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German Pages VI+144 [154] Year 1967
STUDIEN ZUR E N G L I S C H E N PHILOLOGIE N E U E FOLGE
Herausgegeben von Gerhard Müller-Schwefe und Friedrich Schubel
Band 12
„GNADE" B E I CYNEWULF UND SEINER SCHULE Semasiologisch-onomasiologische Studien zu einem semantischen Feld von KLAUS FAI SS
Oedruckt mit Unterstützung des Kultusministeriums Baden-Württemberg. Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Eberhard-Karls-TJniversität zu Tübingen 1967 als Dissertation angenommen.
© Max Niemeyer Verlag Tübingen 1967 Alle Rechte vorbehalten • Printed in Germany Satz und Druck: H. Laupp jr Tübingen
INHALT
EINLEITUNG
1
FORSCHUNGSBERICHT
3
GRUNDBEGRIFFE
Kapitel
I.
Z U M P R O B L E M DER „ B E D E U T U N G "
21
1. Der Kontext 2. Was ist „Bedeutung"? Kapitel II.
Z U R T H E O R I E DES SEMANTISCHEN F E L D E S
21 25 . .
38
A. Das assoziative Feld B. Das semantische Feld
38 40
HAUPTTEIL
Kapitel
I.
Kapitel II.
METHODISCHES
53
„ G N A D E " B E I C Y N E W U L F UND SEINER S C H U L E .
57
Vorbemerkung
57
AR
58 58 63 64 66 66 68
1. 2. 3. 4. 5. 6.
ar (Subst.) arfsest (Adj.) arleas (Adj.), -lice (Adv.) arian (Vb.) are (Subst.) Ergebnisse
BILEWIT
70
MILTS
1. 2. 3. 4.
71
milts (Subst.) milde (Adj./Adv.) (ge)miltsian (Vb.) Ergebnisse
71 77 80 81 V
HYLDTJ
1. hyldu (Subst.) 2. hold (Adj.), -lice (Adv.) 3. Ergebnisse EST
1. 2. 3. 4.
82
82 84 86 87
est (Subst.) este (Adj.), estlice (Adv.) estig (Adj.) Ergebnisse
Liss 1. Mas (Subst.) 2. lide (Adj.) 3. Ergebnisse GIEFU
1. giefu (Subst.) 2. gifede (Adj.) 3. Ergebnisse BLISS
1. blide (Adj.) 2. bliss (Subst.) 3. (ge)blissian (Vb.) 4. Ergebnisse LOF
1. lof (Subst.) 2. lofian (Vb.) 3. Ergebnisse GL.ŒD, LEOP, EABMOD
87 89 89 90 90 91 93 95 96
96 104 104 105
105 109 112 115 117 117 124 125 125
SCHLTTSS
128
SUMMARY
131
ANHANG
134
BIBLIOGRAPHIE
135
VERZEICHNIS DER A E . BELEGE
140
NAMENREGISTER
144
VI
EINLEITUNG
I n ihrem 1964 veröffentlichten Aufsatz "A Method for Determining the Connotations of 0 . E. Poetic Words" schreibt D O R E E N M. E. G I L L A M : "Students of 0 . E. poetry today are in a curious position. They find themselves responding deeply to the effects o f t h a t poetry, effects which continue to operate across the centuries, without understanding very much about the techniques which created them. They acquire a sense of an indefinable excellence which they cannot easily explain to themselves or to others ... The approach suggested here is via the detailed and scientific observation of poetic words, in fact, through the study of connotative meaning as a means of determining the poetic value of 0 . E. words." 1 Auch die vorliegende Arbeit sieht ihre Aufgabe darin, möglichst genau den Bedeutungsgehalt z.T. recht vieldeutiger und noch keineswegs völlig geklärter ae. Begriffe einzugrenzen bzw. ihre gegenseitigen Überlagerungen aufzuzeigen. Für eine Lösung schien sich das semantische Feld, das die Ausdrücke für „Gnade im weitesten Sinne" umfaßt, anzubieten. Dieses Gliederungsprinzip der semantischen Seite des Wortschatzes muß deswegen eingehend erläutert werden; im besonderen wird herauszuarbeiten sein, was hier unter diesem Terminus verstanden wird. Vorausgeschickt werden Betrachtungen über einige wichtigere Studien, die die ae. Wortfeldforschung und - wenigstens die neueren — auch die ae. Wortsemantik zum Thema haben. Dieses Kapitel dient vor allem der Orientierung über die Fortschritte auf diesem Gebiet. Die Rolle des Kontexts bei der Bestimmung von Wortinhalten und die Frage der „Bedeutung" 2 werden ausführlich diskutiert. 1 2
Studio Germanica Gandensia 6 (1964), 85. Die Forderung H. E. Brekles im Anschluß an St. Ullmann, die „funda-
1
Da es sich um Erörterungen sprachlicher Phänomene handelt, soll auch die Funktion der Sprache in der menschlichen Gemeinschaft kurz gestreift werden. Damit sind die theoretischen Grundlagen für den praktischen Hauptteil geschaffen, der an Hand einer vollständigen Belegsammlung den Begriff „Gnade" bei Cynewulf und seiner Schule 3 erhellt.
8
mentale Voraussetzung für jede semantische Forschung" müsse „die Erarbeitung einer genügenden und fruchtbaren Definition des Wesens des Inhaltsaspekts eines sprachlichen Zeichens" sein, erhebt auch die vorliegende Arbeit zum Grundsatz. - H . B . Brekle, Semantische Analyse von Wertadjektiven als Determinanten persönlicher Substantive in William Caxtons Prologen und Epilogen (Diss. Tübingen, 1963), 14. Zur Begründung vgl. S. 53.
2
FORSCHUNGSBERICHT
Von den zahlreichen Abhandlungen, die semantisch zusammengehörige Wörter im Ae. darstellen, seien hier nur diejenigen erwähnt, 1 die den Fortschritt in dieser Forschungsrichtung besonders gut veranschaulichen. Bei den onomasiologischen Untersuchungen, 2 die ihre Blütezeit etwa von der Jahrhundertwende an bis in die dreißiger Jahre hinein erlebten und die auch heute noch erscheinen, trifft man häufig auf dieselbe Methode: Ihre Autoren befassen sich meist mit konkreten Begriffen, die im Leben der Angelsachsen eine Rolle gespielt haben. Die Analyse erfolgt fast ausschließlich auf kulturgeschichtlich-etymologischer Grundlage, was z.T. schon aus den Untertiteln dieser Arbeiten hervorgeht. Nur selten fragen sie nach der „Bedeutung" eines Wortes und berücksichtigen diese auch dann nicht, nachdem die theoretischen Grundlagen für eine Bedeutungslehre vorhanden sind. 3 Sie beschränken sich zwar auf den 1
2
s
Eine kritische Würdigung der Arbeiten über „Wortfelder" im Me. und Ne., im Dtsch. und Frz. ist hier nicht möglich. Die Auswertung verdienstvoller Untersuchungen wie der von J . D . Schleyer, Der Wortschatz von List und Betrug im Altfranzösischen und Altprovenzalischen (Bonn, 1961), der von H. Krings, Die Geschichte des Wortschatzes der Höflichkeit im Französischen, Roman. Versuche und Vorarbeiten, hg. Roman. Seminar Bonn, 11 (Bonn, 1961) (rez. K. Lichem in NS N.F. 15 [1966], 44 f.), der von H. TTtz, Das Bedeutungsfeld „Leid" in der englischen Tragödie vor Shakespeare, Schweizer Angl. Arb. 54 (Bern, 1963) oder der von P. Böse, „Wahnsinn" in Shakespeares Dramen. Eine Untersuchung zu Bedeutungsgeschichte und Wortgebrauch, Stud. zur engl. Phil. N.F. 10 (Tübingen, 1966), muß anderen vorbehalten bleiben. Für die ae. Wortsemantik sind sie ohnehin weder thematisch noch methodisch relevant. Vgl. zur Kritik an der Onomasiologie H. Gipper, Bausteine zur Sprachinhaltsforschung. Neuere Sprachbetrachtung im Austausch mit Geistes- und Naturwissenschaft (Düsseldorf, 1963), 34 ff. Vgl. St. Ullmann, Semantics. An Introduction to the Science of Meaning (repr. Oxford, 1964), 4 ff.
3
„Typus ,Wort und Sache"', 4 doch ist der große Fleiß, mit dem die Belege (Grundwort samt Zusammensetzungen und Ableitungen), oft aus der ae. Prosa und Poesie, zusammengetragen wurden, anzuerkennen. So erwecken diese Studien manchmal den Eindruck kleiner Wörterbücher, deren Angaben vollständiger sind als selbst die bei Bosworth-Toller; in den meisten Fällen sind sie dazuhin Fundgruben für Etymologien, die größtenteils den verschiedensten Zeitschriftenaufsätzen entnommen und durch eigene Überlegungen ergänzt wurden. Eine der ersten Untersuchungen dieser Art lieferte 1889 JOHANNES HOOPS. 5 I h m
folgte
1903 RICHARD JOEDAN m i t
einer
Sammlung der ae. Säugetiernamen.6 In enger Anlehnung daran schrieben 1906 JOHANN JAKOB KÖHLER über die N a m e n der F i s c h e i m A e . 7 u n d JOHN VAN ZANDT CORTELYOU über die der I n s e k t e n
usw. 8 MAY LANSFIELD KELLER setzte im gleichen Jahr diese Reihe
mit dem Thema „Waffen" 9 fort, die-wie bekannt-von hervorragender Bedeutung bei den Angelsachsen waren. Nicht minder wichtig für dieses meerverbundene Volk war das Schiff. Dem trug HEINRICH SCHNEPPER in seiner Dissertation Rechnung. 10 Ebenfalls im Jahre 1908 b e s c h ä f t i g t e sich W I L H E L M K L U M P m i t d e n i m A e . g e b r ä u c h -
lichen Bezeichnungen für Handwerker. 11 Ein ähnliches Thema stellte sich 1931 in einem weiter gesteckten R a h m e n ARTHUR SZOGS. 12 * W . Kühlwein, Die Verwendung der Feindseligkeitsbezeichnungen in der altenglischen Dichtersprache (Diss. Kiel, 1965), I. - Zu den Zitaten, die alle der masch.-schriftl. Passung, die der Verf. in dankenswerter Weise zur Verfügung stellte, entnommen sind, ist die Druckfassung (Münster, 1967) zu vergleichen. 6 Über die altenglischen Pflanzennamen (Freiburg, 1889). 6 Die altenglischen Säugetiernamen, A P 12 (Heidelberg, 1903). 7 Die altenglischen Fischnamen, A P 21 (Heidelberg, 1906). 8 Die altenglischen Namen der Insekten, Spinnen- und Krustentiere, I. Teil: Käfer, Hautflügler, Schmetterlinge (Diss. Heidelberg, 1906), vollständig in A P 19 (Heidelberg, 1906). • The Anglo-Saxon Weapon-Names, treated archssologically and etymölogicälly, A P 15 (Heidelberg, 1906). 10 Die Namen der Schiffe und Schiffsteile im AUenglischen. Eine kulturgeschichtlich-etymologische Untersuchung (Diss. Kiel, 1908). Ausführliche Besprechung b e i W . Kühlwein, a.a.O., I f. 11 Die altenglischen Handwerkernamen sachlich und sprachlich erläutert, A P 24 (Heidelberg, 1908). Thematisch eng damit verbunden: C. Brasch, Die Namen der Werkzeuge im Altenglischen. Eine kulturhistorisch-etymologische Untersuchung (Diss. Kiel, 1910). 12 Die Ausdrücke für „Arbeit" und „Beruf" im AUenglischen, A P 73 (Heidel-
4
B e t r a c h t e t m a n d i e F o l g e n des D i e b s t a h l s a m D r a c h e n s c h a t z i m Beowulf,
r e c h t f e r t i g t sich eine D a r b i e t u n g der Schmuckstücke u . a .
bei d e n a l t e n E n g l ä n d e r n eigentlich v o n selbst. 1 3 LEOPOLD GRAF 1 4 u n d H A R R Y JAKOBS 15 w ä h l t e n L a n d w i r t s c h a f t l i c h e s u n d d a m i t zus a m m e n h ä n g e n d e D i n g e , THEODOR KROSS l e g t e d i e B e z e i c h n u n g e n u n d d i e V e r w e n d u n g der G e f ä ß e b e i den Angelsachsen dar. 1 6 W ä h r e n d es sich K A R L GUNTERMANN zur A u f g a b e m a c h t e , T e r m i n i f ü r G o t t , Christus usw. nicht nur i m A e . , sondern in d e n w e s t g e r m . Sprachen ü b e r h a u p t z u o r d n e n u n d z u erklären, 1 7 g i n g
FRANZ
THÖNE auf den Menschen in ae. Z e i t ein, i n d e m er i h n gewissermaßen „ s e z i e r t e " , 1 8 u n d W I L L I GRAMM interessierte, w i e es u m d i e H y g i e n e bei d e n A n g e l s a c h s e n s t a n d . 1 9 I n f a s t derselben W e i s e h a n d e l n z w e i 1921 erschienene A r b e i t e n ihre T h e m e n a b . 2 0 I m L a u f e der f o l g e n d e n J a h r e w i r d eine A k z e n t v e r l a g e r u n g
in
der F o r s c h u n g deutlich. V o n einigen A u s n a h m e n abgesehen, 2 1 t r e t e n die B e d e u t u n g s e r m i t t l u n g , der B e d e u t u n g s w a n d e l u n d seine U r sachen i m m e r m e h r i n d e n V o r d e r g r u n d ; S e m a n t i k i m a l l g e m e i n e n u n d W o r t f e l d f o r s c h u n g i m besonderen g e w i n n e n an G e w i c h t . D a ß G e l e h r t e w i e FERDINAND
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14 16
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DE SAUSSURE, CHARLES B A L L Y ,
JOST
berg, 1931). I m Frühjahr 1968 soll K . B . Grinda, Die altenglischen Ausdrücke für „Arbeit" und „Mühe", erscheinen. Vgl. R . M . Garrett, Precious Stones in Old English Literature, Münchener Beitr. zur roman. und engl. Phil. 47 (1909), und A . Hansen, Angelsächsische Schmucksachen und ihre Bezeichnungen. Eine kulturgeschichtlich-etymologische Untersuchung (Diss. Kiel, 1913). Ähnliche Fragestellung bei J. Matzerath, Die altenglischen Namen der Geldwerte (Diss. Bonn, 1911). Landwirtschaftliches im altenglischen Wortschatze (Diss. Breslau, 1909). Die Namen der profanen Wohn- und Wirtschaftsgebäude und Gebäudeteile im Altenglischen. Eine kulturgeschichtliche und etymologische Untersuchung (Diss. Kiel, 1911). Die Namen der Gefäße bei den Angelsachsen (Diss. Kiel, 1911). Herrschaftliche und genossenschaftliche termini (für gott, christus, den teufel und ihre umgebung) in der geistlichen epik der westgermanen (Diss. Kiel, 1910); ähnlich G. Kellermann, Studien zu den Gottesbezeichnungen in der angelsächsischen Dichtung (Diss. Münster, 1955). Die Namen der menschlichen Körperteile bei den Angelsachsen (Diss. Kiel, 1912). Die Körperpflege der Angelsachsen. Eine kulturgeschichtlich-etymologische Untersuchung, A F 86 (Heidelberg, 1938). R . Jente, Die mythologischen Ausdrücke im altenglischen Wortschatz. Eine kulturgeschichtlich-etymologische Untersuchung, A F 56 (Heidelberg, 1921), F. Mezger, Angelsächsische Völker- und Ländernamen (Diss. Breslau, 1921). Vgl. die Erscheinungsjahre der obengenannten Arbeiten. 5
um nur einige zu nennen, hier wegweisend waren, ist immer wieder hervorgehoben worden und bedarf keiner näheren Ausführung. Einen ersten Fortschritt in der langen Reihe der rein onomasiologisch und kulturhistorisch-etymologisch orientierten Abhandlungen bildet die von A L F R E D W O L F 2 2 insofern, als der Kontext als ein wichtiges Kriterium bei der Erhellung von Wortinhalten klar erkannt wird. 23 B E R T I L W E M A N S Untersuchung hält nicht das, was ihr Titel verspricht. Mit Recht wirft ihr W O L F G A N G K Ü H L W E I N vor, sie beschränke sich „fast ausschließlich auf das im Untertitel Angekündigte" ( I I I ) . Weman sucht nach der Bedeutung der folgenden Bewegungsverben und ihrer Komposita: faran, feran, gewitan, leoran, gangan, gan, eode, stseppan, wadan, lidan, scridan, wendan, wandrian, hweorfan, hwearfian, wealcan, sceacan. Das, was interessant gewesen wäre, nämlich eine Auseinandersetzung mit der neueren Theorie und der praktischen Auswertung der von GUSTAV S T E R N erarbeiteten Prinzipien zur semantischen Analyse ae. Wörter, 2 4 wird auf die „fünf Seiten umfassende Einleitung" 2 5 beschränkt. Problematisch sind u.a. Wemans Bemerkungen zur Synonymität. Daß Synonymität nicht Bedeutungsidentität ist, 26 sollte keiner Begründung bedürfen. Die Behauptung Wemans, "If two 'competing' words reach the stage of identical synonymity the 'compeT R I E R , W A L T E R PORZIG, L E O WEISGERBER,
22 28 24
26 26
Die Bezeichnungen für Schicksal in der angelsächsischen Dichtersprache (Diss. Breslau, 1919). Old English Semantic Analysis and Theory with Special Reference to Verbs Denoting Locomotion, Lund Studies in English 1 (Lund, 1933). Swift, Swiftly and their Synonyms (A Contribution to Semantic Analysis and Theory), Göteborgs Högskolas Ârsskrift 3 (Göteborg, 1921), Meaning and Change of Meaning with Special Reference to the English Language, Göteborgs Högskolas Ârsskrift 38, 1932: I, 1-456 (Göteborg, 1932, Bloomington, 2 1965). W. Kühlwein, a.a.O., III. Vgl. zu dem äußerst schwierigen und noch lange nicht gelösten Problem der Bedeutungsidentität die guten und z.T. recht scharfsinnigen Zusammenfassungen der bisherigen Forschung von W.A. Koch, „Zur Homonymie und Synonymie. Eine kritische Zusammenfassung", Acta Linguistica Ac. Scient. Hungaricae 13 (1963), 65-91, K. Heger, „Homographie, Homonymie und Polysemie", ZRP 79 (1963), 471-491, L. Söll, „Synonymie und Bedeutungsgleichheit", GRM N.P. 16 (1966), 90-99. Daneben sind die kurzen, aber treffenden Aussagen O. Funkes in seiner Rezension von St. Ullmann, Semantics (Oxford, 1962), in Anglia 83 (1965), 359 f., zu beachten.
6
tition' is finished and one of them disappears" (11), aber ist die unmittelbare Folge eines Irrtums, dem er erlegen ist: "for a word to survive in language it must continue to perform a referential function performed by no other word" (11). Damit müßte für jeden nur denkbaren Begriff entweder ein anderes sign gefunden bzw. sichergestellt werden, daß kein Wort in keinem nur möglichen Kontext die gleiche Verwendung erfährt. Das wäre aber nicht im Einklang mit der „Wirtschaftlichkeit", der «économie» einer Sprache; im Gegenteil, es würde diese völlig überladen und zu einem unhandlichen Instrument werden lassen. Ähnlich in der Anlage wie Wemans Arbeit ist die von HILDING BÄCK.27 Sie unterscheidet sich jedoch positiv durch eine hohe Intensität von der ersteren.28 MARCO M . MINCOFF v e r f a ß t e die Bedeutungsentwicklung
der ags.
Ausdrücke für „Kraft" und unter dem Einfluß von JOST TRIER 30 , dessen Forschungen sich trotz herber Kritik als fruchtbar besonders für die Wortfeldtheorie erwiesen. 31 Doch ist Mineoffs Methode anfechtbar. Er stützt sich nicht nur meist ausschließlich auf die Angaben in den Wörterbüchern (vgl. dazu S. 19 und S. 129), sondern unterdrückt bewußt solche Belege, die für den Gebrauch des betreffenden Wortes indifferent sind bzw. verschiedene Interpretationen erlauben. Es steht außer Zweifel, daß der Autor so zu klaren Abgrenzungen kommen muß, die Triers Feldtheorie 32 scheinbar untermauern. Mineoff versucht zwar, geltend zu machen, daß sich der Wortschatz der ae. Poesie wenig oder gar nicht für eine Bedeutungsuntersuchung eigne. 33 Es ist dann allerdings zu fragen, welche Epoche dafür überhaupt zu wählen sei, denn jede Sprach„Macht"29
" 29 29 80
81
82 88
The Synonyms for " Child", "Boy", "Girl" in Old English. An EtymologicalSemasiological Investigation, Lund Studies in English 2 (Lund, 1934). Vgl. die Besprechung b e i W . Kühlwein, a.a.O., I V f. Palaestra 188 (Leipzig, 1933). Vgl. etwa Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes. Die Geschichte eines sprachlichen Feldes, I: Von den Anfängen bis zum Beginn des 13. Jährhunderts (Heidelberg, 1931). Vgl. G. E. Maier, Die Feldlehre und ihr Gegensatz zu den tatsächlichen Sprachgegebenheiten uniersucht an Wörtern des Freudebereiches in Gottfrieds „Tristan", Hartmanns „Armen Heinrich" und „Iwein" und im „Nibelungenlied" (masch.-schriftl. Diss. Köln, 1955), 26, Anm. 2. Maiers Kritik trifft auch auf Mineoff zu. - Vgl. auch S. 40f. und S. 45ff. Vgl. S. 45 und unten die Besprechung der Diss, von Flawils. A.a.O., 208 ff.
7
periode zeichnet sich durch Begriffe aus, die wegen ihrer Bedeutungsvielfalt schwer zu fassen sind. 34 Bei H I L D E G A R D S T I B B E S „Herr" und „Frau" und verwandte Begriffe in ihren altenglischen Äquivalenten35 liegt der Hauptmangel im Fehlen einer theoretischen Grundlage. Vermißt wird auch eine Auseinandersetzung mit der bis dahin erschienenen Literatur über die Probleme der Wortfeldforschung und der Semantik. Störend wirkt neben dem etwas willkürlichen und oft verwirrenden Aufbau die undurchsichtige Auswahl der Belege. 36 G E R T R U D JTJZI VON FLAWIL, eine Schülerin J . Triers, befaßt sich in enger Anlehnung an ihren Lehrer mit dem Wortfeld des „Schönen" in der ae. Dichtung. 37 In ihrer Dissertation wird die Diskrepanz zwischen Theorie und tatsächlicher Sprachgegebenheit ganz deutlich. Von Flawil ist sich der Überschneidungen und Überlagerungen in dem von ihr beschriebenen Wortfeld bewußt; sie fühlt wohl auch, daß diese Tatsache der Theorie Triers von mosaikartigen Wortfeldern38 zuwiderläuft, erwähnt das jedoch nicht. Hier zumindest wäre Kritik angebracht gewesen. Neu an H E R B E R T B E E R S Führen und Folgen39 ist, daß nicht nur Bezeichnungen, sondern auch die Beziehungen zwischen diesen untersucht werden. Beer erforscht die verschiedenen Funktionen von „folgen", „führen" usw. und würdigt - was bisher meist versäumt wurde - die Absicht des Dichters bei der Wahl seiner sprachlichen Zeichen, die dann zu Schlüssen auf die Geisteswelt der Angelsachsen verwendet werden können. 40 Durch die Scheidung der Beziehungsverhältnisse in zwei Sphären, „das weltliche Leben" und „die christliche Lehre und christlicher 114
36 36 37 38 39
40
Bei der Analyse des modernen Sprachstands genießt der Forscher den Vorteil, lebende Informanten befragen zu können, während er für ältere Sprachperioden auf „tote" Zeugnisse, auf geschriebene Texte angewiesen ist und nicht auf die gesprochene Sprache zurückgreifen kann. Vgl. auch S. 22 und S. 39. A F 80 (Heidelberg, 1935). W. Kühlwein, a.a.O., VI. Die Ausdrücke des Schönen in der altenglischen Dichtung. Untersuchungen über ein sprachliches Feld (Diss. Zürich, 1939). Vgl. auch G.E. Maier, a.a.O., 27, und S. 45. Führen und Folgen, Herrschen und Beherrschtwerden im Sprachgut der Angelsachsen. Ein Beitrag zur Erforschung von Führertum und Gefolgschaft in der germanischen Welt, Sprache und Kultur der germ. und roman. Völker, A. Angl. Reihe 31 (Breslau, 1939). W. Kühlwein, a.a.O., IX.
8
Mensch", durch die Trennung in analytischen und allgemein besprechenden Teil bleibt die Arbeit trotz des komplizierten Verfahrens der Bedeutungsermittlung 4 1 recht übersichtlich. Die Wichtigkeit von Situation und psychologischer Umgebung für die Wortbedeutung wird klar erkannt (13), ebenso - was im Aufbau der Sprache begründet liegt - daß die Grenzen nicht immer sauber gezogen werden können (9). Die Dissertation H A N S K Ä S M A N N S , „Tugend" und „Laster" im Alt- und Mittelenglischen (masch.-schriftl. Berlin, 1951), ist mehr als eine „bezeichnungsgeschichtliche Untersuchung" 4 2 . Käsmann stellt zwar die Wiedergabe 43 von virtus und Vitium, in den genannten Perioden in den Vordergrund - die Dichtungen sind geographisch und chronologisch geordnet - , doch fragt er ebenso nach dem Vorkommen der ae. Lemmata im ethischen Bereich, nach ihrer Häufigkeit in gewissen Zeiträumen und nach dem Sichdurchsetzen bestimmter Begriffe nach dem Aussterben verwandter (4). Der Verfasser erkennt - und das wurde in der Onomasiologie häufig nicht gesehen - , daß zur Erhellung der Bedeutung nicht nur ae. Wörter unbedingt die Semasiologie, die Bedeutungslehre, hinzutreten muß. 4 4 Die Tatsache, daß Abstrakta ungleich schwieriger semantisch abzugrenzen sind als Konkreta, bestätigt sich auch hier. Be41
Jede Dichtung wird nach vier Gesichtspunkten analysiert: 1. Fixierung der Bedeutungsfunktion der Verben, 2. Beziehungsverhältnisse, 3. Zuordnung der Tätigkeitsgruppen zu den Beziehungsverhältnissen, 4. Belegsammlung. " So lautet der Untertitel. Dagegen reicht G. Tetzlaffs Diss., Bezeichnungen für die sieben Todsünden in der altenglischen Prosa (masch.-schriftl. Berlin, 1953), über den Titel nicht hinaus. Vgl. auch H. Schabram, „Superbia" I, 18-20 (S. 19, Anm. 97). - Das Motiv der Todsünden wurde schon früher behandelt von F. Hörkommer, Die 7 Hauptsünden und deren Bekämpfung im Spiegel der englischen Literatur von Aldhelm bis zur Reformation. I. Teil: Das 8 Lasterschema (Diss. Münster, 1913), A. Merkel, Das Motiv der 7 Hauptsünden in der älteren englischen Literatur (Diss. Jena, 1922). - Eine ziemlich erschöpfende Darstellung bietet M.W. Bloomfield, The Seven Deadly Sins. An Introduction to the History of a Beligious Concept, with Special Referenee to Medieval English Literature (Michigan State College Press, 1952). 43 Dabei kommt notwendigerweise auch die Aneignung fremden Wortguts zur Sprache, also Lehnbildung, Lehnbedeutung usw. Vgl. dazu H. Gneuss, Lehnbildungen und Lehnbedeutungen im Altenglischen (Diss. Berlin, 1955), und H. Käsmanns Habilitationsschrift, Studien zum kirchlichen Wortschatz des Mittelenglischen 1100-1350. Ein Beitrag zum Problem der Sprachmischung, Buchreihe der Anglia 9 (Tübingen, 1961), VII. 44 Vgl. auch Kirchlicher Wortschatz, 22 und ebd., Anm. 1.
9
mangelt werden die Unklarheit der Vorstellungen und der unscharfe Wortgebrauch der ae. Dichter, der nicht selten auf die Erfordernisse des Stabreims zurückzuführen ist (5). 46 Einen bindenden, allgemeingültigen Weg zur Untersuchung von Bedeutungsgehalten kann es kaum geben, was angesichts der Probleme, die etwa die Bedeutungseingrenzung aufwirft, nicht verwundert. 46 Zur Bedeutungsermittlung verwendet Käsmann den Antonymtest, Mikrokontext und kulturellen Kontext. 47 Für jede Quellengruppe stellt er vier Punkte auf (11): I. Die Wiedergabe des Begriffs „Tugend". II. Die Wiedergabe von virtus mit anderer Bedeutung als „Tugend". III. Die Wiedergabe des Begriffs „Laster". IV. Die zur Bezeichnung von „Tugend" verwendeten Wörter in ihren sonstigen Bedeutungen; diese sind unter II nicht schon vorhanden. Eine letzte Kontrolle kann darin gesehen werden, daß Käsmann sehr kritisch prüft, ob ein unter Punkt I verzeichnetes Wort tatsächlich „Tugend" bedeutet. 48 " Vgl. dazu L. L. Schücking, Untersuchungen zur Bedeutungslehre der ags. Dichtersprache (Heidelberg, 1915), §§ 8 u n d 10; W . W i n t e r , „Zur Methode einer bedeutungsgeschichtlichen Untersuchung", Festschrift für Walter Hübner (Berlin, 1964), betont, m a n dürfe innersprachliche Vorgänge wie Konsoziation und semantische Assimilation nicht mit bewußt angewandten stilistischen Mitteln wie Stabreim u n d Variation verwechseln: „Auf diese Weise entstandene Wortgruppierungen stehen u n t e r dem Zwang metrischer Erfordernisse der altgermanischen Poesie und tragen eher zu einer Verdunkelung der Wortbedeutungen bei" (32) - dieser Aufsatz f a ß t die methodischen Ergebnisse seiner Diss. "Mht", "Wela", "Gestreon", "Sped" und "Ead" im Altenglischen und Mittelenglischen (Berlin, 1954) zusammen; W. Kühlwein, o. a. O., 235: „wenn scharfe begriffliche Differenzierung nicht das Ziel des ae. Dichters war, so k a n n ihm deren Fehlen auch nicht angekreidet werden." - Vgl. auch G. Jansen, Beiträge zur Synonymik und Poetik der allgemein als acht anerkannten Dichtungen Cynevulf's (Diss. Münster, 1883), bes. 67und 127,F.Schubel, „ZurBedeutungskundealtenglischerWörter m i t christlichem Sinngehalt", Archiv 189 (1953), 289 ff., und bes. S. 127. " B. von Lindheim, „Neue Wege der Bedeutungsforschung", NZs 3 (1951), 107 f., vertritt die Auffassung, die Feldstruktur weise immer eine eigene Gesetzlichkeit auf, je nach Charakter des gewählten Feldes: „Methodisch gesehen bedeutet dies, daß jede neue Wortschatzuntersuchung sich im Grunde erneut ihre Methode schaffen m u ß . " " Vgl. dazu S. 22. 48 Großes Gewicht m i ß t K ä s m a n n den Werken Aelfrics bei: „Seine Schriften, die inhaltlich wenig Eigenes bringen u n d ihren Stoff den Werken älterer
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Auch der Kampf der Synonyma untereinander wird verfolgt. Erwähnenswert ist z.B. das Ergebnis über die Verdrängung von leahter „Laster" durch hleahter „Lachen", deren Ursache sehr wahrscheinlich in der infolge lautlicher Veränderungen eingetretenen Homophonie zu suchen ist. 4 9 Dugud ist ein Beispiel für semantische Überlastung, d.h. für eine Vielzahl von nicht scharf abgegrenzten Bedeutungen und sei damit „ein typisch poetisches Wort". Seine vielen Bedeutungsnuancen haben sich großenteils vom ursprünglichen Inhalt weit entfernt, die unscharfen Grenzen sind „der Grund für das Zurückgehen des Wortes in der Prosa". 60 Im Gegensatz zu Käsmanns Darstellung, die richtungweisend für die Ermittlung ae. Bedeutungsinhalte ist, berücksichtigt P E T E R STOLZMANN ,,Vorstellungsgehalt und Ursprung'' - so lautet der Untertheologischer Schriftsteller, Augustin, Gregorius, Beda u.a., entnehmen, wollen zur Vertiefung und Festigung des christlichen Lebens beitragen u n d enthalten reichliches Material . . . Die Vorlagen werden sinngetreu, aber frei wiedergegeben" („ Tugend" und „Laster8). - Vgl. zur Theorie des Übersetzens allgemein G. Mounin, Les Problèmes Théoriques de la Traduction (Paris, 1963), u n d E. A. Nida, Toward a Science of Translating with Special Reference to Principles and Procédures Involved in Bible Translating (Leiden, 1964), bes. 145 ff.; zu Übersetzungen u n d Bearbeitungen im Ae. z.B. K. Otten, König Alfreds Boethius, Stud. zur engl. Phil. N.F. 3 (Tübingen, 1964). - Auf Grund seiner Untersuchungen k a n n K ä s m a n n u . a . darlegen, daß König Alfred nicht der Verfasser der Beda-Übersetzung ist („Tugend" und „Laster", 38-40). - Zur Echtheit der AlfredschenWerke vgl. K . Otten, a.a.O., 159 und ebd., Anm. 6, wo weitere Literatur angegeben ist. - Wertvoll sind die Ausführungen Käsmanns über die „relative Häufigkeit", deren Theorie in Kirchlicher Wortschatz weiter ausgebaut wird (vgl. ebd., 23 und Anm. 1). „Tugend" und „Laster", 60. I n Kirchlicher Wortschatz schränkt K ä s m a n n allerdings ein: „ N u n genügt freilich der bloße Gleichklang nicht, u m eines der beiden betroffenen Wörter absterben zu lassen. Aber auch alle anderen Voraussetzungen sind hier erfüllt, insbesondere die der Verwechselbarkeit" (270). Gleichklang ist doch wohl die erste Voraussetzung f ü r die Verwechselbarkeit von Wörtern! — Eine ausführliche Darstellung, auch über den Ersatz von leahter im Me., findet sich Kirchlicher Wortschatz, 269 ff. - Vgl. auch G. Wahrig, „ D a s Lachen im Altenglischen und Mittelenglischen", ZAA 3 (1955), 290 ff. - Zur Homophonie als einem Grund f ü r den Untergang von Wörtern im Engl. vgl. bes. R. J . Menner, " T h e Conflict of Homon y m s in English", Language 12 (1936), 229-244, und E.R.Williams, The Conflict of Homonyms in English, Yale Studies 100 (1944). — Vgl. auch die Literatur bei H . Käsmann, Kirchlicher Wortschatz, 33, Anm. 2. „Tugend" und „Laster", 61. K ä s m a n n impliziert damit, daß in der Prosa die Bedeutungsgrenzen schärfer gezogen sind. Vgl. die Zusammenfassung der ae. Zeit, ebd., 57-61, u n d 8. 10, Anm. 45. 11 2 Faiß, Cynewulf
titel seiner Dissertation 51 - der ae. Ausdrücke für „Tod" und „sterben" kaum. 6 2 Bei ihm tritt die Onomasiologie in den Vordergrund. W. Kühlwein bemerkt dazu: „Woran lag es, daß Stolzmann dies [sc. eine semantische Auswertung seiner Belege] nicht mehr versucht hat ? Die semantischen Theorien, die Auffassungen von der Bedeutung des Wortes, waren 1953 bereits derart verzweigt, daß eine semantische Betrachtung der ae. Ausdrücke für ,Tod' und ,sterben', wenn sie dem zeitgemäßen Forschungsstand Rechnung tragen wollte, sich entweder einer Schule nahezu bedingungslos hätte anschließen müssen 63 , oder aber sie hätte die Methoden und Ergebnisse der allgemeinen semantischen Forschung erst auf das Ae. übertragen und anwenden müssen, um die Grundlagen und Problemstellungen semantischer Analysen des Ae. zu überschauen." 5 4 Grundsätzlich stehen vor diesem Problem alle Arbeiten, die sich in irgendeiner Weise mit dem semantischen Gehalt des Wortschatzes einer älteren Periode befassen. Eine weitere Erörterung der obigen Aussage erübrigt sich somit. E R K K I P E N T T I L Ä S The Old English Verbs of Vision. A Semantic Studyih wird von W. Kühlwein die „intensivste und ergiebigste" (XIV) der von ihm aufgeführten skandinavischen Arbeiten genannt. Penttilä erliegt jedoch dem gleichen Fehler wie Weman 66 . Er ordnet die Belege einem scheme of senses zu, das künstlich geschaffen wurde, anstatt allein von den sprachlichen Gegebenheiten, den Begriffen selbst, auszugehen und sie ein Ordnungsprinzip ergliedern zu lassen. Störend wirkt auch, daß der Verfasser die neuere Bedeutungsforschung, bis auf H. Kronasser und St. Ulimann, kaum berücksichtigt. 67 Das verwundert um so mehr, als er eine grundsätzliche Forderung der neueren Bedeutungsforschung beachtet, nämlich die, stets
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Die angelsächsischen Ausdrücke für „Tod" und „sterben". Ihr Vorstellungsgehalt und dessen Ursprung (masch.-schriftl. Diss. Erlangen, 1953). 52 Gerade im Hinblick auf dieses Wortpaar wäre es interessant gewesen, hierüber etwas zu erfahren. Vgl. L. Weisgerber, Vom Weltbild der deutschen Sprache (Düsseldorf, 2 1953-1954), 141, und Grundzüge der inhaltbezogenen Grammatik (Düsseldorf, 3 1962), 184 ff. 53 In seiner eigenen Abhandlung beweist Kühlwein, daß das gar nicht nötig ist (vgl. z.B. S. 13, Anm. 60). 64 W. Kühlwein, a.a.O., X I I f. 65 Mémoires de la Société Néophilologique 18 (Helsinki, 1956). 68 Vgl. S. 6. " Vgl. dazu R. Quirk, MM 26 (1957), 212. 12
den Kontext zur Bedeutungserschließung heranzuziehen. 58 Hervorzuheben ist dagegen die übersichtliche Gliederung 69 der Arbeit: I. Etymologie und scheine of senses. I I . Die Belege in ihrem Verhältnis zu den senses, die in 3 Gruppen geteilt werden: a) K r a f t des Sehens, b) Wahrnehmen des Sehens, c) Intentionales Sehen. I I I . Die Verbindung Verb + Präposition. IV. Zusammensetzungen des betreffenden Verbs. V. Besprechung. Auf eine enge Anlehnung an W A L T E R P O R Z I G S Methode und Auffassung 6 0 weist die Dissertation von G Ü N T E R K Ö N I G , Die Bezeichnungen für Farbe, Glanz und Helligkeit im Altenglischen (Mainz, 1957). Der erste Teil behandelt die von den Farbadjektiven bezeichneten Gegenstände und gliedert sie; der zweite Teil zieht den Bedeutungsgehalt der untersuchten Wörter in Augenschein und ordnet nach den verschiedenen Verwendungsweisen, nach eigentlichen, abstrakten, symbolischen usw.; der dritte Teil beschreibt den Gebrauch der Wörter. 6 1 Mit D I E T E R B Ä H R S Ae. "sepele" und "freo", ihre Ableitungen und Synonyma im Alt- und Mittelenglischen82 wird eine Studie vorgeführt, die sich durch eine reichhaltige Materialsammlung auszeichnet. Bähr stellt übersichtlich die Adjektive und Adverbien, Substantive und Verben, die semantisch eng mit sepele und freo verbunden sind, für die ae. Poesie und Prosa und für die me. Zeit zusammen. Eine genauere Auswertung des Materials hätte jedoch sicher noch einige wichtige Gesichtspunkte ergeben. 68
Vgl. etwa F. Schubel, „Zur Bedeutungskunde", 289 ff., und „Die Bedeutungsnuancen von bealu in Christ I-III", Festschrift für Theodor Spira (Heidelberg, 1961), 328-334. 59 Vgl. W. Kühlwein, a.a.O., XIII, Anm. 1. 60 Vgl. S. 47f. Auch W. Kühlwein folgt Porzig, verändert allerdings dessen Feldgedanken beträchtlich und gelangt zu einer Synthese der Theorien Porzigs und Triers (44 ff.); vgl. S. 17. In der Zusammenfassung will er diese Synthese jedoch auf „System und Struktur" der ae. Feindseligkeitsbezeichnungen beschränkt wissen (233, 2). 61 W. Kühlwein, a.a.O., XIV: „Als wertvolle Anregung kann der kurzgefaßte dritte Teil verstanden werden, der die syntaktische Verwendung der betreffenden Wörter feststellt." 62 Wortgeschichtliche Studien zum Wandel des englischen Freiheitsbegriffes im Mittelalter (Diss. Berlin, 1959). - Vgl. die Besprechung beiW. Kühlwein, a.a.O., X V ; vgl. auch ebd., 25-21 und 233, 2.
