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German Pages 152 Year 2014
Jasmin Meerhoff Read me!
... Masse und Medium 9
Editorial Masse und Medium untersucht Techniken und Macht des Diskurses, seine Funktionseinheiten, Flüchtigkeiten und Möglichkeiten zu seiner Unterbrechung. Damit geht die Reihe von einer eigentümlichen Brisanz des Massenund Medienbegriffs aus: Die Massenmedien markieren keineswegs ein einheitlich integratives und symmetrisches Konzept, sie sind vielmehr auf eine Differenz verwiesen, mit der das eine im jeweils anderen auf z.T. unberechenbare Weise wiederkehrt - weder ist die Masse in jeder Hinsicht auf Medien angewiesen noch gelingt es den Medien, die Masse allumfassend zu adressieren. Eine Differenzierung zwischen Massen und Medien zeigt, dass es sich dabei um beidseitig fragwürdige Konzepte handelt, die gerade auch in ihrer gegenseitigen Zuwendung problematisch und daher zu problematisieren sind. Für Masse und Medium steht damit weder ein Programm der Einheit noch eines der Differenz zur Debatte. Dagegen wäre ein Brennpunkt zu fokussieren, in dem beide Felder in merkwürdiger Solidarität längst schon und wiederholt auseinander driften und zusammenwachsen. Somit benennt die Reihe Medialität und ›Massivität‹ als Grenzbegriffe des Sozialen und thematisiert darin ebenso jene Punkte, mit denen das Soziale in seiner Fragilität auf dem Spiel steht, indem es sich für politische Re-Artikulationen öffnet. Die Reihe wird herausgegeben von Friedrich Balke, Jens Schröter, Gregor Schwering und Urs Stäheli.
Jasmin Meerhoff (B.A.) ist Medien- und Kulturwissenschaftlerin an der Bauhaus-Universität Weimar.
Jasmin Meerhoff
Read me! Eine Kultur- und Mediengeschichte der Bedienungsanleitung
... Masse und Medium 9
Gedruckt mit Mitteln der Ludwig Sievers Stiftung
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© 2011 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat & Satz: Jasmin Meerhoff Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1625-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
Inhalt
Allgemeine Hinweise | 7 MIT DEM GEGENSTAND VERTRAUT MACHEN Philosophie des Gebrauchs | 17 Erste Schritte | 17 Zuhandenes Zeug | 21
Akteur-Netzwerke | 25 Menschliche mit nicht-menschlichen Wesen | 25 Skripte und Dispositive | 31 VISUALISIEREN UND INSTRUIEREN Bildgebende Verfahren | 37 Immutable mobiles | 37 Die technische Redaktion | 43
Visualisierung technischer Vorgänge | 47 Bildliche Konventionen | 47 Explosionsansichten | 56
Blick und Lektüre lenken | 61 Bildbesprechungen und sprechende Bilder | 63 Überreden und Überzeugen | 68
SICH SELBST ODER SEINEM SELBST HELFEN Anthropomorph/Technomorph | 77 Techniken des Körpers und des Selbst | 79 The Baby Owner’s Manual und Psychokybernetik | 83
Ratgeber und Ratgeberliteratur | 89 Learning by Reading | 89 Konsultationen | 93
We Do It Yourself! | 97 Kontrollieren und normalisieren | 97 Paradoxie der Selbsthilfe | 100
BENUTZER DAZU BRINGEN, ETWAS (NICHT) ZU TUN Mediale Vermittlung | 107 Im Namen des Geräts sprechen | 107 Einschreiben und Umschreiben | 113 Attention! Caution! Warning! | 117 Sicherheitshinweise und rechtliche Bestimmungen | 117 Missbrauch vor dem Brauch | 127 Pädagogische und künstlerische Interventionen | 130 (An)Schluss | 135 Literatur | 139 Dank | 149
Allgemeine Hinweise
Bevor Sie mit der vollständigen Lektüre beginnen, beachten Sie bitte folgende Hinweise. tDas Buch nicht in Wasser tauchen oder in Flammen halten! t Buchseiten dürfen weder herausgetrennt, übersprungen noch überflogen werden, da dies zu erheblichen Beeinträchtigungen des Verstehensprozesses führen kann. t Die Lektüre vermeiden, wenn Sie unter Müdigkeit, Konzentrationsstörungen oder Trunkenheit leiden. tKorrekturen am Text dürfen nur von Fachkräften durchgeführt werden. t Wenden Sie sich bei Fehlern und Problemfällen an den Verlag oder an die Verfasserin.
1. 2. 3. 4. 5.
Suchen Sie sich eine bequeme Sitzgelegenheit. Hinsetzen. Einatmen, ausatmen. Beginnen Sie zu lesen. Am Ende einer jeden Seite umblättern. Fassen Sie mit Daumen und Zeigefinger die untere, nicht gebundene Ecke des Papiers und bewegen Sie das Papier auf die gegenüberliegende Seite.
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Die Dinge des täglichen Bedarfs werden begleitet von zahlreichen Zetteln, Aufklebern, Aushängen oder Büchern. Angefangen bei den Waschzetteln in Kleidungsstücken, die im Nacken kratzen, hin zu den Packungsbeilagen von Medikamenten, deren Bedeutung für die »Risiken und Nebenwirkungen« über Radio und TV in jedes Ohr schallt. Oder die Schilder im Straßenverkehr, die nicht nur die Richtung anzeigen, sondern auch Verbote aussprechen und damit das Ordnungsamt beschäftigen sowie Verkehrsteilnehmer in finanzielle Schwierigkeiten bringen können. Nicht zu vergessen die Illustrationen zur Montage eines im bekannten schwedischen Einrichtungsgeschäft erworbenen Möbelstücks. Selbst sehr profane Handlungen sind über sprachliche und bildliche Mitteilungen strukturiert. Der Gang in die Weimarer Universitätsbibliothek erfolgt beispielsweise nicht ohne die Erinnerung »Achtung! Die Tür öffnet langsam«. Eingebaut in alltägliche Routinen oder als Störenfried verschmäht, wird diese besondere Textsorte in ihrer Relevanz jedoch oft unterschätzt. Umgeben von Apparaten, Gadgets und technischen Geräten jeglicher Couleur, die in Betrieb genommen, bedient und gewartet werden müssen, stellt sich dem Zeitgenossen regelmäßig die Frage, welche Tasten zu drücken sind und welche Knöpfe zu drehen. Manchmal sind es technikversierte Menschen, die sagen und zeigen, was zu tun ist, damit der Wecker um 7.30 Uhr klingelt und ein Mobiltelefon in einer Besprechung eben dies nicht tut. Gelegentlich hilft sogar allein der Ratschlag »Sieh doch mal nach, ob der Stecker in der Steckdose steckt«. Getreu dem Motto »Probieren geht über Studieren« führt hin und wieder auch mutiges Herumexperimentieren zum Erfolg. Doch meistens kommt niemand umhin, ein paar Zeilen zu lesen und diverse Bilder zu betrachten. Ob nun glücklicher- oder unglücklicherweise: Technische Geräte werden heutzutage immer mit einer entsprechenden Bedienungsanleitung ausgeliefert. Diese beigelegten Faltblätter, Hefte oder Handbücher sind Gegenstand der vorliegenden Studie. Und als Grundlage dafür dient in erster Linie das Material selbst; gesammelte Anleitungen von Haushalts-, Kommunikations- und Unterhaltungsgeräten für den Heimbedarf. Die gewählten Beispiele sind entsprechend Kaffeemaschinen,
ALLGEMEINE HINWEISE
Video Cassetten Recorder, Akkuschrauber oder Elektroherde. Dass auch für Produktionsmaschinen und damit für Arbeitsabläufe, die als Zusammenspiel von Mensch und Maschine organisiert werden, die Bedienungsanleitung unerlässlich ist, sei hier erwähnt, wird aber nicht eigens in der Analyse berücksichtigt. Vordergründig geht es um technische Geräte, die potentiell von jedem Menschen ohne vorgängige fachspezifische Ausbildung verwendet werden können. Ziel der Studie ist, in einer Analyse von Bild und Sprache die Bedienungsanleitung vor allem in ihrer Position eines Dritten zu erfassen. Sie besetzt eine Mitte, ist Mittler und bildet eine Trias technisches Artefakt – Mensch – Zeichen, außerhalb der sie nicht von Belang ist. Diese Eingebundenheit wird besonders deutlich, wenn ein Gerät aufgrund von Alterserscheinungen entsorgt wird und wenn die Handgriffe zur Bedienung in die Alltagsroutine des Benutzers übergangen sind: Dann – wenn sie überhaupt je eine Beachtung erfahren hat – verschwindet die Anleitung in der untersten Schublade oder im Altpapiercontainer. Eingeordnet in die sogenannte »graue Literatur«, weil nicht über den Buchhandel erhältlich oder systematisch zugänglich, führt sie ein Schattendasein und macht erst dann auf sich aufmerksam, wenn ihre sprachlichen und bildlichen Eigenheiten die Kontaktstelle von Mensch und Maschine stören und sie vom zögerlichen Annäherungsversuch bis zur geglückten Dauerbeziehung kontaminieren.
Erwarten Sie unter Mediengeschichte nicht die Erzählung einer chronologischen Abfolge vom gedruckten Buch über Videotutorials zu digitalen hypertextuellen Handbüchern.
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Der Begriff Medium1 bezieht sich vielmehr auf die grundsätzliche Art und Weise, mit der die Bedienungsanleitung Beziehungen herstellt, Informationen übermittelt und Interessen vermittelt. Ob dies nun mündlich, schriftlich, filmisch oder mit Content-Management-Systemen geschieht, ist für die strukturelle Einordnung zunächst zweitrangig. Die Bedienungsanleitung ist ein Medium in einem breiten Sinne, wie es Michel Serres mit dem Modell des Parasiten einführt.2 Gibt es stets »ein Drittes vor dem Zweiten; […] einen Dritten vor dem anderen […], ein Medium, eine Mitte, ein Vermittelndes«3, dann ist ein ausschließlich zweifaches Schema von Benutzer und Gerät ohnehin nicht denkbar, dann lässt sich das Verhältnis dergleichen überhaupt nur mit Einbezug der Bedienungsanleitung vollständig beschreiben. Gleichwohl ist eine Untersuchung der Spezifika der verwendeten Zeichen elementar, denn Medien operieren mit Techniken der Verfertigung und Verwendung von Zeichen.4 Eine systematische Bestimmung sowie historische Einordnung von Piktogrammen und anderen Formen zur Visualisierung technischer Vorgänge, von Pfeilen im Bild, von sprachlichen Rhetoriken und der inhaltlichen Gliederung einer Bedienungsanleitung, bilden daher das Zentrum der folgenden Überlegungen zur gedruckten Anleitung. Da eine solche Geschichte der Bedienungsanleitung bisher nicht vorliegt, sind die verwendeten theoretischen Instrumente äußerst heterogen. Kunstgeschichtliche wie medientheoretische oder bildwissenschaftliche sowie soziologische Ansätze konturieren den Forschungsbereich. Die unvorstellbare Menge der besonderen Schriftstücke steht in keinem Verhältnis zu der Zahl wissenschaftlicher Publikationen, die sich explizit diesem Thema zuwenden. Verhandelt werden Bedienungsanleitungen gegenwärtig vor allem mit Hinblick auf die praxisbezogene 1 | Die Verwendung des Medienbegriffs ist inflationär, eine Zusammenführung von Definitionen müßig bis aussichtslos. Vgl. zu dieser Problematik beispielsweise den Sammelband Münker, Rösler und Sandbothe 2003. Zur Genealogie des Medienbegriffs siehe Seitter 2002. 2 | Serres 1987. 3 | Ebd., S. 97. 4 | Vgl. Schüttpelz 2006, S. 96.
ALLGEMEINE HINWEISE
Analyse zur Verbesserung bildlicher und sprachlicher Mittel.5 Darüber hinaus finden sich linguistische Analysen, die sich zum einen darum bemühen, die Textsorte Bedienungsanleitung zu spezifizieren6 und zum anderen Satzstrukturen und Terminologien auf ihre Verständlichkeit und Wirksamkeit hin untersuchen.7 Von etwas mehr Relevanz für eine kultur- und medienwissenschaftliche Untersuchung erweisen sich die Arbeiten Clemens Schwenders zur Geschichte der Technischen Dokumentation.8 Eine explorative Studie zum Wandel von Bedienungsanleitungen zwischen den 1950er und 90er Jahren führte Catherine Badras durch.9 Die Ergebnisse werden jedoch nur sehr wenig in Bezug auf eine umfassendere Einschätzung des Verhältnisses zwischen Benutzer und Gerät ausgeführt, sie konzentrieren sich fast ausschließlich auf die Methoden, Veränderungen und Kontinuitäten bildlicher und sprachlicher Darstellungen per se. Die vorliegende Kultur- und Mediengeschichte der Bedienungsanleitung setzt zunächst bei der Frage an, was es überhaupt heißt, eine Sache zu gebrauchen oder zu bedienen (Teil 1). Eine kurze Diskussion technikphilosophischer Positionen vermag hierfür eine erste Orientierung liefern. Im Vordergrund steht dabei die von Martin Heidegger vorgenommene Unterscheidung in Zeug und Ding, die gleichsam als eine Philosophie des Gebrauchs aufgefasst werden kann. Wie das Verhältnis von Mensch und technischem Artefakt im Modus der Bedienung definiert und analysiert werden kann, ist mit der Heidegger’schen Vorgehensweise jedoch noch nicht geklärt. Der Ansatz der Actor-Network-Theory, demgemäß die 5 | Der deutsche Fachverband für Technische Kommunikation und Informationsentwicklung tekom gibt mit seinem offiziellen Organ Technische Kommunikation (ehemals tekom nachrichten) aktuelle Informationen zu einzelnen Arbeitsbereichen, Werkzeugen, Gesetzen, Normen und Richtlinien sowie zur Übersetzung und Lokalisierung von Bedienungsanleitungen. 6 | Siehe Nickl 2001 sowie Jong-Moon 2003. 7 | Siehe Grosse und Mentrup 1982 sowie Ehlich 1994. 8 | Dazu zählt zum einen die oral history Technischer Redakteure, siehe Schwender 1993. Zum anderen eine historische Betrachtung der graphischen Darstellung technischer Abläufe, siehe Schwender 2005. 9 | Badras 2005.
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Interaktion von menschlichen und nicht-menschlichen Wesen als hybride, verteilte Handlungsmacht beschrieben wird, stellt in den folgenden Analysen das grundlegende theoretische Fundament. Die Frage, wer eigentlich wen bedient, bleibt eine mitlaufende Bürde, die sich immer wieder neu artikuliert. Welche Rolle schriftliche und bildliche Inskriptionen von der Entwicklung über die Fertigung hin zum Gebrauch eines technischen Artefakts spielen, ist Thema des zweiten Teils. Dazu zählt zum einen der historische Überblick zur Verwendung graphischer Mittel seit der Renaissance und zum anderen die Darstellung der konkreten Arbeitsschritte und Materialien, mit denen es ein Technischer Redakteur heute zu tun hat. Ein spezifisches Berufsbild »Technischer Redakteur« mit entsprechenden Ausbildungsprogrammen oder Studiengängen ist jedoch ein relativ junges Phänomen.10 tekom, der deutsche Fachverband für technische Kommunikation und Informationsentwicklung, dessen dringendste Mission noch immer die Entwicklung des Berufsbilds und seine Etablierung in der Industrie ist, konnte erst 1996 die Aufnahme des »Technischen Redakteurs« in den Katalog der Bundesanstalt für Arbeit erzielen. Die visuellen und sprachlichen Mittel, mit denen solche Redakteure arbeiten, beziehen sich auf bildliche Konventionen, die zum Teil schon seit Jahrhunderten den Blick des technisch interessierten Betrachters geschult haben. Dies betrifft insbesondere die Visualisierung technischer Vorgänge, die sich durch mannigfache grafische Methoden auszeichnet. Gestrichelte Linien oder verschiedene An- und Durchsichten, Pfeile und diagrammatische Formen sowie Bilderserien sind nur einige Beispiele dafür. Nicht alle gestalterischen Methoden werden in dieser Studie aufgeführt und diskutiert. Explosionsansichten, Pfeile sowie Piktogramme stehen exemplarisch für die Vielfalt der Visualisierungstechniken. Die Fähigkeit oder die Bereitschaft sich zu etwas anleiten zu lassen, ist eine kulturelle Praktik, die neben der Instruktion zum Umgang mit der Maschine auch den Umgang mit den Menschen betrifft. So wird mit einem Exkurs zur Ratgeberliteratur (Teil 3) die Bedienungsanleitung in 10 | Ein gezieltes Lehrangebot in Form eines Studiengangs »Technische Redaktion« gibt es beispielsweise erst seit 1991 an der FH Hannover.
ALLGEMEINE HINWEISE
eine Geschichte eingereiht, die von Complimentierbüchern über den Knigge und Lebenshilferatgeber im Sinne simplify your life reicht. Dass es gar nicht so sehr einen Unterschied macht, ob sich jemand zur Programmierung eines Videorecorders oder zur »Windel-Installation« des Neugeborenen anleiten lässt, wird nicht zuletzt in besonderen Fällen wie The Baby Owner’s Manual. Operating Instructions, Trouble-Shooting Tips, and Advice on First-Year Maintenance deutlich. Darüber hinaus kann unter Einbeziehung der Ratgeberliteratur der Frage nachgegangen werden, was es überhaupt heißt, sich über mediale Vermittlungen helfen zu lassen und welches Verhältnis von Autonomie und Heteronomie des Handelnden dabei generiert wird. Schließlich widmet sich der letzte Teil – unter Zuhilfenahme des Boten- und Parasitenmodells Michel Serres’ – explizit der medialen Qualität der Bedienungsanleitung, mit der sich auch die eigentümlichen Merkmale wie das Fehlen eines Autors und die Darstellung von anthropomorphen Wesen erklären lassen. Inwiefern das Medium parasitär operiert, wird besonders an seinem offensichtlichen Hang zur Störung deutlich. Und Fehlleistungen, Missstände und -bräuche sind Zustände, die über die Bedienungsanleitung immer schon unterstellt und damit vor-programmiert sind. Hierbei spielen rechts-ökonomische Diskurse eine entscheidende Rolle; unternehmerische und politische Interessen ziehen sich in die Kontaktstelle von Mensch und Maschine, die gleichsam zur Einflusszone diverser Machtstrategien erwächst. Diese sind bezüglich verschiedener kultureller Gegebenheiten und Gesetzgebungen beispielsweise in den USA anders gepolt als in Deutschland. Zwar werden mit einem globalisierten Produktmarkt auch international vereinheitlichte Instruktionsmodi und Standards für die Produktsicherheit geschaffen, aus Gründen der Darstellungsökonomie bleibt diese Studie jedoch zunächst auf deutschsprachige Anleitungen und den deutschen Rechtsraum begrenzt. Wenn das alltägliche Handeln durch den Umgang mit technischen Geräten geprägt wird, wenn allmorgendlich die Hand zur POWER-Taste greift, vom Kochen und Backen zur Arbeitsplatz- und Freizeitgestaltung, wenn das menschliche Leben durch nicht-menschliche Wesen realisiert wird, die gezogen, gedrückt oder geschüttelt (iPhone) werden wollen –
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dann heißt Menschsein zunehmend Benutzersein. Und um als solcher adressiert und dressiert zu werden, wird unter anderem die Bedienungsanleitung ins Spiel gebracht. Sie ist nicht einfach nur ein neutrales Sprachrohr, durch welches – mal mehr, mal weniger gut aufbereitet – Informationen geschickt werden. Sie greift ein, bedingt die ›Liaison‹ von Mensch und Maschine und das nicht nur in Form von Verunsicherung, Spott und Aggression. Durch sie erwachsen kompetente Benutzer und gefügige Geräte und umgekehrt: gefügige Benutzer und kompetente Geräte.
Mit dem Gegenstand vertraut machen
Philosophie des Gebrauchs
ERSTE SCHRIT TE Mit einer Definition, einer eindeutigen Terminologie dessen zu beginnen, was hier der Gegenstand sein soll, ist angesichts der zahlreichen Betitelungen ein vergebliches Unterfangen. Denn dem neuen Textverarbeitungsprogramm liegt ein Benutzerhandbuch bei und eine Buchbindemaschine kommt nicht ohne Betriebsanleitung daher. Auf der Rückseite einer Shampooflasche findet man eine Gebrauchsanweisung, in der Verpackung des neuen Mobiltelefons eine Bedienungsanleitung. Zwischen dem Umgang mit einer vollautomatischen Maschine zum Binden von Büchern und einer Shampooflasche besteht gewiss ein Unterschied, dennoch gibt es keine festgesetzten Kriterien, nach denen das entsprechende Schriftstück zur ersteren nicht auch als Gebrauchsanweisung betitelt werden dürfte. Und selbst wenn der Begriff der Anweisung implizieren mag, dass es sich im Vergleich zur Anleitung um eine stärkere Befehlsform handelt, werden die beiden Begriffe synonym verwendet. Die anderen Landessprachen machen es nicht unbedingt leichter, eine feste Bezeichnung zu finden. Die Unterscheidung in Anweisung und Anleitung gibt es im Englischen nicht, neben Wörtern wie Instruction Sheet handelt es sich immer um eine Form des Manuals. In einer Gegenüberstellung von User’s Manuals und Owner’s Manuals bleibt hingegen unklar, bei welchem Gerät von einem einfachen Besitzer und bei welchem von einem Benutzer die Rede sein muss. Der französische Ausdruck Mode d’emploi verfügt über keine geläufigen Synonyme, bringt aber als einen weiteren Aspekt emploi (dt. ›Arbeit‹) mit ein. Die Liste, mit der noch mehr Facetten der Begrifflichkeit aufgedeckt werden können, ließe sich fortführen.
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Die zahlreichen Bezeichnungen können nur ungenügend mit einer Überkategorie gefasst werden. Technische Dokumentation oder Technische Redaktion erscheint in vielerlei Hinsicht unpassend gewählt, da zum einen darin das Anfertigen von Ersatzteilkatalogen, Prospekten und Stücklisten einbezogen wird und zum anderen erst geklärt werden müsste, was ›technisch‹ in diesem Fall überhaupt meint.1 Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Bezeichnungen kann daher nur den Blick für die Spuren schärfen, die zu einer Bestimmung des Gebrauchs oder der Figur des Benutzers gelegt werden, helfen aber nicht für eine überordnende Begriffsfindung. Die für diese Arbeit titelgebende Bedienungsanleitung ist daher eine rhetorische Entscheidung, gleichwohl aber keine willkürliche Setzung, die durch eine der zahlreichen im Wörterbuch zu findenden Synonyme ausgetauscht werden könnte. Was heißt es, etwas zu gebrauchen? Auch hierfür kann eine kleine Analyse des Begriffs wichtige Anknüpfungspunkte liefern. Ein Blick in den Duden zeigt: Gebrauchen heißt etwas zu einem bestimmten Zweck einsetzen, eine Sache zu einem Nutzen anwenden; sie benutzen oder sich ihrer bedienen. Personen, die von etwas Gebrauch machen, sind in diesem Sinne Nutzer oder Benutzer. Dies mag die gebräuchlichste Verwendung sein, eine eindeutige Definition des Wortes ›Gebrauch‹ ist jedoch nicht zu finden. Mit der Aussage, dass jemand ein Mobiltelefon gut gebrauchen kann, wird der Nutzen des Telefons hervorgehoben. Gemeint ist aber nicht zwangsläufig, dass derjenige damit auch umgehen kann. Grimm’s Wörterbuch präsentiert etliche Bedeutungsebenen, von denen nur eine »das brauchen im bestimmten falle, mit bestimmten, wenn auch oft nur gedachtem subject und object«2 ist. Gebrauch kann den Umgang mit Menschen meinen, was der Rückgriff auf das lateinische usus bestätigt oder im Sinne des Richtigen eine spezifische und durchaus rechtmäßige Verwendungsweise. Die enge Verwandtschaft zum Wort ›Brauch‹ impliziert, dass man es beim Gebrauch nicht einfach mit einer zweckgerichteten Handlung 1 | Vgl. zur Schwierigkeit des Begriffs Technical Writing und seiner deutschen Übersetzung Göpferich 1998, S. 1–3. 2 | Grimm 1878/1999, S. 1820.
MIT DEM GEGENSTAND VERTRAUT MACHEN
zu tun hat, in der etwas als ein Mittel eingesetzt wird, sondern dass die Tätigkeit als solche ohne die Gewohnheiten, mit denen sie verknüpft ist, gar nicht stattfinden kann. Durch die Einübung spezifischer Umgangs- und Verhaltensweisen, die in der Wiederholung zu einem unhinterfragten und selbstverständlichen Verfahren werden, kann soziales Handeln überhaupt erst als richtig oder falsch beurteilt und bestraft werden. Wenn manche Umgangsweisen mit einem technischen Artefakt entsprechend als Missbrauch verurteilt werden, dann wird offensichtlich, dass dem Gebrauch Tradierungen und Normierungen anzuschließen sind. Es handelt sich also nicht nur um eine etymologische Verbindung, sondern um eine wesentliche Komponente des Gebrauchs, die mit einem Mittel-Zweck-Vokabular allein wenig erfasst werden kann. Der Gebrauch ist der Modus, in dem Menschen und technische Artefakte zusammenwirken, gemeinsam tätig werden. Die Frage nach dem Nexus von Mensch und Maschine, Hand und Gerät, Finger und Druckknopf führt zu einer Philosophie der Technik. Erstmals explizit unter dem Titel Grundlinien einer Philosophie der Technik wird das Verhältnis von Mensch und Technik bei Ernst Kapp zum Thema gemacht. Die Erfindung und Perfektionierung technischer Artefakte wird hier als ein wesentliches Moment der Menschheitsgeschichte herausgestellt. Die Entwicklung der Menschen sei auf die Entwicklung seiner Apparate zurückzuführen, eine Verbesserung von Werkzeugen und Geräten bedeute eine Verbesserung menschlicher Fähigkeiten.3 Technik ist in dieser Hinsicht als ein Mittel wirksam, in Form konkreter Artefakte, die stofflich bestimmt werden können. Jede einzelne Technik, beispielsweise das Rad, diene zur Ausbesserung des Menschen, zur Ergänzung seines Körpers oder seiner geistigen Fähigkeiten. Die Frage Kapps führt jedoch vorrangig zu einer Beantwortung, warum oder zu welchem Zweck Menschen technische Artefakte gebrauchen, wie man die Existenz von Werkzeugen, Geräten und Maschinen überhaupt erklären kann. Wie etwas gebraucht 3 | Die Schlussfolgerungen Kapps beruhen auf der Annahme einer Organprojektionstheorie, nach der alle Werkzeuge und Geräte Ausweitungen von Körperfunktionen sind und deren Mangel kompensieren. Kapp 1877/1978, S. 29–39.
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wird, findet wenig Eingang in die Betrachtung. Auch Überlegungen anderer deutschsprachiger Literatur wie Oswald Spenglers Der Mensch und die Technik oder Friedrich Georg Jüngers Die Perfektion der Technik, die Versuche unternehmen, das Wesen der Technik als von den Zielsetzungen der Menschen losgelöst zu verstehen, bieten wenige Anhaltspunkte. Der Gebrauch scheint hier vielmehr angesichts einer Maschinerie, die den Menschen einzig in ihren Dienst zu stellen vermag, ganz aus den Augen verloren gegangen zu sein.4 Beiderseits liegt die Vorstellung einer einfachen Mittel-Zweck-Relation zugrunde, in der mal die Technik und mal der Mensch in die Position des Instrumentariums gerückt wird. Wie der Begriff der Technik mit dem des Gebrauchs zusammen gedacht werden kann, ist bereits ein Anliegen der antiken griechischen Philosophie. Unter techné sind Fertigkeiten und Geschicklichkeiten zu verstehen, die bestimmte Produkte und Leistungen erzeugen können. Es handelt sich um ein Methodenwissen, das in einer Ausbildung durch Unterweisung und Nachahmung erworben werden kann und von dem theoretischen Wissen, der epistémé, zu unterscheiden ist.5 Eine Sache zu gebrauchen heißt nicht, diese Sache gleichzeitig in ihrem Funktionieren zu begreifen. Wenn jemand einen Kopierer gebraucht, legt er oder sie das zu vervielfältigende Buch oder Papier auf eine Glasscheibe, vergrößert oder verkleinert gegebenenfalls den Ausschnitt über das Bedienfeld und drückt auf einen Knopf. Die Kopien landen in einem Schacht und müssen von dort entnommen werden. Jemand kann ein Virtuose im Kopieren sein, ohne je einen Einblick in den Aufbau und das Zusammenwirken der Geräteteile bekommen zu haben. Gebrauch ist wesentlich als techné zu verstehen. Und auch der landläufige Begriff der Tech4 | Vgl. Spengler 1932/1952, S. 52. »In der Tat aber vermögen weder die Köpfe noch die Hände etwas an dem Schicksal der Maschinentechnik zu ändern, die sich aus innerer, seelenhafter Notwendigkeit entwickelt hat und nun der Vollendung, dem Ende entgegenreift.« 5 | Zu einer Kritik dieser strengen Unterscheidung bzw. zu der Überlegung, dass die Naturwissenschaft selbst nur in einer techné aufgeht, im Anschluss an Edmund Husserl vgl. Blumenberg 1963/1999.
MIT DEM GEGENSTAND VERTRAUT MACHEN
nik sollte mit Rückgriff auf das griechische techné eingegrenzt werden. Technik kann niemals ein bloßer Gegenstand sein, kein Akkuschrauber, wie er regungslos im Schrank steht. Technik beschreibt die Art und Weise, wie Menschen mit Dingen oder Zeichen operieren. Sie beschreibt einen »[…] modus operandi, eine Verkettung von Handgriffen und Know-How«.6
ZUHANDENES ZEUG Inwiefern sich eine Selbstverständlichkeit im Gebrauch einstellt und inwiefern sie auch gleichsam dessen Bedingung ist, problematisiert Martin Heidegger in Sein und Zeit. Mit der Kategorie des In-der-Welt-Seins fasst er die Selbstgegebenheit der Phänomene in der Hinsicht, als sie nicht als einer äußeren Objektwelt zugehörig sind, sondern mit den Menschen inmitten der Welt stehen.7 Ein Subjekt sieht sich entsprechend nicht aus einem externen Standpunkt den Phänomenen gegenüber, sondern geht tätig mit dem »innerweltlich Seienden« um. Das, was den Menschen umgibt, sind daher nicht vorrangig objektiv erkennbare, vorhandene Dinge, sondern zuhandenes Zeug. Womit der Mensch zu tun hat, sind Werkzeuge, Schreibzeuge, Fahrzeuge et cetera, deren Seiendes sich nicht über Material- oder Formangaben bestimmen lässt – dann wären sie ja wiederum als Ding thematisiert –, sondern sich im Gebrauch zeigt. »[…] Je weniger das Hammerding nur begafft wird, je zugreifender es gebraucht wird, um so ursprünglicher wird das Verhältnis zu ihm, um so unverhüllter begegnet es als das, was es ist, als Zeug«.8 Für Heidegger zeigt sich das innerweltlich Seiende zuallererst im tätigen Umgang des alltäglichen Daseins. Das Wesentliche des Zeugs besteht darin, dass es niemals nur ein Zeug geben, dieses vielmehr nur über ein Zeugganzes erfasst werden kann. Die Zugehörigkeit zum Ganzen ist die Verbindung von verschiedenen Teilen, beim Schreibzeug 6 | Latour 2002, S. 241. 7 | Heidegger 1927/2001, S. 66–67. 8 | Ebd., S. 69.
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beispielsweise das Zusammenspiel von Feder, Tinte, Papier, Unterlage, Tisch und Lampe. Das Verhältnis des Zeugganzen zu demjenigen, der damit umgeht, ist der Modus der Zuhandenheit. Abgegrenzt werden muss es vor allem gegen das bloße Ansehen und Thematisieren von Dingen, der Vorhandenheit. Das, was zuhanden ist, muss sich daher in seiner Vorhandenheit zurückziehen, um überhaupt zuhanden sein zu können.9 Gerade weil ein Werkzeug, Gerät oder Apparat in seiner Verwendung nicht thematisiert, auf Eigenschaften und Funktionszusammenhänge befragt wird, kann es überhaupt in Gebrauch sein. Es entzieht sich der Aufmerksamkeit, wird Gewohnheit, geht auf in einer techné. Dies ist der Idealfall, denn wenn es einer Anleitung zum Gebrauch bedarf, dann muss gefragt werden, wann das Zeug in seinem Ganzen zum Phänomen wird, wann sich eine Dinghaftigkeit des Zeugs ankündigt. Dies geschieht in Momenten des Fehlens, der Dysfunktionalität und Unbrauchbarkeit. Sie haben in einem Einrichtungsgeschäft ein paar Bretter, Balken und Schrauben erworben und möchten sich daraus ein Regal bauen. Nachdem Sie zu Hause alles ausgepackt haben, liegen nun die Teile unzusammenhängend vor Ihnen. Die Schrauben müssen in die Balken und Bretter gebracht werden. Ein Werkzeug fehlt, es drängt sich auf, es ist (noch) nicht zur Hand. Sie nehmen einen Akkuschrauber und fangen an zu schrauben. Die Montage der ersten Elemente gelingt, doch dann gibt der Schrauber ›seinen Geist auf‹. Er fällt Ihnen in seinem Nicht-Funktionieren auf, er wird unbrauchbar. Leider können Sie nichts machen, das Gerät scheint kaputt zu sein. Jetzt bleiben die restlichen Teile unerledigt liegen, sie sind aufsässig und müssen bei nächster Gelegenheit vollendet werden.
Heidegger fasst die Situationen, in denen am Zeug der Charakter der Vorhandenheit zum Vorschein kommt, mit den Kategorien Aufdringlichkeit, Auffälligkeit und Aufsässigkeit zusammen. Diese Vorhandenheit 9 | Ebd.
