Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs 9783205110712, 9783205084044


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Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs
 9783205110712, 9783205084044

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ALPHONS LHOTSKY QUELLENKUNDE ZUR MITTELALTERLICHEN GESCHICHTE ÖSTERREICHS

MITTEILUNGEN DES INSTITUTS FÜR ÖSTERREICHISCHE

GESCHICHTSFORSCHUNG

ERGÄNZUNGSBAND

XIX

QUELLENKUNDE ZUR

MITTELALTERLICHEN GESCHICHTE ÖSTERREICHS VON

ALPHONS

LHOTSKY

19 6 3 V E R L A G HERMANN B Ö H L A U S NACHF. / G R A Z - K Ö L N

Gedruckt mit Unterstatzung durch das Bundesministerium für Unterricht

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © 1963 by Hermann Böhlaus Nachf., Graz In der Borgis, Petit und Kolonel French Round Face gedruckt bei R . Spies Λ Co., Wien

INHALTSVERZEICHNIS Seite

Vorwort

XI

Einleitung

1 SYSTEMATISCHER TEIL

1. Die Natur 11 A. Geographische und geophysische Faktoren (13) — B. Mineralische, tierische und pflanzliche Reste (20) — C. Menschliche Reste (23) 2. Grabstätten

25

3. Siedlungen

28

4. Bauwerke

30

5. Textilien

32

6. Werkzeuge

34

7. Bilder

38

8. Zeichen

50

Die österreichischen Staats- und Ländersymbole (56) 9. Sprache

59

10. Inschriften

65

11. Handgeschriebene Denkmale im allgemeinen

72

12. Aufzeichnungen rechtlichen Inhaltes

74

13. Personenverzeichnisse

89

14. Sachen Verzeichnisse

96

15. Nachrichten, Notate, Hilfsmittel

104

16. Lebensbeschreibungen

112

17. Annalen

116

18. Chroniken

118

19. Tagebücher

121

20. Dichtungen

123 DESKRIPTIVER TEIL

Vorbemerkung I. Frühzeit: Christliche Spätantike und Frühmittelalter 1. Denkmale der christlichen Spätantike 2. Denkmale aus dem Frühmittelalter

129 131 131 143

VI

Inhaltsverzeichnis

II. Hochmittelalter: Mitte X. bis Mitte XIII.

Jhdt.

164

1. Die Traditionsbücher

165

2. Die Passauer Fälschungen

167

3. Aus der Zeit der älteren Babenberger 4. Die österreichischen Annalen

. 170

. . . .

173

A. Die Anfänge (176) — B. Annales Mellicenses (176) — C. Continuatio Cremifanensis (178) — D. Continuatio Lambacensis (179) — E. Annales Gotwicenses (181) — F. Heiligenkreuz (182) - G. Zwettl (184) - H. Klosterneuburg (188) - I. Chronicon rhythmicum (190) — J. Kodex des Pfarrers Albert von Waldkirchen (191) - K. Wiener Gruppe (191) — L. Alpenländische Annalengruppe (194) — M. Continuatio Novimontensis (198) — N. Chronicon Gurcense (198) — O. Annales Frisacenses (198) — P. Lilienfeld (199) — Q. Annales Matseenses (200) R. Annales Montis Sancii Georgii (201) — S. Anonymi Chronicon Austriae (202) — T. Annales Mauerbacenses (202) — U. Annalistische Aufzeichnungen (202) — V. Annales Bawarici et Austriaci breves (203) 5. Die hagiographischen Denkmale

203

6. Die nichthagiographischen Denkmale aus dem XII. Jahrhundert 221 7. Aus der Zeit der letzten Babenberger

230

8. Die Genealogien

235

9. Aus der Zeit König Ottokars II

239

10. Die Fundationes A. Stiftungsbuch von Zwettl (244) — B. Gründungsurkunde des Benediktinerinnenklosters Erla (246) — C. „Großer" Stiftungsbrief des Wiener Schottenklosters (246) — D. Gründungsgeschichte des Cistercienserinnenklosters St. Bernhard bei Horn (246) — E. Historia Fundationis Monasterii Seitenstettensis (247) — F. Historia Fundationis Monasterii Mellicensis (247) — G. Bibliothekstafeln (249) — H. Cronica Pii Leopoldi (249) — I. Ortus et decursus Ordinis Carthusiensis (250) — J. Historia metrica de fundatione Monasterii Gotwicensis (251) — K. Geschichte des Stiftes St. Florian (251) — L. Vita Sancti Floriani (252) — M. De constructione vel destructione claustri in Maense (255) — N. Legende von St. Wolfgang (255) — O. Gründungsurkunde von Kremsmünster (256) —P. Gründung des Cistercienserstiftes Reun (256) - Q. Seckau (256) - R. Fundatio Cenobii Victoriensis (256) — S. Historia fundationis Cenobii Victoriensis (257) - T. Fundatio Monastern Sancti Pauli (257) - U. Legende vom Hl. Karantanenherzog Domitianus (257) — V. Gründungsgeschichte des Stiftes Stams (257) — W. Gründungsgeschichte der Benediktinerabtei St. Georgenberg (258)

243

Inhaltsverzeichnis

III. Spätmittelalter: Mitte XIII.

VII

Jhdt. bis um 1500

259

1. Aus der Zeit der ersten Habsburger

262

2. Aus der Zeit Friedrichs des Schönen und Albrechts II.

. . 277

3. Aus der Zeit Rudolfs IV. und Albrechts III

307

4. Aus der Zeit der Vormundschaftskämpfe und des Konzils zu Konstanz 327 5. Aus der Zeit des Konzils zu Basel

336

6. Wahl und Königszeit Albrechts II. (V.)

340

7. Wahl und Königskrönung Friedrichs III

345

8. Aus der Zeit des Ladislaus Postumus

352

9. Die vorhumanistische Geschichtschreibung in Tirol

. . . .

358

10. Brautfahrt und Kaiserkrönung Friedrichs III

361

11. Aus der Zeit des Bruderzwistes 1458—1463

365

12. Die letzten Schriften der Reformbewegung

370

13. Die großen Chroniken im Zeitalter Friedrichs III

375

14. Salzburger Chroniken des XV. Jahrhunderts

410

15. Kleinere historiographische und poetische Denkmale aus der Kaiserzeit Friedrichs III 413 16. Die Historiographie in den Vorlanden zur Zeit Herzog Siegmunds 421 17. Aus den letzten Jahren Kaiser Friedrichs III

: . 425

18. Hagiographie des XV. Jahrhunderts

427

19. Die Humanisten des Tiroler Kreises

429

20. Die Humanisten des Wiener Kreises

437

21. Die humanistischen Dichter

441

22. Die genealogischen Sammler im Dienste Maximilians I. 23. Varia aus der Spätzeit Maximilians 1 Nachträge I. Incipitregister II. Personen- und Sachregister

. . 443 456 465 467 476

ABKÜRZUNGEN Abkürzungen wurden nur für sehr häufig genannte Publikationen gebraucht, und überwiegend in der eingebürgerten Form: AA:

(Altes) Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde (1819 ff.) AA. SS. : Acta Sanctorum AföG. : Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen (1849 ff., seit 1865 Archiv für österreichische Geschichte) Anzeiger: Anzeiger der Philosophisch-historischen Klasse der (österreichischen) Akademie der Wissenschaften (1849 ff.) Bll. Lk. N ö . : Blätter des "Vereines für Landeskunde von Niederösterreich (1867 ff.) BP. :

Bernhard Pez, Thesaurus anecdotorum novissimus (Augsburg und Graz 1721 ff.) DA. : Deutsches Archiv für Geschichte des Mittelalters (1937 ff.) FRA.: Fontes rerum Austriacarum (1849 ff.) I: Scriptores, II: Diplomataria et acta, III: Fontes iuris HP.: Hieronymus Pez, Scriptores rerum Austriacarum (Leipzig 1721 ff.) HZ.: Historische Zeitschrift (1859 ff.) Jb. Lk. N ö . : Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich (1902 ff.) L. : Ottokar Lorenz, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter seit der Mitte des XIII. Jahrhunderts (»Berlin 1886) MG.: Monumenta Germaniae histórica; außer AA. (Auetores antiquissimi) und SS. (Scriptores) wurden gebraucht Const. (Constitutiones et acta Imperii), DD. (Diplomata), LL. (Leges), Necr. (Necrologia), PL. (Poetae Latini), Staatsschr(iften des späteren Mittelalters) Migne PL. : Jacques Paul Migne, Patrologiae cursus completus, Series Latina (Paris 1844 ff.), Series Graeca (Paris 1857 ff.) MIÖG. Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung (1880 ff.) ; Erg. = Ergänzungsband NA.: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde (1876 ff.) P.: August Potthast, Bibliotheca histórica medii aevi (Neudruck Graz 1954) SB.: Sitzungsberichte (der Philos.-histor. Klassen) der Akademien (Zusatz:) Berlin, Heidelberg, München, Wien W.: Wilhelm Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter bis zur Mitte des XIII. Jahrhunderts (2 Bde. •Berlin 1893)

χ WD.: WL. : WLL.: WL-L. : WL-B. : WH. :

Abkürzungen

Wilhelm Wattenbach, 1 (umgearbeitet von Ernst Dümmler, 'Stuttgart und Berlin 1904) — Wattenbach-Levison, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vorzeit und Karolinger I: Die Vorzeit von den Anfängen bis zur Herrschaft der Karolinger (Weimar 1952) II: Die Karolinger vom Anfang des VIII. Jahrhunderts bis zum Tode Karls des Großen, vollendet von Heinz Löwe (Weimar 1953) III: Die Karolinger vom Tode Karls des Großen bis zum Vertrag von Verdun, bearb. v. Heinz Löwe (Weimar 1957) Beiheft: Die Rechtsquellen, von Ernst Buchner (Weimar 1953) — Wattenbach-Holtzmann, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter: Die deutsche Kaiserzeit, her. v. Robert Holtzmann 1 (4 Hefte, »Berlin 1942)

Außerdem wurden die Werke von Ehrismann, Manitius und Stammler, bzw. Stammler-Langosch (genaue Titel siehe unten S. 8 f.) einfach mit dem Verfassernamen angeführt. Zur Bezeichnung der Handschriften dient im allgemeinen cod. mit nachfolgendem Ortsadjektiv, unter Umständen mit genauerer Bezeichnung der Bibliothek, ferner cgm. = cod. Germ. Monac., clm. = cod. Lat. Monac. und cvp. = cod. Vindob. Palat. (österreichische Nationalbibliothek in Wien).

VORWORT Die hiemit vorgelegte „Quellenkunde" konnte bloß ein Versuch sein — nicht nur deshalb, weil ihr kein bereits im Druck erschienener und in der Praxis erprobter ähnlicher voranging, sondern auch wegen des doppelten Wagnisses einer vom Herkömmlichen vielfach abweichenden inneren und äußeren Gestaltung. Dem Formenreichtum geschichtlicher Erkenntnisquellen nach Längsund Querschnitten konnte, wenn überhaupt, nur eine Zweiteilung des Stoffesgerecht werden : im ersten Hauptabschnitte wurden die Denkmale im allgemeinen nach Kategorien besprochen, im zweiten die schriftlichen nach ihrer zeitlichen Folge vorgeführt und individuell gekennzeichnet. Dies bedarf, um Mißverständnissen zu begegnen, einer kurzen Erläuterung. Im ersten — S y s t e m a t i s c h e n — Teile konnte es nur auf kleine, locker-essayistische Kapitel ankommen, die als solche keinen Anspruch auf „Lehrhaftigkeit" machen, in die aber diejenigen österreichischen Specifica eingeordnet wurden, die als Beispiele — und nur als Beispiele — für ihre Gattung typisch schienen; jede noch so relative „Vollständigkeit", jeder Versuch, etwa Denkmallisten schaffen zu wollen, würde hier undurchführbar sein. Ausdrücklich muß dazu noch bemerkt werden, daß allgemeine Methodenlehre, wenngleich sie zuweilen berührt werden mußte, der hodegetischen Literatur von Bernheim bis Brandt und Quirin überlassen bleiben muß, deren Werke erforderlichenfalls parallel zu konsultieren sind. Im zweiten — D e s k r i p t i v e n — Teile wurden vor allem die längst bekannten Zimelien mittelalterlicher Historiographie aus den österreichischen Ländern in gewissermaßen literaturgeschichtlicher Darstellung in Erinnerung gebracht, daneben aber auch bescheidenere, wenig und noch gar nicht beachtete vorgeführt. Daß der Schwerpunkt auf das Spätmittelalter verlegt wurde, wird verständlich sein. Nichtsdestoweniger sollten die unübertrefflichen Handbücher von Wattenbach, Lorenz und Manitius keineswegs ersetzt, vielmehr nur hinsichtlich der Austriaca ergänzt werden. Zum Zwecke raschen Zurechtfindens wurde ein sachlich naheliegendes Schema für die handbuchmäßigen Angaben eingehalten, dessen vier Stichworte noch einige Bemerkungen nötig machen. Die „Überlieferung" war ganz überwiegend durch handschriftliche, nur in wenigen Fällen bloß durch typographische Denkmale gegeben. Die genauere Bezeichnung der Codices würde allerdings nur dort unerläßlich gewesen sein, wo sie — was verhältnismäßig gar nicht selten zutrifft — in Vergessenheit geraten waren oder wo es sich um Hinweise auf bisher unbeachtete handelte. Um des Prinzips willen sind aber auch die Handschriften solcher Werke genannt worden, die bereits in guten modernen Editionen zugänglich sind;

XII

Vorwort

zuweilen kann wohl die Kennzeichnung der Überlieferungslage im ganzen — Anzahl, Alter, Herkunft, besondere Eigenarten der Handschriften — die Vorstellung, die man von einem Werke hat, mitbestimmen, und nicht selten ergab sich auch Gelegenheit zu Ergänzungen und zusätzlichen Beobachtungen. Soweit es möglich war, hat der Verfasser die Codices selbst eingesehen, etliche Angaben wurden dank kollegialer Hilfsbereitschaft namentlich der Herren Dr. Gottfried Opitz (München) und Dr. Otto Amon (Melk) überprüft oder beschafften Facsimiles (aus Gotha, Graz, Innsbruck, Prag und Rom) entnommen; im übrigen mußten verläßliche Angaben in der Literatur, in den Einleitungen zu guten Druckausgaben, Reiseberichten und Handschriftenkatalogen die Autopsie ersetzen. Unter „Druck" findet man im allgemeinen außer der Editio princeps die heute noch in irgendeinem Sinne erheblichen Ausgaben angeführt; nur dreimal wurde für gewisse alte, aber völlig obsolet gewordene Textdrucke, die bestenfalls noch bibliothekskundlich von Interesse sein können, kurzerhand auf Potthast hingewiesen. Die Anführung der Eingangsworte — „Incipit" — soll, in Verbindung mit dem Incipitregister — die Agnoszierung fraglicher Texte, etwa bei Handschriftenbeschreibungen, erleichtern; nur die Initien der zahlreichen Briefe und Gedichte auf S. 330 und 441—443 wurden nicht indiziert. Daß die „Literatur" sich auf eine Auswahl aus demjenigen Schrifttum beschränken mußte, das zur Textgeschichte, Interpretation und Nachwirkung eines historiographischen Denkmals Eigenes zu bieten hat, bedarf kaum der Rechtfertigung; das Risiko, da und dort etwas übersehen zu haben, mußte der Verfasser auf sich nehmen. Es sei noch bemerkt, daß das Manuskript im wesentlichen bereits 1959/60 abgeschlossen wurde, daß es aber dank dem Entgegenkommen des Verlages möglich war, wenigstens die wichtigsten Neuerscheinungen und Neudrucke in Korrektur und Nachträge (S. 465—466) aufzunehmen. Werke dieser Art kommen heutzutage in der Regel nur noch durch Gemeinschaftsarbeit zustande; das vorliegende stammt von einem einzelnen, der sich allerdings in einigen Fällen fachmännischer Beratung dankbar zu erinnern hat: eines wesentlichen Beitrages waffenkundlicher Spezialliteratur, den Direktor Dr. Bruno Thomas beisteuerte, und der Mitlesung besonders des Ersten Teiles durch Prof. Dr. Erich Zöllner. Die durch den praktischen Gebrauch mit der Zeit erkennbaren Mängel dieses Buches, das nur ungerne und auf Drängen schon jetzt veröffentlicht worden ist, werden nach einigen Jahren Ergänzungen und Berichtigungen nötig machen. Ob es gelungen sei, die doppelte Aufgabe der Schaffung eines Lehr- und Handbuches zu bewältigen, mag fraglich erscheinen ; dagegen hofft der Verfasser, daß er seine eigentliche Absicht einigermaßen als erfüllt ansehen dürfe: den Nachweis des erstaunlichen Reichtums der österreichischen Länder an eindrucksvollen Leistungen literarischer Vermittlung der Vergangenheit! Wien, im Herbst 1962. Alphons Lhotsky

