Begriff der Kunst siehe Kunstbegriff Begriff der Rechtfertigung siehe Rechtfertigung Begriffliches Argument siehe Argument Begründung – intersubjektive 44 f. – Letztbegründung 49 f. – moralische siehe moralische Rechtfertigung – objektive 44 f. Begründungsmodell – individualistisches 47 ff., 57 ff. – kollektivistisches 47 ff., 203 ff. – universalistisch-transzendentales 300 ff., 333 f. Behauptung der Urheberschaft 310 f., 312, 318 Belohnungssystem siehe Staatliches Belohnungssystem Benjamin 28 Bentham 233
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Sach- und Personenverzeichnis
Beziehung – Gesellschaft / Werk 41, 48 ff., 203 ff. – moralische 41, 48 ff. – Primärbeziehung 48 ff. – rechtliche 41, 48 ff. – Sekundärbeziehung 48 ff. – Urheber / Werk 41 f., 48 ff., 57 f. Bluntschli 57, 167 Breyer 259, 261, 262 Bundesgerichtshof 59 Congestion Externalities siehe Übernutzungseffekt Deklarationen 314, 315, 316 Democratic Paradigm 272 ff. Demokratie – empirisches Konzept 274 – Minimalkonzept 273 ff. – normative Begründung 274 ff. – normatives Konzept 274 Demokratie-basierte Rechtfertigung siehe Rechtfertigung Denken in Beziehungen 48 ff. Deontische Begriffe 35 ff. Derivativ-formales Argument siehe Argument Digitalisierung 28, 288 Dilthey 172 Dimension – formal-analytische 210, 211 f., 219 – material-normative 210, 212 ff., 219 Direktive 314, 315, 316 Diskursethik / -theorie 44, 302, 319 Doppelausrichtung 315 Doppelschöpfung siehe Grundsatz der Doppelschöpfung Drahos 30 f. Effizienz-basierte Rechtfertigung siehe Rechtfertigung Eingabe- und Ausgabebedingungen 305 f., 307 Einleitungs- bzw. Vorbereitungsbedingungen 306, 307, 308, 312, 318 Elementarer Sprechakt siehe Sprechakte Entwicklungstheoretischer Typus siehe Typus
Epistemologische These siehe These Erschaffungsmöglichkeit 220 Esser 29 Exklusivitätstheoretischer Typus siehe Typus Exklusivitätsthese siehe These Expressive 315, 316 Externalitäten 237 Externe Richtigkeit siehe Richtigkeit Fair-Use 24, 227 Fehlerfreier Sprechakt siehe Sprechakte Fichte 180 ff. Figur des fehlerhaften Sprechakts siehe Sprechakte Filmer 61 Fisher 30 Form – immaterielle 184 – materielle 184 Formalistischer Typus siehe Typus Foucault 27, 173 ff. Fungible Property 141, 148 Funktion – Anreizfunktion 223, 240 ff., 245, 250, 252, 253, 254, 257, 263, 295, 297, 298, 317, 323, 326 – Produktionsfunktion 279 f., 284 – Strukturfunktion 279, 280 ff., 284 – Symbolfunktion 279, 282 f., 284 G. Hardin 238 Gauthier 212, 214 Gebrauch – rechtsbegründender 214 f. – rechtsrelativer 214 f. Gebrauchsmöglichkeit 220 Geistige Werke – als Sprechakte siehe Sprechakte – kommunikative Qualität 301 – Ontologie / Phänomenologie 26, 298, 300, 308 ff., 334 Genie 314 Gesellschaft / Werk-Beziehung siehe Beziehung Gesellschaftskonzeption – kulturelle 205
Sach- und Personenverzeichnis – negative 205 – ökonomische 204 f. Gestaltungshöhe 73, 91, 94, 126, 129, 147, 223 Gierke 155 Gordon 206 ff., 257 Grenzkosten 236 Grenznutzen 236 Grundproblem der Wirtschaftswissenschaften 231, 233 Grundsatz der Doppelschöpfung 221, 223, 224 ff., 249 f., 270 Habermas 44, 277, 302, 322 Hadfield 29 Handelsbeschränkung 237 Handlungsmöglichkeiten – aktuelle 212 – faktische 212, 215 ff. – normative 212, 213 ff. – potentielle 212 Hansmann / Santilli 251 ff. Hegel 112 ff., 156, 321 Hoerster 45 Homo oeconomicus 236 Hubmann 23, 112 Idee / Ausdruck-Dichotomie 247 f. Identifikationstheoretischer Typus siehe Typus Identitätsabhängigkeit 139 ff. Illokutionäre Rolle 306 Illokutionärer Akt 304 f. Individualistisches Begründungsmodell siehe Begründungsmodell Inhaltliche Rechtfertigung siehe Rechtfertigung Institutionelle Rechtfertigung siehe Rechtfertigung Institutionelle Tatsachen siehe Tatsachen Instrumentelles Argument siehe Argument Integrationsargument siehe Argument Integrationsthese siehe These Interessenethik 45 Interne Richtigkeit siehe Richtigkeit Internet 28, 280, 288 Intersubjektive Begründung siehe Begründung