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A. B E N N I N G legt das Hauptgewicht auf die Etymologie. 63 Die so erzielten Resultate überwiegen, dagegen tritt die Bedeutung des Situationskontexts zurück (vgl. auch S. 22). Ausführlich betrachtet und genau herausgearbeitet wird das Mythische als eine sich für den Wortgebrauch im Ae. noch auswirkende Kraft. Semantische Erörterungen kommen auf diese Weise kaum zum Tragen, was B R O D E R C A R S T E N S E N anscheinend entgangen ist. Der reiche wissenschaftliche Ertrag, von dem er spricht, 64 muß auf einem anderen Gebiet als dem der Semasiologie gesucht werden. Daß sich die „Methode, sprachliches Feld, Etymologie und Semasiologie gleichzeitig heranzuziehen ... im allgemeinen fruchtbar" 6 6 erweist, kann nicht bestritten werden, jedoch trifft diese Bemerkung in diesem Fall eben mehr für Kulturgeschichte und Etymologie zu. K L A U S O S T H E E R E N bemüht sich um die Bedeutungen der ae. Ausdrücke für „Freude". 6 6 Ausgehend von einer Art kulturhistorischen Überblicks über die Position dieses Begriffs in vorchristlicher (25 ff.) und christlicher Zeit (44 ff.), untersucht er die wichtigsten Freudebezeichnungen dream, wynn, bliss, gefea, gamen und glsed67 (die Reihenfolge entspricht abnehmender Frequenz in der ae. Poesie) samt ihren Ableitungen, sofern diese in den herangezogenen ae. Texten auftauchen, und zwar getrennt für Poesie, 68 Alfred und Aelfric. Bei Alfred fehlen dream, wynn und glsed, dafür treten glsedmodness,69 wynsumness und myrgd hinzu; dream in der Bedeutung HELMUT
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„Welt" und „Mensch" in der altenglischen Dichtung. Bedeutungsgeschichtliche Untersuchungen zum germanisch-altenglischen Wortschate, Beitr. zur engl. Phil. 44 (Bochum-Langendreer, 1961). 64 NS N.F. 12 (1963), 284. 65 B. Carstensen, o. o. O., 284. - Vgl. auch die Besprechungen von K. R. Grinda, Anglia 79 (1961), 452, und W. Kühlwein, a.a.O., X V f. 66 Studien zum Begriff der „Freude" und seinen Ausdrucksmitteln in altenglischen Texten (Poesie, Alfred, Aelfric) (Diss. Heidelberg, 1964). « Vermißt wird liss (vgl. S. 116, Anm. 16). 68 Hier wird noch unterteilt in „weltlicher", „christlicher" und „religiöser" Gebrauch. Gewisse Abwertungen des Wortschatzes der weltlichen Freude durch die christliche Gedankenwelt werden sichtbar (102 ff.). 69 Dieses Wort ist bei Alfred nur einmal belegt, und zwar in der Cura Pastoralis 391, 5 ff., wo es „göttliche Gnade, Milde, Güte" (204) bedeutet. Es kommt bei Cynewulf und seiner Schule nicht vor. - Zur Wortbildung vgl. H. Marchand, The Categories and Typ es of Present-Day English Word-Formation. A Synchronic-Diachronic Approach (Wiesbaden, 1960), 4. 68. l.ff. - Zum Stil König Alfreds im allgemeinen vgl. L. Borinski, Der Stil König Alfreds. Eine Studie zur Psychologie der Rede, Sächsische Forschungsinstitute, Angl. Abt. 5 (Leipzig, 1934). - Speziell zum Stil der Übertragung von Boethius, De Consolatione Philosophiae, vgl. K. Otten, a.a.O., 211 ff. 14
„Freude" wird verdrängt, was um so erstaunlicher anmutet, als gerade dieses Wort „eine bedeutende Tradition hinter sich" hat (152). Der Untergang von dream70 muß eine Umgliederung des Feldes zur Folge haben. 7 1 Zu beachten ist der sprunghafte Aufstieg von myrgö in den Werken Aelfrics: Es rückt auf den „zweiten Platz der Frequenzreihe" vor (232). 72 Ostheeren sieht hierin eine bemerkenswerte Neuerung Aelfrics gegenüber der Poesie und Alfred, die das Wortfeld der „Freude" „seiner ne. Gestalt ... um einen wesentlichen Schritt näher gebracht" habe (232). Dem Verfasser gelingt es, Etymologie, 73 Semasiologie und Kulturgeschichte vorteilhaft zur Bedeutungsermittlung ae. Wörter zu verwenden und die Beziehungen allgemein zwischen dem Subjekt und dem Freudegefühle erweckenden Objekt zu veranschaulichen, 74 wobei der Kontext eine überaus wichtige Rolle spielt. Diese gründliche Arbeit zeigt immer wieder deutlich, daß ein Wortfeld kein Gebilde sein kann, in dem sich die Wörter lückenlos aneinanderfügen, sondern daß es, wie die lebendige Sprache selbst, stetem Wandel und Wechsel unterworfen ist und - sogar in einer relativ begrenzten Zeit - gerade durch Überlagerungen und Überschneidungen charakterisiert wird, 76 was Jost Trier streng verneinte. 76 Als 3. Band der „Neuen Beiträge zur englischen Philologie" erschien 1965 ein sehr umfangreiches Buch, das sich mit der „altgermanischen Glaubensvorstellung vom wachstümlichen Heil" beschäftigt: E R N S T S . D I C K , Ae. "Dryht" und seine Sippe. Auch hier vereinigen sich - wie der Untertitel angibt - verschiedene Forschungsrichtungen, um den ganzen Komplex zu erfassen, nämlich 70
71 72 73 71 76 79
Nicht erwähnt wird die Arbeit von K.F. Schlenk, Studien zum Gebrauch von 'Dream' in der angelsächsischen Poesie (masch.-schriftl. Diss. Marburg, 1952). Über die Gründe vgl. 152 ff., über die Neuordnung des Wortfeldes bei Alfred 180 ff. Zur Begründung vgl. 232 ff. Vgl. bes. 165-167 und etwa 274. Vgl. dazu z.B. 23. Das ist ein neuer Beweis für die Richtigkeit der Auffassung B. von Lindheims von der Eigengesetzlichkeit derWortfeldstruktur (vgl. S. 10, Anm. 46). Vgl. S. 45 und K. Ostheeren, a.a.O., 269-280. - Vgl. auch B. von Lindheim, "Problems of Old English Semantics", English Studies Today 3, ed. G.I. Duthie (Edinburgh, 1964), 70-73.
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Wortkunde, Kultur- und Religionsgeschichte, wobei unter Wortkunde Etymologie, Semasiologie, vergleichende Wortforschung usw. verstanden sein dürften. 7 7 Im Vordergrund steht nicht so sehr die Wortfeld-, als vielmehr die wort- bzw. kulturgeschichtliche Forschung. Das läßt sich ohne weiteres aus dem Thema erklären: „Es gilt, den durch die Sippe [von dryht] abgesteckten kultur- und religionsgeschichtlichen Vorstellungsrahmen festzulegen. Mehr als einmal werden dabei umfängliche Ausführungen zu sachkundlichen Kernproblemen erforderlich sein, so z.B. zum Eheschließungszeremoniell und zur ursprünglichen Funktion des indogermanischen und des biblischen Brautführers, zum Wesen der europäischen Kult- und Brauchtumsverbände, zum Problem der Speisegemeinschaft und der künstlichen Verwandtschaft, zum Heil des sakralen Königs und des Urwesengottes" (6). Bei dieser Fragestellung darf es nicht verwundern, daß diese Arbeit nichts zur Wortfeldforschung beizutragen hat. Es wird zwar großer Wert auf den Kontext 7 8 und seine Analyse gelegt, doch vermißt man die theoretische Grundlage, die in der Hauptsache bei den etymologischen und kulturhistorischen Erörterungen vorhanden zu sein scheint. Diese sind sehr ausführlich und vermitteln für ihren Bereich einen ausgezeichneten Überblick über dryht, seine Ableitungen und Zusammensetzungen. Intensiv mit der Wortfeldforschung und semantischen Problemen befaßt sich W O L F G A N G K Ü H L W E I N . Ihm geht es in seiner gehaltvollen Dissertation 79 um die Verwendung 80 der Feindseligkeitsbezeichnungen und um die Beziehung 81 zwischen diesen in der ae. Dichtersprache. Damit ist der Rahmen für die Untersuchung abgesteckt. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Verwendung und damit auf der Verteilung 82 dieser Bezeichnungen in der ae. Poesie - häufig wird auch die ae. Prosa zum Vergleich herangezogen - , nicht so sehr auf der Bedeutungsermittlung. Kühlwein vereinigt, wie bereits ver77 78 79 80
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Vgl. z.B. 6. Die Kontextanalyse wird als der methodisch ergiebigste Weg bezeichnet (9). Das ist richtig erkannt, jedoch nur teilweise angewandt. Vgl. S. 4, Anm. 4. Die „Verwendung" steht auch im Mittelpunkt der Betrachtungen von K . P . Schlenk (vgl. S. 15, Anm. 70). - Vgl. noch B. von Lindheim, "OB. 'Dream' and its Subsequent Development", RES 25 (1949), 193-209, K. Ostheeren, a.a.O., bes. 151 ff., und S. 29f. Vgl. auch S. 8. - Der Analyse der Beziehungen legt Kühlwein eine vierfache Staffelung zugrunde (199). Vgl. auch 185 ff. Vgl. dazu S. 9 und S. 11, Anm. 48 über Käsmanns „relative Frequenz". 16
merkt, 83 die „syntagmatische Dimension" der Feldforschung WALTER PORZIGS mit der „paradigmatischen" JOST TRIERS (44 ff.); diese Synthese wird auf die Bezeichnungen für Feindseligkeit angewandt. Unter den 3750 Lexemen dieses Bereichs (73) werden nicht nur Substantive, sondern auch Adjektive, Verben usw. und ihre Beziehungen zueinander (s. o.) dargestellt. Daß diese Auswahl nicht einfach war, wird aus den Kapiteln „Eingrenzung" (52 ff.) und „Bestimmung" (73 ff.) ersichtlich. Die Gliederung der ae. Poesie in 5 Gruppen (48) - Die niedere Dichtung, Das Preis- und Erzähllied, Das Epos, Legenden, Religiöse Mahnungen und weltliche Lehren folgt im ganzen der Einteilung HERBERT BEERS. 8 4 Die Belege werden mit Gründlichkeit gesammelt und ausgewertet und geben Einblick in System (79 ff.) und Struktur (92 ff.) der ae. Feindseligkeitsbezeichnungen und ihrer Sippen. Wichtig ist, was Kühlwein unter Etymologie versteht: nämlich nicht die „geschichtlichen Vorgänge des ,Wortursprungs'", sondern „die noch lebendig gespürten Zusammenhänge innerhalb der Sippen" (93), also innersprachliche oder besser „semantische" Etymologie und nicht lautliche Rekonstruktion. Eine solche Auffassung 86 — der Autor kann namhafte Verfechter wie z.B. WALTHER VON WARTBURG nennen (93) - ist sicherlich von hervorragender Bedeutung für semantische Forschungen; u. a. offenbart sich hier ein beachtlicher Fortschritt seit den kulturgeschichtlich-etymologischen Studien, die Etymologie nur im ursprünglichen Sinne verstanden. Daß eine so begriffene Etymologie bei der Betrachtung älterer Sprachperioden von großem Nutzen ist, darf jedoch bezweifelt werden. Es wird sehr schwierig sein, vor tausend Jahren „lebendig gespürte Zusammenhänge" aufzudecken. Kühlwein wird auch einer Forderung HANS KÄSMANNS gerecht, die besagt, daß bei einer lexikologischen Untersuchung Semasiologie und Onomasiologie zusammenwirken müssen. 86 Ein Vergleich mit den lat. Vorlagen87 (214 ff.) unter Berücksichtigung der Makrokontexte soll Aufschluß über die Eigenständigkeit 83
Vgl. S. 13, Anm. 60. A.a.O., 4. 85 Vgl. auch S. 13, Anm. 62. 86 Vgl. S. 9 und etwa W. Kühlwein, a.a.O., 47. " Im Anschluß an H. Gneuss, Lehnbildungen und Lehnbedeutungen, betont B. von Lindheim: "This line of research may be further pursued by investigating other works which were repeatedly translated from the same Latin source, for example the existing OB versions of the Oospels or the 84
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der ae. Dichter in bezug auf die Bezeichnungen für Feindseligkeit geben. Dabei wird im allgemeinen eine Vorliebe in den Texten für diese Bezeichnungen festgestellt, die sehr häufig keine Entsprechungen in den (mutmaßlichen88) lat. Quellen haben. 89 In letzter Zeit nehmen die Bestimmung und Untersuchung ae. Wortfelder - was auch immer unter „Wortfeld" verstanden wird und damit die Ermittlung ae. Wortbedeutungen einen breiten Raum in der Forschung ein und dürfen durchaus als gleichberechtigt neben Syntax, Grammatik, Morphologie, Lexikographie u.a. 9 0 gelten, obgleich sich die bisher darüber erschienenen Abhandlungen verhältnismäßig bescheiden im Vergleich zu denen über die genannten Gebiete ausnehmen. Gegenüber der zweifellos wichtigen und notwendigen Arbeit an ae. Wörterbüchern wird dieser Forschungsrichtung sogar eine höhere Stellung eingeräumt. 91 Die Ursache dieses Vordringens ist sicher darin zu sehen, daß immer mehr erkannt wird, wie wichtig die Erfassung der Bedeutungsgehalte ae. Wörter für das Verständnis der ae. Dichter und ihrer Werke ist, die ja doch in gewissem Sinne ihre Zeit widerspiegeln, 92
86 89 ,0
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Benedictine Rule. We shall be in a better position to determine t h e senses of words in texts without a Latin source if more evidence of indirect borrowing is found by this m e t h o d . " "Problems", 76. - Vgl. auch P . Schubel, „Zur Bedeutungskunde", 292 u n d ebd., Anm. 9, wo hauptsächlich auf die Bibel verwiesen wird, „die ja die erste Grundlage aller weiteren lat. oder ae. Versionen darstellt". Mit dieser Methode gelingt F . Schubel eine genaue Bedeutungserhellung der Wörter bealu, firen, leahtor, man, synn u n d •yfel, die alle letzten Endes „Übel im weitesten Sinn" bedeuten, in Christ I - I I I ; vgl. dazu noch „Die Bedeutungsnuancen", 328. Vgl. jedoch auch S. 55 f. Vgl. S. 56. Dasselbe zeigte sich bei den Ausdrücken f ü r „ G n a d e " . Vgl. z.B. die Angaben in der Old English Bibliography 1965, ed. P.C. Robinson, Research and Bibliography Committee, Cornell University, Ithaca, N. Y., bes. 18 f. Vgl. B. von Lindheim, "Problems", 67 u n d 76, u n d F . Schubel, „Zur Bedeutungskunde", 289. H . E . Brekle, a.a.O., 27, verweist in diesem Zusammenhang auf das Verdienst der anthropologischen und ethnographischen Forschungen, die immer wieder gezeigt hätten, „daß die S t r u k t u r der syntaktischen und semantischen Ebene einer Sprache funktionell von den sie bedingenden kulturellen Gegebenheiten (im weitesten Sinne) abhängig ist. Dies gilt . . . besonders f ü r die semantische S t r u k t u r einer Sprache, da sich in ihr primär die »Welt« eines Sprechers, der einer bestimmten K u l t u r angehört, reflektiert." 18
und daß gerade erst dadurch ein tieferer Einblick in die Kultur und Geisteswelt der Menschen dieser Zeit gelingt. 93 Daß dabei die Wörterbücher, die bei weitem nicht alle dafür benötigten Belege aufführen können, nur bedingt zuverlässig sind und höchstens Hilfestellung leisten, ist aus den vorauf kurz charakterisierten Arbeiten ersichtlich geworden und wird sich auch aus der vorliegenden ergeben (vgl. Hauptteil). Eine genaue Textanalyse 94 und möglichst Vollständigkeit der Belege sind die unerläßlichen Voraussetzungen für die Festlegung des Inhalts ae. Wörter. Es harren noch einige Zentralbegriffe, wie z. B. Sapientia und Superbia, ihrer Darstellung. 95 Auch der Begriff der „Sünde" ist trotz einiger Ansätze 96 noch nicht erschöpfend behandelt. Besonders darf man auf H A N S SCHABRAMS semantische Auswertung der Belegstellen für Superbia gespannt sein. Als Habilitationsschrift erschien der erste Teil, der die Verbreitung des ae. Wortguts zum Gegenstand hat. 97 93
Vgl. auch F. Schübel, der sich besonders gegen die Ansicht wendet, die Angelsachsen seien primitiv gewesen („Zur Bedeutungskunde", 303), und auf Grund seiner Untersuchungen zum gegenteiligen Ergebnis gelangt: „Gerade das Vorhandensein von z.T. recht vielen Synonymen läßt ja Differenzierungen vermuten, worauf O. J e s p e r s e n nachdrücklich hinweist, wenn er sie häufigen Vereinfachungen und Verallgemeinerungen späterer Zeiten gegenüberstellt: ' I t is characteristic of primitive peoples t h a t their languages are highly specialized, so t h a t where we are contented with one generic word they have several specific t e r m s . ' " „Zur Bedeutungskunde", 291 (Zitat aus O. Jespersen, Growth and Structure of the English Language [Leipzig, 81935], 49). - Alle bisher behandelten Begriffe sind ein Beweis f ü r die Richtigkeit dieser Aussage. „ G n a d e " bildet hier gleichfalls keine Ausnahme. Vgl. Hauptteil, Kap. I I . - Vgl. dazu auch B. von Lindheim, "Problems", 76. *4 Vgl. zur Kontextanalyse durch Elektronengehirne e t w a W . Köck, „Kybernetische Sprachbetrachtung - eine überblicksweise Orientierung", GRM N.F. 16 (1966), 190-206, bes. 199. • s Methodisch nichts Neues bringt die sehr umfangreiche u n d bis jetzt nur in der masch.-schriftl. Fassung zugängliche vergleichende Studie von P . Schmoock, "Patientia". Die Terminologie des Duldens in der altenglischen und altsächsischen Epik. Semasiologische Studien zum Christianisierungsprozeß des germanischen Wortschatzes (Diss. Kiel, 1965). - Mit einigen wenigen Hinweisen auf die semasiologische Forschung und die Wortfeldtheorie glaubt sich die sonst sehr eingehende u n d überzeugende Diss. von K.Weimann, Der Friede im Altenglischen. Eine bezeichnungsgeschichtliche Untersuchung (Bonn, 1966), begnügen zu können, so etwa 11, Anm. 4. Auch sie h a t methodisch nichts Neues zu bieten. »8 Vgl. S. 9, Anm. 42. "Superbia". Studien zum altenglischen Wortschatz, I. Die dialektale und zeitliche Verbreitung des Wortguts (München, 1965). Vgl. hierzu die Rezen-
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Der voraufgehende Forschungsbericht hat eine Vielfalt von Methoden aufgezeigt, die die einzelnen Forscher zur Bedeutungsermittlung ae. Wörter angewandt haben, von verschiedenen Ansichten über „Bedeutung" und „Wortfeld", die oft zu terminologischen Unklarheiten führt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Besinnung auf das Wesen dieser Begriffe. Man kann weder von „Bedeutungen" oder von „der Bedeutung" eines Wortes 98 reden, ohne sich nicht im klaren darüber zu sein, was man darunter verstehen will, noch kann man das Wortfeld als ein dem semantischen Aspekt des Wortschatzes zugrunde liegendes Ordnungsprinzip bezeichnen (vgl. S. 38), wenn man seine Grenzen nicht genau abgesteckt hat. Die folgenden Kapitel sollen dieser Klärung dienen. Es sei vorweggenommen, daß diese Erörterungen zwar für alle semasiologischen Untersuchungen zutreffen, daß aber die Ergebnisse vor allem des Kapitels „Zur Theorie des semantischen Feldes" 9 9 unter Umständen nur im Rahmen dieser Arbeit Gültigkeit haben. Für andere Felder müssen möglicherweise auch andere Prinzipien gefunden werden. 100
sion von O. Funke in Anglia 84 (1906), 407-409. - Schabrams masch.schriftl. Diss. befaßt sich mit den Adjektiven im Sinnbezirk „kühn, mutig, tapfer" in der angelsächsischen Poesie (Köhl, 1954). 98 Nur diese steht, dem Thema entsprechend, zur Debatte. »» Vgl. bes. S. 40 ff. IOO YGJ B . v o n Lindheim, „Neue Wege der Bedeutungsforschung", 107 f. (S. 10, Anm. 46).
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GRUNDBEGRIFFE KAPITEL I ZUM PROBLEM DER
„BEDEUTUNG"
1. Der Kontext Die wichtige Rolle, die der Kontext bei der Erfassung von Wortinhalten 1 spielt, wurde bereits von A R S E N E D A R M E S T E T E R gesehen. 2 Moderne Linguisten haben diesen Begriff erweitert. Heute versteht man unter "verbal context" (Makrokontext) nicht mehr nur das unmittelbar Vorhergehende und Nachfolgende, sondern je nach den Erfordernissen die ganze Passage, das ganze Kapitel oder gar das ganze Werk, in dem das betreffende Wort erscheint. So glaubt S T E P H E N U L L M A N N die richtige Bedeutung des Wortes „Pest" in Camus' gleichnamigem Roman lediglich unter Hinzuziehung des gesamten Buches genau erschließen zu können. 3 1 2
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„ I n h a l t " gilt f ü r „Bedeutung" (vgl. S. 37). A. Darmesteter, La Vie des Mots (Paris, 1946), 126. - G. Nickel, „Sprachlicher K o n t e x t u n d Wortbedeutung im Englischen", ORM N.F. 15 (1965), 84-96, unterscheidet drei Gruppen von Forschern nach ihrer verschiedenen Einstellung zum Kontext. E r n e n n t sie „radikale, gemäßigte, und Antikontextualisten". Zur ersten Gruppe gehören z.B. D. J . Lloyd, H . R . Warfei, A. Martinet u n d ganz deutlich auch E . A . Nida (vgl. z.B. S. 22, Anm. 7), die die Ansicht vertreten, eine linguistische Einheit habe nur in einem K o n t e x t und in einer gegebenen Situation Bedeutung. Der zweiten Gruppe ist die Mehrzahl der Sprachforscher zuzurechnen: Sie erkennen die Wichtigkeit des Kontexts bei der Bedeutungsermittlung an. E s sind dies etwa K. Baldinger, L. Tesniäre, J . Whatmough, St. Ullmann u n d die Strukturalisten N. Chomsky u n d C.C. Fries. Die dritte Gruppe besteht vorwiegend aus Strukturalisten. Ihr H a u p t v e r t r e t e r ist L. Antal (vgl. auch S. 26, Anm. 3), f ü r den „ B e d e u t u n g " ein feststehender, objektiver F a k t o r ist (86 if.). - E . A . Nida spricht von "immediate", "displaced" u n d "transferred contexts". Am häufigsten h a t m a n es naturgemäß mit "displaced contexts" zu tun, in denen " a particular object or person not present is t h e referent" (a.a.O., 31). Semantics, 56. - E . A . Nida verwendet hier die Bezeichnung "discourse context" (a.a.O., 243). 21
Zum "verbal context" tritt als weitere Größe der "context of situation", der kulturelle, soziale Hintergrund, vor dem ein Wort gesprochen wird, also die objektive Bedingung für die „Bedeutung". 4 Diese Größe ist besonders wichtig für die historische Semantik und für die Bestimmung sog. key-words, die in einer gewissen Epoche wenn nicht kulturbestimmend waren, so doch weitgehend im Vordergrund standen. 5 Studien über das "Gentleman"-Ideal, den «honnete homme» des 17. Jhs., den "cortegiano" der italienischen Renaissance usw. legen davon Zeugnis ab. An Gewicht gewinnt damit J O H N R . F I R T H S Forderung einer "serial contextualization of our facts, context within context, each one being a function, an organ of the bigger context and all contexts finding a place in what may be called the context of culture" 6 . Der Kontext im weitesten Sinne mag zwar für die „Bedeutung" kein allzu starkes Kriterium sein, 7 doch unterliegt ihm jedes Wort, indem es durch ihn ein gewisses Maß an Abgegrenztheit erhält, das eben nur in speziellen Sprech- und Aussagesituationen vorhanden ist; m. a. W. einer von mehreren Aspekten eines Wortes ist in einem ganz bestimmten Kontext relevant oder wird durch ihn relevant, handle es sich dabei um Bedeutungen mit emotionalen Nebentönen (wie "home", „Vaterland" u. ä.) oder um neutrale, "referential meanings" (wie „Tisch", „Stuhl", „Baum"). Auch diese letzteren können für einen Sprecher in einer Gemeinschaft emotional gefärbt sein, was vom "context of situation" abhängt. Man stelle sich etwa einen Menschen vor, der aus einer waldreichen Gegend in die Wüste „verpflanzt" wird oder als Matrose zur See fährt. 8 * Eine weitere Differenzierung in der Art H. E. Brekles, a. a. O., 26-29, ist für die vorliegende Arbeit nicht erforderlich. Vgl. dazu noch die Rezension von W.A. Koch in Anglia 84 (1966), 422, und E.A. Nidas "social" und "cultural context" (a.a.O., 51 f. und 244 f.). Sein Terminus "communicative context" (243 f.) bezieht sich ausschließlich auf die Bedeutungsanalyse der Botschaft selbst. 6 Europäische Schlüsselwörter I, II, III (München, 1963, 1964, 1967). 6 J.R. Firth, Papers in Linguistics 1934-1951 (London, 1957), 32. 7 E.A. Nida vertritt die gegenteilige Ansicht: "The larger cultural context is of utmost importance in understanding the meaning of any message; for words have meanings only in terms of the total cultural setting, and a discourse must be related to the wider sphere of human action or thought" {a.a.O., 244). 8 Vgl. dazu das Kap. A 4. 22 Subjektive Bedingungen bei H. E. Brekle, a. a. O., 29-34, und E.A. Nida, a.a.O., 70 f. Beide Forscher betonen, diese emotio-
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Für die vorliegende Arbeit sind die Ausführungen STEPHEN ULLMANNS über den Kontext und seine Wirksamkeit bei der Fixierung des Inhalts vieldeutiger - polysemer - Wörter von besonderem Interesse. Diese Wörter sind in ihrer Vieldeutigkeit so vage, daß sie isoliert, also ohne Kontext, zwar Bedeutung haben, diese jedoch nicht genau festgelegt ist.9 Ulimann demonstriert das am Verb do: "the verb do has such a wide variety of uses that it is virtually meaningless in itself" (Semantics, 52). Die Frage, was "meaning" sei, stellt sich hier schon, denn mit "uses" sind zweifellos "meanings" gemeint (vgl. dazu S. 29f.). Festgehalten sei vorerst, daß aus dem Gebrauch von do seine Bedeutungen klarer zutage treten. Die Zahl der Beispiele ließe sich ohne weiteres ergänzen:10 Es gibt unter den sog. "füll words" 11 wohl kein einziges, das nur eine Bedeutung hat, was für abstrakte wie für konkrete Begriffe gilt.12 Dieses Problem hat nicht nur der Sprachwissenschaftler zu meistern, der Wörter einer älteren Sprachperiode untersucht und im Wörterbuch zwar eine Menge von Wiedergaben vorfindet,13 dann aber auf eine Textstelle stößt, für deren Erklärung sich keine von ihnen mit Sicherheit eignet (vgl. z.B. are, S. 67f.) oder umgekehrt mehrere zutreffen können, sondern auch jeder Fremdsprachenlehrer, der seinen Schülern - was heute betont gefordert wird - die Sachverhalte der fremden Sprache nach Möglichkeit in dieser erklären sollte.14 Wie ist z.B. einem Deutschen klarzumachen, daß dtsch. „gelb" engl, "yellow" bedeutet? Sobald sein Wortschatz ausnalen Nebentöne könnten nur mit Hilfe psychologischer Mittel erhellt werden. • In einer so flexionsarmen Sprache wie dem heutigen Engl., in dem ein Wortkörper verschiedenen Wortarten und grammatischen Kategorien angehören kann, wären ohne den Kontext die Bedeutungen wohl kaum eines Wortes zu fassen (vgl. etwa oben do und S. 25). 10 Vgl. etwa die Beispiele bei E . A . Nida, a.a.O., 100 ff. 11 Zu Ulimanns Unterscheidung von "füll words" und "form-words" (Semantics, 44) vgl. O. Funkes Kritik in Anglia 83 (1965), 356. 12 Verschiedene Informanten haben sicher von „Tisch" die gleiche Grundvorstellung eines Gegenstandes mit einer flachen, meist horizontalen Oberfläche, die auf unterschiedliche Weise gestützt ist. Aber erst aus dem Kontext, zu dem auch nähere Bestimmungen wie Adjektive u.ä. zu zählen sind, also situationsgebunden, kann auf die genauere Form und Art, d. h. auf seine „Bedeutung" geschlossen werden. 13 Vgl. S. 19 und dagegen R . L . Allen (8. 34f.). 14 Vgl. zu dieser A r t von Bedeutungsvermittlung F. Schubel, Methodik des Englischunterrichts (Frankfurt, 41966), 78 ff.
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reicht, f ü h r t man ihm möglichst viele Situationen vor Augen, in denen dieser Begriff eingebettet ist. Diese Situationen müssen so eindeutig sein, daß aus dem Kontext die fragliche Bedeutung hervorgeht. I n derartigen Fällen ist es durchaus angebracht zu sagen, "yellow" erhält seine Bedeutung aus dem Kontext bzw. aus seiner Verwendung. Das kann jedoch nicht heißen, daß Kontext bzw. Verwendung mit Bedeutung identisch wäre 1 5 oder daß die Annahme einer Eigenbedeutung der Wörter auf einer grundlosen Voraussetzung beruhte. 1 6 Auch auf die "form-words", die Ulimann nicht weiter behandelt, läßt sich die Kontexttheorie anwenden. So erweckt z.B. das Wörtchen wider sofort Situationen aus der eigenen Erfahrung, in denen es eine Funktion ausübte: "under the table", "under the bridge" usw. Doch seine genaue Bedeutung erlangt under erst aus dem Kontext; aber schon daran, daß sich ein Vorstellungsgehalt mit ihm verbindet, erweist sich das Vorhandensein seiner Eigenbedeutung, wenn diese unter Umständen auch nicht so klar ist wie die eines "füll word". Ein weiteres Beispiel mag dies illustrieren: ,,s". Etwa aus der Vorstellung, ,,s" ist ein Buchstabe, ergibt sich bereits die Existenz einer Eigenbedeutung. Man kann weitergehen und sagen: [s] ist ein Phonem, das in Verbindung mit anderen Phonemen Lautkörper bildet; 1 7 „s" kann aber auch Morphem und dann z.B. im Engl, das Zeichen des Plurals sein (außer der sog. Umlautplurale wie teeth, mice, feet usw.) und unterscheidet in dieser Funktion die Einzahl von der Mehrzahl oder steht in Opposition zu den s-losen Pluralen (people peoples); es wird außerdem zur Bildung der dritten Pers. Sing. Präs. verwendet (jedoch nicht bei den modalen Hilfsverben), seine Aussprache ändert sich der lautlichen Umgebung entsprechend usw. 15 16
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Vgl. S. 29 f. Vgl. S. 21, Anm. 2. - Bei der Bedeutungsermittlung der Farbadjektive kann auch die Etymologie in Anspruch genommen werden, doch muß dabei die größte Vorsicht walten. Auf Grund der Lautgesetze ist zwar zu schließen, daß z.B. ne. brown auf ae. brun zurückgeht. Es wäre aber verfehlt zu glauben, dieses habe im Ae. auch „braun" bedeutet; „braun" war nur ein Nebeninhalt, eine "variable feature", die Grundbedeutung, "root meaning" (vgl. S. 51), war „düster, dunkel glänzend". Ebenso verhält es sich mit afrz. bloi und nfrz. bleu. - Vgl. dazu auch E.A.Nida, a.a.O., 35. Neben der formalen Seite können manchen Phonemen auch symbolische Werte eignen: Das helle [i] z.B. wird man mit anderen Dingen in Verbindung bringen als das dunkle [o] oder [u], und die Kombination [fl] in flimmer, flitter, flare, flip usw. bedeutet etwas Hastiges, Atemloses. - Vgl. dazu E.A. Nida, a.a.O., 30f. 24
Aber erst aus dem Mikrokontext, in diesem Falle also aus dem Grundwort und aus seinem Gebrauch, wird klar, was dieses Morphem in einer speziellen Situation „bedeutet". Daraus erhellt, daß erst die aktualisierte Sprache, la parole, über die Leistung der Wörter, der "full words" wie der "form-words", genauere Auskunft erteilt. Dem stimmt auch Ullmann bedingt zu: "Many linguistic elements other than words may be said to have 'meaning' of some kind: all morphemes are by definition significant ... and so are the combinations into which they enter, and all these various meanings play their part in the total meaning of the utterance." 1 8 Grundsätzlich ist zu sagen, daß nicht nur viele sprachliche Elemente Eigenbedeutung haben, sondern notwendigerweise alle. Wie ließe sich sonst „Bedeutung" als sprachliches Phänomen überhaupt erklären? Eine entscheidende Rolle spielt der Kontext im Bereich der Homophonie. Schon im Ae. lassen sich genügend Beispiele für diese Erscheinung beibringen. Es sei nur das Wort ar 1 9 erwähnt, das, ohne die Etymologie zu berücksichtigen, „Bote, Ruder, Ehre, Gnade" bezeichnet. Durch den Zusammenfall verschiedener Vokale und den Abbau des Flexionssystems im Me. entstand eine große Zahl von Homophonen, 2 0 wie sea - see, flea - flee, sew - sow usw. 2 1 Hier sorgt der Kontext für Eindeutigkeit und bannt die Gefahr des Mißverständnisses. 22 2. Was ist „Bedeutung"? Die resignierende Feststellung W . B . P I L L S B U R Y S , "meaning is practically everything. We always see the meaning as we look, think 18
Semantics, 54. - Vgl. jedoch ebd., 49, u n d R . L . Miller, "The Word and I t s Meaning", Linguistics 28 (1966), 9 0 - 9 6 . 19 Vgl. S. 58. 20 Vgl. z u d e n Wortkörpern, die verschiedenen Wortarten angehören können, w i e knock Vb. u n d Subst., hard Adj. u n d A d v . usw., S. 23, A n m . 9. Diese Erscheinung ist hier n i c h t gemeint. - E i n e Zusammenstellung der wicht i g s t e n engl. Grleichklinger findet sich bei W . Fischer, Englische Homophone (München, 1961). 21 Vgl. a u c h G. Nickel, a.a.O., 90, A n m . 30. 22 Vgl. d a z u den aufschlußreichen B e i t r a g v o n O. Ladstätter, „ D i e moderne chinesische Hochsprache u n d ihre Probleme in S t u d i u m , Unterricht u n d Forschung", LES 12 (1967), bes. 21 f.
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in meanings as we think, act in terms of meaning when we act. Apparently we are never directly conscious of anything but meanings", 1 zeigt das Dilemma der Definition von "meaning" und die beschränkte Brauchbarkeit dieses Terminus für wissenschaftliche Arbeit 2 ebenso wie die Worte STEPHEN ULLMANNS: "MEANING is one of the most ambiguous and most controversial terms in the theory of language" (Semantics, 54). Eine kleine Auswahl der verwirrenden Fülle der Inhalte von „Bedeutung" bietet u.a. CHARLES C. FRIES in seinem Aufsatz "Meaning and Linguistic Analysis", Language 30 (1954), 62 f. Seine Zusammenfassung, diese "diversity often prevents fruitful discussion" (62), ist bezeichnend. Obwohl viele sich mit Semantik beschäftigende Forscher um eine eindeutige Definition dieses Begriffs gerungen haben und noch ringen, sind die Verwirrung und der Streit über das, was "meaning" oder „Bedeutung" eigentlich sei, keinesfalls kleiner geworden. Den Strukturalisten wird vorgeworfen, sie wollten die sprachlichen Phänomene ohne Semantik und damit ohne „Bedeutung" erklären und darstellen. 3 LEONARD BLOOMFIELD wurde in erster Linie dafür verantwortlich gemacht. Fries versuchte zwar, ihn zu rehabilitieren, 4 auch YEHOSHUA BAR-HILLEL schloß sich an, 5 doch vermerkt Ullmann: "there can be no doubt that his attitude had a negative influence on many of his followers and helped to turn them away from semantic problems." 6 Im folgenden sollen einige maßgebliche "meaning"-Theorien betrachtet werden mit dem Ziel, zu einer eindeutigen Definition zu gelangen. 7
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Zit. bei C.C. Pries, "Meaning and Linguistic Analysis", 63. Vgl. S. 1, Anm. 2. L. Antal z.B. lehnt die Existenz von „Bedeutung" als eines sprachlichen Phänomens ab. „Bedeutung" sei weder concept noch image, da beide außersprachliche Zeichen seien, Bestandteile des Denkens, die nicht von der Linguistik untersucht werden könnten, Questions of Meaning (The Hague, 1963), 17 ff.; vgl. auch "Meaning and its Change", Linguistics 6 (1964), 19. - Gr. Nickel wertet Antals Attacke gegen die „Bedeutung" als einen „mutigen Versuch... ,Bedeutung' zu ,entpsychologisieren'" (a.a.O., 85). Z.B. in "Meaning and Linguistic Analysis", 57 ff. "Logical Syntax and Semantics", Language 30 (1954), 230-237, bes. 234 f., wo es heißt, Bloomfield habe mit Carnap zusammen "deplored the mentalistic mud into which the study of meanings had fallen, and tried to reconstruct their fields on a purely formal-structural basis." Semantics, 60. Vgl. S. 2, Anm. 2.
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Zunächst ist jedoch zu fragen, wie die Vermittlung von Sprachzeichen bzw. sprachlichen Inhalten vor sich geht. Bloomfield hat diesen Prozeß auf die Formel gebracht: S ... r -> s ... R Grob vereinfachend bedeutet das: Der außersprachliche Stimulus (S) bewirkt beim Sprecher eine sprachliche Reaktion (r), die an den Hörer weitergegeben wird und in seiner Sphäre einen sprachlichen Stimulus (s) hervorruft, der wiederum eine außersprachliche Reaktion (R) auslöst. Dieser dreifältige Aspekt der Inhaltsvermittlung teilt sich nach K A R L B Ü H L E R wie folgt ein: I m Sprechakt sind eingeschlossen der Sprecher, der Hörer und die Sprache als Vermittlerin von (komplexen) Sprachzeichen (s. o.). Vom Standpunkt des Sprechers aus ist der Sprechakt ein Symptom, von dem des Hörers aus ein Signal, von dem der Kommunikation aus ein Symbol. 8 Anders ausgedrückt: Dem außersprachlichen Stimulus entspricht innersprachlich der Inhalt, dem - von Sprache zu Sprache verschieden - ein bestimmtes Lautbild oder ein bestimmter Lautkörper eignet. Beide können nicht getrennt werden, sie bilden - nicht motiviert, willkürlich - eine Einheit und determinieren sich gegenseitig. F ü r den Vorgang der Kommunikation kommt es nicht darauf an, daß die Aussage vom Partner verstanden wird; die außersprachliche Reaktion ist in jedem Falle vorhanden. 9 Mißverständnisse können durch einen eindeutigeren Kontext ausgeräumt werden. a) "meaning" bei G. Stern weist die „Bedeutung" als psychisches Phänomen der Psychologie zu und definiert: "The meaning of a word - in actual speech - is identical with those elements of the user's (speaker's or hearer's) subjective apprehension of the referent denoted by the word, which he apprehends as expressed by it." 1 0 GUSTAV STERN
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Sprachtheorie (Stuttgart, 2 1965), 24-33, bes. 28. - Vgl. auch S. 43 ff. Die meisten Strukturalisten verneinen die Existenz der Stimuli und stellen eine direkte Verbindung her zwischen Symbol und "referent", oder in St. Ullmann8 Terminologie, "name" und "thing" (vgl. S. 32). - Vgl. zum Kommunikationsakt auch die ausführliche Erörterung bei E.A. Nida, a.a.O., 43-55 und 120-144. Meaning and Change of Meaning (Göteborg, 1932), 45. 27
3 Faiß, Cynewulf
Ein Wort hat die „Bedeutung", die ihm der Sprecher (oder Hörer) zuteilt. Stern läßt demnach keine objektiven Bedingungen wie kultureller Kontext u.ä. für die „Bedeutung" zu. 1 1 Sie fungiert als Mittlerin zwischen dem sprachlichen Zeichen (sign) und dem Bezeichneten (denotatum) oder referent. Daraus folgt, daß der semantische Bereich eines Wortes entweder die Summe der Dinge ist, die es bezeichnet ("referential range") oder aber die Summe der Bedeutungen, die es auszudrücken vermag ("semantic range"). 1 2 Stern unterscheidet weiter zwischen aktueller und lexikalischer Bedeutung. 1 3 "Actual meaning is the meaning of a word in actual speech", 14 also die Bedeutung, die ein Wort im aktualisierten Sprachvermögen hat, "lexical meaning is the mental content attaching to an isolated word (or phrase)", also die Eigenbedeutung eines Wortes, das isoliert, ohne Kontext, betrachtet wird (vgl. unten). Was für das isolierte Wort gilt, trifft auch auf den isolierten Satz zu. Der lexikalischen Bedeutung fehlt demnach das durch den Kontext bestimmte, genau festgelegte Denotatum, das gerade für die aktuelle Bedeutung charakteristisch ist. Im Grunde existiert in der aktualisierten Sprache, in der parole, kein Wort isoliert, was auch Stern betont. Seine grundsätzliche Forderung, "The study of single words and their meanings is the indispensable basis of scientific semasiology", 18 darf als richtungweisend für alle späteren semantischen Forschungen gelten. Vom Einzelwort ist jedoch der Schritt zum semantischen Feld zu vollziehen; die Bedeutung des Einzelwortes kann nur das Fundament bilden, auf dem weitere Betrachtungen aufbauen. 1 6 11 12 13
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Vgl. S. 22, Anm. 4 und Anm. 7. Meaning and Change of Meaning, 68. Diese Unterscheidung beschäftigt die Sprachwissenschaft bis in die heutigen Tage. K.O. Erdmann, Die Bedeutung des Wortes (Leipzig, 1922), spricht von „begrifflichem Inhalt, Nebensinn und Gefühlswert" (107), H. Paul, Prinzipien der Sprachgeschichte (Tübingen, 6 1960), von „usueller" und „okkasioneller" Bedeutung (75), W. Schmidt, Lexikalische und aktuelle Bedeutung (Berlin, 1963), von diesen beiden (28), E. Leisi (ed.), Measure for Measure (Heidelberg, 1964), von "full meaning" und "situational meaning" (26), H. Glinz, Grundbegriffe und Methoden inhaltbezogener Text- und Sprachanalyse (Düsseldorf, 1965), von „usueller", „okkasioneller" und „Grundbedeutung" (15). Dabei ist keineswegs immer dasselbe gemeint. Meaning and Change of Meaning, 68. Ebd., 85. Vgl. auch B. von Lindheim, „Neue Wege der Bedeutungsforschung",106.