EINLEITUNG Wohl die älteste Übersicht wenigstens einiger literarischer Geschichtsquellen, die zur Darstellung österreichischer Vergangenheit herangezogen worden waren, bot 1517/18 Dr. Jakob M e η η e 1 im ersten Bande seiner für den Kaiser Maximilian I. verfaßten „Fürstlichen Chronik", cvp. n. 3072*, f. 9 r (wiedergegeben DA. 6, 1943, S. 204 Anm. 2). Um einiges reicher ist die aus dem späten XVI. Jahrhundert stammende Quellenliste bei Gerard van R o o (und Konrad Dietz), Annales rerum belli domique ab Austriacis Habspurgicae gentis principibus . . . gestarum (Innsbruck 1592), fol. b, und vollends das Programm der zur Druckausgabe vorgesehenen Scriptores historiae Austriacae des Barons Job Hartmann E η e η k e 1 von Albrechtsberg aus dem Jahre 1618 (mitgeteilt von Anna Gfn. Coreth MIÖG. 55, 1944, S. 295 f.). Diese alle aber haben nicht die Hälfte des Quellenstoffes gekannt, den schon um 1450 Thomas E b e n d o r f e r in seiner Cronica Austrie verarbeitet hat; siehe die Einleitung zu der gegenwärtig druckfertigen Neuausgabe MG., SS. rer. Germ., N. S. 13. Etwas mehr, doch aus der Menge allgemeiner Histórica nicht herausgehoben, führen die bereits nach Sachgebieten angelegten großen B i b l i o t h e k s k a t a l o g e des XVI. Jahrhunderts an Quellen zur österreichischen Geschichte an; so das im Archiv der Wiener Universität erhaltene Verzeichnis der hinterlassenen Bücher des Wiener Bischofs Dr. Johann Fabri (f 1541), siehe Lhotsky in: Festschrift Karl Eder (Innsbruck 1959), S. 71 ff., dann das der Palatina Vindobonensis, siehe Hermann Menhardt, Das älteste Handschriftenverzeichnis der Wiener Hofbibliothek von Hugo Blotius 1576 (österr. Akademie der Wissensch., Denkschriften der phil.-hist. Kl. 76, 1957), das des Erzherzogs Ferdinand (Kunstkammer und Bücherei von Ambras) von 1596, cvp. n. 8228, und schließlich der Bibliothekskatalog des Barons Enenkel im Oberösterreichischen Landesarchiv in Linz, Schlüsselberger Archiv, Handschrift n. 169. — Wie wenig außerhalb des deutschen Sprachbereiches auf Austriaca geachtet wurde, lehrt etwa Pierre Villey, Les sources et l'évolution des Essais de Montaigne (Bibliothèque de la Fondation Thiers XIV, Paris 1908), namentlich der „Catalogue méthodique des livres de Montaigne", p. 244 ss. — Die von Menhardt a. a. O., S. 6 und 32, erwähnte Camera Austriaca der Wiener Hofbibliothek scheint eine Auswahl der wichtigsten „ÖsterreichLiteratur" enthalten zu haben, vielleicht sogar zum Gebrauche der höchsten Behörden, doch könnte die Bezeichnung auch anders zu verstehen sein. Vielleicht der erste, der eine schon modern anmutende Quellenkenntnis und Methode erkennen läßt, war der zweite Präfekt der Hofbibliothek in Wien Sebastian T e n g n a g e l ( f 1636). Seinem Spürsinn ist die Auffindung mehr als einer wichtigen Überlieferung zur Geschichte des Mittelalters überhaupt zu danken; siehe Lhotsky in: Die österreichische Nationalbibliothek (Wien 1948) S. 450 ff. Was Tengnagel als Geschichtsforscher zu leisten vermochte und was er an österreichischen Geschichtsquellen kannte, lehrte 1

Lhotsky, Quellenkunde

2

Einleitung

Oskar Fhr. v. Mitis, Tengnagels Studien zur Geschichte des Hauses Liechtenstein (Mitteilungen des Österreichischen Vereins für Bibliothekswesen 13, 1910, S. 1 ff.). Die von den Männern der Spätrenaissance eingeleitete, zunächst genealogischen Zwecken dienende, rege systematische Sammeltätigkeit gipfelte im Schaffen des P. Marquard H e r r g o t t (f 1762). In diesem Zeitalter, dessen historiographische Leistungen durch Anna Coreth, Österreichische Geschichtschreibung in der Barockzeit 1620—1740 (Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs 37, Wien 1950), dargestellt worden sind, „kommt ein neuer Begriff auf: der des Geschichtsforschers zum Unterschied vom Geschichtschreiber, des ,Historicus' als des in Altertümern kramenden Mönches neben dem Historiographen. Es kommt aber damals auch ein Begriff auf, der bis heute in der Geschichtswissenschaft die entscheidende Rolle spielt, der der .Quelle', die im Bewußtsein erst langsam von der .Literatur' getrennt wurde", Coreth a. a. 0., S. 98. Dies war möglich geworden, seit die österreichischen Stifte, besonders aber Melk, wo die Brüder Bernhard und Hieronymus Pez wirkten, sich ihrer archivalischen und Bücherschätze bewußt geworden waren und rege Editionstätigkeit entfaltet hatten, wofür die obderennsischen und (nieder)österreichischen Stände zu Zeiten Baron Enenkels — dessen geplante „Scriptores" darum unveröffentlicht blieben — noch kein Verständnis besaßen. Dieser in Kreisen des österreichischen Ordensklerus nicht zuletzt auch im Zuge der weltanschaulichen Auseinandersetzungen entwickelte Begriff des G e s c h i c h t s f o r s c h e r s drang gerade in der Epoche der herrschenden „Aufklärung" durch, deren Geschichtsfeindlichkeit immerhin durch den Hang zur Verwissenschaftlichung aller intellektuellen Betätigungen kompensiert wurde. Denn der theresianisch-josephinische Staat bedurfte der Geschichtsforschung zur Feststellung der „landesfürstlichen Gerechtsamben", siehe Otto Stolz, Eine Anregung der österreichischen Regierung zur Pflege der Landesgeschichte vom Jahre 1760, MIÖG. 51 (1937), S. 186; noch Franz Grillparzer hat als Direktor des Hofkammerarchivs Forschungen dieser Art durchgeführt, siehe Grillparzers Werke, her. v. August Sauer, III/6, Aktenstücke 1813—1856 (Wien und Leipzig 1915). An die Stelle der seit Kaiser Ferdinands I. Zeiten mit der „Poesie" verbundenen Professur für Historiographie, die mehr oder weniger auf panegyrische Deklamationen hinausgelaufen war, trat nun die der „österreichischen Staatengeschichte", deren Pflege zeitweilig sogar der Juridischen Fakultät zugewiesen wurde, weil sie ein wesentliches Element der Beamtenbildung geworden war. Aus Bedürfnissen dieser Art entstand die erste, im eigentlichen Sinne als solche anzusprechende Quellen- und Literaturkunde nicht nur Österreichs, sondern überhaupt, denn die dem reichen Schrifttum der „Geschichtslehren" (Institutiones historicae) des XVI. bis XVIII. Jahrhunderts — sie harren bis heute einer zusammenfassenden Überschau — bisweilen beigegebenen Literaturhinweise kann man füglich nicht für das ansehen, was hier gemeint ist.

Einleitung

3

Ein Menschenalter vor dem „Dahlmann", bzw. „Dahlmann-Waitz", erschien Johann Nikolaus V o g e l (bearbeitet von Leopold G r u b e r , herausgegeben von Joseph W e η d t v. Wendtenthal), Specimen bibliothecae Germaniae Austriacae I: Geographica (Wien 1779), II/l—2: Histórica (Wien 1783/85), kurzweg „Vogel-Gruber-Wendt", bzw. „VGW.". Ganz im Sinne des oben Ausgeführten besagt die Einleitung unter anderem: „Nemo autem solis in hac Bibliotheca historicis locum datum esse arbitretur. Est et illis, qui ius publicum, statum politicum, praetensiones et iura controversa principum Austriacorum pertractarunt, merita sedes designata" (I, p. XII). Darauf kam es also an. Tatsächlich hat der erstaunliche Sammeleifer der Genannten nicht nur das bereits im Drucke zugängliche, sondern auch sehr viel handschriftliches Quellenmateriale erfaßt, so daß erst in neuester Zeit wieder ein dort gegebener Hinweis auf eine wichtige Spur gebracht hat; siehe Lhotsky, MIÖG. 68 (1960), S. 268. Es ist zu bedauern — was übrigens schon Joseph Chmel beklagt hat — und zugleich verblüffend, daß die nächste Generation von der Existenz eines so vorzüglichen Hilfsmittels kaum Notiz nahm, ja daß selbst der Verfasser der achtbändigen „Geschichte des Hauses Habsburg", Fürst Eduard Maria Lichnowsky, sie gar nicht verwertet zu haben scheint; siehe Chmel SB. Wien 4 (1850), S. 123, und Lhotsky, Joseph Chmel (Anzeiger 95,1958/59), S. 339 f. Niemand dachte an eine Neuauflage und Bearbeitung des vorzüglichen Werkes, zumal dann die Dahlmann-Waitzsche Quellenkunde und vollends Wattenbachs berühmtes Handbuch die Austriaca ohnehin einbezogen. Zur Kennzeichnung der Lage siehe Lhotsky HZ. 189 (1959), S. 418. Sehr bemerkenswert, jedoch bisher noch niemals genauer untersucht, ist eine Folio-Handschrift von sechs gezählten Bogen (also 24 Seiten) im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien, „weiß" n. 1020 (früher „Suppl. n. 1218"), die in ungemein sauberer Kurrent-Reinschrift (etwa 1840/50) „Oesterreichische Annalen und Chroniken" in übersichtlicher Darstellung kritisch behandelt aufweist. Das Manuskript stammt aus der Bibliothek des Germanisten Theodor Georg v. Karajan und ist der Tradition nach ein Werk Johann Friedrich Böhmers. Dies alles bedarf noch genauerer Prüfung, die derzeit nicht mehr durchführbar ist; es wird aber in der Folge auf dieses „Manuskript Böhmers" erforderlichen Falles Bezug genommen werden. Ernst Klebel hat es in seiner großen Studie über die österreichischen Annalen nirgends erwähnt, dürfte es also auch nicht gekannt haben. Die Bibliographie zur Geschichte des österreichischen Kaiserstaates 1/1—2 (Graz 1858) des Archivars am Ioanneum in Graz Carl S c h m i t R. v. T a v e r a blieb Torso und ist bei aller Schätzbarkeit in bestimmten Einzeldingen kaum als eine VGW. gleichwertige Leistung anzuerkennen. Wohl wurden an den österreichischen Universitäten — in Wien, namentlich seit der Gründung des Instituts für österreichische Geschichtsforschung (1854), durch Jäger, Lorenz, Zeißberg und schließlich Dopsch, in Innsbruck durch Ficker usw., in Graz jedenfalls durch Erben usw. — quellenkundliche Lehrveranstaltungen (Vorlesungen und Übungen) abgehalten, aber sie fanden keinen Niederschlag in Gestalt eines noch so bescheidenen Abrisses. Der Verfasser dankt der Freundlichkeit des Herrn Hofrates Dr. Hans v. Ankwicz-Kleehoven ein Exemplar der Nachschrift des Quellenkunde-Kollegs von Alfons D o p s c h aus dem Jahre 1908, die — abgesehen von den in solchen „Skripten" unvermeidlichen greul

4

Einleitung

liehen Fehlern und Entstellungen — immerhin erkennen läßt, um wieviel man seit einem halben Jahrhundert in der Kenntnis und Kritik der Geschichtsdenkmale Österreichs vorgeschritten ist. Unter diesen Umständen darf das nun vorgelegte Werk als Versuch betrachtet werden, ein zum ersten Male vor 180 Jahren verwirklichtes, seither aber vernachlässigtes literarisches Vorhaben neuerlich aufzugreifen und dem gegenwärtigen Stande der Forschung entsprechend auszuführen. Es versteht sich, daß auch die Grundsätze heute andere sein müssen als selbst noch zu Dopsch' Zeiten. „Quellenkunde", wie sie gemeinhin dargestellt und gelehrt wird, hat in der Praxis — ungeachtet gegenteiliger Programme und Beteuerungen — immer noch vorwiegend die schriftlichen Zeugnisse der Vergangenheit zum Gegenstande. Wohl wird in der theoretischen und hodegetischen Literatur mehr oder weniger eindringlich auf die Funktion der „Tatsachen" und „Überreste" dinglicher Art hingewiesen, doch fehlt es nicht bloß an methodischer Anleitung, sie zu bearbeiten und zu edieren, sondern auch an einer brauchbaren Übersicht, die gleichermaßen als Repertorium wie als Lehrbuch für den Anfänger dienen könnte. Von den vielen Ein- und Anleitungswerken der letzten Jahrzehnte sei bloß hingewiesen auf: Wilhelm Bauer, Einführung in das Studium der Geschichte ('Frankfurt a. M. 1961), S. 226 ff., Paul Kirn, Einführung in die Geschichtswissenschaft (Sammlung Göschen 270, 'Berlin 1959), S. 30 ff., Heinz Quirin, Einführung in das Studium der mittelalterlichen Geschichte (Westermanns Studienhefte, 1950), S. 38 und 40 ff., wo mit Recht unter den Arbeitsstätten des Historikers auch das Museum genannt wurde, und Ahasver v. Brandt, Werkzeug des Historikers (Urban-Bücher 33, Stuttgart 1958), S. 58 ff. — In dem jüngst erschienenen Sammelwerke L'Histoire et ses Méthodes (Encyclopédie de la Pléiade 11, Brügge 1961), siehe S. 191 ff.: Recherches méthodiques de témoignage. Einengung des Arbeitsbereiches der Historie auf literarische Erzeugnisse geht nicht mehr an. Soweit es nicht, in sehr wichtigen Fällen, auf Urteile ankommt, die man unbedingt dem Kennertum der Kustoden (Konservatoren) und zuweilen sogar der Sammler, aber auch den Fachleuten naturwissenschaftlicher Richtung überlassen muß, kann der Geschichtsforscher nicht nur philologischer, rechts-, kunst-, literatur- und religionsgeschichtlicher sowie volkskundlicher, sondern auch einiger naturkundlicher (besonders geographischer) und technischer Kenntnisse nicht entraten, und dies um so mehr, als seine Fragestellungen an die Objekte zumeist ganz anderer Art sind als die der respektiven Experten. Darum war es seinerzeit — 1874 — eine wirklich bemerkenswerte und als solche auch im Auslande beachtete Neuerung, daß dem Institut für österreichische Geschichtsforschung in Wien die Pflege der K u n s t g e s c h i c h t e aufgetragen wurde, wie denn auch weiterhin allmählich nicht nur Mittellatein und Mittelhochdeutsch, sondern auch Wirtschaftsgeschichte, Numismatik, geschichtliche Landeskunde und Museumskunde in den Lehrplan aufgenommen wurden. Siehe Julius v. Schlosser, Die Wiener Schule der Kunstgeschichte, MIÖG. Erg. 13 (1934), S. 158 ff., Alphons Lhotsky, Geschichte des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 1854—1954, MIÖG. Erg. 17 (1954), S. 129 u. ö.