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Kaldor / Hicks-Kriterium siehe Kriterium Kant 47, 155 ff., 181, 182, 195, 226, 314, 320 f., 325, 333 Kategorischer Imperativ 317, 320 f., 325, 333 Kelsen 39 Knappheit – dynamische 239 – künstliche 26, 195 – statische 238 f. Kohler 59, 166, 335 Kollektivistisches Begründungsmodell siehe Begründungsmodell Kommissive 314, 315 Kommunikationstheoretischer Typus siehe Typus Kommunikationstheoretisches Argument siehe Argument Kommunikator – negativer 171 – positiver 171 Komplexer Sprechakt siehe Sprechakte Konzept der Zivilgesellschaft siehe Zivilgesellschaft Konzept des moralischen Verdienstes siehe Moralischer Verdienst Kriterium – Kaldor / Hicks-Kriterium 234, 265 ff. – Mühekriterium 90, 91, 98 f., 108 – Pareto-Kriterium 209, 233 f. – Proportionalitätskriterium 102, 103 f., 105 f. – Qualitätskriterium 90, 93 f., 99 f. – Unbehaglichkeitskriterium 90, 91 f., 99, 110, 330 – Vermögensmaximierungs-Kriterium 234 ff., 243 f., 246, 259 ff., 269, 270 f., 332 – Wertkriterium 90, 92 f., 97 f. – Zweckkriterium 101 ff. Kunstbegriff 177, 285, 291, 312, 313 f., 316 Landes / Posner 242, 246, 247 ff., 253 ff., 257 ff. Leere Ausrichtung 315 Legitimationsprobleme – moralische 26 f. – soziale 27 f.
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Sach- und Personenverzeichnis
Lessig 28 Letztbegründung siehe Begründung Locke 59, 61 ff., 206, 208 ff. Lübbe 214 Marktmodell 235 ff. Marktversagen 236 Menell 30 Mill 236 Moore 206 ff., 215 ff., 225, 226, 227 Moralbeziehung siehe Beziehung Moralische Möglichkeit 37 Moralische Notwendigkeit 37 Moralische Rechtfertigung siehe Rechtfertigung Moralische Unmöglichkeit 38 Moralischer Verdienst 94 ff. Mühekriterium siehe Kriterium Natürliche Tatsachen siehe Tatsachen Neminem Laedere 209, 214 Netanel 142, 271 ff. Nicht-Exklusivität 238 f. Nicht-Rivalität 78 f., 238 f. No-Harm-Principle 209 Non-Exklusivitätsthese siehe These Normative Aussagen – Erkennbarkeit 45 f. – Wahrheitsbegriff 44 f. – Wahrheitsfähigkeit 43 f. Normtheoretischer Widerspruch 39 Nozick 84, 212, 215 f., 220 f., 224 f. Objektive Begründung siehe Begründung Okkupationstheorie des Eigentums 61 Ontologie geistiger Werke siehe Geistige Werke Palmer 262 Pareto-Kriterium siehe Kriterium Patentrecht 220 f., 224, 249 Perfekter / vollständiger Wettbewerb 236 f. Performativer Selbstwiderspruch 44, 159, 319 f. Personal Property 141, 148 Personales Abhängigkeitsverhältnis 58, 111 Persönlichkeits-basierte Rechtfertigung siehe Rechtfertigung
Persönlichkeitsrechte 77, 87, 103, 130, 137, 202, 203, 227, 250 ff., 287, 294, 299, 300, 301 Persuasionsforschung 170 Plagiat 179, 317 ff., 187 f., 194, 197, 320 f., 333, 334 Plagiator siehe Plagiat Plant 259, 260 f., 263 Posner 234, 243 f., 266, 268 f. Postmortales Persönlichkeitsrecht 50 f. Poststrukturalismus 173 Prestige-Effekt 171 Primärbeziehung siehe Beziehung Problem – der Einschränkung individueller Freiheit 27 – der fehlenden Urheberschaft 27 – der Ubiquität 26 Produktionsfunktion siehe Funktion Proportionalitätskriterium siehe Kriterium Propositonaler Akt 304, 312 ff. Proviso siehe Sufficiency-Proviso Public Goods 237 ff. Qualitätskriterium siehe Kriterium Radin 141, 148. Rawls 95, 108 f., 111, 181, 247, 248. Rechtfertigung – Arbeits-basierte 58, 58 ff., 200 f., 202, 329, 330 – Begriff der 34 ff. – Demokratie-basierte 205 f., 271 ff., 298, 299, 300, 323, 326 – Ebenen der 37 f. – Effizienz-basierte 205, 231 ff., 297, 299, 328, 329, 332 – Gegenstand der 39 ff. – Gehalt der 37 f. – individualistische siehe Begründungsmodell – inhaltliche 37 f. – institutionelle 37 f. – kollektivistische siehe Begründungsmodell – Möglichkeit der 42 ff. – moralische 34 f.
