Reallexikon der germanischen Altertumskunde [Vierbändiges Werk]: Band 1 A–E [Reprint 2020 ed.] 9783112340240, 9783112340233


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German Pages 734 [725] Year 1913

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Reallexikon der germanischen Altertumskunde [Vierbändiges Werk]: Band 1 A–E [Reprint 2020 ed.]
 9783112340240, 9783112340233

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REALLEXIKON DER GERMANISCHEN ALTERTUMSKUNDE

ERSTER BAND

A—E

Ht&ütxxkm %ÌUxìum#kxmit UNTER MITWIRKUNG ZAHLREICHER FACHGELEHRTEN H E R A U S G E G E B E N VON

JOHANNES HOOPS O R D . P R O F E S S O R AN D E R U N I V E R S I T Ä T H E I D E I.Ii E R G

E R S T E R BAND A—E MIT 47 TAFELN UND

62 A B B I L D U N G E N IM TEXT

Strasburg V E R L A G VON K A R L J. T R Ü B N E R 1911 —13

1. Lieferung:

A — B a c k w e r k (S. i — 1 5 2 ) , ausgegeben September 1 9 1 1 .

2.



Backwerk—Brettspiel (S. 1 5 3 — 3 1 2 ) , ausgegeben Februar i g i 2 .

3.



Brettspiel—Dichtung (S. 3 1 3 — 4 5 6 ) ,



Juli

4.



Dichtung—Eyraf)ing (S. 457 — 635),



März

1913.

Vorwort.

D

as Bedürfnis nach einem R e a l l e x i k o n der germanischen A l t e r t u m s k u n d e ist längst e m p f u n d e n worden, und schon 1892 wurde der Plan eines solchen W e r k s

zwischen d e m verstorbenen V e r l e g e r Dr. K a r l T r ü b n e r und W i l h e l m S t r e i t b e r g erörtert, d o c h stellten sich damals

der A u s f ü h r u n g Schwierigkeiten

entgegen.

Mehr als ein Jahrzehnt verging, bis der G e d a n k e zur praktischen Durchführung

gelangte.

Meyer,

Moriz

Mündliche und

Heyne,

Edward

schriftliche A u s s p r a c h e n Schröder, Andreas

mit R i c h a r d

Heusler,

M.

Friedrich

K l u g e g a b e n Dr. T r ü b n e r in den Jahren 1905/1906 A n r e g u n g e n in dieser Richtung. Plan

Bei einem Besuch, den T r ü b n e r mir im Januar 1906 machte, w u r d e der besprochen,

und

ich

erklärte

meine

Bereitwilligkeit, mitzuarbeiten.

Im

Juni 1906 w u r d e R u d o l f M u c h als H e r a u s g e b e r des W e r k e s gewonnen, der sigh aber im A u g u s t 1907 aus Gesundheitsgründen

genötigt

sah, von der A u f g a b e

zurückzutreten. Inzwischen

war K a r l T r ü b n e r

am

2. Juni 1907 gestorben, und sein Lieb-

lingsgedanke des germanischen R e a l l e x i k o n s wurde von denjenigen übernommen, die seine b e r u f l i c h e L e b e n s a u f g a b e J. T r ü b n e r

fortführten.

des W e r k s a n g e t r a g e n ; und W i n t e r

Dann

in der von

wurde

ihm begründeten Firma K a r l

im D e z e m b e r 1907 mir die

Herausgabe

im Juni 1908 nahm ich das A n e r b i e t e n an.

desselben Jahrs erfolgte

die A u f s t e l l u n g

Im H e r b s t

der Stichwörterliste,

die

G e w i n n u n g der Mitarbeiter und die V e r t e i l u n g des Stoffs an sie. Im Frühjahr 1910 lag die Mehrzahl der Beiträge fertig vor, so daß noch im S o m m e r mit d e m Satz begonnen werden freilich, die

konnte.

verspätete

D i e B e s c h a f f u n g und H e r s t e l l u n g der A b b i l d u n g e n

Lieferung

einiger wichtiger

Beiträge, die A n f e r t i g u n g

zahlreicher A k z e n t b u c h s t a b e n und sonstiger T y p e n u n d . d i e Entscheidung

über

verschiedene organisatorische F r a g e n brachten wiederholte V e r z ö g e r u n g e n

mit

sich, so daß die I . L i e f e r u n g erst im S o m m e r 1 9 1 1 fertiggestellt und im September

ausgegeben wurde;

die 2. L i e f e r u n g f o l g t e im Februar, die 3. im Juli

1912, die Schlußlieferung des ersten Bandes im März 1913. Das

Reallexikon

manischen

Völker

soll eine G e s a m t d a r s t e l l u n g von

den

deutschen, altniederdeutschen hundert,

geben;

ausgedehnt, können.

um

Ich

bin

im

Norden

die

älteste

in

dieser

ältesten

Zeiten

bis

der Kultur zum

Ende

der

der

ger-

althoch-

und altenglischen Periode, also bis ins 11. Jahrwurde

die Darstellung bis ins

literarische zeitlichen

Überlieferung Begrenzung

voll

dem

von

12.

Jahrhundert

ausschöpfen mir

schon

zu in

VI

VORWORT

meinem Buch Waldbäume und Kulturpflanzen im germanischen Altertum (Straßburg 1905) angenommenen Plan gefolgt; er hat sich auch bei der Ausarbeitung des Reallexikons durchaus bewährt. Ausgeschlossen wurde außer der politischen Geschichte auch die Kirchen-, Dogmen- und Literaturgeschichte, weil hierfür zuverlässige Lehrbücher genug zur Verfügung stehn, und weil die Einverleibung dieser Wissensgebiete den Umfang des Werks zu sehr angeschwellt hätte. Nur die Bekehrungsgeschichte und die Anfänge der Dichtung, sowie die ganze Heldensage haben Aufnahme gefunden. Auch die Geschichtschreibung wird eingehend behandelt. Ein Hauptzweck des Buchs ist die Herstellung einer engeren F ü h l u n g z w i s c h e n den v e r s c h i e d e n e n Z w e i g e n der g e r m a n i s c h e n Kulturg e s c h i c h t e , die in den letzten Jahrzehnten infolge der zunehmenden Spezialisierung der Forschung einander mehr und mehr entfremdet worden sind. Das Reallexikon soll jedem Forscher nicht nur ein Nachschlagewerk für sein eignes Sondergebiet sein, sondern ihn auch schnell und zuverlässig über die ihn interessierenden Ergebnisse und Probleme der verwandten Wissensgebiete unterrichten. Aus der Fülle des Stoffs sind deshalb vor allem die Tatsachen ausgewählt worden, die nicht bloß für eine Einzelwissenschaft Interesse haben, sondern auch für andere Disziplinen wissenswert und belangreich sind. Doch sind die Grenzen in dieser Hinsicht den einzelnen Mitarbeitern nicht zu eng gezogen, weil sich im voraus schwer sagen läßt, ob ein anscheinend unbedeutender Gegenstand der einen Wissenschaft nicht vielleicht für eine andere Bedeutung haben kann. A l s ein wichtiges und erstrebenswertes Ziel des Reallexikons schwebte mir insbesondere die Herstellung einer V e r b i n d u n g z w i s c h e n V o r g e s c h i c h t e u n d G e s c h i c h t e einerseits, zwischen A r c h ä o l o g i e und S p r a c h w i s s e n s c h a f t anderseits vor. Es war freilich vorauszusehn, daß diese Aufgabe nur teilweise gelöst werden würde: Neigungen und Abneigungen der Mitarbeiter auf der einen, sachliche Schwierigkeiten auf der andern Seite erschweren ihre Durchführung in vielen Fällen sehr. Bei religions-, rechts-, sozial- und allgemein kulturgeschichtlichen Fragen bildet die vergleichende Sprachwissenschaft, gestützt durch Rückschlüsse aus den späteren Verhältnissen bei den Einzelvölkern und durch vergleichende Heranziehung der Zustände bei primitiven Volksstämmen der Gegenwart, die Möglichkeit einer Anknüpfung an die indogermanische Urzeit. Die so mittels sprachgeschichtlicher, historischer und volkskundlicher Untersuchung erzielten Ergebnisse durch die Verwertung archäologischer und geographischer Tatsachen zu ergänzen, ist wohl wünschenswert, aber hier nicht unbedingt erforderlich. Die Verknüpfung der historisch-germanischen mit den vorgeschichtlichen Verhältnissen ist deshalb bei der Darstellung der Religionsvorstellungen, Rechtsbegriffe und gesellschaftlichen Zustände überall angestrebt, eine kritiklose Zusammenwerfung von Tatsachen aus verschiedenen Zeitepochen und Kulturkreisen aber wie sie namentlich in der Religionsgeschichte noch vielfach üblich ist, nach Möglichkeit vermieden worden.

VORWORT

VII

Schwieriger liegt die Sache beim Wirtschaftsleben, wo oftmals archäologische, kulturhistorische, ethnographische und sprachgeschichtliche Probleme nebeneinander herlaufen, die nicht immer leicht in Einklang zu bringen sind. Auch hier war die Anknüpfung an die vorgeschichtlichen Verhältnisse unerläßlich, aber bei der Schilderung der letztern war eine Trennung der verschiedenen Probleme und Auffassungsweisen vielfach nicht zu umgehn. Als Heimat der Germanen kommen nach der jetzt wohl allgemein herrschenden Ansicht in ältester Zeit nur Norddeutschland oder die skandinavischen Länder oder beide in Betracht. Ich hielt es aber für angebracht, die Darstellung der archäologischen Verhältnisse nicht auf diese Gebiete zu beschränken, sondern auch die Vorgeschichte der andern Länder Mitteleuropas, die später von Germanen bewohnt wurden, zu berücksichtigen, weil die Germanen von ihren südlichen Nachbarn zweifellos nicht nur in älterer vorgeschichtlicher Zeit durch Kulturmitteilung, sondern auch nach dem Einrücken in deren Gebiete in den späteren vorgeschichtlichen und geschichtlichen Epochen durch Völkermischung tiefgreifende kulturelle Einwirkungen erfuhren. Eine eingehendere Berücksichtigung der vorgeschichtlichen Archäologie Mitteleuropas schien mir auch schon darum empfehlenswert, weil es an einer zuverlässigen und zugleich übersichtlichen Zusammenfassung hier leider immer noch gebricht. Die prähistorischen Fundtypen sind nun zunächst nach rein archäologischen Gesichtspunkten geordnet und in ihrer fortschreitenden Entwicklung geschildert worden. Die weitere Hauptaufgabe der archäologischen Darstellung: die ethnographische Festlegung der prähistorischen Fundobjekte und die Aussonderung des spezifisch Germanischen, kann in doppelter Weise in Angriff g e n o m m e n werden: einmal, indem man untersucht, welche der vorgeschichtlichen Formenreihen Mittel- und Nordeuropas mit den sicher germanischen Fundtypen aus historischer Zeit entwicklungsgeschichtlich zusammenhängen, und sodann durch Verknüpfung der archäologischen Tatsachen mit den Zeugnissen der germanischen und indogermanischen Sprachwissenschaft und den Mitteilungen der antiken und mittelalterlichen Schriftsteller. Nach beiden Richtungen hin sind in den letzten Jahren sehr beachtenswerte Vorstöße gemacht worden; aber das ethnographische Problem der Prähistorie ist von einer allseitigen Lösung noch weit entfernt. Es ist nach dem Gesagten wohl entschuldbar, wenn das angestrebte Ideal einer organischen Verknüpfung von Vorgeschichte und Geschichte, von Archäologie, Ethnographie und Sprachwissenschaft in dem vorliegenden W e r k nur zum Teil erreicht worden ist. Das Schwergewicht der Darstellung mußte natürlich in der h i s t o r i s c h e n Z e i t liegen. Und hier möchte ich nachdrücklichst darauf hinweisen, daß die geschichtliche Kultur der Germanen von Anfang an mehr oder minder stark unter dem Einfluß der römischen Kultur und bald auch des Christentums stand. Die noch vielfach beliebte Methode aber, in der Schilderung des germanischen Altertums entweder nur den alteinheimischen, echt germanischen Kulturerscheinungen nachzugehn und die römischen und christlichen Einschläge zu vernachlässigen, oder umgekehrt die mittel- und nordeuropäischen Gebiete nur als Provinzen

VIII

VORWORT

des römischen oder des christlichen Weltreichs zu betrachten, scheint mir ein schiefes Bild von den wirklichen Kulturzuständen der germanischen Länder in frühmittelalterlicher Zeit zu geben. Es ist vielmehr noch stärker, als es bisher geschehen, das Augenmerk darauf zu richten, welche Umbildungen nicht nur die materielle, sondern auch die geistige und die soziale Kultur der Germanen unter römischem und christlichem Einfluß erfahren, und welche Formen nicht bloß römische Importgegenstände, sondern auch römische und christliche Ideen und Einrichtungen auf germanischem Boden angenommen haben. Beiträge in dieser Richtung möchte das vorliegende Werk liefern; doch bleibt hier noch recht viel zukünftiger Arbeit vorbehalten. Das Reallexikon soll die Ergebnisse der neuesten Forschung in möglichst knapper und straffer Form und klarer, allgemein verständlicher Sprache zur Darstellung bringen, so daß es nicht bloß für Gelehrte, sondern für jeden Gebildeten benutzbar ist, der sich gründlicher über eine Frage aus dem Gebiet der germanischen Altertumskunde unterrichten oder sich selbsttätig damit beschäftigen will. Ausführliche Diskussionen und Polemiken sind ausgeschlossen, aber Lücken der Forschung, streitige Fragen und schwebende Probleme nach Möglichkeit angedeutet worden, um zu weiteren Untersuchungen anzuregen. U m dem Leser die selbständige Weiterforschung zu ermöglichen, sind ferner im T e x t oder am Schluß der Artikel die nötigen b i b l i o g r a p h i s c h e n N a c h w e i s e gegeben. Vollständigkeit der Verweise ist hier nicht angestrebt; vielmehr sind im allgemeinen nur die wichtigsten Abhandlungen über den Gegenstand, diejenigen Schriften, die weitere bibliographische Zusammenstellungen enthalten, und die neuesten, in den Bibliographien noch nicht aufgeführten Arbeiten verzeichnet worden. D e r Stoff ist der leichteren Benutzbarkeit wegen unter möglichst zahlreichen S t i c h w ö r t e r n verarbeitet; doch sind größere Gruppen von Tatsachen, historische Entwicklungsreihen und Perioden unter Sammelstichwörtern behandelt worden, die dem Leser einen orientierenden Uberblick über die Einzeltatsachen gewähren. Die Verteilung des Stoffs auf die Stichwörter mußte im wesentlichen dem praktischen Ermessen der Mitarbeiter überlassen bleiben. Hierdurch wie auch durch die besondern W ü n s c h e und Interessen mancher Mitarbeiter haben sich gewisse Ungleichheiten in der Stoffverteilung, Darstellungsweise und Auffassung ergeben, die sich bei einem derartigen Sammelwerk nie ganz werden vermeiden lassen. W o es angängig war, habe ich mich bemüht, augenfällige Widersprüche zu beseitigen und Unebenheiten auszugleichen; aber alle Gegensätze der Auffassung zu tilgen, hielt ich mich um so weniger berufen, als jeder Artikel mit dem Namen des Bearbeiters unterzeichnet ist und der Leser dadurch von selbst auf die Möglichkeit einer verschiedenen Beurteilung der Tatsachen hingewiesen wird. Die Verantwortung für Inhalt und Form der einzelnen Artikel tragen die Mitarbeiter. Für den Plan und die Ziele des Gesamtwerks, für die Gruppierung des Stoffs im ganzen und die Auswahl der Mitarbeiter bin ich verantwortlich. Es ist mein Bestreben gewesen, für jeden Beitrag den kompetentesten Bearbeiter zu gewinnen; aber nicht immer ließ sich das ermöglichen.

VORWORT

IX

Manche L ü c k e n unter den Stichwörtern werden in einem N a c h t r a g ausgefüllt werden. D e r Inhalt desselben sowie der des Reallexikons überhaupt wird durch ein ausführliches G e s a m t r e g i s t e r am Schluß des letzten Bandes ausgeschöpft werden. Erst wenn dieses vorliegt, läßt sich die Fülle des verarbeiteten Stoffs in ihrem ganzen Umfang übersehn und nutzbar machen. Den einzelnen Bänden aber wird ein sachlich geordnetes Register angehängt werden. A l s eine willkommene Beigabe dürften die zahlreichen A b b i l d u n g e n empfunden werden, von denen der erste Band 47 Tafeln und 62 Textabbildungen enthält. D i e G e s a m t z a h l d e r A r t i k e l dieses Bandes beträgt 512. Drei geschätzte Mitarbeiter hat bereits der T o d aus voller Tätigkeit hinweggerafft: B e r n h a r d K a h l e starb am 9. D e z e m b e r 1910, A x e l B j ö r n b o am 6. Oktober 1911 und S i e g f r i e d R i e t s c h e l am 20. September 1912. Ihrer Verdienste um das Reallexikon sei hier in herzlicher Dankbarkeit gedacht. D i e Beiträge, die sie übernommen hatten, liegen im Manuskript fertig vor. Das Reallexikon macht nicht den Anspruch, eine irgendwie »abschließende; Darstellung der germanischen Altertumskunde zu geben. (Wann würde in der Wissenschaft überhaupt j e ein völliger A b s c h l u ß erreicht?) Es will nur den gegenwärtigen Stand der Forschung übersichtlich zusammenfassen, um dadurch die Grundlage und A n r e g u n g zu weiteren Untersuchungen zu bieten. W e n n es ihm beschieden sein sollte, auf diese W e i s e fruchtbringend und fördernd in den Fortschritt der Kulturwissenschaft einzugreifen, so hat es seinen Zweck erfüllt, und die von so vielen Forschern der verschiedensten Länder ihm gewidmete Zeit und Arbeit ist nicht vergeblich gewesen. Heidelberg,

24. Februar

1913.

Johannes Hoops.

Mitarbeiter. Ergänzungen

vorbehalten.

Dr. Clemens Baeumker, ord. Professor an der Universität S t r a ß b u r g. Adolphus Ballard, Woodstock, O x f o r d . Dr. Chr. Bartholomae, Geh. Hofrat, ord. Professor an der Universität H e i d e l b e r g . Prof. Dr. Ludwig Beck, B i e b r i c h a. Rhein. Dr. G. v. Below, Geh. Hofrat, ord. Professor an der Universität F r e i b u r g i. Br. Professor Dr. R. Beltz, S c h w e r i n . Dr. Björn Bjarnason, R e y k j a v i k (Island). Dr. Axel A. Björnbo f , weil. Bibliothekar, Kongelige Bibliothek, K o p e n h a g e n . Dr. J. Boehlau, Direktor des Königl. Museum Fridericianum, K a s s e l . Dr. Franz Boll, ord. Professor an der Universität H e i d e l b e r g . Dr. G. Baldwin Brown, Professor an der Universität E d i n b u r g h . Dr. Karl Brunner, Assistent bei der Sammlung für deutsche Volkskunde, B e r l i n . Dr. Alexander Bugge, Professor an der Universität K r i s t i a n i a . Dr. L. Dietrichson, Professor an der Universität K r i s t i a n i a . Professor Dr. Hans Dragendorff, Generalsekretär des Kais, deutschen archäologischen Instituts, B e r l i n . Dr. Max Ebert, B e r l i n , Kgl. Museum für Völkerkunde. Dr. Ernst Fabricius, Geh. Hofrat, ord. Professor an der Universität F r e i b u r g i. B. Dr. Hjalmar Falk, Professor an der Universität K r i s t i a n i a . Dr. Hermann V. Fischer, ord. Professor an der Universität T ü b i n g e n . Dr. Oskar Fleischer, außerord. Professor an der Universität B e r l i n . Dr. Max Förster, ord. Professor an der Universität L e i p z i g . Kurat Christian Frank, K a u f b e u r e n (Bayern). Dr. Otto von Friesen, Professor an der Universität U p s a 1 a. Professor Dr. Franz Fuhse, Museumsdirektor, B r a u n s c h w e i g . C. J. B. Gaskoin, M. A., W o b u r n S a n d s , Beds., England. Professor Dr. P. Goessler, Dagerloch bei S t u t t g a r t . Professor Dr. Valtyr Gudmundsson, Dozent an der Universität K o p e n h a g e n . Dr. Marius Hsegstad, Professor an der Universität K r i s t i a n i a . Dr. Eduard Hahn, Privatdozent an der Universität B e r l i n . Dr. Hans Hahne, Privatdozent an der Technischen Hochschule H a n n o v e r . Dr. A. G. van Hamel, M i d d e l b u r g , Holland. Dr. Karl Hampe, ord. Professor an der Universität H e i d e l b e r g . Dr. Theodor Hampe, Direktor am Germanischen Nationalmuseum, N ü r n b e r g . Dr. Andreas M. Hansen, H v a l s t a d bei Kristiania. Professor Dr. A. Haupt, Baurat, Professor an der Technischen Hochschule H a n n o v e r . Dr. Gustav Herbig, Privatdozent an der Universität M ü n c h e n . Professor Dr. F. Hertlein, H e i d e n h e i m a. Brenz, Württemberg. Dr. Andreas Heusler, außerord. Professor an der Universität B e r l i n . Dr. Moritz Hoernes, außerord. Professor an der Universität W i e n . Dr. Johannes Hoops, Geh. Hofrat, ord. Professor an der Universität H e i d e l b e r g . Dr. Rudolf Hübner, ord. Professor an der Universität R o s t o c k . Heinrich Jacobi, Kgl. Baurat, H o m b u r g v. d. H. Dr. Josef Janko, außerord. Professor an der böhm. Universität P r a g. Dr. Richard Jordan, Professor an der Kgl. Akademie P o s e n . Dr. Bernhard Kahle t> weil, außerord. Professor an der Universität H e i d e l b e r g .

MITARBEITER

XI

Dr. Wolfgang Keller, ord. Professor an der Universität M ü n s t e r . Dr. Max Kemmerich, M ü n c h e n . Dr. Albert Kiekebusch, K a r l s h o r s t bei Berlin. Dr. Friedrich Kluge, Geh. Hofrat, ord. Professor an der Universität F r e i b u r g i. B r. Dr. Wilhelm Köhler, W i e n . Dr. Laurence M. Larson, Professor an der University of Illinois, U r b a n a. Dr. Karl Lehmann, ord. Professor an der Universität G ö t t i n g e n . R. V. Lennard, Lecturer, Wadham College, O x f o r d . Dr. Arnold Luschin v. Ebengreuth, Hofrat, ord. Professor an der Universität G r a z . Dr. Herbert Meyer, ord. Professor an der Universität B r e s l a u . Dr. Raphael Meyer, Bibliothekar an der Veterinair-Heiskole, K o p e n h a g e n . Dr. Wilhelm Meyer-LÜbke, Hofrat, ord. Professor an der Universität W i e n . Dr. Eugen Mogk, außerord. Professor an der Universität L e i p z i g . Dr. Rudolf Much, ord. Professor an der Universität W i e n . Dr. Gustav Neckel, außerord. Prof. an der Universität H e i d e l b e r g . Dr. Yngvar Nielsen, Professor an der Universität K r i s t i a n i a . Dr. Paul Puntschart, ord. Professor an der Universität G r a z . Dr. Siegfried Rietschel f , weil. ord. Professor an der Universität T ü b i n g e n . Dr. Fritz Roeder, Oberlehrer, Privatdozent an der Universität G ö t t i n g e n . Dr. Franz Riihl, Staatsrat, Universitätsprofessor a. D., J e n a. Dr. Alfred Schliz, Hofrat, H e i 1 b r o n n. Dr. Otto Schlüter, ord. Professor an der Universität H a l l e . Dr. Hubert Schmidt, Privatdozent an der Universität B e r l i n . Dr. Br. Schnittger, S t o c k h o l m , National-Museum. Dr. Hans Schreuer, ord. Professor an der Universität B o n n . Dr. Edward Schröder, Geh. Regierungsrat, ord. Professor a. d. Universität G ö t t i n g e n . Dr. Hans v. Schubert, Geh. Kirchenrat, ord. Professor a. d. Universität H e i d e l b e r g . Professor Dr. Karl Schuchhardt, Geh. Regierungsrat, Direktor am Museum für Völkerkunde, Berlin. Professor Dr. Karl Schumacher, Direktor am Römisch-german. Zentral-Museum, M a i n z . Dr. Claudius Frhr. V. Schwerin, Privatdozent an der Universität M ü n c h e n . Dr. Gerhard Seeliger, Geh. Hofrat, ord. Professor an der Universität L e i p z i g . Dr. Hans Seger, Professor an der Universität B r e s l a u . Dr. Waither Stein, außerord. Professor an der Universität G ö t t i n g e n . Dr. Wilhelm Streitberg, ord. Professor an der Universität M ü n c h e n . Dr. Karl Sudhoff, Geh. Medizinalrat, außerord. Professor an der Universität Leipzig. Dr. Michael Tangl, ord. Professor an der Universität B e r l i n . Ch. Thomas, Architekt, F r a n k f u r t a. M. Dr. Albert Thumb, ord. Professor an der Universität S t r a ß b u r g . Dr. Paul Vinogradoff, Professor an der Universität O x f o r d . Dr. Walther Vogel, Assistent am Kgl. Institut für Meereskunde, B e r l i n . Timot. Welter, K. Notar, M e t z . R. J. Whitwell, Lecturer, Corpus Christi College, O x f o r d . Dr. Friedrich Wilhelm, Privatdozent an der Universität M ü n c h e n . Dr. Ernst Windisch, Geh. Rat, ord. Professor an der Universität L e i p z i g . Dr. A. Zycha, ord. Professor an der Universität P r a g .

XII

Alphabetische Tafel der im Reallexikon behandelten Gruppen. D a s s y s t e m a t i s c h e R e g i s t e r der im e r s t e n B a n d e n t h a l t e n e n S t i c h w ö r t e r s t e h t a m S c h l u ß dieses Bandes.

Aberglaube Ackerbau Agrarverfassung Archäologische Kulturtypen Astronomie Baukunst Befestigungswesen Bekehrungsgeschichte Bergbau und Bergrecht Bildung und Erziehung Chronologie Dichtkunst Eigentum und Besitz Erbrecht Familie Festzeiten Finanzwesen Fischerei Gefäße Gefolgschaft Gerichtsverfassung Geschichtschreibung Geselligkeit Gewerbe und Gewerbetechnik Gewerbeverfassung Grußsitten Handel und Handelsrecht Haustiere Heer Heiligenverehrung Heldensage Höfisches Leben Jagd und Jagdrecht Jurisprudenz Kirchenverfassung Kleidung und Kleiderstoffe Körperflege Kriegführung Kulturpflanzen Kunstgewerbe Lehnswesen

Malerei Maße und Gewichte Mathematik Medizin Möbel Münzwesen Musik Mythus Nahrungswesen Namengebung Natur Öffentliches Leben Ornamentik Plastik Prozeßrecht Rassenfragen Recht und Rechtsbildung im allgemeinen Rechtsdenkmäler Sachenrecht Schiffahrt Schmuck Schrift- und Buchwesen Schuldrecht Siedlungswesen Sippe Spiele und Sport Sprache Staatsverfassung Stammesgliederung Ständewesen Strafrecht Totenbestattung Urheimat und Ausbreitung Verkehrswesen Verwaltung Viehzucht Waffen Werkzeug Wikinger Wohnungswesen

Abkürzungen. a. -

anno.

A a r b . = A a r b e g e r for nordisk Oldkyndighed og Historie. Kjabenhavn. abret. = altbretonisch. ad. = altdeutsch, adän. = altdänisch. adj. = Adjektiv, adjektivisch. ae. = a l t e n g l i s c h (oder angelsächsisch). A F . = Anglistische Forschungen, hrsg. v . J . H o o p s , H e i d e l b e r g , 1900 ff. A f d A . = Anzeiger für deutsches Altertum und deutsche Literatur. Berlin 1875 ff. AfnO. = Annaler for nordisk Oldkyndighed og Historie. Kj»benhavn. afr(an)z. = altfranzösisch, afries. = altfriesisch. A f s l P h . = A r c h i v f ü r slavische Philologie, agerm. - altgermanisch, ags. = angelsächsisch (oder a l t englisch), ahd. = althochdeutsch. Ahd.Gl. = Die althochdeutschen Glossen, g e s a m m e l t u n d b e a r b e i t e t v o n E l i a s S t e i n m e y e r u. E d u a r d Sievers. B e r l i n 1879 bis 1898. aind. = a l t i n d i s c h , air. = altirisch, aisl. = altisländisch, akslav. = altkirchenslavisch. akymr. = altkymrisch. alban. = albanesisch. v. Amira N O R . = Nordgermanisches O b l i g a t i o n e n r e c h t . I 1882; I I 1895. v. Amira Recht = Pauls Grundriß* I I I 51 ff. (1897).

j an. oder anord. = a l t n o r d i s c h . I a n d . = altniederdeutsch. I Angl. = Anglia, Zeitschrift für englische Philologie, hrsg. v . E u g e n Einenkel. a n o r d . — altnordisch. Anord. S B . = Altnord. Sagabibliot h e k hrsg. v o n Cederschiöld, G e r i n g u n d M o g k . Halle 1882 ff. a n o r w e g . = altnorwegisch, aonord. = altostnordisch. a p r e u ß . = altpreußisch, arab. = arabisch. A r c h . f. A n t h r . = A r c h i v f ü r A n thropologie. A r c h . f. R W . = A r c h i v f ü r R e ligionswissenschaft. Freiburg i. B . 1898 ff. A r k i v = A r k i v for nordisk F i l o logi. K r i s t i a n i a , L u n d i 8 8 3 f f . a r m e n . = armenisch. Arnold = W. Arnold, Ansiedel u n g e n u. W a n d e r u n g e n d e u t scher S t ä m m e , vornehmlich n a c h hessischen Ortsnamen. M a r b u r g 1875. as. = altsächsisch. aschw(ed). = altschwedisch, a s l o v . = altslovenisch. assyr. = assyrisch, a t t . = attisch. A u b ö c k = H a n d l e x i k o n der M ü n z e n usw. W i e n 1894. a v e s t . = avestisch. awnord. = altwestnordisch. Bartholomae Airan.Wb. = A l t iranisches W ö r t e r b u c h . 1904. Beow. = Beowulf. Bezz. Beitr. = Beiträge zur K u n d e der i n d o g e r m a n i s c h e n S p r a c h e n , hrsg. v . A d a l b e r t Bezzenberger. Göttingen. B H L . = Bibliotheca Hagiogra-

p h i c a L a t i n a a n t i q u a e et m e diae aetatis. B r u x e l l e s 1898 fT. B i r c h C S . = W a l t e r de G r a y Birch, Cartularium Saxonic u m . 3 vols. L o n d o n 1 8 8 3 — 9 3 . Blümner Technol. u. Terminol. = T e c h n o l o g i e u. T e r m i n o l o g i e der G e w e r b e u. K ü n s t e bei Griechen u. R ö m e r n . 4 B d e . Leipzig 1875—86. Bosworth-Toller = A n Saxon Dictionary. 1882—1908.

AngloOxford

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bretonisch.

Brugmann Grundr. = Grundriß der v e r g l e i c h e n d e n G r a m m a t i k der i n d o g e r m a n i s c h e n Sprachen. 2. B e a r b e i t u n g . S t r a ß burg 1897—1909. Brunner DRG. = Deutsche Rechtsgeschichte. 2. Bde. ( 1 . B d . in 2. A u f l . ) L e i p z i g 1906 u. 1892. B r u n n e r G r u n d z . d. Grundzüge der Rechtsgeschichte. L e i p z i g 1910. bulg. = BZ. =

bulgarisch. Bronzezeit.

c. = c a p u t ,

Kapitel.

DRG. = deutschen 4. A u f l .

XIV

ABKÜRZUNGEN

ca. = circa. Fritzner Ordb. = Ordbog over Parisiis 1840—50. Ed. nova a det gamle norske Sprog. KrisLeopold Favre, t. 10. Niort Cap. de villis = Capitulare de tiania 1886—96. 1883—87. villis Karls d. Gr. (ca. 800), frz. = französisch, DWb. Grimms Deutsches Wörhrsg. 1. v. Pertz MGL. fol. 1, gäl. = gälisch. terbuch. Leipzig 1854 ff. 181—87 (1835); 2. v. Boretius gall. = gallisch. Eddalieder: zitiert nach S. BugMGL. 4 «Sect.II 1,82—91(1881). Carm. norr. = Carmina norröna ge; sieh N F k v . Gallie Vorstud. = Vorstudien ZJ ed. Th. Wisén. 2 Bde. London Ed. Roth. = Edictus Rothari. e. altniederdeutschen Wörtei1886—89. Eg. = Egils saga, buche. Leiden 1903. Cleasby-Vigf. = Cleasby-Vigeig. = eigentlich. Garrett Prec. Stones = R . K. fússon, An Icelandic-English Eir. s. rauöa = Eiriks saga rauda. Garrett, Precious Stones in 011 Dictionary. Oxford 1874. El. = Cynewulfs Elene, hrsg. v. Engl. Literature. Leipzig 190G. Cockayne Leechd. = Leechdoms, gemeinidg. = gemeinindogermaHolthausen. Wortcunning, and Starcraft of nisch. EM. = Eddica Minora hg. v. Early England. 3 vols. Lon- j Heusler und Ranisch. DortGerefa, Anweisungen für einen don 1864—66. mund 1903. Amtmann, Anfg. 11. Jhs., Corp.-Gl. = Corpus-Glossar (altengl. = englisch. 1 hrsg. v. Liebermann Angl. englisch). Engl. Stud. = Englische Stu251 ff. (1886); neu abgedr. in Corp. Gl. Lat. = Corpus Glossadien, hrsg. v. Johannes Hoops. i Ges. d. Ags. I 453 ff. riorum Latinorum. Ed. Loewe Leipzig. Germ. = Germania, Vierte.et Goetz. 7 Bde. Leipzig 1888 jahrsschrift f. deutsche AlterEnlart = Manuel d'Archéologie —1901. tumskunde, hrsg. v. Franz française. Paris 1902. Pfeiffer. 1856 ff. Ep.Gl. = Epinal-Glossar(altengl.). Cpb. = Corpus poeticum boreale. germ. = germanisch. estn. = estnisch. ed. b y Gudbrand Vigfusson G G A . = Göttingische Gelehrte E Z . = Eisenzeit, and F. Y o r k Powell. 2 Bde. f. = Femininum. Oxford 1883. Anzeigen. Fâf. = Fâfnismàl. czech. = czechisch. Gierke D P r i v R . = 0 . Gierke, Falk-Torp = Etymologisk Ordd. = deutsch, Deutsches Privatrecht. I 1895. bog over det norske og det dän. = dänisch, II 1905. danske Sprog. 2 Bd. Kristidass. = dasselbe. Gierke Unters. = Untersuchunania 1901—06.— Deutsche BeD E . = Deutsche Erde. Gotha gen zur deutschen Rechtsgearbeitung von Hermann D a 1902 ff. schichte hrsg. v. Otto Gierke. vidsen. Heidelberg 1907—09. Gl. = in Glossen überliefert. Dehio u. v. Bezold = Die kirchFas. = Fornaldar Sögur Nor9rGnom. E x . = Versus Gnomici liche Baukunst des AbendlanCodicis Exoniensis, Die altdes. Stuttgart 1892 ff. Ianda. K j a b e n h a v n 1829/30. engl. Denksprüche d. ExeterDGeschBl. = Deutsche GeFeist E W b . = Etymologisches Hs., hrsg. bei Grein-Wülker schichtsblätter. Gotha 1900 ff. Wörterbuch der gotischen Bibl. I 341. D g F . = Danmarks gamle FolkeSprache. Halle 1909. Goldschmidt U G d H R . = Univerviser udg. af Grundtvig og Fick4 = Vergleichendes Wörterversalgeschichte des HandelsOlrik, K j a b e n h a v n 1853 ff. buch der indogermanischen rechts. 1893. D. Hist. Tidsskr. = Dansk HisSprachen. 4. Aufl. 1890 ff. got. = gotisch, finn. = finnisch. torisk Tidskrift. gotländ. = gotländisch. dial. = dialektisch. v. Fischer-Benzon Altd. Gartenfl. Graff = Althochdeutsch. SprachDiefenbach Gl. = Glossarium la= Altdeutsche Gartenflora. schatz. 6 Tie. 1834—42. tino-germanicum mediae et inKiel u. Leipzig 1894. Grett. s. = Grettis saga. fimae aetatis. Frankfurt a. M. Fiat. = Flateyjarb6k. Kristiania gr(iech). = griechisch. 1857. 1860—68. Grdf. = Grundform. Diefenbach NG1. = Novum GlosFms. = Fornmanna Sqgur. Grimm DGr. = Deutsche Gramsariumetc. Frankfurta.M.1867. Forrer Reallex. = Reallexikon der matik v. J . Grimm. Neuer Diez E W b . = Etymologisches prähistorischen, klass. u. frühvermehrter Abdruck. 4 Bde. Wörterbuch der roman. Sprachristlichen Altertümer. 1907. Berlin und Gütersloh 1870—9S. chen. 5. Ausg. Bonn 1882. F o r s c h D L V k . = Forschungen z. GrimmDMyth.4 = Deutsche MyD L Z . = Deutsche Literaturzeideutschen Landes- u. Volksthologie von Jac. Grimm. tung, hrsg. v. Paul Hinneberg, kunde. 4. Ausg. von E . H. Meyer. Berlin, Franck E W b . = Etymologisch 3 Bde. Berlin 1875—78. dor. — dorisch. Woordenboek der NederlandGrimm DRA.4 = Deutsche sche Taal. s'Gravenhage 1892. DuCange = C. DuCange, GlosRechtsaltertümer v. J. Grimm. franz. = französisch, sarium mediae et infimae la4. Ausg. 2 Bde. Leipzig 1899. fries. = friesisch. tinitatis, ed. G. A. L. Henschel.

XV

ABKÜRZUNGEN

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Leechdoms II. Lamprecht D W L . =

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i

Leonhardi = Kleinere angelsächs. Denkmäler I, hrsg. v . G. L. in Grein-Wülkers Bibl. d. ags. Prosa 6. Hamburg 1905. lett. = lettisch. Lexer = Lexers Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Liebermann Ges. d. Ags. = Gesetze der Angelsachsen. 1903 —1912. Lindenschmit D A . = Handbuch der deutschen Altertumskunde. Braunschweig 1880—89. j Lit. = Literatur(angaben). : lit. = litauisch. Litbl. = Literaturblatt für germanische und romanische Phi! lologie, hrsg. v. 0 . Behaghel u. j F. Neumann. 1880 ff. v. Luschin Münzk. = Luschin v. Ebengreuth, Allg. Münzkunde u. Geldgeschichte. 1904. m. = Maskulinum. MA. = Mittelalter, ma. = mittelalterlich. Maitland D B . = D o m e s d a y Book and bcvorid. maked. = makedonisch. Manitius GdlLit. = Gesch. d. latein. Lit. des MA. I. München 1911.

i ! I !

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ABKÜRZUNGEN

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Schräder Sprachvgl. u. Urgesch. = Sprachvergleichung u. Urgeschichte. 3. AuflJena 1906—07. Schröder DRG.5 = Richard Schröder, Lehrbuch der Deutschen Rechtsgeschichte. 5. Aufl. Leipzig 1907. schwed. = schwedisch, s. d. = siehe dies, serb. = serbisch. Sigrdxfm. = Sigrdrifumal. Skeat E D . = An Etymological Dictionary of the English LanP l i n i u s N H . = Naturalis Historia. guage. 2 d ed. Oxford 1884. PM. = Petermanns Geogr. Miti — Cone. E d . = A Concise E t y teilungen.

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XVII

ABKÜRZUNGEN

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Hoops,

Reallexikon.

I.

|>s. = Jjiöreks s a g a ,

Kapitelzahl

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u.

w s . = westsächsisch (ags. D i a l e k t ) . W u S . = W ö r t e r u. S a c h e n . K u l turhistorische Z e i t s c h r i f t f ü r Sprach- und Sachforschung. H e i d e l b e r g 1909 ff. W W . = Wright-Wülker. Wz. = Wurzel. Z. = Z e i t s c h r i f t . Z d V f V k . = Z e i t s c h r i f t des V e r e i n s f ü r V o l k s k u n d e , Berlin 1891 ff. Zeuß = Die Deutschen Nachbarstämme.

u.

die

Z f d A . = Zeitschrift für deutsches Altertum. Berlin 1841 fl. Z f d P h . = Z e i t s c h r i f t für d e u t s c h e Philologie. Halle 1868 ff. Z f d R . = Zeitschr. f ü r d e u t s c h e s Recht. Leipzig, später Tübingen 1 8 3 9 - 6 1 . Z f d W f . = Zeitschrift für deutsche W o r t f o r s c h u n g , hrsg. v . Kluge. S t r a ß b u r g 1901 f. Z f E t h n . = Zeitschrift für E t h n o logie. B e r l i n 1869 ff. ZffSpr. = Zeitschrift für französische Sprache u. L i t e r a t u r . Oppeln 18835. Z f H R . = Z e i t s c h r i f t f ü r das g e samte Handelsrecht. Erlangen, später S t u t t g a r t 1858 ff. Z f N . = Z e i t s c h r i f t für N u m i s m a tik. Berlin 1874 ffZ f R G . = Zeitschrift für Rechtsgeschichte. Weimar 1 8 6 1 — 8 7 .

b

A. Aachener Kaiserpfalz. Erbaut von K a r l d. Gr. an Stelle und unter Benutzung eines älteren merowingischen Palatiums, wohl seit 788. Die ganze großartige Anlage, wie es scheint ein Rechteck von Mauern umgeben, mit Türmen an den Ecken, Toren an den Seiten, umfaßte den hochgelegenen Palast (die Regia), an tiefer Stelle die Pfalzkapelle, beide durch einen mächtigen, mit Terrassen und Treppen herabführenden Hof verbunden, ringsum zahlreiche Höfe und Nebengebäude, Bäder und Gärten. Das Ganze umschloß die Gebäude für die Angehörigen des kaiserlichen Hofes, für die Leibwachen und Beamten, für die Geistlichen der Hofkirche sowie für Schulen. Auch das aus Ravenna hierher geschleppte Bronzedenkmal Theoderichs war auf einem Platze des Palastes aufgestellt. Die Regia, die Königshalle, auf der Höhe im Norden des Areals (an der Stelle des heutigen Rathauses), hatte im Untergeschosse eine Reihe von reichausgestatteten Gemächern, darüber den großen Saal. Die Querwände teilten das untere Geschoß, wie es scheint, in 5 (oder nach Reber 7) Räume, die mit Holzdecken (Kragsteine noch vorhanden) überdeckt waren. Das Testament Karls gibt uns einen Begriff v o a der riesigen Menge von Kostbarkeiten in der Ausstattung des Palastes. — S. Aachener Pfalzkapelle, Königshalle. S t e p h a n i Wohnbau II 134 ff. R e b e r Der Palast zu Aachen, A b h . d. bayr. Akad. d. Wiss. 1893, 187 ff. K e s s e l u. Rhoen Beschreibung u. Gesch. d. karoling. Pfalz zu Aachen, Ztschr. d. Aachener Gesch.-Ver. 1881. A . Haupt.

Aachener Pfalzkapelle. § 1. Von K a r l d. Gr. 796—804 südlich unterhalb des Palatiums erbaut, um an die Stelle einer H o o p s , Reallexikon.

I.

kleinen merowingischen Basilika zu treten. Bedeutungsvollster Zentralbau des Nordens im I. christl. Jahrtausend. Vermutlich liegen die Vorbilder der Anlage in Kleinasien, wo Martyrien höchst ähnlicher Anlage zahlreich vorhanden sind. Achteckiger hochgeführter Mittelraum, v o n E m -

A b b . 1.

Aachener Pfalzkapelle; Grundriß. Nach Faymonville.

poren umgeben, mit achtseitiger K u p p e l überdeckt. Der Umgang ist sechzehneckig und besteht aus je acht quadratischen Gewölben vor den acht Seiten des Mittelraumes, dazwischen dreieckige Felder; überall sind die Gewölbe Kreuzgewölbe, ausgenommen über den oberen acht Hauptfeldern, die Tonnen haben. Diese Tonnen

AACHENER

2

steigen bei den sechs seitlichen gegen den Mittelraum zu an. Im Osten war einst eine rechteckige Apsis, an deren Stelle heute ein gotischer Chor steht. Westlich eine Vorhalle, nach außen in einer segmentförmigen Nische sich öffnend, zwischen zwei runden Treppentürmen, die zur Empore führen. Die äußere Architektur ist ganz einfach; nur a m T a m b o u r der K u p p e l

A b b . 2.

PFALZKAPELLE bogige Fenster. Die Säulen sind aus R a venna geholt, wie auch der einstige Marmorschmuck des Bodens und der Wände. Die K u p p e l (und Gewölbe?) zeigten einst reiche Mosaiken, deren letztes im 18. Jahrh. zerstört wurde. V o r der Säulenstellung der Empore stehen acht bronzene durchbrochene Gitter, die vielleicht v o m Theoderichdenkmal zu R a v e n n a stammen, da

Aachener Pfalzkapelle; Längenschnitt.

zeigen sich an den E c k e n strebepfeilerartige Lisenen mit korinthischen Kapitellen. § 2. Das Innere besizt eine höchst stattlich zu nennende architektonische Durchbildung. Die untern acht Bögen ruhen auf kräftigen rechteckigen geknickten Pfeilern mit Kämpfergesimsen, die oberen hochgeführten Bögen der Emporen dagegen haben einen reichen Säuleneinbau: unten je drei Bögen über zwei großen korinthischen Säulen, darüber stehend schneiden je zwei kleinere in die Bögen einfach ein, eine Erinnerung an altrömische Thermen-Architektur. Im Tambour darüber einfache rund-

Nach Faymonville.

ihre Maße genau dorthin passen. — Fernere alte Ausstattungsstücke sind die bronzenen Türen, deren H e r k u n f t unbekannt ist, sowie einige importierte Erzwerke. Heinrich II. h a t eine schöne K a n z e l mit spätantiken (koptischen?) Elfenbeinreliefs gestiftet; Kaiser Barbarossa noch eine Reihe Ausstattungsgegenstände, vor allem den großen Reifenleuchter. § 3. K a r l d. Gr. wurde (nach Einhard) hier bestattet. Sein Grabmal befand sich vermutlich an der A u ß e n w a n d im ersten unteren Gewölbe rechts neben der Apsis. Sein Thron aus weißem Marmor über

AAL—ABEND Stufen steht noch auf der Empore über dem Eingang, der Apsis gegenüber (s. Kaiserstuhl). Vor der Kapelle erstreckte sich einst ein Vorhof (Atrium) mit Bögen nach dem westlichen Eingangstore. D e h i o u. v. B e z o l d D. kirchl. Baukunst des Abendlandes I 152fr. Strzyg o w s k i Der Dom zu Aachen u. seine Entstellung. Leipzig 1904. Faymonville Der Dom zu Aachen. Aachen 1909. A. H a u p t Älteste Baukunst 244. J. B u c h k r e m e r Das Atrium d. karoling. Pfalzkapelle z. Aachen, Ztschr. d. Aachener Gesch.-Ver. 20, 247 ff. A. Haupt.

Aal. (Anguilla fluviatilis.) § I. Gräten des Aals finden sich schon in den dänischen Kjökkenmöddinger in Menge, und Sophus Müller (Nord. Altsk. I 148) möchte gewisse lange Beinspitzen aus der jüngeren Steinzeit, die an der einen Seite fein gezähnt sind, als Aalgabeln auffassen, die zur Fischerei verwandt wurden. Daß auch die Indogermanen den Aal kannten und aßen, kann bei der Beliebtheit, deren er sich bei den europ. Völkern in historischer Zeit von alters her erfreute, kaum zweifelhaft sein. Wenn auch das Vorhandensein eines uridg. Namens umstritten ist, so bestehen doch in allen europ.-idg. Sprachen Namen für den Aal, die zum Teil sehr alt sind. Sie zeigen uns, daß die Indogermanen den A. nicht zu den Fischen zählten, sondern als Schlange auffaßten, vgl. lat. anguilla zu anguis; gr. e-^sXu? wohl eine Kreuzung aus *anguis und e/t? 'Schlange'; mir. esc-ung 'Aal' = ' Sumpf schlange' (-«ng zu lat. anguis)-, preuß. angurgis, lit. ungurys, russ. ug(o)ri 'Aal' zu der gleichen Sippe (Walde EWb.). Noch Homer (IL 21, 203) spricht von if/sXus? TS xat fyftus?. § 2. Die germ. Völker haben für den A. einen gemeinsamen alten Namen, dessen weitere Verwandtschaftsverhältnisse zweifelhaft sind: ahd. mhd. äl, nhd. aal; mnd. äl, gl, nnd. QI\ mndl. ael, nndl. aal; afries. *el, satl. eH, nordfries. el, nwfries. isl; ae. ¿El, el, me. ne. eel; anord. all, schwed. dl, dän. aal; Grdf. *elaz. Der Aal ist in den germ. Ländern überall verbreitet, namentlich in Norddeutschland und Holland. In England waren Lachs und Aal nach

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Beda (HEccl. I, 1) früher ganz besonders häufig, worauf auch Ortsnamen wie Ely, ae. El-ig, ¿El-egg 'Aalau' hinweisen. Von seiner Beliebtheit bei den Angelsachsen zeugt sein mehrfaches Auftreten in Abgaben sowie die Notiz Bedas (4, 13), die Leute von Sussex hätten sich nur auf den Aalfang verlegt, im übrigen von Fischfang nichts verstanden (piscandi peritia genti nulla nisi ad anguilas tanturn inerat). Oder b. Pauly-Wissowa. SchradeReallex. J. J. K ö h l e r Altengl. Fischnamen (AF. 21) 13 ff. Walde EWb. sv. anguis. H i r t Indogm. 186. 619. S c h r ä d e r Sprachvgl. u. Urgesch. 3 I 162. II 146 ff. B o i s a c q DEt. sv. ry^eXo;. Hoops.

Abalus. Nach Plinius NH. 37,35 hieß die der Küste der Gutones vorgelagerte Bernsteininsel bei Pytheas Abalus, bei Timaeus Basilia. Den Widerspruch dieser Mitteilung mit NH. 4,95, wonach Pytheas sie Basilia nenne, sucht Müllenhoff DA. 1,473 ff, durch eine Conjektur eaniem Pytheas (Abalum, Timaeus) Basiliam nominat zu beseitigen. Bei Xenophon von Lampsacus fand sich nach Plinius NH. 4,95 die Namenform Baicia, wofür bei Solin. 19, 6 Abalcia gelesen wird. Weder über diese Namen, noch über die Lage der Insel ist Bestimmtes zu ermitteln. S. über die Frage bes. M ü l l e n h o f f aaO. Koss i n n a sucht Abalus, Abalcia, Baicia mit Basilia durch Annahme von zugrund liegendem vf/do? 2aßaXo;, 2aßiXsiir die älteste feste Form des Abendmahlsbrotes erblicken. Später durften in manchen Kirchen nur die Diakonen oder Subdiakonen die Hostien bereiten. Im Bauplan des Klosters St. Gallen ist ein eigener Raum zum Backen des heil. Brotes und zum Auspressen des heil. Öles vorgesehen. Fuhse.

Aberglaube. § 1. Das Wort 'Aberglaube' begegnet erst seit dem Ausgange des 15. Jahrhs. und bezeichnet in der christlichen Kirche den vom kirchlichen Dogma abweichenden Glauben. In allen germanischen Sprachen (nd. overgeloof, skand. overtro, isländ. hjätrü) ist das entsprechende Wort jungen Ursprungs; ältere Quellen nennen diesen Glauben ungeloube. Eine Bezeichnung für den von der herrschenden Religion abweichenden Glauben aus heidnischer Zeit besitzen wir nicht. § 2. Unter „Aberglaube versteht man jede allgemeine Annahme, die entweder keine Berechtigung in einer bestimmten Religion (sagen wir 'in einem bestimmten Dogma') hat oder in Widerstreit steht mit der wissenschaftlichen Auffassung einer

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bestimmten Zeit von der Natur" (Lehmann). glauben, wie den orientalischen DämonenEr geht zum großen Teil zurück auf und Teufelsglauben, dem Volke gebracht. den Glauben eines Volkes an die überDieser hat das ganze Mittelalter bei allen natürlichen Kräfte in seiner Kindheit, germanischen Völkern geherrscht. Auch ist daher Überrest eines früheren Geselldie Reformatoren haben nur einen Teil schaftsglaubens, einer Religion. Wie aber dieses A.s bekämpft (Marien-, Heiligenkult diese Kräfte sowie gewisse Ereignisse, u. a.), anderes haben auch sie gelten lassen die diesen Glauben erzeugt haben, im (Teufels-, Hexenwahn). Dagegen ging Menschenleben nie aufhören, so führen der Humanismus und später die Aufsie auch bei kindlichen Gemütern ihm klärungsliteratur dem A. energisch zu ununterbrochen neue Nahrung zu, die Leibe. Gleichwohl lebt bis heute noch nicht selten durch Berührung mit andern viel Aberglaube im Volke und unter Völkern und Menschen und unter deren den Gebildeten fort, und wie in altEinflüsse vermehrt wird. So ist der A. germanischer Zeit kann man die Beobnichts Totes, Absterbendes, sondern geachtung machen, daß Staat und Gesellbiert sich immer von neuem. Das Volk, schaft wohl den ihre Mitglieder schädigend. h. die durch die assoziative Denkform den A. bekämpfen, seine harmlosen Äußebeherrschte Menge, pflegt den A. fort, rungen aber bestehen lassen, ja die poetiund deshalb gebührt der Sache richtiger schen Gestalten desselben, wie sie in die Bezeichnung 'Volksglaube'. Märchen und Sagen zum Ausdruck kommen, sogar vielfach pflegen. Zur Zeit des Heidentums ist es § 3. niemand eingefallen, den A. zu bekämpfen, § 5. Im engsten innern Zusammenhang sofern er nicht, wie z. B. der Bosheits- j mit dem A. steht der Z a u b e r (s. d.), zauber, in das soziale Leben der Volksso daß beide oft gar nicht voneinander gemeinde schädigend eingriff. Erst das I getrennt werden können. Der Zauber Christentum, das der stetigen Entwickist der in Handlung umgesetzte Aberlung der Volksreligion schroff entgegenglaube, soweit er in der Annahme von trat, nahm den Kampf auf wie gegen die der Zauberkraft der Dinge beruht. Allein herrschende Gesellschaftsreligion so auch der Mensch hat nicht nur die Überzeugung, gegen den in dieser noch lebenden Volksdaß den Dingen Zauberkraft innewohne, glauben. Und nun erst begegnen die sondern er hat auch den Glauben an den verschiedensten Schichten des heidnischZauberer, d. h. an Personen, die die magigermanischen Glaubens als Unglaube und sche Kraft der Dinge beeinflussen und sie später in der nach christlicher Auffassung zum Vorteil oder Nachteil ihrer Mitverwerflichen Bedeutung des Wortes Abermenschen verwerten können. Beide geglaube'. meinsam, A. und Zauber, bilden somit die unterste Schicht religiöser Äußerung, § 4. Gleichwohl ist es der Kirche nicht jener in Vorstellung und Wort, dieser in gelungen, diesen Glauben des Volkes ausder Handlung, nur ist jene viel umfassender zurotten. Sie hat sich vielmehr genötigt als diese, wie auch in einer späteren gesehen, einen großen Teil desselben unter Periode der Religionsgeschichte der Glaube ihre Fittiche zu nehmen, um ihn entweder an die anthropomorphischen Göttergein christliches Gewand zu hüllen, wie es stalten viel umfassender ist als ihr Kult. Papst Gregor der Große in dem Brief an Im A. wurzelt auch die primitive W e i s den britischen Abt Mellitus vorschrieb sagung (s. d.); diese entspringt aus (Beda, Hist. eccles. I 30), oder geradezu dem Glauben, daß gewisse Dinge oder als Privilegium für sich in Anspruch zu Erscheinungen dem Menschen warnend nehmen. So wurde viel alter Volksoder aufmunternd entgegentreten und so glaube dogmatischer Glaube (vgl. R a sein eigenes Handeln beeinflussen können. b a u d, Altheidnische Wurzeln im kathol. Hierbei spielt besonders der Angang eine Kultus.1 1906), und die Kirche ist nicht Rolle. In einer späteren Periode geistiger nur zur Hüterin altgermanischen A.s geund religiöser Entwicklung schrieb man worden, sondern hat auch durch die dann die Ankündigung der Zukunft den Mystik der Kirchenväter neuen Aber-

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Seelen der Verstorbenen und schließlich den anthropomorphischen Göttern zu, ließ aber auch dann noch den alten Angangglauben fortbestehen, und dieser hat sich bis in die Gegenwart erhalten. § 6 . P s y c h o l o g i e d e s A. Der primitive Mensch, auf dessen Denkweise aller A. beruht, kennt nur eine assoziative Denkform und analogisierende Denkweise. E r bringt die Dinge seiner Umgebung und die Erscheinungen in der Natur sowie die Ereignisse in ursächliches Verhältnis zu den Eindrücken, die sie auf sein Inneres, auf sein Gemüt machen, und von diesen Eindrücken aus gestaltet er sich dann durch seine kindliche Phantasie die Dinge oder bringt analoge Erscheinungen mit Ereignissen, die sich an seine oder seiner Mitmenschen Person knüpfen, in inneren Zusammenhang. Der Mensch beobachtet an der jedes J a h r sich verjüngenden Natur die schaffende K r a f t des Erdbodens. Die Erde ist ihm die Mutter alles Lebens. Soll daher ein neugeborenes Kind Lebensk r a f t erhalten, so wird es auf die Erde gelegt (vgl. Mutter Erde). In dieser Überzeugung wurzelt auch der A., daß Kinder aus Gewässern und Bäumen, die in das Innere der Erde führen, kommen oder Tote dorthin gehen. Auf der anderen Seite hat man Vorgänge aus dem menschlichen Leben, aus eigener Erfahrung auf die Außenwelt übertragen. Die Veranlassung zu neuem Leben gibt das männliche Glied. Damit die mütterliche Erde auf gleiche Weise befruchtet werde wie das Weib, hat man die sogenannten 'Heiligen Steine' errichtet, Nachbildungen männlicher Glieder, die man besonders zahlreich in Skandinavien gefunden hat (vgl. Phallischer Kult). Man hat ferner die sprossende K r a f t der Sträucher im Frühjahr erkannt. Durch Berührung, nahm man an, geht diese auch auf andere Dinge über. So pflegte man im Frühjahre die Äcker, das junge Vieh beim Austrieb, heiratsfähige Mädchen und junge Frauen mit dieser Lebensrute zu schlagen, um sie dadurch fruchtbar zu machen, was man auch vielfach am Hochzeitstage an d-er Braut vornahm. In engem Zusammenhange hiermit steht das Aufpflanzen des Maibaumes, was ebenfalls besonders bei heiratsfähigen Mädchen

und bei Brautleuten geschieht. Auf gleiche Weise hatte man den Keim jungen Lebens auch beim Ei beobachtet, weshalb auch dies beim Fruchtbarkeitszauber in Sitte und Brauch eine so wichtige Rolle spielt. Zur Psychologie primitiver Menschen gehört weiter, daß man Glieder eines Menschen, Gegenstände, mit denen er in leiblicher Verbindung steht, namentlich seine Kleider, sein Bild, seinen Namen, mit dem Individuum gleichstellt und glaubt, daß ihm das geschehe, was man mit diesen Dingen vornimmt. Wer einem gegen seinen Willen die Haare schneidet, nimmt dessen K r a f t ; der Daumen ungeborener Kinder, die noch unsichtbar sind, macht den unsichtbar, welcher ihn bei sich trägt (vgl. R . K ö h l e r , K l . Sehr. 3, 279 ff.); durch Nachbildungen der Sonne, wie man sie auf den nordischen Hällristningar findet und wie sie noch bis in die Gegenwart in plastischer Form oft hergestellt werden, glaubt man der Sonne neue K r a f t zuführen zu können; wenn man das Bild eines Abwesenden verletzt, so stirbt er oder wird krank an dem Gliede, dem auf dem Bilde die Verletzung zugefügt ist; seinen Namen darf man nicht nennen, wenn zu befürchten ist, daß dieser von einem Feinde zum Bosheitszauber benutzt werde. Nicht zu erreichende oder in den zu erzielenden Eigenschaften nicht nachzubildende Dinge vertritt häufig das Substitut. So namentlich beim Vegetationszauber das Feuer die Wärme der Sonne, das Wasser den Regen der Wolke. Vorgänge in der Natur wurden in Kausalverbindung mit Vorgängen im Menschenleben gebracht. Was wachsen, zunehmen sollte, begann man bei zunehmendem Monde, was vergehen sollte, namentlich Krankheiten, wurde bei abnehmendem kuriert. Gegenstände von Kranken gab man Toten mit ins Grab, damit die Krankheit zugleich mit der Verwesung des Leibes schwinde. Auch andere Kausalverbindungen zwischen Naturvorgängen und Dingen, besonders Tieren, nahm man an. Weil die Schwalbe und andere Zugvögel mit der schönen Jahreszeit kamen, hielt man diese Vögel für glückbringend und hütete sie sorgfältig. Eine hervorragende Rolle spielte in dieser primi-

ABERGLAUBE t i v e n Psychologie auch die Übertragung. D a s Blut, das Herz, die Nieren galten als Sitz der menschlichen Seele und damit aller Eigenschaften, die ein Mensch besaß. W o l l t e m a n sich diese aneignen, so mußte m a n die betreffenden Körperteile verzehren. K r a n k e Glieder wurden nachgebildet und diese Nachbildungen an geweihter S t ä t t e niedergelegt: so, hoffte man, genesen die Glieder. A n gewisse Dinge, namentlich an Bäume, glaubte man, sei das Leben, das Geschick der Menschen g e k n ü p f t : hieraus entstand der Glaube an die Schicksalsbäume, der u. a. die harten Strafen erklärt, die noch im ganzen Mittelalter auf B a u m f r e v e l gesetzt w a r e n (Grimm D R A . 4 II 39). So zeigt sich allerorten im Aberglauben der Germanen eine Psychologie, wie wir sie heute noch bei V ö l k e r n beobachten können, die auf einer niederen K u l t u r s t u f e stehen. Vierkandt Naturvölker u. Kulturvölker, 1896. Schultz« Psychologie der Naturvölker, 1900. Wandt Völkerpsychologie I I

1—3. 1905—1909§ 7. Der Aberglaube der Germanen birgt die Entwicklungsgeschichte ihrer vorhistorischen Religion und bildet so zu dem Götterglauben die notwendige Ergänzung (vgl. R e l i g i o n ) . Alle Schichten religiöser E n t w i c k l u n g können wir in ihm beobachten. Allein sie liegen nicht scharf getrennt übereinander, sondern die älteren sind vielfach in jüngere eingeschoben und mit diesen verquickt. Neue Religionsauffassungen haben die alten umgestaltet, und ein nicht geringer Teil ist in sie aufgenommen worden. In der Zeit des Vitalismus glaubte m a n die ganze Umgebung, die N a t u r beseelt und sprach den Dingen eine gewisse Z a u b e r k r a f t zu, die durch kindliche Gedankenverbindung mit dem Menschenleben in Zusammenhang gebracht wurde, w i e im § 6 gezeigt worden ist. A u c h der Pflanzen- und Tierwelt wurden diese Lebens- und Z a u b e r k r ä f t e zugeschrieben. Zahlreiche Pflanzen gelten als glückbringend, schirmen die Gesundheit, halten Unglücksdämonen (wie Hexen, den Alp) fern, sind nützlich bei manchem Zauber, bewirken bei den Frauen leichte Geburt, künden zuweilen die Z u k u n f t und sind nicht selten Wetterpropheten. A u c h an

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B ä u m e k n ü p f t sich vielfach der Aberglaube, doch fast nur an die Bäume, die auf germanischem Boden heimisch sind. Ganz besonders üppig wuchert diese unterste Religionsschicht auch im Tieraberglauben fort, der natürlich auch, wie der Pflanzenaberglaube, im L a u f e der Zeit immer neue Nahrung v o n innen und außen her erhalten hat. A u c h in der Tierwelt kennt der Germane glückbringende Tiere, Tiere, die das Haus und den Herd vor Ungemach, besonders v o r Blitzschlag schirmen. Eine besondere Rolle spielt das T i e r in der passiven Weissagung, im Angang, gegen den schon der heilige Eligius als heidnischen A . predigt (Grimm D. Myth. 4 I I I 404). Begegnen beim Beginn eines Unternehmens ein Fuchs oder Wolf oder Schaf, so bedeutet dies Glück, dagegen sagen Hase, K a t z e , Schwein unglücklichen Ausgang an. Einige Tiere, wie das Pferd, die Schwalbe, der Storch, die Biene, galten geradezu als heilig und durften nicht verletzt oder gar getötet werden. D a ß in der Verehrung dieser Tiere Überreste alten Totemismus, ist ; T schwerlich anzunehmen (vgl. Religion § 4). Die Belebung der N a t u r birgt die A n fänge des Dämonenglaubens (s. d.). Die ganze Natur, die Mineral-, Pflanzen- und Tierwelt, wurde mit einer Schar Dämonen erfüllt, die bald helfend, bald schädigend in die Geschicke der Menschen eingriffen, ohne daß man sich eine bestimmte Vorstellung v o n ihnen machte. Solche Dämonen hausten in der L u f t , in den Wolken, in den Gewässern, im Gewitter; sie brachten Krankheiten über Menschen und Tiere, vernichteten im Hagelwetter die Saaten, j a nahmen zuweilen sogar an K ä m p f e n teil (Fornms. 11, 134 ff.). Gegen sie suchte man sich zu schirmen durch Zauber oder alle möglichen Arten A m u l e t t e (s. d.), die man bèi sich trug oder an bestimmten, den Dämonen besonders ausgesetzten Orten niederlegte. W u r d e dem Schutzmittel besondere Verehrung zuteil, so wurde es zum F e t i s c h (s. d.). W o man nutzbringende Dämonen wähnte, wie in Quellen oder in Wäldern, galt der Ort als heilig (tabu), und niemand durfte ihn entweihen. Allmählich gab die Phantasie diesen Dämonen Tier- oder Menschengestalt, zumal als der

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Dämonenglaube mit dem Seelenglauben verquickt war, und so entstand die ganze Schar anthropo- und theriomorphischer Wesen, die im Mythus, in Sage und Märchen eine so wichtige Rolle spielen (vgl. § 10). § 8. Eine zweite Schicht altgermanischen Aberglaubens wurzelt im Seelenglauben (s. d.) und Ahnenkult (s. d.). Dieser hat vielfach den Dämonenglauben in sich aufgenommen, und nun hausen die Seelen der Verstorbenen, wo einst Dämonen geherrscht haben. Daher ist es zuweilen ganz unmöglich festzustellen, ob wir in diesem oder jenem Aberglauben Reste des Dämonen- oder Seelenglaubens haben. In der Beobachtung des Sterbens und im Traumleben wurzelt der Seelenglaube, der mit seinen Wiedergängern und Spukgestalten, mit seiner Seelenfauna, seinen Quäl- und Schutzgeisten das ganze Feld des Aberglaubens überwuchert hat. Zugleich befinden sich in seinem Gefolge unzählige abergläubische Sitten und Gebräuche, die sich teils an den Tod eines Mitmenschen knüpfen, tdils in Zeiten geübt werden, die man besonders als Zeiten der Wiederkehr der abgeschiedenen Seelen auffaßte. Aus den meisten spricht noch die Furcht, die man vor der Wiederkehr der Seele gehabt und die zum großen Teil diesen Glauben bedingt hat. Im einzelnen muß hier auf die Artikel Seelenglauben und Totenkult verwiesen werden. § 9. Die jüngste Schicht religiöser Entwicklung der Germanen ist die Verehrung persönlicher Gottheiten, deren Gebiet sich wesentlich über ihr Ursprungsgebiet erweitert hatte. Sie besaßen bei dem einen Stamme mehr, bei dem anderen weniger Macht. Gegen diese Götter war in erster Linie der Kampf der christlichen Missionare gerichtet. Man erklärte sie für Dämonen, und so sanken sie auf die Schicht des Volksglaubens zurück, aus der sie hervorgegangen sind. Ihren Kult und damit ihre Stellung als Stammesgottheiten hat die christliche Kirche gebrochen, den Genossenschaftsglauben an sie aber nur auf den Volksglauben zurückgedrängt. In diesem leben sie zum Teil bis auf den heutigen Tag noch fort, ohne daß es sich jedoch in den einzelnen Fällen feststellen läßt, ob wir es mit altem Volksglauben

oder mit Genossenschaftsglauben zu tun haben, der zu neuem Volksglauben geworden ist. Das ist ganz besonders der Fall bei dem weit verbreiteten A. von der wilden Jagd, dem wütenden Heer und seinem Führer, der bald als Schimmelreiter oder Breithut, Hackelberg, Nachtjäger, wilder Jäger, Paine Jaeger, Bandietrich, Kong Volmer usw. erscheint und in dem man stets den germanischen Wodan wiederfinden will. Allein die Vorstellung von dem Totenheere als der Wilden J a g d oder dem Wütenden Heere ist das ältere, ursprüngliche gewesen, wie ein Vergleich mit der Glaubensgeschichte andererVölker lehrt, und erst nach engerem politischen und wirtschaftlichen Zusammenschluß ist der Schar ein Führer gegeben worden, der im Laufe der Zeit bei einigen germanischen Stämmen sein Machtgebiet wesentlich erweitert hat und in den Mittelpunkt des Kultes getreten ist. Aber auch nachdem dies geschehen war, hat der Glaube an das führerlose Heer noch fortbestanden und zugleich auch der Trieb, dieser Schar einen Führer zu geben. Deshalb können jene Gestalten des A., zumal wenn sie die Namen historischer Personen tragen, recht wohl ganz unabhängig von irgendwelchem alten Wodansglauben noch in relativ später Zeit in der Volksphantasie entstanden sein. Und dasselbe gilt auch von den weiblichen Führerinnen des Seelenheeres wie Frau Holle, Frau Harke, Perchta u. a. § 10. Die poetischen Ges t a l t e n des A. Der germanische A. ist die Quelle reichster Poesie. Mythus und Legende, Märchen und Sage haben in gleicher Weise aus ihm geschöpft. Auf dem Volksglauben fußen zahlreiche Legenden, die die eddische Dichtung von den nordgermanischen Göttern kennt, in dem Volksglauben wurzeln die meisten Märchen des Volkes, Gestalten des Volksglaubens begegnen in der Volkssage auf Schritt und Tritt. Aus dem A. sproßten die Spuk- und Teufelssagen, die Wunderund Zaubersagen, die Schatz- und unzählige andere Sagen, die man als mythische Sagen zu bezeichnen pflegt. Die mannigfaltigsten Gestalten hat die Phantasie des Aberglaubens geschaffen: die Riesen (s. d.), Elfen, Zwerge, Wichte, den

ABERGLAUBE Kobold, das Güttel, den Puck, Butzemann, Klabautermann, das Erd- und Heinzelmännchen, den schott. Brownie, den engl, good Fellow, die skandinav. Nisser, Bolvaett, Tomte, die Holden und Perchten, das isl. Huldufolk, den Alp, die Mahre, Trude, den Drachen, die Hexen, den Werwolf, Bilwis, die Feuermänner, Zeisler, den skand. Lyktegubben, die Nixe, den nord. Marmennill, die Havmasnd und Havfruer, den Fossegrim der norwegischen Wasserfälle, die Fangen, Wilden Leute, Moosfräulein, die Hyllemor und Skogsfru, den Korn-, Roggen-, Graswolf, die nordischen Valkyrjur, Fylgjur, Nornir, die Schwanenjungfrauen usw. Auch zahlreiche Züge, die im Volksglauben wurzeln, sind in der Volksdichtung verwertet. Es sei nur erinnert an das Verstehen der Tier-, besonders der Vogelsprache, an das Motiv von der verborgenen Seele, an die vielen Sagen von der Wanderung der Seele in Tiergestalt während des Schlafes. § II. Z e i t e n und P f l e g e r des Aberglaubens. Auch die Tages- und Jahreszeit hat Einfluß auf die Erweckung und Pflege des A. Von den Tageszeiten wirkt die Nacht ungleich mehr zur Förderung des A. als der Tag. Die Finsternis erregt Furcht, und diese läßt die kindliche Phantasie alle möglichen Gestalten sehen. Daher meidet man während der Nacht Wanderungen oder geschäftliche Unternehmungen. Auf der anderen Seite ist sie besonders geeignet zum Verkehr mit den Geistern, die das Tages- und das Sonnenlicht scheuen. Für alles Zauberwerk ist sie daher die einzig günstige Zeit, und noch heute ist der Glaube verbreitet, daß man heilbringendes Osterwasser vor Sonnenaufgang schöpfen, gesundheitfördernde Pflanzen noch im Halbdunkel stechen müsse. Hieraus erklärt sich u. a. auch, daß der Mond, der Gefährte der Nacht, im A. eine viel größere Rolle spielt als die Sonne. Auch bestimmte Jahreszeiten treten im A. besonders hervor. Die Hauptperiode des Jahres für den A. ist in der heidnischen Zeit geradeso wie in der christlichen die Zeit des Tiefstandes der Sonne, die Winternacht, gewesen. In dieser Zeit hielten die Seelen der Abgeschiedenen ihr großes Fest; sie gastlich

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zu bedienen an den Stätten, wo sie einst im Körper gewirkt hatten, war menschliche Pflicht. Das waren die Tage, wo noch heute im Volksglauben das wütende Heer, der Onsjaeger, Frau Holle usw. durch die Lüfte fahren und den Menschen bald Glück, bald Unglück bringen. Durch diese Geister konnte man aber auch die Zukunft erfahren, und so ist die Winternacht vor allem die Zeit volkstümlicher Prophetie. Wie im Heidentum in diesen Tagen im skandinavischen Norden Völven umherzogen, um den Menschen die Zukunft zu künden, so sucht noch heute das Mädchen in der Zeit der Zwölfnächte durch Loswurf oder Orakelspiel einen Blick in die Zukunft zu tun. Neben der Winternacht treten die anderen Jahreszeiten, in denen der A. blühte, zurück: es sind die Tage des Hochsommers und die der Wiederkehr der Sonne und des Erwachens der Natur im Frühling. Im Hochsommer beherrscht die Furcht vor den hagel- und gewitterbringenden Dämonen die Gemüter und vor den Krankheitsdämonen, die mit jenen in engen Zusammenhang gebracht sind; ihrer Abwehr gelten die meisten abergläubischen Gebräuche dieser Zeit. Im Frühjahr dagegen sucht man durch magische Handlung die Sonne bei ihrer Verjüngung zu unterstützen und ist bemüht, die sprossende K r a f t der lebenspendenden Erde durch alle möglichen Fruchtbarkeitsriten auf Äcker, Bäume, Tiere und Menschen zu übertragen. So hängt ein großer Teil des A. mit den Vorgängen in der Natur zusammen und erhält durch diese auch ununterbrochen neue Nahrung, neue Kraft. Hieraus erklärt sich auch, daß der A. vor allem bei denjenigen Ständen eine Pflegstätte hat, die ihre Beschäftigung in der freien Natur haben, bei der ackerbautreibenden Bevölkerung, den Hirten, den Winzern, den Waldarbeitern, den Seeleuten. So war denn auch der A. ganz allgemein, als diese Beschäftigungen bei den Germanen im Mittelpunkte wirtschaftlichen Lebens standen. Dazu kommt noch, daß die Beschäftigung in der Natur viel mehr die assoziative Denkform erhält als die gemeinsame Beschäftigung der Bürger in

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den Städten. A u s dieser assoziativen Denkform erklärt es sich auch, daß noch heute das weibliche Geschlecht, welches zu dieser Denkform besonders neigt, dem Aberglauben mehr huldigt als das männliche, was nach dem Zeugnis des Tacitus (Germ. K . 8) und der nordischen Sagas schon in heidnischer Zeit bei den Germanen der Fall gewesen ist. § 1 2 . T r ä g e r des Aberglaubens. Es gibt fast kein Ding, fast keine Erscheinung in der Natur, fast kein Ereignis im menschlichen Leben, an das sich nicht der A . knüpfte. Alle diese Träger des A . auch nur anzuführen, würde ganze Bände füllen. Es sollen daher nur einige der wichtigsten und vor allem solche, die sich bei allen germanischen Völkern v o n alter bis in jüngste Zeit nachweisen lassen, herausgegriffen werden. Zunächst ist der menschliche Körper, sind die meisten seiner Glieder Träger des A . Das H a u p t galt als Sitz des Verstandes. Deshalb pflegte man den K o p f eines klugen Menschen nach seinem T o d e abzuschneiden und aufzubewahren, um ihn zu fragen, wenn es galt, die Z u k u n f t zu erforschen (P Grundr. I I I 306). Noch heute gebraucht m a n das H a u p t Toter, zumal solcher, die im Leben als Zauberer galten, zu allen möglichen abergläubischen Handlungen (Am Urquell 3, 59 ff.). Eine besondere Rolle spielt im A . das menschliche Blut, da dieses als Sitz des Lebens und somit aller Lebenskräfte, der Eigenschaften der Menschen gilt (vgl. S t r a c k Der Blutaberglaube in der Menschheit4, 1892). Menschen, die ihr B l u t gemischt und gemeinsam genossen haben, sind für immer miteinander verbunden. In diesem Glauben wurzelt die nordische Blutsbrüderschaft (s. d.). V o r allem im medizinischen A . begegnet das B l u t als Heilmittel gegen alle möglichen Krankheiten, besonders Epilepsie, weshalb man alles aufbietet, um in den Besitz von einigen Blutstropfen Hingerichteter zu kommen. Beim Liebeszauber ist seit alter Zeit dem Menstrualblut wie andererseits dem semen virile bindende K r a f t zugeschrieben worden. Neben dem Blute gelten auch andere Glieder als Seelenträger: das Herz, die Leber, die Niere. Zum Diebeshandwerk

gehört wie der Finger auch das Herz ungeborener oder neugeborener Kinder, denn es macht den Besitzer unsichtbar. Daher die grausamen Morde schwangerer Frauen (Wuttke, Abergl. § 184). A n den Fuß und seine Teile k n ü p f t sich ebenfalls vielfach Liebeszauber (Aigremont Fuß- u. Schuhsymbolik u. -erotik, 1909). A b e r nicht nur an den Körperteilen, auch an der Kleidung, an dem Namen des Menschen h a f t e t zahlreicher A . W a s mit dem Kleidungsstück eines Menschen vorgenommen wird, geschieht mit dem, der es getragen hat. Der Name eines Menschen deckt sich ganz mit seinem Träger. W e r jemandem Gutes oder Böses wünscht, braucht nur den Namen zu nennen, wenn der Wunsch in Erfüllung gehen soll. Daher verheimlichte selbst Sigur9r seinen Namen, als er Fäfnir die Todeswunde beigebracht hatte, denn der Fluch des sterbenden Menschen h a t doppelte K r a f t (Fäfnism. 2; vgl. N y r o p Navnets Magt. 1887). Wie der Name, so ist auch das Bild des Menschen der Mensch selbst, und was man mit jenem vornimmt, geschieht diesem. Gegen die Nachbildungen kranker Glieder, die man an geweihten Orten, besonders an Kreuzwegen niederlegte und die noch heute im Volksglauben, namentlich der katholischen Bevölkerung, eine so wichtige Rolle spielen (vgl. A n d r e e Votive und Weihgaben 1904), eifern bereits der heilige Eligius, der Indiculus superst. und andere Glaubensprediger der frühchristlichen Zeit (vgl. Grimm, D. Myth. 4 H I 402 ff.). Mit dem Bilde des Menschen deckt sich sein Schatten. E r ist die den Menschen begleitende Seele, seine f y l g j a (s. d.), und wer dem Menschen den Schatten nimmt, raubt ihm seine Seele. Daher die Angst vor dem sommerlichen Mittagsgeist, denn in der Mittagssonne des Hochsommers schwindet der Schatten des Menschen fast ganz (vgl. R 0 c h h 0 1 z Deutscher Glaube und Brauch I 59 ff.; Arch. f. R W . 5, I ff.). § 13. Tiefgewurzelt in der Seele des Volkes ist ferner der Glaube an die übernatürliche K r a f t gewisser Steine und Felsen, der Pflanzen, der Tiere, des Wassers, des Feuers, der Erde, v o n Steinen und Metallen, die in der Erde gefunden worden sind und die sich durch ihre F o r m auszeichnen.

ABERGLAUBE N a m e n t l i c h prähistorische Waffen und Gebrauchsgegenstände geben übernatürliche K r a f t , machen unsichtbar, schirmen gegen Krankheits- und andere feindliche D ä m o n e n (vgl. A m u l e t t ; Grundtvig Lysnings stenen 1878; L e h m a n n Das Mineralreick nach seiner Stellung in Mythologie und Volksglauben 1895; B e s s e t t Z f f S p r . 8, 185 ff.). Die Pflanzen treten v o r allem hervor im medizinischen A . (s. d.). A b e r auch sonst ist das Menschenleben vielfach mit ihnen in Zusammenhang gebracht. Die einen bringen Glück, vermehren das Vermögen (Alraunwurzel, vierblättriges Kleeblatt), andere schützen Menschen und Vieh gegen feindliche Dämonen u n d werden deshalb besonders häufig an den Häusern und den Türen der Ställe angebracht (Holunder, Johanniskraut, Beif u ß usw.); noch andere künden in der E r d e verborgene Schätze oder Wasserquellen (Farnkraut, Springwurz, Wünschelrute s. d.) oder werden zu Schicksalsfragen an die Z u k u n f t v e r w a n d t (Zwiebel). Wie gewisse Steine m a c h t der Same des Farnk r a u t s seinen Träger unsichtbar. Der G l a u b e an die Aufenthaltsorte der abgeschiedenen Seelen hat ferner jenen Bergund B a u m k u l t (s. d.) entstehen lassen, d e n f a s t alle christlichenGlaubensprediger als den wesentlichsten Bestand altheidnischen Glaubens neben dem Feuerkult (s. d.) tadeln und verurteilen (vgl. C a s p a r i Homilia de sacrilegiis 17 f.). A u c h die sprossende K r a f t der Erde regte vielfach die Phantasie z u m A . an und gab Veranlassung zu allen möglichen abergläubischen Sitten und Gebräuchen im Frühjahr, die bis heute noch nicht ausgestorben sind (vgl. Mutter Erde). A u f s engste v e r k n ü p f t mit dem menschlichen Leben war durch den A . auch das Tierleben. Ein Totemtier können wir bei den Germanen nicht nachweisen. A b e r der Glaube, daß die menschlichen Seelen nach dem Tode in Tiergestalt sich zeigen, daß gewisse Menschen auf Zeiten ihre Seele aus dem Körper senden und dann Tiergestalt annehmen können, w a r allgemein verbreitet. Als Hunde und Wölfe, als R a b e n und andere Sturmvögel zogen die T o t e n durch die Lüfte, als Werwölfe, Bilwisse, Schwäne trieben Zauberer und Zauberinnen ihr Wesen (vgl. Seelenglaube).

So fest war der Glaube an die Verquickung der Menschen- und Tierseele, daß noch im ganzen Mittelalter Tieren, die Schaden angerichtet hatten, in aller Form der Prozeß gemacht wurde (v. A m i r a , Mitt. d. österr. Instit. f. Geschichtsforsch. 4, 545 ff.). Daher verkehrte auch der Mensch mit den Tieren wie mit seinesgleichen, sprach mit ihnen — manche besaßen die Gabe, auch die Sprache der Tiere zu verstehen — , gab ihnen wie seinen Mitmenschen Namen, fragte sie oder achtete auf ihre Stimme, wenn es galt, eine Frage an das Schicksal zu richten (vgl. Germ. K a p . 10). Die Innigkeit dieses A . zeigt sich besonders in dem Verhältnis zwischen den Haustieren und den Hausgenossen: w a r der Herr des Hauses gestorben, so mußte der Erbe jenen, besonders den Kühen, Pferden und Bienen, feierlichst den T o d des alten Herrn verkünden und die Tiere bitten, dem neuen Genossenschaftsverbande treu zu bleiben, wie sie es dem alten gewesen waren. § 14. Unter den Gestirnen tritt der Mond im A . vor allem hervor. Die Erhöhungen und Vertiefungen auf ihm haben überall die Sage entstehen lassen, daß Menschen zur Strafe für irdische Vergehen auf ihn versetzt worden seien. Der Wechsel seiner Gestalt, sein Zu- und A b n e h m e n wird in engste Verbindung mit menschlicher T ä t i g k e i t gebracht. Schon Burchhard v o n Worms verbietet lunarn observare, auf den Wechsel des Mondes zu achten. Im ganzen Mittelalter, auch in der Neuzeit geschieht alles, was zunehmen, was glücken soll, bei zunehmendem Monde, alles, was abnehmen soll, bei abnehmendem. Ehen dürfen nur bei zunehmendem eingegangen werden. Deshalb sollen viele Unternehmen vor Neumond nicht begonnen werden, ein A., der schon Ariovist im K a m p f e gegen die Römer die Niederlage gebracht hatte (Cäsar, Bell. gall. I 50). Gegenüber dem Mond treten die Sonne und die andern Gestirne als Träger des A . zurück. A n Stelle jener ist ihr Substitut, das nachgebildete Sonnenrad, oder das Feuer, getreten, durch das man im Frühjahr der Sonne neue K r a f t zuführte, in dem man sie zu verehren wähnte.

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ABERGLAUBE

§ 15. Mit andern Völkern gemein h a t t e n die Germanen den Glauben, daß bei Sonnen- und Mondfinsternissen ( s . d . ) Ungetüme in Wolfsgestalt das Gestirn zu verschlingen suchten. Deshalb pflegte man, wie es noch heute die wilden Völker tun, bei diesen Verfinsterungen mit den W a f f e n zu lärmen und ein lautes Geschrei zu erheben und glaubte dadurch dem Gestirn zu Hilfe zu kommen (Horn, de sacril. S. 30 ff.). Über den A . beim Erscheinen v o n K o m e t e n erfahren wir aus älteren Quellen nichts, nach späteren sind diese Erscheinungen die Vorboten schweren Unglücks, besonders der Kriege. Unwetter, Hagel und Gewitter waren die A r b e i t böser Dämonen. Unholde, später Hexen, trieben in den Wolken ihr Handwerk. Daher warf man gegen diese Steine oder schoß Pfeile. Noch heute begegnet das Wolkenschießen bei Gewittern. Aus demselben A . erklärt sich das Schießen und der Lärm, der zu bestimmten Zeiten (Neujahr, Walpurgisnacht) oder bei gewissen Ereignissen (Hochzeiten) von der Volksmenge erhoben wird: er hat prophylaktische Bedeutung; durch ihn sollen die schädigenden Dämonen für die folgende Zeit geschreckt und dadurch von den Menschen ferngehalten werden. U m sich vor dem Blitzschlag zu schützen, bewahrt man in seinem Hause den Donnerkeil (s. d.), bringt an ihm den Donnerbesen ( P e t e r s e n Der Donnerbesen 1862) oder unglückabwehrende Zweige oder K r ä u t e r (Haselzweige, Johanniskraut) an und pflegt die Vögel, die das Haus schirmen (Schwalbe, Storch, Rotkehlchen). A u c h den W i n d verstehen zuweilen die Hexen zu entfachen. A b e r ungleich verbreiteter ist der A., daß in diesem das wütende Heer oder der wilde Jäger (s. d.) daherfahre. § 16. Keine Ereignisse im Alltags- und Festleben der Germanen gab es, kein Unternehmen in der Familie oder in der Genossenschaft wurde in Angriff genommen, bei dem nicht der A . mitgesprochen hätte. Der kindliche Glaube an die K r a f t der Dinge, an das Orenda, wie es die Irokesen nennen, und an die Sonderexistenz der Seele zeigte sich überall. Durch allerlei Mittel sucht man den Säugling gegen die Dämonen zu schützen, sucht vor

allem die Vertauschung mit dem Wechselbalg (s. d.) fernzuhalten; durch abergläubische Zaubermittel sucht der Jüngling die Liebe des Mädchens, dies die des Geliebten zu gewinnen und zu erhalten ( W e i n h o l d , Deutsche FrauenJ I 2360.); unter Beachtung der Zeit und des Tages, mit Befolgung aller möglichen abergläubischen Gebräuche und Riten wird die Hochzeit gefeiert; durch Zauber- und Sympathiemittel werden alle Krankheiten geheilt, am Totenbette spielt sich der Totenkult (s. d.) ab und k o m m t der Glaube an das Fortleben der Seele zu seiner Geltung. Zu unzähligen Gebilden gibt der T r a u m Veranlassung, denn der T r a u m ist dem natürlichen Menschen Wirklichkeit; was der Schlafende geträumt, hat er erlebt. Im Schlafe wandert auch die Seele oder verkehrt mit Verstorbenen, und durch sie erfährt der Träumende seine und seiner Angehörigen Zukunft. Wenn ein Unternehmen ins W e r k gesetzt wird, wird auf den T a g geachtet (Tagwählerei, die schon Burchhardt v o n Worms verurteilt), bei einer Reise auf den Angang; an die Aussaat und Ernte, den Aus- und Eintrieb des Viehes knüpfen sich zahlreiche Riten. (Vgl. J a h n Die deutschen Opfergebräuche bei Ackerbau u. Viehzucht 1884; Pfannenschmidt Germanische Erntefeste 1878; Mannhardt Wald- u. Feldkulte I I 1877; Mythologische Forschungen 1884). Auch in den Städten hielten diese Reste lebendigen Volksglaubens ihren Einzug. Hier nehmen sich die Zunftgenossenschaften ihrer an, allein sie erhielten ein ganz anderes Gepräge. A u s den lebendigen Riten, die sich an die V e r j ü n g u n g der Natur und des Jahres knüpften, wurden die Umzüge der Zünfte, wie der Metzger und Fischer, und nur an der Genossenschaftsfeier und dem Begießen mit Wasser j spürt man den Ritus, der nun wie alle abergläubische Handlung zur volkstümlichen Sitte geworden ist. Wie der Aberglaube selbst, ist auch die Literatur über ihn fast unübersehbar. Es sollen deshalb nur die wichtigsten Quellenwerke angeführt werden. G r i m m D. Myth. 4 I I I 401 ff. C a s p a r i Eine Augustin fälschlich beigelegte Homilia de sacrilegiis 1886. F r i e d -

ABFALLGRUBEN—ABORT b e r g Aus deutschen Bußbüchern 1868. S c h ö n b a c h Zeugnisse Bertholds v. Regensburg z. Volkskunde 1900. v. D o b e n e c k Des deutschen Mittelalters Volksglauben u. Heroensagen 1815. S c h i n d l e r Der Aberglaube des Mittelalters 1858. C. M e y e r Der Aberglaube des Mittelalters u. der nächstfolgenden Jahrhunderte 1884. W u t t k e Der deutsche Volksaberglaube d. Gegenwart 3 1903. W . B u s c h Deutscher Volksglaube 1877. R o c h h o l z Deutscher Glaube u. Brauch 1867. A . F i s c h e r Aberglaube unter den Angelsachsen 1891. R.

G r ö n d a 1 Folketro i Norden; A n n a l . f. n o r d . Oldk. 1863. N. M. P e t e r s e n Historiske Fortcellinger I V 282 ff. A . L e h m a n n Aberglaube u. Zauberei von den ältesten Zeiten bis

in

die

Gegenwart3

Aberglaube,

1907.

geheime

1908.

Heine

Wissenschaft,

C. K i e s e w c t t e r

mann

Wundersucht

Die Geheimwissen-

scha/ten. W. M a n n h a r d t Zauberglaube u. Geheimwissen 3 1897. P f l e i d e r e r Theorie des Aberglaubens 1873. B r u n n h o f e r Culturwandel u. Völkerverkehr 103 ff. W a n d t

Völkerpsychologie

I I 2, 1906.

E . Mogk.

A b f a l l g r u b e n unterscheiden sich archäologisch v o n H e r d g r u b e n und K e l l e r gruben (Vorratsgruben) durch ihre unregelmäßige G e s t a l t und ihren wirren Inhalt. N i c h t in b e s t i m m t e r F o r m mit steilen W ä n d e n in den B o d e n eingetieft oder gar m i t Steinen oder H o l z ausgekleidet, pflegen sie v i e l m e h r u n s o r g f ä l t i g ausgegrabene und j e n a c h Bedarf erweiterte Löcher z u sein, in die die K n o c h e n - R e s t e v o n den Mahlzeiten, die A s c h e vom Herde und der Geschirrbruch aus dem Hause geschüttet wurden. Prähist. Z. I 1909, Taf. XXIV. Schuchhardt. A b f ü h r m i t t e l , als B e h e l f e der Gesunderhaltung m i t d e m Z w e c k der U m ä n d e r u n g und E r n e u e r u n g der K ö r p e r s ä f t e nach antiker V o r s t e l l u n g , sind natürlich römischer Import, den uns die B e z e i c h n u n g des A d e r l a ß h a u s e s auf dem S t . Gallener Grundriß v o n 820 im N e b e n z w e c k als „ p o t i o n a r i i s " m i t seinen W a n d b ä n k e n z u m A b w a r t e n der W i r k u n g des tranc und seiner reichen A u s s t a t t u n g mit sieben A b o r t e n im S e i t e n g a n g anschaulich demonstriert. Die richtigen Zeiten z u r A n w e n d u n g der K r ä u t e r t r ä n k e usw. lehren die K a i e n d a r i e n . D o c h m a g a u c h die vorrömische G e r m a n e n m e d i z i n über T r ä n k e zur B e h e b u n g v o n S t u h l v e r h a l t u n g e n ver-

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f ü g t haben, deren b e s t i m m t e S c h e i d u n g v o n denen der a n t i k e n Ü b e r l i e f e r u n g nicht i m m e r leicht sein w i r d . V g l . die drei utyrnende dramc in den L a c n u n g a 1 8 — 2 0 bei C o c k a y n e , L e e c h d o m s I I I 1 8 — 2 1 und I I 30; L e o n h a r d i in G r e i n - W ü l c k e r s B i b l . d. ags. Pr. V I 128 f. und 68 f. Sudhoff. ' A ß t ' X o u v o v ist der N a m e einer ' S t a d t ' in der Germ. mag. des Ptol. nahe der D o n a u und f a s t in der Mitte der S ü d g r e n z e eingetragen. E r erinnert an Obilonna auf der T a b . P e u t . bei den A l l o b r o g e r n , auf ursprünglich ligur. B o d e n ; s. Z f d A . 41, 133. R. Much. A b l i o b a , bei P t o l e m ä u s I I I i , II d a n e b e n 'Aßvoßala op ist der alte N a m e des S c h w a r z w a l d s , und a u c h eine nach d e m Gebirge b e n a n n t e dea, Diana oder Deana Abnoba ist b e k a n n t . Abnoba ist sicher ungerm., v e r m u t l i c h kelt. und gilt als A b l e i t u n g aus kelt., abonä ' F l u ß ' . Die R ö m e r , die z. B . Dumnorix schreiben g e g e n ü b e r inschriftlichem Dubnorix, h a b e n a u f f a l l e n d e r w e i s e den N a m e n nicht in Amnoba u m g e s t a l t e t , w o h l weil sie a n K o m p o s i t a mit ab dachten. R. Much. Abort. A. N o r d e n . §1. A u f den Mangel eines A b t r i t t s Weist der a n o r d . A u s d r u c k leita ser stadar. Uberhaupt l ä ß t sich der Beweis nicht erbringen, d a ß diese B e q u e m l i c h k e i t germanischen U r sprungs sei. Z w a r gibt es eine gemeingerman. B e n e n n u n g dafür, nämlich anord. gangr, ags. gang (arsgang, gangern), a h d . gang; die B e d e u t u n g ' A b t r i t t ' ist a b e r sekundär u n d k a n n in den Einzelsprachen entstanden sein. D a s W o r t l ä ß t sich n i c h t als '(bedeckter) Gang' erklären (vgl. Heyne Hausaltert. I 97) —• diese B e d e u t u n g k o m m t Weder im A n o r d . n o c h im A g s . v o r — , sondern s t a m m t v o n der R e d e n s a r t anord. ganga naudsynja, ßurfta sinna, ags. gän ymbe his neode, 'seine N o t d u r f t verrichten'. Demnach heißt gang eigentlich 'das Verrichten der N o t d u r f t ' , Woraus einerseits 'Ort, Wo dies geschieht', andererseits ' E x k r e m e n t e , U r i n ' (so anord. gangr, ßarfagangr). Der A b o r t im allgemeinen Sinne War teils das offene Feld (vgl. anord. vallgangr ' E x k r e m e n t e ' , eigentl. ' G a n g ins Feld', ahd. feldgang ' A b t r i t t ' ) , teils ein W i n k e l des H o f p l a t z e s

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ABORT

(vgl. anord. ganga til gar9s 'auf den Hof gehen', nnorw. dial. ganga i tunet dass.). A u c h Wo zu diesem Zwecke ein Häuschen errichtet Wurde, b e k a m es gewöhnlich im Hof seine Stelle; vgl. anord. garähüs, norW. dial. tyne (von tun 'Hofplatz'), ags. gangiün (eigentl. 'der Teil des Hofes, wo die Notdurft verrichtet wird') für 'Abtritt'. Auf größeren Höfen War der A b t r i t t häufig am Ende des um das Obergeschoß laufenden Ganges angebracht (wie in Deutschland im späteren MA., s. Heyne aaO. 223): vgl. z B . Ynglinga saga 14 (um nöttina gekk hann ül i svalir at leita ser stafrar); dazu norw. dial. sval 'abseits liegender Gang mit einem Abort'. Andere Namen für den A b o r t sind salerni (von salr 'Saal'), nää(a)hüs (zu näd 'Ruhe'), skäl{a)hüs (eigentl. 'leichtgebautes Haus'), kamarr (von lat. camera), heimilishüs (zu heimili 'Heimat', aber Wohl nach deutschen Wörtern wie mhd. heimlich gemach, heimlicheit gebildet, vgl. aschwed. hemelikhus). Die A u f n a h m e fremder Benennungen (vgl. auch ags. cachüs: lat. caccare, auf norw. Fahrzeugen kakkhus) erklärt sich aus dem Drange nach verschleiernden Ausdrücken (vgl. anord. annat hüs 'Abort'). Mehrmals wird ausdrücklich hervorgehoben, daß das Häuschen auf Pfosten (stafir, stolpar) gebaut und mit einer Treppe (riä) versehen war; Gruben für die E x kremente, wie in England (vgl. ags. gangpytt), gab es nicht. Nur ausnahmsweise scheinen abgesonderte Sitze (seta, vgl. ags. gangsetT) vorgekommen zu sein, gewöhnlich genügte ein horizontaler Balken (Ire, nädahüstre, vgl. setjask ä tre 'seine Notdurft verrichten'), auch Wo das Haus gleichzeitig mehrere Personen aufnehmen konnte. Auf Schiffen gab es keinen A b t r i t t ; die nautische Redensart ganga til bords zeigt, daß hier der Reling (bord) die Rolle des nädahüstre übernahm. V . G u 9 m u n d s s o n Privatboligen paa Island 246 f. H j. F a 1 k Maal og minne II 20ff. Hjalmar Falk.

B. S ü d e n. § 2. Der A b t r i t t als geschlossenes Gemach und besondere Vorrichtung zur größeren Bequemlichkeit und Reinlichkeit und aus Gründen des A n stands ist Wohl erst durch die Römer und die Mönche nach dem Norden eingeführt

worden. D a ß die Römer den A . mit durchlöchertem Sitz kannten, ergibt sich aus dem Ausdruck sella pertusa 'durchlöcherter Sitz, Nachtstuhl' bei Cato, sella familiarica dsgl. bei Varro, sellae Patroclianae 'latrinae' bei Martial, sowie aus den Resten öffentlicher A b o r t e in der römischen S t a d t T h a m u g a d i b. Biskra in Algerien (Bceswillwald etc. Timgad, Paris 1905, S. 13 f.) ua. In Klöstern und Priesterwohnungen gab es schon im frühen MA. besondere, mit T ü r oder V o r hang verschließbare Gelasse zur Verrichtung der Notdurft. Gregor v. Tours (2,23) im 6. Jh. berichtet von einem Priester, der auf dem A b o r t (secessus) v o m Schlage gerührt wurde, während sein Diener mit einer Kerze vor dem durch einen Vorhang abgeschlossenen Eingang wartete. Im Grundriß des Klosters St. Gallen (820) sind etwa zehn, von den Wohnhäusern getrennte Aborte (necessarium, requisitum naturae) ausgezeichnet, die stets durch einen Gang (exitus ad necessarium oder ex. necessarius) mit den Dormitorien verbunden sind. Auch das Krankenzimmer der Klöster w a r mit einem A . versehen, so in St. Gallen, so bei Thietmar v. Merseburg 4,48 (11. Jh.). D a ß diese Bequemlichkeit frühzeitig auch in die Häuser der Weltlichen Vornehmen Eingang fand, darf man ohne weiteres annehmen. Regino v. Prüm berichtet z. J. 901 von einem Grafen, der auf dem A. durchs Fenster erschossen wurde. Der A . ist hier also ein durch eine Fensteröffnung erhelltes, abgeschlossenes Gemach. § 3. Allmählich wird das Bedürfnishaus allgemeiner, wie die zunehmende Zahl von Benennungen andeutet, die zum Teil humoristische Färbung tragen. Neben das alte gang, das in Deutschland wie im Norden immer noch das gewöhnlichste Wort für A . bleibt, treten scherzhafte und euphemistische Ausdrücke wie ahd. sprachhüs (Steinm.-Siev. A h d . Gl. III 628, 19), das sonst zur Übersetzung von lat. curia 'Rathaus' dient (ebd. 124, 45), aber daneben schon im A h d . und ganz besonders häufig im Mhd., Mnd. und Frühnhd. (16. Jh.) auch humoristische Benennung für den A . als das Gemach der geheimen »Beratung« ist; noch heute luxemburg. sprochhaus ' A b o r t ' (s. D W b . sv. Sprachhaus). Ä h n l i c h

ABSETZUNG DES KÖNIGS m h d . swäscamere 'trauliche Kammer' (Steinm.-Siev. I I I 360, 55), heimelcamere, heimlich gemach ua. (Diefenbach Gl. 128 a). § 4. Die Größe der A.e War je nach Bedarf verschieden; im Grundriß des St. Galler Klosters sind solche m i t 2—18 Sitzen (sedilia) verzeichnet. Die m e h r sitzigen waren in der Regel wohl f ü r mehrere Personen zu gleichzeitiger Ben u t z u n g nebeneinander bestimmt. Ein angelsächsischer Geistlicher in der Dänenzeit eifert dagegen, daß der Abtritt von Frauen vielfach zu Eß- und Trinkgelagen b e n ü t z t werde ! (Engl. Stud. 8, 62.) § 5. Diese Verwendung des A.s als Unterhai tun gs- u n d Speiseraum zeigt, d a ß die Klosetts in Deutschland und England im frühen MA. jedenfalls schon mit bequemerer Sitzgelegenheit als einem einfachen Balken ausgestattet waren. D a f ü r spricht auch der ags. Ausdruck gangsetl f ü r A. und die Stelle in ¿Elfrics Homil. ed. Thorpe I 290, Wo von Arius berichtet Wird, d a ß er auf dem A. starb und tot dort sitzen blieb (he scet pcer dead), ähnlich wie der Diener des Priesters bei Gregor v. Tours (oben § 2) seinen Herrn super sellula secessi defunctum findet. § 6. Doch War der A. für die Masse des Volks im MA. wohl immer ein Luxus. Er wird sich in der Regel nur in Klöstern, in den Häusern der Vornehmen und später allgemeiner in den Städten gefunden haben. Auf dem Lande war er bis vor Wenigen Jahrzehnten in Deutschland eine Seltenheit und ist es vielerwärts jetzt noch. S c h r ä d e r Reallex. H e y n e Hausaltert. I 97.

Hoops.

Absetzung des Königs. § 1. Der altgermanische König konnte abgesetzt werden. O f t ist das geschehen und k a n n nicht als Ergebnis revolutionärer Volksbewegungen erklärt werden. Was in einem westgotischen Rechtsbuche f ü r Oberschweden gesagt ist, daß die Wähler des Königs den pflichtvergessenen Herrn davonjagen dürfen, entspricht einer allgemeinen Anschauung der germanischen Völker. Auch die Kräftigung, welche die Periode der Völkerwanderung dem Königtum brachte, h a t die Grundsätze der Absetzbarkeit nicht völlig verscheucht. Bei den Langobarden w a r sogar 10 J a h r e lang

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das K ö n i g t u m selbst abgeschafft; auch die Vertreibung des Franken Childerich im 5. J a h r h . ist k a u m unter dem Gesichtsp u n k t des Rechtsbruches zu fassen. Wo allerdings feste Erblichkeit ausgebildet w a r oder Vorstellungen von der geheiligten monarchischen Gewalt herrschten, da h a t m a n unbequeme Könige nicht abgesetzt, sondern getötet, so bei den Westgoten. § 2. Das starke E r b k ö n i g t u m der Merowinger des 6. J a h r h s . duldete kein Recht der Absetzung. Die E r s c h ü t t e r u n g der königlichen Gewalt im 7- J a h r h . u n d die ganz beliebige Auswahl, die u n t e t erbberechtigten Merowingern getroffen wurde, bereitete die E n t t h r o n u n g der Dynastie vor. Die Absetzung des letzten Merowingers 751 erfolgte zugleich u n t e r Mitwirkung der obersten geistlichen Gewalt (apostolica auctoritate percepta). Die A u f n a h m e theokratischer Elemente s t ä r k t e die karolingische Monarchie, aber die Auffassung der monarchischen Gewalt als ein von Gott z u m Besten des Volkes übertragenes A m t bot die Möglichkeit, dem schlechten König das A m t zu entziehen. Berufene Kenner des göttlichen Willens waren die Geistlichen. Im J a h r e 833 wurde Ludwig d. Fr. abgesetzt: divino iustoque iudicio imperialis subtracta potestas. Dagegen ward K a r l III. (887) ohne formelle Absetzung, durch Ignorierung seiner Persönlichkeit, der monarchischen Gewalt entkleidet. § 3. Im Deutschen Reich wurde wiederholt u n d nachdrücklich seit der zweiten H ä l f t e des 11. J a h r h s . betont, daß dem Unwürdigen die Gewalt, die ihm durch die W a h l übertragen wurde, genommen werden könne. Heinrich IV. h a t das d a d u r c h anerkannt, d a ß er seinen Sohn K o n r a d durch Fürstenspruch der Königswürde entheben ließ. Zu derselben Zeit beanspruchte der P a p s t ein Absetzungsrecht u n d brachte es 1076 und 1080 zur Geltung. Allgemein ist indessen weder ein päpstliches noch ein fürstliches Absetzungsrecht a n e r k a n n t worden. Erst im 13. J a h r h . entstanden bestimmte Theorien der Absetzung und Forderungen eines bestimmten Formalismus, welche von Königen selbst wiederholt gutgeheißen wurden, denen aber durch die Goldene

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ABT—ACCENTE

B u l l e v o n 1356 jede tatsächliche B e d e u t u n g genommen wurde. S. unter König. G. Seeliger. A b t . Ä b t e (abbates zuerst auch priores) u n d Ä b t i s s i n n e n (abbatissae) als V o r s t e h e r v o n K l ö s t e r n sind in sämtlichen germanischen S t a a t e n b e k a n n t . Im F r a n k e n r e i c h s u c h t e n die Bischöfe die E r n e n n u n g der Ä b t e schon f r ü h an sich zu reißen, w o b e i sie in den u n a b h ä n g i g e n K l ö s t e r n die der Regula Sancti Benedicti entsprechende W a h l durch die Klosterinsassen, in Eigenklöstern (s. Eigenkirche) den E i g e n t ü m e r beiseite schieben m u ß t e n , der den A b t zu b e s t i m m e n in A n s p r u c h n a h m und sich nicht selten als erster A b t (Äbtissin) an die Spitze stellte. D o c h g e w ä h r t e L u d w i g der F r o m m e 818/819 den Klöstern, soweit sie nicht Eigenklöster waren, a u s d r ü c k l i c h die freie A b t s w a h l (Capitulare ecclesiasticum). Immerhin w a r e n die Ä b t e dem Bischof unterstellt, der ihre W a h l bestätigen, sie selbst benedizieren m u ß t e u n d beaufsichtigte. W i e die B i s c h ö f e selbst, waren a u c h die Ä b t e nicht fern v o m politisch-staatlichen Leben, gehörten vielmehr zu den Großen des Reiches und galten als königliche B e a m t e . Sie w u r d e n z u R e i c h s t a g e n berufen, als G e s a n d t e u n d missi v e r w e n d e t u n d w a r e n in aller R e g e l große Grundherren. A l s solche m u ß t e n sie o f t v o m K ö n i g m i t den Regalien inv e s t i e r t werden und diesem den Huldigungseid leisten. Durch Überspannung dieser weltlichen Seite k o m m e n seit den K a r o l i n g e r n die L a i e n ä b t e (abbates saeculares) auf, weltliche Herren, denen eine A b t e i oder mehrere ü b e r t r a g e n w a r e n ; diese n u t z t e n das weltliche Z u g e h ö r der A b t e i , w ä h r e n d ein abbas regularis (legitimus) als Stellvertreter die geistlichen F u n k t i o n e n ausübte. Vereinzelt wird a u c h der Vorsteher eines nicht mönchischen K a p i t a l s als a b b a s bezeichnet. — A u c h b e i den A n g e l s a c h s e n h a t sich die W a h l des A b t e s (abbod, abbud) nicht nach einheitlicher R e g e l g e r i c h t e t ; doch scheint die F o r m freier W a h l „cum consilio episcopi", w i e sie in den R e c h t s q u e l l e n v e r t r e t e n w u r d e , a u c h p r a k t i s c h die Ern e n n u n g d u r c h andere Personen überw o g e n zu h a b e n . — In N o r w e g e n h a t t e n f a s t alle K l ö s t e r das R e c h t der freien

A b t s w a h l (abbati; Ä b t i s s i n aebbadis nur bei einigen Orden w a r der Bischof an der W a h l beteiligt. A u c h in D ä n e m a r k lassen die ziemlich geringen N a c h r i c h t e n eine E i n m i s c h u n g anderer Personen als e t w a des A b t e s (abbat) des Mutterklosters oder des K ö n i g s bei seinen E i g e n k l ö s t e r n nicht erkennen. E b e n s o ist in S c h w e d e n eine ziemlich regelmäßige D u r c h f ü h r u n g der benediktinischen R e g e l anzunehmen (s. a. K i r c h e n v e r f a s s u n g II § 6 und Mönchswesen). H a u c k Kirchengesch. 1 3 246 ff.; I I 2 584. H o l t z m a n n Fr. V. G. 153, 157. B r u n n e r D. R.G. II, 318 f. W a i t z D.V.G. II, 2, 661; III, 13 ff. 433 f f-; IV, 212 ff. S t u t z Kirchenrecht 934. S c h ä f e r Pfarrkirche u. Stift 125 ff. M a k o w e r Verfassung d. Kirche v. England 9 f. H u n t Hist. of the Engl. Church 176 f. P h i l i p p s Angelsächsische Rechtsgeschichte 255. M a u r e r Vöries. II 357. O l r i k Konge og PrcestestandW 179 f- J0rgensen Forel&sninger 270. H i l d e b r a n d Sveriges Medeltid I I I 923 ff. passim. R e u t e r d a h l Svenska kyrkans historia II, 1, 187 ff. passim. v. Schwerin. A c c e n t e (§ i) nannte m a n im A b e n d lande die Beizeichen der S c h r i f t , w e l c h e in der R e z i t a t i o n s k u n s t des ausgehenden A l t e r t u m s zur B e z e i c h n u n g der B e t o n u n g dienten und als P r o s o d i e n v o n A r i s t o p h a n e s v o n B y z a n z u m 200 v. Chr. erfunden (oder eingeführt) w o r d e n sein sollen. E s waren zehn Zeichen, in vier K l a s s e n eingeteilt, nämlich I. T ö n e auf b e t o n t e n Silben: A k u t , Gravis, Circumflex; 2. Z e i t e n auf u n b e t o n t e n Silben: L o n g a , B r e v i s ; 3. H a u c h e oder Intonationen a m A n f a n g e der Satzteile: Spiritus asper u. lenis; 4. A f f e c t e oder Vortragszeichen, I n t e r p u n k t i o n e n a m E n d e der S a t z t e i l e : Apostroph, H y p h e n , Diastole. Sie sind v o n den meisten christlichen V ö l k e r n zu eignen T o n s c h r i f t e n (Neumen) u m g e b i l d e t w o r d e n . § 2. D e n F r a n k e n w u r d e n die A c c e n t e , w i e es scheint, durch A l k u i n b e k a n n t . A m H o f e K a r l s d. Gr. lehrte „ S u l p i c i u s die K n a b e n nach sichern A c c e n t e n s i n g e n " . D u r c h A l k u i n w u r d e H r a b a n M a u r u s auf ihre V e r w e n d b a r k e i t hingewiesen, seine Schule, Otfrid v o r a n , b e n u t z t e mindestens den A k u t , u m die H e b u n g e n der V e r s e anzudeuten. In St. Gallen bildeten d a n n diese A c c e n t u a t i o n f ü r die deutsche S p r a c h e

ACHAT—ACKERBAU Notker Labeo und seine Schule weiter aus. § 3. Mit ihrer Hilfe wurden die sich in festen musikalischen Tonhöhen bewegenden Hebungen und Senkungen des Rezitators oder Vorlesers nebst den Längen, Kürzen und Pausen bestimmt. Diese Stimmbewegungen hielten sich im Umfange gewöhnlich einer Quarte oder Quinte; am Anfang erhob sich in der Intonation die Stimme zu einem mittleren Tone (Mese, Tonus currens), zu Ende der einzelnen Abschnitte beugte sich die Stimme je nach der Schwere der Interpunktion (Cadenz); zwischen Intonation und Cadenz hob sich die Stimme nur bei A k u t , senkte sich bei Gravis und hob sich mit nachfolgender Senkung beim Circumflex, um aber gleich wieder zum Tonus currens zurückzukehren. § 4. Solche Rezitation war im ausgehenden Altertum allgemein verbreitet, besonders im Orient, und wurde durch die P s a l m o d i e , die Hauptgesangsform des frühen Christentums, überallhin vermittelt. Sie hat sich noch erhalten außer in der römisch-katholischen Kirche im sogenannten Altargesang der Protestanten. Sie liegt auch den A n t i p h o n e n zugrunde, die oft nichts weiter sind, als verschnörkelte Psalmodie, wo besonders die allzu monotonen Tonus-currens-Reihen durch reichlichere Tonbewegungen (Koloratur) reizvoller gemacht wurden. S. auch Neumen. 0 . F l e i s c h e r Neumenstudien, bes. S. 49ff.I, Leipzig 1895. D e r s . Das Accentuationssyslem Notkers, bes. in seinem Boeihius ZfdPh. 1883. 0 . Fleischer.

Achat. A . N a t u r - u n d S p r a c h geschichtliches. § 1. Der A., engl, agate, besteht meist aus Abarten von Chalcedon, also aus Ablagerungen von mikrokristallinischer K i e s e l s ä u r e , die in dünnen, konzentrischen Schichten von verschiedener Farbe und Dichtigkeit geordnet sind. Er stammt in der Regel aus sogen. Achatmandeln, rundlichen, ovalen oder nierenförmigen Massen, die in Blasenräumen der Gesteine, besonders des Melaphyrs, aus wässeriger Lösung ausgeschieden wurden. — Völlig verschieden vom A. ist der G a g a t (s. d.), der wegen H o o p s , Reallexikon. L

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des anklingenden Namens schon im MA. gelegentlich mit ihm verwechselt wurde (s. Murray N E D . sv. achate). § 2. Ein einheimischer N a m e des von den Germanen seit spätrömischer Zeit für Schmucksachen verwandten Minerals (§ 3) ist nicht überliefert. Erst im späteren MA. tritt der von dem Flusse Achates in Sizilien entlehnte griech.-lat. Name achaies (:s. Nies b. Pauly-Wissowa) in den germ. Sprachen als Fremdwort auf: mhd. achat, me. achate (etwa 1230 in der Ancren Riwle). Im Früh-MA. wird er einmal als achaies an einer auf Solinus beruhenden Stelle der früher dem Beda zugeschriebenen latein. Asceiica Dubia erwähnt (s. Garrett Prec. Stones in OE. Lit. 7; vgl. auch 36, 36 u. Anm.). Hoops. B. K u n s t g e s c h i c h t l i c h e s . § 3 . Der A. wurde in spätrömischer und der Völkerwanderungszeit nicht selten zu Einlagen in Ringen und andern Schmuckgegenständen verwendet. Perlen aus A . gibt es auch aus derselben Zeit in den B. Schnittger. großen Perlenfunden. Ackerbau. A . Vorgeschichtliche Zeit § 1 — 1 8 . B . Römerzeit § 19—26. C. Frühmittelalter. I. Süden § 27—45. (Hoops.) — II. Norden § 46—67. (Gu9mundsson.)

A. V o r g e s c h i c h t l i c h e Zeit. § 1. Zahlreiche Ackerbauausdrücke aus indogermanischer Urzeit, die durch die vergleichende Sprachwissenschaft erwiesen werden, Ausdrücke für Getreidearten, Pflug, Furche, Sichel, Spreu, Mühle, schroten, Mehl ua., zeigen mit absoluter Sicherheit, daß die Indogermanen bereits Ackerbau trieben. Und dieses Ergebnis der Sprachwissenschaft wird durch archäologische Funde von Ackergeräten, Mahlsteinen und Körnern aus fast ganz Europa von der jüngeren Steinzeit an schlagend bestätigt, so daß das Vorhandensein von Ackerbau in der neolithischen Ära einerseits und im Indogermanenzeitalter anderseits schlechterdings nicht mehr bezweifelt werden kann und tatsächlich von Sprachund Altertumsforschern heute allgemein anerkannt wird. § 2. Und dieser indogerm. Ackerbau war keineswegs mehr so ganz primitiv. 2

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ACKERBAU

Die alljährliche Auflockerung des urbaren Landes zum Z w e c k der Ackerbestellung geschah nicht mehr bloß m i t der Hacke, sondern schon mit Hilfe des P f l u g s . Der alte europ. Name desselben: gr. apoTpov, kret. apaxpov, lat arätrum, ir. arathar, aisl. ardr, lit. arklas aus *artlas, akslav. oralo, ralo aus *ordlo für *ortlo *ortro ( B r u g m a n n Grdr. I S. 450; Much Mitt. d. Änthrop. Ges. Wien 38, 8; 1908), armen, araur; idg. Grdf. *aratrom, *arotrom oder *argtrom (zum uralten V b . gr. ctpou), lat. aräo, air. airim, ags. erian, akslav. orati, lit. drti 'pflügen') h a t allerdings unter den asiat. Sprachen nur im Armenischen eine Entsprechung, ist aber des A b l a u t s wegen sicher indogermanisch. Und selbst wenn er dem Indoiranischen ursprünglich nicht eigen gewesen wäre, so würde er doch jedenfalls in eine weit entlegene, der Urzeit sehr nahestehende Epoche der idg. Kulturgeschichte zurückreichen. Er hat eine Parallele in der Gleichung: nhd. furche, ahd. furuh f., ae. furh 'Furche'; lat. porca 'Ackerbeet'; abret. rec, air. rech, kymr. rhych 'Furche' aus *(p)fkä; armen, herk 'frisch geackertes Brachland'; sie ist ebenfalls den europ. Sprachen mit dem Armen, gemein, hat gleichfalls A b l a u t und ist also ebenso alt wie *aratrom 'Pflug'. Ein weiteres Glied in dieser K e t t e ist die gemeineurop. Benennung der Pflugschar: gr. ocpvt? aus *uogihsnis\ lat. vömer, vömis (g. -eris) aus *vosmis, älter *vocsmis i9r. S. K a p . 16 und 17). § 4. Die Sage v o n A . ist ursprünglich eine selbständige Zwergsage, die in m a n n i g f a c h e r V e r ä n d e r u n g in den verschiedenen mhd. Dichtungen Aufnahme gefunden hat (vgl. Z f d A . 26, 201 ff.). E. Mogk. Albis ist der in lat. und griech. Quellen überlieferte alte N a m e der E l b e . Nach T a c i t u s Germ. 41 entspringt der A . im L a n d der Hermunduren, was w o h l eine Reminiszenz an die Zeit ist, da diese östlicher saßen (s. Hermunduren), gewöhnlich aber aus V e r w e c h s l u n g von E l b e und Saale erklärt wird. Ptolemäus

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ALBOIN

verwechselt Moldau und Elbe; richtig entspringt sie dagegen nach Dio Cass. 55, I aus den OiavSa^wi opi). Der Name, der im Germ, immer Fem. war und got. *Albi, Gen. *Albjös lauten würde, deckt sich mit dem anord.Appellativ elfr 'Fluß'. Doch haben wohl auch die Boier in Böhmen die Elbe so wie die Germ, benannt; der Name wird keltogerm. sein; vgl. den Fluß Albis beim Kosmographen von Rav., später Alba, jetzt Aube, Nebenfluß der Seine. Aus dem Germ, entlehnt ist slav. Labe.

aber auch keine politische Aktion; die Schlacht auf dem Asfeld gehört zur Vorgeschichte, die Handlung selbst bewegt sich um ein seelisches Problem. Unser T e x t läßt manche Fragen offen; wie war der Liedstoff begrenzt, bei wem nahm der Dichter seinen Standpunkt? Wie hing es mit Turisinds überchristlicher Großmut eigentlich zusammen? Diese Unsicherheit gilt noch viel mehr von: 2. A. u n d Rosemund. Hier blickt nur in einzelnen Momenten dichterische Gestaltung durch, namentlich in A.s R. Much. Replik ,, . . eam ut cum patre suo laetanter Alboin, der Langobardenkönig, gest. 572, biberet invitavit" (Kögel: „frawalicho trinc trat in die Heldensage ein. Paulus Diamit fater dinemo!"). Rosemund, von dem conus I 27 sagt von ihm aus, seine FreiChronisten als die 'muliercula ad omnem gebigkeit und seine Kriegstaten würden nequitiam facilis' gezeichnet, war die immer noch bei Bayern, Sachsen und ihren tragische Heldin: als die Vaterrächerin, Sprachverwandten in Gedichten gefeiert die ihre Frauenehre der Rache opfert, hat (carminibus celebretur). Der Wids. 70—74 sie ihre nächste Verwandte in Signy kennt ¿Elfwine in Italien und rühmt ihn (s. Vqlsungar); vgl. im übrigen die rächenden Frauen Ynglinga saga c. 19. 48 (Vaterals den Allerfreigebigsten. Zusammen rache), Kriemhild, Hildina in der shetl. mit jenem Zeugnis erlaubt dies den Schluß, daß A. als Gestalt der Heldendichtung I Ballade, Yrsas Mutter (s. Skicjldungar Die Rosemund des Liedes mußte, den Ags. bekannt geworden war, offenbar ! A 4 ) . so sollte man denken, mit dem Abschiedserst in der britischen Heimat. Das nordworte der Signy aus dem Leben gehen. humbrische Königshaus im 7. Jahrh. zeigt Die intrigenreiche Fortsetzung bei dem Eadwine und ¿Elfwine als Großvater und Chronisten, mit R.s Flucht, Buhlschaft Enkel. Von dem, was P. Diac. über A. und Ende, fällt aus der Rachesage jedenerzählt, weisen zwei in sich geschlossene Begebenheiten auf poetische Gestaltung: falls heraus und folgt historischer Legende. I. A. u n d T u r i s i n d . A. soll sich, Eine spätmittelalterliche Ballade mit gleium conviva seines Vaters Audoin zu chem Hauptmotiv (die Verräterin muß werden, von einem fremden Fürsten wehrdas dem Liebhaber zugedachte Gift trinken) haft machen lassen: als solchen wählt er vermag ein altlangobardisches Heldenlied den Gepidenkönig Turisind, dessen Sohn von R.s Tod kaum zu bezeugen. Turismod er vor kurzem in der Schlacht Von anderen Langobardennamen bringt gefällt hat. Schon diese Voraussetzung der Wids. 117 Eadwine und ¿Egelmund: sieht nach heroischer Erfindung aus. Im = Audoin (gest. c. 560) und Agelmund, folgenden wird Turisind, eine mit Waerder erste König des Volkes, ex prosapia mund und Hre9el zu vergleichende GeGungingorum. Die dem Eormanric als stalt, die Hauptperson: in seiner Seele Gattin zugeführte Ealhhild (Z. 5 ff.), liegt der Konflikt zwischen der 'fides', Eadwines Tochter (Z. 98), ist der langob. die er dem als Gast aufgenommenen A. Überlieferung fremd. — Außer den zwei schuldet, und dem racheheischenden A.-sagen käme bei P. Diac. am ersten die Schmerz um den getöteten Sohn. Die Geschichte von Rumetrud, I 20, als Replik 'lieb ist mir der Platz, aber gar heroischer Stoff in Rechnung. Auch hier leid anzusehen der Mann, der drauf sitzt' biegt die Fortsetzung, die Heruler-Feld(eine Halbstrophe), hat die echte Spannung schlacht, in die ausgeschmückte Historie der Heldenpoesie. A m Schluß preisen um: der Späherbericht an den brettspielenden König und die Täuschung durch die Langobarden A.s audacia und T.s maxima fides. Es ist keine Sippenfehde, i die blauen Flachsfelder wären wohl auch

ALBRUNA—ALEMANNEN in einem germ. Heldenliede, nicht bloß in einem lat. Mimenstück vorstellbar; aber eine Einheit mit der unpolitischen, leidenschaftlichen Rumetrudszene bildet es augenscheinlich nicht. S. ferner u. Rother. Wieweit es die langob. Sagen zu zyklischer Gruppierung gebracht hatten, wissen wir nicht. In die mhd. Epik haben sie sich nicht herübergerettet. Den Nordländern blieben sie unbekannt. U h 1 a n d Schriften i, 461 ff. K o g e l Lit. 1, 117 ff.; PGrundr. 2, 60. K e r Epic and Romance (1897) 78®. Bruckner ZfdA. 43, 55. 0 1 r i k DgF. Nr. 345. A. Heusler.

Albruna, der von Wackernagel (Schweiz. Museum f. hist. Wiss. I 109) und Müllenhoff (Zur Runenl. 51 ff.) konjizierte Name einer altgermanischen Seherin, die nach Tacitus Germ. 8 einst in hohem Ansehen gestanden hat. Man vermutet, daß sie zur Zeit des Drusus gelebt habe. Die überlieferte Form des Namens ist A u r i n i a. E. Mogk.

Alcl, ein bei den ostgermanischen Nahanarvalen göttlich verehrtes Brüderpaar, dessen nur Tacitus (Germ. 43) gedenkt und das er mit Kastor und Pollux vergleicht: apud Nahanarvalos antiquae religionis lucus ostenditur. praesidet sacerdos muliebri ornalu, sed deos interpretatione Romana Castorem Pollucemque memorant. ea vis numini, nomenAlcis. nulla simulacra, nullum peregrinae superstitionis vestigium; ut jralres tarnen, ut juvenes venerantur. Der Name ist dunkel; wahrscheinlich hängt er zusammen mit ags. ealgian 'schützen'. Man hat das Brüderpaar mit den indischen Agvinä in Zusammenhang gebracht ( M y r i a n t h e u s , DieAgvins oder arischen Dioskuren, München 1876) und glaubt nach Müllenhoffs Vorgange {ZfdA. 12, 346 ff.) vielfach, daß sie in den Harlungen der deutschen Heldensage fortleben. Beide Annahmen sind unsicher; sie scheinen vielmehr nur ein göttlich verehrtes Schutzbrüderpaar gewesen zu sein, wie die norwegischen Schwestern Irpa und J>orger9r, dessen K u l t sich auf einen Stamm beschränkt hat. Symons

PGrundr. I I I 679.

E. Mogk.

Alemannen. § i. Der Name Alamanni wird zum J. 213 n. Chr. zum erstenmal

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genannt. Damals hatte Kaiser Caracalla mit ihnen, deren Volkszahl und Tüchtigkeit im Reiterkampf hervorgehoben wird, in der Nähe des Mains zu kämpfen. Die Frage nach der Herkunft des Volkes ist sehr verschieden beantwortet worden; s. B a u m a n n Forsch, z. deutsch. Gesch. 16, 215 ff., Forsch, z. schwäb. Gesch. 500 ff. A m glaubwürdigsten ist die Herleitung ihres Kernes wenigstens von den S e m n o n e n . Eine Quelle scheint diesen Ursprung sogar unmittelbar zu bezeugen. Wenn es Fragm. ap. Suid. ed. Küster 2, 294 heißt: ot \r(6[xtvot repfiavoi (das sind hier die Franken) . . . . o'f xa-uäiteov t*]v yf^ tüv ' AXßaviiv, ou? xal S^vtava? xotXoOitv, scheint hier S^viuv« gemeint, dieser Name aber unter dem Einfluß des gallischen der Senones — beide werden öfters vertauscht — entstellt zu sein. § 2. Eine große Anzahl von Zeugnissen aus späterer Zeit nennt Suebi an Stelle von Alamanni oder gebraucht Suebi und Alamanni als gleichwertige Namen, und während letzteres im franz. Munde als Allemands fortlebt und hier aus einer Bezeichnung des nächstliegenden deutschen Stammes zu derjenigen aller Deutschen geworden ist, gilt bei diesen selbst schon in den ältesten uns erhaltenen Sprachquellen einzig und allein Schwaben als Name des ganzen alemann. Stammes. Wenn gelegentlich von ferner stehenden Gewährsmännern die beiden Namen Suebi und Alamanni als die zweier verschiedener Völker betrachtet werden, ist dies ein naheliegendes Mißverständnis und kann die Überzeugung nicht erschüttern, daß die A. selbst Schwaben sind. Außerhalb jeder Möglichkeit liegt B r e m e r s Annahme (Ethn. 203 f.), daß das Volk, das den Namen Suebi zu den A . gebracht habe, v o m J. 51 bis zum J. 357 in Pannonien, also auf röm. Boden, gesessen habe. § 3. Sind aber die A. Schwaben, so fällt diese Tatsache auch schon für ihre Herkunft von den Semnonen entscheidend ins Gewicht, da sie als gens populosa, als die sie von Anfang an erscheinen, nur von einem volkreichen Stamme ausgehen können und kein anderer der großen Suebenstämme für sie sonst in Betracht kommt. Es wäre aber auch ein Rätsel,

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ALEMANNEN

was aus dem Hauptvolk der Sueben geworden ist, wenn sie nicht in den Alemannen-Schwaben fortleben. Auch den Kult des regnator omnium deus, des Himmelsgottes, den uns Tacitus Germ. 39 für die Semnonen bezeugt, haben die Schwaben nicht aufgegeben und verraten auch dadurch ihre Herkunft. Den Hauptort des von ihnen besetzten Raetien, Augusta (Augsburg), nannten sie Ciesburc, und sie selbst hießen auch Cyuuari, was wohl als 'Zloverehrer' zu deuten ist; s. R. M u c h Der gerrn. Himmelsgott 4 f. § 4. Der N a m e Alemannen selbst — in älterer und korrekterer Überlieferung Alamanni — deckt sich mit got. alamans, das in den Verbindungen in allaim alamannam und alamanne kuni belegt ist. Es bedeutet 'Menschen insgesamt, Menschen irgendwelcher Art' und ist völlig synonym mit as. irminman, das Heliand 1298 ebenfalls in Verbindung mit all und 3503 sogar im Sing, gebraucht wird. Auch das Aisl. kennt in Zusammensetzungen einen Gen. Plur. almanna und Ableitungen wie almenni, almennr. Danach ist Alaman sicher nicht mit G r i m m GddSpr. 498 für einen 'ausgezeichneten Mann oder Helden' zu nehmen. Eher hat der Name einen demokratischen Sinn und bezeichnet den einzelnen als Mitglied der Gesamtnation, im Plur. aber diese selbst ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Unterschiede. Daneben besteht die Möglichkeit, daß die Alamanni die Angehörigen eines weiteren politischen Verbandes sind im Gegensatz zu den stammhaften Elementen, aus denen er sich zusammensetzt; und mehr zu einer solchen Auffassung stimmt die Erklärung, die Asinius Quadratus, ein Gewährsmann aus dem 3. Jahrh., nach Agathias 1,6 von dem Namen gibt: EuvVjXuöi« (oder Suy*Xu8£;) eiaiv av&piuiroi xai (J.iyd8e;, xat TOOTO oivaTcu O'JTOI« ifj ¿jruivufiia. Dies steht aber der Herleitung des Volkes von den Semnonen nicht im Wege, da diese selbst schon verschiedene Unterabteilungen umfaßt haben werden, und auch nur der Kern der A. auf sie zurückgeführt zu werden braucht, der Anschluß fremder Elemente an diesen aber keineswegs von vornherein bestritten werden soll, umso weniger als ein solcher Vorgang

Seitenstücke in der Geschichte aller größeren germ. Stämme hätte. Bestimmt nachweisbar sind indes solche Elemente gerade bei den A. im Gegensatz zu den Sachsen, Thüringern oder Franken nicht. § 5. Auf eine Gliederung des Stammes ist aus dem Umstand zu schließen, daß wiederholt eine größere Anzahl von alem. Königen •— bis 15 — nebeneinander erwähnt wird. Noch Theoderik spricht in seinem Brief an Chlodowech in Cassiodors Var. 2, 41 von Alamannici populi. Von etlichen U n t e r a b t e i l u n g e n kennen wir auch die Namen. So von den Brisigavi im Breisgau, den Lentienses — die germ. Namenform ist nicht überliefert -— im Linzgau, den Bucinobantes (d.i. *Bökinabantiz 'Bewohner des Buchengaues'? vgl. Tubantes), nach Ammianus Marc. 29, 4 gegenüber von Mainz seßhaft, und den Raetobarii, so benannt, weil sie sich auf einem Teil des alten Raetierlandes niedergelassen hatten; s. K o s s i n n a PBBeitr. 20, 282. Alle sind sie also nach Lokalen benannt und führen keine alten Stammnamen. Ein solcher ist einzig der — wohl die Raetobarii (und Lentienses?) in sich begreifende — Name Juthungi, und die Juthungen (s. d.) haben manche Forscher sogar von den A. ganz trennen wollen, aber gewiß nicht mit Recht. Ob diesen schon in der älteren Heimat eine Sonderstellung zukam und ob sie und die A. ihre Namen schon aus dieser mitbrachten, ist nicht zu ermitteln. Ebensowenig wissen wir, ob die Auswanderung aus dieser auf einmal oder in Nachschüben erfolgte, und ob der Durchzug durch das Land der Hermunduren ein friedlicher oder erzwungener war. § 6. Sofort nach ihrem Erscheinen in der Maingegend beginnen die A. gegen den Limes anzudringen und zeigen in den sich immer wieder erneuernden Kämpfen mit den Römern in den folgenden Jahrhunderten eine bewundernswerte Triebkraft ihres Stammes, die für alle Verluste rasch Ersatz schafft. Ihre Streifzüge erstrecken sich öftersbis nach Oberitalien, und was ihr Siedlungsgebiet betrifft, gewinnen sie, wenn auch gelegentlich zurückgedrängt, im ganzen zusehends an Boden. Schon um 260 ist der Limes von ihnen gebrochen

ALEMANNISCHE und das Land bis zur Donau in ihrem Besitz. Bald stehen sie auch am Bodensee und machen wiederholt Versuche, weiter nach Raetien und auf die linke Rheinseite überzugreifen, doch erst im 5. Jahrh. mit dauerndem Erfolg. Im J. 430 werden noch die gegen Raetien vordringenden Juthungen, bei dieser Gelegenheit zum letztenmal genannt, von Aetius zurückgewiesen; nach dessen Tod aber fanden die A . hier und am Rhein kaum mehr nennenswerten Widerstand. Auf dessen linkem Ufer sind sie uns zuerst von Sidonius Apoll, zum J. 456 (Carm. 7, 373 ff.) sicher bezeugt und nehmen hier das Elsaß und die Pfalz, vielleicht sogar noch nördlichere Striche in Besitz. In Raetia secunda schieben sie sich wohl gleichzeitig bis an den Lech vor, und zwar ist dabei besonders an Juthungen zu denken. Auch die Besetzung der Schweiz in ihren Alpenvorlanden scheint alsbald erfolgt zu sein, während in die tieferen Gebirgstäler die deutsche Sprache erst im Verlauf späterer Jahrhunderte durch allmählich vorschreitende Besiedlung eingedrungen ist. § 7. Die Verhältnisse zwischen den A. und ihren germ. Nachbarn erleiden mannigfache Verschiebungen. Ihr erstes Auftreten hinter dem Limes hat bereits Anschluß, Verdrängung oder Unterjochung anderer Stämme in dem bis dahin nicht unbewohnten Lande zur Voraussetzung. In Betracht kommen Reste der Teutonen und vielleicht die Mapoofyyoi, KoupiiuvE? und Xaitouiupoi des Ptol., deren Lokalisierung aber mangels anderer Zeugnisse ganz unsicher ist. Die Bucinobantes gegenüber von Mainz und nördlich des Mains stehen dort auf dem Boden der Mattiaci. Aber auch Hermunduren und Chatten mögen Platz gemacht haben. Die Eroberung des Dekumatenlandes schloß auch das Gebiet der Neckarsueben mit ein. Dadurch aber, daß sich die A . über den römischen Limes vorschoben, ward wieder Land in ihrem Rücken frei. In diesem setzten sich sofort die aus Ostdeutschland kommenden Burgunder (s. d.) fest, und durch lange Zeit bildet nun der Limes die Grenze zwischen beiden Germanenstämmen. Die mainabwärts drängenden Burgunder traten dann auch

FUNDE

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gegenüber von Mainz an ihre Stelle, um im Anfang des 5. Jahrhs. auf das linke Rheinufer überzugreifen. Nach deren A b z u g nach Sapaudia fiel die Pfalz, wo sie zuletzt gesessen hatten, zunächst den über das Elsaß gegen Norden vordringenden A. zu, und auch über den Neckar müssen sie sich auf einem Boden, den sie früher den Burgundern eingeräumt hatten, neuerlich ausgebreitet haben, da der Kosmograph von Rav., unter Berufung auf den älteren Athanarid als Quelle, Ascapha und Uburzis (Aschaffenburg und Würzburg) unter den alem. Städten anführt. Ihre starke Machtentfaltung und Ausbreitung in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhs. brachte sie aber in die gefährliche Nachbarschaft der ihrerseits rasch emporstrebenden Franken (s. d.). Im Kampf mit Chlodowech im J. 496/7 zogen sie den kürzeren und mußten, abgesehen vom Verlust ihrer Selbständigkeit, den nördlichen Teil ihres Gebietes fränkischen Ansiedlern einräumen. Nur die südlicher, in der Schweiz und Raetien seßhaften, an jenem Kampf vielleicht unbeteiligten Gaue blieben noch unabhängig und fanden gegen einen späteren Unterwerfungsversuch Chlodowechs bei Theoderik Schutz. Erst 536 wurden sie von den Goten ebenfalls den Franken überlassen. Von da an bildeten die gesamten A., aber unter besonderen Herzogen, einen Teil des merowingischen Reiches. L.

Z e u ß 303 ff. B r e m e r Ethn. 197 (930) ff Schmidt Allg. Gesch. d. germ. Völker

188 ff. W e i t e r e L i t e r a t u r besonders bei l e t z t e r e m . R. Much.

Alemannische Funde (§ 1) sind von den fränkischen und burgundischen, wie von anderen germanischen Funden der Völkerwanderungszeit (s. d.) schwer zu unterscheiden, wenn nicht Zeit und Ort darüber einen (doch meist nur unsicheren) Aufschluß geben. Bis gegen das Ende des weström. Reiches trifft man im altalemann. Lande zwischen dem mittleren Neckar und dem Taunus kleine Reihengräberfelder mit Beigaben von frühem westgermanischem und spätem gallorömischem Gepräge, zum Teil noch La T£ne-Formen. Nach dem Verlust dieses Gebietes an die

6o

ALFHEIMR—ALKUIN

Franken (um 500) macht sich der rheinischfränkische und wohl auch unmittelbarer oströmisch-gotischer Einfluß mit neuen, aus dem ostgerm. Kulturkreis stammenden Formen geltend. Es erscheinen die bekannten Speichen- oder Sprossenfibeln, die runden Scheiben-, die S- und tierförmigen Fibeln, oft aus Edelmetall und mit Granaten oder farbiger Glasinkrustation. Von der Mitte des 6. Jahrh. an treten, unter Zersetzung des römischen Keilschnittornaments, neue Band- und Flechtmuster auf. Unter nordisch-sächsischer Einwirkung tritt das Tierornament mit seinen Fratzenköpfen, Wurmleibern und Krallenfüßen auch hier die Herrschaft an. § 2. Im 7. Jahrh. kommen dazu die mit Silber (und Gold) tauschierten und plattierten Eisensachen: Scheibenfibeln,Gürtelschnallen, Riemenzungen, Sporen usw., teils in eigenen kleinen Nekropolen, teils in den entsprechenden Abschnitten größerer Gräberfelder. Die runde Scheibenfibel ist jetzt die einzige Gewandspange; Bügelfibeln kommen nicht mehr vor. Es ergeben sich deutliche Kulturzusammenhänge mit Oberitalien (langobardische Goldkreuze seit der Christianisierung der Alemannen um 616). Auch die Tongefäße, die bis um 500 noch teils La Tfene-, teils provinzialrömische Formen zeigen, gehen jetzt in Form und Verzierung eigene Wege, worin sie sich auch von der gleichzeitigen fränkischen und burgundischen Keramik unterscheiden, wie denn die Töpferei fast immer mehr lokalen Charakter trägt, als die durch den Handel oft weitverbreiteten Schmucksachen und Waffen. Unter den letzteren findet sich die Spatha, sowie Stoßspeer und Wurfspieß, Streitaxt, Bogen und Pfeil in den älteren, wie in den jüngeren Gräberfeldern, wogegen das Wurfbeil, die Franziska, nur in den ersteren und vereinzelt v o m 7. Jahrh. ab wieder auftritt. Die Ausstattung eines vornehmen Kriegers in dem kleinen Grabfeld von Gamertingen (Anfang 6. Jahrh.) enthielt u. a. Helm und Panzerhemd. E t w a 40 bekannte westgerm. Gräberfelder, meist in Württemberg, kommen für die Alemannen in Betracht. (S. Tafel 2.) A. S c h l i z

Fundb. aus Schwaben 11, 21—62

(1903). D e r s. Ber. d. hist. Ver. Heilbronn 11, 1—42(1904). G. M e y e r von K n o n a u Mitt. ant. Ges. Zürich, 18 (1873), ' 9 (1875). M. Hoernes.

Alfheimr, d. h. Heim der Alfen, be! gegnet nur in den eddischen Grimnismäl (v. 5), wonach die Asen diesen Sitz dem Gotte Frey einst als Zahngeschenk gegeben hätten, und in der Snorra Edda, wo er der Sitz der Lichtelfen ist und am Brunnen der Ur9 liegt (SnE. S. 23). E. Mogk.

!

! i 1

AHso ist der bei Velleius Pat. 2, 120 und Tacitus Ann. 2, 7 überlieferte Name eines römischen Kastells, das in den Kriegen der Römer in Deutschland ihr wichtigster Stützpunkt auf der rechten Rheinseite war. Es wurde nach Dio Cass. 54, 33 angelegt rt 0 TC Amniat XAI 6 'EXta.), jünger Reiffgotar: die Grundform wird als *Hraid- anzusetzen sein, ein bekanntes Namenwort; Mergothi (sgall. Hs. 10. Jahrh.), Gothi Meranare (Regensb. Gl. 12. Jahrh.): Märingas (DKL), MäringaR (Rökstein), eine Bildung zu got. mers, die auch in Meran fortlebt, dem Namen der einst gotischen Landschaften Dalmatien usw. Den Namen Ambrones betrachtet H i r t Doch weiß die Heldendichtung nichts von Indogm. I, 160 als proethnisch und identisch einer Herkunft der Goten aus Meran, mit dem der Umbrer. Nach Plutarch weshalb auch die nach M. benannten (Marius 19) sollen ihn auch die Ligurer Berhtung und Berhter nicht auf gotischen getragen haben. Innerhalb des Germ, gehören jedenfalls Personennamen wie Sagenursprung weisen. Für die mhd. Ambri, Ambrihho dazu. Da in Ymbre Dichter ist Italien der angestammte Wohnund "Opppiuvs?, das griech. Schreibung sitz der Amelunge. Der Wids. hält, wie für Umbrones sein wird, eine Ablautform man annimmt, die Vorstellung von der vorzuliegen scheint, wird man um so eher ältesten geschichtlichen Gotenheimat fest: ags. umbor in umbor-wesende, Beow. 46. vgl. Z. 121 'am Weichselwalde' und die 1187, beiziehen dürfen, das die wohl Reihenfolge der Aufzählung Z. 18 ff. 57 ff. abgeleitete Bedeutung 'kleines Kind' hat. (wogegen Z. 8 nur über die Lage von Angeln aussagt). Die nordische ÜberDas lat. Appellativum ambrones, das besonders in Glossen vielfach belegt ist, lieferung bringt Ortsnamen nur in der nach Festus ep. p. 17 'turpis vitae homines' Hunnenschlacht; sie weisen auf die pontibezeichnend, wird schon von diesem mit sche Zeit. Recht aus dem Volksnamen hergeleitet. § 3. Von ostgotischer Sage sind uns zwei Z e u ß 147. 1 5 1 . M ö 1 i e r Aengl. Volksep. 89. Massen bekannt, die eine um Ermenrich, M ü l l e n h o f f DA. 2, 1 1 4 . 1 1 6 f. 118 A n m . die andere um D. gelagert. Der Westgote 165. 283 f. 298. R . Much. j Widigoia, im Wids. 124 vielleicht noch Amelunge, die Bezeichnung der G o t e n 1 auf eigenen Füßen stehend, erscheint sonst in der mhd. Dichtung. §1. Sie geht zurück nur eng verbunden mit jenen zwei Königen. auf Amali, den Namen des ostgotischen Cassiodor, Jordanes und der Wids. geben Herrscherhauses, ist aber ausgedehnt auf das die unbestimmte Ahnung, daß uns vieles ganze Volk; Italien als Reich Ermenrichs von (ost)gotischer Heldensage verloren ist: und Dietrichs heißt Amelungelant. Ältere unbestimmt, weil bloße Namen immer Zeugnisse sind die Quedl. Ann.: Amulung auch aus bloßen Merkversen fließen können, Theoderic dicitur', und A l f r e d im Boethius: die ja nicht notwendig heroische Fabeln 'se peodric wass Amulinga'. Die Historie exzerpieren. Dunkel ist im besonderen, kennt den Namen nicht; ob das ältere wie weit eigentlich der Wids.-Dichter die *Amalös schon in got. Dichtung zu *AmaHofmannschaft Ermenrichs (Z. I i i ) auslungös erweitert wurde, bleibt offen. Die dehnen will und mit welcher Gewähr. Von hd. Epik gebraucht daneben nur noch ganzen Geschichten bei Jordanes darf man den ganz jungen Ausdruck Berncere. j nur die von Ermenrich-Svanhild auf einen Den Gotennamen selbst haben Wids. und heroischen Stoff schätzen. — Gab es schon Deors Klage bewahrt, auf nordischer Seite 1 in der Dichtung der Goten größere Reihen ein Rest von ihnen noch durch Jahrhunderte forterhalten haben: die Ymbre des Wids. 32. Auch der Name der Insel Amrum, Ambrum 1231 im Liber census Daniae, geht auf sie zurück. Die "OfißptuvEt, die in der Sarmatia eur. des Ptol. hart an der Grenze der Germania in der Nähe der Weichselquelle stehen, lassen sich verschieden beurteilen. Die Nachbarschaft der Aiiapivoi d. i. Varini scheint anzudeuten, daß es sich um einen Zweig der jütländischen Ambronen handelt, der sich frühzeitig zusammen mit Splittern von Nachbarstämmen nach dem Südosten verzogen hat. Sie sind dort vielleicht ein Teil der Bastarnen.

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AMISIS—AMLETHU S

oder Gruppen von Sagen, so wie bei den SkiQldungar, Ynglifigar, Vcjlsungar-Niflungar? Negativ können wir soviel sagen, daß von der uns bekannten Ermenrichdichtung nur eine Fabel, Svanhild, bis auf die Goten zurückreicht, von der Dietrichdichtung zwei, das Exil und Witeges T ö t u n g der Etzelsöhne, daß aber auch diese beiden vielleicht noch frei neben- i einander gingen, während Dietrichs Exil gewiß schon den einst getrennten Gensi- j mund (-Hildebrand) an sich gezogen hatte. Drei gotische Heldenlieder (Svanhild, Exil, Etzelsöhne) trugen den Sagenstoff über die Alpen, der die gleichsam authentische Grundlage unseres ostgotiDie weiteren schen Sagenkreises bildet. Ermenrich-, die zahlreichen Dietrichsagen hat erst deutsche Dichtung dazugetan. Die Verbindung vollends zwischen den zwei großen Amelungen kommt erst v o r unseren Augen, im 9./10. Jahrh. zustande. Fortan ist es ¿in gotischer Zyklus, und sein Hauptstück ist die beiden Königen gemeinsame Sage, das Exil. Es wanderte also keine geschlossene 'Gotensage' zu den West- und Nordgermanen. Zeigt doch der Wids. den älteren Amelung als Chorführer und Meistgenannten seiner ganzen Schar, aber der jüngere, Dietrich, ist ihm noch fremd: jenen hatte man offenbar schon im alten Angeln kennen lernen, diesen erst in Britannien. Noch klarer scheidet sich's im Norden, wo bis ins 13. Jahrh., mit einer Ausnahme, überhaupt nur Ermenrich die Ostgoten in der Sage vertritt. § 4. Die obd. Stämme, die keine eigenen Hauptfiguren zur Heldensage gestellt haben, nahmen vor anderen die Stoffe ihrer got. Südnachbarn in Pflege. Schon die Ermenrich-Dichtung erfuhr bei ihnen Zuwachs. Besonders aber die Dietrichsagen sind die eigentlich baiwarischen. Die Dichtung der Donaulande führte im 8. Jahrh. Dietrich in die Burgundensage ein, wo er sich zu einer seiner herrlichsten Rollen auswuchs. Später, unterm breiten Epenstil, ergänzte sie die Reihe seiner Paladine: zu den drei alten, Hildebrand, Witege, Heime, traten Wölfhart, Ilsan u. d. a. Auch Rüedeger, diese edelste Blüte des ritterlichen Heldenstils, ist für

die Dichtung von Dietrichs Exil geschaffen worden, als der Vermittler zwischen dem Flüchtling und dem Hunnenherrscher: die Nibelungenot setzt diese ganzen Beziehungen zwischen Dietrich und Rüedeger als gegeben und bekannt voraus und übernimmt den Markgrafen für ihre Zwecke. In welchem Umfange Jung Dietrichs Märchensagen obd. sind, ist noch nicht aufgeklärt. Auch ein, wie es scheint, ndsächs. Held, Dietleib, ist an Dietrich geknüpft worden, doch vermutlich durch obd. Dichtung. Der eigentliche Beitrag der nd. Spielleute zur Amelungensage sind die Wilzenkämpfe, die Dietrich in Attilas Dienste besteht; s. Attila. L i t . s. unter D i e t r i c h v o n B e r n u. E r m e n r i c h . A . Heusler.

Amisis, so bei Mela und Plinius, Amisia bei Tacitus, 'A^asia? bei Strabo, Aristo; bei Ptolemäus und anderen, ist der alte Name der E m s . Ihm entspräche noch got. *Amisi, *Amisjös. Im MA. heißt der Fluß Emisa. Ein Erklärungsversuch für den vielleicht keltogerman. Namen bei M ü l l e 11 h o f f DA. 2, 217, wo auch der mit Ems verwandte Name von Emden an der Ems beigezogen wird. R. Much.

Amlethus. § I. Die durch Shakespeare zu Weltruhm gelangte Sagengestalt begegnet im MA. in einer erzählenden Quelle: S a x o S. 138—61. Ob ein seit dem 17. Jahrh. nachweisbares isl. Amlethmärchen (woraus wieder die Ambales saga schöpfte) als primäre Quelle gelten darf, ist umstritten; eine Sagenform älter als die bei Saxo bietet das Märchen nicht. Saxos langer A.-roman ist aus sehr ungleichartigen Teilen komponiert. Als Dokument germ. Altertums kann nur in Frage kommen die Vaterrache S. 138—49 (mit Ausschluß der orientalischen Spürsinnsprobe S. 145 ff. und gewiß auch der Heirat S. 148): eine in sich geschlossene, einheitliche Fabel, neben der Ingeld- und der Halfdanssöhnesage (s. Skioldungar) die dritte der großen dän. Vaterrachen. Das kennzeichnende Motiv ist: unter der Maske des Stumpfsinns weiß der Held allen Prüfungen und Nachstellungen klug zu begegnen und die Gelegenheit zur Rache abzuwarten. Der eigenartige A.-zug, daß die scheinbar

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AMNESTIE—AM(P)SIVARII unsinnigen A n t w o r t e n ernsten S i n n bergen, ist eine f ü r den G a n g der H a n d l u n g entbehrliche, w ü r z e n d e Zugabe. A u f eine dieser A n t w o r t e n zielt eine S k a l d e n s t e l l e : ein Sna;biqrn, den m a n um d. J. IOOO setzt, umschreibt 'Meer' m i t AmlöSis Mühle' (so Snorri in seiner E d d a S. 94; m a n k a n n die K e n n i n g auch anders konstruieren, doch l ä u f t es sachlich auf eins hinaus). Es ist die einzige A n s p i e l u n g auf A . in der ganzen aisl. L i t e r a t u r . In welchem U m f a n g e damals die A . - r ä c h e v o r h a n d e n w a r , ist ungewiß. Die E n t l e h n u n g einiger A . - m o t i v e durch die Sage v o n den H a l f danssöhnen b r a u c h t über das 12. J a h r h . nicht z u r ü c k z u g e h n . § 2. Der Gedankenkreis unsrer S a g e f ü g t sich zu dem nord. A l t e r t u m , ein oder zwei Szenen heben sich zu echt heroischer S p a n n u n g ; aber als ein stabreimendes Lied ist der Stoff nicht vorstellbar w e g e n der pointierten Fragen und A n t w o r t e n und der vielen genrehaften A u f t r i t t e , worin A . s T o r h e i t das Gelächter erregt. Die Sage m u ß sich in Prosa g e f o r m t h a b e n . Saxo h a t sie aus jütischer U b e r l i e f e r u n g ; ob dies die anfängliche H e i m a t ist, steht dahin. §. 3. Die vielen ma. Dichtungen, die m a n mit A . verglichen hat, haben keine überzeugende V e r w a n d t s c h a f t . U m so näher steht die römische B r u t u s geschichte, in der G e s a m t a n l a g e wie in den zwei (zusammenhängenden!) D e t a i l s : Reise mit einem B e gleiterpaare, goldgefüllter S t a b . S a x o h a t die Ä h n l i c h k e i t der b e i d e n E r z ä h l u n g e n bemerkt, denn er ü b e r t r ä g t die W e n d u n g 'obtusi cordis' v o n B r u t u s (bei V a l e r i u s M a x i m u s ) auf A . Man h a t erwogen, erst S a x o habe die speziellen B r u t u s z ü g e in die z u f ä l l i g ähnliche A . - s a g e hereingebracht. D o c h f r a g t sich, ob ihm eine so schöpferische U m b i l d u n g des Reise- und bes. des S t a b m o t i v s zuzutrauen i s t : die mit dem W e r g e i d gefüllten S t ä b e als Ä q u i v a l e n t der G e t ö t e t e n sind eine geniale U m s e t z u n g ins Germanische. V e r n e i n t m a n die F r a g e , so m u ß A . eine dänische S p r o ß f o r m des B r u t u s sein. B u c h m ä ß i g e V e r m i t t l u n g ist dann k a u m zu entbehren, aber seine bedeutende U m f o r m u n g und B e r e i c h e r u n g wird der Stoff in mündlicher v o l k s t ü m licher Pflege erfahren haben. O b Amlödi ( > dän. Amlceicc) den N a m e n Brutus über-

setzt (Detter), ist unsicher, weil die neuskand. A p p e l l a t i v a amblodhe, amlo u. ä. mit ihrer B e d e u t u n g ' T r o t t e l ' möglicherweise erst aus d e m S a g e n n a m e n bezogen sind. Die J u g e n d g e s c h i c h t e des K e i Chosro bei Firdusi liegt i. a. v o n A . viel weiter ab, teilt aber mit ihm das bei B r u t u s fehlende Frage- und A n t w o r t s p i e l . Z u f a l l wäre hier eher d e n k b a r ; aber auch ein tatsächlicher Z u s a m m e n h a n g k ö n n t e die viel näheren B e ziehungen zwischen A . u n d B r u t u s nicht in F r a g e stellen. Simrock Detter,

Quellen

127 ff.

Olrik

Elton

Saxo

10,

3 5 3 ff.

u. 4.

des Shakespeare1

Z f d A . 36, 1 ff. Kild.

2, 158 f f . ; A r k i v

Gr. 3 9 8 s .

Setälä

Zenker

I,

Laistner

Boeve-Amleihus,

38,

15, 360 ff.

Jiriczek,

Finn.-ugr.

I03fi.

ebd.

ZdVfVk.

Forschungen

3

1905. A.

Heusler.

A m n e s t i e . Eine A . im Sinne einer B e g n a d i g u n g ganzer G r u p p e n oder Klassen I v o n Verbrechern ist dem germanischen j und dem älteren deutschen R e c h t unbei k a n n t . N u r v o n dem schwedischen K ö n i g heißt es, d a ß er b e i m R e i t e n der Erichsgasse (s. K ö n i g t u m ) drei Männern den Frieden geben darf, die nicht Neidingsw e r k (s. Fricdensbruch) getan haben. A b e r dies d ü r f t e richtiger unter den Gesichtsp u n k t der B e g n a d i g u n g (s. d.) gestellt werden. v. Schwerin.

j

Am(p)sivarii. Aus Tacitus Ann. 13, 55. 56 erfahren wir, d a ß ein S t a m m dieses Namens, v o n den C h a u k e n vertrieben, unter F ü h r u n g des Boiocalus, der seiner Römerfreundlichkeit halber seinerzeit v o n A r m i n i u s in Fesseln gew o r f e n w o r d e n war, einen u n b e w o h n t e n L a n d s t r i c h a m R h e i n u f e r zwischen L i p p e und Ijssel z u besetzen v e r s u c h t e . Von den R ö m e r n hieran verhindert, seien sie in langem heimatlosen Umherirren allm ä h l i c h aufgerieben worden. Sei es, d a ß diese B e h a u p t u n g übertrieben ist, oder d a ß ein Teil des V o l k e s in seinen S t a m m s i t z e n sich forterhielt und später gegen den R h e i n v o r r ü c k t e , jedenfalls t a u c h t ihr N a m e später wieder auf als der eines S t a m m e s in der N ä h e der Reichsgrenze. E r steht auf der Veroneser V ö l k e r t a f e l und in der Not. d i g n . ; nach Sulpicius A l e x bei Gregor T u r . 2, 9 gehören die A . zu den Franken.

8o

AMULETTE

Sicher dasselbe wie die A. sind die 'Afjitliavoi bei Strabo 291. 292: so wird dort mit Recht der Name hergestellt statt des überlieferten Ka|xiit«voi und 'Aptjttv&v. Ampsiäni ist deutlich eine lat. Bildung

der Chauken stimmt. Alle andern Deutungen des Namens sind undiskutierbar; ebenso M ö l l e n h o f f s Versuch DA. 4, 551 ff., sie als Teilstamm der Angrivarier zu erweisen. R. Much.

A b b . 10. Amulette: Beilförm i g e Bernsteinperlen. A a r b . 1 8 8 8 . '/,. A u s Müller, N o r dische Altertumskunde I S. 1 5 0 (Karl J . Trübner, Straßburg).

A b b . 9. A m u l e t t : A x t aus Montelius, Kulturgeschichte ( E . A . Seemann,

dünner Bronze. Schwedens S. Leipzig).

Aus 135

Abb. 11. Amulette: Brakteaten. A t l a s f. nord. Olkynd. G . Stephens. '/,. A u s Müller, N o r d i s c h e Altertumskunde S. 194 ( K a r l J . Trübner, Straßburg).

und II

A b b . 1 2 . A m u l e t t : Goldbrakteat. Aarb. 1880. '/,. A u s Müller, Nordische Altertumskunde II S . 1 9 5 ( K a r l J . T r ü b n e r , Straßburg).

desselben Sinnes wie Ampsivarii, die zuAmulette (§ i) sind Zaubermittel, deren gleich zeigt, daß sowohl der Einschub man sich zur Abwehr böser Mächte oder von p als auch die Synkope des MittelGeister bediente. Das Wort ist arabischen vokals gegenüber Amisis, Amisia auf [ Ursprungs (hamalet 'Anhängsel') und fast Rechnung des Lateinischen zu setzen ist. gleichbedeutend mit Talisman. Während Es handelt sich sicher um ' E m s a n - ! dieser aber auf die magische K r a f t geht, w o h n e r ' , wozu auch die Nachbarschaft j die dem Gegenstande innewohnt, geht jenes

AMULETTE auf die A r t und Weise, wie man es zu gebrauchen pflegte. Man trug A. entweder am Hals oder auf der Brust, woraus sich im L a u f e der Zeit der Brustschmuck entwickelt hat, oder legte sie an bestimmten Orten nieder. Hierher gehören in erster Linie die über die ganze Erde verbreiteten Donnerkeile (s. d.), die späterer Glaube mit dem Donnergott in Beziehung geIn kleinen Nachbildungen b r a c h t hat. wurden diese vielfach als Bernsteinschmuck getragen. Daneben findet sich im Bronzezeitalter das Sonnenamulett, eine Nachbildung des vierspeichigen Sonnenrades, das bald als Nadel, bald an der Kette am Hals getragen wurde. § 2. A u c h Steinpfeilspitzen und Ä x t e (Abb. 9. 10) galten vielfach als Amulette, besonders zum Schutz gegen dämonische Wesen, die Tieren oder Menschen K r a n k heiten bringen. Zahlreiche Gräber bezeugen diesen Glauben an die K r a f t der Amulette in ältester Zeit. In der frühchristlichen Periode eifert namentlich das Christenrecht in den nordischen Gesetzen dagegen. A b e r er währe fort bis in die Gegenwart. Ferner dienten als A m u l e t t e bereits in vorhistorischer Zeit Pflanzen und Pflanzenteile, Knochen und andere Teilchen v o n Tieren, die man auch Toten mit ins Grab zu geben pflegte (vgl. S . M ü l l e r , Nord. Altertumsk. I

§ 4. Auf heidnisch-germanischen Brauch zurückzugehen scheint auch die im heutigen Volksglauben weit verbreitete Verwendung gewisser Pflanzen (Alraunwurzel, Dachwurz, Wermut, vierblättriges Kleeblatt, Silberpappel usw.), Tiere oder Tierteile (Schlangen, Kröten, Marienkäfer, Kreuzschnäbel, Eulen, Spinnen usw.) oder Teile des menschlichen Körpers (Finger oder Herz ungeborner Kinder, die Eihaut des Embryo) als A m u l e t t e oder Talismane. Vielfach werden die Tiere unter der Schwelle des Hauses vergraben oder am Tore des Gebäudes angeheftet. Hierher gehören auch die Pferdeköpfe der norddeutschen Bauerngehöfte, der Donnerbesen u. a. § 5. Eine Schar neuer A m u l e t t e k a m mit der antik-römischen K u l t u r und dem Christentume. A n Stelle des Hakenkreuzes trat das christliche K r e u z , die Götterbilder ersetzten Marien- und Heiligenbilder, die R u n e n verdrängte das lateinische Alphabet, die Gegenstände mit Zeichen und Runen wurden bald v o n den Pergamentblättchen mit heiligen Sprüchen und Formeln überwuchert. So begegnen die Blättchen mit dem Vaterunser, mit Stellen aus der heiligen Schrift, mit den

J N J R

471).

§ 3. Eine besondere Rolle spielen als Amulette die Brakteaten (Abb. 11.12), die in Skandinavien ihre Heimat und sich v o n hier aus über England und Teile Deutschlands verbreitet haben. Sie sind Nachahmungen römischer Münzen und meist aus Gold; viele sind versehen mit dem prophylaktischen Hakenkreuz und mit Runen, unter denen die alu-Inschrift besonders häufig begegnet, oder mit Vögeln, die man in Zusammenhang mit den Raben Ö9ins gebracht hat. A u c h Gestalten, in denen man Götter vermutet, finden sich auf den Brakteaten. Daneben trug man das Götterbild in plastischer Miniaturgestalt aus Knochen als Schutzmittel, was z. B. v o m Skalden Hallfre9r berichtet wird (Fs. S. 97). In späterer Zeit lebte der Gebrauch der Brakteaten darin fort, daß man vielfach bestimmte Münzen als A . zu tragen pflegte. H o o p s , Reallexikon.

81

I.

J (Jesus Nazarenus Judaeorum rex), den Schwellen und Türpfosten das Ct

Mf

an

Bf

(Caspar, Melchior, Balsamer), zu denen sich später die weit verbreiteten Himmelsbriefe gesellen, die vor allem festmachen gegen Schuß und Hieb. § 6. Andere neue A m u l e t t e brachte eine orientalisch-arabische Kulturwelle, die bald durch Vermittlung der antiken Kultur, bald selbständig im Zeitalter der Kreuzzüge kam. Ihnen eigen ist besonders das Geheimnisvolle der W o r t e und Zeichen und die Benutzung astrologischer Figuren. Hierher gehört u. a. das P e n t a g r a m m oder der Druden- oder Mahrenfuß (s. d.). Unter den Amulettinschriften dieser Welle sind die verbreitetsten das Abrakabra-Dreieck: 6

82

ANATOMIE—ANEFANG A b r a k a d a b r a a b r a k a d a b r a b r a k a d a b a b r a k a d a a b r a k a d a br a k a

und

die

Sator-Arepo-Formel: S a t o r A r e p o

Tenet Opera R o t a s.

Einen Sinn aus diesen und ähnlichen Formeln zu entziffern, ist bisher nicht gelungen. J e dunkler sie war, desto mehr K r a f t schrieb man ihr zu. — A u c h beim Amulettaberglauben ist die Volksphantasie nicht untätig geblieben; nach Analogie schon vorhandener solcher Schutzmittel sind immer neue erfunden worden. M o n t e 1i u s Solgudens yxa och Tors hammare. S v . F m f . T i d s k . 10, 277. Salin De nordiska guldbrakteaterna. A n t . T i d s k . f. S v . 14, H . 2. S. M ü 11 e r Nord. Altertumskunde. W u t t k e Volksabergl. 3 S c h i n d l e r Der Aberglaube des Mittelalters. C. M e y e r Der Aberglaube des Mittelalters. A. T i l l e ThebaI Amulets. S c o t s lore 1895, 61 ff. K u n z e Der Birkenbesen. L e i d e n 1900. P e t e r s e n Die P/erdeköpfe auf den Bauernhäusern. Kiel 1860. R. K ö h l e r Die Sator-Arepo-Formel. K l . S e h r . 3, 564. A. L e h m a n n Aberglaube u. Zauberei3. S c h u r t z Amulette u. Zaubermittel. A r c h . f. A n t h r o p . 22. W u n d t Völkerpsychol. I I 2, 202 ff. E . Mogk.

Schneiden und Zufassen auffiel. Doch wäre eine eingehendere Untersuchung der Bezeichnungen der inneren Organe und Organteile und der Benennungen der äußeren Körperteile erwünscht. Vgl. z. B . die Erfurter Glossen. H Z D A . I I I 119. H y r t l Die alten deutschen Kunstworte der Anatomie 1884. H ö f 1 e r Hdb. d. Gesch. d. Med. I 462. G r ö n Altnord. Heilkunde. J a n u s 1908 ( S . - A . S. 37). Sudhoff.

Andecena, Andecinga römisches Ackermaß v o n 16 000 römischen Q u a d r a t f u ß oder rund 1400 qm Fläche. „Andecenas legitimas hoc est perticam 10 pedes habentem 4 pcrticas in transverso et 40 in longo." L e x Baivariorum I 13. — D u Cange I 244. — Die Andeccna maß in der Breite 4 Ruten (pertica) von je 10 römischen F u ß ( = 0,296 m), also 40 römische F u ß oder 11,84 m, in der Länge aber 40 R u t e n oder 400 römische Fuß = 1 1 8 , 4 m . A. L u s c h i n v .

Ebengrcuth.

Anefang. A. S ü d e n . § I. Fand jemand eine ihm gestohlene bewegliche i Sache (meist Vieh) ohne Spurfolge (s. d.) oder nach Ablauf der für diese maßgebenden gesetzlichen Frist in der Hand eines Dritten, so konnte er sie nach altgermanischem Prozeßrecht nur unter B e o b a c h t u n g bestimmter Förmlichkeiten an sich nehmen. Er mußte sie in genau vorgeschriebener Weise, indem er z. B. bei Vieh mit der linken Hand das rechte Ohr des Tieres ergriff und mit dem rechten F u ß auf das Anatomie, soweit man beim altgermaniVorderbein des Tieres trat, „ a n f a s s e n " . schen Medizinkundigen davon reden kann, V o n dieser Rechtshandlung (ahd. anawar im wesentlichen Opferanatomie, vielfanjan, furifangon, altbayr. hantaled, ags. leicht unbewußt kontrolliert bei schweren befön, cetfön, celbefön, forefong, ndl. aenfang, Kampfverletzungen, auch wohl Küchenanaanefang, obd. furfang, verfang) erhielt das tomie. Lage und Form der großen Organe ganze Verfahren seinen Namen. Mit ihr w a r oberflächlich bekannt, die Drei- oder bezeichnete der Kläger die Sache als eine Fünflappigkeit der Leber von der Schafihm gestohlene. Allerdings bezichtete er und Ziegenleber hergenommene, vielleicht mit dem Anefang nicht direkt den Besitzer aber durch Einfluß aus der A n t i k e beselbst des Diebstahls oder R a u b e s . Aber festigte Anschauung. Alles hohle Gewebe wenn nicht der Besitzer, so mußte ein w a r ader; die hohlen Knochen wurden Dritter sie gestohlen oder g e r a u b t haben. wie die Luft- (und Speise-)röhre als (ahd.) Der Anefang leitete den Rechtsstreit ein; phifa bezeichnet (peinfifun: tibiae) altfries er ersetzte nicht nur der M a h n u n g (Ladung) pipe, mnd. pype, pipe, mhd. pfife. Man des ordentlichen Verfahrens, sondern w a r kannte auch das Zwerchfell (ags. midhrife) „der K l a g e B e g i n n " ; daher m u ß t e der v o m Tiere her. Noch summarischer waren Besitzer der angeschlagenen Sache die natürlich die zufällig gemachten BeobachK l a g e in rechtmäßiger Weise b e a n t w o r t e n tungen pathologischer Zustände, namentund sich von dem in ihr enthaltenen oblich von Verkalkung, die schon beim

ANEFANG jektiven Vorwurf des Diebstahls reinigen. T a t er dies nicht, so konnte sich der K l ä g e r der angeschlagenen Sache bemächtigen, als hätte er sie im W e g e der Spurfolge rechtzeitig gefunden. § 2. Die regelmäßige Erwiderung des Besitzers, der etwa sich nicht selbst als Dieb bekennen mußte, bestand darin, daß er den Dritten nannte, von dem er die Sache erhalten habe. D. h. er zog die Sache auf seinen Gewähren, Gewährsmann, Vormann (ahd. fordro, *werento zu weren, fries. werand, ndsächs. warend, gewere, ags. geteama von team 'Zug'), er berief sich auf die dritte H a n d ; daher der Ausdruck intertiare, Dritthandsverfahren, in den fränkischen Rechtsquellen. Nach gotischem, fränkischem, oberdeutschem und jüngerem sächsischem R e c h t mußte der Besitzer den Gewähren binnen bestimmter Frist vor Gericht stellen und das sogleich nach geschehenem A n e f a n g rechtsförmlich geloben; nach dem altertümlicheren langobardischen und früheren sächsischen R e c h t dagegen führte er den Kläger zum Gewähren. Im jüngeren angelsächsischen R e c h t hatte der Beklagte die drei ersten Gewährsmänner am Anefangsorte zu stellen, und erst zu den späteren folgte der K l ä g e r ; aber auch dies wurd^ dann, u m dem Bestohlenen die Reisemühe zu sparen, abgeschafft und alle Gewährszüge mußten nunmehr a m Anefang=orte erfolgen. Der angezogene Gewährsmann konnte sich seinerseits auf einen V o r m a n n berufen, dieser wieder auf einen, und dies konnte nach einigen Rechten, z. B. nach dem fränkischen und späteren sächsischen Recht, unbeschränkt wiederholt werden, während nach andern, z. B. dem langobardisch:n und angelsächsischen, der Gewährschafts zug beim dritten Mann stillstand. Dem Gewähren erwuchs die Verpflichtung, in den Prozeß einzutreten. Die streitige Fahrhabe w u r d e ihm zu getreuer Hand übergeben, zugeschoben, „ e r empfing den Schub". F a n d wiederholter Z u g statt, so wanderte die Sache von H a n d zu Hand den W e g zurück, den sie früher durch Rechtsgeschäft vorwärts gegangen war. Erlitt der Beklagte Bruch an seinem Gewähren, d. h. erschien der Gewähre nicht oder verweigerte er die A n n a h m e des

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Schubs oder unterlag er im Rechtsstreit, so erhielt er v o n dem Vertragsbrüchigen Gewähren den Kaufpreis zurück; er mußte aber, da er im Anef/ingsprozeß unterlegen war, die Sache an den Kläger herausgeben und außerdem die Diebstahlsbuße zahlen. V o n dem letzteren kam er frei, wenn er sich v o m Diebstahlsverdacht zu reinigen vermochte; dies konnte er durch einen Reinigungseid mit dem er redlichen Erwerb nachwies. W a r der Gewähre gestorben, so f a n d im ältesten Recht ein Gewährschaftszug auf den Toten statt; noch im angelsächsischen Recht zog der Beklagte die Gewähr zum Grabe des Gewährsmanns und reinigte sich durch einen besonders hohen Eid von dem Diebstahlsverdacht, so daß nun der T o t e als Diebschuld befleckt galt (Liebermann). Im jüngeren Recht gelangte der Angeklagte hier ebenso zum Reinigungseid, wie wenn er den Gewähren nicht nennen oder in der vorgeschriebenen Zeit nicht auffinden konnte. § 3. Außer durch Zug auf den Gewähren konnte sich der Besitzer, wenn auch vielleicht noch nicht im ältesten Recht, so doch allgemein nach jüngeren Quellen; durch Berufung auf originären Erwerb (z. B. das Vieh sei bei ihm geboren) verteidigen, was aber dann nicht möglich war, wenn der Kläger Zeugen dafür brachte, daß das von ihm wiedererkannte Stück ihm vor noch nicht einem halben Jahre gestohlen worden sei. Schon die fränkischen Quellen erwähnen die Einrede des Beklagten, er habe die Sache ererbt. Bewies er dies, w a s nach salischem Recht den Nachweis des Rechtes seines Erblassers erforderte, oder bewies er originären Erwerb, so erzielte er nicht nur, wie im Falle des Reinigungseides, Befreiung v o m Diebstahlsverdacht, sondern überhaupt A b weisung der K l a g e . In diesem Falle mußte der sachfällig gewordene Anefangskläger eine B u ß e wegen unrechten Anefangs entrichten und, wenn es zum persönlichen Vorwurf des Diebstahls gekommen war, die Rechtsfolgen der falschen Anklage tragen. § 4. Die Anefangsklage gründete sich ausschließlich auf den unfreiwilligen Verlust der Gewere. Wahrscheinlich konnte 6*

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ANEFANG

sie schon im alten Recht auch dann geltend gemacht werden, wenn die Sache nicht gestohlen oder geraubt, sondern verloren oder sonstwie dem Besitzer ohne seinen Willen abhanden gekommen war. Sie stützte sich nicht auf ein Recht an der Sache; insbesondere war sie nicht etwa eine Eigentumsklage. Vielmehr stand sie außer dem Eigentümer auch demjenigen zu, in dessen getreue Hand der Eigentümer die Sache zur Verwahrung, als Pfand, als Leihstück usw. gegeben hatte; nur dieser getreuen Hand war durch den Diebstahl die Gewere entzogen worden. Der Eigentümer konnte die Anefangsklage selbst dann nicht erheben, wenn die Sache seinem Vertrauensmann gestohlen worden war. B r u n n e r DRG. 2, 498 ff S c h r ö d e r DRG. ' 385 ff. und die dort angeführte sehr reiche Literatur, v. A m i r a Recht1130. Rauch Spurfolge u. Anefang in ihren Wechselbeziehungen. Weimar 1908. R. Hübner.

B. N o r d e n . § 5 . Die Rechtsquellen des Nordens zeigen ein ähnliches Verfahren, wenngleich die Einzelheiten sehr variieren und auch die Quellen nicht überall gleich ausführlich sind. Dabei scheint das ostnord. Recht den deutschen Rechten näher zu stehen, als das westnordische. Der Akt des A n e f a n g e s wird in aschwed. Rechten als handsama bezeichnet, das Ansprechen der Sache als dem Kläger gehörige mit keenna ausgedrückt. Damit ist die Klage (.klandan, brigd) erhoben. Der Beklagte muß — vom Fall der handhaften Tat abgesehen, wo er beweisfällig ist — Bürgen stellen oder die Sache bei einem Dritten hinterlegen. §6. Die V e r t e i d i g u n g des Beklagten kann bestehen in Kontravindikation, er beruft sich z. B. auf eigenen originären Erwerb („gripaer til hemfopo" ,,at i hanss gar|>i Jjaer var Jiaenni gripaer hemae föder ok fiu a iak han ok f>u ikki i", ,,at iak födde han hemae i husum ok haeskaep J>aer dif>i ok drak miolk af mof>or Spina. ]jaer var i klaejsum vaffiaer ok i vaggu lagfier. f>y a iak han ok J>u iki"). Oder der Beklagte zog auf seinen Gewähren (gripaer til leznae, til hemolzmanz, fangamanz). Über den Gewährschaftszug geben die

Quellen vieles, im einzelnen abweichende Detail. Insbesondere kommt hier das eigentümliche, ostnordische Institut des vin in Frage, d. h. eines Gewährschaftsbürgen, den der Verkäufer bei gewissen Objekten dem Käufer stellen muß und an den sich nun der beklagte Käufer wendet mit dem Ersuchen, den Verkäufer herbeizubringen (vgl. v. A m i r a NOR. I 285 ff. 346 ff.). Der Gewährsmann konnte sich wieder auf seinen Gewährsmann berufen, doch beschränken manche Quellen die Zahl auf den dritten, fünften, sechsten Vormann. Dieser hatte dann zu kontravindizieren oder der Kläger erhielt den Beweis, daß ihm die Sache gehöre; dem Beklagten blieb es aber auch dann immer noch frei, sich wenigstens von der Diebstahlsbeschuldigung zu reinigen (gaera sik urpiuvd) durch den Nachweis, daß er redlich und unverhohlen die Sache erworben habe. Beklagter konnte sich übrigens auch darauf berufen, daß er vom Kläger selbst erworben habe und kam dann darüber zum Beweise. § 7. Sehr zweifelhaft ist im Norden das eigentliche F u n d a m e n t d e r K l a g e . Nach denG£>l. 254 hat der Kläger Zeugen zu erbringen, „daß das sein Gut ist und er es nicht verschenkte, in Zahlung gab oder verkaufte", also sein Eigentum darzulegen. In schwed. Rechten beschwört Kläger „iak a ok f>u iki" „fiaetta er mit". Darnach scheint die Klage nicht jedem früheren Besitzer zuzustehen, sondern nur dem Eigentümer. Auf der anderen Seite wird vielfach in das Klagefundament der Satz aufgenommen, „daß diese Sache von mir gestohlen war". Daraufhin hat man auch für den Norden behauptet, daß die Klage nur bei widerwilligem Besitzverlust gegeben war. Aber an anderen Stellen fehlt dieser Satz und jedenfalls das westnordische Recht scheint auch bei Unterschlagung durch den Depositar u. dgl. dem Eigentümer die Klage zu geben. (Siehe Hand wahre Hand.) Estlander Bidrag tili en Undersökning om Klander ä Lösöre enligt äldre svensk Rätt 1900. v. A m i r a NOR. I 347; II 692 ff. Stemann Retshistorie § 89. Matzen Forel. Tingsrett § 21. B r a n d t Forel. I 201. 205. K. Lehmann.

ANGEL Angel. Die Fertigkeit, Fische mit der Angel zu fangen, war bereits in der jüngeren Steinzeit voll entwickelt, derart, daß man eine ganze Anzahl verschiedener Angelformen von verschiedener Größe gebrauchte. 1. Die älteste Form des Angelhakens ist die mit glatter Spitze ohne Widerhaken. Sie bestanden aus Hirschhorn, Knochen, (Holz) oder Feuerstein und wurden während der Bronzezeit auch aus Bronze hergestellt. Man findet sie ebensowohl in den Pfahl-

ü

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bleibt am inneren Ende des nach oben spitz zulaufenden Schenkels ein Absatz, der als Urtypus des Widerhakens anzusehen ist (Abb. 13, 1). Angeln mit Widerhaken wurden in der Steinzeit aus (Holz), Hirschhorn, Knochen oder Eberzahn gefertigt, später aus Bronze (Abb. 13, 2) und seit der Lat^nezeit auch aus Eisen. 3. Eine besondere Art m i t b r e i t e m Stil aus Knochen oder Bronzeblech (mit und ohne Widerhaken) ist aus Westpreußen, Lübeck und Brandenburg bekannt (Abb. 13, 3). Das älteste bekannte Exem-

5 Abb. 13.

Angeln 1 — 1 0 .

1 Angelhaken aus einem Schweinshauer von Haltnau. Nach v . Tröltsch, Pfahlbauten, ca. 5 cm. — 2 Angelhaken von Bronze. Schweiz. Mitteil. d. antiqu. Gesellsch. Zlirich, X X I I . 2/3. — 3 Spinnangel aus der Gegend von L ü b e c k . Bronze, Latene. Nach Krause. 7 cm. — 4 Angelhaken aus dem Pfahlbau von St. Aubin. Hirschhorn. Nach Krause. 6,6 cm. — 5 Angelhaken. Nach Piö, Stradonitz. Bronze, '/i. — 6 Angelhaken aus Reesen, Altmark. Bronze. Hallstattzeit. Nach Krause. — 7 Spitzangel aus dem Pfahlbau Wangen. Hirschhorn. Nach v. Tröltsch, Pfahlbauten. 4,4 cm. — 8 Spitzangel aus dem Pfahlbau Wangen. Hirschhorn. Nach v. Tröltsch, Pfahlbauten, ca. 5 cm. — 9 Spitzangel aus dem Pfahlbau Wangen. Hirschhorn. Nach v. Tröltsch, Pfahlbauten. 5 cm. — 1 0 Spitzangel aus dem Pfahlbau von Sutz. Hirschhorn. Nach Krause. 1 3 , 1 cm.

bauten der Schweiz, wie in Skandinavien. Zwei Arten sind hier zu unterscheiden: entweder wird der Haken aus einem Stück gearbeitet oder am unteren Ende eines Knochen- oder Holzstiels wird im spitzen Winkel ein schmaler, vorn spitz zulaufender Feuerstein befestigt. Solche Feuersteine, oft nadelartig fein, findet man fast auf allen sog. Feuersteinwerkstätten, die in der Nähe von Gewässern liegen. 2. Aus diesem einfachen Haken entwickelt sich der m i t Widerhaken dadurch, daß das zu bearbeitende Holzoder Knochenstück an einem Ende mit einem Feuersteinbohrer durchlocht wird. Bei der weiteren Arbeit des Schnitzens

plar (Gollwitz bei Brandenburg a. H.) gehört der Steinzeit an. Diese Angeln können „nur den Zweck gehabt haben, sie ähnlich unsern heutigen Hechtdargen (oder Darren) als Spinnangeln benutzen zu können, die, hinter dem Kahn hergezogen, durch ihren hellen Glanz Raubfische, welche sie für schwimmende Fischchen halten, täuschen und zum Anbeißen verführen" (Krause). 4. Angelhaken m i t z w e i S p i t z e n aus Hirschhorn kommen in den Pfahlbauten der Schweiz aus der Steinzeit vor (Abb. 13,4). Häufiger sind sie in der Metallzeit aus Bronze (Abb 13, 5. 6.). 5. S p i t z - oder K n e b e l a n g e l n bestehen aus einem geraden, an beiden Seiten

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ANGELN

zugespitzten Stücke von (Holz), Knochen, Feuerstein oder Bronze, an dem in der Mitte die Schnur befestigt wird (Abb. 13, 7). Der Köder wird derart über die eine Hälfte von der Angel gezogen, daß sie zu der Schnur im spitzen Winkel steht. Vollendetere Exemplare haben in der Mitte ein Loch zum durchziehen der Schnur oder eine umlaufende Rille (Abb. 13, 8—10). Auch diese Art tritt bereits in der Steinzeit auf (Pfahlbauten der Schweiz, Oberfranken). 6. Um Angelhaken aus Holz oder Bein zu beschweren, benutzte man kleine Steine, die oft (zum durchziehen der Schnur) durchlocht waren, sog. A n g e l s e n k e r . 7. Zum Aufholen von Angelleinen (Legangeln) dienten rohe Holzgeräte, die, quirlartig gebildet, mit einem Steine beschwert an einer Leine in das Wasser gesenkt wurden, sog. A n g e l h e b e r (Arpions, Trogein). Der gemeingermanische Name der Angel ist anord. ongull, ags. angel, ahd. angul (Mask.); er bezeichnet den Haken, an dem der Köder (anord. agn, ags. ¿St, ahd. querdar) befestigt wird.

norwegischen Halogaland bezeugter anord. Landschaftsname Ongull und könnte mit lat. angulus, aslav. qgtt> 'Winkel' oder griech. dfxuXo; 'gewölbt, gekrümmt' zusammengehören und — nur mit anderer Bedeutungsentwicklung — dasselbe Wort sein wie Angel, ags. ongel, anord. ongull 'Fischangel'; vgl. germ. *angra- m. ' B u c h t ; Anger, Grasland'. Weniger wahrscheinlich ist Zusammenhang mit Wz. ang 'enge'. Danach wären die Angeln ' B e wohner dieses Angel'. Ihr Name erscheint in verschiedenen, aber unwesentlich voneinander abweichenden Formen als Anglii bei Tacitus, 'AffsiXoi bei Ptolemaeus, 'AffiXot bei Prokop, ags. Engle, anord. Englar; vgl. ahd. Angil-, Engil- in Personennamen. § 3. Das ausgedehnte Gebiet der Angeln in Britannien ist aber unmöglich nur v o n dem kleinen schleswigschen Angeln aus erobert und besiedelt worden. Es ist deshalb vorauszusetzen, daß der Name schon diesseits der Nordsee weiter um sich gegriffen hatte. Damit stimmt es, daß von den andern Völkernamen der kimbrischen Halbinsel — von dem der E. K r a u s e Vorgesch. Fischereigeräte und J ü t e n abgesehen — in England so gut neuere Vergleichstücke 1904. Forrer Reall. wie nichts mehr zu entdecken ist. Sogar 243 ff. H e y n e Hausallert. 2, 254. Fuhse. ein Teil der dän. Inseln wird von manchen Angeln in D e u t s c h l a n d . § I. den Angeln zugesprochen; von B r e m e r , Einen Stamm namens Anglii kennt Tacitus der Ethn. 119 (853) auf Dan und Angul, Germ. 40 unter den Nerthusvölkern zwidie Stammväter des dän. Volkes nach schen den Aviones und Varini, jedenfalls Saxo Gram. I p. 21, verweist, ebenda auf der kimbrischen Halbinsel. Dagegen 102. 119 (836. 853) mindestens Fünen, stehen die Soijßot 'A-pfsiXot bei Ptol. II 11,8 wofür er sich auf die Inschrift der Spange westlich von der mittleren Elbe, sind aus dem Vimose beruft; vgl. aber dagegen jedoch dahin durch einen Irrtum geraten Wimmer bei J e s s e n Haandbog i det und zwar im Zusammenhang mit andern Nordslesvigske Spergsmaals Historie 32 ff. Namen; s. unt. Langobarden, Warnen u. Das Andenken eines ruhmreichen K ö n i g s Teutonen. Anders, aber kaum richtig: der A. in ihrer alten Heimat namens Offfa Zeuß 153. 49s, M ü l l e n h o f f DA. und das an seine K ä m p f e mit Dänen 4, 465 und E r d m a n n Heimat u. Name und Myrgingen oder Sachsen hat die ags. d. Angeln. und nord. Sagenüberlieferung fortbewahrt: vgl. M ü l l e n h o f f Beow. passim und § 2. Auf die nördlichen Sitze des H. M ö l l e r A i d A . 22, 153 ff. Im übrigen Volkes weist noch der Name der Landschaft liegt die ältere Geschichte des V o l k e s Angeln zwischen Flensburger Föhrde und ganz im Dunkel. Schlei zurück, und ausdrücklich wird diese Strittig ist sogar die Frage, ob die E i n durch eine Reihe von Quellen als Auswanderung nach Britannien unmittelbar gangspunkt der auf britischen Boden übervon Schleswig und Jütland aus erfolgte, oder getretenen Angeln angegeben, so von Beda ob die A. zuerst in den Niederlanden Fuiß und von Alfred. Ihr ags. Name Angel, Ongel ist wohl ganz dasselbe wie ein im | faßten und von dort später nach B r i -

ANGELSACHSEN tannien übertraten. Es fehlt aber für diese Zwischenstation jedes Zeugnis, und was den von H o o p s (Waldb. u. Kulturpfl. 575 ff.) betonten Zusammenhang des dem Lat. entnommenen Lehngutes bei Deutschen und Angelsachsen anbelangt, das diesen nicht schon jenseits der Elbe zugekommen sein kann, läßt eine Vermittlerrolle der Sachsen allein die Erscheinung verstehen, falls sie nicht noch anders zu erklären ist. Auch die lex Angliorum et Werinorum hoc est Thuringorum ist nicht auf niederrheinische Angeln zu beziehen, sowenig wie auf ebensolche, gleichfalls unerweisbare Warnen: s. R. Schröder Rechtsgesch.s I 261, D a h n Könige X g6 ff. Dieses Denkmal gehört vielmehr nach Thüringen. Gleich ihren alten Nachbarn, den Warnen (s. d.), ist von den Angeln wenigstens ein Teil nach Mitteldeutschland gezogen und hat einem Gau Engilin oder Engtide an der Unstrut den Namen gegeben. Über die Angeln in E n g l a n d s. 'Angelsachsen'. Z e u ß 152 f. 495 ff. W e i l a n d Die Angeln 1889. E r d m a n n Uber d. Heimat u. den Namen d. Angeln 1890. M ö l l e r A f d A . 22, 129 ff. 137 g . B r e m e r Ethn. 118 ( 8 5 2 ) 1 ! . H 0 o p s Waldb. u. Kulturpfl. 566 ff. 582 ff. L. Schmidt Allg. Gesch. d. germ. Volker 148 ff.; hier und bei Bremer weitere Literatur. R . Much.

Angelsachsen. Begriff 1. Stammsitze und Verwandtschaftsverhältnisse 2—4. Raubfahrten der Sachsen; litus Saxonicum 5. Bekanntschaft mit der röm. Kultur 6. Eroberung Britanniens 7—10. Benennung des Gesamtvolks als 'Sachsen' 1 2 — 1 3 , 'Angeln* 1 4 — 1 5 , 'Angelsachsen' 16—-20. Entstehung der engl. Nation: Chadwicks Hypothese 22-—23; neuer Erklärungsversuch 24—29.

§ I. Unter A . verstehen wir die germanischen Stämme, die seit dem A n f a n g des 5. Jhs. Britannien eroberten. Nach B e d a nahmen drei Völkerschaften an der Besiedlung teil: die S a c h s e n , Ang e l n und J ü t e n (HEccI. 1,15: Aivenerant autem de tribus Germaniae populis fortioribus, id est Saxonibus, Anglis, Jutis). Von einer Beteiligung der Friesen, die Prokop (De Bello Gothico 4,20, ed. Comparetti vol. III S. 146, 6) erwähnt, lassen sich nur geringfügige Spuren nachweisen (s. Siebs Z. Gesch. d. engl.-fries. Sprache I i f.; Hoops Waldb. u. Kulturpfl. 567).

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§ 2. Die S t a m m s i t z e der A . lagen nach den Angaben des Tacitus, Ptolemaeus und Beda auf der jütischen Halbinsel und den südlich angrenzenden Gebieten, und zwar wohnten die Angeln nach Beda (1, 15) inier provincias Jutarum et Saxonum in illa patria, quae Angulus dicitur, dh. im heutigen Schleswig, wo das Land zwischen Schlei und Flensburger Föhrde noch jetzt 'Angeln' heißt. Nördlich von ihnen saßen die Jüten, gleich den beiden andern ein westgerm. Stamm, südlich in Holstein die Sachsen, die sich seit ihrer Verschmelzung mit den Chauken im 4. Jh. westwärts bis an die Ems erstreckten, während die Friesen in jener Zeit wohl die Küstenstriche zwischen Rhein und Weser nebst den vorgelagerten Inseln bewohnten. § 3. Die Angaben Bedas über die Ursitze der Sachsen und Angeln in SchleswigHolstein sind durch die sprachlichen Untersuchungen von M ö H e r (AfdA. 22, 148, A . I; 1896), S i e b s (PGrundr. 1 I 1154 bis 1157; 1899) und J o r d a n (Eigentümlichkeiten des angl. Wortschatzes, A F . 17; 1906) bestätigt und ergänzt worden. Danach steht die S p r a c h e der germ. Bewohner Englands in ihrer Gesamtheit von allen germ. Dialekten dem Friesischen am nächsten, das seinerseits in einigen Punkten eine Mittelstellung zwischen dem Angelsächsischen und Altsächsischen einnimmt. Auf der anderen Seite aber zeigt das Angelsächsische auch auffallende Ubereinstimmungen mit dem Skandinavischen: beiden fehlt die dem Deutschen und Friesischen eigentümliche Präposition von, an deren Stelle sie außer ags. 0}, anord. af die Präposition ags. fram, front, anord. frä verwenden, die wieder dem DeutschFriesischen fehlt; der Name des Roggens ist im Angelsächsischen und Altnordischen ¿-Stamm: ags. ryge, anord. rugr (Grdf. *ru3iz), im Friesischen und Deutschen dagegen w-Stamm: wfries. röz>3, satl. rogg, sylt. rox (Siebs P G r d r . s I 1156), and. roggo, ahd. rocko; der Name des Hasen hat im Ags. und Nord, r aus 2: ags. hara, anord. here, im Fries, und Deutschen s: afries. hasa (Siebs aaO.), and. ahd. haso usw. § 4. Die angelsächsischen Stämme waren auf dem Festland, wenn auch nahe

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ANGELSACHSEN

verwandt, doch deutlich voneinander geschieden: dafür sprechen die Zeugnisse der Historiker (bei Bremer, Schmidt, Chadwick), darauf weisen auch sprachliche Tatsachen. V o n den ags. Dialekten stellt sich nach Jordans Untersuchung des Wortschatzes das Anglische näher zum Nordischen, das Westsächsische zum Friesischen und Altsächsischen, so daß die Gruppierung, die Beda für die Hauptstämme der Angelsachsen in ihrer schleswig-holsteinischen Heimat gibt, von der Sprachwissenschaft bestätigt wird. Die Angeln hatten offenbar mehr östliche, die Sachsen westliche und südliche Beziehungen. Doch braucht man darum nicht mit Chadwick (Origin of the Engl. Nation 301) anzunehmen, daß die Sachsen ursprünglich die westliche, die Angeln die östliche Hälfte der kimbrischen Halbinsel bewohnt hätten. Eine solche A n n a h m e widerspricht der Angabe Bedas, daß die Angeln zwischen Juten und Sachsen saßen, da die Jüten wohl sichcr im heutigen Jütland wohnten; auch hatten die Angeln offenbar ebenso wie die Sachsen und J ü t e n direkten Zugang zu der Nordsee. § 5. Seit dem Ende des 3. Jhs. hören wir von R a u b f a h r t e n fränkischer und sächsischer Seeräuber nach den Küsten Nordfrankreichs, die im 4. Jh. ungeschwächt fortdauerten und zu festen N i e d e r l a s s u n g e n d e r S a c h sen an der gallischen Nordküste führten. Bald nach A n f a n g des 5. Jhs. finden wir sie schon an der Westküste Galliens in Anjou, besonders auf den Loireinseln angesiedelt (Hoops W a l d b . u. Kulturpfl. 580 f.). Die Notitia dignitalum, deren britannische K a pitel nach Mommsen spätestens etwa 300 abgefaßt sind (Schmidt Allg. Gesch. 159), kennt nicht nur ein litus Saxonicum. an der gallisch-flandrischen Nordküste v o n der Scheide bis zur Normandic und Bretagne ( K a p . 36. 37), sondern erwähnt auch einen Comes litoris Saxonici per Britanniam ( K a p . 25); und seit 365 etwa hatten die britannischen Küstenländer (nach A m m i a n . Marc. 26, 4, 5) beständig unter den Einfällen der Sachsen zu leiden. § 6. In ihrer Heimat auf der kimbrischen Halbinsel waren die angelsächsischen S t ä m m e v o n der Macht R o m s I

völlig unberührt geblieben: kein römischer Legionär hat je den Boden SchleswigHolsteins betreten; und v o n der s ü d l ä n d i s c h e n K u l t u r waren ihnen nur einige Importartikel des Handels bekannt geworden. Erst in ihren Niederlassungen an der flandrisch-gallischenKüste lernten die Sachsen die römische K u l t u r in ihrer Gesamtheit kennen; (s. meine Untersuchung der lateinischen Kulturwörter im Angelsächsischen, W a l d b . u. Kulturpfl. 566—589). § 7. V o n hier ist dann wohl auch der Hauptstrom der Sachsen nach Britannien übergesiedelt (vgl. Bremer P G r d r . 2 I I I 859; Heuser I F . 14, Anz. 27 f.; Hoops 582; Schmidt 161) und h a t die Südküste des Landes in Beschlag genommen, während die Angeln mit dem größten Teil ihres Volks direkt v o n der schleswigschen Heimat aus nach Britannien übersetzten und von der Ostküste her ins Land eindrangen. Die endgültige Eroberung der Insel freilich scheint mit einer Ansiedlung jütischer Scharen unter F ü h r u n g v o n Hengist und Hors auf der Insel T a n e t an der Ostküste von K e n t (nach britischen Quellen im J. 428) ihren A n f a n g genommen zu haben. Sie waren v o n dem Oberkönig der Briten Wortigern gegen die räuberischen Einfälle der Pikten und S k o t e n zu Hilfe gerufen worden, die seit dem A b z u g der römischen Legionen (etwa 407) das L a n d verheerten. § 8. Im Lauf des 5. und 6. Jhs. wurde der größte Teil der Insel v o n der Südküste bis in die schottischen Niederlande v o n den germanischen Scharen erobert; die Briten wurden entweder unterworfen und assimiliert oder in die Gebirge des Westens zurückgedrängt, wo sie sich teilweise bis in die Gegenwart mit ihrer nationalen Sprache behauptet haben. Die Einzelheiten der Eroberungskämpfe gehören der politischen Geschichtc an und fallen außerhalb des Rahmens dieser Darstellung. Uber die A r t der Besiedlung vgl. 'Siedlungswesen'. § 9. V o n den germanischen Eroberern besetzten die J ü t e n K e n t , die Insel W i g h t und den ihr gegenüberliegenden Küstenstrich in Hampshire, der noch z u Bedas Zeiten eine jütische Enklave in

ANGELSACHSEN Wessex bildete (Jutarum natio nominatur). Den übrigen Süden der Insel bis nördlich der T h e m s e nahmen die S a c h s e n ein, die zu Bedas Zeiten in Ostsachsen (Eastseaxan, heute Essex), Südsachsen {Sud'seaxan, heute Sussex) und Westsachsen (Westseaxan, ne. Wessex) zerfielen. Der ganze Rest des germanischen Teils von Britannien gehörte den A n g e l n , bei denen Beda Orientales Angli, Mediterranei Angli, Merci, tota Nordanhymbrorum progenies.... ceterique Anglorum populi unterscheidet. § 10. Die Eroberung Britanniens durch die Angelsachsen blieb nicht auf die militärische Unterwerfung beschränkt, sie w u r d e durch Einwanderung und Ansiedlung größerer Volksmassen vervollständigt. Britannien ist bei seiner peripherischen Lage wohl nie so vollkommen romanisiert gewesen wie andere römische Provinzen, und wenn auch nach dem Abzug der Legionen sicher noch Lateinisch redende Bewohner im Lande blieben (Pogatscher Z. Lautl. d. griech., lat. u. rom. Lehnw. im Altengl. S. 2 ff.), so befanden sich die eingewanderten Angelsachsen ihnen wie den Briten gegenüber doch wohl bald in der Überzahl. D a r u m sind sie nicht, wie die siegreichen Germanenstämme in andern römischen Provinzen und wie später die normannischen Eroberer, in der Masse der Unterworfenen aufgegangen, sondern haben diesen ihre Sprache aufgezwungen und haben auch nach der Ü b e r n a h m e der römischen Kulturerrungenschaften und nach der Bekehrung zum Christentum zäh und stolz den Kern ihrer nationalen Eigena r t behauptet. § II. In der B e n e n n u n g der germanischen Bewohner Britanniens herrscht bei den zeitgenössischen Schriftstellern ein merkwürdiges Schwanken: sie werden bald Sachsen, bald Angeln, bald Angelsachsen genannt. § 12. Die K e l t e n Britanniens bezeichneten ihre germanischen Bezwinger unterschiedslos als ' S a c h s e n ' (akymr. Saeson), ihre Sprache als Sächsisch (akymr. Saesneg) und nennen sie so bis auf den heutigen T a g (kymr. saesneg, korn. sasnec, bret. saoznek, ir. sasannac, gäl. sasunnach 'englisch'; gäl. Sasunn 'England', k y m r .

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Sais, bret. Saoz, pl. Saozon 'Engländer'). Diese Tatsache erklärt sich zweifellos dadurch, daß die Sachsen die ersten waren, die den Briten wie den R o m a n e n Galliens als imponierende Seemacht entgegentraten, was ja durch die Angaben der Notitia dignitatum über die litora Saxonica in Gallien und Britannien (oben § 5) vielleicht schon f ü r das 3. J h . bestätigt wird. Auch die Südgallische Chronik im 5. J h . bezeichnet die Eroberer Britanniens als Sachsen: Brittanniae usque ad hoc tempus variis cladibus eventibusque laceratae in dicionem Saxonum rediguntur (z. J . 441—2: MGAA. 9, 660 f.). Saxones, Saxonia war augenscheinlich der älteste Gesamtname der Inselgermanen bei den Kelten wie bei den kontinentalen Völkern (Freeman. Norm. Conqu.» 533). § 13. U n t e r dem Einfluß des keltischen und gallischen Sprachgebrauchs verwenden die l a t e i n i s c h e n Autoren Englands und des Kontinents in der älteren Zeit ganz allgemein die Ausdrücke lingua Saxonica, Saxonice f ü r die Sprache, Saxones, Saxonia f ü r Volk und Land der Engländer im weiteren Sinne (vgl. Freeman aa.0. 53° bis 534). Wie die Lateinisch schreibenden Chronisten es liebten, s t a t t Britannia den seltneren und archaistischer klingenden Namen Albion zu gebrauchen, so schrieben sie auch Saxonia, Saxonice als herkömmliche Ausdrücke des Kanzleistils in England noch zu einer Zeit, als in der Volkssprache längst Angelcyn, Engle, englisc durchgedrungen waren. § 14. Aber neben Saxones, Saxonia, Saxonice treten in lateinischen Texten frühzeitig auch die Namen Angli, Anglia, Anglice auf. Schon in einem Brief des Papstes Gregor an den jütischen König ¿Ethelberht von K e n t von 601 (Beda I 32) wird dieser als rex Anglorum betitelt! Beda (f 735) nennt seine Kirchengeschichte Historia ecclesiastica gentis Anglorum; und daß er hier nicht die Angeln allein, sondern die Engländer ü b e r h a u p t im Sinne hat, spricht er gleich im I. K a p . aus, wenn er sagt, es würden in Britannien fünf Sprachen gesprochen: Anglorum videlicet, Brüonum, Scotorum, Pictorum et Latinorum; und bei Zeitbestimmungen bedient sich Beda immer des Ausdrucks ab adventu Anglorum



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in Britanniam. Daneben verwendet er gelegentlich Saxones ebenfalls im weiteren Sinne. Ähnlich schwanken .¿Ethelweard, Henry v . Huntingdon ua. zwischen Angli und Saxones, anscheinend je nachdem sie britischen oder englischen Quellen folgen (Freeman aaO. 532). Doch werden die Bezeichnungen Angli, Anglia mit der Zeit in den lat. T e x t e n immer häufiger und verdrängen schließlich nicht nur bei insularen, sondern auch bei kontinentalen Schriftstellern die andern vollständig, so daß sie bei den Chronisten des 10. und 11. Jhs. schon entschieden vorherrschend sind (Freeman 531). § 15. Die angelsächsischen Schriftsteller aber nennen, sobald sie in ihrer n a t i o n a l e n Mundart schreiben, ihre Sprache v o n den ältesten literarischen Zeiten an nie anders als englisc, dh. 'anglisch' und ihr V o l k und Land auch schon sehr früh und mit zunehmender Häufigkeit Angelcynn, Angelßeod, dh. 'Angelnvolk', einerlei, ob sie selbst dem S t a m m der Angeln oder der Sachsen angehören. Alfred d. Gr., der K ö n i g v o n Westsachsen war (871—901), bezeichnet in seinen Werken seine Sprache ausnahmslos als englisc 'anglisch', die ags. Schrift als englisc gewrit, wie er auch seine Untertanen meist Angelcynn nennt (so in der Vorrede zu seiner Übersetzung v o n Gregors Cura Pastoralis). A u c h in der ags. Beda-Übersetzung, in der Sac.hscnchronik und bei JE.lfric (um 1000) finden sich eine Reihe ähnlicher Stellen, wie on Engliscre sprccce, on Engliscum gereorde, on peere Engliscan bec mit Bezug auf die verschiedensten Teile des Landes. Angelcyn ist die gewöhnliche Benennung Englands bis zur Dänenzeit; v o m I i . Jh. an tritt Englaland an seine Stelle. Wenn neben Engle, Angelcyn auch Seaxan vorkommt, so werden damit doch fast immer nur die Sachsen im engeren Sinne bczcichnet, weshalb das W o r t auch meistens mit den geographischen A t t r i b u t e n West-, East-, Suß- verbunden erscheint; nur einmal in der Sachsenchronik z. J . 605, in einer Rede Augustins an die britischen Bischöfe, wird Seaxan im weiteren Sinne gebraucht; hier liegt aber wohl eine Übersetzung aus einer lat. Quelle vor. § 16. Die Vereinigung der beiden Namen zu dem Ausdruck 'Angel-

s a c h s e n ' ist kontinentalen Ursprungs. Sie tritt zuerst um 775 bei Paulus Diaconus in seiner Historia Langobardorum auf; hier sind die Wörter noch nicht zu einem wirklichen K o m p o s i t u m verschmolzen, sondern stehen selbständig nebeneinander als Angli Saxones oder Saxones Angli-. 4, 22 Vestimenta.... qualia Angli Saxones habere solent; 5, 37 ex Saxonum Anglorum genere duxit uxorem-, 6, 15 Cedoald rex Anglorum Saxonum.. Später wurden sie dann zu einem K o m p o s i t u m Angli-Saxones, AngloSaxones ua. zusammengezogen. Der Ausdruck bedeutete ursprünglich offenbar die englischen Sachsen, die Inselsachsen im Gegensatz zu den Sachsen des Festlandes, den alten Sachsen, die v o n Paulus Diaconus vetuli Saxones, in der Orosius-Übersetzung Alfreds d. Gr. und in der Sachsenchronik Ealdseaxan genannt werden. A b e r wie Saxones wird auch Anglo-Saxones sehr bald von den Inselgermanen im allgemeinen gebraucht, so schon in dem zwischen 823 und 829 abgefaßten Leben Alkuins, wo ein Presbyter und auch A l k u i n selbst, der Angle war, als Engelsaxo bezeichnet werden: Aigulfus presbiter, Engelsaxo et ipse (MGS. 15, 193), während Einhard (Vita Caroli 25) Alkuin Saxonici generis homo nennt. Ahnliche Doppelnamen kommen schon in antiken Schriftstellern vor, z. B. 2u?jßoi 'AfjsiXot und 2urjßoi 2s(j.vovec bei Ptolemaeus II 11, 8. § 17. V o m Kontinent verbreitete sich der Ausdruck 'Angelsachsen' nach E n g land und war hier namentlich in der ersten Hälfte des 10. Jhs. und vereinzelt noch im I I . Jh. zur Bezeichnung des königlichen Titels in der Form rex Angul-Saxonum oder auch mit halb oder ganz anglisierter Fassung als rex Anglo-Saxona oder Angulseexna,- saxna allgemein üblich (Freeman aaO. 535 f.; K n o t h e 23 u. A . 2). Vielleicht hat ihn Alfred d. Gr. angenommen, als 886 alle bis dahin zerstreuten oder v o n den Dänen gefangen genommenen Angeln und Sachsen sich ihm als dem einzigen einheimischen K ö n i g anschlössen und unterwarfen (W. H. Stevenson, Asser's Life of K i n g Alfred 148). Seine Vorfahren hatten den Titel Saxonum rex oder Occidentalium Saxonum rex geführt; er selbst nennt sich in seinen literarischen Werken einfach

ANGELSACHSEN Alfred, cyning und in seinem Testament, das zwischen 873 und 888 a b g e f a ß t ist, ' K ö n i g der Westsachsen'. A b e r daß er seinen Titel änderte, zeigt eine Münze, auf der er als rex Anglo erscheint, was entweder in Anglorum oder Anglosaxonum aufzulösen ist. Gleichzeitige Urkunden v o n ihm sind nicht erhalten; in einer Urk u n d e v o n 880 aus dem zuverlässigen T e x t u s Roffensis (Birch Cart. S a x . 2, 168) wird er rex Saxonum, dagegen in einer gleichfalls glaubwürdigen Urkunde v . 889 (ebd. 2, 200 f.) rex Anglorum et Saxonum genannt, und Asser in seiner Lebensbeschreibung des K ö n i g s nennt ihn rex Angul-Saxonum oder Anglorum Saxonum rex. Der Titel stellt eine Zwischenstufe zwischen rex Occidentalium Saxonum und rex Anglorum dar und wurde, wie Stevenson (aaO. 149. 151) wohl mit R e c h t vermutet, benutzt, um auch im T i t e l die politische Vereinigung der Angeln und Sachsen anzudeuten. Seit Eadgars Thronbesteigung 959 k o m m t er außer Gebrauch und wird durch den Titel rex Anglorum ersetzt, den schon .¿Ethelstan (924—40) angenommen hatte, als er tatsächlich K ö n i g v o n ganz England wurde, während er sich vorher rex Saxorum (sie) nannte. Rex Anglorum ist dann der offizielle Titel der englischen Könige bis lange nach der normannischen Eroberung geblieben (Stevenson 150 f.). § 18. D a ß unter 'Angelsachsen' in den obigen Titeln die gesamten germanischen Bewohner Englands gemeint sind, ergibt sich besonders deutlich aus zwei Urkunden in ags. Sprache. In der spätags. Übersetzung einer lat. Urkunde v. 934 (Birch CS. 2, 410) heißt es: Ic Mßelstan, OngolSaxna cyning and brytccnwalda eallccs dyses Iglandes, wo das Original hat rex et rector totius hujus Brittannice insule\ und in einer U r k . Eadreds v . 955 (ebd. 3, 7 1 ) : He hafaä geweorfad mid Cynedome Angulseaxna Eadred cyning and casere totius Brittannice. § 19. Eine Sonderstellung nimmt eine Reihe v o n Urkunden aus dem ganzen 10. Jh. v o n .¿Ethelstan bis .¿Ethelred ein, in denen die Northumbrier getrennt v o n den übrigen Angelsachsen aufgeführt werden; so in einer Urk. Eadmunds v . 946

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(Birch CS. 2, 576), wo es v o n dem K ö n i g heißt, daß er regimina regnorum Angulsaxna and Norßhymbra, Paganorum (d. i, der Dänen) Brettonumque . . . gubernabat. Weitere Belege bei Stevenson 148, A. 2. Vielleicht war der Gegensatz zwischen dem Norden auf der einen, dem Mittelland und Süden auf der andern Seite, der später zu der nationalen Trennung v o n Schottland und England führte, schon im 10. J h . ausgeprägt. § 20. Übrigens ist der Ausdruck 'Angelsachsen' in dieser Periode durchaus eine Phrase des rhetorischen Kanzleistils geblieben. V o n den vereinzelten obigen B e legen aus ags. T e x t e n abgesehen, k o m m t er nur in lateinischen oder gemischten Urkunden vor. Volkstümlich ist er nicht geworden: nie wird er v o n der Sprache gebraucht, nur ganz vereinzelt tritt er außerhalb v o n Titeln auf (Stevenson 149, A . 4), und nur wenige Male kommt Angulsaxonia als Name des Landes vor (Freeman 534—536; K n o t h e 23, A . 4). Nach kurzer Blüte im 10. Jh. ging der Ausdruck bald wieder unter und w a r nach der normannischen Invasion Jahrhunderte lang vergessen, bis ihn Camden in seiner Britannia (1586) von neuem in die Sprache einführte (s. Murray N E D . sv. 'Anglo-Saxon'). § 21. D a s Schwanken in der Benennung der germanischen Eroberer Britanniens und seine frühzeitige Entscheidung z u gunsten der Angeln stellt ein Problem dar, dessen Beurteilung für die Auffassung der Entstehung der englischen N a t i o n v o n Belang ist. Es ist mehrfach erörtert, in seiner historischen Bedeutung aber nur v o n wenigen gewürdigt worden; eine völlig befriedigende Erklärung h a t es bislang nicht gefunden. Über ältere Deutungsversuche vgl. K n o t h e Angelsächsisch oder Englisch S. 1 2 — 1 5 . Die neueste und umfassendste Besprechung hat es durch C h a d w i c k in seinem sehr anregenden und inhaltreichen Buch The Origin of the English Nation (1907) erfahren. § 22. Ch. nimmt an, daß die Sachsen und Angeln auf dem Festlande trotz unmittelbarer Nachbarschaft ursprünglich nicht näher v e r w a n d t gewesen, seien (S. 301 f.). Nachdem aber die Sachsen, viel-

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leicht durch einen Druck vom R ü c k e n her schen Eroberer Britanniens zerfielen nicht getrieben, seit dem 3. Jh. westwärts über in drei, sondern nur in zwei deutlich gedas Meer neue Wohnsitze aufzusuchen betrennte Nationalitäten: die J ü t e n und die gannen (S. 302), seien die Zurückgebliebe„Angelsachsen", die durch ihr Wergeidnen, wie man aus einer bei S a x o aufgesystem geschieden waren; aber die J ü t e n zeichneten dänischen Uberlieferung schliehatten schon v o r dem 8. Jh. N a m e n und ßen könne, v o n einem K ö n i g Helgi, in Nationalität aufgegeben und wurden ebendem Chadwick einen Angelnkönig vermutet, falls als ein „angelsächsischer" S t a m m bezu A n f a n g des 5. Jhs. unterworfen worden trachtet (S. 87—89). und mit den Angeln zu einem Volk ver§ 23. Chadwick hat in dieser H y p o schmolzen (S. 298—302). Die durch die these, die in ihrem Grundgedanken an A u f s a u g u n g der Sachsen verstärkten A n G r e e n s Annahme eines kontinentalen geln, v o n den K e l t e n als 'Sachsen' beVölkerbundes zwischen Angeln, Sachsen zeichnet, seien dann die Eroberer Briund Jüten unter anglischer F ü h r u n g (bei tanniens geworden. Die unterworfenen K n o t h e 12 f.) anklingt, manche wichtigen, Sachsen hätten aber allmählich die Oberbisher nicht genügend beachteten oder hand in dem Staatswesen erlangt, während verkannten Punkte ans Licht gezogen; die Nachkommen der Angeln sich zu einer seine Ausführungen sind ungemein anMilitär-Aristokratie verflüchtigten (S. 302). regend und fördernd, aber seine Theorie So will Chadwick die v o n ihm darals ganze ist zu konstruktiv, tut den T a t gelegte Erscheinung erklären, daß die sachen Gewalt an und ist deshalb unhaltbar. Angeln und Sachsen ein niedrigeres WerIm folgenden sei eine andre Erklärung gegeid hatten als die Jüten und andern wagt, die sich mehr an die historischen Nachbarvölker. Bedas Unterscheidung der Tatsachen zu halten sucht. Angeln und Sachsen als besonderer S t ä m m e § 24. D a ß die Angeln und Sachsen sei lediglich das Ergebnis einer Theorie, nicht schon auf dem Festland zu einer die er zur Erklärung der Stammesnamen Nation verschmolzen waren, sondern a l s Wessex, Essex, Sussex auf der einen, getrennte Stämme BritanOstanglien und Mittelanglien auf der andern n i e n b e s i e d e l t e n , wird durch v e r Seite sich gebildet habe (S. 58. 86). In der schiedene Tatsachen erhärtet. Praxis behandle auch er die beiden S t ä m m e a) Der Umstand, daß die Kelten Brials identisch, so wenn er v o n der gens tanniens die germ. Eroberer sämtlich Saxonum sive Anglorum spricht oder die 'Sachsen' nennen, zeigt nicht nur, daß die ersten Ankömmlinge bald Sachsen, bald Sachsen die ersten waren, die ihnen als Angeln nennt, während Jüten gemeint imponierende Seemacht entgegentraten (ob. sind (S. 59). Die Namen Essex, Sussex, § 12); auch bei der endgültigen Eroberung Wessex, Ostanglia usw. seien nicht sehr des Landes muß ein erheblicher Teil der alc, sondern hätten ältere Stammesnamen Eindringlinge sich 'Sachsen' genannt h a b e n : wie Geuissae, Wuffingas ua. verdrängt. wären die germanischen Volksscharen, die Das V o l k v o n Essex habe den Sachsenim 5. und 6. Jh. den größten Teil der Insel namen v o n seiner echt sächsischen D y überschwemmten und besiedelten, den nastie erhalten; ähnlich sei es vielleicht Briten unter dem einheitlichen N a m e n in Sussex gewesen, während Wessex nach 'Angeln' entgegengetreten, so hätten sie Ch. einfach ein Absenker v o n Essex oder diesen Namen sicherlich dem Gedächtnis Sussex war. Die „sächsischen" Königder Besiegten eingeprägt. Die R o m a n e n reiche enthielten zweifellos viele ursprüngGalliens haben die germanischen Eroberer lich sächsische Elemente, aber nicht mehr ihres Landes 'Franken', nicht ' S v e b e n ' als die „anglischen". D a die Völkeroder 'Goten' genannt. mischung schon auf dem Kontinent erfolgt b) Ferner sind die Stammesnamen Essex, war, kann bei der Bevölkerung der „angliSussex, Wessex, Ostanglia usw. in ihrer schen" und „sächsischen" Reiche in E n g geographischen Gliederung wohl jüngeren land v o n einer Stammesverschiedenheit i Datums, aber in ihrer Scheidung v o n A n nicht mehr die Rede sein. Die germani- | geln und Sachsen beweisen sie doch, daß

ANGELSACHSEN die Stammesunterschiede zwischen diesen beiden Völkern nicht bloß eine theoretische A b s t r a k t i o n Bedas waren, daß die Sachsen ihren N a m e n nicht erst v o n einem sächsischen Herrschergeschlecht in Essex erhalten haben — altgermanische Benennungen v o n Völkern nach Dynastien pflegen das S u f f i x -ing zu zeigen: Wuffingas, Merewioingas, Scyldingas usw. — , sondern daß ein alter Stammesgegensatz zwischen den beiden Hauptvölkern tatsächlich vorhanden war. Darauf deutet auch der Ortsname Englajeld bei Reading im alten Wessex {Readingum on Wesl-Seaxe Sachsenchron. z. J . 871), der offenbar eine anglische A n siedlung in sächsischem Gebiet bezeichnet. c) Die späteren Dialektunterschiede zwischen,,Sächsisch" und „ A n g l i s c h " haben sich zum großen Teil wohl erst auf britannischem Boden vollzogen. Chadwick (S. 71) hebt mit Recht hervor, daß die V e r w a n d t schaftsverhältnisse der altenglischen Dialekte durch die geographische Nachbarschaft bestimmt werden und durch politische Trennungen in insularer Zeit ohne Rücksicht auf ursprüngliche Stammesunterschiede veranlaßt worden sind. A b e r ganz sind die alten Stammesgrenzen durch die jüngere sprachliche E n t w i c k l u n g nicht überwuchert worden. J o r d a n s Untersuchungen haben gezeigt, daß die Mundarten, die wir auf Grund sprachlicher und literarischer Kriterien als anglische ansetzen, untereinander in ihrem Wortschatz auffallende Übereinstimmungen aufweisen, an denen die sächsischen Mundarten nicht teilhaben, die aber in den nordischen Sprachen Parallelen finden, während umgekehrt die südenglischen Dialekte, die wir als sächsische bezeichnen, sich näher zum Friesischen und Altsächsischen stellen (s. oben § 4). Das wäre bei einer Mischung der beiden Völker in kontinentaler Zeit unerklärlich, spricht vielmehr für getrennte Auswanderung und Ansiedlung. d) D a ß die Stammesunterschiede zwischen Angeln und Sachsen auch in späterer Zeit noch deutlich gefühlt wurden, wird durch manche Zeugnisse bestätigt. In der altenglischen Übersetzung v o n Bedas Kirchengeschichte, die in Alfreds d. Gr. Zeit auf anglischem Boden entstanden

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ist, werden die ersten Worte der Vorrede Historiam gentis Anglorum ecclesiasticam in pect spell. . . . be Angelpeode and Seaxum verändert und 5, 9 Angli v e l Saxones durch Ongle and Seaxan wiedergegeben; eine Nötigung zu diesen Änderungen lag an beiden Stellen nicht vor. A u c h sonst finden wir eine Reihe v o n Fällen, wo die Angeln und Sachsen als zwei Völker behandelt werden: Asser 83 gibt das all Angelcyn der Sachsenchronik (z. J . 886) durch Angli et Saxones wieder; in dem Lied auf die Schlacht v o n Brunanburh 937 heißt es mit Bezug auf die A n k u n f t der Angelsachsen in Britannien (V. 69 f.): sippan eastan hider Engle and Seaxe up becoman; in dem Lied auf den Tod Eduards des Bekenners in der Sachsenchronik z. J . 1065 wird v o n dem K ö n i g gesagt (V. 9 - 1 1 ) : weold wel gelungen Walum and Scollum and Bryttum eac byre Aütelredes, Englum and Sexum oretmeegeum;

endlich Menologium 185 ist v o n Engle and Seaxe die Rede. V o n festländischen Zeugnissen sei eine Stelle in Einhards Annalen (a. 786, M G S . 1, 169) e r w ä h n t : cum ab Anglis a c Saxonibus Brittannia insula fuisset invasa. § 25. Anderseits aber u n t e r s c h i e den sich die germanischen S t ä m m e in T y p u s , Sprache und K u l t u r zu A n f a n g verhältnismäßig so w e n i g voneinander, daß sie dem A u s land als e i n V o l k erschienen und v o n den Kelten mit e i n e m Namen benannt wurden, und daß sie selbst sich dem Ausland gegenüber als e i n V o l k fühlten und das Bedürfnis nach einer gemeinsamen Benennung empfanden. A u c h nach stärkerer Ausprägung der dialektischen Unterschiede blieb das Gefühl der Zusammengehörigkeit bestehen; die politischen Einigungsversuche und später der Gegensatz zu den Dänen trugen zur steten Belebung desselben bei. § 26. D a s anfängliche Schwanken der Lateinisch schreibendenChronisten zwischen den Namen der beiden H a u p t s t ä m m e zeigt, daß diese sich in ihrer Bedeutung einigermaßen die W a g e hielten. Wenn als Sieger aus diesem K a m p f bei den Festlandsvölkern und den. Inselgermanen

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ANGELSACHSEN

selbst schließlich nicht (wie bei den Kelten) die Sachsen, sondern die Angeln hervorgingen, so scheint mir der Grund dazu ein doppelter gewesen zu sein: einerseits das Bedürfnis, d i e Inselsachsen von den A l t s a c h s e n des Fest lands zu unterscheiden, die ein allbekannter, mächtiger S t a m m waren, anderseits die Tatsache, daß die A n g e l n nach ihrer Niederlassung in Britannien auf dem Festland keine Rolle mehr spielten, während sie auf der Insel nicht nur an Ausdehnung der H a u p t s t a m m waren, sondern i m 7. u n d 8. J h. auch p o l i t i s c h e n t s c h i e d e n das Ü b e r g e w i c h t h a t t e n und zuerst eine N a t i o n a l 1i t era t u r entwickelten. Bei den Sachsen mag zeitweise auch das Gefühl der kulturellen Überlegenheit über ihre kontinentalen Vettern, die erst v o n ihnen die Segnungen des Christentums und der literarischen Bildung erhielten, dazu beigetragen haben, sie zur A n n a h m e des Namens ihres Rivalenstammes als Bezeichnung für das Gcsamtvolk geneigt zu machen. Als dann im 9. Jh. die Hegemonie auf politischem und literarischem Gebiet an die Westsachsen überging, war die Namcnfrage bereits entschieden: in Alfreds d. Gr. Zeit sind die Ausdrücke englisc, Angelcyn im weiteren Sinn jedenfalls in der sächsischen Literatursprache schon eingebürgert. Es mag sein, daß sie in der sächsischen Volkssprache sich erst zur Zeit des nationalen K a m p f s gegen die Dänen durchsetzten, der ja in erster Linie die Angeln berührte und einen Gegensatz v o n Engla lagu und Dena lagu schuf. § 27. Die Verschmelzung der beiden Hauptstämme zu einer Nation aber ist das Ergebnis von K ä m p f e n auf britannischem Boden, nicht ein Erbstück aus kontinentaler Zeit. Angeln, Sachsen und J ü t e n wanderten getrennt voneinander in Britannien ein und nahmen getrennte Gebiete in Beschlag; und da die Besiedlung nicht durch die Stämme in ihrer Gesamtheit, sondern in einzelnen Scharen und Verbänden erfolgte, so wurde die örtliche Gruppierung der Einwanderer zueinander in Britannien sicher nicht genau die gleiche wie in der Heimat. Dadurch aber., war eine n e u e E p o c h e

in der sprachlichen und politischen E n t w i c k l u n g gegeben, die ihren Ausgangspunkt v o n der geographischen Nachbars c h a f t auf britannischem Boden nahm. Es mußten sich sprachliche Neuerungen einstellen, deren Verbreitungskurven bei dem Mangel an völkerscheidenden natürlichen Hindernissen die alten S t a m m e s grenzen vielfach überwucherten. A n die Stelle der Stammesdialekte traten neue geographische Dialektgruppen.. Mit U n rechtwerden in der altenglischen G r a m m a t i k meist die angestammten Unterschiede zwischen 'Sächsisch' und 'Anglisch' zu stark betont, die in Wirklichkeit wohl bald durch die insularen Neubildungen in den Hintergrund gedrängt worden sind. Ahnlich war es auf politischem Gebiet. Der Stammesunterschied blieb z w a r noch lange deutlich ausgeprägt, aber innerhalb der alten Hauptstämme entstanden zahlreiche kleinere Einzelstaaten, die sich g:gcnseitig befehdeten. A u c h hier machte sich die Einwirkung der geographischen L i g e geltend; innerhalb des anglischen Stammes bildete sich frühzeitig ein Gegensatz zwischen den Ansiedlern nördlich und südlich des Humber, Northumbriern und Merciern, heraus, welch letztere durch manche Interessengemeinschaften enger mit den Sachsen v e r k n ü p f t waren. D u r c h diese Vielheit v o n Kleinstaaten wurden die ursprünglichen Stammesgegensätze v e r wischt, was der nationalen Einigung förderlich war. § 28. Der v ö l k i s c h e Zusammenschluß aller Staaten B r i t a n n i e n s wurde schon früh angestrebt und fand in der Idee der Hegemonie des B r e t w a l d a ihren Ausdruck. Der vielfache Wechsel dieser W ü r d e zwischen Northumbriern, Merciern, K e n t e r n und Westsachsen mußte das Gefühl der v ö l k i schen Zusammengehörigkeit stärken und beleben. Der Übergang der Hegemonie auf die Westsachsen und die endgültige Einigung der Nation durch Egbert f a n d dann ihre blutige Besiegelung unter Alfred d. Gr. auf den Schlachtfeldern der D ä n e n kriege, wo Sachsen und A n g e l n Schulter an Schulter g3gen die nordischen Eindringlinge k ä m p f t e n .

ANGELSÄCHS. FUNDE—ANGELSÄCHS. RECHTSDENKMÄLER

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Gräbern trifft man meist nur ein Skelett, § 29. Die Einigung der angelsächsischen seltener zwei bis vier, auf dem Rücken Stämme war also eine rein politische, liegend mit den Beigaben und Resten der durch die Vorherrschaft eines Staates Kleidung, manchmal in einen Holz- oder bedingt; eine Rassenmischung in größerem Steinsarg oder mit Steinen umstellt. Die U m f a n g war damit nicht verbunden. Gräber sind I — 2 m tief; darüber erhebt Doch bleibt es anderseits fraglich, ob wir sich ein jetzt flacher, einst höherer, mit annehmen dürfen, daß die Angeln und einem Graben umzogener Tumulus. Sie Sachsen sich in ihren Rasseneigentümlichstehen meist in Gruppen, doch kommen keiten von Haus aus wesentlich mehr auch einzelnstehende Tumuli sowie Flachvoneinander unterschieden als in ihrer gräber vor. Auf heidnische BestattungsSprache und Kultur. Wirkliche Rassenriten deuten die oft zahlreich in oder auf mischungen dagegen fanden in altenglischer die Gräber geworfenen alten Topfscherben Zeit im Westen mit den Kelten, im Osten und Tierknochen sowie Tierzähne. Manchermit Skandinaviern statt; und wenn uns lei landesübliche Grabgebräuche sind auch später Unterschiede in Temperament und literarisch, aus Dichtungen und kirchBegabung bei der Bevölkerung verschielichen Verboten, bekannt. dener Gegenden Englands auffallen, so sind diese, soweit sie nicht in sozialen § 2. Die wertvollsten Beigaben, nämlich und wirtschaftlichen Verhältnissen ihre die Waffen und besonders die SchmuckErklärung finden, vielleicht eher auf den sachen, sind mehr für die Zeit und die keltischen und skandinavischen Einschlag Kulturzone im allgemeinen charakteristisch als auf uralte Stammcsverschicdenheiten während die sehr häufigen Tongefäße, zwischen Angeln und Sachsen zurück- j wie immer, größere lokale Besonderheiten zuführen. zeigen. Unter den Waffen sind, wie auch E. A. F r e t r a a n The Use oj the Word in den festländ. Nekropolen, Schwerter 4Englisti, A p p . A in seiner Hist. of the Norm. ziemlich selten, dagegen fast alle von dort Conqu. 1 I 529—41; 1870. E. K n o t h e Angelbekannten Formen der Lanzen- und Speersächsisch od. Englisch ? Greifswalder Diss. 1877. spitzen (auch Angonen) reichlich bezeugt, 1 B r e m e r PGrdr. III 849—60. H o o p s ferner Skramasaxe, Streitäxte und, als Waldb. u. Kuliurpfi. 14. K a p . Die kontinentale einzige Schutzwaffenreste, konische, in eine Heimat d. Angelsachsen u. die röm. Kultur; Spitze oder einen Knauf auslaufende, manchS. 566—89; 1905. R. J o r d a n Eigentümlichkeiten des angl. Wortschatzes; A F . 17. 1906. mal sehr hohe Schildbuckel. (S. Tafel 3.) D e r s. Die Heimat d. Angelsachsen; Verhandl. Die zahlreichen, zum Teil überaus schönen d. Baseler Philol.-Vers. 1907, S. 138—40. C h a d und kostbaren Schmucksachen zeigen bei w i c k The Origin of the English Nation. Cambr. den einzelnen Stämmen manchmal ein 1907. L u d w . S c h m i d t Allg. Gesch. d. besonderes (zuweilen barockes) Gepräge; gern. Volker 1 5 8 — 1 6 1 ; 1909. sie bestehen in sehr verschieden gestalJohannes Hoops. teten Fibeln, Nadeln, Schnallen, GeAngelsächsische Funde. § i. Die ältesten hängen, Glasperlen u. dgl. Den breitesten germ. Eroberer S.- und W.-Englands, seit Raum nehmen die oft in Cloisontechnik etwa 400 n. Chr., übten teils die ihnen reich verzierten Fibeln ein, teils Bügelvom Festland her geläufige Verbrennung, fibeln mit halbkreisförmiger oder (häufiger) teils die unter christlichem Einfluß durchviereckiger Kopfplatte, teils Plattenfibeln, greifende brandlose Bestattung ihrer Toten. kreisförmig, in S- oder Vogelgestalt. Außer Die erstere herrschte vorwiegend bei den den Tongefäßen kommen auch zylindrische, Angeln von Norfolk bis Inner-Mercien, mit Metall beschlagenen Holzeimer sowie die letztere bei den Jüten Kents; doch Glasgefäße in den Gräbern vor. entstanden schon vor der Annahme des J. de B a y e Industrie anglo-saxonne. Paris 1889. M. Hoernes. Christentums Nekropolen mit gemischter Bestattung. Die Begräbnisplätze lagen Angelsächsische Rechtsdenkmäler. § i . meist auf erhöhten Punkten in der Nähe Schon bald nach der Bekehrung zum der Städte, manchmal an der Stelle alter Christentum haben die Angelsachsen ihre römischer Friedhöfe. In den brandlosen ersten schriftlichen Rechtsdenkmäler er-

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halten, K ö n i g s g e s e t z e (dömas) der einzelnen T e i 1r e i c h e , unter Mitwirkung der Optimatenversammlung (witenagemöt) erlassen. K e n t , der zuerst christianisierte und in der ältesten Zeit führende Staat, machte den A n f a n g mit den in die Jahre 601—604 fallenden 90 Gesetzesparagraphen K ö n i g ¿Ethelberhts, denen noch während des 7. Jahrhs. Earconberht (640—664), Hlothaere und Eadric (685/686), endlich Wihtraed (695) mit kürzeren Gesetzen folgten. Earconberhts Gesetze sind verloren gegangen; dagegen hat uns die übrige kentische Gesetzgebung des 7. Jahrhs. eine Handschrift des 12. Jahrhs. (Codex Roffensis) in einer späteren westsächsischen Formulierung überliefert. Ebenfalls nicht in der Originalfassung, sondern nur als Teil der ¿Elfredschen Gesetzgebung ist uns das älteste Recht von W e s s e x , das aus 76 Kapiteln bestehende Gesetzbuch K ö n i g Ines (688 bis 695), erhalten, während die um ein Jahrhundert jüngeren Gesetze Offas von M e r c i a (788—796) verloren sind. § 2. Den Abschluß dieser ältesten Zeit der Gesetzgebung und zugleich den Ubergang von der älteren partikularrechtlichen zur g e m e i n e n angelsächsischenRechtsentwicklung bildet das Gesetzbuch JE 1 f r e d s des Großen (871—901), v o n A l freds Nachfolger Edward als dömböc bezeichnet. Wohl gibt /Elfred für Angeln, Sachsen und Jüten gemeines Recht, aber was er als solches bietet, ist nach A l f r e d s eignem Zeugnis im wesentlichen eine Kompilation aus Ines, /Ethelberhts und Offas Gesetzen und eine lange theologische Einleitung, die Stücke der mosaischen Gesetzgebung (Exodus) sowie des Neuen Testaments reproduziert. Ines Gesetze sind, obwohl sie zum Teil mit A l f r e d s eignen Satzungen in Widerspruch stehen, als A n h a n g beigefügt. § 3. Der Charakter dieser ältesten angelsächsischen Gesetzgebung ist im wesentlichen einheitlich. Wie in den deutschen Volksrechten nimmt in ihr das Privatstrafrecht mit seinen detaillierten Bußbestimmungen den H a u p t r a u m ein. D a ß sie nicht lateinisch, sondern in der Volkssprache abgefaßt ist, teilt diese ältere mit der gesamten späteren angel-

sächsischen Gesetzgebung. Aber auch ihr Inhalt ist, wenn man von dem starken kirchlichen Einschlag absieht, durchaus national; weder die Volksrechte des Festlands noch das skandinavische Recht haben auf diese Rechte einen Einfluß ausgeübt. § 4. Das ändert sich in den Rechtsquellen, insbesondere den Königsgesetzen der folgenden Zeit. Das Bußstrafrecht tritt in den Hintergrund; um so breiteren R a u m nimmt das öffentliche Strafrecht, das Staats- und Verwaltungsrecht ein, so daß diese späteren Gesetze weniger den deutschen Volksrechten, als den Kapitularien ähneln. Die Sprache der Gesetze wird ausführlicher, lebendiger, unter den späteren Herrschern allerdings auch lehrhafter und salbungsvoller. Vor allem aber machen sich fremde Einflüsse geltend, teils solche fränkischen Ursprungs, teils (in noch höherem Grade) nordgermanische, vorzugsweise dänische Einflüsse. Die letzteren treten naturgemäß besonders zutage in den Rechtsdenkmälern, die sich auf das Gebiet des D a n e 1 a g (Denalagu) beziehen, jene ausgedehnten Gegenden im Nordosten Englands, in denen die Einwanderung der Dänen und anderer Skandinavier eine anglisch-skandinavische Mischbevölkerung und ein anglisch-skandinavisches Mischrecht geschaffen hatten (vgl. Steenstrup Danelag 1882). Dazu gehören die beiden Verträge A l f r e d s d. Gr. mit Guthrum, dem dänischen Herrscher v o n Ostangeln, v o n denen der zweite nur in der Bestätigung Edwards I. erhalten ist, ferner .¡Ethelreds II. V e r t r a g mit den Nordleuten v o n 991 und sein um 997 in W a n t a g e erlassenes Königsgesetz für die fünf Burggebiete des Danelag, endlich eine S a t z u n g der Nordhumbrischen Geistlichkeit (Nor&hymbra preosta lagü) aus der ersten Hälfte des I I . Jahrhs. § 5. A b e r auch in den für das ganze Land erlassenen Königsgesetzen tritt dieser fremde Einfluß zutage. Wir besitzen solche v o n Edward I. (901—925), yEthelstan (925—940), E d m u n d (940—946), Edgar (959—975), ¿Ethelred II. (978—1016) und endlich von K n u t d. Gr. (1016—1035), der trotz seiner dänischen H e r k u n f t einfach die Gesetzgebung seiner angelsächsischen Vorgänger fortsetzte. Diese Königsgesetze

T a f e l 3.

Angelsächsische Funde. i. Bronzene Gürtelschnalle, Dorchester (Oxford). — 2. Bronzefibel mit kreuzförmigem Kopfe, Little Wilbraham (Cambridgeshire). — 3. Vergoldete Bronzefibel mit viereckigem Kopf und Granaten, Chessel Down (Insel Wight). — 4. Eiserne Lanzenspitze, Frilford (Oxford) '/ 4 n. Gr. — 5. Silberne Haarnadel mit Granaten, Faversham (Kent). — 6. Bronzene Scheibeniibel, Wingham (Kent). — 7. Eiserner Schildbuckel, Farthing Down (Surrey) */4 n. Gr. — 8. Holzcimer mit Bronzebeschlag, Ash (Kent) 1 ß n. Gr. Nach de Bayc. Industrie anglo-saxonne.

Reallexikon der genn. Altertumskunde.

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Verlag von K a r l J . Trübncr in Straßburg.

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noch in der normannischen Periode eine sind die Hauptrechtsquellen jener Zeit. starke Berücksichtigung in einer Anzahl Meist nach dem Reichstag benannt, auf von Privatarbeiten, die sämtlich der Redem sie zustande kamen, beschäftigten gierungszeit Heinrichs I. (iIOO—1135) ansie sich sowohl mit weltlichen wie mit gehören. Teils sind es Kompilationen kirchlichen Fragen, zum Teil unter formaler der älteren Gesetze wie die Instituta Cnuti, Scheidung in einen weltlichen und einen die Consiliatio Cnuti, endlich das erste kirchlichen Gesetzesabschnitt. Der enge Buch des sog. Quadripartitus ( n 14), das Zusammenhang, in dem sie stehen, zeigt uns manches in lateinischer Ubersetzung sich in der fortwährenden wörtlichen erhalten hat, was wir in der angelsächsiWiederholung gewisser Bestimmungen; schen Originalfassung nicht mehr besitzen. insbesondere ist das letzte und bei Teils sind es Traktate, die sich als Gesetze w e i t e m umfangreichste dieser Gesetze, Wilhelms I. und Heinrichs I. oder Erein in Winchester zwischen 1027 und neuerungen des alten unter Edward dem 1034 erlassenes Königsgesetz K n u t s , größBekenner geltenden Rechts ausgeben und tenteils eine Rekapitulation der älteren ein Gemisch von angelsächsischem und angelsächsischen Gesetze von Ines Tafranzösisch-normannischem Recht bieten. gen an. Dazu gehören die sog. Leges Henrici I.., § 6. Neben diesen Rechtsquellen staatzwischen 1 1 1 4 und 1118 v o m Verfasser licher Herkunft, zu denen man wohl auch des Quadripartitus unter kritikloser Bedie v o n englischen Notablen (witan) und nutzung der älteren a.gs. Gesetze und wälschen Ratleuten (rcedboran) aufgestellte zahlreicher recht heterogener festländischer S a t z u n g über das Dunsaete-Land rechnen Quellen, aber zum Teil auch auf Grund kann, sind uns zahlreiche andere Rechtsder in der Praxis erworbenen Kenntnisse denkmäler überliefert. Teils sind es abgefaßt, ferner die zwischen 1130 und Formeln für Gottesurteile oder Exkommu1135 entstandenen sog. Leges Edwardi nikation, Eidesformeln (u. a. auch ein Conjessoris (der Name stammt aus dem Krönungseid aus dem 10. Jahrh.) oder 17. Jahrh.), eine weniger kompilatorische Prozeßformeln, teils sind es längere oder dafür aber um so willkürlichere Darkürzere Privatarbeiten, unter denen Aufstellung angeblich angelsächsischer, in sätze über die Verlobung (be wijmannes Wirklichkeit anglonormannischer Rechtsbeweddunge), über Sonderfrieden undSchutzgrundsätze, die sich als eine Erneuerung gewalt (be gride and be munde), über die des alten Rechts durch Wilhelm I. ausR e c h t e der Hintersassen eines Edelgutes gibt und um die Mitte des 12. Jahrhs. (Rectitudines singularum personarum) und eine erweiterte Neubearbeitung erfahren über den klugen Verwalter (be gesceadhat. Waren alle diese Werke lateinisch wisan gerefan) besonders genannt zu werabgefaßt, so sind die sog. Leis Willelme den verdienen. Keine Privatarbeit, sondern im Anfang des 12. Jahrhs. französisch das älteste Gildestatut und zugleich das niedergeschrieben und erst um 1200 ins älteste Erzeugnis genossenschaftlicher AutoLateinische übersetzt worden; sie schöpfen nomie bei den germanischen Völkern überihren Stoff aus Erlassen Wilhelms I., aus haupt sind die unter yEthelstan entstanden älteren angelsächsischen Rechtsquellen, denen Judicia civitatis Lundoniae, eine insbesondere den Gesetzen Knuts, und aus Einung der an dem Gerichtsbezirk von dem römischen Recht. So wenig erfreulich London beteiligten geistlichen und weltdiese schriftstellerischen Leistungen sind, lichen Großen. und so vorsichtig man auch ihre Angaben § 7. Mit K n u t hat die angelsächsische prüfen muß, so sind sie doch wertvoll Gesetzgebung ihren Abschluß gefunden. nicht nur als charakteristische Denkmäler V o n Gesetzen seiner Söhne oder Edwards einer Übergangszeit, sondern auch wegen des Bekenners ist nichts überliefert, und der mancherlei wertvollen Angaben, die das Wenige, was wir v o n Wilhelm dem Weit Eroberer besitzen, weist schon entschieden • sie über das ältere Recht bieten. bedeutsamer als alle diese Quellen ist in die anglonormannische Zeit. Das (s. d.). angelsächsische Recht aber erfährt auch I Wilhelms I. Domesday-Book Hoops, Reallexikon. I.

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D i e älteren A u s g a b e n der angelsächsischen R e c h t s d e n k m ä l e r sind v e r a l t e t durch die m u s t e r g i l t i g e Ausgabe von F . L i e b e r m a n n Die Gesetze der Angelsachsen I 1903 ( I I 1 e n t h ä l t ein W ö r t e r buch). Die f ü r ihre Z e i t h e r v o r r a g e n d e Ausgabe von R e i n h o l d S c h m i d , 2. A u f l . 1858, b e s i t z t noch W e r t d u r c h ihr t r e f f l i c h e s S a c h r e g i s t e r . v . A m i r a P G r u n d r . I I I 69 f. 7 4 ff. ( 1 9 f. 24 ff.). B r u n n e r Gesch. d. engl. Rechlsquellen im Grundriß 1909, 4 ff. (dort auch V e r zeichnis der älteren L i t . , insbesondere der grundlegenden A r b e i t e n F. L i e b e r m a n n s). F ü r die a n g l o n o r m a n n i s c h e n Quellen v g l . a u c h S t u b b s Lectures on early Engl. Hist. 37 ff. S. Rietschel.

Angelsächsische Schrift.

§ i.

Die Ent-

w i c k l u n g der ags. Sch. h ä n g t e n g z u s a m m e n m i t der C h r i s t i a n i s i e r u n g der g e r m a n i s c h e n E r o b e r e r (vgl. B e k e h r u n g s g e s c h i c h t e § 20 ff.). Diese w u r d e z u n ä c h s t v o n R o m a u s v e r s u c h t , i n d e m P a p s t G r e g o r 597 den A u g u s t i n u s m i t einer S c h a r v o n M ö n c h e n an den k e n t i s c h e n Hof e n t s a n d t e , w o a u c h schon ein f r ä n k i s c h e r Bischof als K a p l a n der christlichen K ö n i g i n lebte. W i r wissen, d a ß P a p s t Gregor an die Missionare u n t e r anderm viele Bücher schickte (Beda, H i s t . Eccles. I 29), j e d e n f a l l s in der S c h r i f t , die d a m a l s in Italien ü b l i c h w a r , der Unziale, d a n e b e n w o h l a u c h in der n e u a u f g e k o m m e n e n H a l b u n z i a l e . Die U n z i a l e ist aus der K a p i t a l s c h r i f t der r ö m i s c h e n D e n k m ä l e r e n t w i c k e l t , d a d u r c h d a ß die Buchstaben beim Schreiben mit dem S c h i l f r o h r ihre E c k e n v e r l o r e n u n d so ein gefälligeres A u s s e h e n b e k a m e n : f ü r A E H M D treten die g e r u n d e t e n F o r m e n 3, £ h (T) ö ein, s t a t t Q s c h r e i b t m a n j e t z t q. Die H a l b u n z i a l e ist eine W e i t e r e n t w i c k l u n g der U n z i a l e in der R i c h t u n g der K u r s i v e : u m die S c h r i f t leichter zu gestalten h a t t e m a n einige B u c h s t a b e n a u s der römischen G e s c h ä f t s s c h r i f t , der K u r sive, in die B u c h s c h r i f t a u f g e n o m m e n : B D A M N S F R G k ö n n e n ersetzt w e r d e n durch b d a m n f f r g . — A b e r nichts scheint v o n dieser ersten N a c h a h m u n g der christlichen S c h r i f t bei den A n g e l s a c h s e n ü b r i g geblieben zu sein. Z e h n J a h r e n a c h A u g u s t i n s L a n d u n g schon b r a c h eine h e i d nische R e a k t i o n d u r c h u n t e r d e m konser-

v a t i v e n K ö n i g Raedwald v o n O s t a n g l i e n : so b l i e b die christliche K u l t u r auf das k l e i n e G e b i e t des k e n t i s c h e n H o f e s b e schränkt. W i e d e r u m zwanzig Jahre später (627) g e h t v o n hier die C h r i s t i a n i s i e r u n g N o r d h u m b e r l a n d s a u s unter P a u l i n u s , d e m K a p l a n der k e n t i s c h e n K ö n i g i n . A b e r in den sechs J a h r e n , die dieser im L a n d e zubrachte, konnte natürlich auch keine lebensfähige Schreibschule entstehen. Die Z a h l der r ö m i s c h e n G e i s t l i c h e n in E n g l a n d w a r v i e l z u gering, als d a ß sie die g a n z e K u l t u r hätten umgestalten können. § 2. D a k a m , g e r a d e als P a u l i n u s a u s N o r d h u m b e r l a n d geflohen w a r , d o r t Osw a l d auf den T h r o n seiner V ä t e r ( 6 3 4 — 6 4 2 ) . E r w a r u n t e r der R e g i e r u n g seines V o r g ä n g e r s E a d w i n e in St. C o l u m b a s K l o s t e r Iona, auf einer Insel an der W e s t k ü s t e Schottlands, also g a n z in i r i s c h e r U m g e b u n g erzogen w o r d e n . J e t z t rief er irische Missionare in sein L a n d . Aidan a u s Iona f o l g t e d e m R u f als B i s c h o f der N o r d h u m b r e r und g r ü n d e t e sogleich m i t irischen M ö n c h e n sein B i s c h o f s k l o s t e r a u f der Insel L i n d i s f a r n e (heute H o l y Island) an der n o r d h u m b r i s c h e n K ü s t e , e i n e m Ort, dessen L a g e an d a s S t a m m k l o s t e r erinnerte. Und von Lindisfarne g e h t n u n die V e r b r e i t u n g christlicher K u l tur in E n g l a n d aus, und z w a r in viel n a c h h a l t i g e r e r W e i s e als einst v o n C a n t e r b u r y . D e r K ö n i g der W'estsachsen; C y n i g i l s , w i r d v o n O s w a l d aus der T a u f e g e h o b e n , d e r erste Bischof der Mercier, der heilige C e a d d a , ist ein L i n d i s f a r n e r M ö n c h . Zahlreiche K l ö s t e r w e r d e n v o n hier a u s b e g r ü n det. In L i n d i s f a r n e ist a u c h die a n g e l s ä c h s i s c h e S c h r i f t e n t s t a n d e n . Den Iren w a r e n r ö m i sche E i n r i c h t u n g e n n u r d u r c h die Mission a r e u n d ihre B ü c h e r z u g e k o m m e n . Es g a b hier keine römische V e r w a l t u n g w i e in den a n d e r n L ä n d e r n W e s t e u r o p a s . Desh a l b h a b e n die Iren a u c h n u r die B u c h schrift, n i c h t die G e s c h ä f t s s c h r i f t R o m s k e n n e n gelernt. S c h o n im 7. J h . h a t t e n sie a b e r f ü r die Z w e c k e des A l l t a g s s e l b s t ä n d i g die H a l b u n z i a l e zu einer K u r s i v schrift ausgestaltet, die sich dadurch, d a ß m a n n u n die G ä n s e f e d e r s t a t t des S c h r e i b r o h r s v e r w e n d e t e , z u einer e i g e n artigen Spitzschrift umgebildet hat. Sie

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zu W h i t b y , 664, errangen die R e f o r m e r ist c h a r a k t e r i s t i s c h geworden f ü r die britieinen v o l l s t ä n d i g e n S i e g über die irischen schen Inseln, weshalb m a n ihr mit g u t e m Mönche. R o m n u t z t e diesen Sieg a u s R e c h t den N a m e n „ I n s u l a r e " geben k a n n , durch die B e r u f u n g T h e o d o r s von T a r s u s der bezeichnender ist als „ a n g l o - i r i s c h e auf den C a n t e r b u r y e r E r z s t u h l (669—-690). Kursive", „anglo-irische Minuskel", „angloD u r c h ihn und seinen Genossen, den afriirische S p i t z s c h r i f t " . A n d r e bezeichnen kanischen A b t von N i s i d a bei N e a p e l , mit „ i n s u l a r e r S c h r i f t " H a l b u n z i a l e und H a d r i a n , w u r d e die engere V e r b i n d u n g E n g S p i t z s c h r i f t (Insulare) z u s a m m e n ( T r a u b e , lands mit Italien d a u e r n d befestigt. Sie P e r r o n a S c o t t o r u m , Münchner A k . , S i t z . bereisten d a s g a n z e L a n d bis hinauf n a c h Ber. 1900, p. 470). Der irische E v a n Lindisfarne, d a s v o n den irischen Mönchen g e l i e n k o d e x von K e i l s (Trinity College, verlassen worden war, und brachten überD u b l i n ; F a c s í m i l e s Palaeograph. Soc. I, all ihre italienischen B ü c h e r mit. E s ist 55—58, 88, 89), der in die 2. H ä l f t e des ihnen aber nicht gelungen die allenthalben 7. J h s . v e r s e t z t wird, zeigt, wie die neue a u f b l ü h e n d e S a a t der keltischen Missionare Insulare a u c h gelegentlich schon die B u c h zu v e r n i c h t e n : die K u n s t der Iren h a t t e schrift beeinflußt. S o h a b e n also die festen F u ß unter den Angelsachsen gefaßt, A n g e l s a c h s e n von A n f a n g an die feierliche und die S c h r e i b k u n s t nicht weniger als die H a l b u n z i a l e und die geläufige Insulare v o n d e k o r a t i v e K u n s t . A u s d e m K r e i s e dieser den Iren gelernt. § 3. N u n b r a c h unter O s w a l d s N a c h - ; romfreundlichen B e w e g u n g s t a m m e n unsre U n z i a l h a n d s c h r i f t e n . CeolfriS folger Oswiu (642—670) in N o r d h u m b e r ließ u m 7 1 0 als A b t von J a r r o w und land der S t r e i t zwischen der irischen und W e a r m o u t h drei B i b e l h a n d s c h r i f t e n ander römischen K i r c h e a u s (vgl. B e k e h r u n g s f e r t i g e n : j e eine f ü r seine beiden K l ö s t e r , geschichte § 23 f.). Wieder war es eine die dritte aber wollte er selbst d e m P a p s t kentische G e m a h l i n des K ö n i g s , die die überbringen. E s war ihm nicht vergönnt, K o n f e s s i o n v o n C a n t e r b u r y im Norden auf diese Weise d e m H a u p t der K i r c h e einführen wollte. Drei j u n g e N o r d h u m b r e r einen B e w e i s v o m E r f o l g seines L e b e n s erwiesen sich als die energischsten Vorwerkes zu geben. Auf der R e i s e verschied kämpfer R o m s : Wilfrid, sein Freund Ceolfri3 zu L a n g r e s (716), a b e r seine B i b e l B e n e d i c t B i s c o p B a d u c i n g und dessen k a m doch nach R o m und ist uns in d e m Genosse Ceolfrict, B e d a s Lehrer. In ihrem C o d e x A m i a t i n u s der L a u r e n t i a n a zu F l o K r e i s e scheint m a n a u c h als Gegengewicht renz erhalten. Die Ü b e r e i n s t i m m u n g im gegen die irische S c h r i f t besondern N a c h S c h r i f t c h a r a k t e r mit den römischen M u s t e r n d r u c k auf die U n z i a 1 e gelegt zu h a b e n . ist so groß, daß Corssen (Gött. gel. Anz.1894, B e n e d i c t B i s c o p und seine F r e u n d e unter860) s o g a r v e r m u t e t e , er h a b e italienische n a h m e n viele Reisen nach R o m und Schreiber g e h a b t . Dieselbe S c h r i f t zeigt b r a c h t e n von d o r t reiche S c h ä t z e an das Durhamer Lucasfragment (Cathed. Büchern mit. Die italienische UnzialL i b . A I I 17, fol. 1 0 3 — I i i ; F a c s . N e w schrift dieser B ü c h e r suchten sie d a n n in Palaeographical S o c i e t y 1 5 7 ) , d a s also England genau nachzuahmen. Beispiele a u c h wohl in einem von Ceolfri9s K l ö s t e r n solcher V o r l a g e n sind —• wenn sie nicht u m 7 1 0 geschrieben ist. Andererseits doch noch einer früheren S c h i c h t a n g e weist ein L o n d o n e r V u l g a t a b l a t t ( A d d i t . hören — d a s C a n t e r b u r y e r Evangeliar 3 7 . 7 7 7 ; F a c s . N e w P a l . S o c . 158, 159) A u g u s t i n s (jetzt C a m b r i d g e C. C. C. 286; a u s derselben Zeit enge V e r w a n d t s c h a f t F a c s . P a l . Soc. 33, 34, 44; vgl. T r a u b e , mit d e m Cod. A m i a t i n u s in der Zeilen R e g u l a B e n e d i c t i S. 107) und der Wora b t e i l u n g auf. Den S i e g der irischen cesterer H i e r o n y m u s der C u 9 s w i 9 e (jetzt S c h r e i b k u n s t v e r k ü n d e t dagegen schon W ü r z b u r g M. P. Theol. Q u . 2 ; F a c s . die D u r h a m e r E v a n g e l i e n h a n d s c h r i f t (Cath. Chroust, M o n u m e n t a P a l a e o g r . V 2, 3), L i b . A I I 1 6 ; F a c s . New Pal. Soc. 54), endlich a u c h der griechisch-lateinische deren unziale H ä n d e v o n halbunzialen Codex des A c t a A p o s t o l o r u m (Oxford, a b g e l ö s t werden, und die in ihren u m t u p f L a u d . g. 3 5 ; F a c s . P a l . Soc. I 80), den verten Initialen deutlich den irischen Stil mutlich B e d a b e n u t z t h a t . Auf der S y n o d e 7*

IOO

ANGELSÄCHSISCHE

verrät. A b e r auch in Canterbury selbst zeigt sich das: der um 700 geschriebene Psalter aus dem dortigen Augustinusstift, vgl. Tafel 4, Nr. 1 (Cotton. Vespasian. A I ; Facs. Pal. Soc. I 18), entlehnt seinen reichen Schmuck fast nur der heimischen Kunst. Traube stellte hierher (in den „kentischen Kulturkreis") die Oxforder Benediktinerregel (Hatton 42; Facs. Traube, Textgeschichte der Regula S. Benedicti, München 1898 Tafel I, dazu S. 59). In den Lindisfarner Kreis könnte wiederum das Evangeliar in Duodezformat weisen, das im Grabe des heiligen Cu^berht, der j a A b t dieses Klosters gewesen war, gefunden sein soll (Ms. in Stonyhurst; Facs. Pal. Soc. I 17). Ein Londoner Doppelblatt mit liturgischen Gebeten (Addit. 37.518 fol. 116; Facs. New Pal. Soc. 132) ist schwer zu placieren. Endlich gehören hierher noch die drei unzialen Urkunden aus K e n t (a. 679), aus Essex (a. 692) und aus Mercien (a. 736; Facsimiles of Ancient Charters in the British Museum Vol. I). Hier hat sich noch eine Konzession an die altheimische Form notwendig gemacht, indem zur Wiedergabe des germanischen Lautes w ein Buchstabe der Runenschrift entnommen werden mußte. Dieses F findet sich neben der Rune für die interdentale Spirans ^ in der engl. Halbunziale und Insulare dann allgemein gebraucht (vgl. Runen). § 4. Die ganze unziale Bewegung unter Männern wie Biscop Baducing und Theodor hatte etwas Künstliches, was ihr kein langes Leben verhieß. Von einem E x e m plar der Vulgata-Evangelien, das Hadrian aus der Gegend von Neapel nach Nordhumberland gebracht hatte, und von dem auch das Durhamer Lukasfragment abgeschrieben zu sein scheint, stammt die prächtige Evangelienhandschrift der Lindisfarner Bischöfe ab, vgl. Tafel 4, Nr. 2, (London. Cotton. Nero D IV, circa 700; Facs. Pal. Soc. I 3—6, 22), die besonders wegen ihrer künstlerischen A u s s t a t t u n g berühmt ist. A b e r in Schrift und Schmuck folgt sie ganz den irischen Traditionen: sie ist das schönste Beispiel für die breite runde Halbu n z i a l e der Angelsachsen, deren dicke

SCHRIFT

Striche deutlich die Technik des Schreib rohrs verraten, das man wohl auch zu den unzialen Handschriften meistens benutzt hatte. Die Initialen sind u m t u p f t oder mit einem einfachen Farbenklecks, meist rot, grün oder gelb, gefüllt; bei der künstlerischen Ausschmückung, bei der das Bandornament, die Spirale und der P u n k t vorwiegt, ist hauptsächlich auf die R a u m füllung gesehen, wie es der irische Stil verlangte. D a ß dies irische Schule ist, zeigt der um dieselbe Zeit in ganz ähnlicher Schrift in Irland geschriebene Evangelienkodex des heiligen Ceadda in der Kapitelbibliothek von Lichfield (Facs. Pal. Soc. I 20), sowie die etwa hundert Jahre später (vor 820) ebenfalls in Irland nicht mehr so ganz rund geschriebenen Evangelien MacRegols (Rushworth-Ms., Oxford, Bodl. D. 24 No. 3946, Facs. Pal. Soc. I 90). Die alte Rundschrift zeigt auch nicht mehr ganz die um 840 in Durham geschriebene Liste der W o h l t ä t e r der Kathedrale, der Liber Vitae (Ms. London, Cotton. Domit. A V I I ; Facs. Pal. Soc. I 238). Hauptsächlich für Prachtexemplare verwendete man diese breite, dicke, runde Rohrschrift. Dünner, wahrscheinlich mit der Feder geschrieben sind die Evangeliencodices von Canterbury (London, R o y a l Ms. I E V I ; Facs. Pal. Soc. I 7) und Durham (Cath. Lib. A II 17; Facs. New Pal. Soc. 30), die beide dem 8. Jh. zugewiesen werden. Im übrigen aber hat die Halbunziale bei den Engländern sehr starke Beeinflussung von ihrer jüngeren Schwester, der Insulare, erfahren, so daß man sogar von einer in verschiedenem Grade gemischten Schrift sprechen kann (gewöhnlich als „angelsächsische R u n d schrift", „round English Minuscules" bezeichnet). Im Lauf des 8. Jhs. geht dabei die Rundung immer mehr verloren und macht der eckigen Schreibtechnik der Insulare P l a t z : hierher gehört der B e d a zugeschriebene Durhamer Cassiodor (Cath. Lib. B II 30; Facs. Pal. Soc. I 164) und die halbunzialen Teile der obenerwähnten Durhamer Evangelien, die nach einem K a t a l o g des 14. Jhs. gleichfalls v o n Bedas H a n d stammen sollen, obwohl auch die dem Cassiodor ähnliche 2. Hand (New Pal. Soc. 55) diesem gegenüber Unterschiede aufweist. Eine noch ziemlich breite,

T a f e l I.