Einleitung

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Bei dieser Gelegenheit mag auch die gar nicht unwesentliche Frage der Terminologie berührt werden. Indem man die Stichworte „Denkmal" und „Quelle" in der Praxis häufig wahllos gebrauchte, wurde eine gewisse Unklarheit geschaffen, aus der es — einzig für die Zwecke des vorliegenden Buches und ohne jede Prätention auf allgemeine Beachtung — wahrscheinlich nur den einen Ausweg geben dürfte: zwischen Denkmal und Quelle so zu unterscheiden, daß unter „Denkmal" jeder wie immer beschaffene Zeuge der Vergangenheit als ein objektiv Gegebenes verstanden werde, das erst durch bewußte methodische Behandlung, durch die auf Erzielung geschichtswissenschaftlicher Erkenntnisse gerichtete Untersuchung, zur „Quelle" werden kann und werden soll. Denn nicht alle erhaltenen Denkmale sind in diesem Sinne bereits zu Quellen geworden; ja es ist ohne weiteres denkbar, daß es ganze Denkmalkategorien gebe, deren möglicher Quellenwert noch gar nicht erkannt oder noch nicht ausreichend gewürdigt worden sei. Überlegungen dieser Art sind keineswegs neu. Wohl hat noch an der Schwelle des XVII. Jahrhunderts Bartholomaeus K e c k e r m a n n , De natura et proprietatibus historiae commentarius (Hannover 1610), p. 9, behauptet: cum ergo historia non sit disciplina, evidenter sequitur, quod non habet methodum, denn die zahllosen Einzelheiten (exempla), die sie biete, seien eben bloß singularia, die bestenfalls zur Bestätigung der universalia führen können. Aber hundert Jahre später hat Friedrich Wilhelm B i e r l i n g , der einen gemäßigten Skeptizismus („Pyrrhonismus temperatus") vertrat, in seiner Commentatio de Pyrrhonismo historico (Leipzig 1724), p. 225 sqq., im Kapitel „De fide monumentorum, ex quibus historia depromitur", den hohen Wert der aus dem diplomatischen Geschäftsleben unmittelbar hervorgehenden Aufzeichnungen, besonders der Gesandtenberichte, betont und die Aufmerksamkeit überhaupt auf die im XVII. Jahrhundert zuweilen sogar mit Mißtrauen betrachteten Archive gelenkt. In seiner Aufzählung der Überlieferungsgattungen p. 235 sqq. beschränkte er sich noch auf das Geschriebene, während sein Zeitgenosse Martin C h 1 a d η f wahrscheinlich als erster ausgesprochen hat, daß man geschichtliche Vorgänge aus a l l e n noch vorhandenen Spuren und Resten zu rekonstruieren habe, gleichwie die Kriminalistik bei der Feststellung eines Tatverhaltes verfahre, und dies sei dann erst wahre Forschung und Entdeckung; siehe Hans Müller, Johann Martin Chladenius 1710—1759 (Historische Studien Ebering 134, Berlin 1917), S. 78 f. Darum hat Chladn^ der Historie als einer auf sich selbst gestellten und mit eigenen Mitteln arbeitenden wirklichen Wissenschaft — welchen Charakter ihr Keckermann noch bestritten hatte — dringend die Loslösung von der Philosophie empfohlen; siehe Müller a. a. O., S. 85. Unter den neueren Methodikern hat Gustav D r o y s e η, Historik (her. v. Rudolf Hübner, «München 1943, »ebd. 1958), S. 37 ff., „Überreste", „Denkmäler" und „Quellen" unterschieden wissen wollen, wobei er von der Entstehung des Objektes und der ihr zugrunde liegenden Absicht ausging: „Historisches Material ist, teils was aus jenen Gegenwarten, deren Verständnis wir suchen, noch unmittelbar vorhanden ist", also die „Überreste", teils was davon in die Vorstellungen der Menschen übergegangen und zum Zwecke der Erinnerung überliefert ist", nämlich die „Quellen", und „teils Dinge, in denen sich beide Formen verbinden" — die „Denkmäler"; siehe a. a. O., S. 332 f. Gegenüber diesem zwar etwas verwickelten, aber durchaus brauchbaren System Droysens bedeutete es kaum einen Fortschritt, wenn Ernst B e r n h e i m , Lehrbuch der historischen Methode und der Geschichtsphilosophie

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(«Leipzig 1908), S. 255 ff., den Begriff „Quelle" alles umfassend hervorhob und definierte: „Was unmittelbar von den Begebenheiten übrig geblieben und vorhanden ist, nennen wir Überreste, alles, was mittelbar von den Begebenheiten überliefert ist, hindurchgegangen und wiedergegeben durch menschliche Auffassung, nennen wir Tradition." Außerdem unterschied er innerhalb der Überreste unabsichtliche „Überbleibsel" von den absichtlichen „Denkmälern". Im übrigen fiel nach ihm die Quellenkunde mit Heuristik und Hilfswissenschaften zusammen, wogegen zu bedenken bleibt, daß sie, wie etwa die Literaturgeschichte, doch auch um ihrer selbst willen betrieben werden könnte. Bernheims System schien besonders durch Gustav W o l f , Einführung in das Studium der neueren Geschichte (Berlin 1910), seine allgemeine Anwendbarkeit bewiesen zu haben; auch hier wurde im ganzen nach „Tradition" und „Überresten" vorgegangen. Dann aber hat Bernhard Schmeidler, Zur methodischen Einteilung der Geschichtsquellen (Vergangenheit und Gegenwart 2,1912), S. 164, Bernheims Begriff des Denkmals kritisiert. Schließlich zog Wilhelm B a u e r , Einführung in das Studium der Geschichte ('Frankfurt a. M. 1961), S. 158 ff., einen einfacheren Quellenbegriff vor, wobei bereits der objektiven und subjektiven Seite der Phänomene entsprochen wurde. Die Durchdenkung der Bauerschen Einteilung hat auf die hier vorgeschlagene Terminologie „Denkmal" und „Quelle" geführt, wobei die sichtende, ordnende und schließende Leistung der Forscherarbeit das Unterscheidungsmerkmal bildet. Die s p r a c h l i c h e Seite der Termini technici ist eigentlich — abgesehen von einer knappen Bemerkung Bauers a. a. O., S. 158, über fons — noch nie recht betrachtet worden. Es ist ohne weiteres einzuräumen, daß das Wort „Denkmal", dessen Plural hier, einer Anregung Percy Ernst Schramms folgend, nicht mit dem sonst üblichen „Denkmäler" gebildet wird, sondern mit „Denkmale", keine sehr glückliche Verdeutschung des lateinischen monumentimi (bzw. monimentum) ist, zumal es bereits eine gewisse Absichtlichkeit impliziert, die im Sinne der gebotenen Begriffsbestimmung keineswegs wesentlich ist. Da sich aber „Denkmal" auch in der Archäologie, Rechts-, Kunst-, Literatur-, Musikgeschichte usw. längst eingebürgert hat, wird die Beibehaltung dieses Terminus empfehlenswerter sein als jedes Experiment mit einem neuen. Schon die älteren Historiker haben im allgemeinen Sinne monumenta bzw. monimenti, monuments gebraucht, wofern sie nicht überhaupt sogleich spezifizierten: Scriptores, Diplomata, Chartae, Numismata, Icones, Inscriptiones, Antiquitates, was schon im XV. Jahrhundert begegnet, siehe Arnaldo Momigliano, Ancient history and the antiquarian (Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 13, 1950), p. 289 s. Dagegen ist der Ausdruck fontes, worauf schon Bauer hingewiesen hat, in der Antike und noch lange nachher allenfalls auf Rechtsquellen, von den humanistischen Theologen des XVI. Jahrhunderts auf religiöse angewendet worden; siehe Liv. 3, 34, 6: fons omnis publici privatique iuris, und das bekannte Ad fontes. Erst seit dem XVIII. Jahrhundert werden die Worte fontes, fonti, sources usw. auch für Geschichtsquellen im allgemeinen gebraucht.

Demnach dürfte sich empfehlen, den Stoff des vorliegenden Buches in zwei Hauptteilen darzubieten: I. systematisch als Denkmalkunde nach Kategorien, II. deskriptiv als Quellenkunde im entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhange. An Versuchen, die Denkmale der Geschichte s y s t e m a t i s c h zu überblicken, ist kein Mangel, doch scheint es mehr als fraglich, ob ihnen in der Praxis wirklich Bedeutung und Wert zukomme. Immerhin haben diese

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theoretischen Erwägungen auf Tatsachen und Querverbindungen geführt, die andernfalls nicht erkannt worden wären. Bereits die Autoren der oben S. 2 erwähnten „Geschichtslehren" des Renaissance- und Barockzeitalters, die freilich keineswegs Anleitungen zur planmäßigen Forschung, wohl aber Richtlinien und Gesichtspunkte für kritische Lektüre der Geschichtswerke geben wollten, haben sich zuweilen auf meist recht oberflächliche Einteilungsversuche eingelassen. Eine gute Übersicht bietet Zbigniew Stanislaus Graf Dunin Borkowski, Der junge Spinoza 4/3 (Münster 1936), S. 168 ff. So hat schon Johann Burkhard Mencke, Méthode pour étudier l'histoire (Leipzig 1714), im Abschnitte über die von ihm als secours bezeichneten Hilfswissenschaften (p. 307 ss.) als deren Objekte bezeichnet und behandelt: Memoiren, Briefe, Staatsverträge, Reden, Geheimgeschichten, Satiren, Vaudevilles, Urkunden, Inschriften und Medaillen, um dann in dem als II. Band beigegebenen Catalogue des principaux historiens avec des remarques critiques sur la bonté de leurs ouvrages et sur le choix des meilleurs éditions (p. 142 ss.) auch die für Österreich, Böhmen und Ungarn wichtigen Geschichtsdarstellungen aufzuzählen. Systematik unter höheren Gesichtspunkten ist aber doch erst im XIX. Jahrhundert folgerichtig durchgedacht worden: zunächst von Droysen, dann von Ernst Bernheim in deren schon genannten Werken, ferner Alois Meister, Grundzüge der historischen Methodik, in: (Meisters) Grundriß der Geschichtswissenschaft 1/6 ('Leipzig 1913), Bauer a. a. O., Erich Keyser, Geschichtswissenschaft, Aufbau und Aufgabe (München und Berlin 1931), Hans Nabholz, Einführung in das Studium der mittelalterlichen und neueren Geschichte (Zürich 1948, dazu HZ. 171, 1951, S. 303 f.), Quirin a. a. O., Kirn a. a. O., ergänzungs- und vergleichsweise Hermann Bengtson, Einführung in die alte Geschichte ('München 1959) sowie Hans Tietze, Die Methode der Kunstgeschichte (Leipzig 1913). Mit Bauer und Keyser hat sich Otto Stolz, Zur Systematik der Geschichtsquellen, MIÖG. 52 (1938), S. 121 ff., auseinandergesetzt. Sein eigenes System ist dadurch beachtenswert, daß es keineswegs spekulativ ersonnen wurde, sondern aus der Praxis des Archivars stammt. Wohin allzu künstliche Systeme führen können, zumal wenn über die Begriffe „Kultur" und „Zivilisation" nicht das nötige Einverständnis hergestellt wurde, lehren Vorschläge wie z. B. der, als „Kulturdenkmäler der Kirchengeschichte" einzig „gottesdienstliche" und „Bestattungsgeräte" gelten zu lassen, Kirchen und andere kultische Gebäude den „Kulturdenkmälern der Siedlungsgeschichte" zuzuzählen und die literarischen Leistungen der Theologie, Kanonistik, Kirchengeschichte usw. als „Schriftwerke" auszuscheiden. — Über einige ältere französische Einteilungsvorschläge (Molinier, Daunou) und Bernhard Schmeidler, Zur methodischen Einteilung der historischen Quellen (Vergangenheit und Gegenwart 1912), berichtete Hanns Leo Mikoletzky, Quellenkunde des Mittelalters, MIÖG. 58 (1950), S. 209 ff., dessen eigene Theorie in der Distinktion „willkürlich" und „unwillkürlich" wirksamer Überlieferungen gipfelte. An H a n d b ü c h e r n und H i l f s m i t t e l n standen bisher — außer den oben S. 3 erwähnten älteren Werken, denen noch Konstantin Khauz, Versuch einer Geschichte der österreichischen Gelehrten (Frankfurt a. M. 1776), anzufügen bleibt — zu Gebote: Franz Krones R. v. Marchland, Grundriß der ôsterreichischén Geschichte (Wien 1882), S. 10 ff.; für die Völkerwanderungszeit und das Frühmittelalter Ludwig Schmidt, Die Ostgermanen (2München 1944), S. 1 ff. Unentbehrlich ist Wilhelm Wattenbachs S. IX f. in Siglen nach den zahlreichen Neubearbeitungen aufgeschlüsseltes Meisterwerk für das Hochmittelalter; außerdem Karl

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Jacob, Quellenkunde der deutschen Geschichte 1 (Sammlung Göschen 279, bearbeitet von Heinrich Hohenleutner »Berlin 1959), 2 (ebd. 280, »Berlin 1943); die Fortsetzung von Fritz Weden (ebd. 284, Berlin 1952) wurde von der Kritik einhellig abgelehnt. Für das Spätmittelalter Ottokar Lorenz, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter seit der Mitte des XIII. Jahrhunderts (Berlin 1870, bearbeitet von Artur Goldmann 2 Bde. »Berlin 1886), Franz Schnabel, Deutschlands geschichtliche Quellen und Darstellungen in der Neuzeit 1, 1500—1550 (Leipzig 1931), dazu HZ. 149 (1934), S. 544 ff., Gustav Wolf, Quellenkunde der deutschen Reformationsgeschichte 1 und 2/1—2 (Gotha 1915—1922), Heinrich v. Srbik, Geist und Geschichte vom deutschen Humanismus bis zur Gegenwart (2 Bde. München 1950/51). — R e p e r t o r i e η : August Potthast, Bibliotheca histórica medii aevi, Wegweiser durch die Geschichtsquellen des europäischen Mittelalters bis 1500 (aLeipzig 1896, Neudruck Graz 1954, Neubearbeitung als Repertorio delle fonti storiche del medio evo im Zuge), Bibliotheca hagiographica Latina antiquae et mediae aetatis (2 Bde. Brüssel 1898/1901); Hermann Oesterley, Wegweiser durch die Literatur der Urkundensammlungen (2 Bde., Leipzig 1883/86) ist veraltet und kaum noch von Wert ; Ulysse Chevalier, Répertoire des sources historiques du Moyen âge 1 : Biobibliographie (2 Bde. Paris 1905/07), 2 : Topobibliographie (2 Bde. Montbéliard 1904/09), Auguste Molinier, Les sources de l'histoire de France (3 Teile Paris 1901—1924); Wolf gang Stammler, Die deutsche Literatur des Mittelalters, Verfasserlexikon (fortgesetzt von Karl Langosch, 4 Bde. Leipzig und Berlin 1931 ff., Nachtragsband Berlin 1955); Cenëk Zibrt, Bibliografie íeské historie (5 Bde. Prag 1900—1912). — Für B ö h m e n und M ä h r e n siehe außer den älteren Studien und Büchern von Josef Georg Meinert, Die böhmischen Geschichtschreiber des ersten Zeitraumes (Wiener Jahrbücher der Literatur 15, 1821, Anzeigeblatt S. 1 ff.), Franz Palack^, Würdigung der alten böhmischen Geschichtschreiber (Prag 1869), Christian d'Elvert, Historische Literaturgeschichte von Mähren und österreichischSchlesien (Brünn 1850), nunmehr die Aufsatzfolge von Ladislav Hosàk, Kritické poznámky k moravské stfedovëké analistice (Sbornik vysoké Skoly pedagogické ν Olomouci, Historie 2, Prag 1955), str. 77—87, Stfedovëké vyprâvëci prameny Moravy II (ebd. 3, Prag 1956), str. 85—92, Stfedovëké vyprâvëci prameny k dëjinâm Moravy do konce 15. stoleti III (ebd. 4, Prag 1957), str. Ill—134, Zusammenfassung in deutscher Sprache — „Erzählende Geschichtsquellen Mährens im Mittelalter bis zum Ende des 15. Jahrhunderts" — ebd. S. 136. Sehr gute Übersicht der historiographischen Leistungen boten auch Jan Jakubec, Dëjiny literatury íeské 1 (Prag 1929), und Josef Susta, Dëjepisectvi, jeho v^voj ν oblasti vzdëlanosti západni ve stfedovëku a dobë nové (»Prag 1946); siehe auch Richard G. Plaschka, Von Palack^ bis Pekaf (Wiener Archiv für Geschichte des Slawentums und Osteuropas 1, 1955), S. 107. Literaturgeschichte: Johann Albert Fabritius, Bibliotheca Latina mediae et infimae Latinitatis (3 Bde. Florenz 1858/59), Adolf Ebert, Allgemeine Geschichte der Literatur des Mittelalters im Abendlande (3 Bde. Leipzig 1874—1887), Max Manitius, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters (3 Bde. München 1911—1931, reicht bis um 1200), Paul Lehmann, Mittelalterliche Literatur, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart 4» (Tübingen 1961), Sp. 1037 ff., Eduard Stemplinger, Griechisch-lateinischer Literaturführer von Homer bis auf unsere Zeit (Tusculum-Bücherei 21—24, München 1934), Tusculum, Lexikon der griechischen und lateinischen Literatur vom Altertum bis zur Neuzeit (München 1948), Albert Siegmund, Die Überlieferung der griechischen christlichen Literatur in der lateinischen Kirche bis zum XII. Jahrhundert (Abhandlungen der Bayerischen Benediktinerakademie V: Veröffentlichungen des Byzantinischen Instituts Scheyern,