MIT DEM GEGENSTAND VERTRAUT MACHEN
ergibt sich jedoch nicht durch ein bloßes »Begaffen«, durch die Thematisierung als Ding, sondern ist Resultat der »Umsicht des gebrauchenden Umgangs«.10 Erst in der Störung, in der Unverwendbarkeit zeigt sich das Zeug als etwas, das für ein Um-zu überhaupt in Verwendung kommen kann. Ein Akkuschrauber wird benutzt, um Schrauben in Holzbrettern zu befestigen. Heidegger nennt dies den Verweisungscharakter des Zeugs. Die Störung liegt in der Verweisung, darin, dass etwas nicht zu einem bestimmten Zweck eingesetzt werden kann. Dass etwas kaputt ist, zeigt sich letztlich nur dann, wenn es in einer bestimmten Tätigkeit nicht mehr dienlich ist. Mit der Aufdringlichkeit, Auffälligkeit und Aufsässigkeit kann nun vielleicht eine erste Überlegung angestellt werden, wann und wo eine Anleitung zum Gebrauch bedeutsam ist. Sie markiert einen Übergang, in dem sich die Dinghaftigkeit des Zeugs meldet. Die Anleitung zum Gebrauch, zur Bedienung oder zur Montage ist eine Möglichkeit die Unzuhandenheit des Zeugs in eine Zuhandenheit (zurück) zu verwandeln. Was sagt der Begriff der Zuhandenheit? Etwas ist zuhanden, es ist zur Hand, in der Hand einer Person. Diese Person wird mit dem Zeug in der Hand zu einem Benutzer. Für eine Phänomenologie oder Philosophie des Benutzers ist Heidegger jedoch die falsche Anlaufstelle. Nur an einer kleinen Stelle wird vermerkt, dass ein hergestelltes Werk nicht nur auf das Um-zu verweist, sondern auch auf den Träger und Anwender, da es gewissermaßen auf den Leib zugeschnitten wird.11 Ist dann nicht auch wenigstens die Hand einer Person Teil des Zeugganzen, das Heidegger so explizit herausstellt? Zeug kann nicht Zeug sein, wenn eine Person nicht in der Lage ist, mit einem Schraubenzieher zu schrauben, dauernd abrutscht und schließlich nur das Material beschädigt. Es ist also eine Überlegung wert, auch den Benutzer als auffällig, aufdringlich und aufsässig einzustufen. Diesem kann es an Kompetenz mangeln, wenn er mit seinem Ungeschick auffällt. Und natürlich kann er sich durch sein einfaches Fehlen aufdrängen. Beispielsweise dann, wenn ein Kopiergerät durch einen Piepton darauf aufmerksam macht, dass jemand die 10 | Ebd., S. 73. 11 | Ebd., S. 70.
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Kopierkarte zu entnehmen hat. Eine Bedienungsanleitung provoziert entsprechend nicht nur einen Übergang, in dem sich ein Unzuhandenes in zuhandenes Zeug transformiert, sondern auch einen Moment, in dem aus einer ungeschickten Person ein kompetenter Benutzer entsteht.
Akteur-Netzwerke
MENSCHLICHE MIT NICHT-MENSCHLICHEN WESEN Einen Akkuschrauber einzusetzen, um damit ein Regal fertigzustellen, heißt, diesen Akkuschrauber zu bedienen, Knöpfe gedrückt zu halten und überhaupt erst einmal in der Hand zu halten. Bedienung steht als ein Synonym für Gebrauch, aber Bedienung ist auch die Bezeichnung für jemanden, der beispielsweise als Kellner im Restaurant den Gästen dient; Bestellungen annimmt, das Essen serviert und Beschwerden entgegen nimmt. Eine Sache zu bedienen, das meint also nicht nur den Umstand, auf Knöpfe zu drücken, Regler zu drehen oder in einer sonstigen Weise die Hand am Werkzeug oder Gerät zu führen. Der Mensch dient einer Sache auf diese Weise auch, er bringt sie ›zum Laufen‹ oder achtet darauf, dass sie ›ohne Murren‹ eine Weile funktioniert. Es geht also um ein wechselseitiges Verhältnis, bei dem nie eindeutig gesagt werden kann, wer eigentlich wem dient. In diesem doppelten Sinne soll der Begriff für das stehen, mit dem man es bei den Gebrauchsanweisungen, Benutzerhandbüchern, Instruction Sheets und Manuals zu tun hat; eine gleichzeitige Befähigung von Benutzer und technischem Artefakt. Wie lässt sich nun technisches Handeln eher im Sinne einer gegenseitigen Bedienung verstehen? Die Akteur-Netzwerk-Theorie bietet Begrifflichkeiten, mit dem das Zusammenwirken von menschlichen Kompetenzen und technischen Funktionen symmetrisch analysiert werden kann. Dabei ist es zunächst wichtig herauszustellen, dass es sich niemals nur um ein neutrales Werkzeug handelt, das lediglich zur Durchsetzung eines menschlichen Willens eingesetzt wird. Umgekehrt ist jedoch auch
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nicht ein vermeintlich autonomes Prinzip der Technik maßgeblich, von dem der Mensch beherrscht wird.1 Ein Mensch, der dieses oder jenes verwendet, geht mit dem Werkzeug, Gerät oder der Maschine eine Verbindung ein und vice versa. Für die Menschen und technischen Artefakte, die an einer technischen Handlung, dem Eindrehen von Schrauben in ein Holzbrett beispielsweise, beteiligt sind, wählt Bruno Latour den Begriff des Agenten. Die Person, die sich um die Fertigstellung eines Regals bemüht, ist Agent 1. Der Akkuschrauber ist Agent 2. Agent 1 rekrutiert den Akkuschrauber (Agent 2), um die Schrauben einzudrehen. Gleichzeitig ist es möglich zu sagen, dass die Person von Agent 2 einberufen wird, wie am Fehlen des Benutzers deutlich wurde. Die Verbindung zweier Agenten ergibt einen neuen, dritten Agent.2 Das Sich-bedienen-an und die Bedienung einer Sache ist eine Verbindung von Intentionen und Funktionen, eine Interferenz. Die Handlung ist technisch vermittelt, aber nicht im Sinne einer einfachen Mittel-ZweckRelation. Sie ist vielmehr eine Folge von mehreren Schritten, ein Handlungsprogramm. Der Zweck oder das Ziel unterliegt einer Verschiebung. Sie haben das Ziel, die Schrauben einzudrehen, aber es kann passieren, dass Sie abrutschen und dann ein kleines Loch in das Holz bohren. Vielleicht werden Sie schimpfen und für das, was passiert ist, den Akkuschrauber verantwortlich machen, der mit einer zu hohen Geschwindigkeit gearbeitet hat. Vielleicht beklagen Sie aber auch Ihr eigenes Ungeschick, das ›menschliche Versagen‹.
Es macht, wie in diesem Fall, vielmehr Sinn von einem dritten Ziel auszugehen, das nicht nur einem Menschen oder dem Gerät zugeschrieben werden muss, sondern der Verbindung der Agenten. Dieser Zusammenhang kann mit Bruno Latour als eine Übersetzung des Ziels bezeichnet 1 | Vgl. Latour 2002, S. 214–215. 2 | Vgl. ebd., S. 216. Latour wählt hier das Beispiel der Schußwaffe und erklärt daran, inwiefern die Verantwortung für das, was mit einer solchen Waffe angerichtet werden kann, auf alle Beteiligten verteilt werden muss.
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werden und der, die oder das handelt als ein Hybrid.3 Die Übersetzung ist zu verstehen als eine »[…] Verschiebung, Drift, Vermittlung und Erfindung, es ist die Schöpfung einer Verbindung, die vorher nicht da war und die beiden ursprünglichen Elemente oder Agenten in bestimmtem Maße modifiziert«.4 Die Tätigkeit, die jemand mithilfe eines Akkuschraubers vollzieht, ist eine Komposition mehrerer solcher Handlungsprogramme, denn der Akkuschrauber selbst ist aus einzelnen Bauteilen zusammengesetzt, die allesamt im Verbund der Agenten ein Ziel verfolgen. Weil sie aneinander ausgerichtet wurden, können sie als ein Element, als Akkuschrauber, auftreten. Und nur weil sie zu einer Black Box gemacht wurden, können sie als einzelner Punkt in einer Handlungsabfolge fungieren. Bedingt durch die Verwendung von Gehäusen, die Aufbau, Mechanismen und Schaltungen zunehmend verbergen, wird das Zusammenwirken mehrerer Bauteile in der Regel auf den Effekt eines Tastendrucks minimiert.5 Jegliche Störung, ein leerer Akku oder ein defektes Bauteil, vergegenwärtigt dann wieder dieses Prinzip, lenkt die Aufmerksamkeit auf Bau- und Funktionsregeln. Das Blackboxing ist notwendig, damit die Bedienung in einer techné aufgehen kann, aber es bleibt reversibel oder mit Heidegger gesprochen: Stets kann sich die Dinghaftigkeit am Zeug melden. Bei einem technischen Artefakt, das mit einer Bedienungsanleitung ins Haus kommt, handelt es sich immer auch um ein gewerbliches Produkt. Es wurde von einem Unternehmen hergestellt und in Verkehr gebracht. Ein Unternehmen ist, spätestens seit dem Inkrafttreten des Produkthaftungs- und Produktsicherheitsgesetzes, dazu verpflichtet, dem Erzeugnis eine schriftliche, mündliche oder sonstige Darbietung dergleichen beizulegen. Es besteht unter anderem eine Instruktionspflicht.6 Die Bedienungsanleitung ist daher, sowohl betriebs3 | Vgl. Latour 2002. 4 | Ebd., S. 217. 5 | Zur Bedeutung der Gehäuse, Fassaden, Verkleidungen und Blenden für technische Artefakte vgl. Blumenberg 1963/1999. 6 | Zu den gesetzlichen Bestimmungen siehe das Kapitel »Attention! Caution! Warning!« in diesem Buch.
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wirtschaftlich als auch juristisch gesehen, Teil des Produkts. Verkauft werden Akkuschrauber und andere technische Artefakte nur mit einer entsprechenden Anleitung. Für diese bedeutet es wiederum, dass sie unabhängig vom Werkzeug, Gerät oder der Maschine keine wesentliche Relevanz hat. Eine Bedienungsanleitung ist nicht wie ein herkömmliches Buch zu erwerben, sie hat nur in sehr seltenen Fällen überhaupt einen konkreten Verfasser oder eine Jahresangabe.7 Urheber ist das Unternehmen, welches das gekaufte Produkt hergestellt und auf den Markt gebracht hat. Das beigelegte Heft oder Buch trägt damit zur Definition des erworbenen Artefakts bei. Man kann über die Anleitung überprüfen, ob es mögliche Fehlerquellen gibt, was bei einem Fehler eventuell zu tun, ob 5 Volt Spannung möglicherweise zu wenig und alles Zubehör vorhanden ist. Die Bedienungsanleitung übermittelt ein Wissen über das Gerät, das von der gelegentlich komplizierten Verwendungsweise zu der bloßen Auflistung der technischen Daten reicht. Dass der Benutzer nicht ohne dieses Wissen auskommen soll, darauf wird auf dem Deckblatt explizit hingewiesen. Bestenfalls noch vor jeglicher Berührung mit dem Gerät oder dessen Anschluss an den Strom soll das beigelegte Schriftstück gelesen werden: »Bevor Sie das Gerät in Betrieb nehmen, lesen Sie bitte diese Gebrauchsanweisung.«8 In manchen Fällen wird sogar über einen Aufkleber am Gehäuse – für denjenigen, der sich direkt an seinem neuen Gerät zu schaffen macht – das vorherige Lesen der Bedienungsanleitung noch ein weiteres Mal erwähnt.
7 | Dieser Umstand wirft natürlich Fragen insbesondere zur unternehmensexternen Archivierung von Bedienungsanleitungen auf. Wie ein Besuch im Firmenarchiv des Deutschen Museums in München gezeigt hat, werden die Anleitungen äußerst unsystematisch neben Katalogen, Prospekten oder Pressemitteilungen eines Unternehmens platziert. Die Unternehmen selbst nehmen eine Sortierung konsequenterweise nach Produktbezeichnung vor. Auch das Onlinearchiv Diplodocs (http://www.diplodocs.com) führt die Anleitungen nach Marken- und Produktnamen. 8 | Orion, Video Cassetten Recorder VH-291RC. Bedienungsanleitung, Deckblatt.
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Auch wenn durch den verbreiteten Wurf in den Papierkorb oder in die unterste Schublade suggeriert wird, dass es sich nur um eine nebensächliche und lästige Begleiterscheinung des Produkts handelt, ist das Gegenteil der Fall: Die Bedienungsanleitung trägt dazu bei, dass der mittlerweile wohlbekannte Akkuschrauber nicht irgendein undefiniertes technisches Artefakt bleibt, dass er vielmehr unter einem Namen, PSR 12 VE-2, mit einem Gewicht von 1,0 kg und einem Drehmoment von 22 Nm, Schrauben mit einem Durchmesser von maximal 6 mm in ein Material bringen kann.9 Neben der Bezeichnung von Bestandteilen und der Auflistung von technischen Kennwerten finden sich Informationen zum Anwendungsgebiet, zur Inbetriebnahme, Wartung und Reinigung, zum Umweltschutz und Tipps. Das Produkt ist nicht das, was es ist – ein PSR 12 VE-2 mit Funktionen und Gefahren – ohne die Anleitung. Sie erhält nicht einfach Zusatzinformationen, sie definiert es als ein Gerät mit bestimmten Eigenschaften. Sich mit dem Gerät vertraut machen, heißt also nicht, es ein erstes Mal in Gebrauch zu nehmen, sämtliche Knöpfe, Regler zu probieren oder das Zubehör zu montieren, sondern zuallererst: Lesen. Wenn es sich bei jedem technischen Artefakt, das mit einer Bedienungsanleitung zuerst auf den Markt und dann in den Haushalt kommt, um ein Produkt handelt, dann ist ein Mensch, der dieses Produkt erwirbt, zunächst einmal dessen Besitzer. In der Anleitung wird er entsprechend als stolzer Eigentümer adressiert, ihm wird zum Kauf gratuliert. Er wird daran erinnert, dass er – vielleicht durch Ausgabe einer großen Summe Geld – das vor ihm stehende Gerät in seinen Besitz überführt hat, er sich nun darum kümmern und es pflegen muss. Die Bedienungsanleitung trägt also nicht nur zur Beschreibung des Produkts bei, sondern auch zur Bestimmung derjenigen, die es gekauft haben. Der Mensch, der in der einen Hand die Anleitung studiert und in der anderen sein neues Gerät begutachtet, ist zunächst Leser, Betrachter und Besitzer, Kunde des Unternehmens, der erst zu einem Benutzer werden muss: Nicht irgendein Benutzer, sondern ein für das Gerät spezifischer, für den PSR 12 VE-2 jemand mit Schutzbrille, kurzen oder unter ei9 | Bosch, PSR 12 VE-2. Bedienungsanleitung, S. 1.
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nem Netz verstecken Haaren und eng anliegender Kleidung.10 Das Gerät ist gleichsam Produkt des Unternehmens, jetzt im Besitz von oben beschriebener Person, es ist Zusammenwirken von mechanischen Umdrehungen und Gewicht, in Newtonmeter und Kilogramm gemessen, und es ist vor allem eine mögliche Gefahrenquelle. Das Gerät als ein Akteur mit spezifischen Funktionen und Gefahren und der Akteur ›Mensch‹ als Kunde, Leser, Besitzer und potentieller Benutzer definieren sich in der Interaktion, weil sie Vermittler in Umlauf bringen.11 Ein solcher Vermittler ist die Bedienungsanleitung. Sie schiebt sich, durchaus bildlich gedacht, dazwischen. Bevor die Hände (wieder) zum Werkzeug, zum Gerät oder zur Maschine greifen, blättern sie in den Seiten eines Buches, umfassen die Verpackung oder fahren über einen Aufkleber. Die Bedienungsanleitung befindet sich an der Nahtstelle von Hand und Gehäuse, von Mensch und Maschine. Und »je mehr man [darin] liest, desto mehr verbindet man […]«12 die Pole, in deren Mitte sie steht. Ein Text kreiert also immer ein Netzwerk, das andere Texte, Studien und Meinungen miteinander verbindet und darin Kompetenzen und Handlungen festlegt. Und so verhält es sich mit der Bedienungsanleitung. Sie definiert den, der sie liest, nicht nur als Leser, sondern spricht ihm Merkmale und Fähigkeiten zu. Gleichzeitig erhält das Produkt spezifische Eigenschaften, Funktionen und Risiken. Einbezogen werden aber auch juristische Entscheidungen, das Unternehmen und dessen sonstige Produkte, Einzelhändler, Reparaturfirmen und Anwälte. Nun ist es eine Frage der Perspektive, ob es sich um einen Vermittler oder einen Akteur handelt. Denn gerade das Klagen über die mehrdeutigen Zeichnungen, die fehlenden Angaben und die mangelhaften Übersetzungen einer Bedienungsanleitung sprechen dieser Autorität und Verantwortung für das Nichtgelingen der Interaktion zwischen Gerät und Benutzer zu.
10 | Ebd., »Zu Ihrer Sicherheit. Schutzbrille tragen. Bei langen Haaren Haarschutz tragen. Nur mit eng anliegender Kleidung arbeiten.« 11 | Callon 2006b, S. 312. 12 | Ebd., S. 317.
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SKRIPTE UND DISPOSITIVE Die Bedienung einer Sache ist ein Zusammenwirken von menschlichen und nicht-menschlichen Wesen, die Handlungskompetenz ist an die jeweils involvierten Geräte und Benutzer verteilt und der Zweck oder das Ziel eines technischen Vorgangs ist nicht als einzelnes benennbar, sondern ein Handlungsprogramm. Und das Wort ›Programm‹ ist hier ganz wörtlich zu nehmen; die Handlungen oder Funktionen werden wechselseitig durch eine Abfolge von Anweisungen festgelegt, eben programmiert. Die Bedienungsanleitung steht paradigmatisch für die Definition von Rollen im Umgang mit technischen Artefakten: Akkuschrauber PSR 12 VE-2 mit mechanischem Umdrehungen und Frau oder Mann, Brille tragend, Kurzhaarfrisur oder zusammengebundenes Haar und enganliegendes Outfit. Die Beschreibungen aus dem Handbuch zum PSR 12 VE-2 lesen sich wie die Charakterisierung einer konkreten Person oder dramatischen Figur. Die Terminologie der Akteur-NetzwerkTheorie ist mit ihrer Adaption von Begrifflichkeiten aus der Semiotik entsprechend äußerst adäquat.13 Der User, genau wie das Gerät, wird für eine reibungslose Interaktion dazu veranlasst, eine Rolle einzunehmen und sich die dafür entscheidenden Merkmale anzueignen. Der Mensch folgt einem Skript, das notwendig jedes technische Artefakt mit sich bringt, sofern seine Urheber bestimmte Funktionen und Visionen beabsichtigen. Dieses Skript sieht also Eigenschaften auf Seiten des Geräts vor, aber vor allem Haltungen, Vorkehrungen und bestimmte Bewegungen auf Seiten der Benutzer, ohne die das Gerät nicht das wäre, was es zu sein verspricht. Die schriftlichen und bildlichen Darstellungen einer Bedienungsanleitung sind eine Deskription dieser Rollenvorgaben, eine Übertragung und Ausformulierung dessen. Ein Skript im Theater oder beim Film ist Vorlage für das zu produzierende Stück und Grundlage dafür, dass überhaupt etwas passiert – es sei denn, man improvisiert. Dieser Analogie zufolge enthält auch das Skript zum Umgang mit Akkuschraubern oder Kaffeemaschi13 | Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Akrich und Latour 2006, S. 399–406.
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nen Regieanweisungen und verbildlichte, in Bilderserien14 dargestellte Handlungsabläufe erinnern nicht nur stark an Comics, sondern auch an das Storyboard als Visualisierung eines Drehbuchs. Ein technisches Artefakt verfügt immer auch über eine ethischmoralische Komponente, wie Madeleine Akrich hervorhebt. Darunter werden alle Präskriptionen gefasst, also genaue Vorschriften und Befehle, die Handlungen erlauben und andere verbieten. Hierzu zählt auch der Ausschluss von Personengruppen. Im Fall des PSR 12 VE-2 wird sehr jungen Menschen der Umgang untersagt: »Niemals Kindern die Benutzung des Geräts gestatten.«15 Aber auch die Beschaffenheit des Akkuschraubers selbst und seine spezifischen Funktionen schränken bestimmte Umgangsweisen ein. Der Akku des Geräts ist beispielsweise mit einer »NTC-Temperaturüberwachung« ausgestattet, die Ladevorgänge nur innerhalb einer Spanne von null bis fünfundvierzig Grad Celcius erlaubt.16 Wer also bei Minustemperaturen einen defekten Heizofen mit dem PSR 12 VE-2 wieder Instand setzen möchte, könnte nicht nur bezüglich angemessener Kleidung – enganliegend sind Winterjacken oftmals nicht –, sondern auch bei der Inbetriebnahme erhebliche Schwierigkeiten bekommen. Auch wenn Bedienungsanleitungen heutzutage dazu neigen, alle Handlungsschritte vom Einschalten bis zur Wartung und Reinigung minutiös aufzugliedern, ist dennoch sowohl in das Gerät als auch in die Anleitung ein Vorverständnis vom Benutzer eingeschrieben. Die Prä-Inskriptionen bezeichnen Eigenschaften und Kompetenzen, die vor dem Umgang mit einem Gerät und seinen Präskriptionen erworben wurden und damit die erste Bedingung für die Bedienung überhaupt sind. So wird auch vom PSR 12 VE-2 vorausgesetzt, dass der User weiß, wie man ein Werkstück sichert – denn dieser Vorgang ist nicht eigens beschrieben. Anhand einer Bedienungsanleitung lässt sich ablesen, welche Prä-Inskriptionen angenommen werden und bis zu welchem Grad eine vollständige Inkompetenz bezüglich des Umgangs mit technischen 14 | Siehe beispielsweise Abbildung 4. 15 | Bosch, PSR 12 VE-2. Bedienungsanleitung, S. 2. 16 | Vgl. Ebd.
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Objekten unterstellt wird. Es ist nicht zuletzt der Begriff des DAUs, des Dümmsten Anzunehmenden Users, der für die Gestaltung der Anweisungen maßgeblich ist. Ursprünglich auf die Nutzung von Computern und deren Software bezogen, charakterisiert der Begriff einen Menschen, der nicht über ein notwendiges Grundlagen-Know-How verfügt, dennoch Innovationen der Technik erwirbt, aber letztlich an Aufforderungen wie »Press any key« scheitert. Der DAU ist keine fachliche Typisierung, sondern eine spöttische Einschätzung minimaler Kenntnis bei gleichzeitig maximalem Tatendrang. Für Reklamationsabteilungen, Kundenservice und Menschen im Verkauf stellt der DAU sogar ein Ärgernis dar und zahlreiche Internetseiten versammeln die unterhaltsamsten und erschreckensten Begegnungen mit ihm.17 Solche Ereignisse, in denen die Überforderung eines Benutzers als lächerliche Unkenntnis abgetan wird, stehen paradigmatisch für die Prä-Inskriptionen technischer Geräte. Weitere für die folgenden Überlegungen wichtige Begriffe im Vokabular der Akteur-Netzwerk-Theorie sind die Subskription und De-Inskription. Subskription meint, dass der Benutzer die von ihm verlangten Handlungsanweisungen exakt befolgt und damit das vermittelte Know-How inkorporiert. Tut er dies nicht und verfolgt im äußersten Falle eine vollständige Zweckentfremdung, de-inskripiert er. Ein Akkuschrauber und somit auch der PSR 12 VE-2 eignet sich unter anderem hervorragend als Schleifinstrument, also zum Anspitzen von Bunt- und Bleistiften. Wie das zu bewerkstelligen ist, ist natürlich nicht Teil der Informationen in einer Bedienungsanleitung; hier wird nur der »bestimmungsgemäße Gebrauch« vorgestellt. Und dass es mittlerweile einen »Akku-Schrauber-Cup«18 gibt, bei dem der PSR 12 VE-2 und gattungsgleiche Ausführungen als mechanischer Antrieb zu einer preisverdächtigen Verwendung kommen, bleibt selbstredend ebenso unerwähnt. Die genannten Aspekte präfigurieren das Verhältnis von Mensch und Maschine, die Beziehung von Benutzer und Gerät. Die Gesamtheit von Inskriptionen, Präskriptionen oder Prä-Inskriptionen kann unter 17 | Siehe exemplarisch http://www.daujones.com [Stand: 27.12.2010]. 18 | Seit etwa 2006 wird in Töplitz, einem kleinen Ort in der Nähe von Potsdam, jährlich ein Wettrennen mit Akkuschrauber betriebenen Vehikeln veranstaltet.
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der Bezeichnung Setting oder Dispositiv gefasst werden. Ursprünglich von Michel Foucault, dann von Gilles Deleuze und schließlich von Giorgio Agamben definiert, ist das Dispositiv ein Ensemble von Techniken, Praktiken und Regeln mit strategischer Ausrichtung, welche von einem Machtverhältnis konfiguriert wird. Ein Dispositiv geht aus Wissens- und Machtkonstellationen hervor.19 Das Skript eines Geräts wie des Akkuschraubers ist folglich auf heterogene Interessen zurückzuführen, die als Kräftelinien beim Gebrauch des elektrischen Schraubers weiter fortwirken. Diese treffen auf die Empfänglichkeit, auf Dispositionen seitens der Benutzer. Dispositive sind nur dann wirksam, so Agamben, wenn der Mensch offen ist für »Apparate, Gegenstände, gadgets, Firlefanz und technisches Gerät aller Art«20 und damit auch für die Besetzung bestimmter Rollen. »Das Dispositiv ist […] eine Maschine, die Subjektivierungen produziert, und nur als solche ist es auch eine Regierungsmaschine.«21 Die Rollen, die eingenommen werden, das Verhalten, das vorgeschrieben wird, sind also Bedingungen für einen Subjektivierungsprozess, in dem ein Mensch zu einem kompetenten Benutzer gemacht wird oder sich dazu macht. Die Bedienungsanleitung ist als Vermittler elementarer Bestandteil dieses Prozesses und eine nahezu eindeutig lesbare Spur für die Regierbarmachung des Menschen als Benutzer. Die bildlichen und sprachlichen Mittel, die in Anleitungen zum Einsatz kommen, müssen daher immer in einer Doppelfunktion betrachtet werden: als Übermittler von Informationen und als Vermittler von Interessen. So kann also die »richtige« Lektüre von Bedienungsanleitungen nicht nur einen Überblick über bildliche und sprachliche Spezifika geben, sondern auch die moralisch-ethische Komponente im Umgang mit technischen Geräten zu Tage fördern.
19 | Agamben 2008, S. 9. 20 | Ebd., S. 30. 21 | Ebd., S. 35.
Visualisieren und Instruieren
Bildgebende Verfahren
IMMUTABLE MOBILES Sie haben sich den Video Cassetten Recorder VH-291RC von Orion angeschafft und möchten sich nun von seinen respektablen Merkmalen wie dem automatischen Cassettenauswurf, dem Echtzeitzählwerk mit Memory-Funktion sowie der digitalen Spurreglung per Fernbedienung überzeugen. Sie bemerken jedoch schnell, dass die Angaben der elektrischen Leistung von ca. 27 Watt und des Gewichts von 5,2 kg kaum dazu beitragen, dass Sie sich mit der Funktionsweise Ihres VH-291RC vertraut machen können.1
Neben der Nennung des Produktnamens, der Besonderheiten und technischer Details werden außerdem Bedienelemente dargestellt und erklärt, Funktionen erläutert und Vorgänge gezeigt. Beschreibungen, Aufforderungen, Tabellen, Fotografien, Zeichnungen, Diagramme, Pfeile sowie etliche andere graphische und sprachliche Mittel tragen dazu bei, dass sich der Leser und Betrachter ein Bild von seinem Gegenüber machen kann. Dieses Bild ist jedoch nicht als ein Abbild der Form und Gestalt eines Geräts zu verstehen. Die äußere Erscheinung wird in den meisten Fällen nie in seiner Gesamtheit – von vorne, hinten, links und rechts – gezeigt. Nur gelegentlich findet sich auf dem Deckblatt eine Photographie des Geräts, eine einfache, aus einem beliebigen Winkel und selten in Farbdruck. Die Bedienungsanleitung muss das Gerät nicht 1 | Vgl. Orion, Video Cassetten Recorder VH-291RC. Bedienungsanleitung, S. 2 und S. 31.
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repräsentieren, denn es ist ja geradezu präsent, kann mit den Augen begutachtet und mit den Händen auf seine Wirklichkeit überprüft werden. Wie aber ist das Verhältnis zu beschreiben, in dem das Gerät zur schriftlichen und bildlichen Darbietung der Bedienungsanleitung steht? Das Gerät selbst ist ein Resultat bildgebender Verfahren. Auch wenn der Anblick des Video Cassetten Recorders im ersten Moment gar nicht daran erinnern mag: Er hat sehr viel mit Schreibutensilien, Messinstrumenten, Bildschirmen und Papier zu tun. Der VH-291RC ist schließlich ein serienmäßig gefertigtes Modell, dessen Herstellung ohne eine vorherige Aufzeichnung der Konstruktions- und Funktionsweise kaum realisierbar ist. Informationen über die Beschaffenheit von technischen Artefakten werden – angefangen bei den ersten Skizzen von Ideen hin zu den präzisen Konstruktionszeichnungen im Fertigungsverfahren – während des gesamten Produktionsprozesses graphisch festgehalten. Zeichnungen ermöglichen den Ingenieuren oder Erfindern sowohl schemenhafte Einfälle als auch genaue Pläne an Kollegen, Patentämter, Entwicklungsabteilungen oder Produktionsapparate zu übermitteln. Den Erfindern gelingt es durch die exakte Aufzeichnung ihrer Vorhaben, sich von deren Ausführung zu lösen.2 Sobald die Informationen über Gestalt und Funktionen eines zu produzierenden technischen Artefakts räumlich und zeitlich verteilt und damit unabhängig von der Anwesenheit des Erfinders sind, ist es möglich, Entwicklung und Produktion voneinander zu trennen. Zum einen ist dafür eine bestimmte Art der Distribution erforderlich, die sowohl eine Mobilisierung der Informationen, als auch ihre Dauerhaftigkeit sicherstellt. Zum anderen müssen die Aufzeichnungen aller Beteiligten eindeutig sein, damit die Übertragung der Pläne in den Produktionsablauf gesichert ist. Die Objekte, entsprungen aus dem Ingenium eines cleveren Erfinders oder einer Gruppe von Entwicklern, müssen mobil gemacht werden, dürfen sich aber in der Verschiebung nicht verändern, müssen präsentier-, les und miteinander kombinierbar bleiben; immutable mobiles.3 Erstens: Durch die Schaffung identischer Kopien kann eine technische Zeichnung an mehrere Werkstätten gegeben werden, welche dann 2 | Vgl. Bogen 2006a, S. 184. 3 | Vgl. Latour 2006a.
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wiederum parallel identische Bauteile herstellen können. Entsprechend sind nicht für jeden Schritt dieselben Arbeiter oder Werkstätten notwendig. Einzelteile können daher grundsätzlich unabhängig von den anderen Komponenten eines Geräts gefertigt werden. Papier und Druckerpresse tragen dazu bei, Konstruktion, Fertigung und Montage eines Geräts räumlich und zeitlich voneinander abzukoppeln. Zweitens: Es reicht nicht aus, Vorstellungen über Gestalt und Funktion eines technischen Artefakts auf Papier zu bringen. Diejenigen, die mit der Produktion und Zusammensetzung beauftragt werden, müssen die Aufzeichnungen auch richtig lesen können. Die massenhafte Herstellung von Gütern ist daher eng geknüpft an ein einheitliches Verfahren zur bildhaften Darstellung von Körpern und Funktionen. Strenge Arbeitsteilung und Normierung der Produktionsabläufe korrespondieren mit der Strenge geometrischer Techniken und bildlicher Konventionen. Nur wenn die Zeichnungen eindeutig sind, wenn sie keine Interpretationsspielräume lassen, sondern von jedem mittels eines Bildvokabulars unmissverständlich gelesen werden können, ist die Herstellung identischer Produkte gesichert. Je präziser die Angaben auf den Zeichnungen sind, desto präziser sind auch die Erzeugnisse.4 Die Gründung des Deutschen Normenausschusses erfolgt nicht zuletzt aufgrund des Bemühens, eine Normierung von Maschinenteilen auch über die Festlegung von Normen für technische Zeichnungen durchzusetzen.5 Mit der industriellen Massenproduktion wird zudem ein besonderer Typ Inskription in Umlauf gebracht, der bei einer Einzelstückanfertigung bisher kaum von Bedeutung gewesen ist: Die Bedienungsanleitung. Nahezu jede Untersuchung zu dessen Historie kommt zu dem Ergebnis, dass dieses Format erst in den 1950er Jahren eine spürbare Verbreitung erfährt.6 Je seltener Entwickler, Produzenten und 4 | Vgl. Bogen 2006a, S. 184. Bogen merkt ferner an, dass durch die Präzision der Zeichnungen eine Operationalisierbarkeit möglich wird, exakte Maschinenteile also maschinell hergestellt werden können und sich damit gewissermaßen selbst reproduzieren. 5 | Vgl. Wölker 1992, S. 197–202. 6 | Vgl. Nickl 1997 sowie Badras 2005.