Unziale.

4.

Psalter aus d e m A u g u s t i n u s s t i f t , C a n t e r b u r y . U m 700. British M u s e u m , p a s i a n A . I. P a f e o g r a p h i c a l S o c i e t y I PI. 18. (Glosse um goo.) •

;

1« ¿-ovi-

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i i N T R O i a r r ( I j r :

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Cotton,

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niiivtt.t

; . . . . " ^ j e r p a N O x m e N T X C D O N n u in eode in earan his I N T R O I U I T IN A U R E S EIUS ond onstyred wes ond cwecede E T COMMOTA EST E T CONTR[EMUIT] ond steaDelas munta E T FUNDAMENTA MONTIU[M] . . . . 2.

Halbunziale. E v a n g e l i e n aus L i n d i s f a r n e . D m 700. Brit. Mus., C o t t o n , N e r o D . I V . g r a p h i c a l S o c i e t y I PI. 3. ( G l o s s e aus d e m 10. Jahrli.)

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Insulare.

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ond untynde mu& his E t a p e r i e n s us suum^ gfelaerde hea cuoe3 d o c e b a t eos d i c e n s

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B r i e f an d e n E r z b i s c h o f B e r h t w a l d v o n C a n t e r b u r y . 7 0 5 . Brit. M u s . C o t t o n , A u g u s tus II. 18. F a c s i m i l e s o f A n c i e n t C h a r t e r s in the British M u s e u m I 5. K e l l e r , A n g e l säclis. P a l a e o g r . I S . 1 8 .

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. . . tug almitatis s u p l e x seruulus s a l u t o « . . . m i h i s e m p i ? ' inerat. q u a n t o m a g i s in aduersis . . . [paruitatjem p « - u r b g e t . I n d e e r g o n u n c instante n e 4.

Insulare.

B e d a , Historia E c c l e s i a s t i c a . g r a p h i c a l S o c i e t y I PI. 1 4 1 .

8. Jahrh.

Brit.

Mus.

Cotton,

Tiberius C.

II.

Palieo-

q u i etiam p o s t e a fratribw.r eiusdem ecclesiae lindisfarnensis in q u a e d u c a t u s est. Abbatis iure p r i f u i t . ,

g u a r n ì

Angelsächsische

Reallexikon der germ. Altertumskunde. I.

Schrift.

Verlag- von Karl J. Trübner in Straßburg.

T a f e l 5.

Insulare.

4 U J r \>Ù

Urkunde .¿Ethelwulfs von Wessex. II. 60. F a c s . A n c . Chart. I I 29.

df4AUtUyv"

V t ö ^ f c t v l

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6.

Insulare.

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5.

16. November 845.

T j J ^ P ' ^hk ^

Brit. Mus.

Cotton, Augustus

qug appellator a l i n g - m e d , Alter[a] . . . be norcian hege, tertia In media . . . a n i m a l i t à illius cum armentis re[gis] . . .

i

K ö n i g A l f r e d s Übersetzung der C u r a Pastoralis Gregors I. Vor 900. Bodleiana, Hatton 20. Keller, A g s . Palaeographie T a f e l I I I . (Glosse aus dem 1 2 . Jalirh.) jftcr

j^HiHuJ

. . . cleopodes». nu ic eom her, Hwset wenstu quempiam

.

ytnrnjHcn?-

¿fäf&hme-

fäC- gfUrmt' farne- cuf 7.

Insulare.

we hine 1;cden to sumuw

httoh tatttmv • • • m™ nMnt

...

[hi]ne iersa9. Gif he me donne cü9 ne b i d , ne

Urkunde K ö n i g E a d g a r s . 966. Brit. Mus. Cotton Charter Chart.: I I I . 26. (Die Urkunde ist aus Versehen 955 datiert.)

'E50

öwrfcari

'E

^f^fefy

VIII. 33.

Facs.

Anc.

öofioboymmi^iw^apr^

madjx

typ^imim

f E g o dunstan dorobornensis vecclesiQ ar[chiepiscopus] . . . f E g o self|)ry|) mater regis predictum . . . f E g o Oswald archi-arr.fe-epz'.ii'o/Ms eborace ciui[tatis] . . .

Minuskel und I n s u l a r e . Urkunde K ö n i g iEthelreds. 2 2 . F a c s . A n c . Chart. I V . 1 2 .

A

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A

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1001.

Brit. Mus. Cotton, Augustus II.

t & hostium expeditione. Actu[m e s t ] . . . circumcincta ista terra f £ c r [ y s t ] . . . < £ r up ondlong ycenan to c s r s s a n - w y l l a n . . . h l a w e of Jjaem hlawe to {. aem lytlan h l [ a w e ] .

«fiti l i L i ^

A n g e l s ä lc hy s ci sLc hn e I SI cL hJ r i f t .

Reallexikon der germ. Altertumskunde. I.

Verlag- von Karl J . Trübner in Straßburg.

T a f e l 9.

Insulare.

jElfrics Heptateuch-Übersetzung. Palseogr. Soc. I 7 1 .

fcotnon V a

6.

Etwa 1020—30.

covgypca

- m.

y Ü n ^ .

J

fei*

< #

Brit. Mus. Cotton, Claudius B. IV.

tarier.

-j&cf^cytimge^

cyri»ntSe

n T n

^ a T j

^ a ^ i a o

Hi comon da. to egypta lande, ond 9a eg[yptiscean] . . . wif wass swyam cyninge .faraö. . . . 10.

Insulare. Urkunde von Thurstan über Land zu Wimbish co. Essex. 1049. Brit. Mus. Cotton, Augustus II. 34. Facs. Anc. Chart. I V 33. Keller, Ags. Pal. Tafel 9.

f

Th-fy

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^vUncpyynx -j pp

- f gthtfu

ji

JurjifraH

a^flc^e.

]ram

f f l.ii|irt>

&JKf

Her cyd on |>ysan gewrite ^¡at jmrstan . . . ond for leofware. ond for se3elgy()e. J>am . . . twam hidan. ond gelaaste se hired eet chr«f[ e s ] • • • 11.

Insulare. Hemings Register von Worcester. Keller, Ags. Palaeogr. Tafel 11.

fyearneff

pyjido. o n I n n s

cd - ]

i a l c p q t p e

cmgngri

1097—1100.

Brit. Mus. Cotton, Tiberius A. XIII.

h i c

cyrneb,

c o $ < t ö q w o n b

{ q i e a m

r ü p t c f o p M

f t y d

lanx; otti

. . . [coljforda onlang streames \>ce£ hit cymcd . . . [dofedjsel ond salewarpe togasdere licgad ondlang . . . ongeign stream to wicforda \>cet swa ond[lang] 12.

I n s u l a r e . Annalen aus Peterborough. Tafel 12.

p v t W ^ m fi>jtlpelwolds

die

Belehnung

Kloster

961,

B i s c h o f s ( F a c s . P a l . S o c . 1 1 4 2 , 143), d a s m i t und Silberschrift und mit

altertüm-

A u c h die Insulare zeigt v o n

960 a n v i e l e V e r ä n d e r u n g e n . der Minuskel

etwa

v. B o n d u. T h o m p s o n . 4 Bde. Die ins t r u k t i v s t e S a m m l u n g für die E n t w i c k l u n g der

Ein Einfluß

ist d a r i n z u s e h e n , d a ß

die

F e d e r h a l t u n g immer gerader wird und 1 1 . J h . g a n z s e n k r e c h t z u r Z e i l e ist.

Wichtig für die Illustratio-

l i c h t . — Facsimiles of Ancient Charters in the British Museum. L o n d o n 1873—1878. Her.

l i c h e r K a p i t a l e a m A n f a n g g e s c h m ü c k t ist. § 9.

ags. S c h r i f t . — Catalogue of Ancient Manuscripts in the British Museum. L o n d o n 1884. H e r . v .

im

Auch

eine n e u e F o r m d e s a, d a s i m 10. J h . b i s h e r

T h o m p s o n u. W a r n e r . K e l l e r Angelsächs. Palaeogr.

zumeist spitzig und dreieckig

u n t e r 2). — S k e a t Twelve

wurde,

ist

durch

beeinflußt:

die einen

die

ziemlich

wird

an

oben

links

übergreifenden

geschrieben

fremde

Schleife

leicht

Balken

Formen

punktierte

sterben

um

of Engl. Handwriting

960 a u s :

das Ab-

strich a m E n d e des Bogens, das .F-förmige y.

Das p

w i r d n a c h 960 n i c h t m e h r

Inlaut geschrieben.

im

D a b e i ist d e r N o r d e n

i m m e r u m ein p a a r J a h r z e h n t e h i n t e r d e m Süden zurück. ist

dann

F ü r das 11. Jh. bezeichnend

das

Verschwinden

des hohen

der K u r s i v e

und die A l l e i n h e r r s c h a f t

punktierten

y.

Man

schreibt

in

e

T h o m p s o n

des

mehr

scharf spitz

abgeschnittenen, abschließenden

aber

werden

aber

nach

die

Keller

lang

a u s g e z o g e n in d e r e r s t e n H ä l f t e d e s 1 1 . J h s . , langen f

auffällt.

Der

es p i s t w e i t n a c h o b e n v e r l ä n g e r t . T a f . 5, N r . 8 u n d T a f . 6, N r . 9. 10. werden

diese

Längsbalken

immer

Balken

Über

die

Accente

Vgl. Später

G e d r u n g e n e s g i b t . V g l . T a f e l 6, N r . 1 1 . 1 2 .

in

den

ags.

Hss.

B o n n 1908 ( e r -

Wolfgang Keller.

mehr

auffallend



schien. 1910), das eine merkliche V e r t i e f u n g der Dissertation desselben Verf. über die Akzente in den ags. Hss.t Bonn 1907, e n t h ä l t .

AngO. A. A r c h ä o l o g i s c h e s .

v e r k ü r z t , w a s der Schrift gegen das E n d e des Jahrhunderts und später etwas

Pa-

d. Geschichtswissenschaft.

suchung d. Sprache des Laceboc,

w a s besonders b e i m p und dem j e t z t sehr häufigen

Hist,

Transact,

Prager Deutsche Studien H e f t 8, P r a g 190g, und über dieselbe Frage in wesentlich demselben Sinne L o r e n z Schmidt Lautl. Unter-

gebrochen.

Hoch- und Tiefstriche werden meist

Thompson

A. D. 700—1400.

Einzelfragen b e a n t w o r t e n T r a u b e s Aufsätze besonders Perrona Scotorum, Münchener A k a d . ;

ausgeführt,

1050 g e r n e

of Old

Handbook of Greek and Latin

in M e i s t e r s Grundriß

nicht

Strichen;

R u n d u n g e n sind zunächst gut

Facsimiles

Oxford 1892. 3 ags. T a f e l n .

leography. 3 London 1906. — Eingehender als sonst ist sie auch dargestellt von B r e t h 0 1 z

dieser

Zeit g e w ö h n l i c h sehr korrekt m i t geraden, oft

61 Tafeln. — 13 Tafeln. (S.

of theBibliograph. Soc.V. L0nd0ni90i — W o l f g . K e l l e r Angelsächs. Palaeographie. Die Schrift der Angelsachsen m i t besonderer R ü c k s i c h t auf die D e n k m ä l e r in der Volkssprache. ( P a l a e s t r a 43.) Teil 1: E i n l e i t u n g ; Teil 2: 13 Tafeln m i t T e x t . — Wichtig ist a u c h der begleitende T e x t zu den Facsimiles der Palseographical Society. Dazu k o m m e n d a n n die betreffenden A b s c h n i t t e in den u n t e r „ D e u t s c h e S c h r i f t " g e n a n n t e n A r beiten über die lateinische Paläographie. Am ausführlichsten b e h a n d e l t die ags. S c h r i f t

Mehrere

t, d a s p m i t d e m k u r z e n

Manuscripts.

2. D a r s t e l l u n g e n :

nach

angehängt,

v g l . T a f . 5, N r . 8 u n d T a f . 6, N r . 9. alte

Engl.

Technik

runde

ganz

0.

Pictoria.

don 1 8 7 3 — 4 6 5 Tafeln. Die b e d e u t e n d s t e Sammlung. Sie wird fortgesetzt durch The New Palceographical Society. Oxford University Press, die seit 1903 vortreffliche Tafeln veröffent-

d a s s c h ö n s t e ist d a s B e n e d i c t i o n a l e d e s s e l b e n Gold

J.

Sacra

n e n . — The Palceographical Society. Facsimiles of Manuscripts and Inscriptions. 2 Serien. L o n -

Eadgars

Abbingdon,

Palceographia

Eine vornehmlich 5.

bis

8.

Jahrh.

bei

den F r a n k e n

gebräuchliche

§1. vom

eiserne

I04

ANGO

W u r f l a n z e ist der ango, in den ahd. Glossen mit 'aculeus' oder 'spiculum' übersetzt;

starken, mit zwei (seltener drei oder vier) Widerhaken versehenen Spitze endet und unten in eine offene, bisweilen in mehrere Streifen gespaltene, stets sehr tiefe Tülle verläuft, in welcher ein kurzer durch Eisenringe festgehaltener Holzschaft steckt. Die durchschnittliche Länge des Eisenteiles beträgt etwas über einen Meter. § 2. Die Frage nach der Herkunft dieses eigenartigen Wurfspeertypus ist ungelöst. Der A b l e i t u n g aus dem römischen pilum steht sein spätes Auftreten und das Fehlen v o n Zwischenstufen entgegen. Wie es scheint, ist er am Rhein, auf fränkischem Boden, wo er in den (meist reicher ausgestatteten) Gräbern am häufigsten vorkommt, entstanden. Über seine Verwendung bei den Franken berichtet ausführlich Agathias II 5 (vgl. auch Walthari 983 ff.). V o n den Franken scheinen ihn dann die benachbarten germ. Stämme übernommen zu haben. In den gleichzeitigen Funden Dänemarks und Skandinaviens fehlt er. Daß eine nahe verwandte W a f f e den Nordgermanen aber nicht fremd war, lehrt die Darstellung auf einer Zierplatte des Wendelhelmes (etwa 600 n. Chr.; vgl. Montelius, Kulturgesch. A b b . 368) und die Schilderung von Thorulfs Lanze in der Eigilsaga (Bartholini, Antiquitates Danicae X I 8), ,,deren Eisen zwei Ellen lang war und in eine gegen oben vierschneidige, gegen unten breitere Spitze endigte, und zwischen Spitze und Schaft lang und stark w a r ; der Schaft war nicht länger, als daß er ihn mit der Hand erreichen konnte. Eisern w a r die Speerstange und der S c h a f t überall in Eisen g e f a ß t " . In der fränkischen Bewaffnung der Karolingerzeit k o m m t der A n g o noch vor und verschwindet dann am Ende des I. Jahrtausends. L i n d e n s c h m i t

Altertümer

I I I 6 Beilage. Max Ebert.

A b b . 14.

Ango.

N a c h Lindenschmit D A . F i g . 75. 76.

ae. onga). Sie besteht aus einem langen dünnen sehr biegsamen Eisenschaft, der oben sich verjüngend in einer kurzen

B. S p r a c h l i c h e s . § 3. Germ. *angan-: anord. angi, ags. onga, ahd. ango swm. bedeutet 'Haken, Widerhaken', das ags. W o r t auch 'Pfeil' (mit Widerhaken); es gehört zu nhd. angel und ist mit griech. o-fxo? 'Widerhaken', lat. uncus 'gekrümmt, Haken' usw. urverwandt. V o n der Grundbed. 'Widerhaken* ausgehend, hat das W o r t im Westgerm, mehrfach die B e d e u t u n g

ANGRBOB A—ANKER •"Pfeil oder Wurfspeer mit Widerhaken' angenommen; so Beow. 1438, wo das Wasserungetüm, das mit dem Pfeil (herestrtzl, of ßanbogan) erlegt ist, „mittels Eberspieße, die mit Widerhaken versehen sind" (eoforspreotum heorohocyhtum), ans Ufer gezogen wird. Im Fränkischen h a t der Ausdruck dann eine weitere Begriffsverengung erfahren, indem er hier speziell einen W u r f speer mit Widerhaken und langem, dünnen, biegsamen Eisenschaft im Sinne der obigen Beschreibung (§ 1) bezeichnete. Johannes Hoops.

Angrbo&a begegnet nur in den ganz jungen H y n d l u j ö 9 als Mutter des Fenriswolfes, den Loki mit ihr erzeugt haben soll. Nach der S n E . gehört sie zum Geschlecht der Riesen. E. Mogk.

Angriffswaffen s. unter: Ango, Armbrust, Bogen, Dolch, Dolchstab, Flamberg, Framea, Francisca, Ger, Geschütze, Keule, Köcher, Lanze, Morgenstern, Pfeil, Pfeilspitzen, Säbel, Sachs, Schleuder, Schwert, Skramasax, Semispatha, Spatha, Speer, Spieß, Streitaxt, Streithammer, Tartsche, Wurfgeschütz, Wurfkeule, Wurfspieß. Angrivarii, ein germ. Volksstamm zwischen Chauken und Cheruskern, von letzteren nach Tacitus A n n . 2, 19 durch einen Grenzwall (am Steinhuder Meer?) geschieden. Dazu stimmt der A n s a t z der 'Ayrpioyrfptoi bei Ptol. II II, 9. Im Gegensatz zu ihren Nordnachbaren, den Chauken, stehen die A . während der Feldzüge des Germanicus anfangs auf Seite der Cherusker, sollen sich aber später den Römern unterworfen haben. Nach Tacitus Germ.. 33 haben sie unter T r a j a n einen Teil des Bruktererlandes besetzt, worauf B r e m e r Ethn. 135 (869) den westfäl. Gaunamen Angeron zurückführt. Dieser nach Westen verzogene Teil des Stammes ist gemeint mit den Angrivarii, die das Provinzverzeichnis des Cod. Veron. X I I I 13 (Seek Not. dign. 251) nennt unter den barbarae gentes quae pullulaverunt sub imperatoribus; auch die in der Not. dign. Or. V 59 genanntenAnglevarii sind für solche A . zu nehmen. Doch ist Tacitus mindestens im Irrtum, wenn er das ganze V o l k übersiedeln läßt. Denn an der Weser lebt der Name fort in dem der Angrarii Angarii,

Engern, eines Teils der Sachsen. Übrigens stehen auch diese nicht mehr ganz auf ihrem alten Heimatboden, sondern sind — im Zusammenhang mit dem Vorrücken ihrer ganzen Umgebung — auf altcheruskisches Gebiet vorgeschoben. Gerade dies zeigt aber, daß B r e m e r s Annahme bloß territorialer, nicht ethnographischer Identität der Angrivarii und Engern unberechtigt ist. Der Name Angrivarii bedeutet 'Bewohner des Angerlandes', hängt aber nicht unmittelbar mit Anger, germ. *angra-, sondern einer Kollektivbildung *angria- zusammen. Ferner liegt es, an einen Namen nach A r t v o n Baioarii zu denken, also an 'Besitzer des Landes der Angrii oder Angriones (die ihrerseits Angerbewohner wären)'. Das jüngere Angarii zeigt dissimilatorischen Ausfall des einen r, und eine Dissimilationserscheinung liegt auch in Anglevarii vor, das wie ital. pelegrino aus peregrinus oder deutsch Eimenreich (Familienname) aus Ermenrich zu beurteilen ist. Z e u ß 108. 38S ff. B r e m e r Ethn. 134 £. M ü l l e n h o f f DA. 4, 423 f. 544 ff. R. Much.

Anker. § 1. Das älteste Werkzeug, ein Schiff am Meeresgrund zu befestigen, war ein versenkter schwerer S t e i n . Lag das Schiff am Ufer, so geschah dies wohl meist in der v o n Homer geschilderten Weise, daß nämlich von dem dem Gestade zugewandten Heck des Schiffes ein Landtau ans Ufer ging, während v o m Buge der Stein ins Meer hinabgesenkt ward. Solche Steine waren auch in altgerm. Zeit in Gebrauch, wie dies nicht nur die ahd. Bezeichnung senchil, senchilstein, sinchala, sondern auch Funde erweisen. Ein Beispiel der einfachsten Form solcher Ankersteine gewährt ein Stück im Museum zu Stade (Abb. 15): es ist dies ein runder grauer Feuerstein von der Form eines Topfkuchens, Durchmesser 23—28 cm, Dicke 12 cm, Gewicht 12,3 kg. V o n einer flachen Seite zur anderen geht, nicht genau in der Mitte, ein zylindrisches Loch v o n 4,8 cm Durchmesser zum Durchziehen eines Taues. Ähnliche Steine aus Gneis, Glimmerschiefer oder Feuerstein (diese mit einem natürlichen Loch, also vielleicht Petrefakten) waren bis in die Gegenwart auf

io6

ANKER

R ü g e n ( S a ß n i t z ) in G e b r a u c h , h a b e n sich a u c h in M e c k l e n b u r g g e f u n d e n .

A b b . 15.

den M e e r e s g r u n d w i r k e n sollen. E i n e an der d e u t s c h e n O s t s e e k ü s t e viel v e r b r e i t e t e A r t dieser H o l z - S t e i n a n k e r (in B i n z u n d M ö n c h g u t auf R ü g e n , H i n t e r p o m m e r n , A l s e n A b b . 16) setzt sich z u s a m m e n a u s einem H o l z k r e u z m i t z u g e s p i t z t e n A r m e n , auf d a s ein länglicher Stein bis z u 50 k g G e w i c h t a u f g e s e t z t i s t ;

R u n d e r Ankerstein in der Stader Altertumssammlung.

Eine etwas entwickeltere Form § 2. stellen S t e i n e dar, die d u r c h V e r b i n d u n g

Abb.

Abb.

16. H o l z - S t e i n - A n k e r aus dem A l s e n s u n d e . (Im Museum für M e e r e s k u n d e , Berlin.)

17.

A n k e r des O s e b e r g e r in Christiania.

Wikingerschifts

v i e r in die K r e u z a r m e eingelassene, a u f w ä r t s g e r i c h t e t e S t r e b e n aus b i e g s a m e m H o l z u m g e b e n den Stein, w e r d e n über i h m z u s a m m e n g e d r e h t u n d h a l t e n ihn so f e s t . A b b . ( E t w a s einfachere Holz-Steinanker z. B . i n O s t p r e u ß e n und Insel A r a n , Irland.)

§ 3. D e r e i g e n t l i c h e e i s e r n e A n k e r m i t h ö l z e r n e n H a k e n ähnlich w i e w i r k g e h ö r t zu den w e n i g e n n a u t i s c h e n D i n g e n , liche A n k e r , also n i c h t nur d u r c h ihre die v o n den G e r m a n e n a u s d e m r ö m i s c h e n S c h w e r e , sondern d u r c h E i n b o h r e n in | S e e w e s e n ü b e r n o m m e n w u r d e n , w i e der

ANKLAGE Name beweist: an. akkeri, ae. ancor, ancra, ahd. anchar, ancher aus lat. ancora, gr. afxupa. Das Wort begegnet zuerst im Beowulfliede (um 700 n. Chr.), doch muß die Entlehnung des Werkzeuges bereits in den ersten Jahrhunderten n. Chr. stattgefunden haben, da ein eiserner Anker der heute bekannten Form schon beim Nydamer Boot (um 300 n. Chr.) gefunden worden sein soll. Der erste wohlerhaltene Anker hat sich beim Oseberger Wikingerschiff (etwa 800 n. Chr.) vorgefunden (Abb. 17). Er ist aus Schmiedeeisen, im Schaft 102 cm lang und gleicht im allgemeinen den heutigen sog. Admiralitätsankern. Auffällig ist nur der sehr stumpfe Winkel, den die Ankerarme und -schaufeln mit dem Schaft bilden, sowie das Vorhandensein eines zweiten Ringes (außer dem gewöhnlichen Ankerring am Schaftende) im Ankerkreuz, an der Ansatzstelle der Arme. Möglicherweise diente dieser bei dem Fehlen eines Ankerstockes dazu, mittels eines Taues die Ankerarme senkrecht zum Meeresboden zu stellen, wie es zum Eingraben erforderlich ist. Ein zu dem Anker passender hölzerner Ankerstock (an. akkeris-stokkr) wurde nämlich in Oseberg nicht gefunden, dagegen ein anderer, der zu einem Anker von weit bedeutenderer Größe zu gehören scheint. Ebenso deutet die Länge (2,70m) des bei dem Gokstad-Fund (etwa 900 n. Chr.) erhaltenen Ankerstocks auf einen weit größeren Anker, da man wenigstens gegenwärtig in der Regel die Länge des Ankerstocks der des Ankerschaftes gleichsetzt. Die eisernen Teile des Gokstad - Ankers waren fast ganz verrostet, dagegen haben sich Reste des aus Basttau bestehenden Ankerkabels (an. akkeris-strengr, akkerisjestr, ae. ancor-räp) erhalten. Ähnliche Anker waren seitdem zweifellos allgemein gebräuchlich, was natürlich nicht ausschließt, daß für kleine Fahrzeuge die billigen Senkelsteine nach wie vor Verwendung fanden.

107

außerdem ein Landtau (an. landjestr, ae. bcSting, mäirels) um die Poller (an. kylfa) auf der Reling geschlungen, ans Ufer genommen und dort befestigt sowie eine Landebrücke (an. bryggja, ae. sciphl(2der, bolca) ausgelegt, die beim Gokstadschiff aus einer 7,40 m langen und 0,26 m breiten Fichtenplanke mit aufgenagelten Querhölzern bestand. Des Nachts pflegte sie von einem Posten bewacht zu werden. Beim Ankerlichten (an. heimta upp akkeri) wurde das Ankerkabel um ein dicht vor dem Mast stehendes Bratspill (an. vindäss), eine wagerechte Winde, gelegt und durch Drehung desselben mit Handspaken (an. vindässpika) aufgewunden. Große Schiffe führten mehrere Anker, Mitte des 13. Jahrhs. werden bis zu sieben auf einem Schiff erwähnt. W e i ß Arch. d. Ver. f. Gesch. u. Altert, d. Hzgtrner Bremen u. Verden 7, 167. Lisch J a h r b . d . Ver. £.Mecklenb. Gesch. 38, 1 0 1 . H a a s Blatt, f. Pomm. Volkskunde 6, 23. V i r c h o w Verh. d. Berl. Ges. f. Anthrop. 18, 615. — S. a. unter S c h i f f . W. Vogel.

Anklage. A. S ü d e n . §1. Die unbedingte Herrschaft der Verhandlungsmaxime brachte es mit sich, daß ein gerichtliches Verfahren nicht anders in die Wege geleitet werden konnte, als daß die in ihrem Recht verletzte Partei Klage erhob (s. Gerichtsverfahren). Eine von Amts wegen erhobene Klage gab es von Haus aus grundsätzlich nicht. Nur in den Fällen der handhaften Tat konnte der öffentliche Beamte von jeher selbständig einschreiten, wie auch in solchen Fällen eine Verhaftung des Ergriffenen vorgenommen werden konnte (s. handhafte Tat). Auch durfte ausnahmsweise wegen gewisser Verbrechen eine Klage von Amts wegen in Form der Fiskalklage erhoben werden. Mit der Zeit aber mußte es als eine Lücke empfunden werden, daß der Staat, dem man in steigendem Maße die Aufgabe zuschrieb, von sich aus für die Bestrafung der Missetaten Sorge zu tragen, § 4. Der Hauptanker hatte seinen j regelmäßig die Erhebung einer Privatklage gewöhnlichen Platz am B u g und wurde | abwarten mußte, um gegen den RechtsDa ein von dort über die Reling (also ohne Klüsen) i bruch einschreiten zu können. Offizialverfahren auf bloßen Verdacht hin ausgeworfen (an. leggjask um akkeri). Lag durch die Struktur des alten Rechtsganges man an der Küste oder im Hafen vor ausgeschlossen war, wurde jene Lücke Anker (an. liggja um akkeri), so wurde

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A N S E G I S V O N S.

WANDRILLE—ANSGAR

durch die Einführung des Rügeverf a h r e n s (s. d.) ausgefüllt. Biunner

DRG. 2, 488

ff.

R. Hübner.

B . N o r d e n . § 2. Den Begriff einer von der zivilrechtlichen Klage verschiedenen öffentlich-rechtlichen Anklage kennt das anord. Recht nicht. Die Klage in Kriminalsachen zeigt grundsätzlich denselben Charakter wie die Zivilklage. Auch für sie galt der Grundsatz „Ohne Kläger kein Richter" („sakaraberi skal vera fyrir hverri sök"). Nur insofern der Konig an dem Strafgeld beteiligt war, erhob sein Vertreter (Konongs soknari) die Klage, aber erst subsidiär, wenn der Verletzte Auf Island halfen auch nicht klagte. Popularklagen aus. Ein Zwang zur Erhebung einer Anklage bestand rechtlich nicht. Der Angeklagte (verjandi) hatte deshalb auch grundsätzlich dieselbe Parteistellung wie der in Zivilsachen Beklagte, unterlag insbesondere zunächst keiner Freiheitsberaubung. Nur in schweren Fällen kann der Kläger den auf handhafter T a t Ergriffenen festnehmen und selbst behalten oder der Behörde überliefern zur vorläufigen Verwahrung. Grundgedanke ist, daß sich der Täter durch die notorische T a t aus dem Frieden setzt. Darum muß er, will er auf dem Thing verhandeln, um Frieden bitten, das Thing zu betreten (Gulaf). 156, 160; Frostuf). IV 30). S. Handhafte Tat. § 3. Auf einem anderen Gesichtspunkt beruht die Freiheitsberaubung des Angeklagten, der keine Sicherheit für sein Erscheinen leistet. S. Ladung. § 4. In späterer Zeit wird das Recht, Angeklagte in H a f t zu nehmen, ausgedehnt, so in Schweden für das Königsgericht (vgl. Ostgötalag EJ>s. 17, 25). Auf deutschen Einfluß zurück führt die Arrestierung des losen Mannes oder Gastes

von K a r l d. Gr. mehrere Klöster erhalten, dann von Ludwig 817 die Abtei Luxeuil und 823 S. Wandrille. Im Königsdienst oft als Missus beschäftigt, verfügte er über eine besondre Kenntnis des höfischen Geschäftsbetriebes. Bezeichnend für die geringe Sorgfalt, die man am Hofe der eignen Verwaltungstätigkeit entgegenbrachte, ist daher die Sammlung der Kapitularien, die A. i. J. 827 anlegte: von den 150 Kapitularien der neuesten Ausgabe waren dem geschäftskundigen A b t 827 nur 29 bekannt; die Kenntnis von 7 hat er allein uns vermittelt. In 4 Büchern werden die geistlichen Kapitularien Karls und Ludwigs, sodann die weltlichen der beiden Monarchen geboten; 3 Anhänge sind hinzugefügt. Die Sammlung erlangte große Verbreitung, sie wurde schon 829 offiziell am Kaiserhof benutzt. Ansegis starb am 20. Juli 833. Ausgabe:

Vgl. B r u n n e r

MG. Capit. I 382—450 (1883).

DRG. 1», 552. G. Seeliger.

Ansgar, erster Missionar des Nordens und Erzbischof von Hamburg. § I. Uber sein Leben sind wir durch die schlichte Biographie aus der Feder seines Amtsnachfolgers Rimbert (s. Geschichtschreibung) zuverlässig unterrichtet; die ältesten Urkunden Hamburg-Bremens, neu untersucht von C u r s c h m a n n , stellen die Hauptdaten fest. § 2. Wahrscheinlich geboren 801, erzogen im Kloster Corbie bei Amiens, vielleicht aus einer der sächsischen Kolonistenfamilien in Flandern, wurde er schon etwa 823 nach der Tochterstiftung Corbies Neu - Corvey an der Weser gesandt, wo er die Schule leitete. § 3. Daß er 826 zur Begleitung des in Mainz getauften Dänenkönigs Harald ausersehen und Ludwig dem Fr. empfohlen (byscetning). wurde, verdankte er Wala, dem A b t v o n B r a n d t Forel. II 336 ff. 350 f.; N o r d Corbie und Gründer von Corvey, Ludwigs s t r ö m II 425fr. 477 ff.; M a t z e n Bevis- J Verwandten und bedeutendstem Staatsreglerne i den celdste danske Proces 3 ff.; Forel. mann, der die Verhältnisse an der NordII 22 ff.; v. A m i r a NOR. I 164 ff. II 183 ff. grenze kannte, da er 811 hier als KönigsAllnorw. Vollstreckgsverf. 147 ff. 301 ff.; Recht bote tätig gewesen war, übrigens selbst 212; M a u r e r Vorl. I 2, 186 ff. V 136 ff. von einer sächsischen Mutter stammte. K . Lehmann. Wie sehr A . sich hier trotz anfänglicher Mißerfolge seit 831 in seiner neuen selbAnsegis von S. Wandrille, der Abstamständigen Stellung in Hamburg bewährte, mung nach ein edler Franke, hatte schon

ANSTECKUNG—ANSTIFTUNG ist in der Bekehrungsgeschichte (s. d.) des Nordens verzeichnet, an deren Eingang er trotz aller späteren Übertreibung als der Bahnbrecher stehen bleibt. D a ß er erst 858 oder 864 den T i t e l Erzbischof angenommen habe, ist (von R e u t e r ) nicht erwiesen. Als er am 3. Februar 865 die A u g e n schloß, waren in Dänemark und Schweden Anfänge gemacht, an die Spätere anknüpfen konnten. § 4. Zur Nachfolge anspornend wirkte vor allem das ehrwürdige, durch seinen Schüler festgehaltene Charakterbild des Mannes, der trotz seiner hohen Stellung die persönliche selbstverleugnende Weise des Mönchsmissionars beibehielt und dem trotz aller Wundersucht das Ideal reiner sittlicher Güte (vita c. 41) das höchste blieb. Die historische Größe seines Charakters aber zeigt sich am deutlichsten darin, daß er, als alles verloren schien und man auch v o n Reichs wegen Hamburgs Position aufgeben wollte, an seiner A u f g a b e festhielt. § 5. A l s Schriftsteller h a t er sich nur betätigt, indem er die minderwertigen Miracula Willehadi abfaßte; die vita Willehadi, die man bis D e h i o ihm zuschrieb, gehört ihm nicht an. D eh io

Gesch.

d.

EB.

Hamburg-Bremen

I 36—91, 1877. H a u c k KG. De.'s II» 668—686 1900. v. S c h u b e r t Ansgar u. die Anf. der schl.-holst.

KG.

1901.

KG. I 34—46, 1907.

D e r s.

Schlesw.-Holst.

Curschmann

Die

älteren Papsturkunden des EB. Hamburg, 1909. R e u t e r Ebbo v. Rheims u. Ansgar, Hist. Z.

1910, 237 ff. H. v. Schubert. Ansteckung, im Sinne von Krankheitsübertragung (Kontagion), w a r sicher eine dem alten Germanen unbekannte Vorstellung. Seine Krankheitsauffassung, die in derselben das W i r k e n böser persönlicher Gewalten sah, w a r einer solchen Erkenntnis mindestens ebenso hinderlich, wie die Säftelehre den Ärzten der klassischen A n t i k e die A u g e n verschloß für die Erfahrung jeden Tages. T r o t z d e m leuchtet aus den Pestberichten des Thukydides das Dämmern der Erkenntnis, daß der Mensch bei ansteckenden Krankheiten dem Menschen zur Erkrankungsquelle werde. Die Lepra (s. Aussatz) und was unter ihrem Namen ging, öffnete v o n Osten her

: ;

j i

109

der Menschheit die Augen. Sie wurde die Veranlassung zur Ausbildung des Begriffes und des Terminus ittatp^ (s. Z f R G . 1910, 406 ff.) bei dem späteren alexandrinischen Griechentum (wenn auch nicht bei den Ärzten), sie führte zu dem Ergebnis der Absonderung der E r k r a n k t e n zur Bewahrung der noch Gesunden vor dem Krankwerden, die bei den Germanen des Südens im 9. Jahrh. völlig durchgeführt war, wie die „ H o r n g e b r ü d e r " (s. Aussatz) dartun, aber mindestens seit der Synode v o n Orleans (549) erstrebt wurde (s. Aussatzhäuser) — ein Vorgehen, das ohne eine Vorstellung v o n der „ A n s t e c k u n g " undenkbar ist. Und so finden wir denn als Beleg hierfür im Norden, wohin der Aussatz Jahrhunderte später gelangte, die Motivierung für die Entfernung eines leprös gewordenen Geistlichen v o n seinem A m t e , „ d a ß auch andere durch ihn erkranken könnten". Die Vorstellung eines K r a n k heitsmiasmas mag in dem „ S c h e l m e n ' ' der Pest im 14. Jahrh. stecken, bestimmter im „ P e s t g i f t " und deutlicher noch in dem „fliegenden G i f t e " (fleogendum atre) der „schnell aufschießenden P u s t e l n " {f mhd. Etzel, ae. Ella (Liber Vitae), aber die Form jEtla im Wids. und Waldere fordert die Zwischenstufe nd. *Atlo, die sich auch in nord. Atli fortsetzt (J>s. hat buchmäßig Attila). Nur durch die got.-obd. Sage sind bew a h r t : A.s Bruder B 1 e d a umgebildet zu ae. Blädla (Liber Vitae), mhd. Blcedel{in); A.s Gemahlin Kpsxa als edd. Herkia, |>s. Erka, mhd. Herche, Helche. Nur die fränkische Sage nahm die letzte Gemahlin, H i l d i k o > Grimhild, auf. Unabhängig voneinander kennen die älteste Burgundensage (Edda) und die Dietrichsage zwei Söhnchen A.s, die, unter ganz verschiedenen Umständen, g e t ö t e t werden, und von denen der eine übereinstimmend Erpr, hd. Erphe (Biterolf) heißt. Dieser Name, 'der Braune', ist vielleicht eine Umbildung von E r n a c (so heißt A.s Lieblingssohn, sein Jüngster, oder E 11 a c (so heißt der älteste Sohn) der a. 454 fiel). Ellacs Fall kann sich in dem Tod der Etzelsöhne durch Witege spiegeln (s. Dietrich von Bern § 5). Dagegen die Ermordung der zwei K n a b e n

durch ihre Mutter Grimhild ist gewiß freie Dichterschöpfung, die nur den Namen Erp aufgriff und die allgemeine Tatsache, daß man bald nach A.s Ende von dem Tode seines Altesten hörte. Die Zweizahl der Kinder kann beidemal spontan, nach einem 'epischen Gesetze', eingeführt worden sein. Es ist nicht ratsam, für diesen einzelnen P u n k t Abhängigkeit der fränk. Burgundensage (in ihrer älteren, nordischen Fassung) von der gotisch-obd. Dietrichsage anzustrengen. (Falls der Erp der Svanhildsage, s. Ermenrich § 3, ebenfalls auf Ellac zurückginge, hätte man da eine dritte Variante.) Die Namen, die außer E r p für die Knaben erscheinen (Akv. Eitill, D F L Orte, Scharpje, N L . Ortlieb, f>s. Aldrian), haben kein geschichtliches Gegenbild. Dasselbe gilt v o n : edd. Budli, mhd. Botelunc (vgl. ae. Wals: anord. Vglsungr), dem Vaternamen, der gleichfalls in die fränk. u n d die got.-obd. Tradition einzog; und dann von den drei ös-namcn, die in nd. Dichtung an A. antraten: Osertch (J>s. Osanctrix), der Wilzenkönig, A.s Schwäher; öspirin, A.s Frau; ösid, nach der J>s. A.s V a t e r und Neffe. Oserich begegnet auch im Biterolf 1962 und inbair. Urk. 12. Jahrh., Ospirin nur im Waltharius: wie dieser Name in Eckehards obd. Überlieferung geriet, ist ein Rätsel. Die Zusammengehörigkeit und der nd. Ursprung der drei Namen sind sicher; 6s- wäre hd. uos-. Sie ersetzten die älteren Namen Helche und Botel(unc). §3. Mit dieser nd. Neuerung ging vielleicht zusammen die Lokalisierung des Hunnenreiches in Niedersachsen, der Residenz A.s in Soest. Die besonderen Gründe des Vorgangs sind nicht befriedigend aufgeklärt. Die deutliche Fixierung Attilas (bei Eckehard) und des mhd. Etzel in Ungarn (Etzelenburc = Ofen) ist gelehrte Auffrischung im Hinblick auf die A v a r e n und Ungern, die man für Nachkommen der Hunnen hielt. Die ursprüngliche Burgundensage legte den feindlichen Hof sicher nicht in das ferne L a n d ; ob etwa die älteste Dietrichsage pannonische Ortsnamen festhielt, ist nicht zu entscheiden (vgl. Hild. 18 östar und entsprechend 43 westar). § 4. Als im 8. Jahrh. die Burgundensage in die Donaulande kam, stießen die zwei

ATTILAPALAST—AUFGEBOT entgegengesetzten A.-traditionen, die westliche und die östliche, aufeinander. Den Sieg behielt die einheimische, östliche: dies führte zur Umdichtung der Bruderrache in die Gattenrache. Außerdem erhielt die Sage neue Elemente aus der got.-obd. Dietrichdichtung, v. a. Dietrich selbst. Dessen 30 Verbannungsjahre bekamen durch seine Einflechtung in den Burgundenfall einen neuen Inhalt, der doch an dem Verlaufe der Exilsage nichts änderte. So wurde A . das Bindeglied zwischen den rheinischen Helden und den Amelungen. Die beiden Gemahlinnen, die östliche Helche und die westliche Grimhild, brachte man in zeitlichem Nacheinander an; daß jene im dritten Gudrunliede als A.s Kebse neben (Grimhild-) Gudrun agiert, kommt lediglich auf die Rechnung des Nordländers. — Die spätere Anschwellung der Dietrich- und der Burgundensage hat auch das Personal um A . vermehrt. Sein Markgraf Rüedeger wurde für die Dietrichsage gedichtet, seineStellung zu Dietrich und zu A . ist gleichalt (vgl. Amelunge). § 5- Eine 'Attilasage' im eig. Sinne, d. h. eine Dichtung, die um A . als Mittelpunkt geschaffen wurde, kennen wir einzig in den Erzählungen der |>s.: sie sind nicht über das 12. Jahrh. zurückzudatieren. Bei der großen Brautwerbungsnovelle c. 42—56, die einerseits den Wilzen Oserich als Gegenspieler, anderseits den Österreicher Rüedeger (bzw. 'Ro^olf von Bakalar') verwendet, kann man zwischen hd. und nd. Ursprung schwanken. Sicher nd. sind A.s Kriege mit Wilzen und Russen c. 132 ff. 2 9 1 — 3 1 5 (in hd. Dichtung einzelne Ableger) : eine eigentümlich realistische, chronikenhafte, scheinhistorische Dichtung, die an die Slavenkriege der Kaiser im 10. und II. Jahrh. k n ü p f t und A., den in Westfalen lokalisierten, zum Vertreter der Sachsen macht. Die günstige Zeichnung A.s f u ß t auf der obd. Dichtung; und so steht denn auch Dietrich, sein Schützling, neben ihm. Er und seine Helden vollbringen die großen Taten. Zur persönlichen Streitbarkeit hat es die Gottesgeißel auch in dieser ihrer späten Stammsage nicht recht gebracht. G. S t o r m Aarb. 1877, 341

ff.

Müllen-

139

h o f f DA. 5, 397 f. B u r g ZfdA. 45, 128 ff. M a t t h a e i ebd. 46, 1 ff. B 1 e y e r P B B e i t r . 31, 429 ff. — Weiteres u. Burgundensage, Dietrich von Bern. A. Heusler.

Attilapalast. Großartiges Holzbauwerk, das sich A t t i l a in der Theißniederung, sicher von einem Germanen (Mösogoten), errichten ließ. Die Gesandtschaft, die Theodosius II. unter Führung des Priscus dorthin sandte, hat eine ausführliche Beschreibung hinterlassen. A u s dieser geht hervor, daß das Ganze eine nur aus Holz errichtete Anlage war, innerhalb einer hölzernen mit Türmen besetzten Umfriedigung. Ein innerer Bezirk nahm den höchsten P u n k t in der Mitte des großen Dorfes ein, ebenfalls mit Holzumfriedigung und Türmen befestigt. Inmitten davon des Königs Palast, die Regia, nach germanischer A r t quer gestellt; dem Eingang gegenüber des Königs Hochsitz, ringsum Bänke. Hinter dem Thron verhüllt des Königs Bett. Gerühmt werden die schön geglätteten Balken und die geschnitzten und zierlich zusammengefügten Bretter. Stephan i Literatur.

Wohnbau

I

173 ff.; dort

die

A. Haupt.

Attunger, ein schwedisches F l ä c h e n m a ß , in latein. Urkunden durch 'Octonarius' übersetzt, also der achte Teil einer Maßeinheit, die wahrscheinlich die hamna, der kleinste Heerbezirk, war. Auf eine beträchtliche Größe lassen die gesetzlichen Pachtzinse schließen, die von demselben gegeben werden, sowie die Unterteilung bis auf Zwölftel und darunter. Vgl. v. Amira NOR. I 436. Luschin v . Ebengreuth.

Auferstehung Christi. Selten nach heute üblicher A r t dargestellt, öfter symbolisiert in der Gestalt des Daniel in der Löwen grübe (s. d.) und des Jonas, der v o m W a l l fisch ausgespieen war, manchmal auch des Elias gen Himmel fahrend. A. Haupt. Aufgebot. § I. Das Aufbieten zum Heere konnte in germanischer Zeit durch Landgeschrei (feindio, wapewio) erfolgen. Doch geschah dies nur in dringenden Fällen, während in der Regel das A u f g e b o t in einem allgemein bekannten Beschluß der Landsgemeinde über die Kriegseröff-

140

AUGENARZT

n u n g e n t h a l t e n w a r , o d e r eine g e r e g e l t e V e r k ü n d u n g des A u f g e b o t s durch B o t e n u n d A u f s t e c k e n eines F e l d z e i c h e n s e r f o l g t e . D a s A u f g e b o t konnte nach Bedürfnis auf bestimmte Gebiete oder Bevölkerungsg r u p p e n b e s c h r ä n k t werden, richtete sich aber grundsätzlich an jeden W e h r f ä h i gen. In f r ä n k i s c h e r Z e i t g i n g d a s A u f g e b o t , der „ H e e r b a n n " ( b a n n i t i o in hostem) v o m K ö n i g aus, d e r es d u r c h seine B e a m t e n , in k a r o l i n g i s c h e r Z e i t d u r c h K ö n i g s b o t e n , o d e r d u r c h K ö n i g s b r i e f e v e r b r e i t e n ließ. E s e r g i n g z u n ä c h s t a n die H e r z ö g e u n d G r a f e n , d i e d a n n in i h r e m B e z i r k f ü r seine D u r c h f ü h r u n g zu sorgen hatten. Ein besonderes A u f g e b o t konnte aber auch durch einen vorangegangenen Beschluß einer allgemeinen Heeresversammlung überflüssig werden. W e r zu den W a f f e n gerufen nicht f o l g t e (ohne e c h t e N o t ) , h a t t e eine H e e r b a n n b u ß e zu zahlen, die unter den K a r o lingern v o n eigenen B e a m t e n , den B a u bannatons, eingetrieben wurde. A u s sachl i c h e n G r ü n d e n k o n n t e es s c h o n nach C h l o d w i g h i e r nie z u e i n e m a l l g e m e i n e n A u f g e b o t des g a n z e n R e i c h e s kommen. E s w a r der B e s t i m m u n g des K ö n i g s überl a s s e n , w i e v i e l e L e u t e u n d w e l c h e er a u f b i e t e n w o l l t e ; er w ä h l t e in a l t e r R e g e l d i e d e m bedrohten Reichsgebiet oder dem feindlichen Lande nächsten und auch dann n i c h t i m m e r alle W e h r p f l i c h t i g e n , s o n d e r n o f t nur einen Teil, e t w a einen v o n j e d e m H o f , so d a ß d a n n der Sohn den V a t e r v e r treten konnte. — Gegen unmittelbare Feindesgefahr konnten auch Herzöge, Markgrafen und Grafen zur „ L a n d f o l g e " aufbieten. — Eine regelmäßige Zusammenk u n f t des Heeres w a r z u r Zeit der Merowinger das Märzfeld (campus Martius), seit 7 5 5 d a s M a i f e l d ( c a m p u s Malius), die insbesondere a u c h der W a f f e n s c h a u dienten.

zu zahlen hatten. N a c h d e m die H e e r e s last auf die G r u n d s t ü c k e gelegt w o r d e n w a r , r i c h t e t e s i c h d a s A u f g e b o t a n die Grundstückseigentümer. Das R e c h t des A u f g e b o t e s h a t t e d e r K ö n i g , bei e i n e m A n g r i f f a b e r e b e n s o gerefa u n d ealdorman.

S c h r ö d e r DRG 5 3 ff. 158 ff., B r u n n e r DRG. I I 203, 211 f. W a i t z DVG. 113 2, 207 ff. IV« 547 ff.

T a r a n g e r Udsigt I I 1, 305 f. S t e e n s t r u p Valdemars Jordebog 198 ff. J a r g e n s e n Foreltssninger 178 f. v. Schwerin.

§ 2.

Das A u f g e b o t zur Heerfahrt (fyrd,

w o v o n auch das aufgebotene Heer =

V i n o g r a d o f f Engl. Society in ihe eleventh Century 22 ff. S t u b b s Constit. History I6 208 ff. § 3. Im Norden w a r das A u f g e b o t ( a s c h w . hoerbup a n w . utbo&) in e r s t e r L i n i e Sache des K ö n i g s . In N o r w e g e n k o n n t e n a u c h J a r l u n d H e r z o g ein solches e r l a s s e n . Das A u f b i e t e n (aschw. adän. utbiußae) e r f o l g t e d u r c h V e r k ü n d u n g in V e r s a m m l u n g e n o d e r d u r c h B e a m t e , in N o r w e g e n d e n s y s l u m a 9 r (s. d.), d u r c h B o t e n o d e r durch Briefe. Im F a l l e des E i n f a l l s v o n F e i n d e n w u r d e in N o r w e g e n die B o t s c h a f t v o n H a u s zu H a u s und v o n Dorf zu Dorf g e t r a g e n d u r c h U m s e n d e n des „ H e e r p f e i l s " , o d e r , w i e a u c h in D ä n e m a r k , d u r c h A n z ü n d e n v o n hohen Holz- oder Reisig( W e i d e n - ) h a u f e n ( a n o r w . viti). D o c h ist zu b e a c h t e n , daß die skandinavischen K ö n i g e jedenfalls später nicht zu aller Heerfahrt aufbieten konnten. Es wurde u n t e r s c h i e d e n , o b es s i c h u m e i n e n A n griffs- oder einen V e r t e i d i g u n g s k r i e g h a n delte. S o k o n n t e s e l b s t der n o r w e g i s c h e K ö n i g d a s v o l l e A u f g e b o t (almenningr) n u r zur Landesverteidigung und nur bis zur Reichsgrenze (Götaelf) aufbieten; sonst m u ß t e er s i c h m i t d e m h a l b e n A u f g e b o t b e g n ü g e n . A u c h die D a u e r d e s A u f g e b o t e s w a r b e g r e n z t , in Norwegen auf zwei Monate jährlich. W e r nicht aufgeboten wurde, hatte aber durch Zahlung von Steuern beizutragen. Jährlich aufbieten k o n n t e der schwedische K ö n i g , und z w a r sollte das A u f g e b o t a m K y n d i l f i i n g erf o l g e n ; dabei b e s t i m m t e der K ö n i g , w i e lange das H e e r ausbleiben sollte.

fyrd)

A u g e n a r z t , der den S t a a r operiert, w i r d

r i c h t e t e s i c h bei d e n A n g e l s a c h s e n i m ä u ß e r -

n u r e i n m a l in d e n a l t e n d e u t s c h e n R e c h t s -

sten

quellen, in der L e x V i s i g o t h o r u m

Notfall

an

alle,

die

kämpfen fähig waren. beschränkte freien

es

Männer,

Aufgebots

eine

sich die

überhaupt

In d e r R e g e l auf bei

die

zu aber

wehrfähigen

Versäumung

Heerbannbuße

des

(fyrdwite)

(s. S t a a r s t i c h ) . schon ihre

früh

auch

Tätigkeit

Bonn,

D a ß römische auf

übten,

deutschen beweisen

Köln, Wiesbaden,

genannt

Augenärzte

Mainz,

Boden die

bei

Worms,

AUGENKRANKHEITEN—AUGUSTIN Frankenthal,

im Taunus

(Heddernheim),

in B a d e n

( F r o h n h o f b u c k bei

Rottweil,

Regensburg

denen

und

Riegel), Enns

Augenarztstempel.

heiten

Augenkrank-

Germanen keine Seltenheit. erst

gefun-

(s. d.) w a r e n f r e i l i c h b e i d e n

n u n g glasartzt im

bei

alten

Die

Bezeich-

für den A u g e n a r z t

begegnet

15. J a h r h .

starren,

keinem

sich

bewegenden

stande oder L i c h t mehr folgen. solche völlige E r b l i n d u n g ein a l t s ä c h s . A d j . daneben blind'.

afries.

Augenkrankheiten.

Bindehautentzün-

mhd.

ouga,

plenoukiu

plehinouki,

bezeichnet

äugige

des

Auges

damit

sezernierenden gemeint

(tränenden)

ist.

Wieviel

von

abnormer Weitsichtigkeit oder Kurzsichtigk e i t in d e n m h d . B e z e i c h n u n g e n

selten,

werden

scheint, w e n n nicht das Glanz- oder B l i n k -

nachsünig,

nicht

plehin-

zu

d u n g e n w a r e n in der r a u c h i g e n G e r m a n e n gewiß

ganz

glase-öuge,

meint den stieren B l i c k des G l a u k o m a t ö s e n ,

hütte

allenthalben

Heliand,

'völlig,

D a s a h d . glas-ougi,

eine

sich a u c h

im

blind

d e r a u c h als prehanougi,

M. H e y n e Hausaltert. III 177. K . B a a s Mittelalt. Hlkst. im Bodenseegebiet, Arch. f. Kulturg. IV (1906) 156. E. E s p e r a n d i e u C. Sudhoff. I. L. X I I I 3, 2.

findet

reginblind eile

GegenFür

walzend

höchsünig,

ougen,

daher häufig Triefäugigkeit e r w ä h n t : anord.

flitzeegig,

suregr,

eagan),

sehende,

auch

maczer-

usw. steckt, bedarf noch besonderer Unter-

augenroytig

sowie

a g s . sür-eaged

a h d . sürougi, augeht

augenrcetig,

augentrieffig, ist

augentropffig,

ougen, fluzougin,

houwisal,

howisil

ougsal;

zustand

sichtigen

Augenmitteln

ougesal,

(fleah,

fite,

flio, das

Flügelfell

auf

Auge

i 0ghna

dem altdän.

ruxstcens

Der

schiefe

auf:

ahd.

mit

ebenso

bedeutet

altnord.

skelgja

mit

skjöl-eygr seinem mhd. das

über, w ä h r e n d mit

bler,

(pler

augat).

völligen anord.

Blindheit blindr,

caecus caech hat

das

schilen,

(s.

starblind

Sinn

Sehen

auch

bezeichnet

wird

bis

got.

afries.

u.

lautlich

ags.

dem

Starablint,

J. Z a c h e r

IX daß

478) die

sichtigkeit'; während noch poc,

cesmal

die

ags.

eine R e i h e tyran,

wen

'contractio Lacnunga

pupillae'),

(11.

Jahrh.)

einzelner R e z e p t e und

mist

gegen

(Trübung)

ags. klin

der

A u g e n bringen. M. H e y n e Hausaltert. III 138—141. H ö f l e r Altgerman. Hlknde im Hdb. d. Gesch. der Med. I 478. C o c k a y n e Leechd. II 26—39. III 2 ff. L e o n h a r d i Bibl. d. ags. Prosa VI 9 ff. 121 ff. J. G e l d n e r Unters, zu altengl. Krankheitsnamen I (1906) 30 f.; II (1907) 4 f., 18 f.; III ( 1 9 0 8 ) 7 . 9 , 2 2 , 30 f., 43 f. H ö f l e r Krankheitsnamenbuch 19 ff., 54 f., 669 ff. Sudhoff. b u r y und A p o s t e l der Angelsachsen.

erhalten

in d e n

B a 1 d s aus

d e m A n f a n g d e s 10. J a h r h s . ( d i m n e s ' B l ö d -

blind,

altir.

starblint,

f. A u g h l k n d e

Lex

Eine umfängliche Therapie

A u g u s t i n , erster Erzbischof v o n

lateinischen

Einäugigen

Visigothorum.

zur

besagt,

haihs,

(vgl.

HZDA.

erblindet,

des

got.

Heilaberglaube),

blindt,

das jedoch ursprünglich

d.).

Monatsbl

aber

Augentriefens

bedeutet

entsprechende der

den

geht

'trübe, dunkel', auch unpersönlich während

früh

Blick;

Sehstörung

asächs.,

n i d . u. m h d . blint,

cer

wird.

fiel

schlicken,

(Nebel) Tiefere

gewif,

wax

bedeutet

das unsichere

bleer

d e s a c r i l e g i i s (s.

v o m S t a a r s t i c h (s. d.) d i e n o c h ä l t e r e

l i e f e r n die 23 A b s c h n i t t e

schrägen

a u c h in d i e B e d e u t u n g d e s

abergläubischen

h a n d e l t s c h o n die E i n s i e d l e r

1. L a e c e b o c

(sceol-eaged,

Schielen,

Von

und

berück-

der A u g e n l e i d e n

bezeichnet

sceolk



zu

d e s 2. K a p . v o m

ags.

kedpxr

Hemeralopie

nihtéage)

flean

fleischige

Schielens

ags.

anord.

Schielenden

mit

des

scelah,

sceol-ige),

dicke,

wartheer

Blick

flig,

Homilia

wären.

by-sienich

'Fleck,

ags.

fleo,

während

gewib,

ousal-

Augengeschwüren

macula'), mhd.

ögisal,

es b e z e i c h n e t d e n N a r b e n -

auch

(ags.

hewisal,

über-

gluraugen,

wobei

Nyktalopie

Dunkel

a u c h a h d . augvlecco,

on eagan

suchung,

howesal,

(leukoma) n a c h

(ougeswer),

oeckdroppich,

sticksehende,

blintzaug,

augenfiltzig.

houvisal,

u n d ougisal,

ouchsal,

sürigan

m h d . süröuge,

und

drieffen

(M

sticksuynit,

ubersichtig,

Canter§ I.

G e b o r e n in u n b e k a n n t e m J a h r e , w u r d e im

Frühjahr

Präpositus gegründeten

596

des

von

P . G r e g o r I.

römischen,

von

Andreas-Klosters

Schar wohl demselben Kloster ner Mönche es

aber

den

nach

England

ungeheuren

mit

er als

Gregor einer

entnomme-

gesandt,

hielt

Schwierigkeiten

12 (1870), 2 7 9 ff. ' seiner R e i s e g e g e n ü b e r f ü r r i c h t i g , a n d e r so v ö l l i g ! R h o n e u m z u k e h r e n u n d sich n e u e InA u g e n s t i l l e s t e h e n , ; s t r u k t i o n e n z u h o l e n . E r n a h m eine M e n g e bedeutet

AUGUSTIN

142

Empfehlungsbriefe und die Ernennung zum Abt mit Juli 596. § 2. Von Chlothar II. und namentlich Brunhilde von Austrasien und Burgund unterstützt, gewiß schon jetzt auf Grund päpstlicher Erlaubnis a Germaniarum episcopis (Greg. reg. V I I I 29) mit der Bischofsweihe versehen, von Presbytern aus dem fränkischen Reiche begleitet, die ihm bei der

Abb. 24.

ihm Gregor das Pallium und knüpfte den Primat der neu entstehenden Kirche an Canterbury — der Absicht nach zunächst nur, solange Augustin lebte, in Wahrheit für alle Zukunft. § 3. Trotz seiner Neigung fürs Mönch tum, die sich auch in der Stiftung des später nach ihm benannten, reich ausgestatteten Klosters in Canterbury zeigte,

Bronzen und Tongefäße des Aunjetitzer T y p u s aus Hockergräbern Nordböhmens. (Nach J . L . Pic.)

Verkleinerung: F i g . i — 8 . 10. I i ca. l jz; Fig. 9 ca.

Überwindung der sprachlichen Schwierigkeiten behülflich sein konnten (ebenda X I 51, Beda I 25) — eine Tatsache, die wiederum beweist, daß sächsische Volkssplitter an der fränkischen Nordseeküste zurückgeblieben waren; H o o p s Waldb. u. Kulturpfl. 566 ff. —, begann A. 597 in Kent die Tätigkeit, deren Verlauf den ersten Abschnitt der ags. Bekehrungsgeschichte (s. d.) ausmacht. 601 sandte

r

/ 3 ; Fig. 1 2 — 1 4 ca. >/4 n. Gr.

muß er doch als der besondere, von Selbstbewußtsein erfüllte Vertreter des hierarchischen Systems gelten, das gegenüber dem britischen Mönchtum völlig versagte und dessen rasche erste Erfolge unter den Angelsachsen ihn und seinen großen Auftraggeber über das wirklich Erreichte gründlich täuschten. Er starb schon 26. Mai 604 oder 605. Hauptquelle ist Gregors Registrum, dazu Beda (mit Vorsicht).

AUNJETITZER TYPUS—AURITHER TYPUS D u d d e n Gregory the Great Hodgkin Political Hist. of 1906. Plummer Noten A u s g a b e . 1896. v . S c h u b e I I 1 (im Druck).

I I 9 9 — 1 4 7 . 1905. Engl. I 112—12Q. zu seiner Bedar t Lehrb. d. KG. H. v . Schubert.

143

§ 2. Mehrere dieser Formen verraten Beziehungen zu süd- und norüeuropäischen Kulturprovinzen der frühesten Metallzeit, eine ganz natürliche Sache, aus der man mit Unrecht auf eine von Nordeuropa bis Westgriechenland reichende idg. Völkerwanderung geschlossen hat. Ebensowenig Grund hat die Annahme eines bestimmten „Volkes der Hockergräber" (Pic), dem dieser Typus und allerlei jüngere Fundgruppen angehören sollen. Der A. T. ist evident unter dem Einflüsse von Süden her vermittelter Kulturfortschritte entstanden, zeigt aber auch Einbußen gegenüber dem jüngeren Erwerb der neolithi-

Aunjetitzer Typus (§ i), eine lokale Ausprägung der ältesten, aus Depotfunden und flachen Skelettgräbern (mit sog. „liegenden Hockern") bekannten B r o n z e z e i t formen (etwa 2000—1500 v. Chr.) im östlichen Deutschland und im nördlichen Österreich bis zur Donau, besonders in Thüringen, Nordböhmen und Mähren, zum Teil auch in Niederösterreich und Westungarn. schen Kultur, A n dem eposo im Aufnymen nordgeben der Gefäßverzierung, böhm. Gräberfundort bei vermutlich schon infolge Smichow der Nachah(tschech. Unmung von 6tice) umfaßt Bronzegefäsie an Bronzen ßen in Ton. kurze und Nach Süden breite, dreiweisen die eckige DolchDolche,Schleiklingen, kanfennadeln, tige Pfriemen, Goldringe, gerade Nadeln nach Norden mit ringförmidie Ösennagem Kopf und deln und Man„Säbelnadeln" schetten-ArmA b b . 25. T o n g e f ä ß e und Bronzen des Aurither T y p u s mit krummer (ca. '/9 n. Gr., nach A . V o ß ) . bänder. Ein Spitze und allmählicher einer Ose auf Übergang von den letzten Formen der dem stempeiförmigen Köpfchen, Hals-, jüngeren Steinzeit im gleichen Gebiet zum Arm- und Fingerschmuck in Gestalt von A. T. läßt sich nicht nachweisen. Soweit Drahtspiralrollen und verschiedenen SpiralTongefäßverzierung vorkommt, zeigt sie ringen, darunter den sog. (manchmal auch den Charakter des neolithisch nordischen aus Gold geschmiedeten) „Noppenringen", und kupferzeitlichen Rahmenstils. — A b b . 24. einfache stabrunde Armreifen, dann viele O. M o n t e l i u s A r c h . f. A n t h r . 25. 26. Bernsteinperlen und charakteristische TonJ . L . P i i Öechy predhist. 1, 7 1 — 9 0 . T a f . 5 — 2 4 . gefäße ohne Verzierung, aber mit scharfem G. K o s s i n n a Z f E t h n . 1902, 1 6 1 — 2 2 2 . M. Profil und glänzend polierter Wandung. Sonst H 0 e r n e s J a h r b . d. k. k. Zentr.-Komm. finden sich noch eigentümliche, oft schön N F . I 1903, 1 — 5 2 . M. Hoernes. verzierte manschettenförmige Armbänder, ruderförmige oder nicht in dieser Weise breitAurither Typus, eine Untergruppe des gehämmerte Nadeln mit umgerolltem Kopff r ü h e i s e n z e i t l i c h e n schlesischen ende, Schleifennadeln, Nadeln mit senkrecht T . (s. d.), so benannt von A. V o ß nach durchbohrten Kugelköpfen u. a., zuweilen einem Fundort am r. Oderufer, südl. von auch noch Werkzeuge aus Stein und Knochen, Frankfurt a. O. Er ist hauptsächlich Schmucksachen aus Bein und Muscheln. in der südl. Hälfte der Neumark und den

144

AUSFUHR—AUSSATZ

angrenzenden Gebieten, nach SO. bis Posen, v e r b r e i t e t und g r ö ß t e n t e i l s durch r e i h e n f ö r m i g a n g e l e g t e flache U r n e n g r ä b e r mit oder ohne Steinsetzung, seltener durch Tumuli, vertreten. Die Keramik ist ä u ß e r s t m a n n i g f a l t i g , v o r w i e g e n d hellfarbig. K l e i n e r e G e f ä ß e h e r r s c h e n durcha u s v o r u n d die r e g e l m ä ß i g e W i e d e r k e h r gewisser großer T y p e n , w i e der B u c k e l der hochhalsigen urnen i m Lausitzer, U r n e n in anderen G r u p p e n des schlesischen Typus, fehlt. Die O r n a m e n t e sind z a h l reich u n d meist f e i n a u s g e f ü h r t . Das (abgeflachte) Buckelornament und die K a n n e l i e r u n g t r i t t v o r der s c h m a l e n Strichv e r z i e r u n g z u r ü c k . D i e spärlichen Metallb e i g a b e n (Messer, Sicheln, Pfeilspitzen, v e r s c h i e d e n e N a d e l n u. a. kleine S c h m u c k sachen) sind f a s t ausschließlich a u s B r o n z e D i e sog. „ K ä s e s t e i n e " sind u n b e k a n n t e r B e s t i m m u n g . — S. A b b . 25. A . V o ß M i t t . Niederlaus

A n t h r . Ges. I 394.

Z f E t h n . V e r h . 1890, 491. Z f E t h n . 1903, 1 7 9 — 1 8 4 . 202—205. A. G ö t z e Vorgesch. d. Neumark, W'ürzb. 1897, 30 fl.

M. Hoernes.

A u s f u h r . D e r Begriff der A u s f u h r , w i e der E i n f u h r , findet schon A n w e n d u n g auf den p r ä h i s t o r i s c h e n H a n d e l , u n d z w a r sowohl auf das G e s a m t g e b i e t M i t t e l e u r o p a s wie auf einzelne und b e g r e n z t e T e i l e desselben. Gegenstände des Verkehrsaust a u s c h e s , die n u r an b e s t i m m t e n Stellen Mittel- und N o r d e u r o p a s p r o d u z i e r t w u r d e n und sich v o n d o r t a u s n a c h A u s w e i s der Bodenfunde weiter verbreiteten, innerhalb M i t t e l e u r o p a s und über dieses hinaus, k ö n n e n schon in v o r h i s t o r i s c h e r Z e i t als Exportbzw. Importwaren bezeichnet w e r d e n . D a h i n g e h ö r t v o r allem der B e r n stein, die in s c h r i f t l i c h e n Quellen am f r ü h e s t e n g e n a n n t e H a n d e l s w a r e des Nordens. A u c h beim Handel mit Salz, Vieh, W a f f e n , Metall ist m a n b e r e c h t i g t , schon in der U r z e i t v o n A u s - b z w . E i n f u h r z u sprechen. D e n n der H a n d e l z w i s c h e n den einzelnen V ö l k e r s c h a f t e n , und d e m g e m ä ß a u c h A u s - und E i n f u h r , w u r d e , s o w e i t s c h r i f t l i c h e Quellen, die freilich nicht ü b e r das 1. J h . v . Chr. h i n a u f r e i c h e n , ein Urteil g e s t a t t e n , n i c h t w i l l k ü r l i c h u n d n a c h B e l i e b e n E i n z e l n e r a u s g e ü b t , sondern d u r c h die V ö l k e r s c h a f t geregelt. Cäsars b e s t i m m te A n g a b e n über d a s V e r h a l t e n der S u e v e n :

vinurn ad se omnino importari n on s i nunt, u n d der N e r v i e r : nihil pati vini reliquarumque verum ad luxuriam pertinentium inferri ( B G . 4, 2; 2, 15) b e w e i s e n die A b h ä n g i g k e i t der H a n d e l s e i n f u h r v o n d e m W i l l e n der V ö l k e r s c h a f t . Dasselbe d ü r f t e g e l t e n f ü r die H a n d e l s a u s f u h r (Salz, V i e h u. a.). R ö m i s c h e A u s f u h r v e r b o t e , die sicher auch gegen die G e r m a n e n g e r i c h t e t w a r e n , finden sich in der s p ä t e r e n K a i s e r z e i t ( S a m w e r , D . G r e n z p o l i z e i des röm. R e i c h s , W e s t d . Z. 5, 314). Sie bet r a f e n W a f f e n , R o h e i s e n , E i s e n g e r ä t , Gold, W e i n u. a. u n d e r g i n g e n v o r w i e g e n d a u s politischen G r ü n d e n . Dieselben Gründe w a r e n m a ß g e b e n d im f r ä n k i s c h e n R e i c h f ü r die A u s f u h r v e r b o t e K a r l s d. G r . A u c h sie b e z o g e n sich auf den W a f f e n h a n d e l : De brunias, ut nullus foris nostro regno vendere praesumat, C a p . H a r i s t a l l . 7 7 9 ; De negotiatoribus qui partibus Sclavorum et Avaforum, pergunt . . . Et ut arma et brunias non ducant ad venundandum, C a p . v . Diedenh o f e n 805, M G . C a p . r. F r a n c . I 51, 123. W . Stein.

Auslieferung. Den Verbrecher auszuliefern w a r g r u n d s ä t z l i c h P f l i c h t j e d e s V o l k s g e n o s s e n , a n d e r n f a l l s h ä t t e er sich der B e g ü n s t i g u n g (s. d.) s c h u l d i g g e m a c h t . Doch fehlten nicht A u s n a h m e n . Teils e r g a b e n sich solche a u s d e m A s y l r e c h t (s. A s y l ) , teils a u s d e m R e c h t des H e r r n , seinen Eigenmann oder Hintersassen, s t a t t i h n a u s z u l i e f e r n , z u v e r t r e t e n (re, praesentare). v. Schwerin.

Aussatz, L e p r a , ( § 1 ) w i r d in den g o t E v a n g e l i e n des Ulfilas m i t priits-fill ' q u ä l e n d e , lästige, s c h m e r z e n d e H a u t ' übersetzt, a d j . prüts-fills, ags. prüstfell, daneben d a s ä h n l i c h g e d a c h t e ags. lic-pröwere (ßrowian 'leiden, P e i n e m p f i n d e n ' ) , anord. lik-prär. D o c h darf m a n d a r a u s n i c h t e t w a schließen, d a ß die a u s d e m N e u e n Testament vertraute Krankheit darum a u c h s c h o n z u E n d e des 4. J a h r h s . bei den S ü d g e r m a n e n v e r b r e i t e t g e w e s e n w ä r e . Im A h d . ist A u s s a t z m i t hrüf, ruf, hriubi •wiedergegeben, a u s s ä t z i g m i t hriob, riob, riobsuhtig, ags. m i t hreof, hreofl, hreoflig, der A u s s a t z m i t hreofl, hreofla, hreofness, hrif]>o, a n o r d . hrjüfr, w a s also n u r eine schorfartige Hautaffektion bedeutet, für Lepra

AUSSATZHÄUSER gewiß nicht charakteristisch. Die schon im Ahd. vorkommende Bezeichnung misalsuht, miselsuht ist dem spätlat. misellus, altfranz. mesel nachgebildet, bedeutet also nur den Bedauernswerten. Durch maselsuht, 'Leiden mit fleckiger Haut', suchte man sich die Bezeichnung sprachlich zu assimilieren. Eine ähnliche mitleidige Bezeichnung, gleichfalls aus dem Franz. entlehnt, ist mhd. malätes, maläde, malät, maläz, malz, malätzic, malzig mit dem Hauptwort maläterie, maläzie, während auf die Verpflichtung zur Absonderung v o m Verkehr und zum Abseitswohnen die Ausdrücke deutscher A b k u n f t ahd. üz-säzeo, mhd. üz-setze, üz-setzel, üz-setzig und die gleichfalls mhd. Bezeichnungen veitsiech und sundersiech hinweisen (Hauptw. feltsiechtag, feldsiechy). Die Bezeichnung des Leprösen bei O t f r i e d und T a t i a n (zweite Hälfte des 9. Jahrhs.) als horngibruoder oder horngibruader ist ein sicheres Zeichen, daß damals der Aussatz bei den Franken schon völlig heimisch war. Das Horn der Leprösen als Warnungsmittel für die anderen, die Nähe des Ansteckenden zu meiden, hat einige Jahrhunderte im Gebrauch gestanden, bis es von der Klapper (schlatterlin, klafjel, klapfel, klepperlin, beteclappir) abgelöst wurde. Der gibruoder zeigt uns, daß damals die Aussätzigen schon zu kleinen Bruderschaften sich zusammenzuschließen begonnen hatten, die später durch milde Stiftungen und eignen Besitz Lepröser zu großen Vermögen gelangten (s. Aussatzhäuser). § 2. Ebenso heimisch war der Aussatz zu A n f a n g des 10. Jahrhs. bei den A n g e l sachsen. Nur einmal findet sich die Bezeichnung lepra in der Rezeptsammlung, die als B a l d s Laeceboc geht, II 30: ponne becymff . . . sio hwite riefpo pe mon ort superne lepra hcet ('die weiße Rauhigkeit, die man im Süden Lepra heißt'); sonst heißt es immer, namentlich I 32,3 Lcecedom wip hreofum lice (auch micel lic öfters, s. E l e p h a n t i a s i s ) , wip hreofle, ebenso in Lacnunga 14 wi9 hreojum lice (Cockayne, Leechdoms II 78 f., 228 f. III, 16 f. Leonhardi, Bibl. d. ags. Prosa V I 24 f. 68. 128); desgleichen wird im ags. Herbarium Apulei um IOOO der leprosus Hoops, Reallexikon. I.

145

Auch stets mit wip hreoflan übersetzt. historisch sind schon im Jahre 921 Aussätzige in irischen Annalen erwähnt. Von Wikingerfahrten brachten die Nordländer aus England und Irland die Kenntnis vom Aussatz nach Hause. Im Altnordischen, wo hörundfall (Verfall des Fleisches, vielleicht nur populäres Mundgerechtmachen des hreofl, krjüjr) die älteste Bezeichnung für Aussatz ist, geht likprä bis in das 11. Jahrh. zurück und gilt im 11. und 12. schon als Ehescheidungsgrund. § 3. Die ältesten selbständigen (soweit damals von Selbständigkeit in medizinischen Dingen die Rede sein kann) Schriftsteller des MA. über Lepra gehören übrigens dem 13. Jahrh. an: B e r n h a r d Gordon und Gilbert der Engländer; beide standen unter dem Einfluß von Salerno, trotzdem der erstere bis nach 1300 Professor in Montpellier war. Die Überlegenheit der süditalischen Schule über die südfranzösische spricht sich ja naiv auch im armen Heinrich Hartmanns v . Aue (f etwa 1220) aus, dem klassischen Zeugen für die Trostlosigkeit der Leprösen im Mittelalter (s. auch Krüppel). H e y n e Hausaltert. I I I 148—152. Grön D. ältest. Spuren der Lepra in der altnorw. Lit. Janus 1906, 44—53. D e r 5. Altnord. Hlknde. Janus 1908, S.-A. S. 95 f. Tidskrift for den norske loegeforening 1 9 0 6 , 1 5 1 — 1 5 2 A . B u g g e Vikingerne, 2den samüng, 1907 S. 340. C r e i g h ton, history of epidemics in Britain I 69 ff. A . H i r s c h Hist.-geogr. Pathologie II 5 I—40. Joh. G e l d n e r Unters, zu altengl. Krankheitsnamen II (1907) 36 ff. u. 47 f. H ö f l e r Krankheilsnamenbuch 541 ff. Sudhoff.

Aussatzhäuser sind seit dem Ende des 5. Jahrhs. im Frankenreiche nachzuweisen. Die Synode von Orleans 549 und später die von Lyon 583 beschäftigen sich mit dieser schlimmen Seuche, die schon bedenklich überhandzunehmen begann. Im J. 636 ist ein Leprosenheim bei Verdun urkundlich erwähnt, ungefähr gleichzeitig ein Leprosorium bei Maestricht und bei Metz. Um 736 sammelte A b t Otmar von St. Gallen die Leprösen seines Sprengeis in der Nähe seines Klosters; 871 finden wir bei Moutier-Grandval im Kanton Bern eine domus leprosorum. Von Süden 10

AVIONES—AVUNCULAT

146

und Westen zog so die Geißel der furchtbaren Krankheit mit schleppender Langsamkeit, aber unaufhaltsam über die deutschen Lande und ein immer dichteres Netz von Aussatzhäusern war das Ergebnis der mildtätigen Sorglichkeit der Nächstenliebe für diese Ausgestoßenen und der ängstlichen Sorge um die eigene Gesunderhaltung. Ursprünglich war es offenbar nur ein Zusammenliegen einzelner Hütten an angewiesener Stelle, wie es noch U 1 rieh von Lichtenstein beschreibt, wo nur die Mahlzeiten gemeinsam genommen wurden, während die Leprösen von dort aus einzeln mit ihren Näpfen auf Nahrungsmittel- und Geldbettel auszogen und durch Anschlagen an die hölzernen Näpfe die Aufmerksamkeit der Mildtätigen auf sich lenkten, dagegen durch Horn oder Klapper wegen der Infektionsgefahr warnten. Daß die Leprosenkolonien zu Aufruhrherden wurden, tritt erst in späteren Zeiten in die Erscheinung, aber Widersetzlichkeiten werden schon früh berichtet; namentlich die Absonderung wird nicht strenge innegehalten. Bürgerlich tot war aber jeder diesen Kolonien oder Häusern Überwiesene. Auch die Kirche nahm sich dieser Ärmsten und Verstoßenen und ihrer Pflege durch die Gründung des Ordens der Lazaristen an, dessen Meister ein Aussätziger sein mußte. In Schweden läßt sich das St. GörgensHospital zu Lund bis 1149 zurückverfolgen; als Leproserie wurde das Hospital von Drontheim, das 1170 zum erstenmal erwähnt wird, von Anfang an verwendet. In England sind Leprosenhäuser vor 1084 (Canterbury) bisher nicht sicher nachgewiesen. Heyne

Hausaltert. I I I 167. J . P. K i r s c h

Die Leproserien Lothringens. lothr.

Gesch.

46 g .

XVI

Jahrb. d. Ges. f.

u. Altertumskunde

(1904)

57

ff.

XV

(1903),

Fr. B ü h l e r

Der

Auss. i. d. Schweiz I — I I I , Zürich 1900—1905. K. Baas

Mittelalt.

Gesndhtspfi.

Hdlbg. Njhrsbl. 1909 S. 8. 33. 46.

in

Baden,

Creighton

Iiis f. of epidemics in Britain I, Cambridge 1891, S. 86 f.

Sudhoff.

Aviones. Eines der Nerthusvölker bei Tacitus Germ. 40, nach den Reudigni und vor den Anglii genannt. Man versteht den Namen mit Recht als Ableitung von germ *awjö-, Nom. *awi, 'Insel, Wasserland';

zur Stammbildung vgl. Völkernamen § 8. Durch die Bedeutung des Namens ist auch ein Hinweis auf die Sitze des Volkes gegeben, das wir wohl auf den nordfriesischen Inseln zu suchen haben werden. Den Namen bewahrt auch noch Wids. 26: Oswine weold Eowurn and Yturn Gefwulf, und Eoua ist uns bei Nennius 65 als mercischer Königsname bezeugt. In antiken Quellen außer Tacitus ist aber von den Aviones keine Spur zu finden. Die"Oßioi des Petrus Patricius, die zur Zeit des Markomannenkrieges mit Langobarden zusammen in Pannonien auftauchen, sind von ihnen fernzuhalten, da dies keine Schreibung für Aviones sein kann. S. auch Ubii. R . Much.

Avunculat. Ebenso wie das indische, kannte auch das germanische Altertum ein besonders enges Verhältnis zwischen M u t t e r b r u d e r und Schwestersöhnen. Bezeugt wird dasselbe von Tacitus in der berühmten Stelle Germ. 20: Sororum ftliis idern apud avunculum qui ad patrern honov, quidam sanetiorem artioremque hunc nexurn sanguinis arbitrantur et in accipiendis obsidibus magis exigunt. Die Stelle ist häufig als Beleg für ein urgermanisches M u 1 1 e r r e c h t (s. d.) verwertet worden. Mit Unrecht. Der Vergleich mit den indischen Verhältnissen spricht dafür, daß die näheren Beziehungen zum Mutterbruder nicht rechtlicher, sondern lediglich tatsächlicher Natur waren und dem natürlichen Schutzbedürfnis entsprangen. Die Erklärung dieser näheren Beziehungen dürfte wohl in den sozialen Verhältnissen zu suchen sein. Die Bemerkung des Tacitus, daß die mütterliche Verwandtschaft besonders bei der Stellung von Geiseln berücksichtigt werde, zeigt, daß hier vor allem von den herrschenden Familien die Rede ist; in diesen brachte es aber die allgemein verbreitete Polygamie (s. d.) mit sich, daß die Kinder der verschiedenen Frauen eines Mannes nicht in der ihnen allen gemeinsamen väterlichen Sippe, sondern in der mütterlichen Sippe und vor allem im Mutterbruder den natürlichen Beschützer erblickten, wie es noch heute z. B. in den islamischen Herrscherhäusern der Fall

AXT ist. Daher auch die in diesen Familien verbreitete Sitte, die Söhne am Hofe des mütterlichen Oheims erziehen zu lassen (Weinhold Altnord. Leben 283). Dagegen dürfte die weitere Stelle desselben Taciteischen Kapitels, welche neben den fratres und patrui die avunculi als Erben nennt, wohl auf einem Mißverständnis des Tacitus beruhen und nicht mit Brunner ( D R G . I J 128) auf ein schon zur Zeit des Tacitus vorhandenes Erbrecht der Spillmagen zu deuten sein. Mit dem A v u n c u l a t jedenfalls hat sie nichts zu tun. D e l b r ü c k Preuß. Jahrb. 79, 14 ff. S. Rietschel. A x t . § 1. Die A x t (Beil, Celt) gehört zu den wichtigsten Stücken anfänglicher Kulturhinterlassenschaft. Sie hat beim Beginn der ältesten hier in Betracht kommenden Epoche, der jüngeren nordischen Steinzeit, eine lange Entwicklung hinter sich. — Das Herstellungsmaterial ist in der Regel Feuerstein, der allein scharfe und haltbare Schneiden lieferte. Die Feuersteinaxt unterliegt einer langsamen stetigen U m w a n d l u n g und wird dadurch eine Leitform durch das nordische Neolithikum. § 2. Die älteste Form, das spitznackige geschliffene Beil (Periode der Flachgräber?) mit zwei gewölbten Seiten, die in der Schneide und den scharfen Seitenkanten zusammenstoßen (Taf. 10, I), zeigt deutlich seine A b k u n f t aus dem zweikantigen Beile der Kjökkenmöddingstufe. Anfänglich wird nur der Schneidenteil, dann der ganze A x t k ö r p e r geschliffen und poliert und allmählich zwei Seitenkanten entwickelt (Taf. 10, 2). Durch Verbreiterung des Bahnendes entsteht hieraus das dünnackige Beil (Taf. 10, Nr. 3 . 4 ; Periode der kleinen Steinkammergräber) und aus diesem das dicknackige Beil (Taf. 10, 5 ; Periode der Ganggräber), das in seinen jüngsten Formen mit stark verbreiteter Schneide (Taf. 10, 6) ausschließlich auf Skandinavien beschränkt ist und als eine spezifisch germanische Form zu gelten hätte. Alle diese Ä x t e werden durch Einsetzen in einen Holzstiel geschattet und sind, wie praktische Versuche gezeigt haben (F. Sehested, Archasologiske Undersogelser 1884), vorzügliche Arbeitsgeräte.

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§ 3. Neben diesen Feuersteinäxten gehen ähnliche Formen aus Bergsteinarten her (Taf. 10, Nr. 7.8). Doch sind sie viel seltener. Das weichere Gestein (an dem man wahrscheinlich auch zuerst den Schliff anwendete) erlaubte eine haltbare Einrichtung der Schäftung und eine reichere Entwicklung der Form als der Flint. So entstehen in diesem Material eine Menge v o n zeitlich und örtlich getrennten Typen. Die gröberen sind mit einer Rille oder einem Absätze am Bahnende zum Aufbinden oder Einklemmen in den Stiel versehen (Taf. 10, Nr. 10—12) oder grob zu gehauene Keile oft von bedeutender Größe mit einem Schaftloch (Taf. 10, 9), die feineren alle mit Schaftloch und von schlanken, bisweilen sehr eleganten Formen mit einer oder zwei Schneiden (Taf. 10, Nr. 1 3 — 1 5 ) . Eine Reihe dieser T y p e n dürften als Waffen anzusehen sein (vgl. Streitaxt). § 4. Durch einen großen Teil der Bronzezeit, vereinzelt bis in die Eisenzeit, hält sich die Steinaxt als Arbeitsgerät neben den Metalläxten (über ihr weiteres Fortleben vgl. M o n t e 1 i u s Kulturgeschichte Schwedens 1906, S. 67 ff.). Das Material ist gewöhnlich Bergstein. Die Feuersteinäxte sterben schneller aus, da die schwierigere Flinttechnik sich früher verliert. -— Die metallene F l a c h a x t (Taf. I i , 1) tritt schon am Ende der nordischen Steinzeit aus K u p f e r oder zinnarmer Bronze gefertigt auf und scheint auf die Formgebung der Steinbeile eingewirkt zu haben. A u s ihr entwickeln sich in geschlossener Folge die verwandten Beiltypen, so daß dieseFormenreihe ein wichtiges Hilfsmittel für die relative Zeitbestimmung der Bronzealtertümer wird (Montelius, Kulturperioden S. 26). Das Hauptagens in der Entwicklung des T y p u s ist das Bestreben, die Schäftungsvorrichtung zu vervollkommnen. § 5. So entsteht aus der F 1 a c h a x t (Taf. 11, 1) die R a n d a x t (Montelius Per. I u. II), oft in der Mitte leicht verdickt oder mit einem Steg als Widerlager für den Schaft versehen, bisweilen an den Seiten ausgeschweift (Taf. 11, 2). Eine weitere Verstärkung des Steges und Vertiefung der Rinne für das Schaftlager führt zur Form der A b s a t z a x t (Taf. 1 1 , 3 ) , eine Verbreiterung der Ränder an der

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AXT

AXT

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BACENIS—BÄCKER Schaftendigung zu lappenartigen Umfassungen zu dem im Norden selteneren L a p p e n a x t t y p (Tai. I i , 8 ; beide Montel. Per. II, III). Ungefähr gleichzeitig entsteht auch schon (Montel. Per. II) die mit einer Röhre zur Aufnahme des Schaftes endigende T ü l l e n a x t (Taf. I I , 9), die in der jüngeren Bronzezeit die häufigste Beilform ist (Taf. I I , Nr. 10. n ) . Gegen das Ende der Bronzezeit werden die Tüllenäxte immer kleiner und in ihrer Ausstattung einfacher. § 6. Manche dieser Beiltypen sind sicher auch als Streitäxte verwendet (vgl. Streitaxt). Die ältesten Eisenäxte von germanischem Boden sind Nachbildungen der bronzenen Hohläxte. Es sind meist ziemlich kleine Exemplare mit runder oder viereckiger Tülle (Taf. 1 1 , 1 2 ) . Sie haben sich anscheinend bis in das frühe Mittelalter

hinein gehalten. In den nordischen Moorfunden sind sie ziemlich häufig. Daneben tritt gegen das Ende der Lat&nezeit, wohl aus dem keltischen Kulturkreise eingeführt, die noch heute gebräuchliche A x t f o r m a u f : ein langer eiserner Keil mit Schaftloch (Taf. I i , Nr. 13. 14). § 7. A u s ihm entwickeln sich seit dem Ende der Kaiserzeit durch Verbreiterung der Schneide nach unten oder gleichzeitig nach oben und unten die mächtigen Breitbeile, die als W e r k z e u g und W a f f e benutzt, besonders in dem letzten Drittel des 1. Jahrtausends auf süd- und nordgermanischem Boden in A u f n a h m e kommen (Taf. 1 1 , Nr. 15. 17. 18).

Bacenis heißt nach Cäsar B G . 6, 10 der Wald, der wie eine natürliche Mauer Cherusker und Sueben voneinander scheidet, wobei nur der H a r z gemeint sein kann, aber eine falsche Verwendung des Namens nicht ausgeschlossen ist: s. R. M u c h P B B e i t r . 17, 21. Jedenfalls deckt sich dieser, v o m Suffixablaut abgesehen, mit Boconia, Buconia, Buohhunna, wie im M A . die waldige U m g e b u n g v o n F u l d a hieß, und stellt eine A b l e i t u n g aus dem germ. W o r t für die Buche, *bokö-, dar, das hier aber noch das dem germ. 6 vorausliegende ä (vgl. lat. jägus) zeigt.

meisten andern häuslichen Verrichtungen schon im Frühmittelalter von M ä n n e r n als selbständiges Gewerbe betrieben (Cap. de villis 45). Doch hat sich diese E n t wicklung wohl noch nicht in urgermanischen Zeiten vollzogen, da eine gemeinsame alte Namensform für den Bäcker (im Gegensatz z B . zum Schmied) f e h l t : neben ahd. brötbecko, mhd. becke, nhd. obd. beck, einer Nomen Agentis-Bildung auf -jan, stehen in den andern germ. Sprachen jüngere Bildungen auf -arja: and. bakkari, ags. bcecere, me. bäker, anord. bakari m. In England spiegelt sich die Ausbildung der Bäckerei als Männergewerbe in lehrreicher Weise in dem W o r t bcecestre, das mit seinem Feminin-Suffix -estre ursprünglich die Bäckerin bezeichnete, beim Übergang der Tätigkeit auf den Mann aber wie die meisten andern Wörter auf -estre allmählich maskuline Funktion annahm. Wenn sich die feminine Bedeutung auch bis ins 16. Jh. erhalten hat (Murray N E D . unt. baxter), so überwiegt doch schon im Ae. die männliche ( K l u m p Ae. H a n d werkernamen 58 f.), und ne. baxter, das heutige nordengl. und schctt. Ä q u i v a l e n t

Bremer

IF. 4, 22.

R. Much.

Bäcker. § I. Das Brotbacken wurde ursprünglich im Hausbetrieb von F r a u e n besorgt; dem Hausherrn als hläford (ne. lord) aus *hläf-ward, dh. 'Brotwart, Brotherr', steht im Ags. die Hausherrin als htäfdige (ne. lady), dh. 'Brotkneterin, -bäckerin' (zu got. deigan 'kneten') gegenüber. § 2. A b e r auf Herrenhöfen und in Klöstern, wo Massenproduktion erforderlich war, wurde das Brotbacken wie die

O s b o r n e Das Beil 1887. ZfEthnol. 1904, 537 ff.; 1905, 793 ff.; 1906, 817 fr. — Allgem. Lit. unter Bewaffnung. M a x Ebert_

BACENIS—BÄCKER Schaftendigung zu lappenartigen Umfassungen zu dem im Norden selteneren L a p p e n a x t t y p (Tai. I i , 8 ; beide Montel. Per. II, III). Ungefähr gleichzeitig entsteht auch schon (Montel. Per. II) die mit einer Röhre zur Aufnahme des Schaftes endigende T ü l l e n a x t (Taf. I I , 9), die in der jüngeren Bronzezeit die häufigste Beilform ist (Taf. I I , Nr. 10. n ) . Gegen das Ende der Bronzezeit werden die Tüllenäxte immer kleiner und in ihrer Ausstattung einfacher. § 6. Manche dieser Beiltypen sind sicher auch als Streitäxte verwendet (vgl. Streitaxt). Die ältesten Eisenäxte von germanischem Boden sind Nachbildungen der bronzenen Hohläxte. Es sind meist ziemlich kleine Exemplare mit runder oder viereckiger Tülle (Taf. 1 1 , 1 2 ) . Sie haben sich anscheinend bis in das frühe Mittelalter

hinein gehalten. In den nordischen Moorfunden sind sie ziemlich häufig. Daneben tritt gegen das Ende der Lat&nezeit, wohl aus dem keltischen Kulturkreise eingeführt, die noch heute gebräuchliche A x t f o r m a u f : ein langer eiserner Keil mit Schaftloch (Taf. I i , Nr. 13. 14). § 7. A u s ihm entwickeln sich seit dem Ende der Kaiserzeit durch Verbreiterung der Schneide nach unten oder gleichzeitig nach oben und unten die mächtigen Breitbeile, die als W e r k z e u g und W a f f e benutzt, besonders in dem letzten Drittel des 1. Jahrtausends auf süd- und nordgermanischem Boden in A u f n a h m e kommen (Taf. 1 1 , Nr. 15. 17. 18).

Bacenis heißt nach Cäsar B G . 6, 10 der Wald, der wie eine natürliche Mauer Cherusker und Sueben voneinander scheidet, wobei nur der H a r z gemeint sein kann, aber eine falsche Verwendung des Namens nicht ausgeschlossen ist: s. R. M u c h P B B e i t r . 17, 21. Jedenfalls deckt sich dieser, v o m Suffixablaut abgesehen, mit Boconia, Buconia, Buohhunna, wie im M A . die waldige U m g e b u n g v o n F u l d a hieß, und stellt eine A b l e i t u n g aus dem germ. W o r t für die Buche, *bokö-, dar, das hier aber noch das dem germ. 6 vorausliegende ä (vgl. lat. jägus) zeigt.

meisten andern häuslichen Verrichtungen schon im Frühmittelalter von M ä n n e r n als selbständiges Gewerbe betrieben (Cap. de villis 45). Doch hat sich diese E n t wicklung wohl noch nicht in urgermanischen Zeiten vollzogen, da eine gemeinsame alte Namensform für den Bäcker (im Gegensatz z B . zum Schmied) f e h l t : neben ahd. brötbecko, mhd. becke, nhd. obd. beck, einer Nomen Agentis-Bildung auf -jan, stehen in den andern germ. Sprachen jüngere Bildungen auf -arja: and. bakkari, ags. bcecere, me. bäker, anord. bakari m. In England spiegelt sich die Ausbildung der Bäckerei als Männergewerbe in lehrreicher Weise in dem W o r t bcecestre, das mit seinem Feminin-Suffix -estre ursprünglich die Bäckerin bezeichnete, beim Übergang der Tätigkeit auf den Mann aber wie die meisten andern Wörter auf -estre allmählich maskuline Funktion annahm. Wenn sich die feminine Bedeutung auch bis ins 16. Jh. erhalten hat (Murray N E D . unt. baxter), so überwiegt doch schon im Ae. die männliche ( K l u m p Ae. H a n d werkernamen 58 f.), und ne. baxter, das heutige nordengl. und schctt. Ä q u i v a l e n t

Bremer

IF. 4, 22.

R. Much.

Bäcker. § I. Das Brotbacken wurde ursprünglich im Hausbetrieb von F r a u e n besorgt; dem Hausherrn als hläford (ne. lord) aus *hläf-ward, dh. 'Brotwart, Brotherr', steht im Ags. die Hausherrin als htäfdige (ne. lady), dh. 'Brotkneterin, -bäckerin' (zu got. deigan 'kneten') gegenüber. § 2. A b e r auf Herrenhöfen und in Klöstern, wo Massenproduktion erforderlich war, wurde das Brotbacken wie die

O s b o r n e Das Beil 1887. ZfEthnol. 1904, 537 ff.; 1905, 793 ff.; 1906, 817 fr. — Allgem. Lit. unter Bewaffnung. M a x Ebert_

BACKOFEN für baker, hat ausschließlich männlichen Sinn. § 3 Doch blieb das Brotbacken, neben diesem gewerbsmäßigen Betrieb durch Männer, in kleineren Haushaltungen dauernd als häusliche Verrichtung in Händen der Frauen. Wie neben dem ags. bcecere 'Bäcker' die bcecesire 'Bäckerin', neben me. bäker die bakster steht, so steht dem ahd. brötbecko m. die beccha, brötpechi, -bechila f. zur Seite (Graff 3, 24). Noch heute bäckt ja die Bäuerin vieler wärts auch in Deutschland ihr Brot selber. § 4. Der dem Bairischen und Alemannischen eigne Ausdruck ahd.'^phistur, mhd. phister, nhd. pfister, ein altes Lehnwort aus lat. pistörem, scheint den F e i n b ä c k e r , namentlich wohl in Klöstern, gegenüber dem brötbecko, dem Grobbäcker, bezeichnet zu haben (Heyne Handw. 138 f.). Dazu ahd. phistrina aus lat. pistrina 'Bäckerei' (Graff 3, 354). § 5. In den Städten wurde die Bäckerei schon im Q. Jh. als Verkaufsge-

A b b . 26.

Ruderartige Brotschaufel. E n g e l h a r d t , V i m o s e Müller, N o r d . Altertumsk. II. A b b . 9 6 .

w e r b e betrieben; wenigstens treffen wir in der alten Römerstadt Mainz 870 bereits eine Verkaufsbäckerin (Annal. Fuldens., MGS. 1, 382: mulier quaedam . . . partes coxit venales, . . . quaestus causa). M. H e y n e K l u m p Allengl.

Altd.

Backofen beim h. Gallus, in dem angeblich auf einmal tausend Brote gebacken werden konnten, erzählt Ekkehart Casus cap. 1.3 In kleineren Haushaltungen öfter mit in die Wohnung eingebaut, konnte er zugleich als Wärmespender dienen und der direkte Vorläufer des Zimmerofens werden. Auf den kleineren Gütern Karls d. Gr. waren coquina et pistrinum in einem Räume vereinigt. Sonst steht er nicht im Hause selbst, sondern in dessen Nähe als besonderes Bauwerk. Backhäuser (ags. bcBC-ern, ahd. bachüs) werden wir außer auf großen Besitzungen zunächst in den auf altem römischem Gebiet liegenden Städten voraussetzen müssen, wo sich die Bäckerei zu einem Verkaufsgewerbe ausgebildet hatte (s. Bäcker 5). Öffentliche Backhäuser in Dörfern und Städten scheinen erst eine spätere Einrichtung zu sein. § 2. Das im Backofen gebackene Brot heißt ags. ofenbacen hläf, ahd. canstella (s. unter B r o t ) . § 3. Das B a c k g e r ä t unterscheidet

Handwerk

31—33.

Handwerkernamen

138f.

15t. 5 7 — 5 9

Johannes Hoops.

Backofen. § 1 . Er wird in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten in die germanischen Länder eingedrungen sein, doch muß zugegeben werden, daß wir vorläufig über seine Herkunft noch im Unklaren sind, wie ja auch die Etymologie des Wortes »Ofen« noch strittig ist (vgl. R. Meringer in Mitt. d. Anthrop. Ges. Wien 27, 231 ff.; J F . 21, 293 f. — s. auch unter Ofen). Er hatte wohl, wie später, eine bienenkorbartige Gestalt, war aus Steinen und Lehm aufgebaut und mit Feuerloch und Rauchabzug versehen. Von einem sehr großen

Fundet.

sich, soweit es uns durch die Glossen der ahd. Zeit überliefert ist, nicht von dem des späteren MA.s. Das Mehl wurde, bevor man es anmengte, durch ein Sieb (ahd. cribrum: ritera, cribellum: sib, sif, sedacium: härsib) geschüttelt, dann kam es zur Teigbereitung in den Backtrog oder die Mulde (ahd. capisterium: multra, multer, mulda, ascia: teigetroch, deichbüta). Der fertige und geformte Teig wird auf der Backschaufel (ahd. exes l. misellius ovinseuzil, ovenscüzel) in den Ofen geschoben, nachdem dieser mit dem Ofenwisch (ahd. furnitergius: ovenwisc) gereinigt ist. Das Feuer wird angeregt durch die Ofengabel (ahd. rotabulum: redistab, astuarius: ovenstaf) und die verglimmenden Kohlen mit der Scharre oder Kisse (ahd. tractula: kissa, kissel) aus dem Ofen entfernt (M. Heyne Hausaltert. II 279 f.). — Wahrscheinlich werden die ruderartigen Holz-

BACKWERK

152 gerate,

die

im

Vimoor

(Schleswig)

f u n d e n wurden, als B a c k s c h a u f e l n h a b e n (s. A b b . 26 u . M ü l l e r Nord.

Altert.

143).

II

Fuhse.

Backwerk. nung

alles

besondere bäcke,

E s sei u n t e r d i e s e r B e z e i c h Feingebäck

Form

das

sich

sowie

alle

Ge-

G e b i l d b r o t ,

B e z ü g l i c h des letzteren

w e i s e n wir auf die inhaltreichen M.

durch

auszeichnenden

sogenannte

verstanden. Dr.

ge-

gedient

ver-

Arbeiten f.

H ö f 1 e r s in d e r Z t s c h r .

öst.

(1cinere coctus et reservatus), aber

ein

icXcitu?,

auch

breites,

ahd.

Backwerk. der

ahd.

Totenkult

Gebildbrote,

oder m i t

religiösen

mit

dem

Fest-

oder

kuoche,

Gebäck

annehmen dürfen, daß manche v o n uraltes germanisches dürfte

darauf

Eigentum

der altsächsische

superstitionum et p a g a n i a r u m lacro

de

der

conparsa

ags.

solmönath

placentarum, bei

quas

Beda)

Viele

jarina

in de

(potest

simuebenso

drei

mensis

suis

offerebant

geht

zurück

die Mönche nach d e m

auf

und

ist

Norden

itadurch

verpflanzt

Auch „der vorzüglich im

Süden

zu

Voc.

a h d . kuocho, koke,

im

opt.

chuocho,

Ablaut

ayrkuch

Als

letzteres

steht

durch

die

gemacht

der

es mit

Kuchen

ist:

pjejjerkuch,

ua.

A n d e r e F o r m setzt der W e c k seiner

Gestalt

a n o r d . veggr, wecke,

nach

a g s . weeg,

m i g e s G e b ä c k 5 (cuneus).



also

Die

brezitella,

bretzel,

glossiert

mhd. 'keilför-

B r e t z e l ,

bracitellum,

precilla,

bretze,

voraus,

gemeingerm.

a h d . wecki,

wegge ' K e i l ' b e n a n n t ,

a u s m l a t . bracellum,

ahd.

breztella, durch

bremhd.

'collirida,

p a n i s t o r t u s ' u n d ' c r u s t u l u m ' = genus oleo

zu

h ä u f i g in Z u s a m m e n s e t z u n g

Zutaten,

von

libum lebe-zelie

verbunden:

lepkuoch

mnd.

schmackhafter

zilla,

Backware

Ursprung

worden.

Indiculus

(26) u n d

in eo diis

Es

hindeuten.

feinere

lischen

ihnen

sind.

zelte

kann sowohl grobes wie feines

bedeuten.

den

wir

K u c h e n

a n o r d . kaka,

Z e i t b e k a n n t , die a u ß e r h a l b des

Rahmens

vel

phefor-

lat.

z u lebe-kuoche

libenzelten

im M A .

gewürzt

mhd. mit

o d e r m i t kuoche

F a s t e n t a g e n s t e h e n , i s t u n s e r s t a u s einer unsrer B e t r a c h t u n g steht, wenngleich

Pfeffer

Form

Z e l t e ,

libaminaDieses

'Kuchen' wird

mhd.

dieser

Zusammenhang

flache

hochdeutsche

mit

'liba,

also

Gleich

nur

zelto,

celtun

Die

Mehrzahl

genannt,

flaches

10, 1 2 7 .

im

breitinc

besitzt

I I I u. I V ) u. A r c h . f. A n t h r o p . N . F . I I I ff. große

in

F l a d e n s ,

a h d . flado, u r v e r w a n d t z u g r i e c h .

libum:

meist

bezeichnet jetzt

wahrscheinlich

F o r m des westgermanischen

V o l k s k u n d e 1902, 1905, 1906 ( S u p p l e m . - H .

die

Feingebäck,

conspersus

tortus,

hart

in

medio

gebackenes

panis

concavus

et

Klosterbrot

in

eingebürgerte fremde N a m e für den Bäcker

Bretzelform, wohl damals schon besonders

i m a l l g e m e i n e n , a h d . phister, pistor,

zielt

pfister

aus lat.

an Fastentagen und den mit einem Toten-

u r s p r ü n g l i c h a u f die

Herstel-

kult verbundenen

l u n g des klösterlichen F e i n g e b ä c k s " ( H e y n e

ähnlicher

Handw.

der

138 f.).

E k k e h a r t IV. v. St. Gallen

( 1 1 . J h . ) f ü h r t in s e i n e n B e n e d i c t i o n e s ad men-

torta

sas 10—28

rinc

3, 106 f.)

(Mitteil, d e r a n t i q u a r . Ges. Z ü r i c h zehn

Gebäcke

panern

lunatum

factum

[mondförmige

z u m segnen

(Glosse:

in

lune

Brote

F r e c k e n h o r s t e r N o n n e n im

modum

erhielten

(1cesotin

brot),

ova levatum

jece

levatum,

mento),

cum

(ova

levant

azima,

panem,

de avena,

noviter

recens

coctum

panem,

calidos

panem,

subeineritium.

Aschenbrot

fochanza,

fochenza,

(s.

Brot aus

de

spelta, ordea

coctos

panes,

panes,

geli-

Letzteres, 1), h i e ß mlat.

de fer-

sigalinum,

panem

uralte

fex),

(levatum

panes, dum

mixtum,

sicut

panem

panem

elixum

sale

jermentatum

oblatas,

triticeum

jrixurn

die

1 1 . J h . in d e r

F a s t e n z e i t d r e i m a l in d e r W o c h e ] ) , per

auf:

das ahd.

focacius

Form

R i n g e l chuocho

halsta,

K r i n g e l ,

1. ringila,

Von

ringele-,

crustula

dem

healston

(Steinm.

I,

414;

lin.

hakenförmigen

craphen,

Gestalt

krephilin,

die K r 0 s e o d e r Gekröse,

Ein

deutet

4,

genannt.

seiner

a h d . jrixum

arto-

D i e f e n b . 52 a., a u c h a h d .

den

chrose,

krephelin\

Kaidaunen

a h d . canstella,

Steinmeyer

F l e c k e

torta kuocho (s.

I I 2 7 7 , A . 75) a u s l a t . canistellum, n u t i v z u canistrum,

lolifa sieht

ähnlich, vel

clibanicus Heyne

hat

krapfun,

w u l s t a r t i g ist der S t r u t z e 1 a h d . strucel;

war ahd.

der K r a p f e seinen N a m e n , a h d . kraphun,

Von

153, 25 ff., 6 1 7 , 4 2 ;

cringel

ags.

136, 281)

genossen.

Beschaffenheit

oder

S t e i n m . 3,

copus rinck,

Zeiten und

jlekkepanis,

Hausaltert. Demi-

B r o t k ö r b c h e n als B r o t ,

d a s in K o r b f o r m in d e n O f e n g e s c h o b e n w i r d .

BADEGERÄT—BADEWESEN Scharf gebackene, mit harter Kruste versehene Ware wie Bretzel und Kringel, auch ahd. stechelinc (zu mhd. stechel hart) torta chuocho l. ringila l. stechilinc, stekkilingi, stekkelingi, Stekkelinga, stekilin Steinmeyer 3, 153, 25 ff. konnten, wie auch andere Brot- und Kuchenarten, durch einen Überguß von Öl oder heißem Schmalz schmackhafter gemacht werden. Solches Brot nannte man mhd. begozzen brät (Heyne Hausaltert. II 272 ff.). — Semmel s. unter Brot. Fuhse.

Badegerät (§1) f ü r d e n K l e i n g e brauch (der einzelnen Körperteile) scheint dem vorgeschichtlichen Deutschtum gefehlt zu haben, mit Ausnahme etwa eines Handkübels zum Uberschütten. Man wusch sich am Brunnen der Hofstätte, bedurfte also keines Waschbeckens. Das ahd. labil, labal, ags. lebil, lœbil, Icefei stammt von lat. labrum, labellum, ist also auch entlehntes Gebrauchsgerät, bestehend aus Erz (luteres = ërin lapel Ahd. Gl. I 205, 27), Stein, Holz oder Ton. Später tritt an seine Stelle das ahd. bcekïn, mhd. becken, becke aus spätlat. baccmum , Wassergefäß zum Hand- und Fußwaschen (zB. Otfr. 4. 11, 14 ff.), das dann völlig heimisch wird als Handbecken (hantbecke, hantkar, dwahalkar, hantvaz, wandvaz, waschkar), während Waschbecken erst nhd. vorkommt. Auch das ags. mêle, mMe scheint Fremdwort. § 2. Dagegen sind die G e r ä t e z u m V o l l b a d rein deutsches Spracheigentum, haben also schon zum urgerman. Hausbedarf gehört, zunächst bestimmt von Holz gefertigt, erst später auch von Metall. Anfänglich höhlte man dazu einen Baumstamm aus (stunz, badestunze, auch scaf, das Schaff, vom Ausschaben, Auskratzen, Aushöhlen), später aus Dauben mit Reifen zusammengefügt, aber noch immer r u n d , ahd. vaz, badevaz, standa, stanta und mhd. stände, batstande, ferner ahd. zuibar, zubar, mhd. zuber, ein Gefäß mit zwei Handhaben, ahd. badzuberlin; kuofa, mhd. kuofe, ahd. kubil, chubilï, mhd. kübel; ahd. butina, butin, mhd. bütten, büte\ ahd. gellida, mhd. gelte, batgelte und weit später die längliche wanne, badewanne (s. über die Herkunft aller H o o p s , Reallexikon.

I.

153

dieser M. H e y n e , Hausaltert. III 41 u. 42 Anm.). Diese Geräte waren im Badegelaß des Hauses aufgestellt (s. Badezimmer), wurden aber auch in die Räume getragen, wo man sich ihrer bedienen, also baden wollte, dem Gaste in sein Schlafgemach, dem Krieger aus dem Dorfe in sein Zelt. Vgl. M. Heyne aaO. III 37—43Sudhoff.

Badeofen (mhd. padoven, badofen). Ein Herd ist in allen Baderäumen des Grundrisses vom Kloster zu St. Gallen v. J. 820 vorgesehen, im allgemeinen balneatorium et lavandi locus, wie im Badehaus für

A b b . 27. Schwitzbad. Wandgemälde in Konstanz um 1300.

Schüler und dem für Kranke. Das ursprüngliche Vorgehen zum Erwärmen des Badewassers bestand im Einlegen an Feuer glühend gemachter Steine (s.Abb. 27), später hing man das Wasser in einem Kessel über offenes Feuer. Der Herd bzw. Ofen für die Erwärmung des Wassers erwärmt zugleich den Baderaum. Heyne Vgl. O f e n .

Hausalterl. I 119 £. III 44 u. 46. — Sudhoff.

Badewesen. § i. Kalte Abspülungen am Bache, am Laufbrunnen des Gehöftes, im Flussewaren seit alters her eifrig geübter Brauch der Germanen. Sie erstreckten sich über den gesamten Körper und kommen in einem besonderen Wortstamm zum Ausdruck, der offenbar mit diesem Brauche später ganz außer Verwendung

154

BADEZIMMER, -STUBE

k a m : got. pwahan, anord. ßvä, ags. ßwean, as. thwahan, ahd. dwahen, mhd. twahen und deren Komposita (vgl. M. H e y n e Hausaltert. III 36 f.). Daneben ging zur gründlichen Körperreinigung das warme Bad im Kübel (anord. bad~, as. bath, ags. bcep, afries. beth, ahd. bad, mhd. bat), das schon früh ein fast täglicher Gebrauch gewesen zu sein scheint, und zwar gerade als Vollbad, während, nach den Bezeichnungen seines Gerätes zu schließen, z B . das Fußbad ausländischer Import gewesen sein dürfte. Offenbar scheute

männlichen Angehörigen, von Dienern (später auch von »Badern«) und vornehmlich von weiblicher Bedienung vorgenommen wurde. Nach dem Baden trocknete man sich Gesicht und Hände mit dem Handtuche (ahd. dwahilla, dwehilla, mhd. twehel 'das beim Waschen dwahen twahan gebrauchte Tuch', heute noch dialektisch Zwehel) hüllte den fcuchten Körper in ein Badelaken oder einen Bademantel (ahd. padelachan, mhd. badelachen) und legt sich für einige Zeit zum Ausruhen und Ausdünsten hin. S. auch Schwitzbad.

A b b . 28. Taufe in tiefer Badekufe. Zeichnung- aus dem »Hortus deliciarum« der Herrad von Landsberg, 12. Jahrh.

man die Übeln Hautausdünstungen als merkbare Folgen des Schweißes nach der Arbeit, der Jagd usw. sehr (s. Wohlgerüche). § 2. Das Badewasser wurde warm gebraucht, durch Hineinlegen glühender Steine oder in einem Kessel über offenem Feuer oder auf einem Badeofen (s. d.) erhitzt, die nötige oder erwünschte Temperatur durch Mischen heißen und kalten Wassers hergestellt und so daz bat bereitet. Zur gründlichen Reinigung wurden Laugen und Seifen verwendet (s. d.). Man setzte sich in die Badekufe, wie es Miniaturen zeigen (Abb. 28), und ließ sich die Haut waschen, streichen und kneten, was von

M. H e y n e Hausaltert. I I I 35—48. W e i n h o l d Dtsch. Frauen II 1 1 3 — 1 1 8 . Zappert Über das Badewesen, Arch. f. K d e österr. Geschichtsquellen X X I 1 — 1 6 6 . E. M a r t i n Murners Badenfahrt, Beitr. z. Lds.- u. Volksk. V. Els.-Lothr. II (1887). Kochendörffer Zum mittelalt. Badewesen, ZfdPhil. 24, 4 9 2 — 5 0 2 (1892). Alfred M a r t i n Gesch. d. dtsch. Badewesens 1905. K . B a a s Gesundheitspflege in Baden, Hdlb. Neujahrsblätter 1909 S. 64 ff. Sudhoff.

Badezimmer, -stube. § i. D e u t s c h land. Ein besonderer Raum zum Waschen und Baden wurde früh im deutschen Hause abgetrennt, wo das Badegerät (s. d.) fest aufgestellt war und Einrichtung getroffen wurde, Wasser zu

BADUHENNA erhitzen (s. Badeofen). Wenn auch das Vorbild der Römer, die keine Villa ohne B . bauten, diese Entwicklung befördert haben mag, so waren größere Wohngebäude der Germanen auch schon im alten freien Germanien mit einem Badegelaß versehen, oder im Hofe ward ein selbständiges kleines Haus hierfür hergerichtet. Der Grundriß des Klosters von St. Gallen (820), der freilich niemals ausgeführt wurde, zeigt mehrere Baderäume mit Wandbänken, die an der Wand herliefen, und feststehende kreisrunde Standgefäße und im selben Räume oder im Räume direkt nebenan einen Herd. Auf einen Herd kamen vier Badekufen. Solche Badegelasse waren für die Mönche, für die Schüler, für Kranke und für die Diener getrennt vorgesehen, während dem A b t e und den Gästen die Badekufe wohl in ihr Zimmer getragen werden sollte. Später treffen wir den Baderaum direkt neben dem Schlafzimmer, oft mit besonderem Ruhebette (nach dem Bade) ausgestattet und auch wohl mit einem Auskleideraum (abczichkemerlin) in Verbindung. M. H e y n e Hausaltert. III 44—46. Ferd. K e l l e r Bauriß des Klosters St. Gallen, Zürich 1844 (Mitt. d. Antiq. Ges. Zürich. 6. Anhang). Weinhold D. dtsch. Frauen I i i 14. Sudhoff.

§ 2 . E n g l a n d und N o r d e n . Das germanische D a m p f b a d (anord. batf im Gegensatz

zu

laug,

a g s . stofbcep,

mit bähen verwandt) hat römischen, auf Luftheizung Bade nichts zu schaffen. richtung der altnordischen (baästofa,

vgl.

ags.

stoja

stänbcep,

mit dem beruhenden Die EinBadestube

neben

bcephüs,

bcepstow 'thermae', s. Stube) stimmt dagegen mit der des slavischen Badehauses ziemlich genau überein. Der Dampf wurde dadurch hervorgebracht, daß über einen Steinofen Wasser gegossen wurde (vgl. ags. stänbcsp). Eine in mehreren Absätzen aufsteigende Bühne machte es möglich, den Körper einer immer höheren Temperatur auszusetzen; diese Bühne hieß im Anord. pallr (der Name ist noch in norweg. Dialekten bewahrt), was zu der russischen Benennung der obersten Stufe (polok) stimmt. Auf dieser Bühne liegend peitschten sich

155

die Badenden mit Ruten (vgl. lit. plrtis 'Badestube': perti 'baden, mit dem Badequast schlagen'). Auf Island gab es auch über heißen Quellen errichtete Badehäuser (ein solches, das im angelsächsischen Gedichte Ruine erwähnt wird, war wohl eine alte römische Anlage). Ein paar Sagastellen scheinen unterirdische Badestuben zu schildern, was nur rein äußerlich an die gleichartige römische Sitte erinnert. Während in der Sagazeit Badehäuser auf den Höfen ganz allgemein gewesen zu sein scheinen und in den Städten als öffentliche Einrichtung bestanden, gerieten sie später außer Gebrauch. Auf Island wurde, nachdem der Ofen der alten Badestube in die Wohnstube übertragen worden war, badstofa die gewöhnliche Benennung jeder erwärmten Stube, später auch der heutigen, nicht erwärmten Stube, wo alle Leute des Hofes sowohl am Tage wie in der Nacht sich aufhalten (vgl. finn. pirtti 'Wohnung, Stube' aus lit. plrtis 'Badestube'). Im Neunorw. dagegen bedeutet badstova 'Darrhaus' (wie die 'Badestuben' der bajuvarischen Alpen): vielleicht war von Anfang an das Dörren des Kornes und Malzes ein Nebenzweck der Badestube. V . G u d m u n d s s o n Privatboligen paa Island 240ff. M e r i n g e r Mitt. d.Anthrop. Ges. Wien 23, 166 ff. R h a m m Ethnogr. Beitr. z. germ.-slaw. Altertumskunde II I passim. Hjalmar Falk.

Baduhenna. Tacitus (Ann. 4, 73) berichtet, daß die Friesen bei ihrem Aufstand 28 n.

Chr.

900 R ö m e r

apud

lucurn

quem

Baduhennae vocant erschlagen hätten. Es handelt sich offenbar um den Hain einer friesischen Göttin B., von der wir sonst nichts wissen. Einigen Anhalt zur Beurteilung ihres Charakters gewährt der Name, dessen erster Bestandteil sicher dem ags. beadu, ahd. batu-, anord. bqt f. ' K a m p f ' entspricht, und dessen zweiten Teil v . G r i e n b e r g e r wohl mit Recht mit ahd. helli-winna swf. 'Furie, Eumenide' und got. winnö f. 'Leidenschaft', ahd. winna

swf.

'Streit',

mhd.

winnen

stv.

'toben, wüten', ags. winnan 'kämpfen, streiten, sich mühen' verbindet, so daß der Name eigentlich *Badu-wenna gelautet und 'die Kampfwütige' bedeutet hätte.

156

BAIERN

Wir haben demnach in B. wohl K r i e g s g ö t t i n zu erblicken.

eine

v. G r i e n b e r g e t P B B e i t r . 19, 5 3 1 — 3 3 (1894). G o 11 h e r GMyth. 459 f. (1895), m i t weiterer Lit. M o g k PGrundr. ' 3, 374. Herrm a n n DMyth. 308. Johannes Hoops.

Baiern. § 1. Die zuerst von Z e u ß 364 ff. (und in einer besondern Schrift Die Herkunft der Bayern von den Markomannen 1839 und 1859) vertretene Ansicht über den Ursprung der Baiern kann als völlig gesichert gelten. Keine andre Hypothese kommt dagegen ernstlich in Betracht, auch die M ü l l e n h o f f s {DA. 4, 120) nicht, der in den B. dem Zeugnis ihrer rein westgerm. Sprache zum Trotz ein Mischvolk mit vandilischem Einschlag sieht und die Heruler und Rugier bei der Ausgestaltung des Stammes beteiligt sein läßt, die allerdings auch in der Donaugegend, aber nicht an derselben Stelle, j a nicht einmal in der Nachbarschaft der B. auftreten. Wir müßten B. und Markomannen schon deshalb zusammenbringen, weil es eine andre Möglichkeit nicht gibt. Ein starkes Volk wie die Markomannen kann nicht unbemerkt spurlos verschwunden sein; für die B. aber kommt als Grundlage nur ein größeres westgerm., den AlemannenSchwaben von Haus aus sprachlich nicht zu fernstehendes Volk in Betracht, und ein solches steht sonst nicht zur Verfügung. § 2. Dazu gesellt sich das Zeugnis des Namens Baiern selbst. Dem Baioarii Baiuarii, s p ä t e r — m i t roman. Monophthongierung von germ. ai zu a — Bavarii lat. Quellen steht ahd. Peigira, ags. B&geras, aisl. (auf der as. Form beruhend) Beiarar zur Seite. Diese germ. Formen im Verein mit dem jetzt noch in Baiern im Gegensatz zu Beheim, Böhmen erhaltenen Diphthong lassen germ. *Bajja(mit geschärftem ; wie in Ei) als erstes Kompositionsglied erkennen; über das zweite s. unter Völkernamen § 9. Man mag Bai-varii mit B r e m e r Eihn. 213 (947) aus Bai-haim-varii erklären nach der Regel, »daß bei der neuen Komposition eines Kompositums der zweite Wortstamm weggelassen wurde«, oder seinen ersten Teil für einen aus dem Volksnamen der Bovi bzw. seiner germ. Form, in der kelt.

oi den Übergang von idg. oi zu ai im Germ, mitgemacht hatte, mittels eines ja- oder jö- Suffixes abgeleiteten Landesnamen halten, auf den auch das Baias, ein Teil der 'patria Albis' beim Kosmographen von Rav. 4, 18 zurückgehen kann und für den das alte Doppel-;' in Baiern zu sprechen scheint: jedenfalls bedeutet Baioarii ganz dasselbe wie schon ßat(v)o^ot(iat (s. d.), nämlich 'Bewohner des Boierlandes'. Ohne Zweifel hat der Name bereits für den Stamm gegolten, als er noch in Böhmen seßhaft war. Daß wir ihn nicht kennen lernen, hängt damit zusammen, daß über die Markomannen durch lange Zeit auch sonst nichts verlautet. § 3. Wann sie ihre Sitze gewechselt haben, ist nicht unmittelbar bezeugt und nicht genau feststellbar. Bei Jordanes Get. 55 werden die B. bereits als Ostnachbarn der Alemannen angeführt, was aus der zwischen 526 und 533 verfaßten Gotengeschichte Cassiodors stammen dürfte. Schwieriger ist es, einen terminus a quo anzugeben, denn L. S c h m i d t s Behauptung (Allg. Gesch. d. germ. Völker 179), daß die Wanderung erfolgt sein müsse, nachdem Ufernorikum durch Odoaker aufgegeben wurde, hat die Voraussetzung, daß die B. zunächst Ufernorikum links der Enns, sodann westwärts vordringend Raetia II bis zum Lech besetzt haben, wo sie mit den Alemannen zusammenstießen. Diese ist aber unerwiesen und stimmt schlecht dazu, daß nach Ausweis von Funden und Ortsnamen die deutschen Siedlungen in Oberösterreich jünger sind als in Bayern westlich v o m Inn und sichtlich von West nach Ost sich ausbreiten. Eher scheinen sie daher über den Böhmer- und bayrischen Wald in den Nordgau und zur Donau herabgestiegen zu sein und in der Gegend von Regensburg etwa diese überschritten zu haben. Mit ihrer Wanderung läßt sich dann die von Engilberts vita s. Ermenfredi bezeugte Austreibung der Waresci (d. i. Varisti) aus dem Gau Stadevanga am Fluß Regnus in Zusammenhang bringen (s. Naristi). Die Räumung Böhmens durch die Baiern hat die Besetzung dieses Landes durch die Slaven zur Folge gehabt, wenn auch

BAIMOI—BALDACHIN nicht unmittelbar; sie sind erst mit den A v a r e n dahingekommen. § 4. Zum ältesten Siedlungsgebiet der Baiern gehört das Land östlich vom Lech bis hinein ins Salzburgische, wo im Flachgau auch noch auf dem rechten Salzachufer ihre aus merowingischer Zeit stammenden Grabfelder sich finden. Auch in Reichenhall sind sie so früh durch ein solches bezeugt; ebenso in Tirol durch Funde aus Igls bei Innsbruck. Südlich dehnte sich ihr Machtbereich bis zu dem der Langobarden aus. So wie die Alemannen haben sie erst die offeneren Landschaften dichter besetzt und sich in den tieferen Alpentälern später und allmählich eingeschoben. Über die Enns greifen sie zuerst nach der Niederwerfung der Avaren durch Karl d. Gr. und mit größerem Nachdruck noch nach der Bändigung der an deren Stelle getretenen Ungarn. Auffallend ist allerdings ein Flußname wie Erlaß in Niederösterreich gegenüber röm. Arlape, Arelape, da nach allgemeiner Annahme die hd. Lautverschiebung im 9. Jh. längst, abgeschlossen war. Dies könnte darauf hinweisen, daß die bair. Kolonisation schon während der Avarenherrschaft einsetzte, oder daß mit den vordringenden B. verstreute Reste älterer germ. Bevölkerung verschmolzen; dafür spricht auch ein Name wie March, der nicht erst aus slav. Morava entstanden ist; s. Marus. § 5. Politisch sind die B., seit wir sie unter diesem Namen kennen, immer ein Teil des Frankenreiches, ein Verhältnis, in das sie auf friedlichem Wege gekommen sein dürften. Im Zusammenhang mit dieser Abhängigkeit steht es, daß wir von Anfang an nur von ihren Herzogen, nicht von Königen erfahren. Neben ihrem Herzogsgeschlecht mit dem deutlich patronymischen Namen Agilolfingi begegnen uns in der L e x Baioariorum noch mehrere Adelsgeschlechter, die Hösi (Huosi), Thrözza (Draoza), Fagana, Hähilinga, * Annion. Auch davon scheint Hähilinga patronymisch zu sein und Abkömmlinge eines Hähilo zu bezeichnen. Fagana sind 'die Fröhlichen' nach as. fagan, ags. jagen, anord. feginn 'laetus'; daneben Thrözza wohl 'die Verdrießlichen'

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oder 'die Widerspenstigen' nach germ. *ßrauta- 'Beschwerde, Mühsal', anord.ßriölr 'widerspenstiger Mensch'; Hösi, das an ags. hös 'bramble, thorn' anklingt, ist unklar; * Annion — so von Dietrich v. K r a l i k N. Arch. d. Ges. f. ält. d. Geschichtsk. Bd. 38) hergestellt statt überliefertem Anniona, woneben jüngeres Mnnion belegt ist, — stellt einen/a«-Stamm germ. Anjanoder Annjanvon unbekannter Bedeutung dar. Vermutlich bezeichnen diese Namen nicht nur Adelsgeschlechter, sondern auch alte Gauvölker, an deren Spitze diese standen. Doch darf man die Hösi nicht mit F a s t l i n g e r (Beitr. z. Anthr. u. Urgesch. Bayerns 19) von den pannonischen Osi ableiten. Lit. b. B r e m e r Ethn.211 (945)u. L . S c h m i d t AGdgV. 178.

Zum Namen R. M u c h ZfdA. 39,

31

ff.

R. Much,

ß a i f j - o t , ein Volksname, den Ptoleraäus II II, II zwischen Aouva uXyj und Donau einträgt. Der Name ist gekürzt aus Baehaemi, somit dasselbe wie Bai(v)o}(aTjiai bei Ptol. II 11, 10, und bezieht sich auf | die zwischen Marus und Cusus angesiedelten Gefolgscharcn des Maroboduus und Catuj alda. S. auch Baivo^arjj.«'. u. Quaden. !

Möllenhoff

DA.

2, 328.

R. Much.

B a i v o } ( a t [ x a t bei Ptolemäus II 11, 10 ist verderbt aus Bato^aijxai und bezeichnet die germ. Bewohner Böhmens, d. i. die Markomannen, die aber daneben auch unter diesem Namen an andrer Stelle in : die Karte eingetragen sind. Der Name der selbst vom Landesnamen her; B., geleitet ist, lebt fort, übertragen auf die | slav. Nachfolger der Markomannen, als ahd. mhd. Beheim, Plur. Beheima, Beheime. • Unser Böhmen ist Dat. Plur. dieses Volks• namens. Vgl. Markomannen u. Teupio/aTjxai. Möllenhoff AfdA. 23, 29 f.

DA.

4, 558.

R.

Much

R . Much.

I Baldachin, eiborium, auf Stützen (Säulen) i stehende Überdachung, tragbar oder fest. | Steinerne Baldachine der Frühzeit über Altären sind hier und da noch ganz oder teilweise erhalten (Ravenna; Valpolicella; Mailand, S. Ambrogio). Ein reichgezierter, allerdings aus älteren langobardischen Stücken zusammengesetzter auf zwei Säulen über dem Bischofsitz (cathedra) des Domes zu Grado. Ein sechseckiger

158

BALDENHEIMER HELM—BALDR

angesehen werden dürfen. Ein eiserner auf Säulen über dem Taufbecken zu Helm aus Ägypten und ein bronzener, Cividale im Dom, bezeichnet als durch angeblich in Persien gefundener, des Britiden Patriarchen Sigwald (762—776) hergestellt; mit reichgeschmückter Brüstung schen Museums zeigen die Etappen der Entecht langobardischen Stils. S. a. Ziborium. wicklung vom Prototyp zur entwickelten E n l a r t I 740. M o t h e s Milielalterl. Form. Bauk. in Italien I 265 266. R i v o i r a Origini Die ältesten Exemplare der »germanideW architettura lombarda 154. 164. Milano 1908. schen« Spangenhelme stammen aus dem A. Haupt. 3-/4. Jh. n. Chr., die jüngsten reichen bis Baldenheimer Helm. § 1. Der B. H . ins 6-/7. Jh. R. H e n n i n g Der Helm von Baldenheim wurde im Jahre 1902 in dem Dorfe Balden1907. M. R b e r t Prähist. Z. 1(1909), 65 ff. heim (Elsaß) in einem germ. Reihen163 ff. Max Ebert. gräberfeld des 5-/6. Jhs. gefunden. Er Baldr. § r. Die Mythen und Sagen, besteht aus einem kupfervergoldeten Spangengerüst von konischer Form. Die die sich an Baldr knüpfen, kennen wir Spangen werden oben durch eine auf- nur aus nordischen Quellen. J a wir wissen genietete Platte mit einem Fuß für die nicht einmal, ob bei den andern germanischen Stämmen eine Gottheit unter diesem Helmzierde zusammengehalten. Nach Namen verehrt worden ist, da Baldaeg, unten zu verbreitern sie sich zu flügelder in den ags. Stammtafeln als Sohn artigen Schweifungen, die einander beWodens begegnet, ein unsicheres Zeugnis rühren. Die Füllungen zwischen den Spangen bestehen aus ovalen Eisenblättern. ist und von dem balderes des Merseburger Zauberspruches nicht feststeht, ob es Den Randabschluß bildet ein Doppelband, das unten aus Eisen, oben aus vergoldetem Nomen proprium oder Appellativum ist. Kupferblech besteht. Alle diese Bestand§ 2. Über Baldrs Wesen erfahren wir teile sind durch Nieten miteinander verwenig. Er begegnet überall als jung und bunden. Zum Helme gehören zwei eiserne schön, weshalb in ganz Skandinavien die Wangenklappen mit vergoldeter BronzeHundskamille Baldrsbrä 'Baldrs Braue' auflage und Ledereinfassung. genannt wird. Daneben erscheint er kühn § 2. Der B. H. repräsentiert einen (Lok. 27; Fas. I 373), ohne daß jedoch Typus, von dem noch acht weitere Exembesondere Taten seiner Tapferkeit erwähnt plare aus Dalmatien, Italien, Süddeutsch- werden. Auch ist er Feind alles Unrechts. In Brcidablik 'Weitblick' hat er seinen land und Frankreich bekannt sind (vgl. Sitz (Grimn. 12). Sein Vater ist Ö3inn, den Helm von Gammertingen auf der Tafel zum Artikel 'Helm' Nr. 4). Man seine Mutter Frigg (Vsp.). hat ihr Fabrikationszentrum in Gallien § 3. Der Mythus, den wir von Baldr Er oder einem dem ravennatischen Kunst- haben, dreht sich um seinen Tod. kreis nahestehenden Bezirke Italiens ge- findet diesen durch Hcj9r (s. d.), und zwar sucht. Jedoch sind diese Spangenhelme fällt er durch ein zauberhaftes Schwert, nach ihrer Technik, Form und Verzierung den Misteltein, aus dem die isländische Dichtung (Vsp., Baldrs dr.) den Mistelin Mitteleuropa ganz isoliert. Die Abhängigkeit der Helmform von östlichen zweig gemacht hat. Schwere Träume Vorbildern sowie die Mischung spätantiker des Gottes haben den Göttern diesen und orientalischer Motive auf den HelmUntergang voraus verkündet. Sein Tod bändern machen es sehr wahrscheinlich, wird von seinem Stiefbruder Väli (s. d.) daß sie in Osteuropa, vermutlich in Südoder Bous gerächt, der zu diesem Zwecke rußland entstanden sind. von Ö9in gezeugt wird. § 3. Direkte Gegenstücke von dorther § 4. In dieser Mythe, die mehrfach fehlen bis jetzt, doch sind aus den Griechen- weitergebildet und bei Saxo zur Sage städten des Bosporus (2.—3. Jh. n. Chr.) geworden ist, ist eine wesentliche Verkonische, aus vier dreieckigen Blättern änderung dadurch eingetreten, daß auf zusammengenietete Eisenkappen bekannt, Island an die Stelle H(jdrs Loki gekommen die als der Urtypus der Spangenhelme ist. Vor IOOO kann dies nicht geschehen

BALDR sein, da die eddische und skaldische Dichtung nur Hcjdr als Mörder Baldrs kennt. Durch diese Verschiebung ist HcjSr zum blinden Asen geworden, der nur ein Werkzeug in der Hand Lokis ist und an dem deshalb auch die Rache nicht vollzogen zu werden braucht. In diese spätere Dichtung haben sich auch christliche Züge eingemischt. § 5- In dieser späten Gestalt, zum Teil mit eignen Zusätzen und Kombinationen, erzählt S n o r r i den Baldrmythus (SnE. I 172 ff.). Nach ihm ist Baldr der Gemahl der Nanna; beider Sohn ist Forseti (s. d.). Infolge der schweren Träume, die der Gott gehabt hat, nimmt Frigg allen Gegenständen den Eid ab, Baldr kein Leid zuzufügen. Nur der unscheinbare Mistelzweig wird nicht vereidigt. Jetzt schießen und werfen die Götter mit Steinen nach Baldr; nichts verletzt ihn. Loki ist darüber erzürnt, erfährt, daß der Mistelzweig nicht vereidigt ist, holt ihn, drückt ihn dem blinden Hqdr in die Hand und veranlaßt so den Tod des Gottes. Alsdann folgt der feierliche Leichenbrand Baldrs, dargestellt nach dem Gedichte des Ulf Uggason, das dieser im Ausgang des 10. Jhs. nach dem Gemälde in der Prachthalle des ö l ä f r päi verfaßt hat. Auf Veranlassung der Frigg reitet dann Hermötfr zur Hei, damit er Baldr wieder zur Oberwelt bringe. Diese verspricht auch die Rückkehr, wenn alle Kreaturen und Gegenstände Baldrs Tod betrauern würden. Nur die Riesin f>Qkk, in der der verkappte Loki sich befindet, weigert sich, und so muß Baldr im Reich der Hei bleiben. Nach diesem vergeblichen Versuch beschließen die Götter die Rache: Loki wird gefangen und in einer Felsenhöhle angeschmiedet. § 6. S a x o (Hist. Dan. I n o f f . ) bietet eine zweifache Darstellung von Baldrs Ende, in der einen ist der Mythus euhemeristisch dargestellt, in der andern erscheint er als Heroensage. Jene zeigt auffallende Übereinstimmungen mit der Mythe von Frey und Gerd. Balderus erblickt im Bade die Nanna, die Geliebte des Hotherus, und ist von ihrer Schönheit so entzückt, daß er um sie während Hotherus' Abwesenheit wirbt. Er wird

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jedoch von dem Mädchen zurückgewiesen. Darauf entbrennt der Kampf zwischen Hotherus und den Göttern, der dadurch zu deren Niederlage führt, daß Hotherus mit dem Zauberschwerte des Mimingus dem Thor die Keule aus der Hand schlägt und ihn so der trefflichsten Waffe beraubt. — Offenbar ist in der Quelle Saxos in diesem Kampfe Baldr gefallen, wenn auch Saxo nur von der Flucht spricht. § 7. In der zweiten Darstellung ist der Mythus zur Sage geworden. Hotherus führt nur gegen Baldr den Kampf; die Götter begegnen dabei nicht. Auch die Nanna spielt hier keine Rolle; es handelt sich mehr um einen Kampf um den Besitz von Dänemark. Die Dänen geben Balderus Dänemark, und so sieht sich Hotherus nach einer Niederlage zur Flucht nach Schweden genötigt. Aber auch dies Land verläßt er. In der Einsamkeit, wohin er sich zurückzieht, erfährt er von Jungfrauen, daß Baldr durch eine bestimmte Speise seine Kraft besitze; wenn er diese erlange, werde er über Baldr Herr werden. Nach dieser Erkundigung nimmt Hotherus von neuem den Kampf auf, schleicht sich während der Nacht heimlich in Baldrs Lager, weiß durch List die Jungfrauen, die die Speise bereiten, zu gewinnen und erhält nun von ihnen die Speise und einen siegverleihenden Gürtel. Dadurch ist Baldrs Schicksal besiegelt. Auf seinem Heimweg trifft ihn Hotherus und bringt ihm die Todeswunde bei, an der er am dritten Tage stirbt. Später übernimmt Baldrs Bruder Bous die Rache. § 8. Der Baldrmythus ist auf die mannigfachste Weise g e d e u t e t worden. Zweifellos haben sich an den einfachen Kern im Laufe der Zeit, namentlich in den Darstellungen, die Saxo bietet, verschiedene Märchenmotive angegliedert. Wenn man aber von der einfachsten Form ausgeht und den Namen Baldr mit bal 'licht, glänzend' zusammenbringt (ZfdA. 25, 237ff.), so liegt es am nächsten, im Baldrmythus einen alten Mythus vom Tod des lichten Himmelsgottes zu erblicken, nach dem der lichte Gott von dem Dämon der Finsternis vernichtet wird. Mit ihm mögen alte Kulte verbunden gewesen sein; nachweisen lassen

i6o

BALLSPIEL

sich keine, wie wir überhaupt keine sichern Zeugnisse eines Baldrkultes haben. Bu SSe Studien über die Entstehung der nordischen Götter- und Heldensagen I 32 ff. N i e d n e r ZfdA. 41, 305 ff. Kauffmann Balder (1902), wo sich die zahlreiche ältere Literatur verzeichnet findet. S c h ü c k Studier i nordisk Litteratur- och Religionshistoria II 1 ff. K r 0 h n Finnisch-ugrische Forsch. 1906, 3 ff. E . Mogk.

Ballspiel. A. S p r a c h l i c h e s . § I. Obwohl unsere Zeugnisse (besonders für Deutschland und England) recht späten Datums sind, unterliegt es keinem Zweifel, daß die Germanen das Ballspiel seit a 1 1 e r Z e i t gepflegt haben. Es ist eines der weitverbreitetsten Spiele, auch kulturell niedriger stehenden Völkern bekannt; zudem stellt der Terminus Ball eine g e meingerm. Bezeichnung des Spielgegenstandes dar: ahd. ballo m. und balla f., spätahd. auch schon bal m., andd. ballo m. und bal m., anord. bgllr m.; das ae. Äquivalent fehlt, kann aber mit Sicherheit aus dem Deminutivum bealluc m. 'Hode' (eigentl. 'Bällchcn') erschlossen werden. Andere Ablautsstufe derselben Wurzelsilbe weisen Bolle, ae. bolla m. bolle f. 'kugelförmiges Gefäß, Becher', usw. auf, so daß einerseits Echtheit des deutschen Wortes und andererseits Entlehnung der roman. Ausdrücke it. balla, franz. balle 'Kugel, Ball' außer Frage stehen. Als urverwandt betrachtet man lat. follis 'lederner Schlauch, Windball', zu Wz. *bhel- 'aufblasen, schwellen' gehörig (Walde E W b . 2 3 4 ) . — N e b e n Ball sind e i n z e l s p r a c h i g a n d e r e T e r m i n i im Gebrauch gewesen. Zu ahd. stoz, das pila glossiert, ist das Deminutivum mhd. stütsel m. 'Ball' und oberemsländ. staitken 'Ballspiel' zu stellen (vgl. mhd. stutz 'Stoß, Anprall', spätmhd. und nhd. stutzen, ndl. stuiten 'hemmen, zurückprallen'). Ae. pödr (pötur, -or, -er) m., nach Kluge (Glossar z. Ags. Lesebuch 3) mit pindan 'schwellen' verwandt, ist schon in den Epinaler Gl. bezeugt und bleibt einziger Terminus bis in die spätae. Zeit hinein; es hatte also offenbar das anzusetzende *bealla m. (viell. auch *bealle f.), mit dem es auch in seinem ursprünglichen, sinnlichen Bedeutungsinhalt übereinstimmte, schon früh vollkommen ver-

drängt; me. ball{e), ne. ball ist daher sicherlich — f r a n z . oder nord. — Lehnwort. Im Norden war kngttr m. Gen. knattar statt des sehr seltenen bgllr in Gebrauch. B. D e u t s c h l a n d u. E n g l a n d . | § 2. Während bei den Griechen und Römern Kinder und Erwachsene beiderlei Geschlechts Ballspiele verschiedenster A r t als ausgesprochen gymnastische Leibesübungen betrieben, scheinen i n D e u t s c h l a n d bis ins MA. hinein vornehmlich die Kinder, namentlich die Mädchen, und auch junge Frauen Ball lediglich zum Zeitvertreib und zur Belustigung gespielt zu haben; in zwei Glossenhss. des 12. Jhs. finden wir die Eintragungen, Ahd. Gl. IV 235, 14 fT.: „ P i l a autem quatuor modis intelligitur. . . . secundum dicitur pal. quo utuntur mulieres in ludo." IV 237, 14 f . : | „ . . . p i l a pal qua utuntur muliercule tem! pore ludi." ! § 3. Ähnliches gilt für E n g l a n d , 1 wo das Ballspiel die beliebteste Kurzweil | der ae. Jugend war. Der talentvolle Illuj minator der Hs. Cott. Claud. B IV (11. Jh., ; Brit. Mus.) zeichnet fol. 35 b, wie Ismael | und Isaac Ball spielen, um ¿Elfrics Übersetzung von Genesis c. 21,9 zu illustrieren: , , H y t gelamp eft syddan, \icet Sarra beheold, hü Ägares sunu wid Isaac plegode." — Aus dieser Miniatur (s. Reproduktion) und einer anderen derselben Hs. auf fol. 102 a (zu Exodus c. 32,6) können wir i etwas über den S p i e l b e t r i e b ent; nehmen: die Kinder übten entweder einfachen F a n g b a l l , oder gestalteten das ! Spiel etwas komplizierter, indem sie mit einem Balle oder mehreren in jeder Hand zugleich jonglierten. Derartige Kunststücke gehörten auch zum Repertoire der Fahrenden: einer der Spielleute, die König David auf einem Bilde der Psalterhs. Cott. Tib. C V I fol. 30 b umgeben, fängt mit Bällen und Messern (Reproduktion bei Strutt-Cox Sports and Pastimes of the People of England gegenüber S. 148 u. Wülker Gesch. d. engl. Lit.2 I gegenüber S. 65). — Wie in nachae. Zeit eine Reihe anderer Formen des Spieles üblich waren und es noch sind, so wird es auch vorher mannigfache Variationen ge[ geben haben. Von ihnen ist noch mit i großer Wahrscheinlichkeit eine Art

BALLSPIEL S c h 1 a g b a 11 bezeugt; in ;Elfric Batas (um 1005) erweiterter Fassung des sog. ; Colloquiums seines Lehrers, des Abtes .¡Elfric, legt jener den Klosterschülern die Bemerkung in den Mund (Napier Old Engl. Gl. 222 A. 8): „ P e r g a m u s omnes simul iocare foris cum baculis nostris et pila nostra seu trocho nostro." — Die Schilderung des Ballspiels in der ae. Über- 1 t r a g u n g des Apolloniusromanes (Herrigs Archiv X C V I I 25, 8 ff.) kann sachlich nicht verwertet werden, da sich der Übersetzer eng an seine Vorlage anlehnt. j Die vorhandene Lit. berücksichtigt nur das Mittelalter. Fritz Roeder.

161

liedern und in den nachklassischen isländischen Prosaromanen (Fms. I I I 186; Bös. K. 3: soppleikr, vgl. A. Olrik, Danske Studier 1906) erwähnt. § 6. Von mehr zusammengesetztem und sportmäßigem Charakter war der nationale isländische knattleikr, der von den Sagas als die beliebteste Freiluftübung der Isländer und Volksunterhaltung auf offnem Felde dargestellt wird, bis er in den ersten christlichen J a h r h u n d e r t e n mehr und mehr durch Ringkampf und Tanz verdrängt wird. Er wurde mit Ball und Ballstock

1

C. N o r d e n . § 4. Bei den S k a n d i - : n a v i e r n war entsprechend der rauheren j N a t u r ihres Landes und ihrer Körperkonstitution die Neigung zu einfachen ! K r a f t ü b u n g e n stärker entwickelt als bei Deutschen und Engländern. Das Ballspiel erfuhr daher bei ihnen allgemeinere Pflege und eine eigenartige, jenem Hange entgegenkommendeAusgestaltung. Einesichere Hand zu Griff und Wurf zu haben, war eine angesehene und unter den Verhältnissen des Altertums höchst nützliche Fertigkeit, die man sich auf mancherlei Weise anzu- ; eignen suchte. Teils traten solche Übungen in den Dienst der Waffenfertigkeit (s. Waffenübungen), teils treten sie als i mehr oder minder zusammengesetzte Spiele ; auf, geübt von Kindern und Erwachsenen. In alten Erzählungen lebt die Erinnerung | A b b . 29. Ballspiel angelsächsischer K n a b e n . an Knochenwurf (hnütukast) und andere j Hs. Cott. Claudias B . I V fol. 3 5 b , n . Jh., Brit. Mus. gewaltsame Wurfspiele als Gesellschafts- j Unterhaltung einer vorhistorischen Zeit. ] Über ein Wurfspiel mit Rasenstücken ! von zwei zwischen Richtlinien aufgestellten Parteien gespielt, wobei jedoch jeder (torfleikr) auf einem Landschaftsting auf einzelne Spieler seinen besonderen Gegner Island im 10. Jh. berichtet die Eyrbyggjah a t t e ; bei der Einrichtung des Spiels saga. § 5- Ähnlichen primitiven Charakter ordnete man es so, daß ungefähr gleichhat das älteste Ballspiel, von dem man die ! starke Leute einander gegenüber zu stehen erste A n d e u t u n g auf dem einen dänischen ! kamen, denn auf die Stärke k a m es am Der Ballstock (knatt-tre) Goldhorn von ca. 500 findet. Es waren ein- ; meisten an. fache W u r f - und Greifübungen, mit einem j wurde sowohl zum Schlagen (knattdrepa) harten und schweren Ball, gefährlich und j verwendet, als auch als Auffanggerät, um den Ball im Flug aufzuhalten (knattgildra). gewaltsam, darauf berechnet, die Stärke Die nähere Einrichtung des Spiels kennen zu fördern und den Mut zu stählen. Ein wir nicht mit Sicherheit. Unter den gegensolches Spiel scheint allgemein in Skandinavien und Dänemark bis weit über die [ seitigen Bemühungen der Spieler, (durch Wikingerzeit gebräuchlich gewesen zu sein; j Schlag, Stoß oder Wurf) den Ball übers literarisch wird es dort erst in den Volks- ' Ziel zu bringen — was das entscheidende

162

BALSAM—BANDKERAMIK

Moment war — entfaltete sich ein lebhafter Wettkampf: Wettlauf nebst Ringkampf und anderen Handgreiflichkeiten. Namentlich sind Ringkämpfe vorherrschend. Es ist daher wahrscheinlich, daß die Entwicklung des Ringens zur sportmäßigen glTma aus dem Ballspiel stammt. In seiner Gesamtheit bot das Spiel vortreffliche Bedingungen dar zur Entwicklung von Stärke, Schnelligkeit in der Bewegung, Geschmeidigkeit und Fertigkeit in Griff und Wurf. § 7. Der in der Hardars. erwähnte skqfuleikr war eine Modifikation des knattleikr, bedingt durch die Anwendung eines aus Horn verfertigten Gerätes, skafa, dessen Bestimmung nicht mit Sicherheit angegeben werden kann. § 8. Der Knattleikr konnte wohl zu jeder Zeit des Jahres gespielt werden, bei stattfindenden Gelagen und Volkszusammenkünften. Aber hauptsächlich war der Winter die Saison dafür, sowie er es heute für Bälle und Theatervorstellungen ist. Alle Knattleik-Zusammenkünfte, von denen die Sagas berichten, finden im Herbst oder Winter statt. Doch lag der Grund nicht so sehr in der Arbeit des Sommers — denn zur Erfrischung des Leibes und der Seele und zu andern Belustigungen fand man gern ledige Stunden — sondern er hängt am ehesten mit dem Umstand zusammen, daß die ebene, harte und weitausgestreckte Fläche des Eises der zweckmäßigste Spielplatz war. — In der Regel kamen die Übungen zustande durch den Zusammenschluß der jungen Leute in jeder Gegend, indem sie im Spätjahr Zeit und Ort verabredeten. Innerhalb eines begrenzten Bezirks konnten so stehende Übungen zustande kommen, die den ganzen Winter hindurch fortgesetzt wurden, nur mit den durch Unwetter und andre äußere Ursachen bewirkten Unterbrechungen. Wenn dagegen Teilnehmer von weither sich trafen, wenn die Übungen Turniere für zwei oder mehr Landschaften waren, dauerten sie auch nur wenige, höchstens 14 Tage. Die von fernher kommenden nahmen alsdann ihren Aufenthalt in Buden (leikskälar), die beim Spielplatz zu diesem Zweck aufgeführt waren, und die von Jahr zu Jahr benutzt wurden, indem man ungern den Treffplatz wechselte (vgl. Orts-

namen wie Leikskälar). Zuweilen gaben die Großbauern den Anstoß zum Ballspielsport im Herbst, indem sie zu diesem Zweck ein Fest veranstalteten (Laxdcelas. K . 45). E n g e l s t o f t Skand. Museum 1802, I. R . K c y s e r Nordmcendenes priv. Liv i Oldtiden, 1867. W e i n h o l d Altnord. Leben, Berl. 1856. M o g k ZfdPh. 22. H e r t z b e r g in Hist. Skr. (Feslschr. f. L. Daae) Kristiania 1904. K n u d s e n u. O l r i k in Danske Studier 1906. Bjarnason JprdUir fornm. Reykjavik 1908; Nordboernes legemlige uddannelse. Köbenh. 1905. Björn Bjarnason.

Balsam. Der B. wurde den germ. Völkern mit der antiken Heilkunde als Wundsalbe bekannt. Schon das Gotische kennt das Lehnwort balsan n. als Übersetzung von gr. ¡jujpov 'wohlriechende Salbe'; das auffallende n erinnert mehr an das aus dem Griechischen rückentlehnte arab. balasän, armen, balasan als an gr. ßÄMtxov, ist also offenbar kein gelehrtes, sondern ein volkstümliches Lehnwort. Zu den übrigen germ. Stämmen kam der B. erst im Gefolge des Christentums; sein Name geht hier überall auf lat. balsamum (seinerseits eine Entlehnung aus dem Griech.) zurück: ahd. mit Geschlechtswechsel balsamo m., mhd. balsam(e), balsem(e) m.; ags. baisam, balzarn (m. ? n. ?) und balzame swf., ein spätes, gelehrtes Lehnwort, wofür in den ags. Rezepten auch balsamum mit ganz lat. Form; anord. baisam m., wohl aus dem Deutschen übernommen. W a g 1 e r b.Pauly-Wissowa (1896). der

Realie*r. (1901).

3, 189 (1903).

Heyne

Schrä-

DHausallert.

Johannes Hoops.

Bandkeramik. § i. Unter diesem Namen wird eine schwankende Anzahl n e o 1 i t h. Kulturgruppen zusammengefaßt, die in den Formen und Verzierungen der Tongefäße zum Teil sehr wenig Gemeinsames besitzen und auch nach Zeit u. Ort stark auseinanderfallen. Nach dem ursprünglichen Sinn des Wortes bezeichnete es hauptsächlich den Unterschied gewisser Gefäßformen, Verzierungen u. Begleitfunde von der im gleichen mitteldeutschen Gebiet verbreiteten Schnurkeramik (s. d.). Während aber diese eine zwar recht ausgedehnte, doch in Zeit u. R a u m ziemlich geschlossene Gruppe bildet, verteilt sich die B. (im weitesten Sinne) auf sehr verschiedenartige Stufen und Gruppen und

BANDKERAMIK widerstrebt jeder kurzen und bestimmten Charakterzeichnung. In einem sehr fundreichen Gebiete Westdeutschlands, der Umgebung von Worms, gelangte man durch die Gräberforschung zur Aufstellung dreier zeitlich getrennter Gruppen, nämlich der ä l t e r e n und der jüngeren Winkelbandkeramik und der S p i r a l - M ä a n d e r - K e r a m i k . Die erste heißt nach einem schon länger bekannten Fundorte bei Monsheim auch Hinkelstein-Typus (Abb. 30), die zweite wird mehrseitig dem Rössener Typus (s. d.) bei-

ters getreten ist. Die wahrscheinliche, aber doch nicht ganz sichere Zeitfolge ist demnach: Spiralmäanderkeramik— Hinkelsteintypus -— j ü n g e r e Winkelbandkeram i k (Rössener Typus). § 2. Im Sinne der von mir versuchten Unterscheidung zweier großer neolith. Stilgruppen ist nur die Spiralmäanderkeramik echter Umlaufstil, die beiden anderen sind Rahmenstilarten. Im südöstl. Mitteleuropa ist' die Abfolge deutlicher, die Spiralkeramik reicher und reiner (But-

gezählt, die dritte ziemlich allgemein auf südl. Einflüsse zurückgeführt, während die beiden anderen stilistisch an weiter nördl. gelegene Gruppen erinnern. Ihre zeitliche Abfolge ist unsicher. In der ersten und dritten Gruppe überwiegt die Kugelform der Gefäße, so daß die jetzt beliebte Einschiebung der zweiten (mit vorwiegend anderen Gefäßformen) zwischen jene beiden wenig Wahrscheinlichkeit hat. Die dritte macht den Eindruck ungeschickter Nachahmungen südlicher Muster, an deren Stelle (aber auch unter deren Einfluß) in der ersten ein fester und reicher, aber geradliniger Zierstil nordischen Charak-

mir, Abb. 31), in jüngerer Entwicklung in mehreren lokalen Gruppen auch durch bemalte Gefäße vertreten, die ältere Winkelband(Hinkelstein-) Keramik als Stichbandkeramik ersichtlich jünger; und als letzte Gruppe folgen Rahmenstilarten, wie die Keramik der ostalpinen Pfahlbauten im Mondsee und im Laibacher Moor (Abb. 32), die bereits der Kupferzeit angehören. Diese zeigen nun deutliche Anschlüsse einerseits an den noch rein neol. Norden, (megalith. Keramik), anderseits an frühmetallzeitl. Erscheinungen des Südens (Kupferbronzezeit Zyperns, mykenische Keramik Griechenlands), wo-

BANDKERAMIK

164

raus sich zu ergeben scheint, daß der Rahmenstil in jüngerer Zeit auf ähnliche Weise von N. nach S. vorgedrungen ist, wie in älterer Zeit der Umlaufstil von S. nach N. Wenn der Name B. alle ge- !

Abb. 3 1 .

die jüngeren hauptsächlich der teutonischen (nordgerm.) Rasse an (s. auch Mondseegruppe). Die Skelettfunde aus den Gräbern leiten da nicht weiter, weil jene beiden Rassen noch ganz dolichomeso-

Bandkeramik von Butmir, Bosnien. Abb. oben rechts ca. '/ s , die übrigen ca. n. Gr.

ephale sind und sich die Komplexion nannten Gruppen umfassen soll, wie manche licht mehr feststellen läßt. wollen, so täte man besser, ihn ganz aufzugeben. Auch die Steingerät-, sowie C. K ö h 1 Festschr. Worms 1903. M. H o e r teilweise die Wirtschafts-, Siedelungs- und nes Deutsch. Geschichtsbl I I I 145—152 Gräberformen jener Gruppen sind ziemlich (1902). D e r s. Jahrb. k. k. Zentr.-Komm. verschieden, und wahrscheinlich gehören [ I I I I—128 (1905). Ders. Congr. intern. die älteren vorwiegend der mediterranen, Monaco 1906 II 34—60. M. Hoernes.

BANDORNAMENT—BÄNINGAS

165

Fi,. 10. Fli •• A b b . 32.

Bandkeramik der Kupferzeit.

Kahmenstil-Keramik aus dem Pfahlbau im Laibacher Moor.

Bandornament pflegt man die für die steinzeitliche Donaukultur charakteristischen Spiral- und Mäandermuster zu nennen, die den von der Kürbisform stammenden Tongefäßen eingekratzt oder aufgemalt sind: weil sie nur selten eine einfache Linie, meist vielmehr ein breites Band bilden, das beiderseits durch eine eingekratzte Linie begrenzt und dazwischen durch Punkte markiert ist, zum Zeichen, daß diese Kratztechnik eine Malerei ersetzen will. Dieser Stil hat den germani-

schen Kreis nur an seinen südlichen Rändern berührt: in Böhmen, Sachsen, Thüringen und bei Göttingen (Diemarden) als nördlichstem Punkte. S. Bandkeramik und Ornamentik. Schuchhardt.

Bäningas sind Wids. 19 zusammen mit Burgendas genannt. Daß sie ein Volk in deren ostgerm. Nachbarschaft waren, zeigt Bainaib, das als Name einer Landschaft des östlichen Deutschland neben Burgundaib unter den Stationen der langob.

BANK W a n d e r s c h a f t a u f g e f ü h r t w i r d . D e r Volksname, got. *Bainös, *Bainjas neben *Bainiggös w i e später Vläme neben Vlceminge, g e h ö r t w o h l z u anord. beinn 'gerade' und ' e n t g e g e n k o m m e n d , gastlich'. S. a u c h L a n g o b a r d e n § 6 u. Helvecones. R. M u c h PBBeitr. 17, 65. R. Much. Bank. A. D e u t s c h l a n d . § I. B ä n k e g a b es im german. H a u s schon in der Urzeit, wie der gemeingerm., nur im G o t i s c h e n unbelegte N a m e *bankiz zeigt: ahd. panch (pl. penchi), mhd. banc (pl. benke) f. und m., nhd. bank f . ; as. mnd. bank f . ; ags. benc, me. ne. bench; anord. bekkr m. E s w a r der allgemeine A u s d r u c k f ü r B ä n k e mit oder ohne Lehne, feste oder bewegliche. B ä n k e w a r e n der gewöhnliche S i t z f ü r Hausgesinde u n d Gäste, w e n n sie z u m Essen oder z u r U n t e r h a l t u n g z u s a m men k a m e n . Hausherr und Hausfrau u n d z u m Teil auch die erwachsenen Söhne saßen in v o r n e h m e n H ä u s e r n D e u t s c h lands und E n g l a n d s auf einer besonders hergerichteten, oft k u n s t v o l l g e s c h m ü c k t e n E h r e n b a n k , dem sog. H o c h s i t z (s. d.). D o c h m a c h t der Heliand zwischen B a n k u n d H o c h s i t z keinen deutlichen U n t e r schied und bezeichnet die E h e g a t t e n als B a n k - und Bettgenossen (V. 147 gibenkeon endi gibeddeon). § 2. Eine besondere A r t v o n B a n k ist w o h l unter ahd. scranna f. z u v e r s t e h e n (Steinm. -Siev. I I I 2 1 1 , 6 scamnum: scranna-, 640, 9 scamnum: scranna, panch), worauf n a c h der Ü b e r s e t z u n g der B e n e d i k t i n e r regel (ed. H a t t e m e r , K p . 9) die Mönche in der K l o s t e r k i r c h e saßen. Das Wort ist auf Oberdeutschland b e s c h r ä n k t ; in F r a n k e n b e d e u t e t schranne h e u t e eine B a n k m i t R ü c k e n l e h n e (Schmeller* I I 607). Otfrid, der das W o r t als s c h w a c h e s M a s k u linum gebraucht, nennt die T i s c h e der Geldwechsler, die Christus u m s t ü r z t , thie skrannon (II 11, 17). Die skranna w a r also w o h l eine B a n k m i t breitem und h o h e m S i t z ; d o c h g e h t der Begriff ' B a n k ' a u c h sonst m e h r f a c h in den des 'Tisches' über (Grimm D W b . sv. 4. R h a m m E t h n o g r . Beitr. I I I, 97 A. 3). § 3. Z u m weicheren Sitzen w a r e n die B ä n k e schon im F r ü h m i t t e l a l t e r v i e l f a c h m i t D e c k e n überzogen (ahd. panchlahhan n. 'bancal.es, scamnales, stragulum, sagma,

s t r a t o r i a ' : Graff 2, 158. Steinm.-Siev. I I I 622, 4. 623, 53. 664, 49). G r i m m DWb. udW. H e y n e Hausaltert. I 55. 108 f. HO. Hoops. B. N o r d e n u. E n g l a n d . § 4 . Die ursprüngliche Bedeutung von „Bank" scheint 'langgestreckte flache E r h ö h u n g ' zu sein. Eine solche m i t der W a n d f e s t v e r b u n d e n e B a n k einfachster A r t scheint der m i t fiet s y n o n y m e bekkr der E d d a gewesen z u sein, w ä h r e n d der mit pallr gleichbedeutende bekkr der S a g a s schon eine künstlichere E i n r i c h t u n g a u f w e i s t : s. ' F l e t t ' . Eine kurze, f ü r geringere L e u t e b e s t i m m t e W a n d b a n k an der T ü r hieß brik. Daneben kamen auch bewegliche B ä n k e vor. Eine solche w a r das forsceti, das v o r den T i s c h gestellt wurde. Eine andere, w o h l schmale und niedrige, u m g a b das F e u e r im eldhüs und hieß langknakkr. Die B e q u e m l i c h k e i t der S i t z b a n k w u r d e bei feierlichen Anlässen durch Polster, Federkissen und T e p p i c h e (hegindi, pallkoddi, -dyna, -kladi) erhöht. § 5. V o n der B e s c h a f f e n h e i t der angelsächsischen B ä n k e (benc) w e i ß man nur wenig. Freistehende B ä n k e scheinen durch B e o w . 1240 v o r a u s g e s e t z t z u werden. Die „ g o l d g e s c h m ü c k t e n " B ä n k e der T r i n k h a l l e im B e o w . 778 trugen w o h l g o l d g e s t i c k t e D e c k e n (vgl. sethreegl, setlhrcegl). V o r der T ü r der H a l l e w a r eine B a n k a n g e b r a c h t , w o r a u f die A n k ö m m l i n g e sich niederließen, bis sie eingelassen w u r d e n ( B e o w . 325 ff.); v g l . Nibelungenlied 1299. Hjalmar Falk. § 6. In den altnorweg. K i r c h e n lief eine feste, niedrige B a n k (pallr, setupallr) u m das Schiff h e r u m ; sie ruhte in d e n S t a b k i r c h e n entweder auf Säulchen, die durch R u n d b o g e n v e r b u n d e n waren, oder auf einem geschlossenen U n t e r b a u , w a r aber immer mit der W a n d fest v e r b u n d e n . In mehreren alten S t a b k i r c h e n sind diese B ä n k e noch erhalten. A u c h in S t e i n kirchen k o m m e n sie g e m a u e r t vor, z B . in der K i r c h e zu Mostr und in der P e t e r s kirche z u B r o c h of Birsa, O r k n e y . Außer in K i r c h e n und P r i v a t h ä u s e r n k a m der pallr a u c h in den K ö n i g s h a l l e n v o r , w o das W o r t teils v o n den Sitzen (längs den W ä n den, w i e in d e m P r i v a t h a u s e ) , teils a b e r a u c h v o n der seit der Regierungszeit

BANN, BANNGEWALT Olaf K y r r e s (1066—93) im H i n t e r g r u n d e der H a l l e quer über dieselbe laufenden Estrade, w o der K ö n i g u n d seine nächste U m g e b u n g saßen, g e b r a u c h t wird. A u f der E s t r a d e stand der Tisch, an d e m g e t r u n k e n u n d gegessen w u r d e , u n d daneben die T r a p i z a , der kleine S c h e n k t i s c h . Die E s t r a d e l a g nur einige S t u f e n über die Diele erhöht. Eine S p u r einer solchen E s t r a d e aus dem 13. J a h r h . ist in der Königshalle zu Bergen (Haakonshallen) erhalten, indem eine T ü r in der Hinterw a n d der Halle ihre S c h w e l l e ungef. 2 Ellen ü b e r dem F u ß b o d e n der Halle h a t und sich offenbar in der H ö h e der ursprünglichen E s t r a d e befindet. D i e t r i c h s o n Norske Stavkirker. 1 a y s e n Norske Bygninger.

Nico-

Dietrichson. Bann, Banngewalt. § 1. Der K ö n i g h a t das R e c h t z u g e b i e t e n und zu v e r b i e t e n , er h a t den B a n n . Das W o r t bannus s t a m m t v o n bannen in der B e d e u t u n g 'unter S t r a f a n d r o h u n g ge- oder verbieten' (Kluges EWb.: ahd. ban, ags. bann, ndl. ban). Eine Banng e w a l t b e s i t z t jede Obrigkeit, nicht allein der K ö n i g . Ohne z w i n g e n d e Gew a l t (potestas distringendi) keine Obrigkeit. Es ist m ü ß i g zu fragen, woher die z w i n g e n d e G e w a l t des K ö n i g s s t a m m t , ob sie priesterlichen oder richterlichen U r s p r u n g s sei. Denn sie ist der königlichen G e w a l t eo ipso eigentümlich. Die königlichen G e b o t e verlangen Gehorsam, der U n g e h o r s a m e verfällt der Strafe. Diese Strafen w a r e n verschieden. Die Banng e w a l t der merowingischen K ö n i g e ist niemals eine G e w a l t gewesen, bei A n drohung einer b e s t i m m t e n nicht zu überschreitenden Geldstrafe — etwa von 60 Schillingen — zu gebieten und zu verbieten, v i e l m e h r stets die v i e l ausgedehntere G e w a l t , Gehorsam z u fordern auf Grund des Treuverhältnisses, auf Grund der R e c h t s a n s c h a u u n g , d a ß den Ungehorsamen die S t r a f e der Infidelität mit allen ihren A b s t u f u n g e n und schweren Folgen treffen k a n n . Die U n g e h o r s a m s s t r a f e richtete § 2. sich in erster Linie nach dem Gegenstand des m i ß a c h t e t e n B e f e h l s : die Gesetze h a t t e n in der Hinsicht verschiedene N o r m e n

167

aufgestellt, sei es, d a ß es sich um einen v o m K ö n i g selbst oder u m einen v o n B e a m t e n ausgehenden B e f e h l handelt (vgl. z. B . Lex Salica 13,6. 14,4. 56. 106. Lex Franc. Chamav. 36. 38. 39. 40). A b e r neben den gesetzlich vorgesehenen Strafnormen über einzelne b e s t i m m t e Ungehorsamsfälle ( A u f b i e t u n g z u m Kriegsdienst, z u m Polizeidienst u. dergl.) m u ß t e den B e a m t e n generell eine S t r a f a n d r o h u n g in all den Fällen zugestanden werden, über die das Gesetz keine E i n z e l b e s t i m m u n g getroffen hatte. In diesem Sinne g e d e n k t das bairische V o l k s r e c h t eines Herzogsbannes v o n 15 Sol., das alamannische der Herzogs-, Grafen- und Centenarbänne v o n 12, 6 und 3 Solidi, in dem Sinne b e s t i m m t ein sächsisches K a p i t u l a r K a r l s d. Gr., d a ß der gräflichen G e w a l t in w i c h t i g e n Fällen eine B a n n b u ß e v o n 60 Sch., in minder wichtigen eine v o n 15 Sch. zur Verf ü g u n g stehe. So w u r d e n der S t r a f g e w a l t der B e a m t e n gegen Ungehorsame b e s t i m m t e Grenzlinien gezogen. N a t u r g e m ä ß aber nicht der des Königs. Eine analoge allgemeine K ö n i g s b u ß e existierte nicht. D e r K ö n i g behielt sich vielmehr vor, in allen v o m Gesetz nicht schon fixierten Ungehorsamsfällen selbst zu strafen u n d verschieden zu strafen, k r a f t seiner arbiträren S t r a f g e w a l t . Der b e k a n n t e K ö n i g s b a n n v o n 60 Schillingen h a t nicht ursprünglich die B e d e u t u n g einer generellen S t r a f e für U n g e h o r s a m gegen K ö n i g s befehle, wie e t w a die 6 - S c h i l l i n g b u ß e des alamannischen V o l k s r e c h t s für V e r a c h t u n g des Grafengebots. E r h a t vielmehr einen andern Ursprung und eine andre E n t wicklung. § 3. D a s ribuarische V o l k s r e c h t u n d die ungefähr gleichzeitige Decretio Childeberti v o n 596 erwähnen die 60-Schillingb u ß e als S t r a f e f ü r M i ß a c h t u n g des obrigkeitlichen, nicht ausschließlich des unmittelbar v o m K ö n i g ausgehenden Befehles. W e r dem Centenar oder einem a n d e r n B e a m t e n gegen einen Verbrecher nicht beistehen will, z a h l t 60 Schillinge, sagt diese Decretio Childeberti c. 9. W e r sich gegen den v o m K ö n i g erklärten S o n d e r s c h u t z vergeht, wer ein königliches Niederlassungsprivileg nicht achtet, w e r der r e c h t m ä ß i g e n A u f b i e t u n g (bannitus) z u m öffentlichen

168

BANN, BANNGEWALT

Dienst, sei es zum Krieg oder sonst zum königlichen Nutzen, nicht folgt und sich nicht mit K r a n k h e i t entschuldigen kann, wer dem im Königsdienst Reisenden keine Unterkunft gewährt, wer einen gefangenen Dieb ohne königliche Erlaubnis befreit, wer einen aus der Rechtsgemeinschaft Ausgestoßenen (homo forbannitus) aufnimmt, wird mit 60 Schillingen bestraft, — so berichtet die L e x Ribuaria (35,3. 58,12. 60,3- 65,1,3. 73,1,2,4- 87). Die 60-Schillingbuße ist damit zu einer beliebten Fiskalstrafe bei Ungehorsam gegen königliche Befehle bestimmter A r t geworden. Sie fand in der karolingischen Periode immer weitere Anwendung.

der Monarch über die Bestrafung des Ungehorsamen k r a f t der arbiträren Strafgewalt, die R e c h t und Verfassung ihm eingeräumt hatten. § 5. Nicht anders in der nachkarolingischen Zeit. Verschieden hoch sind die Strafen, die bei Erlaß königlicher Befehle dem Ungehorsamen angedroht werden. In den königlichen Urkunden, in denen dem Verächter regelmäßig eine Strafe in Aussicht gestellt wurde, werden verschiedene Sätze von 2 bis 1000 P f u n d erwähnt, meist IOO Pfund Gold. Das letztere ist die häufigste königliche Bannstrafe, aber der Ungehorsame verliert nicht selten die königliche Gnade, j a gilt als Majestätsverbrecher. § 4. Als die gesteigerte Staatstätigkeit zahlreichere und neue Fiskalstrafen be§ 6. So sind zwingende Gewalten (Bangehrte, als eine Fortbildung und Ergänzung ne) von verschiedener Intensität zur Entdes Strafrechts nach dieser Richtung hin wicklung gelangt. Einmal sehen wir eine notwendig Wurde, da ward sie, die als Buße Befehlgewalt des Königs, die niemals durch für Mißachtung bestimmter Befehle des bestimmte allein zulässige Strafsätze beKönigs und seiner Beamten festgesetzt grenzt wird, die sich auf alle Gebiete der war, in der A r t ausgeübt, daß gesetzlich | staatlichen Tätigkeit bezieht, und die man gewisse Verbrechen als Mißachtung des ! daher nach Belieben in verschiedenste Königsbefehls erklärt wurden. Nicht geEinzelbänne gruppieren und teilen darf: rade solche Verbrechen, die ihrer Natur Heerbann, Friedensbann, Gerichtsbann u. nach als Ungehorsam zu gelten hatten, dergl. Sodann beobachten wir: der K ö n i g sondern solche, bei denen im Interesse der kann den bannus dominicus, d. i. den Gesellschaft eine Erhöhung der Strafe 60-Schillingbann, als besonders kräftige erwünscht erschien. So wurde Versäumnis zwingende Gewalt an unmittelbare Proder Heerespflicht, Verbrechen gegen Kirvinzialbeamte, an Grafen und Vögte, überchen, Witwen, Waisen, Schutzbedürftige, tragen. Schließlich ist festzustellen: es ferner Frauenraub, Brandstiftung und Einsind verschiedene andre Inhaber einer bruch mit der 60-Schillingbuße bedacht. zwingenden Gewalt vorhanden, die unter Das sind die acht Bannfälle, die seit K a r l Androhung v o n niedrigeren Geldbußen d. Gr. bestanden, denen dann andre sich gebieten und verbieten. Es gibt mannighinzugesellten. A b e r wenngleich so die fache Bänne. Und dementsprechend gibt 60-Schillingbuße als Strafe auf Verletzung es auch verschiedene Banngebiete. des Königsbefehls (Königsbannes) galt, so § 7. Mit dem W o r t bannus wird nicht ist damit keineswegs der zwingenden Genur die zwingende Gewalt bezeichnet, walt der karolingischen Könige eine engere sondern auch die S t r a f e , in die der Grenze gezogen worden: der K ö n i g gebot Ungehorsame verfällt, und schließlich das (bannte) auch unter Androhung höherer Gebiet der Gewalt. Wir finden Strafen, j a der dem unmittelbaren KönigsBannbezirke als Gebiete des bannus dogebot Ungehorsame wurde gewöhnlich minicus, in denen die 60-Schillingbuße gilt, nicht mit dem Bann (60 Sch.), sondern wir finden aber auch solche Gebiete, in anders bestraft. »Alle die es wagen, einem denen der bannus weit weniger, häufig königlichen Befehl entgegen zu handeln, ii 5 Sch. beträgt. Verleihungen des bannus sollen zur Pfalz gebracht werden«, heißt als der allgemein zwingenden Gewalt es in einer Verordnung Karls. Und den werden in Deutschland v o m K ö n i g seit gleichen Standpunkt vertritt eine Ordnung dem 10. Jahrh. vorgenommen. Der bannus Ludwigs d. Fr. Im Hofgericht entschied bezieht sich dabei entweder auf einen ge-

BAPTISTERIUM—BÄR schlossenen Bezirk, der u n a b h ä n g i g ist v o n der A u s d e h n u n g des herrschaftlichen Grundeigentums, oder er ist A p p e n d i x des herrschaftlichen Gutes. Der bannus wird aber a u c h in nachkarolingischer Zeit, wie alle politischen Befugnisse, als selbständiges, dem p r i v a t e n R e c h t s v e r k e h r überlassenes R e c h t b e t r a c h t e t , vererbt, verk a u f t usw., ohne daß der K ö n i g g e f r a g t wurde. Die E n t s t e h u n g der Bannh e r r s c h a f t c n , d. i. der obrigkeitlichen Gewalten, u n a b h ä n g i g v o n den Verhältnissen des provinzialen B e a m t e n t u m s , w a r für die B i l d u n g neuer partikularer politischer M ä c h t e in Deutschland v o n grundlegender B e d e u t u n g . § 8. N i c h t immer schließt ein Bannrecht die allgemeine behördliche Befehlg e w a l t in sich. Neben den allgemeinen Bannrechten, die n a t u r g e m ä ß regelmäßig zu R e c h t e n der Gerichtsbarkeit hinüberleiteten, bestanden b e s o n d r e , die sich nur auf einzelne b e s t i m m t e Gerechtsame und auf die nur zur A u f r e c h t c r h a l t u n g dieser Gerechtsame a n w e n d b a r e zwingende G e w a l t bezogen. Sie hängen mit dem allgemeinen B a n n r e c h t zusammen, sie sind m i t u n t e r aus ihm hervorgegangen, sie sind jedenfalls staatlichen Ursprungs. So der B u r g b a n n , der in ältester Zeit die zwingende G e w a l t für A u f b i e t u n g z u m Burgdienst bedeutet, so der F o r s t b a n n u. dergl., so a u c h die zahlreichen G e w e r b e b ä n n e , welche dem Bannherrn b e s t i m m t e Gewerbemonopole in geschlossenen B e z i r k e n g e w ä h r t e n : Backofenbann, Mühlenbann, B r a u h a u s b a n n u. a. m.

169

R a u m in, neben oder (häufig) v o r den K i r chen. Der G r u n d r i ß zentral, da das T a u f becken die Mitte einnimmt, in der F r ü h z e i t als E i n t a u c h b e c k e n (Immersions-B.) o f t mit S t u f e n z u m Einsteigen des entkleideten T ä u f l i n g s eingerichtet. In F r a n k r e i c h ist aus der ersten Zeit des Christentums (6. Jh.) noch St. J e a n zu Poitiers wohl erhalten ( A b b . 33) ;das nicht genau im Z e n t r u m (etwas nach Osten zu) gelegene T a u f b e c k e n mit sehr hohen schmalen S t u f e n und noch mit unterirdischem Wasser-Zu- und A b l a u f versehen. In R i e z ein achteckiges mit U m g a n g auf Säulen, 7. Jahrh. In D e u t s c h -

A b b . 33.

Baptisterium St. Jean zu Poitiers.

1 a n d scheint nichts dieser A r t mehr übrig, w e n n nicht e t w a der Z e n t r a l b a u zu A l t W a i t z DVG. 2 a, 210 ff. 2 b, 286 ff. 3, ö t t i n g (s. d.) ursprünglich als B . a n z u s e h e n 3 1 5 « . 6, 560 ff. 8, 5 ff. 276 ff. W . S i c k e l ' ist oder S. Michael zu F u l d a (s. d.), ein Zur Geschichte des Bannes, Marb. Progr. 1886. runder Z e n t r a l b a u mit U m g a n g , d u r c h A . v. H a l b a n Das röm. Recht in den german. : 8 Säulen getrennt, ursprünglich als T a u f Volksstaaten 3, 199 ff. (1907). Secliger kapelle geplant w a r . D a f ü r spricht die Hist. V t j s c h . 1, 356 ff. D e r s. Bedeutung L a g e nahe der K a t h e d r a l e des B o n i f a t i u s , der Grundherrschaft S. 1 1 1 ff. Ders. Staat nach Norden zu — dagegen die K r y p t a it. Grundherrsch. Leipz. Progr. 1909, S. 21 ff. darunter.

C. K 0 e h n e Studien Zwangs-

u. Bannrechte,

über

die Entstehung

ZfRG.

der

25, 172 ff.

E n l a r t

I

189 ff. 763.

G. Seeliger.

Baptisterium, lat. aula baptismatis, ecclesia baptismatis, T a u f k i r c h e , Taufk a p e l l e ; n a t u r g e m ä ß der Regel nach Johannes dem T ä u f e r geweiht. Im ersten Jahrtausend ganz besonders wichtiger ' H o o p s , Reallexilcon. 1.

A. Haupt.

B ä r . § 1. F ü r den B ä r e n , der noch in historischer Zeit in den W ä l d e r n E u r o p a s überall v e r b r e i t e t w a r , g i b t es einen u r a l t e n idg. N a m e n : aind. rksas, awest. arsa armen, arj, alban. ari, gr. apxto?, lat. 12

170

BARON—BARREN

ursus aus *urcsos, mir. art (vgl. B r u g m a n n Anderseits wird der Ausdruck auch in Grdr. 2 I S. 790; Schräder Reallex.; Walde weiterem Sinne von Vasallen überhaupt E W b . J ) . Die germ. Sprachen haben statt gebraucht, während der K ö n i g von seinen dessen einen andern Namen eingeführt: unmittelbaren Kronvasallen als barones ahd. bero, mhd. ber, nhd. bär; mnd. bare, regis, barones mei oder dominici barones mndl. bere; ags. bera, me. b$re, ne. bear; mei im Unterschied von den vavasores anord. bjgrn (aus * bernuz), schwed. dän. alieuius baronis mei honoris spricht. björn. Germ, heran- m. ist ein substantiF. L i e b e r m a n n Gesetze d. Angelsachsen viertes A d j e k t i v , das im lit. beras 'braun' I I i , 19 b und die dort zitierten Stellen der Gevorliegt (Froehde Bezz. Beitr. io, 295); setze. Johannes Hoops. Bär bedeutet also eigentlich 'der B r a u n e ' ; § 3. Nach dem N o r d e n dringt der f ü h r t er doch auch in der Tiersage den Titel „ B a r o n " im 13. Jahrh. Das S t a d t Namen Braun. Die B ä r i n heißt ahd. ! recht von Schleswig § 63 spricht von einem birin, ags. byren, byrene, anord. bera, miles oder baro, der innerhalb der Mauern birna. Vgl. Palander Ahd. Tiern. 56 f. der Stadt wohnen will, und den Landherrn Jordan Ae. Säugetiern. 68 ff. (s. Ständewesen) legt 1277 K ö n i g Magnus § 2. V o n der Häufigkeit des Bären in jj Lagabaetir den Baronentitel allgemein (wohl nach englischem Vorbild) bei. altgerm. Zeit zeugt die Rolle, die er im M a u r e r Vöries. I I, 155. K . Lehmann. Mythus (EHMeyer Germ. Mythol. S. 103 f.) Barren. § i . Das zur Münzerzeugung und später in der Tiersage spielt, zeugt die bestimmte Metall wurde nach dem Eingroße Menge der von ihm hergeleiteten schmelzen entweder in die F o r m flacher Personen- und Ortsnamen (s. Förstemann oder gewölbter K u c h e n , G u ß k u c h e n , Namenb. I 1 258 ff. II» 228 ff.). Johannes Hoops. gebracht oder zu S t ä b e n , zu B a r r e n geformt. Zu Münzzwecken in viereckige, Baron. § 1 . Deutschland. Das flache Formen eingegossene Barren, die Wort B. findet sich in unsern Quellen nur dünn und blechartig sein konnten, nannte selten. In der älteren Zeit scheint es den und nennt man Z a i n. einfachen Freien, vielleicht aber auch ge§ 2. Barren und Zaine sind v o m Standlegentlich den Halbfreien (s. Laten) zu punkt der Münzprägung Halberzeugnisse, bezeichnen. Später bezeichnet es (in der da sie erst durch weitere Arbeiten, das Zusammensetzung mit Uber und auch Hämmern, Glühen, Stückeln, Justieren usw. allein) den „freien H e r r n " (s. Adel). Unin die fertige Münze verwandelt werden gefähr die gleiche Geschichte hat das W o r t sollen. Da indessen der sog. i n n e r e W e r t Uber. der Münze auf ihrem F e i n g e w i c h t (s.d.), B ii r k bei H e c k Der Sachsenspiegel u. die Stände der Freien 846 ff. Halle 1905. d. i. auf dem W e r t ihres Metallinhalts G. v. Below. beruht, so kann auch Zahlung durch Hin§2. In E n g l a n d erscheint der Titel gabe von Münzstoff, durch Zahlung in mlat. baro, anglonorm. barun, baroun, baron Metallbarren, mithin in Ware, statt in erst zur Normannenzeit. Er dient in den Münze erfolgen. Gesetzessammlungen einerseits als Über§ 3. Größere Zahlungen wurden im setzung des ags. pegn, anderseits (gelegentMA. in der T a t gern in unverarbeitetem lich synonym mit proceres) zur Bezeichnung Metall, in Barren wie in Gußkuchen gevornehmer Untertanen, die hinter Prälaten leistet, so daß man in dieser Zeit geradezu und Grafen, jedoch vor Beamten und unbevon B a r r e n g e l d , von Barrentitelten Untertanen rangieren. Im LchnsW ä h r u n g spricht. Das Barrengeld in system sind barones die unmittelbaren den Urkunden durch das Gewicht des beKronvasallen im Gegensatz zu den A f t e r dungenen Metalls gekennzeichnet, war Vasallen, den vavasores; sie werden erklärt lange Zeit beliebt, weil man dadurch die als 'comites sive alii qui de rege tenent'. bedeutenden Prägekosten sparen konnte, Bisweilen werden unter barones nur die die nicht bloß wegen der häufigen M ü n z G r o ß kronvasallen im Gegensatz zu den e r n e u e r u n g e n (s. d.), sondern auch alii homines regis cum terra verstanden. I! darum drückend waren, weil das gesetz-

171

BARSCH—BART

liehe Umlaufsgebiet der Münzen auf enge jj nndl. baars; mhd. bars, nhd. barsch m. mit einer oba. Nebenform ahd. bersich (Graff Bezirke eingeschränkt war, was durch das III 215), nhd. bersch; ferner mit A b l a u t Rechtssprichwort „ D e r Heller gilt nur des Wurzelvokals adän. agborrw, aschwed. dort, wo er geschlagen ist" ausgedrückt aghborre, ndän. nschwed. aborre, deren wurde. zweites Glied ausgerm. *burzan- entstanden § 4. Wer nun reiste oder Zahlungen in die Ferne zu leisten hatte, zahlte also lieber ist. Der Name gehört zu der germ. W z . mit Metall als mit Münze, weil diese in bars-: burs- 'Spitze, Borste', die in bürste, der Fremde nur nach ihrem Handelswert börste vorliegt; kommen doch auch volksunter A b z u g des W e c h s l e r g e w i n n s tümliche nhd. Namen wie bürste, bürstel, (s. d.) oder geradezu nur als Metall angeborstling für den B. vor (Nemnich P o l y -

A b b . 34.

Z u Art. Bart. Rasiermesser aus der jüngeren Bronzezeit, ältere und jüngere Form. A u s »S. Müller, Nordische Altertumskunde I.« Straßburg 1897.

nommen wurde. Bis zu welchem Grade die Mißachtung der Münzform im Ausland führen konnte, zeigen die H a c k s i l b e r schätze (s. d.) im slavischen Osten. v.

Luschin

Münzk.

64.

138 ff. 214.

A . L u s c h i n v. Ebengreuth.

Barsch. (Perca fiuviatilis L.) Der B., dieser stachelige Raubfisch, der schon in den Schweizer Pfahlbauten nachgewiesen ist und noch heute in den Seen, Flüssen und Bächen Europas sehr gewöhnlich vorkommt, hat einen alten gemeingerm. Namen: ags. bmrs, bears m., me. bars; and. bars (Gallee Vorstud. 18), mndl. bars,

Vt-

glottenlex. II 905). Er ist also nach seinen Stacheln benannt; auch das ag- der nord. Namen, das im mhd. ag, nhd. dial. egle (Nemnich aaO.) als selbständiger Name für den Barsch wiederkehrt, scheint 'Stachel' zu bedeuten. S c h r ä d e r Reallex. ler Ae. Fischnamen EWb. unter aborre.

Bart.

A. S ü d e n.

K l u g e EWb. K ö h 21 ff. F a l k - T o r p Hoops.

§1.

Der B. war

von A n f a n g an Vollbart, doch unterschied man früh den B a r t der Oberlippe, anord. gr : | , j !

deutsche

Altertumsfunde,

L. L i n d e n s c h m i t

Handb.

1899,

d. d.

121 f.

1

Allerlumsk. H.

Seger.

Baunonia. Diesen an die d e u t s c h e N o r d s e e k ü s t e gehörigen N a m e n b i e t e t Plinius N H . 4, 94: insulae complures sine nominibus eo situ traduntur, ex quibus ante Scythiam quae appellatur Baunonia (var. Rauronia, Rauroniam, Raunomiam) unam abesse diei cursu, in quam veris tempore ftuetibus electrum eiciatur, Timaeus prodidit. D a n a c h ist es unsicher, ob eine dem Insel oder ein K ü s t e n s t r i c h m i t N a m e n b e z e i c h n e t w e r d e n soll. M a n hat Baunonia a u s germ. *baunön- ' B o h n e ' ged e u t e t und an Fabaria erinnert. K o s s i n n a

B a u m s a r g : E i c h e n s a r g (auseinander g e n o m m e n ) und Schutzdecke], g e f u n d e n im Muldbjerg-Hügel. A u s »S. Müller, Nord. Altertumskunde I.«

b ä u m bezeichnet, und es u n t e r l i e g t w o h l k e i n e m Zweifel, d a ß der A u s d r u c k nauffus des Salischen G e s e t z e s (tit. L V I I I 2) und truneus der s p ä t e r e n k i r c h l i c h e n S t a t u t e a u f diese A r t v o n S ä r g e n g e m ü n z t war, w o b e i an deren Ä h n l i c h k e i t m i t den z u r Schiffahrt gebrauchten E i n b a u men zu d e n k e n ist. — A u ß e r h a l b der germ a n i s c h e n L ä n d e r k e n n t m a n einige B e i spiele, die s ä m t l i c h schon in die E i s e n z e i t fallen, aus Italien, B ö h m e n u n d R u ß l a n d , und endlich liegen B e r i c h t e ü b e r B . e v o r aus d e m K a u k a s u s , a u s Indien, China, den Sundainseln, M a d a g a s k a r u n d A l a b a m a . V g l . S a r g und s. A b b . 38.

| \ ; j : ! j ! ;

m ö c h t e R als a u s d e m v o r a u s g e h e n d e n W o r t s t a m m e n d a b t r e n n e n und Auionia, L a n d der Aviones, herstellen. M ü l l e n h o f f I F . 7, 294. germ.

DA.

1, 476.

D e t l e f s c n

Nordens

16

Die ff.

K o ss in n a Entdeckung

des

R.Much.

B a u t a s t e i l l . § i. B . e — d e r N a m e ist a u s der a l t i s l ä n d i s c h e n L i t e r a t u r g e n o m m e n — n e n n t m a n die u n b e h a u e n e n G r a b und G e d e n k s t e i n e o h n e I n s c h r i f t in der Eisenzeit S k a n d i n a v i e n s . In D ä n e m a r k • ( B o r n h o l m a u s g e n o m m e n ) sind sie verh ä l t n i s m ä ß i g selten, z a h l r e i c h a b e r auf der n ö r d l i c h e n s k a n d i n a v i s c h e n H a l b i n s e l und d e m g e o g r a p h i s c h und ethnologisch dazugehörigen Bornholm. Sie finden sich S. M ü l l e r Nord. Allertumsk. I 341 f. ; ö f t e r s in g r ö ß e r e n G r u p p e n auf GräberM o n t e l i u s Swen^ka f o r n m i n n e s f ö r e n . tidscr. f e l d e r n m i t H ü g e l n u n d allerlei Stein9,77 f. B o y e Fitrd af Egekister fra Bronsealderen i Danmark 1814. 40. B e r . d. S c h l e s w . - ' s e t z u n g e n z u s a m m e n , m i t u n t e r auf e i n e m H ü g e l oder in der M i t t e einer S t e i n s e t z u n g H o l s t . Mus. v a t e r l . A l t e r t . , 1894. Nachrichten

BAYEUX—BEAMTE

185

§ 4. Ein a n d r e r V e r w a n d t e r der B a u t a steine ist der speziell g o t l ä n d i s c h e Bildstein mit Darstellungen aus beliebten H e l d e n s a g e n oder nur m i t g e o m e t r i s c h e n M u s t e r n , in sehr flachem Relief. S. M ü l l e r

Nord.

Oscar A 1 m g r e n frän Oldtid

A b b . 39. Bautastein auf der Frecnne-Mark, B o r n h o l m . A a r b . 1 8 7 2 . A u s »S. Müller, N o r d . Altertumsk. II S. 2 6 1 . «

hednatiden

32.

Altertumsk. Sveriges fasta

I 461.

G. G u s t a f s o n

139.

I I 260.

fortilämningar Norges

B. Schnittger.

B a y e u x , T e p p i c h v o n , S t i c k e r e i der K ö n i g i n M a t h i l d e („tapisserie de la reine M."). G e s t i c k t e r W a n d t e p p i c h v o n 71 m L ä n g e , 71 cm B r e i t e , der die E r o b e r u n g B r i t a n n i e n s d u r c h W i l h e l m den E r o b e r e r darstellt, h e u t e in der K a t h e d r a l e zu Bayeux. Eines der k u l t u r g e s c h i c h t l i c h w i c h t i g s t e n B i l d w e r k e , z u g l e i c h f ü r die Architckturgeschichte des 11. Jhs. (die sich v o n der des 10. nur w e n i g unterscheiden d ü r f t e ) d u r c h die v i e l f a c h im Hintergrunde dargestellten Gebäude v o n höchster Bedeutung. B e s o n d e r s interessant ist die D a r s t e l l u n g der K ö n i g s h a l l e Wilhelms d. Eroberers, ein gewölbtes U n t e r g e s c h o ß m i t oberer Festhalle, d u r c h eine T r e p p e a m E n d e z u g ä n g l i c h , z e i g e n d . A u c h einige T ü r e n m i t U m r a h m u n g sowie der E i n b l i c k in eine K ü c h e m i t H e r d u n d B r a t s p i e ß sind dargestellt.

stehend. Die G r ö ß e v a r i i e r t v o n 1 bis 6 M e t e r . ( A b b . 39.) D a s erste A u f t r e t e n der B a u t a § 2. steine darf m a n in die f ü n f t e M o n t e l i s c h e E i s e n z e i t - P e r i o d e setzen, also e t w a 300 n. Chr., u n d sie reichen bis z u m E n d e der W i k i n g e r z e i t (dem 1 1 . Jh.). Mehrmals h a t m a n B r a n d g r ä b e r (mit oder ohne G e f ä ß ) in der N ä h e eines B a u t a s t e i n e s gefunden. Sie w a r e n also G r a b s t e i n e , S t e p h a n i I 433. ( A r u n d e l S o c i e t y ) The w u r d e n aber s p ä t e r sehr o f t , v i e l l e i c h t Bayenx-tapestry reproduced in aulotype plates a m ö f t e s t e n G e d ä c h t n i s s t e i n e ohne B e with Historie notes by F d . F o w k e , L o n d . 1875. gräbnis. Eines der g r ö ß t e n G r ä b e r f e l d e r A. Haupt. dieser A r t ist F j ä r ä s b r ä c k a in H a i l a n d B e a m t e . A . D e u t s c h l a n d . § I. ( S c h w e d e n ) m i t 73 S t e i n e n ; es sind hier D i e ältesten F u n k t i o n ä r e im p o l i t i s c h e n f r ü h e r m e h r als 200 g e w e s e n . A n d r e s c h ö n e G e m e i n s c h a f t s l e b e n der G e r m a n e n sind finden sich bei G r e b y in B o h u s l ä n ( S c h w e B e a u f t r a g t e des V o l k e s . Die r ö m i s c h e n den) und auf B o r n h o l m i m W a l d e G r y e t , Geschichtschreiber sprechen v o n magiK i r c h s p i e l B o d i l s k e r (60 Steine) und bei st ratus. Principes und duces der G e r m a n e n Gyldensaa, Kirchspiel Östermarie (50 d ü r f e n als V o l k s b e a m t e gelten. Das Steine). A u f B o r n h o l m h a t es g e g e n 1000 K ö n i g t u m a b e r w u c h s a u s der S p h ä r e B a u t a s t e i n e g e g e b e n und gegen 350 k a n n des B e a m t e n t u m s h i n a u s ; der K ö n i g ist, man noch zählen. a u c h w e n n d a s V o l k bei seiner E r h e b u n g § 3. Mit den B a u t a s t e i n e n n a t ü r l i c h u n d an seiner R e g i e r u n g A n t e i l h a t t e , v e r w a n d t sind die nordischen R u n e n n i c h t m e h r B e a u f t r a g t e r des V o l k e s ( T a c. s t e i n e ; es ist a u f f a l l e n d , d a ß die ersten Germ. 25: gentes quae regnantur). R u n e n s t e i n e (mit älteren R u n e n ) eben § 2. D e r K ö n i g b e d a r f der G e h i l f e n , in derselben Z e i t w i e die Bautasteine ein B e a m t e n t u m (agenies, erscheinen. E s ist in mehreren F ä l l e n j es e n t s t e h t actores der f r ä n k i s c h e n Zeit), u n d dieses k o n s t a t i e r t , d a ß diese ältesten Runenb e f i n d e t sich in e i n e m gewissen G e g e n s a t z steine w i r k l i c h e G r a b d e n k m ä l e r waren; zum Volksbeamtentum. A u c h in den d a ß die j ü n g e r e n R u n e n s t e i n e , a u s der m o n a r c h i s c h organisierten S t a a t e n b l i e b e n W i k i n g e r z e i t , m e i s t e n s nur G e d e n k s t e i n e V o l k s b e a m t e . D e n n der K ö n i g m i t seinen sind, ist a l l b e k a n n t . H o o p s , Rcallexiknn.

I.

>3

BEAMTE B e a m t e n h a t nicht alle F u n k t i o n e n des Gemeinschaftslebens übernommen, die V o l k s b e a m t e n w u r d e n nur m e h r u n d m e h r e i n g e e n g t u n d beiseite geschoben. Im salischen V o l k s r e c h t t r a t d e m k ö n i g l i c h e n Beamten, d e m G r a f e n und Sakebaro, der T h u n g i n u s oder C e n t e n a r i u s als V o l k s b e a m t e r g e g e n ü b e r (s. S o n d e r a r t i k e l ) . U n d der G e g e n s a t z v o n K ö n i g s - und V o l k s b e a m t e n ist geblieben, er k l i n g t n o c h n a c h in d e m v o m S a c h s e n s p i e g e l h e r v o r g e h o b e n e n D u a l i s m u s der ,,gekoren oder belent richlere" (Ldr. I, 55. 56). E r lebt noch w e i t e r , a u c h n a c h d e m d a s v o n o b e n her a b h ä n g i g e und a b g e s t u f t e B e a m t e n t u m die a l t e n V o l k s v e r t r e t e r v e r d r ä n g t h a t t e , in d e m G e g e n ü b e r v o n bestellten b z w . b e l e h n t e n B e a m t e n des S t a a t e s und v o n F u n k t i o n ä r e n der G e m e i n d e n (Dorfund M a r k g e n o s s e n s c h a f t ) . § 3. D i e S t a a t s b e a m t e n sind n a c h d e m U m f a n g ihres W i r k u n g s k r e i s e s in drei G r u p p e n zu s o n d e r n : Zentral-, Mittel-, Unterbeamte. S c h o n in der älteren g e r m a n i s c h e n Z e i t ist da, w o ü b e r die kleinere H u n d e r t s c h a f t h i n a u s in einer größeren C i v i t a s ein s t ä n d i g e s R e g i m e n t w i r k t e , ein U n t e r s c h i e d z w i s c h e n u n t e r e n und höheren politischen F u n k t i o n ä r e n z u beobachten. N o c h m e h r ist d a s der F a l l im g r ö ß e r e n S t a m m e s r e i c h , v o l l e n d s im f r ä n k i s c h e n G r o ß s t a a t : n e b e n den B e a m t e n des K ö n i g s h o f e s w i r k t e n in mehrf a c h e r A b s t u f u n g M i t t e l b e a m t e (Herzoge, Grafen) u n d U n t e r b e a m t e (Centenare u. dergl.). § 4. F e s t e B e s o l d u n g der B e a m t e n w a r unbekannt. Der am Hofe Wirkende trat in den h e r r s c h a f t l i c h e n H a u s s t a n d ein und w u r d e hier v e r s o r g t , er erhielt a u c h d a r ü b e r h i n a u s reiche G e s c h e n k e und Güter mit dauernden Einnahmen. Der P r o v i n z i a l b e a m t e a b e r w u r d e f ü r seine M ü h e w a l t u n g d a d u r c h e n t l o h n t , d a ß er A n t e i l an d e n E i n n a h m e n des S t a a t e s erhielt. K a n n t e d o c h der ältere S t a a t die uns s e l b s t v e r s t ä n d l i c h e Z e n t r a l i s i e r u n g der E i n n a h m e n nicht. Die provinzialen E i n g a n g s s t e l l e n w a r e n z u g l e i c h die A u s gabestellen, u n d nur e v e n t u e l l e U b e r s c h ü s s e w u r d e n a n die h ö h e r e n u n d h ö c h s t e n Instanzen abgeführt. Im fränkischen Reich — n a c h z u w e i s e n ist es erst i m

karolingischen Zeitalter — erhielt d e r G r a f , der w i c h t i g s t e P r o v i n z i a l b e a m t e , d e n d r i t t e n T e i l der B u ß g e l d e r u n d Gerichtse i n n a h m e n , er w a r a b e r überdies, w i e a u c h die a n d e r n B e a m t e n , m i t b e s t i m m t e m Gute ausgestattet. Amtsbefugnisse und G u t v e r b a n d e n sich z u einer E i n h e i t . — N o c h ein M o m e n t ist als c h a r a k t e r i s t i s c h f ü r d a s ältere B e a m t e n t u m h e r v o r z u h e b e n : die ä u ß e r s t schwankende Kompetenzabgrenzung. Keine Sonderung von Verw a l t u n g und J u s t i z , keine f e s t e n D e z e r n a t e auf b e s t i m m t e m G e b i e t ; d e n Mittel- u n d U n t e r b e h ö r d e n w a r e n die v e r s c h i e d e n s t e n politischen F u n k t i o n e n z u g e w i e s e n . S e l b s t jene Z e n t r a l b e h ö r d e n , w e l c h e einen f e s t e r e n Wirkungskreis besaßen, w u r d e n nach dem freien B e l i e b e n des M o n a r c h e n z u d e n mannigfaltigsten Diensten verwendet. § 5. T r o t z der h e r v o r g e h o b e n e n Eigent ü m l i c h k e i t e n ist d o c h d a s d e m B e a m t e n t u m als solchem w e s e n t l i c h e M o m e n t s c h o n in älterer Z e i t a n z u t r e f f e n : die B e a m t e n sind O r g a n e dessen, der als I n h a b e r der S t a a t s g e w a l t gelten darf, sie sind v o n i h m ein- und a b s e t z b a r , sie sind i h m d u r c h a u s verantwortlich. B e s o n d e r s im Staate K a r l s d. Gr. ist d a s k r ä f t i g z u r G e l t u n g gelangt. A b e r d a n n b e g i n n t sich eine b e d e u t s a m e W a n d l u n g zu v o l l z i e h e n . D a s p a r t i k u l a r e A m t m u ß t e sich bei d e m n a t u r a l w i r t s c h a f t l i c h e n C h a r a k t e r der m a t e riellen K u l t u r e m a n z i p i e r e n , den B e a m t e n charakter abstreifen und zum Träger s e l b s t ä n d i g e r w o h l e r w o r b e n e r R e c h t e werden. Diese U m b i l d u n g h a t v i e l f a c h , n i c h t a u s s c h l i e ß l i c h , eine ä u ß e r e A n l e h n u n g a n das Lehnwesen gesucht und gefunden, hat eine F e u d a l i s i e r u n g der P r o v i n z i a l ä m t e r b e w i r k t . U n d so sind in n a c h k a r o l i n g i s c h e r Zeit diejenigen, welche politische Befugnisse i m g e s e l l s c h a f t l i c h e n L e b e n a u s ü b t e n , in z w e i G r u p p e n z u s c h e i d e n : in B e l e h n t e u n d in a m t s m ä ß i g Beauftragte. Des U n t e r s c h i e d e s v o n beneficium b z w . feudum u n d officium b z w . ministerium war man sich w o h l b e w u ß t . Seinen zentralen B e a m t e n h a t der K ö n i g n i e m a l s a m t l i c h e B e f u g n i s s e als beneficium ü b e r t r a g e n , a u c h w e n n , w i e d a s beispielsweise b e i m K a n z l e r der F a l l w a r , die Form der Amtsü b e r t r a g u n g d e m L e h n s f o r m a l i s m u s nachgebildet war. Die wichtigsten Provinzial-

BEAMTE ämter (Herzogtum, Grafentum) dagegen wurden feudalisiert, und nur da, wo unmittelbares Königsgut zu verwalten war, ward die Feudalisierung vermieden und der Beamtencharakter erhalten. Überhaupt sind die unteren politischen Funktionäre in geringerem Maße zur Feudalisierung und damit zur Emanzipation gelangt als die höheren. Überall suchten die glücklich v o m Reich Emanzipierten bei ihren Untergebenen ähnliche Versuche zu verhindern, sie suchten die Umbildung des ins officiale in ein ius feodale zu hindern, j a das ius feodale in ein ius officiale zurückzubilden. Erst im späteren Mittelalter sind in den deutschen Territorien die ersten Grundlagen gefunden worden, auf denen ein wirkliches Beamtentum zur Entwicklung gelangen konnte. — S. u. Ccntenar, Herzog, Hofbeamte, Graf, Kanzlei, Kapelle, Markgraf, Patricius, Sakebaro, Schultheiß, Thunginus, Tribunus. G. Seeliger.

B. E n g l a n d . § 6. Das Beamtenwesen der angelsächsischen Zeit ist nicht organisch aus den Verhältnissen der germanischen Zeit herausgewachsen. Es fehlt von A n f a n g an der Hundertschaftsvorsteher; der altsächsische satrapa ist nicht nach England mitgewandert. Einen Beamtenkönig kannten die einziehenden Stämme nicht. Der heretoga w a r ein Leiter, dem man aus freien Stücken folgte, aber ihm Untertan; dies erklärt es, daß in den ältesten Quellen von Volksbeamten nichts zu sehen ist. Lediglich erwähnen die Corpus Glossen und ¿Elfric's Glossen einen folcgerosba 'actionarius', bei dem vielleicht an einen Volksbeamten gedacht werden könnte. Im übrigen zeigen sich nur königliche Beamte. Als deren wichtigster ist der gerefa (s. d.) zu betrachten, der, zunächst nur königlicher Finanzbeamter, als Träger königlicher Macht diese immer weiter ausdehnt. Nächst ihm ist der ealdorman zu nennen (s. d.), der dem gerefa allmählich weichen muß. Eine frühestens unter Alfred stattgefundene Organisation einzelner Gebiete in hundred und teofringa bringt das A m t des hundredesman (s. d.), in London hyndenman-, auch dieser ist nach den Gesetzen kein Volksbeamter. Das Gleiche gilt von

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dem Zehntschaftsvorsteher, dem teo&ingman (s. Staatsverfassung 5). Die auch hier vorhandenen königlichen H o f b e a m t e n sind in ags. Zeit nicht zu staatlichen Zentralbeamten geworden. Ebensowenig ist der tünes gerefa (villicus) staatlicher Beamter. L i t. s. Staatsverfassung.

v . Schwerin.

C. N o r d e n . § 7. Die B e t r a c h t u n g des nordischen B e a m t e n t u m s m u ß ausgehen v o n der kleinstaatlichen Zeit. Damals zerfielen die Gebiete der skandinavischen Völker in eine nicht geringe Zahl von K l e i n k ö n i g r e i c h e n (s. König, Staatsverfassung), an deren Spitze Kleinkönige standen. Soweit diese Reiche größeren Umfangs waren, zerfielen sie in territorial und der Einwohnerzahl nach verschiedene Hundertschaften mit Hundertschaftshäuptlingen (aschw. harapshöfpingi, anorw. (adän.?) hersir) an der Spitze. Diese waren wie die Könige B e a m t e des Volks, v o n diesem gewählt, ihm verantwortlich und von ihm absetzbar. Der K ö n i g ist Zentralbeamter, der hersir (s. d.) Bezirksbeamter. Nur äußerlich konnte hier und dort das Festhalten am gleichen Geschlecht, insbesondere bei den Königen, den Anschein der Erblichkeit dieser W ü r d e n herbeiführen, zu denen in heidnischer Zeit die des Priesters k a m . Die B e a m t e n waren Organe des selbstregierenden Volks. § 8. Die Errichtung des G r o ß k ö n i g t u m s hatte in den drei Ländern eine wesentliche Umgestaltung dieses einfachen Beamtenwesens zur Folge. Diese bewegte sich in der Richtung einer Z u r ü c k d r ä n g u n g und schließlichen V e r d r ä n g u n g des gewählten Volksbeamten zugunsten eines mit dem Herrscherkönig einziehenden königlichen Beamten. Folgerichtig wurden die Kleinkönige entweder gänzlich beseitigt oder in die Stellung königlicher B e a m t e n übergeführt, wobei die dem V o l k gegenüber schwächeren K ö n i g t u m e der Schweden und Dänen stärkere W i r k u n g erzielten als der Norwegerkönig. Überall war ferner, soweit nicht das K l e i n k ö n i g t u m den Anknüpfungspunkt für einen B e a m t e n abgab, der Ausgangspunkt die V e r t r e t u n g der königlichen Finanzinteressen, weshalb die königlichen Bezirksbeamten in der Regel aus dem königlichen K r o n g u t s v e r w a l t e r 13*

BEAMTE herausgewachsen sind. Die Eintreibung von A b g a b e n führte zur Eintreibung v o n Bußen und Gerichtsgefällen; von hier führte der W e g zur Beteiligung am Strafwesen, Prozeßverfahren, an Polizei und Vollstreckung. Allerdings ist noch im 13. Jh. dieser W e g in den einzelnen Ländern sehr verschieden weit zurückgelegt. § 9. Die angegebenen Veränderungen bieten demgemäß ein sehr verschiedenes äußeres Bild. In S c h w e d e n ist dieses noch dadurch verwickelt, daß die einzelnen Lande nicht ein gleichgestaltetes Beamtenwesen haben, sondern die Reiche der Svear und Götar als große Gruppen auseinanderfallen. Besonders geartet sind vor allem die Verhältnisse in Uppland, da diese sich aus drei „ L ä n d e r n " (s. Staatsverfassung) zusammensetzten. Hier steht an der Spitze jedes Landes ein folklandsheerra, an der Spitze jeder oder je mehrerer Hundertschaften ein Icenshcerra; in jedem hcerap befindet sich als des letztgenannten Unterbeamter ein leensman. Diese drei B e a m t e sind königliche Beamte, haben ihr A m t v o m König zur Leihe und vertreten in erster Linie königliche Interessen, vorwiegend finanzieller Natur. Als Volksbeamte kommen die zwei ,,dömari" in jedem hmrap in Betracht, die v o n zwölf durch den leensman bestimmten Männern gewählt, am T i n g zu urteilen haben, nachdem ihnen der K ö n i g „die Urteilsgewalt in die Hände zu legen" hatte; sie vertreten hierin das Volk. Dagegen h a t sich in Vest- und Ostgötaland der hcerapshöfpingi als Vorsteher der Hundertschaft und als Volksbeamter erhalten. Über ihm steht in Vestgötaland wie in Uppland der landsheerra (dominus terrae) oder landsdömari, unter ihm in Ostgötaland als Vorsteher eines Viertels des hcerap der fjcerpungshöfpingi. Die königlichen Interessen wahrt neben jenem der bryti (auch leensmaper) v o m königlichen Gutshof aus (s. Krongut), in Ostgötaland der kunungs soknari. A n Uppland schließen sich Westmannaland, Södermannaland und Helsingeland an. Dazu findet sich in jeder Landschaft als Volksbeamter ein laghmaper (s. Gesetzessprecher). Königlicher Beamter wiederum und zwar höchster ist der vornehmlich mit der Seewehr betraute

Jarl in Ostgötaland und Ropin (Stetiges jarlI) und der Jarl auf Gotland (s. Jarl). In diesem wie in dem „ L a n d h e r r n " kann man die Nachfolger der alten Kleinkönige sehen. Erst die Gesetzgebung des 14. Jhs. strebt zur Vereinheitlichung dieser Verhältnisse. § 10. Radikaler h a t das Königtum mit den Volksbeamten in D ä n e m a r k aufgeräumt. Hier ist der Hundertschaftshäuptling völlig verschwunden, und, wenn ein Gesetzessprecher j e vorhanden war, ist er jedenfalls aus den uns bekannten Quellen nicht zu entnehmen. Den K ö n i g vertritt hier, aber bis ins 13. Jh. wiederum nur nach der Seite finanzieller Interessen, der königliche V o g t (umbuzman), oder Verwalter (kunungs bryti), dem in Jütland ein Unterbeamter (undeersökneer) zur Seite stand. Erst später b e k o m m t dieser Einfluß auf die Rechtspflege. Außerdem finden wir in Südjütland einen mit den früheren Kleinkönigen zusammenhängenden Jarl, später Herzog (dux Jutiae), und in Schonen, mit dem Sitz in Lund, als praefectus Scaniae den galkcsrce. Neben diesen Bezirksbeamten sind hier noch Zentralbeamte zu nennen, da die Inhaber der Königlichen Hofämter (Truchseß, Kanzler, Marschall, Schenk) noch vor dem 13. Jh. an der Reichsverwaltung in obersten Stellen beteiligt wurden. § II. In N o r w e g e n mußte vor allem mit der alten Heradseinteilung der Hundertschaftsvorsteher (hersir) sehr bald verschwinden (s. hersir). D a s Kleinkönigtum hat sich geraume Zeit, in seinem letzten Ausläufer bis ins 14. Jh., im jarl erhalten (s.d.). In ähnlicher Stellung, aber immer aus der königlichen Familie genommen, ist der Herzog (hertogi). Königlicher Beamter ist der ärmadr (s. d.), der, auch bryti (s. d.) genannt, zunächst Verwalter königlicher Güter war und v o n hier aus zum Vertreter der königlichen Finanzinteressen im allgemeinen wurde und zur Obrigkeit über einen bestimmten Bezirk überhaupt (yfirsöknarmadr). Er wird verdrängt etwa im 13. Jh. (in der Gesetzgebung v o n Magnus lagaboetr zum Ausdruck gelangt) durch den syslumadr (s. d.), als dessen Unterbeamter der lensmadr (exaetor) auftritt. Jenes Amtsbezirk ist die Syssel (s. d.). Von den

BECHER—BEDA lensmenn sollen sich mindestens zwei in einem fylki befinden; diese werden vom syslumadr gewählt und sind dessen Gehilfen. Syslumadr und ärmadr sind manchmal, jener ist in der Regel lendr madr, weil er Grund zur Leihe vom K ö n i g hat (s. § 12). Im übrigen schreiben auch unabhängig hiervon die Quellen den lendir menn öffentliche Funktionen in Konkurrenz mit syslumadr und ärmadr zu, ohne daß jedoch die lendir menn regelmäßige Glieder des Beamtenorganismus bildeten. Zuerst Volksbeamter. dann aber seit dem Ende des 12. Jhs. königlicher Beamter war der Gesetzessprecher (s. d.), der legmaär. •— In den n o r w e g i s c h e n S c h a t z l a n d e n findet man ein königliches Beamtenwesen mit Rücksicht auf die sehr wechselnde Abhängigkeit der einzelnen Länder immer nur periodenweise; es treten auf jarlar und syslumenn. Auf Island endlich kennt die freistaatliche Zeit als gewählten Volks beamten den Gesetzessprechcr (s. d.). § 12. Das Beamtenwesen der drei skandinavischen Reiche ist mit der Grundleihe in Verbindung gekommen, wie am deutlichsten die Namen der oben aufgeführten Beamten zeigen. Gleichwohl ist dieses Beamtenwesen nicht etwa wie das kontinentale feodalisiert. Weder waren diese Lehen in der Regel erblich, noch war die damit verbundene Nutzung so uneingeschränkt, wie beim deutschen Lehen, noch endlich ist ihnen die Gefolgschaft eigentümlich, aus der gerade das kontincntale Lehen sich entwickelt hat (s. Lehnswesen, veizla). V g l . die zu S t a a t s v e r f a s s u n g u n d die zu den einzelnen A r t i k e l n a n g e f ü h r t e L i t e r a t u r . v. Schwerin.

Becher aus Bronze, Hallstatt-Kulturkreises, § 3-

Erzeugnisse des s. Bronzegefäße Hubert

Schmidt.

Becken aus Bronze. Kesseiförmige Gefäße mit beweglichen Bügelhenkeln. Hallstattkulturkreis. S. Bronzegefäße § 3 c. — Griechische Fabrikate, mit Greifenprotomen. S. Bronzegefäße § 4 a. — Flache, mit und ohne aufrecht stehenden Handhaben am Rande; fein verziert. Griechisch 5. Jh. v. Chr. Ebenda § 4 b. — Italische Fabrikate aus republikanischer und Kaiser-

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zeit. Ebenda § 6 b u. c. — Nachrömische Fabrikate der Verfallzeit. Ebenda § 7 a. — Fränkisch-alemannische Erzeugnisse des 7. u. 8. Jhs. n. Chr. Ebenda § 7 b. — Vgl. auch „ K e s s e l " u. ,,Schüssel". Hubert

Schmidt.

Beda (673—735). B. W e r t e . I. P h i l o A. L e b e n 1—8. logische 9 — 1 2 . II. N a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e u n d chronologische 1 3 — 1 9 . III. Theologische 20—33. IV. Hagiographische Schriften 34—37. V . Historische O r i g i n a l w e r k e 3 8 — 4 5 . V I . G e d i c h t e 4 6 — 4 9 . V I I . Briefe 50—51. — E n d e 52—53.

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A. L e b e n. § 1. Was wir über das Leben dieses größten Geschichtsschreibers und Gelehrten des älteren englischen Mittelalters wissen, verdanken wir fast ausschließlich der kurzen autobiographischen Notiz, die er seiner Historia Ecclesiastica anfügte. Danach stand Beda — über die Schreibung seines Namens: Beda, Bieda, Bwda vgl. H. Zimmer Neues Arch. d. Ges. f. ält. deutsche Geschichtsk. 16, 599—601 (1891) — 731 in seinem 59. Lebensjahr, war also 672 oder wahrscheinlicher 673 geboren. Im Nordosten von England, in der heutigen Grafschaft Durham, südlich vom Tyne und unfern der Nordseeküste stand seine Wiege, in der Gegend, wo ein Jahr darauf 674 Benedikt Biscop das Kloster Wearmouth und 682 das einige englische Meilen entfernte Schwesterkloster Jarrow gründete. Anscheinend früh verwaist, wurde B. von seinen Verwandten mit sieben Jahren (679 od. 680) dem A b t Benedikt zu Wearmouth und später dessen Stellvertreter in Jarrow und Nachfolger in der Abtswürde Ceolfrith zur Erziehung übergeben. § 2. Auf der Synode von Whitby 664 war der langdauernde Streit zwischen der schottisch-irischen und römischen Kirche in Britannien zugunsten der letztern entschieden und durch die Vereinigung der nord- und südhumbrischen Kirchen der Grund zu einer englischen Nationalkirche gelegt worden, die in engste Verbindung mit Rom gebracht wurde (Stephens and Hunt, Hist. of the Engl. Church 1, 110 ff.). Während in Schottland die keltische Kirche sich noch weiter behauptete, wurde in ganz England die Regellosigkeit des schottischirischen Kirchenwesens, dessen Vertreter

BEDA mehr umherziehende Missionare oder Einsiedler als Priester und Seelsorger waren, durch die straffe Organisation der römischen Diözesankirche ersetzt. Der ehrgeizige Wilfrith, der auf dem Festland den Geist der römischen Kirche in sich aufgenommen hatte, wurde Bischof von York; Theodor von Tarsus brachte als erster Erzbischof von Canterbury die Neuordnung der englischen Kirche im Sinne Roms zur Durchführung und gründete, unterstützt durch Hadrian von Nisida, Klöster nach der Regel des Benediktinerordens und Schulen, die bald zu regen Pflanzstätten klassischer Bildung wurden. Hier wurde nicht nur das Studium der Heiligen Schrift betrieben, sondern auch Grammatik, Metrik, Astronomie und die Berechnung der Kirchenfeste gelehrt, und manche ihrer Schüler beherrschten Latein und Griechisch so gut wie ihre Muttersprache (Hist. Eccl. 4, 2, ed. Plummer S. 204 f.; 5, 8; 5, 20). § 3. B e n e d i k t B i s c o p (628 ?—90) war einer der eifrigsten Vorkämpfer der neuen Richtung. Er hatte mehrere Romreisen gemacht, war eine Zeitlang Mönch auf der Insel LÄrins bei Cannes gewesen und hatte die Disziplin des klösterlichen Lebens hier persönlich kennen gelernt, hatte dann auf des Papstes Wunsch Theodor 669 als Führer und Dolmetscher nach England begleitet und war zwei Jahre Abt des Petersklosters in Canterbury gewesen (Hist. Abb. 3. 4, ed. Plummer S. 366—68). Als er darauf seine Klöster Wearmouth und Jarrow als Pflegestätten geistlicher Disziplin und gelehrter Bildung im Norden gründete, ließ er für den Bau und die Ausstattung derselben geschulte Arbeiter und Kirchenschmuck aus Gallien kommen; von seinen fünf Auslandsreisen brachte er reiche Bücherschätze heim, die der Grundstock der Bibliothek von Wearmouth und Jarrow wurden. Innumerabilem librorum omnis generis copiam adportavit, heißt es namentlich von seiner vierten Romreise im J. 678 (Hist. Abb. 6); und bei seinem Tode legte er den Mönchen dringend ans Herz, daß die von ihm gesammelte Bibliothek (Bibliothecam, quam de Roma nobilissimam copiosissimamque advexerat) vollständig erhalten und nicht beschädigt oder zerstreut werde (ebd. 11). Ceolfrith, bisher Abt von

Jarrow, seit 689 Benedikts Nachfolger als Abt beider Klöster, setzte sein Werk im gleichen Geiste fort und vermehrte die Bibliothek noch bedeutend. In kirchenpolitischer Hinsicht herrschte in dem Kloster natürlich die entschieden römische Richtung, ohne daß darum die Fühlung mit der benachbarten schottischen Kirche verloren ging, wie Ceolfriths Brief an den Piktenkönig Naiton oder Nechtan erkennen läßt (Hist. Eccl. 5, 21). § 4. Dies waren die Zeitumstände, unter denen B. aufwuchs, die geistige Atmosphäre, die er atmete, die Faktoren, die für seine kirchliche Richtung und seine Wirksamkeit als Gelehrter maßgebend wurden. Es entspricht der in seinem Kloster herrschenden Stimmung, wenn er in seiner Kirchengeschichte zB. in der Beurteilung des schottisch-römischen Streits entschieden auf römischer Seite steht, ohne doch den objektiven Blick des Historikers für die Verdienste und Vorzüge der schottisch-irischen Missionsprediger zu verlieren. Seine vielseitige literarische Tätigkeit aber und seine staunenswerte Belesenheit wären undenkbar ohne eine solch reichhaltige Büchersammlung, wie sie ihm zu Wearmouth und Jarrow zu Gebote stand. Früh durch Gelehrsamkeit und § 5. Frömmigkeit ausgezeichnet, wurde Beda schon mit 19 Jahren (691 oder 692), also unter dem kanonischen Alter (25 J.), zum Diakon und mit 30 Jahren (702 od. 703) zum Priester geweiht. Von gelegen fliehen kleineren Reisen, wie nach Lindisfarne und York, abgesehen, hat er fortan sein ganzes Leben in der Klostereinsamkeit von Jarrow zugebracht, ein stilles Gelehrtenleben, dem Dienste Gottes, dem Studium der Schriften, der Lehrtätigkeit und der Schriftstellerei gewidmet. „Neben der Befolgung J der Ordensregel und der täglichen Pflicht des Singens in der Kirche war das Lernen, Lehren und Schreiben meine einzige Freude", so sagt er selbst an seinem Lebensabend. § 6. Von dem Umfang seiner Studien und seiner Belesenheit zeugt die Zahl der Quellenschriften, die er für seine Werke benutzte. Seine Interessen und Kenntnisse erstreckten sich über die verschiedensten Wissensgebiete. Seine gründliche Be-

BEDA herrschung des Griechischen ergibt sich aus der Tatsache, daß er bei der Revision seines K o m m e n t a r s zur Apostelgeschichte (s. unten § 23,4) die lateinischen Übersetzungen beständig mit seinem Graecimi exetnplar verglich. A u c h sonst wird uns Bedas Kenntnis des Griechischen durch viele Stellen in seinen Werken bezeugt (s. die Zusammenstellung bei Plummer, Ausg. d. HEccl. I S. L I V A . 3 u. 5). A u s der gelegentlichen A n f ü h r u n g hebräischer Wörter darf man schließen, daß ihm auch die Elemente dieser Sprache nicht fremd waren. § 7. Als Lehrer und als Mensch m u ß B. höchst imponierend und anregend gewesen sein. In seinen theologischen Schriften k o m m t er immer wieder darauf zurück, daß der Lehrer das, was er andern beibringen wolle, zuerst selbst üben müsse, daß das Leben nicht mit der Lehre im Widerspruch stehn dürfe (Belege bei Plummer Introd. X X X V I , A n m . 3). Und in dem Leben Alkuins wird Beda das Zeugnis ausgestellt: „ Q u i c q u i d verbo docuit, exemplo roboravit"(MGS. 15, 187; Monum. Alcuin. 10). Mehrere der bekanntesten damaligen Kirchenmänner gehörten zu seinen Schülern und wurden nachher seine Freunde: Nothhelm, später Erzbischof von Cantcrbury, Ecgberht, Erzbischof v o n Y o r k , ferner Hwaetberht und Cuthberht, die nacheinander Ä b t e von Wearmouth waren. A u s der v o n Ecgberht gegründeten Schule von Y o r k ging Alkuin hervor, der in einem Brief an die Mönche von Wearmouth und Jarrow 793 der jungen Generation das Vorbild Bedas als das Muster von Gelehrsamkeit und Frömmigkeit vorhielt (Monum. Ale. S. 200). Und durch Alkuin, den Begründer des fränkischen Unterrichtssystems, reicht der Einfluß von Bedas Lehrtätigkeit über den K a n a l hinüber nach Frankreich und an den Hof Karls des Großen. § 8. Bedas literarische Wirksamkeit war ebenso fruchtbar wie vielseitig; sie bewegt sich fast auf allen Gebieten des damaligen Wissens. Am Schluß seiner Historia Ecclesiastica 5, 24 zählt er nicht weniger als 39 Schriften auf, die er bis 731 verfaßt hatte. Dazu kommen noch einige weitere, die in seinen letzten Lebens-

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jahren entstanden, oder die er in jener A u f zählung vergessen hatte. Seine Werke sind philologischen, naturwissenschaftlichen, chronologischen, theologischen, hagiographischen, historischen oder poetischen Inhalts. Über ihre zeitliche Reihenfolge vgl. Werner, Beda 226 ff.; Plummers Ausg. d. HEccl. I, S. C X L V ff. Bei der nachfolgenden Zusammenstellung von B.s Schriften habe ich mich in der Fassung der Titel möglichst an seine eignen Benennungen in der erwähnten Liste HEccl. 5, 24 gehalten. B. W e r k e . I. Philologische Werke. § 9. Zu seinen frühesten Erzeugnissen gehören einige Schriften philologisch-pädagogischen Inhalts. De Orth.ograph.ia (hrsg. v. Giles, Bedae Opera omnia 6, I — 3 9 ; beste Ausg. v. H. Keil Grammatici Latini 7, 2 6 1 — 9 4 ; 1880) behandelt nicht bloß die Rechtschreibung, sondern ist ein lexikalisch angelegtes Verzeichnis lateinischer und griechischer Wörter mit Bemerkungen über ihre Bedeutung, syntaktische Funktion, ihr grammatisches Geschlecht und ihre Orthographie. Der Wortgebrauch wird zum Teil durch Beispiele aus lat. Schriftstellern erläutert. Das Werkchen ist offenbar aus Bedas pädagogischen Erfahrungen erwachsen und für Lehrzwecke bestimmt gewesen; aber es ist ungleichmäßig durchgeführt und beruht zum größten Teil, wie K e i l (a a 0. 223 f.) nachgewiesen hat, auf älteren Autoren. A u s Charisius hat er die Namen der von ihm erwähnten Grammatiker und die meisten der Beispiele aus den klassischen Schriftstellern entlehnt. Die Bemerkungen über die Buchstaben und die Präpositionen stammen entweder aus Diomedes oder aus Dositheus. Sehr viel hat er aus der Orthographie des Caper geschöpft, und die alphabetisch geordneten Regeln des Agroecius hat er fast vollzählig in sein Buch übernommen. Seine eignen Zutaten beschränken sich auf Beispiele aus der Heiligen Schrift und den Kirchenvätern. § 10. Einen A b r i ß der M e t r i k gibt B. in der Abhandlung De Arte Metrica. die gleichfalls Unterrichtszwecken diente. (Hrsg. v. Giles aaO. 6, 40—79. Beste Ausg. v. H. Keil Gramm. Lat. 7, 2 2 7 — 6 0 ;

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1880.) f Da B. am Schluß dieser Schrift gängern gegenüber. Die meisten der von Cuthberht seinen conlevita nennt, er selbst ihm benutzten Schriftsteller zitiert er gelegentlich mit Namen, ohne jedoch in allen also damals noch levita, dh. Diakon, war, Einzelfällen seine Verpflichtungen anzumuß sie zwischen 691 und 703 entstanden deuten. Originell sind in manchen Punkten sein, und aus der gleichen Zeit dürfte De seine Ausführungen über die Versarten der Orthographia stammen, für deren Datierung jüngeren Dichter, originell ist auch die Auswir keinen sichern Anhaltspunkt haben. wahl und Gruppierung des Inhalts. Durch Wie dieses letztere Werk, so ist auch das Ansehn, das B. im MA. genoß, hat De Arte Metrica großenteils ein Auszug aber dieses wie viele andere seiner Lehraus älteren Autoren. Nach einer Einleibücher für die Verbreitung mancher darin tung über die lat. Buchstaben (Kp. 1) vorgetragenen Auffassungen, selbst wenn handelt B. im ersten Teil ausführlich über sie nicht sein geistiges Eigentum waren, Silbenquantität (Kap. 2—8), wobei voreine maßgebende Vermittlerrolle gespielt. wiegend Donat und seine Ausleger Pompeius und Sergius, sowie Servius, Victori§ 12. An die Darstellung der Metrik hat nus und vereinzelt Charisius benutzt werB. einen Abriß der biblischen S t i l i s t i k den. Es folgt ein Kapitel (9) über Versangeschlossen: De Schematibus et Tropis Sacrae Scripturae. (Hrsg. v. Giles 6, 80—98. füße und dann im zweiten Teil eine einBeste Ausg. v. Halm Rhetores Latini gehende Abhandlung über die einzelnen Minores 607—18; 1863.) Nach der Angabe Versarten. Dabei wird zunächst besonders des Verzeichnisses am Schluß der Hist.Eccl. ausführlich der Bau des Hexameters und gehört dieser Traktat mit der Metrik enger Pentameters besprochen (Kp. 10—16) im zusammen („librum de metrica arte, et huic Anschluß an Donat, Pompejus, Sergius, adiectum alium de schematibus sive tropis"), Mallius Theodorus, Audax und Victorinus; wird also um die gleiche Zeit wie jene, dann werden verschiedene Versarten jünzwischen 691 u. 703, entstanden sein. E r gerer Hymnendichter erörtert (Kp. 17—23), enthält Erörterungen über stilistische Figuwobei B. sich hauptsächlich an Mallius Theoren (wie Prolepsis, Zeugma, Asyntheton, dorus, daneben auch an Victorinus und Polysyntheton, Anaphora, Paronomasie, Audax anlehnt. Kp. 24 handelt über den Klimax ua.) und Tropen (Metapher, MetUnterschied von Metrum und Rhythmus onymie, Synekdoche, Anastrophe, Parennach Audax. Das Schlußkapitel 25 über these, Hyperbel, Allegorie, Parabel usw.), die drei Dichtungsgattungen (die „dramadie durch zahlreiche Belege aus der Heiligen tische", „erzählende" und „gemischte") Schrift erläutert werden. B. wählt Beiist Diomedes entnommen. Die aufgespiele aus der Bibel, um zu zeigen, daß alle stellten Regeln werden durch zahlreiche in den klassischen Schriftstellern auftretenZitate fast ausschließlich aus christlichen den Redefiguren und Tropen sich auch Dichtern erläutert: Juvencus, Ambrosius, schon und noch ausdrucksvoller in der viel Prudentius, Paulinus, Prosper, Sedulius, älteren Bibel nachweisen lassen. Dabei legt Venantius Fortunatas, Arator werden erer die lateinische Ubersetzung zugrunde; wähnt, aber nicht überall sind die Autoren j aber unter 'Paronomasie' zitiert er ein Wortangegeben; von klassischen Dichtern ist j spiel des hebräischen Textes in der Urnur Virgil häufiger vertreten. sprache, weil es in der Übersetzung nicht § 1 1 . Die obige Zusammenstellung der wiederzugeben ist. Diese biblischen Belege zu den einzelnen Abschnitten benutzten für die einzelnen Redefiguren beruhen, wie Vorlagen, die sich auf Keils Einzelnachbei der Orthographie, wohl auf eignen Sammweise stützt, gibt uns einen guten Einblick lungen Bedas; sonst lehnt sich die Abin Bedas Arbeitsweise Sie ist typisch für handlung in ihrer Anlage an Donat an. die meisten seiner pädagogischen und exII. Naturwissenschaftliche egetischen Werke Sie zeugt von den gründund c h r o n o l o g i s c h e W e r k e . § 13. lichen Vorstudien, die er zur Abfassung Die Schrift De Natura Rerurn (hrsg. v. seines Lehrbuchs gemacht hatte, nicht Giles 6, 100—122) enthält einen Abriß der minder aber von der weitgehenden, großenK o s m o g r a p h i e in 51 kurzen K a teils wörtlichen Abhängigkeit seinen Vor-

BEDA piteln. Für die Beurteilung ihrer Entstehungszeit und ihres Zwecks ist ihre Erwähnung in dem V o r w o r t zu De Temporum Ratione (725) beachtenswert: „De natura rerum et ratione temporum, duos q u o n d a m stricto sermone libellos d i s c c n t i b u s , ut rebar, necessarios composui" (Giles 6, 139). Daraus geht hervor, daß das Werk ein kurz gefaßtes Lehrbuch sein sollte, und daß seine A b f a s s u n g damals schon weiter zurück lag; und da es sowohl hier wie in dem Verzeichnis am Schluß der Kirchengeschichte mit De Tcmporibus zusammen genannt wird, so dürfte es (trotz Plummer, Ausg. d. Hist. Eccl. I S. C X L I X ) etwa in der gleichen Zeit wie dieses (vor 703) entstanden sein. Bedas Vorbild bei der Abfassung dieses kosmographischen Lehrbuchs war Isidors De Natura Rerum, worauf nach Welzhofer etwa ein Drittel des Ganzen zurückgeht. Ein paarmal zieht er auch Isidors Etymologiae heran. Außerdem hat er Plinius Naturalis Historia Buch 2—6, wovon ihm eine vorzügliche Handschrift in seiner Klosterbibliothek zur V e r f ü g u n g stand, stark benutzt, vor allem das 2. Buch. (S. die Nachweise bei Werner, Beda 108 ff. und deren Zusammenstellung bei K . Welzhofer, Bedas Zitate aus der Nat. Hist. des Plinius, A b h . aus d. Gebiet d. klass. Alter tumswiss., Festschr. f. Christ, München 1891, S. 40: s. auch S. 26. Ferner Manitius I 77 f.) Der Verfasser beginnt mit der Erschaff u n g der W e l t und behandelt dann nacheinander in knapper Form die Elemente, das Himmelsgewölbe, die Weltzonen und Weltgegenden, die Sterne, ihre Arten und ihre Bewegung, den Tierkreis, die Sonne, den Mond und Mondwechsel, Sonnen - und Mondfinsternisse, Kometen, L u f t , Winde, Donner und Blitz, Regenbogen, Wolken, Regen, Hagel und Schnee, Wetterprognose, Pestkrankheiten, Wasser, Meer, Ebbe und Flut, Rotes Meer und Nil, die Erde, ihre Kugelgestalt und Breitengradeinteilung, Erdbeben und Vulkane, endlich die Erdteile. Genaueres über den Inhalt s. bei Werner 107—21. § 14. Dem Lehrbuch der Weltkunde reihen sich zwei Darstellungen der Zeitkunde in einem kürzeren und einem ausführlicheren Werke an.

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In der älteren Schrift De Temporibus (hrsg. v. Giles 6, 123—38), die nach Kp. 14 im J. 703 v e r f a ß t war (vgl. dazu auch Plummer, Ausg. d. HEccl. I S. C X L V I ) und nach der eben (§ 13) erwähnten Angabe des Verfassers gleichfalls Unterrichtszwecken dienen sollte, gibt B. zunächst einen kurzen A b r i ß d e r allgemeinen, astronomischen C h r o n o l o g i e , die dann im zweiten Teil in die konkrete Chronologie der H a u p t ereignisse der Menschenzeitalter übergeht. Das Vorbild für die Anlage beider A b schnitte war wieder Isidor, und zwar für K p . 1 — 5 : E t y m . 5, 29—33 u. N a t . Rer. 2 — 6 ; für 6 — 1 0 : Et. 5, 3 3 — 3 5 ; 6, 17 u. N R e r . 4. 7. Außerdem ist Macrobius Sat. 1, 1 2 — 1 7 (f. K p . 2 u. 10) und Plinius N H . 2, 188. 186 (f. K p . 2 u. 7) benutzt (s. Manitius 77). Die Schilderung der sechs Weltalter in der k l e i n e r e n C h r o n i k Bedas, De Temp. 17—22, ist im wesentlichen identisch mit der gleichartigen Darstellung in Isidors Etym. 5, 39. Einige Stellen sind aus Isidors größerer Chronik entnommen, ein paar andere stammen aus der Bibel oder aus der Chronik des Eusebius-Hieronymus (s. G. Wetzel, Die Chroniken des Baeda, Dissert. Halle 1878, S. 41). Originalen Wert h a t die Arbeit nicht. Die Zeitrechnung gründet sich in dieser kleineren wie später in der größeren Chronik (unten § 18) auf die Zählung der Jahre von der Erschaffung der Welt. Bemerkenswert ist aber, daß B. dabei hier wie dort nicht mit Isidor der Zählung der offiziell anerkannten Septuaginta folgt, sondern im Anschluß an A u g u stin sich für die ziemlich abweichende Rechnung der Bibelübersetzung des Hieronymus entscheidet, die nach dem hebräischen Urtext angefertigt war. Doch führt er daneben die Jahre nach der Septuaginta an. (Beste Ausg. v. Mommsen MG. A u c t . Antiqu. 13, 247ff.) § 15. Die Jahreszählung nach der hebräisch-hieronymianischen Bibel zog ihm von Seiten gewisser Eiferer, die anscheinend dem Kreise Bischof Wilfriths von Y o r k nicht fernstanden, den Vorwurf der K e t z e rei zu. Sie warfen ihm vor, er leugne, daß Christus im sechsten Weltalter Mensch g< worden sei. B. verteidigte sich entrüstet gegen diese Anschuldigungen in der Epi-

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stola ad Plegwinutn v o m J. 708. (Hrsg. v. Giles 1, 144—54. Die Datierung stützt sich auf die Bemerkung „opusculum meum de Temporibus, quod a n t e quinquenn i u m edidi" S. 145: vgl. dazu Plummer, Ausg. d. Ilist. Eccl. I S. C X L V I . ) § 16. Auf Wunsch der Mönche, denen die erste chronologische Schrift gar zu knapp war, hat B. dieselbe dann später zu einem ausführlichen Handb u c h d e r C h r o n o l o g i e unter dem Titel De Temporum Ratione erweitert (hrsg. v. Giles 6, 139—342). Es ist 725 geschrieben (vgl. Kp. 49. 52. 58), aber die angehängte Chronik wurde in einem kurzen Zusatz bis 729 fortgeführt. Dieses größere Werk zeigt im wesentlichen die gleiche A n ordnung des Stoffs wie der A b r i ß De Temporibw; (§ 14), aber ist viel ausführlicher, durch zahlreiche neu eingefügte Abschnitte erweitert, im ganzen fast dreizehnmal so lang als jener und enthält ein völliges System der Zeitrechnung mit eingehender Begründung. § 17. Der e r s t e , astronomisch-chronologische Teil geht aus von der Fingerrcchnung, den Ziffern, der Zeiteinteilung im allgemeinen und den Gtwichten; er handelt dann über T a g und Nacht, Woche und Weltwoche, Monat (mit besondern Kapiteln über die Monate der Juden, Ägypter, Römer, Griechen und Angeln), Monatszeichen des Tierkreises, Mondlauf und seine Bedeutung für den Kalender, über Sonnen- und Mondfinsternisse, den Einfluß des Mondes auf Ebbe und Flut, über Äquinoktien und Solstitien, die ungleiche Länge der Tage und ihre Ursache, die fünf Weltzonen, vier Jahreszeiten, Jahr und Schaltjahr, den 19 jährigen Zyklus und seine Einteilung, die Rechnung nach Christi Geburt, die Indiktionen und Epakten, den Jahresanfang und schließlich die Osterrechnung, die theoretisch wie praktisch gleich gründlich erörtert wird. (Ausführlicheres über den Inhalt s. bei Werner 122—42).) Die Berechnung der christlichen Feste, insbesondere des Osterfestes, war j a ein Hauptzweck dieser chronologischen Schriften, und vielleicht hat gerade der Streit um die Datierung des Osterfestes, für den sich Beda immer auffallend stark interessiert hat, den Anstoß zu seiner Be-

schäftigung mit diesem Gegenstand gegeben, zumal die keltischen Kirchen, nach dem der Streit auf der Synode von W h i t b y 664 für England zugunsten der römischen Rechnungsweise entschieden war, in ihren eignen Ländern noch bis ins 8. Jh. an ihrer angestammten Berechnung festhielten. Wie bei dem kürzeren Werk (§ 14) waren die Hauptvorlagen Bedas in diesem ersten Teil wieder die entsprechenden oben erwähnten Abschnitte aus Isidors De Natura Rerum und Etymologiae (s. die Nachweise b. Werner 122 ff.). A u c h Macrobius wird wieder benutzt und Plinius Nat. Hist. 2 — 6 mehrfach in größerem Umfange ausgeschrieben (Nachweise b. Welzhofer 40). Weitere Quellen b. Manitius I 78. § 18. Das „ C h r o n i c o n s i v e d e s e x h u i u s seculi a e t a t i b u s " (beste Au?g. v. Mommsen MGS. A u c t . Antiqu. 13, 247 ff.) ist, wie die kurze Weltchronik in De Temporibus, ein integrierender Bestandteil des Werks (Kp. 66ff.), aber ganz bedeutend ausführlicher als jene. In der Gruppierung der weltgeschichtlichen Begebenheiten folgt B. auch hier wieder Isidor, der in seiner Chronik zum ersten Mal die Einteilung nach sechs Weltaltern durchgeführt hatte. Die Anregung dazu hatte Isidor von Augustin erhalten, der im Gegensatz zu der früher üblichen Gliederung der Weltgeschichte in Perioden von gleicher Dauer zu je IOOO Jahren in seiner Civitas Dei eine neue Abgrenzung in ungleich lange Epochen nach hervorragenden Ereignissen begründet hatte. Beda geht in der Erklärung und Begründung der Einteilung auf Augustin selbst zurück, den er auch sonst mehrfach benutzt und zitiert, und an den er sich in seinen geschichtsphilosophischen Anschauungen und in der allegorischen Schriftauslegung auch sonst gern anschließt. (Vgl. G. Wetzel, Die Chroniken des Baeda, S. 43. 36 f.) Für den weltgeschichtlichen Stoff selbst ist die Bibel seine wichtigste Quelle und zwar in der lat. Übersetzung des Hieronymus, der er als der hebraica veritas v o r der offiziell anerkannten Übertragung der Septuagiflta den Vorzug gibt (s. oben § 14). Für die Darstellung der ersten beiden Weltalter ist diese Bibelübersetzung fast seine einzige, für die jüdische Geschichte im dritten, vierten und fünften Weltalter

BEDA seine Hauptquelle, die er meist wörtlich b e n u t z t (Wetzel 12 f.). Neben der Bibel k o m m t vor allem die Chronik des Eusebius in der Überarbeitung des Hieronymus als Quelle in Betracht, nächstdem auch die Weltchronik desOrosius, diese insbesondere von Christi Geburt bis zur Einnahme Roms durch Alarich. Beide schreibt er in ausgedehntem Maße wörtlich aus, bisweilen sie miteinander verbindend (Wetzel 14ff.) Wichtige Quellen sind ferner Marcellinus Comes, Isidor und die Pontifikalbücher. Weiterhin kommen Prosper Aquitanus, Eusebius' Kirchengeschichte bcarb. v. Rufin, Arnobius, Josephus, Eutrop, Dionysius, Gregor, Gildas ua. in Betracht (s. Wetzel 11 ff. Mommsen 227 ff.). § 19. Die beiden Chroniken des Beda sind demnach lediglich Kompilationen, die der ausgedehnten Belesenheit und dem Fleiß des Verfassers das beste Zeugnis ausstellen, aber bei ihrer weitgehenden, großenteils wörtlichen Anlehnung an bekannte Vorlagen jedes selbständigen Wertes als Geschichtswerkc ermangeln. Ihre Bedeut u n g liegt darin, daß sie aus den Werken der früheren, allerdings fast ausschließlich christlichen oder jüdischen Historiker alles Wissenswerte in nicht ungeschickter Weise zu knappen, übersichtlichen Kompendien zusammenfassen und dadurch die ersten Versuche einer Universalgeschichte auf englischem Boden werden. Darauf beruht auch die Beliebtheit und große Verbreitung, deren sie sich im MA. erfreuten (wie die zahllosen Handschriften beweisen), und daher erklärt sich der weitreichende Einfluß, den sie auf die späteren mittelalterlichen Chronisten ausübten. (S. auch Manitius 8of.) III. T h e o l o g i s c h e W e r k e . §20. Die Mehrzahl von B.s Schriften ist theologischen Inhalts. Sie ziehen sich in langer Reihe durch seine Hauptschaffenszeit von 709 bis an sein Ende. (s. Plummer, Ausg. d. HEccl. I S. X L I X ) . Für uns kommen sie weniger in Betracht, so daß von einem Eingehn auf Einzelheiten hier abgesehen werden kann. Sie beschäftigen sich sämtlich mit der Exegese der biblischen Bücher Alten und Neuen Testaments, zerfallen aber der Form nach in zwei Gruppen: eigentliche Kommentare und Homilien.

