Realpräsenz und Ontologie: Untersuchung der ontologischen Grundlagen der Transsignifikationslehre 9783666562730, 352556273X, 9783525562734


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German Pages [604] Year 1993

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Realpräsenz und Ontologie: Untersuchung der ontologischen Grundlagen der Transsignifikationslehre
 9783666562730, 352556273X, 9783525562734

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V&R

NOTGER SLENCZKA

Realpräsenz und Ontologie Untersuchung der ontologischen Grundlagen der Transsignifikationslehre

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÜTTINGEN

Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie Herausgegeben von Wolfhart Pannenberg und Reinhard Slenczka Band 66

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Slenczka, Notger: Realpräsenz und Ontologie: Untersuchung der ontologischen Grundlagen der Transsignifikationslehre / Notger Slenczka. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1993 (Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie; Bd. 66) Zugl.: Göttingen, Univ., Diss., 1990 ISBN 3-525-56273-X NE: GT

D7 Gedruckt mit freundlicher Unterstützung aus Mitteln des Landes Niedersachsen ©1993 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Text & Form, Hannover Druck und Bindearbeiten: Hubert & Co., Göttingen

Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde 1990 von der Ev.-theol. Fakultät in Göttingen als Dissertation angenommen. Für den Druck wurde sie geringfügig gekürzt; insbesondere wurde die Klärung von Randfragen und die Auseinandersetzung mit der Sekundärliteratur in Teil II etwas reduziert. Der Studienstiftung des deutschen Volkes gilt mein Dank für die Gewährung eines Promotionsstipendiums. Meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. J.Baur, danke ich herzlich für die Ermutigung während der Abfassungszeit. Herrn Professor Dr. J. Ringleben gilt mein Dank für die Erstellung des Zweitgutachtens. Herrn Professor Dr. W.Pannenberg, DD.,DD.,DD. und meinem Vater, Herrn Professor Dr. R.Slenczka, danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie", dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht für die Geduld mit einem überlangen Manuskript. Für die umsichtige und sorgfältige Einrichtung der Disketten für den Druck danke ich Frau Chr. Brandtner-Schwartz. Die Drucklegung wurde von der Vereinigten Ev.-luth. Kirche in Deutschland und vom Land Niedersachsen durch namhafte Zuschüsse unterstützt, wofür ich ebenfalls danke. Ich danke allen, die mich während meines Studiums in der unterschiedlichsten Weise gefördert und ermutigt haben. Ich nenne stellvertretend für viele meine Eltern und meine Frau. Ihr ist die Arbeit gewidmet. Göttingen 1992

5

Im folgenden wird zur Bezeichnung des Abendmahls überwiegend der Begriff „Eucharistie" verwendet, und zwar im Sinne des Thomas von Aquin: „... etiam dicitur eüxcxpiaria, id est, bonagratia, quiagratiaDei vitaaeterna, ut dicitur ... vel quia realiter continet Christum, qui est plenus gratia." ( STh III q 73 a 4 resp, vgl. auch Petrus Lombardus, Sent lb I d 8 c 1) Der Begriff „selbständig" und seine Derivate wird an den Stellen, wo er die ontologische Grundeigenschaft der Substanz, nämlich: unabhängig von allem anderen ihrer selbst zu sein, bezeichnet, in der Schreibweise geändert („selbstständig" ), um hervorzuheben, daß es sich um ein „Auf-sich-selbststehen" handelt. Die in den Anmerkungen zitierte Literatur ist durch ein Kürzel des Titels gekennzeichnet, im Literaturverzeichnis sind die Bestandteile des Kürzels im Titel unterstrichen. Im allgemeinen wurde hier das erste Substantiv im Nominativ gewählt, die Kürzel fremdsprachiger Titel wurden - auch gegen das Original - mit grossen Anfangsbuchstaben versehen. Alle Hervorhebungen in Zitaten finden sich, sofern nicht anders gekennzeichnet, auch im Original; eigene Zusätze sind in [eckige Klammern] gesetzt, sonstige Klammern finden sich im Original.

6

Inhalt

0 EINLEITUNG

13

1. Vorgreifender Umriß der Transsignifikationslehre 13 2. Zielsetzung der Arbeit 14 3. Der theologiegeschichtliche Hintergrund der Transsignifikationslehre 18

1 KLÄRUNG UND DISKUSSION DER TRANSSIGNIFIKATIONSLEHRE

1. Die Transsignifikationslehre als einheitliche Position? 2. Die Gründe für die mangelnde Einheitlichkeit 3. Methodische Folgerungen A

Der Hintergrund: Die Kritik an der traditionellen Eucharistielehre

1. Die Kritik an der traditionellen Eucharistielehre und deren hermeneutische Voraussetzungen 2. Verifikation der Kritik 3. Die Bedeutung des Substanzbegriffes in der eucharistischen Tradition 1 4. Die Bedeutung des Substanzbegriffes in der eucharistischen Tradition II 5. Zusammenfassung: die Anforderungen an das Programm des Verzichtes auf den Begriff der „Substanz" 6. Die Kriterien für eine theologische Bewertung der Transsignifikationslehre 7. Zusammenfassung B

Gegenwart, Person und Zeichen

34

34 38 42

43 44 57 60 67 72 74 78 79

0. Einleitung

79

B I Person und Gegenwart

83

0. 1. 2. 3. 4.

Einleitung zur Position P.Schoonenbergs „Dingliche" und „personale" Gegenwart Detailanalyse und Kritik Die Gründe für das Scheitern der Position Zusammenfassung

83 85 88 100 102 7

B II Person und Akt

102

1. Relationale Ontologie? - A.Gerken 2. Relationale Ontologie? - E.Schillebeeckx 3. Zusammenfassung: Gründe für das Scheitern

103 108 114

B III Person und Zeichen

114

1. 2. 3. 4. 5.

115 117 126 135 138

Der Begriff „Realsymbol" Die Position P.Schoonenbergs Die Position E.Schillebeeckx' Das Scheitern des Konzeptes eines „Realsymbols" und seine Gründe Zusammenfassung

B I V Zusammenfassung

139

C

139

Substanzwandel und Sinnwandel

C I Die Grundlagen: Die Debatte um die „Substanz"

141

1. Die Aporien des naturphilosophischen Substanzbegriffes 2. Versuch der Vermittlung des Substanzbegriffes mit den naturwissenschaftlichen Ergebnissen 3. Der „metaphysische Substanzbegriff" als Lösungsvorschlag 4. Vorläufer der Transsignifíkationslehre 5. J. de Baciocchis Schöpfungsontologie als Bindeglied zur Transsignifíkationslehre 6. Zusammenfassung

143 144 147 149 150 156

C II Die Begründungsanforderungen: Was heißt „Sinn"?

158

1. 2. 3. 4.

Die These der Vertreter einer Transsignifíkationslehre Die formalen Bedingungen der Schlüssigkeit Was heißt „Sinn" Die materialen Anforderungen für eine Identifikation von „Substanz" und „Sinn" 5. Zusammenfassung 6. Drei Varianten der Transsignifíkationslehre

158 159 160

C III G.B.Sala: Inkarnation des menschlichen „Sinnes"

168

1. 2. 3. 4.

169 171 178 182

8

Das Anliegen und das Zentrum der Position Das Verhältnis von „Geist" und „Natur" Die ontologische Dignität der „Welt des Geistes" Zusammenfassung

164 166 167

C I V E.Schillebeeckx: Göttlicher und menschlicher Sinn

185

1. Die „Ontologie" der göttlichen Sinnstiftung 2. Das Verhältnis von göttlicher und menschlicher Sinnstiftung 3. Zusammenfassung

187 192 204

C V G.Hintzen: Der Sinn als immanente Form

205

1. Die Grundintention G.Hintzens 2. Die Beschreibung des Verhältnisses von menschlichem Sinn und Seiendem 3. Die „Schöpfungsontologie" als Substanzontologie 4. Die Unwesentlichkeit der menschlichen Sinnstiftung

206 207 220 222

C VI Zusammenfassung: Substanz als Sinn?

225

D Praesentia realis?

227

D I P.Schoonenberg: Realisierende Gegenwart als Realpräsenz?

228

1. 2. 3. 4. 5.

228 233 238 247 250

Gegenwart Gottes / Gegenwart Christi Eucharistische Gegenwart Wechsel des Paradigmas: Selbstgabe durch Zeichen Die verba testamenti Zusammenfassung

D II E.Schillebeeckx: Transsubstantiation trotz Transsignifikation? 252 1. Die Voraussetzungen der Deutung der Realpräsenz bei E.Schillebeeckx 2. Die eucharistische Gegenwart 3. Die verba testamenti 4. Transsignifikation und Transsubstantiation 5. Zusammenfassimg

252 258 266 269 270

D III G.B.Sala: Sinnstiftung Gottes?

271

1. 2. 3. 4.

271 272 280 283

Die Intention G.B.Salas Die Deutung der „Wandlung" Die verba testamenti Zusammenfassung

D I V Zusammenfassung: Mysterium

fidei!

285

9

E

Zusammenfassung

288

1. 2. 3. 4.

Die Hauptelemente Die Begründungsanforderungen Die Kritikpunkte Der zentrale Fehler

288 289 290 291

II D A S ONTOLOGISCHE DILEMMA

293

A

295

Die zuständigen Positionen

1. Die aristotelische Substanzontologie als Grundlage der Transsubstantiationslehre 2. Die phänomenologische Tradition als Grundlage der Transsignifikationslehre 3. Zusammenfassung und Leitthese B

Die Substanz - Aristoteles

0. Einleitende Überlegungen 1. Die Fragestellung der Metaphysik als Leitfaden der Interpretation von Met ZI-6 2.

295 299 303 305 305 307

Die oùaia als inroKei|jevov

315

3. Die otioia als „Wesensprinzip" 4. Zusammenfassung

325 337

C 1. 2. 3. 4.

Sein als Phänomen - die Phänomenologie im Gefolge E.Husserls

344

Die These: Phänomenologie als Transzendentalphilosophie Die phänomenologische Bewegung Ziel der Darstellung Zusammenfassung und Gliederung

344 345 345 346

C I Phänomenologie und transzendentaler Idealismus - E.Husserl... 347 0. Problemstellung 1. Das Grundanliegen der Phänomenologie nach den „Logischen Untersuchungen" 2. Die Phänomenologie als Transzendentalphilosophie nach „Ideen I" 3. Der „transzendentale Idealimus" 4. Zusammenfassung: Transzendentale Phänomenologie und Substanzontologie 10

347 349 358 376 385

C II Die ursprüngliche Intentionalität - M.Heidegger

387

0. 1. 2. 3. 4.

388 391 411 425

Einleitende Fragen „Sein und Zeit" als transzendentalidealistischer Entwurf Die Differenz gegenüber Husserl Die Analytik des „In-der-Welt-sein" Zusammenfassung: Voraussetzung des Ansatzes und Verhältnis zur Substanzontologie

C III Die Lebenswelt als transzendentales Feld M.Merleau-Ponty

441

447

0. Einleitende Fragen 1. Der Grundansatz 2. Die Grundlagen der von den Vertretern der Transsignifikationslehre rezipierten Aussagen 3. Zusammenfassung: Voraussetzungen und Verhältnis zur Substanzontologie

499

C I V Objektivität und Gegenwart - G.Marcel

503

0. 1. 2. 3. 4. 5.

503 506 513 517 524 532

Einleitende Fragen Der negative Hintergrund: die „objektive Welt" Entfaltung der Grundstruktur des Denkens Marcels Ausweis der Ursprünglichkeit des Nicht-Objektivierbaren Die Phänomenologie der Gegenwart Zusammenfassung

447 449 473

D Zusammenfassung

534

1. Substanzontologie 2. Phänomenologie als transzendentaler Idealismus 3. Die argumentativen Verhältnisse

535 536 540

I I I SCHLUSS UND AUSBLICK: THEOLOGIE UND SUBSTANZ

542

A

543

1. 2. 3. 4.

Transsignifikation und Substanz

Der Grundfehler der Vertreter der Transsignifikationslehre Vergleich mit den philosophischen Grundlagen Zusammenfassung Die Unausweichlichkeit der Auseinandersetzung mit dem transzendentalen Idealismus 5. Die Wandlung der Frage nach der Substanz

543 543 547 547 551 11

B

Pro me und Substanz

552

1. Das theologische Anliegen der Transsignifikationslehre 2. Das Anliegen bei Luther 3. Die Wiederkehr des ontologischen Grundproblems innerhalb der Theologie 4. Die philosophisch-theologische Alternative

571 578

C Realpräsenz und Ontologie

580

Unverbindliches Schlußwort

581

IV

583

12

LITERATUR

558 561

0

EINLEITUNG

Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit der sogenannten „Transsignifikations-" bzw. „Transfinalisationslehre", und zwar unter besonderer Berücksichtigung der ontologischen Thesen dieser Neuinterpretation der Transsubstantiationslehre. Im folgenden soll zunächst eine kurze, vorgreifende Skizze der durch den Terminus „Transsignifikationslehre" bezeichneten Position geboten werden, die diese Neuinterpretation nur so weit umreißt, daß es möglich wird, die einleitenden Fragen zu behandeln (1.). In einem zweiten Abschnitt wird daraufhin die Fragestellung und der Aufbau der Untersuchung erläutert (2.). Die Transsignifikationslehre entspringt einem theologiegeschichtlichen Hintergrund, der zum Verständnis unverzichtbar ist und daher einleitend ebenfalls aufgerufen werden muß (3.). 1. Unter „Transsignifikations-" bzw. „Transfinalisationslehre" faßt man eine Reihe untereinander teilweise stark divergierender Stellungnahmen römisch-katholischer Theologen zusammen, die das Anliegen verfolgen, die traditionelle, theologisch und philosophisch zunehmend als problematisch betrachtete Lehre von der Realpräsenz Christi unter den eucharistischen Gestalten neu zu interpretieren, ohne dabei mit dem Sachgehalt des tridentinischen Dogmas in Konflikt zu geraten. Die in Analogie zum traditionellen Terminus „Transsubstantiation" gewählte Bezeichnung der Neuinterpretation deutet an, daß es speziell um ein ontologisches Problem geht, nämlich um die Deutung der Realpräsenz bzw. der Wandlung von Brot und Wein ohne Bezugnahme auf die (oder eine) Ontologie der Substanz und deren (tatsächliche oder vermeintliche) Implikationen. Es wird noch näher zu erläutern sein, daß das Grundanliegen der Neuinterpreten zum einen darin besteht, die Eucharistie insgesamt vom Kontext einer personalen Begegnung Christi mit dem Glaubenden her zu deuten, in deren Horizont die eucharistischen Elemente die Funktion von „Realsymbolen" erfüllen, durch die diese personale Zuwendung, Nähe und Gegenwart Christi beim Glaubenden nicht nur angezeigt, sondern mitgeteilt wird; die Gegenwart unter den Gestalten soll auf diese Weise von den „dinghaften" Konnotationen der traditionellen Deutung der Realpräsenz befreit und als „personales" Ereignis verstanden werden. Ein zweites Grundanliegen zielt darauf, den Substanzwandel von Brot und Wein im Ausgang von einer Identifikation der „Substanz" bzw. des „Wesens" eines Seienden mit 13

dessen „Sinn", „Funktion" oder „Bedeutung" (für den Menschen oder analog - für Gott) zu rekonstruieren, so daß der Wandel der Funktion bzw. des Sinnes des eucharistischen Brotes und Weines vom Nahrungsmittel zum „Realsymbol" der personalen Gegenwart Christi als „Substanzwandel" gefaßt werden kann. Diese Neuinterpretation soll detailliert dargestellt und im Blick auf ihre ontologischen Implikationen analysiert werden. 2. Die Bearbeitung eines ursprünglich in den Bereich der römischkatholischen Theologie gehörigen Themas durch einen protestantischen Theologen könnte die Vermutung nahelegen, das Ziel der Analyse sei die Klärung der ökumenischen Relevanz bzw. Verträglichkeit der Neuinterpretation1 . Die Arbeit soll sich allerdings nicht einmal überwiegend mit den genuin theologischen Aspekten der Transsignifikationslehre befassen. Vielmehr trägt sie der Tatsache Rechnung, daß im Zentrum der Transsignifikationslehre das Anliegen steht, eine angeblich überholte und theologisch problematische Ontologie, auf der die traditionelle Lehre von der Realpräsenz beruht, zu ersetzen; die Neuinterpretation kann daher einer theologischen Kritik überhaupt erst dann unterzogen werden, wenn die als Ersatz herangezogenen ontologischen Behauptungen und deren Implikationen analysiert und auf ihre Schlüssigkeit hin untersucht sind. 2.1 Es ist überraschend, daß eine solche systematische Analyse der zunächst rein internen Schlüssigkeit der ontologischen Behauptungen der Vertreter der Transsignifikationslehre bislang weitgehend unterblieben ist, obwohl hier zumindest auf den ersten Blick durchaus Anlaß zu Rückfragen besteht: Zunächst ist es schon rein äußerlich bemerkenswert, daß diese ontologischen Thesen von den Vertretern dieser Position auf wenigen Seiten, bisweilen gar nur in wenigen Sätzen abgehandelt werden, und dabei der Anspruch erhoben wird, eine Ontologie zu entwerfen, die an die Stelle einer Substanzontologie treten kann 2 . Solche Kürze ist auch dann verwun1 Aspekte dieser Frage werden im Schlußteil (III B) ausführlicher behandelt; vgl. von röm.-kath. Seite: S.Trooster, Tegenwoordigheid spez. S. 129-132; G.Hintzen, Transsignifikation 209-216; ders., Gedanken S. 301-310; Th.Schneider, Diskussion S. 517-524; von prot. Seite: E.Schlink, Problem S. 156f; W.Pannenberg, Abendmahl S. 289f und ders., Problematik S. 310-315. Vgl. auch die Stellungnahme der Gemeinsamen Kommission in: K.Lehmann, W.Pannenberg, Lehrverurteilungen S. 106f. 2 Die ausführlichste Explikation der ontologischen These umfaßt 28 Seiten (G.Hintzen, Diskussion S. 198-226, allerdings sind hier einige Passagen aus der vorausgehenden Analyse der Positionen der Transsignifikationslehre hinzuzurechnen.) A.Gerken kommtmit 11 Seiten aus (A.Gerken, Theologie S. 199-210); J.B. W.M.Möller, (Transsubstantiatie) beschränktsich auf knapp 6 Seiten (ebd. S. 4-7 und 8-10); S.Trooster, Transsubstantiatie S. 740-742; E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 49-57 (nl. I, S. 166-

14

derlich, wenn die Vertreter der Transsignifikationslehre auf prominente philosophische Positionen meist phänomenologischer Provenienz verweisen, um ihre Behauptungen zu belegen 3 , denn gerade die Phänomenologie ist ein Musterbeispiel dafür, daß eine Rezeption der „Ergebnisse" philosophischer Positionen ohne die bewußte Übernahme von deren Fundament nicht möglich ist. Eine Reflexion dieser Bedingung findet sich nirgends. Vollends verwunderlich ist es, daß in keiner der Veröffentlichungen zum Thema expliziert wird, was genau eine „Ontologie" ist, und daß an keiner Stelle über ein Handbuchniveau hinaus gefragt wird, wodurch sich eine „Substanzontologie" auszeichnet 4 . Die Passagen zur Substanz etwa im Metaphysikkommentar des Thomas von Aquin, oder gar die Metaphysik des Aristoteles selbst werden m.W. von keinem der Vertreter der Transsignifikationslehre auch nur erwähnt; was doch eine Frage wert ist, wird hier offenbar als selbstverständlich betrachtet - schon dies allein gibt Anlaß zur kritischen Nachfrage nach den ontologischen Grundlagen der Position. Ferner fragt man sich aber auch angesichts der von den Vertretern der Transsignifikationslehre meist en passant vorgetragenen ontologischen Behauptungen nach deren Verifizierbarkeit: ist es denn richtig, daß „innerweltliches Seiendes" oder auch nur der Bereich der „Kulturgegenstände" durch ihren menschlichen (lebensweltlichen) „Sinn", ihre „Funktion" oder „Bedeutung" (oder - analog - durch den Sinn, den das Seiende nach dem Willen Gottes hat) so bestimmt ist, daß dieser Sinn als „Wesen" des jeweiligen Seienden bezeichnet werden kann? 5 Betrachten wir nicht viel172). 84-90 (nl.II, 378-382). 98-100 (ni. II, 387-389). Man muß zudem bedenken, daß die Ausführungen in allen genannten Beiträgen - wenn man sie auf die wesentlichen Thesen und deren Begründungen reduziert - nur wenige Zeilen einnehmen würden. 3 Ausführlich vgl. u. S. 299-303. Vorläufig: S.Trooster etwa verweist auf Heidegger (S.Trooster, Transsubstantiatie S. 741f), ebenso G.Hintzen, Diskussion S. 197ff, vgl. 196, und B.Welte, Diskussionsbeiträge, S. 193; E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 98 (ni. II, S. 388) auf Merleau-Ponty (dazu vorläufig G.Hintzen, Diskussion S. 115-122); ebenfalls auf Merleau-Ponty bezieht sich H.de Lavalette, Transsubstantiation S. 573f. G.B.Sala, der sich auf B.Lonergan beruft (Transsubstantiation S. 2f), fällt dem gegenüber etwas aus dem Rahmen. P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III, S. 398, nennt G.Marcel als philosophischen Gewährsmann. 4 G.Hintzen scheint seine Kenntnisse zur Substanzontologie überwiegend dem Artikel „Substanz" des LThK zu entnehmen, er nennt jedenfalls keine weitere Literatur (vgl. deis., Diskussion, S. 198-212, die Anm.; vgl. das Literaturverzeichnis ebd. S. 239247). Handbuchniveau haben die Ausführungen von J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 3,4,6, und S.Trooster, Transsubstantiatie S. 738; vgl. auch O.H.Pesch, Naturwissenschaft S. 71f; detaillierter die Ausführungen von I.de Baciocchi, Mystère, S. 572575, der allerdings nur mit Einschränkungen der Transsignifikationslehre im engeren Sinne zugerechnet werden kann (s. dazu unten S. 39f). 5 Zur Verifikation s.u. IC.

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mehr ganz unreflektiert und vorthematisch das „Wesen" des Seienden als eine Bestimmung, die diesem „an sich", d. h. ohne jeden Bezug auf ein anderes seiner selbst oder gar einen menschlichen Umgang mit ihm zukommt? Inwiefern ist denn die Behauptung, daß das Wesen des Seienden der „menschliche Sinn" ist, schlüssig? Unter welchen Bedingungen kann eine solche These Plausibilität beanspruchen? Sind diese Bedingungen im Rahmen der Transsignifikationslehre erfüllt? Weiter: was genau heißt eigentlich „Sinn"? Wie ist es zu erklären, daß in keiner der positiven Veröffentlichungen zum Thema dieser Begriff auch nur thematisiert, geschweige denn aufgeklärt wird, dessen Bedeutungsgehalt im Grimmschen Wörterbuch immerhin 48 Spalten füllt? 6 Woran liegt es, daß man unwillkürlich zögert, den Beschreibungen zwischenmenschlicher Phänomene zuzustimmen, die die Vertreter der Transsignifikationslehre als mögliche Analogien für eine Deutung der Realpräsenz Christi heranziehen: Betrachten wir tatsächlich so ohne Weiteres ein Geschenk oder leibliche Gesten als Medien einer „Selbstgabe des Gebers" oder als Zeichen, die das „sind" und mitteilen, was sie zum Ausdruck bringen? 7 Mit diesen Anfragen ist eine negative Antwort nicht vorweggenommen, sondern lediglich ein Klärungsbedarf angezeigt; allerdings machen sie deutlich, daß vor jeder Frage, ob es sich bei diesen Thesen um theologisch geeignete Interpretamente für eine Deutung der Realpräsenz handelt, sichergestellt werden muß, ob und unter welchen Bedingungen sie selbst eigentlich nachvollziehbar sind. Eine ausführliche kritische Analyse dieser Thesen fehlt bislang 8 . 6 J.u. W.Grimm, WB Bd 16, Sp. 1103-1151;dortwirdgeradeaufdie Vieldeutigkeit des Begriffes hingewiesen: Sp. 1105. Zur Verifikation der Behauptung, daß der Begriff „Sinn" nirgends aufgeklärt werde, vgl. unten I C. Am ehesten könnte G.Hintzen, Diskussion S. 198f, 200-202 den Anspruch erheben, den Begriff wenigstens durch den Verweis auf Lexikonartikel problematisiert zu haben (aaO. S. 200f, Anm. 6 und 7); auch er setzt allerdings voraus, daß der Begriff nicht klärungsbedürftig ist, denn sein einziges Problem besteht darin, ihn mit den ebenfalls ungeklärten Begriffen „Zweck" und „Form" zu vermitteln (ebd.; vgl. unten S. 205ff, bes. S. 209ff). 7 Vgl. etwa L.Smits, Vragen S. 51-54,55f; P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid II, S. 199; ders., Lehre S. 301f; ders., Mysterie S. 15; J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 10; E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 65f (nl. II, S. 364f); O.H.Pesch, Eucharistie S. 105, vgl. f; vgl. auch G.B.Sala, Transsubstantiation S. 17f u.ö. 8 Einige Kritiker der Transsignifikationslehre bieten Ansätze zu einer derartigen Klärung, vgl. z. B.: L.Scheffczyk, Ergebnisse S. 202-204, vgl. auch 192-196; O.Schelfhout, Bedenkingen S. 304-308,308-Schluß (Schelfhout geht überwiegend auf A.Vanneste, Bedenkingen, ein); vgl. auch F.Gaboriau, Eucharistie, S. 203f, 211. G.Hintzen, Diskussion, befaßt sich zwar ausführlich mit den Thesen der Vertreter der

16

2.2 Es gibt also gute Gründe, sich mit den ontologischen Thesen der Vertreter der Transsignifikationslehre zu befassen. Der Aufbau der Untersuchung sieht folgendermassen aus: In einem ersten Hauptteil sollen die ontologischen Thesen identifiziert, auf ihre Schlüssigkeit hin analysiert werden und die Folgen für eine mit diesen Mitteln rekonstruierte Eucharistielehre sichtbar gemacht werden (I). Das Ergebnis des Abschnittes besteht in dem Nachweis, daß die Vertreter der Transsignifikationslehre trotz der erklärten Absicht, die Bahnen einer Substanzontologie zu verlassen, an der Grundoption einer Substanzontologie vorthematisch und ganz selbstverständlich festhalten: an der Position eines „Realismus", dem gemäß das geradehin Erfahrene seinen Grund in einem diese Erfahrung erst ermöglichenden Selbststand des Erfahrenen findet. Auf dieser Basis aber ist es unmöglich, so wird sich zeigen, die ontologische Dignität der aus der phänomenologischen Tradition aufgenommenen Philosophumena - der begründenden Bedeutung des „lebensweltlichen Sinnes" für das „Seiende", der „personalen Gegenwart", der phänomenalen Einheit von „Zeichen" und „Bezeichnetem" - auszuweisen. Offenbar besteht hier ein Klärungsbedarf bezüglich des genauen Sinnes der Substanzontologie und des Verhältnisses derselben zu einer phänomenologischen Position. Diesem Verhältnis soll in einem zweiten Hauptteil nachgegangen werden (II), und zwar so, daß im Ausgang von Aristoteles die Grundoption einer Substanzontologie erhoben, im Ausgang von Husserl als dem Fundament der von den Vertretern der Transsignifikationslehre herangezogenen Positionen (Heidegger, Merleau-Ponty (und Marcel)) die Grundoption der phänomenologischen Tradition herausgearbeitet und anhand der genannten Positionen entfaltet wird. Das Ergebnis dieser Analysen wird eine ontologische Antithese sein, die sich zunächst und vorgreifend bestimmen läßt als Differenz zwischen einem explizit formulierten „Realismus" und einer Position, die Husserl als „transzendentalen Idealismus" bezeichnet: dem Rekurs vom geradehin erscheinenden Seienden auf das „Bewußtseinsleben" (im weitesten Sinne), dem es erscheint und ohne das dies Seiende nicht nur nicht gedacht werden, sondern auch nicht „sein" kann: das Seiende ist wesentlich Korrelat eines Bewußtseinslebens. Es wird sich zeigen, daß ein derartiger Bruch mit der

Transsignifikationslehre, seiner Darstellung mangelt es allerdings an der Einsicht in das eigentliche ontologische Problem, und vor allem an der Ginsicht in die Bedeutung der Alternative von Substanzontologie und Phänomenologie (s.u. S. 219ff). Die ungenügende Durchdringung der ontologischen Thesen wird übrigens auch bei HJorissen, Diskussion S. 39. 53 bemängelt.

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„Substanzontologie" nur auf der Basis eines grundsätzlichen Bruches mit deren Grundoption, einem „naiven Realismus", möglich ist, und daß nur auf dieser Basis die von den Vertretern der Transsignifikationslehre dem Kontext der phänomenologischen Tradition entnommenen Philosophumena ontologische Dignität erhalten. Es geht in diesem zweiten Hauptteil allerdings nicht nur darum, zu zeigen, daß diese Antithese zur Substanzontologie von den Vertretern der Transsignifikationslehre verfehlt wird, sondern auch darum, das Argumentationspotential der philosophischen Positionen herauszuarbeiten und zu werten; es wird so deutlich, daß eine Substanzontologie gegenüber dem phänomenologischen „transzendentalen Idealismus" ein Begründungs- und Plausibilitätsdefizit aufweist. Damit ergibt sich eine interessante Konstellation: die Analyse der Position der Transsignifikationslehre zeigt, daß ein substanzontologisches Denken im Sinne eines „naiven Realismus" eine zunächst gänzlich unproblematische Grundimplikation der theologischen Rede darstellt, an der gerade die römisch-katholische Theologie immer festgehalten hat, die aber auch in der protestantischen Theologie als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt wird. Diese scheinbare Selbstverständlichkeit wird von einem phänomenologischen Transzendentalismus mit auf den ersten Blick schwerwiegenden Gründen bestritten. Der Theologie, und speziell der römisch-katholischen Theologie wird also mit der vorliegenden Arbeit eine geklärte ontologische Alternative zur Bearbeitung zurückgegeben. Der Schlußteil (III) expliziert ansatzweise die theologischen Implikationen dieser Alternative und bereitet die weiterführende Aufgabe einer theologischen Stellungnahme zu jenem ontologischen Dilemma vor; er geht dabei von der Würdigung der theologischen „partícula veritatis" der Transsignifikationslehre aus. Die Transsignifikationslehre erweist sich so als Anstoß und Ausgangspunkt für eine tiefergreifende Anfrage an die ontologischen Grundlagen der Theologie; es wird in diesem Schlußabschnitt darum gehen, zu zeigen, an welchem Punkt genau das zunächst allgemeine ontologische Problem als theologische Fragestellung identifizierbar wird. 3. Das Anliegen einer Neuinterpretation der Transsubstantiationslehre ist mit der Neuorientierung der römisch-katholischen Ekklesiologie und Sakramententheologie speziell dieses Jahrhunderts eng verbunden und entnimmt dieser Neuorientierung zentrale Motive, so daß es sich empfiehlt, diesen weiteren Kontext vorbereitend kurz aufzurufen; nur so kann speziell dem protestantischen Leser verdeutlicht werden, daß es sich bei der Transsignifikationslehre nicht um einen von vornherein inkompatiblen, erratischen Block im Ganzen einer weitgehend unveränderten römischkatholischen Theologie handelt. Die Neuorientierung kann durch den 18

Begriff des „Corpus-mysticum-Christi" in ekklesiologischer Hinsicht, durch den Titel der „Liturgischen Bewegung" und der ihr entspringenden Sakramentenlehre (speziell die „Mysterienlehre") in sakramententheologischer Hinsicht umrissen werden. Die folgende knappe Darstellung erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit9 ; sie zielt vielmehr lediglich auf die Identifikation von Elementen ab, die die Transsignifikationslehre beeinflußt bzw. die Neuinterpretation der Lehre von der Realpräsenz motiviert haben. Ich skizziere zunächst im groben Überblick den Verlauf der Neuorientierungen (3.1) und umreisse dann (3.2) die theologische Gesamtintention. Am Leitfaden des sakramententheologischen Entwurfes von E.Schillebeeckx stelle ich in 3.3 den Zentralbegriff des „Realsymbols" vor. Abschließend (3.4) werden die für die Transsignifikationslehre wichtigsten Motive zusammengefaßt. 3.1 Die beiden genannten theologischen Strömungen stellen alles andere als scharf geschiedene Bewegungen dar. Sie verdanken sich einerseits gemeinsamen Quellen im 19. Jh.: die ekklesiologische Neuorientierung ist präformiert in der auf J.A.Möhler zurückgehenden Ekklesiologie der Tübinger und der Römischen Schule, und wird von dort speziell durch M.J.Scheebens „Mysterien des Christentums" ins 20. Jh. vermittelt10; die sakramententheologische Neuformierung findet Vorläufer in Gestalt der 9 Zur Neuorientierung der Ekklesiologie vgl. etwa die Überblicksdarstellungen bei: J.Frisque, Ekklesiologie 192ff, spez. 194-207 (dazu R.Aubert, Theologie 33-37); Y.Congar, Lehre (HDG III, 3 d) S. 115-123 und 83-88. 92-98. 100-107; St. Jäki, Tendances (bes. S. 21-79); F.Holböck, Mysterium S. 201-210; U.Valeske, Votum bes. 1-33, dort (Teil II) Bibliographie bis 1961; Verweise im ff auf Teil I. Zur Sakramententheologie: C.E.O'Neill, Sakramententheologie spez. S. 250-264, dort (291-294) Lit.; R.Finkenzeller, Lehre (HDG IV, 1 b) S. 133-Schluß; W. Trapp, Vorgeschichte; O.Rousseau, Histoire; Th.Maas-Ewerd, Krise; W.Birnbaum, Bewegung; ders., Kultusproblem I; vgl. auch die hervorragende Darstellung bei F.Eisenbach, Gegenwart S. 9-118, spez. S. 10-36 und 38-56. 10 Zum Ganzen: U.Valeske, VotumS. 14-21; Y.Congar, Lehre (HDG III, 3 d) S. SSSS. 92-98; H.Döring, Grundriß S. 62-64. Zu J.A.Möhlerund dessen Ekklesiologie: ders., Einheit; ders., Symbolik, S. 385-390. 390-411 u.ff; dazu: J.R. Geiselmann, Symbolik II S. 626-734. Zur Tübinger Schule: J.R.Geiselmann, Schule; zur Ekklesiologie (konzentriert auf J.A.Möhler): ebd., 534-605, spez. 566-592, vgl. auch R.Reinhardt, Fakultät. Zum Einfluß auf die Römische Schule: Y.Congar, aaO. S. 92; zur Römischen Schule selbst: W.Kasper, Tradition S. 9-26, zur Ekklesiologie: S. 102-109 (Perrone), 214-230, spez. 228f (Schräder, Passaglia). Zur Wirkung auf MJ.Scheeben: U.Valeske, aaO. S. 16; Y.Congar, aaO. S. 92; zur Ekklesiologie Scheebens: ders., Mysterien, spez. S. 442ff. Dessen Wirkung auf den Neuaufbruch nach 1918: M.Bernards, Lehre S. 47 und 4143; vgl. auch die Verweise auf Scheeben bei C.Feckes, Mysterium S. 7 u.ö.

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restaurativen B e s i n n u n g auf die Liturgie in der Benediktinerabtei v o n S o l e s m e , die w i e das v o n Möhler ausgehende Gedankengut letztlich auf Einflüsse der Romantik zurückgeführt werden kann. B e i d e B e w e g u n g e n überschneiden sich vielfältig und sind besonders nach d e m Neuaufbruch nach 1 9 1 8 k a u m zu trennen 1 1 . D i e s e r Neuaufbruch nach 1918 gehört in den weiteren Kontext einer Abkehr v o m Ideengut des 19. Jh., die sich in dieser Zeit s o w o h l in der Philosophie (Existenzphilosophie, dialogischer Personalismus) als auch in der protestantischen Tlieologie (etwa in Gestalt der dialektischen T h e o l o g i e ) a u f w e i s e n läßt 1 2 . D i e s e s Gesamtmilieu trägt und fördert beide B e w e gungen. D a s A n l i e g e n und die Grundmotive der B e w e g u n g e n sind in der ersten Hälfte d e s Jahrhunderts theologisch hart umstritten 1 3 , werden dann aber in z w e i Enzykliken weitgehend rezipiert, deren Formulierungen ebens o w i e das Gedankengut der B e w e g u n g e n das Vaticanum II, besonders die Liturgie- und die Kirchenkonstitution, prägen 1 4 .

11 R.Guardini, einer der Väter der Liturgischen Bewegung (ders., Geist (Nachwort von H.Maier) S. 149f, vgl. auch W.Birnbaum, Kultusproblem I S. 103-107, bes. 106), ist zugleich ein profilierter Vertreter der Corpus-mysticum-Ekklesiologie, vgl. etwa seine Ausführungen im ersten Heft der von Ildefons Herwegen als Organ der Liturgischen Bewegung herausgegebenen Reihe „Ecclesia orans": Vom Geist der Liturgie S. 42-54; vgl. weiter: ders., Erwachen bes. S. 63ff, vgl. A.Schilson, Perspektiven S. 34ff, 199ff, spez. 219ff; dasselbe gilt für O.Casel. Vgl. zum Zusammenhang beider Bewegungen auch C.E.O'Neill, Sakramententheologie S. 252f und 253-256, und W.Birnbaum, Kultusproblem I S. 64ff. Zum Einfluß der Romantik auch auf die Liturgische Bewegung vgl. W.Birnbaum, Bewegung S. 143ff, bes. 145.162ff. 166-174. 12 Zum Neuaufbruch nach 1918 vgl.: U.Valeske, Votum S. 9; E.Przywara, Krise S. 54; ders., ebd. S. 110; L.Bouyer, Théologie S. 315 und f; F.Malmberg, Leib S. 24-38; vgl. die Bibliographie zur „Corpus-mysticum-Christi"-Ekklesiologie bis 1940 von J.Bluett (Body), dort speziell den Verweis auf das rapide Ansteigen der Zahl der Veröffentlichungen zum Thema nach 1920 (S. 262). Zum Aufbruch der „Liturgischen Bewegung" vgl. etwa Th.Maas-Ewerd, Krise 4155 ; dazu R. Guardini, besonders seine Verweise auf eine geistesgeschichtliche Wende der Abkehr von den Idealen des 19. Jh.: Bildung S. 26-29.40-44.46-48.59-65.77-80. 98-103, vgl. Geist S. 129-143; in dieselbe Richtung zielen die Bemerkungen O.Casels, Kultmysterium S. 17-24 u.v.ö.; vgl. auch A.Schilson, Perspektiven S. 51f. 13 Th.Maas-Ewerd, Krise; vgl. dort besonders das Memorandum Bischof Gröbers (S. 540ff), das zur Liturgischen Bewegung (Punkt 1, 540-543) und zur Corpusmysticum-Ekklesiologie (Punkt 9,548f) gleichermassen Stellung nimmt; zur Auseinandersetzung um die Corpus-mysticum-Ekklesiologie vgl. weiter: D.C.Lialine, Etape S. 129-152. 14 Pius XII., „Mystici corporis" (1943, DS 3800-3822) zur Ekklesiologie; „Mediator Dei" (1947, DS 3840-3855) zur Liturgie.

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3.2 Als Leitmotiv der Corpus-mysticum-Ekklesiologie kann man den Versuch ansehen, im Gegenzug zu einer weitgehenden Reduktion der Ekklesiologie auf die sichtbare, juridische Gestalt derselben in der Theologie der Gegenreformation und der Aufklärungszeit15 die Kirche als geistliche, geheimnisvolle, soziologisch nicht faßbare Grösse zu verstehen; positiv wird die Kirche einerseits als geheimnisvolle Einheit der Glaubenden untereinander, als „Gemeinschaft" oder „Organismus" gedeutet, andererseits auf ihre mystische Einheit mit Christus bzw. dem Heiligen Geist abgehoben: die Kirche ist ein geheimnisvoll mit Christus verbundener und von ihm durchwalteter Leib, eine Fortführung der Inkarnation, ein von einem Geist durchlebtes „Gesamtich"16. Alle diese unterschiedlichen, zumeist vom Gedankengut der Romantik geprägten Bezeichnungen betonen eine übernatürliche, dem rationalen Zugriff entzogene „Innenseite" der Kirche und korrigieren so die „Veräußerlichung" des Kirchenbegriffes im

15 Viele Anhänger der Neuorientierung verweisen zur Abgrenzung auf Kardinal Bellarmin und dessen auf den Aussenaspekt der Kirche konzentrierte Ekklesiologie (vgl. ders., Disputationes, Controversiae De Eccl. lb III, cp 2, in der von mir verwendeten Ausgabe I, Sp. 1228 C-1229 D); zur Abgrenzung z. B. F.Malmberg, Leib S. 33. Aufschlußreich für die Ekklesiologie der Gegenreformation und der Aufklärungszeit: M.Ramsauer, Kirche; J.R.Geiselmann, Schule S. 537-566; vgl. weiter U.Valeske, Votum S. 9-29, sowie die Abgrenzungen z. B. bei: C.Feckes, Mysterium S. 9-13.120f und 150-153, dort weitere Beispiele aus dem 19. Jh. Schon das „Schema I Constitutionis Dogmaticae de Ecclesia ...", das auf dem Vaticanum I vorgelegt wurde, begründet den programmatischen Einsatz mit der Definition der Kirche als „Corpus mysticum Christi" (cap 1) u.a. mit dem Verweis auf die Vorwürfe der Kritiker der römisch-katholischen Ekklesiologie, denen gemäß diese zu ausschließlich auf den Aussenaspekt der Kirche konzentriert sei, vgl. Mansi 51, Adnotationes zum Schema, Sp. 553 B (3. ratio polemica usf.). 16 Zur Kirche als geheimnisvoller Einheit der Gläubigen, als Gemeinschaft und Organismus: als Grundlage J.A.Möhler, Einheit §§ 1-7 u.ö.; R.Guardini, Geist S. 45-55; ders., Erwachen S. 263-266; ders., Bildung 73-88, spez. 72-76; dazu sehr gut: A.Schilson, Perspektiven S. 199-234. Vgl. für weitere Lit.: U.Valeske, Votum S. 115ff. Die Einheit mit Christus und den Terminus „Leib Christi" hebt z. B. C.Feckes, Mysterium S. 12f. 15-52, spez. 28-44; 89.121-132 (in Vb. mit 104-121) hervor, vgl. 145-155 und 140-145, bes. 144. Vgl. weiter etwa R.Guardini, Geist S. 46; ders., Bildung S. 73-88, spez. 84-86; KAdam, Wesen, S. 24-59 u.ö.; O. Semmelroth, Ursakrament S. 34-44 u.ö.; vgl. weitere Lit. bei U.Valeske, Votum S. 128ff. 160ff; 196ff. Zur Deutung der Kirche als „Prolongation" der Inkarnation bzw. zur Deutung des Verhältnisses von Kirche und Christus in Analogie zur Inkarnation: J.A.Möhler, Symbolik S. 387-389(§ 36); C.Feckes, Mysterium S. 37.89.113ff u.ö.; vgl. für weitere Lit.: U.Valeske, Votum S. 165 und ff. R.Guardini bezeichnet die Kirche als „Gemeinschafts-Ich" (R.Guardini, Bildung S. 86. 88, vgl. auch A.Schilson, Perspektiven S. 213ff; W.Bimbaum, Kultusproblem I S. 62-67).

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„traditionellen" Verständnis 1 7 . D a s Grundproblem dieser Neuorientierung ist natürlich die Vermittlung dieser „Innenseite" mit der nach römischkatholischem Verständnis konstitutiven institutionellen Gestalt, speziell aber d e s kirchlichen A m t e s so, daß diese Innenseite nicht zur G e g e n - oder Konkurrenzinstanz des A m t e s wird 1 8 . D i e Liturgische B e w e g u n g wiederum entspringt zunächst d e m B e m ü hen, den Gläubigen die verständige Teilnahme am kirchlichen Sakramentsv o l l z u g , insbesondere an der Meßfeier, zu ermöglichen 1 9 . D i e B e w e g u n g erschöpft sich aber nicht in rein pragmatischen Hilfen - Meßerklärungen, Werben für eine häufige Kommunion (im Gegensatz zur B e i w o h n u n g bei der M e s s e ohne Kommunion), Beförderung landessprachlicher M e s s e n 2 0 - , sondern findet ihr Fundament im Verständnis der liturgischen Akte als kultischer Ausdrucksakte des Gesamtich der Kirche, d e m sich der einzelne Glaubende im innerlichen Mitvollzug, besonders in der K o m m u nion, anschließt 2 1 ; sie findet ein weiteres Fundament in der besonders mit

17 Vgl. U.Valeske, Votum S. 30-33. 18 U.Valeske, Votum S. 30-33; Y.Congar, Kirche bes. S. 16-41. 42-64; H.Döring, Grundriß S. 67-100; vgl. besonders die Klarstellungen in den in Anm. 16 genannten Texten und Textpassagen; vgl. zur Kritik M.D.Koster, Ekklesiologie S. 10-18 u.ö., dazu D.GLialine, Etape S. 148-150. Vgl. weiter die entsprechende Warnung vor einer Unterbewertung der Funktion des Amtes in „Mystici corporis" (DS 3801f und 3804), dazu und zu weiteren Kritikpunkten der Enzyklika: F.Malmberg, Leib S. 43ff und O.Semmelroth, Ursakrament S. 12-26. 19 F.Eisenbach, Gegenwart S. 22-38, spez. 30-36; W.Trapp, Vorgeschichte S. 1-5; vgl. folgende wichtige programmatische Texte: J.A. Jungmann, Grundanliegen S. 136; vgl. das Gutachten Jungmanns zum Memorandum von Bischof Gröber (abgedruckt bei Th.Maas-Ewerd, Krise S. 609ff, zum Kontext vgl. ebd. S. 263-285 und 338ff), dort spez. 614f. R.Guardini, Wort S. 194, zum Kontext neben Th.Maas-Ewerd, Krise, knapp A.Schilson, Perspektiven S. 43ff. Vgl. schon fürdie Liturgische Bewegung des 19. Jh.: W.Birnbaum, Bewegung S. 143166, bes. 145ff; ders., Kultusproblem I S . 33ff; 66ff; vgl. zum traditionellen Meßverständnis ebd. S. 10-26. 20 Vgl. etwa die der Liturgischen Bewegung entstammenden Meßerklärungen: den „Volksschott" (dort die Einführung, bes. VII-XIV), A.Schott, Meßbuch S. l*-7* im Kontext von l*-30*. Insgesamt: W.Trapp, Vorgeschichte S. 1-5; Vorwort von Abt Ildefons Herwegen zu R.Guardini, Geist S. 7-14; vgl. weiter für die Liturgische Bewegung im 19. Jh.: O.Rousseau, Histoire. 21 Die Grundlage ist hier die im Verständnis der Kirche als Corpus mysticum Christi begründete Höherbewertung der Teilhabe der Glaubenden am Priesteramt Christi, vgl. W.Birnbaum, Kultusproblem I S. 62ff; J.AJungmann, Gutachten (vgl. Anm. 19), S. 614f; sehr wichtig, weil wirkungsreich: R.Guardini, Geist S. 45-55 (die Kirche als „Gesamtich", vgl. auch ders., Erwachen S. 263-266; Bildung S. 71-86); Geist S. 75-85 (die Liturgie als Ausdrucksakt der Kirche, vgl. Bildung S. 89-113. spez. 103-113); dazu

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dem Namen O.Casels verbundenen Deutung des Sakramentes als „Mysterium", d. h. als Akt, in dem und durch den das in ihm symbolisch nachvollzogene Heilswerk Christi gegenwärtiggesetzt wird, so daß es sich an dem Glaubenden, der sich dem Kulthandeln der Kirche anschließt, vollzieht 22 . Entscheidend ist dabei die Konzentration des Sakramentes und seiner Wirksamkeit auf den Aspekt des (vom Glaubenden mitzuvollziehenden) Aktes: das Sakrament wird nicht als ein mit bestimmter, der Passion Christi entstammender Wirksamkeit begabtes „Ding" verstanden, sondern in erster Linie als ein Akt (der Kirche bzw. Christi im kirchlichen Handeln), der sich im Medium äußerer Symbole - Gebärden oder Zeichen - vollzieht 23 . Diese Positionen sind eng mit der Deutung der Kirche als in geheimnisvoller Einheit mit Christus stehender Größe verbunden, da das Verständnis des Sakramentes als gemeinsamer Akt der Kirche und Christi den Grund seiner Möglichkeit in der Einheit von Christus und Kirche findet, und die Forderung der Teilnahme der Gläubigen am Meßvollzug der - im Kontext der Deutung der Kirche als Einheit mit Christus in seiner Bedeutung neu entdeckten - Lehre vom „Priestertum aller Gläubigen" entspringt 24 . Im Bereich der Theologendiskussion wurden die Grundmotive der Neuorientierung in den 50er Jahren in der Lehre von der Kirche als „Ursakrament" zusammengefaßt, die breite Zustimmung fand und die eine - schon bei Möhler, Scheeben und Feckes präformierte - konstitutive Verbindung von Christologie, Ekklesiologie und Sakramentenlehre impliziert; der entscheidende Gewinn der Interpretation liegt darin, daß die Deutung der Kirche als Sakrament eine Zuordnung des strittigen Verhältnisses von „Innen-" und „Aussenaspekt" der Ekklesiologie erlaubt und es zudem ermöglicht, die Lehre von der Kirche strenger soteriologisch einzubinden25 . Speziell die Kirche und die Sakramente werden dabei als „Medien" A.Schilson, Perspektiven S. 34-60. 199ff, bes. 213ff. 219ff. 230-232; W.Birnbaum, Kultusproblem I S. 62ff; insgesamt: F.Eisenbach, Gegenwart S. 30-38; C.E.O'Neill, Sakramententheologie S. 252-255. 22 Zum Zusammenhang mit der Liturgischen Bewegung vgl. J.AJungmann, Gutachten (vgl. Anm. 19) S. 612. A.Schilson, Perspektiven S. 52-60. Zur Mysterienlehre hier zunächst beschränkt auf O.Casel: Mysteriengegenwart S. 156f. 186, vgl. 158-186; ders., Kultmysterium S. 71 u. pss., vgl. bes. von den Zusätzen zur hier zit. 4. Aufl: „Wesen" (ebd.) S. 134f 23 So z. B. R.Guardini, Geist S. 75-85; ders., Bildung S. 30-70. 103-110; Das Verhältnis wird hier als Materie-Form-Verhältnis in Analogie zur Zuordnung von Leib und Seele gedeutet, vgl. ders., Bildung S. 32f. 37-39. 54f. 65f. 24 Z.B. O.Casel, Mysteriengegenwart S. 157f; vgl. J.A.Jungmann, Gutachten (vgl. Anm. 19) S. 614 und - nur als Beispiel: R.Guardini, Erwachen S. 263-267. 25 Zur Geschichte des Begriffes vgl. M.Beraards, Lehre (er vergißt, Goethe als ersten Vertreter zu nennen: Dichtung und Wahrheit II, 7; Berliner Ausgabe S. 314);

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einer durch sie hindurch sich vollziehenden „Bewegung" des Menschen (durch die Kirche bzw. den in ihrem Handeln gegenwärtigen Christus) zu Gott, und Gottes (durch das Handeln Christi bzw. der Kirche) zum Menschen gedeutet, deren zentraler Vollzugsort das Sakrament ist 26 . Diese die Neuorientierung der Ekklesiologie und der Sakramentenlehre zusammenfassende Interpretation soll nun - konzentriert auf das Moment des „Realsymbols" - etwas detaillierter betrachtet werden: 3.3 Einer der profiliertesten Vertreter der Transsignifikationslehre E.Schillebeeckx - legte 1952 den ersten Teil eines sakramententheologischen Entwurfes vor, in dem er die Vermittlung der Anliegen einer kerygmatischen und einer dogmatisch-objektiven Sakramententheologie dadurch zu erreichen sucht, daß er das Sakrament als die Einheit eines Symbolaktes der Kirche (Ausdruck der „fides Ecclesiae") und eines in diesem Akt sich vollziehenden Handelns Christi (Mysteriengehalt des Sakramentes) bestimmt; die Sakramente seien „de kultuele symboolactiviteit van Christus in en door zijn kerkgemeenschap" 27 . Man kann das Werk als Abschluß der Neuorientierung nach 1918 betrachten: seine Grundentscheidungen werden im Verlauf der 50er Jahre unter den Theologen weitgehend rezipiert bzw. finden Verbreitung durch unabhängige Parallelen in Werken mit praktisch identischer inhaltlicher Ausrichtung 28 . Ich beziehe mich daher im folgenden auf Schillebeeckx und entfalte im Ausgang von dieser Position H.Döring, Grundriß S. 100-166, der ebenfalls die Kennzeichnung der Kirche als Sakrament als die glücklichste Zusammenfassung der Diskussion der letzten Jahrzehnte betrachtet (spez. ebd. S. 105f. 128 u.ö.); der Begriff „Ursakrament" wird programmatisch von O.Semmelroth in die ekklesiologische Debatte eingeführt (ders., „Die Kirche als Ursakrament" 1953). Zur Bedeutung der auf dem Vat II aufgenommenen Bezeichnung der Kirche (Lumen gentium 1,1) vgl. hier nur H.Döring, Grundriß S. 107f im Kontext von 100-112. 26 Z.B. O.Semmelroth, Ursakrament S. 185-196; E.Schillebeeckx, Sakrament S. 84-91; K.Rahner, Kirche S. 11-22.67 u.v.ö.; vgl. schon R.Guardini, Bildung S. 118125 und ders., Mysterium S. 127f u. ff. 27 E.Schillebeeckx, Heilsekonomie S. V, vgl. ähnlich ebd., S. 403f. 181-183.104106.232-235 und das frz. „Sommaire" S. 665f. 28 Vgl. zu dieser Einschätzung der Bedeutung des Werkes auch C.E.O'Neili, Sakramententheologie S. 255f, 256-264; im Blick auf die enge Verbindung von Christologie, Ekklesiologie und Sakramentenlehre parallele Entwürfe aus derselben Zeit liegen vor von O.Semmelroth (Ursakrament, bes. S. 27-68; das Werk erschien 1953 erstmals und ist trotz der engen Berührung der Grundstruktur mit den Ausführungen Schillebeeckx' wohl unabhängig von diesem); von K.Rahner (Kirche, bes. S. 11-67); sein Werk erschien 1960, der Grundgedanke ist vermutlich ebenfalls unabhängig von Schillebeeckx oder Semmelroth, vgl. ebd. Vorworts. 5. Weitere vgl. M.Bernards, Lehre S. 3541. Die unmittelbare oder mittelbare gemeinsame Quelle für alle derartigen Entwürfe aus dieser Zeit dürfte C.Feckes gewesen sein (Mysterium).

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und als deren Hintergrund einige für das Verständnis der Transsignifikationslehre entscheidende Motive der ekklesiologischen und sakramententheologischen Neuorientierung: 3.3.1 Entscheidend ist der Begriff des „Realsymbols", der sich in der Bezeichnung der Sakramente als „symboolactiviteit" durch Schillebeeckx andeutet. Der Anspruch des Begriffes „Realsymbol" ist im allgemeinen der, einen Zeichenbegriff zu überwinden, durch den das Zeichen als rein noetisches und konventionelles Hinweiszeichen auf eine von ihm ontisch unterschiedene „res" verstanden wird („facit aliquid aliud in cognitionem venire" - Augustin, De doctr. Christ. II, 1). Das Bemühen der der Transsignifikationslehre vorausgehenden Diskussion um den Zeichenbegriff zielt darauf ab, die Sakramente als Zeichen zu verstehen, so aber, daß dieser Zeichencharakter des Sakramentes der Wirksamkeit desselben und seiner Teilhabe an der durch es vermittelten Gnade nicht widerspricht (und so der Ergänzung durch diese Aspekte bedarf), sondern zum Fundament der Wirksamkeit und Gnadenerfülltheit wird 29 . Ein Sakrament ist damit nicht eine mit einer Kraft bestimmter Wirksamkeit erfüllte Entität, die eine von dieser Wirksamkeit unterscheidbare Zeichenfunktion hat, sondern ein Zeichen, das durch sein Bezeichnen das Bezeichnete vergegenwärtigt und es im Bezeichnen mitteilt 30 .

29 Man muß sich als Hintergrund das traditionelle Verständnis des Sakramentes als Zeichen und Instrument vergegenwärtigen, in dem die signifikative und die effektive Funktion des Zeichens unterschieden wird: Das Sakrament ist ein Zeichen (der mitgeteilten Gnade, der Passion Christi als Ursache der Gnade, und des ewigen Heils als Wirkung der Gnade, vgl. Thomas von Aquin, STh III q 60 a 3 resp); die Wirksamkeit des Sakramentes wird durch das Zeichen zwar angezeigt, sie stellt aber eine mit dem signifikativen Charakter nur additiv verbundene zweite Bestimmung dar (vgl. etwa STh III q 62 a 1 ad 1), die Gegenwart des Bezeichneten und damit auch die Wirksamkeit des Zeichens ist gerade kein Implikat des Zeichencharakters, sondern sprengt denselben. Zur skizzierten Intention der Lehre vom Realsymbol vgl. R.Guardini, Bildung z. B. S. 37ff; ders., Geist S. 73-85; G.Söhngen, Symbol S. 58ff (Söhngen sieht im Gegensatz zum oben Ausgeführten die Einheit von Zeichen- und Instrumentfunktion des Sakramentes bei Thomas vorbildlich verwirklicht, S. 61ff); vgl. auch die wirkungsreiche Studie von A.Vonier, Key S. 30 und passim; L.Monden, Symbooloorzakelijkheid 277f; E.Schillebeeckx, Heilsekonomie S. 394-403 sowie O.Semmelroth, Personalismus S. 205207. 211-218; vgl. auch die unten (S. 80, Anm. 2) aufgeführten Vertreter der Transsignifikationslehre. 30 Ich nenne nur zwei äußerst wirkungsreiche Beispiele: das Werk A. Voniers (Key), dessen Grundthese gerade die ist, daß das Zentrum des Sakramentes nicht seine isolierte Wirksamkeit, sondern die Einheit von Bezeichnen und Bewirken ist so, daß genau das Bezeichnete, nämlich-im Falle der Eucharistie:-der Tod Christi, im Zeichen und durch das Zeichen vergegenwärtigt wird, vgl. S. VII; 30ff. 38-44.59-63. bes. 96-107 auf dem Hintergrund von 86-95 u. pss.; O.Casel, Kultmysterium S. 75-89. 172-175., u.v.ö.

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Genauer liegen dieser Deutung des Sakramentes als Realsymbol zwei Gedankenkreise zugrunde: 1.) Einerseits beziehen sich die Vertreter des Konzeptes auf ein angebliches ursprüngliches Verständnis speziell des kultischen Symbolhandelns und der in dieses Handeln als Medien aufgenommenen Entitäten - bemüht wird hier z. B. ein „semitisches Zeichenverständnis", oder ein von den Mysterienkulten beeinflußtes altkirchliches Symbolverständnis, ein platonisch-griechisches Bilddenken, das Symbol Verständnis des Frühmittelalters oder primitiver Kulturen, die angeblich darin übereinstimmen, daß jeweils das Zeichen mit dem von ihm Bezeichneten identisch sei, es im Bezeichnen repräsentiere und dem Teilnehmer am Kulthandeln zugänglich mache 31 . In diesem Sinne sei das kirchliche Sakrament nicht ein erinnernder Hinweis auf das einstige Heilsgeschehen und die „kausal-mechanische" Applikation seiner Wirkungen, sondern die Vergegenwärtigung dieses Geschehens selbst und die Anteilgabe an diesem im Mitvollzug des Kulthandelns32 . 2.) Die zweite Quelle des Begriffes des Realsymbols ist die Deutung der Sakramente - und damit auch der Kirche - in Analogie zum menschlichen Leib als Medium des menschlichen „Geistes" bzw. der „Seele" und der (interpersonalen) Intentionen derselben; durch den Leib kommen diese „geistigen" Wirklichkeiten zur Erscheinung, Mitteilung und Wirksamkeit33 . So wird schon bei Möhler, dann aber auch bei Guardini, Semmelroth 31 Zum „semitischen Zeichenverständnis": L.Smits, Vragen S. 49-69; zum Verweis auf die Mysterienkulte und den Einfluß von deren Symbolverständnis auf das frühe Christentum: O.Casel, Kultmysterium S. 75-83. 143ff u.v.ö.; J.Betz, Eucharistie 1/1, S. 217-242 und bes. ebd. II/l S. 51f und 52-59; zum Einfluß des griechisch-platonischen Bilddenkens: A.Gerken, Theologie S. 65-74; zum frühmittelalterlichen Symbolverständnis vgl. das herrliche Werk von H.de Lubac: „Corpus mysticum", bes. S. 271-304 (frz. 255-284) und pss.; auf ein primitives Symbolverständnis verweist O.Casel, Glaube S. 213-220. Ich habe diese Parallelen hier nicht zu bewerten. Insgesamt vgl. zum Rekurs auf antike Vorbilder in der Liturgischen Bewegung: W.Birnbaum, Kultusproblem I S. 67-73. 32 Vgl. hier nur die knappe Zusammenfassung dieses Grundzuges der Mysterientheologie bei G.Söhngen, Wesensaufbau S. 44-46. 33 Ich nenne nur wenige Beispiele: R.Guardini, Bildung S. 30-70, der dabei den Charakter des Sakramentes als Ausdrucksakt der Kirche betont; vgl. schon J.A.Möhler, Einheit § 47, S. 157ff, zur Grundlage § 49,168 und Kontext; L.Monden, Symbooloorzakelijkheid bes. S. 278; O.Semmelroth, Ursakrament S. 60. 81f und ff bis 86; E.Schillebeeckx, Sakrament S. 88-91. Während das Paradigma in den bisher genannten Passagen auf die Sakramente Anwendung findet, tritt es in den folgenden als Analogie für das Verhältnis von Christus und Kirche auf: J.A.Möhler, Einheit § 49, S. 170f (dazu H.Wagner, Kirche S. 225-241); Y.Congar, Kirche S. 63f. 95; C.Feckes, Mysterium S. 122f und ff; 180ff; vgl. zusammenfassend H.Döring, Grundriß S. 72-75; beide

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und Schillebeeckx das kirchliche Symbolhandeln als Ausdruck des Selbstvollzuges der Kirche verstanden und - da die Kirche mit Christus als dessen Leib und damit Ausdrucksmedium verbunden i s t - als Ausdruck der Zuwendung Christi selbst gedeutet: „Wenn man den Leib eines Menschen berührt, hat man zugleich die Seele beeindruckt; die Seele wurde dem Zugriff ausgesetzt durch den Leib, in dem sie dem anderen Menschen gegenübersteht. So kommt der Mensch im Vollzug des einzelnen Sakramentes dadurch in den Bereich der unsichtbaren Gnade, daß er die sichtbare Kirche als ihre Verleiblichung berührt.... So [sc. wie der Umgang mit Christus zur Zeit des Erdenlebens Jesu der Umgang mit Gott selbst war, N.S1.] bewirken im Leben der Kirche die einzelnen sakramentalen Symbolhandlungen einen neuen Kontakt mit dem Ursakrament, aus dem heraus sie ins Leben des Menschen greifen. Da aber das Ursakrament sichtbare Gestalt der Gnade ist, bedeutet das zugleich Mitteilung der unsichtbaren Wirklichkeit, die wir Gnade nennen [und die nach Semmelroth eigentlich Gott selbst ist, vgl. ebd. S. 81, dazu lOlf und 199f, N.S1.]. Dieser rückläufige Weg des Menschen durch das einzelne Sakrament ins Ursakrament und dadurch in die göttliche Gnadenwirklichkeit ist die Entsprechung des Weges der unsichtbar-übergeschichtlichen Gnade in die zuständliche Verleiblichung im Ursakrament Kirche und deren historische Aktualisierung in den einzelnen sakramentalen Handlungen."34 Im Kontext dieses Modells wird dann auch die Wirksamkeit der Sakramente in Analogie zur Wirksamkeit des eine zwischenmenschliche Gemeinschaft vermittelnden und erwirkenden leiblichen Zeichens verstanden; das Zeichen sei hier gerade nicht Hinweis auf eine geistige Intention, sondern deren Verwirklichung und Vermittlung 35 . 3.) Die zunächst referierte Bezugnahme auf ein angeblich ursprüngliches Symbolverständnis bleibt unbefriedigend, sofern kein Weg zu einer gegenwärtig möglichen Rezeption dieses Zeichenverständnisses aufge-

Aspekte (Ekklesiologie und Sakramentenlehre) verbindet unter diesem Paradigma E.Schillebeeckx, bes. Organe, S. 383 und ff. Das Bild dürfte hier, in der Ekklesiologie, seinen Ursprung haben; es hat fließende Übergänge zur Deutung der Ekklesiologie in Analogie zur Christologie (etwa J.A. Möhler, Symbolik § 36, S. 389; Y.Congar, Kirche S. 65-104 [kritisch]); vgl. auch O.Semmelroth, Ursakrament passim; u.v.ö. 34 O.Semmelroth, Ursakrament S. 61f. 35 L.Monden, Symbooloorzakelijkheid S. 278 verweist auf das Beispiel eines die Freundschaft nicht nur anzeigenden, sondern vermittelnden Händedrucks; zuweilen wird der Versuch unternommen, die Wirksamkeit des Sakramentes im Sinne der Vermittlung der (personalen) Gemeinschaft mit Christus noch unmittelbarer aus der Analogie zur Leiblichkeit der interpersonalen Begegnung zu erschließen, vgl. etwa E. Schillebeeckx, Sakrament S. 90f.

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wiesen werden kann. Die Deutung des Sakramentes als Zeichen in Analogie zum menschlichen Leib kann als Versuch des Nachvollzuges dieser „ursprünglichen" Einheit von Zeichen und Bezeichnetem gedeutet werden; die aus der Verwendung der Metapher vom „Leib Christi" im Rahmen der Ekklesiologie sich ohnehin nahelegenden Parallelen zum Verhältnis von Gottheit und Menschheit in der Person Christi werden dabei gern angeführt 36 . 3.3.2 Schillebeeckx deutet nun das sakramentale Handeln der Kirche auf der Grundlage dieses Zeichenbegriffes als ein mehrschichtiges Geschehen: einerseits stellt es eine Verleiblichung der fides Ecclesiae dar, die sich zum Ausdruck ihres Glaubens natürlicher bzw. jüdischer kultischer Symbolhandlungen und Symbole bedient, die als „Materie" des Sakramentes in den Kontext des kirchlichen Kulthandelns aufgenommen und neubestimmt werden 37 . Dieses Kulthandeln der Kirche ist wiederum - da die Kirche mit Christus zu einer Einheit verbunden ist - das Medium, in dem sich das „Perennitätsmoment" des historischen Heilsgeschehens vollzieht, das so zur Erscheinung kommt und appliziert wird 38 . Dieses historische Heilsgeschehen ist seinerseits selbst nichts anderes als die Manifestation und der Vollzug der Zuwendung Gottes zum Menschen, und der antwortenden Hingabe des Menschen (Jesus) an Gott 39 ; diese Bewegung vollzieht sich im sakramentalen Ausdruckshandeln der Kirche so, daß die Kirche im Mitvollzug am heiligenden und kultischen Handeln Christi ebenso Anteil erhält wie das diesem Handeln beiwohnende und den sakramentalen Ausdrucksakt als Ausdruck der eigenen Hingabe an Gott mitvollziehende

36 Etwa O.Semmelroth, Ursakrament S. 38-44.104-113, bes. llOf. 37 E.Schillebeeckx, Heilsekonomie S. 412-414. 235. 667f; ders., Organe S. 399; ders., Sakrament S. 74-79.103f, vgl. J.Ambaum, Glaubenszeichen S. 33f. 38 E.Schillebeeckx, Heilsekonomie S. 232-235 u.ö.; vgl. ders., Sakrament S. 85 u.ö., vgl. auch ders., Organe, S. 384-386 und 389-392. Schillebeeckx spricht vom „Perennitätsgehalt", im Gegensatz zu O.Casel, dessen These von der Vergegenwärtigung des vergangenen, historischen Heilsgeschehens er für nicht nachvollziehbar hält. Dem historischen Heilsgeschehen eignet aber nach Schillebeeckx von vornherein ein „Ewigkeitswert", der sich der Vergänglichkeit entzieht (ohne daß ganz deutlich ist, was das eigentlich sein sollte), dessen Vergegenwärtigung daher möglich ist: E.Schillebeeckx, Sakrament S. 65ff; vgl. ders., Heilseconomie S. 215-227; die These stammt von L.Monden, Symbooloorzakelijkheid S. 280f; zum Ursprung vgl. E.Schillebeeckx, Heilseconomie S. 224, Anm.130, dazu 174f. Schillebeeckx versucht so, die „virtus" der Sakramente, die nach Thomas „ex passione Christi" fließt, mit der passio selbst in engere Verbindung zu setzen, indem er sie als Gegenwart des Ewigkeitswertes der passio selbst deutet. 39 Vgl. dazu ders., Sakrament S. 23-31. 38-43.

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Kirchenglied 40 . Die Sakramente sind so wesentlich Medien der personalen Begegnung von Gott und Mensch: die Manifestation und die Sichtbarkeit der Zuwendung Gottes in Christus durch die Kirche zum Menschen, und der Ausdruck der Hingabe des Menschen mit der mit Christus vereinigten Kirche an Gott: „De sacraméntele heilsliturgie zullen we precies de ontmoetingsplaats noemen van het „descendere" van de Zoon en de „reditus" van Gods lievelingsschepsel, de mens. „Venit autem in mundum ... ut per ipsum habeamus accessum ad Deum", waarbij de volstrekte prioriteit toekomt aan Gods neerdalende liefde."41 Die „Gegenstände" der Theologie - die Kirche und die Sakramente ebenso wie die Person und das Werk Christi - kommen im Kontext dieses Ansatzes gerade nicht mehr als isolierte, lediglich durch die Mitteilung einer wirkenden Kraft verbundene Entitäten in den Blick, sondern als „Sakramente", das heißt: als Medien des Ausdrucks und der Mitteilung von intentionalen Akten der Begegnung Gottes mit dem Menschen, und umgekehrt; diese Medien haben eine bestimmte Funktion und Bedeutung als Zeichen und Instrument dieser gegenseitigen Bewegung, und sind daher nicht selbstständig Entitäten bestimmter Wirkung, die zudem noch anderes bezeichnen: „Wat we hierbij scherp voor ogen moeten stellen is het feit dat we het symbool niet mögen hypostasiéren : dat het veeleer gaat niet om het „symbool" (de „res naturae") of „het uitgedrukte", maar om de symboolactiviteit, om de vertekening of om de symbolische uitdrukkingsactiviteit... Symboolschepping is het werk van de menselijke geest, zodat we een teken niet als een ding, een „res naturae" mögen beschouwen, maar wel als een „res naturae" die opgenomen is geworden als een moment van en in de menselijke geestesactiviteit."42 Oder, wie L.Monden formuliert:

40 Die Übernahme des im Symbolhandeln ausgedrückten Glaubens der Kirche in der Teilnahme an diesem Symbolhandeln interpretiert Schi 1 lebeeckx als den Akt, in dem das gläubige Subjekt auch am im kirchlichen Akt vergegenwärtigten Heilshandeln Christi Anteil erhält, vgl. ders., Organe 395f und 397f und bes. 400, vgl. Zit. unten Anm. 41; ders., Sakrament S. 92-95 und 112-114; ders., Heilsekonomie S. 659f u.ö. 41 E.Schillebeeckx, Heilsekonomie S. 16; vgl. auch die signifikante Formulierung in ders., Organe: „Aus alldem erhellt zur Genüge, daß die Sakramente weder „Dinge" noch .Automaten" sind, sondern menschlich-inkarnierter gegenseitiger Einsatz von Seiten Christi wie seiner Kirche ..., wie auch des empfangenden Gläubigen, der in Gnadensehnsucht die alleinseligmachende ... Kraft Christi durch seinen gläubigen Empfang oder richtiger durch sein aktives Mitfeiern des Sakramentes erfaßt." (S. 400). 42 E.Schillebeeckx, Heilsekonomie S. 396; vgl. ebenso deutlich ders., Organe S. 400 (Zitiert oben Anm. 41).

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„Niet het water b.v. of de doopformule zijn op zichzelf sacramenteel symbool, maar alleen de aan een lichaam voltrokken indompeling of wassing met de door de priester daarover uitgesproken woorden. De ritus is dus niet teken van een ding, maar van een gebeuren. Het teken is gebaar, is handeling ... "43 3.3.3. Der Begriff des „Realsymbols", das als in einen Akt der personalen Begegnung aufgenommenes „Ding" gleichsam eine Zwischenstellung zwischen „Ding" und „Person" einnimmt, erlaubt es in der Anwendung auf die von der Theologie behandelten Gegenstände, diese dadurch zu „personalisieren", daß sie als die äußere Gestalt einer durch sie sich vollziehenden Bewegung oder Intention verstanden werden. Dies Anliegen einer Personalisierung hat die Konzentration der Ekklesiologie und der Sakramentenlehre auf die „unio cum Christo" und die Funktionalisierung von Kirche und Sakramenten in diesem Zusammenhang zum Hintergrund, die schon die vorangegangenen Phasen der Neuorientierung prägte44, und deutet diese unio als „personales" Verhältnis. Dieser Deutung wiederum liegt eine breite Tradition der Aufnahme des dialogischen Personalismus nicht nur im Bereich der römisch-katholischen Theologie zugrunde 45 , die beansprucht, im Gegenzug zu einer Versachlichung oder Objektivation der theologischen „Gegenstände" in der Tradition46 diese in „personalen" Kategorien, in Analogie zur „Personalität" des Menschen, statt in Analogie zur kausalen Wirksamkeit von Naturgegenständen, zu deuten 47 . Die dieser Tradition entstammende, äußerst sugge43 L.Monden, Symbooloorzakelijkheid S. 283, kursiv im Original. 44 So etwa bei M.J.Scheeben, Mysterien S. 446-448 und ff; R.Guardini, S. 127144, bes. 141ff; C.Feckes, Mysterium S. 37-44,44ff. 121 f. 140ff u.ö.; vgl. auch O.Casel, Mysteriengegenwart bes. S. 175.167-170. u.ö.; ders., Glaube S. 193-195; ders., Kultmysterium S. 60-74 und bes. 79. 45 Greifbar ist dieser Einfluß des Personalismus etwa bei R.Guardini (z. B. Person spez. S. 81-134, dort bes. 103-111), bei O.Semmelroth (z. B. Verlust; bes. aber ders., Personalismus, spez. S. 203-207); bei H.Mühlen (z. B. Geist S. 26-82; vgl. ders., Vorverständnis). Im Bereich des Protestantismus vgl. nur: F.Gogarten (z. B. Wirklichkeit bes. S. 132-143, spez. 140ff); K.Heim, (z. B. Glaube, bes. S. 199-242.279ff u.ö.); E.Brunner (z. B. Wahrheit, passim). Zu Brunner, Heim und Gogarten vgl. jetzt: G.Hummel, Begegnungen S. 158-220, spez. 185ff; vgl. auch G.Gloege, Personalismus. 46 Vgl. bes. E.Schillebeeckx, Sakrament S. 13 und ff; ders., Organe S. 379 und ff; O.Semmelroth, Ursakrament S. 207-235, ders., Verlust S. 315 und 320-323. 47 Vgl. nur als Beispiel: O.Semmelroth, Verlust passim, bes. S. 315f, bes. auch ders.,Personalismus S. 203ff, spez. 205f. 208ff, vgl. die in Anm. 45 genannten Passagen. Die Verbreitung derartiger Gedanken wird erkennbar, wenn man in einer relativ beliebig herausgegriffenen Festschrift (FS Kardinal Volk: O.Semmelroth (Hg.), Martyrium) die Beiträge daraufhin ansieht: von insgesamt 25 Beiträgen (davon einer ganzen Reihe solcher, die historischen Inhaltes sind und daher als Gegeninstanz nicht in Frage kommen) beziehen sich mindestens 5 auf den Gegensatz eines „dinglichen" und

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stive Antithese von „dinglich" und „personal", die uns im Rahmen der Transsignifikationslehre noch ausführlich beschäftigen wird, stellt das Paradigma dar, mit dessen Hilfe die theologische Orientierung an der Objektivität des Glaubensgegenstandes überwunden und die Glaubenswirklichkeit als ein auf den Empfang zielendes, intentionales Geschehen erfaßt werden soll; diesem Charakter eines personalen Geschehens soll der Rekurs auf die Funktion des menschlichen Leibes als Analogiebasis für die Deutung des Sakramentes dienen. 3.4 Die wichtigsten weiterführenden Elemente dieses theologiegeschichtlichen Hintergrundes der Transsignifikationslehre sind folgende: Die Sakramente, die Kirche und die Menschheit Christi stellen Analoga des menschlichen Leibes und seiner Gesten dar: sie sind realisierende Zeichen einer gegenseitigen Begegnung von Gott und Mensch, genauer: Ausdrucksakte des Glaubens der Kirche und der mit ihr verbundenen Gläubigen, in denen Christus selbst das ewig-aktuelle Heilswerk vollzieht und so an ihm Anteil gibt. Die „Aussengestalten" des sakramentalen Vollzuges und der Kirche sind Medien dieser gegenseitigen, als personales Verhältnis gedeuteten Begegnung. Mit dieser Deutung wird die traditionelle Unterscheidung der in den Sakramenten „enthaltenen" virtus Christi von Christus selbst eingezogen. Was zuvor die von Christus selbst unterscheidbare virtus oder die dem Gläubigen vermittelte gratia war, ist nun der sich zur personalen Begegnung gebende Christus selbst. Dies impliziert ein wichtiges weiteres, bisher noch nicht genanntes Element: die Ausweitung des Sinnes der Rede von der „Gegenwart Christi" über die Präsenz Christi unter den eucharistischen Gestalten hinaus. Diese eucharistische Realpräsenz erhält gleichsam Konkurrenz; man spricht von der Gegenwart Christi in der Kirche, im Priester, von der Gegenwart des Handelns Christi im Handeln der Kirche und ihrer Diener, und von der Gegenwart des historischen Heilswerkes bzw. seines „Perennitätsgehaltes" im sakramental-abbildlichen Tun der Kirche 48 . So unterscheidet die „personalen" bzw. auf die verwandte Unterscheidung eines „geschichtlichen" und „statischen" Denkens; es handeltsich um die Beiträge von H.Mühlen (S. 41), J.Ratzinger (S. 61ff), I.Willig (94 u. ff), W.Kasper (S. 264. 274f. 278), F.Wetter (S. 308ff). 48 Vgl. insgesamt F.Eisenbach, Gegenwart S. 118-124; O.Casel etwa spricht von einer Realpräsenz der Heilstat im sakramentalen Handeln der Kirche (z. B. O.Casel, Mysteriengegenwart S. 174.176f; vgl. die ausdrückliche Analogie S. 185f u.ö.). Vgl. die unterschiedlichen Ausprägungen des Gedankens etwa in der in das Vat II aufgenommenen Passage der Enzyklika „Mediator Dei" (DS 3840, vgl. „Sacrosanctum concilium" cp I, 7), wo die Realpräsenz unter den Gestalten hervorgehoben wird, und bei B.Langemeyer, der als grundlegende Gegenwart die Gegenwart Christi im Gläubigen

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berühmte und vielzitierte Differenzierung von J.Betz mehrere Modi der Gegenwart Christi, die alle Modi der Realpräsenz darstellen: die „Aktualpräsenz" im Sinne der Gegenwart des im sakramentalen Handeln der Kirche selbst tätigen Herrn entspricht der Deutung des Sakramentes als Akt des erhöhten Herrn im Kulthandeln der Kirche bei Schillebeeckx, bzw. der Deutung der Kirche als mit Christus geheimnisvoll geeinter Leib Christi im Rahmen der Corpus-mysticum-Ekklesiologie; die „kommemorative Aktualpräsenz" nimmt das Anliegen der Mysterientheologie auf und bezeichnet die Gegenwart des historischen Heilsgeschehens unter dem Tun der Kirche; die „Substantialpräsenz" des Leibes und Blutes Christi unter den Gestalten wird diesen zuerst genannten Modi als dritter, und damit ausdrücklich nicht als einziger Modus der Realpräsenz zugeordnet 49 . Bestimmt man die Abkehr von der Deutung der Heilsmittel - besonders der Kirche und der Sakramente - als „heiliger Sachen" als die negative Grundintention der Neuformierung der Ekklesiologie und Sakramentenlehre in der römisch-katholischen Theologie, die Integration derselben in den Kontext einer sich durch diese Medien vollziehenden und mitgeteilten Bewegung der Begegnung von Gott und Mensch als den Zielpunkt dieser Neuorientierung, so wird deutlich, daß sich die traditionelle Eucharistielehre, und besonders die Lehre von der Realpräsenz unter den Gestalten, hier „sperrt": der Einordnung der eucharistischen Elemente in eine sich durch das Sakrament vollziehende, nicht-gegenständliche, intentionale Begegnung Gottes mit dem Menschen und umgekehrt sind hier dadurch Grenzen gesetzt, daß nach traditionellem Verständnis im Zentrum der Eucharistie die Objektivität einer Realpräsenz unter den Gestalten steht: „ ... sacramentum dicitur ex eo quod continet aliquid sacrum. Potest autem aliquid esse sacrum dupliciter, scilicet absolute et in ordine ad aliud. Haec autem est differentia inter Eucharistiam et alia sacramenta habentia materiam sensibilem, quod Eucharistia continet aliquid sacrum absolute, scilicet ipsum corpus Christi ... Et ideo sacramentum Eucharistiae perficitur in ipsa consecratione materiae; alia vero sacramenta perficiuntur in applicatione materiae ad hominem sanctificandum ..."so Die Lehre von der Gegenwart der Substanz Christi unter Brot und Wein muß vor dem Hintergrund des Bemühens, das Sakrament unter dem Paradigma einer „personalen" Begegnung des ohnedies in der Kirche und im kirchlichen Handeln schon realpräsenten Christus mit dem Gläubigen herausstellen will (B.Langemeyer, Gegenwart S. 288 u. ff. 292 u. ff. 306f), vgl. auch E.Schillebeeckx, Transsubstantiation S. 328. 49 J.Betz, Eucharistie 1/1 S. XXIII-XXV. 50 Thomas von Aquin, STh III q 73 a 1 ad 3.

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wesentlich als Ausdrucksakt zu deuten, als Relikt eines vergegenständlichenden Verständnisses des sakramentalen Geschehens erscheinen. Die Transsignifikationslehre kann als der Versuch verstanden werden, die traditionelle Lehre von der „Realpräsenz" in diesen Kontext einer sakramental vermittelten Begegnung Christi mit dem Gläubigen zu integrieren. Wie genau dies aussieht, ist nun zu entfalten und zu diskutieren.

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I

K L Ä R U N G UND DISKUSSION DER TRANSSIGNIFIKATIONSLEHRE

Der erste Hauptteil dient dem Ziel, die Transsignifikationslehre auf die interne Schlüssigkeit insbesondere ihrer ontologischen Behauptungen und der auf diesem Fundament aufgebauten eucharistischen Position hin zu untersuchen. Zunächst einige einleitende Bemerkungen zum Gegenstand und zur Methode der Arbeit: 1. Der Versuch, die Fülle der Beiträge zur Transsignifikationslehre über den negativen Generalnenner einer Kritik an der traditionellen Eucharistielehre hinaus als einheitliche Position zu erfassen, stößt bald auf Probleme, da die meist sehr kurzen 1 Stellungnahmen inhaltlich stark divergieren: 1.1 Vorgreifend kann man mit G.Hintzen 2 zwei Ansatzpunkte unterscheiden: der Terminus „Transfinalisation" umschreibt den Versuch, B e 1 Es gibt nur sehr wenige monographische Beiträge zum Thema: eher zur Vorgeschichte ist F.-J.Leenhardt, Ceci est mon Corps (1955) zu rechnen, monographische Stellungnahmen zur Transsignifikationslehre im engeren Sinne bieten L.Smits (Actuele vragen rondom de Transsubstantiatie (etc.) 1965), G.Liesting (Het sacrament der Eucharistie, 1966), AGerken (Theologie der Eucharistie, 1973); der Beitrag von J.de Jong (Die Eucharistie als Symbolwirklichkeit, dt. 1969, nl. 1966) kann nur mit Einschränkungen der Transsignifikationslehre zugerechnet werden, da de Jong ausschließlich am eucharististischen Geschehen bzw. den Elementen als Realsymbol interessiert ist. Die Werke von J.Powers (Eucharistie in neuer Sicht, 1968 (engl. 1967)) und G. Hintzen (Die neuere Diskussion über die eucharistische Wandlung, 1976) stellen bereits überwiegend Überblicke über die Debatte dar, bei beiden allerdings mit dem Ziel einer eigenständigen Entfaltung einer Stellungnahme. Der vielzitierte Beitrag von E.Schillebeeckx (Die eucharistische Gegenwart, 1967) ist strenggenommen keine Monographie, sondern die nur in der dt. Übersetzung vorgenommene Zusammenstellung zweier aufeinanderfolgender Aufsätze, die 1965 und 1966 in der TTh erschienen. Der Schwerpunkt der Debatte liegt also auf der Unzahl meist kleinerer Aufsätze in oft abgelegenen Zeitschriften; die Beiträge zum Thema sind im Literaturverzeichnis gekennzeichnet (s. dort). 2 G.Hintzen, Diskussion S. 12 und 193; ausgeführt werden die Ansatzpunkte S. 12-23 (Substanzbegriff) und 23-35 (Zeichenbegriff); Hintzen ist der Meinung, daß eine schlüssige Neuinterpretation nur möglich ist, wenn die Entfaltung des Zeichenbegriffes durch die Neuinterpretation des Substanzbegriffes gestützt wird (vgl. ders., Diskussion S. 197, ders., Transsignifikation S. 207, 208f).

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griff und Sache der Substanz durch die Identifikation des (menschlichlebensweltlichen oder göttlichen) „Sinnes" des Seienden als dessen Wesen zu ersetzen, um auf diese Weise die Substanzverwandlung als „Sinnwandel" deuten zu können. Das movens der Neuinterpretation ist hier die Suche nach einem Substanzbegriff, der - anders als nach Ansicht der Neuinterpreten der naturphilosophische Substanzbegriff - den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen über Aufbau und Struktur der materiellen Welt nicht zuwiderlaufen soll. Der Begriff „Transsignifikation" steht eigentlich für dasselbe Programm („significatio" = „Bedeutung"), wird aber des öfteren auch als Bezeichnung der Neuinterpretation im Blick auf den zweiten Ansatzpunkt, als „Zeichenverwandlung", gedeutet 3 : die Realpräsenz unter den Gestalten wird hier in den Kontext des eucharistischen Geschehens eingeordnet und so vom Gesamtakt der Eucharistie und dessen Ziel - etwa der personalen Gemeinschaft von Christus und dem Gläubigen - her verstanden, wodurch die Konzentration der traditionellen Eucharistielehre auf das isolierte Faktum der Realpräsenz beseitigt werden soll. Der eucharistische Gesamtakt wird dabei unterschiedlich bestimmt (s.u.); sehr häufig wird er der Vermittlung personaler Nähe und Gemeinschaft unter Menschen durch das Medium von Gesten oder Geschenken analogisiert. Brot und Wein stellen in diesem Kontext „Realsymbole" im einleitend beschriebenen Sinne dar, von der bezeichneten Wirklichkeit erfüllte Zeichen also, durch die Gott bzw. Christus dem Glaubenden seine Nähe und Gemeinschaft vermittelt. Der Ansatzpunkt ist hier negativ die Kritik an der Isolation einer „Realpräsenz" vom Kontext des sakramentalen Aktes, die als „dingliche" Anwesenheit dem „personalen" Charakter des Sakramentes widerspreche, und entsprechend positiv der Versuch, durch die Deutung der Elemente als „Realsymbole" im Kontext eines personalen Geschehens diese „Personalität" der Gegenwart Christi zu wahren, ohne in direkten Konflikt mit dem Sachgehalt der traditionellen Definitionen zur Realpräsenz zu geraten. Unter „Gegenwart" wird dabei demnach in erster 3 So etwa G.Hintzen, Diskussion, S. 12; hier scheint mir allerdings ein Verständnisfehler vorzuliegen, denn Hintzen ist der Meinung, daß „Transsignifikation" mit „Zeichenverwandlung" wiedergegeben werden könne, vgl. ders., Transsignifikation S. 203 und ders., Zeichenwirkung S. 115. „Significatio" heißt aber „Bedeutung", und „Transsignifikation" entsprechend „Bedeutungswandel", also dasselbe wie „Transfinalisation". Das Mißverständnis legt sich offenbar nahe, es ist nicht ganz klar, ob schon P.Schoonenberg dieser Meinung ist, wenn er schreibt: „Wat er geschiedt is een tekenverandering. De transsubstantiatie is een transfinalisatie of transsignificatie..." (Tegenwoordigheid III, S. 415, zustimmend zit. auch bei E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 80 [nl. II, S. 375]).

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Linie die Gegenwart Christi „beim" Glaubenden verstanden, während die Realpräsenz unter den Gestalten als Vermittlung dieser Gegenwart durch Realsymbole interpretiert wird. Formal wird in dieser und ähnlichen Interpretationen nicht mehr der Akt der Eucharistie vom Zentrum der Realpräsenz her gedeutet, sondern umgekehrt: die Realpräsenz und ihr Modus aus dem Horizont des eucharistischen Aktes erschlossen. Viele Beiträge verbinden beide Anliegen zu einer Position, die folgendermassen umrissen werden kann: Die Transsignifikations- bzw. Transfinalisationslehre ist die Lehre von der Eucharistie als Akt der Vermittlung der personalen Gegenwart Christi beim Glaubenden, die sich durch das Medium von Elementen realisiert, die durch die Aufnahme in diesen Kontext vom „Nahrungsmittel" zum „Realsymbol der Gegenwart Christi" verwandelt werden4. 1.2 Die so unter einem Nenner vereinten Beiträge divergieren allerdings in grundlegenden Fragen. Das Verständnis des Gesamtaktes der Eucharistie, in dessen Kontext die bislang isolierte Realpräsenz unter den Gestalten eingeordnet und gedeutet werden soll, variiert vielfältig: während häufig, wie oben beschrieben, die Vermittlung personaler Gemeinschaft das Deutungsparadigma darstellt5, orientiert sich z. B. G.Liesting am Opfercharakter der Eucharistie6, E.Schillebeeckx und B.Welte hingegen 4 Durch diese Skizze ist nur ein Teil der Stellungnahmen zum Thema abgedeckt; es gibt Positionen, die sich selbst der Transsignifikationslehre zurechnen, die sich aber ausdrücklich gegen die Deutung der Eucharistie in Analogie zu interpersonalen Akten wenden (G.Liesting, Sacrament S. 36.201-203, vgl. aber auch 178f), und stattdessen auf eine andere Bestimmung des Rahmens der Eucharistie rekurrieren, bei Liesting etwa das Opfer, ebenso bei J.de Baciocchi (Présence S. 140f); bei Baciocchi ist aber auch der Verweis auf das dadurch realisierte „don total" Christi an seine Kirche, und überhaupt die einem Rekurs auf die interpersonale Begegnung sehr ähnliche Passage S. 141-149 zu berücksichtigen. 5 P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III S. 413-415, bei Schoonenberg wird aber auch auf das „Mahl" rekurriert, durch das sich diese personale Relation vollzieht (vgl. Terugblik S. 321-327); vgl. weiter z. B. E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 65f (ni. II, S. 364f). 81 (ni. II, S. 376), vgl. aber die Einschränkung S. 93(nl.II,S. 384); Ch.Davies, Presence S. 160f; L.Smits, Vragen S. 51-54. 56-62. 65-69; etc.pp. 6 G.Liesting, Sacrament. Das zentrale Anliegen Liestings ist die Deutung der Eucharistie als einer „Wirklichkeit", die wesentlich auf die Teilhabe der Gläubigen ausgerichtet ist (vgl. S. 25f gegen die nachtridentinische Lösung der Eucharistie von der communio, vgl. auch S. 68f und 47f u.ö.), ein Motiv der Liturgischen Bewegung (vgl. Einleitung). Liesting faßt dazu die Momente der Eucharistie in zwei zentralen Punkten zusammen (S. 56 u. ff): die Mysterienfeier Christi (Vergegenwärtigung des Opfers) dies Element soll die Objektivität des Geschehens im Sinne der Unabhängigkeit der eucharistischen Wirklichkeit vom Empfang wahren (S. 79-139). Zweitens die commu-

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am Mahlcharakter7, ohne daß die unterschiedlichen Ansatzpunkte in einen direkten Gegensatz träten8. Die auf den ersten Blick einheitliche These, das „Wesen" des Seienden bestehe in dessen „Sinn", erweist sich, wie ich zeigen werde, bei näherem Hinsehen schon dadurch als äquivok, daß gar nicht feststeht, daß unter „Sinn" jeweils dasselbe verstanden wird; die Positionen weisen auch hinsichtlich Frage, ob nun der menschlich-lebensweltliche „Sinn", oder ein göttlicher „Sinn" das „Wesen" des Seienden darstelle, Differenzen auf 9 . Auch schon bezüglich des negativen Nenners der Neuinterpretation ergeben sich Differenzen, denn die Kritik an der Bindung der eucharistischen Tradition an die Substanzontologie zielt in unterschiedliche Richtungen: so stellt etwa J.B. W.M.Möller fest, daß eigentlich nur eine Person eine Substanz (im Sinne von: etwas Selbstständiges) sei, während diese Kategorie auf nicht-personales Seiendes (und damit auch für Brot und Wein) nicht anwendbar sei 10 . Andere Vertreter der Neuinterpretation hingegen betonen, daß die Kategorie der Substanz gerade von Personen nicht prädizierbar sei, sondern ausschließlich von „Dingen"11; der Begriff scheint hier unterschiedlich gefüllt zu sein. nio als Teilnahme der Gläubigen am Opfer Christi (S. 139ff, bes. auch 83.91-110, spez. 110). Das Grundparadigma istdas Opfer in der wesentlichen Zuordnung von Opferhandlung und Opfermahl. Dasselbe Paradigma bei J.de Baciocchi, vgl. dazu unten, Anm. 18. 7 B.Welte, Diskussionsbeiträge S. 184ff; E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 81ff. 92ff (nl.II, S. 376-378.383-387): das Gemeinschaftsmahl Christi mit den Jüngern ist der Ausgangspunkt, der im Verlauf der von Schillebeeckx skizzierten traditionsgeschichtlichen Entfaltung der Eucharistie durch die übrigen Momente und Bestände des Aktes ergänzt wird, vgl. unten S. 253f; vgl. weiter auch H.J.H.M.Fortmann, Presentie S. 204211. 8 Vgl. etwa die in der dt. Ausgabe des von der Transsignifikationslehre beeinflußten „Holländischen Katechismus" (Glaubensverkündigung S. 376f) oder bei G.Liesting, Sacrament S. 54-56 aufgezählte Fülle von Bedeutungen der Eucharistie; für praktisch jede von ihnen kann man mindestens eine Position aus dem näheren oder weiteren Kontext der Transsignifikationslehre nennen, der sie als Grundparadigma der Eucharistielehre gilt; vgl. weiter Th.Schneider, Diskussion S. 507-517. 9 Vgl. dazu unten I C , spez. die Diskussion der Ansätze G.B.Salas (S. 174ff) und G.Hintzens (S. 208ff) 10 J.B.W.M.Möller.TranssubstantiatieS. 4 und 6; vgl. E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 62 (ni. II, S. 362), dazu G.B.Sala, Transsubstantiation S. 9. 11 P.Schoonenberg, Terugblik S. 321; H.J.H.M.Fortmann, Onrust S. 298 und 301 spricht im Referat der Absicht der Vertreter der Transsignifikationslehre, die Substanzontologie zu ersetzen, von „physizistischen, sachlichen" im Gegensatz zu „personalen" Kategorien; F.-J.Leenhardt, Corps S. 16, bezeichnet den „substantialisme" als „chosisme", vgl. ebd. S. 37; vgl. speziell auch A. Gerken, Theologie S. 201f, ebd. auch Anm. 67, und 203ff; L.Smits, Vragen S. 30; L.v.Hout, Fragen S. 186f; auch J.B.W.M.Möller scheint sich über den Sinn des Substanzbegriffes nicht recht schlüssig zu sein, denn in

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Trotz dieser und weiterer Differenzen verstehen sich die Neuinterpreten als einheitliche Position und werden gemeinhin so behandelt 12 . 2. Für die angedeutete mangelnde Einheitlichkeit der Position sind unterschiedliche Faktoren verantwortlich: 2.1 Die Diskussionen zur Transsignifikationslehre spielen sich - wenn man einmal von den wenigen genannten Monographien absieht - in oft extrem kurzen Aufsätzen ab, die den Anspruch, eine umfassende Deutung der Eucharistie zu bieten, nicht einmal erheben. Vielmehr greifen sie Teilaspekte, die für die Neuinterpretation der Lehre von der Realpräsenz wichtig sind, aus dem Feld der Eucharistielehre heraus; eine Stellungnahme wird zudem zwangsläufig eher skizziert als expliziert. Dadurch bleiben häufig Elemente, die zumindest nach röm.-kath. Verständnis für die Eucharistielehre wesentlich sind, unberücksichtigt; so fehlt etwa bei J.B.W.M. Möller jeder Bezug der Eucharistie auf den Tod Jesu 13 , bei P.Schoonenberg wird der Opfercharakter der Eucharistie zwar hin und wieder angedeutet, es bleibt aber gänzlich unklar, wie er mit dem von ihm forcierten Grundkonzept, die Eucharistie als Vermittlung der „personalen" Gegenwart Christi zu deuten, vermittelt werden soll 14 . Zweitens führt der Versuch, die Eucharistie nicht mehr vom Zentrum der (traditionell verstandenen) Realpräsenz unter den Gestalten her zu verstehen, sondern umgekehrt: den Modus derselben aus einem Gesamtkonzept des eucharistischen Aktes abzuleiten, zwangsläufig zu einer gewissen Vielfalt, da die Zahl der möglichen Einsatzpunkte so groß ist wie die Fülle der Bedeutungen der Eucharistie als Opfer, als Passahmahl, als Opfermahl, als Gemeinschaftsmahl, etc. 15 , und auch die häufige Bezugnahme auf die

einem zweiten Beitrag zur Transsignifikationslehre bezeichnet er die „Substanz" nicht mehr, wie in der in Anm. 10 angegebenen Veröffentlichung, als eigentlich nur auf den Menschen anwendbare Kategorie, sondern als Bezeichnung für „Dinge" im Unterschied zu „Personen" (Denken S. 167f). 12 Vgl. z. B. nur die von G.Hintzen, Diskussion S. 36-193 zusammengefaßten und (zu Recht) als Varianten einer Position behandelten Beiträge; vgl. weiter die ebenso verfahrenden Überblicke über die Diskussion von J.Powers, Eucharistie S. 121-170; Herder-Korrespondenz, Diskussion S. 517-519; J.Delmotte, MysteriumS. 6-20; L.v.Hout, FragenS. 189-199; J.Wohlmuth.TranssubstantiationS. 432-435; W.Beinert, Enzyklika S. 167-176, bes. 173ff; Th.Schneider, Diskussion S. 517-524; vgl. auch L.Scheffczyk, Ergebnisse S. 197-202 und L.Renwart, Eucharistie S. 254-256. 13 J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 10-12; es scheint sich hier um eine Selbstgabe des Verherrlichten an die Gemeinde zu handeln, der jeder konstitutive Bezug auf das Kreuz Christi abgeht. 14 Vgl. dazu unten S. 246, Anm. 19. 15 Ich nenne nur wenige Beispiele: in den frühen frz. Beiträgen wird häufig - aber nicht ausschließlich - der Passah-Charakter der Eucharistie betont: F.-J.Leenhardt,

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für den Protestanten schwer durchschaubare eucharistische Symbolik und Bedeutungsvielfalt trägt z u m Eindruck einer etwas verwirrenden Vielfalt der Stellungnahmen bei 1 6 . 2 . 2 Wichtiger, w e i l für die Transsignifikationslehre spezifisch, ist der dritte Grund für die Divergenzen: die Beiträge z u m T h e m a stehen nicht in e i n e m einheitlichen Diskussionsprozess, sondern verbinden sich j e w e i l s in unterschiedlichen Kontexten mit entsprechenden weiterführenden Motiven, die für Gewichtsverlagerungen verantwortlich sind: D i e ersten Beiträge knüpfen an die Diskussion um die F o l g e n der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse für die naturphilosophische Substanzontologie und damit für die Lehre v o n der Transsubstantiation an, die sich in den 30er und 50er Jahren d.Jh. in Deutschland und Italien abspielte 17 ; die daran anknüpfenden ersten Beiträge zur Transsignifikationslehre entstammen d e m römisch-katholisch/reformierten D i a l o g in Frankreich; v o n dort stammt das B e m ü h e n , die Eucharistie nicht v o m Zentrum der Realpräsenz her, sondern aus d e m Gesamtakt des Sakramentes (als Opfer) die Realpräsenz z u verstehen 1 8 ; auch die emphatische Betonung der Anti-

Corps S. 22£f u.ö.; J.de Baciocchi, Mystère S. 578. Vgl. ebd. den Bezug zur Eucharistie als Opfer: S. 562. Zum Opfermahl (Passah-Opfer): A.v.d.Walle, Reflektie S. 201f. 207209; G.Liesting, Sacrament (s.o. Anm. 6). Zum Gemeinschaftsmahl vgl. etwa B.Welte, Diskussionsbeiträge S. 184-187; H.J.H.M.Fortmann, Presentie S. 204-211; P.Schoonenberg, Terugblik S. 323-325 und Tegenwoordigheid III, S. 413-415; dazu auch E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 91f (nl.II, S. 383f) und H.J.Weber, Eucharistie S. 199. 16 Ein auf den ersten Blick jedenfalls für den Protestanten etwas verwirrendes Beispiel stellt der Beitrag von E.Schillebeeckx dar, der eine ganze Fülle von Symbolelementen und Bedeutungen der Eucharistie miteinander verknüpft (Gegenwart S. 81-84. 90-97 (ni. II, 376-378. 383-387), vgl. dazu näher unten I D (S. 255f). Dasselbe gilt für G.Liesting, Sacrament. 17 S. dazu unten I C I (S. 143ff). 18 Zum geschichtlichen Verlauf vgl.: J.Powers, Eucharistie S. 121-130; A.Gerken, Theologie S. 170-173.173ff; ESchillebeeckx, Gegenwart S. 68.81 (ni. II, S. 366-375); ders., Transsubstantiation S. 328ff; W.Beinert, Enzyklika S. 159-163; zum Einfluß der ökumenischen Diskussion auf die Debatte in Frankreich auch: J.Wohlmuth, Transsubstantiation S. 432 sowie ebd., Anm. 4. Die Hauptvertreter dieser ersten Ansätze zu einer Transsignifikationslehre sind der Reformierte F.-J.Leenhardt (spez. Corps, S. 5-12; Réflexions S. 85-89; der Beitrag „Présence" wurde auf der Tagung in der Abtei von Chevetogne 1958 gehalten (dazu J.Powers, Eucharistie S. 7 und 127)) und der römische Katholik J.de Baciocchi (Sacrements 1951; Mystère 1955; Présence 1959), seine Beiträge sind ursprünglich Vorträge anläßlich ref./röm.-kath. Begegnungen zu Anfang der 50er Jahre: vgl. das avant-propos zu „Sacrements" (S. 681); vgl. weiter: MystèreS. 561, Anm. 1; „Présence" wurde ebenfalls in Chevetogne gehalten (S. 139, Anm. 1). Vgl. zur Deutung der Realpräsenz aus dem Gesamtakt der Eucharistie etwa den

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these des der Vernunft zugänglichen „Wesens" des Seienden und der dem Glauben zugänglichen und für diesen verbindlichen Sinnbestimmung durch das Wort Gottes hat hier ihren Ursprung19. Die Diskussion verlagerte sich gegen Ende der 50er Jahre in den flämischen Sprachraum20 und erlangte dort zu Anfang der 60er Jahre ihre größte Publizität, da sie nun erst eigentlich zum innerkatholischen, dogmenhermeneutischen Streitpunkt wurde21. Verantwortlich dafür war die Tatsache, daß sich die Debatte mit den ohnehin bestehenden Spannungen zwischen den „Traditionalisten" und den „Progressisten" innerhalb der römisch-katholischen Kirche in den Niederlanden verband, und sich in der Folge auf das Problem der Realpräsenz verengte. Die Diskussionen in den Niederlanden erregten erhebliches Aufsehen auch über den Bereich der römisch-katholischen Kirche hinaus, so daß sich nicht nur der holländische Episkopat, sondern auch das Lehramt durch eine Enzyklika („Mysterium fidei", 1965) zum Eingreifen gezwungen sah22. Ansatz Baciocchis, der schon in „Mystère" (S. 561f. 563) die sakramentalen Elemente dem sakramentalen Akt ein- und unterordnet, bzw. - in „Présence" - d i e Realpräsenz aus dem sakramentalen Akt „ableitet" (vgl. S. 140f (bes. 141). 144.147-149 und 149ff); die Realpräsenz Christi im Akt, die Realpräsenz unter den Gestalten und die Transsubstantiation wird so aus der Deutung der Messe als Vergegenwärtigung des Opfers Christi zum Zweck der Teilgabe an dessen Vollzug (S. 140ff) hergeleitet. Vgl. auch F.-J.Leenhardt, Corps S. 13. 22-26. 19 Vgl. etwa F.-J.Leenhardt, Corps S. 28f. 30-33. 35; J.de Baciocchi, Présence S. 155-159; es herrscht hier die Neigung vor, die Transsubstantiation als „Bestimmungsakt Gottes" ohne Rekurs auf den Begriff der Substanz zu fassen, vgl. auch die Verhältnisbestimmung von „natürlich zugänglicher Wirklichkeit" und der „Sinnstiftung Gottes" bei A.Vanneste, Bedenkingen 330-335. 20 Vgl. zum Verlauf die schon in Anm. 18 genannten Titel und Passagen; vgl. den Hinweis von E.Schillebeeckx auf die Anregungen während seines Studiums in Frankreich (ders., Gegenwart S. 71, dazu auch J.Bowden, Schillebeeckx S. 35-37). 21 Die Diskussion wurde in teilweise sehr heftiger Form bis in Tageszeitungen hinein geführt, vgl. zu den Auseinandersetzungen: W.Beinert, Enzyklika S. 161-163; L.v.Hout, Fragen S. 179-182; vgl. die Miszelle von H.J.H.M.Fortmann (Notities S. 8991, spez. 89), die er in der Zeitschrift „Theologie en Zielzorg" 1965 aufgrund einer Fülle besorgter Anfragen an die Redaktion verfaßte, um eine erste Beruhigung zu schaffen; vgl. Herder-Korrespondenz, Diskussion S. 517; vgl. auch die mahnenden Hinweise von E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 7-14 (ni. 1,136-141). 22 L.v.Hout, Fragen S. 182f; vgl. bes. zum soziologischen Hintergrund: E. Schoenmaekers, Kirche S. 19-22; weiterhin den eher populären Beitrag von: E.Kleine, Kirche S. 112-120 und zum Hintergrund: M.v.d.Plas (u.a., Hg.), Katholiken. Das Hirtenwort der Bischöfe wird in der Herder-Korrespondenz, Diskussion S. 519f, referiert. Bei der Enzyklika handelt es sich um „Mysterium fidei" (1965, AAS 57,753-774, bes. 756f und 766-768), vgl. dazu, zum Kontext und zum Anlaß: L.Renwart, Eucharistie, bes.

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Zumeist aus diesem Kontext stammen Beiträge, die von der Realpräsenz ohne (explizite) Bezugnahme auf den Gesamtrahmen der Eucharistie handeln. Aus dieser Debatte in den Niederlanden stammt der im engeren Sinne als „Transsignifikationslehre" zu bezeichnende Versuch, die Bindung der traditionellen Eucharistielehre an eine Ontologie der Substanz grundsätzlich durch den Rekurs auf phänomenologische oder phänomenologisch inspirierte philosophische Positionen zu überwinden; dies gilt ebenso für die von Heidegger und Merleau-Ponty beeinflußten Versuche, den - nun menschlich-lebensweltlichen - Sinn als „Wesen" des Seienden auszuweisen wie für die an Merleau-Ponty und Marcel orientierten Ansätze zu einer Deutung der Eucharistie im Ausgang von einer „Phänomenologie des Geschenkes" 23 . Von den Niederlanden aus griff die Diskussion auf Deutschland über; die Position wurde hier teils eigenständig, teils in enger Orientierung an den Vorgaben entfaltet und wurde auch hier zum Gegenstand einer Stellungnahme der Bischofskonferenz 24 . Die skizzierte Diskontinuität ergibt sich dabei natürlich nicht nur aus der Verbindung mit unterschiedlichen weiterführenden Motiven, sondern ganz einfach auch aus den eine Rezeption der früheren Debattenbeiträge erschwerenden Sprachbarrieren. 2.3 Neben diese Gründe treten weitere Faktoren: die kurzen Beiträge stellen häufig Stellungnahmen zu Auseinandersetzungen über das Thema zwischen einzelnen Theologen dar, die in dieser begrenzten Debatte den Gesamtkontext der Diskussion nicht im Blick hatten und haben mußten, so

S. 244-256; W.Beinert,Enzyklika,zurVorgeschichteS. 161-163,zurEnzyklikaS. 163ff; L.v.Hout, Fragen S. 181f; J.Delmotte, Mysterium S. 20 zum Hirtenbrief, S. 21-23 zur Enzyklika; Reaktionen der Betroffenen: P.Schoonenberg, Lehre, bes. 311 die vielzitierte und viel übernommene These, die Enzyklika treffe die Transsignifikationslehre eigentlich gar nicht; vgl. auch O.H.Pesch, Mysterium (dort S. 125 dieselbe These). Ökumenische Stellungnahmen etwa von V.Vajta, Bemerkungen, der vom gerade zu Ende gegangenen Vat II her die Enzyklika in Frage zu stellen sucht (bes. ebd., S. 308f) 23 Zu den philosophischen Hintergründen s.u. S. 299ff. 24 Unter Rekurs auf Heidegger setzt etwa B.Welte, Diskussionsbeiträge S. 191ff, die Neuinterpretation fort; weitere Vertreter: O.H.Pesch (vgl. Lit.verz.); um seinen Beitrag von 1967 entspann sich zunächst eine Leserbriefdebatte im „Klerusblatt" 1967/8 (vgl. Lit.verz. unter O.H.Pesch); sein zweiter Beitrag von 1976 (Eucharistie) entfachte eine zweite, offenbar in der äußeren Form sehr unerfreuliche Debatte (dazu: O.H.Pesch, Abendmahlsstreit; ders., Konflikt; M.Seckler, Konflikte). Vgl. das Referat des „Schreiben der Bischöfe..." Herder- Korrespondenz, Eucharistie S. 125-130, spez. 126f; vgl. Die Deutsche Bischofskonferenz, Wort, auf die Transsignifikationslehre wird vermutlich S. 1 und 3f angespielt.

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daß die D i s k u s s i o n in eine Vielzahl einzelner Auseinandersetzungen z u zerfallen droht 2 5 . Zuletzt m u ß berücksichtigt werden, daß viele der Beiträge speziell aus d e m flämischen Sprachraum keine streng wissenschaftlichen Abhandlung e n darstellen, sondern sich auf allgemeinverständlichem N i v e a u an Laien w e n d e n , u m ihnen die Neuinterpretation nahezubringen; sie suchen daher v o n vornherein w e d e r die Kontinuität einer wissenschaftlichen Debatte, noch die systematische Vollständigkeit einer konzinnen Eucharistielehre z u gewährleisten 2 6 . 3. D i e inhaltlichen Divergenzen der Positionen diktieren das methodis c h e Vorgehen i m folgenden: es sollen die Grundoptionen der Position anhand exemplarischer einzelner Stellungnahmen z u m T h e m a analysiert werden. Es wäre unsachgemäß, die Darstellung am historischen Verlauf der Debatte z u orientieren 2 7 , unzureichend, eine Art Generalnenner der Position oder einen einzelnen Vertreter zu untersuchen, und unmöglich, einer grösseren Anzahl v o n Stellungnahmen in der für eine Detailanalyse der Argumente nötigen Ausführlichkeit gerecht zu werden 2 8 . M e i n Interesse konzentriert sich auf die ontologischen Implikationen

25 Zu nennen sind hier beispielsweise folgende Debatten: auf den Beitrag von J.B. W.M.Möller, (Transsubstantiatie, 1960) antwortete J.Kors (Transsubstantiatie, 1960); die Replik Möllers erfolgte in „Denken", 1960; A. Vanneste (Bedenkingen 11956) wurde von O.Schelfhout (Bedenkingen 1960) kritisiert und antwortete 1960 mit „Bedenkingen II"; im dt. Sprachraum ist neben den erwähnten (Anm. 24) Diskussionen um die Ausführungen O.H.Peschs noch die Debatte zwischen A.Gerken und C.J. de Vogel anzuführen (A.Gerken, Reflexionen (1972) und Theologie (1973); darauf C.J.de Vogel, Eucharistielehre; die Replik: A.Gerken, Eucharistielehre). 26 Dies gilt speziell für die Beiträge von J.P.de Jong (Eucharistie, 1969); für die Beiträge von P.Schoonenberg in der katechetischen Zeitschrift „Verbum"; für zwei der Beiträge von O.H.Pesch („Gegenwart" und „Eucharistie") und wohl auch für das Werk vonG.Liesting (Sacrament); ähnlich S.Trooster (Transsubstantiatie) und J.B.W.M.Möller (Transsubstantiatie). 27 Dies liegt nicht zuletzt daran, daß ein derartiger Verlauf über das unter I, 1.3 Referierte hinaus wohl schwerlich rekonstruierbar und, wegen des skizzierten mangelnden Zusammenhanges der Debatte (vgl. Anm. 25), auch wenig ergebnisreich wäre. 28 Derartige Zusammenfassungen liegen auch bereits vor: E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 70-81 (nl.II, 368-375); bes. G.Hintzen, Diskussion S. 36-196; vgl. auch: J.Delmotte, Mysterium S. 6-19; Th.Schneider, Diskussion S. 517-524; W. Beinert, Enzyklika S. 171-Í76; J.Powers, Eucharistie S. 121-170; A.Gerken, Theologie S. 173199, etc. In allen Fällen handelt es sich um mehr oder weniger detaillierte Referate; mir hingegen geht es darum, eine Detailanalyse der Position unter der Leitfrage nach ihrer internen Schlüssigkeit vorzunehmen. Weitere Stellungnahmen werden selbstverständlich in den Anmerkungen berücksichtigt.

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der Position. Ich werde zunächst diese ontologischen Thesen identifizieren und dann einzelne Stellungnahmen als Beiträge zur Begründung und Klärung dieser Thesen lesen. Durch die Diskussion exemplarischer Texte soll so zunächst die interne Schlüssigkeit der ontologischen Behauptungen und der mit ihrer Hilfe durchgeführten eucharistischen Position analysiert werden mit dem Ziel, entweder eine idealtypische, begründete Position, oder jedenfalls einen begründeten Aufweis der Begründungsanforderungen und -defizite zu erhalten 29 . Es müssen also vorbereitend die zentralen ontologischen Thesen der Transsignifikationslehre erhoben und deren Auswahl begründet werden; der erste Abschnitt (A) dient diesem Ziel. Die Analyse der im Verlauf dieser Darstellung erhobenen zwei ontologischen Grundthesen beschäftigt die folgenden beiden Abschnitte (B und C), während ein vierter Abschnitt die Auswirkungen der Thesen für eine Lehre von der Realpräsenz verfolgt (D). Der letzte Abschnitt (E) faßt zusammen.

A Der Hintergrund: Die Kritik an der traditionellen Eucharistielehre Den Hintergrund und das Motiv der Neuinterpretation bildet die traditionelle Lehre von der Realpräsenz und deren - tatsächliche oder vermeintliche - Mängel. Das zentrale Anliegen des Abschnittes A ist die Frage nach den entscheidenden ontologischen Thesen der Transsignifikationslehre; es muß dabei sichergestellt werden, daß tatsächlich die für eine Neuinterpretation der Eucharistielehre entscheidenden Thesen nicht nur statistisch, sondern auch systematisch getroffen sind. Es legt sich daher nahe, im Ausgang von der Kritik der Vertreter der Transsignifikationslehre an der traditionellen Lehre von der Realpräsenz nach den Punkten zu suchen, bei denen eine Neuinterpretation der eucharistischen Tradition einzusetzen hätte, die die kritisierten Fehler vermeiden will. 29 Die Auswahl der analysierten Texte und Textpassagen wird strenggenommen vermutlich strittig bleiben. Die stillschweigende These ist die, daß eine Berücksichtigung weiterer, hier in die Anmerkungen verwiesener Beiträge die Lösung der Probleme der Position nicht fördern würde. Die Beweislast dafür, daß es sich anders verhält, liegt bei dem, der die hier getroffene Auswahl kritisiert.

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Zunächst müssen also der Grundtenor der Kritik der Vertreter der Transsignifikationslehre an der traditionellen Eucharistielehre und deren hermeneutische Bedingungen reflektiert werden (1.). Es zeigt sich dabei einerseits, daß diese hermeneutischen Grundlagen alles andere als klar sind, und es lassen sich andererseits bestimmte Verzeichnungen identifizieren, für die die Vertreter der Transsignifikationslehre die traditionelle Lehre von der Realpräsenz, und eben insbesondere deren Bindung an eine Substanzontologie verantwortlich machen. Die folgenden Abschnitte verifizieren diese Kritik an zentralen Texten der Tradition (2.), erheben dann die beiden entscheidenden Bezugnahmen der Tradition auf die Substanzontologie und bestimmen zum einen deren Funktion und Intention, zum anderen die Bedeutimg und die Implikationen des in der eucharistischen Tradition verwendeten Begriffes von „Substanz" (3. und 4.). Auf diese Weise wird erkennbar, wo eine Interpretation einzusetzen hat, die den Anspruch erhebt, die Lehre von der Realpräsenz Christi ohne Rekurs auf eine Ontologie der Substanz neu zu fassen, und es können vorgreifend Bedingungen genannt werden, denen die ontologischen Grundlagen einer Neuinterpretation mit diesem Anspruch zu genügen haben. Der Abschnitt (5.) vermittelt diese Ergebnisse mit den beiden von G.Hintzen erhobenen Ansatzpunkten der Transsignifikationslehre, der Abschnitt (6.) wertet sie für die Frage nach den Kriterien einer Beurteilung der aus den ontologischen Fundamenten der Transsignifikationslehre erwachsenden Eucharistielehre aus. Der letzte Abschnitt (7.) faßt zusammen. 1. Das Anliegen der Transsignifikationslehre besteht nicht darin, die Lehre von der Realpräsenz zu leugnen, sondern neu zu interpretieren. Dieses Anliegen einer Hermeneutik des Dogmas von der Transsubstantiation ergibt sich aus einer Kritik an der traditionellen Lehre von der Realpräsenz und folgt bestimmten hermeneutischen Prämissen, die zunächst zu analysieren sind: 1.1 Die Vertreter der Transsignifikationslehre scheinen mit der Neuinterpretation zunächst ein pastorales Anliegen zu verfolgen: des öfteren verweisen sie auf unter den Gläubigen verbreitete sensualistische Mißverständnisse der Realpräsenz als gewissermassen räumlich verrechenbarer Gegenwart Christi und auf das mangelhafte Wissen der Gläubigen darum, daß die Realpräsenz Christi in ein intentionales, sie jeweils selbst betreffendes Geschehen eingebunden sei - z. B. die Teilnahme am Opfer Christi, die Vermittlung der Gegenwart Christi „beim" Glaubenden. Die Realpräsenz unter den Gestalten werde vom normalen Gläubigen als isoliertes, „dinghaftes" Vorhandensein Christi vorgestellt, dessen Ausrichtung auf den Glaubenden und speziell auf die Kommunion weithin nicht mehr deutlich sei. Diesen aus einer Isolation der Realpräsenz gegen den Gesamtakt der Eucharistie erwachsenden Mißverständnissen leiste die Deutung der Realpräsenz als Substanzpräsenz Vorschub30. Im Gegenzug soll das Sakrament (wieder) als intentionales, akthaftes, auf den Glaubenden zie-

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lendes Geschehen entfaltet werden, in dessen Kontext die eucharistischen Gestalten und die Realpräsenz Christi eine Funktion erfüllt, und von dem her diese Realpräsenz und ihr Modus zu verstehen ist 3 1 . Die Eucharistie hat s o ihr Zentrum nicht (mehr) in der „Anwesenheit" Christi unter den Gestalten, sondern im Akt der Zuwendung Christi zum Glaubenden und in der durch diese Zuwendung intendierten Gegenwart „beim Glaubenden". Weiter werden interne Schwierigkeiten der Transsubstantiationslehre geltend g e m a c h t , die das Verständnis der L e h r e von der Realpräsenz für die Zeitgenossen erschweren; insbesondere verweisen die Vertreter der Neuinterpretation dabei auf die nicht mehr gewährleistete Vermittelbarkeit des hylomorphistischen Substanzbegriffes mit den

naturwissenschaftlichen

Erkenntnissen über Struktur und Aufbau der materiellen W e l t 3 2 . S o formuliert E.Schillebeeckx, er wolle: „ ... die Glaubenswirklichkeit der ganz besonderen Realpräsenz Christi in der Eucharistie so zu deuten versuchen, daß sie für den heutigen Menschen vollziehbar ist, eben als authentisch katholisches Dogma, in dem jeder Katholik sich heimisch fühlen kann, auch innerhalb des neuen Klimas unseres Jahrhunderts." 33 30 Wenige Beispiele: P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid I S. 148f; Tegenwoordigheid III S. 413f; G.Liesting, Sacrement S. 21-26, spez. 25f, vgl. auch 170-180; S.Trooster, Transsubstantiatie S. 737f; O.H.Pesch, Eucharistie S. 103f; Ch.Davies, Presence S. 159f und Kontext; K.Rahner, Gegenwart S. 383f; ähnlich B.Welte, Diskussionsbeiträge S. 185; speziell zur Isolation der Realpräsenz vgl. G.Liesting, Sacrament S. 169.170ff. 216-218; A.Gerken, TheologieS. 141-156, spez. 154f und 223; O.H.Pesch, Eucharistie S. 103f; ders., Gegenwart S. 179f; P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid II S. 197f; K.Rahner, Gegenwart S. 383f. 31 Wieder nur einige Beispiele: H.J.Weber, Eucharistie S. 211-217, spez. 212f; A.Gerken, Theologie S. 23. 201.211ff u.ö.; J.Powers, Eucharistie 172-197; G.Liesting Sacrament (oben Anm. 6); J.de Baciocchi (oben Anm. 18). Vgl. das Bemühen, das Sakrament und bes. die Realpräsenz an die Zueignung an den Glaubenden zu binden: E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 68f(nl.II,S. 366); B.Welte, Diskussionsbeiträge S. 185 verweist auf das „Nehmt und eßt...", ähnlich bezieht sich A.Gerken, Theologie S. 205 auf die konstitutive Funktion der zueignenden Worte „... für viele"; sowohl S.Trooster, Tegenwoordigheid S. 128-132, wie auch I.R.Sonnen, Neubesinnung S. 499, J.B.W.M.Möller, Denken S. 169f und F.J.Leenhardt, Présence S. 168-170 u.a. verweisen auf den Charakter der Realpräsenz als „Heilsgeschehen", dem gemäß die Realpräsenz wesentlich eine „Gegenwart für...", und nicht ein schieres „Dasein" Christi sei vgl. auch P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III, pss., spez. S. 413f. 32 S. genauer unten, I C I ; vgl. vorläufig die knappen Zusammenfassungen bei E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 61-63 (ni. II, S. 361f) und G.Hintzen, Diskussion S. 12-23. 33 E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 14 (ni. I, S. 141); ähnlich J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 2. 6f und S.Trooster, Transsubstantiatie S. 737f; I.R.Sonnen, Neubesinnung S. 490 oben; u.v.m.

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Das hier thematisierte Problem ist die Vermittlung der Forderungen der Kontinuität und Identität des Dogmas mit dem Wandel eines Weltbildes, des „neuen Klimas" eines Jahrhunderts, kurz: die Vermittlung der „Katholizität" mit der „Heutigkeit" des Zeitgenossen: letztere erfordert offenbar eine neue Deutung des Dogmas, die einem Wandel Rechnung trägt, während der Gehalt des Dogmas so gewahrt bleiben muß, daß derselbe Zeitgenosse als römischer Katholik in der neuen Formulierung das authentische Dogma wiedererkennt34. 1.2 Die damit aufgerufene, noch rein formale Unterscheidung eines in seiner Identität zu erhaltenden „Unwandelbaren" von einem wandlungsfähigen „Zeitbedingten" durchzieht in vielen Variationen die Debatte um die Transsignifikationslehre und stellt die fundamentale Bedingung der Möglichkeit der Neuinterpretation dar: während Schillebeeckx die „Glaubenswirklichkeit" von ihrem „Einkleidungsaspekt" unterscheidet35, ordnet A. Gerken „Sprache / Denkform" und „Inhalt" einander zu 36 ; J.Powers wiederum spricht vom „Glauben" einerseits, von „Sprachformen und Anschauungen" andererseits37; in eine ähnliche Richtung geht die bekannte und vielzitierte Unterscheidung einer „logischen" und einer „ontischen" Erklärung des Dogmas bei K.Rahner38; das Schema ist weit verbreitet und wird auch in römisch-katholischen Veröffentlichungen zur Hermeneutik im

34 Vgl. auch E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 7-12. 15-18. 58-61. 103-107 (nl. I S. 136-140. 141-143._ nl.II S. 359-361. 391-394); weiter: A.Gerken, Theologie S. 1 (ohne Bezifferung, „Über dies Buch"). 11-16. 61-65.157-165; J.Powers, Eucharistie S. 7. 12f; G.Hintzen, Diskussion S. 9f; insgesamt: H.J.H.M.Fortmann, Onrust, spez. S. 300f u.v.m. Die Kennzeichnungen des gewandelten Lebenshorizontes sind sehr oft von einer merkwürdigen Unscharfe; so spricht I.R.Sonnen, Neubesinnung S. 490 vom „... Denken und Lebensgefühl unserer Zeit." J.Delmotte (Mysterium S. 5) glaubt feststellen zu können: „Onze tijd denkt niet meer dualistisch... Heden ze dage denkt men niet meer „metafysisch", ohne daß dies begründet wird. Vgl. dazu die bedenkenswerten Einwände bei L.Scheffczyk, Ergebnisse S. 192ff; F.Gaboriau, Eucharistie S. 203. 35 E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 15ff (nl. I S . 136ff) u.pss. 36 A.Gerken, Theologie S. 75-84, bes. 75 oben: „Inhalt und Form, Aussagegegenstand und Aussageweise..."; S. 11-16. 61-65; ebd. S. 200 spricht Gerken von „Denkform" und „Inhalt". 37 J.Powers, Eucharistie S. 13 u.ö. 38 K.Rahner, Gegenwart S. 372-375; Rahner differenziert damit zwischen einer erweiternden (ontischen), und einer jedenfalls der Intention nach den Dogmenbestand nicht über das explicandum hinaus erweiternden (logischen) Ausdeutung des Glaubensgutes. Rahner meint, es gebe auf der Basis der logischen Erklärungen durchaus ontische Erweiterungserklärungen, die aber nicht in gleicher Weise wie diese verbindlich sind. Auch diese Unterscheidung erlaubt also prinzipiell eine Trennung des ursprünglich gemeinten dogmatischen Gehaltes von weiterführenden, aber nicht gleichermassen verbindlichen ontischen Erweiterungen der logischen Erklärungen.

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allgemeinen immer wieder anhand des Verhältnisses von Realpräsenz und Substanzontologie (als zu wahrendem „Kern" und „zeitbedingter Einkleidung") exemplifiziert 39 . Das dabei vorausgesetzte Bild ist offensichtlich dies, daß das identisch bleibende Glaubensgut in unterschiedlichen, sich faktisch wandelnden geschichtlichen Kontexten und Horizonten jeweils neu zur Sprache kommen muß 40 . Es geht dabei - nimmt man das Modell einmal ernst - nicht um eine Operation, die ebensogut unterbleiben kann, sondern die gerade um der Wahrung der Identität des Inhaltes willen unverzichtbar ist; diese Identität geht genau dann verloren, wenn der Glaubensgehalt im Kontext eines gewandelten „Weltbildes" im Gewand veralteter und somit mißverständlicher Kategorien vorgetragen wird. Der Verweis auf das Veralten der an die Ontologie der Substanz gebundenen Kategorien hat gerade darin seine Spitze, daß die Wandlung des Substanzbegriffes im Rahmen eines „naturwissenschaftlichen Weltbildes" physizistische Mißverständnisse der Realpräsenz wie des Wandlungsvorganges unvermeidlich macht 41 . 1.3 Ich sehe hier von der Behandlung der Frage ab, ob und in welchem Sinne eine derartige Unterscheidung von „Form" und „Inhalt" überhaupt sinnvoll und vor allem durchführbar ist, da dies vom Thema abführt42; auch dann bleiben mindestens zwei Probleme: 39 Vgl. nur: E.Schillebeeckx, Gott S. 36; P.Schoonenberg, Geschichtlichkeit S. 71. Ich gehe auf diese und andere weiterführende Beiträge zur Hermeneutik mit den Überlegungen im folgenden nicht ein; die Kritik und die Einwände beziehen sich also auf die Aussagen zur Hermeneutik im unmittelbaren Kontext der Transsignifikationslehre; die Positionen-spez. die von E.Schillebeeckx, die unten (IB S. 108f) noch einmal genauer zur Sprache kommen muß - sind differenzierter; die Einwände des folgenden bleiben aber - soweit ich sehe - auch gegenüber diesen differenzierteren Beiträgen im wesentlichen bestehen. 40 Vgl. etwa A.Gerken, Theologie S. 11. 41 A.Gerken, Theologie S. 14: „So ist es einsichtig, daß die Identität sowohl der Schriftaussagen wie auch der Konzilsaussagen nur bewahrt werden kann durch den geschichtlichen Prozess der Auslegung und Aktualisation unter der Verheißung des Geistes in der Gemeinschaft der Kirche."; vgl. E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 68 und 84 (nl. II S. 366 und 378); O.Semmelroth, Wandlung S. 97; J.B.W.M.Möller, Denken S. 167f; u.v.m. 42 Viele Verfasser weisen auf die Ununterscheidbarkeit von „Form" und „Inhalt" hin,soetwaE.Schillebeeckx, Gegenwart 16f (nl. IS. 141). Der Umgang aber mit diesem Problem ist mir nicht nachvollziehbar: So stellt A.Gerken (Theologie S. 75) im Rahmen der Frage, wieweit den griechischen Kirchenvätern eine sachgemässe Auslegung des Glaubensgehaltes gelungen sei, fest, daß „... eine Denkform nicht wie ein Gefäß ihren Inhalt enthält, so daß dieser von ihr ablösbar wäre und schlicht in eine andere Denkform umgegossen werden könnte. Inhalt und Form, Aussagegegenstand und Aussageweise durchdringen sich in einer sublimen Art, so daß sie im eigentlichen Sinne nie voneinander ablösbar sind, sosehr sie unterschieden werden müssen [!!!]."

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Zum einen stellt sich die Frage, ob denn der Wandel eines „Weltbildes" eine schicksalhafte Beliebigkeit darstellt, die zu konstatieren und in Rechnung zu stellen ist, oder ob auch er Wahrheitskriterien unterliegt, so daß der konstatierbare Wandel nicht-kompatibler Weltbilder nicht (nur) anhand der Kategorien „alt" und „neu" zu bestimmen, sondern zumindest auch anhand der Unterscheidung von „wahr" und „falsch" (nach welchem Kriterium auch immer) zu bewerten ist43. Dann nämlich wäre die (angebliche) faktische zeitliche Abfolge zweier „Weltbilder" oder „Ontologien" völlig nebensächlich gegenüber der Forderung, daß das Recht dieser zeitlichen Abfolge jederzeit in einem Ausweis der Überlegenheit des jeweils folgenden „Weltbildes" begründbar sein muß. Dieser Aspekt des Problems wird in Gestalt der Frage nach dem argumentativen Potential jeweils der Substanzontologie und des phänomenologischen Denkens Gegenstand des zweiten Teiles der vorliegenden Arbeit sein. Mit diesem Problem hängt ein zweites eng zusammen: die Frage nach dem Kriterium der Unterscheidung von „Form" und „Inhalt". Die Unterscheidung scheint dann völlig unproblematisch zu sein, wenn sich innerhalb des zu interpretierenden Sachverhaltes selbst „Ebenen" unterscheiden

Man fragt sich hier zunächst einmal, wie und nach welchen Maßstäben „Inhalt und Form" unterschieden werden sollen, wenn sie einander „in einer sublimen Art durchdringen" - w a s immer das heissen soll. Falls Gerken die mit den Formulierungen angedeutete Anlogie zur Christologie wirklich ernst meinen sollte und nicht als „on dit" angezogen hat, so wird vollends unklar, wie jemals eine Neuinterpretation des Dogmas möglich sein soll, die doch nach allem, was Gerken ausführt, darauf abzielt, irgendwann doch einen „Inhalt" von einer vergangenen „Form" abzulösen. Gerken fährt fort: „Dennoch bedeutet die Tatsache, daß es immer Menschen sind, die hier denken und sprechen, und in unserem Falle der christliche Glaube einen letzten, umfassenden Horizont der Aussagen, der auch noch so verschiedene Epochen füreinander öffnet, und diese Tatsache läßt einen Vergleich in Begegnung zu, d. h. im gegenseitigen „Füreinander-Offenstehen" der verschiedenen Denkformen." (ebd.) Man fragt sich doch unwillkürlich, wie denn nun plötzlich der Glaube, den es zuvor doch offensichtlich nur jeweils in bestimmten Denkformen gibt, zum umfassenden Horizont aller Denkformen wird, wiees ein „umfassendes" Menschsein geben soll, das offensichtlich an bestimmte Horizonte nicht gebunden ist, und man fragt sich vor allem, wer diese Horizonte identifizieren und so die Behauptung verifizieren soll, wenn doch gilt: „Es ist also nicht so, als ob wir den Vergleich von einem festen Punkt außerhalb der Denkformen, etwa von der Wahrheit aus, durchführen könnten." (ebd.); es gibt also auch den Glauben und das Menschsein nur in der Wahrnehmung durch bestimmte Denkformen, und insofern ist der Rekurs auf einen „umfassenden" und letztlich verbindenden Horizont bedeutungslos. 43 Vgl. die Rede vom „Schicksal" einer Denkform bei A.Gerken, Theologie S. 136. 155; vgl. die erfrischenden Bemerkungen bei F.Gaboriau. Eucharistie S. 203, vgl. auch L.Scheffczyk, Ergebnisse S. 192ff.

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lassen: so unterscheiden eine ganze Reihe der Vertreter der Transsignifikationslehre etwa im Rahmen des Trienter Dogmas a) die Affirmation der Realpräsenz, b) die Feststellung, daß diese Realpräsenz durch eine Verwandlung von Brot und Wein realisiert wird, und c) die Auslegung dieser Wandlung im Horizont einer Substanzontologie 44 ; die hermeneutische Aufgabe einer Neuinterpretation des Dogmas bestünde so in der Formulierung einer ganz traditionell verstandenen Realpräsenz durch eine Wesenswandlung ohne Rekurs auf eine Substanzontologie. Derartige Unterscheidungen sind zwar suggestiv, aber anfechtbar, da doch eigens zu begründen wäre, warum jenes traditionelle Verständnis der Realpräsenz und die Erklärung derselben durch eine „Wesensverwandlung" nicht selbst einen „Einkleidungsaspekt" darstellt: das Kriterium der Unterscheidung von „Form" und „Inhalt" kann ja eben nicht dem zu interpretierenden Gegenstand entnommen werden. Gerade die Tatsache, daß diese weiterführende Frage gestellt wird, unterscheidet die Transsignifikationslehre von ähnlich gelagerten, aber weniger radikalen Versuchen der Neuinterpretation 45 . Um so dringlicher wird die Frage nach einem Kriterium für diese Unterscheidung; die Veröffentlichungen aus dem engeren Kontext der Transsignifikationslehre rekurrieren - soweit sie das Problem überhaupt reflektieren - zunächst in für protestantische Ohren erfreulicherweise auf die Hl. Schrift: Schillebeeckx etwa spricht von der „letztlich biblischen" Glaubensgegebenheit der spezifisch eucharistischen Gegenwart Christi, verweist allerdings daneben auf die seiner Meinung nach ebenfalls verbindlich gültige, weil spezifisch

44 Die Grundlage der Unterscheidung ist zumeist die Analyse des Trienter Dogmas durch RSchillebeeckx, Gegenwart S. 18-49 (ni. I, S. 143-166), der drei Ebenen voneinander abhebt: die Überzeugung der Väter des Konzils, daß es eine spezifisch eucharistische Gegenwart gebe, deren Auslegung durch die Verwandlung der Substanzen der eucharistischen Elemente, und deren Benennung als „Transsubstantiation" (S. 28, vgl. 28-34 (ni. I S. 150f, vgl. 150-155)). Die zweite Ebene wird dann noch differenziert durch die Abhebung des selbstverständlichen, als solchen nicht bewußten Denkrahmens (der aristotelisch-scholastischen Substanzontologie) und dem gemeinten Inhalt: der ontologischen Wirksamkeit der Gnade (vgl. S. 34-57 (ni. I S. 155-172), vgl. auch kürzer: ders., Transsubstantiation S. 331-335; übernommen wird diese Deutung etwa von P.Schoonenberg, Lehre S. 307f; O.H.Pesch, MysteriumS. 121f; B.J. Hilberath, Substanzverwandlung S. 136f; G.Hintzen, Diskussion S. 10, spez. Anm. 3 u.v.m.; eine ähnliche, davon unabhängige Unterscheidung: A. Vannes te, Bedenkingen II S. 331-333. 45 Ich denke hier an die der Transsignifikationslehre vorausgehenden Versuche, unter Beibehaltung der dogmatischen Bestimmungen einfachhin das durch den Begriff der Substanz Bezeichnete neu zu bestimmen; s.u. IC 146f, vorläufig die Literaturberichte bei EGutwenger, Substanz S. 278-306; C.Vollert, Eucharist; J.T.Clarc, Physics.

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römisch-katholische, Grundüberzeugung von der ontologischen, d. h. die Wirklichkeit verwandelnden Wirksamkeit der Gnade, in der er die Unverzichtbarkeit des Zusammenhanges von Gegenwart und Wandlung begründet sieht 46 . Auf die Schrift rekurriert auch A.Gerken, der als zentralen Glaubensgehalt überhaupt die „personale Relation" oder „personale Begegnung" zwischen Christus und dem Glaubenden bzw. der Kirche bestimmt, die sich erstmals und normativ in der Schrift auslegt, und die sich seither in weiteren Verstehenshorizonten aktualisierte und weiterhin zu aktualisieren ist 47 ; mit diesem Modell würden sich letztlich auch die Ausführungen Schillebeeckx' treffen 48 . Diese Berufung auf die Schrift unterscheidet sich aber wesentlich von einem traditionellen Rekurs auf die verba testamenti bzw. die verba consecrationis, denn die Einsetzungsworte werden selbst als Ausdruck einer ursprünglicheren Situation - eben jener „personalen Begegnung" Christi mit seinen Jüngern - gedeutet, die damit den Schlüssel zu deren Verständnis darstellt: „Bei diesem Mahl fungiert Jesus als Veranstalter des Mahles, als Hausherr, der seine Jüngergemeinschaft beschenkt, nicht nur mit den Speisen, die beim Mahl gereicht werden, sondern darin und dadurch mit seiner eigenen Gegenwart, mit dem Gewähren seiner Worte, seiner Gemeinschaft, seiner Beziehung zum Vater. Alles, was innerhalb dieses Mahles geschieht, muß von dieser primären Gegenwart Jesu ausgehen."49 Diese „primäre Gegenwart" ist nun gerade nicht etwa die durch die Deuteworte verbürgte Präsenz unter den Gestalten, sondern die Gegenwart Christi „bei" den Jüngern im Sinne einer „personalen Gemeinschaft" zwischen Christus und den Teilnehmern des Mahles, von der her und auf die hin der Modus und der Realitätsgehalt der Präsenz unter Brot und Wein

46 E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 32f (nl. I S. 154) (die „eigentliche, letztlich biblische Glaubensgegebenheit"). Zur unverzichtbaren Überzeugung von der ontologischen WirksamkeitderGnadevgl.ebd.S. 49-57, bes. 52-54 (nl.I.S. 166-172, spez. 168170). 47 A.Gerken, Theologie z. B. 159-165 u.v.ö., vgl. auch S. 74-84, bes. 75 und S. 5460. 48 E.Schillebeeckx, Sakrament S. 13-16; ders., Gegenwart S. 81-84 (nl. II S. 376378); die zuletzt genannte Passage expliziert im Medium der traditionsgeschichtlichen Rückfrage die personale Gemeinschaft Christi mit seinen Jüngern als „Kern" der eucharistischen Gegenwart, der schon im NT weiter ausgelegt wird (s.u. I D S. 253f). Vgl. auch die Deutung der personalen Begegnung mit Christus als Mitte der Sakramente: ders., Organe S. 381f. 382-386. 49 A. Gerken, Eucharistie S. 23. Vgl. E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 81-84 (nl. II S. 376-378).