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München 1949), Karl Krumbacher, Geschichte der byzantinischen Literatur von Justinian bis zum Ende des Oströmischen Reiches ('München 1897). Ferner Gustav Ehrismann, Geschichte der deutschen Dichtung bis zum Ausgange des Mittelalters (4 Bde. München 1918 ff.), Stammler, bzw. StammlerLangosch a. a. O. Für Ö s t e r r e i c h im besonderen: Wilhelm Erben, Österreichs Anteil an der deutschen Geschichtschreibung und Geschichtsforschung (Vergangenheit und Gegenwart 17, 1927, S. 342 ff.), Nagl-Castle-Zeidler, Deutschösterreichische Literaturgeschichte (4 Bde. Wien 1899 ff.). Im einzelnen: Max Vanesa, Geschichte Nieder- und Oberösterreichs (2 Bde. Gotha 1905/27, Einleitungen); Franz Ilwof, Steiermärkische Geschichtschreibung (Deutsche Geschichtsblätter 4, 5 und 8, 1903—1906), Anton Schlossar, Die Literatur der Steiermark in bezug auf Geschichte, Landes- und Volkskunde ('Graz 1914), und Oskar Janda, Die Literatur der Steiermark bis zum Ausgange des Mittelalters (Zentralblatt für Bibliothekswesen 56, 1939, S. 529 ff.) ; Erich Nußbaumer, Geistiges Kärnten (Klagenfurt 1956), S. 115 ff.; Gebhard Scheibner, Beiträge zur salzburgischen Historiographie am Ausgange des Mittelalters (52. Jahresbericht des Fürsterzbischöflichen Gymnasiums am Collegium Borromaeum in Salzburg 1910/11, S. 3 ff.), und Maria Corinna Trdán, Beiträge zur Kenntnis der salzburgischen Chronistik des XVI. Jahrhunderts (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 54, 1914, S. 135 ff.) ; Josef Egger, Die ältesten Geschichtsschreiber Tirols (Programm der k. k. Realschule Innsbruck 1867), Oswald Redlich, Tirolische Geschichtsquellen des Mittelalters, in: Festschrift des Akademischen Historikerklubs (Innsbruck 1903, und separat) und Leo Santifaller, Über die schriftlich überlieferten Geschichtsquellen Tirols von den Anfängen bis zur Mitte des XIV. Jahrhunderts (Tiroler Heimat 13/14, 1949/50, S. 119 ff.); Karl Uhlirz, Quellen und Geschichtschreibung, in: Geschichte der Stadt Wien 2 (Wien 1900), S. 35 ff., Max Vanesa desgleichen ebd. 4 (Wien 1911), S. 1 ff., und Hans Rupprich, Das Wiener Schrifttum des ausgehenden Mittelalters, SB. Wien 228 (1954), 5. Abhandlung. Für die Bundesländer Burgenland, Kärnten und Vorarlberg sind bisher keine speziellen „Quellenkunden" verfaßt worden; siehe aber Allgemeine Bibliographie des Burgenlandes 4: Geschichte (Eisenstadt 1959), S. 151 ff., sodann die laufenden Berichte und Rezensionen in der Carinthia I und die Veröffentlichungen Vorarlbergische Bibliographie von Adalbert Welte in der Zeitschrift Montfort (1950 und 1955) sowie die Rechenschafts- und Jahresberichte des Vorarlberger Museums-Vereines in Bregenz.

SYSTEMATISCHER TEIL

1. DIE NATUR Im Laufe dieses Jahrhunderts hat sich — unmerklich erst, doch heute schon deutlich wahrnehmbar — eine Änderung des Denkens ergeben, die vielleicht den schärfsten Trennungsstrich zwischen Vergangenheit und Zukunft zieht, der je gezogen worden ist. Hatte der Mensch bisher, mit seinem ganzen Dasein in der Natur verwurzelt, seine Kraft auf die Bändigung ihrer wilden Gewalten gewendet, ohne seinen Zusammenhang mit dem Allgemeinen im geringsten zu verleugnen, so will er heute die Natur nicht nur beherrschen, sondern sie mit den Mitteln der Technik geradezu überwinden und korrigieren. Er verzichtet auf die Teilnahme am Rhythmus der Jahres- und Tageszeiten, des Werdens und Vergehens, der Schwankungen des natürlichen Lichtes und Klimas — er vermißt sich, dies alles selbst nach seinem Belieben zu schaffen, ja geradezu zu erschaffen, und so ist auch seine metaphysische Haltung bereits grundverschieden von der seiner Eltern. Vgl. Martin Keilhacker, Möglichkeiten und Grenzen des Technischen in pädagogischer Sicht, in: Erkenntnis und Erziehung (Wien 1961), S. 57 ff. Das Mittelalter wußte und ahnte von dem allen nichts. Es nahm den K o s m o s , wie er aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen war, und man suchte bloß die eigene physische und intellektuelle Existenz dem liöheren Ganzen einzufügen. Sieht man ganz davon ab, daß der Anblick des gestirnten Himmels und der Regelmäßigkeit seiner Erscheinungen vielleicht die älteste aller Wissenschaften begründete, so zweigte sich aus dieser die für den Historiker wichtigste Disziplin ab : die Z e i t r e c h n u n g , die Bemessung des Jahres- und Tageslaufes. Die österreichischen Länder und ihre Menschen haben die von anderen längst erkannten Grundtatsachen mit der christlichen Bildung einfach übernommen. Eine gute Übersicht der astronomischen und chronologischen Vorstellungen bietet — außer den allbekannten technischen Hilfsmitteln (Grotefend, aber auch Oppolzers Canon der Finsternisse) — Georg Karl Bauer, Sternkunde und Sterndeutung der Deutschen im 9. bis 14. Jahrhundert unter Ausschluß der reinen Fachwissenschaft (Germanische Studien Ebering 186, Berlin 1937). Erst seit Ende des XIV. Jahrhunderts haben Österreicher — dann freilich mit epochalen Erfolgen — an der Enthüllung kosmischer Geheimnisse mitgewirkt. Aber in den das bürgerliche, das Alltagsleben berührenden kleineren Problemen der Zeitrechnung sind diese Länder zuweilen recht eigenwillig vorgegangen, und dies muß man wissen, um ihre annalistischen, chronikalischen und urkundlichen Äußerungen richtig zu verstehen. Glücklicherweise hat dafür die von Wilhelm Erben angeregte Studie von

Systematischer Teil

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Franz Lehner, Die mittelalterliche Tagesbezeichnung in den österreichischen Ländern (Quellenstudien aus dem Historischen Seminar der Universität Innsbruck 3, Innsbruck 1911), eine wichtige, nicht zu übersehende Vorarbeit geleistet. Auf einige besondere österreichische Leistungen auf dem Gebiete der Himmels- und Erdkunde wird diese Darstellung noch zurückkommen müssen. Was sonst in den Begriff „Natur" fällt, betrifft nur die Beziehungen der Menschen zur landschaftlichen Umwelt. Wilhelm Heinrich Riehl, der in Österreich jene dichte Fülle bedeutender historischer Denkstätten vermißte, wie sie das Rheintal bietet, hat doch im Alpenraume „merkwürdige Geschichtsdenkmäler im Naturgebilde des Landes und im Volksleben" erkannt, „das zum Teile uralte Geschichte ist"; siehe Friedrich Metz, W. H. Riehl und die Erforschung der deutschen Grenzlande (Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung 1, 1937, S. 1 ff.). Gleichwohl wird der Faktor der natürlichen Gegebenheiten von der Geschichtsforschung gemeinhin um so geringer beachtet, je reicher die schriftlichen Überlieferungen fließen; bloß für die europäische Frühzeit und in einigen Problemstellungen der Wirtschaftsgeschichte wird ihnen größere Aufmerksamkeit zugewendet. Freilich hat Ottmar Dittrich, Die Grenzen der Geschichte (Historische Vierteljahrschrift 8, 1905), S. 179 f., sogar gefordert, „daß man Teile der nichthistorischen Naturwissenschaft und Psychologie . . . ausdrücklich und förmlich in die Geschichtsmethodologie, aufnehme", aber erst Wilhelm Bauer, Einführung in das Studium der Geschichte ('Frankfurt 1961), S. 159, hat nachstehende, auch die Naturtatsachen einbeziehende Übersicht der „Geschichtsquellen im weitesten Sinne" vorgeschlagen: Gegebenheiten als solche: Geographische Tatsachen Körperliche Tatsachen

Klima, Lage Körperbau, physische Widerstandsfähigkeit Tatsachen des praktischen — Lebens

^egebenhdSn·'" Grenzen, Siedelungsformen Rassenmerkmale, typische Mißbildungen, Leichenreste —

Von der Aufstellung solcher Schemata bis zur folgerichtigen Forschungsund Darstellungspraxis ist aber ein weiter Weg, und besonders für die mittlere und neuere Geschichte gibt es schwerlich ein Handbuch, das mit der Landesnatur der Schauplätze und den ökonomischen Verhältnissen, sowie mit dem physischen Zustande der Bevölkerung, den Witterungsverhältnissen des behandelten Geschichtsabschnittes und den irregulären Phänomenen begänne, ganz abgesehen von der doch immerhin auch nötigen Kennzeichnung der jeweils zur Meisterung der Naturgewalten zu Gebote stehenden technischen Mittel. Insoferne aber auch dies alles Gegenstand der Forschung sein soll, wird sich der Umfang dessen, was an „Denkmalen" in Betracht kommt, sehr erheblich vergrößern.

1. Die Natur

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Α. GEOGRAPHISCHE UND GEOPHYSISCHE FAKTOREN Ihre Deutung überschreitet oft die Zuständigkeit des Historikers, und er wird auf die Hilfe des Geographen und Geologen, des Zoologen, Botanikers, Chemikers, Technikers, Strategen usw. nicht verzichten können. Wohl haben Berg und Tal in „historischer" Zeit keine sehr großen Veränderungen mehr erfahren, aber da und dort haben sich doch Wandelungen in der Konfiguration ergeben, die der Historiker alleine nicht recht zu deuten, bzw. zu rekonstruieren vermag: Verlagerungen von Quellen und Wasserläufen, Ausdehnung alter Überschwemmungsgebiete, Zu- und Abnahme stehender Gewässer, Erosionen und Alluvionen usw. Auch das Landschaftsbild ist geworden und hat seine Geschichte; beispielsweise sei der Aufsatz von Erich Seefeldner, Die Entwicklung des salzburgischen Landschaftsbildes (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 100, 1960, S. 655 ff.), genannt. Sind aber solche Entwickelungen nicht durch die rastlose Wirksamkeit der Naturkräfte allmählich, sondern plötzlich und katastrophal eingetreten, so ist die Naturforschung ihrerseits zuweilen selbst auf die Erhebungen durch die Historiker angewiesen. So sind etwa die Spuren des Bergsturzes der Villacher Alpe dem Kundigen auch heute noch deutlich, aber nur den literarischen Berichten ist das genaue Datum des Ereignisses, 1348, zu entnehmen, und ähnlich steht es mit Erdbeben, die tektonische Veränderungen und Zerstörungen an Siedelungen hervorriefen: so noch Ebendorfers Wahrnehmungen in Basel 1433/34, MIÖG. Erg. 3 (1890/94), S. 99. Noch mehr gilt dies von unberechenbaren Ereignissen wie auffälligen Himmelserscheinungen und Steinfällen (Ensisheim 1492). Dazu kommen alle die Fragen, die heute namentlich im Zusammenhange mit wirtschaftsgeschichtlichen Forschungen gewisse naturwissenschaftliche Probleme betreffen: Ausdehnung der Wälder, Almengrenze, Bereich der Möglichkeit, empfindliche Nutzpflanzen wie Weizen, Wein und Hopfen anzubauen, mit den daraus sich ergebenden Folgerungen auf die Klimaschwankungen, usw. Schwieriger wird die Frage des Faktors Natur dort, wo menschliche Eingriffe in die Gestaltung der Erdoberfläche zu erwägen sind. Was Droysen in seiner Historik a. a. 0., S. 11 ff., über „Geschichte und Natur" schrieb, lief im ganzen im Schillerschen Sinne auf eine Antithese beider hinaus, indem das „Menschsein", die humanUas, als Erhebung des Individuums „aus dem Räume in die Zeit", also „aus der Natur in die Geschichte" (S. 16), definiert wurde. Sicherlich kann man gerade dem XX. Jahrhundert diese Anschauung nicht nachdrücklich genug in Erinnerung bringen; Karl Siegfried Bader, „Mehr Geistesgeschichte" (Historisches Jahrbuch 52/59, 1949, S. 89 ff.). Aber man darf sich dabei nicht beruhigen und muß auch der immer klarer werdenden Bedingtheit des Menschen durch die Natur-Umwelt genauer nachgehen. Im allgemeinen konserviert die Natur die Eingriffe der Menschenhand und die Spuren menschlicher Anwesenheit sehr gut. Eine ausgehobene Grube, ja selbst das Loch, das ein eingerammter Pfahl hinterläßt, Wälle und Erdhügel sind oft nach sehr langer Zeit nachweisbar. Die von der Archäologie ausgebildeten Methoden sind keineswegs nur in der Ur- und alten Geschichte anwendbar, sondern auch für spätere Epochen. Durch sie hat man gerade in

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Systematischer Teil

den letzten Jahrzehnten ζ. B. das wohl überlegte Defensionssystem der frühen Babenbergerzeit Niederösterreichs erkennen gelernt, von dem jede literarische Tradition schweigt; siehe Kurt Hetzer, Taktische Betrachtungen zur babenbergischen Eroberung Niederösterreichs (Unsere Heimat 23, 1952, S. 2 ff.), und Hans P. Schad'n, Die Hausberge und verwandten Wehranlagen in Niederösterreich (Prähistorische Forschungen 3, Horn und Wien 1953), Rudolf Büttner, Befestigungsanlagen im Wienerwald um die Jahrtausendwende (Anzeiger 93, 1956, S. 320 ff.). Zur Archäologie anderer mittelalterlicher Objekte siehe außer der S. 31 genannten Publikation über die karolingische Martinskirche in Linz namentlich Franz Fuhrmann, Die romanischen Dome zu Salzburg auf Grund der bisherigen Grabungsergebnisse, in: Der Dom zu Salzburg, Symbol und Wirklichkeit (Salzburg 1959), S. 86 ff., und Karl Oettinger, Die Grabungen von St. Stephan 1945—1948, MIÖG. 57 (1949), S. 339 ff. ; eine Abbildung der im Jahre 1958 freigelegten Gozzoburg in Krems (um 1275) siehe den Katalog Ausstellung Die Gotik in Niederösterreich, Krems (Ί959), Nr. 300, Abb. 28. Besonders instruktiv ist der Bericht von Hermann Vetters, Der Georgenberg bei Micheldorf (Jahreshefte des österreichischen Archäologischen Instituts 43, 1956—1958, S. 123 ff.). Doch nicht nur durch Konservierung bzw. Ausgrabung, sondern sogar durch gewisse, freilich sehr seltene, atmosphärische Ereignisse können menschliche Leistungen, die andernfalls schwerlich zu erkennen sein würden, offenbar werden. Am 25. Januar 1942 ließ eine infolge Warmlufteinbruches eintretende Rauhreifbildung die innere Struktur zahlreicher Bauwerke in Salzburg einige Stunden lang wie in einem Röntgenbilde sehen und sogar photographisch festhalten, wobei allerdings der verschiedene Erwärmungszustand infolge der Heizung mitwirkte; siehe Richard Schlegel, Baufunde durch Rauhreifbildungen in Salzburg (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 82/83, 1942/43, S. 77 ff.) mit sechs Abbildungen. Ausreichende Kenntnis der örtlichkeit geschichtlicher Ereignisse ist schon im Spätmittelalter als unabdingliches Erfordernis der Forschung erachtet worden. Über Ebendorfers Besichtigung des Schlachtfeldes von Mühldorf (1322) siehe S. 379, zur Schlacht bei Sempach (1386) S. 37. Aber nicht bloß für die Erfassung kriegerischer Ereignisse ist Lokal- und genaue Landeskenntnis unerläßlich; dies lehren eindrucksvoll die Arbeiten Karl Lechners, Ignaz Zibermayrs, Ernst Klebels und viele aus dem Tiroler Kreise stammende Studien. Kenntnis der Verlagerung des Laufes der Thaya war bei der Deutung des S. 54 erwähnten steirischen Feldzeichens wichtig. Das damit berührte Thema der h i s t o r i s c h e n Geographie geht freilich im Grunde über das hier Gemeinte schon hinaus. Siehe Konrad Kretschmer, Bemerkungen über Wesen und Aufgaben der historischen Geographie (Historische Vierteljahrschrift 9, 1906, S. 457 ff.) sowie Historische Geographie von Mitteleuropa (München und Berlin 1907), Hans Beschorner, Wesen und Aufgaben der historischen Geographie (Historische Vierteljahrschrift 9, 1906, S. 1 ff.). Die auf Herodot zurückführbare, gewissermaßen klassische, Verbindung der Geographie und Geschichte hat sich im Laufe des XIX. Jahrhunderts in dem Maße gelockert, als die Geographie immer mehr zu einer Naturwissenschaft wurde, wodurch die Schaffung einer „historischen" Geographie — besser gesagt: die Wiederbelebung der schon im XVIII. Jahrhundert vorhandenen Bestrebungen — Berechtigung erhielt. Freilich ist der Begriff noch etwas variabel und interpretationsfähig. Nach Hettner handelt es sich dabei um „die geographische Darstellung der Länder