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Anwender bei der Konstruktion, Herstellung oder beim Verkauf zusammentreffen, desto wichtiger wird es, das Funktionieren eines technischen Artefakts über schriftliche und bildliche Darstellungen sicherzustellen. Nicht nur Entwicklung und Produktion driften durch Inskriptionen räumlich und zeitlich auseinander. Beide Instanzen können sich ferner beim Verkauf ihres Produktes zurückziehen, da Inbetriebnahme und Umgang mit dem Gerät in Büchern, Heften und auf Zetteln verzeichnet sind. Erfinder pflegten ehemals ihre Errungenschaften den potentiellen Kunden und Benutzern persönlich und in allen Einzelheiten vorzuführen. Handwerker, die in der Konstruktion gerne auch individuelle Wünsche aufnahmen, bauten das bestellte Produkt und gaben es ihren Kunden persönlich in die Hand, Fragen und Probleme wurden anschließend mündlich geklärt.7 Unikate kamen und kommen in der Regel ohne Bedienungsanleitung aus.8 Und sollte hier eine mündliche Unterweisung nicht möglich sein, so tritt der Erfinder mit seinem Kunden zumindest in einen persönlichen Briefkontakt. Zum Beispiel der regensburgische Superindentent Jacob Christian Schäffer, der gegen 1766 eine Waschmaschine auf den Markt brachte. Ein Exemplar ließ er an einen Grafen liefern, mitsamt schriftlicher Erläuterungen. Der Graf äußerte jedoch schon kurze Zeit später Beschwerden und wollte eine Reklamation in Anspruch nehmen. Schäffer ging ausführlich auf die Schwierigkeiten ein. Das Resultat: Der Herr Graf könne wohl nicht richtig lesen und ziehe unlogische Schlüsse.9 Und schon hier gilt: Erst lesen, dann einschalten. Der Video Cassetten Recorder VH-291RC ist kein Unikat. Und es gibt auch keinen Hinweis darauf, welche Personen für den automatischen Cassettenauswurf und welche für das Schriftstück, das auf diese besondere Funktion hinweist, verantwortlich sind. Dennoch hat es der VH-291RC geschafft, eine Reise vom ersten ›geistigen‹ Bild eines oder einiger erfindungsreicher Ingenieure bis in die Wohnzimmer anzutreten. Damit die Besitzer in den Genuss all der Facetten automatischer Videoaufnahme kommen können, dürfen auf diesem Weg jedoch keine Infor7 | Vgl. Lessing 1993, S. 6. 8 | Vgl. Krajewski 2007, S. 142. 9 | Vgl. Knilli 1994, S. 30–32.
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mationen verloren gehen. Es muss also eine Hin- und Rückbeziehung zwischen dem Videorecorder aus Metall und Plastik und dem Bild auf Papier oder anderen Bildschirmen etabliert werden, die Möglichkeit also, ein Bild in ein fassbares Objekt zu transferieren und umgekehrt.10 Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist, dass all diejenigen, die an der Transformation der Bilder in tatsächlich funktionierende Geräte beteiligt sind, sowohl auf den Bildschirmen als auch in der Welt das Selbe sehen können. So sehen zu können, das heißt vor allem, mit den Gesetzen der geometrischen Perspektive zu sehen. Bruno Latour stellt in Anschluss an William M. Ivins Prints and Visual Communications heraus, dass die Erfindung der Zentralperspektive entscheidend dazu beigetragen hat, nicht nur ›realitätsgetreue‹ Abbilder von Landschaften, Bauten oder sonstigen Szenerien produzieren zu können, sondern auch der Imagination ein Raster zu geben, mit dem technische Artefakte exakt geplant werden können. »Selbst die wildeste oder heiligste Fiktion und Dinge der Natur – sogar die niedrigsten – haben einen Versammlungsort, einen gemeinsamen Platz, weil sie alle von derselben ›optischen Konsistenz‹ profitieren.«11 Wenn die Gesetzmäßigkeiten zur Konstruierung eines Bildes der Art und Weise entsprechen, wie die Wahrnehmung mit einem Auge mathematisch formuliert wird, dann ist eine aus der Vorstellung gezeichnete Maschine nicht weniger realistisch als das Abbild einer schon aus Holz, Metall oder sonstigen Stoffen gebauten Maschine. Die Konstruktion von architektonischen Gebilden sowie von technischen Apparaturen und Maschinen kann demnach – noch bevor überhaupt ein Stein gelegt oder ein Rad montiert wird – im vollen Umfang vorstellbar und auf einer Zeichenfläche präsentiert werden. Gerade die Kunsthandwerker-Techniker zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert zeigen in ihren Arbeiten, dass die Weiterentwicklungen von Visualisierungs- und Erfindungskünsten aufs Engste miteinander verknüpft sind. Filippo Brunelleschi, der gemeinhin als Erfinder der mathematisch konzipierten dreidimensionalen Pers-
10 | Vgl. Latour 2006b, S. 267. 11 | Vgl. ebd., S. 268.
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pektive gilt,12 etabliert mit der Errichtung der Florentiner Domkuppel eine neuartige Bauweise, die vor allem auf mathematisch-geometrischen Überlegungen fußt. Leonardo da Vincis Œuvre beinhaltet nicht nur Arbeiten, die der bildenden Kunst zugeordnet werden, sondern auch anatomische Studien und technische Zeichnungen diverser mechanischer Vorrichtungen. Werke wie Francesco di Giorgios Tratatto (ca. 1470) und Agostino Ramellis Le Diverse et Artificiose Machine (1588) zeigen zahlreiche Kupferstiche von ebenso zahlreichen Variationen eines einzigen mechanischen Prinzips.13 Es steht außer Frage, ob die gezeichneten Pumpgeräte von di Giorgio oder die Wasserhebewerke von Ramelli jemals gebaut wurden. Diese Zeichnungen scheinen vielmehr überhaupt nicht für eine tatsächliche Durchführung bestimmt gewesen zu sein. Sie sind ein Zeugnis dafür, dass Erfindungen zuallererst auf einem Blatt Papier, am Reißbrett oder in einer entsprechenden CAD-Software entwickelt, ausprobiert und überprüft werden. Um der Bedeutung und auch den Wurzeln der schriftlichen und bildlichen Darbietungen in einer Bedienungsanleitung auf die Spur zu kommen, genügt es nicht, sich lediglich auf die Zeichen qua Zeichen zu konzentrieren.14 Warum spezifische Visualisierungen und Verschriftlichungen zum Einsatz kommen, wird dann verständlich, wenn die Art und Weise in den Fokus gerückt wird, wie Zeichen Handlungen koordinieren, stabilisieren oder gar erst generieren. Der kurze Einblick in die Geschichte der technischen Zeichnung zeigt auf, inwiefern ein technisches Artefakt von Anbeginn mit und durch Inskriptionen verflochten ist.
12 | Die Linearperspektive wurde allerdings bereits vor ihrer mathematischen Formulierung in der Malerei angewandt. Siehe dazu Edgerton 2004, S. 85–101. 13 | Eine Beschreibung einiger Entwürfe dieser Kunsthandwerker-Techniker gibt ebd., S. 103–140. Einen Überblick über die Zeichnungen Ramellis liefert auch Ferguson 1993, S.81–130. 14 | Siehe Latour 2006b, S. 293.
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DIE TECHNISCHE REDAKTION Der Video Cassetten Recorder VH-291RC wird seit seiner Entstehung auf dem Reißbrett bis zu seiner Inbetriebnahme und endgültigen Entsorgung von schriftlichen und bildlichen Aufzeichnungen begleitet. Bei der Bedienungsanleitung handelt es sich also nicht um ein einmaliges und einfaches Abbild des Produkts, sondern um eine »Kaskade von Inskriptionen«.15 Konstruktionspläne werden angefertigt und Prototypen hergestellt. In den Prüfstellen werden Messungen durchgeführt, zur mechanischen Belastbarkeit, Temperatur, maximalen Spannung oder elektrostatischen Aufladung. Die Ergebnisse werden dann wiederum in Diagramme überführt und auf den Plänen notiert.16 Alle relevanten Informationen über Gestalt, Funktion und Nicht-Funktion werden gesammelt und anschließend in Texten und Bildern fixiert. Außerdem können alle an der Konstruktion, Produktion oder am Vertrieb des Geräts beteiligten Personen und Gruppen je nach ihrer Aufgabe auf die Aufzeichnungen zurückkommen und sie für ihre eigenen Zwecke formulieren. Der Entstehung einer Bedienungsanleitung nachzugehen bedeutet, sich auf die zahlreichen Übersetzungsprozeduren innerhalb eines Unternehmens zu stützen, von der Fixierung der Idee eines Erfinders bis zum wohlüberlegten Einsatz der Corporate Identity. Fragen zur innerbetrieblichen Organisation geben Aufschluss darüber, welche Wege ein Produkt vom Zeichenbrett der Entwicklungsabteilung bis zur Redaktion zurücklegt. Clemens Schwender hat in seiner Oral History der Technischen Dokumentation einen Versuch unternommen die Art und Weise aufzuzeigen, wie Entwickler, Konstrukteure, Kundendienst und Technische Redakteure in die Herstellung einer Bedienungsanleitung involviert werden.17 Schwender interessiert sich hier wesentlich für das Berufsfeld, in dem schriftliche und bildliche Darstellungen zur Bedienung von Geräten entstehen. Mithilfe mehrerer Interviews in verschiedenen 15 | Ebd., S. 281. 16 | Zur Entstehung der grafischen Statik vgl. beispielsweise Feldhaus 1967, S. 37–39. 17 | Siehe Schwender 1993.
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Unternehmen erfragt er Aufgabenbereiche, innerbetriebliche Einbettung und dessen Veränderung in der Technischen Dokumentation. Zu Wort kommen Personen, die zum Teil mehrere Jahrzehnte mit dem Abfassen von Bedienungsanleitungen betraut waren. Deutlich wird in diesen Befragungen, dass nie einfach ein Sprung vom fertigen Gerät zu seinen schriftlichen und bildlichen Darstellungen vollzogen wird; »Man gelangt niemals direkt von den Dingen zu den Worten, von der Referenz zum Zeichen, sondern immer nur über riskante Zwischenschritte.«18 Diese riskanten Zwischenschritte sind die Momente, in denen ein Gegenstand in einen zeichenhaften Zustand versetzt wird, sind Ort und Zeit der Verwandlung. Wie Bruno Latour mit seiner Studie der wissenschaftlichen Praxis im Urwald am Amazonas gezeigt hat, finden die Transformationen immer in Verbindung mit spezifischen Apparaturen, Instrumenten oder Möbelstücken statt. Regale, Karten und Pedokomparatoren sortieren und klassifizieren Bodenproben, ermöglichen einen Übergang von der Erde zum Code. Die Generierung wissenschaftlicher Fakten ist demzufolge immer an eine Reihe von Operationen gebunden, die den Weg einiger Klumpen Erde in eine einzige graphische Darstellung ermöglichen. Die Referenz einer Bedienungsanleitung ist entsprechend nicht das fertige technische Artefakt, das Endresultat, welches aus der Produktion kommt und bevor es seinen Weg in den Handel antritt noch einmal auf dem Schreibtisch eines Technischen Redakteurs platziert wird. Die Referenz ist eine »mediale Übersetzungskette«.19 Welche Informationen werden von den Personen, die mit dem Abfassen von Bedienungsanleitungen beauftragt sind, verarbeitet und in eine für den Laien verständliche Form übersetzt? Auf welches Wissen wird zurückgegriffen, welches muss überhaupt erst generiert werden? Die Arbeit an einer Bedienungsanleitung beginnt mit einer Recherchephase. Der Technische Redakteur muss sich möglichst viele Aufzeichnungen wie beispielsweise Leistungsbeschreibungen, Produktspezifi18 | Latour 2006b, S.53. 19 | Zur Bedeutung der zirkulierenden Referenz vgl. auch Schüttpelz 2008, S. 247–248.
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kationen, Testergebnisse sowie Analysen zur Zielgruppe in den jeweils zuständigen Abteilungen beschaffen.20 Da die Dokumentation immer gleichzeitig mit dem Produkt ausgeliefert werden muss, kann niemand darauf warten, bis es fertig ist. Grundlage sind daher zunächst immer die firmeninternen Unterlagen, die sich aus der Entwicklung zur Konstruktion des Geräts ergeben haben.21 Dies sind Konstruktionszeichnungen, technische Daten, aber auch Tabellen und Diagramme, die Messungen der Prüfstellen präsentieren. Insbesondere die Ergebnisse der Risikobeurteilung, die für das Abfassen der Bedienungsanleitung zunehmend an Bedeutung gewonnen haben, müssen für den Anwender klar als Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen formuliert werden. Wann ist ein einfacher Hinweis angebracht, wann Achtung, Vorsicht und wann Lebensgefahr? 22 Es ist also ein Bündel an Schriften, Zeichnungen und Zahlen, das in möglichst kurzer Zeit in ein Format gebracht werden muss, welches dem Anwender ermöglicht, mit dem Gerät in eine Interaktion zu treten. Die Begutachtung und das Ausprobieren eines Mustergeräts durch den Redakteur ist nur ein zusätzlicher Aspekt, wenn überhaupt eines von wenigen Prototypen an die Technische Redaktion gegeben wird. Ein Interviewpartner Schwenders merkt an: »Von einem neuen Produkt wurden fünf Prototypen hergestellt. Davon gingen drei zum Dauerlauf, einer ging zur Unternehmensleitung und der fünfte zum Fotografen. Zu uns kam keiner. […] Es ist in der Tendenz heute immer noch so, dass der Kampf, wer die Komponenten bekommt, weiter besteht.«23 Warum auch das Gerät vor Augen haben, wenn alle Informationen über Bestandteile, Funktionen und Gefahren auf Plänen vermerkt sind? Eine Bedienungsanleitung nimmt ihren Anfang noch bevor überhaupt je eine Bedienung 20 | Vgl. Krings 1996, S. 14–16. Außerdem wurde noch bis Ende der 1970er Jahre die Formulierung von Funktions- und Bedienungsweisen von den Entwicklern selbst nebenbei erledigt. Siehe dazu Schwender 1993, S.63f. 21 | Vgl. ebd., S. 58. 22 | Vgl. Schneider 2009, S. 29. 23 | Vgl. Schwender 1993, S. 65.
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stattgefunden hat.24 Und auch die Prüfung der Resultate besteht nur gelegentlich darin, einer Person Gerät und Anleitung in die Hand zu geben, um die Tauglichkeit der Ausführungen zu testen.25 Am Ende wird das Produkt nur gut funktionieren, sofern die Verkettung all der Zeichnungen, Daten und menschlichen Kompetenzen gelungen ist. Die Ursachen für Schwierigkeiten bei der Bedienung von technischen Geräten liegen nicht immer nur darin, dass Texte miserabel von der einen in die andere Landessprache übersetzt wurden. Probleme können an all den riskanten Zwischenschritten entstehen, wo eine Idee auf Papier, ein Bild in ein Material oder Zahlen von Messungen in sprachliche Aussagen transformiert werden. Ist es den Entwicklern und Designern gelungen ihre Ideen eines Video Cassetten Recorders – seine Funktionen, Merkmale oder seine Bedeutung für die Welt – in das Gerät einzuschreiben, sie in Metall, Plastik und elektrische Schaltungen zu übersetzen? Ein technisches Artefakt hat am Ende immer ein Skript, ist also Resultat einer Reihe von Übersetzungsprozeduren. Die Kette ist lang und es können an dieser Stelle nur einige Stationen genannt werden, an dessen Ende die Bedienung stehen mag: Ein Erfinder inskribiert seine Ideen in Skizzen, die wiederum von einer Gruppe von Entwicklern in konkrete Konstruktionszeichnungen überführt werden. Diese Zeichnungen werden von den Herstellern in Metallstücke, Schaltungen, Gehäuse, Regler und Tasten transformiert. Die somit entstandenen Prototypen werden in die Prüfstellen gegeben, auf ›Herz und Nieren‹ getestet und die Ergebnisse in Schaubilder überführt. Zusätzlich wird alles, was über das Bedienkonzepts eines Geräts nicht unmittelbar ersichtlich ist, von der Bedienungsanleitung übernommen.26 Sie muss nun all das in eine Form transkribieren, die eine Präskription dafür gibt, was der Benutzer zu tun oder zu lassen hat. 24 | Designer und Technikredakteure arbeiten zum Teil sehr früh in der Produktentwicklung gemeinsam an einer sogenannten »konzeptuellen Bedienungsanleitung«, insbesondere wenn es um die Gestaltung von Bedienoberflächen geht. Siehe Hammer 1995. 25 | Vgl. Krings 1996, S. 22–23. 26 | Vgl. Juhl 2005, S. 9.
Visualisierung technischer Vorgänge
BILDLICHE KONVENTIONEN In einer Bedienungsanleitung werden nicht einfach Konstruktionszeichnungen und Messtabellen versammelt. Die Zeichen müssen übersetzt werden; in eine Form gebracht werden, die Laien einen technischen Zusammenhang übermitteln. Sie sollen nicht nur etwas aufzeigen, sondern auch dazu befähigen, einen technischen Ablauf nachzuvollziehen und diesen in eigene Handlungen zu überführen. Der Betrachter ist schließlich immer auch ein Benutzer beziehungsweise soll und will er zu einem Benutzer werden. Ein spezifisches Bildvokabular wird erforderlich, das über Abmessungen und Formgebung hinaus das Prinzip der Zusammensetzung, Funktions- und Bedienweise sowie spezielle Handlungsschritte sichtbar macht. Was ins Bild gebracht werden muss, ist eben nicht das Ding (Heidegger), sondern ein modus operandi. Eine entsprechende Darstellungsweise wird jedoch nicht von Ingenieuren und Technischen Redakteuren gänzlich neu erfunden. Sie führt in die Zeit zurück, in der Herstellung und Verwendung von technischen Artefakten explizit zum Thema bildlicher und schriftlicher Beschreibungen gemacht wurden: in die Renaissance.1 Seit Erfindung der Zentralperspektive lässt sich die Entwicklung technischer Zeichnungen nicht nur mit Hinblick auf die Kommunikation zwischen Entwicklern und Konstrukteuren weiterverfolgen, sondern 1 | Zu bemerken ist an dieser Stelle, dass selbst die Bilder der antiken ägyptischen, mesopotamischen und assyrischen Kultur vor allem Darstellungen der Handhabung von technischen Artefakten sind und instruierenden Charakter aufweisen. Vgl. dazu Schwender 2005, S. 13–18.
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auch bezüglich einer Wissensvermittlung zwischen Erfindern und potentiellen Nutzern. Die in sogenannten Theatern der Maschinen abgedruckten Kupferstiche sind in erster Linie nicht als Pläne zum Bau von technischen Artefakten gedacht.2 Sie liefern vielmehr die Schaffung einer besonderen Art der Anschauung technischer Zusammenhänge, die bis heute eine bemerkenswerte Kontinuität aufweist. Es sind Ausschnitt, Durchsicht und Explosionsansicht, welche bereits in den neuzeitlichen Maschinenbüchern Anwendung finden und mittlerweile zu den wichtigsten bildlichen Konventionen zählen. Ein eindrucksvolles Beispiel für die verschiedenen Darstellungsmethoden findet sich in Agricolas De re metallica (1556). Dieses Werk enthält zwölf Abhandlungen zum Bergbau und Hüttenwesen, die mit 292 gezeichneten Maschinenbildern ergänzt werden.3 In Abbildung 1 ist eine hydraulische Saugpumpe zu sehen, jedoch in mehreren Stationen ihrer Zusammensetzung. In der linken Bildhälfte ist die Pumpe ›in Betrieb‹, die über einen ›User‹ in Gang gehalten wird. Rechts daneben liegen die Bestandteile der Vorrichtung in ihrer Einzelheit. Sie sind mit Buchstaben versehen und können der Pumpe in Betrieb, die ebenfalls über solche Referenzen verfügt, zugeordnet werden. Oben rechts wird schließlich ein Bauteil noch einmal in einer Durchsicht gezeigt und macht somit den links noch in einem Gehäuse versteckten Kurbelantrieb deutlich. Die didaktische Bedeutung dieser graphischen Mittel kann nicht überschätzt werden, zumal sie in kaum abgewandelter Form in der Encyclopédie von Diderot und Jean d’Alembert wieder auftauchen.4 Agricola scheint ohnehin mit seiner Vorgehensweise die Haltung der Enzyklopädisten vorzubereiten: Illustrationen trügen dazu bei, dass die Menschen die Beschreibungen verbaler Art verstehen und dass auch bei zukünftigen Lesern keine Verständnisschwierigkeiten aufkommen.5
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Vgl. Bogen 2006a, S. 188. Vgl. Feldhaus 1967, S. 33. Siehe Holländer 2000. Vgl. Eisenstein 1997, S. 177.
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Abbildung 1: Hydraulische Saugpumpe, 1556
Quelle: Agricola, De re metallica, Bibliothek Deutsches Museum, München.
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Abbildung 2: Kaffeemaschine mit selbstthätiger Stromausschaltung, 1901
Quelle: AEG, Anweisung zur Behandlung der elektrisch geheizten Kaffeemaschinen mit selbstthätiger Stromausschaltung. Historisches Archiv Deutsches Technikmuseum, Berlin.
Abbildung 3: Filter-Kaffeemaschine, 1931
Quelle: AEG, Bedienungs-Vorschrift für Filter-Kaffeemaschinen. Historisches Archiv Deutsches Technikmuseum, Berlin.
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Abbildung 4: KAM 200. Kaffeeautomat mit integrierter Kaffeemühle
Quelle: AEG, KAM 200. Kaffeeautomat mit integrierter Kaffeemühle. Gebrauchsanweisung. Eigene Sammlung.
Abbildung 2, die aus der Anweisung zur Behandlung der elektrisch geheizten Kaffeemaschinen mit selbstthätiger Stromausschaltung entnommen ist, zeigt die Kaffeemaschine zum einen in zwei Zuständen: im eingeschalteten Modus und während der Kaffeebereitung.6 Zum anderen ist als dritte Figur eine schematisch gehaltene Zeichnung eingefügt, die mit Verwendung einer Durchsicht den Aufbau sichtbar und das Prinzip des automatischen Kaffeekochens nachvollziehbar macht – ähnelt also im Vorgehen der Darstellungsweise Agricolas. Die Buchstaben in der dritten Figur spielen im nebenstehenden Text eine Rolle, da hiermit die Teile benannt werden (»Ventil C geschlossen und durch Drehung des Griffes D«) und gleichzeitig der Brühvorgang erläutert wird. Ein ähnliches Modell vom gleichen Hersteller, der AEG, liegt in Abbildung 3 vor. Allerdings stammt die zugrunde liegende »Bedienungs-Vorschrift« von 1931, ist also drei Jahrzehnte älter als die vorherige Maschine. Die schematische Durchsicht mit Lehrbuchcharakter, mit dem der gesamte Ablauf auf einen Blick erfasst werden sollte, musste einer Aufgliederung in mehrere Stufen weichen. Die notwendigen Schritte sind hier 6 | AEG, Anweisung zur Behandlung der elektrisch geheizten Kaffeemaschinen mit selbstthätiger Stromausschaltung, S. 1.
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über vier Einzelbilder erfasst. Das Prinzip des Durchbruchs – ebenfalls durch Agricola bekannt – veranschaulicht die verschiedenen Stadien des Brühvorgangs. Und auch der Benutzer findet seinen Platz im Bild; über die Abbildung seiner Hand. Dreidimensional, weil schattiert und schraffiert, versucht das Bild der äußeren Erscheinung des Geräts sehr nahe zu kommen. Das Zubehör ist um das Hauptgerät gruppiert. Für einen historischen Vergleich sollte auch eine zeitgenössische Kaffeemaschine nicht fehlen: die KAM 200, ebenfalls von der AEG. Abbildung 4 zeigt zum einen eine schematische Ansicht (links) und Elemente aus einer Bilderserie zum Bedienvorgang (rechts). Eine detailgetreue Abbildung des Geräts oder eine Fotografie ist nicht vorhanden. Es werden ausschließlich Strichzeichnungen verwendet und auch wenn auf den ersten Blick eine Ähnlichkeit zur Abbildung 2 besteht, so gibt es doch einen wesentlichen Unterschied. In der Anweisung zur Behandlung der elektrisch geheizten Kaffeemaschinen fungiert die Darstellung mit den Referenzbuchstaben als Diagramm, mit dem der gesamte technische Vorgang unter Einbezug sprachlicher Erläuterungen erklärt wird. Abbildung 4 hingehen versorgt den potentiellen Benutzer lediglich mit der notwendigen Terminologie »D Schwenkbarer Wasserzulauf, E Vorratsbehälter Kaffeemühle mit Deckel«.7 Und einen Einblick in das ›Innenleben‹ liefert sie auch nicht. Die im rechten Teil des Bildes gezeigten Bedienschritte kommen ohne eine Visualisierung des Benutzers, also ohne Hände aus. Der Kaffeelöffel scheint wie von selbst die Bohnen in den Behälter zu befördern und andere Bewegungsvorgänge, wie das Ausklappen des Schwenkfilters, werden über den Einsatz von Pfeilen dargelegt. Außerdem fällt insbesondere im Vergleich zu Abbildung 3 auf, dass für die einzelnen Schritte das Gerät nicht mehr im Ganzen zu sehen ist, sondern nur noch Teilausschnitte, gewissermaßen Zoom-Ansichten. Auf Striche reduziert wird heute ein größtmöglicher Abstraktionsgrad angestrebt. Das Bild unterliegt einer Rationalisierung, sowohl was die Gestaltungsmittel als auch die zu übermittelnden Inhalte betrifft.8 Es 7 | AEG, KAM 200. Kaffeeautomat mit integrierter Kaffeemühle. Gebrauchsanweisung, S. 2. 8 | Dass dies auch für die sprachlichen Darstellung zutrifft, wird im Folgenden noch einmal aufgegriffen.
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wird entpersonalisiert (weniger Darstellung von menschlichen Körpern oder Körperteilen) und deintellektualisiert, insofern als die Informationen keine Möglichkeit bieten, das Gerät auch in seinem Funktionieren zu verstehen. Die Gründe dafür sind an verschiedenen Stellen zu suchen. Zum einen ist es sicher die Ausdifferenzierung und damit Verwissenschaftlichung der Technischen Dokumentation oder Redaktion selbst, die über eigene Anleitungen Standards schaffen, wie denn eine gute Bedienungsanleitung auszusehen habe und was es heißt, zweckmäßig zu instruieren.9 Die Bemühungen, über starke Kontraste und Konturen die »Unbestimmtheit«10 des Bildes zu verringern, zählt zu den wichtigsten Grundsätzen. Insbesondere in den Anfängen, an dem Punkt wo Dokumente als erstes von sich behaupten eine »Anweisung« oder »Bedienungs-Vorschrift« zu sein, ist eine klare Text- oder Bildsortenspezifizierung nicht möglich. Eine Unterscheidung in geräte- oder handlungsorientierte11 Anleitungen ist dabei vermutlich auch nicht notwendig gewesen. Die Dokumente sind vielmehr ein Zwitter oder Hybrid aus Werbeanzeige, technischem Datenblatt und Bedienungsanleitung.12 Die von technischem Lehrbuch-Wissen bereinigten und schematisierten Darstellungen, mit denen inzwischen das Genre der Anleitungen und Handbücher assoziiert wird, sind ein eher junges Phänomen. Auch eine stringente Entwicklungsgeschichte für die vergangenen hundert Jahre kann nicht gezogen werden, da vor allem in den 1960er Jahren eine starke Tendenz hin zu einer dominanten personenbezogenen Darstellung mit Hang zur Niedlichkeit besteht. 9 | Vgl. beispielsweise Juhl 2005. 10 | Zum Begriff der Unbestimmtheit des Bildes bzw. der Logik des Bildlichen vgl. Böhm 2007, S. 208–212. 11 | Geräteorientiert meint, dass sich die Beschreibungen auch auf die technischen Funktionsweisen beziehen, handlungsorientiert hingegen, dass nur ein Know-How übermittelt werden muss. Vgl. dazu Juhl 2005, S. 215. 12 | Vielen Dank an Jörg Schmalfuß aus dem historischen Archiv des Deutschen Technikmuseums Berlin für diese Einschätzung.
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Abbildung 5: Benutzer am Netzkabel und nachdenklich
Quelle: Blaupunkt, Fernseher Manila 100. Bedienungsanleitung. Eigene Sammlung.
Illustrationen wie in Abbildung 5, die weder das Gerät und seine Eigenschaften veranschaulichen, noch einen Vorgang im Handlungsablauf demonstrieren, sondern lediglich eine Aussage wie »Das Gerät wird ab Werk für 220 V Wechselspannung geliefert« bebildern und dies auch noch mit ungenauen Proportionen, sind heute rar. Als ›Verschönerung‹ oder Ergänzung zum ›Aufpeppen‹ des Textes liefern sie selbst kaum eigene für das Gerät notwendige Informationen. Welche Form der Interaktion, welchen Handlungsschritt vermag die rechte Figur in der Abbildung erklären? Wohl kaum die Bedienung des Kontrastreglers, an dessen Stelle sie platziert ist, eher einen fragenden oder zögernden älteren Herren. Bemerkenswert ist auch das Deckblatt der Bedienungsanleitung für den Fernseher Manila 100 der Firma Blaupunkt (Abbildung 6, linke Seite), aus der die Illustrationen entnommen sind: Eine künstlerisch anmutende Bildcollage, die das Gerät in seiner Nutzungsumgebung zeigt. Die Fotoretusche des Fernsehers ist in einen zeichnerisch skizzierten, aber farbig ausgestalteten Raum gesetzt. Zu sehen ist also das Zeugganze, wie Heidegger es nennen würde. Auf unterhaltsame Weise, fast spielerisch, verfährt das kleine Büchlein für den Blaupunkt-Fernseher. Im direkten Vergleich zum Auftakt der Anleitung eines heutigen Produkts, ebenfalls Blaupunkt und ebenfalls ein TV-Gerät, werden die unterschiedlichen Darstellungsverfahren sofort deutlich. Hier (Abbildung 6, rechte Seite) gibt es keinen orangefarbenen Sessel und auch keine Person, die es sich
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darauf gemütlich macht. Immerhin, eine mit heller Schattierung hinterlegte Fotografie des LCD-Fernsehgeräts X32/54G-GB-TCUP bringt das glänzende Material des Monitors zum strahlen. Manila 100 sendet beispielhaft ein Bild mit Ochsen oder Kühen, X32/54G-GB-TCUP einen verlaufenden Bluescreen. Der Adressat einer Anleitung, also Besitzer und Benutzer des Geräts, verschafft sich beim ersten Anblick einen nicht unerheblichen Eindruck vom Gerät und seiner Position gegenüber diesem Gerät. Als Teil des Bildes kann er einen Lebenszusammenhang imaginieren und sich als gleichwertiger Partner oder gar souveräner ›Herr‹ der Dinge wähnen. Im Falle des X32/54G-GB-TCUP mag er stattdessen demütig einem verehrungswürdigen Geschöpf aus dem Universum der neuesten technischen Errungenschaften gegenüber treten. Abbildung 6: Zwei Fernsehgeräte, Deckblatt
Quelle: Blaupunkt, Fernseher Manila 100. Bedienungsanleitung und Blaupunkt, X32/54G-GB-TCUP. Bedienungsanleitung. Beides eigene Sammlung.
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EXPLOSIONSANSICHTEN Sie befinden sich an einem recht sonnigen Nachmittag in Ihrer Hobby-Werkstatt. Sie liegen unter einer Hebebühne, daneben Schrauben, Muttern, Klemmen, Kabel, etliche andere Metallteile, ein paar Werkzeuge und ein Buch. Sie reparieren ihren Trabant 601. Kleine Defekte wie durchgebrannte Glühbirnen hatten Sie bisher binnen kürzester Zeit im Handumdrehen wieder in Ordnung gebracht. Dieses Mal ist es eine etwas größere Angelegenheit, die durchaus mehrere Tage in Anspruch nehmen könnte. Der gesamte Motor muss demontiert und dazu ausführlich das Reparaturhandbuch studiert werden. Das Problem ist die Kupplung. Als Sie ihren Trabanten so zerpflückt vor und über sich sehen, kommt Ihnen für einen Moment der Gedanke an die Nachmittage, an denen Sie noch sorglos in Ihren Wagen steigen konnten, den Schlüssel umdrehten und mit ein paar Hand- bzw. Fußgriffen losfuhren. Erst inmitten all der Einzelteile zeigt sich, was miteinander verschraubt, verkabelt und verwickelt wurde, damit Sie in Ihrem Wagen umherfahren können, damit dieser Sie von A nach B transportiert. Bisher funktionierte er – der zwar keine schwarze Farbe trägt, aber liebevoll von Ihnen als ›kleine Kiste‹ betitelt wird – als ›Black Box‹. Auf der Straße war der Trabant 601 – dank Explosionsmotor – gestern noch ein zuverlässiger Umwandler von Wärme in gemäßigte kinetische Energie. In der Werkstatt kann das Automobil seinem Namen nicht mehr gerecht werden und explosionsartige Vorgänge manifestieren sich jetzt im ungeordneten Auseinandertreiben mechanischer und elektronischer Bauteile. Mit einer besonderen Zeichnung werden Sie und der Trabant 601 dennoch bald wieder den Weg zurück auf die Straße schaffen.