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§ 21. E r h a l t e n sind uns die folgenden K o m m e n t a r e z u m A l t e n T e s t a m e n t (hrsg. v. Giles Bd. 7—9): 1. In prineipium Genesis, usque ad nativitatem Isaac et eiectionem Ismaelis, libri IV. Hrsg. v. Giles 7, r—224. Nach Plummer (Ausg. d. HEccl. I S. CXLIX) 720 entstanden. Der Kommentar reicht bis Gen. 21. Inhalt bei Werner, Beda 152—61. 2. De Tabernaculo et vasis eius ac vestibus sacerdotum, libri III. Ausg. Giles 7, 225 bis 367. Vor der Schrift De aedificatione Tempil (Nr. 5), also wahrscheinlich vor 729, entstanden (Plummer CL). Stark allegorische Deutung. Inhalt b. Werner 161—68. 3. In primam partem Samuelis, i. e. usque ad mortem. Saulis, libri IV. Ausg. Giles 7, 368—8, 231. Es sind 4, nicht 3 Bücher; die Lesart I I I der Textausgaben in dem Verzeichnis am Schluß der HEccl. ist nach den Hss. C. 0 2 . D ua. in I U I zu ändern (vgl. Plummers Varianten u. Anm. z. d. Stelle). Buch I—3 ist vor, Buch 4 nach dem Tode Ceolfriths J u n i 716 entstanden (Plummer X V f. CXLVIII). Die Schrift zeichnet sich durch besonders kühne Allegoristerei aus (s. unten § 29). Inhalt b. Werner 168—72. 4. In Regum librum XXX quaestiones. Ausg. Giles 8, 232—61. In dieser Schrift gibt B. auf Bittenseines FreundesNothhelm Erklärungen von 30 Stellen der Bücher Samuelis und der Könige (die in der Vulgata zu einem Buch zusammengefaßt werden). Undatierbar, aber vor 731. Weiteres b. Werner 172. 5. De aedificatione Tempil oder De Templo Salomonis, libri II. Ausg. Giles 8, 262—359. Nach Plummer (aaO. CL) entstanden zwischen 729 und 731. Inhalt b. Werner 172—74. Zur Kennzeichnung desselben f ü g t B. im Verzeichnis seiner Werke dem Titel die Worte hinzu: allegoricae expositionis, sicut et cetera. 6. In Ezram et Neemiam, libri III. Ausg. Giles 8, 360—9, 52. Entstanden zwischen 725 u. 731 (Plummer CL). Die beiden ersten Bücher enthalten den Komm e n t a r zu Esra, das dritte den zu Nehemia. Inhalt b. Werner 174—76. 7. In Proverbia Salomonis, libri III. Ausg. Giles 9, 53—185. Undatierbar, doch vor 731. Inhalt b. Werner 178 f.

BEDA 8. In Cantica Canticorum, libri V I I . Ausg. Giles 9, 186—404. Vor 731 entstanden. Inhalt b. Werner 179 f. 9. In Canticum Habacuc, liber I. Ausg. Giles 9, 405—26. Vor 731. Inhalt b. Werner 180—82. 10. In librum beati patris Tobiae, liber I. Dazu im Verzeichnis seiner Werke am Schluß der HEccl. der Zusatz: explanationis allegoricae de Christo et ecclesia. Ausg. Giles 9, 427—44. Vor 731. Inhalt b. Werner 176 f. § 22. In dem Verzeichnis seiner Schriften führt Beda außerdem noch die Titel von 6 weiteren Kommentaren zu alttestamentlichen Büchern auf, die uns n i c h t e r h a l t e n sind: Capitula lectionum in Pentateucum Mosi, losue, Iudicum; In libros Regum ei Verba dierum; In librum beati patris lob; In Parabolas, Ecclesiasten et Cantica Canticorum-, In Isaiam prophetam, Hzram quoque et Neemiam; In Isaiam, Danihelem, XII prophetas et parle m Miere miae, distinctiones capitulorum ex tractatu beati Ilieronimi excerptas. § 23. Die folgenden K o m m e n t a r e z u m N e u e n T e s t a m e n t sind c r h a l t e n (hrsg. v. Giles Bd. 1 0 — 1 2 ) : ]. In Evangelium Marti, libri IV. Ausg. Giles io, 1—264. Entstanden zwischen 716 und 731, nach dem Samuel-Kommentar, der 716 geschrieben wurde (oben § 21, 3), und lange nach dem Lucas-Kommentar, der „ante annos plurimos" verfaßt war. (Vgl. Plummer aaO. C X L V I I I . ) Über den Inhalt s. Werner 195 f. 2. In Evangelium Lucae, libri VI. Ausg. Giles 10, 265—11 ganz. Dieser umfangreichste von allen Kommentaren wurde nach denen zur Apokalypse und Apostelgeschichte, wahrscheinlich kurz vor dem Samuel-Kommentar 7 1 6 geschrieben (Plummer C X L V I I ) . Inhalt b. Werner 194—99. 3. In Acta Apostolorum, libri II. Ausg. Giles 12, 1—95. Wahrscheinlich zwischen 709 und 7 1 4 etwa, vor dem Lucas-Kommentar entstanden (s. Plummer CXT.VII). Inhalt b. Werner 189—94. 4. Retractationes in Acta Apostolorum (hrsg. v. Giles 12, 96—156); Verbesserungen zu dem Kommentar über die Apostelgeschichte, auf Grund einer sorgfältigen Vergleichung des griechischen Originals. Die Schrift wird in der Liste von 731 nicht er-

wähnt, ist also wahrscheinlich zw. 731 u. 735 geschrieben, jedenfalls aber „plures annos" nach dem ursprünglichen Kommentar zur Apostelgeschichte (vgl. Plummer CLI). 5. In Epistulas VII catholicas, libri singuli. Ausg. Giles 12, 157—336. Etwa gleichzeitig mit dem Kommentar zur Apostelgeschichte, zwischen 709 u. 7 1 4 etwa, entstanden. (Vgl. Plummer C X L V I I . ) Inhalt b. Werner 200—203. 6. In Apocalypsin saneti Iohannis, libri III. Ausg. Giles 12, 337—452. Vor dem Kommentar zur Apostelgeschichte verfaßt, anscheinend der früheste unter den Bibelkommentaren (vgl. Plummer C X L V I I ) . Inhalt b. Werner 186—89. § 24. V e r l o r e n sind uns 2 in der Liste von 731 aufgeführte Schriften über das Neue Testament: Exzerpte aus Augustin über den Apostel Paulus {In apostolum quaecumque in opusculis saneti Augustini exposita inveni, cuncta per ordinem transscribere curavi, sagt er), und Capitula lectionum in totum NovumTestamentum, excepto Evangelio. Auch die Übersetzung des Johannesevangeliums, mit der B. nach dem Bericht des Abtes Cuthberht (Plummers Ausg. d. HEccl. I S. L X X V u. C L X I I ) auf seinem Sterbebette beschäftigt war, ist nicht auf uns gekommen. § 25. Eine zweite Gruppe unter den theologischen Schriften B.s bilden seine 2 Bücher H o m i 1 i e n (hrsg. v. Giles 5. Bd.). Homiliae Evangelii nennt er selber sie treffend; denn sie sind in der Hauptsache Auslegungen von neutestamentlichen Textstellen und vielfach nur Auszüge aus den Kommentaren. Über ihren Inhalt vgl. Werner 199L, ihreEchtheit PlummerCLIII. § 26. Von der T o p o g r a p h i e d e s H e i l i g e n L a n d e s handelt ein kleiner Traktat De Locis sanetis (hrsg. v. Giles 4, 402—43 mit engl. Übers.; krit. Ausg. v. P. Geyer Itinera Hierosolymitana30i—24; 1898), der in der Liste HEccl. 5, 24 fehlt, aber ebd. 5, 17 erwähnt wird und danach schon „ d u d u m " verfaßt war. Nach B.s eigner Angabe (5, 17) ist er ein Auszug aus Adamnans Schrift De Situ urbis Hientsalem. Er diente wohl Unterrichtszwecken. § 27. Bedas theologische Werke haben ebensowenig selbständigen Wert wie die

BEDA meisten seiner wissenschaftlichen Schriften. Er selbst sagt im A n h a n g der Hist. Eccl., er habe sich bemüht, ,,ex opsuculis venerabilium patrum breviter adnotare sive etiam ad formam sensus et interpretationis eorum superadicere". Seine K o m m e n t a r e sind zum großen Teil nur Auszüge aus den Kirchenvätern, insbesondere Augustin, Hieronymus, Ambrosius und Gregor (vgl. Werner aaO.). A b e r sie entfalten eine ausgedehnte theologische Belesenheit, und die Zahl der von B. zitierten Schriftsteller ist erstaunlich (s. die Liste bei Plummer, Ausg. d. HEccl. I S. L, A. 3). § 28. Sehr anerkennenswert für diese frühe Zeit ist sein richtiges Verständnis für b i b l i s c h c Textkritik. Er vergleicht beständig die Itala und Vulgata, zieht manchmal sogar den griechischen T e x t heran, beachtet die Varianten der verschiedenen Handschriften und weist auf fehlerhafte Lesarten und Textverderbnissehin' (vgl. Plummer aaO. X I X . L I V ff.). § 29. Seine A u s l e g u n g der biblischen Texte ist meist allegorisch nach der Art, wie sie seit Origenes (185—254) und seiner alexandrinischen Schule in der Bibelexegese üblich geworden war. Hinter dem wörtlichen Sinn des biblischen T e x t e s vermutet B. einen verborgenen, symbolischen; besonders das Alte Testament wird symbolisch aufgefaßt, aber auch in den Kommentaren zum Neuen Testament und sogar zur Apostelgeschichte k o m m t diese A r t der Exegese zur Anwendung. B.s Auslegungen sind oftmals sehr willkürlich, phantastisch und subjektiv; sie erreichen den Gipfelpunkt der Kühnheit und Künstelei vielleicht in dem K o m m e n t a r zu Samuel. § 30. In seinem Glauben ist B. s t r e n g o r t h o d o x . Alle Ketzereien werden von ihm aufs schärfste verurteilt, besonders häufig der Arianismus und Pelagianismus. (Eine Zusammenstellung der sonst noch v o n ihm gebrandmarkten Ketzer gibtf Plummer aaO. L X I I A. 3.) Hieraus erklärt sich wohl auch seine entschiedene Abneigung gegen die keltische Osterrechnung, und wir begreifen seine Erregung, als er einmal selber der Ketzerei bezichtigt wurde (oben § 15). Auf der andern Seite weist er auf die tröstliche Erscheinung hin, daß die Ketzereien durch die Reaktion, die

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sie unter den Rechtgläubigen erzeugen, eine segensreiche Wirkung üben: ohne sie hätten wir die großen apologetischen Werke der Kirchenväter nicht. (Plummer aaO. LXIII.) § 31. Bemerkenswert ist Bedas S t e l lung zur antiken Literatur. Wir sahen schon, daß er seine Beispiele in De Arte Metrica in der größten Mehrzahl der Fälle christlichen Dichtern entnimmt, während von klassischen Autoren nur Virgil häufiger zitiert wird (oben § 10). Das ist kein Zufall, darin ist System. In den übrigen Werken ist es ähnlich. V o n den klassischen Schriftstellern wird Ovid gelegentlich, Horaz, Homer ua. nur ein- bis zweimal erwähnt, alle wahrscheinlich aus zweiter Hand. Dagegen kannte er Virgil näher, wie eine Reihe von Zitaten in der Historia ecclesiastica beweisen; und Plinius' Naturalis Historia wird in der Kirchengeschichte wie in den wissenschaftlichen Werken häufiger verwertet. Aber im ganzen schwärmt B. nicht sehr für die Benutzung heidnischer Literatur durch christliche Schriftsteller. Er ist nicht gerade dagegen, aber meint, sie sei mit Vorsicht zu genießen; denn die antiken Philosophen seien vielfach die geistigen Väter der K e t z e r (s. die Belege bei Plummer LIII). So verschwinden denn in der Kirchengeschichte die wenigen Entlehnungen aus der antiken Literatur vollkommen gegenüber den zahllosen Zitaten aus der HeiligenSchrif t. § 32. A b e r B.s dogmatische Orthodoxie n i m m t selten einen schroffen Charakter an; sie wird durch eine überall hervortretende ehrliche F r ö m m i g k e i t und echte D e m u t gemildert. Tugendstolzes Pharisäertum ist ihm ebenso fremd wie selbstgefälliger Gelehrtendünkel; gern läßt er sich von jedem seiner Mitbrüder belehren und verbessern. § 33. Ein starker S i n n für das W u n d e r b a r e , das überall ins menschliche Leben hineingreift, tritt uns in allen seinen Schriften entgegen, nicht nur in den theologischen und hagiographischen, sondern auch in den historischen. B. ist in diesem Punkte eben auch nur ein K i n d seiner Zeit. Dieser naive Wunderglaube wirkt oftmals um so seltsamer, als ihm in andern Dingen ein durchaus g e s u n d e r

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BEDA

M e n s c h e n v e r s t a n d und eine auffallend nüchterne Urteilsfähigkeit gegenübersteht. IV. H a g i o g r a p h i s c h e S c h r i f t e n. § 34. Ein kalendarisches Verzeichnis der Märtyrerfeste des Kirchenjahrs, in dem auch die Martern sehr ausführlich geschildert werden, gibt B. in seinem Martyrologium (entstanden vor 731). Es ist uns nur in einer Überarbeitung des Florus von L y o n aus dem 9. Jh. erhalten (hrsg. v. Giles 4, 16—172), beruht auf den Acta. Martyrum, den Pontifikalbüchern und dem Martyrologium des Hieronymus und ist seinerseits der Ausgangspunkt für die zahlreichen späteren Martyrologien des Mittelalters geworden. Weiteres bei Werner 145—49. Ebert Allg. Gesch. d. Lit. d. MA. I 646. Brandl Gesch. d. ae. Lit. in PGrundr. : II 1053. § 35. Außer diesem Märtyrerkalender hat B. einige H e i l i g e n l e b e n geschrieben. Eine Vita et Passio sancti Anastasii, die er in der Liste von 731 erwähnt, ist uns nicht erhalten. Es war nach seinen eignen Worten nur die Verbesserung einer schlecht übersetzten und von einem Unfähigen noch schlechter überarbeiteten griechischen Legende. § 36. Seine Vita et Passio sancti Felicis, das Leben des hl. Felix von Nola (hrsg. v. Giles 4, 173—201 mit engl. Übersetzung), ist nur eine Prosawiedergabe der Carmina natalitia des P a u l i n u s , einer Sammlung von Lobliedern auf den hl. Felix, die 394—408 entstanden und in Hexametern abgefaßt waren (vgl. über sie Ebert Allg. Gesch. d. Lit. d. MA. I 302). B. wollte durch seine kurze prosaische Bearbeitung (in 8 Kapiteln) das Werk auch gewöhnlichen Lesern zugänglich machen. Die E n t stehungszeit der Arbeit fällt vor 731; ein weiterer A n h a l t zur Datierung fehlt. § 37. W e i t bedeutender und interessanter ist die Vita sa?icti Cuth.berh.ti, das Leben des hl. Cuthberht von Lindisfarne (hrsg. v. Giles 4, 202—357 mit engl. Übersetzung). B. hatte schon zwischen 705 und 7 1 6 (vgl. ManitiusI84) ein Gedicht De Miraculis S. Cuthberhti verfaßt (s. unten § 47), aber darin nur die Wunder des Heiligen verherrlicht. In der prosaischen Vita, die um 720 entstand (Plummer C X L V I I I ) , gab

er auch eine Darstellung seines übrigen Lebens. Dadurch erhält das Werk für uns geschichtlichen und kulturgeschichtlichen W e r t ; es ist ein Vorläufer und eine Ergänzung der Kirchengeschichte. Die Hauptquelle B.s ist ein älteres Leben des Cuthberht von einem Mönch von Lindisfarne (abgedruckt b. Giles 6, 357—82). A b e r um in seinen Angaben möglichst genau zu sein, legte B. sein Werk außerdem einigen Mönchen vor, die Cuthberht (f 687) persönlich gekannt hatten, und verbesserte es nach ihren Angaben, um es dann noch einer Versammlung der Ältesten des Klosters Lindisfarne zur Begutachtung zu unterbreiten, — ein Beweis für die Gewissenhaftigkeit, mit der er hier wie in seinen andern historischen Schriften arbeitete. Trotzdem ist B.s Werk, wie Plummer (aaO. X L V I ) mit Recht bemerkt, nicht gerade als eine Verbesserung seiner Vorlage zu bezeichnen. Sprachlich ist es allerdings wesentlich gewandter, sachlich ist die schlichtere Darstellung des Mönchs vorzuziehen. Die Wunder spielen bei B. gar zu sehr die Hauptrolle; die natürlichsten Dinge werden von ihm zu Wundern gestempelt. Anderseits bietet er doch auch wirkungsvolle Zugaben, so besonders den Bericht v o m Tode Cuthberhts nach einem Augenzeugen (Kp. 37—40). Auch kulturgeschichtlich interessante Einzelschilderungen von dem Leben der Mönche und Einsiedler bietet B. in dieser Schrift. V. Historische Originalwerke. § 38. Die Vita Cuthberhti bildet den Übergang von den hagiographischen zu den historischen Originalwerken. Das Legendarische und Wunderbare spielt auch in diesen vielfach eine bedeutende Rolle. Die politische Geschichte tritt nur in dem Hauptwerk stärker hervor, obschon auch hier das kirchengeschichtliche Interesse überwiegt. Eine vortreffliche Ausgabe der historischen Originalwerke B.s mit Einleitung, Varianten, Anmerkungen und Glossar in 2 Bänden hat C. P l u m m e r veranstaltet (Oxford 1896). § 39. In der Historia Abbatum monasterii in Wiremutha et Gyroum gibt B. eine Geschichte seines eignen Doppelklosters unter den Ä b t e n Benedikt, Ceolfrith, Eosterwine, Sigfrith und Hwaetberht.

BEDA ( H r s g . v . Giles 4, 3 5 8 — 4 0 1 m i t engl. Ü b e r setzung. Beste Ausg. v. Plummer mit k r i t i s c h e m A p p a r a t , s. § 38.) Das Werk s c h l i e ß t m i t d e m T o d e C e o l f r i t h s u n d der E r w ä h l u n g H w a ; t b e r h t s 7 1 6 , ist also n a c h d i e s e m J a h r , a b e r v o r 731 v e r f a ß t , d a es H E c c l . 5, 24 e r w ä h n t w i r d . B . b e n u t z t e z u m T e i l eine uns e r h a l t e n e G e d ä c h t n i s s c h r i f t a u f C e o l f r i t h v o n einem M ö n c h seines K l o s t e r s (hrsg. v. Giles 6, 4 1 6 — 3 2 : beste A u s g . v . P l u m m e r a a O . 3 8 8 — 4 0 4 m i t krit. A p p a r a t ) . Er hat v i e l e s an seiner V o r l a g e g e k ü r z t , a b e r a n d e r s e i t s w e r t v o l l e eigne Z u t a t e n h i n z u g e f ü g t , w i e die r ü h r e n d e A b s c h i e d s s z e n e z w i s c h e n den beiden Ä b t e n B e n e d i k t Und S i g f r i t h a u f ihrem S t e r b e l a g e r . Kulturg e s c h i c h t l i c h i n t e r e s s a n t ist namentlich seine S c h i l d e r u n g v o n B e n e d i k t s f r u c h t b a r e r W i r k s a m k e i t . D a er in diesem W e r k meist S e l b s t e r l e b t e s a u s seiner u n m i t t e l b a r e n U m g e b u n g b e r i c h t e t , so h a t dasselbe einen b e d e u t e n d e n Q u e l l e n w e r t . E s ist die ä l t e s t e K l o s t e r g e s c h i c h t e E n g l a n d s und eine V o r a r b e i t z u seiner Kirchengeschichte. § 40. D i e Historia Ecclesiastica gentis Anglorum in 5 B ü c h e r n (nach 5,23 im J . 731 v o l l e n d e t ) ist n i c h t n u r B . s u m f a n g reichstes, sondern z w e i f e l l o s a u c h sein b e deutendstes Werk. (Hrsg. v o n H o l d e r , F r e i b u r g i. B., o. J., 2. A u s g . ; gut, aber nur Text. Beste kritische Ausg. v. Plummer, s. § 38.) E s g i b t die G e s c h i c h t e der a n g e l s ä c h s i s c h e n K i r c h e v o n ihren A n f ä n g e n bis auf B e d a s T a g e m i t s t a r k e r B e r ü c k s i c h t i g u n g a u c h der p o l i t i s c h e n G e schichte. In den einleitenden K a p i t e l n ( i , 1 — 2 2 ) , w o ü b e r die G e s c h i c h t e B r i t a n n i e n s und der b r i t i s c h - i r i s c h e n K i r c h e bis zur G r ü n d u n g der a n g e l s ä c h s i s c h e n b e r i c h t e t wird, ist B. n i c h t s e l b s t ä n d i g ; seine N a c h r i c h t e n sind E x z e r p t e a u s a n dern A u t o r e n , b e s o n d e r s Orosius, E u t r o p , C o n s t a n t i u s ' L e b e n des G e r m a n u s und v o r allem Gildas. E u t r o p u n d G i l d a s e r w ä h n t er einmal ( K a p . 8 b z w . 22), v o n seinen z a h l r e i c h e n sonstigen V e r p f l i c h t u n g e n b e m e r k t er nur im allgemeinen in der V o r r e d e : ex priorum. maxime scriptis hinc inde collectis ea, quae promeremus, didieimus. E r s t v o n 597 an ist seine D a r s t e l l u n g originell, und hier h a t sie einen h e r v o r r a g e n d e n Q u e l l e n w e r t , ja, in sehr v i e l e n

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Über F ä l l e n ist B . die einzige A u t o r i t ä t . die Quellen, a u s d e n e n er seine A n g a b e n s c h ö p f t , b e r i c h t e t er selbst in der E i n leitung. D a n a c h s t ü t z t e er sich bei der A b f a s s u n g seines W e r k s auf m ü n d l i c h e u n d s c h r i f t l i c h e M i t t e i l u n g e n seiner geistlichen F r e u n d e in allen G e g e n d e n E n g l a n d s , auf A b s c h r i f t e n v o n P a p s t b r i e f e n , die ihm sein Freund Nothhelm aus R o m mitbrachte, und, s o w e i t der N o r d e n in B e t r a c h t k a m , a u f seine persönlichen E r i n n e r u n g e n . Er ben u t z t e a b e r a u c h ältere legendarische u n d k i r c h e n g e s c h i c h t l i c h e W e r k e , w i e die Vita Fursei (3, 19), die W u n d e r der Ä b t i s s i n y E t h e l b u r g v o n B a r k i n g (4, 7 — 1 0 ) u n d E d d i u s ' L e b e n W i l f r i t h s (5, 19). Das letztere n e n n t er n i c h t ; im ü b r i g e n g i b t er seine m ü n d l i c h e n und s c h r i t f l i c h e n G e w ä h r s m ä n n e r e n t w e d e r in der V o r r e d e oder an den einzelnen Stellen meist gew i s s e n h a f t an. ( Ü b e r B . s V e r h ä l t n i s z u seinen Quellen s. W e r n e r 204—-10 f ü r die E i n l e i t u n g , 2 1 0 — 1 3 f ü r den H a u p t t e i l . Ferner Plummers N a c h w e i s e a m R a n d seiner A u s g a b e , sowie B d . I S. X X I I I . X X I V A . I. X L I V A . 3. Speziell f ü r die E i n l e i t u n g s. C. W . Schöll De ecclesiasticae Britonum Scotorumque historiae fontibus, Berl. u. L o n d . 1851, S. 21. Ü b e r sein V e r h ä l t n i s z u den k e l t . G e s c h i c h t s q u e l l e n A . G. v a n H a m e l De oudste Keltische en Angelsaksische Geschiedsbronnen, A m s t e r d a m e r Diss. 1 9 1 1 , S.

173-91-) In den ersten drei B ü c h e r n w i r d § 41. die E i n f ü h r u n g , A u s b r e i t u n g u n d O r g a n i sierung der r ö m i s c h e n K i r c h e in B r i t a n n i e n , ihr S t r e i t m i t der s c h o t t i s c h e n K i r c h e , der S i e g über dieselbe u n d die G r ü n d u n g einer einheitlichen englischen N a t i o n a l k i r c h e geschildert. D i e B e d e u t u n g des W e r k e s n i m m t zu, j e m e h r der V e r f a s s e r sich seiner eignen Z e i t n ä h e r t . I m 4. und 5. B u c h w ä c h s t sich die D a r s t e l l u n g z u e i n e m v o r trefflichen G e s a m t b i l d der a n g e l s ä c h s i s c h e n K u l t u r seit der A n k u n f t T h e o d o r s v o n T a r s u s (669) aus. W o h l n e h m e n die B i o graphien von Bischöfen, Ä b t e n und Heiligen m i t W u n d e r g e s c h i c h t e n u n d V i s i o n e n einen b r e i t e n R a u m in diesem G e m ä l d e ein, a b e r sie bilden einen i n t e g r i e r e n d e n B e s t a n d t e i l desselben, insofern sie zeigen, w i e k r ä f t i g der christliche G l a u b e h u n d e r t

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Jahre nach seiner Einführung im angelsächsischen Volk bereits Wurzel gefaßt hatte, und wie tief selbst die Gebildetsten der Nation im Wunder- und Aberglauben steckten. § 42. Als Historiker hebt sich B. von den meisten frühmittelalterlichen Chronisten weit ab. Ein pragmatischer Geschichtsschreiber im Sinne des Thukydides oder der Modernen freilich ist B. nicht; das kann man von einem Mönch des 8. Jhs., der in seiner Klostereinsamkeit dem großen Getriebe der Politik fernstand, auch kaum erwarten. Er schreibt Geschichte von seinem einseitig kirchlichen und manchmal etwas beschränkten mönchischen Standpunkt aus, er kann sich bei der Einschätzung der politischen Mächte und Ereignisse von seiner klerikalen Brille nicht frei machen; aber das gilt ja von den meisten geistlichen Schriftstellern des frühen Mittelalters. Man muß sich anderseits doch auch wieder wundern, welch freien, unbefangenen und weiten Blick er in politischen und nationalen Fragen oftmals hat. Dabei ist er von ernstem Wahrheitsstreben und von kritischem Geist gegenüber seinen Quellen erfüllt. Er sucht zwischen Tatsachen und Vermutungen zu scheiden und bemüht sich, möglichst genau zu berichten. Zugleich hat er das Streben nach Objektivität und vorurteilsloser Gerechtigkeit, das den echten Historiker auszeichnet, in einem für seine Zeit ungewöhnlichen Grade verwirklicht. Nur hin und wieder geht der Eifer mit ihm durch, so wenn er die Osterdatierung und Form der Tonsur der schottischen Christen bekämpft. Im allgemeinen ist er auch gegen die andersgläubigen Schotten tolerant und gerecht in der Beurteilung ihrer Verdienste als Pioniere des christlichen Glaubens. Er rühmt Aidan (HEccl. 3, 15) und verurteilt anderseits rücksichtslos König Ecgfriths grausamen Krieg gegen die Pikten (HEccl. 4, 26/24), obgleich dieser ein Wohltäter seines Klosters gewesen war.

und unnatürlichen Schreibweise seines älteren Zeitgenossen Aldhelm vergleicht. Dabei ist er ein vortrefflicher Erzähler: die Begegnung Gregors d. Gr. mit den blonden anglischen Jünglingen auf dem Sklavenmarkt in Rom, die Verhandlung des northumbrischen Witenagemot, die Synode zu Whitby, die poetische Erweckung und der Tod des Caedmon, das Leben Cuthberhts u a. sind treffliche Beweise dafür. § 44. Eine epochemachende Neuerung Bedas in seiner Kirchengeschichte betraf die chronologische J a h r e s z ä h l u n g. Dionysius Exiguus hatte in seiner Ostertafel 532 die damals übliche christliche Zeitrechnung nach der ,,Aera Martyrum", dh. seit der Diokletianischen Christenverfolgung, bekämpft und auf die Rechnung von Christi Geburt ab als die für Christen allein mögliche hingewiesen. Cassiodor in seinem Computus paschalis war ihm darin gefolgt, aber im übrigen hielten die Chronisten an der bisherigen oder an der Zählung seit Erschaffung der Welt fest (s. Grotefend, Zeitrechnung des deutsch. MA. I 32). Auch B. bediente sich in seinen beiden Chroniken noch dieser letztern Rechnung (s. oben § 14) unter gelegentlicher Berücksichtigung anderer Zählweisen, wie der von der Gründung Roms an oder der nach Regierungsjahren der römischen Kaiser. In der Kirchengeschichte hat er die Dionysianische Zeitrechnung v o n C h r i s t i G e b u r t a b (1ab incarnatione Domini) in die historische Praxis eingeführt, und sein Vorgehen hat fortan allgemeine Nachahmung gefunden. § 45. Die nationale Bedeutung der Historia Ecclesiastica und ihre Wertschätzung durch die Zeitgenossen ergibt sich aus der angelsächsischen Übersetz u n g des Werks, die zur Zeit Alfreds d. Gr. veranstaltet wurde und in mehreren Handschriften auf uns gekemmen ist. (Ausg.: a) Von Thom. Miller in d. Early Engl. Text Soc., Lond. 1890—98; Text nach allen Hss., mit neuengl. Ubersetzung. b) Von J . Schipper in GreinWülkers Bibl. d. ags. Prosa 4, Lcipz. 1897—99; m i t Paralleldruck zweier Hss., Varianten der übrigen und lat. Original.)

§ 43. Bedas lateinischer S t i l ist mit seltnen Ausnahmen klar und durchsichtig, seine Ausdrucksweise ruhig, schlicht und natürlich, was besonders vorteilhaft in die Augen springt, wenn man seine Sprache mit der schwulstigen, gewundenen, unklaren ! Sie ist an vielen Stellen bedeutend gekürzt:

BEDA latein. Briefe und Dokumente, die Geschichte des Osterstreits, sowie Mitteilungen über nordenglische Verhältnisse sind weggelassen, weil sie für das 9. Jahrh. oder für Südengland ohne Interesse waren. Demgegenüber sind die Zutaten des Übersetzers unbedeutend (s. Brandl Gesch. d. ae. Lit. in PGrundr.» II 1069). Die Übertragung wird von ^Elfric (um 1000), von einer Bedahandschrift des I I . Jhs. und von Wilhelm v. Malmesbury Alfred dem Großen selbst zugeschrieben, aber da die Sprache stark mercische Spuren zeigt, die mercischen Ortsnamen am genausten wiedergegeben werden, die Zusätze geringfügiger sind als in Alfreds sonstigen Übersetzungen und von seiner Persönlichkeit in diesem W e r k trotz dessen eminent nationaler B e d e u t u n g nichts zu spüren ist, so stammt die Übertragung wohl nicht von Alfred selbst, sondern ist vielleicht auf seine Anregung hin von einem mercischen Geistlichen verfaßt. (Vgl. hierzu Miller in der Einleitung zu seiner Ausg. S. X X V I f f . Weitere Lit. b. Brandl aaO. 1070.) VI. G e d i c h t e . § 46. A u c h auf poetischem Gebiet h a t B. sich versucht, ohne eigentliche dichterische B e g a b u n g zu haben. Seine Gedichte sind zwar formell nicht ungeschickt, in Wahrheit aber doch nur versifizierte Prosa ohne poetisches Empfinden. § 47. Die Dichtung De Miraculis Sancti Cuthberhti (hrsg. v. G i l e s i , 1 — 3 4 ; kritische Ausg. fehlt) ist unter der Regierung des jugendlichen Königs Osred v o n Northumbrien, dh. zwischen 705 und 716, entstanden (so Manitius 84 gegen Plummer C X L V 1 ) . Sie ist in Hexametern abgefaßt, metrisch im allgemeinen g u t gebaut, auch stilistisch recht fließend und ohne Schwulst, aber im Grunde doch unpoetisch. Die spätere prosaische Neubearbeitung der Legende (um 720), die zu den Wundern eine Lebensbeschreibung f ü g t (s. oben § 37), ist sachlich wesentlich interessanter. § 48. In der Liste seiner Werke H E c c l . 5,24 führt B. auch einen Liber Hymnorum, diverso metro sive rhythmo und Liber Epigrammatum, heroico metro sive elegiaco auf. Das Buch der E p i g r a m m e scheint verloren zu sein. Einige Hymnen werden B. beigelegt, aber ohne zwingende H o o p s , Reallexikon.

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Gründe. V o n den 14 bei Giles (1,54—103) unter diesem Titel abgedruckten Gedichten sind die 3 ersten: De ratione Temporum, De celebritate quatuor Temporum und De variis Computi regulis überhaupt keine Hymnen, sondern Lehrgedichte und wohl sicher nicht von Beda, sondern spätere versifizierte Bearbeitungen von Stücken aus seinem größeren chronologischen Werk De Temporum Ratione von 725 (s. Ebert A G d L i t . I 648, A. 2). Eher könnte von den übrigen 11 bei Gilcs abgedruckten Dichtungen die eine oder andere B. gehören, besonders De Die Judicii (s. Ebert 648. Mani tius 86). Sicher authentisch ist nur ein in elegischem Versmaß abgefaßter H y m n u s auf die Königin ¿Ethelthryth HEccl. 4, 18/20 (s. Manitius 86). Er ist in schlichter Sprache, aber ohne poetischen Schwung geschrieben und nach der beliebten Sitte der Zeit mit übrigens recht geschickt ausgeführten Verskünsteleien geschmückt: mittels der Epanalepsis beginnt und endet jedes Distichon mit den drei gleichen W o r t e n ; und mittels Akrostichons ergeben die Anfangsbuchstaben der Hexameter das Alphabet von A — Z und die vier letzten das Wort 'Amen'. Z B . V. I — 4 : Alma deus trinitas, quae saecula cuncta gubernas, Adnue iam coeptis, alma deus trinitas. Hella Maro resonet, nos pacis dona canamus: Munera nos Christi, bella Maro resonet.

§49. Unter B.s Namen gehen noch verschiedene andere, aller Wahrscheinlichkeit nach u n e c h t e D i c h t u n g e n ; dazu gehören: das dialogische, in H e x a metern geschriebene Gedicht Cuculus, sive Veris et Hiemis Conflictus (Giles 1, 3 5 — 3 7 , vgl. ebd. S. C L X I X ) , die trochäische Passio 5. Justini Martyris (Giles 1, 38—49, vgl. C L X I X ) , das öde, schwerfällige Martyrologium Poeticum (ebd. I, 50—53), das Giles C L X X Beda zusprechen möchte, aber von B. selbst in der Liste seiner Werke HEccl. 5,24 nicht aufgeführt wird, während er bei der Cuthberht-Legende beide Versionen nennt. Unecht sind ferner die kurzen Lehrgedichte De duodeeim signis Zodiaci und De Aetatibus (Giles 1, 104, vgl. C L X X I ) . VII. B r i e f e . § 50. In der Liste seiner Werke erwähnt B. endlich noch einen Liber Epistularum: fünf Briefe, deren In«4

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BEDA

h a l t er a n g i b t , u n d die 731 a u g e n s c h e i n lich v o n i h m schon z u einem „ B u c h " z u s a m m e n g e f a ß t und f ü r die Ö f f e n t l i c h k e i t bestimmt waren. Sie sind uns s ä m t l i c h erhalten: ad Plegwinum apologética 1. Epístola De sex Aetatibus Saeculi (708). H r s g . v . G i l e s l , ! 144—54. S. oben § 15. 2. De Mansionibus Filiorum Israel (716). A n A c c a . Hrsg. v. Giles 1, 198—202. 3. De eo quod ait Esaias „Et claudentur ibi in carcere et per dies multos visitabuntur" 1 (716). A n A c c a . Hrsg. v . Giles 1, 2 0 3 — 1 4 . I Ü b e r die D a t i e r u n g des 2. u. 3. Briefes s. P l u m m e r s A u s g . d. H E c c l . I, S. C X L V I I I . 4. Epístola ad Helmwaldum De Ratione Bissexti. D e r Brief ist als K a p . 38 ^Giles 6, 2 2 2 — 2 4 ) in d a s W e r k De Temporum Ratione j (725) e i n g e f ü g t w o r d e n , und d a er d a m a l s „ q u o n d a m " geschrieben w a r (S. 222), m u ß er g e r a u m e Z e i t v o r 725 e n t s t a n d e n sein. D e n u r s p r ü n g l i c h e n E i n g a n g des B r i e f e s s. bei P l u m m e r I S. X X X V I I A . 1. 5. Epístola ad Wicredam De Aequinoctio iuxta Anatolium. Hrsg. v . Giles I, 155 ff. D a t i e r u n g unsicher. D a s J a h r 776 in einigen Hss. ist spätere Interpolation (vgl. Giles I S. C L X X I V f.). § 59. W e i t e r h i n sind zu erwähnen: 10 B e g l e i t b r i e f e zu den theologischen K o m m e n t a r e n (oben § 21. 23), v o n Giles a b g e d r u c k t v o r diesen und noch einmal ges o n d e r t 1, 1 6 9 — 9 7 u. 215 f. E n d l i c h zwei Briefe, die erst nach V o l l e n d u n g der Kirchengeschichte geschrieben wurden: Epístola ad Albinum (731), k u r z e r B e gleitbrief m i t einem E x e m p l a r der Hist. Ecclesiastica. Hrsg. v . Giles I, 106 f. m i t engl. U b e r s e t z u n g ; u n d v. P l u m m e r in s. A u s g . d. HEccl. I S. 3. Epístola ad Ecgberhtum Episcopum, am 5. N o v . 734, ein h a l b e s J a h r v o r B . s T o d e geschrieben. ( A u s g . : V o n Giles I, 1 0 8 — 4 3 m i t engl. U b e r s e t z u n g . Von Plummer aO. I 4 0 5 — 2 3 n a c h zwei Hss.) Ein bed e u t s a m e r Brief an seinen F r e u n d E c g b e r h t , Bischof v o n Y o r k , m i t einer eindringlichen S c h i l d e r u n g der unerfreulichen Z u s t ä n d e in der n o r t h u m b r i s c h e n K i r c h c und V o r s c h l ä g e n z u r H e b u n g der K i r c h e n und K l o s t e r z u c h t . W e i t e r e s über den Inh a l t bei W e r n e r , B e d a 8 8 — 9 1 .

Ende. § 52. D e r Brief an E c g b e r h t w a r B e d a s geistliches T e s t a m e n t . S c h o n bei der A b f a s s u n g desselben k r ä n k e l t e er, u n d seine L e i d e n n a h m e n im L a u f der n ä c h s t e n M o n a t e zu. N o c h auf d e m K r a n k e n l a g e r w a r er m i t rastloser E n e r g i e geistig t ä t i g . E r v e r f a ß t e einige p o e t i s c h e Zeilen in e n g lischer S p r a c h e , die als Bedas Sterbegesang b e k a n n t u n d d a s E i n z i g e sind, w a s w i r in seiner M u t t e r s p r a c h e v o n i h m b e s i t z e n . ( G u t e A u s g . bei Z u p i t z a - S c h i p p e r A l t - u. M i t t e l e n g l . Übungsb.9 1910, Nr. 3, m. B i b l i o g r a p h i e . ) Seine H a u p t a r b e i t g a l t in diesen letzten Wochen seines Lebens einer Ubersetzung des Johannesevang e l i u m s u n d einiger A u s z ü g e a u s Isidor ins A n g e l s ä c h s i s c h e , die er einem j u n g e n Schreiber diktierte. L e i d e r sind diese W e r k e uns n i c h t erhalten. Ein A u g e n zeuge, C u t h b e r h t , s p ä t e r A b t v o n W e a r mouth und Jarrow, hat uns einen Bericht von ergreifender Schlichtheit und A n s c h a u l i c h k e i t über seines v e r e h r t e n L e h r e r s l e t z t e L e b e n s t a g e gegeben. ( A b g e d r u c k t b. Giles 1, C L X I I I ff., d a z u Ü b e r s e t z u n g L X X I X f f . ; b^ste A u s g . b. P l u m m e r I S. C L X — C L X I V mit krit. Apparat, dazu Übersetzung L X X I I ff. V g l . a u c h W e r n e r 91 f.) A m 25. Mai 735, d e m T a g e v o r H i m m e l f a h r t , s t a r b er. ( Ü b e r a n d e r e D a t i e r u n g e n s. P l u m m e r L X X I A . 3 und L X X I I I A. 1.) S c h o n z u seinen L e b z e i t e n als § 53. Mensch, L e h r e r und G e l e h r t e r in g a n z E n g land b e k a n n t und gefeiert, w u r d e B. v o n der N a c h w e l t d u r c h den B e i n a m e n ' V c n e rabilis' a u s g e z e i c h n e t , u n t e r d e m er schon im 9. J h . b e k a n n t w a r (s. Mabillon b. Migne P a t r o l . L a t . 90, 24 ff.). D a s g a n z e M i t t e l a l t e r v e r e h r t e in ihm einen seiner f ü h r e n d e n Geister. V o n seinen S c h r i f t e n w i r d die Historia ecclesiastica dauernd das klassische W e r k ü b e r E n g l a n d s ä l t e s t e G e s c h i c h t e bleiben, d u r c h d a s er der V a t e r der englischen G e s c h i c h t s c h r e i b u n g gew o r d e n i s t ; f ü r d a s M i t t e l a l t e r aber w a r e n seine w i s s e n s c h a f t l i c h e n u n d t h e o l o g i s c h e n S c h r i f t e n f a s t v o n n o c h größerer Bed e u t u n g und v o n w e i t e r r e i c h e n d e r W i r k u n g . G e s a m t a u s g a b e n . 12 B d . L o n d . 184 — 4 4 . 90—95.

P a r i s 1850.

Von Mignc

Giles Patrol.

Beide Ausgaben

wissenschaftlichen Ansprüchen nicht. —

in Lat.

genügen Ein-

BEDE—BEERENOB ST z e l a u s g a b e n s. oben unter den betr. Werken. — B i o g r . u. K r i t i k e n . Mabillon Ven. Bedae Elogium historicum, A c t . Sanct. III u. Migne PL. 90, 9—36. Cas. Oudinus Dissertatio de Seriptis Ven. Bedae b. Migne PL. 90, 7 1 — 1 0 2 . T h . W r i g h t Biogr. Lit. I 263—8S; 1S42. S c h ö l l in Herzogs Realencyklop. 3 II 510—14. Karl Werner Beda d. Ehrwürdige u. s. Zeil, Wien 1875. A. E b e r t Allg. Gesch. d. Lit. d. Ma. I 2 634—50; 1889 (1. Aufl. 1874). W . H u n t im Dict. Nat. Biogr. 1885. C. P l u m m e r in der Einleitung zu s. Ausg. d. Hist. Eccl I S. IX ff. Oxf. 1896. M a n i t i u s Gesch. d. lat. Lit. im Ma. I 70—85 (1911). Johannes Hoops.

Bede. Seit dem 12., spätestens dem 13. Jh. begegnet uns in allen deutschen Territorien eine ordentliche, jährliche (in der Regel mehrmals jährlich gezahlte) A b gabe an den Landesherrn, die v o m Vermögen (faktisch v o m Grund- und Hausbesitz) gezahlt wird und die Bezeichnungen (lokal verschieden) petitio, precaria, ex actio, collecta, tallia, Bede, Schatz, Schoß, Steuer (so insbesondere in Süddeutschland) führt. Die Anfänge dieser Steuer liegen in weit früherer Zeit. In den Kapitularien der Karolinger und in alten Immunitätsprivilegien finden wir nämlich bereits vereinzelte Andeutungen über eine offenbar entsprechende Abgabe, welche die Inhaber der gräflichen Rechte — die Vorläufer der Landesherren — von den Insassen ihrer Gerichtsbezirke erheben. Jetzt ist diese freilich noch nicht allgemein verbreitet und hat ohne Zweifel meistens den Charakter der Freiwilligkeit gehabt. Den Namen petitio, Bede (nd. für Bitte) leitet man daher, daß die A b g a b e ursprünglich eine freiwillige Leistung war. G. v. B e 1 o w Art. Bede. Handwb. d. Staatswiss., 3. A., 2, 735 ff. W a i t z DVG. 4 171 ff. G. v. Below.

Beerenobst. § i. Außer den B a u m früchten sind auch die eßbaren Beerenarten von jeher v o n den Menschen gesammelt und als erfrischende Zukost genossen worden. In den steinzeitlichen Pfahlbauten der Schweiz fanden sich neben den Resten des Kern- und Steinobstes auch die Kerne der verschiedensten Beerenfrüchte zum Teil in reichlichen Mengen vor (s. Obstbau 1); so besonders häufig die B r o m b e e r e (Rubus fruticosus u.

203

caesius L.), H i m b e e r e (Rubus idaeush.), E r d b e e r e (Fragaria vesca L . ; s. Neu weiler Prähist. Pflanzenr. 56) und die Beeren des H o l u n d e r s (Sambucus nigra L.), vereinzelt auch die H e i d e l b e e r e (Vaccinium myrtillus L.) und P r e i ß e l b e e r e (V. vitisidaea L.). Die Kerne kommen unverkohlt haufenweise v o r : sie gel ingten, nachdem sie den menschlichen D a r m k a n a l passiert hatten, mit dem K o t in den See (Neuweiler 56. 58). Die im Rohzustande k a u m genießbaren Holunderbeeren wurden vielleicht gekocht (Neuw. 85). R e c h t häufig kommen ferner die Früchtchen des A t t i c h s oder Zwergholunders (Sambucus ebulus L.) und in mehreren Pfahlbauten die des wolligen S c h n e e b a l l s (Viburnum lantana L.) vor. Ob die letztern auch gegessen wurden, ist unsicher (vgl. dazu Heer 30, Neuweiler 86). Die Beeren des Attichs (ebenfalls unverkohlt) wurden v i . l k i c h t zum Blaufärben der Zeuge gebraucht, da sis einen blauen Farbstoff e n t h i l t e n , odtr sie fanden wegen ihrer schweißtreibenden Eigenschaft offizineile V e r w e n d u n g ; zum Essen werden sie bei ihrem „widerwärtigen Geruch und unangenehmen säuerlichen und bittersüßen Geschmack" k a u m gedient hab^'n (Heer 30). § 2. Ubereinstimmend mit diesen archäologischen Zeugnissen lehrt uns die Sprachgeschichte, daß die indogermanischen Völker früh den Beeren des Waldes ein lebhaftes Interesse zuwandten. Für den Begriff ' B e e r e ' im allgemeinen liegen zwei Wortreihen vor, die eine aus der idg. Urzeit stammend: lat. üva (aus *öug~lä) 'Weinbeere', lit. üga, akslaw. jagoda 'Beere' (aber s. Walde E W . 2 sv.); die andre aus der urgerm. E p o c h e : got. basi n. (in weina-basi), anord. ber n., dän. beer, schw. bär, ags. berige f., ne. berry, as. beri n., ndl. bes u. bezie, ahd. beri n., nhd. beere f. (urgerm. *bäsja-t *bazjä-). A u c h für die Brombeere (Rubus fruticosus L.) gibt es zwei alte Namenreihen, eine idg.: gr. ¡xopov, [iiiIpov, lat. mörum 'Brombeere', dann auf die 'Maulbeere' übertragen, ir. merenn, k y m r . mer-wydden 'Maulbeere', armen, mor, mori (Schräder Reallex. 64. 533. Hoops Waldb. u. Kulturpfl. 557); die andre gemeingerm.: dän. brambcer, brombcer, schwed. brombär, 14*

204

BEFESTIGUNGSWESEN

ags. brämelberian (pl.), ne. bramble-berry, mnd. brämber, ndl. braambezie, ahd. brämberi, nhd. brombeere. Gemeingerm, sind ferner die Namen der H i m b e e r e (Rubus idaeus L.): dän. hindbmr, ags. hindberige, as. hindberi, ahd. hintberi, nhd. himbeere; E r d b e e r e (Fragaria vesca L.): dän. jordbmr, schw. jordbär, ags. eorßberge, ndl. aardbezie, ahd. erdberi, nhd. erdbeere\ und des H o l u n d e r s (Sambucus nigra L.): dän. hyld, schwed. norw. hyll, mnd. holder, nnd. holler, ahd. holantar, holuntar, nhd. Holunder, holder, urverwandt mit poln. kalina 'Hirschholunder', czech. sorb. russ. kalina 'Viburnum opulus, Schneeball'. Es sind durchweg Namen von Beeren, die auch archäologisch in menschlichen Siedlungen der Vorzeit nachgewiesen sind. § 3. Die S t a c h e l b e e r e (Ribes grossularia L.) scheint in der Urzeit wenig beachtet worden zu sein; in prähistorischen Siedlungen ist sie nicht gefunden. Doch war sie wenigstens im frühen MA. bekannt; wir haben einen alten westgerm. Namen für sie: ags. ßefanporn,pifeßorn, ahd. depandorn (Graft Sprachsch. 5, 227. Schade Ahd. Wb. I 99 b). § 4. Dagegen fehlt für die rote und schwarze J o h a n n i s b e e r e (Ribes rubrum u. nigrum L.), die heute überall in den Gärten gezogen werden, in der alten Zeit merkwürdigerweise jegliches sprachliche und archäologische Zeugnis. Ihre heutigen Benennungen in den germ. Sprachen sind durchweg jung; und da beide Arten in Norddeutschland wie im ganzen Norden und Osten Europas einheimisch sind, so scheint es in der Tat, daß sie im Altertum und Mittelalter unbeachtet geblieben und, wie Fischer-Benzon vermutet, erst gegen Ende des 14. Jhs. für weitere Kreise entdeckt worden sind. § 5. Von einer K u l t u r der einheimischen Beerensträucher ist uns aus dem MA. in ganz Nordeuropa n i c h t s bekannt. Es scheint, daß damit erst etwa vom 16. Jh. ab der Anfang gemacht wurde. Manche viel genossenen Beerenarten, wie Brombeeren, Heidelbeeren und Preißelbeeren, haben sich der Kultur j a bis heute entzogen. § 6. Die einzigen schon im frühen MA. in Mittel- und Westeuropa vielerwärts

gebauten Beerenfrüchte sind zwei südländische, von den Römern eingeführte: die W e i n t r a u b e und die M a u l b e e r e (s. d.). Heer R . v.

Pflanzen d. Pfahlbauten 2 8 — 3 0 ( 1 8 6 5 ) . F i s c h e r - B e n z o n

Zur

Gesch.

un-

sers Beerenobstes, Bot. Centralbl. 64 (1895), 321. 369. 401. 612

ff.

H o 0 p s Waldb. u. Kulturpfl.

E. N e u w e i l e r

reste Mitteleuropas;

Zürich

Prähist.

298 f.

Pflanzen-

1905. Johannes Hoops.

Befestigungswesen. § i. Sehr weit, nicht weniger als anderthalb bis zwei Jahrtausende vor alle literarische Uberlieferung gehen auf deutschem Boden die Befestigungen selbst zurück. Wir kennen bereits ihrer drei aus der S t e i n z e i t : 1. den Michelsberg b. Untergrombach zwischen Bruchsal u. Karlsruhe; 2. den großen Halbmond bei Urmitz (Neuwied) am Rhein und 3. Mayen in der Eifel. Sie sind mit Wall und Graben wohl befestigt, aber wir wissen noch nicht, ob sie dauernd bewohnt oder nur Fluchtburgen waren. In die B r o n z e z e i t werden in Süd- und Mitteldeutschland ebenfalls eine Anzahl Burgen zurückgeführt, deren nähere Untersuchung aber noch aussteht, aus der H a l l s t a t t z e i t hat Soldan bei Neuhäusel (nördl. Ems) und Traisa ein paar untersucht und überraschenderweise in jeder ein großes hallenartiges Hauptgebäude (Pfostenbau) gefunden. Aber alle diese Anlagen liegen auf einem Gebiete, das in jenen frühen Zeiten noch nicht germanisch war, sondern keltisch. § 2. A u f a l t g e r m a n i s c h e m B o d e n treten die ältesten Befestigungen erst einige Jahrhunderte vor Chr. auf und zwar in Ostdeutschland bei den Sueben (s. Volksburgen). In Westdeutschland muß es nach dem Ausdruck saltus Teutoburgiensis zur Zeit der Römerkriege eine Teutoburg gegeben haben, die am wahrscheinlichsten in der Grotenburg b. Detmold (Taf. 12) zu erkennen ist: der Berg dort heißt noch im MA. „der T e u t " , und die Reste des „großen Hünenringes" zeigen nach keltischem Muster eine trockne Bauart aus großen Steinklötzen, wie sie in den späteren Perioden germanischer Befestigungskunst nicht mehr vorkommt. § 3. L a n d w e h r e n (s. d.) treten umgekehrt eher in der Literatur auf, als wir sie

T a f e l 12.

.wa'ld

Die A l t e n b u r g bei

Maßstab

D i e Altenburg bei Niedenstein,

Die Grotenbuig bei Detmold,

Befestigungswesen:

i : iiooo.

j : ioooo.

Volksburgen.

Niedenstein

ommen nn G (istntrtut und If.lingt. Sttcichnei 'oi L '"je 1306.

5

i : 200

6

Befestigungswesen:

i : ioooo

Volksburgen.

i . Römerschanze bei Potsdam (Altgermanische Volksburg). — 2. Wall der Römerschanze. — 3. Sigiburg (Hohensyburg) am Zusammenfluß der Ruhr und Lenne. Sächsische Volksburg. — 4. Skidroburg (Herlingsburg) bei Schieder. Sächsische Volksburg. — 5. Tor der Sigiburg (vgl. 3). — 6. Stantonbury camp, westlich Bath, am Wansdyke.

BEFESTIGUNGSWESEN in der W i r k l i c h k e i t n a c h w e i s e n k ö n n e n . D e r latus agger, den die A n g r i v a r e n als G r e n z e gegen die C h e r u s k e r a u f g e w o r f e n h a t t e n , ist im G e l ä n d e n i c h t n a c h z u w e i s e n . Die vielen a n d e r n L a n d w e h r e n aber, die m a n n a c h ihrer L a g e (in den P ä s s e n des L i p p i schen W a l d e s , an der S ü d g r e n z e v o n A l t sachsen g e g e n Hessen, w i e g e g e n T h ü ringen) f ü r a l t e V e r h ä l t n i s s e in A n s p r u c h n e h m e n m ö c h t e , erweisen sich schon d u r c h ihre F o r m als m i t t e l a l t e r l i c h . N o c h zur karolingischen Zeit haben Landwehren, Wegesperren, Talsperren immer nur das Profil v o n e i n f a c h e m W a l l u n d G r a b e n gehabt, w i e die L i n i e des römischen limes] der b r e i t e W a l l m i t G r a b e n j e d e r seits oder die z w e i - u n d d r e i w a l l i g e L a n d w e h r ist überall, w o m a n sie e i n m a l b e s t i m m t d a t i e r e n k a n n , erst a u s d e m 13., g e w ö h n l i c h a b e r 14. J h . Die S u e b e n mit ihrem K e r n § 4. v o l k der S e m n o n e n (Mark und L a u s i t z ) sind die ersten g r o ß e n B u r g e n b a u e r u n t e r den G e r m a n e n gewesen, wahrscheinlich weil sie die O s t m a r k z u h a l t e n h a t t e n gegen die K e l t e n in B ö h m e n und die s a r m a t i s c h e n V ö l k e r in Schlesien und P o l e n . Man g e w i n n t den E i n d r u c k , d a ß hier in a l t g e r m a n i s c h e r Z e i t schon ähnliche V e r h ä l t nisse h e r r s c h t e n wie n a c h h e r u n t e r d e m B u r g e n b a u e r H e i n r i c h I. § 5. D i e n ä c h s t e g r o ß e Z e i t des B u r g e n b a u s oder d o c h der B u r g e n b e n u t z u n g ist die der S a c h s e n k r i e g e gegen K a r l d. G r . W i r lernen hier d u r c h die f r ä n k i s c h e n A n n a l e n eine R e i h e v o n S a c h s c n b u r g e n k e n n e n , w i e die E r e s b u r g , S i g i b u r g , S k i d r o b u r g , B r u n s b u r g , Iburg, H o h s i b u r g , die w i r a u c h f a s t alle im G e l ä n d e noch n a c h w e i s e n k ö n n e n und z u m g u t e n Teil a u s g e g r a b e n h a b e n . Sie liegen auf B e r g e s höhen, h a b e n die u n r e g e l m ä ß i g e F o r m des B e r g p l a t e a u s , an den T o r e n e i n g e b o g e n e W a l l e n d e n u n d an den g e f ä h r d e t e n Seiten vermehrte Vorlinien. D a n e b e n h a b e n in der E b e n e die B u r g e n derselben Z e i t r u n d e oder o v a l e F o r m . (S. T a f . 12 u. 13.) § 6. V o n w e l c h e n Seiten die S a c h s e n z u m B a u dieser B u r g f o r m e n a n g e r e g t sind, w a r l a n g e z w e i f e l h a f t . D e n n in ihrer alten H e i m a t , in S c h l e s w i g - H o l s t e i n g i b t es n u r w e n i g e und s p ä t e B u r g e n , in D ä n e m a r k w e r d e n die s p ä r l i c h e n R i n g w ä l l e (S. Müller

207

. Nord. Altk. II 241 ff.) w o h l m i t R e c h t ins 9 . — 1 1 . J h . gesetzt, u n d in S c h w e d e n und N o r w e g e n k e n n t m a n ebenfalls v o r der W i k i n g e r z e i t keinen B u r g e n b a u . H ö l z c r m a n n h a t 1868 die R ö m e r s c h a n z e bei P o t s d a m w e g e n ihres v o n innen h e r a u f g e w o r f e n e n W a l l e s , der e i n g e b o g e n e n W a l l e n d e n a m T o r e und der v e r m e h r t e n Grabenlinien am sanften Hange für das , N a c h t l a g e r eines sächsischen H e e r h a u f e n s i e r k l ä r t , der in der V ö l k e r w a n d e r u n g s z e i t ; in diese östlichen G e g e n d e n v e r s p r e n g t j w o r d e n sei. D i e B e o b a c h t u n g v o n der ! n a h e n V e r w a n d t s c h a f t dieser B u r g m i t s ä c h s i s c h e n z w i s c h e n W e s e r und E l b e ist d u r c h a u s richtig, die E r k l ä r u n g m u ß a b e r u m g e k e h r t l a u t e n : w a s die S a c h s e n in d e r : V ö l k e r w a n d e r u n g s z e i t zwischen W e s e r u n d 1 E l b e b a u e n , ist bei den S e m n o n e n in der M a r k u n d der L a u s i t z seit J a h r h u n d e r t e n v o r g e b i l d e t , u n d z w a r n i c h t allein d i e B e r g b u r g e n in der eben geschilderten F o r m , sondern a u c h die einfachen r u n d e n oder o v a l e n B u r g e n in der E b e n e . Die Richtung, die hier die K u l t u r e n t w i c k l u n g n i m m t , k ö n n e n w i r a u c h sonst m e h r f a c h b e o b a c h t e n , z. B . an der K e r a m i k u n d an den U m enfriedhöfen. § 7. N i c h t b l o ß a l t g e r m a n i s c h , sondern a u c h a l t g r i e c h i s c h u n d italisch ist die F o r m des f ü r s t l i c h e n W o h n e n s auf e i n e m offenen H o f e a m F u ß einer F l u c h t b u r g ( V o l k s b u r g , s. d.). Bei Diogenes L a e r t i u s w i r d uns die A u f k l ä r u n g gegeben, wie diese F l u c h t b u r g e n g e d a c h t waren. S e r v i u s Tullius, sagt er, legte sie an u n d n a n n t e sie m i t g r i e c h i s c h e m A u s druck rafyooi (von -r(*fvuii.t) 'Befestig u n g e n ' , d a m i t die B e w o h n e r des flachen L a n d e s in Z e i t e n der G e f a h r eine Z u f l u c h t h ä t t e n ; auf der B u r g w u r d e n L i s t e n g e f ü h r t v o n d e n j e n i g e n , die zu ihr g e h ö r t e n , w u r d e n die S t e u e r n erhoben und d a s A u f gebot gesammelt. § 8. Diese V o l k s b u r g h a t auf a l t g e r manischen Gebieten bestanden, bis der fränkisch-römische befestigte Herrenhof und w e i t e r h i n die d a d u r c h h e r v o r g e r u f e n e m i t t e l a l t e r l i c h e H e r r e n b u r g sie a b l ö s t e . Der b e f e s t i g t e H e r r e n h o f , im f r ä n k i s c h e n G e b i e t auf römischer G r u n d lage v o n selbst erwachsen, ist in N o r d 1 d e u t s c h l a n d d u r c h K a r l d. Gr. e i n g e f ü h r t

T a f e l 15.

Befestigungswesen: Herrenburgen. i. Grundriß Schloß Rheden bei Graudenz nach Piper Burgenkunde. — 2. Aderno am Ätna nach Pipe Burgenkunde. — 3. Tower-London nach Baedeker. — 4. Marienburg i. Wpr. nach Piper Burgen künde. — 5. Marodei in Mecklenburg-Str. nach Piper Burgenkunde. — 6. Burg a. d. Tapete v. Bayeu nach Piper Burgenkunde. 7. Burg Bodmann a. Bodensee nach Piper Burgenkunde.

T a f e l 16.

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Hunnenschanze am Uddeler Meer in Holland.

Ä s e b u r g b. Herzlake.

1 : 750.

I : 2200.

Hünenburg b. T o d e n m a n (Rinteln).

Befestigungswesen : Herrenburgen.

! : 3500.

BEFÖRDERUNGSWESEN (s. K ö n i g s h ö f e ) . An den Grenzen wie an den Land- und Wasserstraßen hat K a r l diese Höfe etappenweise angelegt, mit Grafen und Königsbauern besetzt und als Unterkunfts- und Verpflegungsstationen für die vielfach verwendeten fliegenden Korps benutzt. (S. Taf. 14.) § 9. Vielfach ist im Sachsenlande in der Form dieser Königshöfe der Einfluß der alten Volksburgen zu spüren (Pöhlde, Sichtigvor). Er bricht noch stärker hervor, als es Sitte wird, daß der Herr den Hof mit seinen Scheunen und Stallungen verläßt und sich für die nächsten Bedürfnisse der Familie eine stark befestigte kleine B u r g (s. d.), womöglich an oder auf dem Berge baut. Das beginnt um 900 (Todenman) und wird nachher durch Heinrich I. stark verallgemeinert. Iin mittelalterlichen B u r g e n b a u treten die beiden Elemente, das romanische und das germanische, zusammen auf, vielfach getrennt, öfter auch gemischt. Den rein romanischen T y p u s bietet die Normannenveste mit dem Keep in der Mitte des viereckigen Burghofes und einfachen Linien der äußeren Umwehrung. Ihm entspricht die Warte in Form der motte und das Schloß der Deutschordensritter (s. H e r r e n b u r g). Germanisch dagegen ist die Anpassung des Grundrisses der Burg an das Gelände mit ungleichmäßiger Umwehrung an den verschiedenen Seiten, und die Besetzung des Innenraums durch Gebäude an der Mauer entlang, so daß in der Mitte ein Burghof frei bleibt. Dieser Typus, den wir zuerst bei der Pipinsburg (Geestemünde) und der Hunneschans am Uddeler Meer (Holland) auftreten sehen, wird nachher für das ganze deutsche und vielfach auch das wälsche MA. maßgebend (Wartburg, Chillon, s . T a f . 15 u. 16). § 10. Die S t a d t (s. d.) schließlich entwickelte sich, außer einigen Fällen, wo römischer Einfluß sie schon früh hervorgerufen hat (Köln), erst vom 12. Jh. an, und zwar, wenn eine Burg schon vorhanden ist, gewöhnlich aus der an ihrem Fuße gelegenen offnen Siedelung, unter Einbeziehung der Burg in den neuen allgemeinen Mauerring. Einen Namen auf - bürg führen nur diejenigen Städte, die in solcher Weise eine vorher schon vorhandene Burg,

211

sei es altgermanische Volksburg (Würzburg, Hammelburg) oder mittelalterliche | Herrenburg (Quedlinburg, Merseburg) in sich aufgenommen haben. Schuchhardt. Beförderungswesen. A. E n g 1 a n d. § 1. Der Landtransport von Personen und Gütern geschah zuerst zu Pferde. Nach der I Anlage der Römerstraßen erfolgte er großen ' teils auf Wagen (ags. weegn m., erat n.), | die gewöhnlich zweirädrig waren und von einem Ochsenpaar gezogen wurden. In einigen Gegenden wurde diese Methode ! der Güterbeförderung sehr frühzeitig angewandt. Diodorus Siculus (der einige > Jahre vor unsrer Zeitrechnung schrieb) schildert die Beförderung von Zinn in Wagen zum Markt auf der Insel Wight (s. Archaeologia 59, 281 ff.). In andern Gegenden wurden Waren, besonders Salz, auch auf Pferden transportiert: i s. die traditionellen Gewohnheiten der j salzbereitenden Bezirke im Domesday: Buch (I 268, 2: Middlewich). § 2. Die Wörter wagn und erat werden beide für lat. currus gebraucht; weegn gibt , auch lat. plaustrum und carrus wieder. Wcegn-gewcedu n. pl. (Angl. 9, 264) ist die Wagenbekleidung. Eine Darstellung eines von zwei Pferden gezogenen Gefährtes gibt Th. Wright (Hist. of Dom. Manners | and Sentim.; 1862) nach einer altenglischen t Prudentius-Handschrift. § 3. Die gewöhnliche Art zu r e i s e n war bei den obern Klassen, Männern wie Frauen, zu Pferde. Die Frauen ritten auf einem Polster- oder Seitensattel. In den seltnen Fällen, wo ältere Frauen oder Kranke zu reisen gezwungen waren, konnten sie in einer Sänfte getragen werden, die zwischen zwei Pferden befestigt war. | § 4. Das G e s c h i r r der Reitpferde j zeigen die von Wright (aaO. 71 ff.) gegeI benen Abbildungen aus Manuskripten, i Es bestand größtenteils aus Leder und | wurde vom Schuhmacher verfertigt. vElfrics ! 'Colloquium' zählt unter den von diesem gemachten Artikeln auf: Zügel (bndel• ßwongas), Pferdegeschirr und Sattelschmuck (gerteda, vgl. 11 K n u t 71), Sporenleder (spur-leßera) und Halter (halftra). Die Form des Sattels sieht man auf dem Bilde eines reiterlosen Pferdes in dem Ms. I des Colloquiums (bei Wright 72). :

2I2

BEGNADIGUNG—BEGÜNSTIGUNG

§ 5. Die Frauen brauchten beim Reiten und Fahren eine dreiriemige Peitsche, die an einem Stock befestigt und mit Bleikügelchen an den Schmicken versehen war. Männliche Reiter bedienten sich der Sporen, um die Pferde anzutreiben, und anscheinend auch der Schäfte ihrer Speere. Sporen waren oft von bedeutendem Wert: eine Urkunde v. 950 (bei Thorpe Diplomatarium 503) erwähnt „zwei Sporen von drei Pfund". Ihre Form wie auch die des Steigbügels (ags. stTg-räp, hlypä) sieht man bei Wright aaO. § 6. Zu ihrem Schutz unterwegs pflegten die Reiter Speere zu tragen. Beda (Vita Cuthberti c.vi.) erzählt; eines Tages, als der hl. Cuthbert nach Melrose kam und in die Kirche gehen wollte, um zu beten, habe er, nachdem er vom Pferde gesprungen, „dieses und seinen Reisespeer der Sorge seines Dieners überlassen, denn er hatte noch nicht die Tracht und Gewohnheiten eines Laien aufgegeben." Der Fußwanderer trug einen Speer oder einen Stab. Das Tragen des Speers war j so gewöhnlich, daß eine besondere gesetz- J liehe Verordnung darüber erforderlich war. S. Alfreds Gesetze 36 (Liebermann 68. 70). Fromme Geistliche, wie die Bischöfe Aidan, Chad und Cuthbert, fanden es mit der Demut ihres heiligen Berufs besser vereinbar, daß sie immer zu Fuß reisten, und wollten keinen andern Schutz als einen Stab haben. B. Uber das deutsche und nordische Beförderungswesen vgl. 'Verkehrswesen'. R. J . Whitwell.

Begnadigung. Die älteste Form der B. im Sinne eines Erlasses der verwirkten Strafe sieht man vielfach in der Behand lung des abgelehnten Opfers bei der sakralen Todesstrafe (s. d.). Ähnliches liegt vor bei der Gewährung des Friedens an den Friedlosen durch die Gesamtheit, später den König, insoweit diese Ermessenssache war. Ein Begnadigungsrecht, das sich in Lösung von jeder Strafe oder in Strafumwandlung äußern konnte, hatten, insbesondre für den Fall der Todesstrafe, der fränkische und der langobardische König. Hier wie bei den Nordgermanen, denen sonst die B. wenig bekannt ist (s. a. Amnestie), ergibt sich eine B. (isl. syknulof)

der Sache nach aus der arbiträren Strafgewalt, sei es des Königs oder des Volkes (s. Strafwesen). Im weitesten Umfang kennt das angelsächsische Recht die B. Dort hat der König das Recht der B. (liehting), kann begnadigen (ärian), insbesondere von Todesstrafe (feorhes geunnan) oder Prügelstrafe (swingelle forgiefan). Beyerlc Recht.

Von der

Gnade

im deutschen v. Schwerin.

Begünstigung. Die B. wurde nach allen german. Rechten gestraft, als eine Hinderung oder Nichtherbeiführung der auf den Friedensbruch folgenden negativen oder auch positiven Reaktion. Besonders schwer bestrafen die nord. Rechte die Unterstützung eines Friedlosen (anorw. flytia ütlagan mann), sei es durch Nahrungsreichung, durch Beherbergung (isl. innihyfn, afries. husa and howia), durch Fluchtunterstützung, durch Dazwischentreten zwischen ihn und die Verfolger (isl. fyrirstaJ~ä)\ auch das angels. Recht straft die Beherbergung des Friedlosen (ags. flymena fyrmi). Die Strafe ist in diesen Rechten meist gleich der des Täters; der Begünstiger verfiel selbst der Friedlosigkeit oder hatte sein Wergeid zu zahlen ; später finden sich im Norden die Vierzigmarkbuße, auch geringere Bußen. Der Ehefrau war gewisse Hilfe, andern Verwandten wenigstens e i n e Hilfeleistung gestattet. Als B. galt auch das vorzeitige Abnehmen auch des toten Verbrechers vom Galgen, der außergerichtliche Vergleich (ags. dierne geßinge, afries. dem son), durch den der Fiskus geschädigt wurde (anorw. drepa nifrr reit konungs), die Wiederfreilassung eines festgenommenen oder in Verwahrung genommenen Diebes, durch die man nach schwedischem Recht zum lottakari (Teilnehmer im untechnischen Sinn) des Diebes wird, das Aufhalten der Verfolger (afries. urstonda); auch die Befreiung eines Gefangenen (aschw. glslingabrut) kann man hierher rechnen. Die kontinentalen Rechte strafen die B. anscheinend milder. Doch dürften die in den Quellen sich findenden Fälle der B. nur milder behandelte Einzelformen (einmalige oder unwissentliche Unterstützung) der B. oder eine jüngere Entwicklung repräsentieren. Im Regelfalle wurde auch

BEIHILFE—BEINARBEITEN

213

hier der Begünstiger dem Täter gleich- I strafen manche Rechte den Helfer bei gestellt, als Friedloser und infidelis beder Notzucht und beim Frauenraub. handelt. Endlich kennen verschiedene Rechte B r u n n e r DRG. I I 575 ff. W i 1 d a StrafBeihilfedelikte, so zB. das Ausleihen von recht 93 ff., 635 ff. B r a n d t Retshistorie I I 59 f., Waffen, das Reichen von Waffen bei 133 f. d e l G i u d i c e Diritto penale 55 ff. einer Rauferei, das Aufhalten eines S c h m i d Glossar 575 s. v. fiymena-fyrml> und Fliehenden im Interesse seiner Verfolger feormian. O s e n b r ü g g e n Alam. Strafrecht\-]y, (abair. wancstodal). Hierher gehört vielLang. Strafrecht 44. v. A m i r a AUnorw, Vollleicht die norwegische Bestimmung, daß streckungsverfahren 4 ff. H i s Strafrecht 93 ff. der, der bei einer Rauferei untätig, also v. Schwerin. auch nicht schlichtcnd, zusieht, eine Buße (.slanbaugr) an den König zu zahlen hat. Beihilfe. Wie die Anstiftung (s. d.), ist im ältesten german. Recht auch die In der Bestrafung wird die B. ähnlich B., die physische Teilnahme (afries. folliste, behandelt wie die Anstiftung. Der Helfer folste ende help), nicht berücksichtigt verfällt in der Regel geringerer Buße und worden. Erst im Laufe der Entwicklung außerdem gilt die B. anfänglich nicht als ist dies der Fall, werden BeihilfehandFriedensbruch, so daß sie zwar Buße an lungen und Beihilfedelikte herangezogen. den Verletzten, aber kein Friedensgeld Zuerst wohl war dies der Fall bei den erheischt. sogenannten Bandenverbrechen, denen die Bei all dem ist zu bemerken, daß trotz Beteiligung mehrerer Personen begriffsscharfer Scheidung des Täters von den wesentlich ist. Wenn nämlich mehrere Teilnehmern die Frage, wer als Täter oder Personen in geschlossenem T r u p p (anord. als Teilnehmer anzusehen ist, in den fqruneyti, fiokkr, ags. hlöd", lat. exercitus, Rechten nicht einheitlich beantwortet ist, contubernium, lang, arischild, afränk. harizso daß bei Vergleichung verschiedener hut, heriszuph) zur Begehung von VerRechte die Grenze der beiden Verbrechensbrechen ausziehen (insbes. Heimsuchung, formen verwischt erscheinen kann (s. räuberischer Überfall) und eine nach den Mittäterschaft). B r u n n e r DRG. I I 569 ff. S c h r ö d e r einzelnen Rechten verschiedene Zahl erDRG. 8354. 61. W i 1 d a Strafrecht 612 ff. d e l reicht oder doch nicht überschritten ist, Giudice Diritto penale 52 ff. B r a n d t dann werden neben dem Anführer (aschw. Retshistorie I I 57 ff. M a t z e n Strafferet 59 ff. hovopmaßer, adän. hovcethsman, fries. hauH i s Strafrecht 90 ff. N o r d s t r ö m Bidrag ding, ledare, lat. prior, ille qui in capite est) I I 327 ff. K j e r Edictus Rotari 125 ff.; auch die „Folger" (aschw. sunt eru mce]> i M e r k e r Strafrecht d. Grägäs 28 f. O s e n flokk oc farunöte, adän. sunt wsächs. Beow, kent. Beaw, nord. Biär und Biör (daneben ae. Beowa), unsicherer Bedeutung, entscheidet die Heimatsfrage nicht. Für Sagenentlehnung von den Angeln zu den Dänen (Offa) wie umgekehrt (SkiQldungar) gibt es sichere Belege. § 7. Einen andern 'Beowulf' nennt das Epos Z. 18. 53, ohne bestimmte T a t e n , eine Figur im dänischen S t a m m b a u m , Sohn des Scyld Scefing, Vater Healfdenes. Die nordischen Skiqldungenreihen weisen vielmehr auf die Folge SkiQldr-FrööiHalfdan zurück. Die Verwirrung im Epos könnte so entstanden sein, daß der Dichter den ältesten dän. S t a m m v a t e r Scyld (SkiQldr) zusammenwarf mit dem engl. Vorfahr Sceldwa, Sohn des Sceaf, V a t e r des Beaw. Daher nannte er den dän. Scyld, den vaterlosen Ankömmling, 'Sceafsohn' und gab ihm zum Sohne statt des Froda den B e a w : d. h. unser T e x t schreibt beidemal Beowulf, eine gedankenlose Angleichung an den Namen des Gautenhelden; der Versbau würde die Einsetzung v o n Beaw begünstigen. M ö l l e r Das ae. Volksepos 1883. S. B u g g e P B B e i t r . 12, I ff. t e n B r i n k Beowulf 1888. M ü l l e n h o f f Beowulf 1889. B o e r A r k i v

19, 19 ff. O l r i k

DHd. 1, 134 ff. 242 ff.

[2, 249 f f . ] S a r r a z i n Engl. Stud. 35, 19 fr. B r a n d l PGrundr. 2, 991 ff., daselbst Lit. S. 1 0 1 7 s . ; wozu noch: S c h ü c k Studier i

BERGBAU

248

Beowulfsagan 1909. D e u t s c h b e i n GRM. 1, 103 ff. W . W . L a w r e n c e Mod. Lang. Ass. 24, 220 ff. P a n z e r Beowulf 1910. A . Heusler.

Bergbau. § I. Der Gebrauch der Metalle ist bei den Germanen älter als die K u n s t , sie selbst zu gewinnen. In die vorgeschichtliche Zeit weisen Bergbaureste, deren Zeugnis aber noch nicht hinreichend verwertet ist. Eine nur geringe Bergbautätigkeit noch im 1. Jh. n. Chr. folgt aus Tacitus, der dahin unterrichtet war, daß Germanien an Eisen wenig, an Gold und Silber nichts erzeuge (Germ. c. 5 u. 6). Sprachliche und andere Gründe deuten auf erstmals einwirkende Beziehungen zu den K e l t e n , die eine nach U m f a n g und Technik bedeutende Metallproduktion betrieben. Schräder Metalle. Hey Baumstark Germania 1875.

Sprachvgl. u. Urgesch. II 1 Die n e Altdeut. Handwerk 1908. Erläuterung d. allg. Teiles d. M ö l l e n h o f f DA. IV 158.

§2. B e t r i e b s s t ä t t e n . Ungewiß ist, seit wann im Gebiete des alten norischen Bergbaus germanische Betriebe auf E i s e n entstanden, zweifelhaft die Bedeutung der Überlassung von Bergwerken in Pannonien an die Langobarden durch Justinian 548. Die Lager des steirischen Erzberges sind frühestens seit Ende des 8. Jhs. von Deutschen betrieben worden. Urkundliche Zeugnisse seither beweisen die Verbreitung des Eisen bergbaues in zahlreichen Betriebsstätten über das nördliche u. südliche Alpengebiet (Montafon c. 831, Obdach 931, Bergamasker Alpen), im Westen über Neustrien (Cap. de villis 812 c. 62), weiter über Mitteldeutschland, wie im Weiltal und Wetzlarer Gebiet 780, Grabfeld, Kirchbracht usw. In England reichen Nachrichten über Eisengruben in die sächsische Zeit zurück, so in K e n t . Beck B i 11 n e r 1901.

Gesch.

d.

Eisenwesen

Müllner

Eisens, in

2.

Aufl.

1891.

Innerberg-Eisenerz

Gesch. d. Eisens

in

Inner-

österreich I 1909.

§ 3. Der Bergbau auf B l e i hing z. T. mit jenem auf Silber (silberhaltige Bleierze) zusammen, so in Goslar (§ 4). Im allgemeinen berichten über Bleigruben die Gesta Dagob. c. 40 u. das Cap. de villis aaO. Im Hessischen bestand ein Bleibergwerk nach den Trad. Fuld. (Dronke S. 39).

Englische Bleigruben werden seit der Sachsenzeit durch urkundliche Nachrichten (Worcestershire 836, Somerset), auch durch das Domesdaybook (1086) bezeugt; Bedeutung erlangte die Bleigewinnung von Alster-Moor u. Derbyshire. Nach K u p f er, von dessen bedeutenden vorgeschichtlichen Betriebsstätten insbes. in den Alpen sich alle K u n d e verloren zu haben scheint (eine Spur in Mitterberg deutet als germanisch Much S. 269), grub man im Lande der Franken nach Otfrids Zeugnis im 9. Jh. Reichere Ausbeute gaben die Lager von Goslar. Der Z i n n bergbau blieb auf das westliche Devon u. das angrenzende, zuletzt steigende Bedeutung gewinnende Cornwall beschränkt; noch in die angelsächsische Zeit führen einige Spuren zurück. Böhmisches Zinn wird nicht v o r dem 13. Jh. bezeugt (Bart. Anglicus X V c. 30). M. M u c h Kupferseil in Europa 2. Aufl. 1893. R e y e r Zinn 1881. L e w i s The stannaries 1908.

§ 4. V o n Edelmetallen wurde G o l d im Flußgebiet der Alpen als Waschgold gewonnen, vielleicht auch bergmännisch (wie nach Chron. Merseb. c. 3: Godefridesrod, ubi effoditur aurum). Zu einer geregelten Produktion scheinen sich, als Zinsbetriebe der Königlichen Kammer, die Wäschen a m P o und dessen nördlichen Zuflüssen, wie A d d a (872) und Tessin (1014) entwickelt zu haben, auf deren Existenz auch die karolingisch-italienische Goldausprägung weisen dürfte. Diesseits der Alpen lieferten nach urkundlichen Quellen Waschgold die Salzach und deren Nebenflüsse (790, 908, 1074), die Donau (Ende io. Jh.), der Rhein (9. Jh., 778?). Reicherer E r t r a g ist vor dem schlesischen Goldbergbau (seit dem 13. Jh.) k a u m erzielt worden. Dagegen h a t man die Erzeugung von S i l b e r , wenigstens seit der spätkarolingischen Zeit, zu schließen nach den großen A b g ä n g e n (Abfluß in den Orient, Normannentribut, Dänengeld), als bereits beträchtlich anzusehen. In Deutschland sind Betriebsstätten nachzuweisen durch eine Münzumschrift unter K a r l d. G., durch Otfrids Bericht (silabar ginuagi), durch eine Urkunde K a r l s III. von 882 über Königliche Eigenbetriebe (?); unter Otto I. begann der A b b a u der Lager v o n

BERGBAU

249

Goslar auf Silber, Blei und K u p f e r (Waitz, 4. Jh. bereits in starkem Niedergang beJahrb. Heinr. I. S. 235 ff.), womit das griffen war, ist zwar die Fortführung einbedeutendste der Reviere erschlossen war, zelner Betriebe durch römische Provinzialen das erst durch Freiberg, Iglau und insbes. oder eigene Volksgenossen in den nunmehr K u t t e n b e r g im L a u f e des 13. Jhs. überholt germanischen Reichen möglich, nirgends wurde. Schon mit dem 9. Jh. war das aber im Sinne einer vollen Kontinuität Silbervorkommen im elsässischen Lebertal wahrscheinlich, da sich nach Änderung der ausgebeutet, zu Beginn des II. Jhs. werden kulturellen Voraussetzungen im allgemeinen Silbergruben in Gottfriedsroda und die bedie Bergbauindustric nicht isoliert auf deutenderen im Breisgauischen Münstertal gleicher Stufe erhalten ließ. Es läßt sich (1028) erwähnt. Im 12. Jh. besaß der damit wohl vereinen, daß jüngerer Bergdeutsche Silberbergbau bereits mächtige bau in Gegenden allerdings bezeugt ist, Ausdehnung: in den Alpen (insbes. nächst wo sich eine romanische Bevölkerung fortFriesach und Trient), im Jura, im Harz, erhielt (wie im Montafon); ebenso auch die im Meißnischen und vielen kleineren A b bergmännische Betätigung einzelner Robaugebicten. Gallien war an Silber ärmer. 1 manen (Walen), die in Resten unter der A l t e Betriebe werden in Poitou v e r m u t e t ; neuen Bevölkerung lebten (790 ein Latinus eine mina argenti stand 984 im Bistum als Goldwäscher, Jung, Römer und RoToul in B a u ; mehrere Bergwerke werden 1 manen in den Donauländern,' 2. A u f l . im 12. Jh. bekannt. A u c h in England | S. 263). In keinem Zusammenhang mehr wurde auf Silber gebaut (Carlislc anf. steht das spätere Auftreten von Romanen 12. Jh.). der bürgerlichen Walenkolonien als Bergv. I n a m a - S t e r n e g g DWG. I 647. werksunternehmer (1188 eine fossa in I I 330. W a i t z D K G . S c h u l t e Gesch. d. Waleswerke, miltelalt. Handels 1900 I 1 4 5 f r . S c h a u b e j monte Ramsberg dicta in Im ganzen ist Handclsgcsch. d. roman. Völker 1906 S.84. Quellen- ! Urkdb. Goslar I S. 354). n a c h w e i s e a u c h in den w e i t e r g e n a n n t e n W e r k e n wahrscheinlich, daß die Verbindung nach von P e r t i l e , E. M a y e r , Mispoulet. rückwärts nur durch wenige Überbleibsel Die deutsche Bergbaugeschichte behandeln keltischer und römischer BergwerksbevölG m e l i n 1783, M o s c h 1829; eine moderne kerung vermittelt wurde, die in den GerD a r s t e l l u n g fehlt. manen aufgingen, wogegen sich die H a u p t masse im Verlauf der äußeren K ä m p f e §5- V e r h ä l t n i s z u m vorgerzerstreute. manischcn Bergbau. Vielfach § 6. Das Maß des fremden Einflusses wird die Kontinuität germanischer Beist an Technik, Recht und insbes. an der triebe mit vorgermanischen und insbes. Sprache zu ermessen und kann danach die Fortwirkung römischer Einrichtungen nur als gering bezeichnet werden. Unbehauptet. Richtig ist zunächst, daß an zweifelhaft war die keltische und namentverschiedenen Orten die Germanen in unlich die römische Bergwerkstechnik, die mittelbare, nachweislich aber nur äußere sich zT. in Großbetrieben mit sehr Beziehungen zu älterem Bergbau traten und bedeutenden Arbeitermassen betätigt daß eine Reihe von Bergwerken später dort hatte, ebenso die Hüttentechnik, bereits betrieben wurde, wo insbesondere schon die weit voraus, worauf erst schrittweise wieder Römer gebaut hatten. Den Quaden Unterjüngere Erfindungen, wie K ü n s t e für die tan, arbeiteten die gallischen Cotiner wahrmechanische Hebung der Grubenwässer, scheinlich im heutigen Mähren in Eisenentschwundene Kenntnisse nachgeholt gruben (Schräder aaO. S. 85), die Langohaben. Die Übernahme römischer Rechtsbarden wurden Herren pannonischer Bergeinrichtungen hat man neuestens um so werke (s. o.), auch an einen möglichen Forteher annehmen zu können geglaubt, als betrieb des Zinnbergbaues durch die Kelten der letzte Fund von Aljustrel die speziin Cornwall ist zu denken. W a s den römifische Bergbau -Unternehmungsgesellschaft schen Bergbau betrifft, dessen Unterals bereits den Römern lange bekannt erbrechung oder Einstellung die Barbaren wiesen hat. Indes ist gerade in diesem mehrfach herbeiführten und der im 3. u. Punkte jede Kontinuität zu leugnen. Die H o o p s , Reallexikon. I. /7 n. Gr. Zeit von den korides 4, 69) Germanen oder belinuncia (Herbarium Apuleii Kp. 5 nicht nur als Giftpflanze gefürchtet, sondern nach Dioskorides). auch in der Heilkunde verwertet. In den § 2. F a s t alle diese Namensformen sind ags. Arzneibüchern, die allerdings stark «-Ableitungen aus einer idg. Wz. bhel-, nur unter klassischem Einfluß stehn, wird es das Deutsche h a t daneben eine s-Ableitung. bei den verschiedensten Krankheiten anDer etymologische Sinn des Ausdrucks ist gewandt (s. die Belege Cockayne Leechd. zweifelhaft. Die Vergleichung mit lat. filix I I I unter belene 3 1 3 u. hennebelle 331]. 'Farn' ist wegen der Verschiedenheit der Johannes'Hoops. Bedeutung und des Suffixes abzulehnen Bilwis (§ 1) m h d . pilaris, pilwiht, nd. (Hoops Waldb. u. Kulturpfl. 481). Gall. belwit, ein dämonisches Wesen, in früherer belinuntia wird gewöhnlich mit Belenos Zeit ein böser Geist, der in Bäumen wohnte zusammengestellt, dem Namen eines häufig (dem Pilbisbaum) und der durch ein Opfer mit Apollo identifizierten barbarischen alter, verbrauchter Kleider von den KinGottes der östlichen Alpenländer mit dem dern abgewehrt werden sollte (ZdVfVolksk. Hauptsitz des Kultus in Aquileja (Wer12, 6 f.). Im heutigen Volksglauben ist nicke b. Pauly-Wissowa sv. 'Apollon' S. 45, der B. ein Getreidedämon, der an der 22). Das Wort wäre dann in seiner Begroßen Zehe eine Sichel hat, und der so

BIMSSTEIN—BINNENSCHIFFAHRT durch das Getreidefeld geht (daher Bilwisoder Bilmisschnitter). W o er streicht — oft reitet er dabei auf einem schwarzen Bocke — , entzieht er dem Getreide die Körner und wendet diese dem Bauer zu, dem er dient. Seine Spur läßt das niedergeworfene Getreide, der Bilwisschnitt, erkennen. § 2. Sein Wesen treibt der B. an Zeiten, wo sonst die Hexen sich zeigen: in der Walpurgisnacht, am Johannis-, am PeterPaulstage. Um seinem Treiben entgegenzutreten, schießt man am Ostermorgen vor Sonnenaufgang über die Saatfelder, oder man bringt Tannenzweige vor der Scheune an oder drischt beim Andreschen Wachholderstaudenzweige mit. § 3. Der Name B. ist ebenso dunkel wie seine Herkunft. " Während die einen in ihm einen germanischen Dämon finden (Laistner, v . Grienberger), lassen ihn andre westslavischen Ursprungs sein. Schönwert Aus der Oberp/aln i, 428. L a i s t n e r Rätsel der Sphinx 2, 262. S c h ö n bach Z d V f V k . 12, 6 f. Uscner Gölternamen 98. v. G r i e n b e r g e r ZfdA. 41, 345. E. Mogk.

Bimsstein. Der B. ist den germ. Völkern zuerst durch die M ö n c h e bekannt geworden ; sowohl sein deutscher wie sein engl. Name weisen auf roman. Assibilierung des c von lat. pumicem: ahd. pumiz, mhd. bi'tmez, nhd. bims m., bimsstein; ags. pumic, pumiestän, me. pomice, pomys; sie können also erst nach 600 aufgenommen sein, wozu auch der Mangel des Umlauts in dem ags. Worte stimmt. Und die Erhaltung des i in pumicem, das bei volkstümlicher Entwicklung um 600 längst zu * pomee hätte werden müssen, erklärt Pogatscher (Lautl. § 183. 357 f.) mit Recht durch eine klosterlat. Aussprache [pumüsem] mit i, ts und kurzem w statt des klasslat. pumicem. Die Mönche brauchten den B. zum Abreiben des Pergaments und zur Bearbeitung der Felle; in einem ags. Rezept aus dem 10. Jh. heißt es: genim heorotes sceafoßan of feile ascafen mid pumice 'nimm Hirsch-Schabsel, die mit Bimsstein vom Fell abgeschabt sind' (Cockayne Leechd. II 100, 15). — Über den B. im klassischen Altertum s. Blümner b.

Pauly-Wissowa.

Johannes Hoops.

285

Binnenschiffahrt. § i. Soweit sich Spuren alter Handelsverbindungen durch den europäischen Kontinent zurückverfolgen lassen, finden sie sich vorwiegend an die Flußtäler geknüpft. So ging der Bernstein- und (in umgekehrter Richtung) der Bronze- und Goldhandel seit spätestens 1500 v. Chr. von der Nordseeküste die Elbe und Moldau (z. T. auch die Saale) aufwärts nach der Donau und dem Mittelmeergebiet, gleichzeitig weiter im Osten durch das Weichseltal, später und in geringerem Grade durch das Rheintal. Es ist eine offene Frage, inwieweit man sich dabei der Ströme selbst zu Schiffe oder etwaiger Landwege längs der Flüsse bediente. Nach der Analogie aus römischer und vor allem fränkischer Zeit sollte man annehmen, daß vorwiegend das erstere der Fall war. Auch der Zinnhandel von Cornwall durch Gallien in den letzten Jahrhunderten v. Chr. scheint sich zum großen Teile der gallischen Ströme (bes. Loire, Garonne) bedient zu haben. § 2 . I n r ö m i s c h e r Z e i t fand eine wohl nicht ganz unbeträchtliche Binnenschiffahrt auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen statt. Als Caesar 55 v . Chr. mit seinem Heer den Rhein überschreiten wollte, erboten sich die Ubier, ihm die dazu nötige große Zahl von Fahrzeugen zu stellen (Bell. Gall. 4, 16). Der Leinpfad an der Mosel stammt noch aus röm. Zeit (Ausonius Moselid) und ebenso vielleicht der des Rheins unterha'b Koblenz. Auf der Igeler Säule ist das Treideln eines Kahnes auf der Mosel dargestellt, auf einer Skulptur von Neumagen a. d. Mosel ein mit großen Weinfässern beladenes Schiff (Rhein. Mus. 36 Taf. I 1). Der römische Neptunusstein an d. Brücke z. Ettlingen berichtet von einem contubernium nautarurn und die gleichen Genossenschaften sind am untern Inn und der Salzach bezeugt. Bei dem römischen Alenlager Asciburgium (Asberg gegenüber Duisburg), das seinen Namen wohl von der Schiffsart (s. d.) ascus trug, befand sich ein alter, vermutlich schon vorrömischer (Tacit. Germ. c. 3) Flußhafen. Auch wurde auf dem Rhein bei Alteburg (2 km südl. Köln) durch Drusus eine römische Flotille (classis Germanica) stationiert, die während des

286

BINNEN S C H I F F A H R T

B a t a v e r a u f s t a n d e s h e f t i g e K ä m p f e gegen die germanischen F l u ß f a h r z e u g e zu b e stehen h a t t e u n d bis ins 4. J a h r h . n a c h weisbar ist. D e n E n d p u n k t der rheinischen F l u ß s c h i f f a h r t u n d den A u s g a n g s p u n k t des Seeverkehrs scheint N i m w e g e n ( N o v i o magus) gebildet z u haben. In ähnlicher Weise ist B i n n e n s c h i f f a h r t der G e r m a n e n auf der E m s u n d auf d e m Bodensee b e zeugt, w o Tiberius eine F l o t t e der keltischen Vindelicier besiegte (Strabo Geogr. V I I I, 5). — R ö m i s c h e r H a n d e l d r a n g ferner v o m Niederrhein und der Nordsee die S t r ö me Ems, Weser, E l b e hinauf n a c h Innerdeutschland, und die D o n a u scheint d e m Getreidehandel als W a s s e r s t r a ß e gedient zu haben. Über Flußkorrektionen und K a n ä l e der R ö m e r s. W a s s e r s t r a ß e n .

Sens, sowie in den L o i n g , auf der Loire bis über Orléans hinaus, auf der Garonne bis Toulouse, auf der R h o n e bis V a l e n c e . Gleichzeitig b e d i e n t e n sich die n o r m a n n . W a r ä g e r der russischen S t r ö m e z u F a h r t e n bis ins S c h w a r z e Meer. § 4. A b e r a u c h die Binnenschiffahrt z u friedlichen H a n d e l s z w e c k e n gew a n n in der K a r o l i n g e r z e i t sichtlich an Ausdehnung. Sie diente z u n ä c h s t der lokalen V e r s o r g u n g der an Flüssen gelegenen K l ö s t e r u. a. Siedelungen mit Salz, W e i n usw. Ä u ß e r s t zahlreich sind die karoling. U r k u n d e n , durch die K l ö s t e r u n d K i r c h e n z u r B i n n e n s c h i f f a h r t auf bes t i m m t e n Flüssen oder im ganzen Reich, meist f ü r eine gewisse Z a h l v o n Schiffen (2 bis 12) u n t e r Zollerlaß usw. privilegiert werden (Beispiele bei B ö h m e r - M ü h l b a c h e r § 3. Mit der V e r n i c h t u n g der röm. Regesta Imperii I n. 119, 218, 354, 518, H e r r s c h a f t verfiel anscheinend die B i n n e n 533, 544, 546, 548, 562, 568, 583, 596, 610, schiffahrt im westl. Germanien und Gallien, 618, 624, 632, 634, 667, 723, 734, 738, 855, um erst wieder i m k a r o l i n g . Zeit856, 890, 913, 954, 1015, 1073, 1 4 3 1 , 1459, a l t e r a u f z u b l ü h e n , um so mehr als dieser 1949). A b e r an gewisse, zur A u s f u h r Periode die vortrefflichen Landstraßen geeignete P r o d u k t e k n ü p f e n sich auch der R ö m e r z e i t n i c h t mehr zu G e b o t e weitere B i n n e n s c h i f f a h r t s b e z i e h u n g e n . A u s standen. Seit d e m 8. J h . ist uns die V e r Raffelstätten einer Z o l l v e r h a n d l u n g zu w e n d u n g der Flüsse z u n ä c h s t zu R e i s e n (a. 903/6, M G . Capit. r. Franc. II 249 f.) hochstehender Persönlichkeiten und zu ergibt sich, d a ß auf der D o n a u Binnenmilitärischen Z w e c k e n v i e l f a c h b e z e u g t . s c h i f f a h r t mit Salz, S k l a v e n , Rindern usw. K a r l d. Gr. und seine Nachfolger bedienten aus B a y e r n n a c h der O s t m a r k , j a bis n a c h sich der S c h i f f a h r t auf der D o n a u zu F e l d zügen gegen die A v a r e n und Mährer 791, | Mähren u n d weiter getrieben wurde. A h n liches scheint auf dem Obermain der Fall 872 und 899, auf der E l b e und H a v e l gewesen zu sein, und auf d e m R h e i n w a r gegen die W e n d e n 789, wobei friesische es v o r allem der H a n d e l mit Elsässer-, Schiffer D i e n s t e leisteten. A u c h z u der R h e i n - u n d Moselwein, der der F l u ß U n t e r n e h m u n g eines Donau-Mainkanals schiffahrt ständig wachsende Bedeutung, (s. Wasserstraßen) v e r a n l a ß t e n K a r l d. Gr. verlieh. A u c h Flößerei m a g schon stattw o h l h a u p t s ä c h l i c h militärische E r w ä g u n g e f u n d e n haben, wenigstens e r w ä h n t Ergen. D a h e r ordnete a u c h ein K a p i t u l a r moldus Nigellus (MG. P o e t . lat. I I 83) als v o n 813 (c. 10) die H a l t u n g guter Schiffe A u s f u h r g e g e n s t ä n d e v o m E l s a ß nach dem f ü r die H e e r f a h r t an. — Der D ä n e n k ö n i g H a r a l d segelte 826 mit über 100 Seeschiffen I Niederrhein lìgnea teda u n d robur sectum. den Rhein hinauf bis Mainz, und die S t r ö m e \ T r ä g e r dieser F l u ß s c h i f f a h r t waren v o r allem die Friesen, die in den wichtigsten dienten den N o r m a n n e n bei ihren R a u b R h e i n s t ä d t e n (Mainz, W o r m s , K ö l n usw.) z ü g e n w ä h r e n d des 9. Jhs. in erster eigne Quartiere besaßen und die Rhein Linie als E i n g a n g s w e g e . E s steht fest, Schiffahrt m i t W e i n bereits bis E n g l a n d d a ß sie m i t ihren Seeschiffen v o n min(London, Y o r k ) ausdehnten. Der K o b destens 1,00 bis 1,20 m T i e f g a n g flußlenzer Zolltarif v o m E n d e des 11. Jhs. aufwärts fuhren: auf dem R h e i n bis (Hans. U r k u n d e n b u c h I n. 5, I I I S. 388) K o b l e n z , auf der Maas bis Maastricht, zeigt die weitreichenden Verkehrsbeziehunauf der D y l e bis L ö w e n , auf der Scheide gen der R h e i n s c h i f f a h r t fest begründet. bis Cond6, im F l u ß g e b i e t der Seine auf A u c h auf der W e s e r und Leine ist frieder Oise bis N o y o n , auf der Y o n n e bis

BIRKE

287

die zum Überschleppen über den Landsische Binnenschiffahrt bis Elze im 9. Jh. rücken zwischen zwei Wasserstraßen in nachweisbar, (Ann. Saxo MGS. V I 5711) vier Teile zerlegbar waren, werden erwähnt und für die Elbe steht Binnenschiffahrt zu Handelszwecken Ende des 10. Jhs. fest. ! (Vita Hlud. c. 15 MGS. II 614). Die Fortbewegung der Schiffe bergwärts geschah § 5. Auch dem P i l g e r v e r k e h r durch Treideln, entweder durch die Schiffsdienten die Wasserstraßen, und das Kapiknechte (so auf dem Rhein 9. Jh. MGS. X V tular von 789 (MG. Capit. reg. Franc. I 370) oder wohl auch durch Zugtiere. Auch 65 c. 17) ordnete die Unterhaltung von die Normannen treidelten 893 ihre Schiffe Schiffen für die Wallfahrer an. — Eine den Limenefluß in Kent aufwärts. — Vgl. große Rolle spielte endlich der F ä h r Schiffbarkeit der Flüsse, Wasserstraßen. v e r k e h r , die Fährgerechtigkeit nebst O l s h a u s e n Über den Bernsteinhandel usw. Zoll stand ursprünglich dem Könige zu, V e r h . (1. Berlin. Ges. f. A n t h r . 1890, 270 f. 1891, wurde aber von diesem schon im 8. Jh. 286 f. R i d g c \v a y Greek trade routes io gelegentlich durch Verleihung weitergege\ Britain F o l k - L o r e I [1890] 82 f. Willers ben (Böhmer-Mühlb. 1 11. 276). Die i Die röm. Bronzeeimer von Hemmoor A b s c h n . I V . Wasserstraßen wurden im fränkischen G o t h c i n Z. Gesch. d. Rheinschifjährt, Westd. Reiche als Reichsbesitz betrachtet, und da Z t s c h r . 14, 231 f. v. I n a m a - S t e r n e g g sie ohne Leinpfad nicht benutzbar waren, DWG. P 231 f. 6 1 1 . I I 366 f. W a i t z DVG. I V 59, 70 f. R i c z 1 c r Gesch. Baierns I 272 f. so galt die Ausscheidung von Uferland zum L a m p r e c h t DWL. I I 238 f. 300. S o m m e r Leinpfad und die Verleihung desselben 1 a dD. Rheinzölle im MA. W e i s s e n b o r n als Recht des Königs. Das ganze karoling. D. Elbzölle u. Elbstapelplätze im MA. Vogel Einnahmesystem war auf die Benutzung D. Normannen f. d. Frank. Reich passim. der Wasserstraßen begründet. Die Namen W i 1 k e n s Z. Gesch. d. niederländ. Handels der F 1 u ß z ö 11 e sind sehr mannigfaltig, im MA. ( H a n s . Geschbl. 1 9 0 8 — 1 9 0 9 . Sonne ein allgemeiner Name scheint ripalicum Binnenschiffahrt 1 f., H a n d b . d. Ingcnieurwiss gewesen zu sein (so Waitz; nach andern III4 B d . 5 g i b t weitere L i t . W. Vogel. war r. nur eine bestimmte Hafenabgabe). Die Zahl der Rheinzölle war in karol. Zeit Birke. § 1. Die B. (Betula) muß schon bereits beträchtlich. Außerdem galt allin der Urheimat der Indogermanen ein gemein auf den Wasserstraßen das StrandCharakterbaum der Landschaft gewesen oder Grundruhrrecht, das nur gelegentlich sein, denn ihr deutscher Name 'Birke' durch besondere Verleihung aufgehoben reicht nicht nur von den germanischen wurde (Böhmer-Mühlb. I n. 596). Ländern durch die baltisch-slawischen Ge§ 6. Von den zur Binnenschiffahrt gebiete nach dem Kaukasus und weiter bis bräuchlichen F a h r z e u g e n können wir Indien, sondern, was wichtiger ist, er beuns keine genaue Vorstellung machen. zeichnet auch überall die gleiche BaumWeit verbreitet waren natürlich von alters gattung: anord. bjork f., schwed. björk, her Einbäume (s. d.). Ferner werden vielags. berc, birce f., nie. birche, ne. birch, ndl. fach primitiv gezimmerte Schiffe Verberk, nnd. barke, ahd. birka, birihha f., wendung gefunden haben, die nur zur mhd. nhd. birke f.; germ. Grdf. *berkö Talfahrt bestimmt waren (s. Schiffbarkeit (*birkjön) = idg. *bhergt7: preuß. berse, d. Flüsse). In der Karolingerzeit belit. berzas, lett. berzs m. und berze f.; urslaw. saßen höherstehende Personen bereits *berza, russ. bereza, slow, breza, poln. besser eingerichtete Fahrzeuge für ihre brzosa usw.; osset. barse, bärs; pamirdial. Wasserreisen; so schenkte der Erzbischof bruds; aind. bhürjas m. (vgl. Nesselmann von Köln 826 dem hl. Anskar für seine Thes. ling. pruss. 17. Miklosich E W b . 11. Reise rheinabwärts nach Dänemark ein Berneker EWb. 52. Hübschmann Osset. Schiff mit zwei K a j ü t e n (MGS. II 695). Spr. 28. Uhlenbeck AiWb. 204). Der Aus einer Verordnung Ottos II. etwa 980 Name hängt etymologisch mit der idg. (Dronke Cod. don. Fuld. 720) geht hervor, Sippe *bherag- zusammen: germ. *berhtaz, daß auf der Fulda bei Hersfeld Schiffe von got. bairhts 'hell, glänzend'; lit. berszti 'wird 3 Fuß Raumtiefe (tripedalem mensuram in weiß'; aind. bhräjati glänzt, strahlt', bhräfundo habentes) verkehrten. Auch Schiffe, jäs 'glänzend' (Uhlenbeck AiWb. 204. 207).

288

BIRNE

D e r B a u m w u r d e also v o n den

Indogerma-

nen n a c h seiner charakteristischen Rinde

als

müssen

'Weißling'

die

indoeuropäischen

zur

Somit

des südlichsten Teils sowie allenfalls noch

Zeit

ihres

Zusammenlebens

halb des V e r b r e i t u n g s g e b i e t e s der b i r k e

nördliche Europa, Osteuropa mit A u s n a h m e

bezeichnet.

Indogermanen

( B e t i d a alba

L.)

nen außer Sibirien nur das gemäßigte und

weißen

innerW e i ß -

gewohnt

die vorderasiatischen Gebirgsländer südlich vom in

Schwarzen

Meer

und

der

Kaukasus

Frage.

haben

§ 2.

In M i t t e l - u n d O s t e u r o p a h a t d i e B .

(unter w e l c h e m N a m e n ich die w e n i g v e r -

e i n s t eine v i e l a u s g e d e h n t e r e

Verbreitung

schiedene nordische und

gehabt

gespielt

Weißbirke

mitteleuropäische

zusammenfasse).

birke k o m m t aber n u r ten

und

k a l t e n

Die

in

Weiß-

g e m ä ß i g -

K l i m a t e n

vor.

und

wichtigere

heutzutage.

Rolle

E s gilt dies namentlich

als von

den Z e i t r ä u m e n , die auf die Eiszeit folgten, als weite Länderstrecken im Ü b e r g a n g aus

In I t a l i e n t r i t t sie b l o ß i m N o r d e n g e l e g e n t -

der Tundrenformation z u m W a l d e begriffen

lich a n den N o r d a b h ä n g e n der Gebirge auf,

waren.

in G r i e c h e n l a n d f e h l t sie g a n z u n d k o m m t

K i e f e r der f r ü h e s t e W a l d b a u m ,

auch gepflanzt nicht fort (Fraas

d e m E n d e der Eiszeit auf dem B o d e n

der

später germanischen L ä n d e r erschien.

Sie

Synopsis

p l a n t a r u m f l o r a e c l a s s i c a e 255.

Lenz

Bo-

tanik

392).

In

d.

Griechen

u.

Römer

Die

B . w a r n e b e n der E s p e

w a r in d e n ä l t e s t e n p o s t g l a z i a l e n

V o r d e r a s i e n i s t sie d u r c h a u s a u f d i e h ö h e r e n

gen Dänemarks

Gebirgslagen beschränkt.

A u s w e i s der M o o r a b l a g e r u n g e n

In I r a n , in d e n

Ebenen von Turkestan, den Tiefländern des

Espe

Ganges und Indus sowie im tropischen

In-

m a n hier v o n

Sprachen

penperiode

d i e n g i b t es k e i n e B i r k e n . des eigentlichen

Die

Iran wie das

Griechische

dings

nur

in

mehr.

Waldb.

der

Baum

von

England

und

Frankreich

durch Mitteleuropa, Rußland und bis n a c h J a p a n hin v e r b r e i t e t . birgen

Mittelasiens,

in

eine § 3.

einer

dauerte

und

die

1 4 — 2 6 . 51.

D a ß in d i e s e n f r ü h e n Z e i t e n

ersetzt.

andre

Wall,

nen Gebiete v o r g e d r u n g e n war, ist u n w a h r -

im

und Thiensie w i r d h i e r

Birkenarten:

u n d B.

acuminata

(Willkomm Forstl. Flora

310. 3 1 S — 2 1 .

E. H. L.

scheinlich (Hoops aaO. 6 7 — 6 9 .

78).

Krause

Betula

von

Holzarten vielfach auch

Die

idg.

S. 164.) daß

Südeuropa, Indien, Iran und die t u r k e s t a n i für die

Ebenen

germanen Schräder

außer

Betracht

S p r a c h v g l . u. U r g e s c h . 3 2,

172).

Bhojpallra,

Gebirgsländern

d i e in d e n z e n t r a l a s i a t i -

von

den

dortigen

Stämmen

mit

dem

sehr

verbreitet Birke

Namen

weißstämmige

also a u c h

nicht

schöpfung

gegeben

ist

indogermanischen

unserm

logisch entsprechenden ist keine

fallen

den A n s t o ß haben.

Zeit

an

neben

etymo-

Über die wirtschaftliche B e d e u t u n g der für

die

nordeuropäischen

Länder

G l o b u s 62, 1 5 6 f. Johannes Hoops. Blttie"(I-'irus

communis

H o l z b i r n b a u m

L.).

§ I.

Der

k o m m t in f a s t

ganz

E u r o p a v o r ; er f e h l t h e u t e n u r in S k a n d i navien, im

Finnland,

nördlichen

Estland,

Rußland.

Livland

In d e n

kommen

und

Mooren

v o n C r o s s n e s s in E s s e x ( E n g l a n d ) i s t H o l z S c h i c h t z u t a g e ~ g e k o m i n e n (O. R e i d

s o m i t als m ö g l i c h e H e i m a t d e r I n d o g e r m a -

in

ä l t e r e r u n d n e u e r Z e i t s. E . H . L . K r a u s e

des

Namen-

Birke

83- 85. 86).

Art,

kann

andern

Reste der

bezeichnet

zur Es

neolithischer

Indoauch

Betula

wird,

der (s.

schen und

Heimat

prähistori-

z u t a g e g e k o m m e n ( H o o p s a a O . 7 2 — 7 4 . 77.

B.

E s e r g i b t sich a u s d i e s e r Ü b e r s i c h t , schen

angehörenden

Wall, 307 b i s

2

Epoche

Da-

geologi-

schen F u n d s t ä t t e n Mittel- und Nordeuropas

N a m e n d. B i r k e u. B u c h e , G l o b u s 62, 155 u. die K a r t e

auch

In d e n G e -

schen

zwei

(Hoops

d e r M e n s c h s c h o n in d i e v o m E i s e v e r l a s s e -

ländern

Bhojpaltra

Esaller

62).

g e g e n sind in d e n e i n e r s p ä t e r e n

durch

daß

allmählich

überging

H i m a l a y a , a u f d e m P a m i r , in d e n G e b i r g s zwischen Hindukusch

der

Baum,

Sibirien

Afghanistan,

schan fehlt unsre W e i ß b i r k e ;

nach

neben

kann,

Kiefernperiode u. K u l t u r p f l .

Waldun-

Birken - oder

sprechen

kurz

nach

Skandinaviens

so s e h r d e r h e r r s c h e n d e

kennen darum auch den alten N a m e n nicht In d e n h ö h e r e n B r e i t e n d a g e g e n i s t

und

und

der

Birnbaums

aus

der

of t h e B r i t . F l o r a 1 1 9 ) . lichen Wangen

Pfahlbauten und

St.

In d e n

von

Blaise

vorrömischen Origin

steinzeit-

Robenhausen,

(Schweiz) und

in

BISCHOF denen von Bardello bei Como und den Terramaren der Emilia aus der Bronzezeit sind getrocknete Birnen gefunden worden, aber weit seltner als Äpfel. Neuweiler hat vielleicht recht, wenn er auch die Birnen der prähistorischen Stationen für kultivierte ansieht; denn wenn der Apfel (s. d.) gebaut wurde, wird man (Jas gleiche von der B. annehmen dürfen. Doch hat sie lange nicht dieselbe hohe Bedeutung als menschliches Nahrungsmittel gehabt wie jener. § 2. Die eigentliche K u l t u r b i r n e aber haben Kelten und Germanen erst von den Römern erhalten, wie schon die Entlehnung des lateinischen Namens beweist. Ahd. bira, mhd. bir, plur. bim, nhd. obd. hier, hd. birne (mit n aus dem Plur.) kennzeichnet sich durch das i als sehr alte Entlehnung aus vulglat. pira, klasslat. pirum, da das lat. i schon um 400 zu e wurde: it. span. pera, frz. poire. Das anlautende b statt p erklärt sich wie in got. bairabagms 'Maulbeerbaum' durch volksetymologische Andeutung an beran 'tragen'. Das Wort ist offenbar gleichzeitig mit pflaume, Pfirsich, kirsche in den ersten Jahrhunderten entlehnt. Daß unter den Saalburgfunden Birnenkerne fehlen, spricht nicht für das Gegenteil; auch Apfelkerne sind nicht erhalten: die zarteren Kerne dieser Obstarten sind von den Nagetieren zerstört worden, deren Kiefer ebenfalls in den Brunnenschächten gefunden wurden. Wenn im 1. u. 2. Jh. n. Chr. im rechtsrheinischen Germanien bereits alle wichtigeren Obstarten gebaut wurden, ist es schlechterdings undenkbar, daß nicht auch die Birne vorhanden gewesen sein sollte. Im Capitulare de villis Karls d. Gr. (ca. 800), in den beiden Inventaren kaiserlicher Gärten (812) und im Grundriß des Klostergartens von St. Gallen (820) steht der Birnbaum mit dem Apfelbaum an der Spitze der anzubauenden Obstbäume, und es ist schon von verschiedenen Birnensorten (pirarii diversi generis) die Rede. § 3. Nach Niederdeutschland ist die B., wie'das anlautende b zeigt, zuerst von Oberdeutschland her eingeführt worden: and. -bira, -bera (Galléc Vorstudien 538. 540), mnd. bere, nnd. beer, beerboom. Dagegen beruht ndl. peer wie ags. pere,

289

ne. pear auf direkter Entlehnung aus roman. pera. Beide können des e wegen erst nach 400 entlehnt sein, da die älteren, noch auf dem Kontinent aufgenommenen ags. Lehnwörter wie biscop, trifot, sigil, pic, pise durchweg noch i zeigen. Doch setzt ags. pirie 'Birnbaum' vielleicht ein zugehöriges älteres *pire 'Birne' voraus. Jedenfalls war der Birnbaum den Angelsachsen von den frühesten literarischen Zeiten an wohlbekannt; sein Name begegnet bereits in den ältesten Glossaren (8. Jh.). § 4. Den Skandinaviern ist die B. durch die Angelsachsen gebracht worden, wie der Name anord. pera, dän. peere, schwcd. päron beweist. Sie wird in den {>ulor (V. 437) und in der Karlamagnussaga (Kap. 14, 1) erwähnt, spielte aber im Norden, wie der Obstbau überhaupt, vor dem 14. Jh. keine Rolle. — Vgl. Obstbau. H o 0 p s Waldb. u. Kulturpfl. 540. 541 f. 587 f. 604. 648. Hier S. 541, Anm. 1 weitere Lit. N e u w e i l e r Prähist. Pflansenresie Mitteleur. 77. Johannes Hoops.

Bischof. § i. Der Bischof (lat. episcopus, Ordinarius, dioecesanus, nord. biskup, ags. biseeop, im Gegensatz zum Erzbischof norw. Ijöfrbiskup, undirbiskup, schw. lypbiskuper, ags. scirbisc[e)op, lat. ep. conprovinciales, sufjraganei) ist der Vorstand der D i ö z e s e (s. d.), im Abendland in aller Regel ein Stadtbischof. Er hat die potestas jurisdictionis, ist der regierende Herr der Diözese, ferner Inhaber der potestas ordinis und magisterii. Infolgedessen obliegt ihm neben der Aufsicht (daher vereinzelt catascopus) über die Geistlichkeit, dem Unterricht im Glauben, einer immer steigenden Gerichtsbarkeit und den allgemeinen geistlichen Pflichten eine Reihe von höheren kirchlichen Handlungen und die Ausübung der kirchlichen Straf- oder Disziplinargewalt. Überall hat er die geistlichen Weihen zu erteilen, die Kirchen zu weihen und das Chrisma zu bereiten (jura pontificalia). Vielfach werden die niedern Geistlichen von ihm angestellt, hat er wenigstens Einfluß auf ihre Wahl; allerorts werden sie von ihm geweiht. W o der König gesalbt wird, geschieht es durch ihn. Seine Befugnisse übt er teils

290

BISCHOF

auf Reisen im Land aus, insbesondere im Sendgericht (s. d.), teils auf der von ihm berufenen Diözesansynode (s. Synode). Besonders ausgebildet waren die Umreisen des Bischofs in den nordischen Ländern. Dort ist die Zahl dieser Reisen genauestens bestimmt, nicht minder die Größe des Gefolges, das der B., nach dem Rang der Kirche verschieden groß, mit sich führen j darf. Die Erfüllung der Reisepflicht wird geradezu als das Äquivalent für die dem Bischof zukommenden, aber nur dann geschuldeten A b g a b e n angesehen. Insbesondere im Frankenreich wächst sich die Stellung des B.s immer mehr zu der eines kirchlichen Herrschers aus, der mit dem bannus episcopalis dem König wie dem Papst (bannus regius und bannus papalis) zur Seite tritt, bei Strafe (große j Exkommunikation) gebietet und verbietet. I Der B. handhabt den Bann als Verord- i nungsbann, Gerichtsbann und Verwaltungs- ! bann, ist demnach der Gesetzgeber seiner ' Diözese und ihr ordentlicher Richter; allerdings wird er im I i . Jh. als Richter beschränkt. Viel weniger bedeutend ist das bischöfliche Verordnungsrecht in den westnordischen Ländern. Die ältesten Bischöfe waren Missionsbischöfe, ohne bestimmten Sitz, die mit der i Beendigung der Mission verschwanden. [ Später ist der Sitz des Bischofs die Kathedralkirche (schw. dömkirkia, norw. dömkirkia, ags. heafodmynster). Die außer ihm dort tätigen Geistlichen bilden im fränkischen Reich des Bischofs Presbyterium, seinen Rat, aus dem sich später das Domkapitel entwickelte. A n ihrer Spitze stehen der archipresbyler und der archidiaconus, jener der erste Presbyter, dieser der erste Diakonus (s. Erzpriester u. Archidiakon). Sie stellen gemäß der regula des Bischof Chrodegang von Metz (f 706) und einem \ Aachener Konzil von 816, in der v i t a ! communis (canonica) verbunden, das colle- \ gium canonicoram dar. Ganz ähnliche \ Verhältnisse treffen wir in Norwegen, woselbst ebenfalls seit 1152 die Geistlichen der Kathedralkirche als korsbrceär j oder kanunkar gemeinschaftliches Leben führten, auf den Orkneyjar und zeitweise auch den SuSreyjar, nicht aber in Island, j Grönland und auf den Fsereyjar. Auch

Schweden kennt seit Ende des 11. Jh. die Einrichtung der Kanoniker (canuncer, kanuniker) und ebenso Dänemark seit dem 11. Jh., wo allerdings die Canonici als c. saeculares, dh. außer der regula und ohne v i t a communis vielfach lebten. Bei den Angelsachsen pflegten die Geistlichen der Bischofskirche ein monasterium zu bilden; der Bischofssitz schloß sich an ein Kloster an (s. a. Kapitel). § 2. Gewählt wurde der B. nach kanonischem Recht durch Klerus und Volk und nach Prüfung durch den Metropoliten und die Provinzialbischöfe durch eben diese geweiht. Doch ist diese kanonische Regel keinesfalls überall, j a nahezu nirgends befolgt worden. Die fränkischen Könige haben zuerst ein Bestätigungsrecht, aber dann sogar bis zu L u d w i g d. Fr. ein Ernennungsrecht in Anspruch genommen und ausgeübt, das nur vorübergehend auf nach kanonischem Recht fähige Personen beschränkt wurde. Dem ernannten B. wurde vom König das Bistum schon im 9. Jh. durch Überreichung des Bischofsstabes (baculus pontificalis) übertragen (Investitur), worauf einem königlichen Be fehl gemäß die Konsekration durch den Metropoliten folgte. Eine A b s e t z u n g war nur durch Urteil der Synode möglich, das der König, wenn er nicht begnadigen wollte, bestätigt hatte. Nach dem Untergang der karolingischen Dynastie haben noch entschiedener Konrad I. und die Salier dieses Ernennungsrecht sich angemaßt. In England wurden wiederholt Bischöfe vom K ö n i g und den W i t a n (s. Witenagemot) ernannt, wenngleich hier die Wahl von Klerus und Volk, vielfach allerdings nur als Form, geübt wurde. Dagegen ernannten die norwegischen Könige die Bischöfe einseitig unter nicht entscheidender Mitwirkung des Volkes, bis in die Mitte des 12. Jhs. Erst von da an zeigen sich Ansätze zu einer Wahl durch das Domkapitel, ohne daß jedoch diese Form, die sich übrigens z B . auch auf den Orkneyjar und später den Su9reyjar findet, rasch durchgedrungen wäre. Die gegenteilige Entwicklung vollzieht sich im 13. Jh. in Dänemark, wo Waldemar die kanonische W a h l festsetzte; bis ins 13. Jh. wurden die dänischen Bischöfe v o m K ö n i g einseitig

BISCHOFSTUHL ernannt, während später die Mitwirkung des Königs auf eine Bestätigung zwischen Wahl und Konsekration beschränkt wurde. Wahl durch Klerus und Volk am Allthing erfolgte in dem der Domkapitel entbehrenden Island, bis erstmals 1238 Wahl und Ernennung durch den norwegischen Metropoliten und sein Kapital erfolgte. Wenig geordnet waren die Verhältnisse in den norwegischen Schatzlanden. In Schweden investiert nach älterem Recht bis ins 13. Jh. der König den von der Versammlung Gewählten mit Stab und Goldring, worauf die Konsekration erfolgt. Später zeigen einzelne Fälle Wahl durch das Domkapitel. Bei der Besetzung der Bistümer durch den König spielt vielfach mit ein die Tatsache, daß die Bistumskirche vom König gestiftet und ausgestattet war und von ihm auch erhalten wurde (s. Eigenkirche). — Die Abzeichen des B.s sind allenthalben Bischofsstab (baculus pastoralis), Bischofsring (anulus) und Bischofsmütze (mitra); jene dienen zugleich als Investitursymbol (s. Investitur). § 3. In keinem der Länder war der B. nur mit kirchlichen Angelegenheiten beschäftigt. Vor allem im fränkischen Reich, wo die Kirche, wie bis in die Mitte des 12. Jhs. in Skandinavien, Staatskirche ist, \ gehörten sie zu den Großen des Reichs, galten schlechthin als königliche Beamte, übernahmen auch weltliche Ämter (Erzkanzleramt!), sind zur Hoffahrt verpflichtet, fungieren als Gesandte und Königsboten, treten in das Lehnsverhältnis ein und nehmen mit am Reichstag, dem concilium, und damit an der Gesetzgebung teil. Nicht minder beraten sie im angelsächsischen witenagemöt (s. d.) über weltliche Angelegenheiten, im norwegischen hqfiingiajunir (s. d.), im Rat des schwedischen und dänischen Königs, im isl. alpingi. Dazu kommt vielfach, in hervorragendem Maß in Norwegen, die Beteiligung an der Wahl des Königs oder deren Vorbereitung und die Teilnahme am Gericht in, der Form eines Mitvorsitzes neben dem weltlichen Richter. Die Folge war ein erhöhter weltlicher Rang (in Norwegen = Jarl) und erhöhtes Wergeid. Die Einkünfte des Bischofs waren bei den Westgermanen allenthalben im wesent-

291

lichen die gleichen. An der Spitze steht der Zehnt (s. d.), der aber in den skandinavischen Ländern erst allmählich und spät in vollem Umfang eingeführt wurde; zu ihm treten das Recht auf Gastung (Unterhalt für sich und bestimmt bemessenes Gefolge bei Dienstreisen), Naturalreichnisse (norw. biskupsrei&a, prestreüfa), verschiedene Gebühren für die Vornahme einzelner kirchlicher Funktionen (s. Stolgebühren), endlich Bußen für ganz oder teilweise kirchliche Vergehen. Auch darf die regelmäßige Ausstattung der Kirche mit liegenden Gründen nicht übersehen werden. Das Aufkommen letztwilliger Vergebungen brachte gelegentliche Zulagen. Die Verwaltung des Vermögens hatte ein vicedominus. Gehilfe des Diözesanbischofs war im fränkischen Reich der C h o r b i s c h o f (s. d.). (Über ärmadr und bryli des Bischofs s. diese Worte). H i n s c h i u 5 Kirchenrecht I I I 38 ff. 516 ff. \V e r m i n g h o f f Kirchenverfassung 58 ff. 73 f. B r u n e r DRG. II 313 f; Grundsüge* 74. H o l t z mann Frans. VG. 1 4 7 ! . Stubbs Const. History I*> 139 f. 237 ff. M a k o w t i Verfassung d. Kirche in England 9 f. 11 f. 284 ff. 306 ff. M a u r e r Vorlesungen I I 25 ff. 1 1 6 — 2 2 3 . Zorn Staat u. Kirche in Norwegen, insb. 26 ff. 50 ff. K e y s e r Elfterladte Skrifter I I 185 ff. J u r J e n s e n Forelcssninger 264 ff. 0 1 r i k Konge og Praestestand I 127 ff. I I X59ff. Reuterd a h 1 Svenska kyrhans hisloria I I 95 ff. 142 ff. 224 ff. H i l d e b r a n d Sveriges Medeliid III 110 f. L u n d q u i s t ( s . K a p i t e l ) 160 ff. N o r d s t r ö m Bidrag I 229 ff. F r y x e l l Om suenska biskopsval. Hunt Hist. of the Engl. Church 313 fr. 317 ff. ( r K o m b l e Saxons in England II 2 342 ff. v. Schwerin.

Bischofstuhl, lat. cathedra. Der meist steinerne Stuhl des Bischofs in der Kathedrale. Ursprünglich der Regel nach mitten im Rund der Apsis (s. d.), von den Sitzreihen der Presbyter umgeben, an der Wand angeordnet (Torcello, Grado), dann auch an der Nordseite des Chors (s. d.) gleich beim Altar. Solche, wohl noch karolingisch, zu Regensburg in der Wolfgangskrypta (ebenfalls in der Mittelnische aufgestellt), und zu Augsburg im Dom, beide völlig gleich auf zwei Löwen und mittlerem Steg ruhend, mit halbkreisförmiger hoher Lehne. Reste der Rück-

292

BJARKEYJARRETTR—BLATTERN Blattern

w ä n d e s o l c h e r S t ü h l e s i n d n i c h t s e l t e n , so

(Pocken).

Bläschenförmige

in C h u r e i n e g i e b e l a r t i g g e b i l d e t e k r a b b e n -

Hauteffloreszenzen werden

b e s e t z t e S p i t z e , 7/8.

h o c h d e u t s c h e n e r w ä h n t (s. H a u t a u s s c h l a g ,

Vom

Jh.

Bischofstuhl

hat

die

Geschwulst):

den Namen,

wie

pläterin,

von

pocken

(cathedra)

Domkirche

(Kathedrale)

in S p a n i e n

la seo,

in P o r t u g a l

a se,

plätarün,

mhd. erst

plätnln,

blätern,

seit

schon im

Ende

u . v . B e z o 1 d I 96. '

Stephani K. Haupt.

B j a r k e y j a r r i t t r (biärköcercettar, bitzrkerat) w ö r t l i c h R e c h t v o n B j a r k e y , d h . w o h l e i n e s a l t e n , a u f einer I n s e l belegenen H a n d e l s p l a t z e s , b e d e u t e t in N o r w e g e n u n d S c h w e d e n S t a d t r e c h t , in D ä n e m a r k , w o die ursprüngliche B e d e u t u n g die gleiche g e w e s e n z u sein s c h e i n t , n i m m t d a s W o r t d a n n den w e i t e r e n Sinn eines v o m o r d e n t lichen G e r i c h t e x i m i e r t e n Bezirkes an. D a s W o r t s c h e i n t i n d e s s e n ä l t e r z u sein als d a s S t a d t r e c h t . E s b e z e i c h n e t e a n f ä n g lich ü b e r h a u p t d a s f ü r H a n d e l s z u s a m m e n künfte eigentümliche Handelsrecht.,, B j a r k e y j a r r 6 t t r gilt an j e d e m F i s c h p l a t z e und an den H e r i n g s b ä n k e n und auf den K a u f fahrten", sagt das altnorweg. Stadtrecht § 42, u n d d e r n o r w e g i s c h e K ö n i g s s p i e g e l rät d e m K a u f m a n n , hauptsächlich den B j a r k e y j a r r 6 t t r zu studieren. D e m Stadtrecht als Territorialrecht ging m u t m a ß l i c h im Norden das R e c h t des H a n d e l s voraus, das bei Z u s a m m e n k ü n f t e n auf K a u f f a h r t e n zur A n w e n d u n g kam. — V g l . Handelsrecht, Kauffriede. K. Lehmann.

B l a s b a l g , a h d . bläs-balc,

ags.

blces-bealg.

I I I 152).

vor

950 v .

Chr.,

wüt poccum

die R e d e ,

and

sceapa

hreojlan

a u c h die e r s t e r e S t e l l e ( C o c k a y n e , I I 104 u. I I I 5 4 ; L e o n h a r d i Prosa.

VI

einer

32

u.

145)

bei

des

Wedels

(ahd.

wäla)

diese

maschinelle Vorrichtung gesetzt hat. l ä n g s t in

Ausbildung bekannt,

und

Den

ausgeber in

die große

Epidemie

d e n J a h r e n 580 u. 582,

Tours

beschreibt

(Hist.

und Zange

Handblasbalg

gebildet. cap.

IV.

Seine

5,

34

v. u.

6, 14), a l s B l a t t e r n z u b e z e i c h n e n , w e i l er sie

als

valitudo

vissicts

pusulis

et

schildert, u n d a u c h die Stelle

des

Laeceboc

auf

zu beziehen. ren

maligna

Blattern

im heutigen

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D i e G e s c h i c h t e dieser s c h w e -

epidemischen

dem

cum.

Ausbruch

Krankheit,

von

welche

Bläschen

mit

mit einer

D e l l e auf ihrer M i t t e einhergeht, ist

noch

äußerst

etwa

dunkel.

Ob

die B l a t t e r n ,

a u s d e m A r a b e r r e i c h e in S p a n i e n , v o r d e m Jahre

IOOO d e n

reichten,

ist

Zeit)

in

germanischen

höchst

kindsplätern

deutschen oder

die der

er-

Was

als

( k a u m v o r dieser

Quellen

sich

findet,

Bläschenaus-

harmlose

Varizellen

Wasserblattern).

Boden

fraglich.

epidemische (Windpocken,

Einstweilen

für

gilt

Deutschland und England, was C r e i g h t o n v o n l e t z t e r e m s a g t ( H i s t . of e p i d e m i c s in

Britain

I 4, 5 2 ) :

„There

is n o

inde-

e x i s t e d in E n g l a n d in t h e I 4 t h . a n d 15 t h .

möglich,

übernommen

ist auf

den

ist.

Sigurd-

(Montelius,

325 F i g .

Anfertigung

Schedula

Gregor

Franc.

verschiedener

es i s t

z e i c h n u n g e n in S ö d e r m a n l a n d Schwedens

Frankreichs

die

p e n d e n t e v i d e n c e t h a t s m a l l p o x or m e a s l e s

d a ß er v o n d o r t h e r v i e l l e i c h t ü b e r G a l l i e n mit A m b o ß

so

g e h t es d o c h w o h l n i c h t a n , m i t d e m H e r -

Germanen

R ö m e r n w a r er, als sie m i t d e n zusammenstießen,

den man

nach

aussieht,

Krankheit

german. Völkern zurückreicht, w a n n

Wenn Leechd.

B i b l . d. a g s .

Allgemeinerkrankung

schlag

n i c h t , w i e w e i t sein V o r k o m m e n

81

einer

durchaus

der V e r g ä n g l i c h k e i t seines Materials n i c h t s W i r wissen daher auch

also

von

solchen H a u t e r u p t i o n bei Schafen.

v o n ihm erhalten.

Theophilus

Jhs.

ebenso in L a c n u n g a

ist e n t w e d e r ein n u r lokaler

Kulturgesch.

nd.

15.

I m a g s . Lceceboc

B a l d s ( I 40) i s t v o n pocädl

In v o r g e s c h i c h t l i c h e n F u n d e n h a t s i c h b e i

Ein

des

d e u t s c h e n V e r b r e i t u n g g e w i n n t (M. H e y n e , Hausaltert.

wasserplätern,

Stelle

das

n a c h z u w e i s e n ist u n d später auch im H o c h -

sedes. Dehio II 309 ff.

an

plätiren,

während

dem

Alt-

diversarum

525)

ab-

beschreibt ariium Fuhse.

centuries," nahme

S.

auch

G r ö n s

1908.

S.

bölnasött

A.

Masern.

(Altnord.

S . 86 ff.),

daß

das

AnJanus

anord.

stets als B l a t t e r n a u f g e f a ß t w e r d e n

müsse, v e r m a g ich m i c h nicht ßen;

Der

Hlknde.

immerhin

sind

seine

anzuschlieDarlegungen

beachtenswert. A. H i r s c h Hisi.-geogr. Path, P. 97. H e c k e r D. groß. Volkskrkhtr,. d. MA. 1865.

B L E C H MÜNZE - B L E I S. 2—6. G e l d n e r , Unters, z. altengl. heitsnamen. III. Augsb. 1908. 11 ff.

KrankSudhoff.

Blechmünze ( § 1 ) als Gegensatz zu D i c h t m ü n z e ist die allgemeine Bezeichnung für Münzen, die einen dünnen blechartigen Schrötling haben. Die Herstellung kann mit einem einzigen oder mit zwei Stempeln erfolgen, nur ist im letzterwähnten Falle das Gepräge auf beiden Seiten selten deutlich, weil gewöhnlich infolge der geringen Metallstärke die Umrisse jedes Stempels auf beiden Seiten — einmal erhaben, das andere Mal vertieft -— erscheinen und dadurch das Münzbild gestört wird. § 2. Unter den Blechmünzen sind besonders hervorzuheben die aus papierdünnem Schrötling mit einem Stempel erzeugten B r a k t e a t e n (s. d.) und die sog. H a l b b r a k t e a t e n . Diese, die aus etwas dickerem Silberblech unter Anwendung eines tiefgeschnittenen und eines flachgearbeiteten Stempels hergestellt wurden, haben namentlich dann große Ähnlichkeit mit den eigentlichen Brakteaten, wenn die Spuren des Rückseitestempels unscheinbar sind oder ganz fehlen. Der Ausdruck Halbbrakteat ist keine glückliche Bezeichnung, man wird ihn in vielen Fällen durch 'Blechmünze' schlechtweg ersetzen können. A. v. Luschin-Ebengreuth.

Blei. § 1. Das B. war in Nord- wie in Südeuropa schon in der B r o n z e z e i t bekannt. Es ist in Mykenae und in fast allen Schichten von Hissarlik gefunden (Schliemann Myk. 87; Ilios 286. 292. 563. 696 f. 692 f.); es wird von Homer in der Ilias erwähnt. Es ist in der Schweiz als Besatz an Bronzenadeln in den Pfahlbauten von Cortaillod und Corcelettes am Neuenburger See nachgewiesen (Keller Mitt. d. antiqu. Ges. Zürich X I I 3, 150 u. Taf. II 51—55; ebd. X I I I Abt. 2, H. ß, 102 u. Taf. V I I 3. 5); es tritt als Bleiweißbelag auf einem Bronzeschwert von Alsen auf (Olshausen ZfEthn. 15 Verh. 1883, 105—07). In Hallstatt, also in der Übergangszeit von der Bronze- zur Eisenperiode, kommt es, zu dünnen Stäbchen oder Draht ausgezogen, als Futter der umgebogenen Ränder bei Kesseln, einem Helm, sowie als Ausfüllung des Bodens bei

293

einigen Bronzegefäßen vor (v. Sacken Grabfeld v. Hallstatt 119). In Britannien hat man in Denkmälern der Bronzezeit bleierne Kelte gefunden, die wahrscheinlich dazu dienten, Formen aus Ton oder Sand für den Guß der Bronzewaffen herzustellen (T. R. Holmes Ancient Britain 148 f. 252), und alle bis 1880 untersuchten schottischen Bronzegeräte enthielten Zusatz von Blei (ebd. 140). Die Spärlichkeit der Bleifunde aus älterer prähistorischer Zeit beruht zum Teil jedenfalls auf unvollständiger Erforschung. Da das Blei durch Oxydation ua. leicht verändert wird, ist es oft nicht gut zu erkennen und wohl manchmal übersehen worden. Auch hat es nie die Rolle gespielt wie die vornehmeren und härteren Metalle. § 2. Bleibergwerke sind uns für Griechenland und Italien durch die klassischen Schriftsteller kaum bezeugt; aber B l ü m n e r (Technol. u. Terminol. 4, 88 f.) nimmt wohl mit Recht an, daß an allen den Orten, von wo die Nebenprodukte des Bleis, wie Bleiglätte, Bleiweiß, Schwefelblei usw., bezogen wurden, auch Blei produziert sein wird (so bei Pergamon, in Kilikien, Kypern, Rhodos, Puteoli und auf Sizilien), und daß da, wo Silber aus Bleiglanz gewonnen wurde (wie im griechischen Lauriongebirge und im makedonischen Pangaeos), auch das Blei verwertet worden ist. Besonders bekannt waren die Bleigruben Spaniens, aber auch in Sardinien und Gallien wurde Blei gewonnen (Blümner 4, 90). In Deutschland wurden von den Römern Bleibergwerke betrieben, so ,,im Lahn- und Siegtal, in Commern in der Eifel, am Tranzberg bei Cull, in Wiesloch bei Heidelberg" (Blümner 91 u. die Nachweise Anm. 1). Besonders ergiebig war die Bleiproduktion Britanniens zur Römer zeit, wie das Zeugnis des Plinius (NHist. 34, 164) und die zahlreichen Funde von gestempelten Bleibarren in Staffordshire und Cheshire zeigen (Blümner 91 u. A. 3). Die Auffindung der erwähnten bleiernen Kelte (§ 1) macht es wahrscheinlich, daß die alten Bleiwerke in diesen Gegenden wie auch in Flintshire, in der Umgegend von Matlock (Derby) und in den Mendip Hills (Somerset) schhn zur Bronze-

294

BLENDEN—BLOCKBAU

zeit in Betrieb waren (Holmes aaO. 252). § 3. Der griech. Name des Bleis, der uns in mannigfacher Form als ¡j.oXtßo; (Horn.), ¡xoXoßo?, ¡xoXtßSoj, fjt6Xußoo? (in ¡ioXußSaivrj Horn.), rhod. ßoXißo;, epidaur. ßöXijxo? überliefert wird, und der sich neugriech. als erhalten hat, ist nicht, wie Schräder (Sprachvgl. u. Urgesch.3 2, 95) will, mit der baskischiberischen Bezeichnung des Bleis berun zu verbinden, sondern kehrt sowohl in lat. plumbitm (aus ml-, s. Sommer Handb. S. 234. Walde EWb. 2 sv.) als auch in hindost, mulwa, zig. molliwo wieder, die Schräder (99) schon zögernd mit ngriech. |j,oXußi vergleicht, aber merkwürdigerweise nicht mit griech. [j.oXußo? verknüpft. Und weiterhin haben W o o d (JGPh. I, 297; 1897. I n d o - E u r o p . a x 192; 1905) und H i r t ( P B B . 23, 354; 1898. Indogm. 686; 1907) doch wohl recht, wenn sie mit gr. ¡löXißo? auch den gemeingerm. Namen des Bleis: *bliwa aus *mltwom n. verbinden: ahd. blio (für bliw), mhd. blT (gen. bltwes) n. m.; and. mnd. mndl. bli n.; anord. bly n. Das zig. molliwo scheint mir eine gute lautliche Brücke zwischen der dem germ. *bltwa zu Grunde liegenden Form *mlneom und griech. u.oXtßo? zu bilden. Sachliche Gründe können uns kaum verhindern, den unausweichlichen Schluß aus dieser sprachlichen Gleichung zu ziehen: daß d a s B l e i s c h o n d e n Indogermanen bekannt war. Der Name braucht nicht einmal aus einer nichtidg. Sprache entlehnt zu sein, er kann recht wohl aus echt idg. Sprachmaterial, vielleicht aus einer Farbenbezeichnung abgeleitet sein, vgl. Woods Hinweis auf lit. mely-nas 'blau', mulvas 'rötlich, gelblich' und S c h r ä d e r Reallex. 97. Der Wechsel der Suffixe spricht ebensowenig dagegen wie der von m und b in gr. [ifjXtßo?: ßriXißo?. § 4. Der gemeingerm. Name des Bleis *bltwa ist im Gotischen nicht belegt und fehlt dem Angelsächsischen. Hier findet sich statt dessen ein Ausdruck, der auch den andern w e s t g e r m. Sprachen bekannt ist: wgerm. *lauda n. = ags. lead n. (dazu leadgedelj 11. 'Bleigrube'), nie. l(d,

ne. lead 'Blei'; and. -löd in segelod n. 'Richtblei' (Gall6e Vorstud. 260), mnd. löt n. 'Blei' und alles aus Blei Gemachte; ndl. lood 'Blei' und eine Gewichtsart; ahd. unbelegt, mhd. löt n. 'Blei, aus Blei gegossenes Gewicht', nhd. löt n. ein Gewicht. Das Wort ist verwandt mit air. luaide (Grdf. *loudhiä oder *loudiä). Ob Entlehnung oder Urverwandtschaft vorliegt, läßt sich nicht entscheiden. § 5. Über Bleigruben in den Ländern im MA. s. 'Bergbau' 3. Olshausen 109

stellt die

sammen.

Karl

Z f E t h n . 15 Verh. 1883, 1 0 5 — prähistorischen

Bleifunde

B. H o f m a n n

den Völkern des Altertums, HoltzendorfTs Samml.). 11. Terminol.

germ.

zu-

Das Blei bei

Berl. 1885 (VirchowB 1ü m n e r

Technol.

4, 8 8 - 9 1 ; 1886. D e r s . b. Pauly-

Wissowa; 1897.

Schräder

Reallex.

95—97;

1901.

D e r s . Sprachvgl. u. UrgeschJ 2 , 9 1 — 9 9 ;

1906.

Johannes Hoops.

Blenden. Die Blendung war den Germanen fast nur in der Form des Ausreißens oder Ausstechens der Augen bekannt (daher anorw. neben blinda insbes. stinga üt augu, ags. eagan ütdön, lat. avulsio oculi, effusio oculorum), kam aber auch als bloße Beraubung der Sehkraft vor (caecitate damnare, visionem oculorum extinguere). Sie ist Verstümmelungsstrafe, aber selten angewandt, meist durch die arbiträre Strafgewalt des Herrschers bestimmt. B r u n n e r DRG. I i i 295.

W i1d a

Glossar 656.

II 603. Strafrecht

Grimm 509.

DRG.

S chm i d

v. Schwerin.

Blockbau. § 1. Bauweise der Gebäudewände, auch der äußeren, aus dicht übereinander liegenden oder nebeneinander stehenden Baumstämmen oder Balken. Der liegende Blockbau, in vielen Beispielen erhalten und noch heute gebräuchlich, charakterisiert sich vor allem dadurch, daß an den Ecken die Enden der Balken sich kreuzen, also überstehend eine nach zwei Seiten vorragende aufrechte K a n t e bilden (Abb. 45). Die stehenden Stämme dagegen müssen am unteren und oberen Ende durch eine Schwelle zusammengefaßt werden, in die sie eingezapft sind. E i n bekanntes Beispiel davon besteht noch in England aus dem II. oder 12. Jahrh., ein Teil der kleinen Kirche zu Greenstead, wo allerdings die runden Stämme halbiert und mit der runden Seite nach außen gestellt

295

BLUTEGEL—BLUTRACHE sind, so daß die Innenseite der Wand glatt ist. § 2. Diese Blockbauweise aus aufrechten Stämmen muß aber in ältester Zeit weit verbreitet gewesen sein, wie die Reliefs der Markantonsäule, die Eroberung germanischer Dörfer schildernd, beweisen. Die dort dargestellten Hütten, insbesondere der Markomannen, sind, rund und eckig, aus aufrechten, in Zwischenräumen durch Flechtseile verbundenen runden Stämmen errichtet und mit scheinbar ähnlichen (doch wohl als Schilfdächer aufzufassenden) Be-

[u^ui •»,",.rr i.i. .

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Abb. 45.

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"

Norwegischer liegender Blockbau.

dachungen geschützt. Die Türen sind einfach, rund oder gerade abgeschlossen, in diese Wände eingeschnitten. Die Halle Heorot im Beowulfliede muß ähnlich konstruiert gedacht sein; wenigstens wird sie als mit eisernen Bändern umschmiedet geschildert, was auf aufrechten Blockbau deutet. P e t e r s e n , D o m a s z e w s k i u. C a 1 d e r i n i D. Markussäule. München 1896. Stephani I 108 ff. P. L e h f e 1 d t D. Holzbaukunst. Berlin 1880. A . S a n d v i g de Sandwgske Samlinger. Lillehammer 1907; bes. S. 50 ff. A . Haupt.

Blutegel, als Ersatz des Schröpfens (s. d.), war im vorrömischen Germanien nicht in Gebrauch, wenn auch das Tier selbst ahd. egala (egalun, egilin, egilun), mhd. egele, egel, wohl schon früh bekannt war. Die Zeit seiner Einführung in den medizinischen

Heilschatz der deutschen Ärzte ist nicht festzustellen. Daß er das u n g e s u n d e Blut wegsauge, ist alter Glaube, der auch früh in Laienkreise drang, wie Thomas v. Cantimprd bzw. Konrad von Megenberg erweisen und wohl auch die angelsächsische Bezeichnung des Tieres als l&ce, also geradezu 'der Heilende, der Arzt', dartut. Im Norden begegnet er mit Sicherheit im 16. Jh. M. H e y n e Hausaltert. Anord. Hlknd. 39 f.

III

114.

Grön Sudhoff.

BlutfluB (got. blößa-rinnandei, runa blöpis, ahd. bluotes fluz, bluotfluzzida, mhd. blutfloz ags. blödryne), als erschreckender und nicht zu übersehender Vorgang naturgemäß früh beachtet, sowohl in seiner Herkunft aus den Genitalien der Frau als eine krankhafte Steigerung physiologischer Erscheinung, als auch aus dem Darm in der Form von Hämorrhoidalblutung und der Dysenterie (s. Ruhr) und aus der Blase (gif mon blöde mige, Cockayne Leechd. II 90; Leonhardi 28). H e y n e Hausaltert. III 128. Geldner, Unters. z. Alteng!. Krkhtsnamen III, 1908, 18ff. Sudhoff.

Blutrache. § i. Der enge Zusammenhalt zwischen den Sippengenossen bringt es mit sich, daß jeder an einem Sippengenossen begangene Totschlag sämtliche Sippengenossen zu Feinden des Totschlägers macht. Es ist heilige Pflicht der S i p p e (s. d.), die Tat nicht ungesühnt zu lassen, sondern an dem Täter und ev. an seinen Magen B l u t r a c h e zu üben. Die F e h d e (s. d.) zwischen den beiden Sippen ist die Folge einer solchen Tat, und an dem Sühnevertrag und der Sühnezahlung, durch welche die Fehde beigelegt wird, hat die gesamte Sippe des Erschlagenen Anteil (Tac. Germ. 21: recipitque satisfactionem universa domus). Noch in karolingischer Zeit war diese Blutrache in Deutschland allgemein verbreitet und durch aus gestattet, wenn auch gewisse Racheakte ausgeschlossen waren. In Friesland, Holstein und der Urschweiz hat sie sich bis gegen Ende des MA.s, vereinzelt sogar darüber hinaus erhalten. Auch in den angelsächs. Gesetzen spielt sie eine Rolle, ebenso noch in den nord. Rechten des 13. Jhs., insbesondere der Grägäs, und

296

BLUTRACHE

vor allem im spanischen Recht, in dem allerdings möglicherweise nichtgermanische (iberische) Einflüsse sich geltend machen. § 2. V o n dieser allgemeinen Blutrache der gesamten Sippe ist wohl zu unterscheiden das b e s o n d e r e Racherecht des einzelnen, ein individuelles, zugleich eine Pflicht in sich schließendes Verwandtschaftsrecht, das dem nächsten Erben oder dem nächsten agnatischen Erben z u k o m m t (Lex Angl, et Werin. 3 1 : Ad quencumque hereditas terrae pervenerit, ad illum . . . . ultio proximi et solutio leudis debet pertinere), und das sich noch in späterer Zeit in dem R e c h t der B l u t k l a g e zeigt (vgl. z B . Liegnitzer Urk. v . 1452 bei Frauenstädt 99). So ist in Island der vtgsakar afili, der die Blutklage allein erheben darf, der Erbe; erst eine spätere Entwicklung gestattet entfernteren Verwandten, bei seiner Verhinderung an seiner Statt zu klagen. Ä h n liches kennt d : s spanische Recht. § 3. A m deutlichsten zeigt sich der Dualismus des kollektiven Racherechts der Sippe und des individuellen Racherechts des direkten Erben in der Teilung des W e r g e 1 d s (s. d.) in Magsühne und Erbsühne. Ein Teil des Wergeids fällt als M a g s ü h n e (ags. nuegböl, fries. mentele, meitele, nordfries. tale, aonord. cetlarböt, anorw. baugar, aisl. nid'gjgld) an die sämtlichen an der Blutrache beteiligten Magen; über die A r t der Verteilung s. u. E r b f o l g e o r d n u n g . Der andre Teil wird als E r b s ü h n e (ags. healsfang, fries. riuehta ielda, nordfries. boyneböte, dietmars. bane, aonord. arvaböt, anorw. bot, aisl. vigsbcetr, reltr) an den nächsten Erben oder den nächsten männlichen oder agnatischen Erben gezahlt. § 4. Während die M a g s ü h n e durchweg nur an m ä n n l i c h e Verwandte gezahlt wird, ist das bei der E r b s ü h n e n i c h t überall der Fall. Neben Rechten, die Weibern kein Recht auf Erbsühne gewähren, gibt es solche, die dem nächsten Erben, gleichviel ob Mann oder Weib, die Erbsühne zusprechen, so die meisten nord. Rechte, ferner die L e x Fris. 19, 2 und manche spätere fries. und niederländ. Rechte. Ja, nach westnord. Recht hatten

ursprünglich auch Weiber, welche die nächsten Erben waren, das Recht der Blutklage; in Norwegen behielten sie es, während es ihnen auf Island ebenso wie den Jünglingen unter 16 Jahren 994 aus praktischen Gründen genommen wurde. Man kann daraus schließen, daß das Blutrache-, Blutklage- und Wergeldanteilsrecht des nächsten Erben nicht etwa eine bloße A b s p a l t u n g des Blutrache- und Wergeidrechts der Sippe, sondern v o n vornherein ein A n n e x des Erbrechts war. Erst die Ausdehnung des Erbrechts auf Weiber führte bei einigen Stämmen dazu, dies Individualrecht v o m Erbrecht zu trennen und dem nächsten männlichen Verwandten zuzuweisen. Das zeigt deutlich Liutpr. 13 : quamquam filias instituissimus heredis sicut masculüs, schließt er sie von der Erbsühne aus, quia filiae eius, eo quod femineo sexu esse provantur, non possunt faidam ipsam levare. § 5. Dem Recht der Sippe des Erschlagenen auf E m p f a n g der Magsühne entspricht eine V e r p f l i c h t u n g d e r Sippe des Totschlägers, die Magsühne aufzubringen, wobei die einzelnen Verwandten etwa ebenso viel zahlen, wie sie sonst empfangen würden. Die Erbsühne hat der Täter selbst aufzubringen. § 6. Vereinzelt finden wir, daß auch bei a n d e r n Vergehen als Totschlag die Sippe oder einzelne Sippengenossen berechtigt sind, Rache zu üben, so nach isländ. Recht bei Schmähung eines verstorbenen Verwandten und bei Schändung einer Naheverwandten. Besonders ausgedehnt ist cies Rachcrecht im spanischen Recht. Dem entspricht es, daß vereinzelt auch bei andern Vergehen die Sippe primär oder sekundär neben dem Verbrecher bußpflichtig wird; vgl. Brunner DRG. I J I22n. 52. Durchaus zu unterscheiden sind die Fälle, in denen ein Verwandter als V o r m u n d des Verletzten oder des Täters ein Fehdebez. Sühnerecht h a t oder bußpflichtig wird; s. u. Familie, Vormundschaft. Wilda

Strafrecht

B r u n n e r

Sippe

d. Germ.

I 156 g . 372 ff.

it. Wergeid,

S Z f R G 3, 1 ff.

DRG. I1 119 ff. II 527 ff. S c h r ö d e r DRG.S Soff. 352 ff. 780 f. F r a u e n s t ä d t Blutrache u. Totschlagsiihve

im deutschen

MA.

i8Sx.

BLUTREINIGUNGSMITTEL-BLUTSTILLUNG T e l t i n g Themis 16, 30 ff. M a u r e r Krit. i kennen läßt, so der Straßburger Blutsegen Überschau I I I 26 ff. Island von seiner Ent- 1 aus dem 11. Jh. . . . to uerstont taz plät deckung 368 ff. Vorl. I I I 41 ff. 82 ff. F i n s e n j uerstande tiz plot stant plot . . stant plit A f n O . 1850, 203 ff. N o r d s t r ö m I I 227 ff. fasto . . uersegene tiusa uunda oder der V i n o g r a d o f f ZfSozuWG. 7, 8ff. H i n o j o s a Millstätter Blutsegen (12. Jh.) . . Also S Z f R G . 31, 300ff. — S. F e h d e , W e r g e i d . verstaut du, bluotrinna . . . Freilich finden S. Rietschel.

Blutreinigungsmlttel, nach der antiken Anschauung v o n den vier Kardinalsäften auch bei den Germanen frühzeitig eingeführt, vielleicht aber in andrer Form oder Motivierung schon vorrömisch in Anwendung, obgleich dies sehr fraglich ist. ji Sudhoff.

Blutsbrüderschaft.

Der

bei

den

ver-

!

sich auch Segen, die nichts hiervon erkennen lassen, sondern einfach unverständliche Worte bringen, z B . ein f aegryn. thon. Struth, fola. argrenn. tart. Struth, on. tria usw. lautender zum blödseten in B a 1d s Arzneibuch (etwa 900, Cockayne Leechd. II S. 54, § 9,4). Der Blutsegen »ad sanguinem stringendum« (anord. blof- stemma) sind Legion, ebenso groß ist ihre Literatur. E b er m a n

Blut-

u.

Wundsegen

in

ihrer

schiedensten Völkern der Erde verbreitete ' \ Entwicklung dargestellt (Palaestra 24, 1903), wo Brauch, daß Männer durch Vermischung sich das Weitere angegeben findet. Sudhoff. ihres Blutes ein Brüderschaftsverhältnis Blutstillung, wohl der früheste aus der begründen, findet sich auch in der Edda, Not geborne chirurgische Brauch, dränden isländischen Sagas und bei Saxo gend und sorglich, weil nicht immer sicher Grammaticus in der eigentümlichen, noch im Erfolge der geübten Maßnahmen, zu nicht genügend erklärten Form, daß die deren Ergänzung darum der ZauberBlutsbrüder unter einem Rasenstreifen ihr spruch trat (s. B 1 u t s e g e n).1j Man B l u t auf denselben Fleck Erde rinnen streute Pflanzenpulver auf, die eine lassen und sich schwören, wie Brüder für schnellere und festere Blutgerinnung beeinander die Blutrache üben zu wollen. wirken sollten, deren die alten RezeptWeitergehende Rechtswirkungen werden bücher manche empfehlen, einheimische neben dieser Blutrachepflicht nicht erund ausländische; man legte einen blutwähnt. Dagegen findet sich der westnord. ! stillenden festen, komprimierenden VerName, der die Blutsbrüderschaft bezeichband um (anord. blötband); man tamponet, föslbrSäralag, auch als Bezeichnung nierte die Wunde durch Einlegen v o n der P f 1 e g e b r ü d e r s c h a f t (s. d.) Moos, Gespinstfasern, Leinwandmeiseln Das historische Verhältnis zwischen beiden oder -zapfen (anord. lereptskeri), zog die Rechtsinstituten ist zweifelhaft, ebenso das Wunde mit Pechpflastern zusammen, beVerhältnis der B. zur Schwurbrüderschaft rührte oder betropfte sie mit siedheißem und Gilde (s. d.). Auf deutschem Boden ist Pech oder wandte nach dem Vorgange eine Spur einer B . vielleicht das cruentum der antiken Wundarzneikunst (die aber pactum zwischen Walthari und Hagen, auch schon die direkte Zusammenschnüvgl. K ö g e l Gesch. d. deutsch. Lit. I 2, 298. rung der blutenden Ader kannte) das glühende Eisen an. Freilich wird diese Pappenheim Die altdän. Schutzgilden (1885) 18 ff., S Z f R G . 29. 322 ff. M a u r e r Blutstillung nur in der L e x Alamannorum Vorl. I I I 196 ff. G u 8 m u n d s s o n ßrjär ( L V I I , 34) angeführt: Si autem ferrum ritgjöräir sendar og tileinkafiar herra Päli Meicalidum intraverit ad stagnandum sanguisted 1892, 46ff. K ä l u n d Aarb. 1870, 290 ff. \ nem] es scheint also, als wenn diese römiS. Rietschel. | sche Brenntechnik nicht weit in Germanien eingedrungen wäre und erst später unter Blutsegen zur Beseitigung des Ausarabistischer Flagge große Verbreitung geströmens des kostbaren Lebenssaftes aus nommen hätte. den Wunden der Schlacht, aber auch gegen Nachblutungen im Wundverlauf und andere H ö f 1 e r Hdb. d. G. d. Med. I 473. G r ö n gefürchtete Blutflüsse und Blutstürze. Altnord Hlkde S. 25—27. Arthur B. S c h m i d t Weitaus die größte Bedeutung h a t doch die Medizinisches aus deutschen Rechtsquellen 1896 erste Wundblutung, wie schon der Wort- i1 (Festschr. f. Benno Schmidt) S. 26 f. laut fast aller der ältesten Blutsegen erSudhoff. H o o p s , Reallexikon.

I.

20

298

BLUTSTURZ—BOGEN

Blutsturz als plötzliche, oft tödliche K a tastrophe im Lauf der Schwindsucht und bei Magengeschwür, s. S c h w i n d s u c h t u. M a g e n l e i d e n . Sudhoff.

Bogen 1 (Architektur). § 1. Zwischen zwei festen Stützpunkten bogenförmig gestellte Reihe von keilförmigen Steinen, deren Fugen nach einem gemeinsamen Mittelpunkte gehen; überwölbte Öffnung in einer Mauer. S. A b b . 46. 1 1 Die frühgermanische Bogenform ist der Regel nach ein Halbkreis. Uberhöhte Halbkreise (mit verlängerten Schenkeln)

spanischen Araber den Hufeisenbogen von den Westgoten übernahmen. § 2. In den frühesten Miniaturen des Nordens ist die Hufeisen-Bogenform beliebt, sowohl um wirkliche gemalte Architekturen zu gliedern, als zu rein dekorativen Zwecken. Fenster mit ungefähr parabolischer Linie der ÜberWölbung treten bei den Angelsachsen (Kirche zu Escomb) und in Deutschland (Kirche zu Goldbach) auf. § 3. Eine eigentümliche in allen germanisch beherrschten Ländern bis nach Nordafrika hin auftretende Bogenform ist der Halbkreis, getragen von vorspringenden 3oöen

R-uNüß

Hufeüen.b

' JhetxLuichjj nUs

^eLnemJtudC-

Hateasiatt

- > etni pnr»4tn trafen". v. Schwerin.

Brandstiftung. Die Fälle, in denen das german. Recht eine Schadensstiftung durch Inbrandsetzung als Delikt behandelt, zerfallen in zwei sehr verschiedene Gruppen, von denen die eine, leichtere, in dem Delikt nur eine durch das Mittel unterschiedene Sachbeschädigung erfaßt, während die andere, schwerere, die Brandstiftung im engeren Sinn bildet. Für sich stehen daneben Fälle typisch fahrlässiger Brandstiftung (Feuerverwahrlosung). Der B. (ags. boernet) im engeren Sinn war wesentlich der Wille, fremde Sachen, und zwar in aller Regel Wohngebäude, auch Mühlen, in Brand zu setzen. Ursprünglich war wohl der Wille, Menschen mit zu verbrennen, das Hervorstechende und insofern die B. eine Art von Mord. Kasnavargher heißt aschw. der, der ,,brenna man inni" will, „Beides verbrennen will, Dorf und Bauer". Von einem focum super aliquem mittere sprechen kontinentale Quellen. Das Gravierende aber war wie beim Morde die Heimlichkeit, die hier schon im Mittel liegt; denn das Feuer ist kein „Melder". Schon eine Kumulierung von Heimlichkeitsmomenten liegt vor, wenn nächtliche oder sonst heimliche Ausführung verlangt wird beim sogenannten Mordbrand (aschw. morßbrand, adän. morthbrand, fries. morthbrond, aber auch nachtbrond und morthnachtbrond, Lex Bai. more furtivo, nocte cremare). Herausgegriffen ist die lebensgefährdende Absicht und von der Vorstellung der Heimsuchung beeinflußt beim Gewaltbrand (fries. waldbrond), dem Überfall eines Hauses mit einer Schar, um es niederzubrennen. Das Willensmoment steht im Vordergrund, wenn das norw. Recht jede B. heiptugri hendi als schwere behandelt, das angels. den Täter als blcesere bezeichnet, kontinentale Rechte den Willen in den Tatbestand aufnehmen (volens, voluntarie,

asto animo incendere). Hierbei kann dann die Eigenschaft des Objekts wie die Absicht des Täters belanglos sein, diese allenfalls sogar qualifizierend wirken. Schwer sind die F o l g e n der B. im engeren Sinn. Nicht nur kann derauf handl hafter Tat ertappte Brandstifter (aschw. j morpbreennari, anord. brennuvargr, brennu\ maSr, ags. blassere) sofort getötet, insbesondere in das Feuer gestoßen werden oder verfällt der Todesstrafe, sondern auch der I nicht auf frischer Tat ergriffene ist friedlos. | Und wo die Buße die Friedlosigkeit zu • verdrängen vermochte, ist sie von erheblicher Höhe, gibt allerdings auch Ver• anlassung, zu berücksichtigen, ob Menschen ! in der Tat umgekommen sind oder dies nur ' beabsichtigt war. i Als Ungefährwerk (s. d.) erscheint die ; B. in Fällen typischer Fahrlässigkeit, im Falle eines Verstoßes gegen die zahlreichen j Vorschriften über die Bewahrung des ! Feuers. So beim schwedischen brandva/i (Anzünden von Feuer im Wald, Tragen von Licht zwischen Häusern usw.), ebenso beim norwegischen vactaeldr. Hier ist, wie im jütischen und in kontinentalen Rechten, nur Schadensersatz zu leisten, keine Strafe. Nur als Sachbeschädigung behandelt das angelsächsische Recht den Waldbrand (wudubcernett), andere Rechte das Anzünden eines Zaunes, gefällten Holzes oder eines Schobers. Hier fehlt eben der Angriff auf den Menschen. B r u n n e r D R G . I I 654. W i 1 d a Strafrecht 940 ff. H i 5 Strafrecht 349 ff. B r a n d t Retshistorie II 1 1 3 f. M a t z e n Strafferet 121 f. O s e n b r ü g g e n Alam. Strafrecht 354; Lang. Strafr. 154. d e l G i u d i c e Diritto penale 165 ff. M e r k e r Straf, d. Grägäs 82 f. N o r d s t r ö m Bidrag I I 323 f. v. Schwerin.

Branowitzer Typus, älterer, von A. Voß herrührender Name der Kulturgruppe der Glockenbecher (s. d.) oder Zonenbecher nach einem mährischen Fundort. A. V o ß

ZfEthn. Verh. 1895.

I21

M. Hoernes.

Bratrost, -pfanne. Die alten Skandinavier kochten das Fleisch gewöhnlich. Wenn sie es brieten — was besonders unter den Häuptlingen geschah —, wurde es an einem Spieß (teinn) über das Feuer ge-

BRÄUNE

BRETTSPIEL

halten: daher anord. steik 'Braten', steikja ! stattgefunden, ehe die Angelsachsen ihre 'braten' (mit Stecken verwandt). Spätkontinentale Heimat verlassen hatten. Daanord. rist 'Bratrost', und järngrilli , Eisen zu stimmt die Tatsache, daß auf germ. rost' sind Lehnwörter. Auch brandreid, Boden röm. Spielsteine gefunden sind, die 'Bratrost', tritt erst ziemlich spät auf und schon innerhalb der sog. r ö m . P e r i o d e muß ursprünglich eine andere Bedeutung (1.—3. Jh. n. Chr.) ins Land gekommen gehabt haben (s. F e u e r b o c k). Dagegen sein müssen, meist wohl als Luxusartikel finden wir in England und Deutschland importiert. sowohl den Bratrost (ags. hierste, wovon § 2. Das M a t e r i a l , aus dem die in hierstan 'rösten, braten', ahd., mhd. röst), Schweden, Dänemark, Deutschals auch die Bratpfanne (ags. /olle 'sartago', l a n d u n d E n g l a n d nachgewiesenen hierstepanne, brädepanne, ahd. röstpfanna). Brettsteine hergestellt sind, ist meist Glas, M. H e y n e D. Hausaltert. II 290 f. ein- oder mehrfarbig, selten Millefioriglas, Hjalmar Falk. oder auch Bernstein, Knochen und Stein. Sie zeigen meist d i e s e l b e Form: Bräune, H a l s b r ä u n e , die schwere, beängstigende und in ihren Erscheinungen sind rund, unten flach, oben leicht gewölbt. so auffällige Krankheit ist als prewnin \I Zu einem Spiele gehörten Steinchen zweiererst spät benannt. Als Übersetzungen lei Farbe (wie bei unserem Damspiel): ein lateinischer Termini begegnen mhd. halsuht, Bronzeeimer von Hemmoor (Nord-Hanchelasuht, chelsuht, kelsuht. Verschiedene nover) enthielt vier weiße und vier schwarze, Formen der phlegmonösen oder diphein anderer ebenfalls Bruchstücke von t h e r i s c h e n Angina werden ags. als healsweißen und schwarzen. — Reste mehrerer gund, geaglswil, welche mit Schluck- und hölzerner S p i e l b r e t t e r , die aus dem Atembeschwerden einhergehen, in Balds Vimoor auf Fünen gehoben sind, zeigen, Laeceboc I 4, 4 — 6 beschrieben; das dabei daß diese in Form und Größe unsern Damgebrauchte brunepan stammt aber von brettern glichen. Die Tafeln sind für mlat. pruna, prunella der Mandelschwellung verschiedene Spiele eingerichtet gewesen, her (Cockayne Leechd. II 46—49; Leondenn sie haben auf der einen Seite quahardi Bibl. d. ags. Pros. V I 14 f.). dratische, 2—2,5 cm große Felder, auf der Heyne Hausaltert. I I I 127. H ö f l e r !! anderen größere und kleinere Kreise und Krkhtsumbch. 65. G e l d n e r , Unters, z. alt- J Halbkreise rings um den Rand, während engl. Krkhtsnamen II, 1907. 25—28. ! die Mitte leer ist. — Über den Charakter Sudhoff. | der Spiele dieser frühen Epoche wissen wir Brettspiel. A. U r s p r u n g . § I. ; nichts. M ü l l e n h o f f DA. 4, 352. S. M ü l l e r S p r a c h e und B o d e n f u n d e stellen Nord. Altertumsk. 2, 87. 108 f. Schräder außer Zweifel, daß die Germanen ihre : Reallex. 785. W i 11 e r s Die röm. Bronzeeimer v. Kenntnis von Brettspielen den R ö m e r n 1 Hemmoor (Hannover u. Leipzig 1901) 93 f. verdankten. Auf lat. tabula 'Spielbrett' ' M 0 n t e 1 i u s Kulturgesch. Schwedens (1906) gehen zurück ahd. zabal (mhd. zabet) n., j 190. 192. ae. tcef(e)l f. u. n. (?) 'Spielbrett, Brett- ! spiel', aisl. tafl n. 'Brettspiel'; dazu die B. E n g l a n d u. D e u t s c h l a n d . denominativen Verba mhd. zabel{e)n, ae. § 3. Auch in der Folgezeit bleibt unsere teflan, ta>fl(i)an, aisl. tefla 'zabeln'. Das K u n d e dürftig. Die englischen 'Spielbrett' heißt außerdem spätahd. u. Z e u g n i s s e werden passend vorangemhd. zabel-bret n., aisl. tafl.-bord' n., das stellt, da sie wertvollere Information ge'Brettspiel' mhd. zabel-spil n. Die Termini währen als die deutschen. — Neben für 'Spielstein' sind spätahd. u. mhd. S p i e l s t e i n e n jener oben beschriesabel-stem, ae. tesfl-stän (auch einfach benen Art, von denen Exemplare im teefl) m., aisl. tafla f. und für 'Brettspieler' Anglo-Saxon Room des Brit. Museums spätahd. u. mdh. zabelcere, ae. tceflere, (Case 30, aus Oxfordshire stammend) zu aisl. tafl-mafrr m. Entlehnung des Stammsehen sind, ist hier noch auf zwei Typen wortes hat in den e r s t e n nachhinzuweisen, die eigenartige, interessante christlichen Jahrhunderten Formen zeigen (beide ebenfalls im Brit.

312

BRETTSPIEL

Mus. befindlich). Der eine Satz, 63 S t ü c k zählend, ist auf dem K i n g ' s Field, F a v e r s ham ( K e n t ) gefunden und datiert aus dem A n f a n g des 7. J h s . (Abb. 5 3 ) : es sind Pferdezähne, deren Spitzen abgeschliffen

Abb. 53.

ioria Hist, of the Counties of Engl., Buckinghamshire I 203). D a s S p i e l b r e t t wird mit poetischer Umschreibung wegen der bunten Felder passend bleo-bord n. 'tabula colorata' genannt (s. u.).

S p i e l s t e i n e aus K e n t , A n f a n g des 7. J h s . (Brit. Mus., A n g l o - S . R o o m . )

sind, zwei darunter unbearbeitet (s. Re§ 4 . Die K u n s t des Brettspiels w a r hochproduktion). D i e z w e i t e Gruppe (Abb. 54), j geschätzt: ae. Dichter nennen sie ein Ge-

A b b . 54. S p i e l s t e i n e aus G r a b h ü g e l in T a p l o w ( B u c k s . ) , A n f a n g des 7. J h s . (Brit. Mus., A n g l o - S . R o o m . )

gleichen Alters wie die vorige, legt Zeugnis ab f ü r eine schon recht vorgeschrittene Herstellungstechnik; die aneinander gefügten Teile aus Knochen werden durch einen Silberstift zusammengehalten (s. Reproduktion); Fundort ist der Grabhügel in T a p l o w in Buckinghamshire (Vic-

schenk Gottes; 'D. V. 70 f . :

Menschen

Geschicke'

s u m u m trefle erreft, bleobordes gebregd;

( B d a P . 3, 1 5 0 ) .

'Manchem [verleiht der Herr] die K u n s t des Brettspiels, des B u n t b r e t t s L i s t e n '

BRETTSPIEL (aisl. tafl-bregi?n. pl.). 'D. Menschen Gaben' V.73: . ...SumbiO hrad taefie (aaO. 142). 'Mancher ist gewandt im Brettspiel'. Von den verschiedenen Spielen, die üblich gewesen sein mögen, scheint sich eine A r t B a c k g a m m o n ( P u f f oder T r i c k t r a c k ,

me.

gamen

of

des

and

of

tables)

besonderer Beliebtheit erfreut zu haben; darauf deuten die W o r t e des Spruchdichters, der sicherlich nicht bloß an ein einfaches Glücksspiel gedacht hat, Exet. Denkspr. V . 182—85: H y twegen sceolon ta^fle y m b s i t t a n , [Menden him h y r a torn töglide; forgietan Jjära geöcran gesceaft[a], [habban him gomen on borde: Idle hond [is] lange Eemet[ig] [ge]neah[he] taefles monnes, ]>onne teoselum weorped

(aaO. 1, 351 u. Holthausen Engl. Stud. 37, 200). 'Sie beide [die Brüder] sollen um das Spielbrett sitzen, währenddessen ihnen ihr K u m m e r schwindet; [sollen] die harten Geschickc vergessen, ihre Lust haben auf dem B r e t t : die träge Hand des Brettspielers ist lange müßig genug, wenn er würfelt.' § 5. In D e u t s c h l a n d kürzten Fürsten und Vornehme ihre Mußestunden mit dem Brettspiel. Protadius, der Hausmeier Theoderichs II. von Burgund, wurde (i. J. 604/5) erschlagen, als er im Zelte des Königs mit dem Leibarzt Petrus zabelte, Fredegar Chron. IV 27 (MGS. Merov. II 131, 31 f.). Otto d. Gr. liebte es als Erholung neben J a g d und Reitkunst, W i d u kind v. Corvey Res gest. Sax. II 36 (MGS. I I I 448, 1 f.). Die beiden aufständischen Herzöge Eberhard v. Franken und Giselbert v. Lothringen waren — darin vertieft — auf dem rechten Rheinufer geblieben, nachdem ihre Truppen schon übergesetzt waren, Ekkehard Casus S. Galli V 50 (MGS. II 104, 7 f.). A u c h Frauen schätzten diese Unterhaltung: die Äbtissin von Poitiers entschuldigte sich, als sie auch deswegen angeklagt wurde, sie habe schon mit der heil. Radegund gespielt, Gregor v . Tours Hist. Franc. X 16 (MGS. Merov. I 428, 5ff.). — Der Terminus für ' P u f f s p i e l ' , ahd. wurf-zabal

n.

(mhd.

wurf-zabeT),

von den Glossatoren überliefert. § 6. D a m e n z i e h e n und H o o p s , Reallexikon.

I.

ist

uns

andere

313

Spielformen werden zufälligerweise nicht ausdrücklich genannt. — U n s e r sehr mageres Material gibt zudem keinen Aufschluß, in welchem Umfange und mit welchen Modifikationen einzelne röm. Brettspiele von den Germanen übernommen sind. Immerhin dürfen wir das Puffspiel mit dem 'ludus duodeeim scriptorum', dem es sehr ähnlich gewesen sein muß, in Verbindung bringen. Thrupp The Anglo-Saxon Home 388 f. P f ä n d l e r Vergnügungen d. Ags., Angl. 2 9 , 4 5 7 5 . — L i n d e n s c h m i t D. Altertumsk. 484 f. S a s s Z. Kultur- u. Sitiengesch. d. sächs. Kaiserzeit (Berlin 1892) 49. W e i n h 0 1 d D. Frauen3 1, 104 f. Fritz Roeder.

C. N o r d e n . § 7. Bei den N o r d germanen, deren charakteristischer H a n g zu Verstandesübungen sich unter anderm in der Wahl ihrer gesellschaftlichen Unterhaltung äußerte (vgl. Spiele), nahm das B. einen hervorragenden Platz als Zeitvertreib in ruhigen Stunden ein. Zeugnis davon legen die Funde von Spielsteinen und Brettern ab (s. o. § 2). Am 'Anfang der Zeiten' sitzen die Asen auf dem Idafeld und spielen Brett mit goldenen Steinen; diese finden sich wieder nach dem Ragnarök und werden von dem neuen Göttergeschlecht in Gebrauch genommen. Geschichte und Dichtung der Wikingerzeit, besonders aber die nachklassische Volksliteratur wimmelt von hierhergehörenden Motiven: die Helden weilen in der Halle am Brettspieltisch (.Hrafnsm.), die Liebenden im Frauengemach (Körnt.; Folkeviser), das Gesinde im Stall (Hardars.), der K r a n k e vergißt darüber seine traurigen Gedanken (Väpnf. s.), der K ä m p e holt das Goldbrett wieder v o n den Riesen, usw. Auf Island nahm die Gesetzgebung der freistaatlichen Zeit Veranlassung, Brettspiel und Würfeln um Einsätze zu verbieten (Grg. II 169), ebenso wie auch der norwegische Verfasser des Königsspiegels streng davor warnt. Spielsteine wurden gern in kostbaren Lederbeuteln aufbewahrt, mit Goldringen an den Zugbändern, während das Brett mit einem Ring versehen war, damit man es an die W a n d hängen konnte. § 8. Doch kann die Zahl und noch weniger die genaue Beschaffenheit der Brett 21

314

BRILLENSPIRALEN—BRONZE

Spielarten der Wikingerzeit kaum genau angegeben werden. Das häufigst erwähnte ist hnefatafl (hneftajl, hnettafl), am besten bekannt aus den Rätseln der Hervararsaga und dem isl. Baldrsheimafund (Skyrsla forngripas. 1863). Es wurde auf quadratischen Feldern gespielt mit halbkugelförmigen Glas- oder Knochensteinen, 12 gegen 13, die eine Partei weiß, die andre dunkel; das Spiel drehte sich um eine Hauptfigur (hneji), die der dunklen Partei gehörte; die Züge wurden durch Würfeln bestimmt. Möglicherweise ist das Brettspiel des Fundes vom Vimoor identisch hiermit, obwohl dessen Brett mindestens 18 Felder auf der einzigen bewahrten Ecke trägt. § 9. Itrekstafl, nur bekannt aus der Hervarars., wurde mit 16 (oder 32?) Steinen gespielt; die Königssteine wurden Itrekr (ein Odinsname) und Andaär (ein Riesenname) genannt; vielleicht ist das nur eine poet. Verkleidung für das Schachspiel {S. Bugge, Norr. Skr. 360). § 10. Über das S c h a c h s p i e l s. besondern Artikel. Lit. s. unter Schachspiel. Björn Bjarnason_

Brillenspiralen sind bei den nicht-germanischen Völkern Zentraleuropas schon in der Kupferzeit bekannt als Haar- oder Hängeschmuck. Bei den Germanen findet man Brillenspiralen in der jüngeren Bronzezeit, nicht eigentlich als Schmuck, sondern als G ü r t e l h a k e n .

B. Schnittger.

unter der Bedingung zurück, daß sie zwei mächtige Könige zu unaufhörlichem Kampf gegeneinander hetze (Fas. I, 391 ff.). § 2. Eine skaldische Dichtung, zu der dem Dichter ein Bild in Öläf päs prächtiger Halle den Stoff gegeben hat, erzählt weiter, daß Loki den Halsschmuck gestohlen und auf einsamer Insel, dem Singastein, bewahrt habe; dort habe ihn Heimdallr wiedergeholt, nachdem beide Asen hier in Robbengestalt miteinander gekämpft hätten (SnE. I 266. 268). § 3. Als Brosinga mene begegnet auch im Beowulf (v. 1200) ein prächtiger Schmuck, den Heimir König Ermanrich überbracht haben soll. Man hat dieses Wort in Brisinga mene verändert, deutet es als 'Kleinod der Breisingen' und findet in diesen die Harlungen, die in der Heldensage die mythischen Dioskuren des Tacitus vertreten sollen. So hat Müllenhoff einen urgermanischen Halsbandmythus konstruiert, nach dem die Dioskuren im Dienste der Himmelsgöttin Frija dieser vorauseilten, bald aber ihren Tod fanden; die Vorstellung sei gewesen, daß allabendlich dieser Schmuck, die Sonne, geraubt, am Morgen aber der Himmelsgöttin zurückerkämpft wurde. Allein der Halsbandmythus ist nordische Dichtung; brisingr heißt 'Feuer', brisa 'flammen, leuchten', und noch heute heißt in Norwegen das Freudenfeuer, das auf den Bergen leuchtet, brising. Diese Feuer flammten der wiederkehrenden Sonne entgegen; sie gaben Veranlassung zur Mythe vom Halsbandschmuck der Freyja.

Brisinga men. §1. Im nordischen Mythus der prächtige Brust- und HalsMüllenhoff Z f d A . 1 2 , 304. 30. 220 ff. schmuck, den man der Freyja zuschrieb E . Mogk. und den sie Thor lieh, als sich dieser zur Fahrt nach Riesenheim begab, um in Bronze ( E r z ) . § 1 . Metallmischung Frauengestalt hier seinen Hammer wiedervon gewöhnlich 90 Teilen Kupfer und zuerlangen (|>rymskv. 12 ff.). Nach diesem 10 Teilen Zinn, manchmal auch noch mit Schmucke hieß die Göttin Menglcje) 'die Bleizusatz bis zu 8 Teilen. Bei den GerHalsbandfrohe'. Nach einer späten Sage, manen vorwiegend zum Gießen in Hohldie den Ursprung des Schmuckes erklären formen bestimmt, aber auch öfters zu soll, haben diesen vier Zwerge an einsamer Blech ausgehämmert und getrieben sowie Meeresklippe geschmiedet, von denen ihn geschmiedet. Nach der ältesten Metallzeit die Göttin nur dadurch erhielt, daß sie (Kupferzeit, s. d.) trat die B. überall, auch sich diesen Zwergen in vier aufeinanderim hohen Norden, für Waffen, Werkzeuge, folgenden Nächten hingab. Loki verriet ! Geräte und Schmuck in mannigfachster Anwendung auf, gewiß zuerst aus dem das Geheimnis dem Öc)in, und dieser bestimmte ihn, das Brlsinga men zu rauben. Süden importiert; die Erfindung der B. dürfte dem Orient angehören. Darauf erhielt es Freyja von Ödin nur

BRONZEGEFÄSZE

315

§ 2. Die B. nimmt eine schöne Patina an, eine Oxydkruste, die bei mehr Kupfer gehalt grüner, bei mehr Bleizusatz schwärzlicher zu sein pflegt. § 3. Die B. trat in ihrer Anwendung an die Stelle des Steins und herrschte dann eine sehr lange Zeit ausschließlich, bis langsam das Eisen es auf einzelnen Gebieten, insbesondere dem der Waffen und Werkzeuge. ersetzte. Weiteres unter 'Bronzezeit'. Für kleinere Gebrauchsgegenstände und Schmuck ist die B. neben den sparsamen edlen Metallen bis weit über das Ende des ersten Jahrtausends n. Chr. hinaus das am meisten angewandte Metall geblieben, aber in der Folge auch vielfach für die Herstellung von Geräten und größeren Arbeiten, wie von Leuchtern, Gittern, Schranken, vor allem von Türen und von Werken der eigentlichen Plastik verwendet worden.

man in weit zurückliegenden Zeiten in Gold, Silber und Kupfer bezw. Bronze Gefäße aus einem Stück herauszutreiben verstand. In primitiverer Technik wurden die Gefäße aus mehreren Teilen von Bronzeblech zusammengenietet. Die vollkommenere Art, wie einzelne Metallteile verbunden wurden, bestand im Löten. In der Goldschmiedekunst bezeichnen wiederum die Schatzfunde von Troja ein hoch entwickeltes Stadium der Löttechnik. Bei Bronzegefäßen ist diese Technik von den Griechen und nach ihnen von den Römern angewendet worden. Die letzteren vermitteln sie der späteren Fabrikation. In Nordeuropa lernte man erst in einem jüngeren Abschnitte der älteren Bronzezeit bronzene Gefäße herstellen. § 2. Ä l t e r e n o r d i s c h e Bronzezeit. Gleich im Anfang einer langen Entwicklung sondern sich nach der Technik C a r l Z e t z s c h e Eisen u. Bronze, Berlin 1 9 1 1 , zwei verschiedene Industriekreise ab. In S. 3 6 — 6 2 . der nord. Bronzeindustrie verstand man A. Haupt. nur durch Guß Gefäße aus Bronze zu verfertigen. Die zahlreich in Norddeutschland Bronzegefäße. Inhalt. § 1. Allgemeines. § 2. Ältere norund Skandinavien gefundenen, getriebenen dische Bronzezeit, a ) Altgerman. Fabrikate in Gefäße sind als importiert zu betrachten. Gußtechnik, b ) Südliche Importstücke in Treibea) A l t g e r m a n i s c h e F a b r i k a t e technik. § 3. „Altitalischer'* Import in der jüngeren inGußtechnik. Die Herstellung von nordischen Bronzezeit (Villanova- und Hallstattgegossenen Gefäßen war in Nordeuropa Kultur). a) Allgemeines, b) Entwicklung, c) während der Bronzezeit auf die SchmuckFormen. § 4. Griechischer Import, a) A l t dosen oder sogen. Hängegefäße beschränkt. griechische Fabrikate des 7. und 6. Jahrhs. v. Chr. (Hallstatt-Periode), b) Klassisch-griechische FaIhre Fabrikation dauerte von einem jünbrikate des 5. und 4. Jahrhs. v. Chr. (La Tenegeren Abschnitt der älteren Bronzezeit Periode, Stufe A u. B). § 5. Alt-keltische Fabribis zur Schlußphase der ganzen Epoche. kate. § 6. Jüngerer Import. L a Tene-Stufe D In dieser Zeit läßt sich eine reiche Formenund römische Kaiserzeit (2. Jahrh. v. Chr. — 4. entwicklung etwa in vier Stufen beobJahrh. n. Chr.). a) Jüngere keltische Fabrikate. achten. b ) Italische Fabrikate (römische Handelsware). Die ä l t e s t e n sind runde, flache Dosen c) Provinzial-römische Fabrikate. § 7. Nachmit zwei am Rande aufrecht stehenden römische Epochen, a) Fabrikate der Verfallzeit. rechteckigen Ösen und einem flachen Deckel, 400—600 n. Chr. Exkurs über skythische Importin dessen Mitte eine breite Bandöse sitzt. ware. b) Germanische Fabrikate. 600—800 n. Chr. § 8. Wikingerzeit 800—IOOO n. Chr. Zum Verschluß konnte durch diese drei Ösen ein Riegel gesteckt werden. Aus den § 1. A l l g e m e i n e s . Nach der TechAbnutzungsspuren an den Henkelösen hat nik sind die durch Guß hergestellten Geman geschlossen, daß sie am Gürtel —• fäße von den getriebenen zu unterscheiden. mit der Bodenseite nach außen gerichtet — Gegossene Gefäße sind in verschiedenen getragen wurden. Epochen der vorgeschichtlichen EntwickForm und Verzierungen deuten auf lung Europas im Gebrauch gewesen. Die hölzerne Vorbilder. Man unterscheidet kunstvollere Technik des Treibens ist vertiefte Flächenmuster, durch den Guß südlichen Ursprungs. Schon die Funde hergestellt und mit einer Harzmasse inaus der 2. Ansiedlung von Troja (3. Periode krustiert, und durch Punzen eingeschlagene = 2000 v. Chr. u. früher) zeigen uns, wie 21*

316

BRONZEGEFÄSZE

Linien- und P u n k t m u s t e r , alle auf die Unterseite b e s c h r ä n k t . Die beliebten S t e r n m u s t e r sind den H o l z g e f ä ß e n entl e h n t ; a u c h die hier zur E i n f a s s u n g gebräuchlichen Z i n n s t i f t e werden in B r o n z e n a c h g e a h m t . T y p u s I = Montelius Periode III. Der n ä c h s t j ü n g e r e T y p u s II ist trichterförmig, indem der B o d e n n a c h a u ß e n sich z u s p i t z t . B e i m d r i t t e n T y p u s bildet sich allmählich ein Ober- u n d Unterteil aus, bis die B a u c h w a n d u n g einen scharfen U m bruch erhält und die ursprüngliche, v e r t i kale W a n d u n g als R a n d stehen bleibt. A l l m ä h l i c h ändern sich a u c h die Muster, indem die Linien u n d P u n k t e überwiegen. T y p u s I I und I I I = Montelius Periode I V . B e i m v i e r t e n T y p u s i s t der B o d e n spitzbogenartig gewölbt; der oberste R a n d b i e g t scharf nach innen um und an die Stelle der Bügelösen treten zwei bis vier länglich runde Löcher unterhalb des Randes. Die O r n a m e n t i k ist j e t z t a m weitesten e n t w i c k e l t und v o n f r e m d e n Einflüssen a b h ä n g i g ( B a n d - und Spiralmotive, laufender Hund, Flechtband, Mäander, H a k e n k r e u z , Triskele, T i e r k ö p f e an den E n d e n der B ä n d e r , konzentrische Ringe). T y p u s I V = Montelius Periode V und V I . Dieser ganze Industriezweig ist echt germanisch und verleiht der nordischen B r o n z e g u ß t e c h n i k ihr g a n z besonderes Gepräge. Die gegossenen G e f ä ß e reihen sich w ü r d i g an die bronzenen W a f f e n und Geräte desselben Kreises an. Ihre H e i m a t haben sie nur ausnahmsweise verlassen, wie das im P f a h l b a u v o n Cortaillod (Neuenburger See, Schweiz) g e f u n d e n e H ä n g e g e f ä ß (bei Heierli, Urgesch. d. S c h w e i z S. 292 F i g . 311), das sicher aus dem germanischen Norden importiert ist. (Taf. 18, I.) S. M ü l l e r Ordning af Danmarks Oldsager I Bronzealderen 123 (Typ. I). 124 (Typ. II). 355 (Typ. III). 388. 389 (Typ. IV). O . M o n t e l i u s D. alleren Kulturperioden I 58 ff. R. B e 1 t 2 D. vorgesch. Altert, d. Grhzgt. Mecklb. Schw. 1910. Tf. 34, I i i . 112; Tf. 42, 84. 85.

b) I m p o r t i e r t e Gefäße in Treibetechnik. In Nord- und Mitteleuropa gehören die ältesten getriebenen Gefäße in den 2. A b s c h n i t t der älteren

B r o n z e z e i t ; sie k o m m e n also z u s a m m e n m i t den ältesten gegossenen Gefäßen v o r ( = Montelius Per. III). Ihr F o r m e n k r e i s bes c h r ä n k t sich auf zwei T y p e n : eine H e n k e l tasse und ein K u l t g e r ä t , das aus einem vierrädrigen Wagengestell u n d einem aufgesetzten, kesselartigen G e f ä ß z u s a m m e n gesetzt ist (Kesselwagen, s. d.), „ d i e V o r läufer altitalischer Metallgefäße der H a l l ! Stattzeit". Die älteste Henkeltasse h a t eine kleine, breitbauchige, niedrige F o r m mit w e n i g e i n g e d r ü c k t e m B o d e n und abgesetztem, s c h r ä g n a c h auswärts grichtetem R a n d e , sowie einen angenieteten, engen B a n d h e n k e l und ist in der Regel im Unterschiede v o n den jüngeren F o r m e n n i c h t mit B u c k e l n verziert. (Taf. 18, 2.) V e r b r e i t u n g : meistens in N o r d d e u t s c h land u n d Skandinavien, daneben Schlesien, B ö h m e n , Schweiz, Frankreich. S. „Kesselwagen". S. M ü l l e r Ordning I Bronzealderen Nr. 100. 0. M o n t e l i u s in Svcnska fornm. tidskrift X I 35 F'g- 35- Altert, u. h. Vorz. V 7 Tf. 39, 657 (P. Reinccke S. 213 ff.). R. B e l t z D. vorgesch. Altert, d G. Mecklb.-Schw. Tf. 34, 115. H. S e g e r Sckles. Vorz. N. F. IV 1907 S. 21 Fig. 17 (Depotfund von Rohow, Kr. Ratibor).

§ 3. „ A 1 t i t a 1 i s c h e r " I m p o r t . •— H a l l s t a t t k u l t u r - K r e i s , a) j Allgemeines. Die Henkeltassen der | älteren B r o n z e z e i t führen z u einer langen < Reihe von getriebenen Bronzegefäßen, | die n a c h Nordeuropa (Norddeutschland, D ä n e m a r k und Schweden) aus einem oder mehreren, südlich gelegenen F a b r i k a t i o n s z e n t r e n in der zweiten H ä l f t e der nord. B r o n z e z e i t (Montelius Per. I V — V I ) auf längst begangenen Handelswegen gebracht w o r d e n sind. A u s denselben W e r k s t ä t t e n w e r d e n schon vorher die in A b s c h n i t t 2 behandelten B r o n z e g e f ä ß e h e r v o r g e g a n g e n sein. Die jüngeren P r o d u k t e bilden nach F o r m u n d T e c h n i k eine einheitlich geschlossene G r u p p e und unterscheiden sich v o n den älteren in der V e r z i e r u n g d u r c h das U b e r wiegen der B u c k e l m o t i v e und k o n c e n trischen gleichfalls herausgetriebenen K r e i s g r u p p e n , sowie durch den figürlichen R e liefschmuck, und in der T e c h n i k durch eine gleiche A r t der Z u s a m m e n f ü g u n g

BRONZEGEFÄSZE

317

illyrischen Kreises, deren Verfall im 5. J h . mehrerer (2—3) Bronzeblechteile vermittelst Nieten. Eine Sondergruppe zeicheintritt (s. „Situla"). net sich durch besonders fein „gravierte" c) D i e F o r m e n . Linienmuster aus, die man wohl richtiger ! K e s s e l e i m e r ( S i t u l e n ) i n verals gepunzt bezeichnet. Das ganze Material schiedenen Formen als Stand- und verteilt sich auf die ältere und jüngere Traggefäß: I. ohne Fuß, konisch nach Hälfte der mitteleuropäischen Hallstattunten verjüngt, mit zurückgesetztem Kultur (erste Hälfte des 1. Jahrtausends Rande und festen Handhaben im oberen v. Chr.; die ältesten mögen noch in das Drittel. Dänemark, Norddeutschland, vorhergehende Jahrtausend gehören). Im Süddeutschland, Ungarn, Italien. Montelius einzelnen finden sich Gegenstücke in der Bronzeperiode IV = Hallstattstufe I. ober- und mittelitalischen Villanovakultur. 2. mit Fuß, schlanker als die vorigen, mit festen Handhaben. Jüngste nordische 0. M o n t e l i u s in Svenska fornminnes föreningens Tidskr. X I 1900, I ff. Auszug Bronzezeit. Dänemark. 3. Situlen im daraus: Sirena Helbigiana 1900 S. 200 ff. engeren Sinne, Trageimer mit beweglichen P . R e i n e c k e im Korrespbl. d. dtsch. anthrop. Henkeln, ohne Verzierungen und mit Relief Ges. 1900, 34 ff. u. Altert, u. h. Vorz. V 10 T f . 56 bildern. In Nordeuropa kommen nur die S. 324 ff. R . B e 1 1 z D. vorgesch. Altert, d. G. einfachen glatten Exemplarevor (Taf. 18, 3.) Mecklbg.-Schw. 1 9 1 0 T f . 43 S. 253 f. v. S a c k e n 1 — S. „ S i t u l a " . Grahjeld v. Hallstatt T f . X X — X X V . t e 1 i u s Civil,

prim.

O.Mon-

en Ualie I u. I I .

b) E n t w i c k l u n g . Die Darstellung einer Geschichte dieser Bronzegefäßindustrie ist noch nicht möglich. Ihre Formen verteilen sich nicht in lückenloser Reihe auf die verschiedenen Stufen der genannten Periode. Aber die O r n a m e n t i k scheint mit einigen Merkmalen auf eine Entwicklung hinzuweisen. Die immer beliebten Reihen von kleineren und größeren Buckeln werden in dem älteren Abschnitt, dem die italischen Pozzogräber entsprechen, zur Darstellung von Vogelprotomen verwendet, die vielfach reihenweise sich zeigen. Charakteristisch ist ein wappenartiges Tiermotiv, zwei zu beiden Seiten einer Radscheibe gruppierte Vogelprotomen, ein Muster, das man wohl mit Unrecht auf die ägyptische Sonnenscheibe mit den Uräusschlangen zurückgeführt hat. In einer späteren Epoche (Stufe I I I nach Reinecke = 8. J h . v. Chr.; ältere Fossagräber in Italien) gewinnen die figürlichen Darstellungen (Wasservögel, Pferde, sogar Menschen) an Bedeutung, werden jedoch immer noch „gebuckelt"; daneben die Zonen von konzentrischen, mit dem Stempel eingeschlagenen Ringen, und die Reihen von gestanzten Wasservögelchen. Zum Schluß (Stufe IV nach Reinecke = 7. u. 6. J h . v. Chr.) folgt die Herrschaft des „griechisch-orientalisierenden" Stils, die Blüte der Situlenkunst des venetisch-

1. 0 . M o n t e l i u s Svenska Tidskr. X I . Fig. 8 — 1 1 ; 78. A . u. h. V. V 10 T f . 56, 1 0 1 8 . R B e 1 1 z Altert. T f . 43, 89. — 2. O. M o n t e l i u s Sv. Tidskr. Fig. 3. S. M ü 1 1 e r Ordning I Bronsealderen Nr. 362

A m p h o r e n in verschiedenen Varianten. 1. doppelkonisch, ohne Fuß, mit engem, kurzem Halse und engen Bandhenkeln in mittlerer Höhe. Ältere Hallstattperiode. Schonen, Fünen, Posen. 2. mit Fuß, konisch nach unten verjüngt, mit hohem Hals und festen Handhaben im oberen Teile. Ältere Hallstattperiode. Dänemark, Westpreußen. J ü n gere Varianten: Hallstatt, Böhmen. 3. kugelbauchig, mit engem Halse und festen Handhaben in der Mitte. Schlesien. Jüngere Hallstattperiode = Reinecke Stufe III. 1. M o n t e l i u s Sv. Tidskr. X I Fig. 1. 2. 5. — 2. M 0 n t e 1 i u s Sv. Tidskr. X I Fig. 3. 4. 6. 7. — 3. A. u. h. V. V , 1 0 T f . 56, 1029.

S c h ü s s e l n flach, glatt, im unteren Teile mit Hohlkehlen. Nachahmungen in Ton. Frühe Hallstattzeit = Reinecke Stufe I. Bayern. A. u. h. V. V , 1 0 T f . 56, 1 0 1 9 ; S. 325 A b b . 1.

B e c h e r ohne Henkel, mit feiner Randverzierung. Nachahmungen in Ton. Frühe Hallstattzeit = Reinecke Stufe I. Bayern. A . u. h. V. V , 1 0 T f . 56, 1020. 1 0 2 1 . S. 325 Abb. 1 b. c.

H e n k e l t a s s e n in zahlreichen Variationen, an die bronzezeitlichen sich anschließend, mit engen oder hochgewölbten

318

BRONZEGEFÄSZE

Bandhenkeln, glatt und in verschiedener Weise verziert (Buckel, konzentrische Ringe und „ g r a v i e r t e " Linienmuster). Jüngere nordische Bronzezeit. Ältere und jüngere Hallstattzeit. W e i t verbreitet in Süd-, Mittel- und Nordeuropa. 0 . M o n t e 1 i u s Sv. Tidskr. X I Fig. 22—24; 3 1 — 3 3 . S. M ü l l e r Ordning I Bronzealderen Nr. 360. P. R e i n e c k e A. u. h. V. V 8 Tf. 43, 721. 729; V 1 0 Tf. 56, 1022—1024. R . B e i t z Altert. Tf. 43, 92—94. — Eine singulare Variante aus Bayern (Stufe I V ) bei N a u e , Hügelgräber Tf. 36, 1.

Kannen und Krüge, ziemlich gleichförmig, annähernd kugelbauchig mit scharf abgesetztem, konischem oder geschweiftem, niedrigem Halse und großem geschwungenem Bandhenkel, der oben vielfach hörnerartige Ansätze h a t ; sehr verschiedenartig verziert, nicht nur mit Reihen von Buckeln, konzentrischen Ringen, Wasservögelchen, sondern in altgriechischer Manier mit Treppenmustern und Metopenbändern. Jüngere Hallstattzeit = Reinecke Stufe III. Süd- und Norddeutschland, Hallstatt, Italien. (Taf. 18, 4-) 0 . M o n t e l i u s Sv. Tidskr. X I Fig. 12. 16. R. B e 1 1 z Altert. Tf. 43, 90. 91. A. u. h. V. V, 1 Tf, 3, 47; V , 10 Tf. 56, 1027. v. S a c k e n Hallstatt Tf. X X I I I 2. 3.

F u ß s c h a l e , flach mit breitem, horizontalem Rande, und hohem, konischem H o h l f u ß ; aber auch ohne F u ß ; verziert mit Buckel- und Vogelreihen. Jüngere Hallstattperiode = Reinecke Stufe III. Süddeutschland, Hallstatt, Mittelitalien (hier auch Nachbildungen in Ton). A. u. h. V. V 1 Tf. 3, 48; V 10 Tf. 56, 1026. v. S a c k e n Hallstatt Tf. X X I V . . 2—9. 0. M o n t e l i u s Civ. prim. II pl. 317, 4.

K e s s e l in verschiedenen Varianten; gemeinsam sind ihnen die kreuzförmigen Henkelattachen, meist für zwei bewegliche Drahthenkel: 1. becken (kugelkalotten)-förmig, mit nur wenig sich einziehendem Rande ohne Profilierung, vielfach mit reicher gepunzter Randverzierung, auf die die Kreuzattachen angenietet sind. (Taf. 18, 5.) Diese Becken sind in allen Stufen der Hallstattperiode im Gebrauch und nicht nur im Kreise dieser K u l t u r , sondern auch

in Norddeutschland, Skandinavien und Ungarn verbreitet gewesen. Eine eigenartige Variante bildet ein gleichförmiges Becken, an dessen Rande auf einer besonderen Platte eine Tiergruppe ( K u h und K a l b ) in Rundplastik an Stelle des Henkels angenietet ist (v. Sacken a. a. O.). 2. schüsselartig mit breiter Standfläche und eingeknicktem Rande. Bisher nur in einem Exemplar aus Rossin (Pommern) bekannt. 3. eimerartig mit eingeknicktem schrägen oder zurückgesetztem geraden Rande, vielfach, wie Nr. I, mit reicher Randverzierung. Norddeutschland, Dänemark, Schweden, Hallstattkulturkreis, Italien (Bologna, Benacci 2). I. M o n t e l i u s Sv. Tidskr. X I Fig. 44—49. A. u. h. V. IV, 19; V, 10 Tf. 56, 1032. v. S a c k e n Hallstatt Tf. X X I I I . — 2. M o n t e l i u s Sv. Tidskr. X I Fig. 14. — 3. M o n t e l i u s Sv. Tidskr. X I Fig. 50—55. S. M ü l l e r Ordning I Bronzealderen 36211. M o n t e l i u s Civ. prim. en It. I pl. 81, 7.

Schöpfgefäße. I. halbrunde Schale mit angenietetem, bogenförmigem Griff. Jüngere Hallstattzeit = Reinecke Stufe I I I = 8. Jh. v. Chr. Süddeutschland, Hallstatt, Oberitalien. (Taf. 18, 6.) — 2. krugförmig mit Griff, wie bei Nr. I. Reinecke: Stufe III. Hallstatt. Süddeutschland. — 3. Kelle mit kleiner flacher Schale und langem Griff. 1. A. u. h. V. V , 10 Tf. 56, 1028. v. S a c k e n Hallstatt Tf. X X V 4. M o n t e l i u s Civ. prim. I pl. 86, 3. — 2. v. S a c k e n Hallstatt Tf. 25, 5. J. N a u e Hügelgräber Tf. 36,3 = M o n t e l i u s Sv. fornm. Tidskr. X I Fig. 15. — 3. v. S a c k e n Hallstatt Tf. X X V 6.

S o n d e r f o r m e n . I. hohes, doppelkonisches Gefäß mit horizontalem Rande und breiter Standfläche. — 2. zylindrischer, durchbrochen gearbeiteter Untersatz, verziert mit gestanzten Radmustern und Wasservögelchen, besetzt mit plastischen Vogelfiguren. — 3. kalottenförmige Schale mit festen Handhaben a m Rande auf hohem Fuß, der in der Mitte eine kugelförmige Erweiterung hat. Im Innern der Schale eine „ g r a v i e r t e " figürliche Darstellung in zwei konzentrischen Reihen: außen 8 weidende Tiere, innen dieselben

BRONZEGEFÄSZE Tiere abwechselnd mit Menschenfiguren. Jüngste Hallstattzeit = 7. Jh. v. Chr. — S. „ C i s t a " u. „ S i t u l a " . 1. v. S a c k e n Hallstatt Tf. 2. v. S a c k e n Hallstatt Tf v. S a c k e n Hallstatt Tf. X X I V n e s Jahreshefte d. österr. arch. 32 ff.

X X I I 4. X X I I 3. — 3. 1. M . H o e r Inst. I I I 1900,

W a s den Zweck der oben behandelten Bronzegefäße betrifft, so werden sie nicht nur dem täglichen Gebrauche gedient haben, sondern auch in einzelnen Fällen im K u l t u s verwendet worden sein. S. „Goldgefäße"; M o n t e l i u s Kulturgesch. Schwedens 1906 S. 139. §4. Griechischer Import, a) A l t g r i e c h i s c h e Fabrikate. Hallstattperiode. Bronzegefäße griechischer Herkunft gehören im Kreise der Hallstattkultur zu den größten Seltenheiten. Sie treten erst in den jüngeren Phasen derselben auf und sind die Vorläufer eines Massenimports, der für die folgende Periode charakteristisch ist. Der Formenkreis ist demgemäß auch sehr beschränkt. 1. Schüsseln, beckenartig, mit ausladendem, „ g e b u c k e l t e m " Rande. In Olympia, Unter- und Mittelitalien in Gräbern des 8. u. 7. Jhs. v. Chr. Späthallstättisch = Reinecke Stufe IV. Süddeutschland, Westschweiz, Frankreich. A. u. h. V. V 10 Tf. 56, I033 ai> .

2. K a n n e mit Kleeblattmündung, Rotellen am A n s a t z des hoch geschwungenen Henkels, besonders gegossenem und angelötetem F u ß ; oberer und unterer Henkelansatz mit gepreßten Bronzeblechen (Palmetten) verziert. Ostgriechisch (jonisch?) 7. Jh. v . Chr. Süddeutschland: Grabhügel von Vilsingen 0 . A . Sigmaringen (Hohenzollern) und von Kappel, Südbaden. (Taf. 20, 2). P. R e i n e c k e

ZfEthn. 1900 Verhdlg. 483

Fig. 1 und A . u. h. V. V 10 Tf. 56, 1035.

3. B e c k e n m i t G r e i f e n p r o t o m e n flach, ohne Randprofilierung, mit beweglichem Tragring an einer mit Scheiben verstärkten Stableiste, an der drei aufgerichtete Greifenköpfe befestigt sind. Grabhügel bei Lüneburg, Prov. Hannover. Dieser T y p u s geht wahrscheinlich zurück auf die K e s s e 1 m i t

319

G r e i f e n k ö p f e n , die zahlreich in Olympia gefunden wurden und wahrscheinlich ostgriechischer (jonischer) Herkunft sind. Gegenstücke sind auch aus Italien (Präneste) bekannt. Das schönste Importstück dieser A r t ergab der Grabtumulus L a Garenne bei Chatillon-sur-Seine (Burgund). M o n t e l i u s Sv. Tidskr. X I Fig. 62. h. V. II, III, 5 Nr. 1. — F u r t w ä n g l e r zen von Olympia S. 114 ff. Tf. 49.

A. u. Bron-

4. K e s s e l ähnlicher Form wie die vorigen, mit eisernen beweglichen Tragringen an mondsichelförmigen eisernen Attachen. Späthallstättisch = Reinecke Stufe IV und F r ü h - L a Töne-Zeit. Süddeutschland. P. R e i n e c k e A. u. h. V. V 10 Tf. 56, 1034; dazu S. 329 Abb. 3. Altbayr. Monatshefte III 124 ff. Abb. 3. 4.

5. H y d r i a , birnenförmig schlank, mit langem Halse und breitem horizontal ausladenden R a n d e ; an den Seitenhenkeln und am Halse reicher Bildschmuck: hier die ticrhaltende geflügelte Artemis, umgeben von wappenartig gruppierten Löwen und Schlangenleibern, dort Palmettenattachen mit seitlich gruppierten liegenden Löwen. Griechische Arbeit des 6. Jhs. v. Chr. Gefunden in einem Grabhügel bei Grächwyl (Kant. Bern, Schweiz) zusammen mit späthallstattzeitlichen Fibeln etwa des 5. Jhs. v. Chr. (Taf. 20, 1 u. ia.) H e ier1i Titelbild.

Urgesch.

d.

Schweiz.

372

mit

b) Klassisch - griechische Fabrikate. La Tene-Periode. In der zweiten H ä l f t e des 1. Jahrtausends v. Chr. sind es zunächst die Erzeugnisse griechischen Gepräges aus den klassischen Epochen des 5. u. 4. Jhs., die der Handel in den Kreis der keltischen L a TeneK u l t u r und von da weiter auch zu den nordischen Germanen bringt. W o ihre Industriezentren gelegen haben, ist noch nicht gesichert. Manches weist auf Unteritalien, wo die Griechen seit Jahrhunderten festen F u ß gefaßt hatten. In letzter Linie wird man aber diese Fabrikation auf die altgriechische zurückführen dürfen, die an der kleinasiatischen K ü s t e mit den Errungenschaften der mykenisch-kretischen K u n s t weiter zu arbeiten sich be-

BRONZEGEFÄSZE

320

mühte. Vielfach ist ein Unterschied I stufen aus älterer Zeit zahlreich in Olympia zwischen originalem Import und barbagefunden wurden. Dürkheim a. d. Haardt, rischer Nachahmung zu machen. Die Rheinbayern. (Taf. 19.) A . u. h . V. I I , I I T f . 2. O l y m p i a I V B r o n z e n Formen können griechisch-italischen UrT f . 49; F u r t w ä n g l e r S. 114 ff. sprungs sein, aber das Beiwerk verrät die Nachahmung; oder auch Reparaturen möS c h ü s s e l n oder B e c k e n , flach, gen in keltischen W e r k s t ä t t e n ausgeführt niedrig und breit, ohne und mit aufrechtworden sein. Gerade importierte Bronzestehendem Bügelhenkel an B l a t t a t t a c h e n ; gefäße müssen in erster Reihe die VerRand geperlt; darunter „ g r a v i e r t e s " oder mittler der Formen gewesen sein, aus gepunztes Zierband (Flechtband, laufender denen sich ein nationalkeltischer OrnaHund). Rodenbach (Rheinbayern); Armsmentstil herausgebildet hat. Die Eingangsheim (Rheinhessen). Böhmen. pforten für diese fremden Einflüsse A l t e r t . 11. h . V o r z . I I I , V 3, 1. — I I I , I I I 2, 1. 2. L . P i ö Urnengräber Böhmens T f . 45, 14 werden nicht nur in Südgallien (Massilia), CHor-n). sondern, wie schon früher in der Hallstattperiode, auch an der nord-adriatischen Feldflasche, singulär, mit sehr Küste, besonders für die spätere Zeit, feiner, gepunzter Verzierung (geometrische (Aquileja), zu suchen sein. Muster und Tierfries in konzentrischer A n v . D u h n N . H e i d e l b . J a h r b . 1892, 67 f. ordnung), wahrscheinlich italischer HerH . W i 11 e r s D. Bronzeeimer von Hemmoor kunft im Zusammenaange mit älteren For1901, I 0 4 f f . P. R e i n e c k e Mainzer Festmen. Rodenbach (Rheinbayern). s c h r i f t 1902. S t u d n i c z k a A r c h ä o l . J a h r b . d . I n s t . 1903, 21 ff. A . M i c h a e l i s Jahrb. d . Ges. f. l o t h r i n g . G e s c h . u . A l t e r t k . 1905, 1 S. 236 ff. H . W i 11 e r s Neue Untersuchungen üb. d. röm. Bronzeindustrie 1907.

1) L a T e n e - S t u f c A. -= 5. Jh. v. C h r . In diese Übergangsperiode reichen noch einige Formen der späten Hallstattzeit: die enggerippte Ziste und jüngere Situlen, sowie der bauchige Kessel mit eisernen Tragringen (s. vorher). Dazu treten n e u e Formen: S c h n a b e l k a n n e aus Bronze, mit gerade abfallenden Palmetten und Maskenattachen. Hier lassen sich originale Arbeiten von barbarischen Um- und Weiterbildungen unterscheiden. Nicht älter als 450 v. Chr. S. „ S c h n a b e l k a n n e n " . S t a m n 0 s , konischer Kesseleimer mit bogenförmiger Schulter, scharf abgesetztem niedrigen Halse und breit ausladendem Rande; in mittlerer Höhe feste Handhaben mit Silensköpfen an den Attachen. K l . Aspergle, 0 . A. L u d w i g s b u r g (Württemberg) ; Weißkirchen a. d. Saar, K r . Merzig (Taf. 19). A . u. h . V. I I I , X I I T f . 4, 1.

Bonn.

Jahrb.

H e f t 43 T f . V I I 1.

Dreifuß mit reichem figürlichen Schmuck (Tierkampfgruppen, Reiterfiguren u. a. m.), als Träger v o n größeren Gefäßen, wie Stamnoi, Becken und dgl. Formen italischen Ursprungs, deren Vor-

A l t e r t , u. h . V. I I I , V 2.

!

Wie die obige Liste zeigt, ist die Hauptmasse dieser griechischen E x p o r t w a r e im Zentrum der keltischen Industrie des 5. Jhs. v. Chr. haften geblieben. 2) L a T e n c - S t u f e B = 4 . J h . v . C h . K e s s e l , fragmentiert, mit breiter, scharf abgesetzter Schulter, auf der die wulstförmigen Henkelösen mit Silensmaskenattachen für die fehlenden beweglichen Tragringe angelötet sind. Dänemark. I I o 111 e 1 i u s S v . T i d s k r .

XI

F i g . 67 =

S.

M ü l l e r Ordning III Nr. 4;. E i m e r , eiförmig, mit Fuß, Doppelhenkelösen am Rande, darunter offene Palmette mit Spiralmotiven. Datierung noch schwankend; wohl ältere und jüngere Varianten zu unterscheiden. Waldalgesheim b. Bingen. Ihringen (Baden). Dänemark. Gegenstücke in Italien (Montefortino bei Ancona). (Taf. 18, 7.) A l t e r t , u . h . V. I I I , I T f . i , 5. S v . T i d s k r . X I F i g . 66. I I N r . 44 = W i 11 e r s

Nord.

AUertk.

Hemmoor

Civ. prim. eil Italie

M o n t e 1i u s

S. M ü 11 e r O r d n i n g II

25 ff.

S. I l S .

A b b . 10.

M 0 n t e 1iu s

I I 153, 5. 12.

So dringen die südlichen Einflüsse von nun an wieder energisch bis nach Nordeuropa vor und berühren auch die germanischen Stämme, die die alten, bronzezeitlichen Gewohnheiten allmählich ganz ablegen. Erst jetzt kann man auch in

BRONZEGEFÄSZE

321

dustrie. Diese drei Kreise stehen unterN o r d e u r o p a v o n einer voll e n t w i c k e l t e n einander in einem innern ZusammenEisenzeit sprechen. Der E x p o r t von hange, der keltische und italische k n ü p f e n , B r o n z e g e f ä ß e n , im besonderen aus keltijeder in seiner A r t , an die v o r a u s g e h e n d e schen W e r k s t ä t t e n , ist j e d o c h noch in der B l ü t e des klassisch-griechischen und hellemittleren L a T e n e - P e r i o d e ( = R e i n e c k e nistischen K u n s t g e w e r b e s an, greifen teilS t u f e C) offenbar ein spärlicher gewesen. weise wahrscheinlich sogar noch weiter E r s t in ihrem letzten A b s c h n i t t ändert zurück auf altitalische (hallstättische) und sich das. altgriechische T r a d i t i o n e n , aus beiden geht §5. A l t k e l t i s c h e Fabrikate. aber als neuer lebenskräftiger S p r ö ß l i n g griechischen U n t e r d e m Einflüsse des die provinzial-römische Industrie hervor. I m p o r t s bildet sich z w a r in eigenartiger W e i s e die altkeltische Metallindustrie der Gegen E n d e des letzten vorchristlichen ersten beiden S t u f e n (A u. B) auf heimiJ a h r t a u s e n d s n a h m in Italien die B r o n z e schem B o d e n aus, aber gerade an B r o n z e industrie einen gewaltigen Aufschwung g e f ä ß e n fehlt es unter den F u n d e n . Beund w a r die V e r a n l a s s u n g zu einem Massenk a n n t ist eine export v o n G e f ä ß e n , die ihren W e g über die Donau fanden und im besonderen durch K a n n e mit A u s g u ß r o h r und breiter F u ß p l a t t e , reich v e r z i e r t mit g e p u n z t e n j das Elbtal, teilweise wohl a u c h die Oder und plastischen Mustern im L a T e n e - S t i l . | entlang bis n a c h N o r d d e u t s c h l a n d und S k a n d i n a v i e n gelangten. W a l d a l g e s h e i m b. B i n g e n . G e g e n s t ü c k in Frankreich. (Taf. 20, 3.) So w u r d e n allmählich im H a n d e l mit Altert, u. h. Vorz. III, I 2. Rcv. archeol. 1883 dem germanischen Norden die keltischen pl. 21. P r o d u k t e v o n den italischen abgelöst, B e z e i c h n e n d für keltische Metallwerkwenn a u c h noch in mittel- oder s p ä t r ö m i s t ä t t e n ist eine R e p a r a t u r , die hier a m bescher Zeit vereinzelt gallische (keltische) rühmten Dreifuß von Dürkheim ausgeführt F a b r i k a t e bei den Germanen E i n g a n g gew o r d e n ist. E s ist das eins der hervorfunden haben. ragendsten griechischen I m p o r t s t ü c k e . D a s Bei der E r w e i t e r u n g der Grenzen des zugehörige K o h l e n b e c k e n , auf dem das römischen Reiches wird die F a b r i k a t i o n große H e n k e l g e f ä ß (Stamnos) a u f g e s e t z t aus dem M u t t e r l a n d e nach dem N o r d e n ist, h a t eine R e p a r a t u r e r f a h r e n : die aus • übertragen, der A u f s c h w u n g der p r o v i n Eisen bestehende, durchbrochen gearzialen Industrie h a t eine V e r m e h r u n g des beitete B o d e n p l a t t e mit zwei im W a p p e n E x p o r t s zur Folge. So verstehen wir eine Schema z u s a m m e n g e s t e l l t e n aufrechtsteJ a h r h u n d e r t e dauernde E n t w i c k l u n g nur, henden Tieren, die in ihrer Stilisierung wenn wir sie u n a b h ä n g i g v o n einem g a n z und gar dem griechischen C h a r a k t e r chronologischen S c h e m a in ihrem Zuf r e m d sind, kann n u r in einer keltischen sammenhange betrachten. W e r k s t ä t t e hergestellt s e i n ( T a f . i g ; s. S.320). D a s ganze einschlägige Material h a t noch Altert, u. h. Vorz. II, II 2, 4. keine umfassende B e a r b e i t u n g erfahren. §6. J ü n g e r e r Import. La A b e r nach den grundlegenden V o r a r b e i t e n T e n e - S t u f e D und r ö m i s c h e Kaiv o n H. Willers wird man ein H a u p t s e r z e i t (2. Jh. v. Chr. — 4. Jh. n. Chr.). z e n t r u m der italischen Industrie, aus d e m Eine S p a n n e von fünf bis sechs J a h r h u n der H a n d e l schöpfte, e t w a f ü r 3 J a h r h u n derten z u s a m m e n z u f a s s e n , b e r e c h t i g t uns derte (vom 2. Jh. v . Chr. bis 2. Jh. n. Chr.) der U m s t a n d , d a ß ihr eine lang a n d a u e r n d e in C a p u a zu suchen haben. Zahlreiche E n t w i c k l u n g der Metallindustrie entspricht, Gegenstücke z u den im Norden g e f u n d e n e n unter deren Einfluß Germanien gestanden B r o n z e g e f ä ß e n s t a m m e n aus italischen hat. Man k a n n sagen, d a ß es hintereinF u n d p l ä t z e n (Nekropole von Ornavasso, ander drei Quellen gewesen sind, aus denen Prov. Novara, und namentlich Pompeji), Importartikel, d a m i t also auch die B r o n z e Vorkommnisse, die f ü r die Chronologie gefäße, n o r d w ä r t s in das Gebiet der Gerv o n W i c h t i g k e i t sind. W a s die T e c h n i k manen geflossen s i n d : die keltische, die dieser P r o d u k t e betrifft, so sind sie teils italische und die p r o v i n z i a l - r ö m i s c h e Ingetrieben, teils gegossen und auf der D r e h -

322

BRONZEG EFÄSZE

Svenska fornm. Tidskr. I X u. X I . A 1 m g r e n bank abgedreht. Die L ö t u n g behufs BeStud. üb. nordeurop. Fibelformen 1897. festigung von Handhaben und Füßen Im folgenden sollen die Formengruppen wird nach den Traditionen der griechischen nach den drei großen Fabrikationszentren Metallindustrie beibehalten. Als Material in annähernd chronologischer Reihenfolge wurde eine gute Z i n n b r o n z e (etwa zusammengestellt werden. 85 : 15) verarbeitet. Fabria) J ü n g e r e k e l t i s c h e Davon sondert sich eine Gruppe von kate. K e s s e l mit einem bauchigen Gefäßen aus M e s s i n g ab, einer LeUnterteil aus Bronzeblech und einem gierung nicht aus K u p f e r und Zink, breiten, angenieteten Rande aus Eisen; sondern aus K u p f e r und stark zinkhaltigem an letzterem kleine besonders befestigte Galmei. Auf Grund der Fundstatistik A t t a c h e n mit beweglichen Tragringen aus der Bronzeeimer des Hemmoorer T y p u s Eisen. Zwei zeitlich verschiedene Variund mit Rücksicht auf Plin. N H . 34, 2, anten, die eine kugelbauchig, die andere wonach Galmei auch in der römischen mit oben eingezogenem Bauch und aufgeProvinz Germania gefunden worden sei, setztem Steilrande. Eine dritte A b a r t ist gelang es Willers, diese Messinggießereien aus mehreren Bronzeblechstücken zusamam Niederrhein in der Gegend von Gressemengenietet, hat nur einen durch einen nich, 5 km östl. von Stolberg, zu lokalisieren. Eisenring verstärkten Rand, aber keine Die Fabrikation begann hier in den ersten Tragringe. Variante I etwas älter, schon Jahrzehnten des 2. Jhs. n. Chr., stand schon v o n etwa 150 v. Chr. a b ; Variante 2 u. 3 um 150 n. Chr. auf der Höhe und hat etwa kommen im Norden zusammen mit Spätbis 300 n. Chr. fortgedauert. Also um die L a T t a e - und frühröm. Sachen vor. NordMitte des 2. Jhs. n. Chr. wird der italische deutschland, Skandinavien, Schweiz (La E x p o r t durch die provinzialen ErzeugTfene). (Taf. 22, 6.) nisse abgelöst. M o n t e l i u s Temps prehist. cn Suede pL X V Eine besondere Gruppe dieser provinzial4 = Kulturgesch. Schwedens 155 Fig. 255. S. römischen Industrie wird man als g a l M ü l l e r Ordning II Nr. 43. 184. R. B e 1 1 z l i s c h ansprechen dürfen; gallische FabriAltert. Tf. 58, 76. 77. L. P i'c Urnengräber kantennamen weisen direkt darauf hin. Böhmens Tf. 68,7 (Variante 1)169, 1 (Variante 2), Ihre Bedeutung, namentlich im Zusambeide von Dobfichov-Piihora. H. \V i 11 e r s menhang mit der älteren keltischen FabriHemmoor 112. kation ist noch zu wenig erforscht. A u s diesem Kreise der keltischen MetallSeine Untersuchungen hat Willers nur industrie stammen auch s i n g u 1 ä r e auf einen kleinen Formenkreis beschränkt. Formen, wie ein reich profilierter mit Demgegenüber müssen noch zahlreiche tierischen Motiven ausgestatteter H e n Importstücke aus Nordeuropa unbestimmt k e l b e c h e r von Mollerup (Viborg) und bleiben. Fragmente eines K e s s e l s von R i n k e b y e Die folgenden Zusammenstellungen liefern den Beweis, wie dringend notwendig i (Amt Odense), ähnlich den obigen, dessen Rand durch reichen figürlichen Schmuck zum Verständnis unserer heimischen Funde (ganze Tierfiguren in Relief, menschliche eine Aufarbeitung des gesamten einschläMasken und Tierprotomen) ausgezeichgigen Fundmaterials geworden ist. Sie net ist. kann nur durchgeführt werden auf Grund Ebendahin gehört schließlich der beeiner umfassenden Fundstatistik und sicherühmte S i l b e r k e s s e l v o n G u n d e rer Materialbestimmungen. s t r u p (Jütland), dessen fabelhafte FiH. W i 11 e r s D. röm. Bronzeeimer v. Hemgurenszenen und symbolische Darstellunmoor 1901. Rhein. Mus. N. F. 62, 1907, 133. gen auf Mythus und Religion der K e l t e n Jahrb. d. Prov.-Mus. Hannover 1906/1907, 64. bezogen werden müssen. Nach S. Müller Neue Untersuchungen üb. d. röm. Bronzeindustrie 2 Jh. n. Chr. v. Capua u. v. Niedergermanien. 1907. — Ferner Über gallische Fabrikanten, die den zur Chronologie: N e e r g a a r d Aarböger V I I 1 8 9 2 , italischen Formenkreis übernehmen, siehe 207—341 = Mem. d. 1. Soc. r. d. Antiqu. du unten. Nord 1890/95 S. 169—224. Montelius

BRONZEGEFÄSZE U n d s e t Eisen in Nordeuropa 418 ff. Fig. 129. 132. 133. S. M ü l l e r Ordning II Nr. 185. — S. M ü 11 e r Nordiske Fortids minder 1 = Nord Alterik. II 160 ff. Taf. I.

b) Italische Fabrikate. „ K a s s e r o l l e " oder Pfanne, langgestielt, mit Schwanenkopf am Griffende, flache, breite Schüssel mit drei Füßchen, die meist fehlen, und breitem, verziertem Rande, an dem der lange, gegliederte Griff angegossen ist. Ein Exemplar neuerdings mit dem Stempel Corneli. Capuanisch. 150 bis 114 v. Chr. Hannover, Süddeutschland, England (Aylesford), Italien (Ornavasso). (Taf. 21, 3.) W i 11 e r s Hemmoor 106 A b b . 40. Neue Unters. 19 ff. Abb. 15. Tf. V I 1. Zum Stempel: S. 91 f.

Ein anderes Fabrikat stellt die Pfanne v o n Dühren, B. A . Sinsheim (Baden) dar: A . u. h. V . V, 3 T f . 15, 283. E i m e r mit beweglichen Bügelhenkeln über der Öffnung haben eine reiche Entw i c k l u n g in der capuanischen Industrie gehabt. Nach Form und A u s s t a t t u n g verschiedene Formengruppen verteilen sich über längere Zeiträume: Gr. A mit Delphinattachen, Gr. B mit Blattattachen, beide v o n ähnlicher eleganter Form, schlank mit geschweifter W a n d u n g und scharf abgesetztem niedrigem Rande, von dem aus die angelöteten A t t a c h e n auf die Schulter übergreifen; Gr. C mit am Rande angenieteten Bronzeattachen, an denen die Henkelösen sitzen, in der Form den vorigen ähnlich; Gr. D bauchig, plump, mit schräg ausladendem, niedrigen R a n d e ; Gr. E mit scharf abgesetzter, schräger Schulter, konischem Unterteil und scharf abgesetztem, niedrigen Steilrande — beide, D und E, mit Henkel und A t t a c h e n aus Eisen. Gruppe A und B : 1 2 5 — 2 5 v. Chr., C — E bis ins 1. Jh. n. Chr. F u n d s t a t i s t i k : Dänemark, Nord-, Mittel- und Süddeutschland (besonders zahlreich in Hannover), Böhmen, Sissek (Slavonien), Ungarn (Kom. Pest), Schweiz, Gegend von Fiume, K r o n land Görz, Italien (Ornavasso, Pompeji). W i l l e r s Hemmoor 108 ff. Neue Unters. S. 7 ff. L. P i 6 Urnengräber Böhmens Tf. 65, 3. 66, 8. 67, 9 (Dobiichov-Piöhora). R . B e 1 1 z Altert. S. 326 f. Tf. 58, 79. 80. S. M ü l l e r

Ordning

323 II Nr. 46. 183.

P. K u p k a Stendaler

Beitr. III 1910 S. 34 f. Fig. 5. 6.

Von den capuanischen Eimern gehört in den ersten Abschnitt der römischen Kaiserzeit Gr. F : mit Gesichtsm a s k e n a t t a c h e n , meist mit B a u c h kante; Varianten mit Ausbauchung der W a n d u n g in mittlerer Höhe; Rand gerade umgebogen; darunter angelötet die A t tache mit Öse für einen profilierten halbrunden Bügelhenkel; in der oberen H ä l f t e mitunter parallele Liniengruppen. Zeit des Augustus. Norddeutschland, Dänemark, Böhmen, Italien. (Taf. 21, W i l l e r s Hemmoor 123 ff. Tf. I 1. 2. 5. Neue Untersuchungen 26 ff. Tf. I — I V . S. M ü l l e r Ordning II Nr. 187. L. P i ö Urnengräher Böhmens Tf. 64, 5 (Dobiichov-Piöhora); 50, 16 (Lisovice); 54, 1 (Zliv).

G r . G: m i t g e w u n d e n e n Kann e 1 ü r e n , ziemlich gleichförmig, kesselartig breit und tief, mit Standring, profiliertem oben ausladendem R a n d e „ a u f dem aufrecht stehend die Attachen angelötet sind für einen beweglichen Bügelhenkel. Gegossen und abgedreht. Capuanisch. Beginn der Fabrikation nach 79 n. Chr., Blüte im 2. Jh. n. Chr. Norwegen, Schweden, Dänemark, Prov. Posen, Westpreußen, Hannover, Rheinlande, Oldenburg, Anhalt, Kroatien. W i 11 e r s Hemmoor Tf. 13. Neue Untersuchg. 49 ff. Abb. 26—34. S. M ü l l e r Ordning II Nr. 194.

Muschelschalen, singulär, einer Muschelhälfte nachgebildet. Bekannt durch zwei Exemplare, angeblich aus Hannover, in der prähist. Abtlg. d. kgl. Mus. zu Berlin. Gegenstück in einem Depotfunde v o n Pompeji. Zeit des A u gustus. Willers 11.

Neue

Unters.

S. 70 ff. Abb. 41,

Vgl. Hemmoor 44 Anm. 1.

B e c k e n , ebenfalls eine Form, die mit zahlreichen Varianten in einer langen E n t wicklungsreihe auftritt. A u c h an ihrer Ausbildung haben sich capuanische W e r k stätten schon in der Zeit der Republik beteiligt; ob jedoch alle älteren Varianten dahin gehören, muß unbestimmt bleiben. Ihre Grundform ist eine flache, große Schale, bei der Rand, Fuß und H e n k e l verschiedenartig gebildet sind. Der R a n d

324

BRONZEGEFÄSZE

ist teils hohlkehlenartig profiliert, teils ohne Profilierung und nur verstärkt, oder mit einem senkrecht abgehenden Uberfall versehen; die Handhaben sind entweder bügeiförmig und fest angelötet, dabei mannigfach gegliedert und naturalistisch mit Pflanzen- und Tiermotiven belebt, oder bewegliche Tragringe, die in den gegliederten Wulstösen an plattenförmigen, manchmal als Palmetten gebildeten A t tachen am oberen Rand hängen; besonders fein sind eierstabförmige Verzierungen an Rand und Fuß, wie sie bei einem Exemplar aus Gotland sich finden, eine Form, zu der das Mosaikbild aus der Villa des Hadrian in Tibur ein interessantes Gegenstück bildet (bei Willers Hemmoor 136 A b b . 58). E t w a vier verschiedene Formen lassen sich bisher als italische Fabrikate ansprechen. Sie gehen zurück bis ins 2. Jh. v. Chr. und waren noch im I. oder sogar 2. Jh. n. Chr. im Gebrauch. Die Geschichte dieser Becken wird jedoch, ebenso wie die der folgenden Kannen, noch weiter in die Zeit des älteren griechischen (hellenistischen und klassisch- griechischen) Kunstgewerbes zurückverfolgt werden können, wie die in Olympia gefundenen Kessel und Becken des 5. u. 6. Jhs. v. Chr. vermuten lassen. Schweden, Dänemark, Mecklenburg, Hannover Braun schweig, Schlesien, (Fund von Wichulla), Pompeji. Neuerdings auch Pommern mit einem Exemplar vertreten. (Tri. 20, 4.) M o n t e 1 i u s S v . T i d s k r . X I Fig. 65 = Kulturgesch. Schwedens Fig. 264. S. Müller Ordning I I N r . 189. 190. R. B e l t z Altert. T f . 58, 82 (wohl die älteste F o r m ; v g l . T e x t S. 327). H. S e g e r Schles. Vorz. V I I 426 f. A b b . S. 420, 1. W i l l e r s Hemmoor 122. 135 A b b . 49 = Neue Unters. 19 A b b . 13 T f . 3, 4. Dazu vgl. Olympia IV. B r o n z e n T f . 50. 825 T e x t S. 131 f.

K a n n e n sind zwar seltner unter den Fremdlingen im nordischen Fundgebiete, haben aber ebenso wie die Eimer und Becken, eine reiche und lange Entwicklungsgeschichte. Der Form nach kann man Kannen mit geradem und kleeblattförmigen Mündungsrande (Typus A u. B) unterscheiden; beide tauchen in mehreren Varianten auf, wobei das schmückende Beiwerk unabhängig v o n der Form verwendet wird:

T y p u s A h a t eine gedrungene Form, mit einem nach unten sich erweiternden Bauch, der nach oben ohne A b s a t z in den Hals übergeht; an dem k r ä f t i g profilierten geraden Rande ist ein stabförmiger Henkel mit einem aufrechtstehenden Dorn angelötet; der untere Henkelansatz ist umgeben von einem aus Spiralranken und einem Hängekreuz zusammengesetzten Ornament an der Stelle der A t t a c h e . Diese Form k o m m t im Norden unter S p ä t - L a Tene-Funden vor, läßt sich aber in Italien bis ins 2. Jh. v. Chr. zurückverfolgen und hat gewiß noch ältere Vorläufer gehabt. Dänemark, Hannover (Lucklum), England (Aylesford), Italien. Varianten mit Maskenattachen leiten zu den in der römischen Kaiserzeit üblichen Formen über, wie Exemplare aus Dühren, B. A . Sinsheim (Baden), und Kroatien veranschaulichen. W o r s a a e Afbildninger 60 Fig. 225. A . I. E v a n s A r c h a e o l o g i a 52, 2 S. 377 Fig. 14; vgl. Fig. 13 G e g e n s t ü c k aus D ä n e m a r k . W i 11 e r s Hemmoor 123 A b b . 5 0 = Neue Unters. 19 A b b . 14; vgl. A b b . 12, 6 ( O r n a v a s s o ) . K . S c h u m a c h e r A l t e r t , u. h. V . V , 3 T f . 15, 282 (Dühren). V. H o f f i 1 1 e r Jahreshefte d. österr. arch. Inst. 1908. X I . B e i b l a t t S. 117 ff. Fig. 85. 86. 89. ( K r o a t i e n ) .

T y p u s B mit Kleeblattmündung, eine uralte, bis in den altägäischen Kreis zurückgehende Form, mit eiförmigem Körper und scharf abgesetztem Hals; charakteristisch sind am oberen Henkelansatz die seitlichen Rotellen und der plastische Schmuck, eine weibliche Büste auf der obersten W ö l b u n g des Henkels (eine Tierform, die auch bei T y p u s A , wie die Varianten aus Kroatien zeigen, A n w e n d u n g gefunden hat) und weibliche Masken (Mänade, Medusa) oder E m b l e m e in Form v o n Harpyien, Löwenköpfen als Attachen. Im Norden zusammen mit früh-römischen Importstücken: Dänemark, Westpreußen, Mecklenburg, Rheinlande, Brandenburg, Schlesien, Böhmen. Gegenstücke in Italien. (Taf. 21, 4.) Form und Dekoration haben ihre Vorläufer nicht nur im älteren, unteritalisch-griechischen Industriekreise, sondern sogar im kleinasiatisch-jonischen Kunstgewerbe des 7. Jhs. v. Chr. (vgl. K a n n e v o n Vilsingen oben § 4 a).

BRONZEGEFÄSZE S. M ü 11 e r Ordning I I N r . 194. R . Altert. S. 327 f. T f . 59, 83. H. S c N a c h r . üb. d t s c h . A l t e r t , ff. 1902 S. 88 1 a - b . L . P i c Urnengräber Böhmens 6 (Zliv).

B e l t z h m i d t f. Fig. T f . 54,

S.

Müller

Ordning

I I 50 A b b . 27.

II

Nr.

191 —

M o n t e l i u s

préhist. en Suède T f . X V I 6.

Kulturgesch.

dens

168 Fig. 274.

T f . 59, 84. 85. Unterschg.

Beltz

Altert.

S 328 Böhmens

H . W i 11 e r s

Neue

69 ff. A b b . 43. 44. 46. 47 Tf. V I bis

Stempelliste S. 85 ff.

K e l l e n und Siebe mit langen Griffen, in der R e g e l p a a r w e i s e ineinanderpassend, w i e die S c h ö p f g e f ä ß e , z u m W e i n s e r v i c e gehörig. N a c h den F o r m e n lassen sich drei H a u p t g r u p p e n u n t e r s c h e i d e n : 1. h a l b k u g e l f ö r m i g m i t flachem, verz i e r t e m G r i f f ; die S i e b l ö c h e r stellen p r ä c h t i g e M u s t e r k o m b i n a t i o n e n dar, u n t e r d e n e n S t e r n - u n d M ä a n d e r f o r m e n besonders b e liebt sind; z. T . g e s t e m p e l t . Capuanisch, augusteisch. 2. h a l b k u g e l f ö r m i g m i t r u d e r f ö r m i g e m Griff, g e w ö h n l i c h m i t c a p u a n i s c h e n S c h ö p f gefäßen und Eimern zusammen gefunden. F a b r i k a t i o n u m IOO n. Chr. in Italien (Capua). U n k l a s s i s c h e N a m e n , meist bei h o l l ä n d i s c h e n F u n d s t ü c k e n , weisen auf niederrheinischen U r s p r u n g . (Taf. 22, 4.) 3. m i t g e r a d e r W a n d u n g u n d flachem B o d e n , die j ü n g s t e F o r m , ohne S t e m p e l , a b e r a u s B r o n z e , also w o h l c a p u a n i s c h . D o c h reichen sie bereits in die s p ä t r ö m . E p o c h e hinein ( F a b r i k a t i o n 1 5 0 — 2 5 0 n. Chr.). W i e die S c h ö p f g e f ä ß e , in D e u t s c h l a n d u n d S k a n d i n a v i e n sehr h ä u f i g a n z u treffen. S. M ü l l e r römisch); tertk. ! j |

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i | Schule- I Nord.

Temps

R.

L . P i c Urnengräber

T f . 56, 14; 67, 23 u. a. m. VIII.

S c h ö p f g e f ä ß e (sogen.Kasserollen), eine der h ä u f i g s t e n F o r m e n im n o r d i s c h e n Fundgebiete; wohl zu unterscheiden v o n den ebenfalls als K a s s e r o l l e n b e z e i c h n e t e n flachen P f a n n e n der S p ä t - L a T è n e z e i t (s. o b e n § 6 b), t i e f e N ä p f e m i t flachem, a b g e drehten Standringe und breitem angegossenen Griff, der einen k r e i s f ö r m i g e n , meist d u r c h l o c h t e n A b s c h l u ß h a t . Die zeitlich v e r s c h i e d e n e n Varianten lassen sich n a c h der Form des Griffendes gruppieren: mit Schwanenkopfbügel am G r i f f e n d e (augusteisch), mit bohnenf ö r m i g e m L o c h auf der Abschlußscheibe (augusteisch), mit kreisrundem Loch (nachaugusteisch), die meisten m i t F a b r i kantennamen gestempelt (Familien der Cipier und A n s i e r a m h ä u f i g s t e n , d a n n P a p i r i u s , E p i d i u s , V e s t i n u s (?), R o b i l i u s , alle w a h r s c h e i n l i c h in C a p u a tätig). U m die W e n d e des J a h r h u n d e r t s l ä ß t sich ein R ü c k g a n g in der Industrie b e o b a c h t e n . N e u e N a m e n t r e t e n auf und d a z u n e b e n den r ö m i s c h e n F a b r i k a n t e n gallische N a mensformen. E i n e b e s o n d e r e G r u p p e der g a l l i s c h e n F a b r i k a t e des 2. J h s . n. Chr. b i l d e n die „ K a s s e r o l l e n " m i t R e l i e f b i l d e r n auf d e m Griff, w i e d a s a u s S u c k o w ( P o m m e r n ) i m kgl. Mus. f. V ö l k e r k u n d e z u B e r l i n (bei W i l l e r s Neue Unters. T f . 8, 15) m i t der eingeritzten I n s c h r i f t P r i m i t i v a . E i n e r der H a u p t f a b r i k a n t e n dieser G r u p p e ist J a nuaris (ebd. T f . 8, 17). Ihre F a b r i k a t i o n d a u e r t bis ins 3. J h . n. Chr. und l ä u f t der p r o v i n z i a l - r ö m i s c h e n Industrie parallel. D i e Schöpfgefäße gehörten z u m Weinservice, wie die i m f o l g e n d e n zu b e h a n d e l n d e n K e l l e n und Siebe, und w u r d e n s a t z w e i s e hergestellt n a c h b e s t i m m t e n römischen Hohlmaßen, wie Inhaltsmessungen ergeben haben, d i e n t e n also w o h l als N o r m a l m a ß e f ü r den W e i n v e r s c h l e i ß . Sehr z a h l r e i c h in D e u t s c h l a n d u n d D ä n e m a r k (in l e t z t e r e m 30 E x e m p l a r e ) . B ö h m e n . (Taf. 22, 5.) Altertsk.

\

325

II

Ordning

Nr. 323 50 Fig.

27.

gesch.

Schwedens

Altert.

328 T f . 59, 85.

suchungen

I I Nr. 192. 193 ( f r ü h -

(spätrömisch). = Nord. 170

Montelius Fig.

276.

R.

W i 11 e r s Neue

Al-

KulturB e l t z Unter-

82 ff. A b b . 4 8 — 5 0 ( F o r m 1 ) ; A b b . 51

( F o r m 2); A b b . 53 ( F o r m 3).

Mit der o b e n a u f g e s t e l l t e n L i s t e v o n B r o n z e g e f ä ß f o r m e n e r s c h ö p f t sich n o c h n i c h t der g a n z e V o r r a t an H a n d e l s w a r e , die aus italischen F a b r i k a t i o n s z e n t r e n n a c h d e m g e r m a n i s c h e n N o r d e n g e l a n g t ist. S i n g u l a r e S t ü c k e w e r d e n sich noch hier u n d d a finden lassen, w i e z. B. der s c h ö n e K e s s e l (bei S. Müller, O r d n i n g I I 186) in Halbkugelform mit rollenförmigen F ü ß e n , scharf a b g e s e t z t e r , h o r i z o n t a l stehender Schulter und niedrigem vertikalen R a n d e ; an d i e s e m sind beiderseits z w e i Ösen m i t g r o ß e n , p r ä c h t i g e n Maskenattachen für zwei bewegliche Bügelhenkel befestigt. Diese F o r m erinnert an d a s

326

BRONZEGEFÄSZE

Fragment eines älteren Importstückes (ebd. Nr. 45) aus dem 4. Jh. v. Chr., wahrscheinlich also unteritalisch-griechischer Provenienz und ist wiederum ein Beweis, wie dringend eine Bearbeitung des ganzen überlieferten Vorrats an antikem (griechischem und italischem) Metallgeschirr nötig ist. Zu den vereinzelt vorkommenden Formen bester kaiserzeitlicher Provenienz gehört auch ein henkelloser kugelbauchiger K e s s e l mit reich profilierter Schulter und eingezogenem, schön verzierten Rande aus einem sonst auch reich ausgestatteten Grabe v o n Holubice (Böhmen) bei PiC, Urnengräber Böhmens T f . 53, 13. Einer besonderen Erwähnung bedarf auch ein Prachtstück des italischen K u n s t gewerbes, das auf germanischem Boden zutage gekommen ist, das bronzene S c h ö p f g e f ä ß mit reicher E m a i l v e r z i e r u n g von P y r m o n t (A. u. h. V . III, X I 3). c) P r o v i n z i a l - r ö m i s c h e Fabrikate. Wie oben schon berührt, ist es das Verdienst von H. Willers, die provinzial-römische Metallindustrie auf ihre Ursprünge zurückgeführt zu haben, indem er die römischen Messinggießereien in der Provinz Germania in der Gegend von Aachen, im besonderen bei Gressenich, am Niederrhein lokalisierte. Ob nun aber daraus der Schluß, daß alle bronzenen Vertreter einzelner Gefäßformen von der provinzialen Fabrikation auszuschließen sind, wie er z B . bei den Kellen und Sieben der spätröm. Epoche gezogen worden ist, mit Recht sich ableiten läßt, oder umgekehrt, ob alle spätröm. Formen (etwa 200 bis 400 n. Chr.) provinzialer Herkunft sind, m u ß als höchst zweifelhaft bezeichnet werden. W i e es bei den Tongefäßen erwiesen ist, wird man im allgemeinen bei den Bronzegefäßen annehmen können, daß bei der Verlegung der Fabrikationszentren nach den Provinzen, im besondern nahe an die Grenzen Germaniens, auch der FormenVorrat dh. zugleich mit den Arbeitern die Modellskizzen übertragen worden sind. Jedenfalls ist das A u f t r e t e n von spätröm. Handelsware auf germanischem Boden nur im Zusammenhange mit den großen, historischen Ereignissen erklärlich, die die Erweiterung der Grenzen des römischen Welt-

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| I | ; i

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reichs zur Folge hatte. Der Formenkreis der Bronzegefäße aus mittel- und spätröm. Zeit läßt sich direkt an die vorausgehende Epoche anknüpfen. Eimer. 1. Mit Gesichtsmasken-Attachen, in einfacherer Form, konisch mit eingezogener Wandung. Dänemark. 2. V o m Hemmoorer Typus, annähernd glockenförmig ohne Profilierung des Randes, mit mehr oder weniger breit ausladendem F u ß ; vertikal auf dem Rande mit diesem in einem Stück gegossene dreieckige oder bogig profilierte HenkelÖsen; der bewegliche Bügelhenkel mannigfach durch Wülste und Einschnitte gegliedert; am Rande entweder eingeschnittene Liniengruppen oder ein charakteristischer Fries mit figürlichen Darstellungen, in flachem Relief mit reicher Ziselierung (Jagdszenen, Tierfriese, mit B a u m - und Hausgruppen, zwischen ornamentalen Bändern, wie Eierstab und Flechtband, meist sehr flüchtige Arbeiten). In Messing gegossen. Niederrheinisch. 2. u. 3. Jh. n. Chr. (150—325 n. Chr.). Besonders zahlreich in Hannover, dann Rheinlande, Frankreich, England, Oldenburg, Mecklenburg, Brandenburg, Prov. Sachsen (Altmark), Thüringen, Schleswig - Holstein, Dänemark, Norwegen. (Taf. 21, 2.) 1. S. M ü l l e r

Ordning

I I Nr. 321. —

2.

W i 11 e r s Hemmoor Tf. I 6. 7. II. III. V — X . Jahrb. d. Prov. Mus.-Hannover 1906/07 S. 64 ff. Neue

Untersuchungen

Müller

Ordning

S. 30 ff. Tf. I I I 3. II

Nr. 322.

Altert. 350 f. Tf. 66, 28—30.

S.

B e 11 z

P. K u p k a Stert -

daler Beiträge III 1910 S. 36 Fig. 7. Höfer-Zschiesche

R.

Götze-

Altert. Thür.

Tf. 20.

291.

Becken in verschiedenen Formengruppen, teils im Anschluß an die frühröm. Fabrikate, teils neue, einfachere Formen provinzialer Herkunft. G r u p p e A : mit Fabrikantenstempeln, mit gerader, steiler W a n d u n g und ausladendem R a n d e ; an diesem drei Tragringe an vogelförmiger angelöteter A t t a c h e . Die Namen Tettus und Triccus weisen auf Gallien als Fabrikationszentrum. 1 . — 2 . Jh. n. Chr. Rheinlande, Hannover, Frankreich. — G r u p p e B : schüsselartig mit Fuß, im Anschluß an die frührömischen Formen, mit und ohne Tragringen, gegossen und abgedreht. 3. Jh. n. Chr. Norwegen,

BRONZEGEFÄSZE Dänemark, Mecklenburg, Hannover. — G r u p p e C: breit und flach, mit gerader W a n d u n g und vertieftem Boden, vielleicht im Anschluß an die gallische Gruppe A , mit scharf umgeknicktem R a n d e und angelöteten A t t a c h e n für Tragringe, gegossen und abgedreht. Gefunden zusammen mit den Hemmoorer Eimern; vielleicht auch niederrheinischen Ursprungs. 3. u. 4. Jh. n. Chr. Mecklenburg, Hannover, Thüringen, Saalegegend, Rheinlande. — G r u p p e D : spätere Varianten teils mit zwei beweglichen Handhaben, teils mit drei Tragringen; einige durch Innenverzierung ausgezeichnet. Bei drei Exemplaren (Eskilstrup, Fünen und Sackrau, Schlesien) sind die Tragringe in besonders feingebildete Haken eingehenkt, deren obere Enden in Tierköpfen (Panther, Eule) auslaufen, während sie unten an große Weinblatt attachen angegossen sind. (Taf. 21, 6.) 3.—4. Jh. n. Chr. Dänemark, Norwegen, Schlesien. G r u p p e A : W i 11 e r s Neue Untersuchungen S. 64 ff. A b b . 38. — Gr. B : S. M ü 11 e r OrdM o n t e 1 i u s S v . fornm. ning I I N r . 318. T i d s k r . I X , 245 f. A b b . 92. R. B e 1 t z Altert. 351 T f . 66, 31. W i 11 e r s Hemmoor 38 f. 43 f. A b b . 21. — Gr. C : W i 11 e r s Hemmoor S. 38. 43 A b b . 21. Neue Untersuchg. S. 62 f. A b b . 37. B e 1 t z Altert. 3 5 1 . K o s s i n n a N a c h r . ü b e r d t s c h . A l t e r t f . 1903 S. 55 zu A b b . 1 a. G ö t z e H ö f e r - Z s c h i e s c h e Thür. Altert. T f . 20, 292. — Gr. D : S. M ü 11 e r Ordning I I I Nr. 319. 320. W i 11 e r s Hemmoor 58 A n m . 3. G r e m p l e r Fund von Sackrau I. T f . I V 1. 2. II. I I I T f . V 6. 7.

Unter den genannten Funden von Sackrau bei Breslau findet sich der Boden eines Bronzegefäßes mit reicher, gepunzter Verzierung in konzentrischer Anordnung, darunter ein Tierfries mit Gruppen von rennenden Tieren (Elch-Greif, ElchkuhPanther), sicher eine barbarische Arbeit, die ebenso, wie ihre Vorbilder, in-Südrußland verfertigt worden ist. Also die W e r k stätten, in denen für den E x p o r t nach Germanien gearbeitet wurde, haben nicht nur in den Rhein- und Donau-Provinzen gelegen, wo sie mit der keltischen Metallindustrie in Berührung waren, sondern sind auch an der Nordküste des Schwarzen Meeres zu suchen; hier haben die einen die Traditionen des älteren griechischen

327

Kunstgewerbes übernommen und weitergepflegt, die andern aber sind im Besitz von Barbaren (darunter S k y t h e n ) gewesen, die sich auf die N a c h a h m u n g beschränkten oder nach eigner A r t arbeiteten. Schöpfgefäße, Kellen und Siebe: Form 3 der oben genannten Varianten von Kelle und Sieb, gehört in die spätröm. Zeit, wird aber der capuanischen Industrie von 150—250 n. Chr. zugewiesen. D a ß die zum Weinservice gehörigen Schöpfgefäße schon früh auch in gallischen Fabriken hergestellt wurden, beweisen die oben genannten Schöpfgefäße mit reliefverzierten Griffen. Kellen und Siebe sind als gall. Fabrikate schon für die letzten Jahrzehnte des I. Jhs. n. Chr. durch den Fabrikstempel des A d r a x i u s im Grabfunde von W a a l gesichert. Für den german. Norden bezeichnen den Gegensatz der eingeführten Handelsware und einheimischer Arbeit zwei dänische Schöpfkellen der spätröm. Epoche, die sicher n o r d i s c h e F a b r i k a t e darstellen, die eine aus Bronze mit teils bandförmigem teils gedrehtem Griff, die andre aus Eisen mit gabelförmigem Griffende. W i 11 e r s Neue S. M ü l l e r

Untersuchg.

Ordning

42 f.

I I Nr. 314.

A b b . 40. — 315.

K e s s e l , zum A u f h ä n g e n über dem Feuer, in zwei Formen. F o r m A i m Anschluß an die Kessel der L a Tene-Zeit mit eisernem Rande (s. oben § 6 a): mit einem abgeflachten bauchigen Unterteil und aufgesetztem Steilrande, an dem eine schmale Lippe schräg ausbiegt, mit einem beweglichen Bügelhenkel; in zwei zeitlich und technisch verschiedenen V a r i a n t e n : I. mit angenieteten, dreiteiligen Bronzeblech attachen; getrieben. Zusammen mit Eimern des Hemmoorer T y p u s gefunden. 2. u. 3. Jh. n. Chr. Hannover, Mecklenburg, Rheinlande. — 2. mit angegossenen, auf dem Rande aufsitzenden, dreieckigen Henkelösen; gegossen. U m 400 n. Chr. Dänemark. F o r m B : Von abweichender Form, tiefes Becken mit Fuß, a m R a n d e drei horizontal ausbiegende Ösen, wohl zur A u f n a h m e der Kesselhaken, und eine Ausgußrinne. U m 400 n. Chr. Dänemark, Mecklenburg, Hannover, Saalegegend, Süddeutschland.