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in verschiedenen Geschichtsperioden", um „Rekonstruktion der Urlandschaft", um Siedlungsgeschichte, wobei der Historiker weit mehr der gebende als der nehmende Teil sein würde. Dagegen hat man früher eher nach denjenigen Eigenschaften der Länder gefragt, die den geschichtlichen Ablauf der Menschheitsereignisse nicht nur zu erklären schienen, sondern in gewissem Sinne auch bezeugten. Auf diesem Gebiete hatte die alte, schlichte, deskriptive Geographie dem Historiker mehr zu bieten, wie sie denn auch bis um 1870 in Wien auf Historiker die stärkste Anziehungskraft übte, nachher in neuer Ausprägung von Friedrich Simony über Eduard Richter und Eugen Oberhummer bis auf Hugo Hassinger führte, dessen Geographische Grundlagen der Geschichte (2Freiburg i. B. 1953) bis auf weiteres die letzte Repräsentation dieser Richtung sein dürften. Vgl. dazu Hans Beschorner a. a. 0., S. 5, aber auch Albrecht Penck, Die Wiener länderkundliche Schule, Jb. Lk. NÖ., N.F. 26 (1936), S. 1 ff. Vielleicht ist man in der Einschätzung geographischer Faktoren zeitweilig etwas zu weit gegangen, so daß schon vor Überschätzung gewarnt werden mußte. Gewiß ist, daß Deutungen ex eventu vorgekommen sind, und es ist und bleibt im Grunde doch der Mensch, der der Geschichte und damit auch ihrer Szenerie den Sinn gibt. Das auffälligste Beispiel dieser Art könnte der Mittellauf der Donau sein: im Altertum eine Grenze, wurde sie seit dem Frühmittelalter immer mehr zur Achse, zum Rückgrat politischer Gebilde. Es hat sich aber auch als bedenklich erwiesen, staatliche Wesen ganz ohne Anerkennung der geographischen Zufallstatsachen „erklären" zu wollen. So hat nach Beginn des Ersten Weltkrieges Robert Sieger, Die geographischen Grundlagen der österreichisch-ungarischen Monarchie und ihrer Außenpolitik (Leipzig und Berlin 1915), S. 1 — kürzer in: Der österreichische Staatsgedanke und seine geographischen Grundlagen (österreichische Bücherei 9, Wien und Leipzig 1918) — „die historisch-geographische Stellung der Donaumonarchie und die geographischen Momente zu verstehen" unternommen und ist dabei nach einer Zusammenstellung höchst abschätziger Urteile namhafter deutscher und französischer Politiker und Geographen jener Zeit über die Doppelmonarchie zur Feststellung gelangt, daß sie nicht das „typische Beispiel für eine der geographischen Begründung entbehrende, rein historisch zu erklärende und wesentlich nur durch die alteingewurzelte Dynastie und die gemeinsamen geschichtlichen Erinnerungen zusammengehaltene Staatenbüdung" sei, an der sich die Vieldeutigkeit geographischer Momente demonstrieren lasse, sondern im „Straßenkreuze" des Wiener Beckens ihr „natürliches Grundgerüst" gehabt habe. Es ist also nicht leicht, auf diesem Gebiete optischen und anderen Täuschungen zu entgehen. Wohl sind dem alten Österreich noch weitere Verteidiger von geographischer Seite erstanden wie Alexander Supan, Anton Grund, Franz Heiderich, Norbert Krebs. Was sie vorbrachten, wurde im französischen und angloamerikanischen Westen ohne nähere Sachkenntnis und Prüfung als Hirngespinst patriotischer Befangenheit abgetan. Als Karl Renner — unter dem Pseudonym Rudolf Springer — in einer Abhandlung Der Kampf der österreichischen Nationen um den Staat 1 (Wien 1902) seinen Glauben àn die geographische Präfiguration des alten Staates bekannte, rechnete er selbst mit Widerspruch, woran es denn auch nicht gefehlt hat. Siehe im übrigen Emil Deckert, Panlatinismus, Panslavismus und Panteutonismus (Frankfurt a. M., 1914), S. 17 f. Dazu kommt überdies die Schwierigkeit, die rein geographischen Faktoren von den wirtschaftsgeographischen zu trennen.

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Der Ausgang des Krieges 1914/18 schien vorerst den negativen Urteilen recht zu geben, aber man hat gerade dadurch gelernt, die Dinge nicht mehr bloß im Reflex aktueller Wünsche zu sehen; siehe Otto Brunner, Die Habsburgermonarchie und die politische Gestaltung des Südostens (Deutsche Ostforschung, Ergebnisse und Aufgaben seit dem ersten Weltkriege 2, Leipzig 1943, S. 43 ff.). Nach dem Zweiten Weltkriege hat Hugo H a s s i n g e r , Österreichs Wesen und Schicksal verwurzelt in seiner geographischen Lage (Wiener Geographische Studien 20,1949), „Geographie und Geschichte unseres Landes in engere kausale Wechselbeziehung zu setzen" angeregt und damit die Zielsetzung solcher Betrachtungen auf ein erfüllbares Maß reduziert. Man darf von der „historischen Geographie" keine zu großen oder gar entscheidende Auskünfte verlangen, aber man muß die Funktion der Gebirge und Täler, der Pässe und Ebenen, der Wasserläufe und des Klimas im allgemeinen zu erkunden suchen, um so Gesichtspunkte für die Einzelfälle zu erhalten; dabei darf aber die menschliche Willenssphäre unter keinen Umständen unberücksichtigt bleiben, denn in ihr liegt die Möglichkeit, von den geographisch gebotenen Tatsachen Gebrauch zu machen oder nicht. Vgl. im übrigen Harold Steinacker, Staatswerdung und politische Willensbildung im Alpenraume usw. {Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde Tirols, in: Festschrift zu Ehren Hermann Wopfners 1, Schiernschriften 52, 1947) S. 271 f. und Oskar Fhr. v. Mitis, Berge, Wege und Geschichte, Jb. Lk. NÖ., N. F. 26 (1936), S. 51 ff. Gewissere Erfolge verheißt die Behandlung geographischer Probleme bei bescheidener Zielsetzung im kleinen Räume, wenn es gilt, das Werden einer einzelnen Landschaft zu verfolgen. Die Vorfrage, ob die österreichische „Kulturlandschaft" überhaupt ein Werk der neusteinzeitlichen, der keltoromanischen oder erst der früh- und hochmittelalterlichen Bevölkerung gewesen sei, zeigt, daß dabei die großen Probleme keineswegs zu kurz kommen. Die Verquickung mit landeskundlichen Anliegen im weitesten Sinne ist dabei ebenso unvermeidlich wie nützlich. Die Literatur im einzelnen ist überreich; nur einige allgemein orientierende Arbeiten können genannt werden: Richard Pittioni, Das Werden der Kulturlandschaft (Unsere Heimat 14,1941, S. 215 ff.), Oswald Redlich, Historisch-geographische Probleme, MIÖG. 27 (1906), S. 545 ff., Hugo Hassinger, Über einige Beziehungen der Geographie zur Geschichte, Jb. Lk. NÖ., N. F. 21 (Festschrift für Oswald Redlich, 1928), S. 3 ff., Otto Maull, Zur Geographie der Kulturlandschaft, in : Freie Wege vergleichender Erdkunde (Festgabe für Drygalski, München und Berlin 1925), S. 11 ff., Robert Gradmann, Das mittelalterliche Landschaftsbild nach seiner geschichtlichen Entwicklung (Geographische Zeitschrift 7, 1901, S. 361 ff. und 435 ff.), überhaupt aber Karl Lechner, Sinn und Aufgaben geschichtlicher Landeskunde, MIÖG. 58 (1950), S. 159 ff. Die Ergebnisse historisch-geographischer und geschichtswissenschaftlicher Erkenntnisse k a r t o g r a p h i s c h "festzuhalten, wurde um Mitte des XIX. Jahrhunderts in Österreich grundsätzlich schon von Joseph Chmel gefordert, doch erst im Jahre 1898 hat die Wiener Akademie der Wissenschaften zum Zwecke der Herausgabe eines Historischen Atlas der österreichischen Alpenländer nach den von Eduard Richter entwickelten Prinzipien eine Subkommission ihrer Historischen Kommission eingesetzt, deren Publikationen, einschließlich der zugehörigen „Erläuterungen", schon sehr weit gediehen sind. Über Richter siehe Alphons Lhotsky, Geschichte des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 1854—1954, MIÖG. Erg. 17 (1954), S. 139 f. Vergleichsweise siehe Hektor Ammann und Karl Schib, Historischer Atlas der Schweiz (Aarau 1951) und Historischer Atlas von Bayern (München 1950 ff., dazu MIÖG. 64, 1956, S. 146 ff.), ferner Atlas von Niederösterreich (und Wien), redig. v. Erik Arnberger (Wien 1951—1958). Beachtenswert ist

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ein Gedanke Hassingers: „Die landschaftliche Ausdrucksfähigkeit des Staates und anderer menschlicher Gemeinschaften" — wie sie ja aus diesen historischen Atlanten entgegentreten — „ist also zweifellos ; man kann es darum nicht gut verstehen, wenn der Staat manchmal als unsichtbares Gebilde bezeichnet wird." Nicht so ausreichend gewürdigt erscheint die p a s s i v e Seite menschlicher Anteilnahme an den Naturtatsachen im Regelmäßigen wie im Unregelmäßigen. Nicht nur die Wechselwirkung mit den Faktoren des Geländes, der Fruchtbarkeit usw., hat auf das geschichtliche Dasein der Menschheit eingewirkt; das menschliche Sensorium ist weitgehend auch von den täglichen Vorgängen in der Natur abhängig. Ihre Einwirkungen sind recht intrikater Art, indem sie ebensowohl im Wege des Nervensystems wie der höheren, sogar der ästhetischen Vorstellungen vor sich gehen. Was jeder an sich selbst spürt, gilt unbedingt auch im ganzen: der Einfluß der W i t t e r u n g . Schon das Mittelalter hat von hier ausgehend einen langen Katalog der aus Anomalien unvermeidlich und zyklisch hervorgehenden Kalamitäten sprichwörtlich, in unzähligen Variationen, rezitiert: ob Hochwasser oder Dürre, die Folgen sind der Reihe nach Hungersnot, Teuerung, Krankheiten, Entsittlichung, soziale Erschütterungen. Es versteht sich, daß umgekehrt nicht etwa aus Hungersnot auf Witterungsextreme zurückgefolgert werden darf, denn diese können ja auch andere Ursachen haben, wie pflanzliche und tierische Schädlinge. Daß ζ. B. der Thronkampf zwischen Friedrich von Österreich und Ludwig dem Bayern in eine Zeit fast alljährlicher Hochwasserkatastrophen mit allen üblen Folgen fiel, ist eine nicht zu unterschätzende Tatsache. Daß die österreichischen Länder bis zur Donau Föhngebiete sind und wohl auch früher waren, ist wie manches andere eine nur im allgemeinen verwertbare Konstatierung, denn leider ist die mittelalterliche und selbst noch die frühneuzeitliche Witterungsberichterstattung in vorinstrumentaler Zeit außerordentlich schlecht, so daß die wenigen bisher vorliegenden brauchbaren Forschungen kein eindeutig klares Bild ergeben, wenn man von besonderen Einzelheiten absieht. Außer der in der Behandlung des Frühmittelalters steckengebliebenen Publikation Elementarereignisse im Gebiete Deutschlands (Wien 1911) liegt bis heute bloß die nützliche, aber auch nur bis 1315 reichende und mehr wirtschaftsgeschichtlichen Erkenntnissen dienende Studie von Fritz Curschmann, Die Hungersnöte im Mittelalter (Leipziger Studien aus dem Gebiete der Geschichte 6/1, Leipzig 1900), vor. Für das an Nachrichten wesentlich reichere Spätmittelalter fehlen die Untersuchungen. Ob die von Eduard Brückner — Klimaschwankungen seit 1700 (Geographische Abhandlungen 4/2, Wien 1890) und Der Einfluß der Klimaschwankungen auf die Ernteerträge und Getreidepreise (Geographische Zeitschrift 1, 1895, S. 39 ff. und 100 ff.) — errechnete 35jährige (genau 34,8 ± 0,7) Periodizität feuchtkalter Gesamtwitterung für den mittelalterlichen Bereich anwendbar sei, müßte erst untersucht werden. Neuere Literatur referiert Hermann Flohn, Klimaschwankungen und ihre historisch-geographische Bedeutung (Berichte zur deutschen Landeskunde 7,1949/50, S. 347 ff.), wo auch die entsprechenden wirtschaftsgeschichtlichen Gesichtspunkte gegeben sind; vgl. aber auch Witterung und Klima in Linz (Wien 1959). Denkzeichen für extreme Witterungserscheinungen und ihre Folgen, wie ζ. B. Hochwassermarken (etwa an der Mauer des Augartens in Wien II), hat man im Mittelalter nicht angebracht. Blitzspuren finden sich zuweilen an Gebäuden, besonders Türmen; sehr schwere Entladungen führten aber zur Zertrümmerung der Bauobjekte und zu Bränden, die zur Neukonstruktion zwangen. Seit dem XV. Jahrhundert — für gewisse Fälle bereits in der Spät2