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b) „Bedeutung" bei L.Wittgenstein Die Ansicht L U D W I G W I T T G E N S T E I N S , „Laß dich die Bedeutung der Worte von ihren Verwendungen lehren", 1 7 ist bezeichnend für seine Auffassung dieser Erscheinung. Die Verwendung tritt in seiner Theorie so stark hervor, daß „Bedeutung" mit „Verwendung" gleichzusetzen ist. Man lernt die Bedeutung eines Wortes dadurch, daß man es verwenden lernt. Wittgenstein geht es bei seinen „Sprachspielen" 18 um die „Geltung" einzelner Wörter und Begriffe, die jedoch zu diesem Zweck nicht mit sinnverwandten Wörtern (Synonyma), sondern mit den „Sinnvarianten" 1 9 des gleichen Wortes, d.h. mit seinen anderen Gebrauchsweisen, verglichen werden. So abwegig, wie es zu Anfang scheint, ist diese Theorie nicht. So spricht z.B. C H A R L E S C . 20 F R I E S von "recurring sames" , und bei den modernen Unterrichtsversuchen im Sprachlabor wird den Wiederholungen der Wörter in verschiedenen Gebrauchsweisen eine große Bedeutung beigemessen. 21 Es ist keineswegs ausgeschlossen, daß die praktische Verwendung und Auswertung dieser Theorie letztlich zum Erfassen von Inhalten führt. Untersucht man einen Text aus einer früheren oder der gegenwärtigen Sprachperiode, kann man auch die Verwendungsweise der Wörter erforschen und von daher auf ihre Bedeutung schließen (vgl. etwa S. 68). Das Ganze vereinfacht sich, wenn man Verwendungsweise mit Mikrokontext gleichsetzt. 22 Trotzdem muß 17 18 19
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Zit. bei H. Gipper, a.a.O., 92. Vgl. ebd., 87 ff. „SinnVarianten" sind nicht zu verwechseln mit den "variable features" F. Gr. Lounsburys (vgl. S. 51), der nie den Terminus „Gebrauchsweisen" erwähnt und für den „Bedeutung" und "variable features" rein semantische Phänomene sind. Vgl. z.B. "Meaning and Linguistic Analysis", 64. - Selbst St. Ulimann verwendet wenigstens an einer Stelle wohl ungewollt "uses" gleichbedeutend mit "meanings" (vgl. S. 23), lehnt die Identifikation aber ab (vgl. S. 30, Anm. 23). - Vgl. auch S. 16, Anm. 80. Vgl. dazu F. Schubel, Methodik, Kap. „Das Sprachlabor", 16 ff., und K. Wächtler, „Strukturelle und Generative Grammatik: Zwei Entwicklungsphasen der deskriptiven Linguistik", NS N.F. 15 (1966), 59-76. Vgl. H. Glinz, „Worttheorie auf strukturalistischer und inhaltsbezogener Grundlage", Proceedings of the Ninth International Congress of Linguists, Janua Linguarum, Series Maior 12 (London, The Hague, Paris, 1964), 1053-1062. Glinz versteht unter „Kontext im engeren Sinn" bekannte grammatische Strukturen und Wortkörper mit schon bekannten Wortinhalten, unter „Kontext im weiteren Sinn" aber die gesamte Situation (1053). - So anfechtbar diese Gleichsetzung auch sein mag, scheint sie
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unterstrichen werden, daß Bedeutung und Verwendungsweise nicht identisch sind, diese aber für die Festlegung von Wortinhalten von erheblichem Nutzen ist. 23 c) "meaning" bei C.C. Fries Nach
CHARLES C . F R I E S
hat „Bedeutung" drei Aspekte:
1) "the recognition of a sequence of vocal sounds as fitting into some pattern of recurring sames." 2) "the recognition of the recurring sames of stimulus-situation features with which these sames of vocal sounds occur." 3) "the recognition of the recurring sames of practical response features which these sames of vocal sounds elicit." 24 So ist die Sprache für ihn "a system of recurring sequences or patterns of sames of vocal sounds, which correlate with recurring sames of stimulus-situation features, and which elicit recurring sames of response features."25 Dabei spielt die Erfahrung die entscheidende Rolle: Alle Stimuli, die nicht in ein Erfahrungsschema passen, sind für den Menschen
as
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doch eine vernünftige Lösung zu bieten. E i n Beispiel mag das illustrieren. Man stelle die F o r m e n live und lives nebeneinander. Soll z . B . dem K o m munikationspartner erklärt werden, wann live und wann lives zu setzen ist, wählt m a n Situationen, in denen diese Wörter vorkommen. B a l d wird erkannt werden, daß lives nur in der 3. Pers. Sg., also in Verbindung m i t he, she, it, und zwar im Präs. gebraucht wird, live dagegen bei allen anderen Pers. dieser Zeitstufe und als Inf. Weiß der Kommunikationspartner noch nicht, was live überhaupt bedeutet, sind verschiedene Makrokontexte m i t den entsprechenden Situationen, aus denen die Bedeutung von live zu erschließen ist, vorzuführen. - Vgl. auch die Beispiele bei K . Wächtler, a.a.O., und oben Anm. 20. Vgl. auch S t . Ullmann, Semantics, 66. — Aus Wittgensteins Identifikation' „Verwendungsweise" - „ B e d e u t u n g " folgt notwendigerweise seine andere Auffassung das Wortfeldes, das zu einem „Verwendungsfeld" wird und die Verwendungsweisen nur eines einzelnen Wortes umfaßt. — Auch für H . Gipper sind die Verwendungsweisen offenbar von einiger Wichtigkeit. I m Anschluß an P . Ziff, Semantic Analysis (New Y o r k , 1960), schreibt er: „Allgemein scheint der Versuch lohnend, Felduntersuchungen m i t Analysen der Gebrauchsweisen von Einzelwörtern zu verbinden, um . . . so den Eigenwert der einzelnen Feldglieder näher zu b e s t i m m e n " (a.a.O., 96). A . I . W i t t e n b e r g spricht von der „ F u n k t i o n " eines Wortes in einem „ B e deutungsgewebe". Diese mache die Individualität eines Begriffes aus und konstituiere das, was m a n gewöhnlich m i t „ S i n n " bezeichne (vgl. H . Gipper, a.a.O., 113). "Meaning and Linguistic Analysis", 64. Ebd., 64 f. - Vgl. auch W . Haas, " S e m a n t i c Value", Proc. of the Ninth Intern. Congr. of Linguists, 1066-1072.
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"meaningless". Diese These stimmt jedoch nur, wenn „Erkenntnis" gefaßt wird als "an automatic conditioned response connecting the patterns of vocal sound with recurrent features of experience."26 Hier wird die Erfahrung überbetont. Bei einer so engen Auslegung der sprachlichen Inhaltsvermittlung, bei welcher der Hörer lediglich auf seine eigene Erfahrung angewiesen ist, müßte jedes Erlernen einer fremden Sprache in Frage gestellt werden. Oder es müßten die benötigten "sames of vocal sounds" alle schon vorgebildet sein. Fries hat die Schwierigkeit wohl gefühlt und sucht sie durch die Einführung von "modes of meaning" zu überbrücken, die den sprachlichen Aussagen zugrunde liegen: 1) "One layer of the meaning of the utterance is determined and signaled by the particular lexical items selected and thus recognized. This recognition covers both the identification of the item itself by its contrastive shape, and the situation and response features with which this shape correlates in the linguistic community."27 2) Hinzu tritt die automatische oder auch manchmal bewußte "recognition of the distribution of each lexical item with 'sets' of other lexical items as they occur in the complete utterance unit." 28 3) Außerdem existiert "the automatic recognition of the contrastive features of arrangement in which the lexical items occur." Die "contrastive features ... regularly correlate with and thus signal a second layer of meanings - structural meanings."29 Diese beiden Elemente, lexikalische und strukturelle ( = grammatische)30 Bedeutung, konstituieren den Inhalt der menschlichen Aussage in der Weise, daß die lexikalische in die strukturelle Bedeutung eingebettet ist. Da sprachliche Inhalte in einer Gesellschaft vermittelt werden, sind sozialer und kultureller Kontext zu berücksichtigen, so daß die menschlichen Aussagen ein doppeltes Gesicht haben: Ihre Bedeutung ist sowohl sprachlicher als auch sozial-kultureller Art. 31 26
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"Meaning and Linguistic Analysis", 64, Anm. 27. - Zu den "recurring sames" vgl. ebd., 64. Ebd., 65. Ebd., 66. Ebd., 60. Vgl. dazu Gr. Nickel, a.a.O., 89, Anm. 26, und S. 29, Anm. 22. "Meaning and Linguistic Analysis", 67. Vgl. auch ebd., Anm. 34, und 8. 22.
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d) "meaning" bei St. Ullmann S T E P H E N U L L M A N N schlägt statt der üblichen Bezeichnung der drei Komponenten "symbol - thought or reference - referent" die Termini "name", "sense" und "thing" vor; 3 2 "name" ist das phonetische „Gesicht" eines Wortes im weitesten Sinne (auch z.B. der Akzent ist miteinbezogen), "sense" ist die Information ("mental content"), die der "name" dem Sprecher vermittelt, 3 3 "thing" ist das "referent", das außersprachliche Ding, über das gesprochen wird. Zwischen "name" und "sense" besteht eine reziproke und umkehrbare Beziehung, sie stellt die „Bedeutung" dar. Hier geht Ullmann davon aus, daß der Sprecher an etwas denkt und es in Worte kleidet, also der Akt „außersprachlicher Stimulus ... sprachliche Reaktion" vollzogen wird. Der Sprecher steht demnach im Mittelpunkt, während es bei O G D E N - R I C H A R D S ' Modell der Hörer ist. 34 Dieser Theorie wird u.a. eine Nichtbeachtung des "referent" vorgeworfen, was aber durch den Hinweis, daß sich jede Erforschung einer Sprache mit innersprachlichen Erscheinungen zu befassen habe - denn nur diese sind eigentlich relevant - entkräftet werden kann. Das außersprachliche "thing" braucht also nicht unbedingt berücksichtigt zu werden: Ulimanns "analytical" oder "referential theory" bewegt sich ursprünglich auf der Ebene der langue, nicht auf der der parole.36 Sie befindet sich dagegen auf der Ebene der parole, wenn sie aktualisiert ist, d.h. wenn reale Aussagesituationen als Ausgangspunkt zur Ermittlung von Bedeutungen dienen. Der Vorteil dieser Theorie beruht auf der doppelten Ansatzmöglichkeit - vom "name" aus wird der Inhalt erforscht, 36 mehrere Inhalte 32 33 34 35 36
Zur Begründung vgl. Semantics, 57. "sense" entspräche bei G. Stern "meaning" (vgl. 8. 28). C.K. Ogden und I.A. Richards, The Meaning of Meaning (London, 10 1960). Vgl. dazu auch L. Heilmann, "Statistical Considerations and Semantic Content", Proc. of the Ninth Intern. Congr. of Linguists, 427-433. Nach Bloomfield darf eine sprachliche Untersuchung nur von der Form, nie vom Inhalt ausgehen. Die Verneinung des "sense" führt ihn zu diesem Trugschluß. Fries ist hier etwas vorsichtiger: "Although a certain control of specific kinds of meaning seems to me essential for the various parts of linguistic analysis I should like to insist that as a general principle any use of meaning is unscientific whenever the fact of our knowing the meaning leads us to stop short of finding the precise formal signals that operate to convey that meaning." "Meaning and Linguistic Analysis", 68.
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können einem "name" eignen (Mehrdeutigkeit); vom "sense" aus erforscht man die phonetischen Sachverhalte, mehrere "names" können einem "sense" eignen (Synonymie); sie trifft den Kern des Bedeutungsproblems wesentlich und läßt sich besonders gut auf dem Gebiet der Wortsemantik anwenden.37 e) "meaning" ohne "sense" Die Frage der „Bedeutung" kann ohne "sense" nicht gelöst werden. Diese Meinung vertritt u.a. auch S T E P H E N ULLMANN. Die meisten Strukturalisten glauben jedoch, ohne "sense" auszukommen, und schlagen eine direkte Verbindung von "name" zu "thing", von "symbol" zu "referent". 38 Dieses Vorgehen wird äußerst fragwürdig im Hinblick auf die Kommunikation. Es setzt voraus, daß alle möglichen Inhalte in den Kommunikationspartnern bereits vorhanden sind. Dem kann nicht zugestimmt werden. Der folgende Sachverhalt ist ein Beweis für die Unrichtigkeit dieser Annahme: Als von Rom aus versucht wurde, die Bevölkerung Englands zu christianisieren, mußte diese mit den neuen christlichen Ideen und Begriffen vertraut gemacht werden. Wie jedoch hätte ein Angelsachse, der bisher seinen Göttern gedient hatte, verstehen können, was z.B. „göttliche Gnade" bedeute, wenn der Mönch oder Missionar ihm ihr Wesen nicht - mit größerem oder geringerem Erfolg 39 - an vielen Beispielen verdeutlicht hätte ? Man kann gewiß nicht behaupten, in diesem heidnischen Angelsachsen sei die Idee der göttlichen Gnade schon existent gewesen, bevor er mit christlichem Gedankengut in Berührung kam, was bereits Jahrhunderte vor der eigentlichen Bekehrung zu vermuten ist,40 oder bevor letztlich der christliche Missionar den Anstoß zu ihrem Aufbruch gegeben hat. Man kann einwenden, die Mönche hätten nur die einheimischen ae. Wörter zur Bedeutungsvermittlung benutzt, und die Ideen dieser Wörter müsO. Funkes z.T. berechtigte Kritik an Ullmanns Terminologie in Anglia 83 (1965), 357, dürfte den Wert dieser Theorie kaum mindern. 38 Vgl. S. 27, Anm. 9. - Die Wichtigkeit des "sense" wird auch von E. Benveniste unterstrichen: «Que n'a-t-on tenté pour éviter, ignorer, ou expulser le sens? On aura beau faire: cette tête de Méduse est toujours là, au centre de la langue, fascinant ceux qui la contemplent.» «Les Niveaux de l'Analyse Linguistique», Proc. of the Ninth Intern. Congr. of Linguists, 271. " Vgl. u.a. F. Schubel, Englische Literaturgeschichte, I: Die alt- und mittelenglische Periode (Berlin, 21967), 29, Anm. 1. 40 Vgl. P . Schmoock, a.a.O., 2 und ebd., Anm. 2 f. 37
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sen notwendig vorhanden gewesen sein; allerdings waren sie bisher in einem völlig anderen Kontext erschienen. Diese Ideen waren demnach nicht mit den christlichen identisch. Ein sehr geläufiges ae. Substantiv ist z.B. bliss. Es hatte vor der Christianisierung nichts mit „himmlischer Freude" zu tun, sondern bedeutete ganz allgemein „Freude", im Saal, auf der Metbank usw. Es lag natürlich nahe, ein so „freudeträchtiges" Wort in anderen Bereichen zu benutzen als nur im weltlichen, und so rückte es immer mehr in den überweltlichen, himmlischen und bezeichnet bei Cynewulf hauptsächlich „himmlische Freude(n)" 4 1 bzw. „menschliche Glückseligkeit im Hinblick auf diese". Die Möglichkeit einer Bedeutungsvermittlung ohne "sense" darf daher zurückgewiesen werden. f) "meaning" bei R . L . Allen Seine Ansichten stempeln R O B E R T L . A L L E N zu einem „Kontextualisten" 4 2 . Er f ü h r t eine ganz andere Terminologie ein, deren Wert jedoch unklar ist. Sie bringt noch mehr Verwirrung in die Bedeutungsfrage. Allen verwendet "meaning" oder "meanings" für den gesamten Bereich aller möglichen "senses" einer sprachlichen Form, "signification" für eine spezifische Kombination von semantischen Komponenten, "denoted or connoted by the form in a specific Situation".43 Im Wörterbuch sind demnach die "meanings" der Wörter aufgeführt, nicht die "significations", die „Bedeutungen", die nur in einer bestimmten Situation, einem bestimmten Kontext in Erscheinung 41
Vgl. S. 109 ff. und K. Ostheeren, a.a.O. - Auch in anderen Sprachen finden sich derartige Erscheinungen. Wulfila z.B. übersetzte griech. theos mit got. Gup, wozu die Erklärung E. A. Nidas, a. a. O., 49 f., zu vergleichen ist. Bestätigt werden die obigen Ausfuhrungen außerdem durch H. Glinz: Er faßt das Erlernen eines Wortinhalts (vgl. S. 36) als ein Neubilden, einen eigenen geistigen Akt, für den der Wortkörper nur auslösendes Signal ist, gleichsam Katalysator („Worttheorie auf strukturalistischer und inhaltsbezogener Grundlage", 1053). Ein Wortkörper kann von einem Inhalt, den er in erster Linie, d.h. am häufigsten in einer genau umgrenzten Sprachperiode, zu tragen hat, einen gewissen Trägerwert, eine veränderliche Grundbedeutung, erhalten, die dann als Motiv wirken kann, wenn für einen neuen Inhalt geeignete Wortkörper gesucht werden (1054). Diese Aussage hat Gültigkeit für alle Sprachperioden. " Vgl. S. 21, Anm. 2. 43 "The Structure of Meaning", Proc. of the Ninth Intern. Congr. of Linguists, 421.
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treten. 4 4 Daraus folgt, daß eine Eigenbedeutung der Wörter nicht existiert: "probably nothing has significance in and of itself; only when something is perceived as forms in relation to some relevant context does it become meaningful." 4 5 Die Art der Beziehungen ist ohne Belang: Es kann sich um Opposition, Identität, Ähnlichkeit usw. handeln. „Bedeutung" wird also nur in der Relation „Kontext - F o r m " gesehen. Mittels dieser Relationen oder Kombinationen, die in der aktualisierten Sprache meist als einfache oder erweiterte SubjektPrädikat-Relationen erscheinen, kann man noch größere Kontexte um die Bedeutungen herum aufbauen, "and for some of us, at least, those larger contexts in turn serve, by shift of forms, as complex foci for still larger signification-complexes. Of such is the structure of meaning." 4 6 g) „Bedeutung" bei H. Glinz Zum Abschluß der Betrachtungen über das Wesen der „Bedeutung" soll noch ein Vertreter der inhaltbezogenen Sprachwissenschaft zu Wort kommen. H A N S G L I N Z unterscheidet in seinem Buch Grundbegriffe und Methoden inhaltbezogener Text- und Sprachanalyse zunächst zwischen dem „naiven" Begriff von „Bedeutung" und dem in der inhaltbezogenen Sprachwissenschaft üblichen. Es sei noch vorausgeschickt, daß Glinz — mit einigem Recht, wie gezeigt wurde - den Terminus „Bedeutung" ablehnt, weil er zu überladen ist, und statt dessen mit L E O W E I S G E R B E R und E R N S T L E I S I von „Sprachinhalt, Wortinhalt" oder kurz von „ I n h a l t " spricht (15). Zum „naiven" Begriff rechnet H. Glinz 1) allgemein geltende Inhalte eines Wortes oder einer Wendung; 2) das in einer bestimmten Situation durch den Gebrauch des Wortes Gemeinte; 44 46
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Das stimmt nur teilweise. Bosworth-Toller z.B. verzeichnet ebenso wie das NED eine große Anzahl von Kontexten, um die Bedeutungen zu belegen. "The Structure of Meaning", 422. — Um konsequent zu sein, hätte Allen hier "significant" setzen müssen. Er verwendet ohne ersichtlichen Grund "signiflcation" und "meaningfulness" nebeneinander. Man könnte sie vielleicht mit „Bedeutung" bzw. „Bedeutsamkeit" übersetzen. Der Wert dieser Unterscheidung scheint jedoch für die Definition von "meaning" zweifelhaft (s.o.). Ebd., 426.
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3) die in einem Wort noch erkennbaren Spuren einer früheren inhaltlichen Fassung (lat. legere hieß ursprünglich „sammeln"). Diese drei Fälle entsprechen 1) usueller, 2) okkasioneller Bedeutung und 3) Grundbedeutung. 4 7 Dem stellt er die inhaltbezogene Definition von Wortinhalt gegenüber: „eine in der Geschichte einer Gemeinschaft geschaffene und in dieser Gemeinschaft zu einer gewissen Zeit gültige, erlebte und auf Wieder-Erlebbarkeit angelegte geistig-künstlerische Gestalteinheit ; diese erlebte und auf Wiedererlebbarkeit angelegte Gestalt wird als Einheit gefaßt und festgehalten mit Hilfe der zugeordneten charakteristischen Klanggestalt (des Wortkörpers) durch die in jedem Sprachteilhaber lebendige geistig-künstlerische Kraft, d. h. konkret, durch das stets wiederholte sprachliche Handeln aus dieser K r a f t heraus und durch die damit erfolgende Einbettung in einen Gesamtbesitz an vorgeprägten Bahnen denkmäßig-künstlerischen Gestaltens, der sich durch dieses sprachliche Handeln bildet und stets erneuert" (16 f.). 48 Eines der Ergebnisse seiner Text- und Sprachanalysen besagt, daß ein Wortinhalt nichts anderes sei „als ein Stück fest und soziabel (d.h. in einer Gemeinschaft gültig) gewordenes Gemeintes" (166). Die Verfestigung dieses Gemeinten kann in verschiedenen Stufen erfolgt sein oder noch erfolgen (ebd.). Das Gemeinte „ist das, was der Sprecher mit seiner Rede intendiert, was er sagen will, unabhängig davon, wieweit es ihm gelingt, es auch vollständig und eindeutig durch feste Inhaltsstrukturen und Wortinhalte darzustellen" (16). Es besteht offensichtlich ein Unterschied zwischen „Inhaltsstrukturen" und „Wortinhalten". Die letzteren werden als geistige Einheit gefaßt, 4 9 die ersteren dürften identisch sein mit „Bedeutungen", die für „mögliche mit dem Wort gemeinte Begriffe" stehen. 60 „Inhaltsstrukturen" befinden sich auf der Ebene der parole, die „(Wort)inhalte" auf der der langue. So weit wie K A H L H O R A L E K , der der inhaltbezogenen Grammatik und Sprachwissenschaft Unklarheit und Widersprüchlichkeit vorwirft, 6 1 sollte man nicht gehen. Betrachtet man jedoch die Thesen 47 48 49 60 51
Vgl. S. 28, Anm. 13. Die Sperrungen im Text wurden nicht wiedergegeben. „Worttheorie auf strukturalistischer und inhaltsbezogener Grundlage", 1055. Ebd., 1055. Diskussion zum Beitrag von H. Glinz, ebd., 1064.
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von Hans Glinz in bezug auf „Bedeutung" im gewöhnlichen Sinne, muß man der berechtigten Kritik Y V A N L E B R U N S stattgeben: Glinz stellt „Wortinhalt" und „Bedeutung" gegeneinander. «Quelle différence peut-il bien y avoir entre les deux?» 52 Wesensmäßig besteht tatsächlich kein Unterschied zwischen den beiden Termini, 53 sie können austauschbar gebraucht werden. 54 Eine strenge Scheidung, vor allem die Beschränkung von Inhaltsstrukturen auf die parole, von Wortinhalten auf die langue (s. o.), trägt nur zur Verwirrung, nicht aber zur Lösung des Bedeutungsproblems bei: Eine Wortschatzuntersuchung hat ja die parole und nicht die langue zum Ausgangspunkt. h) Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Begriffe „Bedeutung" und "meaning" im Dtsch. und Engl, zwar sehr überladen sind, daß es aber trotzdem vorteilhaft ist, sie als "termini technici" weiterhin zu gebrauchen, will man sie nicht gerade durch ein Symbol, z.B. ,,M", ersetzen. Daneben kann auch der Terminus „ I n h a l t " verwendet werden. Die einleuchtendste Erklärung von "meaning" gibt S T E P H E N U L L M A N N , der sie als wechselseitige Beziehung zwischen "name" und "sense", als lexikalische, im System der Sprache begründete „Bedeutung" definiert (vgl. S. 32). Der Vorteil ist, daß diese Beziehung ohne weiteres auf die Ebene der parole transponiert werden kann (aktuelle Bedeutung, kontextgebunden usw.), mit der man es bei allen Sprachuntersuchungen zu tun hat. Diese "meaning" umfaßt Haupt- und Nebenbedeutungen ("root meaning" und "variable features") und wird genauer durch den Kontext bestimmt. Hier ist zu unterscheiden zwischen Makro- und Mikrokontext, wobei Makrokontext für die gesamte Situation steht, in der das betreffende Wort auftaucht, Mikrokontext dagegen für eine bekannte grammatische Struktur, die eng mit dem Wort zusammenhängt, für seine Gebrauchsweise. „ I n h a l t " und „Bedeutung" im Sinne von „Wortinhalt" und „Wortbedeutung" werden in der vorliegenden Abhandlung unterschiedslos und gleichberechtigt verwendet. 52 53
54
Diskussion zum Beitrag von H. Glinz, ebd., 1064. K. Horalek empfiehlt, „das Fachwort Inhalt auf die Texteinheiten zu beschränken" (1065), führt aber nicht näher aus, was er unter „Texteinheiten" versteht. Gleichberechtigt neben „Wortinhalt" und „Wortbedeutung" erwähnt O. Funke „Wortsinn". Anglia 83 (1965), 357. 37
KAPITEL I I
ZUR THEORIE DES SEMANTISCHEN FELDES
Die patterns, die der semantischen Seite des Wortschatzes 1 einer Sprache zugrunde liegen, sind das assoziative und das semantische Feld. A. Das assoziative Feld I m Anschluß an FERDINAND DE SAUSSURE analysiert STEPHEN ULLMANN das assoziative Feld ("associative field") von frz. enseignement2 und stellt dafür vier Prinzipien oder Konnexionen auf: 1) enseignement ist mit enseigner durch eine formale und semantische Ähnlichkeit verbunden, die auf dem gleichen Stamm beruht; 2) enseignement ist durch eine semantische Ähnlichkeit z.B. mit apprentissage und education verbunden; 3) enseignement ist etwa mit armement und changement durch das Suffix -ment verbunden, das u.a. deverbale Substantive abstrakten Charakters bildet; 4) enseignement ist beispielsweise mit dement und justement durch die Lautfolge [mä] verbunden. Es fragt sich jedoch, inwieweit formale Gesichtspunkte in einem assoziativen Feld überhaupt relevant sind. Die Punkte 3) und 4) sind völlig willkürlich gewählt und sagen über die Bedeutung von enseignement nicht das Geringste aus. Sie unterstreichen zwar die bekannte Tatsache, daß die formale Seite des Wortschatzes auf patterns basiert; allein die Punkte 1) und 2) aber weisen d a r a u f h i n , daß auch auf der semantischen Seite eine gewisse Struktur besteht. 1
2
St. Ullmann, Semantics, 238: "no linguist would seriously argue that the vocabulary is completely amorphous, without any pattern or organization. Such an assumption would be unrealistic since it would run counter to the very nature of the human mind."
EbcL., 239. 38
Viel einleuchtender definiert C H A R L E S BAIXY, ein Schüler de Saussures, das assoziative Feld. Er läßt die formale Seite ganz außer acht und konzentriert sich nur auf die „Bedeutung". 3 So assoziieren sich für ihn bei der Lautfolge [bcef] die Ideen 4 : a) Kuh, Stier, Kalb, also die nähere Verwandtschaft; Horner, das charakteristische Merkmal des bœuf-, wiederkäuen, muhen, brüllen, die Tätigkeiten des bœuf und seiner Verwandtschaft; b) Arbeit (Feld-), Pflug, Joch usw., also die Verwendung des bœuf in der Landwirtschaft und die in ihr gebrauchten Geräte; c) Kraft, Ausdauer, Geduld, Langsamkeit, Unbeholfenheit, Passivität, die Eigenschaften dieses Tiers. Daraus ist zu entnehmen, daß die in einem assoziativen Feld vereinigten Begriffe möglichst umfassend gesammelt werden müssen, um Strukturen herausarbeiten zu können. Auch wäre es unerläßlich, die verschiedensten Leute aller Stände zu befragen, um zu erfahren, welche Gedanken sich für sie mit einem bestimmten Begriff verknüpfen. Man wird jedoch zugeben, daß die Methode des Befragens, wenn sie nicht so durchgeführt wird, daß möglichst viele Angehörige einer Sprachgemeinschaft erfaßt werden, ebenso hinkt wie die der eigenen Information, des Sich-selbst-Befragens der Vertreter der inhaltbezogenen Linguistik. Selbst wenn man davon ausgeht, daß nur ein relativ geringer Prozentsatz an Informanten befragt zu werden braucht, weil sich die Aussagen bis zu einem gewissen Grade wiederholen, bleiben die Bedenken gegen das assoziative Feld. Es ist zu umfangreich, als daß es zur Erkenntnis einer semantischen Struktur des Wortschatzes verwendet werden könnte. Das Endergebnis wäre, daß im Grunde eine gesamte Sprache aus einem einzigen unhandlichen assoziativen Feld bestünde, wollte man der Forderung Ballys Rechnung tragen. Bezöge man gar die Punkte 3) und 4) der Analyse de Saussures mit ein, wäre die Verwirrung unüberschaubar. Ullmann stellt sich zwar anscheinend hinter die Praxis der Strukturermittlung an Hand des assoziativen Feldes ; doch leuchten die Vorzüge, die er aufzählt (Semantics, 241-243), nicht ein. Der Beweis für dessen umfassende Anwendungsmöglichkeiten ist noch zu erbringen. 3
1
D e m Vorwurf Ullmanns, Bally habe das assoziative Feld "narrowed down, somewhat arbitrarily, to purely semantic associations" (239), kann aus den obigen Gründen nicht beigepflichtet werden. Bally hat das Richtige getan, indem er das assoziative Feld auf den semantischen Bereich beschränkte. Zit. bei St. Ullmann, Semantics, 239.
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B. Das semantische Feld 1. Seine Bedeutung F ü r diese Erscheinung 1 wurde bis heute keine einheitliche Benennung gefunden. Man liest „Wortfeld", „Bedeutungsfeld", „Begriffsfeld", „sprachliches Feld", „Sinnbezirk", „semantisches Feld", «champ sémantique», "semantic field", "linguistic field" u.a. Am geeignetsten erscheint die Bezeichnung „semantisches Feld". Sie vermittelt allein schon vom Wortlaut her einen besseren Eindruck von dem, was gemeint ist, nämlich keine bezeichnungs-, sondern eine bedeutungsgeschichtliche, synchrone Darstellung der Mitglieder eines solchen Feldes. Die Geschichte des semantischen Feldes wird in manchen Arbeiten, die sich mit derartigen Untersuchungen beschäftigen, und in vielen neueren Werken über Sprachwissenschaft im allgemeinen und Semantik im besonderen berührt und teilweise auch ziemlich eingehend beschrieben, doch sind einige Hinweise für die späteren Ausführungen von Nutzen. Die Idee des semantischen Feldes kann bis zu W I L H E L M VON H U M B O L D T zurückverfolgt werden ; sie erhielt neuen Auftrieb durch E R N S T CASSIRERS Lehre vom Einfluß der Sprache auf das Denken und durch die Phänomenologie. F E R D I N A N D D E SAUSSURE verwob diese Impulse in seinen Gedanken über den mosaikartigen Charakter der Sprache, in der sich alle Elemente gegenseitig abgrenzen und ihre Bedeutung im Grunde nur von der Gesamtheit der Beziehungen herleiten. 2 G U N T H E R I P S E N gab diesen tastenden Versuchen den Namen „Bedeutungsfeld", der sich neben anderen bis heute gehalten hat, wenn auch nichts Einheitliches darunter verstanden wird. 3 Die Grundlagen der Theorie des semantischen Feldes schuf J O S T T R I E R mit seinem bedeutenden 1 9 3 1 veröffentlichten und später stark diskutierten Werk 4 über den Deutschen Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes.5 1
2 3 4 6
Vgl. d a z u a u c h S. Ohman, "Theories of t h e 'Linguistic F i e l d ' " , Word (1953), 1 2 3 - 1 3 4 . Vgl. St. U l l m a n n , Semantics, 244 u n d ebd. das Zitat de Saussures. Vgl. ebd., 245, Arnn. 2, u n d S. 50, A n m . 43. Vgl. ebd., 249, A n m . 2. Vgl. d a z u ebd., 245, A n m . 2, u n d S. 7, A n m . 30.
40
9
Die Erforschung semantischer Felder ist heute "one of the most active branches of semantics both on the theoretical and on the empirical plane" 6 , was die große Anzahl von Studien nicht nur für den engl., sondern auch für den frz. und dtsch. Wortschatz bestätigt. 7 Einen wichtigen Beitrag liefert z.B. die Reihe Europäische Schlüsselwörter8 mit ihren wortvergleichenden und wortgeschichtlichen Studien, in der zwar kaum Felder untersucht werden, wohl aber die Bedeutungsschattierungen einzelner in einer bestimmten Epoche oder für die Dauer einer Sprache im Vordergrund stehender Wörter. Auch M A R I O W A N D R U S Z K A S Buch Angst und Mut (Stuttgart, 1950) ist hier zu erwähnen. I m allgemeinen ist man wohl davon abgekommen, die Wörter eines semantischen Feldes als Bausteine eines Mosaiks zu betrachten, was Ipsen und Saussure noch vertraten; zudem dürfte die Aussage Triers, in einem solchen Feld grenzten sich die Begriffe genau ab, meist nicht zutreffen; 9 statt dessen wird man auf fließende Grenzen hinweisen müssen, die sich mit dem Wesen einer Sprache eher vereinbaren lassen - sie ist ja dauernd im Fluß begriffen, und selbst das Vokabular einer begrenzten Epoche kann sich ziemlich schnell ändern, sei es durch äußere oder durch innere Einflüsse, etwa durch soziale Umwälzungen. 10 Wenn auch semantische Felder mit dem homogenen Charakter, 1 1 den Trier ihnen zuschreiben will, nicht existieren, so schmälert das ihre Bedeutung für die moderne Sprachwissenschaft in keiner Weise. Mit ihrer Hilfe - auf die „Bedeutung" des Wortes wird mehr Wert gelegt als bei den assoziativen Feldern - kann z.B. die gesamte semantische Struktur des Vokabulars einer Sprache erschlossen und dargestellt werden. So mühsam dieses Beginnen auch ist, wird es doch immer wieder gefordert, und man hat vor allem in Wortkunden solche Versuche unternommen, wobei hier natürlich der moderne Sprachstand den Ausgangspunkt bildet. Es ist aber sicher eine verdienstvolle und lohnende Aufgabe, z.B. den Wortschatz des Ae. auf diese Weise zu 6
Semantics, 245. ' Vgl. Forschungsbericht. 8 Hg. Sprachwiss. Coli. Bonn, I, II, III (München, 1963, 1964, 1967). ' Vgl. dazu auch St. Ullmann, Semantics, 249, wo die Mosaik-Theorie heftig kritisiert wird. 10 Vgl. dazu u.a. St. Ullmann, Semantics, 248 f. 11 Vgl. auch. S. 130, Anm. 8. 41
ordnen. Die bisher verfaßten Abhandlungen führen nur Teilaspekte vor, die jedoch die unabdingbaren Vorstufen zu einem solchen Unternehmen bilden. Gerade beim Ae. kommt das recht schwierige Problem der Datierung hinzu. Selbst bei relativ genau datierbaren Dichtungen wie den Werken Cynewulfs differieren die Angaben manchmal um Jahre, was als ein Beweis dafür zu werten ist, daß die Frage der Chronologie noch keineswegs befriedigend gelöst ist. Im Hinblick nicht nur auf die literarischen, sondern auch auf die geistesgeschichtlichen Aufschlüsse, die eine Gesamtdarstellung des ae. Wortschatzes vermitteln würde, dürften derlei Unstimmigkeiten vermutlich kaum ins Gewicht fallen. Die Gruppierung des ae. Wortschatzes nach semantischen Gesichtspunkten könnte dann die Vorstufe bilden zu der des me., die für sich ebenfalls Spezial- und Einzeluntersuchungen in Anspruch nehmen muß; dasselbe gilt für die folgenden Perioden, und am Ende stünde eine Neuordnung des engl. Wortschatzes überhaupt, die im übrigen dringend nötig ist. Semantische Felder ermöglichen es außerdem, das Wesen - im weitesten Sinne verstanden - einer bestimmten Epoche besser zu begreifen, was JOST TRIER und FRIEDRICH MAURER mit ihren Forschungen deutlich gezeigt haben, und von hier aus überleitend kann ein nach Ullmann wichtiges Problem behandelt werden, nämlich "the influence of language on thinking. A semantic field does not merely reflect the ideas, values and outlook of contemporary society, but it crystallizes and perpetuates them: it hands down to the oncoming generation a ready-made analysis of experience through which the world will be viewed until the analysis becomes so palpably inadequate and out-of-date that the whole field has to be recast." 12 Damit verbunden sind die Thesen BENJAMIN L E E WHORES, der die europäischen mit Indianersprachen verglich, um möglicherweise Einblicke in Denkweise und Kulturzüge der betreffenden Völker zu gewinnen. 13 Diese Methode mißt jedoch, ebenso wie die GEORGES MATORES, außersprachlichen Kriterien eine zu große Bedeutung bei. Ullmann sieht die Whorfsche Methode anscheinend durchaus positiv, die Aus12 13
St. Ullmann, Semantics, 250. - Vgl. auch S. 14 f. Vgl. ebd., 251 f. - Die Ideen Whorfs würdigt ausführlich und kritisch H. Gipper, a.a.O., 297 if.
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führungen Matorés führen ihm aber entschieden zu weit: "Professor Matoré has gone too far when he declared: 'c'est en partant de l'étude du vocabulaire que nous essaierons d'expliquer une société. Aussi pourrons-nous définir la lexicologie comme une discipline sociologique utilisant le matériel linguistique que sont les mots.'" 14 2. Die Funktion der Sprache Bei der Betrachtung der verschiedenen Feldtheorien ist notwendigerweise - wenigstens kurz - auf die Funktion der Sprache im menschlichen Zusammenleben einzugehen. Ihre hervorragende Rolle als Vermittlerin zwischen dem menschlichen Geist und der Außenwelt wurde im Laufe der Zeit immer mehr erkannt. 16 Auch wenn man sich der Auffassung, die Sprache bilde den menschlichen Geist, 16 nicht unbedingt anschließen will, steht es doch außer Zweifel, daß die Muttersprache - im Sinne L E O W E I S G E R B E R S - Einfluß auf seine Entwicklung nehmen kann bzw. nimmt. 17 Die Sprache, die in einer Gesellschaft Norm ist, dient nicht nur der bloßen Kommunikation, wie es die Definition von langue bei A N D R E M A R T I N E T vermuten läßt: «Une langue est un instrument de communication selon lequel l'expérience humaine s'analyse, différemment dans chaque communauté ...» 18 , sie ist nicht nur das Denkwerkzeug dieser Gemeinschaft, sondern sie stellt eine „überpersonale geistige Kraft" dar, „die auf jeden Angehörigen der Sprachgemeinschaft, der in sie hineinwächst, zurückwirkt und sein Denken und Handeln mitbeeinflußt" 19 . Die Sprache gestaltet nach H E L M U T G I P P E R aktiv die Kultur eines Volkes. Von daher gelangt Gipper zu einer Definition der Sprache, die die Auffassungen de Saussures und Martinets miteinbegreift: Die Sprache ist als ein überpersonales geistiges Gefüge anzusehen, als ein lebendes und wirkendes System von Sprachzeichen (langue bei de Saussure) und nicht nur als parole, als aktualisiertes Sprachvermögen bzw. Sprachvorhandensein, als 14
Zit. bei St. Ulimann, Semantics, 252; vgl. auch die ebd., 253, Anm. 4 f. angegebene Literatur. 15 Vgl. dazu auch S. 44. 11 Vgl. etwa H. Glinz, „Sprache, Sein und Denken", Der Deutschunterricht 6 (1954), Heft 2: „Sprachbetrachtung in der Gegenwart", 56-67. 17 Vgl. F. Schubel, Methodik, 1 ff. 18 A. Martinet, Elements de Linguistique Générale (Paris, 1960), 25. " H. Gipper, a.a.O., 16.