Sach- und Personenverzeichnis – Persönlichkeits-basierte 58, 111 f., 201, 202, 329, 330 f. – Schranken-basierte 60, 205, 206 ff., 297, 298 f., 329, 332 – universalistisch-transzendentale siehe Begründungsmodell – Werk-basierte 58, 154 ff., 201, 203, 300 f., 328, 329, 331 Rechtsbeziehung siehe Beziehung Regelhafter Regelbruch 313 f., 324, 325, 334 Repräsentationsargument siehe Argument Repräsentationsthese siehe These Richtigkeit – externe 46 – interne 45 f. Rössler 144 f. Samuelson / Nordhaus 267 Saussure 303 Schädigungsverbot 209, 210 ff. Schleiermacher 172 f. Schopenhauer 23, 59, 259, 262, 300 Schöpfungstatbestand 71, 73, 78, 81, 83, 86 Schranken-basierte Rechtfertigung siehe Rechtfertigung Schumpeter 274 Searle 302, 303 ff. Searle / Vanderveken 307 Sekundärbeziehung siehe Beziehung Sleeper-Effect 171 Smith 236 Sozialpsychologische These siehe These Spoilation-Proviso 66, 67, 68, 69. Sprechakte – elementare 304 f. – erfolgreiche 307 f. – fehlerfreie 307 f. – fehlerhafte 307 f., 317, 319 ff. – Geistige Werke als 308 ff. – komplexe 304 f. – Theorie der 303, 303 ff. – und Urheberrecht 316 ff. Staatliches Belohnungssystem 263 ff., 281 Status als Nutzer 220, 229 Status als Urheber 220, 229, 297, 332 Strukturfunktion siehe Funktion
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Sufficiency-Proviso 66, 67 f., 69, 206, 208 ff. Supreme Court 271 Symbolfunktion siehe Funktion T. Habermas 141, 152 Tatsachen – institutionelle 308 – natürliche 308 f. Telos der Sprache 317, 322 f., 334 Theologisch-naturrechtliches Argument siehe Argument Theorie der Sprechakte siehe Sprechakte These – Anerkennungsthese 89 f., 99, 106 ff. – Anreizthese 89, 99 – epistemologische 169, 172 ff. – Exklusivitätsthese 180 f., 182 ff., 189, 193 f. – Integrationsthese 140 f., 143, 150 – Non-Exklusivitätsthese 194 ff. – Repräsentationsthese 140, 141 f., 143, 144 – sozialpsychologische 169, 170 ff., 175 f. Tocqueville 277, 293 Tod des Autors 175 Tracing Costs 254 f. Tragedy of the Commons 238 Trittbrettfahrer-Problem 239, 241, 249, 250, 259, 260, 262 Typus – entwicklungstheoretischer 58, 111, 112 ff., 201, 202 f., 330 – exklusivitätstheoretischer 58, 155, 180 ff., 201, 203, 329, 331 – formalistischer 70 ff., 200 f., 202, 329, 330 – identifikationstheoretischer 111 f., 138 ff., 201, 202 f. – kommunikationstheoretischer 58, 154 f., 155 ff., 201, 203 – verdiensttheoretischer 58, 69, 88 ff., 200, 202, 329, 330. Übernutzungseffekt 255 f. Unbehaglichkeitskriterium siehe Kriterium Universalisierungsprinzip 320 f., 325, 333
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Sach- und Personenverzeichnis
Universalistisch-transzendentales Begründungsmodell siehe Begründungsmodell Urheber / Werk-Beziehung siehe Beziehung Urheberschaft siehe Behauptung der Urheberschaft US-amerikanische Verfassung 204, 272 Utilitarismus 47, 231 f. Utilitaristisch-gerechtigkeitstheoretisches Argument siehe Argument Verantwortungsargument siehe Argument Verdiensttheoretischer Typus siehe Typus Vermischungstatbestand 71, 73, 78, 81, 82 f., 130 Vermögensmaximierungs-Kriterium siehe Kriterium Verpflichtungsurteil 35, 42 Verwertungsrechte 77, 87, 103, 130, 202, 250, 287, 294, 295, 297, 299, 301, 302, 317, 321 ff., 324, 325, 326, 334 Vollständige Informiertheit 237
von Hayek 278 Waldron 82 ff. Weinreb 92, 221, 292 Welt-auf-Wort-Ausrichtung 315 Werk-basierte Rechtfertigung siehe Rechtfertigung Wertbegriffe 35 Wertkriterium siehe Kriterium Werturteil 35, 36 Wesentliche Bedingungen 305, 306 f., 307 Widerspruch im Wollen 320 f., 325, 333 Widerspruchsargument siehe Argument Wittgenstein 27, 302, 335 Wort-auf-Welt-Ausrichtung 315, 324 Zivilgesellschaft 276 ff. Zugeschriebener Akt 310, 311 ff., 321 f., 324, 333, 334 Zuschreibungsakt 310, 310 f., 312, 317, 318 f., 324 f., 333 Zwangsargument siehe Argument Zweckkriterium siehe Kriterium