Wenn ein technisches Artefakt ›seinen Dienst verweigert‹, wenn es in einer Krise auf seine innere Komplexität aufmerksam macht, verlässt es den Status als Black Box. Denn sind technische Objekte erfolgreich, in dem Sinne, dass sie fehlerfrei arbeiten, verdecken sie ihr Funktionieren. Sie verschließen ihre inneren Zusammenhänge, oftmals durch Gehäuse
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und Fassaden, aber auch dadurch, dass sie von Benutzern in Gebrauch sind. Im alltäglichen Umgang verharren sie »[…] schweigend, als existierten sie gar nicht, unsichtbar, durchsichtig und stumm und leihen der [jeweils] gegenwärtigen Szenerie ihre vielleicht Jahrmillionen alte Kraft und Aktion«.13 Im Routinegebrauch legt ein Gerät seine Geschichte ab. Das Rad muss nicht neu erfunden und Herr Otto oder Diesel müssen nicht konsultiert werden, während der nächste Roadtrip zu planen ist. Mit dem Blackboxing werden Raum und Zeit zusammengefaltet und die Zahl der zuvor beteiligten Akteure verwischt. Doch alle Black Boxes bleiben Resultat von Interferenzen und Zusammensetzungen, sind »[…] eingebunden, rekrutiert, mobilisiert, beteiligt, verwickelt […] in die Geschichten der anderen«.14 Dies bedeutet zum einen, dass in jeder Black Box eine weitere steckt und zum anderen, dass sie nie wirklich geschlossen sind und das heißt: Sie bilden Netzwerke. Abbildung 7: Explosionsansicht Kupplung, Einzelteile
Quelle: Reparaturhandbuch Trabant 601, Zwickau 1974. Eigene Sammlung.
13 | Latour 2006b, S. 224. 14 | Ebd.
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Mit der Explosionsansicht kann der Netzwerk-Charakter technischer Artefakte sichtbar gemacht werden. Die Kupplung im Trabant 601 beispielsweise ist ein zusammengesetztes Bauteil. In Abbildung 7 sind perspektivisch angeordnete Ringe und kreisrunde Scheiben zu sehen, die mit Ziffern markiert sind. Sie sind einerseits als isolierbare Einzelteile identifizierbar, andererseits erhalten sie durch die perspektivische Ansicht und Überlappung eine Beziehung zu den sie umgebenden Elementen. Deutlich wird damit sowohl das Aussehen der Teile in ihrer Einzelheit, als auch ihre Zugehörigkeit zu einem größeren Bauelement. Die Komponenten der Kupplung erscheinen hier gleichsam selbst aneinander gekuppelt, an die Leine gelegt. Die darzustellenden Teile fliegen eben nicht, wie bei einer tatsächlichen Explosion, ungeordnet über das Blatt, sondern in Übereinstimmung mit der Geometrie. Sie werden parallel zu den XYZ-Achsen eines Koordinatenkreuzes angeordnet. Das Kreuz ist in der Regel selbst nicht mit abgebildet, die Achsen sind mit Hilfe von durchgezogenen und gestrichelten Linien mitunter zumindest angedeutet. Solche Linien sind nicht immer erforderlich, die Perspektive selbst schafft einen imaginären Pfad, auf dem sich die relevanten Teile anordnen – so auch in Leonardo da Vincis Abbildung einer Winde zum Heben schwerer Gewichte (Abbildung 8). Abbildung 8: Winde zum Heben schwerer Gewichte, ca. 1500
Quelle: Leonardo da Vinci, in: Reti, Ladislao (1990), Hrsg., Leonardo: Künstler – Forscher – Magier, München, S. 171.
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Steffen Bogen hat in einer Untersuchung frühneuzeitlicher Maschinenzeichnungen herausgestellt, dass die frühen Abbildungen technischer Artefakte nicht nur im Hinblick auf die Umsetzung einer zentralperspektivischen Konstruktion lesbar sind, sondern ihnen ein »diagrammatisches Potential« zugesprochen werden kann.15 Diagrammatisches Potential meint vor allem ein spezifisches Verfahren der Auswertung, das in einer graphischen Inskription bereitgestellt wird und sich von der bloßen Darstellung der Formen und Körper abhebt. »Viele Diagramme ähneln im Aussehen ihren Objekten überhaupt nicht. Ihre Ähnlichkeit besteht nur in den Beziehungen ihrer Teile«.16 Peirce stellt in seinen Überlegungen zum Diagramm heraus, dass es gerade, weil es viele Details weglässt, dem Betrachter dazu verhilft, Relationen zu verstehen und Schlußfolgerungen zu ziehen.17 Es wird daher zu einem Medium des Denkens, zu einem Verfahren, mit dem logische Zusammenhänge konstruiert und wahrnehmbar gemacht werden können. Mehr als andere visuelle Praktiken »[…] sind Diagramme darauf hin angelegt, Nachfolgehandlungen nach sich zu ziehen. […] Das Diagramm erscheint wie ein Umschlagplatz des Sinns, wie ein semiotischer Haltepunkt zwischen Produzent und Rezipient [der Zeichnung]«.18 Die Explosionszeichnung hält demnach einen speziellen Modus der Betrachtung bereit; Bauteile können sowohl isoliert als auch in ihrem Verhältnis zu den anderen Komponenten eines technischen Artefakts betrachtet werden, ohne dass sie notwendig in mehreren Phasen ihrer Zusammensetzung gezeigt werden müssen. Ein Modus der Betrachtung, der zweierlei Ansichten auf die Dinge ermöglicht: einen bildhaften Blick, der räumliche Körper imaginiert sowie einen diagrammatischen Blick, der Zusammenhänge und Dynamiken ableitet.19 Indem die geometrische Achse nicht nur zur räumlichen Konstruktion der Vorrichtung genutzt wird, sondern als ›Flugbahn‹ auch 15 | 16 | 17 | 18 | 19 |
Siehe Bogen 2006b, insb. S. 133–137. Pierce 1986, S. 205. Vgl. ebd. und im Anschluss daran Bogen und Thürlemann 2003. Ebd. S. 22. Vgl. Bogen 2006b, S. 141.
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eine zeitliche Dimension erhält, sind die darauf angeordneten Elemente nicht mehr einzeln, aber auch noch nicht zusammen. Gezeigt wird also ein Prinzip, die Art und Weise, wie die Maschine zusammengesetzt ist. Ein Netzwerk an Bauteilen wird präsentiert, dessen Knotenpunkte gleichzeitig auch als Akteure fassbar sind. Gezeigt wird in einer Explosionszeichnung nicht ein Zustand, sondern ein Vorgang; der Moment der Zusammensetzung von Agenten mit je eigenen Funktionen; das Blackboxing.20 Es handelt sich bei Abbildung 7 also um eine Kupplung im Entstehen. Einzeln und zusammen zugleich bleiben die Bauteile ganz buchstäblich in der Schwebe. Was hier zu sehen ist, könnte ohne das Bild gar nicht ›auf einen Blick‹ wahrgenommen werden. Sie sind noch keine Kupplung, aber sie sind auch keine isolierten Teile mehr, die nichts miteinander zu schaffen haben. In der Explosionszeichnung werden die Elemente sowohl als einzelne, eigenständige Akteure, als auch in ihrer Beziehung zu den anderen Bauteilen und damit als Netzwerk begreifbar. Sie ist die graphische Methode zur Beschreibung von Akteur-Netzwerken und liefert der gleichnamigen Theorie ein geeignetes Bildvokabular, um technisches Handeln sichtbar zu machen.21
20 | Zum Begriff des Blackboxing vgl. noch einmal Latour 2002, S. 222–226. 21 | Umgekehrt lässt sich sagen, dass eine Geschichte von Akteur-Netzwerken, seien sie nun sprachlich oder bildlich, nur über Explosionsansichten gelingt; über eine besondere Anschauung, die die Interferenzen und Zusammensetzungen der beteiligten Akteure berücksichtigt.
Blick und Lektüre lenken
Abbildung 9: Batterie-Installation für Fernbedienung
Quelle: Orion, Video Cassetten Recorder VH-291RC. Bedienungsanleitung. Eigene Sammlung.
Es gilt nun die Aufmerksamkeit auf ein graphisches Mittel zu lenken, das die Aufmerksamkeit lenkt: Der Pfeil. Pfeile sind Zeigegesten. Auf einen Gegenstand, eine Person oder einen Ort gerichtet, wirken sie wie ein Zeigefinger; »Der da! Das da! Da lang!« Sie lenken den Blick und heben damit Dinge von anderen ab. Sie geben die Richtung an, nicht nur im Straßenverkehr. In Texten fungieren sie als Rezeptionsspur oder legen eine bestimmte Rezeption nahe. Die Geste des Zeigers will sowohl in Texten als auch in Bildern auf eine von ihr ausgehende Lesart oder Betrachtungsweise hindeuten und ist damit eine rhetorische Figur. In der italienischen Malerei des 15. Jahrhunderts ist sie ein wesentliches Moment, das zur Konstitution eines spezifischen Verhältnisses zwischen Bild und Betrachter beiträgt.1 1 | Siehe Gandelmann 1992.
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Leone Battista Alberti gibt explizit zu verstehen, dass er in Historienbildern jemanden sehen möchte, der den Betrachter zum Hinschauen veranlasst, ihn auf das Geschehen verweist, indem er beispielsweise mit der Hand winkt.2 Gegenüber der Malerei der Renaissance, die mithilfe der zentralperspektivischen Konstruktion einen Illusionsraum schafft und den Betrachter vor ein Fenster stellt, als wäre das Bild »die reine Sichtbarkeit«, gibt ein Zeiger das Bild als Darstellung und damit als kommunikative Struktur zu erkennen.3 Wenn auch in der Bildenden Kunst nach dem 15. Jahrhundert kaum von Bedeutung, so kehrt doch die appellative Funktion des Zeigers in hohem Maße in die visuelle Kommunikation wieder ein. Zeigefinger und Pfeile sind die Adresse des Betrachters im Bild, sie entwerfen einen impliziten Betrachter, dessen Blicke einen festgelegten Weg zu gehen haben.4 Damit ist jedoch erst eine Funktion erfasst, die ein Zeiger oder Pfeil einnehmen kann. Er ist schließlich nicht nur ein Index, sondern auch ein Bewegungsvektor. Als ein Visieren oder Auswählen wird eine Voraussetzung für ein Greifen, Inbesitznehmen und Handanlegen geschaffen. Zeigen leitet einen Angriff oder Zugriff ein, weist auf ein zukünftiges (Zur-) Handhaben.5 Deutlicher noch in der Konstellation von Pfeil und Bogen, aus der heraus der Pfeil immer auch auf die Jagd geht, sich an den Ort bewegt, den er anvisiert. Gerade in der Darstellung technischer Abläufe nimmt das Pfeilsymbol den Status eines Vektors ein, mithilfe dessen ein Bewegungsablauf imaginiert werden soll.6 In Bedienungsanleitungen konvergiert die deiktische mit der technischen Funktion von Pfeilen und Zeigefingern. Mit dem Pfeil wird der Betrachter ins Bild geholt, er weist dem Blick seinen Weg. Als Zeiger und Vektor zugleich, lenkt der Pfeil den Blick jedoch auf sich selbst und macht den Betrachter zu demjeni2 | Zitiert nach ebd., S. 78. 3 | Vgl. ebd., S. 80. 4 | In Anlehnung an die Figur des impliziten Lesers führt Wolfgang Kemp für die kunstwissenschaftliche Rezeptionsästhetik einen impliziten Betrachter ein. Kemp 1992. 5 | Vgl. Wenzel 2007, S. 138. 6 | Vgl. Gombrich 1989.
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gen, der den Pfeil abschießt. Diese einfache Verbindung von Linie und dreieckiger Spitze trägt wesentlich dazu bei, Menschen zum Handeln zu bringen, Betrachter in Benutzer zu verwandeln. Ob im Straßenverkehr, auf dem Desktop oder bei der Batterieinstallation einer Fernbedienung (Abbildung 9) – Pfeile geben Orientierung im Alltag und strukturieren Handlungen. Der Pfeil als Adresse des Betrachters im Bild übernimmt in Bedienungsanleitungen eine weitere Funktion: die Delegation der Hand. Denn der Betrachter ist ja, wie mehrfach festgestellt, gleichzeitig der Benutzer. Über die Abbildung von Händen oder Handschuhen wird der User als Teil des Bedienvorgangs mitartikuliert, er hat nicht nur eine Adresse im Bild, er ist im Bild. So kann er sich als Teil der Interaktion wiedererkennen, als gleichberechtigtes Mitglied der Aktion Kaffeekochen, als notwendiger Bestandteil technischer Handlungen. Zunehmend aber, so lässt eine historische Analyse erkennen, verschwindet die Hand aus den Darstellungen. Wie bereits anhand der Abbildung 4 festgestellt, wird weder gezeigt, dass etwas mit den Fingern zu greifen (Kaffeelöffel), noch eine Bewegung des Handgelenks (Schwenkfilter) erforderlich ist. Als hätte man den Benutzer schon einmal vorsorglich aus dem Bild entfernt, um damit eine vollautomatische Kaffeemaschine mit selbstfliegenden Löffeln und selbsttätig schwenkenden Behältern vorzubereiten. Der Pfeil ist nunmehr auch eine Spur einer verstärkten Entpersonalisierung bildlicher und sprachlicher Darstellungen.
BILDBESPRECHUNGEN UND SPRECHENDE BILDER Eine Bedienungsanleitung besteht in den seltensten Fällen aus Sprache oder Bild allein. Bildlegenden sowie Bildtitel, Beschriftungen oder Sprechblasen geben Anlass anzunehmen, dass Sprache und Bild nur die begrifflich stilisierten Pole einer Skala sind, in deren Mitte sich zahlreiche Mischverhältnisse von verbalen und ikonischen Äußerungen scharen.7 7 | Zum Auseinanderhalten von Bild und Sprache vgl. auch Krämer 2009.
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Es ist ferner davon auszugehen, dass selbst die vermeintlich ›einfache‹ Illustration eines Textes oder die Betitelung eines Bildes keine Phänomene der Redundanz sind, sondern die einer gegenseitigen Ergänzung oder Einschränkung. Bis ins 18. Jahrhundert stand die Malerei in einem engen Verhältnis zu den Bedeutungen des tradierten Sprachhumanismus, spannte Fäden zu Mythen, Geschichten und religiösen Themen.8 Bilder wurden, wie in der Emblematik, in Text eingebunden oder, wie in der Ekphrasis, zum Gegenstand von sprachlichen Abhandlungen gemacht. Die Ekphrasis als Beschreibungskunst und Bildbeschreibung erfasst die bildgebende Leistung der Sprache, das Mitgeteilte anschaulich vor Augen führen zu können und ist damit Teil der rhetorischen Praxis.9 Die Hörer zum Zuschauer zu machen, lautet daher das Programm der antiken Rhetoriktradition und wie sollte diese Fähigkeit besser trainiert werden als durch die systematische Beschreibung von Kunstwerken? 10 Vollzogen wird dabei jedoch keine Aufzählung der dargestellten Elemente, der Formen oder Kompositionen, denn die Ekphrasis ist kein Bericht. Vielmehr soll das Wesentliche eines visuellen Eindrucks herausgestellt werden.11 Ob nun ein Kunstwerk, ein Werbeplakat oder Zeichnungen wie in Abbildung 9 mit Text verknüpft wird – immer geht es darum, den Blick des Betrachters auf eine festgelegte Art und Weise durch das Bild zu lenken. Der Text führt »[…] durch die Signifikate des Bildes hindurch, leitet ihn an manchen vorbei. […] Über ein oft subtiles dispatching wird er [der Betrachter] bis zu einem im voraus festgelegten Sinn ferngesteuert«.12 Diese Eingrenzung ist oftmals wesentliche Bedingung einer gelingenden Bedienung, oder im Sinne des gegenwärtigen Beispiels gesprochen: Die Fernsteuerung des Betrachters ermöglicht eine Fernsteuerung für den Benutzer. Für manche ist die Batterie-Installation einer Fernbedienung trivial, für manche vielleicht aber ein völlig neues Problem. Abbildung 9 8 | 9 | 10 | 11 | 12 |
Vgl. Böhm 1995, S. 23. Zur Definition und Geschichte der Ekphrasis vgl. Graf 1995. Vgl. ebd., S. 147–148. Vgl. Böhm 1995. Barthes 1990, S. 35.
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lässt kaum Missverständnisse darüber aufkommen, wie die AAA/RO3/ UM4-Batterien einzulegen sind. Erstens ist ein Pfeil im Bild, der darauf aufmerksam macht, dass irgendetwas in Bewegung gesetzt werden soll. Zweitens gibt der Text zu verstehen, der Benutzer solle den Deckel in Pfeilrichtung aufschieben. Wie die Zeichnung zu interpretieren ist, wird sowohl durch Pfeil und Text eindeutig gemacht. Die Möglichkeit, sich beispielsweise mit der Beschaffenheit des Deckels, der Öffnung oder mit dem Schiebemechanismus zu beschäftigen, wird damit verringert. Neben dem Pfeil gibt also auch die Ekphrasis dem Blick des Betrachters einen Weg an, installiert gleichsam eine festgestellte Perspektive. Sie räumt Mehrdeutigkeiten aus, rückt ins ›rechte Lichte‹ und bringt damit die Kategorien richtig und falsch zum Tragen.13 Ein Betrachter darf ein Bild nicht missverstehen, denn in manchen Fällen könnte das gar tödliche Folgen haben. Bildliche Anleitungen, die beispielsweise im Flugzeug Informationen darüber geben, wie im Notfall die Schwimmwesten anzulegen sind, versuchen in der Regel ohne verbale Erläuterungen auszukommen, um von den aus verschiedenen Ländern stammenden Passagieren in gleicher Weise verstanden werden zu können. Manch einer mag dennoch ohne Erklärungen der Stewardessen an der Umsetzung verzweifelt sein.14 Die Verzahnung von Text und Bild in Bedienunganleitungen besteht sowohl in einer Verankerungs- als auch in einer Relaisfunktion.15 Wenn es sich bei einer auszuführenden Handlung nicht nur um einen einzigen Handgriff, sondern um mehrere verschiedene Operationen handelt, wird dies häufig in einer Bildgeschichte sichtbar gemacht. Ein Ablauf wird stillge- und in einige wenige Schritte zerlegt. Der Vorteil gegenüber einem tatsächlich ablaufenden Prozess, wie einer Demonstrationssituation oder einem Videotutorial, besteht darin, dass die Geschwindigkeit irrelevant wird. Das Bild zieht nicht an dem Betrachter vorbei, sondern es kann innerhalb einer beliebigen Zeit studiert werden. Eine Zergliederung in 13 | Ebd., S. 35. 14 | Einer kleinen Überprüfung auf Umsetzbarkeit zwischen Lufthansa und British-Airways widmet sich Gombrich 1989, S. 123–125. 15 | Vgl. Barthes 1990, S. 34–37.
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statische Bilder beugt vor, dass der Betrachter nicht folgen kann. Diese Art der Erzählung hat eine Tradition im filmischen Storyboard und im Comic. Seine Kunst besteht in der Wahl des passenden Moments, in der Schaffung von Schlüsselszenen, die einen entscheidenden Augenblick einer Handlung einfangen. Diese Szenen stehen jedoch nicht für sich allein, sondern sind immer auf ihren erzählerischen Kontext angewiesen. Das, was sich nicht mehr im Bildraum befindet oder eine Leerstelle in der Bildabfolge markiert, wird durch verbale Erläuterungen ergänzt. Die Sprache fungiert als ein Schalter innerhalb der leeren beziehungsweise unbestimmten Zwischenräume, hilft dem Betrachter, diese sinnvoll zu überbrücken. Dabei gilt es vor allem die Frage zu beantworten, was von dem Zustand des einen zu dem Zustand des anderen Bildes führt. In Bedienungsanleitungen begegnen nicht nur Text-Bild-Kombinationen, sondern auch besondere Mischwesen, die im Sinne Otto Neuraths als »sprechende Bilder« begriffen werden können. Die wortgeschichtliche Wurzel des Piktogramms, das Zusammenziehen vom Gemalten (lat. ›pictum‹) und Geschriebenen (gr. ›gráphein‹) weist ebenfalls daraufhin, dass es sich um ein Zwitterwesen aus Bild und Sprache handelt. Neuraths Anliegen war es, mit der ISOTYPE (International System Of TYpographic Picture Education) ein dem Alphabet ähnliches System an Bildzeichen zu schaffen sowie ein Regelwerk aufzustellen, mit dem diese Zeichen wie Buchstaben und Wörter nebeneinander aufgereiht werden können. Neuraths Bildersprache soll Aussagen treffen und nicht illustrieren. Worte können jedoch nicht einfach durch Bildzeichen substituiert werden. Es muss ein medialer Transport von Bedeutungen stattfinden, der dann gesichert ist, wenn eine Vielzahl an Interpretationsmöglichkeiten ausgeschlossen wird.16 »Zahlreiche Versuche haben gezeigt, dass die üblichen Methoden, gezeichnete Figuren zu tuschen‹ oder Bildliches zu ›malen‹, nicht den gewünschten Erfolg zeitigten. Die Reize des Malerischen lenken ab.«17 Die Schattenrisse des ISOTYPE sollen weder Affekte auslösen, wie Reklame oder Malerei, noch sollen sie kunstgeschichtlich eingeordnet und als Doku16 | Vgl. Hartmann 2002, S. 40. 17 | Neurath 1926/1991, S. 60.
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mente ausgelegt werden.18 Entscheidend ist, dass sie operabel sind; soweit wie möglich ohne Worte verständlich, miteinander kombinierbar, in den verschiedensten Zusammenhängen und international verwendbar. Piktogramme sind immutable mobiles. Abbildung 10: Piktogramm ›Zimmermädchen‹, 1926.
Quelle: Otto Neurath, Gesammelte bildpädagogische Schriften, hrsg. Von Rudolf Haller und Robin Kinross, Wien: Hölder-Pichler-Tempsky.
Abbildung 10 gibt ein Beispiel dafür, in welcher Art und Weise ein ISOTYPE-Zeichen ›funktionieren‹ kann. Das Piktogramm Zimmermädchen gibt zum einen Hinweise zur Benutzung von Klingeln, mit denen verschiedene Bedienstete gerufen werden können. Es zeigt an, dass die mittlere Taste gedrückt werden muss, um das Zimmermädchen herzubestellen. Zum anderen fungiert es in einer Bildstatistik als Mengenangabe, die über die Anzahl von Zimmermädchen in verschiedenen Jahren unterrichtet. Unzählige weitere Verwendungsmöglichkeiten sind vorstellbar; über einer Tür angebracht könnte es zum Beispiel anzeigen, dass 18 | Vgl. Pias 2002, S. 137.
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der Zutritt hier nur für Zimmermädchen gestattet ist. ISOTYPE setzt eine Mobilisierung der Bilder in Gang, weil in der Gestaltung der Zeichen immer der Gebrauchswert, die Funktionalität im Vordergrund steht. Die Leistung der Piktogramme, Handlungen zu koordinieren, führt schließlich zur Standardisierung visueller Leitsysteme für öffentliche Einrichtungen und den Straßenverkehr. Die Mobilität der Bilder trägt dazu bei, die Mobilität der Menschen sicherzustellen. Nicht nur das: Das Bemühen, die Bilder effizient zu machen, spiegelt sich wider in den Anstrengungen zur größtmöglichen Effizienz von Arbeitsprozessen, namentlich im Scientific Management. Wo Verwaltungsaufwand vermindert sowie Instruktionen global und fehlerfrei erteilt werden müssen, wird in sprechende Bilder investiert.19 Die Eliminierung der Faustregeln hat eine Verwissenschaftlichung der Schnittstelle von Mensch und Maschine zur Folge. Die Handgriffe und Bewegungen an einer Drehbank beispielsweise werden in eine Gleichung mit zwölf Variablen gefasst, die aber wohl kaum ein Arbeiter auf Anhieb verstehen wird und deshalb einer Transformation in nahezu schriftfreie, ikonische Instruktionszettel bedarf.20
ÜBERREDEN UND ÜBERZEUGEN In Bedienungsanleitungen gibt es keine uneigentliche Rede. Wie die Hand des Benutzers unterliegt auch die Interpretation der Zeichen einer Lenkung. Ob durch den Einsatz von Pfeilen, Überschriften oder besonderer grammatikalischer Modi: die Verwendung von bildlichen, sprachlichen und bild-sprachlichen Mitteln ist eine Frage der Überzeugungsoder auch Überredungskunst. Die Rhetorik ist, in einer ganz allgemeinen Definition gefasst, die Kunst der menschlichen Beredsamkeit. Als eine Praktik geht es ihr vor allem um die Ausbildung von wirkungsorientierten Sprechakten und 19 | Vgl. ebd. 20 | Vgl. ebd., S. 138. Zur Rolle der Instruktionszettel siehe Taylor 1913/1995, S. 131–133.
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Gesten, um die gezielte Vorbereitung und Durchführung von Kommunikation. Die bereits in der griechischen Philosophie angestoßene Diskussion um eine Diskrepanz zwischen einer Theorie der Rhetorik und den in Umlauf befindlichen Lehrbüchern und Lehrmeistern verdeutlicht die fortwährende Frage danach, ob es sich bei der Rhetorik um eine systematische Lehre der Beweise, Argumentationen und Überzeugungen handelt oder um eine listige Einflussnahme auf Meinungen und Handlungen; eine Überredung. Sokrates bemerkt in Platons Phaidros: »Ist mir doch so, als hörte ich gewisse Reden vortreten und Zeugnis wider sie ablegen, daß sie lüge und keine Kunst sei, sondern eine kunstlose Betriebsamkeit.«21 Platon vermisst eine entsprechende Theorie, die Möglichkeiten der Einflussnahme in Bezug auf Psychetypen herausarbeitet. Aristoteles geht dieser Forderung nach und formuliert eine Systematik, die sich eben nicht als Überredungskunst, sondern als eine Lehre der Beweise, Argumentationen und der Überzeugung versteht. Die Bedienungsanleitung changiert zwischen diesen zwei Polen, die beiderlei darauf abzielen, eine Übereinstimmung mit dem Gesagten oder Gezeigtem herbeizuführen. Denn oftmals werden keine Argumente angeführt, warum bestimmte Operationen (nicht) ausgeführt werden sollen. Bleibt es bei einer Aufforderung – »Das Grundgerät nicht in Wasser tauchen!« – und geht der Leser-Betrachter-Benutzer dieser Aufforderung nach, wurde er buchstäblich lediglich ›über Reden‹ dazu gebracht. Die sprachlichen Ausführungen in einer Bedienungsanleitung erfolgen immer nach bestimmten rhetorischen Prinzipien, denn wirkungsorientiert sind sie schon per definitionem; sie sollen den Leser zu Handlungen veranlassen. Welcher Mittel sich ein Autor bedient, um eine Bedienungsanleitung zu verfassen, ist jedoch historisch variabel und erst seit ein paar Jahrzehnten gibt es mehr oder weniger verbindliche Regeln. Ob es sich um einen Werbetext, einen Eintrag aus einem Lehrbuch oder um eine dem Produkt zugehörige Bedienungsanleitung handelt, ist hinsichtlich der sprachlichen Darstellung in der Anweisung zur Behandlung der elektrisch geheizten Kaffeemaschinen mit selbstthätiger Stromausschaltung zunächst nicht klar. Das aus dem Jahr 1901 stammende 21 | Platon 1991, S. 64.
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Blatt der AEG ist insbesondere im Vergleich zu zeitgenössischen Exemplaren eher eine physikalisch-technische Beschreibung als eine Aufforderung zur »Behandlung.« Weder wird ein Benutzer adressiert, noch geben sich die typographisch als Fließtext aufbereiteten Informationen als einzelne zu befolgende Handlungsschritte erkenntlich. Unter Einbeziehung der nebenstehenden Zeichnung (Abbildung 2) wird der gesamte Vorgang in drei Sätzen erklärt: »Der nicht zu grob gemahlene Kaffee wird auf das Sieb E des Brühers B geschüttet, gleichmäßig verteilt und mit dem Sieb F bedeckt. Nachdem der in dieser Weise gefüllte Becher an seinen Deckel festgeschraubt worden ist, wird der Kessel A mit Wasser gefüllt, durch das Ventil C geschlossen und durch Drehung des Griffes G in die senkrechte Stellung die Heizvorrichtung eingeschaltet. Die Kaffeebereitung geht nun vollständig vor sich, indem der Dampfdruck das Wasser durch das Rohr R in den Brüher B treibt, wodurch der letztere schwerer als der Kessel A wird und dann infolge der Pendelaufhängung diesen hebt.« 22
Die Funktionsweise der technischen Vorrichtung ist in dieser Beschreibung ebenso enthalten wie die Schritte, die zum automatischen Brühen eines Kaffees führen. Der Leser erhält also nicht nur ein Wissen darüber, wie er die Kaffeemaschinen bedienen muss (Zuhandenheit), sondern ebenso über die physikalischen Gesetzmäßigkeiten (Vorhandenheit). Der Text enthält also hauptsächlich Formulierungen, die den Leser überzeugen sollen; als Käufer, Benutzer und technikinteressierter Zeitgenosse – keine Spur vom DAU. Die etwa dreißig Jahre später erschienene Filter-Kaffeemaschine der AEG und ihre »Bedienungs-Vorschrift« präsentieren die jeweiligen Schritte sowohl bildlich als auch sprachlich separat. Über das Pronomen ›man‹ erhält die Beschreibung hier sogar eine personelle Zuordnung und was beim Umgang besonders zu beachten ist, ist über Fettschrift und Unterstreichungen hervorgehoben. »Zur Inbetriebnahme der Kaffeema22 | AEG, Anweisung zur Behandlung der elektrisch geheizten Kaffeemaschinen mit selbstthätiger Stromausschaltung, S. 1.
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schine hebe man Deckel und Steigrohr ab, schraube den Kaffeebecher heraus und fülle den inneren Behälter der Maschine […]«.23 Die Verwendung des Konjunktivs, die im übrigen heutzutage bei der Erstellung von Anleitungen nahezu untersagt ist,24 macht den zu vollziehenden Handlungsschritt unverbindlich und nahezu vergnüglich. Über die Jahre haben sich sprachliche Eigenheiten und inhaltlicher Aufbau einer Anleitung merklich verändert. Wie bereits am Verschwinden der Hand in bildlichen Darstellungen erläutert, sind zeitgenössische Bedienungsanleitungen zu einem hohen Grad entpersonalisiert. Zwar wird der Benutzer hin und wieder über eine direkte Ansprache adressiert – »Schalten Sie das Gerät mit der Ein-/Aus-Taste ein.«25 –, zumeist sind die Anweisungen jedoch auf knappe Sätze im imperativischen Infinitiv reduziert: »Schwenkfilter ausschwenken. Filterpapier einlegen. Kaffeepulver einfüllen.«26 Der Handlungsvorgang wird minutiös in seine Bestandteile zergliedert, das Ineinandergreifen von Bewegungen unterbrochen. Jeder Griff, jede Aktion wird isoliert ausgerufen. Die Reduktion aufs ›Wesentliche‹ hat selbstredend den Vorzug, dass die Bedienung schnell und ohne Umwege vonstatten gehen kann. Einsichten in die Funktionsweise eines Geräts, die sich ohnehin hinter Gehäusen und Interfaces versteckt, geht dabei gänzlich verloren. Was sich der Benutzer außer den essentiellen Handgriffen aneignet, sind die technischen Termini, mit denen er mit dem Gerät kommunizieren kann: »Sie können Kaffe [sic] mit Bohnen entweder sofort (Normalmodus), oder mit Vorprogrammierung der Einschaltzeit (Auto-Funktion) zubereiten.«27 Einfachheit, Operationalisierbarkeit und wirtschaftlicher Nutzen stehen im Vordergrund. Interesse an stilistischen Feinheiten wird beim Leser nicht vorausgesetzt. Der Benutzer kann weder auf einen höflichen Hinweis, noch auf ein vergnügliches Abenteuer hoffen. Die Wahl der 23 | AEG, Bedienungs-Vorschrift für Filter-Kaffeemaschinen, S. 2. 24 | Vgl. Göpferich 1998, S. 150. 25 | AEG, KAM 200. Kaffeeautomat mit integrierter Kaffeemühle. Gebrauchsanweisung, S. 6. 26 | Ebd., S. 7. 27 | Ebd., S. 8.
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rhetorischen Mittel macht nunmehr unmissverständlich deutlich, dass es hier allein um Funktionalitäten gehen soll; sowohl um die des Geräts als auch der Benutzer. Die Dominanz des imperativischen Infinitivs lässt den Akt der Bedienung auf die starre Ausführung von Befehlen schrumpfen. Die Nähe zu einer Programmiersprache ist unübersehbar. Der Vorzug dieses Sprachmodus liegt in seiner autoritären Wirkung. Dass etwas als Empfehlung und nicht als wesentlicher Handlungsschritt aufgefasst werden könnte, stellt für die Verfasser der Anleitungen oder vielmehr die Produzenten des Geräts ein wichtiges Problem dar.28 So werden die Möglichkeiten sprachlicher Rhetoriken abgewägt und hinsichtlich ihrer Kosten-Nutzen-Relation eingesetzt.29 Nicht nur von Formulierungen im Konjunktiv wird abgeraten, auch Modalverben wie ›sollen‹, ›müssen‹ oder ›können‹ sollten vermieden werden, da sie eine Obligation ausdrücken.30 Susanne Göpferich hebt in ihrem Handbuch für Technische Redakteure außerdem die Wichtigkeit von Illokutionsindikatoren hervor, also den Einsatz von Wörtern, die die Absicht des Gesagten explizit machen.31 Diese Performatoren tun das, was sie sagen; zum Beispiel auffordern, warnen oder hinweisen. Ganz in Anlehnung an das, was John Langshaw Austin programmatisch in How to do things with words als Theorie der Sprechakte formuliert, steht bei Bedienungsanleitungen der Effekt im Vordergrund, den ein Gelesenes beim Leser beziehungsweise Benutzer hat. Denn es macht offensichtlich einen Unterschied, ob eine Aussage wie »Gießen Sie keine brennbare Flüssigkeit in die Glut« nicht als Andeutung einer absoluten Gefahr, sondern als nett gemeinter Ratschlag interpretiert wird. Steht vor einer solchen Aussage ein »Ich warne Sie, …« oder »Warnung!«, ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Gesagte als konkreter Effekt im Leben der Benutzer wirksam 28 | Siehe hierzu das Kapitel »Attention! Caution! Warning!« in diesem Buch. 29 | Im Gegensatz zum Imperativ fällt beim imperativischen Infinitiv das Anredepronomen weg, wodurch seine Verwendung entsprechend ökonomisch, Platz sparend und somit kostensenkend ist. 30 | Vgl. Göpferich 1998, S. 150. 31 | Vgl. ebd., S. 139f.