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antike — haben außergewöhnliche Naturereignisse (Unwetter, Hunger, Ungeziefer, Seuchen usw.), die man mit ihren Folgen unter dem Schlagwort pestilentia zusammenfaßte, monetarische, bzw. medaillenförmige, Dokumentation gefunden; die größte Spezialsammlung solcher Objekte befindet sich im Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums in Wien, siehe Katalog der Sammlung Dr. Joseph Brettauer „Medicina in nummis", verfaßt von Eduard Holzmair (Wien 1937), S. 100 ff. Was die besonders im Spätmittelalter auffällig häufigen Erdbeben anlangt, so liegen gründliche Forschungen nur für Tirol und Kärnten v o r : hauptsächlich von Joseph Schorn, Die Erdbeben in Tirol (Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg I I I . Folge, 46, 1902, S. 99 ff.), sowie die unten S. 307 angeführte Spezialliteratur zum Villacher Beben von 1348. Im allgemeinen Albin Belar, Uber Erdbebenbeobachtung in alter und gegenwärtiger Zeit (Jahresbericht der k. k. Staatsoberrealschule in Laibach 1898), S. 7 ff. Wenig brauchbar, obwohl thematisch wünschenswert, ist die Schrift von Richard Peinlich, Chronistische Übersicht der merkwürdigsten Naturereignisse, Landplagen usw. der Steiermark 1000—1850 (Graz 1880). Daß in Zeiten häufiger Erschütterungen des Bodens auch mit einer gewissen Reizbarkeit der Bevölkerung, besonders in den Städten, zu rechnen ist, versteht sich. Diese Irritabilität konnte durch kosmische Ereignisse, insbesondere durch K o m e t e n , aufs höchste gesteigert werden, weil hier die aus der Antike herrührenden abergläubischen Vorstellungen mitspielten. Eine noch heute nützliche Zusammenstellung bot Alexandre Pingré, Cométographie ou Traité historique des Comètes 1 (Paris 1783). Man hatte über das Wesen dieser Phänomene völlig irrige Vorstellungen, hielt sie für Produkte der Erdatmosphäre und knüpfte die unheilvollsten Erwartungen daran: Todesfälle hoher Personen, Witterungskatastrophen, Krieg usw. Siehe Alphons Lhotsky und Konradin Ferrari d'Occhieppo, Zwei Gutachten Georgs von Peuerbach über Kometen (1456 und 1457), MIÖG. 68 (I960), S. 266 ff. Tatsächlich war das X I V . und X V . Jahrhundert ungewöhnlich reich an auffälligen Erscheinungen dieser Art, die eine gewisse Unruhe im Weltall beweisen. Größte Bestürzung erweckten in Österreich die Kometen von 1402, 1456 und 1457 — bezüglich der beiden letztgenannten, die wohl als erste genauer berechnet wurden, siehe die oben erwähnten Gutachten des Georg von Peuerbach. Daß solche Himmelserscheinungen ungemein anregend auf die Entwicklung der Wissenschaft einwirkten, ist evident — freilich gilt dies auch von der Pest der Jahre 1349 ff., als der Begriff des Contagium klarer wurde. Rein astrologischer und mithin völlig abergläubischer A r t war die Angst vor gewissen Konstellationen, namentlich auffälligen K o n j u n k t i o n e n ; in Wien haben Heinrich von Langenstein und sein Kreis den Sternenglauben (sternsehen, vgl. S. 314) energisch zu bekämpfen gesucht, aber im X V . Jahrhundert sind selbst recht freie Geister wie Aunpeck-Peuerbach darüber nicht ganz erhaben gewesen. W i e es scheint, hat besonders der französische Hof auf den europäischen Adel in dieser Hinsicht wenig günstig eingewirkt. Es kann aber auch sein, daß man auf diese Weise mit Absicht ein Instrument der Einwirkung auf die Stimmung der Massen, die Möglichkeit, Unruhe zu erzeugen, besitzen wollte, was die Studie von Heinrich Grauert, Meister Johann von Toledo, SB. München 1901, S. 111 ff., über die sogenannten Toledobriefe nahezulegen scheint; einer dieser Briefe begegnet bemerkenswerterweise sogar in einem Urbar: siehe Das Urbar der vorderen Grafschaft Görz aus dem Jahre 1299 (österreichische Urbare 1/3, Wien 1956), S. 3. Dazu kamen a n d e r e Phänomene, die die Menschen ängstigten, weil ihnen die natürlichen Erklärungen nicht zu Gebote standen; siehe Joseph Schorn, Der gefärbte Schnee, sein Auftreten und seine Entstehung (Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg, I I I . Folge 36, 1892), S. 441;

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noch 1831 hat man im Brixentale grünen Schnee festgestellt, der durch die Anwesenheit von Zitteralgen zu erklären ist. Auch der zuweilen berichtete „Würmerregen" ist keine Fabel (Larven des Warzenkäfers), ebensowenig „Tintenregen" und Staubfälle. Wo natürliche Deutungen nicht gelangen, griff das Mittelalter zu phantastischen. Fußspurenähnliche Abdrücke im Gesteine führte man ohne weiteres auf Anwesenheit der Hl. Familie zurück; vgl. Anton R. v. Perger, Über Fußstapfen, Händeeindrücke usw. (Mitteilungen der k. k. Centralcommission 16, 1871, S. XXXVII ff.). Es versteht sich, daß hier altheidnische Vorstellungen den Untergrund bildeten, wie denn auch dieses ganze Gebiet heute von der Volkskunde betreut wird ; zur ersten Orientierung erweist sich das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, her. v. Hoffmann-Krayer und Hanns Bächtold-Stäubli (Berlin und Leipzig 1927 ff.), nützlich. Aber auch die erst in neuester Zeit richtig eingeschätzten A t m o s p h ä r i l i e n , namentlich der Föhn und die nun erforschbar gewordenen Strahlungen, waren ohne Zweifel zuweilen für die Entscheidung weit- und landesgeschichtlicher Ereignisse nicht bedeutungslos; hier enden freilich die Möglichkeiten des Nachweises. Die alte, auf Feststellung einer Rhythmik der Krisen zielende Abhandlung von Rudolf Mewes, Über die Abhängigkeit der Nervenreizbarkeit der Völker von terrestrischen und kosmischen Erscheinungen (Naturwissenschaftliche Wochenschrift 12, 1897, S. 541 ff.), wird heute als veraltet anzusehen sein; das moderne medizinische Schrifttum zum Gegenstande ist dem Laien in jeder Hinsicht unzugänglich. Übrigens ist es nicht richtig, daß man grundsätzlich nur von ungünstigen Anomalien der Witterung und anderer Umstände erführe; besonders im Spätmittelalter häufen sich die Fälle, in denen etwa ain gnadenreichs jar berichtet wird, doch muß man, wenn derlei in Komplizität etwa mit Herrschaftsantritten begegnet, einigermaßen vorsichtig sein, weil solche Meldungen zum Requisitorium der Annalisten gehören: das Wohlgefallen des Himmels am „guten Herrscher". In allen den vorgenannten Fällen, oder doch in den meisten, muß das Naturphänomen vorerst durch den Geschichtsforscher gesichert und nach Möglichkeit definiert werden, ehe es seinerseits als Geschichtsquelle methodisch verwendet werden kann. Dabei ist im ganzen noch folgendes zu bedenken. Indem das Christentum den Menschen ins Zentrum der Schöpfung stellte, mußte er folgerichtig alle Naturgeschehnisse auf sich beziehen, daher in allen Unregelmäßigkeiten Strafen, Andeutungen und Warnungen ersehen. Dadurch und durch das ihn kennzeichnende symbolische Denken ist der mittelalterliche Mensch, ungeachtet seiner unbestreitbaren Fähigkeit zu oft überraschend richtigen Konstatierungen, nur sehr langsam und unter großen Mühen der wahren Zusammenhänge innegeworden. Dies war ohne Frage ein Negativum, aber dem stand nicht minder gewiß auch Positives gegenüber: vor allem der ä s t h e t i s c h e Eindruck. Hier soll vom vielumschriebenen mittelalterlichen „Naturgefühle" erst gar nicht die Rede sein, noch weniger von den Meinungsverschiedenheiten der modernen Autoren. Vgl. etwa Karl Wührer, Romantik im Mittelalter, Beitrag zur Geschichte des Naturgefühls im besonderen des 10. und 11. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Seminars für Wirtschafts- und Kulturgeschichte an der Universität Wien 6, Baden 1930, und Marianne Stauffer, Der Wald, Zur Darstellung und Deutung der Natur im Mittelalter (Studiorum Romanicorum Collectio Turicensis 10, Bern 1959). Was aber klar vor Augen liegt, sind die sogar in offizielle Prunkreden, wie die von Ebendorfer entworfene Ansprache namens der Wiener Universität an Erzherzog Albrecht VI., eingewirkten, auf echten Gefühlswerten fußenden 2

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Lobpreisungen des Landes, nicht minder die überaus treffsichere Erfassung der kennzeichnenden Elemente des Landschaftsbildes bei den spätmittelalterlichen Malern wie dem Schottenmeister oder Rueland Frueauf. Vielleicht zum ersten Male wurden aber die Alpen geradezu sinnbildlich einem österreichischen Fürstenbildnisse beigegeben, als man 1516 in Rom den Besuch Maximilians I. für möglich hielt. Damals hat der Humanist Palonius Marcellus eine feierliche Rede aufgesetzt, deren bereits angefertigte Reinschrift den Dichter vor dem Kaiser kniend darstellt, im Hintergrunde aber die Alpenkette; siehe die Beschreibung von Joseph Chmel in: Der Österreichische Geschichtsforscher 2 (Wien 1841), Notizenblatt S. XLIII n. 4. Vgl. im übrigen Hans Liebmann, Deutsches Land und Volk nach italienischen Berichterstattern der Reformationszeit (Historische Studien Ebering 80, Berlin 1910), und — unvergessen und unvergeßlich — Alexander von Humboldt, Geschichte der physischen Weltanschauung (Kosmos II). Es bedarf wohl keines näheren Eingehens auf die vielseitige Hilfe, die der Geschichtsforschung seitens der Naturwissenschaft in fast allen Zweigen zuteil wird: Astronomie (historische Chronologie), Physik (optische Hilfsmittel), Chemie, Mineralogie, Botanik, Technologie (Materialbestimmungen) usw. Schließlich sei noch auf zwei Arbeiten der Innsbrucker Schule hingewiesen, die — in ihrer Art einzig und bisher auch unüberboten — so recht illustrieren, welche Möglichkeiten die in diesem Abschnitte vorgeführten Äußerungen des Faktors Natur bieten: einerseits das Buch von Otto Stolz, Geschichtskunde der Gewässer Tirols (Schlern-Schriften 32, Innsbruck 1936), worin in eindrucksvoller Weise die Vielfalt menschlicher Beziehungen zur Natur anschaulich gemacht wird, und andererseits Richard Heuberger, Geländegestaltung und Urkundenwesen in den Alpen, MIÖG. 39 (1923), S. 1 ff. B. MINERALISCHE, TIERISCHE UND PFLANZLICHE RESTE Keineswegs nur für die Urgeschichte, auch für die des Mittelalters der Neueren Zeit können solche Reste erhebliche Bedeutung haben Denkmalscharakter gewinnen. Der Großteil der in Frage kommenden jekte ist längst Musealgut geworden, und in den Museen selbst findet auch die besten Behelfe zur Untersuchung.

und und Obman

Unter den m i n e r a l i s c h e n Resten sind vor allem die Werkstoffe der Bauten und Plastiken beachtenswert, und eine gewisse Materialkunde sollte sich auch der Historiker aneignen. Siehe Alois Kieslinger, Gesteinskunde im Dienste der Baugeschichtsforschung (Anzeiger der Philos.-histor. Klasse der österr. Akademie der Wissenschaften 94, 1957, S. 399 ff.). Das Naturhistorische Museum in Wien zeigt eine lehrreiche Sammlung der wichtigsten in Wien verwendeten Gesteinsarten, und auch in Landesmuseen gibt es solche. Als Beispiele sachkundiger Spezialuntersuchungen seien genannt: Alois Kieslinger, Zur Geschichte des Wiener Sandsteins (Mitteilungen der Deutschen Steinbruchkartei, Zweigstelle Österreich, 1938, S. 3 ff.), Die Steine von St. Stephan (Wien 1948), Gesteinsuntersuchungen, in: Die Martinskirche in Linz, her. v. Franz Juraschek und Wilhelm Jenny (Linz 1949), S. 85 ff., Der Bau von St. Michael in Wien und seine Geschichte (Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 10, 1952/53, S. 1 ff.), Fohnsdorfer Muschelkalk und Seckauer Sandstein, zwei vergessene steirische Bausteine (Ioanneum,

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Mineralogisches Mitteilungsblatt 2,1953, S. 37 ff.), Der Sandstein von Hattendorf bei Wolfsberg, ein vergessener Kärntner Baustein (Carinthia I, 142, 1952, S. 305 ff.). Daß namentlich die Bestimmung der Herkunft gewisser Baumaterialien und anderer Werksteine unter Umständen wichtige Schlüsse zuläßt, liegt auf der Hand. Über den Fürstenstein und den Herzogstuhl in Kärnten, sowie über die slawische Inschrift darauf, besteht eine reiche Literatur; siehe Paul Puntschart, Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten (Leipzig 1899), S. 11 ff., bzw. 20 ff., und zuletzt Bogo Grafenauer, Ustoliôevanje koroSkih vojvod in drzava karantanskih slovencev, Die Kärntner Herzogseinsetzung und der Staat der Karantanerslawen (Laibach 1952). In nächster Linie sind, neben den ihrer Herkunft nach schwerer zu bestimmenden Metallen (allenfalls Kupfer gibt mitunter Anhaltspunkte), die Edelsteine und Halbedelsteine wichtig, aber doch erst vom XVI. Jahrhundert an: da kann das Auftreten amerikanischer (peruanischer) Saphire, böhmischer Granaten usw. nicht nur allgemeine Hinweise, sondern im speziellen Falle entscheidende Auskünfte geben. Im Mittelalter ist aber auch schon auf Orientalia zu achten, die freilich nur gewiegte Fachleute zu beurteilen vermögen, deren Rat nicht entbehrt werden kann. Einzelheiten über die Verbreitung, Gewinnung usw. der nutzbaren Mineralien, namentlich des Eisens und des Salzes, gehören in den Arbeitsbereich der Wirtschaftsgeschichte und der speziellen Landeskunde. In diesem Zusammenhange ist aber auch der Mineralquellen zu gedenken, wofür Reinhold Lorenz, Der österreichische Heilquellenkataster (Wien 1953, weitere Literatur angab en S. 40 ff.), und Vergleichende Kulturkunde der Quellenorte (Zeitschrift für physikalische Therapie, Bäder- und Klimaheilkunde 2, 1949, S. 129 ff.), eine wichtige Vorarbeit geleistet hat. Von besonderem Interesse ist das (schon im IX. Jahrhundert erwähnte) Baden bei Wien, worüber — wahrscheinlich als erstes Beispiel balneologischer Literatur im deutschen Sprachgebiete — Wolfgang Wintperger aus Melk im Jahre 1511 eine Abhandlung De thermis et earum origine ac natura quibusque morbis sint salubres in Wien erscheinen ließ (deutsche Ausgabe im folgenden Jahre: Ein Tractat der Badenfart durch doctor Wolffgang Wintperger, von etlichen Hewtl genant). Vgl. dazu Josef Kraupp, Wolfgang Wintpergers Badenfahrt (Baden 1929), S. 18 Anm. 21. Siehe aber auch Heinrich v. Zimburg, Geschichte Gasteins und des Gasteiner Tales (Wien 1948), und Herbert Klein, Badgastein (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 96, 1956, S. 1 ff.). P f l a n z l i c h e Überreste sind vor allem in hölzernen Resten gegeben; hier sichere Kennerschaft zu erwerben, ist wesentlich schwerer, und auch der Fachmann wird ohne Hilfsmittel nicht immer aus der ersten Sicht heraus entscheiden können. Die Feststellung z. B., daß ein Gegenstand aus einem nicht heimischen Holze verfertigt ist, wird wohl in keinem Falle ganz bedeutungslos sein. Siehe auch Alfred Schwankl, Welches Holz ist das? (Stuttgart 1954). Daß man auf Grund einiger Wildkirschensteine „in der Gegend der Därme der Bestatteten" 1953 die Jahreszeit des Todeseintrittes einer Person verifizieren konnte, ist freilich ein ungewöhnlicher Zufall; siehe Paul Kläui, Beitrag zur ältesten Habsburgergenealogie, in: Festgabe Otto Mittler (Aarau 1960), S. 35 Anm. 10. Über die Textilien siehe S. 32 ff. Sehr vielgestaltig präsentieren sich die t i e r i s c h e n Relikte. Zunächst geben die gelegentlich aufgefundenen Knochen, in gewissen Fällen auch die etwa erhaltene Haut Hinweise bezüglich des Vorhandenseins einer Tiergattung; siehe das S. 244 über die Zwettler „Bärenhaut" Gesagte. Die genaue Qualifikation der in Bucheinbänden verwendeten Ledersorten muß man in der Regel den Bibliothekaren überlassen, denn Praxis und Kennerschaft sind durch theoretisches Wissen kaum zu ersetzen; siehe Handbuch der Bibliothekswissenschaft, begründet von Fritz Milkau, her. v. Georg Leyh, 1 : Schrift und Buch (Wiesbaden 1952), S. 782 ff. (mit reichen Literaturangaben), und Helmuth