BRONZEGEFÄ5ZE

328

A i : W i 11 e r S Hemmoor 27. 190 T f . I 9. — A 2: S. M ü 11 e r Ordning I I N r . 3 1 6 — 3 1 7 . — B : B e l t z Altert. 352. H a h n e N a c h r . ü b . d t s c h . A l t e r t f . 1903 S. 51 F i g . I B . K o s s i n n a e b e n d a S. 54 f.

§ 7. N a c h r ö m i s c h e Epochen. Die provinzial-römischen Fabriken hielten z w a r ihren Betrieb aufrecht, aber gingen allmählich dem Verfall entgegen. Abgelöst wurden ihre Produkte erst in einem späteren Abschnitt der sogen, merowingischen Zeit durch eine Ware, die nach F o r m und Technik als barbarisch bezeichnet werden kann. Diese Vorgänge lassen sich in zwei Perioden beobachten.

(Beltz). Besonders bei Franken und Alamannen sehr verbreitet. Norwegen, Mecklenburg, Saalegebiet, Rheinlande, Süddeutschland. M o n t e l i u s S v . f o r n m . T i d s k r . X 1897, 93 A b b . 199. B e l t z Altert. 365 T f . 68, 7 = P r ä h i s t . Z. I 1910 S. 385 T f . 45, 6. L i n d e n Schmitt Handbuch I 479 T f . 34, 3. A l t e r t , a. h . V o r z . I, I I I S. 4. G ö t z e - H ö f e r Z s c h i e s c h e Altert. Thüringens T f . 22, 329. B a r r i e r e - F l a v y Arts industr. pl. 81, 6. 7.

Wie schon für die vorangehende Epoche die spätröm. Funde von Sackrau bei Breslau auf fremdartige Einflüsse hinwiesen, deren Zentrum man sich am ehesten in a) F a b r i k a t e der V e r f a l l - ;| Südrußland denken kann, so treten im Zusammenhange mit Schmucksachen des zeit: etwa 400—600 n. Chr. = Monsogen, gotischen oder merowingischen Stils telius Per. V I . Die letztgenannten Formen gleichfalls in der Nähe von Breslau im des Kessels führen unmittelbar in diese Funde von Höckricht, K r . Ohlau, zwei Epoche über. Bronzegefäße auf, die von dem im Westen K e s s e l , in der prägnantesten Form Üblichen völlig abweichen: ein 45 cm annähernd trapezförmig, mit ganz abgehoher, glockenförmiger K e s s e l mit starflachtem Unterteil und scharfem Umbruch ken auf dem Rande vertikal aufsitzenden der W a n d u n g , die nach oben zu sich verHandhaben und eine S c h a l e , unten j ü n g t und in e : ne schmale, scharfkantig abgerundet, mit abgesetztem niedrigen umgebogene Lippe ausläuft. Henkel und Rande, beide zusammen mit den goldenen Ösen, wie beim vorher genannten KesselZierstücken in einem Skelettgrabe gefuntypus A, b. Gegossen. (T^f. 22, 3.) Bei den. Der roh gegossene Kessel, an dem den Franken, Alamannen, Angelsachsen, noch die Gußnähte sichtbar geblieben sind, allgemein verbreitet. West- und Südgehört zu einer G a t t u n g von Bronzegefäßen, deutschland, Mecklenburg, Hannover, E n g die in Ungarn und Rußland mehrfach verland, Norwegen. treten sind und als „ s k y t h i s c h e " AlterL i n d e n s c h m i t t Handbuch. I 479 T f . 34, tümer mit den Merkmalen einer ural4. A l t e r t , u. h . V o r z . V 1 T f . 6, 106. M ü l l e r altaischen Stilgruppe gelten. Da auch R e i m e r s A l t e r t . P r o v . H a n n o v e r T f . 14, 109. die Bronzeschale im Westen keine A n a B e J t z Altert. 365 T f . 68, 6 = P r ä h i s t . Z. I, 1910, 385 T f . 45, 7. M o n t e l i u s S v . f o r m , t i d s k r . X logien hat, wird man beide Gefäße auf 1897, 93 A b b . 201. östlichen Ursprung zurückführen müssen. B e c k e n , letzte Ausläufer der römischen und provinzialrömischen Handelsartikel, teils bauchig abgerundet mit Fuß, teils breit und flach mit gerader W a n d u n g ; an dem wenig ausladenden Rande bewegliche Handhaben. Bei den Franken, Alamannen und Angelsachsen im Gebrauch. W e s t - und Süddeutschland, England. L i n d e n s c h m i t t Sigmaringen

60 T f . I 20.

Vaterländ.

Altert,

D e r s . Handbuch

v. 479

T f . 34, 1.

S c h ü s s e l mit stark ausbiegendem „gebuckelten" Rande, mit und ohne Standring. Getrieben. (Taf. 21, 5.) „ P r o dukte einer rheinisch-fränkischen Industrie"

E d . K r a u s e in Schles. V o r z . N . F . I I I 46 ff. A b b . 12. 13. Ungarn

J . H a m p e 1 Ethnol.

Mittig.

aus

1895, 9 ff- A b b . 9. 10. 13. 14. 15.

b) G e r m a n i s c h e Fabrikate. 600—800 n. Chr. = Montelius Per. V I I . Einige der alten Formen erscheinen als barbarische Umbildungen; dazu treten neue, unschöne Erzeugnisse, die auch technisch Mängel aufweisen. Bei Franken, Alamannen, auch Angelsachsen beliebt. In diesem Kreise sind die Zentren dieser späten Industrie zu suchen. K a n n e n aus Bronzeblech getrieben, in verschiedenen Varianten teils mit Ausgußrinne und Klappdeckel, teils mit ge-

T a f e l 18.

(BälSSa

1

iyyj.

f.

Bronzegefäße. 1 . Bronzenes Hängebecken aus Dänemark, ca. 1.r.. S. M ü l l e r , Ordning I. Bronzealderen Nr. 388. — 2. Bronzene Henkeltasse aus Dänemark, 1 j . S. M ü l l e r , Ordning 1. Bronzealderen Nr. 1 0 0 . — 3 . Bronzener Kesseleimer aus Jütland, ca. '/>. O. M o n t e l i u s in Svenska fornm. Tidskrift X I , 9 F i g . 8. — 4. Bronzene Kanne aus Schlesw.-Holstein, ca. 1 O. M o n t e 1 i u s , Svenska fornm. Tidskrift X I 1 3 , Fig. 1 2 . — 5. Bronzenes Becken aus Hallstatt (Oberösterreich), ca. I/+- O. M o n t e l i u s in Svenska fornm. Tidskrift X I , 4 3 , Fig. 47. — 6. Bronzenes Schöpfgefäß von Mergelstetten, O. A , Heidenheim (Württemberg), 1 L i n d e 11 s c h m i t , die Altert, uns. heidn. Vorz. V , 10, T f . 56 Nr. 1 0 2 8 , — 7. Griechischer Eimer von Möen (Dänemark), ' 6. S . M ü l l e r , Ordning II Nr. 44.

R e a l l e x i k o n der gerni, Altertumskunde, i.

Verlag - von K a r l J . Trübner in Straßburg.

T a f e l 19. 4-

7 b

Bronzegefäße. B r o n z e g e f ä ß auf D r e i f u ß von D ü r k h e i m a. d . Haardt. L i n d e n s c h m i t, Altert, uns. h e i d n . Vorz. II 2, T f . 2. R e a l l e x i k o n d e r g;erm. A l t e r t u m s k u n d e .

I.

V e r l a g von K a r l J . T r ü b n e r in Straßburg-.

T a f e l 20.

Bronzegefäße. I . Bronzene H y d r i n von G r ä c l n v i l ( S c h w e i z ) . H e i e r l i , l ' r g e s c h . d . S c h w e i z . T i t e l b i l d , — i a. Kigürlichcr S c h m u c k auf der H y d r i a von G r l i c h w i l . H e i e r l i , L'rgesch. d. S c h w e i z S . 3 7 2 . — 2. Bronzekanne von V i l s i n g e n O. A . S i g m a r i n g e n ( H o h e n z o l l e r n ) , 1 4 . L i n d e n s c h m i t , Altert, uns. h e i d n . Vorz. 1 0 , T f . 56 Nr. 1 0 3 5 . — 3. K e l t i s c h e B r o n z e k a n n e aus F r a n k r e i c h , 3 3 cm hoch. Revue archeol. 1 8 8 3 , 2. pl. 2 1 . — 4. B r o n z e b e c k e n aus G o t l a n d ( S c h w e d e n ) , ca. '/ 7 . O. M o n t e l i u s in S v e n s k a f o r n m . T i d s k r i f t X I , 6o, F i g . R e a l l e x i k o n der g e r m . Altertumskunde.

I.

65.

V e r l a g von K a r l J . T r ü b n e r in Straßburg-.

4

Bronzegefäße.

6

i . Bronzeeimer auf F ü ß e n v o n Mehrum, Kr. Ruhrort (Rheinprovinz), H. W i l l e r s , ebenda T f . V , 2. — 2. Bronzeeimer von H e m m o o r , Prov. Hannover, J . 5 , H. W i l l e r s , Bronzeeimer v o n Hemmour T f . II, 2. — 3. Bronzene P f a n n e aus Italien (Boscoreale?), ca. 1 4 . H. W i l l e r s , N e u e Unters, üb. d. rüm. Bronzeindustrie. T f . V I , 1. — 4. Bronzekanne aus D ä n e m a r k , l i i . S. M ü l l e r , O r d n i n g 11 Nr. 194. — 5. Bronzeschüssel von T e t e r o w ( M e c k l e n b . - S c h w e r i n ) , 1 1 c m h o c h . R. B e l t z , Altert, v. M e c k l c n b . - S c h w c r i n . T f . 68, 7. — f>. B r o n z e b e c k e n aus D ä n e m a r k , 1 6. S. M ü l l e r , O r d n i n g II Nr. 320.

Reallexikon der germ. Altertumskunde.

I.

Verlag- v o n K a r l J . T r ü b n e r in S t r a ß b u r g .

Bronzegefäße.

I . Germ. BronzeKauue von Worpheim (Rheinhessen), 1 / 3 . L i n d e n s c h m i t , Altert, uns. heidn. Vorz. IV, T f . 58, 2. — 2. Germanische Bronzekanne «aus dem Rhein bei Mainz, ca. I / 4 . Lindens c h m i t , A l t e r t . u n s . h e i d n . V o r z . T f . I V , 5S, 7. — 3. Bronzekessel von Teterow (Meklenb.-Schwerin), 1 5 , 5 cm hoch. R . B e l t z , Altert, v. Mecklenb.-Schwerin T f . 68, 6. — 4. Bronzene K e l l e und S i e b aus Dänemark, ca. */4, S. M ü l l e r , Ordning II, Nr. 1 9 3 . — 5. Bronzenes S c h ö p f g e f ä ß aus Dänemark, ca. I / 5 . S . M ü l l e r , Ordning II, Nr. 1 9 1 . — 6. Bronzener Kessel mit eisernem Rand von Körchow bei Wittenburg, 28 cm hoch. R, B e l t z , D . vorgesch. Altert, v . Mecklenb.-Schwerin T f . 58, Nr. 76. — 7. German. Bronzebecken von Walluf (Rheingau), '/ 3 . L i n d c n s c h m i t , Altert, uns. heidn. Vorz. I V , T f . 58, 6. Reallexikon der germ. Altertumskunde,

I.

Verlag- von K a r l J . Trübner in Straßburg-.

BRONZEZEIT

329

rader Mündung; teilweise verziert durch südöstlichen Teilen die Kenntnis der umlaufende Doppellinien; mit Fußplatte Bronze viel früher verbreitet war, so daß oder plumpem Fußgestell. (Taf. 22. 2.) | sie sich von hier nach dem W. und dem N. L i n d e n s c h m i t t Altert, u. h. Vorz. IV verbreiten konnte. Wenigstens deckt sich 58, 4- 7ein Teil der südeur. B. sicher zeitlich mit dem Ausgang der Steinzeit im N. und NW., B e c k e n , einfach trapezförmig oder obwohl ein wesentlicher Bestandteil der mit geschweifter Wandung und hohem, Bronze, das Zinn, schon sehr frühzeitig durchbrochen gearbeitetem F u ß ; am Rande aus dem N W . bezogen wurde. Demgemäß zwei bewegliche Handhaben. Gegossen. kamen schon in der neolithischen Zeit Weiterbildung einer älteren Form. (Taf. nicht ganz selten einzelne, meist kleine 22, 7.) Bronzesachen in die westl. und nördl. L i n d e n s c h m i t t Altert, u. h. Vorz. IV Länder; aber die B. beginnt im Norden 58, 6. D e r s. Handbuch I 479 Tf. 34, 2. der Alpenzone doch ziemlich plötzlich P f a n n e , trapezförmig mit und ohne infolge verstärkter Handelsbeziehungen und F u ß und breitem Griff, an dem ein Ring bewirkt einen weitreichenden Umschwung zum Anhängen befestigt ist. Gegossen. in der materiellen, wie wohl auch der Lindenschmitt aaO. Nr. 5 B ar geistigen Kultur der Nordvölker. In r i e r e - F l a v y Arts industr. pl. 81, 8. 5. letzterer Hinsicht sei an die mannigfachen Gießkannen, plump, sackförmig neuen Erscheinungen erinnert, welche die mit drei Füßen und einem steifen Gußrohr; B. im N. begleiten, z B . den Leicheneinige mit Klappendeckel. Gegossen. (Taf. brand, die Renaissance der Spiraldekoration 22, 1.) usw. Auf eine kurze Periode gemeinL i n d e n s c h m i t t aaO. Nr. 1. 2. 3. europäischer, meist ziemlich einfacher § 8. Gegenüber diesen Erzeugnissen Typen folgt die reiche Sonderentwicklung eines barbarischen Geschmacks stehen in den einzelnen Länderräumen, die hier Bronzegefäße aus der folgenden W i nicht verfolgt werden kann. k i n g e r p e r i o d e Dänemarks (800 bis 1000 n. Chr.), die in Form und Technik § 2. Eine Hauptsache ist die weitaus an die älteren, provinzial-römischen und längere Dauer der B. im N. als in M.-Eur. nachrömischen Fabrikate sich anschließen, In Skandinavien (zum Teil auch in anein Kessel mit spitzdreieckigen Henkelösen grenzenden Gebieten) umfaßt die B. zu und eine flache, breite Schale mit Randdem ganzen 2. noch das halbe I. Jährt, lippe; sie werden als Importstücke aus dem v. Chr., während sie in M.-Eur. gegen alten, am Niederrhein gelegenen IndustrieEnde des 2. Jährt, abschließt. Daher gebiete gelten müssen. und aus anderen, geographischen Gründen S. M ü 11 e r Ordning II Nr. 622. 623. W 0 r ist ihre Entwicklung dort üppiger, eigens a a e Mim. des Antiquaires du Nord 1866/71 artiger, als in M.-Eur., obwohl man die Tf. 8 (aus einem Hügelgrabe v. Mammen b. meisten Charakterzüge der nord. B . auf Viborg, ua. zusammen mit zwei Holzeimern, deren Richtungen zurückführen kann, die M.-Eur. Beschläge verloren gegangen sind). zuerst übernahm und ausbildete. BeHubert Schmidt. wunderungswert ist die technische wie die ästhetische Seite der eigenen BronzeBronzezeit, (§ i) eine auf Länder mit arbeiten des N., obwohl auch alles Material reicherer kulturgeschichtlicher Entwickvon auswärts bezogen werden mußte. lung beschränkte, hier aber weit verDoch läßt sich eine sonstige nationale breitete und meist lange dauernde MittelEigentümlichkeit aus ihnen nicht herausstufe zwischen der vormetallischen und lesen, wieviele Einzelheiten der Kultur der Eisenzeit. A n einen gemeinsamen sie uns auch bezeugen. Diese negative Ausbreitungsherd der Bronzebenutzung für Tatsache beruht auf dem fast gänzlichen alle „Bronzezeitprovinzen" der alten Welt Fehlen der figuralen Bildnerei, wofür die (von Altamerika ganz zu geschweigen) Felsenzeichnungen der nord. B. doch ist kaum zu denken; doch scheint Europa nur geringen Ersatz bieten. Natürlich mit Vorderasien und Nordafrika zu einem sind die entwickelten B.-Formen des N, Gebiete zusammenzugehören, in dessen H 0 o p s , Reallexikon. I.

22

330

BROT

a u c h ihrerseits a u s b r e i t u n g s f ä h i g g e w o r d e n u n d h a b e n sich a n g r e n z e n d e G e b i e t e erobert, w a s m a n f ü r Zeugnisse der A u s b r e i t u n g germanischer S t ä m m e g e h a l t e n h a t (mit f r a g l i c h e r B e r e c h t i g u n g ) . Daß a b e r die nord. B. schon den G e r m a n e n g e h ö r t , ist k a u m jem a l s ernstlich b e z w e i f e l t w o r d e n u n d findet, s o w e i t dies m ö g l i c h ist, a u c h B e s t ä t i g u n g d u r c h die p h y s i s c h e B e s c h a f f e n h e i t der Leichen mit Baumsärgen jütländischer B.-Grabhügel. Montelius unterscheidet sechs S t u f e n der nord. B . , die drei ä l t e r e n f ü l l e n d a s 2., die drei j ü n g e r e n die erste H ä l f t e des l. J ä h r t , v . Chr.

; ' I j

§ 3. E i n e G e s c h i c h t e der B . in g a n z E u r o p a w ä r e die G e s c h i c h t e w e c h s e l n d e r T e i l e des K o n t i n e n t s v o n e t w a 3000 bis e t w a 500 v . Chr., a b e r in den einschlägigen A b s c h n i t t e n m e h r Handels-, Industrieu n d K u n s t g e s c h i c h t e als V ö l k e r g e s c h i c h t e der einzelnen L ä n d e r ; denn a u c h f ü r die B. Südeuropas mit dem kretisch-mykenischen K u l t u r k r e i s lassen sich V ö l k e r n a m e n n i c h t m i t aller w ü n s c h e n s w e r t e n S i c h e r h e i t ermitteln. E s ist daher begreiflich, d a ß m a n f ü r den entlegenen N o r d e n nur auf sehr m i t t e l b a r e n W e g e n e t h n o g r a p h i s c h e B e s t i m m u n g e n treffen k a n n , die nicht anders, als g a n z a l l g e m e i n g e h a l t e n w e r d e n dürfen. D i e i n d i v i d u e l l e G e s t a l t u n g des Kulturcharakters der einzelnen europ. L ä n d e r r ä u m e in der B . erscheint m e h r als F o l g e der r ä u m l i c h e n S o n d e r u n g u n d der W e l t l a g e , die j a übrigens a u c h die natiolen C h a r a k t e r z ü g e a u s b i l d e t e n , d e n n als E r g e b n i s der l e t z t e r e n . O. M o n t e l i u s Arch. f. Anthr. X X I 1—40. X X V 443—483. X X V I 1—40. M. Hoernes. B r o t . I . S ü d e n . § 1 . F ü r das h o h e A l t e r des B r o t e s sprechen seine F u n d e in den Pfahlbauten, z B . Robenhausen, Wangen, B i t z e l s t e t t e n , N i e d e r w i l , Mondsee, in R o benhausen etwa 8 Pfund, „eine Quantität, die neu g e b a c k e n e t w a 40 P f u n d g e w o g e n h a b e n m a g " (v. T r ö l t s c h Pfahlbauten des Bodenseegebietes 55 f.). Die W e i z e n - oder H i r s e k ö r n e r w u r d e n auf einer S t e i n p l a t t e mittels Kornquetscher grob z e r m a h l e n , z u einem T e i g v e r a r b e i t e t u n d auf h e i ß e n Steinen u n t e r A s c h e g e b a c k e n . Sie h a t t e n die F o r m v o n flachen, 1 5 — 2 5 m m h o h e n ,

! j j !

runden Fladen und waren bisweilen mit eingeritzten Strichen verziert. D e m Weiz e n w u r d e a u c h Hirse, L e i n s a m e n u n d M o h n z u g e s e t z t . Ein G ä r u n g s m i t t e l w u r d e n i c h t verwendet. Auf ähnliche Weise hergestelltes B r o t f i n d e n w i r n o c h i m A n g e l s . subheoribacen hläf cinericeus, vel focarius: W r i g h t - W ü l k e r I 153, 36 u n d s e l b s t n o c h i m m h d . subcinericius: ascherbrot, aschenbrot D i e f e n b . 5 5 9 b . Solches, ohne G ä r u n g s m i t t e l a u s M e h l und W a s s e r b e r e i t e t e s , h ö c h s t e n s mit einem Zusatz von Salz versehenes Brot f ü h r t d a s g e m e i n g e r m . B e i w o r t derb, a n o r d . pjarfr, ags. peorf (daher auch subst. ßeorfling), ahd. derbi, derb. D a dieses B e i w o r t h ä u f i g z u B r o t t r i t t , a n o r d . pjarft braud', ahd. azimus derbi brät u. ö., d a a u ß e r d e m d a s m l a t . jutta s o w o h l als bröl w i e als müs glossiert w i r d , so s c h e i n t a n o r d . braud, ags. bread, afries. bräd, as. bröd, a h d . pröl u r s p r ü n g l i c h n i c h t , w i e S c h r ä d e r , Reallex. 113, Sprachvergl. u. Urgesch.i II 2 245 will, ' B i e r h e f e ' , sondern „ e i n w e i c h oder g e n i e ß b a r G c k o c h t e s schlechthin" ( H e y n e Hausalt. I I 267) b e z e i c h n e t z u haben. Im A n g e l s ä c h s . t r i t t bread als s e l b s t ä n d i g e s W o r t u n d in der B e d e u t u n g ' B r o t ' erst im 10. J h . auf, n o c h s p ä t e r braud' im A n o r d . D e r a l l g e m e i n v e r b r e i t e t e A u s d r u c k f ü r B r o t als einzelnes B a c k w e r k ist d a s g e m e i n g e r m . L a i b , g o t . hlaifs, a n o r d . hleifr, ags. hläf, a h d . hleip (Etymologie unsicher). § 2. E r s t d u r c h den Z u s a t z v o n G ä r u n g s m i 1 1 e 1 n (s. d.) z u m T e i g erhält das B r o t g r ö ß e r e n W o h l g e s c h m a c k u n d l e i c h t e r e V e r d a u l i c h k e i t . E s s c h e i n t dieser t e c h n i s c h e F o r t s c h r i t t in der K u n s t des B a c k e n s sehr alt z u sein, u n d es ist f r a g l i c h , ob w i r a u s der a l l g e m e i n e n B e m e r k u n g des P l i n i u s (hist. nat. 18, 7), d a ß die S p a n i e r u n d Gallier sich d e r H e f e des B i e r e s als S a u e r t e i g b e d i e n t h ä t t e n : qua de causa levior illis quam ceteris panis est, s c h l i e ß e n d ü r f e n , d a ß d a m a l s die G e r m a n e n (als e i n b e g r i f f e n in die ceteri) die V e r w e n d u n g des S a u e r t e i g s n o c h n i c h t gekannt haben. Jedenfalls setzt das gemeing e r m . derb i m S i n n e des n i e d r i g e n d a s V o r h a n d e n s e i n einer a n d e r n , d u r c h ein G ä r u n g s m i t t e l a u f g e l o c k e r t e n , in die H ö h e g e g a n g e n e n B r o t a r t v o r a u s (ahd. irhaben brät).

BRUCH

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§ 3. Die in den Pfahlbauten gefundenen Brote sind, wie bemerkt, hauptsächlich aus Weizen- oder Hirsemehl hergestellt.

II. N o r d e n . § 5. Obwohl der Ackerbau (s. d. § 4 6 ff.) in Nordeuropa bis in die Steinzeit zurückreicht und vermutlich W e i z e n b r o t ( m h d . schoenez bröt, wiz bröt) damals auch schon Brot gebacken wurde, w a r Herrenbrot, im Rigsmäl wird es als hat man Funde v o n wirklichem Brot bisSpeise der Edlen geschildert im Gegensatz her doch nur ein paarmal und aus viel zum groben Haferbrot der Knechte. Der späterer Zeit gemacht. In Boberget, einer lat. Name für das feinste Weizenmehl wird alten Befestigung in der Provinz Östera h d . a l s simula, semala übernommen und götland aus dem 5. Jh. nach Chr., fand schon in karoling. Zeit auch auf das Gebäck man ein plankonvexes Brot von 7 cm übertragen. — Das Brot der armen Leute Durchmesser aus grobem G e r s t e n m e h l w a r aus Hafermehl bereitet, und auch das gebacken. Ein anderes Brot wurde 1911 Gerstenbrot war Bauernspeise. Letzteres ebenfalls in der Provinz Östergötland gewar in Skandinavien, wie die Frucht unter funden; es ist ein flacher Kuchen aus den Getreidearten, am verbreitetsten. Ein E r b s e n m e h l und K i e f e r n b o r k e von in einer vorgeschichtlichen Siedelung aus 6 cm Durchm. Beide Brote enthalten dem 5 . — 6 . Jh. n. Chr. in der Provinz Steinspütterchen v o n der Mühle (s. § 3). Östergötland gefundener Brotrest erwies i Der letztere Fund ist zugleich der erste sich als aus grobgemahlenem und mit SteinBeleg der gewöhnlichen Erbse (s. d.) im splitterchen durchsetztem Gerstenmehl herNorden; im MA. wird sie aber mehrmals gestellt (s. § 5). Nach Gregor. Tur. 10, 8 in den Gesetzbüchern des Swealandes ergalt es als Zeichen der Enthaltsamkeit, wähnt. Den Gebrauch von Borke im wenn ein Vornehmer statt des WeizenBrot kennt man aus dem MA. auch sonst. brotes Gerstenbrot a ß . Im gleichen Sinne Aus dem ansgarischen Birka kennt man erwähnt es Venant. Fortunatus neben auch kleine flache Brötchen, auf dünnem dem Roggenbrot als Speise der frommen Bronzedraht aufgesteckt; diese Funde sind thüringischen Königstochter Radegund nicht botanisch untersucht. (Vita c. 15. 21). Roggenbrot wird, dem H. V. R o s e n d a h l Mikroskopisk analys af brödjynd jrän 400 — 500 - taten, Svensk bot. Verbreitungsgebiete des Roggens enttidskr. 1909. D e r s . Mikroskopisk undersöksprechend, hauptsächlich in Nord- und ning af vegetabiliskt jor nfynd, Farmaceut. Ostdeutschland, solches aus Spelt und tidskr. 1912. B . S c h n i t t g e r Nägra förDinkel im Süden, Westen und in England historiska brödjynd, Fornvännen 1912. gegessen. Hirse wurde statt des Weizens B. Sehnittger. bei den Goten in den Donauländern b e n u t z t : Priscus 300, 8 (Heyne Hausaltert. II 64). — Bruch, B r u c h l e i d e n , LeibZu Zeiten großer Not v e r b u k man auch schaden, Eingeweidebruch, wohl K r ä u t e r und Flechten, besonders das i sicher uralt beobachtet und wohl bis zum isländische Moos. 1 gewissen Grade auch in seiner Entstehung § 4. Das Brotbacken war Sache der ! und Bedeutung erkannt, noch ehe die antike Schulmedizin bei den Germanen Hausfrau oder der Mägde und ist es in Eingang fand. Ob ein Rest dieser Aufländlichen Verhältnissen bis in die Neufassung in den unerklärbaren gil ('klaffen'?) zeit geblieben. Eine Verkaufsbäckerin und knab ('Hode'?) zu finden ist, steht wird i. J. 870 (Ann. Fuldah.) zu Mainz dahin. Das ahd. hcla (adj. höloht), spätisl. erwähnt. In größeren Anwesen und in haull a g s . heala ( a d j . healede healyde) Klöstern gab es besonders ausgebildete mag zum Ausdruck bringen, daß Bäcker. Sie werden genannt im Capitudie beim Aufstehen sich bemerklich lare de villis 45, in bayerischen Klöstern machende, zutage kommende, beim Liegen des 8. Jhs. (Fastlinger in: Studien und wieder schwindende Geschwulst als Höhlung Darstellungen a. d. Gebiete d. Gesch., aufgefaßt wurde; altnordisch scheint die hsg. v. Grauert, II, H. 2 u. 3, S. 30) und Vorstellung geherrscht zu haben, daß der auch auf den angelsächsischen Königs- und Bauch geborsten sei. Der eigentümliche Edelhöfen (Leo Rectitudines 132). R a t Hcjvamql 136, Bruch mit MutterFuhse. 22*

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BRÜCHE—BRÜCKE

k o r n zu heilen (Jiqll vitt hyrogi), ist z u j F o r t . A u c t . ant. t . 4 2 ) 79 in Paris sogar demus kausal v e r n ü n f t i g , u m z u dieser L e s a r t pendulae... per pontern constructae kennt) viel V e r t r a u e n z u erwecken. Spuren j die eine oder andere römische B r ü c k e bis einer andern B r u c h b e h a n d l u n g im frühen ; in die N e u z e i t wenigstens in ihrer G r u n d german. M A . traf ich nicht in der L i t e r a t u r , a n l a g e b e w a h r t blieb, sind die großen R ö m e r b r ü c k e n z B . bei Mainz u n d G r o ß doch h a t D e n e f f e 1900 sechs Bruchbänder aus merowing. Zeit veröffentlicht, i k r o t z e n b u r g so gründlich zerstört w o r d e n , d a ß sie dem Mittelalter völlig u n b e k a n n t welche in Gräbern fränkischer K r i e g e r b l i e b e n ; bei Trier allein dürfte der F a l l der in Lothringen u n d im nördl. F r a n k r e i c h E r h a l t u n g einer solchen B r ü c k e vorliegen. gefunden sind, die teilweise bis in das Ein großes Ereignis w a r daher der zehn J a h r e 5. Jahrh. zurückreichen (auch in Norderfordernde B a u der großen hölzernen italien ist ähnliches gefunden worden). R h e i n b r ü c k e bei Mainz durch K a r l d.Gr., die Der Spaten bringt also a u c h hier dem ein J a h r n a c h der V o l l e n d u n g , 813, durch überlieferten W o r t e die E r g ä n z u n g ; die B r a n d zerstört w a r d (die N a c h r i c h t e n geS ü d w e s t g e r m a n e n k a n n t e n im 6. u. 7. Jh. s a m m e l t v o n J. v . Schlosser, S c h r i f t q u e l l e n b e s t i m m t schon das B r u c h b a n d . z. Gesch. d. karoling. K u n s t Nrr. 188 bis H e y n e Hausaltert. I I I 137 f. H ö f 1 e r Krkhtnambuch. 195. 277. 75 ff. G r ö n Altnord. 192 und N a c h t r . 10). Im G e g e n s a t z zu Hlknde, Janus 1908 (S.-A. 64—66). V. D e E n g l a n d , w o die Ortsnamen auf -brycg, n e f f e les bandages herniaires a V époque méro-i -bridge sehr h ä u f i g sind, k o m m e n sie in vingienne Anvers 1900. C a r b o n e l l i 11 j D e u t s c h l a n d nur spärlich v o r : 40 N a m e n auf ,,brachalis herniarum" nelV alto medio evo. Att. ä acad. delle Sc. di Torino. X L I I I . 1908. J o h j -brucca, -brückte) -brück bei F ö r s t e m a n n 2 , S. 331 stehen 93 auf -furd gegenüber (598) ; G e l d n e r Unters, z. altengl. Krankheitsnamen, an den größeren Flüssen fehlen sie ganz, Progr. Augsb. 1907. 30 f. Sudhoff. j w ä h r e n d hier F u r t n a m e n selbst a m U n t e r Brüche. Bruchzahlenbezeichnungen 1 lauf n i c h t selten sind (am M a i n : H a ß f u r t , S c h w e i n f u r t , Ochsenfurt, F r a n k e n f u r t ) . D i e k a m e n sicherlich schon im Urgerm. v o r . B r ü c k e n n a m e n b e g e g n e n uns nur an B ä c h e n D e m deutschen anderthalb entsprechende oder a m Oberlauf mittlerer F l ü s s e : HersB i l d u n g e n finden sich a u c h im W e s t b r u c k (Pegnitz), T h a m s b r ü c k (Unstrut), u n d N o r d g e r m . : ags. öfter healf, anord. Waltersbrück (Schwalm), Kissenbrück halfr annarr. D e m A n o r d . w a r gar die (Oker), Coppenbrügge (Aue), Delbrück Halbierung der Zehner geläufig: halffertogr (Haustenbach), O s n a b r ü c k u. Q u a k e n b r ü c k '35 jährig', halfnîrceâr '85 jährig'. Im (Hase). [Innsbruck = O e n i p o n t u m liegt im Ags. finden wir a u c h die D r i t t e l b e z e i c h n u n g römischen Raetien.] U n t e r allen U m twœde dœlas 2 / 3 . B e m e r k e n s w e r t ist ferner ständen darf hier nur an H o l z b r ü c k e n mit die anord. S u b s t a n t i v a b l e i t u n g v o n Ordihorizontaler B a l k e n l a g e g e d a c h t werden. nalzahlen durch -ung-\ pridjongr '/j, fiorDie Ü b e r w ö l b u n g und der B r ü c k e n ü b e r iongr — U n z e n b e z e i c h n u n g und -rechnung b e r u h t durchaus auf antik- i g a n g im B u c k e l , den die R ö m e r k a n n t e n , k o m m t bei uns v i e l l e i c h t erst mit der r o m a römischer T r a d i t i o n (s. R e c h e n k u n s t ) . Raphael Meyer. nischen B a u p e r i o d e a u f : wenn also in den eddischen Grimnesmal Str. 44 (43) der B r ü c k e . § i . D a ß den alten Germanen R e g e n b o g e n aller B r ü c k e n beste h e i ß t , ebensowenig wie den K e l t e n zur Zeit ihrer so ist das eine r e c h t j u n g e V o r s t e l l u n g . ersten B e k a n n t s c h a f t mit den R ö m e r n die § 2. W ä h r e n d die E t y m o l o g i e u n d K u n s t v e r t r a u t w a r , größere F l u ß l ä u f e zu ! überbrücken, ist zweifellos. M e r k w ü r d i g 1 älteste B e d e u t u n g v o n ' b r ü c k e ' S c h w i e rigkeiten macht, liegt beides f ü r zwei ist aber, d a ß sie a u c h v o n den R ö m e r n den B r ü c k e n b a u nicht ü b e r n o m m e n haben, | andere, nur auf d e u t s c h e m B o d e n ü b sondern bei der B e n u t z u n g v o n F ä h r e n | liehe B e n e n n u n g e n der künstlichen F l u ß und F u r t e n geblieben sind, w o ihre F ä h i g - | Übergänge klar z u t a g e . D e r g e m e i n d e u t s c h e keit, B ä c h e und S ü m p f e zu ü b e r f ü h r e n , nicht j ' s t e g ' heißt so n a c h den beiden anausreichte. W ä h r e n d in Italien und w o h l | steigenden Z u g ä n g e n : daher a u c h gern a u c h in E n g l a n d und F r a n k r e i c h (wo Y e n . I (ähnlich w i e lat. pontes) f ü r solche H o l z -

BRÜCKE

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brücke der Plur. stega verwendet w i r d ; so i Entsprechungen abzulehnen: die urgerschon 790 in der 'Notitia Arnonis': usque manische Brücke war nicht gewölbt und ad pontes que nunc vocantur Stega (Salzb. nicht hochgespannt. Die wahrscheinlichste U r k b . S. 14,8: Lammersteg, jetzt EngelEtymologie gibt K l u g e Et. W b . s. v., der hartsbrück a. d. Lammer). Niederlassungen 'Brücke' mit 'Prügel' (mhd. brügel) und an solchen Stegen sind Mürzsteg, K a n d e r mhd., Schweiz, brüge 'Brettergerüst' zusteg einerseits, Stegham a. d. R o t (Stegasammenbringt. D a s wesentliche Material heim) anderseits (vgl. Brüggen d. i. aller Arten von Brücken war das Holz, Bruggikeim an der Leine und anderwärts). vorwiegend Knüppelholz, und wahrscheinlich haben landschaftlich nicht nur die § 3. Die ' s p e c k e ' ist landschaftlich zwei Ufer eines Flußlaufes verbindenden beschränkt; als A p p e l l a t i v u m in altern und Übergänge, sondern auch die künstlichen neuern Belegen für die Unterweser (Brem. Zugänge zu Brücken (und Furten), welche Wb.),Südhannover (Schambach),Kurhessen nicht selten durch morastigen Boden führ(Vilmar)und dieWetterau (Crecelius)bezeugt, ten (vgl. Ortsnamen wie Horgenbrücken a. dürfte sie in Bayern (Schmeller-Fr. 2, 657), d. Salzach, Bruchenbrücken a. d. Wetter, Schwaben und der Schweiz fast nur in Siggenbrucca a. d. Schwalm [zu secg 'carex, Orts- und Flurnamen v o r k o m m e n ; in lisca']) den Namen 'brücke' erhalten, vielSchwaben scheint hier die Bedeutung verleicht auch die echten 'specken'. schoben: specke, speckin ist nach Schmid Schwäb. W b . S. 500 'ein mit Steinen ge§ 5. Darauf weist wohl auch die auspflasterter F a h r w e g ' ; doch vgl. dagegen schließliche V e r w e n d u n g des Wortes pons B u c k , Flurnamenbuch S. 262. D a s W o r t in den lateinischen Schriftquellen für alle gehört zu ags. spcec, ahd. späh, spahho Anstalten zur Überführung von Flüssen 'ramus, malleolus ligni, sarmentum': es und Morästen: Holzbrücken, Schiffbrücken, bedeutet einen K n ü p p e l d a m m durch SumpfKnüppeldämme. Wenn der Graf Gero, dem gelände und über Gräben, von Ruten Widukind (III54) ausdrücklich 'multae artes geflecht und Erde, auch von Reiswellen und bonae' zuschreibt, in dem Slawenkrieg v o n Pfählen, dann auch eine einfache Ufer955 seinen R ü c k z u g über einen mecklenbrücke, die mit Strauch und Rasen beburgischen oder vorpommerschen K ü s t e n schüttet wird. Die ältesten Belege sind fluß R a x a , fluvium ad transmeandum palueinmal 819 Specbrucca in der östl. Schweiz, dibus difficillimum, bewerkstelligte, indem dann drei Ortsnamen auf -spekkia f. an er super paludem et flumen cui palus adBächen des Leinegebiets in der ältesten jacens erat. . . . tres pontes celeriter conGrenzbeschreibung des Bistums Hildesstruxit (III 53), so h a t es sich da sicher nicht, heim aus d. Anf. d. 11. Jhs., die sämtlich wie etwa bei dem Elbübergang Karls d. Gr. nach den Erbauern bzw. Siedlern (Widu789, um Schiffbrücken gehandelt. Wie hier kindesspekkia usw.) benannt sind (Urkb. so bildete in unzähligen Fällen gegenüber d. Bist. Hildesheim 1, 30 Nr. 40, vgl. dem Fluß das sumpfige Gelände das S. 41 Nr. 51; MG. Dipl. Heinr. II 299); größere Hindernis des Verkehrs. Eigenvgl. noch Förstemann 2 2 , 1361; Arnold, tümlich ist es, daß in einer Urkunde Ansiedelungen S. 361. Karls d. Gr. für Lorsch v . J. 777, wo die § 4. ' B r ü c k e ' (fem., ahd. brucca, as. Anlage eines Weges über das morastige •bruggia, ags. brycg, an. bryggja) ist in hist. Gelände der Weschnitz gestattet wird Zeit der allgemeinste Ausdruck, welcher [tarn super fluvium Wisgoz quam super illos 'specke' und 'steg'mit umfassen kann (vgl. /"var. alios] lacus), das Wort pons bzw. oben Specbrucca); im Norden freilich ist pontem zweimal von Hd. d. 16. Jhs. auf bryggja f. speziell die Landungsbrücke und 1 einer Rasur steht; hier ist vermutlich ein der Hafendamm, während die Bedeutung I charakteristisches deutsches W o r t ver' B r ü c k e ' dem W o r t e brü f. zukommt, loren gegangen (Urk. d. Karoling. I, 161. dessen Verhältnis zu bryggja man seit Bugge 237). Und bemerkenswert ist immerhin, mit dem Verhältnis von juvenilis (g. jünda) daß in einer Altenschlirfer Markbeschreizu jugunt vergleicht. Jedenfalls ist die bung von 885 (Dronke, Trad. Fuld. S. 62, Spielerei mit ' B r a u e ' und dessen slav. Überlieferung d. 12. Jhs.) der Aus-

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BRÜCKENKÖPFE—BRUKTERER

druck ad stenten brukken vorkommt und durch das lat. ad pontem stantem gesichert wird; diese 'stehende Brücke' ist wohl nicht Gegensatz zu einer improvisierten sondern zu einer 'liegenden Brücke, B r ü c k e ' : also der Brückenhochbau im Gegensatz zum Brückendamm? Man kann auch an den Gegensatz zur 'Zugbrücke' denken, die, als sIegebrücke seit 1200 bezeugt, sicher weit höher hinaufreicht. § 6. Der Bau von steinernen Brücken über kleinere Flußläufe und Bäche läßt sich vielleicht schon für die Karolingerzeit annehmen, aber nicht jeder Ortsname 'Steinbrück' uä. weist auf eine solche hin: es gab genug Flüsse des Namens Stein(ah)a, und so gut wie steinige (und freilich auch 'gesteinte') Furten (vgl. Steinfurt uä. bei Förstemann 2 2 , 1375 und die beiden Stratford in Buckinghamshire: Stony Str. und Fenny Str.) haben wir auch eine Steinigabrucca (Steinbrüggen in Appenzell, Förstemann ebda. 1377). Zuverlässiger ist ein Zeugnis wie der pons lapideus in der Schlitzcr Gemarkung (Dronkc Trad. Fuld. S. 58). § 7. Furten und Brücken, weil von Dämonen bedroht, wurden unter den Schutz der Götter gestellt, und darum (nicht aus Gründen des Raumes, wie sie J . Grimm wunderlich genug austüftelte) fanden die Gerichte im MA. vielfach 'vor der Brücke' und 'auf der Brücke' statt, so gut wie'super vadum' (Rechtsalt. 799, 4. Aufl. 2, 4 I 9 f . ) . Die Brückenheiligen und Brückenkapellen des spätem MA. stehen gewiß mit diesem uralten Volksglauben in Zusammenhang. Zur Ergänzung, auch über Furten und Fähren, vgl. Art. 'Verkehrswesen', bes. § § 7-

Edw.

Schröder.

Brückenköpfe werden direkt genannt die beiden Kastelle, die Karl d. Gr. 789 links und rechts der Elbe anlegte, und von denen eins wahrscheinlich Hohbuoki ist, das wir seit 1897 durch Ausgrabung kennen (s. Wachtburgen). Auch sonst können wir beobachten, daß wichtige Flußübergänge zu karolingischer Zeit durch befestigte Königshöfe gedeckt werden, so bei Haltern durch die curtis Bossendorf und bei Rheine durch den Falkenhof. Schuchhardt. Brukterer. § 1. Die B . gehören zu den stärkeren Völkerschaften des westlichen

Deutschland. Strabo, der Erste, der sie nennt, weiß 290, daß Drusus mit ihnen einen Schiffkampf auf der Ems zu bestehen hatte. Zu beiden Seiten der obem Ems bis zur Lippe hat man sie auch nach andern Quellen zu suchen. Nach Strabo und Ptol. teilen sie sich in die „größeren" und „kleineren", wovon erstere östlich, letztere westlich der Ems stehen. § 2. Mit ihren Ostnachbarn, den Cheruskern, mit denen sie sich in der Gegend der Ems- und Lippequellen berührten, sehen wir die B . vereint in der Varusschlacht und später in den Kämpfen gegen Germanicus. Zu einer hervorragenden Stellung erheben sie sich als Bundesgenossen des Civilis, wozu die ihrem Stamm angehörende Seherin Veleda nicht wenig beiträgt. Doch ist ihre Glanzzeit nur von kurzer Dauer. Im J . 98 n. Chr. erliegen sie gegen einen Bund der benachbarten Stämme, wenn auch das, was Tacitus Germ. 33 über die Schwere dieser Niederlage, vor allem die Zahl der dabei gefallenen (60 000), angibt, sicher übertrieben ist. Mit seiner Mitteilung, daß ¡ Chamaver und Angrivarier in ihr Gebiet j eingerückt seien, bringt B r e m e r Ethn. \ : 3 5 (869) den Gaunamen Angeron im östlichen Westfalen auf altbrukterischem Boden in Zusammenhang. , § 3. Daß das Volk damals keineswegs vernichtet worden ist, lehren Ouellenzeugnisse aus späterer Zeit, in denen B . als Hilfsvölker oder Feinde der Römer i genannt werden, und erweist auch der ! pagus Borahtra. Nur zeigt dessen Lage, daß die B. gegen Südwesten über die j Lippe gedrängt worden sind. Sie er! scheinen zuletzt als Teilvolk der Franken. | § 4. Der Name Bructeri — die Vulgata Bouaoc'z-cpot bei Ptol. ist Verderbnis —, mit Metathese Burcturi (Tab. Peut) und so auch in Borahtra, Borahtride (Ortsname), Borhter (Personenname) usw. ist nicht sicher gedeutet. Erklärungsversuche finden sich unter anderm bei Z e u ß 92 und G r i m m GddSpr. 532, die an Ablaut mit berht 'clarus' denken; R . Much P B B e i t r . 17, 144 und M ü l l e n h o f f DA. 4, 422 ziehen ahd. widarbruht 'repugnantia' heran, L. L a i s t n e r Württemb. Vierteljahrsh. 1892, 22 erwägt Ver-

BRUN—BRUNNEN

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w a n d t s c h a f t m i t m h d . brogen. E s ist unO t t o I I I . nach Italien g e f ü h r t , w i e sein einstiger M i t s c h ü l e r der h. A d a l b e r t v o n sicher, ob t zur A b l e i t u n g g e h ö r t oder der a s k e t i s c h - w e l t f l ü c h t i g e n Z e i t s t r ö m u n g n i c h t , u n d in ersterem F a l l ist der G u t t u r a l ergriffen, w i e j e n e r M ö n c h i m r ö m i s c h e n g a n z u n b e s t i m m b a r u n d d a h e r die Z a h l der M ö g l i c h k e i t e n eine große. G e w i ß ! A l e x i s k l o s t e r , d a n n seit 1001 m i t d e m h. R o m u a l d im K l o s t e r Classe bei R a v e n n a , liegt d a s i m G e r m , seltene K o m p e r a t i v wurde nach Adalberts Vorbild von Mars u f f i x idg. (t)ero v o r , g a n z w i e in d e m m i t Bructeri ein P a a r b i l d e n d e n N a m e n der 1 t y r i u m s d r a n g g e p a c k t und w i r k t e einige J a h r e als E r z b i s c h o f der H e i d e n missiob e n a c h b a r t e n Tencteri. A n d e r s ist die nierend bei den P o l e n , U n g a r n , R u s s e n , i m M A . a u f t a u c h e n d e F o r m Boructuarii zu P e t s c h e n e g e n , L i u t i z e n und P r e u ß e n , bis beurteilen, die m i t d i s s i m i l a t o r i s c h e m A u s er 1009 den e r s e h n t e n M ä r t y r e r t o d f a n d . fall v o n r f ü r Boructruarii s t e h t und sich W ä h r e n d eines A u f e n t h a l t s in M e r s e b u r g zum älteren Volksnamen verhält wie im W i n t e r 1004/5 ü b e r a r b e i t e t e er die schon Baioarii zu Boii. vorhandene wertvolle L e b e n s g e s c h i c h t e Z e u ß 92 ff. 350 ff. B r e m e r Ethn. d e s 997 als Missionar bei den P r e u ß e n ge169 (903) f. E i c k h o f f K o r r e s p . - B l . d. V e r . t ö t e t e n h. A d a l b e r t , die J o h a n n e s C a n a f. nd. S p r a c h f o r s c h . 1904, H . X X V 19 ff. M ü 1 parius, A b t des A l e x i u s k l o s t e r s in R o m , 1e n h o f f DA. 4, 9 ff. 422 ff. I h m bei P a u l y - W i s s o w a u n t e r Bructeri. R . Much. u m 1000 v e r f a ß t h a t t e , und b e r e i c h e r t e sie d u r c h persönliche E r i n n e r u n g e n und M i t Brun (Bruun), mit dem Beinamen C a n teilungen v o n A d a l b e r t s F r e u n d e n . D i e so d i d u s , M ö n c h in F u l d a , g e n o ß eine Z e i t e n t s t a n d e n e neue V i t a h a t er d a n n 1007/8 l a n g die U n t e r w e i s u n g E i n h a r d s , die in liteAuch ( in P o l e n neu r e d i g i e r t und g e k ü r z t . rarischer und künstlerischer Beziehung gute j a b g e s e h e n v o n d e m sachlich N e u e n , das F r ü c h t e t r u g , schrieb, v o n seinem G ö n n e r das W e r k b i e t e t , interessiert B . d u r c h die A b t E i g i l ( 8 1 7 — 8 2 2 ) a n g e r e g t , eine v e r l o r e n e g a n z persönliche N o t e seines V o r t r a g s , die Vita des Abtes Baugulf ( 7 7 9 — 8 0 2 ) und stellte sich in d e m s c h w ü l s t i g - d u n k l e n , a b e r n i c h t noch i m A l t e r ( z w i s c h e n 839 u. 842) auf geistlosen Stil e b e n s o g e l t e n d m a c h t , w i e V e r a n l a s s u n g des A b t e s H r a b a n das Leben in d e m tief m i t f ü h l e n d e n V e r s t e h e n seines in V e r s e n u n d , i n h a l t l i c h ohne w e s e n t H e l d e n , dessen L e b e n er n a c h l e b t e , u n d in liche U n t e r s c h i e d e , a u c h in P r o s a dar, u m der k i r c h l i c h - p o l i t i s c h e n T e n d e n z , die sich b a l d d a r a u f (845) z u s t e r b e n . D e r S t o f f scharf gegen den k n a b e n h a f t e n O t t o II. w a r n i c h t e r g i e b i g ; a b g e s e h e n v o n der b e s o n d e r s w e g e n der A u f h e b u n g des B i s l e b e n d i g g e s c h i l d e r t e n A b t s w a h l und der t u m s M e r s e b u r g w e n d e t , a b e r a u c h m i t der a n s c h l i e ß e n d e n R e i s e an den H o f L u d w i g s i t a l i e n i s c h e n P o l i t i k O t t o s I I I . n i c h t zud. F r . u n d n a c h Mainz, die B r . d o c h w o h l s a m m e n g e h t , so s y m p a t h i s c h dessen a s k e t i als einer der b e g l e i t e n d e n B r ü d e r (c. 9) sche S c h w ä r m e r e i e n i h m n a t ü r l i c h a u c h m i t g e m a c h t h a b e n d ü r f t e , w a r n u r einiges sein m u ß t e n . D i e s e spiegeln sich ü b r i g e n s ü b e r B a u t e n u n d V e r w a l t u n g Eigils z u a u c h in einer w e i t e r e n b e m e r k e n s w e r t e n sagen. D a h e r m u ß t e n e r b a u l i c h e B e t r a c h S c h r i f t B r u n s ü b e r d a s L e b e n v o n 5 i' 1 t u n g e n u n d a u s g e s p o n n e n e R e d e n eine P o l e n 1003 e r s c h l a g e n e n Einsiedlern. h i s t o r i o g r a p h i s c h n i c h t sehr a n n e h m b a r e E r w e i t e r u n g a b g e b e n . T r o t z d e m b l e i b t das Vita S. Adelberti, I. R e d a k t i o n : Mon. W e r k c h e n in seiner an E i n h a r d g e m a h n e n P o l . I 1 8 4 g . ( a u c h F o n t . rer. B o h . I 266 ff.), den V e r b i n d u n g v o n t i e f e r P i e t ä t , u n g e 2. R e d a k t i o n : M G . I V 596 ff. — Vita s c h m i n k t e r W a h r h a f t i g k e i t u n d schlichter quinque fratrum Poloniae MG. X V 709 ff. — D a r s t e l l u n g eine a n z i e h e n d e L e i s t u n g . W a t t e n b a c h

Vita

Eigilis

in

Prosa

MG.

XV

221

ff.;

in

Einl.

DGQ.

17,

zu Geschichtschreiber

388

ff.

H ü f f er

d. d. Vorzeit,34,

Versen M G . P o e t . C i r . I I 94 fr. ( H a n d s c h r . v e r -

(wo die V i t a des C a n a p a r i u s ü b e r s.).

loren).

b a c h N . A r c h . 27, 37 ff.

d.

Übersetzung:

Vorzeit

DGQ.

2

25 (1888).

I 7 254 ff.

Geschichtschreib, —

d.

K.

1891 PeriHampe.

W a t t e n b a c h K. Hampe.

Brun von Q u e r f u r t , a u s edlem G e s c h l e c h t , D o m h e r r in M a g d e b u r g , 996 v o n

Brunnen. § i. Die Germanen besitzen eine g a n z e A n z a h l v o n z u m e i s t g e m e i n samen, d o c h in k e i n e m F a l l e i n d o g e r m a -

336

BRUNNEN

gedrängt worden durch kelda f., das (unnischen Ausdrücken f ü r die natürlich verwandt mit quelle !) ursprünglich nur die fließende Quelle; aber bei keinem ihrer 'kalte' Quelle meint, im Gegensatz zu S t ä m m e ist die künstlich gefaßte oder mechanisch erschlosseneWasserader auf die vermsl n. pl., der tiefen Quelle, die auch im Winter nicht einfriert (Fritzner Ordb. Dauer mit einem besonderen Worte belegt I, 271. 3, 919; Falk-Torp Ordb. I, 361); worden, wie etwa die Griechen xpr^vrj und auch dies kelda kann wieder die Bedeutung m r j d i e Lateiner fons und puteus unter'Morast' haben, und anderseits zeigt es die scheiden. Das zum Zwecke solcher Scheidung von den Römern übernommene gleiche Neigung zur. Komposition wie anderwärts die alten W ö r t e r : kildevceld, Lehnwort puteus h a t im Laufe der Zeit fast überall seine vornehme Bedeutung kildespring, schwed. springkälla. wieder eingebüßt, und eine Trennung, § 3. Für die Vorliebe der alten Germanen, wie sie seit dem 16. J h . in der nhd. sich in der Nähe von Quellen anzusiedeln, Schriftsprache sich zwischen 'Quelle' und b r a u c h t es k a u m das b e k a n n t e Zeugnis des ' B r u n n e n ' angebahnt hat, ist nie volksTacitus Germ. 16. Bei allen germanischen tümlich geworden. Stämmen sind die mit Quellnamen identischen Siedlungsnamen sehr zahlreich: bei § 2. Got. brunna, as. brunno, ahd. den Deutschen überwiegen die Namen mit brunno, prunno, ags. fries. burna, anord. •brunno (Förstemann Altd. Namenbuch brunnr (brudr) m.; ahd. söt, ags. seaf n.; 2 ä 3 3 ) , daneben kommen besonders -spring ags. wiella m. wielle f., dän. vceld und die und -houbit vor; bei den Angelsachsen halten damit urverwandten mhd. quelle f. und (in sich -burna und -wiell die Wage (MiddenOrtsnamen) swall m., swelle f. beziehen dorff 21. 145); bei den Nordländern steht sich sämtlich auf das Aufwallen des gleich-kelda im Vordergrund. Besonderes Intersam kochenden Wassers; ahd. as. ags. esse verdienen zwei G r u p p e n : die alten spring m. (zu mhd. Urspring vgl. an. mythologischen, die leider durch die Uberuppspretta f.) auf das lebhafte Emporlieferung stark beeinträchtigt und entstellt dringen der natürlichen Wasserader. Dasind, und dann die besonders in Oberneben wird durch deutsche Ortsnamen (vgl. deutschland sehr große Zahl der nach dem bes. Geismar, das viermal für Orte mit Ansiedler benannten, mit einem Personenmineralischen Quellen bezeugt ist) als alte namen im ersten Glied. Bezeichnung von Quellen ahd. mari, meri § 4. Drei oder vier Arten von n a t ü r (-mar), ags. mere erwiesen, das aber zumeist lichen Quellen legten frühzeitig künstliche eine sich morastartig verbreitende Quelle Fassung oder doch Schutz und Sicherung bezeichnet (so bes. in England, s. Middennahe: einmal die heiligen u n d heilkräftigen, dorf?, Ae. Flurnamen 92 f.). Doch müssen von denen nicht wenige später von christwir darauf gefaßt sein, daß die Ausdrücke lichen Kirchen umschlossen erscheinen (wie ihren Wert verschieben: söt wird in Mittelin Heilsbronn, Paderborn, Echternach, St. deutschland vornehmlich f ü r mineralische Quirin in Luxemburg); ihnen darf man die Quellen verwendet (vgl. den mehrfach Salzquellen anschließen, wo zugleich der wiederkehrenden Ortsnamen Söden), seaä praktische Nutzen die Sicherung forderte. in ags. Flurnamen (Middendorff 116) ist Sodann Quellen, deren Besitz dem Ansiedler einfach eine Grube, oft gar ohne Wasservon täglichem Wert u n d Nutzen war — und inhalt (Stein-, Sand-, Kalkgrube); über die begriffliche E n t a r t u n g von puteus s. u. \ schließlich solche, welche im Falle einer Kriegsnot eine größere Anzahl Menschen § 5- So erklärt sich auch ein Kompositum und ihr Vieh tränken m u ß t e n . Bei vorgewie quecbrunno, in dem der schwindende schichtlichen Fluchtburgen ist die Frage etymologische Begriff neu aufgefrischt der Wasserversorgung nicht immer aufgewird, und weiterhin die Neigung, zwei der k l ä r t : in frühster Zeit werden wohl primiobigen Wörter zu verbinden, die durch tive Zisternen (hol, wazzerhol) angelegt sein, alle germ. Sprachen geht, vgl. ags. wiellderen Spuren die Ausgrabung kaum mehr spring und springuüell, deutsch Springhorn, ans Licht bringt. Da solche Wallburgen brunnquell usw. — Im Skandinav. sind auf der Hochfläche liegen, die Quellen aber die alten Wörter schon recht früh zurück-

BRUNNEN meist am Bergeshang entspringen, so war es nicht immer möglich, diese in die H a u p t befestigung mit einzubeziehen: so liegt auf der alten Sachsenburg Hohensyburg die sehr ergiebige Petersquelle an der Nordspitze der Vorburg (Atlas vorgeschichtl. Befestigungen in Niedersachsen H. 6, Bl. XLV), auf der Herlingsburg bei Schieder a. d. Eramer ('Skidroburg', wo man im Innern auch einen künstl. Brunnen aufgefunden hat) liegt eine starke Quelle 300 m von der Burgecke (ebda. H. 7, Bl. L I I I ) ; auf der Hünenburg bei Todenmann (Kr. Rinteln) ist die 600 m von der frühmittelalterlichen Herrenburg entfernte Quelle unter den unmittelbaren Schutz einer vorgeschobenen Warte gestellt. § 5. Die künstliche Erschließung und dauerhafte Fassung von Wasseradern (der Ausdruck brunnadara ist besonders oberdeutsch verbreitet) scheinen die Germanen erst von den Römern gelernt zu haben: dafür spricht einmal das frühe Lehnwort puteus-putti und dann die gleichartige Erscheinung der ältesten germanischen und gewisser römischer Brunnenanlagen auf deutschem Boden. In den Kastellen und befestigten Lagern der Römer spielte die Wasserversorgung eine große Rolle: auf der Saalburg hat man (bis 1897) nicht weniger als 41 Brunnen aufgedeckt, 18 gemauerte und 23 Schachtbrunnen, von denen 15 eine Holzverschalung hatten. Naturgemäß haben wir etwas Ahnliches zunächst auch bei den Germanen innerhalb ihrer befestigten Orte und Fluchtburgen zu suchen. Und in der Tat haben die Ausgrabungen der letzten Jahre entscheidende Aufschlüsse gebracht: auf der Altenbürg sw. Kassel, einer großen chattischen Volksburg, die man mit dem von Germanicus zerstörten Mattium zusammenbringt, hat man oblonge Ausschachtungen gefunden, welche einen Bodenbelag aus starken Eichenbohlen (dillen) und eine ebensolche Verschalung aufweisen und von lebendigen Wasseradern gespeist wurden: ebenso aber sehen die Brunnen aus, welche man 1908 in dem frühen Römerlager von Oberaden bei Lüne aufgedeckt hat; man wird sie beidemal zu dem Bilde ergänzen dürfen, wieesjacobi, Saalburg S. 170, Fig. 22 CD bietet: überhöhte Randverschalung,

337

vielleicht mit einem Schutzdach, sicher mit einer Schöpfvorrichtung. § 6. Als Namen eines solchen oblongen Schachtbrunnens lernten die Germanen puteus kennen: außer lacha, das gewiß aus lacus stammt, und dem niederrhein. aducht, das von aquaeductus nicht getrennt werden darf, ist dies das einzige Lehnwort, das sie dem römischen Wasserversorgungswesen entnommen haben, specus und cisterna blieben unbeachtet; and. putti, ahd. phuzzi m. (phuzza f.), ags. pytt m., an. pyttr m. repräsentieren ein frühes Lehnwort, das wahrscheinlich bereits in der ersten Zeit der römischen Invasion am Niederrhein aufgekommen ist, von den Angelsachsen mit hinübergenommen wurde und entweder von der Rheinmündung oder aus England zu den Nordländern kam. Am Niederrhein und in Westfalen h a t es noch bis heute seine Bedeutung als Ziehbrunnen bewahrt, ist auch auf den modernen Pumpbrunnen übertragen worden. (Beachtenswert scheint, daß auf der Dornburg bei Hadamar ein 'Heidenpütz' und ein 'Diehlborn' vorkommen; 'Dillenborn' ist auch sonst bezeugt.) Das obd. buzza, puzza scheint eine jüngere, selbständige E n t lehnung zu sein. Im Englischen (und ebenso im Nordischen) ist pyt schon früh zu der Bedeutung 'Grube' gekommen, wobei nicht einmal ein Wasserinhalt notwendig ist (Middendorff 105); im deutschen 'Pfütze' bedeutet es eine morastige Wasserstelle mit oder ohne Quellzufluß, aber mit Ausschluß jeder künstlichen Anlage oder Vorrichtung. § 7. Die ältesten literarischen Belege für das Lehnwort bieten fränkische Autoren des 9. J h . : der Fuldaer Übersetzer des Tatian, Otfried von Weißenburg und der Verfasser des Lorscher Gedichts von Christus und der Samariterin geben alle drei den wechselnden Gebrauch von fons und puteus in Ev. Joh. c. 4 mit brunno einerseits und anderseits mit phuzzi, puzzi oder buzza wieder; Graff, Ahd. Sprachsch. 3, 355 bietet für das Lehnwort die Bedeutungen 'puteus' und 'cisterna'; es handelt sich um einen künstlich vertieften und gefaßten Brunnen mit einer mechanischen Vorrichtung zum Schöpfen. Der lateinische Ausdruck für diese Schöpfvor-

33«

BRYTI—BUCH

meist dem unfreien S t a n d e angehöriger richtung (oder einen Teil derselben), hauW i r t s c h a f t s b e a m t e r erscheint. Der in allen strum, ist landschaftlich auch z u m Lehndrei skandinavischen Reichen v o r k o m m e n d e w o r t geworden: Köster Reinh. Fuchs 938, dazu der F l u r n a m e Hosterborn (Nassau). j bryti des Königs ist ein auf einem Königshofe sitzender Gutsbeamter, der anfängAls ein heimisches Wort d a f ü r diente galgo lich ebenfalls nur wirtschaftliche Aufgaben 'Galgen': es begegnet uns, m e t o n y m gebraucht, f ü r die Reichenhaller Salzbrunnen I zu erfüllen hat, allmählich aber ü b e r h a u p t die V e r t r e t u n g der königlichen Finanzschon in der 'Notitia Arnonis' (790) und den interessen übernimmt und so zu einem ' B r e v e s Notitiae' (etwa 790): putiatorium Beamten wird (s. Beamten(puteurn), quod barbarice (vulgariter) dicitur j staatlichen Besonders in dieser Funktion, galgo (Salzb. Urkb. Bd. I, 5. 7. 33); f ü r ; wesen). aber auch schon' vorher, f ü h r t er in später vgl. Lexer I, 737 (galge, galgbrunne, ; Norwegen den Titel ärmair (s. d.), in galgenstücke). D ä n e m a r k umbutzman. D e m bryti des § 8. Zweifellos jünger als die ersten Königs entspricht als W i r t s c h a f t s b e a m t e r Brunnen mit Holzverschalung sind dann und F i n a n z b e a m t e r der des Bischofs. die steinernen B r u n n e n : Schachtbrunnen v. A m i r a Nordg. Obl.-R. I, I I an den im und Brunnenstuben, welche seit dem BeRegister s. v. angegebenen Stellen (hier insbes. ginn der Völkerwanderungszeit f ü r verauch über b. eines Privaten). Steenstrup schiedene germanische S t ä m m e bezeugt, Studier over Kong Valdemars Jordebog 68 ff. auch bei den Franken, Sachsen und Angel373 ff- J ö r g e n s e n Forelcesninger 140. 184 ff sachsen durch Ausgrabungen gesichert B e a u c h e t Hisi. de la propriété foncière en sind: ich f ü h r e als Beispiele an den mit Suède 3S5. 663 ff. H i 1 d e b r a 11 d Sveriges Steinen ausgesetzten Brunnen im Innern Medettid I 81. v. Schwerin. der Skidroburg (Atlas vorgeschichtl. BeBuch. § 1. Der Sammelbegriff eines festigungen H. 7 Bl. L I I I ) und das große größeren Schriftstücks ist bei den Gergemauerte Ouellenhaus auf dem Tönsberge m a n e n wie bei den Griechen und R ö m e r n bei Oerlinghausen (ebda. Bl. LVI, § 322) ; nach dem Stoff, auf dem geschrieben wurde, dazu treten die von Stephani gesammelten b e n a n n t worden. Griech. ßißXo?, ßußXoc, Abbildungen aus frühmittelalterlichen ein ägyptisches Lehnwort, bezeichnete z u Handschriften, die freilich z. T. keine nächst den 'Bast der P a p y r u s s t a u d e ' , rechte Anschauung gewähren, z. T. auch d a n n das darauf Geschriebene: ' S c h r i f t n u r mit E i n s c h r ä n k u n g zu benutzen oder stück, Verzeichnis, Buch'. L a t . Uber w a r direkt abzulehnen sind. Spätestens f ü r eigentlich ' B a s t ' , dann, weil die R ö m e r die Karolingerzeit ist auch bereits der in älterer Zeit auf Bast schrieben, das Röhrenbrunnen anzusetzen. Uber B r u n n e n und Quellen der Griechen und ; B a s t s t ü c k m i t dem darauf Geschriebenen, Römer s. B a u m e i s t e r Denkm. d. class.Alterob es sich n u n um ein 'Verzeichnis', einen tums Bd. 1 (Münch.-Leipz. 1885), 356—360. • ' B r i e f ' oder e i n ' S c h r e i b e n ' , ' S c h r i f t s t ü c k ' B r u n n e n der Saalburg: J a c o b i Das Römer - 1 im allgemeinen handelte. L a t . caudex, castell Saalburg ( H o m b u r g v. d. H . 1897), 149— codex (von Walde E W b . wohl mit R e c h t 173. Ausgrabungen auf d . A l t e n b u r g : Z d V f h G u L k . zu cildere 'schlagen' gestellt) entwickelte 43, 29—44. Historische Nachrichten und sich, von der Grundbed. 'geschlagener ikonographische Zeugnisse für die spätere Zeit: B a u m , Klotz, gespaltenes Holz, B r e t t ' S t e p h a n i Der älteste deutsche Wohnbau Bd. 1 ausgehend, zu der Bedeutung 'Holztafel, u. 2 (L. 1902/03) passim, s. Register hinter Schreibtafel', weil die Schreibtafel a u s Bd. 2: ' B r u n n e n ' . ' B r u n n e n h a u s ' . Über 'putei sacri' in Kirchen O t t e Handb. d. kirchl. Kunst~ einem mit W a c h s überzogenen H o l z b r e t t archiwl.5 I 362; dazu d u C a n g e s. v. ' n y m chen b e s t a n d . Diese Tafeln w u r d e n zu phaeum'. Ferner die W ö r t e r b ü c h e r und Orts- j Notizen und insbesondere zur Aufzeichnamenlexika. E d w a r d Schröder. | n u n g der E i n n a h m e n und Ausgaben b e n u t z t ; codex n i m m t so die B e d e u t u n g Bryti. Der nord. bryti ist dem Wortsinn 'Notiztafel', d a n n 'Haushaltungsliste' a n . nach eine Person, die an a n d r e Speisen Ebenso bedeutet lat. tabula, tabella, wie auch austeilt (zu brytia 'zerteilen'). Dem entnhd. Tafel, nicht nur die Tafel als solche, spricht es, daß er in den Quellen als ein

BUCH

339

s o n d e r n sehr g e w ö h n l i c h a u c h das d a r a u f t a f e l got. spilda stf., a n o r d . speld, spiald n., G e s c h r i e b e n e oder D a r g e s t e l l t e . Durch dh. ' S c h n i t t e , d ü n n e s B r e t t ' , also gleichZusammenbinden mehrerer Täfelchen entb e d e u t e n d m i t lat. codex-, v g l . a n o r d . spilda s t a n d die G r u n d f o r m unsers ' B u c h s ' , v o n f. ' S c h n i t t e ' , ags. speld n. f. ' S p a n , S p l i t t e r ' d e n R ö m e r n tabulae, pugillares, codicilli plur. und speit ' p l a n c a ' , mhd.Spelte s w f . ' S p l i t t e r ' , oder einfach codex g e n a n n t . Der Name zu nhd. spalten ( H o o p s W a l d b . u. K u l t u r codex v e r w u c h s a l l m ä h l i c h e n g m i t der p f l a n z e n 419). V o r s t e l l u n g der z u e i n e m B a n d e z u s a m m e n § 4. A u ß e r E s c h e n h o l z scheint in ä l t e r e r g e h e f t e t e n E i n z e l s c h r i f t t a f e l n und blieb Zeit vornehmlich B u c h e n h o l z dafür a u c h d a n n d a r a n h a f t e n , als letztere n i c h t I v e r w a n d t w o r d e n z u sein, w e s h a l b die T a f e l m e h r aus H o l z , sondern a u s anderm a u c h schlechthin ' B u c h e ' g e n a n n t w u r d e ; Material angefertigt wurden. D u r c h den J so noch as. bok f. n. ' S c h r e i b t a f e l ' (Hei. 232. K o d e x , der seiner F o r m n a c h m i t u n s e r m 235, v g l . L u k . 1, 63). Ä h n l i c h b e z e i c h n e t e n ' B u c h ' identisch ist, w u r d e d a n n i m M A . a n o r d . askr, lind, yr, ags. cesc, lind, iw ua. die im A l t e r t u m h e r r s c h e n d e R o l l e v e r einerseits die B ä u m e ' E s c h e , Linde, E i b e ' , drängt. anderseits die aus deren Holz v e r f e r t i g t e n Geräte 'Speer, Schild, Bogen' (Kluge § 2. D i e G e s c h i c h t e des lat. K o d e x h a t Z f d A . 34, 210; s. a u c h S i e v e r s P G r u n d r . 1 eine m e r k w ü r d i g e P a r a l l e l e in der B e I 252). griffsgeschichte des g e r m a n . ' B u c h s ' . Die G e r m a n e n r i t z t e n ihre R u n e n s c h r i f t urS e h r bald t r a t der Begriff des G e s c h r i e sprünglich meist in M e t a l l oder in H o l z . b e n e n s t ä r k e r h e r v o r : schon got. böka f. Vielleicht war die e p i g r a p h i s c h e Verbedeutet 'Geschriebenes, Schriftstück', w e n d u n g der R u n e n in k u r z e n I n s c h r i f t e n frabaülita-böka f. ist 'Verkaufsurkunde' auf m e t a l l e n e n W a f f e n und Schmuck(s. B u c h s t a b e § 2 und v . G r i e n b e r g e r s a c h e n z u r B e z e i c h n u n g des V c r f e r t i g e r s U n t e r s , z. got. W o r t k . 71 f.). oder E i g e n t ü m e r s die f r ü h e s t e ; a b e r a u c h D a s durch Z u s a m m e n b i n d e n mehrerer der G e b r a u c h v o n H o l z s t ä b e n und T a f e l n e n t s t a n d e n e größere S c h r i f t s t ü c k H o l z t a f e l n z u M i t t e i l u n g e n und A u f w u r d e z u n ä c h s t pluralisch ' B u c h e n ' , d a n n z e i c h n u n g e n m u ß alt sein, d e n n die H o l z auch s i n g u l a r i s c h ' B u c h e ' g e n a n n t : urgerm. t e c h n i k h a t bei der A u s b i l d u n g der F o r m *böks, pl. *bokiz f . ; got. plur. bökös f . ; der R u n e n z c i c h e n eine m a ß g e b e n d e R o l l e anord. bok, pl. bökr f., s c h w e d . bok, d ä n . gespielt (s. R u n e n ) . D a ß sich n u r w e n i g e bog\ ags. böc, pl. bec f., ne. book] afries. solcher H o l z t a f e l n e r h a l t e n h a b e n , e r k l ä r t a n d . bök, nnd. bok n., ndl. boek; a h d . buoh sich aus der V e r g ä n g l i c h k e i t des Materials. ! im Sgl. meist neutr., pl. buoh f., s p ä t e r W e n n die notae, die n a c h T a c i t u s G e r m . 10 n. ( B r a u n e , A h d . G r . 242). b e i m L o s w e r f e n in die R e i s e r einer virga D i e V e r b r e i t u n g des A u s d r u c k s ü b e r alle frugiferae arbori decisa e i n g e r i t z t w u r d e n , g e r m a n . S p r a c h e n b e s t ä t i g t unsre A n n a h m e R u n e n w a r e n (was a b e r f r a g l i c h ist), so (§ 2) der f r ü h z e i t i g e n V e r w e n d u n g v o n w ü r d e das S c h r e i b e n auf H o l z s t ä b e n bis H o l z t a f e l n als B e s c h r e i b s t o f f . ins I. J a h r h . n. Chr. z u r ü c k r e i c h e n . Die § 5. D e r u r s p r ü n g l i c h e S i n n des W o r t e s Verwendung von Holztafeln zu Aufv e r b l a ß t e allmählich, z u m a l n a c h d e m eine z e i c h n u n g e n b e r u h t w o h l auf antikem lautliche D i f f e r e n z i e r u n g v o n d e m B a u m V o r b i l d ; a b e r ihre E i n f ü h r u n g d ü r f t e n i c h t n a m e n e i n g e t r e t e n w a r (s. B u c h e ) ; d a s v i e l j ü n g e r sein als die der R u n e n s c h r i f t stoffliche E l e m e n t in d e m Begriff t r a t selbst. A u s d e m 6. J a h r h . n. Chr. h a b e n z u r ü c k z u g u n s t e n des f o r m a l e n , der Z u sammenfügung mehrerer Schrifttafeln zu w i r das Z e u g n i s des V e n a n t i u s F o r t u n a t u s ( V I I l8, 19) f ü r die B e n u t z u n g v o n H o l z einem g r ö ß e r e n S c h r i f t s t ü c k , und als a n die Stelle der H o l z - oder W a c h s t a f e l n d a s t a f e l n und -Stäben z u A u f z e i c h n u n g e n in P e r g a m e n t t r a t , w u r d e der N a m e Runen: Barbara f r a x i n e i s p i n g a t u r runa tabellis, ' B u c h ' beibehalten. Aber zwei EigentümQ u o d q u e p a p y r u s agit, v i r g u l a p 1 a n a valet. l i c h k e i t e n des ä l t e r e n Sprachgebrauchs weisen, wie schon J . Grimm (DWb.) § 3. E i n solcher H o l z s t a b hieß a n o r d . kejli, rünakefli (s. ' B u c h s t a b e ' 4 ) , die H o l z - ! b e m e r k t h a t , noch lange auf den u r s p r ü n g -

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BUCH

liehen Sinn von 'Buch' als der Vereinigung die sich zu viereckigen Grundrissen zueiner Anzahl Schreibtafeln hin: aus der sammenschließen. Ist an derselben Stelle kollektiven Grundbedeutung erklärt es sich, mehrmals gebaut worden, so überschneiden daß das Wort in älterer Zeit wie lat. tabula sich die Grundrisse. Wo ein Haus immer überwiegend im Plural gebraucht wird, das andere ablöste, wie namentlich in der so außer im Gotischen besonders im NorMitte der Ansiedlung, da läßt sich nicht dischen und Althochdeutschen; und der immer mit voller Sicherheit angeben, Gebrauch der Präposition an 'auf' statt welche Pfostenlöcher, Herde und Abfallin in den Wendungen got. gakunnan ana gruben zu einem und demselben Hause bokorn, ahd. lesan ana buohhum, mhd. lesen : gehört haben. Bis jetzt (Oktober 1910) an den buochen, anord. rita a bokum erist es mir gelungen, 88 Grundrisse aufzuinnert noch an das Schreiben und Lesen decken. (Den ersten Grundriß habe ich auf Tafeln. im Monatsblatt der Brandenburgia X V I I I 1910, S. 408 ff. veröffentlicht.) Weiteres über das antike Buchwesen b e i : T h e o d . B i r t Das antike Buchwesen. Berl. Die P f o s t e n l ö c h e r sind § 2. 1882. B l a s s in Iw. Müllers Handb. I 5 3 3 3 f r . meist kreisrund, seltener elliptisch. Sie (1892). D z i a t z k o b. P a u l y - W i s s o w a sv. 'Buch' haben einen Duchmesser von 0,20—1,00, ( 1 8 9 7 ) , m. weiterer Lit. W ü n s c h ebd. sv. eine Tiefe von 0,50—1,50 m. D i e P f 0 s t en ' C o d e x ' . — Über das mittelalterliche: W a t t e n wurden entweder eingegraben oder eingeb a c h Das Schriftwesen im MA.Z Leipz. 1 8 9 6 ; schlagen. Im letzteren Falle ist das untere S. I74ff. A r n d t in P G r u n d r . 3 I 2 7 0 f r . (1897). B r e t h o l z in Meisters Grundr. d. Geschichtswiss. Ende spitz. Selbstverständlich waren die I 27. 4 1 . Johannes Hoops. Pfosten fast immer vergangen; ihre Stärke und die Form des unteren Endes konnten Buch bei Berlin. § I. Auf dem Gelände aber nicht selten festgestellt werden durch der im Bau befindlichen 4. städtischen i die nach der Verwesung des Holzes in die Irrenanstalt nordwestl. vom Dorfe B. wird Höhlung gefallene lockere Erde, durch seit Januar 1910 vom Märkischen Museum i Eindrücke am Boden oder durch eine beder Stadt Berlin eine v o r g e s c h i c h t sondere kleinere Vertiefung des Pfosten l i c h e A n s i e d l u n g untersucht, die loches, in die der Pfosten eingelassen war. eine Fläche von mindestens 160 000 qm j Häufig waren sogar noch Spuren von Holz (etwa 64 Morgen) umfaßt und, auf einer ! vorhanden, namentlich an der Peripherie flachen diluvialen Erhöhung angelegt, von des Pfostens. Der vor dem Einsetzen anNiederungen, sumpfigen Wiesen und Brügekohlte Teil des Pfostens widerstand der chen umgeben ist. Verwesung, und an diesem Außenring saß Unter der etwa 25 cm starken Humus- \ nach innen zu noch braune Holzmaser. decke, die bisher unterm Pfluge war, liegt In einem Falle war der ausgehöhlte eine alte Kulturschicht, die auf einem Pfosten in der Erde fast vollkommen ergroßen Teile der Ansiedlung ebenfalls 25 cm I halten. Auch deutliche Spuren von Bemächtig ist. Sie besteht aus tiefschwarzer • arbeitung konnte man an ihm erkennen. Branderde und ist mit Tongefäßresten I Die einzelnen Pfosten hatten einen Durchdurchsetzt. Außerdem enthält sie verloren j messer von 10—30 cm; sie standen zugegangene oder achtlos beiseite geworfene, ! weilen auf einem flachen Stein und waren in vielen Fällen zerbrochene Geräte. Nach l im Pfostenloch oftmals mit Steinen fest dem Abheben dieser Kulturschicht lassen verkeilt. Die meist aus Brandschutt besich auf dem gewachsenen Boden beinahe j stehende Füllung des Pfostenloches hat zahllose größere und kleinere dunkle Stellen die eingegrabenen Pfosten sicher vor allzu beobachten, die sich ganz deutlich von dem ; schneller Fäulnis bewahrt. hellgelben kiesigen Sande abheben. Bei | § 3. Die G r u n d r i s s e d e r H ä u s e r genauerer Untersuchung erweisen sich diese sind stets v i e r e c k i g , aber nicht immer dunklen Stellen als Pfostenlöcher oder als genau rechtwinklig. Das Haus hat einen Herd- und Abfallgruben. An Plätzen, wo H a u p t r a u m , in dem der Herd liegt, nur einmal gebaut worden ist, kann man und eine zuweilen offene, meist aber gesehen, wie die Pfostenlöcher Reihen bilden, schlossene V o r h a l l e . In einzelnen

BUCH Fällen ließ sich auch der Eingang feststellen. Eine Reihe kleinerer Begleitpfosten an einer Seite oder an mehreren Seiten des Hauses zeugt von Seitengängen, wie wir sie an Bauernhäusern zur A u f bewahrung von Holzvorräten, Leitern, Stangen, Werkzeugen u. dgl. noch heute finden. Eine an der Längsseite im Innern des Hauptraumes parallel mit der Wand laufende Reihe von kleinen Pfählen scheint auf eine Holzbank hinzudeuten. Diese Einrichtung habe ich aber nur einmal, und zwar bei einem der zuletzt aufgefundenen Grundrisse, beobachten können. Häufig ist ein M i t t e l p f o s t e n vorhanden; der F l ä c h e n r a u m der Grundrisse schwankt zwischen 1 5 und 70 qm. Die W a n d hatte man aus a r m s t a r k e n R u n d h ö l z e r n hergestellt, die durch Ruten an den Pfosten befingerdicke festigt waren. Auch diese Rundhölzer haben auf dem gewachsenen Boden Spuren hinterlassen; von einem dieser Rundhölzer ist ein 13 cm langes Stück zwischen den Trümmern einer zusammengebrochenen Lehmwand des Grundrisses 88 erhalten geblieben. Die Wand war mit L e h m beworfen, der oft mit kleinen Steinchen, selten aber mit Stroh vermischt ist. Von den beim Brande verschiedener Häuser v o m Feuer gehärteten und geschwärzten Lehmbrocken haben sich viele gefunden. Ihre Abdrücke lassen den B a u der Wand erkennen. Der Verlauf der Wände ist zu ersehen aus der Richtung der Pfostenreihen, den Spuren der Rundhölzer und der Lagerung der Lehmbewurfstücke. — Als H e r d diente entweder eine einfache oder mit Lehm und Steinen ausgekleidete Grube oder ein S t e i n h e r d von 0 , 5 0 — 1 , 5 0 m Durchmesser, der aus faustund kopfgroßen Steinen gepackt und in einigen Fällen mit L e h m bestrichen war. Der v o m Herd abgeräumte Brandschutt wurde mit anderen Abfällen in große und tiefe A b f a l l g r u b e n geworfen, die in der Nähe der Häuser liegen. In den Herdund Abfallgruben wie auf den Steinherden liegen angebrannte Steine, Tierknochen, Holzkohle und Tongefäße. Auch vollständig erhaltene Gefäße sind ans Tageslicht gefördert worden. Mehrfach war im Hause ein großes kesselartiges

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T o n g e f ä ß von etwa 0,50 cm Durchmesser eingegraben. Bei den an der Peripherie der Ansiedlung liegenden Häusern ließ sich durch die Pfostenlöcher mehrmals auch ein rund um das Haus hinlaufender Z a u n nachweisen. §4. U n t e r k u n f t s p l ä t z e für das Vieh sind bei den einzelnen Häusern nicht zu finden, doch w a r ein großer, freier Platz vorhanden, auf dem ein schuppenartiges Gebäude gestanden haben muß. Große Mengen von Tierknochen, die sich gerade hier vorfinden, lassen darauf schließen, daß dieser R a u m f ü r die V i e h h a l t u n g und V i e h V e r w e r t u n g große Bedeutung hatte. Äußerst umfangreiches Knochen material aus den Herd- und Abfallgruben wird zur Beantwortung der Frage nach den H a u s t i e r r a s s e n der B r o n z e z e i t wesentlich beitragen können. — Die Häuser waren allem Anscheine nach in der Regel nicht planmäßig angeordnet. Nur an einer Stelle standen in der Nähe einer großen Halle von etwa 60 qm acht meist einräumige Hütten nebeneinander; ihre Vorder- und Hinterwände bildeten aber nicht genau eine gerade Linie, sondern sprangen aus der Reihe mehr oder weniger heraus. § 5. Die K e r a m i k , die dem „ L a u sitzer T y p u s " (s. d.) sehr nahe steht, weist die Ansiedlung dem j ü n g e r e n T e i l e d e r B r o n z e z e i t zu (Eisen ist noch nicht beobachtet worden). Neben Gefäßen mit Buckeln kommen solche mit „ g e d r e h t e m " Rande, mit „geschraubtem" Bauch, mit Fingernageleindrücken und mit zahlreichen anderen Verzierungen vor, die bei Lausitzer Gefäßen häufig auftreten. Auch die Formen, der Ton und die Technik erinnern an die „ L a u s i t z e r " Kultur. Besonders zahlreich sind verzierte D e c k e l (Brandenburgia aaO. T a f . I V b). Besonderes Interesse verdienen 2 Gefäße, deren Wände von oben bis unten durchlöchert sind, und eine Anzahl von „ W e b e g e w i c h t e n " aus Ton. § 6. An Bronzen fanden sich ein sehr gut erhaltenes M e s s e r mit a u f w ä r t s gebogener Spitze, kleinere R i n g e , B r o n z e d r a h t , N a d e l n (Rollennadel) und einige Bronzeplättchen. Unter den Knochengeräten zeichnen sich mehrere

BUCHE

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Hirschhorn h a c k e n aus. Das Bruchstück eines K n o c h e n h a m m e r s ist mit Punktkreisen verziert. Die Backen Stange von einem P f e r d e g e b i ß ist dreimal durchbohrt, oben und unten von vorn nach hinten und in der Mitte seitlich zur Befestigung der Gebißstange, die durch das Maul des Pferdes ging. Eigenartig sind zwei T i e r k ö p f e aus Ton (wohl Hunde), der eine mit tiefliegenden Augen und eingeritztem Halsband. Stein h ä m m e r liegen in verschiedenen Exemplaren und Formen vor. Auf einem Herde lagen zwischen den Bruchstücken eines Topfes g e r ö s t e t e E i c h e l n , die vor dem Rösten enthülst waren. § 7. Die Ansiedlung muß Jahrhunderte hindurch bewohnt gewesen sein. Wir haben sie etwa um das Jahr IOOO v. Chr. anzusetzen. Die Bewohner müssen G e r m a n e n gewesen sein. Die ganze Fülle des Materials läßt sich heute kaum übersehen, und doch ist noch nicht die Hälfte dieser b r o n z e z e i t l i c h e n Dorfa n l a g e untersucht worden. Die systematische Untersuchung der ganzen Anlage ist so gut wie gesichert. Etwa 10 Minuten von der Ansiedlung entfernt liegt ein G r ä b e r f e l d , das ebenfalls — soweit sich nach den bisherigen Funden beurteilen läßt — der jüngeren Bronzezeit angehört. So ist hier also Gelegenheit gegeben, ein bronzezeitliches Dorf und das aller Wahrscheinlichkeit nach dazu gehörige Gräberfeld gründlich kennen zu lernen. Albert

Kiekebusch.

Buche (Fagus silvatica L.). §1. In den unvergletscherten Gebieten Mitteleuropas hat sich die Buche auch während der letzten Eiszeit erhalten; von hier aus ist sie nach dem Rückzug des Eises nordwärts vorgedrungen, wobei namentlich die böhmischen Gebirge und die Karpaten Ausstrahlungszentren gewesen zu sein scheinen'(Hoops Waldb. u. Kulturpfl. 61; Holmboe N y t Magaz. 43, 21). Doch hat sie in Norddeutschland und den nordischen Ländern erst verhältnismäßig spät als letzter der großen waldbildenden Bäume ihren Einzug gehalten. Man kann ihr allmähliches Vorrücken in diesen Gebieten deutlich an fossilen Buchenresten in den Mooren verfolgen; sie kommen aus-

schließlich in den allerobersten Schichten vor. Die Buche hat allmählich ihre Vorgängerin, die Eiche, aus der Herrschaft über den Hochwald verdrängt. An die Birken-, Kiefern- und Eichenzeit reiht sich eine B u c h e n z e i t als letzte der Waldperioden der nordischen Länder. Dagegen ist Rußland von der Eiszeit bis in die Gegenwart dauernd von dem Verbreitungsgebiet der Buche ausgeschlossen geblieben. (Weiteres Waldb. u. Kulturpfl. 31—33- 58—61. 125.) § 2. Die heutige V e r b r e i t u n g der Buche in Europa ist eine beschränkte. Während sie in Mitteleuropa und Däne' mark einer der häufigsten Waldbäume 1 ist und auch in dem größten Teil WestI europas und in Italien überall vorj kommt, fehlt sie in Osteuropa ganz. ; Ihre Ostgrenze verläuft, wenn wir von ; Skandinavien absehen, auf das wir unten I (§ 8) zurückkommen, von Königsberg in ; südlicher Richtung durch Polen und Gai lizien bis an die Karpaten, dann dem ; Ostrand derselben folgend mit Ausschluß i von Rumänien und Nordbulgarien bis in die Gegend von Warna; jenseits des Schwarzen Meers setzt sie in der südlichen Krim wieder ein und folgt dem Zuge des Kaukasus bis ans Südende des Kaspischen Meeres. Die Südgrenze umschließt die Landstriche südlich vom Kaspischen und Schwarzen Meer, die Balkanhalbinsel bis zum Korinthischen Meerbusen, ganz Italien, Korsika und Nordspanien. (S. die Karte Taf. 23.) § 3. Daß die B. den I n d o g e r m a n e n ein bekannter Waldbaum war, zeigt die Verbreitung des germanischen Buchennamens in andern idg. Sprachen: aisl. bok f. und beki n., nnorw. bok u. bok, schwed. bok, adän. bog u. bog, ndän. bog) ae. bot, bece f., ne. beech; and. bot, bokia f., mnd. bök-, böke, nnd. böke, ndl. boek-, beuk; ähd. buocha, nhd. buche f.; urverwandt zunächst lat. jägus 'Buche', griech. «pr^os, wöqfii 'Eiche'. Bartholomae (IF. 9, 271; Litbl. 1905, 187 f.) und O s t h o f f (Bezz. Beitr. 29, 249 ff.) haben erwiesen, daß die idg. Grundform dieser Namen w-Vokalismus hatte; sie lautete bhäug-: bhaug--.bhüg-: bhug-, Die eben genannten german., lat. und griech. Namensformen

343 Tafel 23.

Reallexikon der gerin. Altertumskunde. I.

Verlag von Karl J . Trübner in Straßburg.

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BUCHE

führen auf bhä{u)g- z u r ü c k ; auf bhaugweisen nisl. beyki 'Buchenholz' (germ. *baukja-), baukr ' Büchse' und russ. byzunä ' H o l u n d e r ' ; auf bhüg-\ kurd. büz ' A r t Ulme' und mhd. buchen, biuchen 'in (Buchen)lauge waschen' ua.; aus bhugstammen die slawischen Namen des Holunders, S a m b u c u s : urslaw. *büzü, russ. dial. bozü, klruss. boz, bulg. büz, serbo-kroat. baz, czech. poln. bez, wobei für die Bedeutungsverschiebung bemerkenswert ist, daß auch das durch slaw. Vermittlung aus dem germ. Buchennamen entlehnte lit. bükas merkwürdigerweise sowohl ' B u c h e ' als 'Holunder' bedeutet (H o o p s W a l d b . u. K p f l . 126). Die starke Bedeutungsabweichung ' B u c h e — Eiche, Holunder, Ulme' ist bei Baumnamen nichts A u f f a l lendes; sie hat ihre Parallele z. B. in dem Bedeutungswandel 'Eibe —• Faulbaum, Weide, Sperberbaum', den der alte europ. Eibenname im Litauischen, Slawischen und Griechischen durchgemacht hat. (S. 'Eibe' und Hoops aaO.; vgl. auch die zustimmenden Äußerungen v o n Walde E W b . J und Berneker E W b . in.) § 4. Die Übereinstimmung des Sinnes v o n germ. bök- und lat. jägus gegenüber der Mannigfaltigkeit der Bedeutungen in den andern Sprachen erklärt sich am einfachsten, wenn man ' B u c h e ' als Grundbedeutung v o n idg. bhaug- annimmt, welche v o n den Germanen und Römern, die innerhalb des Verbreitungsgebietes der Buche blieben, beibehalten wurde. (So auch OSchrader Sprachvgl. u. U r g e s c h . 1 395 und Reallex. 117 in auffallendem Gegensatz zu Sprachvgl. u. Urgesch. 3 II 173; vgl. darüber Bartholomae IF. 31, 3, Anm.) § 5. D a aber das Verbreitungsgebiet der Buche ein scharf umgrenztes ist, wird das Vorhandensein eines altidg. Buchennamens zu einem wichtigen Mittel für die Bestimmung der U r h e i m a t d e r I n d o g e r m a n e n : sie ist westlich der Linie Königsberg—Warna, also in M i t t e l e u r o p a zu suchen, und die Balten, Slawen und Indoiranier haben beim Überschreiten der Buchengrenze den Namen dieses Baumes auf andre Baumarten übertragen. Doch kann diese Überschreitung sehr wohl schon zu einer Zeit erfolgt

sein, wo der Zusammenhang der heutigen idg. Völker noch nicht durch Abwanderung einer größeren Gruppe dauernd gelöst war. Als die Slawen in historischer Zeit wieder westwärts vordrangen und die B. v o n neuem kennen lernten, entlehnten sie den germ. Namen derselben: serbo-kroat. bukva f., slow, bükdv (g. bükve) f., bükva f., czech. bukev und russ. bukü, klruss. bulg. czech. poln. osorb. nsorb. buk (Berneker E W b .

99)Die Verhältnisse liegen ähnlich wie bei der E i b e (s. d. 2 — 4 ) ; und es ist beachtenswert, daß die Griechen sowohl den alten Namen der Buche wie den der Eibe auf andre Bäume übertragen haben; dies mag auf Zufall beruhn, könnte aber auch darauf hindeuten, daß auch sie eine Zeitlang östlich der ziemlich gleichlaufenden Grenzen beider B ä u m e saßen. § 6. Die B. h a t die Vorherrschaft als W a l d b a u m , die ihr jetzt in vielen Gegenden D e u t s c h l a n d s zukommt, zum großen Teil wahrscheinlich schon in vorgeschichtlicher Zeit erlangt; doch scheint sie sich auch noch in historischer Zeit auf K o s t e n der Eiche ausgebreitet zu haben. Uraltes Buchengebiet ist die Schwäbische A l b , auf deren K a l k b o d e n der B a u m ganz besonders gut gedeiht. A u c h sonst war die B. in Südwestdeutschland im M A . sehr v e r breitet, wie ihr häufiges Auftreten in älteren Ortsnamen zeigt (Hoops W a l d b . u. K p f l . 145 ff. 152 t. 230). W e n n Caesar ( B G . 6, 10) v o n einer „silva infinita magnitudine, quae appellatur Bacenis" spricht, die die Sweben v o n den Cheruskern trennte, so ist es unsicher, welches innerdeutsche Waldgebirge er mit dieser Bacenis (s. d.), dh. ' B u c h e n w a l d ' , meint. Im M A , hieß die Gegend v o n Fulda Boconia, Bochonia, Buohhunna f. 'Buchenwald, B u chenland' und noch im 16. Jh. die Buchen, was auf eine Vorherrschaft der Buche schließen l ä ß t ; aber die Untersuchung der Holzreste in den Pfahlbauten zu Fulda aus spätrömischer Zeit einerseits und das Zeugnis Sebastian Münsters aus dem 16. J h . anderseits lehrt uns, daß neben der Buche auch die Eiche hier stark vertreten w a r (s. W a l d b . 176. 654). D a s Wesergebirge w a r bei Rinteln im 10. und 11. Jh. überwiegend mit Buchenwald bestockt; v o n 43 ver-

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kohlten Holzproben aus der Hünenburg I die unruhigen Zeiten des frühen Mittelalters v o n der Auswanderung der Angeln daselbst, die gegen Ende der Karolingerim 5. Jh. bis nach dem Slaweneinbruch, zeit gegründet und im A n f a n g des I i . Jhs. w o weite Strecken Schleswig-Holsteins zerstört wurde, bestanden nicht weniger Jahrhunderte lang verödet dalagen, scheials 34 aus Buchenholz; sowohl die Dielen nen nicht wenig zur Ausbreitung der Buche des Fußbodens als auch die Deckenverauf der Kimbrischen Halbinsel beigetragen täfelung waren daraus gefertigt (Waldb. zu haben (Waldb. 180—82). 654). § 8. In S k a n d i n a v i e n ist die Buche F ü r die weite Verbreitung und die Häufigbis jetzt auf das südliche Schweden und keit der B. im mittelalterlichen Deutschland südwestliche Norwegen beschränkt gebliespricht auch die Tatsache, daß sie unter den ben; die Nordgrenze der Eiche (s. d. 8) h a t Bäumen, die in Ortsnamen vorkommen, sie nicht erreicht. heute obenan steht (Waldb. 230). In N o r w e g e n k o m m t sie als w a l d §7. In Schleswig-Holstein bildender B a u m v o n einiger B e d e u t u n g w a r die Buche zur Zeit der frühneolithiüberhaupt nur im A m t Jarlsberg und schen Siedlungen in der Kieler Föhrde L a r v i k westlich v o m Kristiania-Fjord v o r ; noch nicht heimisch; auch nach D ä n e sie reicht in dieser Gegend bis 59 x/z n. Br. m a r k war sie in der älteren nordischen A u c h in den benachbarten Gebieten: im Steinzeit, der Epoche der dänischen Muuntern Telemarken und an der K ü s t e nördschelhaufen, noch nicht vorgedrungen; lich des Skagerrak bei K r a g e r a , Arendal denn das verkohlte Stückchen Buchenholz, und Grimstad tritt sie hie und da auf. das Sarauw in der obersten Schicht des A n der Westküste fehlt sie auf einer Strecke Moors über dem altsteinzeitlichen W o h n v o n 450 k m vollständig; erst a m L y g r e platz zu Magiemose bei Mullerup auf Seefjord, etwa 28 k m nördl. Bergen unter land fand, stammt nach seiner A n g a b e 6o° 38' n. Br. findet sich wieder eine v e r wahrscheinlich aus viel späterer Zeit (Aarb. einzelte Gruppe kleiner Buchenwälder v o n 1903, 188. 289). Die Buche erscheint in im ganzen 12 ha U m f a n g . diesen Ländern erst in der eigentlichen A x e l B l y t t sah diese weit getrennten neolithischen Periode etwa gleichzeitig mit Buchenstandorte Norwegens für Reste den ersten Spuren des A c k e r b a u s zu einer eines zusammenhängenden VerbreitungsZeit, wo die Ostsee als Litorinameer ihren gebiets in älterer Zeit an. Dagegen spricht höchsten Stand und größten Salzgehalt aber das gänzliche Fehlen v o n fossilen erreicht hatte (CAWeber Litorina- und Buchenresten und v o n alten Ortsnamen Prälitorinabildungen d. Kieler Föhrde, mit ' B u c h e ' in den dazwischenliegenden Englers Bot. Jahrb. 35, I — 5 4 ; 1904. Gebieten. Und neuere Untersuchungen v o n Hoops Waldb. u. K p f l . 75 f. 83—85). J e n s H o l m b o e (s. Lit.) haben gezeigt, In dem Abfallhaufen v o n Örum A a an daß die Buche in einem Moor am L y g r e der jütischen Ostküste, der neolithische f j o r d nur etwa bis 65 cm, bei L a r v i k gar Gefäßscherben mit Abdrücken v o n Weizennur bis 35 cm unter der Oberfläche v o r körnern enthielt, wurde in der obersten k o m m t , während Fichte, Erle und andre L a g e ein halbverkohlter Buchenzweig geB ä u m e sich hier ungefähr doppelt so tief funden, der, selbst wenn er nicht zu dem und die Hasel sogar noch tiefer findet. eigentlichen Abfallhaufen gehört, doch Die Buche kann also erst in ganz jungen jedenfalls nicht viel jünger als dieser ist geologischen Zeiträumen in Norwegen ein(Waldb. 75 f.). A b e r erst im Verlauf der gewandert sein. D a m i t wird B l y t t s R e späteren prähistorischen und der histoliktentheorie der historische Boden entrischen Zeiten hat die Buche dann die zogen. Eiche und deren T r a b a n t e n aus den W a l Doch mag die Buche, mit den Maßen der dungen der deutschen Ostseeländer und Menschheitsgeschichte gemessen, in NorDänemarks so erfolgreich verdrängt, daß wegen immerhin ein ganz ansehnliches sie in vielen Gegenden fast die AlleinherrA l t e r haben. In Jarlsberg ist sie jedenherrscherin des Hochwalds geworden ist falls schon über ein Jahrtausend alt, da (s. Holmboe N y t Mag. 43, 22). Namentlich Hoops,

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BUCHLAND

in dem Oseberg-Schiff aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts n. Chr. Gegenstände aus Buchenholz gefunden sind (untersucht von Holmboe 2 17). A m Lygrefjord reicht sie mindestens ebenso weit zurück. Über ihr Vorhandensein in Skandinavien zur Wikingerzeit ist also kein Zweifel möglich. Wenn sie in der altnordischen Literatur selten erwähnt wird, so rührt das daher, daß diese größtenteils auf dem baumlosen Island entstanden ist. Ob ihr sprungweises Auftreten auf dem nördlichsten Vorposten ihres europäischen Verbreitungsgebiets am Lygrefjord auf Rechnung natürlicher Ausbreitungsmittel zu setzen ist, oder ob Menschenhand dabei im Spiele war, läßt sich nicht entscheiden. § 9 . In S c h w e d e n fehlt es bis jetzt an zuverläsig bezeugten fossilen Funden der B. Doch hat Montelius im nordwestl. Schonen in einem Grab der Bronzezeit aus der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. Bucheckern gefunden ( Y m e r 1905, 340). Die Nordgrenze der B. verläuft in Schweden v o n dem Beginn der Landesgrenze am Kristianiafjord nach dem Südwestende des Wenernsees; dann von der Mitte der Ostseite dieses Sees über den Wetternsee bis in die Gegend von Norrköping, wo sie die Ostseeküste erreicht. Die Ostseeinseln liegen außerhalb des Buchenbezirks. § 10. D a ß die B. auf den B r i t i s c h e n I n s e l n ursprünglich nicht heimisch sei, wie auf Grund einer Notiz Caesars (Bell. Gall. 5, 12) meist angenommen wird, ist ein Irrtum. Sie ist in fossilem Zustande in neolithischen Schichten zu Southampton, zu Crossness in Essex und im ostenglischen Fen-Distrikt nachgewiesen, sie tritt mehrfach in angelsächsischen Urkunden auf und macht auch heute in den meisten Teilen Englands durchaus den Eindruck eines einheimischen Baums. ( W e i t e r e s b . H o o p s Waldb. u. Kpfl. 259.) Ihre heutige Nordgrenze läuft von Liverpool durch die Mitte Nordenglands bis an die Mündung des Firth of Förth. Irland und fast ganz Schottland liegen außerhalb ihres Verbreitungsgebiets. (S. die Karte.) Doch hat sie als Waldbaum auch in England von jeher nur eine untergeordnete Stellung eingenommen und ist darum wohl Caesars Beobachtung entgangen. Es ist auch

j sicher kein Zufall, daß sie in der englischen : Poesie, im Gegensatz zur deutschen, gar keine Rolle spielt. H o o p s Waldb.u. Kulturpfl. 3 1 — 3 3 . 5 8 — 6 1 . 75f- 8 3 — 8 5 . 1 2 5 f . i S i f . 2 2 9 f . 2 5 9 f . 6 5 4 ; mit L i t e r a t u r n a c h w e i s e n . — Dazu ferner C. A. Weber Gesch. d. Pflanzenwelt des nordd. Tieflands seit d. Tertiärzeit, SA. a u s : Resultats scient. du C o n g r . internat. de Bot. W i e n X905; J e n a 1906. S. 109. — H o l m b o e Om begcskogens alder ved Larvik, Nyt Magazin f. Naturv i d e n s k . 43, 1 9 — 2 8 ( 1 9 0 5 ) ; m. Karte. D e r s . Begeskogen ved Lygrefjord i Nordhordland\ Bergens M u s e u m s A a r b o g 1908, N o . 13 (zitiert als H o l m b o e 2 ) . Johannes Hoops.

Buchland. Die Hunderte von Urkunden, die in dem Codex Diplomaticus von Kemble und andern Sammlungen von Schenkungen und Privilegien der Könige berichten, wurden altenglisch ,,books" genannt, und die meisten von ihnen handeln von gestiftetem Buchland. Als verbrieftes, bei urkundetes Land tritt es in einen Gegenj satz zu dem volksrechtlichen Grundbesitz, dem Volkland (vgl. F o 1 c 1 a n d). Das Recht, das dabei entsteht, wird in vielfältigen Wendungen als volles Eigentumsrecht bezeichnet. Der Beschenkte oder der Empfänger des Privilegs erhält zB. das Recht — „possidendi ac habendi, sive vendendi vel :etiam tradendi cuicumque ! voluerit liberam habeat potestatem" (Cod. Dipl. 114 A. D. 759—765). Deshalb wird ! auch bocland mitunter als terra hereditaria und als alodium wiedergegeben (Cod. Dipl. 1019; Inst. Cnuti, I 11; II 13, 1). i Wenn Buchland an die Kirche kam, wie es | öfters geschah, so hörte es freilich auf, ! veräußerlich zu sein; aber das war die Folge der hinzukommenden manus mortua, — Dispositionsbeschränkungen, welche die j Kirche sich selbst auferlegt hatte; urj sprünglich liegt das Wesen des Buchlandes in der Befreiung von den geschlechtj und familienrechtlichen Beschränkungen \ des Folclandes. Als Abarten des Buch• landrechtes erscheinen auch die Fälle, in i . i denen die Schaffung von Buchland mit j einschränkenden Bedingungen verbunden war. So stellte ein Gesetz König Alfreds fest, daß Leute, die bocland erworben haben, ihren Erben Bedingungen in Beziehung ! auf weitere Verfügung auferlegen konnten

BUCHSBAUM

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ablato studio militiae terrestris ad exer(,AIfred, 41). Es wurden durch die lex cendam militiam coelestam, supplicandipossessionis des Grundbuches Besitzforcumque pro pace gentis eius aeterna." men von der A r t der späteren Entails geDie altenglische Übersetzung h a t : „J)a schaffen (B r u n n e r , Rechtsgesch. d. twelf böcland, him gefriode eorfjlices röm.-german. Urkunde 190). Besonders campfhades and eorplice hernesse to bigonhäufig kamen obligatorische Reversionen genne ponne heofonlican c a m p f h a d " usw. an Kirchen oder Klöster vor. Prinzipiell Was die weltlichen Zwecke der Buchlandist Buchland v o n Lehnland (laenland) Verleihungen anbetrifft, so ist wieder Baeda scharf zu unterscheiden. Letzteres setzt in dem Briefe an Erzbischof Ecgberth von ein Leihverhältnis voraus. Es k o m m t in Y o r k charakteristisch: Grundbesitz soll der Praxis häufig vor, daß jemand ein von Königen nicht in leichtsinniger Wreise Grundstück erst als Lehnland, also zur an Klöster und Scheingeistliche vergeudet N u t z u n g bekam, und daß ihm später werden, ,,ut omnino desit locus ubi filii dasselbe Gut als Buchland überwiesen nobilium aut emeritorum militum possessiowurde (zB. Cod. Dipl. 679). Darin ändert nem aeeipere possint" (c. 11). D a ß es nichts die gelegentliche Verwirrung der sich dabei um Erteilungen von bocland Begriffe und Formen, die auch für schrifthandelt, zeigt klar c. 12: „ d a t a regibus liche Abmachungen über Leihen den Napecunia eijiunt sibi sub pretextu conmen v o n „ B ü c h e r n " beansprucht (so in struendorum monasteriorum territoria . . . der Praxis der Kirche von Worcester, z B . et haec in super in ius sibi haeriditorium Cod. Dipl. 1287). Eine rechtliche K a t e regalibus edictis faciunt ascribi . . . sieque gorie von so eigentümlicher und einschneiusurpatis sibi agellulis sive vicis, liberi dender Wirkung konnte nicht ohne weiters exinde adiurno simul et humana servitio, durch den Willen der Beteiligten geschaffen suis tantum desideriis . . . deserviunt." werden. Es bedurfte zur Überführung von Grundstücken aus dem allgemeinen B r u n n e r Zur Rechtsgesch. d. romanischgermanischen Urkunde, 1881. Maitland Rechtszustande in den Zustand priviDomesday and beyond, 1897. Vinogradoff legierten Eigentums eines A k t e s der StaatsRomanistische Einflüsse im angelsächs. Rechte. gewalt. Die Aufstellung des Urbuches D as Buchland in den 'Mélanges Fitting , 11, 19C8. ist notwendigerweise Sache des Königs, Vinogradoff. v o n dem in feierlicher Form, gewöhnlich mit Zuziehung der Großen, die BuchlandBuchsbautn (Buxus sempervirens L.). § 1. qualifikation erteilt wurde. Es k o m m t Der B. k o m m t (nach W i l l k o m m und E n g auch vor, daß der K ö n i g für sich selbst ler) w i l d w a c h s e n d v o r in Vordermit Zustimmung der Großen Buchland asien, bei Konstantinopel, in Makedonien, schafft (zB. Cod. Dipl. 260). Die Ideen, Thessalien, Albanien, Istrien, im österdie durch das Buchland vermittelt wurden, reichischen Küstenland und auf den dalsind offenbar durch römische Vorlagen matinischen Inseln, im m i t t l e m und nördeingegeben worden: sie waren v o m rölichen Italien, in Südtirol und an den Südmisch-rechtlichen Begriffe des Eigentums abhängen der Alpen, in den Seealpen und abgeleitet und finden ihre Parallelen in den der Dauphiné, wo er oft als CharakterEinwirkungen der römischen Rechtspflanze ganze Bergabhänge b e d e c k t ; auch institute auf die germanischen Besitzin den Pyrenäen und im nördlichen S p a formen auf dem Kontinent, wie diese nien ist er häufig, seltner in Kastilien und namentlich in Formeln und Urkunden Valencia. Nordwärts dehnt sich sein Gesich kundgeben. W a s aber den Inhalt biet über den Schweizer J u r a bis nach anbetrifft, so dienten BuchlandverleihunOberbaden aus; im Solothurner und B a gen namentlich zweierlei Zwecken: der seler Jura überzieht er „die Hügel und Ausstattung von K i r c h e n und der BeBerghänge oft als dichter, meterhoher, lohnung von Gefolgsleuten und Beamten. immergrüner Mantel" (Willkomm); im Der erste Zweck ist z B . von Bseda gut aus- I Eschbachtal bei Freiburg i. JBr., zwischen gedrückt (Hist. eccl. I I I 24): „donatis j dem Dreisamtal und St. Peter, sind viele X I I possessiuneulis terrarum, in quibus : Morgen Landes mit B. überzogen. Auf

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BUCHSBAUM

den Kalkhügeln bei Beifort kommt er ebenfalls reichlich vor; im Elsaß tritt er besonders im obern Illtal und im Sundgau auf, auch in Lothringen, im Moseltal von Bernkastel bis Alken und in den Ardennen findet er sich. § 2. Schwer zu entscheiden ist die Frage, ob der B. in D e u t s c h l a n d ursprünglich einheimisch ist. Engler hält ihn dafür, E.H.L.Krause (GGA. 1906, 938) sieht allen Buchs in Deutschland für gepflanzt oder verwildert an. In der Diluvial zeit war der B. in Frankreich heimisch, wie fossile Reste lehren; aber das ist für die Verhältnisse der gegenwärtigen Erdperiode an und für sich nicht von zwingender Beweiskraft. Das Fehlen des B.s in den Pfahlbauten der Alpenländer zeigt, daß er in der Nähe dieser Ansiedlungen, also auch am Neuenburger und Bieler See, in vorgeschichtlicher Zeit nicht wuchs; denn den Pfalbauern wäre die Brauchbarkeit des Buchsbaumholzes zur Verfertigung von Gefäßen schwerlich entgangen. Und die Tatsache, daß der B. in Deutschland wildwachsend heute nirgends außerhalb der alten Römergrenzen vorkommt, scheint für seineEinführung durch die Römer zu sprechen. Dagegen spricht anderseits sein Fehlen in den übrigen nordalpinen römischen Provinzen: in Schwaben, B a y ern und Österreich, wo er in verwildertem Zustand ebenso günstige Bodenverhältnisse für sein Gedeihen hätte finden können wie in Baden und im Elsaß. § 3. Die Frage wird meines Erachtens entschieden durch das spontane Vorkommen des B.s in E n g l a n d . Schon in angelsächsischer Zeit begegnet er mehrfach in Urkunden, zum Teil in Flurnamen wie Boxöra 'Buchsufer', Byxlea ' Buchsfeld', die auf gebüschbildendes Auftreten hinweisen. Und Asser sagt am Eingang seines Lebens Alfreds (um 900) von Berkshire: „in illa paga, quae nominatur Berrocscire: quae paga taliter vocatur a Berroc 'silva', ubi buxus abundantissime nascitur". Sein Vorkommen ist aber nur für die südlichen Grafschaften (Kent, Hampshire, Berkshire) bezeugt. § 4. In eben diesen und in den südmittelländischen Grafschaften kommt er auch heute noch vielerorts wildwachsend

vor. Bekannt ist der B o x Hill in Surrey unweit Dorking, wo der trockne Kreideboden der North Downs mit Wäldern bedeckt ist, „die ausschließlich aus Buxus mit eingesprengten riesigen Taxus zusammengesetzt sind" (Solms-Laubach). Sie waren schon im 16. J h . mindestens ebenso ausgedehnt und wurden forstwirtschaftlich ausgenutzt. Zu Boxley in Kent werden uns durch John Aubrey 1695 Buchsbaumwälder bezeugt. Ein alter Buchswald zu Boxgrove im Kirchspiel Sulham bei Reading in Berkshire wurde um 1750 ausgerottet. Auch auf den K a l k hügeln bei Berkhampstead und Ashridge im Westen von Hertfordshire kommt der B. wildwachsend vor; die Ashridge Hills heißen lokal B o x Hill, und am Fuß dieser Kalkhügel findet sich ein Boxmoor. Weitere Zeugnisse für die Verbreitung des B.s in diesen Gegenden sind die Ortsnamen Box, Boxbury, Box Hall, ferner Boxstead auf den Dunstable Downs im benachbarten Buckinghamshire. In Gloucestershirc ist ein größerer Buchsbaumwald zwischen Wotton-under-Edge und Alderley, der den Bergabhang eine ganze Strecke weit bedeckt, und bei Boxwell, in einem Tal einige Meilen nordöstl. Alderley, findet sich ein zweiter großer Wald, der ausschließlich aus Buchsbaum besteht und sich über eine halbe Meile weit an der Steilseite des Tals hinzieht; er war 1803 16 Acres groß und sollte damals schon 700 J a h r e bezeugt sein. § 5. Gegen die Anpflanzung durch die Römer spricht auch hier wieder, daß diese jBuchsbaumwälder nur im Süden des Landes auftreten. Wenn die Römer überall mit der Anpflanzung von Buchsbaum vorgingen, so ist nicht einzusehen, weshalb sie dies nicht auch weiter nördlich taten. Klimatische Gründe sprechen nicht dagegen, da der B. heute nicht nur in Norddeutschland, sondern auch in Schweden und Norwegen im Freien gedeiht und dort sogar baumartig wird. Auch das waldbildende Auftreten und die Vorliebe für Kalkberge, die den Baum in England wie in den Ländern, wo er spontan wächst, kennzeichnet, deuten auf Indigenat, das ihm denn auch sowohl Solms-Laubach wie die neueren englischen Botaniker einstimmig zusprechen.

BUCHSTABE

aaO. nebst S c h r ä d e r s Bemerkungen dazu 6 2 3 1 — 3 3 = 8 239 f. S c h r a d e r Reallex. 1 i8f Johannes Hoops.

§ 6. Ist aber der B. in England einheimisch, und kam er zur Quartärzeit in Frankreich v o r (§ 2), so ist kaum daran zu zweifeln, daß das natürliche Verbreitungsgebiet des B.s sich schon in vorgeschichtlicher Zeit von den nordmediterranen Ländern durch Frankreich sowohl nach Südwestdeutschland wie nach Südengland erstreckte, während der Baum anderseits die Ostalpen nicht überstiegen hat, vielleicht weil ihm das kontinentalere K l i m a des östlichen Europas nicht zusagte. § 7. Ein indogermanischer Name des Buchsbaums existiert nicht. Auch den G e r m a n e n war er in der Urzeit fremd, weil er in ihrer Heimat nicht wuchs; sie haben ihn erst bei ihrem Vordringen in das römische Südwestdeutschland kennen gelernt und mit der technischen Verarbeitung des Buchsbaumholzes in der Drechslerei den Namen von den Römern angenommen, die ihrerseits beides von den Griechen ererbt hatten: griech. lat. buxus = ahd. mhd. buhsboum, das wegen der Erhaltung des u schon in den ersten Jahrhunderten entlehnt sein muß. In der römischen Saalburg bei Homburg v . tl. Höhe hat man einen K a m m und einen gedrehten Ring aus Buchsbaumholz gefunden (Waldb. 173). Aus ahd. buhsboum stammt mnd. nnd. busböm und aus diesem wieder adän. busböm; holl. buksboom, dän. buksböm und schwed. buxböm mit ks beruhen auf neuerer gelehrter Angleichung an die hochdeutsche oder latein. Form. Die Angelsachsen haben den B. erst etwa im 5. Jh. bei ihrer Niederlassung in England kennen gelernt, wie das 0 von ae. ne. box gegenüber dem u des deutschen Namens zeigt (vgl. Pogatscher Lautl. § 148. 151 ff. 223 ff. Hoops Altengl. Pflanzennamen, Diss. 1889, 81 ff.). Über die Heimat u. geogr. Verbreitung des B.s s. H e h n Kulturpfl. u. Haust. 6 224 ff. = 8 230 ff. und E n g 1 e r s Bemerkungen dazu ' 2 3 0 f . -=8236f. Willkomm Forstl. Flora =803. H o o p ä Waldb. u, Kpfl. 262—64. Über sein Vorkommen in E n g l a n d : W a t s o n Cybele Britannica 2, 366 ; ders. Compend. 558. G. R. M. M u r r a y Journ. of Bot. 39, 27 (1901). B u c k n a l l ebd. 29. W . G . S m i t h ebd. 73. Graf Solms-Laubach Bot. Z. 1901 II 92. — Über die Kulturgeschichte des B.s s. N e m 11 i c h Polyglotten-I.ex. d. Natgesch. 1, 730. Hehn

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; | ; !

Buchstabe. § 1 . Die R u n e n haben fast alle einen senkrechten Hauptstrich, den man als Stab bezeichnete, und nach dem auch das ganze Runenzeichen ' S t a b ' (anord. stafr, ags. sUef m.) oder ' R u n e n s t a b ' [anord. rünastafr, ags. rünsUef) genannt wurde. § 2. Auch die auf Grund des griechischen und lateinischen Alphabets neu geschaffenen g o t i s c h e n S c h r i f t z e i c h e n nannte Ulfilas stabeis, singl. stafs m.; das ergibt sich deutlich aus der Verwendung des got. Wortes stafs (= ahd. stap, ags. steef, anord. stafr, lit. stebas 'Stab, Stock, Pfeiler, aufrechte Stütze') zur Übersetzung von griech. axoi^siov im Sinne v o n 'Element'; denn diese Verwendung läßt sich, wie v . Grienberger (Unters, z. got. W o r t k . 210) richtig erkannt hat, nur dadurch erklären, daß azw/ßi'jv auch 'Buchstabe' als Element eines Schriftsatzes bedeutet. Die gewöhnliche Ansicht, daß Ulfilas got. böka im Sinne von 'Buchstabe' gebrauche, ist unbegründet. Einmal wäre dieser Gebrauch des Wortes ohne Parallele in irgend einer andern germ. Sprache. Sodann hat v. Grienberger (aaO. 72) überzeugend dargetan, daß böka an den beiden Stellen, wo es als Übersetzung des gr. -j'pajxij.« im Singl. vorkommt, nicht ' B u c h stabe', sondern 'Geschriebenes, Schrift' bedeutet; dazu paßt auch das Kompositum frabaühta -böka ' Verkaufs-Urkunde'. § 3. Die andern germ. Sprachen behielten den heimischen Ausdruck 'Stäbe' ebenso für die l a t e i n i s c h e n Lautz e i c h e n bei, bezeichneten sie aber, außer mit diesem allgemeinen Namen, zum Unterschied von den Runenstäben gewöhnlich als ' B u c h s t ä b e ' : ags. böcsUzf-, as. nnd. bökstaf, mndl. boeestaf m., nndl. boekstaf; ahd. buohstap (b) stm., frühmhd. auch schwach buochstabe, nhd. buchstabe swm.; anord. bökstafr, schwed. bokstaf, dän. bogstav. Den Goten war der Ausdruck augenscheinlich noch unbekannt; er ist jüngeren Ursprungs, setzt schon den Begriffsübergang 'Holztafeln — Pergamentkodex' für bök voraus (s. 'Buch' 4) und mag vielleicht bei den Angelsachsen ent-

35°

BUCKEL—BUCKELGEFÄSZE

standen und von ihnen mit dem Christenstafr 'litera im allgemeinen', während tum den Deutschen und anderseits den bökstafr im Sinne von latTnustafr von Skandinaviern übermittelt worden sein. den latein. Buchstaben gebraucht wird § 4. Die vorstehende Darstellung setzt (I 42, 1, bezw. 74, 4. 9) im Gegensich in Gegensatz zu der seit J. Grimm satz zu rünastafr 'Runenzeichen' (II 78, 5; (DWb. sv.) üblichen Erklärung des Wortes 80, 22. 24), wie j a auch anord. bökmäl buchstabe als ^Buchenstab', „der zum Eingleich latmumäl die lateinische, kirchritzen von Runen bestimmt w a r " (so K l u g e liche Sprache bezeichnet, während das Z f d A . 34, 212 u. EWb.x; Paul DWb.»; Runenalphabet rünamäl heißt. Hirt b. Weigand DWb.5; van W i j k b. Franck § 5. Mit dem Schwinden der RunenE W b . 2 ua.), einer Erklärung, die zwar schrift hat sich dann der Begriff des Wor tes auf den ersten Blick bestechend realistisch 'Buchstab' zu dem von 'litera überhaupt' aussieht, zumal im Hinblick auf Tacitus erweitert, und das Kompositum hat das Germ. 10 (s. 'Buch' § 2), mir aber doch einfache 'Stab' verdrängt; so schon früh nicht das Richtige zu treffen scheint. im Englischen und Deutschen, später Das altgerman. Wort fürdie H o l z s t ä b e , auch im Nordischen. Ae. böcstcef erhielt die zum Losen wie auch zum Einritzen sich freilich als me. böcstaf nur bis an den der Runen gebraucht wurden, haben wir Anfang des 13. Jhs., wo es durch frz. m. E. nicht in nhd. buchstabe, sondern lettre = me. lettre, letter verdrängt wurde. in anord. kefli n. 'cylindrisches Stück Johannes Hoops. Holz', rünakefli 'Runenholz', kafl oder Buckel, ahd. hovar, mhd. mnd. hover, kafli (?) m. 'Schwimmer am Fischnetz', ags. hofer, seit dem 13. Jh. hoger, seit dem norw. kavl m., kjevle n., schwed. kafle 15. hocker und buckel, ahd. buggloht, ho'Rolle, Walze'; vgl. mnd. kävele 'Holz zum vereht. Der Ausdruck für diese KörperLosen, Los, Anteil', nnd. käwel f. 'Holz zum fehler geht auffallend wenig zurück; RachiLosen' (auf Rügen), 'Los', mndl. cävel(e), tis und Tuberkulose wären, danach zu nndl. kavel 'Los, Anteil', mnd. kävelen, schließen, also nicht sehr verbreitet gewesen mndl. cävelen, nndl. kavelen 'losen, durch (s. aber diese). Altnord, kryppa scheint Loswerfen verteilen'; obsächs. kabel f. 'ausfür krympa zu stehen, wäre also gleich geloster Teil, Anteil'; nordengl. schott. crumb 'lahm' zu setzen (s. Körperfehler). cavel 'Los, Anteil' (s. Aasen NO., FalkHeyne Hausaltert. III 24 f. Geldner Uuters. z. altengl. Krankheitsnamen II. 1907, 33. Torp E W b . sv. kavl, Franck E W b . s sv. Sudhoff. kavelen, Hildebrand b. Grimm D W b . 5,7, Wright E D D . ) . Buckelgefäße sind Tongefäße verschiedener Form, die an der Stelle der weitesten Daß 'Stab' in dem Kompositum 'Buchstab' ursprünglich nicht einen höl- ! Ausladung oder etwas höher auf der Schulter vier (bei Henkelgefäßen bezw. drei) zernen Stab bedeutete, sondern eine oder mehr Buckel haben. Die Buckel sind metaphorische Benennung für 'Schriftentweder hohl, dh. von innen herauszeichen' war, ergibt sich daraus, daß auch gedrückt oder massiv, in diesem Falle von ' S t a b ' allein in den west- und nordgerman. außen als plastisches Beiwerk besonders Sprachen sehr gewöhnlich in der Bedeutung aufgesetzt. Die vielfach geäußerte Mei'Schriftzeichen' verwandt wird. — Daß nung, daß Buckelgefäße in Ton unter dem anderseits *bokstaÖ nicht etwa schon von Einflüsse von Metallgefäßen entstanden den auf Buchentafeln geritzten Runenseien, ist zu bestreiten. Denn Metallgezeichen gebraucht wurde, sondern sich von fäße, die sich in Form und Dekoration vornherein auf die auf Pergament gean die Seite der tönernen Buckelgefäße, schriebenen lateinischen Schriftzeichen bewie ihre Vorbilder, stellen ließen, gibt es zog, daß also das erste Element des nicht. Auch treten an den Metallgefäßen Wortes nicht 'Buchentafel', sondern ' B u c h ' die großen, getriebenen Buckel erst in einer bedeutete, ergibt sich einmal aus dem Zeit auf, als die Buckelgefäße aus Ton ihr Fehlen im Gotischen, sodann aus dem altnord. Sprachgebrauch. In dem T r a k t a t i frühstes Stadium der Entwicklung bereits über das Alphabet in der Snorra Edda ist i überschritten haben: diese beginnen schon

Tafel 24.

Buckelgefäße. Abi). I — 3 : Abb. 4—6:

Buckelgefaße des »Lausitzer T y p u s « . N a c h Z f E t h n o l . 1903, 170 Fig. 11, 12, 13. — B u c k d g e f a ß u aus T r u j a VII. N a c h K a t a l o g d. Schliem. S a m m i g . Nr. 3 5 6 6 , 3585, 3 6 1 1 .

R e a l l e x i k o n der g e r m . A l t e r t u m s k u n d e . I.

V e r l a g von Karl J . T r ü b n e r in S t r a ß b u r g .

BUCKELGEFÄSZE in der älteren Bronzezeit (Montelius Periode I I — I I I ) , jene sind Erzeugnisse aus dem altitalischen Villanovakultur- oder dem mitteleuropäischen Hallstattkulturkreise und werden erst in der jüngeren Bronzezeit (Montelius Per. IV) in die Gegenden eingeführt, wo die tönernen Buckelgefäße Bedeutung erlangen. Vielmehr sind die Buckel bei den Tongefäßen ebenso als Ornamente aufzufassen, wie andere plastische oder auch eingetiefte Ornamente. Deswegen hat man mit mehr Recht ihre Vorstufen in den einfachen warzenförmigen Verzierungen der steinzeitlichen Keramik gesucht (Schuchhardt). Die Buckel an bronzezeitlichen Tongefäßen der ältesten Art erscheinen auch in einer so entwickelten Stilform, daß Vorstufen dazu vorauszusetzen sind. Da Buckelgefäße die typischen Leitformen verschiedener keramischen Gruppen sind, so kann man mit Recht auch von Buckelkeramik sprechen. Buckelkeramik findet sich nun zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Kulturgruppen. Zwei Hauptgruppen lassen sich unterscheiden: die der Bronzevon der der Hallstattzeit, beide verschieden durch die Buckelformen selbst: die bronzezeitlichen Buckel sind im allgemeinen rundlich, der weiblichen Brust ähnlich, daher manchmal hängend, aber auch in anderer Weise variiert, die hallstattzeitlichen, neben denen die älteren Varianten natürlich weiter bestehen bleiben, sind aufwärts gerichtet, hörnerartig zugespitzt und sitzen in der Regel auf der Schulter des Gefäßes. Beide Arten werden auf verschiedenen Ursprung zurückzuführen sein und haben auch ein verschiedenes Verbreitungsgebiet, berühren sich aber in den jüngeren Gruppen. Die rundlichen Buckel sind u. a. ein charakteristisches Merkmal des sogen. Lausitzer-Typus, die Hörnerformen verbreiten sich zugleich mit der Hallstattkultur von Ungarn aus einerseits über Niederösterreich, Böhmen bis nach Schlesien, Posen, Brandenburg, andererseits bis nach Troja, wo sie einer fremdartigen Gruppe der nachmykenischen Keramik eigentümlich sind. (Vgl.. Tafel 24, 1—3.) Die trojanische Buckelkeramik steht

351

nach Technik, Formen und Ornamenten im unvereinbaren Gegensatz zu der ganzen vorausgehenden Entwicklung der nationaltroischen Keramik und ist so mit Recht auf G r u n d der Ü b e r l i e f e r u n g über die g e s c h i c h t l i c h e n Ere i g n i s s e in der Troas während der Zeit zwischen 800 u. 600 v. Chr. barbarischen Horden, den Kimmeriern der Geschichte, also thrakischen Eindringlingen zugewiesen worden. Die Beziehung auf die Thraker lassen allenfalls noch bestimmte Gruppen" von Buckelgefäßen in den unteren Donauund Balkanländern zu. Ihrem Wesen nach sind aber die Buckel an den Tongefäßen kein ethnographisches Kriterium, sondern haben nur stilistische Bedeutung und die Verbreitung von Buckelkeramik ist Modeund Geschmacksache. Sonst müßten Thraker von ihrer Heimat in den K a r pathen aus nicht nur bis nach Troja, sondern quer durch Europa mit Abzweigungen nach dem Kaukasus, nach Oberitalien, nach dem Oder- und Weichselgebiete mitten durch Deutschland bis an den Rhein und durch das Donautal bis nach Frankreich gelangt sein und eine Jahrhunderte dauernde Herrschaft ausgeübt haben. Zudem prüfe man, wie geringe Bedeutung das Buckelmotiv für die ganze Stilgebung des »Lausitzer Typus« in seinen verschiedenen Entwicklungsphasen hat ; dann wird man erkennen, daß die Buckel allein nicht die Eigenart dieses Stils ausmachen. (Vgl. Tafel 24, 4—6.) In einen Zusammenhang mit den Buckelgefäßen des Lausitzer Typus, bezw. überhaupt mit der formellen und dekorativen Eigenart dieser Keramik sucht man die' Buckelkeramik der Völkerwanderungszeit in der Altmark und in Altsachsen zu bringen, indem man an ihr ein Wiederaufleben der alten, durch den Korbflechtstil bedingten Zierweisen neolithischer und bronzezeitlicher Keramik beobachtet, und glaubt so im unentwegten Festhalten uralter Eigentümlichkeiten den künstlerischen Geist eines Volkes, der Germanen, zu erkennen (Schuchhardt). — S. Lausitzer Typus, Keramik. A. V o s s Keramische Stilarten, ZfEthn. 1903, 161 ff. S c h u c h h a r d t Das technische Oma-

352 menl, P r ä h i s t .

BUCKELVERZIERUNC—BUNTMAUER WERK Z. I 1910, 35 i f i .

H.

S c h m i d t

in Dörpfeld Troja u. Ilion 300 ff. 594 ff. Hubert

Schmidt.

ist in nordischen Rechten die Bezeichnung für Seeräuber, d. h. gewaltsame Erbrecher der Ladung.

K . L e h m a n n HR. S. 248 A n m . 7. Buckelverzierung. Die ältere, neolithiK. Lehmann. sche und bronzezeitliche, ist aus der Korbflechterei entstanden, die der ältesten gerBumannsburg b. Haus Rünthe (westl. manischen Keramik als Vorläufer und Hamm), b e f e s t i g t e r K ö n i g s h o f (s.d.). Vorbild gedient hat. Ihre Grundform ist Erdwälle. Karol. Scherben, auch Pingsdorfer, bes. i. d. Vorburg an zwei Brunnen, die Schale in der Form unserer heutigen die viereckig m. Holz abgesteift (Museum Milchsatte mit einem Holzboden unten, Münster). Daneben Hof des Schulzen einem tragenden Ring oben und vier oder Elberich, gespr. Elb'rch, dessen Name von sechs Spanten zur Verbindung beider. W o Elburg, Erdburg herkommt. Die Erdburg die Spanten oben an dem Ringe befestigt im Kirchspiel Herringen wird aber im werden, entsteht von selbst ein kleiner 12. u. 13. Jh. als Adelssitz erwähnt. Knubben, der oft zur Anbringung des StrickS c h u c h h a r d t Mitt. d. A l t . K o m m . W e s t f . henkels benutzt, oft auch ornamental weiter I 1899, 4 5 — 5 3 . Schuchhardt. ausgestaltet wird, besonders in der Donaukultur, wo die künstlerischen Auffassungen Buntmauerwerk. § i. Mauerwerk, das des nordischen Kreises mit denen des durch wechselnde Technik im Quadersüdlichen zusammenstoßen. Hier begegnet gefüge, Fischgrätenmauerwerk u. dgl. wie sich die Buckelkeramik des Nordens mit durch Einfügung andersfarbigen Materials, der freieren Spiralverzierung des Südens, auch von Marmor, von Ziegelschichten, und beide vereinigen sich vielfach in der Tonplatten verschiedener Form und Farbe, Weise, daß Spirale und Buckel miteinander eingemauerte Muster u. dgl. eine schmuckverschmelzen: die Spirale bequemt sich volle Oberfläche gewann, ist besonders bei der Lage des Buckels am Gefäß an, wird fränkischen Bauten häufig, fehlt aber durch ihn gehoben und umschlingt ihn, j auch bei langobardischen nicht, tritt, doch wird dabei freilich vielfach zu einfachen j später, sogar in Konstantinopel auf. Die konzentrischen Kreisen (Lausitz, Ungarn, von den Römern übernommene MauerTroja). Diese Entwicklung von West technik der ein- bis dreifachen Ziegelnach Ost läßt sich formal und zeitlich beschichten in Abständen im Quader- oder legen. Es ist deshalb falsch, die BuckelBruchsteinmauerwerk dauert ohne Abkeramik von Osten her nach Deutschland nahme bis in die späte Karolingerzeit; kommen zu lassen (durch Thraker oder auch die Bögen werden gern, insbesondere Karpodaken), wie Götze und Kossinna in merowingisch-fränkischer Zeit, mit wollten, und damit die ganze Lausitzer Ziegeln durchschossen und von einer ZiegelKultur zu einer ungermanischen zu stemschicht rings in der Rundung eingefaßt. peln. Sie ist vielmehr die germanischste, Besonders am Rhein ist dies häufig zu die es geben kann, die der Semnonen, finden. So in mannigfachen Mustern an des Kernvolkes der Sueben (Tac. Germ. dem (merowingischen) ,, Römerturm" zu 39)-_ Köln und an der karolingischen Kirche Die Buckelverzierung ist in der VölkerS. Pantaleon daselbst, in Lorch an einem wanderungszeit in Böhmen, der Altmark Portal; am Klostertor zu Lorsch besteht und Altsachsen (Land Hadeln) wieder aufder gemusterte Hintergrund der antikigewachsen, als Wiederausschlag aus der sierenden oberen Pilasterarchitektur aus alten urgermanischen Wurzel. roten und weißen drei- und sechseckigen, S c h u c h h a r d t P r ä h i s t . Z. 1, 351 ff. (1909). unten schachbrettartig aus quadratischen Schuchhardt. bunten Steinplatten. bülki, m. (anord.), jünger bunki, be§ 2. Die Anwendung von Flächen aus zeichnet die aufgestapelte und zusammenübereck stehenden Quadern, schräg und gebundene L a d u n g . Daher den „bulki fischgrätenförmig gestellten Stein- und brechen", bulka brjöta oder leysa b. soviel Backsteinschichten und ähnlichem ist ohne wie 'das Schiff löschen'. Bunka-brytari Zweifel auf die altrömische Steinfügung

BURCANA—BURG des opus reticulatum und spicatum zurückzuführen. — In Frankreich (le Puy, Clermont usw.) spielen solche Steinmusterungen noch sehr lange eine Rolle; auch in der lombardischen Architektur sind buntgemusterte Ziegelflächen mit Einfügung von schwarzen und weißen Marmorstücken gebräuchlich, nach dem Muster der früher gewiß zahlreicheren langobardischen Vorbilder (S. Sepolcro zu Bologna 8/9. Jh.). Holtzinger kunst. Stuttgart E n 1a r t I 7

Altchristl. u. byzantin. Bau1S99. Stephani II 283 ff. ff. A. Haupt.

353

ebenso unrichtig wie die in griechischen Wörterbüchern verbreitete, daß 710X1; von Anfang an 'Stadt' bedeute. Die Burg, zuerst bezeugt in den Ausdrücken saltus Teutoburgiensis (Tac. Ann. I 60) und Asciburgium (Ptol. II 11. 27), ist altgermanisch eine Volksburg (Fluchtburg) mit offner Siedelung, gewöhnlich auch einem Herren hof an ihrem Fuße. Marbods Residenz umf a ß t eine regia castellumque iuxta situm (Tac. Ann. II 62). In karoüngischer Zeit wird dieser Herrenhof häufig befestigt. Von etwa 900 an aber zieht der Herr von

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Köln. Römerturm.

Burcana hieß nach Plinius N H . 4, 97 (vgl. 18, 121), Boupjravi; nach Strabo 290 eine Insel an der Küste Germaniens, sicherlich das jetzige B o r k u m , afries. Borkne. Von den Römern wurde sie wegen der dort wild wachsenden Bohnen oder bohnenähnlichen Pflanzen nach Plinius Fabaria genannt. M ü l l e n h o f f DA.

1, 483.

R. Much.

Burg soll nach der gewöhnlichen A u f fassung (Kluge E t y m . Wb.) seine heutige Bedeutung erst im 12. Jh. erhalten haben, vorher = 'befestigter Ort, Stadt' gewesen sein, was noch hervorgehe aus 'Bürger' und „Städtenamen wie Freiburg, Magdeburg, Straßburg". Diese Auffassung ist

m Buntmauerwerk.

Nach Holtzinger.

dem Hofe weg in eine kleine stark befestigte Burg („Herrenburg", s. d.). Städte beginnen in Deutschland allgemein erst im 12. Jh., und ihr Name endigt nur dann auf -bürg, wenn unter den Teilen, aus denen die Stadt zusammenwächst, sich auch eine Burg befindet oder wenn wenigstens eine solche in der Nähe ist und dem neuen Gemeinwesen ihren Namen gibt. Dabei kann es sich sowohl um alte Volksburgen wie um junge Herrenburgen handeln. Die Namen Würzburg und Hammelburg (a. d. fränk. Saale) gehen bis in die merowingische Zeit zurück und stammen von den betr. Volksburgen, die in den Gebietsbeschreibungen mit erwähnt werden (Rü-

354

BÜRGER

bei, Die F r a n k e n 38 u. 72). Bei QuedlinS c h u c h h a r d t Hof, Burg u. Stadt b. Germanen u. Griechen. N. Jahrb. f. klass. Alt. 1907. b u r g liegt die curtis Quitilinga zwischen Schuchhardt. einer alten V o l k s b u r g ( „ A l t e n b u r g " ) u n d der H e r r e n b u r g Heinrichs I. auf dem Bürger. A. D e u t s c h l a n d . §1. Schloßberge. Bei L ü n e b u r g ist im K l o s t e r Einige stadtähnliche Gemeinden im t a t L ü n e (Hliuni) der ursprüngliche N a m e sächlichen Sinne h a t es in Deutschland erhalten, H e r m a n n B i l l u n g gründete die seit der R ö m e r z e i t stets gegeben (s. B u r g auf dem K a l k b e r g e (10. Jh.). In Handwerk). Eine eigentümliche S t a d t Merseburg h a t Heinrich I. eine schon v o r v e r f a s s u n g bildet sich jedoch erst im h a n d e n e B e f e s t i g u n g erneuert, ebenso in i 1 1 . u. 12. J a h r h . aus. D a m i t h ä n g t es B r a n d e n b u r g (927), das schon eine H a u p t zusammen, d a ß die Quellen seit der feste der Slawen gewesen w a r . In Magde2. H ä l f t e des 11. Jhs. von burgenses (über die b u r g t r i t t die urbs regia unter O t t o I. E t y m o l o g i e des W o r t s v g l . D L Z . 1906, 937 auf (Widukind). In einer U r k u n d e Sp. 873) sprechen. Die B e z e i c h n u n g ' B ü r O t t o s II. v o n 979 w e r d e n 18 Orte des ger' f ü r die S t a d t b e w o h n e r wird allmählich H o s g a u s als civitates und castella ( B u r g herrschend, m u ß freilich vorerst noch die warde) bezeichnet; sie endigen alle auf H e r r s c h a f t m i t urbani, cives, mercatores und •burch: Altstediburch (Allstedt), Burniganderen A u s d r ü c k e n , die zugleich eine stediburch (Bornstedt), Cucunburch (Kukandere B e d e u t u n g haben, teilen. D a s W o r t kenburg) usw. K e i n e v o n ihnen w a r daB . w i r d übrigens in engerem (formelle Gemals „ S t a d t " , und die H ä l f t e ist es bis meindemitglieder) und weiterem ( S t a d t heute nicht geworden (Goseck, H e l f t a , b e w o h n e r überhaupt) Sinne gebraucht. Holleben, K u c k e n b u r g , Scheidungen, SieW a i t z DVG.2 5, 405 ff. R i e t s c h c 1 Die burg, V i t z e n b u r g , W e r b e n ) . Civltas auf deutschem Boden bis zum Ausgang der Karolingerzeit. Lpz. 1894. G. v. B e 1 o w, U b e r t r a g e n ist der N a m e bürg bei H a r z Art. Bürgertum, Handwb. d. Staats«-. Deis. b u r g v o n der B u r g Heinrichs I V . auf dem Das ältere deutsche Städtewesen und Bürgertum. B e r g e auf die S i e d l u n g in der Ebene. 2. Aufl. Lpz. 1905. D e r s. Stadtgemeinde, Landburgus, sagt Vegetius, sei ein W a c h t gemeinde und Gilde; Vtjschr. f. Soz.- u. WG. 1909. posten („castellum p a r v u l u m , q u e m burG. v. Below. gum v o c a n t , inter c i v i t a t e m et f o n t e m B. E n g l a n d . § 2. Erst im I I . Jh. c o n v e n i t fabricari, . . ut a q u a d e f e n d a t u r h a b e n wir b e s t i m m t e Nachrichten über a b h o s t i b u s " V e g e t . I V 10), u n d Orosius die Verhältnisse der E i n w o h n e r der engn e n n t so die kleinen S t a t i o n e n a m Limes, lischen S t ä d t e ; in den ags. Gesetzen und die den germanischen B e s a t z u n g e n der in der Sachsenchronik finden sich nur Burgundionen ihren N a m e n gegeben h ä t t e n . gelegentliche A n s p i e l u n g e n auf die S t ä d t e Parallelen sind: in Griechenland toXi; und B ü r g e r . D a s Zeugnis des D o m e s d a y 'Volksburg', dann ' B u r g v e r b a n d , Gau, B u c h s habe ich in meinen DomesdayS t a a t ' u n d z u l e t z t erst ' S t a d t ' ; in Italien Boroughs (besonders S . 54—62, 80—82, pagus (von 'befestigen') = ' B u r g ' , 1 1 2 — 1 1 4 ) g e p r ü f t ; die Ergebnisse dieser und dann erst ' B u r g v e r b a n d , G a u ' . In U n t e r s u c h u n g seien im folgenden zuE n g l a n d ist burh ursprünglich der allsammengestellt. gemeine A u s d r u c k f ü r V o l k s b u r g , Herren § 3. Obgleich der A u s d r u c k mlat. b ü r g und S t a d t . Der A u s d r u c k castell, burgensis, ags. burhwara seiner A b l e i t u n g Castle ist erst v o n den N o r m a n n e n einn a c h eigentlich v o n allen Einwohnern einer geführt und erscheint im S a x o n Chron. S t a d t gelten sollte, zeigt das D o m e s d a v zuerst unter E d w a r d d. B e k e n n e r . V o r B u c h , d a ß die S t ä d t e auch E i n w o h n e r her heißt es „ t h e hedge of the kings enthielten, die keine B . w a r e n . Zu N o r w i c h b u r h " , und Ethelred v . Mercia ließ zu g a b es „ 6 6 5 steuerzahlende Bürger und Worcester eine burh b a u e n ,,as a pro480 Mietlinge (bordarii), die aus A r m u t keine tection to all the p e o p l e " ; nachher lesen S t e u e r n z a h l t e n " ; aber der L'nterschied wir, d a ß W i l l i a m R u f u s 1092 „repaired zwischen dem Bürger, derscoJ bezahlte, und the burh and ordered the castell to be dem armen, n i c h t z a h l e n d e n N i c h t b ü r g e r w i r d b u i l t " (in Carlisle).

BÜRGER nicht immer beachtet. Doch gibt es Zeugnisse, die beweisen, daß die Bürgerrechte durch Nichtentrichtung des geld verwirkt wurden. In der späteren Munizipalgeschichte verlieh der Besitz eines Bürgerhauses Bürgerrechte; es ist aber zweifelhaft, ob dies schon im I I . Jh. der Fall w a r ; an einigen Orten bewohnten zwei oder mehr Bürger dasselbe Haus, und an anderen gab es Häuser, die keine Bürgerrechte verliehen. Die Ortsinsassen von D o v e r hatten in ganz England das Recht auf Zollfreiheit, aber in Barnstaple, Lidford u n d T o t n e s wird von nicht ortseingesessenen Bürgern berichtet. Auch weibliche B. sind bezeugt, und es wird ausdrücklich gesagt, daß ein B. von Ipswich ein Sklave war. § 4. Es gab einige B., die auf dem L a n d gute, wo sie ihre P a c h t zahlten, landwirtschaftliche Dienste verrichteten, aber in den meisten Fällen wird von B.n nicht berichtet, daß sie landwirtschaftliche Dienste tun mußten; doch zahlten einige ihre Pachten in natura, wie z B . vier B. von Hereford, die an das Gut Markley 14 Pflugscharen lieferten. Außer der Entrichtung ihrer Pacht (mlat. gablum, ags. gafoT) und Steuer {geld) hatten die B. noch andere Verpflichtungen. Im allgemeinen stellten die Städte für je 5 Hufen, zu denen sie eingeschätzt waren, einen Soldaten für das Heer; aber diese Verpflichtung konnte gegen eine Zahlung von £ I pro Mann abgelöst werden. Die B. anderer Städte leisteten Transportdienste: die v o n Dover lieferten dem K ö n i g jährlich an 15 Tagen 20 Schiffe; und zu Hereford machte jeder Schmied 120 Pferdehufeisen für ihn. § 5. Es gibt Anzeichen dafür, daß einige B. höheren R a n g als die andern hatten: Edward der Bekenner richtete verschiedene Erlasse an die burhpegnas von London; die Lagemen (lat. judices) v o n Stamford hatten Gerichtsbarkeit in ihren eignen Häusern und über ihre eignen L e u t e ; auch in W a r w i c k waren 19 B., denen die Gerichtsbarkeit in ihren eignen Häusern zustand, und zu Wallingford gab es 13, die die Bußen für Blutvergießen, Diebstahl und Ehebruch in ihren Häusern erhielten. A b e r gewöhnlich standen die B. unter der Gerichtsbarkeit des Königs oder eines Herrn.

355

§ 6. Über die Berufe der B. haben wir wenig Nachrichten. In Nottingham wird zwischen den Häusern der Ritter und denen der K a u f l e u t e unterschieden. Zu T o t b u r y lebten nur 42 Einwohner von ihren eignen W a r e n ; und in Abingdon wohnten 10 K a u f leute gegenüber der Kirche; aber dieser Ort war keine Stadt. Anderseits zeigt eine P r ü f u n g des den Städten gehörenden Grundbesitzes, daß die Mehrzahl der B. keinen Grund und Boden oder nur wenige Acres besaßen; die meisten waren also Handwerker oder Händler, und von den Handwerkern w a r der häufigste der Schmied. In Canterbury gab es auch Tuchhändler und Schuhmacher (s. Gilden). § 7. Zuletzt die schwierigste Frage hinsichtlich der angelsächsischen B . : in gewissen Städten heißt es von vielen B.n, sie gehörten zur Domäne, sie zahlten dem Könige oder dem Herrn der Stadt ihre P a c h t ; andere hingegen, und das war öfters die Mehrheit, wurden von Landgütern in der Nachbarschaft der Stadt, in der sie wohnten, „beigesteuert", dh. sie zahlten ihre Pachten an diese Landgüter, und ihre Häuser wurden als Teile derselben angesehen. In Oxford wurden die so „ b e i gesteuerten" Häuser Mauerwohnungen genannt, „weil ihre Bewohner in der Not auf des Königs Befehl die Stadtmauer ausbesserten"; und im 13. Jh. wurden die Mauern v o n Malmesbury ausgebessert von Leuten, welche nachweislich die Besitzer von L a n d gütern waren, die im 11. Jh. Häuser oder Bürger zu Malmesbury „beisteuerten" (s. Engl. Hist. R e v . 1906, 98). Auf Grund des Oxforder Berichts vermuten die A n hänger der „Garnison"-Theorie, daß diese „beigesteuerten" Bürger auf städtischen Grundstücken wohnten, die ursprünglich den Besitzern der Landgüter, welche burhböt zu leisten hatten, angewiesen waren, damit sie immer jemand zum Ausbessern der Mauer für den Notfall zur V e r f ü g u n g hätten; zur Zeit des D o m e s d a y - B u c h s war diese Mauerarbeit vielleicht in einen Geldzins verwandelt worden (Maitland D B . S. 200). A b e r diese Auffassung ist v o n Miss Bateson (Engl. Hist. Rev. 20, 143) scharf angegriffen worden und wird nicht allgemein anerkannt. A. Ballard.

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BÜRGERHAUS—BÜRGSCHAFT

C. N o r d e n . § 8. Ein Bürgerstand findet sich im germanischen Norden nicht vor dem 12. Jahrh. In N o r w e g e n geht dem Stadtrecht als Territorialrecht der auf allen Handelsplätzen geltende Bjarkeyjarrettr (s. d.), ein Kaufmanns- oder Handelsrecht, vorauf. Erst am Ende des 11. Jahrhs. zweigt sich das Stadtrecht vom Landrecht ab. Die ursprünglich auch- in den Städten geltenden Standesunterschiede (s. Ständewesen) werden beseitigt, im Stadtrecht soll jeder Freie das Recht des hglfrr haben. Seitdem besteht der Begriff des Bürgers (bcejarmair, büri) als eines eigentümlichen Standes, wobei Ansässigkeit mit Grundbesitz Voraussetzung der vollen Bürgerrechtsfähigkeit ist. Das älteste d ä n i s c h e Stadtrecht, das Stadtrecht von Schleswig, aus dem Anfange des 13. Jahrhs. stammend, zeigt bereits das Bild eines abgeschlossenen Stadtrechts mit eignem Stand von cives, die von den hospites (ruricolae oder fremden Kaufleuten) scharf geschieden und selbst ständisch nicht gegliedert sind. A m spätesten, wohl nicht vor der Mitte des 13. Jahrhs., scheint sich in Schweden ein Stadtrecht mit eignem Bürgerstande (byamänn) herauszubilden. Während in Schweden dabei deutschrechtlicher Einfluß überwog, haben auf Dänemark und Norwegen englische Vorbilder eingewirkt. A . B u g g e Studier over de norske byers selvstyre og handel for Hansealernes tid 1890. K . L e h m a n n Kauf friede und Friedensschild in Germanist. Abhandl. f. K . Maurer 1893. M. P a p p e n h e i m Die alidänischen Schutzgilden 1885. K . H e g e 1 Städte und Gilden I 121 ff. M a t z e n Forel. O f f e n t l . R e t . I 77ff. T a r a n g e r I i i , 164ff. H. H i l d e b r a n d Sveriges Medeltid I 321 ff. O d h n e r Bidrag tili Svenska Stadsförfattningens Historia 1861. K . Lehmann.

Bürgerhaus. In den skandinavischen Städten scheinen die Häuser von Anfang an im wesentlichen wie auf dem Lande eingerichtet gewesen zu sein. Was die praktische Anordnung betrifft, wurde eine größere Regelmäßigkeit erst allmählich erreicht. In dem Stadtgesetz (VI 4) des Königs Magnus Hakonsson (aus der zweiten Hälfte des 13. Jhs.) finden sich mehrere Bestimmungen, die darauf hinzielen. Das Hauptgebäude war gewöhnlich mit einem Laubengang (svalir) versehen und kehrte die Giebelscite der Straße zu. Der

| Hofraum (gar&rüm) war eingezäunt. Was j die innere Einrichtung anlangt, wurden j die von Olaf K y r r e ausgehenden Neuerungen in den Städten früher als auf dem Lande durchgeführt, vor allem der Ofen und der gepflasterte oder gedielte Fußboden. Über die besonders seit dem 11. Jh. ! sich vollziehende Ausbildung des deutschen I B. s. Heyne D. Hausaltert. I 204 fr. Vgl. j auch Stephani I 267 ff. |

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I i j |

Hjalmar Falk.

Bürgerliches Recht. Die begriffliche Scheidung des gesamten Rechtsstoffes in Privatrecht (Bürgerliches Recht, Zivilrecht) und öffentliches Recht ist der germanischen Zeit wie dem beginnenden Mittelalter fremd; das Recht war ein einheitliches. Sachlich waren allerdings von Anfang an und in größerem Umfang mindestens seit der Karolingerzeit, im Norden seit dem 13. Jh., Rechtsinstitute vorhanden, die wir als öffentlichrechtliche zu bezeichnen pflegen. Aber weder ihre Erscheinungsformen noch die für sie maßgebenden Rechtssätze weisen so tiefgehende Eigentümlichkeiten auf, daß eine bewußte theoretische Scheidung auch nur möglich gewesen wäre. Gierke

DPR.

I 2S.

v. Schwerin.

Bürgschaft, (§ i) ahd. borgen, purigo, ags. borg, nord. borghan, borgha (tak, taka), äbyrgjask, abyrgd, deckt sich von Haus aus begrifflich mit der Haftung (s. d.), ist aber i. e. S. speziell H a f t u n g e i n e r Person für fremde Schuld. Im Gegensatz zur heute herrschenden Vorstellung ist der germanische Bürge nicht als Schuldner gedacht. § 2. Die Rechtsordnung bewirkt eine Bürgschaft entweder durch Vermittlung eines Rechtsgeschäftes oder ohne solches ( r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e —• g e s e t z l i c h e Bürgschaft). Bürgen kann eine einzelne Person oder auch ein Personenverband, wie bei der gesetzlichen „Gesamtbürgschaft" des fränkischen und angelsächsischen Rechtes, wo die ganze Hundertschaft für Schaden aus Missetaten einzustehen hatte. Ältestes Stadium der Bürgschaft dürfte die Geiselschaft gewesen sein (s. Geisel), noch lange Jahrhunderte ihre Spuren hinterlassend. Durch eine Uber-

BURGUNDEN gangszeit führte die Entwicklung schließlich zur Freiheit des Bürgen, der dann selbst ein Aufsichtsrecht gegen den Schuldner üben konnte. ,,And finde him aelc man, Jiaet he borh haebbe; and se borh hine Jionne to aelcum rihte gelaede and gehealde = Und jedermann versehe sich, daß er [für sich] Bürgschaft habe; und dieser Bürge stelle und halte ihn dann fest zu jeder Rechtspflicht" (III Eadgar 6; s. auch I Aethelred I. Liebermann 202 f., 2 l 6 f . ) . Die Beaufsichtigung lag angesichts der furchtbaren Gefahren, welche die Haftung des Altertums für die Person im Gefolge hatte, nicht minder im ureigensten Interesse des Bürgen. Bei einzelnen Schulden muß sich die Garantie durch Leibbürgschaft länger behauptet haben. Es lag in der Natur der Sache, daß sich da gewöhnlich nicht der Schuldner selbst, sondern ein Dritter vergeiselte. Indem an die Stelle des Geisels später der Bürge getreten, möchte sich erklären, daß der Haftungsorganismus für einzelne Schulden eines Bürgen bedurfte. § 3. Die Bürgschaftsbegründung durch Rechtsgeschäft ging f o r m b e s t i m m t vor sich. Im Formalismus dieses „Wettvertrages" (s. Wette) spielten das Stabund Handsymbol eine wesentliche Rolle. Daraus sind technische Bezeichnungen des Bürgen hervorgegangen: arramiator, adramitor (dazu Glossierung von adhramire [afränk. *atchramjari\ mit stabön); handsalamatr, handsalsmaffy, festerman; manucaptor, manulevator (vgl. das ital. mallevadere)] wie denn überhaupt die Terminologie des Treugelöbnisses die Rechtssprache der Bürgschaft stark beeinflußt hat: „lober", „gelober"; „fideidator" (dazu Glossierung von fidem praebere, praestare mit 'verbürgen'), „stipulator"; ,,lofa9sma9r". § 4. Der Bürge übernahm die a u s s c h l i e ß l i c h e H a f t u n g gegenüber dem Gläubiger, analog wie nach dem Recht der Sachhaftung ohne besondere Vereinbarung nur das Pfand haftete. Dieser Grundsatz wird in einer Reihe von Zeugnissen unzweideutig ausgesprochen und ist als ältestes Recht anzusehen. Nach jüngeren Rechten stand der Bürge zusammen mit dem Schuldner und schließlich subsidiär ein.

357

§ 5. Aus dem Wesen der PersonenJ haftung ist es zu erklären, daß die älteste I Bürgschaft grundsätzlich unvererbl i c h war. Damit hängt die Gepflogenheit | der Bürgschaft „ z u gesamter H a n d " zuj sammen. !

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V. A m i r a NOR. I 693 ff. I I 45 ff. 840 ff.; Recht2 132. 134. B r n n n c r Gründe, d. DRG 205. 207. 212. G i e r k e Grunds, d. DPR. 528; Schuld u. Haftung 56 ff. G r i m m DRAA I 191. II 170 f. H e u s 1 e r 1DPR. I I 250 ff. H ü b n e r DPR. 467 ff. M ü l l e r Z f D R . I 321 ff. P a u l s e n Z f D R . I V 124 ff. P l a t n e r Die Bürgschaft (1857). Puntschart Schuldvertrag 11. Treugelöbnis 173 fE. Schröder DRG.5 301 f. 750 f. Sickel Bestrafung d. Vertragsbruches 10. Sohm Der Proceß d. Lex Salica (1867) 220 ff. S t o b b e Z. Gesch. d. deut. Vertragsr. 115 ff. S t o b b e - L e l i m a n 11 DPR. I I I 361 ff. — S. auch die Literatur unter „ W e t t e " . P . Puntschart.

Burgundern § i. Bereits Plinius nennt NH. 4, 99 Burgo[n)diones als einen Zweig seiner Vandili und Ptol. II II, 8 setzt die Boup^ouvis; ins nordöstliche Germanien zwischen Oder und Weichsel. Ihre Westj nachbarn sind bei ihm die Semnonen; nördlich stehen AiXoucttiuvsj, südlich Aou"fioi j 'Otj.«voi'. Bei Tacitus fehlen sie auffälliger• weise und verbergen sich auch kaum unter dem Namen eines der lugischen Stämme, j die er aufzählt. j § 2. Ihre Herkunft lehrt uns ihr Name. Er ist mit verschiedenem Ausgang über! liefert: als Burgundiones, Burgundziones, • Burgund{i)i; ags. Burgendas, -e und -an; ! das x in einer Form wie TO T£5V Boup"(ouv-töv 1 eftvoc, tou? Bouf/youvTas bei Ptol. hat wie das in 2 S * F I I A ' I 5 V T O ; (überliefert ist s., die dem Inhalte des altern baiwarischen Epos (s. Heldensage § 4 C. E) einiges Niederdeutsche zugesellt. § 2 . Daß die nordische Sagenform die ältere ist, wird durch die Geschichte entschieden. Über die Zahl der historischen F a k t a in der B . hat man sich nicht geeinigt. D a s Wahrscheinliche ist, daß zwei unabhängige Ereignisse zusammentraten: die Vernichtung des Burgundenkönigs Gundiharius 'cum populo suo ac Stirpe' durch die Hunnen a. 437 und Attilas Tod an der Seite seines Weibes Hildiko a. 453. Die Dichtung hat die beiden Vorfälle zeitlich aneinander gerückt und ursächlich v e r k n ü p f t : Hildiko-Grimhild ist Gunthers Schwester und Attilas Mörderin, sie rächt an A . den F a l l der Burgunden. Den furchtbaren Hunnenkönig zog man in die K a t a s t r o p h e von 437 herein, aus dem strategischen Überfall wurde die verräterische E i n l a d u n g an den Hof des Schwagers. Bei alledem blieb die Sage geschichtstreuer als irgendeine ihrer Schwestern! — Neben Gunther ließ man zwei seiner B r ü d e r spielen, Gislaharius und Godomaris, die nach ihrer Nennung in der L e x Burgundionum, v o r 516, als geschichtliche Gestalten gelten dürfen (der ebenda erwähnte Gibica wurde als bloßer V a t e r n a m e übernommen): Gislahari erhielt die zweite burgundische Hauptrolle (s. u.), Godomar m a g nur nebenher a u f g e f ü h r t worden sein. Diese in keiner Chronik genannten Gestalten können nicht wohl später erst auf gelehrtem Wege in die Dichtung gekommen sein. Auch der N a m e der Burgunden ist altes Sagengut (Akv. 18, Wids. 65, Waldere B 14, mhd. Epen), vielleicht auch Worms (nur Waltharius, mhd. Epen, p>s.). — §3. Das beherrschende Motiv des aufsteigenden Teiles wurde das Hortgeheimnis: Die Brüder haben ihren Hort, wonach Attila giert, im Rheine geborgen und sich seine Geheimhaltung zugeschworen; der gefesselte Gunther über-

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! liefert den Bruder, dann sich selbst dem Martertode, weil er es heldentrotzig verschmäht, den Schatz als Lösegeld zu verraten. Der Goldreichtum des Mittelrheines w e c k t e wohl die Vorstellung: hier liegt ein Königshort versenkt (vgl. Decebalus bei Dio 68, 14, auch Alarich bei J o r d . c. 30). A n diesen ortsgebundenen Zug konnte die weitere Erfindung ank n ü p f e n : die Wormserkönige, sie haben hier ihr Gold geborgen und um seinetj willen den T o d bei dem goldgierigen Hunnen erlitten. Gunther, der historische Träger der K a t a s t r o p h e von 437, ist in der A k v . noch der unbedingte Protagonist, so auch der Sprecher jener Trutzreden, in denen das Hortmotiv zu grandioser E n t f a l t u n g k o m m t ; er ist der letzte B u r gunde, die Vordergrundsfigur, während der B r u d e r hinter der Bühne seine Heldenseele aushaucht. Die fremdartig wirkenden Züge, Gunthers E n d e im Schlangenhof und sein Harfenspiel (dieses als letzte Probe der Todesverachtung gedacht), hat S. B u g g e aus Überlieferungen der Wandalen in A f r i k a leiten wollen. § 4. Der absteigende Teil der Sage erhielt zu dem v o n der Geschichte Gebotenen besonders diese zwei Motive: I. Die Heldin mordet die zwei K n a b e n , die sie A t t i l a geboren hat, E r p r und Eitill, und setzt ihre Herzen dem K ö n i g zum Essen v o r . So nach A k v . 35 ff., ähnlich A t l a m a l 77 ff. Der unmenschlichen Todesart der K ö n i g e entspricht die grausige Vergeltung. Daß mindestens ein K e r n davon der ursprünglichen B . angehört, folgt aus f>s. c. 379 (Vorw. z. Heldenbuch S. 10), w o Grimhild die K ö p f u n g ihres Söhnchens durch Hagen veranlaßt. Das N L hat dies abgeschwächt, aber noch mit der verräterischen Str. 1 9 1 2 , die in dem ältern Zusammenhange wurzelt. Daß auf die eddische Darstellung Atreus-Thyestes oder Tereus-Prokne einwirkten, ist eine Möglichkeit. Den N a m e n E r p r h a t die alte ! Sage aus der Geschichte genommen (s. A t t i l a ) ; aber den F a l l des Attilasohnes E l l a c in der Feldschlacht kann unsre i Dichtung nicht wohl spiegeln. 2. Nachdem Grimhild den A t t i l a auf seinem L a g e r erstochen hat, läßt sie sich selbst und das Kriegergefolge in den F l a m m e n umkom-

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BURGUNDENSAGE

men. Die A k v . ist noch auf dieses heroische Selbstgericht der Heldin angelegt, das hier die gleiche innere Notwendigkeit hat wie bei Signy (s. VQlsungar); aber seit der A n f ü g u n g der Svanhildsage mußte man die Königin am Leben lassen. § 5. Die Schöpfung der B. ist offenbar den Franken zuzuschreiben, die a. 437 die Nordnachbarn der Burgunden waren, bald darauf die Erben ihres mittelrheinischen Gebietes wurden. Der dichterische Prozeß wird bald nach (oder gleich mit) 453 eingesetzt haben. Einzelnes mag viel später noch angetreten sein. Die burgundisch - fränkischen Händel unter Chlodwig und seinen Söhnen, a. 493 und 523—34, hält man besser fern. Ob die B. nach einem ältern Heldenstoffe modelliert wurde, imbes. nach der Sign^sage (s. VQlsungar), bleibt offen. — §6. Die fränkischen Dichter ketteten die B. an die Brünhildsage, u. zw. durch drei Gelenke (zum folgenden s. Sigfrid B ) : I. Den schicksalsvollen Hort der B. setzte man gleich dem berühmten Nibelungehort Sigfrids. Eine verständliche A t t r a k t i o n ; sie lag besonders nahe, wenn das Rheingoldmotiv auch der Sigfridsdichtung angehört hätte, doch weisen es unsere Zeugnisse nur der B. zu. Die einfache Folge von 1. w a r : 2. die Erben v o n Sigfrids Horte, seine Schwäger in der Brünhildsage, nebst ihrer Schwester wurden gleichgesetzt den Gibichungen der B. Diese letzte gab die Namen her; ob m e h r als die bloßen Namen in die Brünhilddichtung hinüberdrang, ist fraglich. Dagegen war die B. die Empfangende in: 3. Hagen, eine Gestalt der (kontaminierten) Brünhildsage, erhielt die zweite burgundische Hauptrolle, die des vorletzten Burgunden, die früher dem Gislahari zufiel. Entsprechend den zwei alten Sproßformen der Brünhildsage gab es nun auch zwei Spielarten der B. In der einen (nachmals nordischen) war Hagen der Bruder Gunthers, und zwar der einzige, weil er den Gislahari einfach ersetzte, Godomar aber schon in der Brünhildsage mit Tod abging. In der andern (nachmals oberdeutschen) war Hagen der Vassall, die zwei Brüder Gunthers wurden zunächst nur als Statisten weitergeführt. Diese zweite Spielart wich von

\ j I ; • j

der Urform weiter ab, weil die Ersetzung des Bruderverhältnisses durch die Dienstmannschaft einen merklich neuen K l a n g hereinbrachte. Die H a n d l u n g der beiden großen Liedstoffe, Brünhild- und Burgundensage, blieb nach wie vor unabhängig. Wenn Attilas Frau in der nordischen Dichtung den Brüdern die Meuchelung Sigurds so ganz vergeben und vergessen hat, darf man sich nicht so sehr auf das empfangene Wergeid berufen oder auf ' B l u t ist dicker als Wasser': der wahre Grund ist die vis inertiae, die den Gang der B. in dem alteingefahrenen Gleise festhielt.

] § 7. Nachweisbare Neuerung in dem Sageni bilde der A k v . ist nur der Name Gudrun: ! Grim-hild wird durch die Hildiko der Geschichte gestützt. (Hieß *Gunf>i- oder *Godarünu die Frau Sigfrids in der urspr. ! Brünhildsage? Dann wäre jene Neuerung ; auch schon fränkisch.) Über die der A k v . fehlende Botfahrt s. u. A u s der sonstigen ältesten Uberlieferung des Nordens kommt herzu: die Umformung v o n Go9-mar zu Go9-J)orm, Guttorm; die Angliederung der Brynhild als Schwester Atlis. § 8. Die Entstehung der jüngern, obd. Sagenform erklärt sich als Anpassung der fränkischen B. an die baiwarische Heldendichtung, die Dietrichsage. Diese hielt das ostgotische Bild des väterlich milden A t t i l a fest. Damit war sein fränkisches Porträt in der B., der habgierige und grausame Verräter, nicht zu vereinen. Die baiwarischen Dichter konnten das fränkische Lied nur dadurch bei ihren Landsleuten einbürgern, daß sie — mit bewußter, planmäßiger Umdichtung — Etzel entlasteten, somit seine Verräterrolle auf Grimhild übertrugen. Die Hortgier, die nun auf Ghd. überging, konnte aber als Grund ihres Brudermordes nicht genügen. Man zog daher die Folgerung aus der Brünhildsage und machte die Rache für Sigfrid zum Haupthebel. Ghd. wurde Gattenrächerin, die Ermordung Etzels fiel dahin (von dem Knabenmord ein umgedeuteter Rest s. 0.); aus dem Selbstmorde der Heldin wurde ihre Hinrichtung durch Dietrich von Bern (J)s., V o r w . z. Hb.); das heroische Schlußbild des allestilgenden, sühnenden Saalbrandes rückte nach vorn,

BURI er wurde zu einer Waffe gegen die Burg u n d e r Die Dichtung verlor damit ihren zweiten, absteigenden Teil, wuchs jedoch mit der Brünhildsage so innig zusammen, daß deren Abschluß, Sigfrids Tod, zur Peripetie wurde in der neuen Doppelsage. — § 9. Diese von einem Anstoß ausgehende Neugestaltung muß wohl so alt sein wie die A n k u n f t des Stoffes im Donaulande, und die setzt man nach Privatnamen ins 8. Jh. Mit dieser Wanderung hängt zusammen die Entstellung von Grimhild zu Chriemhild (vgl. Kudrun). Die gotisch-baiwarische Sage spendete aus ihrem reicheren Bilde von Etzels Hofhalt mehrere Namen und Gestalten: Helche, Bioedel, Dietrich, vielleicht auch schon Hildebrand. Die Fülle der andern Nebenrollen kam erst mit der breiten Epik des (10. und) 12. Jhs.; da gewannen auch die altererbten Giselher und Gernot (für Gotmar) reicheres Leben. Eine der Neuerungen, die nicht auf dem Einwirken der Dietrichsage beruhen, ist die Vertauschung der beiden burgundischen Heldenrollen: auch in der sonst so treu bewahrten Schlußszene (die £>s. hat sie verloren!) ist Gunther zur Hintergrundsfigur geworden; der 'letzte Burgunde' mit seiner Trutzrede ist jetzt Hagen, der als Mörder Sigfrids zum Protagonisten der Doppelsage emporwuchs. § 10. Die obd. B. hat auf die eddische Gu9r. III (11. Jh.?) trübe abgefärbt (f)io9rekr neben Gudrun an Atlis Hofe). Sie erklingt im Munde eines sächsischen Mimus a. 1131 in Dänemark ('notissima Grimildae erga fratres perfidia'). Sie erscheint dann im 13. Jh. in einer dän. und einer fseröischen Ballade und liegt der breiten Darstellung der J>s. zugrunde. Hier sind Einzelheiten aus anderweitiger, nd. Tradition eingemengt: die Lokalisierung in Soest, die Gestalt Osids?, v. a. aber der ganz abweichende Schluß: Hagen hat sterbend einen Rächer erzeugt, Aldrian; der lockt den hortgierigen Attila in die Felshöhle zu dem Nibelungenschatz und läßt ihn dort verhungern. Dem Bilde des milden, obd. Attila, das in der Haupterzählung fast ohne Schwanken festgehalten ist, widerstreitet dieser Ausgang: augenscheinlich ist es nd. Sage, die vom H o o p s , Reallexikon.

I.

361

Boden der ä 1 t e r n B. aus den Schluß, die Rache an Attila, neu geformt hat. Daß ursprünglich Hagen mit seiner Schwester Grimhild den Rächer zeugte, vgl. Signjr, ist keine notwendige Annahme. Auch die Herleitung Aldrians aus dem Hunnensieger Ardaricus (Aldaricus) scheint bedenklich. Die ])s. nun hat jenen nd. Schluß an ihre obd. Nibelungenot unorganisch angehängt. Die faer. Ballade und die Hvenische Chronik fabeln, daß, neben oder statt Attilas, Grimhild im Berge ausgehungert wird: eine verzweifelte Umbiegung nach der obd. B . ! Ubergangsstufen von der altern zu der obd. Sagenform sind das nicht, nur junge Mischungen. § II. Von jener nd. Attiladichtung hallt etwas in der Klage nach (V. 4340). Auch der Dichter der Atlamal hatte von dem rächenden Hagensohne läuten hören und zieht ihn unklar in seinen Bericht herein (Str. 88 ff.). Auch außerdem scheint dieser Grönländer jüngere Anleihen aus deutscher Dichtung zu haben, bes. die Wasserfahrt der Gibichunge (Str. 37). Dieses keimkräftige Motiv (ps. c. 364 ff., NL. 1527 ff.) mag wohl der fränkischen Ursage angehört haben und der ältern nordischen Dichtung abhanden gekommen sein. War es fränkisch, dann war das Wasser der Rhein. Die Jis. c. 363 läßt den afränk. Rhein mit der baiwarischen Donau zusammenrinnen: auch hier die Mischung der beiden Sagenquellen. Zu der Literatur unter N i b e 1 u n g e sieh noch: Fr. V o g t ZfdPh. 25, 4 i i f f . S. Bugge Erpr og Eitil 1898; P B B e i t r . 35, 253 ff. W i l m a n n s Der Untergang der Nibelunge 1903. B o e r Arkiv 20, 142 ff.; P B B e i t r . 34, 195 ff. S y m o n s Lieder der Edda S. CCCIII. Klockhoff Arkiv 23, 143 ff. J . B e c k e r P B B e i t r . 33, 240 ff. R 0 e t h e Berl. Sitzungsber. 1909 S. 649 ff. D r o e g e ZfdA. 51, 177 ff. A. Heusler.

Buri. Nach Tacitus Germ. 43 sind die Buri ein Stamm im Rücken der Markomannen und Quaden. Sie entsprechen den Aouyioi Boupoi bei Ptol. II 11, 10, die dieser im Süden des 'Aaxtßoupftov opo? bis an die Weichselquelle reichen läßt. Ihre Stellung unterhalb des Gebirges wird Ursache sein, warum sie Tacitus nicht unter den Lygii anführt, 24

362

BUSZE

zu denen wir sie aber auf das Zeugnis des § 2. Der Begriff Buße umfaßt im Ptol. hin rechnen werden. weiteren Sinn auch das Wergeid (s. d.), im engeren Sinn schließt er es aus. Die A n Buren wird man vielleicht denken dürfen bei den Lygiern, die an der VerBußen in diesem Sinn zerfallen ihrer treibung des Vannius sich beteiligen. Grundlage nach in zwei Gruppen; in Ausdrücklich genannt sind BoSppoi als solche, die Bruchteile des Wergeides sind, Bundesgenossen der Daker zur Zeit Trajans und in solche, die Bruchteile oder Vielbei Dio Cass. 68, 8 und bei demselben fache einer Grundbußzahl sind. 71, 18. 72, 2. 3 als beteiligt am Marko§ 3. Die W e r g e i d b u ß e n sind mannenkrieg, in dessen Verlauf sie sich als Hälfte, Drittel, Viertel, Sechstel, Achtel auf die Seite der Römer schlagen. Unter oder in voller Höhe des Wergeids im den Völkern dieses Krieges nennt Buri ! wesentlichen Verstümmelungsbußen. Im auch Capitolinus, M. Antonin. 22. Das ; Fall einer Verstümmelung erscheint der letzte Zeugnis für sie ist die Eintragung Verletzte so gut wie teilweise oder auch B VR auf der Tab. Peut, zwischen Sarganz tot. Deshalb büßt man nach vermaten und Quaden. schiedenen Rechten das Abschlagen beider Hände oder beider Füße mit dem ganzen Ob wir ihre Sitze im nördl. Mähren Manngeld, ebenso fast überall Nase, beide und österr. Schlesien zu suchen haben oder — wie M ü l l e n h o f f DA. 2, 325. Augen und Zeugungsglied, viel seltner 4, 483 annimmt — in den Tälern des einzelne Finger mit Wergeidbußen. Der obern Waag, ist nicht zu ermitteln. Gesichtspunkt der Entstellung ist maßDer Name Buri kann mit Bauer 'rustigebend, wenn nur Verwundungen, die cus', ndd. bür usw., nichts zu tun haben, sich nicht verbergen lassen, solche Buße da dies aus germ. *^abüran- hervorgeht. nach sich ziehen, andernfalls aber bei Vielmehr dürfte er mit germ. *buriz (got. sonst gleicher Schwere nicht. Von hier baür, anord. burr, ags. byre) 'Sohn', 'Jüngaus erklärt es sich, wenn bloße Verling' identisch sein. Vielleicht sind die wundung im Gesicht (fries. wlitiwam) mit Buri, die ersten Lygier, die sich südlich einem Viertel des Wergeids zu büßen ist des Gebirges niedergelassen haben, durch (s. a. Körperverletzung). Manche Werihren Namen als ver sacrum gekenngeldbußen sind aber auch daraus zu erzeichnet. S. auch Wandalen u. Lugier. klären, daß sich Lösungsbeträge für die R . Much. Lösung von Lebensstrafe oder Leibesstrafe in ständige Bußen umgewandelt Buße. § 1. Die B., dem Wortsinne haben (vgl. aber § 7). nach eine Besserung (got. böta, skand. § 4. Die ü b r i g e n Bußen beags. bot, as. bâta, ahd. puoza, lat. emendatio), ruhen ursprünglich (?) bei allen germanischen tatsächlich aber über eine SchadensStämmen, später am deutlichsten bei den besserung oft weit hinausgehend, ist die Südgermanen erkennbar, auf dem häufiin ihrer Höhe vertraglich oder gesetzlich geren Duodezimalsystem mit der Grundbestimmte Leistung (anorw. gjald, fries. zahl 12, zu dem dann noch ein Dezimalield) an den Verletzten (s. § 7) durch die system mit der Grundzahl 10 kommt. der Verbrecher die Fehde abwendet (daher Beide Systeme sind zurückzuführen auf afränk. faithu, lat. faidu?) oder, bei aufdas germanische Großhundert ( 1 0 x 1 2 ) . gehobener Fehde (s. d.) sein Verbrechen Es ergeben sich so Bußreihen wie büßt (lat. multa), den Verletzten versöhnt 1 : I l /z : 3 : 6 : 12 : 24 : 36 oder 5 : 10 : 20: (lat. compositio). Dabei kann die Buße 25 : 50, von denen sich aber die Zehnerin Fällen, in denen ein Schaden nicht reihe nirgends rein erhalten hat, sondern entstanden ist (z B. Versuchsverbrechen) nur mit der Zwölferreihe verbunden bei ganz pönalen Charakter annehmen, in anAngelsachsen und Langobarden vorkommt. dern (z B. unten § 6) wenigstens in dem Bei den Nordgermanen stand im Mittelüber die Schadenshöhe hinausgehenden punkt des Systems zuerst eine ZwölfunzenBetrag (vgl. ferner § 4) ; nicht selten ist buße (auch schlechthin baugr = 'Zwölf ein immaterieller Schaden zu ersetzen. unzenring' genannt), dann die Dreimark-

BUSZE büße. Übrigens haben mannigfache Gründe, wie Heraufsetzung einzelner Bußen, Münzverschlechterungen und A b r u n d u n g bei Umrechnung in neue W ä h r u n g die ursprünglichen Verhältnisse oft nicht unwesentlich verändert. Das Bußsystem des norwegischen Rechts zeigt eine Besonderheit und für die meisten Fälle seine Grundbuße im „ R e c h t " (rettr), das der einzelne bei gewissen Verletzungen als pönale B u ß e zu fordern hat. Es ist im Grunde eine Beleidigungsbuße oder Genugtuungsbuße (contemptus pretium) und der Sache, wenn auch nicht dem Namen nach, auch bei Schweden und Dänen zu finden. Der norwegische rettr w a r ständisch abgestuft, mit einem Ansatz von 3 Mk. für den hauldr, in Island im wesentlichen immer 6 Mk. Er war insbesondere bei Verletzungen von Körper, Freiheit und Ehre bald ganz (fullretti, rettr einarfrr), bald doppelt, bald teilweise, z B . halb (halfretti) zu zahlen. Ein Achtel oder ein Viertel des rettr w a r das landnäm, eine B u ß e für Beschädigung und widerrechtlichen Gebrauch fremden Grundeigentums, ein Viertel die gfundarböt, eine Zusatzbuße zu den W u n d b u ß e n (särbcetr) bei schweren Verwundungen oder sonst bei Handlungen besonders feindlichen Charakters. Eine Buße besonderer A r t ist ferner die angelsächsische mundbryce oder mundbyrd für Bruch der mund, sodann der fränkische bannus für Mißachtung königlicher Befehle, dem das norw. brejabrot und die ags. oferhyrnes entsprechen. § 5. Die Tendenz, der einzelnen Buße eine eigene Bezeichnung zu geben, hat eine Reihe von N a m e n v o n Bußen gezeitigt, die sich nicht selten mit der Bezeichnung des betreffenden Verbrechens decken. E r w ä h n t seien aus dem ostnordischen Gebiet das „ A c k e r g e l d " , das „ K o r n g e l d " und die „ S c h l a g b u ß e " (bardaghabceter), aus dem westnordischen das äverk für Sachbeschädigung, das äfang für Gebrauchsanmaßung beweglicher Sachen, die landschaftlich verschieden behandelte ßokkaböt, eine B u ß e für Ehrenkränkung, w a s auch die oben erwähnte ofundarböt im Grunde ist. § 6. Neben der B. ist unter Umständen noch eine andre Leistung an den Ver-

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letzten zu geben, so insbesondere bei Verletzungen häufig noch der Arztlohn (aschw. Itzkisgicef, adän. leekisgjaf, wnord. l&knisfe fränk. (Glosse) handehabinus) eine E n t stellungsbuße (anorw. äljötseyrir) und ein Schmerzensgeld (anorw. granbagtseyrir). Dem Ersatzgedanken entspricht es, daß überhaupt oft bei Vermögensdelikten, wie z B . Diebstahl, R a u b und Brandstiftung statt einer fixierten Summe ein nach dem Schaden bemessenes Ersatzgeld (ags. ceapgild) als Buße zu zahlen war. Die Grundlage bildete der einfache Ersatz (ags. ängild, lat. capitale), der aber häufig in Vielfachen oder neben einer sonstigen Buße zu leisten war, jenes z B . im Falle des lang, actugild, des bair. niungild und der schwed. twcsgildis bester. Ein Ersatzgeld war auch die nach fränkischen Rechten zu zahlende dilatura (wirdira) bei ähnlichen Delikten, vielleicht ein Ersatz für den zeitweisen E n t z u g der gestohlenen oder geraubten Sache, ebenso das westnordische hardafang, eine Verzugsbuße. § 7. Neben den im vorstehenden behandelten Privatbußen kennen die germanischen Rechte der späteren Zeit auch ö f f e n t l i c h e B u ß e n pönalen Charakters, die nicht an den Verletzten, sondern an den S t a a t fielen, und, wenngleich in den Quellen nicht selten Bußen genannt, doch sachlich allein richtig als reine Strafe aufzufassen sind. Hierher gehören vor allem die schon erwähnten Lösungsbußen, sodann das Friedensgeld (s. d.). Endlich sind zu erwähnen die skandinavischen Vierzigmarkstrafgelder, eine nur Island fehlende öffentliche Buße, und das norwegische Fünfzehnmarkstrafgeld, Dreimarkbuße und Zwölfunzenbuße. Dabei sind aber nicht nur diese Strafgelder v o m Friedensgeld (s. d.) zu trennen, sondern es ist auch sehr zu beachten, daß in den sogenannten „ B u ß e n " der Quellen Buße an den Verletzten und Strafgeld häufig verbunden sind; dies z B . v o r allem bei den schwedischen Bußen, die zu je einem Drittel an den Verletzten, den K ö n i g und das heeraß gehen und nur ausnahmsweise ,,ensakir" (Einbußen) der Verletzten allein sind. v. A m i r a Nordgerm. Obl.-R. 24*

I 370ff.706ff.

364

BUSZLOSE TAT—BUTTER

I I 395 ff. 858 ff. B r a n d t Retshistorie II 17 ff. B r u n n e r DRG. I 1 221 ff. I I 612. B r u n n e r Forschungen 482 ff. Chadwick Institutions 1 1 5 f f . 153 ff. F i n s e n Grägäs I I I O r d r e g . s. v . rlttr. H i s Straf recht 209 f. 223 ff. G r i m m DRA. 114 204 ff. d e 1 G i u d i c e Diritto penale 107 ff. K j e r Edictus Rotari 129s. L e h m a n n Königsfriede d. Nordgermanen 51 f f . 191. L e h m a n n S Z f R G . 5, 231. M a t z e n Strafferet 81 ff. M a u r e r Krit. Überschau I I I 45 ff.; Vorlesungen V 174ff. M e r k e r Strafrecht d. Grägäs 48 ff. 52 f f . Nordewier Regtsoudheden 289 ff. N o r d s t r ö m Bidrag I I 227 ff. P o l l o c k - M a i t 1 a n d Hist. of Engl. Law I I 449 ff. S c h m i d t Glossar s. v . mundbyrd u . mundbryce. S c h r ö d e r DRG.5 82 ff. 353 ff. T a m a s s i a La delatura. W i l d a Strafrecht 3 i f f . Woringen Beitr.z. Gesch. d. deutschen Strafrechts I. v.

Schwerin.

BuBlose Tat. Als b. T. oder erlaubte Missetat faßt man die Fälle erlaubter Schadensstiftung zusammen (s. Strafrecht). Eine solche liegt im Grunde immer nur dann und deshalb vor, weil sich die Schadensstiftung gegen ein Gut außerhalb der Rechtsordnung richtet. Deshalb ist in erster Linie bußlos die Tat gegen den Friedlosen und sein Vermögen, damit vor allem dessen Vernichtung durch die Gesamtheit und eine Reihe von in rechter Fehde begangenen Taten, so insbesondere Tötung,. Heimsuchung und Brandstiftung. Und genetisch damit zusammen hängt die Bußlosigkeit der vom Richter erlaubten Pfändung.Aus gleichem Grunde ist bußlos die Handlung in Notwehr und gegen den handhaften Täter; dieser liegt, wenn erschlagen, unvergolten (anorw. ügildr, ags. cegilde), ,,in unvergoltenem A c k e r " (aschw. i ogildum akri). Doch war es in solchen Fällen erforderlich, die T a t als eine erlaubte zu verklaren, was mündlich oder durch Handlungen, wie öffentliches Aufbahren des Getöteten, Aufstecken seines Hauptes auf einen Pfahl geschehen konnte, ursprünglich aber immer in der Form einer „ K l a g e gegen den toten Mann" erfolgte. Auch' auf frühere Rechtlosigkeit der Betroffenen gehen die der germanischen Zeit bekannten weitgehenden Verfügungsrechte des Hausherrn über Ehefrau, Kinder und Gesinde zurück, die in einem verschwindenden Tötungsrecht

gipfelten und im Züchtigungsrecht lebten.

fort-

S c h e r e r Die Klage gegen den toten Mann. Brunner DRG, I 1 2 2 2 f . I I 632. Grimm DRA. 114 346 ff. N o r d e w i e r Regtsoudheden 328ff. G ü n t h e r Ideed. \ViedervergellungI172l. 204 f. W i l d a Strafr. 157 ff. 701 f f . H i s Strafr. 257 f. v

Schwerin.

Butter (§ 1) scheint in der Urzeit nicht | zum Genuß, sondern als Salbe zum Einreiben des Körpers gedient zu haben. Es weist darauf noch ahd. ancho, alem. anke 'Butter' hin, das mit lat. unguentum 'Salbe' zusammenhängt (Schräder Reallex. 121). Erst mit allmählicher Hebung der Landwirtschaft, als • man auf größeren Besitzungen über eine reichliche Fülle der Milch und damit auch der Sahne verfügte, ging man dazu über, die Butter in größeren Quantitäten herzustellen und zum Genuß zu verwerten. Plinius hist. nat. 28, 9 berichtet bereits: e lade fit et butyrum, barbararum gentium laudatissimus eibus et qui divites a plebe discernat, pluritnurn e bubulo, et inde nomen, pinguissimum ex ovibus. Auch daß die fette Masse, die auf der gestandenen Milch sich bildet, und die den Rohstoff für die Butter abgibt, im Gegensatz zu den südlichen Völkern bei den Germanen bestimmte, weit verbreitete Namen führt, dürfte darauf hinweisen, daß man hier der Sache besondere Aufmerksamkeit schenkte: mhd. roum, ags. riam, anord. rjöme ' R a h m ' ; mnd. vlot, ags. fltete, auch der landschaftlich oberdeutsch gebrauchte Ausdruck „ K e r n " für Sahne scheint sehr alt zu sein, vgl. anord. kjarni, nd. kerne, niederrhein. kirn 'Butterfaß', isl. kiarni 'cremor' und ags. cernan 'agitare butyrum'. § 2. Ein gemeingerman. Ausdruck für Butter ist nicht bekannt. Außer dem ahd. ancho, das sich landschaftlich bis heute erhalten hat, kommen umschreibende Ausdrücke, wie andfränk. kuosmeer, ahd. kuosmeer, milchsmalz vor, wenn diese nicht, wie vielleicht auch ahd. anesmero, die zerlassene Butter, das Butterschmalz, bezeichnet haben. Dagegen wird unter dem Einfluß der Klöster, in deren Wirtschaft wohl die Butterbereitung eine Vervollkommnung erfahren hatte, seit dem 10. Jh.

BYRJ?—C ANNENEFATE S der lat. A u s d r u c k butyrum (griech. ßouTupov ' K u h q u a r k ' ) als a h d . butira, butra, butire, butere, ags. butere, afries. butera geläufig. § 3. D i e B u t t e r w a r , w i e a u s der oben a n g e f ü h r t e n Stelle a u s P l i n i u s h e r v o r g e h t , z u n ä c h s t n u r Speise der B e g ü t e r t e n , und das b l e i b t sie n o c h lange Zeit. , , S o w e i s t in d e m I n v e n t u r v e r z e i c h n i s s e der G ü t e r K a r l s d. G r . d a s G u t A s n a p i u m als Zinse i n n a h m e n e b e n 200 S c h i n k e n und 43 P e n s e n K ä s e des l a u f e n d e n J a h r e s nur einen M o d i u s B u t t e r auf, a n d e r e G ü t e r nichts d a v o n " ( H e y n e Hausaltert. II 311). A u c h a u s den ags. U r k u n d e n g e h t h e r v o r , d a ß die B u t t e r Speise der R e i c h e n w a r (Leo Rectitudines 202). S e h r a u s g e d e h n t u n d allgemeiner § 4. als in D e u t s c h l a n d w a r der B u t t e r v e r b r a u c h in S k a n d i n a v i e n . Hier wurden a u c h in allen H ö f e n g r o ß e B u t t e r v o r r ä t e a u f g e s p e i c h e r t , die im G e g e n s a t z z u D e u t s c h land selten frisch, sondern lieber alt und sauer genossen w u r d e n ( W e i n h o l d Altn. Leben 144). § 5. S i c h e r als z u r B u t t e r b e r e i t u n g benutzte G e r ä t e kennen wir aus vorg e s c h i c h t l i c h e r Zeit bisher n i c h t . Man h i e l t w o h l h ö l z e r n e , in den P f a h l b a u t e n

Caesia Silva. D e r W a l d , d u r c h den n a c h T a c i t u s A n n . I, 50 der E i n f a l l der R ö m e r ins M a r s e n l a n d e r f o l g t , ist, wie M ü l l e n hoff DA. 2, 222 zeigt, der a. 796 in aquilonari parte fluvii Rurae b e z e u g t e W a l d Heisi m i t d e m D o r f Hesingi (Heisingen) u n d d e m B a c h Hesapa (Hesper). D e r N a m e , der a u c h a n d e r s w o w i e d e r k e h r t , e r k l ä r t sich d u r c h Heister ' B u c h e ' , m h d . heister, ndl. heester, worin d a s b e k a n n t e B a u m n a m e n s u f f i x z u g e t r e t e n ist. Ü b r i g e n s sollte m a n Chaesia erwarten, u n d die S c h r e i b u n g Caesia l ä ß t v e r m u t e n , d a ß es sich hier u m die k e l t . F o r m eines Kelten und Germanen gemeinsamen Namens h a n d e l t . R. Much.

Cannenefates,

germ.

Volk,

das

nach

T a c i t u s H i s t . 4, 15 den B a t a v e r n b e n a c h -

365

der S c h w e i z g e f u n d e n e Q u i r l e d a f ü r , die aber w a h r s c h e i n l i c h d e m F i s c h f a n g d i e n t e n . ! Der N a m e für das B u t t e r f a ß begegnet j zuerst im A n g e l s ä c h s i s c h e n als pwirel im 10. bis I i . J a h r h . j >

Heyne M a r t i n y schichte

aaO. Kirne

S c h r ä d e r u. Girbe.

der Milchwirtschaft.

aaO.

B e n n o

ein Beitrag Berlin

\

zur Ge-

1894. Fuhse.

I I

byj). Die byrp oder der byrpaluter ist die s c h w e d i s c h e P a r a l l e l e z u m n o r w e g i schen öäal, ein S t a m m g u t (s. d.). Hier h a t t e n B l u t s f r e u n d e (byr/>amœn), w e n n ein Grundstück über bestimmter Größe verein a l l m ä h l i c h z u k a u f t w e r d e n sollte, einem E i n s t a n d s r e c h t a u s g e b i l d e t e s V o r k a u f s r e c h t und V o r t a u s c h r e c h t . Diesen m u ß eine A u f f o r d e r u n g z u m K a u f oder Tausch (byrpabup) zugehen; fehlt das A n g e b o t , so k a n n der V e r w a n d t e d a s v e r gabte Gut nach älterem R e c h t schlechtweg v i n d i z i e r e n , nach j ü n g e r e m g e g e n K a u f p r e i s e r s t a t t u n g einlösen (lösa, aterlösa). V . A m i r a NOR. I. 5 7 3 f f . 594 fi. B e a u c h e t Hist. de. la propriété foncière en Suède 112 ff. N o r d s t r o m Bidrag I I 162 f f . v.

Schwerin.

b a r t und mit ihnen b l u t s v e r w a n d t ist, also gleich ihnen v o n d e n C h a t t e n a u s geht. N e b e n den B a t a v e r n k e n n t sie a u c h Plinius, der N H . 4, 101 u n t e r d e n R h e i n inseln als b e d e u t e n d s t e die Batavorum insula et Cannenefatium anführt. Genauer zeigt, w o sie w o h n t e n , der v o n i h n e n sich herleitende N a m e des Kennemerlandes westlich der Zuidersee. D i e C. w u r d e n n a c h Vellerns P a t . 2, 105 von Tiberius unterworfen und standen z u den R ö m e r n f o r t a n im s e l b e n V e r h ä l t n i s wie die B a t a v e r , deren G e s c h i c k a u c h das ihre w a r . Ihr N a m e ist a m b e s t e n b e l e g t als Cannenefates; daneben kommen Canninefates, Cannanefates und a n d e r e V a r i a n t e n vor. D e u t u n g s v e r s u c h e bei L . L a i s t • n e r W ü r t t e m b e r g . V i e r t e l j a h r s h . 1892, 37

BYRJ?—C ANNENEFATE S der lat. A u s d r u c k butyrum (griech. ßouTupov ' K u h q u a r k ' ) als a h d . butira, butra, butire, butere, ags. butere, afries. butera geläufig. § 3. D i e B u t t e r w a r , w i e a u s der oben a n g e f ü h r t e n Stelle a u s P l i n i u s h e r v o r g e h t , z u n ä c h s t n u r Speise der B e g ü t e r t e n , und das b l e i b t sie n o c h lange Zeit. , , S o w e i s t in d e m I n v e n t u r v e r z e i c h n i s s e der G ü t e r K a r l s d. G r . d a s G u t A s n a p i u m als Zinse i n n a h m e n e b e n 200 S c h i n k e n und 43 P e n s e n K ä s e des l a u f e n d e n J a h r e s nur einen M o d i u s B u t t e r auf, a n d e r e G ü t e r nichts d a v o n " ( H e y n e Hausaltert. II 311). A u c h a u s den ags. U r k u n d e n g e h t h e r v o r , d a ß die B u t t e r Speise der R e i c h e n w a r (Leo Rectitudines 202). S e h r a u s g e d e h n t u n d allgemeiner § 4. als in D e u t s c h l a n d w a r der B u t t e r v e r b r a u c h in S k a n d i n a v i e n . Hier wurden a u c h in allen H ö f e n g r o ß e B u t t e r v o r r ä t e a u f g e s p e i c h e r t , die im G e g e n s a t z z u D e u t s c h land selten frisch, sondern lieber alt und sauer genossen w u r d e n ( W e i n h o l d Altn. Leben 144). § 5. S i c h e r als z u r B u t t e r b e r e i t u n g benutzte G e r ä t e kennen wir aus vorg e s c h i c h t l i c h e r Zeit bisher n i c h t . Man h i e l t w o h l h ö l z e r n e , in den P f a h l b a u t e n

Caesia Silva. D e r W a l d , d u r c h den n a c h T a c i t u s A n n . I, 50 der E i n f a l l der R ö m e r ins M a r s e n l a n d e r f o l g t , ist, wie M ü l l e n hoff DA. 2, 222 zeigt, der a. 796 in aquilonari parte fluvii Rurae b e z e u g t e W a l d Heisi m i t d e m D o r f Hesingi (Heisingen) u n d d e m B a c h Hesapa (Hesper). D e r N a m e , der a u c h a n d e r s w o w i e d e r k e h r t , e r k l ä r t sich d u r c h Heister ' B u c h e ' , m h d . heister, ndl. heester, worin d a s b e k a n n t e B a u m n a m e n s u f f i x z u g e t r e t e n ist. Ü b r i g e n s sollte m a n Chaesia erwarten, u n d die S c h r e i b u n g Caesia l ä ß t v e r m u t e n , d a ß es sich hier u m die k e l t . F o r m eines Kelten und Germanen gemeinsamen Namens h a n d e l t . R. Much.

Cannenefates,

germ.

Volk,

das

nach

T a c i t u s H i s t . 4, 15 den B a t a v e r n b e n a c h -

365

der S c h w e i z g e f u n d e n e Q u i r l e d a f ü r , die aber w a h r s c h e i n l i c h d e m F i s c h f a n g d i e n t e n . ! Der N a m e für das B u t t e r f a ß begegnet j zuerst im A n g e l s ä c h s i s c h e n als pwirel im 10. bis I i . J a h r h . j >

Heyne M a r t i n y schichte

aaO. Kirne

S c h r ä d e r u. Girbe.

der Milchwirtschaft.

aaO.

B e n n o

ein Beitrag Berlin

\

zur Ge-

1894. Fuhse.

I I

byj). Die byrp oder der byrpaluter ist die s c h w e d i s c h e P a r a l l e l e z u m n o r w e g i schen öäal, ein S t a m m g u t (s. d.). Hier h a t t e n B l u t s f r e u n d e (byr/>amœn), w e n n ein Grundstück über bestimmter Größe verein a l l m ä h l i c h z u k a u f t w e r d e n sollte, einem E i n s t a n d s r e c h t a u s g e b i l d e t e s V o r k a u f s r e c h t und V o r t a u s c h r e c h t . Diesen m u ß eine A u f f o r d e r u n g z u m K a u f oder Tausch (byrpabup) zugehen; fehlt das A n g e b o t , so k a n n der V e r w a n d t e d a s v e r gabte Gut nach älterem R e c h t schlechtweg v i n d i z i e r e n , nach j ü n g e r e m g e g e n K a u f p r e i s e r s t a t t u n g einlösen (lösa, aterlösa). V . A m i r a NOR. I. 5 7 3 f f . 594 fi. B e a u c h e t Hist. de. la propriété foncière en Suède 112 ff. N o r d s t r o m Bidrag I I 162 f f . v.

Schwerin.

b a r t und mit ihnen b l u t s v e r w a n d t ist, also gleich ihnen v o n d e n C h a t t e n a u s geht. N e b e n den B a t a v e r n k e n n t sie a u c h Plinius, der N H . 4, 101 u n t e r d e n R h e i n inseln als b e d e u t e n d s t e die Batavorum insula et Cannenefatium anführt. Genauer zeigt, w o sie w o h n t e n , der v o n i h n e n sich herleitende N a m e des Kennemerlandes westlich der Zuidersee. D i e C. w u r d e n n a c h Vellerns P a t . 2, 105 von Tiberius unterworfen und standen z u den R ö m e r n f o r t a n im s e l b e n V e r h ä l t n i s wie die B a t a v e r , deren G e s c h i c k a u c h das ihre w a r . Ihr N a m e ist a m b e s t e n b e l e g t als Cannenefates; daneben kommen Canninefates, Cannanefates und a n d e r e V a r i a n t e n vor. D e u t u n g s v e r s u c h e bei L . L a i s t • n e r W ü r t t e m b e r g . V i e r t e l j a h r s h . 1892, 37

366

CASSIODOR

und R. M u c h PBBeitr. 17, 152 ff. — von älteren abzusehen — haben zu keinem einleuchtenden Ergebnis geführt; aber so viel steht fest, daß nicht -fates abgetrennt und für germ. jadi-1 Herr' genommen werden darf, des immer wiederkehrenden t wegen, und weil vor dem / kein Vokal, steht, wie wir ihn in der Kompositionsfuge erwarten. Daß der Name nicht etwa kelt. ist, zeigt sein /. Der mittelalterl. Gauname Kenem, Kennern oder, mit fries. Lautgebung ( B r e m e r ) , Kinem, Kinhem, Kinnehem, wovon wieder Kinemarii, Kenemarii, Kennemer(land) ausgeht, ist wie Boiohaemum. zu beurteilen, aber um das mittlere Kompositionsglied — das zweite des alten Volksnamens — erleichtert. Z e u ß 102. B r e m e r Ethn. 157 (891) f. M ü l l e n h o f f DA. 4, 399. L. S c h m i d t

heraus, die uns leider nur in dem Auszuge des J o r d a n e s erhalten sind. Läßt sich daraus auch noch eine annähernde Vorstellung von dem Werke gewinnen, so kann man doch nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, wieviel reicher oder genauer es etwa gewesen sei. Und auch nach der andern Seite bleibt es ganz unsicher, wie vieles er selbst etwa dem von ihm benutzten älteren gotischen Historiker Ablabius verdankte, ob er vielleicht zu ihm schon in ähnlichem Abhängigkeitsverhältnisse stand wie zu ihm selbst Jordanes. Seine eigene rhetorischpolitische Art machte ihn jedenfalls zum Geschichtschreiber wenig geeignet. Bedenklicher als die verschnörkelte, geistreichelnde Form ist die offenbare Vergewaltigung der Historie, die er sich zu politischen Zwecken erlaubte. Denn um das AUg. Gesch. d. germ. Völker 203 ff. I h m bei Gotenvolk an Külturalter den Römern Pa ul y - \V i s s o \va unter Cannenefales. gleichzustellen, identifizierte er es nicht R. Much. nur, wie herkömmlich, mit den Geten, sonCassiodor, eigentlich Flavius Magnus dern auch mit den Scythen und vermengte Aurelius C a s s i o d o r u s S e n a t o r , mit echten Sagenelementen gelehrten Flitterkram und glatte Erfindungen zu einem wurde etwa um das J. 490 aus angesehenem römischen Geschlecht in Bruttien geboren. unerfreulichen Gemisch, suchte insbeson§ 1. Nachdem schon sein Vater von dere das Amalergeschlecht durch HerOdoaker zu Theoderich übergeschwenkt stellung eines durch 17 Generationen zuwar, eröffnete sich der formalen Begabung rückreichenden, fingierten Stammbaumes des jungen C. in dem gotischen Staatswesen zu heben und auch den Eutharich, dessen eine glänzende Laufbahn. Unter den Hel- Amalertum recht zweifelhaft ist, an diesen Ehren teilnehmen zu lassen. Alles das fern Theoderichs bei seinen schwierigen Vermittlungsbestrebungen zwischen römi- erweckt von der historischen Gewissenscher und gotischer Kultur steht er obenan. haftigkeit C.s keine günstigen VorstellunDarum und wegen der Beziehungen seines gen; aber, sofern ihm wirklich das HauptHauptgeschichtswerkes zu Jordanes [s. d.) verdienst an dem Inhalt seiner Gotengeschichte zukommt, hat er daneben doch verdient er hier eine Würdigung. § 2. Als Quästor (510) wurde er mit der auch ein gut Teil wertvoller gelehrter Abfassung der Kanzleikonzepte des Königs Arbeit geleistet. betraut und behielt diese Tätigkeit auch als § 4- 533 wurde C. zum praefectus praeKonsul (514) und in den weiteren Ämtern torio ernannt, blieb es auch unter Theobei. Auf Veranlassung von Theoderichs dahad und Witiges und hat 537 unter dem Schwiegersohn Eutharich und zu dessen Titel Variae eine Sammlung seiner Briefe Verherrlichung schrieb er 519 seine Chronik, und offiziellen Kanzleikonzepte veröffenteine magere, aus bekannten Autoren kom- licht, die als Geschichtsquelle trotz ihres pilierte, nach der Konsulnliste gruppierte geschraubten Rhetorenstils von hohem Weltgeschichtstabelle, an der nur einige Werte sind. Auch über seine Vorfahren im gotischen Interesse vorgenommenen hat er uns historische Notizen hinterlassen, Veränderungen bemerkenswert sind. und seine lobrednerische Ader ist noch aus § 3. Als magister officiorum (526) gab er ein paar Fragmenten von Gelegenheitsreden (vor 533) sein bedeutenderes und umfassenersichtlich. deres Werk, die von Theoderich veran- j § 5. Nach Witiges' Sturz (540), als er laßten Zwölf Bücher gotischer Geschichten • das verehrte Amalergeschlecht vom Thron

CELT—CENTENAR

367.

entfernt, die erstrebte Versöhnung zwischen i § 2. Maßnahmen Karls d. Gr. verGoten und Römern endgültig gescheitert langten, daß der Graf nur die geringeren sah, h a t er V e r b i n d u n g mit den Kaiserlichen Rechtssachen den untern Beamten übergesucht und sich (vor 555) dem geistlichen lasse. Besonders das Kapitulare de iustitiis Stande zugewandt. In dem v o n ihm gefatiendis bestimmte: Niemand solle im gründeten monasterium Vivariense in B r u t Gericht des Centenars zum Tode verurteilt, tien h a t er noch einen langen Lebensabend j der Freiheit beraubt oder zur Herausgabe (bis c. 583?) verbracht, indem er auch hier v o n Eigengut und K n e c h t e n gezwungen die Studien förderte, die Mönche z u m sorg- j werden; vielmehr geschehe das nur bei fältigen Bücherschreiben anhielt und durch Anwesenheit des Grafen oder Königsboten. den Epiphanius einen A b r i ß der KirchenA b e r zu einer allgemeinen festen, dauerngeschichte, die sog. Historia tripartita, anden Scheidung der Kompetenzen des fertigen ließ. Grafen und des Centenars im Sinne einer Chronik'. MG. Auct. ant. XI. — Variae u. Gegenüberstellung v o n Hoch- und NiederOrationum reliquiae: MG. Auct. ant. XII gerichtsbarkeit, wie o f t behauptet wurde, (vgl. Mommsens Ein!, zu C.s Leben). S c h i r r e n kann diese Maßnahme nicht geführt haben De ratione quae inier Jordanem et Cassiodorium (s. Graf § 5). Denn in der fränkischen intercedat commentatio 1858. — U s e n e r AnecPeriode und in der deutschen Kaiserzeit doton Holderi 1877. W a t t e n b a c h DGQ. 17, erscheinen Centenare auch als Hochrichter, 72 ff. Zentgerichtsbarkeit ist als HochgerichtsK . Hampe. barkeit bezeugt. E s scheint demnach, daß gleich im Anschluß an Karls V e r Celt. Aufgegebene Bezeichnung für ordnungen eine Scheidung der GerichtsAxt. D a s W o r t geht zurück auf eine kompetenzen nach den Ständen der GeStelle in der V u l g a t a des h. Hieronymus richtsleute einsetzte, daß in manchen (Buch J o b K a p . 29, 2 3 — 2 4 ) : „ q u i s mihi Gebieten des Frankenreiches den Grafen tribuat ut scribantur, sermones mei, ut die Justiz über die höhere Bevölkerungsexarentur in libris, s t y l o ferreo et plumbi klasse vorbehalten, den Centenaren und lamina v e l c e l t e sculpantur in silice?", den ihnen gleichgestellten untern Richtern w o celte, gedeutet als A b l a t i v u s v o n celtis die Rechtsprechung, u. z. auch die hohe, 'Meißel', aus certe verschrieben ist. Ein über die niedere Schicht überlassen wurde. lat. W o r t celtis hat nie existiert. M. M u c h Mitteil. d. Wiener Anthrop. § 3. Waren schon im fränkischen Zeitalter die Centenare der verschiedenen Ges. N. F. 14 (1894), 84 ff. Max Ebert. Centenar. § 1. Der Centenar (centurio, Reichsgebiete keineswegs durchaus gleichartig, so ist seit dem ausgehenden 9. Jahrh. hunno) ist der Vorsteher der Hundertvollends ein starkes Auseinandergehen der schaft. W i r d angenommen, daß der E n t w i c k l u n g wahrzunehmen. Die A u f Thunginus der L e x Salica Richter der lösung der karolingischen Staatsgliederung, H u n d e r t s c h a f t war, dann hat der Centenar das Vordringen privater Herrschaften hat als Nachfolger des Thunginus zu gelten. bewirkt, einmal, daß Centenare zu herrAllerdings mit nicht geringer V e r ä n d e r u n g schaftlichen Beamten, sodann, daß herrder Befugnisse. Denn der Graf wurde schaftliche B e a m t e mit Centenarbefugals königlicher Vorsteher des größeren, nissen ausgestattet wurden. D a z u k o m m t , mehrere Hundertschaften umfassenden Bedaß von A n f a n g an, schon im fränkischen zirks dem Thunginus-Centenar vorgesetzt, Zeitalter, B e a m t e in verschiedener Stellung er brachte den alten V o l k s b e a m t e n nach unter Namen vorkommen, die auf Hunund nach in ein Verhältnis der A b h ä n g i g derte hinweisen (centurio u. ä.). In den keit, er ernannte ihn im 9. Jahrh. unter Befugnissen der Zentgrafen ebenso wie Mitwirkung des Volkes. So wurde in in denen mancher mittelrheinischer H u n karolingischer Zeit der Centenar Hilfsorgan nonen lebten die hochrichterlichen B e f u g des Grafen in administrativer, militärischer, nisse der einstigen Volksrichter und H u n polizeilicher und gerichtlicher Hinsicht. dertschaftsvorsteher fort, während andererA b e r er fungierte doch auch noch als seits Centurionen in verschiedenen Geselbständiger Richter.

CEORL

368

b i e t e n D e u t s c h l a n d s als l o k a l e H e r r s c h a f t s -

schlagender

b e a m t e mit Niedergerichtsbarkeit, während

Freiheit der S t a m m e s a n g e h ö r i g e n mit

s p ä t e r H u n n e n a m N i e d e r r h e i n als s c h l i c h t e

festen A n s i e d e l u n g und der ö k o n o m i s c h e n

Ortsvorsteher

begegnen.

Mannigfaltigkeit

läßt

Die

sich

nur

spätere zum

Teil

Weise,

wie die

ursprüngliche der

Entwicklung ausartete und durch mannigfache Umstände zersetzt wurde.

Zunächst

e r s c h e i n t d e r C e o r l b e r e i t s in d e n

Quellen

des u r s p r ü n g l i c h einheitlichen A m t s z u r ü c k -

d e s 8. J h s . a l s gafolgieldere,

gafolland

führen,

sitzend.

auf eine Verschiedenheit der sie b e r u h t

gewiß

Entwicklung

von Anfang

an

a u c h a u f einer v e r s c h i e d e n e n S t e l l u n g

der

D a s h e i ß t , d a ß er A b g a b e n

seinem L a n d e zu zahlen hatte.

nur einen gleichen oder ähnlichen N a m e n

lich

tragenden

gaben

Beamten.

als a u f

waren

wohl

gemeint;

damit

öffentliche

Ab-

a b e r a l s die T h e g n e

und

Lit. s. u. S t a a t s v e r f a s s u n g , bes. W a i t z DVG. 2 b , 13 ff. 3, 391 f. 7, 317 f. G. Seeliger.

sonstige Privilegierte mit

Ceorl,

keit

ursprünglich

Ehemann,

wie

als

Mann, freier

sowohl

Mann;

daher

w i r d s t a t t dieses A u s d r u c k s in d e n Gesetzen

auch

f r i gm an

( z B . A e t h e l b e r t h 27, 29). steht der

ceorl

als kent.

gebraucht

ausgestattet

an

und

niedrigeren

für

öffentliche

und

private und

so

daß

(der

auf

der

weiteres

des

auf

und

kam

denn,

in

Hausvaters

Haushalters

aus-

für Boc-

Merkmal

Es

auseinanderzuhalten;

ohne

des

ein

den

gleiche

Ceorl

Verträgen mit

Linie

schwer

Abgaben sehen

mit

den

der

hinzu,

d a ß es in dieser E p o c h e u n g e m e i n war,

sitzt)

Zentrum

sich

Stellung.

Bußsystems.

im

(vgl.

l a n d ) , w a r d die Q u a l i t ä t der G a f o l p f l i c h t i g -

E r ist m i t d e r G e w a l t u n d d e n B e f u g n i s s e n

gebung

Befreiungen

wurden

Gesetz-

Als Gemeinfreier

in d e r ä l t e r e n

ihr L a n d

von

Ursprüng-

wir

Gafolland den

Dänen

Freigelassenen

gestellt

wurde:

darin

g e s t a t t e t ; d e r E i n b r u c h in die U m z ä u n u n g

l i e g t e i n e r s e i t s eine B e v o r z u g u n g d e s z u m

s e i n e s H o f e s (edor) w i r d

gefürchteten

in d e r s e l b e n A r t ,

dänischen

obgleich mit minderer B u ß e , wie der Ein-

Freigelassenen,

bruch

würdigung

in

Adligen, in

die

bestraft;

seinem

golten.

Burg

und

wird

der

ihm

vergossene

das

Blut

ver-

Die Q u a l i t ä t der gemeinen Freiheit ceorl

Periode

hindurch

d u r c h die g a n z e

der polizeilichen jeder,

erhalten,

und

altengl. noch

in

Frankpledge-Einrichtung

dänischen

wird

Königs

ebenso

Hause

ist d e m

der

des

und

der

normannischen

seines

Wergeides

auf eben

Teil

kenners

(Earle

Eduards

Landch.

343)

charakteri-

s i e r t : d e r f r e i e M a n n e r s c h e i n t als worthy, d.

i.

fold-worthy,

'würdig,

am

zunehmen,

seine

zu

und

bergen

sammlungen

zu

and

S c h a f e in e i g n e r sich

an

„fyrd-

moot-worthy",

Heeresaufgebot den

teilHürde

Gerichtsver-

beteiligen'.

Das

und dritte M e r k m a l weist auf den

erste Stand

der Gemeinfreien im Gegensatz zu S k l a v e n und

Halbfreien

dürfte

im

hin;

11. Jh.

das

schon

zweite

zu

falls

zeigt

die

Geschichte

der

aber

mehrfachen

Abstufungen Anlaß gegeben haben.

Jeden-

Ceorle

von

wenn

aber

ihnen

in

nicht dieser

wird

Be-

alle

waren,

und

Frei-

des

Lande.

daß

befunden haben mußte.

Nun

ist

Ceorle

in

der

Aus-

der

Bauer

auf

der

Stellung

A n andrer

Gafolland

ein

größte sich Stelle

ausdrück-

l i c h m i t d e m gebur g l e i c h g e s t e l l t ( I n e 6, 3), und

Urkunde

Lage

beträchtlicher,

in

einer

dieser

gesagt,

Herab-

Gemeinfreien

d r u c k i s t so a l l g e m e i n , d a ß j e d e n f a l l s

res u n d wites worth), cf. L e g e s H e n r i c i 8, I . in

nicht

gehörigen

eine

englischen

abgabcnpflichtigem

freilich

V e r b i n d u n g e n e i n z u t r e t e n , a u f g e b o t e n (weIn a n d r e r W e i s e w i r d diese g e m e i n e

des

Volke

auch

Zeit

s e i n e r B u ß e w ü r d i g ist, in d i e F r a n k p l e d g e -

heit

aber

von den

diesem

letzteren

Rectitudines,

Frondiensten

und

daß andern

stungen

herangezogen

späteren

Villanen

entsprach.

in

( V g l . die

erfahren

er z u

schweren

wurde allem

und

Ceorle

wesentlichen

regelmäßig

in

die

So

kommen

Lage

Hintersassen, u n d a m S c h l u ß der wird

ihre

Lage

Leidem

Tidenham-Beschrei-

b u n g , C o d . D i p l . A P P . 450.) die

wir

häufigen

derjenigen

von

Periode

von

Frei-

gelassenen und angesiedelten Unfreien sehr ähnlich.

Die H a u p t m a s s e der Ceorle trat

in den S t a n d der V i l l a n e n über, w o r a n i m H i n b l i c k auf die V e r w e i s u n g e n des D o m e s d a y b u c h e s in B e z i e h u n g a u f d e n

Zustand

z u r Zeit E d u a r d s des B e k e n n e r s gar n i c h t

in i z u

zweifeln

ist.

Die

rechtliche

Aner-

CHABIONES—CHAMAVI kennung der Freiheit dieser Villanen s c h i m m e r t noch in m a n c h e n Z ü g e n d u r c h , z B . in der B e r e c h n u n g der Kirchena b g a b e n (churck scot) n a c h V i l l a n e n h a u s h a l t u n g e n (vgl. V i n o g r a d o f f Engl. Society in the XI Century 373). A b e r das B e d ü r f n i s ist s c h o n v o r h a n d e n , zwischen bessergestellten, tatsächlich freien und schlechtergestellten, tatsächlich unfreien B a u e r n zu u n t e r s c h e i d e n . In d e n R e c t i t u dines und in der T i d e n h a m e r O r d n u n g w i r d der geneat (Genosse) v o n d e m gebur ( B a u e r ) scharf u n t e r s c h i e d e n und das W e s e n der L e i s t u n g e n des e r s t e m in seine B o t e n - und F u h r w e r k d i e n s t e g e s e t z t . Im D o m e s d a y b u c h u n d in den s o g e n a n n t e n L e g e s E d w a r d i Confessoris w i r d die G r u p p e der socmen, also der H i n t e r s a s s e n u n t e r G e r i c h t s o b r i g k e i t , speziell e r w ä h n t und b e v o r z u g t . D a s M a t e r i a l f ü r diese G r u p p e w i r d aber in b e t r ä c h t l i c h e r A n z a h l n u r i m dänischen N o r d e n und in O s t - A n g l i e n gefunden. Im g r o ß e n und g a n z e n ist die K l a s s e der G e m e i n f r e i e n d e m D r u c k des politischen P a t r o n a t s , der k r i e g e r i s c h e n Ü b e r l e g e n h e i t u n d der K a p i t a l m a c h t der l ä n d l i c h e n A r i s t o k r a t i e erlegen. Vinogradoff.

Chabiones, ein germ. V o l k , n u r b e k a n n t g e w o r d e n d u r c h einen z u s a m m e n m i t H e r u l e r n u n t e r n o m m e n e n E i n f a l l in Gallien, ü b e r den M a m e r t i n i p a n e g . M a x i m . A u g . dict. 5 u n d g'enethl. M a x i m . A u g . dict. 7 b e r i c h t e t . A u s der sehr s c h w a n k e n den Ü b e r l i e f e r u n g (mit d e n Varianten chaibonum, caynonum, cavionum, caivonum, caybonum) ist die r i c h t i g e Form des N a m e n s n i c h t e r k e n n b a r . H a n d e l t es sich u m ' S e e a n w o h n e r , S e e l e u t e ' oder ' S e e r ä u b e r ' , got. *habjans, v o n g e r m . *haSa 'Meer' abgeleitet? U n h a l t b a r sind die K o m b i n a t i o n e n v o n Z e u ß 152. R. Much.

X a i ^ a t h e i ß t ein V o l k , d a s P t o l . I I 11, 9 u n t e r h a l b der g r o ß e n Brukterer a n s e t z t . Z e u ß 93 d e n k t an E n t s t e l l u n g a u s Herminones, die a b e r g a n z u n w a h r s c h e i n lich i s t ; eher ist der N a m e m i t Müller Ptolemaeus I I, 259 u n d a n d e r n auf die Chamavi z u beziehen, w a h r s c h e i n l i c h a b e r n u r V e r s t ü m m e l u n g eines N a m e n s n a c h A r t v o n ß a i ( v ) o/aTixai, Tsupio/atixat.

369

XaiTOutopoi, Name einer germ. V ö l k e r s c h a f t bei P t o l . I I 11, 11, n a h e der D o n a u a n g e s e t z t . Sein z w e i t e r T e i l ist w o h l aus varii v e r d e r b t . V i e l l e i c h t ist a n A n w o h n e r der Haid-Nab zu denken. Neben Haide, got. haißi k a m n a c h A u s w e i s v o n anord. HeifrmQrk eine F o r m ohne das jö-Suffix v o r , u n d t f ü r germ. ß k a n n auf lat. V e r m i t t l u n g b e r u h e n . R. Much.

X a ' X o i , V o l k s n a m e auf der k i m b r . H a l b i n s e l bei P t o l . I I 11, 7, w i r d v o n M ö l l e r A f d A . 22, 140 und K o s s i n n a I F . 7, 290 m i t d e m N a m e n v o n Halland im südl. S k a n d i n a v i e n in Z u s a m m e n h a n g g e b r a c h t und a u s einer Einwanderung v o n dorther erklärt. R. Much.

Chamavi. S c h o n d u r c h die B i l d u n g ihres N a m e n s g e b e n sich die Ch. als N a c h b a r n der Batavi u n d Frisiavi zu erkennen. V i e l l e i c h t s a ß e n sie e i n m a l den B a t a v e r n g e g e n ü b e r in V e l u w e . Durch Tacitus A n n . 13, 55 e r f a h r e n wir, d a ß sie n a c h den gegen S ü d e n a b r ü c k e n d e n T u b a n t e n u n d Usipiern und v o r den A m p s i v a r i e r n einen den r ö m i s c h e n S o l d a t e n zur N u t z n i e ß u n g vorbehaltenen Landstrich am rechtcn Rheinufer besetzt hatten, aber alsbald räumen mußten. N a c h G e r m . 33 h a b e n sie und die A n g r i v a r i e r im L a n d d e r B r u k t e r e r sich f e s t g e s e t z t , und m i t einer G e b i e t s e r w e i t e r u n g auf deren K o s t e n w i r d b e s t i m m t z u rechnen sein. Ihre E r w ä h n u n g bei S t r a b o (wo sie sich h i n t e r ü b e r l i e f e r t e m X a u ß o i v e r b e r g e n ) u n d P t o l . ist f ü r die B e s t i m m u n g ihrer S i t z e ohne W e r t ; w o h l a b e r w e i s t auf diese der im M A . f o r t l e b e n d e G a u n a m e Ha.ma.land f ü r die L a n d s c h a f t a n der o b e r n Ijssel. S t ä r k e r t r e t e n die Ch. h e r v o r n a c h i h r e m A n s c h l u ß a n die F r a n k e n , den schon die T a b u l a P e u t i n g . a u s d r ü c k l i c h b e z e u g t , i n d e m sie i h r e m N a m e n b e i f ü g t : qui el Pranci (d. i. qui et Franci), und m i t a n d e r n Frankens t ä m m e n greifen sie — vorübergehend schon u n t e r J u l i a n — auf das linke R h e i n u f e r über. Ihren H e i m a t g a u dagegen m u ß t e n sie z u m T e i l den S a c h s e n ü b e r lassen.

Ein m i t t e l a l t e r l . pagus Amaus, Amavorum a m S ü d a b h a n g der V o g e s e n v e r R . M u c h . I d a n k t seinen N a m e n c h a m a v i s c h e n S c h a -

370

CHASUARII—CHATTEN

ren, d i e E n d e d e s 3. J h s . v o n Chlorus Der

dort Name

Anlaut eine

angesiedelt

als

ist

Chamavi germ.

Lautgruppe

Constantius

durch

gesichert, ham

auch

uns

im

zur

Auswanderung

§ 2.

seinen

und

begegnet

Usipeten und Tenkterer schwer bedrängten ! und

wurden.

Die

Sitze

trieben.

der

Ch.

sind

Eder

herum

zu

suchen.

Als

G e r m , in v e r s c h i e d e n e n B e d e u t u n g e n .

In-

i m J . 38 v . C h r . a u f d i e l i n k e

d e s ist eine e i n l e u c h t e n d e

des

verpflanzt wurden,

Erklärung

damals

w i e a u c h s p ä t e r n o c h u m die F u l d a

Rheinseite

überließen

die

den

Land

und

l e n h o f f

f a ß t die C h . w e g e n g o t .

hamön

z o g e n sie so z u n ä c h s t a u f ihre S e i t e .

Dies

¿vSuss&ott,

anord.

Balg',

h a t t e i m J . 11 e i n e n A n g r i f f der S u g a m b r e r

a h d . hämo

' v e s t i s ' u s w . als ' d i e m i t

Kriegsgewand

gerüsteten',

was

aber

dem zu

freigewordene

Römer

M ö l -

'Hülle,

das

und Ubier

Volksnamens noch nicht gefunden. hamr

Ch.

die

a u f sie z u r F o l g e , a l s b a l d a b e r t r a t e n auch selbst auf

die S e i t e d e r

sie

Verteidiger

den älteren K u l t u r v e r h ä l t n i s s e n der Germ,

der germ. U n a b h ä n g i g k e i t über und r ä u m -

nicht gut

ten

stimmt.

Z e u ß 91 f. 334 ff. 582 ff. Bremer Eihn. 154 (888) ff. M f i l l e n h o f f DA. 2, 423 I h m bei P a u l y - W i s s o w a unter Chamavi. R. Much. C h a s u a r i i . N a c h T a c i t u s G e r m . 33 s i n d die C h . ein V o l k i m R ü c k e n d e r bei i h m auf brukterischem Boden eingerückten Angrivarier und Chamaver. Diese Stellung s t i m m t z u d e m N a m e n , d e r sie, w i e l ä n g s t e r k a n n t ist, a n e i n e n N e b e n f l u ß d e r E m s , die H a s e , z u s e t z e n n ö t i g t . B e i P t o l e m a e u s I I 1 1 , 11 s t e h t K a a o u a p i o i irrtüml i c h e r w e i s e a n d e r S p i t z e einer N a m e n r e i h e i m O s t e n d e r 'Aßvoßata opyj. E r s t a u s d e m 3. J h . e r f a h r e n w i r d u r c h die V e r o n e s e r V ö l k e r t a f e l , d a ß d i e C h a s u a r i i s e i n e r z e i t ( u n t e r T r a j a n ?) m i t a n d e r n S t ä m m e n a m R h e i n u f e r d e m R e i c h e einverleibt worden waren, aber unter Kaiser Gallienus verloren gingen. Damit ist z u g l e i c h e r w i e s e n , d a ß sie ä h n l i c h w i e i h r e G r e n z n a c h b a r n , die A m p s i v a r i i , a u s ihren Sitzen nach Westen abrückten. S i e m ü s s e n in d e n F r a n k e n a u f g e g a n g e n sein.

das

eben

gesehen wo

neu

von

eine

der

besiedelte

Abteilung,

die

sich

V ö l k c h e n e r w u c h s : s. § 3.

aber

berechtigt

G r i m m hoff

uns,

GddSpr.

DA.

sie m i t 569 u n d

Nichts

Z e u ß

94,

M ü l l e n -

4, 450. 4 6 3 . 5 5 0 d e n

Sueben

linkselbischen

G e r m a n e n v o r ü b e r g e h e n d u n t e r w o r f e n , gewannen der

sie

sie

durch

selbst

zurück

und

gegen

die

Varusschlacht,

mitkämpften, verteidigten

Germanicus.

in

die

Freiheit

diese

kräftig

Auch

unter

den

G e r m a n e n , die d e m Civilis B e i s t a n d leistet e n , w e r d e n sie g e n a n n t . in

seiner

Germ.

sonnenen

31

Tacitus spendet

ihnen

Kriegführung

aber ihre geschichtliche entspricht. die

Im

J . 58

Hermunduren

Salzfluß —

und

hohes

ihrer Lob,

bedem

Rolle nicht

ganz

erlitten

sie

durch

Streit

um

einen

im

m a n d e n k t teils an die W e r r a ,

teils a n d i e f r ä n k i s c h e S a a l e — e i n e b l u t i g e Niederlage, quibus

u n d über die Cherusker,

aeternum

discordant

(Tacitus

cum Ann.

12, 28) u n d in d e r e n i n n e r e

Streitigkeiten

sie s i c h

sie z w a r

mischen,

Ubergewicht,

gewinnen

allein

ein

nachweisbar.

D a g e g e n b e w a h r e n sie s e l b s t i h r e n stand

den

Römern

Kämpfen

gegenüber im

Besitz-

in

wesentlichen

ebenso ihre U n a b h ä n g i g k e i t . begegnen

zahlund

Die v o n 213

a n in i h r e r N a c h b a r s c h a f t b e z e u g t e n mannen

das

Gebietszuwachs

reichen

g e h ö r e n die C h . z u d e n H e r m i o n e n .

dieser

Mattiaci.

Gleich den übrigen

Chatten.

14

bei

römischer Oberhoheit zu einem besonderen

in d i e s e r R i c h t u n g ist n i c h t

N a c h P l i n i u s N H . 4,

ab-

Wiesbadens,

Gelegenheit v o m H a u p t v o l k ablöste, unter

Z e u ß 113 f. B r e m e r Ethn. 175 (909) f. M ö l l e n h o f f DA. 4, 427. L. S c h m i d t Allg. Gesch. d. germ. Völker 210. R. Much. § 1.

Gebiet,

Umgebung

u n s i m 4. J h .

Ale-

nördlich

v o m untern Main auch auf ehemals chatt.

Caesars gleichzusetzen oder ü b e r h a u p t f ü r

Boden, der ihnen aber friedlich eingeräumt

Sueben zu halten.

sie

w o r d e n sein k a n n , da die Ch. selbst gleich-

Ab-

zeitig das ihnen gegen den R h e i n zu v o r -

haben.

lagernde Gebiet römischer Schutzherrschaft

zu

den

Sueben

W o h l aber mögen Caesars

hängigkeitsverhältnis Man

kann

dies

in

einem

gestanden

daraus

schließen,

diese s o g a r die w e i t e r n ö r d l i c h

daß

stehenden

eroberten. mit

den

In der F o l g e m ü s s e n sie s i c h Franken

vereinigt

haben,

wenn

CHATTEN uns dieser Anschluß auch nicht ausdrücklich bezeugt ist, und ihr Name nur ein einziges Mal — es ist zugleich der letzte Beleg für ihn — als der eines fränkischen Volkes erscheint. Es geschieht anläßlich eines Feldzuges Arbogasts im Jahre 392. § 4. Nach einer Pause v o n mehreren Jahrhunderten tritt uns in den alten Stammsitzen der C h . — zuerst um 720 genannt — der Name Hassi, Hassii, Hessi, Hessones entgegen. D a ß es außer einem südlichen, größeren pagus Hessi Franconicus auch einen nördlichen, kleineren pagus Hessi Saxonicus an der Diemel gibt, beweist aber, daß der Name ursprünglich der eines selbständigen Stammes ist und in die Zeit vor der Aufteilung seines Landes an Franken und Sachsen zurückreicht. § 5. D a ß die Hessen aus den Ch. hervorgegangen sind, ist nicht zu bezweifeln. Eine der schwierigsten Fragen ist aber die, ob die Namen Chatti und Hassi, Hassii dasselbe sind oder nicht. Für die Identität haben sich unter andern ausgesprochen W a c k e r n a g e l im Wb.1 CCLXXXIII, Müllenhoff DA. 4, 591 ff., H. M ö 11 e r P B B e i t r . 460 und Bremer Ethn. 182 (916). Sie alle weisen darauf hin, daß im Germ. Dental undDental zu ss wird. Nach Möller ist Chatti Wiedergabe eines germ. Namens mit ß f , das die Vorstufe v o n 55 darstelle, übrigens diese weitere Entwicklung schon längst durchgemacht haben könne, als immer noch der Tradition folgend Chatti geschrieben wurde. Gegen die Gleichsetzung von Chatti und Hessen hat sich Z e u ß 96, Fußnote, und 347, sowie B r a u n e IF. 4, 341 ff. ausgesprochen. Die größte Schwierigkeit bei dieser bietet der mit dem Namen der Chatti doch wohl zusammenhängende der Chattuarii, bei dem t oder tt noch in ags. Hcetwere, Hetware, und dem Gaunamen Hatterun, hd. lautverschoben Hazzoarii, vorliegt. Man muß entweder Chatti und Hessen oder Chatti und Chattuarii etymologisch voneinander trennen. W e r ersteres tut, kann sich darauf berufen, daß auch sonst germ. Völkerschaften unter etymologisch verschiedenen, aber aneinander anklingenden Namen erscheinen, so die Gepidi Gebidi, !

37i

die Varisti Naristi, die Cugerni Cuberni. Übrigens könnte auch zwischen einem Chatti mit germ. tt und Hassi immer noch Verwandtschaft bestehen, da germ. tt auf Dental + n', ss im Germ, wie im K e l t . und Lat. auf Dental + 1 oder s zurückzuführen ist, wie das Beispiel v o n germ. *hattuz ' H u t ' aus had — tuz neben lat. cassis aus cadh — tis zeigt, Worte, aus denen J. G r i m m Myth. 1 X X I I A n m . und GddSpr. 579 f. den Volksnamen wirklich erklären wollte, wobei er an eine eigentümliche Kopfbedeckung dachte. Selbst der Name Hösi eines bayr. Adelsgeschlechtes ist als Ablautform neben Hassi mit nach Länge vereinfachtem ss denkbar. § 6. Es fehlt übrigens nicht an andern Versuchen, den Volksnamen zu deuten, wobei zum Teil auch der gall. Volksname der Cassi, Casses (BodioVelio-, Viducasses) mit herbeigezogen wird, den zuerst Möllenhoff Z f d A . 23, 7 als kelt. Entsprechung zu germ. Chatti aufgefaßt hat. So O s t h o f f Perf. 567, der griech. xexaafisvo» vergleicht und den Sinn 'sich auszeichnend' vermutet. Heyne im D W b . unter Hesse und K ö g e l P B B e i t r . 7, 178 wollen dagegen an got. hatan anknüpfen und so schon Müllenhoff DA. 4, 407, der hierbei auf die Deutung v o n kelt. Cassi Casses aus ir. cas 'iracundus, atrox, alacer, agilis' bei G l ü c k Die kelt. Namen bei Caesar 163 verweist und auch an mhd. hessen 'hetzen' und hessehunt neben hetzen erinnert. § 7. Daß die Hessen bei ihren Nachbarn den Beinamen Hundehessen führen, mag durch eben dieses hessehunt veranlaßt sein, geradeso wie die Baiern den Namen Boarjäkchn im Mund der Tiroler dem A n k l a n g von berjarch, älter *bairfarh, 'Eber 1 an ihren Stammnamen verdanken. § 8. Die den Ch. von Tacitus Germ. 31 zugeschriebene Sitte, bis zur Erlegung eines Feindes Haar und B a r t wachsen zu lassen, hat in der von ihm behaupteten Allgemeinheit bei ihnen sicher nicht bestanden. Bemerkenswert ist seine Schilderung ihrer Leibesbeschaffenheit Germ. 30: duriora corpora, stricti artus. § 9. V o n den Ch. sind außer den Mattiaci die Bataver und Canninefaten ausgegangen. S. diese.

CHATTU ARIER—CHAUKEN

372

A u f ältere v o n ihren historischen v e r s c h i e d e n e S i t z e des S t a m m e s l ä ß t sich s c h l i e ß e n a u s d e m N a m e n der Chattuarü, f a l l s dieser, w a s allerdings n a h e l i e g t , z u Chatti t a t s ä c h l i c h in d e m s e l b e n V e r h ä l t n i s s t e h t w i e Baioarii zu Boii. Dann bedeutet er ' B e w o h n e r des C h a t t e n l a n d e s ' oder ' N a c h f o l g e r der C h a t t e n in ihrem S t a m m lande'. Die C h a t t u a r i i (s. d.) sind w a h r s c h e i n l i c h m i t d e n Marsi (s. d.) i d e n t i s c h u n d stehen d a n n a n der obern R u h r , also an der N o r d w e s t s e i t e der C h a t t e n selbst. E i n g a n z sicherer H i n w e i s auf die Gegend, in der diese f r ü h e r gewohnt h a b e n , ist d a m i t allerdings n i c h t gegeben, w e i l die C h a t t u a r i i ebenso w i e die B a i o a r i i ihren N a m e n aus einer älteren H e i m a t mitgebracht haben können. A u c h die B o i i h a b e n n i c h t in B a i e r n g e w o h n t . Lit. L.

bei

Schmidt

B r e m e r

(912)

und

AUg. Gesch. d. germ. Völker

Ethn.

178

200.

R. Much.

C h a t t u a r i e r . § i . U n t e r den S t ä m m e n , d i e T i b e r i u s , i m j . 4 n . Chr. n a c h D e u t s c h l a n d e i n d r i n g e n d , u n t e r w a r f , w e r d e n v o n Vellerns P a t e r c u l u s 2, 105 z w i s c h e n C a n n i n e f a t e n und B r u k t e r e r n und v o r den C h e r u s k e r n die Attuarii genannt. S o n s t erscheinen sie in älterer Z e i t nur noch als Xatxo'jap'.oi bei S t r a b o 291 z u s a m m e n m i t G a m b r i v i e r n u n t e r den (den S u e b e n g e g e n ü b e r ) IVOEsstspa sdvr, L'öpu.C(Vixa und 292 unter j e n e n , v o n d e n e n G e r m a n i c u s in seinem Triumphzug Gefangene mitführt, während dabei auffallenderweise der Marsen nicht gedacht wird. Das kann zur Verm u t u n g f ü h r e n , d a ß Marsen u n d Ch. n u r v e r s c h i e d e n e N a m e n e i n e s V o l k e s sind w i e M a r k o m a n n e n und B a i e r n . Andernf a l l s ist f ü r sie n i c h t leicht ein P l a t z z u finden, und j e d e n f a l l s darf m a n sie n i c h t w i e Z e u ß mit den B a t a v e r n zusammenb r i n g e n , die i m m e r auf röm. Seite stehen. § 2. W i e d e r h e r v o r t r i t t der N a m e Ch. erst in f r ä n k i s c h e r Z e i t u. z w a r a n der u n t e r n R u h r und Lippe und von dort hinüberg r e i f e n d auf das linke R h e i n u f e r in e i n e m L a n d s t r i c h , der f r ü h e r den Kugernern gehört hatte. In diesen S i t z e n z e i g t uns d i e Ch. der m i t t e l a l t e r l i c h e G a u Hatterun, Hattuaria, terra Hattuariorum, Hazzoariorum usw., und d o r t stehen a u c h die Hcetwere, Hetware des W i d s . 33, B e o w .

2363. 2916, bei denen der G e a t e n k ö n i g H y g e l ä c sein E n d e findet. E i n pagus Attuariorum in d e n V o g e s e n g e h t auf Ch. z u r ü c k , die z u g l e i c h m i t d e n C h a m a v e r n des b e n a c h b a r t e n pagus Amavorum C o n s t a n t i u s Chlorus d o r t ansiedelte. § 3. D e r N a m e Chattuarii s c h e i n t sich zu Chatti ä h n l i c h z u v e r h a l t e n w i e Baioarii z u Boii, Boructuarii zu Bructeri u n d sie als B e w o h n e r des C h a t t e n l a n d e s , d. i. w o h l einer älteren H e i m a t der C h a t t e n , z u b e z e i c h n e n . D o c h v g l . das u n t e r C h a t t e n ü b e r deren N a m e n und seinen D e n t a l Bemerkte. Z e u ß PBBeitr. (892)«. 593.

99 f. 17,

336 113

ff.

ff.

582

Mülle nhoff

E s c h b a c h

rheins 17, 1

ff.

B r e m e r DA.

R.

Much

Ethn.

158

4, 399 f.

551.

B e i t r . z. G e s c h . d . N i e d e r ff.

R. M u c h .

Chauken. § i. Die Ch. sind eine der s t ä r k s t e n germ. V ö l k e r s c h a f t e n des westl. D e u t s c h l a n d , v o n den Friesen, r i c h t i g e r den A m p s i v a r i e r n a b den g a n z e n K ü s t e n s t r i c h bis zur E l b e e i n n e h m e n d . Velleius P a t . 2, 106 spricht v o n Cauchorurn nationes, P l i n i u s k e n n t 'kleinere' u n d 'größere', ebenso P t o l . I I 11, 7. 9 u n d s e t z t j e n e z w i s c h e n E m s und W e s e r , diese z w i s c h e n W e s e r und E l b e ; d o c h h ä l t Z e u ß 139 diese A n g a b e n f ü r v e r k e h r t . Auffallend ist die S t e l l u n g des N a m e n s Ch. bei P l i n i u s N H . 4, 101, w o ihnen v o n den Inseln z w i s c h e n H e l i n i u m und F l e v u m , d e n beiden R h e i n m ü n d u n g e n , ein A n t e i l z u g e w i e s e n wird. § 2. Der zahlreichen und kräftigen J u n g m a n n s c h a f t der Ch. g e d e n k t s c h o n V e l l e i u s P a t . 2, 106, und bis z u r h e t o r i s c h e r Übertreibung ist das Lob gesteigert, d a s T a c i t u s G e r m . 35 ihrer M a c h t , K r i e g s t ü c h t i g k e i t und F r i e d f e r t i g k e i t s p e n d e t . In v i e l glaubhafterer Weise schildert a n d e r e r s e i t s P l i n i u s N H . 16, 2 ff. als A u g e n z e u g e ihr armseliges L e b e n auf k ü n s t lichen H ü g e l n oder P f a h l g e r ü s t e n in d e m periodisch ü b e r f l u t e t e n , n o c h u n e i n g e d e i c h t e n M a r s c h l a n d , w o b e i er a b e r n u r einen T e i l des S t a m m e s im L a n d der s p ä t e r e n Worthsati, W u r s t e n , d. i. 'der a u f d e n W u r t h e n s i t z e n d e n ' , im A u g e h a b e n k a n n . § 3. Die Ch. w u r d e n im J . 5 v . Chr. v o n D r u s u s , der v o n den Friesen aus z u

CHERUSKER ihnen vordrang, für die Römer gewonnen und hielten auch in den Kämpfen gegen Arminius zu diesen. Bald aber änderte sich ihr Verhältnis, und die Römer waren sogar genötigt, gegen sie, die als Seeräuber die gall. Küste brandschatzten, zu Feld zu ziehen, ohne doch diesen Außenposten dauernd halten zu können. Auch die aufständischen Bataver erhielten (69 u. 70 v. Chr.) von ihnen Zuzug. Früher (58 v. Chr.) hatten vor ihnen weichend nach Tacitus Ann. 13, 55 die Ampsivarier ihr Land aufgeben müssen; und wenn auch das, was Tacitus Germ. 35 über die Größe ihres Gebietes sagt, das sich nach ihm an der Westseite der Cherusker bis zu den Chatten erstreckt haben soll, nur mit Mißtrauen aufgenommen werden kann, wird mit seiner Ausdehnung gegen Südwesten hin immerhin zu rechnen sein. Zuletzt erfahren wir von ihnen aus dem Anfang des 3. Jhs. aus Anlaß eines Einfalles in Belgien, wenn wir absehen von einer Stelle bei Claudian cons. Stilich. 1, 225, wo sie als Anwohner des östlichen Rheinufers erscheinen. Daß das überlieferte und wahrscheinlich verderbte KouaSot bei Zosimus 3, 6, womit dort ein Teil der Sachsen bezeichnet wird, mit Z e u ß 331 f. 382 in Kauxoi zu ändern sei, läßt sich nicht wahrscheinlich machen. § 4. Nach der herrschenden Ansicht sind die Ch. spurlos in den Sachsen aufgegangen, was aber bei der, so lang wir sie im Auge behalten, wachsenden Macht des Stammes wundernehmen müßte. Darum scheint es geratener, ihre Fortsetzung in den H u g e n - F r a n k e n z u suchen (s. d.). § 5. Der Name Chauci, Cauchi, Xauxoi, Kau^ot, auch Cauci, Kauxoi — gegen Chauchi sträubt sich das Lat. wie das Griech. — enthält den germ. Wortstamm *hauha- 'hoch', aber kaum in seiner sinnlichen Bedeutung. § 6. Mit den Chauken e i n e s Namens sind die Kauxoi, die Ptol. II 2, 8 neben Mavamoi in Irland; aufführt. Da letztere wieder gleichbenannt sind mit den belgischen Menapii am Niederrhein, dürften wir es bei ihnen wie bei den Kauxoi tatsächlich mit Stämmen zu tun haben, die von der Nordsee her nach Irland übersiedelt sind.

373

Zeuß 124

138 f.

(858) f.

Schmidt

381 f.

Bremer

M ü l l e n h o f f Allg.

DA.

Ethn. 4,

Gesch. d. germ. Völker

434. 15 T ff.

R. Much.

Cherusker. § 1. Die Ch., nach Plinius NH. 4, 14 ein herminonischer Stamm, sind zuerst bei Caesar BG. 6, 10 genannt als Nachbarn der Sueben, von denen sie ein ausgedehntes Waldgebirge namens Bacenis (s. d.) scheidet. Damit kann hier nur der Harz gemeint sein, und nördlich von diesem sitzen sie auch später noch, aber auch noch weiter nach Westen über die Weser hinüber sich erstreckend, an der oberhalb von ihnen, wie wohl schon zu Caesars Zeit, die Chatten stehen. Im Quellgebiet von Lippe und Ems stoßen sie an Marsen und Brukterer, im Norden bezeichnet ein aufgeworfener Wall, der sich an einen Sumpf (das Steinhuder Meer?) anschließt, nach Tacitus Ann. 2, 19 ihre Grenze gegen die Angrivarier. Östlich davon reichen sie selbst oder unter ihrer Schutzherrschaft stehende kleinere Stämme an die Langobarden und weiter im Süden an die Elbe heran, durch die sie von den Semnonen geschieden sind. § 2. Die Ch. sind wohl der stärkste Stamm, mit dem die Römer im westlichen Deutschland zu schaffen hatten. Ihre geschichtliche Rolle in dem großen, mit der Varusschlacht beginnenden und der erfolgreichen Abwehr des Germanicus abschließenden Freiheitskampfe gegen die Römer konnten sie aber doch nur spielen, da ihnen in der Person des Arminius der richtige Führer erstanden war. Unter ihm treten sie auch noch im J. 17 n. Chr. dem Maroboduus mit Erfolg entgegen und ziehen vor der Entscheidung schon die Semnonen und Langobarden von seiner Seite zu sich herüber. Aber mit dem Tode des Arminius 19 n. Chr. beginnt sofort eine Verfallzeit. Nachbarvölker wie Chatten und Langobarden mischen sich in ihre innern Wirren ein, Tacitus Germ. 36 kann bereits mit Geringschätzung von ihnen sprechen, und aus späterer Zeit hören wir von Ch. überhaupt nichts mehr. Den Sturz ihrer Macht schreibt Tacitus den Chatten zu. § 3. Indessen konnte der bedeutende Stamm, ohne daß er einer Katastrophe

374

CHERUSKER

zum Opfer fiel — wovon nichts verlautet — zwar politisch, aber nicht als Element der Bevölkerung v o m Schauplatz verschwinden. Sein Gebiet gehört, als wir wieder aus ihm Kunde erhalten, im wesentlichen den Sachsen; mehr auf Kosten ihrer Klienten haben die Thüringer an der Elbe über die Unstrut hinaus ihr Reich ausgedehnt, um dann auch hier den Sachsen die Herrschaft einräumen zu müssen. Daß innerhalb des sächsischen Staates in seiner späteren Ausbreitung auch früher selbständige nichtsächsische Völkerschaften Platz hatten, zeigen die Engern, die alten Angrivarii, die Barden im Bardengau, die Nordthüringer und Nordschwaben. Wie in diesen Fällen erwartet man auch bei den Ch. den Fortbestand eines Sondernamens, der aber nach dem, was wir sonst über Mehrnamigkeit und Wechsel der Stammnamen bei germ. Völkern wissen, nicht notwendig der Name Ch. selbst sein muß. Dieser Name bietet sich uns in dem der F a 1 e n , den wir doch nicht unterbrächten, wenn er nicht einen älteren ablöst; und dieser ältere kann mit Rücksicht auf die örtlichen Verhältnisse kein anderer als Cherusci sein. Bodenständig sind die Falen in Ostfalen, wie sich schon darin zeigt, daß ein ostfälischer Gau Falaha, Falhon schlechtweg heißt. Ein Teil der Falen aber ist im Zusammenhang mit der gesamten Vorwärtsbewegung der Germanenstamme gegen das Römerreich weiter nach Westen auf fremden Boden abgerückt: es sind die Westfalen, Westfalhi, denen gegenüber dann die Falen in älterer Heimat als Ostfalen Ostfalhi erscheinen. Diese Abwanderung brachte es auch mit sich, daß die Zurückbleibenden sich einschränken und andern Völkerschaften, z. B. den Angrivariern, Engern, Teile der alten cherusk. Stammsitze überlassen konnten. Bei dem Namenwechsel Cherusci > Falhi ist zu beachten, daß Cherusci mit Chatti und Chauci, Falhi mit Frisii und dem gleichfalls später in den Vordergrund tretenden Franci alliteriert; allerdings auch früher schon mit Fosi, dem Namen eines engverbündeten Volkes. § 4. Daß der Name Falen kein junger ist, wird man aus dem in der Notitia digni-

t a t u m neben dem der Tubantes, Mattiaci und Bucinobantes auftretenden Namen Falchovarii schließen dürfen, auf den K o s s i n n a P B B e i t r . 20, 299 ff. die Aufmerksamkeit gelenkt hat. Ihr Name bedeutet 'Leute aus dem Falenland' und verhält sich zu dem ! einfachen Falhi wie Chattuarii, Baioarii, Raetobarii, Boructuarii zu Chatti, Boii, Raeti, Bructeri. W o diese Falchovarii zu suchen sind, ist nicht bestimmbar. Der Volksname Falhi selbst setzt einen germ. Wortstamm *falha- voraus und könnte mit lit. pälsas, lett. palss 'fahl' aus * polkos identisch sein. Was Cherusci betrifft, spricht die Überlieferung entschieden für K ü r z e des Stammvokals. XspoocTxoi bei Dio Cassius findet Bestätigung durch Xatpousxot bei Ptol., wobei at wie so oft bei Griechen für germ. e steht. Xijpotmoi bei dem in Wiedergabe germ. Namen unzuverlässigen Strabo fällt dagegen nicht ins Gewicht. V o n dem Versuch, an *hera- 'Haar' anzuknüpfen (Bremer P B B e i t r . 11, 3), ist daher abzusehen. A b e r auch die Etymologie J. G r i m m s , der GddSpr. 612 an got. hairus 'Schwert' und einen angeblichen — in Wirklichkeit nicht vorhandenen — 'Schwertgott' Cheru dachte und so auch zwischen den Ch. und den nach dem sahs benannten Sachsen vermitteln wollte, die aber schon gleichzeitig mit den Ch. an ganz verschiedener Stelle bezeugt sind, ist unhaltbar schon der Wortbildung wegen. F. K l u g e faßte Z f d W f . 7, 168 die Cherusci als 'die K l u g e n ' und verglich ags. horsc, got. hruskan; auch an lat. coruscus 'zuckend, blinkend' könnte man in diesem Zusammenhang erinnern. E. S c h r ö d e r und R. M u c h dachten an germ. *herut 'Hirsch' ( P B B e i t r . 17, 61); davon könnte *heruska- ähnlich gebildet sein wie germ. *fruska- 'Frosch' neben aisl. fraufri. Für letztere Deutung kann man anführen, daß im Süden des Harz, in der Nachbarschaft der Ch. einst der kelt. S t a m m der Teurii (oder Teurisci?, die Vorfahren der späteren Teurisci in A l p e n und K a r p a t e n ? ) , benannt nach *teuros 'Stier', gesessen hat, wie aus dem Namen Teopio^aTjica bei Ptol. zu erschließen ist (s. d.). Einen späteren einheimischen Beleg f ü r

CHIRURGIE den Volksnamen enthält vielleicht der Ortsname Herskesgebutle, so in einer Urk. von 1007, nach F ö r s t e m a n n DN. 2 2 , 796 wahrscheinlich eines der beiden Harxbüttel in der Nähe von Braunschweig; vgl. das nahegelegene Thuringesgibutli ebenda 1458. L i t . bei L . S c h m i d t

Völker 162.

Allg.

Gesch. d. germ.