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wird, um einiges höher. In ihrer Eindeutigkeit und Wirksamkeit werden die Performatoren durch die Interpunktion gestützt. Dem Ausrufezeichen kommt vermutlich in keinem anderen Textgenre, außer vielleicht in einem Manifest, eine so prominente Stellung zu.
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Sich selbst oder seinem Selbst helfen
Anthropomorph/Technomorph
Fehler in der menschlichen Denkleistung könnten durch »Korrekturen von Installationsdefiziten« behoben werden, wie Gerald Hüthers Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn zu verstehen gibt. Wer seine (potentiellen) Partner richtig handhaben will, findet entsprechende Hinweise in Frauen. Eine Bedienungsanleitung, die selbst Männer verstehen, geschrieben von Armin Fischer oder in Beatrice Wagners Männer. Die längst fällige Bedienungsanleitung. Zeitgenössische Ratgeber greifen augenscheinlich auf die Rhetoriken der Bedienungsanleitung zurück. Eine historische Analyse kommt daher nicht umhin, auch die Facetten anleitender Literatur zu berücksichtigen, die von den Complimentierbüchern und den Knigge zu der Vielfalt aktueller Selbsthilfebücher rund um simplify your life reichen. Die Bedienungsanleitung ist Bestandteil des Lieferumfangs eines konkreten Artefakts und dies ist Ausgangspunkt für die vorliegende Studie. Sie ist aber gleichzeitig nur ein minimaler Bestandteil und Sonderfall in der Fülle anleitender Literatur. Jedes menschliche Tun wird über entsprechende Anleitungen, Tutorials oder Nachschlagewerke erlernt, eingeübt und verbessert. Der Erwerb eines Know-Hows, die Aneignung eines Wissens, wie dieses oder jenes zu bewerkstelligen ist, ist immer auf eine mediale Vermittlung über Lehrpersonal, Lehrbücher oder andere multimediale Formate angewiesen. Einerseits sind dies offenkundig technische Fertigkeiten; Handwerkliches und Kulturtechniken im weitesten Sinne; Kochen oder Nähen, Tischlern oder Gartenarbeit. Aber auch das Anfertigen einer wissenschaftlichen Arbeit für die Publikation kommt nicht ohne ein Autorenhandbuch aus. Andererseits bedürfen auch solche Operationen, die den menschlichen Körper (Sport, Fitness
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oder Diäten), den Umgang mit den Mitmenschen (Knigge) oder die persönliche Lebensführungen (Verhaltenslehren oder Selbstmanagement) einer Anweisung. Und auch wenn sich das Objekt des Tuns in den beiden Fällen – technisches Artefakt oder menschliches Individuum – unterscheidet, weisen die Formen der Instruktion, insbesondere beim Buch, strukturelle Gemeinsamkeiten auf. Fertigkeiten und Fähigkeiten können über verschiedene Arten und Weisen erworben werden. Dazu gehören Traditionen, Ausbildungssituationen und auch das sogenannte ›trial-and-error‹-Verfahren. Über das Medium Schrift realisiert, erhält die Aneignung von Know-How eine Besonderheit, die am ehesten im Begriff der Selbsthilfe zu fassen ist. Was heißt es also für den Lernenden, den User eines Geräts oder seines Selbst, sich über anleitende Literatur etwas anzueignen? Welches Verhältnis von Autonomie und Heteronomie besteht in dem Modus des Sich-Selbst-Beibringens? Der Exkurs zur Ratgeberliteratur geht erstens der Frage nach, inwiefern sich der Mensch, wenn er sich zu etwas anleiten lässt, weitgehend technisch begreift, also technomorph ist. Zweitens konzentriert sich die Untersuchung auf die Beratung als eigene Technik, die eine spezielle Verbindung zu dem von ihr vermittelten Wissen und den Ratsuchenden unterhält. Wie funktioniert die Vermittlungsarbeit in Konsultationen und wie strukturiert sich das Verhältnis von Information und Situation, Rat und Tat? Die Interferenzen von Bedienungsanleitungen und Ratgeberliteratur lassen sich in zwei Richtungen finden. Zum einen werden in ersteren Aspekte zur Sprache gebracht, die nicht nur die direkte Handhabung des Geräts, sondern auch allgemeinere Lebensfragen wie Tipps & Tricks im Haushalt, Schutz der Umwelt oder der eigenen Gesundheit betreffen; Themen, die also eher dem Genre der Ratgeber zuzuordnen wären. Zum anderen wird in bestimmten Ratgebern etwas menschliches argumentativ als ein zu bedienender Mechanismus (Psychokybernetik) entworfen, für den also auch eine Anleitung zu schreiben ist. Oder der Mensch wird in seiner Handhabung mit ganz konkreten Kniffen und Know-How über die bildlichen Konventionen technischer Darstellungen präsentiert (Das Baby. Inbetriebnahme, Wartung und Instandhaltung). Bücher zur Lebens- und Selbsthilfe entwerfen einen Benutzer für das Selbst und der Vorgang, den sie anleiten, ist die Selbst-Bedienung.
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TECHNIKEN DES KÖRPERS UND DES SELBST Das Präfix Selbst vor der Bedienung meint gewöhnlich den Ersatz des Bedienpersonals durch den Kunden, an Tankstellen, Supermarktkassen oder in Restaurants. Genau genommen aber bedient jemand in solchen Fällen gar nicht sich selbst, sondern einen Automaten, wird zu einer Bedienung, ein Benutzer, der konkreten Anweisungen zu folgen hat.1 Das Bindestrichwort ›Selbst-Bedienung‹ hingegen soll auf die Anwendung von Prinzipien, Methoden und Apparaturen durch den Menschen auf sich selbst hinweisen, auf die Arten und Weisen mit denen er sich eine Gestalt gibt, seinen Körper formt und seinen Charakter bildet. Die gezielte Manipulation von persönlichen Merkmalen, der richtige Gebrauch von Körperfunktionen oder die Regelung alltäglicher Dinge mit oder »ohne einen Funken Selbstdisziplin«2 setzen eine überlegte Handhabung seiner selbst voraus. Was auch immer das Ziel sein mag – eine schlankere Figur, ein selbstbewusstes Auftreten oder die Erfüllung der tiefsten Sehnsucht –, der Mensch ist unaufhörlich damit beschäftigt, geeignete Techniken dafür zu erfinden, diese zu verbessern, andere zu widerlegen und solche mit größter Erfolgsgarantie in einfachen Formeln marktwirtschaftlich zu verbreiten. »Menschsein« heißt, so Sloterdijk, »sich als Werkstatt der Selbstrealisierung betreiben.«3 Die Rede von einer Werkstatt mag vielleicht die Vorstellung eines Frankenstein’schen Laboratoriums zur Herstellung von Menschen oder einer Einrichtung zur genetischen Züchtung menschlichen Materials provozieren. Es sind aber gerade die einfach angelegten individuellen Praktiken, mit denen der Mensch an sich ›herumtüftelt‹. Wie ist das Essbesteck zu halten, der Tagesablauf zu strukturieren, der Vorgesetzte zu manipulieren und wie sind die Kalorien zu zählen, um erfolgreicher, glücklicher oder einfach anders zu werden? Der Mensch versteht sich – wenn auch nicht in jedem Fall 1 | Zur Verwendung des Begriffs Selbstbedienung im Zuge einer Verdinglichung der Dienerschaft vgl. Krajewski 2010, S. 449f. 2 | Auch die Nicht-Disziplin bedarf einer Anleitung. Siehe Passig und Lobo 2010. 3 | Sloterdijk 2009), S. 512.
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explizit – technomorph. Und dies trifft sowohl auf die abendländisch zivilisierte Gesellschaft als auch auf ältere oder andere Gesellschaften zu. Die »Sorge um sich selbst« und damit einhergehend bestimmte Erinnerungs-, Reinigungs- oder Konzentrationstechniken spielten bereits, wie Michel Foucault gezeigt hat, in der Antike eine wichtige Rolle.4 Die Kategorie ›technomorph‹ kennzeichnet also nicht ausschließlich das Hinauslaufen der Zukunft des Menschen auf ein wie auch immer geartetes intellektuelles und organisches Zusammenwachsen mit der Maschine. Sie berücksichtigt vielmehr die generelle technische Verfasstheit von Kultur. Alltägliche Praktiken der Lebens- oder Selbstführung unterliegen Regeln, operieren in symbolischen Ordnungen und benötigen gelegentlich auch Werkzeuge und Geräte. Aber nicht alle Instrumente, über die der Mensch verfügt, sind artifiziell hergestellt. »Der Körper ist das erste und natürlichste Instrument […]«5 Für und mit dem Körper kann sich jedermann selbst bearbeiten; durch ›Bodybuildung‹ im weitesten Sinne: zum Beispiel die Kräftigung der Bauch-, Bein- und Po-Muskulatur, ebenso die Einprägung einer spezifischen Gangart, wie sie im Militär gelehrt wird. Oder der präzise Eingriff in Gehirnaktivitäten zugunsten eines gesteigerten Selbstwertgefühls. Demgegenüber meint Anthropomorphismus nicht einfach die Projektion menschlicher Verhaltensweisen und Empfindungen auf ein Tier oder ein nicht-menschliches Objekt. Anthropomorph, das heißt nicht nur, dass etwas eine menschliche Gestalt hat, sondern auch, dass es einem Menschen eine Gestalt gibt.6 Und das trifft auch auf solche technische Artefakte zu, die nicht eigens zur Manipulation menschlicher Eigenschaften – wie beispielsweise ein Fitnessgerät – konstruiert wurden. Eine Kaffeemaschine ist ebenfalls anthropomorph; vom Menschen erdacht und hergestellt, übernimmt sie dessen Handlung: das manuelle Kaffeekochen. Und sie gibt Vorschriften, wie ein Mensch sich als Benutzer ihr gegenüber verhalten soll. Im Umgang mit technischem
4 | Vgl. Foucault 1988/2005, S. 966–999. 5 | Mauss 1989, S. 206. 6 | Vgl. Latour 1992, S. 246.
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Gerät erfährt der Mensch grundsätzlich Formungen und Transformationen.7 Sich bedienen, gebrauchen oder das französische se servir ist die Übersetzung des griechischen chresthai.8 Dies wiederum weist ein breites Bedeutungsfeld auf, das nicht auf die Bedienung einer Sache im Sinne eines Werkzeuggebrauchs beschränkt ist. Es zeigt mehrere Beziehungen an, die entweder zu einer Sache oder zu sich selbst eingenommen werden können. Chresthai heißt also so viel wie ›ich bediene mich‹, bezeichnet also auch den Modus der ›Selbst-Bedienung‹. So ist im Begriff an sich schon die Reichweite einer Tätigkeit der Bedienung angelegt, dessen Objekt der Einwirkung sowohl ein nicht-menschliches, technisches Artefakt sein kann, als auch ein menschliches Wesen mit seinen physischen und psychischen Eigenschaften. Techniken des Körpers und des Selbst bilden also keine grundsätzlich andere Sphäre gegenüber der Welt der Haushalts-, Unterhaltungs- oder Kommunikationsgeräte. Auch sie können auf Anweisungen zur richtigen Handhabung zurückgeführt werden. Die Arten und Weisen zu gehen, zu stehen, zu schwimmen, Haltungen einzunehmen oder bei der Nahrungsaufnahme den Mund zu verwenden, sind nicht nur physiologisch bedingt, angeboren oder einzig auf die Beschaffenheit des Körpers zurückzuführen. Es sind Techniken, die kulturell angeeignet, gelehrt und durch gezieltes Training auch wieder verändert werden können. Die Modi der Fortbewegung auf dem Land, im Wasser oder am Berg, erfolgen nicht nach ›Gutdünken‹, sondern nach Regeln und Regelmäßigkeiten. Und diesen geht eine Domestizierung voraus; die Menschen »[…] sind wahrscheinlich die ersten Wesen, die so dressiert wurden, noch vor allen Tieren, die zunächst erst gezähmt werden mußten.«9 7 | Für eine weitere Ausführung dieser Überlegungen und eine Einordnung des expliziten Anthropomor phismus von technischen Geräten siehe das Kapitel Wie man Benutzer dazu bringt, etwas (nicht) zu tun in diesem Buch. 8 | Zur Bedeutung dieses Begriffs vgl. Foucault 2004a, S. 82f. 9 | Mauss 1989, S. 208.
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Der Begriff der Technik, der gemeinhin an erster Stelle mit künstlich hergestellten Werkzeugen, Apparaten und Maschinen assoziiert wird, meint in seiner ursprünglichen Bedeutung techné nicht die technischen Dinge als solche, sondern – darauf sei noch einmal hingewiesen – den spezifischen Umgang mit etwas, einen modus operandi. Techniken sind, das hebt auch Marcel Mauss hervor, traditionelle und wirksame Handlungen.10 Und der Gebrauch, den Menschen von ihren Körpern als Mittel und als Zweck machen, entsteht vor dem Hantieren mit technischen Apparaten jeglicher Couleur. Vor der Dressur von Tieren und Natur steht die Selbstdressur. Wer etwas bedienen will, muss sich also erst einmal selbst bedienen. In der Lage zu sein, sich selbst zu zähmen, zu disziplinieren sowie seine Körperfunktionen gezielt zu kontrollieren, ist notwendig, um überhaupt den Status der eigenen Person zu stabilisieren.11 Etwas zu sein, indem man etwas tut, ist nicht zuletzt das, was der Knigge beizubringen versucht. Körpertechniken interferieren mit magischen und anderen symbolischen Handlungen. Sie stiften Sozialität und dienen in einer Gesellschaft zur Unterscheidung von Alter, Geschlecht oder Zugehörigkeit zu einer Gruppe. So zum Beispiel die mannigfachen Gangarten, wie der militärisch geprägte stramme Schritt oder das lässige, aber nicht unkontrollierte, Schlurfen dem Hip-Hop zugewandter Jugendgruppen. Der Körper besitzt physische aber auch psychische Funktionen. Und die Frage nach einer eigenen Persönlichkeit oder Aufrufe wie »Stehen Sie zu sich selbst!« erhalten erst dann eine Relevanz, wenn der Mensch überhaupt ein Wissen über das erzeugt, was er ist oder was er tun müsste, um ein (guter) Mensch zu sein. Vom antiken Griechenland bis heute sind es die »Technologien des Selbst, die es dem Einzelnen ermöglichen, aus eigener Kraft oder mit Hilfe anderer eine Reihe von Operationen an seinem Körper oder seiner Seele, seinem Denken, seinem Verhalten und seiner Existenzweise vorzunehmen […]«.12 Und auch für die Herausbil10 | Vgl. ebd., S. 205. 11 | Zur sozialen und symbolischen Bedeutung von Körpertechniken vgl. Schüttpelz 2010, S. 112f. 12 | Vgl. Foucault 1988/2005, S. 968.
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dung eines schwer greifbaren Objekts, das Selbst, treffen die Spezifika der Körpertechniken zu. Gleichwohl die Kategorie diffus sein mag und sowohl eine psychologische, soziologische als auch lebenspraktische eindeutige Definition darüber, was das Selbst oder Selbstbild ist, fehlt – die Maßnahmen zu dessen Formung und Verbesserung sind sehr konkret, regelgeleitet und oft auf ein paar ›Kniffe‹ reduziert.
THE BABY OWNER’S MANUAL UND PSYCHOKYBERNETIK Gleichgültig ob Sie ein automatisches Haushaltsgerät oder ein kleines Kind ›zum Laufen‹ bringen wollen – die gängige Anweisung lautet stets: »Lassen Sie es nie unbeaufsichtigt!«
Und nicht nur diese Formulierung taucht sowohl in Anleitungen zum Umgang mit Maschinen als auch in solchen zum Umgang mit Menschen auf. Das Handbuch Das Baby. Inbetriebnahme, Wartung und Instandhaltung von Louis und Joe Borgenicht setzt auf die Gemeinsamkeit und hat damit offensichtlich Erfolg. So wie die englischsprachige Originalausgabe The Baby Owner’s Manual. Operating Instructions, Trouble-Shooting Tips, and Advice on First-Year Maintenance, steht auch Das Baby hochrangig in den Top-Ten der Familien-Ratgeber. Mit dem entsprechenden Hörbuch können sich die Eltern – oder besser: User – einflüstern lassen, wie sie ihr Neugeborenes in den »Sleep-Modus« bringen. In knappen Formulierungen und mit zahlreichen Illustrationen werden von Dr. Louis Borgenicht, Kinderarzt, und seinem Sohn Joe alle relevanten Techniken der Kindheit dargelegt. Ernährung, Transport und Reinigung des Kindes und seine Mobilität (Laufen, Niederknien, Klettern) sind elementare Körpertechniken. Diese werden durch soziale Vorschriften, kontinuierlicher Übung oder durch die Nachahmung von Autoritäten gelehrt und gelernt.13 Stehen traditionelle Überlieferungen und personelle Vorbilder nicht mehr oder nur noch sehr wenig 13 | Vgl. Schüttpelz 2010, S. 110.
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im Mittelpunkt, finden Adaptionen und das Empfangen von Befehlen auf anderen Wegen statt. In letzter Konsequenz ist die Mutter, der Vater beziehungsweise der User auf die Befolgung schriftlicher Anweisungen eingestellt und nimmt sich eine schablonenhafte Zeichnung als Vorbild. Gleichzeitig werden dadurch die Körpertechniken, die als eine Verbindung von technischen, physischen, magisch-religiösen und sozialen Praktiken wirksam sind,14 als ›kalte‹ Techniken vorgestellt, zu deren Aneignung lediglich das Einüben von Handgriffen notwendig wäre. Die starke Schematisierung in Wort und Bild – das Neugeborene besitzt in den Abbildungen noch nicht einmal ein Gesicht (Abbildung 11) –, soll vielleicht in erster Linie als ein cleveres rhetorisches Mittel das Buch Das Baby gegenüber üblichen Ratgebern attraktiver machen. Es reduziert damit aber auch die Eigenschaften des Kindes auf einfache Funktionalitäten, denen mit ebenso einfachem Tastendruck begegnet werden kann. Konditioniert durch das alltägliche Drücken-Ziehen-Drehen an mechanischen und elektrischen Geräten und das Lesen ihrer Anleitungen, verlangt der Mensch nun auch für alles weitere ein Handbuch: »Dieses Baby weist überraschende Übereinstimmungen mit anderen Geräten in Ihrem Haushalt auf. […] Für eine optimale Darstellungsqualität muss der Kopf des Babys, wie der des Videorekorders, regelmäßig gereinigt werden. Und wie ein Auto wird Ihr Baby unangenehme Abgase in die Atmosphäre ausstoßen. Aber es gibt einen wesentlichen Unterschied: PCs, Videorekorder und Autos – sie alle werden mit einer Bedienungsanleitung geliefert. Neugeborene nicht. Daher das Buch, das Sie in den Händen halten.«15
Der Mensch wird als User angesprochen, in jeder Lebenslage. Und jede einzelne Technik, dessen Beherrschung den reibungslosen Ablauf im Alltag sicherstellt, darf folglich nicht länger ohne die passende schriftliche oder bildliche Inskription auskommen. Und diese wiederum erfüllt erst dann vollständig ihren Zweck, wenn die Informationen nach 14 | Vgl. Mauss 1989, S. 205. 15 | Borgenicht 2008, S. 13.
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größtmöglicher Schematisierung und Rationalisierung dargereicht werden. So ist das Neugeborene in Das Baby meist gar nicht als solches bezeichnet, sondern wird »Modell« genannt.16 Abbildung 11: Anleitung zur Windel-Installation, 2008
Quelle: Louis und Joe Borgenicht (2008), Das Baby. Inbetriebnahme, Wartung und Instandhaltung, München/Wien: Carl Hanser, S. 125.
16 | Vgl. Abbildung 11.
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Alle Dinge, wie Schnuller, Lätzchen oder Windeln, die nicht zur Standardausrüstung des Kindes gehören und nachträglich angebracht werden, bedürfen einer gesonderten »Installation«. Das Vokabular zur Beschreibung technischer Vorgänge ist in jenes zur Artikulation menschlicher Verhaltensweisen eingewandert und jeder Zeitgenosse weiß, was es heißt ›abzuschalten‹ oder ›den Akku aufzuladen‹. Angesichts des Sprachgebrauchs liegt es nahe, die Frage danach, was es heißt ein Mensch zu sein mit der Kategorie des Benutzers zu beantworten. So wie Young-goon, die Protagonisten im Film I’m A Cyborg But That’s OK, die sich für ihr sonderbares Verhalten mit der Aussage, für sie fehle die Gebrauchsanweisung, entschuldigt. Maxwell Maltz’ Psychokybernetik ist zwar nicht eigens als Bedienungsanleitung deklariert, aber geht dennoch davon aus, dass der Leser gleichzeitig der Benutzer von etwas ist. »Die Wissenschaft kann den Regler bauen, nicht aber den Bediener des Reglers.«17 Die Wissenschaft, von der die Rede ist, ist die Kybernetik; Theorie und Praxis selbstregulierender Steuerungssysteme im Lebewesen und in der Maschine. Das Präfix ›Psycho‹ meint hier, dass das menschliche Nervensystem nach automatischen Prinzipien im Sinne eines dienstbaren Mechanismus funktioniert und auch dementsprechend gesteuert werden könne. Der Titel Erfolg kommt nicht von ungefähr. Psychokybernetik, erschienen in den 1960er Jahren und seinerzeit sehr verkaufsträchtig, spricht seine Leser als Benutzer an und zwar als Benutzer ihrer selbst. Der Autor Maltz, einst kosmetischer Chirurg, stuft seine Schönheitsoperationen insofern als erfolglos ein, als seine Patienten auch nach den chirurgischen Eingriffen immer noch unter Minderwertigkeitskomplexen leiden. Auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage, was sich im menschlichen Gehirn abspielt, wenn sich die Persönlichkeit eines Menschen ändert, stößt der nunmehr ambitionierte Psychologe auf die Kybernetik, die erklärt, »[…] was geschieht und was notwendig ist, um Maschinen zu vorausbestimmten Handlungen zu veranlassen.«18 Nun reicht aber diese Erkenntnis allein nicht aus, um ein erfolgreicheres 17 | Maltz 1970, S. 49. 18 | Ebd., S.11.
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Leben zu führen. Es fehlt noch das geeignete Programm, mit dem jeder Einzelne sein Gehirn zu von ihm festgelegten Handlungen veranlassen kann. Eine Ansammlung konkreter, präziser Befehle, die der Leser nur durchzuführen braucht, ist das Buch jedoch nicht. Auch schematische Darstellungen, die eine gezielte Manipulation des Gehirns oder des Alltags versprechen würden, fehlen. Im Gegensatz zu Das Baby handelt es sich hier vielmehr um eine Verschmelzung von persönlichen Erfahrungen, religiöser Bekenntnisse und Binsensweisheiten mit naturwissenschaftlichem Anstrich, nach denen sich der Leser selbst als Benutzer seines »Erfolgsmechanismus« konfigurieren kann. Und so lautet auch die Überschrift des ersten Kapitels: »Von der Kunst, dieses Buch richtig zu nutzen«.19 Das Buch ist keine generell gültige Bedienungsanleitung für ein besseres Selbst, sondern eine Anleitung zur individuellen SelbstBedienung. Nach den einzelnen Kapiteln ist Platz für persönliche Eintragungen, für Dinge, die erinnert und eingeprägt werden sollen. Das Programm für jedermanns Erfolg ist noch nicht geschrieben, sondern muss von jedem selbst geschrieben werden. »Die Lehre der Psycho-Kybernetik behauptet nicht, dass der Mensch eine Maschine ist! Sie postuliert lediglich, dass der Mensch eine Art Maschine besitzt, die er zu seinem Wohl oder Wehe gebrauchen kann.«20 Es gilt also, sich seiner Selbst richtig zu bedienen oder, wie Marcel Mauss es formuliert, »den Körper seinem Gebrauch anzupassen«.21 Wenn das Gehirn bestimmte antrainierte Verhaltensmuster automatisch generiert, wie es die Wissenschaft der Kybernetik und Maltz verkünden, dann müsse lediglich ein neues Programm aufgespielt werden, um das bisherige Leben zu modifizieren. Erreicht werden kann dies nur in einem Modus: der Übung. Was ständig wiederholt wird, verwandelt sich in einen gewohnheitsmäßigen Automatismus und so lautet auch die Formel in diesem Lebenshilfe-Ratgeber: »Jeder kann sich angewöhnen, glücklich zu sein!«22 19 | 20 | 21 | 22 |
Ebd., S. 7. Ebd., S. 44. Mauss 1989, S. 219. Maltz 1970, S. 127.
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Dabei handelt es sich aber um keine rein kybernetisch geprägte Vorgehensweise, sondern um die gängige Praxis der Wiederholung, wie sie seit jeher in allen Kultur-, Körper- und Selbsttechniken wirksam ist. Denn dass die Maxime »Üben, üben, üben« zum Erfolg führt, ist kein Geheimnis, auch wenn der Maltz’sche Ratgeber dies behauptet. Am Ende scheint der als originell deklarierte theoretische Rückbezug auf die Kybernetik sogar einzig auf das Übungsparadigma hinauszulaufen. Nichtsdestotrotz liegt die Besonderheit bei Psychokybernetik darin, dass dieses Verfahren offensiv als Herstellung von Mechanismen entlarvt und gar propagiert wird. Hier ist es nicht schlimm, dass »der Mensch […] nicht so sehr von Dämonen besessen [ist], als von Automatismen beherrscht.«23 Es ist sogar der erklärte Weg zum Ziel; ein besserer Mensch zu sein. Und es zeigt, dass theoretische Überlegungen zur Analogie von Mensch und Maschine in die alltäglichen Selbsthilfe-Praktiken eingewandert sind und es gar en vogue zu sein scheint, sich nicht nur durch die technischen Eingriffe der plastischen Chirurgie, sondern auch mittels gezielter ›Softskill‹-Programmierung Körper und Geist auf Vordermann zu bringen.
23 | Sloterdijk 2009, S. 640.
Ratgeber und Ratgeberliteratur
LEARNING BY READING Zu jeder Technik einer Tätigkeit gehört eine Technik zur Erziehung dieser Tätigkeit. Entsprechend sind auch die Praktiken und Methoden, die den menschlichen Körper oder seine Persönlichkeit betreffen, über mündliche, schriftliche oder bildliche Anleitungen vermittelt. Da noch »kein Meister vom Himmel gefallen ist«, entstehen mit jeder Selbst- oder Körpertechnik auch spezifische Übermittlungs- oder Überlieferungsweisen. Selbst die Erteilung eines stumpfen Befehls ist ein Übertragungsvorgang; ›Befehl‹ stammt vom mittelhochdeutschen Wort bevelhen: anvertrauen, übergeben, übertragen. Wissen und Know-How ist immer und schon auf der kleinsten Stufe medial vermittelt. Und die Medien prägen die Verbindung zwischen denjenigen, die etwas lernen wollen oder sollen und dem Gelernten. Zwischen Wissen und seiner Bewährung spaltet sich eine Lücke auf. Das ist der Moment, in dem die Pädagogik einsetzt, der Ort, der von zahlreichen Lehrern, Meistern, Ratgebern, Trainern und Coachs bevölkert wird – und ihren Vertretern: gedrucktes Wort und Bild. In einer Mediengeschichte der Bedienungsanleitung darf daher auch eine Geschichte der Ratgeberliteratur, wenn auch freilich sehr kurz, nicht fehlen. Unter Einbeziehung der Figuren und dem Geschäft der Beratung – heute: Consulting – tritt die mehrfache Vermittlungsarbeit anleitender Literatur zu Tage. Eine historische Einordnung beginnt bei den Katechismen, Fürstenspiegeln, der Hausväterliteratur sowie den Complimentier-, Benimm- und Manierenbüchern und endet, vielleicht und vorerst, bei The Baby Owner’s Manual. Die Fülle und Diversität an Titeln und Gegen-
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standsbereichen, die bei einem Blick in ein Büchersortiment mit dem Etikett ›Ratgeber‹ sichtbar wird, ist nicht unbedingt größer als vor einbis zweihundert Jahren. Für den Zeitraum von 1870 bis 1970 liegt die Zahl der Bücher bei geschätzt achthundert, Horst-Volker Krumrey zählt in seiner soziologischen Studie etwa sechshundert Titel für das Feld Anstand, Etikette und Manieren.1 Seit etwa dem 16. Jahrhundert hat diese Textgattung Hochkonjunktur, mit Beginn des Buchdrucks ist sie sowohl auf Seiten der Produzenten als auch der der Rezipienten eine bedeutende Sparte.2 Neben dem Format Buch werden aber auch zunehmend Wochen- und Frauenzeitschriften, Zeitungen und Magazine Sammelstelle für Anleitungen jeglicher Art. Die sich im Zuge der Etablierung des Buchdrucks verbreitende Leseund Schreibkompetenz verleiht dem learning by reading im Gegensatz zum learning by doing immer mehr Relevanz.3 Das durch Adaptionen und Autoritäten tradierte Wissen wird größtenteils durch schriftlich und bildlich inskribiertes Wissen abgelöst. Denn auch außerhalb von Orten und Kontexten, in denen der Erwerb praktischer oder theoretischer Fähigkeiten über mündliche Unterweisungen stattfindet, kann nun etwas gelernt werden. Zwar reagiert ein Ratgeberbuch nicht direkt auf individuelle Bedürfnisse wie ein Gespräch es kann, aber es erfasst denkbare Fälle und systematisiert sie. So gerät auch das Schulbuch in Konkurrenz zum Lehrervortrag und den Praktiken des Nachsprechens und Mitschreibens.4 Und sein wichtigster Vorzug ist: Es agiert ohne Zorn und Peitsche. Die Erziehung zu den Kulturtechniken Lesen und Schreiben tritt damit an die gleiche Stelle wie praktisches Know-How, wenn nicht sogar an eine höhere. Dadurch wird eine für die Bedienungsanleitung und den schriftlichen Ratgeber wesentliche Krux verankert: Bevor etwas 1 | Vgl. Krumrey 1984. 2 | Für eine historische Analyse der Ratgeberkommunikation vgl. Messerli 2010, S. 33. 3 | Zur Bedeutung des Buchdrucks vor allem für die Transformation der Erziehung und des Schulunterrichts vgl. Eisenstein 1968, S. 41f. 4 | Vgl. Messerli 2010, S. 34.
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gemacht und getan werden kann, muss gelesen werden und zwar richtig. Die partielle Ablösung konkreten kontextbezogenen Handelns durch symbolisch-abstraktes Handeln macht es langfristig überhaupt erst erforderlich, den Erwerb alltagsrelevanter Fähigkeiten auf eine andere Weise sicherzustellen. Denn die damit weiter entstehende Diskrepanz zwischen einem theoretischen, wissenschaftlichen Wissen und einem individuellen Erfahrungswissen provoziert eine neue Mittelbarkeit der Erfahrung. Insbesondere im Rahmen der Schule transformiert sich das, was als ›Allgemeinbildung‹ bezeichnet wird, in die Form eines Konversationslexikons. Ein Auseinanderklaffen von Information und Situation, von Rat und Tat also, das gerade in der als Moderne bezeichneten Zeitspanne offenkundig und gar leidvoll wird.5 Doch diese Kluft ist wesentliches Merkmal jeder Beratungskommunikation. Inhärent ist die zeitliche Verschiebung einer Aktion, die Möglichkeit oder Notwendigkeit des Räsonierens. Wie die Bandbreite des Wortes zeigt, geht es um einen Aufschub – Vorrat – oder ein Nachtragen, deutlich im Unrat.6 Ratlosigkeit ist dann ein Zustand von Handlungsunfähigkeit; ohne Rat keine Tat. Aber den »familialen Erziehungsagenturen« wird abgesprochen, »für die unabsehbaren Eventualitäten der außerhäuslichen Welt präparieren« zu können.7 Auch ein unerschrockenes ›Herumexperimentieren‹ ist unerwünscht, insbesondere weil doch mit einer intensiven Lektüre von Büchern blamable Fehltritte umgangen werden könnten. Learning by doing ist eine Methode, die entschieden abgewehrt wird. Franz Ebhardt schreibt in Der gute Ton in allen Lebenslagen: »Es ist zumindest unangenehm, wenn ein junger Mann, noch unangenehmer, wenn ein junges Mädchen diese
5 | Vgl. Helmstetter 1999. Die Etablierung einer Schriftkultur ist gewiss nicht als alleinige Ursache zu sehen. Zu spezifisch modernen Entwicklungen wie der Steigerung von Individualität oder Problematisierung von Unsicherheiten vgl. Duttweiler 2007, S. 47–59. 6 | Zu dieser begrifflichen Einordnung siehe Fuchs und Mahler 2000, S. 350. 7 | Siehe ebd., S. 167.