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zu verstehen ist. Damit wird dies „personale Verhältnis" oder diese „Begegnung" zum Schlüssel einer Deutung der verba testamenti, und dieses „Verhältnis", nicht etwa bestimmte Textaussagen der Schrift oder ein Grundbestand der dogmatischen Tradition stellt das gesuchte Kriterium der Unterscheidung von zeitbedingter Form und bleibendem Inhalt im Rahmen der Interpretation des Dogmas dar 50 . 1.4 Der mit diesem Ansatz verbundenen Probleme wird man ansichtig, wenn man die in vielen Veröffentlichungen zum Thema vorgetragenen Periodisierungen der Dogmengeschichte am Leitfaden der geistesgeschichtlichen „Horizonte", in die hinein das Glaubensgut ausgelegt wurde, anhand eines prominenten Beispiels knapp untersucht 51 . Der von Gerken entfaltete Abriß zeichnet folgendes Bild: die neutestamentliche - personale, relationale und „geschichtliche" - Deutung des eucharistischen Geschehens und der eucharistischen Gegenwart 52 sei zunächst in einen griechisch-platonischen Verstehenshorizont integriert worden, der zwar die Möglichkeit bot, die Eucharistie im Rahmen eines (vergeschichtlichten) Urbild-Abbild-Denkens als realsymbolische Vergegenwärtigung des Heilsgeschehens zu deuten, in dem aber die „Personalität" des neutestamentlich-hebräischen Denkens verlorenging 53 . Im Kontext des „dinglichen" Denkens des germanischen Kulturkreises sei weder der Wirklichkeitsgehalt personaler Verhältnisse, noch der Wirklichkeitsgehalt eines „Realsymbols" nachvollziehbar; mit dem Eintritt in diesen Kulturkreis stehe die Eucharistielehre vor der Alternative, das Sakrament als „Zeichen" ohne Wirklichkeit zu deuten, oder die Realpräsenz unter weitgehendem Verzicht auf den Zeichencharakter des Sakramentes zu affirmieren; die Transsubstantiationslehre stelle entsprechend den konsequenten Versuch dar, die Realität der Präsenz Christi unter den Bedingungen eines 50 So bestimmt etwa E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 81-84 im Rahmen einer biblischen Besinnung die Deuteworte als Ausdruck der Erfahrung der persönlichen Begegnung mit Christus: „Die persönliche Beziehung zu Christus, die in einem solchen christlichen Zusammensein gläubig erfahren wird, wird explizit im liturgischen Wort über Brot und Kelch gedeutet..." (S. 82). 51 Als Beispiel beziehe ich mich im folgenden auf den schon öfters zitierten A.Gerken, Eucharistie. Ähnliche Periodisierungen der Dogmengeschichte finden sich in vielen einschlägigen Veröffentlichungen, vgl. nur z. B. G.Liesting, Sacrament S. 1328; L.Smits, Vragen S. 7-20; P.de Jong, Eucharistie S. 32-46.149-173.175f; J.Powers, Eucharistie S. 11-51. 52 A.Gerken, Theologie S. 54-61. 53 Vgl. die Darstellung ebd. S. 65-74; zur Vergeschichtlichung der platonischen Begrifflichkeit S. 70-72; die „Entpersonalisierung" durch Überführung des Heilsgeschehens in ein naturhaftes Wirkungsverhältnis vgl. S. 78-81; vgl. ebenso ders., Reflexion S. 201-205.

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„dinglichen" Denkens zu wahren54. Die Folge allerdings sei zum einen die Unfähigkeit, den Opfercharakter der Messe mit der Einmaligkeit des Kreuzesopfers zu vermitteln - hier fehle eben der Begriff eines „Realsymbols" - , zum anderen die Konzentration der Eucharistielehre auf die in „dinglichen" Kategorien gedeutete somatische Realpräsenz, über der der ereignishafte, relationale und personale Charakter der eucharistischen Gegenwart verlorenging55. Im Unterschied dazu sei der heute relevante Verstehenshorizont ein „personales" oder „personologisches" Denken56. Für unser Anliegen ist weder die Frage nach dem Sinn bzw. Unsinn der kategorialen Antithesen („dinglich-personal", „geschichtlich-ungeschichtlich", „ereignishaft-statisch") interessant, noch die Frage nach der Verifizierbarkeit der Zuordnung der Epitheta zu Zeitperioden, die jeweils immerhin mehrere hundert Jahre umfassen57. Viel interessanter ist der Umstand, daß nun die (angebliche) Abfolge der Weltbilder doch Kriterien der Wahrheit unterliegt: ebenso wie bei Gerken das germanische dingliche Denken als „verengt" gegenüber einem „personalen", „relationalen" oder „geschicht54 Zum „germanischen Denken" vgl. ders., Theologie S. 97-102; zur Wahrung der Realpräsenz unter den Bedingungen des „dinglichen" Denkens: ebd., S. 125.136f, bes. 159. Zur zentralen Bedeutung der „Verdinglichung" vgl.: ders., Theologie S. 98.110. 115.118f. 125.135f. 147f. Wie beliebig solche Charakterisierungen von Epochen sind lehrt spätestens ein Vergleich mit der Dogmengeschichte R.Seebergs, der „das" germanische Denken gerade als „personalistisch" im Gegensatz zum „Sakramentarismus" des romanischen Denkens bezeichnet: R.Seeberg, Dogmengeschichte III S. 1-34, bes. 25ff und IV/1 S. 2-4. 55 Vgl. ders., Theologie S. 97-156, bes. S. 136; Gerken stellt drei entscheidende Bruchstellen fest: die aufbrechende Entgegensetzung von Zeichen und Wirklichkeit ist das Problem der Lehre von der Realpräsenz (S. 111-125) und der Lehre vom Meßopfer (die ohne das Konzept des „Realsymbols" unter die Alternative von Wiederholung und reiner Bezeichnung tritt, aaO. S. 134-141), das dritte Problem ist die Isolation der Realpräsenz vom Empfang, vgl. S. 124.147f. 154f; vgl. ders., Reflexion S. 206-220. 56 Ebd., S. 59f. 163.171-173. 200. 201-210. 57 Diese Überblicke sind allesamt schon darum anfechtbar, weil sie mit den Jahrhunderten recht üppig umgehen; „das mittelalterliche Denken", von dem nicht nur A.Gerken ausgeht (etwa aaO. S. 102-156 pss; vgl. ders., Reflexion S. 206-216) ist ebenso eine Fiktion wie die Vorstellung von einem „dinglichen" germanischen Denken (Theologie S. 97ff; vgl. Reflexion S. 206ff) - zumal beispielsweise die Grundkategorie des „dinglichen" Denkens, der Begriff der Substanz (Theologie S. 163), schließlich von Aristoteles, einem Griechen stammt. - Damit soll nicht gesagt sein, daß solche Überblicke überhaupt kein Wahrheitsmoment haben; aber tausend Jahre Mittelalter sind doch entschieden zu lang, um über den Leisten eines „dinglichen" oder „objektivistischen" Denkens geschlagen zu werden, der bei seinen Hauptvertretern - Thomas von Aquin etwa - ganz und gar nicht greift; vgl. F.Gaboriau, Eucharistie 203, vgl. auch die Bemerkungen bei CJ.de Vogel, Eucharistielehre S. 396. 397-399. 403f.

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lich-ereignishaften" Denken charakterisiert wird 58 , bezeichnet Gerken schon das griechisch-platonische Wirklichkeitsverständnis als gegenüber dem neutestamentlichen defizient 59 . Offenbar ist also der neutestamentliche Verstehenshorizont in irgendeiner Weise nicht beliebig, sondern normativ so, daß er zum Kriterium der Beurteilung der weiteren Verstehenshorizonte wird. Entsprechend erweist sich an anderen Stellen die „relationale Ontologie", die Gerken als Fundament einer Reformulierung des „dinglich-statischem" Denken verhafteten Dogmas zu entwerfen gedenkt, gerade nicht nur als Desiderat, das sich aus einem nun einmal faktisch gewandelten gegenwärtigen Verstehenshorizont ergibt, sondern als ein Erfordernis der Eigenart des eucharistischen Geschehens selbst, das eben ein „personales" Ereignis darstellt: „Seine Aufforderung „Nehmt und eßt! Das ist mein Leib!" verlangt nach einer ontologischen Auslegung, allerdings in Richtung auf eine personale Ontologie: Jesus gibt mit dieser Gabe sich selbst"60 Damit verschiebt sich aber die Problemstellung völlig: während Gerken zunächst davon ausging, daß eine Glaubenswirklichkeit in unterschiedlichen Horizonten - dem „personalen" hebräischen Denken, dem eher „kosmologischen" Denken der platonisierenden Kirchenväter, dem „dinglichen" Denken des germanischen Mittelalters - ausgelegt wird, zeigt sich in diesem Zitat, daß die „Personalität" („Relationalität", „Geschichtlichkeit") im Unterschied zur „Dinglichkeit" ein wesentlicher Charakter der Glaubenswirklichkeit selbst ist 61 : Im ersten Falle handelt es sich also bei dem Gegensatz „dinglich" und „personal" um Epitheta, die aufeinanderfolgende Epochen charakterisieren, im zweiten Fall bilden die Begriffe das Kriterium der Unterscheidung einer angemessenen oder unangemessenen Deutung der Glaubenswirklichkeit. Im ersten Falle stellt der faktische Wandel eines „Denkhorizontes" die Begründung für eine Neuinterpretation der (möglicherweise) in der alten „Gestalt" nicht mehr verständlichen Glaubenswirklichkeit dar, im

58 Vgl. A.Gerken, Theologie S. 159-165. 199ff zu den Kategorien; zur Wertung: S. 136.124f. 126 u.ff. 59 Ebd., S. 78ff. spez. 79. 60 Ebd. S. 57; vgl. den Kontext S. 54-60. 61 Vgl. ebd. S. 116-118. 159-169. 201. Auch die hermeneutischen Überlegungen Gerkens beruhen darauf, daß der Glaube, bzw. sein Gegenstand, selbst personal verfaßt ist; diese den hermeneutischen Prozeß überhaupt erst ermöglichende „Personalität" ist also nicht Ausdruck einer - unserer - Epoche, sondern eine Charakteristik des Glaubensgegenstandes selbst (ebd. S. 159-163, vgl. S. 61-65 und 116-118). Vgl. ähnlich E.Schillebeeckx, Sakrament S. 13-16; P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III S. 395f.

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zweiten Falle erzwingt die in einem „dinglichen" Denkhorizont verzeichnete, weil selbst „personale" Glaubenswirklichkeit einen Wechsel der Denkkategorien. Das heißt nun aber, daß im zweiten Falle die Deutung der Glaubenswirklichkeit, und damit auch der Realpräsenz, in „dinglichen" Kategorien nicht eine legitime Möglichkeit der Einkleidung, sondern eine Verzeichnung der Glaubenswirklichkeit darstellt, und daß also die Anfragen der Vertreter der Transsignifikationslehre nicht lediglich feststellen, daß sich der Denkhorizont gegenüber dem „dinglichen" Denken des Mittelalters - das ja immerhin auch das Tridentinum geprägt haben soll - gewandelt hat, sondern daß dieses „dingliche" Denken der Glaubenswirklichkeit nicht gerecht wird 62 ; die Aufgabe der Hermeneutik ist so nicht das Ablegen veralteter, sondern das Ersetzen von unsachgemässen und damit falschen Kategorien. Beide Betrachtungsweisen der hermeneutischen Aufgabe prallen bei Gerken auf einer einzigen Seite aufeinander, wenn er zunächst feststellt: „Fragen wir... nun konkret, worin wir die Wende in der Eucharistielehre unserer Zeit sehen können. Vielleicht darf man die Antwort in dieser Form geben: Statt in einem dinglichen Denkhorizont, der das Mittelalter und die nachtridentinische Epoche weithin bestimmte, denken wir heute, wenigstens in den Geisteswissenschaften, weithin personal [sie!]. In einem dinglichen Denkhorizont war der Substanzbegriff einer der Leitbegriffe; er wird es aber nicht in einem personologischen Denkhorizont sein.", und zwei Absätze später schreibt: „Die geistige Erfahrung des Beharrenden und der Identität im Wandel, die zur Geschichtlichkeit des Menschen gehört, hat in der bisherigen abendländischen Tradition weithin eine Interpretation mit Hilfe dinglich-ontologischer Kategorien gefunden, und man darf der Überzeugung sein, daß dies eine unzureichende Interpretation war. Diese Erkenntnis sollte aber nicht zu einer Leugnung dieser Grunderfahrung führen, sondern zu einer Suche nach Kategorien, mit denen sie besser dargestellt und ausgelegt werden kann, und dies scheinen - weil es sich um eine personale Erfahrung handelt - personologische Kategorien zu sein."63 62 Gerken spricht zwar davon, daß die Transsubstantiation unter den Bedingungen eines „dinglichen" Denkens die einzige Möglichkeit zur Wahrung der Glaubensgegebenheit gewesen sei (etwa Theologie S. 125, vgl. weitere Belege oben Anm. 41); dennoch ist die Einzeichnung des Dogmas überhaupt in einen dinglichen Denkhorizont bei ihm ebenso eine Verzeichnung wie bei E.Schillebeeckx, Sakrament S. 13; Gegenwart S. 60(nl.H,S. 360), bei G.Liesting, Sacrament S. 20-26,beiF.-J.Leenhardt,Corps S. 16.19. 37, L.Smits, Vragen S. 29f. 65-69, Ch. Davies, Presence S. 160, u.v.m. 63 Beide Zitate: A.Gerken, Theologie S. 163; vgl. ähnliche Widersprüche bei E.Schillebeeckx: dem ersten Zitat bei Gerken entspricht ders., Gegenwart S. 10-14 (nl. I, S. 138-141), dem zweiten Zitat ebd. S. 58-61, spez. 60 (ni. II, S. 359-361, spez. 360).

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Die Differenz von „dinglich" und „personal" dient - weiterhin völlig abgesehen von der Frage nach ihrem Sinn - einerseits zur deskriptiven Erfassung divergierender, aufeinander folgender Wirklichkeitsverständnisse, andererseits aber als Leitfaden einer Kritik der traditionellen Eucharistielehre im Namen einer ursprünglichen „Personalität" der Glaubensgegebenheit, die in einer „dinghaften" oder „statischen" Interpretation verdunkelt wird. Im Gesamtduktus sowohl der hier angezogenen Werke von Gerken und Schillebeeckx, als auch der Veröffentlichungen zur Transsignifikationslehre überhaupt wird also deutlich, daß die Neufassung der eucharistischen Realpräsenz im Sinne einer personalen, und zudem den Aktcharakter der Eucharistie berücksichtigenden Interpretation nicht nur als Erfordernis eines faktisch gewandelten Verstehenshorizontes betrachtet wird; es handelt sich mehr noch um eine letztlich theologisch, das heißt: im Rekurs auf die ursprüngliche Glaubenswirklichkeit begründete Korrektur einer dinglich-statischen Verzeichnung dieser Glaubenswirklichkeit 64 . Das Kriterium der Unterscheidung von Form und Inhalt ist so offensichtlich die Antithese von „personal" und „dinglich", wobei natürlich nun die Frage die ist, ob dieses Kriterium ausreichend gefüllt ist. 1.5 Die Orientierung der Tradition, und eben auch des Trienter Konzils am Begriff der Substanz erscheint so als konsequenter Kulminationspunkt eines „dinghaften" Verstehenshorizontes: „In einem dinglichen Denkhorizont war der Substanzbegriff einer der Leitbegriffe". 65

Entsprechend, so die Vorstellung, werde die Gegenwart Christi in Analogie zur Präsenz eines Raumgegenstandes zunächst einmal als reine Vorhandenheit unter Brot und Wein verstanden: „De beschrijving van de eucharistische presentie, die louter van de ruimtelijke tegenwoordigheid uitgaat drukt... nog niet uit dat de Eucharistie een geschenk is van Persoon [!] tot persoon.... De scholastieke theologie beschrijft de eucharistische tegenwoordigheid als een tegenwoordigheid op de wijze waarop de zelfstandigheid tegenwoordig is in zijn uiterlijke gedaante („praesentia per medium [!] substantiae"). Dit is precies de formule waarin heel haar dialectiek om van de

64 Vgl. A.Gerken, Theologie S. 123.157ff; E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 58-61 (ni. II S. 359-361); G.Hintzen, Gedanken S. 279; J.P.de Jong, Eucharistie S. 175-177 mit 105-108; LSmits, Vragen S. 78f; Ch.Davies, Presence S. 158-160; P.Schoonenberg, TerugblikS. 320-327; J.B.W.M.Möller, Denken S. 169f; H J . Weber, Eucharistie S. 211f; J.Powers, Eucharistie S. 171ff; F.-J.Leenhardt, Présence S. 160f; L.v.Hout, Fragen S. 187; vgl. die in Anm. 62 genannten weiteren Passagen. 65 AGerken, Theologie S. 163; vgl. ebd. S. 119f im Kontext von 118-126.203.223.

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ruimtelijke aanwezigheid uit te gaan en die van Christus' lichaam op de gedaanten over te brengen is samengevat."66 Die traditionelle Lehre von der Realpräsenz als Substanzpräsenz stellt also die Verzeichnung eines ursprünglich personalen Geschehens durch die Auslegung in „dinglichen" oder „räumlichen" Kategorien dar. Die Folge dieser dinglichen Auslegung ist die Isolation und Verabsolutierung der eucharistischen Gegenwart Christi: die übrigen Modi der Gegenwart Christi in der Gemeinde treten zurück, und die eucharistische Präsenz verliert so die Verbindung zu den Modi der Aktualpräsenz Christi; das Verständnis des intentionalen Charakters der Gegenwart Christi gehe verloren, so daß die Realpräsenz als „Vorhandenheit Christi" gegen den Gesamtakt des Sakramentes, insbesondere gegen die Kommunion der Gläubigen, gegen die Teilnahme am Opfer etc. isoliert werde 67 . Genau um die Wiedergewinnung dieses Kontextes der Realpräsenz unter den Gestalten und um das Verständnis des Realitätsmodus der Realpräsenz von diesem Kontext her geht es der Transsignifikationslehre; so formuliert Schillebeeckx: „Die eucharistische Gegenwart ist nicht mehr isoliert; man sagt nicht mehr: „Christus ist da", ohne zu fragen, für wen er anwesend wird. Dieser Unterschied zwischen einem sachlichen „Da-sein" und der Gegenwart im Sinne von personaler und damit zwischenpersonaler oder wechselseitiger Gegenwart wurde eindringlich formuliert von P.Schoonenberg."68 Es handelt sich dabei um eine ontologische Differenz, wie Schillebeeckx wenige Seiten zuvor festgehalten hat: 66 P.Schoonenberg, Terugblik S. 322; das lat. Zitat soll vermutlich lauten: „... per modum substantiae" o.ä.; der letzte Satz des Zitates ist auch im Original korrupt, aber in der Aussageintention verständlich. 67 Zur Isolation gegen den Kontext: G.Liesting, Sacrament S. 25f; S.Trooster, TegenwoordigheidS. 125ff; J.Powers, Eucharistie S. 43-46; Ch.Davies.PresenceS. 158160; H.J.Weber, Eucharistie S. 195ff. 211f; J. de Baciocchi, Présence S. 140f; E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 89f. 91f (ni. II, S. 382f. 383); B.Welte, Diskussionsbeiträge S. 184-187; A.Gerken, Theologie S. 223; I.R.Sonnen, Neubesinnung S. 495ff; W.Beinert, Enzyklika S. 172; O.H.Pesch, Eucharistie S. 103f. 106f; K.Rahner, Gegenwart S. 383-385; I.R.Sonnen, Neubesinnung S. 495f; S.Trooster, Transsubstantiatie S. 743f. Zur Isolation gegen die übrigen Modi der Gegenwart: E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 66. 68 (ni. II, S. 366f), vgl. 79 (ebd. 374f) und 92f (ebd. 384); Ch.Davies, Presence S. 168-170 u. ff; HJ.H.M.Fortmann, Presentie S. 200f; P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid HI S. 313; ders., Tegenwoordigheid II S. 197f; I.R.Sonnen, Neubesinnung S. 499-501; J.Galot, Théologie S. 30-33; BJ.Hilberath, Substanzverwandlung S. 143f; G.Hintzen, Gedankens. 282f; O.Semmelroth, Wandlung S. 105f; J.Powers, S. 173 u.ö. 68 E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 68f (ni. II, S. 366f).

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„Man muß sich vergegenwärtigen, daß damals [sc. zur Zeit der Hochscholastik, N.SL] die menschliche Intersubjektivität noch nicht thematisiert war [sie!!], daß man den Menschen noch mit naturphilosophischen Kategorien anging ..., und daß auch die Ontologie stark kosmologisch infiziert war [sie!]. In einer solchen Zeit konnte man eine schlechthin menschliche Realität wie das religiöse Mahl nur in äußerster Verfremdung angehen. In einem solchen Kontext mußte die Wirklichkeit der Eucharistie ... eine stark physische Färbung erhalten. Man suchte den Wirklichkeitswert der Eucharistie zu begründen, und mit Recht..., aber man suchte die ontologische Dimension außerhalb der Sakramentalität.... Die Notwendigkeit, einen neuen Ausgangspunkt für die Deutung der eucharistischen Gegenwart zu finden, drängt sich damit auf. An Hand [!] moderner Autoren will ich nun zuerst aufzeigen, welches dieser neue Ausgangspunkt ist: die nicht-naturphilosophische, sondern anthropologische und deshalb formell sakramentale Betrachtungsweise."69 Es bestätigt sich mit diesem Zitat die Einordnung der Transsignifikationslehre in den eingangs skizzierten Kontext der Neuorientierung der Ekklesiologie und Sakramentenlehre; sie kann als der Versuch betrachtet werden, die besonders „widerspenstige" Lehre von der Realpräsenz unter den Gestalten einem Verständnis des Sakramentes als „personalem Ausdrucksakt" zugänglich zu machen; der Weg zu diesem Ziel, so deutet sich an, ist die Auseinandersetzung mit der Bindung der traditionellen Eucharistielehre an eine Ontologie der Substanz. Nach der Berechtigung dieser Kritik, und nach der Bezugnahme der traditionellen Eucharistielehre auf Begriff und Sache der Substanz ist nun zu fragen: 2. Ich verifiziere die Kritik der Vertreter der Transsignifikationslehre an der traditionellen Lehre von der Realpräsenz im folgenden anhand zentraler Texte der dogmatischen Tradition, mit dem oben umrissenen Ziel, auf diese Weise die entscheidenden Ansatzpunkte einer Neuinterpretation zu erheben und die Frage nach den Kriterien einer Bewertung der eucharistischen Position zu stellen. Ich gehe dabei so vor, daß ich zunächst auf die Isolation der Realpräsenz Christi vom eucharistischen Gesamtakt eingehe (2.1), und dann knapp die Frage stelle, ob und wieweit der Rekurs der Tradition auf die Ontologie der Substanz für diese Tendenz verantwortlich zu machen ist (2.2). 2.1 Die Isolation der Realpräsenz in den theologischen Traktaten und dogmatischen Definitionen schlägt sich in zwei wesentlichen Richtungen nieder: zum einen in der mangelnden Verbindung derselben zum Gesamt-

69 ESchillebeeckx, Gegenwart S. 60 (nl. II S. 360f).

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akt der Eucharistie, d e m eucharistischen Opfer, z u m anderen in der A b l ö sung der Realpräsenz Christi v o n der manducatio 7 0 . D i e s e Entwicklung ist mitnichten, w i e gern behauptet wird 7 1 , eine Folge der rein äußerlich bedingten Trennung der Besprechung der drei genannten loci auf d e m Trienter Konzil, die zur entsprechenden Trennung in den theologischen Traktaten zur Eucharistie führte 7 2 ; vielmehr bestätigt das Konzil mit dieser Diastasierung eine schon längst bestehende Tendenz zur Verlagerung d e s theologischen Interesses auf das Faktum der Realpräsenz und eine entsprechende Isolation derselben, für die man sich auch nicht erst auf die in d i e s e m Zusammenhang gern zitierte scharfsinnige Schrift Wilh e l m s v o n O c c a m ( „ D e sacramento altaris") berufen muß, die allein die Realpräsenz und deren ontologische Implikationen behandelt 7 3 . A l s Beispiel m a g hier T h o m a s v o n Aquin dienen: die Lehre v o m M e ß o p f e r wird in der STh in einem einzigen Artikel behandelt, w o b e i T h o m a s auf die Realpräsenz in keiner Weise B e z u g nimmt 7 4 , während der Gegenwart Christi und den mit dieser zusammenhängenden Bestimmung e n fünf quaestiones g e w i d m e t sind 7 5 . 70 Vgl. etwa Ch.Davies, Presence S. 158-160.166-168; J.Galot, Théologie S. 2729; L.Smits, Vragen S. 7-11; A.Gerken, Theologie S. 126£f (s.o. Anm. 54); H.J.Weber, Eucharistie S. 194f u. ff; G.Liesting, Sacrament S. 25 u.ö.; B.Welte, Diskussionsbeiträge S. 184-189; u.v.m. 71 A.Gerken, Theologie S. 146; L.Smits, Vragen S. 20; G.Liesting, Sacrament S. 24; J.Powers, Eucharistie S. 37. 46; B.Neunheuser, Lehre (HDGIV/4 b) S. 62, vgl. 57. 72 Zum Verlauf des Konzils vgl. HJedin, Geschichte II und III, in III, S. 32-52 zu sess. 13; S. 219ff zur 2. Trienter Periode; IV/1, S. 17ff: die Wiedereinberufung; S. 138209: sess. 21 (Laienkelchfrage) und sess. 22 (Messe und Meßopfer); B.Neunheuser, Eucharistie (HDG IV, 4 b) S. 57f; J.Lecler, Trient I S. 244-453, spez. 396-453; ders., II, S. 17-50; zur sess. 13: S. 158ff; zur Unterbrechung und Fortsetzung des Konzils: S. 223ff und 245ff; sess. 21: 316ff; sess. 22: 354£f. 73 Wilhelm von Occam, De Sacramento Altaris; dort allerdings S. 158, Z. 9-18: Verbindung zu Opfer und Empfang, 162-200: Faktum und Modus der Realpräsenz, ab S. 200: Problematik der bleibenden Akzidentien. Die vollständige Reduktion der eucharistischen Problematik auf das Thema der Realpräsenz und deren Implikationen ist übrigens mitnichten so ungewöhnlich, wie es scheint; wer dies behauptet, vergißt, daß immerhin Thomas von Aquin (ScG lb IV, cp 61 - 69) die Eucharistie ebenfalls nur unter dem Aspekt der Realpräsenz behandelt; lediglich cp 61 (circa finem) erwähnt er kurz das eucharistische Opfer. 74 Thomas von Aquin, STh III q 80 a 1 resp; den Zusammenhang stellt vorgreifend q 73 a 4 resp und q 75 a 1 resp her. 75 Ders., ebd. qq 75-79; auch Gabriel Biel, Expositio, trennt in seinem Meßkommentar die Behandlung der Realpräsenz und des Meßopfers und gewichtet unterschiedlich: die Realpräsenz wird in der expositio in lect 38-49 behandelt, es folgt der cultus latriae lect 50, das Opfer lect 54ff, wie im Ablauf der Messe.

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Im Blick auf die communio hält Thomas zwar ausdrücklich fest, daß das Sakrament auf den usus fidelium ausgerichtet sei 76 , betrachtet es aber ebenso ausdrücklich als das proprium der Eucharistie gegenüber allen anderen Sakramenten, daß res et sacramentum (also die Gegenwart Christi unter den Gestalten) unabhängig vom Brauch Bestand hat 77 . Genau mit dieser Feststellung werden die eucharistischen Gestalten vom sakramentalen Akt gelöst und als Sakrament gerade nicht dieser „Akt", sondern die Elemente selbst bzw. mit Blick auf das „sacrum contentum" verstanden; für alle übrigen Sakramente hingegen gilt, daß dies „sacrum contentum" eine virtus ist, die also durch die Funktion des sanctificare so bestimmt ist, daß für sie der Vollzug und der Empfang konstitutiv ist 78 . Im Vergleich mit solchen und ähnlichen Texten sieht man, daß das Dekret der sess. XIII des Tridentinum zur Eucharistie geradezu bemüht ist, das Faktum der Realpräsenz an die res tantum sacramenti, die Gnadenmitteilung bzw. die unio cum Christo, zu binden: in cap 2 des Dekretes wird zunächst breit die Frucht des Sakramentes erörtert, bevor in cap 3 die Realpräsenz, in cap 4 die Transsubstantiation definiert wird; auch in cap 5 - der Bestimmung über den cultus latriae - wird noch einmal ausdrücklich die sumptio als eigentliches Ziel der eucharistischen Gegenwart hervorgehoben. Das Bemühen ist erkennbar, ändert aber nichts an der grundsätzlichen Übereinstimmung auch des Dekretes mit der anhand von Thomas aufgewiesenen Tendenz, die Realpräsenz als Faktum vom usus zu isolieren79 . 2.2 Die beschriebene Isolation der Lehre von der Realpräsenz hat ursprünglich selbstverständlich keine theologischen Gründe, sondern stellt eine Folge der beständigen Nötigung zur Auseinandersetzung um diese Frage seit dem frühen Mittelalter dar; die ersten „Monographien", die allein dieser Frage gewidmet sind, stammen aus der Zeit des ersten Abendmahlsstreites 80 .

76 Thomas v. Aquin, STh III 73 a 1 ad 3. 77 Ebd. q 74 a 7 resp; der Artikel behandelt die Frage, ob die Mischung des eucharistischen Weines mit (die Gläubigen und deren Vereinigung mit Christus symbolisierendem (ebd. a 6 resp)) Wasser de necessitate sacramenti sei; Thomas antwortet mit Verweis auf den akzidentellen Charakter der sumptio - negativ: „usus fidelium non est de necessitate sacramenti, sed est aliquid consequens ad sacramentum." 78 Vgl. bes. ebd. q 73 a 1 ad 3. 79 ConcTrid sess 13, cap 3 (DS 1639): reliqua sacramenta tunc primum sanctificandi vim habent, cum quis Ulis utitur: at in Eucharistia ipse sanctitatis auctor ante usum est." 80 Vgl. zum ersten Abendmahlsstreit zwischen Ratramnus und Paschasius Radbertus: E.Mühlenberg, Dogma (HDThG I) S. 530-534; der erste Traktat zur Realpräsenz

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Wohl aber verweist diese Isolation bzw. deren Begründung im Hochmittelalter bzw. auf dem Tridentinum auf eine implizite ontologische Grundentscheidung: Es wird festgehalten, daß in den übrigen Sakramenten eine „virtus sanctificandi" präsent sei, die als solche nur im Vollzug ihres Wirkens, der sanctificatio, Bestand habe, während in der Eucharistie „ipse sanctitatis auctor" gegenwärtig sei. Diese Feststellung unterscheidet die „virtus Christi" vom „Christus ipse", bzw. - im Sinne von can 2 des Eucharistiedekretes - : die Anwesenheit Christi „virtute" vom „contineri vere, realiter et substantialiter"81. Die Unabhängigkeit der Realpräsenz vom Kontext des Sakramentes scheint also mit der Bezugnahme auf die Substanzontologie zusammenzuhängen - wenn auch sicher nicht so, daß sie den Ursprung der Isolation darstellt, so doch in dem Sinne, daß sie die Begrifflichkeit zu deren Formulierung an die Hand gibt; ich werde dem unten weiter nachgehen. Die Isolation der sakramentalen Gestalten und der Gegenwart Christi vom sakramentalen Geschehen hat also - zusammenfassend - einen Grund in der Überzeugung vom Sondercharakter der gegenwärtigen und im Sakrament enthaltenen res sacra: gegenwärtig ist Christus selbst, und nicht nur eine Wirkkraft Christi; diese Unterscheidung Christi selbst von seiner Wirkkraft wird unter Bezugnahme auf den Begriff der „Substanz" zur Sprache gebracht. 3. Es ist nun nach der Funktion der Lehre von der Substanzverwandlung in der traditionellen römisch-katholischen Eucharistielehre und nach dem Sinn dieses Begriffes von „Substanz" zu fragen: 3.1 Das Tridentinum unterscheidet zwischen der Feststellung der Realpräsenz einerseits, und der Lehre von der Verwandlung der Substanzen von Brot und Wein in die Substanzen von Leib und Blut Christi andererseits, und zwar sowohl in den capita wie in den canones des decretum82: 3.1.1 Zunächst wird in cap 3 (can 1) das Faktum der Realpräsenz festgeschrieben, und zwar ohne jeden Rekurs auf Begriff und Sache der conversio der Substanzen. Die Realpräsenz wird dabei durch eindeutig lokale Termini umschrieben - „exsistere in/sub (speciebus)", „contineri in

zumindest im Friihmittelalter ist wohl „De corpore et sanguine Domini" von Radbertus (ebd. S. 530), Text: MPL120, Sp. 1267-1350; vgl. weiter B.Neunheuser, Eucharistie (HDGIV, 4 b) S. 15-19. 81 cap 3: DS 1639; can 2: DS 1651, vgl. auch cap 1, DS 1636; dazu Thomas von Aquin, STh III q 73 a 1 ad 3, spez aber ebd. q 75 a 1 resp: „... hoc sacramentum, quod ipsum Christum realiter continet,... est perfectivum omnium aliorum sacramentorum, in quibus virtus Christi participatur." 82 Vgl. cap 3 und 4 (DS 1639-1641) und can 1 und 2 (DS 1651 und 1652).

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(sacramento)", „esse in (Eucharistia)", so daß die oben zitierte Kritik Schoonenbergs, die scholastisch geprägte Tradition deute die Realpräsenz im Ausgang von der räumlichen Gegenwart, oder die Kritik Schillebeeckx' und Gerkens, der gemäß im traditionellen Verständnis die Realpräsenz Gefahr laufe, „verdinglicht" zu werden, verifiziert zu sein scheint 83 . 3.1.2 In cap 4 (can 2) wird sodann die Substanzverwandlung definiert, aber nicht etwa mit dem Ziel, den Modus der Vergegenwärtigung Christi näher zu bestimmen, sondern, ohne Bezug auf die Rede von einer „Realpräsenz", als Implikat der Wahrheit der Deuteworte, wodurch speziell die Möglichkeit ausgeschlossen werden soll, daß das Brot entgegen der ausdrücklichen Identifikation mit dem Leib Christi (hoc est corpus meum) wahrheitsgemäß als „Brot" bezeichnet werden kann: es bleiben zwar die species, die Gestalt also und das Aussehen des Brotes, nicht aber das Korrelat der Wesensbezeichnung, die Substanz 84 . In diesen Abschnitten fehlt jegliche Bezugnahme auf „lokale" Termini. Sicherlich bezieht sich das Tridentinum mit dieser Differenzierung der Feststellung einer Realpräsenz einerseits und der Definition einer Wandlung von Brot und Wein andererseits zunächst schlicht auf die kontroverstheologische Situation, die durch die entsprechende Differenzierung des protestantischen Lagers (in Leugner der Realpräsenz überhaupt und Gegner nur der Transsubstantiationslehre) entstanden war 85 . Die Aspekte werden allerdings so durchgängig und bewußt getrennt, daß anzunehmen ist, daß die implizite These die ist, daß es durchaus möglich wäre, an der Realpräsenz festzuhalten, ohne zugleich eine Transsubstantiation zu lehren. Das Konzil folgt damit einer breiten franziskanischen Tradition, der zufolge durch andere Modelle - etwa durch die Annahme der Kopräsenz der Substanz des Leibes und Blutes Christi mit der Substanz von Brot und Wein - der kirchlichen Lehre von der Realpräsenz kein Abbruch geschähe86 . 83 „esse in": cap 3 (DS 1639), can 1 (DS 1651) „exsistere sub": cap 3 (DS 1640/ 1641) „contineri in": cap 3 (DS 1641) vgl. cap 1 (DS 1636), can 1 (DS 1651); zu den Zitaten der genannten Autoren vgl. oben Anm. 65/66/68/69. 84 Cap 4 (DS 1642); can 2 (DS 1652). 85 Can. 1 liegt eine These Zwingiis, can 2 eine These Luthers zugrunde: J. Wohlmuth, Realpräsenz I, zu can 1: S. 87 (Text des Artikels) im Kontext von 86-92. 120ff. 137.210. Zu can 2: ebd. S. 222ff (Text des Artikels 3: S. 222), 246ff. 258ff. 284ff. 86 Vgl. etwa Gabriel Biel, Expositio lect 40 A, der dort die Überlegungen zum Modus der Vergegenwärtigung folgendermassen einleitet: „Ostensa corporali praesentia corporis Christi sub speciebus panis ad prolationem forme sacramentalis, consequenter inquirendum est qua mutatione incipit corpus Christi esse in sacramento." Auf die Darstellung der Transsubstantiation als Modus der Vergegenwärtigung (40 A-K) folgen dubia (40 L und M), die in lect 40 und 41 diskutiert werden. Das „quartum dubium"

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Mit dieser Zuordnung v o n Realpräsenz und Transsubstantiation wird offenbar die Realpräsenz als der zu wahrende eigentliche Glaubensgehalt bezeichnet, während die Transsubstantiation als zusätzliche B e s t i m m u n g , als Erklärung der Art und W e i s e der Vergegenwärtigung Christi, erscheint; eine s o l c h e Interpretation legt auch die A b f o l g e der entsprechenden Festleg u n g e n in den capita und den canones nahe 8 7 . D i e s e auch in den Veröffentlichungen zur Transsignifikationslehre häufig vertretene 88 Deutung des Verhältnisses v o n Realpräsenz und Wandlung ist aber zumindest im Blick auf die G e n e s e der Transsubstantiationslehre einer Korrektur bedürftig: 3 . 2 Befaßt man sich nämlich mit den Texten z u m Streit u m die figurative Eucharistielehre des Berengar v o n Tours, s o kommt man zu d e m überra-

behauptet nun, daß die Annahme einer Kopräsenz im Vergleich mit einer Deutung der Realpräsenz durch die Transsubstantiation der Substanzen von Brot und Wein nicht nur ebensogut möglich, sondern vernünftiger sei; die Antwort auf das dubium verstärkt dasselbe noch dadurch, daß alle Begründungen der kirchlichen Lehre gegen dieses dubium aus dem Feld geschlagen werden (lect 41G und H); in 411 entscheidet Biel dann ausschließlich mit dem Argument der Faktizität der kirchlichen Entscheidung für die Transsubstantiation. Ähnlich: Wilhelm von Occam, De sacramento III (unsere Ausgabe S. 172) und V (182ff); auf dieselbe Tradition (auf Pierre d'Ailly) beruft sich übrigens Luther in De captivitate (BoA I, 438, 22-27). Thomas v. Aquin, STh III q 75 a 2 resp, betrachtet hingegen die conversio substantiae nicht als unbegründbaren Erklärungsmodus, sondern als Implikat der veritas locutionis. 87 Vgl. auch die Abfolge in ConcLat IV, in der „Definitio contra Albigenses et Catharos" (DS 802): „... corpus et sanguis in sacramento altaris sub speciebus panis et vini veraciter continetur, transsubstantiatis pane in corpus ..." - der abl. abs. gibt m.E. eindeutig den Modus der Vergegenwärtigung an; vgl. schon Petrus Lombardus, Sent IV d X cap 1 mit cap 2 und d XI cap 1. 88 E.Schillebeeckx, GegenwartS,. 28f(nl. I, S. 150f)u. pss; vgl. ders.,Transubstantiation S. 331f; P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid II S. 196; ders. Lehre S. 307f; G.Sala, Transsubstantiation S. l l f ; K.Rahner, Gegenwart S. 362ff, spez. 367f zu Trient, vgl. aber seine eigene These, daß der Begriff der Präsenz nicht der Zentralbegriff der Eucharistiesein dürfe: ebd. S. 383fü; J.Powers, Eucharistie S. 41.43f. 171ff; B.Hilberath, Substanzverwandlung S. 133-139; A.v.d.Walle, Reflektie S. 200. 202-204; H.J.Weber, Eucharistie S. 194f; J.Wohlmuth, Transsubstantiation S. 134 (Basisaussage und Deutungen); S. Trooster, Tegenwoordigheid S. 129-131; ders., Transsubstantiatie S. 737; O.H. Pesch, Eucharistie S. 107; ders., Mysterium S. 121f und ders., Gegenwart S. 79f; G. Hintzen, Gedanken S. 283f. 286-288; L.Smits, Vragen S. 66f; J.Delmotte, Mysterium S. 5; H.de Lavalette, Transsubstantiation S. 570f; W.Beinert, Enzyklika S. 168f; bezeichnend A.Vanneste, Bedenkingen II, der S. 333 als Resümee eines Uberblicks über die Eucharistielehre seit Ratramnus (S. 327ff) feststellt: „Men heeft er [in Trient, N.S1.] ... niets anders bepaald dan wat in de l l e eeuw reeds aan Berengarius als geloofsbelijdenis werd opgelegd: in de eucharistie is Christus werkelijk tegenwoordig en dat veronderstelt dat... in de grond een werkelijke verandering heeft plaats gegrepen van de wezenheid, de substantie van het brood en de wijn."

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s e h e n d e n Ergebnis, daß sich der Streit mitnichten um die „Real präsenz Christi" drehte i m Sinne der Frage, ob Christus „in" oder „unter" den Gestalten „gegenwärtig" sei, „in" ihnen „sei" oder in ihnen „enthalten" sei; der Streit dreht sich vielmehr darum, ob - entsprechend den Deuteworten die Signifikate derselben (Brot und Wein) Leib und Blut Christi s e i e n und sich folglich gewandelt hätten 8 9 . D a s gesamte Begriffsfeld des „contineri in", „praesens esse", „adesse", „esse/exsistere in/sub" fehlt; auch die beiden Eide, die Berengar 1 0 5 9 und 1 0 7 9 auferlegt wurden, sprechen v o n der Identität der eucharistischen Elemente mit dem Leib und d e m Blut Christi ( 1 0 5 9 ) bzw. v o n der Substanzverwandlung ( 1 0 7 9 ) , nicht aber v o n der „Realpräsenz" 9 0 . D a s s e l b e gilt übrigens für die einschlägige Schrift des Paschasius Radbertus aus d e m ersten Abendmahlsstreit 9 1 . 89 Vgl. zunächst allgemein: B.Neunheuser, Eucharistie (HDG IV 4 b) S. 19-24; E.Mühlenberg, Dogma (HDThG I) S. 549-554 ; vgl. weiter: H.de Lubac, Corpus mysticum; HJorissen, Entfaltung, zum Berengarstreit spez. S. 4ff (Jorissen behandelt die Folgezeit). Das im folgenden Ausgeführte müßte auf einer sehr viel breiteren Textbasis verifiziert (oder falsifiziert) werden; ich beziehe mich hier - neben den Berengar-Eiden (1059: DS 690 (dazu: J.Hödl, Confessio); 1079: DS 700) - lediglich auf folgende Texte: Adelmann von Brixen (oder von Lüttich), Epistola, MPL 153, Sp. 1289-1296 (Abfassungszeit ca. 1049); Lanfranc von Bec, De corpore MPL 150, Sp. 407-442 (vermutlich wenig später); Durandus von Troarn, Liber MPL 149, Sp. 1375-1424 (Abfassungszeit 1053); Guitmund von Aversa, De... veritate MPL 149, Sp. 1427-1494 (zwischen 1073 und 1078); ders., Confessio (ebd., 1495-1500, bes. 1500). Aus dem ersten Abendmahlsstreit auf: Paschasius Radbertus, Liber MPL 120, Sp. 1267-1350; ders., Epistola ebd., S. 1351-1366. Ich nenne hier nur wenige Passagen, aus denen die Bestimmung des status quaestionis belegbar ist: Adelmann von Brixen, Epistola (MPL 153) Sp. 1290 B; 1291 B - 1 2 9 2 B, bes. 1292 A f ; 1294 Aoben; Lanfranc von Bec, De corpore (MPL 150) Sp. 414 B; 417 B; 417 D-418 B; 419 A; 419 D-421A; 423 D-425 A; 440 B-441A; 442 u.; Durandus von Troarn, Liber (MPL 149) Sp. 1378 D f; 1379f; 1395-1398; Guitmund von Aversa, De...veritate (MPL 149) Sp. 1430; 1440ff, bes. 1443-1445; vgl. hier bes. den Einwand gegen die Kopräsenzlehre einiger Berengarschüler: 1482 C/D. 90 Dies gilt für alle genannten Autoren bis auf den recht späten Guitmund von Aversa. Dieser spricht zwar auch an keiner Stelle von „Realpräsenz", verwendet aber des öfteren lokale Termini: 1435 Aund B: „esse in"; 1435 A: „adesse in"; 1436 D: „in locis tenere"; 1447 B: „in sacramentis" und „sub speciebus". Bei den übrigen finden sich nur Wendungen wie „pereipere in" (etwa Lanfranc, aaO. Sp. 441) oder „videre in"," bibere in", „comedere in", wo das „in" eindeutig keinerlei lokale, sondern modale Bedeutung hat. Man kann, meine ich, über diese Besonderheit Guitmunds nur rätseln; meine Vermutung wäre die, daß die lokalen Termini aus dem Umfeld der Berengarschüler stammen, die Guitmund (aaO. 1430 D) als Vertreter einer „Impanations-" oder „Kopräsenzlehre" nennt; dort verwendet Guitmund erstmals diese Begriffe, und gegen sie wendet er 1482 C/D ein, daß durch die verba sacramenti ausgesagt sei, daß Christus 63

Die sich im Verlauf des zweiten Streites ausbildende Lehre von der Verwandlung der „Substanz" von Brot und Wein bei gleichzeitigem Bleiben der „species" derselben92 ist also mitnichten ursprünglich eine „Erklärungsebene", mit deren Hilfe lediglich die ursprüngliche Lehre von der „Realpräsenz" gewahrt und ausgelegt werden sollte, sondern sie stellt selbst die ursprünglichere Aussage dar; ihr Sinn besteht darin, die Bedingungen für die Wahrheit der Deuteworte zu formulieren: sofern das Vorliegende wahrheitsgemäß als Leib Christi bezeichnet werden können soll, dann muß es entgegen dem Anschein der Leib Christi sein; es muß sich also das zuvor wahrheitsgemäß als Brot Bezeichnete gewandelt haben, und zwar so, daß es nun Leib, und nicht mehr Brot ist. Dies, und nichts mehr meint die Lehre von der Transsubstantiation; der Begriff „substantia" bezeichnet entsprechend genau das Korrelat der Wesensbezeichnung in re, dessen Wandel die Voraussetzung bzw. das Implikat einer Änderung der Wesensbezeichnung ist, sofern diese Änderung der Wahrheit entsprechen soll. „Quoniam autem Christus ... corpus suum id, quod sub specie panis offerebat... vere esse dixit, ideo persuasum semper in Ecclesia Dei fuit, idque nunc denuo sancta haec Synodus declarat: per consecrationem panis et vini conversionem fieri totius substantiae panis in substantiam corporis Christi Domini nostri ,.."93 mit Brot und Wein identisch, und nicht, daß er „in" Brot und Wein sei. Das Beweisziel insgesamt ist auch bei Guitmund nicht eine „Gegenwart Christi", sondern die Identität mit den Gestalten: 1494 C/D! 91 Paschasius Radbertus, Liber. Allgemein zum ersten Abendmahlsstreit: B.Neunheuser, Eucharistie (HDg IV, 4 b) S. 15-18; E.Mühlenberg, Dogma (HDThG I), S. 530-534; vgl. H.de Lubac, Corpus mysticum. Paschasius spricht allerdings, besonders in der Epistola ad Frudegardum, vom „esse" des corpus Christi „in mysterio" oder „in sacramento". Die Verwendung solcher lokaler Ausdrücke, die -soweit ich sehe - s i c h auf diese Wendung beschränkt, hat bei Radbertus einen sehr präzisen Sinn: er reflektiert mit der Wendung auf die Differenz zwischen dem erscheinenden Zeichen (der species von Brot und Wein) und dem „im" Zeichen verborgenen Christus; es geht also nicht um eine lokale Präsenz Christi, ein „sein in" Brot und Wein, sondern um die Verborgenheit des mit den Elementen identischen Christus; vgl. dazu die Begriffsbestimmung von „sacramentum": Liber cp III/2 (MPL 120, Sp. 1275 B/C). 92 Vgl. zur Entstehung der Lehre von der Substanzverwandlung: H.Jorissen, Entfaltung. Vgl. zur Ursprünglichkeit der „Wandlung" und der skizzierten Verbindung zu den Deuteworten: Paschasius Radbertus, Liber (MPL 120) Sp. 1269 A B. 1271 B/C. Epistola Sp. 1351 A/B; Adelmann von Brixen, Epistola (MPL 143) Sp. 1292 A-C; Lanfranc von Bec, De corpore (MPL 150) Sp. 441D; Durandus von Troarn, Liber (MPL 149) Sp. 1382 D/1383 A. 1383; Guitmund von Aversa, De ... veritate (MPL 149) Sp. 1475 B. 1482 C/D. 93 ConcTrid sess. 13, cap 4 (DS 1642); Hervorhebungen von mir.

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3.3 „Substantia" meint dementsprechend das ontologische Fundament des Bezeichneten: da die Wesensbezeichnung das „Seiende selbst", und nicht „etwas an ihm" identifiziert, impliziert ein dem Wandel des Wesensbegriffes entsprechender Wandel „in re" eine Veränderung, die die Identität des Seienden selbst betrifft. Die „Substanz" ist als ontologisches Korrelat der Wesensbezeichnung das Fundament der Identität des Seienden selbst, der Wandel der Substanz ist somit ein Wandel von unüberbietbarer ontologischer Dignität. Die These der der Transsubstantiationslehre zugrundeliegenden Substanzbegriffes ist also die, daß der Wesensbegriff ein Fundament „in rerum natura", d. h.: an seinem Bezeichneten hat: eben die Substanz. 3.4 Es zeigt sich weiter, daß das Verhältnis von „Realpräsenz" und „conversio substantiae" genau andersherum zu bestimmen ist, als die genannten Vertreter der Transsignifikationslehre annehmen: es ist das ursprüngliche Faktum der Identität der eucharistischen Gestalten mit dem Leib und dem Blut Christi, die die als prädikativer Satz verstandenen Deuteworte aussagen, das zunächst durch die Lehre von der conversio mehr ausgelegt als erklärt wird, und das nun erst durch die quasi-lokalen Termini umschrieben werden kann. Unter den Verlautbarungen des Lehramtes formuliert erst das ConcLat IV das Verhältnis von Realpräsenz und Transsubstantiation so, daß die Transsubstantiation als Modus der Vergegenwärtigung Christi verstanden werden kann 94 .

94 Vgl. Anm. 87; Es wäre Aufgabe einer eigenen historischen Untersuchung, zu klären, wie hier im einzelnen die Entwicklung von der Wandlungslehre zur Rede von einer „Realpräsenz" bzw. zur Verwendung der Begriffe „contineri in", „esse in/sub" etc. verläuft - in Kürze so viel: Die quasi-Iokale Redeweise scheint zunächst immer dann aufzutauchen, wenn auf das konsekrierte Element Bezug genommen wird und auf das Verhältnis Christi zur Erscheinungsweise der Gestalten reflektiert wird: Ich nenne hier nur Belege aus den lehramtlichen Definitionen: ConcLat IV (DS 802); ConcFlor (Decretum proArmenis) (DS 1321); ConcTrid, sess. 13, cap 1 (DS 1636); cap 3 (DS 1639 und 1640f); cap. 5 (DS 1643). Wenn nach den Theologen der Hochscholastik auch kein Verhältnis lokaler Inexistenz zwischen der Substanz Christi und den Gestalten vorliegt, so besteht doch ein Verhältnis realer Bezugslosigkeit, das von einem „Ineinander" zweier Entitäten kaum unterschieden werden kann (etwa: Thomas von Aquin, STh III q 77 a 1 resp). Auf ein ähnliches Verhältnis führt nun schon die Zuordnung von Substanz und species z. B. bei Lanfranc, der beides als Zeichen und Bezeichnetes im Sinne Augustins in Beziehung setzt. Die zu diesem Zweck angezogene Augustin-Passage bestimmt das Verhältnis von res und Signum als das zweier Entitäten (vgl. schon oben Anm. 91; Lanfranc von Bec, De corpore (MPL 150), Sp. 421); die Beschreibung eines so verstandenen Verhältnisses als „Ineinander" zweier Entitäten legt sich damit ebenso nahe wie die mißverständliche Verwendung „lokaler" Kategorien zu dessen Umschreibung. An diesem Punkt wird nach der Entstehung der Rede von der „Realpräsenz" zu suchen sein.

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3.5 Zusammenfassend: Die Untersuchung führte zunächst zu der These, daß es - zumindest historisch - nicht richtig ist, daß die Lehre von der „Realpräsenz" Christi die ursprüngliche Glaubensüberzeugung darstelle, die dann durch die Transsubstantiationslehre ihre - nicht einmal unverzichtbare - Erklärung findet; vielmehr stellt historisch die Rede von der Identität Christi mit den Gestalten die (biblische) Vorgabe dar, deren Implikationen die Transsubstantiationslehre (im weiten Sinne einer Lehre von der wesentlichen Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi) entfaltet und die dann erst (ungenau und eigentlich mißbräuchlich) durch lokale Termini (Realpräsenz) bezeichnet wird. Zweitens aber verweisen diese Überlegungen auf den ersten Punkt, an dem die traditionelle Eucharistielehre auf den Begriff und die Sache der Substanz rekurriert, und auf den Sinn dieses Rekurses: Die Lehre von der Verwandlung der Substanz formuliert die Bedingung der Wahrheit der Einsetzungsworte: Es darf nicht mehr möglich sein, die in Frage stehenden Entitäten mit dem Anspruch, etwas mit der Wirklichkeit Übereinstimmendes zu sagen, als Brot und Wein zu bezeichen, vielmehr sind sie Leib und Blut Christi. Die Worte sind also wahr, wenn sich das Bezeichnete so verwandelt hat, daß es eben auch nicht mehr Brot und Wein ist, sondern Leib und Blut Christi. „Substanz" meint dementsprechend zunächst nichts weiter als das „fundamentum in re" der Möglichkeit der Bezeichnung von etwas durch einen Wesensbegriff. Die Frage, ob hier von Anfang an der aristotelische Substanzbegriff angezogen wird, erübrigt sich, da genau dies sachlich der Sinn dieses Begriffes ist95 : 95 Die Frage war gerade im Kontext der Frage nach einer möglichen Neuinterpretation lange umstritten: So vertrat G.Ghysens (Présence) die Auffassung, daß das Trienter Konzil nicht den spezifisch aristotelischen Substanzbegriff verwende, sondern von „Substanz" im Sinne der „ ... réalité véritable et profonde des choses ..." (ebd. S. 427f) spreche; Ghysens verweist zur Begründnung darauf, daß das Konzil nicht die aristotelische Differenz von „substantia" und „accidens" anziehe, sondern - wie auch schon das ConcLat IV und das ConcFlor (ebd., S. 427f, vgl. DS 802 und 1321) „substantia" und „species" unterscheide; Ghysens folgert daraus, daß der Sinn von „substantia" nach dem Willen der Konzilsväter nicht der spezifisch aristotelische sein solle: Der Sinn des Begriffes sei also im Rekurs auf den unspezifischen „sens primitif' von „Substanz" zu erheben (S. 429ff). E.Gutwenger (Substanz) hingegen vertrat in einer ausführlichen Analyse die Ansicht, daß der Substanzbegriff des Tridentinum im Kontext der Verwerfungen des Konzils von Konstanz zu suchen sei und daher „species" und „accidens" gleichbedeutend (ebd. S. 262-276, bes. 272-276), der Hintergrund des Begriffes „substantia" aber die aristotelische Substanzontologie sei (S. 276). Durchgesetzt hat sich die These von E.Schillebeeckx (Gegenwart), die besagt, daß die aristotelische Substanzontologie der faktische, ganz unthematische und daher weder

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„... substantia dicitur dupliciter. Uno modo dicitur substantia quidditas rei quam significat definitio; secundum quod dicimus quod definitio significat substantiam rei. Quam quidem substantiam Graeci oucria vocant; quod nos essentiam dicere possumus."96 3.6 Der Verzicht auf die Rede von der Substanz in diesem Sinne wird verständlich machen müssen, woraufhin die Zuschreibung eines Wesensbegriffes an ein Seiendes erfolgt, wenn nicht auf das „Seiende selbst" hin, und worin eine Änderung der Wesensbezeichnung begründet ist, wenn nicht in einem Wandel des „Seienden selbst". Ein solcher Verzicht auf Begriff und Sache der Substanz darf weder so aussehen, daß die Zuschreibung von Wesensbegriffen der Willkür überlassen bleibt - da dann neben der den Deuteworten entnommenen Wesensbezeichnung noch weitere möglich wären - noch so aussehen, daß gleichsam „unter" der den Deuteworten entnommenen, aber nicht im „Seienden selbst" begründeten „Wesensverwandlung" noch die Möglichkeit offen bleibt, vom „Seienden selbst" und dessen Wesensbestimmtheit zu sprechen, die damit nämlich eo ipso ontologisch ursprünglicher wäre als die nicht im „Seienden selbst" gegründete Wesensbestimmtheit. Es läge damit eine extern begründete Wandlung vor, deren ontologische Dignität darum zweifelhaft bliebe, weil das Seiende auf jener zweiten, fundierenden Ebene unverändert bleibt. 4. Die unter (3.) vorgetragenen Überlegungen würden strenggenommen einen Verzicht auf den Begriff der „Realpräsenz" Christi nahelegen, oder zumindest eine strenge Limitation der Verwendung des Begriffes auf das Phänomen der Identität der eucharistischen Gestalten mit Leib und Blut Christi 97 ; faktisch allerdings ist dieser Terminus zum Leitbegriff der explizit sanktionierte noch abgelehnte Denkhorizont der Konzilsväter gewesen sei, der aber genau darum auch zugunsten einer ontologischen Alternative verlassen werden könne, ohne daß dem Konzil damit widersprochen werde (Gegenwart S. 34-49 (nl. I, S. 155-166)). Vgl. auch die Hinweise von J.Wohlmuth, Realpräsenz S. 453ff, dessen Arbeit auf die theologische Bedeutung der Begrifflichkeit der canones von Trient abhebt und so versucht, die Terminologie den Aporien einer herangetragenen Fragestellung zu entwinden. 96 Thomas von Aquin, STh I a 29 a 2 resp im Kontext der Analyse des Personbegriffes des Boethius. Fortsetzung des Zitates s.u. S. 71 und f. Daß die Rezeption genuin aristotelischer Terminologie erst in der Hochscholastik die eucharistische Begrifflichkeit füllt, hatHJorissen, Entfaltung (spez. S. 65-114 und 115-154, vgl. bes. zum Formbegriff § 7) nachgewiesen; er weist aber zugleich zu Recht darauf hin, daß in Gestalt der Schriften des Boethius schon längst vor der Rezeption der Originalschriften des Aristoteles die Grundzüge von dessen Ontologie bekannt waren (vgl. auch S.Mansion, Theorie S. 117: die Kategorienschrift war durch die Übersetzung des Boethius das ganze Frühmittelalter hindurch bekannt). 97 „Ego sane, si non possum consequi, quo modo panis sit corpus Christi, captivabo

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Eucharistielehre geworden, so daß schon das ConcLat IV, aber auch das ConcTrid die Interpretation nahelegen, die Realpräsenz sei die ursprüngliche Glaubensgegebenheit 98 . Die Ausführungen einer ganzen Anzahl von Vertretern der Transsignifikationslehre hängen an der Möglichkeit einer solchen Unterscheidung und Zuordnung, durch die die Rede von der Realpräsenz, und nicht die Identität Christi mit den Gestalten, zum Kriterium einer mit der Tradition im Ginklang stehenden Eucharistielehre wird. Man wird sie daher - unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit - akzeptieren müssen, sofern man nicht schon an dieser Stelle das Gespräch abbrechen will (s.u. 6.). Zunächst allerdings ist es wichtig, zu sehen, daß die traditionelle Eucharistielehre durch diese Zentralstellung des Begriffes der „Gegenwart" bzw. des Begriffsfeldes des „Enthaltensein-in" in einer zweiten Hinsicht auf die Substanzontologie rekurriert: 4.1 Der can 1 der sess XIII des ConcTrid hält gegen Zwingli fest: „Si quis negaverit, in sanctissimae Eucharistiae sacramento contineri vere, realiter et substantialiter, corpus et sanguinem una cum anima et divinitate Domini nostri Iesu Christi ac proinde totum Christum; sed dixerit, tantummodo esse in eo ut in signo vel figura, aut virtute, anathema sit."99 Es gibt durchaus, so setzt der Text voraus, mehrere Modi der Gegenwart Christi; die Väter des Konzils zählen neben der als Modus der Realpräsenz definierten Gegenwartsweise eine Gegenwart „ut in signo vel figura" sowie die Präsenz „durch Kraftausübung" („virtute") auf, die also nicht Modi der Abwesenheit, sondern Modi der Gegenwart Christi sind. Offenbar aber, so impliziert der zitierte Text, handelt es sich hier um defiziente Präsenzmodi, denn diesen Modi wird nicht nur die Näherbestimmung „vere" und „realiter" verweigert, sondern sie werden auch durch „tantummodo" gegen eine uneingeschränkte Präsenz abgesetzt. Im Hintergrund steht eine Differenzierung der Modi der Gegenwart, die im Bereich der Scholastik in zwei Richtungen formalisiert wurde: zum einen im Sinne einer Bestimmung des Verhältnisses des Gegenwärtigen zum „Ort" der Präsenz; man unterscheidet hier eine „circumscriptive" von tarnen intellectum meum in obsequium Christi, et verbis eius simpliciter inhaerens, credo firmiter, non modo corpus Christi esse in pane, sed panem esse corpus Christi." M.Luther, De captivitate (BoAI) S. 442,10-14; zum Verständnis vgl. ders., Abendmahl (BoAIII) S. 455,37-462 ultimo, bes. 459,38-460,27. Vgl. dazu R.Schwarz, Gott S. 339344, vgl. weiter die Einwände Rahners gegen die Lehre von der „Gegenwart" Christi als Basisaussage der Eucharistielehre: K.Rahner, Gegenwart S. 383f. 98 Vgl. oben Anm. 87. 99 ConcTWd sess 13, can 1 (DS 1651). Dazu J.Wohlmuth, Realpräsenz IS. 86-89.

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einer „diffinitiven" und einer „repletiven" Gegenwart 100 . Diese Differenz ist für unseren Zweck weniger interessant als die Unterscheidung, durch die die mittelbare und die unmittelbare Gegenwart gegeneinander abgegrenzt werden: So geht Thomas von Aquin im Kontext der Frage nach der Omnipräsenz Gottes in seiner Schöpfung von den Modi menschlicher Gegenwart aus und unterscheidet zwischen der Gegenwart „per potentiam" (der Gegenwart durch die aktive Ausübung von bestimmender Wirksamkeit), „per praesentiam" (die „intentionale" Gegenwart bei etwas, das „geistig bewußt" ist)101, und „secundum substantiam"; von diesem zuletzt genannten Modus gilt: „Secundum vero substantiam vel essentiam dicitur aliquid esse in loco, in quo eius substantia habetur" 102 . Die zuerst genannten Modi haben dies gemeinsam, daß sie zugleich eine Abwesenheit des durch sie nur Bezeichneten mit sich führen: zwar ist ein König im ganzen Reich gegenwärtig, aber eben durch seine Macht, während „er selbst" von allen Orten (bis auf einen) abwesend ist: „Rex enim dicitur esse in toto regno, scilicet per suam potentiam, licet non sit ubique praesens"; ähnlich ist etwas „intentional" Gegenwärtiges gegenwärtig, obwohl der, dem es gegenwärtig ist, nicht seinerseits bei ihm gegenwärtig ist: „sicut omnia quae sunt in aliqua domo, dicuntur esse praesentia alicui, qui tarnen non est secundum substantiam suam in qualibet parte domus." (Es ist hier nicht klar, ob nun die Gegenstände beim „aliquis", oder der aliquis bei den Gegenständen sein soll). Diese Modi der Gegenwart sind also „steigerungsfähig", sofern sie zwar in irgendeiner abgeschwächten Weise eine Gegenwart von etwas bezeichnen, andererseits aber die Möglichkeit „eigentlicher" oder „einfacher, uneingeschränkter" Gegenwart offenlassen. Diese „eigentliche" Gegenwart ist offensichtlich die Gegenwart von etwas „per substantiam", das heißt: die Gegenwart von etwas im Modus „es selbst", die Gegenwart der „Substanz". Der Unterscheidung und Zuordnung der Modi der Gegenwart liegt hier offenbar eine entsprechende Zuordnung und Unterscheidung der Substanz, der virtus, der potentia etc. zugrunde, die wie folgt entfaltet werden kann 103 : 100 Die Einnahme eines Raumes unter Ausschluß anderer Entitäten (circumscriptive), die Durchdringung eines Raumes und der in ihm gegenwärtigen Gegenstände (diffinitive), und die Erfüllung eines Raumes und der in ihm befindlichen Entitäten (repletive). Hier nur wenige Beispiele: Gabriel Biel, In IV Sent I d 37 q un., C; im Kontext der Eucharistie: M.Luther, Abendmahl (BoAIII), S. 394. 101 Zum folgenden vgl. Thomas v. Aquin, STh I q 8 a 3 resp. 102 Ebd. circa medium. 103 Vgl. zum ff Thomas v. Aquin, In V Met lect 9 (889-893); In IV Met lect 1 (539) etc.

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Es handelt sich zunächst um eine ontologische Unterscheidung und Zuordnung, die es sinnvoll macht, nun auch mit Bezug auf die Gegenwart eine Gegenwart von etwas durch seine Substanz als „vere et realiter" von den uneigentlichen Modi zu unterscheiden, bei deren Vorliegen ein Subjekt durch etwas gegenwärtig ist, das zwar mit ihm verbunden, aber doch nicht mit ihm identisch ist: so wäre Christus durch die virtus oder der König durch die potentia durchaus gegenwärtig, weil es sich um die virtus Christi und die potentia des Königs handelt, die aber doch nicht mit „ihnen selbst" identisch ist; sie sind jeweils durch ein anderes ihrer selbst gegenwärtig, während „sie selbst" gerade nicht anwesend sind. Die virtus und die potentia verweisen also auf ein eigentlich abwesendes „Subjekt" derselben, die potentia und die virtus selbst hingegen sind keine möglichen Subjekte, mit Bezug auf die nun von Gegenwart gesprochen werden könnte: gegenwärtig ist nie die virtus oder potentia, sondern Christus bzw. der König durch sie. „Virtus" oder „potentia" sind „etwas am" König bzw. Christus. Eine „eigentliche" Gegenwart liegt nur im Falle der Substanzpräsenz vor. Offensichtlich wird doch hier die Substanz als etwas bestimmt, das selbst nicht mehr auf anderes seiner selbst verweist, mit dem es so verbunden ist, daß dieses das eigentliche Subjekt der Gegenwart und damit „durch die Substanz" gegenwärtig (aber auch „selbst" abwesend) ist; die Substanz wird dadurch unterschieden von demjenigen, was mit etwas anderem verbunden ist, und zwar so, daß es, wo es gegenwärtig ist, nicht selbst als Subjekt der Gegenwart in Betracht kommt. Es ist vielmehr Repräsentant eben der Substanz, die durch es gegenwärtig ist, von der es aber zugleich so unterschieden ist, daß die Substanz (oder das Gegenwärtige „selbst") trotz seiner vermittelnden Gegenwart als nicht gegenwärtig bezeichnet werden kann. Die Unterscheidung der Modi der Präsenz setzt also eine ontologische Unterscheidung des jeweils Gegenwärtigen „selbst" in seiner Unhintergehbarkeit - der Substanz - von unselbstständigen, mit der Substanz verbundenen, auf sie verweisenden, aber mit ihr nicht identischen „Sachverhalten" (Akzidentien) voraus. Die „Substanz" ist hier also nicht primär das Korrelat der Wesensbezeichnung, sondern indiziert eine Selbstständigkeit im Sinne einer Unabhängigkeit, die es auf der Ebene der „Gegenwart" verbietet, die Gegenwart der Substanz als Repräsentation eines mit ihr Verbundenen, durch sie Gegenwärtigen, „selbst" aber .Abwesenden" zu betrachten. Vielmehr ist die „Substanz" mit dem Gegenwärtigen selbst identisch, die Gegenwart der Substanz ist so die nicht steigerungsfähige Gegenwart, und so recht eigentlich Realpräsenz.

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4.2 Die Auszeichnung der eucharistischen Gegenwart Christi (bzw. des sachlich identischen „contineri" Christi „in") durch die modalen Näherbestimmungen „vere, realiter et substantialiter"104 vor den übrigen genannten Modi der Gegenwart indiziert somit einen Rekurs auf eine Substanzontologie in dem Sinne, daß die „Tätigkeit" oder „Wirksamkeit" als Konstitut eines Subjektes dieser Tätigkeit betrachtet wird, das ontologisch vorgängig ist; von „wahrer" Gegenwart kann daher nur dort die Rede sein, wo dies „Subjekt" gegenwärtig ist als etwas, das nicht etwas anderes, sondern nur sich selbst repräsentiert. Die ontologische Vorgängigkeit oder Auszeichnung des „Subjektes" ist seine Selbstständigkeit im Sinne seiner Unhintergehbarkeit auf anderes seiner selbst. Die Realpräsenz ist die Gegenwart „Christi selbst". Auch hier erübrigt sich die Frage, ob in dieser Bezugnahme auf die Substanzontologie die aristotelische Ontologie im Blick ist: ich werde unten zeigen, daß genau diese gerade umrissenen Implikationen der Unterscheidung der Modi von Gegenwart faktisch Grundbestimmungen der aristotelischen Lehre von der Substanz darstellen: „Alio modo dicitur substantia subjectum vel suppositum quod subsistit in genere substantiae."10S 4.3 Auch hier ist nach den Bedingungen eines Verzichtes auf dieses Grundelement der Substanzontologie zu fragen; E.Schillebeeckx skizziert die Differenz der Neuinterpretation zur traditionellen Eucharistielehre folgendermassen: „Die Scholastik hat ja die Neigimg, das Ontologische „in der Tiefe", d. h. sozusagen hinter den Phänomenen, zu suchen, so daß man, z. B. im Zusammenhang mit der Anthropologie, der „Substanz der Seele" eine größere ontologische Dichte gibt als der ganzen psychischen personalen Tätigkeit des Menschen. Als ob eine menschliche, sinngebende Tat nicht eine noch größere ontologische Hefe hätte als eine „substantia animae", die auf dem Quasi-Nullpunkt ihrer Freiheit oder personalen Tätigkeit steht!"106 Sofern - wie Schillebeeckx im folgenden zweiten Teil seines Werkes zu erkennen gibt - das Zentrum der Neuinterpretation darin besteht, zu zeigen, daß durch das Realsymbol der eucharistischen Elemente eine Realpräsenz im Sinne einer „akthaften" Zuwendung Christi (aber eben keine Substanzpräsenz im traditionellen Sinne) hergestellt wird, dann hat

104 ConcTridsess. 13can 1 (DS1651); ebenso cap 1 (DS1636), vgl. cap 3 (DS1639 u. ff, bes. 1641). 105 Thomas vonAquin, STh I q 29 a 2 resp (Fortsetzung von Zit. S. 67 zuAnm. 96). 106 E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 56 (nl. I, S. 171).

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er mehr zu zeigen, als er hier angibt: nämlich dies, daß die „psychische, personale Tätigkeit" (was immer das ist) eine „Gegenwart" beistellt, die nicht konstitutiv auf ein Subjekt dieser Tätigkeit als deren ontologisches Fundament verweist; diese Differenzierung würde nämlich auch eine entsprechende Unterscheidung im Bezug auf die Modi der Gegenwart, und eine der jeweiligen ontologischen Dignität entsprechende Wertung derselben, provozieren: eine „Gegenwart durch eine (personale) Tätigkeit", die auf ein Subjekt dieser Tätigkeit hintergehbar ist und in ihm ein Fundament hat, mit dem es nicht identisch ist, ist nur dann Realpräsenz, wenn und sofern dies Subjekt gegenwärtig ist. Und dies wäre nun keine Neuerung gegenüber einer traditionellen Lehre von der Realpräsenz. Es bedarf einer also Personontologie, die fähig ist, auf Begriff und Sache einer „Personsubstanz" im Sinne eines Aktsubjektes zu verzichten, und es wird sich zeigen, daß dies leichter gesagt ist, als getan. 4.4 Es ist also im Rahmen der Eucharistielehre, enger: im Rahmen einer Lehre von der Realpräsenz, zu unterscheiden zwischen zwei Bezugnahmen der traditionellen Definitionen auf die Substanzontologie: zum einen meint „Substanz" das ontologische Fundament der wahrheitsgemässen Wesensbezeichnung und hat seinen Ort in der Deskription der (die Bedingung der Wahrheit der Worte Jesu entfaltenden) conversio von „Brot" und „Wein" in Leib und Blut Christi. Zum anderen impliziert die modale Näherbestimmung der Gegenwart Christi durch „substantialiter" die Unterscheidung des „Seienden selbst" in seiner Unhintergehbarkeit von seinen unselbstständigen Akten, Wirkweisen und Eigenschaften, die auf das Seiende selbst als Subjekt dieser Bestimmungen hintergehbar sind. Thomas von Aquin faßt an der nun schon mehrfach zitierten Stelle zusammen: „Nominatur [sc. substantia, N.S1.] etiam tribus nominibus significantibus rem; quae quidem sunt: res naturae, subsistentia, et hypostasis ... Secundum enim quod per se existit, et non in alio, vocatur subsistentia. Illa enim subsistere dicimus, quae non in alio sed in se existunt. Secundum vero quod supponitur alicui naturae communi, sie dicitur res naturae;... Secundum vero quod supponitur accidentibus, dicitur hypostasis vel substantia.... haec tria nomina significant communiter in toto genere substantiarum."107 5. In den vorangehenden beiden Abschnitten habe ich die Kritik der Vertreter der Transsignifikationslehre und zentrale Bestimmungen der traditionellen Lehre von der Realpräsenz nachgezeichnet mit dem Ziel, die entscheidenden Ansatzpunkte für das Anliegen einer Neuinterpretation auf

107

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Thomas von Aquin, STh I q 29 a 2 resp. Vgl. näher unten II B.

der Grundlage einer nicht-substantialen Ontologie zu erheben. Die Abschnitte sind knapp zusammenzufassen; auf dieser Grundlage soll dann nach den Kriterien einer Bewertung der durch die Neuinterpretation entworfenen Eucharistielehre gefragt werden. 5.1 Es ergab sich, daß die traditionelle Lehre von der Realpräsenz tatsächlich das Faktum der Realpräsenz Christi unter den Gestalten gegenüber dem Kontext des sakramentalen Aktes verselbständigt, und daß der Verdacht etwas für sich hat, daß die Bezugnahme auf die Kategorie der „Substanz" dieser Tendenz zur Isolation wenn nicht Vorschub leistet, so doch die Mittel an die Hand gibt, sich zu formulieren. 5.2 Es ergab sich zweitens, daß zumindest historisch nicht ein Glauben an die „Realpräsenz" Christi den Ausgangspunkt der traditionellen Eucharistielehre bildet, die sich dann durch die Lehre von der Substanzverwandlung ihre - prinzipiell verzichtbare - ontologische „Erklärung" schafft. Vielmehr ist umgekehrt der Ausgangspunkt die Lehre von der Verwandlung der Elemente in Leib und Blut Christi, die nichts weiter darstellt als die Explikation der Bedingungen der Wahrheit der Deuteworte Christi. Die Identität Christi mit den Elementen wird dann als „Realpräsenz" Christi in den Elementen und „in" der Kirche gedeutet; die Unterschiedenheit beider Ebenen ist in den Texten des ConcTrid noch erkennbar, das allerdings auch die Transsubstantiation als Modus der Vergegenwärtigung versteht. Faktisch legt die spätere Entwicklung eine Deutung der Transsubstantiation als Explikation des Modus der Vergegenwärtigung Christi nahe, und damit ein Verständnis der Eucharistielehre, dem gemäß die Wahrung der Realpräsenz Christi, und nicht die durch die Deuteworte verbürgte Identität der Elemente mit Leib und Blut Christi, das entscheidende Kriterium der Beurteilung einer Eucharistielehre wäre. Die von den Vertretern der Transsignifíkationslehre monierte Deutung der Realpräsenz als „räumliches" Verhältnis geht nicht zu Lasten der Lehre von der Transsubstantiation, sondern zu Lasten der Verwendung von Begriffen wie „contineri/esse in/sub", bzw. des Begriffes der „Realpräsenz" selbst. 5.3 Beide „ E b e n e n " der traditionellen Eucharistielehre - die Lehre von der Verwandlung der Substanz von Brot und Wein, und die Lehre von der Realpräsenz Christi - nehmen in unterschiedlicher Weise auf Begriff und Sache der Substanz Bezug: Die Rede von der Verwandlung der Substanzen der Elemente rekurriert auf die Substanz als Korrelat der Wesensbezeichnung „in rerum natura": die „substantia" ist als ontologisches Korrelat des Wesensbegriffes das ontologische Fundament im Sinne des Fundamentes der Identität des „Seienden selbst". Die Kennzeichnung der Realpräsenz als „substantialiter" (und darum „vere et realiter") setzt ein Verständnis der 73

Substanz als Instanz der Selbstständigkeit und Unhintergehbarkeit eines Seienden im Unterschied zu seinen unselbstständigen, mit ihm nicht identischen Attributen oder Akten voraus. 5.4 Es ergaben sich weiter vorläufige Anforderungen für ein ontologisches Fundament einer nicht-substantialen Eucharistielehre: Sie hätte zum einen zu zeigen, wodurch - wenn nicht durch die Verwandlung einer ontologischen Entsprechung des Wesensbegriffes - ein Wandel der Wesensbezeichnung von Brot und Wein zustandekommt, der von solcher Dignität ist, daß er jede andere - und speziell die vor der Wandlung gültige Bezeichnung - als falsch ausschließt. Es wäre eine Ontologie verlangt, die das Fundament der Zuschreibung eines Wesensbegriffs nicht in einer Art immanentem Prinzip des bezeichneten Seienden sieht. Die Möglichkeit wiederum, von einer Realpräsenz zu sprechen, die nicht (grundlegend) Substanzpräsenz ist, sondern selbst Aktcharakter hat, hat zur Bedingung, daß ausgewiesen werden kann, daß dieser Akt nicht eine gegenüber einem Aktsubjekt ontologisch defiziente, weil sekundäre Bestimmung ist. Man kann dabei die einleitend genannten 108 , von G.Hintzen erhobenen beiden Ansatzpunkte derTranssignifikationslehre als Versuche betrachten, den genannten Bedingungen gerecht zu werden: Die Neubestimmung der Substanz unternimmt es, das Wesen des Seienden im Rekurs auf seinen „menschlichen Sinn" (und damit aus einer „Relation" zu anderem seiner selbst) zu bestimmen; die Neufassung des Sinnes von „Gegenwart" als „personaler" Gegenwart, die durch ein „Zeichen" vermittelt wird, versucht, das Verhältnis von „Person" und „akthafter Zuwendung" so zu fassen, daß die durch das Zeichen vermittelte „personale Zuwendung" zugleich eine Vergegenwärtigung der „Person selbst" durch das Zeichen und im Zeichen ist. Diese Anläufe der Vertreter der Transsignifikationslehre, die Eucharistielehre auf ein nicht-substanzontologisches Fundament zu stellen, werden in den folgenden Abschnitten unter Beachtung der gerade erarbeiteten Bedingungen dargestellt und analysiert werden (B und C), so daß es dann möglich wird, die eucharistische Position im engeren Sinne zu untersuchen CD). 6. Die Kriterien dieser zuletzt genannten Untersuchung sind nun noch knapp zu reflektieren:

108 S.o. S34f. 74

6.1 Zwei Gründe verbieten es, die Frage nach den Kriterien der Beurteilung einer auf der Basis derTranssignifikationslehre entworfenen Eucharistielehre zu umgehen: 6.1.1 Zum einen handelt es sich um eine Neuinterpretation der römischkatholischen Eucharistielehre, die sich somit dem eigenen Anspruch nach Kriterien unterstellt, die der Vf. nicht, oder nicht vollständig, teilt. Der Tatsache, daß es sich um eine römisch-katholische Eucharistielehre handelt, muß aber dadurch Rechnung getragen werden, daß auch die Kriterien der römisch-katholischen Kirche für eine gültige Eucharistielehre zugrundegelegt werden; man gerät andernfalls in die Situation, im Rahmen der Untersuchung und Bewertung der Transsignifikationslehre die konfessionellen Differenzen in der Eucharistielehre zu behandeln, die zu lösen oder auch nur im Hauptthema zu bedenken die Vertreter der Transsignifikationslehre nicht ausgezogen sind. Diese Kriterien sind unproblematisch, soweit es sich um Bedingungen einer vertretbaren Eucharistielehre handelt, die der römischen Kirche und den lutherischen Protestanten gemeinsam sind - die Überzeugung von der Realpräsenz im weitesten Sinne - , und soweit es sich um Bedingungen handelt, die im Sinne einer lutherischen Lehre von der Realpräsenz wenig problematisch sind - ich zähle dazu die Lehre von der Verwandlung von Brot und Wein 109 . Die Kriterien sind dann weniger problemlos, wenn es etwa um die praesentia extra usum, um die Wahrung der Möglichkeit des cultus latriae, um die Wahrung der Möglichkeit einer schlüssigen Verbindung der Lehre von der Realpräsenz mit der Eucharistie als Opferhandlung oder auch um die normative Funktion der traditionellen Bestimmungen zur Eucharistielehre geht; diese Kriterien werden am gegebenen Ort jeweils unter Vorbehalt angelegt werden. 6.1.2 Zum anderen aber erhebt die Transsignifikationslehre den Anspruch, die Lehre von der Gegenwart Christi in der Eucharistie sowie die Lehre von der Verwandlung der Substanzen von Brot und Wein auf der Basis eines gewandelten Verständnisses der „Gegenwart" überhaupt, und des Begriffes der Substanz im allgemeinen, zu deuten. Die Neuinterpretation erhebt also den Anspruch, mit den traditionellen Definitionen nicht in das Verhältnis einer Antithese zu treten, sondern deren Fundamente zu untersuchen, neu zu fassen, und auf dieser Basis eine Lehre von der „Realpräsenz" zu entwerfen. Es ist daher zu erwarten, daß man sich jede Möglichkeit, der Transsignifikationslehre und deren Anliegen gerecht zu werden, verstellt, wenn man das traditionelle Verständnis von „Gegen-

109 M.Luther, BoA IE S. 472,35-473,3; vgl. unten S. 571, spez. Anm. 54.

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wart" oder „Substanzwandel" von vornherein als Norm einer gültigen Lehre von der Realpräsenz voraussetzt. Man wird die Kriterien einer gültigen Eucharistielehre zumindest vorläufig so allgemein fassen müssen, daß sie den Sinn der Rede von „Gegenwart" und „Substanz" nicht präjudizieren, sondern es erlauben, einzuräumen, daß die traditionellen Definitionen an eine überholbare Ontologie gebunden sein könnten und somit neu gefüllt werden können. Man wird also formale Bedingungen benennen müssen, denen jede Lehre von der Realpräsenz bzw. von der Verwandlung von Brot und Wein, auf welcher ontologischen Basis sie auch immer steht, genügen muß. 6.2 Nach dem voranstehend Ausgeführten handelt es sich hier um zwei Kriterien: es muß sich um eine Lehre von einer Realpräsenz handeln, die die volle „Selbstgegenwart" Christi bzw. seines Leibes und Blutes aussagt, und die damit auf einen höheren Grad von Gegenwart hin nicht hintergehbar ist. Es muß sich zweitens um eine Eucharistielehre handeln, in deren Kontext die Deuteworte wahre Worte sind, mit denen also nicht andere mögliche Aussagen über Brot und Wein, oder der faktische Kontext der Eucharistie, in 'Widerspruch treten. Mit Bezug auf das erste Kriterium ist aufgrund der unter 3. angestellten Überlegungen deutlich, daß es ein abgeleitetes Kriterium darstellt, das nur dann eine akzeptable Eucharistielehre verbürgt, wenn nicht zugleich gegen das zweite Kriterium Verstössen wird. Diese Feststellung hängt nicht etwa nur an der Richtigkeit der oben gebotenen theologiegeschichtlichen Darlegungen, sondern an der Basisaussage, daß das Sakrament der Eucharistie sein Fundament in den Worten Jesu selbst hat: Es gibt an den Deuteworten vorbei keine gültige Eucharistielehre - diese Feststellung ist der römischkatholischen und der protestantischen Theologie gemeinsam. Dies zweite Kriterium darf allerdings nicht von vornherein die Möglichkeit eines Verständnisses der Deuteworte verbauen, das diese nicht als signifikative, prädikative Aussagen versteht, oder sie nicht als auf die isolierten Gestalten bezogene Sätze interpretiert. Vielmehr ist das Kriterium als Minimalbedingung einer Eucharistielehre zu fassen: es muß gewährleistet sein, daß die Deuteworte im Kontext einer Eucharistielehre einen nachvollziehbaren, auf Sätze vergleichbarer Struktur übertragbaren Sinn haben. Ein solches negatives Kriterium hat den Vorteil, daß es nicht den Vorwurf auf sich zieht, durch eine Bindung an das traditionelle Verständnis der eucharistischen Wirklichkeit eine Auseinandersetzung mit einer Neuinterpretation von vornherein schon entschieden zu haben. Ein so gefaßtes negatives Kriterium kann allerdings nie zur Basis eines positiven Konsenses werden; es gibt lediglich die Grenze an, jenseits derer Konsense nicht mehr möglich sind. 76

Ein solches Kriterium hat den zweiten Vorteil, daß es eine (rein negative) Basis darstellt, auf der sich - ungeachtet aller weiterführenden Differenzen - eine protestantische und eine römisch-katholische Beurteilung einer Eucharistielehre treffen können. 6.3 Das Problem des Sinnes der Deuteworte, das als Voraussetzung der Neuinterpretation noch knapp zu thematisieren ist, kann dazu dienen, den Grund für die Wahl eines so weit gefaßten Kriteriums exemplarisch zu veranschaulichen: Die traditionelle römisch-katholische Eucharistielehre unterscheidet zwischen der „ex vi verborum" gewährleisteten Realpräsenz der Substanz des Leibes und des Blutes Christi, und der „vi naturalis conexionis et concomitantiae" mitverbürgten Gegenwart auch des ganzen Leibes und der Seele Christi, bzw. der „propter hypostaticam unionem" geltenden Anwesenheit der zweiten Person der Trinität unter jeder der beiden Gestalten 110 . Die Unterscheidung setzt voraus, daß die Deuteworte tatsächlich nur die Substanz des Leibes - im Sinne des (verherrlichten) physiologischen Körpers - und des Blutes Christi bezeichnen und gegenwärtigsetzen. Die Vertreter der Transsignifikationslehre beziehen sich äußerst selten auf diese Unterscheidung und sprechen, überwiegend ohne jede Auseinandersetzung, zumeist von der Gegenwart der „Person" Christi111; soweit Leib und Blut ausdrücklich erwähnt werden, werden sie dieser „Personpräsenz" eingeordnet und (teilweise auch nur implizit) als Umschreibung der „Person" oder von Aspekten der „Person" gedeutet 112 . 110 ConcTïid sess. 13 cap 3 (DS 1641). can 1 (DS 1651). can 3 (DS 1653); vgl. Thomas von Aquin, STh IE q 76 a 1 resp; F.Diekamp, KJüssen, Dogmatik III S. 150154. 111 P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III S. 413 scheint noch zu unterscheiden; 414f allerdings spricht er nur noch von der „Selbstgabe" Christi als Speise; vgl. ders., Tegenwoordigheid II S. 212: dort versteht Schoonenbergdie Betonung des Leibes in den Deuteworten als Hinweis auf den Gabecharakter Christi, der sich mit diesen Worten zum Objekt mache. Der Aspekt tritt in den folgenden Aufsätzen völlig zurück. Vgl. weiter E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 93 (ni. II, S. 384): „Das ist mein Leib, mein Blut" ... nichts anderes wird uns in der Eucharistie geschenkt als Christus selbst. Das bedeuten realisierend die sakramentalen Gestalten von Brot und Wein...". O.H.Pesch, Eucharistie S. 106, gibt die Deuteworte wieder mit „Das bin ich", ähnlich I.R.Sonnen, Neubesinnung S. 490. vgl. S. 494. O. Semmelroth, Wandlung S. 104 spricht von der „Substanz Christi". J.B. W.M. Möller, Transsubstantiatie S. 7; J.Galot, Théologie S. 23f; Ch.Davies, Presence S. 171. 173. 176; L.Smits, Vragen S. 49-51; J.de Baciocchi, Mystère S. 569. 112 P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid II S. 212; F.-J.Leenhardt, Corps S. 25.36u.ö.: der Leib als Medium der Persongegenwart, den Gedanken nimmt auch G.Hintzen, Gedanken S. 295 auf; L.Smits, Vragen S. 49-51; J.de.Baciocchi, Mystère S. 569; J.Galot, Théologie S. 21f; J.Powers, Eucharistie S. 67; G.B.Sala, Transsubstan-

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Streng genommen wird damit die Unterscheidung zwischen der Präsenz des Leibes und des Blutes vi verborum und der Gegenwart der ganzen Menschheit und des Logos vi concomitantiae sistiert; die Vertreter der Transsignifikationslehre können sich dabei auf die Majorität der Exegeten berufen. Man wird diese Interpretation zunächst und unter Vorbehalt akzeptieren müssen, da ohne diese eine Neuinterpretation im Sinne der Transsignifikationslehre von vornherein unmöglich ist. Man begäbe sich auf ein völlig falsches Feld, wollte man an diesem Punkt die Auseinandersetzung mit der Transsignifikationslehre beginnen und entscheiden: das skizzierte Verständnis der Deuteworte ist kein specificum der Neuinterpretation, sondern muß auf dem Gebiet der neutestamentlichen Exegese untersucht werden; im Rahmen der Transsignifikationslehre wird man derartige Voraussetzungen notieren müssen, die Auseinandersetzung aber auf das Zentrum dieser Neuinterpretation konzentrieren: das Anliegen der Kritik und der Revision der ontologischen Grundlagen der traditionellen Lehre von der Realpräsenz. Das Kriterium wird dabei so weit sein müssen, daß es die vorläufige Integration der eben erwähnten, und anderer, Voraussetzungen erlaubt, dabei aber von vornherein indiskutable Positionen ausschließt. Dieser Bedingung genügt das oben erwähnte negative Kriterium. 7. Für die anschließende Untersuchung sind folgende Ergebnisse des Kapitels zusammenzufassen: Das Anliegen der Neuinterpretation ist die Integration der Realpräsenz in den als „personales" Geschehen verstandenen eucharistischen Gesamtakt; zu diesem Zweck, und wegen der (angeblichen) Probleme des Substanzbegriffes angesichts der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse, suchen deren Vertreter nach einer neuen, nicht-substantialen Deutung der Eucharistie. Der Ansatzpunkt einer solchen Neuinterpretation muß ein doppelter sein, entsprechend dem doppelten Sinn der Bezugnahme der traditionellen Eucharistielehre auf die Substanzontologie: Diese versteht unter „substantia" zum einen das ontologische Korrelat der Wesensbezeichnung; hierauf bezieht sich der erste der von G.Hintzen genannten Ansatzpunkte der Neuinterpretation: das „Wesen" des Seienden soll als dessen (menschlicher oder göttlicher) „Sinn" gedeutet werden. Es ist nach dem oben Entfalteten zu verlangen, daß verstehbar wird, wie und inwiefern der

tiation S. 25 f; soweit ich sehe, legt nur G.Liesting, Sacrament S. 87-89 aus dem Kontext der Transsignifikationslehre Wert auf die Gegenwart der Substanzen von Leib und Blut Christi, da er die Gegenwart der getrennten Elemente als Hinweis auf die Gegenwart des Opfers Christi versteht.

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„Sinn" eines Seienden sein ontologisches Fundament so sein kann, daß er zur Basis einer konkurrenzlosen Wesensbezeichnung wird. Die Tradition versteht zweitens auch im Rahmen einer Personontologie die „substantia" als die ihrerseits unhintergehbare, letzte Grundlage weiterer, unselbständiger Bestimmungen. Hierauf bezieht sich der zweite der von G.Hintzen genannten Ansatzpunkte: die Gegenwart der Person soll als Konstitut eines - durch Zeichen vermittelten - akthaften Geschehens der Zuwendung und der Begegnung gedeutet werden. Es ist hier zu zeigen, wie und inwiefern eine solche Gegenwart nicht auf eine Gegenwart der Substanz als „eigentlicher Gegenwart" hintergehbar ist. Das Kriterium der Untersuchung der aus den zu analysierenden ontologischen Behauptungen resultierenden Eucharistielehre sind die Deuteworte, und nicht in erster Linie die Wahrung der Möglichkeit der Rede von einer „Gegenwart Christi"; dieser Kriteriencharakter ist, um Vorurteile auszuschließen, rein negativ: es ist jede Deutung der Eucharistie ausgeschlossen, in deren Kontext die Deuteworte keinen Sinn haben. Im folgenden wird zunächst die Neuinterpretation des Rahmens der Eucharistie untersucht werden: der Versuch der Deutung der eucharistischen Gegenwart als durch ein Realsymbol vermittelte „personale Gegenwart" (B). Es folgt die Analyse der Reformulierung des „Substanzwandels" der Tradition als Wandel des menschlichen oder göttlichen „Sinnes" (C).

B Gegenwart, Person und Zeichen 0. Mit der Kennzeichnung des Modus der Realpräsenz als Substanzpräsenz, dem ersten Rekurs der traditionellen Eucharistielehre auf die Substanzontologie, und mit dessen Neuinterpretation soll sich der vorliegende Abschnitt befassen. Gegen dies Verständnis der Realpräsenz wendet sich die Transsignifikationslehre durch die Integration der eucharistischen Gegenwart unter den Gestalten in den Kontext einer „personalen" Gegenwart im Sinne einer sich durch die Medien (Realsymbole) von Brot und Wein vollziehenden liebevollen Zuwendung Christi zu den Gläubigen. Auf diese Weise soll ein Verständnis der eucharistischen Gegenwart als „dinghaftes" oder „räumliches" Faktum vermieden werden 1 .

1

Vgl. die in I A(S. 44f) referierte Kritik; vgl. auch ESchillebeeckx, Transsubstan-

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Ich kläre zunächst einige Voraussetzungen und gehe dann zur Darstellung und Diskussion der Position anhand prominenter und vielversprechender Beiträge z u m Thema über: 0.1 Ch. D a v i e s umreißt die Absicht der Neuinterpreten der Transsubstantiationslehre folgendermaßen: „The fundamental problem for Eucharistie thinking today is to explain the Eucharist in the light of the union with Christ by grace. Recent attempts to rethink the doctrine of transsubstantiation have been motivated by the desire to understand transsubstantiation in the interpersonal context to which the Eucharist properly belongs. The Eucharist is the expression and cause of our personal union with Christ, which is a permanent and mutual personal presence ... In the light of this understanding of the Eucharist [als Sakrament, d. h. in Analogie zur Vermittlung personaler Gegenwart durch den menschlichen Leib, vgl. Kontext, N.S1.], transsubstantiation must be seen as a stage in a process of personal communication." 2

tiation S. 335f; P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid II, S. 203, bes. ders., Terugblik S. 321ff. 2 Ch.Davies, Presence S. 159, vgl. ebd. 168-170. 176. Schon J.de Baciocchi, Présence S. 141-144. 146f verweist auf die liebevolle Einheit mit Christus als den Horizont der Lehre von der Eucharistie; H.J.H.M.Fortmann, Presentie S. 200-203: Vorordnung der unio cum Christo; vgl. ders., Onrust S. 301. Vgl. weiter: J.Galot, Théologie S. 23-25. 29f; A.Gerken, Wende S. 223-225; vgl. ders., Theologie passim, bes.S. 23.211;J.Powers,Eucharisties. 176f;H.B.Green,PresenceS. 43-46;G.Hintzen, Zeichenwirkung S. 115f; ders., Transsignifikation S. 201-208. 208f und ders., Gedanken, S. 279f. 280-283; B.J.Hilberath, Substanzverwandlung S. 145f; L.v.Hout, Fragen S. 183f. 187f; F.-J.Leenhardt, Présence S. 160; J.B.W.M.Möller, Denken S. 167-169; O.H.Pesch, Gegenwart S. 79f. 83; ders., Eucharistie S. 105; G.B.Sala, Transsubstantiation S. 16-18; E.Schillebeeckx, Transsubstantiation S. 328. 336-338; Th.Schneider, Diskussion S. 521f; P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid I, S. 153-157; ders. Tegenwoordigheid II, S. 200-205; ders. Terugblik S. 320-327; ders. Tegenwoordigheid III S. 413-415; ders. Mysterie S. 11-14; O.Semmelroth, Wandlung S. lOlf; I.R.Sonnen, Neubesinnung S. 496f; S.Trooster, Tegenwoordigheid S. 126-129; A.R.v.d.Walle, ReflectieS. 204f;H.J.Weber, Eucharisties. 212; J.Wohlmuth, Transsubstantiation S. 433f.; G.Liesting, Sacrament S. 174-180; L.Smits, Vragen S. 51-54; E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 81 und Kontext S. 78-81 (ni. II S. 376.373-376); J.Powers, Eucharistie S. 83ff. 87ff. 176ff. Die Motive in den voranstehend genannten Veröffentlichungen sind jeweils unterschiedlich: teilweise wird auf die res tantum sacramenti als das eigentliche Ziel der Gegenwart Christi verwiesen, teilweise auf die allgemeine Präsenz Christi beim Glaubenden oder bei seiner Kirche, in deren Dienst die Gegenwart unter den Gestalten stehe; gemeinsam ist allen, daß sie die Gegenwart unter den Gestalten in den Kontext einer intentionalen, emotiven Zuwendung Christi stellen und so die Vorstellung einer „dinghaften" (J.B.W.M.Möller, P.Schoonenberg, O.H.Pesch, S.Trooster jew. locc. citt.), d. h. isolierten Gegenwart zu überwinden suchen.

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Auf den ersten Blick scheint damit über traditionelle Formulierungen hinaus nichts intendiert oder erreicht zu sein: die „res tantum sacramenti", die gnadenhafte Einigung mit Christus, wird als „personales Verhältnis" verstanden und betont in den Vordergrund gestellt, ohne daß sich dadurch zwangsläufig ein Konflikt mit der Realpräsenz im Sinne der traditionellen Substanzpräsenz ergeben muß 3 . Eine derartige Position scheint vielmehr mit der des Thomas von Aquin identisch zu sein, der die Realpräsenz unter den Gestalten unter anderem mit dem Verweis auf die Liebe Christi folgendermassen als „conveniens" ausweist: „Secundo hoc competit charitati Christi, ex qua pro salute nostra corpus verum nostrae naturae assumpsit. Et quia maxime proprium amicitae est convivere amicis, ut Philosophus dicit, sui praesentiam corporalem nobis repromittit in praemium ... Interim tarnen nec sua praesentia corporali nos in hac peregrinatione destituit; sed per veritatem corporis et sanguinis sui nos sibi conjungit in hoc sacramento."4 Derartige Intentionen einer sich im „Mahl" niederschlagenden Freundschaft bzw. eines leiblich vermittelten Beisammenseins werden in den Veröffentlichungen zur Transsignifikationslehre gemeinhin als „personal" gekennzeichnet 5 ; wäre die Transsignifikationslehre nichts anderes als die Zuordnung eines „personalen" Rahmens zu einer traditionell verstandenen Realpräsenz, so wäre sie weder der Mühe wert, die zu ihrer Begründung aufgewendet wurde, noch des Pulvers, das für ihre Bestreitung verschossen wurde 6 .

3 Die „unio cum Christo" als res tantum: ConcFlor, „Decretum pro Armenis": „Huius sacramenti effectus... est adunatio hominis ad Christum." (DS 1322); ähnlich, nicht ganz so deutlich: ConcTrid sess 13 cap 2 (DS 1638); vgl. Thomas v.Aquin, STh III q 74 a 6 resp (3°); ebd. q 75 a 1 resp. Auch in der Diskussion um die Transsignifikationslehre wird der Neueinsatz als Deutung der Eucharistie von der res tantum sacramenti her verstanden, vgl. z. B. Ch.Davies, Presence S. 171; E.Schillebeeckx, Transsubstantiation S. 335; S.Trooster, Tegenwoordigheid S. 127; vgl. auch K.Rahner, Gegenwart S. 385 und - kritisch - F.Gaboriau, Eucharistie S. 206-208. 4 Thomas von Aquin, STh III q 75 a 1 resp; vgl auch die Hinweise von C. J.de Vogel, Eucharistielehre S. 3 9 3 . 4 0 0 . 4 0 1 - 4 0 3 . 4 0 6 - 4 0 8 auf die „personalen" Implikationen der traditionellen Rede von der Realpräsenz Christi, vgl. auch F.Gaboriau, Eucharistie S. 207f. 5 Vgl. z. B. O.H.Pesch, Eucharistie S. 105; ders. Gegenwart S. 82f; L.Smits, Vragen S. 52f; E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 81f (ni. II, S. 376); auch G.B.Sala, Transsubstantiation S. 17f. 6 Manche zur Transsignifikationslehre zu rechnenden Stellungnahmen sind in dieser Beziehung etwas undeutlich, so z. B.J.Powers, Eucharistie S. 171-197,spez. 178 und 194 klingen so, als betrachte Powers eine ganz traditionell verstandene Realpräsenz als das unverzichtbare Fundament der Eucharistielehre; vgl. aber ebd. S. 192. Noch

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Unter „Transsignifikationslehre" werden daher hier wie auch sonst nur solche Entwürfe verstanden, die sich nicht darauf beschränken, eine Realpräsenz im traditionellen Sinne in den Kontext der Eröffnung oder Vertiefung eines personalen Verhältnisses einzuordnen, sondern die den Modus der Gegenwart unter den Gestalten ebenso wie den Modus der „Realität" dieser Gegenwart aus dem Kontext der „personalen Begegnung" mit Christus erheben wollen. Das „Faktum" einer Realpräsenz steht in solchen Entwürfen nicht der „res tantum sacramenti" voraus fest, sondern ergibt sich aus dieser (personalen) „unio cum Christo". Auch wenn derartige Entwürfe in unterschiedlicher Weise zum Terminus der Transsubstantiation zurückkehren oder - in sachlicher Übereinstimmung mit der traditionellen Beschreibung - die Realpräsenz im Sinne einer Gegenwart Christi unter den Gestalten betonen 7 , handelt es sich dabei doch nicht um eine bruchlose Übernahme traditioneller Bestimmungen, sondern um Versuche der Reformulierung traditioneller Termini und Wendungen aus dem skizzierten Kontext einer „personalen Kommunikation" zwischen Christus und dem Gläubigen. 0.2 Eine derartige Deutung ordnet die Eucharistie von vornherein in den allgemeinen Kontext der Sakramentalität ein, und das heißt: in den Kontext der „Gegenwart Christi" im Sinne einer Aktualpräsenz Christi, die durch „Symbolhandlungen" und wirklichkeitsgefüllte „Realsymbole" dem Gläubigen zugeeignet wird 8 . Das proprium der eucharistischen Gegenwart soll dabei nach dem Willen der Neuinterpreten nicht eingeebnet werden 9 , wohl aber ohne einen Bruch des Zeichencharakters des Sakramentes als höchste Steigerung der durch Zeichen vermittelten Gegenwart der Person und des Werkes Christi begründet werden, die auch die übrigen Sakramente beistellen10 . P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid II (etwa S. 202. 203. 204) ist in dieser Hinsicht äußerst undeutlich. 7 So der berühmteste Fall: E.Schillebeeckx, Gegenwart S. lOOf (nl. II, S. 389f); vgl. auch: J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. lOf; S.Trooster, Transsubstantiatie S. 742f; O.Semmelroth, Wandlung S. 103f u. ff (s. dazu unten Teil III, S. 559f). 8 S. dazu oben Einleitung, S. 22f. 25-28; vgl. zum Kontext einer allgemeinen Gegenwart Christi: Ch.Davies, PresenceS. 166-171.176f; E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 68f. 92f (nl. II, S. 366f. 384); vgl. P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III S. 413; vgl. weitere I A S. 56, Anm. 67. 9 Thematisiert etwa bei: E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 28f. 34. 68. 93 (nl. I S. 150f. 155., nl.IIS. 366f. 384); J.B.W.M.Möller,Transsubstantiatie S. 11; Ch.Davies, PresenceS. 171 ;G.Hintzen,GedankenS. 282f;kritischangemahntetwabeiL.Scheffczyk, Ergebnisse S. 201. 10 E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 65 (nl. II S. 364); vgl. weiter: P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid II S. 199; ders., Tegenwoordigheid III S. 413f; G.B.Sala, Transsub-

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0.3 Die Neuinterpretation stellt die Eucharistie in eine Analogie zur menschlichen „personalen" Begegnung oder „Gegenwart" und setzt damit eine Analyse derselben und des in diesem Kontext begründeten, einleitend schon umrissenen Konzeptes eines „Realsymbols" voraus, die im folgenden diskutiert werden soll. Ich gehe dabei so vor, daß ich in einem ersten Teil anhand des Entwurfes von P.Schoonenberg das Konzept der „personalen Gegenwart" diskutiere (I). In einem zweiten Abschnitt werden Ansätze bei A.Gerken und E. Schillebeeckx auf die Frage hin untersucht, ob sie Lösungsmöglichkeiten für die in I aufbrechenden Probleme einer Personontologie bereitstellen (II). Der dritte Teil (III) befaßt sich - anhand der Ausführungen P.Schoonenbergs und E.Schillebeeckx' - mit Begriff und Sache des „Realsymbols".

BI

Person und Gegenwart

0. Als Ziel der Eucharistie bezeichnen viele Vertreter der Transsignifikationslehre die „Gegenwart" Christi „beim" Glaubenden, oder die „personale" Gegenwart Christi, die von einer „dinghaften" oder „räumlichen" Gegenwart, einer Präsenz nach Art der „Vorhandenheit" eines „Dinges", unterschieden wird 11 . Die ausführlichsten und meist zustimmend zitierten Ausführungen stammen von P.Schoonenberg12; seine Überlegungen sollen stantiation S. 15f. 16-18; vgl. auch K.Rahner, Symbol S. 304ff; O.H.Pesch, Eucharistie S. 105; J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 9-12. 11 Ich nenne hier noch einmal eine Auswahl von die Debatte zusammenfassenden Beiträgen, die nun speziell auf den Sinn des Begriffes „Gegenwart" abheben, und zwar mit dem Schwerpunkt auf der Unterscheidung einer „dinghaften" von einer „personalen" Gegenwart bzw. einer „Gegenwart" im Sinne einer liebenden „Zuwendung" : Schon J.deBaciocchi, PrésenceS. 141-144 und F.-J.Leenhardt, Corps S. 19f. 26.37; W.Beinert, Enzyklika S. 172; Ch.Davies, Presence S. 159f. 160f. 166-172. 176-Schluß; J.Delmotte, Mysterium S. 23f; Herder-Korrespondenz, Diskussion S. 517f; H.J.H.M.Fortmann, Presentie S. 202f; J.Galot, Théologie S. 23-25; L.v.Hout, Fragen S. 187; J.Wohlmuth, Transsubstantiation 432-434; etc. 12 P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III. Schoonenberg wird mit dieser und den im Lit.vz. genannten, sachlich identischen Veröffentlichungen (ausdrücklich oder ohne Nennung) zitiert oder zustimmend genannt von: A.Gerken, Reflexion S. 224f; E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 81 (ni. II, S. 376); O.H.Pesch, Mysterium S. 120; I.R.Sonnen, Neubesinnung S. 494f.499ff ohne ausdrückliche Nennung, die sachlichen, fast wörtlichen Übereinstimmungen sind evident; G.Hintzen, Gedanken S. 291; vgl. auch die Zentralstellung der Beiträge Schoonenbergs in den Literaturberichten bzw. den Wiedergaben der Debatte: E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 79-81 (ni. II, S. 374f); L.v.Hout, Fragen S. 192-194; G.Hintzen, Transsignifikation S. 204f; H.J.H.M.Fortmann,

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daher als Leitfaden und Diskussionsgrundlage dienen. Ich umreisse zunächst das Anliegen und den Aufbau des hier referierten Aufsatzes: 0.1 Das Grundanliegen Schoonenbergs ist die Unterscheidung und Zuordnung zweier Modi von Gegenwart: der „räumlichen" (ruimtelijke) und der personalen (persoonlijke) Gegenwart, und der Deutung der eucharistischen Gegenwart als Implikat einer personalen Gegenwart Christi. 0.2 Der seine Position am besten zusammenfassende Aufsatz13 ist so aufgebaut, daß er zunächst die räumliche und die personale Gegenwart als Modi eines beide übergreifenden Begriffes von Gegenwart herleitet14, dann die beiden Modi der Gegenwart analysiert mit dem Ziel, die „personale" Gegenwart als die (unter Menschen) eigentliche Form der Gegenwart auszuweisen, die Bedeutung der räumlichen Gegenwart innerhalb der personalen anzuzeigen (Begriff des Realsymbols), und vor allem die mögliche Unabhängigkeit der personalen von der räumlichen Gegenwart darzulegen 15 . In einem dritten Schritt verfolgt er die Absicht, die Gegenwart Gottes „in" der Welt als rein personale Gegenwart auszulegen und die Heilsgeschichte als Geschichte der Vermittlung dieser Gegenwart zu erfassen, die in Christus ihren Höhepunkt findet 16 . In einem vierten Schritt soll dann die eucharistische Gegenwart als Moment der Vermittlung der personalen Gegenwart Christi bei seiner Kirche, bzw. beim Gläubigen, entfaltet NotitiesS. 89f;J.Delmotte, MysteriumS. 6-9; J.Wohlmuth,Transsubstantiations. 433f; L-Scheffczyk, Ergebnisse S. 198. - Eine vergleichbare eigenständige Position vertritt der Reformierte R.Mehl, Structure, dessen Beitrag hier begleitend in den Fußnoten analysiert wird. Auch er übte eine gewisse Wirkung auf die Debatte um die Transsubstantiation aus: zitiert bei G.Liesting, Sacrament S. 173, Anm. 2 (Text auf S. 180) und bei E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 69, Anm. 13 (ni. II S. 366, Anm. 13). 13 Schoonenbergs Position liegt vor in mehreren Aufsätzen, die zwischen 1959 und 1964 in der katechetischen Zeitschrift „Verbum" erschienen. Der dritte Aufsatz von 1959 (Terugblik) faßt die vorangehenden zusammen, mit ihm ist der Aufsatz von 1964 weitgehend wörtlich identisch; die Reaktion Schoonenbergs auf die Enzyklika „Mysterium fidei" (ders., Lehre) läßt so wenig wie der im Lit.vz. aufgeführte Aufsatz von 1966/7 (ders., Mysterie) eine wesentliche Änderung der Position erkennen. Ich beziehe mich daher überwiegend auf den gerade im Blick auf die Explikation der Grundlagen ausführlichsten Aufsatz von 1964 (Tegenwoordigheid III). Seitenangaben im Text im ff. verweisen auf diese Veröffentlichung. 14 Zum allgemeinen Begriff: P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III, 397-400; vgl. ders., Mysterie S. 11; zur räumlichen Gegenwart: ebd. S. 400-403 (ders., Terugblik S. 314-316); zur „personalen" Gegenwart: ebd. S. 403-407 (ders., Terugblik S. 316319); vgl. auch ders., Mysterie S. 10-12. 15 Tegenwoordigheid IH, 407-410; vgl. Terugblik S. 319f; Mysterie S. 11. Zum Realsymbol vgl. Tegenwoordigheid S. 405. 407f; zur Unabhängigkeit der personalen Gegenwart: 408-410. 16 Tegenwoordigheid III S. 410-413; vgl. auch Tegenwoordigheid I.

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werden, und die Realpräsenz so gegen ein Mißverständnis als „räumliche" Gegenwart abgegrenzt werden 17 . Der Vorwurf Schoonenbergs gegen die Tradition besteht darin, daß sie die räumlichen Konnotationen der Präsenz Christi unter den Gestalten zwar ausdrücklich abgelehnt habe, dadurch aber, daß sie die Realpräsenz in Analogie zu den Kategorien räumlicher Präsenz fasse, unfähig sei, den Charakter der Präsenz Christi positiv zu bestimmen und dadurch sensualistischen oder räumlichen Mißverständnissen Vorschub leiste 18 . 0.3 Ich folge dem Ansatz Schoonenbergs mit dem eingangs skizzierten Interesse der systematischen Rekonstruktion einer schlüssigen Position bzw. der präzisen Erfassung von Mängeln der vorliegenden Stellungnahmen. Die These der folgenden Analyse soll vorausgeschickt werden: es gelingt Schoonenberg nicht, einen Begriff der „personalen Gegenwart" (im Sinne einer „personalen Relation") zu entfalten, der nicht insgeheim und verdeckt eine Personsubsistenz voraussetzte, und somit auf eine mögliche, und ontologisch ursprünglichere „Persongegenwart" im Sinne einer „Substanzgegenwart" verwiese. Der Grund dafür ist in dem Umstand zu suchen, daß Schoonenberg die Grundbestimmungen einer Substanzontologie ganz selbstverständlich und unthematisch voraussetzt. Dies ist im folgenden zu zeigen: 1. Das Interesse Schoonenbergs besteht also darin, die Gegenwart Christi als „personale" Gegenwart zu beschreiben, und so die Realpräsenz unter den Gestalten in diesem von allen Konnotationen „räumlicher" oder „dinghafter" Gegenwart freien Kontext zu begründen 19 . Vor jeder Klärung der Begriffe kann man die Voraussetzung dafür angeben: sie besteht darin, daß eine „personale Gegenwart" als „Realpräsenz" ausgewiesen werden kann, ohne daß sie in einer „räumlichen" oder „dinghaften" Gegenwart fundiert, oder auf diese oder noch einen anderen „eigentlicheren" Modus der Gegenwart hintergehbar ist. 17 Tegenwoordigheid III S. 413-415. Vgl. Tegenwoordigheid II und: Mysterie, spez. S. 12-14 und bes. Tegenwoordigheid II, S. 204. Dies Grundanliegen entspricht der Absicht des o. (Anm. 12) genannten R.Mehl, der die Sakramente als Zeichen einer „personalen" Gegenwart Christi herleiten will, wobei er sich dafür auf die unterschiedliche Bedeutung bezieht, die der Begriff „Gegenwart" im Rahmen einer „philosophie de l'être" (être présent) und einer „philosophie de l'acte" (se présenter) gewinnt (R.Mehl, Structure S. 171ff). Sachlich entspricht die Differenzierung der Unterscheidung von personaler und räumlicher Gegenwart bei Schoonenberg (aaO. S. 173), Mehl deutet allerdings das Sakrament als reines Hinweiszeichen (aaO. S. 171). 18 Vgl. bes. Terugblik S. 320-325. 19 P. Schoonenberg, Terugblik S. 322ff; Tegenwoordigheid II S. 204.

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1.1 Der erste Schritt seines Aufsatzes läßt sich als Formulierung eines einheitlichen, beide Modifikationen von „Gegenwart" übergreifenden Begriffes der Gegenwart beschreiben 20 . Die Nötigung zur Explikation dieses „Allgemeinbegriffes" kann rekonstruiert werden: ohne diesen droht die Gefahr, daß der Begriff der „Gegenwart" äquivok wird, und damit die prinzipielle Übereinstimmung einer Position, die die Gegenwart Christi als „personale" Gegenwart beschreibt, mit einer Tradition, die nach Schoonenberg die Präsenz Christi im Ausgang vom Paradigma der „räumlichen" Gegenwart bestimmt, nicht mehr ausweisbar wäre. Räumliche und personale Gegenwart sind also Modifikationen einer Grundbedeutung von Gegenwart, die Schoonenberg folgendermassen entfaltet: 1.1.1 Zunächst bestimmt er „Gegenwart" als „Relation" oder „Verhältnis": „Beide [i.e. sowohl der „personal klingende" Begriff „tegenwoordigheid", als auch das eher „dingliche" („zakelijke") Wort „aanwezigheid", N.S1.] zeggen ons een relatie van iets of iemand tot iets of iemand anders en deze relatie is die van een in-zijn, bij-zijn, voor-zijn." (S. 398)

Erst innerhalb dieser Grundbedeutung seien „personale" und „räumliche" Gegenwart zu unterscheiden: „In dit hele veld van betekenissen bakenen we voor het ogenblik twee gebieden scherp af: dat van de ruimtelijke en dat van de persoonlijke tegenwoordigheid of aanwezigheid en inherent daaraan de ruimtelijke en persoonlijke afwezigheid." (ebd.)

Es unterbleibt jede Bezugnahme auf den zeitlichen Sinn von „Gegenwart" - dies gilt nicht nur für Schoonenberg, sondern für den gesamten Bereich der Transsignifikationslehre. „Gegenwart" bezeichnet also eine Relation zwischen Seienden 21 . 1.1.2 Schoonenberg differenziert nun beide Modi von „Gegenwart", indem er zunächst die durch „Gegenwart" im allgemeinen bezeichnete „Relation" näherbestimmt, und zwar im Ausgang von der personalen Gegenwart, die er als „gegenseitige Selbstmitteilung" faßt; Entsprechendes finde sich auch im Bereich der räumlichen Gegenwart in Gestalt von 20 Tegenwoordigheid III S. 397-400. 21 Auch R.Mehl rekurriert nicht auf den zeitlichen Sinn von Gegenwart; sein Vorgehen entspricht dem Schoonenbergs: er erhebt zunächst einen das „se présenter" und das „être présent" vereinigenden Gegenwartsbegriff: der Grundsinn von Gegenwart sei ein „surgir", ein „Auftauchen" im Sinne einer Überwindung von Abwesenheit, dem als „ E r e i g n i s " (événement) ein Moment der Überraschung bzw. der Unverfügbarkeit eigne: R.Mehl, Structure S. 171.

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Verhältnissen gegenseitiger Wirkung und der Rezeption von Wirkungen im weitesten Sinn (S. 399). Schoonenberg faßt zusammen: „Altijd is iets of iemand tegenwoordig of aanwezig door iets mede te delen, door beinvloeding, door activiteit, hetgeen natuurlijk insluit dat het andere of de andere de activiteit ondergaat en ook weer met een wederkerige actie beantwoordt." (S. 399) Diese Spezifizierung der Relation als wechselseitige (Selbst-)Mitteilung bringt Schoonenberg auf zwei Begriffe: „Kortheitshalve kunnen wij het zo formuleren: tegenwoordigheid is actief. We kunnen ook zeggen: tegenwoordigheid is communicatie." (S. 399) und das heißt: Mitteilung von etwas oder jemandem (seiner selbst) an ...; das Wort „Kommunikation" solle, so Schoonenberg, gegenseitige Beeinflussung oder Mitteilung ausdrücken (S. 399f). Der entscheidende Schritt besteht darin, daß Schoonenberg nun die „Kommunikation" zum Kriterium des Grades von Gegenwart erklärt, aufgrund dessen die räumliche Gegenwart als defizienter Modus, die personale Gegenwart aber als „eigentliche" Gegenwart ausweisbar wird; denn - so Schoonenberg - : nur die personale Gegenwart erfüllt eigentlich die im Begriff „Kommunikation" intendierte gegenseitige Mitteilung über die Grenzen der Relate hin: „Zo is persoonlijke tegenwoordigheid identiek met communicatie (nogmals: zij gaat daar niet aan vooraf, maar wordt zelf door communicatie tot stand gebracht)." (S. 400) Die räumliche Gegenwart stellt dem gegenüber als reines „Aneinandergrenzen" ohne gegenseitige Selbstmitteilung ein Minimum der Kommunikation dar: „Ook van de ruimtelijke tegenwoordigheid moet dit gezegd worden, want, gelijk zojuist werd opgemerkt, het loutere grenzen aan elkander is, zonder communicatie over de grenzen heen, nog juist geen tegenwoordigheid, het is veeleer afwezigheid." (ebd.) Auch wenn das Argument strenggenommen über eine Einführung von Konnotationen in die ursprüngliche Definition von „Kommunikation" erschlichen ist 22 , ist doch die Absicht Schoonenbergs deutlich: der Vollsinn 22 Schoonenberg hatte zunächst „Kommunikation" als Bezeichnung für ein rein formales Verhältnis gegenseitiger Beeinflussung eingeführt (S. 399f), und bedient sich nun der Konnotationen, die der Begriff im zwischenmenschlichen Bereich hat, um die „personale Gegenwart" als Kommunikation im eigentlichen Sinne, und damit auch als Gegenwart im eigentlichen Sinne auszuweisen. Zunächst also verband der Begriff beide Modi von Gegenwart und hatte eine formale Bedeutung, dann erhält er eine eigentlich

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der Gegenwart ist nicht mit der räumlichen, sondern mit der personalen Gegenwart erfüllt, und entsprechend wäre eine „Realpräsenz" nicht durch die schiere, „beziehungslose" Anwesenheit, sondern durch die „personale Gegenwart" gegeben 23 . 1.2 Die Absicht dieser Argumentation und der Gewinn für die intendierte eucharistische Position ist unschwer erkennbar: die „Anwesenheit" oder „Vorhandenheit" von etwas im Sinne einer „räumlichen Gegenwart", nach deren Modell (nach Schoonenberg) die traditionelle Eucharistielehre die Realpräsenz Christi deutete, erweist sich als abkünftig gegenüber einer gleichsam „realeren" Präsenz, und erscheint so als deren depravierter Modus. „Realpräsenz" im eigentlichen Sinne liegt vor mit der „personalen Gegenwart". Damit ist zwar das Verhältnis der beiden Modi von Gegenwart näherbestimmt, noch nicht aber geklärt, was eigentlich „personale" und „räumliche" Gegenwart genau meint. Danach ist nun zu fragen: 2. Die „räumliche" und die „personale" Gegenwart stellen zwei Modi der „Relation" oder „Kommunikation" dar. Für die folgende nähere Entfaltung und Bestimmung dieser Modi rekurriert Schoonenberg einerseits auf eine Beschreibung der räumlichen und der personalen Gegenwart 24 , andererseits aber besonders im Kontext der Explikation der personalen Gegenwart auf eine Kennzeichnung derselben durch konnotativ aufgeladene Epitheta, die im folgenden so weit wie möglich aufgeklärt werden müssen. Ich zeichne im folgenden zunächst die Darstellung der „räumlichen" und „personalen" Gegenwart bei Schoonenberg nach und weise dabei Ungenügen der Entfaltung des Begriffes der „personalen Gegenwart" aus (2.1). In einem zweiten Schritt (2.2) skizziere ich die Probleme der Position und versuche dann zu zeigen, daß diese Probleme ihren Grund in einer ontologischen Fehlentscheidung haben (2.3). (2.4) faßt zusammen. 2.1 Schoonenberg umreißt die Differenz von „räumlicher" und „personaler" Gegenwart folgendermassen: auf die personale Gegenwart begrenzte Bedeutung, mit Bezug auf die völlig unklar ist, wie sie jemals die räumliche Gegenwart soll bezeichnen können. 23 Bei R.Mehl findet sich ein dem eben referierten völlig analoger Argumentationsgang: er betrachtet das Moment der Unberechenbarkeit des Auftauchens des Gegenwärtigen als Kriterium der Realität der Gegenwart und kann so das „se présenter" von Personen als den Modus eigentlicher Gegenwart ausweisen, da dem „être présent" von Dingen dieses Moment der „Überraschung" oder „Unverfügbarkeit" fast völlig fehle (R.Mehl, Structure S. 172f); vgl.: „Dès qu'une présence est trop garantie ..., elle cesse d'être présence réelle." (S. 173). 24 P.Schoonenberg,Tegenwoordigheid III S. 401-403: die räumliche, 403-410, auch 400f die „personale" Gegenwart.

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„Ruimtelijk is iets, een lichaam (ook iemand, maar dan juist als een lichaam, als een iets) in een ander lichaam aanwezig door het aan te ranken, door eraan te grenzen, door zieh op een bepaalde afstand ervan te bevinden. Persoonlijk is iemand bij, met of voor iemand anders tegenwoordig door met die ander in communicatie te treden, liefst wederkerig." (S. 398) 2.1.1 Offenbar versteht Schoonenberg unter „räumlicher Gegenwart" die makrophysikalisch faßbare Wechselwirkung: „ruimtelijke tegenwoordigheid" bezeichnet Relationen wechselseitiger räumlicher und kausal-mechanischer Bestimmtheit 25 . Die räumliche Gegenwart findet aber ihren Grund in der regionalontologischen Verfaßtheit der im Verhältnis stehenden Entitäten; Schoonenberg spricht von „Körpern", von „Objekten", von „stofflichen Gegenständen", von der „materiellen Welt" 26 , in der offensichtlich derartige Verhältnisse der „räumlichen Gegenwart" anzutreffen sind. Räumliche Gegenwart beruht also darauf, daß die Relate Raumgegenstände sind, die getrennt voneinander sind und auf dieser Grundlage miteinander in Verbindung treten. Entsprechend stellt Schoonenberg als entscheidendes Kennzeichen der räumlichen Gegenwart die bleibende, durch die Relation nicht überwundene Trennung unbezüglicher, gegeneinander abgeschlossener Entitäten dar, die ineinander nur um den Preis ihres Unterganges aufgehen können 27 . Die „räumliche Gegenwart" ist - zusammenfassend - eine Relation, die sich in physikalisch faßbaren Beziehungen erschöpft; sie entspricht genau dem von der Scholastik als „circumscriptive" Gegenwart bezeichneten Modus der Gegenwart; bei Thomas von Aquin findet sich eine Beschreibung einer räumlichen Gegenwart, die genau der Schoonenbergs entspricht: „... corpus Christi non est eo modo in hoc sacramento, sicut corpus in loco, quod suis dimensionibus loco commensuratur;"28 25 P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III, S. 400-403. Die Differenzierung der Grade der räumlichen Gegenwart („direkte" oder „vermittelte" Gegenwart) können hier ausser Betracht bleiben. 26 Vgl. ebd., z. B.: „Ruimtelijk" immers slaat op het kwantitatieve, fysische aspect ..." (S. 398); „stoffelijke dingen" und „voorwerpen" ( S. 399); S. 400-403 pss.; vgl. S. 406 den Verweis auf die „materiele wereld" und die „stoffelijke lichamen". 27 Ebd. S. 401f. 406. 28 Thomas von Aquin, STh III q 75 a 1 ad 3; vgl. auch die Wendung bei Schoonenberg: Eine ferne Geliebte „heeft een tegenwoordigheid daar in de ruimte waar haar minnaar is, doch zij is daar niet op ruimteklijke wijze. Ruimtelijk is men pas ergens in de ruimte als men „plaats heeft genomen" en een deel der ruimte „inneemt". Daartoe moet... het oppervlak van het ruimtelijke aanwezige lichaam grenzen aan de omliggende lichamen, welche daarmede de plaats van het eerste bepalen." (P.Schoonenberg,

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Wie hier Thomas, so setzt auch die Beschreibung Schoonenbergs die Subsistenz von Raumgegenständen oder materiellen Seienden voraus, die in diesem Modus von Relation stehen oder stehen können. 2.1.2 Die Beschreibung der „personalen Gegenwart" wird wie folgt eingeführt: „Zoeven werd gezegd dat slechts door de geest personen zieh met elkander kunnen verenigen, in elkander kunnen opgaan, zonder zelf onder te gaan. Dit is wat wij „persoonlijke" tegenwoordigheid genoemd hebben." (S. 403) Das Spezifische der personalen Präsenz ist also die Eröffnung einer Relation der gegenseitigen Mitteilung, die im Verhältnis von materiellen, räumlich verfaßten Entitäten, d. h. im Bereich der räumlichen Gegenwart ausgeschlossen ist; entsprechend stellt die personale Gegenwart auch nicht nur einen anderen Modus von Relation dar, sondern einen Modus von Gegenwart, der solchen Seienden vorbehalten ist, die mit „Geist" ausgestattet sind: es geht nun um die Seinsregion der „res cogitantes" 29 . Schoonenberg bestimmt im folgenden die „Geistigkeit" dieser Relation näher: es handle sich, so führt er aus, nicht einfach um ein Verhältnis von Erkenntnissubjekten, um ein distanziertes Betrachten des anderen, um die Aufnahme oder Weitergabe von Informationen über..., sondern vielmehr um eine „ ...mededeling van de persoon zelf... " (S. 404). Aus der referierten Abgrenzung ergibt sich die implizite Voraussetzung, daß „Geist" eine Entität auszeichnet, die zu intelligiblem, kognitivem Verhalten zumindest fähig ist (S. 403f); andernfalls würde sich die Nötigung zur Abgrenzung gegen solche andrängenden Mißverständnisse nicht ergeben. Die nun eigentlich gemeinte „Selbstmitteilung" unterscheidet sich nach Schoonenberg dadurch von rein kognitiven Verhältnissen, daß sie unter Beteiligung der „tiefsten" Verstandesvermögen - Intuition und Wille-, und eben nicht (nur) durch das Erkenntnisvermögen zustandekomme; es handle sich um eine Teilgabe an der Person selbst, „van de levensintui'ties die zijn geest onuitroeibaar hebben gevormd en vooral van de levenshoudingen waarmee hij zijn diepste zijn heeft opgebouwd. Niet bericht daarover, maar deelgave daaraan. Deelgave die dan ook niet „voor kennisgeving wordt aangenomen", maar leidt tot innerlijke intuitie in het verstand, en opname, aansluiting in de wil. Het is belangrijk hier op te merken dat deze persoonlijke tegenwoordigheid tot stand komt door het diepste van onze Vermögens. Niet door fantasieen, dagdromen of halluzinaties. De zintuiglijke

Tegenwoordigheid III S. 402); vgl. auch ebd. den Verweis auf die „circumscriptive" Gegenwart. 29 Ebd. S. 403; vgl. 402. 399f. 406f.

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herinnerung en verbeelding kan er een rol in speien, evenals de gedachte, maar gedreven door een dieper, intui'tief en liefhebbend contact van onze geestelijke Vermögens. Wij gaan hier uit van het inzicht dat de diepste werkingen van ons kenvermogen niet ligt in de samenvoeging van begrippen maar in een intui'tief omvatten van de hele werkelijkheid, en de diepste werking van ons willen niet in het bewegen van onze Vermögens om iets buiten ons tot stand te brengen maar in een bepalen van onze persoonlijke houding tegenover heel de werkelijkheid, God, ik en de wereld. Wij in deze diepste activiteiten met een ander communiceert is bij een ander, leeft in zijn hart, ook al is hij naar het lichaam ver van hem." (S. 404) Es wird deutlich, daß die Ausführungen Schoonenbergs von der Absicht geleitet sind, die differentia specifica eines „Liebesverhältnisses" gegenüber einem distanziert-kognitiven Verhalten unter Menschen zur Geltung zu bringen, und dieses Verhältnis als einen besonderen, von der räumlichen Gegenwart unabhängigen (vgl. den letzten Satz des Zitates) Modus der Gegenwart, als „gegenseitige Selbstmitteilung" der Personen zu fassen. Die Ausführungen Schoonenbergs erwecken insgesamt den Eindruck, als versuche er lediglich, dem Leser schon ursprünglich bekannte Erlebnisaspekte von Wirklichkeit aufzurufen, die sich deskriptiver Erfassung oder objektivierender Beschreibung entziehen: personale, das heißt: in irgendeinem Sinne emotiv-voluntative Phänomene 30 . Versucht man, das Gemeinte in Umrissen zu erfassen, so handelt es sich im Blick auf den Begriff „Gegenwart" um die in der Tat schwer faßbare Differenz von „Gegenwart" im Sinne der „Anwesenheit" an einem Ort, und der Konnotation, die derselbe Begriff hat, wenn seine Verwendung durch ein DativObjekt bestimmt wird und daher nicht durch den Begriff „Anwesenheit" ersetzt werden kann: man kann Jemandem gegenwärtig", aber nicht Jemandem anwesend" sein. Das Dativ-Objekt - am ehesten ein dativus ethicus - führt dabei ein intentionales Moment ein. Ähnlich führen die Wendungen „sein-bei", „mit-sein", „nahe-sein" (S. 398), die ohne grammatische Probleme durch „anwesend sein" wiedergegeben werden können, gelegentlich Konnotationen bei sich, die aus inhaltlichen Gründen eine Wiedergabe durch „anwesend" verbieten. Die Ausdrücke bezeichnen dann eine bestimmte, durch eine dem jeweils Betroffenen zumeist förderliche Absicht gekennzeichnete emotive Relation zu demselben. „Personale Gegenwart" bezeichnet bei Schoonenberg ein „sich in emotiven, von einer positiven Absicht geleiteten Akten gegenüber jemandem Verhalten". Dieses Verhalten steht als „personale" Gegenwart im Gegensatz zur Absichts3 0 Vgl. besonders die Beispiele ebd. S. 400f. 407f. auch 404f sowie 4 0 7 - 4 1 0 ; vgl. auch die Häufung der Begriffe „intui'tief' oder intui'tie" im oben gebotenen Zitat!

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losigkeit der Anwesenheit von Raumgegenständen. Auch die weiterführende Intention dieser Darstellung ist unschwer erkennbar: offenbar soll die eucharistische Gegenwart in Analogie zu derartigen Verhältnissen als „Selbstgabe" Christi im Vollzug einer personalen „Relation" faßbar werden, ohne daß diese „Selbstgabe" über den Vollzug einer Relation hinaus eine „räumliche" oder „dinghafte" Präsenz impliziert. 2.1.3 Ich bleibe zunächst bei der Untersuchung der Basis der Analogie, von der aus die eucharistische Gegenwart gedeutet werden soll; die oben zitierte Passage ist nämlich als Beschreibung der personalen Gegenwart alles andere als zufriedenstellend: Es bleibt zum einen unklar, inwiefern hier eine „Selbstgabe" vorliegen soll: in welchem Verhältnis genau steht denn die „Person selbst", um deren Selbstgabe es doch geht, zu den „Lebenseinsichten" oder „Lebenshaltungen", die irgendwie mitgeteilt werden sollen, wenn einerseits gilt, daß sich in der Mitteilung dieser Einsichten und Haltungen die Person mitteilt, andererseits aber diese Einsichten und Haltungen nicht etwa mit der Person identisch, sondern dieser als ihrem Subjekt zugeordnet sind, so daß es sinnvoll ist, unterscheidend zu behaupten, mit diesen „Einsichten" habe das Subjekt der Relation seinen Geist (was genau ist das?) geformt, und mittels dieser Haltungen habe es sein tiefstes Sein (was bezeichnet hier der Begriff „Sein"?) aufgebaut. Unklar ist aber nicht nur die Bestimmung des Verhältnisses des Mitgeteilten (der Lebenshaltungen und -einsichten) zum in der personalen Gegenwart angeblich Mitgeteilten (der Person), sondern auch die negative Abgrenzung der Mitteilung selbst, also der „personalen Relation": Wie gibt man teil an „Lebenshaltungen und -einsichten", ohne in irgendeinem Sinne in diese Teilgabe ein Verhältnis des Berichtes oder der Kenntnisnahme aufzunehmen? Nehmen wir an, es liege auch hier ein derartiges Verhältnis vor wie im Falle der von Schoonenberg erwähnten „zeitlichen Erinnerung", der „Vorstellung" und den „Begriffen" („gedachte"): daß dieser „Bericht" und die „Kenntnisnahme" getrieben sei von einem „tieferen und liebenden Kontakt der geistigen Vermögen". Damit aber wird deutlich, daß hier, und nicht in der Teilgabe an „Lebenshaltungen" die eigentliche „personale Relation" liegt, und es stellt sich dann die Frage, was denn ein „intuitiver und liebender Kontakt" ist, was ein „geistiges Vermögen" ist, das da in Kontakt tritt, und wie man sich ein - offenbar vor allem thematischen und begrifflichen Erkennen liegendes - „intuitives" Umfassen der ganzen Wirklichkeit, oder eine ebenso „tief liegende „Haltung" gegenüber der gesamten Wirklichkeit vorzustellen hat; unklar ist auch, wie durch die Betätigung dieser Vermögen oder dieser Relation eine „Selbstgabe der Person" zustande kommen soll, die doch in irgendei92

nem Sinne auch das Subjekt dieser Vermögen ist und als solches bezeichnet wird. Insgesamt ist die Beschreibung diffus und bleibt in unbefriedigender - weil unbegründeter - Weise vorbegrifflich 31 . Auch die beiden von Schoonenberg explizierten Kennzeichen der „communicatie van een persoon als persoon" (S. 405) helfen hier nicht weiter: Schoonenberg nennt als specificum der personalen Gegenwart die „freie Selbstbestimmung" der Person zur Gegenwart im Unterschied zur die Körperwelt und deren räumliche Gegenwart kennzeichnenden naturgesetzlichen Notwendigkeit, und die „geistige Offenheit", die die personale Gegenwart vor der räumlichen Gegenwart auszeichne, die durch die Abgeschlossenheit der Körper gegeneinander bestimmt sei: nur im Bereich des Geistes gebe es ein „Ineinander-aufgehen" ohne den Selbstverlust der Relationspartner (S. 405f). Mit dieser Formulierung ist der Ausgangspunkt (2.1.2) wieder erreicht, ohne daß sich eine positive Klärung der personalen Gegenwart ergeben hat; denn was man sich unter diesem „Ineinander-aufgehen" vorzustellen hat, scheint doch die oben (2.1.2) zitierte, als unklar ausgewiesene Passage zu enthalten. 2.1.4 Allerdings ist deutlich geworden, daß die von Schoonenberg vorgenommene Unterscheidung der Modi der Gegenwart auf eine entsprechende regionalontologische Differenzierung der jeweils in Relation stehenden Entitäten verweist. Diese Differenzierung impliziert, daß die jeweils eingegangene Relation ihr Fundament in einer Verfaßtheit der Relate findet. Diese Verfaßtheit stellt also die Bedingung der Möglichkeit der Relation der personalen Gegenwart dar: wenn nur „durch den Geist" Personen ineinander aufgehen können, ohne unterzugehen, so ist der „Geist" die vorgängige Ausstattung der Person, die personale Gegenwart ermöglicht. Damit wird deutlich, daß die Bezeichnung der Gegenwart als Relation ein solches Verhältnis bezeichnet, das auf Relate als auf seine Bedingung der Möglichkeit verweist, von denen diese Relation gilt; diese sind eben genau dadurch ontologisch ursprünglicher als die Relation, daß sie deren Fundament darstellen. Diese Bestimmung des Verhältnisses von „Person" und „Gegenwart", Relat und Relation stellt das Grundproblem der Position dar 32 . 31 Das gilt übrigens nicht nur für Schoonenbergs Ausführungen, sondern auch für andere Vertreter der Transsignifikationslehre, die sich öfters auf scheinbar klärende Beispiele beziehen, ohne die zur Beschreibung dieser Beispiele verwendeten Begriffe in ihrer Bedeutung zu begrenzen; insbesondere gilt dies für den Begriff „Person". Vgl. exemplarisch nur: O.H.Pesch, Eucharistie S. 105f; L.Smits, Vragen S. 51ff, usw. 32 Bei R.Mehl erlaubt die oben bereits knapp referierte Phänomenologie der

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2.2 Schoonenberg bezieht sich auf den Seinsbereich der „Personen" bzw. der „Dinge", deren jeweils unterschiedliche Verfaßtheit Modi von Relationen ermöglicht (oder verbietet). Die Intention liegt im Nachweis, daß im Falle personhafter Entitäten „Gegenwart" in keiner Weise den Charakter eines „räumlichen" oder „dinglichen" schieren „Vorhandenseins" annehmen kann (es sei denn im Falle einer Depravation der Gegenwart), wobei das Ziel der Darstellung darin besteht, zu zeigen, daß „Realpräsenz" und die „Selbstgabe" Christi in der Eucharistie gerade keine „Vorhandenheit Christi unter Brot und Wein" sein kann, sondern eine Relation der liebenden Zuwendung Christi. Nun hat eine solche Behauptung zwei unschwer erkennbare Schwachpunkte: 1 . ) Die Modi der Gegenwart stellen Relationen dar, die eine bestimmte ontologische Verfaßtheit von Relaten und damit diese Relate selbst als Bedingung ihrer Möglichkeit voraussetzen. Eine solche Beschreibung impliziert eine ganz traditionelle Beschreibung des Verhältnisses von „Person" und „Relation" bzw. „Akt", daß nämlich jeder Akt und jede Relation nicht nur sprachlich, sondern auch ontologisch ein „Subjekt" voraussetzt, an dem er bzw. sie ist, und von dem er bzw. sie unterscheidbar ist: „Beide [Formen der Gegenwart, N.S1.] zeggen ons een relatie van iets of iemand tot iets of iemand anders ..." (S. 398)

„présence" die Unterscheidung von Graden der Gegenwart, die die Kontingenz und Unberechenbarkeit des „se présenter" zum Maßstab hat und sich am Verhältnis von „Akt" und „Aktsubjekt" orientiert: die Grade reichen von der schieren Anwesenheit des Objektes über die Einheit von „être présent" und „se présenter" (bei bleibender Differenz des Subjektes und des Aktes des „se présenter"), die in der menschlichen Gegenwart besteht, bis hin zur Koinzidenz von Subjekt und Akt (in der Gegenwart Gottes): im Falle der Differenz von Subjekt und Akt (se présenter), so offenbar die Vorstellung, bleibt ein „Rest" der Objektgegenwart, des „être présent", der im Falle der Koinzidenz des Aktes des „se présenter" mit der Person völlig zum Verschwinden kommt (R.Mehl, Structure S. 174f). Die Unterscheidung von „Objekt" und „Person" entnimmt aber auch Mehl nicht der Phänomenologie der Gegenwart; sie liegt ihr vielmehr zugrunde: Es ist nicht die Unterscheidung der Modi der Gegenwart, die die regionalontologische Differenzierung von Personen und Objekten erlaubt, sondern umgekehrt: eine vorausgesetzte Differenz der Seinsbereiche von Personen und Objekten hat die unterschiedlichen Modi von Gegenwart zur Folge: „es gibt" also eine „monde des objets", und „es gibt", davon unterscheidbar, Personen, und diese regionalontologische Differenz stellt das ontologische Fundament und den Grund der unterschiedlichen Modi von Gegenwart dar (ebd. S. 172, vgl. 171f).