R. Much.

Chirurgie. Die ältesten Spuren einer chirurgischen Betätigung bieten die zweifellosen künstlichen Eröffnungen der Schädelhöhle an prähistorischen Kranien (s. Trepanation) und die gut geheilten Brüche von Extremitätenknochen, die gelegentlich gefunden werden (s. Knochenbrüche). Über kunstgerechten Wundverband in germ. Frühzeit berichten historische und literarische Quellen (s. Wundbehandlung). Wenn nun auch das instrumentelle Rüstzeug für den ärztlichen Gebrauch, das der Boden bewahrt hat, soweit es sich nicht unter Stein-, Bronze- und Eisenbedarf des täglichen Lebens verbirgt, äußerst spärlich ist, so gibt doch schon die L e x Visigothorum den Beweis, daß selbst die Operation des Staares aus der römischgriechischen Kultur bei einigen südlichen Germanenstämmen derart Eingang gefunden hatte, daß man gesetzliche Festlegungen über ihre Ausübung und Entlohnung für nötig erkannte (s. Staarstich); ebenso ist der Aderlaß (s. d.) Import aus der antiken Welt, der sich über alle Germanenvölker verbreitete, weniger das Brenneisen (ahd. brennisan, and. jarn und knapp jarn, das geknöpfte cauterium olivare), wenigstens zur verschorfenden Blutstillung (s. d.), aber wir finden doch bei Bald (etwa 900) Anweisungen zur Heilung solcher mit dem Brenneisen gesetzter Wunden und in nordischen Gesetzbüchern die Erwähnung des läta brenna sik. Die lebensrettende operative Entfernung eines Tumors durch den angelsächsischen Arzt Cynifried oder Cyneferth bei der Königin und Äbtissin ¿Etheldryth, von der die Sage geht, verlangt noch der Aufklärung; es scheint sich um die Spaltung eines Pestdrüsenabszesses zu handeln, der obendrein zum Tode führte. Dagegen ist in Bald's Leech Book II 22 (Cockayne Leechd. II 206 ff.; Leonhardi, Grein-Wülker Bibl.

375

d. ags. Prosa V I 62 f.) sehr umständlich und sachverständig Vorbereitung, Ausführung und Nachbehandlung der Operation eines Leberabszesses geschildert [mid py snid-isene) (vgl. P a y n e a. a. O. 86—89), ohne daß die (doch wohl anzunehmende) Entlehnung aus einem antiken Autor sich nachweisen ließe. Ahnlich steht es mit der Hasenschartenoperation (Wifr hcerscearde) an der gleichen Stelle aus dem beginnenden 10. Jh. in Bald's Leech book I 13 (Cockayne II 56; Leonhardi 18), wo angegeben wird, wie man zuerst die Scharte zurechtschneiden und dann mit Seide nähen solle (onsnifr mid seaxse seowa mid seolce faeste). Amputationen werden dort in der Weise der Antike im abgestorbenen Gewebe vorzunehmen gelehrt (Bald's Leech Book I 35; Cockayne II 82 ff.; Leonhardi 25 f. ponne scealt pu sona eal pat deade and pcet ungefelde ofasni pan . . . pat par nanuht ptzs deadan lices to lafe ne sie Pees pe cer ne isen ne fyr gefelde usw.). Daß man die Pfeilspitzen mit der Zange (sogar einer geschlossen bleibenden Sperrzange, spennitöng) extrahierte, kann nicht wundernehmen (Grön a . a . O . 45); eher schon, daß man 1221 in Island die Osteoklasie schiefgeheilter Knochen übte (s. Knochenbrüche). Stelzfüße und Krücken sind schon früh nachgewiesen, auch die aus der Antike her bekannte und beliebte Operation des Zäpfchenschnittes, der Staphylotomie, der schon im Jahre 1023 E i r i k J a r 1 zum Opfer fiel. Auch von Blasensteinoperationen in german. Norden besitzen wir Kunde. Doch handelt es sich in allen hier besprochenen Fällen um operative Maßnahmen, die bestimmt unter dem Einfluß des chirurgischen Wissens der Antike standen. Die oft in der Literatur erwähnten schneidenden Eröffnungen von Eiteransammlung infolge von Verschwärungen in und unter der Haut, wenn die weit mehr beliebte Erweichung und das „Aufziehen" des Eitersackes nicht schnell genug zum Ziele führen wollte, mit dem Stein- oder Eisenmesser mögen aber immerhin Eigengut der german. Heilkunde sein. H ö f 1 e r Hdb. d. Gesch. d. Med. I 470—475. L e h m a n n - N i t s c h e aus dtsch.

Vorzeit

1898.

Beitr.

z. präh.

K. B a a s

Chir.

Mittelalt.

376

CHLODWIG—CHOR

Gesdhtspfl. i. Baden 1909 S. 5 f. G r ö n Altnord. Hlkde. Janus 1908. S. A. S. 21—70. P a y n e Engl. Med. in Anglo-Sax. limes 1904 S. 82—93. Sudhoff.

Chlodwig (Chlodowech I.), der Frankenkönig, lebt in der deutschen Heldendichtung nach als Hugdietrich, Vater Wolfdietrichs. Bei Widukind heißt Ch. 'Huga, rex Francorum'; Hugas ist im Beowulf 2503. 2915 epische Bezeichnung der Franken, vgl. Quedl. Ann.: ,, . . olim omnes Franci Hugones vocabantur a suo quodam duce Hugone". Das einfache Hugo hat die Dichtung später, in Anlehnung an Wolf-dietrich, zu Hug-dietrich ergänzt. — Was die mhd. Epen Wolfdietrich A und B von Hugdietrich erzählen, zwei völlig abweichende Darstellungen, erlaubt schwerlich eine sachliche Anknüpfung an den Begründer des Frankenreiches. Die ältere Dichtung hatte (Chlodwig-) Hugo nur als Nebenrolle festgehalten in der Sage seines tatenreichen Sohnes Wolfdietrich, vielleicht dachte man ihn sich schon zu Beginn der Handlung gestorben (s. Wolfdietrich), sodaß der große König nur als Name weiterlebte, zu vergleichen mit Gibeche in der Nibelungen-, Dietmar in der Dietrichsage: die beiden Versuche des 13. Jhs., sein Bild auszumalen, entbehren daher den gemeinsamen Kern, soweit er nicht den Sohn Wolfdietrich betrifft. — Der Name H l q ä v e r , der zweimal in eddischer Dichtung auftaucht (Vkv. 10. 15, Gu9r. II 25), kann durch verlorene Zwischenglieder auf Ch. zurückgehen, aber auch auf einen der Ludwige des 9. Jhs.; der isl. Heldenroman verwandte dann den Namen für verschiedene nordische Gestalten (Fas. 3, 697). Ob der Ludewic der Kudrun- und der Herbortsage mit Ch. zusammenhänge, ist sehr unsicher. Ch.s Brautwerbung um die Burgundin Chrothilde (a. 493) erzählen Fredegar und der Liber Hist. Francorum in dichterisch ausgeschmückter Weise. Es erscheinen hier kenntlich spielmännische Formeln, die nahe Gegenstücke haben auch in deutschen und nordischen Brautfahrtnovellen des 12./13. Jhs., bes. bei Herbort (ts.), Attila-Erka (ebd.), Snio (Saxo); z B . der

als Bettler verkleidete Bote, die Jungfrau beim Kirchgang, die ihn auf ihre Kammer entbietet, der heimliche Ringwechsel, die Verfolgung der Braut mit Heeresmacht. Eine Dichtung, deren Held Ch. war, wird dadurch nicht erwiesen, wie auch die Chrothildewerbung als Ganzes in keiner spätem Sage wiederkehrt; wohl aber ist auf spielmännische Brautfahrtsagen zu schließen, die auf die Berichte von Ch. abfärbten und sie zu halb dichterischer Haltung erhoben. Solche Brautwerbungen wären als deutsche stabreimende Gedichte nicht vorstellbar; man darf für das 6. bis 8. Jh. nur an das Volkslatein der Joculatores denken. Aber eine Tradition muß von diesen Anfängen zu den deutschen Spielmannsepen führen, deren Reihe für uns der Rother c. 1150 eröffnet. Innerhalb der Dichtungen germanischer Zunge ist der im stabreimenden Heldenliede geprägte heroische Stil das alte, der spielmännisch-abenteuerhafte Stil das junge. Daß aber dieser letzte auf romanischem Boden in den alten Zeitraum hinaufreicht, dafür ist Ch.s Brautwerbung ein Zeugnis. R a j n a Origini de II' epopea francese S. 69 ff. Voretzsch Epische Studien 1, 303 ff. P a n z e r Hilde-Gudrun S. 424. Baesecke Münchener Oswald S. 298. — Zu Hlofiver vgl. Müllenhoff ZfdA. 23, 167. A. Heusler.

Chor. A . D e u t s c h l a n d . § I. A b g e grenzter Teil der Kirche, für die singende Geistlichkeit bestimmt. Diese ursprünglich dreierlei: Psalmensänger mit Orchester, epistelsingende Subdiakonen, evangeliumsingende Diakonen. Später wanderte der Ch. zu dem Presbyterium in die Apsis. — Auch trennte man die Osthälfte des Mittelschiffs oder der ganzen Kirche durch Schranken oder Treppenanlagen (oberhalb der Krypta) gerne von der Laienkirche. Von diesen oft reichen Schranken (s. d.), lat. cancelli, sind noch bedeutsame Reste in Trier (Dom), Metz (S. Peter)und Chur erhalten. Choranlagen für Klosterinsassen (Mönche oder Nonnen) wurden frühzeitig als Emporen am Ost- oder auch am Westende der Kirchen eingebaut (Gernrode), für die Laien unzugänglich und ihren Augen verschlossen.

CHORBISCHOF— CHRISTENRECHT Die Choranlage nahm vorwiegend das Ostende der Kirchen ein, doch trat bei größeren Kirchen schon frühzeitig die Anlage eines zweiten Chors mit Apsis an der Westseite ein (Oberzell-Reichenau, alter Dom zu Köln). Enlart I 96. 167.

I 144. D e h i o und v. B e z o 1 d A. Haupt.

B. N o r d e n. § 2. Dem Begriff 'Chor' der christlichen Kirchen entsprechen in der anorw. Sprache die beiden Wörter afhüs für die heidnischen Tempel (hof) der Asenanbeter und songhüs für den christlichen Kirchenbau. § 3. Das afhüs in den hof war, nach den vermeintlichen Ao/-Grundmauern, die auf Island gefunden sind, zu urteilen, von derselben Breite wie das „ S c h i f f " des Göttertempels (s. d.), der skäli, und ungefähr von der halben Länge des letzteren. Der Abschluß des afhüs war entweder geiadlinig, jedoch immer mit abgerundeten Ecken, oder halbrund, und somit auch in Bezug auf die Form dem Chor der christlichen Kirchen ähnlich. In dem afhüs standen den Sagas zufolge der Stallr und die Götterbilder (s. 'Altar'). § 4. Das songhüs ('Gesanghaus', v o m Singen der Messe) bestand in den norw. Kirchen (sowohl Stein- wie Holzkirchen) aus einem Ausbau an dem östlichen Ende des Schiffes, — gewöhnlich schmäler und niedriger als dieses. Doch kommen auch solche von der Höhe und Breite des Schiffes vor. An das quadratische Chor knüpfte sich bisweilen ein halbrunder, östlicher Abschluß (Apsis, s. d.). Derselbe kommt in den Stabkirchen oft vor und ist mit einem von einer runden Haube gekrönten, geschlossenen Umgang (perivalium) versehen. In den Holzkirchen kommen die Apsiden gleichmäßig über das ganze südliche Norwegen verteilt vor. Dagegen finden sich die Apsiden bei den Steinkirchen hauptsächlich nur in den südöstl. Teilen des Landes, während sie (vor 1200) äußerst selten im westlichen und wahrscheinlich gar nicht nördlich von Dovre vorkamen. Wahrscheinlich beruht dieses Verhältnis auf dem starken Einfluß der angelsächsischen Kirchenform (die bekanntlich ohne Apsiden war) auf das westliche Norwegen, während die Kirchen der H o o p s , Reallexikon.

I.

377

südöstlichen Landesteile sich mehr den Formen der Nachbarländer näherten. In Westfold im SO. Norwegen kommt ein eigentümlicher T y p u s zum Vorschein, indem die Apsis in die dicke Mauer der Ostseite des Chores eingebaut ist, so daß die Kirche nach innen apsidial ist, nach außen aber geradlinig abgeschlossen erscheint. N i c o l a y s e n Norske Fornlevninger, passim.

Chorbischof. Der Ch. (lat. chorepiscopus, griech. Xeupsitur/oiro?) war, wie der Name sagt, ein Landbischof. Der Sache nach ist er, insbesondere in Missionsgebieten, ein Gehilfe und Vertreter des Diözesanbischofs, nach innen wirkend und gerade dazu durch seinen bischöflichen ordo befähigt, wie es der Archidiakon (s. d.) nach außen tut, auch sein Vertreter während der Sedisvakanz. Schon im 8. Jahrh. traten im Frankenreich Chorbischöfe auf; teils sind ihnen bestimmte Bezirke der Diözese besonders zugewiesen, teils wirken sie je nach Bedarf in der ganzen Diözese. Die steigende Macht der Chorbischöfe veranlaßte wohl im 9. Jahrh. den westfränkischen Episkopat, mit Erfolg ihre Beseitigung zu betreiben, unterstützt von Pseudoisidor und Benedictus Levita. Im Osten jedoch, in Deutschland, erhielt sich der Chorepiskopat noch bis ins 10. Jahrh. Dagegen erscheint in England ein Chorbischof nur sporadisch, auf Island überhaupt nicht, und auch in den übrigen skandinavischen Ländern ist das Amt jedenfalls kein ständiges. H a u c k Kirchengesch. II 721. H i n s c h i u s Kirchenrecht II 161 ff. M a k o w e r Verfassung d. Kirche von England 321. Werminghoff Kirchenverfassung 78 f.v. Schwerin.

Christenrecht [kristinnrettr m.) (§ i) ist die im W e s t n o r d i s c h e n übliche Bezeichnung für die kirchenrechtlichen Bestimmungen. Während die älteren norw. und isl. Rechts- und Gesetzbücher und noch Magnus Lagabötirs (s. d.) Revisionen der Landschaftsrechte von 1267 und 1268 das Christenrecht völlig als Teil des übrigen Rechts behandelten, traf der Plan des Königs, auch bei der Revision der Frostufiingsbök das Christenrecht zu regeln, 1269 auf den Protest des Erzbischofs Jon. Die späteren Gesetzbücher 25

CHRISTUSDARSTELLUXGEN—CISTA

378

des K ö n i g s f ü r N o r w e g e n und Island , licher A b s c h n i t t . D a s K i r c h e n r c c h t w u r d e ( L a n d r e c h t , B j a r k e y j a r r e t t r , J a r n s i 9 a , J ö n s - ! hier in der älteren Z e i t v o r z u g s w e i s e d u r c h b ö k ) e n t h a l t e n deshalb nur, u m die s t a a t - I V e r e i n b a r u n g e n z w i s c h e n Bischof und D i ö z e s a n a n g e h ö r i g e n f e s t g e s t e l l t . Z w e i solche liche K i r c h e n h o h e i t z u w a h r e n , einen K i r c h e n r e c h t e sind uns aus d e m 12. J h . n a h e z u inhaltlosen kristinsdömbälkr, überin d ä n i s c h e r S p r a c h e erhalten, die s c h 0 lassen a b e r im ü b r i g e n die R e g e l u n g des nische skraa E r z b i s c h o f A e s k i l s v o n Christenrechts besondern Gesetzen. Drei e t w a 1 1 6 0 und das auf ihr b e r u h e n d e a u s d e m C h r i s t e n r e c h t der älteren L a n d s e e l ä n d i s c h e Kirchenrecht Bischof s c h a f t s r e c h t e s c h ö p f e n d e E n t w ü r f e solcher A b s a l o n s v o m 21. J u l i 1 1 7 1 . G e s e t z e sind uns a u s der Z e i t v o n e t w a A u s g a b e des s c h o n i s c h e n K i r c h e n 1270 erhalten, d a r u n t e r v o r a l l e m d a s rechts v o n S c h l y t e r ( C o r p u s iuris Sveosog. Christenrecht König Sverrirs. Gotorum I X 1859), des s e e l ¡ i n d i s c h e n Ihren A b s c h l u ß f a n d diese G e s e t z g e b u n g von T h o r s e n ( V a l d . Saell. Lov 1852). für N o r w e g e n in d e m C h r i s t e n r e c h t S j ö g r e n De jornsvenska kyrkobalkarna, TidsE r z b i s c h o f J o n s v o n X273, einer rohen skr. f. R e t s v i d e n s s k a b 1904, 125 ff. K j e r K o m p i l a t i o n aus den älteren n o r w . G e s e t z Er den Skaanske eller Sjaellandske kirkeret den b ü c h e r n und d e m k a n o n i s c h e n R e c h t , die, aeldstel A a r b . 1891, 124 ff. — W e i t e r e L i t . u. trotzdem sie der K i r c h e weitgehende N o r d i s c h e R e c h t s d e n k m ä l e r . R e c h t e e i n r ä u m t e , d o c h 1277 ( Ü b e r e i n S. R i e t s c h e l . kunft von Tunsberg) die Zustimmung Christusdarstellungen (plastische) sind in K ö n i g Magnus' fand. Eine B e a r b e i t u n g der B i l d n e r e i der g e r m a n i s c h e n F r ü h z e i t dieses Christenrechts für I s l a n d ist selten. In M e t z ' f i n d e n w i r an e i n e m das 1274 v o m A l l t h i n g a k z e p t i e r t e ChristenP f o s t e n der einstigen S c h r a n k e n der P e t e r s r e c h t Bischof A r n e s . Beide Gesetze k i r c h e (7. bis 8. Jh.) u n t e r einem k r a b b e n geschmückten, von Pilastern getragenen w u r d e n sofort n a c h M a g n u s ' T o d v o n der S p i t z g i e b e l v e r t i e f t die G e s t a l t Christi, S t a a t s g e w a l t w i d e r r u f e n , d o c h h a b e n sie u n b ä r t i g , in flachem R e l i e f , m i t N i m b u s , sich in der P r a x i s d u r c h g e s e t z t , in N o r die r e c h t e H a n d erhoben, i m G i e b e l d r e i e c k w e g e n allerdings nach h a r t e n K ä m p f e n , ein K r e u z ; in F i s c h b e c k a. d. W e s e r die erst im J . 1458 z u ihren G u n s t e n im T y m p a n o n eines P o r t a l s aus der e n d e t e n und die es erklären, d a ß i m 14. J h . o t t o n i s c h e n Z e i t sein b ä r t i g e s B r u s t b i l d s o w o h l v o n den C h r i s t e n r e c h t e n der r e v i mit aufgehobener Segenshand, das B u c h dierten Landschaftsrechte wie von Erzin der L i n k e n , m i t K r e u z n i m b u s , sehr bischof Jons Christenrccht Abschriften primitiv. veranstaltet wurden. A u s g a b e des Christenrechts K ö n i g Sverrirs A u f karolingischen und ottonischen Elfenv o n K e y s e r u. M ü n c h (1846 in N G L . I), b e i n s c h n i t z e r e i e n erscheint Christus h ä u f i g , der beiden a n d e r n C h r i s t e n r e c h t s e n t w ü r f e v o n meist mit Nimbus mit aufliegendem K r e u z e Storni (1885 ebd. I V 50 ff. 160 ff.), des und b ä r t i g , in l a n g e m G e w ä n d e ; sogar in Christenrechts E r z b i s c h o f J o n s v o n K e y s e r der f r ü h e s t e n Zeit a m K r e u z e b e k l e i d e t . u.

Münch

Bischof 16 Kg.

ff.).

u.

Sverrirs Sverrirs Kirche

von

Storni

K. M a u r e r

57 ff., 1872)' Kg.

(1848 ebd. I I ) , des Christenrechts

Arnes

Das

(Bartsch Studien 1877,

üb. d. sog.

Studien

I

Christenrecht

I I 3 ff. Z o r n 1875.

V

Christenrecht

Germanist.

Vorl.

in Norwegen

895 ebd.

sog.

Staat

H e r t z b e r g

Sprogl. hist. S t u d i e r för U n g e r 189 ff.

§ 2. A u c h bei d e n S c h w e d e n b i l d e t e d a s K i r c h e n r e c h t einen T e i l der l a n d r e c h t l i c h e n L a g h s a g a ; bis ins 14. J h . b e g a n n e n die L a n d s c h a f t s r e c h t e d u r c h w e g m i t e i n e m kirkiubalker oder kristnubalker. Dag e g e n f e h l t den d ä n i s c h e n Lands c h a f t s r e c h t e n ein eigener k i r c h e n r e c h t -

E.

K n i t t e r s c h e i d

St. Peter

zu Metz.

S i e b e r n BauCassel d.

III.

deutschen

Die

M e t z 189S.

Abteikirche S. 170 ff.

u. Kunstdenkmäler

M a r b . 1907. Plastik

12

S. 45. ff.

H.

im

Regbez.

Bode

Gesch.

A.Haupt.

Cista, gr. xiaTTj, bei den Griechen u n d R ö m e r n in v e r s c h i e d e n e r B e d e u t u n g : ' K o r b , K i s t e , K a s t e n ' . A r c h ä o l o g i s c h ein zylindrisches, hohes G e f ä ß aus Bronze, auch aus Holz, Elfenbein und K n o c h e n . Zwei T y p e n sind z u u n t e r s c h e i d e n : I. eine spezifisch g r i e c h i s c h e Form oder ihre D e r i v a t e , b ü c h s e n a r t i g auf e l e g a n t e n Füßen, mit figurengeschmücktem Deckel,

CISTERNEX—CODANUS

SINUS

379

in Anlehnung an die bis in die mykenische Russisch-Polen, Belgien, Frankreich) im und vormykenische K u l t u r zurückgehende j Gebiete der Hallstatt-Kultur und in ihrem pyxis. Ihre berühmtesten Vertreter sind Einflußkreise, die übrigen in ganz Italien, die ficoronische Cista aus Präneste und eine ; hauptsächlich aber in den Nekropolen Oberandere pränestinische in Karlsruhe, beide italiens. Also den Germanen sind sie als latinische Arbeiten des 4.—3. Jhs. v. Chr. Fremdlinge bekannt gewesen. — Zeit: Die Dieser Typus k o m m t nordwärts der Alpen Fabrikation beginnt etwa zugleich mit den nicht vor. j eisernen Hallstatt-Schwertern im 7. J h . v. K. Schumacher Eine pränestinische \ Chr. und dauert bis ins 5. Jh., als schon Ciste in Karlsruhe 1S91. D e r s. Antike die Produkte der keltischen La TeneBronzen in Karlsruhe Nr. 256— 267. F r. ! K u l t u r in Süddeutschland b e k a n n t werden. j Bchn Die ficoronische Cista, Lpzg. 1907. j P a u 1 y - W i s s 0 w a Realenzyklopädie I I I 2 j Sp. 2591 ff.

Einzelne, wie die im Kanton Tessin, sucht man zeitlich noch weiter ;'herunterzurücken. —• H e r k u n f t : wahrscheinlich oberitalisch (Bologna, Venetien). Ihre Grundform mag auch auf ägäische oder phönikische Vorlagen zurückgehen.

2. g e r i p p t e " C i s t e n aus Bronze, eine italische Form (cista a cordoni), eimerartig mit flachem Boden und H a n d haben oder HenZ a n n o 11 i Scavi keln. Ihren Namen della Cerlosa 233 ff. h a t sie von horiRud. V ir ch o w zontalen, umlauZfEthn. 1874 Verfenden Rippen hdlg. 1 4 1 . March ese 1 1 i Correspbl. (Abb. 56). Die d. dtseli. anthrop. zylindrische W a n Ges. 25. 1894, 103 dung besteht aus —105. W. G r e m einem Blechstreip l e r Schles. Vorfen, der zusammenzeit V I I 1899, i95ff. gerollt und längsR e i n c c k e Altbayr. sei tig vernietet ist; Monatsschrift III der Boden ist als 130 f. K . S c h u Abb. 56. Cista: Gerippte Cisten von Lorzendorf, Kr. macher Pränest. besonderes Stück Namslau. Schles. Museum, Breslau. Nach Schles. VorCiste 4Öff. U n d s e t angenietet. Die zeit V I I 1899 S . 1 9 5 , Fig. 1, 2. Eisen in NordRänder sind vereuropa 299 ff. W i 1 1 e r s D. röm. Bronzeeimer s t ä r k t durch Ringe aus anderem Metall, v. Hemmoor 99 ff. P a u l y - W i s s o w a Realin Oberitalien aus Kupfer oder Eisen, encyclopädie I I I 2 Sp. 2604—2606. in den Ostalpen aus Blei, vereinzelt Hubert Schmidt. sonst auch durch eine Blechröhre. Zwei Cistemen haben sich bisher nur auf der Gattungen sind zu unterscheiden: a) die Altenburg b. Niedenstein (s. d.), der Burg ältere, „weitgerippt", mit zwei horizontal des alten Mattium, gefunden, und zwar angenieteten festen H a n d h a b e n in der obegenau in der Form wie in den Römerlagern ren H ä l f t e der W a n d u n g ; b) die jüngere, bei Haltern und Oberaden a. d. Lippe: ,,enggerippt" mit beweglichen Doppelhengroße rechteckige, flache, mit starken Holzkeln, die über der Mitte in angenieteten, bohlen ausgekleidete Becken, f ü r die doppelten Osenattachen eingehenkt sind. — Edw. Schröder den Namen putens — p i i t t — Verzierung: in den zwischen den Rippen Pfütze wohl mit Recht erschlossen h a t . liegenden Zonen vielfach einfache BuckelS. Brunnen 5reihen oder schräge Bandmuster, beide geZtschr. f. hess. Gesch. 1909. trieben, oder gestanzte Vögelchen. — VerSchuchhardt. breitung: Von 172 Exemplaren sind 52 nördlich der Alpen gefunden worden (ÖsterCodanus sinus ist nach Mela 3, 31. 54 reich -LTngarn, Schweiz, Deutschland, nördein großer Meerbusen an der Küste Gerlich bis Prov. Posen und Westpreußen, maniens super Albim; darin die Insel 25*

380

COMES—COTINI

Codanovia (recte Scadirtavia); bei Plinius NH. 4, 96 heißt es über ihn: mons Saevo ibi immensus nec Ripkaeis iugis minor immanem ad Cimbrorum usque promunturium efficit sinum, qui Codanus vocatur, refertus insulis quarurn clarissima est Scadinavia incompertae magnitudinis. Es handelt sich also um die O s t s e e . Mit dem Namen Codanus scheint zusammenzuhängen der von Danzig: Gdansk aus *Küdan-iskü; vgl. K o s s i n n a IF. 7, 287. R. M u c h AfdA. 27, 117. R Much.

Comes (§ 1) ist im mittelaltert. Deutschland die gewöhnliche lat. Bezeichnung für ' G r a f ' (s. d.). § 2. In angelsächsischen Urkunden wird als c. in der Regel nicht ein staatliches Organ bezeichnet, wie der fränkische Graf, sondern der Gefolgsmann, zuerst der gesid, dann der cyninges fegn. Häufiger erscheint in latein. Versionen der Gesetze der ealdorman als comes wie auch als dux, während hier der ßegn zum thainus wird. § 3. Einen comes kennt das skandinavische Gebiet dem Namen nach nicht. Der Sache nach sind dem fränkischen c. zu vergleichen der schwedische Icenshcerra, der dänische umbuzman, der norwegische syslumad'r (s. Beamte); in lateinischen Texten wird gelegentlich das skandinavische iarl mit c. wiedergegeben. Chadwick stitutions 318 ff. 166 ff. 1 7 6 5 .

Studies on Anglo-Saxon InS t u b b s Constit. History 5 6 V.Schwerin.

Confessio, lat. eigtl. 'Bekenntnis', Grab eines Märtyrers unter dem Altar einer Kirche, woraus die Krypta sich entwickelte; oft über den Kirchenboden emporragend und mit Öffnungen nach der Kirche versehen, die transennae 'Wanddurchbrechungen' genannt werden. — Hildesheimer Dom, 9. Jahrh. Regensburg, Altar von S. Stefan, 9. Jahrh. — S. a. Altar, Krypta. D e h i 0 und v. B e z o l d I 137.

I 98.

Enlart A. Haupt.

Corvey, Klosterkirche, karolingischer Bau von 815, der Westbau um 1000 umgebaut; das Schiff noch später erneuert. Die Vorhalle aus Resten der karolingischen errichtet (korinthische K a pitelle mit Gebälkkropf), hat ein Ober-

geschoß, das sich als Empore gegen die Kirche öffnet, während die untere Vorhalle völlig kryptenartig abgeschlossen erscheint. An der Westseite in den Ecken zwei Türme, die einen hochgeführten Zwischenbau einfassen. 211. 459. Dehio und v. B e z o l d F. S e e s s e l b e r g D. frühmittelalterl. Kunst d. germ. Völker 105. A . Haupt.

Cotini. Das wichtigste Zeugnis für diesen Volksstamm ist Tacitus Germ. 43, das uns über seine kelt. Nationalität unterrichtet: Cotinos Gallica . . . . lingua coarguit non esse Germanos, et quod tributa patiuntur. Sie sind den benachbarten Quaden und Sarmaten (Jazygen) schatzpflichtig und betreiben Bergbau auf Eisen. Dies vor allem hat die Feststellung ihrer Sitze ermöglicht, die nach Müllenhoffs überzeugender Darlegung DA. 2, 324 ff. an der obern Gran zu suchen sind. Ihre Eisengruben sind als st57)pu>puyaX w ' e schon Ulfilas oatjioviov seiner Vorlage mit unholpö wiedergibt (Luk. 8, 27). So verdrängten die Unholden die Holden, und man begriff unter jenen zugleich mit die heidnischen Götter. § 2. Der Dämonenglaube ist der Niederschlag der verschiedenen Perioden religiösen Lebens aus der Zeit, da man die ganze Umgebung mit Lebewesen und Geistern erfüllt dachte, da man in jedem bewegenden Ereignis des Lebens die Tätigkeit dieser Geister sah, aber auch aus der Periode, da man die Seelen Verstorbener in der Natur und den Ereignissen wähnte. Eine Grenze zwischen den mythischen Erzeugnissen der Naturbeseelung und des Seelenglaubens läßt sich nicht ziehen; beide gehen oft ineinander über oder nebeneinander her. Auch h a t die m y t h e n bildende K r a f t des Volkes nie aufgehört, sondern noch in späteren Zeiten unter dem Einflüsse der Natur, der Ereignisse, des Seelenglaubens neue D. nach Analogie der überlieferten geschaffen. § 3. J e nachdem die Naturerscheinung, der Gegenstand, das Ereignis Furcht oder Behagen im Menschen erweckte, entstanden Dämonen, vor denen man Furcht oder an denen man seine Freude hatte. Die einen sind hauptsächlich durch die Riesen, die Trolle, vertreten, die andern durch die Elfen (s. d.). Man kann nicht sagen, daß jene bös gewesen wären — eine Scheidung zwischen guten und bösen D. in ethischer Beziehung kannten die Germanen nicht —, sondern auch sie werden oft harmlos, j a den Menschen gegenüber sogar wohlwollend gedacht (vgl. Rübezahl). Anderseits können auch die elfischen D. zürnen, wenn sie von Menschen beleidigt werden. Der Eindruck, den die Gegenstände oder

387

I die Vorgänge im Leben und in der Natur i auf den Menschen machten, bestimmte | die Gestalt, die er den D. gab: bald sind sie übernatürlich groß, bald außergej wohnlich klein. Spielt die Vorstellung | von Seelengeistern in den Dämonen glauben, so haben sie normale menschliche Größe. Nicht selten haben die D. auch Tiergestalt: als Wolf oder Hund, als Adler i oder Schwan, als Wiesel oder Maus u. dgl. begegnen sie. Wie sie Furcht oder ; Behagen- erzeugt hat, so hat sie die P h a n tasie gepflegt; in Märchen und Sagen haben sie Eingang gefunden, und öfter j h a t sie das Volkslied besungen. § 4. Überall schalten und walten in der Umgebung des Menschen die D. Sie verfolgen Sonne und Mond, sie leben auf Bergen und in Meeren, zeigen sich in den Wolken, den Wäldern, in den Saaten der Felder, hausen im Sturm, Hagel und Gewitter, im Nebel, in der Luft, wohnen in Flüssen, im Hause, auf Schiffen, in Bäumen und Sträuchern. Hier verlangen sie ihre Spenden, durch die der Mensch entweder ihr Wohlwollen zu erhalten oder ihren Zorn zu besänftigen sucht. Denn wie der Mensch sind auch sie mit menschlichen Eigenschaften und Neigungen behaftet, nur daß diese bei ihnen einseitig und in außergewöhnlichem Maße vorhanden sind. Oft h a t sie die Volksdichtung ganz von ihrem Ursprungsgebiet losgerissen, und nur das Typische, das den einzelnen Klassen eigen ist, h a t man ihnen gelassen. Vgl. auch Riesen, Troll, J>ursen, Mi3gar9ormr, Mond- und Sonnendämonen, Korn-, Wald-, Wasser-, Wolkendämonen, Tierdämonen, Zwerge, Hausgeister, Kobold, Heinzelmännchen, Wichtelmännchen, Holden, Perchten, Seelenglauben. E. Mogk. Dänen. § 1. Von D. erfahren wir u n t e r diesem Namen nicht vor der Völkerwanderungszeit. Prokop, der erste, der sie nennt, erzählt uns BG. 2, 15 von einer Abteilung der Heruler, die (im J. 5 1 2 ) von der Donau nach „ T h ü l e " zu den Gauten auswanderte. Sie zieht erst durch die Länder der Sklavenen, dann durch Ödland, bis sie zu den Warnen — das sind hier nach Prokops Sprachgebrauch die Sachsen — k o m m t : as&'o'j? OYj VM

388

DÄNEN

Aotvojv sövr, -apäopajxov . . . . ivilsvös ts Prokop schon diesseits des Meeres kennt. sc (üxsavov d'ir/.'i;j.Evo'. svauTt'K/.ovTi. Es kann Doch spricht er von mehreren dän. nicht zweifelhaft sein, daß Prokop hier an Stämmen. Es kam offenbar in dem einen Durchzug duch dän. Gebiet dachte, eroberten Gebiet ganz wie im ags. Engdas daher damals bereits Jütland in land zunächst zur Bildung kleiner Reiche, sich begriff. aus deren Vereinigung, die man mit dem ersten Vordringen des Volkes nicht ver§ 2. Weiter zurück weist die Nachricht wechseln darf, erst der dän. Staat erdes Jordanes Get. 23: Dani, ex ipsorum wuchs. Als dessen Kern betrachtet die (der Scandzae cultores oder der Suetidi ?) einheimische Uberlieferung Seeland samt Stirpe progressi, Herulos propriis sedibus den sich unmittelbar anschließenden Inseln expulernnt. Sie bezieht sich wahrscheinlich Falster, Laaland und Möen, ein Gebiet, auf ein Ereignis, das in der zweiten Hälfte das sie unter dem Namen Withesleth, des 5. Jhs., etwa 470, stattgefunden hat d. i. 'Weitfeld' — vgl. anord. sletta, dän. (s. Heruler). Vorher werden wir die slette, norw. dial. auch slett, schwed. slätt D. in Skandinavien allein suchen, und 'Ebene' —• zusammenfaßt. Als späterer bei der Spärlichkeit und Lückenhaftigkeit Erwerb wird vor allem Jütland bezeichnet, älterer Berichte über dieses Land dürfte und wie Seeland in Hleidr bei Roeskilde, es uns nicht wundern, wenn sie in ihnen so hatte dieses in Jaellinge seinen eignen übersehen sind. Vielleicht aber verbergen alten Königssitz. Daß gerade hier auf sie sich nur unter anderm Namen. In jütländischem Boden auch Volksreste aus Betracht kommen vor allem die AOCJXUDVS;, vordän. Zeit zurückgeblieben und danisiert die Ptol. II 11, 16 zusammen mit den I VjTat, Gauten, im Süden der l'y.avota worden sind, zeigen forterhaltene Namen wie Thyland, Himberland, Angel, Amrum, ¡.uyÄ7j ansetzt. Aor-r/.üovc? ließe sich allerSchwabstedt, Harsyssel, vielleicht auch dings aus got. gadauka 'Hausgenosse' deuten, kann aber leicht auch aus Aav/.uuvsc, ( Vendsyssel; s. Teutonen, Kimbern, Angeln, Acryxitovs; verderbt sein und mit anord. ! Ambronen, Eidersueben, Harudes, WanVor allem aber müssen wir den dgkk f. aus *dankö, 'Vertiefung in der Land- I dalen. schaft' zusammenhängen, wonach es sich j Namen Jüten selbst von einem ursprünglich anglofries. Stamme herleiten; s. diese. um 'Tal- oder Tieflandbewohner' handeln würde. § 5. Die Südgrenze der D. gegen die nordalbingischen Sachsen wurde die Eider; § 3. Auf diesen Sinn führt noch bestimmin ihrem Quellgebiet und weiter ostwärts ter der Name Dänen, Dani, mhd. Tene, schied sie ein ausgedehnter Urwald, dän. aisl. Danir, ags. Dene. Über seine E t y Jarnwith, holstein. Isarnhö genannt, von mologie s. B u g g e , Arkiv 5, 125 ff. 6, den wendischen Wagriern. Doch war der 236 f., dessen Ausführungen aber mehrGrenzstrich südlich von Angeln nur facher Berichtigungen bedürfen. Auch schwach besiedelt, was auch der Name N o r e e n s Annahme (Upsala Univ. für ihn, Sinlendi in Thegans vita Hludov. ärsskr. 1907 Progr. 2, 5), daß der Name 25, Sillende bei Alfred, Orosius 1, 1, 12, der D. erst aus Danmark gebildet sei und d. i. 'weites, wüstes Gelände' ( M ö l l e n daß dies ,,skog pä jämn och fast m a r k " h o f f DA. 5, 123) ausdrückt. An seiner bedeute, trifft kaum das Rechte. VerBesiedlung waren von A n f a n g an Sachsen mutlich besagt Dänen ganz dasselbe wie beteiligt. Über die Bevölkerung der Westags. denscete d. i. 'Bewohner von Tälern küste Schleswigs und der ihr vorlagernden oder Ebenen' und gehört mit ags. denu Inseln s. Nordfriesen. 'Tal', mnd. dane, denne 'Niederung' zusammen, vielleicht auch mit deutsch Auf skand. Boden gehörte Schonen, Tenne. Die D. können nach ihren Sitzen Blekinge und Halland zu Dänemark; doch in den Niederungen des südlichen Schweden waren vor ihrem Vordringen über Sund so benannt sein. und Belt vielleicht auch noch Teile der Smaalande im Besitz der D. Dänisch § 4. Ihre Ausbreitung von dort aus über wurde ferner Bornholm, die Heimat der die Inseln und über Jütland muß sehr Burgunder. rasch vor sich gegangen sein, wenn sie

D A N I E L IN D E R

LÖWENGRUBE—DARLEHEN

389

führen gleich dem idg. ä; die Ableitung § 6. Dazu kamen dän. Niederlassungen ersetzten sie durch das anklingende *awjö~ und Staatengründungen in der Wikinger'Au', eig. 'das Wässrige', wobei der Name zeit, von denen die auf englischem Boden, zugleich zum Fem. wurde. So entstand wo sie zuerst 787 auftreten, die wichgerm. *Dönawjö-, Nom. *Dönawi. Hieraus tigsten sind und bekanntlich zu zeitweiliger erklärt sich die als got. überlieferte Angliederung ganz Englands an DäneForm Aouvctßi?, Aouvaütj d. i. Dünawi, Beeinflussung der mark und starker \ wulfil. *Dönawi\ ebenso stellen mhd. Tuonengl. Sprache geführt haben. Auch in Irland sind neben Norwegern '• ouwe, bair. öst. Doana regelrechte Entwicklungen dar. Nhd. sollte man Tunau D. zur Stelle; und wesentlich aus D. — aber unter norw. Führung — b e s t e h e n die „Nor- | erwarten; woher die Lautgestalt von Donau stammt, bedarf noch der A u f mannen", denen 911 die Normandie überklärung. Slav. Dunavü, Dunaj beruht lassen wurde. Eine dän. Kolonie endlich auf der germ. Namenform, ist die Jömsburg auf der Insel Wollin. M ü l l c n h o f f DA. 2, 362 ff. B r e m e r Ethn. IOI (835) ff. und die dort j angegebene Literatur. O l r i k Danmarks Helte- | diglning 1, 18 ff. R . Much. !

Daniel in der Löwengrube, im frühen MA. häufig dargestellt, insbesondere auf bronzenen Schnallen der Burgunder: Daniel mit aufgehobenen Armen (betend?) zwischen zwei aufrechten Löwen, die mit dem K o p f e auf dem Boden zu stehen scheinen und ihm die Füße lecken. Symbol der Auferstehung Christi. Ob das Steinrelief im Wormser Dom, Daniel und zwei Löwenköpfe unter zwei Bogen, Daniel in lacu leonum bezeichnet, vor das Jahr IOOO zu setzen ist, scheint zweifelhaft.

! ! ! j :

B a r r i e r e - F I a v y Les arts industriels chez les peufles barbares de la Gaule, Paris 1901, S. 318 f. F o r r e r Reallex. S. 185. B e s s o n L'art barbare dans l'ancien diocese de Lausanne-, Lausanne 1899, S. 92 f. | A . Haupt.

Danuvius — dies,- nicht Danubius, ist die richtige Namenform — heißt im Altertum die Donau in ihrem Oberlauf. Der Name wird von G l ü c k Die kelt. Namen bei Caes. 91 f. mit ir. däna 'fortis', viel ansprechender von S o b o l e v s k y Arch. f. sl. Philol. 27, 240 ff. mit awest. dänu, osset. don 'Fluß' zusammengebracht. Ob der Name von Haus aus kelt. ist, oder schon von den Kelten vorgefunden, läßt sich nicht feststellen. Im Unterlauf hieß der Strom bei den Thrakern Istros aus älterem *Isros, mit Isara verwandt. Den Germ, ist die Donau und ihr Name zuerst mehr als vorübergehend bekannt geworden, als sie nach der kimbr. Wanderung über den Main gegen ihr Ouellgebiet vordrangen. Sie konnten das ä vom kelt. Dänuvios noch zu ö weiter-

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R. Much.

Darlehen. § i. Das D., ahd. analehan, nord. län, ein 'Leihen, Entleihen' (Ahd. Gl. I 605 38) später vorzüglich von Geld („Schuld" i. e. S.), doch, namentlich in der ersten Zeit, auch von anderer Fahrnis (z. B. Getreide), bildete mit dem Commodatum Ein Geschäft und war wesentlich Realvertrag. Die Schuld ging auf Rückgabe gewöhnlich von gleichen Sachen. Als Verzugsstrafe begegnet in Formeln das Duplum. Im Gegenstand des Gelddarlehens sind das Kapital („Hauptgeld") und die Zinsen („Wucher", ahd. wuohhar 'Ertrag, Gewinn') zu unterscheiden. Durch die Zinsen bekommt das Geschäft im Gegensatz zur „ L e i h e " den Charakter der Entgeltlichkeit. Die Beredungen über Kapital und Zinsen hatten verschiedenen juristischen Charakter. Aus ihnen setzte sich das zinsbare Darlehen zusammen, obwohl dieses, wie im westnord. Recht, sprachlich als einheitlicher (Pacht-)Vertrag erscheint. § 2. Ursprünglich kam dem Darlehen keine nennenswerte p r a k t i s c h e Bedeutung zu. Der dürftige Verkehr forderte es wenig, und die Kirche hat das Z i n s e n n e h m e n als sündhaft verboten. Das Verbot richtete sich zunächst an die Geistlichkeit, die am Geldgeschäft hervorragend teilnahm, dann an die Laienwelt. Die fränkische Reichsgesetzgebung machte den kirchlichen Standpunkt zu dem ihrigen, während das westgotische Volksrecht Zinsen im Falle des Erreichens der beabsichtigten Vorteile erlaubte, die Gesetzgebung anderer germanischer Staaten aber

DATIERUNG

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daran ü b e r h a u p t nicht A n s t o ß n a h m . W i r stoßen auf gesetzliche Zinstaxen und auf G e s t a t t u n g von Zinseszinsen. In D e u t s c h l a n d genossen die Juden, welche später im G e l d g e s c h ä f t in den Vordergrund traten, entgegen der Lehre und den B e strebungen der Kirche eine A u s n a h m s stellung auf Grund der Erteilung besonderer Zinsenprivilegien („Wucherprivileg"). Tatsächlich haben aber auch Christen Zinsen genommen. Abgesehen v o n gewinnsüchtiger Ausbeutung, die sich vielfach einschlich, wurde eben unter dem D r u c k e der wirtschaftlichen E n t w i c k l u n g die gewinnbringende A n l a g e von K a p i t a l mehr und mehr als Bedürfnis empfunden. Mit der Zeit suchte und fand man auch Mittel und Wege, um das kirchliche Zinsv e r b o t z u umgehen, und die Kirche selbst trug diesem Bedürfnisse durch Zulassung v o n A u s n a h m e n Rechnung. v. A m i r a NOR. I 660 ff. II 797 ff. v. B e 1 o w Art. Wucher im Wörtcrb. d. Volkswirtsch.

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j j i 1 !

II J . B r u n n e r Grunds, d. DRG. 4 208. Funk Gesch. d. kirchl. Zinsverbales (1877).

Gierte DRAA

Grunds, d. DPR. II

159 ff.

527.

Hübner

G r i ni m

DPR.

538 f.

N c vi in a n n ! Gesch. d. Wuchers in Deutschland (1865). ' Schau 1) D. Kampj gegen den Zinswucher (1905). ! S c h r ö d e r DRG.5 307 f. 477. S i c k e 1 Be- j strafung d. Vertragsbruches 76. Stobbe Z. I v.

I n a m a DWG.

Gesch.

d.

deut.

Vertragsr.

670 ff.

275 f.

S t o b b c -

L e h m a n n DPR. III 112, 345 ff. 1'. Puntschart. D a t i e r u n g . Datiert wird bei den german. Völkern im MA. auf 5 verschiedene A r t e n : Die a l t r ö m i s c h e Datie§ 1. r u n g s w e i s e. Bei dieser haben in jedem Monate 3 T a g e einen bestimmten Namen. Der I. M o n a t s t a g heißt in allen Monaten Kalendae• (oder Calendae, abgekürzt Kai. oder Cal.). Weiter heißt in den Monaten Januar, Februar, April, Juni, August, September, November und Dezember der 5. T a g Nonae (abgekürzt Non.) und der 13. T a g Idus {Id.), wogegen in den andern Monaten der 7. T a g Nonae und der 15. Idus heilßt. Von diesen Tagen aus wird dann z u r Bezeichnung der übrigen T a g e rückwärt s gezählt und zwar nach römischer Sitte so, 'daß man den Termin, v o n dem an gezählt w i r d , mitrechnet. Der T a g vor einem j e n e r Termine wird durch pridie

bezeichnet, der T a g nach einem derselben zwar nicht offiziell, aber immerhin häufig durch postridie. Man datiert nun in der Regel so, daß zwar auf die Frage wann ? Kalendae, Nonae und Idus im A b l a t i v stehen, die andern Tage dagegen durch ante diem (a. d.), die entsprechende Ordnungszahl und Kalendae, Nonae oder Idus im A k k u s a t i v bezeichnet wurden. Demnach heißt Idibus Martiis am 15. März, ante diem lertium Nonas Maias am 5. Mai, pridie Kalendas Januarias am 31. Dezember. Der S c h a l t t a g lag auf dem T a g zwischen dem Feste der Terminalia, das auf a. d. VII Kai. Martias, und dem des Regifugiums, das a. d. VI Kai. Martias fiel. Die im Gemeinjahr übliche Benennung der T a g e wurde dadurch nicht verändert. Diese beiden Feste behielten auch im Schaltjahr dieselbe Tagesbezeichnung, dagegen bekam der Schalttag (dies intercalaris) den Namen dies bis VI Kai. Martias. Er entspricht mithin nicht dem 29., sondern dem 24. Februar unsrer Zählung. Ein Schaltjahr wird wegen der Bezeichnung des Schalttages als bis sextus: annus bissextus oder annus bissextilis genannt. Die Reduktion der T a g e des römischen Kalenders auf unsre Datierung geschieht am bequemsten mittels der nebenstehenden von Bröder herrührenden Tabelle. Diese Datierungsart ist, soweit man lateinisch schrieb, im Mittelalter trotz ihrer Unbequemlichkeit niemals ganz abgekommen, während freilich die Formel der Datierung mehrfach variiert wurde. Ausdrücke, wie Caput Kalendarum oder dies Kalendarum für den I., oder in die Iduum für den 13. oder 15. eines Monats u. dgl. sind nicht selten. Gar nicht selten sind auch grobe Irrtümer in der Datierung, da die Schreiber sich nicht immer in dem römischen Kalender ordentlich auskannten. § 2. Die D u r c h z ä h l u n g der Tage. Sie ist orientalischen Ursprungs, war lange Zeit im Abendlande gar nicht beliebt und ist erst durchgedrungen, seit man sich auch in der Prosa der modernen Sprachen zu bedienen begann. Die C o n s u e t u d o BODO§ 3. n i e n s i s. Bei dieser Datierungsweise wird der Monat in zwei Hälften geteilt,

DATIERUNG

hfl ^

März, Mai, Juli,

Januar, August,

April, Juni,

Oktober

Dezember

September, November

C 0 ^ I

2

26

27 28 29

3° 31

Calendae VI V ? ante Nonas IV III Pridie Nonas Nonae 1—1 1—1

3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 •9 20 21 22 23 24 25

391

VI - ante Idus V IV III Pridie Idus Idus XVII XVI XV tr> XIV CT} G XIII XII XI S a X } 03 xJ I C IX ¿i & VIII c pö nj < VII ante Nonas

III

Pridie Nonas Nonae VIII VII VI • ante Idus V IV III Pridie Idus Idus XIX XVIII XVII XVI Vi +J XV XIV „ c Ä ° XIII x) S XII 1 g 'S -D XI C X ^ tio IX G rt "O Vili 4J VII VI V IV III Prid. Calend. (des folgenden Monats)

so daß die erste Hälfte in 3 l t ä g i g e n Monaten die T a g e v o m I. bis zum 16. einschließlich, in 30tägigen die v o m 1. bis zum 15. und im Februar je nachdem die v o m 1. bis zum 14. oder 15. u m f a ß t . Dieser erste Teil des Monats heißt mensis intrans, introiens, Ingrediens, incipiens, initians oder introitus mensis. Die Tage dieser Monatshälfte werden einfach vorwärts gezählt, und man datiert also z. B. quarto die introitus mensis Martii oder quinto die intrante mense Novembri oder secundo die intrantis Novembris. Die zweite Hälfte des Monats heißt mensis exiens, stans, restans, astans, adstans, instans oder in exitu, in fine mensis. In dieser zweiten Monatshälfte werden die Tage rückwärts gezählt. Es heißt also z. B. in einunddreißigtägigen Monaten der 18. dies XIV exeunte mense; in dreißigtägigen

1a n

Nonas

Pridie Nonas Nonae VIII VII VI • ante Idus V IV III Pridie Idus Idus XVIII XVII XVI XV XIV rt c XIII ¡3 S •3 £ XII S c XI X f oís IX ä £> e "o Vili VII S VI 2V IV III Prid. Calend. (des folgenden Monats)

Februar

Calendae IVI t I I I 1a n ^onas Pridie Nonas Nonae VIII VII VI • ante Idus V IV III Pridie Idus Idus XVI XV t/i XIV rt XIII Í5 XII XI V} rt X . "O c IX Vili VII VI V IV III Pridie Calendas Martias.

heißt so der 17. und im Februar der 15. resp. 16. Der vorletzte T a g heißt immer penultimus dies, der letzte ultimus. Octavo die restantis mensis Maii heißt also am 24. Mai, VIII die exitus mensis Septembris a m 23. September, die XII exeunte Februario bezeichnet im Gemeinjahr den 17. Februar, im Schaltjahr den 18. Um die Tage der zweiten Monatshälfte auf unsere Zählung zu reduzieren, addiert man I zu der Zahl der Tage des betreffenden Monats und subtrahiert die Tageszahl des mensis exiens. Der Rest gibt das gesuchte Monatsdatum. Die Consuetudo Bononiensis ist in Italien aufgekommen und begegnet in Deutschland seit der zweiten Hälfte des 12. Jhs. in deutschen Urkunden eben so häufig, wie in lateinischen. Seit dem A n f a n g des 15. Jhs. beginnt sie allmählich zu verschwinden.

392

DEKANAT—DENAR

§ 4 . Die N e n n u n g d e s F e s t e s , Für die deutsch-englischen Verhältnisse auf das der T a g fällt, o d e r d i e d e s s. Ständewesen, Gefolgschaft. K. Lehmann. Wochentages unter Angabe d e s F e s t e s , vor oder nach dem er Denar. § I. Ursprünglich eine römische fällt. Dies ist die volkstümlichste Art Silbermünze, die seit 268 v. Ch. im Werte der Datierung und im ganzen Mittelvon 10 A ß ausgemünzt wurde und diesen alter in Gebrauch gewesen. Vgl. FestNamen beibehielt, trotzdem sie im J. zeiten. 1 144 v. Ch. auf den Nennwert von 16 A ß § 5. Die Datierung nach dem sog. j erhöht wurde. Der Denar wurde auch in C i s i o j a c u s ist erst um die Mitte des j der Kaiserzeit bis gegen die Mitte des 13. Jhs. aufgekommen und kann daher 3. Jhs. n. Ch. als Silbermünze, doch mit stetig abnehmendem Münzfuß geschlagen. hier übergangen werden. In den Münzwirren seit K . Gallienus ging § 6. Über die A r t der Bezeichnung der der Silberdenar in der Weißkupferprägung J a h r e s. Zeitmessung. F. R ü h l . unter, sein Name wurde auf eine kleine Kupfermünze übertragen, von welcher Dekanat. Als Unterabteilungen der zu Anfang des 6. Jhs. schon 6000 und mehr Diözese (s. d.) und Zusammenfassung mehrerer Pfarreien erscheinen im west- ' Stück (bis zu 8400!) auf den Solidus, also fränkischen Reich seit dem 9. Jh. decaniae I auf ein Goldstück gerechnet wurden, das unter dem vom Bischof ernannten decanus, | 4-55 g schwer sein sollte und etwa 12 1 der später auch als archipresbyter (ruralis) Mark Goldwert hatte. bezeichnet wird. Jünger ist der decanus § 2. Eine verbreitete aber irrige Meinung im Kapitel (s. d). geht dahin, daß der mittelalterliche Denar H i n s c h i i i s Kirchenrecht I I 269 fl. S c h ä f e r oder Pfennig, der bei den Franken unter Pfarrkirche u. Stifte im deutschen MA. 155 ff. den Merowingern als Silbermünze erW e r m i n g h o i f Kirchenverfassung 182. j scheint, mit dem silbernem Denar der v . Schwerin. ; Römerzeit irgend zusammenhängt. Nur Demokratie. Insofern der Freienstand J der Name ist beiden gemeinsam, der ein grundsätzlich einheitlicher war, kann | Ursprung aber völlig selbständig. Entman von einer demokratischen Verfassung standen ist der fränkische Denar erst unter im Norden reden. Aber das Beispiel Islands Chlotar II. oder Dagobert I. vermutlich beim zeigt, daß in Wahrheit die angesehenen GeÜbergang von der Gold- zur Doppelschlechter die Macht besaßen, denen gegenwährung. Er war anfänglich eine Wertüber der kleine Mann eine politische Rolle münze von etwa 1.36 g Feinsilber, von nicht spielte. Eine völlige „Gleichheit vor welcher 40 Stück auf den leichteren Golddem Gesetz" findet sich zu dem nicht einmal solidus von 20 Siliquen Schwere = 3.78 g für die Freien, da zumal in öffentlich-rechtoder etwa io 1 /^ Mark Goldwert gerechnet licher Beziehung die Grundeigentümer wurden. gegenüber Pächtern und „losen Männern" § 3. Es wurde schon erwähnt, daß der privilegiert sind. Von jeher haben wohl fränkische Denar zu Beginn wahrscheinunter den Vollfreien die Mitglieder alter Gelich in der Schwere von 1.36 g ausgeschlechter, zumal die Stammgutsbauern, die bracht wurde, das würde eine Aufzahl vornehmste Bedeutung besessen und den von 240 Stück aufs römische Pfund von eigentlichen Kern der Volksgemeinde ge327.45 g ergeben. Er ist aber später bildet. Insofern ist die älteste Verfassung leichter geworden. Das erweisen nicht bloß richtiger als aristokratische anzusehen. Seit Münzfunde aus dem Anfang des 8. Jhs., dem Großkönigtum tritt eine Änderung (Bais, Cimiez) und die mit dem Durchdurch Entstehung des A m t s a d e l s ein, schnittsgewicht der darin enthaltenen Dedessen Mitglieder freilich aus A b k ö m m nare übereinstimmenden Angaben zweier lingen der alten Kleinkönige und später sehr alter metrologischer Tabellen (Hultsch auch der bäuerlichen Aristokratie sich MRS. II 127, 130), welche den denarius rekrutieren und die sich dann genossenGallicus auf I scripulum oder 6 Siliquae, schaftlich organisieren. S. Ständewesen. d. i. auf rund 1.14 g (1.137) veranschlagen,

DENKMÄLER sondern auch die Vorschrift Kg. Pippins, nach welcher höchstens 22 Schilling oder 264 Denare aufs Pfund gehen sollten, was auf ein Denargewicht von 1.24 g Silber führen würde.. Unter Karl d. Gr. war die Aufzahl wieder mit 240 Stück aufs römische Pfund bestimmt (s. die Aufzeichnung aus frühkarolingischer Zeit bei Hultsch MRS. II 139: „ J u x t a Gallos vigesima pars unciae denarius est et duodeeim denarii solidum reddunt . . . duodeeim unciae libram X X solidos contin entern reddunt . .") Dies Pfund wurde jedoch zur Rechnungsmünze, als man später jeweils 240 Pfennige ohne Rücksicht auf ihr Gewicht als Pfund Pfennige (s. d.) bezeichnete. Das Gewicht der Pfennige Karls d. Gr., das erst 1.36 g betragen sollte, wurde später erheblich — auf mehr als 1.50 g — erhöht, und diese Erhöhung scheint unter den Karolingern angedauert zu haben. Genauere metrologische Untersuchungen stehen noch aus, Dannenberg deutsche Kaisermünzen I 14, der für die Karolinger Pfennige ein Normalgewicht von I.53 g annimmt, erklärt, daß dieses von den ältesten deutschen Pfennigen bis etwa zum Tode K. Ottos I. (973) noch ziemlich treu eingehalten wurde, für die Folgezeit lasse sich aber noch keine Regel aufstellen. § 4. Der von den Frankenkönigen eingeführte Denar hat sich mit der Ausdehnung ihres Reiches über ganz Mitteleuropa verbreitet und war durch Jahrhunderte die Haupt-, oft sogar die einzige Münze, die geschlagen wurde. Die fränkischen Kapitularien unterscheiden den vollwichtigen und unverfälschten, den denarius merus et bene pensans, vom verfälschten denarius mixtus. § 5. Denarius hat schließlich die allgemeinere Bedeutung Geld oder Münze angenommen. In diesem Sinne wird vom denarius aureus = Goldstück gesprochen, ist der Ausdruck auch in den Wortschatz romanischer und slavischer Völker eingedrungen. Ich verweise auf das italienische danaro und das Slovenische denar, die beide schlechtweg Geld bedeuten. § 6. Die Bezeichnung denarii novi, antiqui, veteres und das entsprechende neue und alte Pfenninge im Deutschen H o o p s , Reallexikon.

I.

393

ist oft nicht auf das Alter, sondern nur auf das Vorhandensein oder den Mange von Münzeigenschaft zu beziehen. Den. novi sind dann überhaupt Pfennige, die n o c h Münzeigenschaft haben, den. antiqui, veteres haben diese durch Münzverrufe (s. d.) s c h o n e i n g e b ü ß t , gelten also nicht nach ihrem Nennwert (s. d.), sondern bloß als Metall oder Ware. G r o t e Münzstudien I 139. H i l l i g e r Hist. V t j s . 1900, 161; 1903, 175. 453; 3904, 519; 1907, 1; 1909, 161. H u l t s c h Griech. u. r'om. Metrologie 2. Aufl. 234, § 36 ff. v. L u s c h i n Münzk. 213 ff. 238 Anm. D e r s. Der Denar der Lex Salica: S. B. d. k. Akad. Wiss. Wien 1910, Bd. 163. A. Luschin v. Ebengreuth.

Denkmäler. Das älteste uns bekannte Denkmal eines Germanen, das Reiterdenkmal Theoderichs d. Gr., wurde 801 von Karl d. Gr. nach Aachen gebracht und dort im Palastbezirk, wohl bei der Münsterkirche, aufgestellt. Es war allerdings gewiß von griechischen Künstlern gefertigt, vielleicht gar nicht einmal ursprünglich für den ostgotischen König geschaffen, sondern für ihn aus einem Standbild Kaiser Zenos zurecht gemacht. Von einem zweiten Denkmal Th.s in Neapel, in Mosaik hergestellt, erzählt Prokop. Andre Denkmäler dieser Art scheinen bei den Germanen sonst zu fehlen, —• will man nicht die zwei steinernen Bildsäulen im Stuttgarter Museum, „altgermanische Götzenbilder" genannt, als solche ansehen. Die eine (aus Wildberg) scheint in der T a t eine Art Priester in langem Gewand, mit breitem herabhängendem Gürtel und wallendem Haupthaar und Bart darzustellen, die andre (aus Holzgerlingen) eine jüngere, weniger markante Gestalt. Bei beiden aber scheint eher die Erinnerung an bestimmte Menschen, denn eine Götterdarstellung beabsichtigt. Von Resten von rohen Holzbildsäulen wie von andern steinernen wird auch sonst erzählt. Zu den Denkmälern gehören auch die skandinavischen „ B a u t a steine" (s. d.). — Anderseits mögen be- . sondre Steinhäufungen im Norden, denen der Charakter des Grabmals fehlt, als Erinnerungsmale zu betrachten sein. Die Irminsäule im Dom zu Hildesheim, dort als Siegestrophäe aus der Heidenzeit aufgestellt, könnte ebenfalls ein solches sein, 26

394

DEUTSCHE BAUKUNST

wenn auch anderseits gesagt wird, es sei darunter ein uralter heiliger Baum zu verstehen gewesen. S t e p h a n i Wohnbau II 172. H. G r i m m Das Reiterstandbild des Theoderich zu Aachen. Berlin 1869. F o r r e r Reallex. 83. A. Haupt.

Deutsche Baukunst. § i. Die germanische Baukunst des ersten Jahrtausends ist ihrer Natur nach zunächst eine anspruchslose, sich auf den nordischen Sitten und Anforderungen aufbauende; die sich durch veränderte politische Stellung und veränderten Wohnsitz ergebenden steigenden Ansprüche führen folgerichtig eine bedeutsame Umgestaltung und Förderung herbei. Ursprünglich eine reine Holzbaukunst, als welche sie durch die Sprache (Wulfilas) wie durch die Beschreibung zeitgenössischer südlicher Autoren (Caesar, Plinius, Tacitus, Priscus, Venantius Fortunatus usw.), nicht minder durch die nationale Poesie (Beowulflied) erwiesen ist, geht sie langsam zur Steinbaukunst über, jedoch ohnedieZeichen ihrer Herkunft aus dem Holzbau zu verlieren. Vielmehr gestaltet sich das Formale des Steinbaus in diesem Sinne ganz erheblich um. Zugleich aber macht sich der Einfluß der antiken und altchristlichen Bauten in den eroberten ¿'romanischen Ländern stark geltend, nicht minder in der Folgezeit die Wirksamkeit orientalischer, insbesondere anatolischer, syrischer, überhaupt kleinasiatischer Künstler und anderer Sendboten der Levante (Geistlicher) hauptsächlich über Byzanz her. Kleinasiatische Namen finden sich denn zahlreich auf altchristlichen Kunstdenkmalen, vor allem an Grabmälern und Särgen bis in den fernsten Westen (Trier, England). § 2. Für die Erkenntnis der germanischen Baukunst kommen zuerst die sehr spärlichen noch erhaltenen, fast nur kirchlichen steinernen Bauwerke im Norden bis etwa IOOO, mehr noch aber, weil zahlreicher, die älteren germanischen im Süden in Betracht. Also die der Goten in Italien und Spanien, der Langobarden in Italien, der merowingischen Franken und derBurgunden in Gallien, — der Wandalen in Nordafrika, sodann die angelsächsischen in SüdwestEngland und die fränkisch-karolingischen

in Deutschland und Frankreich; zuletzt die in der Schweiz zerstreuten verschiedenartigen kleinen Bauwerke, teilweise burgundischen oder langobardischen, nachher merowingischen und karolingischen Charakters. § 3. Die Bauwerke zerfallen ihrer Art nach in kirchliche und profane. Erstere sind naturgemäß weitaus die zahlreichsten. Von großen Kathedralen sind freilich nur solche in Italien hier zu nennen (insbesondere die ostgotischen in Ravenna), diese übrigens völlig auf dem Standpunkt der gleichzeitigen byzantinisch-orientalischen Baukunst stehend. In S p a n i en sind aus der alten westgotischen Zeit nur einige ganz kleine Kirchen (Baños, erbaut v o m K . Reccesvinth A. 661, S. Pedro de Nave, 8. Jhd.) zu erwähnen, dagegen eine Reihe solcher besonders in Asturien aus der ersten Zeit der spanischen Monarchie, die freilich noch rein westgotisch ist. Namentlich die Kirchen aus der Zeit Alfonsos II. el Casto (792—842) und seiner nächsten Nachfolger; genannt seien die Kirchen in und um Oviedo, vor allem Santullano zu Oviedo, S.Adriano zuTuñon, S. Miguel de Lino, S. Miguel de Escalada. § 4. Von kirchlichen Bauwerken der L a n g o b a r d e n kommen hauptsächlich S. Sepolcro zu Bologna (umgebaut durch K . Liutprant um 740), S. M. della valle zu Cividale (erbaut um 760 durch Herzogin Peltrudis), letzteres mit reicher Innenausstattung in Stuck, und S. Salvatore zu Brescia (erb. von K . Desiderius um 770) in Betracht. In F r a n k r e i c h sind die Merowingerbauten meist verschwunden ; es bleiben zu nennen: Taufkirche S. Jean zu Poitiers (7. Jh.) ; Kirche zu Germignydes-Prés (erb. v. Bischof Theodulf 806) ; die Kirchen zu Cravant, Suèvres, Savenières, basse-oeuvre zu Beauvais (987), die Krypten zu Orléans, Soissons, Jouarre, Grenoble. § 5 . In D e u t s c h l a n d die Vorhalle des Klosters zu Lorsch (774); die Pfalzkapeilen zu Aachen (796—804), Nymwegen (seit 774), Altötting (9. Jh.), die Basiliken S. Peter zu Metz (8. Jh.), zu Seligenstadt (828), Michelstadt (815), Höchsta. M., Mittelzell auf Reichenau (9. Jh.) ; die Stiftskirche zu Gernrode (961); der Westbau der Stiftskirche zu Essen (10. Jh.); S. Pantaleon zu

DEUTSCHE Köln; sodann die fränkischen Umbauten am Dom zu Trier; die Kapellen zu Goldbach (am Bodensee) und zu Helmstedt, beide noch karolingisch; die Ludgerikrypta zu Werden a. d. R. (816); die WipertiKrypta zu Quedlinburg (um 920?); von Zentralbauten die Michaeliskirche zu Fulda (822); der „alte T u r m " zu Mettlach (10. Jh.); die quadratische Peterskirche zu Werder a. d. R. (Anf. io. Jhs.). § 6. In der S c h w e i z stammt die kleine Kirche zu Disentis vielleicht noch aus dem 7. Jh., die zu St. Pierre de Clages aus dem 8. od. 9.; die zu Münster (Graub.) aus karolingischer Zeit; wohl auch der Westbau der zu Payerne. In E n g l a n d scheinen nur ganz kleine anspruchslose kapellenartige Kirchen aus der Angelsachsenzeit vorhanden, von denen Bradford-on - Avon, Barton -on -Humber, Escomb, außerdem der Turm der Kirche zu Earls Barton, genannt seien (vgl. Engl. Baukunst). Die Wandalenbauten in Nordafrika sind noch nicht erforscht. § 7. Von nichtkirchlichen B a u w e r k e n sind das Grabmal Theoderichs (f 526) zu Ravenna, die Reste seines Palastes daselbst, zu Verona und zu Terracina, die Königshalle zu Naranco in Nord-Spanien, sodann die Pfalzbauten Karls d. Gr. und seiner Nachfolger zu Aachen, Nymwegen, Ingelheim zu nennen. Von Wohnhäusern aus jener Zeit das graue Haus zu Winkel im Rheingau und der Frankenturm zu Trier; von Befestigungen der Merowingische Römerturm zu Köln. § 8. Diesen Steinbauten gegenüber waren die Städte des I. Jahrtausends ebenso wie die Bauten auf dem Lande so gut als vollständig aus Holz erbaut, wovon uns Spätlinge, wie Hildesheim, Goslar ua. noch vor Augen stehen, in denen sich manche uralte Tradition aus jener Frühzeit bis tief ins 17. Jh. fortlebend zeigt; das wird durch Schriftsteller wie Venantius Fortunatus (um 560) bestätigt. Nicht minder muß es zahlreiche kirchliche wie öffentliche Bauten aus Holz gegeben haben, wofür die in den ältesten Beispielen noch aus dem I i . oder 12. Jh. stammenden skandinavischen Stabkirchen uns Muster sein können. Zugleich ein Beweis dafür, daß großartige und künstlerisch bedeutsame Bauwerke in

SCHRIFT

395

diesem Material überhaupt möglich, wie in germanischen Gauen wirklich ausgeführt worden sind. Hölzerne Kirchen zur Merowingerzeit, sogar Kathedralen in reicher Ausbildung und Ausstattung, z B . mit vergoldeten Holzdecken (so zur Tours, Straßbürg), werden übrigens erwähnt (Gregor v. Tours). A. H a u p t Älteste Kunst, insbes. die Baukunst d. Germanen. Leipzig 1909. D e Iii o u. v . B e z 0 1 d Kirchl. Bank, des Abendlandes. Stuttg. 1892. R . D 0 h m e Gesch. d. deutsch. Baukunst. Berlin 1887. H o l t z i n g e r Die altchristl. u. byzantin. Baukunst. Stuttg. 1899. A. V e n t u r i Storia dell; arte in Italia. Mailand 1905. 0. M 0 t h e s Bauk. d. Mittelalters in Italien. Jena 1S84. C a t t a n e o L'architettura in Italia del VI al IX secolo. Venezia 1887. F. D a r t e i n Etude sur V architecture lombarde. Paris 1865—82. G. R i v o i r a Le origini dell' architettura lombarda. Milano 1905. H ü b s c h D. altchristl. Kirchen. Karlsruhe 1863. H. G s e 11 Recherches archéologiques en Algérie. Paris 1893. E n 1 a r t Manuel d'archéologie française. Paris 1902. M. d e C a u m o n t Abécédaire ou rudiments d!archéologie. Paris 1857. D e r s. Bulletin monumental. Paris 1835 S t e p h a n i D . älteste deutsche Wohnbau. Leipzig 1902. A. v. E s s e n w e i n Der Wohnbau. Stuttg. 1892. D e r s. Die Kriegsbaukunst. Stuttg. 1883. Piper Burgenkunde. München 1895. P. L e h f e l d Die Holzbaukunst. Berlin 1889. T h. K u t s c hm a n n Roman. Baukunst u. Ornamentik. Berlin 1898. M o h r m a n n u. E i c h w e d e Germ. Frühkunst. Leipz. 1906. J u n g h ä n d e l u. G u r 1 i 1 1 D. Baukunst Spaniens. Dresden 1890. J . C a v e d a Gesch. d. Baukunst in Spanien. Stuttg. 1858. Monumentos arquitectónicos de España. Madrid 1850 fi. Neue Folge. Madrid 1905 ff. J. R e d o n d o Iglesias primitivas de Asturias. Oviedo 1903. J. M. Q u a d r a d o Asturias y Leon. Barcelona 1885. P u i g y C a t a f a l c h , F a 1 g u er a , G o d a y y C a s a 1 s U arquitectura romanica à Catalunya. Barcelona 1909. L a m p é r e z y R o m e a , historia de la arquitectura cristiana española. Madrid 1908. A. Haupt.

Deutsche Schrift. Die Schrift, in der die altdeutschen und mittelhochdeutschen Literaturdenkmäler auf uns gekommen sind, steht ganz im Banne der Alleinherrschaft, welche die lateinische Schrift das ganze Mittelalter hindurch ausübte. Im Gesamtcharakter wie in den T y p e n der einzelnen Buchstaben gleicht sie völlig der lateinischen Schrift der betreffenden 26*

396

DEUTSCHE SCHRIFT

Zeitabschnitte; und nur in schüchternen A n f ä n g e n und allmählich setzen sich V e r suche durch, Sonderformen der nationalen Sprache zu graphischem Ausdruck zu bringen. V o n der lateinischen Schrift ist daher der A u s g a n g für eine Darstellung der G e s a m t e n t w i c k l u n g zu nehmen. In den ältesten erhaltenen Denkmälern tritt uns diese entgegen als reine Majuskelschrift in den Formen der sogenannten K a p i t a l e , einer Schrift, die in ihren Grundformen zunächst zu epigraphischem Zweck, zur Meißelung in Erz und Stein, bestimmt war. Bei ihrer Übernahme auf die Schreibstoffe literarischen Gebrauchs (Papyrus, Pergament) hemmte sie das Schreiben durch das f a s t ausschließliche Überwiegen der geraden Linien und die Notwendigkeit steter E c k e n und damit neuen Ansetzens im Ductus. Eine Schrift von solcher Schwerfälligkeit war für die Zwecke der Geschäftschrift des täglichen Lebens nicht zu gebrauchen. Daher begegnen früh Versuche der Vereinfachung und Umformung, über die wir aber bis vor 30 Jahren sehr schlecht unterrichtet waren. Zwischen den halbverkohlten Herculanensischen Papyri und den R a v e n n a t e r P a p y r i des 6. Jhs. k l a f f t e eine Lücke von einem halben Jahrtausend, und die Siebenbürgischen W a c h s t a f e l n in ihren von Maßmann enträtselten Sonderformen schienen überhaupt außerhalb der allgemeinen Schriftentwicklung zu stehen. In diese Frage haben die P a p y r u s f u n d e der letzten Jahrzehnte volle K l a r h e i t gebracht. In fast lückenloser Reihe liegen uns j e t z t vielfach genau datierte Beispiele lateinischer Schrift v o m I. bis 6. Jh. vor. Sie lassen uns den Vereinfachungsprozeß als einen allgemeinen und einheitlichen erkennen. A u s der K a p i t a l e h a t sich die Kapitalkursive abgesondert. A l s um die W e n d e des 3. u. 4. Jhs. die K a p i t a l e für literarische Zwecke zu den dem P a p y r u s und Pergament viel besser angepaßten Rundformen der Unziale umgestaltet wird (vgl. T a f e l 25 Schriftprobe 1 und 2 die U m f o r m u n g v o n D E H M Q T V ) , da zweigt sich von dieser Schriftart sofort auch eine teilweise v e r änderte Kursive, die jüngere oder Unzialkursive ab. (Vgl. Taf. 25, 3; Weiteres b; A r n d t - T a n g l Schrifttafeln z. Lat. Pa-

läographie, T e x t zu Taf. 32 A.) Die wesentlichen Grundsätze der K u r s i v e sind: Vereinfachung der Buchstabenformen und, wenn möglich, Verbindung der Buchstaben miteinander, zum Teil um den Preis starker U m f o r m u n g der Buchstaben, die diese Verbindung eingehen. So entstand eine Schrift, die dem Bedürfnis raschen Schreibens in ungleich höherem Maße genügte als K a p i t a l e und Unziale, an Deutlichkeit aber meist viel zu wünschen übrig ließ. W i e fast jede K u r s i v e alter und neuer Zeit trägt sie den Charakter einer Schrägschrift. A u c h der Grundsatz gleicher Höhe der Buchstaben wird von ihr mehr und mehr durchbrochen; schon treten die Oberlängen von b d h l, die Unterlängen von g p q deutlich hervor und der Übergang v o n der Majuskel- zur Minuskelschrift (vom 2-Linien- zum 4-Linienschema) bereitet sich vor. Man hat diese K u r s i v e daher früher auch als Minuskelkursive bezeichnet. In dieser Schrift wurden vor allen die Urkunden ausgefertigt, bei denen man im ganzen früheren MA. auf Schönheit der Schrift oder Gefälligkeit der Ausfertigung keinen W e r t legte. Auf literarisches Gebiet griff sie nur als die Schriftart der Briefe über, während eigentliche literarische T e x t e nur in ganz seltenen Ausnahmefällen in reiner K u r s i v e überliefert sind. Als Buchschrift blieb vielmehr die Unziale für das 5. bis 8. Jh. vorherrschend. Daneben bildeten sich aber Misch- und Übergangsformen heraus, die sich wieder auf zwei Grundformen zurückführen lassen: I. W a h r u n g des Grundcharakters der Unziale, aber Zugeständnisse an die K u r s i v e durch Übergang zum 4-Linienschema, Vereinfachung und U m f o r m u n g einzelner B u c h staben, auch wohl Übernahme vereinzelter Buchstaben-Verbindungen — es ist die Schriftart der Halbunziale — (über sie eine Monographie T r a u b e s zu erwarten in den Vorlesungen u. Abhandlungen, deren Veröffentlichung aus seinem Nachlaß bisher in 2 Bänden vorliegt) und 2. Beibehaltung des kursiven A l p h a bets, aber Streben nach größerer Regelmäßigkeit und Deutlichkeit, unter U m ständen auch kalligraphischer Ausbildung im Sinne der Buchschrift (hierfür das

DEUTSCHE bekannteste Beispiel die Schrift von Montecassino). Die Bezeichnung „ N a t i o n a l schriften", die Mabillon für diese Gruppe aufgebracht hatte, ist als irrig und unhaltbar zu verwerfen. (Nachweis von Traube, Paläograph. Anzeigen, Neues A r c h i v 26, 229 ff. und Perrona ScottorUm, Sitzungsberichte der Münchener A k a d e m i e phil. hist. K l . 1900, S. 472—474.) Ich habe dafür die Bezeichnung „ K u r s i v - M i n u s k e l " vorgeschlagen. (Steffens Lat. Paläographie: Halbkursive.) Durch diese Misch- und Ubergangsformen kam zwar Mannigfaltigkeit in die Schrift, aber auch ein unstetes Tasten, das sich im 8. Jh. zu einem Ringen nach einer neuen Schriftart verdichtete. (Bestes Beispiel der berühmte Codex Lucensis des Liber Pontificalis, Faks. bei Mommsen, M. G. Gesta R o m a norum pontificum I. B. T a f . 1.) Diese Bestrebungen, die unabhängig voneinander in verschiedenen Gebieten zu einer Einigungsbewegung drängten, wurden am Hofe Karls d. Gr. gegen Ende des 8. Jhs. in der Karolingischen Schriftreform, der Schaffung der Karolingischen Minuskel, zusammengefaßt, die dann in der ersten Hälfte des 9. Jhs. ihre kalligraphische Vervollkommnung in der Schreibschule von St. Martin in Tours fand (vgl. Taf. 25 Nr. 4). Dieser strenge K a n o n beherrschte von da ab, auch die Urkundenschrift bald zum Anschluß zwingend, die lateinische Schrift auf lange Zeit hinaus in einer Weise, wie sie im frühmittelalterlichen Schriftwesen bis dahin nicht erhört war. Aus dieser Zeit aber stammen die ersten erhaltenen Aufzeichnungen altdeutscher Schriftdenkmäler, und daß auch die , B a r bara et antiquissima carmina, quibus veterum regum actus et bella canebantur", deren Aufzeichnung K a r l d. Gr. anordnete (Einhard V i t a K a r o l i M. c. 29), in dieser höfischen Minuskel geschrieben waren, kann keinem Zweifel unterliegen. So erklärt sich der gänzlich unselbständige Anschluß an das Monopol der damaligen lateinischen Schrift, während Jahrhunderte früher Wulfila für seine Bibelübersetzung unter wesentlichem Anschluß an dieFormen des griechischen Majuskel-Alphabets doch eine freiere Bahn eingeschlagen hatte, die auch das Angelsächsische für seine

SCHRIFT

397

ersten erhaltenen Aufzeichnungen sofort sich zu sichern wußte. In solchem Z u sammenhang ist vielleicht doch auch der bei Gregor von Tours Historia Francorum V 44 (MG. SS. rr. Meroving. I 237) überlieferte Versuch des Königs Chilperich, 4 neue Lautzeichen für das lange 0 und für ae, the und uui einzuführen, nicht bloß als das Kuriosum zu fassen, als das er in der Geschichte des Schriftwesens bisher allein dargestellt wird, wesentlich wegen der allerdings närrischen Ausführungsbestimmung, daß die vorhandenen Handschriften getilgt und unter Beachtung dieser Bestimmungen umgeschrieben werden sollten. Das W e s e n t liche ist doch die Erkenntnis, daß zur Darstellung bestimmter germanischer L a u t formen die überlieferten lateinischen Schriftzeichen nicht ausreichten, eine Erkenntnis, der Otfrid in der lateinischen W i d m u n g seines Evangelienbuchs an den Erzbischof Liutbert v o n Mainz deutlichen Ausdruck verlieh, die sich aber in Karolingerzeit nur in sehr beschränkter Weise durchzusetzen vermochte (Hildebrandslied: p = w, Wessobrunner Gebet * = ga\ v g l . T a f . 25, 5 u. 26, 6). In dieser fränkischen Minuskel sind das Hildebrandslied, das Wessobrunner Gebet, die Merseburger Zaubersprüche usw. geschrieben. F a k s i m i l e s : ältesten

deutschen

a. M.

M.

E n n e c c e r u s

Sprach-Denkmäler,

Die

Frankfurt

1 8 9 7 ; 44 L i c h t d r u c k - F a k s i m i l e s

auf

18

T a f e l n , H i l d e b r a n d s l i e d bis O t f r i d s

Evangelien-

b u c h , ohne T e x t u n d E r l ä u t e r u n g e n .

Taf. 34—36

und

beste

umfangreichste

Schriftproben

N i d h a r d H i s t o r i a e I I I c. 4 — 6 burger

Eiden.

P e t z e t

mit den

und

Deutsche

Schrifttafeln

schrilten

der Kgl. Hof- u. Staatsbibl.

aus

Straß-

G l a u n i n g

des 9 . — 1 6 . Jhs.

aus

Hand-

in

München;

auf 5 A b t e i l u n g e n b e r e c h n e t , bisher

erschienen

Abteil.

I.

9 . — 1 1 .Jhs.

Althochdeutsche

Schriftdenkmäler

M ü n c h e n 1910.

des

15 L i c h t d r u c k t a f e l n

m i t T e x t u n d eingehenden E r l ä u t e r u n g e n . A b t e i l . II.

Mittelhochdeutsche

Schriftdenkmaler

1 1 . — 1 4 . J a h r h s . 15 T a f e l n , München 1 9 1 1 .

des Bei

T a f . V I (Muspilli) ist die A n n a h m e , d a ß dieser altdeutsche T e x t eigenhändig v o n K .

Ludwig

d.

D e u t s c h e n herrühren k ö n n e , so w e n i g b e g r ü n d e t , d a ß sie n i c h t e i n m a l als V e r m u t u n g m e h r v o r g e t r a g e n w e r d e n sollte.

Sicher ist n u r das eine,

d a ß die E i n t r a g u n g v o n einer H a n d g e s c h r i e b e n ist, die a u ß e r h a l b s c h u l m ä ß i g e r Ü b u n g s t a n d . K ö n n e c k e

Bilderatlas

2. Gesch. d.



deutschen

39«

DEUTSCHE

SCHRIFT

| In den lateinischen T e x t e n schon im 12. I Jh. sehr stark zugunsten v o n £ oder eineiner n a c h "wissenschaftlichen G e s i c h t s p u n k t e n | fächern e zurückgedrängt und in den romaund auf G r u n d u m f a s s e n d e r K e n n t n i s der H a n d nischen Gebieten seit dem A n f a n g , auf schriften und Drucke vorgenommenen A u s w a h l . | deutschem Boden seit der Mitte des 13. Jhs. •— P o p u l ä r e W i e d e r g a b e der w i c h t i g s t e n S c h r i f t j ganz verschwindend, sind ae und oe in den d e n k m ä l e r in den L i t e r a t u r g e s c h i c h t e n von : Denkmälern der mhd. L i t e r a t u r des 13. Jhs. K ö n i g u n d L e i x n e r. häufig gebraucht. Der Akzent war D a ß in den lateinischen T e x t e n der ! auch der lateinischen Schrift des früheren U r k u n d e n die deutschen Namen in F o r m ! MA.s nicht unbekannt, in der karolinund wohl auch Schrift den Schreibern \ gischen Minuskel besonders über einsilbiin deutschen oft Schwierigkeiten machten, sehen wir ! gen Wörtern g e b r a u c h t ; T e x t e n w a h r t er sich v o m Hildebrandsaus der A n w e i s u n g eines St. Galler Formelbuchs, MG. Formulae ed. Zeumer p. 404: i lied an fortgesetzt eine ungleich stärkere Die lateinische Schrift war „ S c r i b e nomina eorum (sc. testium) per : Stellung. n o m i n a t i v u m casum, quia obliqui a u t I von früher Zeit an im B e s i t z eines reichlichen Kürzungssystems. F ü r deutsche nimium ex sua proprietate decidunt a u t T e x t e ließ sich davon verhältnismäßig latine declinationi non c o n g r u u n t . " wenig gebrauchen; doch sind immerhin Neben der fränkischen Minuskel beeine ganze Reihe v o n K ü r z u n g e n aus dem h a u p t e t e im 9. und 10. Jh. nur noch die lateinischen Vorbild einfach übernommen. irisch-angelsächsische Schrift eine gewisse So der einfache K ü r z u n g s s t r i c h , im L a t e i n Sonderstellung. In ihren Schriftformen hauptsächlich für m, in deutschen T e x t e n ist uns aus St. Gallen das fränkische für m und häufiger noch f ü r n (en) gebraucht. T a u f g e l ö b n i s überliefert. Häufige V e r w e n d u n g fanden die K ü r z u n g e n A u c h in der Zeit v o m 9. bis 13. J h . = ur (häufigst in „berg" und folgen die deutschen Schriftdenkmäler | S = er und „bürg"), t> = ber schon im Hildebrandsallen Veränderungen der lateinischenSchrift lied, zu einer Zeit, da diese K ü r z u n g in und machen mit ihr den beginnenden lateinischen T e x t e n noch recht selten w a r ; Gothisierungsprozeß mit. A l s Sonderun v o n dem lateinischen ,,unde" (in = inde) erscheinungen lassen sich nur folgende auf die deutsche Partikel übertragen (vgl. feststellen: Buchstaben, die im L a t e i n T a f . 2 7 , Nr. 1 2 — 1 5 ) . Ganz vereinzelt steht zwar bekannt, aber nur in höchst seltenen im Wessobrunner Gebet die V e r w e n d u n g Lehnwörtern aus dem Griechischen geder aus den Tironischen N o t e n genommenen b r a u c h t w a r e n , erhalten durch das Deutsche erst rechtes H e i m a t s r e c h t : k, 3 (im Gebiet ! K ü r z u n g ~1 = et für die deutsche Copula baiuvarischen Schriftwesens schon seit dem : (ahd. «w/i'Taf. 25, Nr. 5). Diese Ü b e r t r a g u n g 9. Jh. in Sonderform; v g l . T a f . 26, Nr. 7). j war möglich geworden, weil zu A u s g a n g Seit dem 11. Jh. wird als jüngster B u c h - I des 8. Jh. die Kenntnis, daß es sich stabe des A l p h a b e t s das w eingebürgert | hierbei um Buchstaben-, nicht um ZeichenT a f . 26, Nr. 9), nachdem man sich bis ; schrift handelte, schon stark im E n t In anderen dahin hauptsächlich mit uu, daneben J schwinden begriffen war. w, uv (DM) und beginnenden Ligaturen • deutschen T e x t e n hat dieser Versuch Nach Die häufige von beiden beholfen h a t t e (ganz vereinzelt j ahmung nicht gefunden. K ü r z u n g durch übergeschriebene V o k a l e in der „ E x h o r t a t i o ad plebem christiunter E r g ä n z u n g eines r ist in der a n a m " , Petzel und Glauning Taf. 2, und in Handschrift des der Münchener Hs. des Heliand, ebenda I Hohenems-Münchener Taf. 7, hu = w; v g l . Tc.f. 26, 8); allgemein I Niebelungenlieds so gut wie regelmäßig durchgedrungen ist w erst im 12. Jh. Zur | für sprach verwendet (Taf. 27, Nr. 12). selben Zeit bürgern sich zur Bezeichnung Die Minuskel ist dem Schicksal, dem der Diphtonge die übergeschriebenen B u c h schließlich alle Kunstformen anheimfallen, staben ein (Taf. 26, Nr. 10). Wesentlich nicht entgangen. Sie verfiel der b e w u ß t e n verschieden v o n der lateinischen Schrift Künstelei; die immer weiter fortgesetzte gestaltet sich der Gebrauch von ae und oe. S c h a f t b r e c h u n g führte zu jener aus Spitzen A 7 aüonallittcratnr.

2. A u f l .

M a r b u r g 1895. Z a h l -

reiche, w e n n a u c h meist k u r z e S c h r i f t p r o b e n in

DEUTSCHE und Ecken zusammengesetzten gitterartigen Schrift, die wir wegen der unleugbaren Wechselbeziehung zu den allgemeinen K u n s t f o r m e n als die g o t h i s c h e bezeichnen, auf die in der zweiten H ä l f t e des 13. Jhs. K o n r a d von Mure die vielleicht beste Benennung scriptum psalterialis prägte (Taf. 27, Nr. 14). Missale und Chorbücher sind regelmäßig in dieser A r t geschrieben, daneben Zier- und Prunkhandschriften; unter den deutschen weist die Jenaer Liederhandschrift diese Schrift auf. (BesteCharakterisierung der gothischen Minuskel : W i l h e l m M e y e r Die Buchstabenverbindungen der sog. gothischen Schrift, Gött. gel. Abhandl. N. F. I. B d . , 1897.) Eine so verkünstelte und in der Gestaltung der Buchstaben mühsam und umständlich gewordene Schrift war für die Zwecke allgemeinen Bedarfs nicht zu gebrauchen. Daher zweigte sich j e t z t genau zu der Zeit, da der Gothisierungsprozeß der Minuskel deutlich in Erscheinung tritt, zu A n f a n g des 13. Jhs. eine neue K u r s i v e ab, die an Stelle der Brechung und A b eckung einfache gerade Striche setzte und wieder auf möglichste Verbindung der Buchstaben bedacht war. Sie wurde die Schrift der Konzepte, Register, Rechenbücher u. dgl., aber auch zu literarischen Aufzeichnungen dann gebraucht, wenn das Bestreben nach rascher Niederschrift im Vordergrunde stand. W i e im Schriftwesen des früheren Mittelalters bildeten sich auch jetzt zahlreiche Mischformen zwischen den beiden E x t r e m e n aus. Sie im einzelnen in ein bestimmtes S y s t e m zu bringen, ist k a u m möglich; man kann höchstens darnach scheiden, ob der Grundcharakter der Minuskel oder der K u r s i v e überwiegt. V o n den deutschen literarischen T e x t e n ist nur eine Minderzahl in der anspruchsvollen „ P s a l t e r schrift" der Jenaer Liederhandschrift (vollständige A u s g a b e in Lichtdruckfaksimiles von K . Müller, J e n a 1896) geschrieben (vgl. die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, vollständige Ausgabe in Lichtdruckfaksimiles v o n Amira, Leipzig 1902). Die überwiegende Mehrzahl b e w e g t sich in den tibergangsformen der schlichteren Minuskel. (Faksimiles in den Mon. Germ. D e u t s c h e Chroniken B. I, II, V I und in den auf Roethes Anregung von der

SCHRIFT

399

Berliner A k a d e m i e herausgegebenen Deutschen Texten des Mittelalters, denen regelmäßig Lichtdrucktafeln der für die A u s g a b e berücksichtigten führenden Handschriften beigefügt sind.) Die K u r s i v e k o m m t teilweise in Urkunden, viel stärker aber in Konzepten, Amtsbüchern, Registern zur Verwendung. Faksimiles deutscher Königsurkunden des Spätmittelalters in den Kaiserurkunden in Abbildungen Lief. V , V I , V I I I , I X , X I . Urkunden, aber auch andere deutsche Texte in S i c k e 1 Monum. graphica medii aevi Fase. II, III, I V , V I , V I I , I X , X . Urkunden, Register u. K o n zepte des 15. Jhs. bei A r n d t - T a n g l Schrifttafeln III. Heft, hier auch die Hammelburger Grenzweisung v. J. 777. Gute Proben von A u f zeichnungen in schlichter Geschäftsschrift bei T h o m e n Schriftproben u. Handschriften des 14.—16. Jhs., Basel 1888, 2. Aufl. 1908, und bei C h r 0 u s t Monumenta palaeographica medii aevi I. A b t . II 9, 10, I I I 10 und besonders die Lieferungen X I I , X I I I , X X I V .

Die U m f o r m u n g einzelner Buchstaben durch die K u r s i v e m a c h t sich auch in solchen T e x t e n geltend, die nicht kursiv, d. h. im Bestreben nach Verbindung der B u c h staben geschrieben sind. So erhalten b, d, h, l, p mehr und mehr die Schleifen der Ober- und Unterlängen und damit die f ü r die Folgezeit entscheidende U m g e s t a l t u n g (Taf. 27, Nr. 15). F ü r das 14. Jh. charakteristisch ist die doppelte B a u c h u n g des a (Taf. 27, Nr. 13). Zu selbständigem Gebrauch wird j e t z t auch die Nebenform des halben r angewendet, die in der lateinischen Schrift durch viele Jahrhunderte nur für die Ligatur or gebraucht war (Taf. 2 7, Nr. 15). Die ursprünglich scharfen Unterschiede der einfachen Mittellängen i, u, n, m wurden durch die A b e c k u n g und Gitterung der gothischen Schrift wie durch die alle Unterschiede aufhebenden Striche der K u r sive immer stärker verwischt. Daher stellte sich genau zu der Zeit, da der Gothisierungsprozeß stärker in Erscheinung trat, die Notwendigkeit bestimmter Unterscheidungszeichen heraus. Diese werden zuerst s e i t d e m 12. Jh. (in unteritalischen Fürstenurkunden schon regelmäßig gegen A u s g a n g des 11. Jhs.) in der Form von Strichen über dem D o p p e l - j angebracht, seit etwa 1200 auch schon über dem einfachen i, w o f ü r

400

DEUTSCHE

gegen die Mitte des 14. Jhs. neben den noch lange beibehaltenen Strichen zuerst der uns geläufige ¿ - P u n k t tritt. Bei dem u tritt aus denselben Gründen ebenfalls seit dem 12. Jh. erst vereinzelt und bald häufiger die v - Form ein, später auch w, das gerade in deutschen Texten vielfache A n w e n d u n g findet. Im 15. Jh. treten dann die Unterscheidungszeichen des u hinzu. Bei u und 0 nimmt das übergeschriebene e in der Vereinfachung der K u r s i v e in der Form zweier schräg übereinandergestellter Striche die Gestalt an, die zu den modernen Umlautformen ü und ö führt. Eesonders starke Umgestaltung erfahren durch G o t h i k und K u r s i v e die j e t z t immer häufiger verwendeten Majuskelbuchstaben (brauchbar für den zunehmend stärkeren Gebrauch der Majuskeln und ihre Gestaltung bis zum 13. Jh. die Greifswalder Dissertation von V o r n h o 1 t Die Initialen u. Großbuchstaben der latein. Buchschrift in ihrer Entwicklung bis zur Fraktur Schrift, 1907). Es ist gerade hier oft nicht leicht, aus dem Beiwerk von Zierstrichen und Schnörkeln die entscheidende Grundform herauszuschälen. Eine solche Gruppe sind C, G, G, £>. Bei C ist entscheidend der reine Halbbogen, bei 6 der unerläßliche Mittelstrich, die „ Z u n g e " , bei G die Fortsetzung nach rechts oben, bei G die Überdachung. B und R sind durch gleichartige Zierformen so nahegerückt, daß Verlesungen häufigst vorkommen. Entscheidend ist hier wieder bei B die trotz allem Beiwerk zum H a u p t s c h a f t zurückkehrende B a u chung, bei R der nach rechts auswärts strebende Arm. Das unziale M h a t gotische Spitzbogen erhalten und wird weiter noch durch V e r k ü m m e r u n g des ersten und übermäßig große Gestaltung des zweiten Bogens umgestaltet. Zu Verwechslungen geben auch N und H Anlaß. Schon in der karolingischen Majuskel verbindet der Mittelstrich des N nicht mehr die Enden, sondern die Mitte der Hauptschäfte; dieser Mittelstrich legt sich später ganz horizontal und gibt dem N die Gestalt des kapitalen H, so daß dieses geradezu das Feld räumte und sich in der Gestalt des unzialen H (h) weiterentwickelte. Eine Besonderheit deutscher T e x t e des Spätmittelalters bildet die Konsonanten-

SCHRIFT häufung. Weizsäcker sah in ihr wesentlich nichts anderes als Schreiberlaune, j a er glaubte sie — seltsam genug — zum Teil sogar auf bloße Gewinnsucht der Schreiber zurückführen zu können, die auf solche Weise mehr Seiten und Bogen hätten füllen wollen, nach denen sie bezahlt wurden. In der Einleitung zum I. B der „Reichstagsa k t e n " h a t er ein ganzes S y s t e m weitgehender Vereinfachung deutscher T e x t e für die Edition ausgearbeitet, das in dieser monumentalen Publikation auch durchgeführt wurde und auch sonst bei Ausgaben deutscher T e x t e durch Historiker A n k l a n g und N a c h a h m u n g gefunden hat. (Revision der Einzelvorschläge Weizsäckers, aber Beib e h a l t u n g des „ S y s t e m s " durch Beckmann in der Einleitung zum X I I . B. der „ R e i c h s tagsakten".) Die Herleitung aus der Gewinnsucht der Schreiber l ä ß t sich sehr einfach dadurch widerlegen, daß wir der Erscheinung der Konsonantenhäufüng auch in solchen Schriftstücken begegnen, bei denen von Bezahlung nach ihrem U m f a n g keine Rede sein konnte. A b e r auch sonst sind hier die Germanisten mit ihrem Einspruch durchaus im R e c h t . Es handelt sich hier nicht um aus Schreiberwillkür entstandene Äußerlichkeiten, sondern um einen inneren Entwicklungsprozeß der Sprache. Und mögen Formen wie vnntst, lanngkh, tennckh seytten (linke Seite) unserm A u g e mißfällig und ungeheuerlich erscheinen, so sind sie doch nicht als bloße Schriftbilder, sondern als Sprachdenkmäler zu werten, denen gegenüber dem Editor das R e c h t ausgleichender Vereinfachung nicht zusteht. Anders steht es mit der Verdoppelung der anlautenden Konsonanten. Ich kenne selbst eine Handschrift, in der diese Verdoppelung nachträglich mit roter Farbe hinzugefügt ist. Der Z w e c k war hier also nur in einer eigentümlichen A b a r t von Initialenornamentik die graphische Hervorhebung der Initialen. In solchen Fällen ist der Editor allerdings berechtigt, die Verdoppelung der Anfangsbuchstaben in seiner Ausgabe zu unterdrücken. (Eine geradezu demonstrativ gegen das Weizsäckersche System gerichtete Edition bot von germanistischer Seite S e e m ü 11 e r Friedrichs III. Aachener Krönungsreise, Mitteil. d. Instituts f. österr. Geschichts-

Deutsche Schrift.

Erläuterungen zu den Schriftproben der Tafeln 25—28. Tafel 25. 1.

Kapitale, wahrscheinlich des 4. Jahrhunderts, C o d . Berolin. lat. Fol. 416, Virgil Georgica.

etwas verkleinertes Faks. aus Arndt-Tangl. 1. Heft T . 3 Z. 2.

Schrifttafeln zur Erlernung der lat. Palaeographie 4. A u f l .

Die Formen der epigraphischen Kapitale sind hier fast noch rein gewahrt.

T e x t : Hic vel ad Elei metas et maxiraa campi.

2.

U n z i a l e des

5. Jahrhunderts.

T a n g l 1. H. Taf. 4 Spalte i Z. 1 2 — 1 4 .

C o d . Paris, lat. 5170, Livius X X I Man beachte

21.

Faks. aus

Arndt-

die Rundung und Umformung von D E H M Q U .

T e x t : quies inter labores aut | etiam exhaustos aut mox [ exauriendos renoua|vit.

3.

U n z i a l k u r s i v e des 4. Jahrhunderts.

Papyrus der Straßburger Bibliothek, erstmalig heraus-

gegeben von Bresslau, Ein lateinischer Empfehlungsbrief, Arch. f. Papyrusforschung 3 B. daraus bei Arndt-Tangl, 4. A u f l . 2. Heft Taf. 32 A, wonach hier ein T e i l von Z. 3 ausgewählt ist. Z u beachten die beginnende Verbindung und Umformung der Buchstaben,

der Gebrauch von Ober- und

Unter-

längen. T e x t : bonis benignitas tua sit praedita tum.

4.

Karolingische Minuskel

Dombibliothek

CVI,

H. 2 T a f . 46 Z . 5 — 7 .

geschrieben An

aus dem Anfang

des 9. Jahrli. (802—819).

in St. Martin in Tours.

das durch die Karolingische

Werke Alkuins.

Codex der Kölner

Faks. aus Arndt-Tangl,

Schriftreform geschaffene Vorbild

knüpfen

die ältesten erhaltenen altdeutschen Schriftdenkmäler g e n a u an. Text (Buchstaben, die im folgenden in Klammern stehen, sind aus der Auflösung von Kürzungen gewonnen): lex ergo est quae per moysen data • in chr(ist)o (xp = tellegi • quia apostolus cum illam s(an)c(t)am vocet et | umbram.

5.

Wessobrunner Gebet.

C o d . lat. 22053 der Mttnchener Hof- und Staatsbibliothek.

bei Eneccerus T a f . 9 — 1 0 , Petzet und Glauning I Taf. 1. 8. Jahrhunderts und ist eine noch nicht völlig Halbunziale.

spiritaliter | debet in-

tarnen eam fiiturorum esse describit.

Faks.

Die Schrift fällt noch in den A u s g a n g des

ausgebildete Minuskel mit Anklängen an die ältere

In Zeile 1 ist die Tironische Note für et zu beachten, die hier für ahd. enti verwendet

wird wie anderwärts für ags. and, in Z. 3 das Runenzeichen für ga, in Z . 3 das offene a der Kursive. T e x t : (enti) du mannun so manac coot | for(ga)pi.

forgip mir in dino | ganada rehta galaupa.

Tafel 26. 6.

Hildebrandlied.

Könnecke,

Bilderatlas

Faksimile).

Handschrift

S. 6 und 7

der

und

Landesbibliothek

Eneccerus

Taf.

1

zu

Cassel

und 2 (von

aus

Fulda.

Tafel

Faks.

bei

1 Z. 8 — 1 0 unser

Die Schrift stammt aus dem 9. Jahrhundert; in Z. 1 und 2 dje eigentümliche Bezeichnung

des w, in Z. 2 enan das sogenannte e caudaia,

hervorgegangen aus der Ligatur von a und e.

T e x t : uuortum. wer sin fater wari fireo in folche eddo | welihhes cnuosles du sis • ibu du mi gnan sages • ik | mi de odre uuet chind in chunincriche. chud ist.

7.

Exhortatio ad plebem christianam.

bibliothek.

Cod. lat. 6244 der Münchener Hof- und Staats-

Faks. bei Petzet und Glauning Taf. 2 (unser Faks. von Sp. 2 Z. 6 — 8 ) .

In Freising noch

in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts geschrieben; zu beachten in Z. 2 und 3 das bairische z, das in seiner späteren Verwendung bis zum 13. Jh. als Oberlänge gestaltet, steilgestellt und dadurch dem h sehr ähnlich wird. T e x t : truthine in man gaplasan fona sin sel|pes iungiron (n nachgetragen) kasezzit thera galaupa | gauuisso fohiu uuort sint. uzan drato.

8.

Heliand.

Cod. germ. 25 der Münchener Hof- und Staatsbibliothek.

Glauning X. Taf. 7 (unser Faks. von Z. 2 0 — 2 1 ) . niedersächsischem Boden geschrieben.

Faks. bei Petzet und

Regelmäßige Minuskel des

9. Jahrhunderts, auf

Z. 1 hu = w.

T e x t : sincan • huand ine is selbes craft helag anthabde • hugi | uuard an forhtun thero manno modsebo • andredun that.

9.

Gebet des Otloh.

Cod. lat.

14490

der Münchener Hof- und Staatsbibliothek.

Petzet und Glauning I Taf. 13 (unser Faks. von Sp. 2 Z. 1 8 — 1 9 ) . nach 1067 geschrieben.

Faks.

In St. Emmeram in Regensburg

Z . 1 w, daneben aber noch, wie in früherer Zeit regelmäßig, u u .

T e x t : wider alle uara • uuider alle spensti des leidigin uiantes. | Dara nah hilf mir durh die diga s(an)c(t)§ mariun euuiger (in kleinerer Schrift Uber Rasur geschrieben).

10.

Kaiserchronik.

Handschrift des Klosters Vorau.

durch E d w . Schröder, M. G. Hälfte des

Deutsche Chroniken I.

12. Jh. in Vorau in Steiermark

Gothisierungsprozeß.

Faks. zur Ausgabe der Kaiserchronik

(Daraus hier Z. 1 0 — 1 2 ) .

Die in der zweiten

entstandene Handschrift zeigt bereits

den

beginnenden

Zu beachten die übergeschriebenen Buchstaben und die Kürzung sprach mit

dem übergeschriebenen offenen a der Kursive, das sich in diesem Gebrauch noch durch Jahrhunderte hielt,

nachdem

es aus

der Kontextschrift in Codices seit

dem 10. Jh. und in Urkunden seit dem

1 1 . Jh. verschwunden war. Text (Edw. Schröder uater | wi

a.a.O. I

147 V. 3 6 3 7 — 3 6 4 0 ) :

ben • Duo

sp(r)ach

der iunge • owi

wol ich dir gunde • Woldes du die | ainualde gehaben • unde gelovptest an.

Tafel 27. 11.

Straßburger Eide.

T . 35 Sp. 2

Z. 16—24).

bei Soissons geschrieben.

Cod. Paris, lat. 9768.

Regelmäßige Minuskel

aus

Faks. Eneccerus T . 34 und 35 (unser Faks. dem

Ausgang

des

10. Jh., in

St.-Midard

Die Schrift der deutschen und französischen Eide ist in allen Einzelheiten

genau die des- lateinischen Textes von Nithards

Historiae, wo sie III 5 überliefert sind.

gabe durch Ernst Müller, SS. rer. Germ. p. 36.

Mehrfache Verstöße und die ganz verkehrte, in der

Neuaus-

Transskriptibn bereits berichtigte Worttrennung zeigen, daß der Schreiber den Sinn nicht verstand.

T e x t : In godes minna ind in thes chr(ist)anes folclies • | ind unser bedhero gealtnissi (t nachgetragen) • fon these|mo dage frammordes so fram so mir got | geuuizci indi madh furgibit so haldih tes|an minan

bruodher

soso man mit rehtu | sinan bruher scal in thiu thaz er mig soso|nia duo .

indi mit luheren in nohheiniu (das erste h m der Gestalt des griechischen spiritus asper nachgetragen) t|hing ne gegango •

12.

zhe minan uuillon imo | ce scadhen uuerhen.

Nibelungenlied Hohenems-Münchener Handschrift.

gabe in Phototypie durch Laistner.

(A) Vollständige

Faksimile-Aus-

München 1886 (unser Faks. von fol. 85 Sp. 2 Z. 3 — 1 5 . )

liche Minuskel aus der zweiten Hälfte des 13. Jh.

Zier-

Zu beachten die Kürzungen, die Striche Uber ein-

fachem i, und die Verwendung von v = u. T e x t : ich gesach nie kvnich ivngen so rehte tvgenliche(n) gemvot • | D o sp(r)ach ab(er) kriemh(ilt) vil edel Rvedeger • | nv la dich erbarmen vnser beider ser | min vn(de) ovch des kvniges gedenche wol daran • | daz nie wirt dehaeiner so laeide geste mer gewan. | D o sp(r)ach d(er) margrave wider daz

edel wip • | ez mvoz hivte gelten der Rveders lip • | swaz

ir vn(de)

ovch min h(er)re mir

liebes hapt getan • | darvmbe mvoz ich sterben daz chan niht lang(er) bestan • | Ich weiz wol daz noch

hivte • min

bvrge

vn(de) och min lant • | iv

mvezen leidich

werden vo(n)

ir

etesliches

hant • | ich bevilhe iv vf genade min wip vn(de) miniv kint • [ vn(de) ovch die vil eilenden die ze bechelaren sint.

13.

Nibelungenlied.

Handschrift D.

München,

Cod.

Glauning II. Taf. 30 (daraus unser Faks. von Sp. I Z. 7 — 1 3 ) . des 14. Jh.

Germ. 31.

Faks. bei Petzet und

Gothische Minuskel aus dem Anfang

Charakteristisch die doppelte Bauchung des a.

T e x t : acht • | Nv ist von burgunden d(er) | edel chunich tot • Gyselh(er) | der iunge • vnd ouch her Ger|not - den schätz den weiz nu nie|man wan got vnde min • der | sol dich valandinne • imm(er) | wol v(er)holen sin.

14.

Sächsische Weltchronik.

Berliner Handschrift.

tafeln. 2. A u f l . I. Heft T . 25 (daraus hier Sp. 2 Z. 5 — 8 ) .

Germ. Fol. 129.

Faks. Arndt, Schrift-

Ausgeprägte gothische Zierschrift (scrip-

tum psalterialis) um d. J. 1300 (vgl. Weiland, M. G. Deutsche Chroniken II 12).

T e x t (Weiland a. a. O . II 230): [ver]delet echt vnde recht • vn(de) | eghen vnde len • Dat len al | sinen herren ledich • dat e]ghen in de koningliken.

15.

Nibelungenlied.

S. 41 (daraus hier Z. 1 — 4 ) .

Berliner Handschrift (Germ.

Fol. 681).

Faks. Könnecke, Bilderatlas

Schmucklose Schrift aus der ersten Hälfte des 15. Jh., die etwa die

Grenze zwischen Minuskel und Kursive hält T e x t : D o der he(r)re Seyfrit ob dem brvnne(n) tranck | Er schoz in durch daz krivcz (darüber ein überflüssiger Kürzungsstrich)

daz vo(n) d(er) wi(n)de spra(n)ck | Das blut von seim hercz(e)n

vast an die hage(nj wat | So grosz missewende wan imm(er) helt me begat.

16.

Humanistenschrift (Renaissance-Minuskel)

Hand des P o g g i o Bracciolini,

Bibl. Laurentiana Plut. X L I X Nr. 24. (daraus hier Z. 18—20).

aus der eisten Hälfte des

des größten Nachahmers alter Schriftvorbilder. Faks. Arndt-Tangl,

15. Jh. von

der

Cicero-Briefe, Florenz,

Schrifttafeln 4. Aufl. I. Heft T . 30 A

Diese Schriftart wurde das Vorbild für die Erneuerung der lat. Schrift und

die Schaffung des lat. Drucks. Text: Itaq(ue) iudiciu(m) tuu(m) magni existimans idq(ue) veritus me ipse collegi • et ea que | didiceram • legeram • acceperam • grauiora duxi tua auctoritate addita • A c | mihi tum brüte officio solum erat et (aus ut ganz nach Art alter Hss • verbessert) nature • tibi nu(n)c populo et scene

ut.

Tafel 28. 17.

Wilhelm

von

Orleans.

Druck v. J .

Bilderatlas S. 70 (daraus hier Sp. 1 Z . 18.

Titurel.

(daraus hier Z . 19.

Druck v. J .

1477

1491

gothischen

Lettern.

Faks.

Könnecke,

in lateinischen Lettern.

Faks. Könnecke, Bilderatlas S. 73

17—21).

Markgraf Johann

von Brandenburg

an den Kurfürsten Albrecht Achill.

v. J . 1 4 8 0 . Faks. Tang], Sehrifttafeln, III. Heft T . 1 0 6 Ausgeprägte

in

1—5;.

flüchtige

Kursive, während

Konzept

(daraus hier der Schluß des Randnachtrags).

die Schrift des Hauptblattes, von der Teile auf dem Faks.

zu sehen sind, sich noch etwas näher an die Minuskel hielt.

Beginnende Abzweigung der modernen

deutschen Schrift. T e x t : fruntlich(en) gen vns | erbot(en) als dy freund | vns mit leib vnd | gut cz(u) helff(en) • desz wir | [darnach getilgt: uns angebor(en) fruntsch(aft) | vnd v(er)want iren | lib(en) dancksagung getan | hab(en)] dancknem gewest [ vnd sind (von der tiefer stehenden Zeile hierher verwiesen) mit gleich fruntlich(er) | erbietunge | von iren lib(en) [darnach getilgt: mit frunt] | also fruntlich abgeschid(en) dat(um) u(t) s(upra). 20.

Gudrun.

Wien,

Ambraser

Handschrift

Nr.

73.

Faks.

Könnecke,

Bilderatlas

S.

47

(daraus hier Z . 1 2 — 1 7 ) Sammelhandschrift deutscher Dichtungen, im Auftrag des Kaisers Maximilian I. in d. J . 1 5 0 4 — 1 5 1 5 geschrieben.

Sogenannte Frakturschrift, eme dem

deutschen

Schriftwesen des

ausgehenden Mittelalters und der Reformationszeit eigentümliche Weiterbildung der gothischen Zierschrift. Text: Ger dem reichen künige das ist | wol erkannt • dienten vil der Bürge - | E r hette Siben fürsten Lanndt • dar|ynne het E r Recken - Viertausent oder | oder (so die Handschrift) mere - damit E r täglichen moch|te erwerben baide guot und ere • Dem 21.

J o h a n n Fischart.

Eigenhändiges Stammbuchblatt v. J . 1 5 8 0 .

atlas S. 1 5 5 (daraus hier die 4 Textzeilen).

Entwickelte deutsche Schrift.

Faks. Könnecke,

Bilder-

T a f e l 25.

HICVll^tlHMnASnM\KlM\C\MPI I

^xetCtx boKe^xuT ei XU SIOSAU Tl^ OjX ex xu r ) eNi s jLey-4 o u x

L

^rjp eßr c^ux^^er-tnaffeti

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j-xL^cipry

i^xnxac*?

Deutsche Schrift. V g l . d i e vorstellenden E r l ä u t e r u n g e n .

Reallexikon der germ. Altertumskunde. I.

Verlag von Karl J. Trübner in Stußburg,

T a f e l 26.

r ? i l t U U c r c n u a f L e r i t i ß r m i J e o

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m o d f e h o • a j i A r v d u n

u m d c r ä l l c

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t

ä

n

Deutsche Schrift.

Vgl. die vorstehenden Erläuterungen.

Reallexikon der germ. Altertumskunde. I.

Verlag von Karl J . Trübner in Straßburg.

T a f e l

27.

J rrunnx utiliinicf ncf tndunfer bocíIici-ogpüSitfp.. fpmticYc tnodx fmrnrrtcrrcletfo franilo nupwi cpwit zcz t ldtm&Jh furmbir fobàSÀltraf tin rmriMi bruóJJief- fofo m&nmrv rcími finan bruherfcÁi itvchi uchx wnu^ßfr rruxdiw • inAimtc I«kcrerj tnj^fur-m jur grinte- TÍ^miruin opT calori uucrt>ett\ n y x l o f

^M^SeC^tnikvni^i 4 mi ti >»fb trlxWmtn wí« Witw Ot< ¿'»f^b &mxìp'.ìvi tvu, xblMtmtmm foifymfevtniteibht ^tylmtmltmmfy•n&bhvt

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ItaiAwc»4rf< W v t l j b c i v y f ^ t c n a i ^ i K D í w i f v r f m i n i v V f t í f . bi«MÌ d l t r t m t t u - p b a k L i i t n

fci* gesucht wurden, sein Genüge. Diese wurde die Vereinigung des friedlichen V e r S t ä t t e n der V e r t e i d i g u n g waren noch nicht kehrs mit dem militärischen Schutz einmit denen des friedlichen Verkehrs v e r geleitet, die f ü r die S t ä d t e charakteristisch bunden; die Wallburgen lagen abseits von ist, während die Bischofssitze K u l t s t ä t t e n dem besiedelten L a n d , in Wäldern oder und V e r k e h r s p u n k t e vereinigten. S ü m p f e n v e r s t e c k t , doch nicht zu weit von § 136. Die älteren S t ä d t e des w e s t deren R ä n d e r n entfernt. Endlich hatten elbischen Deutschland sind alle aus solchen auch die Z u s a m m e n k ü n f t e der V o l k s Mittelpunkten staatlicher und kirchlicher genossen an K u l t s t ä t t e n noch nicht die Wirkung, daß hier dauernde Siedelungen ; V e r w a l t u n g oder aus den sich nun wieder belebenden R ö m e r s t ä d t e n h e r v o r g e g a n g e n . erwuchsen. V o n letzteren sind in merowingischer Zeit § 1 3 4 . Der germanischen K u l t u r stand K ö l n und Metz als H a u p t s t ä d t e des Ostdie r ö m i s c h e gegenüber m i t ihren reiches von besonderer B e d e u t u n g ; neben S t ä d t e n , die m i t Mauern und T ü r m e n ihnen treten noch Mainz, Straßburg, bewehrt, deren H ä u s e r v i e l f a c h aus Stein A u g s b u r g und R e g e n s b u r g mehr h e r v o r . gebaut w a r e n ; m i t ihren kunstvollen A u c h die Königspfalzen und Bischofssitze Straßen und dem großen Grenzsystem des schließen sich zum Teil an die alten R ö m e r Limes und seiner K a s t e l l e ; mit dem höher orte an. Doch entstanden auch neue O r t e , entwickelten A c k e r b a u und den über regel-

DEUTSCHES S1EDELUNGSWESEN die im 9. Jh. mehr und mehr S t a d t c h a r a k ter annahmen; so namentlich Aachen, die Lieblingsresidenz K a r l s d. Gr., und F r a n k furt, der H a u p t o r t des Reiches Ludwigs des Deutschen. A n der Ostgrenze des Frankenreiches wurden bei Festsetzung des limes sorabicus 805 (s. § 82) eine Reihe von Orten als P l ä t z e für den Handel mit den Slawen bestimmt, v o n denen Lorch, Regensburg, Forchheim, Hallstadt bei Bamberg, Erfurt, Magdeburg, Bardowiek schon als stadtähnliche Siedelungen gelten können. A m stärksten aber w a r die E n t w i c k l u n g eigentlicher Handelsplätze im weiteren Gebiet der Rheinmündung. Das Zusammentreffen des wichtigsten Verbindungsweges zwischen Süd- und Nordeuropa mit der ozeanischen Straße des britischen K a n a l s hat sich hier schon früh wirksam erwiesen und der Gegend' eine Überlegenheit in Handel und Gewerbe verschafft, die sich im weiteren M A . nur immer mehr steigerte. Träger des Handels waren die Friesen. Sie brachten die Gewürze und feinen Stoffe des Orients, den Wein des Rheinlands nach England und holten von hier Rohwolle, die in Friesland und den Niederlanden zu Tuchen verw e b t wurde. Der bedeutendste unter einer größeren Zahl v o n Häfen war D o r e s t a d , das heutige W i j k bij Duurstede, an dem P u n k t gelegen, wo der K r u m m e Rhein sich v o m Lek abzweigt (W. V o g e l , Die Normannen u. das fränk. Reich, Heidelberg 1906, S. 66 ff.). § 137. Mit diesen neuen Siedelungsarten kamen auch neue Fo r m e n ins Land, deren Zusammenhang mit den römischen Vorbildern sich immer klarer herausstellt. Bischofssitze wie Klöster knüpfen in ihrer regelmäßigen Anlage offensichtlich an römische Bauweise an. A b e r auch die fränkischen Kastelle, die z B . im Sachsen land angelegt wurden, gleichen mit ihrem rechtwinkeligen Grundriß so auffällig den römischen Limeskastellen, daß sie lange Zeit als römisch galten; und gleiche Formen weisen die mit ihnen verbundenen Reichshöfe auf ( S c h u c h h a r d t , A t l a s vorgeschichtl. Befestigungen in Niedersachsen, L f g . 7, Hannover 1902; R ü b e l Franken. Vgl.fernerArt. Befestigungswesen). Ob auch die Handelsplätze in ihrer Anlage

435

römischen Städten irgendwie ähnlich waren, l läßt sich nicht erkennen. Die Grundrisse zeigen im allgemeinen nur bei den als römische Gründungen bekannten Städten ; die Formen des Castrums (z. B. Metz, Köln), und auch bei diesen sind sie meist ; bis zur Unkenntlichkeit verwischt. 2.

:

;

| :

; !

! |

Die

ländlichen

Siedelungen.

§ 138. Die rein ländlichen Siedelungen lassen — mit Ausnahme der Klöster —die Einwirkungen der fränkischen Grundherrschaft auf die Siedelungsform nicht mit Bestimmtheit erkennen. Die Besiedelung des gerodeten Waldbodens in Mittel- und Süddeutschland erfolgte allem Anschein nach in Höfen oder Weilern, die dann vielfach nachträglich zu Dörfern heranwuchsen. Die Orte, die jener Zeit mit einiger Wahrscheinlichkeit zugewiesen werden können, zeigen nirgends die scharfgeprägten Formen der späteren Kolonisationsperiode. Dagegen ist zu vermuten, daß der alte T y p u s des H a u f e n d o r f s mit seiner Gewannflur erst in fränkischer Zeit die volle Ausbildung seiner wesentlichen Züge gefunden hat. § 139. Schon die Entstehung der Dreifelderwirtschaft, die jedenfalls in diese Periode zu setzen ist, weist auf U m g e staltungen in den dörflichen Siedelungen hin. Dazu kommt, daß die Hufenverfassung nicht mehr so zweifellos als uralt gelten kann, wie sie bis v o r kurzem allgemein angesehen wurde. R ü b e l sucht sie geradezu als salfränkische Einrichtung nachzuweisen, C a r o will sie als grundherrliche Schöpfung erklären. Beides ist für den letzten Ursprung der Hufe sehr zweifelhaft; doch scheinen die A r g u m e n t e der genannten Forscher auf spätere V e r änderungen aus der Zeit des fränkisch grundherrlichen .Siedelungssystems zu deuten. ( R ü b e l Franken, fortlaufend im ganzen B u c h . C a r o , Die Hufe, in DGeschBl. 4, 1903, 297 ff.). § 140. A u c h die F o r m e n des H a u f e n dorfs (s. d.) legen ähnliche Gedanken nahe. Viele Haufendörfer, und o f t solche mit sehr alten Namen, zeigen in ihrem Grundriß die regelmäßigen Formen der geraden Linie und des rechten Winkels. Mitunter steigert sich das bis zu einer starken A h n -

DEUTSCHES

436

lichkeit m i t d e m G r u n d r i ß des Lagers.

SIEDELUNGSWESEN

römischen

E s ist n i c h t u n m ö g l i c h , d a ß diese

Spuren einer b e w u ß t e n ,

planmäßigen

l a g e in d i e f r ä n k i s c h e Z e i t § 141.

Weitere,

ziffernde

noch

Anzeichen

An-

hinaufreichen.

schwer

einer

zu

ent-

Entwickelung

d e s H a u f e n d o r f s s c h e i n e n in d e n

Formen

z u l i e g e n , die d u r c h e i n e n r u n d l i c h e n , einen

Platz

gruppierten

z e i c h n e t sind. eine

Von

vollständige

Kern

diesen A n l a g e n

Reihe

von

um

gekennführt

Übergängen

vielen

feuchten

Stellen

gebildet

haben.

D a n n k ö n n e n sie b e i d e r K o l o n i s a t i o n

der

G r e n z m a r k e n d e s F r a n k e n r e i c h e s (s. § IOO, 104) d o r t h i n ü b e r t r a g e n sein u n d wie das bei jeder

Kolonisation

hierbei,

die

Regel

ist, f e s t e r e G e s t a l t g e w o n n e n h a b e n .

Und

n u n s i n d sie, w i e m a n c h e a n d e r e elemente (vgl. die erste größere

Kulturslawische

S t a a t e n g r ü n d u n g durch den F r a n k e n Samo) auf

die

dann

Slawen

im

übergegangen.

Grenzland

und

Während

besonders

auf

bis z u d e m R u n d l i n g a u s g e p r ä g t e s t e n T y p s

s l a w i s c h e m B o d e n die weitere

(s.

durch N e u g r ü n d u n g kleiner Orte ähnlicher

Runddorf).

Slawenboden

Dieser,

der

auf

beschränkt

ist,

hier

alten aber

F o r m erfolgte, w u r d e n auf d e u t s c h e m G e -

nur an der W e s t g r e n z e n a h e der E l b e und

biet

S a a l e a u f t r i t t , g i l t a l l g e m e i n als v o l k s t ü m -

Anbauten

lich

Haufendörfern an.

slawische

Siedelungsform,

und

da

a u c h die v e r w a n d t e n A n l a g e n der u n e c h t e n Rundlinge

und

Platzdörfer

(s.

Runddorf)

z u m e i s t in d e n ö s t l i c h e n T e i l e n A l t d e u t s c h lands

begegnen,

so

pflegt

man

sie

slawische Einflüsse zurückzuführen. Dörfer h a b e n j e d o c h sehr häufig Namen

deutsche

u n d o f t f e h l e n a u c h in d e n

benennungen

alle

slawischen

auf

Solche Flur-

Anklänge.

die Orte v e r g r ö ß e r t ; wuchsen

§ 143.

Einem

mehr

den

Eindruck

und

jenes

„Dorf"

Zeit

den

slawischen

nahme

wird

Ursprung,

und

endlich

Formen

bis

zu

Haufendörfer D o r f -

des

Wachsens

von

hätte

sich

mit

der

D e m steht

das

A u f t r e t e n d e r O N . auf -dorf z u r S e i t e ( v g l . § 104).

platzdorfähnliche

der

Frankenmacht verbreitet.

fränkischer

kommen

und

einem oder wenigen G e h ö f t e n aus m a c h e n ;

echten

gegen

Teil

Zu-

Platzdörfer

f o r m z u g r u n d e liegen, w ä h r e n d viele andere

zum

Bedenken

durch

die

w ü r d e h i e r n a c h eine b e s t i m m t e r e

Ferner erweckt jene Reihe von Übergängen Haufendorf

Besiedelung

Diese und

B e n e n n u n g k o m m t erst recht

eigentlich

gerade

in

in d e n

östlichen

G r e n z m a r k e n des R e i c h s b e s o n d e r s

häufig neben

weit nach W e s t e n hin vor, w o v o n

Slawen

verwendet.

k e i n e R e d e m e h r sein k a n n .

Im

Rhein-

a n d e r e n G e g e n d e n eine H ä u f u n g s s t e l l e

Aachen

finden

land

zwischen

Bonn

und

Gebiet

Außerdem

der

alten

hat

sie

ripuarischen

D a das W o r t selbst im G e g e n s a t z

Gruppierung

sonstigen O N . - E n d u n g e n

aus der N a t u r

einen

des

Dorfteich

quellreichen

gefunden zu haben scheinen. der

Westgrenze

treffen wir

in

des

dem

bezeichnen

s c h e i n t , so w ä r e es a l s o n i c h t

unmöglich,

Reiches

Hastenrath

bei

dessen

Ausprägung

daß

der

dorfartige breitet. lungen,

hat,

daß

wenn

es

das

Runddorf

Urformen

auch

seine

sich

entwickelt

strenge

Aus-

des e c h t e n

geschlossenen

Form

gebunden

ist

und

D a b e i w ü r d e n die älteren die a u s H ö f e n o d e r

Gruppen gleiche

von

solchen

bestanden,

Entwickelungsrichtung

Daß



in

dieser

Zeit

die

haben.

Vermehrung

der

ließe

sich

B e v ö l k e r u n g n i c h t allein z u N e u g r ü n d u n g e n

folgendermaßen

denken.

Im

auf Rodeland, sondern auch schon vielfach

wo

Ripuarierland

Die

etwa

die

z o g e n sein und sich erst z u e c h t e n H a u f e n dörfern vergrößert und umgebildet

Westen

in

hineinge-

haben mag. dann

Siede-

zwangloseren

p r ä g u n g erst im alten Slawenland g e f u n d e n § 142.

sich

erst mit ihr d u r c h das deutsche L a n d v e r -

nichts nachgibt.

D i e s alles m a c h t es e h e r

Begriff

d e u t s c h e n D o r f e s an diese besondere p l a t z -

den besten F o r m e n des alten Slawenlandes

d e u t s c h e n

den

scharung mehrerer Gehöfte zu

G a n g e l t auf einen D o p p e l r u n d l i n g ,

aus

zu

Zusammen-

Geländes

e i n e r T e i l in d e r S c h ä r f e d e r

wahrscheinlich,

eine

Ja, dicht an

Deutschen Dorf

rein

im

Franken.

sich z B . m e h r f a c h s o l c h e A n l a g e n , die i h r e um

in

Auf-

Entwicklung gerade

das

zu

einem

Anwachsen

der

bestehenden

a l l g e m e i n als G e b i e t a l t e r D o r f b e s i e d e l u n g

O r t e führte, gilt a u c h sonst f ü r wahrschein-

gilt —

lich

können sich R u n d f o r m e n aus

Verhältnissen

des

Geländes

mit

den

seinen

neue

(vgl.

Inama

DWG.

Veranlassung

zur

295,

der

hierin

Gemengelage

DEUTSCHES

SIEDELUNGSWESEN

(mitunter in sehr planmäßiger Weise, vgl. Weiler) von Grundherren angelegt. Wo Dorfbesiedelung herrscht, da ist der Zusammenhang der Wohnungen doch oft gelockert. So finden sich auf der deutschen Seite des Riesengebirges (die böhmische hat Höfe), in größeren Höhen Dörfer, bei denen die Häuser weit auseinander, aber in planmäßig angelegten parallelen Reihen stehen (Baudendörfer). Anderseits zeigt gerade die Besiedelung der Gebirge den Einfluß der Stammessitte. In den Ostalpen haben die B a y e r n überall das H o f s y s t e m beibehalten und die Gehänge a u f gesucht, während die F r a n k e n die T a l sohlen mit Dörfern bebauten ( G r u n d , Veränderungen d. Topographie im Wiener Becken, Leipzig 1 9 0 1 , 73 ff.). Ebenso tritt in Südtirol die deutsche Hofbesiedelung den geschlossenen Dörfern der Italiener gegenüber (R e i s h a u e r i n Z . d. Deutschösterr. Alpenvereins 35, 1904, 77 ff.).

der Feldstücke gegeben findet). Jedenf a l l s muß gerade die fränkische Zeit f ü r die E n t w i c k e l u n g der sog. volkstümlichen D o r f f o r m e n v o n großer B e d e u t u n g gewesen sein, w e n n auch die A r t der V o r gänge noch dunkel ist und das hierGeäußerte nur als V e r m u t u n g gelten kann (zu § 1 4 0 bis 143 vgl. Schlüter Thür., Abschn. 19 u. 20). IV. D i e Z e i t v o n 1.

Die

800—1300.

Dörfer.

§ 144. Die Zeit der großen R o d u n g e n und der ostdeutschen Kolonisation ist f ü r die E n t w i c k e l u n g der Ortsformen sehr wichtig. Die planmäßige, v o n Grundherren verschiedensten R a n g e s geleitete Ansiedelung p r ä g t sich in den Siedelungsformen weit deutlicher aus als vorher. Die A n setzung der Siedler geschah meist sofort in Dörfern, und diese Dörfer tragen den Stempel einer bewußten Gründung an der Stirn. E c h t e Kolonisationsanlagen sind v o r allem die Reihendörfer (s. d.), und unter ihnen zeigen wieder die M a r s c h h u f e n d ö r f e r ihren Ursprung am klarsten an. In den Niederlanden gebildet, stellt diese F o r m das vollendete S y s t e m der Marsch- und Sumpfbesiedelung dar. Die Geradlinigkeit der Deiche und K a n ä l e , die S t r e i f e n f o r m der Grundstücke, ergibt sich aus den Bedingungen des Wasserbaus. Die W a l d h u f e n d ö r f e r machen nicht in gleichem Maß den E i n d r u c k des Notwendigen, sie erscheinen mehr wie eine Ü b e r t r a g u n g jener F o r m auf die W a l d besiedelung. Denn sie sind ihrer A r t nach auf die T ä l e r beschränkt und versagen in den höheren Teilen des Gebirges den Dienst. So treten denn auch z B . im böhmischen Massiv zwischen Moldau und D o n a u in den höheren L a g e n H ö f e und Weiler auf, während die Täler gegen die Moldau hin mit Waldhufendörfern bestanden sind (H a c k e 1 , Oberösterr. Mühlviertel. F o r s c h D L V K . X I V . I. 1902, vgl. Weiler). In die Alpen haben die Reihendörfer keinen E i n g a n g gefunden. § 145. Ü b e r h a u p t hat das Gebirge immer eine Tendenz zu aufgelöster B e siedelung, und so werden auch in dieser Periode vielfach Einzelhöfe oder Weiler

437

:

' i ! | 1 ! 1

§ 146. Im Gebiet der ostdeuts c h e n K o l o n i s a t i o n wurden die Gebirge in der F o r m von Waldhufendörfern (selten von Höfen), die S ü m p f e in der v o n Marschhufendörfern besiedelt. Bei den ebeneren Teilen des trocknen Landes fanden Runddorf (s. d.) und Straßendorf (s. d.) f a s t ausschließlich Verwendung. F ü r beide Formen ist es noch nicht ausgemacht, ob sie in letzter Linie slawischen oder deutschen Ursprungs sind. Die spätere K o lonisation f a n d sie jedenfalls in den westliehen Strichen des Slawenlandes schon v o r ; sie nahm sie auf und trug das Straßendorf weit nach Osten. In ihrer ausgeprägtesten Gestalt sind beides offenbar typische Kolonisationsformen. Die echtesten, kreis- und hufeisenförmigen R u n d linge in Sachsen und Mecklenburg sind meist auch durch ihre N a m e n als G r ü n düngen deutscher Kolonisten gekennzeichnet. Der echte Rundling und das Straßendorf scheinen ihre streng geschlossene F o r m dem B e d ü r f n i s des Schutzes in gef ä h r d e t e m L a n d zu verdanken. Das Straßendorf m a c h t den Eindruck eines zusammengedrängten Reihendorfes, und die häufig — auch bei den Rundlingen — zu beobachtende fächerförmige A u s s t r a h lung der Grundstücke von der zentralen Dorfstelle aus weist in dieselbe Richtung.

438

DEUTSCHES

2.

Die

SIEDELUNGSWESEN

Städte.

§ 147. In der Zeit von 800—1300 machen sich auch die sonstigen wirtschaftlich-sozialen Veränderungen in den Siedelungsformen deutlich bemerkbar. Insbesondere bildet sich jetzt erst die S t a d t als besonderer T y p u s vollkommen aus. Die getrennten Keime der Stadtentwickelung vereinigen sich. A n den Verwaltungszentralen steigern sich Gewerbe und Handel. Die religiösen Mittelpunkte (namentlich die Bischofssitze) werden in erhöhtem Maße Verkehrsplätze oder sie werden an solchen Stellen neugegründet. Die Befestigungen werden in das System dauernder Besiedelung einbezogen, teils indem die alten Volksburgen jetzt von dem Burgherrn oder der Mannschaft des Gaus (Reform Heinrichs I.) ständig bewohnt werden, teils indem sich die Verkehrsplätze selbst mit Mauern umgeben. Alles schließt sich zusammen und bildet die Stadt. Während die älteren Städte auf solche Weise allmählich entstehen, finden, nach Ausbildung des Typus, seit dem 11. Jh. in ( wachsender Zahl Neugründungen ganzer ! Städte in fertiger Form statt. Bei ihnen kehrt ein bestimmtes Schema der Anlage mit viereckigem Markt und geraden j Straßen, die sich unter rechten Winkeln schneiden, häufig in Altdeutschland und hundertfältig im Osten wieder. Seitdem die Übernahme der Formen des römischen Lagers durch die ältere fränkische Kolonisation erwiesen ist (s. § 137), braucht die mittelbare A b s t a m m u n g dieser schematischen Stadtgrundrisse, die in auffallendem Gegensatz zur sonstigen Regellosigkeit der deutschen Stadtpläne stehen, v o n der römischen Siedelungsweise nicht mehr bezweifelt zu werden (s. Stadtanlage). § 148. Die Entstehung und Gründung der Städte schreitet im allgemeinen mit der gesamten mittelalterlichen Besiedelung von W. nach O. fort. Die Gegenden, auf die sich in karolingischer Zeit die stadtähnlichen Siedelungen hauptsächlich beschränkten — das Donau- und Rheingebiet und besonders die Niederlande — bleiben auch bis ins 13. Jh. hinein Landschaften, in denen eine besondere Ver- j mehrung der Städte erfolgt. Es sind eben

zu allen Zeiten die H a u p t s t r a ß e n des Verkehrs. Im Jh. der Sachsenkaiser belebt sich dann namentlich der große Straßenzug der v o m Niederrhein zur Elbe dem R a n d der Mittelgebirge folgt. Hier erwächst eine Reihe von Städten: unter anderen Essen, Dortmund, Marsberg (unter der alten Eresburg), Paderborn; dann Hildesheim, Braunschweig, Halberstadt, Quedlinburg und vor allem Magdeburg. Im eroberten Slawenland entstehen Meißen, Zeitz und einige andere. In Süddeutschland ist die Zahl der jetzt aufkommenden Städte geringer. Doch wird die Donaureihe nach Osten durch die österreichischen Plätze wie Tulln und K r e m s verlängert, und damit zusammenhängend belebt sich die Brennerstraße, an der nun der Bischofsitz Brixen erblüht. Sonst ist es namentlich der Winkel zwischen Rhein und Donau, der am Main (Würzburg, Bamberg, Rothenburg), weniger am Neckar neue Städte erwachsen sieht. § 149. Das 11. Jh. fügt außer einer Vermehrung in den früheren Stadtgebieten Städte in den bisher rein ländlichen Gegenden Hessens, Württembergs und der Ostalpen hinzu. Ferner tritt in den Niederlanden j e t z t Flandern stärker hervor (Gent, Antwerpen, Brüssel ua.). Im 12. und 13. Jh. ist die Gründung von Städten überall stark gesteigert; zu den e t w a 150, die vorher bestanden, k o m m e n in diesen beiden Jh. gegen 1000 hinzu. A u c h hier erfolgt, wie bei der ländlichen Kolonisation, die Anlage meist mit Hilfe des Unternehmertums sogenannter L o k a toren. In Altdeutschland wird das N e t z überall verdichtet, sodaß auch die vorher städtearmen Landschaften, wie das Neckargebiet, j e t z t reich besetzt werden. Doch sind am Schluß des 13. Jhs. immer noch einige Mittelgebirgslandschaften, wie das rechtsrheinische Schiefergebirge und die Umgebung des Fichtelgebirges, sehr arm an städtischen Siedelungen, und gleiches gilt von den Heidebezirken N W . - D e u t s c h lands. A m städtereichsten bleiben die alten Gebiete um die Rheinmündung, die Oberrheinebene und das Alpenvorland. Während des 13. Jhs. läßt hier überall die

DEZIMALSYSTEM—DICHTUNG Städtegründung bereits nach, ohne aber mit dem Schluß des Jhs. schon aufzuhören. § 150. Auch im Gebiet der ostdeutschen Kolonisation setzt mit der allgemeinen Besiedelung die Städtegründung sogleich mit Macht ein. Einzeln^ Landschaften, wie Brandenburg und Mecklenburg haben schon am Ende des 13. Jh. den größten Teil der Städte, die hier überhaupt erwachsen sind. Auch Posen und Schlesien sind schon reich besetzt. Dagegen stehen Hinterpommern und Preußen noch weit zurück. Außer Danzig und den ältesten Ordensstützpunkten an der Weichsel — Thorn, Kulm, Marienwerder — bestehen hier noch kaum ein paar verstreute Städte. Erst die folgenden Jahrhunderte vervollständigen das Netz. Übersicht Uber die Entstehungszeit der Städte s. bei Knüll Hist. Geogr. Deutschlands, 1903,

143—163. O.

Schlüter.

Dezimalsystem. Das auf natürlichem, zweihändigem Fingerrechnen (s. Rechenkunst) beruhende, die Zahl 10 als Grundzahl verwendende Dezimalsystem brachten die germ. Völker aus der idg. Völkergemeinschaft in ihre neue Heimat mit. Trotz des störenden Eingreifens des Duodezimalsystems (s. d.) behauptete sich das Dezimalsystem als das Fundamentale sowohl im Rechnen als im Zahlensystem (s. d.). Es gab auch von Alters her — wie bei andern idg. Völkern — das Schema ab für die militärische sowie die territoriale Gliederung in Hundertschaften und Tausendschaften (Müllenhoff DA. 4, 177). Raph. Meyer.

Diakonikon. Nebenraum altchristlicher Kirchen, der mit der zu einem ähnlichen Zweck bestimmten Prothesis (s. d.) zusammen meist zu beiden Seiten des Chors angelegt zu werden pflegte. Auch bei den ältesten kirchlichen Grundrissen des german. Nordens sind diese zwei Räume häufig zu erkennen, während sie im byzantinischen Osten fast unentbehrlich scheinen. Das Diakonikon war zu Beratungen und Versammlungen, wie zur Aufnahme der Bibliothek oder des Archivs bestimmt; es würde heute wohl als „Sitzungszimmer desKirchenvorstandes" bezeichnet werden; anderseits diente es als Aufbewahrungsort

439

für Gewänder und Geräte des kirchlichen Dienstes, also als Sakristei. Manchmal scheinen diese zwei Räume auch zu beiden Seiten der Eingangshalle angeordnet gewesen zu sein, so in der Einhard-Basilika zu Michelstadt. A. Haupt. Dichtung. § 1. Als 'altgermanisch' betrachten wir hier diejenige Dichtung der germanischen Völker, die nach Inhalt und Form dem greifbaren Einfluß der christlichen Kirche und der Buchbildung vorausliegt. Vor der Schulung durch die Kirche waren die Germanen ein zwar nicht buchstabenloses, aber buchloses, unliterarisches Volk. Ihre Dichtung war a) für den freien Vortrag und die mündliche Vererbung bestimmt, und sie bezog b) ihre Stoffe nicht aus Schriftwerken, wenigstens nicht unmittelbar; die Dichter berufen sich nicht, wie die späteren, auf 'daz buoch', vielmehr auf das 'ich hörte (sagen)'. Keine ernsthafte Ausnahme von a) bildete das gelegentliche Aufzeichnen einer Dichtung durch Runen. Die drei Sagastellen, auf die man Gewicht gelegt hat (Egils s. c. 78, Grettis s. c. 62, Qrvar-Odds s. c. 46), enthalten die typische Sachlage, daß das Gedicht eines Sterbenden mit Runen festgehalten werden soll: die Anschauung ist ganz deutlich die, daß unter normalen Umständen die mündliche Wiederholung durch den Dichter genügen würde. Die Eingrabung des ae. 'Traumgesichtes' auf dem Steinkreuz von Ruthwell betrifft eine buchmäßige geistliche Dichtung. Eine wirkliche Ausnahme macht nur das kleine Gebiet der Inschriftenverse (unten § 7 B a, D b), die tatsächlich auf schriftliche Vererbung berechnet waren. Was die Form betrifft, so ist der stabreimende Vers die Marke der 'agerm.' Dichtung. Schon für die Zeit unserer ältesten Zeugen (Plinius, Tacitus) darf man die Stabreimkunst annehmen, bes. auf Grund der stabenden Trias ErminonesIngvaeones-Istvaeones, und über alle germ. Hauptstämme hat sie sich verbreitet. Was nicht hindert, daß vereinzelte primitive Versgebilde ohne jeden Reimschmuck anzuerkennen sind (§7 B b). Verse mit Endreim, ohne Stabreim, bedeuten die jüngere, von der Kirche ge-

440

DICHTUNG

lehrte K u n s t : sie beginnen in Deutschland mit Otfrid (c. 860), in England hundert Jahre später, in Skandinavien erst nach 1200. Die agerm. Dichtung in dem hier bezeichneten Sinne ist nur zum Teil gemein germanisch. Dieser Begriff ist nicht als urgermanisch zu verstehen und auf eine Periode zu beziehen, die der schärfern Sprachtrennung vorausliegt. Gemeingerm, nennen wir alle die Dichtarten, die mindestens bei Teilen der b e i d e n Hauptgruppen, der Süd- und Nordgermanen, gepflegt wurden, mag ihre Ausbreitungauch verhältnismäßig spät, gegen Ende der Völkerwanderung, erfolgt sein. Daneben gab es Arten, die wir als nur-wgerm., nur-englisch, nur-wnord., nur-isl. kennen, und die gleichwohl dem agerm. Lager beizuzählen sind: z. B. das 'stichische' Heldenlied, die Elegie in der Weise der ae. Vertreter, das epische Götterlied, die Saga. Hiervon scheidet die Saga, die nach ihrem Wesen wie ihrem Ursprung so ganz für sich steht, aus dem folgenden Uberblicke aus, so daß wir es nur mit Dichtung in Versen zu tun haben. Mehrere Gattungen bilden Übergangsphänomene; vor allem das ae. Heldenepos, das nach Inhalt und sprachlich-metrischer Form der vorkirchlichen K u l t u r entspringt, in seinem A u f b a u und seiner buchmäßigen A r t jedoch die christliche Gesittung voraussetzt. Es bleibt hier ausgeschlossen. Eine einfache Zeitgrenze nach unten ist für die agerm. Dichtung ebensowenig wie für das sonstige germ. Altertum zu ziehen. Die Bekehrung der einzelnen S t ä m m e verteilt sich auf einen Zeitraum von mehr als 700 Jahren (4. bis 11. Jh.), und die Fortdauer der alten Gattungen nach der Bekehrung gestaltete sich'sehr ungleich: in Deutschland war der Bruch am schärfsten, in England schonender, am gelindesten auf Island. Die Blütezeit der 'anord.' d. h. isl. Schriftliteratur fällt 7 — 9 Menschenalter nach der Bekehrung^ c. 1200—1260, und trägt nach Inhalt und Form weit mehr ein agerm., d. h. unrömisches Gepräge als das ae. Schrifttum, dessen erster Hochstand, Beowulf bis C.ynewulf, 8. Jh., nur um 2 — 5 Generationen von der Heidenzeit abliegt. In

Deutschland aber brauchte die Kirche ein halbes Jahrtausend, bis sie ein zusammenhängendes, reichliches Schriftwesen in der Muttersprache aufbrachte (c. 1100). Die mehr gelegentlichen Anläufe der ahd. und as. Zeit dienen, mit wenigen Ausnahmen, der Bekämpfung und Ersetzung, nicht der Pflege der altweltlichen K u n s t . § 2. Damit ist die Frage gestellt: woher k e n n e n wir die agerm. D i c h t u n g ? —D a ß diese Poesie nur so einseitig, bruchstückhaft und temperiert auf uns gekommen ist, hat zwei Gründe. Erstens ihre angeborene Schriftlosigkeit. Diese Schöpfungen, normalerweise für ein mündliches Dasein bestimmt, waren damit von selbst der fernen Nachwelt verloren. A u c h ein wohlwollend gesinnter Schreibekundiger hätte gar keinen Antrieb gespürt, diese Festhymnen und Zauberformeln und Merkverse aus ihrem natürlichen Elemente in das stumme Buch zu verbannen. Ähnliches gilt für die höhern Gattungen. Daß die Isländer nach 1200 planmäßig die Reste von weltlicher Dichtung niederschrieben und uns so die Edda- und die Skaldenlieder retteten, beruhte auf einem Zusammentreffen außergewöhnlich günstiger Bedingungen. Auch die Sammlung der 'carmina antiquissima' durch K a r l den Großen war eine individuelle Tat, nicht minder als seine 'grammatica patrii sermonis'. Wir hören nicht, daß anderwärts, etwa in dem dichtfreudigen England, Gleiches geschah. Denn die großen engl. Sammelhandschriften enthalten wesentlich Buchdichtung, daneben jene Elegien, die als Erbauungslektüre brauchbar schienen. Die Aufzeichnung eines einzelnen (weltlichen) Liedes — Hildebrand, Finnsburg — muß als glücklicher Zufall, als Schreiberlaune gelten. Dazu k a m freilich der zweite G r u n d : daß dieser wohlwollende Anteil seine Schranke fand in dem heidnischen oder doch weltlichen Inhalt der alten Dichtung. Die Schreibekundigen waren die Geistlichen: hätten sie die 'vanissima carmina avitae gentilitatis', die 'cantica diabolica', die 'neniae inhonestae' verewigen sollen ? In einem W o r t e : zugleich mit der Schreibekunst kam eine neue, der alten feindliche

DICHTUNG Kultur. Wir besitzen, was der neue Glaube durchschlüpfen ließ. Urheidnisches ist auch auf Island nur in kleinen Trümmern bewahrt. In allen drei Hauptliteraturen, der deutschen, englischen und nordischen, sind nur diese Gattungen vertreten: Zaubersprüche, Heldenlieder. In der englischen und der nordischen: rituale Rechtsverse, ethisch-gnomische Verse, Rätsel, Memorialdichtung, weltliche Preislieder und Elegien. § 3. Diese Hauptquellen, die Literaturwerke selbst, finden eine Ergänzung a) durch die Zeugnisse, b) durch den Wortschatz. gehört: a) Zu den ' Z e u g n i s s e n ' Einerseits die mehr oder weniger freie Widergabe germ. Dichtwerke in dem Latein der Chronisten (selten anderer Autoren). Hierher Attilas Grabgesang bei Jordanes und die Umschreibung v o n Memorialgedichten und Heldenliedern bei Jordanes, in der Origo gentis Langobardorum, bei Paulus Diaconus, Widukind, Saxo grammaticus; dazu latinisierte Spottverse und Spruchhaftes. Auf der andern Seite Andeutungen, kurze Beschreibungen, die sich auf germ. Dichtbrauch beziehen. Diese Zeugnisse beginnen bei Tacitus, setzen nach langer Unterbrechung wieder ein im 4. Jh. (Julianus, A m m i a n u s Marcellinus), fließen etwas reichlicher im 5. und 6. Jh. (Priscus, Apollinaris Sidonius, Cassiodorus, Jordanes, Prokopius, Venantius Fortunatus, Gregor d. Gr.); die Glanznummer ist Priscus' Bericht über die zwei Hofdichter bei Attila. Jordanes, c. 550, ist der erste Germane unter diesen Zeugen. V o m 7-/8. Jh. an mehren sich solche Andeutungen in den SchriftwerkenDeutschlands und Englands: hervorzuheben B e d a I V 24 über Caedmon, Alcuins Brief Nr. 124 über Heldengesang, die v i t a Liudgeri über den Sänger Bernlef, Einhard über Karls Liederbuch, A d a m von Bremen über schwedische Ritualverse; ferner die Verbote in Predigten, Konzilbeschlüssen, Gesetzen des 7. bis 11. Jhs. Die drei merowingischen Chroniken (Verfasser romanischer Nationalität), Gregor von Tours, Fredegar, der Liber Historiae Francorum, versagen Beiträge dieser A r t . Wertvoll sind die in heimischen Dichtwerken beH o o p s , Reallcxikcn.

I.

441

gegnenden Aussagen, die über den Rahmen des einzelnen Denkmals hinausweisen: namentlich im Widsid, im Beowulf, in Deors K l a g e , in Skaldengedichten; viele exakte A n g a b e n in isl. Sagas. Es sind so ziemlich alle agerm. Gattungen, die in diesen Andeutungen gestreift werden, j a für mehrere stehen uns n u r diese äußern Beglaubigungen, keine poetischen V e r treter zu Gebote: Götterhymnus, Hochzeitslied, Schlachtgesang, Arbeitslied. b) Der W o r t s c h a t z . Die A u s drücke für Gedicht und Dichter, für singen, Vers usw., kommen unserer Anschauung von der agerm. K u n s t zu Hilfe, w e n n auch in bescheidenem Maße. Nur die isl. Lit. zeigt uns diese Namen am lebenden Objekt, gibt uns zu dem Titel kvita die Gedichte, die so heißen, j a erläutert sogar in theoretischen Schriften stilistische und metrische termini. Das meiste davon ist freilich wnord. Sondergut. Bei E n g ländern und Deutschen haben wir in der Regel das W o r t ohne die Sache. Denn auch die lat. Gegenwerte in den Glossen (diese liefern die meiste Ausbeute) tun nicht entfernt den Dienst eines Exempels. Der genauere Bedeutungsumfang der Ausdrücke ist selten zu treffen; was sind die ahd. sisua, die ein 'neniae, funebria carmina' widergeben, oder wie w a r der ae. dream beschaffen, der mit 'concentus, jubilatio, melodia' u. ä. gepaart wird? Da es sich größtenteils um K o m p o s i t a handelt, muß man damit rechnen, daß die Wortbilder erst ad hoc von den Glossatoren gezimmert wurden. Auch wo die Sprachüblichkeit eines Ausdrucks gesichert ist, muß man sich hüten, ihn vorschnell als technisch zu fassen und eine bestimmte Dichtart oder Vortragsweise, eine bestimmte Berufsstellung aus ihm zu folgern. Zweifelhaften Ertrag gibt die Etymologie, zumal wo sie übers Germanische hinaustastet. Das Wesen des wgerm. scop wird uns um nichts klarer, wenn wir ihn zu der Wz. von schaffen oder der v o n lat. insece stellen; der wnord. skäld gewinnt nichts v o n einem Erzähler, dadurch daß man ihn mit ir. scelide verbindet. Auch bei sprachlich klaren Wörtern wie germ. *galdra-, nord. mäl ergibt sich der eigentliche Sinn nur aus dem lebenden Sprach29

442

DICHTUNG

gebrauch, nicht aus der Zurückführung auf die Wz. Die Zeugnisse und term. techn. zur südgerm. Dichtung am vollständigsten bei: W. W a c k e r nagel-Martin Gesch. d. d. Lit. 1879. K ö g e l Gesch. d. d. Lit. 1894, 97 und PGrundr. 2, 29 ff. B r a n d l PGrundr. 2, 941 ff. Die Aussagen der kirchlichen Quellen behandelt am umsichtigsten K e l l e Gesch. d. d. Lit. Bd. I, 1892. Von den reichen Literaturangaben zumal bei Brandl wird im folgenden nur wenig wiederholt. Die Tatsachen der anord. Lit. findet man am ausführlichsten bei F. J d n s s o n Den oldnorske og oldisl. Lit.s historie 1894 bis 1902. M o g k PGrundr. 2, 555 ff. Eine weitspannende Skizze bei K e r The Dark Ages 1904 S. 73 ff. 228 ff. — Am eindringlichsten hat K ö g e l die gemeingerm. Arten zu sondern gesucht; man darf u. a. einwenden, daß er zu vieles auf das Heldenlied bezieht, dem Preislied-Zeitgedicht nicht gerecht wird, den Unterschied zwischen strophischem und unstrophischem Heldenlied (sog. 'Ballade' opp. 'Rhapsodie') überschätzt und mehrere nurnordische Kunstformen für urgerm. oder -idg. hält. Eine gleichmäßigere Heranziehung des süd- und des nordgerm. Stoffes führt fast von selbst zu etwas anderer Ordnung und Beleuchtung.

§ 4 . G e m e i n g e r m., bzw. in einer nord- und einer südgerm. Sprache bezeugt sind diese Ausdrücke. Lied: ahd. leod., ae. leof, anord. liöf\ dazu vb. got liupön '(JioEXXsiv, lobsingen', ahd. liudön, ae. leofian 'singen', anord. Höfa ä e-n 'auf jem. Verse machen'; got. liußareis '(¿Soc', ahd. liudari (GL). Das einfache Subst. findet sich ad. wie anord. mit der Bedeutung 'Strophe' und im P 1 u r. '(mehrstrophiges) Lied'; der ursprüngliche Sinn mag danach gewesen sein 'kurzes Stück Gesang'. Die Beziehung auf Singvortrag ist meistens vorhanden. Das eddische Heldengedicht oder das skaldische Preisgedicht wrden nie Höf genannt [sQguliöf Hkr. I, scheint eine Gelegenheitsbildung für 'Strophen geschichtlichen Inhalts', wie das einmalige mhd. sageliet), und der metr. term. techn. für die Strophe im allgem. ist nicht liöd, sondern Visa. Ad. wird Lied mit singen, ae. mit singan und galan, anord. aber meist mit dem neutralen kvefa verbunden. Der Nebensinn des Magischen, den anord. Höf ein paarmal hat, wird auf jüngerer Ein-

engung beruhen und sich daraus erklären, daß in dem sangspröden Norden vorzugsweise Zauberstrophen sanglichen Vortrag hatten. Von den Liedüberschriften läßt sich Hyndluliöf zur Not an die Bedeutung Zauberstrophe anknüpfen, bei Härbarfsliöf denkt man eher an das erwähnte vb. liöfa ('Harbar9s Spottverse auf Thor'?); das Aussehen der Käruliöd ist uns unbekannt. Die vielen Komposita mit -lied sind nur wgerm., ausgenommen ae. sigeleof, mhd. sigeliet; anord. sigrliöf (Va\k.) 'siegwirkendes Zauberlied'. L e i c h: got. laiks 'Tanz', ahd. leich meist 'Melodie, Ton', ae. läc meist 'Darbringung, Opfer, Geschenk', anord. leikr 'Spiel, Leibesübung' ('Kampf' nur in Zusammensetzungen wie sverfal., Freys l.). Diesen sehr verschiedenen Bedeutungen liegt zugrunde 'schnelle Bewegung' (s. got. laikan 'hüpfen', ae. lacän, anord. leika auch 'hin und her fahren, wabern, schwimmen' u. ä.): dies angewandt auf Tanz und Umzug samt dem zugehörigen Gesänge; dann ahd. eingeengt auf die musikalische Zugabe, ae. die Verschiebung 'Aufzug > Opferzug (oder -tanz) > Opfergabe', womit die musische Sphäre wieder verlassen ist. Die nord. Bedeutung dagegen ist direkt an den Grundsinn anzuknüpfen, ist also gar nicht durch die musische Region hindurchgegangen. Der technische Sinn, den die agerm. Literaturgeschichte dem Worte beilegt, 'Tanz + Melodie + Vers' (die Verbindung der drei musischen Funktionen), liegt also in keiner unserer Mundarten vor, ist aber als Durchgangsstufe zu erschließen für die südgerm., mindestens die wgerm. Gruppe. Der in m h d. Zeit entwickelte technische Sinn 'Gesang ohne feste Strophengliederung', im Gegensatz zu 'Lied', darf wohl nicht an 'Tanz ( > Tanzweise)', sondern muß an die ahd. Bedeutung angeknüpft und als Spezialisierung derselben gefaßt werden. Die appell. Komposita mit -leich sind wieder nur wgerm. S p eil n.: got. spül ¡ J L U & O S , ahd. mhd. spei 'Erzählung, Gleichnis, Fabelei, Lüge'; ae. spei, sehr allg. für 'Kunde, Rede, Lehre, Predigt' (s. göd-spel als Übersetzung von suafYiXtov), anord. spigll pl. (poet.) 'Kunde, Nachricht, Offenbarung'. Von Verben gesellt sich meistens sagen hinzu: das spell ist

DICHTUNG

443

etwas Erzählbares. D a ß das W o r t in vorchristlicher Zeit einen feierlichen K l a n g h a t t e , ist g l a u b h a f t . A b e r irgendeinen technischen Sinn, sei es 'rituelle U n t e r weisung, Priesterspruch', sei es 'epischer E i n g a n g des Zauberliedes', h a t m a n nicht w a h r s c h e i n l i c h m a c h e n können. Kunstm ä ß i g e F o r m u n g , in P r o s a oder Vers, w a r n i c h t n o t w e n d i g m i t d e m spell v e r bunden.

V o r t r a g einzelner G a t t u n g e n ist aber singen nicht. A n o r d . mansQngr ist der allgemeine A u s d r u c k geworden f ü r das Liebeslied, das w o h l meistens unsanglich w a r . W ä h r e n d got. qiß an , w g e r m . kwepan = 'dicere, loqui' a u ß e r h a l b der K u n s t a u s d r ü c k e steht, ist nord. kveffa der gewöhnliche, m a n darf sagen technische A u s d r u c k f ü r den V o r t r a g v o n Versen, den die U m s t ä n d e als unsanglich, rezitierend (ohne feste Melodie) erweisen. A n o r d . V i s a , der terminus technicus f ü r ' S t r o p h e ' (adän. vise 'Lied, Gedicht' | A n einzelnen Stellen fordert der Z u Bedeutung usf.), u n d ad. wise Melodie, im G e g e n s a t z . s a m m e n h a n g allerdings die singen: H k r . 3, 37320 (2, 4637); Eir. s. z u wort T e x t , vereinigen sich in der unliter a u d a S. i 6 2 j 1 7 2 ; Grett. s. c. 86, 13. 1 4 ; rarischen B e d e u t u n g 'modus, f o r m a ' . F m s . I i , 37620G e m ä ß der älteren A n D e m allgemeinen Begriff ' D i c h t k u n s t ' schauung, der das D i c h t e n u n d das Vor-' k a m w o h l a m nächsten *w öp a -: v g l . ae. tragen z u s a m m e n f l i e ß e n (§8a), nimmt wöä f. ' S t i m m e , Gesang', wödbora 'Redner, kve&a auch die B e d e u t u n g dichten an, u n d Dichtersänger' (Räts. 80, 9), wödcrceft zu ausdrücklicher A b h e b u n g des V o r t r a g s ' S a n g e s - , D i c h t k u n s t ' — und anord, dir p r ä g t m a n nun die W o r t e at feera, framm m. 'Dichtkunst, Dichtung'. Grundbeflytia. d e u t u n g wohl ' G e s a n g ' ; dann hält m a n die S i p p e v o n Wut besser fern; v e r w a n d t Das vb. s a g e n bezeichnet nirgends sind lat. vätes, air. fdith ' D i c h t e r ' . eine b e s t i m m t e A r t des Vortrags, e t w a Wgerm. s i n g an, wnord. syngva Sprechen im G e g e n s a t z z u Singen, sondern ( S u b s t . w g e r m . sang, w n o r d . SQngr) beh a t den akustisch neutralen Sinn 'erzeichnen neben d e m menschlichen 'Singen' zählen, mitteilen'. Uber singen und sagen a u c h sonstige Schälle, bes. K l ä n g e , lebender s- § 5 u n d lebloser W e s e n : der A u s g a n g s p u n k t gal an , west- und nordgerm., h a t einen liegt in d e m A k u s t i s c h e n , nicht in der . ähnlich weiten Sinn wie singwan, erS p r a c h e als A r t i k u l a t i o n oder Gedankenscheint aber a u c h technisch v e r e n g t f ü r mitteilung. D a s menschliche Sprechen das Singen oder R a u n e n , M u r m e l n v o n w i r d singen, w o es s t a r k k l a n g h a l t i g ist. Zaubersprüchen, u n d zu dieser engeren So g e b r a u c h t W u l f i l a siggwan, ussiggwan, B e d e u t u n g stellt sich die A b l e i t u n g anord. saggws geradezu v o n d e m Vorlesen, övagaldr, ae. gealdor; ahd. galstar ' Z a u b e r KIYVokjxsiv, avai'vcoai;. W g e r m . und nord. lied, -spruch'. a b e r m e i n t singen im allgemeinen nicht wirken: nur nord. ist yrkia stehender die R e z i t a t i o n in S p r e c h s t i m m e (wie Otfrid A u s d r u c k f ü r 'dichten' (mit O b j e k t des I 17, 28 iwo buah singent), es wird unterGedichtes und a b s o l u t : yrkia um e-n; schieden v o n (ae.) cweSan, Meodrian, madkann ek at yrkia). W g e r m . bietet sich n u r lian, reordian, sprecan und g e h t in der leodwyrhta 'poeta', leoäweorc 'poesis' in R e g e l auf ein eigentliches Singen, d. h. ae. Glossen, w a s ein urg. *wurkjan 'dichten' das H e r v o r b r i n g e n einer Melodie, die in n i c h t beweisen k a n n . klaren T o n s t u f e n fortschreitend sich der Ein gemeingerm. W o r t f ü r ' D i c h t e r ' natürlichen, stets wechselnden Satzmelodie ist uns nicht b e k a n n t , und a u c h der v i e l als d a s g l e i c h m ä ß i g W i e d e r k e h r e n d e übererörterte, engl., dän. u n d w n o r d . b e z e u g t e ordnet. A u c h das (anord.) syngva messu, *puliz f ü l l t diese L ü c k e nicht. Ae. aptansQngr u. ä. ist v o n dem wirklichen Glossen b i e t e n : oratores ßyloss, r h e t o r i c a Singen der Liturgie verallgemeinert, und ßelcrceft. I m B e o w u l f 1166. 1457 h e i ß t es ist kein Zufall, w e n n es v o n den Mägden Unferf), ein Gefolgsmann des D ä n e n k ö n i g s , des Mühlenliedes heißt sungu und dieses dessen ßyle; er s i t z t beim Gelage z u F ü ß e n ungewöhnlich s a n g b a r e L i e d den N i m e n des K ö n i g s u n d h e b t die Streitrede gegen Grottasgngr f ü h r t . E i n t e r m . techn. f ü r den Beowulf an (499 ff.). Die B e z e i c h n u n g 29*

DICHTUNG

444 Pyle

Hrödgäres

k l i n g t n a c h einer

Stellung,

einem A m t e ; doch wird uns UnferS nicht

die geeignete

Grundlage,

Unterhaltung'

Wortführer

konnte

oder als Zeremonienmeister, als Vorsteller

widergeben

(ae.

der F r e m d e n gezeigt.

höfischen

als

'Leiter

des

der

höfischen

seeländischen

delev,

Anfang

storbenen (Gen.)

Die

Grabsteines

9. J h s . ,

(oder einen

gedacht,

der

Volke

man

auf

den

Ge-

k a n n pulr,

bedeuten;

Klange.

kunde

(vgl.

enn galdra stöll,

Hav.

III, das

mochte von

pulr pular

an

(vgl.

Grundbedeutung.

be-

norna

stöll

§5. nicht

N u r - w g e r m . zahlreich.

(Hav.

'hersagen,

vortragen'

17 k o n s t r . Pylr

monologisiert')

hann

und

entspricht

um sik

erst

in

=

'er

der

Prosa

d e s 13. J h s . als ' r a u n e n ' e r s c h e i n t .

Wenn

S t a r k a 9 r ( V i k . 2 1 ) s i c h als

i

ulr'

bezeichnet

'orleifr

pulr

dem

darf

wird,

Sinne

man

fahrenen

auf

RQgnvaldr

angewandt

gewiß da

und

und

an

Stellen,

iarl

so

die

Sinn

pula

die

Skalden

das

Wort

nähert

'Dichter',

es

auch

des

anknüpfen.

hat

keine

endlich

ist

der die

erPro-

wnord. Versliste,

=

in

ae.

Epen

Gedicht.

-— N a c h

diesem T a t b e s t a n d

i s t es

rechtigt,

in

'Dichter

altern,

eddischen

Gegensatz errichten poesie (von

pulr

als dem

den

Art'

zwischen oder

schweigen). in

dem

zu

f>ulr

einen

'fahrenden Die

untechnischem,

sehen, und

T e i l

/w/r-Dichtung

unbe-

neutralem

zu

Edda-

bezeichnen

Sänger'

Bedeutung

einen

skäld der

zu

der

ganz

zu

'Wortführer' Sinne

gibt

fizza,

Garn'.

Der

distinguere'

lectiones

einteilen.

Geistlichen

die

Abschnitte

ihrer

so b e n a n n t u n d j e n e s per vitteas

v o n da

ist

entlehnt.

N u r a e . ist gied, gyd d a z u v b . gyddian. Ausdruck

dem

h e i ß t es G n o m .

R ä t s e l 80, i s t gidda

1066

geht

von

*gadja);

gleoman Ex.

10), der H o f s ä n g e r gemyndig;

leoff,

(dd) n. ( Sprecher > Dichter' durchgemacht, oder auch 'Erzählung > Erzähler > DichDie Wörter lo) n., hröär m. haben sich ter', denn der Name skäld umfaßte ja von der stofflichen Bedeutung 'Lob, Preis' auch die Dichter epischer Lieder, so deutentwickelt zu 'Preislied', der skaldischen lich die Tätigkeit unserer Hofskalden von Hauptgattung, j a sind im Skaldenmunde der der Erzähler, der sagnamenn, untergleichbedeutend mit 'Gedicht' geworden schieden wird. Das ir. scelide bezeichnet (SnE. S. 126). Dagegen sind Ausdrücke den ir. Hofdichter, den fili, in seiner wie spä 'Weissagung', hvQt 'Aufreizung', Funktion als Träger der epischen, prosaigrätr 'Klage', senna 'Wortstreit', die in schen Literatur: dies liegt von den FunkGedichttiteln erscheinen, nicht über das tionen des wnord. Skalden zu weit ab, als Stoffliche hinaus zu Gattungsnamen gedaß skäld im 9. J h . aus scelide entlehnt worden; man setzt z. B . grätr nicht techsein könnte. nisch für 'Elegie'. M ö b i u s Hättatal 2, 104 ff. Liden Über liöff, sengr, ßula s. oben § 4. PBBeitr. 15, 506. W a d s t e i n Arkiv 11, 88. Dem formalen Aufbau gelten: dräpa f., S c h ü c k Illustr. svensk Lit. hist. i , 23. 0 1 r i k das durch Kehrreime, stef gegliederte Danske Studier 09, 10. skaldische Preislied (eig. 'Gedicht von Andere mehr oder weniger technische Todschlägen, dräp'?}), flokkr m., das Ausdrücke s. § 7 unter den einzelnen skaldische Lied ohne diese Gliederung, Gattungen. eigentlich '(Strophen)haufe'. § 7. Der Versuch, die Denkmäler selbst s käl d n. ist wnord. der allgemeine mit den Zeugnissen und dem Wortschatz Ausdruck für 'Dichter'; das Wort hat ins Einvernehmen zu setzen, ergibt folgende in der Prosa gar keinen Mitbewerber, agerm. DichtUmrisse der und ein Vorgänger ist nicht zu erkennen gattungen. Es versteht sich, daß (über pulr s. o. § 4). Daß die neuere man die Einteilungslinien von sehr verWissenschaft 'Skald' auf die Dichter der schiedenen Punkten aus ziehen kann. künstlicheren Weise einschränkt, kommt Ganz anders fiele die Gruppierung aus, einfach daher, daß die in den alten Quellen legte man die Gegensätze zugrunde: mit Namen präsentierten skald alle dieser chorisch: einzeln, sangbar: unsanglich, Richtung angehören; in der eddischen Stegreif: tradiert. Der sprachlich-metriFamilie galt ja die namenlose Überlieferung. Das Wort taucht auch in | sehe Stil soll auch im folgenden höchstens Schweden und Dänemark ein paarmal gestreift werden. auf. Es ist nicht erst durch die Form- ! A. Zu den urzeitlichen Gattungen geneuerung des 9. Jhs., die wir heute skalhören überall die Zaubersprüche disch nennen, geprägt worden. Man und - 1 i e d e r. Die Formel des 2. Merseb. streitet, ob das -ä- auf jüngerer Dehnung Spruches, bin zi bena . ., steht sehr ähnlich beruhe; diese hätte vor -Ii keine sichern im Atharvaveda, und wenn irgendwo, Gegenstücke. Daß skäld in den Vollso darf man hier an uridg. Erbschaft reimen bis c. 1200 stets mit -ald- gebunden glauben. Die gemeingerm. Ausdrücke wird, erlaubt keinen Schluß auf Kürze; galan, galdr s. o. § 4 ; nord. Iiö9 ebd.; denn Ungenauigkeiten dieser Art ließen nord. bcen f. 'Bitte' (ae. ben) wird auch die Skalden zu, zumal außer dem ungebraucht von einem Beschwörungsliede: brauchbaren säld 'Sieb, ein Hohlmaß' kein bcen Buslu (EM. S. 126); vgl. forbcen 'VerReimwort mit -äld- vorhanden war. Geht wünschung'. Das nord. seidr (zu lit. man von -ä- aus, so kann man nicht an saitas 'Zeichendeuter' ?) geht nicht speziell schelten oder schallen anknüpfen. Lidens auf die Worte, den Vortrag. Von Aus-

DICHTUNG

drücken für besondere Gattungen sei genannt: anord. mZgaMj'Totenerweckungszauber'; ahd. hellirüna 'necromantia' (vgl. ae. helrüne 'pythonissa' = haljaruna Jord. c. 24). Der Vortrag geschah wohl stets durch einen Einzelnen, singend oder raunend. (Tänze oder Aufzüge mit magischem Text, 'Zauberleiche', sind nicht klar bezeugt, s. u. B c.) Improvisation wurde bisweilen durch die Lage erfordert. Die Verbindung mit Runen oder sonstiger Schrift ist besonders nordisch gut belegt, s. auch ahd. (Gl.) zauparchiscnp. Zeugnisse beginnen erst im M A . : zahlreiche Verbote gegen die incantationes, carmina diabolica u. ä. Von den bewahrten Vertretern sind die nach Inhalt, nicht A u f b a u altertümlichsten die zwei Merseburger Segen. Sie haben die bezeichnende Zweiteiligkeit: einen erzählenden Eingang im Praet., der einen Präzedenzfall mit dem Eingreifen mythischer Wesen vorführt und die damals geübte Wirkung herbannen soll; dann die authentische Formel, imperativisch, zum Teil verballos. Von den engl. Zaubersegen hat der gegen Hexenstich (Gr.-W. I, 317) vergleichbare Anlage; doch sind die mythischen Wesen hier die schädigenden, denen der Zauberkundige erfolgreich entgegengetreten ist, und die befehlende Formel: üt, lytel spere, \ gif her inne sie ! wird dreimal eingeschaltet. Andere ad. und ae. Beispiele bestehen nur aus der breiter ausgeführten magischen Formel. Bisweilen ist es Prosa, die nur an gehobenen Stellen, zum Teil mitten im Satze, in den Vers übergeht, oder kurze prosaische A u f t a k t e treten vor den Vers. Auch der innere Versbau zeigt Besonderheiten (u. a. leichte Füllungen wie: scet smid, | sloh seax lytel; üt, spere, | nces in, spere), die den epischen Regeln gegenüber archaisch sind. Den Stil zeichnen Satzgleichlauf, Anaphern und Zeilenstil aus. -— Die aisl. Lit. hat auffallenderweise keine derartigen Stücke; sie zeigt in Prosawerken halbmetrische Verwünschungen in freierer Widergabe (EM. S. IC), eine skaldisch stilisierte Herabrufung des Götterzorns (Egils s. c. 56, 91), in Gedichten sagenhaften Inhalts poetisch ausgebaute Verfluchungen (bes. Skirn. 26 ff., Buslubcen), endlich Strophen-

447

reihen mit Inhaltsangabe von Zaubersprüchen, wobei die authentische Formel zuweilen erratbar ist (die 'lió9atQl', Edda S. 62. 338). M a r t . M ü l l e r Stiljorm der ad. Zauberspr. 1901. Gering Weissagung u. Zauber im nord. Altert. 1902. [ R o t h u. S c h r ö d e r ZfdA. 52, 169 ff.]

B. A n den Zauberspruch reiht sich ohne scharfe Grenze die r i tu a l e , liturgische Dichtung. a) R e l i g i ö s e r Art. Daß beim Loosorakel die interpretatio der notae (Germ. c. 10) in gestabten Versen erfolgte, ist eine wahrscheinliche Annahme. Ritualen Gesang, der gelernt sein wollte, als Hilfsmittel beim Wahrsagen kennt die Eiriks s. rau9a c. 4 unter dem Namen vardlok{k)ur (n. pl. f., 'Herbeilockung der Schutzgeister, Landwichte'?); nach der romanhaften Qrvar-Odds s. c. 2 führt die VQlva sogar einen Chor von 30 Kindern mit sich, der raddlid 'Sangchor' heißt und 'kvedandi mikil' von sich gibt. Die V q l v a strophen in isl. Sagas sind stilisiert (EM. S. 61. 92); ob die Kehrreime der Vqluspá (ftoltf veit ek frcxda, \ framrn sé ek lengra u. a.) Anklänge an ritualen Wortlaut enthalten? — Besonders Spärliches vernehmen wir über Verse bei der Opferhandlung. Mit einem carmen nefandum brachten die Langobarden, currentes per circuitum, einem Gotte einen Ziegenkopf dar (a. 579, Greg. Dial.): also ein kultischer 'Leich'. Vgl. Indic. sup.: paganus cursus, quem yrias nominant, scissis pannis vel calciamentis; Kögel erinnert an das Todaustragen. Unbestimmter redet Adam. Brem. IV 27 von den 'neniae multiplices et inhonestae', die beim Upsalaopfer (in eiusdem ritu libationis) erfolgten. Germ. term. techn. für solche Lieder entgehen uns. Die späte isl. VQISÍnovelle scheint in den Strophen, die beim Umreichen eines geweihten Phallus gesprochen werden (mit formelhaftem Bau, auch einem Kehrreim: 'es empfange Mcjrnir | diese Opfergabe!'), sakrale Verse nachzubilden. Die isolierte Strophe Háv. 144 klingt wie feierliche Anrede des Priesters an den Opferer. Ins Hymnische f ü h r t der ae. Flursegen (Gr.-W. 1, 312), der, als Ganzes christlich, einige heidnische Gebetsformeln festhält: Eordan ic bidde |

448

DICHTUNG

and upheofon; Erce, Erce, Erce, \ eordän mödbr!\ häl wes pu, jolde, \ jira mödor ! A u c h hier hat der Norden nichts so unmittelbar aus dem Leben, aber in heroischer Erhöhung zwei w a h r h a f t hymnische Strophen, Sigrdrfm. 3. 4: Heill dagrl | heilirdags synir f . . . . Heilir cesir / | heilar dsyniur! | heil sid en fielnyta fold ! . . Vokativische Anrede eines Gottes findet sich wohl nur in drei Skaldenstrophen (SnE. S. 82 'du brachst die Knochen der Riesin . . !'; Eg. s. c. 56 s. o.). Ritual klingen auch etliche Zeilen in späten Gedichten (Oddr. 9, Hyndl. 2). Man ahnt einige Vokabeln der heidnischeil Gebetssprache: heill salvus, benedictus, hialpa, duga gnädig sein, hollr gnädig, das Gegenteil gramr, reidr. Die bloß inhaltliche Wiedergabe des W a rägergebetes bei Ibn Fadhlan verrät keine formelhafte Prägung. V o n Weihinschriften kommen nur in Betracht das wigi Ponar ! auf der Nordendorfer Spange und drei dän. Grabsteine mit 'Thor weihe diese Runen (dieses Grabmal) !' •—• A u s den antiken Gewährsmännern darf man auf religiös hymnische Dichtung beziehen Tacitus Germ. 3: Herculem . . primumque omnium virorum fortium ituri in proelia canunt. Also ein hymnischer 'Leich'; der Lage der Sache nach kurze lyrische Gebilde, mit den großen epischen Thorsgedichten der Edda nicht zu vergleichen. Den cantus trux der Germanen in der Schlachtordnung erwähnt Tacitus noch, ohne Andeutung des Inhalts, Ann. 4, 47. Hist. 2, 22; 4, 18. Dazu A m m . Marc. 31, 7 , 1 0 von den Westgoten vor der Schlacht (a. 378): barbari vero maiorum laudes clamoribus stridebant inconditis, wo vielleicht auch göttliche Ahnen gemeint sind. Die Ausdrücke ae. güd-, hilde-, wig-, fyrd-, füsleoä, mhd. wtcliet, ae. beadu-, headuläc hierher oder zu unten c? Der Gesang des Germanenheeres bei nächtlichem Feste muß nicht religiös gewesen sein, auch bei den kirchlich befehdeten Chorgesängen 'ritu paganorum' braucht man nicht notwendig an heidnisch Sakrales zu denken. Wir stellen diese Zeugnisse zu E b. d. b) Zwischen fanen vermittelt lebens. Der rechte war von

dem Religiösen und Proder Ritus des R e c h t s Hauptbestand der Volksjeher in Prosa; aber zu

scharfer Ausprägung technischer Begriffe konnte die Rechtssprache metrische Form und stilistische Steigerung wählen (s. C a), und einzelne feierliche Momente des Gerichtsganges konnten zu mehr zusammenhängender Versrede gehoben werden. Hauptvertreter sind die Friedensformulare, T r y g g d a m a l der wnord. Denkmäler, EM. Nr. X X V . Sprache und Versbau erinnern an die Zaubersprüche; das Metrische ist noch primitiver, besonders auch in der beliebigen A b f o l g e gepaarter und unpaariger (nur in sich stabender) Verse. Man hat hier an Sprechvortrag des Einzelnen zu denken. Ein kleineres ae. Gegenstück ist die Excommunicatio V I I 6—23 (Gesetze d. Ags. 1, 438, 10.¡1:. Jh.), bemerkenswert als Hauptbeispiel stabloser Zeilen v o n ohrenfälligem Versrhythmus. c) Rituale Dichtung bei p r o f a n e n Anlässen. Hier ist ein Hauptgebiet des chorischen Gesanges, auch des mit Leibesbewegung verbundenen, des Leiches, der sich r eventuell dem mimischen Spiel nähert. Kein Vers dieser G a t t u n g ist bewahrt, dagegen manche mehr oder weniger technische Uberschriften. Hochzeitslieder und -tänze erwähnt bei den Franken im 5. Jh. Apoll. Sid. (carm. 5, 218): . . barbaricus resonabat hymen, Scythicisque choreis nubebat etc. Dazu die Ausdrücke: ae. brydläc, mhd. brütleich (vb. brütleichen 'sich vermählen'); hd.' hileich, mnl. hüweleic; ae. brydleoff, mhd. brütliet; ae. brydsang, ahd. brütesang. Im westerlauw. Friesland: Heimholung der Braut 'mit hoernes hluud . . ende mit winnasangh', vgl. ahd. wunnisangön 'jubilare'. — Etwas mehr wissen wir von Totenliedern. Einerseits chorische Preislieder auf den Gestorbenen. Die Zeugnisse beginnen bei Jordanes. C. 4 1 : ihren in der Schlacht a. 451 gefallenen K ö n i g Theodorich 'cantibus honoratum inimicis spectantibus (Gothi) abstulerunt. videres Gothorum globos dissonis vocibus confragosos adhuc inter bella furentia funeri reddidisse culturam'. (Prokop B G . II 2 geht vielleicht nur auf unartikulierte Klagerufe, ebenso einige ae. Andeutungen.) Die beiden H a u p t stellen sind Jordanes c. 49, die Totenklage um Attila, und Beowulf 3138 ff., die Totenklage um Beowulf. Dort handelt

DICHTUNG

449

es sich um Begräbnis, hier um Leichenhdrâlà, hârâlà \ bdandà ménn (eine andere brand. Beidemal umreiten erlesene Krieger Fassung Hkr. 2, 487, ebenfalls marsch(im Epos 12 an der Zahl) die aufgebahrte rhythmisch; sie wird v o n dem vorausLeiche (Jord.) bzw. den Grabhügel (Bw.), gehenden 'heröp' unterschieden). M ü l l e n h o f f De antiquissima Germanorum indem sie 'facta eius cantu funereo . . poesi chorica 1847. M ö l l e r Zur ahd. Allit.referebant', eahtodan eorlscipe | ond his poesie S. 146 ff. —• a) Bielschowsky ellenweorc \ duguduni demdon. Jord.s A c t a Germ. II 2 K a p . I. EM. Nr. X X I I I ib. cit. Wiedergabe des cantus läßt auf etwa M a g n u s O l s e n Bergens Museums Aarbog 12 Langzeilen raten, und dies mag wohl 1909 Nr. 7. — c) B j . M. O i s e n Arkiv iS, 196 ff. dem Umfange des Ganzen entsprochen Bruckner Festschr. z. 49. Philol.-Vers. haben. Attilas Herkunft und MachtS. 65 ff. H. F i s c h e r Z f d A . 50, 145 ff. stellung, die S u m m a seiner Taten, endlich sein leidloser Tod auf dem Gipfel des C. G n o m i s c h e Dichtung in Glücks: dies wird, unter preisenden Epiihren einfachen Formen darf gleichfalls theta und Ausrufen, hingestellt, ohne die als gemeingerm. v e r m u t e t werden. Sie Spur einer epischen Fabel. Stegreifist im allgemeinen für Einzelvortrag und dichtung ist durch den Zusammenhang Sprechstimme berechnet. ausgeschlossen; ob die Reiter sich im a) Die kleinsten Einheiten sind die Gesänge ablösten oder alle vereint sangen, Begriffsund Gedankenforwird nicht gesagt; eines Vorsängers ge- i m e l n , metrisch geprägt und stabend. schieht keine Erwähnung. Es fällt auf, Sie durchziehen Prosa und Poesie, besonders daß die vielen nord. Berichte von Fürstenreichlich im Anord.; beliebt sind sie in bestattung dieser Chöre geschweigen. Der manchen Rechtsquellen ('Gesetzesverse'). im Süden ein paarmal erwähnte Gesang Zur Veranschaulichung der mannigfachen bei Uberführung der Leiche nach der Spielarten diese nord. Beispiele: Hüft Grabstätte kann ebenfalls hymnischer Chor eâa leitt (hvärki Hilft nê leitt usw.); gefa gewesen sein. Die Wörter ae. liclcod, -sang ok gialda; vargr î vêuni] t heyranda hliöäi; (auch ad. charasanc, chareleich?) darf man sem faâir vit son | eâa sonr viâ foâur; niât darauf beziehen. Zu unterscheiden sind heill handa!; meâan mold er \ ok menn lifa. die 'carmina diabolica', die bei der LeichenDie beiden ersten und mehrere anderen wache 'supra mortuum nocturnis horis' Zwillingsformeln sind allen Maa. gemeingesungen wurden, zum Teil mit saltationes sam. verbunden: dies war eine mehr geheimnisb) Sprichwörter (anord. orâsvolle, magische Gattung, der B a n n u n g kviâr, mälshättr), aus einem oder zwei Kurz? oder Besegnung der abgeschiedenen Seele versen mit z u m Teil freier Stabsetzung, dienend. Hierher wohl die ahd. stsua, erscheinen nord, in großer Menge, meist sisun 'neniae, funebria carmina', sisesang einzeln in Prosa, auch in Gedichten. E n d 'carmen lugubre', as. ses(s)pilon 'nenias'; reim ist verschwindend selten. » Das A e . 'de sacrilegio super defunctos id est ist viel ärmer, und die wenigen deutschen dädsisas' (Ind. sup. 2). stabenden Gnomen sind meist jung. Ein Hier sei noch untergebracht der bargemeingerm. Bestand ist k a u m vorhanden; ditus, Germ. c. 3 u. ö. Den drei Aussagen, vgl. wider gijt sal man gäbe warten mit daß man ihn unter den vorgehaltenen H â v . 423. I45 3 ; Wolfdtr. A 374, 2 zwêne sint Schild ertönen lasse, daß man namentlich eines her mit H â v . 73 r ; H â v . 761 deyrfê usw. 'asperitas soni et fractum murmur' (abmit Wanderer 108, El. 1269. Sammelgebrochene Murrlaute) anstrebe, und daß haufen von Sprüchen, Lebensregeln usf. er dennoch zu den 'carmina' gehört, wird wie die ae. Gnomica (darin auch ein paar man am ehesten gerecht mit der AnDutzend echte Sprichwörter, zum T e i l nahme, daß es kein bloßes Hurra war, metrisch verbogen) sehen buchmäßiger aus sondern ein sinnvolles Feldgeschrei (El. 25 (wie der mhd. Freidank). Der Norden herecumbol), metrischen Taktes, wofür die besitzt einzelne Sprichwortstrophen, die Olafs s. helga (1849 c. 92) ein Beispiel einen gnomischen K e r n erläutern (ähnlich bietet: knyiüm, knfiüm, | kdniings lidar ,| den mhd. Hergersprüchen), sowie größere,

DICHTUNG

45°

durchgeformte Spruchweisheitgedichte von wesentlich vorkirchlicher Haltung (Hav. i ff., 1 1 2 ff.; Sigrdrfm. 22 ff.), zum Teil mit volkstümlicher Kehrreimgliederung: 'das rat ich als erstes, . . als zweites usw.'. Priameln zeigt zuerst von den ma. Literaturen die eddische Spruchdichtung. c) R ä t s e l (ahd. rätussa u. ä., as. rädisli,

ae. rtzdels;

anord.

gäta)

in

stab-

reimenden Versen. Die zwei umfänglichen ae. Sammlungen sind nach Form und zum Teil auch Inhalt von der schlichten volkstümlichen Art weit abgerückt. Die wahren Vertreter vorliterarischer, außerkirchlicher Rätselkunst sind die drei Dutzend aisl. Strophen, die HeiSreksrätsel, alle spruchhaft knapp, manche richtige Volksrätsel in stabendem Gewände. Das einzige, das im Süden formale Gegenstücke hat, das Kuhrätsel, weist auf eine nicht mehr rein stabreimende Grundgestalt. Das deutsche Rätsel vom Vogel federlos, das man stabend herzustellen versuchte, ist in lat. Umschrift (10. Jh.) bewahrt. Die Verbindung der Rätsel zur sagenhaften eristischen Szene, wie bei Hei9rek, ist etwas Jüngeres und hat mit heidnischen Priesterliturgien nichts zu schaffen; am jüngsten sind Rätselgedichte mit durchversifizierten Lösungen, wie das ad. Traugemundslied. Zu a) R. M. M e y e r Die agerm. Poesie 240 ff., dazu die EM. S. CVI genannte Lit. — b) E u 1 i n g Das Priamel 1905. — c) EM. S. X C ff. MSD. Nr. V I I 4.

D. M e r k v e r s e ; Memorial- oder Katalogdichtung. a) Versreihen von mäßigem Umfange und anspruchsloser Kunst, als Gedächtnismittel dienend, mythische und heroische, geschichtliche und völkerkundliche Inhalte umfassend, scheinen den Germanen seit alters vertraut gewesen zu sein. Den Nachdruck legten sie auf das Tatsächliche, zumeist die Namen, und unterschieden sich dadurch von den höheren Gattungen des höfischen Preisgedichtes und des epischen Liedes; es fehlte die lyrische Erregung, die feierliche Diktion, und es fehlte die epische Fabel mit ihrem reichen Aufbau und ihren dramatischen Repliken. Die kunstlosesten Gebilde dieser Art, ganz oder nahezu auf Namen beschränkt,

haben wir auf Island: die ßulw, teils als Einschiebsel in größeren Gedichten (Vgluspa, Grimnismal) oder Prosasagen (Fas. 1, 379 ff.), teils als eigene umfängliche Sammlungen in den Abschriften der SnE. (über 2500 Vokabeln). Hervorzuheben ist der kleine Königskatalog EM. Nr. X X A wegen seiner stilistischen Ähnlichkeit mit dem Wids. Ohne scharfe Grenze nähert es sich da und dort dem Epischen und Belebteren; vgl. Vsp. 30; 17. 18; Grim. 40. 4 1 . Kosmogonische Strophen u. ä., wie wir sie als Zutaten oder Bausteine umfänglicherer Gedichte kennen, haben gewiß seit Urzeiten als Gefäße dieses lehrhaften Inhalts gedient. Dagegen stehen die großen mono- oder dialogischen Kompositionen mit sagenhaften Sprechern und Rahmenerzählung (VaffirüSnis-, Grimnismal, Hyndluliö8, Alvissmal) auf viel jüngerer Stufe. Der bedeutsame engl. Vertreter unserer Klasse, der Widsic), ist ebenfalls ein breiter angelegtes Werk mit episch-lyrischer Einkleidung, nur ist diese nicht sagenhaft, sondern dem Leben nachgebildet und darin altertümlicher. Die Zusammenleimung aus kürzeren Merkversreihen ungleicher Stilisierung ist noch leidlich zu erkennen. Auch hier geht es zuweilen in ein summarisches, redeloses Erzählen über. Ein Merkgedicht mit eigenartigem Inhalt ist das ae. Runenlied, von welchem zwei späte nord. Runenkataloge abhängen. Folgende Zeugnisse darf man für unsere Gattung in Anspruch nehmen. Tac. Germ, c. 2: 'celebrant carminibus antiquis . . Tuistonem deum . .', seinen Sohn Mannus und dessen drei Stammhaltersöhne. Eine episch-dramatische Götterfabel kommt hier nicht in Frage. Aber auch ein Hymnus war minder geeignet für diese genealogischen Data. Wir denken an Merkverse, die neben den ritualen Hymnen die ursprüngliche Kunstform der Mythenüberlieferung darstellen. Das 'unum memoriae et annalium genus' paßt auf Merkverse gar nicht übel, da wo eine entwickelte erzählende Kunst, in Versen oder Prosa, noch mangelt. Jord. c. 1 4 : die ältesten got. Fürstenahnen, beginnend mit 'Gapt', ut ipsi suis in fabulis referunt. An Helden-

DICHTUNG lieder ist für diese frühesten Glieder nicht z u d e n k e n ; der A u s d r u c k f a b u l a e fordert freilich keine poetische F o r m . Id. c. 4 : bei Gelegenheit der G o t e n w a n d e r u n g ans S c h w a r z e Meer, ' q u e m a d m o d u m et in priscis eorum carminibus pene storico ritu in c o m m u n e recolitur'. Diese c a r m i n a enthielten, wie Jord.s W a n d e r u n g s b e r i c h t zeigt, neben den N a m e n ziemlich viel Geschehen, doch keine epischen F a b e l n . A u c h manche B e r i c h t e aus der historischen Zeit (z. B . S. 833 ff., 8 7 9 f f . , 1258 ff., 12713S.) darf m a n m i t S c h ü t t e auf M e r k versreihen z u r ü c k f ü h r e n . W a s sie t r o t z gelegentlicher poetischer Steigerung v o n der Heldensage (wie E r m a n a r i c u s - S u n i l d a ) scharf trennt, ist das Fehlen des persönlichen, unpolitischen K o n f l i k t e s . — Bischof D a n i e l v o n W i n c h e s t e r s Brief an B o n i f a z , 7 2 3 — 7 2 5 , redet v o n 'nefarii ritus ac f a b u l a e ' der heidnischen D e u t s c h e n und im Z u s a m m e n h a n g d a m i t v o n ihren k o s m o gonischen Vorstellungen. Falls Verse v o r s c h w e b e n , wird m a n eher einzelne W e l t s c h ö p f u n g s s t r o p h e n der oben e r w ä h n ten A r t v e r m u t e n als ein so h o c h k u n s t m ä ß i g e s Gebilde wie die VQluspa. Die Origo gentis L a n g o b a r d o r u m . (7. Jh.) b r i n g t aus der vorheroischen U r z e i t des V o l k e s E r z ä h l u n g e n , in denen B r u c k n e r f o r t l a u f e n d e R e i m s t ä b e nachgewiesen hat. Schon Müllenhoff ( B e o w . S. 101)" schloß auf ein Lied (besser: L i e d e r ) ' z u m T e i l v o n der katalogisierenden A r t des W i d s . ' Das 1. K a p . , die heitere W o d a n - F r e a g e s c h i c h t e , e n t h ä l t allerdings vier R e p l i k e n in oratio r e c t a ; auch im übrigen ist es eine belebtere, g e n r e h a f t e r e A r t mit w e n i g N a m e n b a l l a s t . W i r stehen hier an der Grenze der m e m o rialen G a t t u n g ; m a g sein, d a ß die K u n s t des epischen Liedes h e r ü b e r g e w i r k t hat. D o c h ist der A b s t a n d sehr groß v o n einem Götter- oder H e l d e n g e d i c h t e wie f>ry ms- oder V c j l u n d a r k v i d a .

!

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45i

K u n s t f o r m des epischen G ö t t e r und Heldenliedes und verhielten sich zu diesen D i c h t u n g e n sowohl gebend wie nehmend. Der Wids. ist in manchen seiner Teile nicht eine V o r a r b e i t , sondern ein A u s z u g , ein Register zu heroischen Liedern. b) E s seien hier angeschlossen: R u n e n inschriften nichtritualen Inhalts, den V e r fertiger oder Besitzer eines Gerätes bezeichnend oder, häufiger, Grab- und Gedenkinschriften. Sie haben im Norden, bes. D ä n e m a r k und Schweden, nicht g a n z selten metrische P r ä g u n g und m i t u n t e r gehobene Sprache. In der K ü n s t l e r inschrift des Goldenen Horns (4-/5. Jh.) Ek HlewagästiR Höltlngas | hörnä täwiäd darf m a n die älteste germ. Langzeile erkennen. Eine A r t Grab- oder D e n k m a l s e p i g r a m m m ö c h t e m a n auch die Dietrichstrophe der schwed. R ö k i n s c h r i f t nennen (c. 900); ähnlich stilisiert sind einige Strophen des skaldischen Stammbaumgedichtes Y n g l i n g a t a l . Die Verszeilen auf dem ae. R u n e n k ä s t c h e n sind keine Inschriften im technischen Sinne. Schütte Oldsagn orn Godtjod 1907. B r u c k n e r ZfdA. 43, 47 ff. R. M. M e y e r PBBeitr. 32, 67 ff. — b) W i m m e r De danske Runemindesmterker 1, L X X X V ff.

In den bisherigen G a t t u n g e n überwiegt das Offizielle, das L e h r h a f t e , der p r a k t i sche Z w e c k . Die folgenden bringen die Unterhaltungspoesie und die freiere Individualdichtung. E. G e s e l l s c h a f t l i c h e L y r i k , chorisch oder einzeln, nicht immer sangbar, m i t u n t e r zu Instrumentalmusik, häufig Stegreif; bei der A r b e i t und a m Gelage, ' auf dem Spielplatz, der Straße. a) A r b e i t s l i e d e r sind uns n i c h t bewahrt. F ü r celeuma, 'Rudergesang' geben Glossen: ad. scipleod, schifsang-, ae. lewisplega. D e n G e s a n g einer einzelnen Magd zur H a n d m ü h l e erwähnt die H e i m s k r . 3, 373, und die Langzeile im GrottasQngr 3 : D i e M e r k v e r s e mit ihrer n ü c h t e r n unleggium liidra, \ Uttum Steinum! kann sanglichen A r t , durchaus f ü r den E i n z e l wohl ein M o t i v aus der M a h l k a m m e r sein. v o r t r a g b e s t i m m t , k a n n m a n nicht aus Ebenso m a g das wiederholte vindum, d e m religiösen H y m n u s ableiten. Daß vindum! im V a l k y r j e n l i e d e aus wirklichen die S t ü c k e m y t h i s c h e n Inhalts v o n PrieWebeliedchen s t a m m e n . stern bei ritualen H a n d l u n g e n v e r w e n d e t wurden, ist d e n k b a r ; die nordischen R e s t e b) C h o r g e s a n g b e i m G e l a g e usw. entscheiden darüber nicht. Die MerkD a s häufige ae. dream nähert sich bisweilen verse bestanden weiter neben der j ü n g e r n einem term. techn. dafür. A h d . gartsang

452

DICHTUNG

feile feriatur'; doch das können auch und zilsang 'chorus'. Der nächtliche cantus außerpoetische Späße gewesen sein. Spottder Germanen Ann. I, 65 (festis epulis, verse (ae. bismerleod 'carmen invectivum') laeto cantu), Hist. 5, 15 (Nox . . cantu sind in Deutschland seit dem 9. Jh. a u t clamore . . acta) wird als profan, mehrfach bezeugt, auch durch zwei kleine nicht kultisch zu fassen sein; in dem ahd. Proben, endreimend, vertreten (Kögel zweiten Falle kann man an Siegeslieder 2, 164 f.). Die Isländer pflegten neben denken, ae. sigeleot, anord. sigrliöd, mhd. der harmloseren Art, die u. a. in der sigeliet. A u c h die a~jpia ¡xsX7) der Rheinhübschen Ingolfstrophe vorliegt (Allar germanen, die den Kaiser Julianus wie rauhes vildn meyiar | med Ingolfi ganga), das Vogelgekrächz anmuteten, sind am ehesten ehrabschneiderische nid, das sich mit auf Chorlieder zu beziehen. Der von Vorliebe an geschlechtlichen Perversitäten Otfrid bekämpfte 'laicorum cantus obsweidete (Beispiele: Hkr. 1, 316; Kri. s. c. 4; cenus' kann unter b, c oder d fallen. Biarnar s. c. 20; vgl. porst. Si9. S. 222!8ff. c) U n c h o r i s c h e Kleinlyrik. u. ö.). Die großen Scheltszenen in sagenDer wertvolle Bericht Bedas IV 24 über haftem Kostüme, Lokasenna, Harbar9sliö9, Casdmon: Bei der Mahlzeit in dem nordQrvar-Odds Männervergleich, sind hochhumbrischen Kloster wurde es bisweilen entwickelte Schößlinge der eristischen 'laetitiae causa decretum, ut omnes per Gattung. Für gemeingerm. darf man ordinem cantare deberent', und zwar sie nicht halten; den dialektischen 'Streitgeht die Harfe dazu um. Caedmon pflegt gedichten' des europäischen MA. stehen dann zu gehen: „Nescio cantare; nam et sie völlig selbwachsen gegenüber, eher ideo de convivio egressus huc secessi, haben sie Anregungen von irischen Zankquia cantare non poteram." Also die gesprächen erfahren. Tischgenossen, keine berufsmäßigenSänger, verstehen sich normalerweise auf ein LiedErotische Dichtung ist den Isländern chen zur Harfe. Eigne Dichtung oder unter dem Namen mansQngr 'Mädchengar Improvisation m u ß nicht gemeint sein. lied' geläufig, ebenfalls in den skaldischen Leider werden LTmfang und Inhalt der Maßen. Zum Teil sind es größere GeRundgesänge nicht angedeutet; es k ö n n dichte, die sich in die Klasse F einreihen, ten geistliche Strophen gewesen sein. zum Teil aber Stegreif-Einzelstrophen. Dagegen ein carmen triviale, ein GassenSolche sind auch den andern Germanen liedchen singt der westsächs. Prinz Aldhelm nicht abzusprechen; v g l . : si quis . . (foris (7. Jh.) und läßt es unmerklich in geistecclesiam) . . cantat orationes amatorias, lichen Inhalt übergehen: was bei einem excommunicetur, Wasserschi. Bußordn. epischen Liede nicht tunlich wäre. Ein S. 435; amatoria et turpia cantica, Chrodezierlicher Stegreifvierzeiler in engl. Sprache gang can. 68 und das u. zu winileod Bew i r d j K n u t dem Gr. beigelegt, doch schon merkte. in dem neuen Versmaß mit Reim (Merie d) T a n z l i e d c h e n . Der skand. sungen de muneches binnen Ely . .). ImNorden tanzt nicht bis in die Ritterzeit. provisierte Gelegenheitsstrophen, eine lyBei den Südgermanen ist zum erstenmal risch-epigrammatische Alltagspoesie, haben c. 450 von T a n z die Rede (s. u.); man wir in Masse in den wnord. Schriftwerken. darf annehmen, daß ein gepflegter T a n z Es sind gesprochene Verse, meistens in mit Musik und T e x t erst in der Völkerden künstlichen skaldischen Formen. V o n wanderungszeit a u f k a m und zunächst nicht schlichteren kvidlingar, Vierzeilern, die über den alten Römerboden hinausdrang. beim isl. Mahle über den Tisch flogen, Der älteste Ausdruck dafür war *laikaz gibt die Sturlunga s. I, 20 eine unge(0. § 4); für bpysiv verwendet Wulfila waschene Probe; der bäuerische Humor ein slav. Lehnwort plins jan; erst mhd. greift hier auch zur Travestie einer alten ist reie, Reigen (vgl. ahd. reh forasanc ernsten Strophe (Hkr. I, 150). Der West'praecinebat' Gl.); ahd. tümön ist rotari, gote Theoderich II (c. 460) erlaubte ge- j circumire. Im Frankenreiche hat die legentlich 'inter cenandum mimici sales, j Kirche seit dem 7. Jh. viel zu eifern gegen ita ut nullus conviva mordacis linguae ,' ballationes, saltationes, cantationes, die

DICHTUNG in teuflischer Lust in domibus, plateis, triviis geübt werden. A n Kirchweihen soll die Menge nicht 'obscina et turpea cantica . . cum choris foemineis' absingen, sagt z. B. das Konzil von Chälons c. 640. 'Cantica turpia et luxuriosa' ist stehender Ausdruck für die Tänze, lusa und spectacula. Wenn derlei der Kirche leicht als gentilitas galt, muß es darum doch nicht aus Kulttänzen bestanden haben (wie oben B a). Das älteste Zeugnis für einen solchen 'chorus foemineus', in haßloser Beleuchtung, gibt Priscus (ad a. 446): zur Begrüßung Attilas führen Mädchen einen Schleiertanz aus und singen dazu aajxata 2xoöixa. Man hält dies für gotisch; und den Goten jener Zeit läßt sich wohl eine solche, gewiß importierte K u n s t ü b u n g zutrauen. A n Lobgesänge auf Attila oder gar an religiöse Chöre braucht man nicht zu denken: es kann schlichte Reigenlyrik gewesen sein. Solche veranschaulicht uns im I i . Jh. die Erzählung von den 'Tänzern von Kölbigk'. Der Reigenführer singt eine Strophe: zwei Langzeilen in erzählendem Tempus auf ein Paar der Tanzgesellschaft anspielend, dann ein Kurzvers 'Quid stamus? cur non imus?' Es scheint, daß der Chor zu seinem Reigen das Ganze nachsingt, nicht bloß den letzten Kehrreimvers. Da die zwei Langzeilen keine Spitze haben, muß ihnen weiteres gefolgt sein (der alte Bericht läßt es unentschieden) ; aber auf ein episches Lied im eigentlichen Sinne lassen diese ad hoc gedichteten, vielleicht improvisierten Verse mit ihrem Gegenwartsmotiv nicht schließen. Nahe stehen die Gelegenheitsverse Knuts, oben c, gleichfalls im erzählenden Prät. und soweit nicht reinlyrisch, von denen es heißt, daß sie 'in choris publice cantantur'. Ein Zeitgedicht, das ausdrücklich als Volkslied und T e x t von Frauenreigen bezeichnet wird, das alte 'Farolied', 6. oder 7. Jh., fällt in den romanischen Kulturbereich; auf germ. Seite begegnen Zeitgedichte als Tanztexte erst ein halbes Jahrtausend später. Die epische Ballade aber, das Heldenlied als Tanzbegleitung, hat erst das Rittertum um 1200 geschaffen. In der 'altgerm.' Literaturgeschichte h a t das Wort 'Ballade' keine Stelle.

453

Der vielerörterte Ausdruck ahd. winileod., glossiert durch 'plebeios psalmos, seculares cantilenas; cantica rustica et inepta', ist am ehesten als umfassender N a m e zu betrachten für diese ganze Kleinlyrik unter a — d . Ob der sprachliche Sinn 'Gesellenlied' ist oder aber 'Buhlenlied, Liebeslied', streitet man. In dem zweiten Falle müßte das Wort einen sehr erweiterten Begriff erlangt haben. Daß bei Nonnen ein 'scribere vel mittere' der winileod v o r k a m (Kapit. v o n 789), wiese eigentlich auf Liebesverse hin, die man als briefliche Grüße aussandte (Müllenhoff, Kelle); denn die gewöhnliche Unterhaltungslyrik aufzuzeichnen, bestand doch kein Bedürfnis. Heldenlieder aber mit erotischen Vorgängen werden durch die Umstände und auch den Namen winileod ausgeschlossen. G u m m e r e

The

beginnings

of poetry

passim. — Zu d) E d w . S c h r ö d e r Kirchengesch.

17, 94 ff. —

winileod:

1901

Zs. f. Uhl

Teutonia Bd. 5, 1908. J 0 s t e s ZfdA. 49, 306 ff. [ M e i ß n e r ZfdA. 52, 85 ff.] F. Über die Gemeinschaftsdichtung hebt sich hinaus die kunstmäßige Einzellyrik, deren Schaffung und Vortrag wenn nicht den berufsmäßigen Dichter, so doch eine außeralltägliche B e gabung erheischt. a) Eine der wichtigsten Gattungen des germ. Altertums ist das (höfische) P r e i s 1 i e d , das Z e i t g e d i c h t. Es ist aufs reichste vertreten durch die skaldischen Fürstengedichte der Norweger und Isländer. D a ß die Skaldenkunst, w a h r scheinlich unter irischem Einfluß, einen ganz eigenartigen, j a ungermanisch anmutenden Formenkultus entwickelt hat, stellt ihre Gattungen keineswegs außerhalb der germ. Familie. Das skaldische E n k o mium (hrödr, lof) zu Ehren eines vornehmen Gönners, überwiegend an den Höfen gepflegt, ein umfangreiches, wohlvorbereitetes Gebilde, für bloßen Sprechvortrag, ist eine episch-lyrische A r t : es erzählt von den Taten des Gefeierten, doch ohne eigentliche Fabel, ohne dramatische Schürzung, meist ohne direkte R e d e n ; die preisende Schilderung, der Gefühlserguß des Dichters nimmt neben dem Geschehen einen mehr oder minder breiten

454

DICHTUNG

R a u m ein. Es pendelt zwischen H y m n u s und Verschronik. V o n erhaltener südgerm. Dichtung ist, bei aller augenfälligen Verschiedenheit, folgendes anzugliedern. Die Verseinlagen der Ags. Annalen, bes. I der Sieg von Brunanburh und V Eadweards Tod. D a ß der geistliche Hymnus Caedmons vielleicht weltlichen Preisliedern nachgebildet ist, sei wenigstens erwähnt. In deutscher Sprache grenzt das geistliche und endreimende Ludwigslied an; der epische Fluß ist hier stärker (vier Repliken), das Zuständliche und Lyrische tritt mehr zurück. Dasselbe gilt von einem lat. Werke wie Pippins Victoria A v a r i c a (796), wogegen dem Bellum Fontanetum (841) wieder Dialog und fabulistische Folge abgehen. Daß aber preisende Zeitgedichte, Gegenwartslieder nicht erst mit der kirchlichen K u l t u r Karls und Alfreds aufkamen, lehren Zeugnisse. Das älteste der sicheren ist Priscus aktenmäßiger Bericht v o n Attilas Hofhalt. Nach dem Schmause stellten sich zwei Barbaren, offenbar Goten, vor den Herrscher, asficrat TrEirot7j[j.lva eXsyov, vixa; otüroü xal x a ; xoera ito>.s;j.ov oioov-sc äpiTa;; die Gäste folgten den Gedichten bewundernd und in lebhafter kriegerischer Ergriffenheit. (Nachher k o m m t der Mimus mit seinen unsinnigen, lachhaften Späßen.) Abgesehen v o n der Zweizahl der Vortragenden (lösen sie sich ab?), stimmt das Bild geradezu überraschend mit der uns so wohlbekannten Erscheinung des nordischen Skalden am Fürstenhofe. W a s Priscus über den Inhalt andeutet, genügt, um ein enkomiastisches Zeitgedicht, nicht ein Heldenlied zu erweisen. Es ist keine Stegreifdichtung (TOTtotTj(j.sva). V o n Harfe ist nicht die Rede, und die Ausdrücke aafiaxa fXsyov — aSovxs? sprechen eher für unsanglichen Vortrag, was bei einem Preisliede bes. zu beachten ist. Auch die Andeutungen des Wids. gehen zum Teil auf Preislieder, bes. Z. 54 ff. 'ich kann singen . . in der Methalle, wie edel die Hochgeborenen sich mir bewiesen'; vgl. Z. IOO. Die Zweizahl der Sänger kehrt wieder Z. 103: 'wenn Scilling und ich mit heller Stimme vor unserm Gefolgsherrn den S a n g erhoben . .'. Der Wids. scheint überall Gesang und Harfen-

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i

begleitung vorauszusetzen. Im Beow. 873 ff. trägt der Hofdichter über Beowulfs frische Heldentat v o r : der Epiker denkt es sich mithin als Improvisation, und dergleichen mag j a vorgekommen sein; H e l d e n lieder jedoch als aktuelle Augenblicksschöpfungen werden durch die Stelle nicht bezeugt. Venantius Fortunatus, Carm. 7, 8, 61, sagt zu Herzog Lupus v o n Aquitanien: . . plaudat tibi barbarus harpa, . . dent barbara carmina leudos (0: leudes 'Mannen'). Es ist der älteste Beleg für das germ. W o r t Harfe; dieses bezeichnet unterschiedslos die längst eingeführte L y r a (die mit keltischem Namen ad. (h)rotta heißt) und die von England ausgehende dreieckige Harfe. Eine Frage bleibt, ob schon Tac. Ann. 2, 88 'Arminius . . caniturque adhuc barbaras apud gentes' in den Bereich des Einzel-Preisliedes zu ziehen ist. Damit träte diese Kunstform zu den alten, v o r der Wanderungszeit bestehenden. Weniger wahrscheinlich sind hier Merkverse oder chorische Hymnen (etwa Totenklagen wie oben B c). Man muß nur annehmen, daß in dem Falle Arminius ein Zeitgedicht ausnahmsweis lange, drei Menschenalter, am Leben blieb, während sonst wohl diese Produkte mit ihrer Generation ins Grab sanken. A u c h später m a g da und dort ein ungewöhnlich eindrucksvoller Inhalt oder andere, irrationale Umstände einem Zeitgedichte die Dauer und Verbreitung verliehen haben, wie sie im allgemeinen nur Heldenliedern zuteil ward. Hygelacs Rheinzug fiel c. 516; c. 700 kennt ihn der Beowulfdichter, offenbar aus einem Liede, das den historischen Umriß und die Stammnamen gut bewahrt hatte. Man scheint hier eher ein Zeitgedicht als eine heroische Fabel folgern zu müssen. Es könnte das 'Erblied' auf den gefallenen K ö n i g gewesen sein, das der gautische Hofdichter, als Augenzeuge oder nach dem Berichte der Heimgekehrten, verfaßte. Zwischen Zeitgedichten, Merkversen und Heldenliedern kann man auch sonst schwanken, wo der Inhalt nur unbestimmt angedeutet wird. Ob die Gattungen in ihrem leibhaften Dasein ineinander verflossen, ist die Frage: die uns bewahrten

DICHTUNG S t ü c k e sind klar aufzuteilen. A m meisten Ähnlichkeit hatte das Zeitgedicht mit dem chorischen Preisliede (oben B c): man halte etwa den 'Tod Eadweards' der A g s . Ann. neben Attilas Totenklage bei Jordanes ! In der Pflege der Spielleute überlebte das Zeitgedicht, in lat., deutschen, engl., dän. Versen, das alte Hofsängertum und drang in weitere Kreise. Bei dem stehenden 'vulgo concinnatur et canitur', den 'cantilenae vulgares' als Zeugen einer Begebenheit hat man in erster Linie an unsere G a t t u n g zu denken. — Als in Norwegen im 9. Jh. die skaldische Formneuerung durchgedrungen war, stiegen die Preislieder im Kurse und wurden, schon um ihrer zierlichen W o r t k u n s t willen, planmäßig weitervererbt, obwohl der neue Stil sie zum Bewahren historischen Stoffes weniger tauglich machte. Als südgerm. Ausdrücke, die den nord. lof und hrötfr entsprächen, kann man nennen: got. hazeins 'sTuaivoc'; ae. herigan, heriung; weordung 'modulatio vel cantus' (eig. 'Ehrung'). Doch mögen diese Namen ebensogut die chorischen Arten u m f a ß t haben (oben B a c). b) Ein Seitenast des Preisliedes ist das Klagelied, die Elegie. Ein schätzenswert klares Zeugnis bietet Prokop B V . 2, 6 von dem ausgehungerten W a n dalenkönig Gelimer (a. 533): jci&apisrfl 8s GqaOiö ovi'. 10875 T l i aü-io I? Sujitsopav TTjv Trapr)Ü3av 7rs7ioiVfTai, rtv 07] -uhz y.i&apav i)pr^riarj.i TS xai a-oxXauaat e-Kt(~(Bzae e a 1 f e 1 a | ealdgesegena | w o r n gemunde. Der blinde Isländer Sttifr, der den Norwegerkönig Harald den Gestrengen unterhält (c. 1050), weiß mehr als zehn (var. 1.: dreißig) der einfacheren Preis gedichte (flokkar) auswendig und ebensoviele der höhern A r t (dräpur): auf des K ö n i g s Frage bekennt er sich als Verfasser jener flokkar (Mork. 104 f., Fms. 6, 389 ff.). Doch ist in dieser wnord. Skaldenkunst schon eine dritte, höhere Stufe erreicht: der Urheber des Gedichtes wird v o n dem Vortragenden bewußt geschieden (at yrkia opp. at fcera, framm flytia; neutral ist noch kveäa, s. § 4); das Lob gilt der poetischen Erfindung; das stehende 'skald gott' ist eine andre Schattierung als das ae. 'leodcraeftig mon'; der Autorenstolz ist vollentwickelt: Egill Skallagr. schichtet eine L o b - B e i g e auf, die unzerbrechlich dauern wird (Arinb. 24), und wenn er, wie jener engl. Gnomiker, seine 'makellose K u n s t ' als Gottes, diesmal Odins, Gabe preist, so

ist kein Zweifel mehr, daß er an den schöpferischen A k t denkt (Sonart. 24). Damit ist die weitere Neuerung solidarisch: der Name des Dichters wird mit dem Gedichte vererbt. Es ist nicht eine bestimmte Gattung, etwa das Fürstenlied, die dieser Auszeichnung teilhaft wird; vielmehr halbiert es sich ziemlich scharf nach der F o r m : das schlichte 'Eddische' bleibt bei der alten Namenlosigkeit, das kunstreichere 'Skaldische' wird so hoch gewertet, daß man nach dem A u t o r fragt; eine Folge dieses weitgetriebenen Formkultus. Die gesamte außerskaldische agerm. Dichtung steht noch auf der Stufe, wo man unter Umständen die Namen (meist Künstlernamen) v o n Sängern festhält (Widsiö, Scilling, Heorrenda, Deor, Bernlef), aber keinen Urheber kennt. Erst Geistlichkeit und Schriftwesen durchbrechen die A n o n y m i t ä t (Caedmon, Cynewulf, Otfrid). Auf Island gibt man 'skald' als stehenden Beinamen und beobachtet schon die Erblichkeit der Dichterbegabung; es gibt skaldenreiche Familien wie die M^ramenn. b) Wie weit haben sich die Dichter dieser höhern Gattungen beruflich abgesondert ? Die höhere L y r i k (F) finden wir auch in der H a n d von Fürsten: Gelimer, HroSgar; auch der Westsachsenprinz A l d helm (f 709), der gelernt hatte, 'poesim Anglicam facere, cantum componere, eadem apposite vel canere vel dicere,' hat sich gewiß nicht auf die niedere Alltagskunst beschränkt. Das epische Lied (G) zeigen unsre, allerdings spärlichen Zeugnisse nie von Dilettanten vorgeführt. Den berufsmäßigen Dichter-Sänger erblicken wir, da Priscus und Jordanes hierfür im Stich lassen, zuerst in den engl. Gedichten Widsid, Beowulf, Deors K l a g e . Sie geben, vereinigt, folgende Umrisse. Der ae. scop ist freier Geburt, er betätigt seine K u n s t in der Fürstenhalle, bei seinem heimischen Herrn ist er Mitglied der dryht, er kann aber zeitenweise ein Wanderleben führen, fremde Höfe besuchen; auch dort gehört er zu den V e r trauenspersonen; seine K u n s t ist mehr als Gelegenheitsverdienst, sie n ä h e r t sich mindestens dem Lebenserwerb: die fremden Fürsten, auf die er seine Preislieder singt, lohnen ihm mit Goldringen, er sucht in Süd

DICHTUNG und N o r d die a u f , die sich a u f ein L i e d v e r s t e h n und m i t G a b e n n i c h t k a r g e n ; die S t e l l u n g , die er als G e f o l g s m a n n des eignen Herrn einnimmt, ruht jedenfalls gutenteils auf seiner K u n s t : d a n e b e n k a n n er a u c h e r e r b t e n L a n d b e s i t z h a b e n ; w i e w e i t er als K r i e g e r m i t t u t , b e l e u c h t e n unsre S t e l l e n nicht. N i c h t ans H o f l e b e n g e b u n d e n e r s c h e i n t der blinde Friese B e r n l e f ; ob sein bei den N a c h b a r n beliebtes Harfen v o n Heldenliedern als E r w e r b diente, e r f a h r e n w i r nicht. B e i den N o r d g e r m a n e n w i r d sich der H o f d i c h t e r z u g l e i c h m i t der K u n s t des Heldenliedes, w e n n n i c h t früher, eingebürgert haben. D a s bis ins E i n z e l n e bek a n n t e B i l d des w n o r d . S k a l d e n — g u t e V e r t r e t e r die I s l ä n d e r H a l l f r e 9 r , G u n n l a u g r , Ö t t a r r s v a r t i , S i g h v a t r —• ist j e n e m engl. P o r t r ä t r e c h t ähnlich. M i t größerer B e s t i m m t h e i t k ö n n e n w i r hier sagen, d a ß die D i c h t k u n s t n i c h t den e i g e n t l i c h e n L e b e n s b e r u f b i l d e t : s o l a n g e der H o f s k a l d in der hir9 seines F ü r s t e n lebt, ist er in erster Linie K r i e g e r i m Heer- u n d F l o t t e n d i e n s t e wie die a n d e r n a u c h , w e n n g l e i c h die ' S k a l d e n des K ö n i g s ' — sie sind g a n z g e w ö h n l i c h in der M e h r z a h l v o r h a n d e n — ein stehendes, f a s t professionelles W o r t i s t ; m e i s t s e t z t er sich s p ä t e r auf sein ere r b t e s oder e r w o r b e n e s G r u n d s t ü c k , w i r d L a n d w i r t oder K a u f m a n n : die S k a l d s c h a f t h a t i h n bei seinem G e f o l g s h e r r n v o r t e i l h a f t e i n g e f ü h r t , i h m G u n s t u n d Sold, a u c h v o n f r e m d e n F ü r s t e n , e i n g e t r a g e n : sein B r o t e r w e r b w a r sie n u r v o r ü b e r g e h e n d . Noch w e n i g e r k a n n a u ß e r h a l b des H o f l e b e n s v o n e i n e m w i r k l i c h e n D i c h t e r g e w e r b e die R e d e sein. Die nord. L i t . z e i g t uns a u c h , w i e w e n i g der F ü r s t e n h o f eine a b g e s c h l o s s e n e K u l t u r z o n e b i l d e t e : die auf d e n F ü r s t e n g e d i c h t e t e n L i e d e r g a b m a n w e i t e r i m isl. B a u e r n h a u s e , G e d i c h t e gleicher A r t schuf m a n f ü r seine g r o ß b ä u e r l i c h e n V e r w a n d t e n , u n d die g a n z e A r b e i t der S a m m l u n g u n d A u f z e i c h n u n g h a b e n n i c h t die H ö f e , sondern die f r e i s t a a t l i c h e n Isländer b e s o r g t . B i s h e r w a r e n es g r a d u e l l e U n t e r s c h i e d e v o n W i d s i ä und Genossen. E i n e n s c h ä r f e r n S t r i c h z i e h t der U m s t a n d , d a ß uns der nord. H o f s k a l d einzig als P f l e g e r des Z e i t g e d i c h t e s (sowie der S t e g r e i f l y r i k ) gezeigt wird, n i c h t

des H e l d e n l i e d e s . Die w e n i g e n ae. Z e u g nisse teilen d e m scop b e i d e G a t t u n g e n z u ; dies ist u n b e d i n g t d a s ältere. Die nord. N e u e r u n g b e r u h t d a r a u f , d a ß sich d a s Heldenlied dem skaldischen Kunststile entz o g e n h a t t e (wie a u c h die irische H o f d i c h t u n g d a s E n k o m i u m , n i c h t a b e r die H e l d e n s a g e u m f a ß t e ) : dieser K u n s t s t i l a b e r w a r s e i t 1 H a r a l d S c h ö n h a a r der höfische. W a s n i c h t hindert, d a ß ein H o f s k a l d in seinem a u ß e r h ö f i s c h e n D a s e i n a u c h E d d a lieder d i c h t e t e (dies z u m e l d e n , f a n d m a n keinen G r u n d ) , oder d a ß e i n m a l ein H e l d e n lied z u r A n f e u e r u n g der K ö n i g s m a n n e n h e r b e i g e r u f e n w u r d e (oben § 7 G a). F ü g e n w i r bei, d a ß der S k a l d n i c h t h a r f t und singt, so sind die U n t e r s c h i e d e z w i s c h e n e i n e m H a l l f r e d und e i n e m W i d s i 9 e r s c h ö p f t . c) In P r i s c u s ' B e r i c h t e f o l g t den P r e i s liedern auf A t t i l a die K o m i k eines C l o w n s , wir d ü r f e n s a g e n : des J o c u l a t o r s , des Mimus. D i e b e i d e n R e i c h e sind hier n o c h ges c h i e d e n : die idealistische S c h ö p f u n g des j u n g e n K r i e g e r v o l k e s und d a s E r b e a u s den Niederungen antiker Stadtkultur. G a n z ä h n l i c h geschieden finden wir sie an der T a f e l des w e s t g o t . T h e o d e r i c h I I (oben § 7 E c und G a) u n d deutlicher a m H o f e H a r a l d S c h ö n h a a r s : n a c h den S k a l d e n , die des K ö n i g s k a m e r a d s c h a f t l i c h e G u n s t b e sonnt, k o m m e n die T a s c h e n s p i e l e r mit s t u t z o h r i g e n H u n d e n und andrer ' D u m m heit' (heimska, wie bei P r i s c u s cppsvoßXaß^c;, Haraldskvaedi 22 f. Dieses V o l k l ä ß t die a n o r d . D i c h t k u n s t u n b e h e l l i g t ; ohne G r u n d h a t m a n in einige E d d a l i e d e r den ' F a h r e n den' h i n e i n g e d e u t e t . D e r leikari, der seit d e m 12. J h . in w e s t n o r d . Quellen a u f t a u c h t , ist M u s i k u s u n d S p a ß m a c h e r , kein O r g a n der L i t e r a t u r ; a u c h in D ä n e m a r k u n d S c h w e d e n b l e i b t der v o n S ü d e n eind r i n g e n d e legere, lekare a u ß e r h a l b der a l t heimischen Gattungen. A n d e r s in D e u t s c h l a n d und E n g l a n d . D a h a t der J o c u l a t o r , der S p i e l m a n n die a l t e ernste K r i e g e r p o e s i e a n sich g e z o g e n ; Z e i t g e d i c h t u n d Heldenlied g i n g e n als S p i e l m a n n s g u t d u r c h s M A , w o n i c h t der Geistliche oder der R i t t e r sie a u f g r i f f e n . Dies ist w e n i g s t e n s die h e r r s c h e n d e A n n a h m e ; d e n n die Quellen v e r s a g e n hier, das V e r h ä l t n i s des M i m u s z u m g e r m . H o f -

46 2

DIEBSTAHL

sänger ist nur dunkel zu erschließen. War schon der wgerm. scop bezw. sein gotischer Vorgänger eine ungenaue Nachahmung des römischen Mimus ? Das ae. Wort gleoman gebrauchen Wids. und Beow. für den Hofsänger (s. auch Gnom. Ex. 168): in einer Glosse aber überträgt es 'mimus, jocista, scurra', und es sieht in der T a t nach einem Bedeutungslehnwort aus, = jocista, joculator, ebenso wie das ad. spileman. Daß scop möglicherweise gleichen Ursprung hat, s. oben § 5. Sicher aber ist der Spielmann, der Fahrende, wie er uns besonders in deutschen Zeugnissen seit dem 9. Jh. begegnet, v o n d e m scop u n d skäld w e i t v e r s c h i e d e n .

Er

ist ein Auswurf der Gesellschaft, heimatlos, ehrlos, rechtlos. Zusammen mit Kupplern, Kämpen, Unehelichen, Diebsgesindel werden die Fahrenden genannt. Ihre Beschäftigung umfaßt, neben und vor der Dichtkunst, Pfeifen und Fiedeln, Tanzen und Fechten, Schauspiel und Puppenspiel, Possenreißen und Quacksalberei. Hier haben wir das Gewerbe im vollen Sinne und die abgesonderte Kaste, wovon bei dem agerm. Hofdichter nichts zu spüren ist. Das Erlöschen des alten Hofsängertums setzt man für Deutschland ins 8. 9. Jh. und erklärt es aus dem Verfall der kleinen Fürstenhöfe, der Feindschaft der Geistlichkeit und dem Wettbewerb der Mimi. Wie sich der Ubergang vollzog; wie die alten Stoffe an die Spielleute gelangten, wird durch keine Denkmäler aufgehellt. Die Mimen im Frankenreiche hatten schon früher erzählende Dichtung gepflegt, aber die war lateinisch (auch französisch?) und innerlich andrer A r t : sie war die Vorgängerin der Schwänke und Abenteuerromane; vgl. Chlodwig und Heldensage § 1. Durch die Spielleute geschah der Übergang des stabreimenden Heldenliedes zum endreimenden. Damit wandelte sich auch der altheroische Stil. Allein das Heldenlied kann nicht etwa durchgängig ins Abenteuerhafte und Plebeische gezogen worden sein. Sonst wäre es unerklärlich, daß noch im Nibelungenlied, wie der Vergleich mit der Edda zeigt, die heroischen Momente so treu bewahrt sind. Das Moderne in NL, Kudrun, Rabenschlacht, Wolfdietrich ist zum größten Teile erst in der Ritter- und

Epenzeit hereingekommen. Lamprechts Zeugnis für den tragischen Schluß der Hildesage gibt hier einen schätzbaren Wink. Die Spielleute müssen jahrhundertelang neben ihren andersartigen Erzählungen das Werk der einstigen Scope verhältnismäßig schonsam weitergegeben haben. Hätten wir die deutschen Helden 1 i e d e r aus Lamprechts Zeit, wer weiß, wie nah sie den eddischen ständen ! Auch manches von den niedern Gattungen, v o r allem die gesellschaftliche Lyrik, Tanzlieder und andres Liebeslustige, aber auch die Spruchdichtung, wurde seit merowingischer Zeit von den Spielleuten gepflegt, ja war z. T. ihre eigene Schöpfung. Im 12. 13. Jh., nachdem die neuen Vorbilder der lateinischen Goliarden- und der provenzalischen Trobadordichtung erstanden waren, wirkten Fahrende und Ritter zusammen, jene Kunstarten auf eine höhere Stufe zu heben. M ö l l e n h o f f Zur Gesch. der Nibelunge Not I iff. W e i n h o l d Die deutschen Frauen 2, 131 ff. S c h e r e r QuF. 12, II ff. F r d r . V o g t Leben u. Dichten d. deutsch. Spielleute im MA. 1876. O l r i k in den Opusc. philol. (1887) s. 74 ff. Anderson The ags. Scop 1903. Reich Der Mimus 1, 787 ff. H e y n e Das altd. Handwerk i o i f f . A. Heusler.

Diebstahl. adän.

thiüfnath,

Der

D.

(aschw. piüjna}>er,

w n o r d . / j / z , ßyfS',

a g s . fiejt^talu,

zhA.stala,

f r i e s . thiubda,

a f r . texaga,

diupstäl, l a t . furtum,

stuldr, dhiubia, latro-

ciniurn ist im german. Recht die h e i m l i c h e Wegnahme und Aneignung einer fremden Sache, auch eines Sklaven (afränk. theotexaga). Durch die schon in der Bezeichnung liegende (got. ßiubjo = 'heimlich', idg. *stel(?) = 'heimlich wegnehmen') und besonders verächtliche Heimlichkeit unterscheidet er sich vom Raub, der offnen Wegnahme; durch die Wegnahme, den Bruch eines fremden Gewahrsams, von der Unterschlagung, dem dieblichen Behalten einer schon besessenen Sache, ebenso von der Aneignung von jagdbaren Tieren und Fischen; durch die Aneignung endlich von der widerrechtlichen Gebrauchsanmaßung. Stehlen konnte man nach kontinentalen Rechten nur bewegliche Sachen, während die nordischen Rechte, am Moment der heimlichen Entziehung

DIENSTBOTEN haftend, auch einen Landdiebstahl kennen (wnord. jarfrarstuldr dazu jariarpjöjr). Sämtliche Rechte scheiden zwischen großem

und kleinem

D.

(jurta

maiora

Sache

(isl.

piejejeoh)

föli,

pjöfstolit

je,

ags.

ßyfa5,

erfolgen.

B r a n d t Retshistorie II 96 ff. DRG. II 637 ff. F i n s e n Grägäs s. w. pföfskapr. d e l G i u d i c e 135 DRG. 114 194 ff. H i s Strafrecht 343

Strafferet 133 ff. N o r d s t r ö m Bidrag I I 296 ff. Osenbrüggen Alem. Strajr. 295; Lang. Strafr. I i 8 . W i l d a 859 ff. v. Schwerin.

u.

minorä), je nach dem W e r t des gestohlenen Gegenstandes. Dabei sind die Grenzen verschieden. Von der halben Mark aufwärts rechnen ostnord. Rechte den „vollen Diebstahl" (aschw. füll ßiüft). Schon beim Oertug ( = ein achtel Mark) beginnt ihn das norweg. Recht, bei der halben Unze das isländische, von I — 1 0 Schillingen schwankt die Grenze in kontinentalen Rechten. Als snattan oder hvinnska bezeichnet das jüngere nordische Recht einen nur mit einer Privatbuße (snattanböt) belegten D. unter dem W e r t des in verschiedenen Rechten auch mit einer untern Wertgrenze ausgestatteten kleinen D.s (isl. gQYttxki). Bußlos war der Mundraub. Andrerseits galten manche D. immer als große ohne Rücksicht auf den Wert. So nach einigen Rechten der Sklavendieb (ags. manpeof) ein großer Dieb, der Pferdedieb (ags. siöd/eof); der Bienendieb (ags. beopeof] und der Herdendieb. Jeden Viehdiebstahl, Herdendiebstahl und Getreidediebstahl rechnen die Nordgermanen zum großen. Manche D.e waren besonders ausgezeichnet, wie der Kirchendiebstahl, der Nachtdiebstahl, der D. in Verbindung mit Hausfriedensbruch. Als „schlechtesten Dieb" bezeichnet das schwedische Recht den Viehdieb (gorpiüfer) und den Ackerdieb (agnabakkce, adän. agnbak). Die Diebstahlsstrafen sind schwer. Soweit nicht Handhaftigkeit (s. handhafte Tat) oder erschwerende Umstände vorlagen, ist in den meisten an Stelle der ursprünglichen Todesstrafe ein neben dem Friedensgeld zu zahlender zwei- bis neunfacher Ersatz oder Zahlung des eigenen Wergeides (daher ags. wergeld-ßeof) getreten. Nur die L e x Salica hat neben einfachem Ersatz [capitale) und einer dilatura (s. Buße § 6) eine feste Diebstahlsbuße. Der Ersatz kann auch durch Rückgabe der gestohlenen

B r u n n er I I I Glossar ff. G r i m m ff. M a t z e n

463

i !

; '

!

;

: ' | i

i ! j ! j |

j I

I j j ! |

Dienstboten. A. S ü d e n. § i . Über das Vorkommen von Haussklaven in der älteren deutschen Geschichte ist schon in dem Art. 'Unfreie' gesprochen worden, Ebenda ist auch schon bemerkt, daß Deutschland keine plantagenartigen Betriebe kannte; demgemäß hatte es keine Verwendung für zahlreiche unfreie Feldarbeiten Auch das Villikationssystem setzt im Grunde nur eine bescheidene Eigenwirtschaft voraus. Als es aufgelöst wurde, was in großen Teilen Deutschlands geschah, fiel jene teilweise ganz fort. Immerhin gab es bis etwa zum 12. Jh. sehr viele Herrenhöfe, deren (nicht große) Hofländerei administriert wurde. Soweit dafür nicht Frondienste abhängiger Bauern zur Verfügung standen, gebrauchte man gewiß unfreie Ackerknechte. Für die häusliehen Arbeiten gab es unfreie Hausdiener (vgl. 'Handwerk'). § 2. So mag die Organisation bis zum 12. Jh. gewesen sein. Weiterhin dürfte im MA. für den häuslichen Gesindedienst wie für die Arbeit auf den administrierten Landgütern durchweg ein freieres Verhält nis bestanden haben. In den meisten Gegenden Deutschlands haben die Dienstboten („Ehalten") ein vollkommenes Vertragsverhältnis (womit es vereinbar ist, daß der Dienstbote oder Landarbeiter, der ein solches eingeht, einem andern Herrn als Unfreier gehört). An manchen Orten (z. B. in Westfalen, später im Nordosten) kannte man zwar den Gesindezwangsdienst, Indessen ist auch dieser keineswegs ein Sklavenverhältnis. Der Herr hat ein Vorzugsrecht: ihm müssen die herangewachsenen Kinder der Unfreien zuerst ihre Dienste anbieten. . Die Dienstpflicht währt nur I — 3 Jahre. Der Dienstbote empfängt außer Kleidung und Unterhalt auch Lohn. Es ist anzunehmen, daß die freien Dienstboten schon früher vorkommen, als sie urkundlich direkt nachweisbar sind. Zum mindesten im bäuerlichen Haushalt werden sie sehr früh ihre Stellung gehabt haben (hier dienten gewiß oft die Nachbarskinder).

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DIETRICH VON BERN

W a i t z BVG. 2. A.5, 209fr. Wittich Grundherrschaft in Nordwest~Beutschland 290; Leipz. 1896. H. S t e f f e n Beiträge 2. Gesch. d. ländl. Gesindes in Preußen am Ausgange des MA. Königsberger Diss. 1903. R h a m m Großhufen d. Nordgermanen 46 ff., Braunschweig 1905. A. D o p s c h Wirtschaf.'tsententwickhing d. Karolinger zeit, Bd. 1, Weimar 1912. G. v. Below.

Vorl. IV 197. B r a n d t Forel. I p. 312 ff. H. H i l d e b r a n d Sveriges Medeltid I S. 81 ff K. Lehmann.

Dietrich von Bern, das sagenhafte Spiegelbild des großen Ostgoten Theoderich, 454—526. § I. Bei den Historikern des 6. Jhs. ist von S a g e n b i l d u n g um T h . s Person noch nichts z u spüren. Ja, man kann fragen, ob er ü b e r h a u p t durch sein eignes V o l k B . N o r d c n. § 3. Freie D i e n s t b o t e n in die H e l d e n d i c h t u n g eingeführt wurde, im G e g e n s a t z e zu den H a u s s k l a v e n sind oder erst durch die deutschen Nordallen altnordischen R e c h t e n b e k a n n t , auf nachbaren. Der große H e l d e n k a t a l o g W i d s i Ö Island unter dem N a m e n gridmenn (d. h. k e n n t ihn noch n i c h t (denn der mit S e a f o l a e i g e n t l i c h ' i m Frieden eines andern stehende g e p a a r t e ^eodric Z. 115 ist der F r a n k e , L e u t e ' ) oder heimamenn, in N o r w e g e n als ebenso w i e in Z. 24). E r s t der W a l d e r e leigumenn, verkmenn, vinnumenn, in S c h w e und Deors K l a g e setzen D. offenbar als den u n d D ä n e m a r k als leghuhiön, leghes bekannt voraus. A b e r schon im 6. Jh. hjön. D e r H e r r heißt d e m g e g e n ü b e r bände, heißen ein n o r d h u m b r i s c h e r K ö n i g und hüsbönde. Sie k o m m e n v o r f ü r den H a u s sein B r u d e r Peodric und f e o d h e r e ( = Diehalt, w i e f ü r die L a n d w i r t s c h a f t . Mit B e trich und Diether), und das kann, w e g e n seitigung der U n f r e i h e i t wird diese K l a s s e des zweiten, unhistorischen Namens, n i c h t der B e v ö l k e r u n g v o n B e d e u t u n g , und es auf Geschichtskenntnis ruhen. W e i t a u f finden sich in einigen nordischen L ä n d e r n , fälliger t r i t t D . im Norden zurück. In u m d e m Mangel an A r b e i t e r n z u m a l auf das eigentl. anord. S c h r i f t t u m r a g t er nur dem L a n d e abzuhelfen, B e s t i m m u n g e n über s c h a t t e n h a f t herein durch die Gu9r. III, D i e n s t z w a n g . Der Dienstbote tritt die ihm auf Grund verworrener K u n d e überall in die H ä u s l i c h k e i t des Dienstherrn, eine widerspruchsvolle Rolle verleiht. Die der infolgedessen ein gewisses M a ß der Strophe des schwed. Röksteins, c. 900, V e r a n t w o r t u n g f ü r ihn ü b e r n i m m t . Der k e n n t T h . s Reiterstandbild, auch zwei L o h n (leiga, lega) ist ursprünglich frei, N a m e n der epischen Ü b e r l i e f e r u n g (Märinspäter t r e t e n L o h n t a x e n auf. Die D a u e r gaR, HraipmarR), zielt aber auf keine ist bei m a n g e l n d e r V e r e i n b a r u n g gesetzlich S a g e v o n D. ab. Ein sagenkundiger bestimmt. F ü r die einzelnen A r t e n der Isländer w i e Snorri w u ß t e v o n D. vielleicht D i e n s t b o t e n finden sich besondere N a m e n , n i c h t einmal den N a m e n . U n d gleichzeitig z u m T e i l ähnliche wie bei den U n f r e i e n w a r er in D e u t s c h l a n d der meistgenannte (bryti, deigja). Held. Seine E p e n wiegen an Zahl, n i c h t § 4. N i c h t z u den eigentlichen D i e n s t W e r t , alle übrigen auf. Diese deutsche, boten, weil mit eigener H ä u s l i c h k e i t a u f v o r w i e g e n d obd. D . - d i c h t u n g strömt v o n tretend, gehört der G u t s v e r w a l t e r (bryti), I 2 5 0 a b i n d e n s k a n d i n a v . Norden: es entsteht der e n t w e d e r in einem reinen D i e n s t v e r das große S a m m e l w e r k der Dietrichssaga, hältnis zu seinem H e r r n steht (so der G u t s aber a u c h eine R e i h e dänischer Dietrichsv e r w a l t e r des K ö n i g s konungs bryti) oder der den E r t r a g des G u t e s m i t d e m E i g e n - | balladen. In Deutschland, als die H e l d e n sage sank, v e r k ö r p e r t v o r A n d e r n der t ü m e r teilt, also zugleich in einer A r t G e Berner, ' v a n d e m die bueren so vil singent', sellschaftsverhältnis (bölagh, brytifcelce'gh) die V o r s t e l l u n g e n v o n dem fernen R e c k e n z u ihm sich befindet. D a s letztere V e r h ä l t n i s t u m ; doch d e n k t m a n dabei an die unhew a r z u m a l in S c h w e d e n u n d D ä n e m a r k roischen Märlein mit Riesen und Z w e r g e n , üblich und erinnert an die colonia partiaria nicht an die strengen, hohen Züge, die noch des röm. R e c h t s . die E p e n z e i t an ihrem Liebling k a n n t e . v. A m i r a NOR. I S. 636fr. 6 7 2 a . II S. § 2. Bei keinem zweiten Helden h ä t t e der 771fr. W i n r o t h Ot/i tjenstehjonsförhällandei V e r s u c h g e w a g t werden können, den die enligt Svensk rätt, Upsala i878. M a t z e n S a m m l e r der f s . u n t e r n a h m e n : ein ganzes Forel. II 1896 p. 215fr. 191fr. Maurer

DIETRICH S a g e n p a n o r a m a als B i o g r a p h i e D . s z u ordnen. D. w a r in der T a t im H o c h m i t t e l a l t e r z u m s a g e n r e i c h s t e n aller g e r m . Helden geworden. Folgende Stoffgruppen sind z u u n t e r s c h e i d e n . I. D i e S t a m m s a g e D.s, die ihn als G e s t a l t der H e l d e n d i c h t u n g k r e i e r t h a t : die sog. E x i l s a g e . A n sie a n schließend, schuf m a n : 2. w e i t e r e F a b e l n , w o r i n D . die oder eine H a u p t p e r s o n ist, u n d w o m i t m a n seine J u g e n d - oder a u c h seine V e r b a n n u n g s j a h r e a u s f ü l l t e . H i e r h e r die m y t h i s c h e n oder m ä r c h e n h a f t e n D . g e s c h i c h t e n , v o n denen ein A n f a n g s c h o n im 9. Jh. a u f t a u c h t . D a n n die s p ä t e n , nd. Dichtungen von D . s und Attilas W i l z e n k ä m p f e n , die a u ß e r h a l b der heroischen S a g e f a l l e n (s. A t t i l a ) . F e r n e r die e b e n f a l l s j u n g e n K ä m p f e , deren H a u p t m o t i v ist D.s u n d seiner M a n n e n W e t t s t r e i t m i t S i g f r i d u n d den Seinen. F ü r sich s t e h t die s c h a l k h a f t e Spielmannsnovelle v o n H e r b o r t , die w o h l v o n A n f a n g an den B e r n e r f ü r diese quasi M a r k e - R o l l e erkor. 3. S a g e n v o n d e n D . - h e l d e n , in d e n e n D . selbst n u r N e b e n f i g u r ist oder sein S c h i c k sal nur den R a h m e n h e r g i b t : einerseits die v o n D . einst u n a b h ä n g i g e VaterS o h n s a g e (s. H i l d e b r a n d ) , a n d e r s e i t s die z u D . erst h i n z u g e d i c h t e t e n E r z ä h l u n g e n v o n A l p h a r t , w i e er auf der W a r t e sein L e b e n läßt, u n d v o n H e i m e , Witege, Dietleib, w i e sie den j u n g e n K ö n i g v o n fernher aufsuchen und seine Mannen werden. 4. e n d l i c h w u r d e D . m i t einer g e w i c h t i g e n N e b e n r o l l e h e r e i n g e z o g e n in die obd. G e s t a l t der B u r g u n d e n s a g e , u n d hier f a n d m a n f ü r ihn seine g r ö ß t e H e l d e n t a t , die B e z w i n g u n g der beiden l e t z t e n Burgunden. § 3. D i e E x i l s a g e auf ihrer altern S t u f e b l i c k t b r u c h s t ü c k w e i s e aus den A n d e u t u n g e n des a h d . H i l d e b r a n d s l i e d e s h e r v o r , D e r H e r g a n g , d u r c h die sichern S c h l ü s s e e r g ä n z t , ist dieser. D . w i r d v o n O t a c h e r des L a n d e s v e r t r i e b e n , er flieht m i t H i l d e b r a n d u n d v i e l e n a n d e r n M a n n e n ostw ä r t s . N a c h d e m er 30 J a h r e b e i m H u n n e n k ö n i g E t z e l g e l e b t h a t , k e h r t er m i t h u n nischer H e e r e s m a c h t z u r ü c k und e r o b e r t sein R e i c h . O b O t a c h e r ein V e r w a n d t e r D . s w a r , wie sein ' n i d ' b e g r ü n d e t war, ob er bei der R ü c k k e h r n o c h lebte und d u r c h D . fiel: dies u n d a n d r e s bleibt uns d u n k e l .