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Seite des guten Tons erst nach zahllosen Verstößen und Demütigungen in der Gesellschaft erlernt.«8 Tatsächliche Hilfe zur Verbesserung des Lebensgefühls rat- und tatenloser moderner Menschen scheint die Ratgeberliteratur seit den vergangenen Jahrzehnten nicht geleistet zu haben. Die Aufhebung eines Zustands der Ratlosigkeit wurde offenbar auch nicht herbeigeführt, haben Handbücher zur Lebens- und Selbsthilfe doch seit den vergangenen Jahrhunderten in keiner Weise an Popularität eingebüßt. Es ist jedoch fraglich, ob sie generell einem Mangel und einer konkreten Nachfrage begegnen, oder ob sie überhaupt erst ein Bewusstsein für die eigene persönliche Defekthaftigkeit und den daraus resultierenden Optimierungsbedarf erwecken. Der Lektüre eines Ratgebers – ob nun zur Erziehung des Kindes, zur Körpergewichtsreduktion oder zum Selbstmanagement im Alltag – geht immer das Gefühl voraus, noch nicht genug oder nicht das Richtige getan zu haben oder tun zu können. Fehlt diese Empfindung eines Mangels, ist der Leser gar beratungsresistent, so bleibt zwangsläufig auch die Lektüre folgenlos. »Der deutsche Emporkömmling und Protz, der englische Snob, der französische Parvenü sind stets unerfreuliche Erscheinungen gewesen. […] Für sie sind diese Zielen auch nicht geschrieben. Denn ihnen fehlt von vornherein das Bewusstsein ihrer unzulänglichen Bildung, und sie sind daher gar nicht bestrebt, die Lücken in ihrem Wissen und Können, die Mängel ihrer Erziehung auszugleichen.« 9
Die Gegenstandsbereiche der Ratgeberliteratur sind seit ihrem ersten Aufkommen so vielfältig wie das Leben selbst. Was sich einer historischen Transformation unterzieht, sind die Techniken und Methoden, mit denen ein Zustand des Glücks, Erfolg, sozialer Anerkennung erreicht oder eine störungsfreie Bewältigung gewöhnlicher Alltagsphänomene gewährleistet werden soll. Die Normen einer gebildeten und feinen Welt, die Kybernetik oder neuerdings: Quantenenergie. Gelegent8 | Ebhardt 1921, S. 57. 9 | Ebd., S. 461f.
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lich entrückt ein Schmunzeln bei all den einfallsreichen Gallup-, Paläo-, LOLA-, Okinawa- und Pippilotta-Prinzipien, die jedes für sich als einzig wahre Schlüssel zum Erfolg angepriesen werden. Weitgehend werden Bücher zur Selbsthilfe nicht als vollwertige Literatur anerkannt, obwohl oder weil sie in den Umsatzbilanzen des Handels klar vor Sachbuchtiteln und Belletristik stehen. Das findet aber in die Bestseller-Listen keinen Eingang.10 Nahezu ignoriert wird ihr literarischer Wert. Der zeichnet sich zwar nicht durch spannungsgeladenen Lesespaß aus und kann es auch nicht mit den in Sach- und Fachbüchern geführten hochaktuellen politischen und gesellschaftlichen Diskussionen aufnehmen. Er besteht nur darin, etwas besonders gut vermitteln zu können. Andererseits kann auch die Lektüre eines Ratgebers – wie die hier bereits diskutierte Psychokybernetik – ein Vergnügen bereiten, sofern man nicht um die vollständige Umsetzung des Geschriebenen bemüht ist. Und vermutlich sind die Handbücher zur Selbsthilfe in diversen Fällen sogar eher im Stande soziale Trends und Zustände zu erörtern, als manch eine soziologische Studie dies zu tun glaubt. Denn sie beschreiben nicht einfach Gesellschaft und Kultur, sie sind Zeugnis und Symptom gesellschaftlicher Problematiken und sie schreiben mit an der Definition dessen, was der Mensch ist oder sein soll.
KONSULTATIONEN Anders als institutionelle Lernkontexte, in denen die Empfangsbereitschaft für ein meist über Lehrpläne festgelegtes und damit fremdbestimmtes Wissen gefordert wird, ist die Zuhilfenahme von Ratgebern, sowohl der personellen als auch schriftlichen Varianten, ein überwiegend selbstbestimmter Vorgang. In Schule und Militär zum Beispiel – von Lernverweigerungsstrategien einmal abgesehen – ist der Lernende einem durch Autoritäten vorherbestimmten Wissen ausgesetzt. Auch in Ratgeber-Situationen wird ein solches Dispositiv hergestellt, doch der Impuls dahin geht vom Ratsuchenden selbst aus: Er konsultiert jeman10 | Vgl. Güntner 2001, S. 65.
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den oder etwas. Wann aber ist dieser Jemand oder dieses Etwas in der Lage anzuleiten? Wie wird das Wissen legitimiert, wenn keine Ausbildung zum Beruf des Lehrers vorangegangen ist? Erstens, fast auf natürliche Weise, ist es das Alter, das zum professionellen Wissensvermittler qualifiziert. Wer ein halbes oder fast ein ganzes Leben lang eine bestimmte Tätigkeit praktiziert hat und dadurch oder trotz dessen am Leben geblieben ist, kann andere von seiner Erfahrung profitieren lassen.11 Beratung bezieht sich immer auf Vergangenes, auf Taten, die etwas taugen, weil sie erprobt wurden und dabei Erfolge evoziert haben; wie in einem naturwissenschaftlichen Experiment, das mittels wiederholter Erhebung von Daten Hypothesen beweist, welche dann als Gesetzmäßigkeiten und Regeln festgehalten werden können. Ein zweites Qualifikationsmerkmal ist die Intensität und Dauerhaftigkeit, mit der Techniken ausgeübt werden. Wer eine Technik beherrscht, sie regelmäßig und intensiv vollzieht, wer weiß, was er tut und genau tut, was er weiß, der wird zwangsläufig potentieller Überträger seines KnowHows. Je länger oder öfter etwas getan wird, desto mehr entwickelt sich der Handelnde zu einem Experten. Drittens können sich Experten aber auch durch ihre besonderen Kenntnisse wissenschaftlicher Ergebnisse auszeichnen. Diese haben sie vielleicht nicht selbst erprobt, können aber durch gezielte Informationsaufbereitungen auf ihre Gültigkeit hinweisen. »Aktuelle Studien haben ergeben, dass …« ist eine häufig vorgefundene Floskel, die Prinzipien bestätigen und damit diesbezügliche Handlungsanweisungen legitimieren sollen. Ein viertes Kriterium, welches sich jedoch strukturell von den zuvor genannten unterscheidet, ist Charisma. Denn hier spielt die Beziehung, die der Vermittler zu dem von ihm verkündeten Wissen unterhält, eine nebensächliche Rolle. Ein Rückgriff auf Erfahrungen, Expertise oder Wissenschaft ist nicht notwendig; ein charismatischer Ratgeber überzeugt durch seine Präsenz und seine – warum auch immer – vorhandene Fähigkeit, intuitiv die richtigen Entscheidungen zu treffen. Rechenschaft oder Garantie kann in einem solchen Fall nicht 11 | Thomas Macho bezeichnet dies auch als Überlebenskompetenz, vgl. Macho 2003.
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gegeben werden. Ob auf den Rat eine Tat folgt, hängt lediglich vom Vertrauen in die ratgebende Person ab. Beratungen können somit in zwei Grundtypen unterteilt werden: pragmatisch und charismatisch.12 Jede Ratgeberkommunikation zieht ihre Wirksamkeit aus einer gewissen Ausstrahlungskraft des Ratgebenden, in den Analysen dieser Studie soll es jedoch hauptsächlich um pragmatische Verhältnisse gehen. Als erste professionelle Ratgeber pragmatischer Natur können die Sophisten genannt werden. Insofern sie ihre Problemlösungsangebote auf dem Markt(-platz) anboten, operierten sie bereits mit Kosten-Nutzen-Kalkülen. Dies mag ihnen einerseits den Ruf vom »Flohmarkt der Wahrheiten« eingebracht haben, andererseits agierten sie im Sinne eines demokratischen Wissenschaftsideals.13 Das Wissen der Sophisten war nicht exklusiv. Im Gegenteil: Durch den ausdrücklichen Gang in die Öffentlichkeit bemühten sie sich um eine größtmögliche Zahl von Kunden. Diese wiederum ließen sich am ehesten durch Referenzen, bisherige Erfolge und die Berufung auf prominente Lehrmeister – also durch ein Portfolio – überzeugen. Seit dem 15. Jahrhundert kann von einer Neosophistik (Thomas Macho) oder, so Peter Sloterdijk, von einer zweiten Sophistik die Rede sein.14 Sie vergegenwärtigt sich in den mannigfachen institutionalisierten Zonen der Beratungskommunikation in Politik, Wirtschaft, Gesundheit und Wissenschaft. Soziologische Untersuchungen gehen sogar so weit zu behaupten, bei der modernen ausdifferenzierten Gesellschaft handle es sich um eine »Beratungsgesellschaft.«15 Unternehmensberater ist ein von vielen jungen Menschen angestrebtes Berufsbild, die Consulting-Branche eine der bestbezahltesten Geschäftszweige, die etwa doppelt so schnell wie ihre Klienten wächst.16 Einerseits ist Beratung ein Format individueller, persönlicher Hilfeleistung, andererseits ist sie seit jeher ein warenförmiges Produkt, das dem Spiel von Angebot 12 | Die Unterscheidung in pragmatische und charismatische Beratung bezieht sich auf ebd., S. 6ff. 13 | Vgl. ebd., S. 5. 14 | Vgl. Sloterdijk 2008, S. 11. 15 | Fuchs und Mahler 2000, S. 349. 16 | Vgl. Ernst und Kieser 2002, S. 56.
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und Nachfrage unterliegt. Unter dieser Bedingung verschärft sich die pragmatische Beziehung zum bereitgestellten Wissen, das sich schließlich dann am ehesten verkaufen lässt, wenn es formalisiert, rationalisiert und standardisiert wurde. Berater im heutigen Sinne sind Entwickler, Speicher und Überträger eines Know-Hows, das sie selbst nicht besitzen und daher nicht praktizieren müssen. Sie verstehen sich als Agenten, die aus der Welt das extrahieren, was Erfolg verspricht: »best practices«.17 Sie sind nicht die erfahrenen oder virtuosen Experten, die ein Wissen in sich tragen, sondern Vorratsspeicher für änderungswillige Menschen und Organisationen. Und die Übertragbarkeit ist dann am ehesten gewährleistet, wenn ›Paketlösungen‹ abgerufen und gesendet werden können.18 Schriftlich inskribiertes Know-How sichert die Dauerhaftigkeit der Vorratsspeicherung, oft in Form eines enzyklopädisch aufbereitetem Nachschlagewerks. Schon bei Franz Ebhardt reicht es nicht, dass man in der Kindheit eine gute Erziehung genossen hat, da müssen »alle Lebenslagen« und ihre Nuancen systematisch aufgeführt werden, wodurch sich das Buch als Modifikationsassistent eines lebenstechnischen Großprojekts präsentiert. In Konsultationen wird also die Entwicklung, Speicherung und Übertragung von Wissen abgerufen und weniger die Erprobung eines praktischen Könnens durch den Konsultanten selbst. Ein erfahrener Virtuose vermittelt sein Know-How, ein pragmatischer Ratgeber lediglich das Wissen über ein Know-How. Er überbringt Informationen, die ihn nicht zwingend physisch wie psychisch ›in Formation‹ bringen, sondern manchmal nur seine Empfänger.
17 | So zumindest die Definition unternehmerischer Beratung, vgl. ebd., S. 61. Nicht einbezogen ist in dieser Einschätzung die therapeutische Beratung und ihre spezifischen Techniken. Vgl. dazu Traue 2010. 18 | Vgl. Ernst und Kieser 2002, S. 61.
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KONTROLLIEREN UND NORMALISIEREN »Hilfe zur Selbsthilfe« lautet das Versprechen der Ratgeberliteratur. Und im Vergleich zu einer personellen Konsultation mag dies auch in besonderer Weise zutreffen; kein Eingeständnis der Ratlosigkeit gegenüber anderen Personen, kein Eintreten in ein Geschäftsverhältnis, für das zuvor alle zu modifizierenden Bereiche offen dargelegt werden müssten. Das Peinlichkeitspotential ist auf ein Minimum reduziert. Zudem wird der einer Beratungskommunikation inhärente strukturelle und zeitliche Aufschub im Medium der Schrift noch einmal akzentuiert. Wann und wie auf den Rat eine Tat folgt, wird vom Leser selbst festgelegt. Der Verfasser kann nicht als Kontrollinstanz dienen, lediglich die Interaktion von Rezipienten und Text vermag eine Überprüfung der Handlungen leisten. Das Hinzuziehen eines Ratgeberbuches ist auf den ersten Blick ein selbstbestimmter Vorgang, der Selbstbestimmung erfordert und diese zum Ziel hat. Gleichwohl wird durch die Konsultation ein gewisses Maß an Handlungsmacht an das Buch abgegeben. Ferner sind in den Text mal mehr, mal weniger diffuse Interessen, Wertvorstellungen und soziale Normen eingewoben, die auf den Leser und seine Taten einwirken. Der schriftliche Ratgeber als Anleitung zur Führung seiner selbst geht über pure Selbstbezüglichkeit hinaus.1 Der Schritt zur Selbstbeherrschung erfolgt nicht ohne Fremdbeherrschung, insbesondere weil der- oder dasjenige, was konsultiert wird, in die zu vollziehende Handlung involviert 1 | Vgl. Duttweiler 2007, S. 29.
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ist. Eingebettet in Wissens- und Machtformationen steht der schriftliche Ratgeber paradigmatisch für das, was Michel Foucault Kontrollmentalität nennt.2 Demzufolge ist es nicht die direkte, unmittelbare Einwirkung, die jemanden zu vorherbestimmten Handlungen veranlasst, sondern eine über Techniken vermittelte Mikrophysik der Macht. Die Freiheit des Einzelnen ist nicht der Ausschluss, sondern gerade der Einsatzpunkt für fremde Einflussnahme. Freiheit und somit Selbstbestimmung sind unverzichtbarer Bestandteil moderner Regierungskunst.3 Sich von einem Buch bevormunden beziehungsweise bevorschriften zu lassen, kommt der Errichtung eines Selbstzwangs gleich und dieser wird dort provoziert und eingesetzt, wo Überwachungs- und Disziplinartechniken nur beschränkt wirken können. Ratgeberliteratur stellt bis zu einem gewissen Grad eine – wenn auch selbstautorisierte – »policeyliche« Maßnahme dar.4 Der Begriff der Polizei hat seit seiner ersten Verwendung ab circa dem 15. Jahrhundert verschiedene Bedeutungsänderungen erfahren. Er beschreibt zunächst Formen von Gemeinschaft, die von öffentlicher Hand geleitet werden. Ab etwa dem 17. Jahrhundert ist er unmittelbar mit der Definition vom Staat und der Beschaffenheit seiner Bürger verbunden.5 Und die Aufgabe der Polizei für den Staat ist demzufolge, dem Gemeinwesen Gestalt und Glanz zu verleihen, insofern die Polizei eine »Praxis der Bescheidenheit, der Nächstenliebe, der Treue, des Fleißes und des guten Haushalts«6 betreibt. Sie greift also in das ein, was die Menschen tun, in ihre Taten und Beschäftigungen, in ihre Interaktionen und ihre Kommunikation. Und wenn eine Aufgabe der Polizei ist, die moralische Beschaffenheit der Bürger zu lenken, um einen allgemeinen Zustand der Glückseligkeit zu erreichen, dann sind 2 | Vgl. Foucault 1988/2005, S. 969. 3 | Vgl. Foucault 2004c, S. 506ff. 4 | Vgl. Helmstetter 1999, S. 165. 5 | Zur Begriffs- und Diskursgeschichte der Polizei vgl. Foucault 2004c, S. 449–478. 6 | Montchrétien, Antoyne de (1615), Traité de l’oeconomie politique, hg. von Théophile Funck-Brentano, Paris 1889, S. 25. Zitiert nach ebd., S. 460.
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Bücher zur Erlangung des guten Tons in allen Lebenslagen oder auch solche zum Selbstmanagement im Studium zweifellos Mikrotechniken einer diffusen polizeilichen Macht. Das Know-How für Geist und Seele, für den Erfolg in Beruf und Liebe orientiert sich einerseits – mal mehr, mal weniger explizit – an gesellschaftlich relevanten Normen und trägt andererseits zu deren Festigung bei. Moderne Lebenshilfemaßnahmen wie die eines Franz Ebhardts motivieren zur Steigerung sozialer Akzeptanz und Anerkennung, denn es ist ausdrücklich »[…] vorwiegend das als Norm genommen worden, was in der gebildeten, feinen Welt als guter Ton gilt«.7 Das Buch erweist sich als eine Initiative, schicht- oder milieuübergreifend bestimmte Verhaltensformen zu festigen und damit die Leser zu normalisieren. Auch bisher ungeschriebene Gesetze finden sich also festgehalten, werden verbreitet und folglich popularisiert. Die Herstellung identischer Kopien sorgt für ein größtmögliches Publikum und kann den auf- und vorgeschriebenen Lebensverbesserungsmaßnahmen mehr Zustimmung verschaffen. Das Sag- und das Regelbare wird ausgedehnt.8 Schließlich befähigt Ratgeberliteratur nicht nur dazu, bestimmte Dinge zu tun, sondern sie gibt auch Aufschluss darüber, wann dieses Tun ethisch und in praxi richtig ist. Ferner thematisiert sie allerlei ›No-Gos‹. Sie untersagt Handlungen und spricht für zweifelhafte Fälle Sanktionsdrohungen aus. Und auch wenn die Autoren durch die Verschriftlichung abwesend gemacht werden, wird durch den gezielten Einsatz bestimmter Rhetoriken der Leser suggestiv von dem Geschriebenen überzeugt: »[…] Wer möchte sich dem Rufe eines ungebildeten Menschen aussetzen?«9 Nicht zuletzt üben die verschriftlichten Anleitungen für permanente Selbsthilfeaktivitäten insofern einen Zwang aus, als die SelbstBedienung nicht mehr nur ein Akt freiwilliger Satisfaktion ist, sondern die Suche danach einer gesellschaftlichen Anforderung entspringt; Selbstklientelisierung erweist sich als eine soziale Schlüsselkompetenz.10 7 | 8 | 9 | 10 |
Ebhardt 1921, S. 5. Vgl. Ebd., S. 166. Ebd., S. 57. Vgl. Duttweiler, S. 23.
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So zeigen auch die Titel aktueller Ratgeber auf diesen Umstand hin und klären den Leser darüber auf, dass ein elementarer Bestandteil von Erfolgsstrategien die Gründung eines eigenen Beraterstabs sei.11 Wie auch in der Bedienungsanleitung handelt es sich in einer Ratgeberkommunikation weder um Faktenwissen, noch um wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern um Informationen, die sich erst in der Übertragung auf ›Fleisch-und-Blut‹ bewahrheiten. Ein größtmöglicher Grad an Anwendbarkeit ist dann erreicht, wenn die zu überbringenden Informationen einer Rationalisierung und Schematisierung unterzogen werden. Zwar sollen »alle möglichen Lebenslagen« in Betracht kommen, doch das Resultat ist immer eine Musterlösung. Der ratsuchende Leser gestaltet sein Handeln nach Schablonen, die ganz im Sinne von »one size fits all« produziert werden. Eine akribische Umsetzung des Geschriebenen gleicht der Befolgung von Regieanweisungen zu einem tausendfach aufgeführten Stück. Denn auch wenn das je individuelle Glück, der ganz persönliche Erfolg das Ziel sein soll, nimmt ein änderungswilliger Leser der Psychokybernetik den gleichen Weg wie all die anderen Rezipienten dieses Buches. Der Buchdruck schafft nicht nur identische Kopien des Geschriebenen, sondern bringt im Falle der Ratgeberliteratur auch potentiell identische Lebens- und Selbstführungen hervor.
PARADOXIE DER SELBSTHILFE Der Akt des Zu-Rate-Ziehens eines Buches als Modifikationsassistent oszilliert zwischen Autonomie und Heteronomie, wobei nie eine eindeutige Aussage darüber getroffen werden kann, wer letztlich die Verantwortung für das Handeln trägt. Die mehrfache Delegation des Tuns vom Ratsuchenden an einen Ratgeber – der wiederum nur im Namen eines Wissens über best practices agiert – an die Schrift, verschiebt permanent die Träger der Handlung. Jede Praktik der Selbsthilfe ist ein Kreisverkehr von tatkräftigen Individuen, personellen Vermittlern und technischen
11 | Vgl. Miedaner 2009.
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Medien. Das von einem selbst oktroyierte Ziel unterliegt, wie Peter Sloterdijk es nennt, einer »auto-operativen Krümmung.«12 Jeder Beratungsvorgang beginnt mit einer Selbstbestimmung, der Ratsuchende trifft eine selbst-bewusste Entscheidung zur Änderung oder Verbesserung eines Zustand. Der Reiz geht von ihm aus, die Reaktion soll in seine Hände zurückfallen. Im Moment der Konsultation erfolgt jedoch eine gewisse Selbstaufgabe, da die Dienstleistung eines anderen in Anspruch genommen wird. Jede Selbst-Bedienung erfordert einen Umweg über ein Bedient-Werden, die Fähigkeit des »Sich-Operieren-Lassens«.13 Dem Wissen und Know-How einer Operationskompetenz ausgesetzt, ist der Ratsuchende Objekt einer Einwirkung, einer fremden Gewalt. Doch in Rückbezug auf den ausgehenden Reiz, der als subjektive Entscheidung fiel, ist diese Passivität keine Fremdbeherrschung, sondern eine Handlung durch Behandlung. Alle Praktiken der Selbsthilfe sind somit grundsätzlich paradox, was die Zuschreibung durch das Demonstrativpronomen betrifft. Beratung beinhaltet also Selbstbestimmung und Selbstaufgabe in einem: »Wer anderen erlaubt, direkt etwas an ihm zu tun, tut mittelbar etwas für sich.«14 Die Struktur des Handelns ist also in der Verschiebung und der Vermittlungstätigkeit zu suchen. Doch ist diese mit der einfachen Krümmung noch nicht hinreichend beschreiben. Denn die Zuständigen für Behandlungen agieren selbst im Auftrag, sind Träger eines Wissens über ein Know-How, dessen Urheber sie selbst nicht sind. Aufgerufen werden zum einen konkrete Persönlichkeiten wie beispielsweise längst verstorbene Dichter und Denker, prominente Intellektuelle oder Filmfiguren und zum anderen Theorien, Programme, Volksweisheiten und nicht zuletzt Gott. In Maxwell Maltz Psychokybernetik stößt man auf Bertrand Russel, William James, einen Herrn Dr. K. Dunlop, das Märchen vom Kölner Heinzelmännchen sowie Diogenes. Franz Ebhardt bezieht sich hin und wieder auf Goethe und Schiller und Talane Miedaner beginnt in Coach dich selbst, sonst coacht dich keiner jedes ihrer Kapitel mit einem Zitat. Und dabei 12 | Zur Herleitung dieses Begriffs siehe Sloterdijk 2009, S. 589–595. 13 | Ebd., S. 589. 14 | Ebd., S. 590.
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reihen sich Oscar Wilde, Buddha, Bibelstellen neben Mr. Spock aus Star Trek. Wer aber hat die Selbsthilfe-Assistenten beauftragt, aus der Fülle an Lebensbesserungsmaßnahmen die wichtigsten und erfolgbringenden zu extrahieren? Sie wurden nicht gesendet, sie haben sich selbst autorisiert diese Tätigkeit zu übernehmen, aber im Moment der Konsultation ist es der Ratsuchende, der den Auftrag gibt und damit den, die oder das Behandelnde als Autorität anerkennt. Woher kann der Konsultierende wissen, welches Wissen wahr und wirksam ist? Oder wie kann andererseits der Konsultierte glaubhaft machen, dass seine Anleitungen zum Ziel führen? Die Legitimation erfolgt durch eine weitere Delegation: durch Referenzen, Zitate und Bezugnahme auf andere Autoritäten oder (vermeintlich) etablierte Prinzipien. Mit der Verschriftlichung der Anleitungen erweitert sich die Kette der Verschiebungen, da sich der dienstleistende Ratgeber vom gegebenen Rat ablöst und demzufolge noch weniger zur Verantwortung gezogen werden kann. Denn ob und wie der Leser das Gelesene in eigene Taten transformiert, ob die Transformation gelingt oder nicht und wer für ein Misslingen beschuldigt werden könnte – das liegt einzig im Entscheidungsbereich des Ratsuchenden. Ist das ganze Buch ein ›Reinfall‹, der Leser ein hoffnungsloser Fall oder hat dieser einfach nur das Wichtigste überlesen? Der Vorgang des Lesens wird vor jeder Tat zum elementaren Schritt, denn alle Aufgaben der Anleitung werden an die geschriebene Sprache und ihre Möglichkeiten der rhetorischen Leser-Lenkung delegiert. Der Selbsthilfebedürftige unterliegt einer Bevorschriftung. Die Paradoxie der Selbsthilfe besteht in der Verkettung von Selbstbestimmung und Selbstaufgabe zugunsten fremdbestimmter Handlungsanweisungen. Beratung ist in dieser Spezifik eine Erscheinung neoliberaler Regierungstechnologien, die die Freiheit des Individuums zum Ausgangspunkt nehmen, um auf dessen Selbstkontrolle abzuzielen.15 Im Falle des Buches beziehungsweise der schriftlichen Inskription von Anleitungen verschärft sich das Oszillieren zwischen Selbst- und Fremdbestimmung, welches in einer mehrfachen Delegation mündet und eine 15 | Vgl. zu dieser Einschätzung beispielsweise auch Maasen 2004, S. 211–241.
SICH SELBST ODER SEINEM SELBST HELFEN
einfache Zuschreibung von Verantwortung verunmöglicht. Die Aufforderung »Do it yourself!«, die immer mit dem Versprechen einer vergrößerten Selbstbestimmung und -tätigkeit verbunden ist, entfaltet erst in Ergänzung eines Personalpronomens seine paradoxale Struktur: »We do it yourself!« oder »Wir machen es dir selbst!« Manche Titel bringen diese Eigenheit auf den Punkt und den ratsuchenden Leser in eine Spirale von Handlungen und Behandlungen, Selbst- und Fremdzuweisungen: Coach dich selbst, sonst coacht dich keiner. Geholfen wird also nur, wenn man sich selbst helfen kann, doch Selbsthilfe impliziert ein Eingeständnis von Hilflosigkeit und Abgabe der Handlungsfähigkeit an einen anderen. Das Buch, das auf 400 Seiten Maßnahmen zur Verwirklichung beruflicher und privater Ziele verspricht, wird mit seinem imperativischen Titel zu einer Androhung bedenklicher Beraterlosigkeit. Ein Exkurs zur Ratgeberliteratur ist für eine Analyse der Bedienungsanleitung unerlässlich, sofern auch die Handhabung des Menschen spezifische Techniken erfordert, die ihm eine Gestalt geben, ihn formen und (aus-)bilden. Und diese Techniken der Körpers und des Selbst sind nicht weniger medial vermittelt, als es der Umgang mit technischem Gerät ist. Der Mensch versteht sich technomorph und dass auch er einer regelrechten Bedienung bedarf, wird deutlich in bestimmten zeitgenössischen Ratgebern, die in ihrer Ausrichtung und auch ihrer rhetorischen Aufmachung eindeutige Interferenzen zum Format der Bedienungsanleitung aufweisen. Eine Gleichsetzung von Mensch und Maschine soll dadurch nicht erzielt werden, sondern die Hervorhebung struktureller Gemeinsamkeiten in schriftlich artikulierten Handlungsanweisungen für Mensch oder Maschine. Die Frage nach der Autorschaft und Verantwortung, die Rolle der Inskription als Scharnier zwischen Selbst- und Fremdbestimmung ist auch für die Bedienungsanleitung von besonderer Bedeutung. Und dass die Aussage »We do it yourself!« angesichts der verschiedenen Interessen, die in den Text eingewoben sind, auch für den Umgang mit einem technischen Artefakt Gültigkeit hat, ist unabdingbar. Ferner sind die hier erfolgten Analysen zur Ratgeberliteratur als Regie-
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rungstechnologie ausschlaggebend für die Überlegungen im nächsten Kapitel; dass sich die Inbetriebnahme eines Elektroherdes als eine umständliche lebenstechnische Aufgabe erweisen kann, die gesellschaftliche Normen und Standards einbezieht und für den User eine zunehmende Selbstkontrolle darstellt.
Benutzer dazu bringen, etwas (nicht) zu tun
Mediale Vermittlung
IM NAMEN DES GERÄTS SPRECHEN Clevere Entwickler und Designer haben den Kaffeeautomaten KAM 200 auf den Markt gebracht, der ganz bestimmte Eigenschaften – Mahlen, Zubereiten und Brühen von Kaffee – hat. Mit diesem Artefakt sind jedoch auch bestimmte Eigenschaften und Kompetenzen verbunden, die ein Benutzer mitbringen oder sich aneignen muss, damit das Gerät auch wirklich auf die für es festgelegte Weise funktioniert. Die Anforderungen an den Benutzer sind ebenfalls in das Gerät eingeschrieben worden, es hat ein Skript. Ohne einen Vermittler, der über gesprochene, schriftliche oder bildliche Zeichen dieses Skript mitteilt, kann es durchaus der Fall sein, dass die Akteure nicht die präskribierten Rollen spielen, also eine De-Inskription vornehmen. Jemand wird Wasser in den noch heißen Behälter des KAM 200 schütten, jemand das Gerät »unnötig eingeschaltet lassen« und jemand vergessen, seine Kinder fernzuhalten. Die Verhalten der Benutzer sind nicht einheitlich und vor allem entsprechen sie nicht dem vorgesehenen Skript. Ein Vermittler sorgt dafür, dass die Kluft zwischen der in das Gerät eingeschriebenen Welt und den De-Inskriptionen in der ›tatsächlichen‹ Welt verringert wird oder im Idealfall gar nicht erst entsteht. Er gibt dem Benutzer Informationen darüber, was unbedingt erforderlich und was erlaubt ist: »Sie können den Mahlgrad verändern und der Bohnenröstung anpassen.« Ein solcher Vermittler muss nicht zwangsläufig die Bedienungsanleitung sein und sie war es bis Mitte des 20. Jahrhunderts auch nicht. Wie bereits erwähnt, ist für die Präsentation und Instruktion der Funktions- und
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Bedienweisen eines Geräts in erster Linie der Erfinder selbst zuständig gewesen. In den 1950er und 60er Jahren wurde dann ein ganzes »Heer von Beratern« eingesetzt, das den Konsumenten insbesondere in Bezug auf die neue Haushaltstechnik zur Seite stand.1 In Zusammenarbeit mit dem Fachhandel richtete die AEG beispielsweise sogenannte Informations-Zentren ein und schickte, wenn eine AEG-Waschmaschine gekauft wurde, Beraterinnen zu den Kunden nach Hause, sogar ins weit entfernte Dorf.2 Aber auch Lehrer, Meister und Ausbilder, die ihre Schüler und Lehrlinge in einer bestimmten Technik unterweisen, haben sich selbst die Pflicht zurückdelegiert, im Namen des Geräts die richtige Bedienung und damit die Qualitäten des idealen Benutzers zu erklären.3 Werden diese Übersetzungen eines Skripts in bildliche und schriftliche Aufzeichnungen gebracht, erhalten sie ein dauerhaftes und damit verlässlicheres Format. Frederick Winslow Taylor insistierte darauf, dass man zur Durchsetzung seines Scientific Managements zuallerst die mündlich tradierten Faustregeln zu eleminieren hatte. Und dies geschah eben nicht durch die Aussendung von Personal, das den Arbeitern an den Maschinen Befehle erteilen sollte, sondern durch die Anfertigung von Instruktionszetteln, auf die sich alle Vorgesetzten zu beziehen hatten.4 Der Wildwuchs an Ausführungsmethoden, an unterschiedlichen Arten und Weisen der Bedienung, konnte nur getilgt werden, sofern die Erlernung von der Beobachtung der Mitarbeiter und der mündlichen Überlieferung abgekoppelt und an Inskriptionen gebunden wurde. Entsprechend lässt sich neben der Beziehung von Unternehmen und Arbeitern auch in der Verbindung von Unternehmen und Konsumenten eine zunehmende Delegation der Vermittlungsaufgabe beobachten; vom Erfinder zum Kundendienst zur Bedienungsanleitung. Wo der Erfinder vielleicht noch seine Intentionen bei der Erstellung dieser oder jener Mechanismen oder Bedienelemente vorbringen kann, kommt dem Berater ausschließlich eine vermittelnde Rolle zu. Sollte 1 2 3 4
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Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Kelling 1989, S. 29. ebd. Latour 1992, S. 232f. dazu noch einmal Taylor 1913/1995, S. 130–133.
BENUTZER DAZU BRINGEN, ETWAS (NICHT) ZU TUN
manches nicht funktionieren und Fehler auftauchen, so ist dies nicht seine Schuld; er spricht nur im Namen des Geräts. Nicht verwunderlich, dass man in Bedienungsanleitungen, die von Technischen Redakteuren verfasst wurden, vergeblich deren Namen sucht. Bedienungsanleitungen wurden gewiss von einer Person oder einer Gruppe von Personen geschrieben, aber sie haben keinen Autor. Autorennamen funktionieren, sie ermöglichen eine Einteilung von Diskursen oder die Zusammenfassung einer bestimmten Zahl von Texten und sie bewirken eine Zuschreibung von geistigem Eigentum.5 Da ein solcher Name fehlt, bleibt auch unklar, inwiefern Bedienungsanleitungen als Schriftwerke unter das Urheberrecht fallen können. Vielfach wird nicht davon ausgegangen, dass es sich um eine eigenständige geistige Leistung handelt, Aufbau und Gestaltung würden sich vielmehr »aus der Natur der Sache« ergeben.6 Das Unternehmen, welches gelegentlich auf der ersten Seite ein paar einleitende Worte verkündet, fungiert lediglich als Herausgeber, der ein Vorwort spricht. Er macht eine Absichtserklärung und teilt den richtigen Gebrauch des Buches – »bitte lesen Sie aufmerksam« – mit.7 Das Vorwort ist der Auftrag, mit dem die Bedienungsanleitung entsendet wird; »Damit Ihnen die Bedienung leicht fällt, haben wir eine ausführliche Anweisung beigelegt.«8 Der fehlende Autor ist kein Mangel. Die Bedienungsanleitung braucht keinen Namen, weil sie gesandt wurde und niemals mit eigenem Namen, sondern nur im Namen des Geräts spricht. Was heißt es, im Namen von jemanden oder etwas zu sprechen? Welche Position oder Rolle kommt denjenigen zu, die dies tun? Eine Vielzahl von Figuren tritt auf den Plan, wird im Namen des Gesetzes, des 5 | Die Definition des Autorenbegriffs kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Die Überlegungen folgen der Argumentation Michel Foucaults, dass der Autor nicht als Produzent oder Eigentümer von Texten zu verstehen ist, sondern als Funktion. Siehe Foucault 2003. 6 | Vgl. Nickl 2001, S. 50. 7 | Zur Funktion und den verschiedenen Ausprägungen des Vorworts vgl. Genette 1989/2003, S. 157–263. 8 | Privileg, Waschvollautomat Modell 308 RS. Gebrauchsanweisung, S. 2.