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Unter dieser Voraussetzung ist völlig unklar, wie jemals eine „Relation" oder ein „Akt" eine „Selbstgabe der Person" sein soll, wie Schoonenberg es offenbar für möglich hält 33 : das „Selbst", das da doch offenbar gegeben werden soll, kann nicht in der Relation bzw. in dem Akt gegeben werden, dessen Voraussetzung es ist („relatie van iets of iemand tot iets of iemand anders"), es sei denn, man versteht unter dem „Selbst" etwas anderes als das Subjekt des Aktvollzuges. Ein „Akt" der Person, der zugleich „Selbstgabe der Person" ist, ist nur dann denkbar, wenn - wie auch immer - Person und Akt so bestimmt sind, daß sie identisch sind. Eine solche Position aber ist dann a limine ausgeschlossen, wenn sich Schoonenberg in der beschriebenen Weise auf die Relate und deren interne Verfaßtheit als Bedingung der Möglichkeit einer Relation bezieht. 2.) Ebenso schwer aber wiegt ein zweites Problem, das mit der Neubestimmung des Begriffes Gegenwart bei Schoonenberg aufbricht: Die Bestimmung des Begriffes Gegenwart, die Schoonenberg vornimmt (Gegenwart als Relation) steht von vornherein in der Gefahr, Äquivokationen in den Begriff einzutragen. Dieser Gefahr unterliegt grundsätzlich jede Neubestimmung eines Begriffes, sofern sie denselben nicht interpretiert, sondern neu definiert, und dabei die ursprüngliche Bedeutung neben dem neuen Gehalt weiterbestehen läßt. Die Feststellung der „Gegenwart" im Sinne der Feststellung des Bestehens einer „personalen Beziehung" würde so die Frage nach der Gegenwart im traditionellen Sinne nicht erübrigen, sondern offenlassen. Jede Neubestimmung eines Begriffes muß also, sofern eine Äquivokation vermieden werden soll, der Integration der ursprünglichen Bedeutung fähig sein. Schoonenbergs Anliegen besteht demgemäß - wie ausgewiesen - darin, den Begriff der Gegenwart als Relation nicht umzudefinieren, sondern aufzuklären und zu erweitern. Dies geschieht eben so, daß er das traditionelle Verständnis von Gegenwart in seiner Beschreibung der räumlichen Gegenwart (physikalische Wechselwirkung) aufgehoben sieht und durch einen auf diese „räumliche Gegenwart" nicht angewiesenen Modus der Gegenwart als „Relation zwischen Personen" ergänzt. Der entscheidende Prüfstein der Position ist damit die Frage, ob die unscheinbare, aber wichtige Operation gelingt, das traditionelle Verständnis von Gegenwart durch die Identifikation als Relation zwischen Raumgegenständen zu integrieren. Und damit stellt sich die Frage: was meinen wir eigentlich mit Gegenwart? Woraufhin prädizieren wir Gegenwart34 ? 33 Ebd. S. 399f. 404; vgl. R.Mehl, Structure S. 174 und f. 34 Es ist immer etwas problematisch, sich auf einen „gewöhnlichen" Sprachge-

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2.3 Deutlich ist sofort, daß „Gegenwart" - verstanden als „Gegenwart bei..." - in der Tat zunächst eine raum-zeitliche Kategorie ist, die positiv (Gegenwart) oder negativ (Abwesenheit) die bestehende oder nicht bestehende Lokalisierung von etwas im „Hier und Jetzt" von etwas anderem prädiziert. Das Besondere dieser Lokalisierung besteht darin, daß der Raum-Zeitpunkt nicht als Ort in einem gedachten objektiven Raum, sondern als Raum-Zeitpunkt eines anderen Seienden - näher: des jeweils sprechenden Ich - identifiziert wird. Die Gegenwart ist immer das jeweilige „hier" 35 . Alles, was räumlich oder zeitlich bestimmbar ist, ist also der Gegenwart fähig, mehr noch: alles räumlich oder zeitlich Bestimmbare ist an jedem Ort und zu jeder Zeit entweder gegenwärtig, oder nicht, und alles räumlich und zeitlich Bestimmbare ist, sofern es ist, damit auch an (mindestens) einem Ort gegenwärtig. Die Folgefrage, was räumliche (und zeitliche) Bestimmbarkeit meine, braucht sich der Frage, was ein Raum (und was Zeit) sei, nicht zu stellen. Gleichgültig, ob man den Raum mit Aristoteles als objektiven Raum, mit Kant als transzendentale Form der Anschauung oder mit Heidegger und Merleau-Ponty als Existential versteht, ist jedes erfahrbare Seiende „im Raum", d. h. lokalisiert. Jedes in der Kategorie der Substanz faßbare Seiende hat sein „ubi" (Aristoteles), jedes Erfahrbare ist ein Seiendes „im Raum" (Kant), jedes mit dem Vollzug des Existierens begegnende Seiende ist vorgängig im Raum erschlossen (Heidegger oder Merleau-Ponty). Damit wird man des ersten Problempunktes der Schoonenbergschen Position ansichtig: er macht geltend, daß die Lokalisierbarkeit von Seiendem an der regionalontologischen Verfaßtheit als „Ding", d. h. an der räumlichen Verfaßtheit des Seienden hänge: lokalisierbar ist nach Schoonenberg nur das, was selbst drei Dimensionen aufweist. Diese Position hält brauch zu berufen. Die folgenden Überlegungen beanspruchen weder, eine auch nur annähernd vollständige Deskription des Begriffsinhaltes von „Gegenwart" zu geben, noch alle mit dem Begriff verbundenen Probleme lösen (vgl. etwa M.Heidegger, Zeit und Sein S. 11-16). Die Absicht des folgenden besteht ledglich in dem bei näherer Betrachtung wohl unstrittigen negativen Ausweis, daß „Gegenwart" keine Relation bezeichnen kann, und in dem ebenso unproblematischen positiven Nachweis, daß von Gegenwart in dem Sinne eines „Subsistierens an einem Ort" gesprochen wird, das über die regionalontologische Verfaßtheit des Seienden nichtsaussagt. Vgl. auch J.u.W.Grimm, WB 5, Sp. 2281-2299. 35 Ich sehe hier einmal, um unnötige Komplikationen zu vermeiden, davon ab, daß dieser „Ort" und diese „Zeit" immer der Ort und die Zeit eines „ich" ist, der Person also, die spricht, oder die ich selbst bin: es ist schwerlich möglich, von jemandem oder von etwas zu sagen, es sei zu einer anderen Zeit als je-meiner, oder einem anderen Ort als jemeinem, gegenwärtig oder gegenwärtig gewesen.

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aber schon Schoonenberg selbst nicht durch, wenn er von Menschen oder von Christus Abwesenheit oder Anwesenheit im räumlichen Sinne prädiziert36 - und dies liegt eben daran, daß die Lokalisierbarkeit nicht an der regionalontologischen Verfaßtheit, sondern an der fundamentalontologischen Verfaßtheit des Seins bzw. Erfahrbarseins hängt. Ein Seiendes ist aufgrund seines Seins, und nicht aufgrund seiner „Ding-" oder „Personhaftigkeit" lokalisierbar. Man kann dies im Umkehrschluß feststellen: ein Seiendes gleich welcher Verfaßtheit, das nur nirgends, und nicht beispielsweise „überall und nirgends" ist, ist schlichtweg nicht. Der Fehler Schoonenbergs besteht darin, daß er die räumliche Verfaßtheit des Seienden als Bedingung seiner Lokalisierbarkeit betrachtet - etwa in der Beschreibung des traditionellen Verständnisses von Gegenwart: „Ruimtelijk is men pas ergens in de ruimte als men „plaats heeft genomen" en een deel der ruimte „inneemt".37 Sofern aber Personen wie Dingen - wie bei Schoonenberg - dieselben fundamentalontologischen Kategorien zukommen (Subsistenz), sind von beiden Entitätengruppen in demselben Sinne räumliche Prädikate und damit auch „Gegenwart" oder Abwesenheit aussagbar - oder von keiner von beiden. Damit hängt ein weiteres Problem eng zusammen: der gewöhnliche Begriff von Gegenwart bezeichnet kein unmittelbares Verhältnis oder eine Wechselwirkung von Entitäten. Er hebt vielmehr darauf ab, daß das fragliche Seiende, und zwar in seiner Fülle, als es selbst, an einer Raumstelle ist, die ein anderes Seiendes - ein Ich - einnimmt. Die Art und Weise des Kontaktes mit jenem anderen Seienden ist gegenüber der Identität der Raumbestimmungen sekundär. Die Wechselwirkung ist nämlich nach dem gewöhnlichen Verständnis etwas, was sich auf der Grundlage einer Subsistenzgegenwart, der Gegenwart des „Seienden selbst" an einem Ort, erst ergibt. Umgekehrt könnte durchaus eine Wechselwirkung auf Distanz vorliegen, die durch eine unmittelbare Gegenwart des Seienden selbst an dem fraglichen Ort überbietbar wäre. Diesen jede Relation und Wechselwirkung fundierenden Begriff von Gegenwart könnte Schoonenberg nur dann bewältigen, wenn er ihm die Bedingung seiner Möglichkeit nimmt, das heißt: die Voraussetzungen dafür herstellt, daß die Frage nach der Gegenwart des Seienden „selbst" (als Grund der Wechselwirkung) sinnlos wird. Nun ist Schoonenberg aber der Meinung, daß die Wechselwirkung von 36 Sehr deutlich dort, wo er den personal als Subjekt der eucharistischen Handlung gegenwärtigen Christus als „hinter" der Hostie befindlich vorstellt, vgl. unten S. 237. 37 Schoonenberg, Tegenwoordigheid III S. 402, vgl. 398.

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Personen und von Dingen ihr Fundament in den Dingen und Personen „selbst" hat, deren Subsistenz also die Voraussetzung ihrer Kommunikation bildet. Die Voraussetzung für eine Identifikation der Gegenwart mit den Modi der Relation und für eine regionalontologische Differenzierung des Gegenwartsbegriffes wäre aber die, daß das „Seiende selbst" von den ihm regionalontologisch möglichen Relationen nicht unterscheidbar ist, denn nur dann ist die Rückfrage hinter die Gegenwart (im Sinne einer Relation) nach der „Gegenwart des Seienden selbst" sinnlos. Sofern aber das „Seiende selbst" mit seinen Relationen nicht identisch ist, erübrigt der Hinweis auf die Relationen die Frage nach der Gegenwart nicht. Formal bedeutet das: Schoonenbergs Begriff der Gegenwart bleibt äquivok, da neben seiner Definition der Gegenwart als regionalontologisch differierender Relation das ontologische Fundament für das Verständnis der Gegenwart als „Subsistieren des Seienden selbst an einem Ort" erhalten bleibt. Inhaltlich impliziert dies, daß von jedem Seienden neben der Feststellung einer regionalontologisch modifizierten Relation zu anderem Seienden die Feststellung der An- oder Abwesenheit im traditionellen Sinne möglich ist, da diese Möglichkeit an der fundamentalontologischen Verfaßtheit desselben hängt. Für die intendierte Position aber ist diese Äquivokation letal: Wollte man nämlich behaupten, daß Personen nicht im Sinne dieser „Subsistenz des Seienden selbst an einem Ort" gegenwärtig sind, dann müßte man einerseits zeigen können, daß Personen mit „Dingen" das ontologische Fundament nicht gemeinsam haben, also in völlig anderem Sinne „sind" als diese. Zweitens und damit verbunden müßte man zeigen, daß Personen so verfaßt sind, daß sie als solche nicht von den Relationen, die sie unterhalten, unterscheidbar sind. Nur dann wäre (gesetzt, alle damit verbundenen Schwierigkeiten auch für die Einheit des Seinsbegriffes würden bewältigt) die „Subsistenz des „Seienden selbst" an einem Ort" eine regionalontologische Option der Dinge, und nicht gültig für Personentitäten. Für diese würde vielmehr gelten, daß sie im Vollzug einer „personalen Relation" als „sie selbst" gegenwärtig sind, so daß die Frage nach der „Raumgegenwart der Person selbst" sinnlos wird. Eigentlich letal wird diese Äquivokation des Gegenwartsbegriffes bei Schoonenberg aber nicht schon durch das Faktum der Äquivokation, sondern dadurch, daß die Fundierungsverhältnisse bei ihm eindeutig so gesehen sind, daß die „Person selbst" ontologisch die Grundlage für die „personale Relation" darstellt, die Person also von ontologisch höherer Dignität ist als die Relation, die sie unterhält (oder auch nicht). Damit ist der Modus der „Subsistenz der Person selbst an einem Ort" aber ebenfalls ontologisch vor der „bloßen" Relation ausgezeichnet; eine „personale"

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Gegenwart verweist beständig auf die Möglichkeit einer Gegenwart der „Person selbst", ist aber nicht fähig, diese einzuholen 38 . 2.4 Damit wird mit Bezug auf das Ausgangsproblem folgendes deutlich: Das Grundproblem ist ein doppeltes: zunächst bezeichnet „Gegenwart" unter der Voraussetzung selbstständiger Entitäten nicht eine Relation zwischen Seienden, sondern die Lokalisation von Seienden, das „Subsistieren an einem Ort". Definiert man nun „Gegenwart" als „personale" oder „physikalisch faßbare" Relation, so muß dieser Sinn von Gegenwart ins Verhältnis gesetzt werden zu jenem ersten Sinn von Gegenwart. Sofern nun aber Personen und Dinge zunächst einmal „Seiende" in prinzipiell gleichem Sinne sind, unterliegen sie der Möglichkeit der Bestimmung ihres Ortes, und damit auch der Frage danach, ob sie an einem Ort (zu einer Zeit) gegenwärtig sind, oder nicht. Sofern zweitens Personen und Dinge zunächst einmal in der Weise sind, daß sie selbstständige Fundamente einer Relation darstellen, die - in dieser oder jener Weise vollzogen - als „Gegenwart" bezeichnet wird, dann bleibt es sinnvoll, gleichsam „unterhalb" jener Ebene der Relation, nach der Gegenwart des „Seienden selbst" im Sinne einer Lokalisation dieses Seienden selbst an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zu fragen, und zwar in einer Weise, die Dingen und Personen insofern gemeinsam ist, als beides „Seiende" in einem identischen Sinne sind. Diese Gegenwart des Seienden ist im Falle einer „räumlichen Gegenwart" im Sinne einer physikalisch faßbaren Wechselwirkung selbstverständlich mitgesetzt: normalerweise gibt es keine makrophysikalisch faßbare Wechselwirkung zwischen Entitäten, die nicht an einem Ort sind. Diese Gegenwart des Seienden kann - so wird sich zeigen - im Falle einer personalen

38 Auch Mehl hatte die Differenzierung des Gegenwartsbegriffes in der Voraussetzung einer regionalontologischen Differenzierung des Seienden als Grundlage der Gegenwart begründet. Bei Mehl wird Problematik dieses Rekurses völlig deutlich: denn es handelt sich bei diesem begründenden Rückgang von den Modi der Gegenwart auf deren Fundament in der „Person" bzw. im „Objekt" ganz offensichtlich um einen Rückgang hinter den Akt bzw. hinter die Phänomenologie der „présence" auf die jeweilige Verfaßtheit von deren Subjekt, die die Bedingung der Möglichkeit dieser oder jener Form der Gegenwart darstellt: die Unterscheidung von „Person" und „Ding" begründet die Unterscheidung von „sich gegenwärtig setzen" und „gegenwärtig sein", und entsprechend begründet nicht nur das „Objekt-sein" das passive „Gegenwärtigsein", sondern auch das „Person-sein" das „Sich-gegenwärtig-Setzen". Mehl vollzieht mit diesem scheinbar so selbstverständlichen Rückgang genau den Schritt, den er oben - zu Recht oder zu Unrecht - als Grundoperation einer „philosophie de l'être" ausgegeben hatte: den Rückgang, das „remonter" vom Akt des „se présenter" auf das Sein „du sujet lui-même, vers une réalité substantielle" (R.Mehl, Structure S. 171).

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Relation fehlen 39 . In diesem Falle liegt - im Sinne der Identifikation von Gegenwart und Relation - eine Gegenwart vor; im Sinne des zweiten „landläufigen" und bei Schoonenberg nicht ausgeschlossenen Begriffes von Gegenwart allerdings handelt es sich dabei um einen Modus vermittelter Gegenwart, über die hinaus nach der vollen Gegenwart der „Person selbst" zu fragen deshalb sinnvoll bleibt, weil es sinnvoll ist, von einer „Person selbst" „unterhalb" jener Relation zu sprechen. Es gilt dabei von vornherein, daß jenes Verständnis von Gegenwart im Sinne einer „Relation" ontologisch abkünftig ist, das heißt: eine „Realpräsenz", die nur Relation, nicht aber Gegenwart im Sinne des zweiten Begriffes von Gegenwart ist, ist hintergehbar auf eine „eigentliche" Realpräsenz: die Gegenwart des „Seienden selbst". Solange also das Fundierungsverhältnis von Seiendem und Relation gültig ist, dem gemäß eine Relation ihr Fundament in der Subsistenz eines Seienden hat, liegt auch eine „Real"-präsenz nicht schon mit einer „personalen Relation" allein, sondern nur mit einer Subsistenz der „Person selbst" an einem Ort vor. Sofern Schoonenberg also zeigen wollte, daß es diesen sowohl für Personen wie für Dinge gültigen Sinn von Gegenwart nicht gibt, wäre eben zu zeigen gewesen, daß es den beiden Arten von Seiendem „unterhalb" der Ebene spezifischer Relationen in gleicher Weise zukommenden Sinn von Sein nicht „gibt", genauer: daß jene Relationen nicht Relationen zwischen oder „an" Seienden, sondern in irgendeiner Weise diese Seienden selbst sind. Denn nur dann kann nicht mehr hinter diese Relationen der Gegenwart zurück nach der Gegenwart des „Seienden selbst" gefragt werden. Die Aufgabe wäre, kurz gefaßt, die, das Verhältnis von Person und Akt, Person und Relation so aufzuklären, daß die Person als Relation, oder eine Relation als Person zur Auslegung kommt - wie immer das gehen soll. 3. Es ist nun ganz entscheidend, zu sehen, worin genau der Fehler besteht, denn dieser Fehler wird im folgenden noch öfter thematisiert werden: Schoonenberg begründet, wie gezeigt, die Differenz von räumlicher und personaler Gegenwart in der regionalontologischen Differenz von „Personen" und „Raumdingen". Der Rekurs auf die „Gegenwart" im Sinne der Vorhandenheit an einer Raumstelle soll auf diese Weise als Rekurs auf nur von „Raumdingen" oder materiellen Entitäten geltende kategoriale Bestimmung erscheinen: die Gegenwart im Raum wird auf die circumscriptive Gegenwart beschränkt, und die „Substanz" wird als „materielles Ding" verstanden 40 . Es wird dabei nicht wahrgenommen, daß das Operie39 Vgl. etwa P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III S. 404. 407-410. 40 Diese regionalontologische Differenzierung und die entsprechende Deutung der Substanz als regionalontologischer Kategorie ist äußerst beliebt - nicht nur im Bereich

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ren mit regionalontologischen Unterscheidungen explizit oder implizit eine fundamentalontologische Gemeinsamkeit der fraglichen Seinsbereiche voraussetzt, und - explizit oder implizit - fundamentalontologische Kategorien, die die Basis der Unterscheidung darstellen, indem sie es erlauben, Personen und Dinge als „Seiende", und so auch als Seiende unterschiedlicher Seinsregionen, zu identifizieren. Der Grundfehler bei Schoonenberg liegt darin, daß er darauf nicht reflektiert und daher die selbstverständlichste aller Ontologien, die Überzeugung von einer Selbstständigkeit und einem „Vorhandensein" der Entitäten, zugrundelegt - kurz: eine Ontologie der Substanz41. Entsprechend verfolgt er die Relationen oder Akte der „Gegenwart" wie selbstverständlich auf dieses Seiende selbst zurück, das den Grund der Relationen oder Akte darstellen soll. Solange es aber sinnvoll ist, von einem dergestalt jede Relation begründenden subsistierenden Seienden zu sprechen, ist es auch sinnvoll, hinter jede - auch hinter jede als „Gegenwart" bezeichnete Relation des Seienden zurück nach dem Seienden selbst und damit nach der Gegenwart dieses Seienden selbst im Sinne der „Subsistenz an einem Ort" zu fragen. Der weitergehende Versuch, die reine „Anwesenheit" als eine regionalontologische Kategorie auszuweisen, scheitert also genau daran, daß gerade durch die Zuordnung von Entitäten zu bestimmten Seinsregionen die fundamentalontologischen Kategorien vorausgesetzt werden, an denen eigentlich das Verständnis der „Gegenwart" als „Sein an einem Ort" hängt: die Kategorie der „Substanz", das „Seiende selbst" als Fundament von Akten und Relationen. Dieses ontologische Präjudiz aber kann nicht dadurch abgelegt werden, daß man behauptet, diese „Selbstständigkeit" eigne nur solchem Seienden, das „(materielles) Ding", und nicht solchem Seienden, das „Person" sei, denn im Zweifelsfall hat man mit dieser gemeinsamen Kennzeichnung von Dingen und Personen als

der Transsignifikationslehre, dem ausschließlich die folgenden Beispiele entstammen: P.Schoonenberg, Terugblik S. 321f; vgl. bes. A.Gerken, Theologie S. 59.97ff. 102.110. 163-165, bes. 163: „Das Abendland hat - seit der Übernahme der klassischen griechischen Philosophie -seine Ontologie dinglich aufgebaut, von der Analyse der sachhaften Wirklichkeit her, geführt von der Frage: „Was ist dies da?"". 199-210. bes. 201. 203; J.Powers, Eucharistie S. 69f; J.Delmotte, Mysterium S. 5; H.J.H.M.Fortmann, Presentie 204-206kritisch, vgl. aberders., Onrust S. 301; B.J.Hilberath, Substanzverwandlung S. 144-148, bes. 144 zustimmendes Referat; ebenso L.v.Hout, Fragen S. 187; J.B.W.M.Möller, Denken S. 167-169; O.H.Pesch, Eucharistie S. 105; ähnlich F.J.Leenhardt, Corps S. 36f, vgl. 29f; RSchillebeeckx, Gegenwart S. 60f (nl. II, S. 360f); Th.Schneider, Diskussion S. 523; A.R.v.d.Walle, Reflectie S. 2. 41 Was genau mit dem Begriff „Substanz" bezeichnet werden soll, wird in II B erläutert, vgl. vorläufig oben S. 65. 68-70.

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„Seienden" schon ein „substantiales" Verständnis von „Sein" vorausgesetzt. Eine Ontologie, die den Anspruch erhebt, die „Ontologie der Substanz" zu ersetzen, muß dazu fähig sein, deren fundamentalontologische Funktion zu erfassen und sich mit der Grundüberzeugung auseinanderzusetzen, daß die Kennzeichnung von etwas als „Seiendes" auf ein ursprünglich Selbstständiges rekurriert. Jede „neue" Ontologie, die mit dieser Grundüberzeugung nicht zu brechen in der Lage ist, sondern sie - explizit oder implizit übernimmt, bleibt im Fundament Substanzontologie. 4. Ich fasse zusammen: Die von P.Schoonenberg verfolgte Intention, die „Realpräsenz" einer Person unbeschadet ihres Realitätsgehaltes als „personale Relation" zu fassen, muß als gescheitert betrachtet werden, da es nicht gelang, die „personale Gegenwart" so zu fassen, daß sie die Frage nach der „Gegenwart der Person selbst" ausschloß. Der Grund dafür lag darin, daß die „Gegenwart" als „Relation" bestimmt wurde, und als deren Fundament eine Entität - Person oder Ding - angenommen wurde. Dieses Fundierungsverhältnis von „Relation" und „Seiendem" entspricht sachlich dem substantialen Verhältnis von Substanz und Relation; solange diese Unterscheidung sinnvoll bleibt, bleibt es auch sinnvoll, hinter jede, auch hinter die als Gegenwart bezeichnete - personale Relation zurück nach der Gegenwart im Sinne der Subsistenz der „Person selbst" an einem Ort zu fragen. Die Aufgabe einer Neuinterpretation wäre die Begründung einer Position, die sich mit der fundamentalontologischen Funktion der „Substanz" auseinandersetzt, statt sie als regionalontologische Kategorie zu mißdeuten.

B II Person und Akt Die - implizite - Übernahme der fundamentalontologischen Kategorie der „Substanz" im Ausgang von der Selbstständigkeit subsistenter Entitäten als Voraussetzung jeder, auch der personalen, Relation erwies sich als das entscheidende Hindernis für eine zureichende Dignität des Begriffes der „personalen Gegenwart". Es erscheint nun aber nicht von vornherein als unmöglich, die „Person" so zu bestimmen, daß sie nicht „Substanz", 42 Es genügt, hier auf wenige Beispiele dieses recht beliebten Gedankens aus den oben (S. 30, Anm. 45) genannten Veröffentlichungen zu verweisen: H.Mühlen, Geist S. 33. 36 (zu Boethius), S. 44ff (allgemein); ders., Vorverständnis S. 47f; E.Brunner, Wahrheit S. 48fu.ö.

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sondern „Relation" oder „Akt" ist; es gibt eine ausreichende Anzahl derartiger Entwürfe 42 , um es gerechtfertigt erscheinen zu lassen, wenigstens den Auswirkungen derartiger Versuche im engeren Bereich der Transsignifikationslehre nachzugehen. Das Ziel solcher Entwürfe im Bereich der Transsignifikationslehre ist es, wie schon ausgeführt, den Begriff der „Realpräsenz" einer Person von den Konnotationen der „Vorhandenheit" eines „Dinges" zu befreien und sie als eine liebende, akthafte „Bezugnahme" des Gegenwärtigen „auf..." fassen zu können. Man kann das Ergebnis des ersten Teiles dieses Abschnittes (B I) so verstehen, daß als Bedingung der Möglichkeit solchen Unterfangens die Besinnung auf die ontologische Konstitution der Person ausgewiesen wurde; die im folgenden angezogenen Positionen Gerkens und Schillebeeckx' werden als Versuche verstanden, eine Antwort auf das gestellte Problem zu finden, die „Person" nicht als „Seiendes", sondern als „Relation" zu bestimmen. Der Ausweis des Scheiterns dieser Versuche ist weniger interessant als die Entfaltung der Gründe desselben: 1. Die von A.Gerken im Rahmen seines eucharistischen Entwurfes gebotenen ontologischen Ausführungen zielen ausdrücklich darauf, im Ausgang von einer „Ontologie der Person" das bisherige ontologische Denken einer grundlegenden Revision zu unterziehen: an die Stelle einer ungeschichtlichen, statischen und nicht-dynamischen Ontologie habe eine „personale" - das heißt: relationale - Ontologie zu treten 43 . Dabei gibt die Wendung „relationale Ontologie" die Absicht wieder, nicht eine Ontologie zu entwerfen, in der „Sein" als „Relation" verstanden wird, sondern „Ontologie" und „Relation", „Sein" und „Akt", und so das Anliegen einer Substanzontologie und des „Aktualismus" einer „personalistischen Philosophie" miteinander zu verbinden, ohne in die offenbar antithetischen Positionen eines reinen „Aktualismus" oder eines „ungeschichtlich-statischen" Seinsverständnisses zu verfallen 44 . Das Vorhaben wendet sich gegen den nach Gerkens Ansicht theologisch verfehlten Personbegriff des Boethius („persona est rationalis naturae individua substantia"), den Gerken folgendermassen kritisiert: „Da die Substanz unrelational, als in sich stehende Wirklichkeit gesehen und dieses In-sich-Stehen nicht dialektisch ergänzt wurde durch die Relation zum anderen, ist dieser Personbegriff für die christliche Theologie ungeeignet."45 43 A.Gerken,TheologieS. 199-210,spez.200f. 207f,vgl. auch 163-165. Seitenverweise im Text beziehen sich im folgenden auf dieses Werk. 44 Zur Absicht der „Verbindung" vgl. ebd. S. 202-203.59 u.ö.; zum Gegensatz von „Statik" und „Aktualismus" vgl. S. 202. 203f. 45 Ebd. S. 201f, Anm. 67; das Zitat auf S. 202.

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D i e Grundfrage ist hier natürlich die, w a s eine „dialektische Ergänzung" sein soll; der Kontext zeigt, daß das Attribut „dialektisch" ersatzlos fortfallen könnte, denn Gerken geht es nicht um eine Vermittlung des Gegensatz e s einer „Relationalität" der Person mit deren „In-sich-Stehen", sondern lediglich u m eine Addition der beiden B e s t i m m u n g e n 4 6 . Damit aber ist gegenüber Boethius überhaupt nichts g e w o n n e n , da die Definition der Person durch diesen in der Wendung „rationalis naturae individua substantia" diese Substanz als m ö g l i c h e „Relation" zu „anderem" (nämlich im Vollzug v o n kognitiven oder voluntativen Akten) versteht und somit einer additiven Ergänzung nicht bedarf 4 7 . D a s Entscheidende an dieser Definition ist nicht die fehlende „Relationalität", sondern das Verständnis der „Relation" als einer B e z i e h u n g eines vorausgesetzten, sie fundierenden S e i e n d e n 4 8 , das Verständnis also des „Seins" eines Seienden als dessen „Subsistieren" a m Grunde jeder Relation. D i e s e n Rahmen aber verläßt Gerken k e i n e s w e g s :

46 Vgl. die Analyse im ff; bei Gerken ebd. S. 202, vgl. auch entsprechend S. 204: hier wird die Theologie als Ausgangspunkt einer „relationalen" Ontologie bemüht, und zwar im Ausgang von der Einsicht, daß Gott „... sich geschichtlich [zeigt], weil er selbst schon in sich trinitarisch, d. h. relational ist." (S. 204). Mit dieser Feststellung ist jede Möglichkeit, die „Relation nach aussen" (um die es ja geht, da Gerken sich mit dem „Problem „Offenbarung und Geschichte" zu befassen gedenkt (vgl. ebd. Kontext)) als ontologisch ursprünglich zu fassen, von vornherein verbaut, weil eben die Relation nach aussen nur als ein Akzidens eines zunächst in sich bestimmten und strukturierten Subjektes gefaßt wird. Gerken zementiert dies, wenn er wenig später fortfährt: „Der Ausgangspunkt der Relationalität ist Gott in seinem Willen, sich der Welt zu erschließen, d. h. der Absolute" (ebd.). Man kann sich, meine ich, darauf einigen, daß die Bezeichnung „der Absolute" - wenn es nicht leeres Wortgeklingel sein soll - jede konstitutive Relation zu anderem seiner selbst negiert - patet consequentia: die Subsistenz (Unbezüglichkeit) ist Fundament der „Relation". 47 Die Definition: A.M.S.Boethius, Liber (MPL 64) Sp. 1343 C/D, vgl. zur Bestimmung der Person als Fähigkeit zu rationalen Akten: ebd. B und C. 48 Es ist auch keinesfalls so, daß eine derartige Definition der Person „für die christliche Theologie ungeeignet" ist, weil sie der Relationalität eines trinitarischen Personbegriffes nicht gerecht werden könne (ebd. S. 201). Immerhin formuliert Thomas von Aquin im Ausgang vom Personbegriff des Boethius genau das, was Gerken will: eine Bestimmung der Person als Relation (Thomas v. Aquin, STh I q 29 a 1 resp (Persondefinition), ebd. a 4 resp: die Person bezeichnet in divinis die Relation als Subsistentes). Gerken hätte vermutlich einige Schwierigkeiten, die Differenz zwischen Thomas von Aquin und der von ihm selbst wenigstens intendierten Position zu erläutern. Boethius selbst identifiziert im Rahmen der Trinitätslehre Person und Relation, geht dabei aber nicht auf die Persondefinition ein: A.M.S.Boethius, Trinitas (MPL 64) Sp. 1253f, spez. 1254 B/C. Die grosse Geste, die der Theologie nun endlich das angemessene Fundament geben will, erweist sich so als schlichte Unkenntnis der Tradition.

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„Die Person ist ja von ihrem Wesen her dialogisch, d. h. relational zu sehen. Eine Person ist gerade dadurch unverwechselbar sie selbst, daß sie in einer bestimmten Relation zu anderen Personen steht." (S. 201) Wenn es sinnvoll ist, die Person als etwas zu bezeichnen, das in Beziehung zu „anderen Personen" steht, so geht diese Unterscheidung der Person von anderen Personen der „Beziehung" begründend voraus, das heißt: zunächst sind eine und andere Personen, und dann ergibt sich eine „Beziehung" zwischen ihnen. Daß die „Person" in ihrem „Wesen" relational sei, behauptet auch Boethius - wie gesagt - mit der Wendung „rationalis naturae (individua substantia)". Es müßte Gerken nicht darum gehen, zu zeigen, daß die Person „relational" ist in dem Sinne, daß es ihr wesentlich ist, in Beziehung zu anderen zu treten, sondern zu zeigen, daß das „Sein" der Person nicht das Fundament dieses Vollzuges, sondern diesen Vollzug einer Relation selbst bezeichnet. Den Weg zu einer solchen Behauptung verbaut sich Gerken gleich auf der folgenden Seite: „Wenn wir die Relationalität der Person als dialogisch bezeichnen, wollen wir damit natürlich nicht sagen, daß sie nur im Akt des Dialogs vorhanden sei. Wir sagen damit aber, daß die Person in einem solchen Akt ihr eigenes Wesen zum Vollzug bringt, daß dieser Akt also ihr - den Akt begründendes und auf ihn bezogenes - Wesen zu sich und damit zum Vorschein bringt." (S. 202) Aus dem ersten der beiden Sätze kann nur gefolgert werden, daß die „Person" eben „vor" dem Vollzug von „Akten" „vorhanden" ist, und ebenso kann dem zweiten Satz nur entnommen werden, daß der Person ein „Wesen" eignet, das in bestimmten Akten vollzogen wird, das aber diesen Akten als eine Art Anlage oder Fähigkeit zu denselben vorausliegt. Das Verhältnis zwischen „Wesen" und „Akt" wird einerseits als Begründung des Aktes durch das Wesen beschrieben, und andererseits als „zum Vollzug Bringen", bzw. als „zu sich Kommen" des Wesens im Akt. Man kann lange darüber meditieren, was das wohl heißen soll, wird aber doch jedenfalls sagen müssen, daß das „Wesen" auch in diesen Formulierungen als vorgängiges „Subjekt" seiner Akte angesehen wird. Es ist folglich überhaupt nicht zu sehen, wo hier eine Differenz zu Boethius liegen soll, denn im Anschluß an die Definition des Boethius sind identische Ausführungen denkbar, die etwa besagen könnten, daß die Rede von der „substantia" die Vorgängigkeit eines „Vorhandenseins" vor einem „Vollzug" wahrt, daß aber dieser Vollzug (rationaler Akte) der Selbstvollzug dieses mit einer rationalen (d. h. zu rationalen Akten fähigen) Natur ausgestatteten Seienden ist. Gerken fährt fort: „Damit wird das Sein der Person als ein „Sein für" bestimmt. Zugleich ist aber 105

so auch ausgesagt, daß dieses „Sein für" sich in Handlungen, in Geschichte manifestieren, „zu sich selbst kommen" will. Eine relationale, personologisch aufgebaute Ontologie ist daher auch in der Lage, zwischen Sein und Handlung zu vermitteln, so daß das Sein in der Handlung erst ganz es selbst wird, also auf Handlung wesentlich angelegt ist. Denn wenn personales Sein ein „Sein für" ist, dann ist der Vollzug der Relation, dann ist Geschichte als Handlung der Person zugleich der Vollzug des Seins dieses personalen Seienden. Dabei ist aber auf den Überschuß und die Vorgängigkeit des personalen Seins vor der einzelnen Handlung zu achten, auf Grund deren sich Personsein nicht im Augenblick erschöpft, sondern in eine Zukunft entwirft. Ohne die Vorgabe des Seins wäre Hoffnung nicht denkbar, so daß dann auch der Sinn der Einzelhandlung hinfiele. Der Vorschuß des Seins vor der Einzelhandlung, die doch der je neue Vollzug dieses Seins ist, charakterisiert die Person als das Wesen der Hoffnung, das unterwegs ist zu seinem eigenen Wesen, d. h. zum Zusammenfall von Sein und Relation, von Sein und Bedeutung für andere [??]." (S. 202) Es ist eben nicht richtig, daß das „Sein" der Person als „Sein für" bestimmt wird, sofern mit dieser Formulierung das im dem Zitat vorangehenden Absatz erwähnte und auf der vorangegangenen Seite (s.o.) zitierte Verhältnis von „Wesen" und „Akt" wiedergegeben werden soll. Vielmehr wird das „Sein" der Person als „Vorhandensein" bestimmt, und zwar als Vorhandensein einer Entität, die zu „personalen Akten" fähig und auf sie hin angelegt ist. Das „Sein für" - verstanden als diese Akte - findet seinen Grund in jenem „Sein" und jener „Fähigkeit" des Seienden. Das „Sein für", sofern es - wie offenbar im zweiten Satz des eben zitierten Abschnittes - als der Grund von Handlungen verstanden ist, bezeichnet das den Handlungen vorausliegende Seiende mit Blick auf die erwähnte Fähigkeit, ist aber gerade dann genaugenommen kein „Sein für", sondern ein mögliches „Sein für", eine Anlage zum Vollzug eines „Sein für". Das Bemühen Gerkens ist es offensichtlich, diese „Handlungen" und das „Sein" oder die „Ausstattung" der Person mit der Fähigkeit zu bestimmten Verhältnissen in eine möglichst enge Beziehung zu setzen - aber was soll das heissen: das „Sein" wird in der Handlung erst ganz es selbst? Offensichtlich hält die Formulierung doch fest, daß die Person der der Handlung vorausliegende Grund derselben ist, von dem eben gilt, daß er auf diese Handlung angelegt ist (s.o.), aber eben dieser voraus subsistiert. Das Fundierungsverhältnis von „Person" und „Personakt" entspricht damit genau dem einer Substanzontologie. Der im gebotenen Zitat folgende Abschnitt versucht, die „Vorgängigkeit" des „Seins" in der „Geschichtlichkeit" der Person zu begründen, ohne daß (mir) deutlich wird, warum denn nun eigentlich die Vorgängigkeit des Seins den Entwurfcharakter des Seienden verbürgen sollte; man sollte doch eigentlich meinen, daß die

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Vorgängigkeit des Seins gerade jede Nötigung, dieses Sein erst in der Zukunft zu gewinnen, unverständlich macht. Die selbstverständliche Grundoption Gerkens ist die Vorstellung eines mit der Anlage und Fähigkeit zu bestimmten Vollzügen ausgestatteten Seienden - der Person - , das diese Fähigkeiten und Anlagen in bestimmten Akten und Relationen aktualisiert49. Den Schein einer Neuorientierung gewinnt Gerken durch einen ganz unklaren Umgang mit dem Begriff „Sein": Die Rede davon, daß das „Sein" der Person als „Sein für", als „Sein im Vollzug" bestimmt sei, oder daß die „Geschichte" (als Handlung der Person) der Vollzug des „Seins" des Seienden sei, verdeckt, daß hier jeweils nicht die „Geschichte" oder der „Vollzug" von Akten und Relationen dieses Sein selbst ist, sondern dieses Sein voraussetzt. Das „Sein" ist nicht „Akt" oder „Relation", sondern es manifestiert sich in Akten, es kommt zu sich selbst, es vollzieht sich, bleibt aber eben in alledem das Subjekt dieser Vollzüge und Relationen. „Sein" ist hier jeweils im Sinne von „Wesen" (natura, essentia) verstanden, von dem eben gilt, daß es allen Relationen voraus, in denen es sich aktualisiert, vorhanden ist: „Wenn wir die Relationalst der Person als dialogisch bezeichnen, wollen wir damit natürlich nicht sagen, daß sie nur im Akt des Dialogs vorhanden sei."50 Es geht aber in der Problematik des Verhältnisses von „Relationalität" und

49 Es ist hier noch eine entsprechende Passage aus der Antwort Gerkens auf die Einwände von CJ . de Vogel gegen seine Eucharistielehre anzuziehen; die Absicht ist hier schlüssig formuliert (A.Gerken, Eucharistielehre S. 425 und 427). Der Fehler der Explikation einer Position, die die Relation nicht als Akzidens der Person, sondern - wie immer - als diese selbst verstehen will, ist folgender: Gerken ist der Meinung, daß man die Person als Relation fassen müsse, weil Christus „der Mensch für andere" (S. 427) sei. Ich sehe davon ab, einzuwenden, daß aus der Verfaßtheit eines Exemplars noch keine Ontologie folgt, und auch davon, anzumahnen, daß zu klären wäre, wie sich in der Formulierung „der Mensch" und „für andere" verhält. Gerken fährt nun so fort, daß er expliziert, es müsse die Gegenwart Christi mit der communio der Gemeinde zusammengesehen werden: „Communio als Sinn und Ziel der Eucharistie... muß mit „Gegenwart Christi" so zusammengesehen werden, daß ihre letzte [?] Einheit und Identität bei Verschiedenheit der Aspekte ausgesagt werden kann." (ebd. S. 427). Nehmen wir an, Gerken will sagen, daß die Gegenwart Christi, der selbst „pro me" ist, vom Empfang nicht getrennt werden kann und darf, sondern selbst irgendwie dieses Geschehen der Selbstzueignung ist. Nun betrachtet Gerken aber diese Gegenwart des Christus pro me als „vorsubjektiv", d. h. die Gegenwart begründet den Empfang (S. 427f). Das heißt, die „Relation", die Christus ist, ist „gegenwärtig", und tritt dann erst in Beziehung zu... xy. Das heißt nichts weiter, als daß die Relation subsistiert, und auf der Grundlage dieser Subsistenz des pro me dieses pro me in Relation zu „mir" oder xy tritt. Eine Neubestimmung des Verhältnisses von „Relation" und „Subsistenz" ist dieser Passage nicht zu entnehmen, formalontologisch bleibt alles beim alten. 50 Ebd. S. 202, zum Zusammenhang vgl. o. S. 105.

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„Substanz" überhaupt nicht darum, das „Wesen" des Seienden als Anlage zu (personalen) Akten zu fassen, sondern das Verhältnis zwischen der Subsistenz dieses Wesens und den Vollzügen oder Relationen desselben zu bestimmen. Dieses entscheidende Verhältnis ist bei Gerken ganz traditionell so verstanden, daß ein Seiendes zunächst subsistiert, und sich dann auf der Grundlage dieses Seins und dessen Ausstattung in Akten und Relationen anderem, ebenfalls subsistierendem Seienden zuwendet. Dergleichen stellt aber eine additive, nicht eine „dialektische" Ergänzung zwischen „In sich stehen" und „Relation" dar. 2. Einen weitere Aufklärung der Frage versprechenden Ansatz in der Richtung einer „relationalen Personontologie" bietet E.Schillebeeckx in einem Aufsatz, der zwar nicht direkt mit der Debatte um die Transsignifikationslehre verbunden ist, der aber seine in dieser Debatte eingenommene Position in mehr als einer Hinsicht bestimmt 51 . Ich skizziere im folgenden zunächst knapp die Intention des Aufsatzes (2.1), um den Hintergrund der für mein Anliegen allein interessanten Ausführungen zur Ontologie der Person zu erheben, die dann in den weiteren Abschnitten zunächst vorgestellt (2.2) und dann kritisch untersucht werden (2.3). 2.1 Der Titel des Aufsatzes- „Faith Functioning in Human Self-Understanding" - weist den Aufsatz zunächst als fundamentaltheologischen Versuch aus, der den christlichen Glauben mit dem menschlichen Selbstverständnis vermitteln will. Diese Überlegungen aber sind geleitet von dem Anliegen, nicht nur das Recht, sondern auch die Unausweichlichkeit einer Dogmenhermeneutik zu begründen 52 . Schillebeeckx verfolgt dies Ziel durch die Reflexion auf das Verhältnis von Natur und Gnade, das er zunächst als Korrespondenzverhältnis in dem traditionellen Sinne faßt, daß die Gnade die Natur voraussetzt, aufnimmt und verwandelnd vollendet 53 . Genauer will er „Gott" als das Thema der

51 Es handelt sich um den Aufsatz „Faith Functioning in Human Self-Understanding", einen Beitrag zum St.Xavier Symposium. Es wird in diesem Aufsatz z. B. die Hermeneutik begründet, die das Bemühen Schillebeeckx' um eine Neuinterpretation der Transsubstantiationslehre ermöglicht; die im folgenden zu referierenden Ausführungen zum Verhältnis von „Geist" und „Welt" bzw. „Geist" und „Leib" finden sich wieder in „Heilseconomie" S. 394ff (vgl. Referat unten I B III); in „Sakrament" S. 74ff; „Gegenwart" S. 65f (nl. II S. 364f). Die Ausführungen zum Verhältnis der „Welt Gottes" zur menschlichen „Sinnstiftung" in „Gegenwart" S. 84ff (nl. I S. 378ff) finden Entsprechungen in „Faith" S. 45-50 und 50-52. Seitenabgaben im Text beziehen sich im folgenden auf „Faith". 52 E.Schillebeeckx, Faith S. 41f. 50-59. 53 Ebd. S. 41f; vgl. 49f und 54f.

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Theologie mit dem Thema des menschlichen Selbstverständnisses so verbinden, daß der Glaube bzw. die Gnade als Neubestimmung des menschlichen Selbstverständnisses faßbar wird 54 . Es ist sein Ziel, dadurch die Bindung des Themas der Theologie an sich wandelnde Horizonte verstehbar zu machen, daß er zeigt, daß dieses durch die Gnade vorausgesetzte und verwandelte Selbstverständnis geschichtlich ist, sich immer schon im Durchgang durch eine sich wandelnde Welt auslegt hat und also auch die theologische Neubestimmung des Selbstverständnisses sich wiederum mit den dort bereitstehenden, geschichtlich bestimmten Mitteln auslegt 55 . Die Theologie läßt sich damit vom menschlichen Selbstverständnis, und als dessen Tiefendimension von den der Gnade vorausgehenden Gestalten vorläufiger Auslegung im Weltverhältnis, nicht trennen: das gläubige Selbstverständnis im Vollzug der Gemeinschaft mit Gott legt sich mit Notwendigkeit in den Formen aus, die der natürliche Umgang in der Welt bereitstellt 56 . Der Wandel dieses „natürlichen" Selbst- und Weltverständnisses erfordert die Auslegung des Gottesverhältnisses, der durch die Gnade offenbaren Tiefendimension des menschlichen Selbstverständnisses, im Kontext dieses neuen Horizontes und somit eine Hermeneutik, die die Identität der Gnade im Wandel des Selbstverständnisses bewahrt 57 . Der entscheidende Punkt des im einzelnen oft etwas dunklen Aufsatzes58 besteht in der Bestimmung des Verhältnisses von Natur und Gnade im Kontext des Themas des menschlichen Selbstverständnisses: als Verhältnis also der „letztlich" religiösen, historisch gebundenen Frage des Menschen nach sich selbst, und der Offenbarung Gottes als der Offenbarung der Tiefendimension dieses Selbstverständnisses, die sich in den vorgefundenen natürlichen Formen des Weltumganges auslegt. Das Credo, das Dogma, die Sakramente etc. sind so nicht ein eigener Wirklichkeitsbereich „neben" der natürlichen Welt, sondern die Äußerungen gläubigen Selbstverständnisses bzw. des sich offenbarenden „Hintergrundes" aller erfahrbarer Wirklichkeit 59 . 2.2 Für unser Anliegen ist nicht die intendierte hermeneutische Position, sondern sind ausschließlich die Ausführungen zum Verhältnis von Selbst54 Ebd. S. 45-50 und 50-55, bes. 46f und 52f. 55 Ebd.S. 42-45. 48f etc. 56 Ebd. S. 53ff. 57 Ebd. S. 55ff. 58 Zum Problem der Klarheit bei Schillebeeckx vgl. unten S. 187, Anm. 89. 59 E.Schillebeeckx, Faith S. 54.56ff. Die Intention Schillebeeckx dürfte hier wie in den sakramententheologischen Schriften die sein, den Aspekt der Glaubensgegenstände als Ausdruck des Glaubens, und als Medien der Zuwendung Gottes, zu identifizieren: ebd. 56f, vgl. ders., Organe S. 400, dazu oben S. 28f, Anm. 41 und sowie S. 81f.

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Verhältnis und Verhältnis zu anderem bzw. anderen interessant, durch die Schillebeeckx die Bindung der „Person" und ihres Selbstverständnisses an eine geschichtliche Situation zu begründen sucht: „ ... this human person is not an enclosed inner reality which, already complete in itself, is subsequently incarnated in the world through a body. It is essentially a spirit-in-the-world, indeed spirit or person, but in self-communication to a physical body which is thereby humanized and to a certain extend, and with various gradations, „subjectivized". Precisely because man is no pure self, no pure spirit, but a spirit that must actuate himself in a body, he becomes present to himself only while going out of himself. The human self is essentially in and with the objects of this world. Thus, man sees his inner reality only when he looks out on the world of men and objects, consequently, only in association with men in the world. He is only present to himself, only person, when he is with something else, and especially with another person." (S. 43) Der Ansatz ist nicht darum interessant, weil er die Person als „Selbstverhältnis" bestimmt - dergleichen ist durchaus traditionell und wenig aufregend60 ; entscheidend ist vielmehr die offenbar von Schillebeeckx verfolgte Absicht, dieses „Selbstverhältnis" als in einem Verhältnis zu „anderem" sich verwirklichend auszuweisen: das „Selbst" als Selbstverhältnis ist ein in einem Verhältnis zu anderem vollzogenes Verhalten „zu sich selbst". Bezeichnet man dies „sich-Verhalten" zu anderem einmal vorläufig als „Relation", so ist tatsächlich mit dieser Beschreibung die Person als Relation verstanden - gesetzt den Fall, daß die „Person" nicht das „präexistente Subjekt" dieses im Verhalten zu anderem sich vollziehenden Selbst-

60 Letztlich ist die von Schillebeeckx vorgelegte Personontologie nichts anderes als eine Auslegung der thomasischen Geistlehre (vgl. auch E.Schillebeeckx, Faith S. 45 sowie die Thomas-Zitate passim): Gott als reiner Geist - vgl. die Abgrenzung bei Schillebeeckx: der Mensch sei „no pure spirit" (S. 43) - erkennt sich selbst durch sich selbst, erkennt alles andere in sich, und ist selbst nichts anderes als dieser Akt des Erkennens (Thomas v. Aquin, STh I q 14 a 2 resp; a 5 resp; a 6 resp), während der menschliche Geist zwar an genau diesem Geist teilhat (der intellectus agens ist eine direkte Teilhabe an Gott selbst, ebd. q 79 a 4 resp), sich selbst aber nicht per essentiam erkennt (da man nur erkennt, was actu ist, die anima aber nicht der actus, sondern nur die potentia intelligendi ist); entsprechend erkennt sich die anima nur selbst im Vollzug des intentionalen, das heißt: des auf anderes gerichteten Aktes des Erkennens (ebd. q. 87 a 1 resp; vgl. auch die „Zwischenstellung" der cognitio angelorum, ebd. q 55 a 1 resp). Die intelligiblen Wesen vom Menschen bis Gott sind also nichts anderes als unterschiedliche Modi der Selbsterkenntnis (weil unterschiedliche Grade von Aktualität); diese Selbsterkenntnis vollzieht sich beim Menschen also im Durchgang durch den intentionalen Akt. Die Thesen Schillebeeckx sind hier, wie auch anderswo (vgl. etwa die Einleitung zu „Heilseconomie", ebd. S. 1-18. 659-665) (äußerst originelle) Interpretationen der thomasischen Theologie.

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Verhältnisses, sondern dieser Vollzug selbst ist, ein Seiendes, das sich also in diesem Verhalten selbst erst als Seiendes realisiert. 2.3 Schillebeeckx genügt der damit umrissenen Bedingung offensichtlich nicht, denn er geht, so zeigen seine Formulierungen, ganz offensichtlich von einer die „Relation" und das „Selbstverhältnis" fundierenden Subsistenz der „Person" aus; das Problem läßt sich auf zwei Wegen beschreiben: 2.3.1 Zum einen ist zu fragen, worauf sich eigentlich das Subjekt der oben zitierten Sätze bezieht, die über die Bedingungen des menschlichen Selbstverhältnisses sprechen. Hier liegt zumindest ein unpräziser Sprachduktus vor, denn Schillebeeckx bezieht sich beständig auf ein Subjekt („he", „man", „person"), das das Selbst- und Weltverhältnis, in dem es sich erst konstituieren soll, vollzieht. Es handelt sich dabei um mehr als nur um eine reparable sprachliche Unklarheit: wenn Schillebeeckx, wie oben (2.2) zitiert, feststellt, daß die menschliche Person keine in sich abgeschlossene Realität sei, die sich in einem zweiten Schritt durch einen Leib in einer Welt inkarniert, und das Verhältnis dann im Gegenzug positiv so beschreibt, daß es sich vielmehr um einen „Geist-in-der-Welt" handle, der „sich" an einen „Körper" mitteilt, so fragt man sich doch, worin eigentlich der Unterschied zu der negierten Verhältnisbestimmung liegt: der Beschreibung liegt ganz offensichtlich die Vorstellung zweier Entitäten (das „selbst" und der „Körper") zugrunde, deren eine „sich" an die andere mitteilt. Das Verhältnis scheint näher so vorgestellt zu sein, daß es zwar eine Eigentümlichkeit dieses „ s e i f , „spirit" oder „person" darstellt, sich zu einem Leib ins Verhältnis zu setzen, daß es aber zunächst von diesem Körper unterscheidbar subsistiert; offenbar ist die Selbstkommunikation an einen Körper wohl eine Wesensfolge dieses Seienden, nicht aber seinskonstitutiv: es handelt sich - ausdrücklich - um einen „Geist", der sich einem „Leib" mitteilt, aber nicht durch dies „Mitteilen" erst ist, oder mit dem Leib identisch ist. Offensichtlich steht hier doch das Verhältnis der Koprinzipien von „anima" und „corpus" Pate, so daß der menschliche „Geist" als das durchaus eigenständige Prinzip einer für dessen Bestand sekundären Verbindung mit einem Körper betrachtet wird 61 . 2.3.2 Nun bestünde ja die Möglichkeit, daß unter „Geist" hier eben nicht dieses Prinzip, sondern eben ein „Selbstverhältnis" verstanden wird, das 61 Für diese Interpretation spricht ganz entschieden der offensichtliche Rekurs auf Thomas von Aquin (vgl. Anm. 60), dem gemäß der actus animae seine Voraussetzung in der Subsistenz der essentia animae hat (ebd. q 84 a 1resp[circa med.]). Vgl. auch ders., Heilseconomie S. 394f, dazu unten S. 128f.

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sich nur im Verhältnis zu einem Leib vollzieht, das also dem Leib nicht voraus, sondern nur in diesem Vollzug der Selbstkommunikation überhaupt ist. Dafür spricht, daß Schillebeeckx das Personsein offensichtlich als Selbstverhältnis versteht: „He is only present to himself, only person, when he is with something else ... „ (S. 43, vgl. Zitat oben). Damit aber bricht das schon angedeutete Problem auf, wie sich genau in solchen Bestimmungen wie „to become present to himself, oder „to go out of himself (ebd.) der beschriebene Akt oder das Selbstverhältnis zum Subjekt des Aktes bzw. zu dessen Objekt verhält: kann tatsächlich ein „Selbstverhältnis", dessen Subjekt weder ein dieses Verhältnis vollziehender „Geist", noch ein in diesem Verhalten wahrgenommenes Objekt sein soll, sondern dessen Subjekt sich im Vollzug dieses Aktes als dieser Akt erst konstituieren soll, durch die Wendung „he becomes present to himself umschrieben werden? Was heißt denn hier: „to himself, als gebe es da einen terminus ad quem, der dem Selbstverhältnis vorausliegt? Was heißt: „He", als ob da ein terminus a quo, ein Subjekt sei, das ins Verhältnis zu sich selbst tritt? Was heißt: „to become present" - als „sei" schon ein Subjekt, das lediglich sich selbst noch nicht gegenwärtig sei? Was heißt es denn, daß etwas, das zu sich selbst kommen will, um zu sich selbst zu kommen, erst „aus sich" herausgehen muß: was soll denn dies „aus sich" sein, das da vor jedem Selbstverhältnis der terminus a quo desselben ist? Offensichtlich ist die hier leitende Vorstellung doch nicht die, daß ein Subjekt mit einem Vollzug eines „Selbstverhältnisses" identisch ist - wie immer das aussehen sollte62 sondern die, daß ein dem Selbstverhältnis voraus subsistierendes Subjekt sich ins Verhältnis zu sich selbst setzt, ein Aktvollzug, der diesem Subjekt zwar natürlich sein mag, der aber nicht

62 Es soll hier keinesfalls bestritten werden, daß es sinnvolle Theorien gibt, die die Explikation der Subjektivität als Selbstverhältnis gewährleisten; ein Beispiel wäre Heideggers Bestimmung des Dasein als vorthematischer Reflexivität (Verstehen seines Seins), wie ich in Teil II zeigen werde; ein anderes Beispiel wäre Hegels Wesenslogik (Logik II), in deren Kontext Hegel eben dadurch fähig ist, den reinen Vollzug einer reflexiven Bewegung zu beschreiben, daß er in der Figur des „Voraussetzens" diese Bewegung als „Konstitution" deseigenen .Ausgangspunktes" beschreibt (G. W.F.Hegel, Logik II, unsere Ausgabe S. 24ff, bes. 26-28, bes.: „Die Reflexion also findet ein Unmittelbares vor, über das sie hinausgeht und aus dem sie die Rückkehr ist. Aber diese Rückkehr ist erst das Voraussetzen des Vorgefundenen. Dieses Vorgefundene wird nur darin, daß es verlassen wird; seine Unmittelbarkeit ist die aufgehobene Unmittelbarkeit."; S. 27). Gleichgültig, wie mansich zuHegel insgesamt verhält: es ist unbestreitbar, daß genau diese Formulierung die Bedingungen erfüllt, die an eine Theorie der Subjektivität zu stellen wäre, die vorhat, die Subjektivität als Selbstverhältnis, und nicht als „etwas, das sich zu sich selbst verhält", zu denken.

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seinskonstitutiv ist, sondern seinerseits seine conditio sine qua non in der Subsistenz dieses Subjektes hat. Das oben als Relation gefaßte „Selbst-" und „Weltverhältnis" ist also nicht etwa mit dem Subjekt desselben identisch, sondern hat an dessen Subsistenz seine Bedingung. Die Grundoption ist eine Bestimmung des Verhältnisses von „Relation" und „Subsistenz", die der einer Substanzontologie entspricht. 2.3.3 Der Verdacht erhärtet sich durch eine weitere Beobachtung: Schillebeeckx geht von einer die Relation, in der sich die „Person" als „Selbstverhältnis" erst konstituieren soll, fundierenden Unterscheidung der Person von anderem ihrer selbst aus: Schillebeeckx stellt nämlich fest: „ ... man sees his inner reality only when he looks out on the world of men and objects ..." (S. 43, vgl. Zitat oben), und charakterisiert diese „men" und „objects" als „anderes" des jeweiligen Subjektes, zu dem dieses sich verhält. Diese Unterscheidung eines „anderen" setzt etwas voraus, von dem dieses „andere" unterschieden wird. Dieses „etwas" ist aber nicht das „Verhalten", denn dieses ist nur unter der Voraussetzung des „anderen" als Bezugspunkt möglich. Vielmehr ist das „andere" das andere des Subjektes des Verhaltens, das also mit der Kennzeichnung des anderen als anderes seinerseits vorausgesetzt wird. Das Verhalten als Verhalten zu „anderem" setzt also die Subsistenz eines Subjektes des Verhaltens voraus. Damit ist auch deutlich, daß die an Heideggers Bestimmung der Seinsverfassung des Dasein gemahnenden Bestimmungen der Person als „selfthat-is-in-the-world" (ebd.) nicht - wie bei diesem - eine einheitliche Seinsverfassung beschreiben, sondern eine Addition eines „Selbst" und einer „Welt", zu der es sich verhält; „Welt" aber ist dabei nicht, wie bei Heidegger, eine Seinsbestimmung des Dasein, sondern eine Summe von anderen Seienden und anderen Personen „neben" dem „Selbst" 63 . 2.3.4 Genau die Position, die Schiliebeecks ausschließen wollte, setzt er ganz offensichtlich voraus: ein selbstständiges „Ich" (spirit, man, person) neben ebenso selbstständigen „anderen" (der eigene Körper, die Welt der anderen Objekte und Personen), zu denen sich das „Ich" ins Verhältnis setzt und genau darum ins Verhältnis setzen kann, weil es selbst und die anderen „sind"; auch Schillebeeckx bleibt also in der Unterscheidung befangen, die er überwinden will: der Ursprünglichkeit der Subsistenz vor aller „Relation". Formalontologisch gesehen ist die „Person" bei Schille63 Vgl. S. 43, die Rede von den „objects of this world", vgl. auch S. 44f; zu Heidegger vgl. unten II C II, spez. 435-441, vgl. vorläufig den Ausweis von „Welt" als Existential (SuZ S. 63-66; 66-68; zur Abgrenzung von „Welt" gegen die „Summe von Seiendem" vgl. spez. S. 63f und 67f, vgl. auch S. 132).

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beeckx ebenso wie alles übrige Seiende eine „Substanz", ein im Modus der Selbstständigkeit Seiendes 64 . 3. Ich fasse zusammen: Die Analyse der Position Schoonenbergs hatte zu dem Ergebnis geführt, daß die Grundbedingung für den Ausweis einer ontologischen Dignität der „personalen Gegenwart", verstanden als „personale Beziehung", die Klärung des Verhältnisses von Person und „Relation" ist; denn nur, wenn gezeigt werden kann, daß die Relation der „personalen Gegenwart" nicht die Subsistenz von Relaten voraussetzt, kann die weiterführende Frage nach der Gegenwart der „Person selbst" am Grunde der personalen Relation mit Gründen abgewiesen werden. Die Untersuchung von Positionen aus dem Kontext der Transsignifikationslehre, die sich mit diesem weiterführenden Problem befassen, ergab, daß die substanzontologische These, jeder „Relation" lägen die Relate begründend voraus, ein ganz selbstverständliches, gar nicht eigens wahrgenommenes Implikat der sprachlichen Bezugnahmen auf die Person und ihre Relationen auch der Positionen darstellte, die eine Überwindung genau dieser Behauptung intendierten.

B III Person und Zeichen Nach der Analyse der Ausführungen prominenter Vertreter der Transsignifikationslehre zur Ontologie der Person und zum Konzept der „personalen Beziehung" oder „Gegenwart" ist nun auf den in diesem Kontext entscheidenden Begriff des diese „personale" Beziehung oder Gegenwart vermittelnden „Zeichens", auf das Realsymbol, einzugehen 65 . 64 Vgl. besonders auch die ganz eindeutigen Ausführungen Schillebeeckx' in ähnlichem Zusammenhang: „Heilseconomie" S. 394, vgl. unten S. 128. 65 Vgl. schon J.de Baciocchi, Présence S. 146-149, bes. 147f; F.-J. Leenhardt, Corps S. 19f. 26 u.ö.; ders., Présence S. 169, vgl. 164-166; Ch.Davies, Presence S. 172; A. Gerken, Wende S. 225f, vgl. ders., Theologie S. HOf. 135f. 210 u.ö.; B.J.Hilberath, Substanzverwandlung S. 144f; G.Hintzen, Zeichenwirkung S. 115; ders., Transsignifikation S. 201-207; ähnlich, ohne expliziten Rekurs auf den Begriff des „Zeichens", aber unter Verwendung der „Geschenk-Analogie" von L.Smits: J.B. W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 1 Of; vgl. ders., Denken 171 und L.Smits, Vragen S. 49-56; ferner: S.Trooster, Tegenwoordigheid S. 122-128; O.H.Pesch, Eucharistie S. 105f; E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 63-66.83.89f. 93 (ni. II, 362-365.377.382.384); ders., Transsubstantiation S. 326; P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid II S. 199; ders., Tegenwoordigheid III S. 405. 413-415; ders., Lehre S. 309f; und Mysterie S. 7f. 13; J.Poweis, Eucharistie

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Ich stelle zunächst knapp den Zusammenhang und die Intention bei der Verwendung des Begriffes vor (1.), exponiere dann im Ausgang von der Position Schoonenbergs das Problem, das sich mit diesem Begriff stellt (2.), und analysiere im folgenden Abschnitt die sehr viel weiter ausgearbeitete Stellungnahme Schillebeeckx' mit dem Ziel, zu untersuchen, ob sich hier eine Lösung des Problems findet (3.). Der Abschnitt (4.) resümiert die Mängel der Position, (5.) faßt zusammen. 1. Die Aufnahme des Begriffes des „Realsymbols" erklärt sich aus der einleitend skizzierten ekklesiologischen und sakramententheologischen Neuorientierung, dem Bemühen, das Sakrament wieder als Zeichen, und zwar nun als Ausdruckszeichen und Medium einer gegenseitigen, personalen Begegnung von Gott und Mensch zu verstehen 66 . Begriff und Sache des Realsymbols sind also für die Transsignifikationslehre nicht spezifisch. Das specificum der Transsignifikationslehre liegt vielmehr in dem Versuch, nun auch das proprium der Eucharistie, die Realpräsenz Christi selbst unter den Gestalten, im Ausgang von diesem Zeichencharakter des Sakramentes zu rekonstruieren. Die Realpräsenz Christi soll so gerade nicht als eine den Zeichencharakter der Eucharistie aufhebende Präsenz des Bezeichneten selbst erfaßt, sondern als eine höchste Steigerung der die Welt der Sakramente wie auch die unter Menschen personale Gegenwart vermittelnden Zeichen prägenden Gegenwart des Bezeichneten durch das Zeichen verstanden werden. Die Möglichkeit dieses Gedankens verbürgt ein allgemeiner Zeichenbegriff, der ein Zeichen nicht als Hinweiszeichen, sondern als Repräsentation, Vergegenwärtigung des Bezeichneten selbst deutet: „Es gibt Zeichenhandlungen, die etwas zur Kenntnis bringen, was der Belehrung, dem Erwecken von Gefühlen oder der Übermittlung einer Instruktion oder eines Befehls dient (man denke an die Verkehrssignale). Es gibt aber auch Zeichen - und hierbei ist vor allem die Zeichenhandlung das Primäre - bei welchen das zur Kenntnis Gebrachte zugleich mitgeteilt oder wenigstens angeboten wird. ... Diese zweite Art kann ... „wirkendes Zeichen" genannt werden."67 Die Vertreter der Transsignifikationslehre erheben so den Anspruch, das Konzept eines Realsymbols wiederbeleben zu können, das ja ursprünglich

S. 182-185, vgl. den Verweis 182, Anm. 10 auf 87-93, vgl. dort auch 84ff; I.R.Sonnen, Neubesinnung S. 497f; A.R.v.d.Walle, Reflectie S. 205; vgl. den historischen Verweis bei J.B.Weber, Eucharistie S. 206-208; Vgl. die Referate bei: Th.Schneider, Diskussion S. 521f; J. Wohlmuth, Transsubstantiation S. 432; aus dem weiteren Umfeld der Transsignifikationslehre: J.P. de Jong, Eucharistie pss. 66 Vgl. dazu oben, Einleitung S. 22f. 25-28. 67 P.Schoonenberg, Lehre S. 310.

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- so jedenfalls die Behauptung - dem kulturellen Kontext der Alten Kirche, des frühen Mittelalters, des frühkindlichen Animismus oder primitiver Kulturen entstammt, deren Vorstellungen als nicht unmittelbar repristinierbar erscheinen. Wie im allgemeinen Kontext der Neuorientierung der Sakramentenlehre, so wird zu diesem Zweck auch im Zusammenhang der Transsignifikationslehre auf die Funktion des menschlichen Leibes und seiner Gesten, bzw. leibanaloger Ausdrucksmedien im zwischenmenschlichen Kontakt zurückgegriffen: „Die moderne Phänomenologie hat keine Erkenntnislehre vom „Zeichen" ausgearbeitet, sondern eine Anthropologie der Symbolhandlung auf der Grundlage einer Auffassung vom Menschen, die den Dualismus überwunden hat. ... Der Leib verweist nicht auf eine hinter ihm liegende Seele, er ist nicht ein Zeichen des Geistes, sondern diese Innerlichkeit selbst in Sichtbarkeit."68 Der als „überwunden" gekennzeichnete Dualismus ist also der von „Leib" und „Geist", und diese (angebliche) Überwindung erlaubt nun mit Bezug auf das „Zeichen" offenbar Redeweisen, die mit Bezug auf ein reines Hinweiszeichen nicht möglich waren: der „Leib" verweist so nicht auf den „Geist" als anderes seiner selbst, sondern ist in irgendeiner Weise dieser selbst, so daß auf dieser Basis ein analoges Verständnis der Deuteworte als denkbar erscheint: Brot und Wein „ist" so selbst die „personale Gegenwart" Christi, die sich durch sie hindurch ausdrückt und vermittelt in eben der Weise, wie in der leiblichen Geste des Menschen nicht auf eine Intention hingewiesen wird, sondern diese selbst realisiert und vermittelt wird. Es soll, so bringt die darin sehr prägnante Darstellung Greens die Sache auf den Punkt, durch diesen Begriff des Realsymbols eine Position „zwischen" Symbolismus und Metabolismus etabliert werden 6 9 : ein „Zeichen", das mit seinem Bezeichneten identifizierbar ist, oder eine bezeichnete „Wirklichkeit", die durch das Zeichen Wirklichkeit ist; der Charakter der Eucharistie als Zeichen und als Erscheinung des Bezeichneten selbst soll nicht mehr als einander strenggenommen ausschließende Doppelbestimmung des Sakramentes verstanden werden, sondern so, daß jeweils das eine das andere erforderlich macht. 70

68 E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 65f (nl. II, S. 364). 69 H.B.Green, Presence S. 35-39, allerdings nicht direkt bezogen auf die Transsignifikationslehre im engeren Sinne, Green nennt aus dem Kontext der Transsignifikationslehre nur F.-J.Leenhardt (ebd. S. 37f). 70 E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 65 (nl. II, 364); vgl. O.H.Pesch, Eucharistie S. 105; A.Gerken, Theologie S. 200.

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Diesem bislang noch sehr unklaren Begriff des Realsymbols soll nun nachgegangen werden, und zwar zunächst - das Referat des im Kontext der Untersuchung des Begriffes der „personalen Gegenwart" schon angezogenen Aufsatzes fortsetzend - anhand der Ausführungen Schoonenbergs 71 . Der dabei allein interessante Aspekt ist der Zusammenhang von Person, personaler Gegenwart (Relation) und Zeichen. Die Frage nach der „Konstitution" des Zeichens als Zeichen läßt sich von dieser Frage nicht völlig trennen, wird aber erst im folgenden Teil behandelt, der sich mit dem Zusammenhang des „Sinnes" und des „Wesens" des „Seienden" befassen soll. 2. Die oben vorgenommene Untersuchung der räumlichen und der personalen Gegenwart bei Schoonenberg verleiht dieser getrennten Darstellung der Modi der Gegenwart mehr Gewicht, als ihr nach dem Willen Schoonenbergs eigentlich zukommen sollte. Das Interesse Schoonenbergs - dies zeigt auch die Wahl seiner Beispiele72 - zielt also weniger auf die isolierte Darstellung zweier Modi der Gegenwart, als vielmehr auf ihr „Zusammenwirken" im Kontext der menschlichen Gegenwart: „Die samenhang is er in de mens. De mens Staat enerzijds in de ruimte, zijn lichaam heeft in de aardse bestaanswijze altijd ook het aspect van een ding, het is ook „lichaam" (Körper) in de zin van de fysica. Door dit ding-zijn kan er een ruimtelijke tegenwoordigheid bestaan zonder persoonlijke, zoals we reeds terloops hebben opgemerkt. Maar omdat anderzijds dit lichaam toch mijn lichaam is, omdat de persoon er met zijn geestelijk bewustzijn en geestelijke vrijheid in tegenwoordig is, er zieh in opbouwt en uitdrukt, roepen in de mens altijd beide vormen van tegenwoordigheid elkander op." (S. 407)

Es gilt, die Implikationen dieses Zitates zu entfalten: 2.1 Im Blick auf den Menschen als Einheit von „Physis" und „Geist" erweist sich die räumliche Gegenwart (die rein physikalisch faßbare Wechselwirkung) als defizienter Modus der Gegenwart, während die Höchstform der Gegenwart die personale Gemeinschaft im Sinne der oben skizzierten ,liebevollen Verbundenheit" sei73. Es ist also nach der Verbindung der „Person" und ihrer personalen Gegenwart - der „Intentionalität liebevoller Zuwendung" also als, so will es jedenfalls Schoonenberg, „Selbstkommunikation der Person" - mit der „Dinghaftigkeit" und der entsprechenden räumlichen Gegenwart des menschlichen Leibes zu fragen. 71 Seitenverweise im Text beziehen sich in der Folge wieder auf P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III. 72 P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III S. 400f; 404f; 407. 73 Ebd. S. 400f. 406f. 407-410; vgl. oben I B I (S. 90f).

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Wie viele andere Beiträge zum Thema rekurriert auch Schoonenberg auf die Funktion des Leibes als Ausdrucksmedium im Kontext interpersonaler Begegnung 74 , und versucht so, die räumliche Gegenwart und die sie bedingende „Dinghaftigkeit" des Menschen in die „personale Gegenwart" zu integrieren: er verfolgt in dem mit dem oben gebotenen Zitat eingeleiteten Abschnitt zum einen das Ziel, das Verhältnis beider Modi von Gegenwart so aufzuklären, daß deutlich wird, daß die personale Gegenwart der räumlichen Gegenwart nicht bedarf 5 ; dieser Nachweis ist notwendig, um die „personale" Gegenwart als Realpräsenz ausweisen zu können, die also nicht auf eine „Vorhandenheit (räumliche Gegenwart)" als Bedingung ihrer Möglichkeit zurückweist. Zum anderen verfolgt Schoonenberg das Ziel, die Elemente der räumlichen Gegenwart oder der „Dingvorhandenheit" unter Menschen so zu integrieren, daß nicht nur deutlich wird, daß diese Elemente nicht die Voraussetzung der personalen Gegenwart darstellen, sondern umgekehrt: daß diese Elemente als Medien ihr Fundament in der personalen Gegenwart finden (S. 407. 409f). 2.2 Der entscheidende Schritt besteht zunächst in der Integration der räumlichen Gegenwart (der Relation physikalischer Wechselwirkung) in die personale Gegenwart (die Relation liebender gegenseitiger Zuwendung). Schoonenberg faßt diese Integration zunächst als eine Art Verwandlung der räumlichen Gegenwart, die im Kontext personaler Gegenwart das Medium dieser Relation werde: „Wanneer daarbij tevens een ruimtelijke aanwezigheid gegeven is, dan blijft toch nog de mogelijkheid om zieh gesloten te houden, om de ruimtelijke tegenwoordigheid niet of wel in de persoonlijke te integreren. Wordt dit laatste gekozen, dan krijgen de stoffelijke werkingen van menselijke lichamen of dingen een nieuwe dimensie: ze worden tekenen van personen. Lichaamsbewe-

74 Man spricht hier von einer „Phänomenologie des Geschenkes", die als Modell der Deutung der Realpräsenz kaum so klar vom Modell der „Kommunikationspräsenz" getrennt werden kann, wie sich das bei J.Wohlmuth, Transsubstantiation S. 433f, ausnimmt (vgl. allerdings auch dort S. 433 den Verweis auf den Zusammenhang). Allgemein wird diese Analogie der leiblichen Vermittlung zwischenmenschlicher Gegenwart für die Deutung der Eucharistie als einer durch äußere Medien vermittelten und mitgeteilten „Handlung" herangezogen; die „Kommunikationspräsenz" ist ein Modus der Deutung dieser Handlung. Vgl. zur Deutung des „Geschenkes" als Leibanaloges „Medium" eines intentionalen Aktes („L" neben der Stellenangabe markiert den ausdrücklichen Vermerk der Analogie): J.de Baciocchi, Présence S. 140-149; P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III S. 405. 407. 407f (L); J.B.W.M.Möller, TranssubstantiatieS. 9f (L); Ch.Davies, Presence S. 174f; L.Smits, Vragen S. 49f. 51-56 (L); A.Gerken,TheologieS. 200.210u.v.o.; F.-J.Leenhardt, Présences. 169; A.R.v.d.Walle, Reflectie S. 204f etc.pp. 75 P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III S. 408-410.

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ging wordt gebaar, geluid wordt woord, hören wordt luisteren, bezien wordt aanzien, alle kenbaarmaking of waarneming wordt teken van openbaring of geloof, wordt werkdadig teken van menselijke gemeenschap, wordt manifestatie en oorzaak van persoonlijke tegenwoordigheid." (S. 405, vgl. 408 und f)

Diese „Verwandlung" im Kontext personaler Gegenwart gilt nun nicht nur für die räumliche Gegenwart im Sinne der Relationen physikalischer Wechselwirkung, sondern auch für deren ontologisches Fundament, nämlich das räumlich verfaßte „Ding"; es wird hier noch einmal die Ambivalenz des mit „räumliche Gegenwart" bezeichneten Sachverhaltes deutlich, der einmal einen Modus einer Relation meint, zugleich aber auf deren Fundament: die regionalontologische Verfaßtheit des Relates abhebt, das wesentlich „vorhandenes Ding" und nicht „Person" ist: „Het is echter de moeite waard om hier te wijzen op de middelen van persoonlijke tegenwoordigheid op een afstand: een brief, een souvenir, een geschenk. Ook deze zijn tekenen. Hun fysieke zijn kan geen tegenwoordigheid van de verre geliefde tot stand brengen, tenzij een ruimtelijke aanwezigheid die tot in de zoveelste macht middelijk is. Maar zij hebben een nieuw en dieper zijn, het teken-zijn dat persoonlijke tegenwoordigheid meedeelt. Haast zouden wij zeggen: ze zijn getranssubstantieerd." (S. 407)

Die ontologischen Implikationen, die es erlauben, hier von „Transsubstantiation" zu sprechen, werde ich im folgenden Abschnitt (C) untersuchen. Die Intention der Passage besteht darin, jenes „neue Sein" nicht als eine „Addition" zu einem unveränderten „Ding-sein", als eine Art „anhaftende Bedeutung" zu deuten, sondern als „tieferes Sein" auszuweisen, wobei der Vergleichspunkt des Komparativs das „physische" Sein ist. Legt man die sicher ohne größeren ontologischen Anspruch geäußerten76 Sätze einmal streng aus, so geht es um die Integration der „Dinge", der physischen Entitäten, in den Kontext der personalen Gegenwart (Relation) so, daß diese Entität durch diesen Kontext wesentlich geprägt ist: sie ist „Zeichen", „Medium" dieser Präsenz und verliert in dieser ihr aus dem Kontext zuwachsenden Bestimmung die „Dinghaftigkeit"; diese erscheint durch die Integration in den Kontext der Vermittlung personaler Gegenwart als eine Bestimmung, die gegenüber jener kontextuellen Bestimmtheit ein „abkünftiges", fundiertes „Sein" darstellt 77 . 76 Die etwas unklare Formulierung „Haast zouden wij zeggen" etc. weist daraufhin, daß eine Reflexion der Bedingungen des Wandels hier wie auch sonst bei Schoonenberg fehlt; vgl. die Kritik bei G.Hintzen, Diskussion S. 92. 77 „Symboolschepping is het werk van de menselijke geest, zodat we een teken niet als een ding... mögen beschouwen, maar wel als een „res naturae", die opgenomen is geworden als een moment van en in de menselijke geestesactiviteit." E.Schillebeeckx, Heilseconomie S. 396. vgl. 400f.

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Der Gewinn ist ersichtlich der, daß durch den Rekurs auf diese „neue Bedeutung" die räumliche Gegenwart und die sie fundierende „physische" Verfaßtheit eines zunächst einmal vorhandenen Seienden der personalen Gegenwart ein- und untergeordnet wird. Die körperliche Verfaßtheit des Menschen als eine entscheidende Instanz der Ursprünglichkeit der menschlichen „Vorhandenheit" und entsprechend der räumlichen Gegenwart wird auf diese Weise entschärft und mit der Behauptung, die Realpräsenz sei eigentlich eine personale Relation, kompatibel gemacht: Realpräsenz ist nicht notwendig das leibliche „Vorhandensein" i.S. der physischen Wechselwirkung. Schoonenberg zielt auf eine Position, in der die personale Relation das ontologische Fundament eines Seienden darstellt, das als „Medium" dieser Gegenwart in seiner Selbstständigkeit gegen diese Relation nicht mehr in Betracht kommt: der physische Körper als „Leib", das Ding als „Geschenk" ist solches jeweils nur aus der sie bestimmenden personalen Relation, ist aber eben als solches gegen diese „Relation" nicht mehr selbstständig: „ ... bestaat er dus ook een neiging tot belichaming, tot incarnatie van de persoonlijke tegenwoordigheid, maar dan juist een belichaming die meer doorlicht is van de persoon, meer teken. Het lichaam zal dus steeds meer teken worden.... Het lichaam wordt dus steeds meer ontheven aan het louter ding zijn, louter ruimtelijk nabij of louter voorwerp zijn, hewt wordt steeds meer teken van gemeenschap, het wordt in de volle zin van het woord steeds meer lichaam, en daarmee ook belofte en schaduw van het verheerlichde lichaam in de körnende eon." (S. 409) Entsprechend zeigt Schoonenberg, daß diese Elemente im Kontext personaler Gegenwart keine konstitutive, sondern lediglich eine - wenn auch unter den Bedingungen menschlicher Endlichkeit unverzichtbare - dienende Funktion für die personale Gegenwart haben, die bestehen bleiben kann, auch wenn eine unmittelbare räumliche Gegenwart nicht gegeben ist (ebd. S. 408-410). Positiv bedeutet dies nun, daß diese Medien durch die „personale Gegenwart" geprägt sind, die durch sie nicht hinweisend oder mit dem Ziel der Information bezeichnet, sondern selbst mitgeteilt wird: sie stiften oder vollziehen die personale Gegenwart, die in ihnen zum Ausdruck kommt; so führt etwa L.Smits in dem wohl umstrittensten Beispiel, das im Kontext der Transsignifikationslehre zur Illustration des Realsymbols herangezogen wurde, aus: „Als wij ergens op bezoek gaan, zal de vrouw des huizes haar welkom uitdrukken in het aanbieden van thee met een koekje, dus in het allgemeen menselijke symbool van spijs en drank. Tot dusver hadden dit koekje en deze thee slechts

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betekenis als middel tot onderhoud van de lichaamelijke funkties. Op het ogenblik echter dat het koekje en de thee worden aangewend als gaven, verandern zij: zij zijn tekenen van vriendschap geworden ... Zeker, de huisvrouw had kunnen volstaan met een „hartelijk welkom", maar ze voelt aan dat het daar niet bij kan blijven. Het woord dat de gesteltenis van haar innerlijk weergeeft, schiet in expressie te kort.... Pas door het aanbieden van de thee en het koekje kan zij ten volle tot uitdrukking brengen wat in haar omgaat: het woord was er niet toereikend voor. Zo vormen deze gaven een verlengde lichamelijkheid, een soort mystiek lichaam. Evenzeer als het welkom zieh incarneert in het woord dat het eigen lichaam spreekt, evenzeer en nog beter incarneert zieh het welkom in de gaven die ik door middel van mijn lichaam aanbiedt: spijs en drank neme de funetie van het eigen lichaam over.... Ik behoef niet te redeneren van de thee als een teken dat buiten zichzelf verwijst naar de gevoelens van welkom bij de gastvrouw die eiders zouden zijn: de thee is geen signaal. De thee is de gei'ncarneerde welkom, dat ik tesamen vat in een intuitieve greep. Het teken is de incarnatie van het betekende: in heel de thee is heel het welkom van de vrouw ingedaald tot een onscheidbaar geheel."78 Es scheint „irgendwie" möglich zu sein, von diesen Zeichen das zu prädizieren, was sie bezeichnen: sie sind bestimmt von dem Kontext, in den sie aufgenommen sind, „irgendwie" sind der Tee und die Plätzchen nicht nur „Hinweise" auf eine emotive Haltung des gebenden Subjektes, sondern sie vermitteln diese Haltung und „sind" sie, indem sie diese vermitteln, selbst: als „Inkarnation" dieser Haltung, die aus der Gabe des Tees nicht erschlossen, sondern „in" ihr ergriffen wird. Mehr als dieses „irgendwie" aber ist den Passagen bei Schoonenberg und Smits so wenig zu entnehmen wie vielen anderen Ausführungen 7 9 . 2.3 Bevor ich die Probleme der Position thematisiere, ist noch knapp der umrissene Gewinn der Verhältnisbestimmung von personaler und räumlicher Gegenwart im Blick auf die von Schoonenberg ja beständig intendierte Neuinterpretation der Transsubstantiationslehre bzw. der Lehre von der Realpräsenz zu entfalten: Schoonenberg und die Vertreter ähnlicher Positionen intendieren ja eine Interpretation der Realpräsenz Christi, die von den Konnotationen „dinghafter", „räumlicher" Gegenwart frei ist. Mit dem Rekurs auf die durch „Zeichen" vermittelte menschliche „personale" Gegenwart bei gleichzeiti-

78 L.Smits, Vragen S. 51f; vgl. die Verweise auf diese berühmte Passage bei: G.Hintzen, Diskussion S. 102-110, dort weitere Belege. 79 Statt vieler Beispiele nenne ich einige wenige: O.H.Pesch, Eucharistie S. 105f, vgl. bes. das„gewissermassen" im Beispiel S. 105, rechte Spalte unten; J.B. W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 10f;A.R.v.d.Walle, Reflectie S. 204f; I.R.Sonnen, Neubesinnung S. 496f; vgl. auch die Kritik von J.Delmotte, Mysterium S. 14.

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ger räumlicher Abwesenheit gewinnt er die Möglichkeit, von einer „Realpräsenz" zu sprechen, die eine durch Zeichen vermittelte Gegenwart im personalen Sinne ist, ohne daß diese Gegenwart der Person den Konnotationen räumlicher oder dinghafter Gegenwart unterliegt. Es ist nicht „in" diesen Medien die „Person" wie ein „Ding" räumlich vorhanden, sondern durch diese Medien wird die personale Gegenwart Christi, die Gegenwart der Person beim Empfänger, vermittelt und dargeboten, so aber eben, daß es in Analogie zu dem zitierten Beispiel von L.Smits möglich wird, identifizierende Aussagen über diese personale Gegenwart und das Medium der Gegenwart zu vollziehen. Dadurch nun, daß diese personale Gegenwart der eigentliche Modus der Gegenwart eines Seienden von der Seinsverfassung „Person" ist bzw. nach Schoonenberg sein soll (die Probleme habe ich in I B I erörtert), ist eben die Vermittlung personaler Gegenwart die Vermittlung der Gegenwart Christi selbst. Dies ist die leitende Perspektive, der ich mich in I D zuwende; hier gilt es zunächst, die Basis der Analogie weiter zu untersuchen: 2.4 Auf den ersten Blick sieht eine solche Interpretation der personalen Gegenwart und der Vermittlung derselben durch Medien, die ihre „Dinghaftigkeit" verlieren und „irgendwie" mit ihrem Bezeichneten oder dem in ihnen Ausgedrückten identifiziert werden können, einleuchtend aus, wiewohl man sich eines gewissen Unbehagens nicht erwehren kann, das Ausdruck in der Vermutung finden könnte, man werde hier durch Wortspiele getäuscht. In der Tat brechen bei näherem Hinsehen Probleme auf, die sich als Frage nach dem Verhältnis von „Person" und „Zeichen", bzw. „personaler Gegenwart" und „Medium" formulieren lassen; es kommt dabei darauf an, sowohl das Problem, wie den Schein der Problemlosigkeit den die Position zu erwecken versteht, einsichtig zu machen: Die Neubestimmung des physischen Körpers oder von „Dingen" im Kontext zwischenpersonaler Verhaltungen begründet allgemeiner den Begriff eines Mediums, das mit einem anderen seiner selbst nicht unmittelbar identisch ist und insofern „Zeichen" ist: weder „ist" (im Sinne strikter Identität) der Körper nach Schoonenberg die Person, noch „ist" der Tee das Willkommen: das Zeichen ist insofern Zeichen, als es in einem Verhältnis der Differenz zu dem durch es Vermittelten steht. Auf der anderen Seite aber besteht auch kein Verhältnis völliger Differenz zwischen diesem Zeichen und dem Bezeichneten, so daß ein Hinweisverhältnis auf ein „aliud quid" vorläge. Vielmehr liegt ein solches Verhältnis vor, in dem das Bezeichnete irgendwie „im" Zeichen präsent ist. Es handelt sich aber auch drittens nicht um ein Verhältnis der Inexistenz, so daß die eine „Wirklichkeit" in der anderen, dem Zeichen, subsistierte: es

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wird ja der Person und den personalen Intentionen gerade diese Art der Subsistenz oder des „In-seins" bestritten - mit Blick auf die Eucharistie: es ist ja gerade das Anliegen Schoonenbergs, sich von Vorstellungsmodellen der „Inexistenz" zur Deutung der Eucharistie abzuwenden 80 . Es stellt sich aber nun doch die Frage, in welchem Sinne nun genau diese „Symbole" Realsymbole sind: Die Rede vom „Realsymbol" im Kontext der Rekurse auf die Alte Kirche oder die Mysterientheologie der Kirchenväter blieb im Rahmen des Vorstellbaren: Casel spricht ganz einfach von einer Realpräsenz der historischen Erlösungstat in Analogie zur Realpräsenz des Leibes und Blutes Christi in den Gestalten, und auch Gerkens Deutung der altkirchlichen Eucharistielehre vom platonischen UrbildAbbild-Denken her bleibt im Rahmen des Modells der „Inexistenz" der einen Realität „in" der anderen81. Die Behauptungen der Vertreter der Transsignifikationslehre im Anschluß an eine Phänomenologie der zwischenmenschlichen Geste allerdings beziehen ihre Plausibilität ausschließlich aus der negativen Feststellung, daß ein Geschenk, der menschliche Leib, der Willkommenstrunk nicht auf seine materiellen Bestandteile und deren physikalische Wirksamkeit reduzierbar sind: die genannten Entitäten sind „irgendwie" mehr, sind irgendwie bestimmt von ihrem Kontext 82 . 80 Vgl.etwaP.Schoonenberg,Tegenwoordigheid 1148f; II 197f;TerugblikS. 320ff; vgl. bes. Tegenwoordigheid III S. 413f; vgl. auch E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 58-65. bes. 66, wo Schillebeeckx den Gegensatz zu einem traditionellen Zeichenbegriff so formuliert: „Wenn das in einem Zeichen Angedeutete doch real zugegen ist, dann kann dies nie so sein kraft des Zeichens selbst." (nl. II S. 359-364. zit. S. 364 unten). Es geht eben nicht um ein additives Verhältnis von Realpräsenz und Zeichen, das Schillebeeckx eben in der Tradition verwirklicht sieht, sondern um die Deutung der Realpräsenz und ihres Modus als Implikat des Zeichencharakters der eucharistischen Gestalten. 81 Casel analogisiert die von ihm vertretene Präsenz des historischen Geschehens im kultischen Akt ganz unmittelbar der Realpräsenz unter den Gestalten (statt vieler Belege: O.Casel, Mysteriengegenwart S. 158f; ders., Kultmysterium S. 185). Zu Gerken vgl. A.Gerken, Theologie S. 65-74; Gerken spricht S. 66f von einer „Spiegelung", einer „Anschaulichkeit" der Idee im Abbild, die Differenz zum Verweiszeichen allerdings wahren Formulierungen, die von einer Art „Gegenwart" des Abbildes im Urbild sprechen: Symbol in dem Sinne, daß die höhere Wirklichkeit sich selbst in der niederen ausdrückt, in ihr gegenwärtig ist und durch sie wirkt, wenn auch in einer defizienten, abgeschwächten Weise. Eben darum sprechen wir vom Realsymbol." (S. 67). Der Modus der Gegenwart - dies kann hier nicht anders verstanden werden ist die „Inexistenz". 82 Zu den Bspp. vgl. L.Smits, Vragen S. 51ff; S. 51 findet sich der Verweis darauf, daß der Willkommenstee eben kein „Lebensmittel" oder (S. 52) lediglich ein Hinweiszeichen sei; P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III S. 405. 407. 408-410, zur Abgrenzung vgl. bes. 407 und f; J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 10; O.H.Pesch, Eucharistie S. 105f (Abgrenzung gegen Hinweiszeichen S. 105 linke Sp.; vgl. die

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D o c h w a s heißt das positiv? Ist es denn richtig, daß - w i e Schoonenberg behauptet - ein Grabstein eine Art Zeichen der personalen Gegenwart ist, und ist tatsächlich dies der Grund, daß man mit B e z u g auf diesen sagt: „Hier ruht er" 83 ? Ist es denn richtig, daß Tee und Kuchen eine Art „mystischer Leib" der Gastgeberin ist, die ihn anbietet 84 ? Ist es auch nur richtig, daß Tee und Kuchen ein „inkarniertes Willkommen" sind? Ist, w i e Pesch behauptet, die Gabe v o n 25 R o s e n z u m Hochzeitstag eine Vergegenwärtig u n g und Inkarnation des Treuegelöbnisses 8 5 ? Sind Briefe, G e s c h e n k e usf. denn in der Tat M e d i e n einer personalen Gegenwart 8 6 so, daß durch sie sich eine liebevolle Intentionalität in der Weise mitteilt, daß sie „irgendwie" mit diesen Entitäten identifiziert werden kann? Welchen Status hat hier j e w e i l s das identifizierende „ist"? G e w i ß kann man sagen, daß sich eine „Intentionalität" im weitesten Sinne in diesen Entitäten und Gesten „manifestiert", „erkennbar wird", „ergriffen werden" kann. D i e Feststellung, daß man „an" diesen Zeichen die Liebe, Zuneigung, den Zorn 87 erkennt, kann man teilen. Was aber Feststellung S. 106, die „Zeichen" „seien" etwas anderes als sonst); vgl. auch G.B.Sala, Transsubstantiation S. 5f und bes. 17f. 83 P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III S. 410; man müßte auch überlegen, ob dies Beispiel nicht eher eine Gegeninstanz ist, denn man sagt dergleichen - wenn man es überhaupt sagt - nicht mit Bezug auf den Grabstein als „Zeichen" personaler Gegenwart, sondern mit Bezug darauf, daß der Leichnam des Verstorbenen unter dem Grabstein „räumlich gegenwärtig" ist; man würde denselben Satz doch eigentlich nicht mehr vor einem Urnengrab aussprechen... Es ist übrigens nicht ganz deutlich, was Schoonenberg eigentlich mit dem Beispiel will, denn er ist ja eigentlich gar nicht der Meinung, daß im Falle eines Toten noch eine personale Gegenwart möglich ist (S. 410 ebd.). 84 L.Smits, Vragen S. 52 (Zit. oben S. 120f) - das ist doch höchst unplausibel; gemeint ist vermutlich dasselbe wie bei J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 10, der ebenfalls auf die Rolle des Geschenkes als Leibanalogon verweist, vgl. G.Hintzen, Gedanken S. 296ff; Smits behauptet allerdings gerade mit der Rede vom „corpus mysticum" mehr, nämlich die Identität des Gebers mit der Gabe. Das ist doch schwer einsehbar ... 85 O.H.Pesch, Eucharistie S. 105f, das Bsp. S. 105. 86 P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid IIIS. 407; vgl. ähnlich G.B.Sala, Transsubstantiation S. 17f. 87 Es ist merkwürdig, daß es im Bereich der Transsignifikationslehre ausschließlich positive personale Gefühle gibt und die Möglichkeit, negative Gefühle gestisch zum Ausdruck zu bringen, ausgeschlossen scheint; P.Schoonenberg, Lehre S. 310 behauptet sogar: „Der Inhalt dieser zweiten Art von Zeichen ist immer eine Form der Liebe oder der Gemeinschaft." Das hört sich sehr plausibel an, wenn auf Zeichen wie ein „Kuß", eine „Umarmung" verwiesen wird; man wird allerdings stutzig, wenn die Phänomenbeschreibung gar zu gut auf die Fortsetzung paßt, die dann zumeist besagt, daß ein solches Zeichen eine Art „Selbstgabe" intendiert, und man fragt sich, ob die Geste des Zorns, der Verachtung, des Hasses, der Drohung bzw. die diese vermittelnden Symbole (der

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genau dieses Verhältnis beschreiben will, kann schon deshalb nicht gesagt werden, weil der ontologische Status jener „Intentionen" ganz ungeklärt ist: wie muß ein „Willkommen" verfaßt sein, um sich „inkarnieren" zu können? Was ist ein „Gefühl", daß es sich ausdrücken kann? Was ist eine „Person" die irgendwie „in" einem Körper ist88 ? Handelt es sich um ein Seiendes, das „in" seinen Ausdrucksmedien ist? Da dies nicht der Fall ist (in diesem Fall läge kein Realsymbol vor, sondern eine Inexistenz): woraufhin und in welchem Sinne ist dann eine Identifikation des Mediums mit dem Vermittelten möglich? Ist es nicht so, daß man immer geneigt ist, die Identifikation (der Tee ist das Willkommen, der Körper ist die Person) durch ein „sozusagen" oder „irgendwie" einzuschränken 89 ? Wie sollte auf solche und solchermassen mit ihrem Bezeichneten (offenbar) identifizierbaren Realsymbole dennjemals-und sei es via eminentiae-eine Analogie zur Realpräsenz Christi unter den Gestalten begründet werden? Wie verhält sich weiter das ausgedrückte „Gefühl" zur „Person", von der es zunächst prädiziert wird? Wenn die Gefühle, wie bei Smits deutlich wird, etwas „in" der Gastgeberin sind 90 : was heißt das? Was heißt das für das nun auch gültige „in-sein" der Gefühle in den Medien? Wieso liegt kein Fehdehandschuh etwa) nicht in genau demselben Sinne Zeichen sind, die aber nun keineswegs eine „Mitteilung der Person" oder eine Herstellung personaler Gemeinschaft, sondern deren Aufhebung intendieren; zur Phänomenbeschreibung vgl. etwa: M.Merleau-Ponty, Phänomenologie S. 218f. Hier gibt es zumindest einen Klärungsbedarf. 88 Vgl.: P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III S. 407: „... omdat... dit lichaam toch mijn lichaam is, omdat de persoon er mit zijn geestelijk bewustzijn ... in [!] tegenwoordig is ...", vgl. auch E.Schillebeeckx, Heilseconomie S. 394f. 89 Vgl. etwa O.H.Pesch, Gegenwart S. 82: „er will ihm in dieser Tasse Tee seine Freundschaft anbieten, sie darin gewissermassen verleiblichen."; ders., Eucharistie S. 105: „... in den Rosen verleiblicht sich gewissermassen das Versprechen der Liebe und der Treue."; vgl. L.Smits, Vragen S. 52: „Zo vormen deze gaven een verlengde lichamelijkheid, een soort mystiek lichaam."; vgl. J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 10: „Een bekwam autorijder heeft zijn wagen in zijn macht. Het is alsof hij door zijn wagen heen leeft." [Alle Hervorhebungen von mir, N.S1.]. Was genau wird mit diesen Identifikationen beschrieben, wenn es doch offenbar keine direkten Identitäten sind? 90 Vgl. L.Smits, Vragen S. 52, die Rede von dem, was „in haar omgaat" und dann ausgedrückt wird; vgl. die Rede vom „Innerlichen" im Violinisten-Bsp. S. 52f und im Analogieschluß auf die Eucharistie (53), vgl. bes: „Jesus' woord drukt dus niet enkel uit wat in zijn menselijk innerlijk omgaat, maar wat in het innerlijk van God omgaat."; wie ist nach dieser Rede vom „Innerlichen" noch die Fortsetzung einen Satz später verstehbar: „Ook hier behoef ik niet te redeneren en een sprang te maken van de gaven als signaal-teken naar een gebeuren eiders: neen het gebeuren voltrekt zieh in het teken." (ebd.). Es ist mir einfach nicht deutlich, wie Smits beanspruchen kann, die von ihm abgelehnte Interpretation des Zeichens (S. 54-56) überwunden zu haben. Vgl. zum Problem näher unten S. 133f, Anm. 107. 125

Hinweisverhältnis vor, wenn die „Gefühle" doch offensichtlich etwas „in" der Gastgeberin sind, und durch die Medien bezeichnet werden? In welchem Sinne ist es möglich, zu behaupten, ein Geschenk vollziehe oder intendiere „letztlich" den Vollzug einer „Selbstgabe des Gebers" 91 es klingt wieder die Problematik des Verhältnisses von Person und personaler Relation an. Die Beschreibungen der Vertreter der Transsignifikationslehre sind also insofern nachvollziehbar, als sie zu Recht feststellen, daß ein „Geschenk" (irgendwie) etwas anderes und auch mehr sei als ein reiner „Sachwert". Es ist geprägt von einer Intentionalität, die sich durch es mitteilt. Warum das so ist, und was das heißt, bleibt darum völlig unklar, weil unklar bleibt, was eine „Person", und was solche Haltungen eigentlich sind, die in bestimmten Medien zum Ausdruck kommen sollen. Wenn ein im Ausgang von der Phänomenologie des Leibes und der zwischenmenschlichen Begegnung entworfener Begriff des Realsymbols ein sinnvoller Begriff sein soll, so müssen diese Verhältnisse zwischen Zeichen und Bezeichnetem, und so muß der ontologische Status des „Bezeichneten" (der Person, der Intention, der „Innerlichkeit") und ihr Verhältnis zum Ausdrucksmedium aufgeklärt werden: 3. Den Versuch einer genaueren Bestimmung dieses Verhältnisses und damit des Begriffes eines Realsymbols hat E.Schillebeeckx unternommen, und zwar, soweit ich sehe, als einziger der Vertreter der Transsignifikationslehre92 . Er verweist zum Beleg seiner Thesen auf die Forschungen im Kontext der phänomenologischen Tradition, die aber an diesem Punkt der Arbeit noch nicht aufzurufen ist 93 ; lediglich die interne Schlüssigkeit der 91 Die Vertreter der Transsignifikationslehre sind hier zumeist sehr vorsichtig und betrachten die Identität von Gabe und Geber als erst in der Eucharistie erreichte Erfüllung der schon im zwischenmenschlichen Symbol anvisierten, aber nicht erreichtenAbsichtder„Selbstgabe": J.B.W.M.Möller.TranssubstantiatieS. lOundf; O.H.Pesch, Eucharistie S. 106; vgl. auch P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III S. 414; L.Smits, Vragen S. 49ff meint offenbar auf die Betonung der Differenz verzichten zu können, denn er erwähnt sie nicht ausdrücklich. Selbst wenn aber das Geschenk unter Menschen keine „Selbstgabe" im strengen Sinne erreicht, so wäre doch zu klären, was eigentlich „Selbstgabe" sein soll, wie im Falle einer „Selbstgabe" überhaupt Grade möglich sein sollen, und ob es überhaupt stimmt, daß in einem Geschenk eine solche Selbstgabe intendiert ist (vgl. dazu unten S. 242f). 92 Die oben genannten (Anm. 65) Beiträge beschränken sich auf die reine Beschreibung des (angeblichen) Realsymbols, während Schillebeeckx dessen Begründung in einer Anthropologie wenigstens intendiert. 93 Zum Verweis vgl. E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 65 (nl. II S. 364) und ders., Heilseconomie S. 394-403, bes. Anm. 14, S. 401 und das Lit.-vz. zur Passage S. XXXIV f. Ich belege dies genauer in (II A); im Hintergrund steht höchstwahrscheinlich die Phänomenologie Merleau-Ponty's, die Schillebeeckx über seinen Lehrer D.M.de Petter

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Position, die Schillebeeckx entfaltet, der ein Verweis auf die Phänomenologie weder Abbruch tun noch förderlich sein kann, steht hier zur Diskussion 94 . 3.1 Schillebeeckx hat in mehreren Veröffentlichungen zur Phänomenologie des Zeichens und deren anthropologischer Begründung ohne größere inhaltliche Abweichungen Stellung genommen 95 ; ich gehe hier von der Schrift zur eucharistischen Gegenwart aus, und zwar von dem oben schon einmal vorgetragenen Zitat: „Die moderne Phänomenologie hat keine Erkenntnislehre vom Zeichen ausgearbeitet, sondern eine Anthropologie der Symbolhandlung auf der Grundlage einer Auffassung vom Menschen, die den Dualismus überwunden hat. Ein Mensch ist keine geschlossene Innerlichkeit, die sich sodann, gleichsam in einer zweiten Phase, mittels der Leiblichkeit in der Welt inkarniert. Der menschliche Leib gehört als solcher unverbrüchlich zur Subjektivität des Menschen. Das menschliche Ich ist wesentlich in und bei den Dingen der Welt."96 Es greifen in dem Zitat und auch in seinem Kontext erkennbar zwei Motive ineinander: das Bemühen, die „Person" und die „Relation zu den Dingen" als gleichursprünglich auszuweisen, und zweitens die Behauptung, im Rahmen der Phänomenologie gebe es eine gelungene Überwindung des anthropologischen „Dualismus" von „Seele/Geist" und „Leib". Es handelt bekannt geworden sein dürfte (vgl. D.M.de Petter, Intentionaliteit; ders., Oorsprong). De Petter verfolgt dasselbe Ziel wie Schillebeeckx: den Ausgleich eines phänomenologischen Ansatzes mit dem thomasischen Denken; zum Schülerverhältnis vgl.: J.Bowden, Schillebeeckx S. 32f und 37; vgl. vorläufig G.Hintzen, Diskussion S. 29-31; das Verständnis Hintzens für den Ansatz Merleau-Ponty's und der Phänomenologie ist defizient; vgl. die Darstellung S. 29-31 und 115-122 mit den Ausführungen unten II C III. 94 Das Verfahren bei G.Hintzen, Diskussion S. 29-31 zum Zeichenbegriff, und auch zum philosophischen Hintergrund Schillebeeckx' im allgemeinen ( S. 115-123) ist m.E. wenig hilfreich: Hintzen bezieht sich, mit dem Ziel, Schillebeeckx besser verstehen zu können, auf Merleau-Ponty zurück, klärt dabei aber weder, ob nun Schillebeeckx Merleau-Ponty eigentlich verstanden hat, und ob er ihn so verstanden hat, wie Hintzen selbst glaubt, ihn verstehen zu müssen. Ein solches Vorgehen ist aber gleichbedeutend mit einem Eintrag einer fremden Textbasis in Schillebeeckx. Dessen Ausführungen aber werden um nichts besser, wenn Merleau-Ponty etwas Richtiges gesagt hat; die isolierte Wahrnehmung der Aussagen Schillebeeckx' und die Frage nach deren interner Schlüssigkeit ist vielmehr umgekehrt die Basis, auf der ein nach Übereinstimmungen oder Differenzen fragender Rekurs auf Merleau-Ponty erst möglich ist. Methodisch völlig unerlaubt aber ist der Ausweis von Übereinstimmungen durch Zitatenteppiche aus Texten beider Autoren (vgl. G.Hintzen, Diskussion S. 123!!!). 95 E.Schillebeeckx, Heilseconomie S. 394-403; ders., Sakrament S. 74-76 u. ff; ders., Faith S. 43ff; ders., Gegenwart S. 65f (ni. II S. 364f). 96 E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 65 (ni. II S. 364).

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sich dabei um ein letztlich einheitliches Grundmotiv, da Schillebeeckx mit einer Reihe von Vertretern der Phänomenologie übrigens - der Meinung ist, daß die Bestimmung des Verhältnisses von „Seele und Leib" das Paradigma für die Deutung auch des Verhältnisses von Geist und „Materie" überhaupt sei 97 . Dies heißt genauer, daß sich das Verhältnis des „Geistes" zum „Körper" im Verhältnis der Subjektivität zu den „Dingen" wiederholt; das heißt für die Darstellung, daß sie sich auf die Analyse dieses Verhältnisses von Körper und Geist beschränken kann, und nicht daneben auch noch dem Verhältnis von „Geist" und „leibanalogem Geschenk" nachzugehen braucht. In den zitierten Formulierungen freilich ist die intendierte, nicht-dualistische Neubestimmung des Verhältnisses von „Subjektivität" und „Welt" oder „Geist" und „Leib" noch nicht eingeholt: sowohl die Wendung, der Leib „gehöre zur" Subjektivität, wie auch die Feststellung, die Subjektivität sei „in und bei" den Dingen der Welt setzt den Dualismus im Sinne einer ursprünglichen Differenz von „Leib" und „Subjektivität", „Dingen der Welt" und „Subjektivität" schlicht und einfach voraus, denn anders können sie nicht in ein Verhältnis des „Gehören zu" oder des „Sein bei" gebracht, oder auch nur als unterschiedene Entitäten identifiziert werden. Sofern „Dualismus" heißt, daß „Leib" und „Seele" ursprünglich „zwei" sind, die als in einem mehr oder weniger engen Verhältnis stehend betrachtet werden, sind die Formulierungen Schillebeeckx' dualistisch. Die Verhältnisbestimmung entspricht der noch eindeutigeren, einem identischen Kontext entstammenden Formulierung aus der grossen Veröffentlichung zur Sakramententheologie, wo Schillebeeckx im Anschluß an Thomas schreibt: „Dat de menselijke geestelijkheid transcendent is tegenover het stoffelijke en toch meteen naar al haar zijden stofverbonden, verraadt derhalve noodzakelijk iets van de eigen aard van die geestelijkheid zelf. Er is dus in de mens een transcendent, subsistent beginsel dat hem in Staat steh in het stoffelijke boven dit stoffelijke heen uit te grijpen en dit met een geestelijke zin te vervullen.... De stoffelijke wereld wordt voor de mens, doorheen [!] eigen lichamelijkheid, het belevingsveld van zijn levensactiviteit waardoor zijn geestelijkheid tot gelding kan komen.... Dit in-de-wereld-zijn van de menselijke persoon in en door zijn lichamelijkheid biedt de vaste grondslag voor de menselijke symboolactiviteit"98. 97 Vgl. etwa ebd. S. 65f (nl. II S. 364f); ders., Heilseconomie S. 394ff; ders., Faith aaO.; zur Phänomenologie vorläufig M.Merleau-Ponty, Phänomenologie S. 96. 239243 etc., dazu B.Waidenfels, Problem bes. S. 349ff; vgl. auch G.Marcel, Gegenwart S. 292 und Kontext. Genauer s.u. II C. 98 E.Schillebeeckx, Heilseconomie S. 394f.

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„Leib" und „Geist" werden hier als Koprinzipien, und zwar als „subsistente" Koprinzipien des Menschseins bestimmt, es herrscht hier ganz offenbar dieselbe regionalontologische Antithese vor wie in der Schoonenbergschen Unterscheidung und Zuordnung von „Person (Geist)" und „Ding (Materie)". Damit drängt sich das Grundproblem geradezu auf: es ist von vornherein schwer einsehbar, wie ein so bestimmtes Verhältnis von „Leib" und „Geist", das ersichtlich an einer zudem recht groben Deutung des Materie-Form-Verhältnisses orientiert ist und Leib und Geist als zwei zunächst und bleibend unterscheidbare „Entitäten" betrachtet", als Fundament für einen Begriff des Realsymbols dienen soll, dessen proprium darin besteht oder bestehen soll, daß das Zeichen nicht auf ein anderes seiner selbst verweist. Diese erst extrapolierte Folge läßt sich nun auch in den Ausführungen Schillebeeckx' zum Zeichenbegriff im engeren Sinne verifizieren: 3.2 Die Intention Schillebeeckx' liegt deutlich in der Betonung der Einheit von körperlichem Phänomen und der darin manifestierten „geistigen" Intention: „Der Leib verweist nicht auf eine hinter ihm liegende Seele, er ist nicht ein Zeichen des Geistes, sondern diese Innerlichkeit selbst in Sichtbarkeit. So bleibt die Innerlichkeit zugleich verhüllt; das bedeutet aber nicht, daß sie hinter den leiblichen Ausdrucksweisen verborgen ist, sie ist in diesen zu auch [!] verhüllter Sichtbarkeit gekommen."100 Die schon skizzierte Intention Schillebeeckx' und die These, daß der „Leib" nicht auf eine „hinter" ihm liegende Seele verweise, implizieren, daß man den Satz stark lesen muß: es soll gerade nicht um ein Verhältnis der „Inexistenz" einer Innerlichkeit im Leib gehen, sondern es soll um eine Einheit gehen, innerhalb derer gelten kann, daß der Leib die Sichtbarkeit der Innerlichkeit selbst ist 101 . Dieser Identität wird aber die Aussage nicht gerecht: in der Unterscheidung einer „Innerlichkeit" und des „Leibes" wird die Ursprünglichkeit der

99 Man muß schon so formulieren, denn Schillebeeckx relativiert diesen Ausgang von „Geist" und „Leib" nicht einmal dahin, daß er auf der Bestimmung des Menschen als „leib-seelischer Einheit" beharrt und jede Unterscheidung nur als Abstraktion von dieser Einheit faßt. Vielmehr lassen seine Formulierungen keine andere Deutung zu als die, daß der Mensch eine „Einheit aus zweien" ist. 100 E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 66 (nl. II S. 364). 101 Vgl. auch die schon oben (S. 123, Anm. 80) zitierte Auskunft Schillebeeckx' (Gegenwart S. 66 (nl. II S. 364)), daß die Realpräsenz des Bezeichneten ein Implikat seines Zeichenseins, und nicht eine additive Bestimmung sein soll; diese Bedingung wäre im Falle einer „Inexistenz" nicht gewahrt.

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Differenz von Seele und Leib ungebrochen aufbewahrt, die man gewöhnlich Dualismus nennt: inwiefern ist denn der „Leib", der doch offensichtlich etwas „Äußerliches" ist (vgl. den Gegensatz „Sichtbarkeit" vs. „Innerlichkeit"), die „Sichtbarkeit der Innerlichkeit" so, daß nicht von diesem Äußeren auf ein Inneres geschlossen werden muß? Dergleichen ist doch nur vorstellbar, wenn der Leib dieses „Innerliche" in irgendeiner Weise selbst ist, während bei Schillebeeckx „Inneres" und „Äußeres" von vornherein und bleibend unterschieden werden. Es wäre erforderlich, diese Unterscheidung selbst als nicht ursprünglich, sondern als (wie auch immer) einer ursprünglichen Einheit entspringend auszuweisen; vorstellbar wäre es etwa, den Leib als Konstitut eines sich entäußernden Geistes zu deuten, solchermassen den einen Pol der Unterscheidung auf den anderen reduzierend. Der Ausgang aber von ursprünglich unterschiedenen Koprinzipien, einem „Inneren" und einem „Äußeren", die nicht aufeinander oder in ein Drittes reduzierbar sind, kann niemals zu etwas anderem als zu einem Verhältnis des „Ineinander" und damit - sofern man dies Verhältnis als Zeichen fassen will - : zu einem Verhältnis des Hinweises des einen Prinzips auf das andere, führen. Dabei ist auch ganz unklar, worin die Differenz der von Schillebeeckx bezogenen Position zu den „dualistischen" Philosophien liegen soll, die Schillebeeckx an anderer Stelle auch noch ausdrücklich durch das „platonische" und das „cartesische" Denken identifiziert: „Vanwege de menselijke stofverbondenheid is er in de specifiek-menselijke bedrijvigheid steeds een symboolmoment mede aanwezig. We gaan hierbij immers uit noch van de platoonse opvatting, volgens dewelke het lichaam de kerker van de ziel is, noch van de cartesiaanse zienswijze, naar dewelke de ziel t.a.v. het lichaam eerder beschouwd wordt als een koetsier, doch eerder van uit de phenomenologie van de mens gedraging zelf, onder thomistische belichting waarbijk de mens als een wezenlijke eenheid wordt gezien, zo nochtans dat de mens op de eerste plaats geestelijk wordt genoemd, m.a.w. dat hij op de eerste plaats een ziel is en dat het lichaam een de actwaarde der ziel deelachtig wordt."102 Der Ausgangspunkt der im letzten Satz umrissenen Position Schillebeeckx' ist doch gerade das „in-Sein" einer Seele im Leib, eine These, die von der als „platonisch" apostrophierten nur insofern unterschieden ist, daß bei Piaton dieses „Insein" negativ bewertet wird, während die Differenz zur „cartesischen" Position lediglich in der etwas kryptischen Formulierung liegt, der Leib habe am „Aktwert" der Seele teil, statt von ihr nur als

102E.Schillebeeckx, Heilseconomie S. 394.

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Fortbewegungsmittel benutzt zu werden. Im Blick auf jene zitierte Bestimmung des Verhältnisses von Leib und Geist erscheint die nächstmögliche Verbindung von „Zeichen" und „Bezeichnetem" eine Inexistenz des Bezeichneten im Zeichen zu sein, was aber nun wieder kein sonderlich originelles Konzept eines Realsymbols ist, sondern ein ganz traditioneller Begriff eines Hinweiszeichens, dessen Signifikat nun einmal zufällig - das heißt: ohne innere Notwendigkeit - „in" ihm ist. Es liegt aber keine Vergegenwärtigung „durch" das Bezeichnen vor, sondern der Zeichencharakter und die Präsenz des Bezeichneten haben in keiner Weise etwas miteinander zu tun, oder anders: die Teilhabe am Bezeichneten ist dem Zeichen als Zeichen so äußerlich wie - im traditionellen Verständnis - die Gegenwart Christi den Zeichen von Brot und Wein. 3.3 Bislang stand die Bestimmung des Verhältnisses von „Seele" und „Leib" bei Schillebeeckx im Zentrum des Interesses. Die Bemühung um den Zeichenbegriff bei Schillebeeckx könnte nun allerdings so verstanden werden, daß sie nicht unmittelbar auf das Verhältnis von „Seele" und „Leib", sondern auf das Verhältnis der „geistigen Intention" zu dem Ausdruck zielt, den diese in leiblichen Bewegungen oder materiellen Entitäten (Geschenken) findet, und es ist nun zu fragen, ob sich die Problemlage zugunsten von Schillebeeckx verschiebt, wenn man dies berücksichtigt: 3.3.1 Schillebeeckx schreibt: „Het menselijk lichaam is dan niet alleen de verschijning naar buiten van de menselijke ziel, haar veruitwendiging en zichtbaarheid, maar ook datgene waarin en waardoor de ziel tot persoon uitgroeit, alsmede en gevolglijk datgene waarin de ziel haar persoonswording uitdrukt. Het stoffelijke wordt zo doorheen de eigen lichaamelijkheid van de mens het instrument van het geestelijk actualiseringsproces en tevens het uitdrukkingsveld daarvan. De ziel geeft dus zin en betekenis aan de lichaamelijke verschijning."103 Oder: „Damit ist auch die Symboltätigkeit in ein ganz anderes Licht getreten. Ein Zeichen verweist als solches immer auf etwas anderes, was nicht zugegen ist. Die Leiblichkeit des Menschen und ihre Äußerungen sind aber die sichtbare Gegenwart des Geistes ... Wenn das in einem Zeichen Angedeutete doch real gegenwärtig ist, dann kann dies nie so sein kraft des Zeichen selbst. Der Geist aber offenbart sich in Leiblichkeit. ... Das Wort „symbolische Bedeutung" genügt deshalb nicht mehr, um den starken Realitätswert der menschlichen Symboltätigkeit wiederzugeben. Denn diese ist eine wirkliche Gegenwart der

103 Ebd. S. 395.

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menschlichen Innerlichkeit in ihren Ausdrucksformen, Verhaltensweisen und so weiter, wenn sie auch nicht adäquat mit diesen zusammenfällt."104 Dieselbe Aussageabsicht, nämlich die Betonung der Identität der seelischen Intention und des leiblichen Aktes, verfolgt vermutlich die oben zitierte, etwas unklare Rede von der „Teilhabe" des Leibes am „Aktwert" der Seele: die These ist die, daß ein ursprünglich „geistiger" Akt sich „in" der Materie niederschlägt und dieser einen „Sinn" verleiht, kraft dessen diese Materie „irgendwie" am „geistigen" Akt teilhat und diesen vergegenwärtigt. 3.3.2 Ich frage in der Absicht, die Eignung des so beschriebenen Ausdrucksaktes als Beispiel für ein Realsymbol zu untersuchen, nach der genaueren Bestimmung des Verhältnisses: Schillebeeckx faßt dies Verhältnis näher so, daß „der Mensch", bzw. „die Seele" oder der „Geist", eine „Geistesaktivität" oder einen „innerlichen Akt" im Materiellen „ausdrückt", so daß nun in diesem „Materiellen" dieser Akt „gegenwärtig" ist oder das Materielle an ihm „teilhat", und daß der Akt aus bzw. in dem Zeichen erkennbar und zugänglich ist105. Das Verhältnis wird also in drei Hinsichten beschrieben: im Blick auf sein Bestehen als Verhältnis der Teilhabe des „Leibes" am „Geist", das im Blick auf seine Genese seine „causa efficiens" im Ausdruckshandeln eines geistigen Prinzips in einem materiellen Prinzip findet, und das im Blick auf seine Wirkung seinerseits die Möglichkeit der Erkenntnis der „geistigen" Intention im leiblichen Ausdrucksmedium begründet. Dies Verhältnis gilt, wie gesagt, sowohl für leibliche Gesten, wie für die Vermittlung von „Intentionen" durch funktional leibanaloge Geschenke. Bleiben wir bei der „Leibgeste"; es ist beileibe noch nicht klar, was denn nun genau dieses Verhältnis des „Ausdrucks" oder der „Teilhabe" besagen soll: auf den ersten Blick handelt es sich um ein Verhältnis zweier Entitäten. Denn die Ausdruckshandlung ist Ausdruck eines „geistigen Aktes" im „Körper". Der Geist ist, wie ich schon zeigte, mit dem Körper nicht identisch, sondern beides soll - irgendwie - im Verhältnis des „Ineinander" (des Geistes im Körper) stehen. Interpretiert man nun die Aussageabsicht Schillebeeckx' in optimam partem, so will er die Leiblichkeit (als Einheit von „Geist" und „physischem Körper") und damit auch die Geste als das Medium eines „geistigen 104E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 66 (nl. II S. 364f). 105 Vgl. die genannten Zitate. Als Beispiel: das Ausdrucksverhältnis: ders., Heilseconomie S. 395; ders., Gegenwart S. 65 (nl. II S. 364); „In-sein": ders., Heilseconomie S. 400f; ders., Gegenwart S. 66 (nl. II S. 364f); Sichtbarkeit: ders., Gegenwart S. 66 (ebd.).

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Aktes" gedeutet haben, durch den sich die menschliche Seele oder der Geist erst „zur Person konstituiert", oder sich „verwirklicht", so daß eine „geistige" Intention nicht der Leibgeste voraus in sich selbst besteht, sondern etwas darstellt, was im Vollzug der leiblichen Geste erst „wird". Die „Geste", und darüberhinaus die „Person" (als Einheit von Leib und Seele) wäre so eine Einheit von „Körperlichkeit" und „Geist", die sich in diesen bestimmten gestischen Vollzügen und leiblichen Handlungen erst herstellt, der voraus also gleichsam lediglich die reinen, noch nicht personalen Prinzipien des Geistes und des Körpers bzw. einer noch nicht wirklichen Intention bestehen, die im Vollzug ihrer Einheit erst zur Geste bzw. zur Person werden 106 . Die Position hätte also darin ihre Stärke, daß sie einerseits eine „Verbindung" der „geistigen Intention" mit der Leiblichkeit dadurch herstellt, daß sie die Leiblichkeit als unverzichtbares Medium der Realisation der Intention deutet, andererseits aber diese „geistige Intention" und deren notwendig leibliche Realisation so an das „geistige Prinzip" der anima zurückbindet, daß der geistige Akt nicht in diesem „geistigen Prinzip" schon immer vorhanden, oder etwas von ihm als anderes Getrenntes, sondern dessen Realisation zur „Person" ist. Die Position würde nach dieser Interpretationsstrategie also den Ausgang von der Distanzierung von „Geist" und „Körper" dadurch einholen, daß die die leibliche Wirksamkeit „des Geistes" als eine Wirksamkeit im anderen seiner selbst deutet, durch die ein tertium, eben die „Person" bzw. der „sinnvolle Akt", zur Realisation kommt. 3.3.3 Man kann aber auch hier nicht behaupten, daß damit das Problem des Verhältnisses von „geistigem Akt" und „Materialität" gelöst wird, die ja irgendwie doch etwas mit den beiden im Ausgang gesetzten Koprinzipien des „Geistes" und des „Körpers" zu tun haben müssen. Selbst wenn die beiden Koprinzipien in das Verhältnis der „Realisation" des „Geistigen" in der „Materialität" treten, so haftet ihnen ihre Unterscheidbarkeit und unterschiedliche „Herkunft" unverbrüchlich an: es ist eine „geistige" Bedeutung, die in der Materialität realisiert wird, und wenn es die „Seele" ist, 106 Ich verweise hier auf einige Formulierungen, die dies nahelegen könnten: Schillebeeckx scheint mit der Unterscheidung von „Seele" und „Person" in der Wendung „... datgene waarin de ziel haar persoonswording uitdrukt..." die Person als das „Ziel" oder „Ergebnis" jenes ausdrückenden geistigen Verhaltens etablieren zu wollen; in eine ähnliche Richtung gehen die Behauptungen, der Mensch sei erst dann Person, wenn er sich anderem zuwende (Gegenwart S. 65 (nl. II S. 364)), obwohl wiederum Faith, S. 43 deutlich macht, daß Schillebeeckx mit „Person" ganz eindeutig dasselbe bezeichnet wie mit „Geist" oder „seif': „It [the human person, N.S1.] is essentially a spirit-in-the-world, indeedspirit orperson, but..." (Hervorhebung von mir, N.SL).

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die „Sinn und Bedeutung" an die Leiblichkeit gibt (Zit. oben S. 131), dann ist eben dieser Sinn und diese Bedeutung etwas, was der von ihr unterscheidbaren Leiblichkeit nicht von ihr selbst her, sondern - wie immer von der „Seele" her eignet. Es bricht also auch hier dieselbe Frage nach dem „Verhältnis" von „Materialität" und „Geist" wieder auf, die ich schon im Rahmen der Verhältnisses von „Leib" und der „in ihm" subsistierenden „Seele" thematisiert habe. Dieses Verhältnis kann in doppelter Weise bestimmt werden: entweder so, daß - in Analogie zur prinzipiellen Bestimmung des Verhältnisses von „Geist" und „Leib" - ein Verhältnis der „Inexistenz" der „geistigen Intention" im leiblichen Akt angenommen wird. Dafür spricht die Rede Schillebeeckx' von der „Teilhabe" der Geste am „Aktwert" - was immer das ist „der Seele", bzw. von der „Gegenwart" der Innerlichkeit in den leiblichen Akten. In eine ähnliche Richtung verweist m.E. die Rede Smits von der „Inkarnation" des „Willkommen" im Ausdrucksmedium, die explizit auch der Gegenwart der Gottheit Christi in der Menschheit analogisiert wird und so die Vorstellung der Kopräsenz von ontologisch Unterschiedenem aufruft107 . Die Konsequenzen habe ich oben skizziert: es läge in diesem Fall auch dann kein „Realsymbol" vor, wenn man sich unter einer solchen „Realpräsenz" einer „Geistesaktivität" überhaupt etwas vorzustellen in der Lage wäre, sondern ein Hinweisverhältnis einer Entität auf eine andere, die „in" ihr ist. 107 L.Smits, Vragen S. 56£f will die unio hypostatica als eine Art Transsubstantiation deuten (S. 57! ! !) und entwirft von dort aus - per analogiam - ein Bild der Evolution, in der in einer aufsteigenden Reihe die jeweils vorangehende Stufe aufgenommen, in ein neues „Prinzip" integriert und so - wie der Tee im Rahmen des Willkommens verwandelt wird; nebenbei kommt es dabei zu schlimmen theologischen Verirrungen: „De sprong van dier naar mens is reeds uitzonderlijk. Nog uitzonderlijker is de sprong van mens naar dat enige en unieke wezen, de God-mens [!]. Niets van de lagere substanties is aan deze God-mens vreemd en toch mag ik Hem niet meer met de naam van deze substanties benoemen. Ik mag Hem zelfs niet meer mens heten [! !], ofschon Hij de meest volmaakte mens blijkt te zijn. Ik mag Hem alleen [! !] nog maar Zoon van God noemen." (S. 57f) Nimmt man die Analogie der Transsubstantiation zur unio hypostatica oder - etwas später- zur Geistgegenwart (S. 62-65) ernst, so muß man doch sagen: in beiden Fällen ist ein irgendwie gegen das Materielle bzw. die Menschheit unterschiedenes „Prinzip" (der „Geist" oder die „Gottheit") präsent als Grund der Verwandlung des jeweils Aufgenommenen. Wo liegt im Falle einer „Verwandlung" von „Tee und Plätzchen" dies „Prinzip"? Was genau ist ein „Willkommen", oder eine ähnliche Intention, die eine Wandlung beistellt, deren theologische Analogate dadurch ausgezeichnet sind, daß sie eine „Verbindung" zwischen zwei Koprinzipien darstellen? Eine solchermassen zur Christologie in Analogie gesetzte „Wandlung" kann nur als „Realpräsenz" eines Koprinzips gedeutet werden, eine Art „In-sein" des „Willkommen" - aber wie sollte das vorstellbar sein? Was sollte dies „Willkommen" sein?

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Oder aber es liegt die oben bereits skizzierte, aber nicht geklärte Bestimmtheit einer materiellen Entität durch die Aufnahme in den Kontext eines „personalen" Geschehens vor, der gemäß ein Seiendes - der Leib oder leibanaloge Geschenke - durch die Intentionen, in deren Horizont sie stehen, so geprägt sind, daß sie mit ihnen identifiziert werden können, ohne daß dies eine Art „Realpräsenz" dieser Intention „in" jenen Entitäten impliziert 108 . Diese Verhältnisbestimmung deutet also die Möglichkeit der Klärung dieses Verhältnisses an, verweist allerdings voraus auf den nächsten Abschnitt (IC): sie verlangt den Ausweis der Möglichkeit einer ontologischen Neubestimmung eines Seienden durch einen intentional konstituierten Kontext, in den es - als Medium - aufgenommen wird: den Nachweis somit, daß der „Sinn", den ein Seiendes im Vollzug von geistigen Akten und Absichten gewinnt, wesenskonstitutiv für dies Seiende ist. Dafür sind allerdings weiterführende Klärungen unabdingbar; insbesondere stellt sich die Frage, was eigentlich ein „geistiger Akt" ist, in welchem Verhältnis er zum Aktsubjekt des „Geistes" steht, in welchem Verhältnis wiederum dieser „Geist" zu dem „Sinn" steht, den das „Seiende" im Kontext des intentionalen Verhaltens gewinnt. Diesen Fragen werde ich mich, wie angekündigt, im folgenden Abschnitt zuwenden. Es wird sich zeigen, daß dort dieselben Probleme aufbrechen. 4. Sofern die Ausführungen Schillebeeckx' ein „Realsymbol" etablieren wollen und darunter ein Zeichen verstehen, das im Bezeichnen sein Bezeichnetes vergegenwärtigt und mitteilt, so muß diese Absicht als eindeutig gescheitert bezeichnet werden: 4.1 Schillebeeckx beschreibt faktisch ein Verhältnis der „Inexistenz" eines „Geistes" im „Leib", bzw. einer „geistigen Intention" in einem „materiellen Element", eine Präsenz also des Bezeichneten, die gerade nicht dem Zeichencharakter des Zeichens entspringt. Ein derartiges Verhältnis würde im Rahmen einer Eucharistielehre, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Realpräsenz als Implikat, und nicht als Ergänzung des Zeichencharakters des Sakramentes zu begründen, nichts austragen. Es deutete sich aber die Möglichkeit an, daß die Frage nach dem Verhältnis des „Sinnes" des Seienden im Kontext intentionaler Verhaltungen zum „Seienden selbst", die im nächsten Abschnitt zu behandeln ist, doch noch eine Begründung des von den Neuinterpreten intendierten Zeichenbegriffes bieten könnte.

108 Vgl. dazu oben S. 119.

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4.2 Ich verfolge nun noch die oben schon angerissene Frage nach dem Grund des Scheiterns der Position, die sehr viel interessanter ist als der schiere Aufweis selbst: Ich hatte oben schon angedeutet, daß die Bemühungen der Vertreter der Transsignifikationslehre um eine Reformulierung des „Realsymbols" auf der Basis der Anthropologie durchaus auch plausible Elemente enthält: es ist ja unmittelbar einleuchtend, daß der Leib des anderen nicht ein physikalisches Objekt ist, von dem aus wir Schlüsse auf ein „Inneres" ziehen, auf das er nur hinweist. Es ist auch deutlich, daß eine Umarmung etwa, oder Geschenke, eine Intention mitteilen und vergegenwärtigen, die nicht der Gliederbewegung des Umarmens oder der materiellen Entität in einem Schlußverfahren entnommen werden muß; es ist daher offenbar unwidersprechlich, wenn Schillebeeckx schreibt: „ In der menschlichen Symbolhandlung kann man deshalb unmittelbar die Realität selbst erfahren; man braucht nicht von einem Zeichen aus auf eine andere zwar bezeichnete, aber nicht wirklich gegenwärtige Realität zu schließen."109 Es ist nun entscheidend, auf die Perspektive zu achten, aus der hier gesprochen wird: der Ausgangspunkt ist das Phänomen des Leibes, der leiblichen Geste und des Geschenkes, wobei ich unter „Phänomen" die Unmittelbarkeit der Erfahrung verstehe: der Empfänger oder Geber des Geschenkes oder der Geste o.ä. erfährt im Vollzug die unmittelbare Identität von Intention und Ausdrucksmedium, weil er das Ausdrucksmedium gar nicht getrennt von einer Intention, oder eine Intention „neben" dem Ausdrucksmedium, erfaßt, sondern im Vollzug des Gebens bzw. Empfangens die Intention im Medium verwirklicht bzw. dem Medium entnimmt. Wo die Vertreter der Transsignifikationslehre auf die Unmittelbarkeit derartiger Erfahrungen hinweisen, da wird die Position nachvollziehbar: „Geist" und „Materie" werden im Vollzug der Kommunikation als thematisch Getrenntes nicht wahrgenommen, sondern erst durch eine nachfolgende Reflexion auf die Unmittelbarkeit des Erlebnisses getrennt 110 . Dieser Ansatz aber wird dadurch konterkariert, daß die Neuinterpreten diese Ebene der unmittelbaren Erfahrung des Bezeichneten im „Zeichen selbst" verlassen, und dieses Zeichen im Konstitutionsakt einer geistig verfaßten Entität begründen wollen: Ich wies oben (3.3.2) auf die drei Hinsichten hin, in denen Schillebeeckx das Verhältnis von „Geistigem" und „Materiellem" im „Realsymbol" auslegt, nämlich im Blick auf die Konstitution des Zeichens, im Blick auf 109E.Schi 1 lebeeckx, Gegenwart S. 66 (nl. II S. 3 6 5 ) . 110 Vgl. etwa auch J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 10; die dort gewählten Beispiele zeigen ganz deutlich, daß etwa das „Leben" des Autofahrers „durch das Auto hin" eine Beschreibung der unmittelbaren Erfahrung des Autofahrers ist.

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sein Bestehen, und im Blick auf seine Wirksamkeit. Diese zuletzt genannte Wirksamkeit war die Erkenntnis des „Geistigen" im materiellen Medium, die skizzierte Unmittelbarkeit der Erfahrung also, die aber von Schillebeeckx hintergangen wird auf ihren objektiven Grund, ihr „fundamentum in re", nämlich das Zeichen selbst: die im unmittelbaren Vollzug erfahrene Einheit von „Zeichen und Intention" wird begründet durch den Rückgang auf das „Zeichen selbst", „in" dem (wie auch immer) eine Intention plaziert ist, und wird weiter verfolgt im Rückgang auf die Konstitution des Zeichens, in deren Vollzug eine Intention in dem Zeichen plaziert wird. Dieser „Rückgang" von der Unmittelbarkeit der Erfahrung auf ein fundamentum in re, die Begründung also der Gegebenheiten der Erfahrung im jeweils Erfahrenen selbst, ist - wie ich zeigen werde - eine Grundoperation der Substanzontologie; und genau in diesem Hintergehen wird die Differenz von „Geistigem" und „Materiellem", die in der unmittelbaren Wahrnehmung nicht enthalten ist, als das Ursprünglichere, weil die Unmittelbarkeit Begründende, zementiert. So ist auch der eben zitierte, als Phänomenbeschreibung einleuchtende Satz, eine Folgerung (vgl. „deshalb") aus einer vorangehenden Bestimmung: „Wenn das in einem Zeichen Angedeutete doch real zugegen ist, dann kann dies doch nie so sein kraft des Zeichens selbst. Der Geist aber offenbart sich in Leiblichkeit."111 Der Satz impliziert die Ursprünglichkeit der Koprinzipien von „Leiblichkeit" und „Geist", deren Addition die Ebene phänomenaler Erfahrung begründet; die Position weiß so die Unmittelbarkeit der erfahrenen Einheit nicht anders denn als Folge einer additiven Einheit, als „Sein-in", o.ä. zu erfassen. Erforderlich wäre aber eine Position, die zu begründen verstünde, warum und inwiefern die Ebene der unmittelbaren Erfahrung ursprünglicher ist als die Ebene des begründenden Rückganges hinter diese Erfahrung in deren „fundamentum in re"; und nur wenn die objektivierende Analyse der Erfahrung als begründet in der unmittelbaren, nichtobjektiven Erfahrung ausgewiesen werden kann, wird eine Position denkbar, die diese Phänomenalität als Reformulierung des „Realsymbols" ausgeben könnte, das nicht die Verbindung von Geist und Materiellem ist, sondern deren ursprüngliche Einheit in der Erfahrung. Damit zeigt sich die Bedingung der Möglichkeit einer schlüssigen Position: es scheint entscheidend zu sein für die Schlüssigkeit der Position, sich des Standpunktes zu versichern, von dem her ihre Aussagen gemacht werden, und sich der Frage zu stellen, ob dieser

111 Ebd. S. 66 (nl. II S. 364). 137

Standpunkt - die Erfahrung oder der Vollzug der leiblichen Geste intergehbar ist auf eine „Aussenperspektive", die sagen zu können beansprucht, was „in re" der Erfahrung und dem Erfahrenen voraus den Grund dieser Erfahrung und des Erfahrenen bildet. 5. Ich fasse zusammen: Die analysierten Ausführungen der Vertreter der Neuinterpretation konnten nicht plausibel machen, inwiefern ein „Realsymbol" vorliegt, wenn sich ein „Geist" zum Zwecke des Ausdrucks seiner Intentionen bzw. seiner „Selbstkommunikation" eines Leibes, oder vermittelnder Zeichen bedient. Es ließ sich zeigen, daß wegen der festgehaltenen Ursprünglichkeit der Unterscheidung von „Geist" und „Materie", „Geistesaktivität" und „leiblich-materiellem Medium" etc. die behauptete Einheit von „Zeichen" und „Bezeichnetem" nicht nachvollziehbar war. Faktisch handelt es sich in allen Fällen um ein Hinweisverhältnis der Materie auf einen „Geist" oder „geistige" Intentionen, das nur dadurch Ähnlichkeit mit einem „Realsymbol" hat, daß etwa im Falle von „Körper" und „Geist" ein Verhältnis der „Inexistenz" des Geistes „im" Körper angenommen wird. Unter Realsymbol aber verstehen die Vertreter der Transsignifikationslehre eigentlich ein Zeichen, das sein Bezeichnetes so mitteilt und enthält, daß dieses „Enthalten" sich im Bezeichnen und durch das Bezeichnen vollzieht, und den Charakter des Zeichens als Zeichen nicht etwa zerbricht. Sofern aber das Realsymbol nur ein aus zwei Entitäten (Geist und Leib) zusammengesetztes Ganzes ist, so ist der Leib ein Hinweiszeichen auf den in ihm enthaltenen „Geist"; dies Enthaltensein hat aber mit dem Zeichensein des Zeichens nichts zu tun. Das Verhältnis von „Geistesaktivität" und „materiellem Medium" erwies sich als ambivalent: es ergab sich neben der Deutung des Verhältnisses im Sinne einer (schon durch die offene Frage, was eigentlich eine „in-seiende" geistige Absicht sein soll, ganz unklaren) Inexistenz noch die Möglichkeit, daß die These einer wesentlichen Bestimmung des Seienden durch die Aufnahme in den Kontext eines intentionalen Aktes neue Aspekte auf das Verhältnis von „Geist" und „Materie" wirft; die Analyse drängt hier auf den folgenden Abschnitt hin. Es ergab sich weiter, daß die Ausführungen der Vertreter der Transsignifikationslehre dort eine gewisse Plausibilität erlangen, wo sie sich auf die Einheit von „Zeichen" und „Bezeichnetem" in der Unmittelbarkeit der Erfahrung des leiblich vermittelten zwischenmenschlichen Kontaktes berufen; als Grundfehler erwies sich der (als substanzontologische Grundoption bestimmbare) begründende Rückgang „hinter" den Erfahrungsvollzug auf das „Erfahrene selbst".

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B IV Zusammenfassung Die Analysen der vorangegangenen Unterabschnitte verbindet eine einheitliche Linie, auf die ich abschließend in zusammenfassender Absicht aufmerksam mache: Es zeigte sich in jedem der Abschnitte, daß die Vertreter der Transsignifikationslehre Positionen entfalten, die die Grundbestimmungen der Substanzontologie nicht etwa verlassen, sondern stillschweigend voraussetzen, und gerade dadurch das jeweilige Beweisziel nicht erreichen: Dies betraf die Bestimmung des Verhältnisses von Person und personaler Relation: die als Relation gefaßte „personale Gegenwart" erwies sich als hintergehbar auf eine Gegenwart der „Person selbst", da das Verhältnis von Relation und Person im Sinne einer Substanzontologie bestimmt war. Auch die im weiteren Verlauf untersuchten Positionen, die beanspruchten, die Person als Relation zu fassen, wiesen denselben Fehler auf: die Relation wurde als „Beziehung zwischen" vorausgesetzten Subsistenzen und somit als ontologisch abkünftig behandelt. Dies betraf ebenso das Verhältnis von „Zeichen" und „Bezeichnetem" im Rahmen der Versuche, ein Realsymbol im Ausgang von der Anthropologie zu entwerfen: bei näherem Hinsehen entpuppte sich das angebliche Realsymbol als Hinweiszeichen, das sein Bezeichnetes „in" sich enthält, nicht aber im Bezeichnen vergegenwärtigt und mitteilt; auch hier lag eine substanzontologische Grundoption zugrunde.