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Helwig, Handbuch der Einbandkunde (3 Bde. Hamburg 1953—1955), im übrigen Theodor Fasol, Was ist Leder? (Stuttgart 1954). Über das Pergament und die Bestimmung seiner Provenienz, die in der Diplomatile mitunter wichtig sein kann, siehe Leo Santifaller, Beiträge zur Geschichte der Beschreibstoffe im Mittelalter, MIÖG. 16 (1953), S. 80. Von Textilien gehört nur die Seide hierher, worüber S. 32 ff. gesondert zu handeln sein wird. Daß unter Umständen bildliche Darstellungen Aufschlüsse über die jeweils bevorzugten Haustierrassen geben können, versteht sich; aber sogar von den heute gezüchteten Sorten wollte man Rückschlüsse auf die älteren ziehen, was doch bedenklich erscheint, vgl. Adolf Gstirner, Die Entstehung der steirischen Rinderrassen (Zeitschrift für Züchtung, Reihe B, Band 32,1935). Ob es in Österreich gezüchtete Jagdhunde waren, die gelegentlich der Zusammenkunft mit König Philipp IV. von Frankreich zu Quatrevaux König Albrecht I. 1299 dem Franzosen als Gegengeschenk für edle Rosse dargeboten hat, ist ungewiß: ducentorum canum eximiorum munus ad venatum cum instruetoribus, also samt den Wärtern, loh. Victor., Liber certarum historiarum 3, 4, MG., SS. rer. Germ, p. 361. Wachs kommt als Werkstoff der Kleinplastik für Totenmasken und Siegel in Betracht. Wohl die genaueste Untersuchung an Siegeln stellte Erwin Auer, Die Siegel Albrechts VI. von Österreich (Jahrbuch für Geschichte der Stadt Wien 15, 1959/60, S. 107 ff.) an. Besondere tierische Reste liegen in kunstgewerblichen Arbeiten vor; vgl. Gertrud Moßler, Ein künstlich zugerichteter Bärenzahn vom Zeiselberge in Niederösterreich (Unsere Heimat 20, 1949, S. 19 f.), Walter Berger, Fossile Haifischzähne als Material mittelalterlicher Goldschmiedearbeiten (ebd. 21, 1950, S. 119 ff.), Guido Schönberger, Narwal-Einhorn, Studien über einen seltenen Werkstoff (Städel-Jahrbuch 9,1935/36, S. 203 ff.), besonders aber Heinrich Pogatscher, Von Schlangenhörnern und Schlangenzungen (Römische Quartalschrift 12, 1898, S. 162 ff.). Elfenbein wurde schon im Mittelalter als Werkstoff häufig angewendet, Narwalzähne standen als ainkhilrne sehr hoch im Kurse, sowohl in der weltlichen wie in der kirchlichen Sphäre, gleichwie die symbolischen Straußeneier; alle diese Dinge sind wichtige Zeugen bestimmter kulturgeschichtlicher Sachlagen und Einflüsse, denen man sich in Österreich ebensowenig zu entziehen vermochte wie anderwärts. Ohne das Vorhandensein z. B. etlicher „Kredenzen" wüßte man so gut wie nichts von der sicherlich auch am Wiener Hofe üblichen Zeremonie der „Probe", nämlich der Feststellung, ob Speisen bei Tische vergiftet seien; ein gutes Exemplar aus der Zeit Kaiser Friedrichs III. befindet sich im Kunsthistorischen Museum in Wien. Wenn dann im XVI. Jahrhundert die absonderlichsten tierischen (und pflanzlichen) Produkte aus den fernsten Gegenden der im Sturmschritt erschlossenen Erde zu Gefäßen und anderen Luxusgegenständen verarbeitet wurden, so ist es ein Beweis der weltweiten Beziehungen der Casa de Austria, denn das meiste Rohmateriale lieferten zunächst die spanischen Könige. Über den damit in Zusammenhang stehenden manieristischen Formensinn siehe Ernst Kris, Der Stil „Rustique" (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien, N. F. 1, 1927, S. 137 ff.). Über den vielleicht bei der Grundaushebung für den Nordturm der Stephanskirche in Wien gefundenen rechten Oberschenkelknochen eines Mammuts (bezeichnet mit AEIOV und 1443), den man für den Rest eines „Giganten" hielt, siehe Geschichte der Stadt Wien 1 (Wien 1897), S. 12 f. Beispiele spätmittelalterlicher Lederplastik behandelte Waldbott-Bassenheim in der S. 54 genannten Studie. Nähere Kenntnis der S c h ä d l i n g e aus dem Pflanzen- und Tierreiche, aber auch chemischer Bedrohung kultureller Werke gehören in den Arbeitsbereich der konservatorischen Technik, bzw. der Archiv- und Museumskunde. Wie frühzeitig einzelne Probleme dieser Art, wie etwa das des Epheu, gesehen wurden, lehrt Joseph Scheiger, Von dem Einflüsse der Pflanzen auf die Zer-

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Störung der Ruinen (Berichte und Mittheilungen des Alterthumsvereines zu Wien 2, 1857, S. 1 ff.). Siehe auch Richard Blaas, Probleme und Methoden der Archivrestaurierung (Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs 6, 1953, S. 350 ff.). Wenn es an sich für den Historiker nicht übermäßig erheblich ist, wann gewisse seltene Tiere im Lande noch vorhanden waren — vgl. etwa Erich Thenius, Eiszeitliche Jagdleoparden aus Niederösterreich (Unsere Heimat 23, 1952, S. 233 ff.) — und wann gewisse Raubtiere zum „letzten" Male auftauchten, siehe etwa das Stopfpräparat eines noch im XIX. Jahrhundert erlegten Bären im Stiftsmuseum Lilienfeld oder die Nachricht über den letzten Wolf aus dem Wienerwalde, der 1844 erlegt wurde (Unsere Heimat 21, 1950, S. 83), so wird doch auch ihm das mit Verwunderung aufgenommene Erscheinen einer bis dahin unbekannten Fischart in den österreichischen Gewässern im XIV. Jahrhundert nicht ganz gleichgültig sein; Herzog Rudolf IV. hat sich beeilt, schöne Exemplare davon für die päpstliche Tafel nach Avignon zu senden. Hier liegt wieder der Fall so, daß das naturgeschichtliche Phänomen erst durch den Historiker sichergestellt werden muß, ehe es unter Umständen auch dem Naturhistoriker in irgendeinem Zusammenhange aufschlußreich zu werden vermag. Tatsächlich stehen der Geschichtsforschung mancherlei Methoden und Behelfe zu Gebote, unter denen freilich die wichtigste, nämlich die wortgeschichtliche Durchforschung der Urkunden, Urbare usw. (weniger die der erzählenden Denkmale), noch sehr erweiterungsfähig erscheint. Eine sowohl das Technische wie das Kulturgeschichtliche gleichermaßen befriedigend darstellende Geschichte der Jagd und der Fischerei fehlt leider bis heute, obgleich es an schätzenswerten Einzeluntersuchungen, auch im Zusammenhange mit der Gewässerkunde, nicht gebricht, die freilich meist erst mit der Zeit Maximilians I. einsetzen. Vor allem würde die Anlage eines lateinischen und deutschen Glossars der (Pflanzen und) Tiere eine recht dringliche Aufgabe sein, deren Erfüllung manche Überraschung erbringen könnte. Auf die ikonographische Seite dieser Frage wird S. 46 zurückzukommen sein. Wenn etwa Friedrich Rosenkranz, Zur Geschichte der Pflanzendecke von Niederösterreich (Unsere Heimat 23, 1952, S. 213 ff.), so gut wie gar keine Wandelung im Laufe der letzten zweitausend Jahre annahm, so dürfte dies für die Fauna der österreichischen Länder wohl kaum gelten. Siehe im allgemeinen Joseph Wimmer, Geschichte des deutschen Bodens mit seinem Pflanzen- und Tierleben von der keltisch-römischen Urzeit bis zur Gegenwart (Halle a. d. S. 1905), und zur speziellen Orientierung Heinrich L. Werneck, Kultur- und Nutzpflanzen in den Ostalpen (Wels 1949), ferner Die naturgesetzlichen Grundlagen des Pflanzen- und Waldbaues in Oberösterreich (Wien 1951), desgleichen in Niederösterreich (Wien 1953); Einzelheiten über die Nutzpflanzen, namentlich Wein, gehören dem Arbeitsbereiche der Wirtschaftsgeschichte an und würden hier zu weit führen. C. MENSCHLICHE RESTE Wo nicht Brandbestattung üblich war, blieb das Skelett als ältester Zeuge menschlicher Anwesenheit. Dabei hat der Anthropologe das erste und wichtigste Wort, gleichviel ob es sich um eine Hallstättische Leiche oder um die Reliquien des Markgrafen Leopold III. von Österreich handle. Systematische Grabungen wie Zufallsfunde haben in den letzten Jahrzehnten besonders in Niederösterreich die genauere Verfolgung der Völkerbewegungen im Frühmittelalter wesentlich erleichtert, wobei freilich den Grabbeigaben meist größere Bedeutung zukam als den Gebeinen selbst. Allein

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Systematischer Teil

mit dem Beginne des Hochmittelalters verschwinden diese traurigen Denkmale, weil die christliche Bestattungspraxis mit der periodischen Räumung der Friedhöfe höchstens Schädelhaufen aufbewahrte, und es waren dann in der Regel nur noch hochgestellte oder heilige Personen, deren Spolien leidlich intakt bis in die Gegenwart erhalten bleiben konnten. Für Zeiten, da die Personenbeschreibungen formelhaft oder sehr unpräzise waren, vermag der anthropologische Befund und die auf ihn gegründete Rekonstruktion wesentlich zur besseren Vorstellung vom lebenden Menschen beizutragen. Es sei nur an die wichtigen Beobachtungen gemahnt, die die Untersuchung der Kaisergräber in Speyer für die Wiederherstellung eines richtigen Bildes von der Physis der Salier und Hohenstaufen wie auch der beiden ersten Habsburger erbrachte; siehe Hermann Grauert, Die Kaisergräber im Dome zu Speyer, SB. München 1900, S. 539 ff., dazu Nachtrag im Historischen Jahrbuch 13 (1901), S. 248 ff. Über die im Jahre 1924 erfolgte Untersuchung der Reste der hl. Erentrudis siehe Franz Martin, Neues von der hl. Erentrudis (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 66, 1926, S. 177 ff.). Eine besonders sorgfältige Grabesgeschichte und Untersuchung (der Gebeine des bairischen Herzogsohnes Gunther und des sei. Mönches Wisinto) bot Altmann Kellner, Zeugnisse des Stiftergrabes, in: Festschrift . . . Obergymnasium der Benediktiner zu Kremsmünster (Wels 1949), S. 245 ff. Der in Göttweig aufbewahrte Schädel des Bischofs Altmann von Passau (f 1091) ergibt doch nur wenig für die Rekonstruktion der äußeren Erscheinung des Mannes, der tiefer in Österreichs Geschichte eingegriffen hat, als man heute noch wissen kann. Von den Babenbergern ist aber der (1485 heiliggesprochene) Markgraf Leopold III. durch Viktor Lebzelter genau untersucht worden, und man hat sich, nach einem neuen Verfahren, sogar an die Rekonstruktion seines Gesichtes gewagt; siehe St. Leopold, Festschrift (Klosterneuburg 1936), S. 78 ff. Aus dem Femur ließ sich berechnen, daß der Markgraf die stattliche Höhe von etwa 1,85 m aufgewiesen habe. Von den Habsburgern ist am besten die Leiche Rudolfs IV. untersucht worden, wobei sich namentlich aus dem Befunde der Schädelnaht wichtige Schlüsse ziehen ließen, die das aus anderen Überlieferungen geschaffene Charakterbild des frühreifen Jünglings zu bestätigen schienen ; siehe Lebzelter in: Ernst Karl Winter, Rudolph IV. von Österreich 1 (Wien 1934), S. 406 ff. Für die in Prag bestatteten Habsburger siehe J. Matiegka, Tëlesné pozüstatky öeskych kralu a jejich rodin ν hrobu svatovitského chramu ν Praze (Prag 1932). Maximilians I. Leiche ist so wenig wie die seines Vaters anthropologisch beschrieben worden; die Gebeine der übrigen Mitglieder der Dynastie sind, soferne sie überhaupt erhalten blieben, noch nicht untersucht worden. Siehe im übrigen noch Moriz Thausing, Die Leiche Karls V.,MIÖG. 2 (1881), S. 459 f., und Leopold Senf eider, Kaiser Maximilians II. letzte Lebensjahre und Tod, Bll. Lk. NÖ., N.F. 32 (1898), S. 47 ff., unter Verwertung des ersten erhaltenen Sektionsprotokolls. Nichtfürstliche Leichen sind nur sehr wenige leidlich intakt geblieben. Recht überraschend ist der Hinweis, den Oskar Fhr. v. Mitis, Daktyloskopie und Siegelkunde (Mikroskopie, Zeitschrift für mikroskopische Forschung und Methodik 4, 1949, S. 361 ff.), auf die Möglichkeit der Konservierung gelegentlicher Fingerabdrücke im Wachse bei der Besiegelung gegeben hat. In einigen Fällen ist man in der Lage, die zur Erkenntnis der physischen Erscheinung der Menschen kaum zureichenden Leichenreste durch etwa noch vorhandene Kleidungs- oder Rüstungsstücke zu vertreten, die den Habitus ihres Trägers deutlich zu machen vermögen. Den meist nur an-

2. Grabstätten

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geblichen Überbleibseln wie etwa abgeschnittenen Haaren — so besitzt die Bibliothek des Kunsthistorischen Museums in Wien in der Sammlung des Majors Kraushaar auch einige „Haare Maximilians I." — wird auf jeden Fall mit Mißtrauen zu begegnen sein.

2. GRABSTÄTTEN Die Untersuchung der Gräber hat zu allen Zeiten eine merkwürdige Anziehungskraft auf die Lebenden geübt — aus verschiedenen Gründen: ehrfürchtiger Scheu, Pietät, befugter oder unbefugter Neugier, Plünderungssucht. Als Denkmale und Zeugnisse sind sie bereits von den Historikern des Mittelalters stark beachtet worden: abgesehen von wirklichen oder vermeintlichen Heiligen- und Bischofsgräbern wollte man im Pongau im XIII. Jahrhundert das Grab eines Herzogs Theodo und seiner Gemahlin Gleisnot gefunden haben, siehe MG., SS. 17, 360, und dazu Erich Zöllner, Woher stammte der hl. Rupert? MIÖG. 57 (1949), S. 2 Anm. 8; urgeschichtliche Gräber in Niederösterreich dürften die phantastische Geschichte der Frühzeit Österreichs aus dem Kreise Herzog Rudolfs IV. (siehe unten S. 316) zum erheblichen Teile inspiriert oder wenigstens gefärbt haben. Systematische Besichtigung, wenn auch noch nicht Öffnung, der Grabstätten wurde urti 1450 durch Thomas Ebendorfer in die Forschungspraxis eingeführt; siehe Alphons Lhotsky, Studien zur Ausgabe der österreichischen Chronik des Thomas Ebendorfer, MIÖG. 57 (1949), S. 221 ff. Ein Menschenalter nach ihm hat Dr. Mennel erklärt, daß er in annalibus, martirologiis,

Seelbüchern,

sarchen, gröblichen überschritten . . . den Stoff für seine genealogischen Darstellungen erhoben habe; siehe Alphons Lhotsky, Dr. Jacob Mennel, ein Vorarlberger im Kreise Maximilians I. (Alemannia N.F. 2, 1936), S. 5. Auf der Höhe des Barock hat — gefördert durch Kaiser Karl VI. — P. Marquard Herrgott viele Gräber auch mittelalterlicher Mitglieder der Dynastie sogar öffnen dürfen und im IV. Teile seiner Monumenta augustissimae Domus Austriacae, vollendet nach seinem Tode von Martin Gerbert als Taphographia (2 Teile, St. Blasien 1772), in Abbildungen festgehalten. Schließlich hat die im Jahre 1853 gegründete Centralcommission für die Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale (seit 1921 Bundesdenkmalamt, Wien I., In der Burg) auch den Grabstätten ihre Sorgfalt zugewendet, bei Restaurierungsarbeiten manchen wichtigen Fund gesichert und darüber hauptsächlich in ihren Mitteilungen berichtet, wogegen die sich um die gleiche Zeit als Universitätslehrfach durchsetzende Kunstgeschichte verständlicherweise nur den Grabdenkmälern usw. Beachtung widmete. Auch wenn die Leichname längst transferiert oder verschollen sind, können Grabstätten in mehrfacher Hinsicht Quellenwert haben. Zunächst durch ihr Vorhandensein überhaupt, durch die Art ihrer Anlage und durch ihre etwa noch erkennbaren Schicksale; es sei nur an die frühen Nekropolen