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Volkes oder im Namen Gottes gesprochen; Richter, Repräsentanten und Engel. Es sind Figuren, die sich als ein Drittes zwischen Absender und Adressat positionieren, in einem Dazwischen agieren und damit überhaupt erst eine Relation zwischen denen herstellen, in deren Mitte sie stehen. In dieser Mittlerposition übertragen sie Botschaften von der einen auf die andere Seite, im Fall des Engels zwischen Gott und den Menschen. Wenn auch eine der denkbar ältesten Formen der Nachrichtenübertragung – das Botenamt des Engels liefert wichtige Anknüpfungspunkte, mit denen die Bedienungsanleitung in der Rolle des Mittlers oder Mediums ausgeleuchtet werden kann.9 Der Engel ist eine Allegorie für die Kommunikation und die Übertragung zwischen zwei entfernten Welten, die nicht nur voneinander räumlich entfernt, sondern auch qualitativ voneinander verschieden sind.10 Begriffsgeschichtlich ist der Engel (gr. ›angeloi‹) mit den Funktionsträgern des persischen Relaispostsystems (›angareion‹) verwandt, sie gehen dem Engel gar voraus.11 An ihm zeigt sich ein postalisches Prinzip. Er wird von Gott gesandt, an die Menschheit Botschaften zu übermitteln. Dazu muss er den Weg vom Himmel zur Erde zurücklegen, er lebt jedoch weder ›oben‹ noch ›unten‹. Vielmehr hält er sich in einem intermediären Zwischenraum auf, den er nicht verlassen darf, er bleibt neutral. »Der Körper des Boten erscheint und verschwindet. Der Vermittler tritt hinter die Botschaft zurück. […] Deshalb sehen wir die Engel nicht.«12 Michel Serres betont, dass der Engel immer in der Verpflichtung steht, zurückzutreten, auszuweichen und sich zurückzuziehen. Er kann seine Aufgabe nur erfüllen, weil er sich selbst obsolet macht oder stirbt. Dies schließt jedoch nicht aus, dass der Engel einen Körper hat. Die Botschaft kann nur dann unversehrt an einen Ort gebracht werden, wenn sie auf der Reise sicher verwahrt, das heißt, gespeichert wird. 9 | Sybille Krämer entwickelt unter anderem in Anschluss an Michel Serres’ Die Legende der Engel eine Metaphysik der Medialität als Botenmodell. Siehe Krämer 2008. 10 | Vgl. ebd., S. 74. 11 | Vgl. Siegert 1997, S. 55. 12 | Vgl. Serres 1995, S. 101.
BENUTZER DAZU BRINGEN, ETWAS (NICHT) ZU TUN
Sie benötigt einen materiellen Zeichenträger, wird dem Engel einverleibt.13 Das Botenamt besteht also darin, eine Distanz zu überbrücken sowie heteronom, also im Auftrag zu agieren, sich in der Mitte zu positionieren, einen materiellen Träger für die Nachricht zu bilden und dieser gegenüber indifferent zu bleiben.14 Dass der Bote im Vollzug seiner Mittlerposition etwas zur Erscheinung bringt – die Botschaft – und dabei gleichzeitig unsichtbar bleibt, bildet den Dreh- und Angelpunkt (fast) einer jeden Medientheorie.15 Ein Medium lässt Bilder, Texte, Ereignisse, Repräsentationen zum Vorschein kommen, lässt ›Formen‹ sprechen, doch es selbst spricht nicht.16 Ein kleines Resümee gibt erste Anhaltspunkte dafür, inwiefern es sich bei der Bedienungsanleitung um ein Medium handelt. Der erste Punkt ist offensichtlich: Eine qualitative Differenz zwischen zwei Welten besteht. Ein Mensch steht einem technischen Artefakt gegenüber und will mit diesem in Interaktion treten (und umgekehrt natürlich auch). Eine Inkongruenz zwischen der in das Gerät eingeschriebenen Welt, dem Skript und den Kompetenzen des Benutzers ist die Voraussetzung dafür, dass ein Mittler zum Einsatz kommt. Dies kann eine Person, wie beispielsweise der AEG-Berater, aber auch eine nichtpersonale Abbildung 12: Anthropomorphisierung
Quelle: LG, Electronics Kühlschrank 151-3828. Bauknecht, AKL 430 Einbauherd. Orion, Video Cassetten Recorder VH291RC. Eigene Sammlung. 13 | 14 | 15 | 16 |
Vgl. Krämer 1998, S. 116f. Zu den Dimensionen des Botenmodels siehe ebd., S. 110–119. Vgl. Engell 2003, S. 10. Vgl. Engell und Vogl 2004, S. 54f.
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Übertragungstechnik wie die Bedienungsanleitung sein, die heteronom, eben im Namen des Geräts, agiert. Damit überhaupt eine Übertragung von der einen in die andere Welt gelingt, muss das Medium auf der einen Seite etwas von der anderen Seite in Erscheinung bringen. Übertragen ist als ein Zeigen zu rekonstruieren.17 Wesentlich ist daher, dass sich der Mensch ein Bild von seinem Gegenüber machen kann. Dieses Bild ist jedoch nicht ein Abbild des Geräts, sondern ein Resultat von Übersetzungsprozessen, die durch zahlreiche kleine Brüche zwischen Welt und Zeichen markiert werden. Die Informationen werden transformiert und im Medium in eine Form gebracht, die auf der anderen Seite vom potentiellen Benutzer verstanden werden kann.18 Dazu zählen die zuvor erläuterten Rhetoriken. Papier und Druckerschwärze sind die Materialen oder das, was man als Verkörperung der Botschaft begreifen kann. Der Leser-Betrachter-Benutzer sieht jedoch nicht schwarze Abdrücke auf weißem Papier und er sieht auch nicht einfach Linien und Punkte, sondern er sieht die Montage einer Kupplung, die Schritte zur Bedienung eines Video Cassetten Recorders oder die Warnung vor einer Gefahr. Der Träger der Botschaften hat zwar eine materielle Gestalt, doch diese tritt zugunsten der Botschaft zurück, unterstützt durch Strategien der Anonymisierung wie dem Wegfall des Autors. Ein weiteres wichtiges Merkmal ist Hybridizität.19 Eine Bedienungsanleitung muss, wenn sie wirklich als Medium funktionieren soll, etwas mit beiden Welten, zwischen denen sie steht, teilen. Wie insbesondere am Beispiel des Pfeils aufgezeigt wurde, benötigt der Leser-BetrachterBenutzer einen Haltepunkt. Das kann durch die persönliche Anrede – »Bitte drücken Sie POWER« – geschehen, durch die Abbildung einer Hand oder eben durch die Generierung etlicher Indizes, mit denen eine Verortung im Bild vorgenommen wird. Letztlich zielen die wesentlichen Rhetoriken in einer Anleitung darauf ab, die Betrachtung und Lektüre zu steuern. Der Leser und Betrachter ist immer schon vorgesehen. 17 | Vgl. Krämer 2008, S. 262. 18 | Medien sich daher immer auch Ermöglichungen. Vgl. Engell 2003, S. 54. 19 | Vgl. Krämer 2008, S. 129–131.
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Die Botenengel erfüllen ihre Aufgabe so gut, weil sie Mischwesen sind. In ihrer uneingeschränkten Mobilität und ihrer Unsterblichkeit sind sie Teil der göttlichen, geistigen Sphäre. Aber in ihrer irdischen Verkörperung, mit Armen, Beinen und Flügeln gehören sie ebenso der irdischen Sphäre an. Nun gibt es keine Engel, aber »im Bild des Engels entsteht die Gegenwart der göttlichen Abwesenheit als Nahraum seiner Ferne«.20 Im Bild können beide Welten miteinander in eine Relation treten. Und so tauchen gelegentlich auch in Bedienungsanleitungen sehr interessante Zwitterwesen auf. Dies sind anthropomorphe Geräte wie schwitzende Kühlschränke, weinende Einbauherde und verängstigte Videorecorder (Abbildung 12). Sie begegnen insbesondere dann, wenn es um eine sensible Behandlung der Geräte geht, um eine Berührung zwischen Mensch und Nicht-Mensch, die erhöhte Achtsamkeit erfordert; bei Vorsichtsmaßnahmen, die zu beachten sind, weil sonst das Gerät beschädigt werden würde oder bei Fragen des ›allgemeinen Wohlbefindens‹; an welchem Ort hat der Kühlschrank einen guten Platz oder wie ist der Ofen zu reinigen? Einem Gerät wird ein menschliches Verhalten zugebilligt – ein Phänomen, das bekannt sein dürfte. Technische Geräte werden beschimpft, als ›blöde Kisten‹ – was sie in den meisten Fällen wahrlich nicht sind – diskriminiert und sie werden, gelegentlich, Opfer physischer Gewalt. Kleinere Schäden am Material oder komplette Zerschlagung können die Folgen auf Seiten des Geräts, Aggression, Frust oder gar Depressionen auf Seiten der Benutzer sein. »Technologieärger« heißt eine neue Berufskrankheit.21
EINSCHREIBEN UND UMSCHREIBEN Die Bedienungsanleitung: ein Medium also, das eine Botschaft ist, von der Welt der technischen Artefakte in die Welt der Menschen; im Auftrag, den Empfänger der Botschaft in einen kompetenten und gefügigen Benutzer zu transformieren. 20 | Ebd. 21 | Vgl. Oberhuber 2004.
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Als Besitzer und Benutzer des AEG Kaffeeautomaten mit integrierter Kaffeemühle KAM 200 würden Sie ohne eine entsprechende Anleitung vielleicht anders an das Gerät herangehen, als es gefordert wird. Vielleicht würden Sie Milch in den Frischwasserbehälter füllen, beim Säubern nicht auf die Idee kommen, den Netzstecker zu ziehen und natürlich würden Sie, fällt das Gerät einmal auf den Boden, nicht den Fachmann rufen. Doch das Lesen der Anleitung kann Sie verändern.
Die Kommunikation zwischen dem technischen Artefakt und dem Benutzer, wie sie die Bedienungsanleitung stiftet, ist nicht reziprok. Es gibt keinen wechselseitigen Austausch. Die in das Gerät eingeschriebene Welt wird übermittelt, damit in dieser Übermittlung die Welt des Benutzers umgeschrieben werden kann. Die Kluft – sei sie ein enormer Abgrund oder nur eine schmale Lücke – zwischen den Präskriptionen des Geräts und den De-Inskriptionen der Benutzer muss geschlossen, die Differenzen aufgehoben werden. Dies gelingt, weil die Kontaktstelle parasitär besetzt wird, weil ein Erreger eingesetzt wird, der in das System eingreift. Nach Michel Serres sind Übertragungsverhältnisse immer im Sinne eines Parasitentums zu verstehen. Botschaften werden nie einfach nur transportiert, sie sind Veränderungen und Störungen ausgesetzt, die sich auf dem Weg zwischen den jeweiligen Stationen herausbilden. Diese Aktivitäten der Abzweigung, Unterschlagung und Unterbrechung des Parasitentums sind unvermeidlich, gleichwohl sind sie »die gewöhnlichste Sache von der Welt«.22 Worin sonst wird dies deutlicher als in der Bedienungsanleitung? Sie ist ein Unruhestifter, der zwar ›irgendwie‹ eine Interaktion zwischen Gerät und Benutzer in Gang setzt, aber die einwandfreie Überlieferung des Skripts in die Welt der Anwender durchaus behindert. Die glücklichen Besitzer einer neuen »Luftmatrotze ES 223« sind weniger glücklich, wenn sie beim Entrollen der »Puff
22 | Serres 1987, S. 24.
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Unterlage« von der Wärme »Inflationen bekommen«.23 Bei manch einem vermag diese ›Erfinderprosa‹ zu Kopfschütteln oder Schmunzeln führen, bei manch anderen steigert sich ein kleines Fluchen zu ausgewachsenen Wutausbrüchen mit zerstörerischem Potential. Die Botschaft wird zum Opfer des Parasiten; der unausgereiften Übersetzungssoftware oder des beliebigen Dictionary-Nachschlagemechanismus, der aus der Entwicklungsabteilung eines Hausgeräte-Herstellers entsprungenen Terminologen oder der unqualifizierten Technischen Redakteure. Der Parasit ist so gesehen destruktiv, doch gleichzeitig ist er die wesentliche Bedingung für das Gelingen der Kommunikation und hat damit eine konstruierende Dimension. Er ist das Dritte, das sich dazwischen schiebt, unterdes die Differenzen der miteinander in Beziehung tretenden Welten artikuliert und sie im Vorgang der Übermittlung transformiert. Eine Relation wird daher durch ein Medium erst hervorgebracht. Doch die Pole dieser Verbindung werden in ihrer Hervorbringung in Mitleidenschaft gezogen.24 »Die Theorie des Parasiten führt […] zu ultra-feinen Bewertungen von Zustandsänderungen. Sie installiert unerwartete Ketten, in denen auf kleine Ursachen oder äußert geringfügige Abweichungen gar keine Wirkungen oder aber Rückwirkungen und höhere Resistenz oder schließlich gewaltige und katastrophale Wirkungen folgen […].« 25
Das Medium im Lichte des Botenmodells operiert parasitär, seine Übermittlungsleistung zeigt sich nicht nur als Transport von Dingen oder Botschaften, sondern vor allem als Umschrift. In der Bedienungsanleitung wird dies offensichtlich; ihr Auftrag ist die Verwandlung des Lesers und Betrachters, sie soll ihn dazu bringen, etwas zu tun oder nicht zu tun. Ist die Kommunikation gelungen, ist der inskribierte Benutzer zum Benutzer-aus-Fleisch-und-Blut geworden oder: »Das Wort ward Fleisch.« 23 | Eine Sammlung witziger Gebrauchsanweisungen findet sich in Hahn 1997. 24 | Vgl. Schüttpelz 2006, S. 98. 25 | Serres 1987, S. 299.
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Attention! Caution! Warning!
SICHERHEITSHINWEISE UND RECHTLICHE BESTIMMUNGEN Die Bedienungsanleitung ist ein Medium, ein Drittes, das an der Schnittstelle von Benutzer und technischem Artefakt operiert. Sie übermittelt dem Benutzer eine Botschaft aus der Welt der Geräte. Doch sie transportiert nicht nur eine Information, die Übermittlung ist gleichsam eine Transformation, in der Beziehungen festgelegt und das Verhalten der Benutzer geformt wird. Die Bedienungsanleitung tut dies indes nicht autonom, sie spricht im Namen des Geräts und tritt damit hinter die Botschaft zurück. Im Gebrauch oder besser, in der Bedienung der Bedienungsanleitung zählt nur das, was sie in Erscheinung bringt. Sie ist ein Resultat von Visualisierungs- und Schreibtechniken, von rechtlichen und ökonomischen Entscheidungen, doch diese Konstruiertheit verschwindet – im Idealfall – zugunsten der Information. Ein Benutzer kann sich nur angemessen einer Bedienungsanleitung bedienen, wenn sie transparent ist. Anderseits kann gerade ihre Konstruiertheit und ihre konstruierende Funktion thematisiert werden, wodurch sie eben nicht durchsichtig, sondern opak wird.1 Transparenz und Opazität sind zweierlei Lesarten, die in Bezug auf die Anleitung eingenommen werden können. Mit letzterer wird vor allem das Dispositiv von technischen Geräten, werden die Kräftelinien und Machtkonstellationen in den Vordergrund gerückt. 1 | Diese Unterscheidung von Transparenz und Opazität stützt sich auf Krämer 2008, S. 298–337.
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Ein Medium kann daher, wie Sybille Krämer vorschlägt, immer auch als Spur an einer Botschaft beschrieben werden. Die Entstehensbedingungen der Übermittlung bleiben durch die prägende Kraft des Mediums gewissermaßen an der Botschaft haften. Eine Spur ist jedoch, im Gegensatz zum Zeichen, kein intendiertes Sagen und Zeigen. Spuren ergeben sich unbeabsichtigt, entstehen beiläufig und vor allem werden sie erst durch den Spurenleser hervorgebracht und sind damit die Umkehrfunktion des Botengangs.2 Steht eine transparente Bedienungsanleitung ›im Auftrag‹ des Geräts, so wird sie mit der Lesart ihrer Opazität als Spur ihrer Bedingungen vom Empfänger beauftragt. Verstrickungen in ökonomische und rechtliche Fragen können somit in den Blick gerückt werden. Im Sinne der Akteur-Netzwerk-Theorie heißt Spurenlesen, sich nicht auf das technische Gerät als einen Vermittler zwischen zwei Akteuren zu konzentrieren, sondern diese als Netzwerke zu entfalten. Denn das Gerät, in dessen Namen gesprochen wird, ist mit seinem Skript selbst ein Resultat von Verhandlungen unterschiedlicher Interessen; von Ingenieuren, Designern, Ökonomen, Arbeitswissenschaftlern, Umweltschützern und vielen mehr. Das heißt also auch, dass die Benutzer zu Verbündeten der Hersteller, Gesetzgeber, Umweltschützer et cetera gemacht werden.3 Und es heißt, dass kommerzielle sowie politische Anliegen, die die Kontaktstelle zwischen Benutzer und Gerät betreffen, ohne die Anfertigung von Inskriptionen, die in ihrer Zirkulation zu Medien werden, nicht durchzusetzen sind. Anhand der Veränderungen, die sich in der Art und Weise des Sagens und Zeigens und auch in dem, was gesagt und gezeigt wird, von den 1900er Jahren bis ins 21. Jahrhundert vollziehen, kann ein Wandel des Netzwerks rekonstruiert werden, zu dessen Stabilisierung sowie Verschiebung die Bedienungsanleitung beiträgt. Insbesondere solche Elemente, die über das hinausgehen, was für die Inbetriebnahme und Bedienung eines Geräts unmittelbar notwendig ist, geben Aufschluss da-
2 | Vgl. ebd., S. 278 sowie Krämer 1998. 3 | Zur Bildung von Allianzen durch Medien bzw. Vermittler vgl. insb. Latour 2006a sowie Callon 2006b.
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rüber, inwiefern Bedienungsanleitungen immer auch Zeitzeugen sind.4 Durch diesen Wandel kann außerdem zu Tage gefördert werden, dass sich die Rollen der beteiligten Akteure verändern und Verantwortungen verlagert werden. In einer Anleitung für einen AEG-Elektroherd (vermutlich 1960er Jahre), mit einem Umfang von 102 Seiten, sind nur etwa ein Zehntel der Seiten wirklich eine Bedienungsanleitung. Die weiteren sind Rezepte, welche mit entsprechenden Angaben zur Schalterstellung am Herd versehen sind: »Madeirasoße nach Savarin. Anbräunen: Stufe 3, Kochen: Stufe 1 etwa 15 Minuten, Nachwärme: Stufe 0.«5 Gelegentlich finden sich auch heute noch Rezepte oder Zubereitungstipps im Anhang der Bedienungsanleitungen von Haushaltsgeräten, selten hingegen sind diese so umfangreich mit Fotografien und Illustrationen ausgestattet wie ihre Vorgänger. Die Bedienungsanleitung bleibt nicht auf die Operationen mit dem Gerät beschränkt, sie fungiert auch als Ratgeber, nennt Tipps und Tricks oder eben Gerichte, die mit dem neuen Herd ›gezaubert‹ werden können. Es geht durchaus um Glück, Zufriedenheit und Gesundheit. »Denn Kochen ist nicht nur eine Kunst, es ist eine Aufgabe. Man sagt nicht zu Unrecht, dass sich schon am Herd entscheidet, ob ihre Lieben gesund, zufrieden und glücklich sein werden.«6 Fragen zur Bedienung des Geräts werden eingebettet in einen größeren Zusammenhang von Lebensfragen, im gegenwärtigen Beispiel in den KüchenAlltag und in »festliche Höhepunkte«. Zu bemerken ist, dass der Einbezug elektrischer Geräte in den Haushalt erst nach dem Zweiten Weltkrieg eine signifikante Verbreitung erfährt.7 Die Anleitung aus den 1960er Jahren markiert entsprechend einen Punkt, an dem sich ein Wandel der Haushalte vollzieht, an dem neue Geräte für die Küche noch einer stärkeren Legitimierung bedürfen. Vorbehalten oder Unsicherheiten in Bezug auf den Umgang mit 4 | In Bezug auf das Verfallsdatum von beispielsweise Karten und kartografischen Praktiken vgl. Krämer 2008, S. 302. 5 | AEG, Elektroherde. Bedienungsanleitung und Rezepte, S. 23. 6 | Ebd., S. 1. 7 | Vgl. dazu beispielsweise Meyer und Schulze 1992.
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einem Elektroherd wird durch »Elektroberater«, aber eben auch durch Bedienungsanleitungen entgegen gewirkt. Sie versuchen Überzeugungen zu generieren, indem sie das entsprechende Produkt als ›Glücksfall‹ präsentieren – »Für Sie ist heute ein froher Tag […]« –, das die »Kocharbeit zur Freude macht« und auch »äußerst wirtschaftlich« ist.8 Wer sich im 21. Jahrhundert einen AEG Elektroherd anschafft und einen Blick in die beiliegende Anleitung wirft, sieht sich vielmehr mit einer Quelle von Unglücksfällen konfrontiert. Im Vergleich zu aktuelleren Anleitungen fällt auf, dass an keiner Stelle Worte wie ›Achtung‹, ›Warnung ‹oder ›Vorsichtsmaßnahme‹ geschrieben stehen. Bringt der AEG-Elektroherd der 60er Jahre denn gar keine Gefahren mit sich? Es wird zumindest nicht darauf hingewiesen, denn er ist »[…] so zuverlässig, daß Sie einen Suppentopf sogar von Anfang an auf Fortkochstufe auf der Kochplatte stehen lassen können, ohne ihn beobachten zu müssen«.9 Anders fällt dies bei dem Elektro-Standherd AEG Competence 41056VH-M aus. Gleich nach dem Inhaltsverzeichnis sind hier Sicherheitshinweise genannt: »Dieses Gerät darf nur für das haushaltsübliche Kochen, Braten, Backen von Speisen verwendet werden. […] Warnung: Verbrennungsgefahr! Bei Betrieb wird der Backofeninnenraum heiß.«10 Dass heute der Großteil des Umfangs einer Bedienungsanleitung aus Warnungen und Hinweisen besteht, ist wohl nicht darauf zurückzuführen, dass die Geräte seit den 1960er Jahren weniger sicher funktionieren würden oder gar eine Bedrohung geworden sind. Die Tendenz, ein Gerät zunehmend als Gefahrenquelle auszuweisen, korrespondiert nicht mit seiner Bauweise und auch nicht mit einer vermeintlich größeren Unbeholfenheit der Benutzer.11 Mögliche Ursachen für die genannte Entwicklung sind also an anderer Stelle zu suchen. Bis Ende der 1960er Jahre waren die Hersteller technischer Artefakte nicht verantwortlich für die Unfälle, die während der 8 | AEG, Elektroherde. Bedienungsanleitung und Rezepte, S. 1. 9 | Ebd., S. 7. 10 | AEG, COMPETENCE 41056VH. Elektro-Standherd. Aufstell- und Gebrauchsanweisung, S. 5. 11 | Diese Beobachtung macht auch Badras 2005, S. 151.
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Bedienung entstehen können. Schäden infolge fehlerhaft funktionierender Geräte wurden zum allgemeinen Lebensrisiko gezählt.12 1968 tritt dann das Gerätesicherheitsgesetz in Kraft, das für den Hersteller verschiedene Pflichtbereiche definiert. Für ihn gilt, die Gefahren, die entweder durch Konstruktionsmängel, Fabrikations- und Herstellungsfehler entstehen, durch einen entsprechenden Hinweis abzuwenden. Die Unfallverhütung durch eine Bedienungsanleitung ist jedoch subsidiär. Wenn eine Gefahr durch Änderungen in der Konstruktion verringert werden kann, so muss der Hersteller diese Lösung nehmen.13 Um die Sicherheit geht es bei den Sicherheitshinweisen in zweierlei Weise. Erstens soll der Benutzer davor bewahrt werden, Fehler zu begehen und sich dadurch möglicherweise zu verletzen sowie sein Gerät oder andere seiner Güter durch einen Unfall zu beschädigen, anderseits erfolgt eine Absicherung des Herstellers gegen etwaige Haftungsansprüche der Benutzer. Die Hinweise beschränken sich daher nicht nur auf Restrisiken, die durch die Konstruktion des Geräts entstehen können, sondern sie beziehen möglichst auch alle vorhersehbaren Fehlgebräuche – »Dieses Gerät darf nur für das haushaltsübliche Kochen, Braten, Backen von Speisen verwendet werden.« – mit ein. Entsprechend verhilft die Bedienungsanleitung nicht nur dazu, ein bestimmtes Handlungsprogramm zu ermöglichen, sondern auch dazu, denkbare Antiprogramme und aus dem Ruder laufende De-Inskriptionen auszuschließen. Wie Bruno Latour am Beispiel einer Bodenschwelle, dem schlafenden Gendarm gezeigt hat, können aber auch technische Artefakte in ihrer Beschaffenheit als Vermittler wirken und dazu beitragen, bestimmte Handlungen unwahrscheinlicher zu machen und eine Person beispielsweise dazu bringen, nicht so schnell die Straße entlang zu fahren.14 Die Vielzahl an Hinweisen zur Sicherheit geben folglich Aufschluss darüber, inwiefern es den Entwicklern eines technischen Artefaktes nicht gelungen ist, Risiken und Fehlgebräuche durch das 12 | Vgl. ebd., S. 154. 13 | Einen Überblick über die Richtlinien und Gesetze gibt Nickl 2001, S. 49–57. 14 | Vgl. Latour 2002, S. 226–229.
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Gerät selbst zu unterbinden. Für die Aussage »Gießen Sie Wasser nie direkt in den heißen Backofen. Es können Emailschäden und Verfärbungen entstehen«15 wäre beispielsweise die Verwendung eines Materials vorstellbar, dass eine Reaktion des Wassers mit der Emailbeschichtung gar nicht erst entstehen lässt. Im Vergleich zu den Bedienungsanleitungen der 1950er bis 70er Jahre, in denen alle erdenklichen Vorzüge der Geräte in den Vordergrund gestellt wurden, tritt heute vielmehr in Erscheinung, was ein Gerät alles nicht kann. Auch nach § 4 des Gesetzes für technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte (kurz: GPSG) darf ein Hersteller nur Produkte in Verkehr bringen, die sicher sind. Der Hersteller ist also dafür verantwortlich, dass seine Geräte ohne Fehler funktionieren und ohne Gefahr von den Benutzern bedient werden können. Mit Nennung der Gefahrenquellen und der diesbezüglichen Vorsichtsmaßnahmen in Bedienungsanleitungen verschiebt der Hersteller die Verantwortung ein stückweit, wenn nicht gar komplett, auf den Benutzer. Sie bewohnen ein Haus mit Garten, den Ihr Hund zu seinem Revier erklärt hat. Am Gartenzaun haben Sie ein Schild angebracht; »Warnung vor dem Hund« und das Piktogramm eines Hundes, der seine Zähne zeigt. Wird ein Eindringling von dem Tier angefallen und will sich bei Ihnen darüber beschweren, können Sie sagen: »Selbst Schuld! Ich habe doch mit dem Schild davor gewarnt.«
All die Hinweise zur Sicherheit, die Gefahrensymbole und Verbote sollen auf den ersten Blick den Benutzer vor Verletzungen und Beschädigungen schützen. Aber sie dienen dem Hersteller auch dazu, die Verantwortung für mögliche Unfälle zum Teil auf den Benutzer abzuwälzen. Der Benutzer wird selbstverantwortlich gemacht. Ein kleines Piktogramm (Abbildung 13), das in der Bedienungsanleitung für den Haartrockner FOEN 1220 Pianissimo unter den Sicherheitshinweisen auftaucht, trägt 15 | AEG, COMPETENCE 41056VH. Elektro-Standherd. Aufstell- und Gebrauchsanweisung, S. 6.
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dazu bei, dass bei einem Unfall der Hersteller nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann. Denn was passiert, wenn ein Benutzer den Aufforderungen und Hinweisen nicht folgt? Im besten Fall passiert ›nichts‹, das Gerät funktioniert weiterhin, gesundheitliche Schäden bleiben aus. Im schlimmsten Fall wird jemand verletzt oder gar getötet, das Gerät ruiniert und andere Gegenstände in unmittelbarer Nähe des ›Tatorts‹ beschädigt. Darüber hinaus erlischt die Garantie für das Produkt, denn – so das Produkthaftungsgesetz § 1 – der Geschädigte trägt die Beweislast für den Fehler, den Schaden und den ursächlichen Zusammenhang zwischen Defekt und Schaden. Es wäre ein schwieriges Unterfangen, den Hersteller für den Unfall haftbar zu machen, der durch den Wurf des Haartrockners in die mit Wasser gefüllte Badewanne entstanden ist, da doch Abbildung 13 in der Anleitung an kaum übersehbarer Stelle platziert ist. Abbildung 13: Durchgestrichene Badewanne
Die Bedienung, die Interaktion von Mensch und Gerät wird regiert und das Verhalten der Benutzer entsprechend reguliert. Die Bedienungsanleitung ist wesentlich an der Generierung dieses Machtverhältnisses beteiligt, an einem vielmaschigen Netz der Macht, das indes wiederum ohne Warnungen, Piktogramme, Druckerschwärze und Papier nicht möglich wäre. Aber wie kommt dieses Verhältnis zustande, das auf die Kontaktstelle von Mensch und technischem Artefakt einzuwirken vermag? Wer hier regiert, ist nicht der Gesetzgeber, der über ProdHaftG oder GPSG das Leben der Hersteller und der Benutzer bestimmt. Es ist eine lange Kette von Prozeduren, Zeichen und Techniken, die den Benut-
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zer dazu bringt, bestimmte Dinge zu tun und andere zu unterlassen. Das Anliegen der Gesetzgeber, im Umgang mit technischen Geräten mehr Sicherheit zu gewährleisten, wird nur umgesetzt, weil es auf vielfältige Weise von allen beteiligten Akteuren übersetzt wird. Der Staat setzt sich die Aufgabe, die Unfälle, die bei der Bedienung von Geräten entstehen können, zu verringern und erlässt dafür ein Gesetz, das die Herstellung der Geräte regeln soll. Der Hersteller, dem es nie gelingt, seine Produkte so sicher zu machen, dass keinerlei Risiken mehr bestehen, bringt eine Bedienungsanleitung in Umlauf, um auf die Gefahren aufmerksam zu machen. Damit aber tritt er in großem Maße aus seiner Verantwortung und der Benutzer sieht sich plötzlich als selbstverantwortlich für mögliche Schäden. Im Prozess der Übersetzung liegt die Anordnung in den Händen aller Beteiligten, die auf verschiedene Weisen handeln. Sie können die Anordnung »fallenlassen, […] modifzieren, ablenken oder betrügen«,16 denn wirksam wird sie nur im jeweils eigenen Interesse. Zwischen Gesetzgebern, Herstellern und Benutzern wird – und zwar insbesondere durch die Bedienungsanleitung – ein »Interessement« hergestellt.17 Es sind also nicht gesetzliche und institutionelle Bindungen als solche, sondern es ist die Art und Weise, wie die Beteiligten ihre Anliegen auf gemeinsame Weise interpretieren, wodurch Wirkungen und Veränderungen erzielt werden. In einer Verknüpfung dieser Überlegungen zum Interessement mit dem Begriff der Gouvernementalität wie ihn Michel Foucault eingeführt hat, kann ein Ansatz für die Frage gelegt werden, was es überhaupt heißt, einen Benutzer zu regieren.18 Regieren ist nicht nur eine Angelegenheit des Staates. Seit dem 16. Jahrhundert spannt sich ein weites Feld, in dem mannigfache Aspekte unter das Problem der Regierung gesetzt wer16 | Latour 2006b, S. 198. 17 | Zum Begriff des Interessement als wesentlicher Aspekt zur Stabilisierung, Verschiebung und Auflösung von Akteur-Netzwerken vgl. Callon 2006a. 18 | Eine Zusammenführung von Akteur-Netzwerk-Theorie und den Überlegungen Michel Foucaults zur Regierungskunst leisten Miller und Rose 1994.