C Substanzwandel und Sinnwandel Das zweite für ein ontologisches Interesse entscheidende Element der Transsignifikationslehre ergab sich aus der Bezugnahme der Tradition auf den Begriff der „Substanz" im Sinne des ontologischen Korrelates des Wesensbegriffes. Die Frage nach der Gültigkeit dieses Begriffes, dessen Bezeichnetes als immanentes (hylomorph strukturiertes) Seinsprinzip jedes Seiende, und so auch sowohl Brot und Wein, wie Leib und Blut Christi, konstituiert, bildet den zweiten Ansatzpunkt der Neuinterpretation. Der Ansatzpunkt ergänzt die Ausführungen zur Personontologie zum einen in der Weise, daß hier eine Art Ontologie „der materiellen Welt" zur Sprache kommt und so Regionalontologien für beide von den Vertretern der Trans139

signifikationslehre angenommenen Seinsregionen vorliegen 1 ; zweitens werden hier u.U. die Bedingungen formulierbar, unter denen das oben skizzierte Konzept eines Realsymbols nachvollziehbar wird. Im Blick auf die Eucharistielehre suchen die Neuinterpreten dadurch, daß sie den „menschlichen (oder göttlichen) Sinn" des Seienden als dessen „Wesen" ausweisen, die Möglichkeit zu gewinnen, einen „Wesenswandel" zu etablieren, der einerseits den Anforderungen der Tradition genügt, da es sich um einen Wandel des Nahrungsmittels Brot von solcher ontologischer Dignität handelt, daß das Seiende nicht mehr eigentlich als mit seinem vorherigen Zustand identisch bezeichnet werden kann; dieser Wandel soll andererseits physizistische Mißverständnisse vermeiden, da es sich nicht um eine am (naturwissenschaftlich) identifizierbaren Bestand des Seienden selbst sich vollziehende Veränderung handelt. Die Identifikation von Wesen und „Sinn" erlaubt es zudem, den Wandel vom „Nahrungsmittel" zum „Zeichen personaler Gemeinschaft", dem das Brot und der Wein wie jedes leibliche Element im Kontext personaler Gemeinschaft unterzogen wird, als Substanzwandel zu deuten. Mit diesen Behauptungen und den Bedingungen ihrer Schlüssigkeit hat sich der folgende Abschnitt zu beschäftigen; der Weg der Darstellung ist wieder der kritische Durchgang durch exemplarische Stellungnahmen. Zu diesem Zweck muß zunächst auf die Grundlage der gesamten Debatte um den Substanzbegriff, die Diskussionen um den naturphilosophischen Substanzbegriff in den 30er und 50er Jahren d. Jh., eingegangen werden, da hier entscheidende und weiter wirksame Weichenstellungen vollzogen wurden (I). In einem zweiten Schritt entfalte ich vorgreifend die Grundposition der Transsignifikationslehre und extrapoliere die erforderlichen Begründungsleistungen (II), während der dritte, vierte und fünfte Abschnitt (III - V) drei Varianten der Position diskutieren, die jeweils als Versuch verstanden werden können, den Begründungsanforderungen an eine schlüssige Position zu genügen. Es ergibt sich so relativ unkompliziert die Möglichkeit, zusammenfassend (VI) die Fehler der Position zu identifizieren und knapp die Bedingungen, unter denen sie u.U. hätten vermieden werden können, zu benennen. Der Grundfehler in der Durchführung der intendierten Position, so wird sich auch hier zeigen, liegt im Festhalten am Verständnis des Seins des

1 Auf den Aspekt, daß im Rahmen der Transsignifikationslehre in Gestalt zweier Regionalontologien eine Ontologie alles innerweltlichen Seienden vorliegt, wird selten eingegangen - am deutlichsten noch bei A.Gerken, Theologie S. 207f; z. B. bei E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 65f (nl. II S. 363) und 84ff (ebd. S. 378ff) bleiben die „Ontologien" ohne jeden Bezug.

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Seienden als selbstständiges Subsistieren, das einen Ausweis der ontologischen Dignität des „menschlichen (oder auch göttlichen) Sinnes" unmöglich macht. Diese These soll durch die folgende Analyse begründet werden:

C I Die Grundlagen: Die Debatte um die „Substanz" Die Transsignifikationslehre hat, wie in I A schon erwähnt, zwei Quellen und entsprechend zwei Ansatzpunkte für die leitende Kritik an der Orientierung der theologischen Tradition an der Ontologie der Substanz 2 : Neben die eher theologisch motivierte Kritik an der Isolation und „Verdinglichung" theologischer Inhalte und den Versuch einer Reformulierung des eucharistischen Geschehens als einer „personalen" Wirklichkeit tritt nun der Verweis auf die Aporien des Substanzbegriffes angesichts der neueren naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der darauf aufbauende Versuch, als „Substanz" oder „Wesen" des Seienden nicht ein immanentes, hylomorphes „Prinzip", sondern den anthropologischen oder göttlichen „Sinn" des Seienden zu identifizieren3. Die Grundlage dieser Versuche bildet die Debatte um den naturphilosophischen Substanzbegriff, die in den 30er und 50er Jahren d. Jh. besonders in Deutschland und Italien geführt wurde; diese von J.T.Clarc, C.Vollert und E.Gutwenger vorbildlich dokumentierte und aufgearbeitete Diskussion4 ist in den Arbeiten zur Transsignifikationslehre nur noch am Rande 2 Zu den beiden Ansatzpunkten vgl. oben S. 34f. 3 Zum Verweis auf die Aporien des „Substanzbegriffes" vgl: G.Hintzen, Diskussion S. 12f. 14-23; ders., Transsignifikation S. 194f; ders., Gedanken 289f; ders., Zeichenwirkung S. 112f; A Vanneste, Bedenkingen S. 322-324; I.R.Sonnen, Neubesinnung S. 491; J.de Baciocchi, Mystère S. 571f; H.Verbeek, Struktuur S. 345f; A.R.v.d.Walle, Reflectie S. 203f; angedeutet bei B.J.Hilberath, Substanzverwandlung S. 141 f. 143f. 147f; E.Schillebeeckx, Transsubstantiation S. 333f; ders., Gegenwart S. 61-63 (ni. II S. 361f); J.Ratzinger, Problem S. 146-153; K.Rahner, Gegenwart S. 381f; B.Welte, Diskussionsbeiträge S. 190. 194f; S.Trooster, Tegenwoordigheid S. 129; ders., Transsubstantiatie S. 738f; J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 4-6; Ch.Davies, Presence S. 174;G.Liesting,SacramentS. 182-186; L.Smits, VragenS. 2224; E.Gutwenger, Geheimnis S. 186f; J.Powers, Eucharistie S. 120f;C).H.Pesch, Gegenwart S. 81f und ders., „Noch einmal..." (Beitrag zu der an den zuvor genannten Aufsatz anschließenden Diskussion im „Klerusblatt") S. 340; Vgl. daraus besonders die Debatte zwischen dem Verfasser und J.Behringer (Naturwissenschaftler, im Literaturverzeichnis unter O.H.Pesch) und O.H.Pesch, Naturwissenschaft. Vgl. die vorsichtigen Äußerungen von G.B.Sala, Transsubstantiation S. 8f, dazu L.Scheffczyk, Ergebnisse S. 193 und 104ff. 4 J.T.Clarc, Physics. Daran schließt mit den Veröffentlichungen seit 1949 an:

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präsent, und zwar in Gestalt assertorischer Thesen, die entweder besagen, daß der traditionelle, aristotelisch-scholastische Begriff der „Substanz" durch die Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschungen überholt und nicht mehr vertretbar sei 5 , oder die wenigstens darauf verweisen, daß „Brot" nach den Ergebnissen der neueren Naturwissenschaften (!) gar keine Substanz, sondern ein Gemisch aus Substanzen - sprich: Molekülen und deren Bestandteilen - und insofern eine akzidentelle Einheit sei 6 . Daß die zuletzt genannte These in ähnlicher Form schon Thomas von Aquin bewegt hat, der ja durchaus wußte, daß Brot eine durch menschliche Kunstfertigkeit erstellte Einheit aus verschiedenen „Substanzen" ist, scheint dabei ebenso unbekannt zu sein wie der Lösungsvorschlag des Aquinaten 7 . Diese Debatte um den Substanzbegriff gehört also eher zu den Voraussetzungen der Transsignifikationslehre; es ist dennoch interessant, sich der Problemstellung dieser Diskussion und des Weges von dieser Debatte zur Transsignifikationslehre knapp zu versichern, da man auf diese Weise der Voraussetzungen ansichtig wird, die auch in der Transsignifikationslehre und deren Thesen zur Substanz nicht mehr befragt werden.

C.Vollert, Eucharist (zum Anschluß vgl. ebd. S. 391f); E.Gutwenger, Substanz S. 278306 konzentriert sich speziell auf die Debatte zwischen C.Colombo und F.Selvaggi, die er detailliert referiert (S. 283-294) und kritisch würdigt (S. 295ff). Vgl. auch die knapperen Darstellungen bei A.H.Maltha, Cosmologica S. 305-311. 5 Statt vieler Beispiele (vgl. die Beiträge in Anm. 3): E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 61-63 (nl. II S. 361f). 6 Einige Beispiele: Ch.Davies, Presence S. 173f; J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 8f; S.Trooster, Transsubstantiatie S. 738; ders., Tegenwoordigheid S. 129f; B.Welte, Diskussionsbeiträge S. 191. 7 Thomas von Aquin, STh III q 75 a 6 1° referiert den Einwand, daß das Brot als quoddam artificiale nur über eine akzidentelle Form verfüge, weshalb die Form des Brotes nach der Wandlung bleiben müsse; der Einwand impliziert, daß das Brot eine akzidentelle Einheit aus bleibend Selbstständigem ist, wie auch die Antwort auf den Einwand zeigt (ebd. ad 1). Die Lösung des Thomas geht davon aus, daß es eine Art des menschlichen Umganges mit Naturgegenständen gebe, die diese zu einer substantiellen Einheit verbinden, und zwar dann, wenn sich die menschliche Tätigkeit natürlicher Prozesse bediene: „Talem enim formam non producit ars virtute propria, sed virtute naturalium principiorum. Et hoc modo producit formam substantialem panis, virtute ignis decoquentis materiam ex farina et aqua confectam." (STh III q 75 a 6 ad 1). Genannt wird die Passage bei J.Clarc, Physics S. 24-26; H. Verbeek, Struktuur S. 345 verweist darauf, daß Brot und Wein im thomistischen Sinne keine Substanzen, sondern Agglomerate seien, ohne auf die genannte Passage einzugehen; J. Kors, Transsubstantiatie S. 158 scheint sie bei der (positiven) Beantwortung der Frage, ob Brot eine Substanz sei, wenigstens im Hinterkopf zu haben.

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Da die Debatte, wie gesagt, gut dokumentiert ist, beschränke ich mich hier auf einen knappen Überblick in systematischer Absicht, wobei es mir darauf ankommt, wenige für die Transsignifikationslehre wichtige bzw. zu ihr hinführende Elemente herauszuheben. Ich skizziere dafür zunächst die Problemstellung (1.), und gehe dann die unterschiedlichen Lösungsvorschläge durch: die Adaption des Substanzbegriffes an die naturwissenschaftlichen Ergebnisse (2.) und die Immunisierung gegen die naturwissenschaftlichen Einwände durch die Rede von einem „metaphysischen Substanzbegriff' (3.). Ich weise dann auf erste Vorgriffe auf die These der Transsignifikationslehre hin (4.); 5. beschäftigt sich mit der Position Baciocchis, dessen „theologische Ontologie" eine Variante des „metaphysischen Substanzbegriffes" und zugleich den Angelpunkt zwischen der referierten Debatte und der Transsignifikationslehre darstellt. Der letzte Abschnitt (6.) faßt, wie immer, zusammen.

1. Die Aporien des Begriffes der Substanz ergeben sich aus dem Kontakt des neuscholastischen Denkens mit den Ergebnissen der neueren Physik: die hier erreichte Einsicht in die Mikrostruktur der materiellen Welt, die sich als Einheit aus verschiedenartigen Elementen und Elementeneinheiten erweist, scheint das Recht in Frage zu stellen, das jeweilige Seiende als etwas zu betrachten, dessen Einheit durch ein immanentes Wesensprinzip gewährleistet wird, eine Substanz 8 : weder ist unter dieser Prämisse das gemeinhin als „Selbstständiges" und „Einheitliches" betrachtete Seiende selbst eindeutig als Kandidat auf den Titel „Substanz" identifizierbar, da es eine Einheit aus vielen Bestandteilen ist, noch ist eindeutig feststellbar, ob die dieses Seiende konstituierenden Entitäten - Moleküle, Elemente, Atome und deren Bestandteile - mit Recht als „Substanzen" im traditionellen Sinne angesprochen werden können, problematisch schon darum, weil auch sie sich als teilbar erweisen. Es wird auf diese Weise durchaus undeutlich, worauf eigentlich genau das Tridentinum Bezug nimmt, wenn es von der „Substanz" spricht, und mehr noch, wenn es von der Substanz der akzidentellen Einheiten von Brot und Wein spricht. Das Grundproblem besteht also darin, daß der Begriff der „Substanz", der Zentralbegriff der traditionellen röm.-kath. Eucharistielehre, keinen eindeutigen Referenten mehr hat, und die Debatte dreht sich darum, wie und mit Bezug worauf diese Eindeutigkeit wiederhergestellt werden kann. Die Frage steht von Anfang an in engem Zusammenhang mit der Eucharistielehre; in nur ganz wenigen Beiträgen kommt es zu einer grundsätzlichen Diskussion des Problems, zumeist ist die Transsubstantiationslehre der Ansatzpunkt für die Problemstellung 9 . 8 Vgl. hier nur: C. Vollert, Eucharist S. 391 und ff; F.Unterkircher, Eucharistielehre S. 55-57; A.Mitterer, Ringen S. 29-32. 9 Als grundsätzliches Problem wird die Frage behandelt bei A.Mitterer, Ringen,

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2. Es ist von Interesse, bei dem wichtigen ersten Beitrag zur Debatte etwas zu verweilen: dem „würdigen Begräbnis", das A.Mitterer 1935 dem seiner Meinung nach schon längst verblichenen, aber noch nicht ausdrücklich und ordnungsgemäß zu Grabe getragenen hylomorphistischen Substanzbegriff bereitet10 : seine These ist nicht nur die, daß der Hylomorphismus auf dem Gebiet der Empirie aufgrund der naturwissenschaftlichen Forschungen keinen Erklärungswert mehr habe und daher aufzugeben sei11, sondern die, daß er auch von seinen Verteidigern faktisch schon längst nicht mehr vertreten werde, die vielmehr die Bezeichnung der Position auf dem wahrgenommenen Problemdruck schon weichende Varianten des Hylomorphismus übertrügen12. Das Anliegen Mitterers ist also die Untersuchung des Rechtes der thomasischen Deutung der Konstitution des Seienden, die der Thomismus durch die Synthese einer einheitlichen Form und einer Materie gewährleistet sieht, während Mitterer selbst als einem mit den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen in Einklang stehenden Modell dem „Hylosystemismus" den Vorzug gibt, der das Seiende nicht als Konstitut einer einheitlichen Wesensform, sondern als Ergebnis einer Ordnungsstruktur der Elementarteilchen betrachtet: an die Stelle der hylomorph denkenden Naturphilosophie als Grundlage von Theologie und Metaphysik muß nach Mitterer dieser Hylosystemismus treten13. Mitterers auf die neuere Physik gestützter Widerspruch gegen den Hylomorphismus baut auf Voraussetzungen auf, von denen drei hier interessant sind: Zunächst setzt Mitterer voraus, daß der hylomorphistische Substanzbegriff der Tradition in direkter Konkurrenz zu den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen stehe insofern, als der metaphysische Hylomorphismus a) mit Bezug auf denselben Gegenstandsbereich, und b) in derselben Hinsicht Erklärungsansprüche bezüglich der Konstitution des gegebenen Gegenstandes erhebe14; entsprechend versucht Mitterer im Verlauf der Diskussider überhaupt nicht auf die Eucharistie eingeht; W.Büchel, Quantenphysik S. 182-185 behandelt den eucharistischen Aspekt im Anhang; in der Debatte zwischen C.Colombo und F. Selvaggi bildet die Eucharistie den Ausgangs- und Zielpunkt, sie steht auch bei F.Unterkirchner, Eucharistielehre, im Zentrum; dasselbe gilt für die Beiträge von A.H.Maltha, Cosmologica; J.Ternus, Physik; vgl. die in Anm. 4 genannten Literaturberichte. 10 A.Mitterer, Ringen; zum Bild vgl. ebd. S. 140f, sowie J.Clarc, Physics S. 34f. 11 A.Mitterer, Ringen S. 32ff; S. 69-83; vgl. bes. S. 140f. 12 Ebd. S. 42f. 89. 91-105.131-137. 13 Ebd. S. 139-142 u.ö.; zum Begriff „Hylosystemismus" vgl. S. 68. 14 Ebd. S. 47-69.

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on, jede Rettung des Hylomorphismus zu unterbinden, die dem Hylomorphismus ein relatives Recht dadurch zu verschaffen sucht, daß sie ihm ein eigenes Gegenstandsgebiet zuweist 15 . Die zweite, verwandte Voraussetzung ist die, daß es keine eigene, metaphysische Begründung der hylomorphistischen Deutung der Wesenskonstitution gebe, sondern daß der Hylomorphismus einer Naturbeobachtung bzw. einem Analogieschluß von der Genese des Kunstgegenstandes entstamme, die sich als falsch erwiesen habe; mit dieser Begründung falle jede Möglichkeit und jedes Recht eines Hylomorphismus 16 . Diese beiden Voraussetzungen erscheinen mir einer Überprüfung bedürftig zu sein angesichts der weiter unten zu belegenden Tatsache, daß zumindest die aristotelische Physik und Metaphysik weniger einer methodischen Naturbeobachtung, als vielmehr einer Analyse der sprachlichen Bezugnahme auf was immer entstammt17. Ohne daß dies weiter verfolgt werden kann, soll nur angemerkt werden, daß hier möglicherweise ein Ansatzpunkt für eine Neubegründung eines hylomorphen Substanzbegriffes liegt 18 . Die für unseren Zweck weitaus wichtigste dritte Voraussetzung Mitterers ist der explizit festgehaltene, und ebenso ausdrücklich nicht diskutierte „Realismus" in dem Sinne, daß die Frage nach der Substanz das „An sich" dessen, was zur Erscheinung kommt, im Unterschied zu dessen „Für mich", seiner Erscheinung, betrifft; der traditionelle Hylomorphismus wie

15 Vgl. z. B. ebd. S. 37. 84-90.105-130. 16 Zur Begründung des Hylomorphismus vgl. ebd. S. 17-25. 29-37. Die Passagen des Abschnittes über die „Flucht des... Hylomorphismus von Wissenschaft zu Wissenschaft" (S. 105ff) widerlegen unterschiedliche Versuche, dem hylomorphistischen Substanzbegriff ein eigenes, transempirisches und damit ein der Naturwissenschaft und deren Falsifikationsmöglichkeiten entzogenes Gebiet zu verschaffen, vgl.: Naturphilosophie (S. 114ff), Metaphysik (119ff), Logik (129f); Theologie (130ff. 137f). 17 Vgl. dazu unten, II B (S. 323f); vgl. auch W.Wieland, Physik S. 16-19 (zum Problem des Verhältnisses von Naturwissenschaften und aristotelischer Physik), S. 110140 (zur „Begründung" der Prinzipien des Bewegten, vgl. bes. 139f); zur Grund these der Untersuchung, die Naturphilosophie des Aristoteles sei nicht Prinzipienforschung oder Empirie, sondern Analyse des sprachlich sedimentierten „Vorverständnisses" vgl. S. 59100, bes. auch die knappe Darstellung der These in ders., Problem bes. S. 208-211. 18 A.Mitterer, Ringen S. 129f geht knapp auf den ähnlich gelagerten Versuch ein, die Logik als Residuum einer Begründung des Hylomorphismus zu retten; er wendet in der Hauptsache ein, daß die Unterscheidung von „Materie" und „Form" in diesem Falle zu einer rein sprachlichen Unterscheidung werden. Eine solche Begründung würde aber zu grundsätzlichen Reflexionen auf das Verhältnis von Sprache und „Sein" zwingen, die u.U. dem Einwand einer „nur" sprachlichen Unterscheidung etwas entgegenzusetzen hätten; vgl. W.Wieland, Physik S. 141-161 und unten, II B S. 323f.

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der naturwissenschaftliche Hylosystemismus oder Hylomerismus sind nach Mitterer wissenschaftliche Theorien über die Wesenskonstitution des Grundes des im vorwissenschaftlichen und lebensweltlichen Umgang Erscheinenden19 . In diesem Sinne eines selbstständigen und in sich bestimmten Seienden bleibt der Begriff einer „Substanz" bei Mitterer unbestritten, ja jeder Nachfrage entzogen; die Frage dreht sich ausschließlich um die interne Konstitution eben dieses „Subsistierenden". Mitterer kommt im Laufe seiner Analysen zu dem Ergebnis, daß die thomasische, hylomorphistische Theorie der Wesenskonstitution widerlegt sei, und daß gerade das Festhalten am thomasischen Denken es erforderlich mache, eine Metaphysik auf der Basis der neuen Erkenntnisse zu entwerfen 20 ; dieser Aufgabe hat sich wenig später (1938) ein Schüler Mitterers, F.Unterkircher, mit dem Ziel einer Anwendung des Entwurfes auf die Transsubstantiationslehre angenommen 21 . Unterkirchers Ansatz steht damit für einen Versuch der radikalen Angleichung des eucharistischen Dogmas an die naturwissenschaftlichen Ergebnisse, die in vergleichbarer Radikalität W.Büchel (1952) anstrebte, der sich um den nun zu einer ganz anderen These führenden Ausgleich des Dogmas mit den Erkenntnissen der Quantenphysik bemühte 22 . Während diese hier als „radikal" eingestuften Thesen mit der traditionellen Transsubstantiationslehre nur noch insofern konvergieren, als sie eine Lehre von der Wandlung des Wesenskonstituens bieten, dieses Wesenskonstituens aber völlig anders bestimmen als die Tradition, versuchen andere Neuinterpreten am traditionellen Konzept der Substanz als hylomorph strukturiertem Einheitsprinzip festzuhalten und in der Weise zum Ausgleich mit den Naturwissenschaften zu gelangen, daß sie im traditionellen Sinne substantial verfaßte Gebilde auf der Ebene der Brot und Wein konstituierenden Moleküle und Elementarteile identifizieren und deren Transsubstantiation behaupten - einer der Hauptvertreter dieser Richtung ist F.Selvaggi 23 . 19 A.Mitterer, Ringen bes. S. 29-32, bes. 29f; 32f. Vgl. ähnlich F.Unterkircher, Eucharistielehre S. 48-56, bes. 48. 20 A.Mitterer, Ringen S. 139-142 u.ö., vgl. 119 und 121, wo Mitterer sein ceterum censeo wiederholt, daß sich Thomas selbstverständlich am neuesten verfügbaren Bestand der naturwissenschaftlichen Forschung orientiert hätte. 21 F.Unterkircher, Eucharistielehre; zur Bezugnahme auf Mitterer vgl. S. 43ff; 55 u.ö., zum Schülerverhältnis A.H.Maltha, Cosmologica S. 306. 22 W.Büchel, Quantenphysik bes. S. 182-185. 23 „E, applicando questi concetti al dogma eucaristico, dovremo affermare ... che nella transustanziazione si converte nel corpo e nel sangue di Cristo tutto 1 ' insieme delle sostanze che la fisica definisce operativamente come protoni, elettroni, atomi, molecole ecc. e che attualmente costituiscono ciò che il senso comune e l'analisi scientifica definiscono come pane di frumento e vino d'uva, pur rimanendo immutati gli accidenti

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Ungeachtet der Differenzen im einzelnen sind sich die Vertreter aller dieser Positionen in der schon für Mitterers Interpretation ausgewiesenen Voraussetzung einig, daß als „Substanz" nichts anderes als der Gegenstand der wissenschaftlichen Nachfrage nach den Gründen des Erscheinenden in Frage komme, daß also die Naturwissenschaften die vollständige und zureichende Aufklärung der Konstitution des Seienden leiste, neben der eine Wissenschaft mit dem Anspruch, weitergehende oder tieferdringende Erkenntnisse zu liefern, keinen Raum, weil keinen möglichen Gegenstand habe 24 . 3. Die Alternative zu diesem Ansatz ist der Versuch, die Substanz als aus dem naturwissenschaftlich Zugänglichen nur erschließbares, den Untersuchungen einer eigenständigen Disziplin, der Metaphysik nämlich, vorbehaltenes Konstitutionsprinzip des Seienden zu deuten. Die Substanz als letzter Konstitutionsgrund des Seienden stellt also den eigentlichen Gegenstand der Metaphysik dar, während sich die Physik mit dem Erscheinen des Gegenstandes, und so eigentlich nur mit dem Bereich des Akzidentellen befaßt 25 . Die Erkenntnisse der Metaphysik sind somit den Naturwissenschaften nicht entnommen und folglich durch Erkenntnisse etwa der physikalischen Forschung nicht falsifizierbar 26 . Diese These, die C.Colombo in einer Debatte mit F.Selvaggi, die in den 50er Jahren in einer ganzen Reihe von Aufsätzen beider Theologen ausgefochten wurde, vertrat 27 , stellt die Rationalisierung einer Art Immunisierungsstrategie dar, die schon J. Temus 1937 gegen (nationalsozialistisch inspirierte) Angriffe vorgetragen hatte, die die römische Theologie im Blick auf die Transsubstantiationslehre des Festhaltens an einer „dogmatischen Physik" bezichtigte 28 ; denn schon Ternus hatte hier, allerdings ohne e quindi la medesima apparenza sia per i sensi che per gli apparecchi scientifici." F.Selvaggi, Concetti S. 513f, vgl. 510-514; vgl. auch etwa A.H.Maltha, Cosmologica S. 325-329; weitere vgl. die Literaturberichte (Anm. 4); die Versuche werden schon bei Mitterer kritisiert (A.Mitterer, Ringen S. 38-46). 24 Etwa F.Selvaggi, Concetti S. 510-512. 25 Zu dieser Variante sind eine ganze Reihe von unterschiedlichen Vertretern zu zählen; so etwa C.Colombo, Bilancio, die Zusammenfassung S. 48-55 und bes. 39f; ähnlich die Unterscheidung von „Noumenon" und Phänomenon" bei H.Verbeek, Struktuur S. 346-349, der sich S.Trooster, Tegenwoordigheid S. 130-132 anschließt: beide suchen in Gestalt der „noumenalen" Wirklichkeitsebene den Gedanken an eine Art „transempirischer" Wirklichkeit, die aber nicht „Substanz" sein soll, offenzuhalten. 26 C.Colombo, Bilancio S. 28-31. 49f; vgl. ders. S. 19f. 27 Vgl. hier nur die beiden die Debatte abschließenden Aufsätze: C.Colombo, Bilancio; F.Selvaggi, Concetti; vgl. zum Verlauf und den übrigen Aufsätzen: E. Gutwenger, Substanz S. 282-294. 28 J.Ternus, Physik, zum Hintergrund vgl. ebd. S. 220 und J.Clarc S. 40f.

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Begründung, darauf bestanden, daß die Metaphysik durch physikalische, d. h. die Erscheinung betreffende Erkenntnisse nicht in Frage gestellt werden könne; so stellt Teraus fest: „Wo ein echtes, vieleinheitliches Wesen [sc. „ist", N.S1.], da ist zunächst ein Wesen als Prinzip der Einheit, da ist obendrein Vielheit und Verschiedenheit in der Wesenseinheit. Ob nun die zu konsekrierende Hostienscheibe z. B. eine Einheit oder eine Vielheit im physikalischen oder im kosmologischen Sinne ist, braucht den Theologen nicht zu kümmern. Die Gebrauchseinheit und -Vielheit im alltäglichen Sinne zuhandener Dinge genügt ihm für Dogma und Leben."29 Der Ausgangspunkt einer solchen Position ist der Widerspruch gegen das ceterum censeo Mitterers, daß der hylomorphistische Substantialismus und die wissenschaftliche Physik in ein und derselben Hinsicht über ein und denselben Gegenstandsbereich gegensätzliche Aussagen für gültig halten; vielmehr wird der Versuch unternommen, der Metaphysik und der wissenschaftlichen Physik jeweils unterschiedliche gegenständliche Bereiche an der einen Entität zuzuweisen. Der drohende Verlust der Einheit des Forschungsgegenstandes wird schon im eben zitierten Beitrag von Ternus, deutlicher aber noch bei C.Colombo im Rekurs auf die vorwissenschaftliche Erfahrung des Seienden gelöst, dessen Aufklärung sich in unterschiedlicher Weise und Hinsicht die beiden fraglichen Wissenschaftszweige (Metaphysik und Naturwissenschaften) zur Aufgabe gesetzt haben 30 . Colombo unterscheidet die allgemeine Erfahrung und deren unaufgeklärte Bezugnahme auf die „Substanz" des Seienden von deren wissenschaftlicher Erklärung in den Naturwissenschaften und der Metaphysik, legt aber dabei Wert darauf, daß die wissenschaftliche Metaphysik nichts anderes als die Entfaltung und Aufklärung dieser „intuizione metafísica elementare" 31 sei, während sich die Naturwissenschaften nicht mit der Substanz in diesem Sinne befasse, sondern Theorien zur Deutung experimentell erzielter Phänomene entwerfe 3 2 . Der Gewinn einer solchen Argumentation ist der, daß Colombo die Explikation der Deuteworte mit Hilfe des aristotelisch-scholastischen Substantialismus als die Vertiefung und Auslegung der von Jesus Christus selbst und der gesamten Tradition gemeinten Wandlung des „Wesens des Seienden" im Sinne des Substanzbegriffes der „elementaren Metaphysik" 29 J.Temus, Physik S. 228 (kursiv im Zitat = Sperrung im Original); die These ist der Ausgangspunkt für den schon genannten Aufsatz von A.H.Maltha, Cosmologica (vgl. ebd. S. 305 und Zusammenfassung der krit. Untersuchung S. 324f); vgl. ebenfalls kritisch F.Unterkircher, Eucharistielehre S. 44 und J.Clare, Physics S. 41-44. 30 Vgl. hier nur: C.Colombo, Teología S. 119-121; ders., Bilancio S. 28-31.49-52. 31 Ders., Bilancio S. 30f; 49-51. 32 Ebd. S. 50.

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darstellen kann, während es die moderne wissenschaftliche Physik nicht in derselben Weise mit derselben Wirklichkeit zu tun hat; der Versuch, anstelle einer metaphysischen eine naturwissenschaftliche Explikation des Verständnisses von „Substanz" zu erreichen, läuft demnach Gefahr, den Zusammenhang mit der elementaren Metaphysik der Tradition bzw. der Worte Jesu zu verlieren 33 . 4. Schon im Rahmen dieser Debatten, so zeigte besonders das obige Zitat von Ternus, findet sich der Versuch, die eucharistischen Elemente von Brot und Wein, deren Zusammensetzung aus einer Vielzahl von „Substanzen" das Problem der Fragestellung darstellt, nicht durch den Rekurs auf Erfahrungsdaten, noch weniger aber durch Bezugnahme auf wissenschaftliche oder metaphysische Erkenntnisse, sondern im Rückgriff auf den lebensweltlichen Zweck als Einheiten zu definieren, eine Definition einer substantialen Einheit durch den Rekurs auf die „aestimatio moralis", wie Maltha referiert: „Non interest pro theologia an hostia physice sit unitas vel multitudo, sed quaerendum est de unitate vel multitudine quoad usum humanum." 34

Die Grundlage dafür sind dabei unter anderem die Ausführungen des Thomas von Aquin, denen gemäß eine Konsekration nicht mehr möglich ist bzw. eine Realpräsenz nicht mehr besteht, wenn eine für den menschlichen Gebrauch nicht mehr zureichende Menge oder ein nicht mehr verwendbarer Zustand der eucharistischen Materie gegeben ist 35 . Allerdings stellt hier der usus humanus nicht selbst das „Wesen" des Seienden dar, wie in der Transsignifikationslehre, sondern begründet das Recht, überhaupt von einer Substanz zu sprechen, wobei die Substanz eben nicht die aestimatio selbst, sondern das Korrelat in re der aestimatio ist 36 .

33 „Per questo la conoscenza metafisica garantisce la continuità del significato dei concetti tra conoscenza elementare e conoscenza approfondita, e come tale è capace di garantire la continuità di significato della verità rivelata attraverso i tempi." Ders., Bilancio S. 50 (kursiv im Original); vgl. zum Argument S. 29: die Kirche habe zur Darlegung des Dogmas die Begrifflichkeit einer „elementaren Metaphysik" verwendet, mit der nur die ausgearbeitete Metaphysik, nicht aber die naturwissenschaftliche Physik in einem bruchlosen Zusammenhang stehe (vgl. S. 28. S. 50f und Teologia S. 119f). 34 A.H.Maltha, Cosmologica S. 306; vgl. seine Einwände S. 313 und 314-317. Zsf. S. 324f. 35 Thomas von Aquin, STh III q 77 a 4 resp.; dort bindet Thomas die Möglichkeit der Transsubstantiation daran, daß eine gebrauchsfähige eucharistische Materie vorliegt, so daß hier die Möglichkeit des menschlichen Gebrauches das Kriterium für die Tatsache, daß „Brot" vorliegt, zu sein scheint; vgl. auch ebd. q 74 a 1 resp; dazu A.H.Maltha, Cosmologica S. 305 und ff, sowie die kritische Diskussion S. 312. 36 Vgl. etwa J.Ternus, Physik S. 228, wo ja wohl nicht die aestimatio oder das Brot

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5. Es ist J.de Baciocchi, dessen oben bereits erwähnte Ausführungen zur Transsubstantiationslehre im Rahmen des römisch-katholisch/reformierten Dialogs das Bindeglied zwischen der Debatte um den Wert naturwissenschaftlicher Erkenntnisse für die Transsubstantiationslehre und der Transsignifikationslehre bilden; es wird durch die Analyse seiner Position deutlich, daß die Transsignifikationslehre sich aus der Perspektive dieser Debatte als Variante eines metaphysischen Substanzbegriffes verstehen läßt 37 . Für das Referat der Position von Baciocchi beziehe ich mich auf einen Aufsatz von 1959, in dem er die schon 1951 bzw. 1955 in Umrissen mitgeteilte Position breiter entfaltet und durch eine Art christologischer Schöpfungsontologie begründet 38 . Das Grundanliegen des Aufsatzes besteht, wie oben schon referiert 39 , darin, die eucharistischen Elemente im Ausgang vom Gesamtakt der Eucharistie als Medien der Selbstgabe Christi an die Gemeinde zu deuten, und als Implikate dieses Kontextes die Realpräsenz Christi und die Transsubstantiation herzuleiten: 5.1 Die Zusammenfassung der auf diese Weise hergeleiteten Transsubstantiation sieht auf den ersten Blick wenig aufregend aus: „... ce qui était pain ou vin, et qui demeure tel dans l'ordre empirique, devient en réalité, objectivement, foncièrement autre chose: le corps et le sang du Christ."

(S. 158) Der interessante Punkt ist zunächst der, daß die Wirklichkeit im Sinne der empirisch, also auch naturwissenschaftlich zugänglichen Realität von der Transsubstantiation nicht betroffen ist: unter dem Aspekt der Naturwissenschaften bleibt das Brot jedenfalls Brot; zugleich rekurriert aber Baciocchi auch nicht auf einen metaphysischen Substanzbegriff, sondern verwahrt

als Korrelat einer aestimatio die Substanz des Brotes ist, sondern der Brauch der Grund der Behauptung ist, daß das Brot eine einheitliche Substanz ist. 37 Die Konvergenz der Ausführungen Baciocchis mit einer Position, die einen metaphysischen Substanzbegriff vertritt, ist cum grano salis zu nehmen; die Differenz liegt darin, daß Baciocchi die Substanz eben nicht als internes Prinzip des jeweiligen Seienden zu fassen sucht; vgl. die Darstellung unten und die Kritik eines Vertreters des metaphysischen Substanzbegriffes: C.Colombo, Bilancio S. 43-45, dessen Kritik an Baciocchi genau darauf hinweist, daß die Instanz des Wandels am Seienden selbst nicht identifizierbar ist. 38 J.de Baciocchi, Présence S. 149-154 (= 1959); ders., Sacrements (= 1951); ders., Mystère S. 571-578 (= 1955); die „Schöpfungsontologie": ders., Présence S. 161-164. Seitenverweise im Texf beziehen sich im folgenden auf diese Veröffentlichung von 1959. 39 S.o. I A S . 39f, Anm. 18.

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sich ausdrücklich gegen diese Annahme 40 ; er unterscheidet vielmehr von dieser naturwissenschaftlichen „Sicht" auf die Wirklichkeit eine Sicht des gläubigen Verstehens: „Par contre, au niveau où l'ntelligence croyante saisit la réalité, le pain et le vin subissent un prodigieux bouleversement. Tels qu'ils étaient sortis du four ou de la cuve, ces objets n'étaient que des moyens d'entretenir l'existence humaine sur terre par la nutrition, d'exprimer aussi les amitiés ... par la commensalité.... La parole du Christ, sans altérer ces dons en leur teneur empirique, change totalement leur destination sociale et religieuse." (S. 149f, vgl. 150f und 156f) Der dem gläubigen Verstehen zugängliche Wandel erweist sich also zunächst als Wandel der „Bestimmung" oder der religiösen „Funktion" durch Christus, eine vorderhand rein externe Neubestimmung der vorliegenden Wirklichkeit: eine Funktion ist gewöhnlich doch etwas, was ein in sich bereits wesentlich bestimmtes Seiendes in bestimmten Kontexten oder für bestimmte Subjekte - hier Christus - hat. Diese Funktion nimmt der Glaube wahr und hält sich an sie: das Brot hat die Funktion, Zeichen und Instrument der Gabe Christi in seinem Leib und Blut zu sein (S. 150f. 155159), und dies ist sein „Wesen". Der entscheidende Schritt besteht also darin, daß die Unterscheidung eines „naturwissenschaftlichen" und eines „metaphysischen" Zugriffes auf die Wirklichkeit und entsprechend divergierender Erkenntnisse verschoben wird auf die Unterscheidung einer Wahrnehmung des Seienden im Glauben, und einer Wahrnehmung des Seienden in der natürlichen Erfahrung: Das natürlich Zugängliche erweist sich so gegenüber der vom Glauben erreichten Bestimmung des Seienden durch Christus als unwesentlich oder akzidentell; die Differenz von „Substanz" und ,»Akzidens" wird überführt in die Differenz von „physikalisch Faßbarem" und „im Glauben erfaßter Bestimmung des Seienden durch Gott": „Quand l'incroyant absolutise son expérience rationellement interprétée, il lui est difficile de ne pas le faire, mais il ne s'en trompe pas moins. Le croyant, lui, peut tenir pour relatifs les aspects sensibles et scientifiques du réel, parce que l'Absolu se donne à lui en la personne du Christ, et assigne à chaque chose, par la Parole du Christ, sa véritable place dans l'univers, son être définitif." (S. 151f, vgl. 149f) Das Anliegen von Baciocchi muß nun natürlich darin bestehen, der „Sicht" des Glaubens den Charakter einer rein subjektiven Überzeugung,

40 Zum Bleiben der physikalisch faßbaren Realität vgl. ebd. S. 149f; 151 und S. 155; zur Ablehnung des metaphysischen Substanzbegriffes ebd. S. 154f; 157: soll die Kritik an J.Locke eine mittelbare Kritik am metaphysischen Substanzbegriff sein?

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und der neuen „Bestimmung" des Seienden durch Christus den Charakter eines rein externen, ontologisch abkünftigen, weil das „Seiende selbst" den Gegenstand der Naturwissenschaften oder auch der Metaphysik unberührt lassenden Wandels zu nehmen: der Sicht des Glaubens muß eine dem von der Metaphysik beanspruchten Privileg des Zugangs zum Seienden vergleichbare Dignität zukommen, wenn der Rekurs auf den Glauben und seine Einsicht in die Verfaßtheit der Wirklichkeit an die Stelle der metaphysischen Begründung eines Substanzwandels treten soll. Baciocchi bringt gegen den Vorhalt, der Wandel der Funktion von Brot und Wein sei eine rein subjektive Überzeugung der Christen, die diesen unbenommen bleibe, aber keinen Anspruch auf ontologische Dignität erheben könne, ein: „C'est bien là un point de vue d'incroyant, le point de vue de l'utilisateur du monde, pour qui le fin mot des choses ne peut être que le principe interne de leurs propriétés empiriques et pratiques. Ce point de vue, le croyant ne l'ignore pas; mais il le tient pour relatif: à ses yeux le fin mot des êtres n'est pas scientifique ou philosophique, c'est la valeur que le Christ donne aux êtres, la fonction essentielle qu'ils reçoivent dans la mission du Fils de Dieu ... Les choses sont purement et simplement ce qu'elles sont pour le Christ, puisque l'intelligence du Christ est norme absolue de la nôtre, comme son existence." (S. 150f) Die oben zitierte Behauptung der Objektivität des Wandels des Seienden gründet sich also darauf, daß (für den Glaubenden) die Wirklichkeit genau das sei, wozu Christus sie bestimmt. Der Glaube ist die gehorsame Übernahme und Anerkennung dieser (Neu-)bestimmung von Wirklichkeit durch das Wort Christi. Man braucht sich nun nicht dabei aufzuhalten, daß diese Konstitution der Wirklichkeit ein nur „für den Glaubenden" objektives Faktum ist, denn Baciocchi ist offenbar doch der Meinung, daß der Glaube, der sich an die Worte Christi hält, die Wirklichkeit, die ganz allgemein durch das Wort Christi in ihren Wesen gültig bestimmt wird, so wahrnimmt, wie sie ist; daher gilt: „ ... le changement survenu dans le pain et le vin ne peut être réduit à un fait subjectif dans le croyant." (S. 151) Die „Überzeugung" des Glaubens gründet also in einem Bestimmungsakt Christi: die Wirklichkeit wandelt sich objektiv, indem Christus ihr durch sein Wort eine neue Bestimmung und Funktion gibt. Das Fundament der „Überzeugung" ist eine allgemeine Ontologie, der gemäß das „Seiende" genau das ist, wozu Christus, der Sohn Gottes, sie bestimmt. 5.2 Interessant ist nun allerdings die Frage nach dem Verhältnis des Seienden (in diesem Falle: Brot und Wein) und der Bestimmung Christi: 152

wie kann eigentlich eine doch wohl rein externe „Neubestimmung" einer „Funktion" des Seienden als ein Wandel des Seienden selbst gelten, für den man doch vorderhand annehmen sollte, daß ein solcher nur vorliegt, wenn sich auch wirklich „das Seiende selbst" gewandelt hat. Wie verhält sich die interne Bestimmtheit des Seienden zu seiner durch Christus festgelegten „Funktion"? Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, daß die Position Baciocchis in diesem Punkt von merkwürdiger Ambivalenz ist; denn einerseits hatte er den Akt der Neubestimmung der Funktion von Brot und Wein durch Christus als einen ontologischen Wandel eingeführt, der das Wesen wandelt, ohne daß sich das „Seiende" für sich genommen verändert; Baciocchi schreibt mit Bezug auf genau diesen Wandel der Funktion durch den Bestimmungsakt Christi: „En règle générale ... l'être empirique renseigne sur la réalité dernière, et cela vaut en particulier pour le pain et le vin ordinaires. Mais dans l'eucharistie pain et vin deviennent corps et sang du Christ parce que le Christ les donne comme tels à l'Eglise, se donne lui-même... à l'Eglise, sous leurs apparences. C'est bien là un changement objectif et fondamental: c'est l'être même qui change, pas seulement un des ses aspects, ni surtout un point de vue extrinsèque sur lui."41 Es soll sich also um einen in irgendeiner Weise „objektiven" Wandel des Seienden handeln, dem aber keine feststellbare Veränderung am „Seienden selbst" entspricht, der vielmehr seinen Grund in einem „Geben als ..." Christi hat. Dabei bleibt aber undeutlich, in welchem Sinne es sich um einen Wandel des „être même" handelt, und warum ein „Funktionswandel" kein dem „Seienden selbst" äußerlicher Wandel ist. Andererseits aber formuliert Baciocchi auch Sätze, denen zu entnehmen ist, daß die Neubestimmung der Funktion von Brot und Wein nicht selbst ein ontologischer Wandel, sondern nur das Indiz oder der Auslöser eines Wandels des „Seienden selbst" ist: „Le don du Christ dans le sacrement est une nouveauté radicale par rapport à l'être originel du pain et du vin, et il met fin à leur disponibilité d'antan pour des usages profanes. Ce qui était pain est maintenant corps du Christ, ce qui était vin est maintenant sang du Christ. Ce nouveau jugement s'appuie non sur une altération sensible des choses, mais sur l'efficacité d'un acte du Christ notifié par la Parole du Christ."42 41 Ebd. S. 152; gemeint ist hier doch nicht ein Wandel, der sich am Seienden vollzieht, sondern dies, daß die Neubestimmung der Funktion ohne das Vorliegen eines objektiven Wandels ontologisch konstitutiv ist; vgl. auch den Hinweis darauf, daß ein solcher Wandel für den, der das Wissendes Seienden allein diesem selbst entnehmen will, als rein externer Wandel erscheinen muß: ebd. S. 156, zitiert unten S. 155. 42 Ebd. S. 155, vgl. auch den Verweis auf die „Wirksamkeit" des Geistes S. 153f.

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Denn offenbar eignet doch hier dem Akt Christi eine Wirksamkeit, die eine zwar nicht feststellbare, aber doch am „Seienden selbst" sich vollziehende Veränderung auslöst, die durch das Wort Christi angezeigt und bekannt gemacht wird. Es ist aber dann ganz undeutlich, was eigentlich gesagt ist, wenn hier von einem Wandel des Seienden die Rede ist, der sich in Verbindung mit der Neubestimmung Christi vollzieht: Sofern es sich um einen Wandel des „Seienden selbst" handeln soll, der durch die Worte Christi bewirkt und im Wort im Sinne einer Information mitgeteilt, und als solcher, obwohl nicht verifizierbar, vom Glauben als gültig angenommen wird, so ist zu fragen, welche Instanz am „Seienden selbst" sich denn verwandelt haben soll, zumal Baciocchi selbst, wie gesagt, einen Rekurs auf den „metaphysischen Substanzbegriff' ablehnt43; denn wenn sich ein Wandel des Seienden selbst vollzogen haben soll, der im Bereich des Wahrnehmbaren oder naturwissenschaftlich Faßbaren nicht realisierbar ist, so muß das „Seiende selbst" noch etwas über diesen Bereich hinaus sein; davon aber verlautet bei Baciocchi, abgesehen von der Behauptung des Wandels, nichts (S. 155-158). Interessant wird die Position aber, sofern es sich um einen Wandel von höchster ontologischer Dignität handeln soll, der keinen anderen Grund hat als die Neubestimmung der Funktion von Brot und Wein durch Christus. In diesem Falle muß gezeigt werden können, inwiefern eine solche rein externe Bestimmung wie die „Funktion" von ontologischem Rang für ein „Seiendes" sein kann, das doch als in irgendeiner Weise selbstständige und in sich zureichend bestimmte Entität festgehalten wird: die „Funktionsbestimmung durch Christus" muß für ein Seiendes ontologisch konstitutiv sein können, und es darf nicht, wie man doch zunächst annehmen sollte, das „Seiende selbst" und damit auch sein „eigenes" Wesen die Grundlage für eine Funktion darstellen. Die Ambivalenz bei Baciocchi besteht also darin, daß nicht klar ist, ob der durch die Worte Christi bezeichnete Funktionswandel einen Wandel des „Seienden selbst" bewirkt, oder selbst darstellt. 5.3 Ich verweile noch etwas bei dieser zweiten Möglichkeit: Es müßte hier ausgewiesen werden, daß und inwiefern die Bestimmung der „destination" oder Funktion durch Christus nicht eine akzidentelle, nicht-wesentliche Veränderung eines in sich bereits wesentlich bestimmten Seienden ist, sondern selbst dessen Wesen darstellt, so daß im Sinne einer allgemeinen Ontologie zu zeigen wäre, daß das Wesen des Seienden seine „Funktion für Christus" ist. Baciocchi scheint derartiges zu intendieren, wenn er schreibt:

43 S. 150f. 154f; vgl. dazu auch die Kritik bei C.Colombo, Bilancio S. 42-45.

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„Si je définis l'être à partir des propriétés empiriques seulement, je ne puis voir là [in der Bestimmung Christi, N.S1.] qu'un changement extrinsèque. Si je définis l'être par sa situation dans la totalité du réel, par la totalité de ses caractères et relations et en tenant compte de la hiérarchie de ces charactères et relations, l'être du pain est changé, et ce qui demeure est du relatif, de l'accidentel. En fin de compte c'est une question d'échelle de valeurs: oui ou non, le monde est-il d'abord par et pour le Christ?" (S. 156) Das Bild ist offenbar dies, daß das Seiende in irgendeiner Weise wesentlich durch seine Relationen bestimmt sein soll, wobei die höchste und daher in höchstem Maße gültige Relation die Relation zu Christus ist, so daß die von ihm verliehene Bestimmung für das Seiende die ontologisch bedeutsamste ist. Dies würde allerdings voraussetzen, daß die „Relation" eines Seienden, und nicht dessen interne Bestimmtheit, wesensbestimmend ist: wie begründet man, sofern man doch ungebrochen vom „Seienden" spricht, die Behauptung, daß dieses Seiende nicht im Ausgang von seiner „empirischen Erscheinung", oder dem „internen Prinzip" dieser Erscheinung44, sondern im Ausgang von seiner „Situation" oder seinen „Relationen" zu definieren ist? Worauf gründet sich, wenn doch offenbar zunächst einmal ein Seiendes „da" ist, das in allen diesen Relationen steht, die Behauptung, diese Relationen seien wesenskonstitutiv für das Seiende: dieses liegt doch offenbar diesen Relationen irgendwie zugrunde, denn es handelt sich ja schließlich um „ses relations" und „sa situation"45. 44 Vgl. das „principe interne de leurs [der choses, N.S1.] propriétés empiriques et pratiques" S. 150 unten. 45 Die Unklarheit wird nun auch durch die in demselben Aufsatz von Baciocchi entworfene christologische „Schöpfungsontologie" nicht beseitigt, sondern nur zementiert. Baciocchi behauptet hier die Zuordnung des gesamten Kosmos und der Geschichte auf die Christologie bzw. die Heilsgeschichte (S. 162). Baciocchi führt diese Position so aus, daß er die ontologische Bestimmung durch Christus auf die Anthropologie limitiert und mit Bezug auf die übrige Schöpfung ausführt, daß diese auf eine Bestimmung des Menschen auf Christus hin, und so nur mittelbar auf die Heilsgeschichte hin finalisiert sei (S. 162f). Könnte dies noch als mit einer - wie immer im einzelnen beschriebenen - Konstitution des Seienden durch diese Finalität vereinbar betrachtet werden, so zerbricht diese Interpretationsmöglichkeit doch spätestens mit dem Versuch Baciocchis, die in diesem von vornherein christologisch bestimmten anthropologischen Entwurf scheinbar eingezogene Differenz von Natur und Übernatur dadurch zu retten, daß er die „Natur" als Bedingung der Möglichkeit derchristologischen Bestimmungdes Menschen ausweist: die Möglichkeit des Menschen, diese seine christologische Bestimmung (und damit auch die Bestimmung alles übrigen Seienden) zu verfehlen, setze voraus „... une nature (humaine et infra-humaine) assez consistante pour disposer d'elle-même (dans l'homme) sous forme delà péché aussi bien que de charité, une nature, donc, par rapport à laquelle la grâce constitue un achèvement véritable mais contingent..." S. 163). Daß also dieses „Sein-für-Christus" für den Menschen oder auch für das übrige Seiende

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Diese Unklarheit ist nun das Fundament der oben (5.2) skizzierten Ambivalenz, denn der Wandel der christologischen Bestimmung ist genau dann von ontologischer Dignität, wenn diese christologische Bestimmung, die „Funktion" des Seienden im Akt Christi, als Fundament des Seienden selbst ausgewiesen werden kann, ist aber genau dann nicht von Bedeutung für das Wesen des Seienden, wenn vom „Seienden selbst" als Fundament dieser Bestimmung die Rede sein kann, da es sich dann automatisch um eine „externe" Bestimmtheit des Seienden handelt; dann müßte vielmehr einer Funktionsbestimmung, die eine ontologisch bedeutsame Änderung des Seienden sein soll, ein Wandel am „Seienden selbst" im Sinne des selbstständigen Fundamentes der Relation korrelieren. 6. Ich fasse zusammen und leite zur Transsignifikationslehre im engeren Sinne über: Der Abschnitt zeichnete die durch den Kontakt der Naturphilosophie und ihres Substanzbegriffes mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaften über den Aufbau der materiellen Welt aufbrechende Diskussion über diesen Substanzbegriff nach. Es zeigte sich, daß neben die mehr oder weniger radikalen Versuche, die Erkenntnisse der Naturwissenschaften der traditionellen Naturphilosophie zu integrieren, der Versuch tritt, den Substanzbegriff als „metaphysische" Grösse gegen die naturwissenschaftliche Kritik zu immunisieren. Eine Variante dieses Immunisierungsversuches stellt der Versuch dar, eine Art „christologische", nur dem Glauben zugängliche Wesensbestimmtheit des Seienden zu etablieren, dem gemäß (in im einzelnen etwas unklarer Weise) das Seiende wesentlich das ist, was es durch einen (externen) Bestimmungsakt Christi ist, eine Bestimmung, an der der Glaube auch gegen den empirisch verifizierbaren oder naturwissenschaftlich zugänglichen Augenschein festhält. Es zeigte sich, daß die Position in der Durchführung Baciocchis ausgesprochen problematisch ist, da sich diese in einer unklaren Mitte zwischen einer ursprünglichen Selbstständigkeit des Seienden gegen diese Bestimmung durch Christus, und einer Deutung des Seienden als Konstitut dieser Bestimmung hält. Die Debatte um den Substanzbegriff weist nun bei Baciocchi eine innere, systematische Verbindung zur Transsignifikationslehre im engeren Sinne auf: Die eucharistischen Elemente, so zeigte sich, wurden hier durch die die (religiöse) Funktion von Brot und Wein neubestimmenden Worte Christi zu Medien der Selbstgabe Christi verwandelt (S. 150). Wie es auch wesenskonstitutiv oder gar selbst das Wesen ist, wird man kaum behaupten können; vielmehr ist der Mensch, und damit selbstverständlich auch sein „Wesen" (als Grund der Bezeichnung einer Entität als „Mensch") das Fundament der Möglichkeit eines prinzipiell offenbar verzichtbaren Vollzuges des „Sein für Christus".

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immer um die ontologische Dignität dieses Wandels steht: jedenfalls stellt sich damit die Aufgabe, auch den terminus a quo des Wandels, also die ursprüngliche Substanz von Brot und Wein, als Funktion zu deuten: ein Funktionswandel setzt als Ausgangspunkt ebenfalls eine Funktion voraus. Davon geht auch Baciocchi aus, wenn er, wie oben bereits zitiert, ausführt, daß Brot und Wein ursprünglich Nahrungsmittel oder „Zeichen der Freundschaft" seien 46 . Es handelt sich dabei aber nun um eine anthropologische, lebensweltliche Funktion, über deren christologische Bestimmtheit hier nichts verlautet; und ebenso gilt ja für den terminus ad quem des Wandels, daß die neue Funktion die das Seiende durch Christus erhält, eine sozusagen christologisch abgestützte Funktion „für den Menschen" ist 47 . Der Wandel der „Funktion" von Brot und Wein durch die Bestimmung Christi hängt also mit einem Wandel der anthropologischen Funktion so eng zusammen, daß man sagen kann, daß es sich um einen - ontologisch ungeklärten48 - Wandel der anthropologischen Funktion handelt, dessen Subjekt Christus ist, und der als solcher Wandel nur dem Glauben zugänglich ist, der sich an die Bestimmung Christi als die allein gültige hält. Das „Wesen" des Seienden, das sich hier wandelt, ist nicht, oder wenigstens nicht nur, eine Funktion des Seienden „für Christus", sondern ein Zweck für den Menschen, der durch Christus bestimmt wird. Der Position liegt also nicht nur das Verhältnis von empirisch-naturwissenschaftlicher Erscheinung und „eigentlichem Wesen", von gläubiger und nichtgläubiger Wirklichkeitserkenntnis zugrunde, sondern offensichtlich und ohne weitere Explikation auch die Behauptung, daß das Seiende in irgendeiner Weise wesentlich durch seinen menschlichen Zweck, der durch Christus neubestimmt werden kann, konstituiert ist 49 . Die These, daß dieser „anthropologische Zweck" des Seienden sein Wesen sei, ist die - in einer Reihe von Varianten vertretene - These der Transsignifikationslehre, mit der ich mich im folgenden auseinandersetzen werde. 46 Ebd. S. 149f; vgl. Zitat oben S. 151. 47 Ebd. bes. S. 155 u., vgl. auch S. 149-152, bes. 150 und 152: die neue „Funktion" von Brot und Wein ist ja zumindest auch eine neue Funktion für den menschlichen Umgang, die an die Stelle der Bestimmtheit als „Nahrungsmittel" oder „Freundschaftszeichen" tritt. 48 Es bleibt bei Baciocchi ganz undeutlich, welchen ontologischen Status die Bestimmung von Brot und Wein als Mittel zum Unterhalt der menschlichen Existenz (ders., Présence S. 149f) etwa im Verhältnis zur empirischen, naturwissenschaftlich faßbaren Bestimmtheit der Elemente hat. 49 Vgl. die schon genannte und zitierte Stelle S. 149f (oben S. 151).

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C II Die Begründungsanforderungen: Was heißt „Sinn"? Ich umreiße in diesem Abschnitt vorgreifend knapp die These der Vertreter der Transsignifikationslehre und extrapoliere die Bedingungen, denen eine derartige These zu genügen hat, soweit sie von der These her erkennbar sind. 1. Der Ausgangspunkt der Position ist die Behauptung, daß die nunmehr als Substanzkonglomerat bekannten Einheiten von Brot und Wein ihre Einheit nicht in einem internen, wesensbestimmenden oder -bildenden Prinzip finden, sondern in dem „Sinn", der „Bedeutung" oder dem „Zweck", den sie „für den Menschen" haben. Brot und Wein sind wesentlich z. B. Nahrungsmittel oder Ausdruckszeichen zwischenmenschlicher Beziehungen; ihr „Wesen" ist es entsprechend, Nahrungsmittel oder Ausdrucksmedium (etwa für die Freundschaft oder eine gastfreundliche Zuwendung) zu sein 50 . Auch wo diese Bestimmung des terminus a quo der Wandlung so nicht übernommen wird, sondern - wie etwa bei Schoonenberg - auf den „Dingcharakter" von Brot und Wein im Unterschied zur „Zeichenfunktion" rekurriert wird, wird doch die eucharistische Wandlung als Wandlung des „Sinnes", des „Zweckes", der „Bedeutung" interpretiert51 mit dem Ziel, dadurch die Rede von einer Transsubstantiation zu ersetzen bzw. neu zu fassen: Brot und Wein werden wesentlich verwandelt, indem sich ihr menschlicher (oder göttlicher) Sinn oder Zweck wandelt 52 . 50 Ch.Davies, Presence S. 174f; G.Hintzen, Zeichenwirkung S. 112-114; ders., Transsignifikation S. 194-201; ders., Gedanken S. 295; ders., Diskussion S. 21; J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 4-6; S.Trooster, Transsubstantiatie S. 738-742; B.Welte, DiskussionsbeiträgeS. 190f; I.R.Sonnen, NeubesinnungS. 492;A.R.v.d.Walle, Reflectie S. 204; O.H.Pesch, Gegenwart S. 82; E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 87-92 (ni. II S. 380-383); P.Schoonenberg, Mysterie S. 15; vgl. auch die eher darstellenden Beiträge: J. Wohlmuth, Transsubstantiation S. 234f; C.O'Neill, Transsignification S. 205207; L.v.Hout, Fragen S. 190f; L.Scheffczyk, Ergebnisse S. 202- 204. 51 Schoonenberg etwa betrachtet in seinen frühen Veröffentlichungen die Transsubstantiation offenbar als „Wandel" des Seienden vom „Ding" zum „Zeichen"; vgl. etwa ders., Tegenwoordigheid III S. 405. 407. 415, so auch J.Ratzinger, Probleme S. 152, allerdings in etwas anderem Sinn: das ursprünglich selbstständige Seiende verliert seine Eigenständigkeit gegenüber Gott (ebd. S. 151f). Die Position Schoonenbergs scheint sich dann zu wandeln; in „Mysterie" (S. 15-17) unterscheidet er unterschiedliche „Sinnbestimmtheiten" unterschiedlicher Seiender. 52 Darauf, daß die Rede von einem „göttlichen" Sinn und vom Wandel desselben eine Analogiebildung zur menschlichen Sinnstiftung ist, habe ich oben hingewiesen, es wird sich unten bestätigen; vgl. vorläufig: G.Hintzen, Diskussion S. 193-195; L.Scheffczyk, Ergebnisse S. 202-204 im Zusammenhang von 197-204; J.Wohlmuth, Transsubstantiation S. 434f.

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Es wird dadurch eine Rede von einem wesentlichen Wandel des Seienden etabliert, der keine Verwandlung eines identifizierbaren (naturwissenschaftlich faßbaren) oder behaupteten (metaphysischen) Bestandes am „Seienden selbst" einschließt. Die „metaphysische Substanz", deren Bestehen eine Position wie die C.Colombos vertreten mußte, wird identifizierbar: es handelt sich nicht um eine transempirische Grösse „am" Seienden oder im „Hintergrund" seiner empirischen Erscheinung, sondern gleichsam um eine externe Bestimmtheit des Seienden, um den „Zweck" oder „Sinn", den es im menschlichen Umgang hat oder erfüllt 53 . 2. Die Bedingungen für eine derartige Position werden selten reflektiert, die Vertreter begnügen sich zumeist damit, mehr oder weniger plausible Beispiele für eine solche konstitutive Bedeutung des menschlichen Sinnes anzugeben 54 . Die formalen, abgesehen vom Begriffsinhalt von „Sinn" gültigen Bedingungen sind zunächst folgende: - Die Identifikation des Wesens eines Seienden mit seinem Sinn kann nicht allein für Brot und Wein im Rahmen der Eucharistie gelten, sondern muß den Status einer fundamentalontologischen Behauptung, oder wenigstens den Status einer Brot und Wein einschließenden, mit Gründen eingeschränkten Regionalontologie erhalten. Es ist z. B. ein Unding, daß in keiner der Veröffentlichungen, die behaupten, das „Wesen" des Seienden sei sein menschlicher Sinn, darüber reflektiert wird, ob diese Behauptung beispielsweise auch für den Menschen, oder auch für Gott zutrifft, und wenn nicht: was denn (formalontologisch) das Wesen des Menschen oder Gottes sei, und in welchem Sinne und woraufhin dennoch mit Bezug auf die durch den menschlichen Sinn konstituierten Entitäten und mit Bezug auf den Menschen oder Gott in derselben formalontologischen Weise von „Wesen" die Rede sein kann. - Für alle Entitäten dieses Bereiches muß gelten können, daß die bislang mit Bezug auf ein immanentes Wesensprinzip geltenden Bestimmungen nun durch den „Sinn" oder den „Zweck" für den Menschen konstituiert werden. Es darf beispielsweise auf die Frage „was ist das?" nicht anders als durch den Hinweis auf den menschlichen Sinn geantwortet werden.

53 Zur „externen" Bestimmung vgl. etwa: G.Hintzen, Transsignifikation S. 194201. bes.S. 195f; J.B.W.M.Möller,TranssubstantiatieS. 4-6; P.Schoonenberg, Mysterie S. 14f!; J.Wohlmuth, Transsubstantiation S. 434f; bes. B.Welte, Diskussionsbeiträge S. 190-192; A.R.v.d. Walle, Reflectie S. 204f; u.ö. 54 Etwa: J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 4f; S.Trooster, Transsubstantiatie S. 741f; P.Schoonenberg, Mysterie S. 14f; G.B.Sala, Transsubstantiation S. 5f. 17f; O.H.Pesch, Eucharistie S. 105f.

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Diese Bedingungen sind härter, als sie auf den ersten Blick scheinen; sie implizieren eine weitere materiale Bedingung, derer man ansichtig wird, wenn man sich verdeutlicht, was „Sinn", „Zweck" oder „Bedeutung" überhaupt meint - eine Frage, die im Rahmen der Transsignifikationslehre nirgends untersucht oder gar geklärt wird: 3. Man spricht von dem „Sinn", dem „Zweck" oder der „Bedeutung" eines Seienden nie als von etwas, was diesem Seienden als isolierter, ganz für sich genommener Entität eignete oder anhaftete. Das Seiende wird in Verbindung mit diesen Termini vielmehr als etwas betrachtet, das auf anderes bezogen ist: der „Zweck" eines Seienden impliziert die Einordnung in den Zusammenhang eines „Verwendens" und den Bezug auf ein „um-zu", der „Sinn" und die „Bedeutung" rekurriert auf ein „Verstehen", und auf die Einordnung in einen Kontext oder einen Zusammenhang, in den eingeordnet das Seiende einen „Sinn" gewinnt und so verstehbar wird. Es geht allerdings mit diesen Termini wie mit der Zeit bei Augustin: man glaubt zu wissen, was sie bezeichnen, wenn man über sie nicht nachdenkt, sondern sie verwendet; sobald man ihre Bedeutung zu klären versucht, werden sie schwer greifbar („Si nemo ex me quaerat, scio; si quaerenti explicare velim, nescio; fidenter tarnen dico, scire me." (Conf. XI, 14)). Die Termini „Sinn", „Zweck" und „Bedeutung" werden von den Neuinterpreten überwiegend synonym verwendet; ich gehe dem Problem ihrer Bedeutung daher anhand des schwierigsten Beispiels, des Begriffes „Sinn" nach, indem ich Beispiele untersuche, in denen der Begriff verwendet wird 55 . Die Vertreter der Transsignifikationslehre behaupten, der Sinn, und damit das „Wesen" des Brotes bestehe darin, Nahrungsmittel „für" den Menschen zu sein. Der „Sinn" des Brotes ergibt sich in diesem Falle aus einer Verwendung durch den Menschen. Fragt man also nach dem „Sinn" des Brotes, so erhält man die Antwort: es ist zum Essen. Doch der „Sinn" des Brotes ist weder das Essen selbst (denn das Brot hat einen Sinn, indem es zum Essen, nicht indem es das Essen ist); noch 55 Vgl. zum folgenden: M.Heidegger, SuZ S. 148-153; M.Merleau-Ponty, Phänomenologie S. 487-489; W.Dilthey, Aufbau, bes. S. 140f; 157ff; 242-246. 286-292; sowie: J.u. W.Grimm, W B 1 6 Sp. 1103ff(Sinn) und 1156ff (Sinnen); vgl. weiter, bes. zur „Bedeutung" oder zum „Sinn" eines Wortes: G.Frege, Sinn; E.Husserl, LU II/l S. 4261. Eine hier einschlägige Monographie zum Begriff gibt es m.W. nicht; es geht im folgenden, wie oben zum Begriff der Gegenwart, darum, unter Anleitung der Beobachtungen, nicht der speziellen Thesen der genannten Autoren den Bedeutungsgehalt dem Sprachgebrauch zu entnehmen. Das Ziel ist, lediglich eine Orientierung über den Bedeutungsgehalt zu erarbeiten. Leider kam mir die Arbeit von G.Sauter (Was heißt: nach Sinn fragen? KT 53, München 1982) erst während der Umbruchkorrekturen zur Kenntnis.

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handelt es sich beim „Sinn" um eine identifizierbare Ausstattung, die das Brot eßbar macht: die Körner oder die Nährstoffe sind nicht der „Sinn" des Brotes. Was genau bezeichnet man als den „Sinn" des Brotes? Ich erweitere zunächst den Bereich der Beispiele: man fragt nach dem „Sinn" des Lebens und fragt damit nach einer Zuordnung dieses Lebens zu einer Aufgabe, nach einem „wozu" des Lebensvollzuges. Man fragt nach dem „Sinn" einer Krankheit und fragt damit nach einem höheren Plan oder einer Absicht, in die sie sich einordnen läßt. Man fragt nach dem „Sinn" eines Kulturgutes oder eines Werkzeuges und fragt damit nach der Absicht, der es seine Herstellung verdankt, nach dem „wozu" einer Verwendung, in die es sich einordnet. Man fragt nach dem „Sinn" eines Wortes und fragt damit nach dem, was ein Sprecher damit - im gegebenen Zusammenhang - bezeichnet. Die Frage nach dem „Sinn" fragt offenbar nach einem Zusammenhang, in dem das Seiende steht. Es ist zunächst aber festzuhalten, daß man nach dem Sinn „fragt". Offensichtlich kann der „Sinn" von etwas verborgen sein. Das „etwas" ist dann unverständlich. Der „Sinn" gewährleistet die Verständlichkeit von etwas 56 . Wenn man nach dem „Sinn" von etwas fragt, setzt man voraus, daß das „etwas" von einer Art nachvollziehbarer Intention „erfüllt" ist und auf etwas anderes abzielt: der „Sinn" ist ein „Sinnen", ein „Abzielen auf...", ein „Vermeinen", ein „Beabsichtigen" 57 . Die Rede setzt dabei ein anderes voraus, dem sich das „etwas" „abzielend" oder „meinend" zuordnet, und wenn dies andere oder die Weise der Zuordnung des „etwas" unbekannt ist, erscheint das „etwas" als sinnlos: das Leben z. B. zielt ab auf die Erfüllung einer Aufgabe, die ihm Sinn gibt, die Krankheit weist z. B. auf eine notwendige Lebensänderung hin und will so möglicherweise zur Busse rufen, das Werkzeug zielt auf eine oder mehrere Weisen der Verwendung ab. Dieses „andere" ist erkennbar jener oben erwähnte Zusammenhang des Seienden. „Beteiligt" sind also am „Sinn" offensichtlich ein Seiendes, um dessen Sinn es geht, und ein „anderes", ein Zusammenhang, der irgendwie für den „Sinn" verantwortlich ist. Es ist aber zugleich erkennbar, daß nichts von dem am Zustandekommen des „Sinnes" Beteiligten selbst der Sinn des Seienden ist: 56 Vgl. M.Heidegger, SuZ S. 149-153, bes. 151f; „Verstehen" ist in unserem Zusammenhang zunächst nicht im Sinne Heideggers verwendet (142ff, vgl. unten S. 411-425). 57 Vgl. J.u.W.Grimm, WB 16 Sp. 1108ff, dort speziell die Grundbedeutung: „sinnen", „meinen", „beabsichtigen": Sp. 1103 im Zusammenhang mit 1156 und 1158. Ursprünglich ist „Sinn" und „Sinnen" ein Terminus, der eine Ortsbewegung bezeichnet, eine „Ausrichtung" oder ein „sich-wenden-zu": Sp. 1103/1158.

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Der „Sinn" ist einerseits nicht das Seiende selbst, sondern dessen Zuordnung in einem Zusammenhang. Es ist durchaus üblich, zu sagen, daß ein Seiendes „für sich genommen" sinnlos ist, aber in einem Kontext einen Sinn gewinnt. Auch sagt man üblicherweise nicht, daß das Seiende ein Sinn „sei", sondern daß es einen Sinn „hat". Der „Sinn" ist aber auch nicht die Ausstattung des Seienden, das diese Ausrichtung auf den Zusammenhang ermöglicht. Der Sinn eines Werkzeuges (Hammer) ist nicht die Zusammenfügung eines Holzes mit einem ausreichend schweren Metallkopf. Der „Sinn" eines Werkzeuges ist dasjenige, das diese Ausstattung erforderlich macht. Der „Sinn" ist andererseits auch nicht der Zusammenhang, oder das „andere, das irgendwie für den Sinn verantwortlich ist", selbst, sondern die Hinordnung des Seienden auf denselben. Etwas hat einen „Sinn" heißt: etwas ist zugeordnet zu anderem als es selbst, es ist Moment in einem Zusammenhang, aus dem es Bestimmungen auf diesen Zusammenhang hin erhält. Der „Sinn" ist diese „Ausrichtung a u f , der Momentcharakter, das „Sein zu ...". Dieses „sein zu ..." kann, muß aber nicht ein „um-zu" (ein Zweck) sein: ein Wort etwa gewinnt seinen „Sinn" aus dem Zusammenhang eines Satzes, das heißt: sein Abzielen auf ein Bezeichnetes (nicht aber ein „Zweck" des Wortes) wird durch diesen Zusammenhang wo nicht konstituiert, so doch aufgeklärt. Der „Sinn" von etwas ist dabei häufig so gedacht, daß sich das Seiende einer ihm ursprünglich fremden Intention ein- und zuordnet58: es ist ein .Abzielen" des Seienden, das es als Moment eines „höheren" Absehens, einer Absicht gewinnt. So hat die Krankheit einen Sinn nicht als eine Art Zentrum eigenen Wollens der Krankheit, sondern z. B. als Moment eines Planes Gottes; das Werkzeug hat seinen Sinn nicht im eigenen Abzielen des Werkzeugs, sondern als Moment eines menschlichen Wollens. Der „Sinn" der Krankheit etc. ist die Krankheit als Moment dieses übergreifenden Planes, ihre Ausrichtung auf.... Wieder: der „Sinn" ist nicht der übergreifende Plan, sondern das „Moment-sein" der in ihrem Sinn fraglichen Entität, deren „Ausrichtung auf...". Wie zwischen dem sinngebenden Zusammenhang, und dem Sinn des Seienden, so ist also zu unterscheiden zwischen dem übergreifenden Plan, und dem „Sinn" eines Gegenstandes: der übergreifende Plan ist nicht der „Sinn" des „etwas", sondern das, woher das „etwas" seinen Sinn gewinnt, der wiederum die Ausrichtung auf den „Plan" ist, die dem Seienden nur aus der Einordnung in diesem Plan zukommt: Der Sinn des Lebens ist nicht die 58 So überwiegend im Rahmen der Transsignifikationslehre. Der Sinn der hier vorgenommenen Abgrenzung wird weiter unten noch deutlicher werden (s. S. 175-177).

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Aufgabe selbst, sondern die Aufgabe ist es, die dem Leben Sinn, ein „Ziel" und ein „Abzielen auf ..." gibt, der Sinn ist die Ausrichtung auf diese Aufgabe. Der Sinn des Hammers ist nicht das Hämmern (als menschlicher Vollzug verstanden), sondern das Hämmern ist die Sinnquelle für den Hammer, der Sinn des Hammers aber ist die Ausrichtung auf das Vollziehen des Hämmerns: „daß man damit hämmern kann." Entsprechend ist der Sinn des Brotes und des Weines nicht das Essen, sondern die Ausrichtung von Brot und Wein auf dasselbe. Man kann das Hämmern des Hammers oder das Nähren von Brot und Wein nur dann als deren Sinn bezeichnen, wenn man die Verben als eine Art von Vollzügen der jeweiligen Entitäten faßt. Diese Vollzüge sind dann das Absehen oder das Abzwecken der Entitäten selbst im Rahmen eines Zusammenhangs mit anderem Seienden. Das Essen oder das Hämmern als menschlicher Vollzug sind aber nicht der „Sinn" des Hammers oder Brotes, sondern strenggenommen die Quelle ihres Sinnes. Der Begriff „Zweck" ist hier übrigens doppeldeutig: er kann einmal das „woraufhin" der Ausrichtung selbst bezeichnen: der Zweck des Schlüssels ist das Abschließen eines Raumes; dann aber auch die interne Ausrichtung des Seienden auf diesen Zweck: ein Abzwecken des Seienden auf die Leistung von etwas. Zuletzt: der „Sinn" von etwas liegt nicht unveränderlich fest. Ebenso, wie ein Seiendes „an sich" sinnlos sein kann, und seinen Sinn nur aus einer Verwendung oder einem Zusammenhang erhält, so kann der Sinn von etwas, je nach dem Zusammenhang, sich in einer bestimmten Bandbreite ändern. Man kann daher von einem „Sinn für... xy" sprechen: etwas kann für unterschiedliche Subjekte einen unterschiedlichen Sinn haben, da sie das etwas jeweils einem unterschiedlichen Zusammenhang zuordnen oder einem unterschiedlichen übergreifenden Absehen und Planen einordnen. In einem gewissen Rahmen ist der „Sinn" subjektiv und vielfältig, aber nicht beliebig. Es gibt - je nach dem Seienden unterschiedliche - Grenzen der Sinnhaftigkeit und der Sinnlosigkeit. Umgekehrt gibt es den (menschlichen) Sinn nicht ohne den (menschlichen) Zusammenhang: Wenn man sagt, das Brot sei „zum Essen", so ist der „Sinn" des Brotes dies „Sein zu" als Ausrichtung des Seienden. Es ist eine „interne" Bestimmung, das heißt: eine vom Seienden selbst prädizierte Bestimmtheit, die es aber aus einem anderen seiner selbst gewinnt. Ohne das Essen, oder den Menschen, der essen kann, ist das Brot ebenso sinnlos, wie jedes Seiende ohne den sinngebenden Zusammenhang sinnlos ist. Es ist also eine interne Bestimmtheit, die das Seiende extern, vom anderen seiner selbst her, gewinnt. Zusammenfassend: Der „Sinn" von etwas ist ein Ausgerichtet-sein des 163

„Seienden" auf einen Zusammenhang, dem es sich einordnet, von dem es bestimmt ist, auf den es abzielt, so daß es aus diesem Abzielen verständlich wird. Ein Seiendes ist verständlich, wenn und weil man weiß, was es „sinnt", „will". Der „Sinn" des Seienden sind genau die Bestimmungen, die es als Moment eines Zusammenhanges aus der Hinordnung auf diesen Zusammenhang gewinnt. Der „Zweck" ist eine Gestalt des Sinnes, sofern damit nicht das „wozu" als „woraufhin des Abzielens" bezeichnet wird, sondern die Ausrichtung auf etwas. Die „Bedeutung" betrachten wir hier - wie die Vertreter der Transsignifikationslehre auch - als Synonym von Sinn 59 . Der „Sinn" hat in gewisser Weise keinen rechten ontologischen Ort, denn er „schwebt" zwischen allen festen Grössen: er ist weder das Seiende, noch etwas am Seienden, noch der Zusammenhang, auf den das Seiende ausgerichtet ist, noch eine fremde Absicht, die mit seiner Hilfe verfolgt wird. Der „Sinn" ist eine Bestimmung des Seienden als Moment einer es übersteigenden Ganzheit, die Bestimmung, die seiner Ausrichtung auf diesen Zusammenhang oder einer Einordnung in denselben Rechnung trägt, und die sich somit aus allen diesen Grössen ergibt, ohne mit einer von ihnen identisch zu sein. Mit Bezug auf das fragliche Seiende ist er eine interne Bestimmung, die extern konstituiert ist. 4. Daraus ergeben sich die Anforderungen an eine Position, die behaupten will, das Wesen des Seienden sei mit seinem Sinn, und zwar mit seinem Sinn für den Menschen, identisch: Gemeint ist damit der „Sinn" des Seienden, den es als Moment einer menschlichen Intention erhält, als Moment eines Lebensvollzuges, dem es sich einordnet. Die Intention oder der Lebensvollzug ist dabei das „Ganze" oder der „Zusammenhang" oder das „andere", auf das das fragliche Seiende ausgerichtet ist. Ein „Wandel" des Sinnes wäre ein Wandel des Zusammenhanges, der Verwendung des Seienden, oder der die Verwendung leitenden Intention, durch den das Seiende einen neuen Sinn erhält. Gelänge es, die ontologische Dignität des Sinnes (als Wesen) und damit eines solchen Wandels auszuweisen, so ergäbe sich in der Tat die Möglichkeit, einen Wesenswandel vorzustellen, der keine Annahme einer transempiri-

59 Weder wird hier, wie bei Frege, der gegenständliche Bezug und die Weise des Bezuges als „Sinn" und „Bedeutung" unterschieden (G.Frege, Sinn S. 42 u. pss; vgl. dazu E.Husserl, LU II/l S. 52f), noch, wie sich bei Dilthey andeutet, die „Bedeutung" als die dem Seienden aus der Zuordnung in einen Zusammenhang erwachsende Bestimmtheit, vom „Sinn" als diesem Zusammenhang selbst unterschieden (W.Dilthey, Aufbau S. 245f oder 286-289).

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sehen „Grösse am Seienden selbst" und deren Verwandlung unterstellen muß. Man muß sich nun aber die ganz landläufige Bestimmung des Verhältnisses von „Sinn" und „Wesen" vor Augen führen: üblicherweise gehen wir schon sprachlich davon aus, daß einen „Sinn" zu haben die Näherbestimmung eines Seienden ist, nach dessen Wesen im Sinne des Korrelates der Antwort auf die Frage „was ist das?" gesondert gefragt werden kann. Das „Wesen" betrachten wir vorthematisch als die interne Bestimmtheit des Seienden „für sich" (d.i. isoliert gegen jeden Zusammenhang mit anderem), während das Seiende einen „Sinn" nur aus einem Zusammenhang mit anderem, auf das es ausgerichtet ist, hat. Wir gehen dabei ganz selbstverständlich davon aus, daß zunächst ein Seiendes bestimmten Wesens ist oder subsistiert, das dann zuweilen in Zusammenhängen einen Sinn gewinnt, und ihn in anderen Zusammenhängen verliert, sich in diesen „Sinnwandlungen" aber in seinem eigenen Wesen unverändert durchhält: wir bezeichnen das Seiende nicht jeweils in dem neuen Zusammenhang mit einem neuen Wesensbegriff, sondern wir sprechen von dem Seienden „xy", das hier diesen, und dort jenen Sinn hat. Normalerweise ist daher für unsere Begriffe ein „Sinnwandel" kein „Wesenswandel", sondern von einem „Wesenswandel" sind wir nur bereit zu sprechen, wenn ein „Seiendes selbst" sich so wandelt, daß es nicht mehr als dasselbe wie zuvor betrachtet werden kann, und so vor allem einen neuen Begriff erhält60. Wir sind - in diesem Sinne der Subsistenz eines Seienden und seiner internen Bestimmtheit als der Instanz jedes Wandels, der Anspruch auf ontologische Dignität erhebt - vorthematisch Anhänger einer Substanzontologie. Solange also der „Sinn" der „Sinn eines Seienden" ist, das gegen den Zusammenhang, aus dem ihm ein Sinn erwächst, ohne Schaden für seinen Bestand isoliert werden kann, ist auch die Frage nach dem Wesen des „Seienden selbst" (im Sinne der Frage: „was ist das?" (auf das isolierte Seiende weisend)) nach wie vor eine andere Frage als die Frage nach dem „Sinn" des Seienden. Es bleibt einem Sprecher zwar unbenommen, auch diesen „Sinn" als „Wesen" zu bezeichnen, er wird diese Verwendung von „Wesen" aber in Ausgleich bringen müssen mit der ursprünglichen Bedeutung von „Wesen", die jedenfalls das ontologische Fundament des Wesens (lies: Sinnes) darstellt: das „Seiende selbst" (und sein Wesen) ist solange

60 Vgl. etwa die Ausführungen von Vertretern der Transsignifikationslehre zu „reinen Sinnwandlungen", etwa der Verwendung eines Flaschenbodens als Aschenbecher (J.de Baciocchi, Presence S. 155), von Zeitung als Brennmaterial (G.Hintzen, Diskussion S. 213f), die regelmässig im Blick auf ihre ontologische Dignität negativ beurteilt werden; eine Ausnahme bildet hier B.Welte, Diskussionsbeiträge S. 190-194.

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das Fundament jeder Ausrichtung auf anderes seiner selbst, wie man vom „Sinn eines Seienden" spricht, den Sinn also als Näherbestimmung betrachtet. Eine Position, die behaupten will, der „menschliche Sinn" des Seienden sei sein „Wesen", muß deutlich machen können, daß und inwiefern diese Frage nach dem isolierten „Seienden selbst", d. h. nach dem Seienden abgesehen von allen ihm aus einem Zusammenhang mit anderem, etwa einer menschlichen Intention, zuwachsenden Bestimmungen, und damit die Frage nach einem anderen Wesen als diesem „Sinn", sinnlos ist. Das heißt: eine solche Position muß zeigen können, daß die Ausrichtung des Seienden auf eine menschliche Intention nicht akzidentell, sondern so wesentlich ist, daß kein diese Ausrichtung noch begründendes oder ermöglichendes Seiendes und dessen „eigenes" Wesen angenommen werden kann. Die Annahme oder Voraussetzung eines zunächst gegen jede Bezogenheit auf anderes seiner selbst selbstständigen Seienden nämlich impliziert, daß nach dessen „Wesen" gefragt werden kann („Was ist das?"), wobei „Wesen" hier in dem weiten Sinne verstanden wird, in dem er der Transsubstantiationslehre zugrundeliegt: das „Korrelat" des Wesensbegriffes, der die Antwort auf die genannte Frage darstellt. Die menschliche Intentionalität als Quelle des Sinnes des Seienden darf also nicht als etwas betrachtet werden, das sich eines zunächst selbstständigen und in dieser Selbstständigkeit selbstverständlich auch durch eine Antwort auf eine Frage „was ist das?" in seinem Wesen identifizierbaren Seienden bedient, sondern diese menschliche Intentionalität muß als die Bedingung der Möglichkeit des Seienden überhaupt ausgewiesen werden können. Die These von der Identität von (menschlichem) Sinn und Wesen verlangt also den Verzicht auf die Instanz der ursprünglichen Selbständigkeit des Seienden gegen jeden Zusammenhang, das heißt: den Verzicht auf den Seinssinn der Subsistenz, dem gemäß am Grunde jeder Relation undjeder „externen Bestimmtheit" ein in sich bestimmtes Seiendes liegt. 5. Zusammenfassend ergibt sich folgendes: Eine These, die beansprucht, einen Wesenswandel als Wandel des menschlichen Sinnes zu deuten, hat die Beweislast für folgende Thesen übernommen: a) Das „Wesen" eines Seienden (im allgemeinen oder des Seienden im Sinne der Repräsentanten einer bestimmten, begründbar isolierbaren Seinsregion) ist nichts anderes als sein Sinn. b) Da ein Seiendes „Sinn" hat als Moment eines Zusammenhanges, muß gezeigt werden, daß dies „Moment-sein" nicht die sekundäre Ausrichtung eines ursprünglich und auch gegen diese Ausrichtung selbstständigen und daher zunächst als solches wesentlich bestimmten Seienden darstellt, sondern der Konstitutionsgrund dieses Seienden ist. 166

c) Es muß also genauer gezeigt werden, daß die Ausrichtung eines Seienden auf eine menschliche Tätigkeit oder Intention der Konstitutionsgrund des Seienden ist. d) Der Ausweis des „Sinnes" als Konstitutionsgrund impliziert den Verzicht auf die Voraussetzung der ursprünglichen Selbstständigkeit des Seienden am Grunde jeder aus einem Zusammenhang mit „anderem" erwachsenden Bestimmung. Er impliziert den Verzicht auf den Seinssinn der Subsistenz (und die Begründung dieses Verzichtes). 6. Diese Anforderungen werden in keiner Veröffentlichung zur Transsignifikationslehre auch nur reflektiert 61 . Sie dienen als Vorgabe für die folgende Analyse ausgewählter, exemplarischer Stellungnahmen von Vertretern der Transsignifikationslehre, die jeweils als Versuch gelesen werden, der Bedingung zu genügen, Sinngehalt und Bedeutung in einer solchen Tiefe zu verstehen, daß sie auswechselbare Begriffe für Wesen werden 62 . Dabei muß allerdings mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß der Begriff „Sinn" oder seine Äquivalente anders als hier angenommen bestimmt werden, so daß sich das Problem verschieben könnte. Es wird sich sogar zeigen, daß im Rahmen der Transsignifikationslehre gänzlich unklar ist, was mit „Sinn" eigentlich gemeint ist. Das Grundproblem ist also dies, daß die ontologische Dignität eines Wandels ausgewiesen werden soll, der ein Wandel einer Zuordnung des Seienden zu einer menschlichen Verwendung, bzw. der dem Seienden aus dieser Zuordnung erwachsenden Bestimmungen ist. Die Voraussetzung ist der Aufweis der ontologischen Dignität dieser Ausrichtung auf eine menschliche Verwendung überhaupt. Es gibt nun im Rahmen der Transsignifikationslehre drei Varianten dieser Identifikation: Erstens wird die These dahin ermäßigt, daß behauptet wird, diese Identität von menschlichem Sinn und Wesen treffe nicht für alles Seiende, sondern nur für die Exemplare der Seinsregion der Kulturgegenstände zu 63 . 61 Eine gewisse Ausnahme stellt hier B.Welte, Diskussionsbeiträge S. 190f dar, s. dazu unten S. 183, Anm. 85. 62 W.Beinert, Enzyklika S. 172 - die Bedingungen werden auch hier nicht expliziert. 63 Z.B. Ch.Davies, Presence S. 174f; B.J.Hilberath, Substanzverwandlung S. 148; G.Hintzen, Zeichenwirkung S. 112-114, der allerdings die kulturelle Sinngebung für ontologisch nicht eindeutig konstitutiv hält, vgl. ders., Transsignifikation S. 196-201. 207f; ders., Gedanken S. 292, spez. Anm. 54; ders., Diskussion S. 198-203; O.H.Pesch, Gegenwart S. 82 u.ö.; J.Ratzinger, Problem S. 152; G.B.Sala, Transsubstantiation S. 38 u.ö.; E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 84-90 (nl. II S. 378-382), es handelt sich hier allerdings um eine komplexe Position, vgl. die Analyse in diesem Abschnitt (I C IV);

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Zweitens wird durch die Unterscheidung und Zuordnung von göttlicher und menschlicher „Sinnstiftung" oder „Sinnwandlung" die ontologische Dignität des „Sinnes" theologisch abgesichert64. Drittens wird der Versuch unternommen, akzidentelle von substantiellen „Sinnstiftungen" und „-Wandlungen" zu unterscheiden und so bestimmten Sinnwandlungen ontologisches Ansehen zu verschaffen 65 . Die Analyse der drei Varianten wird in den folgenden drei Abschnitten (CIII-V) vorgenommen.

C III G.B. Sala: Inkarnation des menschlichen „Sinnes" Eine ganze Reihe von Vertretern der Transsignifikationslehre betrachten die konstitutive Funktion des „menschlichen Sinnes" als Eigenheit einer Seinsregion, des Bereiches nämlich der Kulturprodukte; diese werden zumeist als „hylomorph" strukturierte Einheiten von „Materie" und „Sinn", als „Inkarnationen" menschlicher Intentionalität oder „Sinngebung" bezeichnet, die durch diese Sinngebung wesentlich bestimmt sind: „... allereerst is de stoffelijke werkelijkheid wat ze is, door de „bestemming" die de mens eraan gegeven heeft, de „functie" die ze vervult in de zelfverwerkelijking van de mens, in haar „Zuhanden-sein"."66 S.Trooster, Transsubstantiatie S. 740-742; A.R.v.d.Walle, Reflectie S. 204, vgl. aber 205. 64 Diese Variante tritt zuweilen in Verbindung mit der vorangehend genannten auf, vgl. Ch.Davies, Presence S. 175f; J.de Baciocchi, Présence S. 149-154; 156f; 160f; G.Hintzen, Gedanken S. 292, spez.Anm. 54; ders., Diskussion S. 203-213; F.-J.Leenhardt, Réflexions S. 90; ders., Présence S. 166-170; ders., Corps S. 30-33; G.B.Sala, Transsubstantiation S. 17-27. Es wird auch auf andere die ontologische Dignität der Sinnstiftung verbürgendeSubjekte derselben verwiesen: auf die Kirche rekurriert J.B. W.M.Möller, TranssubstantiatieS. 7, vgl. auch B.Welte, DiskussionsbeiträgeS. 194;E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 84ff (ni. II S. 378ff); ders., Transsubstantiation S. 337; A.Vanneste, Bedenkingen II S. 345-347. 65 Besonders G.Hintzen, Diskussion S. 213-219, unter Bezugnahme auf E.Gutwenger, Geheimnis S. 196 (G.Hintzen, ebd. S. 218, Anm. 27) und auf B.Welte, wo sich diese Unterscheidung allerdings so nicht findet (G.Hintzen, ebd. S. 213 Anm. 23); vgl. ders., Gedanken 299f und Transsignifikation S. 200f. 66 S.Trooster, Transsubstantiatie S. 741, vgl. 742; so oder ähnlich fast alle oben, Anm. 63, genannten Stellungnahmen; eine Ausnahme im Rahmen der Transsignifikationslehre stellt B.Welte, Diskussion S. 192 dar. Zum Rekurs auf das Verhältnis von „Form" und „Materie" vgl. die im folgenden diskutierten Stellungnahmen und noch: J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 4; u.ö.

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Das häufig genannte Zentralbeispiel ist auch hier das Verhältnis der menschlichen Person zum menschlichen Leib, das als Grundmodell für das menschliche Verhältnis zur materiellen Welt überhaupt gilt 67 . Es wäre sinnlos, die Positionen im einzelnen abzuschreiten; ich beziehe mich hier auf die am weitesten reflektierte Stellungnahme von G.B.Sala68, die allerdings nur so weit in Betracht gezogen wird, wie sie sich mit dem zur Diskussion stehenden Problem befaßt. 1. Die Voraussetzungen Salas - insbesondere der Neuthomismus von B.Lonergan und, nach meinem Eindruck, die Unterscheidung und Zuordnung von Geistes- und Naturwissenschaften bei W.Dilthey - tragen zum Verständnis des Aufsatzes so wenig bei, daß sie hier vernachlässigt werden können 69 . Ich umreisse zunächst das Anliegen und die Intention des Aufsatzes und wende mich dann den für das ontologische Problem entscheidenden Aspekten zu: Den Ausgangspunkt der Darstellung bildet eine Unterscheidung der Seinsregionen von „Natur" und „Kultur", die der Unterscheidung zweier „Richtungen" der menschlichen Intentionalität entspricht: des Erkennens als Entschlüsselung der internen Intelligibilität des Seienden, und der „Selbstverwirklichung" des menschlichen Geistes durch Selbsttätigkeit in der Materie. 67 Z.B. J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 4; G.B.Sala, Transsubstantiation S. 5; E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 65f (ni. H, S. 364f). 68 Eine referierende Analyse der wichtigsten Positionen liegt vor bei G.Hintzen, Diskussion S. 36-191, vgl. auch die oben genannten referierenden Darstellungen (S. 42, Anm. 28); im folgenden liegt zugrunde: G.B.Sala, Transsubstantiation, der die ausführlichste Analyse der Konstitution der „kulturellen" oder „menschlichen Welt" bietet. Seitenverweise im Text beziehen sich im folgenden auf diese Veröffentlichung. 69 Die Einleitung des Aufsatzes (bes. 2f) referiert die Begründung der Metaphysik im Ausgang von der Analysedes Erkenntnisprozesses von B.Lonergan (vgl. B.Lonergan, Insight; vgl. dazu St.W.Arndt, Lonergan); Sala bezieht sich dort auf Thesen, die er in einer ausführlichen vergleichenden Analyse des Ansatzes Coreths und Lonergans in einer früheren Veröffentlichung erarbeitet hatte (G.B.Sala, Seinserfahrung bes. S. 300305.306-332); die Bezugnahme auf Dilthey sehe ich in der Unterscheidung von Geistesund Naturwissenschaften (bes. Transsubstantiation S. 6-8; vgl. auch ausführlicherders., Neoscolastica S. 300-307.309-312; vgl. dazu W.Dilthey, Aufbau S. 89-143 zu Neoscolastica 300-307); zur „introspektiven Methode" Salas (Transsubstantiation S. 7, Neoscolastica S. 309-312) vgl. W.Dilthey, Aufbau S. 164. 236ff, dazu auch W.Anz, Hermeneutik S. 77ff; auch das Verständnis des „Sinnes" als „Objektivation des Geistes" findet Parallelen bei Dilthey: ebd. S. 89f. 95-97.139-143.177ff, bes. 180!. 252ff, bes. 256-258, vgl. 287-293. Dilthey wird bei Sala allerdings nirgends ausdrücklich erwähnt, es dürfte sich um eine oberflächliche Bekanntschaft handeln, die nicht dazu berechtigt, Dilthey zur Interpretation und Aufklärung der Ausführungen Salas eine konstitutive Rolle zuzuweisen.

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Das Verhältnis der beiden Seinsregionen bestimmt Sala so, daß die zunächst allein dem Erkennen gegebene „Natur" durch den menschlichen Geist im Vollzug der genannten „Selbstverwirklichung" überformt werde und so ein sinnerfülltes, in irgendeiner Weise durch diese Geistestätigkeit bestimmtes Seiendes werde. Sein Grundanliegen besteht darin, nicht nur die ontologische Eigenständigkeit des so entstehenden Bereiches der Kultur gegenüber der „Natur" herauszustellen, sondern vielmehr dessen Höherwertigkeit zu begründen 70 . Diese Begründung versucht einem Fehler aller bisherigen Theologie zu steuern: deren Grundproblem, das auch eine befriedigende Eucharistielehre bislang unmöglich gemacht habe, liegt nach Sala darin, daß sie den Maßstab für „Realität" - und dementsprechend den Maßstab für die ontologische Dignität eines Seins- oder Wesenswandels - der „Welt der Natur" entnommen bzw. in Analogie zu natürlichen Verwandlungen gedeutet habe. Daher stellt sich nach Sala die Alternative von Transsubstantiation und Transsignifikation so dar, daß es sich um zwei gleichermassen mögliche Modelle der Deutung der Verwandlung von Brot und Wein handelt, deren erstes, die Transsubstantiation, diese Verwandlung in Analogie zur „Welt der Natur" deutet, während das zweite, die Transsignifikation, die Welt der Gnade und der Sakramentalität in Analogie zur Sinnstiftung in der Welt der menschlichen Kultur (und damit angemessener) zu erfassen sucht 71 . Zu diesem Zweck muß der Bereich der „Kultur" als Wirklichkeitsbereich eigener ontologischer Dignität ausgewiesen und gegen Einwände gegen diese Dignität stabilisiert werden, die, so meint jedenfalls Sala, nur daher rühren könnten, daß die nur für den Bereich der „Natur" gültigen Maßstäbe unreflektiert auf den Bereich der „Kultur" übertragen werden. Sala bemüht sich daher, den Bereich der Kultur als eigenen Zugangsbedingungen und eigenen Kriterien der ontologischen Dignität unterliegenden Wirklichkeitsbereich auszuweisen und ihn so gegen eine Kritik der ontologischen Dignität eines naturwissenschaftlich nicht faßbaren, oder nicht einmal beschreibbaren Wandels zu immunisieren: Er ordnet nämlich nun die genannten Seinsregionen, eindeutig inspiriert von den genannten entsprechenden Ausführungen W.Diltheys, unterschiedlichen Wissensehaften zu: den Bereich der Natur den die interne Intelligi-

70 G.B.Sala, Transsubstantiation S. 3-5 zu den beiden „Richtungen der menschlichen Geistestätigkeit"; S. 3f zur „Überformung" der Natur, weitere Belege und eine kritische Analyse s.u.; zum Anliegen der Begründung der ontologischen Dignität der Welt des Geistes: S. 4f. 7f. 9f. 17f. 71 Vgl. zur Alternative, die tatsächlich eine der Beliebigkeit unterworfene Wahlmöglichkeit zu sein scheint: ebd. S. 9f. 12. 14-16.17f. 32 etc.

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bilität des Seienden entschlüsselnden Naturwissenschaften, den die kulturellen Entitäten und deren menschlichen Sinn introspektiv rekonstruierenden Geisteswissenschaften hingegen den Bereich des kulturell geprägten Seienden: „Heute interessiert sich die Wissenschaft für jeden Bereich der Realität; deswegen ist sie vornehmlich damit befaßt, Untersuchungsmethoden zu entwickeln, die das systematisch zu erfassen vermögen, was den verschiedenen Bereichen eigentümlich ist. Die von unserem Gesichtspunkt aus bedeutsamste Konsequenz daraus ist, daß die moderne Wissenschaft den Menschen nicht nur in seinem unveränderlichen Wesen oder seiner Natur, d. h. in seiner Struktur untersucht, sondern auch in jeder Erscheinung, die seine konkrete Existenz auszeichnet. Zu diesem Zweck hat die Wissenschaft den Unterschied zwischen Natur- und Geisteswissenschaften thematisiert, um die Welt des Geistes systematisch zu erfassen und mit eigenen Kategorien zum Ausdruck zu bringen. Während in den Naturwissenschaften die Sinnesdaten rein als gegeben den Ausgangspunkt darstellen, ist in den Geisteswissenschaften das Gegebene, das Datum eine Realität (Wort, Symbol, Denkmal), die schon einen Sinn in sich trägt. Nun ist der Sinn unabdingbar eine subjektive Wirklichkeit. Deswegen gibt es keine Erkenntnis der Welt des Sinnes, die nicht Interpretation ist, d. h. Erkenntnis des Sinnes, den andere meinten und verwirklichten, wobei der Interpret von seinem Horizont des Sinnes ausgeht. Den eigenen Sinn vermag man aber nur mit einer introspektiven Methode zu erfassen: indem man seine Aufmerksamkeit der eigenen Realität als der eines bewußten Subjekts zuwendet." (S. 7) Das Ziel dieser Differenzierung der Wissenschaften, die hier im einzelnen gar nicht interessiert 72 , ist der Ausweis der Möglichkeit eines eigenen Kriterien und Kategorien der Wirklichkeit unterliegenden Zuganges zur Realität des kulturell geprägten Seienden. 2. Die Behauptung Salas, daß die „ontologische Dichte" (S. 6) der durch die menschliche Sinngebung geprägten Welt und der ihr zugehörigen Entitäten höher sei als die der Welt der Natur hat das Kriterium ihrer Wahrheit natürlich daran, wie das Verhältnis von „Natur" und „Geist" bzw. „Sinn" in der Beschreibung der Konstitution derartiger Entitäten gefaßt

72 Vgl. im einzelnen ebd. S. 5f. 6-8 und ders., Neoscolastica. Die Frage, ob die sich im gebotenen Zitat andeutende „Hermeneutik" eine sinnvolle Position darstellt, können wir getrost auf sich beruhen lassen; ich merke nur an, daß der Gegenstand der Naturwissenschaften an anderer Stelle in demselben Aufsatz nicht - wie es hier (in der Abgrenzung gegen den der Geisteswissenschaften) klingt - als das „sinnlose" Gegebene bestimmt wird, sondern als ein mit einer internen (göttlichen, S. 25) Intentionalität ausgestattetes Seiendes. Die Aufgabe der Naturwissenschaften sei so die Entschlüsselung dieser Intelligibilität (S. 8. 2f und 4).

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wird; der Bestimmung dieses Verhältnisses bei Sala soll daher im folgenden nachgegangen werden: 2.1 Das Fundament aller folgenden Begründungen Salas ist die - völlig traditionelle - These, daß der Bereich des „Geistes" eine gegenüber der „Natur" von vornherein höhere Stufe der Realität darstellt; im Hintergrund dürfte die thomasische Zuordnung der intelligiblen Wesen und der Materie stehen, denn Sala verweist auf die „ ... Einsicht, daß das Sein vor allem und im eigentlichsten Sinne Geist ist, obgleich die erste und angemessene Realität für unsere Erkenntnisfähigkeit die stoffliche Realität ist. Dadurch wird neben der Welt der Natur die Welt des Menschen anerkannt, deren ontologische Dichte der Natur gegenüber größer ist." (S. 6) Es werden hier zwei Seinsregionen angenommen, Geist und Natur, die im Verhältnis einer Antithese oder mindestens des Nebeneinander zu stehen scheinen. Es bleibt dabei aber, auch im Kontext, ganz unklar, anhand welches Kriteriums sich eigentlich diese „höhere ontologische Dichte" bemißt, denn es ist nicht deutlich, inwiefern die Antithese auf ein beide „Regionen" verbindendes Drittes - das „Sein", die „Realität", eine „ontologische Dichte" - hintergehbar sein sollte, das erlaubte, die Differenz durch eine Gradabstufung zu vermitteln. Ich komme auf dies Problem, die Frage nämlich, was Sala eigentlich mit „Sein" meint, zurück. Der Bereich der „Natur" scheint mit dem identifiziert zu werden, was man gemeinhin als „Materie" bezeichnet: die „stoffliche Realität". Unter „Geist" wiederum versteht Sala - gleichfalls traditionell - „Intelligibilität" und „Spontaneität", das heißt: die Fähigkeit (und zwar die in rechter Weise ausgeübte Fähigkeit, vgl. das folgende Zitat) zur Erfassung der internen, dem Verstehen zugänglichen Struktur des Seienden auf der einen, und die Fähigkeit (wieder: die in rechter Weise ausgeübte Fähigkeit) zum Fassen und Verwirklichen von engeren oder weiteren „geistigen" (S. 4) Absichten (ich spreche mit Bezug darauf im folgenden von „Intentionen") auf der anderen Seite; es handelt sich genauer also um Rationalität und Sittlichkeit: „Wenn wir die „Materie" oder den „Stoff 1 angeben wollen, aus dem der Geist besteht, das also, was der Geist ist und nicht einfach das, was er schafft, dann werden wir sagen: es ist die Intelligibilität und Wahrheit des Erkennens und die Moralität des Wollens. Was häufig als „bloß" intentionale Realität bezeichnet wird, das ist die dem Geist eigentümliche Realität." (S. 3, vgl. S. 5) Es tritt hier also der schon aus dem vorangehenden Abschnitt (I B) bekannte Gegensatz von „res extensa" und „res cogitans" (im weitesten Sinne) wieder auf.

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2.2 Sala behauptet nun, daß sich die menschliche Intentionalität in der Weise verwirklicht, daß sie sich des natürlichen Seienden bedient und dieses im Verlauf dieser Verwirklichung so prägt, daß es zu einer „höheren" Wirklichkeitsstufe aufgeführt wird. Es entsteht auf diese noch näher zu untersuchende Weise ein „Kulturprodukt", ein durch menschliche Intentionalität geprägtes Seiendes, das eben durch diese Intentionalität so tiefgreifend bestimmt ist, daß eine Änderung dieses Sinnes auch dann, wenn der naturwissenschaftlich zugängliche Gehalt unverändert bleibt, eine Wesensänderung sein kann: „Um festzustellen, was die Welt des Sinnes sei, kann einer eine ganze Skala von Sinnstiftungen durchgehen. Immer wird er eine Bewegung finden, die vom Menschen ausgeht, der sich als Subjekt verwirklicht, und die bei der Welt des Menschen endet, wo die Natur eine neue und höhere ontologische Dimension erreicht. Der innere Liebesakt will sich jene immerwährende Lebensgemeinschaft schaffen, wie sie die eheliche Verbindung darstellt; die Achtung gegenüber der anderen Person verwirklicht sich in einem Rechtskodex... Infolgedessen bedeutet eine Sinnänderung hier nicht bloß eine Veränderung einer äußeren Benennung, einer Bezeichnung, die mehr oder weniger zu einer in sich schon festliegenden Realität gehört, sondern Veränderung oder Verwandlung der Realität selbst." (S. 6) Das durchgehend wiederholte Argument Salas für die Behauptung, daß diese „Sinnhaftigkeit" und ihre Veränderungen „ebenso real" sei wie die naturwissenschaftliche Realität, besteht darin, daß ein Kulturprodukt eben genau dann nicht als solches erfaßt wird, wenn es auf seine naturwissenschaftlich faßbaren Aspekte reduziert wird; es ist in irgendeiner Weise „mehr", und der Verweis auf dies „mehr" dient Sala als Beleg für seine Behauptung 73 . Die Eigenheit dieser durch eine menschliche Tätigkeit geprägten natürlichen Gegenstände ist jedenfalls die, daß sie durch einen „Sinn", eine menschliche Intentionalität wesentlich geprägt sind so, daß dies Seiende erst dann eigentlich erfaßt ist, wenn diese in ihm „verwirklichte" Intentionalität wahrgenommen ist, die allerdings kein Gegenstand empirischer, d. h. naturwissenschaftlicher Erkenntnis ist. Dem Verhältnis muß näher nachgegangen werden. Ich frage also nun nach dem in der kulturellen, intentionalen Tätigkeit entstehenden Produkt aus „Natur" und „Sinn": 2.3 Das Verhältnis von „Sinn" und „Natur" wird von Sala in Analogie zum Verhältnis von „Materie" und „Form" beschrieben:

73 Vgl. die Beispiele S. 6 und S. 5 sowie 17f; das Argument ähnelt den oben analysierten Belegen für das Realsymbol (s.o.S. 123).

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„ ... da dem Menschen die Dimension der Objektivierung in der Materie immanent ist, muß sich auch der Sinn, den er meint, in der sinnenhaften Wirklichkeit objektivieren, nicht um sich zu entfremden, sondern um sich zu verwirklichen. Der Sinn, den der Mensch für sein Leben entworfen hat, erschöpft sich nicht in einem inneren Willensakt, der dem Urteil folgt; um sich nicht in ein bloßes Wollen zu verlieren, muß er sich in einem Handeln innerhalb der irdischen Wirklichkeit inkarnieren: in einem Wort, das an jemanden gerichtet wird, in einer Geste und über diese momentanen Äußerungen hinaus in dauerhaften Wirklichkeiten: im geschriebenen Wort, in einem Kunstwerk, in irgendeiner menschlichen Einrichtung. Auch der zweite Bezug [i.e. des Menschen zur Natur neben dem Erkennen, N.S1.] richtet sich mithin auf ein Kompositum aus Materie und Form. Aber hier ist die Form, d.i. die innere Komponente, die bewirkt, daß die Materie zu einer solchen Realität gelangt, nichts anderes als der Sinn, den der Mensch meint. Die menschliche Realität ist ein Kompositum aus Natur und Sinn; sie entspricht dem Menschen selbst, für den seine menschliche Natur, das Kompositum aus Seele und Leib, nur die Materie darstellt, die von der eigenen wahren Erkenntnis und der freien und verantwortlichen Entscheidung „informiert" und so zur ontologischen Stufe der Person geführt werden muß." (S. 4f) Zunächst ist in Auslegung dieses Zitates zu fragen, was genau Sala eigentlich unter „Sinn" versteht: Offensichtlich meint Sala damit einerseits die Wirklichkeit des Geistes selbst, nämlich ein „Wollen", ein „Abzielen auf...", eine Intention, die sich der Mensch zur Verwirklichung vorsetzt, und in deren Verfolg und Durchführung er sich selbst „verwirklicht". 74 In eben demselben Sinne spricht Sala vom „... Sinn, der der Geist ist..." (S. 3); offensichtlich ist „Sinn" hier dasjenige, was den Menschen als Geist auszeichnet - im Zusammenhang der kulturellen Tätigkeit, die Sala als Element des „Willens" behandelt 75 : das Wollen, der Vorsatz, die Intention. Es schwingt aber neben dieser Bedeutung, die auf eine inhaltlich nicht näherbestimmte anthropologische Ausstattung abhebt, weiter die inhaltliche Füllung dieses Vorsatzes mit: der (nähere oder weiterreichende) „Lebensentwurf': so spricht im obigen Zitat Sala vom „Sinn, den der Mensch für sein Leben entworfen hat".

74 „Womit der Mensch sich selbst und seine Welt schafft, das ist der Sinn: jener suchende und sich entfaltende Sinn, der, wie wir sagten, der Menschselbst ist." Ebd. S. 4. 75 Sala ist offenbar der Meinung, daß sich der „Dynamismus" des menschlichen Geistes in doppelter Weise, als Erkennen (Rezeptivität oder operative Intelligibilität (S. 4 und S. 3f)) und als „Wollen" auswirkt (S. 4): S. 4, Mitte. Zur Zuordnung der kulturellen Tätigkeit zum „Wollen" vgl. S. 4, spez. unten die Rede vom „Willensakt" und vom „bloßen Wollen".

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Drittens aber handelt es sich um eine bestimmte, jedoch noch nicht ausgeführte Intention oder Willensausrichtung des Menschen, die zunächst offenbar ein blosses Wollen, ein Vorsatz ist. Insgesamt ist „Sinn" somit verstanden als eine zunächst immanente, inhaltlich näherbestimmte Absicht oder Intention eines geistigen Wesens, bzw. dessen Ausstattung mit der Fähigkeit zu solchen Absichten und Intentionen. Neben dieser „anthropologischen" Bedeutung von „Sinn" als „menschliche Ausstattung" aber verwendet Sala - wie im eben gebotenen Zitat den Begriff „Sinn" mit Bezug auf das Seiende, die „Kulturgegenstände", die durch einen „Sinn" geprägte Seiende sind, also einen „Sinn haben". Dieser „Sinn" soll nun nach Ansicht Salas offensichtlich eine Art „Niederschlag" des zunächst genannten „Sinnes" sein, so daß jenes „Wollen", jene „Absicht" an dem Seienden, das kulturell geprägtes Seiendes ist oder werden soll, die Rolle der „Form" übernimmt, die eine Materie prägt. Dies könnte nun einerseits in dem oben (C II) skizzierten Sinne verstanden werden, daß das Seiende - in den Vollzug einer menschlichen Intentionalität aufgenommen - innerhalb dieser Intentionalität einen „internen Sinn" gewinnt, eine Bestimmtheit aus einer Ausrichtung auf diese Intentionalität; in diesem Sinne wären einige der Beispiele, die Sala bietet, durchaus verstehbar (z. B. S. 17f und S. 30f). Dann würde es sich um eine Bestimmung des Seienden handeln, die ihm aufgrund einer Zugehörigkeit zu einem „menschlichen Lebensvollzug" als Moment zukommt: sein „Zweck" oder seine „Funktion" und „Bedeutung" im Zusammenhang dieses Vollzuges. Doch Sala versteht das Verhältnis anders: er zielt im zuletzt gebotenen Zitat ganz eindeutig auf eine Identifikation des „Sinnes" (der menschlichen Intention) und des „Sinnes des Seienden" ab, und zwar so, daß der „Sinn" (im Sinne der menschlichen Intentionalität) dem Naturgegenstand als dessen „Sinn" mitgeteilt wird.76 So erscheint nun - wie auch im oben gebotenen Zitat-der „Sinn" des Seienden bzw. die Sinnstiftung als eine Art „Mitteilung" der menschlichen Intentionalität selbst, deren Status nicht recht einleuchten will, weil damit der Sinn von „Sinn" ganz unklar wird: Ich exemplifiziere dies anhand eines Beispiels, das Sala selbst vorträgt (S. 6 oben): Was ist der „Sinn" eines Dokumentes, mit dem ich eine Besitzübertragung vornehme? Zunächst antwortet man: „Besitz zu übertragen", man bezeichnet also genau die Intention, die derjenige sich vorsetzt, der das Dokument aufgesetzt hat - es scheint nicht unsachgemäß zu sein,

76 Vgl. neben dem Zitat oben S. 174: S. 7. 18. 22. 23f. 25.

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wenn man behauptet, diese Intention habe sich selbst im Seienden niedergeschlagen. Bei genauer Nachfrage allerdings würde man doch wohl einräumen, daß der „Sinn" eines Dokumentes nicht das Übertragen eines Besitzes ist, sondern die Dokumentation dieser Übertragung, es hat im Rahmen einer Besitzübertragung die Funktion, diesem Akt die Rechtsform zu verleihen. Denn es ist ja nicht so, daß sich irgendwie die Absicht des Überträgers nun als „Form" oder als FormAnalogon „in" dem Seienden befände. Vielmehr handelt es sich um den Vollzug einer Intention, der bestimmte Entitäten und weitere leibliche Vollzüge als Medium der Verwirklichung zugeordnet sind, die im Vollzug dieser Absicht einen bestimmten eigenen Sinn gewinnen. Die die Erstellung des Dokumentes (oder von was immer) leitende Absicht ist aber - genaugenommen - nicht der „Sinn" des Seienden, sondern der „Sinn" des Seienden ist die Funktion, die es im Vollzug jenes Absehens erfüllt. Der „Sinn" im Sinne des gefaßten Vorsatzes ist die Quelle des Sinnes, den das Seiende im Zusammenhang dieses Vollzuges gewinnt. Ähnlich ist - ein weiteres Beispiel Salas - der „Sinn" eines Rechtskodex, der die Achtung vor der Person des anderen „verwirklichen" soll, nicht die Achtung der Person des anderen, sondern die Wahrung der Achtung der Person des anderen. Er hat innerhalb der Absicht, der Person des anderen den ihr zukommenden Schutz zu verschaffen, eine Funktion, nämlich den, die Rechte der Personen gegeneinander zu definieren und deren Verletzung mit Sanktionen zu bedrohen. Die „Achtung der Person des anderen" ist aber ganz deutlich nicht der „Sinn" des Rechtskodex, so würde man nie sagen, sondern diese Achtung ist der Grund für die bestimmte Funktion, die der Kodex hat: die Achtung zu wahren. Sala hingegen verbindet den „Sinn des Seienden" mit dem „Sinn" im Sinne der zur Verwirklichung gelangenden Absicht so, daß er beides identifiziert: Der Sinn des Seienden sei diese menschliche Intentionalität selbst; es bleibt aber dabei gänzlich unklar, wie denn eigentlich eine derartige menschliche „Absicht" ein Form-Analogon sein sollte, das, einem natürlichen Seienden mitgeteilt, dieses prägt und bestimmt. Wie sollte man es sich vorstellen, wenn Sala im oben gebotenen Zitat schreibt, daß sich ein menschlicher Sinn (im Sinne einer menschlichen Absicht) im natürlichen Seienden „inkarniert" und nun dessen „Sinn" darstellt? Inwiefern und durch welche Operation ist denn nun der menschliche Sinn (im Sinne einer „Absicht") eine „innere Komponente" einer „Materie"; inwiefern ist weiter der „Sinn, den der Mensch meint" in der sinnenhaften Wirklichkeit „objektiviert"? Richtig daran ist, daß der Verfolg einer Absicht die Grundlage des „Sinnes" eines Seienden ist oder sein kann, indem sie den Zusammenhang, in dem das Seiende einen Sinn gewinnt, darstellt oder konstituiert - beides ist daher zweifellos auf's engste verbunden. Daß aber die vom Menschen

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realisierte „Absicht" der Sinn des in den Zusammenhang der Realisierung aufgenommenen Seienden ist, ist einfach nicht richtig. Vielmehr ist der „Sinn" dieses Seienden die Bestimmtheit, die dem Seienden als Moment dieses Zusammenhanges zukommt; man kann vom „menschlichen Sinn" eines Seienden im Sinne einer „Funktion" die es für den Verfolg der spezifischen Intentionen eines menschlichen Lebens spielt, sprechen, nicht aber davon, daß dieser Vollzug der „Sinn" dieses Seienden selbst sei - so wenig wie davon, daß dieser Vollzug der Sinn dieses Seienden in der Weise sei, daß der Vollzug dem Seienden in irgendeiner Weise mitgeteilt werde. 2.4 Der Grund für diese Unklarheit liegt vermutlich doch darin, daß Sala eine rein externe Konstitution des „Sinnes" des Kulturgegenstandes vermeiden will, die eben dann vorliegt, wenn der „Sinn" eines Seienden eine sich aus dem Zusammenhang des Seienden mit anderem seiner selbst ergebende Bestimmung ist; er ist somit genötigt, diesen Sinn in irgendeiner Weise als am „Seienden selbst" identifizierbar auszuweisen und kennzeichnet ihn daher als mitgeteilte „Form" des Kulturgegenstandes, deren ontologischer Status aber ganz unklar bleibt. Dieselbe Unklarheit prägt weitere Veröffentlichungen zum Thema77 und wird unten in Abschnitt (C V) an einem weiteren Beispiel untersucht werden. Sala versteht also unter dem „menschlichen Sinn" des Kulturgegenstandes die menschliche Intention selbst, während der Sinn des Seienden eigentlich - d. h. im oben umrissenen gängigen Sprachgebrauch - die „Ausrichtung" des Seienden auf eine bestimmte menschliche Intention im Verfolg von deren Verwirklichung ist. Ich rechne im folgenden mit der Möglichkeit, den Begriff „Sinn" auch in dieser zuletzt genannten Weise zu verstehen, und überprüfe an den entscheidenden Stellen, ob die Aussagen Salas unter der Voraussetzung dieses „zweiten" Sinnbegriffes an interner Schlüssigkeit gewinnen. Es ist abgesehen von dieser Unklarheit aus dem zuletzt fortlaufend ausgelegten Zitat jedenfalls auch deutlich geworden, daß Sala das kulturelle Seiende als „Kompositum" aus Natur und „Sinn" betrachtet, in dem eine Intention eines „geistigen" Wesens „sich" im materiellen Seienden als dessen Form prägend niederschlägt. Der Beschreibung dieses Verhältnisses ist nun näher nachzugehen, denn hier liegen erst die eigentlichen Probleme:

77 Vgl. etwa J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 4f. 8f; vgl. zu G.Hintzen, Diskussion unten (C V); A.R.v.d.Walle, Reflectie S. 204; unklar ist S.Trooster, Transsubstantiatie S. 741, ebenso Ch.Davies, Presence S. 174f.

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3. Salas Intention ist der Nachweis, daß auch, und mehr noch: daß gerade dem Bereich des „Geistes" und der von geistigen Intentionen geprägten Entitäten „Realität" eigen sei (S. 6.9f. 17f); daraus ergibt sich das Problem der Position: 3.1 Das im folgenden zu entfaltende Grundproblem der Position Salas deutet sich schon darin an, daß der naturwissenschaftliche Zugang zum Seienden jede Entität, auch die Kulturprodukte - diese allerdings nicht adäquat als Kulturprodukte - zu erfassen vermag, während den Geisteswissenschaften der erkennende Zugang zu nicht durch die menschliche Geistestätigkeit geprägtem Seiendem verschlossen ist. Damit ist der Bereich der Natur bzw. des naturwissenschaftlich Faßbaren die auch noch die Kulturgegenstände umgreifende Seinsregion; in ähnlicher Weise stellt S.Trooster - Heidegger völlig verkennend - fest: „Natuurlijk leiden de stoffelijke dingen ook een eigen bestaan, „Vorhandensein" zegt Heidegger. Het „Zuhanden-sein" veronderstelt zelfs dit „Vorhandensein"."78 Die These, daß der kulturelle Sinn eines Seienden auf einer Ebene subsistenter Natur aufbaue, durchzieht alle Veröffentlichungen zur Transsignifikationslehre, die sich mit dieser Rekonstruktion der Rede vom „Wesen" des Seienden befassen 79 ; doch dies ist nicht unproblematisch: 3.2 Sala stellt fest, daß der menschliche „Sinn" oder die „geistige Intention" sich zum Zweck ihrer Objektivation natürlicher Entitäten bedient, die Sala als substantial konstituiertes Seiendes in dem Sinne bezeichnet, daß dieses Seiende seinerseits die Verwirklichung einer „Form", einer bestimmten Intelligibilität, in einer Materie darstellt; Sala hält dabei ausdrücklich am aristotelischen Substanzbegriff fest: „ ... es ist keineswegs wahr, daß die Krise den ursprünglichen aristotelischen Substanzbegriff betrifft. Indem der Physiker die Sinnesdaten analysiert, eine bestimmte Intelligibilität in ihnen erforscht und zur Nachprüfung schreitet, verwirklicht er innerhalb seines methodischen Kontextes das, was die Grundein-

78 S.Trooster, Transsubstantiatie S. 741, vgl. f; zu Heidegger unten II C II. 79 Zu G.Hintzen, Diskussion s.u. (C V); zu E.Schillebeeckx, Gegenwart s.u. (CIV); zu S.Trooster, Transsubstantiatie s. Anm. 78; vgl. weiter z.B. Ch.Davies, Presence S. 174f; P.Schoonenberg, Mysterie S. 14-17, bes. 14. 16f; O.H.Pesch, Gegenwart S. 82 spricht ebenfalls vom natürlichen „Material"; C.O'Neill, Transsignification S. 206f; A.R.v.d. Walle, Reflectie S. 204. 206f; u.ö. Eine Ausnahme macht hier B.Welte, Diskussionsbeiträge S. 191, der auch das „Ding an sich" als begründet in einem bestimmten menschlichen Umgang mit demselben auszuweisen sucht; der im folgenden auszuweisende Fehler, der der Voraussetzung eines zunächst in sich bestimmten, selbständigen Seienden entspringt, ist aber auch bei Welte nachweisbar (s.u. Anm. 85).

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sieht der aristotelischen Naturlehre darstellt: die objektive Realität dessen, was man erkennt, indem man es versteht." 80

Gemeint ist damit: die im naturwissenschaftlichen Erkennen erfaßte Intelligibilität des Seienden ist selbst ein immanentes Konstitutionsprinzip dieses Seienden: seine Form (S. 3 und 9). Damit bricht das Problem auf: die Welt der Natur am Grunde jeder Sinnstiftung ist eine in sich konstituierte, substantiale Wirklichkeit 81 , „ a u f die ein etwas unklarer „Sinn" aufgestuft wird, der nun dieses „Seiende" wesentlich verändern bzw. in seinem Wesen bestimmen soll, und zwar so, daß es sich zu dem vorausgesetzten natürlichen Seienden als „Form" verhält. Wie aber ist nun das Verhältnis dieser aufgestuften Form zur immanenten, substantialen Form des natürlichen Seienden zu verstehen? Wie sollte solch ein Verhältnis einer als „Form" auftretenden „Sinnstiftung" zu einem natürlichen Seienden anders zu bestimmen sein als so, daß ein substantiales Seiendes eine Näherbestimmung erfährt, eine Sinnaufstufung, deren ontologische Dignität doch vorderhand höchst dubios erscheint; daß sie tatsächlich mehr als zweifelhaft ist, läßt sich zeigen: 3.3 Der Haken der Position liegt nicht eigentlich darin, daß das naturwissenschaftlich Zugängliche überhaupt als „Substanz" mit hylomorpher Struktur expliziert wird, sondern darin, daß angesichts der Behauptung, das Seiende liege als „Naturgegenstand" eigenen Wesens der Sinnstiftung zugrunde, die „Aufstufung" des menschlichen Sinnes nicht mehr als ontologisch konstitutiv ausgewiesen werden kann: „Hat man den Geist aber erst einmal als eine aus sich sinnvolle Realität erfaßt, dann erfolgt eine Art Umkehrung. Das operative Intelligible, das ein jeder von uns als Subjekt darstellt, ist nicht nur Fähigkeit zur Erhellung der Realität, die unabhängig von der bewußten Tätigkeit des Menschen bereits vorliegt, sondern auch das Prinzip, das eine von der Realität der Natur unabhängige [!] Realität schafft: den Menschen selbst und die ihm eigene Welt." (S. 4)

„Sinn" führt, wie entfaltet, einen Bezug zu einer subjekthaften Intelligibilität ein. Was immer dieser „Sinn" ist: er ist - wie auch immer - „inkar-

80 G.B.Sala, Transsubstantiation S. 8f (Kursivierung im Original gesperrt); vgl. 2f, bes. auch 4: Der Geist „ ... ist nicht nur Fähigkeit zur Erhellung der Realität, die unabhängig von der bewußten Tätigkeit des Menschen bereits vorliegt..." (Kursivierung von mir, N.S1.); vgl. auch S. 25. 81 Vgl. ebd. 8-11, wo die unverbrüchliche Gültigkeit des Substanzbegriffes für den Bereich der Natur festgehalten wird: die „Substanz" sei die die Sinnesdaten durchwaltende interne Intelligibilität des Seienden (S. 8f).

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niert" in einer Natur, die genau dadurch ausgezeichnet ist, daß sie unabhängig von der bewußten Tätigkeit des Menschen bereits vorliegt und als solche von einem erkennenden Zugriff erreicht wird. Die mit diesem Zugriff erreichte Intelligibilität ist die dem Seienden selbst eigene, wie ich gezeigt habe 82 . Entscheidend ist es nun, zu sehen, daß die eben zitierte Feststellung Salas, die „Welt des Menschen" sei von der Natur unabhängig, einfach falsch ist: vielmehr erhält nach der Darstellung Salas die „Welt des Menschen" selbst den Charakter der Realität überhaupt erst dadurch, daß sich die spezifisch menschliche Intentionalität „inkarniert": diese Objektivation wird von Sala als „Verwirklichung" bezeichnet, ohne sie „erschöpft sich ... [der Sinn] ... in einem inneren Willensakt", einer „Innerlichkeit", die ein Modus der Irrealität ist, wie Salas Rede vom „bloßen Wollen" zeigt, in dem sich der nicht in der „sinnlichen Wirklichkeit" inkarnierte Sinn „verliert" 83 . Erst durch die Objektivation, so zeigt sich, gewinnt die „Welt des Menschen" Realität, Sein. Grundsätzlich meint „Realität", so ergibt sich daraus, die „Selbstständigkeit" im Sinne der „Unabhängigkeit" vom Zugriff des Intellekts 84 . In diesem Sinne eignet der „Welt des Geistes" im Gegensatz zur Behauptung Salas gerade keine eigene Realität: sie gewinnt „Sein" überhaupt erst in der Objektivation in eine Natur, der diese Selbstständigkeit von ihr selbst her eignet; die „Realität" des Geistes bzw. des „kulturellen Sinnes" ist von einer für sich realen Natur entlehnt, die Realität des Geistes bleibt ohne diese „Inkarnation" unwirklich, „blosses Wollen". Die Behauptung, die Welt des Geistes habe eine höhere ontologische Dichte als die Welt der Natur, deren Begründung das Ziel der Ausführun82 Vgl. ebd. S. 4: „Mit dem Code seines Seinsstrebens entschlüsselt er [der Mensch im Erkennen, N.S1.] die Natur, indem er ihre Intelligibilität erfaßt..."; vgl. S. 2 und 8f; vgl. auch S. 25, w o Sala die interne Intelligibilität als den „Sinn Gottes" zu verstehen scheint. Vgl. das oben S. 171 gebotene Zitat. 83 Alle Zitate aus ebd. S. 4, vgl. das vollständige Zitat oben S. 174. 84 Daran ändert auch die Passage nichts, in der Sala sich mit dem Wirklichkeitsverständnis Kants auseinandersetzt, das er für die Grundlage der Ontologie Schillebeeckx' und dessen Bestimmung des Verhältnisses von Erscheinung und Wirklichkeit hält (ebd. S. 27-33, bes. 29f); Sala wendet dort gegen Kants Ontologie nicht ein, daß dieser Wirklichkeit überhaupt als „Selbstständigkeit" verstehe, sondern daß er sie als das der Verstandestätigkeit vorgegebene Sinnliche verstehe, und daraus die Grundlage für den Ausweis der „Relativität" und „Subjektivität" jeder Erkenntnis schöpfe, die das „Seiende selbst" nicht erreiche, während Sala im Anschluß an B.Lonergan „Wirklichkeit" oder „Sein" als das im rationalen Urteil als Abschluß des Erkenntnisprozesses Erreichte definieren will, das aber als solchermassen Definiertes auch die „Realität" im Sinne des diesem Prozess Vorgegebenen ist.

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gen Salas darstellt, bricht damit in sich zusammen, augenfällig in der schon zitierten Bemerkung über das „bloße Wollen", in dem sich der nicht in der Natur verwirklichte, und das heißt: der nicht durch diese Verbindung Sein und Bestand erst gewinnende, Geist „verliert". Sachlich vertritt Sala genau den „unreflektierten sensistischen Realismus", den er den Gegnern einer ontologischen Dignität der menschlichen Sinnstiftung bzw. der ontologischen Dignität einer Wandlung des menschlichen Sinnes zum Vorwurf macht (S. 5 circa medium und S. 6): „Real" ist nur, was - wie offenbar das materielle Seiende - „Selbstständigkeit" hat, und diese Selbstständigkeit kommt dem Geist eben nur dann zu, wenn er sich mit dem eigentlich Seienden, der Natur im Sinne der Materialität, ins Vernehmen setzt. 3.4 Diese Unselbstständigkeit des Geistes und seiner Intentionen führt nun hinsichtlich der von Sala intendierten Position - die Begründung einer Ebene von Seiendem, für das der „menschliche Sinn" ontologisch konstitutiv (wesentlich) ist - zu prekären Folgen; ich spiele dies im folgenden anhand beider möglicher Bestimmungen der Rede vom „menschlichen Sinn" des Seienden durch, der Deutung also als eine Art „mitgeteilter menschlicher Intentionalität", und der Deutung als die Bestimmtheit des Seienden als Moment eines Zusammenhanges: Selbst wenn man zugeben wollte, daß es sinnvoll ist, von einer Art „Niederschlag" der menschlichen Intentionalität „im" Naturgegenstand zu sprechen, so gilt doch, daß das entstehende Seiende ein von einer Intentionalität gezeichnetes Seiendes ist auf der Grundlage einer „subsistenten Natur", die bereits ohne diese „Sinnaufstufung" nicht nur ist, sondern die zudem über eine Wesensbestimmung verfügt, die ihm auch nach der Sinnaufstufung weiterhin eignet, da das kulturelle Seiende nach Sala der naturwissenschaftlichen Forschung, das heißt: der Frage nach dieser „autochthonen" Intelligibilität, nach wie vor zugänglich bleibt. Damit gilt aber jedenfalls, daß das „Wesen" des Seienden diese „interne", natürliche Bestimmtheit ist und bleibt, während jene „Aufstufung" einer Intentionalität - wie immer man sie sich vorstellen sollte - lediglich eine akzidentelle Näherbestimmung dieses Seienden darstellt, die eben dadurch sich als akzidentell erweist, daß sie ebensogut, d. h. ohne Schaden für den Bestand des Seienden, fortfallen kann. Zweitens ist ein „Sinnwandel" auf dieser Basis niemals ein Wesenswandel, oder ein Wandel von tiefgreifender ontologischer Dignität, da sich die ontologische Dignität doch wohl nur an dem bemessen kann, was dem Seienden sein Sein im Sinne von: sein Bestehen in Selbstständigkeit, gibt: am „natürlichen Fundament" des kulturell geprägten Seienden. Im Blick auf die zweite Möglichkeit der Deutung des Sinnbegriffes ist 181

sofort klar, daß der Versuch, die dem Seienden als Moment eines intentionalen Verhaltens zuwachsenden Bestimmungen als wesentlich und die entsprechenden Wandlungen als ontologisch bedeutsam auszuweisen, daran scheitert, daß hinter diese aus der Einordnung des Seienden in einen „Zusammenhang mit..." entspringenden Bestimmungen zurück immer die Frage nach dem „Seienden selbst" und dessen, jeder „Aussenbeziehung" vorgelagertem, Eigenwesen möglich und vor allem notwendig bleibt, da das Seiende als das grundsätzlich Selbstständige - und als solches in sich wesentlich Bestimmte - gefaßt wird. Es bleibt damit keine Möglichkeit, diesem Seienden eine erst aus einem Zusammenhang mit anderem seiner selbst zukommende Bestimmung als wesentlich aufzureden, denn das Seiende ist als solches gedacht, das auch ohne und vor dieser Bestimmung ist, und in sich selbst wesentlich Bestimmtes ist. 4. Ein Sinn-Wandel auf der Ebene einer so beschriebenen „Welt des Menschen" kann daher nie ontologische Dignität beanspruchen, wie Sala das will: „Infolgedessen bedeutet eine Sinnänderung hier nicht bloß eine Veränderung einer äußeren Benennung, einer Bezeichnung, die mehr oder weniger zu einer in sich schon festliegenden Realität gehört, sondern Veränderung oder Verwandlung der Realität selbst." (S. 6) Die Voraussetzung dafür, daß jener „Sinn" - was immer das sein soll ontologische Dignität gewinnt, ist genau die in diesem Zitat genannte: daß eben dem „Sinn" keine schon in sich festliegende Realität zugrundeliegt. Nun liegt aber der „Welt des Sinnes" als Bedingung von deren Möglichkeit und Wirklichkeit nach Sala selbst immer schon die Subsistenz und interne wesentliche Bestimmtheit der „Natur" zugrunde, die ursprünglicher ist als jede kulturelle Sinngebung, sei diese verstanden als ontologisch ganz unklare „Aufstufung" einer menschlichen Intentionalität oder als Bestimmung des Seienden, die ihm aufgrund einer Ausrichtung auf anderes seiner selbst zukommen könnte. Der „menschliche Sinn" als Kandidat auf den Titel „Wesen" hat - wie immer er gefaßt wird - eine Konkurrenzinstanz in Gestalt der wesentlichen Bestimmtheit der subsistenten Natur, gegen die er sich sei es als sekundäre, d. h. „aufgestufte", sei es als externe, d. h. aus einer Relation zu anderem des Seienden selbst gewonnene Bestimmtheit desselben nicht durchsetzen kann. Daß diese Bestimmtheit durch den „Sinn" sekundär bzw. extern ist, liegt eben genau daran, daß Sala unter der Hand an der Option einer Substanzontologie festhält: jeder „Sinnaufstufung" liegt die selbstständige, in sich wesentlich bestimmte Natur zugrunde; damit ist jede Bestimmung, die dem Seienden aus einem Zusammenhang mit anderem seiner selbst zukommt, 182

fundiert in der Selbstständigkeit des „Seienden selbst", die die Frage nach d e m „Seienden an sich" und seinem Wesen offenhält. Eine in sich schlüssige Position müßte z e i g e n können, daß und inwiefern der menschliche Sinn - eine B e s t i m m u n g d e s Seienden, die ihm aus d e m Zusammenhang mit etwas zukommt, w a s normalerweise als ein anderes des Seienden betrachtet wird - ontologisch konstitutiv sein kann; sie müßte daher z e i g e n können, daß der A u s g a n g v o n einer Selbstständigkeit eines S e i e n d e n als Fundament jeder sinnstiftenden Relation ontologisch abkünftig ist, denn nur dann fällt das Fundament dafür hin, daß der „Sinn" des Seienden als „extern" konstituiert bezeichnet werden kann: der Zusammenhang mit anderem seiner selbst muß ursprünglicher sein als das Seiende, das durch ihn bestimmt ist 85 .

85 Diesen Bedingungen genügt auch der bereits mehrfach hervorgehobene Ansatz von B.Welte nicht. B.Welte, Diskussionsbeiträge S. 191, weist daraufhin, daß auch das „an sich" ein besonderer Modus des Seienden nicht unabhängig von jedem „Bezugszusammenhang" (zwischen „Seiendem" und „Subjekt") ist, sondern die Gestalt des Seienden als Korrelat eines besonderen Zusammenhanges. Allerdings verweist Welte dann diese Bezogenheit auf die Subjektivität „in" das „Seiende selbst" und bemüht sich, zu zeigen, daß dieser Bezug nicht „von aussen" an das Seiende herantritt, sondern ihm selbst eignet, geht also wie alle Vertreter derTranssignifikationslehre von der Subsistenz und internen Bestimmtheit der im menschlichen Umgang erscheinenden Entitäten aus: „Die Sache in ihrem Sein, wie sie es aus ihrem Ursprung mit - bringt, kommt erst und nur in der Beziehung - z. B. des Erkennens - zu sich selbst. Dieses Zu-sich-kommen im menschlichen Verstehen... kommt nicht zum „An-sich" der Sache hinzu sondern es ist gerade ihr „An-sich". Das An-sich der Sache ist anfänglich „auf Erkennen hin", und ohne diese Beziehung ist also die Sache nicht, was sie ist. Die Beziehung, oder ... die Intentionalität ist das Sein des Seienden selbst." (191f). Dergleichen Formulierungen sind mindestens ambivalent. Denn es bleibt ja offenbar sinnvoll, von der Ausrichtung eines „Seienden" auf das Erkennen zu sprechen, die dem Seienden als „An-sich" eignet. Die „Sache selbst" in ihrer Ausrichtung auf das Erkennen ist die Bedingung der Möglichkeit des aktuellen Vollzuges dieses Erkennens, über die als Voraussetzung des Erkennens gehandelt werden kann, während eben bei Heidegger, auf den sich Welte bezieht, dies das Entscheidende ist, daß das Seiende eben nicht auf eine Subjektivität wesentlich „bezogen" ist, in dieser Bezogenheit aber selbstständig subsistiert, sondern nur als Korrelat der Subjektivität überhaupt ist: von „Seiendem" zu reden, heißt, von einem der Subjektivität Erscheinenden zu sprechen. Der Ausgang Weltes von der ursprünglichen Selbstständigkeit des Seienden gegen den menschlichen Umgang wird auch dort deutlich, wo er das, was das „Seiende eigentlich ist", als Norm und Grenze der dem menschlichen Umgang entspringenden Bestimmungen einzuführen sucht (S. 192, vgl. dazu die Kritik an den entsprechenden Ausführungen bei Schillebeeckx und Hintzen: unten S. 200ff und 207ff), und dort, wo er eine den menschlichen Umgang verpflichtende „Sinnstiftung" durch Gott einführt, die natürlich jede These von der Dignität menschlicher Sinnstiftungen torpediert (vgl. auch dazu unten zu Schillebeeckx und Hintzen).