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— Otacher ist O d o a k e r , den T h . n a c h f ü n f j ä h r i g e n K ä m p f e n a. 493 in R a v e n n a erstach. A b e r d a s G e s c h i c h t l i c h e ist sehr stark umgewandelt. D. ist m i t seinem Vater Theodemer-Dietmar zusammeng e w o r f e n u n d daher ein Zeitgenosse u n d Schützling Attilas ( t 453) geworden. D a r i n liegt a u c h ein G r u n d der zweiten, g r ö ß e r e n N e u e r u n g : d a ß aus d e m siegreichen E r o b e r e r eines neuen Landes, Italien, der V e r t r i e b e n e w u r d e , der n a c h langer L a n d f l u c h t sein E r b r e i c h z u r ü c k gewinnt. Denn hatte D. am Hunnenhofe, also f e r n d e m eigenen T h r o n e geweilt, d a n n w a r er w o h l ein F l ü c h t l i n g . Doch h a b e n a u c h a n d r e A n t r i e b e auf dieses Exilmotiv hingewirkt. D u r c h die V e r t r e i b u n g k a m z u d e m rein politischen Geschichtsstoffe erst ein sagenmäßiges G r u n d m o t i v h i n z u : D . h a t t e n u n ein persönliches R e c h t g e l t e n d z u m a c h e n , R a c h e zu ü b e n . Im ü b r i g e n k ö n n e n w i r den geistigen G e h a l t dieser ältern S a g e n f o r m , ihre V e r t e i l u n g v o n L i c h t und S c h a t t e n , n i c h t erschließen. Die Frage, ob schon die G o t e n , v o r ihrem U n t e r g a n g a. 555, D.s E x i l erfanden und ein D.-lied schufen, w i r d d u r c h Jordanes' S a g e n l o s i g k e i t n i c h t v e r n e i n t : w o er beg l a u b i g t e Historie v o r f a n d , d a schloß er die f a b u l a e aus. D e r Z e i t r a u m v o n 60 Jahren, v o n 493 an z u rechnen, reichte f ü r d a s n ö t i g e V e r g e s s e n der W i r k l i c h k e i t schon hin. D i e E n t s c h e i d u n g ist v o n der j ü n g e r n S a g e n f o r m a u s zu g e b e n . § 4. Diese, in der erhaltenen D i c h t u n g erst im 13. J h . a u f t a u c h e n d , h a t in folg e n d e m g e n e u e r t . I. D e r G e g n e r O d o a k e r ist ersetzt d u r c h den 120 J a h r e ältern O s t g o t e n k ö n i g E r m a n a r i c h , den m a n z u D.s V a t e r b r u d e r m a c h t . E s ist eine Rollenverschmelzung: D i e beiden g r o ß e n A m e l u n g e , die m a n aus der S a g e k a n n t e , E r m e n r i c h u n d D., n a h m m a n als Z e i t genossen, als B e h e r r s c h e r eines L a n d e s u n d als nahe V e r w a n d t e ; d a a u ß e r d e m - E r m e n rich in seinen ältern S a g e n ( S v a n h i l d , Harlunge) s c h o n den C h a r a k t e r des S i p p e brechers e n t w i c k e l t h a t t e , t a u g t e er z u m Gegenspieler in der D . - s a g e : so k o n n t e er die Rolle des sonst u n b e k a n n t e n O t a c h e r an sich reißen. Unsre S a g e g e w a n n d a m i t den b e l i e b t e n Z u g der V e r w a n d t e n f e h d e ,

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falls sie ihn nicht schon früher besaß. Ermenrich brachte aus der Harlungensage den bösen R a t Sibeche mit herüber, der nun auch in der D.-dichtung der Urheber der U n t a t wurde, und Sibeches Gegenbild, Eckehart, trat zu D.s Partei. Die Quedlinburg. Ann. c. IOOO kennen Ermenrich in dieser neuen Rolle: also zwischen dem Hildebrandsliede und dem ausgehenden 10. Jh. ist diese Umgestaltung erfolgt. 2. Die Handlung ist komplizierter und weniger dramatisch geworden: v o m Hunnenhofe aus macht D. einen ergebnislosen Eroberungsversuch; Jahre später, nachdem Ermenrich eines natürlichen Todes gestorben ist, zieht er friedlich in sein Erbreich ein. Diese sonderbare A b s c h w ä c h u n g beruht darauf, daß der neue Gegenpart, Ermenrich, nach alter Sage durch die Brüder Hamadeo und Sarulo sein Ende fand. Diese Tatsache ließ man zunächst unangetastet; noch Eckehard von A u r a c. 1100 kennt sie. Geraume Zeit mithin erzählte man die Exilsage so, daß D. dank der T a t jener Brüder den leeren Thron seines Erbfeindes einnehmen konnte. Dann aber trat eine zwiefache Anpassung ein. Man setzte D. an die Stelle der zwei Brüder — diese entschieden glücklichere Lösung lebt fort in dem nd. Liede Ermenrikes Dot. Die in den hd. Epen bezw. der Pidreks saga ausmündende Dichtung begnügte sich, die T a t der Brüder zu beseitigen; so brauchte D. nicht mehr die Frucht fremden Verdienstes einzuheimsen, aber sein kampfloser Einzug in die Heimat blieb bestehen. D a ß D. beim Burgundenuntergang all seine Mannen verloren hatte und auch Etzel ihm nun keine Streitmacht mehr stellen konnte, ist eher die Folge als die Ursache der eben erwähnten Umbildung: hätte D.s kriegerische Rückkehr festgestanden, dann hätte sich die Burgundensage leicht angepaßt. Man hat vermutet, die große Schlacht vor Raben, die jetzt zu dem vergeblichen Eroberungsversuche gehört, sei auf ältrer Stufe ein Teil der siegreichen Heimkehr gewesen. § 5. Das Schicksal des mhd. D. h a t mit seinem historischen Urbilde blutwenig Ä h n lichkeit; gleichzeitig aber enthalten die Quellen des 13. Jhs. erstaunlich viele Einzelheiten, die mehr oder weniger sicher

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aus der gotischen Geschichte stammen. a) Zuständliches: die Namen Amelunge, Dietrich und Dietmar; daß der Vater zwei Brüder hat, D. keine Söhne; die Städte Bern und Raben, Verona und R a v e n n a (die übrigen sind späte Zutat). b) aus den Kriegen mit Odoaker: die verräterische Übergabe Rabens durch Witege (D. Flucht) c o dem Verrat Tufas an Theoderich. c) aus Th.s Jugend: Diether: Theodemund, Th.s Bruder, 479 zuletzt auftretend; Dietrich von Kriechen (f's.: Piärekr Valdimarsson): Theoderich Strabo, ein got. Freischarenführer in oströmischem Dienste, d) aus der Gotengeschichte vor Theoderich: Theodemers Verbindung mit Attila (s. o.); daher überhaupt die Vorstellung v o m Hunnenhofe und die Namen Etzel, Bloedel, Helche, Erphe, s. Attila. Hildebrand in der Rolle als Waffenmeister, Ziehvater kann den Gensimundus fortsetzen, der nach Cassiodor dem jungen Theodemer und seinen zwei Brüdern die Krone rettete (c. 430) und dafür 'toto orbe cantabilis' wurde; er ist also, gleich den hunnischen Beziehungen, eine Verpflanzung vom Vater auf den Sohn. Witege ist der WeStgote Widigoia, der noch in der ersten Hälfte des 4. Jhs. durch die Sarmaten fiel und der bei Jordanes c. 5 unter den besungenen Vorzeitshelden genannt wird. Die älteste geschichtlich erkennbare Gestalt der germ. Sage. Die Sarmaten ersetzte man durch die Hunnen: Witege k ä m p f t gegen das von Etzel gestellte Hilfsheer, er endet allerdings durch D. (s. unten). Ohne historisches Gegenbild ist sein Genosse und z. T . Doppelgänger Heime. Schon der Widsiö 124 ff. preist die Kriegstaten der beiden, W u d g a und H ä m a ; die Gegner sind nicht genannt, denn die Stelle Z. 1 1 9 — 1 2 2 fällt in einen andern Zusammenhang (s. Hunnenschlacht). Es ist auch unsicher, ob der Wids. die zwei Helden in Verbindung mit Ermenrich denkt. D a mindestens bei Witege die Gegnerschaft zu den Hunnen ( < Sarmaten) primär ist, wird er zunächst an D. geschlossen worden sein, denn Ermenrich hatte bis ins 9. Jh. mit den Hunnen gar nichts zu tun; mit D. verbunden erscheint Widia zuerst im Waldere B. Endlich die Tötung der zwei jungen Etzelsöhne, die

DIETRICH VON Hauptfabel des Epos Dietrichs Flucht. Sie kann zurückgehen auf den Fall des ältesten Attilasohnes Ellac in der Schlacht gegen Goten und Gepiden a. 454 in Pannonien. Die Sage hat die T a t auf Witege übertragen und D. zum Rächer gemacht. §6. So hat D.s Exilsage Namen und Vorgänge aus einem sehr langen Zeiträume, von c. 330 bis 493, an sich gezogen: das Hauptbeispiel von epischer Attraktion. Gelehrte Entlehnung aus Chroniken ist nirgends zu vermuten. Diesen ganzen Stoff hat die Dichtung einheitlich disponiert, so zwar, daß die Hunnen als D.s Helfer durchweg die günstig beleuchtete Partei, die Masse der Goten unter Ermen rieh die Gegenspieler bilden. Das Persönliche h a t sich das Politische ganz unterworfen; die Taten Widigoias und die T ö t u n g des Attilasohnes erscheinen, dem nationalen Standpunkte zuwider, als beklagenswerte Vorfälle. § 7. Die große Frage ist nun, in welcher Gestalt diese außergewöhnliche Fülle von geschichtlichen D a t a den obd. Dichtern zukam. Bei der A n n a h m e ganzer Liederzyklen, die das Gotenschicksal durch die Jahrzehnte hin gespiegelt hätten, macht man sich die N a t u r des germ. Heldenliedes nicht klar. A b e r auch die entgegengesetzte Meinung, daß die Deutschen nur die einzelnen Brocken aus der Gotengeschichte aufgefangen und dann selbst erst den poetischen A u f b a u geschaffen hätten, rechnet mit abnormen Bedingungen. A m ungezwungensten erscheint eine mittlere A n s i c h t : zwei gotische Heldenlieder haben diesen ganzen Stoff überliefert. Das eine erzählte D.s Exilsage, das andere den Fall der Etzelsöhne durch Witege. Ob und wie diese zweite Fabel an D. angeknüpft war, wissen wir n i c h t ; für eine bloße Einlage der Exilsage hat sie zu viel Eigengehalt, das zeigt sich noch in der Behandlung des 13. Jhs. § 8. Bildete die Exilsage einen Liedinhalt, so kann sie nicht einfach berichtet haben, daß ein Fürst durch einen andern vertrieben wird und dann mit Hilfe eines fremden Königs seinen Thron zurückgewinnt. Dies wäre Stoff für ein paar formelhafte Verszeilen; die Hauptsache

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würde fehlen, die heroische Seele. Was war das menschliche Motiv ? Es kann wohl nur das der Dienstmannen- und Herrentreue gewesen sein. So wie D.s Flucht es vorträgt, hat es j a etwas von verstiegenem Edelmut (W. Grimm S. 407); aber das Dilemma, die gefangenen Mannen zu opfern oder das Land zu räumen, ließe sich christlich-gotischer Heldendichtung Eine andre des 6. Jhs. schon zutrauen. Möglichkeit wäre, daß Gensimund-Hildebrands A u f o p f e r u n g für seinen jungen Herrn den H a u p t a k z e n t trug, D. mehr der Empfangende war. In beiden Fällen war die Sage eine Geistesverwandte von W o l f dietrichs Dienstmannendrama. Die Verschiedenheiten im Detail sind groß genug, daß man zwei in Entstehung und weiterer Ausbildung unabhängige Dichtungen anzuerkennen hat. § 9. In unsrer Überlieferung ist D.s Exilsage kein organisches Gewächs mehr wie die Sigfrid-Burgundensage, die Hilde-, Kudrun-, auch die Wolfdietrichsage, Sie ist in Stücke zerschlagen; keine einzige Dichtung umspannt ihren ganzen Grundriß, und hängt man sie alle drei oder vier aneinander, so entsteht ein Lebensroman, nicht eine monozentrische Heroenfabel. D.s Stammsage ist zu einem Behälter geworden für viel geschichtlich geographischen Stoff, alten und jungen, für Massenaktionen und für epische Episoden, worin D. verschwindet. Es ist ein durchaus abnormes Gebilde innerhalb der gesamten germ. Heldendichtung, nicht geeignet, als idealer Maßstab zu dienen; wo es die Phantasie der Forscher bestimmte, hat man eine 'Sage' zu sehr als Episodenhaufen mit strategisch-politischem Faden, zu wenig als einheitliche und menschliche Fabel gewürdigt. § 10. Von einem Porträt des sagenhaften D. kann man zuerst imNibelungenlied reden. Es liegt ebenso weit ab von den mehr typischen Umrissen der jugendlichenldealkrieger (Sigfrid, Walther, Beowulf, Hagbard, Hialmar, Helgi Hundingstöter) wie von den durchfurchten Zügen der Meister, die in Starka9 gipfeln. Es ist eine Verbindung von Milde und K r a f t , der man nur das (so viel skizzenhaftere) Bild Hrolf krakis vergleichen kann. A b e r bei D. k o m m t

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DILL—DING

dazu jener Unterton von Dulden, der ihm Ostgot. Heldensage 1889. J i r i c z e k Deutsche Heldensagen I ; 1896. S c h ö n b a c h Wiener die tiefe Resonanz gibt. Wieweit diese Sitzungsber. 1897. B r a n d l Herrigs A r c h i v vornehme, etwas schwere, halbdunkle 120, 1 ff. Schück Rök-Inskrijlen 1908. Fürsten-, nicht Kämpenart, eine Synthese B o e r A r k i v 24, 103 ff. 260 ff. [ D i e Sagen von von altem Germanen und christlichem Ermanarich u. D. 1910.] — Zu § 1 1 : FreiRitter, in dem Exilliede des 6. Jhs. vorb e r g P B B e i t r . 29, 1 ff. B o e r ebd. 32, 155 ff. bereitet war, steht dahin. Schon der geL a s s b i e g l e r Btr. z. Gesch. der Eckendichschichtliche Theoderich war maßvoll und tungen 1907. A . Heusl:r. tapfer, selbstbeherrscht und leutselig. Aber auch aus der gegebenen epischen Rolle Dill (Anelhum graveolens L.). Küchenwar das Porträt der Dichtung, wie wir es und Heilpflanze, in Südeuropa heimisch: kennen, herauszuspinnen. gr. avrj&ov, w o r a u s l a t . anethum, anetum. § n . D.s Abenteuer mit Riesen, Zwergen Die Pflanze ist wohl durch die Römer nach und Drachen, die den Inhalt mehrerer dem Norden eingeführt und hier auf germ. mhd. Epen und Abschnitte der f s . bilden, Boden irgendwo mit einem e i n h e i m i werden ihrer Hauptmasse nach spiels c h e n N a m e n benannt worden, der männische Neuschöpfung des 12., 13. Jhs. sich dann über das ganze west- und nordsein. Die Eckengeschichte kann der urkundl. germ. Sprachgebiet verbreitete: and. dilli Name ae. Ecga, Ecca, ahd. Eggio, Ecko m . , m n d . m n d l . n n d l . dille, n n d . dill] a h d . nicht als alt erweisen, zumal der Sagenname tilli, m h d . tille, n h d . ( a u s N d . ) dill m.; vermutlich eine ätiologische Erfindung zu n e . dill] dän. a e . dile m . , m e . dile, dylle, dem Schwerte Eckesahs ist (Boer). Die dild, schwed. dill, dazu eine Nebenform Episode der isl. Hrolfs saga Gautreksmit y: adän. dylle (Falk-Torp). Urgerm. sonar c. 35 ff., die mit einem Stücke der *diliz, *dilja-, *duljaist v i e l l e i c h t m i t n h d . Virginal verwandt ist, kann c. 1200 nach dolde f., ahd. toldo m. 'Krone einer Pflanze, Island gelangt sein, Hyndluliod 22. 25 Blütendolde' verwandt; der Dill wäre dann fordert kein höheres Alter. Dagegen die als Umbellifere nach seiner Dolde benannt. halbklare Anspielung des Waldere B : — Aus dem Engl, stammt gäl. dile, aus 'Witege empfing Lohn von D., dafür daß dem Nd. lit. dile (meist plur. dilcs), lett. er ihn aus Klemmen los machte; durch dile, estn. tili 'Dill'. das Gefilde ( ?) der Unholde eilte er (D. ?) Johannes Hoops. davon' ist wahrscheinlich so zu fassen, Ding, Gerichtsversammlung. A. S ü d e n . daß D. b e i R i e s e n gefangen war und § 1. Ausdrücke. § 2. Gerichtsstätte. § 3. Gevon W. befreit wurde. Von den drei richtszeit. § 4. Hegung. § 5. Äußerliche A n vergleichbaren Erzählungen mhd. Epen ordnung. § 6 Dingpflicht. (in Virginal, Sigenot, Laurin) steht am § 1 . A u s d r ü c k e . A h d . ding, l a n g o b . thinx, nächsten Virg. 314 ff. nebst der Variante a g s . ping, a u s v o r g e r m . *tenkos (tempus), Alphart 252 f.: Witege befreit D. (und daher wohl Grundbedeutung 'Termin', Heime) aus Kerkerhaft bei einem Riesen. bezeichnet wie jede öffentliche VersammDer Kern dieser Geschichte scheint also lung, so im besondren die (zu bestimmten durch den Waldere für das 9. Jh. bezeugt Terminen stattfindende) Gerichtsversammzu werden. Der Anstoß dazu, dem Helden lung. Andere bei den Südgermanen für der lebenstreuen Exilsage ein Trollenabenbeide Arten von Versammlungen übliche teuer anzudichten oder anzuhängen, ver- j Bezeichnungen sind germ. mapla-, got. birgt sich uns; brachte Witege die Riesenma.pl, a h d . madal, a g s . mcepl, as. mahal, sage mit ? Bei dem spätem Aufsprießen frankolat. mallus, mit dem got. Verbum von Drachen- und Zwergenkämpfen kann mapljan 'sprechen' zusammenhängend, dader Wunsch gespielt haben, nach dem her = 'Sprache, Besprechung', wie denn Vorbilde von Jung Sigfrid auch Jung das ahd. sprächa gleichfalls im Sinne Dietrich mit märchenhaft bunten Lehrvon 'Gericht' gebraucht wird und noch jahren auszustatten. im MA. von 'Morgensprache, Bauernsprache' uä. die Rede ist. Die AngelU h l a n d Schriften 1, 41 ff. 405 ff.. 8 , 3 3 4 f r . M ö l l e n h o f f Z f d A . 12, 253 ff. H e i n z e l sachsen verwenden das Wort gemot wie

DING für Staatsversammlung (Reichstag), so f ü r j e d e s w e l t l i c h e G e r i c h t im G e g e n s a t z zur kirchlichen V e r s a m m l u n g . Unsicher ist die B e d e u t u n g v o n fries. warf, as. hwarj (vgl. Heck Altfries. Gerichtsverfassung, W e i m a r 1894, 423 ff. und Siebs e b e n d a ) , ein w a h r s c h e i n l i c h a u c h den L a n g o b a r d e n und B a i e r n b e k a n n t e r A u s d r u c k . Das jüngere deutsche Wort 'Gericht' (ahd. gerihti) bedeutete ursprünglich R e c h t s p r e c h u n g , R i c h t u n g des a u s der R e i h e g e r a t e n e n R e c h t s v e r h ä l t n i s s e s ; erst im M A . w u r d e es zur B e z e i c h n u n g der G e r i c h t s v e r s a m m l u n g oder der G e r i c h t s stätte verwendet.

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g r o ß e W i r k u n g g e h a b t zu h a b e n . Erst i m M A . t r a t in d e n S t ä d t e n eine g ä n z liche A b k e h r ein; m a n v e r l e g t e hier die G e r i c h t e in die Z u n f t - oder R a t h ä u s e r , Gerichtsgebäude. w o h l a u c h in eigene A b e r der h ä u f i g e B r a u c h , n i c h t in geschlossenen Z i m m e r n , sondern in offenen H a l l e n (Gerichtslauben) z u t a g e n oder w e n i g s t e n s F e n s t e r und T ü r e n der G e richtssäle z u öffnen, erinnerte n o c h l a n g e an den a l t e n Z u s t a n d ; auf d e m L a n d e , in den D ö r f e r n , in B u r g e n , a u c h in m a n c h e n S t ä d t e n l e b t e dieser a b e r a u c h d a s g a n z e M A . h i n d u r c h bis in die N e u z e i t f o r t . A n drerseits w u r d e n in E n g l a n d die Gerichte, die der G r u n d h e r r f ü r seine H i n t e r s a s s e n a m B u r g t o r hielt, w o h l schon f r ü h in die H a l l e seines Schlosses v e r l e g t ; d a h e r der seit d e m 11. Jh. bezeugte Ausdruck Hallengericht (halimot) f ü r das Gutshofgericht.

§ 2. G e r i c h t s s t ä t t e . Die Germ a n e n hielten ihre G e r i c h t e u n t e r f r e i e m H i m m e l , die g r o ß e n V o l k s v e r s a m m l u n g e n w o h l meistens auf w e i t e n E b e n e n , die k l e i n e r e n m i t b e s o n d r e r V o r l i e b e auf B e r g u n d H ü g e l (daher bei den F r a n k e n der A u s d r u c k malloberg), h ä u f i g u n t e r B ä u m e n , §3. G e r i c h t s z e i t . Der ursprüngbei g r o ß e n S t e i n e n ; a b e r a u c h in W ä l d e r n lich sakrale C h a r a k t e r der g e r m a n . G e u n d H a i n e n . F ü r die W a h l des Ortes fiel r i c h t s v e r f a s s u n g t r a t a u c h in der W a h l b e s t i m m e n d ins G e w i c h t , d a ß m a n G e r i c h t der G e r i c h t s z e i t z u t a g e . Die Gerichte u n d G e r i c h t s s t ä t t e den G ö t t e r n zu w e i h e n w u r d e n z u h e r g e b r a c h t e n T e r m i n e n und pflegte, u m sie u n t e r deren S c h u t z z u z w a r , w i e es scheint, v i e l f a c h i m A n s c h l u ß stellen. D e s h a l b w u r d e n die G e r i c h t s v e r an h e i d n i s c h e O p f e r t a g e a b g e h a l t e n , z B . s a m m l u n g e n gern an K u l t s t ä t t c n a b g e z u W a l p u r g i s . M a n hielt G e r i c h t stets n u r halten. A l s eigner G o t t der D i n g v e r bei T a g e (daher der A u s d r u c k tagadinc s a m m l u n g scheint der K r i e g s g o t t Ziu f ü r Gericht) u n d z w a r m i t V o r l i e b e an (Tiu) v e r e h r t w o r d e n zu sein. Als Gott solchen T a g e n , auf die ein V o l l m o n d oder des D i n g e s f ü h r t e er den B e i n a m e n ThingN e u m o n d f o l g t e , weil sie f ü r b e s o n d e r s sus, w e n n a n d e r s die 1883 im n ö r d l i c h e n günstig galten. Dieses z u den ein f ü r England am Hadrianswall aufgefundene allemal feststehenden Zeiten stattfinW e i h i n s c h r i f t t u i h a n t i s c h e r , d. h. w o h l d e n d e G e r i c h t h e i ß t in den d e u t s c h e n friesischer K r i e g e r a u s der h o l l ä n d i s c h e n m a . Quellen e c h t e s D i n g (in FriesL a n d s c h a f t T w e n t e , in diesem n a h e l i e g e n d e n l a n d , H o l s t e i n , A l t m a r k a u c h lutthing = Sinn v e r s t a n d e n w e r d e n darf (dagegen 'Leuteding', in H o l l a n d lotting). Die Siebs, v . A m i r a ) . A u c h der U m s t a n d , F r a n k e n b e z e i c h n e n es als mallus legid a ß unser D i e n s t a g ( = ' T a g des T i u ' ) in timus. A n i h m ist j e d e r D i n g p f l i c h t i g e ma. niederländischen Rechtsquellen und a u c h ohne b e s o n d e r e L a d u n g z u erscheinen a u c h n o c h in der neueren ndl. S p r a c h e verpflichtet. I m m e r h i n w a r es m i t d e m D i n g s t a g ( = ' T a g des Dinges') h e i ß t , s p r i c h t B e g r i f f des e c h t e n D i n g e s n i c h t u n v e r für jene Annahme. Die alte Sitte, einbar, d a ß , o b w o h l der T e r m i n f e s t u n t e r f r e i e m H i m m e l R e c h t z u sprechen, stand, die D i n g l e u t e durch besondere wurde im allgemeinen zähe festgehalten. Ankündigungen, zB. einen herumgeAllerdings tagte das Hauptgericht K e n t s sendeten Stab, entboten wurden. Ob bereits im 7. J h . z u L o n d o n im K ö n i g s in g e r m a n . Z e i t neben diesen echten saal ( L i e b e r m a n n ) . D i e v o n den K a r o Dingen auch schon Gerichte bekannt lingern erlassenen G e b o t e , die Gerichte w a r e n , die a u ß e r h a l b der h e r k ö m m l i c h e n z u m besseren S c h u t z der V e r s a m m e l t e n I Z e i t e n a n g e s e t z t w u r d e n u n d z u denen in H ä u s e r z u v e r l e g e n , scheinen k e i n e ! s t e t s besonders geladen w e r d e n m u ß t e ,

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DING

ist zweifelhaft. Bei den F r a n k e n ist die Unterscheidung von echten und gebotenen Dingen zu allgemeiner Durchführung gelangt. Die echten Dinge fanden bei ihnen in den einzelnen Grafschaften nach je 40 Nächten oder alle 6 W o c h e n statt, also acht- bis neunmal im Jahre. Die Zahl der auf die einzelnen Hundertschaften fallenden Dinge richtete sich danach, in wieviel Hundertschaften die Grafschaft eingeteilt w a r ; wenn, wie meist, in vier, so kamen auf die Hundertschaft zwei jährliche echte Dinge. Karl der Große verordnete, daß in der Hundertschaft höchstens drei echte Dinge im Jahr abgehalten werden dürften. Die gebotenen Dinge wurden nach Bedürfnis, in der Regel alle 14 Nächte, berufen. Auch bei den S a c h s e n beruht nachmals die Gerichtsverfassung auf der Unterscheidung zwischen echten und gebotenen Dingen. Dagegen fehlt sie bei B a i e r n und A l e m a n n e n . Bei den Baiern wird alle Monate, bei Bedürfnis alle 14 Tage, bei den Alemannen alle 14 Tage, bei Bedürfnis alle 8 Tage Gericht gehalten. Ebenso wird bei den A n g e l s a c h s e n nichts von jener Unterscheidung berichtet. Einigen Rechten waren Gerichte bekannt, auf denen die in den echten Dingen nicht erledigten Sachen zu Ende gebracht wurden, sogenannte A f t e r - oder N a c h d i n g e ; sie finden sich im MA. bei S a c h s e n und F r i e s e n . Bei den S a l i e r n erübrigte sich die Ansetzung solcher Dinge wegen der stets notwendigen dreitägigen Dauer des echten Dings. N o t g e r i c h t , Notding, ist ein über dem auf handhafter T a t ertappten Verbrecher am Ort der T a t abgehaltenes Gericht, zu dem jeder Dingpflichtige herbeieilen muß, der das Gerüfte vernimmt (s. Handhafte Tat). Derartige Notgerichte dürften sicher schon der germanischen Zeit bekannt gewesen sein; im fränkischen Recht sind sie schon früh bezeugt. § 4. H e g u n g. Die Gerichtsversammlung wird wie jede Volksversammlung in feierlichster, rechtsförmlicher Weise durch die Hegung des Dinges, einen ursprünglich sakralen A k t , eröffnet. Die Hegung besteht eines Teils in der räumlichen Einfriedigung, Umhegung des Dingplatzes, die dadurch

geschieht, daß Pfähle, Pflöcke, mit Vorliebe Haselstangen, in den Boden eingelassen und mit Seilen verbunden werden; daher 'das Ding spannen, hegen'. Andern Teils gehören zur Hegung rechtsförmliche Erklärungen, insbesondere die in hohes Altertum hinaufreichenden drei Hegungsfragen ('ob es Dinges Zeit und Ort sei, ob das Ding gehörig besetzt oder gehegt sei, ob dem Ding Friede gewirkt werden solle'). Diese Fragen wurden v o m Vorsitzenden Richter gestellt; vielleicht richtete er sie ursprünglich an den oder die im Ding anwesenden Priester, die daraufhin die Götter um ihren Willen befragten (so Brunner). Später wurden sie dem Dingvolk oder dem Unterrichter (Zentenar, Schultheißen) oder dem Fronboten vorgelegt. Nach günstiger Beantwortung wird der Dingfrieden verkündet, der das Gericht heiligen und unter göttlichen Schutz stellen soll. Nach Tacitus geschieht es durch den Priester, nach den jüngeren Quellen durch den Vorsitzenden Richter; vielleicht hat jener stets in der Landesgemeinde, dieser von jeher in den eigentlichen Gerichtsversammlungen die Handlung vorgenommen. Das Friedewirken, bei dem der Richter den Richterstab erhebt, ist mit einem Gebot des Stillschweigens verbunden (es wird 'Lust' geboten und 'Unlust' verboten). Weitverbreitet ist für die Verkündung des Dingfriedens der Ausdruck 'das Gericht bannen 1 . Das W o r t Bann (s. d.), nach Einigen (Kluge, Müllenhoff, Brunner) = 'feierliche Rede', scheint in seiner ältesten Anwendung gerade auf dies Friedensgebot der Dinghegung zurückzuführen zu sein (noch im MA. daher: ' B a n n und Frieden'); später wird mit ihm jeder obrigkeitliche Befehl bezeichnet. Der Hegung entspricht am Ende des Gerichts eine unter entsprechenden Förmlichkeiten vorgenommene E n t h e g u n g des Dings. §5. Ä u ß e r l i c h e Anordnung. Innerhalb des umfriedeten Raumes (des Ringes) nehmen die bewaffnet erschienenen Dingleute auf Steinen oder Bänken Platz. Ein alter in Deutschland lange festgehaltener Brauch läßt den auf eigenem oder erhöhtem Stuhl sitzenden Richter nach Osten blicken; er hat einen Stab

DING oder ein S c h w e r t in der H a n d und v e r s c h r ä n k t die B e i n e . I m G e g e n s a t z zu d e n a n der R e c h t s p r e c h u n g b e t e i l i g t e n P e r sonen ( R i c h t e r , D i n g l e u t e ) , die s ä m t l i c h sitzen, s t e h e n die s t r e i t e n d e n P a r t e i e n ; der K l ä g e r n a c h a l t e m B r a u c h e rechts v o m R i c h t e r , der B e k l a g t e links. Sol a n g e d a s G e r i c h t t a g t , ist ein Schild, ein Schwert, eine Fahne ausgehängt. §6. D i n g p f l i c h t . Der Grundsatz, d a ß j e d e r freie V o l k s g e n o s s e b e r e c h t i g t u n d v e r p f l i c h t e t w a r , an der R e c h t s p f l e g e sich a k t i v z u beteiligen, h a t t e in der g e r m a n i s c h e n Z e i t die Folge, d a ß er als Mitglied der H u n d e r t s c h a f t die H u n d e r t s c h a f t s v e r s a m m l u n g e n , als M i t g l i e d der c i v i t a s die Landesgemeinde besuchen mußte. In den s p ä t e r e n g r o ß e n S t a m m e s r e i c h e n h ö r t e die L a n d e s g e m e i n d e auf, als O r g a n d e r R e c h t s p f l e g e z u f u n g i e r e n ; die D i n g p f l i c h t der V o l k s a n g e h ö r i g e n b e z o g sich n u n m e h r a u s s c h l i e ß l i c h auf die B e z i r k s g e r i c h t e . Diese B e z i r k s g e r i c h t e w a r e n n a c h ihrer Z u s a m m e n s e t z u n g e n t w e d e r H u n d e r t s c h a f t s - o d e r Grafs c h a f t s g e r i c h t e : auf j e n e n h a t t e n lediglich die A n g e h ö r i g e n einer H u n d e r t s c h a f t , auf diesen die einer g a n z e n G r a f s c h a f t zu erscheinen. Ausschließlich Hundertschaftsg e r i c h t e k a n n t e n die F r a n k e n , die A l e m a n n e n (nach der fränkischen E r o b e r u n g ) , die S a c h s e n u n d T h ü r i n g e r ; ausschließlich G r a f s c h a f t s g e r i c h t e die B a i e r n ; s o w o h l H u n dertschaftswie Grafschaftsdinge die Friesen. In E n g l a n d g a b es in der l e t z t e n a n g e l s ä c h s . Z e i t n e b e n den H u n d e r t schaftsgerichten auch Grafschaftsgerichte, w ä h r e n d f r ü h e r w o h l n u r eine A r t v o n G e richten v o r h a n d e n w a r . A l l e i n m i t der Z e i t erwies sich die D i n g p f l i c h t t r o t z F o r t f a l l s der L a n d e s v e r s a m m l u n g e n als eine f ü r die ä r m e r e n S c h i c h t e n der freien Bevölkerung immer drückender werdende L a s t , z u m a l die s t e i g e n d e K u l t u r h ä u f i g e r e Gerichtssitzungen nötig machte. N u r die S a c h s e n u n d F r i e s e n , bei denen die V e r h ä l t n i s s e n o c h lange den einfachen Z u s c h n i t t der g e r m a n i s c h e n Z e i t b e w a h r t e n , hielten die a l l g e m e i n e D i n g p f l i c h t in d e m alten v o l l e n U m f a n g e a u f r e c h t . Bei den F r a n k e n w u r d e die e r w ä h n t e U n t e r scheidung von echten und gebotenen D i n g e n (oben § 3) b e n u t z t , u m den G r u n d -

j | | ;

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s a t z der a l l g e m e i n e n Dingpflicht aller G e r i c h t s e i n g e s e s s e n e n in E i n k l a n g m i t den gesteigerten Bedürfnissen der Rechtspflege z u s e t z e n u n d die L a s t des G e r i c h t s d i e n s t e s z u erleichtern. Nach fränkischem Recht waren das g e b o t e n e Gericht nur die eigens v o m R i c h t e r g e l a d e n e n H u n d e r t schaftseinwohner zu besuchen verpflichtet. D a h e r k o n n t e n die R i c h t e r v o n der K r o n e a n g e w i e s e n w e r d e n , z u ihnen n i c h t m e h r s ä m t l i c h e Freie der H u n d e r t s c h a f t , sondern n u r eine A u s w a h l z u e n t b i e t e n . W a s z u n ä c h s t auf diese W e i s e als V e r w a l t u n g s p r a x i s g e ü b t w u r d e , erhielt u n t e r K a r l d e m G r o ß e n gesetzliche G e l t u n g . Zwei K a p i t u l a r i e n aus d e m A n f a n g seiner R e g i e r u n g b e s t i m m t e n , d a ß die g e s a m t e n D i n g p f l i c h t i g e n einer H u n d e r t s c h a f t , a u c h die ä r m e r e n , n u r z u den V o l l g e r i c h t e n , den e c h t e n D i n g e n (placita generalia) zu erscheinen h ä t t e n , die n i c h t öfter w i e z w e i bis d r e i m a l im J a h r e s t a t t f i n d e n s o l l t e n ; z u den übrigen erforderlichen Gerichtstagen, den gebotenen Dingen, sollten n u r die maiores natu, d. h. die reicheren u n d a n g e s e h e n e r e n Eingesessenen, gel a d e n w e r d e n u n d z u erscheinen v e r p f l i c h t e t sein. Diese V o r s c h r i f t e n stellten sich als eine V o r s t u f e der v o n K a r l d e m G r o ß e n etwas später unternommenen Einführung des S c h ö f f e n a m t s dar, d u r c h die die D i n g p f l i c h t f ü r die g e b o t e n e n D i n g e auf die S c h ö f f e n b e s c h r ä n k t w u r d e (s. S c h ö f f e n ) . V o n d a an g a b es n a c h f r ä n k i s c h e m R e c h t eine a l l g e m e i n e D i n g p f l i c h t n u r n o c h f ü r die drei j ä h r l i c h e n placita generalia. B e i den B a i e r n und A l e m a n n e n , die die Unterscheidung von echten und gebotenen D i n g e n n i c h t k a n n t e n , b r a u c h t e n die D i n g p f l i c h t i g e n i m m e r n u r auf b e s o n d e r e L a d u n g z u e r s c h e i n e n ; es l a g d a h e r hier in der H a n d der Beamten, die Dingpflicht einzuschränken. B e i den A n g e l s a c h s e n finden sich k e i n e S p u r e n v o n M a ß r e g e l n z u r E r l e i c h t e r u n g der a u c h hier auf a l l e n F r e i e n r u h e n d e n D i n g p f l i c h t , o b w o h l sie m i t der Z e i t s t e i g e n d als L a s t e m p f u n d e n w u r d e ; a b e r t a t s ä c h l i c h t r a t a u c h hier eine den k o n t i n e n t a l e n V e r h ä l t n i s s e n e n t s p r e c h e n d e E i n s c h r ä n k u n g ein: die D i n g p f l i c h t u n d die D i n g w ü r d i g k e i t b e g i n n t sich g e g e n E n d e der a n g e l s ä c h s i s c h e n P e r i o d e mit bestimmten Grundstücken zu verbinden,

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dinglichen Charakter anzunehmen und damit auch hier ein Vorrecht der reicheren Klassen (der Ältesten, witan, sapientes) zu werden. S. die Literatur zu

Gerichtsverfassung. R . Hübner.

§ 7. B. N o r d e n . Im Norden ist ßing die Bezeichnung f ü r Volksversammlung {mannfundr) überhaupt, gleichgültig ob es sich um gesetzgebende oder urteilende Versammlungen handelt. Die Zusammensetzung laghßing oder legßing drückt in Schweden und auf Island jedes gesetzlich abgehaltene, auch jedes „ e c h t e " , ungebotene Thing aus, während in Norwegen unter iQgßingi die großen Thingversammlungen der Rechtsverbände (leg) der Gulaf>ing, FrostuJ>ing usw. verstanden werden. Eine allgemeinere Bedeutung als ßing haben die Worte stefna und möt, welche 'Zusammenkunft' (Tagfahrt) überhaupt ausdrücken; möt wird in den norwegischen Städten speziell f ü r Stadtversammlungen (bcejarmöt) gebraucht. Der Ausdruck warph (warh) war nach A d a m von Bremen (Gesta Hammab. eccl. IV/21) bei den Schweden f ü r Volksversammlungen üblich, doch kennen die nord. Quellen die Bezeichnung nicht. — Im übrigen enthält das ßing seine Charakterisierung durch das Beiwort (alpingi, landsßing, heradßing, hundarisßing usw.). § 8. Das Thing wurde unter freiem Himmel, meist an bestimmter Stätte (pingstadr), häufig auf einem Hügel (ßinghaugr — Grabhügel?) abgehalten. Insbesondere zur V e r k ü n d u n g diente eine höher liegende Stelle (auf Island im alßingi das Iqgberg, in den Frühjahrsgerichten die pingbrekka — in Schweden die ßingfimll). Die Umfriedung der Thingstätte (ßingvgllr, pingringr) geschah durch Steine. Innerhalb der Thingstätte war durch Schnüre (vebgnd) f ü r den engeren, zum Vorschlag des Urteils oder Gesetzes berufenen, Ausschuß ein besonderer Platz abgegrenzt. Sehr alt scheinen erhöhte Plattformen, durch Bretterböden dargestellt, zu sein. Die V i t a S. Anscharii cap. X V I berichtet von scena in campo ad colloquium parata, die isländ. Geschichtsquellen von mötfjalir, — S a x o von dicere pro rostris. Auch späterhin finden sich auf

Steinen ruhende Balken oder hölzerne B ä n k e (Thingbenk, stokkar), auf denen der Ausschuß der Thingleute saß, während das ganze Volk herumstand (daher in Dänemark innan fire stocke •— Bezeichnung für das Gericht). § 10. Was die Zeit der Abhaltung betraf, so gab es ungebotene oder echte, d. h. zu herkömmlicher Zeit (laghdagha af cercelde Er. Saell. L o v . I I 48) Thinge, — so vor allem die größeren Thingversammlungen — und (außer auf Island) gebotene, letztere nur in kleinen Kreisen, zumal bei handhafter Tat. Die Einberufung des gebotenen Things, die an sich jedem freistand (Gulafx 35, 1 3 1 ) , geschah durch Herumsenden eines I.adungsstabes (bußkajli) oder eines Pfeiles (qrvarßing), in den Städten durch Blasen des Horns. § 1 1 . Das Thing wurde eröffnet durch feierliche Hegung (helga ßing). Damit wurde der Thingfriede (ßinghelgi) über die Thingstätte erklärt, wie den Schluß (ßinglausri) eine feierliche Enthegung (slita ßing) bildete. § 12. Zum Erscheinen waren ursprünglich alle Freien des betreffenden Bezirkes verpflichtet, die ein gewisses Mindestvermögen (zumal in Grundbesitz) besaßen. Doch hat sich f ü r die großen Thingversammlungen der norwegischen Rechtsverbände eine Abschwächung derart herausgebildet, daß nur von der Obrigkeit ernannte Repräsentanten ( n e f n d a r m e n n ) sich einfanden. Die Freien erschienen ursprünglich bewaffnet und drückten bei Beschlüssen und Urteilen durch Zusammenschlagen der Waffen ( v ä p n a t a k ) ihre Zustimmung aus; später k a m das Verbot des Waffentragens auf, daher „ W a f f e n ergreifung" (väpnatak) auf Island B e zeichnung f ü r den Schluß des Things, bei dem die beiseite gelegten Waffen wieder ergriffen wurden. An Stelle des Zusammenschlagens der Waffen trat als Zeichen der Zustimmung H a n d a u f h e b u n g (löfatak). § 13. A n der Gesetzgebung wie Urteilsfindung mögen ursprünglich überall die sämtlichen Thingpflichtigen beteiligt gewesen sein. Doch hat sich in Norwegen, wie es scheint, schon sehr früh, auf den großen Thingversammlungen der Rechtsverbände ein engerer Ausschuß, die Iqgretta,

DIÖZESE—DIPTYCHON gebildet, auf dessen Ernennung die Regierung Einfluß besaß. Diesem auf Bänken sitzenden Ausschuß stand der Vorschlag von Gesetzen und Urteilen zu, während das sonstige Volk nur als Umstand den Vorschlag bestätigte (meä rettu väpnataki jätlat.

. . innan

iQgretiu

ok

ütaii).

Auf

Island behielt man diese Einrichtung bei; doch war hier die Iqgrclta des Allthings, der jeder Gode mit je 2 von ihm ernannten Beratern angehörte, lediglich Gesetzgebungsorgan — während die Rechtsprechung auf Island allgemein besonderen Gerichten oblag, deren Mitglieder von den Goden ernannt wurden. Auf Island ist somit an Stelle der demokratischen Thinggemeinde ein aristokratischer Ausschuß maßgebend, während in Norwegen nur in den Iqgping das Gleiche gilt, die kleineren Thinge dagegen demokratisch organisiert sind. Für Schweden und Dänemark hören wir von einer Iqgretta nichts, doch haben sicherlich auch hier angesehene Männer Gesetze und Urteile vorgeschlagen. Die Geschworenen, die in Dänemark und Schweden begegnen (s. Jury) haben dagegen mit einem solchen Ausschuß nichts zu tun, sie sind ursprünglich nur Beweismittel. § 14. Seit dem 12. Jh. treten in Norwegen und Schweden Einzelurteiler auf (Itigmenn, dömarar); s. G e r i c h t s v e r f a s s u n g . H e r t z b e r g Griindtr. I i i ff. B r a n d t Forel. II §§ 61 ff. M a u r e r Vorl. I 2 S. 10 ff. 180 f. 73 ff. IV 280 ff. K . Lehmann Königsfriede d. Xordgermanen passim. Jorg e n s e n Foreläsninger over d. danske Retsh. p. 154 ff. X 0 r d s t r ö m II 506 ff. O . N i e l s e n Gamle jyske Tingvidnev 1S82 Einleitg. M a t z e n Forel. I § 10. Ders. BevisregUrne i den celdste danske Proces 1893 p. 7 ff. A s c h e h o u g De norske Communers Retsforjatning f#r 1837. 1897 p. 65 ff. v . A m i r a PGrundr. »Recht« 203 ff. Ders. Der Stab in d. gem. Rechissymbolik 1909 p. 33 ff.; K. L e h m a n n in Z. f. deutsche Philol. 42. 1 ff, X e e r g a r d Aarb. 1902. 202 ff.

Diözese. Die D. oder parochia. (griech. -«poixta, dioecesis, biskupnki,

episcopium,

a d ä n . biskopsdöm,

band, Volkland) zusammenfällt, teils nicht. Immer aber ist im Abendlande die Zentrale des Bistums eine Stadt (civitas), der Bischof ein Stadtbischof. Sie schließt sich nach oben mit anderen D. zum Erzbistum zusammen und zerfällt nach unten in Pfarreien (s. d.), allenfalls auch zunächst in Archidiakonate (s. d.) als Mittelbezirke. Die Entwicklung von Diözesen ist, soweit nicht römische Grundlage gegeben war, überall eine allmähliche gewesen, da erst allmählich die Missionsbischöfe durch ständige Bischöfe ersetzt wurden. Auf dem Kontinent konnte die Kirchenverfassung der fränkischen Zeit an die römisch-gallischen Verhältnisse und an die Bistümer j dieser Zeit anknüpfen. Die volle Ausbildung der Bistümer vollzog sich im 8. j und 9. Jahrhundert (Bonifatius, Karl d. ! Große). Außerhalb des Kontinents haben ! sich die Verhältnisse am raschesten in j England gefestigt, dagegen erhielten NorIsland, Schweden und Dänemark | wegen, 1 fest abgegrenzte Bistümer erst im 11. Jahr[ hundert. In Norwegen schloß man sich hierbei an die Rechtsvcrbände des Frostufiing (Nidaros), Gulajiing (Bergen), Borgarf>ing und Eidsifjafiing (Oslo) an; später kamen Stafanger und Hamar als Bischofssitze hinzu. In Island residierte der erste Bischof zu Skalholt; später erhielt das j Nordviertel einen eigenen Bischof zu Holar. : Je eine Diözese bildeten die norwegischen Schatzlande Grönland, Farcyjar, Orkneyjar und SuÜreyjar. In Schweden ist > der älteste Bischofssitz Upsala, auf den Linköping, Skara, Strängnäs, Växiö und A b o folgen, etwa zwischen 1050 und 1220. I Dänemark verdankt seine acht Bischofssitze (Slesvig, Ribe, Odense, Aarhus, j Roeskilde, Lund, Viborg, Vestervig) K n u t ' dem Großen und Svend Estridsson.

lat.

J a r g e n s e n Den nordiske Kirkes Grundlaeggelse 541 ff. 646 ff. H i l d e b r a n d Sveriges Medeltid III 3 ff. 66 ff. M a u r e r Vorlesungen II 43 f. 116 ff. D e r s . Bekehrung II 559. R e u t e r d a h l Swenska kyrkans hisloia I393 ff. 480«. 4S5 ff. II 142 ff. S t u t z KR$2i. Weira i n g h 0 f f Kirchenverjassung 20, 63.

norw.

v. Schwerin.

K . Lehmann. \ ! Bistum, zuerst |

oioixijai;,

episcopatus, ags.

473

biseeop-

rice, bisceopdöm, scir) i s t d e r A m t s s p r e n g e l i Diptychon; von griech. jr-ruaatu 'falten, des Bischofs (s. d.), der teils mit politischen i zusammenlegen'. Doppelte Holz-, BeinBezirken (Grafschaft, scir, ein Rechtsver- ! oder Metalltafel mit Scharnier zum ZuH o o p s , Reallexikon.

I.

31

474

DISENTIS—DOHLE

s a m m e n k l a p p e n , bei den R ö m e r n auf d e r Innenseite m i t W a c h s ü b e r z u g z u m Schreiben versehen. Die Außenseite wurde verziert, o f t sehr reich, m e i s t m i t f i g ü r l i c h e n R e l i e f s , S p ä t r ö m i s c h e sind n o c h z a h l r e i c h e v o r handen, oft Konsuln oder Kaiser thronend d a r s t e l l e n d ( K o n s u l a r - D i p t y c h e n ) , bis in d a s 6. J h . n a c h g e b i l d e t ( D i p t y c h o n d e s Stilicho). Man kennt außerdem dreifache (triptycha) und fünffache (pentaptycha) Täfelchen.

i | | j

( P r o m p t . P a r v . 1440), ne. tliistle m i t einer dial. N e b e n f o r m nordengl. schott. thristle, tkrissle; a n o r d . ßistill m., norw. schwed. a d ä n . tistel, n d ä n . tidsel. Urgerm. Grdf. *ßistilaz m . D e r Ü b e r g a n g z u m F e m i n i n u m ist speziell h o c h d e u t s c h .

§ 2. D a n e b e n F o r m e n m i t l a n g e m 7: m n d l . n n d l . dial. distel ( F r a n c k - v . W i j k E W b . ) ; n n d . b r e m . ostfriesl. dJssel, p o m m e r . • distel, b r a u n s c h w e i g , dsistdls, hildesheim. ! deussl, ü p p . duissl; fries. w a n g . tltsl, sat-1. tTsl (Siebs P G r d r . I, 1383. 1 3 9 1 ) . Der altchristl. Gottesdienst benützte solche, u m sie auf d e n A l t ä r e n a u f z u § 3. Isoliert s t e h t d a s G o t i s c h e m i t stellen u n d b e i m G o t t e s d i e n s t die a u f s e i n e m wigadeinö f. ' W e g e d i s t e l ' . ihrer I n n e n s e i t e a u f g e s c h r i e b e n e n h e i l i g e n . Johannes H o o p s . N a m e n vorzulesen. In der F o l g e f e r t i g t e D o h l e {Corvus monedula) und A l p e n m a n sie in E l f e n b e i n neu an, z u e r s t n a c h d o h l e (Corvus pyrrhocorax). § I. F ü r a h m e n d , d a n n s e l b s t ä n d i g ; d a v o n sind die D . b e s t e h e n s c h o n in a l t g e r m . Z e i t eine zahlreiche Beispiele erhalten; später dienganze Reihe meist lautmalender Namen, ten a u c h b y z a n t i n i s c h e h ä u f i g als M u s t e r , die teils l a u t g e s e t z l i c h w e i t e r e n t w i c k e l t , Die Elfenbeinskulptur der karolingischen teils u n t e r m a n n i g f a c h e n K r e u z u n g e n u n d Z e i t w a r in h e r v o r r a g e n d e m M a ß e auf i d e r b e s t ä n d i g e n E i n w i r k u n g des c h a r a k t e d i e s e m G e b i e t e t ä t i g , selbst n o c h die o t t o - i ristischen hellen kjä-, tjäk-Rufs des nische. S. Elfenbeinschnitzerei. V o g e l s i m m e r w e i t e r u m g e f o r m t und erC. A. S a l i g de diplychis relf-rmn, Magdew e i t e r t w o r d e n sind. I m F o l g e n d e n sei burg 1731. G. P. X e g e 1 e i n De veiusto quodani v e r s u c h t , die v e r w i r r e n d e V i e l h e i t d e r F o r diptycho consulari W ecctesiasiico. Altorf 1742. m e n n a c h d e n l a u t l i c h e n H a u p t t y p e n neu W. B o d e Gesch. d. deutschen Plastik. Berlin zu ordnen. 1887. 7 ff. A. Haupt. § 2. Z u n ä c h s t lassen s i c h z w e i u r g e r m . D i s e n t i s in G r a u b ü n d e n , einstige K i r c h e ; ; T y p e n m i t a n l a u t e n d e m k u n d d u n t e r neuerdings durch E. A . Stückelberg auss c h e i d e n : *kahwö und *dah'jL'i', b e i d e a u g e n g e g r a b e n . Z w i s c h e n 670 u n d 789 e r b a u t ; | s c h e i n l i c h l a u t m a l e n d e B i l d u n g e n . Sie ein r e c h t e c k i g e s S c h i f f , v o n drei h u f e i s e n - ; w a r e n w o h l u r s p r ü n g l i c h k e i n e l a u t l i c h e n f ö r m i g e n A p s i d e n ö s t l i c h a b g e s c h l o s s e n . ! P a r a l l e l f o r m e n ; sonst w ü r d e m a n i m A n W i e die N a c h g r a b u n g e n erwiesen, w a r e n l a u t einen W c c h s e l k \ t e r w a r t e n ; a b e r sie die S c h i f f - W ä n d e m i t reichen S t u k k a t u r e n h a b e n sich in ihrer B i l d u n g s w e i s e s i c h e r g e z i e r t ; u n t e n ein S o c k e l m i t einer A r t gegensc i t i g b e e i n f l u ß t . B e i d e h a b e n D o p p e l nachgeahmten Gitterwerks, darüber die formen infolge grammatischen Wechsels Wandfläche ringsum mit zahllosen bemalten z w i s c h e n h\omcsday and beyond civitatum (Zeuß 661. 663) stehen, d. i. 1887; ders. l'omnship and Borough. 1898; , an der obern Weichsel. Die Aouywi Aouvot ders. Snrvivals of archaic Villagc Commnnitics, des Ptol. erstrecken sich ebenfalls bis an 1898. A n d r e w s Old Engl. Manor. 189?. die Weichsel, nördlich vom 'Asxtßoupftov J o s h u a W i l l i a m s Rights of Commons, 1880. opoj (s. d.), das den Jassajjqll entspricht. ( i o m m c Village Cammunity, 1889. F. V i n o g r a d o f f Villatnagi' in England, 1892; ders. § 3. Was aus den Aouvot geworden ist, (¡rowth of the Manor, 1905; fax*. Engl. Society wissen wir nicht. Es ist nicht unwahrin the XI. eent., 1908. scheinlich, daß sie mit einem der lugischcn P. Vinogradoff. Stämme, die Tacitus nennt, identisch Aouvot. § I. Eine Abteilung der Lugier sind, und am ehesten rät man dabei auf bei Ptol. II 11, 10, deren Name aber bei die H a r i i , nach Tacitus die mächtigsten ihm nicht feststeht. Die Uberlieferung unter den Lugiern, die mit einem andern führt auf Aouyot Atoouvot; da es aber der bei Ptol. namhaft gemachten Stämme daneben Aoüyot ot 'Ouavoi und Aoufot nicht gut zusammenfallen können. Auch ot Boupot heißt, was sicher unter dem an die später genannten H a s d i n g i , Einfluß der jüngeren Aussprache des V i c t o v a 1 i ließe sich noch denken. Griechischen aus Aouy toi ' OiAav.it und S. auch WTandalen u. Lugier. R. Much. Aouytot Boupot entstanden ist, darf man hinter Ao&yoi Atoouvot zunächst auch Drache. § i. Ein mythisches Gebilde ein Aouyot ot Aouvot und als Grunddes Volksglaubens, das seit alter Zeit lage ein Aouytot Aouvot vermuten. bei allen german. Stämmen eine Rolle Für die Etymologie ist übrigens die gespielt hat. Die deutsche Bezeichnung Frage, ob Aouvot oder Atoouvot das rechte für dieses noch heute ganz gebräuchliche ist, belanglos, denn in letzterem Fall griechische Wort ist Wurm, oder Liniwurm, in Österreich Tatzelwurm. In der Regel hätten wir es mit einer ReduplikationsWird der Drache als eine mächtige, meist bildung nach Art von ahd. wi-wint neben 'ioint zu tun. Zur Erklärung des Namens : beflügelte Schlangc gedacht. In der bietet sich eine germ. Wz. du 'stieben, . Dichtung früherer Zeiten Wohnte der Drache hauptsächlich in Bergen, Wo er hauchen, schütteln, stürmisch erregt sein', reiche Schätze hütete. Von diesem Golde aus der auch *düna- 'Daune' und *diinaist sein eigner Glanz der Widerschein; 'Düne' gebildet ist; vielleicht sind also daher LintWurm =- 'glänzender W T urm'. die Aouvot 'die stürmischen' ? Man vgl. Zuweilen hatte er auch eine Jungfrau auch die thrakischen 05voi und die entführt und hielt diese in seiner Obhut. Dianas Wids. 63. § 2. Aouvou? wird man auch wohl Helden wie Siegfried, Dietrich von Bern hinter dem bestimmt entstellten Zouuou; ua. unternahmen den Kampf gegen einen

486

DREHBANK — DER

DREISZIGSTE

D r a c h e n und setzten sich dadurch in ; N o r d e n v o r g e d r u n g e n , denn aus den g r o ß e n Besitz großer R e i c h t ü m e r . Sorgsam i M o o r f u n d e n sind zahlreiche H o l z g e f ä ß e erschirmt der D r a c h e sein E i g e n t u m ; F e u e r halten, v o n denen die großen d i c k w a n d i g e n und G i f t gehen aus seinem R a c h e n , Wenn z w a r geschnitzt, kleinere aber auch zierlich er sich verteidigt. g e d r e h t sind. § 2. D e r H a n d w e r k e r , der sich der D r e h § 2. W e i t e r e V e r a n l a s s u n g zu D r a c h e n sagen gaben die Gewässer, die sich v o n den b a n k bedient, h e i ß t ahd. trähsil, drähsil, Bergen ergossen oder die Gefilde überdrächsel, as. thräslari, v o n einem verb. ahd. fluteten. A u c h in ihnen Wähnte die V o l k s *drähisön, * dräisön, einer W e i t e r b i l d u n g phantasie m ä c h t i g e Schlangen oder Drachen. 1 von ahd. drähan, dräian, abgeleitet. L e t z t e W e n n in der Schweiz ein W a l d s t r o m res wird sowohl mit torquere wie mit tornare anschwillt und alles mit sich fortreißt, übersetzt. sagt m a n noch h e u t e : ' E s ist ein D r a c h Drechsler w e r d e n im 8. und 9. Jh. in ausgefahren'. In dieser V o r s t e l l u n g v o m D e u t s c h l a n d zu den n o t w e n d i g e n H a n d W a s s e r d r a c h e n w u r z e l t die nordische M y t h e w e r k e r n g e r e c h n e t : C a p i t . de vill. c. 4 5 : v o m MidgarSsorm (s. d.). ut unnsquisque iudex in suo ministerio bonos habeat artífices, id est fabros, ferrarios et § 3. Schon f r ü h z e i t i g b r a c h t e man den aurifices, vel argentarios, sutatores, tornaDrachen mit dem T e u f e l in Z u s a m m e n tores, carpentarios . . . und c. 62: ut unushang, Wozu v o r allem die mittelalterl. quisque iudex per singulos annos ex omni Vorstellung v o m Leviathan mitwirkte. conlaboratione nostra . . quid .. de tornatoriSo erschien der Teufel als fliegender, bus, vel sellariis, de ferrariis et scrobis . . feuerspeiender Drache, der über die Menkabuerint, omnia . . notum faciant. . E b e n s o schen Unheil brachte, der aber auch im erscheinen in den b a y r i s c h e n K l ö s t e r n des Besitze reicher S c h ä t z e War und diese 8. Jhs. Drechsler, u n d im B a u r i ß z u m dem geben konnte, der mit ihm ein B ü n d n i s K l o s t e r St. Gallen v o m J. 820 ist ein R a u m schloß. So Wurde der D r a c h e Hausgeist f ü r die tornarii vorgesehen. und kehrt noch h e u t e im V o l k s g l a u b e n S. M ü l l e r Nord. Atteriumsk. I I 109. I I I . vielfach bei den Menschen durch den D ü r r i c h 11. M e n z e l Die Heidengräber am Schornstein ein und bringt dann dem Lupfen (bei Oberflacht) 9 ff. H e y n e HandHerrn des Hauses R e i c h t u m und feit ihn werk 43 ff. Fuhse. gegen äußeres U n g l ü c k . Bei ihrer U m Dreifuß, griechisches I m p o r t s t ü c k des gebung stehen L e u t e , die den 'Drachen 5. Jhs. v. Chr., s. B r o n z e g e f ä ß e § 4 b. haben', in schlechtem Ruf und werden Hubert Schmidt. von ihnen gemieden. D r e i k ö n i g s t a g . Der 6. Januar, das F e s t G r i m m DMythA 1, 573. 833. L a i s t n c r Nebelsagen 256. F e i 1 b e r g Drager, lindorme, . der E r s c h e i n u n g Christi, Epiphanias, so slanger i folketstro. N a t u r e n og M e n n e s k e t 1894, genannt n a c h den heiligen drei K ö n i g e n , 164. E. Mogk. den drei W e i s e n aus d e m Morgenlande, Der T a g die das Jesuskind b e g r ü ß t e n . Drehbank. § i . Sie ist wahrscheinlich heißt auch großes oder hohes eine ä g y p t i s c h e E r f i n d u n g , die über GrieN e u j a h r , weil mit i h m die W e i h n a c h t s chenland und R o m in die germanischen feiertage z u E n d e gingen und das Jahr L ä n d e r g e k o m m e n ist. Ü b e r ihre alte meist mit W e i h n a c h t e n begonnen Wurde. F o r m wissen wir nichts, da auch die Sprache Vgl. J a h r e s a n f a n g . uns im Stich l ä ß t (dreepank erst s p ä t mhd.), F. Rühl. doch wird sie sich k a u m v o n der D r e h b a n k des 16. Jhs. wesentlich unterschieden Dreißigste, der. S c h o n in heidnischer haben, bei der um die Spindel eine S c h n u r und ebenso in christlicher Zeit ließen die sich legt, die auf der einen Seite an einer germanischen R e c h t e t r o t z des G r u n d W i p p e , auf der andern an einem T r i t t b r e t t satzes, d a ß die E r b s c h a f t u n m i t t e l b a r mit befestigt ist. Diese K o n s t r u k t i o n l ä ß t d e m T o d e des Erblassers an den E r b e n deutlich den F i d e l b o g e n als V o r l ä u f e r der fällt, auf den T o d einen kürzeren Z e i t W i p p e erkennen (s. Bohrer). W ä h r e n d der : r ä u m folgen, in d e m n o c h v ö l l i g die R u h e V ö l k e r w a n d e r u n g s z e i t ist sie bis nach dem ; des Sterbehauses g e w a h r t blieb, und auch

DREIZAHL das Recht des Erben noch keine Wirkungen äußerte. Der Abschluß dieses Zeitraumes war im Norden das Erbmahl (erfiöl), das am 7. oder 30. Tage gehalten wurde und in christlicher Zeit mit der kirchlichen Totenfeier für den Verstorbenen verbunden war, während in Deutschland schon seit der Karolingerzeit allgemein der d r e i ß i g s t e Tag, der auch in den kirchlichen Totenfeierlichkeiten eine besondere Rolle spielte, diese Trauerzeit beendete. Erst nach dem Dreißigsten wurde der Haushalt aufgelöst, der Nachlaß von den Erben in Besitz genommen und verteilt; erst von da an konnte der Erbe von den Nachlaßgläubigem in Anspruch genommen werden. H o m e y e r Der Dreißigste. Abhandl. d. Berl. Akad. 1864, 87 ff. M a u r e r Vorl. III 323 ff. — S . u . E i b r e c h t. S. Rietschel_

Dreizahl. § i. W i e fast bei allen Völkern, spielt auch bei den Germanen die Dreizahl im Leben, in der Religion, in der Dichtung von allen Zahlen die Wichtigste Rolle. Und wenn daneben noch die Neunzahl (s. d.) begegnet, so hat diese nur dadurch ihre Bedeutung erlangt, daß sie das Produkt von 3 x 3 ist. Drei sind die wenigsten, die sich zu einer Gemeinschaft zusammenschließen

(porp

heitir

ef

prfr

eru

SnE.

I

532, vgl. auch L e x Sal. 45), in drei Abschnitte War das altgermanische Jahr geteilt (Germ. 26), dreimal im Jahre fanden nach nordgerm. Zeugnissen die großen Opfer statt (Pauls Grundr. III 391), dreimal Gerichtsversammlungen (Grimm D R A . 4 II 449 f.). Im Rechts- und Privatleben tritt überall die D. hervor. In drei Stände ist das Volk geteilt (Germ. 25), drei Urteilssprecher müssen Wenigstens bei einem Rechtsspruch da sein ( D R A . 4 II 387), unter drei Bäumen wird häufig Gericht gehalten (ebd. II 413), dreifaches Wergeid, dreifache Fristen erwähnen die Volksgesetze oft (ebd. II 220; I 304), drei Schläge machen die Strafe aus (ebd. I 339; II 184), drei Grenzsteine Werden gesetzt (II 71). Auch für Gastmähler und Besuche gilt die dreitägige Frist. Auch sonst gilt im Volksleben die Drei als heilige, magische Zahl. Alles, was im alten Ritual wurzelt, muß dreimal geschehen : das Umgehen des Herdes, des Feldes, der Bäume, der Feuer, das Ver-

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neigen vor der Sonne, das Klopfen • an ! Tür und Stall, der Sprung durchs Feuer, j der Schlag mit der Lebensrute u. a. Nur j wenn es dreimal geschieht, hat man Erfolg erwartet (vgl. W u t t k e , Volksaberglaube § 252 u. oft.). : § 2. Besonders hervor tritt die D. in der Religion, im K u l t sowohl Wie im Mythus. W i e bei den meisten Völkern-, hat auch die germ. Rasse die Göttertrias (Wödan, Donar, Zlu), die alle Stämme kannten und verehrten. Drei Götter erschaffen- die W e l t , die Menschen. W e n n Asen nach nordischen Legenden auf Abenteuer ausgehen, sind fast immer drei , zusammen: Ödinn, Hoenir und Loki oder t ö r r , Pjälfi und Loki. Auch in die Theogonie spielt die D. hinein, nur daß sich hier das letzte Glied Wieder in drei spaltet. Nach Tacitus (Germ. 2) sind die Ahnherren der Götter und Menschen Tuisko, Mannus und dessen drei Söhne, nach der Edda Buri, Borr und dessen Kinder. Auf drei Fahrten erzeugt Rigr nach der Rigsfiula die Väter der drei Stände. Auch die dämonischen Wesen begegnen meist zu dreien oder in drei Scharen. Drei Nornen schaffen den Menschen das Schicksal , (Vqlusp. 8), wie noch in später Volkssage häufig die drei helfenden Schwestern sich zeigen (Panzer, Beitr. z. d. Myth. I 1 ff.), drei Schwanenjungfrauen kommen nach Ulfdalir zu Vqlund und seinen Brüdern (VQlundarkv.), drei Scharen idisl helfen durch Zauber ihren Freunden (MSD. IV 1), drei Scharen Valküren stehen Helgi dem Hundingstöter zur Seite (Helgakv. Hundingsb. I 2 ff.). Auch in den K u l t greift die D. ein: dreimal wird das Los geworfen, ehe über Personen oder Dinge eine Entscheidung getroffen wird (vgl. Los). § 3. W i e im Mythus, so tritt auch in der Volksdichtung die D. hervor; in der : epischen Dichtung, der Sage, dem Märchen, dem Volkslied trifft man sie auf Schritt und Tritt. Und von hier ist sie auch in die Kunstdichtung gedrungen. Diese ; Bedeutung der D. für die Volksdichtung ist namentlich von A . Olrik klar erkannt Worden, und G. Schüttc hat nach der Bedeutung die Rollen unter die drei Personen verteilt. Nach ihm liegt auf der ersten Person oder Sache das Haupt-

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DRESCHEN

zu S a a t z w e c k e n besonders geschont werg e w i c h t ; es ist die v o r n e h m s t e , die beden sollten, oder w e n n , w i e z B . b e i m d e u t e n d s t e P e r s o n in o b j e k t i v e r B e t r a c h t u n g der T a t s a c h e n . D i e G e l t u n g , die ihr : H a f e r , die K ö r n e r v o n N a t u r b e s o n d e r s w e i c h sind, w e r d e n die a b g e s c h n i t t e n e n zukommt, bezeichnet Schütte mit dem H a l m e auf ein B r e t t , ein F a ß , einen B a l k e n n a u t i s c h e n A u s d r u c k Toppgewicht. Auf Man kann wohl annehmen, der d r i t t e n P e r s o n a b e r liegt der epischc 1 geschlagen. d a ß diese h e u t e in E u r o p a u n d a u ß e r h a l b S c h w e r p u n k t ; es ist die P e r s o n oder Sache, an der der D i c h t e r das m e i s t e Interesse : E u r o p a s n o c h v i e l f a c h b e s t e h e n d e M a n i h a t u n d die d e s h a l b a u c h die w i c h t i g s t e ^ p u l a t i o n a u c h den a l t e n G e r m a n e n b e k a n n t w a r , und m a n darf sich f r a g e n , R o l l e spielt. Ihr g e b ü h r t das Achtero b ein s p r a c h l i c h e r N i e d e r s c h l a g d a v o n in gewicht. H i e r a u s e r k l ä r t sich, d a ß die d e m alten W o r t f ü r ' S c h w c l l e ' *J>reskuM i t t e l p e r s o n in der epischen D . f a s t g a n z walpuz (anord. fireskuldr, ahd. driskuwili, verschwindet. F a s t überall, Wo w i r die ags. ßerskweald) , , D r e s c h h o l z " zu sehen epische D . in dieser V e r t e i l u n g der R o l l e n sei. finden, h a b e n w i r v o l k s t ü m l i c h e n B o d e n unter den F ü ß e n . § 3. E n d l i c h b e d i e n t e m a n sich eines W u n d t Völkerpsvch. IT 3, 533ff. l'sener b e s o n d e r e n W e r k z e u g s , f ü r d a s eine B e Rhein. Mus. f. Phil. N. F. 58. K n o p f Z w zeichnung mit dem üblichen instrumenGcschichtc d. typischen Zahlen in d. deutschen talen / - S u f f i x v o m V e r b u m gewonnen IM. d. .VA. (1902) 19ff. A. O l r i k Danske w u r d e : *preskilaz, *ßreskilö (ahd. driskil Stud. 190?, 196ff. 1908, 81 ff.; ZfdA. 51, 7fr. m., driskila f., h e u t e bayerisch-österr. S c h ü t t e Oldsagn ovl Godthiod (1907), 94 ff. ' D r i s c h e l ' , ags. perscel, engl, threshal, d ä n . E. Mogk. terskel), lat. tribula, tribulum. Während Dreschen. § i. F ü r die K e n n t n i s des n u n a b e r d a s l a t e i n i s c h e W o r t eine v o n D r e s c h e n s bei d e n a l t e n G e r m a n e n sind T i e r e n über die auf der T e n n e a u s g e b r e i w i r , d a d i r e k t e Z e u g n i s s e fehlen, lediglich teten H a l m e g e s c h l e i f t e T a f e l b e z e i c h n e t , a n g e w i e s e n auf das, w a s die S p r a c h e lehrt, ist ' D r i s c h e l ' ein v o n M e n s c h e n g e s c h w u n u n d das, w a s sich a u s den h e u t i g e n V e r gener S t o c k . F ü r die A n n a h m e , d a ß die hältnissen erschließen l ä ß t . E i n a l t e s in l e t z t e r e B e d e u t u n g die ä l t e r e sei, s p r i c h t allen g e r m a n i s c h e n S p r a c h e n bis h e u t e v o r allem der U m s t a n d , d a ß die D r e s c h w e i t e r l e b e n d e s V e r b u m , u r g e r m . *preskan, t a f e l bei den G e r m a n e n n i c h t n a c h g e w i e s e n m i t lat. trivi, griech. -pißsiv, die eben- : ist, d a ß sie v i e l m e h r d e m Kulturkreis f a l l s ' d r e s c h e n ' b e d e u t e n , a u f s engste v e r des M i t t e l m e c r b e c k e n s a n g e h ö r t u n d w a h r w a n d t , d e u t e t auf ein A u s s t a m p f e n der scheinlich s e m i t i s c h e n U r s p r u n g s ist. Die K ö r n e r hin, wie n a m e n t l i c h lat. trio ' D r e s c h R ö m e r h ä t t e n d a n a c h also d e m neuen ochse' u n d ital. trescare, span., p o r t g . W e r k z e u g den a l t e n N a m e n beigelegt. triscar zeigen, w e l c h letztere, d e m GerZ u g l e i c h erhellt n o c h zweierlei, d a ß n ä m manischen entlehnt, neben 'dreschen' auch lich d a s a l t e V e r b u m so v o r w i e g e n d v o m ' t a n z e n ' b e d e u t e n ; das W o r t w i r d in Italien „ E n t k ö r n e n " g e b r a u c h t w u r d e , d a ß es f ü r vielerorts, im G e g e n s a t z z u battere 'ausjede A r t verwendet werden konnte, und schlagen', eben v o m 'Austreten' gebraucht. d a ß der , , D r e s c h s t o c k " eine besondere O b u r s p r ü n g l i c h dieses ' A u s t r e t e n ' v o n F o r m a n g e n o m m e n h a b e n m u ß t e , die ihn M e n s c h e n v o r g e n o m m e n w u r d e oder nur, für andere V e r w e n d u n g e n nicht passend w i e n o c h h e u t e in einzelnen G e g e n d e n erscheinen ließ, ihn v o n a n d e r n S t ö c k e n D e u t s c h l a n d s , v o r a l l e m a b e r in S ü d unterschied. D i e s e spezielle F o r m ist europa, W e s t a s i e n , N o r d a f r i k a u n d n a c h aber nicht bekannt. M a ß g a b e des o b e n g e n a n n t e n trio s c h o n in H e u t e sind z w e i H a u p t t y p e n z u § 4. sehr alter Z e i t in Italien, d u r c h Tiere, u n t e r s c h e i d e n : der einteilige ' D r e s c h s t o c k ' w i s s e n w i r nicht. u n d der z w e i t e i l i g e ' D r e s c h f l e g e l ' . Jener § 2. D a n e b e n g i b t u n d g a b es aber n o c h a n d e r e A r t e n des E n t k ö r n e n s . Bei kleinem Betriebe, namentlich aber wenn d a s S t r o h und b e s o n d e r s w e n n die K ö r n e r

b e s t e h t z u n ä c h s t a u s e i n e m e t w a 2 ni langen, an einem E n d e l e i c h t g e b o g e n e n S t o c k e , der im L a u f e der Z e i t in v e r schiedener W e i s e umgestaltet, seinem

DRONTHEIMER Zwecke dienlicher gemacht wird, aber doch stets ein festes Ganzes bleibt. Dieser besteht aus zwei selbständigen Stücken, dem Stiel und der Keule, die miteinander durch einen Lederriemen so verbunden sind, daß die Keule sich beim Schwingen frei bewegt. Die älteste Darstellung eines solchen Instruments findet sich im ags. Kalendarium des 11. J h . s (Taf. 1, Nr. 3), ähnliche sind in Mittel- und Norditalien und in Frankreich in etwas späterer Zeit nachgewiesen. Das Hauptgebiet dieses Werkzeuges ist Mitteleuropa: germanisches, slawisches, romanisches — innerhalb der Apenninhalbinsel n i m m t sein Gebrauch von Norden nach Süden ab, auch die iberische kennt ihn wenig. Man h a t allen Grund anzunehmen, daß Augustin, der als erster flagellum als Bezeichnung eines Dreschflegels a n f ü h r t , eben diese F o r m im Auge h a t und daß ahd. flegil, nhd. flegel, ags. fligel, wie auch dän. plejel usw. daraus entlehnt sind. Merkwürdig ist nun aber, d a ß auch 'Drischel' eben den Flegel benennt, daß der Dreschstock einfach 'Bengel', 'Staken' u. dgl. heißt, daß Drischel und Flegel geographisch nebeneinander stehen, nicht zwei verschiedene Werkzeuge benennen. Mancherlei spricht dafür, d a ß Nordgallien oder Westdeutschland der Ausgangspunkt dieses Werkzeuges ist. Dann würden sich die sprachlichen Verhältnisse a m leichtesten so erklären, d a ß ein germanischer „Drischel", von den Galloromanen übernommen, flagellum genannt wurde und irgendwie verbessert mit dem fremden Namen zu den Alemannen und von da weitergewandert sei. In der T a t gibt es verschiedene Formen des Flegels. Sind beide Teile ursprünglich gleich lang und gleich stark, so wird der Klöppel bald stärker und verkürzt. Die einfachste aber auch die a m leichtesten abgenutzte Verbindung wird in der Weise hergestellt, daß man Stock und Klöppel durchbohrt und einen Strick durch die Löcher zieht. Wesentlich fester sind Lederkappen an einem oder an beiden Teilen. Muß bei diesen Typen der Stock beim Dreschen in der H a n d gedreht werden, so kann dies unterbleiben, wenn der Klöppel sich um den Stock drehen kann. Dies geschieht in der Weise, H o o p s , Reallexikon.

I.

DOM

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daß ein Riemen, der direkt oder indirekt die Verbindung herstellt, in einer am Ende des Stockes angebrachten Rille läuft. Welches von diesen drei Entwicklungsstadien nun ursprünglich ,,dreschel", welches flagellum hieß, wissen wir heute noch nicht, da die Übersicht über die genannten und eine Reihe von Mischtypen und Übergangsformen noch zu unvollständig ist.

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1

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| | ; | I • | j

W. M e y e r - L ü b k e Zur Gesch. d. Dreschgeräte WuS. 1, 2ii—244 (1909). H. S c h u . c h a r d t Sach- u. ~W ortgeschichtliches zum Dreschflegel ZfromPhil. 33, 2 5 7 8 . W. Meyer-Lübke.

Drontheimer Dom. § i. W u r d e von König Olaf K y r r e (1066—1093), der die festen Bischofssitze in Norwegen errichtete, gleichzeitig mit der Christkirche zu Bergen um 1077 erbaut. Er steht an dem Orte, wo der Königsmärtyrer Olaf der Heilige den ersten W i n t e r nach seinem Tode begraben worden War. Als Bischofskirche wurde sie der heil. Dreieinigkeit geweiht, wurde aber ,,St. Olafskirche" oder als Bischofskirche „die Christkirche" genannt. Diesen Namen führten nämlich alle norWeg. Bischofskirchen. An diesem Platze, wo die Königsleiche nur ein J a h r geruht hatte, ehe man sie in die Clemenskirche und von da in die Olafskirche überführte, Wurde zuerst eine hölzerne Kapelle (wahrscheinlich von dem Sohn des Heiligen, Magnus dem Guten) errichtet. Sie m u ß t e nun der neuen Steinkirche Weichen. Den damaligen kleinen Verhältnissen des Landes entsprechend, War die ursprüngliche Christkirche eine einfache, einschiffige Kirche, Wie gewöhnlich mit schmälerem und niedrigerem Chor an der Ostseite, Wo der Heiligenschrein St. Olafs über den Altar gestellt Wurde. Sie h a t t e kein Querschiff. Die Breite der Kirche kann nach den unter den Pfeilern des jetzigen Chors gefundenen Grundmauern auf 33 F u ß in dem Westende, 36 F u ß in dem Ostende des Schiffes genau bestimmt werden, während man die Länge nur annähernd auf 128 Fuß veranschlagen darf. Die Kirche muß vor 1093 vollendet worden sein, da der König, der in diesem J a h r e starb, der Einweihung der Kirche (an einem „Vorabende der Olafsfeier", 32

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DRONTHEIMER

also a m 28. Juli) b e i w o h n t e . A u c h w u r d e er in der K i r c h e b e g r a b e n . D i e späteren Umwandlungen der Kirche haben die S p u r e n ihrer ä l t e s t e n A n l a g e f a s t g ä n z l i c h -— bis auf die G r u n d m a u e r n und v i e l l e i c h t eine O s t m a u e r i m j e t z i g e n C h o r — v e r tilgt. D e r C h o r der ä l t e s t e n K i r c h e l a g I F u ß h ö h e r als d a s Schiff. Eine T ü r an der S ü d s e i t e f ü h r t e w a h r s c h e i n l i c h v o m Chor z u d e m „ O l a f s b r u n n e n " , einer Quelle, die d e m G r a b e des Heiligen e n t s p r u n g e n sein soll. D a s Schiff h a t t e zwei P o r t a l e , gegen N. u n d gegen S., v o n 9 F u ß Breite. G e b ä u d e r e s t e an der Nordseite lassen eine a n g e b a u t e S a k r i s t e i oder v i e l l e i c h t einen T u r m (Stöpul) vermuten. D i e G r u n d m a u e r n , 5 F u ß tief, bestehen a u s u n g e o r d n e t e n S t e i n e n in t r o c k e n e m Kalk. Ü b e r eine S c h i c h t kleinerer Steine e r h o b sich der I F u ß h o h e Sockel a u s Topfstein. § 2. D i e K i r c h e Olaf K y r r e s blieb n i c h t l a n g e u n v e r ä n d e r t stehen. Im Anfang des 12. Jhs. Wurden die drei s k a n d i n a v i schen R c i c h e , die bisher d e m E r z b i s t u m B r e m e n gehörten, ein s e l b s t ä n d i g e s E r z b i s t u m m i t L u n d als M e t r o p o l e , und schon 1 1 5 1 w u r d e N o r w e g e n ein s e l b s t ä n d i g e s E r z b i s t u m . D i e K i r c h e , Worin der N a t i o n a l heilige des R e i c h e s r u h t e , Wurde n a t ü r l i c h die M e t r o p o l i t a n k i r c h e des n e u e n Erzbistums und die nächste Folge davon War die n o t w e n d i g e E r w e i t e r u n g der Christkirche. Sie Wurde h a u p t s ä c h l i c h v o n d e m d r i t t e n E r z b i s c h of E y s t e i n (1157—1188) unternommen. S c h o n k u r z n a c h seiner R ü c k k e h r v o n der P a l l i u m s r e i s e ( 1 1 6 1 ) k o n n t e er a m 26. N o v e m b e r d. J. l a u t einer I n s c h r i f t einen A l t a r in der ersten K a p e l l e der e r w e i t e r t e n , a b e r n o c h l a n g e n i c h t fertigen K i r c h e e i n w e i h e n . Es w a r dies die J o h a n n e s k a p e l l e im südlichen Querschiff. D e r P l a n War, die K i r c h e Olaf K y r r e s als einschiffigen Chor der n e u e n dreischiffigen K i r c h e z u belassen, v o r deren W e s t e n d e a b e r ein gewaltiges, einschiffiges Q u e r h a u s u n d Westlich v o n d i e s e m d a s dreischiffige L a n g h a u s in der a n g l o - n o r m a n n i s c h e n A r t des r o m a n i s c h e n Stils z u errichten. Das Querhaus wurde, w i e es scheint, in seinen drei H ö h e n , Arkaden, Triforium und Kleristerium von Eystein vollendet. So a u c h die unteren

[ 1 ! | j : 1 ! I i

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DOM

Teile der beiden z w e i s t ö c k i g e n , an der O s t w a n d a n g e b r a c h t e n K a p e l l e n , die mit k r ä f t i g e n , n o r m a n n i s c h v e r z i e r t e n , auf die K r e u z a r m e sich ö f f n e n d e n P o r t a l e n versehen sind. E i n n a c h u n t e n o f f e n e r D a c h stuhl bedeckte das Querhaus. D i e neue S a k r i s t e i an der N o r d s e i t e des Chors s a m t einer k l e i n e n V o r h a l l e an der N o r d seite des Q u e r h a u s e s w u r d e n in ihrer halben Höhe aufgeführt. Auch das L a n g h a u s , in d a s m a n v o m Querschiffe a u s d u r c h ein m ä c h t i g e s m i t t l e r e s R u n d b o g e n p o r t a l u n d z w e i kleinere gelangte, w u r d e a n g e f a n g e n , g e w i ß a b e r n i c h t vollendet, d a eine K a t a s t r o p h e e i n t r a t , die der g a n z e n W i r k s a m k e i t des m ä c h t i g e n E r z b i s c h o f s ein j ä h e s E n d e z u bereiten drohte. E s w a r dies d a s E r s c h e i n e n des j u n g e n T h r o n p r ä t e n d e n t e n S v e r r e Sigurdson in N o r w e g e n 1 1 7 7 . Der Erzbischof m u ß t e das L a n d v e r l a s s e n ; er floh 1180 nach England. D o c h sollte diese das ganze Unternehmen bedrohende Unterb r c c h u n g das W e r k n u r im höchsten Grade fördern. § 3. In E n g l a n d h a t t e s o e b e n d u r c h die B a u t ä t i g k e i t des f r a n z ö s i s c h e n A r c h i t e k t e n G u i l l a u m e de S e n s die G o t i k in der K a t h e d r a l e z u C a n t e r b u r y E i n g a n g g e f u n d e n , und hier r e i f t e n bei d e m s c h ö p f e risch v e r a n l a g t e n F l ü c h t l i n g die g r o ß e n P l ä n e , die die g o t i s c h e K a t h e d r a l e z u Drontheim zu dem prachtvollsten W e r k e des g a n z e n N o r d e n s m a c h t e n . D e n n in d e m p r a c h t v o l l e n O k t o g o n ü b e r der Olafsg r u f t w u r d e die B e c k e t s - C r o w n der K a t h e d r a l e z u C a n t e r b u r y n i c h t imitiert, sondern weit übertroffen. Mit König Sverre versöhnt, k e h r t e E y s t e i n 1183 n a c h D r o n t h e i m z u r ü c k und b r a c h t e die G o t i k n a c h N o r w e g e n mit. S o f ä n g t die d r i t t e B a u p e r i o d e der K i r c h e in g o t i s c h e m Stil an. D i e b e g o n n e n e n T e i l e des Langhauses wurden wieder abgetragen, das Querhaus dagegen, das vollendet war, beibehalten. D a n n w u r d e eine m i t einem S p i t z b o g e n fenster versehene Michaelskapelle über d e m kleinen V o r b a u an der N o r d s e i t e des Ouerschiffes e r r i c h t e t sowie die S p i t z b o g e n g e w ö l b e ü b e r der a n g e f a n g e n e n S a kristei geschlagen, die v o r d e m Tode E y s t e i n s im J a h r e 1188 f e r t i g w a r e n , d a er in dieser Sakristei b e g r a b e n w u r d e .

DROSSEL

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D a n n wurde das Oktogon über dem drozga), slow, drözg ' D r o s s e l ' (Berneker G r a b e des Heiligen a n g e f a n g e n , die K i r c h e EWb.). Hierher vielleicht auch frühae. Olaf K y r r e s a b g e t r a g e n , u m d e m erpreesee s w f . ' D r o s s e l ' ( C o r p . - G l . 2062 t r i t a : w e i t e r t e n dreischiffigen C h o r P l a t z zu drostle, 2063 t r u i t i u s : Sraesce, n a c h S u o m a c h e n , u n d e n d l i c h w u r d e der g r o ß e l a h t i 52, A . I m i t k e l t . - l a t . L e m m a : m i r . H a u p t t u r m ü b e r der V i e r u n g a n g e f a n g e n . truid ' D r o s s e l ' ) ; g e r m . G r d f . *praskjön\ d o c h — W i e w e i t a b e r diese A r b e i t e n b e i m j k a n n m a n a u c h pr&sce m i t l a n g e m c£ a n T o d e des E r z b i s c h o f s oder b e i m A b l a u f ! s e t z e n u n d dies m i t S i e v e r s ( I F . 13, 139) des J a h r h u n d e r t s v o r g e s c h r i t t e n w a r e n , j a u s g e r m . *prauskön d u r c h P a l a t a l u m l a u t l ä ß t sich n i c h t b e s t i m m e n . Die folgende a b l e i t e n (vgl. § 6). g o t i s c h e V o l l e n d u n g des G e b ä u d e s im § 4. A u f i d g . *trzdos, *trzdä m i t S c h w u n d 13. Jh. liegt a u ß e r h a l b des R a h m e n s dieses s t u f e des W u r z e l v o k a l s gehen z u r ü c k : l a t . Werkes. turdus m., turdä f. ' D r o s s e l ' (aus *turzd-) P. A . M ü n c h Trondhjems Domkirke. Nicou n d , d u r c h ein D e m i n u t i v s u f f i x e r w e i t e r t , 1 a y s e n V e r s c h . A u f s ä t z e in den J a h r e s b e r i c h t e n der verbreitetste westgerm. Drosselname: der norw. A l t e r t u m s - G e s e l l s c h a f t 11. a n d e r w ä r t s . g e r m . *prust-alö{n) = m h d . drostel und ae. K r e f t i n g Trondhjems Domkirke. prostle s w f . m i t einer n i c h t b e l e g t e n N e b e n Dietrichson. f o r m "prustle, die i m Me. und N e . z u t a g e t r i t t : m e . throstle, throstel u n d thrustle, Drossel {Turdus). § I. F ü r die D . g i b t thrustyll(e), ne. throstle und dial. thrustle es einen a l t e n i n d o g e r m. N a m e n , der cnocianin f a s t allen europ. S p r a c h e n v e r b r e i t e t ist. j (ähnliche ae. D o p p e l f o r m e n sind *clogge-clugge ua., v g l . M o r s b a c h E r t r i t t n a m e n t l i c h in d c n g e r m . D i a l e k t e n i cnucian, in z a h l r e i c h e n V a r i a n t e n auf, die a u g e n - ; Me. G r . § 120, A . 3). D a s V o r h a n d e n s e i n d e r D o p p e l f o r m e n b e w e i s t die K ü r z e des o scheinlich z u s a m m e n h ä n g e n , a b e r z u m T e i l v o n ae. prostle. l a u t g e s e t z l i c h n i c h t z u v e r e i n i g e n sind. E i n e d e m ae. prostle, m h d . drostel e n t E s h a b e n hier a n a l o g i s c h c B e e i n f l u s s u n g e n s p r e c h e n d e a n d . F o r m *throstla f e h l t ; s t a t t und Kreuzungen mannigfacher A r t stattg e f u n d e n , die sich im F o l g e n d e n d u r c h er- ' dessen findet sich i m N d . eine m e r k w ü r d i g e n e u t e U n t e r s u c h u n g und z u s a m m e n f a s s e n d e : F o r m ohne t u n d m i t l a n g e m ö: a n d . thrösla f e m . 1 1 . J h . ( A h d . G l . I V 205, 24; O r d n u n g des f o r m e n r e i c h e n N a m e n s v i e l v g l . G a l l e e V o r s t u d . 347), m n d . drossele l e i c h t teilweise a u f k l ä r e n lassen. 12. J h . ( A h d . Gl. I I I 88, 33, m i t h a n d § 2. D e r idg. D r o s s e l n a m e k o m m t in s c h r i f t l i c h e m C i r c u m f l c x ) , drösle f., n n d . d o p p e l t e r G e s t a l t v o r : *troz-dos: *trz-dos m i t 1544 droessell m i t oe = ö ( S u o l a h t i a a O . A b l a u t im W u r z c l v o k a l . D a s W o r t scheint u r s p r ü n g l i c h im A n l a u t v o r d e m t n o c h ein i 54), h e u t e w e s t f . drässel, g ö t t i n g . drausel, Die s g e h a b t z u haben, w i e die b a l t . N a m e n i m e c k l e n b u r g . draussel ( S u o l a h t i 52). z e i g e n : idg. *str ozd 0 s = lit. sträzdas, lett. i V o k a l e der nnd. F o r m e n i m V e r e i n m i t d e m strazds. D e n ü b r i g e n S p r a c h e n f e h l t d a s 5: I C i r c u m f l e x v o n m n d . drossele erweisen die u r s l a w . russ. drozdii, b u l g . s e r b o - k r o a t . | L ä n g e des a n d . ö: sie sind die gleichen w i e — ae. c z e c h . p o l n . d r o z d , m i t a n l a u t e n d e m d s t a t t i in w e s t f . -¿äs, m e c k l e n b u r g . gaus gös, n h d . gans ( S i e v e r s I F . 13, 139). K l u g e t d u r c h A n g l e i c h u n g a n die f ü r d a s a u s ( E W b . u. L i t b l . 19, 14; 1898), B ü l b r i n g l a u t e n d e d erforderliche A r t i k u l a t i o n s a r t ( A E . E l m t b . 518) u n d S i e v e r s f ü h r e n d e s (so S o l m s e n K Z . 37, 579 u. I F . 13, 138, h a l b d e n nd. w i e a u c h d e n ae. N a m e n a u f A . 1; B e r n e k e r E W b . ) ; hierher ferner der nord eine G r d f . *pramstala zurück; das w ü r d e g e r m . D r o s s e l n a m e : g e r m . *prastuz = a n o r d . prystr, n o r w . trost, d i a l . trast, s c h w e d . I a b e r eine v ö l l i g neue W u r z e l e r g e b e n . F ü r ae. prostle h a b e n w i r o b e n K ü r z e des o trast ( F a l k - T o r p ) ; endlich der k e l t . N a m e b e w i e s e n ; a n d . thrösla a b e r scheint m i r des S t a r s : u r k e l t . *trozdi-, *trozdeiä = ir. eine U m b i l d u n g a u s *throsla, *throstla n a c h truid, trod, korn. troet, b r e t . tret ( S t o k e s b. d e m M u s t e r v o n a n d . *ösla ' A m s e l ' z u sein, F i c k 139). d a s z w a r nicht b e l e g t ist, a b e r n a c h A u s § 3. N e b e n idg. *trozdos steht eine w e i s v o n ae. ösle u n d a h d . amsala sicher P a r a l l e l f o r m *tr o z g 0 s m i t g - S u f v o r h a n d e n w a r . — V i e l l e i c h t h a b e n sich fix: m b u l g . drozgü, s e r b o - k r o a t . drözak (g.

492

DROSSEL

neben and. thrösla, mnd. drösle auch Formen mit kurzem o erhalten; jedenfalls stammen nhd. und dän. drossel aus einer nd. F o r m mit kurzem o (Suolahti 54), das freilich sowohl sekundär verkürztes wie altes 0 sein k a n n . § 5. W i e neben idg."trozdos die Parallel form *trozgos (in mbulg. drozgü, ae. prasce § 3), so steht neben idg. *trzdos, *trzdä die P a r a l l e l f o r m *t rzgos, *t r z gä mit g - S u f f i x . Sie läßt sich nur aus dem Germanischen belegen: urgerm. *J>ruskü — ahd. drosca, droscha, drusca f. und droscala f., mhd. droschel stf., nhd. 16. Jh. troschel bei H. Sachs, sangdruschel in Sachsen, heute obd. droschel, Wetterau druschel (Belege b. Suolahti 51 ff.). Der Wechsel zwischen 0 und u weist wieder auf K ü r z e des Vokals. — Hierher vielleicht auch ae. pryssce 'strutio' W W . 286, 24, wo strutio wohl nur eine Entstellung v o n kelt.-lat. trutius 'Drossel' ist (s. oben 3), während das die K ü r z e des y zu beweisen scheint (germ. Grdf. *pruskjön)-, auch me. prusche, thrusshül, ne. thrush, dial. thrushel, thrishel haben kurzen V o k a l , der freilich ebensowohl auf jüngerer Verkürzung beruhen könnte. § 6. Auffallend ist nun aber, daß neben diesen Formen mit kurzem S t a m m v o k a l andre mit zweifelloser L ä n g e desselben bestehn. Bei ahd. droscha, droschela wird sie durch handschriftliche Circumflexe bezeichnet und durch nhd. Dialektformen bestätigt (Kluge, Sievers aaO., Suolahti 51 ff.). Bei ae. prysce wird sie durch me. pruysse, pruisse (Belege b. Stratm.-Bradl.), ne. dial. thrice-cock (Midi., Leic., W a r w . , Shrops.), throice-cock (Leic.; Belege b. W r i g h t E D D . ) erwiesen. Auch bei mhd. dröstel müssen sie bestanden haben, wie schwäb. dröstl (neben drostl) im N W . und S., draostl im W . , dropstl im O. (Fischer Schwäb. W b . 2, 405), elsäss. tröstl{g) (Martin-Lienh. Eis. W b . 2, 766) ua. zeigen. Mhd. dröstel, ahd. *dröstala weist auf urgerm. *praustalö(n), ahd. dröska, dröskala auf urgerm. *ßrausköyri), *prauskalö(n), ae. prysce auf urgerm. *prüsk]ön z u r ü c k : der N a m e muß sich also aus irgendeinem A n laß teilweise der w-Reihe angeschlossen haben. Man hat sich verschiedentlich bem ü h t , den idg. Drosselnamen mit gr.

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axpou&o;, axpouöo; 'Sperling, kleiner Vogel' lautgesetzlich zu v e r k n ü p f e n ; aber die älteren Erklärungsversuche haben meist Widerspruch erfahren. Eine neue Begründung dieser Zusammenstellung gab Solmsen (IF. 13, 138 f.) durch Hinweis auf die oben besprochenen Formen ahd. dröska, ae. prysce, deren W z . germ. praus-, prüs- sich mit der von gr. orpoudo? aus *STpoua-i)o? in der T a t ohne weiteres vereinigt. F a l k j Torp, Walde E W b . * und Berneker (EWb.) haben sich denn auch Solmsen angeschlossen. A b e r der M-Vokalismus tritt nur in einigen germ. Namensformen auf, dem idg. Drosselnamen*(5)irosrfo5 w a r er sicher fremd; außerdem sind Suffix (-dhos gegenüber -dos, -gos) und Bedeutung abweichend: die E n t stehung v o n *strozdos und *sirouzdhos aus einer gemeinsamen Grundform ist darum recht unwahrscheinlich. Eher möchte ich vermuten, daß der M-Vokalismus der germ. Formen, der doch irgendwie analogisch entstanden sein muß, sich dadurch erklärt, daß der Drosselname idg. *{s)trozdos sich an das etymologisch verschiedene, aber lautlich nahestehende idg. *strouzdhos, das wohl ursprünglich 'Vogel' bedeutete (vgl. aTpoufto? ¡xs-fsXirj, atpouUoxotjirjXo? 'Strauß'), anglich in ähnlicher Weise, wie wir es oben bei and. *throstla und *ösla k e n n e n l e r n t e n : | nach dem Muster v o n *strouzdhos wurde aus trozdos *trouzdos und weiter dann aus *trozgos auch *trouzgos, *irüzgos gebildet. Mit dieser Annahme wäre eine lautgesetzliche A b normität beseitigt und eine auffallende, aber nicht abzuweisende Wurzelvariation des idg. Drosselnamens befriedigend erklärt. § 7. Der alte idg. Drosselname h a t v o n jeher im besondern die S i n g d r o s s e l (Turdus musicus) bezeichnet und h a f t e t auch heute noch in erster Linie a n ihr (s. Suolahti 66 f.). Die andern Drosselarten wurden in altgerm. Zeit z u m Teil durch besondre Benennungen v o n ihr ; unterschieden, so die W a c h o l d e r d r o s s e l (Turdus pilaris) und besonders die S c h w a r z d r o s s e l (T. merula), die sich j a durch Größe wie durch F a r b e v o n den meisten Drosseln abhebt und in der Volksvorstellung auch heute gewöhnlich nicht als Drosselart aufgefaßt wird (s. ' K r a m m e t s v o g e l ' und ' A m s e l ' ) .

DRUDE—DÜNGUNG

493

Pfosten, Balken, Bettstellen u. dgl. an§ 8. In ahd. Glossen wird turdus mehrfach durch bräckfogil übersetzt, so in den ! gebracht. W u 11 k e Volksaberglaube der Gegenwart, Versus de volucribus (Ahd. Gl. III 26, 30); § 213 u. oft. E. Mogk. ebenso kommt mhd. br ächv 0 gel vor. Dulgubnii ist der Name einer germ. Welche Drosselart damit gemeint ist, läßt Völkerschaft bei Tacitus Germ. 34, die er sich sich nicht sicher feststellen; vielleicht war jedenfalls westlich von den bei ihm mit den es die M i s t e l d r o s s e l (T. viscivorus), Chauken zusammengrenzenden Chatten und die in einigen Gegenden Niederdeutschnoch entfernter westlich von den Cheruslands heute bräkvagel genannt wird (Suokern seßhaft denkt. Wahrscheinlich richlahti 59). tiger sind bei Ptol. II 11, 9 die Aou^oufj-vioi § 9. Ein alter Drosselname ist ferner südlich von den Langobarden an der Elbe ahd. Ilster a, listra fem., ebenfalls angesetzt. Ob man auch eine an der zuerst in den Versus de volucr. belegt Donau in Brigetio in Pannonien inschrift(Ahd. Gl. I I I 28, 19, glossiert 'scpicecula'), lich bezeugte regio Dulg. mit v . D o r n a mndl. lijstre f., nndl. lijster, luxemb. s z e w s k i (Rom. germ. Korresp.bl. 3,84!.) leischter f., siebenbürg, leister, westf. Ilster auf ausgewanderte D. beziehen darf, ist m., fries. lyster, klyster. Etymologie und sehr zweifelhaft. Grundbedeutung des Wortes sind nicht Der Name ist bei Tacitus in verderbten klar; in Westfalen bezeichnet es die SingFormen überliefert, aber sicher, wie zuerst drossel, in Luxemburg die Misteldrossel, Grimm getan hat, als Dulgubnii herzuim Friesischen und Neuniederländischen die stellen, wozu sich AouXyoujavioi verhält Drossel im allgemeinen (Suolahti 68). wie Dumnorix zu Dubnorix. Gedeutet § 10. Der ae. Name seric, s er e c hat ihn Grimm GddSpr. 623 und 'turdus' (Belege b. Whitman J G P h . 2, M ö l l e n h o f f ZfdA. 9, 243 als 'vulnera158) bezieht sich entweder auf die schacktores', letzterer später, DA. 4, 427, als schack-Rufc der Wacholderdrossel oder '¡j.a)(ouij.Evot, die Kriegs-, Streitlustigen'. auf die schnarrende Stimme der MistelEin Schwanken in der Deutung erklärt drossel; beide werden engl, heute screeehsich daraus, daß germ. *dul^a- 'Wunde, thrust, erstere auch screech-bird, letztere Feind, Feindschaft' und 'Schuld' bedeutet. screech-cock genannt (s. Wright E D D . ) . Neben got. wundufni 'Wunde' wird aber W h i t m a n JGPh. 2, I 5 7 f . (1898). S u o l a h t i Die dentscheji Vogclnamen 5 1 — 6 8 (1909). ein *dulgubni, dulgufni 'Wunde' recht Johannes Hoops. wahrscheinlich, und auch gegen ein Verbum germ. *dul^ubnjan und ein Nomen agentis, Drude ist im österreichisch-bayerischen Gebiete die allgemeine Bezeichnung für germ. *dul$ubnja-, ist nichts einzuwenden. Z e u ß 112. M ö l l e n h o f f DA. 4, 426 f. den quälenden Nachtgeist (s. Alp). E. Mogk.

R. Much.

Drudenfuß oder Marenfuß ist von Haus aus der Plattfuß gewisser Vögel (Gänse), dessen drei Zehen nach vorn, zwei nach hinten gehen. Man schrieb solche Füße den elfischcn Wesen, besonders den Zwergen und Druden oder Maren zu. An ihm wollte man diese Geister, später die Hexen erkennen. Als dann unter orientalischem Einfluß das Pentagramm als magisches Schutzmittel nach dem Abendlande kam, ging die volkstümliche Bezeichnung D. auf dies über. So wurde der Drudenfuß ein Schutzmittel gegen die Hexen und unheilbringende Dämonen und wurde in der Gestalt des Pentagramms oder als sechsspitziger Stern (^x) an Türen,

Düngung. §1. Ob die I n d o g e r m a n e n in der U r z e i t den Acker schon düngten, ist ungewiß. Es gibt allerdings idg. Ausdrücke für Mist, aber sie berechtigen nicht zu dem Schluß, daß der Mist als Düngmittel verwandt wurde. Gleichwohl hat man vermutlich nicht allzu lange nach der Einführung der Viehzucht mit der Verwertung des Mistes zu Düngungszwecken begonnen, vielleicht zunächst in der Weise, daß man das Vieh längere Zeit auf dem umzubrechenden Acker weiden ließ, wo dann der Mist untergepflügt wurde. Die Beobachtung, daß auf der Weide das Gras in der Umgebung alter Kuhfladen ganz besonders üppig gedeiht, konnte unsern

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DÜNGUNG

idg. Vorfahren schwerlich entgehen. Später wird m a n auch den Stall- und H ü r d e n mist als Dünger v e r w e n d e t haben. Die europ. Indogermanen kennen die D ü n g u n g jedenfalls schon seit den ältesten historischen Zeiten (s. Schräder Reallex. u n t e r 'Düngung'). Allerdings soll nach klassischer Überlieferung (bei Plinius Nat. Hist. 17, 50) die A c k e r d ü n g u n g in Griechenland von Augias erfunden, in Italien von Herkules verbreitet sein, aber grade durch die A n k n ü p f u n g an diese m y t h i s c h e n Personen wird die E r f i n d u n g der D. in die grauste Vorzeit gerückt. F ü r ihr hohes Alter in Mitteleuropa spricht die bemerkenswerte Tatsache, d a ß in dem steinzeitlichen P f a h l b a u v o n R o b e n h a u s e n in der Schweiz 6 F u ß tief u n t e r m Torf ganze Lagen von Ziegen- u n d S c h a f d ü n g e r gef u n d e n wurden, die nach Heer (Pflanzen d. P f a h l b a u t e n 7) „ o h n e Zweifel f ü r die D ü n g u n g der Felder a u f b e w a h r t " waren. § 2. Als die R ö m e r in die L ä n d e r nördlich der Alpen vordrangen, f a n d e n sie bei den k e l t i s c h e n Völkern schon verschiedene tief eingreifende, rationelle Methoden der künstlichen B o d e n d ü n g u n g vor. Einige keltische S t ä m m e , wie die Aeduer u n d Pictonen, d ü n g t e n ihre Äcker mit K a l k (Plinius 17, 47). Besonders verbreitet war die K u n s t des M e r g e 1 n s , die, wie der N a m e marga 'Mergel' selbst, nach Plinius (17, 42 ff.) eine keltische Erfindung war und in Gallien u n d Britannien schon lange a n g e w a n d t wurde. E s gab verschiedene Methoden des Mergeins, von denen einige eine 30-, j a 8 o j ä h r i g e F r u c h t b a r k e i t des Ackers gewährten. D a ß die Mergeldüngung in Gallien auch in fränkischer Zeit noch g e ü b t wurde, zeigt ein E d i k t Karls des Kahlen v. 864, worin der König es rügt, d a ß die fronpflichtigen coloni keinen Mergel fahren (margilam carricare) wollen, weil vielleicht in ganz alten Zeiten margila non trahebatur, w ä h rend doch schon zu seines G r o ß v a t e r s und Vaters Zeit vielerorts d a m i t begonnen wurde (traliicoepü)] er befiehlt, d a ß sie ohne Widerspruch tun, was sie geheißen werden (MGLeg. 1,495)§ 3. Auch die r h e i n i s c h e n Völkerschaften k a n n t e n zur Römerzeit bereits ähnliche Methoden des Düngens. Schon

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Varro (De re rust. I 7, 8) berichtet, als Cn. Trcmellius Scrofa, der vor dem Konsulat des Caesar P r o p r ä t o r in Gallien war, sich m i t seinem Heer dem Rhein näherte, sei er in Gegenden gekommen, „wo man die Acker m i t ausgegrabener weißer Kreide (Mergel oder K a l k ? ) d ü n g t e " (ubi agros stercorarent Candida jossicia creta). Wir wissen nicht, ob hier gallische oder germanische S t ä m m e gemeint sind. Aber auch die germanischen U b i e r am Niederrhein bedienten sich nach Plinius (17, 47) schon eines Verfahrens der Bodenverbesserung, das wahrscheinlich dem noch h e u t e in Marschgegenden üblichen K u h l e n nicht unähnlich war (Hostm a n n Altgerm. Landwirtsch. 24). Auch die f r u c h t b a r s t e n Äcker suchten sie dadurch ertragfähiger zu machen, daß sie die E r d e in einer Tiefe von über drei F u ß u n t e r der Oberfläche ausgruben und d a m i t den Acker einen F u ß hoch bedeckten, eine Düngung, die etwa zehn J a h r e vorhielt. §4. Ob auch die übrigen G e r m a n e n derartige Methoden der Bodenmelioration k a n n t e n , wissen wir nicht. Die D ü n g u n g m i t M i s t jedoch war zur R ö m e r zeit sicher den westgermanischen, w a h r scheinlich aber allen germanischen S t ä m men bekannt, wie die Sprachforschung lehrt. Wir haben zahlreiche altgerman. A u s d r ü c k e für Mist. Aus i d g. Zeit s t a m m t urgerm. *skarna n. 'Mist', anord. skarn n., ags. scearn n., afries. skern, mnd. scharn (damit u r v e r w a n d t das ausschließlich hd. W o r t ahd. har(a)n m., mhcl. nhd. harn m. ' U r i n ' ) ; urslaw. *skverna. akslaw. skvrüna, skvarü, skrüna 'Makel'; gr. axiöp (g. sxoecoc) n. ' K o t ' ; lat. mus-{s)cerda 'Mäusekot'; aind. ava-skaras m. ' E x k r e m e n t e ' . G r u n d b e d e u t u n g 'Urin, E x k r e m e n t e , K o t ' . — D a r a n reihen sich mehrere speziell g e r m a n . Wörter. Urgerm. *mihstuz m . : got. maihstus m. 'Mist', and. m n d . mndl. mist, Tuest m., nndl. mest, dial. mist, ahd. mhd. nhd. mist m.; und urgerm. *mihsa n . : and. melis n., m n d . nnd. mes m., mndl. mis, mes m. n. (auch nndl. dial.), fries. *miuks, ags. miox, meox n. (s. F r a n c k - v a n W i j k E W b . sv. mest); alle mit der Bed. 'Mist'; Grundberl. 'Urin', zu germ. *mtsan 'harnen'. — Urgerm. *turda n. 'Kot, Mist': ags. tord n., ndl.

DÜNGUNG tor aus *tord in flektierten K a s u s und Kompositis, anord. *tor9- in tyrdil-müli 'Dreckschnabel' und tord-yfill = ags. tordwifel, ndl. torde-wevel 'Mistkäfer' (Cortely o u Altengl. Insektennamen, A F . 19, S. 20; Falk-Torp D N E W b . sv. torbist). — Urgerm. *$ura n.: anord. ags. and. gor n., mndl. goor n., ahd. gor m. ' K o t , Mist, Dünger'. — Gemeingerm, ist endlich auch nhd. Dung: adän. dyng 'Dünger', nschwed. dynga dss., ags. dung f. (konsonant. Stamm) und dynege swf. dss., gedyngan 'düngen', dyngung 'Düngung', afries. dung 'Mist', dengan 'düngen', mnd. düngen dss., ahd. tunga, tungunga f. 'stercoratio', mhd. tunge f. 'Dünger, Düngung', nhd. dung, dünger 'Mist'. D a s W o r t bezeichnete ursprünglich wohl den Misthaufen, der die winterlichen Grubenwohnungen bedecktc (daher anord. dyngja f. 'Haufen' und 'Frauengemach',* and. dung m., mnd. dunk, mndl. donk 'textrina, Webegemach', ahd. tunc 'unterirdischer Weberaum » der Frauen', ags. dung f. 'Gefängnis'), hat. aber später die spezielle Bedeutung 'Düngmittel, Dünger' angenommen. — Ausschließlich h o c h d e u t s c h ist ahd. dorst, dost 'Mist, K o t ' ; ausschließlich nord i s c h anord. tad n., nnorw. schwed.-dial. tad 'Dünger', anord. tedja, nnorw. tedja, nschwed.-dial. täda 'düngen', wozu ahd. zetten 'ausbreiten', also tad urspr. wohl der 'ausgebreitete Dünger' (Falk-Torp). Wir hätten somit im Got. maihstus, im Anord. skarn, tad, gor, tord-, (adän. dyng), im Ags. scearn, miox, dung, gor, tord, im Afries. skern, miux, dung, im And. mist, gor, (mnd. scharn), im Ahd. mist, tunga, gor, dorst. Durch ags. gedyngan, dyngung, afries. dengan, mnd. düngen, ahd. tungunga wird die Verwendung des Mistes als Düngmittel bestimmt erwiesen, und die ungemein reiche Entwicklung der Nomenklatur zeigt, daß der Mist im wirtschaftlichen Leben der Germanen schon eine nicht unbedeutende Rolle spielte. § 5. Im Deutschen und Englischen besteht außer dung noch eine gemeinsame alte Benennung für den M i s t h a u f e n , einerseits eine Ableitung von *mihstuz: ahd. mistun, mistunnea, mistina f., mhd. mistenl. 'sterquilinium, Misthaufen'; anderseits v o n *mihsa: ags. mixen, meoxen (g.

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mixenne) f., ne. mixen 'Misthaufen, Düngergrube'; germ. Grdf. *mihstunjö, *mihsinjö. Der Mist wurde also in der germ. Urzeit ebenso wie schon in den Schweizer Pfahlbauten der Steinzeit (§ 1) aufbewahrt. D a ß dies nicht bloß geschah, um im Winter die Wohnungen vor K ä l t e zu schützen, sondern auch zu Düngungszwecken, zeigt die Geschichte der Sippe dung, die mindestens in allen westgerm. Sprachen schon vor ihrer Trennung die Bedeutung 'Düngmittel, düngen' angenommen hatte (§ 4). Auch M. H e y n e (Hausaltert. II 40) hält es für unglaublich, „ d a ß man jemals, selbst in Urgermanien, dieses hochwichtige landwirtschaftliche Geschäft vernachlässigt h a b e . " Schon die unerläßliche Reinigung der Ställe und Hofstatt von dem täglich anwachsenden Mist mußte die Ansammlung desselben und seine Unterbringung im A c k e r nahelegen. § 6. Für die J a u c h e gibt es eine urgerm. Benennung: ags. adelaswm. 'cloaca, sentina, stinkende Flüssigkeit, Jauche', adel-scap 'Mistpfütze, Kotlache', ne. dial. weit verbreitet addle 'faule Flüssigkeit', addle-pool 'Mistpfütze'; mnd. adel, addel 'Jauche', adel-, addel-pöl 'Mistpfütze'; nhd. bair. adel, ostfränk. odel 'Mistjauche'; schwcd. dial. kö-adel 'Kuhharn' (Grimm D W b . I 177). Das Auftreten des Wortes in den entlegensten germ. Dialekten beweist sein hohes Alter. § 7. Der Mist wurde in frühmittelalterlicher Zeit aus dem Stall durch K n e c h t e in besondern Mistkörben (ags. meox-bearwe oder -wilie f., mhd. mistkorp) oder auf Mistbahren (mhd. mistber f.) auf den Haufen im Hof getragen. Debeo.... fimum eorum [boum] portare foras, sagt der Ackerknecht im Colloquium des ./Elfric um 1000 (WW. 91, 6). Zum Misten (ahd. mistön, Graff 2, 883), dh. zum Zusammenschaffen, Aufladen und Ausbreiten des Mistes bediente man sich der Mistschaufel, ags. mexscofl (Gerefa 17; ca. 1025), und besonders der Mistgabel: ahd. mistgabala f. (Steinm.-Siev. I I I 633, 31. 634, 8. 635, 41. 636, 34. 637, 9), and. mistgabala f. (ebd. 682, 40 u. Gallee Vorstud. 218), ags. myxforce f. V o n dem Misthaufen wurde der Dünger im Herbst oder W i n t e r auf den Acker gefahren und hier in großen

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DUODEZIM A L S Y S T E M — D U R ! A

Haufen aufbewahrt, bis er vor dem Pflügen auf dem Lande ausgestreut wurde (Heyne Hausaltert. I I 42). Johannes Hoops.

Duodezimalsystem. Das auf 12 als Grundzahl beruhende Duodezimalsystem, das das Zahlensystem (s. d.) der germ. Völker in eigenartigerweise charakterisiert, ist auch bei den Germanen nicht in seinem ganzen Umfang zur Entwicklung gekommen. Auf welchem Wege es bei ihnen aufgekommen ist, ob etwa unter Einfluß der von den Babyloniern herrührenden Zeiteinteilung (12 Monate) oder gar des babylonischen Rechensystems, das auf der Zahl 60 beruht, läßt sich nicht entscheiden. Von Belang mag auch gewesen sein, daß bereits in idg. Zeit die sich in das Duodezimalsystem fügenden Zahlen 3 und 9 eine symbolische Bedeutung gewonnen hatten, die sich bei den Germanen behauptete ( S c h r ä d e r Reallex. Qjof.). Wie tief das D. bereits zu Caesars Zeiten Wurzel gefaßt hatte, zeigt die Landeseinteilung der Sueben in centum, dh. 120 pagos, auf die man daraus schließen kann, daß das Gesamtheer der Sueben 120 000 Mann ausmachte und jeder pagus 1000 Mann stellte ( M ü l l e n h o f f DA. 178). Daß es auch im allgemeinen Leben eine hervorragende Rolle spielte, geht daraus hervor, daß die gerichtlichen Bußsysteme der meisten germ. Völker auf 12 als Grundzahl beruhen (W i 1 d a Strajrecht 363; B r u n n e r Sitzungsber. d. preuß. Ak. d. Wissensch. 1889 I I 1039 f.); 12 entsprach bei der großen Zerlegbarkeit (2, 3, 4, 6, 2 x 4 = 8 ; 3 x 3 = 9 ) in hohem Grade dem praktischen Bedürfnis einer stufenweisen Bußtaxe. Auch in formelhaften Mengen- und Zeitdauerangaben spielten 12, 9 und 24 eine Rolle, wovon noch das Nibelungenlied sowie andre auf alter Volkssage beruhende spätere Dichtungen bei fast jeder derartigen Angabe zeugen ( G r i m m DRA. 4 I 286 f.).

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üzsuhte, mitüzsuhti, miüzsuhti, inüzsukti, üszlauffen, ags. ütsiht, mete-ütsiht (Abgang unverdauter Speisen, Lienterie); ferner ruora, ruer, wesrigu ruora, buueovel, büchovel, de vletende buek, dunnscheisz, dünnsehysz, lapscheise, ags. seilte, anord. ütsött. In epidemischer Form (s. Ruhr) und ohne epidemisches Auftreten eine häufige Krankheitserscheinung, die man durch Besprechungen (s. Segensprüche, medizinische) und durch Heilmittel zu beheben suchte. Letztere waren bald mehr diätetischer Natur, wie die Milch- und Mehlbreiverordnungen und das gesäuerte Hühnerei der Lacnunga 17, 18 und 59, bald suchte man sie noch wirksamer zu gestalten durch Kräuterzusätze (Leechbook I I I 22) oder durch Mitkochen von Pferdegalle und schwarzen Schnecken, wie Balds Leechbook I I 65 lehrt. Diese Mischung von Volksmedizin und antiker Uberlieferung (für das frühere MA. im Abendland überhaupt charakteristisch), wie sie das Angelsächsische wip utsihtadle uns aufbewahrt hat (Cockayne Leechdoms I I I 18 u. 46, I I 320 u. 296; Leonhardi Bibl. d. ags. Prosa V I 128. 141. 98 u. 90), wird in ähnlicher Weise auch im übrigen Germanien Geltung gehabt haben, wo uns volkssprachliche Belege noch fehlen. Woher das sympathetische Mistkäferrezept (Cockayne I I 318, Leonh. 97) gegen Leibschmerz (wambeweere) stammt, bleibt noch aufzuklären. S. auch Ruhr, |oli. G e l d n e r Alte?igl. Krankheitsna?ncn I I I 42 u. 3 1 . Sudhoff.

R a p h . Meyer.

Duria, Grenzfluß zwischen den Sveben des Vannianischen Reiches und den Sarmaten bei Plinius NH. 4, 81, einer der oberungarischen Zuflüsse der Donau. Der Name, der kein kelt. sein dürfte, wiederholt sich in den Westalpen, auf ligur. Boden, in dem zweier linksseitiger Nebenflüsse des Padus, der jetzigen Dorn Riparia und Dora Baltea. Auch an den spanischen Duriles, jetzt Duero, ist zu erinnern.

Durchfall, wird andeutend und drastisch ausgedrückt: iizgang, üzganch, üzsuhti,

Müllen hoff DA. 2, 326 ff. K o s s i n n a A f d A . 16, 55. R . M u c h A f d A . 33. 7. R . Much.

EALDORMAN—EDELSTEINSCHMUCK

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ealdorman (ags.). § I. Die Bezeichnung 'Eßoupdoouvov und "Eßoupov sind e. ist zunächst eine viel verwendbare. Dere. ; , Städte' in der Germ. mag. des Ptol., erstere ragt irgendwie, etwa durch Alter, Abstam- | an der March nördlich von Carnuntum, letzmung, Herrschaftsstellung über andere her- ; tere weiter nordöstlich. Vielleicht handelt vor, kann einen Ortsvorsteher so gut wie es sich aber nur um verschiedene Nameneinen älteren Mann überhaupt vorstellen. forman und Eintragungen desselben Ortes. Vor allem aber erscheint unter diesem Titel 'EßoupoSouvov — der Name wiederholt sich ein Beamter des angelsächsischen Königmehrfach auf kelt. Boden — ist wohl die tums, und zwar zuerst in den Gesetzen ' B u r g des Eburos'; s. ZfdA. 41, 127. Die Jnes, häufiger erst seit dem Beginn des Stelle, wo der Name steht, läßt an die um9. Jhs. Mit diesem Worte gibt Alfred wallte prähist. Ansiedlung von StillBedas subregulus, dux, princeps, patricius, f r i e d an der March denken. satrapa wieder, und dies läßt ebenso wie R . Much. die historischen Verhältnisse schließen, daß Eckpfeiler. Hornstafr ist in der norw. der ealdorman der mediatisierte, zum königHolzkirche der Name der an allen vier lichen Beamten gewordene Kleinkönig ist, Ecken aufgerichteten Holzsäulen, die die daher cyninges ealdorman. So auch erHauptträger des ganzen Baues sind und klärt sich sein Vorkommen bei Jnc und der in der L e x Bajuvariorum, tit. IX, dann von Alfreds Zeit ab. Sein Amtscap. V I 5 genannten winchilsi/l entsprechen. bezirk (ealdordömscipe) ist die Grafschaft Damit diese wichtigsten Stützen der Kirche (scir), er selbst daher comes genannt. {fiörer hornstafar) nicht durch die BeUnter nordischem Einflüsse verschwindet rührung mit der feuchten Erde verfaulten, der Titel des e. seit dem 11. Jh. und wird ruhten sie nicht unmittelbar auf der Erde, durch den seit dem 10. Jh. vordringenden sondern auf den Schwellen (s. d.) der Titel eorl (zu nordisch jarl) ersetzt, wie Kirche, indem sie am unteren Ende einen ealdordömscipe durch eorldöm. Einschnitt erhielten, so daß sie gleichsam § 2. Dere. ist der oberste Bezirksbeamte, auf zwei gespreizten Füßen quer über der direkt unter demKönig, dengerf/a(s.d.)unter Unterschwelle standen. A n den beiden sich. Er hat mit dem Bischof den Vorsitz Seiten, die den Wandbohlen zugekehrt im scTrgemöt (s. Versammlungen), früher waren, erhielten sie eine Rille zur A u f wohl allein; er muß dem Verletzten zum nahme der eingefalzten Wandbohlen. Oben Rechte helfen, den Totschläger in der Stadt wurden sie mit dem Oberbalken (s. d.) fest verfolgen, wenn diese selbst es versäumt. : verkammt, so daß Oberbalken, Schwelle Im R a n g steht er teils dem Bischof gleich, und je zwei Eckpfeiler einen festen Rahmen teils zwischen diesem und den witan oder um die Wandbohlen bildeten. Zu weiterer dem cyninges ßegn. Sein Haus ist Asyl, Stärkung dieses Rahmens dienten noch die seinWergcld einmal auf 8oooThrymsen anbeiden an der innern Seite von Ecke zu gegeben. Noch vor der Eroberung wird Ecke laufenden, sich kreuzenden Balken, der e. durch den scTrgerefa verdrängt. die „ S c h w e r t e r " oder,,Skorden"(s.'Wand'). § 3. In allgemeiner Bedeutung gebrauL. Dietrichson Norske Stavkirker. L. Dietrichson. chen das W o r t insbesondere die Leges Henrici, zur Bezeichnung des städtischen AlEdelsteinschmuck. § 1 . Granaten, derman, vor allem die Londoner Artikel sog. Almandinen (s. d.) wurden in der spätWilhelms des Eroberers. römischen und Völkerwanderungszeit (etwa 200 bis 750, 800 n. Chr.) ungemein häufig Chadwick Siudies on Anglo Saxon Institutions 161 ff. L a r s o n The king's household zur Einlegung auf Schmuckgegenständen, u. a. verwendet, entweder in England-105 f. L i e b e r m a n n Glossar s. v. Schwerfen . isolierte Kristalle oder geschliffen als R i e t s c h e l SZfRG. 41, 395 f. v. S c h w e Emaillearbeit (Email cloisonne). r i n ebd. 42, 291. v. Schwerin.

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EGGE—EGILL wohl schon in der Urzeit von Ochsen gezogen. Ihre Zähne waren ursprünglich jedenfalls von Holz, später von Eisen; vgl. die Glosse Hesychs: öcivcr ¿pyaXstov yeutpfixiv, aiSvjpou? f^'-p 0 0 ? ¿'/rjVJ ¿^xöfievov OTTO ßofuv. Plinius (18, 173) berichtet v o n den Rätiern, nachdem er Aussehen und H a n d h a b u n g des rätischen Räderpflugs geschildert : Semen protinus iniciunt er ati squ e dentatas supertrahunt. A u c h in der L e x Salica (34, 2) wird die E. e r w ä h n t : Si quis per aliena messe (Saatfeld), postquam levaverit (aufgegangen ist), er p i c em Iraxerit.

§ 2. Gewöhnlich sind es aber nur Halbedelsteine, wie Achat, K a r neol und Bergkristall, die meistens als Perlen, zuweilen auch als Siegelsteine in Goldfingerringen von den Germanen im A l t e r t u m verwendet wurden. — S. Fingerringe § 5 u. Perlen. B . Schnittger.

Egge. § i. Sehr altes Ackergerät zum Zerkleinern, Auflockern und Ebnen des gepflügten Bodens und zur Unterbringung der S a a t ; mit gemeineuropäischem N a m e n , der nur dem Slawischen f e h l t : gr. ¿£iva (bei Hesych); lat. oeeäre V b . (klasslat.), occa f. Subst. (erst spät belegt); in den nordeurop. Sprachen finden sich Ableitungen aus der gleichen Wurzel ok- mit tS u f f i x : urkelt. *okitä (Stokes b. Fick 4 II 6), kymr. ocet, oged, korn. ocet, bret. oguet\ urgerm. *a^ipd[n) f. (aus vorgerm. *okitä oder *oketä), ags. egeße, egße swf. 'occa, erpica', me. eithe, awfries. eyde, and. egitha, egida st. sw. f., mnd. egede, ahd. egida, mhd. egede f., dazu das V b . urgerm. *agjan, ags. ec£an und Subst. eegung, me. eggen, ahd. eckan, mhd. ecken, nhd. eggen (woher Subst. nhd. egge, s. K l u g e E W b . ) ; ferner preuß. aketes, lit. aki'czios 'Egge' und ake'ti 'eggen'. Das Nordische hat einen andern N a m e n : anord. harfr, herfi, nschwed. harf Subst., harfva Verbum. § 2. Über die G e s t a l t der idg. Egge wissen wir nichts weiter, als daß sie mit scharfen Zähnen versehen war, da ihr idg. N a m e wahrscheinlich mit lat. acus, acies urverwandt ist (Walde E W b . sv. occa). Vielleicht w a r die Urform der E. einfach ein gezogener Rechen, aus dem sich die heutige E. durch Verdoppelung oder V e r dreifachung der einen Zahnreihe des Rechens und Zusammenfügung der Reihen in einen Rahmen entwickelt haben könnte. Aber der Umstand, daß bei den Römern und Rätiern vielfach Flechtwerk (lat. erätis f.) zum Eggen verwandt wurde (s. Olck b. Pauly-Wissowa unt. 'Egge'), legt anderseits die Vermutung nahe, daß die idg. E. möglicherweise ebenfalls ein mit Zähnen versehenes Flechtwerk w a r ; auch daraus würde sich die gegitterte Form der späteren E. entwicklungsgeschichtlich einfach erklären. W i e der Pflug, so wurde auch die E.

! § 3. Im frühen MA. scheint die E., wie I die Begriffsgeschichte des engl, hearse (aus afrz. herse, lat. hirpex, s. N E D . ) zeigt, vielfach d r e i e c k i g gewesen zu sein, wie noch heute gelegentlich; sie war mit eisernen Zähnen versehen, j S c h r ä d e r Reallex. H e y n e Havsaltert. :

II 38.

Brasoh

84t. Johannes Hoops.

Egill, der Meisterschütze. § I. Als Bruder . des Meisterschmiedes Wieland kennt ihn ', i nur in der Schwanmädchenfabel, wo er [ Qlrün zum Weibe gewinnt. Als Bogenschützen zeigt ihn erst die J>s.: in Wielands Rachesage ist er der Helfer seines Bruders, was schon die Vorderseite des engl. R u n e n kästchens um 700 bezeugt; außerdem ist er der Held der Apfelschußsage, die der nordischeVerfasser eigenmächtig inWielands Geschichte eingefügt hat, deren deutsche H e r k u n f t aber nicht mit Grund zu bestreiten ist. Den Beinamen Qlrünar-Egill hat die Saga aus nordischer Überlieferung, doch nicht aus der V k v . Die Skalden E y v i n d r und HallfreSr im 10. Jh. spielen auf E. als großen Schützen an (Skjaldedigtning B S. 65. 148). Das Deckelbild des j Runenkästchens zeigt./EGILI, der durch das Fenster eines Hauses bewaffnete Angreifer 1 mit Pfeilen beschießt. (Den fliegenden Wieland und den Apfelschußknaben kann man auf dem Bilde nicht anerkennen.)

[

§ 2. V o n E. sind somit, außer den beiden Wielandfabeln, zwei Handlungen, die H a u s verteidigung um 700 in England, der Apfelschuß um 1250 für Niederdeutschland bezeugt. Die erste ist nordisch nicht sicher nachzuweisen (man hat Gunnars

EHE Ende in der Niála verglichen). Den Apfelschuß finden wir vorn 12. bis 16. Jh. von sieben andern Helden erzählt: I. Toko, der isl. Pálna-Tóki, bei Saxo; 2. Heming in einer Einlage der isl. Haralds saga har9rá9a; 3. Eindri3i in einer isl. Bekehrungsanekdote der Olafs saga Tryggvasonar (Fiat.); 4. Wilhelm Teil, zuerst in dem Weißen Buch von Sarnen um 1470; 5. der Pfälzer Puncker von Rorbach, im Hexen hammer i486; 6. Henning Wulf, in holsteinischer Sage seit dem 16. J h . ; 7. William of Cloudesly, in einer engl. Wildererballade 1536 (Child Nr. 116). 1 bis 3 bilden eine engere Gruppe, 4 ist möglicherweise aus I bezogen, 5 bis 7 sind selbständige Vertreter. Die Wanderfabel mit ihrer charakteristischen Motivfolge taucht erst in jüngerer Zeit in fremden Volksüberlieferungen auf und scheint germanischen Ursprungs zu sein. Von ihren 8 Trägern ist Egil der einzige altbeglaubigte Name. Es fragt sich, ob auch der Apfelschuß seit alters von ihm erzählt wurde oder erst im 12. bis 13. Jh. an ihn antrat. Dürfte man j-Egilis Hausverteidigung wiederfinden bei William of Cloudesly Str. 20—37 (Wadstein, S. Bugge), so spräche dies dafür, daß die beiden hier von William, anderwärts von Egil berichteten Handlungen von jeher éinen Helden hatten, den Egil. Aber der eine Posten der Gleichung (/Egili, der sich durch die Luft in die Feindesschar wirft) entfällt nach Cromes Deutung des Bildes, und so ist die Identität der beiden Auftritte immerhin bestreitbar. § 3. Nach ihrer innern Art kann die Apfelschußdichtung wohl dem altheroischen Stile entstammen. Sie gestaltet ein Problem aus dem Dienstmannenleben: wie zieht sich das Ehrgefühl eines Kriegers aus der Sache, wenn die Laune des druhtins dieses Außerordentliche von ihm verlangt ? Antwort: er folgt, aber er sieht die Rache vor, und er hat den Mannesmüt, dies demFürsten ins Gesicht zu sagen. Eine Fehde zwischen Schützen und Herrn, eine Bestrafung des Trutzwortes und die nachmalige Erschießung des Fürsten, dies sind Zutaten einzelner Texte, Angleichung an neue Zusammenhänge. § 4. Der Meisterschütze mag, wie sein Bruder, der Meisterschmied, aus säch-

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sischer Dichtung in die englische und nordische gelangt sein. Die Isländer der Sagazeit ersetzten ihn dann durch nordische Gestalten in geschichtlicher Umwelt (Toki, Heming, Eindriäi), die Engländer der Balladenzeit durch den beliebten Wilderertypus. Auf deutscher Seite hat die Quelle der J>s. den alten Namen bewahrt; die häufigen Privatnamen Egil, Eigil sind keine sichern Zeugen. — Gab es noch, wie in Märchen öfter, den d r i t t e n kunstreichen Bruder? Vgl. Slagfi3r Vkv., die zwei Genossen Williams, zwei Brüder Galands (W. Grimm S. 48), dazu Jiriczek DHs. I, 18. Welches seine Kunst war, ist unbekannt; der Skilauf (vgl. Vkv. und Toko-Heming) kann es in der deutschen Heimat nicht gewesen sein. C h i l d Populär Baliads 3, 14 ff. K 1 0 c k.h o f f Arkiv 12, 171 ff. W a d s t e i n The Clermont runic casket 1900. S. B u g g e Arkiv 26, 65 ff. H e u s l e r Festschr. f. Theodor Plüss S. 1 ff. C r 0 m e Das Markuskreus vom Güttinger

Leinebusch 12

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ff.

A. Heusler

Ehe. § I. Ebensowenig wie das Indogermanische hat das Urgermanische besondere Namen für Ehe, Ehegatten, Ehemann, Ehefrau gekannt; was wir an Bezeichnungen dafür finden, sind durchweg Worte, die ursprünglich eine weitere, z. T. sogar eine andere Bedeutung haben und auch später nur zum Teil ausschlicßlieh für Ehe und Ehegatten verwendet werden. Eine in der ganzen germanischen Welt verbreitete Benennung für Ehegatten ist ahd. hiun (hiwo = Ehemann, hiwa = Ehefrau), ags. sinhiwan, rihthiwan, ostnord. hiön, westnord. hjön, d. h. die Hausleute, ein Wort, das überall auch zur Bezeichnung des Gesindes vorkommt; der Ehemann ist dem entsprechend got. heivajrauja, der Ehestand ahd. hiwi, hiwunga, ags. sinhiwseipe, wnord. hjüskapr, hjönalag. Ebenso verbreitet ist ahd. gimahhidi, gamahha, ags. gemäcca, adän. mage, aschwed. make, w n o r d . maki\ es b e d e u t e t u r s p r ü n g -

lich den Genossen, erst im übertragenen Sinn den Gatten. Für Ehestand findet sich ahd. gimahhida, ags. g emaecscipe. ! Dagegen ist das Wort ,, G a t t e " (mhd. gate), das ebenfalls den Genossen bedeutet, erst seit dem Ende des Mittelalters im

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EHE

renzierungen erfuhr. Und wenn auch heutigen Sinn gebräuchlich; „ G a t t i n " ist in der Zeit, in der unsere ersten historischen eine Wortbildung des 18. Jahrhunderts. Quellen zu fließen beginnen, die eheMehr eine Umschreibung als eine Bemännliche G e w a l t sich schon längst v o n zeichnung ist es, wenn die E h e im Angelder väterlichen Gewalt und der Vormundsächsischen einfach als dauernder Zustand schaft im engeren Sinne geschieden hat, (sinscipe) oder als Zusammensein (samwist, so ist doch der Name des V o r m u n d e s gcederscipe) bezeichnet wird. Unser heutiges für den Ehemann geblieben. Bis in die Wort „ E h e " (ahd. cwa, ea, mhd. e, Neuzeit hinein bezeichnen ihn die Quellen ags. iew) bedeutet ursprünglich „ R e c h t , als den Muntwalt, Momber oder V o r m u n d Gesetz, O r d n u n g " (s. u.); im heutigen seines Weibes, und nichts anderes will Sinn wird es zuerst im Angelsächsischen, es besagen, wenn er anderwärts das H a u p t im Deutschen vereinzelt erst seit Notker seiner Frau oder ihr rechter V o g t genannt verwendet. D e m Nordischen ist das wird. W o r t unbekannt; die heutigen skandinavischen Bezeichnungen dän. aegteskab, 1 § 3. Die Munt äußert sich in vermögensschwed. aektenskap, isländ. ektaskapr sind rechtlicher Hinsicht in der Gestaltung des dem Deutschen entlehnt. Zum Teil Ehegüterrechts (s. d.). In perwerden Bezeichnungen, die für den A k t s o n e n r e c h t l i c h e r Hinsicht tritt sie vor der Eheschließung verwendet werden, auf allem darin zutage, daß der Mann völlig die Ehe selbst übertragen, so ahd. hirät die Rechtssphäre der Frau nach außen und heimleiti\ auch bedeutet ahd. brüt, absorbierte. Für alle Delikte der Frau as. brüd, ags. bryd nicht selten die Ehefrau. h a f t e t e der Mann wie für eigenes Unrecht Jünger ist die Verwendung der Bezeichmit seinem eigenen V e r m ö g e n ; dafür nungen „Gemahl, Gemahlin", die die gebührte ihm, wenigstens in der ältesten Verlobten bezeichnen, für die Ehegatten. Zeit, die B u ß e wegen Verletzung der Die häufigsten Benennungen des EheFrau. Und in allen Rechtsstreitigkeiten manns und der Ehefrau sind die Worte, der Frau war der Mann ohne weiteres die einfach Mann und Frau bedeuten, der rechtmäßige K l ä g e r und Beklagte, also einerseits M a n n (ahd. ags. man, der affili, wie sich das westnordischc ostnord. maßer, westnord. maftr), K e r l (ahd. R e c h t ausdrückt, nicht bloßer Vertreter. karal, ags. ceorl, anord. kart), ferner as. erl, Diese Auffassung tritt besonders deutlich ahd. ags. wer, anord. verr, ahd. gomman, im langobardischen R e c h t und in den got. guma, andererseits Weib (ahd. nordischen Rechten zutage, während wip, as. fries. ags. wif, anord. vif) und vor schon die L e x Visig. II 3, c. 6 und allem got. quens, ahd. quena, ags. ewen, regelmäßig die deutschen R e c h t e des anord. kona, quän. Die besondere Stellung Mittelalters eine Vollmacht der Frau der rechten Ehefrau im Hauswesen im , verlangen. Unterschied von der Kebse wird charakteri- I § 4. Weil der Mann die Frau g e k a u f t siert durch das W o r t „ F r a u " ( = Herrin, hat, darf er nach der A u f f a s s u n g des ahd. frouwa, anord. freyja), ferner durch ältesten Rechts auch mit ihr tun, w a s schwed. apalkona. Ausschließlich gotisch er will, sie töten, verstümmeln, wiederist aba = Ehemann. verkaufen usw. A b e r diese unbeschränkte Gewalt ist schon in vorhistorischer Zeit § 2. Dies Fehlen eines eigenen Wortes durch Sitte und R e c h t gemildert w o r d e n ; für Ehe und Ehegatten erklärt sich aus dem Wesen der urgermanischen Ehe, die ledig- ; vor allem hat das Christentum, ohne doch lich Gewaltverhältnis, Herreine Gleichstellung der Geschlechter zu schaft war, nicht verschieden von den • fordern, die rechtliche Stellung der Frau sonstigen Herrschaftsverhältnissen des Fagebessert. Wohl ist noch zur Zeit der milienrechts, insbesondere der väterlichen Volksrechte und nordischen L a n d s c h a f t s Gewalt. Wie diese fiel sie unter den allrechte das T ö t u n g s r e c h t des Mannes gemeinen Begriff der M u n t (s. u.), die, im Prinzip aufrecht erhalten, aber nur für alle Angehörigen des Hauses ursprüngaus wichtigen Gründen, rationabiliter, wie lich einheitlich, erst allmählich Diffeeine langobardische Formel sagt, darf

EHE er es a u s ü b e n ; als ein solcher wichtiger G r u n d erscheint n a c h den meisten R e c h t s - i quellen allein der E h e b r u c h (s. u.) oder sogar nur der h a n d h a f t e E h e b r u c h , aus- j nahmsweise (Ed. R o t h . 202) a u c h die Lebensnachstellung. U n d a u c h nur im Fall des E h e b r u c h s ist j e n e rohe B e - > strafung gestattet, die schon Tacitus erwähnt, u n d die in ähnlicher F o r m das seeländische R e c h t k e n n t : abscisis crinibus nudatam corarn propinquis expellit domo ! maritus ac per omnem. vicum agit (Germ. 19). Zahlreicher sind die Fälle, in denen der M a n n u n g e s t r a f t die F r a u v e r s t o ß e n darf (s. u. Ehescheidung). V i e l w e i t e r noch g e h t das Z ü c h t i g u n g s r e c h t . W e n n ; a u c h g r a u s a m e M i ß h a n d l u n g e n im all- j gemeinen v e r b o t e n oder nur bei bes t i m m t e n schweren V e r f e h l u n g e n g e s t a t t e t sind, erscheint selbst in j ü n g e r e n Quellen, ; w i e im J y d s k e L o v , im B r ü n n e r Schöffenbuch, ja, selbst in einer Breslauer U r k u n d e des 15. J a h r h u n d e r t s das R e c h t des ! Mannes, die F r a u mit R u t e n z u züchtigen, | geradezu als e t w a s Selbstverständliches. ; W e i t e r gehen noch niederländische R e c h t e des a u s g e h e n d e n Mittelalters, die dem Mann ein u n u m s c h r ä n k t e s Z ü c h t i g u n g s recht einräumen, da die F r a u seine F a h r h a b e (cateyle) sei. § 5. Derselbe Gedanke, d a ß die F r a u im Grund nur eine Sache ist, zeigt sich j in d e m schon bei T a c i t u s (Germ. 24, A n n . IV, 72) e r w ä h n t e n R e c h t des Mannes, die F r a u in U n f r e i h e i t zu v e r k a u f e n . : G e s t a t t e n a u c h die V o l k s r e c h t e den V e r kauf nur im Fall der N o t ( L e x B a i . I, 10) oder b e s t i m m t e r V e r f e h l u n g e n (Liutpr. ; 121), so d ü r f t e doch ein ohne solche Gründe erfolgter V e r k a u f giltig gewesen sein. Die isländische S a g a l i t e r a t u r w e i ß v o n F ä l l e n zu berichten, in denen E h e frauen ohne jeden gerechten G r u n d v e r schenkt oder v e r t a u s c h t w e r d e n . Ja, sogar als v e r t r e t b a r e S a c h e b e h a n d e l t j das alte k e n t i s c h e R e c h t die Frau, w e n n es dem Ehebrecher außer der W e r g e l d z a h l u n g die P f l i c h t auferlegt, für eigenes Geld ein anderes W e i b zu b e s c h a f f e n u n d j es d e m b e t r o g e n e n E h e m a n n ins H e i m : zu bringen. § 6. A b e r die R e c h t s s t e l l u n g der F r a u j erschöpfte sich n i c h t in dieser A b h ä n g i g - !

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keit. W i e schon m a n c h e B e z e i c h n u n g e n der E h e g a t t e n a n d e u t e n , ist die F r a u in historischer Z e i t nicht allein U n t e r g e b e n e des Mannes, sondern a u c h seine Genossin. Ist d a m i t z u n ä c h s t a u c h nur gesagt, d a ß die F r a u a m S t a m m e s r e c h t und S t a n d e s r e c h t des Mannes teiln i m m t , so h e b t sie doch diese Gleichordnung hinaus über die im H a u s e w e i l e n den K e b s e n u n d Dienerinnen. Im G e g e n satz zu diesen ist sie in gewissem Sinne sogar Mitträgerin der häuslichen R e c h t e des M a n n e s ; sie leitet sein H a u s w e s e n u n d ü b t innerhalb desselben j e n e G e w a l t aus, als deren S y m b o l schon in der isländischen D i c h t u n g , z. B . in der j ü n g e r e n E d d a , die Schlüssel erscheinen, u n d der m a n später den N a m e n der S c h l ü s s e l g e w a 11 beigelegt hat, das Recht, f ü r die Z w e c k e dieses H a u s h a l t e s kleine A u s g a b e n bis z u einem b e s t i m m t e n B e trage (nach dänischem R e c h t S P f e n n i g e , nach upländischem Recht 4 Pfennige, nach n o r w e g i s c h e m R e c h t j ä h r l i c h eine, n a c h isländischem eine halbe U n z e , n a c h s p ä t e r e m deutschen R e c h t 2 % P f e n n i g e bis 5 Schillinge) m i t W i r k u n g f ü r den M a n n zu machen. § 7. Irgendein Anhaltspunkt dafür, d a ß in der V o r z e i t ein Z u s t a n d u n t e r schiedslosen G e s c h l e c h t s v e r k e h r s (Promiskuität) oder eine E h e z w i s c h e n G r u p p e n v o n Männern und Weibern ( G r u p p e n e h e ) geherrscht h a t , b e s t e h t f ü r die G e r m a n e n e b e n s o w e n i g w i e f ü r die übrigen indogermanischen V ö l k e r s c h a f t e n . S o w e i t wir in die G e s c h i c h t e z u r ü c k blicken können, galt E h e des einzelnen Mannes mit einer oder mehreren F r a u e n (s. u. P o l y g a m i e ) . W e i n h o l d D. deutschen Frauen I I 2 I ff. K à 1 u n d A a r b . 1870, 316 ff. G r i m m DRAA

578 (417) ff. 617 (447) ff. 621 (450) ff.

Kraut

Vormundschaft I 171 ff.; S t o b b e Handb. d. deutschen Privalrechts IV3 59 ff. H ü b 11 e r Grundzüge d. deutschen Privatrechts 595 ff.

v. A m i r a

PGrundr. I I I 160 (110) ff. B r u n -

n e r DRG. I 2 99 ff. stellung d. Frau 1903, du droit civil français Le droit des gens mariés

B a r t s c h D. Rechts58 ff. V i o l l e t H ist. 13 500 ff. L e f e b v r e 1906. P e r t i 1 e Storia

del diritto italiano III 2 302 ff. F o c l c e m a A n d r e a e

Het

Oud-Nederl.

Burgerl.

Recht

I I 1 5 7 ff. T e 11 i n g Themis 16, 458 ff. R o e -

502

EHEBRUCH—EHEGÜTERRECHT

im Verwaltungswege ein und belegte seit dem I i . Jh. auch den ehebrecherischen Mann mit Bußen. Eine eigentümliche Vermischung altgermanischer und kirchlicher Anschauungen war es, wenn nach der Ehegüterrecht, Eheschließung, L e x Wisig. und nach den Svearrechten Familie. S. Rietschel. i das Weib, das mit dem Ehemann Umgang | gepflogen hatte, der Rache der gekränkten Ehebruch. § I. Ebenso wie die übrigen ; Ehefrau ausgeliefert wurde. indogermanischen Rechte geht das älteste 1 W i 1 d a Strafrecht d. Germanen 821 ff. R 0 germanische Recht von der Auffassung j s e n t h a 1 Die Rechtsfolgen des Ehebruchs 1880. aus, daß die des Ehebruchs s c h u l d i g e ; B e n n e c k e Die strafrechtliche Lehre v. EheF r a u den Tod verdient hat, und zwar j bruch 1884. B r u n n e r DRG. II 658, 662 ff. trifft sie nicht etwa öffentliche Todes- j S c h r ö d e r DRGi. 367 (dort die weitere Lit.). strafe, sondern sie ist der Willkür des beS. Rietschel. trogenen Ehemannes verfallen. Wie zahlreiche Stellen aus den deutschen Volks - I Ehegüterrecht. § l. Uber die Frage, rechten und nordischen Rechtsquellen ! welches eheliche Güterrecht in der germanizeigen, durfte er die schuldige Frau bußlos i sehen Urzeit gegolten hat, herrscht in der erschlagen; statt dessen mochte er häufig j Wissenschaft ein lebhafter Streit. Zwar den Ausweg wählen, sie in schimpflicher die Ansicht F i c k e r s , die der Frau Weise zu verstoßen, was Tacitus, Germ. 19, für die älteste Zeit nicht nur ein eigenes für die alten Germanen, ein Brief des Vermögen, sondern auch die Verwaltung Bonifacius für die Sachsen, endlich norund Nutzung dieses Vermögens zuspricht, dische Rechtsquellen für Dänen und also völlige Gütertrennung annimmt, steht Schweden berichten. Als eine Milderung allein da und findet in den Quellen keinerlei der Todesstrafe mochte es angesehen 1 Bestätigung. Dagegen genießt weite Verwerden, wenn nach ags. und nord. Quellen breitung die vor allem von Schröder der schuldigen Ehefrau Verlust von Nase vertretene Anschauung, wonach das von und Ohren sowie Vermögensverlust drohen. der Frau eingebrachte und ererbte Gut Übrigens stand das Tötungsrecht oder zwar in die Gewere des Mannes, seine Verstoßungsrecht nach einer Anzahl von | Verwaltung und Nutzung, getreten, aber Rechten nicht nur dem Ehemann, sondern doch von alters her der Substanz nach auch bei Unzucht der Tochter dem Vater vom Mannesvermögen geschieden gewesen zu, ein Beweis, daß es nicht in den besonsei. Dagegen gehen H ub er und deren Beziehungen der Ehe, sondern in H e u s 1 e r aus von der Einheit des der Munt des Mannes seine Wurzel hatte. j Hausvermögens, in dem ursprünglich —• § 2. Dem E h e b r e c h e r , der sich von der Gerade abgesehen — alles einmit der Frau eines anderen eingelassen gebrachte und ererbte Gut der Frau restlos hatte, drohte diese Tötung nur bei handaufgegangen sei. Sowohl der eine wie der hafter Tat. Sonst wurde er bußpflichtig, andere Rechtszustand läßt sich aus den hatte bisweilen das eigene Wergeid oder Quellen für einzelne germanische Gebiete das der Frau zu zahlen und mußte außererweisen. dem nach kentischem Recht dem Mann § 2. Für die Richtigkeit der Hubereine andere Frau erwerben. Nur die West- \ Heuslerschen Anschauung spricht die Anagoten und Langobarden lieferten ihn ! logie sonstiger indogermanischer Rechte, schlechthin der Rache des anderen aus. z. B. des ältesten römischen Rechtes, vor allem aber der Umstand, daß nur sie § 3. Dagegen bestand für den E h e in das allgemeine Bild der Entwicklung m a n n keinerlei Verbot des Geschlechtsdes germanischen Eherechtes hineinpaßt, verkehrs mit anderen Weibern; war es während es schwerlich denkbar ist, daß ihm j a durchaus gestattet, neben der die in der strengsten Munt des Mannes Ehefrau Kebsen zu halten. Erst unter stehende Frau der Urzeit vermögenskirchlichem Einfluß schritt man in Italien rechtlich selbständiger war als die viel seit dem 8. Jh. gegen solche Verhältnisse der D. Familie b. d. Angelsachsen 61 ff. 80 ff. F i n s e n A f n O . 1849, 203 ff. 242 ff. N o r d s t r ö m II 59 ff. M a t z e n Forel. Privatret I 67 ff. M a u r e r Vorl. II 473 ff. 626 ff. 655 ff. Boden Mutterrecht u. Ehe 117 ff. — S. u.

EHEGÜTERRECHT freier gestellte Ehefrau späterer Zeiten. W i e die Frau ursprünglich in die volle G e w a l t des Mannes trat, geradezu sein eigen ward, so ging ursprünglich alles, w a s sie an G u t einbrachte oder nachträglich erwarb, im Mannesvermögen auf. Daran änderte auch nichts der Tod des Mannes. Für die W i t w e (s. d.) der Urzeit, die dem G a t t e n auf den Scheiterhaufen folgte, war ein eigenes Vermögen ebensowenig ein Bedürfnis, wie für die W i t w e der unmittelbar folgenden Periode, die auch nach dem Tode des Mannes in die Munt ihres eigenen Sohnes oder des sonstigen nächsten Schwcrtmagen des Mannes trat und als Glied seines Haushalts weiterlebte; man müßte denn diesen Beisitz im Hause als besonderes Vermögensrecht auffassen. A b e r dieser ursprüngliche Zustand ist in der Zeit, in der unsere geschichtlichen Quellen einsetzen, bereits überwunden. Bei A u f l ö s u n g der Ehe durch den Tod des Mannes fallen der Frau durchweg gewisse Vermögensmassen zu, die unter Umständen auch, wenn der Tod der Frau die Ehe löst, aus dem Mannesvermögen ausscheiden. § 3. Dem ursprünglichen Zustand steht am nächsten das burgundische Recht, vgl. vor allem L e x Burgund. 144: Similiter quod mulier ad maritum veniens erogaverit, defuncto sine pliis marito mulier aut parentes mulieris non requirant. Trotz Schröders Widerspruch möchte ich mit H u b e r (Histor. Grundlagen 22, Gesch. d. Schweiz. Privatrechts 351) annehmen, daß unter dem, quod mulier erogaverit, nur das Eingebrachte der Frau verstanden werden kann, das also unwiederbringlich dem Manne verfällt. A b e r auch das langobardische R e c h t vertritt im Grunde keinen anderen Standpunkt. Stirbt die Frau zuerst, so verbleibt (ebenso wie später in manchen Stadtrechten der Westschweiz) all ihr Gut ihrem Ehemann kraft seiner Muntgewalt (Rothari 187, 188, vgl. auch 184). A b e r auch wenn der Mann stirbt, gehört ihr Eingebrachtes zunächst den Verwandten des Mannes, in deren Munt sie steht, und nur, wenn diese Munt abgelöst wird oder sonst endet, kann sie ihre Aussteuer, die sie in die Ehe einbrachte, ihr faderfio (Vatergut), heraus-

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ziehen. Wie weit die übrigen Volksrechte einen ähnlichen Standpunkt einnehmen, läßt sich bei der Dürftigkeit der Zeugnisse nicht mit Sicherheit sagen. Von späteren Rechten halten noch daran fest der Züricher Richtebrief, vor allem aber das ostfälische R e c h t des Sachsenspiegels (I 31 § 1, I I I 76 § 2) und für den Fall der unbeerbten E h e auch das westfälische R e c h t : alles Fahrnisvermögen, was die Frau einbringt oder später erwirbt, fällt in das Mannesvermögen und verbleibt darin. § 4. A b e r allerdings kennt der SachsenSpiegel eine Ausnahme für die Gerade (rade), die dem persönlichen Gebrauch der Frau dienende Ausstattung, ihre Kleider, Schmucksachen usw.; sie fällt sowohl bei Tod des Mannes wie bei Tod der Frau an die Frauenseite. Das Gleiche dürfte auch der Fall gewesen sein bei der rhedo der L e x Thuringorum, der malahereda der L e x Burgundionum, dem redum (arredo, corredo) des lombardischen Rechts, zumal da diese Gegenstände schon während der Dauer der Ehe der V e r f ü g u n g der Frau unterstanden (Lex Burgund. 51, 4). Der entscheidende Grund für die Zuweisung der Gerade an die Frau ist aber die Bestimmung der Gegenstände, nicht ihre Provenienz; nicht weil das, was der Frau mit in die Ehe gegeben war, ihre Aussteuer, größtenteils aus Geradesachen bestand, sondern weil die Gerade ihren Bedürfnissen diente, behielt sie dieselbe. Deshalb gebührte ihr auch nicht, w a s sie v o n G e r a d e '

! sachen einbrachte, sondern was bei A u f I lösung der E h e an Sachen dieser A r t vorhanden war (Sachsenspiegel I 24 § 3). § 5. Im Gegensatz zu diesen Rechten kennen schon manche Volksrechte und noch mehr die späteren Rechtsquellen ein e i g e n e s Frauenvermögen. Hauptbestandteil desselben war zweifellos, was die Frau de sede paternica secum adtulit (Lex A l a m 54 § 1; L e x Baiuv. 8, 14), die A u s s t e u e r , Heimsteuer, Haussteuer, Ehesteuer, Heiratssteuer, Zubringung, Zugift, Mitgift, das Zugeid, der Brautschatz, wie die späteren technischen Bezeichnungen lauten, die friesische fletieva (Hausgabe), auch als boldreng, boldsket bezeichnet, die heimanfylgja, heimanfert., heimangerf der Westskandinavier,

5°4

EHEGÜTERRECHT

die schwedische hemgift, hemfylgp, maßfylgP, mceßgift, als Teil des ehelichen Güterrechts gewöhnlich ormynd oder omynd genannt. Gegeben wurde die Aussteuer regelmäßig v o m Muntwalt der Braut, ausnahmsweise von anderer Seite. Sie fiel schon zur Zeit der Volksrechte bei den Alamannen (wenigstens bei unbekindeter Ehe) und bei den Bayern, ferner nach den friesischen, schwedischen und westnordischen Rechten im Falle der A u f lösung der Ehe an die Weiberseite. Nicht sicher ist aber, wie weit neben der Aussteuer das übrige von der Frau eingebrachte oder während der Ehe erworbene Vermögen dem Manne verblieb. Für die während der Ehe ererbte Fahrnis bestimmen sowohl die dänischen wie die westnordischen Rechte, daß sie der Ehefrau gehört. Dagegen spricht für einen Anfall der übrigen eingebrachten H a b e an den Mann eine Stelle der Holmverjasaga, die M a u r e r (Vorl. II 611) seltsamerweise für das Gegenteil anführt: die W i t w e Signy verspricht, vor ihrer Hochzeit ihrem Bruder Torfi ihr ganzes Vermögen zu übertragen, wofern er ihr eine im Betrag erheblich geringere Aussteuer gibt. Nur wenn wir annehmen, daß Signy diese Aussteuer als W i t w e behalten, ihre sonstige H a b e aber an den Mann verlieren würde, wird das Geschäft verständlich. § 6. W o G r u n d s t ü c k e von der Frau eingebracht oder erworben wurden, da verblieben sie ihr und ihrer Sippe selbst nach den Rechten, die wie das R e c h t des Sachsenspiegels oder des Züricher Richtebriefs alles Frauengut im Mannes vermögen aufgehen ließen. Insofern bedeutet die den Frauen eröffnete Möglichkeit, Grundbesitz zu erwerben, für manche R e c h t e tatsächlich die Sprengung der alten Vermögenseinheit. § 7. Aber auch schon w ä h r e n d d e r D a u e r d e r E h e nahmen Grundstücke der Frau eine Sonderstellung ein. Wohl gelangten auch sie in die Gewere des Mannes, der sie verwaltete und ihren E r t r a g für sich zog, aber sie blieben doch immer der Substanz nach Frauengut und konnten regelmäßig nur mit ihrer Mitwirkung (coniuncta manu) veräußert werden. Dagegen unterlag auch nach den

1 Rechten, die der Frau ein Recht auf ihre Aussteuer oder ihr Eingebrachtes zuerkennen, dies b e w e g l i c h e Vermögen der Frau nicht nur, wie allgemein angenommen wird, der freien Verfügungsgewalt des Mannes, sondern es war | während der Dauer der Ehe überhaupt ! nicht der Substanz nach v o m Mannes ; vermögen verschieden und stellte nichts anderes als eine A n w a r t s c h a f t auf einen gewissen B e t r a g für den Fall der A u f lösung der Ehe dar, so daß der Satz des Sachsenspiegels I 31 § 1 : man unde wij ne hebbet nein getveiet gut to irme live im schroffsten Sinne galt. D a s zeigen deutlich i die nordischen Rechte (vgl. Maurer j Vorl. II 621. 645), in denen das Weibergut [ — ebenso wie das Kindes- und Mündelgut — gegen Schätzung des Wertes in i das Vermögen des Mannes floß, aus dem : später der gleiche Betrag, höchstens geschmälert durch A u f w e n d u n g e n für die | Frau, an die Weiberseite zu entrichten war. A b e r auch für die deutschen Rechte, für die uns nähere A n g a b e n fehlen, ist es : schwerlich denkbar, daß das, was die Frau an Hausrat, Vieh, Bargeld usw. J einbrachte oder später erwarb, der Substanz nach v o m Mannesvermögen geschieden und in natura zurückgegeben wurde. § 8. Zu dem aber, w a s die Frau als Aussteuer einbringt, treten die Zuwendungen des Mannes, in erster Linie die I gemeingermanische M o r g e n g a b e (lang, j morgincap, ahd., bürg, morgangeba, morganegiba, in einer westgot. Formel morgingeba, ags. morgengyfu, ostnord. morghongava, morghongiaef, westnord. morgingjqf, latinisiert morganaticum), vielleicht identisch mit der dos des Tacitus (Germ. 18: 1 dotem non uxor marito, sed uxori maritus ofjert) und der L e x Saxonum, sowie mit der schwedischen vipermund ( = Gegengabe) und der gotländischen hogsl ok ip ('Tröstung und Fleiß'). Im Norwegischen unterscheidet man das der Jungfrau gegebene linjc ('Leinengut') und die der i W i t w e gereichte bekkjargjöf ('Bankgabe'); j ob das gagngjald oder priijungsauki damit j identisch ist, erscheint zweifelhaft, jedenfalls ist es eine v o m W i t t u m verschiedene Leistung an die Braut. Die Morgengabe

EHEGÜTERRECHT wird, wie schon ihr Name sagt, am Morgen nach der Brautnacht der Jungvermählten gegeben; sie stellt eine Gegengabe gegen die Hingabe der Braut, ein pretium virginitatis dar; ob sie zugleich als Adoptionsgabe aufzufassen ist, erscheint zweifelhaft. Aus einer relativ unbedeutenden Gabe wurde sie vielfach zu einer großen, auch Grundstücke umfassenden Zuwendung an die Frau, die sie neben der Aussteuer beim Tode des Mannes als Witwengut erhielt, während beim Tode der Frau meist, wie es scheint, die Gabe dem Manne verblieb. § 9. Eine weitere Zuwendung des Mannes an die Frau ergab sich dort, wo der Brautpreis, das W i t t u m (s. u. Eheschließung) nicht mehr an den Verlober, sondern an die Braut selbst geleistet und als dos, dotalitium Bestandteil des ehelichen Güterrechts wurde. Während die Morgengabe durchaus nicht in allen Ehen gegeben zu werden pflegte und oft nur einen geringen Betrag ausmachte, war ein Wittum von einer gewissen Höhe Voraussetzung einer rechten Ehe. Ja, manche Rechte, wie das ribuarische und alemannische, weisen sogar für den Fall, daß der Frau kein Wittum verschrieben ist und sie den Mann überlebt, ihr eine dos legitima in einem bestimmten Betrage zu. Von diesem Falle abgesehen, wurde das Wittum, das ja eigentlich keine Schenkung, sondern ein Brautpreis war, regelmäßig nicht hinfällig, wenn die Ehe durch den Tod der Frau gelöst wurde, sondern war den gemeinschaftlichen Kindern verfangen oder gebührte zum Teil auch den sonstigen Erben der Frau. Bei Franken, Alemannen und Bayern wird es schon früh üblich, das Wittum durch Verschreibung einer Leibzucht an Grundstücken zu bestellen. § 10. Morgengabe und Wittum haben nachmals sehr verschiedene Schicksale erlebt; bald ist das eine, bald das andere verschwunden, bald sind beide zu einer Einheit verschmolzen, so im salischen, bayrischen und Iangobardischen Recht. Jedenfalls werden aber beide Zuwendungen, seitdem sie den Charakter einer W i t w e n v e r s o r g u n g angenommen haben, erst wirksam mit der Auflösung der Ehe; vorher sind sie vom sonstigen Mannesvermögen H o o p s , Reallexikon. I.

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ungeschieden, ja, soweit es sich um FahrnisZuwendungen handelt, regelmäßig nicht bestimmte Sachkomplexe, sondern ebenso wie die Aussteuer nur der Gattung oder dem Betrage nach bestimmt. § II. Das eben geschilderte System mit seiner Sicherstellung der Frau durch Aussteuer, Morgengabe und Wittum erfuhr schon nach den deutschen Volksrechten und noch mehr nach den ältesten nordischen Quellen eine starke Abänderung dadurch, daß vielfach bei Auflösung der Ehe das gesamte Vermögen oder ein bestimmter Teil des Vermögens zwischen Mannes- und Frauenseite nach Quoten geteilt wurde, also durch das Aufkommen einer e h e l i c h e n G ü t e r g e m e i n s c h a f t (aonord. fälagh, awnord. felag). Die Bestimmung der Quoten ist recht verschieden. Die Völker mit ingväonischem Einschlag, Angelsachsen, Friesen und Westfalen, beVorzügen die Halbteilung; auch die dänisehen Rechte lassen sie bei kinderloser Ehe eintreten, während sie bei bekindeter Ehe die Kinder in die Gemeinschaft einbeziehen und dem überlebenden Ehegatten nur einen Sohnesanteil gewähren. Dagegen lassen die schwedischen und westnordischen Rechte zwei Drittel an die Mannesseite, ein Drittel an die Frauenseite fallen, und derselbe Verteilungsmodus ( z / 3 Schwertseite, V3 Kunkelseite) ist auch dem ribuarischen und salischen Recht sowie den Tochterrechten derselben geläufig. Eine singuläre Stellung nimmt das langobardische Recht ein, das der Frauenseite ein Viertel zuweist. Entsprechend dieser Verteilung des Aktivvermögens findet sich auch vielfach eine Verteilung der Schulden. Dagegen wird an der rechtlichen Stellung der Gütermassen während der Dauer der Ehe, insbesondere am Verwaltungsrecht des Mannes, durch den Eintritt dieser Gütergemeinschaft zunächst kaum etwas geändert. § 12. Bei manchen Stämmen ergreift die Gemeinschaft nur die E r r u n g e n s c h a f t (,collaboratio), d. h. das während der Ehe durch die Tätigkeit der Ehegatten (nicht etwa durch Erbschaft oder Schenkung) erworbene Vermögen. Während ursprünglich diese Errungenschaft allein dem Manne gebührte, machte sich schon in der Zeit der Volksrechte die Tendenz geltend, der 33

506

EHEGÜTERRECHT

Frau, die durch Wittum, Morgengabe oder Heimsteuer an dem bei der Eheschließung vorhandenen Vermögen partizipierte, auch einen Anteil am späteren Erwerb zu geben. Dieser Tendenz ist offenbar die Errungenschaftsgemeinschaft entsprungen, wie sie uns schon im 6. Jahrhundert sowohl im salischen wie im ribuarischen Rechtsgebiete entgegentritt, wie sie nach L e x Saxon. 48 bei den Westfalen vorkommt, wie sie endlich auch im älteren westmannischen R e c h t bezeugt ist. Dagegen scheitert die A n sicht Schröders, daß das fränkische Errungenschaftsdrittel der Frau ein Ersatz der Morgengabe ist, an L e x Rib. 37, 2, wo die Morgengabe daneben als selbständige Reichnis erwähnt wird. • § 13. W e i t bedeutsamer wird die Gütergemeinschaft dort, wo sie neben der Errungenschaft die gesamte Fahrnis ergreift, also zur Fahrnisgemeinschaft wird, oder wo sie gar unter Einbeziehung sämtlichen Vermögens zur allgemein e n G ü t e r g e m e i n s c h a f t erstarkt. Beide Systeme sind in der germanischen W e l t weit verbreitet. Und zwar finden wir bezeichnenderweise bei den Stämmen, die durch eine regelrechte Landverteilung angesiedelt sind, durchweg zunächst, daß der in die Ehe gebrachte oder ererbte Grund und Boden nicht in die Gemeinschaft fällt, also Fahrnisgemeinschaft herrscht, während Kolonistenvölker wie die Norweger und Isländer, oder Völker, die sich als Herren in einer fremden Bevölkerung niedergelassen haben, wie die Langobarden und die salischen Franken Italiens und z . T . Frankreichs, wenn sie eine umfassendere Gütergemeinschaft wählen, gern sofort zur allgemeinen Gütergemeinschaft übergehen. Deshalb verwandelt sich auch die französischnormannische Fahrnisgemeinschaft, als die Normannen sie nach Sizilien bringen, meist in allgemeine Gütergemeinschaft (über die Frage, ob diese Gütergemeinschaft germanischen oder byzantinischen Ursprungs ist, vgl. Meynial, Nouv. revue hist. de droit 28, 250 ff.; 3, 250 ff.; 30, 818 ff., wo die reiche Literatur verzeichnet wird).

war es die Schwierigkeit, die Sondervermögensmassen auseinander zu halten. Bei ihnen bildete das felag die Ausnahme und trat k r a f t Gesetzes nur ein, wenn wegen Zeitablaufs der B e t r a g der einzelnen Gütermassen nicht mehr festzustellen war, in Island ferner, wenn bei der Eheschließung beide Ehegatten völlig mittellos waren und erst später Vermögen erworben wurde. Daneben wurde Gütergemeinschaft häufig 1 durch Vertrag ausbedungen.

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§ 14. Die Ursachen, die zur E n t w i c k lung dieser umfassenden Gütergemeinschaft geführt haben, sind durchaus verschiedenartig. Bei den Norwegern und Isländern i

§ 15. Dagegen ist die Mobiliargemeinschaft der Ostskandinavier eine Erweiterung der Errungenschaftsgemeinschaft, die noch das R e c h t des älteren westmannischen Rechts ist, während das jüngere R e c h t ebenso wie die übrigen schwedischen und die dänischen R e c h t e zur Fahrnisgemeinschaft übergegangen sind. Aber auch bei ihnen ist insofern noch eine starke A n näherung an die Errungenschaftsgemeinschaft vorhanden, als die Götarrechte nicht nur Morgengabe und W i t t u m , sondern auch die Aussteuer (ormynd) der Frau von der Gemeinschaft ausnehmen, während das upländische R e c h t und die dänischen Rechte die nach der Eheschließung geerbte Fahrnis regelmäßig nicht in die Gemeinschaft fallen lassen. § 15. Im Gegensatz dazu stellt bei den Westgermanen die der Frau gebührende Quote des Fahrnisvermögens oder Gesamtvermögens häufig einen Ersatz der Morgen gäbe oder des W i t t u m s dar. A m besten l ä ß t sich die E n t w i c k l u n g bei den Langobarden verfolgen, bei denen es infolge der Gesetzgebung Liutprands (c. 7, 89, 103) üblich wurde, den vierten Teil des gesamten V e r mögens als Morgengabe und W i t t u m zu bestellen; im Herzogtum Benevent wurde diese Quarta sogar gesetzliches Recht der Frau. In ähnlicher Weise hat sich bei den salischen Franken Frankreichs und Italiens der B r a u c h eingebürgert, ein Drittel des ganzen Vermögens, die Tertia, als W i t t u m zu bestellen. A u c h die mit der Geburt eines K i n d e s eintretende Mobiliargemeinschaft des altkentischen Rechts (.¿Ethelberht 78, 81) ist offenbar ein Ersatz für die der Frau damit verloren gehende Morgengabe, und das gleiche R e c h t dürfen wir vielleicht auch nach L e x Saxon. 47 f ü r Westfalen annehmen.

EHEHINDERNISSE—EHESCHEIDUNG

507

W e i n h o l d D. deutschen Frauen II 31 ff. v o n den O s t g o t e n v ö l l i g getrennt, und das Schröder, Gesch. d. ehelichen Güterrechts V e r b o t des c o n n u b i u m zwischen W e s t g o t e n in Deutschi. I (1863); DRGS. 317 ff. (dort die u n d R ö m e r n h a t erst R e k k e s s u i n t h a u f g e Lit.). H e u s l e r Institutionen II 292 ff. H u hoben. D a g e g e n wissen die weltlichen b e r Die hist. Grundlage des ehelichen Güterrechts R e c h t s q u e l l e n a u c h n a c h der E i n f ü h r u n g d. Berner Handveste 1884; Gesch. d. Schweizer Privatrechts 349 ff. F i c k e r Untersuchungen z. des Christentums so g u t w i e nichts v o n einem Ehehindernis der R e l i g i o n s v e r Erbenfolge I I I 342 ff. IV 291 ff. V 35 ff. v. A m i s c h i e d e n h e i t , und ebenso h a t das r a P Grundr. I I I 163 (113) ff. S t o b b e Handb. V e r b o t der E h e zwischen E h e b r e c h e r d. deutschen Privatrechts IV3 75 ff. H ü b n e r Grundzüge d. deutschen Privatrechts 600 ff. und E h e b r e c h e r i n (imp. criminis) B r u n n e r Grundz. d. DRG. 4 216 ff. Berlin. selbst in den Synodalbeschlüssen nur b e Sitzungsber. 1894, 545 ff.; SZfRG 2 . 16, 63 ff. dingte A n e r k e n n u n g gefunden. Dagegen P e r t i 1 e Storia del diritto italiano I I I 1 312 ff. w u r d e das Ehehindernis der E n t f ü h Fockema-Andreae Het Oud-Nederl. r u n g [imp. raptus) in den K a p i t u l a r i e n Burgerl. Recht II 164®. T e l t i n g Themis L u d w i g s des F r o m m e n b e s t ä t i g t . D a s E h e 32, 306 ff. Y o u n g in: Essays in Anglosaxon hindernis der P a t e n s c h a f t , der g e i s t Law 172 fr. N o r d s t r ö m II 49 ff. O l i v e liehen V e r w a n d t s c h a f t (ags. c r o n a Om makars gijtorätt i bo 1882 142 ff. godsib,-westnord.guif'sifjar)dT3.ng schon unter v. A m i r a NOR. I 518 ff. II 645 ff. 812 ff. M a t z e n Forel. I 69 ff. T h y r e n Makes L i u t p r a n d in das langobardische, unter Gald 1S93. M a u r e r Vorl. I I 601 ff. 639 ff. i P i p i n in das fränkische, unter ¿Ethelred II. H e 11 n e r Hustruns förmdga af rättshandlingar • in das angelsächsische R e c h t ein; a u c h ist ejter svensk förmögenhetsrätt 1895, 9 ff. ' es schon den älteren nordischen R e c h t s Eine Besonderheit des S. Rietschel. | quellen b e k a n n t . nordischen R e c h t s w a r das E h e v e r b o t Ehehindernisse. § i . W i e w e i t j u g e n d - . w e g e n A r m u t . liches Alter, bestehende Ehe, ] L o e n i n g Gesch. d. deutschen Kirchenrechts V e r w a n d t s c h a f t Ehehindernis w a r , I I 563 ff. F r e i s e n Gesch. d. canon. Eherechts ist an anderer S t e l l e erörtert (s. Heirats- i 509 ff. 596 f. passim. F r i e d b e r g Kirchenalter, P o l y g a m i e , V e r w a n d t e n e h e ) . Ein \ recht6 §§. 142. 147. 148. 149. B e s u c h e t altgermanischer G r u n d s a t z war, d a ß E h e n j Nouv. revue histor. de droit 9, 92 ff. W i n r 0 t h zwischen F r e i e n und U n f r e i e n un- i Ur mina förlesningar I: Äktenskapshindren gültig waren, weil beide n i c h t R e c h t s g e 1890 passim. M a u r e r Vorl. II 550 ff. I I I nossen waren. D a s ist noch der S t a n d - ! 185 ff. R e e d e r I). Familie b. d. Angelsachsen p u n k t des isländischen R e c h t e s , das sogar ! 43 ff. G ö h r u m Lehre v. d. Ebenbürtigkeit d a s E h e v e r b o t auf den Fall ausdehnt, d a ß I 109 ff. S. Rietschel. eine Freie ihren Unfreien freiläßt, um ihn j Ehescheidung. § i . Die ungleiche S t e l z u heiraten. A u c h bei den S a c h s e n und j l u n g der beiden E h e g a t t e n t r i t t besonders L a n g o b a r d e n sowie bei den B u r g u n d e n w a r die Ehe einer Freien mit einem Unfreien j deutlich z u t a g e in der R e g e l u n g der E h e scheidung (got. afstass, afsateins, ahd. skeiv e r b o t e n und sogar m i t d e m T o d e b e d r o h t ; | tunga, danatrip, ags. hiwgedäl, hiwasynnach w e s t g o t i s c h e m u n d salischem R e c h t drung, w n o r d . ski1, skilnadr). Der M a n n g a l t ähnliches nur f ü r die H e i r a t mit d e m h a t t e bei allen germanischen S t ä m m e n die eigenen Unfreien. B e i den Sachsen b e s t a n d e n Möglichkeit, die F r a u einseitig zu v e r s t o ß e n sogar zwischen sämtlichen v i e r S t ä n d e n und d a d u r c h die E h e z u scheiden. Die Ehehindernisse (vgl. H e c k Die GemeinS c h e i d u n g w a r in j e d e m Falle g ü l t i g ; n u r jreien 331 ff.). Im ganzen ist a b e r eine trafen den Mann, der ohne gerechten G r u n d entschiedene T e n d e n z v o r h a n d e n , E h e n [ die F r a u verstieß, vermögensrechtliche zwischen A n g e h ö r i g e n verschiedener S t ä n d e Nachteile, V e r l u s t v o n W i t t u m und Morals gültig anzusehen u n d nur ev. den Freien gengabe, daneben noch meist eine B u ß e . in den S t a n d der U n f r e i e n hinabsinken zu A l s gerechte G r ü n d e der S c h e i d u n g erlassen (s. Mißheirat). scheinen v o r allem der E h e b r u c h , f e r n e r § 2. A u c h die S t a m m e s v e r s c h i e schimpfliche V e r f e h l u n g e n der F r a u , L e denheit bildete ursprünglich v i e l f a c h | bensnachstellung, U n f r u c h t b a r k e i t , nach ein Ehehindernis; so hielten sich die R u g i e r i den angelsächsischen B u ß b ü c h e r n auch 33*

508

EHESCHLIESZUNG

bösliche Verlassung, nach

Verlust

der nordischen

liehe T r a c h t der F r a u . kentischen beim

Rechte

Freiheit,

N a c h dem älteren !

hatte

Frauenkauf

der

sogar unziem- !

Sage

der

getäuscht

Mann,

der

worden

war,

sogar ein e i n f a c h e s W a n d e l u n g s r e c h t .

Im

ü b r i g e n s c h e i n t es R e g e l g e w e s e n z u sein, j d a ß d i e S c h e i d u n g in f e i e r l i c h e r F o r m v o r Zeugen

erfolgte.

§ 2.

Dagegen

F r a u

das

h a t t e nur vereinzelt

Recht,

Gründen v o m

sich

aus

die

bestimmten

M a n n e loszusagen, bei

den

W e s t g o t e n , w e n n der M a n n S o d o m i e t r i e b oder die F r a u z u m

Ehebruch

bei den L a n g o b a r d e n stellung,

falscher

wegen

veranlaßte, Lebensnach-

Beschuldigung

eines

L o e n i n g Gesch. d. deutschen Kirchenrechts II 612 ff. F r i e d b e r g Kirchenrecht 6 § 158; G e f f c k e n Zur Gesch. d. Ehescheidung vor Graiian 1894. Weinhold Die deutschen Frauen II a 43 ff. S c h r ö d e r Gesch. d. ehelichen Güterrechts I 1 7 4 8 . ; DRG. 5 316 f. (dort auch die weitere Literatur). B r u n n e r DRG. I 1 101; SZfRG. 16, 105 ff. G r i m m DRA. I 625 ff. (453 f.). B e a u c h e t Nouv. revue hist. de droit 9, 100 ff. K ä l u n d Aarb. 1870, 331 ff. B o d e n Multerrecht u. Ehe 108 ff. T h r u p p The Anglo~Saxon Home 1852, 62 ff. S. Rietschel. Eheschließung.

§ I.

Entsprechend

der

a b h ä n g i g e n S t e l l u n g der F r a u ist die E h e schließung

der

germanischen

Völker

ur-

sprünglich k e i n V e r t r a g der beiden k ü n f t i g e n

schweren Verbrechens, Preisgabe zum Ehe-

Ehegatten untereinander, sondern einV e r-

bruch,

Haus,

t r a g

nach dem Konzil von Verberie unter Pipin

d e m

auch wegen

der

Aufnahme

Pflicht.

einer K e b s e

Nichterfüllung

ins

der

ehelichen

S o n s t k o n n t e die e n t l a u f e n e

Frau

z w i s c h e n

dem

b i s h e r i g e n B r a u t ,

F r e i e r

und

G e w a l t h a b e r

bei d e m letztere nur eine

passive Rolle spielt. Der G e w a l t h a b e r über-

v o m Manne ohne weiteres zurückgefordert

t r ä g t die G e w a l t ü b e r die B r a u t d e m

werden;

traf

t i g a m in g e n a u d e r s e l b e n W e i s e , w i e d e r V e r -

sogar

äußerer d e m E r w e r b e r das E i g e n t u m einer

die

nach

Frau,

burgundischem

die

den

Mann

Recht

verließ,

Todesstrafe. Nur dasnorwegisch-isländische

Sache

R e c h t s c h e i n t der F r a u ein z i e m l i c h freies

wird

Scheidungsrecht

B r ä u t i g a m g e r a d e z u als gengr at eiga

§

3.

Neben

gegeben diesem

zu

haben.

einseitigen

S c h e i d u n g

k u n f t ,

durch

a l s eiginorä

selbst oder die M u n t

Ü b e r e i n -

über deren rechtliche G e s t a l t u n g

§ 2.

ohne weiteres die E h e

auf.

madr,

Ehescheidung

oder

giftarmaper,

forräfrismaifr,

fungiert

dabei

aisl.

der

giptingar-

Iggrää'andi

Muntwalt

konu)

der

Braut

(s. V o r m u n d s c h a f t ) , a l s o in e r s t e r L i n i e d e r wenn

Bruder

oder sonstige nächste

wenig

als

„ V e r l o b e r " anorw.

schiedenen

zunächst

Braut

Unterschied.

Vater;

verbieten,

den oder

O b d a b e i die B r a u t

w e n i g s t e n s die W i e d e r v e r h e i r a t u n g der G e zu

durch

über die

Als Veräußerer,

(aschwed.

die

bezeichnet.

lei s a c h l i c h e n

Friedlosigkeit löste

K i r c h e ,

Braut

V e r t r a g s o b j e k t a n z u s e h e n ist, m a c h t k e i n e r -

m e l n u n t e r r i c h t e t sind.

§ 4. D e m g e g e n ü b e r h a b e n d i e V e r s u c h e

Recht

isländischen

der

Recht

wir v o r allem d u r c h einige f r ä n k i s c h e F o r -

der

im

Erwerb

Schei-

dungsrecht kannte das germanische eine

überträgt; der

Bräu-

dieser nicht

mehr lebt, Erbe,

der nach

E r f o l g g e h a b t ; ja, die K i r c h e h a t zeitweise

m a n c h e n R e c h t e n a u c h die M u t t e r .

Auch

ihren W i d e r s t a n d geradezu a u f g e g e b e n und

bei V ö l k e r n , die, w i e d i e W e s t g o t e n ,

Nor-

nur v e r s u c h t , der F r a u im S c h e i d u n g s r e c h t

weger

eine a n n ä h e r n d e G l e i c h s t e l l u n g z u e r r i n g e n .

schlechtsvormundschaft nicht mehr kennen

Erst

und

i m 9.

Jh.

setzte

die k i r c h l i c h e

Op-

und

bei

denen

position gegen die E h e s c h e i d u n g m i t M a c h t

selbständig

ein;

recht

aber

weder

das

Konzil

von

Mainz

v o n 829, w e l c h e s d a s S c h c i d u n g s r e c h t den

Fall

des

versuchte,

Ehebruchs

noch

die

zu

auf

des

Isländer,

der n ä c h s t e n alten

können.

die E h e g e r i c h t s b a r k e i t das

als

Rest

erhalten.

Bei

H e r r , b e i s o l c h e n , d i e in K ö n i g s m u n t s t e h e n ,

verschaffen

verschwand

Verwandten

pseudoisidorischen

die g o t i s c h e n

dungsrecht.

Jungfrau

Verlobungs-

U n f r e i e n ist V e r l o b e r s e l b s t v e r s t ä n d l i c h der der

langte,

sich das

Ge-

beschränken

liche

als die K i r c h e

erwachsene

Rechtsinstituts

Dekretalen haben ihrem S t a n d p u n k t wirkGeltung

die

ist, h a t

eine e i g e n t l i c h e

ältere

Erst er-

Eheschei-

König.

Auch

darüber hinaus

Herrscher

sowie

die

haben Mero-

w i n g e r u n d K a r o l i n g e r ein V e r l o b u n g s r e c h t in b e z u g a u f d i e T ö c h t e r a n d e r e r a u s g e ü b t , wenn

auch wohl

nur indirekt

durch

Be-

EHE SCHLIESZUNG fehle a n die V ä t e r , ihre T ö c h t e r diesem oder j e n e m zu v e r l o b e n . § 3. D a b e i w a r u r s p r ü n g l i c h die Z u S t i m m u n g der B r a u t nicht erforderlich; d o c h ist dies a l t e R e c h t schon in der Zeit der V o l k s r e c h t e s t a r k gemildert. D a s l a n g o b a r d i s c h e s o w o h l wie das isländische R e c h t v e r z i c h t e n auf die Z u s t i m m u n g nur f ü r den Fall, d a ß d e r V a t e r oder B r u d e r bzw. der V a t e r allein V e r l o b e r ist; die übrigen nordischen R e c h t e v e r b i e t e n überhaupt, die B r a u t g e g e n ihren Willen zu vergeben, u n d der gleiche G r u n d s a t z findet sich in der P r a e c e p t i o C h l o t h a r s II. (584 — 6 2 8 ) sowie im w e s t g o t i s c h e n und burgundischen Recht. ^4. V o n diesem Z u s t i m m u n g s r e c h t z u m S e l b s t v e r h e i r a t u n g s r e c h t sind zuerst die W i t w e n (s. d.) gelangt, die j a überh a u p t die alten Fesseln der GeschlechtsV o r m u n d s c h a f t a m f r ü h e s t e n gesprengt haben. Z w a r bei den Friesen, D ä n e n und G a u t e n (Götar) ist die W i t w e noch bis tief ins M A . nicht S e l b s t k o n t r a h e n t i n gew o r d e n ; aber im ü b r i g e n h a b e n zur Z e i t der V o l k s r e c h t e die L a n g o b a r d e n und Sachsen bei W e i g e r u n g des Verlobers der W i t w e die M ö g l i c h k e i t eröffnet, m i t Einw i l l i g u n g der Sippe sich selbst zu verheiraten, u n d die F r a n k e n , A l e m a n n e n , B a y ern, A n g e l s a c h s e n u n d W e s t g o t e n geben ihr s c h l e c h t h i n das S e l b s t v e r h e i r a t u n g s recht, die F r a n k e n allerdings nur unter A u f e r l e g u n g einer Z a h l u n g (reipus) an bes t i m m t e V e r w a n d t e . A u f demselben S t a n d p u n k t stehen die S v e a r r e c h t e sowie die w e s t n o r d i s c h e n R e c h t s q u e l l e n , v o n denen die F r o s t u t h i n g s l ö g sogar der v o l l j ä h r i g e n , w i r t s c h a f t l i c h selbständigen und der v o n ihren V e r w a n d t e n sich selbst überlassenen J u n g f r a u ein S e l b s t v e r l o b u n g s r e c h t gewähren. H a n d e l t es sich hierbei n o c h um leicht erklärliche A u s n a h m e b e s t i m m u n g e n , so b e d e u t e t es schon geradezu einen B r u c h mit d e m alten Prinzip, nach d e m die J u n g f r a u v o m M u n t w a l t v e r l o b t wird, wenn eine A n z a h l v o n V o l k s r e c h t e n bei j eder ohne Willen des M u n t w a l t s geschlossenen E h e diesem z w a r ein R e c h t auf N a c h z a h l u n g des B r a u t p r e i s e s und auf B u ß e , aber nicht auf R ü c k f o r d e r u n g der F r a u einräumen, so d a ß t a t s ä c h l i c h eine gültige E h e gegen den Willen des G e w a l t h a b e r s z u s t a n d e

509

kommt. V o n dieser Basis aus w a r ein K o m p r o m i ß m i t der auf römischer G r u n d lage r u h e n d e n kirchlichen R e c h t s a n s c h a u u n g möglich, w e l c h e die E h e s c h l i e ß u n g als V e r t r a g z w i s c h e n beiden E h e g a t t e n ansah und a u ß e r d e m die E i n w i l l i g u n g des G e w a l t habers v e r l a n g t e , aber ohne v o n ihr die G ü l t i g k e i t der E h e a b h ä n g i g zu machen. D a s E r g e b n i s der E n t w i c k l u n g w a r der Sieg des r ö m i s c h - k a n o n i s c h e n Prinzips, das im K o n s e n s der N u p t u r i e n t e n das E n t scheidende erblickte, aber v i e l f a c h die alten germanischen E h e s c h l i e ß u n g s f o r m e n daneben ruhig w e i t e r b e s t e h e n ließ.

• •

i 1

i ! j j

| j ;

§ 5. N e b e n d e m V e r l o b e r w a r bei der V e r e h e l i c h u n g der B r a u t ihre S i p p e beteiligt. So b e r i c h t e t T a c i t u s (Germ. c. 18): intersunt parentes et propinqui ac munera probant; w e i t e r e B e l e g e liefern die angelsächsischen, westgotischen, schwedischen und westnordischen Rechtsquellen. Doch b e s c h r ä n k t e sich ihre M i t w i r k u n g meistens wahrscheinlich auf eine rein formale Z u s t i m m u n g und auf das A b s c h ä t z e n des Brautpreises. § 6. Schon in den ältesten R e c h t s q u e l l e n t r i t t uns eine S p a l t u n g der ursprünglich w o h l einheitlichen E h e s c h l i e ß u n g in zwei zeitlich auseinander liegende R e c h t s g e Schäfte entgegen, die man a m besten nach d e m V o r g a n g e Sohms als V e r l o b u n g und T r a u u n g bezeichnet. § 7. Der V e r l o b u n g ging v o r a u s die W e r b u n g ; sie erfolgte r e g e l m ä ß i g nicht durch den Freier selbst, sondern durch eine Schar v o n ihm entsandter Freiwerber (ahd. brütbitil, ags. biddere, fogere, wnord. bifill), deren einer als Sprecher fungierte. A n b r i n g e n der W e r b u n g durch den Freier selbst w a r ungewöhnlich, ja, galt als unschicklich. N o c h heute h a t sich diese Sitte der W e r b u n g durch andere in ländlichen Kreisen erhalten. W u r d e die W e r b u n g , bei der a u c h das N ö t i g e über B r a u t p r e i s , M i t g i f t usw. vereinbart zu werden pflegte, angenommen, so folgte die V e r l o b u n g . § 8. Die V e r l o b u n g (desponsatio) w a r das in feierlicher F o r m eingegangene V e r s p r e c h e n des Verlobers, die B r a u t d e m Freier zu geben, des Freiers, sie z u m W e i b e z u nehmen. Diese Versprechen sind j u ristisch d u r c h a u s nicht verschieden v o m rechtsgültigen Versprechen einer Sach-

EHESCHLIESZUNG leistung. Dieselben Bezeichnungen, die wir für den obligatorischen Vertrag des Vermögensrechts finden, kehren zur Bezeichnung der Verlobung wieder, so v o r allem der A u s d r u c k „ f e s t i g e n " [onord. fcesta, wnord. festa, davon onord. fcesta, feestning, wnord. festar, jestarmäl, festing, ja.stna.dr — Verlöbnis; mhd. vestenen, bevestenen-, vgl. auch fabola firmata. = V e r löbnis im Edictus Rothari 178, 191), ferner „ w e t t e n " (ags. weddian, biweddian, davon biweddung 'Verlöbnis'; vgl. auch die 7 W e t t e n einer schwäbischen Trauformel des 12. Jhs.). Auch „vermählen, g e m a h l e n " [ahd. as. mahalen = bereden, versprechen, von ahd. mahal = Rede, Sprache) dürfte ursprünglich allgemeine Bezeichnung für Verträge gewesen sein. Dagegen war got. fragifts ('Verlobung') ursprünglich wohl Bezeichnung der Trauung. Der Verlobte heißt onord. jcestamaper, wnord. festarmaär, ahd. gimahalo, die Verlobte onord. fcestakona, wnord. jestarkona, ags. beweddodu jaemne, as. antheti, ahd. gimahala. Dagegen bedeuten ' B r a u t ' (ahd. brüt, as. brüd, ags. bryd, onord. Irr Up, wnord. brüdr, got. brüps) und ' B r ä u t i g a m ' ('Brautmann'; ahd. brütigomo, ags. brydguma, onord. brüfigumi wnord. brüigumi, got. brüpfads) ursprünglich nur die Eheleute am Trauungstage, die „ H o c h z e i t e r i n " und den „Hochzeiter", daneben schon sehr früh die Jungverheirateten, während der Gebrauch der Worte zur Bezeichnung der Verlobten erst im späten MA. a u f k o m m t und in England und Skandinavien überhaupt unbekannt geblieben ist. Ebenfalls im späteren MA. wird das heutige W o r t „ v e r l o b e n " gebräuchlich, während die Ausdrücke „vermählen, Gemahl, Gemahlin' 1 auf die Eheschließung und die Ehegatten übertragen werden. (Über das Sprachliche vgl. W . B r a u n e , P B B e i t r . 32, 30 ff., 559 ff.; v a n H e l t e n ebd. 35, 306 ff.).

i ; ;

1

i

in älterer Zeit meist durch Überreichung gewisser Gegenstände erfolgte, die man durchaus v o m Brautpreis und seinen Surrogaten unterscheiden muß. A l s ein solcher Gegenstand erscheint bei den Langobarden und in der oben erwähnten schwäbischen Trauformel der auch sonst vielfach bei der Haftungsbegründung verwendete Handschuh, zu dem bei den Langobarden noch Schwert und Mantel als Symbole der G e w a l t treten. V o n sonstigen bei der V e r lobung üblichen Handlungen seien der V e r lobungstrunk, der Verlobungskuß und die bei den Skandinaviern und Angelsachsen bezeugte, fälschlich als Adoption (s. d.) gedeutete Kniesetzung der Braut erwähnt, alles Handlungen, die offenbar der Begründung eines besonderen Treuverhältnisses dienen. Eine gerichtliche Vornahme der Verlobung, die man aus dem W o r t e mahal hat erschließen wollen, ist nirgends nachweisbar. Dagegen m u ß die Verlobung öffentlich v o r Zeugen abgeschlossen werden; in Schweden gehört sie zu den Geschäften, die eine „ F e s t i g u n g " durch besondere fastar verlangen. § 10. Einige Zeit auf die Verlobung f o l g t die Trauung, die Hochzeit, nach nordischem R e c h t binnen I Jahr, nach langobardischem R e c h t binnen 2 Jahren. Der T a g dürfte regelmäßig schon bei der Verlobung bestimmt worden sein; für den. Fall des Fehlens einer solchen Vereinbarung kannten manche Rechte einen gesetzlichen Hochzeitstag, z. B. die Götarrechte den Sonntag nach Martini (11. November). A l s Hochzeitszeit w a r besonders der Spätherbst, und zwar die Zeit des zunehmenden Monds oder Vollmonds beliebt, als Hochzeitstage die dem Tiu und Donar geheiligten Tage, Dienstag und Donnerstag. Gerade diese heidnischen Beziehungen gaben der Kirche mancherorts, z. B. in Norwegen, Veranlassung, Heiraten a m Dienstag oder D o n nerstag zu verbieten. Ganz allgemein v e r breitet sind die kirchlichen Verbote, an „gebundenen T a g e n " , in der Passions- und Adventszeit, an Fasttagen usw. Ehen einzugehen.

§ 9. Die F o r m d e s V e r l ö b n i s v e r t r a g s w a r die allgemein bei obligatorischen Verträgen übliche. Die beiderseitigen Versprechen erfolgten bei den Skandinaviern und Angelsachsen „mit | § Ii- A m Hochzeitstage begibt sich der Hand und M u n d " , durch den Handschlag „ B r ä u t i g a m " an den Wohnsitz der „ B r a u t " , und feierliche Worte, während bei den i und hier findet die T r a u u n g statt, die Südgermanen die Begründung der H a f t u n g Übergabe der B r a u t an den Bräuti-

E H E S C H L I E SZUNG gam durch den Muntwalt (ahd. brütigeba, ags. gijt, onord. gift, gifta, gipning, laghagipning, wnord. gift, gifta, gifting; im Ed. Roth. 183 traditio puellae aut mulieris). Die Übergabe erfolgt in feierlicher Rede (onord. giftarmal), über die uns die aus den verschiedensten Gegenden erhaltenen Trauformeln unterrichten. Zugleich erfolgt nach manchen Rechten eine Übergabe von Gegenständen, die die Munt verkörpern, eines Schwertes, dessen offenbar schon Tacitus gedenkt (Germ. 18: invicem ipsa armorum aliquid affert), eines Hutes oder Mantels. Ebenso soll es den Erwerb der Munt andeuten, wenn der B r ä u t i g a m einen Schuh darbringt, in den die Frau steigt (vgl. schon Gregor. Turon. de vitis patr. 16, 20), oder wenn er ihr auf den F u ß tritt.

5'i

| j ; j '

k v i 9 a 30) oder in den von A d a m v o n Bremen erwähnten Opfern an Freya erblicken; auch mag der Brautgesang (ahd. brütisang, mhd. brütleih, ags. brydläc, wedläc, wifläc, hämedläc, brydsang, brydleof-, vgl. S. 448 b ) einen religiösen Charakter getragen haben. Im ganzen aber scheint man dieEheschließung als ein rein weltliches Geschäft angesehen zu haben. Das blieb sie auch in christlicher Zeit.Mochte immerhin dieKirche und zum Teil auch das weltliche Recht 1 (C-apitulare von 802 c. 35, M G L . 4 2 Capitu| laria 198) Benediktion der geschlossenen ' Ehe durch den Geistlichen verlangen, so i war doch die Gültigkeit . der Ehe nicht abhängig davon. Unabhängig v o n dieser Einsegnung weisen aber schon verhältnismäßig früh (zuerst Gregor. Turon. Hist. Franc. 5, 18) die mittelalterlichen Quellen deutliche Spuren von einem Zusammengeben (coniungere) beider Ehegatten durch den Geistlichen auf. F r i e d b e r g und H ö r m a n n sehen im Geistlichen einenFürsprech, während S o h m und die herrschende Lehre in ihm einen von der Braut „gekoren e n " Trauungsvormund erblicken, der an die Stelle des alten „ g e b o r e n e n " Vormundes getreten sei. A b e r die in den Quellen erwähnte Tätigkeit des Geistlichen geht über I die eines Fürsprechs weit hinaus; anderer' seits fehlt es an Beweisen für die Sitte, i einen Trauungsvormund zu wählen. Da: gegen verdient B e a c h t u n g die in jüngster . Zeit von O p e t aufgestellte Ansicht, daß ; dies coniungere des Geistlichen auf die durch die pronuba vollzogene dextrarum iunctio bei der römischen Eheschließung • zurückgeht.

§ 12. A n die Übergabe schließt sich die H e i m f ü h r u n g (ahd. heimleiti, hiwan, davon hirät, ags. hcemed), der B r a u t l a u f (ahd. brütloufti, ags. brydlöp (aus dem Nord.), onord. brüplöp, brüpfcerp, gotl. bryplaup, wnord. brüfrlaup, brüSferf), ursprünglich der Zug des Bräutigams mit der Braut ins eigene Heim, später vielfach immer ein feierlicher U m z u g am Trauungsorte selbst, dem am Abend das feierliche B e i 1 a g e r der beiden auf dem B r a u t b e t t (ags. brydbed, brydrest, wnord. brüdarsceng, brüdkvila) folgt. § 13. Alle diese Vorgänge spielen sich öffentlich v o r Z e u g e n ab. Die nordischen Rechte verlangen ausdrücklich die Anwesenheit einer bestimmten Anzahl von Brautmännern (onord. brüprvuzn, wnord. brüimenn) und Brautjungfern (onord. brütiumö, wnord. brüdkonur). A b e r darüberhinaus ist es üblich, die gesamten Freunde und Bekannten der beiden Sippen zur Hochzeit § 15. Eine besondere Rolle spielen bei zu laden. Sie sind bei der T r a u u n g ander Eheschließung die vermögensrechtwesend und nehmen als Hochzeitszug am lichen Leistungen des Bräutigams. EntBrautlaufe teil; ihre Bewirtung spielt eine sprechend der ältesten Rechtsauffassung, so große Rolle, daß das Brautbier (brydealu) die keine Liberalitäten, sondern nur und Hochzeitsmahl (g emung) in angelLeistungen gegen Gegenleistungen kennt, sächsischen Glossen geradezu als Übererfolgt die Verlobung der Braut ursprüngsetzung von nuptiae gilt. A u c h bei dem ! lieh nur gegen eine Sachleistung, eine Besteigen des Brautbettes müssen Zeugen Preiszahlung. Sie ist ein K a u f . Alleranwesend sein, um konstatieren zu können, dings ist diese Auffassung für das skandidaß e i,n e Decke das P a a r beschlagen navische R e c h t bestritten und wird in hatte. neuerer Zeit für das germanische R e c h t überhaupt von A m i r a geleugnet, der in § 14. Eine religiöse Weihe kann man in der Verlobung eine S c h e n k u n g und in der der altnordischen Sitte, den H a m m e r Thors Gegenleistung des Bräutigams die zur Perder Braut in den Schoß zu legen (f>ryms-

512

EHESCHLIESZUNG

fektion der S c h e n k u n g notwendige Schenkung erblickt.

Gegen-

D o c h scheitert

diese

Auffassungdaran,daß inzahlreichenRechten

A u s d r ü c k e w i e brüäkaup byggja

Brautkauf

zwar

der

einem

durchaus

nicht

geringen

keinen

Fülle

Nachrichten

Schenkung,

Wort

um

eine

rein f o r m a l e Scheinleistung handelt, durchweg

in

das

Ermessen

des

gestellt zu w e r d e n pflegt.

Beschenkten

I n der T a t l i e f e r n

ten,

wenn

„Kauf"

der

Anhaltspunkten

falls

§ 16.

die

Kent

maegp

Gesetzgebung

gebigefr, ceapi geceapod

mon

sy, gif hit

un-

ist

ist

wituma,

Kaufgeld

e r k a u f t , falls

spätere

braucht

Worte

für

die

bycgan

das

Und

angelsächsische

die

('kaufen')

ist).

auch

Recht

ge-

oder

ceapian

Eheschließung.

Nicht

anders liegt der S a c h v e r h a l t auf d e m Festland,

w o die L e x

pretium,

die

zeichnet,

die L e x

pretium,

der

Visig.

die Z a h l u n g

Verlobung

als

Burgund,

Pactus

mercatio vom

Alamann.

von

Reminiszenz

Charakter hat.

ursprünglichen

Eheschließung

Kauf-

nicht

Der

westgermanische

Name

des

zu

fries.

griech.

(ahd.

wetma,

wetma,

wittemon,

weotoma,

und

bürg,

slav.

veno,

*uedh

führen" zurückgehend, =

ags.

wiltimon, mit

wohl

„führen,

auf heim-

dagegen nicht

mit

„verloben" zusammenhängend.

Die

nordgermanische,

Verbindungen

mund

erhaltene

und

im

mundgipt

n u n g i s t w n o r d . mundr Bedenken

ndl.

weetma,

sprachverwandt

eine i n d o g . W u r z e l weddian

bur-

widemo,

witma,

wittimum), seova

und

B r a u t p r e i s e s

a l l e r d i n g s n u r in d e n

der

des

Jeden-

als

wohl

aus

Ostnordischen meep

Bezeich-

(m.), t r o t z einiger

mund

(f.

=

Hand,

emta,

emere

o d e r vendere

u n d v o m pretium

em-

G e w a l t ) a b z u l e i t e n , a l s o der P r e i s , d e r f ü r

tionis

spricht, w o n a c h dem Heliand

Josef

die Ü b e r t r a g u n g d e r G e w a l t g e z a h l t w i r d .

gekauft

(giboht)

mittelhochdeutsche

hat,

wo

Prosa

uxorem

in

puella

Maria

die L e x S a x o n u m v o n

dem

daß

Ausdruck

be-

nuptiale

das

einem

ist,

der

gewandelt

„ W i t t u m "

sei sie d u r c h

untrügerisch

zuzugeben

rechtliche

der

§ 18.

wedem,

das

an

gundische

faene is ( W e n n j e m a n d eine J u n g f r a u k a u f t , Geschäft

in

zweifeln.

^Ethelberts

(601 b i s 604) 77 a u s : Gif

hier

Quellen

sich

charakter

In d e r r o h e s t e n F o r m d r ü c k t d i e s e n

Gedanken von

Schenkungs-

dieser

Einwand,

n u r eine h i s t o r i s c h e

und

Geschäftes

den

der

werde

dieser

a n g e s e h e n w u r d e , w ä h r e n d es an p o s i t i v e n für

sich

auch

manchen ist,

fehlt.

läßt

weiteren Sinne v e r w e n d e t , unmöglich hal-

f ü r , d a ß die E h e s c h l i e ß u n g a l s

charakter

Angesichts

Vielgestaltigkeit

„kaufen"

f a s t alle g e r m a n i s c h e n S t ä m m e B e l e g e d a Brautkauf

Zweifel.

und

B e t r a g e , w ä h r e n d der B e t r a g einer G e g e n s o f e r n es s i c h n i c h t

bez.

a u c h die poetische L i t e r a t u r l ä ß t über den

d i e s e G e g e n l e i s t u n g r e c h t l i c h fixiert ist, u n d in

o d e r kaupa

kono ('ein W e i b k a u f e n ' ) v e r w e n d e n ;

noch

häufig

die vom

K a u f e n d e r B r a u t s p r i c h t , w o eine W e t z larer U r k u n d e handlungen Kauf

von

1283 die

sollempnitates,

dicuntur

nennt.

Am

s i c h d i e A n s c h a u u n g a n der bei

Friesen

und

Verlobungs-

quae

längsten

Dithmarschen Bußtaxen

12.

die

bezeichnen

Frau

die

Sitte

des

Brautkaufs

und

mundius,

mund-

vielleicht

Be-

zeichnungen,

die den N o r d g e r m a n e n

ent-

lehnt

Ein

sind.

lang,

anderes

langobardisches

W o r t f ü r d e n B r a u t p r e i s ist meta ( = M i e t e , Mietpreis).

Jünger

B e z e i c h n u n g vingicef

ist

die

(f. =

schwedische

Freundesgabe),

e r h a l t e n : | d i e b e i d e n G ö t a r d e n a l t e n N a m e n mundr oder ' v e r d r ä n g t hat. D i e H ö h e des K a u f p r e i s e s

(11. als

(gekauft), und bei den D i t h m a r s c h e n d e s 15. J h s . in

hat

Nordseeküste

noch die H u n s i n g o e r Jh.)

vulgariter

S i c h e r ist diese A b l e i t u n g b e i fries. sket

noch a m

capad war Ende

war

der

Vereinbarung

überlassen, und

später noch d ü r f t e das die R e g e l sein.

Übung.

ursprünglich

Vertragschließenden

der auch

gewesen

I m m e r h i n bildete sich bei den meisten

S t ä m m e n ein n a c h S t ä n d e n a b g e s t u f t e r den e r w ä h n t i N o r m a l b r a u t p r e i s heraus, der v o r allem a u s d r ü c k l i c h S a x o G r a m m a t . : venalia quon- ! d a n n in A n w e n d u n g k a m , w e n n a n d e n M u n t w a l t der e n t f ü h r t e n Braut nachdam solebant esse connubia, und spricht träglich der Preis z u zahlen war, aber in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g v o n d e r uxor § 17.

Nicht

Skandinaviern.

emptitia die

und

filia

anders Für

pretio

wcstnordischen

war

es

bei

die D ä n e n

vendita,

w ä h r e n d I a u c h w o h l b e i der V e r t r a g s e h e f ü r die V e r h a n d l u n g e n b i l d e t e . noch

Rechtsquellen

die Die

Basis von

EHESCHLIESZUNG den Volksrechten erwähnten Summen sind unter sich sehr verschieden; eine ursprüngliche Ubereinstimmung zwischen Brautpreis und Wergeid der Braut ist ebensowenig erweislich wie ein urgermanischer oder gar indogermanischer Normalbrautpreis. Obwohl in den Volksrechten in Geld angesetzt, wurde der Preis ebenso, wie zur Zeit des Tacitus (Germ. 18: boves et frenatum equum et scutum cum framea gladioque) auch später meist wohl in Vieh oder Geräten bezahlt; die Abschätzung war eine Hauptaufgabe der Sippe (Tac. Germ. 18: intersunt parentes et propinqui ac munera probant). § 19. Der Brautpreis wurde ursprünglich sofort b e i der Verlobung gezahlt, und zwar a n d e n V e r l o b e r ; nur durch diese Zahlung wurde das Verlobungsversprechen giltig. Das ist noch der Standpunkt des älteren angelsächsischen, friesischen, sächsischen, thüringischen (?) und burgundischen Volksrechts, des langobardischen Edictus Rothari sowie der älteren nordischen Sagaliteratur, während die vingicsf der Götarrechte zwar noch an den Muntwalt, aber erst nach dem Beilager der Ehegatten bezahlt wird. Schon früh aber mag es gebräuchlich gewesen sein, daß der Verlober den Brautpreis nicht für sich behielt, sondern der B r a u t selbst überließ; so mußte bei den Burgunden jeder Verlober, der nicht Vater oder Bruder der Braut war, ein Drittel des wittimon an die Sippe abtreten, ein weiteres Drittel auf die Ausstattung der B r a u t verwenden. Das schließliche Ergebnis dieser Entwicklung tritt uns im westgotischen, salischen, ribuarischen, alemannischen, bayrischen Volksrecht, in den langobardischen Gesetzen Liutprands, im späteren angelsächsischen Recht sowie in den norwegischen und isländischen Rechtsquellen entgegen: der Preis wird nicht mehr an den Verlober, sondern a n d i e B r a u t s e l b s t gezahlt, sei es in bar, sei es durch Übergabe einer Verschreibung, und zwar nicht mehr bei der Verlobung, sondern b e i d e r T r a u u n g ; nach westnordischem Recht wird der mundr sogar erst mit dem ehelichen Beilager fällig. Der Brautpreis ist zu einer Zuwendung an die Braut, zur dos, und damit

513

Bestandteil des Ehegüterrechts j (s. d.) geworden. § 20. Wo der Brautpreis zu einer ! Leistung an die Braut geworden oder, i wie bei den Dänen und Svear, überhaupt in Wegfall gekommen war, bedurfte es immer noch bei der Verlobung einer j S c h e i n l e i s t u n g des Bräutigams an | den V e r 10 b e r , um durch eine Gegengabe das Versprechen des Verlobers bindend zu machen. Als solche Scheinleistung finden wir die schon für Chlodwigs Verlobung erwähnte arrha des salischen Rechtes von I Solidus und I Denar, die sich bei der Witwenehe als reipus um 2 Solidi erhöhte, ferner die „Festigungsgabe" j des skandinavischen Rechts (wnord. festarSjlf, jestarfe, bei den Svear feestninga, feestningafae, dän. festhensguldtt), endlich der ; ,,Mahlschatz" des späteren deutschen Mittelalters. Vielleicht gehört auch das angelsächsische fosterlean hierher. Verschieden davon ist der wahrscheinlich i von den Römern entlehnte V e r l o b u n g s > r i n g , der schon in der L e x Visigoth. und in den langobardischen Gesetzen Liutprands sowie in angelsächsischen Quellen bezeugt ist und im späteren Mittelalter in der gesamten germanischen Welt I sich findet. Auch er ist eine haftungs! begründende Scheinleistung, die der Bräutigam bei der Verlobung gibt, und wird ; deshalb als arra bezeichnet (Liutpr. 30: cum solo anolo eam subarrat; L e x Visig. I I I , : 1, 3 : annulus arrarum nomine), aber er gebührt von Anfang an nicht dem Verlober, sondern der B r a u t , und ist als Gegengabe gegen deren Zustimmung zur Verlobung aufzufassen. Erst seitdem die Braut sich selbst verlobt, empfängt sie neben dem Ring auch den ursprünglich dem Verlober gebührenden Mahlschatz. Die Verwandlung des Verlobungsringcs i in einen Trauring, die (in England heute : noch unbekannte) Sitte, daß auch die ' Braut dem Bräutigam einen Ring gibt, | das Wechseln der Ringe gehört erst j einer späteren Periode an. i § 21. Gleichfalls den Charakter von j Gegenleistungen, die eine Zustimmung bindend machen sollen, tragen die Gaben, die der Bräutigam an die V e r w a n d t e n : der Braut entrichtet, das exenium des

5M

EHESCHLIESZUNG

langobardischen, die erungen des späteren bayrischen Rechts, ferner die tilgcever oder vingcejer der schwedischen Götarrechte. § 22. Eine r e c h t l i c h e W i r k u n g d e r V e r l o b u n g ist die Verpflichtung des Verlobers, die Trauung vorzunehmen, und die Verpflichtung des Bräutigams, die Braut heimzuführen. Kam der Bräutigam dieser Pflicht nicht nach, so büßte er den gezahlten Brautpreis ein oder wurde bußpflichtig; nur das ältere norwegische und isländische Recht bedrohte ihn mit Friedlosigkeit. Auch dem Verlober, der seinerVerpflichtung nicht nachkam, drohten nach den westgermanischen Rechten nur vermögensrechtliche Nachteile (Bußzahlung und Pflicht, den schon gezahlten Brautpreis zurückzugeben) und nach einigen westnordischen Rechten Friedlosigkeit. Dagegen gewährten andere westnordische Rechte sowie die schwedischen Svearrechte dem Bräutigam bei Verweigerung der Braut das Recht der Selbsthilfe, während die Götarrechte eine gerichtliche Vollstreckung gegen den Verlober mit Zwangstrauung kannten. § 23. Darüber hinaus äußerte aber das Verlöbnis insofern W i r k u n g e n D r i t ten gegenüber, als jemand, der durch Entführung die Braut eines anderen ehelichte, nicht nur dem Muntwalt den Brautpreis zu zahlen hatte, sondern auch dem Verlobten bußpflichtig wurde. Dagegen war das Verlöbnis von der Ehe noch durchaus verschieden, wenn auch bei Westgoten, Burgunden und Langobarden (nicht dagegen bei den Nordgermanen) Unzucht der Braut wie Ehebruch bestraft wurde, und wenn auch gelegentlich die Gründe, aus denen man bußlos vom Verlöbnis zurücktreten konnte, eine gewisse Verwandtschaft mit den Ehescheidungsgründen zeigen. Der Verlobte hatte keinerlei Gewalt über seine Braut, Geschlechtsverkehr mit der Braut galt als unerlaubt, und Brautkinder wurden als unehelich angesehen. Aber man sah die Verlobung als notwendige Voraussetzung der gültigen Eheschließung an. Stellen aus den westgermanischen Volksrechten oder fränkische Formeln, ebenso wie aus den westnordischen Rechtsquellen zeigen, daß zur rechten

! Ehe neben der Zahlung des Brautpreises I eine giltige Verlobung notwendig war. | § 24. Von den bei der Eheschließung stattfindenden Handlungen pflegt man die T r a u u n g , die ¡Übergabe der Braut, in den Vordergrund zu stellen, insofern mit Recht, ; als — von den singulären Fällen der E n t : führung mit nachfolgendem Erwerb der Munt abgesehen — die Trauung als not; wendig für die rechte Ehe erscheint und ; zweifellos der Akt ist, der dem Bräutigam i die Munt überträgt. Aber ebensowenig, wie sich das eheliche Rechtsverhältnis in, der Munt erschöpft, ebensowenig sind die Trauung und die Zahlung des Brautpreises ausreichend, um eine rechte Ehe zu begründen. Es bedarf weiterer Hand: lungen, die die häusliche und geschlechtliche Gemeinschaft der Neuvermählten sinnfällig vor Augen führen. Das sind die H e i m f ü h r u n g und das ö f f e n t liche Beilager, ohne die nach älterer Anschauung eine rechte Ehe nicht denkbar ist. Darum nennen die westnordischen Rechte den Brautlauf oder das Beilager als Erfordernis der Eheschließung, darum sind die Worte, die die Heimführung bedeuten, vor allem das Wort „ B r a u t l a u f " überall Bezeichnungen des ganzen Eheschließungsaktes geworden, darum knüpfen endlich sämtliche germanischen Rechte den Eintritt der Rechtswirkungen der Ehe, die neben der Munt vorhanden sind, regelmäßig entweder an den Moment, wo die Frau das Haus des Ehemanns betritt oder noch häufiger an das eheliche Beilager. Das gilt sowohl für das eheliche Güterrecht wie für die standesrechtlichen Verhältnisse (vgl. vor allem Sachsenspiegel, Landrecht III, 54 § 3: Dat wif is ok des mannes genotinne tohant alse sie in sin bedde irit), nach schwedischem Recht sogar für den Erwerb der Munt, während nach dem sächsischen Rechte des späteren Mittelalters daran festgehalten wurde, daß schon die Trauung die Munt verschaffte (Sachsenspiegel a. a. O. Die man is ok vormünde sines wives to hant | als sie ime getrüwet wert). § 25. Ebenso wie das Sachenrecht neben dem Eigentumserwerb durch rechtsgeschäftliche Übertragung andere originäre

EHRENSTRAFEN—EHRLOSIGKEIT F o r m e n des E i g e n t u m s e r w e r b s k e n n t , l ä ß t a u c h das germanische Familienrecht ausnahmsweise andere A r t e n der Ehebeg r ü n d u n g zu. Ü b e r die R a u b e h e (s. u.) w i r d an anderer Stelle gehandelt. A u ß e r d e m k e n n t das nordische R e c h t eine E n t s t e h u n g der E h e durch Z e i t a b lauf: E i n e K e b s e h e wird n a c h norw e g i s c h e m R e c h t nach 20 oder 30 Jahren, n a c h j ü t i s c h e m R e c h t sogar nach 3 J a h r e n t a t s ä c h l i c h e n Z u s a m m e n l e b e n s zur rechten E h e , ein R e c h t s s a t z , der seine Parallele n i c h t n u r im römischen R e c h t (Ususehe), sondern a u c h im alten R e c h t e v o n W a l e s hat. D.

W e i n h o l d

deutschin

Frauen

I 1 293 ff.

K â 1 u 11 d Aarb. 1870, 299 ff. G r i m m DRA.4 583 (420) ff. F r i e d b e r g schließung

1865,

17

ff.;

1876,

1

Recht

d. Eheschließung

ff.;

Verlobung

Kirchenrecht^

1876, i f f .

schen Kirchenrechts Die

alldeutsche

Das Recht d. Ehe-

Verlobung

u.

§ 152.

Trauung Das

S o h m

1 8 7 5 , 2 2 ff. ; Trauung

I I 1 8 7 8 , 569

Verlobung

Gesch. d. ehel. Güterrechts

u.

Gesch. d. deut-

L o e n i n g

ff.

1879.

H a b i c h t S c h r ö d e r

I p a s s i m ; DRG.S

6 9 ff.

309 ff. (dort zahlreiche Literaturangaben). B r u n n e r DRG. I 1 9 4 ff. v. A m i r a P Grundr. III 161 ( i n ) f f . H e u s i e r Institutionen I I 2 7 7

ff.

schen Privatrechts des Brautkaufs

Grundzüge

H ü b n e r 595

ff.

H e r m a n n

bei den idg.

Völkern

d. Z.

deutGesch.

1904, 21

M e y n i a 1 Le mariage après les invasions

revue de droit 22, 165 ff.). L e f e b v r e droit

des

gens

mariés

1906

(vgl.

ff.

(Nouv.

Le

M e y n i a 1

Nouv. revue hist. de droit 30, 543 ff.). G o t Beiträge

h e i n O p e t

Zum

z. Gesch.

Brautkauf

d. Familie

1897, 2

nach altalamann.

ff.

Recht

(Kieler Festgabe f. Hänel 1907, 177 ff.). K o s t 1er

Die

väterliche

Ehebewilligung

1908,

SZfRG. 29, 78 ff. v. H ö r m a n n

32

ff.;

Die tri-

Makes

! j

Gäld

1893,

515 16

ff.

(Dazu

Olivecrona

Tidsskr. f. Retsvidenskab 7,100 ff.) W i n r o t h Ur mina föreläsningar II: Aktenskaps ingäende 1892. M a u r e r Vorl. II 482 ff. B o d e n Mutterrecht u. Ehe 53 ff. — S . u . E h e , E h e hindernisse, Heiratsalter, Verwandtenehe. S. Rietschel.

i Ehrenstrafen. Die B e d e u t u n g der E . \ w a r im germanischen R e c h t keine sehr große. Allerdings n a h m eine R e i h e v o n ; Verbrechen d e m T ä t e r k r a f t ihrer b e Dies w a r ins| sondern N a t u r die Ehre. | besondere der Fall bei den Neidingswerken (s. Friedensbruch), ü b e r h a u p t bei unehrlichen Missetaten; ferner w u r d e der Meineidige eidesunfähig. A b e r hier w a r d a n n j die E h r e n m i n d e r u n g eine unmittelbare i Folge der T a t , n i c h t ein besonders a u f erlegtes Übel, eine Strafe. A l s solches k o m m t aber die u n t e r dem Einfluß des Christentums immer weiter ausgebildete V e r s a g u n g des öffentlichen Begräbnisses ; in B e t r a c h t . Schließlich darf nicht über! sehen werden, d a ß der Friedlose w i e überI h a u p t keinen R e c h t s s c h u t z , so a u c h keinen S c h u t z seiner E h r e g e n o ß ; er verlor m i t | der Friedlosigkeit, w e n n auch nicht n o t w e n d i g seine Ehre, so doch die Möglichkeit, ihre A n e r k e n n u n g durchzusetzen. A u c h der infamierende C h a r a k t e r v o n V e r j stümmelungsstrafen ist z u beachten. Die nachfränkische Z e i t h a t E. in reicher Fülle entwickelt. G r i m m DRA. 114 301 ff. N o r d e w i e e r j

Regtsoudheden Strafrecht

K22

105.

315s.

O s e n b r ü g g e n

Schmid ff.

Alam.

Wilda v. Schwerin.

G I O O T 658.

[ Ehrlosigkeit. § i. S ü d e n . N a c h a l t ; germanischem R e c h t t r a t Ehrlosigkeit ein, w e n n der Volksgenosse sich in der S c h l a c h t Brauttradition u. Konsensgespräch in mittelalterl. Trauungsritualen 1910. B r a n d i l e o n e 11 j schimpflich b e t r u g oder t r o t z des in d e r contratto di matrimonio 1 8 9 8 ; Saggi sulla storia j öffentlichen V e r s a m m l u n g gegebenen V e r della celebrazione del matrimonio in Italia 1906. j sprechens die T e i l n a h m e an der H e e r Fockema-Andreae Het Oud - Nederl. f a h r t unterließ. Die Folge der E h r l o s i g k e i t Bürgerl. Recht II 132 ff. T e l t i n g Themis w a r w o h l die A u s s c h l i e ß u n g v o m D i n g 1 6 , 4 2 8 ff.; R o e d e r D. Familie b. d. Angelund jeder G e f o l g s c h a f t sowie die U n f ä h i g sachsen 1 7 ff. H a z e l t i n e Zur Gesch. d. Ehekeit zu Zeugnis u n d Eideshelferschaft. schließung nach angels. Recht ( F e s t g . f . H ü b l e r 1905, 249 ff.). K. L e h m a n n Verlobung u. In späterer Z e i t gelten die Diebe, R ä u b e r , Hochzeit nach den nordgerm. Rechten 1882. Mordbrenner, Fälscher als ehrlos (und v. A m i r a NOR. I 533 ff., II 659 ff. (dort die rechtlos). Z u den F o l g e n t r i t t h i n z u die ältere Lit.). M a t z e n Forel. Privatret I 58 ff. U n f ä h i g k e i t , öffentliche Ä m t e r und V o r H e r t z b e r g De garnie loves mynding (Christ, m u n d s c h a f t e n zu v e r w a l t e n u n d L e h e n vidensk.-selsk. forh. 1889 n. 3). Thyren zu besitzen. G. v. Below. dentinische

Trauungsform

teilung it)on\Quasiaffinät

in

rechtshist.

Beur-

I I 1 , 1 9 0 6 , 4 5 7 ff. O p e t

EHRVERLETZUNG

516 § 2. eine

Norden. Klasse

(rettlausir

von

menn)

Im anord. R e c h t tritt

als eine

„rechtlosen"

geschieden

auf,

welche,

Leuten ohne

aus

besondere

§ 2.

Kategorie

der

E.

Die

V e r b a l i n j

urien

pflegt

d e r V o l k s g e m e i n s c h a f t (wie d i e F r i e d l o s e n )

man unter dem Namen der Schelte

a u s g e s c h l o s s e n z u sein, e i n e n

scelta)

Rechtsschutz

genießen.

geminderten

Das

aisl.

Recht

z ä h l t d a h i n V a g a b u n d e n (gQngumenn, menn),

fgru-

anorweg. R e c h t e Diebe bei Gering-

f ü g i g k e i t des O b j e k t s , P e r s o n e n , die gewisse schimpfliche

Handlungen

Zeugnis verweigern

begehen,

oder falsches

ihr

Zeugnis

zu

ab-

werden.

zusammenzufassen.

sagende

Worte"

(ahd.

Als die

Schelt-

w o r t e in S k a n d i n a v i e n b e z e i c h n e t

(aschw.

oquvwßinsorß, sccktarorß

werden

,,nicht

anorw.

wegen

ükveefrisord),

ihrer

,, B e s c h m i e r u n g "

Folgen,

als

als

(bismer), b e i d e n

s a c h s e n , a l s ascBttarort

wnord.

eine

Angel-

Je nachdem

a b l e g e n , u n e h r l i c h e V e r w a l t e r u. a., a s c h w e d .

d e r g a n z e o d e r n u r d e r h a l b e rettr (s. B u ß e )

Rechte

zu

Spielleute

und

den,

Zweikampfaufforderung Derartige gegen

Personen

nicht

sind

Beleidigungen

der

einer

entspricht.

ehrlos,

darum

s c h u t z l o s (der S p i e l -

zahlen

Recht

war,

unterschied

fullrettisord'

vicium,

und

improperium,

das

wnord.

halfrettisord'. verbum

Con-

iniuriosum

heißt das S c h m ä h w o r t auf d e m K o n t i n e n t .

m a n n b e k o m m t in S c h w e d e n e i n e S c h e i n -

§ 3.

Bezüglich

der

einzelnen

Schelt-

buße) oder geringer geschützt, nicht zeug-

w o r t e b e g n ü g e n sich die R e c h t e m i t

nisfähig.

zählungen.

sich

Auch

Ähnliches

in

Mannheiligkeit. im

Norden Daß

im

adän.

dem

sog.

findet

Verlust

der

Uneheliche waren dagegen

ursprünglich

es

Recht

sich

in

nicht

ehrlos.

derartigen

Fällen

tische

Definitionen

Halbrechtswort; Worte

um

N u r die G r ä g ä s g i b t

Lex

von

Vollrechts-

und

sie a u c h b e t o n t , d a ß

zur V e r h ö h n u n g

Salica

Auf-

schema-

in

(til hafrunga;

contumeliam)

die vgl.

gesprochen

eine A b s c h w ä c h u n g der Friedlosigkeit h a n -

sein m ü s s e n .

delt, w i e V i e l e a n n e h m e n , ist zu b e z w e i f e l n .

in

E s s c h e i n t v i e l m e h r s c h o n in d e r H e i d e n -

hinter

z e i t eine s e l b s t ä n d i g e

s c h w e r e r a b e r w i r d b e s t r a f t die B e l e i d i g u n g

infamierende Strafe

vorzuliegen.

des

G l e i c h g ü l t i g i s t es, o b

anderen

Gegenwart

seinem

Rücken

(isl.

in g r o ß e r V e r s a m m l u n g ,

und

Beleidigung

einer S c h e l t e z u a n t w o r t e n

Ehrverletzung.

e i n e n m e i n e i d i g o d e r t r e u l o s (lang,

§ i.

D a die E h r e

auf

Augen

vier

gibt

das

Recht

mit

(isl. he/na

orfri

orfs). S c h w e r e B e l e i d i g u n g w a r es, w e n n

der A c h t u n g durch die Gesellschaft beruht,

e i n e n F u c h s o d e r subdolus,

einen

(delator),

Schon

verletzt.

Ist

allgemeine, ein

die

Mißachtung

Mißachtung

so l i e g t in i h r e r

Rechtsbruch

gegenüber

nicht

eine

kennt

als

Kundgebung

Schild

weggeworfen

dem

Rechts-

gut der Ehre, das D e l i k t der E h r v e r l e t z u n g . D i e M i t t e l , die M i ß a c h t u n g z u m zu bringen, (ags.

meerword) merian

Ausdruck

einen andern zu beschmieren,

bismerian), und

mid

sind

Worte

Handlungen

worde

ofrte

(ags.

(vgl. a g s .

mid

weorce),

e n t w e d e r die e i g e n e M i ß a c h t u n g oder

die

Achtung

g r a b e n sollen. schon

von

durch

bis-

der

Lex

ein

aus

heißen,

einen

Schlagen

aber nur

so-

w e i t sie die h e r v o r s t e c h e n d e T e n d e n z e i n e r Mißachtungsäußerung

zeigen,

können

oder

ein

Findel-

Freien Als

einen

Freige-

firnarorß

be-

z e i c h n e t d a s s c h w e d i s c h e R e c h t eine G r u p p e v o n Beleidigungen, die den V o r w u r f besonders

von

Bezeichnung

u. d g l . ;

Be-

Menschen

hörbarn)

lassenen oder K n e c h t .

Verhaltens

Freiheitsberaubung,

einen

in

einen

kind, ü b e r h a u p t einen unehelich geborenen

V e r b r e c h e n sein, so A n g r i f f e a u f die w e i b Stoßen,

urga,

sein,

Brust zu haben.

es,

(anord.

liche

Geschlechtsehre,

zu

den

geflohen,

(lang,

lepus)

in d e r war

Hurenkind

haben,

Feigling

Salica:

Strohwisch leidigend

zu

Tacitus

den,

zu

unter-

Gesichtspunkt

überhaupt

Vorwurf

die

kundtun

andere

schweren

Angeber

bis-

Solche Handlungen können

anderem

einen D i e b hieß.

man

feihhene),

w i r d sie d u r c h A u s d r u c k

der

oder

bakmeeli);

W i 1 d a Strafrecht d. Germanen S. 301 ff. M a u r e r Vorl. I 1 S. 401 ff. IV 211. v. A m i r a Altnnorweg. Vollstreckungsverfahren S. 71 ff.; NOR. I 707. 712. K . Lehmann.

unter

man

schilt

wnord.

der

Kirche

enthielten. ,,Hexe"

trollkona,

lat.

Dahin

gehört

(aschw. striga,

Unzucht,

Abtreibung,

die

fordeeßa,

masca),

V o r w u r f der H u r e r e i , B l u t s c h a n d e ,

sie i n a t ü r l i c h e n

eines

verabscheuten

der

widerüber-

EI—EIBE haupt der Unzucht. Streng bestraft wurde das Dichten von Spottliedern, das Geben von Spottnamen (isl. auknefni), der Vergleich mit Tieren, insbesondere Hunden oder, gegenüber, Männern weiblichen Tieren, der allgemeine Vorwurf entehrender Handlungen (wnord. bregffa manni brixlum). Endlich sei erwähnt das yki (wnord.), der Vorwurf von unmöglichen Dingen, wie, daß ein Mann jede neunte Nacht ein Weib sei oder Kinder gebäre, und das Errichten einer Neidstange (wnord. nifrstQng). A l s Verläumdung, Ausbreitung ehrenrühriger Behauptung, erscheint die ags. folcelasung und das nord. jjQlmxli und rög. § 4. Die Form der Realinjurie tritt in germanischen Quellen seltener auf. Entwaffnung eines Mannes, Scheren von Haar und Bart (ags. on bismor to homelen bescyre) oder Abbrennen des Haars, Werfen eines Steines über das Haus in contumeliam des Hausherrn, Begießen eines Hochzeitszuges mit Schmutzwasser und Unflat, Stoßen einer Person in Urin, K o t oder Speisen, Begießen mit üblen Flüssigkeiten (fries. swartaswang, horewerp) werden im einzelnen genannt. Dagegen erscheinen zahlreiche Delikte dadurch qualifiziert, daß sie zugleich ehrenkränkend sind, so Bindung (s. d.), Haargriff (ags. feaxfang), Entblößen und unzüchtiges Berühren von Frauen (s. Sittlichkeitsdelikte), Wegsperre, Verlöbnisbruch, Herabwerfen vom Pferd, Wassertauche (s. d.), Prügeln, Ohrfeigen. Endlich kann auch in der falschen Anklage eine Beleidigung liegen. § 5. Verschieden verhalten sich die Rechte zum Wahrheitsbeweis; nordische schließen ihn aus, südgermanische lassen ihn zu. § 6. Die Folgen waren zum Teil sehr strenge, wie die norw. /ullrettisorf, die Androhung von Friedlosigkeit auf Island, Bußen von 10, 20 und über 120 Schillingen zeigen; allerdings finden sich bei geringeren E. auch geringere Bußen. Eine Besonderheit ist es, wenn der Vorwurf der Feigheit zu sofortiger Tötung berechtigt, das Zurücknehmen der E. (aschw. atertaka orß sin) oder eine Ehrenerklärung (Ehreneid) verlangt wird.

517

v. A m i r a NOR. I 717 ff. II 852 ff. Brandt Retshistorie II 88 ff. B r u n n e r DRG. II 671 ff. G r i m m DRA.ll 204 ff. H e 1 f r i t z Der geschichtliche Bestand . . . v. Widerruf, Abbitte u. Ehrenerklärung (1905). H i s Strafrecht 324 ff. M a t z e n Forehzsninger, Strafferet 113 ff. M e r k e r , Straf recht d. Grägäs 91 ff. N o r d s t r ö m Bidrag II 292 ff. O s e n b r ü g g e n Alem. Strafrecht 105 ff. P e r t i 1 e 144 ff. W i 1 d a 775 ff. v. Schwerin.

:

i

j I | 1

! j

Ei (ahd. as. ei, ags. ¡2g, anord. egg). Eier finden sich in vorgeschichtlichen Gräbern als Beigabe häufig (Arch. f. Anthrop. N . . F . 6, 99). Es sind meist Hühnereier, doch kommen auch Gänseeier vor. Von den an der. Mündungen des Rheins wohnenden Germanen berichtet Caesar BG. 4, 10: ex quibus sunt qui piseibus atque ovis avium vivere existimantur. Anthimus de obs. cib. 37. 38 empfiehlt, die Gänseeier weich gekocht zu essen; Fasaneneier sind gut, besser noch Hühnereier. Über Eierspeisen, Rührei, Eierkuchen usw. erfahren wir erst später, doch darf man wohl annehmen, daß bei der ausgedehnten Hühnerzucht in Deutschland, Skandinavien (auch Island) und England auch das Ei schon früh in mannigfacher Zubereitung auf den Tisch kam. Fuhse. Eibe (Taxus baccata L.). § 1 . Die E. In ist in fast ganz Europa verbreitet. Schottland reicht sie bis zum 58°, in Norwegen bis zum 6 l ° n. Br. Nur in Osteuropa fehlt sie; ihre O s t g r e n z e läuft von den Alands-Inseln durch den westlichsten Teil Estlands und Livlands, dann gerade südwärts, etwa dem 250 ö. L. von Greenwich folgend, durch Kurland, Kowno, Wilna, Grodno und Wolynien in das Vorland der K a r p a t e n , von da südöstlich etwa in der Richtung des Pruth bis zur Donaumündung. Jenseits der Steppe kommt die E. in den Gebirgen der Krim und des Kaukasus vor (Koppen Geogr. Verbreitung d. Holzgewächse d. europ. Rußlands I 4 6 3 ; Willkomm Forstl. Flora * 274; s. auch die kartographische Skizze b. Krause, Globus 62, 164). Die Ostgrenze der E. verläuft also nur wenig östlicher als die der Buche (s. d.). § 2. Die germ. und kelt. Sprachen haben einen gemeinsamen alten E i b e n -

5

I8

EIBE

n a m e n , der auch im Baltisch-Slawischen und Griechischen wiederkehrt. Kelt. Sprachen: urkelt. *ivos m., air. eo, k y m r . yw-en m., akorn. kiuin, bret. ivin m., sgl. ivin-enn (Stokes b. Fick4 2, 46). Germ. Sprachen : ae. tw, low, Ih, eoh m., me. iw, ew, ne. yew\ and. mua swf. und Th, Ich stm. (Gallee Vorstud. 160. 165), mnd. Twe f., mndl. iewe; ahd. Twa f., Twinboum m., Tgo swm., mhd. Twe f., nhd. eibe f., Schweiz, ¡che, ige (Kluge E W b . ) neben Iba, The, Tf (Pritzel-Jessen 397); anord. yr m. Germ. Grdf. *Thwaz, *T^waz m., *Thwö, *Tywö f. mit einem eigentümlichen Velarlaut, der den verwandten Sprachen, die nur u (w) haben, fremd ist. Der Name bedeutet im Kelt. und Germ, durchweg 'Eibe'; die übrigen Sprachen zeigen abweichende, untereinander nicht übereinstimmende Bedeutungen; die Balten haben ihn auf den Faulbaum, die Slawen auf die W e i d e , die Griechen auf den Sperberbaum übertragen. Balt. Sprachen: lit. evä, jevä, lett. ewa 'Faulbaum, Rhamnus frangula L . ' ; (lett. iwe und apreuß. iuwis 'Eibe' sind aus mnd. Twe entlehnt; s. Bezzenberger B B . 23, 314; Berneker E W b . 438). Slawische Sprachen: urslaw. *iva, russ. klruss. bulg. serbokroat. slow, iva, slowak. jiva, poln. iwa, obsorb. jiwa, ndsorb. wiwa, überall 'Weide', im Slowenischen und Polnischen speziell , Salweide, Salix caprea L . ' ; nur czech. pva, dial. iva bezeichnet in Ubereinstimmung mit dem Germanischen und Keltischen die Eibe. Griech. OL'IJ , oa aus *oi'Fw, das Bezzenberger (aaO.) zu den balt.-slaw. Namen stellt, ist der Sperberbaum, Sorbus domestica L. § 3. Der auffallende Bedeutungsübergang 'Eibe — Faulbaum, Weide, Sperberbaum' erklärt sich durch die Ähnlichkeit des Holzes: Eibe und Weide haben im Alter rotbraunen Kern, auch das Holz des Faulbaums ist gelb oder rot, während Eibe und Sperberbaum in der ungewöhnlichen Schwere des Holzes übereinstimmen (s. die Beschreibungen b. Willkomm Forstl. Flora 2 ; ferner Rostafinski S y m bola i, 136). § 4. Ähnlich stark ist-der Bedeutungswandel des idg. Buchennamens: ' B u c h e — Eiche, Ulme, Holunder' ( s . B u c h e 3).

j j

\ i

:

i

• i

In beiden Fällen hat bei den baltisch slawischen Völkern wahrscheinlich die A u s wanderung aus dem Verbreitungsgebiet der B ä u m e den Anstoß zu der Bedeutungsänderung gegeben, während die Völker, die innerhalb jenes Verbreitungsgebietes blieben, mit Ausnahme der Griechen die alten Namen im ursprünglichen Sinne beibehielten. Die Geschichte beider N a men spricht dafür, daß die Urheimat der Indogermanen in Mitteleuropa zu suchen ist. (S. Buche 4. 5.) § 5. Das Eibenholz wurde wegen seiner Festigkeit, Zähigkeit und unvergänglichen Dauer schon zur S t e i n z e i t von den Bewohnern der schweizer Pfahlbauten z u r Herstellung v o n Bögen, Keulen und Hausgeräten wie Messern, Löffeln, Schüsseln und Eimern benutzt (Neuweiler Prähist. Pflanzenreste 21). § 6. Zu Caesars Zeit war die Eibe in Gallien und Germanien sehr häufig (Bell. Gall. 6, 3 1 : taxo, cuius magna in Gallia Germaniaque copia est). Sie war im Mittelalter in ganz Deutschland verbreitet mit Ausnahme des nordwestdeutschen Küstenstrichs und des Landes östlich der Weichsel und trat vielfach bestandbildend in kleineren oder größeren Horsten auf, aber wohl nie waldbildend wie die Kiefer, Fichte und Tanne. Ihr Holz diente außer zu mancherlei Gefäßen und Gerätschaften bei allen germanischen Völkern vornehmlich zur Herstellung von B ö g e n , weshalb anord. yr direkt für 'Bogen' gebraucht wird. A b e r diese Verwendung zur Anfertigung von Kriegs waffen ward das Verderben des Baumes. Die Eibenhorste wurden im Lauf des M A . immer mehr abgeholzt, ohne daß der langsam wachsende B a u m , der noch dazu durch seine Eingeschlechtigkeit in seiner natürlichen Ausbreitung benachteiligt ist, imstande gewesen wäre, die entstehenden Lücken rasch wieder auszufüllen. So ist die Eibe in der Gegenwart einer der seltensten deutschen W a l d b ä u m e geworden, und nur gelegentliche fossile und archäologische Funde, urkundliche Zeugnisse und besonders Ortsnamen wie Iburg, Ihorst, Ibenhorst ua. zeugen v o n der Verbreitung, die der B a u m in Deutschland ehemals hatte. (Weiteres hierüber und über das

EIBE

519

heutige Vorkommen der Eibe s. bei Hoops meines Erachtens darin zu suchen, daß W a l d b ä u m e 200. 240 f.) die Eibe — vielleicht wegen des dunkeln, § 7 . In G r o ß b r i t a n n i e n wird die Eibe ernsten, immergrünen Laubs, wie in Südziemlich häufig fossil in postglazialen Torfeuropa die Zypressen . — in besonderem mooren gefunden (Reid Origin of the Brit. Maße als T o t e n b a u m galt, in den die Flora 151). Sie tritt gelegentlich in altSeelen der Gestorbenen gebannt blieben. englischen Flurnamen auf (Middendorff Daher die Ehrfurcht, mit der die Fried A e . F l u r n a m e n 8 3 ; M.Förster Angl. Beibl. 17, hof-Eiben geschont wurden, die aber199) und wurde im M A . in England wie gläubischen Vorstellungen, die sich manüberall zur Anfertigung von Bögen becherwärts noch heute an sie knüpfen, ihre nutzt, aber dadurch als W a l d b a u m im Rolle bei Leichenbegängnissen, wo die Lauf der Jahrhunderte auch hier allmähLeidtragenden vielfach Eibenzweige trugen lich ausgerottet. Heute kommt sie auf und Eibenreiser auf den Sarg gestreut wurden Britischen Inseln nur selten bestand den. In christlichen Zeiten Wurde die bildend vor, so vor allem in den altertümheidnische Vorstellung des Seelen- und lichen Wäldern der North Downs in T o t e n b a u m s allmählich verwischt; aus Surrey, die ausschließlich aus Buchsbaum dem heidnischen Ritus, der der Anpflan(s. d. § 4) mit eingesprengten riesigen zung der Eiben auf Friedhöfen zugrunde Eibenbäumen bestehen (Solms-Laubach lag, wurde ein altehrwürdiges Herkommen, Botan. Zeitg. 1901 II 92). dem im Lauf der Jahrhunderte andre Beweggründe untergeschoben wurden. Die § 8. Bemerkenswert ist das häufige Friedhof-Eiben lieferten grüne „ P a l m e n " Vorkommen alter E i b e n auf den für die Prozession am Palmsonntag, sie K i r c h h ö f e n Großbritanniens und Irschützten das Kirchengebäude vor Sturmlands. Manche derselben sind Jahrhunschaden und dienten der Gemeinde vor derte alt; einige dürften schon die NorBeginn des Gottesdienstes als Schutz gegen mannenzeit, andre sogar die angelsächdie Unbill der Witterung; ihr Holz wurde sische Epoche miterlebt haben. Die in Kriegszeiten zur Verfertigung von älteste von allen ist wohl die Eibe auf dem Bögen verwandt, und der alten, ausgeFriedhof von Fortingal in Perthshire, v o n wachsenen Exemplare freute man sich als der heute nur noch ein Stumpf erhalten ist. einer Zierde des Gottesackers (so schon Ihr Alter wurde von Christison und De Giraldus Cambrensis im 12. J h . : Topogr. Candolle auf 3000 Jahre, von neueren ForHibern. 2,54. 3,10). Es hat nicht an V e r schern auf mindestens 14—1500 Jahre gesuchen gefehlt, in der einen oder andern schätzt. Die Friedhof-Eibe v o n Darley dieser Verwendungsarten des Baumes die Dale in Derbyshire stammt e t w a aus dem Ursache seiner Anpflanzung zu vermuten. 12., die Eiben v o n Kersall Cell in Lancashire In der T a t lassen sich für verschiedene und von Fountains A b b e y in Yorkshire dieser Auffassungen historische Zeugnisse vermutlich aus der Mitte des 13. Jhs. aus älterer Zeit und andre gewichtige Hinsichtlich des Alters der Sitte, Eiben Gründe anführen; und es ist sehr wohl auf Friedhöfe zu pflanzen, ist eine Bemöglich, daß im späteren Mittelalter und merkung bei Giraldus Cambrensis im in der Neuzeit Nützlichkeitsrücksichten 12. Jh. belangreich: die Eibe, sagt er, verschiedener A r t die Anpflanzung und sei ganz besonders häufig in Irland, Erhaltung der Eiben auf Kirchhöfen als ,,maxime vero i n c o e m i t e r i i s a n t i q u i s locisque sacris, sanctorum vi- i ein gutes, zweckmäßiges Herkommen erscheinen ließen. A b e r das sind sicher nur rorum manibus o 1 i m plantatis" (Topogr. sekundäre Erwägungen gewesen; der erste Hiberniae 3, 10). Der Brauch scheint daUrsprung des Brauchs ist viel älter und nach ein alter britisch-irischer gewesen liegt auf dem Gebiet des heidnischen zu sein, der wohl bis in heidnische Zeiten Seelenglaubens. zurückreichte, v o n der christlichen Kirche beibehalten und später auch von den H o o p s Waldbäume u. Kulturpflanzen 126f. Angelsachsen übernommen wurde. 200. 202. 239—41. Walter Johnson § 9. Der U r s p r u n g der Sitte ist Byways in British Archaeology, Kap. 9 : The

520

EICHE

baum; erst in den späteren vorgeschichtlichen und in den geschichtlichen Zeiten ward sie allmählich durch die Buche zurückgedrängt. Eiche (Quercus). § 1 . In den unver§ 3. Daß die Eiche in der Heimat der gletscherten Gebieten Süddeutschlands und I n d o g e r m a n e n eine hervorragende besonders in Österreich-Ungarn ist die Eiche wohl auch während der letzten Eis- ; Rolle spielte, ergibt sich aus der Tatsache, daß in den idg. Sprachen nicht weniger zeit heimisch geblieben; nach Norddeutschals drei alte Eichennamen vorhanden sind, land und den nordischen Ländern drang die in Zeiten zurückreichen, welche der sie erst geraume Zeit nach dem Rückzug Urzeit sehr nahe stehn. des Eises, wesentlich später als Birke, Espe und Kiefer, vor. Auf die ältesten a) Der gemeinidg., in den asiat. wie postglazialen Waldperioden, die Birkeneurop. Sprachen weit verbreitete Baumund Kiefernzeit, folgte dann aber in diesen oder Holzname deretf-, dem-, doru-, drüLändern eine langandauernde Epoche, in bedeutet im Griechischen, Makedonischen der die S t i e l e i c h e (Quercus peund Keltischen 'Eiche': gr. opus; mak. dunculata) die Herrschaft über den SoipuXXo? ; bret. deru-enn, kymr. derw-en Hochwald hatte. Sie nahm ihren An'Eiche', dazu altgall. Ortsnamen wie fang zur Ancyluszeit, als eine LandDervus, Dervum, Derva 'Eichwald' ua. brücke Jütland mit Schonen verband (Stokes b. Fick-t II 147). und die Ostsee ein Süßwassersee war, b) Dem Lateinischen mit dem Germaniund sie dauerte noch an, als infolge schen gemein ist lat. quercus aus *perqus der Senkung der westbaltischen Gebiete (Hirt IF. 1, 479); langob. fereha 'aesculus', der süße Ancylussee zum Litorinaahd. fereh-eih 'ilex', virh-eih 'aesculus', meer wurde, einem salzigen Gewässer von nhd. dial. vier-, verk-, verkel-, fürk-eiche, größerer Ausdehnung als die heutige Ost- I nnd. füereek (Hoops Waldb. 118 f.; Björksee. Mit der Eiche zugleich hielten die . man ZfdWf. 2, 211 ua.). meisten andern Laubbäume ihren Einzug c) Der eigentliche germ. Name ist urin die nordischen Länder; nur die Buche germ. *aiks f. m.: anord. nnorw. eik f., (s. d.) folgte als letzter viel später nach. schwed. ek, dän. eg; ags. äc f., me. qk, ne. Mächtige Eichenwaldungen, in denen meist J oak; afries. ek; and. cc, mnd. nnd. ek auch die übrigen Waldbäume in bunter m. f.; mndl. eec, eke, eik, eike m. f., nndl. Mischung vertreten waren, bedeckten damals i eik; ahd. eih f., mhd. eich, eiche f., nhd. Norddeutschland, Jütland, Dänemark und \ eiche f. Damit sind urverwandt : lat. Südskandinavien; ihre Blätter, Früchte, j aesculus aus *aegsculus 'Wintereiche'; gr. Zweige und Stämme liegen in den Torf- • afyiXcu'J; 'Eichenart', affsipo» 'Schwarzmoor-Archiven als fossile Urkunden aufpappel' (Deutung unsicher; s. Schräder gespeichert. KZ.30, 461 u. Reallex.), y.patarfoc, xpa-aifcuv § 2. In der letzten Hälfte der E i c h e n 'unbestimmte Baumart' (Prellwitz EWb. 2 Periode, zur Zeit der beginnenden sv. aifaven]). Litorinasenkung, lebte an der untern Trave §4. In D e u t s c h l a n d war die und an den Süßwasserseen, die damals das Eiche zur R ö m e r z e i t und im F r ü h Gebiet der heutigen Kieler Bucht be- ; m i t t e l a l t e r einer der verbreitetsten deckten, eine frühneolithische Bevölkerung, j und wichtigsten Bäume. Die archäologiDer späteren Eichenzeit gehören gleich- | schen Funde, die Zeugnisse der klassischen falls die jütisch-dänischen Muschelhaufen j Schriftsteller, die Mythologie und Volksder frühneolithischen Periode an: unter kunde, die Orts- und Flurnamen •— alle den Holzkohlen, die sich darin finden, ] geben Kunde von der Bedeutung, die dieser überwiegt die Eiche bei weitem. Aber j Baum in den Wäldern Deutschlands einst auch während der ganzen übrigen Dauer gehabt haben muß. Zwar als reine Eichender Steinzeit und in der Bronzeperiode wälder dürfen wir uns die altdeutschen blieb die Eiche in Schleswig-Holstein und | Waldungen nicht vorstellen: zur Bildung Nordeuropa der vorherrschende Waldvon geschlossenen Beständen ist die Eiche Churchyard Ycw. Cambridge 1912. Mit weiterer Literatur zu der Frage. Johannes Hoops.

EICHE

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ohne Eingriff des Menschen kaum fähig. [ W a l d und Harz war sie im ganzen mehr auf die tieferen Lagen beschränkt, k a m U n t e r ihrem lichten Baumschlag gedeiht aber hier recht häufig vor und reichte anUnterholz mannigfachster Art, wachsen scheinend höher hinauf als heute. In die verschiedensten Baumarten unbehindem fränkischen Nadelwaldgebiet trat sie dert auf; sie läßt selbst Konkurrenten wie vielerwärts mit andern Laubbäumen zuB u c h e und Fichte hochkommen, die später sammen eingesprengt auf. In Schlesien leicht ihren jungen lichtbedürftigen Nachund Brandenburg machte sie der Kiefer, wuchs ersticken. Die altdeutschen Eichenin Mecklenburg und Pommern der Kiefer wälder waren somit wohl überall Mischund Buche Konkurrenz. Stark vorwälder, denen die Eiche nur das charakherrschend w a r sie zur Römerzeit wie im teristische Gepräge gab. Mittelalter in den meisten Gegenden des Die hundertjährigen Rieseneichen der westdeutschen Mittelgebirgs, v o m Odengermanischen Urwälder, deren gewalwald, Spessart und Taunus über das tige S t ä m m e noch heute bisweilen aus mittelrheinisch-westfälische Bergland zum Marsch und Moor zutage kommen, erTeutoburger Wald, Wesergebirge und regten die Bewunderung der Römer. Deister, wenn sie sich auch an manchen Staunend schildert Plinius uns die Eichen Punkten, wie z B . bei Fulda, mit der im Norden des Hercynischen Waldes, die Buche (s. d.) in die Herrschaft teilen so alt waren wie die Welt, die in ihrer mußte oder, wie bei Rinteln, hinter ihr fabelhaften Mächtigkeit den Jahrhunderten zurückstand. In den Waldungen d e r n o r d trotzten und v o n fast unbegrenzter Lebenswestdeutschen Tiefebene scheint sie ebendauer schienen (Nat. Hist. 16, 6). Wir falls der herrschende Charakterbaum gebegreifen es, daß auch unsre Altvordern wesen zu sein, während an den Küsten der mit ehrfurchtsvoller Scheu zu diesen westlichen Ostsee die Buche ihr erfolgreich Baumriesen aufblickten und manche derden Rang streitig machte. selben heilig hielten. Es genügt, an die § 7. Auch in den nordischen Donarseiche (s. d.) bei Geismar in Hessen L ä n d e r n w a r die Eiche im M A . schon zu erinnern, die Bonifatius 725 fällen ließ. von der Buche (s. d.) aus dem Felde ge§ 5 . D a ß die Eiche zur Römerzeit und schlagen. Die mächtigen Eichenwalim Mittelalter häufiger w a r als heutdungen, die zur Ancylus- und Litorinazutage, ergibt sich u. a. daraus, daß zeit Jütland, Dänemark und das südliche unter den Holzresten aus römischen und Skandinavien bedeckt hatten, wurden in germanischen Siedlungen Altdeutschlands spätvorgeschichtlicher und frühgeschichtihr Holz bei weitem die erste Stelle einlicher Zeit durch Buchenwälder ersetzt. nimmt. Die lichten Eichenhaine in der Nähe Freilich hat die Buche die Nordgrenze der der Dörfer wurden im M A . allgemein zur Eiche in Skandinavien bis heute längst Schweinemast benutzt. Eichenholz wurde nicht erreicht, aber auch die Eiche ist über zu den verschiedenstenZwecken verarbeitet, das mittlere Schweden und Norwegen Eichenrinde zur Gewinnung von Lohe nicht hinausgelangt. Die Nordgrenze der verwandt. W a s unter den Ausdrücken wilden Stieleiche liegt an der Westküste Norscaldeiche 'ilex', slateihi 'ilice', slaheic wegens etwa bei 63°, sie weicht im östl. 'aesculus', sleizeich 'esculus' in mhd. Glossen Norwegen bis auf 6o° 45' am Binnensee zu verstehen, ist ungewiß (s. Björkman Mjösen zurück und durchstreicht SchweZ f d W f . 2, 218). den in ostsüdöstl. Richtung bis zum § 6. Die Eiche war aber nicht gleichF r y k a n - S e e unter 6o° (Willkomm Forstl. mäßig in ganz Deutschland verbreitet. Flora 3 394 f.). Zu der Alleinherrschaft, die In dem Laubwaldgebiet der Schwäbischen vor ihr die Kiefer innegehabt hatte, h a t A l b und der westlichen Frankenalb trat es die Eiche hier nie gebracht; sie h a t sie wahrscheinlich, wie heute noch, gegenin späterer Zeit vor der v o n Norden her über der Buche in den Hintergrund. In vorrückenden Fichte und der sich wieder den vorwiegend mit Nadelholz bestockten ausbreitenden Kiefer sogar den R ü c k z u g höheren Gebirgen wie Vogesen, Schwarzsüdwärts antreten müssen. Immerhin h a t wald, Bayer- und Böhmerwald, Thüringer H o o p s , Reallexikon.

I.

34

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EICHHÖRNCHEN—EID

sie auch im Kulturleben der Nordländer zur Wikingerzeit eine sehr bedeutsame Rolle gespielt. § 8. Weit mehr trat die Eiche in den Wäldern A l t e n g l a n d s in den Vordergrund, wo Buche und Nadelhölzer von jeher nur eine untergeordnete Stellung einnahmen. Sie war der vornehmste Charakterbaum der englischen Landschaft, war überall bis nach Schottland hinauf verbreitet und hat die Spuren dieser Verbreitung in zahlreichen Orts- und Flurnamen hinterlassen.

: aus *ver-ver-) ; urkelt. *vc-ver\ kymr. | gwywer, bret. gwiber, gäl. feoragh; alle mit der Bed. 'Eichhörnchen'. Dazu lit. vaiveris, vaTvaras Mltismännchen'; lat viverra 'Frettchen', nach W. Meyer, Miklosich, Schräder, Much, Walde aus dem Slawischen oder einer j andern nordeurop. Sprache entlehnt ( r ) ; npers. vargh 'Frettchen' (Pictet). Die Namen stellen der ags. Form äewern, äc-weorna gegenüber Reduplikationsbildungen mit wechselndem Rcduplika; tionsvokal dar. Das erste Element des | g e r m . N a m e n s wäre dann *az'&-'Eiche'. H o o p s Waldb. u. Kulturpfl. 29 f. 5 2 — 5 4 . § 3. Das Vorhandensein eines idg. Eich5 g f . 71 — 74. 77. 82f. 1 1 5 — 2 0 . 181. 227 — 29. hornnamens ist bemerkenswert, weil das 259; mit weiterer Lit. P. W a g l e r Die Eiche E. ein ausgesprochenes Waldtier ist.

in alter u. neuer Zeit. Eine mytliologischkulturhist. Studie. I. Teil: Progr. d. Gymn. Würzen 1891. II. Teil: Berl. Stud. f. klass. Phil. u. Archäol. 13,2. 1891. C.A.Weber Gesch. d. Pßanzenwelt d. nordd. Tieflands 109; Jena 1906; vgl. dazu A. S c h u 1 z Her.d.Deutschen ; Botan. Ges. 1907, 51 5 ff. Johannes iloops. ;

Eichhörnchen (Sciurus vulgaris). § i. Für das E. besteht ein alter, g e m e i n g e r m . N a m e : ae. äciveorna swm., äewern m., frühme. aquerne, oequeme (Stratm. 16); mnd. ckeren, eckeren, ekerken, ekhorn, nnd. ; oldenb. mecklenb. katt-cker(ken)\ mndl. eencoren, selten eecoren, nndl. eekhoren, -hoorn; ahd. eichurno, eichhurno, eicherno ! swm. ierst 11. Jh.), mhd. eichorn stm., eichnrne swm., nhd. eichhorn, eichhörnchen n.; anord. ikorni swm., norw. dial. ikorne, ; ikorre, schwed. dial. ikorn, ikorre und norw. ekorn, adän. egerne, ndän. egern, schwed. j ekorre. Germ. Grdf. *aik-wernan-, *ik- I wernan- swm. § 2. Der zweite Teil des Wortes ist im Deutschen frühzeitig analogisch an horn angeglichen, und damit hat das Wort sein ursprünglich maskulines Geschlecht mit dem neutralen vertauscht. Etymologisch wird das zweite Element von Pictet und : Much wohl mit Recht zu dem alten i d g. j N a m e n des Eichhörnchens gestellt: lit. vaivere, vaTveris (aus *voi-ver-) neben lit. ; voverl, lett. vävere (aus *vö-ver-), apreuß. vevare (aus *ve-vor- oder *ve-ver-); aslaw. *vevera, aslow. nslow. vcverica (aus *vai- j zier-), czech. vever, veverka (aus *ve-ver-), bulg. ververica; ngriech. ßcf/ßspitj«; npers. varvarah (gleich der bulg. und ngriech. Form

P i c t e t K Z . 6, 188 f. (1857) und Origines 1, 448 f. (1859). M i k l o s i c h EWb. 389 (18S6). R. M u c h Z f d A . 42, 166 (1898). Ihnen folgen F a 1 k - T o r p sv. ekorn ; H i r t Indogcrm. 6 2 1 ; W a l d e EWb. sv. viverra. Weiteres bei W. M e y e r K Z . 28, 169(1885). Z u b a t y AfslPh. 16, 418 f. (1894), mit ausführlicher Erörterung der balt.-slaw. Formen. — Andre Deutung b. K l u g e EWb. Wieder anders S c h r ä d e r BB. 15, 134 (1889) und Keallex. ; ihm schließt sich J o r d a n Ae. Sliugetiern. So an. — V g l . noch F a h n d e r Ahd. Ticrnavien 66. Johannes Hoops.

Eid. A. S ü d e n . §1. Der Eid ist außer dem Gottesurteil das einzige Beweismittel des altgermanischen Beweisverfahrens und ebenso wie jenes ein streng formales Beweismittel. Er wurde entweder von der Partei geschworen (Parteieid) und zwar bald allein von ihr (Eineid), bald unter Zuziehung von Helfern (Eideshelfereid) oder aber von Zeugen (Zeugeneid). Wann das eine oder das andere erforderlich war, darüber s. unter 'Eideshelfer' und 'Zeugen'. § 2. Jeder Eid war eine „bedingte Selbstverfluchung" (Brunner): der Schwörende setzte sein Heil oder ein bestimmtes Gut für die Wahrheit des eigenen Wortes ein und sicherte diesem damit unbedingte Glaubwürdigkeit, da jeder die Überzeugung hatte, daß es um das Leben oder das eingesetzte Gut des Schwörenden getan sein würde, wenn der Eid falsch sein sollte. Diese in dem Eide liegende Haftbarmachung scheint in dem gemeingermanischen Wort Eid (got. aißs, ahd ..eid, as. éth, ags. äd~ = ligamen) auch sprachlich zum Ausdruck zu kommen.