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den: »Wie sich regieren, wie regiert werden, wie die anderen regieren; durch wen regiert zu werden, muss man hinnehmen; was muss man tun, um der bestmögliche Regent zu sein?«19 Die Fragen kreisen daher um verschiedene Bereiche des gesellschaftlichen Lebens; sie betreffen den Staat oder ein Dorf, die Familie, den Haushalt, Klöster, Unternehmen sowie das Individuum als ein Selbst. Wie lässt sich die angemessene Lenkung dieser Personen, Gruppen und Dinge erzielen? Regieren heißt, ökonomisch zu regieren. Und die Ökonomie steht dabei ganz in ihrer ursprünglichen Bedeutung als weise Verwaltung und Leitung des Hauses zum gemeinschaftlichen Wohl der Familie.20 Die Einführung der Ökonomie zur Führung des Staates bringt entsprechend Techniken, Verfahren und Institutionen hervor, die das, was es zu regieren gilt, in seiner Einzelheit überwachen und kontrollieren. Machtverhältnisse, die sich im Lichte der Regierungskunst generieren, sind daher erstens nicht destruktiv, sie haben keine ausschließlich repressive Funktion, zehren nicht am Geld oder Leben der Individuen und stehen damit im Gegensatz zum Begriff der Herrschaft. Zweitens handelt es sich dabei um eine Mikrophysik der Macht, die in jedem Winkel individueller Lebensführung wirksam wird und in dieser Form ohne die Erfindung von Hilfsmitteln und Verfahren zur Aufzeichnung, Berechnung, Planung und Überzeugung nicht denkbar ist. Die Einsetzung der Ökonomie in die Regierung eines Staates hin zum gegenwärtigen Regieren auf liberal-demokratische Weise kann im Rahmen dieser Arbeit nicht nachverfolgt werden.21 Zu bemerken ist an dieser Stelle jedoch, dass mit dem Liberalismus auch eine besondere Problematisierung der Sicherheit einsetzt. Sicherheitstechnologien sind gar die Bedingung und Kehrseite liberaler Freiheit.22 Im Gegensatz zum Recht, das mit Ge- und Verbot und der bei Missachtung eingesetzten Strafverfolgung operiert und zur Disziplin, die 19 | Foucault 2000, S. 42. 20 | Vgl. ebd., S. 49. 21 | Siehe Foucault 2004b, insb. S. 49–111. 22 | Einen Abriss über die Frage nach der Gouvernementalität bei Michel Foucault geben Bröckling, Krasmann und Lemke 2000.
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darauf abzielt beispielsweise einen Straffälligen durch Techniken der Arbeit, Moralisierung und Maßnahmen zur Besserung zu transformieren, ordnen Sicherheitstechniken ein Problem wie die Kriminalität in eine Reihe wahrscheinlicher Ereignisse.23 Dies bedeutet aber auch, dass ein bestimmtes Ereignis als ein potentielles Risiko zuerst definiert werden muss. Vorbeugungen und Sicherheitsmaßnahmen bringen das, was sie regulieren sollen, immer auch hervor. Ein Risiko ist weder ein Ereignis noch ein Typus von Ereignissen; es gibt keine Risiken und doch kann alles ein Risiko sein. Risiken sind ein bestimmter Umgang mit Ereignissen, ein »Wahrscheinlichkeitskalkül«.24 Im Fall der Bedienungsanleitung wird erkenntlich, dass ein Elektroherd zum Beispiel zu einer Gefahrenquelle geworden ist, deren mögliche gesundheitliche und materielle Schäden erst nach und nach zu diesbezüglichen Maßnahmen der Sicherheit veranlassen. Und es zeigt sich daran, wie an Abbildung 13 deutlich wird, dass die Vermeidung einer Gefahr nicht nur im Interesse staatlicher Autoritäten liegt, sondern in die Belange der Individuen übersetzt wird. Nun lässt sich aber hinsichtlich dieser Übersetzungsrichtung auch eine Verschiebung vom Opfer zum »Viktimisierungsrisiko« beobachten.25 Jemand, der durch das feuchte Abwischen eines elektrischen Geräts einen kleinen Stromschlag bekommt, weil er den Netzstecker nicht gezogen hat, ist nicht länger Opfer eines Ereignisses, das wie eine unberechenbare Naturkatastrophe im allgemeinen Lebensrisiko auf ihn hereinbricht. Die Verminderung der Gefahr Opfer zu werden ist eine Aufgabe, für die man selbst verantwortlich ist. »Nur wer selbst alles getan hat, kann darauf hoffen, nicht selbst schuld(ig geworden) zu sein.«26 Bedienungsanleitungen, die eine Übersetzung ›genereller‹ Risiken in individuelle Risiken vollziehen, können daher als Spur einer systematischen Verunsicherung der Benutzer gelesen werden, die auf eine verstärkte Selbstkontrolle abzielt.
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Vgl. Foucault 2004c, S. 19. Vgl. Ewald 1993, S. 209ff. Vgl. Schmidt-Semisch 2000. Ebd., S. 186.
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MISSBRAUCH VOR DEM BRAUCH Gemessen an der Menge von Sicherheitshinweisen, der Anzahl der Wörter Warnung, Achtung und Gefahr und angesichts des inhaltlichen Aufbaus zeitgenössischer Bedienungsanleitungen, steht unweigerlich fest: Der Missbrauch kommt vor dem Brauch. Nach dem Deckblatt, mit im Vergleich zum restlichen Teil unverhältnismäßig groß gesetzter Schrift, oftmals noch vor dem Inhaltsverzeichnis und in manchen Fällen auch vom Umfang her dominanter als die Anweisungen zur Bedienung, sind die Hinweise darauf, was das Gerät nicht kann und was der Benutzer nicht tun darf. Die Defekthaftigkeit steht gegenüber der eigentlichen, manchmal doch sehr mühelosen Inbetriebnahme im Vordergrund. Irgendetwas am Gerät stört und der Benutzer, der steht als potentieller Störenfried unter Generalverdacht. Die Bedienungsanleitung, selbst das Gegenteil von störungsfreier Kommunikation, wird beauftragt und gesendet, als Entstörer zu agieren. Die parasitäre mediale Übertragung ist, weiter Michel Serres folgend, immer schon gezeichnet oder markiert vom Missbrauch.27 Störer und Entstörer tauschen in der dreifachen Beziehung permanent ihre Plätze. Es kann weder eindeutig festgelegt werden, wer wen bedient, wer dabei wen stört noch wer wem zu helfen vermag. Die Bedienungsanleitung, die grundsätzlich schon eine Zweckentfremdung vor dem Zweck darstellt, allein weil sie sich dazwischen schiebt und in die Interaktion von Mensch und Maschine eingreift, wird ferner in eine Zirkulation von Schuldzuweisungen und -unterstellungen verstrickt. Zum Beispiel im Fall der sogenannten »IKEA-Klausel«, § 434, Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs: »Bei einem Kauf liegt ein Sachmangel vor, wenn die Montageanleitung fehlerhaft ist.« Trotz jeglicher Verunsicherung bleiben Benutzer freilich nicht ›brav‹ oder sind verängstigt. Vielmehr wissen sie um die prekäre Stellung und können den Hersteller zum Beispiel mit Bezug auf obengenannten Paragraphen zur Rechenschaft ziehen und verklagen. Dafür steht stellvertretend die Urban Legend über eine ältere Dame, die ihre Katze zur Trocknung 27 | Vgl. Serres 1987, S. 17.
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des Fells in einer Mikrowelle platziert hätte und in Betrieb nahm. Die Trauer um den daraus resultierenden Tod des Haustieres hätte die Frau dazu veranlasst, beim Mikrowellen-Hersteller Schadensersatz zu fordern; mit der Begründung, dass in der Anleitung die Handlung nicht untersagt wurde. Der Benutzer ist nicht nur der dümmste anzunehmende, sondern in gewisser Weise auch raffiniert – so oder so ist und bleibt er ein potentieller Unruhestifter. Bezüglich der Kommunikation über die Interaktion beim heimischen Betrieb der Kaffeemaschine fragt sich dann doch so manch einer, ob er nicht für blöd verkauft wird. Der Hinweis »Bei Betrieb wird der Backofeninnenraum heiß« ist nach nahezu hundert Jahren Elektrizität im Haushalt wohl weniger mit einem Aha-Erlebnis verbunden, als mit einem Schmunzeln oder bloßer Ignoranz. Die historische Entwicklung des eigentümlichen Formats der Bedienungsanleitung veranschaulicht zum einen die rechts-ökonomische Relevanz der Kontaktstelle von Mensch und Maschine und zum anderen die daraus resultierende Selbst- und Fremdwahrnehmung der Benutzer. Von symmetrischer Einschätzung oder Gleichberechtigung von menschlichen und nichtmenschlichen Wesen, wie sie die Akteur-Netzwerk-Theorie praktiziert und nahelegt, kann im Zuge der durchaus drastischen Veränderungen nicht die Rede sein. Vorbei ist die Zeit der farbig illustrierten Heftchen, die sowohl bildlich als auch sprachlich das erworbene Produkt in einen Lebenszusammenhang stellen und beim Durchblättern ein Vergnügen bereiten, die mit zahlreichen Tipps & Tricks, mit liebevollen Ansprachen und gestalterischen Raffinessen den Benutzer zu überzeugen versuchen. Die Anleitung zur Manila 110 begrüßt mit ehrlicher Geste: »Der BLAUPUNKT-Fernseher vermittelt Ihnen Bild und Ton in höchster Vollendung. Doch allein kann er es nicht. SIE müssen ihn kennenlernen, wissen, wie er zu behandeln ist und ihn richtig bedienen.«28 Die Bedienungsanleitung des TV-Geräts X32/54G-GB-TCUP teilt zuallererst mit, dass die folgenden Sicherheitshinweise sorgfältig gelesen werden müssen und informiert dann: »Dieses Fernsehgerät umfasst keine durch den Benutzer reparierbaren Bauteile. Wenden Sie 28 | Blaupunkt, Fernseher Manila 110. Bedienungsanleitung, S. 2.
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sich bei Störungen an den Hersteller oder den autorisierten Service.«29 In Reparaturfällen mag sich in Reklameabteilungen so einiges abspielen, wenn erst zu definieren gilt, was ein tatsächlicher Konstruktionsfehler oder ein fehlerhaftes Verhalten der Benutzer ist. Folglich gibt es mittlerweile Bemühungen, die Leistung der Sicherheitshinweise und Vorsichtsmaßnahmen wieder in das Gerät zurück zu bringen, es in die technische Vorrichtung zu inskribieren. Consumer Abuse Detection nennen sich Überwachungsmaßnahmen in Silicium und Kunststoff, die den Hersteller vor Missbrauch ihrer Geräte schützen und Garantieanspruche ausschließen sollen. Apple meldet 2008 für die eigens entwickelte »Consumer Abuse Detection System and Method« sogar Patent an.30 Die Vorrichtung speichert zum Beispiel, wenn ein Gerät starker Kälte, extremer Hitze oder zu viel Feuchtigkeit ausgesetzt wird. Einige Produkte der Firma verfügen bereits über sogenannte Flüssigkeitssensoren, die bei Kontakt mit Wasser, Kaffee oder anderen liquiden Stoffen ihre Farbe ändern und damit vermeintlichen Missbrauch anzeigen. Bei einer Verfärbung kann Apple Reparaturen und Garantie ablehnen, ohne wissen zu müssen, ob der Benutzer vielleicht durch übermäßige Transpiration ein wenig Feuchtigkeit in seiner Hosentasche produziert hat. In den USA kam es bereits zu einem Rechtsstreit. Eine Nutzerin aus San Francisco verklagte Apple, weil genau dies bei ihr der Fall war – und verlor den Streit. Die User bringen nunmehr eigene Methoden hervor, um die Geräte wieder einem Brauch zuzuführen. Die Stellen, hinter denen sich die Indikatoren befinden, zum Beispiel am Kopfhörerausgang, werden bei Nichtbenutzung abgedeckt. Damit ist gleich eine Marktlücke geschaffen; für das Data Jack Anti-Dust Kit. Eine Kette aus Bräuchen und Missbrauchsunterstellungen und neuen Gebräuchen der Missbrauchsindikatoren wird in Gang gesetzt. Und sollte jemand in die Versuchung kommen, zu entscheiden, wer eigentlich wen missbraucht, dann tritt als letztes Beweismittel die Bedienungsanleitung in den Gerichtssaal. Denn im Handbuch ist in den Garantiebestimmungen unmissverständlich 29 | Blaupunkt, X32/54G-GB-TCUP. Bedienungsanleitung, S. 4. 30 | Hughes 2009, [www].
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festgehalten, dass der Hersteller, in diesem Fall Apple, eine Reparaturmaßnahme ablehnen darf, wenn eine unzweckmäßige Nutzung sowie ungeeignete Umgebungsbedingungen nachweisbar sind.
PÄDAGOGISCHE UND KÜNSTLERISCHE INTERVENTIONEN Angereichert mit Aspekten, die nicht mehr nur die eigentliche Inbetriebnahme und Operationen am Gerät angehen, wird die Bedienungsanleitung zu einem Instrument umfassenderer Einwirkungsoptionen. Die Interferenzen zum Genre der Ratgeberliteratur sind unübersehbar, wenn eine Anleitung für den Elektroherd neben zahlreichen Rezepten auch Tipps & Tricks für den Haushalt bereitstellen. Aber es sind besonders die alarmierenden Hinweise unter dem Schlagwort »Achtung!«, die den Benutzer einer extensiven Gouvernementalisierung unterziehen. Die Selbstverantwortung der Benutzer bezieht sich längst nicht mehr nur auf den »zweckmäßigen« Gebrauch, sondern auch auf die Fernwirkungen seines Nutzungsverhaltens auf Gesundheit und Umwelt. Dazu zählt beispielsweise der Acrylamidhinweis beim Competence 41056VH Elektrostandherd: »Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen kann eine intensive Bräunung der Lebensmittel, speziell bei stärkehaltigen Produkten, eine gesundheitliche Gefährdung durch Acrylamid verursachen. Daher empfehlen wir, möglichst bei niedrigen Temperaturen zu garen und die Speisen nicht zu stark zu bräunen.« 31
Die Debatte um die giftigen, krebserzeugenden, erbgutverändernden und fortpflanzungsgefährdenden Eigenschaften frittierter Speisen findet sich also als biopolitische Initiative in Bedienungsanleitungen wieder. Damit wird sie Teil eines Diskurses um gesundheitsgefährende Lebensmittelzubereitungen, wird dessen Zeitzeuge und gleichsam Mittel zur 31 | AEG, Competence 41056VH. Elektro-Standherd. Aufstell- und Gebrauchsanweisung, S. 6.
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Eliminierung von mit Acrylamid ›verseuchten‹ Speisen. Der Leser ist infolgedessen nicht nur ein Mensch, der zu einem kompetenten Benutzer heranwachsen soll und will, sondern auch eine zu erziehende Gestalt. Beigebracht wird neben technischen Handgriffen und einer umsichtigen Vorsichtsmentalität auch ein gesellschaftspolitisch relevantes Verhalten. Quasi nebenbei wird ein Nutzungsverhalten, das zunächst nur auf den Gebrauch im persönlichen Haushalt angelegt ist, zu einer Handlung mit weitreichenden Folgen. Deutlicher noch werden solche Erziehungsmaßnahmen im Piktogramm der durchgestrichenen Mülltonne (Abbildung 14). Sie findet sich in nahezu jedem beigelegten Schriftstück elektronischer Geräte und besagt: »Durch Ihren Beitrag zum korrekten Entsorgen dieses Produkts schützen Sie die Umwelt und die Gesundheit Ihrer Mitmenschen. Umwelt und Gesundheit werden durch falsches Entsorgen gefährdet.«32 Abbildung 14: Durchgestrichene Mülltonne
Die Geräte von heute sind Gefahrenquelle und Unglücksbringer, die Benutzer dumm (zumindest angenommen), verunsichert, selbstverantwortlich, gesundheits- und umweltbewusst. Die Bedienungsanleitung ist Spur einer Form von Kontrollmentalität und wichtige Bedingung, den mit Apparaten, Geräten und Gadgets hantierenden Menschen über genau dieses Verwickeltsein in technische Artefakte zu erreichen und zu erziehen. Ganz elementar gesehen ist die Bedienungsanleitung aber auch ein Informationsmedium, das neben der nahezu eskapistischen Überwucherung von Disziplinierungs- und Kontrollmethoden eine Inspirationsquelle für überlegte, gezielte sowie künstlerisch oder gesellschaftspolitisch motivierte Zweckentfremdung darstellt. Der Missbrauch – definiert 32 | AEG, KAM 200. Kaffeeautomat mit integrierter Kaffeemühle. Gebrauchsanweisung, S. 12.
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und unterstellt in der Bedienungsanleitung, überwacht und untersagt mit Neuerungen der Gerätetechnik – ist gleichzeitig auch ein reizvolles Handlungsfeld. Entsprechend tritt wieder die Triade von menschlichen Wesen, Zeichen und technischen Objekten zu Tage, über die ein zweckund rechtmäßiger Umgang festgelegt, hinterfragt und ausgehandelt wird. Die Vorsichtsmaßnahmen und Sicherheitshinweise erzeugen einerseits eine Gängelung der User, andererseits machen sie auf Lücken aufmerksam; Lücken, die der Hersteller nicht zu schließen wusste, die aber als Offenes und Ungelöstes Freiräume liefern. In manchen Fällen mögen sie lebensbedrohliche und gesundheitsbeeinflussende Gefahren darstellen, in manchen ist der Grund der Abwehr unersichtlich und für Technikversierte und -interessierte überflüssig. Häufig anzutreffende Aussagen wie »Das Gerät nicht öffnen!« und deren strikte Befolgung würde vielleicht die Arbeitsplätze in Reklame- und Reparaturabteilungen sichern oder bestenfalls zu vermehrten Käufen neuer Produkte führen – denn »Nicht öffnen!« heißt auch, nicht eigenständig reparieren zu können –, Phänomene wie Device Hacking oder auch eine sogenannte Medienkunst blieben jedoch aus. Die Anleitung ist in solchen Praktiken allenfalls Nachschlagewerk. Gestalterische und sprachliche Eigenheiten und vor allem die soziokulturellen Implikationen des Mediums Bedienungsanleitung finden nicht nur insofern Eingang in künstlerische Formate, als es um ihre Aufhebung oder Missachtung geht, sondern auch in einer besonderen Reflexion ihrer Stellung als Drittes zwischen Urheber/Leser oder Hersteller/Benutzer. So zum Beispiel das Projekt No Photo von Daniel Eatock, das schlicht aus der Anweisung besteht: »No Photo. Photograph the signs that tell you not to and email to: daniel (at) eatock (dot) com.«33 Die Fotos derjenigen, die der Anweisung gefolgt sind, werden auf Eatocks Website präsentiert. Die gesamte Aktion wie auch die Bilder weisen eine interessante paradoxale Struktur auf. Erstens besteht die Anleitung darin, ein Foto zu schießen und zweitens, das Resultat an den Künstler zu senden. Ersteres ist eine Aufforderung zum Ungehorsam, da sie genau das Gegenteil von dem fordert, auf das sie sich bezieht. 33 | http://www.eatock.com/participate/no-photo/ [Stand: 30.12.2010].
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Derjenige, der sich an- beziehungsweise verleiten lässt, begeht einen Missbrauch und liefert mit dem in der Aktion entstandenen Bild sogar noch einen Beweis dafür. Würde er jedoch der Anleitung Eatocks nicht folgen, sich ihr gegenüber also ungehorsam zeigen, missbraucht er den Missbrauch. Der Rezipient ist also verstrickt in eine unauflösbare Struktur, in der Bräuche nur durch Missbräuche möglich sind und umgekehrt. Mit Befolgung der zweiten Aufforderung Eatocks, nämlich des Verschickens des entstandenen Bildes an die genannte e-Mail-Adresse, tritt ein weiteres Problem auf: Wer ist der Urheber und damit verantwortlich für die Tat? Angewiesen von dem Künstler, ausgeführt von dessen Rezipienten, ist eine eindeutige Zuschreibung der Autorschaft nicht möglich. Auf den Punkt gebracht wird damit einerseits das Zusammenwirken von Handlungen und Behandlungen und andererseits die Grundeigenschaft des Medialen, immer im Auftrag zu agieren. Diese Problematisierung von Autorschaft ist seit den 1960er Jahren vor allem in der Conceptual Art immer wieder von Bedeutung. In einer Dematerialisierung der Kunstobjekte, die teilweise nur aus Skizzen, Beschreibungen und eben Anleitungen bestehen, rückt das ›fertige Objekt‹ gegenüber des konzeptuellen Gedankens in den Hintergrund. Der Künstler führt in den sogenannten Instruction Pieces sein Werk nicht mehr selbst aus, sondern delegiert diese Tätigkeit an den Rezipienten, der nunmehr Teil des Schaffensprozesses wird. Die Loslösung und Distanzierung des Künstlers von den in Umlauf gebrachten Schriften oder Bildern steht für dessen Selbstverständnis im Vordergrund.34 Wesentlicher Bestandteil der später mit dem Attribut interaktiv bezeichneten Performances und Installationen, die eine Teilhabe der Rezipienten beabsichtigen, ist also stets eine Bedienungsanleitung. Im Falle Eatocks oder des von Hans Ulrich Obrist inszenierten Projekts DO IT35 ist die Anleitung jedoch nicht nur Teil des Kunstwerks, sondern sie ist das Kunstwerk selbst.
34 | Altshuler 1997, S. 22. 35 | Siehe Obrist und Altshuler 1997.
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»tear out this page while listening attentively listen and crumple the page into a small ball you can repeat these sounds with other pages save the ball(s) discard the book.« CHRIST IAN MARCL AY, 1995
(An)Schluss
Wenn der Name des Geräts es auch suggerieren mag: Der Kaffeeautomat KAM 200 kocht nicht allein einen Kaffee. Wer oder was hier kocht, ist eine Interferenz von technischen Funktionen und menschlichen Kompetenzen. Denn wie das Wort Bedienung impliziert, dient der Benutzer dem Gerät auch, indem er es bedient. Beide gehen miteinander eine ›Liaison‹ ein und damit die Beziehung nicht zu schnell wieder beendet wird, sind – je nach Exemplar – ein paar Regeln zum Umgang zu erlernen. Definiert werden diese Regeln einerseits von der mechanischen, elektrischen oder elektronischen Beschaffenheit der Geräte selbst: Sie können zwar vieles, aber manches können sie nicht. Diese Imkompetenzen – das Grundgerät der KAM 200 ist zum Beispiel nicht wassertauglich – müssen durch Kompetenzen seitens der Benutzer wieder ausgeglichen werden. Darüber hinaus sind es heterogene Interessengruppen, die auf das Nutzungsverhalten einwirken. Artikuliert sind sie über die zahlreichen Ge- und Verbote, Vorsichtsmaßnahmen und Hinweise zur Garantie. Jedes technische Artefakt hat ein Skript, dass die Rollen der beteiligten menschlichen und nicht-menschlichen Akteure vorgibt. Der Benutzer ist folglich in ein Dispositiv eingespannt, das mit zahlreichen Kräfte- und Machtlinien sein Verhalten zur Kaffeemaschine oder anderen Geräten prägt und begrenzt. Die Beziehung zwischen Benutzer und Gerät ist daher erstens nie einfach, zweitens ist sie gestört und von vornherein bedingt durch einen Dritten. Die Bedienungsanleitung – sie schiebt sich dazwischen, besetzt die Kontaktstelle und stellt damit einen Kontakt her. Sie ist Übermittler einer Botschaft aus der Welt des Geräts, denn es selbst spricht (in der Regel) nicht. Es braucht einen Stellvertreter, ein Medium, das
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›im Namen des Geräts‹ über die wichtigsten Operationen, Gefahren und technischen Daten informiert: Entwickler, »Elektroberater« und Kundendienst. Die schriftlich und bildlich fixierten Instruktionen, Erläuterungen und Tipps sind dann wiederum Delegierte des Servicepersonals. Die Übermittlung von technischen Handgriffen bedarf also einer vorgängigen Technik der Anleitung; Formen der visuellen Argumentation, der Lenkung von Blick und Lektüre sowie der Überzeugung und Überredung. Denn als Medium operiert die Bedienungsanleitung parasitär. Sie stiftet eine Relation, die in der Übertragung Zustandsänderungen erlebt, sich verwandelt und die Beteiligten transformiert. Wahrlich gelungen ist der Übertragungsvorgang schließlich erst dann, wenn die vor- und aufgeschriebenen Vorgänge vom Benutzer antizipiert wurden. Soll ein Gerät funktionieren, muss auch der Benutzer funktionieren; als Leser und Betrachter, dessen Verhalten schon in Bild und Sprache über Pfeile, Bildunterschriften, Piktogramme, den imperativischen Infinitiv und Ausrufezeichen kontrolliert wird. In Tradition einer Kultur anleitender Literatur stehend, ist die Bedienungsanleitung auch Symptom einer »auto-operativen Krümmung«. Sprachlich und bildlich vermittelte Handlungsanweisungen sind eine Möglichkeit zur Selbsthilfe, die aber nur dann wirksam wird, wenn der Hilfesuchende einen Teil seiner Handlungsmacht abgibt, sich bevormunden beziehungsweise bevorschriften lässt. Der Benutzer hilft sich also selbst und wird mit der Bedienungsanleitung in der Hand selbstverantwortlich dafür, dass sein Gerät nicht frühzeitig ›seinen Geist aufgibt‹ oder als gesundheitsgefährdendes Monstrum das Leben bedroht. Wer ein kleines Heft in Umlauf bringt, vermag eine große Verantwortung umzuverteilen. Schließlich sieht sich der Benutzer angesichts der Fülle von Vorsichtsmaßnahmen und Sicherheitshinweisen, die gegenwärtig die zum Gerät mitgelieferten Faltblätter, Hefte und Handbücher überwuchern, einer Regierungskunst ausgesetzt, die ihn als Störfaktor, aber gleichzeitig besserungswilligen Menschen anvisiert. Die Bedienungsanleitung ist folglich auch eine Erziehungsmaßnahme und die Interferenzen zur Ratgeberliteratur sind unübersehbar. Umgekehrt verwenden zeitgenössische Ratgeber zur Erziehung eines Kindes (The Baby Owner’s Manual)
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bewusst das Vokabular der Bedienungsanleitung – rationalisierte und schematisierte Informationen –, um die Erlernung von Körper- und Selbsttechniken auf die Einübung bloßer technischer Griffe und Kniffe zu reduzieren. Wenn auch eine Kontinuität vor allem in den bildlichen Konventionen besteht, ist die Bedienungsanleitung dennoch in einem historischen Wandel begriffen. Der hohe Grad an Schematisierung, die Kürze der Beschreibungen und Anweisungen sowie der inhaltliche Aufbau – Missbrauch vor dem Brauch – sind erst seit etwa den 1970er Jahren charakteristisch für die Modi technischer Kommunikation. Der adressierte und dressierte Benutzer war nicht immer über das Vorurteil vom DAU erreichbar, sondern gelegentlich durchaus ein höflich begrüßter und vergnüglich gestimmter Mensch. Gestalterische Finessen wie handgezeichnete Illustrationen, die zwar nicht die anleitende Funktion verbessern, aber den Wert einer Bedienungsanleitung als Druckerzeugnis steigern und tatsächlich zum Lesen oder ungezwungenen Durchblättern anregen, sind heute unüblich. Eine Medien- und Kulturgeschichte, die hier weder eine Vollständigkeit beansprucht noch als abgeschlossen gilt, fragt zuletzt auch nach der zukünftigen Relevanz der Bedienungsanleitung. Einerseits wird insbesondere am Beispiel der Consumer Abuse Detection Systeme deutlich, dass Bedienkonzepte und Überwachungsvorrichtungen schriftliche Hinweise als ungenügend einschätzen. Auch sogenannte ›intuitive‹ Benutzerschnittstellen sind eine Bemühung, die Geräte selbsterklärend und damit die medial vermittelten Anweisungen obsolet zu machen. Schon im Lieferumfang der ersten Generation von iPhones der Firma Apple sind keine gedruckten Anleitungen mehr enthalten, was aufgebrachte und doch enthusiastische User dazu veranlasst, ein Missing Manual zu schreiben.1 Letztlich bleiben mithin nur die Garantiebestimmungen und Hinweise zur Entsorgung als Inhalt eines vormaligen Handbuchs bestehen. 1 | Siehe Pongue, David und Christian Hieber (2008), iPhone. Missing Manual. Das fehlende Handbuch zu ihrem Liebling, 1. Aufl., aktualisierte dt. Ausgabe, Köln: Pogue Press, O’Reilly.
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Andererseits ist das Format des gedruckten Buches ein Auslaufmodell. Hypertextuelle Handbücher, die beispielsweise auf eine gezielte Suche nach Schlagwörtern setzen, werden als CD-Rom mitgeliefert oder vom Hersteller online zur Verfügung gestellt. Animationen und Videotutorials finden vor allem dann Verwendung, wenn ein potentieller Benutzer sich mit dem neuen Produkt vertraut machen und die wichtigsten ›Highlights‹ kennenlernen soll. Diese zeitgenössischen Spielarten fordern eine gesonderte medientheoretische Untersuchung. Die Bedienungsanleitung als ein spezifischer, aber einflussreicher Fall einer Kultur und Technik der Anleitung ist jedoch weiterhin nicht zu unterschätzen. Ihre Ubiquität konditioniert die Arten und Weisen, mit denen Menschen anderen Menschen etwas beibringen. Jenseits vorgefertigter Skripte und außerhalb der Verstrickung in Risikominierung, Garantieeinschränkungen und Zweckbestimmungen verhelfen individuelle und liebevoll gestaltete Anleitungen dazu, einen eigensinnigen Umgang mit der Welt der Dinge zu etablieren. Dazu zählt zum einen generell die Praktik des Do-It-Yourself und zum anderen die handlungsorientierten Redefinitionen dessen, was ein industriell gefertigtes technisches Artefakt kann und darf. So regelmäßig wie sich die Frage »How to …?« stellt, so voll sind Internetplattformen wie Youtube mit Videos, die diese Worte im Titel führen. MAKE, so lautet der Name eines Magazins, das sich auf Projekte spezialisiert hat, die getreu dem auferlegten Motto »Tweak Technology to Your Will« gegen oder zumindest abseits der vom Hersteller festgelegten Handlungen neue Nutzungsverhalten vermitteln. Die Koexistenz von Bedienungsanleitungen und solchen Anleitungen, in denen die User einen modus operandi vorschlagen, darf nicht unberücksichtigt bleiben. So ist es eine noch zu bewältigende Aufgabe einer Kultur- und Mediengeschichte der Bedienungsanleitung, auch die Formen und Formate aufzuspüren, die sich neben der enormen Verunsicherung und DAU-isierung in produktspezifischer Gebrauchsliteratur herausbilden und Aufschluss darüber geben, was es heißt, ein Benutzer zu sein.
Literatur
Agamben, Giorgio (2008),Was ist ein Dispositiv?, Zürich/Berlin: diaphanes. Akrich, Madeleine und Bruno Latour (2006), »Zusammenfassung einer zweckmäßigen Terminologie für die Semiotik menschlicher und nicht-menschlicher Konstellationen«, in: Belliger, Andréa und David J. Krieger (Hrsg.), ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie, Bielefeld: transcript, S. 399–406. Altshuler, Bruce (1997), »Art by Instruction and the Pre-History of do it«, in: Obrist, Hans-Ulrich und Bruce Altshuler (Hrsg.), Do it, New York : Independent Curators Inc., S. 21–32. Badras, Catherine (2005), Bedienungsanleitungen im Wandel. Eine explorative Studie über vier Jahrzehnte am Beispiel von Bedienungsanleitungen elektrischer Herde der Firma Neff, Münster: Lit.-Verlag. Barthes, Roland (1990), »Rhetorik des Bildes«, in: ders., Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn, 1. Aufl., Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 28–40. Blumenberg, Hans (1963/1999), »Lebenswelt und Technisierung unter Aspekten der Phänomenologie«, in: ders., Wirklichkeiten in denen wir leben, Stuttgart: Reclam Verlag, S. 7–54. Bogen, Steffen (2006a), »Algebraische Notation und Maschinenbild, Eine Rechenmaschine avant la lettre«, in: Bredekamp, Horst (Hrsg.), Visuelle Argumentationen, München: Wilhelm Fink, S. 183–204. — (2006b), »Repräsentative Maschinenzeichnungen und Perspektivkunst«, in: Heßler, Martina (Hrsg.), Konstruierte Sichtbarkeiten. Wissenschafts- und Technikbilder seit der Frühen Neuzeit, München: Wilhelm Fink, S. 132–152.
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Dank
Für die vielseitige fachliche Unterstützung und Betreuung danke ich herzlich Friedrich Balke, Markus Krajewski und Felix Sattler. Weiterhin danke ich dem Frauenförderfonds der Bauhaus-Universität Weimar für die finanzielle Unterstützung und dem historischen Archiv des Deutschen Technikmuseums Berlin für die Bereitstellung des Materials. Besonderer Dank für Anregungen, Hilfe und Krisenintervention gilt Katharina Bergmann, Christoph Eggersglüß, Lea Gamula, Sophie Hausig, Manuela Klaut, Martin Schotten, Lisa Schreiber, Benjamin Thiessen, Mandy Unger, Moritz Wehrmann und meiner Familie.
Masse und Medium Friedrich Balke, Gregor Schwering, Urs Stäheli (Hg.) Paradoxien der Entscheidung Wahl/Selektion in Kunst, Literatur und Medien 2003, 248 Seiten, kart., 24,80 €, ISBN 978-3-89942-148-4
Christina Bartz MassenMedium Fernsehen Die Semantik der Masse in der Medienbeschreibung 2007, 276 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN 978-3-89942-628-1
Alexander Böhnke Paratexte des Films Über die Grenzen des filmischen Universums 2007, 192 Seiten, kart., zahlr. Abb., 25,80 €, ISBN 978-3-89942-607-6
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Masse und Medium Eva Horn, Lucas Marco Gisi (Hg.) Schwärme – Kollektive ohne Zentrum Eine Wissensgeschichte zwischen Leben und Information 2009, 278 Seiten, kart., zahlr. Abb., 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1133-5
Jens Schröter, Gregor Schwering, Urs Stäheli (Hg.) Media Marx Ein Handbuch 2006, 408 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-89942-481-2
Dirk Verdicchio Das Publikum des Lebens Zur Soziologie des populären Wissenschaftsfilms 2010, 208 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 27,80 €, ISBN 978-3-8376-1583-8
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de