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Man kann hier, wie schon angedeutet, vermuten, daß Salas unklare Ausführungen über die „Mitteilung" des „Sinnes" (d. h. der menschlichen Intentionalität) als Form an einen Naturgegenstand den Versuch darstellen, den Problemen dieser „externen" Konstitution des „menschlichen Sinnes" des Seienden dadurch zu entgehen, daß der „Sinn" des Seienden, der dem Seienden als Moment einer menschlichen Tätigkeit eignet, zu etwas „am Seienden selbst", also am subsistenten Kulturprodukt selbst Identifizierbarem gemacht wird: eben zu einer „Form", die dem Naturgegenstand irgendwie mitgeteilt worden ist und ihn nun prägt. Man umgeht damit vordergründig das Problem, das entsteht, wenn man eine Bestimmung als wesentlich auszuweisen sucht, die einem „Seienden selbst" nicht zukommt, sondern ihm nur eignet, sofern es in Zusammenhang mit anderem steht. Ich glaube aber, daß deutlich geworden ist, daß man mit dieser Operation nichts erreicht: die „Sinnaufstufung" bleibt insofern unklar, als nicht recht einsehbar ist, wie eine menschliche Intentionalität denn nun zur „Form" eines Naturgegenstandes werden soll, und als jedenfalls nicht einsehbar ist, inwiefern der „Sinn des Seienden" mit der „menschlichen Absicht", die ihn bedingt, identisch sein soll; und sie verliert zumal dadurch ihre ontologische Dignität, daß diese „Form" immer nur eine sekundäre Aufstufung auf einen ursprünglich selbstständigen, in sich wesentlich bestimmten „Naturgegenstand" ist, auf den immer dann zurückzugehen ist, wenn nach dem „Wesen" des vorliegenden Seienden gefragt wird. Ich werde dem Problem in (C V) noch weiter nachgehen. Es bleibt festzuhalten, daß der Versuch, den menschlichen Sinn als ontologisch konstitutiv, und damit einen „Sinnwandel" als „Wesenswandel" auszuweisen, dann scheitern muß, wenn man - wie Sala und wie die oben genannten Vertreter der Transsignifikationslehre - die Bestimmung, die dem Seienden (in welcher Weise auch immer) aus einer menschlichen Tätigkeit erwächst, als Aufstufung auf einem Grund wesentlich schon bestimmter Natur behandelt. Eine scheinbare Plausibilität gewinnen solche Ausführungen, dies zeigte sich bei Sala, daraus, daß Kulturgegenstände als solche (nämlich als Kulturgegenstände) nicht verstanden sind, wenn man versucht, sie auf ihre naturwissenschaftlich faßbaren Aspekte zu reduzieren: „Betrachten wir ein einfaches Beispiel ... : die Sprache. Für die Naturwissenschaft ist die Sprache nur artikulierter Laut: eine Schwingung, deren Höhe, Intensität und Übermittlung sich nach den Gesetzen der Wellenmechanik bestimmen lassen. Unter diesem Gesichtspunkt aber wäre das von einem Tonband wiedergegebene Wort ebenso Sprache wie das von Mensch zu Mensch gesprochene Wort. Damit geht aber das verloren, was für die Sprache wesentlich ist.

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Sie wird nämlich nicht nur von den Schallwellen konstituiert (einschließlich der dieser körperlichen Wirklichkeit eigentümlichen Intelligibilität), sondern auch von dem Sinn, den der Mensch zum Ausdruck bringen will. Der Sinn verhält sich zu den Schallwellen wie die Form zur Materie." (S. 5) Es ist ja unbestreitbar, daß die Sprache in ihrer Eigenart als Sprache nicht wahrgenommen ist, wenn man sie auf ein physikalisches Phänomen reduziert. Dem vorliegenden Seienden als Sprache ist der menschliche „Sinn" (wir setzen nun einmal voraus, der Begriff habe eine wohlbestimmte Bedeutung) wesentlich. Das heißt aber noch längst nicht, daß dieser „Sinn" nun auch das Wesen des Seienden ist. Es ist z. B. auch dem grünen Gegenstand als grünem Gegenstand wesentlich, grün zu sein, und man nimmt ihn als grünen Gegenstand nicht mehr wahr, wenn man von seinem Grün-sein abstrahiert, ohne daß darum nun das Grün-sein zur Wesensbestimmung dieses Seienden als Seiendem wird. Der Nachweis dafür, daß der „menschliche Sinn" im Falle kulturell überformter Naturgegenstände dem jeweiligen Seienden wesentlich ist, muß in dieser Form als gescheitert betrachtet werden.

C I V E. Schillebeeckx: Göttlicher und menschlicher Sinn

Das Problem der ontologischen Dignität einer als „Sinnwandel" gefaßten Veränderung eines Seienden wird des öfteren im Rekurs auf die Dignität des die Wandlung verbürgenden Subjektes „gelöst"; so verweist etwa Möller auf die Kirche, die gültig den „Sinn" eines Seienden festlegen könne, während Welte als sinnstiftende Grösse von unbezweifelbarer Autorität Christus bzw. Gott in Anspruch nimmt 86 . Diese Variante greift erkennbar zurück auf die Ausführungen Baciocchis oder Leenhardts zur durch den Glauben zugänglichen Bestimmung des Wesens eines Seienden durch Gott. Eine solche Position ist wenig überzeugend, wenn sie lediglich zur Lösung einer argumentativen Notlage eingesetzt wird 87 ; sie gewinnt aller86 J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 6 und 7; B.Welte, Diskussionsbeiträge S. 193; S.Trooster, Transsubstantiatie S. 742f. 87 Dies scheint mir bei B.Welte, Diskussionsbeiträge S. 193, und bei J.B.W.M. Möller, Transsubstantiatie S. 6f, der Fall zu sein, die sich mit dem Rekurs auf eine göttliche Sinnstiftung gegen den naheliegenden Einwand abzusichern suchen, daß eine menschliche Sinnstiftung der Beliebigkeit unterliegt, so daß auch die eucharistischen

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dings an Überzeugungskraft, wenn sie sich als allgemeine schöpfungstheologische Aussage darstellt: in Analogie zur „Sinnstiftung" des Menschen wird als „Wesen" des Seienden eine Sinngebung Gottes angenommen, der gemäß das Seiende in erster Linie und vornehmlich das ist, was es „für Gott" bzw. „von einem Absehen Gottes her" ist, und von der her die menschliche Sinnstiftung insgesamt, im Falle der Eucharistie die bestimmte Bedeutung von Brot und Wein, ihre ontologische Würde gewinnt. Eine solche Präzisierung wirft zwei Probleme auf, die im folgenden im Ausgang von der in besonderer Weise ausgearbeiteten Stellungnahme Schillebeeckx' aufgezeigt und diskutiert werden sollen: zum ersten stellt sich die Frage nach dem Verhältnis des „Seienden" zu seinem „göttlichen Sinn"; zum anderen bricht die Frage nach dem Verhältnis der göttlichen zur menschlichen Sinnstiftung auf, die ja das Fundament des Analogieschlusses auf eine göttliche Sinnstiftung darstellt. Es wird sich im folgenden zeigen, daß die damit angedeuteten Probleme sich entweder als Scheinprobleme ausweisen lassen, oder aber das Ende einer schlüssigen Position bedeuten, da sie den Rückfall in die Grundbestimmungen einer Substanzontologie anzeigen. Die Textbasis im folgenden ist also der Ansatz Schillebeeckx'; „ontologische" Ausführungen finden sich in drei zentralen Passagen seines eucharistischen Werkes, die durch weitere Veröffentlichungen des Theologen nur

Gestalten durch die Integration in andere Zusammenhänge weiteren Wesensverwandlungen unterliegen könnten. Wenig überzeugend ist dieser Rückgang auf eine göttliche Sinnstiftung darum, weil menschliche und göttliche Sinnstiftung nicht ausgeglichen werden: bestimmt Gott einen „menschlichen Sinn" als verbindlich, oder gibt er dem Seienden einen „eigenen" göttlichen Sinn? Worin besteht die Verbindlichkeit der Sinnstiftung: darin, daß das Seiende nun „selbst" einen Sinn hat, der die Integration in andere Zusammenhänge verbietet? Oder wird nur ein Zusammenhang als verbindlich festgelegt, in dem das Seiende nun eben diesen oder jenen Sinn hat? Was geschieht bei der Integration in andere Zusammenhänge: welche Instanz wahrt die Zuordnung zu dem göttlich festgelegten Zusammenhang, wenn das Seiende in dem neuen Zusammenhang keinen anderen als den göttlich festgelegten „Sinn" erhält? Was folgt daraus, daß es für eine wesentliche Änderung des Sinnes des Seienden einer göttlichen Sinnstiftung bedarf, für die ontologische Dignität der menschlichen Sinnstiftung, die jedenfalls Welte zu begründen unternimmt (ebd.)? Muß nicht zudem, wenn Gott den Sinn des Seienden wandelt, angenommen werden, daß die Bestimmtheit des Sinnes, die den terminus a quo der Wandlung bildet, auch irgendetwas mit einer göttlichen Sinngebung zu tun hat? Wie verhält sich eine solche umfassende Bestimmtheit des „Sinnes" des Seienden durch Gott zu der Ausgangsthese, daß das „Wesen" des Seienden der „menschliche" Sinn sei? Es handelt sich bei diesem Rekurs auf eine göttliche Sinnstiftung offenbar um ein ad hoc-Argument, das - stringent durchgeführt - die Grundbehauptung der Identität von menschlichen Sinn und „Wesen" beeinträchtigen, wo nicht sprengen würde.

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unwesentlich erhellt werden88; ich beschränke meine Darstellung daher auf die einschlägigen Abschnitte des genannten Werkes. Es wird sich insgesamt zeigen, daß die häufig beklagte Unklarheit der Ausführungen Schillebeeckx' auch diese Passagen prägt89. 1. Schillebeeckx erarbeitet in einem längeren Kapitel seiner eucharistischen Arbeit die Grundlage einer Ontologie der göttlichen Sinnstiftung, in der er das Verhältnis Gottes zur Schöpfung und des göttlichen Handelns zur geschöpflichen Wirklichkeit im Sinne einer „Transzendenz durch Interiorität" zu bestimmen sucht90. Den Ausgangspunkt der Überlegungen bildet die Frage, ob - wenn die Lehre von der Verwandlung der Substanz von Brot und Wein wie der Rekurs auf die Substanzontologie insgesamt ein Einkleidungsmoment der in Trient ausgelegten ursprünglichen Glaubensgegebenheit darstellt - nun auch die Lehre von einer ontologisch tiefgreifenden Veränderung des Seienden als ein verzichtbares Moment dieser Glaubensgegebenheit, der Realpräsenz Christi, angesehen werden kann, oder ob diese Glaubensgegebenheit eine Wandlung der eucharistischen Elemente notwendig impliziert 91 . 1.1 Schillebeeckx wendet sich in der fraglichen Passage gegen eine Unterscheidung Leenhardts, der, ähnlich wie Baciocchi und auch Vanneste, die Wirklichkeit der „säkularen Erkenntnis" von einer Realität „für den Glauben" unterscheidet: der Glaube entnehme die Wahrheit der bezüglich

88 E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 49-57 (ni. I S. 166-172). 84-90 (nl. II S. 378382). 97-102 (nl. II S. 387-391); Seitenverweise im Text beziehen sich im folgenden auf diese Veröffentlichung. Es werden hier an einigen Stellen die mit der zweiten Passage eng verwandten Ausführungen aus: ders., Faith S. 43-55, herangezogen; ähnliche Ausführungen finden sich in Heilseconomie S. 394-403. 89 Die mangelnde Klarheit Schillebeeckx 'wird häufig moniert, so etwa J. Ambaum, Glaubenszeichen S. 20, bes. Anm. 22; vgl. B.Willems, Schillebeeckx S. 604; vgl. auch G.B.Sala, Transsubstantiation S. 28, der der Absicht Ausdruck verleiht, die Ausführungen Schillebeeckx' zu referieren, „soweit wir sie zu verstehen vermochten". Wenn man etwa die Passage über das Verhältnis von Erscheinung und Wirklichkeit (Gegenwart S. 97fQ liest, die im niederländischen Original (nl. II S. 387ff) um nichts klarer wird, dann sieht man, daß hier nicht Mängel im Verständnis der Interpreten, sondern beim Verfasser vorliegen, wobei offenbleibt, ob Mängel der Darstellung, oder des Gedankens vorliegen. Es gilt in diesem Falle somit als Regel, daß Mißverständnisse zu Lasten des Verfassers gehen; die genannte, besonders unklare Passage wird nur am Rande herangezogen, ansonsten wird, wie immer, der Versuch unternommen, die Darstellung in optimam partem zu interpretieren. 90 E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 49-57(nl.IS. 166-172); das Stichwort „Transzendenz durch Interiorität" fällt S. 53 und 54 (nl. I S . 169); zur Bedeutung s.u. 91 Vgl. die Fragestellung ebd. S. 49 (ebd. S. 166).

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des Seienden geltenden Bestimmungen dem göttlichen Wort und halte sie gegen die Vorfindlichkeit für wahr 92 . Bei Leenhardt bleibt nach Schillebeeckx die Neubestimmung der Wirklichkeit durch das göttliche Wort (will sagen: eine göttliche Sinnstiftung) eine der davon betroffenen Wirklichkeit selbst äußerliche Determination, wohingegen es Schillebeeckx als Eigentümlichkeit des römisch-katholischen Wirklichkeitsverständnisses betrachtet, daß die gnadenhafte Tätigkeit Gottes eine die „Wirklichkeit selbst" verändernde Wirksamkeit entfaltet, wie auch umgekehrt die „Bezogenheit" der Schöpfung auf Gott nicht eine äußerliche Relation darstelle, sondern eine Eigenheit des „Geschöpfes selbst" ist, was offenbar s.M.n. für die protestantische Theologie nicht selbstverständlich ist: Bultmann etwa sehe die Realität „... als eine bloße Beziehung, mit anderen Worten, als eine Beziehung, die keine Gestalt in der Wirklichkeit, die der Mensch und das Geschöpf sind, annimmt. Für den Katholiken ist diese Beziehung ja gefüllt: Gerade in dem, was das Geschöpf innerlich - sagen wir „säkular^' - ist, ist es eine transzendentale Beziehung zu Gott. So ist auch in der Tat das Heilshandeln Gottes gegenüber dem Menschen primär und total ein souverän freier begnadender Akt Gottes, aber dieser ist so real, daß er stets die „erschaffene Gnade" zur Kehrseite hat." (S. 52, nl. IS. 168Q Die Alternative besteht also in einer Beschreibung der natürlichen, geschöpflichen „Bezogenheit" des Menschen auf Gott als „bloßer Relation", bzw. der Gnade als einer „äußerlichen" Bestimmung durch Gott einerseits, und als einer „realen" internen Bestimmtheit bzw. Veränderung des Bezugspunktes der Relation bzw. der Gnade als Wirkung dieser Bestimmung andererseits; angespielt wird hier offenbar auch auf die reformatorische Lehre von der imputativen Gerechtigkeit einerseits, und die römischkatholische Lehre von der Gnade als „habitus" andererseits, wie der Verweis auf die „gratia creata" zeigt. „Transzendenz durch Interiorität" scheint also nach dem Willen Schillebeeckx genau dies zu bezeichnen, daß die Transzendenz, Gott, im Innern des von ihm Geschaffenen sich auswirkt. Diese Deutung ist vorläufig und wird unten (2.) noch präzisiert werden. 92 Ebd.S. 50u.ff(ebd.S. 167);zurPositionLeenhardtsvgl.imff;zudenerwähnten Positionen: zu de Baciocchi s.o. S. 150ff; zu Vanneste vgl.: A. Vanneste, Bedenkingen I S. 330-335 und ders., Bedenkingen II S. 345ff. Schillebeeckx nimmt hier offenbar Einwände auf, die schon bei O.Schelfhout, Bedenkingen S. 305f. 306f. 318-320 gegen Vanneste und Leenhardt vorgetragen werden; Schelfhout moniert hier den „Voluntarismus" und „Nominalismus", dem eine Bestimmung des Wesens aus einer Sinngebung oder einem Bestimmungsakt Gottes verfalle, denen keine Änderung „am Seienden selbst" entspricht.

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S c h i l l e b e e c k x bezieht sich damit auf die Differenzierung Leenhardts z w i s c h e n e i n e m „griechischen" - an der vorfindlichen Wirklichkeit orientierten - Wirklichkeitsverständnis, und e i n e m „hebräischen" D e n k e n , das angeblich aufgrund des Wortes Gottes zur „letzten Wirklichkeit" der Dinge, ihrer Bestimmtheit durch Gottes Willen, durchdringt, eine Differenzierung, deren Pole tatsächlich schlecht vermittelt sind 9 3 ; die Intention der Unterscheidung Leenhardts aber ist gerade die, als die „eigentliche" und ursprüngliche Wirklichkeit diese Bestimmung des Seienden durch den Willen Gottes auszuweisen. W i e bei Baciocchi wird hier die Differenz v o n Substanz und A k z i d e n s mit der Differenz v o n „Glauben" und „Schauen" verbunden: la réalité dernière des choses n'est pas en elles mêmes, dans ce qu'elles livrent à nos sens ... Pour saisir la substance de la réalité, il faut en avoir une connaisance en profondeur, atteignant, au-delà de ce que les choses sont, le pourquoi de ce qu'elles sont. La substance d'une réalité est dans l'intention divine qui s'y réalise. Seule la foi saisit cette dimension des choses ... La foi seule est apte à connaître ce que les choses sont dans la volonté de Dieu, quelle est leur destination, leur raison d'être, et que là est l'essentiel de leur être, leur substance dernière."94

93 Vgl. F.-J.Leenhardt, Corps S. 27-29 und 30-33. Die Unterscheidung von „griechischem" und hebräischem" Denken entspricht bei Leenhardt der Unterscheidung der naturwissenschaftlichen Wirklichkeitsfeststellungen von denen des Glaubens (vgl. S. 27-29 mit 30f und 32f, bes. 29f). Das griechische Denken hat aber mit seinen Feststellungen über das Seiende nicht einfach Unrecht, sondern ein - nach Leenhardt vorläufiges - Recht: „Le langage, pour le Grec, exprime l'objet, le monde extérieur, la réalité objectivement donnée: c'est une langage logique, qui dit véritablement ce qui est, qui le découpe, l'analyse, l'énumère, le pense." (ebd. S. 27); diese Beschreibung bestimmt das griechische Denken im Unterschied zum hebräischen als solches, das das Seiende als „objektives Seiendes", als „monde extérieur" betrachtet, d. h. als Selbstständiges (S. 28 Mitte, 29,30 Mitte), während sich der Hebräer mit dem Seienden im Blick auf seine Bestimmung durch Gott, mit dem „finis", befasse. Gesetzt, die Ausführungen auf S. 28 u. ff wären rationalisierbar: es bliebe dann doch noch die Aufgabe, beide Wesensbestimmungen miteinander in Ausgleich zu bringen - andernfalls liegt hier eine Äquivokation im Begriff „Wesen" (göttliche Bestimmung und naturwissenschaftlich zugängliches Wesen) vor. Wo dieser Ausgleich - wie bei Leenhardt - nicht erfolgt, und somit die Möglichkeit besteht, von einem Wesen des „Seienden selbst" im Unterschied zu der in diesem Sinne externen Bestimmung oder dem „finis" zu sprechen, ist diese zuletzt genannte Bestimmung jedenfalls ontologisch abkünftig, da sie nicht ohne das Seiende, von dem sie gilt, sein kann, wohl aber umgekehrt. Im ganzen läßt sich gerade im Blickauf die Ausführungen S. 3 lf zeigen, daß Leenhardt als Grundlagedes göttlichen Sinnes immer ein Seiendes - doch wohl das naturwissenschaftlich Zugängliche voraussetzt, „an" dem irgendwie diese Sinngebung ist. 94 F.-J.Leenhardt, Corps S. 31. 189

Leenhardt versteht also unter der göttlichen Bestimmung („destination") die „Absicht", die Gott durch sie hindurch verfolgt, bzw. die Funktion, die das Seiende im Rahmen dieser Absicht erfüllt. Der Grund dafür, diese Intention als „Substanz" zu identifizieren, ist offenbar die Tatsache, daß dieser Willensakt Gottes bzw. die in ihm fundierte Funktionsbestimmung des Seienden mit der „Substanz" darin übereinkommt, daß sie, wie traditionell die Substanz, den Konstitutionsgrund für das Seiende darstellt 9 5 . Es soll also eine „extern" konstituierte Funktionsbestimmung des Seienden dessen „Wesen", d. h. dessen unverzichtbare, konstitutive Bestimmung, sein. Schillebeeckx moniert nun an den Ausführungen Leenhardts dies, daß es sich bei dieser Bestimmung des Seienden durch Gott um eine rein externe Bestimmung handelt, die am Seienden keine ontologische Qualität gewinnt; für eine Bestimmung oder Neubestimmung von ontologischer Dignität, die also das Prädikat „real" verdienen soll, gilt, daß sie sich am Seienden selbst niederschlagen muß: „Das „ontologische Moment" in der Eucharistie ... ist gerade dieses „Schöpfungsmoment". Ich könnte dieses Moment mit dem terminus „erschaffene Gnade" andeuten, die in jeder gnadenvollen Selbstmitteilung Gottes impliziert ist und die gerade in dieser eucharistischen Selbstgabe eine ungeahnt tiefe, ontologische Dichte besitzt. Denn diese göttliche Schenkung ergreift die weltliche Wirklichkeit des Brotes schöpferisch; sie ist nicht bloß eine transzendente „Benennung von außen her", welche die weltliche Wirklichkeit als das bestehen ließe, was sie war (die Vertreter dieser letzteren Ansicht nehmen ja gerade keine Transzendenz in der Inferiorität selbst an)." (S. 153f, nl. I S. 169) Der Verweis auf die Lehre von der gratia creata, die A u f n a h m e und Verwandlung der Natur durch die Gnade 9 6 , macht deutlich, daß das Kriterium für die ontologische Dignität der Gnade ihre Auswirkung am „Seienden selbst" ist, die im Gegensatz zu einem „Extrinsezismus" steht, dem gemäß die Gnade „bloß eine ... Benennung" oder - im weiter oben gebotenen Zitat - eine „bloße Beziehung" ist. 1.2 Diese Abgrenzung gegen einen „Extrinsezismus" setzt ein ontologisches Konzept voraus, das es erlaubt, dem Seienden äußerlich bleibende

95 Vgl. ebd. S. 31: „leur réalité dépend de la volonté créatrice de sa Parole, qui les destine à servir la créature." 96 Vgl. auch ebd. S. 51, Anm. 99 (nl. I S. 167, Anm. 99), wo Schillebeeckx auf die thomasische Lehre von der Inhärenz der bonitas Gottes in der Schöpfung verweist. Vgl. zur gratia: Thomas von Aquin, STh I-II q 90 a 1 resp und a 2 resp, die im Grunde die von Schillebeeckx eingenommene Position, der gemäß das begnadende Handeln Gottes nicht nur eine „Einstellung" Gottes, oder eine „Bewegung" des Menschen sind, repräsentieren; vgl auch F.Diekamp, KJüssen, Dogmatik II S. 422ff, 428. 432ff.

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von ihm eigenen, internen oder es verändernden Bestimmtheiten zu unterscheiden, das heißt: ein Konzept, das ein Äußeres oder Anderes als Äußeres oder Anderes vom Seienden selbst unterscheidet. Die Möglichkeit der Qualifikation einer Bestimmung des Seienden durch Gott als „äußerlich" impliziert also die ursprüngliche Unterschiedenheit und Selbstständigkeit dieses Seienden Gott gegenüber; die Veränderung dieses Seienden selbst bzw. die Tatsache, daß Bestimmungen „von ihm" ohne Bezug auf ein anderes gelten (oder eben nicht gelten) ist das Kriterium dafür, daß es sich dabei um Bestimmungen von ontologischer Dignität handelt. Die Grundlage des Einwandes gegen Leenhardt ist die Vorstellung Gottes und des Seienden als zweier voneinander unterschiedener und gegeneinander ursprünglich selbstständiger Terme einer Relation, deren Vollzug dann Auswirkungen am jeweils betroffenen Seienden in seiner Selbstständigkeit hat - die Relation ist dann von ontologischer Dignität - , oder eben nicht hat die ontologische Dignität der Relation ist dann mindestens zweifelhaft. Schillebeeckx versucht in seinem Widerspruch gegen die Leenhardtsche Unterscheidung von „naturwissenschaftlich Faßbarem" und göttlicher Bestimmung dessen „Extrinsezismus" so zu umgehen, daß er die göttliche Bestimmung als einen Akt faßt, der „am Seienden selbst" Veränderungen bewirkt. Dies impliziert aber genau dies, daß nicht etwa die göttliche Bestimmung selbst, oder die Funktion, die das Seiende in dieser Bestimmung gewinnt, das „Wesen" des Seienden darstellt; das göttliche Handeln verändert, konstituiert, bewirkt oder bestimmt vielmehr ein von ihm ursprünglich unterscheidbares und gegen das Wirken selbstständiges Seiendes so, daß sich dieses und ggfs. dessen eigenes Wesen wandelt oder verändert. Das göttliche Bestimmen, bzw. die „destination" des Seienden, seine Bestimmtheit durch Gott, ist nicht selbst sein „Wesen", sondern schlägt sich am eigenen Wesen oder als eigenes Wesen des Seienden verändernd nieder. Schillebeeckx ist insgesamt der Meinung, daß diese römisch-katholische Überzeugung von der Wirksamkeit der Gnade „am Seienden selbst" impliziert, daß - wenn auch die Substanzontologie aufgegeben werden könne - doch die tiefgreifende Veränderung des „Seienden selbst" durch das eucharistische Handeln Gottes genuines und unverzichtbares Glaubensgut sei (S. 51-55, nl. I S 167-170). Es erweist sich aber angesichts der aufgewiesenen ontologischen Implikationen seines Widerspruches gegen einen „Gnadenextrinsezismus" als äußerst zweifelhaft, ob unter diesen Voraussetzungen ein nachvollziehbares Aufgeben einer „Substanzontologie" überhaupt möglich ist, die doch wenig mehr zum Ausdruck bringt als die Überzeugung, daß ein Seiendes als zunächst in sich bestimmtes Selbstständiges gegen anderes seiner selbst unterscheidbar ist, und daß eine Wandlung oder Wesenswandlung nur dann vorliegt, wenn 191

sich das Wesen des „Seienden selbst", und nicht schon dann, wenn sich eine „externe Bestimmung" desselben gewandelt hat. Wie damit die Möglichkeit einer Deutung der eucharistischen Wandlung begründet werden soll, die sich wesentlich von der Deutung als Transsubstantiation unterscheidet und etwa einen Sinnwandel als Substanzwandel (und nicht als Ursache eine Substanzwandels) zu fassen in der Lage wäre, ist von vornherein unklar; der Unterschied scheint lediglich darin zu liegen, daß in der Tradition das sich durch den göttlichen Akt Wandelnde als „Substanz" bezeichnet wird und so identifizierbar wird, bei Schillebeeckx hingegen nicht. Die grundlegende Alternative zu solcher Beschreibung eines Wandels, der entweder der ontologischen Dignität entbehrt, oder aber unter der Hand eine Substanzverwandlung unter anderem Namen ist, wäre der Versuch, die grundsätzliche ontologische Option eines zunächst in sich wesensmässig bestimmten - da gegen alles andere unterschiedenen und selbstständigen - Seienden aufzugeben und zu zeigen, daß das, was ein in diesem Sinne substantialer Ansatz als den Grund jeder „Relation" und jeder Bestimmtheit vom anderen des Seienden her versteht, selbst fundiert ist in dieser Relation. Wie dergleichen aussehen kann, wird weiter unten untersucht werden. 2. Dem Ansatz Schillebeeckx tut die vorangehende Kritik in gewisser Weise Unrecht, da Schillebeeckx'Ausführungen differenzierter sind und Ansätze zu einer schlüssigen Position zeigen. Die relative Stärke seines Ansatzes wird erkennbar, wenn man sich dem zweiten interessanten Punkt zuwendet, nämlich der Bestimmung des Verhältnisses von „göttlicher" und „menschlicher" Sinnstiftung; es wird im Rekurs auf diese Passagen auch deutlicher, was eigentlich Schillebeeckx mit jener Formel von der „Transzendenz durch Interiorität" meint, die er zur Kennzeichnung seines Ansatzes gegen Leenhardt einbringt (S. 53 und 54, ni I S 169); die folgende Analyse wird die stellenweise recht unklaren Ausführungen Schillebeeckx' durchgehend in optimam partem interpretieren: 2.1 Schillebeeckx verschränkt die göttliche und menschliche „Sinnstiftung" in einer für seinen sakramententheologischen Ansatz insgesamt typischen Weise97 :

97 Auch dort bestimmt Schillebeeckx das Sakrament als den Vollzug eines göttlichen im menschlichen Akt, ein Verhältnis, das in der Zuordnung von göttlichem und menschlichem Sinn in ähnlicher Weise wieder auftaucht, indem das einer menschlichen Sinnstiftung unterliegende Seiende in dieser Bestimmtheit durch den menschlichen Sinn Sakrament eines göttlichen Grundsinnes, der Zuwendung Gottes zum Menschen, ist; zur Sakramententheologie Schillebeeckx vgl. oben, Einleitung S. 24f.

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Der Ausgangspunkt ist die Feststellung, daß „Wirklichkeit" kein „Gemachte" des Menschen sei 98 . Damit ist offenbar gemeint, daß die menschliche Sinnstiftung nicht in der Lage ist, Seiendes zu konstituieren, so daß sich der Mensch mit seinen Sinnstiftungen im Rahmen einer bereits vorgegebenen „Wirklichkeit" bewegt; sofern der „menschliche Sinn" das „Wesen" des Seienden sein soll, so ist dies jedenfalls nicht in dem Sinne zu verstehen, daß der Mensch „Wirklichkeit" ex nihilo schafft (S. 85-87, nl. II S. 378-380). Dies scheint gegenüber Sala nichts Neues zu bieten, wo ja auch die menschliche Sinnstiftung sich in einer vorgegebenen „Natur" bewegte; Schillebeeckx allerdings identifiziert nun diese „vorgegebene" Wirklichkeit nicht mit dem Gegenstand der natürlichen Erfahrung oder dem naturwissenschaftlich Zugänglichen, sie wird bei ihm vielmehr „theologisch" qualifiziert, und zwar in doppelter Weise: Einerseits sei diese vorgegebene Wirklichkeit „Zeichen" Gottes im Sinne des oben (I B III) analysierten, etwas unklaren Zeichenbegriffes Schillebeeckx': Medium der Selbstmitteilung Gottes, „in" dem das Bezeichnete im Vollzug der Selbstmitteilung gegenwärtig ist: „Erschaffen ist ein göttlicher Akt, der wesensgemäß nicht auf Gottes Selbstvollendung gerichtet sein kann, sondern reine, ungeschuldete Selbstmitteilung Gottes ist, Liebe zu seinen Geschöpfen, konkret: Liebe Gottes zum Menschen in der Welt. Gottes Schöpfertätigkeit begründet somit eine persönliche Gegenwart Gottes in allen Dingen (die für den Menschen da sind: Gottes Gaben an den Menschen) und vor allem in dem Subjekt, das Mensch heißt, dem diese Gaben aus Liebe geschenkt werden. In dem, was sie sind, sind die Dinge aufgrund des Heilswillens Gottes durchaus Heilswert und Offenbarung Gottes, enthüllend und verhüllend zugleich ... In diesem Sinne können wir also schon sagen, daß die ganze stoffliche Welt eine allgemeine, quasi-sakramentale Bedeutung hat ... Für das Auge des Gläubigen ist die Zeic/ienfunktion der weltlichen Dinge tief mit ihrem konkreten Sein verwoben." (S. 85, nl. II S. 378). Genau diese Wirklichkeit, die Zeichen oder Medium der Zuwendung Gottes zum Menschen ist, ist nun anderseits, wie das Zitat ausweist, „anthropologisch finalisiert", das heißt: sie ist dem Menschen geschenkt als ein „Lebensraum", in dem er eigene Sinnstiftungen vornehmen kann und soll (S. 86f, nl. II S. 379). Unter „menschlichem Sinn" versteht Schillebeeckx dabei, völlig korrekt, die Funktion des Seienden, die es im Kontext menschlichen Verhaltens gewinnt; er spricht davon, daß eine Sinnstiftung bestimmt, „was die Dinge auf Grund dessen, was sie selbst 98 Ebd. S. 85 (Überschrift), vgl. 85-87 (nl. II S. 378-380); die Bezeichnung als .Grundeinsicht" vgl. S. 87 (ebd. S. 380).

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sind, konkret für mich bedeuten werden" (S. 87), und die folgenden Beispiele zeigen, daß der „menschliche Sinn" eben jene Bestimmtheit meint, die das Seiende im Rahmen des Umganges des Menschen mit ihm gewinnt (S. 87-89, nl. II S. 380f). Gerade darin also, daß das weltliche Seiende ein „Seiendes für den Menschen" ist, ist es Zeichen der Gegenwart Gottes. Die „Funktion", die das Seiende von Gott her hat (der göttliche Sinn: als Geschenk Zeichen seiner Gegenwart zu sein) verbürgt und ermöglicht somit die Funktion des Seienden für den Menschen, den Sinn, den das Seiende im menschlichen Umgang annimmt. Schillebeeckx verschränkt in der Fortführung dieses Gedankens beide Modi der Rede vom „Sinn des Seienden" in der - wie erwähnt - für sein Denken insgesamt typischen Weise: Wie er im Rahmen seiner Sakramentenlehre sich bemüht, das menschliche und das göttliche Handeln als die Aufnahme eines menschlichen Aktes in den göttlichen zu deuten, so verbindet er auch hier den göttlichen und menschlichen Sinn des Seienden in Analogie zum Verhältnis von Potenz und Akt: das menschliche Handeln aktualisiert und realisiert die in der Wirklichkeit, die ja als Gabe Gottes an den Menschen auf diesen und seine Sinnstiftungen hin ausgerichtet ist, bereitgestellten Möglichkeiten, indem er sich mit einer menschlichen Welt umgibt, das geradehin gegebene Seiende verändernd oder durch die Aufnahme in das menschliche Handeln deutend. Er handelt dabei allerdings in einer „vorgegebenen" Wirklichkeit, die in diesen Sinnstiftungen nicht erst gesetzt wird; einer Wirklichkeit überdies, die auch nicht in diesen Sinnstiftungen zu erschöpfen ist: jedes Seiende läßt weitere Sinngebungen durch die Aufnahme in neue Zusammenhänge zu (S. 86f, nl. II S. 379f). Diese „vorgegebene Wirklichkeit" ist nun aber nicht eine Art reiner Gegenständlichkeit, die zunächst „für sich" und ohne menschliche Sinngebung subsistierte, sondern Schillebeeckx hebt darauf ab, daß in allen Sinnstiftungen, die Möglichkeiten des Entdeckens von Seiendem aktualisieren, diese menschlich geprägte Wirklichkeit die „Offenbarungsgestalt" Gottes ist99. Dieser „Sinn Gottes" ist damit einerseits nichts, was zugunsten des menschlichen Sinnes verloren gehen müßte, sondern er ist - wie Schillebeeckx andernorts schreibt - der „grundlegende und mitbewußte Horizont" oder das alle Erfahrung von Welt umgebende „Geheimnis"100; der „menschliche Sinn" bzw. die menschliche Welt als durch den Men99 Ebd. S. 85f, bes. 86 unten (beides nl. II S. 379); die Passage ist zwar wenig klar, scheint aber den eben entfalteten Sinn zu haben. lOODers., Faith S. 47-49; vgl. zum Recht, diese Stellen zur Klärung heranzuziehen, die inhaltlich entsprechende Rede vom „Mysterium" in: Gegenwart S. 86 (nl. IS. 379).

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sehen „gedeutete" Wirklichkeit ist so das Sakrament, das Zeichen, in dem ein „göttlicher Grundsinn" zur Erscheinung kommt: die Zuwendung Gottes zum Menschen. Diese Tiefendimension ist andererseits nichts, was gleichsam eigens und ausdrücklich „vor" jeder menschlichen Sinnstiftung ergriffen werden könnte; sie ist vorthematisch „in" jedem Umgang mit dem durch diesen Umgang geprägten Seienden wahrgenommen: sie entzieht sich dem direkten Z u g r i f f 0 1 . Genau dies ist der tieferliegende Sinn von Schillebeeckx' Rede von der „Transzendenz durch Interiorität": die Sakramentalität, d. h. die Funktion, Zeichen der Zuwendung und so der Gegenwart Gottes zu sein, geht den „Dingen" mit dem menschlichen Umgang nicht verloren, sondern bleibt der verborgene und sich entziehende Grundsinn, der jede Sinnstiftung ermöglicht und durch alle Sinnstiftungen hindurch gültig bleibt. Das Medium der Zuwendung Gottes eröffnet die Möglichkeit menschlichen Umganges mit ihm, oder umgekehrt: jedes durch einen menschlichen Umgang geprägte Seiende ist jeweils zugleich eine besondere Gestalt der Zuwendung Gottes zum Menschen: „So ist auch unser Erfahrungsinhalt von Brot und Wein immer schon Zeichen einer sich uns entziehenden Wirklichkeit, auch außerhalb des eucharistischen Kontextes. Das „Dinghafte" verbirgt uns deshalb immer eine personale Beziehung. In allem bleibt die persönliche Gegenwart Gottes die tiefste Beziehung; diese versetzt uns in das Mysterium, in dem wir zu menschlichen Sinngebungen eingeladen werden. Das fundamentale Sinn-haben-für-mich ist ein Geschenk der Wirklichkeit selbst, die ursprünglich zwar nicht meine Wirklichkeit ist, aber mir doch zur Sinngebung geschenkt wird. Auf der Grundlage dieses fundamentalen Sinnes für mich kann ich zu mancherlei Sinn-Stiftungen übergehen, die bestimmen, was die Dinge auf Grund dessen, was sie selbst sind, konkret für mich bedeuten werden. ... innerhalb des gegebenen Mysteriums stehend, stifte ich eine menschliche Welt und verändere ich fortwährend deren menschlichen Sinn; aber nur den menschlichen Sinn, denn ihr tiefster Sinn selbst, ihr metaphysischer Sinn, ist für menschliches Begreifen und Ergreifen unerreichbar."102 Die Wirklichkeit als Zeichen und Mittel der Zuwendung und Gegenwart Gottes ist solches Medium, indem sie die Möglichkeit einer menschlichen Welt eröffnet, und als Medium entzieht sie sich einem umfassenden Zugriff des Menschen: der menschliche Sinn bleibt umgriffen von der Wirklichkeit

101 Ebd. S. 85-87 (nl. II S. 378-380); vgl. auch zum Verhältnis von erfahrener Welt und geschöpflicher Wirklichkeit der Welt ders., Faith S. 45-50. 102 Ebd. S. 86f (ebd. S. 379f); hier besteht die engste Berührung zwischen der Ontologie und der Sakramentenlehre, die ich oben (Anm. 97) schon bezeichnet habe, vgl. auch ders., Faith S. 46-50. spez. 48, und ders., Heilseconomie S. 379f.

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als „Gemächte Gottes". Das Verhältnis des „Sinnes Gottes" und des menschlichen Sinnes ist damit umrissen, aber mitnichten geklärt; ich frage zunächst nach der Beschreibung der menschlichen Sinnstiftung: 2.2 Schillebeeckx geht es darum, die menschliche Sinnstiftung als ontologisch konstitutiv auszuweisen, und diese ontologische Dignität zugleich zu begrenzen. Dies gelingt ihm in der bereits angedeuteten Weise, daß er die menschliche Sinnstiftung als Aktualisierung eines möglichen, gleichsam vorangelegten Sinnes bezeichnet. Die Sinnstiftung führt also einerseits ein Seiendes bestimmten menschlichen Sinnes durch die Aufnahme in den Umgang des Menschen mit Seiendem herauf, bewegt sich dabei aber zugleich in einer „vorgegebenen" und die Beliebigkeit der Sinngebung begrenzenden Wirklichkeit, die sie weder ins Sein ruft, noch durch die aktuelle Sinngebung erschöpft (S. 86f, nl. II S. 380). Die Bezugnahme Schillebeeckx' auf die mögliche Mannigfaltigkeit und Veränderbarkeit von menschlichen Sinngebungen trägt dem Umstand Rechnung, daß ein Seiendes in unterschiedlichen Zusammenhängen eine unterschiedliche Funktion aufweisen kann; Schillebeeckx entwirft hier eine Art „Stufenfolge", die von der vom Naturwissenschaftler wahrgenommenen Realität bis zur Bedeutung eines Seienden in der kulturellen oder subjektiven Lebenswelt führt, und die somit „bewirkende" - im Umgang das Seiende verändernde - und „symbolische" - dem unveränderten Seienden durch die Aufnahme in einen Kontext menschlicher Tätigkeit eine neue Funktion zuweisende - Sinnwandlungen verbindet: „In den interpersonalen Beziehungen erhält Brot einen ganz anderen Sinn, als es z. B. für den Physiker oder Metaphysiker hat. Während es physisch bleibt, was es ist, kann es in einen andern Bedeutungsbereich aufgenommen werden als den rein biologischen. Und dann ist das Brot auch anders, denn die bestimmte Beziehung zum Menschen ist mitbestimmend für die Wirklichkeit, von der jetzt genau die Rede ist. Natürlicherweise lebt der Mensch faktisch von ständigen „Transsignifikationen": er vermenschlicht die Welt. Und solche Sinnveränderungen sind tiefer einschneidend als rein physische Veränderungen, die auf einer niedereren [!] und in diesem Sinne weniger wirklichen Ebene liegen. Die Sinn-Stiftung ist mehr als eine psychische Intentionalität. Es besteht eine wesentliche Korrelation zwischen dem Brot (Objekt) und der menschlichen Sinngebung (Subjekt) innerhalb des Mysteriums der Wirklichkeit, in der die Welt uns und wir uns selbst geschenkt sind [!]. Die Sinnänderung vollzieht sich gerade in der vermenschlichten Welt, und in dieser ist sie substantiell." (S. 88, nl. II S. 380f). Es handelt sich um unterschiedliche Sinnzusammenhänge, die jeweils das Seiende in unterschiedlicher Funktion integrieren; sie nehmen dabei jeweils die vorangehende Stufe der Bestimmtheit auf und gliedern sie, die

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Bedeutung dadurch verändernd, dem neuen Kontext ein 103 . Der entscheidende Schritt ist dabei der, daß das jeweils in der neuen Sinnstiftung aufgenommene Seiende nicht die „Wirklichkeit" ist, wie sie „an sich" und vor jeder Sinnstiftung ist, sondern selbst wieder die Wirklichkeit, wie sie in einer menschlichen Welt und damit durch einen menschlichen Sinn geprägt erscheint: auch der Gegenstand der Naturwissenschaften ist nicht die Natur im Sinne einer „Wirklichkeit an sich", sondern die Wirklichkeit im Zusammenhang und als Moment einer besonderen, durch einen menschlichen Zugang konstituierten Wirklichkeitsebene: „Wer also die eigentliche Wirklichkeit einer bestimmten menschlichen Gegebenheit beschreiben will, darf nicht von der einen auf die andere Ebene überspringen. Auf Grund dieser allgemeinen Betrachtungen muß man deshalb sagen ... daß eine positive Antwort auf die Frage: „Ist nach der Konsekration das Brot noch gewöhnliches Brot?", völlig sinnlos ist. Man springt dann von der kultischen Ebene auf die Ebene z. B. des Physikers über. Man kann natürlich nach der physischen Wirklichkeit fragen, aber dann darf man nicht glauben, auf die kultische und in diesem Fall theologische Frage geantwortet zu haben. Eine solche Verwirrung - es ist natürlich mehr als nur eine Art, zu sprechen - hat alle Fragen um die Eucharistie getrübt. Die Antwort auf eine Frage, die in einem eucharistischen Zusammenhang gestellt wurde (Welches ist die Gestalt des Brotes nach der Konsekration?) kann nur eucharistisch sein; die Antwort eines Physikers oder Chemikers ... ist letztlich eucharistisch irrelevant." (S. 89, nl. S. 381). Die These ist doch offenbar die, daß die jeweils sich zeigende Wirklichkeit nicht von dem Zusammenhang, den „Ebenen", in denen sie steht, isoliert

103 Ebd. S. 87f (ebd. S. 380f); auch dies hat eine Entsprechung in der Sakramentenlehre, in deren Rahmen Schillebeeckx die kultischen Akte als Aufnahme natürlicher Kulthandlungen in den Zusammenhang des Ausdrucks der fides ecclesiae durch die Kirche behandelt - die kultischen Akte werden dadurch verwandelt: ders., Heilseconomie S. 397f. 409-412, spez. 409f; ders., Sakrament S. 74-76; vgl. bes. ders., Gegenwart S. 90-92 (nl. II S. 382f), wo die Konstitution des sakramentalen Aktes nachgezeichnet wird, die ausgeht von der verwandelnden Sinnstiftung des Getreides zum Brot als Nahrungsmittel (S. 89f (380f)), das dann in den Kontext eines zwischenmenschliche Verbundenheit symbolisierenden und mitteilenden Mahles aufgenommen und dort zum vermittelnden Zeichen wird. Dies Mahl wird dann durch die Aufnahme in kultische Kontexte noch einmal verwandelt: zunächst wird es im „Naturkult" zum „Symbol" des Lebens; dieser wird dann im israelischen Kult heilsgeschichtlich verstanden (Lebensvermittlung durch die Vergegenwärtigung des Heilsgeschehens des Auszuges) und schließlich durch Christus aufgenommen und zum Medium einer nun auf das Kreuzesgeschehen bzw. die Zuwendung Christi konzentrierten Lebensmitteilung verwandelt. Es wird dabei jeweils die vorangehende Stufe aufgenommen und durch diese Aufnahme mit einer neuen Bedeutung versehen, vgl. bes. ebd. S. 91 (ebd. S. 383).

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werden kann, und daß eine Frage nach der Wirklichkeit „an sich", als deren Hüter sich der Naturwissenschaftler fühlt oder fühlen könnte, selbst nichts anderes als eine bestimmte „Ebene" ist, in deren Zusammenhang Seiendes, nun eben anders als etwa im eucharistischen Umgang, zugänglich wird. Diese „Ebenen" sind nun aber offensichtlich auch nicht eine Art „objektiver Zusammenhang" des Seienden, sondern konstituiert durch einen bestimmten menschlichen Umgang mit dem Seienden, einen bestimmten Zugang zu demselben oder eine bestimmte intentionale Ausstattung des Subjektes, denn anders wäre es nicht vorstellbar, daß ein Seiendes für offenbar unterschiedlich disponierte Subjekte jeweils einen unterschiedlichen Sinn gewinnt: das eucharistische Brot ist „für" den Chemiker etwas anderes ist als „für" den Gläubigen bzw. den Kultteilnehmer. Die oben (S. 196) zitierte Behauptung, daß eine „wesentliche Korrelation" zwischen dem menschlichen sinngebenden Verhalten, und dem „Objekt" besteht, soll also offenbar dies sagen, daß es dieses „Objekt" nicht ohne jene „Sinngebung" gibt: es liegt kein „additives" Verhältnis des Umganges eines „Subjektes" mit einem zunächst selbstständigen, in sich bestimmten Objekt vor, sondern dieser „Umgang" des Subjektes ist ein in der Weise wesentliches Moment des „Seienden", daß es ein Seiendes nur jeweils als Moment der im Umgang eines Subjektes konstituierten Zusammenhänge gibt, in denen sich der jeweilige Umgang bewegt: der Ebene des „Kultes", der „Naturwissenschaften", o.ä. Das „Objekt" ist nicht die aus diesem Zusammenhang und Zugang zu ihm isolierbare Voraussetzung des Umganges, sondern es ist überhaupt nur in diesen Zusammenhängen gegeben, wobei es sich in unterschiedlichen Modifikationen des Umganges in je unterschiedlicher Weise zeigt: als „Ding", als naturwissenschaftlich faßbares Objekt, als Nahrungsmittel, als Symbol der Gemeinschaft, etc. (S. 87-89, nl. II S. 380-382). Seiendes, so wird man Schillebeeckx' Ausführungen also in optimam partem interpretieren müssen, ist wesentlich Korrelat eines Verstehens in dem Sinne, daß es nicht die in sich selbstständige, von diesem Verstehen unabhängige Bedingung von dessen Möglichkeit ist, über die absolute Wesensaussagen möglich wären; es ist vielmehr immer schon Moment eines in einem bestimmten Zugang zum Seienden entworfenen Zusammenhanges, sei es der Zugang der Vollzug kultischer Akte oder die chemische Analyse, und gewinnt in diesem Zusammenhang eine Bestimmung (etwa seiner Funktion), die nun nicht eine einem selbstständigen Seienden akzidentelle Näherbestimmung, sondern - die einem nur in solchen Kontexten überhaupt Seienden - wesentliche Bestimmtheit ist. Ich bezeichne im folgenden diesen Charakter des Seienden, Korrelat eines bestimmten Zuganges „zu ihm", und nicht subsistentes, unabhängiges Fundament desselben zu sein,

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als die „Phänomenalität" des Seienden: es ist wesentlich „Erscheinendes für ..."104: „Die Wahrnehmung des Menschen ... hat eine ganz spezifische Einheit: die Einheit eines geistigen Aktes (aktive Offenheit für die Wirklichkeit) mit dem sinnlich Wahrgenommenen. Als solche kann man die sinnliche Wahrnehmung (das Wahrgenommene und die Wahrnehmung) weder objektiv noch subjektiv nennen, weder realistisch noch idealistisch interpretieren. Das Wahrgenommene steht nicht isoliert vom wahrnehmenden Subjekt. Es ist nicht unabhängig von der appellierenden Umwelt und somit kein bloßer Bewußtseinszustand, aber ebensowenig unabhängig von der Reaktion eines Subjekts, also keine objektive Qualität der Wirklichkeit. Das impliziert wesensgemäß, daß alles, was für die sinnliche Wahrnehmung Sinn hat, diesen Sinn getrennt von dieser Wahrnehmung verliert." (S. 98, nl. S. 388) Die Intention des Abschnittes scheint es zu sein, eine wesentliche „Bezogenheit" des gemeinhin als das „Objektive" bezeichneten Seienden auf das „Subjekt" auszusagen, dabei aber zu vermeiden, daß dieses „Objektive" zum blossen Bewußtseinszustand eines „Subjektes" degradiert wird. Das wesentliche Korrelatverhältnis von „Subjekt und Objekt", deren keines je ohne das jeweils andere ist, scheint das Ziel der Ausführungen Schillebeeckx' zu sein, für das er sich übrigens auf die Phänomenologie MerleauPontys beruft (ebd.). Genau so scheint es Schillebeeckx zu gelingen, die ontologische Dignität nun auch der Funktionen auszuweisen, die das Seiende jeweils im Kontext bestimmter „Lebenswelten" gewinnt, denn es kann unter der skizzierten Voraussetzung nicht die Rede davon sein, daß z. B. dem naturwissenschaftlich Zugänglichen nun ein höherer Grad an ontologischer Dignität zukäme, da auch dieses „An sich" nicht die Wirklichkeit, wie sie ohne jede Subjektivität, sondern die Wirklichkeit, wie sie für eine in bestimmter Weise mit dem Seienden umgehende Subjektivität erscheint. „Es gibt" diese Wirklichkeit nur in einem bestimmten Umgang des Menschen mit ihr, der sich auf unterschiedlichen Ebenen vollzieht, in denen das jeweils erfaßte Seiende in einem bestimmten Sinn erfaßt ist: „Rein sinnliche Wahrnehmung aber kommt im Menschen nicht vor. Er sieht, hört, tastet und schmeckt auf eine menschliche Weise und vermenschlicht sowohl das Wahrgenommene als auch die Wahrnehmung. Die Wahrnehmung, die als solche allein dem biologischen Nutzen dient, wird so (mitsamt ihrem Inhalt) in die Wirklichkeitsausrichtung des menschlichen Geistes, in den Bereich des spezifisch Menschlichen, des „honestum" aufgenommen, was letztlich 1041m Anschluß an Schillebeeckx (Gegenwart S. 99f (ebd. S. 389)) und im Vorgriff auf den Phänomenbegriff der Phänomenologie, vgl. unten II C und bes. D.

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heißt: die Welt als Wirklichkeit Gottes, in die wir eintreten dürfen. So wird die Wahrnehmung (mit ihrem Inhalt) über die spezifisch sinnliche Relativität hinausgehoben und mitgenommen in die Richtung der geistigen Wirklichkeitsintention." (ebd.) Das Ziel des Argumentes ist dies, zu zeigen, daß eben nicht das sinnlich Wahrgenommene oder das naturwissenschaftlich Faßbare, sondern das Seiende, wie es sich als Korrelat und im Horizont eines „spezifisch menschlichen" Weltzuganges zeigt, von höherer ontologischer Dignität ist. Dies Argument sticht aber eben bloß unter der Bedingung, daß nicht die angeblich „niedrigere" Ebene einen Zugang zum Seienden „an sich" bietet, während jede „höherstufige" Ebene nur „Sinnaufstufungen" an diesem schon in sich bestimmten Seienden vornimmt; und diese Bedingung erfüllt Schillebeckx genau durch den Nachweis, daß jene „niedrigere" Ebene das Seiende als Korrelat eines bestimmten Zuganges zu ihm ist. Der Ansatz ist - so gesehen - den Ansätzen Salas oder Leenhardts überlegen, da er die Ebene der „Natur" oder des naturwissenschaftlich Zugänglichen nicht als das subsistente und damit wesentlich bereits bestimmte Fundament für eine sekundäre Sinnaufstufung betrachtet, so jede Möglichkeit, diesen aufgestuften Sinn als wesenskonstitutiv auszuweisen, von vornherein ausschliessend, sondern auch das den Naturwissenschaften Zugängliche als eine bestimmte Erscheinungsweise des Seienden im Zusammenhang einer im verstehenden Umgang eines Subjektes entworfenen „Wirklichkeitsebene" ausweist. Es liegt kein Verhältnis eines vorgegebenen, subsistenten „Naturmaterials" und eines sinngebenden Verhaltens vor, sondern das Verhältnis eines als Korrelat eines Wahrnehmens erscheinenden „Seienden", und einer Aufnahme dieser Wahrnehmung und ihres „Inhaltes" in eine Intentionalität höherer Stufe, in dem das der Wahrnehmung Erscheinende einen neuen, nicht aber überhaupt erst einen menschlichen Sinn erhält. 2.3 Der Einwand, der sich gegen diese durchgehend in optimam partem gelesenen Ausführungen Schillebeeckx' erhebt, führt allerdings wieder zurück auf den schon des öfteren thematisierten Generalfehler der Transsignifikationslehre: den Rückfall in die Grundbestimmungen der Substanzontologie. Es stellt sich nämlich die Frage, wie sich dieser menschliche Sinn oder die „Phänomenalität" des Seienden zur Wirklichkeit als „Gemächte" oder „Schöpfung Gottes" verhält; der dieser Frage entspringende Einwand wird ersichtlich, wenn man folgende Ambivalenz bei Schillebeeckx erfaßt hat: Einerseits geht Schillebeeckx davon aus, daß die Welt als „Wirklichkeit Gottes" das freilich nicht in expliziten Akten vorstellig werdende Korrelat eines expliziten oder impliziten Zuganges zur Wirklichkeit ist: 200

„Die Wahrnehmung ... wird so ... in die Wirklichkeitsausrichtung des menschlichen Geistes, in den Bereich des spezifisch Menschlichen, des „honestum" aufgenommen, was letztlich heißt: die Welt als Wirklichkeit Gottes, in die wir eintreten dürfen." (S. 86, nl. S. 379) Offensichtlich, so kann man die Ausführungen jedenfalls lesen, ist hier die „Welt als Wirklichkeit Gottes" das Korrelat einer „Wirklichkeitsausrichtung" des menschlichen Geistes, der letzte Horizont des Geheimnisses „hinter" allen Sinnstiftungen als Korrelatphänomen der Tiefendimension jeder menschlichen Wirklichkeitsintention105. Dies würde bedeuten, daß der Rekurs auf diese Wirklichkeit als Schöpfung Gottes eben gerade nicht eine Auflösung des Korrelatverhältnisses von „Subjekt" und „Objekt" in dem Sinne impliziert, daß das „Objekt", die Welt als Wirklichkeit Gottes, nun doch eine Selbstständigkeit und Unabhängigkeit gegen den Zugang zu ihm bzw. die menschliche Sinnstiftung gewinnt. Nun führt aber Schillebeeckx mit Bezug auf dieses Korrelat der Grundintentionalität aus, daß es sich hier um einen Grundsinn von Wirklichkeit handle: „Der Mensch ist zwar eine dem Wesen nach interpretierende Existenz, welche die Wahrheit eben als Unverborgenheit einigermaßen aufleuchten läßt, aber seine Sinngebungen werden von einer Wirklichkeit beherrscht, die (nicht chronologisch, sondern in metaphysischer Priorität) zuerst von Gott stammt, und dann erst vom Menschen selbst." (ebd.) Entsprechend spricht Schillebeeckx von einer „vorgegebenen Wirklichkeit", und einem Gebunden-sein jeder menschlichen Sinnstiftung an diese gegebene Wirklichkeit (S. 86f, vgl. Zitat oben S. 195), so daß man annehmen muß, daß hier an eine Art „Anlage" der „Wirklichkeit selbst" auf bestimmte Sinngebungsmöglichkeiten hin gedacht ist. Einerseits wird also durchgehend die Wirklichkeit als von der menschlichen Intentionalität, der menschlichen Bezugnahme auf diese, untrennbares Phänomen behandelt: die „Wirklichkeit" ist wesentlich das, was sie „für" ein mit ihr befaßtes „Subjekt" ist, und auch - so deutete es sich wenigstens als Interpretationsmöglichkeit an - : die „Wirklichkeit als Wirklichkeit Gottes" ist keine „Wirklichkeit an sich", sondern eben die Wirklichkeit als Korrelat einer bestimmten Tiefendimension der menschlichen Existenz. Auf der anderen Seite aber erscheint nun diese „Wirklichkeit" nicht als Korrelat eines „menschlichen Verhaltens", sondern als der jedem Verhalten vorausliegende, von Gott gesetzte Bezugspunkt dieses menschlichen Ver105 Vgl. ders., Faith S. 46ff.

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haltens. Über diese „Wirklichkeit", die die „metaphysische Voraussetzung" jedes menschlichen Umganges ist, weiß Schillebeeckx nun auch noch weiteres zu berichten, was er jedenfalls nicht einem menschlichen Umgang mit derselben entnommen haben kann: diese Wirklichkeit ist „Schöpfung Gottes", sie ist ausgestattet mit einem eigenen „metaphysischen Sinn", der gerade dadurch ausgezeichnet ist, daß er sich menschlichem Erfassen entzieht (S. 86f, nl. II S. 379f); dieselbe Linie verfolgen die weitgehend nicht verständlichen Ausführungen Schillebeeckx' zum Verhältnis von Phänomenalität und „Wirklichkeit", die jedenfalls darauf hinauslaufen, daß zu unterscheiden ist zwischen der „Wirklichkeit selbst", und deren „Erscheinen für...": „Wie die Wirklichkeit erscheint, wird aber mitbestimmt durch die Verfassung des Menschen: durch seine Sinnlichkeit, Begrifflichkeit und seinen konkreten Umgang mit den Dingen. Daraus ergibt sich ein gewisser Unterschied zwischen der Wirklichkeit selbst und dem Phänomenalen. Zwar liegt die Wirklichkeit nicht hinter dem Phänomenalen; die Wirklichkeit selbst tritt in Erscheinung. Aber das in Erscheinung Tretende ist gerade als solches auch durch die komplexe Art und Weise gefärbt, wie der Mensch die Wirklichkeit angeht, eben infolge seiner komplexen Seinsweise." (S. 99f, nl. II S. 389) Diese Ausführungen sind nun keinesfalls vereinbar mit einer von Schillebeeckx doch ausdrücklich intendierten „Untrennbarkeit" von „Subjekt" und „Objekt", in der die Bedingung der Möglichkeit dafür liegt, daß der Sinn, den das Seiende im menschlichen Umgang gewinnt, nicht eine akzidentelle, sondern eine wesentliche Bestimmung des Seienden ist: denn nun erscheint der „Sinn", den das Seiende im menschlichen Umgang erhält, seine „Erscheinung für ..." im menschlichen Umgang, als eine „Interpretation" einer in sich bereits (durch Gott) bestimmten und gegen diese Interpretation gleichgültigen Wirklichkeit, der dieser Umgang gerade nicht wesentlich ist, sondern die lediglich dadurch „gefärbt" wird (vgl. das zuletzt gebotene Zitat): es handelt sich um ein additives Verhältnis von „Wirklichkeit" und menschlicher Intentionalität. Diese Wirklichkeit als „Gemächte Gottes" ist nun auch die absolute Grundlage, deren interner Bestimmtheit sich alle menschlichen Sinnstiftungen verdanken, denn Schillebeeckx geht ganz offenbar davon aus, daß die „Wirklichkeit selbst" den Grund der Möglichkeit, aber auch aufgrund der internen Bestimmung dieser Wirklichkeit die Begrenzung der menschlichen Sinngebungsmöglichkeiten darstellt: „Ausdrückliche Wirklichkeitserkenntnis ist deshalb eine komplexe Einheit, in der aktive Offenheit für das, was sich als Wirklichkeit darbietet, immer mit Sinn-

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Stiftung zusammengeht; diese wird auch selbst wieder durch das normiert, was sich mir in der Tat zeigt." (S. 100, nl. II S. 389; vgl. auch S. 86f, nl. II S. 379f) Damit ist das Verhältnis von „Sinn" und „Seiendem", das ich durch die vorangehende Auslegung der Position Schillebeeckx' zu entfalten versuchte, völlig verschoben: das Seiende ist nicht das jeweils und wesentlich in einem - wie immer bestimmten - Zusammenhang Erscheinende, sondern es gibt eine zunächst interne Bestimmtheit des Seienden, die bestimmte Sinngebungen ermöglicht oder normiert; diese „Sinngebung" erscheint als ein Umgang mit einem vorgegebenen Seienden, dessen zunächst interne Bestimmtheit Sinngebungen ermöglicht oder ausschließt - eine Verhältnisbestimmung von menschlichem Sinn und Seiendem, die ich oben als Ausdruck eines vorthematischen Substantialismus bezeichnet habe 106 . Der durch den Ausweis, daß „Wirklichkeit" vom Zugang eines Subjektes zu derselben untrennbar und wesentlich durch dieses bestimmt ist, mühsam exportierte substanzontologische Ansatz wird damit wieder übernommen: das „Seiende" ist eine zunächst in sich wesentlich bestimmte, vom Menschen und seinen Sinnstiftungen „metaphysisch" unabhängige Wirklichkeit, der gegenüber der menschliche Umgang und der Sinn des Seienden, der ihm im menschlichen Umgang und in den durch diesen Umgang konstituierten Zusammenhängen und Ebenen zuwächst, akzidentell ist. Der „menschliche Sinn" des Seienden wird auf ein „an sich" hintergehbar, das - wenn es auch als „göttlicher Sinn" als für das menschliche Verstehen nicht zugänglich gedacht ist - doch die Instanz ist, mit Bezug auf die allein nach dem „Wesen" des Seienden gefragt werden kann, während jede Bestimmtheit oder Änderung eines menschlichen Sinnes für dieses Seiende nur dann wesentlich ist, wenn ihr eine entsprechende Bestimmtheit des „Seienden selbst" entspricht. Es ist daher völlig konsequent, wenn Schillebeeckx die Frage, ob die Beschreibung der Wandlung der eucharistischen Elemente als Transsignifikation im Sinne einer Wandlung des menschlichen Sinnes die Transsubstantiationslehre ersetzen könne, negativ beantwortet (S. 100-102.101, nl. II S. 389-391): Begriff und Sache der „Substanz" kann eben dann nicht durch den „menschlichen Sinn" abgedeckt werden, wenn das durch diesen „Sinn" und damit eben im menschlichen Umgang bestimmte Seiende explizit oder unter der Hand als etwas diesem Umgang „Vorausliegendes", in sich Bestimmtes und diesen Umgang Bestimmendes betrachtet wird. Die Frage nach dem „Wesen" des Seienden ist dann eben nicht mit dem Hinweis auf das Seiende als Korrelat des menschlichen Umganges zu

106 S.o. ( I C II) S. 166.

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beantworten, sondern stellt sich als (möglicherweise nicht beantwortbare, aber dennoch sinnvolle) Frage nach dem Wesen des diesen menschlichen Umgang ermöglichenden Selbstständigen; dessen aus diesem Umgang erwachsende Bestimmungen aber sind akzidentell. 3. Die gegen Schillebeeckx'Ansatz vorgebrachte Einrede trifft auch die übrigen Versuche, eine wesenskonstitutive Funktion des „menschlichen Sinnes" des Seienden durch eine „Schöpfungsontologie" zu sichern, oder einem bestimmten menschlichen Sinn durch den Verweis auf eine entsprechende „Sinngebung" Gottes ontologische Dignität zu verschaffen 107 : denn genau dann, wenn ein dem Seienden „vor" jedem menschlichen Umgang mit demselben - etwa aus einer göttlichen Setzung oder Sinnbestimmung entspringender - eigener Sinn diesen Umgang normiert, besteht keine Möglichkeit mehr, den menschlichen Sinn als ontologisch konstitutiv auszugeben, sofern unter dem „menschlichen Sinn" im oben (C II) umrissenen Sinne die „Funktion" oder der Momentcharakter verstanden werden soll, den ein „Seiendes" aufgrund seiner Einordnung in einen menschlichen Kontext gewinnt. Ontologisch konstitutiv ist dann nicht dieser „Sinn", sondern die interne Ausstattung eines jedem menschlichen Umgang voraus subsistierenden Seienden. Dieses ist aufgrund seiner internen Ausstattung für einen menschlichen Umgang geeignet, der ihm aber nicht wesentlich ist, gerade weil er an dem Seienden seine Bedingung hat, und nicht umgekehrt: das Seiende in diesem Umgang. Die Lehre von der Schöpfung - verstanden im traditionellen Sinne einer Konstitution einer Welt durch Gott, derer sich in der Folge der Mensch in der einen oder anderen Weise bedient - schließt eben aufgrund dieses Folgeverhältnisses von Seiendem und menschlichem Umgang eine Identifikation des menschlichen Sinnes mit dem „Wesen" des Seienden aus, da prinzipiell die Möglichkeit offenbleibt, „hinter" den menschlichen Sinn die Funktion, die das Seiende im Rahmen eines menschlichen Umganges gewinnt - zurückzutragen nach dem „Seienden selbst", nach seinem „eigenen" oder seinem göttlichen Sinn.

107 Belege oben Anm. 64.

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C V G. Hintzen: Der Sinn als immanente Form Alle vorangehend referierten Ansätze waren von dem Ziel geleitet, in unterschiedlicher Weise die ontologische Dignität eines Wandels eines Seienden auszuweisen, in dessen Vollzug der empirische Bestand des Seienden bleibt, während sich „nur" der „menschliche Sinn" desselben wandelt. Das Ergebnis, zu dem die Analyse der Versuche, eine derartige ontologische Dignität des „menschlichen Sinnes" zu begründen, führte, war im Grunde immer wieder dasselbe: die Grundposition einer „Substanzontologie", der Ausgang von einer ursprünglichen Selbstständigkeit und damit internen Bestimmtheit des Seienden als Fundament jeder ihm aus einem anderen seiner selbst zuwachsenden Bestimmtheit, blieb der Ausgangspunkt der Überlegungen; dies hatte zur Folge, daß hinter den „Sinn", den das solchermassen als selbstständig betrachtete Seiende als Moment eines menschlichen oder göttlichen Umganges gewinnt, zurück nach dem „Seienden selbst" und seiner internen Bestimmtheit, und so auch nach seinem eigenen Wesen gefragt werden kann. Ein besonders deutliches Beispiel für diesen Rückfall in eine Substanzontologie ist die Stellungnahme G.Hintzens, der die ontologische Dignität einer menschlichen Sinnstiftung dadurch zu stützen sucht, daß er einen Bereich „substantieller" von „akzidentellen" Sinnstiftungen zu unterscheiden sucht und so dem Problem zu begegnen sucht, daß durch die Bezeichnung des „menschlichen Sinnes" als das Wesen des Seienden dies Wesen der Beliebigkeit zu unterliegen droht: denn die Verwendung eines Flaschenbodens als Aschenbecher ist ein „Sinnwandel", den als Wesenswandel anzuerkennen man sich - aus welchen Gründen auch immer - doch vorderhand sträubt 108 . Die Position ist nicht nur darum von einigem Interesse, weil sie die z.Zt. neueste ausführlichere Stellungnahme zur Transsignifikationslehre darstellt, sondern auch darum, weil hier der Versuch unternommen wird, die Grundbestimmungen einer Substanzontologie im Rahmen einer Position, die „Sinn" und „Wesen" bzw. „Substanz" identifiziert, wiederzufinden. Das unterschwellige Festhalten der vorangehend referierten Positionen an einer Substanzontologie wird hier manifest, und so referiere und analysiere ich nicht nur die genannte Unterscheidung von akzidenteller und substantieller Sinnstiftung, sondern die gesamte Position Hintzens, wenn sich auch dabei Überschneidungen mit bereits vorgetragenen Argumentationen ergeben 109 : 108 Zu diesem Beispiel vgl. J.de Baciocchi, Présence S. 155f; vgl. auch G.Hintzen, Gedanken S. 213f; B.Welte, Diskussionsbeiträge S. 192. 109 Textgrundlage ist hier der ausführliche Beitrag zur „anthropologischen Ontolo-

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1. Zunächst zum Aufbau und zur Intention der Überlegungen Hintzens zum Substanzbegriff: Hintzen hält die Überlegungen zur Substanz für das Zentrum der Transsignifikationslehre, ohne die auch verantwortliche Neufassung des Zeichenbegriffes unmöglich sei110. Entsprechend bemüht er sich zunächst um einen „anthropologischen Substanzbegriff', eine Deskription der Konstitution der kulturellen Welt aus einer „Sinnstiftung" des Menschen, die ihm in einem zweiten Kapitel als Basis eines Analogieschlusses auf die Konstitution von Wirklichkeit aus einer Zweckbestimmung bzw. Sinnstiftung Gottes dient. „Göttliche" und „menschliche" Sinnstiftung werden sodann - wie bei Schillebeeckx durch ein Akt-Potenz-Schema vermittelt, woraufhin Hintzen in einem vierten Schritt den menschlichen Sinn und seine ontologische Dignität durch die Einführung der Unterscheidung von akzidenteller und substantieller Sinnstiftung differenziert 111 . Das leitende Anliegen Hintzens besteht darin, die Konvergenz dieser Überlegungen mit Positionen der aristotelisch-scholastischen Substanzontologje aufzuzeigen. Bemerkenswert ist dies Unterfangen darum, weil durch die Hinweise auf diese Konvergenzen fortschreitend weniger deutlich wird, warum es eigentlich nötig ist, eine „neue" Ontologie zu entwerfen, und weil hier deutlich wird, in welchem Umfang die Anforderungen an eine „neue" ontologische Position unterschätzt und verdeckt werden. Es wird im folgenden zu zeigen sein, daß die entscheidende Konvergenz mit der aristotelischen Substanzontologie nicht in einzelnen Übereinstimmungen, etwa in der Identifikation des „Sinnes" mit der „substantiellen Form", oder der Identifikation des „Sinnes" mit der „causa finalis" des Seienden liegt, sondern wieder in dem ganz unthematischen, unreflektierten Ausgang von der Selbstständigkeit des Seienden, die Übernahme also der Grundüberzeugung, daß „Sein" nichts anderes besage als „Selbstständigkeit", und ein Seiendes ein zunächst in sich bestimmtes Selbstständiges

gie" in: G.Hintzen, Diskussion S. 197-219; Seitenverweise im Text beziehen sich im folgenden auf dies Werk. Den Überlegungen geht eine ausführliche Analyse der gesamten bisherigen Debatte zur Transsignifikationslehre voraus, auf die an einigen Stellen zurückzugreifen sein wird. Die Darstellung deckt sich inhaltlich mit den entsprechenden, weniger ausführlichen Passagen in: ders., Gedanken S. 291-295 und ders., Transsignifikation S. 201-209; noch knapper ders., Zeichenwirkung S. 112-115. 110 Vgl. ders., Diskussion S. 197 und ders., Transsignifikation S. 207. 111 Zum anthropologischen Substanzbegriff ders., Diskussion S. 198-203; zum Analogieschluß auf eine „göttliche Sinnstiftung" S. 203-121; zur Verhältnisbestimmung von göttlicher und menschlicher Sinnstiftung S. 212f; zur Unterscheidung von substantieller und akzidenteller Sinnstiftung S. 213-219.

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sei. Diese Grundüberzeugung erst ist die Ursache für alle weiteren Konvergenzen der Position mit der Substanzontologie, und der Grund dafür, daß die intendierte Neuinterpretation scheitert: 2. Ich setzte ein mit dem von Hintzen beabsichtigten Nachweis der Identität des menschlichen Sinnes und des „Wesens" des Seienden im Falle der Kulturprodukte: 2.1 Hintzen beschreibt die Genese des „Kulturproduktes" folgendermaßen: „Im Handeln verwendet der Mensch die Dinge der Welt nach seinen Zwecken und wandelt so die naturgegebene „physische" Wirklichkeit in eine vom Menschen gemachte „anthropologische" Wirklichkeit um. In dieser Verwendung gibt der Mensch der Welt einen spezifisch „menschlichen Sinn", er bestimmt ihren Zweck und ihre Bedeutung für das menschliche Leben. ... Darum ist die vom Menschen gestiftete anthropologische Wirklichkeit ein „Kompositum aus Natur und Sinn" (Sala)." (198) Hintzen bezeichnet diesen „Sinn" als die „Substanz" des durch die menschliche Tätigkeit bestimmten Seienden, wiewohl schon vor jeder Klärung der Bedeutung des Begriffes „Sinn" deutlich ist, daß hier lediglich eine auf ein subsistierendes Naturding irgendwie aufgestufte Näherbestimmung des Seienden vorliegen kann. Der Fehler ist bis in die Einzelheiten mit dem bei Sala aufgewiesenen identisch, den Hintzen ja im gebotenen Zitat auch nennt: denn auch Hintzen analogisiert das Verhältnis von „Sinn" und „Natur" dem Verhältnis von Form und Materie und interpretiert den zugrundeliegenden Naturgegenstand als wesentlich Selbstständiges: „Die Natur ist aber auch das Substrat, das sich bei aller Veränderung der menschlichen Sinngebung in seinem Wesen [!!] unverändert durchhält und es damit überhaupt erst möglich macht, daß der Mensch die von ihm gestiftete Wirklichkeit durch eine neue Sinngebung zu verändern vermag." (S. 199) Die Rede von einem dem natürlichen Substrat jeder Zwecktätigkeit unverändert eigenen Wesen zeigt, daß es eben bedenkenswert ist, daß Thomas von Aquin alle von Hintzen im folgenden genannten Beispiele für eine hylomorphe Verbindung von „Sinn" und „Natur" als strenggenommen akzidentelle Einheiten von Form und Materie bezeichnen würde112. Denn 112 Thomas von Aquin, In VII Met lect 2 (1277): „Exemplificat autem hie membra in artificialibus, in quibus aes est ut materia, figura ut „forma speciei", idest dans speciem, statua compositum ex his. Quae quidem exemplificatio non est accipienda secundum veritatem, sed secundum similitudinem proportionis. Figura enim et aliae formae artificiales non sunt substantiae, sed accidentia quaedam. Sed quia hoc modo se habet figura ad aes in artificialibus, sicut forma substantialis ad materiam in naturalibus, pro tanto utitur hoc exemplo, ut demonstret ignotum per manifestum". Zum damit

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offenbar handelt es sich bei jenem Verhältnis von „Form" und „Materie" gerade nicht um eine Einheit, sondern darum, daß ein selbstständiges Seiendes mit einer „Form" (deren nähere Bestimmung noch aussteht) verbunden wird, die ihm als Seiendem so äußerlich bleibt, daß es trotz dieser Sinnaufstufung sich „in seinem Wesen unverändert durchhält": eine „forma artificialis". In der Folge zeigt sich bei Hintzen - wie bei Sala - daß er „Sein" und „Subsistieren" identifiziert: „Der Sinn, der ursprünglich nur als „Idee" im Geiste des Menschen ein intentionales Sein [sie!] besitzt, gewinnt im Ding (als einem Kompositum aus Natur und Sinn) ein reales, in der Folge vom Menschen unabhängiges Sein. Er ist wirklich „in" dem Ding und kann daher aus ihm auch wieder erschlossen werden ..."; oder: „Der menschliche Sinn, der ursprünglich nur eine intentionale Wirklichkeit ist, kann nur dadurch real werden, daß er in die Natur eingeführt und so in ihr „realisiert" wird."113 „Reales", i.e. subsistierendes, vom menschlichen Geist und auch von jeder menschlichen Sinnstiftung unabhängiges „Seiendes" liegt jeder Sinnaufstufung zugrunde und verleiht erst der „Sinnstiftung" Realität - es ist schwer vorstellbar, wie hier eine menschliche Sinnstiftung als „wesenskonstitutiv" ausgewiesen werden sollte. Eine Wesensänderung, so ist nach den vorangegangenen Analysen jedenfalls deutlich, ist unter dieser Prämisse nur dann ausgesagt, wenn sich das „Seiende selbst", und zwar wesentlich, gewandelt hat, nicht aber dann, wenn sich ein „menschlicher Sinn" im Sinne der „Funktion", die das Seiende im Rahmen eines menschlichen Aktes gewinnt, verändert. Es ist nun näher nach dem Begriff „Sinn" und seiner Bedeutung bei Hintzen zu fragen: 2.2 „Sinn", so konnte man den oben angeführten Zitaten entnehmen, ist die Bedeutung, die Funktion, die das Seiende im menschlichen Umgang thematisierten Problem vgl. G.Hintzen, Diskussion S. 42f; wie auf S. 202, Anm. 9 beruft sich Hintzen hier auf den Artikel „Substanz" im LThK von L.Oeing-Hanhoff, der sehr verdienstvoll ist, aber weder als Informationsquelle zu „Substanz", noch als Beleg für die These, im Falle der Kulturprodukte sei das „Wesen" der menschliche Sinn, ausreicht, zumal Oeing-Hanhoff stark einschränkt: L.Oeing-Hanhoff, Substanz Sp. 1140. 113 G.Hintzen, Diskussion S. 200 (erstes Zitat, Kursivierung von mir), S. 199 (zweites Zitat, Kursivierung im Original gesperrt); vgl. auch S. 198, Anm. 1 die Rede von der „Welt" als der „aussermenschlichen Schöpfung", derer sich der Mensch im Handeln bedient; dergleichen scheinbare Selbstverständlichkeiten sind, so sollte man meinen, im Rahmen des Vorsatzes, eine Ontologie zu entwerfen, doch mehr als eine hingeworfene Anmerkung wert! Denn genau hier fallt doch die Entscheidung darüber, was „Sein" heißt, und dies ist doch die Grundfrage einer Ontologie spätestens seit Aristoteles.

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oder im Rahmen der Verwirklichung einer menschlichen Intention erhält114 . Das könnte zunächst im Sinne des oben (C II) explizierten Sinnbegriffes verstanden werden, dem gemäß - um ein Beispiel Hintzens aufzugreifen (S. 198 und 200) - der menschliche Sinn eines Hauses eben der ist, Schutz oder einen Raum für den Lebensvollzug zu bieten; der „Sinn" des Hauses ist diese aus der „Aufnahme" in den menschlichen Vollzug dem Seienden zukommende Bestimmtheit: Schutz-bieten. Hintzen allerdings identifiziert nun den „Sinn" des Seienden - wie schon Sala - mit der mittels dieses Seienden vollzogenen oder seine Erstellung motivierenden menschlichen Intention bzw. Absicht: „So ist die anthropologische Wirklichkeit eines Hauses die Zusammenordnung physischer Wirklichkeiten... zur Realisierung eines menschlichen Sinnes (Wohnen)."; oder: „Man denke etwa an die zur Verwirklichung des anthropologischen Sinnes von „Wohnen" notwendige Verbindung von Steinen, Holz usw. zu der neuen Gestalt eines „Hauses"." ns

„Sinn" ist hier der menschliche Vollzug selbst, von dem gilt, daß er irgendwie mit dem natürlichen Seienden in Verbindung gebracht wird so, daß er dessen Form darstellt. Zu dieser Äquivokation ist über das anläßlich desselben Gedankens bei Sala Ausgeführten hinaus nichts zu sagen. Eine Differenz gegenüber Sala markiert nun der Umstand, daß Hintzen die „Mitteilung" des „Sinnes" an den „Naturgegenstand" und dessen konstitutive Funktion glaubt näher identifizieren zu können; dies gelingt ihm durch die Explikation weiterer (vorgeblicher) Bedeutungen des Begriffes „Sinn": Hintzen bestimmt im Ausgang von einer Analyse der Herstellung eines Kulturproduktes den „Sinn" als „Form" des Kulturproduktes im Sinne nun von dessen äußerer oder funktionsgerechter Gestalt einerseits (2.2.1), und als „finis" im Sinne von dessen „Zweck" (2.2.2) andererseits, und ordnet beides dem Begriff „Sinn" als „Funktionen" und dem Seienden als „Wesensgründe" zu (2.2.3). 2.2.1 Zunächst also identifiziert Hintzen den „Sinn" mit der „Form", und zwar folgendermassen:

114 Ebd. S. 198: „In dieser Verwendung gibt der Mensch der Welt einen spezifisch „menschlichen Sinn", er bestimmt ihren Zweck und ihre Bedeutung für das menschliche Leben." 115 Ebd. S. 198 (erstes Zitat), 200 (zweites Zitat), n.b.: der „... anthropologische Sinn von „Wohnen"..." - „von Wohnen" ist doch hier vermutlich wie im ersten Zitat explikativ verstanden, das heißt: das „Wohnen" ist der fragliche menschliche Sinn; vgl. auch schon S. 198: „Die anthropologische Substanz des Hauses wird durch den menschlichen Sinn konstituiert: ein Haus ist eine Wohnung."

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„Wenn der Mensch einen Sinn in die Natur einführt, verändert er dadurch zwangsläufig die sichtbare Gestalt der Natur. Man denke etwa an die zur Verwirklichung des anthropologischen Sinnes von „Wohnen" notwendige Verbindung von Steinen ... zu der neuen Gestalt eines „Hauses". Als Prinzip dieser neuen Gestalt kann der Sinn durchaus als „Form" bezeichnet werden. Er bestimmt, wie die Naturdinge jetzt angeordnet und strukturiert sind; er ist m.a. W. der innere Grund für die neue Gestalt der Natur. Daher kann der Sinn als „Wesensform" der anthropologischen Wirklichkeit verstanden werden."... [ Der Sinn gewinne in der Natur Existenz, sei „in" dem Ding und könne ihm entnommen werden. N.S1.] ... „Daher kann der Sinn auch in einem anthropologischen Denkrahmen als „immanente" Wesensform bezeichnet werden." (S. 200, kursiv im Original gesperrt) Offenbar deshalb gilt nun auch vom „Sinn" der schon zitierte Satz: „Er ist wirklich „in" dem Ding... " (ebd.). Es wird also über Sala hinaus verstehbar, inwiefern der „Sinn" nun dem kulturellen Seienden „mitgeteilt" werden sollte, nämlich: als „äußere Gestalt", bzw. als Prinzip der äußeren Gestalt. Dem muß nun genauer nachgegangen werden: unter „Sinn" versteht Hintzen zunächst den menschlichen Vollzug oder die Absicht, die zur Verwirklichung gelangen soll. Die Verwirklichung dieser Absicht erfordert eine Änderung der „Gestalt" der Natur. Der „Sinn" ist das „Prinzip" dieser Gestalt. All' dies ist notfalls nachvollziehbar. Inwiefern nun der „Sinn" aber als „Form" verstanden werden „kann", ist in mehr als einer Hinsicht unklar: entweder ist er die Form, oder er kann als Form „verstanden" oder „bezeichnet" werden, wie Hintzen immerhin zweimal formuliert. Der Grund für diese unklare Formulierung ist der, daß verdeckt werden soll, daß der „Sinn" im genannten Sinne natürlich nicht die „immanente Wesensform" des Kulturproduktes ist, daher aber auch nicht als solche verstanden werden kann. Dies wird deutlich, wenn man die weiteren Unklarheiten bedenkt: Was soll nach Hintzen der Begriff „Form" bezeichnen, wie verhält er sich zur „Gestalt"? Zunächst sieht es so aus, als sei „Form" und „Gestalt" nicht dasselbe. Der Sinn ist nach Hintzen ja nicht die Gestalt, sondern er ist das „Prinzip" oder der „innere Grund" der Gestalt. Nehmen wir also an, es sei sinnvoll, zu sagen, der „Sinn", verstanden als die vom Menschen verfolgte Absicht, sei die Ursache für eine bestimmte Gestalt, im Sinne von: „äußeres Aussehen" eines Kulturproduktes. Wie aber begründet man die Behauptung, daß die Ursache für eine bestimmte Gestalt des Seienden dessen „Form" oder gar „Wesensform" ist? Es ist völlig unerfindlich, nach welchem Vorbild diese Identifikation einer ausdrücklich externen Ursache der äußeren Gestalt und der „imma210

nenten" Wesensform vorgenommen wird - es sei denn, man nimmt an, daß es sich um eine verdeckte Assoziation der Begriffe „Form" und „Gestalt" handelt, und beides insgeheim identifiziert wird. Genau dies scheint die Intention Hintzens zu sein, der gemäß der „Sinn" als „Form" nicht nur der Grund für eine bestimmte Anordnung, sondern diese Struktur der Anordnung der Natur selbst ist116. Das ist selbstverständlich völlig indiskutabel, denn daß - um im Beispiel Hintzens zu bleiben - der „Sinn" des Hauses (im Sinne Hintzens: das menschliche „Wohnen") die „äußere Gestalt" des Hauses „ist", ist keine nachvollziehbare Behauptung. Sollte Hintzen dies nun doch nicht gemeint haben, sondern - vorsichtiger - der Meinung sein, daß der „Sinn" als „Prinzip" der Gestalt die „innere Wesensform" sei, so ist neben der oben genannten Frage, warum denn eigentlich das „Prinzip der Gestalt" eines Seienden dessen „Form" sein sollte, die weitere Frage zu stellen, inwiefern denn der „Sinn", der doch zunächst eine menschliche Absicht und etwas „im" Menschen ist („Der Sinn, der ursprünglich nur als „Idee" im Geiste des Menschen ein intentionales Sein besitzt...") nun - wenn er schon das Prinzip der Gestalt ist - eine „immanente Wesensform" oder ein „innerer Grund" (S. 200, vgl. 201 und 215) des Seienden sein sollte. Man wird auf diese Frage keine Antwort erhalten. Hintzens Absicht ist es offensichtlich, den „Sinn" am Seienden selbst als dessen Konstitutionsprinzip zu identifizieren, und zwar dadurch, daß er auf der Basis einer rein begrifflichen Identifikation der durch die Verwirklichung eines „Sinnes" bedingten „Gestaltänderung" mit der „Wesensform" diese mit dem „Sinn" zu identifizieren sucht, ein Fehlschluß, der nicht erst durch die skizzierte Fülle von Assoziationen und unklaren Äquivokationen in diesem kurzen Abschnitt scheitert, sondern schon - um daran zu erinnern - an der Tatsache, daß man die mit Hilfe eines Seienden verwirklichte Absicht oder Intention nicht als dessen Sinn bezeichnen kann, und daß überdies das fragliche Seiende als Naturgegenstand jeder Sinngebung voraus ein autochthones Wesen hat. Der Grund für diesen Identifikationsversuch liegt allein im ursprünglichen Ansatz eines „selbstständigen" Naturgegenstandes als Fundament 116 Vgl. auch die eindeutige Identifikation S. 201: der „finis" sei gegenüber der „Form" ursprünglicher Wesensgrund, da vom finis die äußere Gestalt abhänge. Da es im Zusammenhang um die Bestimmung des Verhältnisses von finis und Form geht, und diese durch die Zuordnung von finis und Gestalt gelöst wird, ohne daß auf eine vermittelnde Grösse der „Form" als Gestaltprinzip rekurriert wird, ist anzunehmen, daß „Gestalt" und „Form" hier als identisch betrachtet werden. Allerdings wird in S. 217 oben wieder unterschieden: dort ist der „Sinn" das Fundament der „äußeren" Gestalt; vgl. zu dieser Passage unten S. 223ff.

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jeder kulturellen „Sinngebung": das „Kulturprodukt" hat nur dann überhaupt Chancen, als eine wesentliche Änderung des ursprünglich selbstständigen „Naturgegenstandes" akzeptiert zu werden, wenn gezeigt werden kann, was genau an diesem „Seienden selbst" sich geändert hat (und dies soll nach Hintzen die mit dem Sinn identische Form sein). Die Bestimmung der „Natur" als subsistente, in sich bestimmte Grundlage jeder Sinnaufstufung stellt, wie bei Sala, die Ursache für diese Gedankenverirrung dar. 2.2.2 Hintzen identifiziert nun andererseits den „Sinn" mit dem „Zweck" des Seienden; er stellt fest, er habe „ ... „Finis" und „Sinn" oft synonym gebraucht. Das ist sicher richtig, denn der deutsche Ausdruck „Sinn" hat ja die Bedeutung des lateinischen Terminus „Finis". Sinn ist nämlich „das, wozu etwas da ist", Finis „alles, um dessentwillen etwas ist oder geschieht"." (S. 200; Zitate im Zitat aus Lexikonartikeln) Unter „finis" versteht Hintzen den „Zweck" des Seienden: „Er [im Kontext: der Sinn als finis, N.S1.] gibt den Zweck an, zu dem der Mensch sie [d.i. die zuvor erwähnte „anthropologische Wirklichkeit", N.S1.] gemacht hat." (S. 201) Hintzen identifiziert allerdings den „Zweck" des Seienden mit der menschlichen Intentionalität, in deren Vollzug das Seiende eine bestimmte Funktion hat, und versteht so unter „Zweck" die erste der beiden unter (C II) ausgewiesenen Bedeutungen: das „Wozu" selbst, auf das hin ein Seiendes als auf ein anderes seiner selbst ausgerichtet ist117. Der Begriff „Sinn" hingegen wird jedenfalls an dieser Stelle anders als zuvor verwendet: er wird nicht mit der menschlichen Intentionalität identifiziert, die sich „im" Seienden niederschlägt, sondern als das „wozu" des Seienden bestimmt; vermutlich soll auch dies „wozu" - wie im Falle des „Zweckes" - die menschliche Intention sein, der das Seiende zum Ziel verhilft. Die Frage kann unentschieden bleiben, da die Identifikation von „Sinn" und „Finis" im folgenden nicht auf dem Wege über die beiden zitierten Definitionen verläuft, sondern Hintzen bringt den „Sinn" (im Sinne der intentionalen Vollzüge) mit „Form" und „finis" in eine recht unklare Verbindung: 2.2.3 Er bezeichnet nämlich nun „Form" und „finis" als die beiden „Funktionen" des „Sinnes", und bemüht sich um eine Zuordnung von „Form" und „finis" als „Wesensgrund" der „anthropologischen Wirklichkeit" - offenbar mit dem Ziel, durch diese Operation die angestrebte Identifikation des „Sinnes" mit dem „Wesen" zu erreichen: Die Zuordnung 117 Ebd. S. 202: „Und in der Tat definieren wir die Substanz eines Hauses als „Wohnung", eines Stuhles als „Sitzmöbel" usw. und damit vom Zweck (für den Menschen) her." Der „Zweck" ist hier offensichtlich das „Sitzen" oder das „Wohnen", dem das Haus bzw. der Stuhl dient. S.o. S. 209, Anm. 30.

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von „Form" und „finis" als „Funktionen" des Sinnes kommt überraschend und bleibt völlig unklar, da nicht deutlich wird, was Hintzen unter „Funktion" genau versteht. Damit bleibt auch unklar, wie sich nun genau der „Sinn" zu „finis" und „Form" als „Wesensgrund" verhält118. Vermutlich ist Hintzen der Meinung, daß der „Sinn" (als menschliche Intention) den „Zweck" eines Seienden darstellt und bezeichnet dieses für den „Sinn" (als menschliche Intention) nicht konstitutive Bestimmen des Seienden als eine „Funktion" des „Sinnes" mit Bezug auf das Seiende dies würde zum Ausdruck bringen, daß der Sinn ein Zweck nur ist, soweit er einem weiteren Seienden zugeordnet ist. Inwiefern aber die „Form" eine Funktion des Sinnes sein sollte, bleibt unklar: Hintzen scheint im folgenden sein Konzept, den „Sinn" durch die Identifikation mit der „Form" als das „Wesen" des Seienden auszuweisen, fortschreitend vergessen zu haben, denn der Begriff „Sinn" tritt immer stärker zurück zugunsten des Begriffes „Zweck", der ihm nun den Rang als Kandidat auf den Titel „Wesen" abzulaufen scheint (S. 201f). Hintzen stellt fest: „Wird für das anthropologische Denken die Substanz, das Wesen, durch den Sinn konstituiert, dann wird die Wesensfrage hier zur Sinnfrage. Diese könnte, gemäß der doppelten Rolle des Sinnes als Form und Finis, zunächst zweifach beantwortet werden: Das Wesen eines Dinges wird durch seine immanente 118 Ebd. S. 201f; ich möchte doch nicht annehmen, daß die Mißverständnisse hier auf meiner Seite liegen; das Verhältnis von „Sinn", finis und „Form" wird so bestimmt, daß unklar ist, ob nun dies alles miteinander identisch, oder je etwas anderes ist: S. 200f schreibt Hintzen, daß der „Sinn" jeweils in unterschiedlicher Hinsicht „Form" und „finis" genannt werden, oder als solche betrachtet oder verstanden werden kann. Schon dies Verhältnis ist unklar, impliziert aber jedenfalls, daß „Form" bzw. „finis" und „Sinn" miteinander identisch sind, zumal Hintzen S. 200, wie oben (S. 210 und 212) zitiert, „Sinn" jeweils für sich mit „Form" und „finis" identifiziert hatte. Nun aber soll „Form" und „finis" nicht dasselbe sein: „Um nicht mißverstanden zu werden: wir behaupten nicht, daß Form und finis dasselbe seien, sondern nur, daß mit den Termini Form und Finis die doppelte Funktion beschrieben werden kann, die dem „Sinn" in der Konstitution der anthropologischen Wirklichkeit zukommt: daß er das innere Strukturprinzip der anthropologischen Wirklichkeit ist und das „Wozu" dieser Wirklichkeit bestimmt." (ebd. S. 201). Nun ist offenbar der „Sinn" mit der „Form" identisch (der Sinn „ist" das innere Strukturprinzip, das S. 200 als „Form" bezeichnet wurde), nicht aber mit dem finis, denn der finis ist selbst, wie Hintzen in Anm. 8 (S. 201) schreibt, das „Wozu", das hier durch den „Sinn" bestimmt wird. Die Bezeichnung der beiden „Termini" als Funktionen des „Sinnes" führt also im Falle der Form ein Verhältnis der Identität, im Falle des finis aber ein Verhältnis der ontischen Differenz ein. Inwiefern der „Sinn" dann noch „finis" genannt werden kann, wo er doch mit diesem nicht identisch ist, bleibt ebenso im Dunkeln wie umgekehrt der Grund dafür, daß der „Sinn" mit der „inneren Form" identisch sein sollte, oben nicht erkennbar wurde. Die einzig mögliche Diagnose für nicht nur diesen Abschnitt ist die, daß kein einziger der verwendeten Begriffe eine klare Bedeutung hat.

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Wesensform, sein inneres Strukturprinzip, konstituiert. Und: Das Wesen wird durch den Finis, das Wozu, den Zweck bestimmt. Die beiden Funktionen des Sinnes, Form und Finis, sind jedoch keineswegs gleichwertig hinsichtlich der Wesensbestimmung eines Dinges. Die grundlegendere Funktion des Sinnes ist zweifelsohne die des Finis, da sich aus dem Zweck eines Dinges allererst seine Struktur [i.e. die „Gestalt", N.S1.] bestimmt. ... Daher muß die Substanz, das Wesen eines Dinges, letztlich aus dem Finis verstanden werden. Er ist der letzte Wesensgrund, von dem alle anderen Wesensgründe abhängen." (S. 201) Das Ziel Hintzens ist es offensichtlich, den „Sinn", die menschliche Intention also, als dasjenige zu bezeichnen, was einen bestimmten „Zweck", auf den das Seiende ausgerichtet ist, aus sich heraussetzt, der seinerseits für eine bestimmte Gestalt, als interne Ausstattung des Seienden, verantwortlich ist; seine Absicht besteht dabei vermutlich darin, auf diese Weise „Wesen" und „Sinn" (bzw. finis oder Form) zu identifizieren: weil der „Sinn" durch finis und Form (irgendwie) für das „Wesen" des Seienden verantwortlich ist, ist das Wesen mit dem Sinn identisch. Hintzen erreicht hier eine ganz vordergründige Plausibilität, die sofort verfliegt, wenn man sieht, daß er hier schlicht unterschiedliche Fragen, nämlich die Frage nach dem Wesen und die Frage nach der Ursache oder dem Konstitutionsgrund, vermischt; man erkennt dies durch eine Analyse des zuletzt gebotenen Zitates: 1.) Zunächst ist festzuhalten, daß die Identifikation von „Sinn" und „Wesen", die offensichtlich als Ausgangspunkt des Gedankens gesetzt wird, nicht nachgewiesen ist, es sei denn, man erkennt die unter 2.2.1 analysierten Gedankengänge als Nachweis an. Zweitens ist festzuhalten, daß es, wie ebenfalls schon gesagt, völlig unklar ist, was die Wendung besagen soll, der Sinn erfülle zwei „Rollen" oder „Funktionen" als „Finis" und als „Form". Sofern Hintzen also vorhaben sollte, über die Verbindung von „finis" bzw. „Form" und „Wesen" die Identität von „Sinn" und „Wesen" einzuführen, würde dies daran scheitern, daß zwischen „finis" bzw. „Form" und „Sinn" ein vollkommen unklares Verhältnis besteht. 2.) Der entscheidende Einwand aber ergibt sich aus der Frage, was es heissen soll, daß „das Wesen" konstituiert bzw. bestimmt werde durch „Form" und „Zweck" bzw. „finis". Wenn das „Wesen" mit dem „Sinn" identisch sein soll, und „Form" und „finis" zwei Funktionen des „Sinnes" sein sollen (also doch wohl irgendwie durch den Sinn konstituiert sind), dann kann das Wesen (= Sinn) nicht seinerseits durch „Form" und „finis" „bestimmt" oder „konstituiert" werden. Offensichtlich ist die (ohnehin nicht nachgewiesene) Identifikation von „Sinn" und „Wesen" hier schon wieder vergessen, und das „Wesen" wird als etwas behandelt, was durch den „Sinn" mittels seiner Funktionen 214

„Form" und „finis" konstituiert wird, aber einem „Seienden" als anderes von „Form", „finis" und „Sinn" eigen ist. Entsprechend entpuppen sich „Form" und „finis" plötzlich auch nicht mehr als „Wesen" des Seienden, sondern als „Wesensgrund", wobei „Wesensgrund" nach Hintzen heißt: „Unter „Wesensgrund" verstehen wir all das, wodurch ein bestimmtes Wesen als dieses Wesen konstituiert ist, und das ist nach dem Gesagten im anthropologischen Denken nicht allein die Form als inneres Strukturprinzip eines Dinges, sondern auch und primär der Finis als das „Wozu" seines Seins ... Wir verwenden den Begriff in einer ähnlich weiten Bedeutung, wie die klassische VierUrsachen-Lehre den Begriff „Ursache" verwendet." (S. 201f, Anm. 8) Die These, daß „finis" und „Form" „Wesensgründe" sind, ist kein Buch wert, das wußte die Scholastik auch schon; die Neuerung Hintzens wäre dem gegenüber ausschließlich die, daß diese „Wesensgründe" in eine unklare Verbindung mit dem „Sinn" (im Sinne einer „menschlichen Intention") gebracht werden und dessen „Funktionen" sein sollen. Dies zu zeigen war Hintzen aber nicht ausgezogen; sein Ziel war es vielmehr, zu zeigen, daß das Wesen mit dem „Sinn" bzw. dem „finis" identisch ist. Hier behandelt er aber das „Wesen" als eine eigene Bestimmtheit des „Seienden", die eben - wie auch immer - durch eine menschliche Intention, den Sinn bzw. dessen „Funktionen", hervorgerufen sein soll. „Wesen" und „Wesensgrund" sind aber nicht, oder jedenfalls nicht ohne Begründung, identisch: Man fragt nach dem „Wesen" gemeinhin nicht: „Wozu" oder „Warum ist das?", sondern: „Was ist das?" Die Antwort auf die Frage nach dem „Wesensgrund" läßt die Frage nach dem Wesen nun nicht nur offen, sondern setzt die Antwort auf diese Frage bereits voraus, denn wenn „finis" und „Form" „Wesensgründe" sind, dann heißt das ganz einfach: es gibt ein „Wesen", dessen „Gründe" hier thematisiert sind, mit denen aber dies Wesen nicht identisch ist; es ist damit auch nicht mit dem „Sinn" identisch, dessen „Rollen" oder „Funktionen" Form und finis ja sein sollen. 3.) Hintzen ahnt diese Unklarheit, denn er spricht im folgenden fast durchgängig nicht davon, daß der menschliche „Sinn" oder der „Zweck" das „Wesen" sei, sondern daß das Wesen „aus dem Zweck verstanden werden" müsse: „Daher wird das Wesen einer anthropologischen Wirklichkeit letztlich aus ihrem Zweck, das „Was" aus dem „Wozu" verstanden werden müssen.", oder: „Versteht man aber die Substanz eines vom Menschen gemachten Dinges primär aus seinem Finis .,."119 119 Ebd. S. 202, vgl. auch S. 201; das Verhältnis ist ebenso unklar wie die oben schon

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Das „Wesen" ist also etwas anderes als der „finis", der das „Wozu" des „Wesens", aber nicht dieses selbst ist. Es ist für ein „Wozu" konstitutiv, ein anderes des Seienden zu sein, dessen Wozu es ist, während das „Wesen" gemeinhin als etwas betrachtet wird, was mit dem, dessen Wesen es ist, identisch ist. Das Wesen ist also nach den eigenen Worten Hintzens nicht der finis. 4.) Auch das auf den ersten Blick suggestive Beispiel Hintzens hält einer Analyse nicht stand: „Und in der Tat definieren wir die Substanz eines Hauses als „Wohnung", eines Stuhles als „Sitzmöbel" usw. und damit von seinem Zweck (für den Menschen) her." (S. 202) Was besagt es, daß ein „Stuhl" als „Sitzmöbel" bezeichnet wird: zunächst ist die Antwort auf die Frage nach dem Wesen („was ist das?") strenggenommen nicht das „Sitzen", sondern „Möbel". Die Angabe des „Zweckes" („zum Sitzen") nimmt hier den Platz ein, der gewöhnlich einer differentia specifica vorbehalten ist, und hat doch wohl die Aufgabe, eine sehr viel umständlichere genaue Beschreibung durch die Angabe des Zweckes zu ersetzen: Genaugenommen müßte man die Wendung „Sitzmöbel" so wiedergeben: „ein Möbel, das so ausgestattet ist, daß es sich zum Sitzen eignet". Sofern dies die exakte Wiedergabe des Begriffes „Sitzmöbel" ist, gilt, daß nicht der „Zweck", sondern die zweckdienliche Ausstattung die differentia specifica des Möbelstücks darstellt. Das „Wesen" des Stuhles ist also dies, ein Möbelstück von einer bestimmten Ausstattung zu sein, die ihn zum Sitzen dienlich macht. Der „Zweck" des Möbelstücks ist aber nicht das „Wesen", sondern ein „Wozu" eines in bestimmter Weise ausgestatteten Möbelstücks. Das „Wesen" ermöglicht also einen bestimmten Umgang, das „Wesen" wird vielleicht auch konstituiert aus dem Interesse an einem bestimmten Umgang mit dem Seienden, es ist aber doch nicht selbst der „Zweck", den das Möbelstück in diesem Umgang erfüllt, und erst recht nicht dieser Umgang selbst, mit dem Hintzen ja den „Sinn" gleichsetzt. 2.3 Hintzen ist allerdings nun der Meinung, dadurch, daß er den finis als Konstitutionsgrund des Seienden ausgewiesen hat, eine ontologische Revolution vorgenommen zu haben:

monierte beständige Rede Hintzens davon, daß der „Finis" das Wesen bestimme, oder daß der „Sinn" „finis" oder „Form" genannt werden könne, etc. Es wird mit diesen Formulierungen immer verdeckt, daß die von Hintzen angestrebte direkte Identifikation der Bestimmungen einfach nicht möglich, weil völlig sinnlos ist.

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„Versteht man aber die Substanz eines vom Menschen gemachten Dinges primär aus seinem Finis, dann wird seine Substanz nicht mehr aus „ihm selbst", sondern in Relation zu einem „anderen" verstanden. Der Finis ist ja keine immanente Bestimmung des Dinges wie die Form, sondern ein außerhalb seiner liegender Bezugspunkt. Traditionell gesprochen: Der Finis ist keine „innere Ursache" wie die Form, sondern eine „äußere Ursache". So ist z. B. der Finis eines Hauses keine Bestimmung des Hauses wie seine Form, sondern eine Bestimmung der Relation des Hauses zum Menschen. Der letzte Bezugspunkt, von dem sich die Substanz des Hauses als Wohnung her bestimmt, ist daher der Mensch ... Der Grund dafür, daß die Substanz (das Wesen) nicht von „innen", aus dem Ding selbst, sondern von „außen", vom Menschen her, bestimmt wird, liegt darin, daß das Ding auch nicht von innen her, d. h. aus sich selbst, existiert, sondern von außen her ist, d. h. vom Menschen hervorgebracht wird, der mit der Existenz des Dinges zugleich auch dessen Essenz konstituiert." (S. 202) Der Ausgangspunkt dieser Ausführungen ist das Vorliegen eines Seiendes bestimmter Ausstattung, die als „immanente" Bestimmtheit von allem „Äußerlichen" unterschieden werden kann: das Haus selbst ist offenbar ein anderes als der Mensch, zu dem es in „Relation" stehen soll. Wenn nun der „finis", wie Hintzen schreibt, eine „Bestimmung" der „Relation des Hauses zum Menschen" (als einem anderen seiner selbst) ist, so versteht Hintzen unter „Zweck" nun offensichtlich wieder die „Funktion", die das Haus im Rahmen eines menschlichen Vollzuges hat: es geht um eine „Relation des Hauses zum Menschen" (S. 202): es ist beispielsweise dienlich zum Wohnen. Es ist damit aber überhaupt nicht einzusehen, wie und warum diese Relation bzw. die aus ihr erwachsenden Bestimmungen des Hauses das „Wesen" des Hauses sein sollten - das „Haus" ist doch das Fundament der Relation, nicht diese selbst. Es ist offensichtlich doch sinnvoll, von diesem Haus unter Absehung von jener Relation „nach außen" zu sprechen, selbst wenn diese Relation - der Zweck, den das Seiende im menschlichen Umgang gewinnt - das Motiv für die Ausstattung des Hauses mit ihm als Haus wesentlichen Attributen sein sollte. Wäre es nicht sinnvoll, vom „Haus selbst" unter Absehung von jener „Relation" zu sprechen, so dürften überhaupt nicht „immanente" von „äußerlichen" Bestimmungen des Hauses unterschieden werden. Unterscheidet man aber so, dann ist das „Wesen" des Hauses dessen interne Bestimmtheit, die „Relationen" nach aussen ermöglicht. Dieses Wesen wird vielleicht durch externe Gründe (den Menschen) und auf einen bestimmten Zweck hin, den das Haus erfüllen soll, hervorgebracht, es ist dann aber eben eine solche interne Bestimmtheit „des Hauses selbst". Daß dieser externe Grund selbst, oder die Relation des Hauses zu seiner externen causa efficiens, oder auch nur die dem Haus aus dem Vollzug dieser Relation zum externen 217

Grund zuwachsenden Bestimmungen dessen Wesen seien, ist einfach nicht einzusehen - es sei denn, es könnte gezeigt werden, daß diese „Relationen" die Bedingung der Möglichkeit des Seienden selbst so sind, daß sie nicht eigentlich „extern" bleiben, sondern die „conditio sine qua non" des Bestandes des Hauses sind. Genau dies versucht Hintzen nun im Rekurs auf die Hervorbringung des Hauses durch den Menschen zu gewährleisten, wobei ganz undeutlich bleibt, wie er sich das vorstellt: daß der Mensch die „Existenz" des Hauses - offenbar verstanden als dessen Subsistenz - gewährleistet, ist angesichts seiner eigenen Beschreibung der Konstitutuion eines Kulturproduktes durch eine „Sinnaufstufung" auf eine „präexistente" Natur sofort falsifiziert; zudem ist allein dadurch, daß der Mensch das „Wesen" des Seienden „konstituiert", noch längst nicht gesagt, daß die „Relation" zum Menschen nun auch das Wesen des Seienden sei. Wenn überhaupt einer der von Hintzen genannten „Wesensgründe" Anspruch darauf hat, als „Wesen" des Seienden betrachtet zu werden, so die „Form" als immanenter Konstitutionsgrund des Seienden, die aber weder mit dem „Sinn" (im Sinne der menschlichen Intention), noch mit dem „finis" des Seienden identisch ist, sondern höchstens durch diese oder mit Blick auf diese konstituiert wird. Da aber die „Form" lediglich eine forma artificialis ist, die (wie oben gezeigt) immer schon eine ontologisch ursprünglichere Konkurrenzinstanz in Gestalt der Substanz des in der Kulturtätigkeit vorausgesetzten Naturgegenstandes (und dessen forma) hat, bricht auch hier die Möglichkeit der Identifikation wenigstens von „Form" und „Wesen" in sich zusammen. Auch in den folgenden Passagen (S. 202f) versucht Hintzen mit dem Hinweis auf die Konvergenz seines Nachweises der konstitutiven Funktion des finis und der Form mit dem aristotelischen Vier-Ursachen-Schema die Identifikation von finis und Wesen plausibel zu machen; es bleibt aber unklar, inwiefern eine externe Ursache das Wesen des von ihm konstituierten Seienden sein sollte. Vielmehr liegt doch, wenn man nun einmal alle Mystifikationen beiseite läßt, nach Hintzen folgendes vor: Für die Realisation einer menschlichen Intention (nach Hintzen = Sinn) bedient sich der Mensch einer natürlichen Substanz, die im Rahmen dieser Tätigkeit einen bestimmten „Zweck" hat, d. h.: in bestimmter Weise zu einem menschlichen Vollzug dienlich ist. Sofern sie nicht dienlich ist, gestaltet der Mensch die natürliche Substanz um und gibt ihr - ggfs. - eine neue, artifizielle Form: es liegt dann ein Kulturprodukt vor, das für eine bestimmte Tätigkeit geeignet ist (diese Eignung oder Funktion ist strenggenommen der „Sinn" des Seienden), und in dieser Tätigkeit einen Zweck hat. 218

Es gibt auch nicht einen Grund, auf die Frage nach dem „Wesen" des Seienden mit der Benennung eines externen Grundes des Seienden zu antworten, und es gibt erst recht keinen Grund, auf die Frage nach dem Wesen mit dem Verweis auf eine menschliche Tätigkeit zu antworten, die sich des Seienden bedient, oder mit Blick auf die es als solches hergestellt, zugerichtet oder ausgestattet wurde. Auf die Frage nach dem „Wesen" des Seienden kann man unter Rekurs auf die artifizielle Form antworten (die aber auch nicht mit dem „Sinn" oder dem „Zweck", jeweils im oben genannten Sinne einer menschlichen Intention, identisch ist); oder man kann auf diese Frage - da sich nach Hintzen am Grunde j eder „Sinn-" bzw. „Formaufstufung" eine Ebene subsistenter Natur erhält mit der Wesensbezeichnung dieser Naturentität antworten. Solange es nämlich sinnvoll bleibt, von einem selbstständigen Seienden zu sprechen, ist dieses in irgendeiner Weise auch als Selbstständiges wesentlich bestimmt, und daher bleibt es notwendig, für die Angabe des „Wesens" dieses Seienden auf dieses selbst, und nicht auf anderes seiner selbst zu rekurrieren. Die Beschreibung dieser Verhältnisse bei Hintzen bleibt vollständig im Rahmen einer substanzontologischen Grundoption: es liegen wesentlich bestimmte Entitäten vor, die in bestimmter Weise in Relation treten und daraus jeweils Bestimmungen oder auch interne Veränderungen schöpfen. Auf dieser Basis ist es nicht nur nicht möglich, Bestimmungen, die einem Seienden aufgrund einer Relation eignen oder „zu" denen das Seiende in Relation steht - etwa den „Sinn" (die Ausrichtung) oder den „Zweck" einer Entität - als deren Wesen auszugeben, sondern auch nicht möglich, eine für diese Zweckbestimmtheit vorgenommene „Änderung" eines zunächst in sich bestimmten und dieser Bestimmtheit weiterhin unterliegenden Seienden als Gewinn eines „neuen" Wesens auszugeben; und erst recht ist es nicht möglich, interne Bestimmungen einer Entität, etwa den „menschlichen Sinn" (im Sinne Hintzens: eine Absicht des Menschen) mit von diesen Bestimmungen hervorgerufenen Bestimmungen einer anderen Entität, etwa der artifiziellen Form, zu identifizieren, wie Hintzen es mehrfach versuchte. Hintzen schließt seine Untersuchung zum „anthropologischen Substanzbegriff' mit folgenden Worten: „Der anthropologische Ansatz führt letzten Endes wieder zur klassischen aristotelisch-scholastischen Vier-Ursachen-Lehre. Das ist freilich gar nicht so verwunderlich, denn der klassischen Vier-Ursachen-Lehre liegt ja auch die Übertragung eines aus der „anthropologischen Wirklichkeit" der Techne abgelesenen Schemas ins Allgemein-Ontologische zugrunde. So erweist sich der „neue" Weg letztlich doch wieder als der „alte"." (S. 203)

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Wenn tatsächlich der „neue" Weg über den „alten" hinaus keine Erkenntnisse bieten sollte, ist die Bezeichnung „neuer" Weg ebenso schwer verständlich wie der Grund dafür, daß überhaupt nach einer „neuen Ontotogie" gesucht werden muß. Die Konvergenz mit der Vier-Ursachen-Lehre des Aristoteles, die Hintzen feststellen will, ist allerdings lediglich ein Indikator für eine tiefergehende Einigkeit mit Aristoteles im ontologischen Ansatz: Hintzen hatte das Ziel verfolgt, den menschlichen „Sinn" (im Sinne einer menschlichen Intention) bzw. den diesem „Sinn" entspringenden „finis" mit dem „Wesen" des Kulturproduktes zu identifizieren. Der Weg dazu bestand in dem Verweis auf die konstitutive Funktion des menschlichen „Sinnes" bzw. der „causa finalis" bei der Herstellung des Kulturproduktes, die aber, so habe ich gezeigt, darum nicht zu einer Identifikation des Wesens des Seienden und seiner externen Ursache führen konnte: das „Seiende" wurde eben als etwas zunächst in sich Bestimmtes und gegen seine Ursache Selbstständiges bzw. Sich-Verselbstständigendes betrachtet. Dieser Einsatz bei der Selbstständigkeit des in Frage stehenden Gegenstandes, der durch „Wesensgründe" konstituiert sein mag, der aber gegen seine „äußeren" Wesensgründe durch seine ursprüngliche Selbstständigkeit so bestimmt ist, daß diese sicher nicht sein „Wesen" darstellen können, ist die eigentliche und grundlegende Übereinstimmung mit Aristoteles: die Rede von einem „Seienden" ist immer die Rede von einem ursprünglich Selbstständigen. Nur wenn man von einem solchen Seienden spricht, ist es einerseits sinnvoll, äußere und innere „Wesensgründe" zu unterscheiden, und wenn man von einem solchen selbstständigen Seienden spricht, ist es andererseits nicht mehr möglich, eine aus einer Relation erwachsende Bestimmung, oder gar ein dem Seienden Äußerliches, als dessen Wesen (Antwort auf die Frage: „Was ist das?") auszuweisen - auch wenn dieses Äußerliche die causa efficiens oder finalis des fraglichen Seienden sein sollte. Hintzen ist, was die ontologischen Grundentscheidungen angeht, ganz eindeutig Aristoteliker, und dies von vornherein, nicht etwa in einer wundersamen Konvergenz der „Forschungsergebnisse". 3. Hintzen verwendet diese (vorgebliche) Konstitution des kulturellen Seienden durch einen menschlichen Sinn als Basis für einen Analogieschluß auf das göttliche Schöpfungshandeln, den ich hier nicht im einzelnen analysiere. Es bleibt lediglich daraufhinzuweisen, daß sich die Überlegungen Hintzens von der thomasischen Definition der Schöpfung nur so unterscheiden, daß Hintzen die „forma substantialis" und den göttlichen „finis" oder „Sinn" als externen „Wesensgrund" in dasselbe unklare Verhältnis bringt, das ich im Rahmen der menschlichen Sinnstiftung bereits moniert habe: Er schreibt im Anschluß an die Behauptung, die „ontologi-

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sehe Substanz" müsse „von Gott her" begründet und daher vom „Wozu" her gedeutet werden: „Diese Auffassung unterscheidet sich allerdings beträchtlich von der hylemorphistischen Interpretation der Substanz als Form „in" den Dingen [!!]. Wir wollen keineswegs behaupten, daß der hylemorphistische Substanzbegriff kein echter Wesensbegriff sei. Denn warum soll man nicht sagen können, das Wesen des Dinges liege in seiner Form, d. h. in seiner inneren Struktur? Gleichwohl kann man fragen, ob damit nicht zu früh das Fragen nach dem Wesen oder der Substanz beendet werde. Erkenne ich die innere Struktur (Form) eines Dinges, dann habe ich sicher etwas sehr Wesentliches erkannt... Trotzdem fehlt mir noch der Einblick in den letzten und tiefsten Wesensgrund dieses Dinges, der mir erklärt, warum das Ding diese und keine andere Struktur besitzt. Insofern die Form (das „Wie") letztlich vom Finis (dem „Wozu") abhängt, scheint uns eine Bestimmung der Substanz aus dem Finis durchaus angebracht zu sein." (S. 203f) Daß die Substanz aus dem „finis" Gottes konstituiert ist, wußten auch die Scholastiker, daher führt die von Hintzen als „weiterführend" apostrophierte Frage nach dem finis nicht über den Aristotelismus hinaus. Die Scholastiker wußten allerdings nicht, daß „Wesen" und „finis" identisch sind, aber diese Identität weist auch Hintzen nicht nach (vgl. im Zitat: „ ... vom finis abhängt", oder: Bestimmung aus dem finis"). Der entscheidende Punkt ist allerdings der, daß sich mit dieser Schöpfungsontologie eine nun eindeutig substantiale Bestimmung der Verfaßtheit des Seienden „vor" jedem menschlichen Zugriff auf dasselbe ergibt: das Seiende ist geschaffene Materie, die aufgrund einer „Absicht" Gottes in bestimmter Weise gestaltet ist120. Weder ist erkennbar, wie auf dieser Grundlage eine dem menschlichen Umgang mit dem Seienden entspringende Bestimmtheit oder Änderung jemals ontologisch konstitutiv sein sollte - es wiederholt sich hier im Grunde nur die Problemstellung des Verhältnisses von „Natur" und „kultureller Sinnaufstufung"; noch ist einzusehen, inwiefern diese Wiederaufnahme des Substanzbegriffes nun plötzlich gegen die Einwände immunisiert sein sollte, die sich dem Vernehmen nach aus den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen ergeben, und die eine Übernahme des aristotelischen Sub-

120 Ebd. S. 203-212. Es ist ganz unplausibel, daß dieser Abschnitt eine neue Ontologie darstellen soll. Die Darstellung entspricht über weite Strecken inhaltlich den Ausführungen des Thomas von Aquin über das Verhältnis des Schöpfers zur Schöpfung in STh I q 44 a 1-4, wo Gott als causa principalis (a 1, vgl. G.Hintzen, Diskussion S. 203), als Urheber der Materie (a 2, vgl. ebd. S. 207f), als causa exemplaris (a 3, vgl. ebd. S. 203. bes. 210) und als causa finalis (a 4, vgl. ebd. S. 208f) der Schöpfung ausgewiesen wird. Ich verstehe schlicht nicht, wo die Differenz liegt.

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stanzbegriffes angeblich unmöglich machen (S. 12f. 18f). Hintzen thematisiert die Frage nicht. Es zeigt sich wie bei Schillebeeckx auch hier: der Versuch, anthropologische Bestimmungen eines Seienden als ontologisch konstitutiv auszuweisen, scheitert dann, wenn der Bezugsrahmen von „Seiendem" und „Mensch" aufgebrochen wird mit dem Ziel, nun erst unabhängig von diesem Bezugsrahmen die Grundbestimmungen des „Seienden selbst" zu erheben; unter diesen Umständen nämlich ist auch dann, wenn sich das fragliche Seiende als bestimmt von einem Dritten - etwa Gott - erweisen sollte, doch dessen Selbstständigkeit gegen den Menschen und seinen Umgang mit dem Seienden der Grund dafür, daß dieser menschliche Umgang ein Umgang mit einem vorgegebenen, in sich bestimmten Seienden ist, das auf sein Wesen hin nicht aus diesem Vollzug, sondern aus sich selbst zu befragen ist: der menschliche „Sinn" - was immer das sein sollte - kann jedenfalls nie wesenskonstitutiv sein, wenn zuvor der „göttliche" Sinn als wesenskonstitutiv ausgegeben wird. Man kann hier also nur festhalten, daß der Versuch Hintzens, per analogiam auf der Basis eines „anthropologischen Substanzbegriffes", der - wie auch immer - einen menschlichen Umgang als ontologisch konstitutiv auszuweisen sucht, eine „göttliche Sinnstiftung" mit Bezug aus dasselbe Seiende zu erschließen, schlicht die ontologische Dignität der Basis der Analogie torpediert. 4. Hintzen sieht durchaus, daß die menschlichen Sinnstiftungen nur in uneigentlichem Sinne Substanzen sind: „Die menschlichen Sinnstiftungen können nur als uneigentliche Substanzen bezeichnet werden. Doch selbst wenn man glaubt, daß der den Naturdingen vom Menschen in Verständnis und Umgang verliehene Sinn eine anthropologische „Substanz" für uns konstituiert, bleibt immer noch die Frage, ob wirklich jede Sinnstiftung „für uns" substanziell sei. Denn es gibt doch auch „für uns" bloß nebensächliche oder akzidentelle Sinnstiftungen." (S. 213) Wie diese Behauptung, die menschlichen Sinnstiftungen seien „uneigentliche Substanzen", mit der Behauptung ausgeglichen wird, die doch immerhin den ganzen ersten Abschnitt der ontologischen Ausführungen beschäftigte - daß nämlich die menschliche Sinnstiftung wesentlich, ja mehr noch: Konstitution von Essenz und Existenz eines Seienden sei - bleibt ein Geheimnis des Verfassers. Das nun thematisierte Problem, ob denn auch eine reine Änderung der Verwendung schon eine Änderung der „Substanz" ist, steht vor der Konsequenz eines grenzenlosen Relativismus, dem gemäß das „Wesen" eines Seienden jeweils das ist, wozu ein Subjekt es verwendet (S. 213-216). Hintzen verweist nun zunächst darauf, daß der „Zweck" eines Dinges

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nicht der faktischen Verwendung entspringe, sondern der objektiven Zuordnung des Dinges zu bestimmten, auch mehreren, Zwecken: „Man kann dem Relativismus nur dann entgehen, wenn man das Wesen nicht nach den Zwecken bestimmt, die irgendein Subjekt tatsächlich mit dem Ding verfolgt, sondern nach all den Zwecken, die objektiv in dem Ding aufgrund seiner Beschaffenheit von vornherein angelegt sind." (S. 215) Es wird nun vollends rätselhaft. Denn offenbar geht Hintzen zunächst einmal von einer „Entität" aus, die jeder menschlichen Tätigkeit vorgeordnet ist. Diese Entität ist in unterschiedlichen Zusammenhängen unterschiedlichen Zwecken (die doch mit dem Wesen identisch sein sollen!) zugeordnet. Man sollte folgern: also hat das Seiende mehrere „Wesen", die dazu noch in jenem „Ding" angelegt sind. Warum nun doch nicht jede mögliche Verwendung ein Wesen des Seienden ist, warum also der Relativismus, den Hintzen vermeiden will, damit nicht zementiert wird, bleibt dunkel: wie stellt man einen „objektiv angelegten Zweck" fest? Eine Zweckänderung, so führt Hintzen aber im folgenden aus, die lediglich einen weiteren dieser Zwecke aktualisiert, sei keine substantielle, sondern nur eine akzidentelle Änderung des Seienden; eine substantielle Änderung liege nur dann vor, wenn ein Seiendes einen in der Summe der möglichen Zwecke nicht angelegten Zweck erhält, was sich zugleich in einem Gestaltwandel niederschlage (S. 217). Weder ist verstehbar, wie ein Seiendes zwar viele Zwecke, aber nur ein Wesen haben soll, wo Hintzen doch zeigen wollte, daß Zweck und Wesen dasselbe sind; noch ist - unter derselben Voraussetzung - verstehbar, wie ein „Zweckwandel" akzidentell sein soll. Offensichtlich, so zeigt sich, ist das „Seiende selbst" und seine Beschaffenheit inzwischen die Grundlage für die Zwecke, nicht umgekehrt: der Zweck Grundlage für das Seiende, denn der „Zweck" des Seienden ist weit davon entfernt, - wie noch wenige Seiten zuvor - das Seiende zu konstituieren: er ist vielmehr in dessen interner Beschaffenheit angelegt. Dergleichen interne Beschaffenheit nennt man im traditionellen Sinne „Wesen"! Das „Wesen" ist hier also die Grundlage des Zweckes. Eine „substantielle Änderung" des Seienden liegt nach Hintzen also nur vor, wenn sich auch dessen Gestalt, d.i. die wahrnehmbare Beschaffenheit, geändert hat. Dabei spricht Hintzen davon, daß bei einem akzidentellen Zweckwandel „ ... das betreffende Ding ... auch im wesentlichen [!] in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten ..." bleibe (S. 216); offenbar ist hier auch zwischen wesentlichen und akzidentellen Gestaltänderungen zu unterscheiden, eine von Hintzen nicht näher ausgeführte Unterscheidung, die nun aber ihrerseits nicht mehr von einer substantiellen oder akzidentellen 223

Änderung des „Seienden selbst" zu unterscheiden ist, womit also die Unterscheidungen von Substanz und Akzidens, Wesen und Erscheinung etc. pp. fröhliche Urständ' zu feiern scheinen. Hintzen versucht, den Konsequenzen der Behauptung, ein substantieller Wandel liege nur dann vor, wenn sich die „Gestalt" des Seienden geändert habe, zu entgehen, indem er den Gestaltwandel als Indiz eines „Sinnwandels" bezeichnet, so daß also der Gestalt nun doch noch der „Sinn" als Wesen zugrundeliegt. Er zeichnet damit ausdrücklich das Verhältnis von „species" (Gestalt) und „Substanz" nach: „Substanz ist der „Sinn", Akzidens die äußere Gestalt einer Wirklichkeit. Die Gestalt wird [von J.B. W.M.Möller] in diesem Zusammenhang auch als „Species", d. h. [!] als Zeichen des Sinnes, der Substanz begriffen. Die äußere Gestalt ist für uns Zeichen der Substanz, weil wir den Sinn einer Wirklichkeit nur aus ihrer äußeren Gestalt erkennen können ... Daher verlaufen Sinn- und Gestaltswandel [!] auch immer parallel zueinander. Ändert sich der Sinn, dann ändert sich auch die Gestalt. Daher ist jede Transfinalisation zugleich eine Transsignifikation [!?]. Jeder Sinn erfordert nämlich zu seiner Realisierung eine bestimmte Gestalt: ein Stuhl verlangt als Sitzmöbel eine Sitzfläche ... Ein radikaler Gestaltwandel signalisiert einen radikalen Sinnwandel (substantielle Änderung), ein geringfügiger Gestaltwandel einen nebensächlichen Sinnwandel (akzidentelle Änderung)." (S. 217) Der „Zweck" fand im zuvor gebotenen Zitat seine Bedingung der Möglichkeit in einer Gestalt des Seienden, die nun ihrerseits wieder von einem „Sinn" abhängt, dessen wesens- und formkonstituierende „Funktion" doch ursprünglich - wie oben referiert - der „Zweck" sein sollte. Die Begriffe scheinen hier völlig anders verwendet und zugeordnet zu sein, als im ersten Abschnitt 121 . Die schwerstwiegende Änderung betrifft den Begriff „Sinn": sofern er noch mit einer menschlichen Intention zu tun hat (vgl. im Zitat: Sitzmöbel), ist er nicht konstitutiv für das Seiende, sondern wie der Zweck abhängig von einer „Gestalt" des Seienden. Auf der anderen Seite aber klingt das Zitat so, als verstehe Hintzen nun unter Sinn eine vom aktuellen menschlichen Umgang, dem Zweck unterschiedene, aus der Gestalt erschließbare interne Instanz des Seienden - vielleicht eine Art objektiver Intentionalität, die jede faktische Verwendung normiert-, die für die Gestalt und damit für

121 Ebd. S. 200f; vgl. oben S. 212ff, 217ff: dort ist der Zweck der Grund der Gestalt, und beides „bestimmt" durch den menschlichen Sinn im Sinne einer menschlichen Intention oder Tätigkeit. Hier ist der „Zweck" angelegt in einer „Gestalt" des Seienden, seiner internen Ausstattung, und diese Gestalt findet ihren Grund in einem „Sinn", der mit dem menschlichen „Sinn" (im Sinne Hintzens) überhaupt nichts mehr zu tun hat.

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die durch die Gestalt ermöglichten vielfältigen Zwecke des Seienden verantwortlich ist. Damit aber ist der Begriff zu einer vom menschlichen Umgang unabhängigen internen Instanz des Seienden, zum Äquivalent von „Substanz" geworden. Die Frage, wie eine solche „objektive" Intentionalität zum internen Konstitutionsprinzip des Seienden werden kann, hatten wir oben und auch in der Analyse der Position Salas bereits ausführlich diskutiert. Interessanter aber ist die formalontologische Funktion dieses „Sinnbegriffes", der nicht umsonst von Hintzen als „Substanz" bezeichnet wird: die Differenz zu einer Substanzontologie liegt hier ausschließlich darin, daß dasjenige, was das traditionelle aristotelisch-scholastische Verständnis „Substanz" nennt, bei Hintzen „Sinn" heißt: der „Sinn" - was immer das inzwischen ist - ist der verborgene Konstitutionsgrund der „äußeren Erscheinung", der aktuell im menschlichen Umgang realisierte „Zweck" hingegen hat seinen Grund in einer „Gestalt" des Seienden, und letztlich in seinem „Sinn", das heißt: seinem „Wesen". Substanz und „Sinn" sind in der Tat identisch, aber zu Lasten des Begriffsinhaltes von „Sinn": nicht die Substanz erweist sich als Sinn, sondern der „Sinn" als Substanz. Die Transsignifikationslehre kommt hier an ihr Ende. Die intendierte Differenz zu einer Substanzontologie entpuppt sich als rein verbale Differenz.

C VI Zusammenfassung: Substanz als Sinn? Ich fasse zusammen: Die vorangehenden Abschnitte hatten die Aufgabe, die These der Vertreter der Transsignifikationslehre, daß der „menschliche Sinn" eines Seienden dessen Substanz sei, zu überprüfen. Der „Sinn" eines Seienden ist eine der Zuordnung dieses Seienden zu einem anderen seiner selbst erwachsende Bestimmung, die gewöhnlich, da einer Beziehung des zunächst selbstständigen Seienden zu anderem seiner selbst entspringend, nicht als wesentlich betrachtet wird, sondern höchstens als „Wesensfolge". Der menschliche Sinn ist entsprechend eine dem Seienden aufgrund der Zuordnung zum Menschen oder zu einem menschlichen Lebensvollzug eignende Bestimmung. Die Bedingung der Möglichkeit dafür, daß dieser „Sinn" des Seienden als „Wesen" identifizierbar ist, habe ich extrapoliert: sie besteht darin, daß das fragliche Seiende nicht als zunächst und ursprünglich Selbstständiges betrachtet wird, das dieser Selbstständigkeit entsprechend auch zunächst in sich wesentlich bestimmt ist. Vielmehr muß es als bleibend durch das Moment-sein in dem Zusammenhang, aus dem ihm ein „Sinn" erwächst, konstituiert verstanden werden (C II). Es zeigte sich immer wieder, daß diese Extrapolation richtig 225

war, und daß überall dort, wo auf ein ursprünglich Selbstständiges rekurriert wurde, die Frage nach dessen „eigenem" Wesen als Fundament jeder Bestimmung von einem anderen seiner selbst her offenblieb. Alle referierten Positionen rekurrierten in der einen oder anderen Weise auf eine Selbstständigkeit des Seienden gegenüber einem menschlichen, (wie auch immer) sinnstiftenden Akt: bei Sala wie bei Hintzen hielt die Rede von einer ursprünglich selbstständigen „Natur" diese Ebene der Substanz offen, so daß eine Bestimmtheit des Seienden aus einer Ausrichtung auf anderes, oder auch eine ontologisch völlig unklare „Mitteilung" eines menschlichen Sinnes (verstanden als „menschliche Intention") sich von vornherein als ontologisch abkünftig erwies; bei Schillebeeckx ließ sich nachweisen, daß das Seiende als ein zwar durch einen göttlichen Konstitutionsakt Gesetztes, in der Folge aber gegen diesen Selbstständiges und daher auch in sich wesentlich Bestimmtes oder Bestimmbares identifiziert wird; die Folge solcher ursprünglicher Unterscheidung ist jeweils die, daß - nachweisbar in Salas und Hintzens „Mitteilung" menschlicher Intentionalität an ein Seiendes und in Schillebeeckx Veränderung des „Seienden selbst" durch die göttliche Intentionalität - versucht wird, nun die Bestimmtheit des Seienden durch den (menschlichen oder göttlichen) Sinn am „Seienden selbst" zu identifizieren. Solche Operationen werden, wie sich zeigte» durch eine völlige Konfusion bezüglich des Begriffsinhaltes von „Sinn" und „Zweck" begünstigt. Diese durch die völlig vorthematische Übernahme des Seinssinnes der „Subsistenz" - d. h. der These, daß alles, was ist, zunächst selbstständig „in sich" ist - entstehende Nötigung, jede wesentliche Bestimmung „am Seienden selbst" zu identifizieren, führt bei Hintzen zu der ganz selbstverständlichen Folge, daß im Verlauf der Darlegungen zunächst verdeckt, dann offen der menschliche Sinn mit der „Substanz" zugunsten des Begriffsinhaltes von „Substanz" identifiziert wird. Eine schlüssige Position deutete sich als Möglichkeit bei Schillebeeckx an, der das „Seiende" nicht als selbstständige „Grundlage" des menschlichen Umganges, sondern als das unablösbare Korrelat desselben zu betrachten schien, so daß auch das angebliche „an sich" des Gegenstandes der Naturwissenschaften als Korrelat, Phänomen eines bestimmten Zuganges oder Umganges mit dem Seienden erschien. Es zeigte sich aber, daß spätestens mit dem Festhalten an einem traditionellen Schöpfungsverständnis, dem gemäß das Seiende dann doch das Fundament jedes „sinngebenden" Umganges mit demselben darstellt, die Phänomenalität des Seienden und damit die ontologische Dignität des menschlichen Sinnes das Fundament verliert, indem die angeblich untrennbare Bezogenheit von „Subjekt" und „Objekt" nun doch auflösbar

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erscheint und das Objekt das gegen das Subjekt Selbstständige, durch den Schöpfungsakt Gottes an ihm selbst wesentlich Bestimmte ist. Am Grunde jeder wie immer entfalteten Sinngebung des Menschen oder Gottes zeigte sich immer wieder die substantiale Grundüberzeugung von der Subsistenz einer in sich bestimmten Entität, die in Relation steht zu anderem ihrer selbst, konstituiert und als Selbstständiges hergestellt ist von anderem ihrer selbst, Bestimmungen erfährt im Bezug auf anderes ihrer selbst, aber eben von diesem anderen bleibend unterschieden und gegen dieses und die von ihm ausgehenden Relationen und Bestimmungen selbstständig, und so in sich wesentlich bestimmt ist. Dergleichen ist keine „neue Ontologie". Es hat sich hier also auch nicht die Grundlage für eine Rekonstruktion des Begriffes eines „Realsymbols" ergeben: es schien oben möglich, dem Begriff einen Sinn zu geben, sofern sichergestellt wäre, daß eine Aufnahme eines Seienden „als Zeichen" in einen Zusammenhang denkbar ist, von dem her das Seiende so bestimmt ist, daß es mit diesem Zusammenhang in irgendeiner Weise identifizierbar ist122. Daß eine Identifikation des in den Zusammenhang einer menschlichen Intention aufgenommenen „Kulturgegenstandes" mit dieser Intention jedenfalls im Rahmen der vorangehend besprochenen Positionen nicht möglich ist, ist wohl deutlich geworden. Der Begriff eines „Realsymbols", der im Ausgang vom Verhältnis von „Leib" und „Seele" oder „Intention" und „Medium (Geschenk)" entworfen werden soll, bleibt also ungeklärt.

D Praesentia Realis? Es geht im folgenden Abschnitt darum, die im engeren Sinne eucharistische Position der Transsignifikationslehre zu entfalten und dabei zu untersuchen, wie sich die in den Abschnitten I B und C aufgewiesenen Unklarheiten der ontologischen Grundthesen in der anvisierten Eucharistielehre auswirken. Die Darlegungen zur Eucharistielehre von P.Schoonenberg, G.B.Sala undE.Schillebeeckx, die im folgenden den Leitfaden der Darstellungbilden1 , wurden zum einen darum ausgewählt, weil sie am ehesten die 122 S.o. S. 138. 1 Es handelt sich um die schon oben genannten und besprochenen Beiträge: P. Schoonenberg, Tegenwoordigheid III; E.Schillebeeckx, Gegenwart; G.B.Sala, Transsubstantiation.

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Breite der Diskussion abdecken können, zum anderen aber darum, weil die drei Vertreter der Transsignifikationslehre in ihren Beiträgen aufeinander Bezug nehmen und es sich so um einen gut isolierbaren Diskussionsstrang innerhalb der weitverzweigten Debatte handelt 2 . Drittens wurden die Probleme der ontologischen Grundlagen der Transsignifikationslehre insbesondere anhand dieser Stellungnahmen diskutiert, es legt sich daher nahe, mittels dieser Stellungnahmen auch den Konsequenzen der aufgewiesenen Fehler nachzugehen.

D I P . Schoonenberg: Realisierende Gegenwart als Realpräsenz? 1. Das Anliegen der eucharistischen Position Schoonenbergs hatte ich oben (IB I) so umrissen, daß er die spezifisch eucharistische Gegenwart Christi unter den Gestalten in den Rahmen einer durch realisierende Zeichen vermittelten personalen Gegenwart Christi beim Glaubenden einordnen und von diesem Kontext her deren Modus bestimmen will. Das Problem der „ontologischen" Reflexionen Schoonenbergs, so hatte sich oben gezeigt, bestand darin, daß die Unterscheidung von personaler und räumlicher Gegenwart als Modi von Relationen zwischen jeweils regionalontologisch unterschiedlich bestimmten Seienden diese an der Relation beteiligten Seienden als Fundament der Relation voraussetzt. Das Bestehen einer solchen personalen Relation ließ damit im Falle der personalen Gegenwart die Möglichkeit der Frage nach der Gegenwart der „Person selbst" offen, wobei dann eben unter „Gegenwart" weder eine physikalisch faßbare, noch eine personale Beziehung verstanden wurde, sondern die - mittelbare oder unmittelbare - Bestimmtheit eines selbstständigen Seienden mit Bezug auf einen Ort, die über die regionalontologische Verfaßtheit dieses Seienden nichts präjudiziell: das Subsistieren an einem Ort (zu einer Zeit). Die Möglichkeit, nach einer solchen „Gegenwart" am Grunde jeder „Relation" zu fragen, hängt nicht an einer regionalontologischen Verfaßtheit,

2 Schillebeeckx bezieht sich auf Schoonenbergs Deutung der eucharistischen Gegenwart aus einer Analogie zur menschlichen personalen Begegnung als Fundament seiner eigenen Position (ders., Gegenwart S. 81 (nl. II S. 376), vgl. ebd. S. 79 (ebd. S. 374), vgl. 68f (S. 366)); Salas Beitrag stellt auf weiteStrecken hin eine Auseinandersetzung mit Schillebeeckx'Ansatz dar, den Sala als Versuch kritisiert, eine Deutung der eucharistischen Gegenwart im Ausgang von der „Welt des Sinnes" mit einer Deutung im Ausgang von der „Welt der Natur" zu verbinden (G.B.Sala, Transsubstantiation S. lf. 15f. 23f. 27-33).

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sondern vielmehr an dem Umstand, daß von einem gegen die von ihm her bestehenden Relationen selbstständigen Seienden gesprochen werden kann. Sofern dieser von der Tradition gemeinte Modus der Gegenwart im Rahmen der Interpretation der eucharistischen Gegenwart durch Schoonenberg eine sinnvolle Möglichkeit bleibt, von Christus aber keine Realpräsenz unter Brot und Wein in diesem Sinne ausgesagt werden kann, ist es um die Übereinstimmung dieser Neuinterpretation mit der Tradition nicht gut bestellt. Es muß also im folgenden darauf geachtet werden, ob und in welchem Sinne Schoonenberg von „Gegenwart" spricht. Schoonenberg leitet die Betrachtungen zur eucharistischen Gegenwart, die den Abschluß des oben analysierten Aufsatzes bilden3, durch eine längere Passage ein, die sich mit der in keiner Weise „räumlichen" Gegenwart Gottes beschäftigt, die im Laufe der Heilsgeschichte in immer höherem Grade als „geistige", nicht-räumliche Gegenwart erfahren werde: zunächst sei Gott im Tempel des alten Bundes als „räumlich gegenwärtig" erfahren worden, während diese Gegenwart in der Zeit des Exils, in der die gewohnten Zeichen der Gegenwart und Zuwendung Gottes zu verblassen beginnen, als „Gegenwart in den Herzen der Gläubigen", d. h. als „personale" Gegenwart erfahren wurde; eine ähnliche Bewegung der Spiritualisierung der räumlichen zur personalen Gegenwart scheint Schoonenberg für die Gegenwart Gottes in Christus im Übergang von der Erdenzeit zur Zeit nach der Auferstehung und Verherrlichung, und im Sakrament der Eucharistie anzunehmen. Der Modus, in dem sich dieser Übergang von einer in Analogie zur räumlichen Gegenwart gedachten Nähe Gottes zur personalen Gegenwart im eucharistischen Sakrament vollzieht, so kann man diese nur angedeutete heilsgeschichtliche Reflexion ausziehen, ist die Transsignifikationslehre: durch diese greift die Erkenntnis Raum, daß Gott auch im Sakrament nicht „räumlich" gegenwärtig, sondern nur in der Weise präsent ist, daß er durch das Sakrament in den Herzen seiner Gläubigen personal gegenwärtig wird 4 .