43 4 Faiß, Cynewulf
Sprechen, das aus einer Vielzahl von Sprechakten besteht. 2 0 Dieses System ist nicht geschlossen, sondern offen und daher ständigen Wandlungen unterworfen, woraus wiederum folgt, daß es kein völlig transparentes oder gar logisches Beziehungsgefüge sein kann. Jede Sprache vermittelt - bedingt durch ihre Gliederung - die Seinswelt auf eine ganz besondere Weise und setzt damit die ihr eigentümlichen Inhalte: „Die Sprachinhalte kehren nirgends und niemals wieder, sind auch nicht aus dem Sein schlechthin einfach abgeschrieben, sondern werden eben durch den von einem bestimmten gliedernden Gefüge aus auf das Sein gerichteten Blick der Sprache zusammengreifend und scheidend, verknüpfend und trennend erst sprachlich-begrifflich verwirklicht." 2 1 Gliederung darf nun nicht so verstanden werden, als ob die Ganzheit sekundär und abhängig von den Einzelteilen wäre. Das Gegenteil ist der Fall: Die Ganzheit teilt den Einzelgliedern ihren Stellenwert im Beziehungsgefüge zu (vgl. auch S. 40). Als kleinste semantische Einzelteile faßt Trier die Wörter, 2 2 daß diese in noch kleinere sinntragende Einheiten - sie werden durch Termini wie Monem, Semantem, Semem, Morphem usw. bezeichnet - aufgespalten werden können, braucht nicht betont zu werden und ist in diesem Zusammenhang auch bedeutungslos. Die sprachliche Zwischenwelt schafft die objektive Seinswelt um und hebt sie den Mitgliedern der Muttersprache ins Bewußtsein. Dazu sind die Lautzeichen 23 ein unerläßliches Hilfsmittel; sie bilden mit den Inhalten eine untrennbare Einheit, was jedoch nicht heißen soll und kann, daß jedem Laut ein bestimmter, einmaliger Inhalt eigne (vgl. S. 7). Kombinationen der jeder Sprache eigentümlichen Laute (hier sind auch die Dialekte mit Lauten, die der Hochsprache z.T. fremd sind, 24 eingeschlossen) konstituieren die verschiedenen 20 21 22 28
24
H. Gipper, a. a. O., 19. J. Trier, „Das sprachliche Feld. Eine Auseinandersetzung", Neue Jährbücher für Wissenschaft und Jugendbildung 10 (1934), 429. Ebd., 429. Eine Sprache ohne Lautzeichen ist an sich nicht denkbar. Sondersprachen wie die Morse- und Plaggensprache, Mimik und Gestik usw. können nicht als Sprachen im eigentlichen Sinne gelten. E.A. Nida nennt sie "'secondary' or 'dependent' codes" und schließt auch die Bezeichnung "tertiary" nicht aus, "since writing is itself secondary to speech" (a.a.O., 30 und ebd., Anm. 1). Im Schwäbischen etwa gibt es Nasale, die in der Hochsprache nicht vorkommen. Umgekehrt besitzt das Schwäbische keine [z]-Laute.
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Bedeutungen oder Inhalte. Die Phoneme, deren Kombinationsmöglichkeiten innerhalb einer Sprache durch ihre Anzahl begrenzt sind wobei nicht einmal alle Möglichkeiten genutzt werden: Die Lautfolge [mist] z.B. hat im Engl. Bedeutung, ihre Umkehr ist sinnlos vollbringen hier eine gewaltige Leistung. 25 3. Bemerkungen zu einigen Feldtheorien a) G. Ipsen und J . Trier Ein Wortfeld (vgl. S. 40) ist eine größere Einheit als die in ihm vereinigten Wörter und eine kleinere als die Sprache selbst. Es nimmt eine Mittelstellung ein und ist zusammengesetzt in der Art eines Mosaiks, wohl geordnet, ohne Überschneidungen und Überlagerungen (vgl. etwa S. 7 und S. 41). Jeder Bestandteil bezieht seine Abgrenzung durch die anderen Bestandteile des Feldes. Sie alle fügen sich lückenlos aneinander, haben aber nicht denselben Umfang, was notwendigerweise auch auf die Felder selbst zutrifft. Daraus folgt, daß Synonyma nicht vorhanden sind und daß ein Wort nie zwei Wortfeldern angehört, was aber bedeutet, daß beim Hören oder Lesen eines Satzes das gesamte Feld sofort ins Bewußtsein gehoben sein muß, damit der gemeinte Inhalt verstanden werden kann. Trier sagt zwar, nicht das Sprachganze müsse präsent sein, 26 doch bemerkt er ausdrücklich, die einzelnen Begriffe seien klar voneinander getrennt und bestimmten die Grenzen des Feldes. Unter diesen Umständen müssen sogar mehrere Felder ins Bewußtsein treten, damit die Vorstellungen des einen von denen des angrenzenden unterschieden werden können. Folglich müßte das Sprachganze gegenwärtig sein, um z.B. zu begreifen, was „Schiff" ist. Ein Kind jedoch, das in einem Bilderbuch ein einfaches, schematisiertes Schiff sieht, weiß, daß es sich um ein solches handelt, ohne daß daneben die Ideen aller Unterabteilungen, wie Segelschiff, Raddampfer, Kreuzer, Schlachtschiff, Barkasse, Kogge usw., im Gedächtnis existent sind. Verführe man mit Triers Feldbegriff konsequent, gäbe es kein Er26 26
Vgl. auch S. 30f. J. Trier, Der deutsche Wortschats, 6, Anm. 1: „Das System der ganzen Sprache ist nirgends und niemals realisiert, wohl aber das System einzelner Felder." Für W. Betz war es ein leichtes, Trier zu widerlegen; vgl. „Zur Überprüfung des Feldbegrilfes", ZV8 71 (1954), 189-198.
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lernen einer fremden Sprache, vielleicht nicht einmal das der Muttersprache. Und niemand darf wohl für sich in Anspruch nehmen, beim Anblick eines Löwen im Zoo, um ein ganz banales Beispiel zu wählen, einzelne Wortfelder, geschweige denn das Sprachganze bewußt vor sich zu haben. Die Ausführungen Triers widersprechen den tatsächlichen Sprachgegebenheiten in einer Weise, daß G . E . M A I E R ZU dem Schluß kommt: Die Begrenzung des Wortfeldes „ist problematisch, im Bewusstsein erfüllt es keine besondere Funktion, sein innerer Aufbau hat angesichts der vielen Ueberschneidungen und Ueberdeckungen wenig Aehnlichkeit mehr mit einem 'Feld'... Trier's Wortfelder sind in Wirklichkeit nichts anderes als logische oder auch gefühlsmässige Ordnungsprinzipien, Schemata, Kategorien, Begriffe ... Nach ihnen klassifiziere ich die Wörter ... Diese Ordnungsprinzipien gründen nicht in der Sprache. Die Feldgrenzen können mitten durch die Wörter hindurchgehen. Sie stimmen mit den Wortgrenzen nicht überein. Der Sprachbau und das Feldsystem decken sich nicht. Damit stehen die Felder ausserhalb des engeren Interessengebietes des Sprachforschers. Ihren Ursprung, ihren Bau, ihre Wirkungsweise zu erklären, ist Aufgabe der Philosophie und Psychologie. Es sind keinerlei stichhaltige Beweise vorhanden, die es notwendig machen, zwischen der Gesamtsprache und dem Einzelwort als dritte sprachliche Grösse das Wortfeld anzunehmen ... Der Aufbau der Sprache läßt sich verstehen, und wie aus all den bisherigen Forschungen deutlich geworden ist, besser verstehen ohne die künstliche Konstruktion des Wort- und Satzfeldes. Die Feldtheorie, so viele Anhänger für sie auch plädieren mögen, wird den sprachlichen Tatsachen nicht gerecht und muss deshalb als verfehlt gelten." 27 In bezug auf die Feldtheorie Triers (und damit auf die Ipsens) besteht diese Absage an das semantische Feld zu Recht. Trier machte den Fehler, daß er von vorgefaßten Meinungen und Schemata ausging und das untersuchte Material in diese künstliche Ordnung zu pressen versuchte, was bei dem dynamischen Charakter der Sprache schlechthin nicht möglich ist. 28 Maier ist dagegen im Unrecht, wenn " G.B. Maier, a.a.O., 150. Demselben Fehler sind die Schüler Triers erlegen, denen es nicht gegeben war, die theoretischen Ausführungen ihres Lehrers in der Praxis zu beweisen. Vgl. dazu G.B. Maier, a.a.O., 26, Asm, 2, und seine Kritik ebd., 26 f. Vgl. auch S. 7 und S. 8.
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er das Wortfeld als ein in der Sprache gewachsenes semantisches Ordnungsprinzip verneint. Es fragt sich eben, nach welchen Kriterien es aufgebaut ist bzw. welche Struktur ihm zugrunde liegt; auch braucht die Methode der Erfassung dieser innersprachlichen Struktur nicht immer die gleiche zu sein (vgl. S. 10, Anm. 46). Eins steht jedoch fest: Man muß sich im klaren darüber sein, was zu einem Wortfeld gerechnet wird. 29 Daraufhin werden die Texte untersucht. Von vornherein zu behaupten, ein Feld habe so und so beschaffen zu sein, führt zu falschen Ergebnissen. Erst auf Grund der Textanalyse können seine Prinzipien erkannt werden. Über den Fehlschlag der Trierschen Methode kann auch nicht hinwegtäuschen, daß sich die Wortfelder der Färb- und Verwandtschaftsnamen nahezu mühelos in sein Schema einfügen. 30 b) L. Weisgerber L E O W E I S G E R B E R führt die Ideen Ipsens und Triers fort und differenziert zwischen ein- und mehrschichtigen Feldern. 3 1 Diese können gefächert sein. Die Fächer sind die Wortsippen, die vom gleichen Stamm ausgehen und in ihrem Umfang ebenfalls verschieden sind. Weisgerber nimmt einen Gedanken hinzu, der von Ipsen noch zurückgewiesen wurde, 3 2 aber schon bei de Saussure existierte: den der etymologischen Verwandtschaft. Weisgerbers ein- und mehrschichtige Felder dürfen jedoch nicht die Annahme aufdrängen, er sei der Ansicht, Wortfelder zeichneten sich gerade durch Überschneidungen und Überlagerungen aus (s.o.).
c) W. Porzig P O R Z I G , ZU Beginn ein scharfer Gegner Triers, änderte seine Meinung dem Trierschen Feldbegriff gegenüber und baute ihn in seine Feldtheorie ein. Er wirft Trier allerdings mit Recht vor, seine Felder seien nicht im rein Sprachlichen begründet, was er als unabdingbar bei jeder Feldlehre voraussetzt. Von hier aus wird es WALTER
29
30 31 32
Vgl. J. Trier, „ D e u t s c h e B e d e u t u n g s f o r s c h u n g " , Germanische Philologie, Festschrift für Otto Behaghel (Heidelberg, 1934), 188, u n d L. Weisgerber, „Zur innersprachlichen B e g r e n z u n g der Wortfelder (veranstalten u n d stattfinden)", Wirkendes Wort 2 (1951/52), 138. Vgl. St. U l l m a n n , Semantics, 246 if., u n d E . A . Nida, a.a.O., 82 ff. L. Weisgerber, Vom Weltbild der deutschen Sprache, 66 ff. Vgl. G. Ipsens Definition des B e d e u t u n g s f e l d e s , „ D e r alte Orient u n d die Indogermanen", Stand und Aufgaben der Sprachuiissenschaft, Festschrift für Wilhelm Streitberg (Heidelberg, 1924), 225. 47
verständlich, daß er einen anderen Weg einschlägt, indem er nicht von Axiomen ausgeht, um diese dann auf die Textanalyse anzuwenden, sondern seine Aufmerksamkeit zunächst auf das sprachliche Material richtet, um von da aus zu Gesetzen zu gelangen. Er führt den Begriff des ,,Mitsetzens" ein: Die Wörter seien so geartet, daß das eine das andere mitsetze. Diesen Vorgang nennt Porzig „wesenhafte Bedeutungsbeziehung" 33 . Bei der Bedeutungsermittlung kann die etymologische Verwandtschaft wirksam werden. An Porzigs hauptsächlich an Verben durchgeführten Untersuchungen läßt sich erkennen, daß sein Wortfeld mehr zum assoziativen Feld tendiert. Bei de Saussure tritt zwar das Kriterium der Austauschbarkeit 3 4 noch nicht in Erscheinung, doch spielen für ihn wie für Porzig die sich mit einem Begriff verbindenden Assoziationen eine erhebliche Rolle. 35 Porzigs Bedeutungsbeziehungen sind Änderungen unterworfen, was beim steten Wandel der Sprache nicht verwundert. Erscheinungen wie Bedeutungsverengung und -erweiterung, pejorativer Nebensinn u. ä. fallen hier stark ins Gewicht. 36 Mit der Gleichsetzung der Trierschen Bedeutungsfelder und seiner eigenen, 37 die er,,einbegreifende" nennt, trifft Porzig auch die Kritik an Trier. Deshalb wurde seine Theorie vorweggenommen. d) Die Kritik F. Scheidweilers Einer der heftigsten Gegner Jost Triers ist F E L I X S C H E I D W E I L E R , der sowohl die Diskrepanz zwischen Triers theoretischen Ausführungen und den tatsächlichen praktischen Ergebnissen 38 als auch was hier nicht so sehr interessiert - die Ergebnisse selbst kritisiert. 39 Er erklärt ein lückenloses System von Wortfeldern für illusorisch; die Sprache sei nicht fähig, mit ihrem Zeichensystem der Mannigfaltigkeit der Welt gerecht zu werden, sie sei konservativ und registriere die Wandlungen in Wortschatz und Satzbau erst viel später, m. a.W. sie erhebt zum Standard, zur Norm, was vielleicht vor 33
W. Porzig, „Wesenhafte Bedeutungsbeziehungen", PBB 58 (1934), 70. Ebd., 73. 35 Vgl. S. 38 und zur Kritik am assoziativen Feld S. 39. 3 « Vgl. G.E. Maier, a.a.O., 31 f. 37 Vgl. auch die Besprechung der Diss. vonW. Kühlwein (S. 16f.). 38 F. Scheidweiler, „Die Wortfeldtheorie", ZfdA 79 (1942), 254. s » Ders., „Kunst und List", ZfdA 78 (1941), 64. 34
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fünfzig oder noch mehr Jahren in der Volkssprache bereits lebendig war. 4 0 Was nach Trier in seiner Bedeutung genau abgesteckt ist, sieht Scheidweiler ganz anders, und alle Forschungen auf dem Gebiet des semantischen Feldes, selbst die Triers und seiner Schule, bestätigen die Richtigkeit seiner Beobachtungen: Ein Wort kann völlig unterschiedliche Bedeutungen haben, die Wortwahl der Dichter kann nachlässig sein - das trifft vor allem z.T. für die mittelalterlichen zu - , sie kann durch viele andere Phänomene bestimmt sein, etwa durch den Reim (die Forderungen des Stabreims schlagen sich in einer Zeit, in der er noch exakt verwendet wird, besonders auf die Wortwahl nieder) 41 usw. So beklagt F E I E D E I C H M A X J R E R : „ E S ist eine besondere Schwierigkeit für das Verstehen und Deuten mittelalterlicher Dichtungen, daß die Inhalte vieler und gerade bedeutsamer mittelhochdeutscher Wörter nicht eindeutig festgestellt sind. Sie sind z.T. garnicht eindeutig im neuhochdeutschen Sinn festzulegen, da sie vielfältig schwanken und schillern, ja eine ungeheure Weite und Vielfalt des Inhalts in sich jeweils vereinigen." 42 Diese Erkenntnisse haben in gleichem Maße auch für das Ae., Me. und Ne. Gültigkeit. Vom modernen Sprachstand aus können demnach - wenn überhaupt - nur bedingt Rückschlüsse auf ältere Sprachperioden gezogen werden. e) A. Jolles In seiner Kritik an Trier gelangt A N D R E J O L L E S zu einer interessanten Einschränkung des Feldbegriffs. Er übernimmt zwar den Ipsens (und damit den Triers), behauptet jedoch, das von Trier so determinierte Wortfeld verdiene diesen Namen nicht. Für Jolles ist die erste
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Eia treffendes Beispiel aus der Gegenwart ist dtsch. gefolgt von, das höchstwahrscheinlich in Analogie zu grammatikalisch richtigem frz. suivi de gebildet wurde und, obwohl im Dtsch. den Dat. regierende Verben nicht im Passiv verwendet werden können, heute nicht nur in der Umgangssprache, sondern sogar in wissenschaftlichen Abhandlungen, im Rundfunk und vor allem in der Zeitung so gebraucht wird. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese falsche Fügung durch einen immer breiteren Gebrauch zur Norm erhoben wird. - Vgl. dazu auch Ph. B. Gove, "Can You Pound Anything into a Schoolboy's Head?", idioma 5/1966, 212-219. " Vgl. auch S. 10 und Anm. 45. 48 F. Maurer, „Leid". Studien zur Bedeutungs- und Problemgeschichte besonders in den großen Epen der staufischen Zeit (Bern und München, 2 1951), 4. 49
Voraussetzung eines Bedeutungsfeldes, 43 daß es in seinen Konturen eindeutig gegen andere Bedeutungsfelder abgegrenzt ist. 44 Dasselbe hat von ihren einzelnen Mitgliedern zu gelten. Soweit auch Ipsen und Trier. Jolles liegt es nun fern, alle Wortfelder in diese Form zu pressen, Triers Forschungen mögen ihm eine Warnung gewesen sein. E r benennt nur solche Wortfelder als Bedeutungsfelder, in denen Begriffe z. B. in Opposition zueinander stehen (wie Leben-Tod, schnelllangsam, groß-klein usw.), also relativ eindeutig bestimmt sind. Dabei kommen jedoch auch Beziehungen wie Vater-Sohn, MutterTochter usw. in Betracht. Da Oppositionen jedoch nur einen Bruchteil der möglichen Beziehungen zwischen Begriffen ausmachen, könnten die meisten Wörter einer Sprache nicht in einem semantischen Feld untergebracht werden. Die anderen Relationen blieben unberücksichtigt bzw. müßten erst klassifiziert werden. Für die Felder, die nach Jolles keine Bedeutungsfelder sind, läßt er den von Trier geprägten Terminus ,,Sinnbezirk" zu. I n dessen Mittelpunkt befindet sich das „Synonym" 4 5 . Es bezeichnet Begriffe, deren Inhalt durch ein Einzelwort nicht unzweifelhaft geklärt ist und zu deren vollständiger semantischer Erhellung verwandte Begriffe bemüht werden müssen. Hier handelt es sich wieder nur um einen unfruchtbaren Streit um Termini, bei dem nichts gewonnen wird. Warum setzt Jolles für sein „Synonym", das sonst bekanntlich bedeutungsähnliche Wörter ausdrückt, nicht „Kernbegriff" oder etwas Ähnliches? Jolles' Kritik hat die Wortfeldforschung kaum weitergebracht, sondern sie durch unnötige Begrenzungen und terminologische Komplikationen eher zurückgeworfen. 46 Das assoziative Feld umfaßt zu viele, das Bedeutungsfeld Jolles' zu wenige Beziehungen. f) F. G. Lounsbury I n seinem Aufsatz "The Structural Analysis of Kinship Semantics" 47 analysiert F L O Y D G . L O U N S B U R Y das System der irokesischen Ver18
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Für Wortfeld setzt Jolles Bedeutungsfeld; vgl. „Antike Bedeutungsfelder", PBB 58 (1934), 102 ff. - Auch Ipsen spricht von Bedeutungsfeldern, Trier dagegen u.a. von Wortfeldern. A. Jolles, „Antike Bedeutungsfelder", 103. Ebd., 106. Synonyma im üblichen Sinne gibt es für Jolles nicht {ebd., 105). Vgl. auch G.E. Maier, a.a.O., 35. Proc. of the Ninth Intern. Congr. of Linguists, 1073-1093.
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wandtschaftsnamen "in illustrating a method of semantic analysis" (1073). Die Grundlage dieser Methode ist das "semantic paradigm". Die in diesem zusammengefaßten Begriffe müssen folgende Bedingungen erfüllen: 1) "the meaning of every form has a feature in common with the meanings of all other forms of the set", 2) "the meaning of every form differs from that of every other form of the set by one or more additional features" (1073). Den gemeinsamen „Zug" der in einem semantischen Feld liegenden Bedeutungen nennt er "root meaning" (1073).48 Die Grundbedeutung determiniert das semantische Feld, das die Begriffe des Paradigmas unter sich aufteilen (1073 f.). Die variablen Züge ("additional" oder "variable features"), also die Züge, die der betreffende Begriff außer der für alle in einem bestimmten semantischen Feld vereinigten Begriffe gültigen Bedeutung besitzt, stecken die semantischen Dimensionen des Paradigmas ab. Hinzu tritt jetzt die Kombinationsmöglichkeit. Eine semantische Dimension ist "a set of mutually exclusive (i.e., non-cooccurent) features which share some or all of the same privileges of combination ('bundling') with features not of this dimension". Mit "features" können hier nur "variable features", nicht die "root meaning", gemeint sein. Da aber jeder in einem solchen Paradigma oder semantischen Feld vertretene Begriff "variable features" besitzt, muß dieses zwingend auch mehrere semantische Dimensionen haben. Diese Unterscheidung ist wichtig, da Lounsbury unter "feature" "an ultimate term of characterization in a set of descriptive terms appropriate for the analysis of a particular given paradigm" (1074) versteht und dazu sowohl "root meaning" als auch "variable features" zählt. Auf Grund dieser Tatsachen ist das semantische Feld Lounsburys eine überaus glückliche Verbindung verschiedener Wortfeldtheorien und besonders für die praktische Anwendung geeignet. Für den Begriff „Gnade" bei Cynewulf und seinem Kreis kann danach fest48
Die "root meaning" dürfte dem Glinzschen „Trägerwert" entsprechen. Darunter versteht H. Glinz einen synchronen Wert, der nicht mit der historischen Grundbedeutung des Wortes zusammenzufallen braucht. Er ist, semantisch gesehen, das Gemeinsame, das einem Wörtkörper anhaftet, sein „kleinster gemeinschaftlicher Grundzug" (Inhaltbezogene Text- und Sprachanalyse, 21).
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gestellt werden, daß sich die ae. Wörter ar, bilewit, bliss, est, giefu, glsed, hyldu, leof, liss, lof, milts und eadmod samt den ihnen etymologisch zugehörigen Formen in einem semantischen Feld vereinigen, in das sie nicht hineingepreßt zu werden brauchen, sondern das sie sich mühelos selbst ergliedern. Neben der Grundbedeutung ("root meaning") „Gnade" 4 9 besitzen die Mitglieder noch andere Inhalte, "variable features", die die Dimensionen ihres Feldes abstecken. Auch hier darf nicht der Eindruck entstehen, als ob diese Dimensionen scharf abgegrenzt wären. Im Gegenteil, sie sagen aus, wie weit die "variable features" in andere semantische Felder hineinreichen (und damit natürlich das eigene Feld begrenzen). So ist z.B. bliss mehr im semantischen Feld der „Freude" verwurzelt als in dem der „Gnade", und es wäre eigentlich von jenem auszugehen und zu erforschen, wie weit bliss mit seinen "variable features" in den Gnadebereich hineinragt. 60 Da aber dieser zur Debatte steht, wird bliss in diesem Rahmen behandelt. Es vermag jedoch nur einen Randbezirk dieses Bereichs einzunehmen. Die Glieder eines semantischen Feldes bilden mit ihren etymologischen Verwandten (Adjektiven, Adverbien usw.) ebenfalls semantische Felder, denn ein Adjektiv z.B. kann ohne weiteres neben der "root meaning" und den "variable features", die es etwa mit einem Substantiv gemein hat, andere "variable features" besitzen, die dem Substantiv nicht eignen (vgl. bliss - blide, S. 115f.).
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„Gnade" im weitesten Sinne verstanden, also auch „Milde", „Gunst", „Wohlwollen", „Barmherzigkeit", „Güte" usw. umfassend. Vgl. P.Wahmann, „Gnade". Der althochdeutsche Wortschatz im Bereich der Gnade, Gunst und Liebe (Diss. Münster, 1937). Vgl. dazu K. Ostheeren, a.a.O., 124.
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HAUPTTEIL KAPITEL I
METHODISCHES
Alle der neueren, im Forschungsbericht kurz charakterisierten Studien beschäftigen sich mit dem gesamten ae. Wortschatz an Hand einer Textauswahl, die als repräsentativ gelten möchte und in der Prosa und Poesie zu Wort kommen. Die Textbasis dieser Arbeit wurde absichtlich begrenzt, um keine „repräsentative Auswahl" in Anspruch nehmen zu müssen. Als Ausgangspunkt dient eine vollständige Belegsammlung aus den Werken Cynewulfs und seiner Schule. Der Inhalt der verschiedenen Bezeichnungen für „Gnade im weitesten Sinne" (vgl. S. 52, Anm. 49) soll mit Hilfe von Semasiologie und Onomasiologie determiniert werden. 1 Zugrunde gelegt werden die vier von Cynewulf signierten Dichtungen, die in der zweiten Hälfte des 8. Jhs. entstanden sind: Elene (El), Juliana (Ju), Christ II (Chr I I ) und Fata Apostolorum, (FA). In seinem aufschlußreichen Buch Gritical Studies in the CynewulfGroup, Lund Studies in English 17 (Lund, 1949), stellte CLAES SCHAAR für die folgenden Dichtungen eine abnehmende Verwandtschaft zu den Werken Cynewulfs fest: Die kurze Traumvision Dream of the Rood (DR) und Gudlac B (Gu B) stehen ihnen am nächsten; weiter entfernt sind Christ I (Chr I ) , Christ III (Chr I I I ) und der Phoenix (Ph); am wenigsten Ähnlichkeit mit ihnen haben Andreas (An) und Gudlac A (Gu A).2 Zur Cynewulf-Schule sind außerdem zu rechnen die nach Gudlac B einzuordnende Höllenfahrt Christi (Hö)3 und die Gedichte The Panther (P), The Whale (W) und 1
Vgl. S. 9. Vgl. zu diesen u n d den D i c h t u n g e n Cynewulfs F . Schubel, Die altmittelenglische Periode, 38 f. u n d 4 1 - 5 1 . » Vgl. APR III, lxiii. 2
und
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The Partridge (Pa), die a u c h u n t e r d e m Titel Physiologus4 zusamm e n g e f a ß t w e r d e n u n d n a c h d e m Phoenix rangieren. D a die Verfasserschaft hier u n e r h e b l i c h i s t , 6 w ä r e es n i c h t ergiebig, diese G r u p p e n g e t r e n n t z u u n t e r s u c h e n . Sie w e r d e n d e s h a l b als e i n e m I d i o l e k t z u g e h ö r i g b e t r a c h t e t , w a s sich n i c h t nur v o m T h e m a , s o n d e r n a u c h v o n der D i k t i o n her r e c h t f e r t i g e n l ä ß t . 6 B e i der D u r c h s i c h t der f ü n f z e h n a n g e g e b e n e n D i c h t u n g e n f a n d e n sich z w ö l f Begriffe, die m i t w e n i g s t e n s einer ihrer "variable f e a t u r e s " „ G n a d e " b e d e u t e n . E s s i n d dies ( e t y m o l o g i s c h v e r w a n d t e F o r m e n w i e A d j e k t i v e , Verben s o w i e A b l e i t u n g e n u n d Z u s a m m e n s e t z u n g e n e i n g e r e c h n e t ) : bliss (76 B e l e g e ) , leof (65 B e l e g e ) , giefu1 (60 B e l e g e ) , milts (47 B e l e g e ) , lof (44 B e l e g e ) , ar9 (29 B e l e g e ) , liss (22 B e l e g e ) , hyldu (13 B e l e g e ) , glsed (13 B e l e g e ) , est (12 B e l e g e ) , bilewit (2 B e l e g e ) , (eadmod, 1 B e l e g ) . Sie w e r d e n der H ä u f i g k e i t der G n a d e b e d e u t u n g n a c h b e h a n d e l t . D i e s e w i r d u n t e r I a u f g e f ü h r t , die "variable f e a t u r e s " , die a n d e r e n B e d e u t u n g e n , f o l g e n u n t e r I I . 9 D i e S t e l l e n a n g a b e n b e z i e h e n sich a u f
4
Vgl. F. Schubel, Die alt- und mittelenglische Periode, 47. Vgl. auch F. Schubel, „Zur Bedeutungskunde", 293. 6 Vgl. C. Schaar, a.a.O., u n d M.-M. Dubois, Les Eléments Latins dans la Poésie Religieuse de Cyneumlf (Paris, 1943), bes. K a p . I V - V I . - C.F. Hockett nennt Idiolekt " t h e totality of t h e speech-habits of a single person a t a given time" (A Course in Modern Linguistics [New York, 1958], 321). Skeptisch äußert sich St. Ulimann zur E i n f ü h r u n g dieses Begriffs zwischen den beiden Ganzheiten langue und parole, die f ü r die gesamte Sprachgemeinschaft gelten: " I t would seem . . . t h a t t h e concept of 'idiolect' m a y render valuable services to t h e psychologist a n d t h e student of style, and m a y have its place in certain types of linguistic inquiry, b u t t h a t , in t h e wider sphere of general linguistics, there would be little point in blurring t h e distinction between language a n d speech by introducing a third term between t h e t w o " (Semantics, 23). ' Nicht berücksichtigt wurden das Verb giefan, das sehr häufig in der ae. Literatur vorkommt, m i t „ G n a d e " jedoch nichts mehr zu t u n h a t - die Bedeutung „geben" liegt eindeutig fest (vgl. auch S. 104,3.) —, u n d -giefa „Geber". 8 Ausgeschieden wurden Stellen, wo ar „ E h r e " , „ R u d e r " , „ B o t e " usw. bedeutet, desgleichen die zugehörigen Ableitungen u n d Zusammensetzungen. ' I n der Terminologie von J . J . E a t z u n d J . A. Fodor wären die Begriffe wie bliss usw. die "grammatical markers", die Gnade- u n d anderen Bedeutungen dieser Begriffe die "semantic markers", die verschiedenen Erscheinungsformen der „ G n a d e " bzw. der anderen Bedeutungen, also die unter a), b) usw. aufgeführten Inhalte, trügen die Bezeichnung "distinguishers". Vgl. J . J . K a t z u n d J . A . Fodor, " T h e Structure of a Semantic Theory", Language 39 (1963), bes. 185 ff. 6
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die nähere Umgebung des Wortes und sollen eine bessere Orientierung ermöglichen. U m der Übersichtlichkeit willen wird zwischen den Wortklassen unterschieden. Wo nötig, veranschaulicht eine Tabelle die Ergebnisse. Die Ausführungen unter II sind erforderlich, weil die "variable features" die Grenzen des semantischen Feldes der „Gnade" abstecken (vgl. S. 51). Zur Bedeutungsermittlung werden in erster Linie Makro- und Mikrokontext (Verwendungsweise) (vgl. S. 37) herangezogen, daneben aber auch der Wortlaut der Vorlagen bzw. der mutmaßlichen Quellen und die späteren Fortsetzungen der Dichtungen, so z.B. für die Julianalegende 10 die aus dem Ende des 12. Jhs. stammende Pe Liflade ant te Passiun of Seinte Iuliene11. Die Quellen sind bei CLAES SCHAAR, a.a.O., und bei MARGUERITEMARIE DUBOIS, a. a. 0., verzeichnet. Mit großem Fleiß trug sie nicht nur die Meinungen der Forscher bis 1943 zusammen, sondern versuchte außerdem, diese Ergebnisse durch eigene Forschungen abzurunden. Dabei entsteht allerdings der Eindruck, als ob die ae. Dichter, im besonderen Cynewulf, lediglich Quellenmaterial ohne viel eigenes Dazutun kompiliert hätten. 1 2 Die Verfasserin bemüht sich zwar darzulegen, wie Cynewulf dieses Material verwertet hat, doch bleibt der unangenehme Nachgeschmack eines sezierten Werkes, bei dem das Genie des Dichters zu kurz kommt. 1 3 Realistisch zur Quellenfrage äußert sich EDWARD BURGERT, der deswegen in aller Ausführlichkeit zitiert sei: "It is, accordingly, only in harmony with the knowledge we have of Cynewulf ... that we conceive of him as attending in person the chanting of the O-Antiphons in the Divine Office, and thus receiving the inspiration for the succeeding portions of Christ I. This view precludes the assumption that Cynewulf had the Antiphonary at his elbow when composing his poem, and that he selected from the list of Greater Antiphons appearing there the respective O's as his fancy would dictate. On the contrary, the sources became for him, as it were, 10
11 12 13
Vgl. zu den Heiligenlegenden Gudlac A und B, Juliana, Elene, Andreas Th.Wolpers, Die englische Heiligenlegende des Mittelalters, Buchreihe der Anglia 10 (Tübingen, 1964), 111-131. S. R. T. O. d'Ardenne (ed.), EETS 248 (1961). Darüber kann auch die Einteilung in «source générale», «sources particulières» und «Textes à rapprocher» nicht hinwegtäuschen. Vgl. bes. 133-152 und 153-180 sowie 44-46 (Quellen zu Juliana), 46-50 (zu Elene), 50-59 (zu Christ), 59 f. (zu Fata).
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living themes, and he proceeded to paraphrase them as living thoughts of his own inner self, stamped with his own religious views and emotions. The very order in which these paraphrases appear in the poem must then be a natural one without any forced positions. They must flow, not indeed from a lifeless and cold list contained in any one book, but from the very life which the distinct members of that list receive in their proper liturgical setting in the Divine Office. 14 Allen W. Porterfield has once remarked t h a t 'the ultimate determining of sources is an ungrateful theme,' because, in the last analysis, it is hard to say just 'who copied from whom.' This remark appears to strike home in the case of Cynewulf. The fact t h a t he is removed by so many centuries from our day makes it difficult, indeed, to determine in each case the particular source which should have influenced him in the composition of his poems. Wherefore it appears all the more necessary to reduce as far as possible the various influences surrounding the poet to one comprehensive medium, and that medium is the Divine Office. If, for instance, a thought is detected in the Christ which reflects a similar thought expressed by St. Gregory in his Moralia, does that make Cynewulf at once familiar with all the writings of Gregory or even with the entire book in question ? Did this thought perhaps not appear time and again in the readings of the Divine Office ? Thus it happens t h a t Cynewulf is credited with an erudition which he perhaps never acquired even in his old age when he found the 'power of song released from his breast' (Elene, line 1251)." 15 Im Anschluß daran sei nochmals betont, daß in der vorliegenden Arbeit „Quellen" und Versionen nur zur Bedeutungserhellung beitragen, nicht aber irgendwelche, z.T. recht zweifelhafte Abhängigkeiten nachweisen sollen.
14 16
E. Burgert, The Dependence of Part I of Cynewulf's Christ upon the Antiphonary (Diss. Washington, 1921), 54. Ebd., 94 f.; vgl. auch 99 u n d dagegen F . Schubel, Die alt- und mittelenglische Periode, 42.
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KAPITEL I I
„ G N A D E " BEI CYNEWULF UND SEINER SCHULE
Vorbemerkung Die große Zahl von Synonymen für einen einzigen Begriff (vgl. S. 54), und sei er noch so bedeutsam, ist schon Anlaß genug, der Meinung von der Primitivität der Angelsachsen eine klare Absage zu erteilen. 1 Wenn auch Cynewulf, der Verherrlicher von Heiligen und Märtyrern, 2 was seine Religiosität anlangt, allgemein in der Tradition Gregors d. Gr. verwurzelt ist - und das läßt sich zweifellos erweisen 3 - , so zeugt diese Vielfalt der Bezeichnungen doch von einer starken Differenziertheit der Begriffe, die der in den Werken Gregors in keiner Weise nachsteht, 4 und, was weit wichtiger ist, von einem hohen Stand der ae. Dichtersprache bereits zu einer Zeit, als es in Frankreich noch keine Literatur im eigentlichen Sinne gab. Diese Differenziertheit zeugt aber gleichzeitig von dem ernsthaften Bemühen des meist geistlichen Dichters bzw. der Dichter um das christliche Gedankengut, vom Ringen mit neuen Ideen und von der Schwierigkeit ihrer Wiedergabe 5 für die Glaubensbrüder und diejenigen, die es noch nicht waren. Daraus erklärt sich auch der recht deutliche didaktische Zug der ae. Poesie, vor allem der christlichen. Die Dichter sahen die Verbreitung des christlichen Gedankenguts als Pflicht und Mission an, durch die sie ihre Mitmenschen vor dem 1 2 3 4
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Vgl. S. 19, Anm. 93. Vgl. auch F. Schubel, Die alt- und mittelenglische Periode, 49. Vgl. etwa A.S. Cook (ed.), The Christ of Cynewulf. A Poem in Three Parts (Boston, 1900), lxxvi-lxxviii. Eine Beschreibung des lat. Gnadefeldes bei Gregor d. Gr. wäre der Zielsetzung dieser Arbeit kaum förderlich. Die lat. Kontexte dienen lediglich der Bedeutungserhellung der ae. Begriffe. Obwohl es sich gerade hier nicht um Übersetzungen im strengen Wortsinn handelt, sind die Beobachtungen E.A. Nidas, a.a.O., 241-245, für jede Art von Bedeutungsvermittlung von einer Sprache zur anderen zutreffend.
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höllischen Feuer zu bewahren suchten (vgl. z.B. Chr II 815 ff.). Ein Zentralbegriff, neben „Sünde" und „Reue" wohl der wichtigste der Heilslehre, ist die „göttliche Gnade", 6 ohne die eine Erlösung nicht möglich ist. Sie, ihr Wesen, ihre Bedeutung, zu veranschaulichen und an Beispielen zu illustrieren, darf als ein Hauptanliegen christlicher Mission gelten. Daß die Bezeichnungen dafür notwendigerweise auch auf die menschliche Sphäre übertragen wurden, die sich ja nach Gottes Gesetzen bewegen sollte, war zu erwarten, und zwar um so mehr, als es im Verhältnis „irdischer Herrscher-Gefolgsmann" zumindest die Verpflichtung zu Beistand und Schutz gab. Das darf jedoch nicht zu der Annahme verleiten, die Beziehung „Gott-Mensch" sei ein bloßes Abbild der Beziehung „Herrscher-Gefolgsmann", nur auf einer anderen Ebene. Entscheidend ist der Erlösungs- und damit der Gnadegedanke, der im germanischen Götterglauben keinen Platz hatte und ihn auch nicht brauchte. Die christliche Lehre von Gut und Böse, von Sünde und Buße, von Höllenfeuer und Paradies, ewigem Tod und ewiger Freude gründet aber auf der Idee der Gnade. Ihr kommt deshalb eine hervorragende Stellung zu, der Cynewulf und seine Schule durch diese Vielfalt von lautlich und semantisch differenzierten Begriffen Rechnung tragen.
AR Die in den Wörterbüchern verzeichneten Bedeutungen sind: Bosworth-Toller: I I . kindness, favour, mercy, pity, benefit, use, help - gratia, favor, misericordia, beneficium, auxilium. Holthausen: u.a. Gnade, Glück, Wohltat, Hilfe, Mitleid, Erbarmen. Grein: 2. gratia, favor, misericordia, beneficium, auxilium. 1. ar (Subst.) 1 I, a) „göttliche Gnade, Milde, göttliches Erbarmen" (B l ) 2 Der von den Myrmidonen geblendete Matthäus bittet Gott: Forgif me to are, aelmihtig God, leoht in ]?issum life (An 76-77 a) 6 1 2
Vgl. z.B. L.Weber, Hauptfragen der Moraltheologie Gregors d. Gr. (Freiburg/Schweiz, 1947), bes. 140-210. Vgl. S. 54, A r n . 8. Bedeutungskategorie 1, vgl. S. 60, Anm. 7 und S. 69, Arm. 20.