EID Die Ableistung des Eides, der Eidgang [percurrere sacramenta) war eine rechtsförmliche Handlung. Der Eid wurde mit formelhaften Worten (cum verborum contemplatione) geschworen. Ursprünglich waren es mystische Zauberworte, die halb singend hergesagt wurden (dies die Grundbedeutung von got. svaran, ahd. swarjan, as. ags. swerian). Man konnte bei den Göttern schwören, indem man sie anrief, daß sie bei Meineid das eingesetzte Gut, besonders das Leben des Schwörenden vernichten sollten. Heidnische Eidformen, durch die die Gottheit beschworen wurde, waren der Eid auf den Eidring des Priesters und der Eid auf ein Opfertier; in christlicher Zeit trat dafür ein der Eid auf den Altar, die Reliquien, das Evangelienbuch, das Kreuz. Sollte ein anderer Gegenstand beschworen werden, auf daß er dem falsch Schwörenden Verderben bringen oder selbst Verderben leiden möge, so wurde er v o m Schwörenden emporgehoben oder hingehalten und ang e f a ß t : so Waffen (Waffeneid; bezeugt bei Quaden, Franken, Sachsen, Angelsachsen), Rosse, Viehstücke (womit entweder die Tiere oder überhaupt das Vermögen eingesetzt wurde); aber auch eigene Körperteile konnten angefaßt und damit zu P f a n d gesetzt werden (Schwur bei Bart, Haar, Hand, Brust, Zopf). Der friesische Vieheid (fiaeth) bestand darin, daß der Schwörende sein Gewand berührte und damit sein Vermögen verfluchte. Die Berührung stellte die übernatürliche Bindung des Eidwortes her. In heidnischer Zeit wurde der bei den Göttern geleistete Eid, da er K u l t h a n d l u n g war, an der K u l t s t ä t t e geschworen; verbreitet war der Brauch, die Eidesleistung in einem geritzten oder in einem eingehasclten Kreise vorzunehmen, ein Brauch, der in einer umstrittenen Stelle des ribuarischen Volksrechts (1. Rib. 67, 5: in circlo et in hasla, hoc est in ramo) gemeint zu sein scheint. Der Eid wird erst im späteren Recht dem Richter, ursprünglich der Gegenpartei geleistet; diese nimmt ihn ab, empfängt ihn, und zwar in der Weise, daß sie die Eidesformel dem Schwörenden in einzelnen A b s ä t z e n vorspricht. Dabei scheint es schon in alter Zeit üblich gewesen zu sein, daß der Eidempfänger dem Schwörenden einen Stab hinhielt, der von

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! diesem mit der H a n d berührt wurde (daher [ „ E i d staben"), wie denn im späteren M A . | der Eid auf den v o m Richter hingehaltenen Stab verbreitet war. Allerdings wird der Ausdruck „ E i d s t a b " , „einen Eid s t a b e n " auch da gebraucht, wo der Schwörende andere Gegenstände, z. B. ein Reliquiar, berührte; vielleicht bedeutet „ s t a b e n " ursprünglich lediglich „steif m a c h e n " , „steif vorsprechen". Nach gesprochenem Eideswort durfte der Schwörende seine Haltung : nicht eher verändern, die Schwurhand nicht früher senken, bevor es der Gegner gestattete. Man meinte wohl, daß in dieser ; Pause der Meineid sich sofort rächen würde. Brunner der 164 fränk.

DRG.S ff.

DRG. 87 f.

Ferner

Eidgangs.

i 2 , 257 ff. 2, 427 ff. S c h r ö 3 7 4 f.

Z.

Abh.

d.

P h i l o s . u. h i s t . K I . 2 5 , i ,

Der Stab in d. Bayr.

Ak.

i

:

d.

d.

germ. Wiss.,

1909, 92 ff. R.

. . ,

Recht1

Gesch.

F e s t s c h r . f, K . v . A m i r a , B e r l i n

190S, 7 9 — I O I . v . A m i r a Rechtssymbolik.

v. A m i r a

G o l d m a n n

Hübner.

B. N o r d e n. § 3. Eid (eifrr), feierliche Beteuerung entweder mit A n r u f u n g der Götter (Gottes in christl. Zeit) als Gewähr leister für die Wahrheit oder Ernsthaftigkeit einer Erklärung — so in den Rechtsquellen — oder mit Sclbstverwünschung zu einem bestimmten Nachteil (Einsatz) für den Fall des Meineides unter Berührung des Gegenstandes, der als Einsatz diente (Helgakvi3a Hundingsb. II 31—33). Der Eid war im Norden entweder ein bekräftigender (assertorischer) oder gelobender (promissorischer), entweder außerprozessualer oder prozessualei, letzterer entweder Parteieid oder Zeugeneid, der Parteieid entweder Alleineid ( e i n e i f i , einseidr) oder Eid mit Eideshelfern. Der Parteieid w a r regelmäßig Reinigungseid (dulaeitfr, dulsepev), also dem Tenor nach negativ g e f a ß t (.synia). Positive Parteieide kommen nur selten vor, z. B. der assvaru ep des Schonenrechts, eine A r t Kalumnieneid des Klägers, der bei v o m Beklagten zu erbringendem Gottesurteil und später bei Geschworenensachen gefordert wurde, ebenso die isländischen Gefährdeeide. § 4. Der Eid wurde in heidnischer Zeit auf silberne Ringe geleistet, die im heidnischen Tempel auf dem A l t a r lagen, oder die der Gode (Priester) am A r m trug — 34*

524

EIDBRUDER

I l 2 6 6 . i 5 i f f . M a t z e n Forel. II 56. v . A m i oder auf die W a f f e n , in der christlichen r a Recht 214 ff. G r u n d t v i g , Om de gotiske Z e i t auf das K r e u z (at krossi) oder die Folks Väbened 1871. F i n s e n Ordreg. zur B i b e l (bökareifrr) oder ein sonstiges heiliges Grägas sv. eiir. B r u n n e r DRG? I 257 ff. Buch. E r w u r d e in heidnischer Zeit im K. Lehmann. T e m p e l oder auf d e m T h i n g , in christlicher Z e i t r e g e l m ä ß i g in der K i r c h e oder auf d e m Eidbruder. § i S ü d e n . Nach denwestT h i n g geschworen. D o c h finden sich a u c h j germanischen R e c h t e n m u ß t e n die EidesEidesableistungen d a h e i m oder auf d e m helfer ursprünglich aus der V e r w a n d t s c h a f t G r u n d s t ü c k e (bei Grundstücksprozessen), des S c h w ö r e n d e n e n t n o m m e n werden. Die auf d e m Schiff (bei Schiffsleuten als S c h w ö zwischen n i c h t v e r w a n d t e n Männern einrenden) usw. F ü r die prozessuale Eidesgegangene B l u t s b r ü d e r s c h a f t ist f ü r die a b l e i s t u n g ist n a c h m a n c h e n R e c h t e n bei W e s t g e r m a n e n nicht b e z e u g t . Doch mag G e l o b u n g des E i d e s ( f e s t a eid) Sicherheit zu ' sie a u c h ihnen b e k a n n t g e w e s e n sein, da stellen [eßataki, ei/atak). Mißlingen oder ! einige spätere Institute a m b e s t e n als A b A u s b l e i b e n des Eides hieß im Prozeß E i d leger v o n ihr e r k l ä r t w e r d e n können. So fall (etffalt). die langobardische A n b r ü d e r u n g ( a f f r a tatio), die u. a. den Z w e c k h a t t e , sich in § 5. Die E i d e s f o r m e l (eid'stafr, den A n g e b r ü d e r t e n (confdbulati, gamahalos) eßsorf, munhaf, skilorä) enthielt in heidniEideshelfer zu sichern. A u c h die angelscher Z e i t eine A n r u f u n g der Götter ( h j a l p i sächsischen W e t t b r ü d e r iwedbröd'or) gehören mer sva Freyr ok Njörfrr ok hinn almattki vielleicht hierher; sie gelten als eine W u r z e l j4s), in christlicher Z e i t des Gottes (skytr ek til gud~s) oder zugleich der Mutter G o t t e s der späteren Gilde, deren Glieder allerdings eidlich untereinander v e r b u n d e n und vieloder v o n Heiligen mit der W e n d u n g : „ S o f a c h a u c h zu Eideshülfe v e r p f l i c h t e t waren, sei mir G o t t hold, w e n n ich w a h r rede, die aber doch immer eine größere Zahl von gram, w e n n ich l ü g e " oder: ,,so helfe mir Genossen u m f a ß t e , w ä h r e n d die Eidbrüder Gott". Soweit nicht die G o t t h e i t angenur zwei w a r e n . Eigentliche Eidbrüder rufen wurde, sondern nur S e l b s t v e r w ü n sind in E n g l a n d v i e l l e i c h t unter nordischem s c h u n g f ü r den F a l l des Meineids ausgesprochen wurde, w u r d e die Sache (Waffe, i E i n f l u ß seit dem 11. Jh. nachweisbar (LieP f e r d usw.) b e r ü h r t und der v o n ihr bei ; bermann). B r u n n e r DRG. i 1 , 132; 2, 382. Meineid drohende N a c h t e i l ausgesprochen, j R. Hübner. V Q l u n d a r k v i Ö a 33, v g l . mit H e l g a k v . | Hundingsb. II 31—33). D e r E i d w u r d e „ g e s t a b t " , d. h. w o h l ursprünglich unter H a l t e n eines H o l z s t a b e s d e m Schwurpflichtigen v o m Gegner oder der Obrigkeit oder d e m Eidbürgen v o r gesagt, w ä h r e n d später der S t a b fortfällt. D a s A b l e i s t e n des Eides heißt fcera oder vinna eif oder spjalla eid (eidspjall), das E n t g e g e n n e h m e n des E i d e s taka, heyra, sea eid~. § 6. E i d b r u c h ist eigentlich B r u c h eines eidlichen Versprechens (eifrrof, eitabrigfi). Der Eidbrecher, auch wohl als Meineidiger (meinsvari, so wohl Vgluspa) bezeichnet, galt als den G ö t t e r n v e r h a ß t e r N i d i n g [goiagremi), der strenger Friedlosigkeit verfiel. U n t e r E i d b r u c h fiel aber a u c h S c h w u r eines falschen Eides (rangr eiär), doch w u r d e dieser Meineid im eigentj lichen Sinne milder b e s t r a f t . M a u r e r Vorl. I 25. 236. B r a n d t Forel. I

Norden. E. (eidbrötvA oder § 2. S c h w u r b r u d e r (svarabröfrir) hieß der k r a f t V e r t r a g e s in die R e c h t e und Pflichten eines Blutsbruders Eingetretene. Der Vertrag w u r d e in altheidnischer Z e i t durch einen F o r m a l a k t geschlossen. D i e B l u t s b r ü d e r ritzten sich die A r m e auf und ließen das B l u t in eine G r u b e tröpfeln, w o b e i sie sich gegenseitig eidlich R a c h e p f l i c h t bei T ö t u n g gelobten. In einigen Quellen w a r d a m i t ein ganga undir -jarifamen (vgl. Gottesurteil), d. h. ein D u r c h s c h r e i t e n eines aus drei R a s e n s t r e i f e n gebildeten Tores, welches durch S p i e ß e g e s t ü t z t w a r , v e r b u n d e n , eine Zeremonie, deren D e u t u n g schwer ist. A n Stelle der R a c h e p f l i c h t t r a t später Anteil a m W e r g e i d u n d P f l i c h t zur E r h e b u n g der K l a g e . D e r E . genießt ein gewisses E r b r e c h t , m i t u n t e r findet sich a u c h Gütergemeinschaft. A u s der Eidbruder s c h a f t scheint der E r b v e r t r a g hervorge-

EIDERSUEBEN—EIDESHELFER gangen zu sein, die Gilde wird von Manchen auf sie zurückgeführt. Vgl. Blutsbrüderschaft, Gilde.

525

Eid oder Ordalbeweis konnte (Liebermann). B r u n n e r DRG.

nicht

2, 390.

erbringen R . Hübner.

§ 2. N o r d e n . Eidesfähig waren grundsätzlich nur freie, volljährige Männer {Jrialser menn oc fulltifra, er hyggia fyri orte ok eiti], nur wer nicht friedlos oder in der K . Lehmann. Eidersueben. Wids. 44 werden mit An- j Kirche Bann war Ijrcels oc jripviter). Vgl. Westgötalag. II Addit. 2 § I: Igh ma geln, Engle, zusammen Sueben, Swcefe, genannt, deren beider Grenze gegen die \ prel. oghormaghi. aller frißlös man innan laghumstanda. Stander nokor perrce i eßum. Myrgingas König Offa an der unteren Eider vari af lagha eper. Auch nicht fest an(bi Fifeldore) festlegt. Man hat auf diese sässige Ausländer waren ausgeschlossen. Swäfe wohl mit Recht einen Ort SchwabDoch wurden für einzelne Fälle Ausnahmen stedt nördlich der Eidermündung bezogen. gemacht, z. B. für Frauen mit Bezug auf Sie sind entweder ein zurückgebliebener Geburten, Ehebrüche, Notzuchtsfälle, Volksrest, der darauf hinweist, daß das Stammvolk der Sueben, die Semnonen, in ' Hexerei u. a. m., Ausnahmen, die bald das Zeugnis, bald die Eideshilfe oder den jene Sitze, von denen aus es sich in mehrere Parteieid betrafen. Völkerschaften spaltete, aus höherem Norden gekommen ist, oder aber sind sie vom 1 Die Rechtlosigkeit (s. d.) zog Verlust oder Süden her einmal in eine — vielleicht nach Minderung der Eidesfähigkeit nach sich. der kimbrischen Wanderung — entstanM a u r e r Vorl. 1427. 405. B r a n d t Forel. II 238 f. M a t z e n Forel. II 51. Norddene Lücke eingetreten. M. P a p p e n h e i m Die altdän. Schutsgilden S. 18 ff. M a u r e r Vorl. I I I S. 195 ff. M . P a p p e n h e i m SZ. f. R G . 29, 304.

Möllenhoff

DA.

4, 127 f.

R . Much.

Eidesfähig. § i. S ü d e n . Nach den ' westgermanischen Volksrechten bestanden ! keine besonderen Termine der Eidesfähigkeit; eidesfähig war vielmehr jeder handlungsfähige Rechtsgenosse (also, wo Geschlechtsvormundschaft bestand, die Frau nicht). Schlechtweg fehlte das Recht des Eides den Knechten, falls ihnen nicht durch königliches Privileg das Schwurrecht verliehen worden war, ferner den Stammesfremden, den zum Tode verurteilten sowie meineidigen Personen. Schon im späteren fränkischen Recht beginnt die Entwicklung des malichen Instituts der sog. ,,Rechtoder Ehrlosigkeit", die alle diejenigen er- < griff, die entweder zu einer entehrenden j Strafe verurteilt worden waren, oder die eine T a t begangen hatten, ' in der eine gemeine Gesinnung zutage trat: sie waren, da sie durch ihr schimpfliches Verhalten j ihren Glauben eingebüßt hatten, eides- I unfähig. Nach angelsächsischem Recht folgte zwar nicht Eidesunfähigkeit aus der Bescholtenheit, aber dem Bescholtenen war der Eid erschwert. Dort war eidesunfähig auch derjenige, der im Gericht Meineid, falsche Eideshilfe oder Zeugenschaft geleistet hatte oder einen ihm zuerkannten

ström

II 730.

K . Lehmann.

Eideshelfer. A. S ü d e n . § i. W e s e n der Eideshilfe. Nur in Ausnahmefällen wurde der von der Partei auferlegte Eid als E i n e i d geschworen. Auch ist er nur einigen, nicht allen westgermanischen Stämmen bekannt (Langobarden und Baiern, Sachsen und Friesen; bei den Angelsachsen wird der Klageeid öfter, nur ausnahmsweise der Verteidigungseid als Eineid geschworen). Die Regel ist der E i d m i t H e l f e r n , d. h. ein von der Partei (dem Hauptschwörer, Hauptmann) abgelegter, durch die Eideshilfe (ags. ätfultum) der Helfer unterstützter Eid. Die Eideshelfer (ahd. gieido, mhd. geeide, langob. aido, ags. ¿Swda, äiwdaman, fränkisch *hamedja; coniurator, consacramentalis) oder „ G e f ä h r t e n " (ags. gefera, fries. folgere) leisten ihre Unterstützung in der Weise, daß sie schwören, der Haupteid sei wahr, ,,rein und unmein", der Hauptmann habe recht geschworen. Sie bekräftigen damit also lediglich die Glaubwürdigkeit der Partei, auf die von dieser beschworene Tatsache oder Behauptung bezieht sich dagegen der Eidhelfereid unmittelbar gar nicht. Deshalb kommt es für die Auswahl der Eidhelfer auch lediglich darauf an, daß solche Personen genommen werden, die

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EIDESHELFER

über die Vertrauenswürdigkeit des Hauptschwörers ein Urteil haben können. Ob sie daraufhin die beanspruchte Eideshilfe leisten wollen, „ h a b e n sie mit ihrem eigenen Gewissen und ihrer eigenen Logik abzum a c h e n " (Brunner). §2. A u s w a h l d e r E i d e s h e l f e r . Die Eideshelfer wurden ursprünglich aus der V e r w a n d t s c h a f t des Schwörenden ausgewählt; der Eid mit Helfern war von Haus aus Geschlechtseid, der die nächsten Angehörigen des Hauptschwörers in die Folgen des Meineids verstrickte. Im ältesten R e c h t werden wohl nur die Männer der Sippe (die agnatischen Sippegenossen) zur Eideshilfe herangezogen worden sein, später erstreckte sich die Pflicht der Eideshilfe auch auf die übrigen Blutsverwandten. In der fränkischen Zeit hielten die meisten Rechte an dem Erfordernis der Verwandtschaft nur für gewisse Fälle fest. Das fränkische R e c h t verlangte bei Freiheitsprozessen die Zuziehung bestimmter Verw a n d t e r v o n V a t e r - und Mutterseite. Sonst konnten auch andere Personen in Anspruch genommen werden. Die Auswahl hatte entweder der Beweisführer selbst oder der Beweisempfänger zu treffen; letzterer blieb aber an die Verwandten des Schwörenden gebunden. Der Eid mit v o m Gegner ernannten Eidhelfern galt als schwerer wie der mit selbstgewählten Helfern. In manchen Rechten (z. B. bei den Angelsachsen) wurden gekünstelte Methoden einer Verb i n d u n g von Ernennung und Wahl ausgebildet. V g l . auch Eidbruder. § 3 . Z a h l d e r E i d e s h e l f e r . Die erforderliche Zahl der Eideshelfer war in den einzelnen Fällen verschieden. Den normalen T y p u s des Eideshelfereides bildete der Zwölfereid (Volleid), der vervielfältigt und geteilt werden konnte. Dabei wurde der Volleid bald als ein mit zwölf, bald als ein mit elf Helfern geleisteter Eid gerechnet. Unter allen Volksrechten berechneten einzig die angelsächsischen W e r t und Schwere des Eides nach Hufen, was aber für den Eid überhaupt, nicht speziell für den Eideshelfereid galt. Die Größe des Eideshelfereides richtete sich nach der Bedeutung der Streitsache, nach der Beweislage, nach dem Stande der Parteien. Es gab förmliche Eideshelfertarife. Die Eides-

helfer mußten (abgesehen von der e t w a erforderlichen Blutsverwandtschaft) be• stimmte Vorbedingungen erfüllen wie Eidesfähigkeit, Glaubwürdigkeit, Freiheit, auch wohl Stammesgenossenschaft, Standesgleichheit, Nachbarschaft. §4. F o r m des E i d e s h e l f e r e i d e s . Der Eideshelfereid wird in der A r t abgeleistet, daß zuerst der H a u p t m a n n schwört und darauf die Helfer, die zu beiden Seiten von ihm oder hinter ihm stehen und ihm und sich untereinander die Hände reichen (fränk. hantrada, ahd. hantreichida) oder ihn anfassen. Sie schwören nach älterem R e c h t mit gesamtem Munde, später jeder für sich. Der H a u p t m a n n mußte die erforderlichen Eideshelfer in den Termin mitbringen, sie zum Eide leiten (ahd. leitjan, as. ledjan, fries. leda; daher der Eid mit Helfern bei den Friesen lade, lede, bei den Angelsachsen lad genannt). Der Eideshelfcreid konnte überschworen werden, gescholten werden konnte er nur, bevor die Eideshelfer geschworen hatten. B r u n n e r DRG. 1^,259 ff. 2, 378 ff. S c h r ö d e r DRG.S 85. 374 f. v. A m i r a Recht * 167. C o s a c k Die Eidheljcy des Beklagten, Weimar 1885. F. L i e b e r m a n n Die Eideshufen bei den Angelsachsen. Festg. f. Zcumer, Weimar 1910, x ff. T h a y e r Older Modes 0/ Trial. Seilet Essays in Anglo-Amer. Legal Hist. 2, Boston 1908, 383 ff. R. Hübner.

B. N o r d e n . §5. Eideshelfer (sannadarmenn, vättar, purgatores), Personen, welche andere Eide, zumal Parteieide, vornehmlich den Reinigungseid, als reine und rechte bekräftigen, treten im Norden überall auf. N a c h dem seeländischen Rechtsbuche Erichs III/zi schworen die Eideshelfer: ,,Gott helfe ihnen so, wie der schwor rechten Eid und darin keine Falsch war (ey men t)", ebenso nach dem Schonenrecht. N a c h dem Ostgötalag wird der Haupteid als „wahrer und gesetzlicher" beschworen. Für Island ordnete Magnus Lagaboster an, daß die Partei „schwöre vollen Eid für sich", aber die anderen dessen ; Eid bekräftigen mit der Formel, „ d a ß sie ! nichts Wahreres vor Gott wissen, als jene schworen" (Hákonarbók 49). Darum heißt ; in Schweden der zu bekräftigende Eid „ V o r e i d " , welcher übrigens auch ein Zeugeneid sein konnte (unten § 9). Freilich

EIDESSCHELTE—EIGENKIRCHE ist zuzugeben, daß die älteren westnordi- I sehen Quellen jene scharfe Zuspitzung des Tenors im Eidhelfereid (als Kredulitätseid) nicht aufweisen. Zumal in Island, wo sanna9armenn erwähnt werden, bekräftigen sie direkt die Tatsache, (z. B. at su er frtzndsemis tala rett oc sgnn), aber da Zeugen (•vättar) und Eideshilfe einerseits, Jury (kvid'r) und Eideshilfe andererseits dort scharf unterschieden werden, so hat wohl von jeher die : Eideshilfe nur die Bedeutung gehabt,, die Zuverlässigkeit des Haupteides zu beteuern. § 6. Die Eideshilfe ist im Norden älter als die Jury. In Dänemark wird sie mitunter als „volksrechtliches" Beweismittel (lagh) der Jury als amtsrechtlichem Beweismittel gegenübergestellt, und in Norwegen heißt der Parteieid mit zwei Eideshelfern lyrittareidr, d. h. Volksrechtseid. § 7. Die Eideshelfer waren ursprünglich von der Partei selbst erwählt, vermutlich aus ihrer Sippe. (Vgl. Eidbruder.) A b e r im Laufe der Zeit bekommt der Gegner Einfluß auf die Ernennung (nefndarvilni, in Jütland kyns näjnd), oder die Obrigkeit ernennt sie. Auch wird darauf gehalten, daß nur ein Teil aus der Verwandtschaft genommen wird, oder daß die Eideshelfer bestimmte Eigenschaften besitzen (zB. in Grundstückssachen Grundbesitzer oder daß sie Nachbarn sind). § 8. Die Z a h l der Eideshelfer wechselt, nach Art der Rechtssache. In Norwegen steigt sie in der Skala 1, 2, 5, 11 wobei die Grundzahl zwei gewesen zu sein scheint (lyrittareid'r). Anderswo ist sie noch höher (in Schweden und Dänemark 1 bis 36, ja sogar bis 9 x 12). ' § 9. Die Eideshelfer schworen n a c h der Partei, stehend (standa i epe), mit ge- \ samtem Munde, einstimmig. Versagen auch nur Eines machte eidfällig. In Schweden findet sich eine Mischung von : Zeugen- und Eidhelferbeweis derart, daß der Zeugeneid als Voreid von den Eides heifern bekräftigt wird (daher „ m i t 2 Zeugen und 12 Eideshelfern; „ m i t 14", „ m i t 16" bedeutet darnach 2 oder 4 Zeugen und 12 Eideshelfer). Mitunter wird gruppen- : weise vorgegangen derart, daß immer eine be- j stimmte Abteilung [eid'aliff, eiianeyti, epviti) den Eid „des Hauptmannes" bekräftigt. I

M a u r e r in Krit. Überschau V . . . . ; Vöries. 2 S. 231 ff. B r a n d t Forel. II 252 ff.

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Hertzberg Grundtr. 238 ff. M a t z e n Forel. II 50 ff. N o r d s t r ö m II 729 ff. v . A m i r a Recht 215. K . Lehmann.

Eidesschelte. Durch die Eidesschelte wurde nach südgermanischen Quellen der Beweisführer von seinem Prozeßgegner an der Ableistung des Eides gehindert. Sie war eine rechtsförmliche Handlung. Nach fränkischem Recht hatte der Scheltende sein Schwert vor die Tür der Kirche zu legen, in der der Eid geleistet werden sollte, oder er zog dem Gegner die Hand von dem Gegenstande fort, auf den er den Eid schwören wollte. Nach den Illustrationen zum Sachsenspiegel bestand der Scheltegestus darin, daß der Gegner des Schwörenden diesen am Arme packte, um ihn am Schwören zu verhindern. Die Eidesschelte war nur bis zu einem bestimmten Augenblick gestattet (s. Eideshelfer). Die Eidesschcltc wurde wie die Urteilsschelte spätcr durch Gottesurteil (Zweikampf) entschieden. Der Norden kennt eine Eidesschelte nicht, nur eine Urteilsschelte. B r u n n e r DRG. 2, 434 f. v. A m i r a Die Handgebärden in den Bilderhandschr. d. Sachsenspiegels. Abhandl. d. Bayer. Akad. I. K l . 23, 2, 249 f. (1905). R . Hübner.

Eidsifaßlngsbök (f.) ist die Aufzeichnung der im Bezirke des Eiffsifaßing, den Hochlanden im Innern nördlich von Vikin, geltenden, durch die Iggsaga überlieferten Rechtssätze (Eitfsifaßingsltg n. pl.). Von ihrem weltlichen Teil ist uns nur ein kleines strafrechtliches Fragment aus dem 12. Jh. erhalten. Dagegen ist uns das Christenrecht in zwei Redaktionen überliefert, von denen die ältere und umfangreichere bald nach 1152 entstanden sein muß, aber auf eine ältere, vor dem Zehntgesetz König Sigurds ( i m — 1 1 3 0 ) liegende, vielleicht unter Olaf K y r r e (1066—1093) fallende Redaktion zurückgeht. Von der von M a g n u s L a g a b oe t e r (s. d.) 1268 vorgenommenen offiziellen Revision der E. ist nichts erhalten. Ausg. v . K e y s e i u. M ü n c h (1846 in Norges gamle L o v e I); eine Ergänzung bietet S t o r m 1885 ebd. IV S. 673 f. — S. N o r d i s c h e R e c h t s d e n k m ä l e r (dort die Lit.). S. Rietsche .

Eigenkirche. § I. Die Einrichtung der „Eigenkirche" knüpft an an die, nicht so-

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EIGENKIRCHE

wohl germanischem Individualismus als vielmehr Herrschaftsgedanken entspringenden, germanisch-heidnischen Haustempel. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, daß für manche Stämme, insbes. auf dem Kontinent, der Eigentempel nicht u n mittelbar zu beweisen ist und daher bei dem einen oder anderen Stamm die Eigenkirche ohne Anschluß an denEigentempel unter nachbarlichem Einfluß entstanden sein könnte — eine sehr entfernte Möglichkeit, die den W e g v o m Eigentempel zur Eigenkirche variierte, aber im großen Zug der E n t w i c k l u n g bestehen ließe. Wie im Heidentum jeder Hausvater in einem ihm gehörenden, auf seinemGrund und Boden stehenden Tempel den Göttern opfern konnte, wenn auch nicht jeder einen solchen Tempel hatte, so beginnen nach der Einführung des Christentums in arianischer und katholischer Form im Widerstreit mit den römisch-kirchlichen Anschauungen (s. Kirchengut) allenthalben im germanischen Gebiet bei den mit oder ohne arianisches Zwischenstadium zum Christentum übergetretenen Stämmen die größeren Grundbesitzer auf ihrem Besitz Kirchen zunächst für sich und die ihnen zugehörigen Leute zu errichten, oder sie erwerben auch (Klöster insbesondere durch Schenkung) Grund mit schon darauf stehenden Kirchen, denen die Wissenschaft den Namen ,, Eigenkirchen" (Eigenkloster als Zubehör der Eigenkirche) beigelegt hat. Die E. ist so in allen ihren Erscheinungsformen Ergebnis einer typisch germanischen Grundidee, der Kernpunkt germanistischer Ideen im Kirchenrecht und der Mittelpunkt einer Fülle von Rechtssätzen, eines bei landschaftlichen Verschiedenheiten in denGrundzügen doch gleichen Eigenkirchenrechts. Sie ist daher bei Arianern (Sveben, Westgoten, Burgundern, Langobarden) wie Athanasianern gleich möglich und tatsächlich gleich vorhanden, allerdingsbei manchen Stämmen unterdrückt und wegen der zeitlichen Priorität der Berührung der Germanen mit dem Arianismus scheinbar, aber auch nur scheinbar, arianischen Ursprungs. Dabei ist wiederum zuzugeben, daß die Ausbildung der Eigefikirche im Arianismus eine Stütze für ihre Ausbildung bei den zum römischen Katholizismus übergetretenen Germanen war. Die E n t -

wicklung wäre vielleicht andere W e g e gegangen, wenn der Arianismus den germanischen Eigentempelgedanken vernichtet hätte. Nur darf bei der Frage der Bedeutung des Arianismus für das Kirchenrecht des Mittelalters nicht übersehen werden, daß Eigenkirche und Eigen! kirchenrecht insoferne verschieden sind, als dieses sich ändern kann, während jene J bestehenbleibt, daß überhaupt das „ E i g e n kirchenrecht konfessionell indifferent" ist. 1 Als Kirchen jeden Ranges, Kathedralkirchen, Pfarrkirchen (plebs), Kapellen [capella), Bethäuser (oratorium), auch Klosterkirchen überwiegen sie namentlich seit den Säkularisationen K a r l Martells und Pippins und deren Weiterverleihungcn an Zahl im fränkischen Reich die bischöflichen, dem Gottesdienst geweihten Gebäude.

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§ 2. Altargrund und A l t a r stehen mit allem Inventar (Gebäude, Gewänder, Geräte, Glocken) und anderem zugehörigen beweglichen und unbeweglichen Vermögen im Eigentum geistlicher und weltlicher Grundbesitzer, vor allem des Königs, aber auch ein zelner Bischöfe und Klöster sowie politischer Genossenschaften, die sämtlich in der Eigenkirche, dem Eigenkloster usf. weniger ein kirchliches Institut als ein reicher A u s beute fähiges V e r m ö g e n s o b j e k t sehen. Die E. warf nämlich verschiedene, nicht unbeträchtliche Erträgnisse a b ; von diesen sind neben dem Zehnt (s. Kirchenzehnt) insbesondere zu erwähnen die durch den Pfarrzwang (Pfarrecht) gesicherten Stolgebühren (s. d.), die Spolien und die Regaliennutzung, der Ertrag der erledigten Kirche während der V a k a n z . Der Geistliche der E. wurde, soweit der Eigentümer nicht Geistlicher war, von diesem angestellt und entlohnt, war jederzeit auch absetzbar; d a b e i w a r der Bischof rechtlich auf die Einweisung des Geistlichen beschränkt, wurde aber t a t sächlich oft überhaupt nicht, zugezogen; das Aufsichtsrecht über den angestellten Geistlichen aber stand ihm rechtlich auch in diesem Falle zu. Freie wie Unfreie wurden angestellt. D a s sich tatsächlich ergebende geringe Abhängigkeitsverhältnis der Eigenkirche und des Eigengeistlichen v o m Bischof gegenüber starker Abhängigkeit v o m Grundherrn, die dadurch verursachte Störung der Episkopatverfassung und Zu-

EIGENKIRCHE r ü c k d r ä n g u n g der bischöflichen Gewalt, die infolge geringer Entlohnung schlechte wirtschaftliche und infolgedessen auch soziale Stellung dieser Geistlichen führte schon unter K a r l m a n n und Pippin zu Reformversuehen, die dann in der Eigenkirchengesetzgebung K a r l s des Großen und L u d w i g des Frommen Wirklichkeit wurden. Hier wurde aber der Bestand der E. keineswegs aufgehoben, sondern im Gegenteil gesichert durch das Gebot ausreichender Dotierung bei ihrer Gründung und das Verbot der T e i l u n g sowie jeder die Fortdauer des Gottesdienstes störenden Veräußerung, beides unter Aufsicht des Bischofs; verboten wurde die Anstellung Unfreier und die A b s e t z u n g des Geistlichen. Dagegen blieb aber doch die Möglichkeit der Veräußerung wie der Vererbung, vielfach auch die freie Ernennung des Geistlichen durch den Eigenherrn bestehen; durch diese verschiedenen Vorschriften suchte man den vielen schweren Mißständen zu steuern und eine Versöhnung des Eigenkirchenwesens mit der Episkopalverfassung herbeizuführen. In Italien wurde die Eigenkirche durch eine Synode von 826 unter dem Vorsitz des Papstes gutgeheißen und endlich macht sich sogar trotz heftiger Gegenströmungen der Episkopat selbst die Eigenkirchenidee zunutze, womit seit dem 9. Jh. die bischöfliche E. auftritt. Nicht minder aber wird in der Karolingerzeit auch den königlichen Rechten gegenüber Bistum und Bischof (Ernennungsrecht) der Gedanke der E. zugrunde gelegt und sogar die höchste Kirche (wie auch die nicht schon als Eigenkloster entstandene Abtei) in den Kreis dieses Systems gezogen. Die bischöfliche Kirche wurde zu königlicher Eigenkirche und in der Form der Investitur als Leihe dem Bischof übergeben. Ein Vorgang, den seine relative Seltenheit so wenig aus der W e l t schafft, wie seine Zurückdrängung und Unterdrückung im Investiturstreit. Für die A n stellung des Geistlichen wurde die Einholung der gegenüber einer geeigneten Person nicht zu versagenden bischöflichen Erlaubnis vorgeschrieben, die Unterordnung auch dieser Geistlichen unter den Bischof festgelegt, die Beschäftigung des Geistlichen in weltlichen Geschäften verboten.

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1 Endlich trat (schon im 8. Jahrhundert) | für den Priester als Entlohnung an Stelle der früheren römisch - kirchlichen Stipendien die Beleihung mit Kirche und Kirchengut, die Pfründe (beneficium). Bald nach dem Ende des 10. Jh. machte sich eine kurialische Gegenströmung gegen das Eigen kirchenwesen geltend (Verbot der Laieninvestitur 1078 durch Gregor VII.), die, hier nicht näher zu verfolgen, im Wormser j K o n k o r d a t das höhere Eigenkirchenrecht i beseitigte, bald darauf (Alexander III.) an die Stelle des niederen den P a t r o | nat setzte. §3. Die auf dem Kontinent nachweisbare E. hat in N o r w e g e n ihr Seitenstück in der htzgindiskirkja,der,,Bequemlichkeitskirche". j Diese Kirchen sind ebenfalls von Privaten auf ijirem Grund und Boden errichtet und | müssen von ihnen unterhalten werden, aber ! v o m Bischof geweiht sein. Der dort f u n I gierende heegindisprestr wurde v o m Kirchen eigentümer angestellt, unterstand aber dem hQfufrprestr und weiterhin dem Bischof. Seine ordentlichen Befugnisse u m f a ß t e n nicht die Taufe, die er nur in Notfällen zu | spenden hatte. So sicher die hosgindis! kirkja als eine E. behandelt werden muß, i so darf andererseits nicht übersehen werden, [ daß auch die sonstigen Kirchen Norwegens, allen voran die fylkiskirkja, im wesentlichen jener gleichen. Es scheint nicht ausgej schlössen, daß hier die Eigenkirchenidec, 1 auf breiterem Boden ruhend, ursprünglich alle Kirchen ergriffen hat, diese, soweit i nicht hcegindiskirkjur, Eigenkirchen des I Königs oder größerer Verbände (genossenschaftliche Eigenkirchen) waren. Gleiche Erwägungen erscheinen angebracht für D ä n e m a r k und für S c h w e d e n (für fylkiskirkia und toljtakirkia), wo sich im 1 übrigen in Gotland eine Parallele zur norwegischen Bequemlichkeitskirche findet. § 4. Lediglich private Kirchen kennt zu A n f a n g I s l a n d , wo zudem nicht jede Kirche ihren Geistlichen hatte, sondern j dieser oft mehrere Kirchen, ein ganzes ping . zu versorgen hatte, v o n wo er selbst pingapreslr hieß. Doch war der Einfluß des j Bischofs insofern nicht gering, als man sein EinWeisungsrecht zu beachten pflegte und | er durch Verweigerung der Einweisung genügende Dotierung, im übrigen auch den

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EIGENTUM

Urzeit. Wenn eine gegenteilige Meinung Fortbestand der einmal gegründeten Kirchc verlangen konnte. Gegen Ende des 12. Jhs. j immer wieder Vertreter gefunden hat, so erklärt sich das aus mehreren Gründen. begann auch noch das Streben der Bischöfe, die Kirchen aus den Händen der Laien in § 2. 1) In der germanischen Urzeit gab ihre eigenen zu bringen, das nach mehr es S o n d e r e i g e n t u m nur an b e denn hundert Jahren auf dem Vergleichsw e g l i c h e n Sachen, während der G r u n d wege zu einem teilweisen Erfolge führte. u n d B o d e n , soweit er nicht herrenlos war, im genossenschaftlichen § 5. Endlich finden wir auch den a n g e l Gesamteigentum der Völker und sächsischen ßegn als Eigentümer Sippenverbände stand. Andererseits aber einer Kirche, wie überhaupt für dieses bildeten vom Beginn der historischen Zeit Gebiet die E. nicht fehlt; auch in der an gerade die Liegenschaften die wirtAusgestaltung der Grundzüge entspricht schaftlich und sozial wichtigsten Gegensie den kontinentalen Formen. Die Lit. ist fast erschöpfend angeführt in : stände des Eigentums. So kommt es, daß den verschiedenen Arbeiten von U. S t u t z , von noch im deutschen MA. die Worte eigen denen zu vergleichen als Grundlage: Gesch. des und erbe vorzugsweise zur Bezeichnung der kirchl. Benefzialwesens I; Die Eigenkirche als im Eigentum stehenden Liegenschaften Element des mittelalterl.-germ. Kircheur.; Kirverwandt werden, die der wirtschaftlichen chenrecht 8 2 9 f r . 8 3 4 f r . 8 3 9 £ f . ; Arianismus 11. Erhaltung der Familie dienen und von einer Germanismus (Internat. Wochenschr. f. Wiss. Generation auf die andere übergehen. Daß Dez. 1 9 0 9 ) und der Artikel 'Eigenkirche, Eigenkloster" in Haucks Real-Enzyklopädie 3 diese Terminologie erst einer späteren Erg.-Bd. Dazu hervorzuheben S t u t z Karls Entwicklung angehört, erhellt jedoch deutd. Gr. divisio von Bistum u. Grafschaft Char lich aus dem Bedeutungswechsel des (Festg. f. Zeumer); Das Eigenkirchcnvermögcn . Wortes Erbe, das ursprünglich gerade die etc. (Festschr. f. O. Gierke 1 1 7 8 f r . ) ; Gratian bewegliche Habe, insbesondere den Viehund die Eigenkirchen (ZfRG. kan. Abt. I, stand bezeichnet (got. arbi, aschw. orj, 1 fT.) ; ZRG. X X X I I I 2 1 3 f f . G a l a n t e , La anord. arfr 'Ochse', ags. orj, ierfe 'Vieh, condizione giuridica delle cosc sacre. l m b a r t d e l a T o u r T.es paroisses rurales (vgl. S t u t z Gut' ahd. arbi, erbi, wahrscheinlich wie G G A . 1 9 0 4 , 1 ff.). M a i t l a n d , Law Quarterlv air. orbe, orpe 'Erbc : mit opesavö? 'verreview L X I V 1 ff. S c h r e i b e r Kurie und Kloster waist' lat. orbus zusammenzubringen). im J2. Jahrhundert. H a u c k KG. II 3|4, bezieht sich das substantivierte : Ebenso 236 ff. M a u r e r Vorlesungen I 7 3 f. II 6 5 ff. Partizip eigen, gleich dem Verbum, von 7 5 ff. 82 ff. 9 6 f r . IV 2 1 3 fr. J e r g e n s e n Den dem es abgeleitet ist, in gleicher Weise nordiske Kirkes Grtindlceggel.se 5 1 8 ff. H o l auf Fahrnis wie auf Liegenschaften (deutb e r g Kirke og Len 21 f. T a r a n g e r Den lich erkennbar bei ags. ägen und ägan, angelsaksiskc Kirkes Lndßydelse paa den norske, 252. 2 5 5 f r . H i l d e b r a n d Sveriges Medeltid \ aber auch im nord. Sprachgebrauch; vgl. III 1 7 3 . Soff. H o l m q u i s t Medeltidens Kyrauch got. aihts, ags. ¿eht, ahd. eht = Gekohistoria 1 ff. 6 2 . P o l l o c k - M ai 11 a nd samtheit der eigenen Güter). So dürfte Historv of Law I 4 9 7 f . M a i t l a n d Township j vielleicht der Schluß zulässig sein, daß and Bormig Ii 1 7 7 . V i n o g r a d o f f Eng Iis h auch eigan ('rechtlich beherrschen') urSociety in the cleventh Century 3 7 3 f. und das sprünglich gerade die Herrschaft über die im Erscheinen begriffene, während der Kordem einzelnen individuell zustehende Fahrrektur benutzte Buch von v. S c h u b e r t Staat und Kirche in den arianischen Königreichen habe bezeichnet habe. Denn gerade diese und im Reiche Chlodwigs (Hist. Bibl. 26). ; mußte in der Urzeit besonders hervortreten, da sie die beherrschten Gegenv. Schwerin. . stände nicht nur für die Lebenszeit ihres Eigentum. § I. Es besteht heute kein ; Eigners, sondern über das Grab hinaus Zweifel mehr, daß die Germanen den Begriff ergriff. des Eigentums, dh. dervollen rechtlichcnZu§ 3. 2) Der germanische Eigentumsgehörigkeit einer Sache zu einer Person, von begriff wird stets k o n k r e t mit Beje gekannt haben, und zwar sowohl an bewegziehung auf die beherrschten Sa ch lichen Sachen wie an Liegenschaften. Seine g ü t e r gedacht. Es fehlt an einer Entwicklung fällt in die indogermanische technischen Bezeichnung, die das ab-

EIGENTUM strakte dingliche Recht im Gegensatz zu seinem Gegenstande bezeichnete. Worte wie eigenschajt im Sinne von Eigentum und dieser Ausdruck selbst gehören erst dem späteren MA. an. Dennoch ist nicht daran zu zweifeln, daß das W o r t eigen sowohl die beherrschte S a c h e als auch das R e c h t bezeichnete. Im Sachsenspiegel werden beide Bedeutungen einander bereits b e w u ß t gegenübergestellt. In gleicher Weise werden auch die Bezeichnungen für den E i g e n t ü m e r regelm ä ß i g von eigan abgeleitet (got. aigands, ags. ägend, anord. eigandi, aschwed. tvghandi, adän. eeghandee, as. ekso, mnd. exe (erfexe). Nur für aigans 'eigen', 'gehabt' steht bei Wulfila stets das Fürwort swes (otxsibc) v o m idg. Stamme st/e-, suo-. § 4. 3) Dem germanischen Eigentumsbegriff m a n g e l t im Gegensatz zu dem uns geläufigen des ausgebildeten römischen Rechts das Merkmal der A u s s c h l i e ß l i c h k e i t und Unbeschränkth c i t. Jedes Recht, das die Befugnis zur vollen Sachherrschaft gewährt, ist Eigentum, mag der Berechtigte auch hinsichtlich dieser Befugnis an die Mitwirkung anderer Berechtigter gebunden sein oder mögen auch konkurrierende Berechtigte neben ihm stehen. Es gibt nicht ein Eigentum, das stets den gleichen U m f a n g hätte, sondern der U m f a n g ist wandelbar. Es gibt mannigfach gebundenes, beschränktes, befristetes, bedingtes Eigentum neben der vollen Sachherrschaft, so jedoch, daß jedes dieser dem U m f a n g nach verschiedenen Rechte doch als A b w a n d l u n g des einheitlichen Eigentumsbegriffs erscheint. Mit anderen W o r t e n : der Gegensatz zwischen Eigentum und beschränkten dinglichen Rechten ist dem germanischen R e c h t ursprünglich unbekannt. Diese erscheinen als beschränktes Eigentum gegenüber dem Volleigen (pleno, proprietas, vri eigen). Sie sind nicht Rechte an fremder Sache wie die römischen jura in re, sondern auch sie können sich durch Wegfall der Beschränkung zu Volleigen auswachsen. Sie sind diesem wesensgleich. Diese A u f fassung dürfte dem idg. Rechtszustande noch erheblich näher stehen als die des römischen Rechts. Wenn es richtig ist,

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daßzWMfo'carebedeutet'etwasals durch handgreiflichen Eingriff dem Hause entzogen bezeichnen', so m u ß auch die römische rei vindicatio ursprünglich kein ausschließliches Eigentum vorausgesetzt haben. Ebenso kann bei den Germanen jeder der auf ungeteiltem Erbe sitzenden Brüder alle derGemeinderschaft zustehendenSachen als sein Eigentum bezeichnen, obwohl er in seinem Rechte durch die Befugnisse der andern beschränkt ist. Nur allen zusammen steht Volleigen zu (Eigentum zur gesamten Hand). Jeder Wegfall eines Gemeinders bedeutet ein Wachsen des Umfanges der Befugnisse der übrigen, und in der Hand des letzten Gemeinders wird das personenrechtlich gebundene Eigentum zum vollen Individualrecht, aber nicht erst zum Eigentum. Entsprechend behauptet bei der germanischen Fahrnisklage der Kläger, die entwendete Sache sei sein (in den Volksrechten regelmäßig rem suam esse; Westgötalagen I fjiuuae B 8 § I : iak ä ok pü iki 'ich bin Eigentümer und du nicht'), obwohl er sich nicht auf ein ausschließliches Recht an der Sache stützt, sondern nur behauptet, er habe die ihm entzogene Sachc auf Grund eines, wenn auch vielleicht sehr beschränkten, Rechtes im Besitze gehabt. § 5. 4) Dem germanischen Eigentum fehlt die nach römischer Anschauung ihm wie allen dinglichen Rechten wesentliche a b s o l u t e Wirksamkeit Dritten gegenüber. Das folgt mit Notwendigkeit aus der mangelnden Ausschließlichkeit und Unbeschränktheit. Die Tatsache, daß es sehr verschiedene, stärkere und schwächere, beschränktere und ungebundenere Formen des Eigentums gibt, bedingt eine nur r e l a t i v e Wirksamkeit dieses Rechts. So erscheint noch im MA. der Streit um Gut regelmäßig in Gestalt des Streites um das bessere Recht zur Sache. Dazu kommt, daß der germanische Rechtsgang seine Entstehung aus dem Strafprozeß nirgend verleugnet. Es gibt überhaupt keine K l a g e n aus dem R e c h t , sondern jede K l a g e ist ein Sichbeklagen um U n r e c h t . So kann es auch keine absolute Eigentumsklage geben. Vielmehr muß sich der K l ä g e r auf ein gegen ihn

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EIGENTUM

begangenes Unrecht stützen. Als ein solches erscheint aber dem altgermanischen Rechtsempfinden nicht schon das bloße Vorenthalten der dem andern gehörigen Sache; sondern es m u ß ein offenkundiger Bruch der Friedensordnung, Landnahme, R a u b oder Diebstahl vorliegen. Schon hieraus erklärt sich der Satz „ H a n d muß Hand w a h r e n " , „ W o du deinen Glauben gelassen hast, da m u ß t du ihn wieder suchen", dessen Existenz früher dazu verwertet wurde, dem germanischen Recht den Begriff des Eigentums wenigstens an beweglichen Sachen abzusprechen. Wer einem andern seine Fahrnissache anvertraut hat, hat gegen diesen auf Grund seines Eigentums keine Klage, sondern ist, wie dem Darlehnsschuldner gegenüber, auf das Mahnverfahren angewiesen. Wird aber dem Vertrauensmann die Sache gestohlen, so ist dieser und nicht der Eigentümer zur K l a g e gegen den Dieb oder den Drittinhaber berechtigt; denn i h m gegenüber ist das Unrecht begangen (s. Fahrn isverfolgung).

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äußere, für jedermann erkennbare Form des inneren Rechts, des Eigentums. Der für das germanische R e c h t charakteristische typische Formalismus, der „ d a s Gemeinbewußtsein entscheiden läßt, um die Individualisierung zu vermeiden und so ein sicheres R e c h t zu schaffen", verschmäht es, den Rechtsschutz unmittelbar mit dem abstrakten, inneren, individuellen Recht zu verknüpfen, sondern er hält sich an den äußeren T a t bestand, den Besitz. Im Besitz wird das dahinter normalerweise zu v e r m u t e n d e Eigentum geschützt. Der Besitz hat den S c h e i n d e s R e c h t e s für sich, der v o m Gegner erst widerlegt werden muß. Darum kann jedermann im Verkehr den Besitzer als den Eigentümer behandeln. Wer von ihm erwirbt, der wird geschützt, wie wenn er v o m wahren Berechtigten erworben hätte. So entsteht aus dem Rechtsschein das Recht. Freilich kann der Schein durch Aufdeckung der wahren Rechtslage auch gebrochen werden; aber das zu tun ist allein Sache des Eigentümers selbst. Mag er dafür sorgen, daß seinem inneren Recht auch der ihm zukommende äußere Schein, die tatsächliche Herrschaft, nicht fehle. Die Rechtsordnung hält sich zunächst an die kundbare, d. h. für alle Rechtsgenossen erkennbare Form (Grundsatz der K u n d b a r k e i t , Publizitätsprinzip). Grundsätzlich wird auch der Berechtigte nur in seiner Eigenschaft als Besitzer geschützt, weil sich erst dadurch sein Eigentum kundtut. Das ist ein weiterer Grund für den Mangel einer absoluten W i r k u n g des Eigentums. (S. Besitz § 2 ff. 12 ff.)

! § 6. 5) Im Zusammenhang hiermit steht eine weitere wesentliche Eigentümlichkeit des germanischen Eigentumsbegriffs, die vor allem andern dazu beigetragen hat, seine Erkenntnis für den an den abstrakten Eigentumsbegriff des römischen Rechts gewöhnten Blick des Forschers zu erschweren. Noch heute I pflegen wir im Leben die Begriffe B e s i t z und Eigentum durcheinanderzuwerfen. Wir sprechen v o m Gutsbesitzer, wo wir den Gutseigentümer meinen, während wir dem Gutspächter, der im juristischen Sinne Besitzer ist, diese Bezeichnung verweigern. Das hängt zusammen mit § 7. Ist somit auch der Besitz v o n altgermanischer Rechtsauffassung, mit der : größter Bedeutung für die EigentumsBedeutung, die der Besitz, das tatsächordnung, so ist es doch f a l s c h , die liche Gewaltverhältnis über eine Sache, Begriffe Besitz und Eigenfür das Eigentum, die rechtliche Herrtum miteinander zu vermengen schaft über die Sache, besaß. Während oder das Eigentum zum bloßen Besitz das entwickelte römische Recht den Besitz degradieren zu wollen. Denn auch in um seiner selbst willen und das Eigentum I ältester Zeit dauert bei den Germanen ohne Rücksicht auf die Besitzverhältnisse das Eigentum trotz Entziehung des Beschützt, geht das germanische Recht von sitzes fort. Entgegen v. Amira ist jedoch dem Erfahrungssatze aus, daß regelmäßig ein Eigentumserwerb an Fahrhabe ohne der Besitzer auch Eigentümer, der EigenBesitz ausgeschlossen (s. Besitz). Dabei tümer im Besitze der Sache sein wird. ist zu beachten, daß .auch der Besitz Der Besitz ist die typische, nach germanischer Auffassung nicht

EIGENTUM

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bloß eine nackte Tatsache, sondern tumsarten als beschränkter dinglicher Herrschaftsausübung auf Grund eines beRechte. Leibzucht (Nießbrauch auf Lebenshaupteten Rechts ist, also ein Rechtszeit), Pfandrecht, Warterechte usw. erverhältnis, dessen Vorhandensein sich außer scheinen nicht mehr als befristetes, aufdurch das unmittelbare Innehaben auch lösend und aufschiebend bedingtes Eigensymbolisch, z. B. durch die Marke (s. tum, sondern treten in Gegensatz z u m diese), dokumentieren konnte. Danach Eigentum. Eine unbegrenzte Zahl v e r wird es nicht zweifelhaft sein können, schiedener Rechte an Sachen konnte sich daß in v o r germanischer Zeit das Eigenso entwickeln. Aber der Gegensatz z u m tum wirklich a u s d e m B e s i t z h e r Eigentum wurde doch niemals so scharf vorgegangen ist (vgl. auch die erfaßt wie etwa v o m römischen Recht. Beziehung zu sanskr. tse 'besitzt', Gewalt Einmal haben eine Reihe der beschränkten haben; nicht jedoch griech. iytiv). In Eigentumsformen ihren Charakter als der idg. Urzeit konnte man sich ein Recht Eigentum noch lange, z. T . dauernd bean der Sache nur im Zusammenhang mit wahrt. So ist das personenrechtlich gedem Haben der Sache vorstellen. bundene Eigentum, wie das des GesamtDie auch im späteren R e c h t noch unverhänders, des Treuhänders, das genossenkennbare Bedeutung des äußeren sinnschaftliche Eigentum, auch fernerhin als lichen Elements, das nur zum Teil und solches aufgefaßt worden. Und das führte allmählich durch sinnbildliche Formen dann wieder dazu, daß begrenzte dingersetzt wird, zwingt zu diesem Schlüsse. liche Rechte stärkerer A r t und v o n beAls die ä l t e s t e Form des Eigentums deutendem U m f a n g wie das Lehen und werden wir also das u n v e r e r b l i c h e andere liegenschaftliche Leiherechte in den Individualeigentum anzusehen folgenden Perioden den Charakter gehaben, das Recht an den Sachen, die der I bundenen Eigentums annehmen konnten. Mensch für sich hatte und frei beherrschte, Andererseits wurden die vom Eigentum an seinen Kleidern, seinem Schmuck, losgelösten und ihm nachgebildeten dingseinen Waffen, die er nach seinem Tode lichen Rechte niemals als ihm wesensmit ins Grab nahm. Erst später wird der verschieden aufgefaßt. Sie alle erschienen Begriff ausgedehnt auch auf das G e auch fernerhin „als juristisch dem Eigens a m t e i g e n der Verwandten, das diesen tum gleichartige, nur ihrem Umfange verbleiben mußte, den Viehstand (arbi, i nach verschiedene Herrschaftsrechte über erbe), und noch später auf das Gesamtrecht die Sache, aus demselben Stoffe gebildet am Grund und Boden, für das nach wie das Eigentum, aber weniger voll ausEntwicklung zum Sonderrecht im deutgestattet". Sie sind also nicht nur als schen MA. die Worte eigen unde erbe zu | Beschränkungen des Eigentums zu vertechnischen Bezeichnungen geworden sind. stehen, sind keine jura in re aliena, sie stehen selbständig neben dem Eigentum, § 8. Im L a u f e der fränkischen Periode j So ist es möglich, daß Eigentum und k o m m t es zu einer allmählichen Diffe- | beschränktes dingliches Recht in einem renzierung und Ablösung der verschie- ' S u b j e k t sich vereinigen, ohne sich zu verdenen b e s c h r ä n k t e n dinglichen schmelzen. Ihnen allen ist gemeinsam, Rechte aus dem umfassenden Eigendaß sie bestimmt sind, sich in äußerer tumsbegriff heraus. Diese Entwicklung Sachherrschaft, im Besitz, nach ma. deutist insbesondere auf dem Gebiete des scher Rechtssprache in einer G e w e r e , Liegenschaftsrechtes erfolgt und hier auch zu verkörpern (s. Besitz). Dieses Moment, hauptsächlich von Bedeutung gewesen. nicht die absolute Wirksamkeit Dritten Maßgebend war wohl in erster Linie, daß hier gegenüber, ist wesentliches Begriffsmerkmal allmählichNutzungsrechtefremderHerkunft des dinglichen Rechts. wie die precaria (beneficium) eigentumsähnlichen, also dinglichen Charakter gewannen § 9. Die älteste E r w e r b s a r t des und so als dingliche Rechte neben das EigenEigentums ist die A n e i g n u n g , die tum traten. Nun war R a u m gewonnen bei beweglichen Sachen wie bei Liegenfür die Auffassung der beschränkten Eigenschaften (Landnahme) durch Besitzergrei-

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EIGIL-EIMER

fung erfolgt. Doch besteht oft ein als Individualrecht ausg staltetes oder gar ausschließliches Recht zur Aneignung (s. besonders Jagdrecht, Fischereirecht). Kein Eigentumserwerbsgrund ist ursprünglich der Fund (s. diesen), wohl aber der Erwerb kraft Beute- und Strandrechts, dem in Deutschland das Grundruhrrecht nachgebildet wurde. Ursprüngliche Erwerbsart ist ferner die Herstellung einer Sache durch eigene Arbeit, wie die A u f z u c h t von Tieren, die Anfertigung von Stoffen, Kleidern, Waffen und Gerät und die Gewinnung von Bodenerzeugnissen durch das Bestellen des Feldes. Das Eigentum entsteht in diesem Falle nicht erst durch das Abernten, sondern nach dem Grundsatze, der später in dem deutschen Rechtssprichwort „ W e r säet, der mähet" zum Ausdruck kommt, bereits an den stehenden Früchten, die also als selbständige Sachen im Eigentum eines andern stehen können, als das Land, auf dem sie wachsen. Dagegen wird durch den Überfall von Früchten v o m Nachbarbaum (mhd. anris) nicht, wie v. Amira lehrt, unmittelbar Eigentum, sondern ebenso wie vielfach schon durch den Uberhang, eine Aneignungsbefugnis des Grundeigentümers begründet, wie sie das germanische Recht mannigfaltig entwickelt hat. Zwar sagen die Quellen vielfach, die Früchte seien „sein"; aber das gilt doch nur, wie spätere Statuten zeigen, „wenn er will". Eine Ersitzung war dem germanischen Recht unbekannt. Abgeleiteter Erwerb ist ursprünglich nur durch Übereignung möglich (s. d.); denn der Erwerb durch Erbrecht (s. d.) ist anfangs nur Fortsetzung des vorhandenen Gesamteigentums. Wirkliche Erwerbsart ist aber natürlich das dem Erbrecht nachgebildete, in der Zeit der entwickelten Herrschergewalt entstandene Heimfallsrecht an erblosem Gute (anord. dänar- oder däna-je), das ursprünglich auf die personenrechtliche Gewalt des Schutzherrn über den Gast zurückgeht.

P B B e i t r 12, 176 f. S c h r ä d e r Reall. 170 ff. 227 f.; Handelsgesch. u. Warenkunde I (1886) 59. H i r t Indogm. II 528 ff. S c h r ö d e r DRG.5 285 ff. 728 ff. P 0 11 o c k & M a i 11 a n d Hist. of Engl. Law II» (1898). M i t t e i s Rom. Privatr. I (1908) Soff. Herbert Meyer.

i

Eigil. ein Bayer, im Kloster Fulda auferzogen, ebendort Mönch und zuletzt (817—822) A b t , schrieb, wohl noch im 8. Jahrhundert, das Leben des ersten Fulder Abtes Sturmi (r 779), seines Verwandten und verehrten Gönners, unter dessen Leitung er noch zwanzig Jahre geEs ist ein echt historisches lebt hatte. kleines Werk, frei von allen hagiographischen Zügen. Sturmi selbst und zuverlässige ältere Mönche sind die Gewährsmänner, soweit E. nicht aus eigner Wahrnehmung erzählt. Die umsichtige Gründung des Klosters, Tod und Beisetzung Bonifazens, die Streitigkeiten mit Bischof L u l von Mainz und die ersten Sachsenkämpfe erwecken neben der charaktervollen, bei aller mönchischen Neigung dem praktischen Leben zugewandten Figur Sturmis lebhaftes Interesse. Sinn für das Wesentliche und Wirkliche, schlichte Wahrhaftigkeit, Wärme der Empfindung und ungekünstelte Darstellung geben der Schrift nicht geringen Wert. Vita

S.

setzung:

Sturmi

MG. II 365 ft\ —

Geschichtschreiber

13, 1888. —

d.

Über-

d. Vorzeit -

W a t t e n b a c h DGQ.

17, 254.

K. Hampe.

\ j 1 ' '

\ :

v. A m i r a PGrundr. I I 2, Grundr. d. germ. ; Rechtss (1901) §§ 54. 61. 64; NOR. I 50 f. j O. G i e r k e DPrivR. II. H e u s l e r Instit. d. DPrivR. (1886). Grimm DRAA II 1 ff. j K l u g e EWb.7 109 sv. eigen. Falk-Torp EWb. 34. M e r i n g e r I F . 17, 128. S i e v e r s !

Eimer. A. Archäologisches. E. sind größere Traggefäße mit bewegliehen Bügelhenkeln über der Öffnung, aus Metall und aus Holz, § I. B r o n z e e i m e r : die ältesten in zwei Formen, aus dem italischen Villanova-Kulturkreise und der mitteleuropäisehen Hallstattkultur (erste Hälfte des 1. Jhs. v. Chr.). S. Cista u. Situla; Bronzegefäße § 3. Altgriechisches Fabrikat aus dem 6. Jh. v. Chr. ist der Eimer v o n G r ä c h w y l (Schweiz). S. Bronzegefäße § 4 a. Der jüngeren, griechischen Fabrikation des 4. Jhs. v. Chr. gehört der Eimer von Waldalgesheim bei Bingen an, dessen jüngere Gegenstücke in Italien (Nekropole von Montefortino. 3. Jhr v. Chr.) auftreten. S. Bronzegefäße § 4 b. Eine reiche Typen-

EIMER r e i h e v o n E i m e r n w e i s t die c a p u a n i s c h c B r o n z e i n d u s t r i e der r e p u b l i k a n i s c h e n E p o c h e u n d der ersten K a i s e r z e i t auf. S. B r o n z e g e f ä ß e § 6 b. D i e p r o v i n z i a l - r ö m i s c h e n Messinggießereien bringen neue F o r m e n ( H e m m o o r e r T y p u s ) auf d e n M a r k t . Ihre F a b r i k a t i o n b l ü h t im 2. u n d 3. J a h r h . n. Chr. S. B r o n z c g e f ä ß e § 6 c. V e r e i n z e l t s t e h t ein B r o n z e e i m e r v o n g a n z m o d e r n a n m u t e n d e r F o r m , n a c h u n t e n sich v e r j ü n g e n d , m i t j e zwei w u l s t i g e n R e i f e n in der o b e r e n und unteren H ä l f t e ; die d r e i e c k i g e n , z u s a m m e n m i t dem G e f ä ß gegossenen, a u f r e c h t s t e h e n d e n H e n k c l ö s e n b r i n g e n diesen T y p u s m i t den K e s s e l n der s p ä t - u n d n a c h römischen Epoche zusammen. Rygh, N o r s k e Oldsager 350. D i e s p ä t e r e n E i m e r sind H o l z c i m e r u n d m a c h c n einen anderen E n t w i c k l u n g s g a n g durch. V o n den H o l z § 2. H o l z c i m e r . e i m e r n sind meist nur die b r o n z e n e n oder eisernen B e s c h l ä g e erhalten, die eine R e k o n s t r u k t i o n der F o r m ermöglichen. Sie g e h e n in letzter Linie auf die z y l i n d r i s c h e n Cisten (s. d.) z u r ü c k , v o n deren F o r m die breiten B r o n z e g u r t e n und H e n k e l ü b r i g g e b l i e b e n sind. D i e E n t w i c k l u n g l ä ß t sich durch folgende Stufen verfolgen: G a l l i s c h e F a b r i k a t e a u s der S p ä t - L a T e n e - Z e i t 2 . — I . J h . v . Chr. E i m e r v o m Brandgräberfeld von Aylesford (Kent, England): zylinderförmig, mit 3 breiten B r o n z e g u r t e n ; der oberste d a v o n v e r z i e r t m i t S p i r a l r a n k e n und p h a n t a s t i s c h e n W a p p e n t i e r e n im echten L a T e n e - S t i l ; H e n k e l a t t a c h e n angenietet, in F o r m eines b e h e l m ten K r i e g e r k o p f e s ; m i t eisernen, b r o n z e plattierten, k r ä f t i g e n B ü g e l h e n k e l n . (Vgl. A b b . 59.) A . J. Fig. 11.

E v a n s

Archaeologia

52, 2 S.

535

a n k e r a r t i g g e f o r m t ) , a n denen die b e w e g lichen B ü g e l h e n k e l über der M i t t e der Ö f f -

Abb.

59.

Holzeimer ans A y l e s f o r d . Nach H. W i l l e i s Bronzeeimer v o n Hemmoor S. 1S7 A b b . 72.

361

H . W i 1 1 e r s Hemmoor S. 187 A b b . 7 2 .

E i n e V a r i a n t e aus demselben G r ä b e r f e l d e (ebd. S. 358 f. F i g . 9, 10), g a n z a u s B r o n z e , m i t 2 seitlichen, v e r t i k a l e n H a n d h a b e n , ist ohne B e d e u t u n g f ü r die w e i t e r e E n t w i c k l u n g geblieben. S p ä t r ö m i s c h e F a b r i k a t e , zylindrisch oder n a c h u n t e n konisch e r w e i t e r t , meist aus E i b e n h o l z , m a n c h m a l a u s T a x u s holz, m i t B r o n z e g u r t e n oder s c h m a l e n , h a l b r u n d e n R e i f e n und p l a t t e n - oder b a n d f ö r m i g e n H e n k e l a t t a c h e n (letztere m e i s t

A b b . 60. H o l z e i m e r aus D ä n e m a r k . N a c h S. Müller, O r d n i n g af D a n m a r k s O l d s a g e r II Nr. 309.

n u n g b e f e s t i g t sind. Seltener sind V a r i a n ten m i t b e w e g l i c h e n T r a g r i n g e n u n t e r h a l b des R a n d e s ( B o r n h o l m ) . ( V g l . A b b . 60.)

EIMER

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Nach Willers sollen auch diese gallische P r o d u k t e sein, was sehr unwahrscheinlich ist. Dagegen spricht der Holzeimer von Sackrau (Schlesien), der mit den besonders aufgenagelten (rhombischen und mondsichelförmigen) Zierblechen von den im W e s t e n üblichen abweicht und wahrscheinlich, wie manches andere aus diesem Funde, südöstlichen (südrussischen) Ursprungs ist.

durch Kreismuster, oder mit hängenden Dreiecken besetzt, die mit gestanzten bärtigen Masken gefüllt sind. (Vgl. A b b . 61.) Häufig in fränkischen, angelsächsischen und burgundischen Gräbern. In Ungarn kommen in frühmittelalterlichen Gräbern Holzeimer mit Eisenreifen und Eisenhenkeln zahlreich vor. Barriere-Flavy Arts industr. pl. 81, 1 . 2 . 3. L i n d e n s c h m i t Altert, u. h. Vorz. III. II 6, 1 . 2 . (Lit. ebenda). D e r s . Handb. d. ätsch. Altertk. I 476 Tf. 31, 1 — 4 . GötzeHöfer-Zschiesche Altert. Thüringens Tf. 22, 332. H a m p e 1 Altert, in Ungarn I 127 ff. Abb. 276—283.

Für noch weiteren Fortbestand der Holzeimer spricht ein Exemplar, dessen Bronzebeschläge verloren gegangen sind, aus einem Grabhügel der Wikingerzeit bei Mammen (Viborg), in dem auch ein oben erwähnter Bronzekessel (s. d.) gefunden worden ist. S. Worsaae, Mem. d. Antiquaires du Nord 1866/71 Tf. 9. Hubert Schmidt.

Abb. 6t. Beschläge eines Holzeimers von Wiesbaden. Nach Lindenschmit, Alt. u. h. V. III, II Tf. 6, i . S. R y g Altert. 299. 187 f. II/III

Müller Ordning II Nr. 308. 309. h Norske Oldsager Nr. 381. 382. R . B e 1 1 z S. 382. V e d e 1 Bornholm S. 133 A b b . H. W i 11 e r s Hemmoor S. 23. 28. 29. Tf. 1 8 . G r e m p l e r Fund v. Sackrau Tf. I, 2.

N a c h r ö m i s c h e F a b r i k a t e unterscheiden sich nur im Beiwerk von den vorigen, deren Form festgehalten wird. Vielfach treten zu den horizontalen Reifen noch vertikale Bronzebänder, an denen mitunter die Henkelösen befestigt sind. Letztere erscheinen vielfach mit durchbrochen gearbeiteten Attachen, deren B a n d enden nach dem Geschmack der Zeit als Tierköpfe gebildet sind. A u c h sonst werden die Bronzebeschläge verziert, gewöhnlich

B. E i m e r a l s M a ß . § 3. Der E. (ahd. eimbar, einbar, mhd. einher, ember, emmer) war ein Flüssigkeitsmaß von mittlerer, im übrigen aber örtlich sehr verschiedener Größe. Dabei macht sich schon früh die Unterscheidung zwischen einem Landesmaß und den in der Regel kleineren, grundherrschaftlichen Kastenmaßen bemerklich. 1158 ad justiciam montis id est ut annuatim una urna vini quem ipsi consuetudine sua s t e c a i n p c r vocant. St. U. B. 1 4 5 6 an andern Stellen vini amphoras quas vulgari lingua s t e c h a i m p e r vocant I, 379, 600. Die Ableitung des Ausdruckes Eimer v o m lateinischen amphora wird als möglich hingestellt, doch wird in Urkunden ebenso urna als gleichwertig behandelt und haben überdies die vor Einführung des metrischen Maßes in Deutschland und Österreich üblichen Landeseimer meist den Inhalt v o n 2 bis 3 römischen Amphoren zu 26,26 1 Inhalt gehabt. § 4. Der norwegische Eimer askr wird auf ungefähr 11 1 jz 1 Inhalt veranschlagt, er wurde in Halbeimer, Vierteleimer oder Kannen, Achtel und Sechzehntel eingeteilt. Auf Island unterschied man einen Mannes- und einen Weibseimer: karlaskr und kvennaskr, der erste faßte I W e i b s -

EINBAUM

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geraden Seitenwänden, seltener flach m u l eimer, der wieder I/6 v o m W i r t s c h a f t s e i m e r bnskjöla w a r . Seit K ö n i g Magnus laga- | d e n f ö r m i g ausgehöhlt, und z w a r m i t der bceter sollte in ganz N o r w e g e n ein einheitA x t , w o b e i jedoch, w i e vereinzelte Spuren licher E i m e r gelten, zu zeigen scheinen, a u c h Feuer zuhilfe gev . Amira NOR. II 502. nommen wurde. A . Luschin v. Ebengreuth. § 3. E i n e n F o r t s c h r i t t bezeichnet es nun, w e n n die H ö h l u n g durch einige stehenE i n b a u m . § i. D a s Urbild des germanibleibende R e s t e des B a u m k e r n e s unterschen Seeschiffs ist nicht allein, n i c h t einbrochen wird. Diese dienten gewissermal v o r w i e g e n d im E i n b a u m zu suchen m a ß e n w i e S p a n t e n als stärkende Quer(s. Schiff § 4). T r o t z d e m haben E i n b ä u m e v e r b ä n d e , zugleich w i r k t e n sie bei hohem als p r i m i t i v e F a h r z e u g e an den K ü s t e n und W e l l e n g a n g als schützende S c h o t t e i n t e i im B i n n e n l a n d e zweifellos eine große Rolle lung, die a u c h b e i m F i s c h f a n g die Stelle gespielt, w i e sowohl geschichtliche N a c h richten, besonders aus der Zeit des römi- ; v o n B e h ä l t e r n v e r t r e t e n konnte, endlich als Sitze. Diese E i n r i c h t u n g ermöglichte schen V o r d r i n g e n s n a c h W e s t d e u t s c h l a n d , es, z u b e t r ä c h t l i c h e r e n Größen ü b e r z u als a u c h zahlreiche F u n d e erweisen. E b e n s o gehen. F u n d e v o n 8 bis 10 m sind nicht scheinen einige S c h i f f s t y p e n n a m e n auf urselten; eines der größten E x e m p l a r e ist der sprüngliche E i n b a u m f a h r z e u g e z u r ü c k z u gehen, so an. eikja, mnd. cke ('Eiche', in ! E i n b a u m v o n B r i g g , Lincolnshire, 1886 entdeckt, v o n 14,80 m L ä n g e , 1,52 m der S a g a z e i t ein einfaches B o o t ohne Kiel) Breite, 0,84 m Tiefe, aus einem einzigen und miat. ascus, ae. asc, an. askr ('Esche'), g e w a l t i g e n E i c h e n s t a m m ausgehöhlt. D a s welches j e d o c h bereits bei den salischen F r a n k e n im 6. Jh. ein größeres F a h r z e u g : V o r d e r e n d e v e r l ä u f t in dicker, plumper Rundung, das Hinterende ist durch bezeichnet (vgl. Schiffsarten § 8). Die zahlreichen F u n d e v o n E i n b ä u m e n , an der j ein eingelassenes Q u e r b r e t t abgeschlossen, oder Nordseeküste meist aus Eichenholz, im i Mehrere ausgesparte Querspanten -schotten der oben beschriebenen A r t sind B i n n e n l a n d e v i e l f a c h a u c h aus andern vorhanden. In beiden Seitenwänden, etH o l z a r t e n ( R o t b u c h e , R o t t a n n e usw.) bew a s unterhalb v o n deren O b e r k a n t e , bestehend, sind meist schwer z u datieren, da die gleichen T y p e n sich noch h ä u f i g in J findet sich eine A n z a h l L ö c h e r v o n 10 bis D e u t s c h l a n d und in den b e n a c h b a r t e n l 15 cm Durchmesser, die vielleicht z u m europäischen L ä n d e r n bis in die G e g e n w a r t ! D u r c h s t e c k e n v o n R e m e n dienten, w a h r scheinlicher aber zur B e f e s t i g u n g v o n Quererhalten h a b e n . sitzen, die zügleich v e r s t ä r k e n d w i e die § 2. O b w o h l daher E i n b ä u m e zweifellos Vermutlich nämbereits in der Stein- und B r o n z e z e i t in | Querschotten w i r k t e n . lich w u r d e der E i n b a u m nicht mit R e m e n , G e b r a u c h w a r e n , l ä ß t sich doch k a u m e i n erhaltenes E x e m p l a r diesen Perioden m i t | sondern m i t P a d d e l n v o r w ä r t s b e w e g t (s. Remen). 30 Mann konnte der E i n b a u m B e s t i m m t h e i t zuweisen. U n v e r k e n n b a r ist im übrigen eine gewisse E n t w i c k l u n g in ; w o h l b e q u e m a u f n e h m e n . Der F u n d , der der B a u t e c h n i k des E i n b a u m s , die z u m Teil , auch v e r m ö g e seiner L a g e wohl der Z e i t der römischen Invasion zuzuschreiben ist, beweist, w a s durch geschichtliche N a c h bietet daher eine b e m e r k e n s w e r t e B e s t ä t i richten ohnehin b e k a n n t ist, d a ß seine V e r g u n g der N a c h r i c h t e n des Plinius (Nat. w e n d u n g in die Zeiten einer höher entwickelten Schiffbautechnik hineinreicht. ! hist. X V I 76,2) und T a c i t u s (Hist. V 23), D i e einfacheren T y p e n sind in der R e g e l | w o n a c h die K r i e g s e i n b ä u m e der Nordsee 3 bis 5 rn l a n g , m i t flachem B o d e n , m e i s t j germanen 30, selbst 40 Mann zu t r a g e n vermochten. allmählich in eine flache S p i t z e v e r l a u f e n dem V o r d e r - u n d breiterem, u n v e r m i t t e l t e r § 4. V o n ähnlicher A r t und nur w e n i g abschneidendem Hinterende. Diese B a u geringerer Größe als der E i n b a u m v o n a r t h ä n g t d a m i t z u s a m m e n , d a ß f ü r das B r i g g sind ein 1876 a m L o c h A r t h u r , S c h o t t H e c k meist das W u r z e l e n d e , f ü r das V o r d e r land, entdeckter E i n b a u m , dessen V o r d e r teil die S p i t z e des B a u m e s g e w ä h l t w u r d e . teil einem Tierkopf ähnlich g e f o r m t ist, D a s Innere ist in der R e g e l t r o g a r t i g m i t sowie der E i n b a u m v o n V a l e r m o o r , SchlesH o o p s , Reallexikon. I.

35

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wig-Holstein (jetzt in Kiel) von 12,30 m Länge, 1,30 m Breite und 0,57 m Raumtiefe. Dieser Einbaum ist durch I i eingesetzte Spanten verstärkt, was ebenso wie die Herausarbeitung eines Kiels an beiden Enden des Schiffbodens auf die Existenz eines bereits entwickelteren Schiffbaues deutet; je I i halbrunde Einschnitte in die oberen Bordränder auf beiden Seiten dienten wohl zur Aufnahme von Sitzen (nicht von Remen). Die Einrichtung des Ausliegers zur Erhöhung der Stabilität des Einbaums scheint im germanischen Altertum unbekannt gewesen zu sein. Während die Einbäume als Kriegsboote auf der Nordsee nach dem I. Jh. n. Chr. nicht mehr erwähnt werden, blieben sie in Binnengewässern noch lange ein vielgebrauchtes Fahrzeug. Noch im 9. Jh. befuhren die Normannen mit Einbäumen (}i.ovoJuXa) die russischen Ströme und das Schwarze Meer. B o e h m e r Prehistoric naval architecture of the North of Europe ( S m i t h s o n i a n Instit. R e p o r t of U . S. N a t i o n . M u s e u m 1 8 9 1 ) 5 3 5 — 5 4 5 . Zahlreiche F u n d b e r i c h t e in den l o k a l g e s c h i c h t lichen Z e i t s c h r i f t e n , den N a c h r i c h t e n über d e u t s c h e A l t e r t u m s f u n d e usw. V g l . ferner die A u f s ä t z e ü b e r alte B i n n e n s c h i f f s t y p e n im K o r r . - B l . d. d e u t s c h . Ges. f. A n t h r o p . 33. bis 35. J a h r g . 1 9 0 2 — 1 9 0 4 . W . Vogel.

Einhard oder, wie er selbst sich schrieb: Einhart (§ 1) wurde als Sohn edler und begüterter Eltern um 770 im Maingau geboren, im Kloster Fulda erzogen und v o m dortigen A b t e Baugulf eine Zeitlang vor 796 wegen seiner besonderen Fähigkeiten an den Hof Karls d. Gr. geschickt, wo er noch unter Alkwin in der Hofschule seine Ausbildung vollendete und bald selbst ein geschätztes Mitglied im Gelehrten kreise des Kaisers wurde, dem er persönlich nahetrat. Die unbedingte Zuverlässigkeit des kleinen, geschäftigen, feingeistigen Mannes wurde gelegentlich zu wichtigeren Missionen verwendet, seine philologische Durchbildung und stilistische Gewandtheit werden Karls Korrespondenz ebenso gedient haben, wie das für seinen Nachfolger Ludwig d. Fr. erweislich ist; vor allem aber betätigte er seine vielseitigen künstlerischen Talente als Begutachter und Beaufsichtiger der kaiserlichen Bauten (wie des Aachener Münsters)

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und andrer Werke der bildenden Kunst, und daß dies der hervorstechendste Zug seines Wirkens am Hofe war, beweist der Beiname Beseleel, der ihm nach dem alttestamentlichen Werkmeister der Stiftshütte im Kreise seiner gelehrten Freunde erteilt wurde. V o n Karl und seinem Nachfolger wurden seine Verdienste durch Übertragung angesehener Abteien, wie St. Peter und Paul in Blandigny bei Gent und St. B a v o in Gent, St. Servaz in Maastricht, St. Cloud bei Paris, zeitweilig auch St. Wandrille und der Johanniskirche in Pavia auf das reichste belohnt, so daß E. ein vielvermögender Mann wurde. Er selbst blieb Laie und war vermählt mit Imma, die nur von einer späten, im 12. Jahrh. auftauchenden Sage durch Verwechselung mit Bertha und deren Verhältnis zu Angilbert fälschlich zur Kaisertochter gemacht worden ist. § 2. Nach Karls Tode (814) hat es E. für eine Pflicht der Treue und Dankbarkeit gehalten, ihm ein literarisches Denkmal zu setzen. Die Vita Karoli Magni ist nach den neueren Forschungen schwerlich gleich nach des Kaisers Hinscheiden in Angriff genommen, ausgeführt sicher nach 817, und vermutlich sogar erst in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre, da ihr Vorkommen in einem Reichenauer Bibliothekskatalog von 821, hinsichtlich dieses Datums wenigstens, keineswegs als gesichert gelten darf. Die erste sonstige Erwähnung fällt spätestens in das Jahr 836. § 3. Für die Beurteilung des verhältnismäßig kurzen Werkes wird man sich stets an die Eingangsworte E.s halten müssen, er wolle Leben und Wandel und zum nicht geringen Teil auch die Taten Karls niederschreiben. Da er die Taten, obwohl sie die erste Hälfte des Büchleins füllen, nicht vorab nennt, so sind sie für Fast alle Vorihn nicht Hauptthema. würfe aber, die von neueren Forschern gegen seine historiographische Arbeitsweise erhoben sind, richten sich eben gegen diesen Teil. E. hat seinen Stoff dazu, soweit er ihn nicht (wie z. B . bei der Erzählung vom Untergange Rolands in c. 9) aus besonderer Kenntnis ergänzte, im wesentlichen, wie jetzt als festgestellt gelten darf, ihm vorliegenden Annalen

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freiheit und Trübung bedingt. Sofern sie entnommen (insbesondere der fälschlich mehr sagen wollte, würde sie zu sehr vom unter seinem Namen gehenden Überarbeiabsoluten Standpunkte, zu wenig aus den tung der Reichsannalen oder noch wahrzeitlichen Bedingtheiten heraus urteilen. scheinlicher einem dieser zu Grunde lieIn einer Epoche, in der es dem befangenen genden verlorenen Werke bis 805, das Geiste auch des schärfsten Beobachters auch als Chronik von St. Denis bezeichnet schlechterdings nicht gegeben war, ein zu werden pflegt). Indem er seine Exzerpte freies, tiefdringendes und vielseitiges Bilddaraus literarisch ausgestaltete, hat er sich nach der strengen Prüfung moderner • nis mitlebender Persönlichkeiten im antiken oder modernen Sinne zu entwerfen, Forscher sachlich manche Ungenauigkeiten, war es ein ungewöhnlich gescheidter GeMißverständnisse und irrige Erweiterungen danke, Muster einer Zeit ungebundeneren zu Schulden kommen lassen. Ist danach Geistes zur Anregung, Erweiterung und sein Anspruch auf Genauigkeit der Arbeit Ordnung der eigenen Beobachtungsgabe nicht allzu groß, so treten doch auch hier zu verwerten. Und nur so hat E. sie verschon Auswahl und Gruppierung des wertet. Nirgends hat er die von ihm geStoffes für seine Zeit bedeutend genug sehene Wirklichkeit auch nur im geringhervor. sten entstellt, selbst herübergenommene § 4. Aber erst das in der zweiten Hälfte der Schrift behandelte Haupt- ' Suetonsche Phrasen sind so sorgfältig abgewandelt oder in ihr Gegenteil verkehrt, thema: Leben und Wandel des großen daß man gerade aus der Vergleichung von Kaisers hat ihr ihren unvergänglich hohen Wert verliehen, denn hier erst berichtet J Vorlage und Text noch kleine Züge zur Schilderung des Kaisers gewinnen kann, E., der auch von den späteren Feldzügen die bei der Lektüre der Vita allein nicht Karls schwerlich einen einzigen mitgeso hervortreten würden (beispielsweise, macht hat, als Augenzeuge aus dem reichen daß Karl sich nicht selbst anzukleiden Schatze einer vieljährigen vertrauten Erpflegte, was aus dem amiciretur in c. 24 fahrung, als lebhafter und nüchterner, allein nicht sicher zu entnehmen wäre, liebevoller und wahrheitsgetreuer Beobachaber aus der Abänderung der Suetonstelle ter, und formt seinen Stoff als ein sorgfältig und geschmackvoll ziselierender i ,,ipse sese amiciebat" erhellt). Man mag Künstler, trotz der Eleganz der Sprache j bedauern, daß die Suetonschen Kategorien stets auf das Sachliche gerichtet, jeder ! nicht noch mannigfaltiger waren, daß sie für gewisse Seiten des mittelalterlichen Lebens leeren Lobrednerei gründlich abhold, auch (z. B. die bei E. arg zu kurz kommende das allzu Menschliche seines Helden nicht Kirchenpolitik Karls oder seine bewundeverschleiernd, überall mit feinem Urteil über dem Stoffe stehend und die Einzel- • rungswürdige ländlicheWirtschaftsfürsorge) heiten ursächlich verknüpfend. Freilich j keine Anregungen bieten konnten. Aber daß das Bild Karls, des gealterten kaiserwird hier ein anderer Vorwurf gegen ihn lichen Herrschers, der j a nicht mehr bloßer erhoben. Weil E., der sich auch sonst germanischer Volkskönig war, durch die eifrig an den Schriften der Alten bildete und auch Griechisch verstand, seinem ; Benutzung jener Kategorien und Phrasen in irgendeinem Zuge entstellt sei, daß es Werke eine Anzahl von Biographien Sueuns inhaltlich auch nur entfernt wie das tons, namentlich diejenigen des Augustus eines altrömischen Imperators anmute, und Titus, als Muster für Anordnung, kann man unmöglich behaupten. AndernFragestellung, und Phrasenschatz weitgehend zu Grunde gelegt hat, so soll Karls ; falls würde E. uns wohl auch nicht so wertvollen Stoff für die germanische AlterBild einigermaßen verunechtet, seine Oritumskunde im eigentlichsten Sinne überginalität getrübt sein, der germanische liefert haben, wie er es in c. 29 tut, wo er Volkskönig im Gewände des römischen von Karls Rechtskodifikation, der AufImperators erscheinen. Diese L. Ranke zeichnung alter Heldenlieder, dem Veroftmals nachgesprochene Meinung trifft such einer deutschen Grammatik und der doch eigentlich nur insofern zu, als die deutschen Namengebung für Monate und Fremdsprache an sich eine gewisse Un-

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Winde berichtet. Jene Suetonschen V o r - i Kaisers noch um Michelstadt im Odenwald und Mühlheim am Main vermehrt bilder haben nur gefördert, nirgends geschadet, ihre B e n u t z u n g w a r für E. ein | waren. Dorthin, zunächst in die von ihm gebaute und noch erhaltene Kirche zu heuristisches Prinzip allerersten Ranges, Steinbach bei Michelstadt, dann nach Mühlwie es in jener Zeit nicht besser zu finden heim, das nun bald den Namen Seligenwar. Erst als in der Renaissance unter stadt erhielt, ließ E. 827 die Gebeine seiner der Einwirkung wiederum der A n t i k e die hochverehrten Heiligen Marcellinus und Geister eine Stufe höher emporgehoben Petrus bringen, die ihm sein Notar R a t waren, wurde dergleichen entbehrlich. Für leik in R o m klug und dreist durch EinE. hat es wesentlich dazu beigetragen, die bruchsdiebstahl gewonnen hatte. Ihrem Überlegenheit seiner Biographie über alle Dienste widmete E. vorwiegend den Rest andern des Mittelalters zu begründen. seines Lebens, zog sich 830, als die V e r Natürlich spielt dabei auch die reiche und hältnisse am Hofe durch den wachsenden gewaltige Persönlichkeit seines Helden Einfluß der Kaiserin Judith immer unereine gewichtige Rolle; k a u m ein andrer freulicher geworden waren, und die erste bot solchen Stoff ! A b e r umgekehrt verEmpörung ausbrach, nach Seligenstadt d a n k t doch auch K a r l seinem Biographen zurück, zeichnete noch im gleichen Jahre ein gut Teil seiner ungeheuren, nie ver(die abweichende Datierung von M. Bonsiegenden Popularität in Mittelalter und dois ist verkehrt) die Translation und Neuzeit, denn sieht man v o n Paulus DiaWunder der heil. Marcellinus und Petrus conus und Martin v o n T r o p p a u ab, so ist in 4 Büchern auf, verherrlichte wahrscheinuns kein mittelalterliches Geschichtswerk lich auch in einer rhythmischen Dichtung in so zahlreichen Handschriften (mehr als ihre Passion (MG. Poet. lat. II, 125 ff.; 80) überliefert, wie die V i t a Karoli, die nach E.s Tode v o n Walahfrid Strabo in 1 Bondois bezweifelt E.s Autorschaft), errichtete ihnen ein Kloster und in den K a p i t e l geteilt und mit einem f ü r E.s nächsten Jahren die im U m b a u erhaltene Lebensgeschichte wertvollen Prolog verschöne Basilika. Jene Schrift ist mehr ein sehen worden ist. religiöses Erbauungsbuch, als ein Ge§ 5. Leider ist die V i t a das einzige schichtswerk und zeigt das schon durch eigentliche und sicher beglaubigte Geden v o n der V i t a stark abweichenden, unschichtswerk, das E.s Feder entstammt. klassischeren, schlichteren Stil. Das InWohl haben zahlreiche Gelehrte f ü r ihn teresse an der Erhöhung seiner Heiligen einen Anteil an wichtigen Annalen seiner und ein weitgehender religiöser AberZeit (den fränkischen Reichsannalen, den glaube, der selbst in jener Zeit bei einem Annales Fuldenses und Sithienses) in A n Manne seiner Bildung und seiner auch in spruch genommen und das namentlich Fragen des K u l t e s theoretisch maßvollen durch Stilvergleichung zu erweisen verAnschauungen (vgl. seine Abhandlung sucht; aber es sind das Hypothesen, denen über die Verehrung des Kreuzes MG. Epp. die neueste Forschung ablehnend gegenV 146 ff.) auffällt, gehen hier Hand in übersteht, und die daher zu einer U m Hand. Gleichwohl ist auch hier E.s Ehrschreibung der historiographischen Bedeutung E.s zur Zeit keinesfalls verwendet 1 lichkeit unverkennbar, die naiv-treuherzige, werden dürfen (vgl. darüber den A r t i k e l : : anschauliche Erzählungsweise reizvoll geGeschichtschreibung, B. Karolingerzeit). • nug und der kulturgeschichtliche W e r t des Werkes nicht gering. § 6. E. blieb auch unter Ludwig d. Fr. noch lange in der gleichen Stellung, wurde § 7. Der Einhard seiner besten Zeit 817 dem jungen Mitregenten L o t h a r als | ist es freilich schon nicht mehr, der hier Berater beigegeben, begann sich aber in zu uns spricht; Krankheit, Alter und poliden zwanziger Jahren v o m Hofe fortzutische V e r s t i m m u n g hatten ihm stark zusehnen und, wie es scheint, länger und gesetzt und seinen getrübten Sinn mehr häufiger der V e r w a l t u n g seiner Abteien und mehr der Weltfreude abgewandt. So und der Bewirtschaftung seiner Güter zu zeigen ihn auch seine diesen Jahren (zuwidmen, die 815 durch Geschenk des meist 825—836) angehörenden B r i e f e , die

EINHEGUNG—EINKORN sich in einer Sammlung des Klosters St. Bavo in Gent, leider größtenteils in formelhafter Zurichtung, erhalten haben. Es ist hier nicht der Ort, aus ihnen herauszuholen, was sich für den letzten Abschnitt von E.s Lebensgeschichte daraus gewinnen läßt. Die meisten sind ganz knapp und gegenständlich, ohne jeden Gedanken an Aufbewahrung und literarische Verwertung geschrieben; um so unmittelbarer führen sie uns in die Anschauungen und •den Tätigkeitskreis des greisen E. ein, in seine politischen Sorgen, seine Friedensund Reformwünsche, sein ängstliches und gewundenes, aber geschicktes und erfolgreiches Bemühen, in den klaffenden, auch in der Folgezeit nicht überbrückten Gegensätzen von 830 und 833 eine ausgesprochene Parteinahme zu vermeiden, es mit niemandem ganz zu verderben und sich vor Schaden zu behüten, seine kirchliche, •ökonomische, literarische und künstlerische Betätigung, die von Zeit zu Zeit durch die Erfüllung seiner Hoftagspflichten unterbrochen wurde. Er litt 836 schmerzlich unter dem Tode seiner Gattin, empfing damals den Besuch Ludwigs d. Fr. in Seligenstadt und starb kurz vor dem Kaiser am 14. März 840.

ganzen germanischen Gebiet die Bedeutung einer Ausscheidung dieses Stückes zu Sondereigentum (s. Rodung). Seinen Namen von der Eingrenzung (lat. jorestis zu foris) hat der vom König aus der gemeinen Mark f ü r sich eingezäunte Forst : (ahd. forst) oder Bannforst (Bannwald). v. Schwerin.

| Einherjar, d. h. 'auserwählte Recken', sind ' in der nordischen Dichtung die Helden, welche 0 3 i n n nach ihrem Tode um sich vereint hat. Sie ziehen täglich zum Kampf aus, fällen sich gegenseitig, kehren dann aber versöhnt nach ValhQÜ zurück (Vaff>rm. 41), wo sie sich zu frohem Gelage ; niederlassen. Hier bringen ihnen Valkyrien j den Met (Grimn. 36), der aus den Eutern der Ziege HeiSrün fließt (ebd. 25). Ihre Speise ist Fleisch vom Eber Saehrimnir, das t der Koch Andhrimnir im Kessel Eldhrimnir ' kocht (ebd. 18). Wenn neue Helden — > es sind fast durchweg Könige — kommen, i bereiten sie die Tafel zu deren Empfang vor (Eiriksm. 1). Im großen Kampfe der Asen gegen die dämonischen • Mächte ziehen ihrer über 400 OOO auf den großen Kampfplatz (Grim. 23). Die : E. kennen nur die Vaff>rü9nis- und Grimnismäl sowie die skaldischen EiriksOpera ed. Teulet I, II, 1840/43 (überholt). und Häkonarmäl aus dem 10. Jh., in der Vita Karoli Magni: MG. SS.rer. Germ. ed. 6,1911. nordischen Prosa sind sie unbekannt. Bei — Ü b e r s e t z u n g : Geschichtschr. d. deutschen Snorri sind sie aus jenen Gedichten ge-

Vorzeit 3 16, 1893. — Ü b e r das Verhältnis zu den Annales quond. dicti Einhardi und die Entstehungszeit der Vita: W i b e l , Beitr. z.Kritik d. Annales regni Francorum usw. 1902 S. 168 ff. u. 213 ff. (wo die ältere Lit., namentlich auch über die Kontroverse B e r n h e i m - K u r z e verzeichnet). — Translatio SS. Marcellini et Petri: MG. XV 239 ft.; darüber: M a r g . B o n d o i s , La translation des Saints M. et P., étude sur E. et sa vie politique 827—834, 1907 (dazu vgl. N. Arch. 33, 233). — Epistolae: MG. Epp. V 105 ff„ 286. — Zum L e b e n E . ' s : W i t t e n b a c h DGQ. 17, 198fr. E b e r t , Allg. Gesch. d. Lit. d. MA. II 92 ff. B a c h a Étude biographique sur Eginhard, 1888. H a m p e Zur Lebensgesch. E.s, N. Arch. 21, 599 ff. K u r z e Einhard, i8çç. M a n i t i u s , Gesch. d. lat. Lit. d. MA. I, 1911, S. 639 ff. (wo vollständige Lit.Angaben, auch zum Stil E.'s). K. Hampe.

Elnhegung. Abgesehen von den Umzäunungen der Hofstelle, der Dörfer und des Ackerlandes (s. Zaun) hatte die Einhegung eines Grundstückes in der Almende im

nommen.

1

E. Mogk.

Einkorn (Triticum monococcum L.). § I. Das E. war schon in der jüngeren S t e i n z e i t von Troja über Mitteleuropa bis nach Dänemark verbreitet. In Troja fand Schliemann es massenhaft aufgespeichert; es nahm unter den dort gefundenen Vegetabilien die erste Stelle ein. Auch in Bosnien (Butmir) und Ungarn (Aggtelek, Felsö-Dobsza, Lengyel) scheint das Einkorn eine der wichtigsten Getreidearten der steinzeitlichen Bevölkerung gewesen zu sein. In den Pfahlbauten der Alpenländer ist es nur einmal, in Wangen, nachgewiesen, wozu sich im südlichen W ü r t t e m berg ein Fund von Schussenried gesellt. Sonst ist es bis jetzt aus Deutschland und Böhmen nicht belegt; dagegen tritt es in der neolithischen Station von Lindskov in Dänemark wieder auf. (Hoops Waldb. u. Kulturpfl. 284. 287. 295. 301. 308. 320.)

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EINZELERBFOLGE—EINZELGRÄBER

§ 2. A u s den nachneolithischen Perioden ist das E. in Deutschland und Nordeuropa nicht wieder bezeugt. Für die B r o n z e zeit liegt bisher überhaupt nur ein Beleg v o n Toszeg in Ungarn (Komitat Pest), für die E i s e n z e i t ein anderer aus den Ruinen des altrömischen Aquileja v o r (Hoops aaO. 390). § 3. Wie es scheint, hat sich das E . seit dem Steinzeitalter aus Nord • e u r 0 p a zurückgezogen. Ob dies bereits zur Bronzezeit oder erst im Eisenalter geschah, ist unsicher, jedenfalls aber war es schon in vorliterarischer Zeit aus dem Norden verschwunden, da ein altnordischer Name des E. oder ein historisches Zeugnis für seinen Anbau im Mittelalter fehlt. Auch in der Gegenwart wird es außerhalb der landwirtschaftlichen Versuchsfelder in Dänemark und Skandinavien nicht kultiviert. (Hoops aaO. 390. 459 f.) § 4. In Schleswig-Holstein ist das E. vielleicht noch in historischer Zeit gebaut worden; denn die Angelsachsen hatten einen einheimischen Namen für Spelzweizen (speit), der aus pflanzen geschichtlichen Gründen nicht den Spelz im engeren Sinne oder Dinkel, sondern nur 'Einkorn' oder 'Emmer' bezeichnen kann (Hoops aaO. 422. 459 f.). § 5. Für einen Anbau des Einkorns im angelsächsischen E n g l a n d liegen keine Beweise vor, obschon der Name speit zeigt, daß irgend ein Spelzweizen bekannt gewesen sein muß. Im Mittel- und Neuenglischen fehlt ein volkstümlicher Name f ü r die Pflanze (Hoops aaO. 597). §6. In M i t t e l - und S ü d d e u t s c h l a n d hat der Anbau des E., trotz des Mangels an archäologischen Belegen aus nachneolithischer Zeit, wohl nie ganz aufgehört. Sein jetziger Name kommt als einkorn, einchorn, einachorno, einkurne mit der Bedeutung 'far, halicastrum ( - alicastrum)' schon in ahd. Glossaren ziemlich häufig vor (s. Björkman ZfdWortf. 3, 285; Hoops aaO. 390). § 7. Das Einkorn wird in der Gegenwart regelmäßig noch im südlichen Thüringen, in Süddeutschland (besonders Württemberg), in der Schweiz, in den österreichischen Alpenländern, in Ungarn, Siebenbürgen, der Herzegowina und Bulgarien, ferner in

; Belgien und einigen Strichen Frankreichs gebaut, aber kaum irgendwo als vorherrschendes Brotkorn. Seine Nordgrenze in Mitteleuropa scheint heute in Thüringen zu liegen. Es wird und wurde wohl auch früher meist als Wintergetreide gebaut, da es hohe Kältegrade erträgt. (Körnicke Handb. d. Getreidebaus 1, 110. Gradmann Württemberg. Jahrbücher f. Statistik u. Landesk. 1902, 105. A. Schulz Gesch. d. Weizens 60 f.)

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Über die A b s t a m m u n g des Einkorns s. Hoops Waldbäume u. Kulturpflanzen 314. 316 • mit weiterer Lit. A u g u s t S c h u l z Die Geschickte des Weisens, Zeitschr. f. Naturwiss. 83^ 1 ff. ( 1 9 1 1 ) . D e r s e l b e Die Abstammung des Einkorns, Mitteil. d. Naturforsch. Gesellschaft Halle 2 (1912), No. 3; Sonderabdruck. — Zur K u l t u r g e s c h i c h t e : B u s c h a n Vorgeschichtl. Botanik 27. S c h r ö t e r bei Radimsky u. Hoernes Die ncolith. Station v. Butmir i , 41. K ö r n i c k e Handbuch d. Getreidebaus l , 110. W i t t m a c k Berichte der Bot. Ges. 4 (1886), S. X X X l I f . Hoops Waldb. und Kulturpfl. 320. 390. 459 f. 597. 632. Aug. Schulz Gcsch. des Weizens (s. oben). Johannes Hoops.

Einzelerbfolge. Germanisches Recht ist, : daß mehrere gleich nahe Erben gemeinsam | sukzedieren, sei es, daß sie als Erbengemeinschaft zusammenbleiben, sei es, daß sie das Erbe unter sich teilen (s. u. Ganerbschaft). Eine Einzelerbfolge des Ältesten oder des Jüngsten (Majorat bzw. Primogenitur oder Minorat) ist dem älteren Recht völlig unbekannt. Sie h a t sich erst im späteren MA. für die Stammgüter des Adels und als A n erbenrecht für Bauerngüter entwickelt, wobei einerseits die Rücksicht auf den Glanz der Familie, andererseits grund| herrliche Interessen eine Rolle spielten. Dagegen ist der Versuch v. D u l t z i g s , diese Einzelerbfolge aus der alten Einheit . des Hausvermögens zu erklären, nicht gelungen.

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v. D u 1 1 z i g Das deutsche Grunderbrecht 1899, 108 ff. S e r i n g Die Vererbung des ländi. Grundbesitzes in Preußen II, 2: Erbrecht u. Agrarverfassung in Schlesw.-Holst. 1908, 98 ff. (Landwirtschaft!. Jahrb. 37 E r g . - B d . 5). S. Rietschel.

Einzelgräber (Enkeltgrave). Bezeichnung für eine besonders in Mittel- und Westjütland vorkommende A r t von Grä-

EINZELHOF bern des j ü n g e r e n S t e i n a l t e r s . Es sind dies zahlreiche, meist niedrige Grabhügel, worin die Leichen ohne Steinkiste oder Kammer einzeln, nicht, wie bei den megalithischen Gräbern, zu mehreren, beigesetzt sind. O f t haben aber spätere Geschlechter den einmal vorhandenen Hügel zu Nachbestattungen benutzt, und es ist alsdann leicht, aus der Höhenlage festzustellen, welche Gräber in einem Hügel älter und welche jünger sind. Vornehmlich dank dieser Ubereinanderlagerung ist es gelungen, vier zeitliche Gruppen zu unterscheiden, jede mit einem besondern Inventar von typischen Beigaben. In den Männergräbern der drei älteren Gruppen findet man stets eine Streitaxt von ausgezeichneter Arbeit (Beilgräber), in denen der jüngsten Gruppe dagegen Stoßwaffen und Pfeile (Speergräber). Die Frauengräber enthalten reichen Bernsteinschmuck. Die jütischen E. erstrecken sich über einen langen Zeitraum. Die jüngsten reichen bis zum Beginn des Bronzealters, die ältesten sind gleichaltrig mit den Riesenstuben oder Ganggräbern, gehen aber nicht bis auf die Zeit der kleinen Stuben zurück. Der große Unterschied zwischen E.n und Megalithgräbern, sowohl in der Bestattungsweise wie in den Altertümertypen, veranlaßt S o p h u s M ü l l e r , jene auf die von Süden her erfolgte Einwanderung eines neuen Volksstammes zurückzuführen, der jedoch schon vor Schluß der Steinzeit mit der einheimischen Bevölkerung verschmolzen sei. Hierzu würde stimmen, daß auch in Norddeutschland an einer Stelle, nämlich in der Uckermark, etwa um dieselbe Zeit flache Erdgräber mit einer einzelnen Leiche und vielen südlichen Formen von Altsachen in das Gebiet der Megalithgräber eingreifen und daß auch hier diese fremden Elemente eine besondere Entwicklung durchmachen, die erst allmählich mit der allgemeinen nordischen zusammenfällt. Dagegen unterscheiden sich die mecklenburgischen flachen E. in ihrer Ausstattung nicht im mindesten von den gleichaltrigen Steinkammern, und ebensowenig ist bei den schwedischen an einen völkischen Gegensatz zu den Megalithgräbern zu denken. Vgl. Flachgräber.

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S. M ü l l e r Aarb. 1898 u. Nord. Altertumsk. I 119 f. H. S c h u m a n n D. Steinzeilgräber d. Uckermark 1904 S. 89 ff. R . B e 1 1 z D. vorgesch. Altert, d. Großherzogt. MeckUnb

Schwerin 1910 S. 97. 191 o S. 1 ff.

Fornvännen 1909 S. 99; H. Seger.

! ! Einzelhof. § i. Einzelstehendes Gej höft, von einer Familie mit ihrem Wirtschaftspersonal bewohnt. Das zugehörige j Land liegt geschlossen in der Nähe der Wohnstätte, ohne Flurverband mit andern Höfen. Doch kommen in Westfalen Ausj nahmen vor, derart, daß mehrere Einzelhöfe in einer Flurgemeinschaft stehen. Der E. ist nicht verbunden mit einer bestimmten Hausform, vielmehr kommt jeder ! Typus des deutschen Bauernhauses auch [ als Einzelhof vor. j § 2. Die Siedelungsform herrscht im nw. Tiefland etwa von der Weser bis nach Belgien; ferner in den nördl. Teilen des rheinischen Schiefergebirges, besonders im Bergischen und im Sauerland. Zwischen Gebirge u. Tiefland hat der Hellweg dagegen Dörfer; indessen ist der Gegensatz nicht so scharf wie ihn Meitzen annimmt. Einzelhöfe herrschen ferner im ganzen Bereich der deutschen Alpen, im Gegensatz zu" der italienischen Seite mit ausgesprochener ! Dorfbesiedelung. Ebenso sind Vogesen, Schwarzwald, die Oberpfalz und manche andere Mittelgebirgslandschaften, besoni ders in Süddeutschland, reich an Einzel' höfen. § 3. Alter und Entstehung des Hofsystems sind sehr verschieden. Früher galt der E. als älteste Wohnform der Deutschen. Meitzen suchte dagegen zu beweisen, daß die Deutschen ihn erst von den Kelten übernommen hätten. Daß die Kelten vorwiegend in Höfen wohnten, wie auch heute | noch ihre Reste in der Bretagne, Irland usw., ist sehr wahrscheinlich. D a ß die I Germanen die Siedlungsweise erst von ihnen hätten lernen müssen, fällt mit der Annahme, daß sie bei der Berührung mit den Römern Nomaden gewesen wären. ' Der Einzelhof war auch im germanischen j Gebiet seit Urzeiten überall zahlreich, in einzelnen Gegenden herrschend. I § 4. Ein großer Teil der Einzelhöfe j entstammt erst der Zeit der Waldrodungen, nicht nur in den Gebirgen, sondern auch

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EIR—EISEN

im westfälischen Tiefland. Auch wo heute Dörfer auf Rodeland herrschen, hat die Besiedlung vielfach mit einzelnen Gehöften angefangen (vgl. Weiler), außer im Bereich der echten Waldhufendörfer (s. Reihendorf). Die Höfe Holsteins, Dänemarks und einiger ostdeutscher Landschaften sind weit jüngerer Entstehung. — S. auch Deutsches Siedlungswesen. M e i t z e n Siedig. u. Agrarw. II 77—96. R ü b e l Franken 450 ff. v. I n a m a Untersuchungen über das Hofsystem,

1872. 0 . Schlüter.

Eir begegnet in der Snorra Edda (I 114) als Göttin, und zwar als beste Ärztin. In der Skaldendichtung wird ihr Name häufig in der allgemeinen Bedeutung ,Göttin' zur Bildung von Kenningar für Frau verwendet z B . Eir ormdags 'die Göttin des Goldes'. E. Mogk. Eisen 1 . § 1 . Das Eisen, seine Verwendung und Darstellung war den Germanen bei ihrem ersten Auftreten in der Geschichte bereits bekannt. Die cimbrischen Reiter trugen Helme, eiserne Harnische, zweizackige Wurfspieße und schwere große Schwerter (Plutarch, Marius 25), Wenn Tacitus sagt, die Germanen hätten keinen Uberfluß an Eisen, wie man aus der Art ihrer Waffen sehe, so tut er dies im Vergleich mit der reichen Ausrüstung der römischen Legionssoldaten, welche diesen aus den kaiserlichen Waffenfabriken geliefert wurde. Die Germanen mußten sich ihre Waffen selbst anfertigen, und der gemeine Mann trug meistens nur den Speer mit kurzer Eisenspitze (framea), während die Vornehmen mit Helm, Schwertern und langen Lanzen ausgerüstet waren. § 2. Längst bevor die Römer nach Germanien kamen, schmolzen die Deutschen Eisen aus einheimischen Erzen und schmiedeten daraus Waffen und Gebrauchsgegenstände. Deutschland ist mit Eisenerzen reich gesegnet. Sie finden sich in allen Gebirgen und als Raseneisensteine im Flachland. Beim Roden und Graben fand man sie. Sie wurden gesammelt und im benachbarten Wald mit Holzkohlen geschmolzen. Überall auf den Höhen wie im Flachland finden sich die Spuren solcher Schmelzstätten in Gestalt von Eisenschlacken. Ihr Alter ist unbestimmt, weil

I diese Art des Betriebes sich bis in das I 16. Jahrh. erhalten hat, zweifellos reichen aber viele davon in vorrömische Zeit zurück. i § 3. Funde eiserner Waffen in prähistorischen Gräbern in Deutschland legen ebenj falls Zeugnis für die frühe Bekanntschaft der Germanen mit dem Eisen ab. Solche | aus der Hallstattzeit finden sich vornehmlich : in Süddeutschland, in Bayern, Württemberg, Baden, im Elsaß, in Franken, Hessen, Thüringen bis in den Harz, vereinzelt in i den östlichen und nördlichen Provinzen. Eisenwaffen und Geräte der L a Ttaezeit sind mehr im westlichen Deutschland bis nach Thüringen hin verbreitet. Zur Zeit der römischen Invasion waren die Deutschen mit der Erzeugung und Verarbeitung des Eisens ganz vertraut, was die Römer für ihre Zwecke benutzten. § 4. In der Nähe der Kastelle des römischen Grenzwalls finden sich nicht selten größere Ansammlungen von Eisenschlacken, die auf Schmelzbetrieb zur Zeit ihrer Be1 setzung schließen lassen. Besonders deut; lieh kommt dies bei dem großen Kastell 1 Salburg bei Homburg zur Erscheinung. Hier fanden sich ganz in der Nähe, aber jenseits des Limes, also auf germanischem Gebiet, außer Eisenschlacken, Eisenerze, Eisenstücke, Holzkohlen und deutliche Reste von Schmelzöfen. Die Roteisensteine stammen aus dem Weiltal, woher sie von Deutschen geholt und mit Selbstgebrannten Holzkohlen in Herdöfen geschmolzen wurden. § 5. Nahe der Schmelzstätte talabwärts findet sich eine eigenartige Erdaufschüttung, „der Drusenkippel", der nur als Unterbau für eine Schutzhütte der Eisenschmelzer gedeutet werden kann und jedenfalls eine germanische, keine römische Anlage war. — Aus den Funden am Dreimühlenborn läßt sich ein deutliches Bild der Schmelzherde und der Schmelzweise machen. Der Schmelzofen bestand aus einer kreisförmigen Steinsetzung, in deren Innern der Schmelzherd aus Lehm hergestellt wurde. Das Erz wurde mit Holzkohlen und künstlichem durch einen Blasebalg erzeugten Wind geschmolzen. Die Winddüsen waren aus Ton gebrannt. Das zerkleinerte Erz wurde lagenweise abwechselnd mit Holz-

EISEN kohlen aufgetragen. Das Ergebnis der Schmelzung war ein mit Schlacken gemengter Klumpen(massa ferri) von schmiedbarem Eisen, der durch Hämmern und eine nochmalige Behandlung im Herd gereinigt wurde, um dann weiter verarbeitet zu werden. § 6. Auf der Salburg hat man eine erstaunliche Menge v o n Eisengeräten aller A r t aufgefunden, darunter große massive Blöcke, v o n ca. 250 k g Gewicht, die wohl als Ambosse Verwendung fanden. Da bis j e t z t eine größere Schmiedewerkstätte im Kastell nicht entdeckt worden ist, so wäre es möglich, daß auch diese Schmiedestücke am Dreimühlenborn hergestellt worden seien, was auf eine große K u n s t der Waldschmiede schließen ließe; denn da eine Schmelzung nur 5 bis höchstens 10 k g Eisen ergab, müssen diese schweren Blöcke aus einer großen Zahl von Einzelstücken in mindestens zwei gleichzeitig betriebenen Herden zusammengeschweißt worden sein. A u c h an andern Stellen im Waldgebiet des Feldbergs wurden Eisenschlackenhalden gefunden, in einer derselben ein Ziegelstein mit römischer Inschrift. Ähnliche Reste v o n Eisenschmelzen finden sich an anderen Kastellen des Grenzwalls, z B . zu Hausen v. d. H. und bei Pfünz. § 7. Zahlreiche Funde von eisernen nach beiden Enden spitz auslaufenden Blöcken hat man im Rheintal v o n Basel bis nach Bonn hin gemacht. Sie stammen aus römisch-germanischer Zeit und waren Rohluppen, wie sie der Schmelzer dem Eisenschmied, der sie zu Gebrauchsgegenständen ausschmiedete, verhandelte. Bei Monzenheim in Rheinhessen hat man 26 solcher Blöcke zusammen gefunden. Ihr Erzeugungsort waren vermutlich die alten Schmelzstätten bei Eisenberg in der Pfalz, die in vorrömischer, römischer und nachrömischer Zeit betrieben wurden. Die Schmelzherde bei Eisenberg waren ähnlich denen am Dreimühlenborn. § 8. . Dagegen finden sich abweichende Eisenschmelzöfen im schweizer J u r a und in Krain. Sie haben die Form v o n Schachtöfen, sind an steilen, dem Wind ausgesetzten A b h ä n g e n in den Boden eingeschnitten; es soll in ihnen nach der A n sicht v o n Quiquerez und Alfons Müllner,

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welche sie beschrieben haben, mit natürlichem L u f t z u g geschmolzen worden sein. In Deutschland sind solche Öfen unbekannt. Die Wertschätzung eiserner Waffen nahm in der Zeit der K ä m p f e der Völkerwanderung zu. Mit ihren Eisenwaffen haben die Germanen das römische Weltreich zertrümmert und die Vorherrschaft in Europa erobert. Für die Vervollkommnung in der K u n s t der Behandlung und des Ausschmiedens des Eisens und des Stahls sprechen geschichtliche Nachrichten, mehr noch die alten Götter- und Heldensagen in der Edda und den mittelalterlichen Dichtungen. § 9. Der Donnergott Thor zerschmettert mit seinem kurzschaftigen Eisenhammer „ M j ö l n i r " die feindlichen Riesen; dadurch entsteht der Blitz. Der Riese T h r y m stiehlt den Hammer und birgt ihn „ a c h t Rasten unter der E r d e " . Hierbei kann man an eine unbestimmte Kenntnis v o n Meteoreisenfällen denken. Zahlreich sind die Überlieferungen über die Schwerter der Helden und über ihre Schmiede. Die Schwerter der Helden führen Namen wie Siegfrieds Balmung, Wielands Mimung, Beowulfs Ncegling, Dietrich von Berns Naglring usw. Sie vererbten sich als. kostbarer Besitz von V a t e r auf Sohn. Aus den Stücken des zerbrochenen Schwertes Sigmunds schmiedete der kunstreiche Schmied Regin dessen Sohn Sigurd das Schwert Gram, mit dem dieser Regins Ambos zerschlug (Edda, Sigurdarkvida II). § 10. Nach der späteren Fassung lehrte der tückische Mime dem jungen Siegfried die Schmiedekunst. Mit dem v o n diesem mit seinen starken Händen geschmiedeten Schwert tötete er den Drachen Fafner und den falschen Mime. — Noch bedeutsamer für die Schmiedekunst sind die Sagen von Wieland dem Schmied. Der prahlerische Waffenschmied des Königs Nidung hatte mit Wieland gewettet, daß er kein Schwert wirken könne, um eine von ihm geschmiedete Eisenrüstung zu durchhauen. Wieland schmiedet ein Schwert so herrlich, daß es der König mit Gold aufwiegen will. A b e r Wieland genügt es nicht. Er zerfeilt die Klinge, mischt die Spähne mit Milch und Mehl, füttert damit ausgehungerte Mast-

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EISEN

Der König probt die Klingen mit seiner vögel und sammelt deren K o t . Diesen Hand stärker als Eisen auf ihre Spannglüht er und schmiedet daraus ein Schwert kraft. Die eine zerbricht ihm in der Hand, handlicher und schärfer als das erste. Doch eine ander aber biegt er bis zum Griff wie auch dieses befriedigt Wieland noch nicht. eine Weidengerte zusammen und sie springt, Er wiederholt sein Verfahren, und nun wie er sie losläßt, in ihre ursprüngliche Gebringt er ein Schwert zustande, so scharf stalt zurück. daß es eine Flocke Wolle drei Fuß dick, die auf dem Fluß schwimmt, glatt durch§ 14. Stahl = Stachel (acies) ist ein schneidet, indem er es ihr nur entgegenhält. 1 altes deutsches Wort, seine Eigenschaften Die beiden Hälften schwimmen ohne jeden 1 und seine Behandlung waren den gerA u f e n t h a l t weiter. : manischen Schmieden wohlbekannt. Seine § I I . Als dann der T a g der W e t t e ge- : Herstellung erfolgte aus besonderen Eisenkommen und Annilias Helm, Panzer und j erzen, zumeist aus den aus Spateisenstein Diese Eisenhosen angelegt hat und Wieland 1 entstandenen Brauneisensteinen. Stahlerze finden sich besonders in den höhnisch auffordert, sein Schwert an seiner R ü s t u n g zu versuchen, da tritt Wieland , österreichischen Alpenländern Steyermark hinter ihn, legt das Schwert auf den Helm, : und Kärnten, in Thüringen bei Schmalkalden und im Siegerland. Hier wurde drückt nur leise, und die scharfe Klinge der Stahl geschmolzen und hier nahm die durchschncidet die Eisenrüstung und den Mann, so daß beide Hälften auseinander- ; Eisen- und Stahlgewinnung zuerst den fallen. Diese Verherrlichung der Schwert- j Charakter eines ständigen Gewerbebetriebes an. Der Stahlberg bei Schmalkalden soll schmiedekunst ist von besonderer Bedeuseit 385 in Betrieb sein. tung wegen des Verfahrens, das auf die Kenntnis der Einsatzhärtung durch Glühen § 15. In dem alten Noricum wurde Stahl von Eisen in kohlenstoff-stickstoffhaltigen ; in römischer und vorrömischer Zeit beSubstanzen hinweist. reitet, aber erst nach der Völkerwanderung, § 12. Ebenso war den Schmieden in nachdem die Herrschaft der Deutschen in römischer und frühmittelalterlicher Zeit die Steyermark gesichert war, begann angebHerstellung von damasziertem Stahl, durch ich 712 der ununterbrochene BergwerksZusammenschweißen undAusschmieden von betrieb am Erzberg bei Eisenerz. Eisen Stahl und Eisenstäbchen, bekannt. So entund Stahl v o m steyrischen Erzberg gingen standen die o f t erwähnten ,,wurmbunten" nordwärts nach der Donau, während der Klingen. ; Stahl v o m Erzberg bei Hüttenberg in Cassiodor teilt einen Brief des OstgotenKärnten auf Saumtieren südwärts nach königs Theoderich (Dietrich von Bern) mit, Italien gebracht wurde. Über die Eisenworin dieser sich bei dem Vandalenkönig und Stahlgewinnung im Siegerland sind Thrasamund für das Geschenk eines herrurkundliche Nachrichten erst aus späterer lichen Schwertes „köstlicher als G o l d " be- | Zeit vorhanden, es ist aber anzunehmen, dankt. „ S e i n e Klinge glänzt so helle, daß j daß die im frühen MA. berühmten kölnies im Anschauen das treue Spiegelbild des I sehen Schwerter aus Siegener Stahl geGesichtes zurückwirft. . . In dem mittleren schmiedet wurden. Dieser bildete einen Teil erscheinen schöne Vertiefungen wie ; wichtigen Handelsartikel der Kölner, der krausendes Gewürm und es zeigen sich so besonders nach London ging, wo er in dem mannigfaltige Schattierungen, daß man ; Kölnischen „ S t a h l h o f " gestapelt und geglauben möchte, es sei das glänzende Metall handelt wurde. mit verschiedenen Farben durchwebt." § 16. Siegen wird die Heimat des kunst§ 13. Zahlreiche Schwerter der A r t reichen Schmiedes Wieland genannt. Gottwurden in einem untergegangenen Schiff fried v o n Monmouth bezeugt dies in seiner bei N y d a m im Moorboden gefunden. Für Vita Merlini (um 1136): „ p o c u l a quae die Elastizität der Stahlschwerter gibt die , sculpsit Wilandus de urbe Sigeni". Chronik v o n St. Gallen ein Beispiel. K ö n i g § 17. A l t e r Eisensteinbergbau in DeutschLudwig der Deutsche empfing von dem land wird v o n Otfried von Weißenburg am Normannenkönig Schwerter als Geschenk. Main in der ersten Hälfte des 9. Jhs. erwähnt.

EISEN Der Erzberg bei A m b e r g wird 931 urkundlich genannt. Im ganzen war aber Bergbau mit Schächten und Stollen auf Eisenstein in der ersten Hälfte des MA. noch selten, meist wurde der Eisenstein gelesen oder an der Oberfläche gegraben. Eine Verordnung Karls d. Gr. legt dem A m t mann {judex) die Anzeigepflicht für alle in seinem Gebiet befindlichen Eisensteingruben (fossae ferrariae) auf. Der Eisenstein fiel aber nicht unter das Bergregal, sondern war freies Eigentum des Grundbesitzers, des Gutsherrn oder der Gemeinde. Diese mußten davon eine A b g a b e in natura an die Landesherrschaft leisten. Die Lorscher Chronik (Traditiones Laureshamenses) meldet, daß unter K ö n i g K a r l und dem A b t e Helmerich, der von 780 bis 785 regierte, ein gewisser Adelolt dem Kloster Lorsch den dritten Teil seiner Eisengrube [tertiam partem de sua mina ad faciendum ferrum) in der Gemarkung Wannendorf (Kreis Wetzlar) geschenkt habe. ; § 18. V o n den Eisenschmelzen mußte : der Gutsherr A b g a b e n von Eisen an den j Landesherrn entrichten. So heißt es in der 1 Lorscher Chronik v o m Jahre 780: in villa Wilene sunt hubae tres, quae solvunt ferri jrusta XXXII et unciam unam, also in i Weilnau g a b es drei Hofbauern, die jährlich 32 Schirbel (Luppen) und ein P f u n d Eisen dem Kloster erlegen mußten. Dies ist ein Beispiel v o n vielen. — Dieses Eisen, welches der Gutsherr, auf dessen Hube sich eine Waldschmiede befand, jährlich der Herrschaft zu liefern hatte, wurde dann von dem Klosterschmied oder dem Burgschmied zu Bedarfsgegenständen verschniiedet. § 19. Die Eisenbereitung aus den Erzen durch die Waldschmiede behielt die alte einfache Form bei, dagegen trat bei den Schmieden, welche das Waldeisen weiter verarbeiteten, an dem kaiserlichen Hof und in den größeren Städten eine Arbeitsteilung ein. In K a r l s d. Gr. Capitulare de Villis werden neben den Grobschmieden die scutatares (Schild- und Panzerschmiede) | genannt. D a ß neben den Panzer- und Helmschmieden die Schwertschmiede ein hochangesehenes Handwerk bildeten, bezeugt die Sage v o n Wieland. — Ferner gab es an manchen Höfen einen „ P i l s m i d " , der j Pfeil- und Lanzenspitzen schmiedete. Auch :

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die Nagelschmiede bildeten schon früh ein eignes Gewerbe, während jeder Hofschmied auch Hufschmied war. § 20. Die Mitglieder des gleichen Handwerks schlössen sich genossenschaftlich zusammen. K a r l d. Gr. verbot die „eidlichen Verschwörungen" der Gewerbetreibenden. Dagegen nahm sie die Kirche, die j a in den Mönchsorden selbst solche Verbände geschaffen hatte, in ihren Schutz. Die „ B r u d e r s c h a f t e n " erhielten dadurch einen kirchlichen Charakter. A u c h die W a l d schmiede, Köhler und Schmelzer schlössen sich im Harz zu einer Genossenschaft der Waldleute (silvani) zusammen, welcher K a i ser Friedrich II. Rechte und Schutz gewährte. Besondere Beachtung verdient die Bruderschaft der Stahlschmiede in Siegen. Diese schmolzen ihren Stahl aus ausgesuchten Erzen innerhalb der Mauern der Stadt in Rennherden. § 21. Trotz der Belästigung der Bewohner durch R a u c h und Feuer wurden sie von der S t a d t wie v o n den Grafen von Nassau geschützt. Sie waren die vornehmste Bruderschaft und blieben es auch noch nach ihrem Verfall infolge der veränderten Betriebsweise. Sie schmolzen besten „Mollstein", der in der Nähe der Stadt gefunden wurde. Doch werden sie auch schon die Erze des „ S t e i n b e r g s " , jetzt „ S t a h l b e r g s " bei Müsen, v o n dem die Grafen v o n Nassau schon 1313 Zoll erhoben, verwendet haben. Die Schlacken wurden auf einen Platz vor dem Haintor, in dessen Nähe die Schmelzherde sich befanden, gefahren. § 22. Im 13. Jahrh. begann sich eine große U m w ä l z u n g in der Eisenbereitung dadurch zu vollziehen, daß man anfing, die Menschenkraft durch die Wasserkraft zu ersetzen. Wie die Wassermühlen die Handmühlen verdrängt hatten, so verdrängten die Schmelzöfen, deren Blasebälge durch Wasserräder bewegt wurden, und die H a m merwerke an den Bächen und Flüssen die alten Waldschmieden. Die Waldschmiede verließen die waldigen Höhen und bauten sich im T a l unter dem Schutz der Landesherren Eisen- und Hammerhütten. Damit war der A n f a n g einer auf Maschinenkraft begründeten Eisenindustrie gegeben, deren großartige Entwicklung bis zur Gegenwart

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EISEN

k a u m mehr ihre Entstehung aus den einfachen Waldschmieden ahnen läßt. § 23. In Steyermark vollzog sich dieser Wechsel bereits im 13. Jahrh. Im Siegerland wird 1311 zuerst eine „ M a ß h ü t t e an der Weiste", dem bei Siegen in die Sieg mündenden Weißbach, erwähnt. Maßoder Massenhütten hießen sie von der Eisenmassel (massa ferri), dem Eisenklumpen oder „ S t ü c k " , das nach vollendeter Schmelzung wie bei den Rennherden ausgebrochen wurde. Die Maßöfen waren also ursprünglich Stücköfen, niedrige Schachtöfen. In Steyermark hießen sie „ P l a a ö f e n " , in Schmalkalden „ B l a u ö f e n " , d. h. Blaseöfen, wegen des starken Windes der durch Wasserkraft getriebenen Blasebälge. Diese neue Betriebsweise hatte eine für die weitere E n t w i c k l u n g der Eisenindustrie sehr wichtige Folge. Durch den stärkeren W i n d entstand in den Öfen, die man der größeren Produktion wegen erhöht und zu Schachtöfen ausgebaut hatte, eine weit größere Hitze als in den alten Rennherden. Die Folge war, daß das Eisen, das länger im Ofen blieb, sich höher kohlte, schmolz und als flüssiges Roheisen mit der Schlacke aus dem Ofen lief. A n fänglich erschien dies als ein Nachteil, weil man das geflossene harte, nicht schmiedbare Eisen als ein verdorbenes Produkt, einen schlechten Lech ansah, der in Steyermark deshalb graglach hieß. Bald aber lernte man zwei Vorzüge an diesem „ R a u h e i s e n " schätzen. Erstens den, daß, wenn dasselbe zum zweitenmal ähnlich wie der Eisenstein vor dem Wind im Ofen geschmolzen wurde, es ein besseres, gleichmäßigeres Schmiedeeisen ergab, als das aus den Erzen direkt geschmolzene. Man nannte es „zwiegeschmolzenes Eisen" und das Verfahren das „ F r i s c h e n " . § 24. Der zweite V o r z u g bestand darin, daß sich das flüssige Eisen in Formen gießen ließ, und damit war eine neue Technik, die Eisengießerei, erfunden. Dies vollzog sich in der zweiten Hälfte des 14. Jhs. 1402 goß man bereits Kanonenkugeln und kleine Geschütze (Böller). Damit war die Grundlage der modernen Eisenindustrie gegeben. Noch heute beruht die Herstellung von Schmiedeeisen und Stahl auf dem indirekten Verfahren, dem Frischen

des Roheisens, und die Eisengießerei h a t sich zu einem wichtigen Zweig der Eisenindustrie entwickelt. V o n jeher haben die Deutschen das Eisen v o n allen Metallen am höchsten geschätzt und viele wichtige Erfindungen, aus denen der Riesenbau der modernen ! Eisenindustrie entstanden ist, sind in Deutschland gemacht worden, j ! ;

L . B e c k Gesch. des Eisens I (1891). D e r s . Beiträge in den Annalen d. V. Nassau. Altertumskunde X I V 317. X V 124. X X X V I I 22S. Festschrift d. Römiscli-German. Museums 1902. U n d s e t Das Eisen in Nord-Europa, deutsch v. I. Mestorf 1882. Chr. Horstmann Studien z. vorgeschichtl. Archäologie 1890. A. Q u i q u e r e z Notices sur les forges primitives dans le jfura ßernois 1 8 7 1 . S. B l e e k r o d e De yizerslakken in Nederland en de Jizerbereding in vroegeren Tijd. — Alfons M ü 1 1 n e r Gcsch. des Eisens in Inncr-Osterrcich, Wien 1909. L . Beck.

Eisen2. § I. Technische Bezeichnung der Münzeisen oder Stempel, deren man sich zur Herstellung des Münzgepräges bedient. Die Eisen, welche das Prägebild vertieft und in umgekehrter R i c h t u n g enthalten, bestehen gewöhnlich aus dem festen Unterstempel, dem „ S t o c k " , der als A m b o s dient und aus dem beweglichen Oberstempel, schlechtweg das Eisen genannt. „ D e r eisengraber sol die eisen ornlich graben und sol auch der punzn und der gegraben eisen vleißiglich hüten", Eid des Eisengräbers in der Wiener Münze um 1437. (Wiens Rechte u. F r e i h e i t e n l l 72.) Sollten Münzen nur mit Hilfe eines Münzstempels hergestellt werden, was im MA. öfter vorkam, so konnte der Stock durch den glatten A m b o s ersetzt werden. Bei B r a k t e a t e n (s. d.) diente diesem Z w e c k eine entsprechende Unterlage v o n Wildleder oder es wurde das Gepräge im Unterstempel angebracht und statt des Oberstempels ein zugerichtetes Holz aufgesetzt. § 2. In abgeleiteter Bedeutung bezeichnet Eisen auch das Gebiet, in welchen die durch Stempel einer bestimmten Münzstätte hergestellten Münzen von R e c h t s wegen Umlauf haben sollen, also den Münzbezirk. So gab es z B . im 14. Jh. in der Mark Brandenburg mindestens drei solche Münzbezirke munzyser genannt.

E I S E N Z E I T — E K K E H A R D (IV.) V O N S. G A L L E N

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lichen Griechenstämme, zugleich die Zeit der Entstehung der homerischen Sagen und Lieder (etwa 1200—800). StilgeEisenzeit. § i. Zur näheren Bestimmung schichtlich ist dies der Ausgang der dieses Begriffs gehört die Beziehung auf mykenischen Periode und die erste Zeit eine vorausgegangene Bronzezeit (oder der geometrischen Stilarten. Die ÜberSteinzeit), von der sich die E. durch den nahme der phönikischen Buchstabenschrift Gebrauch des neuen Metalles unterscheidet. kennzeichnet den Beginn der geschichtMan hat den Namen daher möglichst lichen E. in Griechenland. In Mittelitalien auf die ältesten Zeiten der Benutzung des zerfällt die vorgeschichtliche E. in zwei Eisens in bestimmten Ländergebieten zu protoetruskischc (1100—900) und die beiden beschränken, für Europa auf die letzten ersten etruskischen Perioden (900—700) vorgeschichtlichen Zeiträume. Aber auch unter steigendem Einfluß zuerst des griech. hier sind die Daten des Beginns und des Handels, dann der griech. Kolonisation. Endes der vorgeschichtlichen E. in den Oberitalien schließt sich teils an Mittel^ einzelnen Länderräumen sehr ungleiche. italien, teils an M i t t e l e u r o p a an. Die Daten des Beginnes liegen näher beiDas letztere hat zwei vorgeschichtliche sammen (in Südeuropa etwa um 1200, E.en bis um Christi Geburt: die H a l l in Mitteleuropa um 900, in Nordeuropa s t a t t z e i t (s. d.), etwa 900—450, und um 500 v. Chr.), als die des Endes; denn die L a T £ n e - Zeit (s. d.). Norddie vorgeschichtliche E. umfaßt in Süde u r o p a erhält aus Mitteleuropa zuerst, europa nur die letzten Jahrhunderte des 2. etwa 800—600, hallstättische Stilformen, und die ersten des I. Jahrtausends v. Chr., aber noch kein Eisen, dann, etwa 600—400, in Nordeuropa reicht sie bis um 1000 auch das letztere und hierauf die La Tenen. Chr. Das Eisen spielte in der Technik Kulturformen, welche die Grundlage einer des Altertums (und des Mittelalters) nicht langen Entwicklung der jüngsten vorentfernt die gleiche hohe Rolle, wie in geschichtlichen Kultur des N. bilden. jener der Neuzeit, weshalb im Orient und Die skand. Prähistoriker unterscheiden in Griechenland verhältnismäßig hohe 1. eine vorröm. E. von 500 bis um Chr. Kulturstufen ohne Kenntnis oder wenigGeb., 2. eine röm. E. von da bis um 400 stens ohne ausgiebige Benutzung dieses n. Chr., 3. die Zeit der Völkerwanderung, Metalles erreicht wurden. etwa 400—800 und 4. eine Übergangs§ 2. Die Frage nach dem allerersten • zeit vom Heidentum zum Christentum, etwa 800—1050. Dies alles nennen die Auftreten einzelner Eisensachen in den nord. Archäologen noch E., während sie die verschiedenen Ländern ist ziemlich beHallstattperiode und verwandte Erscheilanglos (Funde aus dem alten und dem nungen in Italien, wenigstens früher, noch mittleren Reich Ägyptens, aus der Bronzegern zur Bronzezeit rechneten. In der Tat zeit Norddeutschlands um 1000, Skandiist erst die La Töne-Periode im vollsten naviens um 1200 v. Chr.); nur der AnSinne des Wortes eine E. Mitteleuropas. bruch einer wirklichen E., wenn auch S. M o n t e l i u s K o r r . - B l . deutsch, anthr. zunächst meist nur einer Übergangs Ges. 1900, I 4 2 i f . L. B e c k Gesch. d. Eisens1 periode von der reinen Bronzezeit zu | Braunschw. 1 8 9 1 . M. Hoernes. einem Zeitalter stärkerer Eisenbenutzung kommt als kulturgeschichtliche Epoche in Ekkehard (IV.) von S. Gallen, Mönch, Betracht. Diesen Anbruch kann man für c. 980—-1060, Schüler Notkers des Deutden nahen Orient um 1500, für Griechen- schen (f 1022), schrieb außer lateinischen land um 1300, Etrurien um 1100, Ober- i Versen und einer Überarbeitung von Ekkeitalien um 1000, Mitteleuropa um 900, hards I. Waltharius den wertvollsten Teil Nordeuropa um 5 0 0 ansetzen. ; der S. Galler Klosterchronik, der Casus § 3. In Griechenland umfaßt die vor- S. Galli, von 891—971. Den Hauptanlaß geschichtliche E. hauptsächlich das sog. j dazu gab ihm der tiefempfundene Gegen„griech. Mittelalter", d. h. die Kampf- I satz zwischen dem bisherigen heiteren und und Wanderzeit der späteren geschicht- gelehrten, fast humanistischen Mönchtum, B a h r f e l d Münzwesen d. Mark Brandenburg I 15. v . L u s c h i n Münzk. 70 ff., 237 ff. A . Luschin v . Ebengreuth.

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ELCH

wie es mit seiner Schätzung individuellen Lebens germanischer Art entsprach, und dem asketischen, reglementierenden und uniformierenden Wesen, wie es zu seiner Zeit aus dem romanischen Lothringen übermächtig gegen Deutschland vordrang. Aus dieser Stimmung heraus hat er, fast allein gestützt auf mündliche Überlieferung, ein glänzendes Bild der alten Zeit entworfen, der Schicksale S. Gallens in Ungarn not und Friedenszeiten, des literarischen Schaffens von Lehrern und Schülern in dieser zweiten ottonischen Glanzzeit des Klosters, als Ekkehard II. mit der Herzogin Hadwig von Schwaben die Schriften der Alten studierte. Es ist Wahrheit und Dichtung, mit seltenem Erzählertalent vorgetragen, voll guter Laune und Freude an den Einzelheiten des individuellen Lebens, im höheren Sinne durchaus wahr, ein unübertroffenes Spiegelbild frühmittelalterlichen Klosterlebens, das Scheffel zu seinem historischen Roman Ekkehard angeregt hat. Casus S. Galli MG. II, 74 ff.; besser hrsg. v. M e y e r v. K n o n a u , S. Galler Mitteil. z. vaterl. Gesch. 15, 16 (1877). — Ü b e r s e t z u n g : Geschichtschreib. d. d. Vorzeit 1 38, 1891. — D ü m r o l e r Z f d A . 14, i f f . Wattenbach, DGQ. 1», 441 ff. K . Hampe.

Elch oder E l e n , E l e n t i e r (Cervus alces L.). § I. Der altgerman. Name des Elchs tritt in mehrfacher Gestalt auf. a) Die westgerman. Sprachen haben eine Form mit Wurzelvokal e, die teils als a-, teils als aw-Stamm erscheint; einerseits ags. eolh, elh m.; ahd. elah, mhd. nhd. eich m.; anderseits ags. elha und eola (aus *eolha) swm.; and. elaho und elo (aus *elho) swm. (Gallee Vorstud. 53); ahd. elaho, mhd. elhe swm. Eolh, elh ist die gewöhnliche angelsächsische, elaho die vorherrschende althochdeutsche, elo die normale altniederdeutsche Form. b) Zu diesen westgerm. Namensformen, die auf *elhaz bzw. *elhan- zurückgehen, steht der n o r d g e r m a n . Name *algiz im Verhältnis des Ablauts und grammatischen Wechsels: anord. elgr m., norw. schwed. elg. c) Den gleichen V o k a l wie die nordgerm. Form zeigen die germ. Lehnwörter achlis (für "alchis) bei Plinius NHist. 8, 39, alces plur. bei Caesar BG. 6, 27 und aXxrt

bei Pausanias 5, 12; 9, 21, die auf urgerm. *alhiz zurückführen (R. Much ZfdA. 39, 26 u. Engl. Stud. 30, 136). § 2. Mit urgerm. *alhiz, *aljiz aus idg. *olkis urverwandt ist russ. lost 'Elch' (aus *olsi). Auch aind. fsyas 'Antilopenbock' wird gewöhnlich mit dem germ.-slaw. Namen verbunden. Idg. elh-, olk-, lk- 'Elch' stellt wohl eine i - A b l e i t u n g aus einer primitiven Wurzel el-, ol- dar; neben ihr steht eine häufigere «-Ableitung elen-, ein-, olnmit der Bedeutung 'Hirsch', die in den meisten idg. Sprachen wiederkehrt: lit. elnis neben alnis 'Hirsch', lett. alnis 'Elentier', apreuß. alne 'Tier' (dh. 'Hirschkuh'); abulg. jelenl, bulg. (fielen, serbokroat. feien, slow, -¡elen, czech. jelen, poln. jelen, russ. oleni, klruss. ölen 'Hirsch'; gr. s'Xctao? (aus *eln-bhos) 'Hirsch', & ) J J J Z (aus *iKvo?) 'junger Hirsch'; armen, ein 'Hirschkuh'; kymr. elain 'Hirschkuh'. § 3. Reste des Elchs sind in den Schweizer Pfahlbauten reichlich gefunden worden. Caesar, der das Tier in den Wäldern ; Germaniens kennen lernte, gibt uns eine ausführliche Beschreibung von ihm (BG. 6, 27). Auch im Mittelalter war der Elch 1 in Deutschland noch weit ver| breitet, worauf außer literarischen Zeugnissen Ortsnamen wie Elichpach, Elhpachesoua, Elchenbach, Elehenwang hinweisen. In Hedas Histor. zu den Jahren 943 und 1006 wird sein Vorkommen in den Provinzen Utrecht und ; holländischen Drenthe bezeugt („bestias insuper, quae Teutonica lingua elo aut schelo appellantur''; „insuper et bestias, quae Teutonice elo I et schelo appellantur"; Gallee Vorstud. 53). i An beiden Stellen spielt der Elch als Jagdtier eine Rolle; als solches wird er auch im Nibelungenlied 880, I erwähnt. Erst in der Neuzeit wurde er seltener, um im 18. Jahrh. als Wild ganz auszusterben. Heute finden sich nur noch in den Forsten Ostpreußens 1 einige Hunderte von Exemplaren unter starker Schonung. § 4 . In E n g l a n d scheint der Elch ! schon im Mittelalter ausgestorben zu sein. Ein mittelengl. Name des Tiers k o m m t nicht vor; ne. elk, das i486 zuerst belegt ist (NED.), ist eine Entlehnung aus norweg. elg.

ELEFANTIASIS—ELFEN, § 5 . In S k a n d i n a v i e n , sowie in den r u s s i s c h e n Ostseeprovinzen hat der Elch sich bis heute erhalten. § 6. Der neuhochdeutsche Name elen, elentier wird seit Jakob Grimm gewöhnlich als Lehnwort aus lit. élnis 'Hirsch' aufgefaßt. „ E s ist übel", sagt Grimm ( D W b . unter 'Elen'), „ d a ß dieser allem Anschein nach Slawen abgesehene Name unsern heimischen . . . verdrängt h a t . " Aber lit. élnis ist der Hirsch, das Elentier heißt lit. bredis (lett. breedis und alnis). Mir scheint nhd. elen wie auch nndl. eland vielmehr eine F o r t setzung des altniederdeuts c h e n elo swm. 'Elch' zu sein (s. oben 1 a; 3). Das W o r t ist im Hochdeutschen bereits bei Luther (als elend), auf niederdeutschem Sprachgebiet sogar schon seit dem 14. Jh. belegt: mnd. êlen-hût, êlendeshüt 'Elenshaut' im 14. und 15. Jh., clensklaue 'Elensklaue' (als Amulett gegen Epilepsie getragen) in niederdeutschen Texten des 16. Jhs. (Schiller-Lübben Mnd. Wb.); mndl. ëlen und Fiant, êlont, ferner êlen-hût (dat. plur. hêlenhûden, helnehûden), êlonts-hût, eelantsche huyt und êlen-vel (a. 1441) 'Elenshaut, -feil' (Verwijs u. Verdam), nndl. eland. Der Name findet sich somit auf niederdeutschem und niederländischem Gebiet in zahlreichen Belegen schon zu einer Zeit, wo der Elch in den Wäldern Mitteleuropas noch wohlbekannt und sein alter Name sicher noch erhalten war. Auch der Umstand, daß schon im 15. Jh. überall Nebenformen mit einem Dental hinter dem -n erscheinen, der sich vermutlich aus dem Kompositum *elen-dêr losgelöst hat oder (nach Much) auf Anlehnung an Wisend ua. beruht, weist auf längere germanische Überlieferung hin. Das Eindringen der flektierten Formen and. elen, elan in den Nominativ ist das gleiche wie in nhd. garten, balken, nnd. gdrn, balken usw.; es wurde vielleicht durch Komposita wie êlen-hût, êlen-vel begünstigt. Außer in die hochdeutsche Schriftsprache drang das niederdeutsche Wort auch ins Altdänische als elend(s)dyr, ndän. elsdyr, und ins Französische als élan m. (zuerst im 16. Jh. belegt), das wegen seines a wohl aus dem Niederländischen herübergenommen ist (vgl. oben mndl. Fiant).

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ELFENKULT

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P a l a n d e r Ahd. Tiernamen 102 f. R . M u c h Herrigs Arch. 106, 3 6 3 ^ (1901). Jordan Altengl. Säugetiernamen 180 ff. Johannes Hoops.

Elefantiasis ist in den mittelalterl. Ouelj len im allgemeinen gleich L e p r a zu | setzen, als knotige, knollige Form des Aus; satzes, und so ist auch, was C o c k a y n e immer mit Elefantiasis übersetzt, zu nehmen z. B. Lacnunga 50 Wid micclum lice (am Rande der Hdschr. mit „contra l e p r a m " • erklärt); Balds Laeceboc II 61 wif pam miclam lice, ebenso III 26; micel lic (Cockayne Leechd. II 399) ist eben Knollenlepra; vgl. ebenda 172, 322, III 38; Leonhardi V I S. 52, 98 u. 138. Sudhoff.

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Elektrum oder Weißgold ist der klassische Name für eine schwefelgelbe bis weiße Legierung von Gold und Silber. Am häufigsten findet man es in der römischen und spätrömischen Eisenzeit an filigran verzierten Anhängern, Haarnadeln o. dergl. verwendet. Auch später bis in die Wikingerzeit hinein kommt es vor. Gelegentlich ist E. auch der Name des Bernsteins. B. Schnittger. Elfen, Elfenkult. § 1. Elfen oder Elben ist neben Wicht die allgemeine Bezeichnung für dämonische Wesen, die sich in der U m gebung des Menschen, in seiner Wohnung, in der Natur, in Wald und Bergen, in der L u f t aufhielten und von denen er bei der nötigen Pflege meist Gutes erhoffte. Hierdurch und durch ihre anmutende Gestalt unterscheiden sie sich von den Riesen oder Trollen (s. d.), die die Furcht geschaffen hatte. Doch können die E. auch boshaft und tückisch werden, zumal wenn es das Element ist, in dem sie de^ Volksglaube hausen läßt. Tritt dies ein, so geschieht dies aus Überlegung, Berechnung, nicht aber wie bei den Riesen durch tölpelhaften Gebrauch überschüssiger Kraft. Auch die Vorstellung von ihrem Äußeren ist mannigfaltig und entspricht dem Element, dem sie ihren Ursprung verdanken. Die im Licht und in der L u f t leben, sind schön und glänzend, die im Innern der Erde schwarz und zuweilen häßlich. Wo sich die E. nicht frei in der Natur bewegen können, wie in den Bergen, unter der Schwelle oder im Balken des

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ELFEN,

ELFENKULT

Hauses, werden sie besonders klein gedacht, oft nur drei Finger groß. A b e r immer übertrifft ihre geistige K r a f t , ihre Verschlagenheit, ihre Kunstfertigkeit die der Menschen. Nach menschlicher Weise sind sie zuweilen in größeren Verbänden i vereint und haben dann an ihrer Spitze einen Führer, einen K ö n i g oder eine Königin. Denn ihrem Geschlecht nach erscheinen sie bald als männliche, bald als weibliche Wesen; jenen eignet vor allem Geschicklichkeit, diesen Klugheit. A u c h zeich- ; nen sich die weiblichen durch lieblichen Gesang aus, der die Menschen bezaubert. § 2. Die E. kennen alle germanischen Stämme. Doch ist der Inhalt des Wortes nicht überall gleich geblieben. Der Begriff [ hat sich bald verengt oder ist auf andere I dämonische Wesen übertragen worden, i bald hat das alte Wort jüngeren Bezeichnungen P l a t z gemacht. Während mhd. alp (PL elbe, elber) oder elbinne ' noch die allgemeine Bedeutung 'Natur- i geist' hatte, bezeichnet das nhd. Alp (s. d.) nur den Druckgeist. Die Form Elfen ist im 18. Jh. durch Wieland aus der englischen Sprache in Deutschland eingeführt, und wie bei Shakespeare versteht : man seitdem unter E. fast ausschließlich die Geister der L u f t . Im ags. h a t alf (pl. ylfe) noch die allgemeinere Bedeutung, und das cclfcyn birgt Land-, Wasser-, See-, Winter-, Berg-, Feldelfen, doch tritt in dem gebräuchlichen celf-seine bereits der Glanz der Luftclfen in den Vordergrund. Dasselbe ist auch der Fall beim altn. aljar (dän. elv, norw. 1 alv), doch berühren sich diese v i e l m e h r mit den seelischen Geistern, weshalb sie vielfach geradezu als solche aufgefaßt werden und dann in gemeinsamer Bindung mit cesir erscheinen (vgl. Fritzner, N. Hist. Tidsskr. 4, 209 ff.). A u c h im nordischen Volksglauben der Gegenwart sind die E. überwiegend die Seelen Abgeschiedener (vgl. K . Maurer, Isl. Volkssagen der Gegenwart S. 6 ff.). A b e r auch hier tritt die Schönheit und der Glanz der E. nicht selten hervor: ein schönes Weib ist frifr sein alfkona, die Sonne j heißt alfrQiull 'Elfenstrahl' (Skirnism. 4), i und dem leuchtenden Gott Freyr gab man 1 Alfheimr zum Wohnsitz. Daneben begeg- 1 net im neunord. Volksglauben auch das i mahrenhafte Wesen. W i e im ags. ein ylfa

geseeot, im mnd. ein alfschot, kennt man auch im norweg. ein alvskot, dän. elleskud (Hexenschuß oder Schlagfluß) oder ein ellevild, ein Wort, das von einem Menschen gebraucht wird, dessen Sinne die E. in Verwirrung gebracht haben. § 3. A n die Vorstellung von einem Elfen reich eiinnern N a m e n wie Alberich-Oberon (s. d.) oder der häufig in dänischen Volkssagen vorkommende Ellekonge, der durch Mißverständnis Herders zu einem Erlkönig geworden ist. A u c h dieser ist der Herrscher bald lichter, bald dunkler Geisterscharen. Deshalb läßt Snorri ihr Reich Alfheimar sowohl in lichten Höhen, a m UrSarbrunnen, sein als auch unter der Erde; dort wohnen nach ihm die Lichtelfen (.Ijösalfar), die weißer sind als der Sonnenschein, hier die Dunkelelfen (dekkalfar), die schwarz wie Pech sind (SnE. I 78 ff.). Wenn Nebel über die Wiesen ziehen, dann ergötzt sich die Schar am Tanze, durch den in der einen Gegend (Dänemark) die E. üppigen Graswuchs erzeugen, während sie in anderer (Norwegen) diesen vernichten. An die lichte Erscheinung der Elfen h a t sich in England und Skandinavien jene volkstümliche Poesie geknüpft, durch die schließlich der Begriff auf die Luftelfen beschränkt worden ist. § 4. Allgemein bringt man das W o r t elf mit dem altind. rbhüs- zusammen und deutet dies bald als 'kunstfertig', bald als 'glänzend' (Wadstein). W e d e r aus der einen noch aus der andern A n n a h m e l ä ß t sich die vielseitige Bedeutung, die das altgerm. *alfas gehabt hat, genügend erklären. Im L a u f e der Zeit haben sich neue Namen, deren Träger engeres Wirkungsgebiet hatten, von dem gemeinsamen Namen abgezweigt. D a s W o r t wiht rang mit alf und erlangte schließlich, namentlich in Deutschland, den Sieg. Die Erdelfen wurden zu Zwergen (s. d.), zu Erdmännchen, zum Bjergfolg, die Hauselfen zu Hausgeistern (s. d.), zum Wichtelmännchen, Kobold, Gütgen, P u k , Nisse, T o m t , Brownie, good Fellow, die Waldelfen zum Holz- und Moosweibel, zur Skogsnua, die Wasserelfen z u m Nix,Necken, V a t n s k r a t t i usw. A u c h bei diesen Wesen zeigt sich vielfach die Vermischung mit seelischen Geistern, und oft läßt sich schwer die Grenze ziehen, wo wir es mit einem

ELFENBEINSCHNITZEREI—ELLE

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deckel, Büchsen, Gefäße, Weihkessel, clfischen Wesen und mit einem riesischen Kämme, auch Elfenbeinhörner (Olifante) Dämon zu tun haben. Neuerdings hat die aus der Spätzeit sowie als Einzelrelieftafeln Ansicht, daß die E. rein seelischen Uran Reliquienkasten. Frei gearbeitete Gesprungs seien, sich immer mehr in den stalten scheinen nicht bekannt. Vordergrund gedrängt. Aus ihnen soll auch als ihr Hauptvertretcr in der eddischen § 2. Das älteste zu datierende germaniDichtung Loki (s. d.) hervorgegangen sein. sche Werk dieser Art ist die Doppeltafel des Tutilo zu St. Gallen (t 911), dar§ 5. Elfenkult. Die Elfen genossen auch stellend Christus thronend und Mariä eines besonderen Kultes, der große ÄhnlichHimmelfahrt; jede Tafel in drei Zonen gekeit mit dem K u l t e seelischer Geister hat, teilt. Vielleicht noch älter ein Diptychon zu wenn er nicht gar auf diesen zurückzuführen Frankfurt a. M. mit zelebrierenden Geistund erst dann eingetreten ist, als die Seelengeister die Naturdämonen im Volksglauben ; liehen, vermutlich aus Karls d. Gr. Zeit. Die fränkisch-karolingische Elfenbeinbildzurückgedrängt hatten. In den altn. Sagas nerei entwickelt sich vortrefflich nach der werden wiederholt aljablöt 'Elfenopfer' erkraftvollen und derb naturalistischen Seite wähnt, die in Fleisch und Blut bestehen (Ermordung des Urias am Gebetbuch Karls {PGrundr. I I I 287), und die Speise- und des Kahlen). Davon in französischen KirBlumengaben, die noch heute vielfach chen und Museen zahlreiche Beispiele. In Haus-, Wasser-, Waldgeistern gebracht Deutschland lassen sich zwei Hauptschulen werden, mögen Überreste alter Elfenopfer unterscheiden, eine karolingische am mittlesein. Auch erinnern an sie die elfstenar ren Rhein und eine ottonische in Sachsen. oder elfqvarnar ('Elfenmühlen') SkandiDie Werke der ersteren heute noch meist naviens, Gletschersteine mit natürlichen im Westen, Aachen, Essen, Bonn, die sehr Aushöhlungen, die man an gewissen Tagen zahlreichen der letzteren überall, selbst in mit Butter oder Pflaumenmus bestreicht England, Frankreich, Italien weit verund in deren Höhlungen man kleine Spenbreitet. Auch in Süddeutschland scheint den niederlegt (Kgl. Vitterh. Hist.och Antiq. diese Kunst am Ende des Jahrtausends Akad. Mänadsbl. 1873, 113 ff.). So wurden geübt zu sein. den E. auch Stätten geweiht, wie es der LandW . B o d e Gesch. d. Deutschen Plastik, Berlin nahmemann Jjörölfr auf Island tat, der am 1887. S. 4—21. A. Haupt. Helgafell den Leuten verbot aljrek ganga, das zu tun, was die E. vertreibt (Eyrb. Elle, in lateinischen Urkunden eubitus, K a p . 4), was sonst nach weit verbreitetem ulna I. § I. Eines der verbreitetsten naVolksglauben das Weisen des nackten Hintürlichen L ä n g e n m a ß e , gleich der tern bewirkt. Länge des aufgebogenen Vorderarms vom Grimm Irische Elfenmärchen (1826'). Ellenbogen bis zur Spitze des Mittelfingers. S c h w a r t z Elfen u. Zwerge ( 1 8 8 7 ) . W a d § 2. In Norwegen kannte man daneben s t e i n Alfer cck älvor (Uppsalastudier 1892, auch die Daumenelle ßumahjln, wohl gleich 152 ff.), v. S c h r o e d e r German. Elben u. dem mh. gemünd der Höhe der aufgestellten Götter beim Estenvolke (1906). C e l a n d c r Löhes geballten Faust mit erhobenem Daumen, myfiska Ursprung (1911) 27 (T. E. Mogk. was man für einen halben Fuß rechnete, sowie die Faustelle hnefaeln (s. Faust § 3). Elfenbeinschnitzerei. § 1. Die ersten Versuche einer wirklich künstlerischen § 3. Frühzeitig wurde die natürliche Elle Plastik im germanischen Norden bewegten durch das künstliche Ellenmaß ersetzt. In sich auf dem Kleingebiete der ElfenbeinEngland bediente man sich der eisernen schnitzerei. Vermutlich zuerst angeregt Elle Kg. Johanns zur Vermessung von durch die Nachbildung der zahlreichen in Ackern (44 ulnas de ulnis ferreis Joannis den Kirchenschätzen vorhandenen spätRegis Anglias: Du Cange sv. ulna), während antiken Werke dieser Art, insbesondere der ; in Schottland K g . David die Ellengröße zu Diptychen (s. d.) erlebte diese Kleinkunst ' 37 Zoll festsetzte, die aus der mittleren seit karolingischer Zeit eine wahrhafte Daumengröße dreier Männer, eines großen, Hochblüte. Ihre Werke sind in großen mittleren und eines kleinen, oder aus der Mengen noch erhalten als Diptychen, B u c h Länge dreier Gerstenkörner abgeleitet waHoops,

Reallexikon.

I.

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ELTERN

UND

ren. In N o r w e g e n v e r m i t t e l t e den Überg a n g zur künstlichen Elle der S t a b kvartfi, auf welchen die natürliche Elle zu leichterer V e r w e n d u n g übertragen war. U m 1200 w u r d e auf Island ein Urstab v o n 20 Ellen. kvarti tvitugr. auf der W a n d der A l t h i n g s k i r c h c eingeritzt, zwei Ellen dieses U r s t a b s stika sollten fortan das gesetzliche L ä n g e n m a ß abgeben u n d eine N o r m a l -stika an jeder B e g r ä b n i s k i r c h c a n g e b r a c h t werden, d a m i t man sich bei Streitigkeiten darnach richten könne.

KINDER v. A m i r a 41 ff.

NOR.

I 434.

II u 1 t s c h 76, 700.

A a c h e n , B r ü s s e l , Düsseldorf

I I 494.

Blind

N o l> a c k unter usw.

A . L u s c h i n v.

Ebengreuth.

Eltern und K i n d e r . § I. V o n dem unehelichen K i n d e und d e m K i n d e aus einer K c b s e h e (s. ' B a s t a r d ' ) unterscheidet das germanische R e c h t das e h e l i c h e K i n d (awnord. skirbarn, skilgetinn; aschwed. apalkonubarn, ahd. adalerbo, sächs. adelkind, ags. jitlboren, lang, fulborn). Es w a r nach alter germanischer A u f f a s s u n g das in rechter E h e erzeugte und geborene K i n d . § 4. Ä h n l i c h e V o r k e h r u n g e n w u r d e n D a s in die Ehe m i t g e b r a c h t e K i n d der a u c h in D e u t s c h l a n d getroffen. So findet F r a u w u r d e durch die E h e s c h l i e ß u n g nicht m a n z. B. noch heute a m sog. Riesentor ehelich; eine L e g i t i m a t i o n durch nachder St. S t e p h a n s k i r c h e in W i e n in den folgende Ehe b r a c h t e erst das römisch Sockelsteinen zwei Eisenstäbe eingelassen, kanonische R e c h t . A b e r a u c h das in der welche Größe und Einteilung der Wiener Ehe geborene, aber v o r der Ehe erzeugte Elle und das Z i e g e l m a ß enthalten. K i n d sah man, wie die älteren isländischen § 5. D i e L ä n g e der Elle w a r nicht nur Rechtsquellen, das langobardische R e c h t n a c h Zeit und Ort, sondern h ä u f i g auch L i u t p r a n d s 105 und der Sachsenspiegel n a c h dem G e g e n s t a n d e verschieden, der (Ssp. I 36 § i) beweisen, ebenfalls als ungemessen werden sollte, namentlich hatte ehelich an. Erst unter dem Einfluß des der deutsche K a u f m a n n beim E i n k a u f von römisch-kanonischen R e c h t s hat sich diese W a r e n in Italien d a m i t zu rechnen, daß Auffassung gewandelt. in der R e g e l die Seidenelle etwas kleiner § 2. D a s R e c h t s v e r h ä l t n i s zwischen dem w a r als die Wollelle. D a ß in Deutschland V a t e r und seinen ehelichen K i n d e r n trug ähnliches v o r k a m , z e i g t das Beispiel von einen doppelten C h a r a k t e r ; es w a r ein faO s n a b r ü c k , das noch 1851 nicht weniger milienrechtliches G e w a 1 1 v e r h ä 1 t n i s als 9 verschiedene E l l e n m a ß e besaß, deren und ein jenes G e w a l t v c r h ä l t n i s modifizieL ä n g e zwischen 0,584 bis 1,22 m s c h w a n k t e . rendes V c r w a n d t s c h a f t s v e r h ä l t D a z u kam, d a ß infolge der m a n g e l h a f t e n n i s. D a s G e w a l t v c r h ä l t n i s e n t s t a n d mit E i c h u n g ein und dasselbe M a ß an verder G e b u r t des K i n d e s d u r c h die der eheschiedenen Orten verschiedene Größe hatte. männlichen G e w a l t u n t e r w o r f e n e E h e f r a u , Die w e i t v e r b r e i t e t e B r a b a n t e r E l l e z . B., die das V e r w a n d t s c h a f t s v e r h ä l t n i s in heidniin Brüssel zu 0,695 m maß, w u r d e in A a c h e n scher Z e i t erst dadurch, d a ß der V a t e r das 0,680, in Düsseldorf und L e i p z i g 0,685 mit neugeborene K i n d als das seine a n n a h m . einer S c h w a n k u n g v o n 4 Zehntel m m , in Das K i n d w u r d e v o r ihm auf den Boden F r a n k f u r t a. M. 699 m m usw. gerechnet. gelegt, u n d nun h a t t e er zu entscheiden, § 6. Ellenlängen aus der Zeit des frühen ob es a u f g e z o g e n werden sollte oder nicht. M A . sind z i f f e r n m ä ß i g nur sehr vereinzelt Im letzteren Falle w u r d e das K i n d entbekannt. Der römische eubitus w a r I y> weder e r t r ä n k t oder im W a l d e ausgeF u ß oder 24 digiti Zoll zu 18,48 mm setzt (awestnord. ütbera, f/tkasla); anLänge, also im ganzen 443,6 m m groß. dernfalls n a h m es der V a t e r in seine A r m e E t w a s größer, u n g e f ä h r 49 cm lang, w a r und gab ihm den N a m e n , w o b e i im Norden die isländische Elle. II. § 7. Die Elle diente aber a u c h als ; schon in heidnischer Zeit ein B e g i e ß e n mit Wasser üblich w a r . W a r das K i n d v o m G e 1 d m a ß , insofern als G e w a n d s t o f f e V a t e r a n g e n o m m e n , so h a t t e dieser das bei den Friesen und den S k a n d i n a v i e r n als A u s s e t z u n g s r e c h t v e r l o r e n ; ebenso d u r f t e , G e l d v e r w e n d e t wurden. Ellenschulden w e r d e n geradezu als gleichwertiger A u s - ; wie die L e b e n s b e s c h r e i b u n g des hl. Liudd r u c k für Geldschulden gebraucht. Vgl. • ger beweist, ein K i n d , das schon Speise g e n o m m e n hatte, nicht ausgesetzt werden. Fries, Frieselle.

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KINDER

202) oder wenigstens zum Teil (Liutpr. 3 1 ) Mit der E i n f ü h r u n g des Christentums ist f ü r eigene R e c h n u n g und erst in späterer die S i t t e der Kindesaussetzung beseitigt Zeit allein f ü r R e c h n u n g des K i n d e s . Die w o r d e n ; die späteren Quellen bestrafen gerichtlichen Rcchtsstreitigkcitcn des K i n jede Kindesaussetzung, auch die des Neudes f ü h r t e der V a t e r im eigenen N a m e n geborenen. Immerhin ist noch insofern (Capitulare v. 829 §4, MG. Capit. I I S. 19), eine gewisse Erinnerung an das ältere R e c h t ja, sogar die prozessualen Eide, insbesongeblieben, wenn nach manchen germanidere den Unschuldscid, leistete er f ü r das schen R e c h t e n K i n d e r , die v o r der T a u f e K i n d (Formulae A n d e c a v . 1 1 ; vgl. noch oder ersten N a h r u n g s a u f n a h m e starben, Sachsenspiegel, L a n d r . I I 17 § 2). des E r b r e c h t s (s. d.) entbehrten. § 5. Von diesen auf der Munt beruhenden § 3. A b e r auch das in den S c h u t z a u f Rechten des Vaters sind wohl zu untergenommene K i n d w a r noch in hohem Grade scheiden die auf der V e r w a n d t s c h a f t der W i l l k ü r des Vaters unterworfen. E b e n beruhenden Rcchtsbeziehungen zwischen so wie die ehemännliche und v o r m u n d V a t e r und K i n d (s.unter 'Verwandtschaft'), schaftliche Gewalt in den westgermanidie auch fortdauerten, nachdem die Munt schen Quellen (Ed. R o t h . 195, 1 9 5 6 ; L e x . durch Absonderung oder Emanzipation (s. A l a m . 53, 2) als M u n t bezeichnet, hat unter 'Emanzipation') erloschen war. die väterliche Gewalt den egoistischen Charakter der alten Munt in viel stärkerem § 6. Während diese verwandtschaftlichen Maße als diese andern familienrechtlichcn Beziehungen auch zwischen dem K i n d e und Gewalten gewahrt. Z w a r das T ö t u n g s der M u t t e r bestanden, w a r dem älterecht des V a t e r s beschränkte sich im sten R e c h t eine wirkliche m ü t t e r l i c h e wesentlichen, wie es scheint, auf den Fall M u n t u n b c k a n n t. Wer selbst, wie geschlechtlicher Verirrungen der Tochter das Weib, unter Geschlechtsvormundschaft (Ed. R o t h . 2 2 1 ; L e x Visig. IV 3 § 5) und stand, konnte nicht M u n t w a l t eines andern ist früh verschwunden. Dagegen hat sich sein. Damit w a r es durchaus vereinbar, das R e c h t des Vaters, im Falle der Not daß die Erziehung des Kindes schon bei das K i n d zu v e r k a u f e n , verhältnisLebzeiten des V a t e r s und noch mehr nach mäßig lange erhalten. Angelsächsische seinem Tode vor allem in den Händen der Bußordnungen und karolingische K a p i t u Mutter lag. So ist es bei den eigentlichen larien kennen es ebenso wie das isländische Deutschen im wesentlichen auch bis tief und norwegische Recht. Noch der S c h w a in das MA. geblieben; erst das Privileg benspiegel c. 357 statuiert; Unde ist das Heinrichs des Löwen f ü r Schwerin kennt ein man sin kint verkoufjet durch ehafte not, eine mütterliche V o r m u n d s c h a f t nach dem daz tut er wol mit rehte. Nichts anderes als Tode des Vaters. Dagegen deutet auf eine eine A r t des Verkaufsrechtes w a r das R e c h t Munt der Mutter das 2. friesische L a n d des V a t e r s , seine Tochter auch gegen rccht, die berühmte Stelle von den „ d r e i ihren Willen zu verloben (s. 'EheschlieN ö t e n " , und auch die angelsächsischen B e ßung'). Dazu k a m ein ausgedehntes stimmungen Ine 30 und Hlodhere u. Eadric Z ü c h t i g u n g s r e c h t des Vaters, so6 gehen offenbar davon aus, daß die verwie das Recht, die Dienste des K i n d e s f ü r witwete Mutter eine Gewalt über das K i n d eigene Zwecke in vollem U m f a n g in A n hat, während die Sippe eine Fürsorge f ü r spruch zu nehmen. das Vermögen einleitet. § 4 . N a c h a u ß e n hin absorbierte § 7. Eine ausgeprägte mütterliche Munt der V a t e r als M u n t w a l t die Rechtssphäre haben die Ostgermanen. Sowohl das westdes Kindes. E r h a f t e t e f ü r die Delikte gotische ( L e x Visig. I V 2, 1 3 ; 3, 3) wie das der K i n d e r (Liutpr. 146) oder wenigstens burgundische R e c h t ( L e x Burg. 59; 85, i'i der ganz kleinen K i n d e r (norweg. Recht) sprechen der Witwe, so lange sie sich nicht mit dem eigenen Vermögen, allerdings meist wieder verheiratet hat, eine Gewalt über mit dem Rechte, sich aus dem Vermögen die K i n d e r zu, die sowohl als potestas wie des K i n d e s schadlos zu halten; umgekehrt als tutela bezeichnet ist und zweifellos eine bezog er die Buße f ü r Verletzung des K i n - 1 wirkliche Munt bedeutet. Ähnlich steht des ursprünglich ganz (Ed. Roth. 186, 187, es im Norden. Die westnordischen Rechte 36*

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EMAILLEARBEIT

gewähren der verwitweten Mutter das Verloberrecht, und überall im skandinavischen Norden stehen die vermögensrechtlichen Befugnisse des Vaters in bezug auf das Kindesvermögen in ähnlicher Weise auch der Mutter zu. § 8. Diese vermögensrechtlic h e n B e f u g n i s s e des Vaters waren ähnlich den vermögensrechtlichen Befugnissen des Ehemannes gegenüber der Ehefrau gestaltet. Den historischen Ausgangspunkt bildete in beiden Fällen die in der Hand des Vaters wie des Mannes vorhandene E i n h e i t d e s Hausverm ö g e n s , die ebensowenig ein besonderes Vermögen der Kinder wie der Frau kannte. A b e r dieser alte Zustand ist schon in der Zeit unserer ältesten Rechtsquellen nicht mehr in voller Schärfe vorhanden. Zwar die westgermanischen Volksrechte liefern kein klares Bild. Dagegen lassen die nordischen Quellen, z. B. die schwedischen Rechte oder die Frostufiingslög keinen Zweifel, daß es zwar ein Kindesgut gab, daß aber dasselbe, soweit es Fahrnisvermögen war, sich lediglich als eine Anwartschaft auf den Betrag des im väterlichen Vermögen aufgegangenen Kindesvermögens darstellte, so daß die Einheit des Hausgutes gewahrt blieb. Der Feststellung dieses Betrages dient die häufig in den skandinavischen Quellen erwähnte Abschätzung. Grundstücke dagegen fielen zwar in die Nutzung und Verwaltung des Vaters, blieben aber der Substanz nach Kindesgut. Die westgotische Bestimmung Euric. 321, L e x Visig. IV 2, 13, die das mütterliche Erbe des Kindes vom Vatergute der Substanz nach trennt und ihm nur die Nutznießung, nicht die Veräußerung gestattet, geht auf römisches Recht zurück (vgl. Zeumer, Neues Archiv 26, IIO ff.). Als solches Kindesgut kam in Betracht das vom Kinde ererbte Vermögen, insbesondere das mütterliche Erbgut, während der Arbeitsverdienst des Kindes wohl regelmäßig ohne weiteres dem Vater zufiel. § 9. Dieser Rechtszustand, bei dem „Kindesgut weder wachsen noch schwinden" konnte, „eisern G u t " blieb, ist aber vielfach, besonders in den ostnordischen, aber auch in deutschen Rechten (Lex Baiuv. I, 1, I; L e x Burg. I, 1) durch eine völlige

: oder teilweise G ü t e r g e m e i n s c h a f t | zwischen Eltern und Kindern verdrängt | worden, bei der ohne Rücksicht auf die Herkunft der einzelnen Vermögensbestandteile jedem Teilhaber eine bestimmte Quote des gemeinsamen Vermögens gebührte. Bei ] seiner Absonderung erhielt der Sohn die ihm gebührende Quote am Gesamtgut ausgefolgt. § 10. Der ungleichen Stellung, die Vater ; und Mutter dem Kinde gegenüber einI nehmen, entspricht es, daß es keine gemeingermanische Bezeichn u n g für die Eltern gibt. E l t e r n (ahd. eltiron, altiron, asächs. eldiron, afries. aidera, ags. ieldran, yldran 'die Älteren'; ags. yldra 'Vater') ist allein westgermanisch; got. ist bèrusjôs {"parentes') (vgl. Kluge, PbBeitr. 36, 224 ff.), anord. jœfrgin, fedgin (n. von jaâir, dagegen jœd'gar, m. plur. 'Vater und Sohn'), während awnord. foreldrar, aonord. jörceldrar nicht, wie heute, die Eltern, sondern die Vorfahren sind. K r a u t Vormundschaft I 286 ff., II 586 ff. R i v e Vormundschaft I 28 ff., II 1, 1 7 4 8 . II 2, 149 ff. S t o b b e Handb. d. deutschen Prii'atrechts IV 3 364 ff. H e u s l e r Institutionen II 431 ff. H u b e r Gesch. d. Schweizer. Privatrechts 488 ff. G r i m m DRA.4 I 635 (461) ff. B r n n n e i DRG. F 101 ff. S c h r ö d e r DRG.i 331 ff. (dort weitere Lit.), v. A m i r a PGrundr. III 164 ( 1 1 4 ) ! ; A ] 0R. I 734 ff., II S73 ff. H ü b n e r Gr un dz. d. deutsch. Privatrechts 637 ff. P l e s s i s de Grenédan Hist. de Îautorité paterneile dans îancien droit français 1900. C a i l l e m e r Ü origine du dentaire des enfants 1904 (Studi in onore di Vitt. Scialoja). P e r t i 1 e Storia del diritto italiano III 2 372 ff. T e 1 t i n g Themis 32, 537 ff. F o c k e m a - A n d r e a e Het OudNederl. Burgerl. Recht II 209 ff. Y o u n g in: Essays in Anglosaxon law 152 ff. N o r d s t r o m II 4 1 S . F i n s e n AfnO. 1849, 277 ff. K i 1 u n d Aarb. 1870, 272 ff., 342 ff. B r a n d t Forel I 129 ff. M a t z e n Forel. Privatret I S3ff. E s t l a n d e r Studier i äldre svensk förmynderskapsrätt 10 ff. B e a u c h e t Nouv. revue hist. de droit 1901, 37 ff. — S. u. A d option, Bastard, Ehe, Ehegüterrecht, Emanzipation, Familie, Vormundschaft. S. Rietschel.

Emaillearbeit. § i. Die Emaillierungskunst stammt aus dem Orient, und die Germanen lernten sie erst durch die klassi-

EMANZIPATION—EMMER

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sehen Völker kennen. Von den verschiedesprechen, so findet sie doch keine genünen Emaillekunstarten sind nur die In- ! gende Stütze in den germanischen Quellen. krustationsmethoden auf SchmuckgegenNeben dieser rein faktisch durch Ausständen zur Verwendung gekommen. scheiden aus dem Haushalt sich vollziehenden Emanzipation kennt das ältere fränki§ 2. In der La Tène-Zeit lernten die sche Recht und die L e x Romana Curiensis Kelten und von diesen die Germanen die eine Emanzipation durch ScheinadGrubenschmelztechnik (émail champlevê): o p t i o n seitens eines dritten, die sich die konischen oder rinnenförmigen Vernach fränkischem Recht durch Abscheren tiefungen in den Metallen, meistens Bronze, wurden mit der roten Schmelzmasse (Glas- j des Haares vollzog. Darum schickte Karl Martell seinen Sohn Pipin zum Langofluß) ausgefüllt. Man findet dieses Blutemail meistens auf Beschlagknöpfen und | bardenkönig Liutprand, damit er ihn durch Fibeln. Siehe Tafeln zu 'Fibel'. | Haarscheren adoptiere; darum verbietet § 3. Der Grubenschmelz setzt sich in ; ein Zusatz zur Lex Salica (Capit. ad Leg. Sal. I 4) bei hoher Strafe, den puer crinitus die nachrömische Eisenzeit fort, doch wird gegen den Willen der Eltern zu scheren. er in dem 5. Jh. allmählich von der Zellentechnik (émail cloisonne) verdrängt. Die j Diese Scheinadoption bewirkte, daß die Gewalt des natürlichen Vaters endete und zur Verzierung bezweckte Fläche wurde auch nicht wieder auflebte, wenn der Sohn durch vertikale Lamellen aus Gold oder in seinem Haushalt blieb, während die Bronze in verschiedene Muster eingeteilt, väterliche Gewalt, die der Adoptierende und die Zwischenräume wurden mit Schmelz, Almandinen (s. d.) oder Glas j erwarb, sofort wieder ihren Abschluß fand, wenn der Adoptierte seinen Haushalt gefüllt. Diese Verzierungsart ist ungemein verließ. häufig im 5. bis 7. Jh. und findet sich auf N o r d s t r ö m I I 74 ff. S t 0 b b e Beiträge s. Fibeln, Schnallen, Nadeln, Ringen, KnöpGesch. d. deutschen Rcchts 1 ff. G r i m m DRA. 4 fen, Schwertern usw. I S. 636 (4O2). S o h m Frank. Reichsu. § 4. Emailleperlen: s. Perlen. B u c h e r Gesch.

B. I:

Email.

Histoire E.

Stuttg.

d.

technischen

1875.

des Arts industriels,

M o l i n i er

L'Émaillerie,

J' Paris

Künste;

Labarte 1872—1S75. Paris

1891.

B. Schnittger.

Emanzipation. Die Gewalt des Vaters über die T ö c h t e r endete mit deren H e i r a t , die ja eine Übertragung der Munt an den Bräutigam in sich schloß. Dagegen endete die Gewalt über die S ö h n e mit der A b s o n d e rung, dem Ausscheiden derselben aus dem Haushalt, das durchaus noch nicht mit der Erlangung der Volljährigkeit, selbst nicht immer mit der Verheiratung verbunden zu sein pflegte, in späterer Zeit aber von dem Sohne, der ein gewisses Alter erreicht hatte, verlangt werden konnte. Regelmäßig verband sich damit eine, bisweilen gerichtliche, Vermögensabschichtung. Die von S o h m vertretene Anschauung, daß die Wehrhaftmachung eine Emanzipation in sich schließe, läßt sich nicht aufrecht erhalten; scheint auch die Nachricht bei Tacitus Germ. 13 (ante hoc domus pars videntur, mox rei publicae) für sie zu

Gerichtsverfassung 545 ff. Brunner DRG, I » 102. S c h r ö d e r DRG. 5 68 f. (daselbst die weitere L i t . ) . — S. u. A d o p t i o n , E l t e r n

und K i n d e r . S. Rietschel.

Etnmer (Trüicum dicoccum Schrank). § 1. Der E. war in Mittel- und Nordeuropa bereits sehr früh bekannt und hatte hier in vorgeschichtlicher Zeit sogar eine viel weitere Verbreitung als heute. Er ist aus den steinzeitlichen Niederlassungen der Schweiz ^Robenhausen u. Wangen), Süddeutschlands (Untergrombach bei Bruchsal, Handschuhsheim bei Heidelberg) und Böhmens (KleinCzernosek, hier in reichlichen Mengen) zutage gekommen. In Dänemark ist er in Muschelhaufen aus dem Beginn der jüngeren nordischen Steinzeit (Örum A a an der jütischen Ostküste) sowie in andern neolithischen Stationen (Lindskov, Christiansminde auf Fünen) nachgewiesen, während er heute in Nordeuropa nirgends mehr vorkommt. (Hoops Waldb. u. Kulturpfl. 295. 302. 303. 307. 308. 320.) § 2. Aus den n a c h n e o l i t h i s c h e n

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EMPORE—ENGLISCHE

Perioden ist der E. bisher in Mittel- und Nordeuropa nur ganz vereinzelt bezeugt, so in dem bronzezeitlichen Pfahlbau von Auvernier am Neuenburger See (Hoops aaO. 389). § 3. Wie das Einkorn (s. d.), so hat sich auch der Emmer seit der Steinzeit aus N o r d e u r o p a zurückgezogen. Ob er hier schon zur Bronze- und älteren Eisenzeit nicht mehr gebaut wurde, oder ob das Fehlen archäologischer Funde aus diesen Perioden zufällig ist, läßt sich vorläufig nicht entscheiden. Jedenfalls war er aber in historischer Zeit im Norden nicht mehr bekannt; denn ein altnordischer Name des Emmers, wie der Spelzweizen überhaupt, fehlt,(Hoops a . a . O. 389. 459f.). § 4. Da die A n g e l s a c h s e n in dem Worte speit einen einheimischen Namen für Spelzweizen besaßen, der entweder 'Emmer' oder 'Einkorn' bezeichnete, so ist es wohl möglich, daß sie den Emmer in ihrer schleswig-holsteinschen Heimat und vielleicht auch in England noch bauten (vgl. 'Einkorn' und Hoops a. a. O. 422. 560. 597)§ 5. In D e u t s c h l a n d war der Anbau des Emmers im Mittelalter jedenfalls noch ziemlich verbreitet; sein heutiger Name ist sowohl auf niederdeutschem wie auf hochdeutschem Sprachgebiet in Glossaren und andern mittelalterlichen Texten vielfach belegt: ahd. amar, amaro, amari m. 'far, alica' (Björkman ZfdWortf. 3, 263 f.), mhd. amer (Müller-Zarncke); and. amar m. 'far', amercorn (Gallee, Vorstud. 7. 400); mndl. amer, amelkoren (Verwijs u. Verdam). § 6. Heute wird der E. nördlich der Alpen nur noch in der Schweiz und in Südwestdeutschland kultiviert, wo er ammer(-korn), emmer(-korn) heißt. Sein Anbau ist nach Gradmann -in der Gegenwart anscheinend am stärksten in Spanien; doch ist er auch in Frankreich, Italien, einigen Gegenden Österreich-Ungarns, in Serbien, Ägypten, Abessinien und Arabien verbreitet. (Körnicke Handb. d. Getreidebaus 1, 83 f. Gradmann Württemberg. Jahrbücher f. Statistik u. Landesk. 1902, 105. A. Schulz Gesch. d. Weizens 61.)

BAUKUNST

316; mit weiterer Lit. A u g u s t S c h u l z Die Geschichte des Wehens, Zeitschr. f. Naturwiss. 83, 1 ff. (1911), besonders S. u f f . — Zur K u l t u r g e s c h i c h t e : H o o p s a . a . O . 320. 389.459f. 597. 632. A . S c h u 1 z a. a. O. passim. Johannes Hoops.

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Empore. Im Innern der Kirchen hochgelegener, bühnenartiger und den vollen Einblick in die Kirche gestattender Einbau, meist als ein zweites Stockwerk über den Nebenschiffen, Umgängen oder Vorhallen angeordnet, mit eignen Treppenzugängen; aus dem Orient stammend, wohl ursprünglich durch die Trennung der Geschlechter veranlaßt. Auch im Norden verbreitet, bereits im Aachener Münster und in der Peterskirche zu Werden, hier den Zentralräum umziehend, aber auch in Basiliken über den Nebenschiffen, so in Gernrode, auftretend. Ferner in Frauenklöstern als Einbauten für die Klosterinsassen, meist im Westen mit gesondertem Zugange. Frühzeitig gab es auch solche für die Sänger (Winterchöre), vielleicht sogar für die schon im 4. Jh. bekannten Orgeln. Die spanischwestgotischen Kirchen des 8./Q. Jhs. zeigen fast ausnahmslos solche Sängeremporen über dem Eingangsgewölbe. D e h i o u. v. B e z o l d Kirchl. Bauk. d. Abendl. I 107 f. H a u p t Älteste Bauk. 203, 214, 217, 252. A.Haupt.

Englische (Angelsächsische) Baukunst. Die angelsächsische Architektur läßt sich in drei Abschnitte teilen: die militärische, die bürgerliche, die religiöse. Die I noch vorhandenen Zeugen des angelsächsi| sehen Stils gehören alle zur dritten Art, es sind Kirchen oder Teile von Kirchen. Wenige Worte genügen also zur Charakterisierung der beiden ersten Arten. A. M i l i t ä r i s c h e B a u t e n . § i . E s sind wohl noch einige wenige Reste von S t e i n mauern, die von den Sachsen zur Ausbesserung und Verstärkung der römischen UmWallungen an Orten wie Exeter, Chester, Porchester aufgeführt wurden, vorhanden; aber die Überreste sind doch in der Hauptsache E r d wälle. Beispiele der letzteren sind die Wälle der Stadt Wareham in Dorset oder des befestigten Lagers, das im Jahre 914 von iEthelflaed, der Schwester König Edwards des Älteren, in Edisbury in CheÜber die A b s t a m m u n g des Emmers s. shire errichtet wurde. Diese Erdwälle und H o o p s Waldbäumc u. Kulturpflanzen 313ff.

ENGLISCHE BAUKUNST Gräben unterscheiden sich in technischer Beziehung nicht von ähnlichen Werken, die in früherer oder späterer Zeit in Großbritannien oder in andern Ländern aufgeführt wurden. Eine ausführliche Beschreibung ist hier also nicht nötig. B. B ü r g e r l i c h e B a u t e n . §2. Von diesen sind keine wesentlichen Spuren geblieben, und wir sind darüber nur auf literarische Quellen oder zeitgenössische Beschreibungen angewiesen. Nur ein paar Worte seien deshalb darüber hier gesagt. Die Hauptwerke dieser bürgerlichen Baukunst waren die Paläste oder Herrensitze der Könige und Stammesfürsten. Sie gehörten zu dem im nordwestlichen Europa gebräuchlichen Typus. Der Hauptteil des Hauses oder bisweilen das Haus als Ganzes war eine weite Halle, in der sich das ganze häusliche Leben der Hausgenossen und Gäste abspielte. Die im Beowulf beschriebene Halle Heorot ist ein Beispiel dafür, obwohl sie nicht als in Britannien gelegen gedacht war; ein anderes ist die von Beda (Hist. Eccl. I I 13) genannte Königshalle von Northumbrien. Beda gibt auch (Hist. Eccl. I I I 10) ein Bild von der Wohnung eines Landmannes, die nur ein einziges geräumiges Gemach mit dem Feuer in der Mitte enthielt. Solch eine Wohnstättc konnte wohl mit einer Umzäunung oder einer Palisade umgeben sein, aber es war sicherlich keine Festung und in dieser Hinsicht in ihrem Charakter ganz von dem aus Erdwerk und Holz erbauten frühnormannischen Schloß (s. Art. Moatecl Mound) verschieden, das vor allen Dingen zur Verteidigung gegen einen möglichen Angriff von Seiten einer unterworfenen und noch feindlichen Bevölkerung eingerichtet war. Die angelsächsische Wohnung bestand wahrscheinlich durchgängig aus Holz, obwohl die eigentliche Halle auch auf einem steinernen Unterbau ruhen konnte und dann durch eine Treppe erreichbar war. Eine Halle dieser Art, zu dem Herrensitz von Graf Harold in Bosham, Sussex, gehörig, veranschaulicht der Bayeux-Wandteppich (Abb. 1). — Die Frage der Konstruktion, Form und Dekoration dieser Hallen und Herrensitze kann hier nicht erörtert werden. Prüfbares Material ist nicht vorhanden. Auf

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Grund literarischer Angaben hat darüber gehandelt Andrews, The Old English Manor (New Y o r k 1892) 108 f. C. K i r c h l i c h e B a u t e n . § 3 . Es gibt in England fast 200 Kirchen, deren Architektur im ganzen oder in einzelnen Teilen die hervorstechenden Merkmale des angelsächsischen Stils aufzeigen. Eine von ihnen, die Kirche zu Greenstead in Essex, ist von LI o 1 z (Näheres über sie unter 'Holzbau' B), die übrigen sind von S t e i n oder Ziegel. Sie datieren vom Anfang des 7. bis zum dritten Viertel des 1 1 . Jhs. Einige von ihnen können mit Sicherheit bestimmt werden; bei den meisten der andern ist der Zeitpunkt ihrer Errichtung kaum zweifelhaft. Sie zerfallen in zwei Gruppen, eine frühere, die dem 7. und dem Anfang des 8. Jhs. angehört, und eine spätere aus dem Jahrhundert, das der Normannischen Eroberung v. J . 1066 voranging. In der Zwischenzeit, die sich über das 9. J h . und Teile des 8. und 10. erstreckt, litt das Land schwer unter den Einfällen der Wikinger, und wahrscheinlich wurde der Kirchenbau durch diese Ereignisse stark beeinflußt. E s ist jedenfalls sehr schwer, von den noch vorhandenen Bauten irgend welche als in diese Zwischenperiode fallend anzusetzen. Die Gebäude der frühesten und der späten Periode andererseits sind leicht zu erkennen, schließen sich zu markanten Typen zusammen und zeigen an jedem Beispiel Merkmale, die sie mit zeitgenössischen Bauten in andern Teilen Europas verbinden. Die Verwandtschaften in der Architektur dieser sächsischen Gebäude seien daher in großen Zügen gekennzeichnet. §4. R ö m i s c h e , k e l t i s c h e , g a l l i s e h e B e z i e h u n g e n . Die alten sächsisehen Kirchen des 7. und frühen 8. Jhs. haben gewisse Merkmale, die römischen Ursprungs sind, vermischt mit solchen, die aus keltischen Quellen stammen. Die angelsächsischen Eindringlinge ließen sich in einem Lande nieder, das stark romanisiert war; und als sie begannen, Steinbauten aufzuführen, war es unvermeidlich, daß sie römische Formen und römische Methoden kopierten.—Andererseits wurde diese Steinbautechnik aller Wahrscheinlichkeit nach zunächst für kirchliche Zwecke verwandt,

560

ENGLISCHE

und d a s C h r i s t e n t u n i , m i t d e m die m e i s t e n A n g e l s a c h s e n z u e r s t in B e z i e h u n g k a m e n , w a r d a s k e l t i s c h e , das v o n I r l a n d a u s über IonaundLindisfarne eingeführt wurde. Augustin brachte Christentum römischer Art nach dem Südosten Englands, Ende des 6. J h s . ; a b e r der d a u e r n d e E i n f l u ß seiner Mission b r e i t e t e sich k a u m ü b e r K e n t h i n a u s aus. Die tatsächliche B e k e h r u n g von beinahe ganz England w u r d e nicht d u r c h die i t a l i e n i s c h e n S e n d b o t e n G r e g o r s v o l l z o g e n , s o n d e r n d u r c h u n a b h ä n g i g e Missionare, K e l t e n v o n G e b u r t und E r z i e h u n g , deren erster u n d e r f o l g r e i c h s t e r A i d a n v o n Lindisfarne war. Diese T a t s a c h e e r k l ä r t das A u f t r e t e n k e l t i s c h e r Z ü g e n e b e n römischen in f r ü h a n g e l s ä c h s i s c h e n Kirchen. D e r U n t e r s c h i e d l i e g t in der A n l a g e . N e b e n Basilika- und Apsis-Kirchen römischer T r a d i t i o n g i b t es u n t e r den ersten angels. G e b ä u d e n u n d d a n n so w e i t e r in der g a n z e n G e s c h i c h t e des Stils einschiffige H a l l e n , die in s c h m a l e , q u a d r a t i s c h e C h ö r e ausl a u f e n , v o n einem T y p u s , wie er in Irland und den k e l t i s c h e n T e i l e n S c h o t t l a n d s z a h l reich b e z e u g t ist. A l s i n t e r e s s a n t e M e r k m a l e zeigen die G r u n d r i s s e einerseits gewisse U n t e r a b t e i l u n g e n des Innern, a n d e r e r seits w e s t l i c h e und seitliche V o r h ö f e und K a p e l l e n , die w e d e r italisch n o c h k e l t i s c h sind, s o n d e r n w o h l in einigen F ä l l e n auf eine V e r w a n d t s c h a f t m i t g a l l i s c h c n B a u t e n h i n d e u t e n . ( I m 5. und 6. J h . z e i g t e die A r c h i t e k t u r G a l l i e n s in G e b ä u d e n , w i e der K i r c h e v o n N a u m a t i u s in C l e r m o n t u n d der v o n B i s c h o f P e r p e t u u s v o n T o u r s ü b e r d e m G r a b e des heiligen M a r t i n e r r i c h t e t e n , Z e i c h e n eines F o r t s c h r i t t e s z u s p ä t e r e n romanischen Formen.) — Literarische Ber i c h t e über einige der b e d e u t e n d s t e n angels. K i r c h e n der ersten P e r i o d e b e w e i s e n , d a ß diese n i c h t n u r e i n f a c h e K o p i e n der f r ü h christlichen Basiliken waren, sondern d a ß sie in der B a u a r t N e u e r u n g e n a u f weisen, die sie z u M a r k s t e i n e n in der E n t w i c k l u n g der g a n z e n r o m a n i s c h e n A r c h i tektur machen. D i e T e c h n i k all dieser K i r c h e n ist m e i s t römisch, w e n i g e k e l t i sche S p u r e n z e i g e n sich. In einigen F ä l l e n sind r ö m i s c h e Q u a d e r s t e i n e w i e d e r b e n u t z t . W o v o n diesen n i c h t g e n u g V o r r a t f ü r die g a n z e n M a u e r n w a r , v e r w a n d t e n sie die sächsischen B a u m e i s t e r w e n i g s t e n s f ü r die

BAUKUNST E c k e n , w o sie der g a n z e n S t r u k t u r einen b e s t i m m t e n C h a r a k t e r und das A u s s e h e n einer gewissen F e s t i g k e i t gaben. Vgl. A b b . 2, in der der k l e i n s t e S t e i n 1,20 x 0,81 X 0,43 m m i ß t . D e r R e s t der M a u e r p f l e g t e in solchen F ä l l e n a u s B r u c h s t e i n (s. e b e n d a ) z u b e s t e h e n , u n d w a h r s c h e i n l i c h w a r die g a n z e F l ä c h e m e i s t e n s g e t ü n c h t , so d a ß nur die E c k e n der Q u a d e r s t e i n e besonders hervorstachen. In K e n t und w e n i g e r h ä u f i g in a n d e r n G e g e n d e n ist r ö m i s c h e r Ziegel, in W i e d e r v e r w e n d u n g , ein o f t g e b r a u c h t e s B a u m a t e r i a l . Eine oder z w e i der B a s i l i k a - K i r c h e n h a t t e n ihre A l t ä r e n a c h W e s t e n g e r i c h t e t ; die L a g e n a c h O s t e n w a r j e d o c h die R e g e l bei allen a n d e r n K i r c h e n , ohne A u s n a h m e bei denen m i t k e l t i s c h e m T y p u s . §5. K i r c h l i c h e Bauten von 950 bis 1066. D i e W i k i n g e r p e r i o d e , in der w e n i g e oder k e i n e der v o r h a n d e n e n M o n u m e n t e z u lokalisieren sind, ü b e r g e h e n wir. Die K i r c h e n a u s der Z e i t v o n 950 bis zur N o r m a n n i s c h e n E r o b e r u n g sind die z a h l reichste Gruppe. Die Verwandtschaftsv e r h ä l t n i s s e dieser G e b ä u d e sind u n v e r kennbar. Sie h a b e n , w i e die K i r c h e n der ältesten Gruppe, ausgeprägte angelsächsische K e n n z e i c h e n ; a b e r P l ä n e u n d E i n z e l heiten z e i g e n in v i e l e n Z ü g e n Ä h n l i c h k e i t m i t der A r c h i t e k t u r der K a r o l i n g e r z e i t , teilweise w e n i g s t e n s . D i e politische V e r b i n d u n g des a n g e l s ä c h s i s c h e n Englands m i t der k a r o l i n g i s c h e n H e r r s c h a f t d u r c h Heiraten und persönliche Beziehungen z w i s c h e n den F ü r s t e n w a r z i e m l i c h e n g ; sie k o m m t a u c h in d e r A r c h i t e k t u r z u m Ausdruck. D i e politische B e z i e h u n g ist enger m i t A u s t r a s i e n als m i t N e u s t r i e n . E n t s p r e c h e n d b i e t e n die f r ü h r o m a n i s c h e n K i r c h e n S a c h s e n s , W e s t f a l e n s , der R h e i n lande Parallelen zu angelsächsischen B a u ten, w ä h r e n d z w i s c h e n angelsächsischer u n d n o r m a n n i s c h e r A r c h i t e k t u r sich nur sehr w e n i g V e r w a n d t s c h a f t zeigt. Trotz der e n g e n B e z i e h u n g e n v o n E n g l a n d z u r N o r m a n d i e z. Z. E d u a r d s des B e k e n n e r s b e w a h r t e die s ä c h s i s c h e B a u k u n s t ihre E i g e n a r t ; u n d o b w o h l nach der E r o b e r u n g der s ä c h s i s c h e Stil schnell u n t e r g i n g u n d von dem normannischen verdrängt wurde, b l i e b e n d o c h gewisse sächsische Z ü g e b e s t e h e n und ä n d e r t e n den n o r m a n n i s c h e n

Tafel 36.

Englische (Angelsächsische) Baukunst. i . Halle von Harolds Landhaus bei Bosham, Sussex. (Teppich von Bayeux.) — 2. Ecke der Mildredskirche in Canterbury. — 3. Seitentüre der Kirche von Somerford Keynes, Wiltshire. — 4. Grundriß von St. Pancras. Canterburv. Reallexikon der germ. Altertumskunde.

I.

Verlag- v o n K a r l

f. T r ü b n e r in Straßburg-,

562

ENGLISCHE

Stil,

so

daß

der

s i c h in g e w i s s e r

englisch-normannische

Beziehung von

6.

Allgemeine

s t i k a

des

S t i l s

b e t r i f f t , so

wei-

c h e n d i e F o r m e n d e r F e n s t e r in d e n

ver-

Charakteri-

schiedenen

Zeit.

Eine

keit

das

ist

seltene (im

a n g e l s ä c h s i s c h e n

f r ü h e r e r

u n d

s p ä t e r e r

auffallende gänzliche

Vorkommen

Unterschied

Eigentümlich-

Fehlen von

zu

behandelten Lisenen).

oder

nur

Strebepfeilern

engen

w e r d e n w e i t e r u n t e n a u f sie z u r ü c k k o m m e n .

unterscheidet.

schen der N o r m a n d i e selbst §

normanni-

BAUKUNST

und

Eine

dekorativ

z w e i t e ist die

Was

die M a u e r ö f f n u n g e n

ander

Perioden

ab;

die T ü r c i n g ä n g e

Pfosten

zeigen,

bäuden

Irlands

bis 0,75 m stark.

Türeingänge

nicht

auf

Kern

und

die

Bekleidungstechnik

d i e in d e n k e l t i s c h e n so

gewöhnlich

P r o b e eines angelsächsischen Es

D a m i t s t i m m t die einheit-

der

in

sei

Abb.

3

daß

selten

platt

quer

über

die

w e d e r mit B a c k s t e i n oder Bruchstein

oder

schwellen)

und

Q u a d e r s t e i n a u s g e f ü h r t ist.

Fassaden

Ilcringsgrätenbau oder solche Maurerarbeit, Vienne /.. B .

wie

oder

an

sie z u

dem

hervortritt,

Stile fremd,

und

dem

mannische

in

Köln

sind

und

einer

Entsprechend

angelsächsischer weit

Nor-

dicker

wölben Dicke

die der

Füllung

gehen

in

als

durch

die

Geganzc

zwischen

bestehenden

mögen

auf

die

aus

sächsiScheide-

w ä n d e d e r r ö m i s c h e n G e b ä u d e in S t a t i o n e n , V i l l e n u s w . z u r ü c k z u f ü h r e n sein, d i e

noch

üblich

Ein-

dringlinge

den

Proportionen

als

die

germanischen

Steinbau der

stein.

sind,

begannen.

sächsischen

Die

Gebäude

stimmten der

Perioden

betreffenden

des

der

keit

der

Periode,

Bekehrung

der

linge folgte, zu I. D i e der

§ 9.

Der

Epoche

selbst,

allen

Seiten

einzigen sächsische hören

der

einfach

Kapitale,

Roheit sind

abgeschrägt. die

angesehen späten

Kämpfer

zuverlässig

werden

Periode

können, an,

und

an Die

Teile

sind an

werden.

Epoche sind,

Bautätig-

die u n m i t t e l b a r

auf

die

Eindring-

behandeln. P e r i o d e ,

größte

erhalten noch

a) K i r -

Richtung.

Bauherr

W i l f r i e d ,

Abteikirchc die

Mar-

enthalten,

Christentums

römischen

war

angelsächsischen : K r y p t a

G e s i m s e n ist große E i n f a c h h e i t , j a , die

be-

Schluß-

werden

germanischen

e r s t e

ch en

der

und

Sie

erwähnt

u n d g e h e n g l e i c h d a z u ü b e r , die

D ä c h e r w a r in d e r R e g e l s e h r s c h r o f f . In d e n vorherrschend,

schief

aus der früheren

römisch-britischen

dieser

ersten

Bischof

Die bedeutendsten sich

Northumberland, Neigung

auf.

Stelle

in C a n t e r b u r y ,

fanden

aus-

oft

s ä c h s i s c h e K i r c h e n , w i e z. B . die S t .

Werke

alle

diese

wenn

zusammen-

§ 8. W i r l a s s e n d i e N e b e n f r a g e u n b e r ü h r t ,

dies C h a r a k t e r i s t i k u m

nicht auf

gerad-

(Abb. 6);

ob irgend w e l c h e auf uns g e k o m m e n e angel-

g e b . 634.

dehnen.

der Stein

Andere charakteristische Züge

York,

Die

die

n i c h t a l l g e m e i n , s o n d e r n t r c l c n n u r in b e -

n e i g e n z u r H ö h e u n d E n g e ; d o c h l ä ß t sich

§ 7.

auch

Wölbsteinen

so s i n d

die Überbleibsel

Die dünnen, durch und durch

waren,

aus

Außenseite

ihnen.

Material

Stürze

überdeckt

an jeder

Bruchstcinfüllung

Mauern

die

Bogen

tinskirche

mit

schen

seitigen

normanni-

liegen

demselben

wie

g e h a u e n ( A b b . 5) u n d z u w e i l e n m i t

in

während

s c h e n die W ö l b s t e i n c

zusammen.

sächsischen

Wülbstcine Mauer,

der T ü r e n ,

F e n s t e r sind oft aus einem einzigen

hauen, und der B o g e n h a t keinen

sächsische und setzen sich aus einer A u ß e n schicht

Öffnung

gesetzt

Unter-

Ein-

Die Stürze (Ober-

ein

Maurertechnik.

Mauern

der

zur

sächsischen

d a s ist a u c h

normannischer

an

Klaraturm

scheidunsgpunkt zwischen und

ornamentale

Cravant

sind

mit

Falz

inwendige

geschlossen haben muß.

durch

dienen.

sächsischen

f ü g u n g d e r T ü r h a b e n , d i e sich in d e r R e g e l

ent-

sondern

Als

Türeinganges

die

einen

Ge-

sind.

dargestellte

bemerkt,

durch

ausgeht,

sind

allgemein

P e r i o d e n die E i g e n t ü m l i c h k e i t der schrägen

mag

der Mauern z u s a m m e n ,

hingegen

h o c h u n d s c h m a l , u n d sie k ö n n e n in a l l e n

diese sind h ä u f i g nur 0,60 m (oder w e n i g e r ) Struktur

vonein-

m e h r g l e i c h f ö r m i g ; sie s i n d g a n z

verhältnismäßig geringe Stärke der Mauern;

liche

auffallend

in

wo

H c x h a m noch

die

errichtete. am

Ende scheint

Die des

in

kleine

i s t , d i e er u m 6 7 5

haben

von seiner

unter Kirche

13.

Jhs.

gestanden

zu

(Chronicle

Lanercosl,

ed. B a n n a t y n e C l u b , z. J . 1 2 9 6 ) ,

als

i s t u n s in i h r e n a l l g e m e i n e n U m r i s s e n

ge-

einer

wir

Wilfrieds

Beschreibung bekannt,

eines nämlich

of aus

Zeitgenossen seines

eignen

Tafel 37.

Englische (Angelsächsische) Baukunst. 7 5. Kirche von Brixworth, Northamptonshire. — 6. Grundriß der Kirche von Brixworth. — 7. Südliche Vorhalle der Kirche zu Bishopstone, Sussex.

Reallexikon der germ. Altertumskunde. I.

Verlag von Karl J . Trübner in Straßburg.

564

ENGLISCHE

BAUKUNST

§ 10. N u n ist es d a s I n t e r e s s a n t e s t e an C h o r d i r i g e n t e n E d d i u s , (Historians of the W i l f r i e d s W e r k in H e x h a m , d a ß er, inChurch of York, R o l l s series, Nr. 71, d e m i h m diese b e i d e n K i r c h e n f o r m e n v o r S . 33), u n d a u s e i n e m a u s f ü h r l i c h e r e n B e s c h w e b t e n , einige der v o r g e s c h r i t t e n e r e n r i c h t , g e s c h r i e b e n u m die M i t t e des 12. J h s . a r c h i t e k t o n i s c h e n F o r m e n des Z e n t r a l b a u s v o n einem gewissen Prior Richard von d e m B a s i l i k e n - S c h e m a seiner A b t e i k i r c h e Hexham (Twisden, Decem Scriptores, haben scheint. Dies a u f g e p f r o p f t zu col. 290). D i e s e s B a u w e r k w a r im B a s c h e i n t die n a t ü r l i c h e A u s l e g u n g der auf silikenstil e r r i c h t e t ; a b e r a u ß e r d e m eruns g e k o m m e n e n B e s c h r e i b u n g e n zu sein. b a u t e W i l f r i e d z u H e x h a m n o c h eine Der spätere Bericht v o n dem Prior Richard a n d e r e K i r c h e m i t Z e n t r a l a n l a g e , die b e m a c h t uns den E i n d r u c k , als handle es s c h r i e b e n w i r d als mirandi operis et ipsa sich u m einen so k u n s t v o l l e n B a u , d a ß wir, seilt cet in modurn turris erecta et fere row e n n dieser B e r i c h t allein stände, schließen tunda a quatuor partibus totidem porticus w ü r d e n , er b e z i e h e sich eher auf einen habens (ibid. col. 291). Die Verbindung s p ä t e r e n U m b a u , als auf d a s w i r k l i c h e der b e i d e n T y p e n ist eine T a t s a c h e v o n W e r k W i l f r i e d s . Indessen b e s c h r e i b t W i l nicht geringer B e d e u t u n g . Die typischf r i e d s eigner G e f o l g s m a n n Eddius das romanische Kirche des späteren MA. B a u w e r k beinahe mit denselben W o r t e n ; — das dürfen wir nicht vergessen — stellt und so h a b e n w i r d a s Z e u g n i s eines n i c h t eine e i n f a c h e E n t w i c k l u n g aus der Z e i t g e n o s s e n f ü r M e r k m a l e , die w i r in dieser f r ü h e n c h r i s t l i c h e n B a s i l i k a dar, sondern e n t l e g e n e n G e g e n d u n d z u einer so f r ü h e n v e r d a n k t ihre F o r m der A u f p f r o p f u n g Z e i t sicherlich n i c h t b e i e i n a n d e r z u finden mehrerer durchgearbeiteten konstruktiven erwarten würden. E d d i u s b e r i c h t e t uns, M e r k m a l e , die a n d e r s w o ihren U r s p r u n g d a ß d a s B a u w e r k in seinen u n t e r e n Teilen h a t t e n , auf d a s S c h e m a der Basilika. g e w i s s e G e m ä c h e r in der E r d e enthielt, Ihre Q u e l l e ist in den r u n d e n , polygo^ die a u s w o h l p o l i e r t e n S t e i n e n g e a r b e i t e t n a l e n oder in d e n k r e u z f ö r m i g e n B a u t e n w a r e n — dies b e z i e h t sich auf die n o c h z u suchen, die v o n den f r ü h e s t e n Z e i t e n an e x i s t i e r e n d e Confessio, den V o r r a u m und e r r i c h t e t w u r d e n , und z w a r n i c h t i m m e r die D u r c h g ä n g e , die s o r g f ä l t i g a u s römif ü r den G o t t e s d i e n s t , sondern h ä u f i g e r f ü r schen S t e i n e n e r b a u t sind — , w ä h r e n d es G e d ä c h t n i s - oder G r a b m a l z w e c k e oder einü b e r der E r d e a u s v i e l e n T e i l e n b e s t a n d , f a c h als T a u f k a p e l l e n . B a u w e r k e , wie die v o n z a h l r e i c h e n S ä u l e n , S e i t e n s c h i f f e n S. L o r e n z o in M a i l a n d , S. V i t a l e in R a u n d K a p e l l e n g e t r a g e n w u r d e n (columnis v e n n a u n d die O k t a g o n a l - K i r c h e K a r l s variis et portieibus multis suffultam), u n d die des G r o ß e n in A a c h e n , e n t h a l t e n die k o n M a u e r n v o n a n s e h n l i c h e r L ä n g e und H ö h e struktiven und künstlerischen Elemente, waren. D a s B a u w e r k h a t t e ganze Reihen die in v e r s c h i e d e n e n V e r b i n d u n g e n die v o n P a s s a g e n m i t v i e l e n W i n d u n g e n , die romanische Kirche ausmachen. D i e romitunter aufwärts und mitunter abwärts m a n i s c h e K i r c h e e n t n a h m v o n der B a s i l i k a f ü h r t e n und d u r c h W e n d e l t r e p p e n m i t e i n d a s H a u p t - S c h e m a ihres r e c h t w i n k l i g e n ander in V e r b i n d u n g standen. Prior P l a n s , ihre E i n t e i l u n g in M i t t e l s c h i f f u n d R i c h a r d f ü g t h i n z u , d a ß die M a u e r n drei S e i t e n s c h i f f e u n d F e n s t e r g e s c h o ß u n d ihren S t o c k w e r k e b i l d e t e n (tribus tabiilatis diapsidalen A b s c h l u ß ; a b e r f ü r die a n d e r n stinetos), u n d d a ß der T r i u m p h b o g e n s a m t H a u p t e i g e n t ü m l i c h k e i t e n , w i e z. B . die den K a p i t ä l e n der S ä u l e n m i t S c h n i t z e r e i e n S t e i n g e w ö l b e , die V e r w e n d u n g v o n P f e i l e r n a n s t a t t der S ä u l e n in A r k a d e n , einen C h o r [ in R e l i e f v e r z i e r t w a r e n (variis celaturum figuris ex lapide prominentibus), —• f e r n e r , als E r w e i t e r u n g eines M i t t e l s c h i f f e s , den d a ß in den S e i t e n s c h i f f e n oder K a p e l l e n Z e n t r a l p a v i l l o n oder T u r m , G a l e r i e n ü b e r {in ipsis portieibus) viele Oratorien ( B e t den Seitenschiffen, Fassaden, die mit zimmer) waren mit verschiedenen Altären einem T u r m oder m i t T ü r m e n z u s a m m e n (der J u n g f r a u , des hl. Michael, des hl. J o g e s e t z t sind, u n d dergleichen, m ü s s e n w i r h a n n e s u n d der h e i l i g e n ^'Apostel, M ä r die Z e n t r a l - oder ü b e r w ö l b t e n Kirchen tyrer, Bekenner und Jungfrauen), von heranziehen, w o diese M e r k m a l e f r ü h denen einige n o c h z u des V e r f a s s e r s L e b z e i t i g erscheinen.

ENGLISCHE

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zeiten gleich Türmen oder Nebenbauten riode den Eindruck der Erhabenheit und über den übrigen Teil des Gebäudes emporKompliziertheit bestätigen, der sich aus zuragen schienen. Alle diese Angaben diesen literarischen Mitteilungen ergibt, rechtfertigen die Benennung multiplex doso kann auf die Kirche zu B r i x w o r t h mus, die dem B a u w e r k e von Eddius gein Northamptonshire verwiesen werden, geben wird, und machen uns geneigt, ihm wo noch j e t z t eine große Basilikenkirche zu glauben, wenn er mit der B e m e r k u n g wenn auch in veraus dem 7. Jh., schließt, daß man von einem solchen B a u stümmelter Form, in B e n u t z u n g ist. bis zu seiner Zeit diesseit der Alpen noch Die Mönche v o n Medeshamstede (Peternicht gehört habe. borough) gründeten hier um 680 eine Zweigniederlassung (Hugo Candidus in § 11. D a ß Wilfrieds Kirche in H e x h a m Sparkes Historiae Anglicae Script. Var. II hinsichtlich der Kompliziertheit der Teile zu 8), und aller Wahrscheinlichkeit nach der Zeit nicht allein stand, wird durch das stand hiermit die Errichtung der Kirche in Beispiel der Domkirche in Y o r k beZusammenhang. W e n n man bedenkt, daß wiesen; diese wurde um die Mitte des der Ort nur ein Dorf und die Nieder8. Jhs. umgebaut und wird in Versen lassung von geringer Bedeutung war, so beschrieben, die man dem berühmten ist die Größe und A u s s t a t t u n g der K i r c h e A l k u i n zuschreibt. A l k u i n war wohlbebezeichnend für das damalige architekkannt^mit dem Besten, was karolingische tonische Empfinden. Der Grundriß ist in Baukunst in fränkischen Landen zustande A b b . 4 gegeben und eine Ansicht der K i r c h e gebracht hatte, und seine Lobpreisung der in ihrer gegenwärtigen Gestalt in A b b . 5. Kirche ist darum wertvoll. Ihr hohes Die Länge des Innern beträgt beinahe Dach — so berichtet er uns — wurde von 35 m, die Breite des Mittelschiffes 9 m. starken Säulen getragen, und SeitenDas Gebäude weist angelsächsische A r schiffe und Kapellen fügten sich seitlich chitektur zweier Perioden a u f : aus dem dem Hauptgebäude an, das im ganzen 7. Jh. und aus der zweiten H ä l f t e des nicht weniger als dreißig A l t ä r e enthielt. zehnten. Zu der ersten gehören: I. das Die zunehmende Zahl der A l t ä r e ist natürUntergeschoß des jetzigen T u r m s (mit lich ein bezeichnendes Merkmal des vordringenden romanischen Stils. Früh im ; Ausschluß des späteren halbrundenTreppen türmchens), das einen westlichen A n b a u 9. Jh. besaß die Kirche auf dem Grundriß von St. Gallen siebzehn Altäre, aber in ; oder eine Vorhalle bildete und, wie der Plan zeigt, mit andern seitlichen NebenY o r k fand sich fast die doppelte Anzahl. gebäuden, deren Z w e c k man nicht kennt, Ferner sind auf dem St. Galler Grundriß verbunden w a r ; 2. das Mittelschiff mit die A l t ä r e einfach im Mittelschiff und in den ursprünglichen Seitenschiffen, die ohne den Nebenschiffen aufgestellt, ohne irgend Zweifel zu der Zeit der Wikingerunruhen welche architektonische Vorkehrung für verschwanden; die in der Ansicht dargeihre Aufnahme, während Wilfrieds A l t ä r e stellten Bogen auf dem Grundflur, in die in Hexham, wie uns berichtet wird, in Fenster eingefügt worden sind, sind die jenen Nebengebäuden angebracht waren, ursprünglichen Bogen der A r k a d e n des mit denen er „ d e n Hauptteil der Kirche Mittelschiffes, die den Zugang zu diesen auf jeder Seite u m g a b " ; dies würde Seitenschiffen erschlossen, deren Linien, eine gewisse architektonische Vorsorge für wie der Plan zeigt, durch Ausgrabung aufdie A l t ä r e bedeuten, gleich den Seitengedeckt worden sind; 3. der Priesterraum, kapellen und Apsiden, die in den romanider zwischen dem Mittelschiff und der schen Bauwerken so gewöhnlich wurden, Apsis liegt und von ersterem durch eine in den frühen christlichen Zeiten hingegen von Lichtöffnungen durchbrochene Vorauf die Zentralkirchen beschränkt waren. mauer abgeschnitten w a r ; 4. die äußerlich Das Gedicht über Y o r k berichtet, daß die polygonale, an den Ecken von StrebeAltäre sich in dem porticus befanden, wopfeilern gestützte Apsis mit der Passage mit die Kirche umgeben war. ringsum, die augenscheinlich dazu bestimmt § 12. Wenn man fragt, inwiefern erwar, die Apsis mit einer K r y p t a oder einer haltene Baudenkmäler der älteren Pe-

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Confessio zu verbinden. In einer späteren Periode w u r d e n die Mauern der westlichen V o r h a l l e in F o r m eines T u r m s h i n a u f g e f ü h r t , und es w u r d e ein Treppentürmchen a n g e f ü g t , das den Z u g a n g zu einem Zimmer im ersten S t o c k des T u r m s v e r m i t t e l t e , w o sich eine mit B o g e n gängen versehene Öffnung befindet, die ins Innere der K i r c h e führt. Dieses Z i m m e r w a r wahrscheinlich f ü r die A u f n a h m e des Gutsbesitzers des Ortes bestimmt, der in der späteren sächsischen Periode eine beträchtliche Gewalt über die K i r c h e und ihre Geistlichkeit ausgeübt haben mag. § 1 3 . W ä h r e n d die K i r c h e zu B r i x w o r t h den B a s i l i k e n t y p u s hat, bietet sie uns, wie wir sehen werden, zugleich interessante M e r k m a l e v o n belangreicher Neuheit. E i n s derselben ist die westliche Vorhalle. Diese ist dem N a r t h e x oder der vierten Seite des A t r i u m der frühchristlichen B a u w e r k e in Italien und anderwärts zu vergleichen; aber sie ist dadurch besonders interessant, daß sie direkt auf den einzigen westlichen T u r m f ü h r t , von dem weiter unten die R e d e sein wird. E i n zweites Merkmal ist der P r i e s t e r r a u m zwischen dem Mittelschiff und der Apsis, der in der oben beschriebenen Weise von ersterem abgeschnitten war. E s gab niemals Seitenschiffe zu demselben, sondern eine Sakristei oder ein ähnliches Zimmer bildete den Z u g a n g dazu an seiner nordwestlichen Ecke. Man erkennt hier augenscheinlich ein B e m ü h e n , den f ü r die Geistlichkeit, im Unterschied von der Gemeinde vorbehaltenen R a u m weiter auszugestalten, und wir werden erinnert an die Ansätze zu Transepten, die in so vielen der Basiliken in R o m vorkommen. E i n e kontinentale Parallele findet sich in der interessanten karolingischen B a s i lika von Michelstadt (Steinbach) im Odenwald, erbaut von E g i n h a r d um 825. D a s Innere dieses B a u w e r k s b e w a h r t e deutliche Spuren einer K r e u z m a u e r , etwa 1 2 F u ß hoch, die, mit L i c h t ö f f n u n g e n in der Mitte, eine Schranke bildete, die einen R a u m von e t w a 16 F u ß von dem östlichen E n d e des Mittelschiffes abtrennte. Im sächsischen E n g l a n d w a r eine E i n richtung dieser A r t ein typischer Z u g in

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vielen frühen Kirchen. Sie kommt vor in der Basilikenkirche z u R e c u l v e r in K e n t a u s dem letzten Teil des 7. J h s . , in der ursprünglichen K i r c h e zu R o c h e s t e r (vielleicht i. J . 604 erbaut), und in der S t . P a n c r a s k i r c h e i n C a n t e r b u r y aus ungef ä h r derselben Zeit. Der Grundriß der St. Pancraskirche ist in A b b . 4 gegeben; er hat außer dieser Schrankenmauer zwischen dem Mittelschiff und dem Priesterraum noch einige andere bemerkenswerte K e n n zeichen. E s ist eine westliche Eingangshalle da, wie in B r i x w o r t h , dazu zwei Seitenzimmer; in einem derselben, dem südlichen, befindet sich ein Altar aus mittelalterlicher Zeit. Seitenzimmer dieser A r t sind ein besonderes Merkmal angelsächsischer A r c h i t e k t u r und kommen in allen Perioden vor. Mitunter sind sie V o r hallen, zu andern Zeiten haben sie keinen Türeingang, ausgenommen den in die Kirche. Wenn sie Altäre enthalten, so kann man sie als Seitenkapellen betrachten; und A l t ä r e wurden sowohl in Seitenhallen aufgestellt, die Vestibüle bildeten, wie auch in Zimmern, die, gleich denen in St. Pancras, keine Öffnungen nach außen hatten. W i r wissen, daß dies in der angelsächsischen K a t h e d r a l e in Canterbury der Fall war, und es gibt verschiedene Beispiele, wo das frühere Vorhandensein eines A l t a r s noch durch die Stellung des T ü r einganges nach der Westseite der Mitte der Nord- oder S ü d m a u e r angedeutet wird, so daß ein ungestörter P l a t z f ü r den A l t a r gegen die Mauer an der Ostseite freigelassen wurde. E i n Beispiel einer solchen sächsischen seitlichen V o r h a l l e n - K a p e l l e , v o n Bishopstone in Sussex, bietet A b b . 7. Solche Vorhallen spielten auch im sozialen Leben der angelsächsischen Gemeinde ein Rolle, da in oder neben ihnen G e s c h ä f t e verschiedener A r t erledigt und Gerichtssitzungen abgehalten wurden. Von mehr streng architektonischem S t a n d p u n k t aus ist zu beachten, daß in E n g l a n d diese seitlichen Nebengebäude, ob nun Vochallen oder Seitenkapellen, sich schließlich zu K r e u z schiffen entwickelten und so in der Ausbildung des kreuzförmigen Grundrisses, der im späteren Mittelalter so

Tafel 38.

Englische (Angelsächsische) Baukunst. ¿v

Reallexikon d. germ. Altertumskunde, t.

8. Escomb, Durham, von Südosten gesehen. — 9. Grundriß der Kirche zu Escomb. — 10. Innenansicht der Kirche zu Escomb. Verlag von Karl J. Trübner in Straßbnrg.

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a l l g e m e i n w a r , ihre R o l l e spielten. Darauf w e r d e n w i r s p ä t e r zurückkommen. I b) K i r c h e n d e r k e l t i s c h e n R i c h - ; tung. § 1 4 - D i e bisher e r w ä h n t e n B a u - ; w e r k e stellen in ihren G r u n d r i s s e n die röm i s c h e T r a d i t i o n dar. E i n e P r o b e einer f r ü h e n K i r c h e m i t d e m v i e r s e i t i g e n Chor, der auf k e l t i s c h e V o r b i l d e r h i n w e i s t , s t e h t in E s c o m b in der G r a f s c h a f t D u r h a m . D e r G r u n d r i ß ( A b b . 9), die A n s i c h t der A u ß e n s e i t e ( A b b . 8) u n d die des I n n e r n ( A b b . 10) g e b e n eine g u t e V o r s t e l l u n g v o n dem kleinen interessanten Gebäude, w ä h rend w i r d u r c h die F e n s t e r ( A b b . 11 u. 12) m i t ihren s c h r ä g a b f a l l e n d e n G e w ä n d e n u n d der m e g a l i t h i s c h e n B e h a n d l u n g — der O b e r s c h w e l l e n - S t e i n des r u n d b o g i g e n h a t eine L ä n g e v o n 2 , 1 0 m — a n den c h a r a k teristischen S t e i n b a u des k e l t i s c h e n Irlands erinnert w e r d e n . D i e K i r c h e in E s c o m b , die im 7. oder zu A n f a n g des 8. J h s . e r b a u t w o r d e n sein m a g , ist ein s c h l i c h t e s B a u w e r k , zum größten Teil aus römischen S t e i n e n solide e r b a u t , m i t l a n g e n u n d schmalen Verhältnissen, dünnen, hohen M a u e r n und scharf z u g e s p i t z t e n Giebeln. Der Chorbogen hat ähnliche Verhältnisse: er ist 4,50 m h o c h und 1,58 m b r e i t und ist aus großen, g u t b e h a u e n e n S t e i nen a u f g e f ü h r t , die in einer b e s o n d e r n Manier gefügt sind; darüber weiter unten. Diese Manier ist römisch, und die Steine mögen tatsächlich wiederbenutzte r ö m i s c h e S t e i n e sein. Der allgemeine T y p u s , den die K i r c h e z u E s c o m b d a r s t e l l t , ist im a n g e l s ä c h s i s c h e n E n g l a n d g e w ö h n l i c h ; a b e r es g i b t kein a n d e r e s Beispiel, d a s so v o l l k o m m e n e r h a l t e n u n d so edel in seiner E i n f a c h h e i t w ä r e . § 1 5 . A l s l e t z t e s B e i s p i e l a u s der f r ü heren Periode m a g das b e r ü h m t e angelsächsische F r a g m e n t g e n o m m e n w e r d e n , d a s d a s w e s t l i c h e E n d e der K i r c h e z u M o n k w e a r m o u t h in der G r a f s c h a f t D u r h a m ( A b b . 13) bildet. H i e r e x i s t i e r t e u r s p r ü n g lich eine E i n g a n g s h a l l e , b e d e c k t m i t einem T o n n e n g e w ö l b e , w o r ü b e r ein Z i m m e r w a r , d a s d u r c h einen s c h m a l e n T ü r e i n g a n g in seiner östlichen W a n d m i t der K i r c h e in einer b e t r ä c h t l i c h e n H ö h e ü b e r ihrem F u ß b o d e n in V e r b i n d u n g s t e h t ( A b b . 14). Ü b e r diesem Z i m m e r e n d i g t e die V o r h a l l e u r s p r ü n g l i c h in einem Giebel, dessen A b -

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d a c h u n g s l i n i c m a n in der Z e i c h n u n g in der H ö h e des P f e i l s A sehen k a n n . Unterh a l b d e r S p i t z e des G i e b e l s s t a n d u r s p r ü n g lieh eine in H o c h r e l i e f g e s c h n i t z t e F i g u r v o n e t w a 1,80 m H ö h e , die j e t z t a b g e h a u e n ist. In einer v i e l s p ä t e r e n P e r i o d e , w a h r s c h e i n l i c h u m die Z e i t der N o r m a n n i s c h e n E r o b e r u n g , w u r d e n die M a u e r n der V o r halle in G e s t a l t eines hohen und s c h l a n k e n T u r m s nach oben fortgesetzt. D a s Schiff der K i r c h e w a r sehr l a n g u n d s c h m a l , e t w a 19,50 zu 5,70 m, u n d die M a u e r n sind dünn, aber von verhältnismäßig großer Höhe. Sie sind a u s B r u c h s t e i n m a u e r w e r k von uneben viereckig behauenen Steinen a u f g e f ü h r t und sind so g u t z u s a m m e n g e f ü g t , d a ß , o b g l e i c h die M a u e r n der u r s p r ü n g l i c h e n V o r h a l l e w e n i g e r als 60 c m d i c k sind, sie j e t z t d a s G e w i c h t eines 18 m hohen T u r m e s tragen. Die ursprüngliche W e s t m a u e r m i t der A b d a c h u n g d e s G i e b e l s sieht m a n in A b b . 1 3 ; d a s M a u e r w e r k an der N o r d s e i t e , n a h e bei d e m B u c h s t a b e n A , ist eine s p ä t e r e H i n z u f ü g u n g . In dieser W e s t m a u e r sind n o c h z w e i u r s p r ü n g l i c h e F e n s t e r e r h a l t e n in einer L i n i e e t w a 20 F u ß ü b e r d e m E r d b o d e n , deren ä u ß e r e Ö f f n u n g e n b e i n a h e g ä n z l i c h d u r c h den s p ä teren T u r m v e r d e c k t sind. Der Pfeil bez e i c h n e t die L a g e eines derselben. Was unser Interesse an dieser k l e i n e n b e r ü h m ten V o r h a l l e h a u p t s ä c h l i c h in A n s p r u c h n i m m t , d a s sind ihre d e k o r a t i v e n M e r k male. D i e G e w ä n d e der ä u ß e r n Ö f f n u n g a n der w e s t l i c h e n V o r d e r s e i t e h a b e n u n t e n ein in R e l i e f a u s g e f ü h r t e s S c h n i t z w e r k , das zwei ineinander geschlungene Schlangen d a r s t e l l t ( A b b . 15). Dieses M o t i v ist, o b g l e i c h es auf den ersten B l i c k als k e l tisch erscheint, e c h t g e r m a n i s c h , u n d es k o m m t in b u r g u n d i s c h e r u n d a l e m a n n i scher M e t a l l a r b e i t in den M u s e e n v o n Z ü r i c h u n d F r e i b u r g in der S c h w e i z v o r . Ü b e r den so v e r z i e r t e n S t e i n p l a t t e n in jedem Gewände stehen zwei der s o genannten „ G e l ä n d e r s c h ä f t e " , die charakteristischeund zugleich schwer verständliche M e r k m a l e s ä c h s i s c h e r B a u w e r k e sind. In einigen a n g e l s ä c h s i s c h e n K i r c h e n , s o w o h l f r ü h e n , als a u c h s p ä t e n M u s t e r n dieses Stils, k o m m e n k l e i n e S t e i n s c h ä f t e v o r , etwa 2 — 3 F u ß hoch, mitunter gerade und m i t u n t e r m i t einem a u s g e b a u c h t e n P r o f i l

Tafel 39.

Englische (Angelsächsische) Baukunst. ji —12. 14.

Fenster

Westliche Türwand

in E s c o m b . Mauer der

der



Vorhalle

von

R e a l l e x i k o n d. gerin. A l t e r t u m s k u n d e . H c o p s , Reallexikon.

I.

13.

Kirche

Westliche von

Ansicht

Monkwearmouth. I.

der

Monkwearmouth, —

16.

Kirche

von

der

von

Monkwearmouth,

Kirche

Geländerschaft

gesellen. von



Durham. 15.



Südliche

Monkwearmouth.

V e r l a g von K a r l J . T r ü b n e r in Straßburg-.

-in

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und mit verschiedenen darauf angebrachten wird zum Beispiel von einem Bischof dieser Zieraten. Die früheren und einige der Periode, Swithun von Winchester, der 862 späteren sind auf der Drechselbank gestarb, berichtet, der „ein fleißiger E r b a u e r dreht und mögen, wie die Illustration von Kirchen w a r in Orten, wo vorher keine (Abb. 16) zeigt, sehr sorgfältig gearbeitet waren, und ein Wiederhersteller derjenigen, worden sein, während andere nicht gedie zerstört oder niedergerissen worden drechselt, sondern roh mit dem Meißel w a r e n " (Act. Sanct. J u l . I, 291). Ferner geformt sind. Der allerletzte Ursprung gehört wohl in diese Periode die E n t dieser S c h ä f t e ist römisch; denn kleine wicklungeiner echt charakteristischen spät S c h ä f t e , die als Modelle gedient haben sächsischen Eigentümlichkeit, die nirgendmochten, sind in römischen Örtlichkeiten in wo sonst in E u r o p a a u f t r i t t und ein England nicht ungewöhnlich und kommen Unterscheidungsmerkmal des Stils ist, auch als Teil der Dekoration römischer nämlich das sogenannte ,,long-and-short geschnitzter Steine vor. Merkwürdigerw o r k " ( E c k v e r b a n d aus Quadern), das an weise sind jedoch die frühesten dieser den Ecken sehr vieler sächsischen B a u S c h ä f t e , die zu Monkwearmouth, so sehr werke aus der letzten H ä l f t e des 10. und unklassisch sowohl in ihrer F o r m und aus dem 1 1 . J h . v o r k o m m t ; v g l . die Verzierung, als auch in dem Fehlen der Abbildungen 39, 46 und 47. E s wird K a p i t ä l e und Basen. Trotz dieser römifolgendermaßen angewendet: Ein a u f schen Herleitung muß man die ,,Geländer rechter Steinpfeiler, quadratisch im Durchs c h ä f t e " als originelle Züge in sächsischen schnitt und an Höhe von 0,60 m bis B a u w e r k e n betrachten; denn sie haben in 1,20 m variierend, wird an die E c k e des andern L ä n d e r n kein Gegenstück. Zur Gebäudes gestellt, sei es die des Turms, Frage, in welcher Weise diese S c h ä f t e bedes Schiffes, des Chors oder der Vorhalle, nutzt wurden, sei gesagt, daß die beiden und darüber wird eine flache Steinplatte Originalfenster in der Westmauer zu Monkgelegt, die f e s t in die Mauer f a ß t und an wearmouth (Abb. 14) solche S c h ä f t e in den beiden Vorderseiten entlang die L ä n g e den inneren E c k e n ihrer Gewände haben. ihrer Seiten zeigt. Die korrekte BeSpäterhin werden sie, wie wir sehen werden, zeichnung dieses E c k v e r b a n d e s als Ganzes in der Unterabteilung der Öffnungen angesehen, würde eher „ a u f r e c h t und flach" gewandt. als „ l a n g und k u r z " sein; abfer wenn, § 1 6 . Über die charakteristischen F e n wie es gewöhnlich der Fall war, die s t e r ö f f n u n g e n dieser frühen Periode sei Hauptaußenseitc der Mauer v e r p u t z t w a r , folgendes gesagt. Ursprüngliche Fenster so v e r b a r g der Mörtel, der bis an die sind in einem halben Dutzend der frühen K a n t e n der aufrechten Teile angebracht Kirchen erhalten, und sie sind alle nach wurde, den größeren Teil dpr flachen innen ausgeschrägt. In dem Falle von Steinplatten, es blieb also nur derjenige B r i x w o r t h ist die A u s s c h r ä g u n g unbeTeil von ihnen sichtbar, der wirklich deutend und die Öffnung breit, so daß das zwischen den aufrechten Teilen hervortrat. Fenster sich der F o r m nähert, die in : Dieser Teil, der nur die Dicke der Steinfrühen christlichen Basiliken in andern platte ausmachte, erscheint „ k u r z " im L ä n d e r n wohlbekannt ist. Sonst ist die Vergleich mit der L ä n g e der aufrechten. äußere Öffnung verhältnismäßig klein. In Hier ist wiederum, wie bei den GeländerMonkwearmouth ist diese 50 cm breit, die schäften, der Ursprung dieser E i g e n t ü m innere (Abb. 14) 82 cm. lichkeit römisch, obgleich sie v o n den gerII. D i e z w e i t e P e r i o d e . § 17. manischen Baumeistern in selbständiger Der Zwischenoder Wikinger-Periode Weise behandelt wird. E i n e Weise, in lassen sich, wie schon oben gesagt, von der die R ö m e r einen Türeingang konstruden erhaltenen B a u d e n k m ä l e r n keine mit ierten, w a r die, den Pfosten m i t einer a u f Sicherheit zuweisen. E s ist jedoch nicht gerichteten Steinplatte zu bedecken Und anzunehmen, daß f ü r die B a u k u n s t damals wagerecht über sie eine andere P l a t t e zu ein Stillstand eingetreten sei. Literarische legen, die mit der Mauer in V e r b a n d geMitteilungen beweisen das Gegenteil. Es bracht wurde. E s ist dies keine gewöhnliche

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M e t h o d e , aber sie k o m m t g e l e g e n t l i c h v o r , i in d e m r o m a n i s i e r t e n W e s t e n n i c h t ungez. B . in einem B o g e n g ä n g e z u P o l a in ; w ö h n l i c h e n T y p u s u n d b e s t e h e n a u s kleinen Istrien. Sie t r i t t a u c h in der b y z a n t i n i r e c h t w i n k l i g e n , g e w ö l b t e n K a m m e r n , die schen R e k o n s t r u k t i o n des W e s t t o r s des durch Vorkammern hindurch mittels P a r t h e n o n in A t h e n z u t a g e . Diese A r t der schmalcr Durchgänge und Treppen von A n l a g e w i r d m i t u n t e r in f r ü h e n a n g e l d e m F l u r der K i r c h e oben z u g ä n g l i c h sind. s ä c h s i s c h e n B a u w e r k e n n a c h g e a h m t , z. B. In den W ä n d e n sind N i s c h e n f ü r L a m p e n , in d e m C h o r b o g e n z u E s c o m b ( A b b . 10) 1 und die K a m m e r n , deren g r ö ß t e e t w a 4 m und in der V o r h a l l e z u M o n k w e a r m o u t h 1 l a n g ist, w u r d e n a u g e n s c h e i n l i c h f ü r die ( A b b . 13), und v o n hier a u s w u r d e d a s V e r Schaustellung der Reliquien benutzt. f a h r e n m i t den n o t w e n d i g e n Ä n d e r u n g e n A b b . 17 g i b t die beiden P l ä n e . Brixauf die E c k e n v o n B a u w e r k e n ü b e r t r a g e n . worth bietet a u c h , obwohl in u n v o l l In dieser A n w e n d u n g f i n d e t sich in k e i n e m s t ä n d i g e r F o r m , der P l a n einer f r ü h c h r i s t der B a u w e r k e der ersten P e r i o d e eine S p u r ; lichen Confessio(s.d.), d e r j e n i g e n ähnlich, die a b e r sie t r i t t als w o h l b e k a n n t e s M e r k m a l m a n in einigen der B a s i l i k e n v o n R o m u n d u n t e r den E i g e n t ü m l i c h k e i t e n der B a u R a v e n n a trifft. In der d r i t t e n P e r i o d e w e r k e der späteren oder d r i t t e n P e r i o d e erscheint, w i e z u e r w a r t e n ist, die spätere h e r v o r , die die f r ü h e s t e n z u sein, scheinen F o r m der K r y p t a , d i e , , H a l l e n k r y p t a " , worin u n d sich d a r u m w ä h r e n d der z w e i t e n oder der g a n z e R a u m u n t e r d e m P r e s b y t e r i u m Z w i s c h e n p e r i o d e e n t w i c k e l t h a b e n müssen. v o n einer U n t c r k i r c h e e i n g e n o m m e n w i r d , In späteren s ä c h s i s c h e n B a u w e r k e n ist deren D a c h P f e i l e r (wie z u W i n g , B u c k i n g dieses V e r k e i l e n freilich n i c h t allgemein, hamshire, A b b . 18) oder S ä u l e n (wie z u aber es ist v e r b r e i t e t g e n u g , u m par excelR e p t o n , D e r b y s h i r e , A b b . 19) tragen. Die lence das u n t e r s c h e i d e n d e M e r k m a l des K a p i t ä l c dieser S ä u l e n sind roh w ü r f e l a n g e l s ä c h s i s c h e n Stils in seinen s p ä t e r e n f ö r m i g , ihre S c h ä f t e sind g e w u n d e n . E n t w i c k l u n g e n z u sein. a) A l l g e m e i n e Charakteristika III. D i e d r i t t e P e r i o d e . §18. d e r B a u t e n d e r d r itt c n P e r i o d e . Die Bauwerke dieser d r i t t e n Pe§ 19. Die K i r c h e n der d r i t t e n P e r i o d e bieten r i o d e b e h a l t e n die bereits e r w ä h n t e n im allgemeinen, w i e w i r gleich sehen w e r a l l g e m e i n e n M e r k m a l e ck-s Stils bei. E i n i g e den, viele interessante Z ü g e in ihren G r u n d v o n ihnen, n i c h t alle, sind l a n g und s c h m a l rissen und in der allgemeinen Anlage, oder h a b e n u n v e r h ä l t n i s m ä ß i g h o h e M a u u n d sie b e s i t z e n a u c h eine oder z w e i a u f ern. Die M a u e r n sind immer ohne f a l l e n d e F o r m e n in der E i n z e l a u s f ü h r u n g , Strebepfeiler, u n d o f t a u f f a l l e n d dünn. die j e t z t z u m e r s t e n m a l a u f t r e t e n . Da Die T ü r e i n g ä n g e sind h o c h und s c h m a l , diese F o r m e n v o m S t a n d p u n k t der C h r o n o die B o g e n regellos z u s a m m e n g e f ü g t , die logie und insofern, als sie die angelsächsische d e k o r a t i v e n S t ü c k e einfach und nicht B a u k u n s t m i t der des K o n t i n e n t s v e r selten roh. O r i g i n a l i t ä t der B e h a n d l u n g binden, v o n g r o ß e r B e d e u t u n g sind, w o l l e n und ein G e f ü h l f ü r d a s M e g a l i t h i s c h e g e b e n w i r v o r a b ein W o r t über sie sagen. Bej e d o c h diesen B i l d u n g e n o f t eine g e w i s s e h a n d e l t s e i e n : I. die F e n s t e r ö f f n u n g e n , Vornehmheit. In der A n l a g e w e r d e n die 2. die Lisencn, 3. die „ M i t t e l m a u e r s c h ä f t e " , H a u p t t y p e n b e i b e h a l t e n : einschiffige Inte4. die K a p i t ä l e , die f ü r diese s p ä t e r e rieur?, die m i t v i e r e c k i g e n Choren oder m i t P e r i o d e c h a r a k t e r i s t i s c h rind. D a s Ü b e r A p s i d e n endigen, u n d B a s i l i k e n - K i r c h e n , e i n s t i m m e n d e all dieser T e i l e liegt darin, sowohl in der späteren, w i e in der f r ü h e r e n d a ß sie a u g e n s c h e i n l i c h m i t F o r m e n z u Periode. In e i n e m Teil der A n l a g e sehen s a m m e n h ä n g e n , die in den a u s t r a s i s c h e n w i r im F o r t s c h r i t t der J a h r h u n d e r t c eine G e b i e t e n des a l t e n F r a n k e n r e i c h s g e w ö h n deutliche E n t w i c k l u n g , n ä m l i c h in der lich w a r e n , und d u r c h sie wird die s p ä t Krypta. Die frühe Periode hat zwei a n g e l s ä c h s i s c h e A r c h i t e k t u r m i t den gleichArten von K r y p t e n . Es sind n o c h die z e i t i g e n k o n t i n e n t a l e n S t i l e n in B e z i e h u n g beiden von W i l f r i e d u m 675 in H e x h a m gebracht. und z u R i p o n in Yorkshire erbauten 1. Die F e n s t e r ö f f n u n g e n werden Krypten vorhanden. Sie sind v o n e i n e m in dieser P e r i o d e bisweilen i n w e n d i g a u s -

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g e s c h r ä g t , gleich denen a u s einer f r ü h e r e n n u n g e n v e r b u n d e n , die m a n h a u p t s ä c h l i c h , E p o c h e ; a b e r ihre c h a r a k t e r i s t i s c h e F o r m w e n n a u c h n i c h t ausschließlich, in den G l o c k e n s t ü h l e n der T ü r m e findet. Die ist die der d o p p e l t e n A u s h ö h l u n g , w o r i n Ö f f n u n g e n in sächsischen G l o c k e n t ü r m e n der s c h m ä l s t e T e i l der Ö f f n u n g n i c h t in sind nicht m i t einer M a u e r v e r t i e f u n g die A u ß e n s e i t e , sondern in die M i t t e der w i e in n o r m a n n i s c h e n BauD i c k e der M a u e r k o m m t . Solche Fenster j versehen, k o m m e n o f t in d e m f r ü h r o m a n i s c h e n Stil i w e r k e n , s o n d e r n gehen gerade d u r c h die Wenn D e u t s c h l a n d s v o r , sind a b e r v i e l seltener \ g a n z e D i c k e der M a u e r hindurch. ; sie v o n b e t r ä c h t l i c h e r B r e i t e sind, so zerin F r a n k r e i c h u n d Italien. 2. N o c h b e s t i m m t e r a u s t r a s i s c h sind die | f a l l e n solche Ö f f n u n g e n g e w ö h n l i c h w i e d e r in z w e i , und die A r t u n d Weise, in der die sogenannten L i s e n e n (pilaster strips). T e i l u n g z u s t a n d e g e b r a c h t wird, ist b e s o n D a s sind d e k o r a t i v e M e r k m a l e , g a n z v e r ders z u b e a c h t e n . J e d e H ä l f t e der Ö f f schieden v o n S t r e b e p f e i l e r n , die in d e m n u n g w i r d m i t einem kleinen, runden B o g e n Stil k a u m v o r k o m m e n . Sie b e s t e h e n a u s b e d e c k t , u n d z w i s c h e n diesen beiden B o g e n flachen, aufrechten Streifen Mauerwerk, w ü r d e ein S t ü c k c h e n M a u e r in der L u f t in der B r e i t e v o n 10 bis 30 c m v a r i i e r e n d , die s c h w e b e n , w e n n es u n t e n nicht v o n einer in Z w i s c h e n r ä u m e n die M a u e r h i n a u f l a u f e n flachen Steinplatte von hinreichendem und o b e n m i t u n t e r d u r c h k ü r z e r e , w i n k e l F l ä c h e n i n h a l t g e h a l t e n w ü r d e , die ihreroder bogenförmige Streifen verbunden seits v o n einer einzigen, u n t e r ihrer M i t t e S o l c h e S t r e i f e n sind sind (s. A b b . 4 7 ) . s t e h e n d e n S t ü t z e in F o r m einer k l e i n e n gewöhnliche Ausschmückungen der G e S t e i n s ä u l e g e t r a g e n w i r d . Die F o r m des wände von Tür- und Fensteröffnungen, und S ä u l c h e n s u n d die des S ä u l e n k n o p f e s , der sie w e r d e n in diesen F ä l l e n in der F o r m ersteres m i t u n t e r ü b e r r a g t , ist b e m e r k e n s einer V e r d a c h u n g rund u m den Bogen w e r t . D i e S ä u l c h e n sind m i t u n t e r m i t Z i e r a t geführt. E i n B e i s p i e l ist in A b b . 48 gev e r s e h e n e „ G e l ä n d e r s ä u l c h e n " , dann h a b e n geben. O h n e F r a g e h a b e n w i r hier eine sie w e d e r K a p i t a l e n o c h B a s e n ( A b b . 40), E n t l e h n u n g der w o h l b e k a n n t e n d e u t s c h e n mitunter schlichte Zwergsäulen mit KapiLisenen. Diese L i s e n e n sind c h a r a k t e r i talen, a u c h hier u n d d a mit B a s e n ( A b b . stisch d e u t s c h ; sie k o m m e n in f r ü h a u s t r a 44). W i r h a b e n hier ein z w e c k d i e n l i c h e s sischen r o m a n i s c h e n B a u t e n , w i e St. C a s t o r Kriterium vergleichender Datierungen in C o b l e n z u n d G e r n r o d e , v o r , und sie i n n e r h a l b dieser s p ä t e r e n P e r i o d e , die, m ö g e n d i r e k t v o n den P i l a s t e r n der romiw i e o b e n g e s a g t , sich ü b e r die Z e i t v o n schen Ü b e r l i e f e r u n g h e r s t a m m e n , w i e sie e t w a 950 bis z u r N o r m a n n i s c h e n E r o b e sich in der V o r h a l l e v o n L o r s c h finden. rung erstreckt. Das Geländersäulchen D a sie a u c h in n o r d i t a l i e n i s c h e n Bauist, w i e w i r g e s e h e n h a b e n , eine f r ü h e w e r k e n , wie z. B . S. Z e n o z u V e r o n a , : E r s c h e i n u n g , u n d es k o m m t n i c h t in B a u v o r k o m m e n , so g l a u b t R i v o i r a , d a ß die w e r k e n v o r , v o n denen wir wissen, d a ß D e u t s c h e n sie a u s der L o m b a r d e i e n t sie a u s der Z e i t n a h e der N o r m a n n i s c h e n lehnten. In den a n g e l s ä c h s i s c h e n B a u Eroberung datieren. Daher stammen B a u w e r k e n der ersten P e r i o d e , die w i r bereits w e r k e der d r i t t e n Periode, in denen G e g e m u s t e r t h a b e n , findet sich k e i n e S p u r ! l ä n d e r s ä u l c h e n erscheinen, v e r m u t l i c h a u s der f r ü h e n Z e i t dieser P e r i o d e . Andererv o n i h n e n ; a b e r sie erscheinen, gleich d e m seits sind S ä u l c h e n m i t S ä u l e n k n ö p f e n u n d „long-and-short w o r k " (Eckverband aus B a s e n in Ö f f n u n g e n m i t U n t e r a b t e i l u n g e n Q u a d e r n ) , in einigen der f r ü h e s t e n B e i bei G e b ä u d e n , die a u s der Z e i t n a h e spiele der d r i t t e n P e r i o d e und e r h a l t e n sich der N o r m a n n i s c h e n E r o b e r u n g d a t i e r e n , bis e t w a 1060 ( K i r k d a l e - K i r c h e in Y o r k häufig, so d a ß die V e r w e n d u n g von shire), k o m m e n a b e r n i e m a l s in englischSäulchen mit Kapitalen für verzierte Genormannischen Gebäuden vor. eine c h r o n o l o g i s c h e Be3. A u s t r a s i s c h e n U r s p r u n g s sind a u c h die : l ä n d e r s ä u l c h e n deutung hat. D i e n i c h t m i t einer M a u e r sogenannten „ m i d - w a l l s h a f t s " (Säulv e r t i e f u n g v e r s e h e n e Ö f f n u n g , die flache chen, die die M i t t e der D i c k e der M a u e r S t e i n p l a t t e (der K ä m p f e r ) , in E n g l a n d ein stützen). Diese sind m i t einer E i n r i c h t u n g für

in

Unterabteilungen

zerfallende

Öff-

Tafel 40.

Englische (Angelsächsische) Baukunst. 1 7 . Krypten von Hexham und Ripon, um 675 erbaut. — 1 8 . Krypta zu Wing, Buckinghamshire. A. A ' Z u g a n g von der K i r c h e ; B R u n d g a n g ; C Mittelraum; D Fenster; E Arcosolien. — 19. Krypta zu Repton, Derbyshire. A Z u g a n g ; B Arcosolien; C Fenster. — 20. Kragsteinkapital vom Dom zu Trier. — 2 1 . Sockel verschiedener angelsächsischer Bauten. A Dunham Magna, Norfolk; B Stainton, Lincolnshire; C Wareham, Dorset; D Clee, Lincolnshire; E Stow, Lincolnshire. — 22. Ursprünglicher Grundriß von St. Denvs (Nach V i o l l e t - l e - D u c ) . — 23. Grundriß des östlichen Teiles der angelsächsischen Kirche von Medeshamstede (Peterborough K Reallcxikon d. ß-erm. Altertumskunde.

I.

V e r l a g von K a r l J . T r i i b l i e r in

Straßbur^.