3 Ich beschränke mich aus den oben schon genannten Gründen auf die die Aufsatzreihe Schoonenbergs zusammenfassende Veröffentlichung „Tegenwoordigheid III" (s.o. S. 84, Anm. 13). Seitenverweise im Text beziehen sich im folgenden auf diesen Aufsatz. 4 Ebd. S. 411-413. Es mag sich hier um eine Überinterpretation handeln, die sich aber nahelegt: Schoonenberg stellt fest, daß es eine „Scheinabwesenheit" Gottes gebe, die dann eintritt, wenn die gewohnten Zeichen seiner Gegenwart verblassen und die Vorstellungen, an die diese Gegenwart im Zeichen gebunden war, wegfallen (S. 411); genau so beschreibt Schoonenberg die Krise derTranssubstantiationslehre. Schoonenberg zieht (ebd.) diese Linie noch weiter aus: „Dit [gemeint ist vermutlich die Glaubensläuterung durch das Ablegen bestimmter Vorstellungen, nicht die unmittelbar

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Schoonenberg beginnt seine Untersuchung, w i e gesagt, mit der Bestimm u n g der Allgegenwart Gottes; er leitet dann über zur Gegenwart Gottes in Christus, und handelt in einem dritten Abschnitt v o n der Gegenwart Christi nach der Auferstehung und Verherrlichung. A u f dieser Grundlage befaßt er sich dann mit der eucharistischen Gegenwart Christi 5 . 1.1 Schoonenberg bezeichnet diese „Gegenwart" Gottes in der Schöpfung als nicht-räumliche Gegenwart (S. 410). D i e negative Abgrenzung besagt entsprechend der vorausgegangenen, oben referierten Entfaltung der M o d i der Gegenwart, daß Gott kein materieller Gegenstand ist, und daher nicht nach Art eines solchen Gegenstandes in physikalisch faßbaren Relationen zur S c h ö p f u n g steht. Weder diese Bemerkung, noch die Feststellung Schoonenbergs, daß Gott nicht in der Weise „in" der S c h ö p f u n g präsent sei, daß er in sie e i n g e s c h l o s s e n sei, kann als Auseinandersetzung mit ernsthaften Positionen gemeint sein, sie sind v o n vornherein geschenkt. 6 Derart unstrittige N e g a t i o n e n w e c k e n den Verdacht, daß im N e g a t i v e n ein K o n s e n s erzielt werden soll, der die Zustimmung zu den als Alternative vorgeschlagenen positiven Gegenbehauptungen präjudizieren soll. D i e s e

zuvor genannte „Untreue", N.S1.] is de weg van velen, niet alleen van de contemplatieve mystici. Het lijkt mij ook de weg van de kerk in deze tijd. Het was ook de weg die in het Oude Testament van Israel naar het jodendom leidde en verder naar de gezuiverde gemeenschap die Christus zou ontmoeten. Het is de weg van de door mensenhanden gemaakte tempel naar de presentie in het hart van het volk... Eerst werd de tegenwoordigheid Gods weihaast plaatselijkervaren... daarnaa werd de ervaring vergeestelijkt..." Die Formulierungen - Gegenwart „im Herzen" statt räumlicher Präsenz - tauchen zur Beschreibung der Gegenwart Christi vor und nach der Auferstehung und Verherrlichung wieder auf (S. 412); die eucharistische Gegenwart ist nach Schoonenberg traditionell in Analogie zur räumlichen Gegenwart gedacht (ders., Terugblik S. 320ff, spez. 322), es vollzieht sich offensichtlich in der Neuinterpretation genau diese „Vergeistigung" einer „räumlich" interpretierten Realpräsenz, die den Weg des atl. Gottesvolkes, der Kirche etc. prägt (vgl. ders., Tegenwoordigheid III S. 395f und 415). 5 Gegenwart Gottes: P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid S. 410-411; Gegenwart Gottes in Christus: ebd. S. 411-412; Gegenwart Christi nach der Erhöhung: S. 412f; eucharistische Gegenwart: S. 413-415. 6 Ebd. S. 410; Schoonenberg verweist selbst darauf, daß Gott genau deshalb nicht „räumlich gegenwärtig" sein könne, weil er keinen Leib hat: „Aan God kunnen wij geen lichaam toekennen dat hem zoals het onze zou beperken en daarom heeft Hij geen lichaamelijkcontact met andere lichamen, vult Hij de ruimte niet op ruimtelijke wijze." ( ebd. ). Diese m.E. illegitime Methode, gegen von niemandem ernsthaft vertretene Positionen die eigene als scheinbar einzige Alternative einzuführen, greift Schoonenberg des öfteren zurück, ich werde weiter unten noch auf entsprechende Stellen aufmerksam machen. Vgl. zu dieser Abgrenzung übrigens M.Luther, BoA III S. 404, 20-25.

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Alternative zu einer solchen „räumlichen" Gegenwart ist aber nun andererseits auch keine rein „personale" Gegenwart im oben skizzierten Sinne: eine emotiv-intentionalen „Relation" Gottes zum Glaubenden. Schoonenberg gibt die „Allgegenwart" Gottes in der Schöpfung mit folgenden Worten wieder: „God omvat de wereld en doordringt haar tevens" (S. 411) Die Umschreibung soll einen Modus der Gegenwart andeuten, der der Tatsache Rechnung trägt, daß Gott allgegenwärtig ist, ohne so „in" der Schöpfung zu sein, daß diese zeitlich „eher" oder räumlich umfassender ist als dieser; das „eher-" oder „umfassender-sein" Gottes dürfe aber nun seinerseits nicht als raum-zeitliches Verhältnis gefaßt werden (S. 410). Man kann diese korrigierende Bemerkung nur so verstehen, daß die Abgrenzung sich lediglich auf ein solches Verständnis des „eher-" und „umfassendersein" bezieht, das dieses als ein Verhältnis zweier räumlich verfaßter Entitäten versteht, nicht aber so, daß die Abgrenzung sich gegen eine raumzeitliche Bedeutung der Rede von der „Allgegenwart" überhaupt wendet: „Gegenwart" ist nun einmal eine raum-zeitliche Kategorie, so daß also nicht alle raum-zeitlichen Konnotationen aus dem Begriff exportiert werden können - und das eben gebotene Zitat zeigt, daß Schoonenberg nicht bestreitet, daß Gott „im Raum" ist, wohl aber, daß er durch einen Leib begrenzt, und somit circumscriptiv gegenwärtig ist; die Scholastik hätte von repletiver Gegenwart gesprochen. Schoonenberg legt also Wert darauf, daß trotz der Rede von der „Gegenwart" Gottes dieser nicht als ein „Raumgegenstand" vorgestellt werden dürfe; auf der anderen Seite aber bezeichnet diese Gegenwart auch keine „personale Relation"; es handelt sich um überhaupt keine Relation, sondern Schoonenberg geht es offenbar um die Beschreibung der Gegenwart einer „rein geistigen" Entität, wobei „Gegenwart" nichts anderes bedeutet als das oben umrissene „Sein" oder „Subsistieren an einem Ort" 7 . Entsprechend behandelt Schoonenberg durchgehend jede Relation, die eventuell als „personale Gegenwart" bezeichnet werden könnte, als Folge dieses Modus der „repletiven" Gegenwart. So stellt er im Anschluß an den gerade zitierten Satz fest: „Daarom schenkt hij haar telkens nieuw zijn tegenwoordigheid als genadegave. Hij is in mensen om hen te doen leven, hen te voltooien, hen aan elkander te schenken..." (S. 411) 7 Ebd. S. 410f, vgl. besonders die lokalen Epitheta: „alomtegenwoordigheid in zijn schepping" (410); „God omvat de wereld en doordringt haar tevens" (411); „Hij is in mensen" (ebd.).

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Unter „Gegenwart" versteht Schoonenberg hier ganz eindeutig nicht eine Relation, sondern ein „in-sein", das ein Wirken mit Bezug auf anderes zur Folge hat: Gott ist im Menschen um bestimmte Akte zu vollziehen8. Es zeigt sich hier in aller Deutlichkeit der doppelte Begriff von „Gegenwart": das „Subsistieren an einem Ort oder zu einer Zeit", das vom Subjekt einer Relation gilt, einerseits, und die „(personale) Relation", die dieses Subjekt eingeht, andererseits. Beides soll „Gegenwart" sein und wird von Schoonenberg promiscue verwendet; überall aber kommt der ontologische Vorrang der „Subsistenz-Gegenwart" zum Vorschein: sie ist die Bedingung der Möglichkeit auch der „Relation". Die Allgegenwart Gottes ist in der Darstellung Schoonenbergs jedenfalls keine „personale Relation", sondern schlicht das, was die Scholastik als „repletive Allgegenwart" bezeichnet. 1.2 Schoonenberg geht nun zur Christologie über und beschreibt sie als Art und Weise der Gegenwart Gottes, die den Höhepunkt einer fortschreitenden Spiritualisierung der Gegenwart Gottes im alten Bund bedeute (S. 411f): „Het gaat ons hier om deze tegenwoordigheid onder ons mensen die God heeft in zijn Woord. Welnu dit God-geladen Woord, dat is wat God is, is nu vlees geworden en Staat in Jesus Christus voor ons." (S. 412) „Gegenwart" meint hier nun auf keinen Fall die Aufnahme oder das Bestehen einer personalen Relation, sondern Schoonenberg rekurriert ganz eindeutig auf die Zwei-Naturen-Lehre, die als Verhältnis der „Gegenwart" Gottes gefaßt wird: „in" dem Menschen Jesus ist Gott gegenwärtig. Es handelt sich dabei weder um eine „räumliche Gegenwart" im Sinne einer physikalischen Relation von Raumgegenständen, noch um eine „personale Gegenwart" im Sinne einer liebevollen Beziehung: Die personale Gegenwart Christi im Sinne der liebenden Beziehung, die Christus zum Menschen aufnimmt und die zugleich die „personale Beziehung" Gottes zum Menschen ist, hat die Bedingung ihrer Möglichkeit in der Einheit von Gott und Mensch in Christus und damit - sofern man dies in Modi der Gegenwart ausdrücken will - in einer Präsenz Gottes in Christus, die eine „Subsistenz an einem Ort" bedeutet: „... dit God-geladen Woord... Staat in Jesus Christus voor ons" (s. Zitat oben). Die „Gegenwart Gottes" ist die Gegenwart des Subjektes einer Relation in Christus bzw. „vor" dem möglichen Partner einer Relation, nicht aber eine „personale Beziehung"

8 Strenggenommen handelt es sich bei den genannten Akten gar nicht um personale Relationen, die Gott „zum" Menschen aufnimmt, sondern um Akte der Menschen, deren Erstursache Gott selbst ist. Es ist anzunehmen, daß hier tatsächlich das ganz traditionelle Verhältnis von Erst- und Zweituisache bewußt oder unbewußt Pate stand.

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Gottes zu Christus, oder eine „personale Relation" Gottes zum Menschen, die sich durch Christus vermittelt. Es bestätigt sich auch hier, daß die Alternative von personaler und räumlicher Gegenwart im Sinne zweier Modi von Relationen einfach nicht ausreicht, das abzudecken, was gewöhnlich mit „Gegenwart" bezeichnet wird, sondern daß als Fundament dieser Relationen ein Subjekt derselben und damit eine Gegenwart angenommen wird, die das in Relation stehende Seiende mit Bezug auf einen Ort oder eine Zeit definiert, und die inhaltlich mit „Subsistenz an einem Ort" zu wiederzugeben ist. 1.3 Das Ziel der Reflexionen über die Gegenwart Gottes in der Welt bzw. im alten Bund ist die Christologie, das Ziel der Ausführungen über die Gegenwart Gottes in Christus ist die Feststellung, daß das Entscheidende auch hier die „personale Gegenwart" Christi sei (S. 412). Es gehe, so Schoonenberg, bei der Gegenwart Christi nicht um die räumliche Gegenwart, so wenig, wie es nach der Auferstehung Christi noch eine räumliche Gegenwart gebe; es gehe zur Erdenzeit Christi vielmehr um die personale Gegenwart Christi beim Glaubenden, und entsprechend bleibe diese personale Relation nach der Verherrlichung Christi bestehen: Christus sei gegenwärtig, wo man an ihn glaubt (S. 412f). Diese Gegenwart Christi sei im Blick auf das Fehlen einer räumlichen Gegenwart mit dem Modus einer Gegenwart der „fernen Geliebten" vergleichbar, wobei dieser Vergleich darin die Sache verfehle, daß Christus einerseits in geringerem Maße gegenwärtig zu sein scheine, da das Fehlen seiner räumlichen Nähe auch nach der Auferstehung nicht mehr aufgehoben werden wird. Der Mangel der räumlichen Nähe aber wird dann mit folgenden Worten für kompensiert erklärt: „Dit „minder" is echter schijn, want de gehele persoon des Heren is verheerlijkt, niet een lichaamloze ziel. Dus is ook de geheele persoon des Heren met en bij ons tegenwoordig. Niets van hem is ver van ons (in een ruimtelijk gedachte hemel): integendeel Hij is met ons op weg, maar onze aardse ogen zijn weerhouden." (S. 412) Dieser Modus der „Gegenwart" Christi „mit und bei" seinen Gläubigen ist nach Schoonenberg die Voraussetzung der Realpräsenz sub speciebus. Ich werde zunächst die Bestimmungen Schoonenbergs zur Realpräsenz entfalten, und von dort aus auf diesen Modus der Gegenwart zurückgreifen; es ist aber von vornherein schwer vorstellbar, wie der eben beschriebene Modus der Gegenwart als personale Gegenwart im Sinne der oben beschriebenen „personalen Relation" ausweisbar sein sollte. 2. Der Abschnitt, in dem sich Schoonenberg nun der eucharistischen Gegenwart Christi zuwendet, ist relativ klar gegliedert: 233

Zunächst betont Schoonenberg die Bindung der „Realpräsenz sub speciebus" an die „Gegenwart Christi in seiner Gemeinde"; dann beschreibt er diese Gegenwart unter den Gestalten als „realisierende Gegenwart" und grenzt sie gegen eine räumliche Gegenwart ab; in einem dritten Abschnitt sucht er die Realpräsenz „unter den Gestalten" im Ausgang von einer Analogisierung der eucharistischen Gegenwart und einer Gegenwart des Gebers in der Gabe zu sichern; zwei weitere Absätze befassen sich mit dem Aspekt des Wesenswandels von Brot und Wein 9 . 2.1 Ich beginne mit dem ersten der genannten Abschnitte; im folgenden bezeichne ich die Realpräsenz sub speciebus im traditionellen Sinne als „Realpräsenz" und spreche mit Bezug auf die Gegenwart Christi in der Gemeinde von „Gegenwart": „De eucharistieviering begint met een „praesentia realis", een werkelijke tegenwoordigheid van de Heer onder ons en heeft tot doel deze tegenwoordigheid inniger te maken. En dit geschiedt in de tekenen van het woord en het brood en de wijn. Slechts in functie van dit inniger worden van Christus' tegenwoordigheid kunnen wij spreken van zijn tegenwoordigheid onder de tekenen van het geconsacreerde brood." (S. 413) Die „Zeichen" von Brot und Wein, so ist doch offenbar die Aussageintention, sind Medien der „personalen" Gegenwart Christi, die ähnlich wie die im Vorangehenden beschriebenen leibanalogen Medien der personalen Gegenwart unter Menschen diese „personale Gegenwart" Christi beim Glaubenden, seine liebevolle Zuwendung, vermitteln. Schoonenberg kommt es dabei darauf an, die Aufmerksamkeit von den Gestalten und der Realpräsenz weg auf diese „Gegenwart" Christi zu lenken, die Ausgangspunkt und Folge der Eucharistiefeier ist und in deren Dienst die Realpräsenz steht: „Zij [die Realpräsenz, N.S1.] is een verwerkelijkende tegenwoordigheid. Ik zou haast zeggen: een vloeiende tegenwoordigheid, een overgangstegenwoordigheid, een tegenwoordigheid-als-aanbod. Zij blijft altijd uitgaan van de Heer in zijn verzamelte gemeente: de heilige hostie is altijd het brood waarover in de naam des Heren het consacrerend, toeheiligend canon-gebed, met als kern de instellingswoorden, uitgesproken is. Daarover is de tegenwoordigheid altijd gericht op de nuttiging, de Heer biedt onder de tekenen zijn lichaam en bloed aan als spijs en verbond." (S. 413) Diese „Abwertung" der Realpräsenz im traditionellen Sinne steht also im Dienste der Betonung der res sacramenti, der Gegenwart Gottes bzw.

9 Erster Abschnitt: ebd. S. 413; zweiter Abschnitt: S. 413f (beide unter 2.); dritter Abschnitt: S. 414 (unten 3.); vierter Abschnitt: S. 414f (unten 4.) .

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Christi in der Gemeinde, die nun offensichtlich - ohne daß das ausdrücklich betont wird - als personale Gegenwart verstanden werden soll, also als ein „Sein-bei" der Gemeinde, als eine „liebevolle Zuwendung", als „unio cum Christo". Man müßte den intendierten Sachverhalt also folgendermassen ausdrükken: Christus ist durch Brot und Wein der Gemeinde personal gegenwärtig, oder: Brot und Wein vermitteln die (personale) Gegenwart Christi. Von einer Realpräsenz (unter den Gestalten ) kann nur insofern gesprochen werden, als die Gestalten jene personale Gegenwart vermitteln: „Deze tegenwoordigheid van's Heren lichaam onder de tekenen is dus op geen enkele wijze een herhaling van zijn ruimtelijke aanwezigheid vroeger in Palestina. Zij blijft behoren tot de kategorie der persoonlijke tegenwoordigheid." (S. 413f) 2.2 Schon an diesem Punkt brechen Fragen auf, die auf die entscheidende Anfrage führen: Es ist zum einen schwer verständlich, inwiefern man hier überhaupt von einer „Realpräsenz Christi unter den Gestalten" sprechen kann, denn es ist überhaupt nicht einzusehen, in welchem Sinne denn Christus eigentlich und sei es „vorübergehend" - unter den Gestalten „gegenwärtig" sein sollte: was genau sollte diese „fliehende Gegenwart" denn angesichts der von Schoonenberg vorgenommenen Unterscheidung von personaler und räumlicher Gegenwart sein? Es kann sich doch weder um eine personale Gegenwart Christi gegenüber dem Brot, noch um eine physikalisch faßbare „Relation" zu demselben handeln; gemeint ist doch hier ganz offenbar etwas wie eine Realpräsenz im traditionellen Sinne, was wieder zeigt, daß die Schoonenbergsche Unterscheidung den Gehalt des Begriffes „Gegenwart" nicht auszuschöpfen vermag: die hier nun offenbar doch wenigstens als „Übergangsgegenwart" für möglich gehaltene Realpräsenz im traditionellen Sinne hat im Rahmen der Unterscheidung von „personaler" und „räumlicher" Gegenwart als Modi von Relationen einfach keinen Platz, denn es handelt sich dabei nicht um eine Relation. Es ist zweitens vom bislang Referierten her nicht einsehbar, was es heissen soll, daß eine solche Gegenwart „wirklich, weil verwirklichend" ist, wie Schoonenberg im Anschluß an de Lubac formuliert: „Deze tegenwoordigheid [i.e. die Realpräsenz N.S1.] wordt „praesentia realis", werkelijke tegenwoordigheid genoemd. Terecht. Maar het is ten onrechte wanneer alleen zij of allereerst zij zo genoemd wordt. Zij is, zoals Lubac het treffend uitdrukt, „réelle parce que réalisante"."10 10 Ebd. S. 413; Stellenangabe für das Zitat von de Lubac: Tegenwoordigheid II S. 204.

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Warum ein Folgeverhältnis zwischen einer Realisation der Gegenwart beim Glaubenden durch Brot und Wein und etwas, was den Namen Realpräsenz im traditionellen Sinne einer Gegenwart unter Brot und Wein verdient, bestehen soll, ist nicht erkennbar. Die sich aufdrängenden Konsequenz aus dem bisher Referierten ist doch vielmehr die, daß zwar Christi personale Zuwendung durch Brot und Wein vermittelt wird und entsprechend unter Brot und Wein faßbar ist, ohne daß Christus aber selbst im traditionellen Sinne realpräsent ist. Eine derartige Einrede unterscheidet zwischen der durch Brot und Wein vermittelten „Zuwendung Christi" und der neben dieser „Relation" bleibend möglichen Frage nach der Person Christi selbst und deren Gegenwart. Der genannten Konsequenz wird man daher auch nur dann entgehen können, wenn man zeigen kann, daß (zumindest mit Bezug auf Christus) die personale Zuwendung mit der Person selbst identisch ist; damit wäre die durch Brot und Wein vermittelte „personale Gegenwart" in keiner Weise auf die Frage nach der Gegenwart der „Person selbst" hintergehbar, und die Unterscheidung zwischen „personaler Gegenwart" und „Gegenwart der Person" verlöre ihren Sinn. Wenn sich aber zeigen lassen sollte, daß eine Rede von der Person als Fundament von Akten der „Zuwendung", und damit von der „Gegenwart der Person", die in der „personalen Gegenwart" nicht aufgeht, weiterhin sinnvoll möglich ist, dann bleibt auch die Frage nach der Realpräsenz Christi unter den Gestalten im Sinne der Tradition sinnvoll; damit wird der Einwand unabweisbar, daß zwar von einer Gegenwart beim Glaubenden im Sinne einer „Zuwendung" Christi zum Glaubenden „durch" Brot und Wein, nicht aber von einer Realpräsenz im Sinne der Gegenwart „unter" Brot und Wein (deren Möglichkeit jedoch denkbar bleibt) gesprochen wird. 2.3 Es hängt also alles daran, was Schoonenberg unter der „Gegenwart Christi in der Gemeinde" versteht, die den Ausgangs- und Zielpunkt der „realisierenden" Gegenwart unter den Gestalten darstellt: Man wird um der Stringenz der Position willen zunächst versucht sein, diese Gegenwart als personale Gegenwart zu verstehen, d. h.: als die „Zuwendung" Christi zur Gemeinde, die Relation liebevoller Zuwendung, o.ä. dem Sachgehalt der „personalen Gegenwart" Entsprechendes. Dieses Verständnis ist aber nicht möglich, es können einfach nicht alle Aussagen über diese Gegenwart als Beschreibung einer „personalen Relation" liebevoller Kommunikation gelesen werden, sondern sie müssen als Beschreibung der Gegenwart eines rein „geistigen" Subjektes an dem Ort, an dem die Gemeinde ist, bzw. „in" der Gemeinde verstanden werden: für dieses Verständnis spricht zum einen die Argumentation im Rahmen der oben zitierten Abwehr der Behauptung, Christus sei - da er nie wieder 236

räumlich gegenwärtig sein könne - in geringerem Maße gegenwärtig als eine „ferne Geliebte": Schoonenberg verweist nämlich hier darauf, daß Christus nicht, wie die ferne Geliebte, „nur" personal gegenwärtig sei, sondern - da auch sein Leib verherrlicht sei - nicht nur als „Seele", sondern auch als „Leib" gegenwärtig sei; er sei somit nicht „fern" von uns, sondern „mit uns auf dem Weg"; diese Gegenwart ist offensichtlich verstanden als Gegenwart „Christi selbst" im Unterschied zur blossen Relation im Falle der Gegenwart der fernen Geliebten, die eben „selbst" abwesend ist (S. 412). Diese Ausführungen können nur so verstanden werden, daß an eine Gegenwart der ganzen leib-seelischen Person Christi an dem Ort, an dem die Glaubenden sind, gedacht ist, ein Eindruck, der durch die zitierte abschließende Anspielung auf die Emmausjünger (Lk 24,15: „Hij is met ons op weg, maar onze aardse ogen zijn weerhouden.") verstärkt wird; diese Gegenwart ist offensichtlich verstanden als eine Gegenwart „Christi selbst" im Unterschied zu einer blossen Relation, die im Falle der „fernen Geliebten" vorliegt, die „selbst" abwesend ist. Ebenso ist schwer auszumachen, wie die Bezeichnung der dem eucharistischen Geschehen vorausgehenden Gegenwart in der Gemeinde als „unter uns sein", oder als „Gegenwart unter uns" oder als Sein „in" der Gemeinde (S. 413) anders verstanden werden sollte als in dem Sinne, daß Christus „in" der Gemeinde und am Ort der Gemeinde selbst subsistiert. Schoonenberg selbst legt sich an einer Stelle - gewiß in einer Spitzenaussage - selbst eindeutig auf diese Bedeutung von Gegenwart fest, wenn er, um sicherzustellen, daß die Gegenwart unter den Gestalten keine „räumliche" Gegenwart „in" der Hostie sei, schreibt: „De hostie bemiddelt tussen de Heer (in zijn Kerk) en mij (in diezelfde Kerk). Ik kniel, maar niet voor een Christus die in de hostie gecondenseerd zou zijn, maar voor de Heer die door die hostie zijn werkelijkheid, zijn lichaam aan mij aanbiedt. Ook buiten de heilige Mis zou men zieh Christus kunnen vorstellen (want we stellen ons altijd iets voor) als achter de hostie, die nochtans zijn ze//gave is." (S. 414) Auch wenn dies eine Spitzenaussage ist, so ist doch deutlich, daß sie nur dann möglich ist, wenn unterschieden wird zwischen Christus selbst einerseits, der Gemeinde andererseits, und der „Relation", die er zum Gläubigen durch Brot und Wein aufnimmt. Das heißt, daß mit Bezug auf Christus selbst eine Gegenwart „in" der Gemeinde prädiziert werden kann, die keine Relation ist, sondern die Subsistenz des Fundamentes jeder Relation an einem Ort vorstellt. Die Präsenz Christi in der Gemeinde, die einer durch Brot und Wein vermittelten oder vertieften Relation voraus237

geht, ist also keine personale Gegenwart im Sinne einer Relation der Kommunikation, sondern eine Gegenwart der Substanz Christi in dem Sinne, daß Christus selbst, das Subjekt einer möglichen Relation, an einem bestimmten Ort (nämlich in der versammelten Gemeinde) ist. 2.4 Dies ist im Kontext der Gesamtintention der Schoonenbergschen Eucharistielehre allerdings äußerst problematisch: der durch Brot und Wein vermittelten personalen Gegenwart Christi geht die Präsenz der Person Christi „in" der Gemeinde voraus. Von einer Gegenwart der Person Christi, die keine personale Relation, sondern die Gegenwart von deren Fundament ist, zu sprechen bleibt also sinnvoll, ohne daß dieser Modus der Gegenwart mit Bezug auf die eucharistischen Gestalten ausgesagt werden kann; Christus ist, so könnte man sagen, im Modus „er selbst" in der Kirche, nicht aber unter den Gestalten gegenwärtig. Eine solche Position kann aber in keiner Weise als Neuinterpretation der Tradition verstanden werden, da für eine Neuinterpretation zu fordern wäre, daß ihre Behauptungen von den Anathematismen der Tradition nicht oder nur scheinbar getroffen werden. Die Darlegungen Schoonenbergs aber treten in einen unversöhnbaren Gegensatz zur Tradition, da sie mit dieser die ontologische Grundentscheidung gemeinsam hat, nämlich die Überzeugung, daß jede Relation, und damit auch die durch Brot und Wein vermittelte Relation Christi zur Gemeinde, die Subsistenz des Relates voraussetzt, von dem festgestellt werden kann, ob es irgendwo „realpräsent", d. h. im Modus „es selbst" an einem Ort ist, oder nicht. Während nun dies Subjekt der Relation der Tradition gemäß als solches unter den Gestalten von Brot und Wein präsent ist, subsistiert es nach Schoonenberg in dieser Weise nur in der versammelten Gemeinde. Von einer „Realpräsenz Christi" unter den Gestalten kann jedenfalls an diesem Punkt der Darstellung nicht die Rede sein, sondern lediglich von einer personalen Gegenwart im Sinne einer liebenden Relation Christi zur Gemeinde, die durch Brot und Wein vermittelt wird und die Präsenz Christi selbst am Ort der Gemeinde voraussetzt. 3. Schoonenberg scheint sich des Problems bewußt zu sein: ging es ihm bislang um die Deutung- des Sinnes der „Gegenwart" Christi als einer Gegenwart Christi „beim Glaubenden", so geht es ihm nun um eine Auslegung der Funktion der eucharistischen Elemente in diesem Kontext, die deren bisher nicht erkennbare Identität mit dem Geber sichert; entsprechend bemüht er sich, diesen Kontext nun nicht mehr nur als „Gegenwart" Christi zu bestimmen, sondern als „Selbstgabe" Christi zu fassen, und die vermittelnden Medien dieser „Selbstgabe" als Träger einer „Gegenwart des Gebers im Geschenk" zu bestimmen, die einer Analogie zur oben skizzierten Phänomenologie des Geschenkes entnommen wird 11 :

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„Ook in de persoonlijke tegenwoordigheid tussen mensen treedt zulk een tegenwoordigheid in tekenen op, die ook hier werkelijk is door te verwerkelijken, een overgangstegenwoordigheid, die ook weer iets blijvends kan hebben. Het is, zoals bij ons vooral door Möller uiteengezet is, de tegenwoordigheid van de gever in het geschenk. Als dit geschenk een spijs is, dan staan wij voor een analogie met de tegenwoordigheid van Christus in het teken van brood. Maar let wel: voor niet meer dan een analogie. In Christus' gave ligt iets dat oneindig méér is ... Maar vervolgens is onder al de sacramenten de heilige eucharistie op de hoogste wijze Christus' zeZ/gave, is zij op de diepste wijze vereniging met hem. Elk menselijk geschenk blijft in de vereniging tussen gever en ontvanger slechts afschaduwing van Christus' vereniging met ons. Daarom is ook de verwerkelijkende tegenwoordigheid van de menselijke gever in het menselijk geschenk alleen een verre verwijzing naar de verwerkelijkende tegenwoordigheid van's Heren lichaam in de eucharistische gave en spijs." (S. 414) Das Ziel der Ausführungen ist es offensichtlich, etwas wie eine Realpräsenz unter den Gestalten im Ausgang von der durch Brot und Wein realisierten Gegenwart Christi beim Glaubenden aussagen zu können, und so zeigen zu können, in welchem Sinne überhaupt von einer Realpräsenz die Rede sein kann. Es scheint also nun erkennbar zu werden, daß und wie eine „realisierende Gegenwart" auch eine „Realpräsenz" (im traditionellen Sinne) ist, wie Schoonenberg oben schrieb. Es muß noch einmal festgehalten werden, daß schon dies Anliegen überraschend ist: Das „Geschenk" ist nichts anderes als das von Schoonenberg und anderen entfaltete „Realsymbol", das eine „personale Gegenwart" beistellt. Diese personale Gegenwart sollte doch eigentlich die Notwendigkeit der Rede von einer Realpräsenz unter den Gestalten überflüssig machen. Nun aber wird offenbar die Rede von einer „Präsenz" unter den Gestalten möglich, die weder eine personale Gegenwart, noch eine räumliche Gegenwart jeweils im Sinne von personalen oder räumlichen Relationen ist, sondern nichts anderes als die „Subsistenz Christi selbst" am Ort der Gestalten; es zeigt sich auch hier wieder, daß die Alternative von „personaler" und „räumlicher" Gegenwart den Begriff der Gegenwart nicht erschöpft, sondern „Gegenwart" etwas ganz anderes, nämlich keine Relation, sondern ein „Subsistieren an einem Ort" (in diesem Fall: am Ort der eucharistischen Gestalten) bezeichnet. Die sachliche Differenz zur traditionell verstandenen Realpräsenz liegt an diesem Punkt nur noch darin, daß sie in besonderer Weise begründet oder hergeleitet wird, nämlich aus einer Funktion der eucharistischen Elemente, die diese im Rahmen der Vermittlung personaler Gegenwart erhalten. Dem ist nun nachzugehen:

11 S.o. ( I B III) S. 117ff.

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Schoonenberg beschreibt in der gerade zitierten Passage diese Gegenwart im Ausgang von der „Gegenwart des Gebers im Geschenk" einerseits, und unter Bezug auf die Selbstgabe Christi auch in allen anderen Sakramenten auf der anderen Seite; beides wird durch die in der Eucharistie verwirklichte Hefe der Vereinigung des Gebers mit dem Empfänger, überboten, und - so das Argument - deshalb auch durch die in der Eucharistie erreichte Tiefe der verwirklichenden Gegenwart des Gebers im Geschenk übertroffen: die Dignität der Zieles des eucharistischen Aktes sc. die „Tiefe" der personalen Gegenwart Christi beim Glaubenden verbürgt die „Eigentlichkeit" der Realpräsenz; umgekehrt liegt im Falle des menschlichen Geschenkes bzw. der übrigen Sakramente darum eine „uneigentliche" Realpräsenz „im" Geschenk vor, weil dort das Ergebnis des intentionalen Aktes, die „personale Gegenwart", nicht von solcher Dignität ist wie im Falle der Eucharistie. Dies ist das Argument. Seine Schlüssigkeit ist zu überprüfen: 3.1 Der Verweis auf das menschliche Geschenk, das als Analogie für die „verwirklichende" Gegenwart Christi unter den Gestalten herangezogen wird, wird mit dem zitierten Argument problematisch, da nun deutlich wird, daß die Präsenz des „Gebers im Geschenk", die die Basis der Analogie für die Entfaltung der eucharistischen Gegenwart bilden soll, unter menschlichen Bedingungen weder im eigentlichen Sinne eine „Selbstgabe" ist, noch im eigentlichen Sinne eine Realpräsenz beistellt, denn Selbstgabe und Realpräsenz scheint ja erst im Rahmen der Eucharistie im eigentlichen Sinne gegeben zu sein: die Gegenwart des menschlichen Gebers im Geschenk, und die durch dies Geschenk erreichte „Selbstgabe" oder „Vereinigung" ist überbietbar, sie ist somit defizient: weder eigentliche Selbstgabe, noch eigentliche „Realpräsenz". Worin genau liegt nun die Defizienz der in der zwischenmenschlichen Gegenwart durch das Geschenk verwirklichten „Selbstgabe"? Die nächstliegende Deutung ist hier doch die, daß Schoonenberg mit diesen Ausführungen der oben schon monierten Tatsache Rechnung trägt, daß die Beschreibung der personalen Gegenwart nicht erkennen läßt, inwiefern in ihrem Vollzug eigentlich eine Selbstgabe im Sinne der Vereinigung zwischen zwei in Relation stehenden Entitäten statthaben soll, deren Subsistenz doch die Bedingung der Möglichkeit der Relation darstellt12: im Vollzug der Relation können die diese Relation vollziehenden Subjekte schlecht im Modus „sie selbst" mitgeteilt werden. Diese Differenz zwischen Relat und Relation, Person und „liebevoller Zuwendung" impliziert im Falle der Vermittlung dieser personalen Gegenwart durch Medien, die 12 S.o. S. 94f.

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(wie auch immer) an ihrem Bezeichneten teilhaben (Realsymbole), auch eine Differenz zwischen Geber und Gabe: mitgeteilt wird durch das Medium die „personale Gegenwart" eines Gebers (seine positiven Intentionen), nicht dieser selbst: selbst wenn das Geschenk also als Realsymbol mit seinem Bezeichneten identifiziert werden kann, so kann es nicht mit dem Geber, sondern nur mit der Intention des Gebers - seiner Liebe, seiner Zuwendung - identifiziert werden. Nach Schoonenberg ist aber nun im Falle der Gegenwart Christi diese Differenz aufgehoben, so daß in der Tat von einer „Selbstgabe Christi", und entsprechend von einer Realpräsenz Christi selbst unter dem „Realsymbol", die Rede sein kann. Diese nächstliegende Deutung der Passage wird auch durch den zitierten Verweis auf Möller gestützt, der den Sondercharakter der eucharistischen Präsenz dadurch zu wahren sucht, daß er die in jedem zwischenmenschlichen Geschenk durch eine „Subjektivation" des Geschenkes vollzogene „Selbstgabe" des Gebers in dem Umfang gesteigert sieht, daß die unter Menschen übliche Differenz zwischen Geber und Geschenk aufgehoben werde 13 : Möller beschreibt das Geschenk im allgemeinen als „Instrument" einer „Selbstgabe", das, wie jedes Instrument, subjektiviert wird, das heißt: in die Einheit des menschlichen Leibes aufgenommen und so mit dem Subjekt der Gabe identisch wird 14 . Die bleibende Differenz zwischen Geber und Instrument, so die Behauptung Möllers, wird im Falle der Eucharistie aufgehoben, so daß im Instrument der Eucharistie nicht nur, wie in den übrigen sakramentalen Instrumenten, eine „virtus fluens", sondern Christus selbst mitgeteilt wird 15 ; die Differenz zwischen Instrument und Geber ist wie die Differenz zwischen der Relation selbst und dem Subjekt derselben aufgehoben. Setzt man voraus, daß genau dies auch die Absicht der Darstellung Schoonenbergs ist, so würde - sofern es sich hier um eine nachvollziehbare Position handelt - nicht nur verstehbar, daß und inwiefern die „personale Gegenwart" eine Gegenwart der Person ist, sondern auch daß und inwiefern das die Gegenwart vermittelnde Zeichen mit dem Geber identisch sein sollte, und daß und inwiefern damit der Geber selbst als in dem Zeichen, das seine (personale) Gegenwart vermittelt, gegenwärtig bezeichnet werden kann: die „personale Gegenwart" wird über ihren menschlich-defizienten Modus hinaus zur Selbstgabe im eigentlichen Sinne gesteigert. Entsprechend ist in dem Zeichen, durch das sich die Gabe vollzieht und das

13 J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 11. 14 Ebd. S. 8-11, bes. lOf. 15 Ebd. S . U .

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mit der Gabe in irgendeiner Weise identisch ist, nicht nur eine virtus oder eine Intention Christi präsent, sondern Christus selbst. 3.2 Nun ist es aber in zweifacher Hinsicht ausgesprochen zweifelhaft, daß es sich hier um eine legitime Operation handelt; ich gehe zunächst auf die Intention Schoonenbergs ein, eine „Selbstgabe" Christi auszusagen (3.2.1), und dann auf die Absicht, auf diesem Wege eine „Realpräsenz" unter den Gestalten zu reformulieren (3.2.2): 3.2.1 Die Position Schoonenbergs würde voraussetzen, daß eine Relation so weitgehend gesteigert werden kann, daß sie nicht mehr Relation „zwischen" zwei Subjekten ist, sondern die Mitteilung der Subjekte selbst: die personale Gegenwart kann von solcher „Tiefe" sein, daß in ihrem Vollzug die Person selbst buchstäblich mitgeteilt wird, und daß folglich nicht nur diese Beziehung, oder Intention, sondern auch die Person selbst unter den diese tiefe Gegenwart vermittelnden Zeichen gegenwärtig ist. Im Rahmen einer Position, die so offensichtlich wie die Schoonenbergs davon ausgeht, daß die „personale Gegenwart" eine Relation zwischen Personsubstanzen ist, die also als Fundament jeder Relation vorausgesetzt sind, kann eine „Selbstgabe" im eigentlichen Sinne nur eine Mitteilung der Personsubstanz sein. Diese Mitteilung der Personsubstanz aber kann nicht als Steigerung einer Relation gedacht werden, deren Fundament und conditio sine qua non die Subsistenz von Personen ist, das heißt: eine Mitteilung der „Person selbst" ist im Rahmen einer „personalen Relation" gar nicht möglich. Die „Selbstgabe", die nach Schoonenberg im Vollzug der personalen Gegenwart unter Menschen verwirklicht wird, erweist sich nach den eigenen Worten Schoonenbergs und Möllers im Rückblick als Selbstgabe im uneigentlichen Sinne, die aber - dies ist gegen Schoonenberg und Möller festzuhalten - gar nicht intendiert oder intendieren kann, „Selbstgabe" im eigentlichen Sinne (eine Gabe des Relationssubjektes) zu sein. Sie kann daher auch nicht gedanklich zur Selbstgabe „gesteigert" werden - es sei denn, die Relation der personalen Gegenwart hört auf, eine Relation zwischen zwei Relaten zu sein. Es zeigt sich damit also zunächst, daß die „personale Gegenwart" unter Menschen keine unvollkommene Selbstgabe, sondern überhaupt keine Selbstgabe darstellt und auch nie darstellen kann. Der oben gegen Schoonenberg erhobene Einwand, daß im Rahmen einer Relation keine „Selbstgabe" des als Bedingung der Möglichkeit der Relation vorausgesetzten Subjektes derselben stattfinden kann, ist so durch die Ausführungen Schoonenbergs selbst verifiziert 16 . 16 Vgl. oben S. 94f.

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Eine solche „Selbstgabe" kann nur dann vorliegen, wenn das bei Schoonenberg beständig vorausgesetzte Subjekt der Relation gegeben wird, wenn also die Substanz des Gebers, das „Selbst", dem Empfänger übermittelt wird. Jeder Ausgang von einer Relation, die zwischen zwei Entitäten gleich welcher Verfaßtheit sich vollzieht, ist als Ausgangspunkt für die Konstruktion einer Position, in der im Vollzug eines Aktes die Person selbst gegeben werden soll, von vornherein ungeeignet. Es ist daher gar nicht zu erkennen, was Schoonenberg eigentlich meint, wenn er von der „Selbstgabe" Christi im Vollzug der personalen Relation spricht, denn man wird entweder sagen müssen, daß eine „Selbstgabe" vorliegt - in diesem Fall hat man es nicht mehr mit einer personalen Gegenwart, sondern eben mit einer Übermittlung der „Person selbst" zu tun - , oder aber daß es sich um eine personale Relation handelt - in diesem Falle kann es sich nicht im eigentlichen Sinne um eine „Selbstgabe" handeln. Das Dilemma entsteht dadurch, daß die „personale Gegenwart" unter Menschen ohne jeden sachlichen Anhalt als „Selbstgabe" bezeichnet wird, und behauptet wird, man könne durch die Steigerung dieser „Selbstgabe" zur eigentlichen Selbstgabe den Sachgehalt der traditionellen Eucharistielehre einholen. Das Dilemma ließe sich nur so vermeiden, daß diese „personale Gegenwart" nicht als Relation zwischen Relaten beschrieben wird, denn genau dadurch, daß die Relation die Subsistenz der Relate voraussetzt, ist es unmöglich, daß diese im Vollzug der Relation selbst mitgeteilt werden. 3.2.2 Nun soll sich im Rahmen der Eucharistie nicht nur eine Selbstgabe Christi vollziehen, sondern eine solche Selbstgabe, die zur Identifikation des „Mediums" der Selbstgabe und des Subjektes derselben bzw. nicht nur zur Gegenwart „in" der Gemeinde, sondern auch zur „Realpräsenz" im Zeichen führt. Auf das Problem, das die offenbar intendierte Behauptung einer „Subsistenzgegenwart" Christi unter Brot und Wein für die Intention Schoonenbergs aufwirft, die Realpräsenz als personale Gegenwart zu interpretieren, habe ich schon hingewiesen. Es ist nun die Durchführung dieser These näher zu untersuchen: Die Möglichkeit, von einer „Realpräsenz" unter den Gestalten zu sprechen, hängt bei Schoonenberg daran, daß durch den Vollzug einer personalen Zuwendung Christi zur Gemeinde eine „Selbstgabe" im eigentlichen Sinne stattfindet (S. 414); wie schon festgestellt ist der intendierte Schluß folgender: in zwischenmenschlichen Verhältnissen findet eine uneigentliche Selbstgabe statt, entsprechend ist auch das Subjekt der Gabe im Medium derselben nicht voll präsent; im Rahmen der Eucharistie findet eine eigentliche Selbstgabe statt, also ist das Subjekt der Gabe auch „in" den die Gabe vermittelnden Medien präsent. Nun war schon oben (I B III) deutlich geworden, daß überhaupt nicht klar ist, inwiefern eigentlich von 243

den Medien zwischenmenschlicher personaler Begegnung gelten sollte, daß das durch sie Bezeichnete auch in ihnen gegenwärtig oder - im Sinne eines Realsymbols - mit ihnen identisch sein sollte. Es hatte sich als eine mögliche Interpretation des Verhältnisses gezeigt, daß sich die Vertreter der Transsignifikationslehre eine Art „Subsistenz" der bezeichneten „geistigen" Wirklichkeiten - Intentionen der Liebe und der Zuwendung - „in" den jeweiligen Medien vorstellen, wobei das Ungenügen dieser Vorstellung aber auf der Hand lag. Setzt man diese Vorstellung nun einmal voraus und befragt sie nicht weiter, so mag die weiterführende Vorstellung nachvollziehbar erscheinen: eine partielle Identität oder eine defiziente Realpräsenz der Person im Falle zwischenmenschlicher Realsymbole sei steigerungsfähig zur vollen Realpräsenz, wenn Christi Akt der personalen Gegenwart eben die Selbstgabe Christi vermittelt: Christus wäre im Vollzug dieses Aktes durch das Medium von Brot und Wein ebenso „in" Brot und Wein gegenwärtig, wie angeblich im Geschenk eines Gebers dessen „Intentionen" gegenwärtig sind. Die entscheidende Frage aber ist die, was eigentlich damit gegenüber einer traditionellen Eucharistielehre gewonnen ist: man spricht dann nämlich in eben demselben Sinne von Realpräsenz, wie die Tradition (nämlich von einem Sein des „Seienden selbst" an einem Ort), man hat lediglich einen als unplausibel empfundenen Modus der Herleitung der Realpräsenz (die Substanzverwandlung, die ja üblicherweise als Erklärungsmodus interpretiert wird) durch einen doch nicht weniger unplausiblen ersetzt, und man läuft zudem ganz offensichtlich Gefahr, von einer Kopräsenz Christi und des Brotes auszugehen, wie sich noch deutlicher zeigen wird. Die zweite Möglichkeit des Verständnisses des Realsymbols bestand darin, daß das Medium als in den Kontext personaler Gegenwart aufgenommene und durch diesen Kontext bestimmte Entität verstanden wird, „in" der die personale Zuwendung Christi erfahrbar wird in dem Sinne, daß diese personale Zuwendung nicht als „Akt" eines subsistenten Aktsubjektes, sondern - gleichsam aus der unhintergehbaren Perspektive des Erfahrenden - : als Erfahrung der „Person selbst" in der Erfahrung dieses Aktes verstanden wird 17 . Unter den Bedingungen des Ansatzes Schoonenbergs aber ist eine solche Deutung nicht möglich: denn Schoonenberg geht von der Subsistenz einer Person als Bedingung der Möglichkeit von deren Erfahrung aus - am deutlichsten erkennbar in der bereits analysierten Rede von der Gegenwart Christi in der Gemeinde. Er präjudiziert damit ein Verständnis 17 Vgl. oben S. 136ff.

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von Realpräsenz, das seinen Realitätsgehalt aus der Subsistenz der „Person selbst" an einem Ort oder zu einer Zeit bezieht. In diesem Sinne aber ist Christus im Rahmen der eben skizzierten zweiten Möglichkeit nicht unter Brot und Wein präsent, so daß im Falle einer solchen Interpretation festgehalten werden muß, daß Christus unter Brot und Wein gerade „selbst" nicht gegenwärtig ist, die (grundsätzlich denkbare) Realpräsenz also schlicht geleugnet wird: seine „Substanz", die auch Schoonenberg voraussetzt, ist jedenfalls nicht unter Brot und Wein, also liegt keine Realpräsenz vor. Diese Konsequenz aber liegt nicht notwendig in der Position Schoonenbergs, sondern hat darin ihren Grund, daß Schoonenberg jene „Perspektive" des die personale Zuwendung und so die Person erfahrenden Subjektes hintergeht auf einen Standpunkt, von dem aus die Person als subsistentes Fundament eines durch Zeichen vermittelten Aktes der Zuwendung beschrieben wird. Es liegt damit am Festhalten eines substantialen Denkens, das von vornherein von Realpräsenz nur unter der Bedingung zu sprechen erlaubt, daß das Fundament jeder Relation im Modus „es selbst" an einem Ort subsistiert, daß jeder Versuch, einen anderen Modus der Gegenwart als Realpräsenz zu bezeichnen, scheitert. 3.3 Es muß also zusammenfassend festgehalten werden: Schoonenberg versuchte, im Ausgang von der Deutung der Eucharistie als Vollzug der Vermittlung personaler Gegenwart die Identität der eucharistischen Elemente mit Christus, bzw. die Realpräsenz im traditionellen Sinne, einzuholen. Es zeigte sich dabei schon, daß der Begriff „Gegenwart" durch die Bezugnahme auf die beiden Modi der Relation nicht ausreichend bestimmt wird, sondern hier nun nach einer Gegenwart im Sinne der „Subsistenz an einem Ort" gefragt wird, so daß schon die Fragestellung eine Übernahme des traditionellen Verständnisses der Realpräsenz unter den Gestalten bedeutet. Die Realpräsenz sollte im Ausgang von der Deutung der personalen Relation als „Selbstgabe" begründet werden, die im Falle der Eucharistie so gesteigert sei, daß eine „Selbstgabe" im eigentlichen Sinne vorliege. Es zeigte sich aber, daß eine „Steigerung" der personalen Relation, deren Voraussetzung die Subsistenz von Seienden ist, zu einer Selbstgabe dieser Seienden selbst aus inneren Gründen nicht denkbar ist. Dieses Analogiemodell sollte bei Schoonenberg die Identität der eucharistischen Gestalten mit Christus bzw. die Präsenz Christi unter den Gestalten begründen. Es zeigte sich aber, daß dieser Versuch unter der Voraussetzung eines prinzipiell substanzontologischen Ansatzes entweder zu einem völlig traditionellen Verständnis der Realpräsenz führt, oder aber zu einer Leugnung derselben: wo von der Voraussetzung subsistenter Entitäten ausgegangen wird, ist die Realpräsenz im eigentlichen Sinne eine Subsistenz dieses 245

Seienden selbst an einem bestimmten Ort oder zu einer bestimmten Zeit, und alles andere ist eine Gegenwart im uneigentlichen Sinne, die auf jene Substanzpräsenz hin hintergehbar ist. Es ist sicher ein Ausdruck böswilliger Verkehrung der Transsignifikationslehre, wenn man behaupten wollte, daß die Beschreibung der Realpräsenz als uneigentliche Gegenwart in der Absicht ihrer Vertreter läge; der Zweifel aber daran, daß etwa die Gabe von 25 Rosen zum Hochzeitstag eine geeignete Basis für eine analoge Bestimmung der Realpräsenz unter den Gestalten ist, ist weder ein Mißverständnis noch Folge einer böswilligen Interpretation der Position, sondern die Konsequenz von deren internen Unklarheiten hinsichtlich ihrer ontologischen Basis, die mit innerer Notwendigkeit entweder auf eine Position führt, die mit der traditionellen Lehre von der Realpräsenz praktisch identisch und somit - insbesondere im Blick darauf, daß der „Erklärung" der Realpräsenz im Rekurs auf das Realsymbol keine sonderliche Überzeugungskraft eigen ist - überflüssig ist; oder aber auf eine Position führt, durch die die Realpräsenz unter den Gestalten faktisch geleugnet wird 18 . Die „innere Notwendigkeit" hat ihren Grund darin, daß eine Position wie die Schoonenbergs mit der ontologischen Grundoption der Tradition im Einklang ist und so auch das Kriterium der Tradition für die Rede von einer Realpräsenz teilt: die Subsistenz des „Seienden selbst" an einem Ort. 3.4 Es muß über das bislang Ausgeführte hinaus gefragt werden, inwieweit eigentlich im Rahmen einer Deutung der Eucharistie in Analogie zur zwischenmenschlichen Begegnung dem Opfercharakter der Eucharistie Rechnung getragen werden kann, dem gemäß sie ein verehrender und versöhnender Akt der mit Christus vereinigten Kirche Gott gegenüber ist. Die Bewegungsrichtung, in der die Eucharistie bei Schoonenberg interpretiert wird, verläuft so ausschließlich in der Richtung von Christus zur Gemeinde, daß nicht erkennbar ist, wie derselbe Akt zugleich ein Akt Christi (mit der Kirche) gegenüber Gott sein sollte. Die wenigen Anspielungen Schoonenbergs auf die Messe als Opferhandlung bleiben dementsprechend blaß und lassen sich mit dem Kontext der „personalen Begegnung" nicht verbinden 19 . Eine protestantische Stellungnahme würde dergleichen 18 Vgl. zum genannten Beispiel O.H.Pesch, Eucharistie S. 105; er kennzeichnet die Kritik an einer derartigen Basis für eine analoge Bestimmung der Eucharistie als entweder einem Mißverständnis entspringend, oder „böswillig"; ebd. S. 106. 19 Es scheint sich hier in der Position Schoonenbergs ein gewisser Wandel vollzogen zu haben: In ders., Tegenwoordigheid II, S. 200ff vertritt er eine ganz traditionelle somatische Realpräsenz des Leibes Christi (S. 201. 203), betont aber die gleichzeitige Gegenwart Christi als Subjekt der Feier und die Notwendigkeit der personalen Vereinigung mit dem Herrn im Empfang seines Leibes und Blutes. Der Modus der Realpräsenz

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vermutlich positiv verbuchen; eine Übereinstimmung aber mit der röm.kath. Tradition ist auf diese Weise nicht gegeben. D a s s e l b e gilt für die Frage nach dem cultus sacramenti; die strenge Bindung der eucharistischen Gegenwart an den Kontext des sakramentalen Vollzuges i m Rahmen der K o m m u n i o n scheint die Möglichkeit der Einordnung der Realpräsenz unter den Elementen in einen Kontext der Anbetung des unter den Gestalten gegenwärtigen Herrn nicht mehr z u gewährleisten. Wenn dies auch für eine protestantische Bewertung der Transsignifikationslehre keine Rolle spielt, s o stellt es doch für röm.-kath. Verständnis ein Kriterium einer gültigen Eucharistielehre dar 2 0 . 4. Bislang beschäftigte sich die Untersuchung der eucharistischen Position Schoonenbergs mit der Frage, ob es diesem gelingt, die „Realpräsenz" Christi in irgendeinem Sinne ohne Widerspruch g e g e n die Tradition auszusagen. D i e Wahrung der Realpräsenz Christi ist aber, s o zeigte sich oben,

wird hier noch nicht vom Rahmen der personalen Gegenwart her gedeutet, und entsprechend sind die Verweise auf den Opfercharakter der Eucharistie deutlich und ganz traditionell: S. 201f. Schon in ders., Terugblik S. 320ff, finden die Aussagen über die Eucharistie als Opfer keinen Ort mehr. Schoonenberg bemüht sich hier, den Modus der Realpräsenz im Ausgang von der Deutung der Eucharistie als Geschehen zwischenmenschlicher Begegnung in Analogie zur Ehe zu deuten (S. 322. 324. Ehe: 325f), die somatische Realpräsenz ist offenbar nicht mehr nur ergänzt durch die „personale Begegnung" mit Christus als Subjekt der Feier, sondern von dieser personalen Gegenwart her bestimmt. Diese Tendenz setzt sich in dem hier referierten Aufsatz fort: Schoonenberg spricht einmal vom „mede-offerende" Kanongebet (S. 414), ohne daß deutlich wird, „mit wem" hier eigentlich was geopfert wird, wo doch die ganze Eucharistie unter dem Vorzeichen der Vermittlung der „personalen Gegenwart" Christi an die Gemeinde steht und somit unklar ist, wo in diesem Kontext ein Akt des Opfers Christi an den Vater, oder ein Akt der Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers, seinen Raum haben sollte. 20 Schoonenberg betont in ders., Tegenwoordigheid II S. 204 die Zuordnung des aufbewahrten Leibes zum Vollzug von Opfer und Kommunion und verweist darauf, daß dort nicht Christus, nicht Gott, sondern der Leib Christi gegenwärtig sei (S. 205), der nicht Adressat des Gebetes, sondern Gabe des Subjektes Christus sei. In dem hier referierten Aufsatz hingegen bestimmt Schoonenberg das Gebet während der Messe als Gebet mit Bezug nicht auf die Hostie oder den „in ihr" präsenten Christus, sondern auf Christus „hinter" der Hostie (ders., Tegenwoordigheid III S. 414, vgl. auch die Ausführungen zur Gegenwart „im" Tabernakel in ders., Mysterie S. 13.) Auch hier wird das Problem deutlich: nur wenn Christus im ganz traditionellen Sinn unter Brot und Wein präsent ist, ist eine Anbetung zu rechtfertigen- insofern ist die Wahrung der Möglichkeit des cultus latriae jedenfalls für eine gültige röm.-kath. Lehre von der Realpräsenz ein guter Indikator. Paulus PP VI., Mysterium fidei S. 768f, stellt diese Verbindung eindeutig her: „Ceterum Catholica Ecclesia, fidem de praesentia corporis et sanguinis Christi in Eucharistia non solum docendo, verum etiam vivendo tenuit, cum tantum Sacramentum cultu latriae, qui uni Deo debetur, nullo non tempore venerata sit."

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ein abgeleitetes Kriterium der Eucharistielehre, die ihr Grundkriterium an den Deuteworten hat. Dies Kriterium hatte ich oben in einem sehr weiten Sinne gefaßt, der die Minimalbedingung einer diskussionswürdigen Eucharistielehre formuliert: es ist zu gewährleisten, daß diese Deuteworte sich im Rahmen einer Interpretation der Eucharistie als sinnvoll erweisen 21 . Schoonenberg versteht unter „Leib und Blut" die „Person Christi" 22 , so daß sich das Problem auf die Frage ermäßigt, inwiefern es sinnvoll ist, mit Bezug auf Brot und Wein zu behaupten, daß diese die Person Christi „seien". 4.1 Schoonenberg versteht die Transsubstantiation, die traditionell diese Identität wahren soll, als Transsignifikation oder Transfinalisation: Brot und Wein werden realisierende Zeichen der personalen Gegenwart Christi: „Deze verwerkelijkende tegenwoordigheid ontstaat doordat brood en wijn tekenen worden. Zij worden daartoe afgezonderd en van de gebeden der gemeente... vergezeld. Dan bidt de priester in de gemeente over dit brood en deze wijn de herdenkende, dankende en mede-offerende canon met de instellingswoorden als kern. Door deze consecratie wordt dus niet Christus op ruimtelijke wijze „uit de hemel gehaald". Evenmin geschiedt er een fysische of chemische verandering van brood en wijn. Wat er geschiedt is een teken-verandering. De transsubstantiatie is een transfinalisatie of transsignificatie, maar dan in een diepte die alleen Christus in zijn meest werkelijke zelfgave bereikt. Brood en wijn ... worden de tekenen die deze diepste zelfgave verwerkelijken." (S. 414f) Die negative Abgrenzung gegen einen descensus Christi 23 oder eine chemische Verwandlung scheint doch wieder keine ernst gemeinten Positionen zu treffen und dient vermutlich lediglich als negativer Hintergrund, von dem sich die Lösung Schoonenbergs abheben soll; allerdings legt die

21 S.o. ( I A ) S . 76. 22 P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III S. 414f: Schoonenberg spricht von Christus, der durch die Hostie „zijn werkelijkheid, zijn lichaam" anbietet (S. 414); er spricht davon, daß „de Heer zieh te eten geeft" (S. 415), oder von der „tegenwoordigheid van Christus onder die gedaanten" (S. 415). Auch hier hat sich in seiner Position ein Wandel vollzogen, da Schoonenberg in „Tegenwoordigheid II" noch grossen Wert darauf legte, daß unter den Gestalten der Leib Christi präsent sei, durch dessen Gabe sich die Teilgabe an Christus und die Vermittlung der personalen Gegenwart Christi vollzieht: ebd. 201f, bes. 202, Anm. 2. 23 Die Abgrenzung gegen einen descensus Christi ist in der Tradition des öfteren vorgenommen worden, gegen die Realpräsenz gewendet bei Zwingli und anderen, gegen eine grobe Vorstellung von einer Realpräsenz bei Luther; auch G. Biel etwa wendet sich im Rahmen seiner umständlichen Erläuterung der Transsubstantiation gegen einen motus localis (G.Biel, Expositio lect 40 N und C-K). Ich kenne allerdings keine Position, die dergleichen ernsthaft vertreten hätte.

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Abgrenzung das Fehlurteil nahe, die ausgegrenzten Positionen seien die einzige Alternative zu den Ausführungen Schoonenbergs. Es ist anzunehmen, daß Schoonenberg auf die oben referierte Verwandlung vom „Ding" zum „Zeichen" rekurriert, die sich an den in einen Kontext der Vermittlung personaler Gegenwart aufgenommenen Entitäten vollzieht. Diese „Verwandlung" hatte Schoonenberg in die Nähe einer Wesensverwandlung gerückt 24 , ohne sie aber mit einer solchen zu identifizieren. Diese ganz offensichtliche mangelhafte ontologische Dignität der Wandlung von Brot und Wein versucht Schoonenberg nun wieder mit dem Verweis auf den Sondercharakter der Eucharistie zu entschärfen, ohne daß die innere Möglichkeit einer Wandlung deutlich wird, die eine Verwandlung des Seienden durch die Verwandlung seiner Bestimmung sein soll. Man kann hier nur festhalten, daß Brot und Wein dasselbe bleiben wie zuvor, während sich der Umgang mit ihnen oder ihr Kontext wandelt. Inwiefern dieser Wandel des Umganges oder Kontextes ein Wandel von ontologischer Dignität sein soll, ist nicht einmal ansatzweise erkennbar, da unter der Voraussetzung von gegen den Umgang oder den Kontext selbstständigen „Seienden" ein Wandel von ontologischer Dignität nur mit dem Wandel des „Seienden selbst" vorliegen kann. Es ist damit auch nicht erkennbar, inwiefern dieser Wandel endgültig sein sollte. Das Fehlen einer ontologischen Reflexion und die Konsequenzen eines solchen Fehlens werden selten so gut greifbar wie hier 25 . 4.2 Nehmen wir nun einmal an, Schoonenberg habe ausgewiesen, daß die von ihm vorgestellte Transfinalisation ontologisch einer Transsubstantiation gleichzustellen sei: es bleibt dann immer noch die Frage, ob es denn sinnvoll ist, das Medium einer personalen Gegenwart als die Person selbst zu bezeichnen. Die weitestgehende Aussage, die Schoonenberg allenfalls mit Bezug auf Brot und Wein trifft, ist die Feststellung, daß Brot und Wein „Zeichen sind, die die „tiefste" Selbstgabe Christi verwirklichen" (S. 415, vgl. das zuletzt gebotene Zitat). Warum aber sollte man auf diese Wendung hin die eucharistischen Elemente mit der Person Christi identifizieren? Welchen Sinn könnten in diesem Kontext die Brot und Wein als Leib und Blut identifizierenden Deuteworte haben? Im Hintergrund der zitierten Passage steht offenbar wieder die Überzeugung von der Analogie- und Steigerungsfähigkeit der zwischenmenschli24 P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III S. 407: „Haast zouden wij zeggen: ze [die Dinge als Zeichen, N.S1.] zijn getranssubstantieerd." 25 Vgl. zudiesem Kritikpunkt auch: G.Hintzen, Diskussion S. 93-97 und HJorissen, Diskussion S. 46ff sowie J.B.Kors, Transsubstantiatie S. 163f.

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chen Gegenwart, die nun die ontologische Dignität der Wandlung eines „Dinges" zum „Zeichen" betrifft; selbst wenn man zugeben wollte, daß hier irgendwie ein Wandel vorliegt, der sich durch die Aufnahme des Seienden in den Kontext einer personalen Begegnung vollzöge: dann ist eben Brot und Wein kein Brot und Wein mehr, sondern „Zeichen" - es ist aber eben gerade nicht erkennbar, daß ein solches Zeichen mit seinem Bezeichneten identisch sein sollte. Die „Wandlung", die die Tradition als Transsubstantiation faßt, und die Schoonenberg als Transfinalisation beschreiben möchte, ist aber nun ein Wandel, der nicht nur negativ besagt, daß nun das Brot kein Brot mehr ist, oder das Brot nicht mehr „als Ding" gegeben ist; er ist auch nach dem terminus ad quem nicht unbestimmt, sondern ein Wandel des Brotes zu etwas, was in irgendeinem nachvollziehbaren Sinne als „Leib Christi", oder - falls man unter „Leib" die Person verstehen zu müssen glaubt: - als „Person Christi" bezeichnet werden kann. Da bei Schoonenberg weder erkennbar ist, inwiefern die Wandlung eines Kontextes oder einer Verwendung ein Wandel von ontologischer Dignität ist, noch erkennbar ist, inwiefern ein zum „Zeichen" Gewandeltes mit seinem Bezeichneten identisch sein sollte, liegt kein Wandel des Brotes und des Weines in die Person oder den Leib und das Blut Christi vor, sondern Brot und Wein werden höchstens zu Zeichen der Person, durch die sich eine Selbstgabe Christi vollzieht und „in" denen in nicht näher nachvollziehbarer Weise Christus selbst gegenwärtig ist. Eine Identifikation des Zeichens mit seinem Bezeichnetem ist aber nicht gerechtfertigt, wenn das Zeichen selbst eine eigene Wesensbestimmung hat, und zwar auch dann nicht, wenn man zeigen könnte, daß das Bezeichnete „im" Zeichen subsistiert. In der traditionellen Lehre von der Realpräsenz ist die Identifikation gerade dadurch gewahrt, daß das Zeichen kein eigenes Wesen (etwa als Zeichen) hat, sondern an die Stelle seines „Wesens" die Wesenheit Christi tritt. 4.3 Die Deuteworte aber sind in einem solchen Kontext einfach bedeutungslos: weder ist es sinnvoll oder gar wahr, mit Bezug auf Wein und Brot zu behaupten, sie „seien" Leib und Blut Christi, noch kann der Identifikation der Medien der personalen Gegenwart mit der Person, von der diese gilt, irgendein Sinn abgewonnen werden. Selbst wenn Schoonenberg durch die in 3. analysierten Überlegungen fähig wäre, eine Realpräsenz Christi „in" Brot und Wein auszusagen, so handelt es sich doch nur um eine Kopräsenz von Brot und Christus, oder um die Kopräsenz Christi mit einem „Zeichen", nie aber um ein Verhältnis, in dem von der vorliegenden Entität eine Identität mit Christus bzw. mit seinem Leib und Blut ausgesagt werden kann. 5. Ich fasse zusammen: Das Grundproblem der Position Schoonenbergs 250

besteht darin, daß er die Subsistenz einer Person am Grunde aller von ihr eingegangenen Relationen festhält und daher nicht in der Lage ist, zu zeigen, daß die durch Brot und Wein vermittelte Zuwendung Christi kein uneigentlicher Modus der Gegenwart ist: am Grunde der Unterscheidung von personaler und räumlicher Gegenwart zeigt sich immer wieder ein Gegenwartsmodus, der der Subsistenz, d.i. der Vorhandenheit einer wie immer regionalontologisch bestimmten Entität an einem Ort Ausdruck verleiht, und der als Gegenwart Christi in der Gemeinde die Voraussetzung der personalen Relation bilden soll, die Christus durch Brot und Wein mit den Gläubigen eingeht. Diese Gegenwart Christi in der Gemeinde ist eine Realpräsenz, an der gemessen Christus unter den Gestalten von Brot und Wein - sofern diese jene personale Relation vermitteln - gerade nicht realpräsent zu sein scheint. Schoonenberg versuchte, so zeigte sich weiter, diesem Mangel dadurch abzuhelfen, daß er die in der Eucharistie vermittelte „Selbstgabe" als eine höchste Steigerung der in menschlichen personalen Verhältnissen gegebenen Selbstgabe, und entsprechend die Gegenwart Christi in den diese Selbstgabe vermittelnden Zeichen als eine höchste Steigerung der in entsprechenden menschlichen Verhältnissen gebotenen Gegenwart des Bezeichneten im Realsymbol deutete. Es war allerdings weder einsehbar, wie ein unter den Bedingungen eines substantialen Ansatzes gedachtes Verhältnis „personaler Gegenwart" jemals zur „Selbstgabe" im eigentlichen Sinne der Mitteilung des Subjektes der Relation gesteigert werden soll. Die Basis der Analogie erwies sich also schlicht als ungeeignet; zu demselben Ergebnis führte die Untersuchung der Herleitung der Realpräsenz Christi „in" den die personale Gegenwart Christi vermittelnden Medien: weder war einsehbar, inwiefern im Falle einer zwischenmenschlichen personalen Gegenwart die Person oder deren Intentionen als „in" den vermittelnden Medien realpräsent bezeichnet werden sollten, noch war erkennbar, welchen Gewinn eine solche Neuinterpretation (Christus ist „in" den Medien gegenwärtig wie die personalen Intentionen „im" zwischenmenschlichen Geschenk) gegenüber einer traditionell gefaßten Lehre von der Realpräsenz bedeuten könnte. Die Basis der Analogie erwies sich auch darum als ungeeignet, weil nicht erkennbar war, wie im Rahmen einer Deutung der Eucharistie als „personaler Begegnung" zwischen Christus und Gemeinde dem Opfercharakter der Eucharistie und dem cultus sacramenti Rechnung getragen werden sollte. Auch bezüglich der Möglichkeit, den Deuteworten in diesem Kontext einer Neuinterpretation einen Sinn abzugewinnen, ergaben sich schwerwiegende Einwände: es ist in keiner Weise einsehbar, inwiefern denn die

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als Medien der personalen Zuwendung Christi gedeuteten eucharistischen Elemente mit dem Subjekt dieser Relation oder gar mit dessen Leib und Blut identisch sein sollten; die Deuteworte sind im Zusammenhang einer solchermassen verfaßten Eucharistielehre sinnlos. Es folgt: die Schoonenbergsche Lehre von der Realpräsenz Christi ist keine mögliche Interpretation des tridentinischen Dogmas und verläßt dadurch, daß in ihrem Zusammenhang den Deuteworten kein Sinn abzugewinnen ist, die Grenzen einer christlich vertretbaren Eucharistielehre insgesamt.

D II E. Schillebeeckx: Transsubstantiation trotz Transsignifikation? Die Eucharistielehre Schillebeeckx' im engeren Sinne kann durchaus als Versuch gelesen werden, die Fehler zu vermeiden, die unterlaufen können, wenn die Eucharistielehre rein in Analogie zur Vermittlung personaler Gegenwart gedeutet wird. Allerdings leiden auch die diesbezüglichen Ausführungen Schillebeeckx' unter der oben26 schon beklagten Dunkelheit, die eine Interpretation erschwert; ich gehe davon aus, daß Schillebeeckx seine in anderen Veröffentlichungen vorgetragene und oben knapp referierte Sakramentenlehre hier voraussetzt27 und beziehe mich zum Zweck der Klärung undeutlicher Passagen zuweilen auf diese. 1. Schillebeeckx entfaltet seine Eucharistielehre in mehreren Schritten, deren Zielpunkt die Entscheidung der Frage ist, ob eine traditionsgemäße Neuinterpretation möglich ist, die die Transsubstantiation durch die Annahme einer Transsignifikation ersetzt, oder ob ein Ergänzungsverhältnis beider Modelle vorzuziehen ist 28 . Der Ausgangspunkt der Darstellung ist die oben referierte Schöpfungsontologie, in der die ontologische Dignität der menschlichen Sinnstiftung begründet und im Blick auf den vorgegebenen Horizont einer von Gott her gestifteten Sinnhaftigkeit der Welt und des in ihr zugänglichen Seienden begrenzt wird 29 . Entsprechend wird die Eucharistie zunächst konsequent als Ergebnis

26 S.o. S. 187, Anm. 89. 27 S.o. S.24ff. 28 E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 84-97 (nl. II S. 378-387); zur Zielrichtung vgl. ebd. S. 87 (ebd. S. 380) und 90 (382). Seiten verweise im Text beziehen sich im folgenden auf diese Veröffentlichung. 29 S.o. S. 192ff.

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einer menschlichen Sinnstiftung so gedeutet, daß Brot und Wein in aufeinander aufbauenden Horizonten jeweils ein neue Bedeutung erhalten; Schillebeeckx rekonstruiert zu diesem Zweck zunächst die der Eucharistie vorausgehenden Verstehenshorizonte, die in die eucharistische Kulthandlung als materia sacramenti so aufgenommen werden, daß sowohl diese Verstehenshorizonte, wie darin auch Brot und Wein, eine neue „Bedeutung" erhalten 30 . In einem weiteren Schritt wird dann diese Bedeutung von Brot und Wein so entfaltet, daß deutlich wird, inwiefern von einer Realpräsenz Christi „in" Brot und Wein bzw. von einer Identität Christi mit diesen eucharistischen Elementen gesprochen werden kann (S. 92-97, nl. II S. 383387). Den Ausführungen geht eine „biblische Besinnung" voraus, deren Zielrichtung das Gesamtprogramm Schillebeeckx' so gut erläutert, daß ich sie knapp zur Darstellung bringe (S. 81-84, nl. II S. 376-378) (1.1); ich skizziere dann die Voraussetzungen der Schillebeeckxschen Deutung der spezifisch eucharistischen Gegenwart, und zwar zunächst die Entfaltung der „materia sacramenti" (1.2), und dann die zum Verständnis wichtigen Voraussetzungen, die sich aus der allgemeinen Sakramentenlehre Schillebeeckx' ergeben (1.3). 1.1 Schillebeeckx bietet im Rahmen der biblischen Besinnung im wesentlichen eine traditionsgeschichtliche Analyse, in deren Verlauf er die Konzentration des eucharistischen Aktes auf die Realpräsenz unter Brot und Wein als das Ergebnis und den Kulminationspunkt einer Entwicklung versteht, an deren Anfang die personale Mahlgemeinschaft Christi mit seinen Jüngern zu Lebzeiten Jesu steht, die sich in der Erfahrung der Gegenwart des Erhöhten in der Fortführung dieser Mahlfeiern nach dem Tod und der Auferstehung Christi fortsetzt; Schillebeeckx beschreibt den Endpunkt der im Neuen Testament s.M.n. erkennbaren Entwicklung folgendermassen: „Christi wirkliche Gegenwart in seiner Gemeinde wird kultisch in seine reale Gegenwart unter den Gestalten von Brot und Wein konzentriert. Das ist eine legitime Entwicklung innerhalb des Neuen Testamentes selbst, aber sie läuft Gefahr, einseitig zu werden, weil das eschatologische Dasein der Gläubigen in ihrer besonderen Beziehung zu Jesus, dem Herrn, wie diese sich in der Tischgemeinschaft realisierte, damit in den Hintergrund geriet." (S. 82, nl. II S. 377) Die traditionsgeschichtliche Analyse führt damit zu dem Ergebnis, daß der ursprüngliche Sinn des eucharistischen Geschehens, von dem her die eucharistischen Elemente ihren Sinn und ihre Berechtigung erhalten, die 30 S. auch o. S. 196f; die Entfaltung der „materia sacramenti" erfolgt in E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 90-92 (ebd. S. 382f)

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Gemeinschaft mit Christus ist, die sich in einem Gemeinschaftsmahl der Christen ausdrückt. Diese Grundelemente, auf die es Schillebeeckx ankommt, wenn er diese biblische Traditionsgeschichte aufruft, und die er für die entscheidenden auch heute gültigen Elemente des eucharistischen Geschehens hält (S. 83, nl. II S. 377) finden sich in folgendem Zitat: „Es [das Wort Christi, N.S1.] kündigt uns an, daß wir, wenn wir an einem christlichen Mahl teilnehmen, eine brüderliche Gemeinschaft realisieren; mit der er, der Lebendige, sich identifiziert; in der er selbst zur dargereichten Speise und zum dargereichten Trank wird, in der wir von seiner Erlösungstat und seiner Inkraftsetzung durch den Vater leben können." (S. 83, nl. II S. 377)

Die Realpräsenz im Sinne der Gegenwart unter den Gestalten steht erst an dritter Stelle; sie erscheint so als Moment oder Folge der vorangehenden Bestimmungen: der Eucharistie als Mahlgemeinschaft, und der Identifikation Christi mit dieser Gemeinschaft, der Einheit von Christus und Kirche also, die ich einleitend als Grundvoraussetzung der Transsignifikationslehre ausgewiesen und als Grundelement der Sakramentenlehre Schillebeeckx' gekennzeichnet hatte 31 . Die Eucharistie ist so - der allgemeinen Sakramentenlehre Schillebeeckx'entsprechend-zunächst kultischer Ausdrucksakt einer menschlichen Gemeinschaft, in der sich - da sie eins ist mit Christus - ein Gemeinschaftsmahl mit Christus vollzieht und Christus selbst zum Trank und zur Speise wird. Die Rekonstruktion des Sinnhorizontes der eucharistischen Elemente, die Schillebeeckx im folgenden bietet, erhebt durchaus den Anspruch, diese biblische Bindung der eucharistischen Elemente und der Real präsenz an das Gemeinschaft untereinander und mit Christus vermittelnde Mahl wieder zu rekonstruieren: Brot und Wein werden von vornherein als Momente von sinngebenden Bedeutungshorizonten oder von Bedeutungs„ebenen" auslegt, deren erster das Gemeinschaft stiftende Mahl, deren zweiter die Aufnahme des Gemeinschaftsmahles in vorchristliche lebenvermittelnde kultische Akte ist, die dann als materia sacramenti kirchlich bzw. christologisch überformt werden (S. 90-92, nl. II S. 382f). Diesen Passagen ist nun nachzugehen: 1.2 Grundsätzlich gilt von den ontologischen Ausführungen Schillebeeckx' her, daß nach dem Wesen eines Seienden, und so auch nach Brot und Wein, nicht als isolierten Entitäten, sondern als Momenten von „Bedeutungsebenen" oder Sinnhorizonten zu fragen ist, die die menschliche Bedeutung dieses Seienden bestimmen. Diese „Sinnebenen" sind derge31 S.o. S. 28f.

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stalt verfaßt, daß sie aufeinander aufbauend jeweils die vorangehende überformen und in ihrer Bedeutung durch die Integration in weitere Horizonte verändern 3 2 . Diese Sinnebenen sind konstituiert durch menschliche Handlungen oder Intentionen, und diese Intentionen oder Handlungen, nicht aber lediglich die eucharistischen Elemente, stellen nach Schillebeeckx die materia sacramenti dar: „Die primäre sakramentale Gestalt der Eucharistie ist deshalb nicht einfach „Brot und Wein", sondern das Mahl, in dem Brot und Wein genossen werden. Sakramente sind übrigens nie isolierte Dinge, sondern menschliche Handlungen, in welche dann Dinge oder Gebärden aufgenommen sind: Waschen mit Wasser, Salben mit Öl... So gehören in der Eucharistie die Speise, das Mahl und die Tischgemeinschaft wesentlich zusammen; sie sind die menschliche Materie, die Sakrament wird." (S. 90, nl. II S. 382) Schillebeeckx versteht nun auch den eucharistischen Akt als die ekklesiologische bzw. damit christologische Überformung des Passahmahles, das seinerseits die „Historisierung" eines lebenstiftenden Naturkultes ist, der wiederum den Horizont des „Gemeinschaftmahles" in sich aufnimmt: Das Brot und der Wein haben in den unterschiedlichen Kontexten unterschiedliche Bedeutung: im Rahmen des Gemeinschaftsmahles sind sie Ausdruck und Medium der Zusammengehörigkeit (S. 90, nl. II S. 382, vgl. S. 87), während sie im Rahmen des Naturkultes zum „Symbol des Lebens" werden und offensichtlich an diesem Leben als Medien Anteil geben (S. 90f, nl. II S. 382f); im Rahmen des historisierten Kultes Israels vollzieht sich diese Teilgabe am Leben mit Hilfe von Brot und Wein im kultischen Vollzug einer Vergegenwärtigung des vergangenen Heilsgeschehens im Passah-Mahl (S. 91, nl. II S. 383). Damit ist die Eucharistie von vornherein - das heißt: von dem Akt her, der ihre Materie bildet - näherbestimmt als eine Mahlgemeinschaft, und zwar als eine Mahlgemeinschaft, in der ein lebenspendendes historisches Heilsgeschehen vergegenwärtigt und durch Brot und Wein vermittelt wird (ebd.). Die Vorstellung ist nun offensichtlich die, daß dieser Horizont im Kulthandeln der Kirche aufgenommen und, weil die Kirche Leib Christi ist, genau damit auch christologisch „gefüllt" wird: es handelt sich um eine Mahlgemeinschaft derer, die mit Christus verbunden sind und in deren Mitte daher auch Christus gegenwärtig ist, und um die in diesem Mahl sich 32 Vgl. ebd. S. 89f. 90f. (ebd. S. 381f. 382f). Vgl. auch ders., Sakrament S. 74-76; ders., Heilseconomie S. 233f. 396-414 und das frz. „sommaire" S. 665ff, bes. 667-670. Vgl. oben ( I Q S . 196ff.

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vollziehende Vergegenwärtigung des historischen Heilsgeschehens, des Opfertodes Christi. Der Vorteil dieser Deutung gegenüber der Schoonenbergs liegt sicher darin, daß das Mahl nicht unmittelbar als personales Geschehen zur Grundlage einer Deutung des eucharistischen Geschehens wird, sondern zuvor durch die Integration der von Schillebbeeckx angenommenen kultischen Bedeutungshorizonte des Brotes angereichert wird, die die Verbindung zum Opfercharakter der Messe und den Bezug zum historischen Heilsgeschehen offenhalten: „Die Transsubstantiation, die in diesem Kontext impliziert ist, ruft deutlich eine sehr bestimmte Wirklichkeitsebene wach: die des Mahlfeierns, und zwar in einer religiösen Symboltätigkeit, nämlich in einem Leben erbittenden und Leben schenkenden Ritus, der ein Gedenken an das Lebensopfer oder den „Tod des Herrn" ist. Das Brot und der Wein, um die es hier geht, sind nicht einfach ein Gastgeschenk bei einem Besuch. Der Gedanke eines „Besuches Christi" ist der Eucharistie fremd. Es geht darum, daß die Gläubigen in das Leben aus dem Tode oder in das Opfer Christi einbezogen werden und dieses gläubig unter Dank an Gott mitvollziehen." (S. 91, nl. II S. 383) Die Korrektur Schoonenberg, besonders aber Smits 33 gegenüber ist deutlich. 1.3 Es sind, bevor ich zur Lehre von der Realpräsenz im engeren Sinne überleite, noch einige Elemente der Sakramentenlehre Schillebeeckx' in Erinnerung zu rufen: Der im eben gebotenen Zitat erkennbare Rekurs auf die im Sakrament vermittelte Teilnahme an der historischen Heilstat stellt Schillebeeckx in eine Linie mit der Mysterientheologie, von der er darin abweicht, daß er nicht von der Vergegenwärtigung der historischen Heilstat, sondern von der Vergegenwärtigung des ewig-aktuellem Gehaltes derselben spricht, der dem historischen Kreuzesgeschehen darum eignet, weil es dabei nicht nur um ein menschliches Geschehen, sondern in diesem menschlichen Geschehen zugleich um Taten des Gottessohnes geht 3 4 : „Der Kern der sakramentalen Heilstätigkeit ist die ewig-aktuelle Heilstat des Christusmysteriums, und dieser Kern ist zugleich identisch mit dem historischen Kreuzesopfer in seinem Mysteriengehalt und daher auch mit der aktuellen Heilstat des himmlischen Kyrios. Daß Thomas einerseits behauptet, die Kraft der Sakramente komme aus den „Leiden Christi", und andererseits sagt, der himmlische Christus sei in den Sakramenten wirksam, bedeutet keinen Widerspruch: Es ist ein und dieselbe Heilstätigkeit nach ihrem Perennitätsgehalt."35 33 L.Smits, Vragen S. 51ff, s.o. S. 120f. 34 ders., Sakrament S. 65-73, bes. S. 67f; vgl. ders., Heilseconomie S. 223-230; vgl. oben Einl. S. 28f (bes. Anm. 41). 35 Ders., Sakrament S. 71; bei TTiomas ist diese These übrigens anders vermittelt: es handelt sich um die im Kreuz erworbene Gnade, die der im Sakrament als causa prima

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Schillebeeckx versteht unter dieser in den Sakramenten vergegenwärtigten Heilstat die Einheit der innertrinitarischen Bewegung Gottes des Sohnes zum Vater und der antwortenden Zuwendung des Vaters zum Sohn, die sich sakramental, das heißt in historischer Sichtbarkeit, im geschichtlichen Tod und der Auferstehung Christi ereignet, und die der erhöhte Christus in der intercessio beim Vater ewig vollzieht 36 . Schillebeeckx ruft diesen Zusammenhang im Rahmen seiner Eucharistielehre an einer Stelle auf, in der er einleitend das Fundament des eucharistischen Geschehens skizziert: „Grundlage des ganzen eucharistischen Geschehens ist Christi persönliche Selbsthingabe an seine Mitmenschen und - darin - an den Vater ... Darin liegt die ewige Gültigkeit seiner irdischen Geschichte. Wie gesagt: die persönliche Beziehung zum himmlischen Christus ist zugleich Anamnese seines geschichtlichen Kreuzestodes. Die Eucharistie ist die sakramentale Erscheinungsform dieses Geschehens, der Selbsthingabe Christi an den Vater in der Gestalt der Selbsthingabe an die Menschen..." (S. 92, nl. II S. 383f) Die Eucharistie ist so der sakramentale Vollzug dieses letztlich innertrinitarischen, im Kreuz verwirklichten Geschehens der Hingabe des Sohnes an den Vater, und der Zuwendung des Vaters zum Sohn, d. h. - unter der Voraussetzung des Sakramentsbegriffes Schillebeeckx' - : der Vollzug in „historischer Sichtbarkeit" 37 . Das zweite zentrale Element, das Schillebeeckx seiner Sakramentenlehre entnimmt, stellt die Deutung der Sakramente als Ausdrucksakte des Glaubens der Kirche dar, in denen sich ein Heilsakt Christi vollzieht, an dem die Kirche bzw. der Glaubende im Vollzug und Mitvollzug des Sakramentes Anteil erhält. Diese doppelte Bedeutung der sakramentalen Akte hat ihr Fundament in der mystischen Einheit der Kirche mit Christus; sie prägt auch die Eucharistielehre, wenn Schillebeeckx feststellt, daß die „Realpräsenz" Christi in Brot und Wein zugleich eine Realpräsenz der Kirche in Brot und Wein bedeute, so daß die Teilgabe am gegenwärtigen Herrn zugleich eine Teilgabe an seiner Kirche sei 38 : Die Kirche ist in derselben Weise wie Christus unter Brot und Wein präsent, weil sie eben in der Einheit mit Christus den eucharistischen Akt der Hingabe an den Vater in

wirksame himmlische Christus austeilt: Thomas von Aquin, STh HI q 49 a 1 resp und ad 4; vgl. ebd. q 62 a 1-5, jew. resp. 36 Vgl. E.Schillebeeckx, Sakrament S. 38-43 zur Darstellung der innertrinitarischen Bewegung in historischer Sichtbarkeit, bes. auch 45f; zur Verbindung zur intercessio vgl. ebd. S. 69 und 71. Vgl. insgesamt S. 63-73. 37 Ders., Sakrament S. 24f. 38 Ders., Gegenwart S. 94 (nl. II S. 384), vgl. 93-95 (384f); zum Hintergrund vgl. bes. ders., Sakrament S. 76-79. 85f.

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der Gestalt der Hingabe an die Menschen vollzieht. Dieser Aspekt des eucharistischen Geschehens bleibt im folgenden weitgehend außer Betracht, da er der Frage nach der Deutung der Realpräsenz bei Schillebeeckx keine entscheidend neuen Aspekte hinzufügt (S. 93-95, nl. II S. 384f). 2. Ich komme nach diesen vorbereitenden Klärungen zur Deutung der eucharistischen Gegenwart durch Schillebeeckx: 2.1 Im eucharistischen Akt „erscheint" die ewig-gültige Heilstat, die Selbstgabe Christi an den Vater in sakramentaler Gestalt, das heißt: in historischer Sichtbarkeit. „In diesem Gedächtnismahl werden Brot und Wein Subjekt [!] einer neuen SinnStiftung, nicht von Menschen, sondern des in der Kirche lebenden Herrn, wodurch sie zu Zeichen der wirklichen Gegenwart Christi, der sich uns selbst gibt, werden." 39

Zunächst ist deutlich, daß sich im Kontext der Eucharistie mit den Elementen ein Sinnwandel vollzieht: sie sind Zeichen der Selbstgabe des gegenwärtigen Christus an die Gemeinde. Es ist anzunehmen, daß Schillebeeckx dies Verhältnis von Zeichen und im Zeichen Erscheinenden dem im Rahmen der phänomenologischen Anthropologie angeblich etablierten Verhältnis der „Innerlichkeit" und der leiblichen Erscheinung dieser Innerlichkeit analogisiert wissen möchte. Wenn das richtig ist, so ist schon an dieser Stelle deutlich, daß sich hier mit Bezug auf den Charakter des „Zeichens" das oben entfaltete Problem der Bestimmung des Verhältnisses von „Innerlichkeit" und „Erscheinung" wiederholt und verschärft: es ist ganz offensichtlich, daß hier die ewigaktuelle Heilstat, die der „Innerlichkeit" entspricht, eine lediglich sekundär zur Erscheinung kommende, dieser Erscheinung voraus in sich bestehende Grösse ist 40 . Es handelt sich ganz eindeutig um ein solches Verhältnis, in dem die „historische Erscheinungsform" und die in ihr erscheinende Heilstat im Verhältnis zweier unabhängiger Koprinzipien stehen, die in einem Verhältnis von Hinweiszeichen und Bezeichnetem, bzw. damit im Verhältnis der Inexistenz der einen in der anderen Wirklichkeit stehen können, nicht aber in dem komplexen Verhältnis der Identität und Unterschiedenheit, die für ein Realsymbol konstitutiv ist oder sein soll. Brot und Wein, bzw. das Mahl, in dem sie ihre Bedeutung erhalten, sind jedenfalls Zeichen, von vornherein aber in der Weise von ihrem Bezeichneten unterschieden, daß dieses als aliud quid auch im Falle der Inexistenz, des 39 Ebd. S. 92 (ebd. S. 383f); „Subjekt" (so auch im nl. Original) ist hier offenbar im scholastischen Sinne (= Objekt) verstanden. 40 Vgl. nur ders., Sakrament S. 68f; jede andere Auslegung würde behaupten, daß die „ewig-aktuelle Heilstat" im Sakrament erst zur Verwirklichung kommt.

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„sein-in" Brot und Wein, ein hinweisend Bezeichnetes bleibt: die ewigaktuelle Heilstat ist vielleicht „in" dem sakramentalen Akt, sie ist aber ein anderes als diese Erscheinungsform. 2.2 Der Verdacht bestätigt sich, wenn man nicht nur auf das Verhältnis des Aktes zu seinem „Medium" blickt, sondern auch den Begriff der „Gegenwart Christi" analysiert. Es legt sich zunächst nahe, zu vermuten, daß diese Gegenwart ein „Ergebnis" der als Gehalt des sakramentalen Aktes explizierten Selbstgabe Christi sein soll, und es ist so nach dem Verhältnis der Person Christi zu dieser Selbstgabe und zu den Medien dieser Selbstgabe zu fragen: 2.2.1 Schillebeeckx gelangt zur Aussage der Realpräsenz Christi unter Brot und Wein durch die Entfaltung der Grundvoraussetzung des eucharistischen Aktes, nämlich der „Realpräsenz" Christi „in" der Kirche und speziell - vermittelt durch den amtierenden Priester - in der eucharistiefeiernden Versammlung 41 . Die Intention der Betonung dieser Gegenwart ist zunächst nicht, wie bei Schoonenberg und Möller, die Sicherung einer „ontologischen H e f e " der eucharistischen Sinnwandlung dadurch, daß diese Sinnänderung nicht nur die Kirche, sondern auch Christus selbst zum Subjekt hat; allerdings ist auch Schillebeeckx der Meinung, daß nur unter der Voraussetzung dieser Gegenwart Christi in der Gemeinde der „Realitätswert" der eucharistischen Gegenwart Christi im Zeichen gewahrt bleiben könne. Seine Gründe sind allerdings andere: „Dieses wesensnotwendige Band der eucharistischen Gegenwart mit dem in der Kirche lebenden, real gegenwärtigen Herrn möchte ich noch stärker betonen, als neuere Autoren es tun. Es gibt schließlich nur eine reale Gegenwart Christi, die auf verschiedene Weisen realisierbar ist. Sie ist meines Erachtens mit-konstitutiv für die Eucharistie.... Kraft der von Christus gestifteten und von der Kirche im Glauben bejahten Sinngebung sind Brot und Wein wirklich Zeichen, eine spezifische sakramentale Erscheinungsform des schon real und persönlich für uns gegenwärtigen Herrn. Leugnet man dies oder läßt man es außer Betracht, dann droht die Realität der besonderen eucharistischen Gegenwart ausgehöhlt zu werden." (S. 92f, nl. II S. 384) 41 Zur Gegenwart Christi in der Kirche als Voraussetzung des eucharistischen Aktes: ebd. S. 92 (ebd. S. 383f); zur Mittlerfunktion des Priesters: 95f (386). Diese Mittlerfunktion ist wiederum tief in der Sakramententheologie Schillebeeckx' insgesamt verwurzelt: das Sakrament ist Ausdruck der fides ecclesiae, und diese Kirchlichkeit des Sakramentes gewährleistet der in der rechten intentio (in der Absicht, zu tun, was die Kirche tut) amtierende, ordnungsgemäß geweihte Priester; ders., Sakrament S. 61f. 7779. 105-111; ders., Heilseconomie S. 455-479. Zsf. 474-479; vgl. frz. „sommaire" S. 669.

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Es gibt also - im (verbalen) Einklang mit der Tradition - eine spezifisch eucharistische Gegenwart Christi, die zunächst in der Weise beschrieben wird, daß Brot und Wein „Zeichen" im Sinne einer „Erscheinungsform" Christi werden. Es folgt nun auf diese zitierte Passage, offenbar die durch die Behauptung der Gegenwart Christi in der Kirche gewährleistete spezifische eucharistische Gegenwart explizierend, eine doppelte Abgrenzung: Es handle sich zum einen bei der eucharistischen Gegenwart nicht lediglich um eine Erfahrung des Gebers in der Gabe in der Weise, wie in jedem Geschenk „letztlich" der Geber selbst erfahren werde, während die Gabe aber ein anderes des Gebers ist und bleibt: „Die Transsubstantiation bedeutet nicht, daß der in der Kirche lebende Christus in dieser neuen Sinn-Stiftung etwas gibt, einen inkarnierten Erweis der Liebe, wie wir in jedem sinnvollen Geschenk die schenkende Hand und vor allem das schenkende Herz und damit letztlich den Schenkenden selbst miterfahren." (S. 93, nl. II S. 384) Vielmehr werde der Geber selbst geschenkt, und zwar genau so, daß die realisierenden Zeichen dieser Gabe nicht ein von Christus unterschiedenes Geschenk, sondern dieser selbst sind: „Die Beziehungen liegen hier viel tiefer: was geschenkt wird, ist der Geber selbst, in einer Weise, welche die Phänomenologie der „Selbsthingabe im Geschenk" radikal versagen läßt. „Das ist mein Leib, mein Blut." Das ist keine Selbsthingabe in einem Geschenk, nicht einmal im vertieften Sinne, weil der Schenkende hier Christus ist, die persönliche Offenbarung des Vaters; nein, nichts anderes wird uns in der Eucharistie geschenkt als Christus selbst." (ebd.) Das Zentrum der Aussage liegt doch vermutlich darin, daß mit dem Geschenk „nichts anderes" (auch im Original kursiv) vermittelt werde als Christus selbst: das Geschenk verliert im Vollzug dieser Selbstgabe Christi seinen „Eigensinn" als etwas von Christus Unterschiedenes, es wird nach seiner Erscheinung ein reines „Zeichen" der Gegenwart Christi, wie auch in der Tradition die verbleibenden Gestalten Zeichen des gegenwärtigen Christus sind: ,J)as bedeuten realisierend die sakramentalen Gestalten von Brot und Wein: nicht ein Geschenk, das auf den sich darin selbst schenkenden Christus hinweist, sondern Christus selbst in schenkender persönlicher Gegenwart. Das ZeichenSein ... ist hier maximal: ein rein sinnvolles und von uns gläubig erfahrbares Sich-gegenwärtig-Setzen des lebendigen, realen Christus. Die phänomenale Gestalt dieser eucharistischen Speisen ist nichts anderes als realisierendes Zeichen der Selbsthingabe Christi..." (ebd.)

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Die Identifikation der eucharistischen Elemente mit Christus selbst soll also hier nicht durch eine Analogie zur Funktion des Geschenkes im Kontext der zwischenmenschlichen Begegnung erreicht werden, sondern Schillebeeckx sieht, daß eine derartige Basis einer Analogie durch die eucharistische Gegenwart gesprengt wird. Schillebeeckx behauptet vielmehr, es könne, sofern die Gegenwart Christi „in" der Kirche vorausgesetzt werde, die spezifisch eucharistische Gegenwart dergestalt gewährleistet werden, daß zwischen den Gestalten und Christus kein Verhältnis der Differenz und damit des Hinweises, sondern ein Verhältnis der Identität vorliegt. Schillebeeckx scheint dabei auch das Verhältnis des „In- sein" des Gebers im Geschenk auszuschließen, dessen Ungenügen die Analyse der Darstellung Schoonenbergs offenbarte: er betont, daß „nichts anderes" geschenkt werde, als Christus selbst, und daß Christus sich nicht „im" Geschenk (als anderem seiner selbst) schenke. Die Voraussetzung ist, wie dargestellt, die „Realpräsenz Christi in der Gemeinde": „Leugnet man dies [i.e. die Präsenz Christi in der Gemeinde, N.S1.] oder läßt man es außer Betracht, dann droht die Realität der besonderen eucharistischen Gegenwart ausgehölt zu werden." (vgl. Zitat oben). Dieser Zusammenhang zwischen der Gegenwart Christi „in" der Kirche, und der Realpräsenz unter den „Zeichen" von Brot und Wein, muß daher nun untersucht werden: 2.2.2 Die Ausführungen Schillebeeckx' setzen doch offensichtlich insgesamt den oben referierten Zeichenbegriff voraus, dem gemäß das „Zeichen" im Rahmen einer „nicht-dualistischen" Anthropologie ein Analogon des menschlichen Leibes sei, der nicht auf eine „hinter ihm" liegende „Seele" verweise, sondern „diese ... selbst in Sichtbarkeit" sei 42 . Die entscheidende Funktion der Betonung der Gegenwart Christi „in" der Gemeinde besteht unter dieser Voraussetzung darin, daß das Verhältnis von Christus und Kirche dem Verhältnis von Leib und „Innerlichkeit" analogisiert werden kann, und damit auch der kultische Akt der Kirche ein Analogon der leiblichen Geste des Menschen darstellt, während die in diesen Akt aufgenommenen „Zeichen" oder „Medien" (Brot und Wein) den in die leibliche Geste integrierten und von ihrem „Sinn" geprägten Medien dieser Geste entsprechen 43 . Die Verhältnisbestimmung von Christus und Kirche stellt offenbar die Basis der Möglichkeit dar, die Bestimmungen des Verhältnisses von „Innerlichkeit" und „Leib" im Rahmen der phänomenologischen Anthropologie auf das Verhältnis von Christus und sakramentalem Akt bzw. den Medien dieses Aktes zu übertragen. Schillebeeckx geht im Rahmen der Entfaltung der eucharistischen Gegenwart an keiner Stelle 42 Ebd. S. 65f (ebd. S. 364f); vgl. oben S. 129. 43 Ebd. S. 66 (nl. II S. 364f), vgl. oben S. 129£f.

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auf diesen Zusammenhang ein; setzt man ihn aber nicht voraus, so bleibt nicht nur unverständlich, in welchem Sinne Schillebeeckx überhaupt in dem gerade referierten Abschnitt von „Zeichen" spricht, sondern die Ausführungen über den „phänomenologischen Zeichenbegriff' bleiben dann im Kontext seiner Schrift zur eucharistischen Gegenwart völlig bedeutungslos. Dafür, daß genau diese Übertragung der nicht explizit benannte Hintergrund der vorliegenden Passage und der Grund für die Betonung der Gegenwart Christi in der Gemeinde ist, spricht daneben die allgemeine Bestimmung des Sakramentes bei Schillebeeckx: „So ist der Mensch Jesus in seiner gnadenvollen Wirksamkeit persönlich unter uns gegenwärtig. Aber andererseits wurde auch gesagt, daß diese himmlische Tätigkeit wegen unseres nicht-verherrlichten Zustandes an uns und für uns nicht sichtbar gegenwärtig werden kann, es sei denn durch die Aufnahme irdischer Symbole. ... [es] erfordert die Struktur der Inkarnation von der Himmelfahrt Christi an eine weitergeführte leibliche Vermittlung. Wir wissen schon, daß dieser sakramentale „Leib des Herrn" konkret die Kirche ist. Wir nannten die Sakramente die spezifischen Tätigkeit dieser kirchlichen Zeichenwirklichkeit. Wie Christus durch seine himmlische Leiblichkeit unsichtbar in der Welt handelt, wirkt Er zugleich sichtbar in seinem irdischen Leibe und durch seinen irdischen Leib, die Kirche, so daß die Sakramente nichts anderes sind als die persönlichen Heilstaten Christi in der Erscheinungsform kirchlicher Amtshandlungen."44 2.2.3 Die Analogisierung des Verhältnisses von Christus und Kirche zum oben referierten Verhältnis der „Seele" zum „Leib" und der in dieser Analogie begründete Begriff eines Realsymbols ist damit allerdings automatisch mit den oben aufgezeigten Problemen und Schwierigkeiten belastet; auch der dort latente Dualismus, dem gemäß sich „Innerlichkeit" und die leibliche Materialität als zwei irreduzible Koprinzipien verhalten, die im Verhältnis der Inexistenz der einen in der anderen Entität stehen, ist im Falle des Verhältnisses von Christus und Kirche ganz manifest. Dieses Verhältnis nämlich wird ganz eindeutig als ein „Ineinander" beschrieben: „Diese Sinnstiftung Christi vollzieht sich in der Kirche und setzt deshalb wesensgemäß die reale Gegenwart des Herrn in der Kirche, in der versammelten Gemeinde und in dem, der die Eucharistie leitet, voraus."*5 Die Realpräsenz Christi „in" der Kirche stellt also ein Verhältnis des „Ineinander" zweier aufeinander nicht angewiesener, selbstständiger Enti44 Ders., Sakrament S. 70. 45 Ebd. S. 92 (ebd. S. 384); vgl. die analoge Passage in der „Biblischen Besinnung" S. 82 (S. 376f).

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täten dar, und entsprechend kann aus den oben im Rahmen der Untersuchung des Verhältnisses von „Leib" und „Seele" entfalteten Gründen kein anderes Verhältnis als das der ontischen Differenz, und im Blick auf ein Zeichenverhältnis das Verhältnis des Hinweises einer Realität auf die andere, die in ihr „enthalten" ist, bestehen 46 . Eine solche Beschreibung der Realpräsenz Christi in der Kirche hat nun Folgen für das Verständnis einer möglichen Realpräsenz unter den Gestalten: Denn der Begriff der „Realpräsenz" ist nun schon durch die Deutung der Gegenwart Christi „in" der Kirche als „Subsistenz" eines Seienden im Modus „es selbst" an einem Ort vorbelastet, so daß also, sofern im eigentlichen Sinne mit Bezug auf die Gestalten eine „Realpräsenz" ausgesagt werden sollte, auch hier eine „Substanzpräsenz" in diesem Sinne vorliegen müßte. Die Deutung der eucharistischen Elemente als bloße Medien einer liebevollen Zuwendung Christi würden genau darum den Anforderungen an eine Position nicht genügen, die den Anspruch erhebt, mit der Tradition in Einklang zu stehen: die Ausführungen Schillebeeckx' teilen mit der Tradition das ontologischen Fundament einer Substanzontologie, das von „Realpräsenz" nur zu sprechen erlaubt, wenn tatsächlich die „Person selbst" am fraglichen Ort (zur fraglichen Zeit) subsistiert, und nicht „nur" ein in ihr begründeter Akt oder eine entsprechend begründete „Relation" sich mitteilt. Schillebeeckx erkennt dies, wie schon referiert, durchaus an und hält ebenfalls die Analogie der „Gegenwart im Geschenk" für ungeeignet zur Explikation der spezifisch eucharistischen Gegenwart. Es liegt also bei Schillebeeckx kein neuer, sondern ein ganz traditioneller Begriff von Gegenwart vor. 2.2.4 Offensichtlich ist er nun aber der Meinung, daß sich mit der Deutung des eucharistischen Aktes als Akt des in der Kirche und im kirchlichen Akt gegenwärtigen und handelnden Christus etwas wie eine „Realpräsenz" im traditionellen Sinne ergibt: Die Eucharistie stellt den Akt der Selbstgabe Christi an den Vater im Vollzug der Selbstgabe an die Menschen dar, der sich im Medium eines kultischen Aktes seiner Kirche ereignet. Brot und Wein sollen nun in diesen Aktvollzug aufgenommene Medien sein, für die also dasselbe gelten soll wie für die in den Vollzug menschlicher Intentionen in leiblichen Gesten aufgenommenen „Dinge": diese sind nach Schillebeeckx selbst die Sichtbarkeit der mitgeteilten Intention, und nicht ein „Zeichen", das auf die Intention als auf ein aliud quid hinweist (S. 65, nl. II S. 364f). Im eucharistischen Akt vollzieht sich also eine „Selbstgabe" Christi durch das Medium von Brot und Wein. 46 S.o. (IB) S. 134f.

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Schillebeeckx ist offensichtlich der Meinung, daß sich „in" der Gabe von Brot und Wein die Gabe Christi vollzieht, so daß also Brot und Wein „Zeichen" sind, durch die Christus diese Selbstgabe realisiert, und so daß genau daher und in diesem Sinne Christus unter den Zeichen von Brot und Wein gegenwärtig ist: wie Christus „in" der Kirche präsent ist, und der Akt der Selbstgabe Christi sich „im" kirchlichen Akt vollzieht, so ist Christus auch in den diese Selbstgabe vermittelnden Medien, unter Brot und Wein also, als dieses „Selbst" gegenwärtig. Soweit die These. Schillebeeckx erläutert allerdings nicht näher, aufgrund welches Vorganges sich diese Realpräsenz herstellen sollte, und die Identifikation der „Zeichen" mit Christus selbst bleibt durchgehend etwas unklar: Fragt man nun nach der Begründung für diese „Realpräsenz", so läßt der analysierte Hinweis auf die konstitutive Funktion der Gegenwart Christi in der Kirche für die Wahrung der spezifisch eucharistischen Realpräsenz vermuten, daß Schillebeeckx schlicht die Bestimmungen des Verhältnisses von „Leib" und „Geist", „geistiger Intention" und „leiblichem Akt", „innerer Realität" und „Symbol" auf die Eucharistie überträgt und der Meinung ist, die Gegenwart des Bezeichneten im Zeichen durch diese Analogie gewährleistet zu haben; dort stellte Schillebeeckx fest: „ In der menschlichen Symbolhandlung kann man deshalb [weil eben die Leiblichkeit des Menschen die sichtbare Gegenwart des Geistes ist, der Geist „sich" in Leiblichkeit offenbart, N.SL] unmittelbar die Realität selbst erfahren; man braucht nicht von einem Zeichen aus auf eine andere zwar bezeichnete, aber nicht wirklich gegenwärtige Realität zu schließen.... Denn diese [die menschliche Symboltätigkeit, N.Sl.] ist eine wirkliche Gegenwart der menschlichen Innerlichkeit in ihren Ausdrucksformen, Verhaltensweisen und so weiter, wenn sie auch nicht adäquat mit diesen zusammenfällt." (S. 66, nl. II S. 384) Die Feststellungen scheinen in der folgend zitierten Passage einfach auf die Eucharistie übertragen zu werden: in der Eucharistie vollzieht sich die Selbstgabe Christi, der also auch in der Gabe, durch die sich diese Selbstgabe vollzieht, selbst gegenwärtig ist: nichts anderes wird uns in der Eucharistie geschenkt als Christus selbst. Das bedeuten realisierend die sakramentalen Gestalten von Brot und Wein: nicht ein Geschenk, das auf den sich darin selbst schenkenden Christus hinweist, sondern Christus selbst in schenkender persönlicher Gegenwart." (S. 93, nl. II S. 384) Die Behauptung der spezifisch eucharistischen Präsenz ist also die Folge der relativ mechanischen Übertragung der im Rahmen der phänomenologischen Deutung der menschlichen Symbolhandlung angeblich gewonnenen Einsichten. Damit bricht natürlich wieder das oben bereits angerissene Problem auf: 264

im Rahmen der „Anthropologie der Symbolhandlung" lag keineswegs eine nicht-dualistische Anthropologie vor, sondern die Behauptung der „Gegenwart" eines „Koprinzips" (des Geistes oder einer geistigen Intention) in einem anderen (dem Leib oder leibanalogen Entitäten). Es handelt sich, auch wenn man diese Übertragung des Verhältnisses von Zeichen und Bezeichnetem aus der Anthropologie in die Deutung des eucharistischen Aktes akzeptiert, um ein Verhältnis der „Inexistenz" eines Bezeichneten in einem Zeichen, das folglich ein Zeichen ist, das auf eine von ihm unterschiedene, nun aber zufällig (d. h. ohne innere Notwendigkeit) „in" ihm befindliche Realität hinweist. Die „Gegenwart" des Bezeichneten ist aber nicht, wie Schillebeeckx intendierte, mit dem Charakter der Entität als Zeichen gegeben, sondern ein superadditum zum Bezeichnen des Zeichens47 . Dieses Verhältnis von Realpräsenz und Medium unterscheidet sich damit praktisch nur in zwei Punkten von der traditionellen Deutung der Realpräsenz: zum einen geht die Realpräsenz bei Schillebeeckx (auf den ersten Blick) ohne die Verwandlung der Substanz von Brot und Wein einher und führt so zu einer Kopräsenz von Brot und Leib bzw. von Christus und dem Medium seiner Selbstgabe. Zum anderen wird behauptet, daß diese „Realpräsenz" sich aus der Deutung der Eucharistie als Ausdruck des Aktes der Selbstgabe des „in" der Kirche präsenten Herrn ergebe: die Verwirklichung der Selbstgabe im Akt der Kirche verbürge die „Gegenwart" des „selbst". Diese letzte Behauptung allerdings ist ebenfalls nicht einsehbar: so wenig, wie deutlich ist, warum in den Medien der Verwirklichung menschlicher Akte „geistige Intentionen" realpräsent sein sollten, ist einsehbar, warum aus dem Faktum, daß Christus eine Selbstgabe mit Hilfe von Brot und Wein vollzieht, folgen sollte, daß Christus selbst unter Brot und Wein realpräsent ist (S. 92f, nl. II S. 384). Das Verhältnis liegt doch eher umgekehrt: weil Christus realpräsent ist, kann man (im eigentlichen Sinne) vom Vollzug einer Selbstgabe sprechen. Es ist richtig, daß eine Selbstgabe unter den von Schillebeeckx geteilten Bedingungen eines substanzontologischen Denkens nur dann vorliegt, wenn dies „Selbst" auch präsent ist; so gesehen hängt aber die Realität des als Selbstgabe bestimmten Aktes an der Realpräsenz Christi unter dem Medium dieses Aktes, und folgt nicht umgekehrt die Realpräsenz aus der Aufnahme des Mediums in den Kontext 47 S.o. S. 133f, Zusammenfassung S. 135; vgl. die dort referierte Absicht Schillebeeckx, den Zeichenbegriff der Tradition zu ersetzen, den er folgendermassen charakterisiert: „Wenn das in einem Zeichen Angedeutete doch real zugegen ist, dann kann dies nie so sein kraft des Zeichens selbst. Der Geist aber offenbart sich in Leiblichkeit." (S. 66, nl. S. 364).

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des Aktvollzuges. Es gibt nicht, wie Schillebeeckx nahelegt, eine logische Abfolge, der gemäß allgemein das Medium eines Aktes von diesem Akt her gleichsam mit zwingender Folgerichtigkeit bestimmt würde, so daß analog die Realpräsenz als Implikat des „Aktes" der Selbstgabe einsichtig würde - oder besser: es mag dergleichen Zusammenhang geben, Schillebeeckx hat ihn aber nicht einsichtig gemacht. Dabei ist unbestritten, daß traditionell die Realpräsenz Christi verstanden werden kann als der Effekt des Aktes Christi, der sich selbst der Gemeinde gibt. Diese Realpräsenz ist aber ein Sonderfall einer Effizienz eines Aktes eines besonders ausgestatteten Subjektes, der sich nicht als Steigerung eines gewöhnlichen Verhältnisses von Akt und Medium herleiten und begründen läßt. 2.3 Es ist zusammenfassend festzuhalten: falls die vorgetragene Interpretation richtig ist, der gemäß Schillebeeckx das Verhältnis von Christus und Kirche, kirchlichem Akt und Akt Christi, Medium des Aktes der Selbstgabe und dem Selbst Christi in schlichter Analogie zum Verhältnis von „Leib und Geist" bzw. geistiger Intention und Ausdrucksakt zu deuten versucht und so eine durch das Zeichen gegebene Gegenwart des Bezeichneten „im" Zeichen auszusagen sucht, dann ergibt sich mit Bezug auf die Realpräsenz Christi unter den Gestalten bei Schillebeeckx folgendes: angesichts der im Rahmen der Anthropologie, und auch im Rahmen der Bestimmung des Verhältnisses von Christus und Kirche festgehaltenen „Dualismen" war von vornherein kein sonderlich aufregendes Konzept der „Realpräsenz" zu erwarten: Es zeigte sich, daß in der Ekklesiologie wie beim Verhältnis von „Seele" und „Leib" schlicht von einem „In-sein" Christi in der Kirche ausgegangen wurde, und entsprechend auch die „Realpräsenz" unter den Gestalten, die in Analogie zum Verhältnis von leibanalogem Symbol und in ihm präsenter „geistiger Intention" gefaßt werden soll, keineswegs eine durch das Zeichen selbst gegebene „Gegenwart", sondern eine Realpräsenz im ganz traditionellen Sinne ist: Christus ist „in" den Medien seiner Selbstgabe. Diese Realpräsenz ist aber mit der Tatsache, daß es sich bei Brot und Wein um ein Zeichen handelt, oder damit, daß Brot und Wein im Rahmen eines Aktes der Selbstgabe stehen, nicht konstitutiv verbunden. Schillebeeckx vertritt zwar eine Realpräsenz, aber eben um den Preis, daß eine Differenz der „Neuinterpretation" gegenüber der Tradition zumindest in diesem Punkt nicht erkennbar ist. 3. Ich hatte schon darauf hingewiesen, daß die Differenz zur Tradition darin zu liegen scheint, daß Schillebeeckx keine Wandlung der Substanz des Brotes zur Substanz des Leibes und Blutes Christi zu lehren scheint; ich gehe dieser Frage nach, indem ich untersuche, ob und in welchem Sinne 266

Schillebeeckx' Entwurf dem zweiten Kriterium einer diskussionswürdigen Eucharistielehre genügt, dem gemäß zu verlangen ist, daß sich die verba sacramenti im Rahmen der Beschreibung des eucharistischen Aktes als sinnvoll ausweisen lassen: Schillebeeckx deutet die Verwandlung der eucharistischen Elemente als die Verwandlung von deren Funktion durch die Aufnahme derselben in den Zusammenhang der „Selbstgabe" Christi: „Diese [i.e. die Selbsthingabe Christi, N.S1.] hat die Form eines Gedächtnismahles, bei dem Brot und Wein ihrer profanen Bedeutung entzogen und zum Symbol dieser Selbsthingabe gemacht werden. Nehmt und eßt davon, das ist mein Leib." (S. 92, nl. II S. 383f) Die eucharistischen Elemente werden durch die Aufnahme in diesen Kontext Zeichen, und zwar ausschließlich Zeichen, wie oben schon zitiert: „Was geschenkt wird, ist der Geber selbst, in einer Weise, welche die Phänomenologie der „Selbsthingabe im Geschenk" radikal versagen läßt. „Das ist mein Leib, mein Blut". ... nichts anderes wird uns in der Eucharistie geschenkt als Christus selbst. Das bedeuten realisierend die sakramentalen Gestalten von Brot und Wein: nicht ein Geschenk... sondern Christus selbst in schenkender persönlicher Gegenwart. Das Zeichen-Sein... ist hier maximal: ein rein sinnvolles und von uns gläubig erfahrbares Sich-gegenwärtig-Setzen des lebendigen, realen Christus." (S. 93, nl. II S. 384) Schillebeeckx ist also der Meinung, daß die Entität jede eigene Bestimmtheit durch die Aufnahme in den Akt Christi verliert und - darin den eucharistischen species der Tradition gleich 48 - ausschließlich realisierendes „Zeichen" Christi ist. Es liegt, so scheint doch die Intention zu sein, kein „Geschenk" vor, „in dem" ausserdem die Nähe Christi und damit „letztlich" dieser selbst erfahren wird, sondern Brot und Wein sind ausschließlich „Zeichen". Geht man davon aus, daß Schillebeeckx hier die Ausführungen zum Verhältnis des „Seienden" zu den unterschiedlichen Bedeutungsebenen voraussetzt, so ist anzunehmen, daß er folgendes meint: es hat sich durch die Aufnahme der Elemente in den neuen Kontext der „Sinn" und so das „Wesen" des Seienden so geändert, daß es nichts anderes mehr ist als ein „Zeichen" der Selbstgabe Christi, die sich durch es vollzieht. Die Grundfrage ist nun die, ob es tatsächlich, wie Schillebeeckx suggeriert, sinnvoll ist, diese Zeichen als „Leib und Blut Christi" zu bezeichnen, oder sie - allgemeiner - mit Christus zu identifizieren. Schillebeeckx selbst

48 Auf den „Zeichen-Charakter" der eucharistischen species in der Tradition beruft sich etwa auch G.Hintzen, Diskussion S. 217. 219ff, bes. 224f; er verweist wiederum (224, Anm. 40 u.ö.) auf J.B. W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 13.

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nimmt eine derartige Identifikation auffälligerweise nicht vor: die sakramentalen Gestalten „bedeuten realisierend" das Geschenk Christi selbst, das sich „in der Eucharistie" vollzieht; das maximale „Zeichen-Sein" ist ein „Sich-gegenwärtig-Setzen des lebendigen, realen Christus"; Brot und Wein werden „zum Symbol dieser Selbsthingabe gemacht" (S. 92, nl. II S. 383f). Diese nicht ganz eindeutigen Formulierungen, die eine Identifikation zu umgehen scheinen, sind ganz folgerichtig, da eine Identität nicht vorliegt. Denn selbst wenn es das „Wesen" des eucharistischen Brotes ist, „realisierendes Zeichen" des gegenwärtigen Christus zu sein, so besteht sein Wesen dennoch darin, Zeichen, und nicht darin, Christus zu sein. Eine Identität von „Zeichen" und „Christus" aber kann Schillebeeckx, wie ich oben zeigte, nicht ausweisen, da er von einer Art „Ineinander" zweier bleibend unterschiedener und im Falle von Brot und Christus auch gegeneinander selbstständiger Entitäten ausgeht. Die Tradition wahrt diese Identität, indem sie von einer Verwandlung der „Substanz" von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi spricht, wobei selbstverständlich gilt, daß die verbleibenden species Zeichencharakter haben, ohne daß aber dieses „Zeichen-Sein" eine „Wesensbestimmung" dieser species darstellt: die species haben gerade kein Wesen und sind nur so ausschließlich Zeichen ihrer Substanz, während bei Schillebeeckx der realpräsente Christus und das in sich wesentlich als „Zeichen" bestimmte eucharistische Zeichen als zwei Seiende auseinanderfallen, die im Verhältnis eines „Ineinander" stehen, und daher auch nicht miteinander identifizierbar sind. Selbst wenn man zugeben wollte, daß es Schillebeeckx gelungen ist, mit dem Verweis auf den Wandel des menschlichen Sinnes durch die Integration der eucharistischen Elemente in den Kontext der Selbstgabe Christi einen Substanzwandel der Elemente zu gewährleisten, so handelt es sich lediglich um eine „Verwandlung" vom Brot zum „Zeichen". Es ist so weder die Identität der Elemente mit dem Leib und dem Blut Christi gewährleistet, noch haben die Deuteworte im Rahmen des so verstandenen eucharistischen Aktes eine nachvollziehbare Bedeutung, denn diese besagen nicht: dies ist ein Zeichen, „in" dem ich bin, sondern: „Dies ist mein Leib". Eine konzinne Identifikation von „Sinn" und „Substanz" im allgemeinen liegt allerdings, wie oben gezeigt, auch bei Schillebeeckx nicht vor - übrigens schon daran erkennbar, daß Schillebeeckx durch alle Deutungshorizonte hindurch, die angeblich doch den Sinn und damit das Wesen des Seienden wandeln, ganz ungebrochen und selbstverständlich von „Brot und Wein" spricht (vgl. S. 90-92, nl. II S. 380-382), die offenbar in allen Horizonten, ungebrochen durch diese Horizonte, als solche identifizierbar bleiben. Das Fundament dieser sich durch alle akzidentellen

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Änderungen hindurch erhaltenden Identität nennt die Tradition „Substanz". Offenbar setzt auch Schillebeeckx dergleichen voraus. Brot und Wein haben sich also durch die Integration in den Kontext der Eucharistie auch nicht in nachvollziehbarer Weise „wesentlich" zu Zeichen verwandelt. 4. Das Sondervotum Schillebeeckx' im Rahmen der Transsignifikationslehre stellt die Behauptung dar, daß Transsubstantiation und Transsignifikation nicht identisch seien, sondern einander ergänzten (S. 100-102, ni. II S. 389-391). Diese These ist, wie ich schon oben zeigte, nicht Ausdruck irenischer Unentschiedenheit, sondern die Konsequenz eines ontologischen Ansatzes, der die Sinnstiftung des Menschen in einer „vorgegebenen" Wirklichkeit Gottes begründet sieht, und so die „Erscheinung für..." den Menschen von der „Wirklichkeit an ihr selbst" unterscheidet und die letztere in ihrer internen Bestimmtheit der Phänomenalität vorordnet 49 . Die Ausführungen Schillebeeckx' zum Verhältnis von Wirklichkeit und Erscheinung in Rahmen der Eucharistie sind im einzelnen dunkel und daher nur im Hinblick auf ihre Gesamtintention interessant; sie laufen darauf hinaus, daß sich durch die Konsekration nicht nur das „Phänomenale", das heißt: die Wirklichkeit für den Menschen, gewandelt hat, sondern auch die in diesem Phänomenalen in Erscheinung tretende „Wirklichkeit selbst" durch ein Wirken des Heiligen Geistes so verändert hat, daß jede diesem Wandel nicht Rechnung tragende Sinngebung als Verfehlung des eigentlichen Sinnes der eucharistischen Elemente gelten muß (S. 100-102, ni. II S. 389-391). Strenggenommen ist also die Konsekration nicht „nur" eine Sinnstiftung des Glaubenden, der Kirche durch den von ihr beauftragten Diener, oder Christi selbst, sondern darin eine Wandlung des Seienden selbst, dessen „eigenen Sinn" die Sinnstiftung des Menschen erreicht 50 . Diese Ausführungen mögen tief in der Ontologie oder in der Sakramentenlehre Schillebeeckx' verwurzelt sein51 : dennoch zerstört eine derartige Position die zuvor erreichte ontologische Dignität einer menschlichen Sinnstiftung und konzentriert alle Aufmerksamkeit von vornherein auf die ja tatsächlich dann allein interessante Frage, ob sich denn nun „nur" der menschliche 49 Vgl. ebd. S. 98-100 (ebd. S. 387-389); die Ausführungen sind im einzelnen bis zur Unverständlichkeit unklar, vgl. bes. 99f. 50 Vgl. ebd. S. lOlf (ebd. S. 390f); ebenfalls eine völlig unklare Passage. 51 Die Konsekration ist, wie jeder Akt der Sinnstiftung und jeder sakramentale Akt, eine Einheit von göttlichem Handeln und einem menschlichen Akt. Man könnte diese Grundfigur zum Leitfaden einer Gesamtinterpretation der Theologie Schillebeeckx' nehmen. S.o. S. 28f. 108f. 194f.

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Sinn, oder in dieser Sinnstiftung auch das „Seiende selbst" durch ein Wirken des Heiligen Geistes gewandelt habe. Inwiefern nun aber und auf welcher Basis sich das Seiende gewandelt haben sollte, was genau dabei „das Seiende" oder die an ihm verwandelte Instanz ist (handelt es sich etwa um dessen „Substanz"?), so daß es nun „etwas anderes" als zuvor ist zumal es sich nach der oben referierten und analysierten Auskunft Schillebeeckx' beim Handeln Gottes ja nicht um eine extern bleibende Benennung, sondern um einen Wandel des „Seienden selbst" handeln soll - bleibt völlig im Dunkeln. 5. Es ist festzuhalten: Die Stärke des Ansatzes Schillebeeckx' liegt darin, daß er im Unterschied zu Schoonenberg die Verbindung der Eucharistie zum historischen Heilsgeschehen in Christus und den Opfercharakter der Eucharistie wahren kann. Schillebeeckx gelingt es zudem, durch die - allerdings wenig überzeugende - Analogisierung der Gegenwart Christi in der Kirche und im kirchlichen Handeln mit der Gegenwart des „Geistes" im Leib und in den leiblichen Gesten eine „Realpräsenz Christi" in Brot und Leib auszusagen, die ein Verhältnis der Inexistenz Christi in den zu Zeichen der Selbsthingabe Christi verwandelten eucharistischen Elemente einführen. Allerdings ist dabei nicht deutlich, wie es zu dieser „Inexistenz" Christi kommt: die Basis der Analogie, die Verhältnisbestimmung von Leib und Geist, Intention und leibanalogem Medium, ist nicht haltbar; noch ist deutlich, welche Bedeutung die Deuteworte im Kontext der Eucharistie haben sollten, wenn Brot und Wein, weit entfernt davon, Leib und Blut Christi zu „sein", vielmehr als Zeichen des „in ihnen" gegenwärtigen Christus ein aliud quid desselben darstellen. Brot und Wein sind zu Zeichen der Gegenwart Christi gewandelt und als solche eigenwesentlich bestimmte selbstständige Entitäten, nicht aber so mit dem in ihnen (in unklarer Weise) präsenten Christus bzw. mit seinem Leib und Blut so identisch, daß es sinnvoll wäre, sie als „Leib und Blut" Christi zu bezeichnen. Die ontologische Dignität des eucharistischen „Sinnwandels" wird zudem konterkariert durch die Ergänzung dieses Wandels durch einen vorgängigen „Sinnwandel Gottes", der erst der menschlichen Sinngebung Dignität und Gültigkeit verleiht. Es handelt sich also um einen im Blick auf die Beschreibung des Zustandekommens der Realpräsenz und im Blick auf die ontologische Dignität des eucharistischen Wesenswandels wenig überzeugenden, im Blick auf die Sinnlosigkeit der Deuteworte nicht akzeptablen Versuch der Neuinterpretation der eucharistischen Gegenwart.

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D III G.B. Sala: Sinnstiftung Gottes? Die Ausführungen Salas, die über weite Strecken hin eine kritische Auseinandersetzung mit der s.M.n. widersprüchlichen, weil die Transsignifikation mit einer Transsubstantiation verbindenden Position Schillebeeckx' darstellen 52 , sind hier nur soweit interessant, wie sie gegenüber Schoonenberg und Schillebeeckx Neues bieten. 1. Der Ausgangspunkt ist die schon referierte Einsicht in die fundamentale Differenz von „Geist" und „Natur" und der Nachweis der ontologischen Dignität einer „Welt des Geistes", die sich im menschlichen Umgang mit der Natur konstituiert. Sala ist der Meinung, daß sich auf dieser Grundlage die Alternative ergibt, die Wirklichkeit der göttlichen Gnade entweder, wie bisher, in Analogie zur „Welt der Natur", oder in Analogie zur Welt des „Geistes" zu deuten 53 . Sala entscheidet sich dafür, die Welt der Gnade, und damit speziell die Sakramente, in Analogie zur „Inkarnation" menschlicher Intentionalität in natürlichen Entitäten zu deuten: „Das analoge Verständnis der eucharistischen Gegenwart ist ein Fortschreiten a minori ad maius. Das minus ... ist das ontologische Moment der Welt des Menschen, die wir mit eigentlicher Erkenntnis erkennen können. Das maius, d. h. der Endpunkt oder eher das immer unerreichbare Ziel unseres Aufstiegsstrebens ist das ontologische Moment der menschlich-göttlichen Welt der Gnade." (S. 24f, vgl. 22f)

Sala erhebt dabei näher den Anspruch, in der „Welt des Geistes" die Basis für die Explikation eines Zeichenbegriffes entdeckt zu haben, auf der der angeblich aus der Orientierung an naturphilosophisch-kosmologischen Kontexten motivierte Dualismus von „Zeichen" und „Bezeichnetem" transzendiert werden kann, der die tridentinischen Definitionen prägt (S. 1618); die Basis der Analogie stellt dabei das menschliche Ausdruckszeichen dar, das eine menschliche Intentionalität nach Sala nicht nur als aliud quid anzeigt, sondern durch diese Intentionalität konstituiert ist, sie realisiert und mitteilt: „Der Versuch einer Neuinterpretation des eucharistischen Geheimnisses will dieses nicht mehr im naturphilosophischen Kontext verstehen, sondern in einem anthropologischen, d. h. in einem Kontext von Realitäten der Welt des Menschen. Muß man nicht erwarten, daß dabei das Zeichen und dessen ontologische Dimension eine unterschiedliche Bedeutung gewinnen? Die vorausgegangenen

52 G.B.Sala, Transsubstantiation, bes. S. lf. 15f. 24.27-33. Seitenverweise im Text beziehen sich im folgenden auf diese Veröffentlichung. 53 Vgl. bes. ebd. S. 7f. 8-13.13f. 15f. 17f. 32 im Zusammenhang von 27-33.

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Überlegungen ... zur Welt des Menschen, die aus einem Kompositum von Materie und Sinn besteht, können u.E. helfen, den ontologischen Wert dessen zu erfassen, was das Zeichen in der Welt des Menschen ist: Erscheinung und zugleich Verwirklichung einer Intentionalität. Denn in der Welt des Menschen hat das Zeichen eigentlich nicht die Funktion, zur Erkenntnis von irgendetwas von ihm Verschiedenen hinzuführen..., sondern eine menschliche Intentionalität zu aktuieren, zu bewirken, daß sie wahr, eigentlich und wirklich ist nach der ganzen Realität, die ihr zusteht. Hier ist das, was wir Zeichen nennen, die Realität selbst." (S. 17) Die von dieser oben als unhaltbar ausgewiesenen Basis aus entworfene Lehre von der Realpräsenz und der Wandlung von Brot und Wein ist nun kritisch zu befragen: 2. Sala skizziert seine Deutung der Wandlung folgendermassen: „Vermag man nicht zu behaupten, daß die Realität des liturgischen Mahles in den nichtchristlichen Religionen nur in mechanischen Bewegungen der Speisenaufnahme und chemischen Reaktionen bestehe, oder daß die Realität des Weines, den man mit einem Freund nach vielen Jahren der Trennung trinkt, nur in chemischen Komponenten liege, dann wird man auch nicht sagen können, Brot und Wein seien, insofern sie die Intention der totalen Selbstschenkung Christi zum Ausdruck bringen, dasselbe wie vorher." (S. 26) Es liegt hier wieder das von Sala favorisierte54 Negativargument vor: natürlich ist ein liturgisches Mahl oder ein Wein nach einer langen Trennung nicht ein rein physikalisch-chemisches Problem, sondern „mehr"; es ist aber fraglich, welchen ontologischen Rang dieses „mehr" hat, und ob dieses „mehr" tatsächlich dann richtig erfaßt ist, wenn man behauptet, hier sei eine - in ihrer ontologischen Verfaßtheit unklare - „menschliche Intention" im Seienden selbst verwirklicht, oder gar „in" ihm präsent oder mit ihm identisch. Sala jedenfalls ist der Meinung, daß Brot und Wein - wie die in die Verwirklichung einer menschlichen Intentionalität aufgenommenen natürlichen Entitäten - Medien einer göttlichen Heilsintention bzw. einer Intention Christi seien, die, so hatte Sala ausgeführt, zunächst in Christi Lebensvollzug ihre grundlegende Verwirklichung schon erfahren hat (S. 1826), und die nun durch jene Medien dem Glaubenden zugewendet wird. Sala gelangt zu dieser Position in mehreren Schritten: 2.1 Das Zentrum seiner Darstellung ist die Kennzeichnung der Christologie und des irdischen Lebens Jesu als die grundlegende Verwirklichung einer Heilsintention Gottes:

54 Vgl. zu diesem Argument oben ( I C III) S. 173 und 184f.

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„Von einem Teil unserer menschlichen Natur ist es so sehr wahr, daß er Terminus des von Gott gemeinten Sinnes ist, daß man von diesem Teil im eigentlichen Sinne aussagen muß: er ist Gott. Deswegen hat jede „andere" Realität der Welt der Gnade - insbesondere die Sakramente - einen inneren Zusammenhang mit der Realität des fleischgewordenen Wortes. In der Eucharistie ist dieser Zusammenhang so wahr, daß der Glaube, wenn er die Offenbarung Christi beim letzten Abendmahl annimmt, in der Lage ist, in Brot und Wein ... die Gegenwart des fleischgewordenen Wortes zu sehen."55 Sala sichert mit diesen Ausführungen die Bindung der Eucharistie an die Christologie und damit auch an den historischen Heilserwerb, denn der Vollzug der göttlichen Heilsintentionalität ereignet sich zunächst in diesem Heilsgeschehen in Christus (S. 25 und 19f); es wird so die Priorität des Heilserwerbes vor der Heilsvermittlung gewahrt. Das Fundament aber dieser These ist, so gibt die Wendung „er ist Gott" zu erkennen, die ZweiNaturen-Lehre, die hier als „Präsenz" einer göttlichen Heilsintention interpretiert wird. Diese „göttliche Intentionalität" kommt im Leben Jesu, und insbesondere in seinem Tod als Vollendung dieses Lebens, zur Verwirklichung: wie jedes menschliche Leben im Tod seine Ganzheit und Vollendung finde, so finde die göttliche Heilsintentionalität, die das Leben Jesu bestimmt, in seinem Tod ihren Abschluß und ihre Erfüllung: „Von der beharrlichen Betrachtung der alten Verheißungen, die den Plan Gottes andeuteten, und vom gläubigen Hinhören auf sein Bewußtsein [!!!] gelangte Jesus von Nazareth dahin, allmählich den Plan Gottes in sich zu entdecken und zu verwirklichen ... Damit wollte Christus, der mehr als jeder Mensch für den Tod lebte [!!], verkünden, daß der Akt des Todes am Kreuze sein Leben zur Vollendung führte. In diesem Augenblick, als die Zeit für ihn in die Ewigkeit einmündete, war der ganze Heilswille des Vaters erfüllt. Deswegen wurde er der Kyrios [im Original gesp.], der Mittler zwischen Gott und den Menschen.... Zu Recht hat das gläubige Bewußtsein der Kirche im Geheimnis des Todes und der Auferstehung den Höhepunkt der Intentionalität der Hingabe in Liebe gesehen, die aus dem Menschen Jesus von Nazareth den Erlöser der Welt gemacht hat [!!!!]." (S. 21) Es bedarf hier keiner ausführlichen Betrachtung der Christologie dieser Passage 5 6 ; das für die eucharistische Position weiterführende Zentrum 55 Ebd. S. 25 (Kursivierung im Original gesperrt); vgl. auch 19f und 23f. 56 Es ist deutlich, daß hier eine etwas defekte Christologie vorliegt, der gemäß Christus im Laufe seines Lebens die Verwirklichung einer göttlichen Intentionalität vollbringt, die Sala doch an anderer Stelle mit der Gottheit Christi selbst zu identifizieren schien (S. 25, zitiert o. zu Anm. 55); es bleibt die Möglichkeit, daß entweder diese Interpretation der Aussagen Salas falsch ist - dann ist von der göttlichen Natur Christi im gesamten Aufsatz nicht die Rede, und das Verhältnis der in Christus verwirklichten

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liegt darin, daß die mit dem Tod Christi abgeschlossene Intentionalität Christi seine Person ist, so daß die Vergegenwärtigung dieser Intentionalität in der Eucharistie die Vergegenwärtigung der Person Christi selbst ist. Ich komme darauf zurück. Die im Leben Jesu verwirklichte Intentionalität, der „Sinn" Gottes, wird selten inhaltlich umrissen; Sala spricht an einigen Stellen davon, daß sich im Leben Christi der Wille Gottes zur „totalen Selbstschenkung" an die Menschheit verwirkliche; es ist also anzunehmen, daß dies die im Christusgeschehen wie in der Eucharistie realisierte und vermittelte Intentionalität ist. 2.2 Die so verstandene Christologie bildet den Ausgangspunkt der Bestimmung der sakramentalen Zeichen: „Das Sakrament... ist eine Heilsintention, die sich in der menschlich-göttlichen Welt verwirklicht. Von seiten Gottes hat sich die Heilsintention in der Menschwerdung verwirklicht und davon abhängig in den Sakramenten, die in der Zeit der Kirche das Heilswerk Gottes fortführen." (S. 19f, vgl. 32 u.ö.) Die christologische Bestimmung des Verhältnisses von göttlicher und menschlicher Natur gibt nun auch das „Modell" ab für die der „Welt der Gnade" eigentümliche Durchdringung der „Natur" durch die göttliche Intentionalität, die sich, so stellt Sala fest, durch eine spezifische „Tiefe" auszeichnet, so daß die in der menschlichen Welt bleibende Unterscheidung der Intention und des Mediums derselben, von „Form (Sinn)" und „Materie (Natur)" also, aufgehoben wird: Intentionalität zu Gott selbst bleibt völlig unbestimmt; oder aber die Interpretation ist eine adäquate Wiedergabe des von Sala Gemeinten: dann wird der Mensch Jesus im Laufe seines Lebens zum Gottessohn. Die Passage ist auch in anderen Hinsichten nicht ausgereift: so wird etwa einerseits der menschliche Tod, der die Vollendung und Ganzheit des menschlichen Lebens darstelle, zur Basis der Deutung des Todes Christi erhoben (S. 20), der dann aber umgekehrt eine Seite später die „Exemplar- und Wirkursache unseres christlichen Todes" (S. 21) sein soll (vermutlich übernommen von K.Rahner, Theologie des Todes S. 54ff. 61ff u.ö.); es ist weiter nicht verstehbar, wie sich „Tod" und „Auferstehung" als Vollendung des menschlichen Lebens zueinander verhalten: im Falle des menschlichen Lebens spricht Sala davon, daß der Mensch im Tode „das Ganze seines Lebens" finde - ein vermutlich von W.Dilthey (Aufbau S. 288 u.ö.) beeinflußter Gedanke - und zwar so, daß er dies Ganze verwirklicht „ ... in einem einzigen Akt der Hingabe an Gott, der unsere Wirklichkeit in die immerwährende Gegenwart der Ewigkeit hineinführt." (S. 20). Im Falle Christi hingegen ist das „Geheimnis des Todes und der Auferstehung" der „Höhepunkt der Intentionalität der Hingabe in Liebe" (S. 21), so daß man sich doch fragt, wie sich diese Auferstehung zu jener Anspielung auf eine Unsterblichkeit der Seele, und wie sich jene Vollendung in Tod und Auferstehung zu dieser These von der Vollendung im Tode verhält.