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Für "to are3" erscheint bei Bosworth-Toller "for the benefit of"; KENNETH R . BROOKS 4 setzt vier Begriffe, die bis auf den vierten etwa den Sinn "favour, mercy, grace, help" treffen; CHRISTIAN W. M. GREIN übersetzt richtig mit altertümlichem „in Gnaden" (DAnll). Diese Bedeutung wird durch die wahrscheinlich zwischen dem 6. und 8. Jh. entstandene Version C (Recensio Casanatensis)5 der Andreaslegende bestätigt, in der es heißt: "deprecor clementiam tuam, ut concedas mihi lumen oculorum meorum" {Blatt, 35, 15 f.); "clementiam" weist eindeutig auf Gottes Gnade oder Milde, so daß "to are" unzweifelhaft den Inhalt „gnädig" besitzt. Bosworth-T ollers Angaben sind demnach einzuschränken bzw. zu verbessern. Auch in Gu A 766a fordert diese adverbiale Fügung die Übersetzung „gnädig". Als Subjekt tritt ar in An 979b auf: Im Himmel Jaasr is ar gelang fira gehwylcum, pam pe hie findan cann.
(An 979b f.)
Hier ist für die Bedeutungsermittlung die entsprechende Stelle in der ebenfalls zwischen dem 6. und 8. Jh. abgefaßten Recensio Vaticana (V)6 von großem Nutzen. Sie malt diesen Gedanken in 13 Zeilen aus {Blatt, 105, 9-21); wichtig davon sind: pacem et patientiam veramque spem nec non et gratiam impertire dignare atque clementiam (10-12) Die Übersetzung Bosworth-T ollers "there is help ready" kann auf Grund dieser Entsprechungen nicht aufrechterhalten werden. Für die obengenannte Bedeutung sprechen auch die Worte Guölacs an die ihn bedrängenden Unheilsbringer: "Ge sind forscadene, on eow scyld siteö! Ne cunnon ge dryhten duguj)e biddan, ne mid eaömedum are secan (Qu A 478-480), 8
Der Deutlichkeit halber werden die zu untersuchenden Begriffe durch Kursivdruck hervorgehoben. 4 K . R . Brooks (ed.), Andreas and The Fates of the Apostles (Oxford, 1961). 6 Vgl. F. Blatt (ed.), Die lateinischen Bearbeitungen der Acta Andreae et Matthiae apud anthropophagos (Diss. Gießen und Kopenhagen, 1930), 20; C ist gedruckt ebd., 32 ff. • Vgl. ebd., 27, und den Text 96 ff.
59 5 Faiß, Cynewulf
zu denen Gu A 612-616a (liss I, a ; S. 91) und auch milts I, g (S. 74f.) zu vergleichen sind. Weitere Belege sind: Hö 114b ("Jaonne him [den Menschen] waes are Jjearf."), Chr I 69b f. (Christus weiß, wie der elende Mensch " . . . sceal are gebidan", 70). b) „göttliche Gnade mit Bezug auf ein vorbildliches irdisches Leben" (B 2) Vgl. dazu milts I, c (S. 72) und I, f (S. 74). Guölac sagt: Ic J)one deman in dagum minum wille weorpian wordum ond dsedum, lufian in life, swa is lar ond ar to spowendre spraece gelaeded, J>am J>e in his weorcum willan rsefnaö. (Gu A 618-622) c) „göttliche Gnade mit Bezug auf Christi Geburt" (B 3) Vgl. milts I, e (S. 74), giefu I, g, 1. (S. 100; Chr I 78-82a). Der Dichter fordert Maria auf: Iowa us nu |>a are J)e se engel J)e, godes spelboda, Gabriel brohte. (Chr I 335 f.) Diese Bedeutung ist hauptsächlich aus der obengenannten Stelle Chr I 78-82 a zu erschließen, wo Christi Geburt durch Maria als sundurgiefe (80a), als „besondere Gnade" bezeichnet wird. d) „göttliche Gnade, göttliches Erbarmen am Jüngsten Gericht" (B 4) Vgl. z.B. milde I, d (S. 77f.). 7 Am Tag des Jüngsten Gerichts werden die Menschen, die nicht nach Gottes Geboten gelebt haben, von den Reinen geschieden; die Sünder haben das Höllenfeuer verdient: Ne biö him to are Jpset J>ser fore ellpeodum usses dryhtnes rod ondweard stondeö (Chr III 1083 f.), da sie die Bedeutung des Opfertods Christi nicht erkannt haben, die 7
Die Wortarten brauchen beim Vergleich von Bedeutungskategorien nicht berücksichtigt zu werden (vgl. S. 69, Anm. 20).
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Gnade, die Gott ihnen dadurch erwies und die sie nur ergreifen mußten, um vom ewigen Tod erlöst zu sein. Mehrere andere Stellen legen diese Bedeutung nahe, z.B. milts I, a - c (S. 71 f.), e-g (S. 74f.); milde I, b (S. 77), d (S. 77f.), f (S. 78); giefu I, b (S. 96f.), f (S. 99). e) „göttliche Gnade, Liebe, göttliches Erbarmen als Vorbild für das menschliche Zusammenleben" (B 5) Vgl. besonders milts I, f (S. 74). Vor der Versammlung der Weisen in Jerusalem erhebt die römische Kaiserin Helena bittere Vorwürfe gegen die Juden wegen der Kreuzigimg Christi: Swa ge modblinde mengan ongunnon lige wiö soöe, leoht wiö J)ystrum, aefst wiö are, inwitjDancum wroht webbedan. (El 306-309 a) I n diesem Fall kommt der Antonymtest zum Tragen: Den Gegensatz zu are bildet sefst „Feindschaft, H a ß " , die aus den Geboten Gottes ausgeschlossen sind. Statt Gnade walten zu lassen, wie es diese vorschreiben, hegen seine Gegner Haß- und Feindschaftsgefühle gegen den Gottessohn. f) „menschliche Gnade, Milde im Sinne von Erbarmen, Mitleid" (B 6) Vgl. z.B. hold I, e (S. 85). Der zum Opfer ausersehene Jüngling wird bedauert: ne mihte earmsceapen are findan, freoöe aet Jpam folce, J>e him feores Wolde, aldres geunnan. (An 1129-1131a) Diese Bedeutung erfährt durch die parallele Stelle in der Casanatensis-Version (C), wo diese Szene ausführlicher dargestellt wird als im ae. Andreas, ihre Bestätigung: Das Los fiel auf sieben Stadtältere, von denen einer zuerst seinen Sohn an seiner Statt anbietet, den die Menschenfresser jedoch nur unter der Bedingung als Ersatz annehmen wollen, daß er schwerer sei als der Vater. Daraufhin gibt der Feige auch seine Tochter preis; die Heiden sind zufrieden: 61
"ipsum vero dimiserunt inlesum" (Blatt, 77, 17). Erschütternd und dramatisch gestaltet ist die Bittszene seiner Kinder: Cum autem ducerent illos ad locum, ut interficerent, ceperunt infantulos illos flere[,] amarissime, supplex volutabantur pedibus carnificum, obsecrantes illos ac dicentes. Rogamus et obsecramus vos, miseremini8 adolescentis nostre, ne interficiatis nos modo quia infantulos sumus, dimictite nos aliquantulum, máxime ut crescamus, et tue nos interficite. Uli vero carnifices nec acquiebant eis {Blatt, 77, 17-79, 1) Hier und im ae. Andreas sind die Situationen zwar verschieden — "miseremini" wird von den Kindern gesprochen (es drückt noch nicht aus, daß die Myrmidonen kein Mitleid kennen), "ne mihte ... are findan" bezieht sich dagegen nur auf den Sohn des Stadtälteren, wird vom Dichter gesprochen und impliziert, daß die vorhergehenden Klageworte des Jünglings vergeblich waren (1126-1128) - , doch entsprechen sich "miseremini" und "are findan" eindeutig, so daß are hier nur der obengenannte Inhalt eignen kann. Vgl. auch Ju 80 f. (I, g; S. 63). ODAnll und Bosworth-Toller übertragen mit „Gnade" bzw. "pity"; das letztere ist vorzuziehen, wofür die erwähnte Entsprechung bürgt. Einwände erheben sich auch gegen C H R I S T I A N W. M. G R E I N S Übersetzung von frid in "friöes wilnian" (An 1128b) mit „Gnade", was die Wiedergabe dieses Wortes ebenfalls durch „Gnade" in 1130a ("freoöe set J)am folee") zur Folge hat. frid m. n. und die Velarumlautform friodu (freodu) f. 9 bedeuten durchweg „Sicherheit, Schutz, Friede" und haben strenggenommen mit ar „Gnade" nichts zu tun, obwohl bei fast allen Bezeichnungen für „Gnade" die Idee des Schutzes mitschwingt. 10 Dazu ist auch An 447b-449a (milts I, h; S. 75f.) zu vergleichen, g) So wie milde durch seine Verwendung in der Beziehung „Teufel8
Hervorhebung vom Verf. • Vgl. K. Brunner, Altenglische Grammatik (Tübingen, 3 1965), § 38 und bea. § 39, 2; vgl. auch § 271. 10 Vgl. S. 58 und S. 86, Anm. 7. - Vom Begriff des „Friedens" her verweist auch K.Weimann auf derartige Assoziationen (a.a.O., 115, Anm. 10), geht jedoch nicht näher auf sie ein. Immerhin bestätigt seine Beobachtung die Richtigkeit des Obengesagten.
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Teufel" (vgl. milde I, k; S. 79) oder „heidnische Götter - Mensch" (vgl. milde 1,1; S. 79f.) eine Funktions- und Bedeutungserweiterung erfährt, verhält es sich mit ar, das ebenfalls in der Beziehung „heidnische Götter - Mensch" gebraucht werden kann (B 7). Africanus, der Vater Julianas, beginnt seine Antwort auf die Klagen des Heiden Heliseus, der die Christin Juliana zur Frau haben will: "Ic Joaet geswerge Jrarh soö godu, swa ic are set him sefre finde (Ju 80 f.) Die einzelnen Versionen bestimmen diese Bedeutung durch folgenden Wortlaut: M x : "Per misericordes omnes deos" (53 f.), M2: "Per misericordes deos" (50 f.), ebenso i / 3 n (12 f.), Acta Sanctorum, 16. Febr. : "Per misericordes et amatores hominum Deos" (874, 2). 2. arfsest (Adj.) I, a) „gnädig, von Gott" (B 1) Vgl. auch milde I, a (S. 77); lies I, a (S. 91); h f l , a (S. 117). Auf dem Totenbett sagte Simon zu seinem Sohn Judas: Nu öu meaht gehyran, hseleö min se leofa, hu arfsest is ealles wealdend, jDeah we aebylgö wiö hine oft gewyrcen (El 511-513) Diese Bedeutung wird besonders gestützt durch den Konzessivsatz in 513: Obwohl die Menschen durch ihre Untaten und Sünden Gottes Zorn erregen, ist er ihnen gnädig. b) „gnädig, erbarmungsreich, von Christus" (B 8) Vgl. dazu milts I, d (S. 74). Cum, nu, sigores weard, meotod moncynnes, ond J)ine miltse her arfsest ywe!
(Chr I 243b-245a)
" Mv M 2> sind die Münchener Handschriften; sie sind gedruckt bei E. Brunöhler, Über einige tat., engl., frz. und ätsch. Fassungen der Julianalegende (Diss. Bonn, 1912), 11-35.
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c) „mild, gnädig, von Menschen" (B 6) Kaiser Konstantin wird als guter Herrscher geschildert: Waes se leodhwata lindgeborga eorlum arfae-st. (El ll-12a) 3. arleas (Adj.), -lice (Adv.) I, a) ,,mitleid-, gnaden-, erbarmungslos, von Menschen" (B 6) Christus spricht: ... ic on magugeoguöe yrmjm gesefnde, arleas licsar, Jjaet ic J)urh J)a waere J>e gelic, ond ]?u meahte minum weorpan maegwlite gelic, mane bidaeled. (Chr III 1428b-1432) Für Chr III 1379-1498 wurde als Vorlage der 4. Abschnitt des Sermo CCXLIX De extremo judicio12 erkannt. Die Übereinstimmungen sind nahezu wörtlich, was besonders für den obigen Beleg zutrifft: in prsesepio expositus et pannis obvolutus jacui, infantise contumelias humanosque dolores, quibus tibi similis fierem, ad hoc scilicet ut te mihi similem facerem, pertuli (MPL 39, 2207, Absatz 4) Ein Hauptmerkmal des guten Herrschers christlicher Prägung ist seine Milde seinen Untergebenen gegenüber. Konstantin erhielt deshalb das Attribut arfaest13 (s. o.). Dieser Charakterzug fehlt dem heidnischen Herrscher, der als arleas gekennzeichnet wird. So nennt Cynewulf Maximian "arleas cyning" (Ju 4a). Daß hier nur diese Bedeutung in Frage kommt, geht aus dem Makrokontext (Ju 5-17), der die grausamen Christenverfolgungen unter Maximian schildert, und aus dem Wortlaut der Alia Vita der Acta Sanctorum, 16. Febr. hervor: Maximian hat Heliseus mit der Überwachung des heidnischen Götzendienstes beauftragt, zu dem er die Einwohner von Nikomedien notfalls zwingen solle, 12 13
Zur Verfasserfrage vgl. C. Schaar, a.a.O., 38. G. Jansen gibt dieses arfsest mit „ehrenfest, rechtschaffen, gnädig" wieder, teilt ihm dann aber doch die obige Bedeutung zu: „Als einem gerechten und milden Herrscher gebühren i h m die Benennungen riht cyning und eorlum ärfäst" (a.a.O., 44).
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"quod si contemnerent, suppliciis maceratos crudeliter iugularet" (878, 2). b) „mitleid-, gnaden-, erbarmungslos, von Teufeln gegenüber Menschen" (B 9) Drei Teufelsknechte bringen den hl. Guölac zum Höllentor, um seinen Willen zum Widerstand zu zerbrechen: Hy hine bregdon, budon orlege, egsan ond ondan arleaslice (Chi A 564 f.) Unter arleaslice f ü h r t Bosworth-T oller lediglich "wickedly, impiously" auf. Der Makrokontext spricht jedoch eher für die obige Bedeutung: Die Teufel kennen keine Gnade bei der Anwendung ihrer Mittel, mit deren Hilfe sie danach trachten, die Menschen von Gott abtrünnig zu machen. Das wird ganz klar in den Darlegungen des in Julianas Kerker eingedrungenen Teufels (Ju 290-315a und 461-510a). c) „gnadelos, von Menschen in der Beziehung ,Gott - Mensch'" (B 2) Die Folge unbereuter Sünden und Missetaten ist die, daß die betreffenden Sünder von Gott keine Gnade erwarten dürfen; in diesem Sinne sind sie „gnadelos". Dies drückt, vom Menschen her gesehen, Passivität aus, während die Belege unter I, a und I, b auf Aktivit ä t weisen. Christus
,, , , , hleor gepolade, oft ondlata, arleasra spatl, of muöe onfeng, manfremmendra. (Chr III 1434b-1436)
Bosworth-T oller vermerkt unter arleas I "impious", das hier jedoch nur bedingt zutrifft, da es bloß eine Eigenschaft der Juden bezeichnet: Sie sind unfromm, nicht gottgläubig, was um so schwerer wiegt, als sie die Gebote Gottes kennen, sich aber nicht an sie halten, und um die göttliche Abkunft Christi wissen. Dadurch daß sie Christus nicht als den Heilsbringer anerkennen wollen, haben sie sich die göttliche Gnade verscherzt, sie sind „gnadelos". 14 11
G. Jansen nennt die Belege Chr III 1434b-1436 und El 1301b (S. 66) unter der Rubrik „Bezeichnungen für die Verdammten" und übersetzt beidesmal mit „Ehrlose" (a.a.O., 29), was auf Grund der Kontextanalyse jedoch zurückzuweisen ist.
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Im gleichen Zusammenhang und substantiviert steht arleas in El 834b-836a (Judas findet in der Erde drei Kreuze, "swa hio geardagum¡arleasra sceolu eoröan beJ)eahton,/Iudea cynn.") und in An 559a ("... öa arleasan" wird auch hier durch "Iudea cynn", 560a, variiert), wo K E N N E T H R. B R O O K S ebenfalls mit "impious" übersetzt. In seiner Edition des ae. Andreas und bei Bosworth-T oller sollten diese Angaben verbessert werden. Als "arleasra sceolu" (El 1301b) werden die Menschen bezeichnet, die Cynewulf zu der beim Jüngsten Gericht verworfensten dritten Gruppe zählt und die in der tiefsten Hölle für ihre Missetaten ewige Pein und Qual erdulden müssen. Sie sind völlig ohne Hoffnung auf die Gnade Gottes: "Gode no syööan/of öam moröorhofe in gemynd cumaö,/wuldorcyninge, ac hie worpene beoö/of öam heaöuwylme in hellegrund,/torngeniölan. Biö J)am twam dselum/ungelice" (El 1302b-1307a). 4. arian (Vb.) I, a) „gnädig sein, Erbarmen haben, von Christus" (B 8) Vgl. (ge)miltsian
I, a (S. 80f.).
Der Dichter bittet Christus: Ära nu onbehtum ond usse yrmjpa ge]?enc (Chr I 370) 5. are (Subst.) Die Übertragungen von are in den Wörterbüchern gleichen nahezu denen von ar (S. 58). 15 I, a) „göttliche Gnade mit Bezug auf das Jüngste Gericht" (B 4) Vgl. z.B. milde I, d (S. 77f.); lide I, a (S. 93). Die Sünder dürfen keine Gnade erhoffen: arna ne wenaö.
(Chr III 1231b)
b) „christliche, göttliche Gnade als Hilfe im Kampf gegen den bösen Feind" (B 10) Vgl. liss I, b (S. 91). 16
Vgl. S. 54, Anm. 8.
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Us is Jrinra arna Jpearf! Hafaö se awyrgda wnlf tostenced, deor dsedscua, dryhten, J)in eowde, wide towrecene. iPset Öu, waldend, ser blöde gebohtes (Chr I 255b-259a) Ein weiterer Beleg findet sich in Gudlac A: Treow Waes gecyjped, jDaette Guölace god leanode eilen mid arum, J>aet he ana gewon. (448b^450) Hierzu sindare I, d (unten) und giefu I, g, 1. (S. 99f.) zu vergleichen. c) „Nachsicht, Erbarmen, von Heiligen" (B 11) Vgl. z.B. blide I, c (S. 106f.); milts I, k (S. 76). Cynewulf wehklagt über sein sündiges Leben: E>onne arna bipearf, J>aet me seo halge wiö J)one hyhstan cyning gej>ingige. (Ju 715b-717a) d) „menschliche Gnade, Milde, Barmherzigkeit" (B 6) Vgl. dazu etwa milde I, i (S. 79). Zu einem christlichen Leben gehört in erster Linie Barmherzigkeit dem schwächeren oder in Not geratenen Mitmenschen gegenüber. So spricht Christus: Bonne hy him Jmrh minne noman eaömode to eow arna bsedun, Jponne ge hyra hulpon ond him hleoö gefon, hingrendum hlaf ond hraegl nacedum (Chr III 1351 b-1354) Nicht eindeutig läßt sich der Inhalt des folgenden Belegs in Elene abgrenzen: Als Judas sich weigert, über den Ort des Kreuzes Christi auszusagen, wird er in Ketten in einen trockenen Brunnen geworfen. Nach siebentägiger H a f t ist er mürbe und will sein Geheimnis preisgeben: Hie Öaet ofstlice efnedon sona, ond hine mid arum up gelseddon of carcerne, swa him seo cwen bebead. (El 713-715) I n den verschiedenen Versionen findet sich nichts Entsprechendes. GDAnll übersetzt „mit Ehren", doch würde sich die Wiedergabe 67
„in Gnaden, gnädig" in gleichem Maße eignen, wozu Kontexte wie „Er wurde in Gnaden aufgenommen" (z.B. nach einer Missetat) bemüht werden könnten. Weder vom Makro- noch vom Mikrokontext her ist mit Sicherheit zu entscheiden, ob es sich hier um „Gnade" oder um „ E h r e " handelt. Da aber die Dichtung von der Kreuzauffindung ganz von christlichem Hauch durchdrungen und christlicher Tradition verpflichtet ist, kann man "mid arum" die Bedeutung „in Gnaden" zuweisen. Dies wird durch R O B E R T K. G O R D O N S Übersetzung "mercifully" bestätigt. 1 6 Einen Anhaltspunkt dafür bietet außerdem der Beleg Gu A 448b-450 (vgl. are I, b ; S. 67), den weder Bosworth-T oller noch das Supplement verzeichnen, für den jedoch bei GDAnl ebenfalls fälschlicherweise „mit Ehren" zu lesen ist. Aus den in a - d angeführten Belegen ist zu schließen, daß are nur dann „Gnade im weitesten Sinne" bedeutet, wenn es im Plural auftritt. Die Verwendungsweise, m. a.W. die grammatische Struktur oder der Mikrokontext, erwies sich als hilfreich bei der Bedeutungsermittlung. Gleichzeitig haben sich aber auch die Grenzen der kontextuellen Methode an dem Beleg El 713-715 (S. 67) gezeigt: Der Kontext ist zwar ein entscheidender Faktor bei der Inhaltserhellung eines Wortes, doch läßt selbst er eine genaue Bedeutungsfestlegung nicht immer zu. 6. Ergebnisse Für ar (mit den etymologisch zugehörigen Formen) wurden 29 Belege gefunden, von denen nur einer nicht mit letzter Sicherheit der Bedeutung „Gnade" zugeordnet werden kann (vgl. unter are I, d; S. 67f.). Es sprechen jedoch so viele Gründe für diese Zuordnung, daß ar als ein sich völlig im Zentrum des semantischen Feldes der „Gnade" befindlicher Begriff zu betrachten ist. F ü r Cynewulf und seine Schule wurden keine anderen Bedeutungen festgestellt. 17 Interessant war die Erkenntnis, daß das unter Punkt 5 verzeichnete are lediglich im Plural 1 8 vorkommt und trotzdem eindeutig sin16 17 18
R . K . Gordon, Anglo-Saxon Poetry (repr. London, New York, 1959), 224. Vgl. die Einschränkung S. 54, Anm. 8. Das wird bestätigt durch die Beobachtungen R. Rössgers, „Über den syntaktischen Gebrauch des Genitivs in Cynewulf's Elene, Crist und Juliana", Anglia 8 (1885), 338-370, bes. 348 (Chr I 255b-259a, are I, b; S. 67), 360 (Chr III 1351b-1354, are I, d; S. 67), ebd. (Chr III 1231b,
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guiarische Bedeutung hat; 19 Parallelen zu dieser Erscheinung finden sich bei milts (vgl. I, h; S. 75f.) und liss (vgl. I, b; S. 91). Dagegen erscheint ar nur in der Singularform. Eine gegenseitige Beeinflussung, etwa durch die Verbindung mit Präpositionen oder Verben, die den Genitiv regieren, wie z.T. bei milts, ist zwar nicht ausgeschlossen, jedoch auch nicht mit letzter Sicherheit nachzuweisen. Bei den Belegen für ar, arleas und are sind die Wörterbücher besonders verbesserungsbedürftig (vgl. z.B. ar I, a; S. 58f., f; S. 61f., arleas I, b; S. 65, c; S. 65f., are I, d; S. 67f.). Die folgende Tabelle soll die Beziehungen im ar-Bereich veranschaulichen. Sie darf jedoch nicht zu der Annahme verleiten, die einzelnen Kategorien entsprächen sich genau und somit gäbe es keine Überschneidungen und Überlagerungen in einem semantischen Feld. Das gilt sinngemäß für alle weiteren Tabellen. ar ! 1
Bl B 2 B 3 B 4 B 5 B 6 B 7 B 8 B 9 B 10 B 11
13
20
I, I, I, I, I, I, I,
a (6) b(l) c (1) d(l) e (1) f (1) g(l) -
arfsest 21
I, a ( l ) -
arleas -
I, c (4)
arian —
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
I, c (1) -
I, b (1)
I, a (2) -
I, b ( l )
are
-
I, a ( l )
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
I, a ( l ) -
I, d (2) -
I, b (2) I, c (1)
are I, a ; S. 66), 366 (Ju 715b-717a, are I, c; S. 67). Ein Eingehen auf die dativischen Pluralformen erübrigt sich somit. R. Rössger berücksichtigt zwar ausschließlich die formale Seite des Genitivs, doch gibt er wenigstens a n einer Stelle, wenn auch unbewußt, einen Hinweis auf die singularische Bedeutung bei pluralischer F o r m : Der Beleg Chr 1255 b-259 a (are I, b ; S. 67) erscheint in § 6, dessen Überschrift lautet: „ H a f t e n einer abstrakten eigenschaft a n einer durch den genitiv ausgedrückt e n person oder Sache" (a.a.O., 348). - Vgl. auch S. 76, Anm. 15. - Hinweise auf diese vor allem mit Abstrakten verbundene Eigentümlichkeit finden sich auch bei B. Conradi, Darstellung der Syntax in Cynewulf's Gedicht „Juliana" (Diss. Halle, 1886), 44 f., u n d bei J . Ahrens, Darstellung der Syntax im angelsächsischen Gedicht „Phönix" (Diss. Rostock, 1904), 11—14. Beide führen eine Menge von Substantiven auf, doch erwähnt lediglich J . Ahrens eines der in der vorliegenden Arbeit behandelten Synonyma, und zwar liss in der Bedeutung „ F r e u d e " (13), was in diesem Zusammenhang unerheblich ist. B 1, B 2 usw. sind Bedeutungskategorien, die im Hinblick darauf aufge-
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BILEWIT Für dieses in der ae. Literatur ziemlich seltene Adjektiv vermerken die Wörterbücher: Bosworth-Toller: merciful, mild, gentle, simple, honest; sequanimus, mansuetus, mitis, simplex, honestus. Holthausen: unschuldig, rein; einfach, ehrlich; ruhig, sanft, gnädig. Grein: sequanimus, mansuetus, mitis, clemens. Bei Cynewulf und seiner Schule kommt bilewit nur zweimal vor, und zwar in Juliana und Andreas, wo es I, a) „gnädig, mild, von Gott" (B 1) bedeutet. Nachdem der Teufel in Julianas Kerker eingedrungen ist, sich als Engel ausgibt und die Heilige zur Abkehr von Gott drängt, sagt diese in einem Gebet: Swa ic J>e, bilwitne, biddan wille ]3set ]?u me gecyöe, cyninga wuldor, Jprymmes hyrde, hwset J>es Jaegn sy (Ju 278-280) Als der hl. Andreas am Kerkertor anlangt, werden die heidnischen Wächter vom Tod entrafft (An 990-996 a): Da se halga gebsed bilwytne faeder (An 996b-997a) Aus den Versionen ergibt sich kein Anhaltspunkt über den genauen Inhalt von bilwyt. In C z.B. heißt es zu dieser Szene lediglich: "Ianua vero carceris statim aperta est eis 1 " (Blatt, 69, 14 f.). Auch die Übersetzungen dieses Belegs tragen kaum zur Bedeutungs-
21 1
stellt wurden, daß der Oberbegriff, hier ar, - das sei nochmals betont - die etymologisch zugehörigen Formen und Zusammensetzungen mit einschließt. Der Deutlichkeit halber werden diese B-Kategorien auch im Text verwendet. Sie beziehen sich nur auf die unter I aufgeführten Belege, die in Zusammenhang mit dem Thema dieser Studie besonders interessieren. Die Einführung von B-Kategorien erwies sich als vorteilhaft, da sie einen besseren Einblick in die Struktur des Gnadefeldes bei Cynewulf und seiner Schule ermöglichen. — Vgl. auch S. 60, Anm. 7. Die Zahl in Klammern steht für die Anzahl der Belege. Nach der ae. Dichtung dringt nur Andreas in den Kerker ein, in C begleiten ihn seine Gefährten.
70
erhellung bei. CHRISTIAN W . M . GREIN verwendet „gerecht" (DAnll), KENNETH R . B R O O K S dagegen "kind, gentle" (a.a.O., 134), allein Bosworth-Toiler entscheidet sich für "merciful" in Zusammenhang mit dem Kontext "We bletsiaj) bilewitne feder". Die Zuordnung zur Bedeutungskategorie „gnädig, mild, von Gott" läßt sich in Anlehnung an ähnliche Fälle rechtfertigen (vgl. z.B. milde I, a; S. 77, hold I, a ; S. 84, este I, a; S. 89).
MILTS
Schon vom Wortkörper her kann mit Sicherheit vermutet werden, daß der Bedeutungsschwerpunkt von mills1 ziemlich im Mittelpunkt des semantischen Feldes der „Gnade" liegt. Auch die Angaben in den Wörterbüchern weisen darauf hin, obwohl sie, wie bereits betont wurde (vgl. S. 19), nicht unbedingt Kriterien für die Zugehörigkeit eines Begriffs zu einem semantischen Feld liefern. Bosworth-T oller: I. mildness, kindness, favour, mercy (most commonly with reference to the Deity). - II. meekness, humility (?), joy (?). Holthausen: Gnade, Mitleid; Güte, Freundlichkeit, Gunst. Grein: 1. benignitas, misericordia, favor. — 2. hilaritas, lsetitia?. 1. milts (Subst.) I, a) „göttliche Gnade, sündigen Menschen übermittelt, um sie auf den rechten Weg zurückzuführen" (B 1) Von Saul, dem späteren Paulus, berichtet Cynewulf: swa he J>urh feondscipe to cwale monige Cristes folces demde to deajpe. Swa ]?eah him dryhten eft 1
Zur Schreibung miUs-milds vgl. K. Brunner, a. a. O., § 198, 4, und sehr ausführlich L.-Q-. Hallander, Old English Verbs in -81 AN (Uppsala, 1966), 119 ff.- Zum ganzen Komplex milts vgl. ebd., Kap. 5. 17. "mildsian".— Eine kritische Auseinandersetzung mit dem umfangreichen Werk Hallanders war bei der Drucklegung dieser Arbeit nicht mehr möglich.
71
miltse gefremede, J>set he manegum wearö folca to frofre (El 498 b-502 a) Obgleich also Saul viele christliche Menschen in den Tod schickte, wurde er durch Gottes Gnade und Barmherzigkeit auf den richtigen Weg gelenkt und wirkte als Apostel Paulus unter den Völkern; viele Menschen entriß er den Klauen des Teufels und führte sie dem christlichen Glauben zu. Diese Stelle lautet in den Acta Cyriaci 2: et pietatem ductus dominus fecit eum unum de sanctis discipulis suis {Holder, 169-171) i n d e n Acta Sanctorum,
4.
Mai:
pietatem ductus super eum Dominus, unum de sanctis suis fecit eum (446, 6) b) „göttliche Gnade, den Sündern durch Christus übermittelt" (B 2) Auch nach seinem irdischen Tod möge Christus die Sünder nicht vergessen: ac J)u miltse on u s
gecyö cynelice
(Chr I 156b-157a)
c) „göttliche Gnade im Sinne von Erbarmen als Belohnung für ein christliches Leben" (B 3) Mit einem Ausblick auf das Ende des Lebens sagt Juliana kurz vor ihrer Hinrichtung: Ge mid lufan sibbe, leohte geleafan, to J)am lifgendan stane stiöhydge staJ>ol faestniaö, soöe treowe ond sibbe mid eow healdaö set heortan, halge rune Jrarh modes myne. E>onne eow miltse giefeö fseder aelmihtig, jDser ge frofre agun set msegna gode, mseste ]pearfe sefter sorgstafum. Forjion ge sylfe neton utgong heonan, ende lifes. (Ju 652b-661) 2
A. Holder, Inventio Sanctae Crucis (Lipsiae, 1889): I. Acta Cyriaci, Adventio sanctae crucis secundum Codicem Paris. 2769, 1-13.
72
M1 behandelt die Voraussetzungen für eine gnädige Aufnahme durch Gott noch ausführlicher, die Entsprechungen sind z.T. wörtlich: Semper orate in ecclesia sancta, et scripturas sanctas audite, et amate vosmetipsos, et dabit vos dominus misericordiam in adventu sanctorum. Bonum est vigilare ad dominum. Bonum est penitere in corde. Bonum est psallere frequenter. Bonum est Semper orare. Nescimus e n i m quando vitam finiamus. (667 ff.) Fast gleich lautet M2, 515 ff.: "misericordiam suam" (519). Die Acta Sanctorum, 16. Febr. verfügen über eine ähnlich breite Passage, von der wichtig ist: et dabit vobis Dominus invenire misericordiam, in conspectu Sanctorum suorum (877, 20) Auch MS. Bodley 2853 setzt "misericordiam" (304). In MS. Royal 17 A xxvii 4 ist zu lesen: J> he geoue ow wit wel forte donne ant strenge ow wiö his strencöe agein pen stronge unwiht. (562 f.) Ähnlich MS. Bodley 34,6 715-717. Die beiden letztgenannten Manuskripte beziehen offensichtlich ausschließlich auf den Teufel und lassen die in den anderen Versionen vorhandene Idee der Gnade außer acht. 6 Weitere Belege sind: Gu B 9 5 7 b - 9 6 1 a 7 ("meotud fore miltsum", 959 a - hier soll der Plural wohl die zahlreichen Gnadenbeweise Gottes gegenüber Guölac veranschaulichen), Chr III 1254 (die Seligen freuen sich, "J)set hy J)urh miltse meotudes genseson."), 1365 (die Sünder zur Linken des Herrn dürfen am Tage des Jüngsten Gerichts nicht "... to meotude miltse gewenan"), 1370 (ebenfalls in dieser Situation: "Biö J)ser seo miccle milts afyrred"), Gu A 639-641 8 (der hl. Guölac 3
4 5 8
7 8
1. Hälfte des 13. Jhs., gedruckt in Pe Liflade ant te Passiun of Seinte Iuliene. Anfang 13. Jh., gedruckt ebd. Ca. 1210, gedruckt ebd. Vgl. zu den Voraussetzungen für eine Aufnahme in das Himmelreich auch MPL 75, 902, 996; 76, 897, 905, 1040 f., 1244; 79, 572 f. Vgl. S. 76, A m 16. Vgl. ebd.
73
glaubt, Gott werde ihn "... for miltsum ond maegenspedum,/ ... naefre .../Jrarh ellenweorc anforlsetan"; vgl. oben Qu B 957b bis 961a). d) „göttliche Gnade, auf Christus und menschliche Weisheit bezogen" (B 4) Cum, nu, sigores weard, meotod moncyimes, ond f»ine miltse her arfsest ywe! Us is eallum neod J)set we J)in medrencynn motan cunnan (Chr I 243b-246) Diese Bedeutung wird vor allem durch den Kontext mit arfsest gestützt, das wohl am besten mit „erbarmungsreich" wiederzugeben ist (vgl. S. 63). e) „göttliche Gnade, durch Christi Menschwerdung den Menschen übermittelt" (B 5) Der Dichter ruft Maria an: J>aet Jm sunu dryhtnes jDurh clsene gebyrd cennan sceolde monnum to miltse (Chr I 297b-299a) Der Beleg Hö 113-114a 9 besagt: "... for J>am miltsum pe J>u moncynne/oft setywdest", sei Christus Mensch geworden. f) „göttliche Gnade, göttliches Erbarmen, göttliche Nachsicht als vorbildhaft für menschliche Beziehungen" (B 6) Die Menschenfresser schauen nach ihren Opfern und brüllen kaltherzig, reöe raesboran rihtes ne gimdon, meotudes mildse. (An 139-140a) Um das Rechte, nämlich darum, Erbarmen mit den Mitmenschen zu haben, wie es Gott in seinen Gesetzen vorschreibt, kümmern sich die Myrmidonen nicht. g) „göttliche Gnade, bezogen auf Gottes Hilfe für alle Menschen" (B 7) • Vgl. S. 76, A n m . 16.
74
Ein Gebet des hl. Andreas endet mit den Worten: E>ser is help gearu, milts aet maerum, manna gehwylcum sigorsped geseald, ]?am J>e seceö to him.'
(An 907b-909)
h) „göttliche Gnade, göttliches Erbarmen mit Bezug auf Gottes Schutz, Beistand, vor allem in einer bestimmten Situation" (B 8) Andreas erzählt seinen verängstigten Gefährten, wie Christus die Wasser bändigte und so die erschreckten Jünger tröstete: beornas wurdon forhte on mode, friöes wilnedon, miltsa to maerum. (An 447 b-449a) Diese Bedeutung wird durch die Nähe von frid „Schutz, Beistand, Sicherheit" gestützt. 10 Auffallend ist hier allerdings die Pluralform, die eine Intensivierung darstellen kann. 1 1 Es liegt jedoch eher eine syntaktische Notwendigkeit vor: In Verbindung mit Verben des Bittens, die einen Genitiv nach sich haben, steht milts - wenigstens bei Cynewulf und seiner Schule - im Plural, 12 besitzt jedoch singularische Bedeutung. Eine Bestätigung dafür ist "miltsa biddan" in An 353b, das in C durch "indulge mihi frater" (Blatt, 45, 16) wiedergegeben wird. 13 Weitere Belege: An 288b f. 14 (Andreas antwortet dem Fährmann: "gif öu us J)ine wilt/on merefaroöe miltse gecyöan.'"), 1674, ähnlich Gu A 21 (s.u.). Bosworth-Toller übersetzt An 1674 "syööan öu mid mildse minre ferest.'" mit "with my favour". Die Situation ist die: Nach der Bekehrung der Myrmidonen glaubt Andreas seine Mission beendet, denn auch Matthäus und die anderen Gefangenen sind gerettet. E r bereitet seine Abreise vor, als er von Gott (Christus) den Befehl erhält, noch einige Zeit bei den ehemaligen Menschenfressern 10 11 12
13 14
Vgl. dazu K.Weimann, a.a.O., 115, Anm. 10, und S. 62, Anm. 10. Vgl. I, c (Gu B 959 a). Vgl. dazu F. Holtbuer, „Der syntaktische Gebrauch des Genitives in Andreas, Guölac, Phönix, dem Heiligen Kreuz und Höllenfahrt", Anglia 8 (1885), 24 unter "wilnian". Vgl. auch die folgende Anm. In An 447b-449a und in An 353 sind die Beziehungen etwas anders. Hier bittet Andreas den Fährmann, den er noch nicht als Gott erkannt hat, um Barmherzigkeit. Deswegen eine neue Kategorie einzuführen, erübrigt sich jedoch. Der Dichter weiß, daß es sich um Gott handelt und wählt dementsprechend seine Bezeichnungen.
75 6 Faiß, Cynewulf
zu bleiben, um sie durch seine Unterweisungen so an den christlichen Glauben zu binden, daß sie nicht mehr abtrünnig werden können. Dann solle er, Andreas, mit Gottes mildse abreisen. Da Gott oder Christus häufig als Beschützer, Schutzherr u.a. bezeichnet werden und die Apostel außerdem den Auftrag erhielten: "Bodiaö sefter burgum beorhtne geleafan/ofer foldan fseöm; ic eow freoöo healde." (An 335 f.), bietet sich eine Einordnung in diese Kategorie geradezu an. Aus dem Beleg Gu A 21: "geogujje brucaö ond godes miltsa." ergibt sich eine Erweiterung der obengenannten Regel dahingehend, daß bei Cynewulf und seiner Schule milts in singularischer Bedeutung, der Form nach aber im Plural auftritt bei Verben des Genießens, die gewöhnlich den Genitiv regieren. 15 i) „göttliche Gnade im Sinne von milden, gnädigen Taten" 1 6 (B 9) is J)in nama haiig, wuldre gewlitegad ofer werjaeoda, miltsum gemsersod. (An 542b-544a) k) „Nachsicht, Erbarmen, von Heiligen" (B 10) Vom hl. Guölac heißt es: No he hine wi5 monna miltse gedselde, ac gesynta bsed sawla gehwylcre, Jjonne he to eoröan on J>am anade hleor onhylde. (Gu A 331-334a) II) Andere Bedeutungen konnten für milts in den Dichtungen Cynewulfs und seiner Schule nicht gefunden werden. 16
16
Vgl. R. Rössger, a.a.O., 362 unter "brucan", wo der Beleg Gu A 21 mit der falschen Zählung Christ 1686 erscheint (in der älteren Forschung wurde der Anfang von Oudlac als der Schluß von Christ angesehen). Einen Anhaltspunkt für die singularische Bedeutung dieses miltsa liefert R. Rössger durch die Überschrift über § 6 (vgl. S. 69, Anm. 19), unter dem der Beleg Gu A 21 als Christ 1686 ebenfalls verzeichnet ist. Für diese Kategorie würde sich auch der unter I, c aufgeführte Beleg Gu B 957b-961a mit dem Zusatz „menschliches Wohlwollen" o.ä. eignen, wäre dann allerdings anders zu interpretieren: Guölac wüßte genau, daß Gott ihn wegen „seiner guten Taten" ("fore miltsum") gegenüber seinen Mitmenschen in den Himmel holt. Von Guölacs Güte ist öfter die Rede, vgl. z.B. Gu A 739 f. (S. 79). Auch syntaktisch stünde einer solchen Auslegung nichts im Wege. Gegen sie sprechen jedoch dieselbe Fügung, kollokiert mit "msegenspedum" und eindeutig auf Gottes Gnade bezogen (Gu A 639), und mit Einschränkung der Beleg Hö 113 a (vgl. S. 74), wo für miltsum die Bedeutung „milde, gnädige Taten" nicht ausgeschlossen werden kann. 76
2. milde (Adj./Adv.) I, a) „gnädig als hervorragende Eigenschaft Gottes (Christi)" (B 11) Vgl. bilewit (S. 70). Beleg: Ph 657a ("to J>am mildan gode"). Auf den ersten Blick scheint sich der Beleg P 30b-31a ("He hafaö sundorgecynd,/mtZde, gemetfaest.") nicht in diese Kategorie einfügen zu lassen, da milde eindeutig auf den Panther bezogen ist. Die Einordnung rechtfertigt sich jedoch in Anbetracht dessen, daß der Panther eine christliche Allegorie ist, in der dieser Christus symbolisiert (vgl. zur Kollokation auch II, a; S. 80). b) „mild, gnädig gesinnt, von Gott mit Bezug auf Menschen, die auf dem rechten Weg bleiben bzw. auf ihn zurückgekehrt sind" (B 3) Judas empfängt die heilige Taufe: Him wearö ece rex, meotud milde, god, mihta wealdend.