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H i e r m a g ein„ t h r o u g h - s t o n e " ( d u r c h g e h e n d e r Stein) ge- i A n g e l s a c h s e n e r h a l t e n . n a n n t , u n d d a s S ä u l c h e n , d a s w e g e n seiner ; g e s c h a l t e t w e r d e n , d a ß b e i den späteren angelsächsischen K i r c h e n P l i n t h e n oder Stellung „ m i d wall s h a f t " (MittelmauerS o c k e l p l a t t e n , die s t e t s e i n f a c h e r A r t sind s e h a f t ) h e i ß t , sind m i t h i n c h a r a k t e r i s t i s c h e u n d a u s einem oder z w e i v i e r e c k i g e n oder M e r k m a l e s p ä t e r e r sächsischer A r c h i t e k t u r . a b g e s c h r ä g t e n P l a t t e n b e s t e h e n , w i e in Ihre H e r k u n f t v o n d e m r o m a n i s c h e n Stil A b b . 2 1 , v o r k o m m e n , w ä h r e n d sie b e i den D e u t s c h l a n d s w i r d d u r c h die T a t s a c h e ä l t e r e n fehlen. sichergestellt, d a ß sie in E n g l a n d in V e r bindung mit andern deutschen Merkmalen § 20. Dieser e i n g e h e n d e B e r i c h t ü b e r erscheinen, w i e z. B . den d o p p e l t a u s g c einige der c h a r a k t e r i s t i s c h e n Einzelheiten schrägten Fenstern und den Lisenen. an den s p ä t e r e n s ä c h s i s c h e n K i r c h e n ist D a s m u ß nachdrücklich betont werden, j e d e r B e s p r e c h u n g ihres a l l g e m e i n e n A u s da frühere Forscher angenommen haben, sehens und ihrer A n l a g e vorangestellt dieser T y p u s w ä r e d i r e k t aus Italien e n t w o r d e n , d a diese E i n z e l h e i t e n , w i e w i r solehnt worden. Italien ist ohne Z w e i f e l eben gesehen haben, f ü r F r a g e n der C h r o n o die H e i m a t des G l o c k e n t u r m s , u n d in logie u n d S t i l v e r w a n d t s c h a f t e n sehr w i c h t i g f r ü h e n i t a l i e n i s c h e n C a m p a n i l e s , w i e in sind. G e h e n w i r j e t z t z u den allgemeineR o m und R a v e n n a , sind solche Ö f f n u n ren F r a g e n über. gen m i t U n t e r a b t e i l u n g e n sehr g e w ö h n l i c h . § 2 1 . B e s o n d e r e B e a c h t u n g e r f o r d e r n dieD i e E i g e n t ü m l i c h k e i t w u r d e ohne Z w e i f e l j e n i g e n P u n k t e , w o sich uns die a n g e l s ä c h s i v o n den s p ä t e r e n k a r o l i n g i s c h e n Bauschen B a u m e i s t e r als N e u e r e r z e i g e n , d i e u n m e i s t e r n a u s Italien e n t l e h n t , und ein w e n i g abhängige Lösungen von Problemen, welche später v o n d e m a u s t r a s i s c h e n D e u t s c h l a n d ihre Z e i t g e n o s s e n in a n d e r n L ä n d e r n b e nach dem angelsächsischen England weiters c h ä f t i g t e n , v e r s u c h e n . W e n n w i r die V e r gegeben. b i n d u n g der s p ä t e r e n a n g e l s ä c h s i s c h e n A r c h i t e k t u r m i t D e u t s c h l a n d z e i g e n , so sollen 4. D i e K a p i t ä l e , w e l c h e die s c h l i c h t e n d a m i t nicht die englischen B a u m e i s t e r z u S ä u l c h e n in der s p ä t e s t e n G r u p p e der Ö f f Nachahmern herabgewürdigt werden. Im nungen mit Unterabteilungen überragen, G e g e n t e i l : es ist ihre s t a r k e und z u g l e i c h weisen e b e n f a l l s d e u t s c h e V e r w a n d t s c h a f t ihre s c h w a c h e Seite, d a ß sie in ihren B e auf u n d sind im M u s t e r v o n d e n K a p i t a l e n , strebungen so selbständig waren. Sie die in der N o r m a n d i e v o r der E r o b e r u n g E n g scheinen z u w e i l e n in der E l e m e n t a r g r a m lands in G e b r a u c h w a r e n , verschieden. Es m a t i k ihrer K u n s t u n g e n ü g e n d b e s c h l a g e n sindWürfelkapitäle,wohingegen das typischc z u sein, so z. B . w e n n sie in d e m B e frühnormannische Kapität dem entarteten hauen von Wölbsteinen Versehen machen; ionischen T y p u s a n g e h ö r t . D i e H e i m a t des W ü r f e l k a p i t ä l s ist D e u t s c h l a n d ( V o r h a l l e in ; a b e r a n d e r s e i t s , h a b e n sie sicherlich die europäische B a u k u n s t mit neuen Formen Essen u s w . ) , und es w u r d e ohne Z w e i f e l v o n b e r e i c h e r t , d a z u g e h ö r t z. B . d a s V e r d o r t aus in d a s sächsische E n g l a n d eingeführt. Die a n g e l s ä c h s i s c h e n B i l d h a u e r j keilen d u r c h den E c k v e r b a n d a u s Q u a d e r n b e h a n d e l t e n die F o r m m i t b e t r ä c h t l i c h e r , (long and short work), w o r a u f w i r s c h o n h i n F r e i h e i t u n d e r f a n d e n z a h l r e i c h e M o d i - I wiesen. W e n n w i r die s p ä t e r e a n g e l s ä c h s i f i k a t i o n e n p h a n t a s t i s c h e r A r t , w o b e i sie | sehe A r c h i t e k t u r als eine P r o v i n z des a u s t r a bisweilen die A r b e i t m i t Z i e r l i c h k e i t u n d ; s i s c h - r o m a n i s c h e n S t i l s b e t r a c h t e n , so w a r G e s c h m a c k a u s f ü h r t e n , in a n d e r n F ä l l e n I sie d o c h eine a u t o n o m e P r o v i n z , die in a b e r sehr p l u m p . In einigen dieser a n g e l - ; b e t r ä c h t l i c h e m U m f a n g e ihren eignen N o r sächsischen Ö f f n u n g e n m i t U n t e r a b t e i l u n - i m e n u n d I d e a l e n f o l g t e , b) D i e A n l a g e . § 22. W a s die A n gen h a t m a n auf d e n „ t h r o u g h - s t o n e " j lage b e t r i f f t , so b e m e r k e n wir — w a s a u c h ( K ä m p f e r ) v e r z i c h t e t , und das K a p i t ä l in der f r ü h e r e n P e r i o d e bei B a u t e n w i e selbst ist v o r g e k r a g t , bis sein A b a k u s (seine denen v o n W i l f r i e d der F a l l w a r — bei den D e c k p l a t t e ) in der L ä n g e m i t der D i c k e angelsächsischen Baumeistern m i t Interder Mauer ü b e r e i n s t i m m t . A u c h dies k o m m t esse eine gewisse S e l b s t ä n d i g k e i t und sowohl in D e u t s c h l a n d w i e in Italien v o r A b b . 20); a u s D e u t s c h l a n d h a b e n es die ! O r i g i n a l i t ä t ; deren E r g e b n i s w a r , d a ß die

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h a t t e den griechischen K r e u z p l a n w i e a u c h a r c h i t e k t o n i s c h e E n t w i c k l u n g in der f r ü h den T - f ö r m i g e n P l a n , den ersteren sicher, m i t t e l a l t e r l i c h e n P e r i o d e n i c h t in n o r m a l e n den l e t z t e r e n v i e l l e i c h t seit der f r ü h e s t e n kontinentalen Bahnen fortschritt. Die Periode. E i n e der K i r c h e n W i l f r i e d s in W a h r h e i t dieser B e h a u p t u n g H e x h a m war, w i e o b e n gesagt, n a c h d e m kann durch folgendes bewiesen ersteren P l a n erbaut, w ä h r e n d der crux werden: I. d u r c h d i e Entwickcommissa-~P\2i.n e n t d e c k t w u r d e , als angell u n g des Quer s c h i f f e s der sächsische F u n d a m e n t e u n t e r d e m m i t t l e k r e u z f ö r m i g e n Kirche aus der ren T e i l e der noch v o r h a n d e n e n A b t e i früheren Seiten kapelle u n d 2. k i r c h c in P e t e r b o r o u g h b l o ß g e l e g t w u r E i n r i c h t u n g d u r c h die B a u a r t , u n d S t e l l u n g des Turms. j den. A l l e s , w a s g e f u n d e n w u r d e , w a r ein § 23. In der e u r o p ä i s c h e n A r c h i t e k t u r im ! Teil eines s c h m a l e n P r i e s t e r r a u m e s u n d g a n z e n s c h e i n t f a s t a l l g e m e i n bei den g r o ß e n 1 w e s t l i c h d a v o n ein g e r ä u m i g e s K r e u z s c h i f f . (Vgl. den P l a n in A b b . 23.) Die Kirche K i r c h e n des s p ä t e r e n M i t t e l a l t e r s d e r G r u n d m u ß groß gewesen sein; denn die B r e i t e riß, der auf d e m l a t e i n i s c h e n K r e u z b e r u h t e , quer d u r c h das K r e u z s c h i f f b e t r ä g t e t w a m i t d e m g r i e c h i s c h e n K r e u z p l a n e , der v o n 27,60 m, und es m a g die K i r c h e sein, die einer sehr a l t e n Z e i t an h a u p t s ä c h l i c h f ü r im 7. Jh. bei der u r s p r ü n g l i c h e n G r ü n Grabkapellen benutzt worden war, nicht d u n g v o n M e d e s h a m s t c d e , w i e der O r t zusammenzuhängen. Der lateinische K r e u z d a m a l s hieß, e r b a u t w u r d e . D i e D i m e n s i o p l a n s c h e i n t sich a u s d e m s o g e n a n n t e n T nen der K i r c h e v o n B r i x w o r t h , eines b l o ß e n f ö r m i g e n oder d e m crux comnvissa-Plan entA b l e g e r s dieses K l o s t e r s , g e b e n dieser w i c k e l t z u h a b e n , w o r i n ein M i t t e l s c h i f f u n d V e r m u t u n g einigen A n h a l t , d a die M u t t e r ein K r e u z s c h i f f v o r h a n d e n ist, a b e r kein kirche einer so b e d e u t e n d e n T o c h t e r ein vierter A r m zu dem Kreuz. E i n solches i m p o n i e r e n d e s G e b ä u d e gewesen sein m u ß . S c h e m a k o m m t in v i e l e n der f r ü h c h r i s t Indes ü b t e w e d e r diese K i r c h e n o c h der lichen B a s i l i k e n der S t a d t R o m v o r und Z e n t r a l b a u W i l f r i e d s in H e x h a m i r g e n d s c h e i n t a u c h in Gallien b e l i e b t g e w e s e n z u w e l c h e n m e r k l i c h e n E i n f l u ß auf die E n t sein. M. E n l a r t ( M a n u e l d'Archéologie w i c k l u n g des lateinischen K r e u z p l a n e s im française 1, 122) e r w ä h n t verschiedene a n g e l s ä c h s i s c h e n E n g l a n d aus. W i r gehen solcher Beispiele, und die u r s p r ü n g l i c h e n u n w e i t e r , u m zu sehen, in w e l c h e r W e i s e Kirche St. Denys, erbaut von Dagobert die S e i t e n k a p e l l e n hierauf e i n g e w i r k t h a b e n , u m 628, g e h ö r t e n a c h V i o l l e t - l e - D u c diesem die wir als c h a r a k t e r i s t i s c h e M e r k m a l e der T y p u s a n ( A b b . 22). E i n e e i n f a c h e V e r angelsächsischen B a u k u n s t b e z e i c h n e t e n . l ä n g e r u n g d e s M i t t e l s c h i f f e s ü b e r die K r e u Dabei werden w i r m i t einigen interz u n g h i n a u s , so d a ß ein v e r g r ö ß e r t e r R a u m essanten P r o b e n des Stils ü b e r h a u p t bev o r der A p s i s f ü r die G e i s t l i c h k e i t g e s c h a f f e n k a n n t werden. w u r d e , w i e w i r ihn z. B. auf d e m P l a n v o n c) D i e S e i t c n k a p e l l e n und S t . G a l l e n z u A n f a n g des 9. J h s . finden, d e r e n E i n f l u ß auf den k r e u z e r g i b t ohne w e i t e r e s den r e g e l r e c h t e n laf ö r m i g e n Grundriß. § 24. Das t e i n i s c h e n K r e u z p l a n , der nur der A u s erste D e n k m a l , d a s w i r einer U n t e r s u g l e i c h u n g der V e r h ä l t n i s s e seiner v e r s c h i e c h u n g zu u n t e r z i e h e n haben, ist die w o h l denen T e i l e b e d u r f t e , u m z u d e m n o r m a l e n b e k a n n t e u n d sehr m e r k w ü r d i g e k l e i n e späteren m i t t e l a l t e r l i c h e n P l a n zu w e r d e n . angelsächsische K i r c h e z u B r a d f o r d Das Kreuzschiff war zu A n f a n g ganz offen; 0 n -A v 0n in W i 1 1 s h i r e. Die aber als m a n anfing, d a s V i e r e c k der K i r c h e , die eine e t w a s a u s g e d e h n t e r e B e K r e u z u n g d u r c h einen M i t t e l t u r m zu m a r h a n d l u n g v e r d i e n t , ist lehrreich als W a r kieren, f ü h r t e die N o t w e n d i g k e i t , d i e s e m n u n g d a v o r , ü b e r die E n t s t e h u n g s z e i t eines die g e h ö r i g e U n t e r s t ü t z u n g z u geben, z u angelsächsischen B a u w e r k e s auf Grund einer g e w i s s e n B e s c h r ä n k u n g der Ö f f n u n g e n mittels Querschiffbogen. Im a n g e l s ä c h s i - : seiner a l l g e m e i n e n ä u ß e r e n E r s c h e i n u n g zu urteilen, ohne ihre E i n z e l h e i t e n v o n d e m sehen E n g l a n d scheint m a n auf eine g a n z vergleichenden S t a n d p u n k t e aus kritisch a n d e r e A r t u n d W e i s e zu d e m k r e u z f ö r m i zu u n t e r s u c h e n . W i l h e l m v o n M a l m c s b u r y gen G r u n d r i ß g e k o m m e n z u sein. Man

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ENGLISCHE BAUKUNST

e r w ä h n t in s e i n e m L e b e n A l d h e l m s , des w e s t s ä c h s i s c h e n B i s c h o f s , eines Z e i t g e n o s sen W i l f r i e d s , d a ß er n a c h der allgemeinen A n n a h m e ein K l o s t e r z u B r a d f o r d e r b a u t h a b e , u n d f ü g t h i n z u : „ B i s h e u t e existiert an j e n e m O r t e eine kleine K i r c h e , die er z u E h r e n des h ö c h s t heiligen St. L a u r e n tius e r b a u t h a b e n s o l l " (Gesta Ponlificum, R o l l s Series, Nr. 52, S. 346). U m das J a h r 1860 e n t d e c k t e der S c h a r f b l i c k des d a m a l i gen P f a r r e r s v o n B r a d f o r d in der N ä h e der G e m e i n d e k i r c h e der S t a d t S p u r e n großer A l t e r t ü m l i c h k e i t in T e i l e n eines v e r w o r r e nen K o m p l e x e s v o n B a u w e r k e n v e r s c h i e d e ner P e r i o d e n , u n d aus diesen w u r d e schließlich das h o c h i n t e r e s s a n t e k l e i n e sächsische G e b ä u d e h e r a u s g e s c h ä l t , d a s in seinem res t a u r i e r t e n Z u s t a n d e in A b b . 24 d a r g e s t e l l t wird. D e r P l a n , A b b . 25, zeigt, d a ß es aus einem M i t t e l s c h i f f u n d einem q u a d r a t f ö r m i g e n d i g e n d e n Chor b e s t e h t , v o n denen das erstere d u r c h seitliche V o r h a l l e n flank i e r t wird, auf die w i r sogleich z u r ü c k k o m m e n müssen. D i e Mauern, die eine m i t t l e r e S t ä r k e v o n 74 c m h a b e n , sind a u s großen S t e i n e n v o n d e m v o r t r e f f l i c h e n lokalen Material erbaut, etwa 60 c m h o c h und b r e i t und 30 c m dick. Sie sind g u t b e h a u e n und g e s c h i c k t g e f ü g t , o b w o h l sie nicht g e n a u q u a d r a t f ö r m i g sind und eine große A n z a h l der F u g e n n i c h t senkr e c h t oder w a g e r e c h t , s o n d e r n schräg laufen. D i e M a u e r n erheben sich v o n einer ebenen v i e r e c k i g e n P l i n t h e aus, die in der Z e i c h n u n g an der S ü d o s t e c k e s i c h t b a r ist. D i e E c k e n z e i g e n keine spezielle B e h a n d lung, a b g e s e h e n v o n dem, w a s m i t d e m allgemeinen P l a n der ä u ß e r e n A u s s c h m ü c k u n g , die eine der E i g e n t ü m l i c h k e i t e n des B a u w e r k e s ist, z u s a m m e n h ä n g t . Sie b e s t e h t in einer R e i h e v o n P i l a s t e r n in d e m u n t e r e n G e s c h o ß der F a s s a d e und einer A r k a d e oben, w e l c h e beide d u r c h den V o r s p r u n g eines h o r i z o n t a l e n G u r t g e s i m s e s (stringcourse) getrennt werden. Die kurzen Pilaster der oberen Arkaden haben trapezoidische B a s e n u n d schlichte, t r a p e zoidische K a p i t a l e . A n der östlichen V o r d e r s e i t e des Chors sind sie m i t V e r s t ä b u n g (dicht n e b e n e i n a n d e r liegenden Rundstäben) verziert. Der Dekorationsplan scheint d u r c h H a u e n in die A u ß e n seite der f e r t i g g e s t e l l t e n Mauer bis zu einer

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flachen T i e f e a u s g e f ü h r t worden zu sein, w o b e i die V e r b i n d u n g der Steine in m a n c h e n T e i l e n der A r b e i t g ä n z l i c h v e r n a c h l ä s sigt w u r d e , so d a ß m a n auf den ersten B l i c k m e h r den E i n d r u c k einer e i n g e g r a b e n e n V e r z i e r u n g , als den eines a r c h i t e k t o n i s c h e n O r n a m e n t s erhält, d a s enger m i t der K o n s t r u k t i o n v e r b u n d e n sein sollte. D e k o r a t i v e A r k a d e n b i l d u n g e n dieser A r t scheinen rom a n i s c h im Stil zu sein. E i n i g e F o r s c h e r g l a u b t e n , das B a u w e r k s t a m m e a u s d e m 7. J h . , der Z e i t A l d h e l m s , und stellten die V e r m u t u n g auf, die V e r z i e r u n g sei in einer späteren P e r i o d e h i n z u g e f ü g t w o r d e n . E i n e s o r g f ä l t i g e U n t e r s u c h u n g der D e k o r a tion in B e z i e h u n g auf die L a g e n des M a u erw e r k s z e i g t jedoch, d a ß sie g e p l a n t g e w e s e n sein m u ß , als die S t e i n e des M a u e r w e r k s g e l e g t w u r d e n , u n d d a ß sie n o t w e n d i g e r weise gleichzeitig mit dem B a u ausgeführt ward. O b g l e i c h in der Mauer die Steine g e w ö h n l i c h an G r ö ß e in der u n r e g e l m ä ß i g sten W e i s e variieren, so l a u f e n d o c h die L a g e n des M a u e r w e r k s , w o r i n die K a p i t a l e u n d B a s e n der k l e i n e n P i l a s t e r e i n g e h a u e n sind, g e n a u in derselben H ö h e rings u m d a s B a u w e r k h e r u m , und d a s G e m ä u e r ist a u c h in a n d e r n B e z i e h u n g e n so eingerichtet, d a ß es sich d e m P l a n der D e k o r a t i o n a n p a ß t . D i e A r k a d e n b i l d u n g k a n n m i t einer D e k o r a t i o n derselben A r t in d e m Innern der spätangelsächsischen Kirche zu D u n h a m M a g n a , N o r f o l k , in P a r a l l e l e g e s t e l l t w e r den, u n d dieses Z e u g n i s eines v e r h ä l t n i s mäßig späten D a t u m s für Bradford-onA v o n w i r d d u r c h a n d e r e M e r k m a l e des G e bäudes bestätigt. E s ist a u g e n s c h e i n l i c h ein U m b a u — v i e l l e i c h t in d e m s p ä t e r e n T e i l e des 10. Jhs. — der u r s p r ü n g l i c h e n B e t k a p e l l e A l d h e l m s , u n d so a l t e r t ü m l i c h sie a u f den ersten B l i c k erscheint, ihrer allg e m e i n e n D a t i e r u n g in die d r i t t e P e r i o d e kann jetzt nicht mehr widersprochen werden. W e n n m a n in die k l e i n e K a p e l l e eint r i t t , f ä l l t einem die v e r h ä l t n i s m ä ß i g g r o ß e H ö h e des Innern u n d die S c h m a l h e i t des T ü r e i n g a n g e s auf, beide sächsische K e n n zeichen. D a s M i t t e l s c h i f f m i ß t in der L ä n g e 7,50 m, bei einer B r e i t e v o n 4 , 1 0 m ; a b e r die H ö h e bis z u d e m oberen T e i l e der M a u e r n b e t r ä g t b e i n a h e 8 m, so d a ß das Innere so h o c h ist, w i e lang, u n d d o p p e l t so h o c h , wie breit. D e r d e m P l a n bei-

Tafel 41.

Englische (Angelsächsische) Baukunst. •

Reallexikon d. genu. Altertumskunde.

JB

24. Kirche zu B r a d f o r d - o n - A v on, Wiltshire, von Nordosten gesehen. — 25. Grundriß und Durchschnitt des Schiffs von B r a d f o r d - 0 1 1 - A v o n . 26. Östlicher Teil der Kirche zu D e erhurst, Gloucestershire.

I.

Verlag von Karl J. Trüb nur in Straßini ig.

57§

ENGLISCHE

g e f ü g t e D u r c h s c h n i t t ( A b b . 25) z e i g t diese Eigentümlichkeit. D e r C h o r ist 4 m l a n g bei einer B r e i t e v o n 3 m, u n d m a n t r i t t in d e n s e l b e n v o m M i t t e l s c h i f f aus ein, d u r c h einen nur 1,06 m b r e i t e n B o g e n g a n g , den s c h m ä l s t e n C h o r b o g e n in irgend einem B a u w e r k des Stils. A u c h das ä u ß e r e P o r t a l in der n ö r d l i c h e n V o r h a l l e ist m e r k w ü r d i g schmal. . E s h a t s c h r ä g e G e w ä n d e und m i ß t in der B r e i t e 63 c m oben u n d ' 7 1 c m auf dem Bauspiegel. D i e B o g e n g ä n g e sind v e r z i e r t m i t S t r e i f e n w e r k , das, w i e w i r gesehen h a b e n , der d r i t t e n P e r i o d e e i g e n t ü m lich i s t ; u n d die F e n s t e r , v o n denen d a s im C h o r u r s p r ü n g l i c h ist, sind d o p p e l t ausgeschrägt. § 2 5 . S o sieht also dieses g a n z v o l l s t ä n dige und i n t e r e s s a n t e k l e i n e G e b ä u d e aus. Sein H a u p t i n t e r e s s e f ü r den uns u n m i t t e l bar n a h e l i e g e n d e n Z w e c k b e s t e h t j e d o c h in den S e i t e n v o r h a l l e n . E i n e d a v o n ist z e r s t ö r t w o r d e n ; w e n n w i r sie aber auf d e m P l a n w i e d e r einsetzen, finden wir, d a ß die beiden V o r h a l l e n z u s a m m e n gemessen einen innern R a u m ergeben, der f a s t zwei D r i t t e l n der G r u n d f l ä c h e des M i t t e l schiffes g l e i c h k o m m t . Ü b e r d i e s w a r e n sie e t w a s m e h r als b l o ß e V o r h a l l e n ; denn die L a g e der ä u ß e r n T ü r e i n g ä n g e scheint zu zeigen, d a ß an den östlichen M a u e r n A l t ä r e standen, so d a ß sie s o w o h l S e i t e n k a p e l l e n w a r e n , als E i n g a n g s v o r h a l l e n . Wir haben solche S e i t e n k a p c l l e n bereits in St. P a n c r a s z u C a n t e r b u r y u n d a n d e r s w o k e n n e n gelernt, und ihre W i c h t i g k e i t , als z u den Kreuzschiffen und dem kreuzförmigen P l a n ü b e r l e i t e n d , ist a n g e d e u t e t w o r d e n . In B r a d f o r d n e h m e n die A n b a u t e n eine z e n t r a l e S t e l l u n g in der L ä n g e des M i t t e l schiffes ein, n i c h t die n o r m a l e S t e l l u n g f ü r K r e u z s c h i f f e , und sie öffnen sich n u r gegen d a s Mittelschiff d u r c h s c h m a l e T ü r eingänge. § 26. N e h m e n w i r n u n eine andere b e d e u t e n d e sächsische K i r c h e , die z u dem ersten T e i l der d r i t t e n P e r i o d e gehört, die v o n D e e r h u r s t i n G l o u c e s t e r s h i r e , A b b . 26, so finden w i r diese S e i t e n kapeilen in der S t e l l u n g v o n K r e u z s c h i f f e n gelegen, d o c h t r o t z a l l e d e m nur m i t d e m H a u p t t e i l der K i r c h e d u r c h T ü r e i n g ä n g e in V e r b i n d u n g s t e h e n d . In B r e a m o r e , H a m p s h i r e , einer g e r ä u m i g e n u n d h ü b s c h e n

BAUKUNST K i r c h e , in allen Teilen a u ß e r einer späteren südlichen V o r h a l l e sächsisch, z e i g t die A n sicht, A b b . 27, einen seitlichen A n b a u , der südlich v o n e i n e m M i t t e l t u r m a u s v o r s p r i n g t u n d n a c h seiner A u ß e n a n s i c h t g a n z ein K r e u z s c h i f f g e n a n n t w e r d e n k a n n , obgleich er, auf d e m P l a n , A b b . 28, g e s e h e n u n d in A n b e t r a c h t der Ö f f n u n g , die v o n ihm a u s in die K i r c h e h i n e i n f ü h r t , A b b . 29, d o c h n o c h als ein Z i m m e r f ü r sich b e h a n d e l t ist. Ü b e r d e m B o g e n s t e h t eine a n g e l sächsische I n s c h r i f t , die b e s a g e n soll: „ H i e r w i r d dir der B u n d k u n d g e m a c h t . ' ' A n d e r e b e m e r k e n s w e r t e sächsische K i r c h e n , w i e z. B . die in D o v e r Castle, K e n t , A b b . 30, h a b e n k r e u z s c h i f f i g e V o r s p r ü n g e , die i h n e n einen e n t w i c k e l t e n lateinischen K r e u z p l a n g e b e n ; a b e r im F a l l e v o n D o v e r sind die Öff n u n g e n , die v o n den V o r s p r ü n g e n aus in die K i r c h e f ü h r e n , in s p ä t e r e n Zeiten v e r ä n d e r t worden. Es gibt aber auch e i n e kreuzf ö r m i g e K i r c h e a u s dieser d r i t t e n P e r i o d e , die v o l l s t ä n d i g e r h a l t e n ist und O f f n u n g e n v o n den K r e u z s c h i f f e n a u s in die K i r c h e a u f w e i s t , die sich v o n den b l o ß e n T ü r e i n g ä n g e n , w i e sie D e e r h u r s t u n d B r e a m o r e haben, zu kreuzschiffigen Bogengängen von normaler Breite entwickelt haben. Ich m e i n e die K i r c h e v o n W o r t h in S u s s e x , ein i n t e r e s s a n t e s B a u w e r k in schöner U m g e b u n g , v o n d e m A b b . 31 eine a l l g e m e i n e A n s i c h t g i b t — der T u r m und die S p i t z e sind spätere H i n z u f ü g u n g e n — und A b b . 3 2 den P l a n . D i e K i r c h e h a t außer i h r e m P l a n noch a n d e r e i n t e r e s s a n t e M e r k m a l e . Die u r s p r ü n g l i c h e n F e n s t e r des M i t t e l s c h i f f e s w a r e n , gleich den G l o c k e n s t u h l ö f f n u n g e n in d e m T u r m e , g e r a d e d u r c h die M a u e r g e h a u e n u n d w a r e n v o n D u r c h b i n d e r (throughstoncs) t r a g e n d e n G e l ä n d e r s c h ä f t e n z w e i teilig g e m a c h t , w i e A b b . 33 zeigt. Die A n w e n d u n g dieser S c h ä f t e w e i s t d a r a u f hin, d a ß die K i r c h e zu B e g i n n der d r i t t e n P e r i o d e e r b a u t w o r d e n ist, und eine ä h n liche A n d e u t u n g w i r d d u r c h den C h o r b o g e n gegeben. D e s s e n B r e i t e ist 4,22 in, seine H ö h e 6,60 m , u n d die f e l s ä h n l i c h e S t ä r k e seiner u n g e h e u r e n p l u m p e n K ä m p f e r s a m t den g r o ß e n S t e i n e n des B o g e n s , die d u r c h die g a n z e D i c k e der M a u e r h i n d u r c h g e h e n , ist d u r c h u n d d u r c h sächsisch. D i e in die K r e u z s c h i f f e f ü h r e n d e n B o g e n sind v o n e n t s p r e c h e n d e r G r ö ß e ; sie sind e t w a 4,50 m

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hoch und 2,60 m breit. Trotzdem sie inwendig als Kreuzschiffe behandelt sind, zeigt die Ansicht, Abb. 31, daß sie viel niedriger sind als das Mittelschiff und noch etwas von dem Charakter der Seitenkapelle bewahren. Endlich existieren noch zwei Beispiele, in denen die Kreuzschiffe zu ihrer vollen Entwicklung gelangt sind und sich von außen als von gleicher Höhe mit dem Mittelschiff darstellen, während sie sich inwendig durch breite Bogen in das Viereck unterhalb des Mittelturmes öffnen. Diese Beispiele sind N o r t o n in der Grafschaft D u r h a m und S t o w in Lincolnshire. § 27. In dem normalen kreuzförmigen Plan der europäischen B a u k u n s t im allgemeinen hat der zentrale Pavillon oder T u r m einen in die Augen fallenden Platz und ist besonders im späteren Mittelalter in England und in Deutschland gut entwickelt. In der angelsächsischen Epoche scheint kein spezieller Zusammenhang zwischen der Verwendung von Kreuzschiffen zur Herstellung eines kreuzförmigen Plans und dem Mittelturm erkannt worden zu sein. Unter den Kirchen, auf die als völlig kreuzförmig oder kreuzförmig im Ansatz verwiesen wurde, haben oder hatten einige Mitteltürme und andere nicht, während wiederum in andern die Sache zweifelhaft ist. Es wurde nicht für notwendig erachtet, dort, wo man einen Turm zu bauen beabsichtigte, die Mauern zu verstärken, wie die Pläne von Dover, Abb. 30, und Brcamore, Abb. 28, zeigen. d) D e r T u r m u n d s e i n e Beziehung zu den kirchlichen Bauten überhaupt. § 28. Diese Erwähnung des Mittelturmes führt uns zu der Frage der Behandlung des T u r m e s in der angelsächsischen Baukunst im allgemeinen. Struktur, Einrichtung und Stellung des Turmes sind sehr interessante und in einigen Punkten schwierig zu lösende Probleme. W i r haben soeben gesehen, daß der Mittelturm im sächsischen England keine organische Beziehung zu dem kreuzförmigen Plane hat, sondern nur gelegentlich in Kirchen dieses T y p u s vorkommt. § 29. In dieser Stellung ist er mitunter ein selbständiger Bau, der von Grund aus als T u r m aufgeführt wurde und seine Ecksteine zeigt (Norton, County Durham, und

BAUKUNST Stow, Lincolnshire), während er zu andern ; Zeiten, wenn es notwendig ist, einfach 1 durch eine Erhöhung der Mauer des Mittelschiffes gebildet wird, wie in Breamore, A b b . 27 u. 28. Es ist besonders zu beachten, daß die sächsischen Baumeister einen Turm niemals mit Strebepfeilern versahen und es nicht für notwendig hielten, seinen Mauern immer eine besondere Stärke zu geben, sondern ihn ! irgendwo aufrichteten, mitunter auf den Mauern einer schon vorhandenen Vorhalle, ; wie inMonkwearmouth, A b b . 13, oder einer Seitenkapelle, wie es bei der sächsischen Kathedrale von Canterbury der Fall gewesen sein muß, die uns nur aus literarischen Beschreibungen bekannt ist. Auf diese ; Weise konnte eine westliche Vorhalle zu einem westlichen Turme werden; aber es war auch möglich, daß die Mauern eines Mittelschiffes an irgend einem Teile zu einem T u r m e hinaufgeführt wurden; ein solcher T u r m hatte natürlich nach außen hin mit dem Mittelschiff dieselbe Breite, obgleich auf der Innenseite die Mauern dort, wo der T u r m ansetzte, mitunter verstärkt werden mochten. Man könnte solche T ü r m e „ a x i a l e " oder „ A c h s e n t ü r m e " nennen, weil . sie sich gerade in der Längsachse des Gei bäudes befinden, in der geraden Linie von Westen nach Osten, und weil das Untergeschoß immer e i n e Abteilung des Innern bildet. Ein solcher T u r m kann gelegen sein 1 1. an dem westlichen Ende des Mittelschiffes, 2. an dessen östlichem Ende und zwischen ihm und dem Chor, oder 3. an dem östlichen ' Ende der ganzen Kirche, wo ihr Untergeschoß den Chor selbst bildet. Beispiele ] v o n jeder dieser Formen kommen bei angelsächsischen Bauwerken vor; aber in den meisten Fällen sind die Pläne durch Hinzufügungen und Änderungen vcrdunkel t j worden, und es würde zu viel R a u m beanspruchen, sie hier zu erklären. D u n h a m Magna, Norfolk, mit ihrem Achsenturm zwischen Mittelschiff und Chor ist das deutlichste Beispiel, Abb. 34 u. 35. Man übersehe nicht den charakteristisch sächsischen Westeingang mit seinem geradseitigen Bogen. § 30. Es gibt angelsächsische Beispiele, in denen das Untergeschoß eines Turmes den Hauptteil der Kirche bildete und ein Chor-

Tafel 43.

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Englische (Angelsächsische) Baukunst. 3 1 . A n s i c h t d e r K i r c h e zu W o r t h . S u s s e x . — 3 2 . G r u n d r i ß von W o r t h . — 3 3 . Fenster im S c h i f f zu W o r t h . Rca lexikon d. gernt. Altertumskunde.

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Karl J . Trübner in Strnßburg-.

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bogen in der östlichen Mauer des Turmes • Barton-on-Humber ist jünger als diese und in einen kleinen angefügten Priesterraum zeigt in ihren dekorativen Lisenen, ihren doppelt ausgeschrägten Fenstern und den führte. Das hervorragendste Beispiel ist Mittelmauer-Säulenschäften (Abb. 40) die die S t . - P e t e r s - K i r c h e z u B a r t o n - o n - H u m b e r unterscheidenden Kennzeichen der dritten in Lincolnshire. Gegenwärtig sieht man angelsächsischen Periode. Sie gehört jedoch an der Stelle (Abb. 36) eine geräumige, spätin den Anfangder Periode und m a g i m 10. J h . mittelalterliche Kirche mit Seitenschiffen erbaut worden sein; denn das j etzige oberste und einem vierseitigen sächsischen Westturm und westlich von diesem wieder eine , Geschoß des Turmes s t a m m t aus späterer Zeit als die andern Teile, gehört aber noch Art Anbau, zu dem man den Zugang vom der angelsächsischen Periode an. T u r m aus h a t und der bloß als Rumpelkammer b e n u t z t wird. Um das Aussehen der § 31. Von d e m Turm, der den Hauptteil Kirche, wie sie in sächsischen Zeiten war, der Kirche bildete, können wir uns nun der wiederherzustellen, muß man das gegenBetrachtung der einigermaßen kompliwärtige Mittelschiff wegdenken und einen zierten, aber interessanten Frage des westkleinen Chor östlich von dem T u r m an seine lichen Turmes zuwenden. Westtürme Stelle setzen, der in Größe und Lage dem sind in der angelsächsischen Baukunst soeben erwähnten westlichen Anbau entzahlreicher als irgendeine andere archispricht. Die Abbildungen 37 u. 38 geben.uns tektonische Form vertreten. Es sind ihrer eine Ansicht und einen Plan der Kirche in etwa fünfundsiebzig an der Zahl, und die ihrer damaligen Beschaffenheit, während Tatsache, daß mehr als sechzig den östAbb. 39 die östliche Vorderseite des Turmes lichen Gegenden Englands angehören, h a t zeigt, wie sie erschien, als sie im J a h r e Anlaß zu einer Vermutung gegeben, auf die 1897 infolge einiger Änderungen ihres Verwir kurz eingehen müssen. Die westlichen putzes beraubt wurde. Es wurden damals Türme sind besonders zahlreich in Lincolndie unverkennbaren Spuren der Seiten shire, wo sich ihrer ungefähr dreißig finden, mauern des ursprünglichen Chors entdeckt, und der Name ,,Lincolnshire-Türme" wird und Ausgrabungen unter dem Fußboden eroft von ihnen gebraucht. Nun war Lincolnmöglichten es, seinen Grundriß wieder hershire eine Gegend, die den Angriffen der zustellen, wie ihn Abb. 38 veranschaulicht. Wikinger besonders ausgesetzt war, und da Zu beachten ist die Dünne der Mauern: es eine anerkannte Tatsache ist, daß die 76 cm; die Mauern des Turmes sind nicht Wikingereinfälle in Irland die bestimmende dicker als die der Anbauten, obgleich die Ursache f ü r die Errichtung der irischen letzteren viel niedriger waren. Auch die runden Türme waren, so ist darauf hinmangelhafte Aufführung der F u n d a m e n t e gewiesen worden, daß die W e s t t ü r m e des des westlichen Anbaues ist bemerkenswert, 'Lincolnshire'-Typus einen ähnlichen Urda eine solche Nachlässigkeit unter den sprung gehabt haben und als Zufluchtsangelsächsischen Baumeistern ganz geoder Verteidigungsstätten bei Anlaß von wöhnlich war. Es gibt andere Beispiele Wikinger-Raubzügen gedient haben mögen. desselben Schemas, die daran erkannt Die Chronologie steht dieser Theorie im werden können, daß die Bogenöffnung östWege, weil, wie wir später sehen werden, lich vom T u r m an ihrer westlichen Vorderdie erhaltenen Lincolnshire - T ü r m e sehr seite innerhalb des Turmes verziert ist, aber späten Stils sind und zu einer Zeit e r b a u t viel einfacher an ihrer östlichen Vorder- wurden, wo die Wikinger-Einfälle vorüber seite, wo sie sich innerhalb des ursprüngwaren. Überdies, wenn der erste Zweck lichen kleinen Chors befand. Dies ist der bei der Errichtung von Türmen dieses Fall in Broughton, nicht weit von Barton Typus Zuflucht oder Verteidigung gewesen in derselben Grafschaft Lincoln. Eine konwäre, so würde das Aussehen der noch v o r tinentale Parallele findet sich in Deutschhandenen Bauten den Ursprung und den land in Werden a. d. Ruhr, wo nach der Zweck ihrer Urbilder verraten haben. Es Darlegung Effmanns (Die Karol.-Otton. Bauwürde irgend etwas an ihnen gewesen sein, ten zu Werden, S. 168) ein derartiger Bau was auf eine Benutzung f ü r Zufluchtsum 900 errichtct wurde. Die Kirche zu und Verteidigungszwecke hingewiesen h ä t t e .

Tafel 44.

Englische (Angelsächsische) Baukunst. 3 4 . A n s i c h t von D u n h a m M a g n a . N o r f o l k . — 3 5 . Grundriß v o n D u n h a m M a g n a . — 3 6 . D i e Peterskirchc zu Barton - o n - H u m b e r in der h e u t i g e n Gestalt. Reallexikon

d . gferm. A l t e r t u m s k u n d e .

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Verlag

von

K a i l J. i ' i ü b n e r

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Die irischen R u n d t ü r m e bewahren durchaus die besondern Merkmale, die ihren ursprünglichen Zweck d a r t u n : das solide F u n d a m e n t u n d den Türeingang auf einem oberen Niveau, den m a n n u r mittels einer beweglichen Leiter erreichen k a n n . N u n h a b e n alle angelsächsischen westlichen T ü r m e von dem 'Lincolnshire'-Typus T u r m bogen v o n geräumigen Dimensionen, die auf d e m Untergeschoß in das Mittelschiff f ü h r e n , u n d etwa die H ä l f t e von ihnen h a t auch äußere Türeingänge auf demselben Niveau. D e m n a c h k o n n t e ein Feind immer Z u t r i t t in das Untergeschoß des T u r m s erlangen, und wenn dies geschehen, so h a t t e er das ganze Gebäude mit allem, was darin war, in seiner Gewalt. In keinem a n d e r n Falle, als in dem von Monkw e a r m o u t h (wo der u n t e r e Teil wirklich eine westliche Vorhalle ist), ist das Untergeschoß des T u r m s in Stein gewölbt, und hölzerne F u ß b ö d e n würden den Leuten in den oberen Geschossen keinen Schutz gewähren; sie k o n n t e n von u n t e n aus durch Feuer oder R a u c h angegriffen werden. Aus der Tatsache, d a ß einige angelsächsische westliche T ü r m e im Grundriß r u n d sind, kann m a n keinen Z u s a m m e n h a n g zwischen ihnen u n d den r u n d e n T ü r m e n Irlands herleiten. Solche angelsächsische runde Türme k o m m e n hauptsächlich in Norfolk und Suffolk vor, was der T a t s a c h e zuzuschreiben ist, d a ß in diesen Gegenden Quadern f ü r die Ecksteine, mit denen es die angelsächsischen Baumeister immer genau n a h m e n , nicht zur V e r f ü g u n g standen. Ü b e r h a u p t ist es am besten, jeden Gedanken, der die K i r c h t ü r m e des angelsächsischen Englands mit Zufluchts- oder Verteidigungstätten in Verdindung bringt, gänzlich aufzugeben. §32. E s ist bereits gesagt worden, daß die meisten der existierenden T ü r m e dem Stil n a c h einer ganz späten Zeit angehören. Ein p a a r sind jedoch älteren Datums, und im Z u s a m m e n h a n g m i t diesen müssen wilden U r s p r u n g und die B e s t i m m u n g der E i n r i c h t u n g genauer p r ü f e n . § 33- Welche Ansicht wir auch immer ü b e r die f r ü h e Geschichte des T u r m s in der christlichen B a u k u n s t hegen mögen, so k a n n es wenig zweifelhaft sein, daß das Bedürfnis, einen Zugang zu den oberen

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Geschossen zu schaffen, auf jeden Fall e i n Motiv war, das einen Anstoß zur späteren T u r m b a u a r t gab. Über die B e d e u t u n g des Zentralbaus in der allgemeinen Entwicklung der christlichen B a u k u n s t haben wir bereits gesprochen. Nun wird in den alten Zentralbauten, wie S. l.orenzo in Mailand und S. Vitale in R a v e n n a , der Zugang zu den Galerien über den konzentrischen Seitenschiffen rings u m den Mittelraum durch Treppen in vorspringenden T r e p p e n t ü r m c h e n v e r mittelt, und dieselbe Einrichtung erscheint etwas später in Karls des Großen Münster in Aachen. Sowohl hier, wie in S. V i t a l e grenzen die Treppentürmchen seitlich an einen vorspringenden westlichen A n b a u , und in Aachen wurde dessen Obergeschoß, das mit den Galerien gleiches Niveau h a t t e , anscheinend f ü r irgend welche zeremoniellen Zwecke benutzt. Es war ein sehr natürliches Verfahren, diesen westlichen Anbau mit seinen angrenzenden T r e p p e n t ü r m c h e n auf ein noch höheres Niveau zu führen, um auf diese Weise dem ganzen Gebäude eine imponierende Fassade zu verschaffen, während auf den oberen Stockwerken der T r e p p e n t ü r m c h e n der nötige R a u m f ü r die Glocken gefunden wurde, die zu jener Zeit in beträchtlicher Größe gegossen wurden. Über Aachen finden wir hierzu eine lehrreiche Stelle in MGS. II 744. In diesem westlichen Vorbau zu Aachen kann man die Elem e n t e von vielem, was die k ü n f t i g e B a u a r t des T u r m e s ausmacht, unterscheiden. W e n n die beiden seitlich a n grenzenden T r c p p e n t ü r m c h e n in eine m e h r hervorragende Stellung gebracht w e r d e n und der mittlere Teil zwischen ihnen e n t sprechend reduziert wird, so ist das E r gebnis davon die doppeltürmige F a s s a d e mit Vorhalle und westlicher Galerie zwischen den Seitenpartien, die in dem v o r geschrittenen romanischen Baustil in allen Ländern nördlich der Alpen so allgemein ist. Wir haben ein Zeugnis wenigstens f ü r e i n Beispiel dieses Schemas in angelsächsischer Zeit in der v o r n o r m a n n i s c h e n K a t h e d r a l e zu Exeter, deren westliche Fassade in dieser F o r m auf einem gravierten Siegel dargestellt wird. Wenn hingegen der mittlere Vorbau selbst be-

Tafel 45.

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Englische (Angelsächsische) Baukunst. 3 7 . Barton-on-Humber, ursprüngliche Gestalt in der angelsächsischen Zeit. — 38. Barton-011-Humber ursprünglicher Grundriß. — 39. Westliche Mauer der heutigen Kirche zu B a r t o n - o n - H u m b e r . — 40. Fenster im Turm zu Barton-on-Humber. Reallexikon d. .tjerin. Altertumskunde. H o o p s , Reallexikon.

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Verlag- von K a r l J. Trübner in Straßburg

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s o n d e r s h e r v o r g e h o b e n w i r d , so w i r d er sich z u i m p o n i e r e n d e n , w e n n a u c h bisw e i l e n e t w a s p l u m p e n Massen a u s w a c h s e n , g l e i c h d e n j e n i g e n , die an den w e s t l i c h e n E n d e n v o n K i r c h e n , w i e der in P a d e r b o r n , S t . P a t r o c l u s in S o e s t oder der L i e b f r a u e n k i r c h e z u M a e s t r i c h t , e r r i c h t e t sind. Die h a l b r u n d e n T r e p p e n t ü r m c h e n sind in d e n meisten Bauwerken dieser Art noch b e i b e h a l t e n , o b g l e i c h sie in d e r R e g e l i m Verhältnis zu dem mittleren Teil weniger h e r v o r t r e t e n als z. B . in A a c h e n ; a b e r a n d e r e r s e i t s k ö n n e n sie z u s a m m e n s c h r u m p f e n u n d v ö l l i g v e r s c h w i n d e n , so d a ß der m i t t l e r e T e i l als ein einziger w e s t l i c h e r Turm allein dasteht. Es ist bekannt, daß alleinstehende westliche T ü r m e mit oder ohne Treppentürmc h e n c h a r a k t e r i s t i s c h f ü r die B a u k u n s t W e s t f a l e n s u n d der L a n d s c h a f t e n des U n t e r r h e i n s sind, v e r h ä l t n i s m ä ß i g selten d a g e g e n in a n d e r n B e z i r k e n der r o m a n i schen A r c h i t e k t u r . Ruprich R o b e r t stellt z. B . fest, d a ß solche w e s t l i c h e T ü r m e in der N o r m a n d i c n u r a u s n a h m s w e i s e v o r Normande, S. 97). k o m m e n (L'architecture Im angelsächsischen England sind sie ü b e r a u s h ä u f i g : ein w e i t e r e r B e w e i s f ü r den Z u s a m m e n h a n g der s p ä t e r e n a n g e l sächsischen B a u k u n s t m i t D e u t s c h l a n d . E i n so w e s e n t l i c h e s E l e m e n t in d e m B a u p l a n der K i r c h e n w a r der w e s t l i c h e T u r m in den s p ä t e r e n s ä c h s i s c h c n Z e i t e n g e w o r d e n , d a ß die n o r m a n n i s c h e n B a u meister ihn v o n d e m b e s i e g t e n V o l k ü b e r n a h m e n , und er b l e i b t eine E i g e n a r t sow o h l e n g l i s c h - n o r m a n n i s c h e r K i r c h e n als a u c h derer in den s p ä t m i t t e l a l t e r l i c h e n Stilarten. Der alleinstehende westliche T u r m der n o r m a n n i s c h e n K a t h e d r a l e z u E l y z . B . ist t a t s ä c h l i c h ein a n g e l s ä c h s i s c h e s Überbleibsel. e) C h r o n o l o g i e d e r T ü r m e . §34. Die Chronologie der angelsächsischen T ü r m e kann z u m großen Teile festgestellt werden. B e i der g r o ß e n M e h r z a h l v o n ihnen, e t w a 80 P r o z e n t , f e h l e n die m e i s t e n c h a r a k t e r i s t i s c h e n M e r k m a l e , die den s ä c h sischen Stil k e n n z e i c h n e n : sie z e i g e n n i c h t den E c k v e r b a n d a u s Q u a d e r n (long-andshort work); ihre k l e i n e r e n F e n s t e r sind nicht doppelt ausgeschrägt, sondern haben eine einzige i n w e n d i g e A u s s c h r ä g u n g ; es

f e h l e n die L i s c n c n . D o c h sind sie u n verkennbar sächsisch und ganz verschieden v o n d e m üblichen n o r m a n n i s c h e n westlichen Turm, der auf sie folgte. Ihre M a u e r n sind dünner, ihre F o r m e n schlanker; ihre Glockenstuhlöffnungcn h a b e n k e i n e M a u e r v e r t i e f u n g , w i e es in n o r m a n n i s c h e r A r b e i t der F a l l sein w ü r d e , s o n d e r n sind d u r c h einen M i t t e l m a u e r S ä u l e n s c h a f t (mid-wall shaft) u n d einen d u r c h g e h e n d e n S t e i n (through-stone) g e t e i l t ; die K a p i t a l e auf diesen S ä u l e n s c h ä f t e n sind d e n n o r m a n n i s c h e n , wie sie in der N o r m a n d i c g e w ö h n l i c h sind, g a n z u n d gar n i c h t ä h n l i c h . V o r a l l e m sind sie in ihrer inneren E i n r i c h t u n g , n a c h den R e s t e n z u urteilen, die gleich b e s p r o c h e n w e r d e n sollen, v e r schieden v o n dem, w a s w i r in n o r m a n n i s c h e n T ü r m e n finden. D e r w e s t l i c h e T u r m m u ß zu der Z e i t der E r o b e r u n g eine sehr g e w ö h n l i c h e E r s c h e i n u n g im englischen Kirchenbau g e w e s e n sein; denn die N o r m a n n e n , w i e s c h o n e r w ä h n t , e n t l e h n t e n die F o r m u n d ü b e r t r u g e n sie in ihren eignen Stil. In der R e g e l d r ü c k t e n sie freilich die archit e k t o n i s c h e Idee, die sie sich auf diese W e i s e z u eigen g e m a c h t h a t t e n , in ihrer eignen S p r a c h e a u s ; a b e r es g i b t ein oder z w e i B e i s p i e l e des Übergreifens, so d a ß ein p a a r w e s e n t l i c h n o r m a n n i s c h e T ü r m e , w i e z. B . die zu H o r n b y in Y o r k s h i r c oder B o o t h b y P a g n e i l in Lincolnshire, d i e M i t f e l m a u e r - S ä u l e n s c h ä f t e der f r ü h e r e n T r a d i tion zeigen. D i e T a t s a c h e dieses Ü b e r greifens, v e r b u n d e n m i t d e m F e h l e n der speziell s ä c h s i s c h e n M e r k m a l e , m a c h t es b e i n a h e g e w i ß , d a ß die u n g e f ä h r s e c h z i g T ü r m e des „ L i n c o l n s h i r e " - T y p u s , f ü r die die e b e n g e m a c h t e n B e m e r k u n g e n gelten, z u der s p ä t e s t e n sächsischen P e r i o d e geh ö r e n , der R e g i e r u n g s z e i t E d u a r d s des B e k e n n e r s , w o , w i e w i r wissen, der K i r c h e n b a u sehr e m s i g b e t r i e b e n w u r d e . Es b l e i b e n u n g e f ä h r f ü n f z e h n a n d e r e übrig, in d e n e n w i r als B e w e i s s t ü c k e den E c k v e r b a n d aus Quadern, Lisenen und doppelt a u s g e s c h r ä g t e F e n s t e r der sächsischen T r a d i t i o n f i n d e n ; u n d diese k ö n n e n w i r m i t R e c h t einer f r ü h e r e n P e r i o d e z u s c h r e i b e n : v i e l l e i c h t der Z e i t K n u t s , u m 1020, w o viele Kirchen wieder aufgebaut wurden, die in den l e t z t e n W i k i n g e r - U n r u h e n zers t ö r t w o r d e n w a r e n , v i e l l e i c h t einer noch

ENGLISCHE früheren Epoche der letzten H ä l f t e des 10. Jhs., w o unter K ö n i g Edgar (957—975) u n d seinen Nachfolgern eine große religiöse — und als Folge davon architektonische — Renaissance im Gange war. D a der ged r e h t e Geländerschaft ein frühes Merkm a l des angelsächsischen Stils ist, wie wir gesehen haben, so dürften wir wohl ber e c h t i g t sein, die Bauwerke, in denen seine A n w e n d u n g fortlebt, in das 10. Jh. zu verweisen. Wenn dem so ist, so erg i b t sich das bemerkenswerte Resultat, d a ß die imposantesten und am originellsten behandelten Baudenkmäler, die auf uns gekommen sind, dem 10. Jh. angehören könnten, wie z. B. die Türme vonEarls Barton, B a r n a c k und Barton-on-Humbcr, die Turmbogen zu St. Bcnet, Cambridge u n d Barnack, der Chorbogen zu Worth, d a s kunstlose, aber eindrucksvolle Mauerw e r k zu Brigstock in Northamptonshire. § 35. A u s allgemeinen historischen Gründen kann hiergegen eingewandt werden, daß in Europa im allgemeinen mehr der erste Teil des 11. Jhs., als der letzte Teil des 10. die architektonische Wiederbelebung .sah, die die großen romanischen B a u denkmäler hervorbrachte. Die Stellung Englands war jedoch zu der Zeit eine eigenartige. Zweifellos wurde die R e gierung Edgars (957—975) durch eine ; große Blütezeit der Bautätigkeit gekennzeichnet. Es wird uns berichtet, daß Bischof ^thelwold von Winchester zu jener Zeit K ö n i g Edgar um „alle Münster bat, die heidnische Männer (die Wikinger) vormals niedergerissen hatten, da er sie wiederherstellen wolle, und daß der K ö n i g dies freudig g e w ä h r t e " (Sachsenchronik z. J. 963). W i r wissen auch, daß einige Bistümer in den Jahrhunderten der Wikinger- • Einfälle zeitweise eingegangen waren, und daß sie in den Tagen Edgars wieder ein- ; gerichtet wurden. Die Wiederherstellung | eines Bistums bedeutete natürlich den i Wiederaufbau oder die Erneuerung der ! bischöflichen Kirche und hatte auch ! eine beträchtlichc Bautätigkeit in den i Land-Kirchspielen der Diözese zur Folge. : Der architektonische Ehrgeiz muß überall frisch geweckt worden sein, und | von der daraus entsprungenen W i r k u n g

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haben wir in der Bemerkung eines alten Chronisten über die Abteikirche zu R a m s e y in Lincolnshire, etwa aus d. J . 970, eine Andeutung, daß ,,sie im Vergleich mit der altmodischen Baumethode, die früher geherrscht hatte, ein recht anspruchsvolles Gebäude war" (Chron. Abbat. Rameseiensis, Rolls Series, Nr. 83, S. 38). Diese Kirche, v o n der keine Überreste existieren, w a r kreuzförmig und hatte einen mittleren und überdies einen westlichen Turm. Die ersten Jahre des 11. Jhs. wurden durch die Invasion und schließliche Eroberung Englands durch die Dänen unter Swein verdüstert, und obgleich unter K n u t , um 1020, Anstrengungen gemacht wurden, die Verwüstung der K i r chen, die jene Invasion im Gefolge gehabt hatte, wieder gutzumachen, so erfahren wir doch nicht, daß damals so viel für die B a u k u n s t getan wurde, als während der Regierung Edgars, ein halbes Jahrhundert früher. Es ist somit historisch zu rechtfertigen, wenn wir einige der besten noch vorhandenen Beispiele angelsächsischer B a u k u n s t der letzten H ä l f t e des 10. Jhs. zuschreiben. § 36. Der T u r m und das vorspringende Treppentürmchen zu Brixworth gehören wahrscheinlich dieser Epoche an, wo, abgesehen v o n den Seitenschiffen, die Kirchc nach ihrer Beschädigung durch die Wikinger wiederhergestellt wur.de. D a s H a u p t merkmal des B a u w e r k s ist das Zimmer im Untergeschoß des Turms, das durch eine mittels Geländersäulchen dreiteilig gemachte Ö f f n u n g seinen Ausgang nach der Kirche zu hatte. In einem andern westlichen T u r m , der vielleicht gleich alt ist, zu Deerhurst in Gloucestershire, findet sich ein ähnliches Zimmer in einem oberen Geschoß, das mit der Kirche in Verbindung steht, und zwar durch eine zwiefache Öffnung (Abb.41), die nicht durch ein Geländersäulchen, sondern durch einen kannelierten, im Grundriß rechtwinkligen Pilaster geteilt wird, der in seiner Behandlung eine auffallende Ähnlichkeit mit einigen Merkmalen karolingischer B a u t e n aufweist, z. B. einem K a p i t a l aus Ingelheim in dem Museum zu Mainz. Diese T ü r m e zu B r i x w o r t h und Deerhurst wurden augenscheinlich bewohnt oder jedenfalls 3

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von Zeit zu Zeit als Aufenthaltsorte benutzt; und dies führt uns zu der auffallendsten Besonderheit sächsischer westlicher Türme überhaupt, zu der Tatsache, daß so viele von ihnen in ihren oberen Geschossen Spuren davon aufweisen, daß sie vormals als Wohnstätten dienten. Fast überall findet sich über dem Turmbogen, der im Erdgeschoß vom Turm in die Kirche führt, in der östlichen Mauer des Turms ein Türeingang, der mit dem Mittelgeschoß des Turmes zwischen dem Erdgeschoß und dem Glockenflur in Verbindung steht. Dieses Mittelgeschoß bildet ein Zimmer, das jetzt in den meisten Fällen für den Betrieb der Glöckner dient und mittels einer Holztreppe oder einer Leiter von unten aus erreicht wird. Die soeben erwähnte Tür, die in die Kirchc führt, ist zwecklos, da sie weder mit einem Treppenabsatz noch mit einer Galerie oder Treppe in der Kirche in Verbindung steht. Wenn man heute aus ihr hinaustreten würde, so würde man etwa zwanzig Fuß auf den Fußboden der Kirchc hinabstürzen. In zwei Fällen: Bosham, Susscx (Abb. 42) und Dcerhurst, besteht an der Seite eines solchen Türcinganges eine kleine Öffnung, engl, squint ( = Schielauge), die augenscheinlich dafür bestimmt war, einen Blick in das Innere des heiligen Gebäudes zu gewähren. Dies gibt uns einen dienlichen Fingerzeig hinsichtlich der Person, die den Turm als ihre Wohnung benutzt haben mag. E s existiert ein mittelalterliches englisches Dokument aus dem Anfang des 15. Jhs., das den Sakristan der Kirche anweist, darin zu übcrnachtcn; und der Bewohner des sächsischen Turmes mag wohl der Küster der Kirche gewesen sein, der von dieser Stellung aus imstande war, den Altar mit seinen Reliquien und andern Schätzen im Auge zu behalten. Wo kein squint da war, konnte er durch den Türcingang hindurch beobachten, und dieser mag möglicherweise auf eine kleine Plattform oder Galerie geführt haben, von wo aus eine Treppe oder Leiter die Verbindung mit dem Erdgeschoß vermittelte. Einige Türme haben Türeingänge in derselben Mauer auf einem viel höheren Niveau, und diese mögen in Räume hineingeführt

BAUKUNST j haben, die zwischen dem äußern Dachc ! des Mittelschiffes und einer innern Deckc eingerichtet waren. Abb. 43 zeigt die Einrichtung dieser Öffnungen in drei Beij spielen: A Bosham, B St. Peter zu l Gowts in Lincoln und C Deerhurst. Die ; ebenerwähnte Kirche zu Lincoln bietet I uns in Abb. 44 ein charakteristisches Exemplar des spätsächsischen westlichen | Turmes von dem ,,Lincolnshire"-Typus. ; Die Glockenturmöffnungen mit ihren : Mittelmauersäulchen sind bereits cr. wähnt worden. Die kleineren Fensteröffnungen in einem solchen Turm sind inwendig ausgeschrägt, und die äußere Öffnung ist oft eine bloße Spalte. Es gibt \ einen oder zwei Fälle, in denen sie die ' Schlüssellochform annimmt, wie Abb. 45 ; sie zeigt. Nur in e i n e m Falle ist an; scheinend der ursprüngliche Abschluß der : Turmspitze erhalten, nämlich zu Sompting i in Sussex (Abb. 46 A), wo das Dach die wohlbekannte Form des deutschen „ H e l m s " i annimmt, — ein weiterer Beweis des ZuI sammenhanges zwischen der späteren angelI sächsischen und der austrasischen Archi| tektur. Die St. Bcnets-Kirche zu Cambridge (Abb. 46 B) scheint ursprünglich in derselben Art geendigt zu haben. Ein solcher Abschluß mit einer pyramidalen Kappe aus Mauerwerk, wie man ihn in dem frühnormannischen Turm C ebenda und auch in den irischen Rundtürmen findet, lag außerhalb des Bereichs der j Kunstfertigkeit des angelsächsischen Bau; meisters. Über den Abschluß der andern angelsächsischen Türme besitzen wir keine Angaben. § 37. Der interessanteste angelsächsische Turm ist zugleich das imposanteste Denkmal des Stils, das auf uns gelangt ist. Ich meine den westlichen Turm zu : Earls Barton, Northamptonshire, von dem Abb. 47 eine Gesamtansicht gibt. \ Das Bauwerk stellt eine Idee von einer I gewissen Erhabenheit dar, die mit großem ' Fleiß und vieler Sorgfalt durchgeführt ist, und gibt uns eine gute Anschauung von den künstlerischen Fähigkeiten und Schwä; chen des sächsischen Baumeisters. Es | wirkt imponierend nicht allein in | der wirklichen Größe — der Turm mißt bis zu der Spitze der (modernen)

Englische (Angelsächsische) Baukunst.

44

4 1 . Z w e i l a c h e Ö f f n u n g in der östlichen M a u e r des T u r m s zu Deerhurst. — 4 2 . O b e r e T ü r und k l e i n e s Fenster im T u r m zu B o s h a m , Stissex. — 4 3 . Ö s t l i c h e M a u e r n dreier a n g e l s ä c h s i s c h e r T ü r m e v o n d e r K i r c h e aus g e s e h e n . A B o s h a m ; B St. Peter at G o w t s , L i n c o l n ; C Deerhurst. — 4 4 . Westlicher T u r m v o n St. Peter at G o w t s , L i n c o l n . - 4 5 . Ö f f n u n g eines k l e i n e n Fensters im T u r m zu C l e e , L i n c o l n s h i r e . l i c a l l e x i k o n d. gferm. A l t e r t u m s k u n d e .

I.

V e r l a g von K a r l J . T i ü b n e r in

Straßburg;.

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Zinnen 20,60 m bei einer Breite von 7,25 m an der westlichen Fassade —, sondern auch in der Würde der Anlage. Der Erbauer hat die ihm zur Verfügung stehenden Mittel aufs beste ausgenutzt und hat die zu seiner Zeit verwendbaren Einzelheiten in einer üppigeren Art und Weise angewandt, als es in irgend einem andern Beispiel im Lande geschehen ist, den andern großen angelsächsischen Turm in Northamptonshire zu Barnack vielleicht ausgenommen. Gleichwohl ist der Effekt nicht wirklich architektonisch. Die Gesamtheit des Baus ist schön, aber die Einzelheiten wachsen nicht naturgemäß aus der Konstruktion hervor, noch sind sie andererseits im Einklang mit der regelrechten Verwendung solcher Einzelheiten in der Baukunst im allgemeinen. Große Sorgfalt ist auf allerhand kleine Einzelteile verwandt; andererseits aber wurde die Basis des Turms so nachlässig gelegt, daß die südliche Seite etwa einen Fuß länger ist als die nördliche. Die Zeichnung zeigt die Eckvcrbände aus Quadern (long-andshort quoins) und die reichlichen Lisenen mit den phantastischen und folgewidrigen runden und geradseitigen Bogen, die sie in verschiedener Höhe miteinander verbinden. Geländersäulchen, etwas kunstlos geformt, sind in den Öffnungen angewandt. Der westliche Türeingang, 2,50 m hoch und 1 rn breit, ist ein sehr charakteristisches Stück sächsischer Zeichnung und Ausführung (s. Abb. 48). Der Turm zeigt die gewöhnlichen Spuren der Benutzung als Wohnung auf seinem Mittelstock; aber in diesem Falle bestehen außer dem gewöhnlichen Türeingang zu der Kirche in der östlichen Mauer ähnliche Türeingänge nach Süden und Westen, deren Zweck sehr problematisch ist. Sic münden jetzt in schwindelnder Höhe über der Erde, und es findet sich kein sichtbares Zeichen irgend einer Galerie oder Plattform, zu denen sie ehemals den Zutritt vermittelt haben könnten. In der Tat scheint die Behandlung der Fassade des Turms unterhalb der Öffnungen den Gedanken, daß jemals ein Anbau an derselben errichtet worden sei, auszuschließen. Die Glockenstuhlöffnungen in dem Obergeschoß sind fünffach.

BAUKUNST Der Turm ist aus Bruchsteinmauerwerk erbaut, und die unten 1,20 m dicken Mauern sind in Absätzen an Dicke reduziert, so daß sie in der Glockenstuhlhöln75 cm messen. Die Mauern waren verputzt, aber in solcher Weise, daß die Lisenen und die ganzen Oberflächen der Ouader des Eckvcrbandes an den Ecken stets deutlich hervortraten. IV. R ü c k b l i c k . § 38. Die meisten der charakteristischen Erscheinungen, diu uns die angelsächsische Baukunst darbietet, sind nun nacheinander an uns vorübergezogen: die Pläne mit dem viereckig endigenden und mit dem mit einer Apsis versehenen Priesterraum, die Pläne im Basilikenstil, die Krypten, die Vorhallen, die Seitenkapellen und die Kreuzschiffe, der Turm in seiner Entwicklung und in seiner Beziehung zu den übrigen Teilen des Gebäudes. Die Form und Gestaltung der Öffnungen in den verschiedenen Perioden und charakteristische Merkmale, wie z. B. die Ecksteine [quoins], die Lisenen (;pilaster slrips), die Geländersäulchen (1baluster shajts), die Binder oder durchgehenden Steine (throughstones) sind erläutert nebst den Fragen des Materials und der Technik. Zum Schluß mögen einige zusammenfassende Worte die allgemeine Geschichtc des Stils, wie sie in diesem Artikel verfolgt worden ist, veranschaulichen. § 39. 1. Mit Materialien und einer Technik, die zum größten Teil römisch sind, aber einige keltische Besonderheiten aufweisen, errichteten die sächsischen Baumeister des 7. und 8. Jhs. ihre Dom-, Kloster- und Dorfkirchen. Diese können von vornherein auf eine gewisse Ursprünglichkeit in der Anlage sowohl, als auch in der Technik und Ausschmückung Anspruch machen; aber einige von ihnen zeigten auch eine Sorgfalt der Ausarbeitung und eine Ausdehnung, die beweisen, daß die Baumeister jener Zeit sich hohe Ziele setzten und wahrscheinlich ihr Möglichstes zu tun wünschten, um mit den damals schon berühmten Kirchen Galliens zu wetteifern. Kirchen wie denen zu Hexham und York, zu Canterbury, zu Malmesbury (G. Malm. Gesla Pont.

Tafel 47.

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Englische (Angelsächsische) Baukunst. 46. Oberer Schluß zweier angelsächsischer Türme nebst einem frühnormannischen (C). A . Sompting, Sussex; B. St. Benets, Cambridge; C . Priestholm, Puffin Island, Angelsea. — 47. Westlicher Turm zu Earls Barton, North.amptonshire. — 48. Westliche Tür des Turms zu Earls Barton.

47 Reallexikon d. germ. Altertumskilnde.

I,

V e r l a g v o n K a r l J. T r ü b n e r in S t r a ß b u r g .

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Rolls Series, Nr. 52, S. 361) und in andern bedeutenden bischöflichen oder klösterlichen Zentren ist eine nicht geringe architektonische Bedeutung beizumessen. § 40. 2. Sobald jedoch die unheilvollen und schrcckcnerregenden Einfälle der Skandinavier der Zeit ihr Gepräge gaben, muß die B a u k u n s t eine H e m m u n g erfahren h a b e n ; denn obwohl eine durch einen Wikinger-Einfall zerstörte Kirche wieder a u f g e b a u t werden konnte, so fehlte doch, da sich solche Einfälle oft wiederholten, die E r m u t i g u n g für Ausschmückung oder sorgsame Einzelausführung bei einem neuen oder renovierten Gebäude. Dessenungeachtet k a m es für die Baukunst während dieser zweiten oderWikinger-Periode sicherlich nicht zu einem Stillstand; denn die E n t w i c k l u n g der speziell sächsischen Besonderheit der langen und kurzen Ecksteine [long-and-short quoins) muß in diese Epoche fallen. § 4 1 . 3. Die dritte Periode erlebte in ihrem A n f a n g e eine Blüte der Bautätigkeit, die die Regierung Edgars (957—975) kennzeichnete. Die vernunftgemäßeste Erklärung der Architektur dieser Zeit scheint die zu sein, daß, als die neue Tätigkeit begann, die englischen Baumeister etwas in Verlegenheit waren hinsichtlich der Eigentümlichkeiten, die ihren Gebäuden architektonischen Charakter geben konnten, und sich naturgemäß den Ländern jenseit der Nordsee zuwandten, mit denen ihr V a t e r l a n d lange in einer ziemlich nahen politischen Beziehung gestanden hatte. Der westliche Turm ist eine austrasischc Form, die während dieser Periode in die englische Architektur aufgenommen wurde, und der T u r m zu Brixworth und vielleicht der zu Deerhurst mögen die frühesten existierenden angelsächsischen Beispiele sein. Viele von den Türmen endigten wahrscheinlich mit dem deutschen „ H e l m " . Mit dieser neuen Eigentümlichkeit der Anlage wurden gewisse dekorative Einzelheiten entlehnt, von denen die Lisene (pilaster Strip) die auffallendste w a r ; mit ihr zugleich k a m das doppelt ausgeschrägte Fenster. Sobald die Türme allgemein wurden und ihre großen Glockenstuhlöffnungen eine Unterabteilung erforderten, kam die Vorrichtung

BAUKUNST des von einem Säulchen getragenen durchgehenden Steins (through-stone) in Aufnahme, eine Vorrichtung, die von Deutschland bereits aus italienischen Quellen übernommen worden war. Als die aus der frühe sten Periode ererbten älteren Geländer säulchen nach und nach außer Gebrauch kamen, traten einfache Säulchen, die Kapitäle als schmückenden A b s c h l u ß erforderten, an ihre Stelle, und die Würfel kapitälform, die gewöhnlich gewählt wurde, war eine zweite Entlehnung aus den Ländern jenseit der Nordsee. Die angelsächsischen Baumeister dieser dritten Periode sind jedoch nicht als bloße Nachahmer zu betrachten. Sie bewahrten durchaus eine beachtenswerte Originalität und Unabhängigkeit, sowohl in der Anlage, als auch in den Einzelheiten. Der T u r m wird in vielen verschiedenen Stellungen angewandt, und ein bemerkenswerter K i r c h e n t y p u s ist der, in welchem da* Untergeschoß des Turms der Hauptteil des Gebäudes ist, wie zu Bartonon - Humber. Der kreuzförmige Plan wird in einigen Beispielen durch eine seltsame Entwicklung des Kreuzschiffcs aus der Vorhalle oder Seitenkapelle erreicht. Es spricht viel dafür, die anspruchsvollsten und interessantesten Bauten dieser dritten Periode der letzten H ä l f t e des 10. Jhs. zuzuweisen; aber c-s herrschte auch eine beträchtlichc B a u tätigkeit in der Zeit K n u t s , um 1020, und in der Eduards des Bekenners, um die Mitte des Jahrhunderts. Die späteste Phase der angelsächsischen Baukunst scheint durch den vierseitigen westlichen Turm von dem sogenannten „Lincolns h i r e " - T y p u s gekennzeichnet zu werden, und dieser hat einige der charakteristischsten Einzelheiten des Stils verloren, wie z. B. den Eckverband aus Quadern {long-and-short work in the qitoins), aber er behält andere Merkmale bei, besonders Einrichtungen für die Bewohnung, die ihn als noch sächsisch kenntlich machen. Die Bauform (und einige ihrer Merkmale, wie z. B. das WürfelKapitäl) wird von den Normannen übernommen und bildet ein Bindeglied zwischen der angelsächsischen Architektur und dem späteren englischen Stil.

ENGLISCHES B a l d \v i 11 England, England

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Ans diesem Werk sind alle in diesem Beitrag verwandten Abbildungen mit gütiger Erlaubnis des Verlegers, Mr. John Murray, entlehnt. J . T. M i e k l c t h w a i t c Sotnethuig aboui Saxon Church Building, Archaeol. Norman

Journ. chiiecture

Conquest,

53. in

C. C.

I I o d g e s Pre-Conquesl

Northumbria,

Ar-

The Reliquary, 1893-4. G. Baldwin Brown.

Englisches Siedelungswesen. Inhaltsangabe. I. § 1. Die Bedeutung der Periode von J . 400 - 1 1 0 0 in der Geschichte der angelsachs. Siedelungen. II. Die Quellen. § 2. Geographische Verhältnisse. — § 3. Frühe Chroniken und geschichtl. Darstellungen; gallische Chroniken; das Leben des S. Germanus; Gildas; Procopius. — § 4. Spätere Chroniken und geschichtl. Darstellungen: die Historia Brittonum. — § 5. Beda. — § 6. Die angelsächsische Chronik. — § 7- Dokumentarische Berichte; Urkunden, Gesetze, Domesday Buch. — § 8. Die Sprache als Zeugnis: Ortsnamen, Personennamen. — § 9- Archäologische Funde. III. Geschichte der .Siedelungen und ihre Ausbreitung. § 10. Die Hauptprobleme. - - § 1 1 . 12, 13. Chronologie der frühesten Siedelungen. — § 14. Ethnologie der Siedelungen: Chadwick's Kritik von Heda. — § 1 5 . Die Nicht-Erwähnung der Friesen bei Beda. - 16. Die Theorie einer einzigen großen angelsächsischen Invasion. Die Entstehung von Wessex. Die Theorie periodischer Siedelungen. Die Kritik von Round. — § 1 7 . Unsicherheit der Schlußfolgerungen. Die Pause nach der Belagerung von Möns Hadonicus. — £ i S . Die Eroberungen von 571 — 6 1 6 . Geographie der angelsachs. Königreiche des 7. Jahrh. — § 19, 20, 2 1 . Die späteren Eroberungen im Westen. IV. Allgemeiner Charakter der Eroberungen und Siedelungen. £ 22. Die Theorie, daß ein großer Teil der britisch-römischen Bevölkerung verschont wurde; ihre Zurückweisung. - - § 23. Der destruktive Charakter der angelsachs. Eroberungen. - - § 24. Zerstörung von geschlossenen Gemeinden und Schonung von Einzelpersonen. — § 2 5 . Die größere Schonung der Bevölkerung in den später eroberten Landesteilen: die Beweiskraft der Dokumente und Ortsnamen; die Argumentation auf Grund der Form der Siedelungen oder Hufeneinteilung des Domesday Buches. — § 2 6 . Unsicherheit der Beweisführung auf Grund der Anthropologie. V. Verteilung der Bevölkerung. $ 27, 28, 29. Zeugnis des Domesday Buches. — § 30. „Tribal hidage".

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VI. Ausdehnung und Form der Siedelungen. § 3 1 . Das Domesday Buch als Zeugnis. — § 32. Die Ortsnamen. VII. Die Benutzung römischer Platze. § 33. Städte. — § 34. Landhäuser. VIII. ¿5 35. Sicdelung von Sippenverbänden.

Periode I. D i e B e d e u t u n g d e r v o m J . 400 bis 1 1 0 0 in der Ges c h i c h t e der a n g e l s ä c h s i s c h e n Sied e l u n g e n in B r i t a n n i e n . § I. W ä h r e n d der sieben J a h r h u n d e r t e , die z w i schen d e m J a h r e 400 u n d der T h r o n b e s t e i g u n g H e i n r i c h s des I. lagen, w u r d e der vorwiegend germanische Charakter der späteren b r i ' i s c h e n G e s c h i c h t e b e s t i m m t . I m A n f a n g dieser P e r i o d e w a r B r i t a n n i e n noch h a u p t s ä c h l i c h v o n V ö l k e r n k e l t i s c h e r R a s s e b e w o h n t ; die s ü d ö s t l i c h e n D i s t r i k t e d e r I n s e l f ü h l t e n sich noch a l s T e i l des römischen R e i c h e s und k o n n t e n noch zwischen 446 u. 4 5 4 v o n dem Z e n t r u m des R e i c h e s H i l f e e r b i t t e n (Gildas, c. 20, M G . A u c t . A n t i q . X I I I p. 36). A m E n d e dieses Z e i t a b s c h n i t t s w u r d e der S ü d o s t e n v o n B r i tannien, der w e g e n seiner ausgezeichneten B o d e n b e s c h a f f e n h e i t , seines g u t e n K l i m a s u n d der N ä h e des K o n t i n e n t s bis in die N e u zeit der w o h l h a b e n d s t e , b e v ö l k e r t s t e u n d w i c h t i g s t e T e i l der Insel w a r , f a s t ganz v o n S t ä m m e n b e w o h n t , die g e r m a n i s c h in Sprache und Sitte und höchstwahrscheinlich auch d e m B l u t e n a c h v o r w i e g e n d germanisch' w a r e n . Die Errichtung der normannischen Monarchie i n d e r letzten H ä l f t e des 1 1 . J h s . hatte das politische Übergew i c h t der a n g e l s ä c h s i s c h e n G e b i e t e B r i t a n n i e n s noch v e r s t ä r k t , im G e g e n s a t z z u den Teilen, wo s k a n d i n a v i s c h e S i e d e l u n g e n auf die anglische B e v ö l k e r u n g g e p f l a n z t w a r e n . J e n e M o n a r c h i e setzte a u c h der E r n e u e r u n g einer V e r b i n d u n g m i t den s k a n d i n a v i s c h e n R e i c h e n eine S c h r a n k e , u n d der Hof der n o r m a n n i s c h e n K ö n i g e u n d ihrer N a c h f o l g e r schuf f ü r g a n z E n g land durch m e t h o d i s c h e O r d n u n g der angelsächsischen Gebräuche und durch deren A n p a s s u n g an die B e d ü r f n i s s e eines fortschreitenden Gesellschaftslebens ein allgemeines R e c h t , das seinen U r s p r u n g in germanischen Gewohnheiten hatte. Die normannische E r o b e r u n g trieb f e r n e r eine Menge angelsächsischer A u s w a n d e r e r

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nach Schottland, wo diese zu Pionieren germanischer Kultur wurden, während die anglo-normannischc Monarchie, indem sie der Verwirklichung der separatistischen Bestrebungen des Feudaladels in England vorbeugte, viele von dessen Angehörigen veranlaßte, ihre Machtgelüste durch Eroberungen in Wales und Irland zu befriedigen, wodurch germanischer Einfluß und Zivilisation auch auf den keltischen Westen ausgedehnt wurden. Bei der Beschreibung der angelsächsischen Siedelungen in Britannien erfordern naturgemäß die frühesten Jahrhunderte die meiste Beachtung, denn das Hauptwerk der Kolonisation wurde tatsächlich vor der Mitte des 7. Jhs. vollendet. Aber man muß auch den Einfluß der normannischen Eroberung im Auge behalten; auf jeden Fall ist das normannische Sammelwerk, das D o m e s d a y Buch, unentbehrlich für das Studium des angelsächsischen Britannien. II. D e r W e r t der QuellenÜberlieferung. § 2. Die Haupt Schwierigkeit für den Historiker beim Forschen nach der Entwicklung der angelsächsischen Siedelungen in Britannien liegt in der Spärlichkeit der Quellen. (A). Aus den g e o g r a p h i s c h e n V e r h ä l t n i s s e n absolute Schlüsse zu ziehen, geht nicht an, denn die örtlichen Hindernisse, die sich den vom Süden oder Osten Britanniens angreifenden Eindringlingen entgegenstellten, sind nicht bedeutend genug, daß sie deren Lauf beträchtlich verändern konnten. Einige der älteren Historiker und hauptsächlich E. Guest (Origines Celticae, London 1883; vgl. J . R . Green, The Making of England,, London 1 8 8 1 ; W. LI. Stevenson, E H R . 17, 625— 642) begingen einen Irrtum, indem sie das germanische Vordringen als durch Sümpfe und Wälder zu sehr beeinflußt ansahen; sie vergaßen dabei, daß nicht alles das undurchdringliches Waldland im 5. und 6. Jahrhundert war, was im späteren Mittelalter unter der Wirkung der Waldgesctzc dazu wurde, und sie ließen außer acht, daß Britannien zur Zeit der angelsächsischen Eroberung mit römischen Straßen durchzogen war. Indessen dürfen die geographischen Ver-

hältnisse, obwohl sie in der Regel nicht zwingende Beweise bieten, nicht ganz unbeachtet bleiben. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, daß das Dickicht des AndredsWaldes der Ausbreitung der südlichen Sachsen entgegenwirkte, und daß sich so die Spärlichkeit der Bevölkerung im Norden von Sussex erklärt, die durch das Domesday Buch bezeugt ist (siehe A. S. Chron. a. 477 u. 893; außerdem A. Ballard, The Domesday Inquest; London 1906, S. 165, und die Karte in V. C. H. Sussex vol. I zwischen S. 386—387). Wenn ferner neuere Veränderungen in der Küstenlinie von Essex, Kent und Sussex nachgewiesen werden können, so sind das Dinge, die die Örtlichkeit der ersten Siedelungen in gewissem Maße mögen beeinflußt haben (siehe die geologischen und Domesday Karten in V. C. Ii. Essex, vol. I; die geologische Karte in V. C. IL Kent vol. I und v«l. V. C. Ii. Sussex vol. I S. 25—26). § 3 (B). Wenn die geographischen Verhältnisse nur wenig Aufschluß geben, so bieten die C h r o n i k e n und Ges c h i c h t e n wohl etwas mehr, aber auch die Ergebnisse dieser Quellen sind spärlich und unsicher. Die angelsächsische Eroberung war das Werk von Völkerschaften, die ganz und gar ungelehrt waren. Sie zermalmte die Briten so vollständig, daß deren eigene zeitgenössische oder ungefähr zeitgenössische Gcschichtschreibung fast nur Klagen enthält, und sie fand zu einer Zeit statt, als die wankende Zivilisation des römischen Reiches und die Einfälle der Barbaren es den kontinentalen Historikern unmöglich machten, die Unzulänglichkeit der britannischen Berichte zu ergänzen. So bieten uns die zeitgenössischen Geschichtschreiber gar keinen zusammenhängenden Bericht. Wir können ein paar unsichere Daten zwei gallischen Chroniken entnehmen, die wahrscheinlich, aber nicht sicher, der Mitte des 5. resp. dem Anfang des 6. Jhs. angehören (vgl. MG. Auct. Antiq. I X 654, 660, 661 und H. M. Chadwick, Origin. of the Anglo-Saxon Nation, Cambridge 1907, S. 48—49). Wir haben auch den Bericht von einer Schlacht zwischen den Briten und einer vereinigten Macht der Sachsen und Pikten, und zwar in dem Leben des heiligen Germanus, das

ENGLISCHES SIEDELUXGSWESEN v o n dem Presbyter Constantius um das J a h r 480 geschrieben ist (vgl. A c t a S a n c t o r u m , J u l y 31, Bcí. 7 S. 200-—220; f e r n e r : L e v i s o n , N e u e s Arcli. f. ältere d e u t s c h e G e s c h i c h t s k . 29, 9 7 — 1 7 5 ; T . Hodgkin, Political Hist. of England from the earliest times to the Norman Conquest, L o n d . 1906, 5 . 8 3 — 8 5 u. S. 496), a b e r der kirchliche C h a r a k t e r dieses W e r k s u n d die m i r a k e l h a f t e n E l e m e n t e in der E r z ä h l u n g der S c h l a c h t b e e i n t r ä c h t i g e n seinen W e r t f ü r den Historiker. Der einzige u n g e f ä h r zeitgenossische G e s c h i c h t s s c h r e i b e r , der uns v i e l ü b e r die E r o b e r u n g b e r i c h t e t , ist G i l d a s (s. d.), a b e r sein De Excidio Britanniae Liber Querulus ist m e h r eine K l a g e als eine E r z ä h l u n g ; o b w o h l w a h r s c h e i n l i c h k u r z v o r 547 geschrieben, w u r d e es v i e l l e i c h t fern v o n der H e i m a t und g r o ß e n t e i l s n a c h H ö r e n s a g e n v e r f a ß t (vgl. C. 4 in der A u s g a b e d e r M G H . , w o G i l d a s v o n transmarina relatio als seiner Quelle s p r i c h t ; v g l . f e r n e r z u r F r a g e der D a t i e r u n g v o n G i l d a s W e r k : M o m m s e n in den M G H . ; L a B o r d e r i c , R e v u e C e l t i q u c 6, x — 1 3 ; Nicholson, A n s c o m b e u. S t e v e n son in A c a d e m v 1895, B d . 48). D a ß G i l d a s grotesker Irrtümer fähig war, wird durch seine A n g a b e n über die römischen W ä l l e (Cap. 15, 18) b e w i e s e n . W e n n m a n n i c h t das n e g a t i v e Z e u g n i s des F e h l e n s irgendeiner E r w ä h n u n g der germ a n i s c h e n E r o b e r e r in den Epístola ad Coroticum v o n St. P a t r i c k (vgl. H a d d a n u. S t u b b s , Councils v o l . II. T e i l 2, S. 314-—319) als zuverlässig ansieht oder dem Bericht des P r o c o p (Goth. K r i e g I V 20), d a ß Friesen, (picraws?) neben A n g e l n u n d B r i t e n einen T e i l der B e v ö l k e r u n g B r i t a n n i e n s bildeten, besondern W e r t b e i m i ß t , g i b t es t a t s ä c h l i c h kein anderes historisches schriftliches Z e u g n i s , das auf die a n g e l s ä c h s i s c h e E r o b e r u n g b e z u g n i m m t u n d u n g e f ä h r zeitgenössisch ist, o b w o h l F r a g m e n t e alter, w e n n n i c h t zeitgenössischer E r z ä h l u n g e n in einige s p ä t e r e B e r i c h t e ü b e r g e g a n g e n sein m ö g e n . § 4. V o n diesen s p ä t e r e n Zeugnissen sind n u r drei w i r k l i c h v o n B e d e u t u n g . Z u n ä c h s t die Historia Brittonum des N e n n i u s (hrsg. M o m m s e n . M. G. A u c t . A n t i q . X I I I ; v g l . h i e r z u : H . Z i m m e r , A'ennins Vindicatio, B e r l i n 1893; L . Duchesne, R e v u e

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C e l t i q u e 15. 1 7 4 — 1 9 7 , F. L o t , Le Moyen Age 8 1 7 7 - 8 4 , 9 25-36; R. Thurn e y s e n , Z f d P h . 28, 8 0 — 1 1 3 und Z e i t s c h r . f. celt. P h i l o l . I, 1 5 7 — 6 8 ) , die w a h r s c h e i n lich ca. 796 i m s ü d ö s t l i c h e n W a l e s g e s c h r i e b e n und ca. 810 v o n e i n e m n o r d walisischen Schreiber namens Samuel revid i e r t w u r d e . D e r T e x t ist in U n o r d n u n g , u n d die k o n f u s e C h r o n o l o g i e n e b s t d e m m i t W u n d e r n operierenden Charakter der Erz ä h l u n g v e r r i n g e r n den W e r t f ü r d e n H i s t o riker, a b e r Z i m m e r h a t eine N e u o r d n u n g des T e x t e s v o r g e s c h l a g e n , u n d j e d e n f a l l s e n t h ä l t d a s B u c h : 1) eine Stelle (ca. 57 bis 65), hauptsächlich genealogischer Art, die w a h r s c h e i n l i c h das W e r k eines k e l t i s c h e n Schreibers, d e r in C u m b r i a o d e r S t r a t h c l y c l e lebte, ist und i. J . 679 v e r f a ß t wurde: 2) A u s z ü g e a u s einem verlorenen Liber Beati Germani (vgl. Z i m m e r a a O . p a s s i m ; D u c h e s n e a a O . S. 187). E r w ä h n t sei, d a ß die beiden V o r r e d e n des N e n n i u s (deren E c h t h e i t a n g e z w e i f e l t wird) historiae Scottorum Saxonumque als z u den Quellen des V e r f a s s e r s g e h ö r i g a n f ü h r e n , u n d d a ß der genealogische T e i l a u g e n s c h e i n l i c h z u den G e n e a l o g i e n in B e z i e h u n g steht, die in den M S S . C o t t . V e s p . B . V I , C. C. C. C. 183 u n d den T e x t u s R o f f e n s i s (vgl. H . S w e e t , Oldest Engl. Texts, L o n d o n 1885, S. 1 6 7 — 7 1 ; Chadwick aaO. S. 4 2 — 4 3 ; Thurneysen Z f d P h . 28, 100) e n t h a l t e n sind. § 5. D i e z w e i t e der drei s p ä t e r e n Q u e l l e n ist die Historia Ecclesiastica von B e d a (s. d.), v e r f a ß t 7 3 1 . Ihre B e i t r ä g e z u r G e schichte der angelsächsischen E r o b e r u n g sind sehr gering. B e d a selbst f u ß t in gew i s s e r B e z i e h u n g auf G i l d a s und d e m L e b e n des heiligen G e r m a n u s v o n C o n s t a n t i u s , und Gildas war auch Bedas Gewährsmann f ü r einige E i n s c h ö b e , die auf die E r o b e r u n g Majora B e z u g n e h m e n , in d e n Chronica (M. G . A u c t . A n t i n . X I I I S. 303, 304, 306). § 6. A n d r i t t e r Stelle s t e h t die Sachsen chronik (vgl. Tico of the Saxon Chronicles Parallel hrsg. C. P l u m m e r u. J. E a r l e , O x f o r d 1 8 9 2 — 9 9 ) , die w a h r s c h e i n l i c h ihr M a terial a u s a l t e n V e r z e i c h n i s s e n u n d G e n e a logien v o n Königen, aus kirchlichen v o n Canterbury herrührenden Annalen, aus h a u p t s ä c h l i c h k e n t i s c h e r und w e s t s ä c h s i s c h e r Ü b e r l i e f e r u n g und aus den W e r k e n

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Bedas schöpfte (vgl. Plummer Tivo Saxon Chronicles vol. I I S. C I X — C X I V ; E. Grabitz, Kritische Untersuchung über d. angelsächs. Annalen bis z. J . 893, Göttingen 1868). Der am meisten ins einzelne gehende Bericht dieser Chronik ist leider derjenige, der auf die unsicherste Quelle zurückzugehen scheint, und daher hat die Kritik namentlich die Darstellung der kentischen, süd- und westsächsischen Eroberung, auf der die älteren Historiker hauptsächlich ihre Erzählungen basierten, unter die Lupe genommen. Diese Geschichten können aller Wahrscheinlichkeit nach kaum eine andere Grundlage als die der mündlichen Überlieferung haben, und dieser ist nach der Auffassung einiger Gelehrten kein besonderer Wert beizumessen, aus folgenden Gründen, (a) Eine künstlich aufgebaute Chronologie tritt in diesen Teilen der Chronik zutage (vgl. Lappenberg Gesch. v. England, Hamburg 1834, 1, 72—78; Plummer aaO. 2 S. C X I I ) ; (b) zum mindesten einer der erwähnten Personennamen geht auf eine konjekturale Erklärung eines Ortsnamens zurück (nämlich Port aus Portus, vgl. A. S. Chron. ann. 501), und diese Tatsache berechtigt zum Argwohn gegenüber der Aufzählung der anderen Führer, von deren Namen Ortsnamen abgeleitet sein sollen (vgl. z B . A. S. Chron. ann. 465, 477, 495, 508, 544); (c) einige Personennamen der sächsischen Führer sind keltischen Ursprungs; (d) zwischen der Erzählung der westsächsischen Eroberung in der Chronik selbst und dem Bericht in der Vorrede des Parker Textes (MS. 7t. C. C. C. C. 173) herrscht ein Widerspruch, denn die älteste der westsächsischen Annalen ist nach Howorth u. a. unvereinbar mit Bedas Bericht (H. E . I. 1 5 ; IV 14 [16]; vgl. Florence of Worcester ed. Thorpe [Engl. Hist. Soc. 1848/9] I 276 u. I I 44—45) über die jütischen Siedlungen in Hampshire und auf der Insel Wight (vgl. Sir H. Howorth, E H R . 13, 667fr.; Chadwick aaO. cap. I I u. I I I ; C. Oman: England before the Norman Conquest, London, 1910, S. 226); (e) in denkentischen und westsächsischen Annalen gibt es übereinstimmende Stellen, die annehmen lassen, daß jene diesen als Modell dienten (vgl. Chadwick aaO. 24 Anmerkung).

Anderseits bemerkt Chadwick, daß eine künstlich zurechtgemachte Chronologie die undatierbare Überlieferung nicht ganz wertlos macht, und daß die kentischen Annalen fast frei von etymologischen Elementen sind, die eben die alten westsächsischen Annalen so verdächtig erschei nen lassen (aaO. S. 22, 36). W. H. Stevenson verteidigt dagegen die westsächsischen Annalen ( E H R . X I V S. 32 ff.) mit dem Argument, daß die in ihnen enthaltene Erzählung mit den Daten Bedas wohl in Einklang zu bringen ist, und daß gewisse Gegengründe von H. Howorth auf philologisch unsichern Annahmen beruhen. Auch gewisse Argumente, welche destruktive Kritiker gegen die Chronologie dieser frühwestsächsischen Annalen vorgebracht hatten, sind höchtst anfechtbar. Oman (aaO. S. 224, wo er den Spuren von Kemble, The Saxons in England, 1849, I S. 30 Anm. folgt) folgert die Unzuverlässigkeit der Chronologie aus den Angaben, daß Cerdic i. J . 495 alt genug war, um einen erwachsenen Sohn zu haben und doch noch 35 Jahre später (A. S. Chron. a. 530) am Kampfe teilnahm, aber er zeigt keinen Zweifel bei Penda ,,\vho is said to have been nearly eighty years of age when he died the warrior's death" (aaO. S. 285; vgl. S. 277 und Stevenson: E H R . X I V S. 40). Für das etymologische Element in der Chronik haben wir das Zeugnis von Beda, daß eine Gegend nach Horsa benannt wurde (HE. I 15). Aber auch wenn alle Angaben der Annalen als richtig anzusprechen wären, so wäre es doch nur eine freiwillige und unbewiesene Annahme, daß sie einen ausreichenden Bericht des Fortschreitens der Eroberung im Süden geben. Ihre Grundlage mag eine in Kriegsliedern bewahrte Überlieferung gewesen sein (vgl. Tacitus Germ. 2 und Abegg Zur Entwicklung d. histor. Dichtung bei den Angelsachsen, Straßburg 1894; Spuren von alitterierenden Versen lassen sich in alten Teilen der Chronik, aufgelöst in Prosa, nachweisen), und es ist wahrscheinlich, daß eine solche Überlieferung mehr die dramatischen Momente festhielt als die Ereignisse, die ein ausführlicher geschichtlicher Bericht als entscheidend auswählen würde. Und wenn

ENGLISCHES SIEDELUNGS WESEN die yiilfredsche Chronik als Quelle f ü r die Geschichte der Siedelungen in Kent, Sussex u n d Wessex schon m i t Vorsicht zu ben u t z e n ist, so versagt sie als westsächsische Kompilation natürlich f a s t gänzlich f ü r Mercia, Essex, Ostangeln und Nordhumbrien. Von den s p ä t e r e n E t a p p e n des angelsächsischen Vordringens an den westlichen Grenzen von Mercien und Wessex erzählt die Chronik wenig, u n d doch ist sie eigentlich f ü r diesen Geschichtsabschnitt unsere einzige Quelle. § 7. Neben die historischen Berichte sind die d o k u m e n t a r i s c h e n zu stellen, die zwar weniger anzuzweifeln, aber noch spärlicher und weniger genau in ihren A n g a b e n sind. (C). Drei Klassen sind hier zu u n t e r scheiden. Die U r k u n d e n (vgl. J . M. K e m b l e Codex Diplomaticus, London 1839 — 4 8 ; B. T h o r p e Diplomatarium, London 1865; W. de G r a y Birch, Cartularium Saxonicum, London 1885—93; J . B. Davidson in: J o u r n . cf t h e Brit. Archae .1. Association 39, 259—303; A. S. Napier u. W . H . Stevenson, The Crawford Charters, Oxford 1895) sind natürlich alle späteren D a t u m s als die Periode der Eroberung, aber sie haben retrospektive B e d e u t u n g in mancherlei Angaben über die Bezirke, die zu den verschiedenen angelsächsischen Königreichen gehörten (vgl. Birch: Cart. Sax I. CXI, S. 163 zu einer Urkunde, die die Zugehörigkeit von Middlesex zu Essex nahelegt und so die Angaben von Beda, H . E. I I 3 u n t e r s t ü t z t ) . — Die a n g e l s ä c h s i s c h e n G e s e t z e (hrsg. v. Lieberm a n n , Halle 1898—99) sind f ü r den H i s t o riker insofern wertvoll, als Unterschiede in den Sitten und besonders in der gesellschaftlichen Gliederung nach d e m Wergeid ethnologische Verschiedenheiten zwischen verschiedenen Königreichen v e r m u t e n lassen; aber dieses Zeugnis ist räumlich beschränkt, es ist nur f r a g m e n t a r i s c h f ü r N o r t h u m b r i e n und Mercien v o r h a n d e n , fehlt aber gänzlich f ü r Ost-Angeln, Essex und Sussex (vgl. Chadwick aaO. 76—87). — Das D o m e s d a y B u c h schließlich kann durch seine Berichte über lokale Gebräuche dazu dienen, die soziologischen Zeugnisse der Gesetze zu ergänzen, a b e r seine späte Datierung, die geringe A u s b e u t e der Berichte über Gebräuche u n d die

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Schwierigkeit, im Norden anglische Besonderheiten von skandinavischen zu u n terscheiden, v e r m i n d e r n seinen Wert. — Im ganzen k a n n m a n sagen, daß diese D o k u m e n t e , obwohl sie ganz sichere Berichte ü b e r die E n t w i c k l u n g und E t h n o logie der E r o b e r u n g nicht bieten, doch hierf ü r m e h r B e a c h t u n g verdienen als ihnen bisher geschenkt wurde. Ihr W e r t als Zeugnisse f ü r den C h a r a k t e r der E r o b e r u n g im Unterschied zu deren Entwicklung ist seit langem erkannt, und ein Blick in die W e r k e v o n Seebohm, Maitland und Vinogradoff zeigt, was aus dem Material in dieser Beziehung herausgeholt worden ist. § 8. (Dj. S p r a c h l i c h e Unterschiede, P e r s o n e n - und Ortsn a m e n . Die dialektischen Unterschiede zwischen den verschiedenen Teilen des angelsächsischen England müssen mit den historischen, soziologischen und archäologischen Merkmalen verglichen werden, aber unsere K e n n t n i s der alten germanischen Dialekte in Britannien ist unglücklicherweise, wie Chadwick gezeigt hat, sehr ungleichmäßig, da es f ü r das S t u d i u m der Mercischen Sprache besonders an genügenden U n t e r l a g e n f e h l t . Ortsnamen sind von unschätzb a r e m W e r t , nicht nur, weil sie f ü r die B e s t i m m u n g der Gegenden, wo eine germanische Sprache das Idiom der Briten verdrängte, sichere H a n d h a b e bieten, sondern auch, weil die B e d e u t u n g bes t i m m t e r N a m e n allgemein historisches Interesse h a t . Das S t u d i u m der angelsächsischen O r t s n a m e n ist indessen einerseits (1) sehr gestört durch die Schwierigkeit, in einigen Fällen (z. B. in den Namen, die die moderne E n d u n g -com.be haben) keltische und germanische Elemente zu unterscheiden, oder verschiedene angelsächsische Worte, die sich assimiliert h a b e n (z. B. das Suffix -harn = home u n d das Suffix -hdm, -hamrn, -hom, das wohl eine E i n z ä u n u n g oder spezieller ein Fischwehr bezeichnet) auseinanderzuhalten, anderseits (2) dadurch, daß noch kein u m fassender Index der alten Formen vorh a n d e n ist und die Formen des Domesday Buches f ü r den Philologen unzulänglich sind,, da in vielen Fällen die Schreibung normannisch ist, und schließlich (3) durch

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die Unmöglichkeit, in den meisten Fällen den Zeitpunkt, zu dem ein Name zuerst gebraucht wurde, zu bestimmen. Ähnliche Schwierigkeiten bietet das Studium der P e r s o n e n n a m e n , aber hier ist dem Mangel an einem Index durch das Onomasiicon Anglo-Saxonicum von W . G. Searle (Cambr. 1897) in gewisser Beziehung abgeholfen. V o n dem Studium der Ortsnamen ist in Z u k u n f t noch am meisten wissenschaftliche Ausbeute zu erwarten, denn dies Gebiet ist noch nicht völlig durchforscht, obwohl während der letzten Jahre unsere Kenntnis durch wichtige Funde bereichert ist (vgl. I. Taylor, Names and their Histories, London 1898; W. W . Skeat in: Cambridge Antiquarian Soc. Proceedings No. 36 u. 42; ders. The Place-Names of Hertfordshire, Hertford 1904; ders. The Place-names of Berkshire, Oxford, 1 9 1 1 ; H. Bradley in: Essays and Studies b y members of the English Association, Oxford, 1910, Bd. I. 1; F. M. Stenton: The Place-Names of Berkshire, Reading, 1 9 1 1 ; interessant, aber gelegentlich mit Vorsicht zu benutzen: E. McClure British Place-Names in their Historical Setting, London 1910. H. C. VVyld u. T . O. Hirst: The Place-Names of Lancashire, London, 1 9 1 1 ; F. W . Moorman Place-Names of the West Riding of Yorkshire, Leeds, 1910; H. Alexander in: Essays and Studies b y members of the English Association, Oxford, 1911, Bd. II. vii). § 9 . (E). A r c h ä o l o g i s c h e Funde. Ein umfassendes Studium dieses Materials wurde bis j e t z t durch das Fehlen einer sammelnden Aufzählung der verschiedenen Untersuchungen unmöglich gemacht, die in zahllosen archäologischen Journalen, Schriften der antiquarischen Gesellschaften und K a t a l o g e n von Museen verstreut sind, und dieser Mangel hat auch die kritische Vergleichung der verschiedenen Daten v o m rein technischen Standpunkt aus verhindert. Die Sammlung der Victoria County Histories, die alle diese zerstreuten Berichte zusammenstellen wird, soll jcdoch in K ü r z e dieses Stoffgebiet deip Forscher übersichtlich erschließen. III. Die Entwicklung und Ausdehnung der angelsäch-

sischen Siedelungen. § 1 0 . Die Frühgeschichte der angelsächsischen Siedelungen in Britannien ist unsicher und dunkel und wird es wohl immer bleiben. Es ist zunächst unsicher, wann die wirklichen Siedelungen begannen, denn die Kolonisierung läßt sich auf Grund der magern Berichte von den räuberischen Einfällen schwer unterscheiden. Ferner ist unsicher, welche Völkerschaften an der Kolonisierung teilnahmen, und inwieweit sie voneinander verschieden waren; schließlich, wie weit die Eroberung durch einen organisierten Zug großer Menschenmassen und wie weit durch sporadische Gruppen v o n Siedlern betätigt wurde. § 1 1 . In bezug auf die C h r o 11 o 1 o g i e der Siedelungen kann mit Sicherheit nur gesagt werden, daß eine regelrechte Kolonisation vor der Mitte des 5. Jhs. begonnen hatte, und daß der größere Teil Englands von germanischen Siedlern vor dem Ende des 6. Jhs. in Besitz genommen war. Die v o n den Quellen angegebene älteste Zahl für den germanischen Einfall, der mehr als ein bloßer B e u t e z u g war, ist das Jahr375 (vgl. Historia Brittonum § 31, den genealogischen T e x t in den MS. C. C. C. C. 1S3 und eine Interpolation in dem Codex Urbinas von Isidors Chronik ann. 576, die Chadwick für die älteste Form der A n g a b e hält); aber die Anerkennung einer so frühen Zeitangabc stößt auf Zweifel, (1) weil sie von den in andern Quellen angegebenen späteren Daten so sehr abweicht, (2) weil die Möglichkeit einer Verwechslung zwischen der gleichzeitigen Regierung v o n Martianus und Valcntinian III. (vgl. B e d a H E . 1, 15) und der von Gratianus und Valentinian II. gegeben ist (vgl. Chadwick aaO. 48), (3) weil es schwer ist, das D a t u m mit den Angaben von Ammianus, Orosius und Zosimus über die letzten T a g e der römischen Herrschaft in Britannien und mit der Behauptung von Claudian, daß Britannien durch Stilicho von seinen Feinden errettet wurde, in Einklang zu bringen. Es scheint indessen sicher, daß vor der Mitte des 5- Jhs. die Eroberung an die Stelle der bloßen Einfälle trat. Guorthigernus, dessen Einladung an die Sachsen von den obengenannten Quellen in das Jahr

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375 g e s e t z t wird, wird in demselben A b s c h n i t t der Historia Brittonum, die a u c h die Zahl 375 (§ 31) n e n n t , als ca. 428 regierend a n g e f ü h r t , u n d ein a n d r e r A b s c h n i t t des B u c h e s (§ 66) n e n n t dieses J a h r als d a s der A n k u n f t der S a c h s c n ; a b e r d e r T e x t ist sehr f e h l e r h a f t . D a s L e b e n des S. G e r m a n u s v o n Cons t a n t i u s beschreibt (Lib. I c. 6 § 51) eine S c h l a c h t zwischen d e n B r i t e n u n d einer vereinigten Strcitmacht der Sachscn u n d P i k t e n , die w ä h r e n d der Missions t ä t i g k e i t des Heiligen in B r i t a n n i e n s t a t t g e f u n d e n h a b e n soll, aber diese Mission g e h ö r t n a c h P r o s p e r Tiro (MG. A u c t . A n t i q . I X p. 472) d e m J a h r e 429 an, u n d die Angabe, die S c h l a c h t w ä r e in e i n e m gebirgigen D i s t r i k t a u s g c f o c h t e n w o r d e n , l ä ß t v e r m u t e n , d a ß die g e r m . E i n fälle schon weit in das I n n e r e d e r Insel v o r g e d r u n g e n w a r e n . Die e n d g ü l t i g e E r o b e r u n g im U n t e r s c h i e d v o n E i n f ä l l e n ä h n l i c h d e m , der a n s c h e i n e n d als in das J a h r 409 gehörig e r w ä h n t ist, wird v o n d e r gallischen Chronik, die bis z u m J a h r e 452 reicht, auf d a s J a h r 4 4 1 — 4 2 a n g e s e t z t , u n d die a n d e r e m i t d e m J a h r e 5 1 1 schließ e n d e gallische Chronik g i b t als D a t u m der U n t e r w e r f u n g d e r B r i t e n d u r c h die S a c h s e n 438—39 a n (MG. A u c t . A n t i q . I X pp. 654, 660, 661). C h a d w i c k (aaO. 51) weist darauf hin, d a ß diese D a t e n vielleicht e t w a s zweifelh a f t w e r d e n einerseits d u r c h d a s F e h l e n jeglicher E r w ä h n u n g der g e r m a n i s c h e n E r o b e r e r in d e r Epístola ad Coroticmn v o n S t . P a t r i c k , der v o n p i k t i s c h c n u n d skottischen Verwüstungen spricht, und a n d e r s e i t s d u r c h den B e r i c h t v o n J o r d a n e s (Getica, K a p . 45, M G H . A u c t . A n t i q . V I S. 119), n a c h d e m ein britischer K ö n i g n o c h z u r R e g i e r u n g s z e i t des A n t h e m i u s (467—472) T r u p p e n zur U n t e r s t ü t z u n g d e r r ö m i s c h e n W a f f e n gegen die Visigoten s e n d e n k o n n t e . Gildas u n d B e d a j e d o c h geben e t w a s s p ä t e r e D a t e n ; der e r s t e r e s e t z t die E i n l a d u n g a n die Sachsen h i n t e r die A n r u f u n g des A e t i u s v o m J a h r e 446 (vgl. Ca. 20, 23); der letztere s c h w a n k t zwischen ca. 446 ( H E . I 23; V 23), ca. 447 (ib. I I 14) u n d einer Zeit w ä h r e n d d e r R e g i e r u n g v o n M a r t i a n u s u n d V a l e n t i n i a n I I I (450—455, obwohl er

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selbst den R e g i e r u n g s a n t r i t t des M a r t i a n u s auf das J a h r 449 a n s e t z t (ib. I 15). § 12. Die v o n der Sachsenchronik angegebenen D a t e n besitzen w e n i g W e r t , a b e r es ist zu b e a c h t e n , d a ß die e r s t e n E r o b e r u n g e n der S ü d s a c h s e n u n d W e s t s a c h s e n m i t D a t e n belegt werden, die in die zweite H ä l f t e des 5. J h s . fallen (477 u. resp. 495). Die A n k u n f t v o n H e n g i s t u n d H o r s a w i r d v o n der Chronik in die R e g i e r u n g s z e i t v o n M a r t i a n u s u n d V a l e n t i n i a n gesetzt. A b e r diese A n g a b e ist möglicherweise B e d a oder einer k c n t i s c h e n Quelle, die B e d a u n d der Chronik g e m e i n s a m ist, e n t l e h n t . Ü b e r die Chronologie d e r m e h r n ö r d lichen Siedlungen sind wir f a s t ganz o h n e N a c h r i c h t , w e n n n i c h t die allgem e i n e n A n g a b e n v o n Gildas u n d N e n n i u s sowohl auf d e n N o r d e n wie auf d e n S ü d e n bezogen w e r d e n k ö n n e n . Es sind V e r s u c h e g e m a c h t worden, Schlüsse ü b e r die E r o b e r u n g e n i m N o r d e n aus einigen u n s i c h e r n A n g a b e n in u n s e r n Quellen zu ziehen, a b e r die E r g e b n i s s e sind doch e t w a s gering. W e n n wir z. B. lesen ( H i s t . Britt. § 59), d a ß der erste K ö n i g v o n O s t angeln G u e c h a w a r , der U r g r o ß v a t e r v o n R e d w a l d , so k ö n n e n wir d o c h n i c h t d a r a u s schließen, d a ß die B e s i e d l u n g v o n O s t angeln in einer b e s t i m m t e n G e n e r a t i o n sich vollzog, d e n n G u c c h a s W e r k k a n n e i n f a c h d a r i n b e s t a n d e n h a b e n , s p o r a d i s c h e Siedel u n g e n ä l t e r e n D a t u m s zu b e f e s t i g e n oder, wie C h a d w i c k v e r m u t e t , O s t a n g e l n v o n einem g r ö ß e r e n K ö n i g r e i c h loszulösen. Ähnlichen Schwierigkeiten b e g e g n e t j e d e r Versuch, die erste E i n w a n d e r u n g in N o r t h u m b r i e n oder sogar in Bernicien n a c h der A n g a b e in d e r chronologischen Ü b e r s i c h t v o n B e d a ( H E . 5, 24), d a ß I d a im J a h r e 547 zu regieren b e g a n n u n d d e r G r ü n d e r der K ö n i g s f a m i l i e v o n N o r t h u m b r i e n w a r (vgl. W . F . S k e n e Celtic Scotland, Edinb u r g h 1 (876) I 155), zu d a t i e r e n , d e n n t a t s ä c h l i c h liegt eine gewisse W a h r s c h e i n lichkeit vor, d a ß eine g e r m a n i s c h e Siedlung in N o r d b r i t a n n i e n s c h o n in der Mitte des 5. J a h s . s t a t t f a n d {Hist. Britt. § 38, wo die W o r t e : occupaverunt regiones plurimas definitive B e s i e d l u n g v e r m u t e n lassen). Zur Besiedlung v o n D e i r a h a b e n wir die A n g a b c des genealogischen A b s c h n i t t e s

6oo

ENGLISCHES

SIEDELUNGSWESEN

Lande kamen, das Angulus genannt wurde und zwischen den Territorien der Jüten und der Sachsen lag. Die neuere Forschung hat diese Einteilung der germanischen Besiedler v o n Britannien angezweifelt. Chadwick (aaO. c. 4) begründet das folgendermaßen. I. Die Namen Angli und Saxones werden ohne Unterschied von vielen unsrer Ge§ 13. F ü r die binnenländischen Gebiete währsmänner und sogar von Beda selbst von England fehlt jeder zuverlässige Befür alle germanischen Siedler gebraucht, richt. A u f die etwas fragwürdige Ver(vgl. z B . H E . I 14, 22, 32; II 5; I I I 8, 29; m u t u n g v o n Chadwick (aaO. 15—17"!, daß V 9; Annales Cambriae ann. 225; A . S. die Besiedlung von Mercien wahrscheinlich Chron. ann. 787, 836, 897; Birch Cart. Sax. schon in der 5. Generation vor Penda statt558; Felix Life of St. Guthlac S. 29 [hrsg. v. fand, wonach also die Daten der BesiedBirch], wo die Stelle v o r k o m m t : Brittones lung von Mercien möglicherweise vor dem injesti hostes Saxonici generis, die in der Ende des 5. Jhs. liegen, sei indessen hineinheimischen Version Kap. 6 [hrsg v. C. W . gewiesen. Chadwick stützt diese V e r m u Goodwin, London 1848, S. 42; hrsg. v. P. tung auf die Angabe, daß die GeschlechtsGonser, A F . 27, Heidelberg 1909, S. 135] namen der kentischen und ostanglischen lautet: BryttaßeodAngolcynnesfeond). 2.Alle königlichen Familien v o n einem S t a m m angelsächsischen Königshäuser, von denen vater abgeleitet sind, der in Britannien Genealogien aufbewahrt sind, führen bis auf regiert haben soll, und daß eine Stelle in eins ihren S t a m m b a u m auf Woden z u r ü c k ; dem Leben des heiligen Guthlac von Felix diese Ausnahme ist die ostsächsische F a (§§ 1 u. 2; vgl. Birch Memorials of S. milie, während die westsächsischen und Guthlac, Wisbeach 1881, S. 9 u. die angelbernicischen Familien ihre A b k u n f t v o n sächsische Version [hrsg. v . G. W . Goodwin, demselben Sohnu und nach einigen Quellen London 1848, S. 8; hrsg. v. P. Gonser, (A. S. Chron. a. 547 u. A n h a n g zu Flore ce Anglist. Forsch. 27, Heidelberg 1909, S. of Worcester) v o n demselben Enkel W o d e n s 104]) vermuten läßt, die mercische Königsherleiteten. 3. Die sprachlichen Unterfamilie hätte ihren Namen von Icel abgeschiede zwischen den verschiedenen Dialeitet, der in der Chronik (unter dem Jahre lekten des angelsächsischen Britannien kön626), aber nicht bei Nennius (Hist. Britt. nen entstanden sein ,,at a time considerably § 60) in die 5. Generation vor Penda gesubsequent to the invasion", während die stellt wird. geographischen Verhältnisse ihren Cha§ 14. Die zweite Frage, die für die angelrakter bestimmt zu haben scheinen, ,,insächsischen Siedelungen zu beantworten ist, ist e t h n o l o g i s c h e r Natur. Wel- j dependently of any consideration as t o che Zweige der germanischen Rasse nahmen ; whether the neighbouring kingdoms were an den Einfällen teil, und inwieweit fühlten I Saxon,Anglian or J u t i s h " . 4. Archäologische sich diese Zweige voneinander verschieden ? • Fundehaben keinen Gegensatzzwischen dem Die Grundlage der Antwort, die gewöhn- ; anglischen Norden und dem sächsischen lich gegeben wird, ist die Angabe von B e d a i Süden dargetan, seit die Entdeckungen die (HE. I, 15), daß die germanischen Siedler \ Behauptung, daß in vorchristlichen Zeiten Britanniens 3 Völkern entstammten: den die Verbrennung der Toten v o n den A n g e l n Sachsen, Angeln und J ü t e n ; daß von : und die Bestattung von den Sachsen geübt diesen die Jüten in Kent, auf der Insel wurde, als falsch erwiesen haben und W i g h t und an einem Teile der westsächebenso die Theorie zerstörten, daß k r e u z sischen K ü s t e n wohnten; daß die Ostförmige Spangen als anglisch und cupellisachsen, Südsachsen und Westsachsen aus • förmige als sächsisch anzusehen seien. der Gegend des alten Sachsen kamen; daß 5. Die gesellschaftliche Ordnung, wie sie in die Ostangeln, Mittelangeln, Mercier und dem System des Wergeides sich enthüllt, Northumbrier Angeln waren und aus dem ' scheint zwar Bedas Angabe, daß die Män-

der Historia Brittonum (Kap. 61), daß Soemil, der in die 5. Generation vor Vlli ( = Aelli, der in Deira v o n 560—588 regierte) gesetzt wird, primus scparavil Deur 0 Birneich, und das ist so gedeutet worden, daß er ein anglisches Fürstentum von den noch keltischen bernicischen Gegenden abtrennte (vgl. O m a n aaO. 241).

ENGLISCHES

ner v o n K e n t der Rasse nach v o n den Einw o h n e r n des größeren Teils v o n E n g l a n d verschieden waren, zu bestätigen, l ä ß t jedoch keinen auffallenden Gegensatz zwischen Mercien und Northumbrien einerseits und W e s s e x anderseits ersehen. Diese B e t r a c h t u n g e n haben C h a d w i c k z u m Schlüsse g e f ü h r t , d a ß ,,the invaders of Britain belonged not to three b u t to t w o distinct nationalities, w h i c h we m a y call Jutish and Anglo-Saxon". A b e r während diese Untersuchungen zweifellos zeigen, d a ß der Unterschied zwischen den A n g e l n und Sachsen nicht so groß war, wie er oft a n g e n o m m e n wurde, so rechtfertigen sie k a u m den Schluß, d a ß die V ö l k e r , die in N o r d - und Zentralbritannien sich ansiedelten, sich nicht als eine v o n den E i n w o h n e r n v o n Essex, Sussex und W e s s e x verschiedene N a t i o n a l i t ä t fühlten. Die A r g u m e n t e , die aus der Spräche, aus genealogischen U n t e r s u c h u n gen und aus dem unterschiedslosen Gebrauch der N a m e n Angli und Saxones gezogen werden, passen ebenso g u t für K e n t ; aber C h a d w i c k n i m m t an, d a ß die L e u t e v o n K e n t v o n einer andern Rasse waren, und seine Versuche, den besondern Gebrauch des S a c h s c n n a m c n s zu erklären, scheinen d e m n a c h sehr phantastisch und unsicher zu sein. § 15. Eine andere K r i t i k an der E t h n o logie B e d a s k a n n in der Beziehung g e ü b t werden, d a ß er z w a r keine falsche U n t e r scheidung gemacht, aber d a ß er ein germanisches V o l k v o l l k o m m e n u n b e a c h t e t gelassen habe, das wahrscheinlich an der E r o b e r u n g teilnahm. G a n z abgesehen v o n der A n g a b e des P r o c o p (Gotischer K r i e g 4, 20) spricht m a n c h e s f ü r die A n n a h m e , d a ß einige F r i e s e n in Britannien sich ansiedelten. Die See, die an einen T e i l der s c h o t der tischen K ü s t e angrenzt (vielleicht F i r t h of F o r t h oder der Firth of S o l w a y ) wird v o n Nennius Mare Frenessicum oder Mare Fresicum (§ 38) genannt, und der N a m e Litus Frisicum wird einem Teile der K ü s t e des Firth of F o r t h in d e m L e b e n des heiligen K e n t i g e r n v o n J o c e l y n beigelegt (c. 8; v g l . Lives oj S. Ninian and S. Kentigern, hrsg. A. P. Forbes in: Historians of Scotland B d . V, S. 176, 328, E d i n b u r g h , 1874; Sir H. Maxwell Scottish Land Hoops,

Reallexikon.

I.

601

SIEDELUNGSWESEN

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Names, E d i n b u r g h 1894, S. 73). Der N a m e Dumfries ist nicht unwahrscheinlich m i t , Schanze der Friesen' (Diln¡res) übersetzt worden, und der geographische Sitz des friesischen V o l k e s auf d e m K o n t i n e n t und seine w o h l b e k a n n t e n seemännischen Eigenschaften in späteren Zeiten machen den Schluß, den diese Bew e i s f r a g m e n t e nahelegen, nicht unwahrscheinlich, zumal die Ä h n l i c h k e i t der friesischen und englischen Sprachen die A u f s a u g u n g eines friesischen E l e m e n t e s durch die angelsächsischen V ö l k e r miterklären könnte. S k e a t neigt zur A n n a h m e , d a ß eine beträchtliche A n z a h l v o n Friesen im Mittellande saß, und daß in diesen Distrikten, und z w a r mehr im S ü d e n als im Norden, ihre hauptsächlichsten Siedelungen lagen ( S k e a t Principles of Engl. Etymology: First Serics, O x f o r d 1887, S. 32—33). E s w ü r d e indessen über die Grenzen dieses A r t i k e l s hinausgehen, die geographischen und ethnologischen V e r w a n d t s c h a f t e n dieser verschiedenen Völker, b e v o r sie ihre H e i m a t auf dem K o n t i n e n t verließen, zu behandeln. Vgl. A r t i k e l ' A n g e 1 s a c h s c n'. § 16. Mit dem ethnologischen P r o b l e m steht die Frage, ob die E r o b e r u n g e n der H a u p t s a c h e nach das W e r k verstreuter B a n d e n waren, oder ob ein einzelner großer Einfall die Siedlungen einleitete, im Zusammenhang. Allerdings bieten die zeitgenössischen Berichte sehr w e n i g Zeugnisse f ü r sporadische Siedlungen; die A n nalen, die von einer getrennten Besiedlung v o n W e s s e x v o n der H a m p s h i r e - K ü s t e aus berichten, sind vielleicht die v e r d ä c h t i g s t e n in der Chronik; und die soziologischen V e r w a n d t s c h a f t e n v o n N o r t h u m b r i e n , Mercien und W e s s e x , ferner die ähnlichen S t a m m b ä u m e der K ö n i g s h ä u s e r der anglischen und sächsischen S t a a t e n lassen zur Erk l ä r u n g der Besiedelung des größeren Teiles v o n B r i t a n n i e n die T h e o r i e e i n e r großen angelsächsischen Invasion als möglich zu.

A b e r die W a h r s c h e i n l i c h k e i t j scheint doch in der andern R i c h t u n g z u ; liegen. Die Überlieferung v o n einem bej sondern K e n t i s c h e n Einfall k a n n nicht leicht v o n der H a n d gewiesen werden, und ihre A n n a h m e e n t w e r t e t das A r g u m e n t , d a ß der B e r i c h t des Gildas auf eine einzelne umfassende E i n w a n d e r u n g hinweist. 39

6o2

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SIEDELUNGSWESEN

aber dafür, daß in Dorchester in OxfordFerner ist durchaus nicht sicher, daß die shire jemals eine Münzstätte war, haben alten westsächsischen Annalen so unglaubwir keinerlei Zeugnis; denn die Münzen, würdig sind, wie manche Historiker vordie die Inschrift D O R tragen, wurden, aussetzen (vgl. Stevenson E H R . 14, 32 ff.), was beinahe sicher ist, in Dorchester in und auch wenn jede Einzelheit, die sie beDorsetshire geschlagen, wo nach dem richten, falsch wäre, so können sie doch Domesday Book eine Münzstätte bestand eine wahre Tradition zum Ausdruck brin(vgl. H. A. Grucber u. C. F. Keary Catagen, die auf eine getrennte Eroberung und logue of English coins in the British Muderen hauptsächlichste Entwicklungsphaseum: Anglo-Saxon Series, London 1893, sen hinweist. Außerdem würde die HypoBd. II, S. 159). Ferner: wenn die ganze these, daß Wessex eine Kolonie von Sussex Küste von Hampshire ursprünglich jütisch war (vgl. Chadwick aaO. pp. 34, 87), kaum war, so ist es schwer, die Ableitung des mit der Theorie eines allgemeinen angelGrafschaftsnamens aus Southampton zu sächsischen Einfalls zusammenstimmen, erklären. Denn wenn die Hampshire-Küste denn die geographische Isolierung von Suserst in später Zeit durch die Westsachsen sex, die durch den Andredsweald verurden Jüten abgenommen wurde, so ist es sacht wurde, scheint ein mehr als genügenunwahrscheinlich, daß eine Grafschaft, die des Faktum zu sein, um jedem weitgehendie spätere Hauptstadt Winchester enthielt, den Schlüsse, der aus Bedas Angaben über ihren Namen von einem verhältnismäßig die frühe Oberherrschaft des südsächsischen unbedeutenden Vorposten im jütischen /Elli (HE. II 5) gezogen werden könnte, Territorium angenommen haben soll. die Wage zu halten. Nimmt man aber Southampton als das Ferner sind die Gründe, die Howorth ursprüngliche Zentrum der westsächsischen bewogen haben, eine Kolonisierung von Macht an, so würde das hinreichend die Wessex vom Norden aus, wie es schon Ausbreitung des Namens erklären. Palgrave vermutet hatte, anzunehmen, ganz unzureichend (Stevenson aaO.). Es ist auch zu beachten: Hampshire Nach Stevenson kann das Argument wird in der Chronik schon im Jahre 755 von Howorth, daß das Vorhandensein erwähnt; H a m p t o n e (= Southampton) von Jüten an der Küste von Hampshire wird in einer Urkunde aus dem Jahre 840 die Erzählung von einer westsächsischen (vgl. Birch Cart. Sax. 431) eine villa regaLandung dort widerlegt, durch die Anlis genannt, und von .-Ethelstan wurden nahme, daß ein Bündnis zwischen den Bestimmungen für eine Münzstätte dort beiden Völkern in dieser Gegend bestand, erlassen (II 14, 2). beantwortet werden. Auf das Argument, Das Argument von Oman (aaO. S. 227), daß Dorchester in Oxfordshire die ursprüngder Name Middlesex ließe sich am besten liche Hauptstadt von Wessex gewesen sein durch die Hypothese erklären, daß die urmüsse, weil es der Sitz des ersten westsprünglichen westsächsischen Siedelungen sächsischen Bistums war, erwidert Stevenin dem Tale der Themse lagen, hat gar son: das mercische Bistum wäre in Lichkein Gewicht, wenn nicht bewiesen werden field gewesen, während Tamworth den ; kann, daß der Name Middlesex vor dem meisten Anspruch darauf hätte, als die Jahre 571 gebraucht wurde, dem Jahr, in mercische Hauptstadt angesehen zu werdem Ceawlin vier Orte eingenommen haben den; und ferner: Birinus schiene die ganze soll, die so gut wie sicher in dem modernen Civitas von Dorchester geschenkt erhalten Oxfordshire und Buckinghamshire lagen. zu haben, was unwahrscheinlich wäre, Größeres Gewicht hat das Argument wenn es die Hauptstadt war (HE. III 7). von R. A. Smith (VCH. Hampshire Bd. I Auch darauf kann hingewiesen werden, | S. 382—-383), schüsseiförmige Spangen, daß die Königsstädte der verschiedenen ! die man als westsächsisch ansieht, wären in Oxfordshire und Buckinghamshire geangelsächsischen Königreiche gewöhnlich funden worden, aber keine in Hampshire, der Sitz von Münzstätten in der späteren und deshalb wäre es wahrscheinlich, ,,that angelsächsischen Periode waren (z. B. during the pagan period the people who Canterbury, London, York, Tamworth),

ENCLISCHES

SIEDELUNGSWESEN

spread throughout central England did not reach the Hampshire border." Dagegen kann aber geltend gemacht werden, wie es S m i t h selbst zugibt, daß „ t h e soil of the Hampshire basin has not the preservative qualities of the c h a l k " (aaO. S. 391), ferner, daß nicht nur Funde westsächsischen, sondern auch jütischen Charakters an der der Insel W i g h t gegenüberliegenden K ü s t e fehlen (aaO. S. 379), und schließlich, daß eine Spange des nach der gewöhnlichen Annahme ausgesprochen westsächsischen Typus auf der Insel W i g h t selbst gefunden wurde (aaO. S. 383). Die Theorie, daß Wessex ein Absenker von Essex gewesen sein könnte, wird nicht durch die Tatsache begünstigt, daß die ostanglische königliche Genealogie für sich dasteht (Chadwick aaO. 34, 59). Schließlich muß folgender E r w ä g u n g Beachtung geschenkt werden: (1). Gleichzeitige oder fast gleichzeitige Einfälle, wenn sie auch tatsächlich getrennt voneinander stattfanden, können die britischen und gallischen Chronisten als miteinander im Verband stehend angesehen haben. (2). Es ist eher anzunehmen, daß verschiedene Einfälle so in der Überlieferung zusammengeworfen worden sind, als daß das Gewicht eines großen einheitlichen Zuges in der Erinnerung der Eroberer gänzlich ausgelöscht wurde. (3). Das Fehlen einer Überlieferung für die Kolonisierung nördlich der Themse, der Mangel an Einheit in dem Mercischen S t a a t und die späte Errichtung des K ö n i g t u m s in Essex und Bernicia legen die V e r m u t u n g nahe, daß die Siedclungenin diesen Distrikten weniger organisiert und vereinzelter waren, als diejenigen im Süden. Eben für den Süden ist es auch möglich, daß verschiedene getrennte Siedelungen in den Berichten über die Gründung v o n Wessex miteinander vermengt wurden, wenigstens wird das durch die Erzählung B e d a s über die Jüten v o n Hampshire und durch die E r w ä h n u n g der drei A n k u n f t s d a t e n (495, 501, 514) in der Chronik nahegelegt. Anderseits aber können die Versuche v o n R o u n d , die Besiedelung v o n Sussex durch eine Reihe von Einfällen, die die Flußufer aufwärts gingen, zu erklären, nicht an-

603

genommen werden, denn er hat den Unterschied zwischen dem Suffix-käm (= hörne) und dem Suffix-Aam (etwa zu übersetzen mit 'Fischreuse'oder'Sumpfwiese') nicht beachtet. Das Suffix-ham. würde die H ä u f u n g der damit gebildeten Namen längs der Flußläufe ohne die Hypothese eines früheren Datums für die Siedelung erklären. (Vgl. J. H. Round, Commune of London, Westminster 1899, S. 4 — 9 ; W. J. Corbett, E H R . 16, 770.) § 17. Nach dem jetzigen Stande der Wissenschaft ist es k a u m möglich, genaue und ins einzelne gehende A n g a b e n über den Hergang der Siedelungen zu machen. Die ältere Schule der Historiker neigte zu sehr dazu, die Örtlichkeiten und Daten der verschiedenen Siege, die unsere Quellen nennen, für die Bestimmung der Chronologie und der Ausdehnung der Siedelungen als Grundlage anzunehmen; dabei wurden die archäologischen Zeugnisse und die Ortsnamen zu sehr vernachlässigt. A b e r wenn auch alle verschiedenartigen Zeugnisse herangezogen werden, so wird das Ergebnis wahrscheinlich über Verallgemeinerungen in großen Zügen nicht hinausgehen. Bei vielen Entdeckungen bleibt immer die Schwierigkeit, Reste der christlichen und heidnischen Perioden voneinander zu unterscheiden, und es ist im allgemeinen unmöglich, den Ursprung der Ortsnamen zu bestimmen. Nach Gildas (Kap. 26) scheint das Vorrücken der Sachsen durch eine Niederlage der Eroberer bei der Belagerung von Möns Badonicus im Geburtsjahr des Geschichtsschreibers zum Stillstand gekommen zu sein. Weder der Ort noch das D a t u m dieser Niederlage lassen sich näher bestimmen. Einige Forscher legen die Stelle bei Gildas so aus, daß die Belagerung schon i. J. 493 stattfand, andere setzen sie nach den Annales Cambriae ins Jahr 516 (vgl. Oman aaO. S. 200—201). Es ist auch nicht unwahrscheinlich, daß Gildas die Folgen jenes Rückschlages übertreibt (vgl. Hist. Brit. K a p . 56). § 18. Sind diese ersten Ereignisse noch in Dunkel gehüllt, so verdienen für die Bestimmung des Vordringens der Eroberung folgende A n g a b e n besondere Beachtung: 1. Cuthwulf, augenscheinlich

39>;

ENGLISCHES

604 ein

Westsachse,

entriß

den

Briten

SIEDELUNGSWESEN

Land

i m T a l d e r T h e m s e i. J . 5 7 1 ( A . S . C h r o n . ,

südlichen

Deira zusammengesetzter

Staat

u n d i m m e r in G e f a h r a u s e i n a n d e r zu f a l l e n .

z. J . 5 7 1 ) ; O m a n ( a a O . S. 230) i s t der M e i -

Die beiden Provinzen wurden

n u n g , d a ß die G e g n e r v o n C u t h w u l f

lich d u r c h den Tees, vielleicht durch

scheinlich

von

und

die W o r t e

daß

wahr-

germanischer Rasse

waren,

wip Bretwalas

durch

Tyne,

getrennt,

Grenze

von

während

Bernicien

wahrschein-

die

den

nördliche

wahrscheinlich

bis

d e n I r r t u m eines S c h r e i b e r s in die C h r o n i k

z u m F ö r t h r e i c h t e ( v g l . die

gekommen

J a h r h . s t a m m e n d e V i t a S. O s w a l d i in S i m e o n

Ceawlin drei

sind;

und

(A. von

Chron.,

z.

König

Hodgkin Moor

aaO.

S.

Tynedalc)

577);

3.

bei

über und

schotti(nach das

Upper

H. E.

1, 3 4 ) ;

die

Briten

b e i C h e s t e r , w a h r s c h e i n l i c h i. J . 6 1 3

oder

Die

Mittelangeln

waren

ihnen

a u c h die P r o v i n z der L i n d e s f a r i (das verschiedenen

Zeiten

zu

Mercien

in

Plummers

Beda

II

S.

die

gegebenen

Daten

vgl.

Cambriae

an-

Plummer's

Beda

Diese

wenigen

vermuten, bis

zum

Medehamstead

Daten

lassen

ungefähr

w i e w e i t die g e r m . E r o b e r u n g e n Zeitpunkt,

wo

unsere

Berichte

(das

borough) umschloß. — E s s e x

R d . 2 S. 7 7 ) .

und

N o r t h u m b r i e n g e h ö r t e ( v g l . die A n m e r k u n g

nach

Annales

mo-

d e r n e L i n d s e y , H . E . II 16, I I I 24), die z u

P r o v i n z der G y r u i i (H. E.

den

Untertan

B e d a H . E . I I I 2 1 , 24). B e d a u n t e r s c h e i d e t

6 1 6 ( B e d a , I L E . 2, 2; ü b e r die v o n T i g h e r und



bestand ebenfalls aus zwei

S t a a t e n ; dem der Nord-Mercier und der Süd-

und

schlug

2. M e r c i e n

M e r c i e r , die d u r c h d e n T r e n t g e t r e n n t w a r e n .

134 w a h r s c h e i n l i c h

Ethelfried

of D u r h a m , R o l l s S e r i e s B d . I S. 339).

Bath

den

Liddesdale

12.

Ethelfried

Degsastan

i. J . 603 ( B e d a ,

derselbe

Sieg

Deorham

schlug

Aidan

zwischen

zu

Cirencester und J.

Northumbrien

schen

gewannen

einen

Könige

Gloucester,

S.

4.

Cuthwulf

britische

nahmen

2. i m J . 5 7 7

aus dem

scheint

Middlesex

die

und

moderne

die 6),

Pcter-

3. D a s

Königreich

moderne

Grafschaft

umschlossen

zu

H . E . I I 3 ; B i r c h , Cart. Sax. —

155)

I I I 20, I V

haben

(Beda

I. C X I , S. 163).

4. D i e W a h r s c h e i n l i c h k e i t s p r i c h t d a f ü r ,

z u e r s t v o n v e r d ä c h t i g e n Z ü g e n frei w e r d e n ,

daß

vorgedrungen

d e n W e s t s a c h s e n , d a s die J ü t e n d e r I n s e l

waren,

aber

daß

auch

der

das

Gefühl

Wight

( T e i l v o n H a m p s h i r e ) h a t t e n , bis z u r

Zeit

bei

des Ceadwalla

vgl.

Herrschaft

des

B e d a , H . E . I V 13, 14 [ 1 6 ] u n d C h a d w i c k

zwischen

572

daß

die A n g e l n

Lindisfarne Theodric, und

von

während also

579

und

die

den der

vielleicht

(Hist.

wurden,

zeigt

Brit.

Briten

§ 63),

ferner

das

Angabe,

geschlagen

Bestehen

britischen Königreiches von Elmet, scheinlich 7.

Jahrh. In

S. W .

(Hist.

Bedas

nisierung nien

im

von

die

und

können Kap.

der

allerdings

nicht

in

ganz

Ursprungs, Jahrh.

S.

5).

mehr

oder

genau

C h a d w i c k

I) h a t d a s D u n k e l so w e i t w i e

be(aaO. mög-

§ 19.

Territorien

Worcester der

Grenzen

aber

zuerst

7.

Ihre G r e n z e n

von

in

Mercia dem

erwähnt Über

Meanwari

(685—688;

In d e n

das Unterkönigreich

BritanNort-

5.

Diözese

unbestimmten

Christia-

Essex,

Wessex

wir

der

fortdauert

S. 4). —

dieses

Ostangeln,

weniger endgültiger Gestalt. stimmt werden, aber

zum

Königreiche

Mercien,

Sussex

bis

63).

angelsächsischen

erscheinen

Kent,

§

Bericht

des

humbrien,

Yorkshire,

Brit.

des

augen-

aaO.

späteren

Provinz

von

E r f o l g der Angelsachsen leicht übertrieben kann,

die

Unterscheidung

worden

sein

und

der

Hwicce,

und

unterworfen,

letzten

wird

(Chadwick

den Verlauf

der

erörtern.

genügen:

I.

nach

Die

folgenden

Chadwick

N o r t h u m b r i e n

mögen war

ein aus d e m nördlichen Bernicien und d e m

aaO.

späteren

nur

mehr

oder

weniger

wahrscheinliche

S c h l ü s s e z i e h e n . E s ist n i c h t u n w a h r s c h e i n lich,

daß

die

Angaben

der

Chronik

die

H a u p t d a t e n der E r o b e r u n g v o n

Somerset-

shire

Eroberung

richtig wiedergeben:

die

ford-on-Avon

zu

des

E r o b e r u n g e n der A n g e l s a c h s e n l a s s e n s i c h

d i e P r o b l e m e d e r G e o g r a p h i e d e s 7. J a h r h . Angaben

als

Viertel

v o n B a t h i. J . 5 7 7 , die S c h l a c h t z u

kurzen

mit

ungewissen

l i c h g e l i c h t e t . E s w ü r d e hier z u w e i t f ü h r e n , eingehend

der finden

i.

J.

652,

ein

Brad-

Vorrücken

b i s z u m P a r r e t i. J . 658 u n d ein w e i t e r e s V o r r ü c k e n bis z u r K ü s t e i. J . 682. (aaO.

S.

Oman

289) ist a l l e r d i n g s der M e i n u n g ,

d a ß dieser l e t z t e E i n t r a g

sich nur auf

die

ENGLISCHES

SIEDELUNGSWESEN

605

A b w e i s u n g eines Einfalls der Dumnonier E. Fripp, V C H . Dorset, Bd. II S. 124—126). bezieht, und daß die Eroberer zum K a n a l Solche Konjekturen, wie die erwähnte, bevon Bristol zurückgetrieben wurden. halten aber immer den Charakter der Die Besiegung des westwallisischen Königs Unsicherheit, und in den wenigen Fällen, Geraint durch Ine i. J. 710 und die von wo ein höherer Grad von WahrscheinlichIne vorgenommene Befestigung von Taunkeit vorhanden zu sein scheint — wie bei ton vor dem Jahre 722 (vgl. A. S. Chron., der Angabe, daß Edwin von Northumbrien die betr. Jahre) mögen wichtige F a c t a sein. Elmet einnahm (Hist. Britt. § 63) — , ist A b e r nichtsdestoweniger ist vieles unsicher, wenig wirklich sicher, denn die politische denn die politische Oberherrschaft kann Eroberung braucht nicht mit der Kolonider kolonisierenden Vorwärtsbewegung vorsierung gleichzeitig zu sein oder sie zu angegangen oder ihr gefolgt sein. veranlassen. Aus den wenigen Berichten Einerseits läßt die archäologische For- ' über die Angriffe von Offa auf Wales läßt sich kein sicherer Schluß ziehen (Annales schung vermuten, daß das Vordringen der Cambriae: ann. 334, 340: M H B . 1 S. 834; Sachsen in Somersetshire, wie auch die vgl. Hodgkin, aaO. S. 251). Chronik anzudeuten scheint, nach dem J . 577 einen Stillstand erfuhr, denn wenige § 21. Einige allgemeinere Schlüsse über sächsische Funde von ausgesprochen heiddie schließliche Ausdehnung der Siede nischem Charakter sind dort zutage gelungen könnten allerdings aus einem sorgfördert worden (vgl. R. A. Smith in V C H . fältigen Studium des Verhältnisses der Somerset Bd. I S. 373). Anderseits legt keltischen zu den germanischen Ortsnamen die Aufnahme von St. Bonifacius (Winfrid) in Grenzgebieten wohl gewonnen werden, in ein Kloster zu Adescancastre (Excter?), aber ein derartiges Studium würde eine dessen A b t Wolfhard hieß, die Annahme getrennte Registrierung der noch vornahe, daß germanische Siedelungen schon handenen Namen und der Namen, die in vor dem Ende des 7. Jahrh. in das Innere alten Denkmälern vorkommen, erfordern. von Devonshire vorgedrungen waren (vgl. Diese Arbeit ist noch zu leisten, und es Willibaldi V i t a S. Bonifacii K a p . I; ist fraglich, ob sie schließlich nicht doch Jaffe, Monumenta Moguntina (1866) S.433). leicht zu Fehlschlüssen führen könnte. § 20. Über die Besiedlung der anderen IV. A l l g e m c i n e S c h l ü s s e ü b er westlichen Landschaften läßt sich nur den C h a r a k t e r der E r o b e r u n g ebenso wenig angeben, bis die archäolound S i e d e 1 u n g e n. § 22. Es ist gische und sprachlichc Forschung mehr lange darüber gestritten worden, inwieweit Resultate gezeitigt hat. Für Dorsetshire die angelsächsischen Eroberungen die Verz. B. ist nur die sehr unsichere V e r m u t u n g nichtung der römisch-britischen Bevölkemöglich, daß es von Norden her besiedelt rung und der römisch-britischen Zivilisation wurde und nicht v o n Hampshire oder nach sich zogen, oder wenigstens dazu von der K ü s t e aus. Diese Annahme wird führten, daß die früheren Einwohner aus durch die ungünstigen Landungsverhältden eroberten Distrikten vertrieben wurden. nisse der Dorset-Küste gestützt, ferner Die Auffassung, daß ein beträchtlicher durch die Wahrscheinlichkeit, daß das Teil der römisch-britischen Bevölkerung und südliche Gestade, mit seinem Lehmboden, Zivilisation übrig blieb, wurde unter den mit seiner im Vergleich zu den nördlicheren älteren Historiker von C. H. P e a r s o n Teilen der Landschaft höheren Temperatur vertreten (History of England during the und häufigerem Regenfall, bewaldet war, Early and Middle Ages, London 1867, Bd.I) und schließlich durch die Tatsache, daß und in neuerer Zeit wieder von F. S e e die südlichen und östlichen Distrikte Community, b o h m (The English Village eine größere Zahl von Weilern im VerLondon 1883). Pearson plädierte — allerhältnis zu Kern-Dörfern aufweisen; dies dings war vieles von seiner wissenschaftspricht nach Meitzens Theorie für das lichen Kenntnis unkritisch und ist j e t z t Übrigbleiben eines Teiles der keltischen veraltet — für seine Auffassung mit der Bevölkerung, was in den späteren Phasen a priori Begründung, daß ,,the object of der Eroberung eher geschehen konnte (vgl. the races who broke up the Roman Empire

6o6

ENGLISCHES

SIEDELUNGSWESEN

was not to settle in a desert, but to live at ease, as an aristocracy of soldiers, drawing rent from a peaceful population of tenants" und er versuchte den Mangel von Beweisen für die Schonung der Überlebenden durch den Satz zu erklären: ,,The calm of the conquered has been mistaken for the silence of the dead". Seebohms Argument hatte in der Hypothese, daß die Schwierigkeit, die Existenz des mittelalterlichen Landgütersystems zu erklären, nur durch den Ursprung im römischen Villa - System, das nach seiner A u f f a s sung die germanischen Einfälle überdauert haben sollte, gelöst werden könne, eine viel festere Grundlage. Unter den neueren Forscher haben F. W. M a i t l a n d undP. V i n o g r a d o f f s i c h namentlich gegen diese Hypothese Seebohms gewandt und eine andere Erklärung versucht, die darauf hinausgeht, daß sie die Entwicklung des Landgütersystems in sozialen und ökonomischen K r ä f t e n suchen, deren Wirksamkeit sich nachweisen läßt und die namentlich durch die skandinavischen Einfälle gefördert wurden (vgl. Maitland, Domesday Book and Beyond, Cambridge 1897, Essay 2; Vinogradoff, Growth of the Manor, London 1905). Im allgemeinen sind die meisten Gelehrten seit längerer Zeit zu Auffassungen gekommen, die der von E. A . Freeman und W . Stubbs sich mehr nähern als der von Seebohm, und jetzt ist die Ansicht fast allgemein, daß die angelsächsischen Eroberungen destruktivenCharakter hatten, wenigstens bis sie den Severn und den Dee erreichten, und seit, nach der Trennung der Briten von Cumbria und Strathclyde und von West-Wales von denen v o n Wales, die Schonung für die Eroberer keine Gefahr mehr bot. D a ß die römische Zivilisation tatsächlich in Britannien, entweder von keltischen oder germanischen Barbaren, vernichtet wurde, wird durch die archäologische Forschung und durch die merkwürdige Unkenntnis des römischen Britannien, die bei Gildas zutage tritt, bezeugt (vgl. F. J. Haverfield, The Romanization of Roman Britain, in: Proceedings of the British A c a d e m y Bd. 2). § 23. Daß die germanischen Eroberer nicht geringere Zerstörungswut zeigten als

die Pikten oder die Skotten wird nicht nur durch die Stelle in der Chronik bewiesen, die v o n der Erstürmung v o n Anderida (anno 491) spricht, und durch das Gedicht „ D i e R u i n e " , das augenscheinlich dem 8. Jahrh. angehört (vgl. Grein, Bibliothek der angels. Poesie, 1857, I S. 248), sondern auch durch den ganzen Ton von Gildas, durch die Berichte über die Grausamkeit der sächsischen Piraten, die die K ü s t e von Gallien angriffen (vgl. Apollinaris Sidonii Epist. V I I I 6; MGH. A u c t . Antiq. 8, 132) und durch die Wahrscheinlichkeit, daß, wenn die Eroberungen das Werk einer großen Zahl kleiner Banden waren, bei der geringen Stärke dieser Banden die Schonung der Einwohner gefährlich werden mußte. Und daß die Bevölkerung der eingenommenen Distrikte vorwiegend germanisch wurde, scheint durch den germanischen Charakter der Ortsnamen, die Sprache und die Einrichtungen des angelsächsischen England bezeugt zu werden. § 24. Es fällt namentlich auf, daß die Briten ihr Christentum nicht den Erobern übermittelten, denn wenn die britische Kirche in den eroberten Distrikten weiterbestanden hätte, so wäre es sehr wahrscheinlich, daß, da die Religion der Eroberer weder durch ein festes D o g m a noch durch einen hochorganisierten Priesterstand geschützt wurde, eine Religion der Propaganda wie das Christentum bald die Oberhand gewonnen hätte. Man kann also nur annehmen, daß, wenngleich einzelne Briten geschont worden sind, britische Gemeinden, die fähig gewesen wären, Einrichtungen und Gebräuche zu übermitteln, in der Regel vernichtet wurden. D a ß einzelne Briten auch in den früh eroberten Gegenden am Leben blieben, geht aus dem Weiterbestehen keltischer Flurnamen hervor. Ortsnamen wie Wallington (Wealinga tun) in Hertfordshire lassen vermuten, daß sporadisch ein britisches Dorf für sich in einem germanischen Distrikt bestehen blieb (vgl. W . W . S k e a t , Place Names of Hertfordshire S. 49); aber es gibt doch nur sehr wenig Beispiele dieser A r t von Ortsnamen, und die N a m e n der Dörfer in den zuerst besetzten Distrikten sind überwiegend germanisch.

ENGLISCHES

SIEDELUNGSWESEN

§ 25. Es wird natürlich allgemein zugegeben, daß viele Briten w ä h r e n d der s p ä t e r e n Eroberungen geschont w u r d e n . D a s geht f ü r das spätere Vordringen der Westsachsen aus den Vorschriften der Gesetze von Ine hervor (vgl. z. B. Ine 2 3> 24> 32i 46i 741 Liebermann aaO. Bd. I S. IOO, 102, 1 1 0 , 120). F ü r einen westsächsischen Distrikt, dessen B e s t i m m u n g zweifelhaft ist, haben wir a u c h den Beweis durch die V e r o r d n u n g über die D u n - s e t e (Liebermann, aaO. S. 374 bis 379). U n d wo wir b e s t i m m t e Vorschriften über die gesetzliche Behandlung der Briten haben, wie in diesen beiden D o k u m e n t e n , da ist es sicher, daß die Überlebenden eine beträchtliche Anzahl a u s g e m a c h t h a b e n müssen. In der Regel s t ü t z t m a n sich auf das häufigere V o r k o m m e n keltischer O r t s n a m e n als H a u p t b e w e i s f ü r ein ausgedehnteres Übrigbleiben der Kelten in den westlichen Distrikten, die von den Angelsachsen in der s p ä t e r e n Zeit der E r o b e r u n g besetzt w u r den. Aber so u n s c h ä t z b a r diese Zeugnisse sind, so sind sie doch nur mit Vorsicht zu b e n u t z e n und leicht irreführend, n a m e n t lich wenn feste Schlüsse auf G r u n d von Verhältniszahlen gezogen werden. Noch zweifelhafter sind Schlußfolgerungen, die sich auf das Vorwiegen von Weilern im Verhältnis zu K e r n - D ö r f e r n in den heutigen K a r t e n oder in der Übersicht des Domcsday-Buches stützen, und ebensowenig zuverlässig sind S c h ä t zungen, die das Verhältnis zwischen ,,geldhides" u n d „field hides" im DomesdayBcricht zugrunde legen (vgl. F. Baring: E H R . 14, S. 290—299). § 26. Anthropologische D a t e n ferner — Messungen der Schädel oder der Grad der P i g m e n t i e r u n g bei der lebenden Bevölkerung — können k a u m jemals vollständig genug sein, u m daraus über die örtliche Verteilung der Rassen in E n g l a n d genaue Schlüsse zu ziehen. Die auffällige Gleichmäßigkeit in der Kopfform bei der heutigen Bevölkerung der Britischen Inseln m u ß b e a c h t e t werden; aber es wäre gefährlich, d a r a u s auf eine A n n ä h e r u n g der gegenwärtigen Bevölkerung an einen einheitlichen R a s s e n t y p u s zu schließen. Denn die S t a t i s t i k über einen v e r h ä l t n i s m ä ß i g

607

b r ü n e t t e n T y p u s zeigt eine bemerkenswerte Ü b e r e i n s t i m m u n g zwischen den Gegenden, wo die tiefere P i g m e n t i e r u n g vorherrscht, und denen, wo keltische Ortsnamen überwiegen, obwohl m a n beachten sollte, daß das A u f t r e t e n eines b r ü n e t t e n T y p u s ähnlich dem v o n Wales in Hertfordshire und Buckinghamshire eine rätselhafte Ausn a h m e bildet. O'gh W. Z. Ripley, The Races of Europe, London 1900, K a p . 12; Bristol J . Beddoe, The Races of Britain, 1885.) V. V e r t e i l u n g d e r B e v ö l k e r u n g . § 27. Einige Angaben über die Verteilung der B e v ö l k e r u n g in E n g l a n d (mit Ausn a h m e der nördlichsten Grafschaften) i. J . 1086 können aus dem D o m e s d a y - B u c h gezogen werden, aber als genau sind sie aus folgenden G r ü n d e n nicht anzusehen. I. Sie e n t h a l t e n beträchtliche Lücken in der Aufstellung, die zum Beispiel keinen Bericht über so wichtige S t ä d t e wie L o n d o n u n d Winchester gibt. 2. Einige der liberi homines und sochemanni, die im Nordosten so zahlreich sind, mögen mehrmals gezählt worden sein, wenn sie Ländereien an mehreren O r t e n und u n t e r mehreren Lords besaßen (vgl. A. Ballard, The Domesday Inquest, L o n d o n 1906, S. 144). 3. Den S t a t i s t i k e n h a f t e t eine gewisse U n z u v e r lässigkeit an, weil es zweifelhaft ist, ob bei der A u f z ä h l u n g der Servi, in allen oder in gewissen Distrikten, jedes I n d i v i d u u m gezählt wurde oder n u r die V o r s t ä n d e der H a u s h a l t u n g e n , wie das augenscheinlich bei der A u f z ä h l u n g der meisten anderen Klassen der Fall w a r . Diese letzteren Zweifel beeinflussen jede B e r e c h n u n g über die Verteilung der Bevölkerung, weil liberi homines, sochemanni und servi sehr ungleichmäßig ü b e r das Land v e r t e i l t waren. Vinogradoff, das m a g hervorgehoben werden, ist der Meinung, d a ß die Mitglieder der Familie eines Sklaven von der Zählung ausgeschlossen gewesen sein müssen (vgl. Vinogradoff, English Society in the 11. Century, O x f o r d 1908, S . 4 6 3 — 6 4 ; F. W . Maitland, Domesday Book and Beyond, 2. Aufl., Cambridge 1907, S. 34). § 28. W e n n n u n auch die Genauigkeit fehlt, so k ö n n e n doch einige Schlüsse aus dem gezogen werden, was Maitland n e n n t

6o8

ENGLISCHES SIEDELUNGSWESEN

" t h e c r u d e m e t h o d of d v i d i n g the n u m ber of a c r e s c o m p r i s e d in a m o d e r n c o u n t y b y t h e n u m b e r of p e r s o n s w h o are m e n t i o n e d in the s u r v e y of t h a t county" ( a a O . S. 19). N a c h diesem Prinzip vorg e n o m m e n e und auf den v o n E l l i s (H. Ellis Introduction to Domesday Book, 1833, B d . I I S. 4 1 7 — 5 1 4 ) e r m i t t e l t e n Z a h l e n b a s i e r t e B e r e c h n u n g e n zeigen, d a ß die B e v ö l k e r u n g i m O s t e n d i c h t e r w a r als i m W e s t e n . Lincolnshire, Norfolk und Suffolk e n t h i e l t e n a u g e n s c h e i n l i c h f a s t ein V i e r t e l der g a n z e n B e v ö l k e r u n g , nicht e i n g e r e c h n e t die v i e r nördlichen G r a f s c h a f t e n , die in der A u f s t e l l u n g fehlen. M a i t l a n d g i b t an, d a ß die Q u o t i e n t e n , die bei T e i l u n g der A c k e r z a h l d u r c h die Personenzahl, die in d e m DomesdayB u c h e r w ä h n t w i r d , sich ergeben, sich u n g e f ä h r f o l g e n d e r m a ß e n s t e l l e n : 46 f ü r S u f f o l k , e t w a s mehr für N o r f o l k , 61 f ü r E s s e x , 67 f ü r L i n c o l n s h i r e , z w i s c h e n 70 u n d 80 f ü r die G r a f s c h a f t e n B e d f o r d , Berkshire, N o r t h a m p t o n , Leicester, Midd l e s e x , O x f o r d , K e n t und S o m e r s e t , und z w i s c h e n 80 u n d 90 f ü r B u c k i n g h a m s h i r e , Warwickshire, Sussex, Wiltshire und Dorset. " D e v o n , Gloucester, Worcester, Hereford", sagt Maitland, "arc thinly peopled, Cornwall, S t a f f o r d , Shropshire very thinly". D i e R e g e l der D i c h t i g k e i t der Bev ö l k e r u n g im O s t e n v e r g l i c h e n m i t der S p ä r l i c h k e i t im W e s t e n s c h e i n t f ü r S u r r e y , C a m b r i d g e s h i r e und Y o r k s h i r e n i c h t z u z u t r e f f e n , a b e r diese A u s n a h m e k a n n f ü r S u r r e y d u r c h die a u s g e d e h n t e n Heides t r e c k e n , f ü r C a m b r i d g e s h i r e d u r c h die nicht a u s g e t r o c k n e t e n Moore und f ü r Yorkshire d u r c h die B e h a n d l u n g , die es i. J . 1069 v o n der H a n d W i l h e l m s des E r o b e r e r s e r f u h r , e r k l ä r t w e r d e n (vgl. M a i t l a n d a a O . S. 1 9 — 2 0 , 402). § 29. A u s der H u f e n e i n t e i l u n g der D i s t r i k t e f ü r fiskalische Z w e c k e und ihrer T e i l u n g in „ H u n d r e d s " , die m i t der ö k o n o m i s c h e n E n t w i c k l u n g u n d der B e v ö l k e r u n g s d i c h t e in gewisser B e z i e h u n g stehen müssen, ließen sich v i e l l e i c h t einige S c h l ü s s e über die V e r t e i l u n g der B e v ö l k e r u n g f ü r die Z e i t v o r der R e g i e r u n g W i l h e l m s I. ziehen, a b e r sie sind z w e i f e l h a f t . Die

Hufenzählung

im

Domesday-Buch

h a t f ü r diese Z w e c k e eine Fehlerquelle in der a b s i c h t l i c h e n R e d u z i e r u n g des S t e u e r a n s c h l a g e s a u s persönlicher Rücksichtn a h m e ( „ b e n e f i c i a l h i d a t i o n " nach M a i t land), die in m a n c h e n G e g e n d e n ü b l i c h w a r ; aus d e m U n t e r s c h i e d der D o m e s d a y Z a h l e n v o n denen der „ N o r t h a m p t o n s h i r e G e l d - R o l l " und der " C o u n t y H i d a g e " g e h t anderseits hervor, d a ß die H u f e n e i n t e i l u n g im D o m e s d a y - B u c h , in einigen Fällen w e n i g stens, zeitlich n i c h t viel v o r der A n f e r t i g u n g des B u c h e s selbst liegt (vgl. M a i t land a a O . S. 4 5 6 — 5 7 ) . D i e T e i l u n g in " H u n d r e d s " ist w a h r scheinlich ä l t e r und k ö n n t e eher über die f r ü h e r e V e r t e i l u n g der B e v ö l k e r u n g A u f s c h l u ß geben. A b e r n a c h d e m D o m e s d a y B u c h l ä ß t sich die g e n a u e Größe der " H u n d r e d s " nicht e i n m a l in den B e z i r k e n b e s t i m m e n , f ü r die eine H u f e n z ä h l u n g v o r liegt, selbst im S ü d w e s t e n nicht, w o die Z a h l e n des E x e t e r - D o m e s d a y eine besonders g u t e U n t e r l a g e b i e t e n ; in den nördlichen B e z i r k e n v o l l e n d s , w o der ' H u n d r e d ' v o n dem, w a s m a n im S ü d e n d a r u n t e r v e r stand, g r u n d v e r s c h i e d e n w a r , wäre eine V e r g l e i c h u n g g ä n z l i c h nutzlos. W e n d e t m a n die e i n f a c h e M e t h o d e an, die Z a h l der Ä c k e r der v e r s c h i e d e n e n m o d e r n e n G r a f s c h a f t e n , w i e sie M a i t l a n d a n g i b t (aaO. S. 400) d u r c h die Z a h l der D o m e s d a y - ' H u n d r e d s ' , w i e sie C o r b e t t s c h ä t z t (vgl. W . J . C o r b e t t , The Tribal Hidage: T r a n s a c t i o n s of the R o y a l H i s t o r i c a l S o c i e t y , N e w Series, B d . X I V S. 2 2 3 — 2 3 0 ) , zu d i v i d i e r e n , so e r g e b e n sich bis zur U n verständlichkeit verschiedene Quotienten, die w e d e r einen G e g e n s a t z z w i s c h e n der S e e k ü s t e u n d dem L a n d i n n e r n , noch z w i schen O s t u n d W e s t e r s e h e n lassen ( v g l . W . S t u b b s Constitutional History5 Bd. I S. 1 0 6 — 1 0 8 ) . D e r Q u o t i e n t ist z w a r h o c h f ü r D e v o n u n d klein f ü r K e n t ( v g l . V i n o g r a d o f f a a O . S. 1 0 1 — 1 0 2 ) , a b e r er ist k l e i ner f ü r D o r s e t als f ü r K e n t u n d h ö h e r f ü r E s s e x als f ü r D e v o n . V e r g l i c h e n m i t der G r ö ß e der m o d e r n e n G r a f s c h a f t e n sind die ' H u n d r e d s ' z a h l r e i c h e r in S o m e r s e t und D o r s e t als in H a m p s h i r e , B e r k s h i r e u n d W i l t s h i r e ; das V e r h ä l t n i s der ' H u n d r e d s ' zu Ä c k e r n ist niedriger in N o r f o l k und S u f f o l k als in C a m b r i d g e s h i r e . Zwischen den G r a f s c h a f t e n v o n H u n t i n g d o n und

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B e d f o r d ist ein auffälliger Unterschied und ebenso zwischen Worccstershire und Gloucestcrshire. Auch wenn nun die Angaben hier weniger unsicher wären, so wäre noch die Frage zu lösen, ob die Größe der ' H u n d r e d s ' von der Verteilung der B e völkerung im allgemeinen abhing oder nur von der Dichtigkeit oder Spärlichkeit der g e r m a n i s c h e n Siedler. § 30. Kehren wir von den 'Hundreds' des D o m e s d a y - B u c h e s zu den Hufenzahlen der 'Tribal Hidage' zurück, so ergibt sich wieder jener auffallende Gegensatz zwischen Ost und West, der schonaus der Z ä h l u n g der B e völkerung im D o m e s d a y - B u c h hervorging. Wenn die Hwinca der „ T r i b a l H i d a g e " mit d e r - P r o v i n z der Hwiccas zu identifizieren sind und der A u s d e h n u n g nach m i t den heutigen G r a f s c h a f t e n von Worcestcr, Gloucester und Hereford sich decken, und wenn wir Corbett's Berichtigung von 1 0 OOO statt 1 0 0 000 als H u f e n z a h l von W e s s e x (aaO. S. 204) akzeptieren, so ist klar, daß das Verhältnis der Hufen zu Ä c k e r n unendlich größer in Ost-Angeln und K e n t und beträchtlich größer in S u s s e x und E s s e x ist als in W e s s e x oder in der Provinz der H w i c c a s ; und das bleibt selbst dann so, wenn die Ä c k e r des heutigen S u r r e y denen von K e n t zugezählt werden, und wenn nur Hampshire, Berkshire u n d W i l t s h i r e als zu W e s s e x gehörig angenommen werden. Aber diese Verallgemeinerungen sind doch nur mit Vorsicht zu verwenden. Der Zeitpunkt der „ T r i b a l H i d a g e " ist sehr unsicher, obwohl die Übereinstimmung zwischen ihren Zahlen f ü r S u s s e x und den von B e d a angegebenen ( H E . I V 1 3 ) v e r muten läßt, daß die Einteilung aus einer sehr frühen Periode s t a m m t , wenn nicht gar, wie Corbett annimmt, aus den T a g e n der northumbrischen Oberherrschaft. E s sollte auch beachtet werden, daß, je später wir den Zeitpunkt der Tribal Hidage ansetzen, um so größer der F l ä c h e n r a u m , der Wessex zuzuweisen ist, sein muß, und um so kleiner das Verhältnis der Hufenzahl zur G e s a m t z a h l der Acres. Es ist indessen nicht möglich, von starken Zweifeln loszukommen einserseits über die Richtigkeit der von Corbett f ü r W e s s e x berichtigten Ziffer, anderseits über die Möglichkeit, daß Unterschiede in der H u f e n -

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einteilung sowohl durch verschiedenartige B e h a n d l u n g verschiedener unterworfener S t ä m m e als durch tatsächliche Unterschiede in der Verteilung v o n R e i c h t u m und Einwohnern v e r u r s a c h t wurden. In bezug auf die Hufeneinteilung der binnenländischen Distrikte, die sich nicht genau identifizieren lassen, ergibt sich offensichtlich ein großer Unterschied, wenn wir den Distrikt des Myrcnalandes, dem 30 000 H u f e n zugewiesen werden, eher f ü r identisch mit Mercia ansehen, als, nach der H y p o these von Corbett, mit B e r n i c i a (vgl. H. M. Chadwick Studies on Anglo-Saxon Institutions, Cambridge 1905, S. 263-—268). Eine andere Auslegung der „ T r i b a l Hid a g e " nimmt die 30 000 H u f e n von Myrcnalandes als Z u s a m m e n f a s s u n g der später in dem Dokument angegebenen Einzelsummen (vgl. J . Brownbill E. H. R . X X V I I S. 625—648). Das würde das Verhältnis der Hufen zu Äckern in Mercien kleiner machen als in Ostangeln, K e n t , E s s e x oder Sussex. A b e r der T e x t der „ T r i b a l H i d a g e " ist so v e r d e r b t und seine E r k l ä r u n g so zweifelhaft, daß sich daraus keine sichern Schlüsse ziehen lassen. Die Hufenzahlen, die B e d a angibt, sind zu vereinzelt, um eine Grundlage f ü r irgendeine brauchbare Vergleichung verschiedener Distrikte abzugeben [ H E . I 25; I I 9; I I I 24; IV 13, 14 (16), 1 7 (19)]. VI. G r ö ß e u n d F o r m d e r S i e d e 1 u n g c n. § 3 1 . Ü b e r die Größe der englischen Dörfer und Einzelhöfe im 1 1 . J a h r h . gibt das D o m e s d a y - B u c h einen gewissen Überblick. Aber, wie Vinogradoff a u s f ü h r t (aaO. S. 265, 270), die B e w e i s k r a f t dieser A n g a b e n wird durch folgende Möglichkeiten unsicher. I. In W a l d distrikten kann ein beträchtlich großes Dorf, dessen Einwohner sich hauptsächlich mitWeide- und Waldarbeiten beschäftigten, im D o m e s d a y - B u c h bloß als ein Einzelhof mit nur einem Pfluggespann erscheinen. 2. E i n e große ländliche Organisation, die unter einem N a m e n geht, kann in W i r k lichkeit aus verschiedenen Teilen bestanden haben. Diese Zweifel sind indessen nicht schwerwiegend genug, um die Folgerung, die aus den im D o m e s d a y - B u c h gegebenen Angaben gezogen werden kann, aufzu-

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heben. Es ist nämlich in gewissem U m fange möglich, die Schätzungen, die auf den Zahlen der Pfluggespanne basieren, durch die Zahl der Einwohner, die erwähnt werden, und durch die Ziffern der Hufen zu kontrollieren, und es scheint ferner wahrscheinlich zu sein, daß ein einzelner Ortsname auch meistens ein einzelnes Kerndorf ("nucleated Village", wie Maitland sagt) bezeichnet, denn "the record is careful to notice over and over again the subdivision of rural units". Nehmen wir die Wahrscheinlichkeit, wie sie sich aus den Angaben ergibt, so ist die erste Tatsache, die sich aus ihr folgern läßt, die, daß " E n g l a n d was not given over to one particular system of settlement, although villages were more common than single farms or small hamlets in the greater part of the c o u n t r y " (Vinogradoff aaO. S. 264). W i r finden Einzelhöfe gelegentlich auch über die Ebenen von Yorkshire und Lincolnshire (aaO. S. 267) verstreut, wo weder das Vorhanden sein einer v o n der Vernichtung verschont gebliebenen keltischen Bevölkerung noch der ökonomische Vorteil dezentralisierter Siedelungen, wie er in einem hügeligen Gelände sich ergibt, als Ursache der Erscheinung angesprochen werden kann. U n d obwohl Einzelhöfe auch im modernen E n g land (vgl. die K a r t e n bei A . Meitzen, Siedelung und Agrarwesen, Berlin 1895, Atlas zu Bd. III, K a r t e 66 a; ferner Maitland aaO., K a r t e zwischen den- Seiten 16 und 17) im Westen häufiger zu sein scheinen, so ist der Gegensatz doch nicht so scharf, wie er manchmal angenommen wurde. Sogar Meitzen gibt zu (aaO. V I I 7 Bd. II S. 120): " D i e A b g r e n z u n g der Dörfer gegenüber den Einzelhöfen ist jedoch bei weitem nicht so schroff und durch keine so bestimmte Linie zu bezeichnen, wie in Frankreich und am Niederrhein". Und auch wenn der Gegensatz zwischen den Einzelhöfen des Westens und den K e r n dörfern des Ostens ausgeprägter wäre, als er es tatsächlich ist, so würde es doch eine etwas freiwillige Annahme sein, in dem Vorwiegen der Einzelhöfe einen ethnologischen Z u g zu sehen. Der W e s t e n ist im großen und ganzen ein hügliges Gelände, und es ist fraglos

unbequem, ein weites Gebiet von einem einzelnen Zentrum aus zu bestellen, wenn Pflüge und K a r r e n bergauf und bergab zu ziehen sind. Auch wurde der Westen von England spät erobert. Die angelsächsischen Siedelungen in diesen Gegenden fanden statt, als der britische Widerstand so weit gebrochen war, daß die Eroberer es als ungefährlich ansehen konnten, sich in Einzelhöfen anzusiedeln, während vor diesem Stadium der Eroberung die Gefahr eines britischen Angriffes die Vorliebe für Kerndörfer verursacht haben mag. Vermutungen darüber anzustellen, ob mit der Rasse zusammenhängende oder ökonomische oder politische Bedingungen die A r t der Siedelung am meisten bestimmt haben, ist wohl in einigen Fällen möglich. Für Derbyshire ist wahrscheinlich das hüglige Gelände eine E r k l ä r u n g für die Tatsache, daß, wenn man nur die " V i l l a n i " und " S o c h e m a n n i " , die im D o m e s d a y - B u c h erwähnt sind, rechnet (da sie j a den Hauptbestandteil der Bauern und der Bewohner der regulären Pachtgüter bildeten), nur 57 % der aufgenommenen Haushaltungen in Derbyshire in Dörfern von 12 oder mehr solcher Haushaltungen vorkommen, während in E s s e x die Ziffer 73 % erreicht (vgl. Vinogradoff aaO. S. 264—273). An den Grenzen von Wales anderseits ist es möglich, daß die Stammesgewöhnheiten einer überlebenden keltischen Bevölkerung ein Überwiegen der Einzelhöfe bewirkt haben mögen (Vinogradoff aaO. S. 267). Anderseits würde es schwer sein zu sagen, ob die größere Sicherheit, die mit den späteren Siedelungen verbunden war, und daher die Schonung der keltischen B e v ö l k e r u n g in den späteren und weniger auf Zerstörung ausgehenden Phasen der Eroberung o d e r die ökonomischen Bedingungen, die sich aus dem bewaldeten Gelände ergeben, die beste Erklärung für die Einzelhöfe, die im Süden und in den südöstlichen Teilen von Dorsetshire vorkommen, bieten (vgl. V C H . : Dorset: Bd. II, K a r t e bei S. 126). Zusammenfassend ist zu sagen, daß noch viele genaue topographische Untersuchungen zu machen sind, bevor ü b e r die Ursachen der verschiedenen A r t e n der Besiedlung in England und über ihre Vertei-

ENGLISCHES SIEDELUNGSWESEN lung Definitives ermittelt werden kann. Solche Untersuchungen sollten durch die E r w ä g u n g geleitet werden, daß ökonomische Bedürfnisse mindestens ebenso schwerwiegend sind, wie Gewohnheiten, die mit der Rasse zusammenhängen, und daß solche Bedürfnisse nicht nur mit einem unveränderten Zustand des Landes zu rechnen haben, sondern auch mit Wäldern und Sümpfen, die die T a t k r a f t des Siedlers beseitigt. Diese Forschung sollte sich auch immer die Möglichkeit v o r Augen halten, daß die heutige Beschaffenheit des Landes eben modernen D a t u m s sein kann, und die Tatsache, daß schon zur Zeit, als das D o m e s d a y - Buch angelegt wurde, Jahrhunderte seit der angelsächsischen Eroberung vergangen waren, so daß in dieser Zwischenzeit neue Einzelhöfe entstehen oder Einzelhöfe zu bedeutenden Dörfern anwachsen konnten. § 32. Abgesehen von den geringen Angaben, die man über die Größe der Siedelungen aus den Urkunden und historischen Schriften hofft ziehen zu können, scheint für die ersten Jahrhunderte eine andere Forschungsmethode noch nicht genügend angewandt worden zu sein. Die O r t s n a m e n nämlich könnten L i c h t auf diese Probleme werfen. W o wir Namen finden, die augenscheinlich mit andern Siedelungen zusammenhängen (z. B. Sutton 'der südliche tun; Aston, das o f t 'der östliche tun bedeutet; oder Nethercote), da können wir das wohl als Kennzeichen einer ländlichen Organisation ansehen, die aus verschiedenen Gliedern bestand und als ein System von Einzelhöfen angesprochen werden kann. A u c h läßt sich daran denken, ob das häufigere V o r k o m m e n solcher relativer Präfixe in V e r b i n d u n g mit dem Suffix tün als mit dem S u f f i x härn auf bloßem Zufall beruht, oder ob das S u f f i x tun in der einen oder andern Periode, wie das S u f f i x cot, hauptsächlich für Einzelhöfe gebraucht ist. W e n n das bewiesen werden könnte, so würde es die K o n j e k t u r v o n R o u n d unterstützen, daß Orte, deren Name auf tün endigt, später entstanden sind als Orte m i t der E n d u n g häm, denn die politischen Bedingungen der späteren Periode der Eroberung müssen für die Siedelung

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in Einzelhöfen günstiger gewesen sein (vgl. J. H. R o u n d The Commune of London, Westminster 1899, S. 6 u. 7). Hierbei ist jedoch eine wichtige Unterscheidung zu beachten, die o f t vergessen wird. Ein Hofsystem kann zwei verschiedene Dinge bezeichnen, die oft, aber nicht notwendig übereinstimmen. Es kann einfach das Überwiegen kleiner Siedlungen vor großen meinen. Es kann aber auch eine ländliche Organisation bezeichnen, die die Zusammenfassung kleiner Gruppen getrennter Siedelungen für gewisse Zwecke mit sich brachte, ohne Rücksicht auf die Größe dieser Siedelungen. Zweifellos werden solche getrennten Gruppen im allgemeinen klein gewesen sein. Denn es hätte k a u m eine Notwendigkeit vorgelegen, große Gruppen zu einer Gemeinde zu vereinigen. Auf jeden Fall muß aber dieser Unterschied beachtet werden. VII. B e n u t z u n g römischer P l ä t z e . § 33. Eine ganze Menge englischer Städte ist zweifellos an der Stelle oder in der unmittelbaren Nähe römischbritischer Städte erbaut worden. Ferner spricht, ganz abgesehen von den archäologischen Funden, das Zeugnis von B e d a dafür, daß in vielen dieser Fälle, z. B. bei Canterbury, London, Lincoln und Y o r k , germanische Siedelungen vor der Mitte des 7. Jahrh. entstanden sind. A b e r die T a t sache, daß sächsische Siedlungen römische Orte benutzten, ist noch kein Beweis dafür, daß sie sich ohne Lücke an diese anschlössen. Es fehlen jegliche Daten, die auf die K o n t i n u i t ä t der ländlichen oder städtischen Niederlassungen schließen lassen. F ü r einige Plätze, wo germanische Siedelungen auf römische folgten, steht es fest, daß sie zwischen beiden Perioden eine Zeitlang verödet dalagen. Viele alte Niederlassungen sind nach der angelsächsischen Eroberung gänzlich aufgegeben worden. Selbst für London, wo mehr als bei den meisten andern Städten anzunehmen wäre, daß zwischen der römischen und der sächsischen S t a d t keine L ü c k e bestand, ist das doch nicht mit Sicherheit zu erweisen (vgl. V C H . : London Bd. I S. 43, 147). In Canterbury liegen (laut mündlicher Mitteilung von Professor

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H a v e r f i e l d a n mich) die Ü b e r r e s t e der ä l t e s t e n g e r m a n i s c h e n Siedelungen m e h r in d e r N a c h b a r s c h a f t v o n St. M a r t i n , als n a c h d e m Z e n t r u m der römischen S t a d t zu. D a s spricht f ü r die V e r m u t u n g , d a ß C a n t e r b u r y z e r s t ö r t w u r d e u n d die F l ä c h e j a h r e l a n g u n b e n u t z t w a r (vgl. H a v e r f i e l d Romanization of Roman Britain, Ausgabe v. 1912, S. 6 3 — 6 4 ) . Sogar in einem so spät eroberten Gebiet, wie Somerset ist d e r u n m i t t e l b a r e A n s c h l u ß nicht n a c h zuweisen. Die B a u r e s t e in B a t h zeigen deutlich, d a ß das römische Aquae Sulis lange v e r ö d e t lag, b e v o r d o r t wieder eine sächsische Sicdelung e n t s t a n d . In S o m e r set ist, abgesehen v o n A q u a e Sulis, IIc h e s t e r d e r einzige Ort, wo römische u n d englische Siedelungen zusammentreffen, u n d das war in der römischen P e r i o d e ein u n w i c h t i g e r P l a t z (vgl. F. J . H a v e r field: V C H . : Somerset B d . I S. 2 1 8 , 224 bis 225, 243). S p u r e n v o n F e u e r bei einigen T r ü m m e r n aus r ö m i s c h e r Zeit wie bei d e n e n v o n Viriconium s p r e c h e n f ü r die g e w a l t s a m e Z e r s t ö r u n g des r ö m i s c h e n P l a t zes (vgl. F. J . H a v e r f i e l d : V C H . : S h r o p shire B d . I S. 2 1 7 ) , a n d e r s e i t s s c h e i n t Calleva Atrebatum, oder Silchcster, in H a m p s h i r e e i n f a c h g e r ä u m t w o r d e n zu sein (vgl. F. J . H a v e r f i e l d : E H R . X I X S. 627—631). Die C h r o n i k e r z ä h l t , d a ß C h e s t e r E n d e des 9. J a h r h . verlassen w a r , u n d n o c h j e t z t u n b e n u t z t e S t ä t t e n wie die v o n Vernlamium b e z e u g e n Ähnliches. § 34. F ü r die l ä n d l i c h e n S i e d e l u n g e n liegen die V e r h ä l t n i s s e ebenso, selten lassen sich angelsächsische T r ü m m e r a m O r t e einer r ö m i s c h e n Villa n a c h w e i s e n , u n d die g r o ß e U n s i c h e r h e i t , die in der D a t i e r u n g d e r a l t e n angelsächsischen F u n d e h e r r s c h t , s c h l i e ß t j e d e F o l g e r u n g ü b e r die u r s p r ü n g lichen V e r h ä l t n i s s e bei den wenigen r ö m i schen L a n d h ä u s e r n , wo angelsächsische B a u f u n d e g e m a c h t w u r d e n , aus. In allen Teilen des L a n d e s findet m a n a b e r a n d e r seits r ö m i s c h e L a n d h ä u s e r in einiger E n t f e r n u n g von den modernen Dörfern: das ist z. B. der F a l l bei D a r e n t h in K e n t , bei B r a d i n g auf d e r Isle of W i g h t , bei N o r t h leigh in O x f o r d s h i r e , bei C h c d w o r t h in Gloucestershire. S p u r e n v o n F e u e r , die ein Z e r s t ö r u n g d u r c h die E r o b e r e r v e r m u t e n lassen, w e r -

den a u c h n i c h t selten a n d e n Ü b e r r e s t e n der r ö m i s c h - b r i t i s c h e n L a n d h ä u s e r gef u n d e n (vgl. F. J . H a v e r f i e l d The Romanization of Roman Britain: P r o c e e d i n g s of t h e British A c a d e m y , 1905—1906, S. 210; P . Vinogradoff The Growth of the Manor, L o n d o n 1905, S. 1 1 8 ) . Schließlich ist a u c h noch zu b e a c h t e n , d a ß der v o r w i e g e n d g e r m a n i s c h e C h a r a k t e r d e r englischen O r t s n a m e n als T a t s a c h e zu w e r t e n ist, die sich m i t einer f r ü h z e i t i g e n oder allgemeinen B e s i t z e r g r e i f u n g römischer Siedelungen d u r c h die angelsächsischen E r o b e r e r k a u m in E i n k l a n g b r i n g e n l ä ß t (vgl. W . H . S t e v e n s o n : E H R . IV S.358). VIII. S i e d e l u n g e n v o n Sippenverbänden. § 35. Die T h e o r i e von K e m b l e , d a ß in d e m N a m e n m a n c h eines englischen D o r f e s die S p u r eines Sippenv e r b a n d e s , zu d e m die alten g e r m a n i s c h e n Siedler g e h ö r t e n , zu finden sei (vgl. J . M. K e m b l e The Saxons in England, London 1849, B d . I K a p . 2 u n d A n h a n g A), ist v o n v e r s c h i e d e n e n G e s i c h t s p u n k t e n aus angegriffen w o r d e n . E s w u r d e d a g e g e n a n g e f ü h r t , d a ß im a l t e n englischen R e c h t der Blutrache-Verband nicht ein" permanently organized u n i t " war, sondern für jede Familie von B r ü d e r n u n d S c h w e s t e r n v e r schieden z u s a m m e n g e s e t z t war, d a die V e r a n t w o r t l i c h k e i t u n d die A n s p r ü c h e der mütterlichen Sippe ebensogut a n e r k a n n t w u r d e n , wie die d e r v ä t e r l i c h e n . Diese E r w ä g u n g s c h w ä c h t e t w a s d a s A r g u m e n t f ü r die G e s c h l o s s e n h e i t d e r S i p p e ab, w o m i t die A u f f a s s u n g v o n K e m b l e v e r b u n d e n ist (vgl. F. L i e b e r m a n n Die Gesetze der Angelsachsen H a l l e 1903, B d . I : Alfred 27, S. 6 6 — 6 7 , A t h e l s t a n I I 2, s - 1 5 6 — 5 7 , Leges Henrici 75, §§ 8 — 1 0 , S. 5Q2. Pollock u. M a i t l a n d History of English Law, 2. Aufl., C a m b r i d g e 1898, Bd. 2 S. 242). E s ist d a n n a n der H a n d d e r Chronik ( a n n . 597, vgl. 626, 685) a n g e f ü h r t w o r d e n , d a ß das P a t r o n y m i k o n auf ing n i c h t als ein f o r t d a u e r n d e r ClanName gebraucht wurde, sondern mit jeder G e n e r a t i o n w e c h s e l t e (s. R o u n d a a O . 1 7 f . ) . Z u d e m ist die Silbe ing zweifellos in m a n c h e n N a m e n der h e u t i g e n K a r t e n , die v o n K e m b l e als P a t r o n y m i k a a n g e s e h e n w u r d e , in W i r k l i c h k e i t weiter n i c h t s als eine

ENTBINDUNG —ENTE K o r u m p i e r u n g oder ein Possessivum (vgl. W . H . S t e v e n s o n : E H R . IV, A n m . S. 356; I. T a y l o r Names and their Histories, 2. Aufl., L o n d o n 1898, S. 3 5 3 — 5 5 ; W . W . S k e a t The Place Names of Cambridgeshire, Camb r i d g e A n t i q u a r i a n Soc. Nr. 36, 1901, S. 14; derselbe The Place Names of Bedfordshire, e b e n d a Nr. 42, 1906, S. 57; derselbe Place Names of Hertfordshire, H e r t f o r d 1904, S. 3 7 — 3 8 ; J . H . R o u n d a a O . S. 2 2 — 2 6 ) . A b e r die R e a k t i o n gegen die T h e s e v o n K e m b l e ist zu w e i t g e g a n g e n . E s ist sicher, d a ß in der angelsächsischen G e s e l l s c h a f t d e r S i p p e n v e r b a n d eine gewisse Geschloss e n h e i t h a t t e , w a s j a a u c h die T e x t e , die die e r g ä n z e n d e V e r a n t w o r t l i c h k e i t der M u t tersippe dartun, voraussetzen. U n d es ist a u c h klar, d a ß d e r S i p p e n v e r b a n d m a n c h m a l genügend groß und zusammenh ä n g e n d war, u m eine S t r e i t m a c h t v o n gewisser S t ä r k e zu bilden (vgl. A t h e l s t a n V I . 8. § 2, 3 bei L i e b e r m a n n aaO. S. 178 — 1 7 9 ) , w ä h r e n d ein T e x t ( A t h e l s t a n I I 2 vj 8) n i c h t n u r eine gewisse G e s c h l o s s e n h e i t der Sippe, s o n d e r n a u c h die ö r t l i c h e K o n z e n t r a t i o n des S i p p e n v e r b a n d e s b e s t i m m t v e r m u t e n l ä ß t (vgl. a u c h P . V i n o grodoff Growth of the Manor S. 138—141, 2 4 1 — 4 3 ; Pollock u. M a i t l a n d a a O . S. 243, 245)W a s d e n G e b r a u c h des P a t r o n y m i k o n s auf -ing als d a u e r n d e r Familienname a n g e h t , so sind die Beispiele d e r Oiscingas, Vuffingas, Icelingas (vgl. B e d a H E . I I 5, II 15; F e l i x : Life of St. Guthlac (angelsächs. Version, hrsg. v. C. W . Goodwin, L o n d o n 1848, S. 8; hrsg. v. d. Gonser, A F . 27, Heidelbg. 190p, S . 1 0 4 ) allein g e n ü g e n d , die V e r m u t u n g v o n R o u n d zu widerlegen. U n d w ä h r e n d einige N a m e n , die die E n d u n g -ing e n t h a l t e n , zweifellos n i c h t s m i t d e m P a t r o n y m i k o n zu t u n h a b e n , s o n d e r n a n d e r n U r s p r u n g s sind, g i b t es a n d e r e , die b e i n a h e sicher oder doch w a h r s c h e i n l i c h F a m i l i e n n a m e n s i n d . W e n n analogische L a u t e n t stellung die Zahl d e r N a m e n auf -ing oder -ington auf der h e u t i g e n K a r t e v e r m e h r t h a t , so h a t sie a n d e r s e i t s a u c h in einigen m o d e r n e n N a m e n , wie T e w i n in H e r t f o r d s h i r e u n d Ickleton in C a m b r i d g e shire, ihre H e r k u n f t v o n d e m P a t r o n y m i k o n v e r h ü l l t (vgl. S k e a t : Cambridgeshire Place Names S. 1 4 — 1 9 ; Bedfordshire Place Na-

613

mes S. 3 4 — 3 5 , 5 7 — 5 9 ; Hertfordshire Place Names 5 . 3 7 — 3 9 ; T a y l o r a a O . S. 353—55). All das b e r ü h r t a b e r n i c h t die sehr schwierige F r a g e , ob, w e n n derselbe G e s c h l e c h t s name an verschiedenen Orten vorkommt, d a s auf die Z e r s p l i t t e r u n g eines großen Clans hinweist oder auf das zufällige V o r k o m m e n desselben N a m e n s f ü r ganz v e r schiedene F a m i l i e n g r u p p e n . S k e a t , ebenso wie K e m b l e , neigen m e h r zu e r s t e r e r A u f fassung. Reginald Lennard.

Entbindung der F r a u ging auf d e m Geb u r t s l a g e r v o r sich, d a s im H a u s e , so lange dies n u r einen R a u m aufwies, s p ä t e r im F r a u e n g c m a c h , auf d e m B o d e n h e r g e r i c h t e t w a r , auf einem Ochsenfell oder einer K u h h a u t , die ü b e r S t r o h u n d besonders wohlriechende K r ä u t e r g e b r e i t e t war. Alles W e i t e r e siehe bei Geburtshilfe. W e i n h o l d Dlsch. Frauen 13 83. H ö f 1 e r Allg. Heilkunde. Hdb. d. G. d. M. I 474. H a n s e n Norsk Mag. f. Lacgcvidensk. 1885. Sudhoff.

Ente (Anas). A. K u l t u r g e schichtliches. § 1. Die E . s t e h t an W i c h t i g k e i t f ü r d a s g e r m . A l t e r t u m wie auch sonst h i n t e r der G a n s (s. d.) a u ß e r ordentlich zurück. Eine größere Bedeut u n g f ü r die W i r t s c h a f t h a t sie w o h l erst im M i t t e l a l t e r g e w o n n e n . I m m e r h i n w i r d sie als anedem domesticam schon in der L e x Salica (ed. Geffcken V I I 4, 1; vgl. die A n m . S. 113), sowie in a n d e r n G e s e t z e n gelegentlich e r w ä h n t . Die W e i s t ü m e r wissen d a n n allerlei B e s t i m m u n g e n a n z u f ü h r e n , die u n s d a s Bild der E n t e r e c h t lebendig m a c h e n , also auf eine g e n a u e r e B e k a n n t s c h a f t m i t d e m Tiere h i n d e u t e n , u n d gegen d a s E n d e des MA. w a r d a s f e t t e Entenfleisch gelegentlich w o h l v o r n e h m e r wie G a n s u n d H u h n . H a h n Die Haustiere. bis 290.

Leipz. 1S96. S. 2S6 Eduard Hahn.

B. S p r a c h l i c h e s . § 2. D e r g e r m . N a m e der E n t e reicht in die i n d o g e r m . Urzeit zurück. Germ. Sprachen: ahd. anut, anat, anit f. ( ¿ - S t a m m ) , m h d . ant u n d a h d . anita swf., m h d . ente swf., n h d . ente f.; a n d . anath, anud f. (Gallee V o r s t u d . 10. 13), m n d . än(e)t, plur. ände u. ende, n n d . änt; m n d l . aent, e(e)nt, e(e)nd f., n n d l . eend, dial. ant u. tnt\ nfries. saterl. Ant\ ae.

614

ENTHAUPTUNG—EORL

ahd. mädalger 'basilisca' (Ahd. Gl. III 602, 39; 10. Jh.), mhd. mädelger 'basilisca' (Björkman ZfdWf. 3, 271), nhd. obd. modeiger, mödlgeer, magdalger 'Gentiana cruciata' (Schindler W b . 1, 1567; PritzelJessen 161); aber er ist auf Oberdeutschland beschränkt. Das Angelsächsische hat die farblose Bezeichnung feldwyrt 'gentiana', die in heutigen engl. Dialekten keine Fortsetzung findet. § 2. Im Norden gilt für Gentiana purpurea L. seit dem 13. Jh. der scherzhafte Name setee 'Süße' wegen des bittern GeS u o 1 a h t i /)/ grawee), einer ebenfalls bei Weibern angewandten Strafe. Mit dem Lebendigbegraben verband man häufig das später zur selbständigen Strafe gewordene Pfählen, das ursprünglich ebenso wie das Überdecken des Leichnams mit Dornen nur den Zweck hatte, die Wiederkehr des Toten zu verhindern. B r u n n c r Über die Strafe des Pfählens im älteren deutschen Recht, SZfRG. 39, 258 ff. P a p p e n h e i m Moorleichen, ebenda 35, 354. S. ferner die Lit. zu Todesstrafe. v. Schwerin.

Erwerbsgenossenschaften begegnen im nordischen Recht für den Handel (s. Handelsgesellschaft) und für die Landwirtschaft. In letzterer Hinsicht ist das schwe-

ERZBISTUM—ERZGUSZ

630

dische bolagh oder böjcelagh ('Gutsgesellschaft'), das dänische fälagh und norwegisch-isländische bülag oder büfclag von Bedeutung. Es handelt sich um den Betrieb einer Bauernwirtschaft für gemeinsame Rechnung, sei es, daß die Genossen Miteigentümer oder Pächter sind oder der eine Eigentümer, der andere P ä c h t e r (colonia partiaria) oder Verwalter (bryti). Zumal der letztere Fall spielt in Dänemark und Schweden eine Rolle (Jälagsbryti), es liegt hier im Grunde ein Dienstvertrag v o r mit partiarischen Elementen (vgl. Dienstboten). A u c h Hauskommunionen zwischen Eltern und Kindern, Schwiegerund Stiefeltern mit Schwieger- und Stiefkindern, endlich Geschwistern finden sich teils auf Grund Vertrages, teils auf Grund Gesetzes im dänischen und schwedischen Recht. Besondere Erwerbsgenossenschaften treten auf für den Betrieb der Fischerei (•notalagh), des Bienenfanges u. a. m. Die bcrgrechtliche Gewerkschaft ist erst ganz späten Datums. V.

A m i r a

S. S07 ff. I

8 4 ff.

NOR.

Matzen

I

S. 670

Forel.

N o r d s t r ö m

II

ff.,

7 3 4 0-

Privatr. 182

II

H

191 ff.

ff. K.

Lehmann.

Erzbistum. Das Erzbistum (lat. provincia, ags. cercebiscopdöm, -rice, norw. erkibiskupsdeemi) ist die Vereinigung mehrerer Bistümer (s. Diözese) zu einem Metropolitanverband unter einem der vereinigten Bischöfe, dem Metropoliten oder Erzbischof (lat. archiepiscopus, schw. aerkibiskuper, norw. erkibiskup, ags. cercebisceop, ealdorbisceop). Des Erzbistum entspricht territorial in der Regel weltlichen Prov i n z e n ; die ersten Ansätze zur Bildung von Metropolitanverbänden zeigen sich im P r i m a t des Bischofs von Arles über Südgallien und Spanien. U m die W e n d e des 4. und 5. Jhs. finden wir schon 17 Metropolitansitze, unter denen die zu Reims und Trier wohl in römische Zeit zurückreichen, im Testamente K a r l s des Großen 21, darunter 5 italienische, auf deutschem Gebiete aber Mainz, Cöln, Salzburg und Trier, dazwischen aber w a r der Metropolitenverband zerfallen gewesen und auch durch die Bemühungen v o n Bonifatius noch nicht wieder hergestellt. Im 7. Jh. entstand das ags. Erzbistum zu Canterbury,

dem in kurzer Zeit ein zweites zu Y o r k und ein drittes zu Lichfield zur Seite traten. Das erste skandinavische Erzbistum wurde 1103/04 zu Lund errichtet (provincia Dacia) und verblieb für Dänemark, als in Nidaros ein norwegisches (1152) und in Upsala (1164) ein schwedisches E. gegründet wurde; bis 1103 standen die skandinavischen Länder unter dem Erzbistum Hamburg-Bremen. H a u c k

KG.

H in s c h i us

Vöries.

II

England

I,

I28f.;

238 f.

Zorn

542 f.;

I

224 ff. S t u b b s I

Werminghoff

1 5 f.

41 f.;

Kirchenrecht

iff.

Const.

Stutz VG.

d.

d.

Staat n. Kirche

KR.

Hist. 821,

211.

Kirchc

of 824.

im

MA.

in Norwegen

87 ff.

v.

Erzguß

II

Maurer

(B r o n z e g u ß).

Schwerin.

§ I.

Das

Verfahren, die bekannte Metallmischung (s. Erz) zu schmelzen und in Hohlformen zu gießen, um plastische Werke zu erzeugen, wurde seit der ältesten Bronzezeit fortdauernd geübt; sowohl mit Anwendung geschnittener, vertiefter, meist doppelter Formen, von denen sich steinerne noch zahlreich besonders im Norden gefunden haben; aber auch mit verlorener Form, für die das Wachsausschmelzverfahren sicher seit uralter Zeit geübt ist, bei dem das Modell in W a c h s modelliert, mit Formmaterial (Lehm, Ton) umgeben und dann aus der Höhlung herausgeschmolzen wurde, die das Metall auszufüllen hatte. Schon im 2. Jahrtausend v. Chr. besaß man im E r z g u ß eine erstaunliche Geschicklichkeit, selbst im hohen Norden, die übrigens ununterbrochen fortw i r k t e ; die zahllosen Bronzefibeln, Schnallen, Beschlagteile und ähnliche K l e i n sachen aus der Völkerwanderungszeit erweisen eine erstaunliche Verbreitung und Massenherstellung solcher kleiner Bronzegüsse in der ganzen germanischen W e l t ; auch andere kleine K u n s t w e r k e entstanden bis zu Ende der Epoche, wie Gefäße, Leuchter (die des Tassilo zu Kremsmünster, 8. Jh.). § 2. A n größeren Gegenständen in Bronzeguß dürfte sich jedoch die nordgermanische K u n s t vor den T a g e n Bernwards und der Hildesheimer und A u g s burger Bronzetüren kaum versucht haben, vielmehr sind solche W e r k e wohl sicher als aus dem Süden importiert anzusehen.

ERZPRIESTER—ESCHE Man h a t aus Einhards Angaben entnehmen wollen, daß zu K a r l s d. Gr. Zeit in A a c h e n eine Gießhütte unter Einhards besonderer Leitung für Erz bestanden habe, die die v o n E. gerühmten Bronzegitter und Türen „ e x aere solido" hergestellt habe; von Beweisen dafür jedoch h a t man keinen beizubringen vermocht, als den Namen Beseleel, den man gelegentlich Einhard beigelegt findet, offenbar nur um seine allgemeine Kunstfertigkeit zu kennzeichnen. Jene Werke dürften Import aus R a v e n n a sein (vgl. Gitter, Türen). Die anfänglich genieteten Kirchenglocken wurden später aus Erz gegossen. Im späten 9. Jh. machte der Mönch von St. Gallen einen Erzgießer in Aachen namhaft. M o n t e l i u s zig Dom

1907. zu

Aachen,

H a u p t ] ) , Die

Kulturgesch.

S . 71

ursprüngl.

ff.

München

älteste

Kunst

Gestalt

Schwedens,

Leip-

F a y m o n v i l l e 1909.

S . 55 ff.

d. Germanen, des

Z f G e s c h . d. A r c h i t e k t u r I 1. 2.

Der A.

D e r s.

Theoderichdenkmals, A. Haupt.

Erzpriester. Als E. (archipresbyter) bezeichnet man seit etwa der Mitte des 7. Jhs. die an den Taufkirchen (s. Pfarrer) fungierenden und diesen vorstehenden Geistlichen. Mit der Ausbildung von Kollegialstiften an solchen (s. Kapitel) wurden sie zu deren Vorstehern. Ihre T ä t i g k e i t war eine innerkirchliche im Gegensatz zu der des Archidiakons. Der Archipresbyterat vertritt seit der karolingischen Zeit im ostfränkischen Gebiet den im westfränkischen Reich notwendig gewordenen Dekanat, was den wechselnden Gebrauch von decanus und archipresbyter erklärt. A u c h an der bischöflichen Kirche, im Domkapitel, wird der erste presbyter als archipresbyter bezeichnet (s. Kapitel). L i t . s. K i r c h e n v e r f a s s u n g .

v. Schwerin.

Esche (Fraxinus excelsior L.). § 1 . F ü r die E. gibt es einen alten i d g. N a m e n , der in seiner ursprünglichsten Gestalt in den baltischen Sprachen vorliegt: lit. u'sis, lett. t/sis, apreuß. woasis 'Esche'; Grundf. *äsis. Eine Spur dieser Namensform haben wir nach Fick, Schräder und Uhlenbeck, denen sich Prellwitz, Walde, Berneker anschließen, auch in griech. «r/spw'; ' W e i ß pappel' aus *ä/sp-oj3i'c.

631

Die andern Sprachen haben teils -k-, teils -K-Erweiterungen. Auf eine Grundf. *äs-kis geht der german. Name des Baumes zurück: urgerm. *askiz; anord. askr m., dän. schwed. ask; ae. cesc m., me. ne. ash; and. asc m. (Gallöe Vorstud. 15. 403), mnd. esche, nnd. esch; mndl. asch u. esce, nridl. esch; ahd. asc m., mhd. asch m., nhd. esche f. (nach dem A d j . eschen). Dazu griech. OCUTJ, 6Cin. (aus * O T / . S 3 - ) ' B u c h e ' und 'Speer', alban. ah ' B u c h e ' (aus aska-), armen, haci 'Esche' (aus *askhio-). Die slawischen, italischen und keltischen Sprachen setzen eine Grundf. *äs-in-os, *äs-in-ä, *äs-in-is mit -rc-Erweiterung der W z . f f i - voraus: urslaw. * asenf, *asenü, russ. jaseni, bulg. slow, czech. jasen, serbokroat. jasen, poln. jasieii, alle 'Esche'; lat. ornus 'wilde Bergesche' und 'Speer' (aus *osinos); urkelt. *onna aus *osnä, kymr. onn-en (plur. onn) f., korn. onnen, bret. ounnen, air. huinnius, mir. uinsenn, uindsend, 'fraxinus'. Diese «-Ableitungen verhalten sich zu der Grundform *asis, *asis wie lat. avena 'Hafer' aus *aves-nä zu kslaw. ovisü, oder wie lat. alnus 'Erle' aus *alsnus zu nordeurop. *alisä (s. Erle). § 2. Über die Bedeutung des idg. Eschennamens für die Frage der Urheimat der Indogermanen s. Hoops Waldb. u. Kulturpfl. 124. § 3. Die Esche k o m m t häufig in alten Orts- und Flurnamen vor. Ihr Holz wurde zur Verfertigung v o n Lanzen, von Schiffen und von Gefäßen benützt, die infolgedessen vielfach direkt als 'Esche' bezeichnet wurden; so bedeutet anord. askr auch 'Speer, kleines Schiff, Gefäß', ags. asc 'Speer', mnd. asch, esch 'Gefäß, Dose'. Aus anord. askr 'Schiff' stammt die Bezeichnung anord. askmaJr, mlat. ascomannus, ags. ceseman 'skandinavischer Seeräuber, Wiking'. Die Bedeutung 'Speer' h a t auch gr. ¿f'jr( (s. oben) und lat. fraxinus 'Esche'. Über

die

Geschichte

Verbreitung

der

N o r d e u r o p a s. H o o p s pflanzen 230.

30. 255.

47. —

75.

Über

Esche

und in

frühere

Mittel-

Waldbäume

u.

77.

86 f. 1 2 4 .

153.

156.

die

Etymologie

des

Namens: H o o p s

e b d . 1 2 1 f. m i t L i t .

F. Wb

mit

s v . ormts

sv. asd/u m i t

und Kultur-

Lit.

Berneker

Walde EWb.

Lit. Johannes

Hoops.

632

ESEL—ESPE

Mülleresel war seinem Besitzer bei weitem Esel. A. K u l t u r g e s c h i c h t l i c h e s . sicherer als das Pferd, sowohl vor Dieb§ i. Der E. gehört nach Schwein stahl, wie vor Heeresdienst. Allerdings furth (ZfEthn. 23,653; 1891) zu dem läßt sich ja nur schwer sagen, wie sich nicht starken afrikanischen Einschlag in diese herkömmliche Vorstellung mit der unserer Kultur und ist an das westasiaWirklichkeit der ältern Zeit deckt. tische Element von Westen her, und zwar H a h n Die Haustiere; Leipzig 1896 S. 169 v o r seinem Vetter, dem Pferde, heranbis 75. Ed. Hahn. getreten. Das spricht sich sehr deutlich in der Bezeichnung aus, mit der das Pferd B. S p r a c h l i c h e s . § 4. Die etybeim ersten Erscheinen auftritt, „der Esel mologische Forschung zeigt uns, daß der des Osten" (PI o m m e 1 , Südsemit. SäugeE. den nordeuropäischen Völkern erst durch tiernamen). Wichtig, wenn auch nicht für die R ö m e r bekannt geworden ist: sein das germ. Altertum, ist dabei, daß das Name geht hier überall direkt oder indirekt Kamel und mit ihm das erste Reitervolk auf lat. asinus zurück. So in den kelt. sich zwischen das Auftreten von Esel und Sprachen: kvmr. asyn m., korn. asen, Pferd einschiebt. bret. asen, mir. assan, asan (aus dem Kelt. § 2. In der freilich verhältnismäßig gestammt ae. assa, me. asse, ne. ass). So im ringen Bedeutung des E. für das germ. Germanischen, wo asinus zu * asiluz Altertum spiegelt sich deutlich die Rolle wurde: got. asilus, ahd. as. esil, mhd. nhd. wieder, die er auch sonst für den westmnd. nnd. mndl. esel, nndl. ezel, ags. esol, asiatisch-europäischen Kulturkreis hat. Er eosol m. Aus dem Germ, drang das Wort ist nach einer reizenden Äußerung Schweinin die balt.-slaw. Sprachen: apreuß. asilis, furths neben dem Kamel als dem Schiff der lit. iisilas, abulg. osilü. Anord. asni m. Wüste das „ B o o t der W ü s t e " (ZfEthn. 29, stammt wohl aus dem Altfranzösischen. 269; 1897). Er ist nicht so sehr ein Reit§ 5. Daß der E. im Müllergewerbe schon tier, sondern der Träger von Lasten, gebei den Angelsachsen verwandt wurde, legentlich allerdings auch eines Menschen. Er scheint ae. esul-cweorn 'Mühle, die durch scheint in der älteren Zeit des Germaneneinen Esel getrieben wird' anzudeuten. tums, prähistorisch, kaum eine Rolle geDoch tritt das Wort nur in zwei mitspielt zu haben, wenn auch ein paar Eselseinander verwandten Glossen auf und ist zähne aus dem Pfahlbau in Wismar (Bronvielleicht eine bloße Übersetzung des lat. zezeit) angegeben werden (Mecklenb. Jahr(mala) asinaria. bücher 30, 69; 1865). Jedenfalls haben wir H e h n 8 132. 136. 591. K l u g e KVVb. S c h r ä d e r Reallcx. D e r s. Sprachvgl. u. keine Spur irgendeiner Rolle in der MythoUrgcsch. 3 I i i 60 f. P a l a n d e r Ahd. Ticrlogie, wie doch bei Griechen und Römern, Hamen 97. J o r d a n .-le. Siiugctiern. 118 —123. Persern und Indern. Johannes Hoops. § 3. Im Mittelalter scheint dann der E. doch eine gewisse Bedeutung erlangt Espe oder Z i t t e r p a p p e l (Populus zu haben; er war wenigstens überall tremula L.). §. I Die E. war neben der eine bekannte Erscheinung, wenn auch Birke und Kiefer einer der ersten Waldvon einer Zucht wenig die Rede ist, ebensobäume, die nach dem Ende der Eiszeit in wenig wie von der Zucht seines Bastards Norddeutschland und Nordeuropa erschie(s. Maultier). Einmal war er das Reittier nen. In der ältesten Waldperiode waren der bescheidenen Leute, besonders also die Birke und die Espe vielerwärts die für Mönche und allerlei ärmeres fahrenCharakterbäume der Landschaft, namentdes Volk; vielleicht kam er so zu der Belich auf sumpfigem Boden; man hat desdeutung des Strafreittiers in allerlei Spotthalb direkt von einer Birken- und Espenaufzügen. Auf der andern Seite war er periode gesprochen, die allmählich in eine das Lasttier der Müller geworden. Der Kiefernperiode überging; doch ist dies nur Mülleresel ist bis in die Bilderbücher unserer | insofern berechtigt, als es sich um die VorZeit eine durchaus bekannte Erscheinung. I herrschaft in den Wäldern, nicht um das Der Esel eignete sich für die Mühlen, soerste Auftreten handelt (Hoops Waldb. lange sie Kleinbetrieb blieben, und der u. Kulturpfl. 14 ff. 22 ff. 25. 43 f.).

ESSEN — E S Z G E R Ä T § 2. Kohlen der Espe haben sich in den frühneolithischen Siedlungen in der Kieler Föhrde, sowie in den jütisch-dänischen Muschelhaufen der älteren nordischen Steinzeit gefunden (Hoops aaO. 83. 72—74. 77). Dagegen scheint die E. in der Schweiz zur Pfahlbautenzeit gefehlt zu haben: sie hat sich bis jetzt weder in den Torfmooren, noch in den Pfahlbauten nachweisen lassen (Hoops 63. 88). § 3. Die Indogermanen haben einen gemeinsamen alten Namen für die Espe: idg. *apsä f.; lett. apsa, apse, apreuß. abse, lit. äpitsze (Bezzenberger B B . 23, 298); urslaw. *osa, * osika, * osina aus *opsa etc., russ. osina, klruss. osynd, osyka, czech. osika, poln. osika, dial. osa, osina, obsorb. wosa, wosyna, wosyca, ndsorb. wosa, wosa-, dazu Nebenform urslaw. *(j)asika, aus * osika durch Anlautsdehnung entstanden (Berneker E W b . sv. asika): bulg. slow, jasika, serbokroat. jasika. Die germ. Sprachen zeigen Metathese: ahd. aspa f., mhd. aspe, nhd. espe f. (nach dem A d j . espen); and. aspa, mnd. mndl. espe f., nndl. esp; afries. espen A d j . ; ae. cepse, icspe swf., me. asp, ne. asp, aspen; anord. gsp f., nnorw. osp, schwed. dän. asp. Die Bedeutung ist überall 'Espe'. Aus einem iranischen Dialekt drang der Name auch in verschiedene türkisch-tatarische Sprachen Nordasiens: ausak (= awsak) 'Espe' im Toboltatarischen, apsak im Altai, Teleutischen, Lebedischen, aspak im Schor und K u m a n du. Die altertümlichen nordasiatischen Turkidiome zeigen eine lebhafte und sehr alte Beeinflussung durch die iranische Kulturwelt. (S. Hoops Waldb. u. K u l t u r pfl. 123.) — Vielleicht gehört auch noch griech. attpi:, a'srapis f. 'eine fruchtlose Eichenart' hierher. Die Espe ist im eigentlichen Griechenland sehr selten, wodurch die Übertragung des Namens erklärlich wäre (Hoops aaO. 122). § 4. Über die Bedeutung des idg. Namens der Espe für die Frage der Urheimat der Indogermanen s. Hoops aaO. 124. Johanne? Iloops.

Essen, Stiftskirche, Basilika im 9. Jh. durch Altfrid erbaut, wovon noch die äußern Schiffmauern erhalten zu sein scheinen; im 10. durch einen großartigen Honps,

Reallexikon.

[.

Westbau abgeschlossen, der als halbes Sechseck mit Empore, in der Architektur getreu dem Aachener Münster nachgebildet, sich gegen die Kirche öffnet. Der Bau ist als achteckiger Turm in die Höhe gezogen und von zwei Treppentürmen flankiert; davor ein später umgebauter Vorhof mit Baptisterium nach Westen zu. Hier treten ähnliche ,,Pilzkapitelle" wie an der gleichzeitigen Wipertikrypta zu Quedlinburg (s. d.) und S. Peter zu Werden a. d. Ruhr (s. d.), sowie die ältesten bekannten Würfelkapitelle auf. G. H u m a n n D. Essen. Essen 1S90.

Westbau d. Münsters

zu

A. Haupt.

Eßgerät. §1. L ö f f e l , ahd. lejfd von verb. laffan 'lecken', Gerät zum Schlürfen, anord. spfinn, ags. spön, eigentlich 'Span, Holzlöffel', ags. auch cucelere von lat. cochlear. Da Brei und Suppe in den germanischen Ländern einen wesentlichen Teil der Nahrung ausmachten, so konnte man ohne Löffel nicht auskommen. Wir finden denn auch Löffel aus Holz, Bein und Ton von der jüngeren Steinzeit an ohne wesentliche Formenunterschiede. Seit der römischen Zeit kommen dazu eiserne und silberne, die römische Importware sind (A. Schliz Frank, u. alem. Kunsttätigkeit im frühen MA. 1904, S. 24 ff.). Ebenso unentbehrlich, wie der § 2. Löffel für flüssige Speisen, ist das M e s s e r (anord. knifr, ags. enif, ahd. sahs, mezzisahs 'Speiscmesser') für Fleischgerichte. Jeder führte sein Messer bei sich, noch auf den späteren Miniaturen bemerken wir auf den Tischen nur einige Vorlegmesser, niemals für jede Person ein besonderes Exemplar. Messer aus Feuerstein, auch aus Holz, besonders dem der Eibe, kennen wir aus der jüngeren Steinzeit zur Genüge. Zierliche Bronzemesser mit geschweifter Klinge, meist Importware aus der Westschweiz, die nordischen oft mit Schiffsornamenten versehen, finden sich in Männer- wie Frauengräbern der Bronzezeit häufig. In der jüngeren Hallstattzeit kommen kräftige Eisenmesser mit Eisengriff dazu, in der römischen Zeit solche mit Holz- oder Beingriff. 41

ESSIG - K U D O S E S § 3. Gabeln benutzte man zum Essen nicht. Die wenigen, aus Boden funden bekannten Exemplare dienten zum Herausholen des Fleisches aus der Brühe oefer zum Festhalten beim Vorlegen (F. Fuhse Sitten u. Gebräuche d. Deutschen beim Essen u. Trinken 1891 S. 20. 34 f.; Z f E t h n . 1900, S. 202). O b man außerdem beim Essen sich Holz-, Bein- oder Metallstäbchen bediente, mag dahingestellt bleiben. Literarisch oder durch die Miniaturen ist ein solcher Brauch nicht zu belegen. Fuhse.

Esfig. Es ist anzunehmen, daß die Gegenden, denen Obst- und Beerenweine (lit) bekannt war, auch den Essig hieraus kannten, ohne daß man ihn mit einem besonderen Namen belegte. Erst mit der Einführung des Weinbaus von R o m her dringt auch die Kenntnis des Weinessig vor, und der Name wird aus dem lat. acetum entlehnt: got. akfi, akeit, ags. aced, ceced n., as. edik n., ahd. mhd. ezzih m., mnd. etek, ettik m., an. edik n. Seine Verwendung als Zusatz zu Speisen erwähnt bereits Anthimus de obs. cib. 52, doch erst im 13. und 14. Jahrhundert erscheint er häufig als W ü r z e zu Fisch- und Fleischspeisen, zu Saucen usw. Auch als Heilmittel wird er erst später erwähnt. Er wird aufbewahrt im Essigfaß oder Essigkrug. H e y n e , Hausaltert.

II 377 ff. Fuhse.

Estrich, geglätteter Fußboden aus Lehm, auch Beton oder ähnlichem Material, der bei vornehmen Gebäuden nach römischem Muster mit Marmorplatten in großen und kleinen Mustern bedeckt war (Aachen, Pfalzkapelle; Neuß, S. Quirin) oder auch mit Mosaik (Theoderichpalast zu Ravenna). In Wohnhäusern w a r Holzfußboden auf Estrichunterlage nicht selten. S. F u ß boden. S t e p h a n i Wohnbau

I 276.

II 258 f. A. Haupt.

eßsüre (aschwed.). E. kann zunächst jeder Eid heißen. V o n besonderer B e deutung aber ist im schwedischen S t r a f recht und auch Staatsrecht der „ K ö n i g s e i d " (kunungs cps&re) und der Königseid-

bruch (epseris brut, auch e. schlechthin). Seit dem 13. Jh. werden in Schweden, zuerst unter Birger Jarl, Landfriedensgesetze erlassen, deren Durchführung der K ö n i g und alle Großen des Landes beschworen. Dem Zwecke dieser Gesetze entsprechend werden in ihnen einzelne besonders schwere Vergehen mit einem Vierzigmarkstrafgeld, also einer sehr hohen Strafe, belegt, die an den K ö n i g fällt. Die Begehung eines solchen Verbrechens wird kunungs eßsere genannt. Es fallen unter diesen Begiiff insbesondere Verletzungen von Sonderfrieden durch eine gegen eine Person gerichtete Handlung, wie z. B. des Hausfriedens, Kirchenfriedens,Tingfriedens. Der Königseidbrecher wird friedlos (biltugher); das Urteil ergeht im Königsgericht, nicht im Volksgericht. I 142 ff. L e h m a n n v . A m i r a NOR. Königsfriede 35 ff. (vgl. auch Register s. v.). S c h 1 y t e r Juridiska Afhandlingar I 58 ff. v. Schwerin.

Eudoses. § 1. Neben den Harudes stehen im Heere des Ariovist nach Caesar B G . 1, 51 Sedusii. S t a t t dieser Form, in der das anlautende 5 v o m vorausgehenden Nemetes herstammen kann, bieten die Handschriften des Orosius (6, 7), der aus Caesar schöpft, Eduses, Edures, Eudures wonach schon Zeuß 152, Duncker Origg. Germ. 104. 108 und Möllenhoff DA. 4, 578 f. den Namen berichtigt haben. V e r derbt ist auch (I'ouvoouatoi bei Ptolemaeus schon in seiner lateinischen Vorlage (Fudusii aus Eudusii) und im Zusammenhalt mit den Eudoses Tacitus Germ. 40 EuSouatoi herzustellen, wie Z e u ß aaO., J. G r i m m GddSpr. 738 und M ü 11 e n h 0 f f DA. 4, 558 getan haben. § 2. Die OouvoGuatoi des Ptol. sind Nachbarn der XapoüSss; von beiden Völkern ist also vor 58 v. Chr. eine gemeinsame A b w a n d e r u n g nach den Rheingegenden erfolgt. Ihren Platz bei Ptol. haben sie aber wohl mit den XapoüSs; zu tauschen und gehören ins östliche — nicht ins westliche — J ü t l a n d südlich v o m L i m f j o r d ; s. Harudes. Über die späteren Schicksale sowohl der ausgewanderten als auch der in der Heimat zurückgebliebenen Eudusii, E u -

EÜLE—EXAGIUM doses sind wir auf Vermutungen angewiesen. Man wird wohl nicht fehl gehen, unter den nachmals in England sich festsetzenden Germanenstämmen auch Eudusier zu suchen. § 3. Ob der in der Gegend des Kaukasus um 480 auftauchende Name der EuSoucsiavot etwas mit den Eudusii zu tun hat, ist unsicher. Über diese: L o e w e D. Reste d.

Germ,

am

Schwarzen

Meer

1 9 ff.

§ 4. Etymologisch stellt sich Eudusii Eudoses zu aisl. jö9 'proles' und steht zu Euthungi

u n d Eutha-

in N a m e n

im

Ver-

hältnis grammatischen Wechsels, ohne daß aber zwischen den Völkern selbst eine Beziehung anzunehmen ist. Über die Möglichkeit eines Zusammenhangs der Namen Eudoses u. Jiiten s. unter letztem. R. Much.

Eule. § 1. Der gewöhnliche Name der Eulenarten (Strigidae) ist gemeingermanisch; die Formen in den verschiedenen Sprachen weisen auf alten Ablaut de Bindevokals i\a hin; sie gehen teils auf urgerm. *uwwilön, teils auf *uwwalön zurück: ahd. uwila

s w f . , m h d . iuwel,

iule

f., n h d . eule

f.;

and. iTuuila, üla swf. (Gallde Vorstud. 363. 351), mnd. üle, nnd. iil f.; mndl. f/le f., nndl. uü; nfries. saterl. ab, sylt. yl (Siebs PGrdr. Ii388.1406); ae.afe swf., me. ozde, ne. owl; a n o r d . ugla s w f . ( a u s *uggwala

mit

lautgesetzlichem Übergang von ww in ggw), norw. dial. ugla., schwed. uggla, dän. ugle. In dem Namen erblickt Suolahti (Deutsche Vogelnamen 315) mit Recht die deminutive Weiterbildung eines lautmalenden Grundworts *uww-, das in schweizer Dialekten in der Form uw als Name des Uhus erscheint. § 2. Neben dem normalen ahd. Namen üwila steht im Alemannischen eine Form hüwila

f . , d i e i m S c h w e i z e r i s c h e n als

hüwel,

hüel,

höüel

m.,

im

huwel,

635

So sind alle diese Benennungen der kleineren Eulenarten deminutive Ableitungen von lautmalenden Namen des großen Uhus. Suolahti Die deutschen Vogelnamen; Straßb. 1909; S. 307 ff. Johannes Hoops.

Ewa Chamavorum oder Lex Francorum Chamavorum nennt man eine nur in zwei Handschriften erhaltene lateinische Rechtsaufzeichnung, die in einer Han schrift als ewa, quae

se ad Amorem

habet,

bezeichnet

und das Recht der im sog. Hamaland angesessenen Franken enthält. Sie ist keine Satzung, sondern ein amtlich eingeholtes Weistum über geltendes Recht, das wohl mit der gesetzgeberischen Tätigkeit des Aachener Reichstags von 802 in Verbindung steht. Ausg. V, S o h m in MGL. seiner Separatausg. d. Lex B r u n n e r DRG. I 3 473 DRG.S S. 263 f. (dort auch die S. V o l k s r e c h t e .

V 269 ff. u. in Ribuaria I i i ff. ff. S c h r ö d e r . weitere Lit.). — S. Rietschel.

Exagium (§ 1) ist die aus dem griechischen übernommene Bezeichnung der spätrömischen Münzgewichte. Einzelne mit dem Namen des Kaisers, des Stadtpräfekten oder sonst eines hohen Beamten, z B . des Patricius Ricimer (vgl. Abb. 62),

Abb. 62. Exagium des Ricimer. Bronze mit drei eingelegten Silberstreifen und gravierter Schrift. Kaiser Friedrich-Museum, Berlin.

Südelsässischen

ah heujel weiter lebt und die A-lose Form heute fast ganz verdrängt hat. Sie ist eine Deminutivbildung von dem lautmalenden ahd. hüwo 'Uhu' (Suolahti aaO.). § 3. Ein dritter Eulennaime, ahd. hückila, scheint speziell dem Moselfränkischen eigen zu sein. Es ist eine Deminutivbildung von hüch, das in der Moselgegend als Name des Uhus verbreitet ist (Suolahti aaO.).

bezeichnete Stücke dürfen wir zu den amtlich geprüften Gewichten rechnen, von welchen in einer Novelle des Kaisers Valentinian III. vom J. 455 die Rede ist; bei den übrigen bleibt der Ursprung zweifelhaft. Viele Stücke sind aus Bronze, meist viereckig, seltener rund; aus byzantinischer Zeit sind uns auch Exagien aus Glas überliefert.

EYRAt»ING

636

L u s c h i n Denar der Lex Salica 78 Et. und § 2. Die Genauigkeit dieser Münzgedie d o r t angegebene Literatur. wichte ist — selbst wenn sie amtlichen A . Luschin v. Ebengreutli. Ursprungs sind — nur gering. Vier Stücke j mit dem Namen des Kaisers Honorius, die Eyraping. Das E. ist eine jährliche sich selbst als Exagium Solidi bezeichnen, Versammlung der acht drontheimischen wiegen zwischen 4.10 bis 4.40 g (statt Völker. 4.55 g), bei andern sind die Schwankungen v . S c h w e r i n G G A . 1909, 832. noch größer. v . Schwerin.

Verbesserungen. s. s. s. s. s.

49b 49b

z . 15 V. z . 16 V .

0.

lies etten

0.

lies pa

statt

fiten.

statt eta.

49 b z. 16

V.

0.

lies gebete[it\ pam

121 a Z . 26

V.

0.

streiche »sich«.

2 2 3 a Z. 7 f.

Y.

0.

streiche »1898«

statt gebete und

tarn.

lies »Staat

und

Klerus«. S. 2 2 4 a

s. s. s. s. s. s.

Z. 2 3 2 2 6 a Z. 20

lies »Bekehrung« statt »Belehrung«.

V.

0.

V.

u. lies »in R o m « statt »696«.

228b

Z . 20

V.

u. streiche »erste«.

53ib

Z. 24

V.

0.

lies pü

562 b z. 20

V.

0.

lies (Abb. 10) statt (Abb. 5).

562b

z . 21

V.

0.

lies (Abb. 42) statt (Abb. 6).

565 b z . 21

V.

0.

lies Abb. 6 statt Abb. 4.

statt

pä.

Kirche etc.«

statt

»Königt.

und

EYRAt»ING

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L u s c h i n Denar der Lex Salica 78 Et. und § 2. Die Genauigkeit dieser Münzgedie d o r t angegebene Literatur. wichte ist — selbst wenn sie amtlichen A . Luschin v. Ebengreutli. Ursprungs sind — nur gering. Vier Stücke j mit dem Namen des Kaisers Honorius, die Eyraping. Das E. ist eine jährliche sich selbst als Exagium Solidi bezeichnen, Versammlung der acht drontheimischen wiegen zwischen 4.10 bis 4.40 g (statt Völker. 4.55 g), bei andern sind die Schwankungen v . S c h w e r i n G G A . 1909, 832. noch größer. v . Schwerin.

Verbesserungen. s. s. s. s. s.

49b 49b

z . 15 V. z . 16 V .

0.

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fiten.

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V.

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streiche »1898«

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und

Klerus«. S. 2 2 4 a

s. s. s. s. s. s.

Z. 2 3 2 2 6 a Z. 20

lies »Bekehrung« statt »Belehrung«.

V.

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V.

u. lies »in R o m « statt »696«.

228b

Z . 20

V.

u. streiche »erste«.

53ib

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V.

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V.

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lies (Abb. 10) statt (Abb. 5).

562b

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V.

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V.

0.

lies Abb. 6 statt Abb. 4.

statt

pä.

Kirche etc.«

statt

»Königt.

und

Systematisches Register zu Band I. Das Register stellt nur die im ersten Band enthaltenen Stichwörter zu sachlichen Gruppen zusammen. Ein systematisches und ein alphabetisches G e s a m t r e g i s t e r werden dem letzten Bande beigegeben werden.

Aberglaube s. Mythus und Aberglaube. Agrarwesen Ackerbau Ackermaße Agrarverfassung Allmende Allod Andecena, Andecinga Aratrum Arpentum Attunger Bauernhof Bauer Beunde Böl Buchland Dorf Dorfverfassung Dreschen Düngung Egge Einhegung Einzelhof. Archäologie s. auch Befestigungswesen Alemannische Funde Angelsächsische Funde Arktische Steinzeit Aunjetitzer Typus Aurither Typus Bandkeramik Bandornament Bautastein Bernburger Typus Billendorfer Typus Branowitzer Typus Bronzegefäße

Bronzezeit Buch bei Berlin, vorgeschichtliche Ansiedlung Buckelgefäße Buckelverzierung Cista Dolmen Eisenzeit. Astronomie Astronomie. Badewesen Badegerät Badeofen Badewesen Badezimmer, -stube. Baukunst, Bautechnik. s. auch Hausbau, Kirchenbau Aachener Kaiserpfalz Atrium Attilapalast Bauholz Bauhütte Blockbau Bogen Brücke Buntmauerwerk Deutsche Baukunst Eckpfeiler Englische (angelsächsische) Baukunst Estrich. Bäume und Sträucher s. auch Kulturpflanzen Birke

Buche Buchsbaum Eibe Eiche Erle Esche Espe. Befestigungswesen Altenburg Altenwalde Altkönig Befestigungswesen Bergfrit Berme Bossendorf Brückenköpfe Bumannsburg Burg Dolberger Burg. Bekehrungsgeschichte Ansgar Arianismus Augustin Bekehrungsgeschichte. Bergbau s. auch Metalle Bergbau Bergbau - Technik und Betriebsgeschichte Bergrecht. Bewaffnung s. Waffen. Bestattungswesen s. Totenbestattung.

638

SYSTEMATISCHES REGISTER ZU BAND I

Bildungswesen Alkuin. Christentum s. Bekehrungsgeschickte, Kirchenbau, Kircheneinrichtung, Kirchenverfassung, Kultus. Chronologie Datierung. Dichtung s. auch Heldensage Dichtung. Familie s. auch Rechtswesen Adoption Avunculat Bastard Beischläferin Ehe Ehebruch Ehegüterrecht Ehehindernisse Ehescheidung Eheschließung Eltern und Kinder Erbfolgeordnung Erbrecht. Feste Dreikönigstag. Finanzwesen Bede. Fische s. Tiere. Fischerei Angel. Flüsse s. unter Geographie. Gefäße s. auch Archäologie Becher Becken Bronzegefäße

Buckelgefäße Cista Eimer. Geographie (Ortschaften, Flüsse, Gebirge, Inseln usw.) Abalus Abnoba Adrana Alba Albis Aliso Alpenpässe Amisis Asciburgium Bacenis Baunonia Boihaemum, Boiohaemum Burcana Caesia silva Codanus sinus Cusus Cylipenus Danuvius Duria. Geräte 's. auch Gefäße, Werkzeuge Eßgerät. Geschichtschreibung Adalbert Adam von Bremen Alpert Ansegis von S. Wandrille Archiv Astronom, der Beda Brun Candidus Brun von Querfurt Cassiodor Eigil Einhard Ekkehard (IV.) von St. Gallen. Gesteine s. Mineralien. Getränke Bier.

Gewerbe s. auch Agrarwesen, Baukunst, Hausbau, Hauswesen, Werkzeuge Bäcker. Gewürze Essig. Handel s. auch Schiffs- und Seewesen Ausfuhr Bernstein Binnenschiffahrt Bjarkeyjarrettr Erwerbsgenossenschaften Handwerk s. Werkzeuge. Hausbau s. auch Baukunst Bauholz Blockbau Buch bei Berlin Dach Dachziegel Estrich. Haustiere Ente Esel. Hauswesen s. auch Familie, Hausbau Abfallgruben Abort Backofen Badegerät Badeofen Badezimmer Bank Becher Beleuchtung Bett Bratrost, -pfanne Brunnen Bürgerhaus Cisternen Dienstboten Eimer Eßgerät.

S Y S T E M A T I S C H E S R E G I S T E R ZU B A N D I Heerwesen s. auch Waffen Aufgebot Bogenschützen. Heldensage Alboin Amlethus Attila Beowulf Burgundensage Chlodwig Dietrich von Bern Ermenrich. Jagd Beizvögel. Kirchenbau s. auch Baukunst Aachener Pfalzkapelle Altötting Apsis Arcosolium Atrium Baptisterium Basilika Chor Confessio Corvey Deutsche Baukunst Diakonikon Disentis Drontheimer Dom Empore Englische Baukunst Essen, Stiftskirche. Kircheneinrichtung Altar Ambo Antependium Baldachin Dagobertstuhl Diptychon. Kirchenverfassung Abt Archidiakon Bischof Chorbischof Dekanat Diözese

Eigenkirche Erzbistum Erzpriester. Krankheiten s. Medizin Körperpflege s. auch Medizin Badewesen Bart Bartzange. Kultus (christlicher) Abendmahlsbrot. Kulturpflanzen Apfel Aprikose Beerenobst Bete Birne Bohne Dill Einkorn Emmer. Kunst, Kunstgewerbe usw. s. auch Baukunst, Gefäße, Schmuck Agnus Dci Alemannische Funde Almandinen Alsener Gemmen Angelsächsische Funde Armring Auferstehung Christi Aunjetitzer Typus Aurither Typus Bandkeramik Bandornament Bayeux-Teppich Becken Beinarbeiten Bernburger Typus Bernstein Bewcastle, Kreuz von Billendorfer Typus Brakteaten Branowitzer Typus Brillenspiralen Bronzegefäße Buckelgefäße Buckelverzierung

639

Christusdarstellungen Daniel in der Löwengrube Denkmäler Diptychon Dreifuß Edelstcinschmuck Elektrum Elfenbeinschnitzerei Emaillearbeit Erzguß. Landwirtschaft s. Agrarwesen, Haustiere, Kulturpflanzen Bienenzucht. Lehnswesen Afterlehn Baron Beneficium Erblehn. Maße Andecena, Andecinga Aratrum Attunger Elle. Medizin Abführmittel Aderlaß Aloe Anatomie Ansteckung Antoniusfeuer Apotheke, Apotheker Arzneibücher Arzneimittel Arzneipflanzen Arzneitrank Arzt Asthma Augenarzt Augenkrankheiten Aussatz Aussatzhäuser Balsam Besprechen Betäubungsmittel Bilsenkraut Blattern Blutegel Blutfluß

SYSTEMATISCHES REGISTER ZU BAND I Blutreinigungsmittel Blutsegen Blutstillung Blutsturz Bräune Bruch Buckel Chirurgie Durchfall Elefantiasis Entbindung Erbrechen. Metalle Blei Bronze Eisen Elektrura. Mineralien Achat Bimsstein. Münzwesen Barren Baug, Ringgeld Beischlag Blechmünze Brakteaten Denar Eisen Exagium. Musik Akzente. Mythus, Aberglaube usw. Aberglaube Ägir Ahnenkult Alberich Albruna Alci Alfheimr Alp Alraun Alvlss Amulette Angrboda Äsaheimr Asen Äsgardr Baduhenna

Baldr Baumeister von Asgard Baumkult Bergkult Bernsteinaxt Berserker Beschwörung Besprechen Bil und Hjüki Bilwis Blutsegen Böser Blick Bragi Brisinga men Dämonen, Dämonenglaube Donar Donarseiche Donnerkeile oder Donnersteine Doppelgänger Drache Dreizahl Drude Drudenfuß Egill Einherjar Eir Elfen, Elfenkult Eostra Erce Erde, Mutter. Nahrungsmittel s. auch Getränke, Gewürze, Kulturpflanzen Backwerk Brot Butter Ei. Öffentliches Leben s. Staatsverfassung. Ornamentik Bandornament Buckelverzierung. Plastik s. Kunst. Pflanzen s. auch

Kulturpflanzen

Bilsenkraut Enzian. Räuchermittel Aloeholz. Rechenkunst Brüche Dezimalsystem Duodezimalsystem. Rechtsdenkmäler Angelsächsische Rechts denkmäler Bjarkeyjarrettr BorgarJungsbök Christenrecht Domesdaybook Eidsifafjingsbök Ewa Chamavorum. Rechtswesen s. auch Agrarwesen, Bergbau, Familie, Handel, Kirchenverfassung,Lehnswesen, Rechtsdenkmäler, Staatsverfassung, Ständewesen Adoption Afterlehn Agermanament Allod Amnestie Anefang Anklage Anstiftung Anwalt Armenrecht Asyl Auslieferung Avunculat Bann, Banngewalt Bastard Beihilfe Begnadigung Begünstigung Beneficium Bergung Besitz Bestechung Beunde Beweis Blenden

S Y S T E M A T I S C H E S R E G I S T E R ZU B A N D I Blutsbrüderschaft Blutrache Borg Brandmarkung Brandstiftung Buchland Bürgerliches Recht Bürgschaft Bußlose Tat byrjj Darlehen Diebstahl Ding dömari Dreißigste, der Ehe usw. s. Familie Ehrenstrafen Ehrlosigkeit Ehrverletzung Eid Eidbruder Eidesfähig Eideshelfer Eidesschelte Eigentum Einzelerbfolge Emanzipation Enthauptung Entmannung Erbfolgeordnung Erbrecht Ertränken ef>s0re.

Bernsteinaxt Brakteaten Edelsteinschmuck. Schriftwesen Angelsächsische Schrift Archiv Bewcastle, Kreuz von (Runen) Buch Buchstabe Deutsche Schrift. Seewesen s. Schiffs- u. Seewesen. Siedlungswesen s. auch Agrarwesen DeutschesSiedlungswesen Dorf Einzelhof Englisches Siedlungswesen. Spiele Ballspiel Brettspiel.

Schiffs- und Seewesen Admiralschaft Agermanament Anker Bergung Binnenschiffahrt Boot bülki Einbaum.

Staatsverfassung und Verwaltung s. auch Finanzwesen, Heerwesen, Lehnswesen, Ständewesen Absetzung des Königs ärmadr Bann, Banngewalt Beamte Bryti Centenar Comes Ding Demokratie Domäne dömari ealdorman eorl Eyrafiing.

Schmuck Achat Almandinen Alsener Gemmen Armring Bernstein

Stammeskunde Aduatuci Aisten Alaesiagae Alemannen Ambronen

Römisches Germanien s. Geographie.

Hoops, Reallexilion. I.

Amelunge Am(p)sivarii Angeln Angelsachsen Angrivarii Armalausi Aviones Baiern Bäningas Bas tarnen Bätaver Beigen Boier Brukterer Burgunden Buri Cannenefates Chabiones Chamavi Chasuarii Chatten Chattuarier Chauken Cherusker Cotini Cuberni, Cugerni Dänen Dulgubnii Eidersueben Eudoses. Ständewesen Adel Bauer Bürger Ceorl Eorl Erbuntertänigkeit. Tageszeiten Abend. Tiere Aal Adler Affe Bär Barsch Beizvögel Biber Blutegel Dachs Dohle 42

642

S Y S T E M A T I S C H E S R E G I S T E R ZU B A N D I

Drossel Eichhörnchen Elch Ente Esel. Totenb estattung Bau ms arg Bautastein Bestattungsort Brandgräber Brandgruben Cromlech Dolmen Einzelgräber. Verkehrswesen Alpenpässe Beförderungswesen Botenwesen

Brücke Dolmetscher. Verwaltung s. Staatsverfassung Verwaltung.

u.

Vögel s. Tiere. Waffen Ango Angriffswaffen Armbrust Armschienen Axt Baldenheimer Helm Beinschienen Bewaffnung

Bogen Celt Damaszierte Schwertklingen Dolch Dolchstab. Werkzeuge Amboß Angel Anker Axt Blasbalg Bohrer Celt Drehbank Egge. Wohnungswesen s. Hausbau, Hauswesen.

Aus dem Verlag von Karl J. Trübner in Straßburg mcmxin

Durch die meisten Buchhandlungen des In- und Auslandes zu beziehen.

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V E R L A G VON K A R L

J. T R Ü B N E R

IN

STRASSBURG.

UrgrftiMrfjfr £uro|ia$ GRUNDZÜGE EINER PRÄHISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE VON

SOPHUS MÜLLER D I R E K T O R AM N A T I O N A L - M U S E U M IN K O P E N H A G E N .

DEUTSCHE AUSGABE UNTER MITWIRKUNG DES VERFASSERS BESORGT VON OTTO LUITPOLD JIRICZEK PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT MÜNSTER I. W.

P . VIII, 204 S. 1905. MIT 3 T A F E L N IN F A R B E N D R U C K U N D 160 A B B I L D U N G E N IM T E X T . PREIS GEHEFTET *

6.—, G E B U N D E N . « 7.—.

„Ein ausgezeichnetes Buch, das sich j e d e m aus engeren Studienkreisen ins W e i t e schauenden Altertumsforscher als unentbehrlicher F ü h r e r erweisen wird, bei aller Kürze klar und übersichtlich geordnet, aus gründlichstem Wissen geschöpft, besonnen in der Besprechung der oft so schwierigen P r o b l e m e und trotz seines reichen bildlichen S c h m u c k e s noch billig . . . ." Literarisches Zentralblatt 1905, Nr. 36. „Abermals tritt Sophus Müller vor die deutsche L e s e r w e l t : an seine klassische „Nordische Altertumskunde" reiht sich nunmehr seine „Urgeschichte E u r o p a s " nicht minder bedeutend als j e n e . Haben sie doch einen Archäologen zum Verfasser, der wie nur wenige berufen ist, den L e s e r mit sicherer Hand in das ferne Dämmerland der Vorzeit zu führen und vor seinem Auge klärend die Schleier zu lüften, die eine so uralte und zugleich so ungeahnte neue W e l t geheimnisvoll verbergen. M. will nach seinen eigenen W o r t e n eine Übersicht, kein Spezialwerk über die vorgeschichtlichen Zeiten Europas bieten. Mag ihn aber auch diese Absicht bestimmt haben, so vieles nur knapp anzudeuten und nur flüchtig zu streifen, so wird trotzdem der Fachmann eine ganze Summe neuer und unbekannter Ergebnisse, der gebildete Interessent aber alle die Literaturangaben finden, welche ihm gestatten, tiefer in die Probleme einzudringen, deren Bahn ihm der gelehrte Autor gewiesen. Dabei ist der Verf. mit kritisch-ruhigem F o r s c h e r b l i c k , fast möchte ich sagen mit nordischer Wikingerkraft, um all die Hypothesen herumgekommen, die sich wie Klippen entgegenstellen und an denen schon so m a n c h e r vielverheißende S e g l e r seine Kraft vergeudete, j a schließlich zerschellte. M. hat die ewig schwankende Hypothese aus seinem Buche ausgeschaltet. F r e i von Schwulst, Phrase und W o r t schwall bietet er dem L e s e r positives, gutes Material, das dieser getrost verwerten kann, ohne fürchten zu müssen, daß seine Basis eines T a g e s erschüttert zusammenbrechen könne . . . ." Allgemeines Literaturblatt XV. Jahrgang, Nr. 1. „Wollte man bloß das Verdienstvolle, Treffliche an diesem Buche hervorheben, so hätte man genug zu sagen. E s war wirklich eine Notwendigkeit, die Stoffmassen, welche der gegenwärtige Stand der europäischen Urgeschichtsforschung in zahllosen zerstreuten Schriftwerken darbietet, einmal in einer R e i h e von Kapiteln kurz und lesbar zusammenzudrängen. Die Aufstellung dieser lückenlosen R e i h e und der dadurch geschaffene Überblick der T e i l f ä c h e r ist allein schon eine Leistung. Die klare, gefühlswarme, oft geistreiche Darstellung, der stete Blick auf das Ganze und die Zusammenhänge, das unverrückte F e s t halten an dem Sinne des Gegenstandes, die ungeheure Menge von Einzeldingen, die trotzdem, wenn auch in knappster F o r m , zusammengebracht sind, und die vollkommene Beherrschung des Gebietes bekunden, — all' das verdient das höchste Lob, welches wir in die W o r t e kleiden wollen: All' das ist einfach würdig des berühmten Verfassers, der uns dieses Buch geschenkt hat . . . ." Zentralblatt für

Anthropologie

1906, Heft

I.

V E R L A G VON K A R L J . T R Ü B N E R IN S T R A S S B U R G .

3

WALDBÄUME UND KULTURPFLANZEN IM

GERMANISCHEN ALTERTUM VON

JOHANNES HOOPS O. PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT HEIDELBERG.

Mit acht Abbildungen im T e x t und einer Tafel. 8°.

XVI, 689 S.

1905.

Geheftet M 16.—, in Leinwand gebunden Ji, 17.50.

„Wie V. Hehn, den berühmten Vorgänger des Verf 's in der Geschichtsschreibung der Kulturpflanzen, sein ganzes Leben hindurch in mannigfacher Gestalt die Abgrenzung der beiden Grundbegriffe der Menschheit, Natur und Kultur, beschäftigt hat, so steht das gleiche Problem auch in dem Mittelpunkt des vorliegenden Werkes, in dem die großen Gegensätze Wald und Ackerbau mit Rücksicht auf die Geschichte der indogermanischen und im besonderen der germanischen Völker behandelt werden. Und wie das Buch V. Hehns über die Kulturpflanzen und Haustiere durch die bewunderungswürdige Vereinigung naturwissenschaftlicher und philologischer Kenntnisse das Staunen der Mitforscher erregte, so wird das Gleiche gegenüber der Arbeit von Hoops der Fall sein, nur daß dieser im Gegensatz zu Hehn auch noch das große Gebiet der paläontologischen und prähistorischen Forschung in den Bereich seiner Untersuchungen gezogen hat . . . . E s ist somit eine Fülle weittragender Probleme, die in dem vorliegenden Buch behandelt wird, und die verschiedensten Wissenschaften werden mit diesem gelehrten und scharfsinnigen, in klarer und schöner Sprache geschriebenen Werke sich auseinanderzusetzen haben . . ." Deutsche Literaturzeitung igoö, Nr. 6. „Die T . . . Verlagsbuchhandlung, der die germanische Forschung schon so viel bleibende Bereicherung verdankt, hat uns hier mit einem Werke beschenkt, welches allseitig lebhafte Beachtung finden wird. Das schön ausgestattete stattliche Werk eines so ausgezeichneten Kenners, wie es Herr J. Hoops ist, kommt einem in der letzten Zeit vielfach empfundenen Bedürfnis entgegen: zum ersten Male wieder wird uns seit V. H e h n s unvergänglichem Werke hier eine zusammenfassende Darstellung der neueren Ergebnisse der sprachwissenschaftlichen, altertumskundlichen und naturwissenschaftlichen Forschung auf einem besonders anziehenden und allgemein interessierenden Gebiete dargeboten. Die Darstellung ist überall eine ansprechende und obwohl auf der Höhe der wissenschaftlichen Diskussion stehend, doch im edlen Sinne des Wortes gemeinverständlich. So verdient es das Buch, sich viele Freunde in den Kreisen der Fachgelehrten und aber auch Liebhaber des Faches zu gewinnen. E s bringt vieles und daher auch vielen etwas. Der Verfasser hat seine großartig angelegte SpezialStudie von vornherein auf eine möglichst breite Basis gestellt und den Forschungen nach allen Seiten hin weite Perspektiven gegeben; er hat nicht bloß gelegentliche Blicke in die Nachbardisziplinen geworfen, sondern sich eindringend und gründlich darin umgetan . . ." Prof. Dr. J. Ranke-München Correspcmdenzblatt der Deutschen anthropologischen Gesellschaft 1905, Nr. 10.

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VERLAG VON K A R L

J. T R Ü B N E R

M STRASSBURG.

REALLEXIKON DER

OTOGERMAILSCHEiT

ALTERTUMSKUNDE.

GRUNDZÜGE EINER KULTUR-

UND

VÖLKERGESCHICHTE

ALTEUROPAS

VON

O. SCHRÄDER, a. o. Professor an dar Universität Jena.

L e x . 8*.

X L , 1048 S.

1901.

Broschirt M. 27.—, in Halbfranz geb. M. 30.—.

„Ein Gelehrter, dessen Name mit der Entwicklung der indogermanischen Altertumskunde schon aufs Engste verknüpft ist, tritt uns hier mit einem neuen bedeutenden Werke entgegen, das sich sowohl durch seine innere Gediegenheit als auch durch seine glückliche Form zahlreiche Freunde verschaffen, ja einem weiten Kreise bald zu einem unentbehrlichen Hilfsbuch werden wird . . . Schr.s Ziel ist, die ältesten inneren und äusseren Zustände der indogermanischen Völker uns vor Augen zu führen und von da zurückschliessend auch die ihres Stammvolkes. Es geschieht dies an der Hand der geschichtlichen Nachrichten, der ausgegrabenen Altertümer und nicht zum geringsten Teil der Sprache. — Dass auch die Sprachwissenschaft wirklich berufen und befähigt ist, auf die Kultur vorgeschichtlicher Perioden Rückschlüsse zu ziehen, ist im Laufe der letzten Zeit wiederholt bestritten worden, und so sieht sich denn Sehr, in der Vorrede veranlasst, auf die Fragen der Methode näher einzugehen. Wir dürfen dabei im wesentlichen seinen Standpunkt als den richtigen anerkennen. Trefflich ist unter anderem das, was über das Mass von Berechtigung gesagt wird, das Schlüssen ex silentio zukommt . . . Dass überall gleich tief gepflügt wurde, ist ja schon mit Rücksicht auf die Ausdehnung des Arbeitsfeldes und die sehr ungleiche Beschaffenheit seines Bodens von vornherein nicht zu erwarten. Im Grossen und Ganzen haben wir aber allen Grund, Sehr, zu seiner Leistung zu beglückwünschen, und besonders die Hauptprobleme der indogermanischen Altertumskunde sind von ihm so trefflich behandelt, dass sich jeder, der sie neuerdings in Angriff nimmt, mit ihm wird auseinandersetzen müssen. Vor allem wird die übersichtliche Darstellung des bisher Erreichten, die ein Weiterarbeiten sehr erleichtert, dem ganzen Bereich der indogermanischen Altertumskunde zu Statten kommen. Dank und Anerkennung für das schöne Buch gebühren dem Verf. vollauf . . ." (R. Much in der Deutschen Litteraturzeitung 1902 Nr. 34.) Allzu lange habe ich die geduld des lesers in anspruch genommen, möchte es mir wenigstens in e was gelungen sein, in ihm die Überzeugung zu erwecken, dass jeder philologe, auch jeder anglist, der sein fach nicht mit rein ästhetischpsychologischer litteraturbetrachtung erschöpft hält, fortan Schrader's reallexikon zu den unentbehrlichen handbüchern wird zählen müssen, die er stets nah zur hand zu haben wünscht. Wir dürfen von dem werke mit dem stolzen gefühle scheiden, dass hier wieder deutschem fleisse und deutscher Wissenschaft ein monumentalwerk gelungen ist, das von der gesamten wissenschaftlichen weit als ein Standard Work auf unabsehhare zeit mit dankbarkeit und bewunderung für den Verfasser benutzt werden wird." (Max Forster im Beiblatt zur Anglia 1902 Nr. VI).

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J. T R Ü B N E R

IN STRASSBURG.

5

GRIECHISCHE

GESCHICHTE VON

KARL JULIUS BELOCH. Erster

B a n d : Die Zeit vor gestaltete Auflage.

den Perserkriegen.

Zweite, neu-

I. Abteilung: Darstellender T e x t . Gr. 8°. XII, 4 4 6 S . 1912. Geheftet M. 8.50, in Halbfranz geb. M. 10.50. II. Abteilung:

Ergänzung.

Gr. 8°. ca. 25 Bogen. [Unter der Presse.]

Z w e i t e r B a n d : Die klassische Zeit. Zweite neubearbeitete Auflage. I. Abteilung: Darstellender T e x t . Gr. 8°. ca. 3 0 Bogen. [In Vorbereitung.] II. Abteilung: Ergänzung. Gr. 8°. ca. 3 0 Bogen.

[In Vorbereitung.]

D r i t t e r B a n d : Die griechische Weltherrschaft. I. Abteilung. Gr. 8°. X I V , 7 5 9 S . 1903. Geheftet M. 9 . — , in Halbfranz geb. M. 11.50. II. Abteilung. Mit sechs Karten. Gr. 8°. X V I , 5 7 6 S . 1904, Geheftet M. 10.50, in Halbfranz geb. M. 1 3 . — . I. u. II. Abteilung zusammen in 2 Halbfranzbänden M . 2 4 . — .

Urteile der Presse: « . . . Wir haben hier ein Buch vor uns, das unbedingt zu den bedeutsamsten Erscheinungen der geschichtlichen Literatur der letzten Zeit zu rechnen ist. Beloch betont selbst, dass er das Gebäude fast überall von den Grundlagen neu aufgeführt habe und manche Gebiete, wie die Wirtschaftsgeschichte, bei ihm zum erstenmal zu ihrem Recht kommen; ebenso, dass er kein Nebeneinander von Sondergeschichten (athenische, spartanische u. s. w.) biete, sondern die Entwickelung der ganzen hellenischen Nation von einheitlichen Gesichtspunkten zu erfassen suche. Dabei hüte er sich, ein Phantasiegemälde der ältesten Zeit zu entwerfen, und richte seine Absicht vielmehr darauf, nur das mitzuteilen, was wir auf Grund des archäologischen Befundes, des homer. Epos, der sprachgeschichtlichen Forschung mit Sicherheit zu erkennen vermögen. Man wird nicht bestreiten können, dass alle diese Züge, in denen Beloch selbst die charakteristischen Merkmale seiner Art zu forschen und zu arbeiten erblickt, wirklich in dem Buche hervortreten Die Ausstattung des Werkes ist vorzüglich.» Prof. G, Egelhaaf, Württ. Korrespcmdcnzblatt f . Gelehrten- u. Realschulen, 1894 Heft /. «Der eigentliche Vorzug des Werkes l i e g t a u f d e m G e b i e t e d e r D a r s t e l l u n g d e r w i r t s c h a f t l i c h e n und s o c i a l e n G r u n d l a g e n d e s L e b e n s , in denen B. die materiellen Grundlagen erkennt, auf denen sich die grossartigen Umwälzungen, auch der geistigen und politischen Entwickelung vollzogen. Da B. gerade in dieser Beziehung das Material beherrscht, wie nicht leicht ein anderer Forscher, so durfte man hierin von seiner Darstellung Ausführliches und Vorzügliches erwarten . . . . Glanzpunkte sind der VII. Abschnitt: Die Umwälzung im Wirtschaftsleben (vom 7. zum 6. Jahrh.) und der XII: Der wirtschaftliche Aufschwung nach den Perserkriegen . . . .» Bl. f . d. Gymnasialschulieesen, XXX. Jahrg. S. 671.

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IN S T R A S S B U R G .

Nordische Altertumskunde.

Nach Funden und Denkmälern aus Dänemark und Schleswig gemeinfaßlich dargestellt von Dr. Sopkus Müller. Deutsche Ausgabe unter Mitwirkung des Verfassers besorgt von Dr. Otto Luitpold Jiriczek. I. Band: S t e i n z e i t , B r o n z e z e i t . Mit 253 Abbildungen im Text, 2 Tafeln und einer Karte. 8°. XII, 472 S. 1897. Geheftet J l i o . — , in Leinwand geb. M 1 1 . — . II. Band: E i s e n z e i t . Mit 189 Abbildungen im T e x t und 2 Tafeln. 8°. VI, 324 S. 1898. Geheftet J i 7.—, in Leinwand geb. J i 8.—.

„ ... S. Müllers Altertumskunde ist e b e n s o w i s s e n s c h a f t l i c h w i e l e i c h t v e r s t ä n d l i c h . Es ist freudig zu begrüßen, daß dieses Werk in deutscher Sprache erscheint, und O. Jiriczek war eine vortrefflich geeignete Kraft, sich dieser Aufgabe der Ubersetzung zu unterziehen . . . Die verschiedenen Anschauungen der Gelehrten über einzelne Erscheinungen werden in objektiver Weise dargelegt, wodurch in das Werk zugleich eine Geschichte der nordischen Archäologie verwebt ist. Dabei hat M. jederzeit seine Blicke auf die Parallelerscheinungen und die Forschung bei anderen Völkern gerichtet und dadurch den Wert seines Werkes über die Grenzen der nordischen Archäologie erweitert. Besondere Anerkennung verdient auch die klare und scharfe Erklärung technischer Ausdrücke. . . " Literarisches Zentralblatt I8QJ, Nr. 2.

Die Indogermanen.

Ihre Verbreitung, ihre Urheimat und ihre Kultur. Von Herman Hirt. E r s t e r B a n d : Mit 47 Abbildungen im Text. Gr. 8°. X, 407 S. 1905. Geheftet Lex. 8°. VI, 535 S. 1898—1901. M. 27.— I. > Beide Abteilungen in einen Band gebunden in Halbfranz M. 48.— Anhang zum I. Band. Lex. 8°. VI, 111 S. 1903. Geheftet M. 6.—. In Halbfranz gebunden M. 8.50. II. Band. Lex. 8°. VII, 791 S. 1896—1904. Geheftet M. 40.— In Halbfranz gebunden M. 44.— (auch noch in 5 Lieferungen ä M. 8.— zu haben). Inhalt: I. Band 1. Abteilung. I. Abschnitt. SPRACHGESCHICHTE. 1) Vorgeschichte der iranischen Sprachen Prof. Dr. Chr.Bartholomae. 2) Awestasprache und Altpersisch Prof. Dr. Chr. Bartholomae. 3) Mittelpersisch Akademiker Dr. C. Salemann. II. Band. 2. Abteilung. 4) Neupersische Schriftsprache Prof. Dr. P. Horn. 5) Die übrigen modernen Sprachen und Dialekte. b: B ^ s c h I * C. Kurdisch Prof. Dr. A. Socin. D. Kleinere Dialekte und Dialektgruppen a) Allgemeines, b) Pamirdialekte, c) Kaspische Dialekte (Mäzandaränl, etc.) d) Dialekte in Persien. Prof. Dr. W. Geiger. Anhang zum I. Band: Ossetisch Prof. Dr. W. Miller. I. Band. II. Abschnitt. LITTERATUR. 1) Awestalitteratur Prof. Dr. K. F. Geldner. 2) Die altpersischen Inschriften Dr. F. H. Weissbach. 3) Pahlavilitteratur Dr. E. W. West. Mit einem Anhang über die neupersische Litteratur der Parsi.

4) Das iranische Nationalepos Prof. Dr. Th. Nöldeke. 5) Neupersische Litteratur Prof. Dr. C. H. Ethi. III. Abschnitt. GESCHICHTE UND KULTUR. 1) Geographie von Iran Prof. Dr.W. Geiger. 2) Geschichte Irans von den ältsten Zeiten bis zum Ausgang der Säsäniden Prof. Dr. F. Justi. 3) Geschichte Irans in islamitischer Zeit Prof. Dr. P. Horn. 4) Nachweisung einer Auswahl von Karten für die geographischen und geschichtlichen Teile des Grundrisses. Von F. Justi. 5) Die iranische Religion Prof. Dr. A. V. W. Jacksgn.

VERLAG

VON K A R L

J. T R Ü B N E R

IN STRASSBURG.

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ALTIRANISCHES

WÖRTERBUCH VON

CHRISTIAN BARTHOLOMAE. Lex. 8°. XXXII, iooo Seiten (2000 Spalten) 1904. Geheftet 5

CtpntDlngifiSc^ IBütterfiucf) 6er bcutfdjen Sprache con

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K l u g E B H > 0 r t e t b i t d i ift im :ga§re ! 8 8 3 erftmatS erftfjienett; eé Ijat olfo int S a l j r e 1 9 0 8 fein 2 5 jaijrigeä Qubiläum feiern fönnen. ® e r Gsrfolg 6et bis je^t etfdjlenenett fieben Stuflagen unb bte Stnerfennung, toeidje bem SBucfje juteil geworben, fjaben gejeigt, »nie richtig bet ©ebante w a r , bte CSrgebniffe be§ anjiefjenbften unb toettboöftcn £ette§ ber tt>i|fenfif)aftlicfjen SBortforfdjung, ben übet bie dntfteEiung unb @e[tf)icfite ber einzelnen Sßörter unfereS ©pracfjfcfjatjeei, in fnapper leytfalifcfjer ® a r f t e t t u n g jufammensuf äffen. ® e r S3erfaffer Ijat e§ fidj j u r Stufgabe g e m a l t , g o r m unb SBebeutung jebeS SBorteS 6i8 j u feiner DueQe ¿u berfotgen, bte SBejieljungen j u ben flafjtfdjen S p r a k e n in gleichem SJiafje ßetonenb raie ba§ S3ertt>anbtfcf)aftSber= ßältrtts j u ben übrigen germanifcEjett unb ben rontanifd)en ©prarf)en; aurf) bie entfernteren orientalifdfieii, fotoie bie leitifdjen unb bie ftaötfcijen ©pradjen flnb in aClen gälten tjerangejogen, too bie gorfdjung eine fixere ffierwanbt» fdjaft feftjuftetten bermag. ® i e bortiegenbe neue Stuflage, bie auf jeber ©eite Sefferungen unb 3 " = fäfee auftoeift, fjält an bem früheren P r o g r a m m beS SüßerfeS feft, ftreöt aber toteberunt narfj einer Vertiefung unb Srtoeiterung ber tnortgefdjtdjtlitfjen ißroBteme unb ift auet) bieSmal Bemütit, ben neueften gotftijungen ber etp= tnologtfdjen SBortforfcfiung ge6ül)renbe SRecfynung j u tragen. 9tm 6eften aber beranfcf)aulid)en einige 3 0 ^ e n bie SBerboUftänbigung be§ S e r i e ä feit feinem erften ©rfdjetnen: bie 3 a i ) l ber ©ttcfjroorte f)at fiefj bon ber erfteit $ur fiebenten Stuflage berme^rt im SBudjftaBen 31: bon 1 3 0 auf 346 (6. Stuft. 280); SB: bon 3 7 8 auf 608 (6. Stuft. 5 2 0 ) ; bon 1 3 7 auf 238 (6. Stuft. 200);