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„Daraus folgt, daß, so sehr die menschliche Intentionalität die Natur auch auf eine höhere ontologische Stufe zu heben vermag, immer noch eine Dualität zwischen der Intention des Menschen und der materiellen Welt bestehen bleibt. Die Intentionalität des Menschen vermag die Realität der Natur nicht in einer restlosen Aufhebung zu durchdringen, indem sie sie in den letzten Wurzeln ihres Seins erfaßt.... Das Gegenteil gilt für die Beziehung zwischen der Heilsintentionalität Gottes und der Natur. Unter dieser Hinsicht kann man sich die Analysen nutzbar machen, die die modernen Autoren bezüglich der Natur als ganz und gar abhängig von der göttlichen Intentionalität vornehmen [sie!]." (S. 25) Genau eine solche Einheit liegt nach Sala in der Christologie vor (ebd. und S. 19-22); er deutet nun - in Analogie zum Verhältnis von Gottheit und Menschheit in Christus - das Verhältnis von sakramentalem Wort und Element als Verhältnis von göttlicher Intention und „Natur": „Der Leib Christi ist eine Natur, die so sehr von der höchsten Intentionalität Gottes durchdrungen ist, daß sie sich mit ihr in einer personalen Einheit vereinigt. Sieht man von dieser Intentionalität ab, dann ist der Leib Christi nicht mehr Leib Christi. Ebenso ist die Eucharistie nicht mehr Eucharistie, sondern nur Brot und Wein, wenn man vom Konsekrationswort absieht." (S. 25f) Das Ziel der Darstellung ist also dies, die eucharistischen Elemente als von göttlichem „Sinn" durchdrungene und konstituierte Entitäten auszuweisen, die eben mit der Intentionalität so verbunden sind, daß von diesen „Zeichen" gilt, daß sie mit dem in ihnen verwirklichten Bezeichneten, dem „göttlichen Sinn", selbst identisch sind 57 . Dieser „göttliche Sinn" ist nun die im Leben und im Tod Christi grundlegend verwirklichte Intentionalität, die mit der im Verlauf des Lebens Christi ausgebildeten „Person" identisch ist (S. 21f - dazu noch unten), so daß die Durchdringung der eucharistischen Elemente durch die Heilsintentionalität Gottes identisch ist mit der Gegenwart Christi. Die Transsubstantiation findet ihre Entsprechung in der Aufnahme einer natürlichen Entität in ein menschliches Handeln, das sie prägt und zum Zeichen verwandelt, und sie findet ihr Modell in der Aufnahme der Menschheit Christi in die Einheit mit der sich im Leben Christi vollziehenden Heilsintention Gottes. Die Transsubstantiation ist eine Transsignifikation, und das heißt: die Verwandlung einer Realität nicht durch die physikalische Änderung ihrer internen Struktur, sondern durch die Aufnahme derselben in die Verwirklichung einer menschlichen oder göttlichen Intentionalität, wobei die göttliche Intentionalität in einer solchen Tiefe wirksam ist, daß die natürliche Entität mir ihr selbst identisch wird: 57 Vgl. bes. ebd. S. 25, wo Sala die Möglichkeit, von dem Menschen Jesus „Gott" zu prädizieren, hervorhebt (vgl. das Zitat oben S. 273 zu Anm. 55)

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„ ... die Lehre von der Transsignifikation ist in der Lage, die eigentümliche Realität des eucharistischen Geheimnisses in ihrem ganzen Umfang auf die sakramentale Ebene zu stellen, d. h. auf die Ebene der Natur, die zur Verwirklichung und Manifestation der göttlichen Intentionalität angenommen wird." (S. 27, vgl. 32) 2.3 Diese Explikation der Eucharistie und die Deutung der eucharistischen Elemente ist nicht unproblematisch: 2.3.1 Sala deutet die Transsubstantiation als Aufnahme der natürlichen Entität in den Vollzug einer göttlichen Intentionalität und betrachtet sie als Parallele zur Inkarnation, wie ich gezeigt habe. Diese Parallelisierung wird darum möglich, weil Sala ganz offensichtlich die göttliche Natur Christi bzw. die Person des Logos als die göttliche Heilsintention deutet, die im und durch das Leben Jesu zur Verwirklichung kommt. Akzeptiert man einmal ungeachtet der Probleme einer solchen Position58 diese Identifikation als erwägenswerte Gestalt der Zweinaturen-Lehre, so ist es natürlich dennoch nicht richtig, daß diese „Intentionalität", wie Sala schreibt - die „Natur" gänzlich durchdringt und in ihrer Eigenständigkeit aufhebt, denn die Person Christi ist eine Einheit zweier Naturen. Wenn Sala also mit Bezug auf Christus schreibt: „Von einem Teil unserer sichtbaren Natur ist es so sehr wahr, daß er der Terminus des von Gott gemeinten Sinnes ist, daß man von diesem Teil im eigentlichen Sinne aussagen muß: er ist Gott." (S. 25), so ist das nicht unrichtig; es handelt sich aber dabei nicht um eine mögliche Parallele zur Transsubstantiation oder zur Realpräsenz, da von Christus in demselben eigentlichen Sinne auch gilt, daß er Mensch ist, während keine Lehre von der Realpräsenz oder von der Wesensverwandlung von Brot und Wein, die die Möglichkeit einräumt, 58 Es stellt sich hier im wesentlichen die oben schon thematisierte Frage nach der ontologischen Bestimmtheit der „Intention": was hat man unter einer „Intention" zu verstehen, wenn sie offensichtlich etwas ist, was irgendwie einem „Seienden" mitgeteilt werden kann? Wie ist - wenn schon im allgemeinen das Verhältnis von Intention und „Person" oder „Geist" (als Subjekt der Intention) unklar ist - dieses Verhältnis im Bereich der Theologie zu bestimmen, wenn Sala ganz unproblematisch die Intention Gott als Subjekt zuordnet. Die Unklarheit wird an einer Stelle sehr deutlich greifbar: Sala versteht unter der Heilsintention den Willen Gottes, sich selbst dem Menschen zu schenken. Dies ist ein „Plan" (S. 21 oben), das heißt: eine Absicht Gottes, die doch wohl nicht von vornherein und ohne Begründung mit Gott identisch ist (man könnte sich eine Begründung für die Identität wohl vorstellen - sie wird aber nicht gegeben). Es ist nun diese „Heilsintentionalität", die nach Sala in Christus bzw. im Sakrament gegenwärtig ist (S. 25). Gegenwärtig ist aber vermutlich doch nicht die „Absicht" Gottes, sondern doch wohl Gott selbst, der diese Absicht gerade dadurch, daß er sich schenkt, verwirklicht. Gegenwärtig ist also Gott, und nicht sein „Plan", und verwirklicht wird ein Plan, und nicht Gott. Die Terminologie ist bei Sala ganz unklar.

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daß Brot und Wein nach wie vor der Konsekration Brot und Wein seien, den Anspruch erheben kann, der römisch-katholischen Tradition zu genügen 5 9 . Die Inkarnation ist also als Parallele zur Transsubstantiation völlig ungeeignet, da hier gerade keine „Verwandlung" der Menschheit zu etwas, was dann eben nicht mehr Mensch wäre, vorliegen soll. 2.3.2 Der vorausgehende Einwand markiert nicht nur ein Problem einer schlecht gewählten Parallele, sondern zielt auf den entscheidenden, tieferliegenden Fehler der Position; das soll im folgenden zunächst für die Deutung der eucharistischen Elemente als „Realsymbol", dann für den angeblich sich vollziehenden Wesens- bzw. Sinnwandel gezeigt werden: Es kommt Sala in der Bezugnahme auf diese Parallele darauf an, daß von dem Menschen Jesus durch die Aufnahme der Menschheit in den Vollzug der göttlichen Intentionalität „Gott" prädiziert werden kann; entsprechend schreibt Sala: „Die göttliche Heilsintentionalität hat die Natur so innig und tief angenommen, daß sie sich mit ihr in einer personalen Einheit vereinigt hat. Das fleischgewordene Wort ist das Ursakrament: die erste und grundlegende Erscheinung der Intention Gottes, sich den Menschen zu schenken." (S. 25, Kursivierung im Original gesperrt) Ebenso, so scheint doch der Gedanke zu sein, kann das Brot nach der Aufnahme in die Vermittlung der göttlichen Intentionalität mit dieser identifiziert werden (S. 25 u.ö.). Nun ist aber die göttliche Heilsintentionalität bzw. die göttliche Natur etwas „vor" der Inkarnation Wirkliches, und wird nicht erst durch die Inkarnation realisiert; das gilt zumal für die Heilsintentionalität, die durch das Medium von Brot und Wein mitgeteilt wird, da diese „grundlegend" bereits im Christusgeschehen realisiert wurde (S. 19f). Das Verhältnis der Menschheit Christi zur göttlichen Intentionalität bzw. Natur und auch das Verhältnis derselben Intentionalität zu Brot und Wein soll nun ebenso wie das Verhältnis von menschlichem Sinn und Natur als Materie-Form-Verhältnis gedacht werden. Auf diese Weise kann aber nur ein Verhältnis der Koexistenz oder Kopräsenz einer „Intention" und eines natürlichen Seien59 Vgl. oben (I A) S. 66; derartige Parallelisierungen der Realpräsenz und der Inkarnation, die etwa von Schülern des Berengar von Tours (Guitmund von Aversa, De...veritate (MPL149) Sp. 1430 D), weiter von ungenannten Gegnern, gegen die sich Wiclif wendet (J.Wiclif, Eucharistie bes. cap VII, bes. S. 221. 229f), und von Luther (M.Luther, Abendmahl (BoAIII) S. 455-462 und WAB 9, 443-445; dazu R.Schwarz, Gott S. 340f) vertreten wurden, sind von der römischen Kirche immer abgelehnt worden; es ist schwer verständlich, daß diese Parallelisierungen im Rahmen der Transsignifikationslehre so beliebt sind - vgl. etwa auch L.Smits, Vragen S. 56ff; die Konsequenzen sind hier dieselben wie bei Sala und werden ebensowenig reflektiert.

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den nach dem Modell zweier selbstständiger Entitäten vorliegen, das, sofern man es in das Verhältnis von „Zeichen" und „Bezeichnetem" überführt, mitnichten ein „Realsymbol" darstellt, sondern ganz einfach ein Hinweiszeichen, dessen Bezeichnetes (die Intentionalität) - ohne daß dies etwas mit dem Zeichen als Zeichen zu tun hätte - „in" dem Zeichen (Brot und Wein) subsistiert. Genau dies Modell, so hatte ich oben gezeigt, prägt auch die Ausführungen Salas zum Verhältnis des menschlichen Sinnes zur „vorgegebenen Natur", in denen ebenfalls nicht eine „Wandlung des Sinnes" des Seienden durch eine Änderung der Funktion aufgrund der Aufnahme als Moment in einen funktionsbestimmenden Kontext erarbeitet und die ontologische Dignität dieser kontextbedingten Bestimmtheit ausgewiesen wurde, sondern eine ganz unklare Mitteilung einer ebenfalls unklaren „Intentionalität" an ein „natürliches" Seiendes vertreten wurde. Nun ist aber Sala der Meinung, dieses Verhältnis lasse sich dadurch transzendieren, daß der göttlichen Intentionalität eine besondere Tiefe der Durchdringung des natürlichen Seienden eignet, die dessen „Selbstständigkeit" und Eigen-Sinn aufhebt, mit der Folge, daß ein eigenständiges natürliches Seiendes nicht mehr vorliegt. Eine solche Behauptung führt aber in Widersprüche zur eigenen Intention der Position Salas: Es ging Sala doch darum, eine Wesensverwandlung aussagen zu können, die durch naturwissenschaftliche Methoden oder Kategorien nicht feststellbar ist, da diesen die Ebene des „Sinnes" oder gar der „Gnade" nicht zugänglich ist; die Naturwissenschaften bleiben auf den Aspekt der „Natur" beschränkt und haben an ihr und ihrer immanenten Intelligibilität ihr Dominium. Wenn Sala also, wie oben schon zitiert, schreibt: „Daraus folgt, daß, so sehr die menschliche Intentionalität die Natur auch auf eine höhere ontologische Stufe zu heben vermag, immer noch eine Dualität zwischen der Intention des Menschen und der materiellen Welt bestehen bleibt. Die Intentionalität des Menschen vermag die Realität der Natur nicht in einer restlosen Aufhebung zu durchdringen, indem sie sie in den letzten Wurzeln ihres Seins erfaßt.... Das Gegenteil gilt für die Beziehung zwischen der Heilsintentionalität Gottes und der Natur. Unter dieser Hinsicht kann man sich die Analysen nutzbar machen, die die modernen Autoren bezüglich der Natur als ganz und gar abhängig von der göttlichen Intentionalität vornehmen." (S. 25), dann ist damit doch offenbar nicht gemeint, daß das naturwissenschaftlich Feststellbare, oder etwa eine metaphysische Größe „am" naturwissenschaftlich Zugänglichen sich gewandelt habe, sondern der Wandel des Seienden vollzieht sich durch die Mitteilung einer „Intentionalität", die die „Natur" als „Natur" unberührt läßt. Damit ergeben sich zunächst zwei Möglichkeiten, die ontologische 278

Dignität dieses „Wesenswandels", der ein „Sinnwandel" durch die Vermittlung einer Intention Gottes sein soll, auszuweisen - je nach dem, welche der beiden in der Analyse der Position Salas genannten Bedeutungen von „Sinn" dem Terminus „Sinnwandlung" zugrundeliegt 60 : 1.) Entweder versteht man die Transsignifikation als Mitteilung des göttlichen Sinnes, d. h. (gemäß der Identifikation des „Sinnes" mit der „Intention":) der Heilsintention selbst, an ein bestimmtes Seiendes, das aber in seinem eigenen - den Naturwissenschaften zugänglichen - Wesen von diesem Wandel unberührt bleibt. Der „Wesenswandel" führt dann strenggenommen zu einer Kopräsenz einer ontologisch ganz unklaren Intentionalität mit einem selbstständigen, in sich wesentlich bestimmten natürlichen Seienden, nicht zu einer „Verwandlung". 2.) Oder aber man nimmt an, daß Sala den Sinnwandel des Seienden („Sinn" meint gemäß der zweiten oben genannten Bedeutung des Begriffes nun: der Bestimmungen, die dieses Seiende als Moment der Vermittlung der göttlichen Intention erhält) als den Wesenswandel ausgeben will: Brot und Wein sind im Kontext des Vollzuges dieser Intentionalität eben nicht mehr nur ein natürliches Seiendes, sondern „Zeichen" dieser Intentionalität, und dieses Zeichensein, sein „Sinn" im Sinne seiner Bestimmtheit als Moment eines übergreifenden Ganzen, ist sein (neues) Wesen. Es fehlt allerdings für den Ausweis der ontologischen Dignität eines solchen Wesenswandels schon darum jedes Argument, weil das natürliche Seiende, wie ich oben zeigte, in aller Selbstverständlichkeit über ein immanentes Wesen verfügt, das eben von der Änderung einer Funktion nicht nur nicht betroffen ist, sondern diese als Instanz der selbstständigen, jede externe Bestimmung fundierenden natürlichen Verfaßtheit des Seienden erst ermöglicht. Weder im einen, noch im anderen Sinne liegt ein Wesenswandel vor, der Anspruch auf ontologische Dignität erheben könnte, wenn Sala das eucharistische Geschehen als eine „Mitteilung" eines göttlichen Sinnes beschreibt. Es bleibt daher nur die (eben zunächst ausgeschlossene) dritte Möglichkeit, daß die „restlose Aufhebung" und „Durchdringung" der Natur, derer die göttliche Heilsintentionalität fähig ist, als - den Naturwissenschaften nicht zugängliche - Verwandlung des Wesens der Natur betrachtet wird. Damit erreicht man nun aber keine andere Position als die des „metaphysischen Substanzbegriffes": „hinter" und „über" allem den Naturwissenschaften Zugänglichen „ist" das natürliche Seiende noch etwas anderes,

60 Vgl. oben (IC III) S. 174f.

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und dort liegt sein eigentliches Wesen. Diese Behauptung aber wollte Sala gerade umgehen. 2.3.3 Es bleibt also zunächst festzuhalten: Das Ungenügen der christologischen Parallele zur Neuinterpretation der Transsubstantiation, die eigentlich nur zu einer These von der Kopräsenz von Brot und Wein führen kann, setzt sich fort, wenn man die Analogie von göttlicher und menschlicher Sinnstiftung durchdenkt: jedenfalls führt die Position Salas lediglich zur Kopräsenz einer „Intentionalität" mit einer in sich wesentlich und bleibend bestimmten Natur, von der eben auch nach Sala selbst gilt, daß sie sich nur gewandelt hat, wenn ihr naturwissenschaftlich feststellbarer Bestand verändert ist. Dieses „Eigenwesen" der Natur bleibt am Grunde der göttlichen wie der menschlichen „Sinngebung" - wie immer man sie verstehen will erhalten, und ist daher vor wie nach die Instanz der wesentlichen Bestimmtheit des vorliegenden Seienden, dessen Funktion sich wandeln kann, oder dem eine „Intention" beigefügt werden kann, ohne daß „es selbst" sich ändert. 3. Diese Ausführungen präjudizieren das Ergebnis der Frage nach dem Sinn der verba testamenti im Kontext dieser Eucharistielehre. 3.1 Zunächst einmal ist es nicht unproblematisch, wenn Sala als Subjekt der Gegenwart eine im Leben Jesu verwirklichte göttliche Intentionalität bezeichnet, denn das Verhältnis dieser Intentionalität zu dem „Leib", in dem sie sich verwirklicht, ist ausgesprochen unscharf bestimmt: Sala deutet, wie oben skizziert, den menschlichen Lebensvollzug insgesamt als eine im Tod zur Ganzheit und Vollendung gelangende Realisation einer Intentionalität; das gilt nun auch für den Lebensvollzug Jesu, der im Kreuz vollendet wird. Der Tod ist das Ende der Verbindung dieser Intentionalität zu einem Leib, wie Sala schreibt: „Der Tod bildet demnach die Schlußphase dieses Reifungsprozesses, jenen Moment, an dem der Mensch sich selbst schließlich ganz wiederfindet als den, zu dem er sich im Laufe des Lebens gemacht hat. Aber da der Leib in der Phase der freien und wagnisreichen Reifung das Organ dafür bildete, bleibt der menschliche Geist für immer von ihm geprägt. Gewiß bleibt er nicht mit jener Anhäufung von Molekülen behaftet, die der Tod auflöst, sondern mit dem, was das Beste am Leib war, nämlich mit dem, wodurch der Mensch etwas Besseres geworden ist: vom Lebewesen, das zur Vernichtung bestimmt war, zur Person, die bewußt und frei zu ihrer Vervollkommnung strebt." (S. 20f) Man könnte sich nun zunächst fragen, inwiefern denn diese „Personwerdung", die eine das Ende des Leibes überdauernde Grösse sein soll, etwas ist, was dem Leib als dessen „Bestes" eignet; die Frage ist keine Quisquilie: was bleibt denn nun eigentlich vom „Leib", wenn dieses „Beste" gar nicht als eine Bestimmung des Leibes faßbar ist. Offensichtlich geht doch 280

Sala von einer im Tod sich vollziehenden Trennung von „Leib" und „Person" aus, die den Leib als bloßes Organ einer Verwirklichung einer irgendwie rein geistigen „Person" (die aber doch in irgendeiner, nicht rationalisierbaren Weise von diesem Leib geprägt bleiben soll) in die Vergessenheit versinken läßt. Von einer „Auferstehung des Leibes" im schlichten Sinne kann hier jedenfalls nicht mehr die Rede sein. Diese Anthropologie ist hier nicht zu beurteilen, wenn auch anzumerken ist, daß doch gefragt werden muß, wie nach der „Auferstehung" Christi von einer vollen Menschheit seiner Person noch die Rede sein sollte, wenn dieser keine Leiblichkeit eignet, die auch nach Sala dem Menschen wesentlich ist (S. 4f); interessant ist vielmehr, daß Sala natürlich dasselbe Geschehen auch für den „Leib Christi" annimmt, und somit von einer Gegenwart der göttlichen, im Leben Jesu verwirklichten „Intentionalität" nicht im Sinne der Gegenwart des Leibes Christi, sondern im Gegensatz zu dieser spricht: strenggenommen „gibt" es den physischen Leib Christi nach seinem Tod nicht mehr, gegenwärtig ist also die „reine", körperlose Intentionalität. Sala sieht dies Problem und seine Folgen selbst: „So könnte man einwenden, es gehe darum, die Gegenwart des Leibes Christi (analog) zu verstehen. Nun spreche die Analyse der Welt des Sinnes zwar von einem Kompositum aus Materie und Sinn; wolle man aber aus jeder liturgischen Konsekrationshandlung nicht einen „neuen" Akt der Inkarnation des Wortes Gottes machen, dann scheine die Transsignifikation allein die ontologische Komponente des eucharistischen Geheimnisses, die nichts anderes als der Leib Christi ist, nicht retten zu können. Kurzum, die Gefahr der „Spiritualisierung" sei nicht hinreichend gebannt..." (S. 26, Kursivierung im Original gesperrt)

Eine Gegenwart des Leibes Christi kann also nicht ausgesagt werden, denn den „gibt" es nicht mehr. Das hat die schlichte Folge, daß die eucharistischen Elemente funktional an die Stelle des Leibes Christi treten. Dergleichen kann nun keineswegs so gedeutet werden, daß nun die eucharistischen Elemente deshalb, weil sie funktional die Stelle des Leibes Christi einnehmen, als der „Leib Christi" bezeichnet werden, wie einige der Vertreter der Transsignifikationslehre dies wollen 61 , sondern es droht hier in der Tat eine 61 Etwa G.Hintzen, Gedanken S. 195f; Hintzen vertritt diesen Gedanken erst in dieser Veröffentlichung, noch nicht hingegen in „Diskussion". Diese Wendung der Transsignifikationslehre besticht dadurch, daß hier tatsächlich auch der „Leib Christi" von seiner Funktion her verstanden wird: „dies (das „Brot") ist mein Leib" heißt dann: „Dies ist das Medium meiner Person und tritt funktional an die Stelle meines Leibes.". Die Position ist darum völlig unmöglich, weil der Begriff „Leib" damit doppeldeutig wird: er bezeichnet einmal den „eigenen Leib" Christi, und zweitens diesen als „Medium der Person", und somit auch jedes andere Personmedium. Da der eigene Leib Christi das ursprüngliche Signifikat von „Leib" ist, liegt in den Deuteworten mit dieser Interpreta-

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Art „ W e d e r h o l u n g der Inkarnation" vorzuliegen, g e g e n die Sala allerdings e i n w e n d e n könnte, daß in der Eucharistie die bleibend durch ihre Realisation i m Leben Jesu geprägte Intentionalität verwirklicht werde, die somit die Inkarnation nicht wiederhole, sondern deren intentionalen Gehalt vergegenwärtige (S. 19f). Sala allerdings bedient sich an der zitierten Stelle dieses Argumentes nicht, sondern verweist schlicht darauf, daß auch die Lehre v o n einer „Realpräsenz" des Leibes Christi Gefahren berge: „Es ist vielleicht nicht unangebracht, ... auf jene Gefahr hinzuweisen, die die „kosmologische" Auffassung bedroht: die Gefahr nämlich, die Gegenwart Christi auf die Gegenwart eines beliebigen Leibes zu reduzieren; das wäre eine absurde Auffassung und für das Heilswirken auf jeden Fall irrelevant." (S. 26) Dieser Einwand nimmt - in optimam partem interpretiert - die Feststellung Salas auf, daß der Leib Christi nur im Zusammenhang mit der in ihm verwirklichten Intentionalität Leib Christi ist, und ohne dieser eben ein „beliebiger Leib"; auch in der Tradition k o m m e es, so suggeriert der Einwand, nicht auf die Vorhandenheit eines Körpers, sondern auf die Präsenz der ihn erfüllenden Person-Intentionalität an 6 2 . A u c h w e n n man das akzeptiert, bleibt doch der Umstand, daß Sala im Gegensatz zur Tradition v o n einer Gegenwart des „Leibes" Christi nicht mehr sprechen kann, w i e w o h l der Gedanke einer Verwandlung der eucharistischen Ele-

tion eine Verwendung von „Leib" im übertragenen Sinne vor, die wie jeder im Laufe der Kirchengeschichte unternommene Versuch, einzelne Worte der verba testamenti einer Deutung im übertragenen Sinne zu unterziehen, daran scheitert, daß die Notwendigkeit der Lesart nicht ausweisbar ist; es ist weiter zu fragen, wie in diesem Zusammenhang von „Person" gesprochen wird, ob nun, wenn festgestellt wird, daß durch die Medien von „Brot und Wein" die „Person" Christi gegenwärtig sei, diese unter Brot und Wein ohne den eigenen Leib gegenwärtig ist, und was, wenn eine Gegenwart der Person „ohne Leib" vorstellbar ist oder sein soll, dieser Leib derweil tut, oder wie sich dieser „eigene" Leib Christi - falls er auch gegenwärtig ist - zu jenem „Leib" im funktionalen Sinne verhält. 62 Vgl. zum Argument ebd. S. 25f; vgl. weiter 26f. Sala führt hier das schon im Rahmen des Referates der Position Schoonenbergs monierte Lieblingsargument der Transsignifikationslehre an, das die eigene Interpretation als einzige Alternative zu einer Position präsentiert, von der anzunehmen ist, daß auch ein möglicher Gegner mit der Ablehnung dieser Position einig sein dürfte: „U.E. gibt es nur eine Theorie, die jede Gefahr der Spiritualisierung zu beseitigen vermag, nämlich der krasse Realismus der Römischen Synode." (S. 27). Man muß zuweilen auf derartige Scheinargumente aufmerksam machen, die einfach verdecken, daß es diesseits jener Extremposition durchaus Gradabstufungen der Spiritualisierung gibt, die eine andere als die von Sala vertretene Position empfehlenswerter macht als diese selbst. Das Argument Salas setzt voraus, daß der mögliche Gegner eine Position verlangt hat, die gegen jede spiritualisierende Interpretation von vornherein gefeit ist - wer verlangt denn dergleichen?

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mente in Leib und Blut Christi ein sinnvoller und möglicher Gedanke bleibt: Sala bestreitet ja nicht, daß eine „kosmologische" Interpretation der eucharistischen Wirklichkeit möglich wäre, und betrachtet die Transsubstantiationslehre - wie oben referiert - als eine weiterhin mögliche Deutung der eucharistischen Gegenwart. Die Ausführungen Salas stellen an diesem Punkt keine Neuinterpretation, sondern einen Gegensatz zur Tradition dar; eine Neuinterpretation wäre nur dann gegeben, wenn sich der Gegensatz vermitteln oder Scheingegensatz ausweisen lassen würde. 3.2 Selbst wenn man sich dazu versteht, die in der Christologie verwirklichte „göttliche Intentionalität" mit der Person Christi zu identifizieren und diese Intentionalität als das Signifikat der Deuteworte zu akzeptieren (S. 21. 25), ergibt sich kein Sinn der Deuteworte, wenn man sie als Bezeichnungen der eucharistischen Elemente versteht, was Sala doch offensichtlich will (vgl. bes. S. 22f, Anm. 46). Denn daß die vorliegende Entität „Christus selbst" ist, ist unter den skizzierten Voraussetzungen nicht richtig. Das vorliegende natürliche Seiende hat mit Christus so viel gemeinsam, daß es ihn (d. h. die göttliche Intentionalität), wie oben dargestellt, (irgendwie) enthält, mit ihm verbunden ist, und ihn so hinweisend bezeichnet. Wenn eine Entität eine andere „enthält", ist die enthaltende Entität aber noch längst nicht mit ihrem Inhalt identisch. Von diesem Brot „Christus" zu prädizieren ist auch dann sinnlos, wenn man mit Sala davon überzeugt ist, daß ein Seiendes, das in den Kontext eines interpersonalen Geschehens aufgenommen wurde, nicht mehr einfach wie zuvor ein „natürliches" Seiendes ist (zum Argument vgl. S. 17f. 26 u.ö.); denn aus dieser Feststellung folgt noch längst nicht, daß dieses Seiende nun mit dem interpersonalen Geschehen, oder gar mit einer der beteiligten Personen so identisch ist, daß das Geschehen oder die Person von demselben prädiziert werden kann. 4. Sala betrachtet es als die Aufgabe einer Neuinterpretation der Eucharistielehre, für die Wesensverwandlung der eucharistischen Gaben eine alternative Analogiebasis zu schaffen, und er findet diese Basis in der Mitteilung menschlicher Intentionalität an ein natürliches Seiendes. Das Fundament der Analyse dieser Mitteilung ist die Unterscheidung von Seinsregionen, der „Natur" und dem „Geist" (sowie der „Gnade" bzw. Gottes), deren Exemplare zunächst unabhängig voneinander subsistieren und auf dieser Basis in ein Verhältnis der „Inkarnation" der geistigen „Realitäten" bzw. der Heilsintention Gottes als „Form" „in" die Materie treten. Dieser Ansatz ist weit davon entfernt, ontologisch originell zu sein; vielmehr entspricht er einem substanzontologischen Ansatz genau darin,

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daß er von der Subsistenz und - entsprechend - von der internen wesentlichen Bestimmtheit von Seienden ausgeht. Ein derartiger ontologischer Ansatz läßt aber für eine „Wesensverwandlung" nur die Möglichkeit zu, daß sich das „Seiende selbst" in seiner internen Bestimmtheit wandelt. Was Sala aber beschreibt, ist eine Kopräsenz von Intentionalität (Person Christi) und einem sei es gar nicht, sei es nur in seiner Verwendung, jedenfalls aber nicht in seinem „Wesen" veränderten natürlichen Seienden. Eine Lehre von der Realpräsenz Christi, die den Anforderungen an eine traditionsgemäße Eucharistielehre genügt, liegt hier nicht vor. Zwar vermag Sala - sofern man die Rede von einer „Mitteilung" einer Intentionalität an ein natürliches Seiendes und die Identifikation von „Intentionalität" und Person Christi, einmal als sinnvoll akzeptiert - eine „Realpräsenz" Christi auszusagen, die sich aber im Blick auf den Modus der Präsenz (Subsistieren an einem Ort) von der traditionellen Eucharistielehre nicht unterscheidet, und die im Blick auf die Basis der Analogie - was ist eine an ein natürliches Seiendes mitgeteilte „menschliche Intentionalität"? - mindestens ebenso viele Probleme aufwirft wie die Transsubstantiationslehre. Diese Lehre von der Realpräsenz ist aber als Lehre von der Kopräsenz von „Brot" und Leib Christi für die römisch-katholische Theologie nicht akzeptabel, und hinsichtlich der Absicht Salas, der Theologie einen neuen Zeichenbegriff zur Verfügung zu stellen, defizient. Diese Lehre von einer Realpräsenz ist überdies, da die Deuteworte in ihrem Kontext keinen rechten Sinn haben, als Interpretation der eucharistischen Wirklichkeit insgesamt ungeeignet. Die Aufgabe hätte darin bestanden, die Rede von einer menschlichen Intention aufzuklären, statt diese als eine quasi-substantiale Realität zu fassen, die einem Seienden mitgeteilt wird; sie hätte weiter darin bestanden, die Rede vom „menschlichen Sinn" eines Seienden aufzuklären und die ontologische Dignität dieser externen Bestimmtheit des Seiende durch die Funktion, die es in einem Zusammenhang mit „anderem" erfüllt, dadurch auszuweisen, daß die Abkünftigkeit einer Substanzontologie nachgewiesen wird; sie hätte drittens darin bestanden, unter dieser Voraussetzung die eucharistische Wandlung als „Sinnwandel" zu entfalten.

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D I V Zusammenfassung: Mysterium fidei! Nicht ohne Grund ist diese zusammenfassende Wertung der auf den in I B und C analysierten ontologischen Behauptungen aufbauenden Lehre von der eucharistischen Präsenz Christi mit den Eingangsworten der Enzyklika des Papstes Paul VI. (1965) überschrieben, die nicht nur, aber mit besonderem Nachdruck auch der Transsignifikationslehre gewidmet ist. 1. Der römische Bischof nennt als Anlaß der Enzyklika die Beunruhigung über Entwicklungen der Theologie der Eucharistie, durch die er eine Verletzung des eucharistischen Glaubens befürchtet 63 . Die Fehlentwicklungen betreffen erstens die Bestreitung der Gültigkeit der priesterlichen Privatmesse durch die Behauptung, die Messe sei wesentlich ein Gemeinschaftsakt (S. 755); diese Stoßrichtung der Enzyklika trifft zwar sicher auch einige Vertreter der Transsignifikationslehre, eher aber die oben in der Einleitung knapp skizzierte „Liturgische Bewegung" 44 . Zweitens wendet sich der Papst gegen den Versuch, die Realpräsenz als „Zeichenwirklichkeit" zu deuten, und gegen den Versuch, die Substanzverwandlung als „blosse" Transsignifikation zu deuten: „Non enim fas est,... rationi signi sacramentalis considerandae ita instare quasi symbolismus, qui nullo diffitente sanctissimae Eucharistiae certissime inest, totam exprimat et exhauriat rationem praesentiae Christi in hoc sacramento; aut de transsubstantiationis mysterio disserere quin de mirabili conversione totius substantiae panis in corpus et totius substantiae vini in sanguinem Christi ... mentio fiat, ita ut in sola „transsignificatione" et „transfinalisatione", ut aiunt, consistant;" (S. 755, vgl. 763f und 766)

Der dritte Punkt betrifft eine angeblich, sicher aber ausdrücklich von keinem der Vertreter der Transsignifikationslehre, gelehrte Präsenz „solummodo in usu" 65 . Paul VI. legt im Gegenzug die Theologen einerseits auf die Wahrung

63 Paulus PP VI., Mysterium fidei S. 755f. Seitenangaben im Text verweisen im folgenden auf die Enzyklika. 64 Vgl. zu den entsprechenden Behauptungen der Liturgischen Bewegung oben Einleitung S. 22f; zu den Vertretern der Transsignifikationslehre zum Thema etwa: E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 95, Anm. 54 (nl. II S. 386, Anm. 54) sowie besonders O.H.Pesch, Mysterium II S. 138ff. 65 Ebd. S. 755; zum Problem der Präsenz ausserhalb des usus vgl. E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 96f, bes. Anm. 57 (nl. II S. 386f, Anm. 57) und O.H.Pesch, Eucharistie S. 108 und ders., Mysterium II S. 125; S.Trooster, Tegenwoordigheid S. 128f.

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nicht nur der Sache, sondern auch der Termini der Tradition fest 66 ; er gesteht zwar ausdrücklich das Recht zur Dogmeninterpretation zu, verpflichtet die Theologen allerdings auf die Erhebung des historischen, ursprünglichen Sinnes der dogmatischen Definitionen, nicht also auf die Transposition in „zeitgerechte" Vorstellungen und Kategorien; im Gegenteil - er scheint eine derartige Notwendigkeit nicht zu sehen: „Formulis namque illis, sicut et ceteris quas ad dogmata fidei proponenda adhibet Ecclesia, conceptus exprimuntur, qui non definitae cuidam humani cultus rationi, non cuidam certae scientiarum progressioni, non uni alterive theologorum scholae obligantur, sed id exhibent quod mens humana universali et necessaria experientia de rebus percipit et aptis certisque vocibus sive de vulgari sive de expolito sermone depromptis manifestat. Quapropter omnibus omnium temporum et locorum hominibus accommodatae sunt." (S. 758) 2. Dabei bestreitet der Papst nicht das relative Recht der Aussagen der Vertreter der Transsignifikationslehre: wie oben zitiert, unterstreicht auch er den sakramentalen „Symbolismus"; er hält auch das Recht der Rede von der Präsenz Christi ausserhalb der eucharistischen Gestalten fest und betont, daß Christus nicht nur Gegenstand der Realpräsenz, sondern auch Subjekt der sakramentalen Akte ist (S. 763f), hebt aber dabei die „Realpräsenz" unter den Gestalten als den höchsten Präsenzmodus heraus; er gesteht ferner zu, daß Brot und Wein eine neue Bedeutung erlangen, hält aber fest, daß diese „neue Bedeutung" durch einen Substanzwandel begründet ist: „Peracta transsubstantiatione, species panis et vini novam procul dubio induunt significationem, novumque finem, cum amplius non sint communis panis et communis potus, sed Signum rei sacrae signumque spiritualis alimoniae; sed ideo novam induunt significationem et novum finem, quia novam continent „realitatem", quam merito ontologicam dicimus. Non enim sub praedictis speciebus iam latet quod prius erat, sed aliud omnino; et quidem non tantum ob fidei Ecclesiae aestimationem, sed ipsa re, cum conversa substantia seu natura panis et vini in corpus et sanguinem Christi, nihil panis et vini maneat nisi solae species; sub quibus totus et integer Christus adest in sua physica „realitate" etiam corporaliter praesens, licet non eo modo quo corpora sunt in loco." (S. 766) Daß hier eine Substanzontologie ebenso vorausgesetzt ist wie in der Bekräftigung der Realpräsenz als Substanzpräsenz, bedarf keiner Erläuterung: eine Transsignifikation hat nur dann ontologische Dignität, wenn ihr

66 Paulus PP. VI., Mysterium fidei S. 757f; vgl. dazu O.H.Pesch, Mysterium I S. 125.

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ein Wandel „der Sache selbst" entspricht, und nicht „nur" ein externer „Sinnwandel" vorliegt. 3. Insgesamt schreibt die Enzyklika also vor, die Affirmationen der Vertreter der Transsignifikationslehre mit den Festlegungen der Tradition so zu verbinden, daß diese das Fundament für die Thesen der Neuinterpreten abgibt: das Sakrament ist Zeichen, weil Christus präsent ist, das Brot gewinnt eine neue Bedeutung, weil es ein neues Wesen gewonnen hat, und Christus ist daher in der Kirche und in allen ihren Akten gegenwärtig, vornehmlich und in herausragender Weise aber unter den eucharistischen Gestalten. 4. Man kann dem Duktus der Enzyklika daher kaum ein grosses Verständnis für die Intention der Vertreter der Transsignifikationslehre nachsagen, deren Anliegen ja gerade darin besteht, die Präsenz im Zeichen als Realpräsenz, und die Transsignifikation als Transsubstantiation, auszuweisen; sachlich aber und im Blick auf die Folgen der nicht ausreichenden ontologischen Grundlagen der Transsignifikationslehre hat das Oberhaupt der Römischen Kirche recht, wie ich versucht habe, in der Analyse der eucharistischen Positionen zu zeigen: gegen die eigene Intention - das muß man immer festhalten - führen die Thesen der Vertreter der Transsignifikationslehre zu eucharistietheologisch unvertretbaren und zudem traditionswidrigen Stellungnahmen: 1.) Die „Gegenwart „im" Zeichen" erweist sich entweder als eine (unklar begründete) völlig traditionelle Realpräsenz, oder als eine Leugnung einer Substanzpräsenz zugunsten einer Vermittlung einer „personalen Relation" durch die Medien von Brot und Wein. Dabei bleibt aber diese Gegenwart als „Relation" immer hintergehbar auf die „Person selbst" und daher auf eine „Gegenwart der Person selbst", die Rede von einer Substanzpräsenz wird also durch die „personale Gegenwart" nicht überflüssig. 2.) Wird nun eine „Realpräsenz im Zeichen" angenommen, und akzeptiert man diese ungeachtet ihrer Probleme, so liegt faktisch eine Kopräsenz vor, da die Vertreter der Transsignifikationslehre nicht begründen können, inwiefern sich das als subsistente, wesentlich bestimmte, natürliche Entität vorausgesetzte Brot „wesentlich" gewandelt hat, wenn ihm eine Intention mitgeteilt wird, oder wenn es durch die Aufnahme als Moment in einen Zusammenhang einen „Sinn" gewinnt. 3.) Akzeptiert man nun, ungeachtet der Probleme, daß sich durch die Mitteilung eines „Sinnes" oder durch die Aufnahme in einen Kontext das Brot gewandelt hat, so können die Neuinterpreten zwar aussagen, daß das Brot „Zeichen" oder „realisierendes Zeichen" der Zuwendung und Selbstgabe Christi ist, nicht aber, daß es mit Christus identisch ist: die Deuteworte haben keinen Sinn. 287

Die Enzyklika verkennt die Intention der Vertreter der Transsignifikationslehre - in diesem Punkt ist der Schelte, die die Enzyklika auf sich gezogen hat, Recht zu geben 67 ; der Papst hat aber in der Sache recht, und zwar hat er darum recht, weil die Vertreter der Transsignifikationslehre seine substanzontologische Grundentscheidung in Gestalt einer vorthematischen Bindung an die Grundthesen einer Substanzontologie teilen, und so die ontologische Dignität der eigenen Position untergraben. Der Papst hat also recht, weil die Abkehr seiner Theologen von der Substanzontologie nicht mit ausreichender Radikalität vorgenommen wird. Ob dies unvermeidlich ist, wird der Teil II dieser Arbeit ebenso wie den Preis für eine solche radikale Abkehr herauszuarbeiten versuchen.

E Zusammenfassung Der erste Teil der Arbeit hatte die Aufgabe, die im Blick auf das Anliegen einer nicht-substanzontologischen Neuinterpretation der Eucharistielehre entscheidenden ontologischen Behauptungen der Vertreter der Transsignifikationslehre zu analysieren, und die aufgrund dieser ontologischen Prämissen entworfenen Lehre von der Realpräsenz daraufhin zu prüfen, ob es sich um eine akzeptable oder wenigstens diskussionswürdige Alternative zur traditionellen Lehre von der Realpräsenz bzw. von der Transsubstantiation handelt. Die zuletzt genannte Frage mußte negativ beschieden werden. Der Grund dafür lag in der mangelhaften internen Schlüssigkeit der zugrundeliegenden ontologischen Positionen, insbesondere daran, daß die Grundlagen der Substanzontologie, die doch überwunden werden sollte, von den Neuinterpreten schlicht übernommen werden. Ich stelle die Hauptelemente (1.), die Begründungsanforderungen (2.) und die Hauptkritikpunkte (3.) noch einmal vor und bündele sie so, daß der ontologische Grundfehler in einer These zusammengefaßt werden kann (4.). 1. Die Anliegen der Vertreter der Transsignifikationslehre sind folgende: a) Es soll eine Realpräsenz Christi zur Darstellung kommen, die zwar „Real"-präsenz, aber keine Substanzpräsenz ist, sondern eine Gegenwart

67 Vgl. O.H.Pesch, Mysterium, bes. S. 122-125; P.Schoonenberg, Lehre; vgl. auch L.v.Hout, Fragen S. 181f.; u.ö.

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„für" den Glaubenden, eine „Relation" zum Empfänger der Eucharistie. Zum anderen b) soll in diesem Kontext ein Begriff eines Zeichens etabliert werden, das im Bezeichnen sein Bezeichnetes vergegenwärtigt und mitteilt, so daß die Realpräsenz ein Implikat des Zeichens, nicht ein superadditum zu einem reinen Hinweiszeichen ist (Realsymbol); drittens c) soll die eucharistische Wandlung so gedeutet werden, daß nicht die Wandlung einer am Seienden identifizierbaren Instanz vorliegt, sondern eine Änderung eines „externen" oder extern konstituierten Wesensprinzips, des menschlichen oder göttlichen „Sinnes". Diese Anliegen sollten gewährleistet werden a) durch den Begriff der „personalen Gegenwart" oder die „personale Begegnung", die durch das Sakrament vermittelt wird und die als „intentionale", einer Person gemäße Gegenwart die „Dinghaftigkeit", der die reine Anwesenheit Christi zu verfallen droht, vermeiden soll; b) durch eine Deutung der diese Gegenwart vermittelnden Medien als „Leibanaloga", durch die wie im Falle des Leibes die personalen Intentionen unmittelbar zugeeignet und appräsentiert werden; c) durch die Identifikation des menschlichen oder göttlichen „Sinnes" als „Wesen" des Seienden. 2. Gefordert war damit ein umfassender Verzicht auf den Begriff und die Sache der Substanz: a) Sollte die „personale Gegenwart" eine Realpräsenz sein, so mußte gezeigt werden, daß diese Relation nicht auf eine „eigentlichere" oder „realere" Präsenz eines diese Relation fundierenden Relates hintergehbar ist; die personale Relation mußte als ursprünglicher als die Personsubstanz ausgewiesen werden. b) Sollte das „personale Gegenwart" vermittelnde Zeichen kein Hinweiszeichen sein, so mußte gezeigt werden, inwiefern Zeichen und Bezeichnetes - physischer Körper und Geist - anders denn als Kompositum aus ursprünglich und bleibend unterschiedenen Entitäten oder auch nur aus Seinsprinzipien verstanden werden kann, die dann notwendig in einem gegenseitigen Hinweisverhältnis oder in einem dem Zeichen als solchem nicht wesentlichen Verhältnis des „In-Sein" des Bezeichneten im Zeichen stehen würden. c) Sollte der menschliche (oder göttliche) Sinn - eine dem Seienden aus der Einbindung in einen weiteren Kontext des menschlichen Lebensvollzuges erwachsende Bestimmtheit - eine dem Wesen des Seienden vergleichbare ontologische Dignität haben, so durfte diese Bestimmtheit nicht auf eine ursprüngliche Selbstständigkeit des Seienden gegen diesen Kontext und damit auf eine interne, eigene Wesensbestimmtheit hintergehbar sein.

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3. Es zeigte sich aber: a) Die „personale Gegenwart" wird als eine „Relation" behandelt, die Relate voraussetzt und sich „zwischen" diesen vollzieht, die so das Fundament der Relation darstellen. Die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Frage nach der Gegenwart der „Person selbst" bleibt „unter" der Feststellung einer personalen Relation offen, da das Verhältnis von Person und Relation ganz traditionell als Verhältnis von Relation und Substanz gefaßt ist. Es zeigte sich näherhin, daß die Kennzeichnung der „Gegenwart" als je nach Seinsregion unterschiedlich modifizierter Relation unterbestimmt war, da die Seinsregion der „Dinge" und der „Personen" auf den gemeinsamen Seinssinn der Subsistenz, und damit der Begriff der „Gegenwart" (als Relation) auf die Bestimmung der Gegenwart als „Sein/Subsistieren an einem Ort zu einer Zeit" hintergehbar war. Dieser vorthematische Rekurs auf den Seinssinn der „Subsistenz" entspringt gerade dem Versuch der Unterscheidung zweier Seinsregionen - der Personen und der Dinge - , die eben in einem in irgendeiner Weise gleichen Sinne als Seiende gekennzeichnet werden müssen, sollen sie als Repräsentanten zweier Seinsregionen unterschieden werden. Unter der Voraussetzung einer Personsubstanz ist eine „personale Relation" keine Realpräsenz; „Realpräsenz" genannt zu werden verdient allein die Substanzpräsenz. Es wurde sichtbar, daß die Vertreter der Transsignifikationslehre entweder - gegen ihre Intention - faktisch die Realpräsenz leugnen, da sie eine durchaus auch im Kontext ihres Denkens sinnvolle Präsenz der Substanz Christi negieren, oder aber (wie auch immer, jedenfalls aber gegen ihre ursprüngliche Intention) ein ganz traditionelles Verständnis der Realpräsenz vertreten. b) Es zeigte sich, daß die Deutung des menschlichen Leibes bzw. leibanaloger Entitäten als „Realsymbol" den „Dualismus" von „Zeichen" und „Bezeichnetem" nicht überwand, sondern latent oder offenbar von einer Art „Inexistenz" eines „Geistes", einer „Seele" oder gar einer „geistigen Intention" „im" Leib bzw. im leibanalogen „Symbol" ausging, und damit lediglich ein Hinweiszeichen etablierte, dessen Bezeichnetes ihm inhäriert, ohne daß dies „Inhärieren" eine Folge des Zeichens als Zeichen wäre. Als Grundproblem erwies sich auch hier der Versuch, im Ausgang von der regionalontologischen Unterscheidung der Koprinzipien dieses Zeichens, Geist und Materie, die Konstitution des Zeichens zu rekonstruieren - ein Ausgangspunkt, der sich zu einer Einheit von Zeichen und Bezeichnetem nicht mehr verbinden läßt. Eine weitere Intention dieses Zeichenbegriffes war das Anliegen, die traditionelle Identifikation der eucharistischen Elemente mit dem durch sie

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(bzw. im Rahmen der Tradition genauer: durch die species) bezeichneten Leib Christi neu zu interpretieren unter Rekurs auf die Möglichkeit, das Realsymbol mit dem durch es Bezeichneten Vergegenwärtigten und Mitgeteilten zu identifizieren. Eine solche identifizierende Benennung des Zeichens durch das Bezeichnete ist allerdings nicht möglich, wenn Zeichen und Bezeichnetes ontologisch gegeneinander selbstständige Seiende bzw. in keiner Weise aufeinander reduzible Seinsprinzipien darstellen, die zu einer tatsächlichen Einheit nicht gelangen. Die Deutung der Realpräsenz Christi in Analogie zur Gegenwart der „Seele" im „Leib", oder der Intention im „Geschenk" hat zum einen eine ungeklärte Analogiebasis, und führt zweitens zu einer ganz traditionellen Realpräsenz des Bezeichneten im Zeichen, will sagen: Christi in Brot und Wein. c) Es zeigte sich ein ähnliches Problem beim Versuch, die ontologische Dignität des menschlichen Sinnes auszuweisen: explizit oder implizit wurde der menschliche Sinn - sei es (so nachvollziehbar:) als die einer Kontextbindung des Seienden entspringende Bestimmung, sei es (so nicht nachvollziehbar:) als eine Art mitgeteilter menschlicher Intentionalität auf die ursprüngliche Selbstständigkeit und interne wesenhafte Bestimmtheit eines von diesem Kontext unabhängigen und ihm konstitutiv vorgegebenen Seienden - des Naturgegenstandes oder des von Gott geschaffenen Seienden - hintergangen. Einem solchermassen in sich wesentlich bestimmten Seienden ist die menschliche Sinnstiftung als eine seinem Selbststand von aussen und ohne interne Veränderung zukommende Bestimmung ein Akzidens. Es zeigte sich auch hier der Versuch, die Bestimmungen der Substanzontologie als regionalontologische, nur dem Bereich der „Natur" zugehörige Kategorien auszugeben; es erwies sich, daß sie dies nicht sind, sondern daß ihre Grundbestimmung - ein „Seiendes" ist ein vor jeder Relation und vor jeder externen Bestimmtheit in sich wesentlich bestimmtes Selbstständiges - vorthematisch und unreflektiert jede regionalontologische Unterscheidung und Bestimmung der Vertreter der Transsignifikationslehre durchzieht. Eine Wandlung von Brot und Wein zum „Zeichen" ist damit kein „Wesenswandel", mit der Folge, daß - wenn die Sinngebung als eine „Mitteilung" einer göttlichen Intention an ein in sich bestimmtes Seiendes gedeutet wird - bestenfalls eine Kopräsenz Christi mit Brot und Wein vorliegt. 4. Zusammenfassend läßt sich nach allem festhalten, daß es wenig Sinn hat, sich mit der Substanzontologie in der Weise auseinanderzusetzen, daß man sie und ihre Folgebestimmungen als regionalontologische Kategorien zu diffamieren, einzuordnen und zu ergänzen sucht, wenn man nicht zuvor 291

deren fundamentalontologische Bedeutung reflektiert hat, der gemäß die Rede von der Substanz nichts weiter heißt, als daß das Denken von der Selbstständigkeit und internen Bestimmtheit (und Identifizierbarkeit) seiner Gegenstände ausgeht - gleichviel, wie diese auf der Basis dieser Substantialität dann regionalontologisch differenziert sein mögen. „Substantialität" hat mit „Räumlichkeit", mit „Naturgegenstand" oder mit „Dinghaftigkeit" - sofern man sich darunter die Verfaßtheit einer materiellen Entität vorstellt - so wenig und so viel zu tun wie „Lebewesen" mit „Elephant-Sein": die Feststellung, daß ein Elephant ein Lebewesen ist, schließt nicht aus, daß ein Mensch dies auch ist. Die ontologischen Reflexionen der Vertreter der Transsignifikationslehre bestätigen diesen fundamentalontologischen Sinn der Kategorie der Substanz: sie setzen diesen Grundsinn von Sein - Sein heißt: immanentbestimmt Subsistieren - voraus, und daher scheitert jeder Versuch, ontologische Bestimmungen einzuführen, deren Geltung die Aufgabe dieser Grundposition zur Voraussetzung hätte. Die Ansätze der Vertreter der Transsignifikationslehre scheitern an der nicht reflektierten und daher unbewußt mitgeschleppten Substanzontologie; ihr Anliegen weist in die Richtung einer Ontologie, die den substantialen Ansatz bei der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit intern bestimmter Entitäten dadurch überwindet, daß sie diese Entitäten nicht als subsistente Bedingung der Möglichkeit jeder Relation zum Menschen beschreibt. Ob und unter welchen Bedingungen eine solche Ontologie denkbar ist, wird der Teil II erarbeiten.

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II

D A S ONTOLOGISCHE DILEMMA

Die Diskussion der ontologischen Grundlagen der Transsignifikationslehre führte auf interne Inkonsistenzen der Position: ihre Vertreter verfolgen die Intention einer konsequenten Überwindung der Substanzontologie als Grundlage der Eucharistielehre, halten aber unter der Hand und vorthematisch die Grundentscheidungen einer substanzontologischen Position fest und gelangen so zu einer ontologisch unbefriedigenden wie theologisch hochproblematischen Stellungnahme. Daß das Anliegen, sich zum Zweck einer Neubegründung theologischer Aussagen auf eine nicht-substantiale Ontologie zu berufen, nicht völlig abwegig ist, zeigt die Tatsache, daß sich die Vertreter der Transsignifikationslehre für ihre ontologischen Optionen auf philosophische Gewährsmänner berufen, und zwar, wie ein oberflächlicher Vergleich zeigt, nicht ohne Anhalt an deren Texten. Da es von vornherein unwahrscheinlich ist, daß diesen Philosophen - es handelt sich um Heidegger, Merleau-Ponty und Marcel, im folgenden zusammengefaßt unter dem Titel „Phänomenologie" - dieselben Fehler unterlaufen sind wie den Vertretern der Transsignifikationslehre, legt sich die Vermutung nahe, daß diese philosophischen Positionen sich eines substantialen Ansatzes erfolgreich entschlagen haben, und daß ihr Denken daher die Wahrheit einer ontologischen Alternative zur Substanzontologie darstellt, die von den Vertretern der Transsignifikationslehre verfehlt wird. Die folgenden Analysen haben die Aufgabe, die Grundposition einer Substanzontologie einerseits, die Grundlagen dieser Alternativposition andererseits aufzudecken und als ontologische Alternative zur Sprache zu bringen, das heißt: als unterschiedliche und gegenläufige Bestimmungen dessen, was unter „Sein" zu verstehen ist, und damit als gegenläufige Auslegungen dessen, was ein „Seiendes" ist. Es wird sich dabei zeigen, daß beide Positionen nicht im vergleichsweise harmlosen Verhältnis einer zeitlichen Abfolge von schicksalhaft einander ablösenden „Weltbildern" oder „Denkhorizonten" stehen, und daß sie auch nicht eine schlichte Alternative darstellen, in der man sich nach welchen Kriterien auch immer beliebig entscheiden kann; es handelt sich vielmehr um ein antithetisches Verhältnis, das durch einen argumentativen Vorsprung der Phänomenologie gegenüber jedem Ansatz, der den Namen einer Substanzontologie verdient, gekennzeichnet ist.

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Es wird sich nämlich herausstellen, daß das eine Substanzontologie tragende ontologische Fundament die Theologie nicht erst seit dem Hochmittelalter und seiner ausdrücklichen Aristotelesrezeption prägt, sondern daß vielmehr diese Ontologie nichts anderes als die Explikation eines ganz landläufigen, vorthematischen Seinsverständnisses darstellt, der scheinbaren Selbstverständlichkeit nämlich, daß „Sein" daraufhin prädiziert wird, daß etwas „selbstständig", d. h. unabhängig von allem anderen und damit auch von dem es Erfahrenden, ist, und entsprechend in seinem „Wesen" zunächst in sich selbst bestimmt ist. Diese Landläufigkeit, die noch in der vorthematischen Bindung der Vertreter der Transsignifikationslehre an diese ontologische Option erkennbar wird, erkennt auch ein phänomenologischer Ansatz an; es gelingt ihm aber - es wird sich zeigen, wie - diese Option zu hintergehen. Hintergangen wird damit nicht nur ein beliebiger philosophischer Ansatz, sondern ein Ansatz, der explizit oder implizit die Voraussetzung der meisten theologischen Positionen bildet. Das eigentliche ontologische Faktum ist also nicht eine geschichtliche Abfolge von „Seinverständnissen", sondern ein argumentativer Vorsprung einer Position vor einer anderen; es ergibt sich daraus die Aufgabe für die Theologie, sich mit dieser übrigens nicht ganz neuen - Alternative zu befassen. Sie steht hier vor den Möglichkeiten, sich entweder dem Argumentationspotential eines phänomenologischen Ansatzes zu beugen, oder sich, motiviert durch die Bindung der Tradition an die Substanzontologie, auch philosophisch mit diesem Vorsprung auseinanderzusetzen. Entweder also wird eine konsequente Neubegründung der Theologie auf der Basis eines phänomenologischen Ansatzes unternommen, oder eine Neubegründung eines substantialen Denkens versucht. Der folgende Teil der Arbeit bereitet eine solche Stellungnahme nur vor, indem er die Wahrheit der ontologischen Alternative, die der Alternative von Transsubstantiationslehre und Transsignifikationslehre zugrundeliegt, erarbeitet. Ich kläre zunächst in einem einleitenden Abschnitt die jeweils zuständigen ontologischen Positionen (A), und erhebe dann im Ausgang von zentralen Vertretern die jeweiligen Grundoptionen der Substanzontologie (B) und der Phänomenologie (C). Der Abschnitt (D) formalisiert die Alternative, expliziert die argumentativen Verhältnisse und faßt so zusammen.

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A Die zuständigen Positionen In einem ersten Abschnitt soll in wenigen Schritten die Zuständigkeit einer Substanzontologie aristotelisch-scholastischer Provenienz für die Transsubstantiationslehre (1.) und der phänomenologischen Tradition im Gefolge Husserls für die Transsignifikationslehre (2.) ausgewiesen werden. Es steht dabei die rein äußerliche Bezugnahme der jeweiligen eucharistischen Positionen auf die jeweiligen philosophischen Grundlagen zur Diskussion. Diese Zuordnung leitet allerdings die Frage nach dem Umgang mit derartigen Abhängigkeiten, das Ziel ist also die Begründung des Vorgehens in den folgenden Abschnitten B und C (3.). 1. Die Feststellung, daß sich die Transsubstantiationslehre auf eine Substanzontologie aristotelisch-scholastischer Provenienz beruft, ist im Grunde ganz trivial: 1.1 Die für die Transsubstantiationslehre entscheidende Realdistinktion von Substanz und Akzidens (accidens oder species) ist aristotelischer Provenienz, wenn auch bei Aristoteles ausdrücklich festgehalten wird, daß eine Selbstständigkeit der Akzidentien, wie sie eine Transsubstantiationslehre annehmen muß, unmöglich ist 1 . Aristotelischer Herkunft ist auch die (im Tridentinum implizit bleibende) Bestimmung der komplementären Koprinzipien des Seienden als „Form" und „Materie" 2 , ebenso die schon oben herausgearbeitete ontologische Fundierung der in den übrigen Sakramenten wirksamen „virtus" Christi in der Personsubstanz 3 . Die Behauptung, das Trienter Konzil habe sich etwa durch die Bezeichnung der bleibenden wahrnehmbaren Erscheinung des Seienden als „species" statt „accidens" v o m Aristotelismus distanziert, ist unwahrscheinlich 4 . Viel1 Zur Unterscheidung im eucharistischen Kontext vgl. nur: ConcConst, Errores Iohannis Wyclif 1 und 2, DS 1151f (substantia und accidentia); ConcFlor, Exsultate Deo DS1321 (substantia und species); ConcTrid sess 13, cap 1 (DS 1636), 3 (1640f), can 2 (1652) (substantia und species), vgl. auch Thomas von Aquin, STh III q 75 a 5 und q 77 ganz. Insgesamt vgl. E.Gutwenger, Substanz S. 257-278. Zur Unterscheidung im Rahmen einer Substanzontologie z. B. Aristoteles, Met Z 1, 1028 a 10-31, dort der Verweis auf die Unmöglichkeit der Selbstständigkeit der Akzidentien: 1028 a 22-29; diese Behauptung im Rahmen der Eucharistielehre: Thomas von Aquin, STh III q 77 a 1 resp, vgl. auch G.Biel, Expositio lect 40 M. 2 Im ConcTrid deutet die betonte Rede von der „conversio totius substantiae" (cap 4 (DS 1642) und can 2 (DS 1652)) die Verwandlung sowohl der materia wie der forma in die Substanz des Leibes und Blutes Christi an, vgl. J.Wohlmuth, Realpräsenz S. 230 (F. Visdomini zu Art. 3), 249f und 254; vgl. zum Sinn auch Thomas von Aquin, STh III q 75 a 6 resp. 3 S. dazu oben I A S. 59f; vgl. auch ebd. 69ff. 4 G.Ghysens, Présence S. 427f; AVanneste, Bedenkingen II S. 331-333; spez. 332 unten; H.Verbeek, Struktuur S. 345 und 346f; u.ö.; s. dazu oben S. 66f, Anm. 95. 295

mehr dürfte zunächst Schillebeeckx zuzustimmen sein, der - wie oben5 bereits referiert - darauf hinweist, daß der Rekurs auf den Aristotelismus für die Väter des Konzils kein Akt positiver Wahl und damit eine vermeidbare Möglichkeit war, sondern eine gar nicht ausdrücklich thematisierte Grundvoraussetzung6 und damit eine unvermeidbare Notwendigkeit; diese kam übrigens, allen Legenden zum Trotz, nicht erst mit der ausdrücklichen Aristotelesrezeption und damit im Hochmittelalter auf: durch den Neuplatonismus, durch Boethius und seine Übersetzung der Kategorienschrift, und auch durch die Terminologie der christologischen und trinitarischen Definitionen war ein - wenn auch vielfach gebrochenes - Grundverständnis der von Aristoteles ausgehenden ontologischen Kategorien das ganze Mittelalter hindurch gewährleistet 7 . 1.2 Eine solche Auskunft allerdings bleibt ausgesprochen unbefriedigend. Die Annahme einer rein zufälligen Bindung an die Thesen einer nun einmal gerade umlaufenden Ontologie ist doch reichlich unplausibel: an irgendeiner Stelle muß auch diese Ontologie ihre Gültigkeit ausweisen oder einmal ausgewiesen haben, damit sie überhaupt jemals aufkommen oder übernommen werden kann. Es soll aber nun umgekehrt nicht behauptet werden, daß die Väter des Konzils die aristotelische Ontologie genau kannten und mit ihren Annahmen und Argumenten vertraut waren. Es ist im Gegenteil höchst unwahrscheinlich, daß die Konzilsväter über eine mehr als oberflächliche Kenntnis des aristotelischen Substantialismus verfügten 8 . Die von Schillebeeckx apostrophierte Selbstverständlichkeit der aristotelischen Ontologie kann aber doch wohl auch nicht so vorgestellt werden, daß die Väter des Konzils sich in dem Sinne in einem aristotelischen Denkrahmen bewegten, wie man sich etwa bestimmten Moden anschließt oder allgemeinen Gewohnheiten folgt. Eine „Ontologie" ist schließlich nichts, was man wie eine beliebige ontische Meinung ab- oder anlegt, sondern das in jeder ontischen Meinung bereits vorausgesetzte Fundament derselben. Wenn man sich verdeutlicht, daß „Ontologie" die Frage danach zum Gegenstand hat, warum und woraufhin ein Seiendes als Seiendes bezeich-

5 Vgl. oben I A S. 66f, Anm. 95. 6 E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 34-37 (nl. I S. 155-157). 7 Vgl. etwa S.Mansion, Theorie S. 117; mein Verweis auf die christologischen und trinitarischen Dogmen ist bestreitbar, vgl. dazu nur A.M.Ritter, Dogma (HDThG I) S. 199-206. 8 Vgl. zum Bildungsstand der Konzilsväter: J.Wohlmuth, Realpräsenz S. 64-67. 68. 69-73.

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net wird, und welche Bestimmungen diesem Seienden als Seiendem eignen 9 , wird zugleich deutlich, daß ein Verständnis von „sein" vor jeder ausdrücklichen Ontologie gegeben ist: man versteht schließlich nicht erst nach einer Lektüre der „Metaphysik" oder von „Sein und Zeit", was „sein" heißt. Die explizite Ontologie ist vielmehr die Formulierung und Auslegung eines solchen vorthematischen Seinsverständnisses, die sich als angemessen oder unangemessen erweisen kann10. Die von Schillebeeckx apostrophierte „Selbstverständlichkeit" der aristotelischen Ontologie ist daher weder die Selbstverständlichkeit eines schicksalhaften Denkhorizontes oder einer lieben Denkgewohnheit, für die nicht mehr spricht als gegen sie, aber auch nicht die Selbstverständlichkeit einer genau bekannten Summe einleuchtender und an welchem Kriterium auch immer geprüfter Sätze. Vielmehr stellt die aristotelische Substanzontologie die explizite Formulierung eines vorbegrifflichen Verständnisses dessen dar, was „Sein" heißt und was daher ein „Seiendes" ist; und genau durch diese Übereinkunft mit einem vorthematischen Seinsverständnis eignet der Substanzontologie ein klärender Wert oder eine persuasive Kraft - sei es zu Recht oder zu Unrecht11. Nicht die aristotelische Ontologie als explizite Position, sondern das sie leitende Verständnis von „Sein", das die ausgearbeiteten Thesen zu „Form und Materie", „Substanz und Akzidens" begründet und trägt, stellt in seiner Übereinkunft mit einem vorthematischen Seinsverständnis das Überzeugungspotential der Substanzontologie dar. Insofern ist den Vertretern der Transsignifikationslehre, die sich auf das Seinsverständnis einer Epoche

9 Diese ganz formal bleibende Bestimmung des Gegenstandes vereint so unterschiedliche Entwürfe wie die von M.Heidegger, SuZ S. 2-15; Aristoteles, Met T1, spez. 1003 a 21f; B.Lakebrink, Metaphysik S. 12-21; N.Hartmann, Grundlegung S. 39-43. 10 Exemplarisch: Aristoteles, Met z. B. T 2 (1004 a 22ff). Z 1 und 3 (1028 a lOff und 1028 b 33ff) betreibt die Ontologie als Frage nach der sprachlichen Verwendung von öv (s. dazu unten S. 323f. 339ff); vgl. M.Heidegger, SuZ S. 2-15. 15f. 59f u.ö.; N.Hartmann, Grundlegung S. 57ff. 11 Es kommt hier darauf an, festzuhalten, daß durch diese Raisonnements keine inhaltlichen Vorentscheidungen und Festlegungen getroffen werden; es bleibt durchaus die Möglichkeit, diese persuasive Kraft einer Ontologie, ein „natürliches Seinsverständnis", als begründet in einem defizienten Verständnis von „Sein" zu betrachten, wie Heidegger dies tut (z. B. ders., SuZ S. 89-101; ders., Frage S. 24-41; ders., Ursprung S. 6ff; vgl. dazu B.Merker, Selbsttäuschung S. 33-37). Es fällt damit auch keine Vorentscheidung zugunsten einer „Substanzontologie" im Sinne des bei den Gegnern der Transsignifikationslehre so beliebten Rekurses auf eine „natürliche Metaphysik" (vor allen: Paulus PP VI., Mysterium fidei S. 758; vgl. F.Gaboriau, Eucharistie S. 202f; O.Schelfhout, Bedenkingen S. 296f; L.Scheffczyk, Ergebnisse S. 193f).

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als auf ein „Klima", d. h. etwas Vorthematisches berufen, sogar recht zu geben12. Daß dieses „Klima" allerdings ein Seinsverständnis von schicksalhafter und daher kriterienloser Unbeherrschbarkeit darstellt, glauben zum einen, wie ich oben zeigte, die Vertreter dieser Ansicht selbst nicht recht, denn sie stellen nicht nur faktische angebliche Bindungen an „Ontologien" fest, sondern bewerten diese auch13. Gerade die Formulierbarkeit eines solchen „Seinsverständnisses" in expliziten Ontologien spricht dafür, daß dieses zunächst vorthematische und unreflektierte Seinsverständnis über sich selbst aufgeklärt werden kann und in seinen Bedingungen gegen Alternativen begründbar ist, falls es solche gibt. Gewiß - zur Reflexion einer vorthematischen Ontologie kommt es selten, und insofern hat eine ontologische Bindung „schicksalhaften" Charakter. Sie ist jedoch nicht in dem Sinne schicksalhaft, daß ihre Berechtigung oder ihre Mängel gegenüber einer alternativen Position nicht ausweisbar wären: der schicksalhafte Charakter der vorthematischen Bindung kann in einer expliziten Reflexion eingeholt und überprüft werden. Ebenso kann die explizit formulierte Ontologie auch dann, wenn sie (scheinbar) weitgehend nicht mehr geteilt wird, nicht als schicksalhaft veraltete und schon damit erledigte These betrachtet werden: das faktische Ende einer ontologischen Bindung ist entweder argumentativ einholbar und so begründbar, oder aber für den Wahrheitsanspruch der jeweiligen ontologischen These bedeutungslos. Die aristotelisch-scholastische Ontologie ist also nicht dann angemessen behandelt, wenn man sie als nicht oder gar „nicht mehr" nachvollziehbare Summe von Behauptungen über Seiendes versteht, sondern dann, wenn begriffen ist, welches Verständnis von „Sein" ihr zugrundeliegt und in ihren ontischen Behauptungen formuliert wird. Erst dann kann überhaupt die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der Position gestellt und - ohne Rücksicht auf die hinsichtlich dieser Frage gänzlich uninteressante faktische Geltung - beantwortet werden. Was eine „Substanzontologie" ist, hat man dann verstanden, wenn man versteht, daß es sich um eine Position handelt, die „Sein" und „Selbstständigkeit" oder „Unabhängigkeit" oder „Begründen" identifiziert und das Seiende daher als „Selbstständiges", „Unabhängiges", „Begründendes" versteht. Dies ist im folgenden nachzuweisen. 1.3 Für die folgende Analyse der Positionen einer Substanzontologie und eines phänomenologischen Ansatzes besteht die Aufgabe also nicht 12 RSchillebeeckx, Gegenwart S. 14 (nl. IS. 141); vgl. oben S. 46, Anm. 34, vgl. S. 48. 13 Oben S. 51-55.

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darin, die vordergründigen Thesen einer Substanzontologie oder verschiedene substanzontologische Positionen aufzulisten, sondern begreiflich zu machen, welches Verständnis von „Sein" sich im Begriff der „Substanz" und in den Konstitutionsprinzipien der Substanz niederschlägt. 2. Die Vertreter der Transsignifikationslehre berufen sich zum Beleg ihrer oben analysierten ontologischen Thesen auf eine ganze Fülle von Positionen, die sich alle der phänomenologischen Tradition im Gefolge Husserls zuordnen lassen14 : 2.1 Dies läßt sich zunächst durch ausdrückliche namentliche Bezugnahmen belegen: So verweist Schoonenberg in der seinen oben untersuchten Aufsatz einleitenden Explikation der Bedeutungsvarianten des Begriffes „Gegenwart" auf den „mystischen Klang", den der Begriff „présence" bei G.Marcel, einem französischen Vertreter des dialogischen Personalismus, habe15. Auf M.Heidegger beziehen sich weitgehend die Positionen, die den Begriff der „Substanz" durch den „lebensweltlichen Sinn" ersetzen wollen; B.Welte, S.Trooster und G.Hintzen zitieren in dieser Absicht nicht nur die einschlägigen Passagen aus SuZ, sondern auch verwandte Ausführungen aus dem Technik- bzw. Kunstwerk-Aufsatz16. E.Schillebeeckx wiederum verweist sowohl für seine „erkenntnistheoretischen" Thesen wie für seinen Zeichenbegriff bzw. für die diesen fundierende Deutung der menschlichen Ausdruckshandlung auf M.Merleau-Ponty, der wie der ebenfalls von Schillebeeckx angezogene E.Strauss dem phänomenologischen Flügel der Gestaltpsychologie zuzurechnen ist17 ; auf Merleau-Ponty beruft sich weiter H.de Lavalette zur Begründimg eines nicht-aristotelischen Substanzbegriffes18. 14 Es handelt sich im wesentlichen um die Positionen G.Marcels, M.Heideggers und M.Merleau-Pontys; zur Strömung der „Phänomenologie" vgl. vorläufig H.Spiegelberg, Mouvement (dazu allerdings H.G.Gadamer, BewegungS. 9-12); strittig kann eigentlich nur die Einordnung von G.Marcel sein (H.G.Gadamer, Bewegung S. 12), vgl. dazu unten (II CIV) S. 503f. 15 P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III S. 398. 16 B.Welte, Diskussionsbeiträge S. 192-194 (er zitiert ausdrücklich den TechnikAufsatz, das von Welte genannte Beispiel des griechischen Tempels (S. 193) allerdings stammt aus M.Heidegger, Kunstwerk S. 25ff); S.Trooster, Transsubstantiatie S. 740742(SuZ); G.Hintzen, Diskussion S. 194f. 208-212; vgl. dazu M.Heidegger, SuZ S. 6688, bes. 71; auch die Unterscheidung von „existentialem" und „kategorialem" Denken, die J.B.W.M.Möller, Denken, einbringt, scheint doch eine (freilich mißverstehende) Aufnahme entsprechender Heideggerscher Bestimmungen zu sein (vgl. M.Heidegger, SuZ S. 44f). Möller versteht diese Unterscheidung offenbar als regionalontologische Differenzierung, während bei Heidegger die kategorialen Bestimmungen ihr ontologisches Fundament in Existentialien finden, s. dazu unten (II C II) bes. S. 405. 425ff. 17 Vgl. E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 98 wird Merleau-Ponty genannt, ebd. Anm. 58 E.Strauss; vgl. auch ders., Heilseconomie S. XXXIV (Lit.vz.) und S. 401 Anm. 14. 18 H.de Lavalette, Transsubstantiation S. 573f.

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Weitere, etwas abgelegenere Bezüge bietet G.B.Sala, der sich auf B.Lonergan, besonders aber auf W.Dil they stützt19. Die meisten Darstellungen des Debattenverlaufes und auch einige Vertreter der Transsignifikationslehre verweisen allgemein auf die „Phänomenologie" oder den „Personalismus" als Hintergrund der Transsignifikationslehre20. 2.2 Die ausdrückliche Rezeption derartiger Positionen allerdings scheint zunächst sekundär für die Transsignifikationslehre zu sein, da sie erst mit dem Übergang in den flämischen Sprachraum auftreten; die Phase der interkonfessionellen Debatte im französischen Sprachraum bietet keine expliziten Verweise auf philosophische Grundlagen. Bei näherem Hinsehen zeigt sich allerdings, daß Verbindungslinien zur phänomenologischen Tradition von vornherein vorhanden sind: der von Baciocchi vorbereitete Rekurs auf den „(menschlichen) Sinn" als Substanzäquivalent verdankt sich, wie ich bereits zeigte, einenl Hinweis von Ternus, der seinerseits, wie terminologische Anklänge zu erkennen geben, mit der Heideggerschen Analyse der Lebenswelt mindestens oberflächlich vertraut ist 21 . Insgesamt gewinnt man jedoch den Eindruck eines eher diffusen Einflusses der phänomenologischen Tradition, wenn man sieht, daß die eindeutigen Bezugnahmen auf phänomenologische Positionen durch Zitate oder terminologische Anleihen durch eine weitergehende Kenntnis der jeweiligen Positionen offensichtlich nicht abgedeckt sind und daher taktische Zitate darstellen, denen die Gesamtintention der Position und der Kontext des Begriffes oder Zitates gleichgültig ist: Ein klassisches Beispiel dafür ist etwa der Rekurs auf Heideggers Begriff der „Zuhandenheit", durch den Trooster die ontologische Dignität des (menschlichen) Sinnes des Seienden ausweisen will. Daß Heidegger die „Zuhandenheit" durchaus in diesem Sinne als die ontologisch-kategoriale Grundbestimmung des Seienden von nicht-daseinsmässigem Charakter ansieht, ist ja richtig22; wenn Trooster allerdings fortfährt mit der Bemerkung, diese „Zuhandenheit" setze

19 Vgl. oben (I C III) S. 169, dort bes. Anm. 69. 20 P.Schoonenberg, Mysterie S. 9; L.v.Hout, Fragen S. 187; H.J.H.M.Fortmann, OnrustS. 301; W.Beinert, Enzyklika S. 171; J.Delmotte, MysteriumS. 5;A.R.v.d.Walle, Reflectie S. 204f; J.Wohlmuth, Transsubstantiation S. 434f. 21 S.o. (ICI) S. 148f; vgl. das dort gebotene Zitat: „Die Gebrauchseinheit und -Vielheit im alltäglichen Sinne zuhandener Dinge genügt ihm [dem Theologen, der sich fragt, was eine Substanz ist, N.S1.] für Dogma und Leben." J.Ternus, Physik S. 228. 22 S.Trooster, Transsubstantiatie S. 741f; vgl. M.Heidegger, SuZ S. 71: „Zuhandenheit ist die ontologisch-kategoriale Bestimmung von Seiendem, wie es „an sich" ist." (im Original kursiv).

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selbstverständlich die Vorhandenheit voraus, so spricht dies gegen eine fundierte Kenntnis allein schon des Textes der Heideggerschen Analyse der Lebenswelt23. Wenn - um ein anderes Beispiel zu nennen - Schoonenberg das Verständnis der „présence" bei G.Marcel als Zeugen für einen Begriff der Gegenwart aufruft, dem keine Konnotationen räumlicher Anwesenheit eignen, so ist dies in gewissem Sinne angemessen; wenn er diesen Hinweis allerdings mit der Behauptung einleitet, daß „Gegenwart" immer ein „abwartendes vor-mir-Stehen" impliziere, so wird deutlich, daß die Erwähnung Marcels nur dekorativen Wert hat, da bei Marcel „Gegenwart" ein ontologischer Grundbegriff ist, der gerade das Ende jeder Objektivität und Distanz zwischen einem Ich und einem anderen des Ich zum Inhalt hat24. Die Beispiele lassen sich beliebig vermehren; sie geben zu verstehen, daß die Zitate offensichtlich keine Belege im strengen Sinne darstellen, sondern eher Ausdruck eines theologischen Gesamtklimas sind als das Ergebnis eigener Anstrengungen um das Verständnis einer philosophischen Strömung und ihrer Implikationen 25 . Es hat daher methodisch wenig Sinn, die Zitate herzuzählen oder gar zu versuchen, die philosophischen Positionen selbst für die Interpretation der Ausführungen der Vertreter der Transsignifikationslehre fruchtbar zu machen 26 . Die Zitate geben lediglich eine Richtung an, in der nach einer möglicherweise schlüssigen ontologischen Position, in deren Kontext die Behauptungen der Transsignifikationslehre begründbar werden, zu fragen ist. 2.3 Der Versuch, über direkte Zitate, namentliche Nennungen von Positionen und terminologische Anleihen hinaus nach Elementen der genannten philosophischen Positionen in den Texten zur Transsignifikationslehre zu suchen, führt auf den ersten Blick weiter, denn es zeigt sich bei einem Oberflächenvergleich, daß sich ganze Aussagenkomplexe der phänomenologischen Tradition identifizieren lassen: Die von Schoonenberg gebotene Analyse der Differenz von „räumlicher" und „personaler" Gegenwart, und insbesondere die zur Illustration verwendeten 23 S.Trooster, Transsubstantiatie S. 741; vgl. dazu neben dem Kontext des Zitates aus Anm. 22 etwa M.Heidegger, SuZ S. 67f und 98-101. 24 P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III S. 398; vgl. zum Begriff der „Gegenwart" bei Marcel: G.Marcel, SH S. 176-188; bes. aber ders., GS S. 273-278 u.ö. 25 Dies gilt insbesondere für die Nähe der Debatte zum dialogischen Personalismus, die sich eher einem theologisch-philosophischen Gesamtklima verdanken dürfte, der schon erwähnten expliziten Rezeption nicht nur bei protestantischen sondern auch bei römisch-katholischen Theologen (S.o. S. 30, Anm. 45). 26 Dies versucht etwa G.Hintzen, Diskussion S. 29-31.115-123., dazu oben (IB III) S. 127, Anm. 94.

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Beispiele, finden Entsprechungen in der Phänomenologie des „Du" bzw. der „présence" bei Marcel27; dasselbe gilt für die bei Schoonenberg nurmehr angedeutete Feststellung, der Mensch „habe" nicht nur einen Körper, sondern „sei" sein Leib, was oberflächlich betrachtet der Marcelschen „Angelpunktbehauptung" (Je suis mon corps") entspricht; bei Marcel geht es allerdings genau darum, zu zeigen, daß dieses „Du", oder auch der „Leib", nicht auf eine ursprünglichere „Objektivität", des schieren Vorhandenseins des anderen oder des Leibes, hintergehbar ist28. Die Ausführungen Schillebeeckx' zum Verhältnis von „Geist" und „Leib" finden, oberflächlich betrachtet, Parallelen bei Merleau-Ponty, der genau auf die ursprüngliche Einheit des phänomenalen Leibes vor jeder Diastasierung von „physischem Körper" und „Geist" abhebt und so die Ursprünglichkeit der Einheit von Körper und Geist, Zeichen und Ausdrucksintention etc. ausweisen kann, die Schillebeeckx verfehlt29. Die von Möller, Pesch und Smits zum Beleg der Einheit von Zeichen und Bezeichnetem in leibanalogen Instrumenten vorgetragenen Beispiele finden ebenfalls Entsprechungen in Phänomenbeschreibungen bei Merleau-Ponty30; bei diesem findet sich auch das Vorbild für Schillebeeckx' Ontologie: den Sinnwandel durch Integration in unterschiedliche „Welten" ebenso wie die Kennzeichnung der „Welt" als „Geheimnis", als nicht auszuschöpfender Hintergund aller menschlichen Sinnstiftung; allerdings ist hier die „Welt" nicht ein „objektiv" Existierendes, von Gott geschaffenes und actu secundo dem Menschen Übergebenes, sondern immer schon das Korrelat der menschlichen Existenz31. Die Grundlage der Behauptung, einer Wandlung des menschlichen Sinnes eigne ontologische Dignität, ist die ontologische Dignität des menschlichen Sinnes überhaupt; sie findet sich bei oberflächlicher Betrachtung in Heideggers Begriff der „Zuhandenheit" begründet, wobei es Heidegger allerdings, wie 27 Vgl. die Beispiele bei P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid III S 400 mit G. Marcel, MT S. 207f; P.Schoonenberg, ebd. S. 401 mit G.Marcel, GS S. 188. 242; ST 38f; P.Schoonenberg, ebd. S. 404 mit G.Marcel, GS S. 240; 273; 355ff, etc. 28 P.Schoonenberg, Tegenwoordigheid S. 407, vgl. zur „Angelpunktbehauptung" G.Marcel, GU S. 292; vgl. auch ders., SH S. 175-177; zur Differenz zu Schoonenberg vgl. ders., GS S. 131fff, bes. 142f und ST 23ff. bes. 24-27, vgl. unten II CIV. 29 E.Schillebeeckx, Gegenwart S. 65f (nl. II S. 364f); vgl. etwa M.Merleau-Ponty, PhW S. 198.199-204. 218f. 220. 221ff. 234f. 400-404 etc. 30 L.Smits, Vragen S. 52f, J.B.W.M.Möller, Transsubstantiatie S. 10, O.H.Pesch, Eucharistie S. 105f und auch E.Schillebeeckx, Sakrament S. 88 bringen jeweils ganz ähnliche Beispiele vor, die ein Instrument als leibanaloges Instrument ausweisen sollen, „in" dem in irgendeiner Weise die Person selbst gegenwärtig ist und handelt; vgl. zu diesen Beispielen M.Merleau-Ponty, PhW S. 172-177 und 182-184 sowie S. 371f. u.ö. 31 Zum „Sinnwandel" vgl. etwa M.Merleau-Ponty, PhW S. 152-177, bes. 157f. 166. 176f, vgl. 220-224. 229ff; zur Welt als „Geheimnis" vgl. die Analysen der „Naturwelt": S. 378-385, bes. 384. Zur genannten Differenz vgl.: 234f. 239-243.370. 372-378. 487-489; vgl. unten (II C III) bes. S. 479ff. 495ff.

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schon mehrfach erwähnt, darum geht, daß diese „Zuhandenheit" gerade nicht eine „Aufstufung" auf vorgegebenes „Material" ist 32 .

Die Thesen der Transsignifikationslehre weisen also tiefergehende Übereinstimmungen mit der phänomenologischen Tradition auf, als explizite Anleihen oder Zitate zu erkennen geben. Es scheinen sich in der phänomenologischen Tradition die von den Vertretern der Transsignifikationslehre intendierten Positionen zu finden, wobei anzunehmen ist, daß dort die Kollisionen mit einer als Grundlage festgehaltenen substantialen Cytologie vermieden wurden. Es muß also den im Rahmen der Transsignifikationslehre rezipierten Thesen der Phänomenologie eine Ontologie zugrundeliegen, die eine Alternative zur Substanzontologie darstellt, und nach deren Grundlagen im folgenden im einzelnen zu fragen ist. Der Fehler der Transsignifikationslehre scheint ganz entscheidend damit verbunden zu sein, daß diese Grundlagen einer phänomenologischen Position nicht berücksichtigt wurden. 3. Der Transsubstantiationslehre liegt die Position einer Substanzontologie zugrunde, während die Transsignifikationslehre einen Rekurs auf eine phänomenologische Position wenigstens intendiert. Die „Phänomenologie" scheint dabei die von den Vertretern der Transsignifikationslehre verfehlte Alternative zu einer „Substanzontologie" darzustellen. Es muß auf diese ontologische Antithese am Grunde der eucharistischen Positionen zurückgegangen werden und verständlich gemacht werden, welche vorthematische Ontologie eine Substanzontologie formuliert, und in welcher Weise sich eine phänomenologische Position mit dieser Formulierung auseinandersetzt. Es lassen sich so die Bedingungen und die Folgen der von den Vertretern der Transsignifikationslehre intendierten, aber verfehlten Überwindung einer Substanzontologie kenntlich machen. Die Analyse leitet folgende These: Eine Substanzontologie formuliert die Position, die Husserl als die des „naiven Menschen" bezeichnet33: die vorthematische These, daß jeder Gegenstand der Erfahrung einschließlich des erfahrenden Subjektes selbst vor jeder Erfahrung als Teil der Summe der Gegenstände subsistiert. „Sein" bezeichnet dabei genau diese „Selbstständigkeit" und „Subsistenz"; als „Substanz" ist ein Seiendes daraufhin gekennzeichnet, daß es selbst-steht und in diesem Selbst-stand „in sich" wesentlich bestimmt ist. 32 S.o. S. 178 und dort Anm. 79. 33 E.Husserl, Krisis S. 70; ders., Ideen I (§§ 27-31.39) S. 48-55; 69ff; CM (§§ 37.15) S. 8-20. 35-39 u.v.ö.; zum Terminus „naiver Mensch", der nicht herabziehend, sondern zur Bezeichnung der Uisprünglichkeit der selbstvergessenen Subjektivität der natürlichen, nicht-reflexiven Einstellung verwendet wird, vgl. ders., Ideen I (§ 39) S. 69. 71; s. auch ders., CM (§ 15) S. 36, ders., Krisis S. 70.

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Die Position der Phänomenologie im Gefolge Husserls ist die eines „transzendentalen Idealismus", der jedes Seiende und die Welt überhaupt als Korrelatphänomen eines zeitlich strukturierten intentionalen Vollzuges eines Subjektes beschreibt, das seinerseits nichts anderes ist als die Selbstgegebenheit in der Reflexivität dieser Intentionalität. Die Differenz besteht darin, daß ein substanzontologischer Ansatz die faktische Erfahrung als begründet in einer Subsistenz von „Subjekt" und „Objekt" der Erfahrung betrachtet, während die Phänomenologie die Unterscheidung eines „Subjektes" und eines subsistenten „Objektes" als „Ergebnis" der faktischen Erfahrung betrachtet, auf deren Fundament eine Substanzontologie als ontologische Position dadurch möglich wird, daß das Subjekt im Vollzug des Erfahrens um des Erfahrungsinhaltes willen dessen Bedingung der Möglichkeit - den „subjektiven Vollzug" nämlich vergißt. Dieser kann der Erfahrung allerdings im Vollzug der phänomenologischen Reduktion zu Bewußtsein gebracht werden. „Substanzontologie" und „Phänomenologie" sollen also im folgenden als die Antipoden einer Alternative identifiziert werden, die Husserl folgendermassen beschreibt: „Das Charakteristische des Objektivismus ist, daß er sich auf dem Boden der durch Erfahrung selbstverständlich vorgegebenen Welt bewegt und nach ihrer „objektiven Wahrheit" fragt, nach dem für sie unbedingt, für jeden Vernünftigen Gültigen, nach dem, was sie an sich ist. Das universal zu leisten, ist Sache der Episteme, der Ratio, bzw. der Philosophie. Damit werde das letztlich Seiende erreicht, hinter das zuriickzufragen keinen vernünftigen Sinn mehr hätte. Der Transzendentalismus hingegen sagt: der Seinssinn der vorgegebenen Lebenswelt ist subjektives Gebilde, ist Leistung des erfahrenden, des vorwissenschaftlichen Lebens. In ihm baut sich der Sinn und die Seinsgeltung der Welt auf, und jeweils der Welt, welche dem jeweilig Erfahrenden wirklich gilt. Was die „objektiv wahre" Welt angeht, die der Wissenschaft, so ist sie Gebilde höherer Stufe, aufgrund des vorwissenschaftlichen Erfahrens und Denkens bzw. seiner Geltungsleistungen. Nur ein radikales Zurückfragen auf die Subjektivität, und zwar auf die letztlich alle Weltgeltung mit ihrem Inhalt, und in allen vorwissenschaftlichen und wissenschaftlichen Weisen, zustandebringende Subjektivität, sowie auf das Was und Wie der Vernunftleistungen kann die objektive Wahrheit verständlich machen und den letzten Seinssinn der Welt erreichen. Also nicht das Sein der Welt in seiner fraglosen Selbstverständlichkeit ist das an sich Erste, und nicht die bloße Frage ist zu stellen, was ihr objektiv zugehört; sondern das an sich Erste ist die Subjektivität, und zwar als die das Sein der Welt naiv vorgebende und dann rationalisierende oder, was gleich gilt: objektivierende. ... Die ganze Geschichte der Philosophie seit Auftreten der „Erkenntnistheorie" und der ernstlichen Versuche einer Transzendentalphilosophie ist eine Geschichte der gewaltigen Spannungen zwischen objektivistischer und transzen304

dentaler Philosophie, eine Geschichte der beständigen Versuche, den Objektivismus zu erhalten und in neuer Gestalt auszubilden, und andererseits der Versuche des Transzendentalismus, der Schwierigkeiten Herr zu werden, welche die Idee der transzendentalen Subjektivität und die von daher geforderte Methode mit sich führt."34 Es wird sich zeigen, daß genau dies die ontologische Alternative am Grunde der Transsignifikationslehre ist.

B Die Substanz-Aristoteles Es geht in diesem Abschnitt darum, die Grundbestimmungen einer Substanzontologie überhaupt zu erheben: es soll deutlich werden, welches die entscheidenden ontologischen Aussagen sind, die diesen Typus der Ontotogie, aber auch weitere Positionen, die sich des Terminus „Substanz" nicht ausdrücklich oder gar ausdrücklich nicht bedienen, als substantiale Cytologien auszeichnen. Die Leitfrage ist also: was bezeichnet der Begriff „Substanz"? 0.1 Die Darstellung orientiert sich an Aristoteles, sein Denken soll als Exemplar eines substantialen Ansatzes überhaupt ausgelegt werden. Diese Absicht, das für eine Substanzontologie Typische anhand der aristotelischen Philosophie zu erheben, bedarf zunächst keiner Begründung, da man es hier mit der „Urstiftung" des Begriffes der ouaia zu tun hat 1 . Eine Interpretation allerdings, die intendiert, diese Substanzontologie des Aristoteles als Gegenentwurf zu einem transzendentalphänomenologischen Denken zu deuten, läuft Gefahr, Fragestellungen an Aristoteles heranzutragen, die diesem zutiefst fremd sind 2 . Die hier vertretene These ist selbstverständlich nicht die, daß sich bei Aristoteles eine explizite Gegenposition zum transzendentalen Idealismus Husserls und der übrigen Vertreter der phänomenologischen Schule finde; vielmehr stellt seine wie jede „vorkriti34 E.Husserl, Krisis S. 70f (Kursivierungen im Original gesperrt). 1 Vgl. S.Mansion, Theorie S. 114-117; W.Marx, Heidegger S. 18f u.ö.; W. Stegmaier, Substanz S. 31; u.v.m. 2 Aristoteles würde sich in der oben skizzierten Antithese auf Anhieb gar nicht eindeutig zuordnen lassen; die im folgenden zu entfaltende Orientierung seiner Ontotogie an der Sprache legt etwa E.Tugendhat, TI KATA TINOE S. 22 so aus, daß bei Aristoteles das Seiende nicht als Grundlage des „Vernehmens" und der sprachlichen Bezugnahme, sondern nur von diesem Verstehen her zugänglich sei; es wären hier auch Passagen wie De anima T 7, 431 a lff zu bedenken.

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sehe" Ontologie eine explizite Formulierung dessen dar, was Husserl als „natürliches Bewußtsein" bezeichnet und als terminus a quo der transzendentalen Reduktion voraussetzt3 ; sie entspricht ebenso der Ontologie der „Vorhandenheit", von der sich Heidegger abstößt, und analogen Voraussetzungen bei Merleau-Ponty und Marcel4. Dieser vorthematische Realismus, der, bei Aristoteles erstmals explizit formuliert, „Sein" als ursprüngliche Selbstständigkeit versteht, impliziert sicherlich einen Gegensatz zu einer Position des transzendentalen Idealismus, formuliert diesen Gegensatz aber selbstverständlich nicht, da sich der Transzendentalismus gegen einen Realismus, nicht aber umgekehrt, bestimmt. Dieser substantiale Ansatz formuliert aber eine Ontologie, die auch nach Auskunft der Phänomenologen jeder immer schon vorthematisch teilt. Sie ist die Grundlage für das „Unbehagen", das ein „transzendentaler Idealismus" auslöst, und das viele der gegen Husserls „Idealismus" erhobene Einwände zu motivieren scheint5 ; sie ist nicht zuletzt das Fundament, auf das sich eine mögliche Gegenposition dieses Idealismus neu zu besinnen hätte und für welches sie Begründungsleistungen zu erbringen hätte. 0.2 Die Grundbestimmungen der Substanzontologie sollen überwiegend im Ausgang von der „Metaphysik", und hier speziell unter Bezug auf Z 16, erhoben werden. Der Ausgang von der Metaphysik bedarf keiner weiteren Begründung, so wenig wie die Konzentration auf die „Substanzbücher" Z, H und 0 6 . Daß hier nur wenige Kapitel des Buches Z fast die gesamte Aufmerksamkeit beanspruchen, hat seinen Grund darin, daß die capp 1-6-wie noch genauer zu zeigen sein wird - eine systematische Einheit bilden, in deren 3 S.u. (II C I ) S. 359 ; vorläufig E.Husserl, Ideen I (§ 30) S. 52f u. ff. 4 Vorläufig: die Verweise Heideggers auf die „Verdeckungstendenz" des Dasein, das sich die ursprüngliche Erschlossenheit seines Seins und des Seins des innerweltlichen Seienden in der expliziten Deutung des Daseins am Leitfaden eines bestimmten Modus der Entdecktheit des innerweltlichen Seienden, nämlich der Vorhandenheit, verstellt: M.Heidegger, SuZ S. 19-27.34-39.49f. 55f. 59-62 89-101,166-180 u.ö. Vgl. ähnlich die Deutung der Genesedes „objektiven Denkens" bei Merleau-Ponty: M.MerleauPonty, PhWS. 91-96, bes. 94-96; dieses „objektive Denken" bildet den Ausgangspunkt und Gegenpol, von dem sich Merleau-Ponty immer wieder abstößt: ebd. S. 77-81 u.ö. Vgl. den Ausgang von der Welt der Objektivität bei Marcel, der „monde cassée": G.Marcel, GS S. 32-83, bes. 71ff; vgl. auch ders., ST S. 19-32. 5 Dazu unten S. 377ff. 6 Zum Aufbau und zurGeneseder „Metaphysik" vgl. unten Anm. 9; daßdie Bücher Z, H und 0 eine zusammengehörige Einheit bilden, wird m.W. nirgends bestritten, vgl. etwa W.D.Ross, Metaphysics I S. XVIII; W.Jaeger, Aristoteles S. 203-211; I.Düring, Aristoteles S. 589-591. Der neueste Kommentar zu Met Z (M.Frede, G.Patzig, Aristoteles IS. 22f) rechnet allerdings mit der Möglichkeit (S. 22), daß H 1-9 (und dann 10) erst nachträglich an ZH angehängt wurden; die Frage ist für unser Unterfangen

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Verlauf die Grundbestimmungen des Begriffes der „Substanz" hergeleitet und begründet werden. Der Zusammenhang dieser Kapitel kommt in einem ersten Abschnitt zur Sprache, in dem zur Klärung der ontologischen Fragestellung, auf die die aristotelische Analyse der Substanz in Met Z1-6 antwortet, die einschlägigen Passagen in A - r und E erläutert werden (1.). Der zweite und der dritte Abschnitt (2. und 3.) analysieren die Passagen Z 1 (Kategorien), sowie die Bestimmung der Substanz in Z 2 (die oticria als K TÖV Tflc oiiaiac évuirápxeiv". 51 Vgl. die Untersuchung von A.Pronay (Untersuchungen) zum Begriff „5VTCX", der im Ausgang von der Kategorienschrift herausarbeitet, daß die Relation des ¿iroKetoöai, und entsprechend das Relat övra einen ontologischen Vorrang des Bezeichneten meint (ebd. S. 74). Seine These ist die, daß liiroKelpevov nicht die Substanz selbst, sondern ihren Seinsmodus in Relation zu den ouußeßriKÖTCi bzw. den wesentlichen Bestimmungen meint, und dabei eben ein Verhältnis der ontologischen Priorität beschreibt.

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sprachliche Repräsentanten auf sie verweisen, während sie selbst nicht mehr auf ein anderes verweist, von dem sie gilt und an dem sie entsprechend sein könnte. Es bleibt an dieser Stelle das Problem, daß natürlich auch die unter der Kategorie der Substanz subsumierten Begriffe als Prädikate auftreten können: es ist durchaus möglich, von etwas „Mensch" oder „Lebewesen" zu prädizieren, mit der Folge, daß die Substanzbegriffe im prädikativen Satz an einer Stelle auftauchen, die theoretisch doch unselbstständigen Bestimmungen vorbehalten sind. Das Problem löst sich, wenn man beachtet, daß im Falle der Prädikation eines Wesensbegriffes eben gerade keine Prädikation „Kar' ötXXou" vorliegt, sondern ein Verhältnis der strikten Identität zwischen Subjekt und Prädikat 52 . 2.3 Es wurde aus dem Referat der Analogie von „öv" bei Aristoteles erkennbar, daß die Theorie der Substanz nicht etwa einer „Naturbeobachtung" oder einer Explikation menschlicher Grunderfahrungen, sondern der Sprachanalyse entspringt. Zunächst sollen die Implikationen dieser Begründung kurz herausgestellt werden (2.3.1), dann wird das Verhältnis der Lehre von der Substanz zur oben (1.4) entfalteten Grundbewegung der „Metaphysik" bestimmt (2.3.2), und drittens soll auf dieser Basis der die Substanzontologie leitende Sinn von „Sein" formuliert werden. (2.3.3) faßt zusammen. 2.3.1 Es wird in vielen Interpretationen des Aristoteles auf den Umstand aufmerksam gemacht, daß sich sein Denken auf dem Wege der Sprachanalyse vollzieht, daß also ontologische Verhältnisse der Sprache entnommen werden 53 . Dies gilt im Rahmen der hier behandelten Analyse der Kategorien gar nicht erst für die gegenseitige Zuordnung der Kategorien bzw. der Korrelate der unter sie befaßten Begriffe, sondern schon für den Bereich der noch 52 Z 4,1030 a lOf; dies Verhältnis der Identität zwischen Wesen und i)7roKei|ievov bzw. Kaia;"(Z 1,10284, vgl. Z 2 , 1 0 2 8 b 3 l f u . ff (Z 3)), eine Frage übrigens, die in solche Schwierigkeiten vordringt, daß Aristoteles eine endgültige Lösung gefunden zu haben gar nicht erst prätendiert: es handelt sich vielmehr um eine Frage, die sich immer gestellt hat, und die sich immerfort stellen wird 57 .

57 Z 1, 1028 b 2ff. Man sollte in diesen Satz allerdings auch nicht allzuviel

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Diese Frage kann in doppelter Weise verstanden werden: als Frage danach, was alles eine oùcria ist, als Frage also nach Repräsentanten oder Exemplaren von oùcria und deren geordneter Erfassimg, oder aber als formalontologische Frage danach, was eine oüaia als oûaioc auszeichnet. Aristoteles behandelt beide Fragen: zunächst stellt Z 2 die Frage nach Repräsentanten der oùcria, und überführt sie sodann in die formalontologische Problemstellung, die die folgenden Kapitel bewegt (Z 3-13). Ich expliziere nach einem knappen Referat des Gedankenganges von Z 2 (3.1) zunächst die Intention und den Verlauf der capp. Z 3-6, wobei es darum geht, den diese teilweise undurchsichtigen Darlegungen organisierenden Leitgedanken zu erfassen (3.2). Es werden sich zwei Leitgedanken herauskristallisieren, die in 3.3-3.5, auf die Hauptargumente konzentriert, sehr knapp referiert werden. 3.6 faßt die Ergebnisse im Blick auf die Frage nach dem „Sinn von Sein" zusammen. 3.1 Aristoteles stellt in Z 2 zunächst das alle weiteren Untersuchungen in Z - 0 wie die „Metaphysik" insgesamt bewegende Problem, ob es oùoiat &cp0aprat Kai àvcivriTca gibt 58 . Er unterscheidet davon den Bereich der als oùcriai anerkannten Entitäten: rôt ow/iara, rôt cpurdt, deren Teile, die Grundelemente und das aus ihnen Bestehende, die Gestirne, etc., kurz: den Bereich der aia0r)T7roicei|UEVov (Z 3) und das i i fjv elvai (Z 4-6) und kommt im Verlauf der Diskussion gleichsam von zwei Ausgangspunkten her zu einem einheitlichen Ergebnis. Genau dieser Umstand erlaubt die hier vorgenommene Isolation der Passage als einheitlichen Gedankengang: Die Absicht der Perikope Z 3 liegt offensichtlich darin, zu zeigen, daß die Bestimmung der otioia als Ü7roKei(ievov nicht ausreichend ist, da sie bei konsequenter Durchführung die i5Ar| als otioia bestimmen würde; das Kapitel zielt, ohne daß dies ausdrücklich gesagt wird, darauf ab, die |iopcpii| oder das individuelle elBog als otioia und diese somit nicht als reine Bestimmungslosigkeit, sondern als selbst durch gewisse Prädikate (nämlich die Wesensbezeichnungen) bestimmtes i)7roKei|i£vov zu fassen64. Die Untersuchung wird in Z 4 nicht konzinn fortgesetzt, so daß nun die jaopcprj als otioia bzw. als ti7roKei|ievov identifiziert würde; vielmehr fragt Aristoteles nach dem nächsten Kandidaten auf den Titel oticria, dem TI fjv eivou (dem Korrelat der Wesensdefinition, s.u.), und zeigt in Z 4, daß es ein rl i"jv elvoci nur von der otioia - hier verstanden als dasti7roKei|iEvov- gibt, woraufhin Z 6 nachweist, daß dies rl fjv eTvai mit dem KOCÖ ' SKOCCTTOV identisch ist. Dies K A Ö ' &KCXCTTOV aber ist die otioia im Sinne des i>iroKei|ievov, so daß hiermit - da HOpcpt^ und rl T®jv eTvou (wie noch zu zeigen sein wird) dasselbe bezeichnen - das Ergebnis von Z 3 wieder erreicht ist: die Selbstständigkeit ist eine wesentlich bestimmte Selbstständigkeit, sie ist mit einem rl ijv eTvai identisch, und umgekehrt ist das Wesen individuelles Wesen65. Die Argumentationsgänge in Z 3-6 haben ein gemeinsames Ergebnis, auf das sie aus unterschiedlichen Richtungen führen, nämlich - konventionell gesprochen: den Ausweis der Konvergenz von Dasein und Sosein, esse und essentia. Man kann sich daher die Nötigung zu dieser Fragestellung als Folge der Kennzeichnung der otioia als v>iroKei|iEvov verdeutlichen: sofern die otioia nur als Grund von Bestimmungen und Eigenschaften gefaßt wird, stellt 63 Dies Verständnis legt sich besonders von H 1 her nahe: 1042 a 4-6 und 26ff. 64 So auch z. B.: E.Tugendhat, TI KATA TINOE S. 70f; R.Boehm, Das Grundlegende S. 7f; W.Stegmaier, Substanz S. 40-47, bes. 47 u.v.a. 65 Vgl. R.Boehm, Das Grundlegende S. 7f und E.Tugendhat, TI KATA TINOE S. 70f, die dieselbe Zuordnung der capp 3-6 vertreten.

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sich automatisch die Frage danach, was sie denn nun eigentlich selbst ist. Die rein formale Kennzeichnung der Seinsart läßt die oticria selbst gerade unbestimmt, und genau dieser Unbestimmtheit hilft die Identifikation von otioia und r i fjv elvai bzw. jjopcpri in Z 3 - 6 ab 66 . Der systematische Gewinn für das Anliegen dieser Arbeit ist eine Näherbestimmung des Sinnes von „Sein": „öv" bezeichnet nie nur ein „UTTOKstaÖai", sondern immer ein wesentlich bestimmtes ÖTTOKeiaSai67. Dem ist nun etwas detaillierter nachzugehen: 3.3 Ich zeichne im folgenden sehr knapp und auf die entscheidenden Argumentationselemente beschränkt zunächst den Beweisgang von Z 3 nach: 3.3.1 Aristoteles setzt mit der Diskussion des nächstliegenden Kandidaten auf den Titel der oücria ein: dem Ü7roKei|ievov im Sinne des irreduziblen Satzsubjektes, das also dadurch ausgezeichnet ist, daß es reiner Grund von Bestimmungen ist. „M&Xiarot y&P 5OK6I ETVOÜ oüoxa TÖ u7roKei|aevov Trpwrov. TOIOÜTOV 5£ Tpöirov n v a t1) öXn Xiyexai, ötXXov 8 i rpöirov i1! juopcpri, rpirov ö£ rö ¿K TOUTIOV . . . " 6 8

Offensichtlich ist die Absicht folgende: die oticria wurde als v>7roKei|uevov identifiziert; die Antwort auf die Frage, was nun genau die oücria ist, muß unter den Kandidaten auf den Titel tiiroKeipevov das wroKei|ievov u p ö r o v identifizieren, und das heißt: „... KCX0 ' oi5 röc &AAa Xdyerai, ¿Ketvo bi atirö uriK^n Kar'ötXXou" 69 - dasjenige, von dem alle übrigen Prädikate und Bestimmungen gelten, ohne daß es selbst Prädikat ist. 3.3.2 Das Ziel des Abschnittes ist nun allerdings nicht eigentlich die Identifikation eines i)7roKei|ievov irpwfov, sondern der Nachweis, daß die Bestimmung der Substanz allein durch das formale Kriterium, Subjekt von Bestimmungen zu sein, nicht ausreicht 70 . Aristoteles führt die These, daß das U7roKei|isvov das reine Subjekt von Bestimmungen, das selbst mit keiner der von ihm prädizierten Bestimmun-

6 6 Das Ziel von Z ist die Identifikation der individuellen Gestalt als oticria, und diese HO pTroKei|uevov im Sinne der oüaia kommt nur etwas in Frage, was der Tatsache Rechnung trägt, daß die oüaia selbst durch bestimmte Begriffe identifizierbar ist. Die Untersuchung wendet sich damit den beiden anderen Kandidaten auf den Titel des Ü7roKeijjevov zu und erbringt, ebenfalls nur angedeutete, weitere Ergebnisse: das ¿K TOUTIOV kommt, da es Konstitut von po pcpii und iSXrj ist, wegen mangelnder Ursprünglichkeit als Ü7roKei|i6vov bzw. oüaia nicht in Frage75, so daß sich als letzte Möglichkeit die Lösung anbietet, daß die HO pcpii bzw. das elöog das eigentlich durch die oüaia Bezeichnete ist: der selbstständige, in sich bestimmte Grund weiterer Bestimmungen. Die Lösung wird angedeutet, aber nicht entfaltet 76 .

74 Dort unterscheidet Aristoteles bekanntlich die Wesensbestimmungen und das Attributionssubjekt als erste und zweite oiiffia, eine Unterscheidung, die hier eingezogen zu werden scheint (vgl. Cat 5, 2 a 11 - 4 b 19). 75 Z 3,1029 a 30-32: das „TOUTOJV" ist Konstitut aus öXr) und nop7TOKeia0cu der oticria am Grunde aller Prädikate führt: die Frage nach demjenigen, was (vorläufig) nicht über sich hinaus auf anderes seiner selbst verweist, dieselbe Frage also, die auch die Grundbewegung der „Metaphysik" im ganzen darstellt. Dabei präzisiert nun die Bestimmung des Verhältnisses von aia0r|Oic und cda0r|T6v die Frage insofern, als sie deren Richtung erkennbar macht: die Frage sucht ihre Antwort und ihren Halt „jenseits" des zu Begründenden, .jenseits" verstanden als Gegensatz zu einem „diesseits", der Subjektivität selbst. Der Haltepunkt der Suche nach dem Grund wird nicht am Ursprung der 341

vom Subjekt der Frage ausgehenden Bewegung gesucht, sondern in deren Ziel, in der natürlichen Richtung der Intentionalität (im Sinne Husserls) selbst. Entsprechend findet die a'ia0r|mg ihren Grund im U7roKei(ievov desselben, und analog ist mit Blick auf die Ausgangsfrage nach dem Verhältnis von „Sprache" und „Sein" anzunehmen, daß Aristoteles das öv strenggenommen nicht als sprachlich Bezeichnetes, sondern als Grundlage jeder sprachlichen Bezeichnung fassen würde, und wieder ist anzunehmen, daß er die Verhältnisse des prädikativen Satzes in den Verhältnissen des öv begründen würde, und nicht die Ontologie der Substanz als Folge eines bestimmten, sprachlich sedimentierten Seinsverständnisses ausweisen würde. All' dies ist kein Argument für eine Substanzontologie, oder gegen Einwände, die diese als bestimmten, abkünftigen Modus des Seinsverständnisses transzendieren wollen. Aber es markiert eine Position, die abschließend durch die m.E. meist charakteristische These noch einmal umrissen werden soll: 4.4 Ich hatte oben herausgestellt, daß der Sinn von „Sein" bei Aristoteles der „Grund", der „Selbststand", die „Unabhängigkeit" ist, die sich immer schon in wesentlich bestimmter Weise vollzieht. Die Bewegung der „Metaphysik" ist die Frage nach dem, was diesen Begriff von „Sein" erfüllt, nach dem letztlich Unabhängigen, dem Selbstständigen, dem Grund, und zwar als eine Frage, die die Antwort aus dem „Gegenüber" der Subjektivität erwartet. Es handelt sich um eine „Fluchtbewegung" (A 2, 982 b 19) des intentionalen Verhaltens aus dem Nichtwissen heraus, die den ersten und ursprünglichen Gegenstand der Erfahrung, das -jrpöxsipov und seine Mannigfaltigkeit, zugunsten des Grundes transzendiert, und die das zunächst gegebene Einzelne zugunsten des einen Allgemeinen, und die Vielfalt der Bedeutungen, das „uorepov" zugunsten des alle Bedeutungen aus sich heraussetzenden Erstbezeichneten, der öcpx^ verläßt und jeweils auf etwas hin hintergeht, was dem jeweils Hintergangenen gegenüber als irpörov gekennzeichnet ist. Das ist nicht selbstverständlich, aber bezeichnend: der zuerst und zunächst gegebene, auf anderes seiner selbst verweisende Gegenstand der Erkenntnis - das Mannigfaltige, das Einzelne, die Vielfalt der Bedeutungen - erweist sich im Rahmen dieses Rückganges als ein {Jtrrepov, das einem 7rpwT0v entspringt. Die Ordnung der Erkenntnis, die vom Sinnlichen, Einzelnen und Mannigfaltigen ausgeht und mit Bezug auf die diese Mannigfaltigkeit das irpwrov ist, erweist sich so als abkünftig gegenüber der „Seinsordnung", deren TTpcorov dasjenige ist, in dem das durch den Verweis auf einen Grund, der anderes seiner selbst ist, charakterisierte Seiende fundiert ist (Z 3 , 1 0 2 9 b 3-12, vgl. A 2, 982 a 12ff). Die subjektive Ordnung, die das irpcörov als öcrrepov, und das üarepov

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als irpwxov erfährt, wird solchermassen begründet in der Ursprünglichkeit eines Ausganges von dem Halt und Grund, zu dem die Flucht aus dem Nichtwissen führt. Die Priorität des irptoTOV ist eine ontologische Priorität: dieser im „Objektiven" liegende Grund ist das Fundament auch noch des „subjektiven" Zuganges zu ihm, dasjenige, in dem sich als öorepov das rein zeitliche irpwTOV des subjektiven Zuganges begründet. Es ist „zufällig", daß unser erstes die Erkenntnis und die Vielfalt ist: „an sich" das erste ist der Grund, den die Erkenntnis als letztes erreicht, und von dem her sie alles in der „richtigen" Ordnung, der Seinsordnung, zu verstehen sucht. Genau hier liegt auch die Differenz zum Ansatz Husserls, der - unter implizitem Rekurs auf diese Passage der Metaphysik - schreibt: „So kehrt sich der gemeine Sinn der Seinsrede um. Das Sein, das für uns das erste ist, ist an sich das Zweite, d. h. es ist, was es ist, nur „in Beziehung" zum Ersten [nämlich dem Bewußtseinsleben, N.S1.] ... Realität, sowohl Realität des einzeln genommenen Dinges als auch Realität der ganzen Welt, entbehrt wesensmäßig ... der Selbstständigkeit. Es ist nicht in sich etwas Absolutes und bindet sich sekundär an anderes, sondern es ist in absolutem Sinne gar nichts, es hat gar kein „absolutes Wesen", es hat die Wesenheit von etwas, das prinzipiell nur Intentionales, nur Bewußtes, bewußtseinsmäßig Vorstelliges, Erscheinendes ist."93 Auch hier wird das „geradehin Erscheinende" als Begründetes, Fundiertes bezeichnet. Begründet ist es aber nicht,jenseits" der Subjektivität, sondern in dieser selbst, derer als Bedingung das Subjekt allerdings erst im ausdrücklichen Reflexionsakt ansichtig wird. Es erkennt so „sich selbst" als den Grund der Welt, nach dem es „hinter" allem, in der „Fluchtlinie" der Intentionalität, gesucht hatte. Dieser Position, die so erkennbar den ontologischen Gegenpart zu jeder Substanzontologie darstellt, ihrer Begründung und ihren Implikaten, ist nun nachzugehen.

93 E.Husserl, Ideen I (§ 50) S. 93f (Kursivierung im Original gesperrt).

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C Sein als Phänomen - die Phänomenologie im Gefolge E.Husserls Die von den Vertretern der Transsignifikationslehre als philosophische Grundlage für eine nicht-substantiale Ontologie angezogenen Positionen gehören, wie schon gezeigt, zum Bereich der „Phänomenologie" in einem zunächst sehr weiten, auch den dialogischen Personalismus einschließenden Sinne 1 : es handelt sich um Heidegger, Merleau-Ponty und Marcel. 1. Was genau „Phänomenologie" eigentlich ist, ist umstritten. Die häufig zitierte Parole Husserls „Zu den Sachen selbst!" und der Verweis auf die deskriptive Methode sind ohne nähere Erläuterung kaum geeignet, eine spezifische Position kenntlich zu machen, denn eine Philosophie, die sich die Vergewaltigung der „Sachen selbst" auf die Fahnen geschrieben hätte, oder die nicht beanspruchte, zumindest auch zu beschreiben, ist doch schwer vorstellbar; die zuerst genannte Parole führt zudem faktisch oft weniger zur Markierung einer Position, als vielmehr durch den Terminus „Sache" zu der irrigen Vorstellung, man habe es in Gestalt der Phänomenologie mit der ersehnten „Wende zum Objektiven", dem Signal zum „Ende der Neuzeit" und ihres Subjektivismus zu tun, ein Mißverständnis, das speziell unter frühen römisch-katholischen Rezipienten verbreitet war 2 . Daß genau das Gegenteil der Fall ist, ist die (eigentlich für Husserl und die oben genannten Positionen nicht bestreitbare und daher wenig aufregende) These dieser Darstellung: die Phänomenologie ist eine Modifikation neuzeitlichen Denkens, wenn man darunter zunächst sehr undifferenziert das Anliegen einer Letztbegründung unter Rekurs auf die Subjektivität versteht; sie setzt diesen cartesischen Typus der Begründung von Wirklichkeit a) mit innerer Notwendigkeit auch dann voraus, wenn man sie rein als Methode zu verstehen sucht; dieser Begründungstypus ist b) nicht nur in allen den Positionen impliziert, auf die sich die Vertreter der Transsignifi-

1 Die Zurechnung des dialogischen Personalismus zur Phänomenologie ist umstritten; Spiegelberg berücksichtigt in seiner Gesamtdarstellung auch Marcel (H.Spiegelberg, Mouvement II S. 421ff), während Gadamer dies als unsachgemäß bezeichnet (H.-G.Gadamer, Bewegung S. 12.14.16); vgl. bes. B. Waldenfels, Phänomenologie S. 25-28; vgl. unten (CIV) S. 503f. 2 Zur „Parole" vgl. E.Husserl, LU II/l S. 6; zum Sinn s.u. C I (S. 355f); zur Rezeption vgl. z. B. EPrzywara, Krise („Die fünf Wenden") S. llOf. 113f u.v.ö; zu solchen und ähnlichen Mißverständnissen: H.-G.Gadamer, Bewegung S. 5 und L.Landgrebe, Phänomenologie S. 21f.

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kationslehre zum Beleg ihrer Thesen berufen, sondern er bildet das Fundament dieser Positionen und der ihnen entnommenen Thesen. 2. Unter „Phänomenologie" versteht man näher, aber immer noch ganz äußerlich, eine Bewegung, deren Vertreter sich in mehr oder weniger treuer Gefolgschaft auf das Denken Husserls bzw. auf einzelne Phasen desselben berufen 3 . Mit der Bezeichnung wird zumeist auf den methodischen Anspruch Husserls abgehoben, „direkt ausweisend", d. h. ohne verstellende Vorannahmen oder Thesen, Sachverhalte mit dem Ziel der „Wesensanalyse" so zu beschreiben, wie sie sich „von ihnen selbst her" zeigen, d. h. wie sie in der „Anschauung" im allerweitesten Sinne gegeben sind 4 . Die Bewegung zerfiel mit den Wandlungen des Denkens Husserls in mehrere Schulen, und zwar insbesondere über der Frage, ob die von Husserl vollzogene Entfaltung der Phänomenologie als „transzendentaler Idealismus" eine unausweichliche Konsequenz des ursprünglichen Anliegens sei - so Husserl5 - , oder eine aus dem Ansatz selbst nicht begründbare metaphysische Voraussetzung, neben der andere, etwa „realistische" Versionen der Phänomenologie ebensogut, oder gar besser, möglich wären so die Vertreter der Münchener und Göttinger Schule 6 . 3. Wie im Abschnitt zur „Substanz" geht es auch hier nicht darum, Behauptungen und Aussagen der Vertreter der Phänomenologie zu sammeln und etwa das schlichte Faktum auszuweisen, daß Husserl sich als Transzendentalphilosoph verstanden hat, oder den einfachen Beweis anzutreten, daß für Merleau-Ponty oder Heidegger (in der Phase von SuZ) dasselbe gilt. Es geht vielmehr auch hier darum, das der „Substanzontologie" entgegengesetzte ontologische Fundament zu erfassen, zu verdeutlichen, was eigentlich, und mit welcher Begründung, unter „transzendentalem Idealismus" oder „transzendentaler Phänomenologie" verstanden wird, und zu zeigen, wo das argumentative Potential einer derartigen Position gegenüber einem substantialen Denken liegt. Dergleichen ist schon darum vielversprechend, weil die genannten Positionen die Grundoption einer Substanzontologie in Gestalt der „natürlichen Einstellung" (Husserl), der „Ontologie der Vorhandenheit" (Heidegger), des „objektiven Denkens" (Merleau-Ponty) oder des „Objektivismus" 3 Vgl. zu den „Phasen": L.Landgrebe, Phänomenologie; W.Biemel, Phasen; Zur phänomenologischen Bewegung insgesamt: H.-G.Gadamer, Bewegung; H.Spiegelberg, Mouvement. 4 Etwa A.Reinach, Phänomenologie S. 379f; vgl. E.Husserl, LU II/l S. 6 u.v.ö., vgl. unten C I (S. 349ff). 5 E.Husserl, CM § 40f, S. 84-91, näher unten C I (S. 376ff). 6 Vgl. etwa H.Conrad-Martius, Phänomenologie, näher unten C I (S. 348f).

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(Marcel) beständig präsent haben und sich eben gerade nicht in ein vordergründig antithetisches Verhältnis ihr gegenüber setzen, indem sie diese Position nur negierten. Vielmehr gehen sie so mit ihr um, daß sie beanspruchen, den (vorthematischen oder thematischen) Substanzontologen besser, als er sich selbst versteht, verstehen zu können, und so sein Denken als Moment ihrem eigenen ontologischen Ansatz integrieren zu können. Es handelt sich so nicht um ein relativ schlichtes Verhältnis zweier antithetischer Positionen, deren eine eine Begründung „im Objekt", deren zweite eine Begründung „im Subjekt" vornähme, sondern um eine - freilich den Sinn der Substanzontologie verwandelnde - Aufnahme, Integration, und Hintergehung dieser Position durch die Phänomenologie. 4. Die Darstellung gliedert sich in folgende Schritte: Es wird zunächst anhand des Denkens Husserls gezeigt, was Phänomenologie ist, und wie, warum und in welchem Sinne sie bei Husserl als „transzendentaler Idealismus" entfaltet wird (C I). Heidegger, MerleauPonty und Marcel modifizieren jeweils unterschiedlich, insgesamt aber in spezifischer und in den Grundzügen allen gemeinsamer Weise diesen transzendentalen Idealismus: Sie suchen Husserls leitenden Ansatz beim „theoretischen Bewußtsein" und die damit begründete Ursprünglichkeit der Unterscheidung von Bewußtseinserlebnis und Bewußtseinsgegenstand, „Subjektivität" und „Objektivität" als abkünftig auszuweisen und deuten sie als Modifikation oder Depravation einer - je unterschiedlich begründeten - ursprünglichen Einheit der beiden „Pole" im Vollzug einer ursprünglichen, präreflexiven, vorthematischen oder vorobjektiven Intentionalität. Diese Modifikation setzt aber als conditio sine qua non den transzendentalen Idealismus Husserls voraus. C II, C III, und C I V befassen sich jeweils mit Heidegger, Merleau-Ponty und Marcel. Es soll dabei aus darstellungstechnischen Gründen die Übernahme und „existentiale" Modifikation des phänomenologischen Transzendentalismus ausführlich nur anhand der Position Heideggers ausgewiesen werden, während der Transzendentalismus und seine Modifikation bei Merleau-Ponty und Marcel auf dem Hintergrund dieser Heidegger-Darstellung nur knapp verifiziert werden soll. Die Positionen wurden mit Bezug auf die Transsignifikationslehre ausgewählt; es soll im Rahmen der Vorstellung der Positionen deutlich werden, daß die aus dem Bereich der Phänomenologie übernommenen Thesen der Vertreter der Transsignifikationslehre die Bedingung ihrer Möglichkeit in diesem transzendentalen Idealismus bzw. dessen Modifikation finden; dies soll anhand von Heidegger für den „menschlichen Sinn", anhand von Merleau-Ponty für den Begriff des Realsymbols, und anhand von Marcel für die ontologische Dignität der „personalen Gegenwart" gezeigt werden. 346

Die Zusammenfassung erfolgt im Abschnitt D, der den Vergleich mit der Substanzontologie ausdrücklich durchführt. Daß der Darstellung schon im Blick auf den zur Verfügung stehenden Raum Grenzen gesetzt sind, ist deutlich; weder ist es möglich, die hier jeweils interessanten Phasen der genannten Philosophen ausführlich gegen die Weiterentwicklungen des jeweiligen Denkens auch über den hier interessanten transzendentalen Idealismus hinaus abzugrenzen, noch ist es möglich, das gesamte Feld der Sekundärliteratur aufzuarbeiten oder gar auch nur die Gegenpositionen zu hier vorgetragenen Thesen in der angemessenen Ausführlichkeit zu berücksichtigen; der Darstellung anhand der Texte wird durchweg der Vorrang gegenüber der Diskussion der Sekundärliteratur gegeben.

C I Phänomenologie und transzendentaler Idealismus - E. Husserl 0. Die Wende Husserls zur Begründung der Phänomenologie als Transzendentalphilosophie wird mit dem Erscheinen der „Ideen I" (1913) literarisch manifest, zeichnete sich aber schon zuvor in seiner Lehrtätigkeit und in den Vorlesungen zur Phänomenologie des Zeitbewußtseins (1907) ab 1 ; das zunächst rein äußerliche Signal der „Wende" besteht darin, daß Husserl in den „Ideen I" dem Begriff eines im intentionalen Verhalten erscheinenden transzendentalen Subjektes, das er noch in den „Logischen Untersuchungen" (LU, 11900 (21913), II/l und 21901 (21920)) gegen Natorp abgewiesen hatte, fundamentale Bedeutung zuschreibt, und daß er die in den LU explizit offengehaltene „metaphysische" Frage nach einer „Selbstständigkeit" der Aussenwelt ausdrücklich, und zwar negativ, beantwortet 2 . 1 Vgl. H.Conrad-Martius, Phänomenologie S. 175-179; W.H.Müller, Philosophie S. 10-12 u. ff; W.Biemel, Phasen, zum Wandel von den LU zu Ideen I bes.: S. 201-209, dort ausführlicher zur „Vorlesung zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins" und zum ebenso wichtigen „Logos-Aufsatz" (= E.Husserl, Philosophie); L.Landgrebe, Phänomenologie, bes. S. 22ff; H.Spiegelberg, Mouvement IS. 118ff, 124ff. bes. 133ff. Zur Münchener und Göttinger Schule: H.Spiegelberg, Mouvement IS. 168-173 und die folgenden Darstellungen der einzelnen Mitglieder: 173-227. 2 Zum „transzendentalen Ego" vgl. E.Husserl, LU II/l S. 359-363 und dort (S. 363) spez. den Zusatz zur zweiten Auflage, mit ders., Ideen I S. 87ff (3. Kap.); weiter: ebd. (§ 57) S. 110, Anm. 1; dazu die Anm. der zweiten Auflage von: LU II/l S. 357 und 361. Zur „Selbstständigkeit der Aussenwelt": LU II/l S. 20f, vgl. 120f, vgl. auch den in

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Husserl hat sich mit diesem Schritt innerhalb der phänomenologischen B e w e g u n g isoliert; die „Göttinger" wie die „ M ü n c h e n e r " Schule glaubten, an der Phänomenologie im Sinne einer Methode vorurteilsfreier eidetischer Deskription festhalten, und zugleich die Option einer „realistischen" Ontologie offenhalten zu können 3 . Wenn solche und ähnliche Positionen im Recht sind, dann ist die hier vertretene These, daß „Phänomenologie" mit Notwendigkeit die Antithese zu einem „realistischen" Denken und damit zu einer Substanzontologie darstelle, verfehlt; es müßte dann die Möglichkeit einer Vereinbarkeit der Thesen der Vertreter der Transsignifikationslehre mit einem „realistischen" Denken eigens geprüft werden. Husserl aber hat das Festhalten an der phänomenologischen Methode ohne die Übernahme der ontologischen Konsequenzen eines transzendentalen Idealismus als Mißverständnis schon der Methode betrachtet, und umgekehrt: den transzendentalen Idealismus als Implikat des Ansatzes der L U bezeichnet 4 . E s soll in der vorliegenden der zweiten Auflage fortgelassenen § 7 der V. Unters.: LU 1 II/l S. 336-340, dazu aus den Ideen I: S. 83-87 und 87ff (§ 46 und ff). Zur Zitation: die Seitenangaben, auch die Seitenverweise im Text, beziehen sich auf die im Literaturverzeichnis genannten Ausgaben; die in Klammern gesetzten Seitenangaben zu CM im folgenden verweisen auf den entsprechenden Band der „Husserliana", der nicht verwendet wurde, da die Ausgabe der PhB einen nochmals überprüften Text bietet, was an einer Stelle von Wichtigkeit ist (vgl. Anm. 64). Zu den „Ideen I" erfolgt keine derartige Angabe, wiewohl hier ebenfalls nicht die Hua, sondern ein Nachdruck der 2. Aufl. verwendet wurde; die hier angegebenen Seiten sind in Hua III, 1950 (einer Ausgabe mit leider in den Text eingearbeiteten handschriftlichen Zusätzen Husserls), und 1976 (= 2. Aufl. 1922), am Rand vermerkt. Analoges gilt für die hier verwendete Ausgabe der LU (identisch mit der zweiten Auflage); Verfasserangaben für Werke Husserls unterbleiben im ff, soweit sie nicht für die Eindeutigkeit der Zitation unerläßlich sind. 3 H.Spiegelberg, Mouvement I S. 170f, vgl. knapp: H.-G.Gadamer, Bewegung S. 3ff. bes. 5f. So insistiert etwa H.Spiegelberg auf der Unterscheidung von „reality" und „reality-phenomenon" und glaubt, dem reality-phenomenon, bezüglich dessen er sich mit Husserl einig weiß, Kriterien für die Gültigkeit eines „Schlusses" auf die „reality" entnehmen zu können (H.Spiegelberg, Reality-phenomenon, bes. S. 84-92. 102-105; vgl. zu den auch in ders., Mouvement, vorgetragenen Anfragen Spiegelbergs kritisch: H.-G.Gadamer, Bewegung S. 3. 5. 8 u.ö.). H.Conrad-Martius wiederum skizziert eine Modifikation der phänomenologischen Epoche, die die angebliche Negation der „Welt" bei Husserl umgehen und neben dem transzendentalen Idealismus einen zweiten Weg des phänomenologischen Realismus eröffnen soll (H.Conrad-Martius, Phänomenologie S. 180ff), während R.Ingarden wiederum die von ihm ermittelten Argumente für Husserls transzendentalen Idealismus prüft, deren Ungenügen ausweist und eine realistische Ontologie nicht nur als eine - wie Spiegelberg und Conrad-Martius - , sondern als die einzige Möglichkeit einer Ontologie im Ausgang von der Phänomenologie ausgibt ( R.Ingarden, Motives, die Argumente und deren Prüfung: S. 8-33). 4

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Vgl. etwa LU I, Vorwort zur 2. Aufl. S. VIII-X; Ideen I S . 2f; das Vorwort Husserls

Darstellung die Berechtigung dieser Behauptung dadurch aufgewiesen werden, daß die interne Logik dieses Überganges von der phänomenologischen Methode der LU zum transzendentalen Idealismus der „Ideen I" umrißartig nachgezeichnet wird; in Gestalt dieser Darstellung vollzieht sich implizit die Auseinandersetzung mit möglichen Gegenpositionen, die hier selbstverständlich nicht eigens diskutiert werden können. Im Verlauf der Darstellung soll also deutlich werden, daß und warum Husserl die Phänomenologie als Transzendentalphilosophie entfaltet, und in welchem Sinne sie als transzendentaler Idealismus zu verstehen ist. Es werden dabei zugleich durch den Ausweis des argumentativen Potentials einer solchen Position gegenüber einem substantialen „Realismus" die Begründungsprobleme desselben offensichtlich. Ich skizziere zunächst das Grundanliegen der Phänomenologie, wie es sich in den zwischen Husserl und seinen Kritikern unumstrittenen „Logischen Untersuchungen" darstellt (1.), umreisse dann, im Ausgang von einer Passage der „Ideen I", die Neuorientierung der „Ideen I" der ersten Veröffentlichung gegenüber und mache sie als Entfaltung der Ansätze der LU verständlich (2.). Ich zeichne die Analyse des intentionalen Aktes und den Ausweis des Gefälles der Begründung des intentionalen Gegenstandes im intentionalen Akt im zweiten Abschnitt der Ideen I nach, und stelle abschließend und zusammenfassend (3.) den aus diesem Begründungsgefälle folgenden „transzendentalen Idealismus" Husserls im Anschluß an die einschlägigen §§ 40 und 41 der „Cartesischen Meditationen" (CM) dar, wobei das Ziel der Darstellung der Aufweis der argumentativen Stärken dieses Ansatzes gegenüber einem „substantialen" Ansatz ist. (4.) faßt im Blick darauf zusammen. 1. Im allgemeinen wird die Phänomenologie zunächst als Methode verstanden5 , und zwar genauer als deskriptive Methode im Sinne eines von zum in dieser Anm. u.g. Artikel von E.Fink: S. 319; L.Landgrebe, Phänomenologie S. 12ff, der zeigt, daß Husserl schon in der „Philosophie der Arithmetik" in der Übernahme des Begriffes der Intentionalität den erkenntnistheoretischen Realismus Brentanos aufgegeben hat, vgl. weiter ebd. S. 16f. 18-27; vgl. auch E.Fink, Philosophie S. 321 u.ff. 334ff. 342ff etc.; A.Diemer, Husserl S. 57-71, bes. 60; H.W.Müller, Philosophie, der das Votum Husserls, Phänomenologie sei transzendentaler Idealismus, zu rekonstruieren sucht (S. 18f, vgl. dort (Anm. 32 und S. 18f) die Husserl-Zitate). S. 20-25 und die Durchführung S. 30ff. Vgl. vor allem auch die wunderbare Arbeit von Th.Seebohm, Bedingungen bes. S. 50ff. 72-76 und 76-93, und auch 154f über den Zusammenhang von transzendentaler Phänomenologie und transzendentalem Idealismus; vgl. O.Becker, Philosophie S. 123.144f; D.Cairns, Approach S. 14-18; u.v.ö. 5 Etwa H.Spiegelberg, Mouvement I S. 6.117ff; A.Diemer, Husserl S. 20-45; vgl. aber die Einschränkung S. 10-12! Vgl. auch M.Merleau-Ponty, PhW S. 3ff und M.Heidegger, SuZ (§ 7) S. 27-39; A.Diemer, Phänomenologie S. 245f; D.Cairns, Approach S. 3ff.

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nicht ausgewiesenen Voraussetzungen freien Beschreibens dessen, was in der Anschauung direkt gegeben ist, und zwar mit dem Ziel, das geradehin Gegebene als Exemplar eines „Wesens" zur Auslegung zu bringen. „Phänomenologie" ist somit ein Verfahren, das Vorannahmen vermeidet, bzw. diese nur dann als geltend übernimmt, wenn sich im Vollzug von Anschauungen das Vermeinte originär zur Erscheinung bringen läßt. Husserl spricht vom „Prinzip der Prinzipien": „... daß jede originär gebende Anschauung eine Rechtsquelle der Erkenntnis sei, daß alles, was sich uns in der „Intuition" originär, (sozusagen in seiner leibhaften Wirklichkeit) darbietet, einfach hinzunehmen sei, als was es sich gibt, aber auch nur in den Schranken, in denen es sich da gibt... "6 Das entscheidende Argument dieses Prinzips ist dies, daß jede Theorie, die diesen Anfang bei der originär gebenden Anschauung zu verweigern oder zu hintergehen suchte, sich doch wieder - sofern die Begriffe , derer sie sich bedient, nicht leer bleiben sollen - zum Ausweis ihrer Begriffe und des Rechtes und der Geltung des in ihnen Gemeinten auf das in der Anschauung und nur dort Gegebene berufen müßte: „Sehen wir doch ein, daß eine jede [dies bestreitende Theorie, N.S1.] ihre Wahrheit selbst wieder nur aus den originären Gegebenheiten schöpfen könnte. Jede Aussage, die nichts weiter tut, als solchen Gegebenheiten durch bloße Explikation und genau sich anmessende Bedeutungen Ausdruck zu verleihen, ist also wirklich... ein absoluter Anfang, im echten Sinne zur Grundlegung berufen, principium." (E.Husserl, Ideen I (§ 24) S. 44) Husserls Anliegen, dies geben schon die zitierten Sätze über die Methode zu erkennen, liegt nicht allein in dieser Methode selbst, sondern besteht in der Arbeit am Problem einer Letztbegründung, der Frage nach einer Wissenschaft bzw. einem Prinzip, das seinerseits von unbedingter Gültigkeit ist und damit den Geltungsgrund jeder weiteren Theorie darstellt 7 . Das Leitmotiv des Denkens Husserls überhaupt ist dabei die Frage nach einem unhintergehbaren „Anfang" des Denkens, ein Motiv, das insbesondere in der Konfrontation mit den um eine Letztbegründung ihrer Voraussetzungen unbekümmerten oder explizit relativistischen Theorien des „Naturalis6 E.Husserl, Ideen I (§ 24) S. 43f; vgl. auch CM (§ 5) S. 13-16 (S. 52-55). Kursivierungen bezeichnen hier und im Folgenden Hervorhebungen im Original (LU und Ideen I: Sperrungen, CM: Kursivierungen). 7 E.Husserl, Philosophie S. 7-13, bes. S. 10; CM (§ 2 und ff) S. 5 und ff (45- 48); zu LU s.u. S. 285; vgl. auch den für das Verständnis der Phänomenologie Husserls entscheidenden Aufsatz: E.Fink, Philosophie S. 338 und ff, der die Phänomenologie als „neue Metaphysik" zu beschreiben sucht, als Frage nach dem selbst nicht mundanen Grund von Welt.

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mus" und des „Historismus", mit denen sich der „Logos-Aufsatz" auseinandersetzt, existentiell bedrängende Dimensionen aufweist 8 . Mit der phänomenologischen Methode, bzw. der „originär gebenden Anschauung" selbst, ist also ein nicht hintergehbares, voraussetzungsfreies methodisches Fundament erreicht, vor dem sich jede Voraussetzung, jede Theorie, jeder Geltungsanspruch, und auch jeder Begriff hinsichtlich seiner Bedeutung ausweisen lassen muß (Ideen I (§ 18) S. 33). Der Begriff „Anschauung" ist dabei in einem sehr weiten Sinne als Bezeichnung für intentionale Verhaltungen verwendet, schließt also über die sinnliche Anschauung hinaus Träume, Phantasien und natürlich die Ideationen, die von der Anschauung des einzelnen Exemplars anhebende Wesenserschauung, ein 9 . Von phänomenologischer „Philosophie" ist nach Husserl dann die Rede, wenn die Ausweisungen solches zum Gegenstand haben, das von unhintergehbarer Allgemeinheit und Allgemeingültigkeit ist (Ideen I (§ 18) S. 33). Wie dies gemeint ist, kann ein Blick auf die „Logischen Untersuchungen" verdeutlichen: Ich gehe im folgenden so vor, daß ich zunächst das Anliegen der LU kurz umreisse (1.1) und durch die polemische Abzweckung der Untersuchungen erläutere (1.2), um dann die phänomenologische Methode in diesen so eröffneten Horizont einzuzeichnen (1.3). (1.4) faßt zusammen.

1.1 Die „LU" stehen im Dienst einer Letztbegründung von Wissenschaft durch die Letztbegründung der Logik als formaler Wissenschaftstheorie 10 . Die Voraussetzungen müssen knapp erläutert werden, sie liegen in der Unterscheidung und Zuordnung von generellen und individuellen Wahrheiten, bzw. von „Tatsache" und „Wesen" 11 : Husserl faßt in den LU Wissenschaft insgesamt als Erkenntnisvollzug, der das Ziel verfolgt, Gegebenes auf einen Grund zurückzuführen, aus dem sein Auftreten eine Notwendigkeit gewinnt 12 . Husserl unterscheidet die mit der Begründung und Ordnung von indivi8 Vgl. E.Husserl, Philosophie S. 13ff. 49ff; W.Biemel, Phasen S. 205ff, bes. 208f. 9 Ideen I (§ 3) S. lOf (S. 11, Anm. 2), vgl. (§ 19) 36f. 10 LU I S . l l f . 12-17.19-22. 227ff. 242; LU II/l S. 19-22. 11 Die vorbereitenden Ausführungen in den LU selbst sind nach meinem Dafürhalten nicht sonderlich klar; ihnen und den wesentlichen Erkenntnissen der LU entsprechen die ersten §§ der „Ideen I" (§ 1-17) S. 7-32; vgl. zur genannten Unterscheidung: LU I S. 227-236. 12 „Wissenschaftliche Erkenntnis ist als solche Erkenntnis aus dem Grunde. Den Grund von etwas erkennen, heißt die Notwendigkeit davon, daß es sich so und so verhält, einsehen. Die Notwendigkeit als objektives Prädikat einer Wahrheit... bedeutet soviel wie gesetzliche Gültigkeit des bezüglichen Sachverhaltes." Ebd. S. 231, vgl. 14f u.ö.

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duellem Seienden befaßten „ontologischen" oder „Tatsachee-Wissenschaften von den mit der Bedingung der Möglichkeit dieses Faktischen befaßten „abstrakten" oder „Wesens"-Wissenschaften (vgl. L U I S. 230ff, bes. 231-233 und 233-236). Die Differenz liegt zunächst darin, daß die Tatsachenwissenschaften Existenzbehauptungen implizieren und das vorliegende Gegebene begründen, indem sie dessen bedingte Notwendigkeit im Rekurs auf eine leitende Gesetzmäßigkeit aus anderem ableiten; bedingt ist diese Notwendigkeit, da es sich um eine Erklärung von kontingentem Individuellem aus weiterem (eben seinerseits kontingentem) Individuellem handelt: die „Existenz" von etwas ist immer kontingent (vgl. ebd. S. 231; vgl. Ideen I (§ 7) S. 15f). Die abstrakten Wissenschaften haben es nicht mit diesem Individuellen und Existierenden, sondern mit seinen allgemeinen und für alle Exemplare gültigen Wesensgesetzlichkeiten, und in diesem Sinne mit der Bedingung der Möglichkeit von Individuellem zu tun; das Ziel ist es dabei, die das Individuelle bestimmende Wesensgesetzlichkeit ihrerseits aus letzten, das heißt: mit innerer Notwendigkeit nicht weiter hinterfragbaren Axiomen und Prinzipien zu deduzieren 13 . Es gibt also wissenschaftliche Vollzüge, die nicht mit dem Faktischen, sondern mit dessen allgemeinen Bedingungen der Möglichkeit befaßt sind, die es insofern mit allgemeinen Gesetzen oder „Wesensgesetzlichkeiten" unterschiedlicher Allgemeinheitsgrade zu tun haben 14 . Diese allgemeinen Erkenntnisse schließen die Behauptung über die - prinzipiell kontingente Existenz entsprechender Exemplare nicht ein, sondern begründen deren Möglichkeit, und sie beziehen sich zum Zweck ihrer Begründung - dies ist der entscheidende Punkt - auch nicht auf Einzelnes betreffende Erkenntnisse; die Wesensgesetzlichkeiten sind vielmehr umgekehrt ihrerseits im wissenschaftlichen Umgang mit dem Faktischen und Individuellen bereits vorausgesetzt (Ideen I (§ 8) S. 18). Es ergibt sich auf diese Weise ein Begründungsgefälle der beiden Typen von Wahrheiten und der mit ihnen befaßten Wissenschaften so, daß das Individuelle und die mit ihm befaßten Begründungsvollzüge ihr Funda13 Ebd. S. 231-233; 234f. 236f; zum Zusammenhang der Wissenschaften: 231 und 235f; Husserl untersucht in diesen Passagen genauer die Frage nach der „Einheit" der Wahrheiten, die den Gegenstand einer Wissenschaft bilden, die einmal - im Falle der theoretischen Wissenschaften: - d e r Zusammenhang der Wahrheiten zu einer Einheit der (deduktiv möglichen) Begründung aus einem letzten Prinzip ist, zum anderen - im Falle der empirischen Wissenschaften: - d i e Einheit des Bezuges auf einen Gegenstand ist, die allerdings die Möglichkeit der Einheit den nomologischen (theoretischen) Wissenschaften entnimmt. 14 Vgl. ebd.; genauer und knapper: ders., Ideen I (§§ 2-9) S. 8-20.