(El 1041b f.)
Weitere Belege sind: El 1316-1319a (den Auserwählten ist Gott "milde ond bliöe", 1317a) 17 , An 902-903a (Andreas bittet den Allmächtigen: "Weorö me nu milde, .../bliöe, ..."), 1 8 Pa 5 - 9 a (Gott wendet sich den Menschen zu "Jrarh milde mod.", 9a). c) „gnädig, mild, von Gott (Christus) als Beschützer" (B8) Juliana hält den Drohungen des Heliseus entgegen: Haebbe ic me to hyhte heofonrices weard, mildne mundboran 19 , maegna waldend (Ju 212 f.) Weitere Belege finden sich: An 1284—1287 (mildheort, 1285a), Gu A 787b-788a (Christus ist Guölac "milde mundbora", 788a). d) „mild, erbarmungsreich, von Gott am Tag des Jüngsten Gerichts" (B 12) Am Schluß von Juliana bittet der Dichter: 1' Vgl. blide I, a (S. 105f.). 18
19
Vgl. ebd. Vgl. zu mund und seinen Zusammensetzungen K.Weimann, a.a.O.,
125 f. 77
Forgif us, msegna god, J)aet we J)ine onsyne, aepelinga wyn, milde gemeten on J)a maeran tid. Amen. (Ju 729b-731) Ein weiterer Beleg ist Ph 534b-538 {"milde geweor^eö.", 538b). Die Beziehungen sind zwar verschieden (in Juliana bezeichnet milde nur das Angesicht Gottes, in Phoenix aber Gottes Einstellung), in diesem Fall jedoch eine besondere Kategorie einzuführen, erschien unnötig, da "onsyne" als für Gott stehend gefaßt werden kann. e) „mild, gnädig, erbarmungsreich, von Gott am Todestag eines Menschen im Hinblick auf die Aufnahme ins Himmelreich" (B 13) Juliana fordert die zu ihrer Hinrichtung versammelte Menge auf, Christus zu bitten, Jjaet me brego engla, meotud moncynnes, milde geweor]pe (Ju 666b f.) Diese Bedeutung ist auch den Versionen zu entnehmen. Mx: "Rogo ego fratres mei christiani, ut oretis pro me ut dignam accipiat me dominus ihesus christus ancillam suam, ut et intrem in aulam sanctam eius, et prope videam chorum magnitudinis eius" (678-685); ähnlich lauten MS. Bodley 285, 307-309, M2, 518-529 und die Acta Sanctorum, 16. Febr., 877, 20. f) „gnädig mit Bezug auf die Menschwerdung Christi" (B 5) Cynewulf ermahnt die Menschen, jeder solle bedenken, paßt us milde bicwom meahta waldend set serestan J>urh Jases engles word. (Chr II 822 f.) Gemeint ist die Botschaft des Engels an Maria über die Geburt Christi. Weitere Belege enthalten: Chr I 249 f. ("i>u Jiisne middangeard milde geblissa/Jrarh öinne hercyme, hselende Crist"), 416-418 ("... moncynnes milde scyppend", 417), Chr III 1207b-1210a (Christus erlöste die Menschen "Jjurh milde mod", 1210a). g) „mild, nachsichtig zur Bezeichnung von Engeln und Heiligen" (B 10) Vgl. besonders blide I, c (S. 106f.). 78
Vom hl. Guölac sagt der Dichter: Swa J)aet milde mod wiö moncynnes dreamum gedaelde, dryhtne J)eowde (Qu A 739 f.) Weitere Belege: Qu B 1007a (mildes, substantiviert gebraucht für Guölac); Hö 77a (milde wird der Erzengel Gabriel genannt). h) „mild, gnädig mit Bezug auf das Evangelium" (B 14) Vgl. hold I, d (S. 84) und este I, b (S. 89). Hwaes weneö se J)e mid gewitte nyle gemunan ]?a mildan meotudes lare (Chr III 1199 f.) i) „mild, erbarmungsreich, von (gewöhnlichen) Menschen" (B 15) Jesus verkündet in seiner Ansprache an die Auserwählten, warum sie beim Jüngsten Gericht zu diesen zählen: Ge J>aes earnedon J)a ge earme men, woruldJ>earfende, willum onfengun on mildum sefan. (Chr III 1349-1351 a) k) milde kommt außerdem in Beziehungen des Höllenbereichs vor. So wie die christlichen Menschen und die Engel Gott oder Christus als „mild" und „gnädig" bezeichnen, ist für die Heiden bzw. für die Teufel Satan „mild und gnädig gesinnt", wenn sie seinen Anordnungen Folge leisten und böse Taten vollbringen (B 16). Der in Julianas Verlies eingedrungene Teufel klagt ihr sein Leid: Ne bi|> us frea milde, egesful ealdor, gif we yfles noht gedon habbaj); ne durran we siJ)J>an for his onsyne ower geferan. (Ju 328b-331) 1) „gnädig, von den heidnischen Göttern" (B 17) Vgl. ar I, g (S. 63) und hyldu I, c (S. 83). In Ju 170 schlägt Heliseus der Heiligen vor, sie solle die heidnischen Götter zu ihrem Schutz erwählen ("mildum mundbyrd") 20 ; später droht er ihr mit der schrecklichsten Rache für die Schuld, die sie gegen die "... selestan .. ./ond J>a mildestan Jjara J>e men 20
Vgl. I, c. 79
waten" (Ju 206 f.) auf sich geladen habe, wobei die Steigerung mildestan besonders ins Auge fällt: Gott hat es nämlich nicht nötig, mit Superlativen bedacht zu werden, da er an sich „mild" und „gnädig" ist. Mit der Verwendung von Superlativen beabsichtigt der Dichter eine Abwertung, wenn nicht gar Ironisierung der heidnischen Götter. Dabei wird die christliche Terminologie auf die heidnische Sphäre übertragen, was den Bedeutungsbereich von milde ziemlich erweitert. Es kann nicht nur Beziehungen im Verhältnis „Gott-Mensch" oder „Mensch-Mensch" ausdrücken, sondern auch solche im Verhältnis „heidnische Götter-Mensch", „Teufel-Teufel" bzw. „Teufel-Mensch". Die zuletzt erwähnte Beziehung tritt umgekehrt als Relation „Mensch-Teufel" bei (ge)miltsian ebenfalls in Erscheinung (s. u.). Da „Gnade im weitesten Sinne" untersucht wird, rechtfertigt sich die Zuordnung dieser Belege zu den Kategorien unter I. II, a) Nicht im Gnadebereich liegt die Bedeutung „demütig", wozu hold I I , a (S. 86) zum Vergleich heranzuziehen ist. Zur Osterzeit ist der hl. Guölac milde ond gemetfsest, msegen unsofte eine geaefnde. (Qu B 1107-1108 a) Dieser Inhalt kann mit einiger Sicherheit aus der Kollokation mit "gemetfsest" „bescheiden" erschlossen werden. 2 1 Die gleiche Bedeutung weist der Beleg Ju 233b-235 ("milde modsefan", 235a, von Juliana) auf. 3. (ge)miltsian
(Vb.)
I, a) „gnädig sein, Erbarmen haben, von Christus" (B 11) I n der Hölle beschwört Johannes Christus, paet pu us gemiltsie, monna scyppend.
(Hö 109)
b) „gnädig gestimmt sein, Erbarmen haben, von Heiligen" (B 10) Der Teufel fleht Juliana an, J)set pu miltsige me pearfendum !l
(Ju 449)
Vgl. dazu milde I, a (S. 77): In P 3 0 b - 3 1 a wird der Panther als "milde, gemetfsest" bezeichnet.
80
Die Versionen der Julianalegende haben dafür: Acta Sanctorum, 16. Febr.: "miserere infelicitati mese" (875, 10), Alia Vita: "miserere mei" (881, 17), Mx: "infelicitati me§ miserere" (414 f.), ebenso MS. Bodley 285, 182,
M 2 : "miserere mihi" (353), M3: "miserere infelicitate mese" (45). MS. Royal 17 A xxvii und MS. Bodley 34 setzen die Doppelung aus germanischem und lateinischem Element: "milce 22 ant merce wummon haue of mi wrechedom" (358 f.) bzw. "milce haue J merci..." (459 f.). Das aus dem 13. Jh. stammende MS. Ashmole 43 Seyn Julian23 variiert: "Maide uor J)yn hendescipe. J>ou haue mercy of me" (107). Dadurch ist die ae. Bedeutung ausreichend gestützt. 4. Ergebnisse Von den 20 für das Substantiv milts gefundenen Belegen bedeuten alle „Gnade im weitesten Sinne"; beim Adjektiv milde besitzen 16 Belege die Bedeutung „mild, gnädig, von Gott oder Christus", 4 „gnädig, mild gesinnt, von Engeln, Heiligen und gewöhnlichen Menschen", 3 „gnädig, mild gesinnt, vom Teufel und von heidnischen Göttern", nur 2 haben eine andere Bedeutung. In Verbindung mit Verben des Bittens und Genießens, die gewöhnlich einen Genitiv nach sich haben, erscheint milts im Plural, dem aber singularische Bedeutung eignet (vgl. S. 75). 24 Dadurch daß milde auch Beziehungen in der Höllensphäre ausdrückt, erfährt sein Bedeutungsbereich eine Erweiterung, die bei milts nicht anzutreffen und auch beim Verb nur in einer Richtung („Mensch-Teufel") vorhanden ist. Von den insgesamt 47 Belegen haben demnach nur 2 andere Bedeutungen als „Gnade", was nicht einmal ganz 5% entspricht. So ist für milts (mit milde und fgejmiltsian) mit mehr als 95% der Standort im Mittelpunkt des semantischen Feldes der „Gnade" gegeben (vgl. S. 71). Eine Tabelle soll die Verknüpfungen innerhalb des Komplexes milts veranschaulichen: 22 23 21
Zur Schreibung vgl. K. Brunner, a. a. O., § 204, Anm. 7. Pe Liflade of St. Juliana, ed. O. Cockayne, EETS O. 8. 51 (1872), 81-87. Vgl. auch are I, a - d (S. 66ff.). 81
milts B B B B B B B B B B B B B B B B B
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
müde
I, a ( l ) I,b(l) I, c (6) I, d ( l ) I, e (2) I, f (1) I, g ( D I, h (5) I , i (1) I,k(l) -
—
-
-
-
-
I, b (4) -
I, f (4) -
-
I, c (3) -
I, I, I, I, I, I, I, I, II,
(ge)milisian
g (2) a (2) d (2) e (1) h(l) i (1) k(l) 1 (2) a (2)
-
I,b(l) I, a (1) -
-
HYLDU Die sprachliche Verwandtschaft mit dtsch. „Huld" läßt darauf schließen, daß auch der Begriffsgruppe um hyldu ein wichtiger Platz in dem hier behandelten semantischen Feld zukommt. Das bestätigen bis zu einem gewissen Grad schon die Angaben der Wörterbücher. Bosworth-Toller: kindness, favour, affection, friendship, grace, fidelity, loyalty. Holthausen: Huld, Gunst, Gnade, Freundlichkeit; Schutz, Treue, Ergebenheit, Ehrfurcht. Grein: favor, affectus, gratia, Huld. 1. hyldu (Subst.) I, a) „göttliche Gnade zur Stärkung in schwierigen Situationen" (B 1) Vgl. vor allem milts I, h (S. 75f.). In der Hölle erträgt derjenige seine Qualen besser, der seinen Sinn fest auf Gott gerichtet hat: 82
J>aet he J>y yö ne msege eilen habban, J»onne he his hlafordes hyldo gelyfeö (Hö 66 f.) Diese Bedeutung läßt sich auch für den folgenden Beleg in Andreas erweisen: Gott möge dem Fährmann vergelten, swa öu hyldo wiö me ofer firigendstream, freode, gecyödest! (An 389b f.) Die Version C besitzt zwar keinen parallelen Wortlaut, zudem wählt sie den Umweg über die Jünger bei der Rede des Andreas, während sich in der ae. Dichtung der Heilige direkt an Gott wendet, doch scheinen die Abschnitte thematisch übereinzustimmen: dominus deus ... talem nobis fecit humilem, et mansuetum hunc nauclerium, magna enim humilitatem in hoc homine video. (Blatt, 47, 3-5) Daraus folgt klar die obengenannte Bedeutung. 1 b) „menschliche Gnade und Gunst" (B 2) Julianas Vater schwört vor Heliseus bei den „wahren", den heidnischen, Göttern, swa ic are2 set him aefre finde, oJ)J)e, Jpeoden, set J>e Jrine hyldu winburgum in (Ju 81-83 a) c) „Gnade, Huld, von heidnischen Göttern" (B 3) Vgl. ar I, g (S. 63) und milde I, 1 (S. 79f.). Heliseus verheißt Juliana, ihr werde kein Haar gekrümmt, wende sie sich seinen Göttern zu und suche hyldo to halgum
(Ju 171a)
Diese Bedeutung wird hauptsächlich durch das vorhergehende mildum (170a) nahegelegt (vgl. milde I, 1; S. 79). 3 1 a 3
Vgl. zur Situation S. 75, Anm. 14. Vgl. ar I, g (S. 62f.). Hier mag die Vorstellung eines Schutzes mitschwingen, auf den die Verse Ju 171b f. hinweisen: "beoö ahylded fram/wraj>e geworhtra wita vmrim" („dann bist du geschützt..."). - Vgl. auch S. 86, Anm. 7. 83
2. hold4 (Adj.), -lice (Adv.) I, a) „gnädig, erbarmungsreich, von Christus (Gott)" (B 4) Vgl. arfsest I, b (S. 63). Andreas ist glücklich über die Ankunft des Fährmanns: Huru is gesyne, sawla nergend, Jpaet öu J)issum hysse hold gewurde
(An 549 f.)
b) „gnädig, erbarmungsreich, von Christus mit Bezug auf seinen Opfertod" (B 5) Vgl. etwa giefu I, f (S. 99) und leof (S. 126f.). Christus spricht den Menschen an: For hwon forlete Jra lif J)aet scyne }D8et ic pe for lufan mid mine lichoman heanum to helpe hold gecypte? (Chr III 1469-1471)5 c) „gnädig, mild, freundlich gesinnt, von Gott gegenüber Menschen, die ein christliches Leben geführt haben" (B 6) Vgl. dazu etwa blide I, a (S. 105 f.); milts I, c (S. 72 ff.); milde I, b (S. 77); giefu I, b (S. 96f.). Diesen Menschen wird Gott, heofona heahcyning, hold on mode.
(Ph 446)
d) „gnädig, mild mit Bezug auf das Evangelium" (B 7) Vgl. milde I, h (S. 79) und este I, b (S. 89). Nach der wunderbaren Rettung des als Schlachtopfer ausersehenen Knaben rufen die Myrmidonen: 'Ne hele se öe hsebbe holde lare, on sefan snyttro! (An 1164-1165a) 4 6
Zu hyldu-hold vgl. K. Brunner, a.a.O., § 102. Vgl. MPL 39, 2207, Absatz 4.
84
e) „gnädig, mitleidig, von Menschen" (B 2) Vgl. etwa ar I, f (S. 61 f.) und (ge)miltsian
I, b (S. 80f.).
Die Auserwählten vollbrachten gute Taten und trösteten u. a. die Kranken: to J)am ge holdlice hyge sta|>eladon mid modes myne. (Chr III 1357-1358a) f) „gnädig, nachsichtig, von Heiligen" (B 8) Vgl. besonders milde I, g (S. 78f.); lide I, c (S. 94); blide I, c (S. 106 f.). Guölacs Diener klagt der Schwester des Heiligen nach dessen Tod sein Leid: E>aet wat se J)e sceal aswaeman sarigferö, wat his sincgiefan holdne biheledne. He sceal hean Jponan geomor hweorfan. {Qu B 1351b-1354a) 6 g) Eine Bedeutungserweiterung erfährt hold durch seine Verwendung in der Beziehung „Teufel-Mensch" (B 9) Vgl. besonders arleas I, b (S. 65). Die Teufel bedrohen den hl. Guölac: We J>e beoö holde gif öu us hyran wilt, oJ)J>e J>ec ungearo eft gesecaö maran msegne, Jpaet J)e mon ne J)earf hondum hrinan, ne J)in hra feallan weepna wundum. (Qu A 280-284a) Wenn er ihnen nicht gehorcht, werden sie ihn überfallen und umbringen: "toberaö J)ec blodgum lastum" (289a). 8
Wie so oft, wird auch hier die weltliche Sphäre auf die geistliche übertragen: Nach dem Tod des Stammesfürsten sind seine Gefolgsleute ohne Schutz, seine einigende Kraft hält sie nicht mehr zusammen, was sie gegen Feinde anfälliger macht. Bezeichnend dafür sind die Verse An 405-414, wo christliche Verbrämung und elegische Stimmung der Jünger, die aus einem möglichen Verlust des Andreas resultiert, ganz deutlich sind. - Vgl. auch G. Dietrich, „Ursprünge des Elegischen in der altenglischen Literatur", Literatur-Kultur-Gesellschaft in England und Amerika, Festgabe für Friedrich Schubel (Frankfurt, 1966), 3-27.
85
II, a) Außerhalb des Gnadebereichs hegt die Bedeutung „demütig", zu der milde II, a (S. 80) zu vergleichen ist. Die Männer und Frauen des Myrmidonenvolkes cwaedon holdlice h y r a n woldon, o n f o n fromlice fullwihtes baeö d r y h t n e t o willan (An 1639-1641 a)
Als ein weiterer Beleg für diese Bedeutung ist Gu A 604 a ("hyran holdlice") zu werten. 7
3. Ergebnisse hyldu ist zusammen mit hold 13mal bei Cynewulf und seiner Schule vertreten.Von diesenBelegen haben zwei nicht die Bedeutung „Gnade im weitesten Sinne", was annähernd 16% entspricht; hyldu steht so mit 84,6% an 3. Stelle im semantischen Feld der „Gnade", was die S. 82 ausgesprochene Vermutung bestätigt. 7
Das Subst. gehyld scheint vom Wortkörper her zu hyldu zu gehören, doch erheben sich dagegen etymologische Bedenken, über die sich z.B. F . Holtbuer hinwegsetzte (a.a.O., 7). Holthausen rechnet gehyld zu gehield vom Vb. healdan, es ist d a n n die ¿-Umlautform von geheald, ebenso K. Brunner, a.a.O., § 267a u n d Anm. 1 und § 288, Anm., auch Bosworth-Toller verweist auf ge-hyld anläßlich der anschließend zitierten Stelle: "serJ>on up stige ealles waldend [Christus]/on heofona gehyld" (Chr II 544-545a). Unzweifelhaft ist hier die Bedeutung „Schutz", "protection", die allerdings auch bei hyldu mitschwingen k a n n (vgl. S. 83, Anm. 3). Doch ist es mehr als fraglich, ob zu der Entstehungszeit von Christ II eine semantische Verwandtschaft zwischen hyldu und gehyld gefühlt wurde. Möglich ist, daß gehyld seine H a u p t b e d e u t u n g „ S c h u t z " des ähnlichen Klanges wegen auf hyldu übertrug, aber nicht mit Sicherheit nachzuweisen, wenigstens nicht f ü r den hier zugrunde gelegten Zeitraum von rund 50 Jahren. Die Schreibung g f ü r unfestes %, das im älteren Westsächsischen f ü r Umlaut-ie eintreten konnte, setzte sich erst im 10./II. J h . völlig durch (vgl. K. Brunner, a.a.O., § 104). Dasselbe gilt v o m V b . ahyldan (S. 83, Anm. 3). Man wird also die Bedeutung „ S c h u t z " von hyldu unabhängig von gehyld erklären müssen in der Weise, daß mit der Vorstellung „Huld, Gnade" in germanischer vorchristlicher Zeit die des Schutzes untrennbar verbunden war. Das erhielt sich bzw. wurde noch gefestigt, als hyldu zur Bezeichnung der göttlichen bzw. der menschlichen Gnade als Abbild jener verwendet wurde. Die Vorstellung des göttlichen Schutzes ist übrigens in irgendeiner Weise bei fast allen im R a h m e n des Gnadefeldes behandelten Begriffen vorhanden (vgl. etwa milts I, h ; S. 75f. u n d liss I, c; S. 91).
86
Eine Tafel soll die Beziehungen innerhalb des Komplexes hyldu verdeutlichen:
B B B B B B B B B
1 2 3 4 5 6 7 8 9
hyldu
hold
I, a (2) I, b ( l ) I, c (1)
I, e (1)
—
-
I, I, I, I, I, I, II,
-
-
a(l) b(l) c (1) d(l) f di g(l) a(2)
Daraus wird die große Bedeutungsvielfalt des Adjektivs gegenüber dem Substantiv ersichtlich. Von der Gesamtzahl der Belege entfallen nur 4 auf dieses, 9 aber auf hold, von denen wiederum 7 Belege „gnädig, mild, erbarmungsreich" bedeuten. EST Die Wörterbücher 1 verzeichnen: Bosworth-Toller: I. will, consent, grace, favour, liberality, munificence, bounty; beneplacitum, consensus, gratia, benevolentia, munificentia. Grein: beneplacitum, consensus, gratia, benevolentia, munificentia. In den Dichtungen Cynewulfs und seines Kreises konnten die folgenden Inhalte erhellt werden: 1. est (Subst.) I, a) „göttliche Gnade" (B 1) Vgl. ar I, a (S. 58ff.); liss I, a (S. 91); lof I, a (S. 117). Helena sendet Boten nach Rom, die dort von der Kreuzauffindung berichten sollen: J)set öset sigorbeacen purh meotodes est meted wsere, funden in foldan (El 984b-986a) 1
Holthausen vermerkt est nicht.
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Weitere Belege ergeben sich aus Gu B 823b-827a ("Jnirh est godes", 826b, wurde Adam geschaffen) und Ph 43b-46 ("Jrarh est godes", 46b, wurde das Eiland, auf dem der Vogel Phönix wohnt, von der Sintflut verschont). II, a) „Freigebigkeit, von Christus gegenüber den Aposteln" ic eow goda gehwaes on eowerne agenne dorn est ah wette." (An 338b f.) Diese Stelle wurde bisher nicht befriedigend erklärt. Am ehesten wird man K E N N E T H R . B R O O K S zustimmen, der schreibt: "est ahwette: est here seems to be 'liberality', hence 'liberal supply', abstract for concrete" {a.a.O., 74, Anm. zu An 339). I n diesem Zusammenhang führt er Beowulf 2165 an, wo "est geteah" einwandfrei mit "bestowed a rieh gift" zu übersetzen ist (ebd.). b) „göttlicher Wille, göttliches Einverständnis, Gebot" Der Dichter erzählt vom Sündenfall. Adam und Eva gereichte es zum Schaden, jDset hi bu J)egun seppel unrsedum ofer est godes, byrgdon forbodene. (Ph 402b^404a) Weitere Belege sind: An 516b-518a ("ofer meotudes est", 517b) und 1215-1218 ("ofer mine est", 1215b). 2 c) „Wille des Teufels" Der Teufel verheißt Andreas eine völlige Niederlage: Hwylc is J)aes mihtig ofer middangeard, J)8et he ]?e alyse of leoöubendum, manna cynnes, ofer mine estV (An 1372-1374) Die Recensio Casanatensis umschreibt diese Stelle so: quis enim est qui te possit eruere de manibus nostris? (Blatt, 83, 15 f.) 2
Interessant ist hier der im Ae. allerdings seltene Gebrauch der ursprünglich lokalen Präposition ofer im geistigen Bereich, in dem sie einen Gegensatz ausdrückt, der auch in lat. ultra „über - hinaus" hervortritt; ofer hat mit seiner Funktionserweiterung eine neue Bedeutung erhalten. Vgl. J. Ahrens, a.a.O., 42, wo die Stelle Ph 403b erwähnt wird. - Vgl. auch lof II, a (S. 120 ff.) und etwa die Verwendung von milde im höllischen Bereich (S. 79).
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2. este (Adj.), estlice (Adv.) I, a) „gnädig, von Gott (Christus) in einer bestimmten Situation" (B 2) Vgl. z.B. lide I, b (S. 93). Andreas verspricht dem Fährmann göttliche Gnade, gif Öu lidwerigum larna J)inra este wyröest. (An 482-483 a) 3 b) „mild, gnädig mit Bezug auf das Evangelium" (B 3) Vgl. milde I, h (S. 79) und hold I, d (S. 84). Die bekehrten Myrmidonen werden J>urh Andreas este lare
(An 1692)
zu schöneren Freuden geführt. II, a) estlice in der Bedeutung „gern". Der göttliche Fährmann antwortet Andreas: 'We öe estlice mid us willaö ferigan freolice ofer fisces baeö (An 292 f.)
3. estig (Adj.) estig findet sich bei Cynewulf und seinem Kreis nur einmal: I m Panther bedeutet es I, a) „gnädig, freundlich gesinnt, von Christus" (B 4) Se is aeghwam freond, duguöa estig, butan dracan anum (P 15b f.) Gemeint ist zwar der Panther, er symbolisiert jedoch Christus (vgl. S. 77). 3
Vgl. zur Situation S. 75, Anm. 14.
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4. Ergebnisse Das verhältnismäßig seltene Substantiv est kommt in den von Cynewulf signierten Dichtungen nur einmal vor (El 985a), steht dagegen im Andreas, einer der am weitesten von Cynewulf entfernten Dichtungen, am häufigsten, nämlich 7mal; davon hat es 2mal die Bedeutung „Gnade". Bei einer Gesamtzahl von 12 Belegen bedeuten 6 oder 50% „Gnade im weitesten Sinne". Erstaunlich ist, daß die für die Adjektive este und estig gefundenen Inhalte nicht auch beim Substantiv auftauchen und daß jene - mit Ausnahme des Adverbs estlice (S. 89) - keine andere Bedeutung außer der von „Gnade" besitzen. Diese Tatsache ist als Beweis dafür anzusehen, daß etymologisch verwandte Formen ebenfalls semantische Felder bilden.4 Eine Tabelle mag dies veranschaulichen: est
B B B B
1 2 3 4
I, a (3) -
este
_
—
I, a ( l ) I, b ( l )
-
-
II, a ( l ) II, b (3) II, c (1) —
estig
-
I, a (1)
-
-
-
-
-
-
II, a (1)
—
LISS Dieses Substantiv, das mit dtsch. „lind" verwandt ist und damit schon auf seine Zugehörigkeit zu dem hier beschriebenen Feld weist, wird in den Wörterbüchern folgendermaßen wiedergegeben: Bosworth-Toller: mildness, lenity, mercy, kindness, favour, grace, delight, joy. Holthausen: Gnade, Gunst, Liebe; Freude, Friede, Ruhe; Erleichterung, Vergebung, Rettung. Grein: remissio, gratia, favor, lenitas, tranquillitas, voluptas. 4
Vgl. S. 52 und vor allem die Tabelle für bliss (S. 116).
90
1. liss1 (Subst.) I, a) „göttliche Gnade" (B 1) Guölac ruft den ihn bedrängenden Höllengeistern zu: i>aet eow sefro ne biö ufan alyfed leohtes lissum, J)®t ge lof moten dryhtne secgan, ac ge deaöe sceolon weallendne wean wope besingan, heaf in helle (Gu A 612-616 a) b) „göttliche Gnade mit Bezug auf göttliche Hilfe beim Kampf gegen den Teufel" (B 2) Cym nu, haelejaa cyning, ne lata to lange. Us is lissa Jjearf, J)aet Jm us ahredde ond us hselogiefe soöfest sylle (Chr I 372b-375a) Auffallend ist hier der Plural lissa, der seine Parallelen in miltsa (vgl. milts I, h; S. 75 f.) und arna (vgl. are I, a - d ; S. 66 ff., speziell für diese Situation I, b; S. 66f.) hat. Im genannten Beleg könnte ohne weiteres "lissa J)earf" durch "arna Jaearf" oder "miltsa Jpearf" ersetzt werden, sofern es der Stab zuließe. c) „göttliche Gnade im Sinne von göttlicher Schutz in einer bestimmten Situation" (B 3) Vgl. dazu milts I, h (S. 75f.); milde I, c (S. 77); lof I, c (S. 118f.). ]?a gelsedan het lifes brytta ofer yöa ge^raec englas sine, fseömum ferigean on faeder wsere leofne mid lissum ofer lagufacsten
(An 822-825)
Genau wie bei lof erklärt sich hier diese Bedeutung durch die Nähe von "wsere" (vgl. lof I, c; S. 118f.). Die Übersetzung von CHRISTIAN W . M . G R E I N mit adverbialem „linde" (DAnll) ist nicht richtig, die bei Bosworth-Toller, "kindly, graciously", zu allgemein, trifft jedoch den Sinn. 1
Zur Schreibung liss-lids vgl. K . Brunner, a.a.O., § 201, 7. - Vgl. auch S. 105, Anm. 1, und zur semantischen F r a g e L.-G. Hallander, a. a. O., K a p . 5. 15. 2. 0. - 5. 15. 7.
91 7 Faiß, Cynewulf
Aus den unter a-c aufgeführten Belegen ist zu schließen, daß sich in den Dichtungen Cynewulfs und seiner Schule nur mit den Pluralformen von liss die Bedeutung „Gnade" verbindet. 2 II) Weitere Bedeutungen sind: a) „himmlische Freuden" Vgl. bliss II, k (S. 112). Die Teufel müssen in der Hölle ihr Geschick bejammern, wilna biscirede duguöa gehwylcre, lufena ond lissa. (Qu B 1074b-1076a) Die vorhergehenden Plurale "wilna", "duguöa" und "lufena" führen zu lissa hin, das sie zusammenfaßt. Sie sind Bestandteile der in der ae. Poesie üblichen Paradiesesschilderungen. Weitere Belege: Gu B 834 f. ("lifes ne lissa", 834a; die Verbindung "lifes ... lissa" ist so fest, daß sie den Charakter einer Formel annimmt) 3 , Chr III 1366a ("lifes ne lissa"), Ph 150a ("lifes ond lissa"), 563a ("leohtes ond lissa")*. b) „himmlischer Freudejubel, himmlisches Entzücken" Vgl. bliss II, f (S. 111). Awo to ealdre engla gemanan brucaö mid blässe, beorhte mid lisse, freogaö folces weard. (Chr III 1645-1647a) lisse ist eindeutig eine Variation zu blisse und besitzt denselben Inhalt wie dieses. Der Makrokontext des Belegs An 868 a (lissum) ist so freudedurchdrungen, daß die Angaben "kindly, graciously" bei BosworthToller und „lieb und freundlich" bei ODAnll kaum in Frage kommen. 5 In dem Beleg "lifgan in lisse lucis et pacis" (Ph 672) übersetzt dagegen auch Bosworth-Toller lisse mit "delight". 2
8 4 6
Zu Gu A 6 1 2 - 6 1 6 a (liss I, a ; S. 91) vgl. F . Holtbuer, a.a.O., 12 unter "Iis". Zur falschen Zählung Gudlac 585 vgl. S. 76, Anm. 15. Die Übersetzung mit „Gnade" (GDAnl) ist kaum haltbar. Vgl. dagegen "leohtes lissum" (Gu A 613a) unter I, a (S. 91). Vgl. bes. blide II, e (8. 108 f.) und lof II, c (S. 122f.).
92
c) „irdische Freude im Sinne von leiblichem Ergötzen" Vgl. bliss I I , b (S. 110) und giefu I I , m (S. 104). Der Alte, auf den das Los der Menschenfresser gefallen ist, will seinen Sohn opfern lifes to lisse
(An 1111a)
d) ,.menschliche Zuneigung zu Gott (Christus)" Gott (oder Christus) wird den Menschen, der nach seinen Gesetzen in Frömmigkeit und Demut lebt, belohnen: He him Jjsere lisse lean forgildeö
(Chr I 434)
2. lide (Adj.) I, a) „gnädig, freundlich, von Christus (Gott) am Tag des Jüngsten Gerichts" (B 4) Vgl. dazu besonders milde I, d (S. 77 f.); vgl. auch blide I, a (S. 105f.); milts I, c (S. 72ff.) und giefu I, b (S. 96f.). He [Christus] biö J)am godum glaedmod on gesihj)e, wlitig, wynsumlic, weorude ]aam halgan, on gefean fseger, freond ond leoftael, lufsum ond lipe leofum monnum (Chr III 910-913) Daß es sich hier um das Antlitz Christi 6 handelt, geht eindeutig sowohl aus der Fügung "glaedmod on gesihjae" (910b) als auch aus späteren Versen hervor, in denen sich der Gegensatz in Christi Haltung gegenüber den Sündern offenbart: He biö J>am yflum egeslic ond grimlic to geseonne, synnegum monnum (Chr III 918 f.) b) „gnädig, freundlich gesinnt, von Gott (Christus) gegenüber Menschen in einer bestimmten Situation" (B 3) Vgl. milts I, h (S. 75f.). Andreas sagt zum Fährmann, Gott möge ihn dafür belohnen, 7 daß er ihnen bei der Meerfahrt lide weoröe.'
(An 276b)
Die Situation ist dieselbe wie bei milde I, d (8. 78f.). ' Vgl. S. 75, Anm. 14.
6
93
c) „gnädig, freundlich gesinnt, von Aposteln am Todestag eines Menschen" (B 5) Vgl. auch blide I, c (S. 106) ; milts I, k (S. 76) ; milde I, e (S. 78) und I, g (S. 78f.). Den Blick auf seinen leiblichen Tod gerichtet, ist sich der Dichter bewußt: huru ic freonda be]?earf lidra on lade, ftonne ic sceal langne ham, eardwic uncuö, ana gesecean (FA 91b-93) Nur aus dem Makrokontext kann diese Bedeutung erschlossen werden: I n 85 f. ist von den "twelfe tilmodige seöelingas", den Aposteln, die Rede; dies wird wiederholt durch "]aone halgan heap" (90a), das durch "freonda" (91b), auf das sich lidra (92a) bezieht, wieder aufgenommen wird. d) ,,mild, freundlich, von Worten" (B 6) Vgl. besonders blide I, d (S. 107). Der hl. Guölac ruft aus: "Huru, J)ses bihofaö, se öe him haiig gaest wisaö on willan ond his weorc trymaö, la]paö hine lipum wordum (Qu A 361-363 a) Bedeutungsmäßig könnte blidum hier lipum ersetzen, wenn es die Gesetze des Stabreims erlaubten. Die Beziehungen in den beiden Fällen (Gu A 361-363a und Ju 165b) sind allerdings verschieden: I n der Juliana-Stelle (S. 107) spricht Heliseus, der Heide, zu Juliana, der Christin (Beziehung „Mensch-Mensch"), in diesem Fall aber ist von den Worten des Hl. Geistes die Rede (Beziehung „Hl. Geist-Mensch"). Für die semantische Austauschbarkeit dürfte das jedoch keine allzu gewichtige Rolle spielen. II) Nicht zum Gnadebereich gehören die folgenden Bedeutungen: a) „ruhig, angenehm mit Bezug auf das Leben im Paradies" Vgl. auch blide II, g (S. 109). Die Auserwählten agan dream mid gode lipes lifes, J)ses J)e alyfed bij) haligra gehwam on heofonrice. (Chr III 1636b-1638) 94
Weiterer Beleg: Gu A 768a ("lipe lifwegas"). b) „himmlisch entzückt, erfreut" Beleg: An 867b (lide; vgl. dazu besonders liss II, b; S. 92). c) „ruhig, angenehm, von Naturerscheinungen" Gott gibt dem Menschen welan ofer widlond, ond weder lipe under swegles hleo. (Chr II 605-606 a) Weiterer Beleg: An 437b (lidra, zur Bezeichnung des Meers nach dem Sturm). 3. Ergebnisse Von den für liss (und lide) gefundenen 22 Belegen haben nur 7 die Bedeutung „Gnade im weitesten Sinne". Das sind etwa 31,8%. Bei diesen war zu sehen, daß liss nur im Plural auftritt, dabei aber singularische Bedeutung hat. Dasselbe traf auch z.B. für are zu (vgl. S. 68), so daß auf jeden Fall liss nicht allein steht. Diese Erscheinung durch gegenseitige Beeinflussung zu erklären, liegt zwar nahe; ein letzter Beweis fehlt jedoch, da andere Begriffe Singularformen für singularische Bedeutung haben; milts nimmt hier eine Mittelstellung ein (vgl. S. 75 f.). Auf Grund der Untersuchungen konnten auch für liss verschiedene Angaben der Wörterbücher verbessert oder präzisiert werden (vgl. etwa liss II, b; S. 92). Die Bedeutungen im fes-Bereich gliedern sich wie folgt:
B B B B B B
1 2 3 4 5 6
liss
lide
I, a ( l ) I,b(l) I, c (1)
_
-
II, II, II, II,
a(5) b (3) c (1) d(l) -
-
I, I, I, I,
b(l) a(l) c (1) d(l) -
II, b ( l ) -
II, a (2) II, c (2)
95
Aus diesem Überblick wird ein leichtes Übergewicht von lide im Gnadebereich ersichtlich, dagegen aber ein sehr deutliches von liss bei den Bedeutungen unter I I . Die Masse der Belege befindet sich, wie oben bereits bemerkt, nicht im Gnadebereich.
GIEFU Für giefu1 werden die folgenden Übersetzungen angegeben: Bosworth-Toller: I. a gift, grace, favour; donum, munus, beneficium, gratia, virtus, facultas. Holthausen: Gabe, Gunst, Gnade. Grein: donum, munus, beneficium, favor, gratia, bonum, virtus, facultas. 1. giefu (Subst.) I, a) „göttliche Gnade als Stimulus für gute Taten und Wunder" (B 1) Nach Hinweisen auf die Ursünde unterstreicht der Dichter die guten Werke des hl. Guölac: Nsenig hselej)a is J>e areccan msege oJ)J)e rim wite ealra J)ara wundra J)e he in worulde her J)urh dryhtnes giefe dugejmm gefremede. (Qu B 890b-893) b) „göttliche Gnade als Lohn für ein vorbildliches christliches Leben" (B 2) Vgl. ar I, b (S. 60); milts I, c (S. 72f.) und I, f (S. 74). Wenn am letzten Gerichtstag Verdammte und Erkorene geschieden sind, offenbaren sich an diesen drei Zeichen. Vom zweiten heißt es: Oj>er is to eacan ondgete swa some, J)set hy him in wuldre witon waldendes giefe (Chr III 1242 f.) 1
Vgl. S. 54, Anm. 7.