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ment in den abstrakten Wissenschaften haben, während deren Allgemeingültigkeitsanspruch und die damit einhergehende strenge Notwendigkeit ihrer Erkenntnisse den begründenden Rekurs auf das jedenfalls kontingente Faktische verbietet; es handelt sich in diesem Sinne eines einlinigen Begründungsgefälles um apriorische, nur deduktiv aus „höheren", gleichfalls apriorischen oder abstrakten Prinzipien begründbare Wissenschaften15 ; das Modell derartiger Typen von Wissenschaft bietet die Mathematik in der Zuordnung von reiner und angewandter Mathematik, oder die entsprechenden Zuordungen in der Physik 16 . Die Frage insgesamt muß dann auf die Herleitung und Bestimmung letzter Prinzipien gehen, die Begründungsfundament, selbst aber nicht mehr begründet, weil nicht begründungsbedürftig sind. Die „LU" ordnen sich in diesen Zusammenhang nicht direkt als Explikation der Bestimmungen der höchstallgemeinen Wissenschaft ein; sie fragen vielmehr nach der Bedingung der Möglichkeit von Wissenschaft Begründungsvollzügen - überhaupt (LU I S. 11-17, bes. 16f. 236-242. 242ff). Die Intention ist die Frage nach dem Wesen oder der Wesensgesetzlichkeit von Wissenschaft überhaupt, deren individuelle Exemplare die Tatsachen- und die Wesenswissenschaften darstellen: es sollen die jeden wissenschaftlichen Vollzug überhaupt bestimmenden, ermöglichenden und in ihm in Anspruch genommenen Grundbegriffe und Gesetzmäßigkeiten zur Ausweisung kommen; die damit zu begründende Wissenschaft ist die Logik 17 . 1.2 Bekanntlich haben die LU eine polemische Ausrichtung, die insbesondere der erste Band mit der Kritik am „logischen Psychologismus" durchführt. 15 Vgl. ders., Ideen I (§§ 2-8) bes. S. 12f. 16-18; LU II/l S. 21f; zum Begriff des „a priori" vgl. CM (§ 34) S. 70-75, bes. 71 und 73, auch LU II/l S. 18; Ideen IS. 5; der entscheidende Punkt dabei ist der, daß Husserl den Begriff des a priori auf das „Wesen" anwendet, und damit von einem „gegenständlichen a priori", eben dem Wesen als Typik des Empirischen, sprechen kann (etwa LU I S. 238); diesem Begriff des a priori entspricht der Begriff der „Reinheit", der „Notwendigkeit", der „Allgemeinheit" vgl. etwa Ideen I (§ 36) S. 64 und CM (§ 34) S. 70ff. spez. 71f (103ff, spez. 103f); vgl. auch Th.Seebohm, Bedingungen 7-20. 16 Ders., LU I S . 232. II/l S. 18. Ideen I (§ 7) S. 16f. 17 LU I S. 16f. Die Logik hat dabei - vergleichbar mit Kant - den Charakter der höchstallgemeinen formalen gegenständlichen Ontologie, ist allerdings (noch) nicht transzendental begründet: Ideen I (§ 10) S. 20-23; vgl. LU II/l S. 21. Vgl. bes. auch E.Tugendhat, Wahrheitsbegriff S. 163ff, der genau darauf hinweist, daß die transzendentale Deduktion des Apriori bei Husserl keine Entsprechung hat; das Apriori bezeichnet die universale Geltung von Wahrheiten für alle Exemplare (z. B. einer Seinsregion), die Allgemeinheit der Geltung wird aber nicht transzendental deduziert; vgl. auch I.Kern, Husserl S. 150ff, bes. 161-178.

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Das Grundargument dieses Begründungsansatzes für die Logik verweist darauf, daß es die Logik mit bestimmten psychischen Akten, den „Denkerlebnissen", zu tun hat, so daß die Logik insgesamt als Lehre von der Naturgesetzlichkeit der Denkerlebnisse, oder als Kunstlehre von der richtigen Betätigimg derselben eine Region der empirischen Psychologie darstelle 18 . Husserl sieht hier, wie auch später im Empirismus eines positivistischen Naturalismus, oder aber im Historismus einer Weltanschauungsphilosophie den Versuch einer Begründung von Wahrheiten mit höchstallgemeinem Geltungsanspruch in der Kontingenz von Faktischem, wodurch genau jener Anspruch der logischen Gesetze auf universale, objektive Gültigkeit und Notwendigkeit verlorengehe 19 . Husserls Gegenposition hebt darauf ab, daß die höchstformalen l o g i s c h e n B e s t i m m u n g e n eben keine Gesetzmäßigkeiten des logischen Aktes, sondern vielmehr die formalen, wesentlichen B e s t i m m u n g e n des in ihm zugänglichen Gegenständlichen sind, in denen auch der kontingente Akt selbst s e i n e Begründung findet20. D a s Ziel der L o g i s c h e n Untersuchungen läßt sich daher s o bestimmen, daß es Husserl um eine Letztbegründung v o n Wissenschaft überhaupt durch die Begründung der l o g i s c h e n Kategorien

18 L U I S . 26-29, bes. aber 30ff. Husserl umreißt den Streitpunkt folgendermassen: „... wir abstrahieren auf der einen Seite die Behauptung, daß jeder als Kunstlehre gefaßten Logik eine eigene theoretische Wissenschaft, eine „reine" Logik zugrunde liege, während die Gegenseite alle theoretischen Lehren, die in der logischen Kunstlehre zu konstatieren sind, in anderweitig bekannte theoretische Wissenschaften glaubt einordnen zu können" (S. 33). Die im Falle der psychologistischen Logik in Anspruch genommene Wissenschaft ist die Psychologie (etwa S. 50ff, bes. S. 52), und der Streit dreht sich darum, ob die Logik als Lehre von den Denkerlebnissen ein Fundament und eine Ableitung ihrer Setzungen aus der Psychologie erlaube. Die Auseinandersetzung mit dem „Psychologismus in der Logik" spielt sich im gesamten ersten Band der LU ab. Vgl. zum Psychologismus auch die knappe Zusammenfassung bei H.Spiegelberg, Mouvement I S . 93-95. 19 Vgl. etwa den Aufweis der skeptizistischen Folgen des Psychologismus in cap 7 (LU I S. 110-154); das Grundargument liegt hier darin, daß der Psychologismus „Wahrheit" und deren Bedingungen lediglich als Wahrheit für... (ein bestimmtes Subjekt oder eine bestimmte species von Subjekten) zu definieren imstande ist; vgl. auch ders., Philosophie S. l l f . 14ff. 49-55 u.ö. Im ersten Band der LU liegt das ganze Gewicht der Position Husserls noch darauf, daß das „Logische" eine objektive Idee ist, und nicht begründet ist in der Verfaßtheit empirischer Subjekte. Man muß sich bei der Interpretation der „transzendentalen" Wende Husserls immer verdeutlichen, daß gerade der Widerspruch gegen jede Form des Subjektivismus das movens seines Denkens von Anfang bis Ende ist, so daß auch beim Rekurs auf die transzendentale Subjektivität das Gewicht darauf liegt, daß dieses zur Auslegung kommende Ego die „Subjektivität überhaupt", und kein „menschliches Subjekt" oder eine sonst limitierte Subjektivität ist; vgl. zur Argumentation z. B. LU I S . 125-136 (gg. Sigwart), Argument S. 131ff. 20 Vgl. LU I S . 238 und f; vgl. bes. 239f und auch 242; LU II/l S. 21. 354

als der höchstformalen und höchstallgemeinen Bestimmungen und Gesetze des Erkenntnisgegenstandes überhaupt geht 21 . 1.3 In dieses Programm der Letztbegründung zeichnet sich nun die phänomenologische Methode ein: 1.3.1 Entscheidend ist zunächst das richtige Verständnis der Parole „Zu den Sachen selbst!": Es ist zunächst festzuhalten, daß es sich keinesfalls um eine „Wende zum Objekt" handelt, obwohl die letzten Sätze des Abschnittes 1.2 genau zu dieser Annahme zu führen scheinen. Die Parole ist polemisch, und nur richtig verstanden, wenn sie als Kritik an einem Hantieren mit in ihrer Bedeutung unklaren, d. h. im Blick auf die durch sie repräsentierte Anschauung leeren Begriffen verstanden wird. Sie verlangt, daß Begriffe in einer wohlbestimmten, weil von der Anschauung des in ihnen Gemeinten her geklärten Bedeutung verwendet werden. Die Parole ist mit der Aufforderung zur Rückkehr zur Anschauung identisch, „zu den Sachen" heißt in eins: „zur Anschauung der Sachen"22. In den LU formuliert diese Wendung das Programm, durch die Beschreibung von originär gegebenem exemplarischem Einzelnen als Erfüllung des im Begriff Gemeinten die Bedeutung von Begriffen von der entsprechenden Anschauung her aufzuklären und auszuweisen. Das einzelne kommt so gerade nicht - wie in den Tatsachenwissenschaften - als einzelnes im Kreise und im gesetzmäßigen Zusammenhang weiterer Fakta in den Blick, sondern lediglich als Repräsentant eines bestimmten, in einem Begriff gefaßten Allgemeinen (Wesen) zur Auslegung. Die Parole formuliert also das Programm des Überganges vom „leeren Begriff' zur erfüllten An-

21 LU I 236-242 sowie den Vorausblick auf das Aufgabengebiet S. 242-248; vgl. bes. n/1 S. 6ff und 19-22; vgl. Ideen I S. 22f. 22 Vgl. in LU: II/l S. 5f: „Die logischen Begriffe als geltende Denkeinheiten müssen ihren Ursprung in der Anschauung haben; sie müssen durch ideierende Abstraktion auf Grund gewisser Erlebnisse erwachsen und im Neuvollzuge dieser Abstraktion immer wieder neu zu bewähren ... sein ... Wir wollen uns schlechterdings nicht mit „bloßen Worten", das ist mit einem bloß symbolischen Wortverständnis, zufrieden geben ... Bedeutungen, die nur von entfernten, verschwommenen, uneigentlichen Anschauungen ... belebt sind, können uns nicht genug tun. Wir wollen auf die „Sachen selbst" zurückgehen. An vollentwickelten Anschauungen wollen wir uns zur Evidenz bringen, dies hier in aktuell vollzogener Abstraktion Gegebene sei wahrhaft und wirklich das, was die Wortbedeutungen im Gesetzesausdruck meinen ..."; vgl. auch Philosophie S. 27f. Vorausgesetzt sind hier übrigens die Ausführungen zu Bedeutung und Erfüllung aus der ersten Log.Unt. (LU II/l S. 50ff), und bes. der 6. Untersuchung LU II/2 S. 64£f-101, bes. 72-86, bes. 76ff; vgl. auch LU IS. 228-230). Die „Sachen" sind hier auch keine „Dinge" o.ä., wie nun schon öfters bemerkt, vgl. LU I S . 228. Vgl. insgesamt auch O.Becker, Philosophie S. 127ff.

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schauung, in der das im Begriff Gemeinte zur Erscheinung kommt (LU II/l S. 6f. 21f; vgl. I S. 239ff). Der Rückgang zu den „Sachen" ist der Rückgang zur „Anschauung" der Sachen als Exemplare des in Begriffen Vermeinten, als Exemplare also eines „Wesens" oder „Eidos". 1.3.2 Husserl bezeichnet - scheinbar im Widerspruch zu seiner Absicht, die Logik von einer psychologischen Begründung zu befreien - die phänomenologische Methode der Begründung der Logik als reflexive Analyse der logischen Erlebnisse im Kontext der reflexiven Analyse des intentionalen Aktes überhaupt: von Phänomenologie ist explizit die Rede als einer deskriptiven, reflexiven Erfassung des sonst geradehin und vorthematisch vollzogenen intentionalen Erlebnisses, wobei das Erlebnis offensichtlich aus der Perspektive des Vollzuges desselben (d. h. als mein Erlebnis) betrachtet werden soll (LU II/l S. 9f; 17f. 19ff). Das Ziel des Rekurses auf die Ich-haftigkeit des Vollzuges des Erlebnisses ist allerdings die Deskription des reinen Wesens des in ihm vorstellig werdenden Erkenntnisinhaltes, in dem auch die Zufälligkeit des empirischen, faktischen Aktes seine Bedingung der Möglichkeit findet (LU I S. 238f und 239f). Die bezüglich des Aktes und seines Inhaltes notwendigen Bestimmungen, Unterscheidungen (etwa die von Akt und Gegenstand selbst) und Zuordnungen sollen aber nach dem Willen dieses phänomenologischen Ansatzes der Deskription des Aktvollzuges, der diesen Inhalt vorstellig macht, selbst entnommen werden 23 . Die Rückkehr „zu den Sachen selbst" ist somit die Übernahme einer bestimmten „Einstellung", nämlich der Einstellung des Aktvollzuges selbst, mit dem Ziel, ihn und seinen Gegenstand nicht geradehin zu vollziehen, sondern reflexiv mitsamt dem in ihm Gegebenen zu erfassen und zu beschreiben, ohne dabei Voraussetzungen zu übernehmen, die sich nicht diesem Vollzug und dem in ihm Gegebenen so, wie es in ihm gegeben ist, verdanken. Das Ziel dieser Operation ist dies, Bedeutungen, Begriffe, Theorien, Wesensbegriffe von der Anschauung eines Exemplars her zu „verifizieren"; genauer handelt es sich um eine Auslegung der reflexiv erfaßten, gegenständlichen und erlebnismässigen Elemente, die sich der

23 LU II/l S. 6 und ff: „Die Phänomenologie der logischen Erlebnisse hat den Zweck, uns ein so weitreichendes deskriptives ... Verständnis dieser psychischen Erlebnisse und des ihnen einwohnenden Sinnes zu verschaffen, als nötig ist, um allen logischen Fundamentalbegriffen feste Bedeutungen zu geben, und zwar Bedeutungen, welche durch Rückgang auf die analytisch durchforschten Wesenszusammenhänge zwischen Bedeutungsintention und Bedeutungserfüllung geklärt... sind;" (S. 6).

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Reflexion auf dieses Erlebnis als selbstständige und unselbstständige Momente eines exemplarischen Erlebnisses zeigen 24 . 1.3.3 Die „LU" verfolgen dies methodische Prinzip des deskriptiven Ausganges von der Reflexion auf die erfüllende Anschauung für den Bereich einer Metatheorie der Wissenschaft; inhaltlich ausgeführt: sie betreiben die Begründung der logischen Begriffe und Gesetzmäßigkeiten auf der Basis der deskriptiven Analyse des Erkenntnisaktes und von dort aus des Erkenntnisgegenstandes überhaupt und seiner Wesensgesetzlichkeiten, wobei als Hintergrund des Erkenntnisaktes die Intentionalität überhaupt in den Blick genommen wird (LU II/l S. 2f, vgl. den Vorausblick S. 3-9 und 15f). Die so begründeten Wissenschaften insgesamt scheinen dabei gerade nicht phänomenologisch, sondern deduktiv zu verfahren. In den Ideen I allerdings verallgemeinert Husserl den Anwendungsbereich der phänomenologischen Methode so, daß sie als universale deskriptive Wesenswissenschaft neben die Tatsachenwissenschaften tritt: es eröffnet sich so die Möglichkeit einer deskriptiven Explikation der wesentlichen Verfaßtheit und Wesensgesetzlichkeiten von Seinsregionen, d. h. im oben beschriebenen Sinne: das materiale und formale apriori von Seinsregionen bzw. des Seienden überhaupt kommt im Ausgang von der exemplarischen Analyse des - reflexiv erfaßten - Anschauungserlebnisses zur Auslegung. Die Phänomenologie als vom konkreten, ichhaften Erlebnis ausgehende, dieses und besonders das in ihm Erscheinende als Repräsentant eines Wesens auf dieses Wesen hin beschreibende Wissenschaft wird so zur universalen Forschungsrichtung „neben" den Tatsachenwissenschaften; sie ist im Gegensatz zu diesen eben nicht am erscheinenden Faktischen und seiner Begründung in gleichfalls Kontingentem interessiert, sondern sieht von der Existenz und von Existenzfeststellungen ab, da diese jedenfalls ausserwesentlich sind. Phänomenologie als Wesensdeskription wird so zur regionalen oder universalen eidetischen Ontologie, zur Entfaltung also des Apriori von Seinsregionen im Sinne des Ausweises der Gesetzmäßigkeiten, die die Bedingung der Möglichkeit für faktisches Seiendes dieser oder jener Region - oder - im Falle der Logik - des Seienden überhaupt - sind (vgl. Ideen I (§§ 7-10) S. 16-23). Es handelt sich so um eine apriorische Wissenschaft, die in Faktischem nicht begründet ist, sondern ihrerseits Faktisches normiert und im (wissenschaftlichen) Umgang mit Faktischem vorausgesetzt ist (Ideen I (§ 8) S. 18).

24 Sehr instruktiv sind die Beschreibungen der 5. Unters. (II/l, S. 343ff) sowie die Analysen von Ideen I (§§ 1-17) S. 7-32. Zur reflexiven Methode vgl. LU II/l S. 9.

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1.4 Die Grundelemente der Phänomenologie sind bislang folgende: zunächst handelt es sich um das Anliegen des Ausweises jeder Geltung und jedes Begriffsinhaltes im Rekurs auf das Anschauungserlebnis, in dem das im Begriff Gemeinte vorstellig wird. Dieses Gemeinte interessiert - zweitens - nicht in seiner Individualität und Faktizität, sondern dient lediglich als Ausgangspunkt für eine „ideierende" Abstraktion, in deren Vollzug das einzelne als Exemplar eines „Wesens" auf die ihm nur als solchem eigenen Bestimmungen hin ausgelegt wird, oder - was daselbe ist: als Repräsentant dessen vorstellig wird, was der in seiner Bedeutung zu klärende Begriff meinte. Diese Auslegung vollzieht sich - drittens - im Rekurs auf das reflexiv erfaßte Anschauungserlebnis oder den intentionalen Akt und das in ihm gemeinte Gegenständliche als Erfüllung eines begrifflich gefaßten Sinnes. Man kann daher die Phänomenologie schon an dieser Stelle als die Reflexion auf einen „Standpunkt zur Welt", nämlich den intentionalen - im Falle der LU: den erkennenden - Vollzug kennzeichnen, und als Weigerung, als gültig anzuerkennen, was sich in diesem Vollzug nicht als Moment desselben oder des in ihm Gegebenen ausweisen läßt. Es ist allerdings festzuhalten, daß die LU diese reflexive Einstellung nur einnehmen mit dem Ziel, den objekiven Wesensgesetzlichkeiten, d. h. dem Apriori des Erkenntnisgegenstandes überhaupt nachzugehen und in diesem auch den Erkenntnisakt, der als kontingent betrachtet wird, zu begründen (LU I S. 238ff). Der Erkenntnisakt, das ich-hafte Anschauungserlebnis, ist der Zugang zu diesen Wesensgesetzlichkeiten, hat aber keinerlei konstitutive Bedeutung für dieselben. Die Einsicht, daß die Nötigung, beim Anschauungserlebnis einzusetzen, mehr ist als ein Durchgang zur „Objektivität" des Wesens des Erkenntnisgegenstandes, ist die Einsicht, die die Phänomenologie in den „Ideen I" als transzendentale Phänomenologie über die LU hinausführt: 2. Husserl selbst beschreibt in der zweiten Auflage der LU die Anerkennung eines reinen Bewußtseins als phänomenologisch ausweisbare Gegebenheit als die Einsicht, die über die erste Auflage hinausführt; zweitens beantwortet er die in der ersten Auflage noch offengehaltene Frage nach der Bewußtseinsunabhängigkeit der „Aussenwelt" in noch näher zu kennzeichnendem Sinne negativ 25 . Den zentralen methodischen Zugewinn, in dem sich beide Einsichten begründen, stellt die „transzendentale" oder „phänomenologische Reduktion" bzw. deren Moment, die „phänomenologische Epochi" dar, die den

25 Belege s.o. Anm. 2. 358

Übergang von der natürlichen zur transzendentalen „Einstellung" markiert und dem Phänomenologen zu seinem eigentlichen Gegenstandsgebiet verhilft: dem transzendentalen Bewußtsein 26 . Ich skizziere zunächst die Darstellung der Epoche bei Husserl und deren systematischen Gewinn (2.1) und zeichne dann sehr knapp die Begründung der Unterscheidung und Zuordnung von transzendentalem Ego und „Welt" nach (2.3). Dies Referat bezieht sich auf den m.E. zentralen, weil die Phänomenologie als Bewußtseinstheorie begründenden Passus der „Ideen I", deren Status allerdings ambivalent ist und daher zuerst geklärt werden muß (2.2). Der letzte Abschnitt (2.4) umreißt knapp das sich aus diesem Ansatz ergebende Gesamtprogramm der Phänomenologie und faßt zusammen. 2.1 Den Zusammenhang und die Differenz des neuen Ansatzes der „Ideen I" und desjenigen der LU erfaßt man am besten, wenn man einer Passage nachgeht, in der Husserl die „transzendentale Epoche" und deren Gewinn erläutert 27 : 2.1.1. Als „phänomenologische Epoch6" bezeichnet Husserl die Einklammerung oder die „Inhibierung" (Ausser-Geltung-Setzen) der in jedem natürlichen Weltumgang vorthematische vollzogenen „Weltthesis", eines nicht-expliziten Urteilsaktes, der besagt, daß das Seiende, mit dem das Bewußtsein umgeht, „da ist", oder „vorhanden" ist, und daß der mit dem Seienden umgehende Mensch einen Teil der Summe des in der Welt Seienden bildet. Diese Weltthesis ist die Behauptung einer die Erfahrung erst ermöglichenden Existenz alles Erfahrbaren; in dieser Thesis verläßt das Bewußtsein sich selbst und seine Vollzüge auf die Welt hin und begründet sie in dieser Welt, indem es sich selbst als Teil der Welt, als empirisch vorhandenes Faktum, deutet 28 . Die transzendentale Epoch6 stellt nun nicht etwa die „Negation" dieser Welt oder den thetischen Zweifel an deren „Existenz" zugunsten der anspruchslosen Behauptung, „es gebe keine Welt", dar, sondern schlicht den Verzicht auf jede begründende Bezugnahme auf diese These und damit auf den gesamten Bereich der Faktizität, des im gewöhnlichen, natürlichen Weltverhältnis geradehin als geltend Rezipierten 29 . Diese „Weltthesis" gilt als nicht ausgewiesene Voraussetzung, mit der auch alle diese Welt betref-

26 Vgl. Ideen I (§ 31) S. 54; CM (§ 8) S. 20ff (S. 58ff); vgl. die ausgezeichnete Darstellung bei Th.Seebohm, Bedingungen S. 76-83. 27 Das folgende bezieht sich, soweit nicht anders bezeichnet, auf das cap 1 und 2 des zweiten Abschnittes der Ideen I; zur Funktion des Abschnittes s.u. 2.2. 28 (§§ 27-30) S. 48-53; vgl. (§ 39) S. 69-71; vgl. CM (§ 7) S. 18f (57f) u.ö.; vgl. Philosophie S. 18ff, vgl. Krisis S. 157. 29 Bes. Ideen I (§ 32ff) S. 56ff; vgl. auch bes. CM (§ 15) S. 35ff (72ff).

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fenden Geltungen als in Anspruch genommene Geltungen außer Kraft gesetzt werden: J)ie zum Wesen der natürlichen Anschauung gehörige Generalthesis setzen wir außer Aktion, alles und jedes, was sie in ontischer Hinsicht umspannt, setzen wir in Klammern: also diese ganze natürliche Welt, die beständig „für uns da", „vorhanden" ist, und die immerfort dableiben wird als bewußtseinsmässige „Wirklichkeit", wenn es uns auch beliebt, sie einzuklammern ... Also alle auf diese natürliche Welt bezüglichen Wissenschaften, so fest sie mir stehen, ... so wenig ich daran denke, das mindeste gegen sie einzuwenden, schalte ich aus, ich mache von ihren Geltungen absolut keinen Gebrauch. Keinen einzigen, [!] der in sie hineingehörigen Sätze, und seien sie von vollkommener Evidenz, mache ich mir zu eigen, keiner wird von mir hingenommen, keiner gibt mir eine Grundlage - wohlgemerkt, solange er verstanden ist, so wie er sich in diesen Wissenschaften gibt, als eine Wahrheit über Wirklichkeiten dieser Welt." (Ideen I (§ 32) S. 56f) Man kann die Epochi als die Konsequenz aus der Einsicht, daß das Vorhandensein einer „realen Welt" überhaupt eine Thesis ist, verstehen: die Thesis wird genau als das behandelt, was sie ist, nämlich als eine Thesis, die „für" ein Bewußtsein, nämlich das natürliche, Geltung hat; wie jede explizite Überzeugung und philosophische Theorie, so ist auch diese allerselbstverständlichste, universale und vorthematisch vollzogene These des phänomenologischen Ausweises bedürftig, und kann erst auf der Grundlage des Ausweises ihres Rechtes für gültig genommen werden 3 0 . Die Epoch6 entspringt also der Reflexion darauf, daß die Überzeugung von der Subsistenz einer Welt eine Überzeugung von der Subsistenz einer Welt ist, eine These oder eine Behauptung eines Bewußtseins, ein unausgewiesener Geltungsanspruch 31 .

30 Die phänomenologische Epoche ist m.E. als Desiderat des Voraussetzungslosigkeitspostulates zu behandeln, wie etwa der Verweis Ideen I (§ 18) S. 33 auf die „philosophische ¿irox^" bezüglich der Lehrmeinungen aller „vorgegebenen Philosophie" zeigt; vgl. auch LU II/l S. 19ff, etc. Die Thesis des natürlichen Bewußtseins wird in den Status einer ausdrücklichen Thesis überführt, die zwar als solche des natürlichen Bewußtseins zur Kenntnis genommen, aber nicht mitvollzogen wird; vgl. bes. CM (§ 15) S. 37 (74), Ideen I (§ 56) S. 108 u.v.ö. 31 Man muß festhalten, daß es in der Phänomenologie nicht darum geht, die „Existenz" der „Welt" zu bestreiten oder auch nur zu bezweifeln (A.Diemer, Husserl S. 25f und ff).Es geht lediglich darum, sie als Geltungsphänomen zur Auslegung zu bringen, das heißt: als das Korrelat einer, zunächst meiner, Subjektivität, in deren intentionalen Vollzügen sich Welt zeigt: „Nennen wir das in die Welt hineinerfahrende und sonstwie hineinlebende Ich an der Welt „interessiert", so besteht die phänomenologisch geänderte...Einstellungdarin.daßsicheine Ichspaltung vollzieht, indem sich über

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Dieser Verzicht auf die Seinsstellungnahme, deren „Einklammerung" und „Inhibierung" hat nun nach Husserl das Ziel, auf eine neue Seinsregion zu führen, einen Gegenstandsbereich der Phänomenologie, der von der Epoch6 nicht betroffen ist: das reine Ich, oder das reine Bewußtsein, das eben im Vollzug dieser „Epoch6" seiner selbst als des Subjektes und vorthematischen Fundamentes jeder faktischen und möglichen Geltung ansichtig wird. Die Epoch6 zielt auf eine „transzendentale Reduktion", auf einen begründenden Rückgang auf das Subjekt des Weltphänomens, das heißt: auf den Rückgang von der geradehin geltenden Welt auf das Subjekt, dem sie gilt 32 . 2.1.2 Husserl markiert selbst in ganz wenigen Sätzen eher andeutungsweise die Differenz der Bestimmung der Phänomenologie in den „Ideen I" zu der der LU: er betrachtet es als den Grundfehler des früheren Ansatzes, daß dort das Gegenstandsgebiet der Phänomenologie in den „ontologischen Reichen" - das heißt bei Husserl: den Gegenständen des intentionalen Aktes - gesucht wurde, und nicht im Gebiet des Bewußtseinerlebnisses oder -aktes selbst 33 . Dies hatte in den LU seinen Grund darin, daß Husserl das logische Erlebnis als kontingentes, innerweltliches Faktum behandelte, als für sich genommen unwesentlichen Zugang zum eidetischen Erkenntnisinhalt. Die Differenz markiert Husserl folgendermassen: „ „Natürlich eingestellt", wie wir nach den festesten, weil nie beirrten Gewohnheiten ... sind, nehmen wir diese sämtlichen Vorfindlichkeiten der psychologischen Reflexion als reale Weltvorkommnisse, eben als Erlebnisse animalischer Wesen. So natürlich ist es uns, sie nur als solche zu sehen, daß wir, nun schon bekannt mit der Möglichkeit geänderter Einstellung und auf Suche nach dem neuen Objektgebiet, gar nicht merken, daß es diese Erlebnissphären selbst sind,

dem naiv interessierten Ich das phänomenologische als „uninteressierter Zuschauer" etabliert. Daß dies statt hat, ist dann selbst durch eine neue Reflexion zugänglich, die als transzendentale abermals den Vollzug eben dieser Haltung des „uninteressierten" Zuschauens fordert - mit dem ihm einzig verbleibenden Interesse, zu sehen und adäquat zu beschreiben." (CM (§ 15) S. 37 (73), vgl. f). Das Ziel der Phänomenologie ist die Deskription des „interessierten" Ich und der ihm erscheinenden Welt, und zu diesem Zweck wird der vorthematische, am Seienden, und nicht an der Subjektivität interessierte, intentionale Vollzug unterbrochen und zum Gegenstand der Betrachtung (schon LU II/l S. 9). 32 IdeenI(§ 33)S. 57-60,bes.59f;zurReduktionvgl.IdeenI(§ 56£f)S. 108ff;zum Zusammenhang von Reduktion und Epoche vgl. Th.Seebohm, Bedingungen S. 76ff: die Epoche kann als Moment der Reduktion behandelt werden, deren Ziel der begründende Rekurs auf die Intentionalität ist. Vgl. A.Diemer, Husserl S. 2 4 f f ; E.Fink, Philosophie S. 347-354; L.Landgrebe, Bewußtseinsanalyse S. 160ff. 33 (§ 33) S. 58, vgl. S. 23 Anm. 1, dazu LU I S. 238-240 und H/1 S. 6ff.

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aus denen durch die neue Einstellung das neue Gebiet entspringt." (Ideen I (§ 33) S. 58) Die erwähnte, schon in den LU als Möglichkeit bekannte „geänderte Einstellung" ist die „unnatürliche Einstellung" der Reflexion auf das ichhafte Anschauungserlebnis, die die Voraussetzung der Beschreibung der Anschauung und ihres Gegenstandes ist; die LU führen also mit der Thematisierung des Bewußtseinserlebnisses genau auf dies Gebiet, das sich nun als der eigentliche Gegenstand der Phänomenologie erweist, während in den LU das Gebiet der Bewußtseinserlebnisse nur zum Zweck der Erfassung des in ihnen gegebenen gegenständlichen Eidos reflexiv erfaßt wurde 34 . Der Ausgangspunkt der „Ideen I" ist also die in den LU erreichte Position: die reflexive Erfassung des ichhaften Bewußtseinserlebnisses und seines - eidetisch reinen - Inhaltes. 2.1.3 Es ist nun wichtig, vorgreifend zu verstehen, worauf Husserl eigentlich hinauswill: Das Ziel der Phänomenologie ist die Deskription der Sphäre des Bewußtseins im Ausgang vom faktischen Bewußtseinserlebnis mit dem Ziel, die Wesensgesetzlichkeiten des Bewußtseinslebens überhaupt und des reinen Eidos Ego zu enthüllen, dessen partielle Realisation das faktische transzendentale Ego ist: wie in den LU das individuelle Gegenständliche als Ausgangspunkt einer eidetischen Analyse diente, so geht in den Ideen die Explikation des „Ego" vom limitierten, exemplarischen Bewußtsein bzw. dessen Erlebnis aus und erforscht reflexiv das auch in ihm gegebene Eidos Ego, die Wesensgesetze des Ich überhaupt, als dessen Bedingung der Möglichkeit. Die Explikation dieses Eidos Ego ist aber nun, so wird Husserl nachweisen, keine Dekription einer beliebigen Seinsregion neben allen anderen, sondern die jede weitere, gegenständliche Seinsregion, und jedes faktische Seiende begründende Region. Die gesamte Sphäre der „Welt", die das natürliche Bewußtsein geradehin als gegeben annimmt, wird als Thesis eines Bewußtseinslebens erfaßt, im Vollzug der transzendentalen Epoch6 auf diese „Thesis" reduziert, und kommt als das einem Bewußtsein geltende und in dessen intentionalen Vollzügen gegebene Korrelat mit diesem Bewußtseinsleben zur Auslegung: wie in den LU impliziert die Auslegung des Erlebnisses auf sein Eidos hin, wie sich zeigen wird, zugleich auch die Auslegung seines Gegenstandes; die Beschreibung des reflexiv erfaßten Bewußtseinslebens

34 Vgl. die Fortsetzung des eben gebotenen Zitates, vgl. auch LU II/l S. 9; vgl. auch den Verweis von E.Fink, Philosophie S. 329 darauf, daß die Deskription des Idealen schon in den LU eine Deskription seiner Gegebenheit sei, und daher dort keine Antithese zum späteren, transzendental-idealistischen Ansatz vorliege.

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ist eine Auslegung der streng korrelativen Wesensgesetzlichkeiten von Noesis (Bewußtseinsakt) und Noema (Bewußtseinsgegenstand) 35 . Es ist aber deutlich, daß sich dieses Sachgebiet in den am eidetischen gegenständlichen Korrelat der logischen Erlebnisse, und nur zu diesem Zweck an diesen Erlebnissen selbst interessierten „Logischen Untersuchungen" nurmehr erst andeutet, und zwar in Gestalt des Ansatzes der phänomenologischen Deskription als Auslegung des reflexiv erfaßten Erlebnisses, in welcher Auslegung eben auch der Gegenstand des Erlebnisses und sein Wesen zur Darstellung kommt. Die „Ideen I" gewichten diesen Ansatz um, indem nun das thematische Interesse der Phänomenologie nicht der im Erkenntnisakt erscheinende Erkenntnisgegenstand und seine Wesensgesetzlichkeit allein, sondern dieser als Korrelat des Erlebnisses ist: das Ziel der Phänomenologie ist so die Auslegung des Bewußtseins als Konstituent von „Welt", wobei der Begriff „Konstituent" und das damit genau beschriebene Verhältnis noch geklärt werden muß. Die „Ideen" universalisieren zudem den Ansatz der LU, indem sie nun durch eine universale Epoch6 von jeder mundanen Geltungsbehauptung „Welt" insgesamt als Korrelat der „Anschauung" (im weitesten Sinne: des Bewußtseinslebens) zur Auslegung bringen (vgl. CM (§ 15) S. 37-39 (73-75)). Diese Bestimmung der Phänomenologie erreicht Husserl nun durch eine Reihe von Überlegungen, die der referierten Passage der „Ideen I" folgen und in deren Verlauf der „transzendentale Idealismus" der Phänomenologie begründet und ausgelegt wird. Der Status dieser Überlegungen ist komplex und muß zunächst knapp reflektiert werden: 2.2 Es handelt sich bei den Analysen der §§ 33-55 der Ideen I nach Husserl ausdrücklich um Untersuchungen, die den Vollzug der phänomenologischen Epoche noch nicht voraussetzen, sondern im Ausgang von der natürlichen Einstellung auf das Bewußtseinserlebnis reflektieren. Die Passagen haben argumentativen Charakter, sie setzen beim faktischen, jemeinigen Ich und seinen intentionalen Erlebnissen ein, um von dort aus Einsichten in das Wesen des Bewußtseinslebens zu gewinnen, die den Übergang zur Deskription des reinen Bewußtseinslebens - und das heißt: zur entschlossenen Einnahme der phänomenologischen Einstellung - motivieren können. Die §§ stehen an der Grenze zur phänomenologischen Einstellung, sie verlassen bereits das natürliche Bewußtsein, indem sie auf den begründenden Rekurs auf Seiendes und auf in der natürlichen Einstellung Geltendes zur Bestimmung des Verhältnisses von Bewußtsein und 35 Vgl. die besonders klare Darstellung in CM: (§ 15) S. 38f (75); (§ 17) S. 41ff (77ff); (§ 18-22) S. 43-57 (79-91). etc.

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„Welt" verzichten; sie verbleiben aber in der natürlichen Einstellung, indem sie den Übergang zum transzendentalen Idealismus noch nicht vollziehen und so das Bewußtseinsleben noch nicht als Konstituenten von Welt erfassen 3 6 . Man kann den Sachverhalt so darstellen, daß der Ausgangspunkt die in den LU erreichte Position ist: die reflexive Erfassung und Beschreibung des sonst geradehin vollzogenen Bewußtseinserlebnisses; dies allerdings mit dem schon skizzierten Unterschied, daß nun explizit das Bewußtseinserlebnis selbst zum Gegenstand der Auslegung werden soll; durch diese Untersuchung des Bewußtseinserlebnisses soll die transzendentale Reduktion begründet werden, und das Bewußtseinsleben als Konstitutionsgrund von „Welt" ausgewiesen werden, so daß anschließend die Phänomenologie als deskriptive Analyse des reinen Bewußtseinslebens mit den in ihm konstituierten mundanen Korrelaten einsetzen kann (Ideen I ( § 5 1 ) S. 95 und (§ 76) S. 141ff). - Dem Referat dieses Überganges wende ich mich nun zu: 2.3 Husserl formuliert das Ergebnis des Abschnittes, das für das Anliegen dieser Arbeit interessant ist, folgendermassen: „Realität, sowohl Realität des einzeln genommenen Dinges als auch Realität der ganzen Welt, entbehrt wesensmäßig (in unserem strengen Sinne) der Selbständigkeit. Es ist nicht in sich etwas Absolutes und bindet sich sekundär an anderes, sondern es ist in absolutem Sinne gar nichts, es hat gar kein „absolutes Wesen", es hat die Wesenheit von etwas, das prinzipiell nur Intentionales, nur Bewußtes, bewußtseinsmäßig Vorstelliges, Erscheinendes ist." (Ideen I (§ 50) S. 93f) Im Gegenzug gilt vom Bewußtsein: „Das immanente Sein ist also zweifellos in dem Sinne absolutes Sein, daß es prinzipiell nulla „re" indiget ad existendum."37 36 Zum Einsatz der Passage in der natürlichen Einstellung vgl. Ideen I S. 58. 60f und (§ 51) S. 95f; zum ambivalenten Status der „Ideen I" vgl. E.Fink, Philosophie S. 333. Die Begründung der transzendentalen Reduktion ist ein Fundamentalproblem der Phänomenologie Husserls, auf das ich hier nicht eingehen kann; Husserl selbst unterscheidet in seiner Spätschrift (Krisis (§ 43) S. 156-158) zwei Modi der Begründung: den unvermittelten Übergang in die prinzipiell mögliche, aber in ihrer Notwendigkeit nicht ausgewiesene Reduktion als „cartesianischen Weg" von einem bei der natürlichen Einstellung anhebenden, ausweisenden Vollzug von Reflexionen in natürlicher Einstellung, die zur Epoche bzw. zur Reduktion führen soll (vgl. die Darstellung bei I.Kern, Husserl § 18); auf das mitder Begründung der Reduktion verbundene Problem kann hier nicht eingegangen werden, vgl. nur: Th.Seebohm, Bedingungen S. 47-57; vgl. auch die Darstellung von E.Fink, Philosophie S. 343ff, der um der Reinheit der Reduktion willen jede Motivation derselben in einer mundanen Problemstellung ablehnt: der Ausweis der phänomenologischen Reduktion ist ihre Grundlosigkeit im mundanen Sinne. 37 Ideen I (§ 49) S. 92, im Orig. gesperrt; vgl. CM (§§ 7f) S. 16-20 (57-61).

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Diese Position erreicht Husserl durch die genannte Beschreibung des individuellen Bewußtseinserlebnisses auf seine Wesenseigenarten hin. Die Gliederung des folgenden orientiert sich am Vorgehen Husserls: Er arbeitet dabei zunächst die schon in der V. Logischen Untersuchung, der Analyse der Wesenselemente des intentionalen Bewußtseinserlebnisses, erhobenen Grundcharaktere (Intentionalität und Horizontintentionalität)38 heraus (2.3.1). Innerhalb der Klammer der Intentionalität entfaltet er dann am Beispiel des Wahrnehmungserlebnisses die Differenz von Immanenz und Transzendenz (Bewußtseinsakt und -gegenständ)39 (2.3.2), und ordnet beide so zu, daß sich das Bewußtsein als die Welt fundierendes „Subjekt" derselben, und das Bewußtseinsleben als eigenständiges Sachgebiet einer phänomenologisch verfahrenden Wissenschaft erweist, die „Welt" hingegen als Korrelat dieses Bewußtseinslebens40 (2.3.3). Ich greife aus den oft retardierenden Gedankengängen nur das hier Entscheidende heraus und fasse in (2.3.4) zusammen. 2.3.1 Husserl erhebt zunächst durch eine Deskription des reflexiv erfaßten, also ichhaften Erlebnisses und unter der Voraussetzung der eidetischen Reduktion des Bewußtseinsgegenstandes41 die Grundcharaktere der Intentionalität und der Horizonthaftigkeit des Bewußtseinserlebnisses: 2.3.1.1 Der Begriff der Intentionalität, der die Grundentdeckung der Philosophie Husserls darstellt 42 , kann nur unter bestimmten Voraussetzungen durch die Formel wiedergegeben werden, Bewußtsein sei immer „Bewußtsein von etwas" 43 - dann nämlich, wenn deutlich ist, daß durch diese Formel nicht ein „sekundäres" Verhältnis eines Bewußtseins zu einem Gegenstand eingeführt wird. Am Verständnis dieser Eigenart des Begriffes der Intentionalität hängt das ganze Verständnis dessen, was Phänomenologie eigentlich ist: Weder behauptet die Formel eine statistische Wahrscheinlichkeit der Bezogenheit eines ursprünglich und eigentlich für sich bestehenden Bewußtseinslebens auf etwas, was als anderes desselben „für sich" ist, noch

38 Ideen I (§§ 35-39) S. 61-65. 65-69, vgl. LU II/l S. 364ff, bes. 366-379. 39 Ideen I (§§ 38-46) S. 67-87; zur exemplarischen Funktion des Wahrnehmungserlebnisses vgl. ebd. (§ 39) S. 70. 40 Ebd. (§§ 47-55) S. 87-108. 41 „Eidetische Reduktion" bezeichnet den oben beschriebenen Verzicht auf die Betrachtung des Faktischen als Individuelles zugunsten seiner Betrachtung als Exemplar eine Gattung; zur Voraussetzung vgl. (§ 34) S. 60f. 42 Vgl. bes. ADiemer, Husserl S. 12f. 45ff. 43 Zur Formel vgl. Ideen I (§ 34 und 36) S. 60f. 64f sowie CM (§ 14) S. 34f, bes. 35 (71f, bes. 72); vgl. schon LU II/l S. 366ff; zum Ursprung bei F.Brentano vgl. L.Landgrebe, PhänomenologieS. llff; H.Spiegelberg, Mouvement IS. 27-50; F.MayerHillebrand, Seinslehre.

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überhaupt eine „Bezogenheit"44. Vielmehr handelt es sich um den wesentlichen, immanenten, deskriptiven Charakter des Bewußtseinserlebnisses selbst, daß es - in jeweils unterschiedlicher Weise - „etwas" meint oder vorstellig macht. Dieses „etwas" ist nun nicht in der Weise „etwas", daß es „vor" der Bezugnahme des Bewußtseins als etwas gegeben ist, über das man sich aufhalten könnte, und das man als Bezugspunkt des Bewußtseinserlebnisses zudem charakterisieren könnte. Eine solche Fassung des Verhältnisses würde verstellen, daß die Intentionalität ein Charakter des Bewußtseinserlebnisses selbst, und zwar des reflexiv erfaßten Bewußtseinserlebnisses ist: das „etwas" ist ein Moment des Bewußtseinserlebnisses, nicht also dessen Voraussetzung. Husserl meint also, daß das „etwas" und alle seine Bestimmungen gerade der reflexiven Deskription des ichhaften Bewußtseinserlebnisses selbst zu entnehmen sind; die reflexive Einstellung wird nicht etwa auf eine ihm voraus anzunehmende, scheinbar selbstverständliche Voraussetzung hintergangen (nämlich das „etwas", auf das sich das Bewußtsein bezieht), sondern das „etwas" ist ein im Verlauf der Desktription des Erlebnisses Erfaßtes. Es ist demgemäß eben auch nicht gekennzeichnet als ursprünglich Selbstständiges, sondern als Moment des Bewußtseinslebens: es ist ein cogitatum (Erlebtes) eines cogito (Erlebnisses), und zunächst nichts mehr (CM (§ 15) S. 38f (75)). Der entscheidende Punkt ist dieser: die Beschreibung des Bewußtseinserlebnisses leitet die Perspektive des Erlebnisses selbst; diese wird nicht auf dem Erlebnis vorausgehende „Daten" hintergangen, sondern alles, auch die „Bezogenheit" auf ein anderes seiner selbst und dessen Grundbestimmungen, werden dem Erlebnis selbst deskriptiv entnommen. Die Intentionalität als Grundcharakter des Bewußtseinserlebnisses besagt also, daß ein Bewußtseinserlebnis nicht nur „Akt" (cogito), sondern cogito mit einem cogitatum ist, daß demnach in seinem Vollzug (und nirgends sonst) ein Gegenstand zur Erscheinung kommt. Es besteht also ein wesenhaftes, unauflösliches Korrelatverhältnis zwischen cogito und 44 Vgl. bes. LU II/l S. 371-377, bes. 375ff; Ideen I (§ 36) S. 64; Husserl spricht zumeist von der „Inexistenz" des Gegenstandes im Bewußtsein, es geht genau darum, daß der Gegenstand des Bewußtseins ein immanentes deskriptives Moment des Aktes selbst ist, etwa: CM (§ 14) S. 35 (71f) und (§ 18) S. 44 (80) „Wohl zu beachten ist dabei, daß hier nicht die Rede ist von einer Beziehung zwischen irgendeinem psychologischen Vorkommnis - genannt Erlebnis - und einem anderen realen Dasein - genannt Gegenstand - oder von einer psychologischen Verknüpfung, die in objektiver Wirklichkeit zwischen dem einen und anderen statthätte. Vielmehr ist von Erlebnissen rein ihrem Wesen nach... die Rede und von dem, was in den Wesen... in unbedingter Notwendigkeit beschlossen ist." (Ideen I (§ 36) S. 64, im Original größtenteils gesperrt).

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cogitatum als den Grundmomenten des Bewußtseinserlebnisses: Jedes cogito hat sein cogitatum. 2.3.1.2 Unter der „Horizonthaftigkeit" oder den „Inaktualitätsmodifikationen" des Bewußtseinserlebnisses versteht Husserl den Charakter des Bewußtseinserlebnisses, sein Bewußtes immer nur im Horizont weiterer möglicher Erlebnisse von demselben vorstellig zu machen. Man sieht z. B. aktuell keinen Raumgegenstand, sondern dessen „Seite", so aber, daß die möglichen weiteren Erlebnisse mit Bezug auf denselben Gegenstand den Horizont des aktuellen Erlebnisses, und entsprechend die korrelativ erscheinenden potentiellen cogitata den Horizont des aktuellen cogitatum bilden; diese können im Verlauf der Überführung von potentiellen Bewußtseinserlebnissen von demselben in aktuelle Erlebnisse ihrerseits zur Erscheinung kommen 45 . Denn man sieht wiederum auch nicht nur die „Seite", sondern die „Seite des Gegenstandes", durch den perspektivisch gegebenen „Teil" ein Ganzes: die nicht gesehenen Seiten und die sie möglicherweise vorstellig machenden intentionalen Akte sind am Horizont des gegenwärtigen Aktes mitpräsent und bestimmen den Sinn des jeweils Gesehenen mit. In derselben Weise ist jede Wahrnehmung und jeder intentionale Akt eine Vorzeichnung bzw. Ausgriff in weitere Horizonte intentionaler Akte mit den dazugehörigen cogitata, er engagiert eine Zukunft möglicher Wahrnehmungen, die in der gegenwärtigen Wahrnehmung als deren „Sinn" vorgezeichnet ist. „Sinn" bezeichnet dabei die im aktuellen intentionalen Akt gemeinte Ganzheit, den Horizont potentieller Erlebnisse von demselben, der in der Gegenwart und von ihr ausgehend sich vorzeichnet als Einheit der cogitationes und deren cogitata zu einer cogitatio von einem cogitatum 46 . Jedes aktuelle cogito und dessen cogitatum steht so in einer synthetischen, seinen Sinn (sein „Vermeintes") bestimmenden Einheit mit weiteren, letztlich allen weiteren cogitationes, einer prinzipiell unendlichen Einheit, auf die die aktuelle cogitatio als ihre Vergangenheit und Zukunft immer schon ausgreift: jedes Erlebnis entwirft weitere Erlebnisse von demselben cogitatum, die das in der aktuellen cogitatio Vermeinte (das korrelierende cogitatum) vorstellig machen würden. Die Synthese dieser Horizonte ist entsprechend eine zeitliche, präsumptive, im Subjekt geleistete Einheit der cogitationes zu einer cogitatio von einem cogitatum, das im Verlauf des zeitlichen Stromes der Bewußtseinserlebnisse in deren cogitationes verifiziert wird. Diese (präsumptive) „Einheit" der cogitationes zu einem Be45 Vgl. Ideen I (§ 35) S. 61-64 und (§ 41) S. 73ff; vgl. auch CM (§ 19) S. 46-48 (8183). 46 Vgl.CM(§ 18-20und26f)S. 43-52und61-64(79-86.94-96);zu„Sinn"vgl.CM (§ 18) S. 44 (S. 80); der Begriff bezeichnet hier die Einheit des gegenständlichen Korrelates als des im Verlauf der cogitationes Vermeinten.

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wußtsein von einem cogitatum ist keine „additive" Einheit einzelner atomarer cogitationes, sondern eine alle cogitationes von vornherein bestimmende Einstimmigkeit, die ihren Grund in der Zeitlichkeit der Subjektivität selbst findet47. 2.3.2 In den folgenden Passagen rekonstruiert Husserl die traditionelle Unterscheidung von „Immanenz" und „Transzendenz", die Unterscheidung also von Bewußtseinserlebnis und Bewußtseinsgegenstand, als immanente Unterscheidung des intentionalen Bewußtseinserlebnisses selbst. Die Differenz ergibt sich also auch hier nicht auf der Basis der Voraussetzung des Bewußtseins und seines Gegenstandes, sondern umgekehrt: „Gegenstand" und „Erlebnis" zeigen sich der reflektierenden Beschreibung als immanente Momente der Intentionalität 48 . Husserl rekurriert somit nicht auf die Daten der natürlichen Erfahrung, auf das „Nebeneinander" eines Bewußtsein und einer Welt, sondern auf die Anschauung oder ähnliche intentionale Akte als ein Fundament, deren Vollzug jene Unterscheidung erst entspringt; sie kann so in der Beschreibung des Vollzuges erfaßt werden. Die „Transzendenz" als Bestimmung des im Bewußtseinsakt gemeinten Gegenständlichen wird auf diese Weise im Ausgang vom Bewußtseinserlebnis als Transzendenz der Immanenz, oder als in der Immanenz deskriptiv sich unterscheidende Transzendenz rekonstruiert. Jeder den Ausgang vom Wahrnehmungserlebnis hintergehende Rekurs auf eine Transzendenz im Sinne eines „an sich" als gegenständliche Bedingung der Möglichkeit des Erlebnisses wird hier vermieden. Es sind im wesentlichen zwei deskriptive Differenzpunkte, die die Unterscheidung innerhalb des intentionalen Aktes ermöglichen: Zunächst gilt, daß der intentionale Akt, sofern er reflexiv bewußt, d. h. Gegenstand (cogitatum) eines eigens auf ihn gerichteten Aktes wird, sich von sich selbst her als etwas erweist, was zu demselben Erlebnisstrom gehört wie das Erlebnis, in dem er bewußt wird, während der intentionale Gegenstand etwas ist, das nie in unmittelbarer Einheit mit dem Erlebnisstrom stehen kann: es ist Nicht-ich (Ideen I (§ 38) S. 67-69). Es erweist sich so, daß der intentionale Gegenstand deskriptiv ein anderes des Erlebnisses selbst ist. Man muß aber wieder festhalten: auch diese Charakteristik ist gewonnen als immanente Unterscheidung des intentionalen Aktes, „ent-

47 Vgl. zur Synthesisstruktur des Stromes der cogitationes und zur Zeitlichkeit dieser Synthesis: CM (§ 18-20) S. 43-52 (79-86); zum Charakter der Einheit der cogitationes: CM (§ 37) S. 77-79 (109-111), vgl. zur Negation einer additiven Einheit: ebd. (§ 16) S. 40 (76f). 48 Vgl. bes. Ideen I (§ 42) S. 76ff und (§ 36-38) S. 64ff; vgl. auch CM (§ 16) S. 40f (77).

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läßt" also den Gegenstand nicht gleichsam in eine „Selbstständigkeit" „vor" jeder Bezugnahme auf denselben: die Transzendenz ist eine Transzendenz, die in der Klammer der Intentionalität bleibt. In einem zweiten Schritt präzisiert Husserl diese Differenz durch den Verweis darauf, daß der Bewußtseinsgegenstand mit Notwendigkeit sich „abschattet", d. h.: nie ganz als er selbst, sondern immer im Ausgriff auf nicht gesehene Seiten oder Horizonte gegeben ist, während für das Erlebnis gilt, daß es nicht in Perspektiven, sondern unmittelbar und vollständig sich zeigt (ebd. (§ 42) S. 76-78, bes. 77f). Der entscheidende Punkt liegt wieder darin, daß Bewußtsein und Bewußtseinsgegenstand somit nicht als distinkte Entitäten und als Voraussetzung ihrer Beziehung im intentionalen Akt, sondern aufgrund ihrer Gegebenheitsweise in demselben unterschieden werden49. „Ein grundwesentlicher Unterschied tritt also hervor zwischen Sein als Erlebnis und Sein als Ding. Prinzipiell gehört es zum regionalen Wesen Erlebnis ..., daß es in immanenter Wahrnehmung wahrnehmbar ist, zum Wesen eines Raumdinglichen aber, daß es das nicht ist. Wenn es, wie eine tiefere Analyse lehrt, zum Wesen jeder dinggebenden Anschauung gehört, daß in eins mit dem Dinggegebenen andere dinganaloge Gegebenheiten bei entsprechender Blickwendung zu erfassen sind... so gilt von ihnen genau dasselbe: sie sind prinzipielle Transzendenzen." (Ideen I (§ 42) S. 76, vgl. bes. 77) Diese zuletzt genannte „Transzendenz" der „Dinge" meint nicht etwa eine Art „Unabhängigkeit" gegenüber dem intentionalen Akt, sondern die Transzendenz über die aktuelle cogitatio und deren cogitatum hinaus; sie läßt sich auf eine doppelte Bestimmung bringen: Das Ding erweist sich in der reflexiven Deskription des intentionalen Aktes als anderes als derselbe, und es erweist sich als etwas, das sich „abschattet", also „mehr" ist, als durch die aktuelle Wahrnehmung zugänglich ist; es ist in diesem, aber eben keinem anderen Sinne, transzendent. Husserl gewinnt mit dieser Passage also eine Unterscheidung von Bewußtsein und Bewußtseinsgegenstand und damit einen Begriff von Transzendenz des Bewußtseinsgegenstandes, der die Klammer der Intentionalität nicht sprengt und auf eine ursprüngliche Selbständigkeit von Bewußtsein und Gegenstand hin hintergeht; es handelt sich vielmehr um Bestimmun-

49 Vgl. neben den schon gen. Stellen aus Ideen I § 38 und 42: CM (§ 11)S. 27f(65); dazu Th.Seebohm, BedingungenS. 71f, der ebenfalls darauf hinweist, daß sich Transzendentes und Transzendentales nicht wie „Ding an sich" und Subjekt verhalten; und dies ist genau darum möglich, weil die Bestimmungen dem intentionalen Akt und dessen Deskription selbst entnommen werden.

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gen, die der Analyse des intentionalen Aktes selbst entspringen und die die Gegebenheit beider im intentionalen Akt selbst als Fundament der Unterscheidung haben50: denn nicht nur der „Gegenstand", sondern auch das Bewußtsein selbst ist ein in spezifischer Weise im Vollzug der Intentionalität Erscheinendes, und alle seine Bestimmungen aus der reflexiven Erfaßung dieses Vollzuges Gewinnendes. Der absolute Ausgangspunkt der Phänomenologie ist das intentionale Erlebnis, in dem Gegenstand und Bewußtsein in je spezifischer Weise und in je spezifischer Evidenz gegeben sind. 2.3.3 Husserl unternimmt auf der Grundlage dieser Analysen die auf sein eingangs zitiertes Ergebnis hinführende Zuordnung von Bewußtsein und „Welt"; diese Zuordnung vollzieht sich in zwei Gedankengängen, die ineinander verschlungen sind, und deren einer auf die Absolutheit des Bewußtseins, deren zweiter auf die Abhängigkeit der „Welt" zielt51. 2.3.3.1 Der erste Gedankengang geht davon aus, daß dem Bewußtseinserlebnis - im Gegensatz zum „Ding" oder zur „Welt", eine prinzipielle Wahrnehmungsbereitschaft im Sinne der jederzeit gegebenen Möglichkeit reflexiver Erfassung derselben eignet, während das „Ding" verdeckt, abwesend, und so lediglich in den näheren oder weiteren Horizonten gegenwärtiger Erfahrung präsent sein kann (Ideen I (§ 45) S. 83ff, bes. 84f). Mit diesem Charakter verbindet sich die prinzipielle Möglichkeit des Zweifels an der „Existenz" des „Dinges" und der faktisch gegebenen Welt im Ganzen, die im Gegensatz steht zur Zweifellosigkeit des Bewußtseinslebens im cogitierenden Erlebnis selbst: während die Nicht-existenz des gesamten Bereiches der Gegenstände des Bewußtseins nicht ausgeschlossen ist (jeder Gegenstand kann sich als nichtexistent, oder als etwas anderes, als er schien, erweisen), ist das Bewußtsein von dieser Möglich-

50 Vgl. ebd. (§ 47) S. 88f; vgl. auchCM(§ 28) S. 63f(96f); die referierten Passagen stellen im Grunde eine Rekonstruktion des Sinnes dar, den der Begriff „Transzendenz" im Rahmen eines phänomenologischen Ansatzes allenfalls haben kann; im Argumentationskontext zielen die Ausführungen allerdings auf die Feststellung, daß die Evidenz des „Dinges" mit Notwendigkeit präsumptiv ist, während die des Aktes absolut ist (ebd. (§ 46) S. 85ff, vgl. CM(§§ 5-9) S. 13-23 (52-61). Vgl. auchTh.Seebohm, Bedingungen S. 69-72, spez 71f. 51 Es handelt sich um folgende Passagen, die allerdings durch einen konzinnen Gedankengang nicht verbunden sind, sondern - stellenweise retardierend - jeweils dasselbe Beweisziel verfolgen: den Ausweis der fundierenden Funktion des Bewußtseinsaktes: Ideen I (§ 45) S. 83-85; (§ 46) S. 85-87; (§ 47) S. 87-90 und (§ 49) S. 91ff; ich sehe im wesentlichen die im folgenden zwei Gedankenkreise: den Ausweis der mangelnden apodiktischen Evidenz des Bewußtseinsgegenstandes, und die Apodiktizität des Bewußtseinserlebnisses.

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keit, auch nicht sein zu können, nicht betroffen: während das Sein der „Welt" prinzipiell kontingent ist, ist sein Sein Implikat seines Wesens 52 : dingliche Existenz ist nie eine durch die Gegebenheit als notwendig geforderte, sondern in gewisser Art immer zufällige. Das meint: Immer kann es sein, daß der weitere Verlauf der Erfahrung das schon mit erfahrungsmäßigem Recht Gesetzte preiszugeben nötigt... Der Thesis der Welt, die eine „zufällige" ist, steht also gegenüber die Thesis meines reinen Ich und Ichlebens, die eine „ notwendige", schlechthin zweifellose ist. Alles leibhaft gegebene Dingliche kann auch nicht sein, kein leibhaft gegebenes Erlebnis kann auch nicht sein: das ist das Wesensgesetz, das diese Notwendigkeit und jene Zufälligkeit definiert." (Ideen I (§ 46) S. 86) Dies ist das entscheidende Argument, das die phänomenologische Epoche motiviert und deren Ergebnis, die Darstellung und Explikation des reinen Bewußtseinslebens möglich macht: es bleibt mit der Aufhebung der Seinsstellungnahme gegenüber allem faktischen weltlichen Seienden und der auf dasselbe bezüglichen Geltungen als Residuum das Bewußtsein im Sinne des strömenden Bewußtseinslebens, das an keine faktische Welt als die Bedingung seiner Möglichkeit gebunden ist, und mit Bezug auf welches keine Inhibierung einer Seinsstellungnahme möglich ist: „Also kein reales Sein, kein solches, das sich bewußtseinsmäßig durch Erscheinungen darstellt und ausweist, ist für das Sein des Bewußtseins selbst (im weitesten Sinne des Erlebnisstromes) notwendig. Das immanente Sein ist also zweifellos in dem Sinne absolutes Sein, daß es prinzipiell nulla „re" indiget ad existendum." (Ideen I (§ 49) S. 92, im Original größtenteils gesperrt) Man darf diesen Satz nicht als Gegensatz zur Intentionalität des Bewußtseins verstehen: das Bewußtsein als intentionales ist wesentlich „Bewußtsein von..."; die „Unabhängigkeit" des Bewußtseins gegenüber der „Welt" ist die Unabhängigkeit gegenüber jedem faktisch Gegebenen: jedes mundane Seiende kann auch nicht sein, ohne daß das Sein des Bewußtsein von diesem Nicht-sein betroffen wäre 5 3 . 2.3.3.2 Für das Anliegen dieser Arbeit wichtiger sind die Ausführungen

52 (§ 46) S. 85ff: (S. 86) Husserl legt im folgenden Wert darauf, daß die Notwendigkeit keine Notwendigkeit des empirischen Faktums eines Aktes ist, sondern eine Wesensnotwendigkeit des Aktes überhaupt, bzw. des Ego überhaupt, so daß sich keine Kollision mit der Feststellung ergibt, daß das Faktische immer zufällig ist; es zeigt sich auch hier, daß Husserl ganz selbstverständlich die reflexiv zunächst erfaßten Erlebnisse des individuellen Ich als Exemplare des Eidos Ego behandelt, die in diesem (und nicht umgekehrt) ihre Bedingung der Möglichkeit haben; vgl. bes. CM (§ 34) S. 74 (105f): zum Verhältnis von Möglichkeit und Wirklichkeit! 53 Es ist insgesamt wichtig, daß man nicht der Versuchung nachgibt, dieses

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Husserls zur „Unselbstständigkeit" des welthaften Seienden; Husserl bestimmt hier auf der Grundlage des bisher Dargestellten „Welt" als Korrelat des Bewußtseinslebens; ich stelle im folgenden zunächst lediglich die These dar: „Man darf sich also durch die Rede von der Transzendenz des Dinges gegenüber dem Bewußtsein oder von seinem „An-sich-sein" nicht täuschen lassen. Der echte Begriff der Transzendenz des Dinglichen, der das Maß aller vernünftigen Aussagen über Transzendenz ist, ist doch selbst nirgendwoher zu schöpfen, es sei denn aus dem eigenen Wesensgehalte der Wahrnehmung, bzw. der bestimmt gearteten Zusammenhänge, die wir ausweisende Erfahrung nennen. Die Idee der Transzendenz ist das Korrelat der reinen Idee dieser ausweisenden Erfahrung." (Ideen I (§ 47) S. 89) Husserl wendet sich gegen die Behauptung, das Erscheinen des Seienden vor einem es Wahrnehmenden sei zu verankern in einer „Transzendenz" im Sinne einer diesem Erscheinen vorausgehenden „Subsistenz" eines „Ding an sich", oder einer „Welt an sich". Husserl behauptet nicht, daß die „Welt" oder das „Ding" nicht „sei" in dem Sinne, daß es sich um eine Art Täuschung des Subjektes handle - diese Behauptung würde ja die Möglichkeit einer Transzendenz noch offenhalten. Husserl weist vielmehr darauf hin, daß jede Rede über die Transzendenz des „Dinges" sich in der Wahrnehmung selbst ausweisen muß, in der das Seiende erscheint, diese also nie überspringen kann. Auch das „transzendente" Seiende ist wesentlich wirkliches oder mögliches Korrelat eines intentionalen Bewußtseinslebens. Jedes Seiende ist ein in der Erfahrung von ihm und im Verlauf dieser Erfahrung Erscheinendes (Ideen I (§ 47) S. 87ff). Dabei mag es sein, so fährt Husserl fort, daß es aktuell nicht Wahrgenommenes und in diesem Sinne wahrnehmungs- bzw. bewußtseinsunabhängiges Seiendes „gibt"; allerdings in dem Sinne, daß dieses „Seiende" eine präsumptive Möglichkeit der Wahrnehmung in den Horizonten der gegenwärtigen, aktuellen Wahrnehmung ist (ebd.; vgl. auch (§ 44) S. 80ff). Die Rede vom „Ding an sich" oder von der „Transzendenz" ist entweder der (in jeder aktuellen Erfahrung vollzogene) Ausgriff in die Horizonte der gegenwärtigen, aktuellen Erfahrung und des in ihm Gegebenen, und damit der Ausgriff auf

Verhältnis derontologischen Unabhängigkeit des „Bewußtseinslebens" in ein Verhältnis der ontischen Selbstständigkeit gegen eine „Welt" zu transponieren: es geht lediglich darum, daß die Feststellung der Existenz des Bewußtseins keiner mundanen Prämisse entspringt, also von demjenigen, was sich im Vollzug der Reflexion als anderes seiner selbst erweist, sein Sein nicht empfängt, während in jeder Evidenz mundaner Wirklichkeit das Bewußtseinsleben, dem sie erscheint, als anderes dieser Wirklichkeit mitgesetzt ist.

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mögliches Erfahrbares, oder aber sinnlos, das heißt: eine Verwendung von Begriffen, die nicht in originär erfüllende Anschauung überführt werden kann 54 . Der Begriff eines „Ding an sich", der nicht in seinem Recht durch eine Anschauung ausweisbar ist, ist nach dem „Prinzip aller Prinzipien" leer. Es gilt also: „Andererseits ist die ganze räumlich-zeitliche Welt, der sich Mensch und menschliches Ich als untergeordnete Einzelrealitäten zurechnen, ihrem Sinne nach bloßes intentionales Sein, also ein solches, das den bloßen sekundären, relativen Sinn eines Seins für ein Bewußtsein hat. Es ist ein Sein, das das Bewußtsein in seinen Erfahrungen setzt, das prinzipiell nur als Identisches von einstimmig motivierten Erfahrungsmannigfaltigkeiten anschaubar und bestimmbar - darüber hinaus aber ein Nichts ist." (Ideen I (§ 49) S. 93)

Das Argument ist dabei genau dies, daß die Feststellung der Existenz einer Welt oder von bestimmtem Seienden nichts anderes ist als der präsumptive Ausgriff in eine Bewährung dieser Behauptung in einer das Behauptete einstimmig ausweisenden Reihe intentionaler Akte, daß jede Behauptung der „Existenz" einer Welt also auf die Erfahrung von derselben als Bewährungsgrund der Behauptung verweist, auf den Ort also, in dem „Welt" als aktuell und potentiell Gegebene ist; daß eine solche Behauptung aber gar nichts sagt, wenn sie dem „Prinzip der Prinzipien" sich entgegensetzt: daß jede Behauptung ihren Rechtsgrund in der Ichhaftigkeit der Intentionalität, dem Anschauungserlebnis, hat. Ich werde mich mit dem Argument unten noch eingehender befassen. 2.3.4 Die Analyse des Bewußtseinserlebnisses am Beispiel des Wahrnehmungserlebnisses führt also zu einem doppelten Ergebnis: zur absoluten Evidenz55 des intentionalen Bewußtseins im Sinne der vollständigen Unabhängigkeit seiner „Existenz" von einer faktisch gegebenen Welt, sowie zur Kontingenz (wesensmöglichen Nichtexistenz) von Welt, und zweitens zu der Behauptung, daß „Welt" wesensnotwendig Korrelat eines 54 Vgl. dazu die Auseinandersetzung mit einer Position, die das im Vollzug der Wahrnehmung Erscheinende in dem Sinne als „Zeichen" des Gegenstandes versteht, daß sie diesen als prinzipiell nicht gesehenes „Transzendentes" von seiner Erscheinung unterscheidet: Husserl weist darauf hin, daß im Anschauungserlebnis selbst eine derartige Behauptung nicht verifizierbar sei: „In den unmittelbar anschauenden Akten schauen wir ein „Selbst" an; es bauen sich auf ihren Auffassungen nicht Auffassungen höherer Stufe [sie], es ist also nichts bewußt, wofür das Angeschaute als „Zeichen" oder „Bild" fungieren könnte." Ideen IS. 79, vgl. den Kontext § 43. 55 Zum Begriff der Evidenz vgl. CM (§ 6) S. 16-18 (55-57); „apodiktische" Evidenz ist eine solche, die durch die absolute Zweifellosigkeit der Geltung der in ihr aufgestellten Behauptung gekennzeichnet ist; die Unrichtigkeit ist logisch ausgeschlossen. Von solcher Evidenz ist die Existenz des Ego (Ideen I (§ 46) S. 85-87).

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Bewußtseins, Erscheinendes „für" ein Bewußtseinsleben ist: es gibt kein Seiendes, das nicht „Seiendes für ein Bewußtsein" ist. 2.4 Ich habe versucht, den Zusammenhang des Ansatzes der „Ideen I" mit dem der LU herauszuarbeiten. Es ergab sich, daß der Einsatz der LU die reflexive und deskriptive Analyse des intentionalen Erlebnisses festgehalten wird, nun aber mit dem Ziel, eine Analyse des Bewußtseinslebens selbst durchzuführen. Die Ausweisungen des hier referierten Kapitels hatten als Vorbetrachtungen die Aufgabe, die explizite Durchführung der phänomenologischen Epoche zu motivieren. Durch diese Epoche kommt das Bewußtseinsleben am Grunde jeder ihm erscheinenden „Geltung", jeder Seinsstellungnahme, und jeder Theorie in den Blick, das sich im Vollzug der Epoche als von dieser nicht betroffenes Fundament derselben erweist. Das Ziel der Phänomenologie ist die reflexive Erfassung und Auslegung des Bewußtseinslebens, und zwar nicht nur des faktischen, limitierten Bewußtseins und seiner korrelativen faktischen Umwelten und Welten, sondern der in dessen Horizonten vorgezeichneten Möglichkeitsabwandlungen der Intentionalität und deren Wesensgesetzlichkeiten und, korrelativ: der Wesensgesetzlichkeiten möglicher Bewußtseinsgegenstände, eine eidetische oder apriorische Ontologie 56 . Die in den LU entworfene eidetische Analyse des Bewußtseinsgegenstandes überhaupt ist also durchaus ein Element der von Husserl in den „Ideen" projektierten deskriptiven 56 Das Programm ist hier nur skizziert; vgl. allgemein: zunächst CM (§ 31) S. 3133 (68-70): die knappste Zusammenfassung des Programms; dann: ebd. (§ 12) S. 28-30 (66f); (§ 15) S. 38f (74f); zur „Ontotogie" (im Sinne der Explikation des noematischen Eidos): ebd. (§ 20 -22) S. 48-57 (83-91); (§ 29) S. 64-66 (97ff); zur Egologie spez. (§ 33-37) S. 69-79 (102-111); vgl. dazu die jeweils entsprechenden Abschnitte bei A.Diemer, Husserl S. 73ff, der sich in diesem zweiten Teil seiner Arbeit die Aufgabe stellt, die Explikation der konstitutiven Phänomenologie bei Husserl zu rekonstruieren. Es ist entscheidend zu sehen, daß die „Ontologie" sich als „apriorische" Ontologie auf dem Fundament einer Auslegung des Ego vollzieht, und daß die Lehre vom reinen Ego eben nicht nur den Abschluß einer Regionalontologie, sondern - da das Bewußtseinsleben das Fundament jeder Ontologie ist - den Abschluß einer Gesamtontologie bildet. In dieser „Egologie" findet auch der Einsatz mit dem konkreten, je-ichhaften Ego seine Fundierung (so, wie jedes Faktische seine Fundierung im Eidos findet) CM (§ 33f) S. 69-75 (102-106), vgl. zum Einsatz mit demje-meinigen Ego: CM (§ 13) S. 31f(69f). Zu den Spezialproblemen der Intersubjektivität und der damit zusammenhängenden Begründung der objektiven (= für alle gültigen (CM (§ 43) S. 94f (123f)) Welt vgl. die 5. Meditation (§§ 42ff); dazu A.Diemer, Husserl S. 269ff; L.Landgrebe, Bewußtseinsanalyse S. 168ff, der der Meinung ist, daß das „konstituierende Bewußtsein" nicht ein solipsistisches Ego, sondern ein intersubjektives Ego ist; vgl. aber M.Theunissen, Der Andere, der die Unfähigkeit zur Begründung einer Ursprünglichkeit der Intersubjektivität (das alter Ego ist immer Konstitut eines Ego) als den entscheidenden Kritikpunkt des transzendentalen Ansatzes zu entfalten sucht: ebd. S. 79-155, spez. 136ff.

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Universalwissenschaft; diese Wissenschaft kann als Universalisierung des Ansatzes der LU bei der Deskription des „logischen Erlebnisses" als einzigem Ausweis und Zugang zu dem in ihm Gegebenen, und als dessen einzig möglicher Ausweis, betrachtet werden. Will man das Verhältnis der „Ideen" zu den LU auf einen Begriff bringen, so geht es um die Einsicht, daß der Bewußtseinsakt kein rein subjektives Faktum ist, durch den das eigentlich Wahre, der Bereich der gegenständlichen siSr), zugänglich wird und vor dem er sich zeigt, sondern daß es weder Eidos noch eine faktische Welt ohne dies Bewußtseinsleben gibt. Die Struktur der Intentionalität, die es erforderlich macht, zum Zweck der Deskription von „Welt" auf deren Gegebenheit in einer Anschauung zu rekurrieren, wird als wesentlich, als universal gültig und vor allem als unhintergehbar erkannt: alles, worauf man die Intentionalität hintergehen wollte, ist selbst ein nur in ihr Gegebenes - oder aber Nichts; als unhintergehbar erkannt wird damit aber der intentionale Akt im Horizont eines Bewußtseinslebens, das als Bewußtsein wirklicher und möglicher Welten in den geradehin erfahrenen Gegenständen und Welten immer schon vorausgesetzt, in der natürlichen Einstellung aber vergessen ist; dieses kann aber in der transzendentalen Epoch6 am Grunde dieser geradehin erfahrenen Welt entdeckt und in der Phänomenologie als Konstitutionsgrund von Welt ausgelegt werden (bes. CM (§ 13) S. 30-33 (67-70) etc.). Auch dieses Bewußtsein, die Einheit des Horizontes des aktuellen Erlebnisses, ist nicht ein vor jedem Akt Gegebenes, sondern das in diesem Akt (und nur dort), aber eben als Bedingung der Möglichkeit, als Apriori des Aktes, Erscheinende. Die Phänomenologie ist so der reflexive Rekurs auf das in jeder gegenständlichen Geltung vorausgesetzte Bewußtseinsleben, die Auslegung desselben als Konstituent von Welt, bzw. der Welt als Korrelat des Bewußtseinslebens, wobei das Interesse selbstverständlich auf die Wesensgesetzlichkeiten, und nicht auf das in diesen begründete faktische Bewußtseinsleben geht 57 . In diesem Sinne kann die Philosophie Husserls als eine „Transzendentalphilosophie" bezeichnet werden - mit der Einschränkung allerdings, daß hier kein Rekurs auf ein „isoliertes" Bewußtsein vorliegt, sondern ein vom konkreten Bewußtseinserlebnis ausgehender, das Bewußtseinsleben als dessen Hintergrund auslegender, nicht aber von einem Ego aus deduzierender Ansatz, den man am besten als Transzendentalphilosophie „von unten" bezeichnen könnte: das „Ego" oder das Bewußtsein ist nicht der subsisten-

57 CM (§ 34) S. 73£f (105ff); vgl. (§ 13) S. 30ff, bes. 31f.

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te Ausgangspunkt der Rekonstruktion einer „Welt", sondern der Horizont des konkreten Erlebnisses 58 . Man bezeichnet diesen Transzendentalismus am besten als „phänomenologischen Transzendentalismus", und entsprechend den „transzendentalen Idealismus" Husserls als „phänomenologischen Idealismus", und meint damit dies, daß das Bewußtseinsleben, das transzendentale Ego wie die in ihm gegebene Welt als im intentionalen Erlebnis (und nur dort) Gegebenes zur Auslegung kommen. Das „eigentlich Transzendentale" ist also nicht das Subjekt, sondern die Intentionalität, in der Subjekt und Welt gegeben sind. 3. Die prinzipielle Selbstständigkeit des Bewußtseins gegenüber dem in ihm begründeten welthaften Seienden weist dieses als (im Sinne einer Substanzontologie) einzige Substanz aus, während die wesentliche Unselbstständigkeit der Welt diese (unter der genannten Kautele) als „etwas an einer Substanz", als Akzidens oder Attribut, kennzeichnet 59 . Dieser Position, die Husserl selbst als „transzendentalen Idealismus" bezeichnet, ist nun näher nachzugehen mit dem Ziel, möglichst scharf deren Sinn und vor allem die Begründung herauszuarbeiten; der Ausgangspunkt sind dabei nicht die ebenso mißverständlichen wie spektakulären Formulierungen Husserls, die besagen, daß das Bewußtseinsleben Welt „setze" oder „konstituiere"60 , sondern diese Formulierungen sind auf die Wurzel der Position

58 Vgl. dazu Th.Seebohm, Bedingungen S. 68, auch 45f und 43-57, sowie I.Kern, Husserl S. 161; vgl. zur Berechtigung der Kennzeichnung der Husserlschen Phänomenologie als Transzendentalphilosophie: L.Landgrebe, Philosophie: Landgrebe bejaht die Frage, will den Begriff aber nicht im Sinne der neuzeitlichen Tradition einer Begründung im Subjekt verstanden wissen, sondern modifiziert durch die s.M.n. durch Husserls Bestimmung der Subjektivität als Intentionalität vollzogenen Bruch mit der neuzeitlichen Unterscheidung von Subjekt und Objekt: der Begriff einer Transzendentalphilosophie gewinnt so wieder den Sinn des griechischen „Logos", der Subjekt wie Objekt bestimmenden „Weltvernunft" (vgl. ebd. S. 320ff). Die Bestimmung ist insgesamt mit der Schwierigkeit belastet, daß die Kennzeichnung der Husserlschen Phänomenologie als „Begründung im Subjekt" den „Subjekt"-Begriff unbestimmt läßt: es handelt sich bei Husserl sicher nicht um einen Rekurs auf eine (empirische) Subjektivität im Unterschied zu den ihr zugänglichen „Objekten". Allerdings gewinnt Husserl, auch wenn die traditionelle Unterscheidung, soweit sie „Subjekt" wie „Objekt" als mundane Entitäten versteht, aufgehoben wird, im Verlauf der Deskription der Intentionalität diese Unterscheidung als die ursprünglichste immanente Unterscheidung des intentionalen Aktes wieder (Ideen I (§ 42) S. 76 u.ö., vgl. oben S. 365f), so daß es im Blick auf die so gewonnene Unterscheidung sachgemäß bleibt, von einer transzendentalen Begründung zu sprechen. 59 Husserl fordert diese Konnotationen geradezu heraus: z. B. durch die Anspielungen auf Descartes: Ideen I (§ 49) S. 92; vgl. auch (§ 50) S. 93f den Verweis auf die Unselbstständigkeit des mundanen Seienden. 60 Z.B. Ideen I (§ 49f) S. 94f; CM (§ 41) S. 85ff (116ff) u.v.ö.; diese Begriffe sind

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zurückzuverfolgen, von der her auch sie ihre Bedeutung erhalten: die phänomenologische „Einstellung": Ich gehe so vor, daß ich zunächst die Frage nach der „Transzendenz" und Husserls Antwort umreisse (3.1), dann durch eine Auslegung der Antwort die Position Husserls auf ihre Wurzel reduziere (3.2) und drittens (3.3) deren argumentativen Vorsprung vor jeder Substanzontologie skizziere. 3.1 Daß sich die Frage nach einer Transzendenz des im Bewußtseinsvollzug als cogitatum erscheinenden mundanen Seienden nahelegt, hat Husserl selbst gesehen (CM (§ 40/41), S. 85 u.ff (116 u.ff)). Die Feststellung nämlich, daß alles Seiende ein mögliches Bewußtseinskorrelat und so Seiendes „für" ein Subjekt ist, ist nicht weiter aufregend, weil völlig unbestreitbar: jedes Seiende kann in der einen oder anderen Weise für ein Subjekt erscheinen, und ist in diesem Sinne „Seiendes für" ein Bewußtsein. Das „Aufregende" ist die These Husserls, daß dieses erscheinende Seiende darüber hinaus „nichts" sei, sondern, was es ist, nur als Bewußtseinskorrelat ist; sie besagt genaugenommen, daß „Sein" - jedenfalls im Falle des mundanen Seienden - nichts weiter als „Erscheinen für" heißt. Die Behauptung provoziert nun die Frage nach der „Selbstständigkeit" des erfahrenen Seienden, und zwar in Gestalt der Frage nach der „objektiven Gültigkeit" unserer Erkenntnisse: entspricht unseren Erkenntnissen ein „Gegenstand" (CM (§ 40) S. 85 (116))? Husserl bezeichnet schon die Problemstellung als „widersinnig": das Problem stelle sich überhaupt nur aufgrund einer unzulässigen Vermivon jeher eine crux interpretum, da sie eine Mißdeutung im Sinne eines ontischen Verhältnisses geradezu provozieren, das aber weder gemeint ist, noch gemeint sein kann; selbst wenn man sich darin - vermutlich relativ rasch - einig ist, bleiben die Schwierigkeiten: W.Biemel, Phasen S. 200, geht sicher nicht weit genug, wenn er „Konstitution" mit „Restitution" dessen, „was schon da ist", wiedergeben will; falls dies so gemeint sein sollte, daß von einem Vorhandensein von Gegenständen ausgegangen wird, die das Subjekt (zweitens) für sich sein läßt, dann ist dies sicher falsch, und auch durch das von Biemel gebotene Zitat eines Briefes Husserls nicht abgedeckt (ebd.); E.Fink, Philosophie, der sich im wesentlichen die Explikation der Begriffe „Reduktion" und „Konstitution" zur Aufgabe stellt (S. 344; Konstitution S. 369ff), weicht genau an der Stelle aus, wo es zu bestimmen gilt, was nun eigentlich „Konstitution" genau bedeutet: „Daß „Konstituieren" weder ein rezeptives noch produktives, sondern ein mit ontischen Begriffen nicht erreichbares, nur aus dem Vollzug konstitutiver Untersuchungen anzeigbares Verhältnis bedeutet, können wir hier nicht verdeutlichen." (S. 373); er weist allerdings in die richtige Richtung: der Begriff „Konstitution" hat seinen Sinn nur aus dem Vollzug der phänomenologischen Untersuchungen (vgl. auch Kontext des Zitates); ähnlich Th.Seebohm, Bedingungen S. 161ff. Vgl. auch unten Anm. 69. Ich werde im folgenden den Rekurs auf den Begriff zugunsten der Erfassung des mit ihm gemeinten Verhältnisses innerhalb der Intentionalität vermeiden.

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schung von „natürlicher" und „phänomenologischer" Einstellung und löse sich auf, sobald man des Umstandes ansichtig werde, daß beide „Einstellungen" nicht etwa additiv kompatibel, sondern Antithesen seien (ebd. (§41) S. 85f(116f)). Gerafft sieht die Argumentation so aus, daß Husserl zeigt, daß die Frage jeweils für die konsequent eingenommene natürliche bzw. transzendentale „Einstellung" obsolet ist: im Rahmen der natürlichen Einstellung, die von der Existenz der geradehin gegebenen Welt und des Ich in ihr ausgeht, ist das Problem bedeutungslos, weil die in ihm gestellte Frage mit dieser Voraussetzung schon beantwortet ist: es ist mit dieser Voraussetzung schon anerkannt, daß das Bewußtsein „Wirklichkeit" erkennt, denn andernfalls wäre die Voraussetzung („Es gibt Seiendes ...") nicht möglich, aufgrund derer sich die Frage („ ... aber erkennen wir es auch?") erst stellt; Husserl geht hier davon aus, daß diese Voraussetzung fundiert ist im Erscheinen dieser Wirklichkeit vor einem seinerseits als Voraussetzung „vergessenen" Bewußtsein (ebd.) 61 . Für die streng phänomenologische Einstellung ist die Frage ebenfalls bedeutungslos, da hier das Bewußtsein als Fundament jeder Geltung, und damit auch der möglichen Transzendenz, gefaßt ist, so daß ein „an sich", das nicht mögliches Korrelat aktueller cogitationes sein kann, nicht ausweisbar und damit ein leerer Begriff ist (ebd.). Husserl ist der Meinung, daß sich das ganze Problem nur stellt, wenn die transzendental-phänomenologische Einstellung der reflexiven Deskription von Bewußtseinserlebnissen und deren Korrelaten, bzw. der Reduktion der geradehin gegebenen Welt auf das Korrelat eines Bewußtseins, mit der natürlichen Einstellung unzulässig verbunden wird. Die reflexive Einstellung, der Rückgang vom geradehin Gegebenen auf das Bewußtsein, dem es gegeben ist, wird so noch einmal hintergangen auf eine absolute Voraussetzung, die als „An-sich" das Bewußtsein und seine Welt als Teilmengen umfaßt. Denn nur dann, wenn eine „Wirklichkeit an sich" wenigstens als Möglichkeit vorausgesetzt wird, deren Erscheinung der Bewußtseinsgegenstand ist, kann danach gefragt werden ob der Bewußtseinsinhalt diese „Wirklichkeit" auch trifft.

61 So ist das Argument zu verstehen, daß der natürliche Mensch bereits die Raumwelt im voraus apperzipiert habe; der natürliche Mensch freilich, der ja nicht davon ausgeht, daß er bereits eine Seinsfeststellung vollzogen hat, sondern davon, daß da etwas ist, wovon unsicher ist, ob er es richtig erfaßt, wird dem Argument schwer zugänglich sein; es sticht nur, wenn man bereits die transzendentale Einstellung vollzogen hat. Auch hier ist wieder ein Problem angesprochen, dem ich hier nicht nachgehen kann: der Begründung der transzendentalen Reduktion; vgl Anm. 36.

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Man kann daher das Problem auch so fassen, daß sich die Frage stellt, ob die reflexive, phänomenologische Einstellung und die ihr entspringende Ontologie, der gemäß das Seiende „Seiendes für ein Bewußtsein" ist, hintergehbar ist auf eine Ontologie des „an sich". Es stellt sich genauer die Frage, ob der Einsatz der Phänomenologie bei der Intentionalität, dem „ichhaften" Vollzug von Bewußtseinsakten und der reflexiven Beschreibung derselben und ihres Korrelates, begründbar ist auf die Voraussetzung zweier „Seiender" - Subjekt und Objekt - deren ontologisch sekundäres Verhältnis die Intentionalität ist. Mit Blick darauf ist nun noch einmal der Sinn des Husserlschen „transzendentalen Idealismus" zu skizzieren: 3.2 Die Position Husserls hat nichts zu tun mit einer doch recht anspruchslosen metaphysischen Behauptung eines empirischen Subjektivismus, dem gemäß es außerhalb des Subjektes keine „Wirklichkeit" gibt. Es handelt sich insgesamt nicht um eine metaphysische These, die sich auf die „Existenz" oder „Nichtexistenz" der „Welt" bezöge und die Existenz eines Subjektes voraussetzte, das diese Welt entweder erfährt, oder sich einbildet. Es geht vielmehr um die Implikationen einer konsequenten Reflexion, in deren Verlauf die Thesen des natürlichen Bewußtseins nicht negiert oder bestritten, sondern in ihrem eigentlichen Sinn aufgeklärt, das heißt: auf das Bewußtseinsleben als ihre Voraussetzung hintergangen und so integriert werden. Der Ausgangspunkt Husserls sind die Thesen des „natürlichen Bewußtseins", die Überzeugung von der „Subsistenz" der Welt und in ihr des Bewußtseins als empirisches Faktum 62 . Der in der transzendentalen Reduktion vollzogene Rekurs auf das Bewußtseinsleben ist nichts weiter als die Reflexion auf die im Vollzug der Intentionalität immer vergessenen Voraussetzung der geradehin als seiend geltenden Welt: das Bewußtseinsleben als ich-hafter Vollzug, dem diese „Welt" erscheint. Der „Realismus" des natürlichen Bewußtseins wird so integriert als die Position, deren Grundvoraussetzung die Selbstvergessenheit der Subjektivität ist: „Ich als natürlich eingestelltes Ich bin auch und immer transzendentales Ich, aber ich weiß darum erst durch Vollzug der phänomenologischen Reduktion. Durch diese neue Einstellung sehe ich erst, daß das Weltall, und so überhaupt alles natürlich Seiende, für mich nur ist als mir mit seinem jeweiligen Sinne geltendes, als cogitatum meiner wechselnden und im Wechsel miteinander verbundenen cogitationes, und nur als das halte ich es in Geltung."63 62 Ideen I (§ 27-30) S. 48-53; vgl. CM (§ 7) S. 18ff (57ff). 63 CM (§ 15) S. 39 (75); die Epoche ist, wie schon oben bemerkt, nichts anderes als der Vollzug, durch den das Bewußtsein am Grunde jeder gegenständlichen Geltung zur Erscheinung kommt. Das Bewußtsein ist als vorthematisch leistendes schon immer „tätig", kommt als solches aber erst in der transzendentalen Reduktion zu sich selbst, und zwar dadurch, daß ihm der Gegenstand, mit dem es sonst befaßt ist, und in dem es

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Die These Husserls erhebt also nicht den Anspruch, den „Realismus" des natürlichen Bewußtseins zu bestreiten, sondern über sich selbst aufzuklären, nämlich darüber, daß auch seine Behauptungen dem Vollzug der Intentionalität entspringen, und, sollten sie etwas meinen wollen, in intentionalen Vollzügen ausweisbar sein müssen 64 . Daß jedes Seiende „Seiendes für" ein Bewußtsein ist, leugnet nicht die „Realität" jeder Realität, sondern klärt den Sinn jeder Behauptung über diese Realität auf: die These, daß etwas sei, und daß es in bestimmter Weise sei, setzt einen Bewußtseinsvollzug voraus, vor dem sich das jeweils Behauptete in evident erfüllenden Anschauungen zeigt oder zeigen kann; daß das natürlich eingestellte Bewußtsein sich dieser Voraussetzung des Sehens in jedem Gesehenen, des Hörens in jedem Gehörten, des Wissens in jedem Gewußten, nicht bewußt ist, liegt eben darin begründet, daß das intentionale Bewußtsein intentional ist: es bleibt darum primär und in erster Linie als Vollzug vorthematisch, weil es allein an dem in diesem Vollzug erscheinenden Seienden interessiert ist 65 . Die Phänomenologie bricht mit dieser Naivität und deren Thesen genau durch die transzendentale Reduktion, in deren Vollzug eben die immer verschwiegene und vergessene Voraussetzung der intentionalen Subjektivität als Fundament jeder Geltung zum Vorschein kommt. Die transzendentale Phänomenologie nimmt der Realität nicht ihre Realität, sondern sie bricht mit der Naivität des natürlichen Bewußtseins, indem sie es auf seine vorthematischen Fundamente, die Intentionalität, anspricht: das Bewußtsein wird seiner selbst bzw. seiner Vollzüge als Voraussetzung der ihm geltenden Welt ansichtig. 3.3 Die Grundbehauptung Husserls ist die, daß diese transzendentale Einstellung ursprünglich ist in dem Sinne, daß sie einen Anfang darstellt, der weder mit der natürlichen Einstellung und ihren Thesen vermittelbar, noch auf Voraussetzungen, die der natürlichen Einstellung entspringen,

aufgeht, genommen wird; so formuliert Husserl schon in den LU (II/l S. 9 „Anstatt im Vollzuge der ... Akte aufzugehen und somit die in ihrem Sinn gemeinten Gegenstände sozusagen naiv als seiend zu setzen... sollen wir vielmehr „reflektieren", d. h. diese Akte selbst... [Zusatz der 2. Aufl., N.S1.]... zu Gegenständen machen." Es ist die Selbstverständlichkeit des Vollzuges von Akten am Grunde jeder Geltung, diesich im Vollzug der phänomenologischen Reduktion als universal erweist. 64 Vgl. bes. das oben (Anm. 54) schon erwähnte Argument Ideen I (§ 43) S. 79; genau dies meint übrigens auch die häufige Bemerkung Husserls, gegenständliches Seiendes sei nichts anderes als im Verlauf von cogitationes erscheinender „Sinn": etwa Ideen I (§ 55) S. 106; vgl. CM (§ 23) S. 57 (91f); ebd. (§ 41) S. 86) S. 117 (lies „Transzendenz in jeder Form ist ein innerhalb des Ego sich konstituierender Seinssinn" statt „Seinscharakter", wie Hua IS. 117, Z. 5; vgl. oben Anm. 2. 65 LU n/1 S. 9f; Ideen I (§ 30) S. 52f; CM (§ 15) S. 39 (75).

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hintergehbar ist, und zwar genau darum, weil der je-eigene Vollzug der Anschauung das Geltungsfundament und der Ausweisgrund für jeden Geltungsanspruch ist, den eine Theorie erheben müßte, die beanspruchte, die transzendentale Subjektivität auf ein anderes ihrer selbst zu hintergehen 66 : Der Versuch, die Intentionalität noch einmal auf der Grundlage eines „in der Welt (neben seinen Gegenständen) vorhandenen" empirischen Subjektes zu begründen, setzt mit diesem empirischen Bewußtsein etwas voraus, was sich im Vollzug der Intentionalität erst zeigen kann, und verfällt so in den Widersinn, entweder von etwas zu sprechen, was vor der Anschauung in seinem Recht nicht ausweisbar ist, oder aber den intentionalen Akt als Voraussetzung zu verschweigen oder zu vergessen. Die Thesis eines „empirischen" Ich ist hintergehbar auf den intentionalen Vollzug, in dessen Verlauf es erscheint. Ebenso vergißt die Behauptung, „Seiendes" vom Charakter „Nicht-ich" sei ein „Absolutes", sei die Voraussetzung jedes auf dasselbe bezüglichen intentionalen Aktes, daß jede Möglichkeit, über dergestalt Seiendes überhaupt zu sprechen, sich dem Vollzug der Intentionalität verdankt; auch diese Behauptung nimmt zur angeblichen Grundlage der Intentionalität das, was deren Vollzug erst entspringt; die Behauptung einer ursprünglichen und bewußtseinsunabhängigen Subsistenz des Gegenstandes des Bewußtseins ist daher ebenfalls hintergehbar auf den intentionalen Vollzug, vor dem dies Seiende erscheint. Der Ansatz eines „Nicht ich" also (im weitesten Sinne: sei es der „Welt an sich", sei es Gottes, sei es des „Subjektes", sei es des „alter Ego") als Fundament des ich-haften Vollzuges ist eine unausgewiesene Voraussetzung, die der Voraussetzungsfreiheit echter Wissenschaft widerspricht, und die zur Ausweisung nur kommen kann vor dem zweifelsfreien Grund jeglicher Geltung: in den Vollzügen der Intentionalität 67 . 66 Man muß hier beachten, daß der Rückgang vom faktischen Ego zum Eidos Ego, den etwa die §§ 34 und 36 der CM (S. 70-75.75-77 (103-106. 107f)) vollzieht, die Intentionalität nicht auf ein anderes ihrer selbst, sondern auf die in ihr selbst gegebenen Horizonte begründend hintergeht (S. 74 ebd.) 67 Vgl. CM (§ 15) S. 37 und f (74); ich glaube nicht, daß R.Boehm, Begriff, spez. S. 238ff, mit seiner Interpretation der „Ideen I" recht hat, die besagt, daß bei Husserl das „Bewußtsein" als gegenüber der „Welt" Absolutes noch einmal in einem anderen seiner selbst, dem im eigentlichen Sinne Absoluten, begründet werden soll. Die Belege S. 240 sind sehr gequält ausgelegt, und sein Hauptbeleg - Husserls Verweis darauf, daß das transzendentale Absolute, das die Reduktion ergebe, in Wahrheit nicht das letzte sei, sondern seinerseits sich selbst [!] in einem gewissen tiefliegenden und völlig eigenartigen Sinn konstituiert und seine Urquelle in einem letzten und wahrhaft Absoluten hat." (Ideen I (§ 81) S. 163, zitiert bei Boehm S. 239 nach Hua III) - ist nach

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Die transzendentale Reduktion folgt lediglich dem Verweis jedes „Nichtich" auf einen ichhaften Vollzug, dem sich die Behauptung verdankt und in dem sie bzw. ihr Vermeintes zur Ausweisung kommt; sie führt auf die Intentionalität, die auf anderes ihrer selbst nicht hintergehbar ist, und zwar darum, weil alles, woraufhin die Intentionalität als in ihre Voraussetzung hintergangen werden soll, etwas ist, was ihrem Vollzug erst entspringt bzw. im Vollzug derselben ausweisbar sein muß: „Transzendenz in jeder Form ist ein innerhalb des Ego sich konstituierender Seinssinn. Jeder erdenkliche Sinn, jedes erdenkliche Sein, ob es immanent oder transzendent heißt, fällt in den Bereich der transzendentalen Subjektivität als der Sinn und Sein konstituierenden. Das Universum wahren Seins fassen zu wollen als etwas, das außerhalb des Universums möglichen Bewußtseins, möglicher Erkenntnis, möglicher Evidenz steht, beides [sc. Bewußtsein und Sein, N.S1.] bloß äußerlich durch ein starres Gesetz aufeinander bezogen, ist unsinnig. Wesensmäßig gehört beides zusammen, und wesensmäßig Zusammengehöriges ist auch konkret eins, eins in der einzigen absoluten Konkretion der transzendentalen Subjektivität. Ist sie das Universum möglichen Sinnes, so ist ein Außerhalb dann eben Unsinn."68 Der entscheidende Punkt auch für das Verständnis der Beschreibung des Verhältnisses von „Bewußtsein" und „Sinn" oder „Sein" der Welt als dem folgenden (Ideen I S . 163-167) ganz eindeutig nicht als Verweis auf den offengehaltenen Gottesbegriff zu verstehen, sondern auf den zeitlichen, offen-unendlichen Horizont des Bewußtseinserlebnisses, in dem sich dieses selbst konstituiert: „Aus unseren Betrachtungen können wir auch den eidetisch gültigen und evidenten Satz ziehen, daß kein konkretes Erlebnis als ein im vollen Sinne Selbstständiges gelten kann. Jedes ist „ergänzungsbedürftig" hinsichtlich eines, seiner Art und Form nach nicht beliebigen... Zusammenhanges." (Ideen I (§ 83) S. 167). Es ist - zuletzt - d a s Eidos Ego gemeint, in dem das einzelne Ich, das den Ausgangspunkt der transzendentalen Reflexion bildet, seinerseits seine Begründung findet, das aber nicht ein real anderes des Bewußtseins ist, wie Boehm das zu wollen scheint (aaO. S. 239f); es ist vielmehr dessen Horizont in demselben Sinne, wie die nicht gesehenen Seiten eines Würfels mit diesem identisch sind; der Gedanke entspricht also CM (§ 34) S. 70ff (103ff). Das .Absolute", sofern darunter „Gott" verstanden werden soll, verfällt als Nicht-ich der Reduktion, und hier helfen die Konstruktionen Boehms (S. 240) gar nichts, da die Alternative von Residuum der Reduktion, und der Reduktion verfallendem Unselbstständigem, cogito und cogitatum, exklusiv ist; ein tertium, einen Seinsbereich, in dem vielleicht noch etwas wie ein „Absolutes", das weder Ich noch „Welt" ist, offengehalten wird, kann es nicht geben. 68 CM (§ 41) S. 86 (117); daß Husserl bemerkt, daß dasjenige, was wesentlich eins ist, auch konkret eins sei, ist nicht zufällig gesagt: es verweist darauf, daß die konkreten Exemplare Repräsentanten ihres Wesens sind, und nicht die Wesensgesetzlichkeit noch einmal auf einen Bereich der Gegenständlichkeit, von dem nun eine ontische Selbstständigkeit gegen das Subjekt gelten könnte, hintergehbar ist.

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„Setzen" oder „Konstitution"69 besteht darin, daß man die in dem eben zitierten Abschnitt apostrophierte wesensmäßige Verbindung von Bewußtsein und Seiendem beachtet: diese schließt nicht nur eine ursprüngliche Unbezüglichkeit der subsistenten Entitäten „Bewußtsein" und „Sein" aus, sondern auch die Subsistenz einer Entität „Bewußtsein", die sich actu secundo eine Welt als anderes ihrer selbst „setzt". Der Ausgangspunkt der transzendentalen Reflexion ist weder das weltlose Bewußtsein, noch die Welt ohne Bewußtsein, sondern die Bezogenheit beider: die Intentionalität, in deren Vollzug beides - Subjekt wie Bewußtseinsgegenstand - erscheint. Diese Intentionalität ist wiederum kein von außen beschreibbarer Akt einer Entität „Bewußtsein", sondern ein jemeiniger Vollzug, dessen zeitlich erfüllbare Horizonte noetisch das Bewußtsein, noematisch „die Welt" sind70. „Das Bewußtsein" und eine „Welt" sind die Sinn und Sein mitbestimmenden Horizonte, die ihr Fundament im konkreten, gegenwärtigen intentionalen Akt haben, dessen weitere potentielle Horizonte in der oben beschriebenen Weise das Eidos Ego und die „Welt" darstellen, die von ihm aus zur Auslegung gelangen. Die Phänomenologie ist so gesehen die konsequente Einnahme des „Standpunktes" des je ichhaften intentionalen Vollzuges der Subjektivität als des absoluten, weil allein apodiktisch evidenten, nicht mehr hinterfragbaren Fundamentes jeglicher Geltung71. Dieser „Standpunkt" ist auf nichts 69 S.o. Anm. 60; M.E. kommt man hier nur weiter, wenn man sieht, daß in dieser Beschreibung des Verhältnisses von „Bewußtsein" und Bewußtseinsgegenstand" bei Husserl offensichtlich der Gehalt des Begriffes vom Gemeinten her, nicht das Gemeinte vom gewöhnlichen Begriffsinhalt her erschlossen werden muß. Dann aber meint ganz offensichtlich der Begriff nichts anderes als die ontologische Ursprünglichkeit des Bewußtseinslebens vor dem „Gegenstand", dem gemäß ein Gegenstand, der nicht Korrelat eines Bewußtseins ist, nicht denkbar ist; ausgeschlossen sind allerdings damit Interpretationen wie die Biemels (vgl. Anm. 60), die den Begriff offenbar so ermäßigen wollen, daß sie von einer vorgängigen Subsistenz des „Gegenstandes" ausgehen; es muß schließlich schon noch verständlich bleiben, warum Husserl den Begriff als so suggestiv empfunden hat, daß er ausgerechnet ihn, und nicht „Restitution" zur Bezeichnung des Verhältnisses wählte. 70 CM(§ 15)S. 39(75). Vgl.etwaL-Undgrebe, BewußtseinsanalyseS. 177ff,bes. aber ders., Phänomenologie S. 33; der Ansatz der phänomenologischen Beschreibung, der nicht mehr hintergehbar ist, ist die reflexive Erfassung des Vollzuges des „Zur-WeltSein"; ebenso ist die Evidenz des Ego bzw. des Bewußtseinsaktes die Evidenz des eigenen, nicht eines beliebigen Aktes. Die Jemeinigkeit des Vollzuges als Gegenstand der phänomenologischen Reflexion, und damit die „Innenperspektive" des Aktes, wie die „Innenperspektive" auf den Gegenstand des Aktes als Gegenstand „für" den Aktvollzieher, ist das unverzichtbare Fundament der phänomenologischen Position. 71 L.Landgrebe, Phänomenologie S. 33: „Daß nach der phänomenologischen Reduktion das All des Seienden, darin eingeschlossen Ich selbst, der Philosophierende als

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von dem hintergehbar, was der naive Realismus als dessen Voraussetzungen betrachtet: das empirische Subjekt und sein „Subsistieren" in einer gleichfalls selbstverständlich und geradehin subsistierenden „Welt": alle diese Voraussetzungen sind etwas vor diesem Standpunkt Ausweisbares, oder aber Nichts. Dieser „Standpunkt" hat aber von ihm selbst her ihm wesentlich zugehörige Horizonte: das offen unendliche Bewußtseinsleben, dessen Moment er ist, und in dem er als in sich selbst begründet ist, und als Korrelat dieses Bewußtseinslebens eine Welt. Der „transzendentale Idealismus" der Phänomenologie, der Widerspruch gegen den „naiven" Realismus ist überhaupt keine eigene positive These, sondern lediglich die Weigerung, Behauptungen zu übernehmen, die sich im unhintergehbaren Fundament jeder Behauptung nicht ausweisen lassen. Die Thesen und Voraussetzungen des „naiven Realismus" sind hintergehbar auf die Intentionalität, während die Intentionalität auf nichts von dem, dessen Fundament sie ausweisbar ist, hintergangen werden kann - auch nicht auf das empirische, das heißt: das als Innerweltliches apperzipierte Subjekt, wie es Gegenstand der übrigen Wissenschaften ist. Jeder Versuch, ein „Seiendes an sich", das nicht „Seiendes für ein Bewußtsein" ist, als Fundament des Erscheinenden zu „retten", bedeutet das Ende eines phänomenologischen Ansatzes: die Intentionalität und das in ihr erscheinende Phänomen stellt sich unter der Voraussetzung eines solchen „An sich" lediglich als die subjektive und unwesentliche Seite eines „an sich" dar, während Husserl gerade darauf hinweist, daß dieses „An sich" entweder auch hintergehbar auf eine Subjektivität, der es erscheinen kann, ist, oder eben nicht existiert. Zuletzt muß noch einmal hervorgehoben werden, daß auch die „Subjektivität" oder deren Quellgrund, das konkrete Erlebnis, nichts „Subsistentes" ist, sondern seinerseits ein - nun aber sich selbst - Gegebenes: die Absolutheit der Subjektivität ist nicht etwa eine reine Subsistenz, sondern die Unbezweifelbarkeit ihrer Selbstgegebenheit für sich selbst (apodiktische Evidenz); ihr Unterschied zum unselbstständigen mundanen Seienden lag nicht in der Subsistenz, sondern wurde, wie gezeigt, von Husserl als vom Mundanen unterschiedener Modus der Gegebenheit ausgewiesen72 . Auch das „Subjekt" ist also keine reine Subsistenz, sondern eine reine, d. h. nicht bezweifelbare Gegebenheit. Man kann den entscheidenden Differenzpunkt der Husserlschen Phänomenologie gegenüber jedem

dieser Mensch in der Welt ... als von innen her, durch Bewußtseinsleistungen sich Aufbauendes verständlich und zugänglich werden ..." (Kursivierung von mir, N.S1.). 72 S.o. S. 369.

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substantialen Ansatz also nicht nur so beschreiben, daß es - außer dem „reinen" Subjekt - nichts Subsistentes „gibt", sondern man muß ihn als fundamental divergierende Bestimmung von „Sein" fassen: „Sein" heißt gar nicht: Subsistieren, „In-sich-bestehen", Unabhängig-sein, sondern: „Erscheinen", mit dem Sinn: „jemandem-Erscheinen", wobei unter J e mand" nicht „ein jemand", sondern ein ichhafter intentionaler Vollzug zu verstehen ist. Es gibt keine Möglichkeit, von „Sein" zu sprechen oder etwas als Seiendes zu bestimmen, ohne auf diesen Vollzug zu rekurrieren, „vor" dem das jeweils Seiende „erscheint". Das letzte Datum ist nach Husserl die Subjektivität, in deren intentionalen Vollzügen alles, und sie sich selbst, erscheint. 4. Ich fasse zusammen, indem ich noch einmal auf die am Schluß des Aristoteles-Abschnittes entworfene Differenz eingehe: Auch Husserls Phänomenologie ist getrieben von der Frage nach der „Letztbegründung", wobei Husserl sich mit Aristoteles darin einig ist, daß ein objektives, alle Geltung begründende „fundamentum inconcussum" nicht in der Mannigfaltigkeit des zufälligen, erscheinenden Faktischen liegen kann. Während nun Aristoteles nach einem Grund in der „Fluchtlinie" der Intentionalität selbst, in einem anderen des Subjektes, sucht, und diesen Grund zunächst im Selbststand des Seienden, der oúcría, und zuletzt im 0eíov findet, setzt Husserl von Anfang an in den LU bei der Reflexion auf den Vollzug des Anschauungserlebnisses an und bestimmt als Bedingung der Möglichkeit des Faktischen zunächst das reine noematische „Wesen", um dann der wesentlichen Verbindung von noetischem Akt und noematisch Erscheinendem ansichtig zu werden und die Intentionalität selbst, von ihr aus aber das reine Eidos „Ego" als selbst nicht welthaftes Fundament aller Sinn- und Seinsgeltungen zu erfassen - mit der Folge, daß eben das erscheinende Seiende wesentlich Erscheinendes, Korrelat eines Bewußtseins, und ohne dieses nichts ist. Das reine Eidos Ego ist dabei nicht ein anderes des intentionalen Aktes, sondern der Möglichkeitshorizont des faktischen, aber transzendental apperzipierten Subjektes. Indem Aristoteles jedes Seiende auf einen nicht mehr hinterfragbaren Grund in gegenständlicher (noematischer) Richtung zurückführt, repräsentiert und formuliert er die Grundeinschätzung der „natürlichen Einstellung": die Überzeugung, daß das geradehin Erscheinende, und mit ihm das „Subjekt", am Fundament seiner Gegebenheit „für" einen intentionalen Akt einfachhin „ist", die Überzeugung also, daß „Sein" heißt: „Selbststehen", „Nicht-Abhängen", „Gründen". Husserls transzendentale Phänomenologie kehrt diese Grundposition um: „So kehrt sich der gemeine Sinn der Seinsrede um. Das Sein, das für uns das

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Erste ist, ist an sich das Zweite, d. h. es ist, was es ist, nur in „Beziehung" zum Ersten."73 Gemeint ist damit genau jener begründende Rekurs nicht auf einen absoluten Selbststand, der die Erscheinung des Seienden begründet, auch nicht der Rekurs auf ein etwa „vorhandenes" Subjekt, sondern auf die Intentionalität, vor der all' dies erscheint, und die darum das zugunsten des Erscheinenden beständig vergessene Fundament des als Seiendes Apperzipierten darstellt, und die ihrerseits Moment in einem Horizont des Ich ist, indem sie sich (als in sich selbst) begründet. Ein phänomenologischer Ansatz ist der „Substanzontologie" darum überlegen, weil er auf das Fundament von deren These zurückgehen kann, mit Bezug auf welches sich das scheinbar Begründende - das Seiende „vor" jeder Bezugnahme auf dasselbe - als begründet erweist. Die Überzeugung von der Subsistenz eines „Seienden an sich" als eine Voraussetzung der Gegebenheit wird erkennbar als These, die widersinnig, weil prinzipiell nicht ausweisbar ist. Die argumentativen Verhältnisse sind also so zu bestimmen, daß ein phänomenologischer Ansatz fähig ist, einen substanzontologischen Ansatz zu hintergehen, während ein substanzontologischer Ansatz des Ausweises seiner Behauptungen nicht fähig ist, und auch genau darum nicht imstande ist, den phänomenologischen Rekurs auf die Subjektivität zu hintergehen: ein Vertreter der Substanzontologie wäre zwar wohl fähig, zu behaupten, daß sich die Ichhaftigkeit des intentionalen Vollzuges und damit auch das in ihm erscheinende gegenständliche Seiende der Ursprünglichkeit der Subsistenz von „Subjekt" und „Objekt" vor jedem Akt, der sie verbinden mag, verdankt; des Ausweises dieser Behauptungen aber ist er nicht fähig, schon darum, weil diese „Selbstständigkeit" im Sinne einer Gegebenheit vor (unabhängig von) aller Subjektivität wesentlich nicht in Selbstgegebenheit überführbar ist. Einem phänomenologischen Ansatz hingegen ist die Integration einer substantialen Position ohne weiteres möglich, ja er integriert sie ohnedies bereits als die Position der Selbstvergessenheit der Subjektivität im intentionalen, d. h. thematisch am erscheinenden Seienden interessierten Vollzug. Die Phänomenologie ist, wie gesagt, im Grunde nichts anderes als der reflexive Rekurs von einem substantialen Ausgangspunkt auf diesen Vollzug als absoluten Standpunkt. Entscheidend ist es, zu sehen, daß die Differenz der beiden Ansätze in einer unterschiedlichen „Richtung" der Begründung liegt: ein Substanzontologe begründet - thematisch oder vorthematisch - das geradehin Erscheinende in sich selbst, bzw. in einem „hinter" demselben liegenden „Grund", 73 Ideen I (§ 50) S. 93; vgl. Aristoteles, Met Z 3 1029 b 3ff.

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während der Phänomenologe vom Gegebenen auf die ichhaften Akte, in denen es gegeben ist (und von dort aus in deren Horizont, das Eidos Ego) zurückgeht. Die Grundlage dieser Position aber ist der vollständige Verzicht auf den Seinssinn der Subsistenz, an dessen Stelle das „Erscheinen für" einen ichhaften, intentionalen Vollzug tritt. Man hat genau hier übrigens nun auch eine Position, die fähig ist, die Ursprünglichkeit einer Relation vor jeder „Subsistenz" auszuweisen: die Intentionalität ist genau die „Relation" eines ichhaften Vollzuges, der die Relate - Subjekt und mundanes Objekt - erst entspringen, und mit Bezug auf die sie sich begründen; die Voraussetzung dafiir ist die konsequente Einnahme des „Standpunktes" der Intentionalität und der Ausweis der Unhintergehbarkeit dieses „Standpunktes" auf ein „subsistentes" anderes seiner selbst.

C II Die ursprüngliche Intentionalität - M. Heidegger Einige der Vertreter der Transsignifikationslehre beziehen sich, wie oben gezeigt, zur Begründung der Behauptung, das „Wesen" eines Seienden sei sein „menschlicher Sinn", auf Heideggers „Sein und Zeit", und zwar mit einem gewissen phänomenalen Recht: es findet sich tatsächlich bei Heidegger so etwas wie eine Konstitution des Seienden von nicht daseinsmässigem Charakter durch den „anthropologischen" oder „lebensweltlichen Sinn" dieses Seienden: „Zuhandenheit ist die ontologisch-kategoriale Bestimmung von Seiendem, wie es „an sich" ist." (S. 71, Original gesperrt)1 Diese „Zuhandenheit" ist die Seinsverfassung eines Seienden, das durch ein „um-zu", einen „Zweck" in einem menschlichen Vollzug geprägt ist, des „Zeug": „Zeug ist wesenhaft „etwas, um zu.." " (S. 68) Das folgende soll den Hintergrund erarbeiten, von dem her der zitierte Satz (und ähnliche weitere) seine Gültigkeit erhält. Die These ist die, daß die zitierte Behauptung ohne die Voraussetzung eines phänomenologischen Idealismus im Sinne Husserls sinnlos ist. Der Ausweis dieser These ist die Aufgabe und das Ziel der folgenden Ausführungen. Ein erster Abschnitt (1.) weist die prinzipielle Identität des Ansatzes Heideggers mit den Grundentscheidungen Husserls, insbesondere mit dem „transzendenta1

Seitenverweise im Text beziehen sich im folgenden auf M.Heidegger, SuZ.

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len Idealismus" Husserls nach. Dieser Transzendentalismus Husserls wird bei Heidegger in einer auch für die im folgenden (C III und IV) dargestellten Positionen Merleau-Pontys und Marcels typischen Weise modifiziert; diese Modifikation expliziert der zweite Abschnitt (2.). Es folgt eine knappe Entfaltung des Ansatzes der „Weltanalyse", die den Hintergrund der „Ontologie der Zuhandenheit" bildet, die dann in (3.) referiert und analysiert wird. (4.) faßt mit Blick auf die Fragestellung der Arbeit zusammen. 0. Es bedarf zuvor noch einiger einleitender Bemerkungen zur Textbasis (0.1) und zu speziellen Problemen der Heidegger-Interpretation (0.2): 0.1 Die Textbasis des folgenden Abschnittes stellt weitgehend „Sein und Zeit" dar. Der Grund dafür liegt nicht nur darin, daß sich die Vertreter der Transsignifikationslehre überwiegend auf SuZ berufen, sondern auch darin, daß hier ein klar faßbarer, argumentativer Zusammenhang vorliegt, über den hinaus die in dieselbe Phase des Denkens Heideggers gehörigen Schriften für die hier interessante Frage nach dem Verhältnis von „Subjekt" und „Seiendem" nichts wesentlich Neues bringen 2 . 2 Zur Unterscheidung der „Phasen" im Denken Heideggers vgl. etwa W.Franzen, Heidegger S. 28ff, bes. 37ff; Die Grundzüge und Grundentscheidungen, die im folgenden anhand von SuZ aufgewiesen werden sollen, lassen sich in den weiteren Werken dieser Phase (M.Heidegger, Kant; ders., WG; ders., WiM;) ebenfalls identifizieren. Interessant wäre eine Verifikation des Vorgetragenen anhand der Vorlesungen Heideggers, die SuZ vorbereiten; sie wurden hier herangezogen, aber nicht eigens verarbeitet; vgl. dazu auch W.Biemel, Stellung. Vgl. zu den Phasen Heideggers und ihrer Deutung auch WJ.Richardson, Phenomenology S. 3-24. 623-628; vgl. ders., Phänomenologie; W.Franzen, Existentialontologie S. 57 u.ö.; W.Schulz, Ort S. 95f; K.Löwith, Heidegger S. 20-43; F.-W.v.Hernnann, Selbstinterpretation S. 7-10, H.Ott, Denken S. 71-104. 3 Der Freiburger Schüler Husserls, L.Landgrebe, deutet die Fundamentalontologie Heideggers als die in der Krisis-Schrift und den Manuskripten des späten Husserl angelegte genuine Fortführung und Umdeutung der transzendentalen Phänomenologie (etwa: L.Landgrebe, Bewußtseinsanalyse S. 184ff, bes. 191ff; bes. aber ders., Philosophie S. 28-39); in jüngster Zeit versuchte B.Merker Sein und Zeit im Ausgang von traditionellen philosophischen und theologischen Problemstellungen zu erschließen und so die Analysen von SuZ als „Konversionsgeschichte" zu verstehen, durch die der bei Husserl nicht motivierbare Übergang von der natürlichen zur phänomenologischen „Einstellung" begründet und ausgewiesen wird (B.Merker, Selbsttäuschung S. 263ff, bes. 276ff, vgl. 156ff). Zu nennen sind weiter die Darstellungen E.Tugendhats und M.Theunissens, die ebenfalls die Daseinsanalytik als Modifikation des Transzendentalismus Husserls deuten (E.Tugendhat, Wahrheitsbegriff S. 259-280, bes. zur Voraussetzung der Epoche bei Heidegger: ebd. S. 262-264. 263 und 272-277; M.Theunissen, Der Andere S. 156163, der das Verhältnis Heideggers zu Husserl in SuZ so charakterisiert, daß in SuZ die „Konkretion" oder Erfüllung" des in Husserls Ego nur leer, weil rein formal erfaßten IchPhänomens geleistet werde). Vgl. weiter die Charakterisierung der Daseinsanalytik als „Existenztranszendentalismus" bei W.Frantzen (ders., Existentialontologie S. 16-28) und die Analyse der Modifikation zentraler Husserlscher Philosophumena in Heideggers

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Die Auseinandersetzung mit der Sekundärliteratur unterbleibt weitgehend, weil dafür der Raum fehlt; der Versuch, Sein und Zeit als ein der Phänomenologie Husserls und seinen Vorgaben verpflichtetes Werk zu verstehen und von daher zu deuten, wurde etwa von L.Landgrebe, E.Tugendhat, M.Theunissen und B.Merker unternommen 3 . 0.2 Das in der Heidegger-Literatur allerdings als weit dringlicher als das Verhältnis Heideggers zu Husserl empfundene Problem ist die Frage nach der Bestimmung und Deutung der „Phasen" im Denkens Heideggers, des Verhältnisses also von SuZ zum „Seinsdenken" der Veröffentlichungen seit etwa 1930 4 . Das Problem ist hier nur soweit von Interesse, als es die Deutung von SuZ als prinzipiell transzendentalphilosophischen Ansatz betrifft und behauptet wird, daß die spätere nicht-transzendentalistische Position Heideggers konstitutiv auch für das Verständnis des Ansatzes von SuZ seien: So versteht - um ein Beispiel zu nennen - F.-W.v.Herrmann das Verhältnis so, daß die prinzipielle Überwindung des Transzendentalismus schon im vorliegenden Teil von SuZ intendiert sei, dessen Analysen lediglich die Funktion haben sollen, die Analyse des „Seins überhaupt" vorzubereiten, das einerseits in einem besonderen „Bezug" zum Dasein steht, das aber andererseits nicht im Seinsverständnis des Dasein konstituiert ist oder darin aufgeht, sondern auch das Sein des Dasein noch umgreift5. Ich teile diese Deutung nicht, da sie mit dem vorgängigen Vorlesungen aus der Zeit vor dem Erscheinen von SuZ: W.Biemel, Stellung bes. 170181. 4 Zur Datierung vgl. nur: W.Franzen, Heidegger S. 57f; ausführlicher ders., Existentialontologie S. 57-67. 103; zur Beschreibung der „Kehre" bes. K.Löwith, Heidegger S. 17ff; WJ.Richardson, Phenomenology; I.Görland, Transzendenz, dort S. 9ff eine Charakteristik der Lösungstypen für das Problem des Verhältnisses der Phasen; vgl. auch H.Ott, Denken S. 71-73, sowie die berühmte philosophiegeschichtliche Deutung bei W.Schulz, Ort. 5 Vgl. schon F.-W.v.Herrmann, Selbstinterpretation S. 265 und ff, vgl. 9f; vgl. ders., Subjekt S. 20 und ff. In „Selbstinterpretation" ist v.Herrmann der Meinung, daß Heideggers Daseinsanalyse durch die Frage nach dem Sein des Dasein auf die Frage nach dem „Sinn von Sein überhaupt" hinziele, die der dritte Teil von SuZ - allerdings ohne die Aufgabe des transzendental-existentialen Ansatzes von S u Z - hätte bieten sollen, und die dann in der Spätphilosophie Heideggers in der Form der Begründung der Seinsstruktur des Dasein als „Gegenwurf' zur Offenheit des Seins selbst vorgetragen wird (ebd. S. 265-278, bes. 273-275). In der genannten späteren Veröffentlichung (ders., Subjekt) scheint v.Herrmann die These zu vertreten, daß Heidegger in SuZ von einem „Bezug" der Seinsfrage zum „menschlichen" Seinsverstehen ausgeht: die Daseinsanalytik sei deshalb keine Regionalontologie des menschlichen Existierens, weil „die ontologische Freilegung der Seinsverfassung des Menschen nicht nur Seinsweisen eines bestimmten Seienden, sondern Seinsweisen jenes Seienden zum Aufweis bringt, das in diesen das universelle Sein als solches, die Erschlossenheit von Sein-überhaupt, offenhält." (S. 33). Vf. scheint

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Ansatz eines „Sein überhaupt", das noch einmal die Bedingung der Möglichkeit der Erschlossenheit desselben im Sein des Dasein darstellen soll, dieses „Sein" als ein „anderes des Sein des Dasein" versteht, wohingegen Heidegger in SuZ ausdrücklich festhält, daß das Dasein in seinem Sein, und eben nicht durch ein anderes seiner selbst gelichtet ist 6 ; es ist deutlich, daß Heidegger in SuZ zu einer Begründung noch des Sein des Dasein selbst unterwegs ist, sicher aber nicht in einem „Sein überhaupt", das ein anderes des Sein des Dasein wäre und noch die Daseinsanalyse als vorgängig Erfragtes leitet, sondern in der Zeit 7 .

hier der Meinung zu sein, daß schon SuZ das Sein des Dasein von der Erschlossenheit des „Sein überhaupt" her denkt, also die nichttranszendental istische Position „nach der Kehre" schon impliziert. 6 SuZ S. 133. Eine ausführliche Auseinandersetzung ist hier nicht möglich; nur so viel: F.-W.v.Herrmann faßt in seiner zweiten Veröffentlichung zum Thema (ders., Subjekt) schon für SuZ die Erschlossenheit des „Sein-überhaupt" als „Fundament" oder „Woher" der „Seinsart" des Dasein: „Weil im Dasein das menschliche Sein aus seinem existentialen Wesensbezug zum Sein-überhaupt des Seienden im Ganzen gedacht ist, ist sogar die Rede vom Dasein als der Seinsverfassung... des Menschen irritierend. Denn sie legt die Meinung nahe, als sei das Dasein nur die Seinsverfassung eines Seienden, eben des Menschen, anstatt zu sehen, daß der Mensch kraft seiner Seinsverfassung nicht aus sich selbst heraus, aus dem Selbst seines Selbstbewußtseins und aus der Subjektivität seinerselbst als Subjekt, sondern aus dem existentialen Seinsbezug zum Sein als solchem des Seienden im Ganzen existiert." (ebd. S. 23). Die Rede vom „Sein als solchem" (oder Sein-überhaupt) „des Seienden im Ganzen" oder verwandte Formulierungen bei v.Herrmann sind m.W. in SuZ nicht belegbar. Man kann nun sicher einwenden, daß die von mir angeführte Passage, in der Heidegger das Dasein als an ihm selbst - und nicht durch ein anderes Seiendes - gelichtet bezeichnet (SuZ S. 133), strenggenommen nicht die Lichtung durch das Sein ausschließt (im Sinne von F.-W.v.Herrmann, Selbstinterpretation S. 79f). Das ist ja auch richtig: das Da ist im Sein gelichtet, aber eben nicht so, daß von diesem Sein noch einmal die Seins verfassung des Menschen zu unterscheiden wäre. Die Analysen von SuZ sind in der Tat keine Regionalontologie der Existenz, aber nicht darum, weil sie neben dem Sein des Dasein das „Sein überhaupt" offenhalten, sondern genau darum, weil das Verstehen des Sein des Dasein im Sein des Dasein qua In-der-Welt-sein das Verstehen auch des Seins des Seienden von nicht daseinsmässigem Charakter ist, und insofern die Analytik des Daseins als Analytik des In-der-Welt-sein in eins eine nicht hintergehbare Fundamentalontologie ist: so schreibt Heidegger im Anschluß an den Ausweis des ontischontologischen Vorrangs des Dasein: „Jetzt hat sich aber gezeigt, daß die ontologische Analytik des Daseins überhaupt die Fundamentalontologie ausmacht, daß mithin das Dasein als das grundsätzlich vorgängig auf sein Sein zu befragende Seiende fungiert." (SuZ S. 14, Hervorhebung von mir). Es wird vom Sein des Dasein bzw. vom Seinsverstehen im Sein des Dasein eben nicht noch einmal ein ontisch unterschiedenes „Sein des Seienden im Ganzen" (o.ä.) unterschieden. Vgl. zu derartigen Interpretationen auch W.Schulz, Ort S. 106f. 7 Vgl. bes. das Motto von SuZ und § 83. Das Verhältnis von SuZ zur Spätphilosophie kann hier nicht entfaltet werden; ich halte es für fruchtbar, die Strukturen des Denkens „nach der Kehre" als eine Art Verselbständigung von ursprünglich als Daseins-

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Das Recht, Heideggers Denken zumindest in der Phase von SuZ als Modifikation einer Transzendentalphilosophie zu verstehen, sollen nicht diese rudimentären Blicke auf die Sekundärliteratur begründen, sondern die Analysen der folgenden Abschnitte: 1. Der folgende Abschnitt hat die Aufgabe, durch eine knappe Analyse des Themas und des Aufbaus von SuZ den Nachweis zu erbringen, daß es sich hier um einen im Sinne Husserls transzendentalphänomenologischen Ansatz handelt; Modifikationen gegenüber Husserls transzendentaler Phänomenologie kommen in (2.) zur Sprache; erst beide Abschnitte zusammen charakterisieren den Ansatz und das Anliegen von SuZ in der hier notwendigen Vollständigkeit. Zunächst wird knapp der Sinn der Frage nach dem „Sinn von Sein" erhoben (1.1), dann der Einsatz mit der Analyse des Dasein als transzendentale Reduktion gedeutet (1.2); in (1.3) wird der Aufbau von SuZ insgesamt, und speziell des hier interessanten ersten Abschnittes (§§ 9-44) auf die These hin interpretiert. (1.4) faßt zusammen. 1.1 „Sein und Zeit" wurde insbesondere von den frühen theologischen Rezipienten als Existenzanalyse im Sinne einer Art „Regionalontologie" menschlichen Existierens gedeutet8; unrichtig ist dies zunächst darum, weil die Analyse des Seinsvollzuges des Dasein im Dienste einer Ontologie steht, die nicht auf das Dasein - den Menschen im Unterschied zu allem übrigen Seienden - zielt, sondern nach einer „Fundamentalontologie", und somit nach dem „Sein überhaupt" fragt 9 . Das „Dasein" ist aber insofern ein privilegierter Gegenstand der Fundamentalontologie, als diese am Dasein in nun näher zu beschreibendem Sinne die Bedingung ihrer Möglichkeit hat10: Genaugenommen fragt Heidegger aber nicht einfach nach dem „Sein", sondern von Anfang an nach dem „Sinn" von Sein, worunter zunächst die Frage danach zu verstehen ist, was „wir" mit dem Wort „Sein" eigentlich (!) meinen11. Die Frage nach dem „Sein" ist so die Frage nach dem Seinsverständnis: strukturen ausgelegten Existentialien zu verstehen, wie dies in unterschiedlicherweise auch F.-W.v.Herrmann, Selbstinterpretation S. 31ff. 77ff, bes. 79ff. 167ff u.ö. sowie LGörland, Transzendenz S. 11.95-100, und bes. 33ff. 64-78 sowie 81-84, vorschlagen. 8 Vgl. etwa R.Bultmann, Neues Testament S. 49f; vgl. zu diesem Mißverständnis F.-W.v.Herrmann, Subjekt S. 9ff. 9 SuZS. 1 (DasMotto).S. 2-7.15-19.27undS. 131fu.ö.; vgl. WiMS. 14undbes. S. 18f u. ff; vgl. Kant S. 1; alle Verweise auf Texte ohne Verfasserangabe beziehen sich auf im im Lit.-verz. genannte Veröffentlichungen von M.Heidegger. 10 SuZ S. 13; vgl. Kant S. 10-13 und 13-18 sowie 199-212 u. ff. 11 Motto zu SuZ (ebd. S. 1); das „eigentlich" ist einer von den vielen versteckten

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„... wenn wir nach dem Sinn von Sein fragen, dann wird die Untersuchung nicht tiefsinnig und ergrübelt nichts, was hinter dem Sein steht, sondern fragt nach ihm selbst, sofern es in die Verständlichkeit des Daseins hereinsteht."12 Ich gehe dieser Passage und ihrem Kontext einige Schritte weit nach, wobei die Auslegung zunächst im Rahmen des Zitates bleibt und sich vorläufig (scheinbar) um einen spezifischen Sinn der verwendeten Begriffe nicht kümmert, und versuche, im Ausgang vom im Kontext des Zitates über das Verstehen (den Sinn) von Seiendem Gesagten die Rede vom „Sinn von Sein" zu verstehen: Die Frage nach dem „Sein" ist als Frage nach dem „Sinn von Sein" in irgendeiner Weise verbunden mit der „Verständlichkeit" des Daseins, und umgekehrt: die Verständlichkeit des Daseins - offenbar zu lesen als ein Verstehen, dessen Objekt das Dasein ist - hat etwas mit dem „Sein" bzw. dem „Sinn" von Sein zu tun. Heidegger „definiert" den Begriff „Sinn" folgendermassen: „Wenn innerweltliches Seiendes mit dem Sein des Daseins entdeckt, das heißt zu Verständnis gekommen ist, sagen wir, es hat Sinn. Verstanden aber ist, streng genommen, nicht der Sinn, sondern das Seiende, bzw. das Sein. Sinn ist das, worin sich Verständlichkeit von etwas hält. Was im verstehenden Erschließen artikulierbar ist, nennen wir Sinn. Der Begriff des Sinnes umfaßt das formale Gerüst dessen, was notwendig zu dem gehört, was verstehende Auslegung artikuliert. Sinn ist das durch Vorhabe, Vorsicht und Vorgriff strukturierte Woraufhin des Entwurfs, aus dem her etwas als etwas verständlich wird." (S. 151) „Sinn" meint also das „Woher" der Verständlichkeit von etwas. Die Frage nach dem „Sinn von Sein" fragt daher nach dem „Woher" der Verständlichkeit des Seins. Dieses „Woher" der Verständlichkeit ist ein „Woraufhin des Entwurfs", das durch „Vorhabe, Vorsicht und Vorgriff strukturiert wird. Dieser „Entwurf" ist ein Seinscharakter des Dasein, das „Verstehen" (S. 142-148). Der „Sinn" ist also dieser Seinscharakter des Dasein, sofern

Hinweisen in SuZ, die als solche erst vom Ganzen her verständlich werden: Heidegger fragt nicht nur danach, was wir mit dem „Sein", sondern was wir „eigentlich" mit dem Sein meinen; ich werde auf ähnliche Anspielungen noch aufmerksam machen. 12 SuZ S. 152; die Passage steht im Kontext der Explikation des Existentials des Verstehen (Entwurf) als (mit der Befindlichkeit bzw. Geworfenheit gleichursprüngliches) Moment der Erschlossenheit des Da im Sein des Dasein (S. 142-148, vgl. 130-134, bes. 133). Heidegger verdeutlicht in diesem Abschnitt (§ 32, Verstehen und Auslegung) das Verhältnis des erschließend vorspringenden (entwerfenden) Verstehens, und des ausdrücklichen Verstehens der Auslegung, das von diesem Entwurf her „etwas als etwas" begegnen läßt; es geht ihm dabei darum, die Fundierung des Erfassens von was immer auf die vorentworfene Möglichkeit desselben zu entfalten; vgl. auch ebd. S. 152f.

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aus ihm etwas - im Falle der Frage nach dem „Sinn von Sein": das Sein verstehbar wird „als etwas". „Sofern Verstehen und Auslegung die existentiale Verfassung des Seins des Da ausmachen, muß Sinn als das formal-existentiale Gerüst der dem Verstehen zugehörigen Erschlossenheit begriffen werden. Sinn ist ein Existential des Daseins, nicht eine Eigenschaft, die am Seienden haftet, „hinter" ihm liegt, oder als „Zwischenreich" irgendwo schwebt." (S. 151) Der „Sinn" ist die Erschlossenheit von ..., die im Verstehen, also einem Seinscharakter des Dasein gründet 1 3 . Der „Sinn des Seins" ist so das „Woraufhin" des Seinsverständnisses des Dasein. Die Frage nach dem Sinn des Seins ist die Frage nach dem „Woraufhin" des Entwurfes, von dem her das Sein durch den Seinscharakter des Dasein (Verstehen) verstanden ist. Dieses „Woraufhin" des Entwurfes ist - zuletzt - die Zeitlichkeit des Dasein, bzw. die Zeit.

13 Der Terminus der „Erschlossenheit" ist einer der wichtigsten Begriffe in SuZ und soll daher knapp in seiner Bedeutung umrissen werden: Heidegger schreibt im Rahmen der „Weltanalyse": „„Erschließen" und „Erschlossenheit" werden im folgenden terminologisch gebraucht und bedeuten „aufschließen" - „Aufgeschlossenheit"." (SuZ S. 75), nie aber ein „durch einen Schluß gewinnen". Im Kontext handelt Heidegger von der Erschlossenheit einer „Umwelt", die den Umgang mit innerweltlichem Seiendem ermöglicht, ohne selbst thematisch wahrgenommen zu sein. „Erschlossenheit" knüpft hier an die Sprache des Geometers, des Entdeckungsreisenden oder des Bauherrn an, der ein unbekanntes oder nicht erfaßtes Gebiet „erschließt", d. h. bewohnbar macht: er ermöglicht den Aufenthalt in diesem Gebiet, das Erschließen ist dessen „Bedingung der Möglichkeit", die aber im Aufenthalt selbst nicht eigens wahrgenommen ist. In genau diesem Sinne spricht Heidegger von einem „Erschließen" der Seinsverfassung eines Seinsgebietes, die sich nicht auf eine ontische Forschung in diesem Gebiet stützt, sondern dieses im „Vorspringen" in ihrer Seinsverfassung allererst begründet: „Sie [die Grundlegung der Wissenschaften, N.S1.] ist produktive Logik in dem Sinne, daß sie in ein bestimmtes Seinsgebiet gleichsam vorspringt, es in seiner Seinsverfassung allererst erschließt und die gewonnenen Strukturen den positiven Wissenschaften als durchsichtige Anweisungen des Fragens verfügbar macht." (SuZ S. 10). Das „Erschließen" betrifft offensichtlich die „Seinsverfassung" im Sinne des vorverstandenen, regionalontologischen Apriori als Bedingung der Möglichkeit des Faktischen, das Heidegger nun in der Seinsverfassung des Dasein begründet: das „Verstehen" als Entwurf ist ein Seinscharakter des Dasein (S. 142ff). Die Erschlossenheit gründet also immer in einem „Akt" des Dasein und eröffnet-ganz formal - d i e Möglichkeit von etwas. Die Rede von der Erschlossenheit rekurriert auf die im Dasein vor jeder Verwirklichung entworfene Möglichkeit von... (Ontischem oder Faktischem). „Erschlossen" ist dabei jeweils nicht das „Faktische", sondern dessen Sein, die Bedingung der Möglichkeit des Faktischen. Die „Erschlossenheit" ist das Eröffnetsein der Möglichkeit von etwas im Sinne eines im Sein des Dasein vorverstandenen Apriori „von etwas".

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Von vornherein stellt Heidegger also, indem er die Frage nach dem „Sein" als Frage nach dem „Sinn von Sein" stellt, die Frage nach dem Sein als im Sein des Dasein Verstandenem. Das „Sein" ist keine in irgendeiner Weise selbstständige „metaphysische" Grösse, es ist nicht insgeheim ein Terminus, mit dem ein letztes „Seiendes" (eben das Sein) ontisch vom Dasein (vorläufig: Mensch) als ein anderes unterschieden werden könnte; es ist vielmehr von vornherein etwas im Dasein, und zwar „als etwas", Verstandenes. Dieses „als etwas" verweist auf eine gewisse Ambivalenz des Verstehens, bzw. der .Auslegung": die Auslegung kommt offenbar aus einem entwurfhaften Verstehen (Woraufhin, Sinn, letztlich „die Zeit") auf das von daher Erschlossene (hier das „Sein") zurück und versteht dieses „als etwas". Es deutet sich hier an, daß das „woraufhin" über das „Verstehen als ..." entscheidet, so daß das „Sein" möglicherweise in unterschiedlicher Weise und eventuell aus unterschiedlichen „Woraufhin" des Entwurfes verstanden sein kann; es besteht so die Möglichkeit, daß es unterschiedliche, einander zugeordnete „Verständnisweisen" des Sein gibt, die in unterschiedlichen, einander aber zugeordneten Seinsweisen des Dasein gründen, und genau dies hat Heidegger ganz offenbar im Sinn: ,JVur Dasein kann daher sinnvoll oder sinnlos sein. Das besagt: sein eigenes Sein und das mit diesem erschlossene Seiende kann im Verständnis zugeeignet sein oder dem Unverständnis versagt bleiben."14

„Sinnlos" ist nach dem Vorangehenden das, was kein „Woraufhin" des Entwurfes hat, aus dem es verständlich ist. Es ist das Unverständliche. Der „Entwurf" aber ist eine Seinsverfassung des Dasein, die ihm also nicht fehlen kann, die aber offenbar „versagt bleiben" kann. Dies „Versagt bleiben" stellt den Gegensatz zum „Zueignen" dar. Der Entwurf und sein Woraufhin kann also auch „zugeeignet" sein, ergriffen werden; es deutet sich hier sachlich und terminologisch die Seinsart der „Eigentlichkeit" an; entsprechend dürfte das „Versagt bleiben" eine Anspielung auf die Seinsverfassung der Uneigentlichkeit sein: das mit dem Dasein gegebene „Verstehen" (Entwurf) und sein „Woraufhin" wird in ihr nicht ausdrücklich ergriffen, sondern bleibt „verdeckt" 15 . 14 SuZ S. 151; für das folgende ist zu beachten, daß Heidegger mit der Rede vom „Zueignen" auf die Seinsmöglichkeit der Eigentlichkeit anspielt; vgl. S. 42: Das Dasein könne sich nur verloren haben, wenn „...es seinem Wesen nach mögliches eigentliches, das heißt sich zueigen ist." 15 Vgl. auch dazu S. 42f: Die Seinsart der Eigentlichkeit ist kein besonderer, materialer Vollzug des Dasein, sondern eine „Weise" das Dasein zu vollziehen: Heidegger bestimmt das Dasein als „Verstehen", das heißt: als Entwurf (bzw. qua „Geworfen-

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Das „Verstehen" des Dasein scheint also ambivalent zu sein: zwar ist das Verstehen, und so auch das Verstehen von „Sein", ein Seinscharakter des Dasein, der aber offenbar verfehlt, oder ergriffen werden kann; es ist anzunehmen, daß dieser Ambivalenz eine Ambivalenz auch auf Seiten des „Verstandenen" entspricht, die im folgenden noch schärfer zu fassen sein wird. Insgesamt ist deutlich geworden, daß die Fundamentalontologie als Frage nach dem „Sinn von Sein" die Frage nach dem Sein als im Sein (Verstehen) des Dasein Verstandenem ist. Diese Wendung der fundamentalontologischen Fragestellung, die im Blick auf ihre nähere Bedeutung quoad nos noch leer bleibt, ist gerade nicht eine vorlaufende Fragestellung, über die hinaus noch nach dem „Sein selbst" zu fragen wäre, sondern es ist die Frage der Fundamentalontologie selbst: in diese Form überführt Heidegger schon gleich im Motto von „Sein und Zeit" die sokratisch-platonische Frage nach dem „Seienden": er gibt die Frage nach dem „Seienden" (rt TTOTE ßouAeaöe arinaivexv öirörav öv