96
Die Verfluchten aber müssen in der Hölle für ihre Sünden ewig büßen. In einem ähnlichen Zusammenhang erscheinen die Verse Chr III 1660b-1664: Im Paradies ... J)ser cyninges giefe awo brucaö eadigra gedryht (Chr III 1662b f.) Als nützlich für die Erhellung der Bedeutung dieses Belegs erweist sich der Schluß der "Concordia quorumdam testimoniorum s. scripturse" Gregors d. Gr., wo u. a. zu lesen ist: Perfecta viget in omnibus Charitas, una omnium lsetitia, una jucunditas. (MPL 79, 658) Die Zuordnung von giefe zu dieser Bedeutungskategorie wird durch das entsprechende lat. Charitas gestützt. Weitere Belege sind: Ph 552-561 a ("J)urh dryhtnes giefe", 557b), An 480b-483a (Andreas verspricht dem Fährmann: "iPaes öu gife hleotest,/haligne hyht on heofonftrymme, /gif öu lidwerigum larna J>inra/este wyröest." Vgl. dazu este I, a; S. 89). c) „göttliche Gnade (durch Christus) den Menschen übermittelt, um sie auf dem richtigen Weg zu halten" (B 3) Am Ende von Christ II vergleicht Cynewulf das Jüngste Gericht, an dem die Unfrommen und Sündigen ihr gerechtes Urteil erhalten und jammernd und wehklagend im höllischen Feuer für ihre Verfehlungen büßen werden (825b-849), mit einer Seefahrt, bei der der Schiffer nicht weiß, in welchen Hafen er sein Boot lenken soll (850-858a). Doch Christus ist das Leuchtfeuer, das den sicheren Hafen anzeigt: E>a us help bicwom, f>aet us to haelo hyj>e gelaedde, godes gaestsunu, ond us giefe sealde pset we oncnawan magun ofer ceoles bord hwser we saelan sceolon sundhengestas, ealde yömearas, ancrum fseste. (Chr II 858b-863) Ohne die durch Christus übermittelte Gnade ist der Eingang ins Himmelreich dauernd verwehrt. Auch C H R I S T I A N W. M. G R E I N überträgt dieses giefe mit „Gnade". 97
Weitere Belege haben Chr I 42-49 ("Eal giofu gsestlic grundsceat geondspreot", 42), 373b-377 (hselogiefe, 374b), Gu A 123b-126 (Gott wird denen ihre Taten vergelten, " . . . ]pe his giefe willa8/J)icgan to J>once", 124b-125a). Zur Bedeutungserhellung an dieser Stelle eignen sich besonders einige Aussagen Gregors d. Gr. in seiner Auslegung von Hiob 9, 12: "vita sine misericordia accipi nequaquam valet ... Vel certe vitam nobis et misericordiam tribuit, quia ea qua nos misericordia ad bene vivendum prsevenit, etiam subsequente custodit. Nisi enim misericordiam subroget, servari non valet vita quam prsebet" (Moralium lib. I X , cap. LIII, Absatz 81, MPL 75, 903). Die Menschen sollen Gottes Gnade dankbar annehmen, weil sie die Grundstufe zu einem gottgefälligen Leben bildet. 2 d) „göttliche Gnade, den Menschen durch den Hl. Geist übermittelt" (B 4) E>eodcwen [Helena] ongan Jrarh gastes gife georne secan nearwe geneahhe, to hwan hio ]?a nseglas selost ond deorlicost gedon meahte (El 1155b-1158) Daß es sich hier um diese Bedeutung handelt, geht aus den Acta Sanctorum, 4. Mai klar hervor: Spiritus sancti gratia misit in sensum ejus tale quiddam facere (447, 14) Vgl. dazu auch II, b (S. 100f.). Zwar stimmen die Sätze, in denen diese Fügungen erscheinen, nicht überein, doch ist eine Entsprechung durch das Thema gewährleistet. 3 Weitere Belege beinhalten Chr II 640b-650a (Christus "{rarh gsestes giefe grundsceat sohte", 649), 7 0 6 - 7 1 1 (Unter den Heiden hatte die Kirche zu leiden: "HwseJjre forö bicwom/J)urh gsestes giefe godes Jaegna blsed/sefter upstige ecan dryhtnes.", 709b-711). e) „göttliche Gnade zum Trost der Jünger vor Christi Tod" (B 5) Jesus erteilt seinen Jüngern die letzten Anweisungen zu ihrem Verhalten nach seinem Tod. SeineWorte beginnen: 2 3
Vgl. auch MPL 76, 698 f. Vgl. O. Glöde, „Untersuchung über die quelle von Cynewulf's Elene", Anglia 9 (1886), 300.
98
"Gefeoö ge on ferööe! Nsefre ic from hweorfe, ac ic lufan symle laeste wiö eowic, ond eow meaht giefe ond mid wunige, awo to ealdre, J>set eow sefre ne biö purh gife mine godes onsien. (Chr II 476-480) f) „göttliche Gnade als Vergebung durch Christi Opfertod" (B 6) Ond swa forögongende folca nergend his forgifnesse gumum to helpe dseleö dogra gehwam, dryhten weoroda.
(Chr I 426-428)
Im folgenden Fall, als der in ihren Kerker eingedrungene Teufel Juliana bittet Jrnrh paes hyhstan meaht, rodorcyninges giefe, se J>e on rode treo gejjrowade, prymmes ealdor (Ju 446b-448), kann giefe „Gnade" bedeuten, obgleich dies, da vom Teufel gesprochen, etwas sonderbar anmutet; es sei denn, Cynewulf wollte seinen Mitbürgern vor Augen führen, daß selbst der Teufel, der mächtiger als die Menschen - doch nicht mächtiger ist als Gott und von seiner Gnade ebenso abhängt wie sie selbst. In Anbetracht des religiösen Eifers, der in Cynewulfs Werken auf Schritt und Tritt begegnet, ist diese Möglichkeit zu berücksichtigen. 4 Die andere Möglichkeit ist die, daß giefe als Variation zu "meaht" beabsichtigt ist und dann „göttliche K r a f t " bedeutet. Die Versionen der Julianalegende lassen jedenfalls keine genaue Inhaltsabgrenzung zu; sie verweisen ganz allgemein auf das Leiden Christi und auf das Kreuz (Acta Sanctorum, 16. Febr., 875, 10, MS. Bodley 285, 180 ff., Mlt 411 ff., M2, 351 ff, M3, 42 ff.). MS. Royal 17 A xxvii, 356 ("ane hwile ich halsi Jae ogodeS half.") und ein ähnlicher Beleg in El 179-185a (Gott erlöste die Menschen von den Fesseln des Teufels "ond him gife sealde/Jrarh ]aa ilcan gesceaft", 182b-183a) lassen für das obige giefe hingegen eher die Bedeutung „Gnade" vermuten. g) „göttliche Gnade, 1. an Menschen und 2. an Bauwerken offenbar werdend" (B 7) 4
Vgl. dazu ausführlich F. Schubel, „Zur Bedeutungskunde", 294, Anm. 13, 295 f., 296, Amn. 15.
99
1.
Geofu waes mid Guölac in godcundum msegne gemeted. (Gu A 530-531 a)
Die göttliche Gnade tritt in der gottentsprungenen Kraft zutage, mit deren Hilfe Guölac seine Kämpfe gegen die Dämonen besteht. Ein weiterer Beleg, Chr I 78-82 a (sundurgiefe, 80a), ist auf die Jungfrau Maria bezogen. 2. Die von Helena auf dem Kalvarienberg erbaute Kirche ist von hervorragendem Wert für Kranke und Sieche: Hie sona Jjaer Jmrh J>a halgan gesceaft helpe findaj), godcunde gife. (El 1030b-1032a) In Anlehnung an Fügungen wie "godcunde msegen" (s. o. unter 1.) könnte gife hier auch „Kraft" im Sinne von „Heilskraft" bedeuten. II) Weitere Bedeutungen von giefu sind: a) „himmlische Gaben als Lohn für ein gutes, christliches Leben" Vgl. dazu liss II, a (S. 92) und bliss II, k (S. 112). Guölac biseali ]?a to heofona rice, glaedmod to geofona leanum, ond J)a his gaest onsende
(Gu B 1302b f.)
Zu dieser Bedeutungskategorie gehören außerdem die Belege Gu B 1040-1042a ("meorda hleotan,/gingra geafena", 1041b-1042a) und PA 381-386 ("geofona neotan", 384b). b) „geistige Fähigkeit der Menschen, von Gott geschenkt" Angstvoll nennen die vor Helena befohlenen Weisen Judas als den Klügsten unter ihnen: He gecyöeö Joe for wera mengo wisdomes gife (El 595b f.) Weitere Belege: El 1143a ("wisdomes gife"), Ju 315b f. (giefe kollokiert mit "gaest"), 513-517 a ("giefe unmsete", 517 a, wiederholt "wisdomes gsest", 516b), Gu B 1245b f. ( 'wisdomes giefe", 1246b), An 549-552 (geofum, 551b, näher bestimmt durch "wison 100
gewitte", 552a, und "wordcwidum", 552b); ähnlich An 936-938,® 1517-1521 (giofum, 1519a, auf die Marmorsäule bezogen), Gu A 771a ("gaestcunde gife"). c) „geistige Fähigkeit als Geschenk des Hl. Geistes an die Menschen in bezug auf Weisheit in biblischen und religiösen Dingen" Nach dem Empfang der heiligen Taufe verkündet Kaiser Konstantin das Evangelium: Ongan pa dryhtnes ae dasges ond nihtes purh gastes gife georne cyöan (El 198 f.) Die von
OTTO GLÖDE
angegebene Entsprechung lautet:
fervens Spiritu sancto exercebatur in Sanctis Evangeliis Christi (278). Weitere Belege: Gu B 1115 ("Jrarh gaestes giefe godspel bodian"), An 526-531 a ("J)aer öu gife hsefdes/haliges gastes", 530b-531a). d) „göttliche Gabe im Sinne von Glaubenskraft, christlicher Religion" Juliana bittet Gott, paet pu me ne laete of lofe hweorfan pinre eadgife (Ju 275-276 a) Diese Bedeutung wird durch den Wortlaut einiger Versionen bekräftigt. Sie lesen: Acta Sanctorum, 16. Febr.: "sed confirma cor meum in virtute t u a " (875, 6), MS. Bodley 285: "ne me deseras neque spernas sed confirma cor meum in religione tua. & confidenti nomini tuo" (110 f.), Mx: "sed conforta corpus meum in religione t u a " (251 f.), M2: "sed conforta me in religione sancta" (223 f.). Weitere Belege: El 961b-966 ("wuldorfseste gife", 966a, im Kontext "geleafan", 965a), 1242b-1251a ("gife unscynde", 1246b, nimmt "lare", 1245a, auf), Gu A 355-360a (giefe, 357b). 6
Hier sind geistige und körperliche Kraft gemeint: "crsefte ond mihte" (939a) variieren vmldorgifum (938a). C hat: "Surge nunc velociter fidellissime, surge cum iiducia, surge viriliter, confortare et esto robustus" (Blatt, 67, 24-26).
101
e) „göttliche Fähigkeiten oder Kräfte" Auf die Frage des Fährmanns antwortet der hl. Andreas erstaunt, wie es möglich sein könne, daß er nichts davon gehört habe, hu he [Christus] his gife cyöde geond woruld wide (An 575b-576a) C gibt diese Stelle mit virtutes wieder: tu tarnen numquam audisti de illo quantas virtutes, et mirabilia fecit in conspectu eorum? (Blatt, 53, 14 f.) f) „göttliche Gaben im Sinne von menschlichen Fähigkeiten" Bus god meahtig geofum unhneawum, cyning alwihta, crseftum weoröaf» eorpan tuddor (Chr II 686-688 a) Weitere Belege: Chr II 659-663 (giefe, 660b), 681b f. (giefe, 682b), An 544b-548 (gife, 548b), Gu A 98b-105a (giefe, 100b); ähnlich El 1054-1058a. Die letztgenannte Stelle bedarf einer näheren Erklärung. Sie lautet: J)set he [Eusebius] gesette on sacerdhad in Ierusalem Iudas Jaam folce to bisceope burgum on innan, Jrarh gastes gife to godes temple crseftum gecorene Es kann sich hier nicht nur allgemein um menschliche Fähigkeiten handeln. Damit ein Bischof in der Lage ist, seine Aufgaben richtig zu versehen, muß er mit geistlichen Gaben gesegnet sein, die ihn vor seinen Mitmenschen auszeichnen. So sagt Gregor d. Gr.: "is, qui ad sanctse Ecclessiae regimen quseritur, et divino munere demonstrandus est, et ad sublimem conversationem vocandus... Vel sacerdotes unguntur, quando per ordinantium se ministerium, gratiarum spiritualium incrementa percipiunt... Velut uncti salvare alios possunt; quia spiritales gratias abundantius perceperunt. Nam qui populum salvant, super populum uncti sunt: quia qui a Domino ad regendos alios ordinantur, spiritualia charismatum dona, quibus eis prodesse possunt, accipiunt" (MPL 79, 261 f., Absatz 41). 102
g) „göttliche Gaben, himmlisch und irdisch" Die Schar der Erkorenen singt Gott Lob und Preis: ond J>e J)onc sy Jjrymsittendum geongra gyfena, goda gehwylces.
(Ph 623 f.)
Diese Bedeutung wird durch das variierende "goda" gestützt. Weitere Belege: Ju 499-503a (Ursünde und Vertreibung aus dem Paradies: " . . . lufan dryhtnes,/ece eadgiefe .. ./beorhtne boldwelan", 501b-503a), 561-563a ("ecra eadgiefa", 563a), 6 Gu A 606a, 763-765 (igiefena, 765 a). h) „irdische Gaben im Sinne von Reichtum, Vermögen (von Gott geschenkt)" he [Gott] Abrahame ond Isace ond Iacobe gife bryttode, welum weoröode (An 753-755 a) Auf diesen Inhalt deuten die Variationen durch "welum" und der entsprechende Wortlaut in C, obwohl hier Reichtum nur Jakob zugeschrieben ist: fecitque ei multa bona
(Blatt, 59, 11)
Ähnlich: El 264 f. ("sincgim locen - hlafordes gifu" mit Bezug auf Kaiser Konstantin), 1199 f. ("gife unscynde", 1200b. Gemeint sind die Nägel, mit denen Christus ans Kreuz geschlagen wurde). i) „Kraft, Macht des Evangeliums" Nach gewonnener Schlacht versammelt Konstantin in Rom die Weisen, die ihm erklären sollen, welcher Gott ihm zu seinem Sieg verholfen habe. Nur die Getauften vermögen zu antworten: (him waes leoht sefa, ferhö gefeonde, J)eah hira fea waeron), öset hie for J>am casere cyöan moston godspelles gife (El 173b-176a) Die Acta Sanctorum, 4. Mai setzen: "euangelizaverunt ei mysteriü Trinitatis & adventum Filii Dei" (445, 2). Ein ganz ähnlicher Wortlaut findet sich in den Acta Cyriaci aus dem 6./7.Jh.: "euangelizaverunt/illi mysterium et aduentum/fili DI" (Holder, 36-38). 6
Vgl. dazu MPL 76, 899 und 79, 213.
103
k) „Gaben als körperliche Schönheit" Heliseus begrüßt Juliana mit den Worten: "Min se swetesta sunnan scima, Iuliana! Hwaet, J>u glsem hafaat, ginfaeste giefe, geoguöhades blaed! (Ju 166-168) I n MS. Royal 17 A xxvii und MS. Bodley 34 wird "ginfaeste giefe" durch „Lilien und Rosen" ausgemalt (142 bzw. 196 f.). Weitere Belege: auf den Vogel Phönix bezogen Ph 265-269a ("geofona ful", 267a), 327-330 ("scyppendes giefe ¡iasgre . . . " , 327b bis 328a). 1) adverbial „zur Freude, zum Ergötzen mit Bezug auf Gott" I m Paradies bringt die Schar der Auserwählten ... dryhtne to giefe worda ond weorca wynsumne stenc in J>a mseran gesceaft (Ph 658b-660a) m) adverbial „zum Nutzen, zum Frommen mit Bezug auf Menschen" Paulus sagt: "Monigfealde sind geond middangeard god ungnyöe ]?e us to giefe daeleö ond to feorhnere faeder selmihtig (P 70-72) 2. gifede (Adj.) II, a) „von Gott den Menschen bestimmt, zugeordnet" Andreas wartet an der kupfernen Säule, hwaet him guöweorca gifede wurde.
(An 1066)
G liest: "quid accideret de eo" (Blatt, 73, 17), die Version der Andreaslegende der Blickling Homilien7 (10. Jh.): "hwset him gelimpan scolde" (239), wodurch diese Bedeutung ausreichend bestätigt ist. 3. Ergebnisse 8 Während bei est noch 50% der Belege „Gnade" bedeuteten, sind es bei giefu nur rund 31,6% (19 Belege gegenüber 41 mit anderen Bedeutungen). Selbst wenn man die zweifelhaften Fälle (I, f; I, g, 2.) 7 8
R. Morris (ed.), EETS 73 (1880), 229-249. Vgl. auch S. 116.
104
nicht rechnet, kommt man auf die Zahl von etwa 28% (17 Belege gegen 43 mit anderen Bedeutungen). Die Hauptschwierigkeit bei der Zuweisung von giefu zu den Kategorien I oder I I war die, daß es ziemlich häufig im Sinne von „göttliche Geschenke, Gaben" und dann - entsprechend lat. gratiae im Plural steht und ganz konkret gebraucht wird.
BLISS bliss1 ist ein sehr häufiges Substantiv im Ae. und überaus vieldeutig. Die Wörterbücher verzeichnen die folgenden Bedeutungen: Bosworth-Toller: I. bliss, joy, gladness, exultation, pleasure; lsetitia, gaudium, exultatio, beatitas. - I I . friendship, kindness, benevolence, grace; comitas, benignitas, benevolentia, gratia. Holthausen: Freude, Vergnügen, Lust, Freundlichkeit, -schaft, Gunst. Grein: 1. exultatio, lsetitia, gaudium, beatitas. — 2. comitas, benignitas, benevolentia, gratia. Bereits daraus wird ersichtlich, daß bliss als Oberbegriff sowohl im Bereich der „Freude" als auch in dem der „Gnade" anzutreffen ist. Es wurde jedoch schon angedeutet, daß sich bliss und seine etymologischen Verwandten nur am Rande des semantischen Feldes der „Gnade" bewegen, ihren Schwerpunkt aber in dem der „Freude" haben (vgl. S. 52). Gerade wegen seiner Vieldeutigkeit rechtfertigt sich jedoch ein Eingehen auf diesen Komplex, um seine Bedeutungen für Cynewulf und seine Schule neu festzulegen, was um so dringlicher erscheint, als sich die bei KLAUS OSTHEBREN, a.a.O., vorhandenen Kategorien nur teilweise mit den hier erarbeiteten decken. 1. blide (Adj.) I, a) Während dem Substantiv bliss die Bedeutung „Gnade" fremd ist (vgl. S. 109), besitzt das Adjektiv blide die von „gnädig, mild, freundlich gesinnt, von Gott (Christus) gegenüber Menschen, speziell im Hinblick auf ein gottgefälliges Leben" (B 1). 1
Zur Schreibung bliss-blids vgl. K . Brunner, a.a. O., § 201, 7; zur Semantik des ftiiss-Komplexes auch L.-Q-. Hallander, a. a. O., Kap. 5. 1. "bliösian".
105
Gott ist denen milde ond blide, J>ses Öe hie mana gehwylc forsawon, synna weorc, ond to suna metudes wordum cleopodon. (El 1317-1319 a) Durch die Kollokation mit milde kann dieser Inhalt erschlossen werden; außerdem unterstreicht ihn der Kontext: „Denen ist Gott gnädig gesinnt, die darauf achten, keine bösen Taten und Sünden zu begehen." Zu dieser Kategorie sind noch zu rechnen Hö 133-137 (der Dichter bittet Christus: "Oferwurpe Jm mid J>y waetre, weoruda dryhten,/ blipe mode ealle burgwaran", 133 f.), An 969b-972 (Christus spricht von seinen Leiden auf Erden: "wolde ic eow on öon/Jaurh blidne hige bysne onstellan", 970b f.). Die Kollokation mit milde in An 902-903 a ("Weorö me nu milde, meotud aelmihtig,¡blide, beorht cyning!") weist hingegen eher auf die Bedeutung „nachsichtig, von Gott". Das geht sowohl aus dem Kontext - Andreas beschuldigt sich, während der Seefahrt zu viel geredet zu haben - als auch aus den verschiedenen Versionen hervor. I n C z.B. lautet die entsprechende Stelle: "obsecro te, u t indulgeas mihi" (Blatt, 67, 1), im Bonnetfragment2: "indulgeas michi in unc locum" (Blatt, 14, 44 f.). b) „mild, nachsichtig mit Bezug auf den Hl. Geist" (B 2) Vgl. auch unten I, c. I n seinem Gebet (Chr II 771-778) sagt Cynewulf u.a.: utan us to faeder freopa 3 wilnian, biddan bearn godes ond Jaone blidan gsest Jpset he us gescilde wiö sceaj>an waepnum (Chr II 773-775) GDAnl und Bosworth-Toller meinen zwar das Richtige, wenn sie mit „Heiliger Geist" übersetzen, doch dürfte hier eher die Milde und Nachsicht im Hinblick auf die Trinität hervorgehoben sein. c) „mild, nachsichtig, von Heiligen" (B 3) Vgl. z.B. are I, c (S. 67) und lide I, c (S. 94). 2 3
Vgl. dazu F. Blatt, a.a.O., 3 und 13 ff. Vgl. K.Weimann, a.a.O., 113 (Kategorie I. B. 2. c) und 114.
106
Andreas ist eingeschlafen, die himmlischen Boten kehren in ihre Heimat zurück; sie ließen blidne bidan burhwealle neh
(An 833)
Bosworth-T ollers "calm" für blidne trifft nicht zu. Weitere Belege sind: Gu B 944b-945a ("Wses se blipa gsest/fus on foröweg."), 4 Gu A 334b f. ("blide gseste", 335b, als ein Geschenk des Himmels. Gegen die Identifikation "blide gaeste" mit „Hl. Geist", die immerhin vom Sinn her möglich wäre, spricht der Makrokontext, zu dem der Beleg Gu A 331-334a, milts I, k ; S. 76, zu vergleichen ist). d) „mild, freundlich, von Worten" (B 4) Vgl. lide I, d (S. 94). Heliseus begrüßt Juliana blipum wordum
(Ju 165b)
Die meisten Versionen haben dafür "mollissimis verbis" (MS. Bodley 285, 49 f., M2, 96 f., Mz, 23 f., Ada Sanctorum, 16. Febr., 874, 3), M-L verwendet den farblosen Positiv "mollibus verbis" (99 f.), MS. Royal 17 A xxvii und MS. Bodley 34 malen sehr aus: "feng on toward hire sweteliche to seggen" (147 f.) bzw. "wiö swotnesse soffte to seggen" (205). In der Alia Vita liest man gar "nectareis verbis ac suasionibus" (878, 5). II) Die anderen Bedeutungen von blide a) „irdisch fröhlich im Hinblick auf Gottes Schutz und Paradiesesfreuden" Von Guölac wird trotz seiner körperlichen Schwäche berichtet: He on eine swa J)eah ungeblyged bad beorhtra gehata blipe in burgum. (Gu B 940b-942a) 4
Diesen Beleg ordnet K. Ostheeren der Kategorie „irdisch fröhlich im Hinblick auf Paradiesesfreuden" zu (a.a.O., 125). blide steht hier jedoch synonym für milcle, das ebenfalls zur Bezeichnung von Heiligen verwendet wird und eine hervorstechende Eigenschaft nennt (vgl. milde I, g; 8. 78f.). 107
8 Faiß, Cynewulf
Weitere Belege: An 1262b 8 -1265a, Gu A 437-439 (blipe im Kontext mit "blsed mid god.", 439). b) „irdisch froh über günstige Umstände" Gott und ein Engel haben Kaiser Konstantin ein Zeichen zur Kreuzessuche gegeben: Cyning Waes J>y blidra ond J>e sorgleasra (El 96b-97a) Weitere Belege: El 246b ("Wigan wseron blide"), An 1581-1585a (die Myrmidonen wurden "blide on mode", 1583b), 1691a (higeblide, von den ehemaligen Menschenfressern); ähnlich: DR 122b ("blide mode"), Hö 8b (blide), Chr I 275-281 ("blipe mode", 280a, preisen die Menschen die Jungfrau Maria). c) „irdisch froh über das Kommen Christi" symble gefegon beornas blidheorte burhweardes cyme. (An 659b f.) Ähnlich zu deuten ist der Beleg Chr III
875-877« (blipe, 877 a).
d) „himmlisch froh über die Rückkehr Christi" Bei Christi Himmelfahrt rufen die Engel den Menschen auf Erden zu: We mid Jjyslice Jjreate willaö ofer heofona gehlidu hlaford fergan to J)sere beorhtan byrg mid J)as bliöan gedryht (Chr II 517-519) Weiterer Beleg: Chr II blipe", 739b).
738b-740a (die Engel sind "hleahtre
e) „himmlisch fröhlich beim Lob Gottes" Swinsaö sibgedryht swega masste haedre ymb J>set halge heahseld godes, blipe bletsiaö bregu selestan eadge mid englum, efenhleoJ>re J)us (Ph 618-621) In diesem Fall ist blipe Adverb. 5
6
Andreas "Blidheort wunode", 1262b. - V: "perstetit lgtus sanus et alacer" (Blatt, 117, 27). Unklar ist, warum K. Ostheeren diesen Beleg unter „.leuchtend, strahlend, glänzend'" einreiht (a.a.O., 125).
108
Weiterer Beleg: An 867 a ("brehtmum blide"). f) „irdisch fröhlich beim Lob Gottes" Der hl. Guölac bekundet erfreut: ond ic bletsige blide mode lifes leohtfruman (Qu A 608-609 a) g) „lieblich, angenehm" zur Bezeichnung des Paradieses Weorc anra gehwaes beorhte bliceö in J>am blipan ham fore onsyne ecan dryhtnes, symle in sibbe7, sunnan gelice. (PA 598b-601) Bosworth-Toller übersetzt mit "sweet home". h) „himmlische Seligkeit als Belohnung für gute Taten" J)ser he [Guölac] symle mot awo to ealdre eardfaest wesan, blide bidan. (Qu A 785b-787a) 2. bliss (Subst.) I) Das Substantiv bliss kommt in der Bedeutung „Gnade" in den herangezogenen Dichtungen nicht vor. II) Seine Bedeutungen sind vielmehr: a) „sehr große Freude, Entzücken, innerer J u b e l " Hier erscheint es meist in Verbindung mit hremig und steht im Plural, wodurch es eine weitere Steigerung erfährt. Dieser Zustand freudigen Erregtseins wird durch besondere Umstände hervorgerufen, die stets mit Christlichem, vor allem mit Christus selbst zusammenhängen. So freut sich z.B. Helena, daß Cyriacus (Judas), wie sie ihm befohlen hatte, auch die Nägel fand, mit denen Christus ans Kreuz geschlagen wurde: lac weoröode, blissum hremig, J)e hire brungen wses gnyrna to geoce. (El 1136b-1138a) ' Vgl. K.Weimann, a.a.O.,
113 (Kategorie I. A. 2. a). 109
Weitere Belege enthalten: Ou B 954a, 1106b, Chr III 126b, 592b, 9 An 1014b, 1 0 1699a.
1346a, 8 Ph
b) „weltliche Freude" Es zeugt von Guölacs Weisheit, Jpset he his lichoman wynna forwyrnde ond woruldblissa (Gu A 163b f.) Eine ähnliche Bedeutung weist der Beleg An 588 a auf: Christus verwandelt Wasser in Wein "beornum to blisse", zur Labung und damit zum leiblichen Ergötzen, wobei der Dichter ausdrücklich vermerkt: "on ]aa beteran gecynd" (588b). - Vgl. giefu II, m (S. 104). c) Ein Beispiel für die "laetitia spiritualis" ist die folgende Stelle aus Andreas-, der Heilige wendet sich an den Fährmann mit den Worten: 'Nu ic on J)e sylfum soö oncnawe, wisdomes gewit wundorcrsefte, sigesped, geseald, snyttrum bloweö, beorhtre blisse, breost innanweard. (An 644-647) Die Recensio Casanatensis
setzt dafür:
adimpleat dominus cor tuum omni letitia
(Blatt, 55, 4 f.)
Daß es sich um diese Erscheinungsform der Freude handelt, kann nur aus dem die Verse 628-651 umfassenden Makrokontext geschlossen werden. d) „durch die Himmelfahrt Christi hervorgerufene himmlische Freude" Hyht waes geniwad, blis in burgum, purh Jpaes beornes cyme.
(Chr II 529b f.)
Vgl. dagegen die Ansicht K. Ostheerens, der für diesen Beleg eine eigene Kategorie schafft (a.a.O., 123). - Zu An 1064, den er ebenfalls zu dieser rechnet, vgl. II, g (S. 112). • Hier ist von den erkorenen Seelen die Bede, die vogelgleich Christus folgen. Der Dauerzustand der Glückseligkeit entspringt dem Bewußtsein des Erkorenseins. 10 Diese Stelle meint zunächst, daß sich Andreas und Matthäus freudig in den Armen liegen und sich begrüßen. Ihr Wiedersehen wurde jedoch durch die göttliche Vorsehung in die Wege geleitet. Die Recensio Vaticana lautet: "gaudio replent se magno alterutrum" (Blatt, 107, 14). 8
110
Weitere Belege: Chr II 552a, DR 153b. e) „durch Christi Menschwerdung hervorgerufene Freude", da der sündige Mensch vom ewigen Tod erlöst ist. Hiht wses geniwad mid bledum ond mid blis.se J)am J)e J>aer bryne jaolodan. (DR 148b f.) Eng damit verbunden ist die Apostrophe des Dichters an die Stadt Jerusalem: Nu is J)set bearn cymen, awsecned to wyrpe weorcum Ebrea, bringeö blisse J)e, benda onlyseö nijmm genedde. (Chr I 66b-69a) Ähnlich in der Bedeutung ist der Beleg Chr III 1255-1258 ("blsedes ond blissa", 1256a). f) „himmlischer Freudejubel", der irdische Hallenjubel ist in die himmlische Sphäre transponiert. ond ic wene me daga gehwylce hwsenne me dryhtnes rod, J>e ic her on eoröan ser sceawode, on bysson lsenan life gefetige ond me J)onne gebringe Jjaer is blis mycel, dream on heofonum, J)ser is dryhtnes folc geseted to symle, J)ser is singal blis, ond me Jponne asette J)ser ic syJ)J)an mot wunian on wuldre, well mid f»am halgum dreames brucan. (DR 135b-144a) I n diesem Abschnitt klingt die Sehnsucht auf nach den Freuden des Paradieses, dem Entrinnen aus dem irdischen Jammertal und nach einem sorgenfreien Leben im Himmel. Die Bedeutung „himmlischer Freudejubel" wird besonders durch den Kontext mit "dream" bzw. "dreames" 1 1 bekräftigt. Die gleiche resignierende Stimmung dem Leben gegenüber findet sich in Chr III 1652-1664 ("blis butan sorgum", 1657b; eine nahezu wörtliche Entsprechung tritt bei Gregor d. Gr. zutage: "gaudium sine gemitu", MPL 79, 658; vgl. S. 97). Zu dem Beleg Chr III 1646a ("brucaö mid blisse") ist liss II, b (S. 92) zu vergleichen. 11
Vgl. K. Ostheeren, a.a.O.,
102 ff. und 114 ff.
111
g) „himmlische Freude, ohne den materiellen Hintergrund", der bei f) so deutlich ist. Der hl. Guölac belehrt seinen Diener: Nis me wracu ne gewin, J>sst ic wuldres god sece swegelcyning, Jwer is sib ond blis, domfsestra dream, dryhten ondweard (Gu B 1081-1083) Der Heilige sucht den himmlischen Frieden, nicht nach materiellen Dingen steht ihm der Sinn. Weitere Belege: Ohr II 750b, Gu B 1374a, An 1063b f. ("engla blisse", 1064b). h) „konkreter, sich an Geruchs- und Gesichtssinn wendender Schmuck" Von Guölacs Himmelfahrt berichtet der Dichter: Swa se burgstede wses blissum gefylled, swetum stencum ond sweglwundrum (Gu B 1317 f.) i) „konkreter, sich an den Hörsinn wendender paradiesischer Jubel" (auf das Lob Gottes bezogen) Im Paradies Baer is engla song, eadigra blis (Chr III 1649) k) „himmlische Freuden im umfassenden Sinne" Vgl. liss II, a (S. 92). Die Gefährten des Andreas beschließen die Darstellung ihrer Traumreise ins Paradies mit den Worten: Dam biö hseleöa well J)e J>ara blissa brucan moton (An 885b f.) 3. (ge)blissian (Vb.) I) Die Bedeutung „mild, gnädig sein" eignet (ge)blissian nicht. II) Seine Bedeutungen sind: a) „irdisch froh sein über günstige Umstände" Als der Kaiser vom Erfolg seiner Mutter hört, heißt es: 112
E>a ö a m cininge wearö J>urh J>a mseran word m o d geblissod, ferhö gefeonde. (El 9 8 8 b - 9 9 0 a )
Dieser Inhalt von geblissod wird durch das folgende Synonym "gefeonde" ausreichend gestützt; die Fügung "ferhö gefeonde" variiert "mod geblissod". Weitere Belege: El 839 f. {geblissod, 839b), 12 874b f. {geblissod, 875b), 13 1125-1127a {geblissod, 1125a), 14 An 350b f. (geblissod, 351b), 467b f. {geblissod, 468b), 633-636a {blissad, reflexiv gebraucht, 634b). b) „sich irdischer Dinge sündhaft erfreuen" Der hl. Guölac schleudert in religiösem Eifer den Teufeln die Wahrheit ins Gesicht: God scop geoguöe ond gumena dream; ne magun ]?a sefteryld in ]?am serestan blsede geberan, ac h y blissiad worulde wynnum, oööaet wintra rim gegaeö in Jia geoguöe (Gu A 4 9 5 - 4 9 9 a)
c) „irdisches Freudegefühl im Hinblick auf himmlische Freuden empfinden" Juliana erfährt, daß sie enthauptet werden soll, was nach all den Folterqualen eine Erlösung für sie bedeutet: D a wearö J>aere halgan h y h t geniwad ond ]aaes msegdnes m o d miclum geblissod
{Ju 607 f.)
Die einzelnen Versionen setzen dafür: M1: "gavisa est valde" (637), Acta Sanctorum, 16. Febr.: "gaudio magno repleta est" (877, 19); Alia Vita: "gratias Deo retulit" (882, 12
13 14
F. Holthausen führt in seiner Ausgabe Cynewulf's Elene, Alt- und mittelenglische Texte 4 (Heidelberg, 4 1936), aus Kollationen "laetus" an; R. Morris (ed.), Legends of the Holy Rood, EETS O. S. 46 (1871), gibt aus Prosaversionen an: waes he [Judas] sona swij>e blipe" (13). Die "Vita Quiriaci" der Acta Sanctorum, 4. Mai setzt: "gaudio repletus" (447, 10), R. Morris, Legends: "swij>e blij>e" (13). R. Morris, Legends-, "mid mycelre blisse J mid gefean" (17). 113
22) weicht etwas ab ; MS. Royal 17 A xxvii und MS. Bodley 34 verwenden "gled" (541) bzw. "glead" (689); MS. Bodley 285, 286, und M2, 492, lauten wie M1 (s. o.). Weitere Belege sind: Ju 287b, An 892-893a (geblissod, 892b), Chi A 72215—724a {geblissod, 722b). d) „Erleichterung empfinden durch Heilung von Krankheiten" Christus healtum ond hreofum hyge blissode öa J>e limseoce lange waeron (An 578 f.) e) „irdisches Erfreuen durch Trostspenden" ]>a se halga [Andreas] ongann haeleö blissigean
(An 1607)
f) „Freude empfinden der Seelen in der Hölle bei Christi Höllenfahrt" Hell eac ongeat, scyldwreccende, J>set se scyppend cwom, waldende god, J)a heo paet weorud ageaf, hlojie of öam hatan hrejare. Hyge wearö mongum blissad, sawlum sorge toglidene. (Chr III 1159b-1163a) g) „Erfreuen der Menschen durch Christi Erscheinen" i>u J)isne middangeard milde geblissa purh öinne hercyme, haelende Crist (Chr I 249 f.) Hierzu ist auch milde I, f (S. 78) zu vergleichen. h) „selig sein in himmlischen Freuden" Die Seligen werden beschrieben, hu hi fore goddsedum giade blissiad
(Chr III 1286)
Diese Glückseligkeit wird besonders unterstrichen durch die Kollokation von blissiad mit dem Adverb "giade". 16
B . Colgrave (ed.), Felix's Life of Saint Guthlac (Cambridge, 1956): "spiritali laetitia repletus, gavisus est" (106, X X X I I ) ; vgl. dazu auch bliss II, c (S. 110).
114
i) „geheiligt, von der Dreieinigkeit" Vgl. dazu auch blide I, b (S. 106). Eala seo wütige, weorömynda füll, heah ond haiig, heofoncund prynes, brade geblissad geond brytenwongas (Chr I 378-380) k) „fröhlich sein beim Lob Gottes" Singe ö swa ond swinsaö saelum geblissad, oJ)J)set seo sunne on suörodor sseged weorpeö. (Ph 140-142a) 1) „geschmückt sein, vom Paradies" Wlitig is se wong eall, wynnum geblissad mid J>am fsegrestum foldan stencum. (Ph 7 f.)
4. Ergebnisse Während aus den in den Wörterbüchern verzeichneten Bedeutungen lediglich zu ersehen ist, daß sich bliss allgemein in der ae. Literatur nur am Rande des semantischen Feldes der „Gnade" bewegt, kann das auf Grund der analysierten Belege für Cynewulf und seine Schule eindeutig nachgewiesen werden. So wurde z.B. für bliss und (ge)blissian keine Bedeutung „Gnade" bzw. „gnädig sein" festgestellt. Von den insgesamt 76 Belegen haben nur 9 diesen Inhalt. Sie entfallen alle auf blide, das demnach dem gratia-Bereich noch am meisten verhaftet ist, wenn auch diese nur um 35% der Belege für blide ausmachen. Auf deren Gesamtzahl umgerechnet - und diese muß zugrunde gelegt werden (vgl. S. 54) - ergibt sich ein weit niedrigerer Satz von nur 11,8%. Durch die getrennte Untersuchung der Wortarten konnte auch bei bliss herausgearbeitet werden, daß etymologisch zusammengehörige Begriffe ein semantisches Feld bilden (vgl. S. 52 und S. 90, 4.): blide ist der einzige Bestandteil dieses Feldes, der neben anderen Bedeutungen die von „gnädig" trägt. Doch auch in den jeweils unter I I aufgeführten Inhalten gibt es Unterschiede, was aus der folgenden Übersicht zu ersehen ist: 115
blide B B B B
1 2 3 4
bliss
I, a (4) I,b(l) I, c (3) I, d ( l ) II, b (7) -
II, d (2) II, c (2) -
II, a (3) II, g (1) II, e (2) II,h(1)
(ge)blissian -
-
-
-
-
-
II, II, II, II, II, II, II, II, II, II,
-
a (8) b (2) c (1) d (3) e (3) f (4) g (4) h(l) i (1) k(1) -
-
II, f (1)
-
II, g (1) -
II, II, II, II, II,
c (4) I (1) k(1) h(1) i (1) -
-
II, d ( l ) II, e (1) H , f (1)
-
-
II, a (7) II, b ( l )
Ein Vergleich von blide mit giefu zeigt, daß bei diesem mehr Formen der „Gnade" spezifiziert werden können, m. a. W. daß blide viel allgemeiner „Gnade" bedeutet. Eine Kategorie (B 1) steht dort dreien (B 1-3) gegenüber. Bei giefu fehlen jedoch die blide B 2-4 entsprechenden Kategorien. Es bewegt sich demnach nur im Bereich der „göttlichen Gnade", nicht wie blide auch in dem menschlicher Beziehungen. Für das Substantiv bliss offenbarte sich außerdem eine große Nähe zu liss; beide „gleichen" sich im Freudebereich wie folgt: liss II, II, II, II,
a(5) b (3) c (1) d(l)
bliss II, k ( l ) II, f (4) II, b (2) -
Alle anderen bei bliss vertretenen Freudebedeutungen fehlen bei liss. Aus der obigen Aufstellung wird ersichtlich, daß liss allgemeiner „Freude" ausdrückt als bliss, das diesen Begriff mehr nuanciert. 1 6 16
E s m u t e t sonderbar an, daß K. Ostheeren in seiner Diss., die sich ausschließlich m i t dem Freudebegriff befaßt, weder liss erwähnt noch auf Parallelen zwischen bliss und liss hinweist.
116
LÖF Während bei milts und hyldu schon der Wortkörper auf einen hervorragenden Platz im semantischen Feld der „Gnade" wies, scheint dies bei lof, einem ziemlich häufigen Wort bei Cynewulf und seiner Schule, nicht der Fall zu sein. Bosworth-T oller z.B. führt eine solche Bedeutung überhaupt nicht auf (vgl. aber S. 119). Bei Holthausen findet man dagegen unter 2. „Schutz, Hilfe, Gunst", deren Herkunft unbekannt sei, bei Grein neben "laus" "umbraculum, tutela, presidium, favor", allerdings unter zwei verschiedenen Wörtern lof. Die Bedeutungsanalysen werden zeigen, daß sich lof tatsächlich nur schwierig in das hier behandelte Feld eingliedert.
1. lof (Subst.) I, a) „göttliche Gnade" (B 1) Vgl. dazu liss I, a (S. 91). Nu a his [Gottes] lof standeö mycel ond maere, ond his miht seomaj), ece ond edgiong, ofer ealle gesceaft. (FA 120b-122) Die Bestimmung des Inhalts „göttliche Gnade" für diesen Beleg bereitet Schwierigkeiten. Einwände dagegen erheben besonders das Adjektiv "maere" und das Substantiv "miht", das als Variation zu lof aufgefaßt werden könnte; lof wäre dann durch „ R u h m " zu übertragen. Eine Parallele dazu findet sich bei giefu I, f (S. 99: "meaht giefe"; vgl. auch lof II, i; S. 124). Überzeugender scheinen allerdings die Argumente zu sein, die für die angesetzte Bedeutung „göttliche Gnade" sprechen. Dazu muß der Makrokontext herangezogen werden: Cynewulf fordert seine Leser (oder Zuhörer?) auf, Gott um das ewige Leben im Paradies zu bitten, wo den Reinen ihre guten Taten vergolten werden. Anschließend folgt die betreffende Stelle. Bei milts stößt man auf dieselbe Situation (vgl. milts I, c; S. 72 f.), ebenso bei giefu (vgl. dort I, b; S. 96) und blide (vgl. unter I, a ; S. 105f.). Aus diesen Parallelen dürfte sich die obige Bedeutung mit Sicherheit erweisen. 117
b) „göttliche Gnade, Gunst auf Heilige und Apostel bezogen" (B 2) Nachdem Andreas furchtbare Qualen durch die Myrmidonen erdulden mußte, beschwört er Gott, ihm in seiner Not beizustehen {An 1281-1295): ne laet nu bysmrian banan manncynnes, facnes frumbearn Jrarh feondes crseft leahtrum belecgan J)a J)in lof beraö!' (An 1293-1295) Die Unsicherheit der Bedeutung auch dieses Belegs bezeugen die verschiedenen Übersetzungen bei C H R I S T I A N W . M . G R E I N und K E N N E T H R . B R O O K S mit „Lob verkünden" (DAnll) bzw. "those who bear your favour" {a.a.O., 109, Anm. zu An 1195); im Glossar wird jedoch neben "favour" auch "protection" angegeben (154). Bosworth-Toller verzeichnet diesen Beleg im Supplement unter lof " I I . the ascription of glory to the Deity" mit der Bedeutung "(I) to praise". Zur Bedeutungserhellung ist hingegen von der Zusammensetzung lof-bzere "laudatory, giving praise" auszugehen: -bsere ist ein adjektivisches Suffix mit der Bedeutung "producing, bearing" zu heran und wird aktiv gebraucht. Logisch gesehen müßte "lof beraö" „Lob tragen" im Sinne von „Lob verkünden" heißen. Folgt man Brooks, wäre "lof beraö" passiv gefaßt, etwa im Sinne von „Gnade, Gunst genießen", wozu z.B. giefu I, g, 1. (S. 100) zu vergleichen ist: Göttliche Gnade wird an Guölac offenbar. Da die Versionen keinen entsprechenden Wortlaut besitzen, muß die Gebrauchsweise von lof, also der Mikrokontext, zu Rate gezogen werden. Bei Cynewulf und seinem Kreis wird „lobsingen" durch "lof singan, raeran" u. ä. bezeichnet (vgl. unter II), nie aber durch die Kollokation mit heran. Diese Tatsache dürfte lof hier mit großer Sicherheit der Bedeutungskategorie I, b zuordnen. c) „göttliche Gnade, Milde auf Gottes Schutz bezogen" (B 3) Vgl. milts I, h (S. 75f.) und liss I, c (S. 91). Die Textstelle
hsefde sigora weard on ]Dam wangstede weere betolden leofne leodfruman mid lofe sinum. {An 987b-989)
hat zu mancher Unklarheit Anlaß gegeben. 118
ODAnll übersetzt mit „Gnade", Bosworth-Toller führt diesen Beleg getrennt auf unter löf, es, dessen Geschlecht fraglich erscheint man beachte Ö gegen o bei lof „Lob" - , 1 K E N N E T H R . B R O O K S nennt "favour, protection" (s. o.), was mit Holthausen übereinstimmt, der seinen Angaben jedoch „unbekannter H e r k u n f t " hinzufügt (vgl. S. 117). Leider findet sich in den Versionen kein Hinweis auf diesen Beleg, so daß wieder der Makrokontext einspringen muß. Nach des Andreas Ankunft in Myrmidonien erscheint ihm Gott (Christus) und belehrt ihn eindringlich über seine Pflichten im Lande der Menschenfresser und über die Verdienste, die er sich durch die Bekehrung dieser Sünder erwerbe. Gestärkt an Leib und Seele schreitet der Heilige in die Stadt, ohne von den Feinden gesehen zu werden. Unmittelbar darauf folgt die fragliche Stelle, wsere (988b) faßt den ganzen vorhergehenden Gedankengang zusammen, dem zu entnehmen ist, daß Andreas unter Gottes Schutz steht. Der Dichter erklärt dann näher: "mid lofe sinum" (989b). Es darf demnach gesagt werden, daß wsere die Bedeutung „Schutz" allgemein trägt, lof dagegen den besonderen Inhalt „göttliche Gnade, Milde, dem Heiligen als Schutz dienend". 2 Da es sich bei den Belegen unter b) und c) um verschiedene Bedeutungen von lof handelt, ist die Einteilung in zwei Bedeutungskategorien gerechtfertigt: Die Angabe "favour, protection" bei Brooks ist zu allgemein. Es erscheint auch unnötig, für dieses lof einen anderen Stamm löf (s. o.) anzusetzen; die Parallele hyldu-gehyld beweist jedenfalls, daß dies kaum erforderlich ist (vgl. S. 86, Anm. 7)Somit kann der Zusatz „unbekannter H e r k u n f t " bei Holthausen gestrichen werden. Die Eintragung Bosworth-T ollers ist zu korrigieren. d) „göttliche Gnade als Belohnung für ein vorbildliches irdisches Leben" (B 4) Die Dichtung The Whale schließt mit einer Ermahnung des Dichters: 1
2
Im Supplement steht dieser Beleg dagegen unter lof mit der sehr erzwungen anmutenden Übertragung "God had protected St. Andrew at the same time praising him". Vgl. hierzu vor allem milts I, h (S. 75f.). 119
Uton a sibbe to him [Gott] on J>as hwilnan tid hselu secan, J)aet we mid swa leofne in lofe motan to widan feore wuldres neotan. (W 85b-88) Die Übersetzung R O B E R T K . G O R D O N S mit "in glory" (a.a.O., 255) leuchtet nicht recht ein. Vor der obenzitierten Stelle ruft der Dichter zum Widerstand gegen den bösen Feind auf - die fragmentarischen Verse reichen zur Klärung aus, zumal der Wal mit dem Teufel identifiziert ist: "dryhtna dryhtne, ond a deoflum wiösace/ wordum ond weorcum, J)set we wuldorcyning/geseon moton" (W 83-85 a). Dieser der ae. christlichen Literatur sehr vertraute Topos fand sich bei den meisten der in dieser Arbeit untersuchten Begriffe, so etwa bei ar I, b (S. 60); milts I, c (S. 72f.); milde I, b (S. 77); hold I, c (S. 84); lide I, a (S. 93); giefu I, b (S. 96f.); blide I, a (S. 105f.). Da diese Wörter in den betreffenden Kontexten durchweg „göttliche Gnade" bedeuten, kann auch für lof dieser Inhalt hier angenommen werden. II) Die anderen Bedeutungen von lof sind: a) „göttliche Lehre, Religion, göttliches Gesetz, Glaube" Vgl. giefu II, d (S. 101). Juliana macht ihrem Vater klar, durch nichts werde er erreichen, J>aet Jra mec acyrre from Cristes lofe."
(Ju 139)
Diese Bedeutung wird durch den Wortlaut der einzelnen Versionen gestützt: MS. Bodley 285: "Non recedam a domini mei ihesu christi precept o " (42 f.), MS. Royal 17 A xxvii: "mahe nowöer mi luue ne min bileaue lutlen toward him mi lufsum mi leowinde lauerd" (119 f.); noch ausführlicher MS. Bodley 34, 160-163, MS. Ashmole 43 Seyn Julian hat die wörtlichste Wiedergabe: "At o word 3e ne turnej) me 1103t" (37), die Münchener Handschriften setzen: Mx\ "quam negem dominum meum ihesum christum" (84-86), ebenso M2, 80-82; in Mz fehlt dieser Abschnitt, 120
ganz deutlich wieder die Acta Sanctorum, 16. Febr.: "nec recedam a Domini mei Iesu Christi prsecepto" (874, 2). Weitere Belege: Ju 638 f. ( " . . . t o lofe t r y m m a n " , 638b). Nicht eindeutig ist die Stelle Ju 407-409 a, wo der Teufel die E r gebnisse seiner Angriffe auf die F r o m m e n z u s a m m e n f a ß t : J»set him sylfum seile J>ynceö leahtras to fremman ofer lof godes, lices lustas. Der Teufel setzt den F r o m m e n so lange zu, bis ihnen das Sündigen wichtiger ist als das Lob Gottes. Das ist eine Möglichkeit der Auslegung. Die zweite ergibt sich aus der F ü g u n g "ofer est godes" bzw. "ofer mine est", wo est nichts anderes bedeuten k a n n als „Wille, G e b o t " (vgl. est I I , b ; S. 88 u n d Anm. 2). Auch f ü r "ofer lof godes" ist ein Bedeutungswandel der ursprünglich lokalen Präposition ofer zu „über - h i n a u s " m i t Betonung des Vorzugs gegenüber etwas anderem festzustellen. 3 Die F ü g u n g "ofer lof godes" mit der Bedeut u n g „über das Lob Gottes h i n a u s " ist recht ungewöhnlich, so d a ß lof vielleicht die F u n k t i o n von est übernommen hat, was möglicherweise durch den Stab bedingt, durch den Hinweis auf "leahtras t o f r e m m a n " (408a) jedoch durchaus naheliegend ist. Das wäre als ein Beweis d a f ü r zu werten, d a ß der Ölabreim kein K r i t e r i u m zur eindeutigen Inhaltsfestlegung eines Wortes sein k a n n , sondern die Bed e u t u n g eher verdunkelt (vgl. S. 10 u n d Anm. 45 sowie S. 127). 4 Zur Erhellung der Bedeutung von lof in El 212-214a ist der Makrokontext vonnöten. Diese Verse lauten: E>a wses Cristes lof J)am casere on firhösefan, forö gemyndig ymb ]Dset msere treo Zuvor werden die gewonnene Schlacht, Kaiser K o n s t a n t i n s Taufe (vgl. giefu I I , c; S. 101) u n d die E n t d e c k u n g der Bibelstelle, welcher der Kreuzigungsort Christi zu entnehmen ist (El 202b-207a), erw ä h n t . F o r t a n war K o n s t a n t i n der Glaube a n Christus ein weitaus wichtigeres Bedürfnis. U m ihn noch m e h r zu stärken, schickt er 3
1
B . Conradi spricht m i t Bezug auf Ju 407—409a von einem „komparativen Verhältnis" (a.a.O., 38). Vgl. zu diesem Beleg auch An 1 3 9 - 1 4 0 a (milts I, f; S. 74).
121
seine Mutter Helena nach Jerusalem. Sie soll das Kreuz Christi finden. Die hier angesetzte Bedeutung ist zutreffender als die — jedoch nur vom Wortkörper aufgedrängte - „Lob Christi" bei GDAnll, die verschwommen und ungenau anmutet. In Qu A 159b-160a heißt es vom hl. Guölac: Baer he dryhtnes lof reahte ond rserde "lof raeran" bedeutet zwar gewöhnlich „lobsingen" (vgl. I I , c), doch variiert "rserde" in diesem Fall "reahte", so daß "lof reccan" mit „das Evangelium verkünden" übertragen werden kann. b) „christlicher Glaube als Kraft, Beistand in schwierigen Situationen" Vgl. etwa milts I, h (S. 75f.) und milde I, c (S. 77). Nach neuerlicher Folterqual wird Juliana in den Kerker geführt, doch war ihr ... Cristes lof in ferölocan fseste biwunden, milde modsefan, msegen unbrice. (Ju 233b-235) n Der Wortlaut der Versionen der Julianalegende liefert einen eindeutigen Anhaltspunkt für diesen Inhalt von lof: Acta Sanctorum, 16. Febr.: "ego in nomine Domini mei Iesu Christi vincam mentem tuam inhumanam" (874, 4), Alia Vita: "Adiuua me, Domine, & miserere mei: da constantiam, condona mihi vigorem, vt mediter in tuis iustificationibus, spernamque omnes iniquos, quia iniusta cogitatio eorum est" (880, 13), My\ "ego in nomine domini mei ihesu christi credo, quia omnes penas tuas superabo" (162-164), ebenso M2, 152-155, M 3 : "ego in nomine domini mei ihesu christi omnes poenas tuas superabo" (38 f.). Weitere Belege finden sich: An 57b, GuB 963b, Gu A 393b. c) „Lob Gottes" (allgemein) Juliana hält ihrem heidnischen Freier vor: 122
Gif J>u soöne god lufast ond gelyfest, ond his lof rarest, ongietest gaesta hleo, ic beo gearo sona unwaclice willan Joinea. (Ju 47b-50) Die Versionen haben: Alia Vita: "ilium Deum adorauerit, qui fecit caelum & terrain" (878, 3), fast gleich wie M1 (s. u.) Acta Sanctorum, 16. Febr., 874, 1, MS. Bodley 285: "adoraueris patrem & filium" (22), Mx\ "Si credideris deo meo, et adoraveris patrem et filium et spiritum sanctum, accipiam te maritum" (43-46), ebenso M2, 40-43, ähnlich M3, 8-10. Weitere Belege sind: a) himmlisch: El 747b, Chr II 777b f. (lof, 777 b), Ph 617 b ("singaö ...lof."), 634b, 661b, 676 (Makkaronivers: "... lof singan laude perenne"), An 868b, 877b; b) irdisch: Chr I 411b, GuA 24b ("... lof rseraö"), 609b ("... lof singe"), 613b f. ("... lof . . . / . . . secgan ..."). d) „Lob Gottes als Dank für Wunder", also in einer speziellen Situation im Gegensatz zu c) Nachdem sich der zuvor tote Jüngling lebendig vom Kreuz Christi erhoben hat, E>aer wses lof hafen faeger mid |>y folce. (El 889b-890a) Die Acta Sanctorum, 4. Mai umschreiben mit den Worten "omnes qui aderant glorificabant Dominum" (447, 10). Weitere Belege: An 1451a ("... öanc ond lof'; C: "andreas gloriam dedit deo et ait", Blatt, 87, 5), 1476 f. (kollokiert mit "lsedende", 1477a; Blickling Homilien: "ï>ancas ic £e dö", 245), Gu A 526b-529 ("secgen dryhtne lof', 527b). e) „Gottes Lob mit Bezug auf seine Gaben" Cynewulf schildert die Schönheiten der Schöpfung und Gottes Gaben an die Menschen (Chr II 600-6IIa): î>ses we ealles sculon secgan ]?onc ond lof J>eodne ussum (Chr II 611b f.) Vgl. dazu im Dtsch. „Lob und Dank sagen". Weiterer Beleg: Ju 275b (vgl. giefu II, d; S. 101). 123 9 Faiß, Cynewulf
f) „Lob, auf Werke eines Heiligen bezogen" Der Dichter unterbricht 6 seine Erzählung von den Taten des hl. Andreas: Hwset, ic hwile nu haiiges lare leoögiddinga6, lof J)3es pe worhte, wordum wemde, wyrd undyrne. (An 1478-1480) Weitere Belege: Auf Juliana bezogen Ju 689a (lofsongum-, Alia Vita: "corpusque illius ibidem cum hymnis laudibus nobiliter collocatum est", 882, 23) 7 , 692-695a (" ... lof hafen", 693b). g) „Lob, auf die Stadt Jerusalem bezogen" Beleg: Hö 101 f. ("... lof singaö", 102b). h) „Lob im Sinne von Gebet" Als Andreas den Kerker betritt, erblickt er Matthäus secgan dryhtne lof (An 1006 a) Dieser Inhalt ist lediglich aus C zu erschließen, wo eindeutig auf diese Stelle bezogen "oravit" (Blatt, 69, 12) steht. Der Wortlaut der Blickling Homilien — "singende" (237) - trifft nur beschränkt den Sinn der Situation im ae. Andreas. i) „Ruhm der Heiligen" Vgl. dazu auch I, a (S. 117). Von den Aposteln weiß Cynewulf zu berichten: lof wide sprang, miht ond maeröo, ofer middangeard
(FA 6b f.)
Weiterer Beleg: Gu A 491b ("haligra lof"). 2. lofian (Vb.) Die Bedeutungen des Verbums befinden sich alle außerhalb des Gnadebereichs. 6 6 7
Vgl. K . R . Brooks, a.a.O., 112, Anm. zu An 1478 ff. Vgl. ebd., 112, Anm. zu An 1479, und APB II, 120, 1478-1480. Keine Entsprechungen in Mu Mt, M3 und Acta Sanctorum, 16. Febr.
124
II, a) „Gott loben und preisen" (himmlisch) I m Paradies lobpreisen die Sündenlosen den Herrn: dryhten lofiad
(Chr III 1641 b)
Weiterer Beleg: Ph 561a ("leofne lofiad"). b) ,.Christus loben u n d preisen" (himmlisch) Die Engel, die Christus bei der Himmelfahrt begleiten, lofedun liffruman (Chr II 504a) Weiterer Beleg: Chr I 400-402 {Lofiad, 400a). c) „lobsingen, mit Bezug auf den Vogel P h ö n i x " songe lofiad, mseraö modigne meaglum reordum
(Ph 337b f.)
3. Ergebnisse Schon vom Wortkörper her schien es klar, daß lof (mit lofian), verwandt mit dtsch. „Lob", bloß eine untergeordnete Rolle im semantischen Feld der „ G n a d e " spielen würde. Das bestätigten die Analysen. Von den 44 Belegen besitzen nur 4 die Bedeutung „Gnade", das sind etwas mehr als 9%. Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß von diesen 4 Belegen 2 nicht mit letzter Sicherheit dieser Bedeutung zugewiesen werden konnten (lof I, a und c; S. 117 bzw. 118f.), obwohl mehr Gesichtspunkte d a f ü r als dagegen sprachen, lof bewegt sich demnach am äußersten R a n d des Gnadefeldes u n d ist k a u m mit ihm verhaftet.
GLiED, L E O F , EADMOD
Diese drei Adjektive, die im semantischen Feld der „ G n a d e " z.T. von unerheblicher Bedeutung sind, sollen hier nur summarisch behandelt werden. Eine genauere Darstellung dürfte der Zielsetzung dieser Arbeit k a u m förderlich sein. 125
1. Am meisten mit dem Gnadefeld verbunden ist glsed, von dessen 13 Belegen in den Dichtungen Cynewulfs und seiner Schule zwar 2 „Gnade im weitesten Sinne" bedeuten, was rund 15% entspricht, doch bedarf der Komplex glsed nach den Forschungen KLAUS OSTHEERENS keiner weiteren Erörterung mehr (a.a.O., besonders 133 f.). Die beiden Belege seien der Vollständigkeit halber zitiert; außerdem stehen sie bei Ostheeren isoliert und in einer Kategorie (133), während sie in Wirklichkeit völlig andersartigen Kontexten zugehören, was eine nochmalige kurze Betrachtung notwendig erscheinen läßt. I, a) „gnädig, freundlich gesinnt, von Christus gegenüber Menschen, die ein rechtschaffenes Leben geführt haben" (B 1) He biö J>am godum glsedmod on gesihjae, wlitig, wynsumlic, weorude £>am halgan (Chr III
910 f.)
Diese Bedeutung von glsedmod wird durch das in 913 a folgende lipe (vgl. dort I, a; S. 93) bestätigt. Weitere Parallelen sind z.B. milde I, b (S. 77); milts I, c (S. 72ff.) und hold I, c (S. 84). b) „gnädig, wohlwollend, von Engeln" (B 2) Vgl. etwa milde I, g (S. 78) und zur Situation ar I, c (S. 60f.). Es wird von Jesaja berichtet, der die Geburt Christi vorausgesagt hatte. Der Prophet ist davon überzeugt, daß kein Mensch je in das Himmelreich eingehen könne, aer him godes engel Jmrh glsedne geJ>onc J)a wisan onwrah ond J>set word acwaeö {Chr 7 315 f.) Die folgenden Worte verkünden die Ankunft Christi (317-325). 2. Von den 65 für leof (samt leoflic, leofwende, leoftsel u.ä., aber ohne lufian und lufu bzw. lufe) gefundenen Belegen kann nur einem die Bedeutung „gnädig, von Christus mit Bezug auf seinen Opfertod" (B 1) zuerkannt werden. Das sind wenig mehr als 1,5%. ... he on J>one halgan beam ahongen wses fore moncynnes manforwyrhtu, J>ser he leoflice lifes ceapode, J)eoden moncynne (Chr III 1093-1096a) 126
Ein ähnlicher Kontext spricht für diese Bedeutung. In Chr III 1469-1471 fragt Christus den Menschen am Jüngsten Gericht: For hwon forlete J)u lif Jjset scyne pset ic pe for lufan mid mine lichoman heanum to helpe hold gecypte ? Hier wurde für hold der obige Inhalt nachgewiesen (vgl. hold I, b; S. 84). - Vgl. auch giefu I, f (S. 99). 3. eadmod, gewöhnlich „demütig", bedeutet in den Dichtungen Cynewulfs und seines Kreises nur an einer Stelle „gnädig, von Gott (Christus)" (B 1). Swa is dryhten god, dreama raedend, eallum eadmede oJ)rum gesceaftum, duguöa gehwylcre, butan dracan anum, attres ordfruman. (P 55-58 a) Der Makrokontext bestimmt diesen Inhalt eindeutig: Nur dem Teufel ist Gott nicht gnädig gesinnt. Vgl. auch arfsest I, a (S. 63): Simon glaubt an Gottes Gnade trotz menschlicher Verfehlungen. Der obenerwähnte Beleg aus dem Panther beweist von neuem, wie sehr der Stabreim nicht zur Bedeutungserhellung, sondern zu ihrer Verdunkelung beitragen kann (vgl. auch S. 121). Dem Dichter stand kein passendes, mit einem Vokal beginnendes Adjektiv zur Verfügung. Er wählte deshalb ein Wort, dessen Bedeutung ziemlich nahe bei „gnädig im weitesten Sinne" liegt. Das ist bei eadmod der Fall, denn ohne ein mildes Gemüt ist Demut nicht denkbar. Die Wahl von eadmod ist zweifellos eine Verlegenheitslösung. Deutet sie darauf hin, daß die ae. Dichter in der Tat keine Klarheit der Begriffe erstrebten, was wiederholt vermutet wurde? 1 Diese Feststellung trifft immerhin nicht allgemein zu und hat, wie gezeigt werden konnte, nur für einige Belege Gültigkeit.
1
Vgl. S. 10, Anm. 45.
127
S C H L U S S
Die vorliegende Arbeit sah ihre H a u p t a u f g a b e darin, die Bedeutungen einiger vielschichtiger ae. Wörter in den Dichtungen Cynewulfs u n d seiner Schule zu erfassen. Dazu m u ß t e - trotz der schon verschiedentlich vorgeführten Methoden (vgl. Forschungsbericht) zuerst ein Weg gesucht werden. 1 E r ergab sich zum einen aus der vom Thema her bedingten Notwendigkeit einer semasiologisch-onomasiologischen Untersuchung, zum anderen aus der Synthese der Wortfeldtheorie F L O Y D G. LOTJNSBTJEYS u n d der kontextuellen Methode (Makro- u n d Mikrokontext, vgl. S. 37). Hilfestellung leisteten die einzelnen Versionen (und Quellen) der behandelten Dichtungen, sofern sich ein entsprechender Wortlaut in ihnen fand. Ohne theoretische Grundlage wäre dieser Weg nicht gangbar gewesen; deshalb waren die Ausführungen über die „ B e d e u t u n g " u n d die kurze Bet r a c h t u n g der F u n k t i o n der Sprache als Mittlerin zwischen der objektiven Seinswelt u n d dem menschlichen Geist (vgl. S. 44) erforderlich; deshalb auch die Hervorhebung der wichtigen Rolle des K o n t e x t s bei der Festlegung von Wortinhalten u n d die H i n f ü h r u n g zu der f ü r diese Zwecke nützlichsten Definition des semantischen Feldes. Der eingeschlagene Weg erwies sich als richtig. Makro- u n d Mikrok o n t e x t waren unersetzliche Hilfsmittel bei der Bedeutungseingrenzung der verschiedenen f ü r „ G n a d e " vorhandenen ae. Begriffe, obwohl die kontextuelle Methode mehrmals versagte, etwa bei are I, d (S. 67, El 713-715) u n d lof I, a (S. 117). Doch vermochte selbst der Wortlaut der Versionen, deren Heranziehung in Zweifelsfällen sehr vorteilhaft war, nichts mehr zu einer Lösung beizutragen, so d a ß n u r von Parallelen bei anderen Begriffen aus auf diese oder jene Bedeutung geschlossen werden k o n n t e (vgl. z . B . S. 68 u n d S. 117). 1
Die Ansicht B. von Lindheims von der Eigengesetzlichkeit der Feldstruktur wurde bestätigt (vgl. dazu S. 10, Anm. 46).
128
Das Fortschreiten der Studie ließ erkennen, daß manche Angaben in den ae. Wörterbüchern einer Revision bedürfen. Ebenso verhält es sich teilweise mit den deutschen und englischen Übersetzungen der zugrunde gelegten ae. Werke (vgl. S. 53f.). C H R I S T I A N W. M. G B E I N war bei seiner alliterierenden Nachdichtung gezwungen, auf die Gesetze des Stabreims zu achten, was möglicherweise für einige seiner Versehen verantwortlich zu machen ist. Doch konnte auch den Prosaübertragungen nicht immer bedenkenlos zugestimmt werden (vgl. z.B. S. 68, 69, 92, 107, 118, 119). Interessant war außerdem festzustellen, daß manche Bezeichnungen singularische Bedeutung bei pluralischer Form besitzen: are und liss treten nur so auf (vgl. S. 68 und S. 92), milts wenigstens teilweise (vgl. S. 76). Besonders differenziert gibt milts die vielfältigen Bedeutungen von „Gnade" wieder. Die 45 Belege für „Gnade" ordnen sich in 17 Bedeutungskategorien, während bei ar als Oberbegriff, dessen Belege alle „Gnade" zum Inhalt haben, nur 11 ausgemacht werden konnten (vgl. die Tabelle S. 130 und die Falttafel), wobei jedoch die geringere Belegzahl zu berücksichtigen ist (28 gegen 45 bei milts). Ganz am Rande des hier behandelten semantischen Feldes bewegen sich bliss, lof und leof (vgl. das Schaubild im Anhang), während eadmod ein typisches Beispiel für die Verdunkelung sonst relativ klarer Bedeutungen durch den Stabreim ist (vgl. S. 127). Mit 137 Belegen nimmt der Gnadebereich eine zentrale, seiner Wichtigkeit in der christlichen Heilslehre gerecht werdende Position ein. Am gründlichsten unterscheiden die Dichter in den Beziehungen „Trinit ä t - M e n s c h " (vgl. die Falttafel unter A), was ihr ernsthaftes Bemühen um Begriffe unterstreicht, die erst seit zwei Jahrhunderten heimisch geworden waren. Auch F R I E D E I C H S C H U B E L hat derartige an Spitzfindigkeit grenzende Subtilitäten in Christ I, also ebenfalls bei einem Dichter der Cynewulfschule, in Zusammenhang mit den Bezeichnungen für „Übel im weitesten Sinn" bemerkt, 2 so daß diese Erscheinung keineswegs vereinzelt dasteht und einen ziemlich hohen Sprachstand voraussetzt (vgl. S. 1 und S. 57). 384 Belegstellen - die Zahl rechtfertigt die vorgenommene Einschränkung (vgl. S. 53) - aus den Werken Cynewulfs und seines Kreises wurden ausgewertet. Sie verteilen sich, wie die folgende Tabelle zeigt. 2
„Zur Bedeutungskunde", 295 f. 129
Bezeichnung (Oberbegriff) ar* bileivit milts hyldu est liss giefu 6 glsed bliss lof leof* (eadmod) 7
Gesamtzahl
davon Bedeutung „Gnade"8
29 2 47 13 12 22 60 13 76 44 65 (1)
29 2 45 11 6 7 19 2 9 4 1 (1)
= % 100 100 95,8 84,6 50 31,8 31,6 15,4 11,8 9,1 1,5
Bedeutungs kategorien 11 1 17 9 4 6 7 2 4 4 1 (1)
Die Interpretation der Belege hat noch einmal unterbaut, was bereits von anderer Seite öfter gesagt wurde, daß Überschneidungen und Überlagerungen charakteristische Merkmale einer Sprache und damit auch eines semantischen Feldes sind, 8 das bekanntlich eine kleinere Einheit als jene darstellt.
» Detaillierter vgl. Falttafel. 4 Vgl. S. 54, Anm. 8. 5 Vgl. S. 54, Anm. 7. • Vgl. S. 126,2. * Vgl. S. 127,3. 8 Das scheint F . Schubel entgangen zu sein, wenn er von einer „semasiologisch .homogenen Wortgruppe'" spricht und damit sinnverwandte Wörter meint („Zur Bedeutungskunde", 292). Erkannt wird jedoch die Notwendigkeit eines solchen Kähmens für die Analyse von Bedeutungen (ebd., 2 9 2 f.).
130
SUMMARY
In Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes (Heidelberg, 1931), JOST TRIER has very clearly pointed out the need for a semantic framework within which the meanings of semantically related notions could be better investigated. Trier proved that the onomasiological approach which flourished in the twenties and thirties of this century, and still has its followers, proved inadequate if "meaning" is taken into account. New methods had to be found which would enable students of semantics to get sounder results. In the last ten years, an increasing number of works on semantics have been published, which emphasizes the importance scholars ascribe to this relatively young branch of linguistics. In view of these facts, the preceding investigation has a twofold aim: First, to find a method by which the concept of "mercy" in the works of Cynewulf and his school can be interpreted successfully; second, to describe in detail the finer shades of meaning of OE. words denoting "mercy". In order to give some idea of the problems to be found in the field of semantic studies, the opinions of various scholars on the nature of such terms as "meaning", "content", "sense", etc. had to be discussed at length, and so had some of the ways of determining the content of OE. words. A survey of onomasiological studies seemed to be necessary in order to show what has been achieved in the field of OE. semantics. Both the fundamental terms and the method of semasiological investigation had to be explained, if one did not want to remain entangled in a jungle of definitions. For this reason, the opinions of several outstanding scholars were discussed critically, and it was tried to demonstrate why certain terms could be used in this study and why others could not be used. So the term "semantic field" was preferred to other more or less ambiguous terms (cf. p. 40). Different theories of the semantic field had to be considered in detail in order 131
to choose the appropriate one. The theory of F L O Y D G . L O U N S B T J R Y was finally adopted (cf. p. 51), because on the one hand it has been justified by the characteristics of living speech, and on the other it is best suited to the purposes of this thesis. Both Jost Trier's theory and those of his followers and critics were rejected. They were either not fully aware of the heterogeneous character of the actual words in a specific semantic field, and of language itself, or had narrowed down its range to such an extent that, as a framework for a semasiological investigation, it no longer proved practicable. I t is obvious that a full discussion of semantic problems would go beyond the natural limitations of a thesis; yet some major points have to be made clear: 1. The importance of "meaning". What does the term signify? How does "meaning" manifest itself? Why is it necessary to accept its existence ? What are its relations to speech and language ? Do all linguistic elements carry meaning? etc. (cf. pp. 25if.). 2. What are the best means of determining the meaning of a word? Can they be generally employed? etc. 3. What are the advantages of uniting synonyms within a semantic field? Does each semantic field possess its own structure, or has every semantic field got the same basic structure ? What are the features characteristic of such a field? What sort of words are connected with it? (cf. pp. 40ff.). 4. The importance of context when looking for the exact meaning or meanings of a word. What is to be understood by "context"? Is it possible to delimit the semantic range of a word without taking its context into consideration? (cf. pp. 21 if.). The answers to these questions form the basis of the second part of the study. Here, the idea of "mercy", which, together with "sin" and "penitence", is one of the main concepts of the Christian doctrine of salvation and redemption, is described in a group of 15 OE. Christian poems which are ascribed to Cynewulf and his school and which are therefore considered as belonging to an idiolect (cf. p. 54 ): Elene, Juliana, the three parts of Christ, The Fates of the Apostles, Andreas, The Dream of the Rood, Gudlac A and B, The Descent into Hell, The Phoenix, The Whale, The Panther, The Partridge. Nearly all of them describe men (most of them saints) struggling against the forces of evil. The didactic aims of their authors and their effort to propagate the Christian concepts (which they wanted 132
their fellow-countrymen to become familiar with, and so to be exempted from t h e terrible punishment of hell) are evident everywhere. The semantic content of 384 references t o 12 f u n d a m e n t a l words partially signifying " m e r c y " was analysed (cf. p. 54): ar, bilewit, milts, hyldu, est, liss, giefu, glsed, bliss, lof, leof, eadmod. They were t r e a t e d methodically according to the frequency of their occurrence with t h e meaning of " m e r c y " (Heading I ) ; t h e other meanings follow under Heading I I . The contextual approach, though n o t entirely successful (cf. p. 68 a n d p. 117), proved very helpful in determining the exact meaning of t h e references to t h e OE. words mentioned above, and so did t h e different t e x t s of various versions of the same poems. I n general, little attention was paid to chronology. This was justified by t h e fact t h a t t h e original sources of these poems either have not yet been discovered, or could not always be proved with certainty (cf. pp. 55f.). Diagrams, cross-references, and the introduction of semantic categories (cf. p. 69, note 20) were intended to facilitate t h e comparison of the single words listed above and their meanings; t h e y were intended t o show not only parallels b u t above all overlappings in a semantic field. The results of t h e preceding investigation supply evidence enough for t h e unreliability of Anglo-Saxon dictionaries as to exact meaning. I t was proved t h a t several entries needed either correction or completion or were even wrong (cf. e. g. p. 69 and p. 119). I t is also important t o realize t h a t all words m u s t be considered in their situational context where t h e y function as links between t h e persons or things referred to. N o t all of t h e studies on OE. semantics have adopted this principle.
This thesis a t t e m p t e d to describe t h e functions and meanings of t h e words Cynewulf a n d his disciples used t o express or denote t h e idea of "mercy", both h u m a n and divine. I n a wider range, it was intended t o show once more t h e very great number of shades of meaning which are a characteristic feature of t h e vocabulary of OE. literature, and which can be understood t o d a y only through thorough investigation a n d analysis. 133
ANHANG
Die Tabelle auf S. 130 ergibt das folgende Schaubild des semantischen Feldes der „Gnade" bei Cynewulf und seiner Schule:
134
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139 10 Faiß, Cynewulf
V E R Z E I C H N I S D E R AE. B E L E G E
An An An An An An An An An An An An An .4«. .An An An An An in 4n An in An An in An An An An An An An An An An An An An An An
57 b 122 70-77 a 58 139-140 a 74 276 b 93 288 b f. 75 292 f. 89 338 b f. 88 350b f. 113 353b 75 389 b f. 83 437 b 95 447b-449a 75 467 b f. 113 480b-483a 97 482-483 a 89 516b-518a 88 526-531 a 101 542b-544a 76 544b-548 102 549 f. 84 549-552 100 559 a 66 575b-576a 102 578 f. 114 588a 110 633-636 a 113 644-647 110 659 b f. 108 753-755 a 103 822-825 91 833 107 867a 109 867 b 95 868 a 92 868b 123 877 b 123 885 b f. 112 892-893 a 114 902-903 a 77, 106 907 b-909 75 936-938 101
140
An An An An An An An An An An An An An An An An An An An An An An An An An An An
969b-972 106 979 b f. 59 987 b-989 118 996b-997a 70 1006 a 124 1014b 110 1063b f. 112 1066 104 U l l a 93 1129-1131 61 1164—1165a 84 1215-1218 88 1262b-1265a 108 1284-1287 77 1293-1295 118 1372-1374 88 1451a 123 1476 f. 123 1478-1480 124 1517-1521 101 1581-1585a 108 1607 114 1639-1641 a 86 1674 75 1691a 108 1692 89 1699a 110
Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr
I I I I I I I I I I I I I
42-49 98 6 6 b - 6 9 a 111 69 b f. 60 78-82a 100 156b-157a 72 243 b - 2 4 5 a 63 243b-246 74 249 f. 78, 114 255b-259a 67 275-281 108 297b-299a 74 315 f. 126 335 f. 60
Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr
I I I I I I I I I
370 66 372b-375a 91 373b-377 98 378-380 115 400-402 125 411b 123 416-418 78 426-428 99 434 93
Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr
II II II II II II II II II II II II II II II II II II
Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr
III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III III
476-480 99 504 a 125 517-519 108 529 b f. 110 552a 111 605-606 a 95 611b f. 123 640b-650a 98 659-663 102 681b f. 102 686-688 102 706-711 98 738b-740a 108 750 b 112 773-775 106 777 b f. 123 822 f. 78 858b-863 97 875-877 108 910-913 93 910 f. 126 1083 f. 60 1093-1096a 126 1159b-1163a 114 1199 f. 79 1207b-1210a 78 1231b 66 1242 f. 96 1254 73 1255-1258 111 1286 114 1346a 110 1349-1351 a 79 1351b-1354 67 1357-1358 a 85 1365 73 1366 a 92 1370 73 1428b-1432 64 1434b—1436 65 1469-1471 84, 127
Chr Chr Chr Chr Chr Chr Chr
III III III III III III III
1636b-1638 94 1641b 125 1645-1647 a 92 1646a 111 1649 112 1652-1664 111 1662 b f. 97
DB DB DB DB
122 b 108 135b-144a 111 148b f. I l l 153b 111
El El El El El El El El El El El El El El El El El El El El El El El El El El El El El El El El El
l l - 1 2 a 64 9 6 b - 9 7 a 108 173b-176a 103 179-185 a 99 198 f. 101 212-214a 121 246b 108 264 f. 103 306-309a 61 4 9 8 b - 5 0 2 a 72 511-513 63 595 b f. 100 713-715 67 747 b 123 8 3 4 b - 8 3 6 a 66 839 f. 113 874 b f. 113 8 8 9 b - 8 9 0 a 123 961b-966 101 984b-986a 87 988b-990 113 1030b-1032a 100 1041b f. 77 1054—1058a 102 1125-1127a 113 1136 b—1138a 109 1143a 100 1155b-1158 98 1199 f. 103 1242 b—1251a 101 1301b 66 1316-1319a 77 1317—1319a 106
FA 6 b f. 124 FA 9 1 b - 9 3 94 FA 120b-122 117 GuA 21
76
141
GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA GuA
24 b 123 98b-105a 102 123b-128 98 159b-160a 122 163b f. 110 280-284a 85 331-334a 76 334 b f. 107 355-360 a 101 361-363a 94 393 b 122 437-439 108 448b-450 67 478-480 59 491b 124 495-499 a 113 526b-529 123 530-531a 100 564 f. 65 604 a 86 606 a 103 608-609 a 109 609 b 123 612-616a 91 613b f. 123 618-622 60 639-641 73 722-724a 114 739 f. 79 763-765 103 IMa, 59 768 a 95 771a 101 785b-787a 109 787b-788a 77
GuB GuB GuB GuB GuB GuB GuB GuB GuB GuB GuB GuB GuB GuB GuB GuB
823b-827a 88 834 f. 92 890b-893 96 940b-942a 107 944b-945a 107 954a 110 957b-961a 73 963 b 122 1007 a 79 1040-1042 a 100 1074b-1076a 92 1081-1083 112 1106b 110 1107-1108a 80 1115 101 1245 b f. 100
142
GuB GuB GuB GuB
1302 b f. 100 1317 f. 112 1351b-1354a 1374 a 112
Hö 8 b 108 Hö 66 f. 83 Hö77a 79 Hö 101 f. 124 Hö 109 80 Hö 113-114 a 74 Hö 114b 60 Hö 133-137 106 Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju Ju
4 a 64 47 b-50 123 80 f. 63 81-83 a 83 139 120 165 b 107 166-168 104 170 a 83 170 97 171a 83 206 f. 80 212 f. 77 233b-235 80, 275-276a 101 275b 123 278-280 70 287 b 114 315b f. 100 328b-331 79 407-409a 121 446b-448 99 449 80 499-503a 103 513-517a 100 561-563a 103 607 f. 113 638 f. 121 652b-661 72 666 b f. 78 689 a 124 692-695a 124 715b-717a 67 729b-731 78
P 15b f. 89 P 3 0 b - 3 1 a 77 P 5 5 - 5 8 a 127 P 70-72 104
Pa 5 - 9 a Ph Ph Ph Ph Ph Ph Ph Ph Ph Ph Ph Ph Ph
77
7 f. 115 43 b—16 88 126 b 110 140-142 a 115 150a 92 265-269a 104 327-330 104 337 b f. 125 381-386 100 402b-404a 88 446 84 534b-538 78 552-561a 97
Ph Ph Ph Ph Ph Ph Ph Ph Ph Ph Ph Ph Ph
561a 125 563 a 92 592 b 110 598b-601 109 617 b 123 618-621 108 623 f. 103 634 b 123 657 a 77 658b-660a 104 661b 123 672 92 676 123
W 85b-88
120
143