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Systematischer Teil

erinnert, an Hallstatt, an die orientierten Reihengräber der bairischen Zeit usw. Siehe Hertha Ladenbauer-Orel, Linz-Zizlau, das baierische Gräberfeld an der Traunmündung (Wien 1960), für das VI. und VII., Richard Pittioni, Der frühmittelalterliche Gräberfund von Köttlach (Brünn 1943), für das I X . und X . Jahrhundert. Erheblich ist in der Regel auch die Lage der Gräber zu Siedlungen, zu Gotteshäusern (außerhalb, innerhalb, in der Mauer selbst) usw., ferner die noch in vielen Fällen erkennbare Qualität des Sarges und die Behandlung des Leichnams, wobei auch das Brauchtum zu erkennen ist, endlich durch die zuweilen erhaltenen Grabbeigaben und durch die inschriftliche und künstlerische Bezeichnung der Grabstelle selbst. Vgl. zunächst im allgemeinen: Joseph R . v. Bergmann, Über den Wert von Grabdenkmalen und ihren Inschriften (Mittheilungen der Centralcommission 2, 1857, S. 141 ff., Anton Widter, Über den Zustand der alten Grabdenkmale in Österreich (Berichte und Mittheilungen des Alterthumsvereines zu Wien 2, 1857, S. 242 ff.), Karl Lind, Die Grabdenkmale während des Mittelalters, ebd. 11 (1870), S. 163 ff., ders., Zur Kunde mittelalterlicher Grabdenkmale in Österreich (Wien 1880), Norbert Dechant, Kenotaphiographia Scotensis, das ist Beschreibung aller Grabdenkmale im Bereiche der Stadtpfarrkirche bei den Schotten in Wien (Wien 1877), Ubald Kostersitz, Monumenta sepulchralia Claustroneoburgi (Wien 1881), Michael Walz, Die Grabdenkmäler von St. Peter und Nonnberg zu Salzburg (Mittheilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 15, 1875, Anhang mit eigener Seitenzählung), Rudolf Zimmerl, Die Entwicklung der Grabinschriften Österreichs (Jahrbuch der österreichischen Leo-Gesellschaft 1934, S. 185 ff.). Schon Bergmann hat die Schaffung eines Corpus epitaphiorum angeregt. Hier kann nur von den landesfürstlichen Grabstätten des näheren gehandelt werden. Was die B a b e n b e r g e r betrifft, so sei zunächst auf das S. 66 über Inschriften Gesagte hingewiesen. Die Gräber der Herzoge Leopold VI. (Stiftskirche Lilienfeld) und Friedrich II. (Stift Heiligenkreuz, Kapitelsaal) — dort ein Sarkophag, hier eine (beschädigte) Deckplatte mit Relieffigur — haben auch kunstgeschichtliche Wichtigkeit; bezüglich der Mißdeutung dieser Figur siehe MIÖG. 57, 226 f. Für die H a b s b u r g e r , insoferne sie Könige (Kaiser) waren, sei zunächst auf Eugen Guglia, Die Geburts-, Sterbe- und Grabstätten der Römisch-deutschen Kaiser und Könige (Wien 1914), hingewiesen; für Rudolf I. und Albrecht I. genüge hier der Hinweis auf die oben S. 24 angeführte Arbeit von Grauert. Bezüglich der spätmittelalterlichen Habsburger ist zunächst auf die oft übersehene Zusammenstellung von Wilhelm Anton Neumann, Die Fürstengruft von St. Stephan (Wiener Dombauvereinsblatt 20, Nr. 5 vom 16. August 1901 und Fortsetzungen), sowie Maja Loehr, Archivalisches zu den Fürstengräbern im St. Stephansdom (österreichische Zeitschrift für Denkmalpflege 6,1952, S. 128 ff.), aufmerksam zu machen; auf andere, wie namentlich das Grab des Herzogs (Erzherzogs) Ernst, wird zurückzukommen sein. Rudolf Zykan, Das Grabmal Rudolfs des Stifters (österreichische Zeitschrift für Denkmalpflege 1932, Heft 1/2, S. 21 ff.); für Friedrich III. und Maximilian I. siehe Friedrich Wimmer und Ernst Klebel, Das Grabmal Friedrichs III. (Wien 1924), David v. Schönherr, Geschichte des Grabmals Kaiser Maximilians I. und der Hofkirche zu Innsbruck (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen usw. 11, 1890, S. 140 ff.), und Vinzenz Oberhammer, Die Bronzestandbilder am Grabmal Kaiser Maximilians I. in der Hofkirche zu Innsbruck (Innsbruck 1935). Ferner Oswald Graf Trapp, Die Grabstätten der Landesfürsten und ihrer Familienmitglieder in Tirol (Jahrbuch der Vereinigung katholischer Edelleute in Österreich 1933, S. 85 ff.), und Josef

2. Grabstätten

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Feil, Die Fürstinnengräber bei den Minoriten in Wien (Berichte und Mittheilungen des Alterthums-Vereines in Wien 26, 1890, S. 48 ff.). Adelige, geistliche, bürgerliche und Judengrabstätten sind in den lokalen Zeitschriften, am besten aber — soweit bis jetzt erschienen — in der österreichischen Kunsttopographie beschrieben und meist auch abgebildet; für die geistlichen sind überdies die Geschichtsdarstellungen der Klöster, Dom- und Pfarrkirchen zu beachten. Ein merkwürdiger Fall ist das angebliche Grabmal des ritterlichen Sängers Neidhard Fuchs an der Wiener Stephanskirche, das wohl schon Rudolf IV. in gutem Glauben dorthin versetzen ließ; es scheint, daß der Herzog die Hauptkirche seiner Residenzstadt zu einem Sammelpunkte solcher Erinnerungen ausgestalten wollte, und es muß in der Öffentlichkeit starke Beachtung gefunden haben, denn eine Vokabularhandschrift, cvp. n. 164, ist geradezu nach diesem denkwürdigen Ereignis datiert worden. U m 1940 tauchte im Wiener Kunsthandel die Steinfigur eines Fuchses auf, der zu diesem Grabmale gehören soll; dies schien wohl fraglich, doch ist das Objekt damals von der Plastiksammlung des Kunsthistorischen Museums angekauft worden. Siehe im übrigen Edmund Wießner, Neidharts Grabdenkmal am Wiener St. Stephansdome (Wiener Geschichtsblätter 13, 1958, S. 30 ff.). Die G r a b b e i g a b e n sind keineswegs nur für die Urgeschichte wichtig, auch der Erforschung des Mittelalters geben sie manchen Hinweis; siehe oben Ladenbauer und Pittioni. Die Sitte, den Toten Schmuck, Gebrauchsgegenstände, Waffen, Devotionalien ins Grab zu legen, hat niemals aufgehört; ein erheblicher Teil des Musealbesitzes an Keramik, Werkzeugen aller Art, Ringen, Ketten und auch Münzen stammt aus Gräbern, aber auch Textilien (siehe unten S. 32). Seit dem X I I . Jahrhundert (doch ist der Brauch sicherlich viel älter) wurde es in steigendem Maße üblich, Gegenstände aus Blei, dem „toten" Metalle, in die Särge zu legen; schon im Grabe Kaiser Heinrichs IV. fand sich ein bleiernes Kreuz, unter den Habsburgern wurden solche aber geradezu Regel (siehe Neumann a. a. O.), und zwar mit Inschriften. Über die gelegentlich der Erhebung der Reliquien des hl. Valentin in Passau um 1120 in dessen Sarg gefundene Bleitafel siehe A. Seider, Die Bleitafel im Sarge des hl. Valentin, in: Festgabe Alois Knöpfler (Freiburg i. B. 1907), S. 254 ff., und Anselm Sparber, Das Bistum Sabiona (Brixen 1942), S. 22. Über die Bleiplatte von 1304 im Stiftergrabe zu Kremsmünster siehe Altmann Kellner, Zeugnisse des Stiftergrabes, in: Festschrift zum 400jährigen Bestände des öffentlichen Obergymnasiums der Benediktiner zu Kremsmünster (Wels 1949), S. 246 f. A m 1. Juni 1870 hat man bei Restaurierungsarbeiten im St.-Veits-Dome in Prag zwei Gräber entdeckt, die mit Hilfe solcher Bleizeichen einwandfrei als die König Rudolfs (als Herzog von Österreich als III. gezählt, 1 1307) und des gelegentlich eines Besuches bei seiner Schwester Guta in Prag verstorbenen Herzogs Rudolf II. (f 1290) agnosziert werden konnten. Schon Kaiser Franz II. hatte nach diesen Gräbern suchen lassen. Befremden erregt, daß sich auf dem Kreuze Rudolfs III. die gehässige Inschrift findet: Rudolphus Boemie dux (!) filius Alberti regis Romanorum dictus Cassye, eine unmißverständliche Anspielung auf den auch anderwärts bezeugten Spottnamen Rudolfs als kräl kaie, die aber vermutlich nicht schon 1307, sondern erst zur Zeit Karls IV. beigegeben wurde, der, nach dem Vorbilde von St.-Denis, die Leichen der böhmischen Herrscher nach Prag bringen ließ ; es wirft ein merkwürdiges Licht auf die luxemburgisch-habsburgische Freundschaft. Siehe die entsprechenden Notizen in den Mitteilungen der Centralcommission usw. 15 (1870), S. XCIV. Selten sind einzelne Särge Musealgut geworden, wie etwa der kupferne Sarg des von Ottokar II. 1271 hingerichteten Seifried von Mahrenberg im Ioanneum (Graz). Was schließlich die architektonische und plastische sowie die inschriftliche Seite der Grabmäler betrifft, so werden Einzelheiten auch in den folgenden

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Systematischer Tell

Abschnitten, wo von Kleidung, Waffen, Orden, Symbolen, Wappen und Inschriften die Rede ist, zur Sprache kommen, nicht zuletzt im weiten Bereiche der Ikonographie. Oft genug sind Grabanlagen, darunter sehr bedeutende, teils Brandkatastrophen zum Opfer gefallen (wie etwa die Babenbergergräber in Melk), teils kurzerhand, zuweilen aus recht eigensüchtigen Motiven, beseitigt worden. Da kann der Fall eintreten, daß man, etwa aus Herrgotts Taphographie und den in ihr reproduzierten Zeichnungen, bzw. Kupferstichen, Salomon Kleiners, mit Abbildungen vorliebnehmen muß, wie ζ. B. für das von Herzog Rudolf IV. gestiftete Kolomangrab in Melk. Zu den kunstgeschichtlich wichtigsten verlorenen Denkmälern solcher Art zählt das schöne Hochgrab der Herzogin Bianca (Schwester Königs Philipp IV. von Frankreich, der ersten Gattin Herzog Rudolfs III., f 1305), in der Minoritenkirche in Wien; allem Anscheine nach hat der Baumeister Johann Hetzendorf v. Hohenberg in der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts im Zuge der „Purifikation" der gotischen Kirchen Wiens auch dieses Epitaph ausgeräumt und aus seinem Privatlapidarium dann, etwa gar stückweise, in den damals aufblühenden Antiquitätenhandel gebracht. Schon im Vormärz haben Joseph Feil und seine Freunde vergeblich nach diesem edlen Kunstwerke geforscht und sogar Grabungen veranstaltet, die freilich zu keinem Ergebnisse führten.

3. SIEDLUNGEN Wennschon nicht die gelegentliche, so doch die länger dauernde Anwesenheit menschlicher Verbände an einem Orte hinterläßt unverkennbare Spuren in allen Stadien — von der steinzeitlichen Höhle bis zur modernen Großstadt, deren Konfiguration durch alle gewaltsamen Korrekturen der Neuzeit hindurch immer noch ältere, oft sehr alte Phasen erkennen läßt. Die einschlägigen Probleme des österreichischen Hauptfalles Wien sind — unter Verarbeitung aller älteren Literatur — von Karl Oettinger, Das Werden Wiens (Wien 1950), zusammenfassend dargestellt, im einzelnen wohl auch kühn interpretiert worden. Vgl. dazu Karl Lechner in: Unsere Heimat 23 (1952), S. 45 ff., ebd. Oettingers Entgegnung S. 123 ff., Lechners Erwiderung S. 127 ff. und die Bemerkungen von Eberhard Kranzmayer ebd. S. 67 ff. und 129 ff. Die einzelne Siedlung mit allem, was dazu gehört, namentlich dem Wehrsystem, kann in manchen Fällen die Stammeszugehörigkeit derer, die sie schufen, die Schicksalsschläge, die sie hinnehmen mußten, und alles andere, was die moderne Fragestellung an solche Denkmale formuliert, verraten. Zur Einführung sei auf Robert Gradmann, Siedlungsformen als Geschichtsquelle und historisches Problem (Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 7, 1943, S. 25 ff.), und Herbert Schienger, Forschungsprobleme der modernen Siedlungskunde (Blätter für deutsche Landesgeschichte 88, 1951, S. 41 ff.), hingewiesen. In den letzten Jahren hat sich in Österreich Adalbert Κ 1 a a r durch seine ergebnisreichen Siedelungsplan-Untersuchungen einen Namen gemacht, nachdem er schon vor Jahrzehnten sein Programm ausgesprochen hatte: „Ein richtig gesehener Ortsplan kann einen wahrheitsgetreuen Abriß der Ortsvergangenheit bieten" und „ergänzend für das fehlende Urkundenmaterial eintreten", siehe Adalbert Klaar, Der Stadtplan von Tulln (Unsere Heimat 4,1931), S. 253. Er ist aber doch wohl zu bescheiden gewesen,

3. Siedlungen

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wenn er als „die Aufgabe des Siedlungstechnikers" nur die bezeichnete, „das Konstruktive eines Ortsplanes zu erklären und daraus die richtige anschauliche Bezeichnung zu finden", also das Siedlungsobjekt als solches und mithin als Denkmal zu beschreiben und zu erläutern, wobei „die entscheidende Lösung über den Ursprung und das Alter einer Siedelung nach wie vor dem Geschichtsforscher zu überlassen" sei (S. 259); in der Praxis wird das eine vom anderen doch nicht leicht zu trennen sein. Wertvolle Hinweise gibt die von Rudolf Steuer zusammengestellte Adalbert Klaar Bibliographie, Jb. Lk. NÖ., N. F. 34 (1960), S. 347 ff. Siehe im übrigen auch — wieder nur beispielsweise — Eberhard Kranzmayer, Die Besiedlung in der Geschichts- und Namenkunde (Unsere Heimat 26, 1956), S. 2 ff. Daß Siedlungen als einzelne Phänomene quellenmäßige Auskünfte zu geben vermögen, ist im allgemeinen der seltenere Fall; ihre Archäologie wird, da sie ja selbst nur Objektivationen weit größerer „Tatsachen" sind, eben erst im Zusammenhange mit größeren Fragestellungen zu voller Ergiebigkeit gelangen können: Bewegung der Stämme, Kolonisation, Kontinuität usw. Ähnlich der naturwissenschaftlichen Praxis müssen auch hier Reihenuntersuchungen durchgeführt werden, ehe man zu tragfähigen Erkenntnissen zu gelangen vermag; außer den zahllosen Mitteilungen in den landeskundlichen Organen mögen dabei, als oft sehr nützliche Vorarbeiten, die in den letzten Jahrzehnten an allen österreichischen Universitäten verfaßten Dissertationen und anderen schriftlichen Prüfungsarbeiten nicht übersehen werden. Eine Gesamtbibliographie fehlt noch; welch ein Reichtum dabei zu bewältigen sein würde, lehrt Karl Lechner, Bibliographie zur Landeskunde der nördlichen Hälfte der Gaue Niederdonau und Wien (von Nöchling bis Theben) 1920—1938 (Wien 1940). Ein bekanntes älteres Beispiel dieses zukunftreichen Arbeitszweiges gab Alfred Grund, Die Veränderungen der Topographie im Wienerwalde und Wiener Becken (Geographische Abhandlungen 8, 1901, l . H e f t ) ; ein neueres Beispiel umsichtiger Verwertung der Data zeigt Anton Schachinger, Der Wienerwald (Forschungen zur Landeskunde von Niederösterreich 1/2, Wien 1934). Im allgemeinen siehe Karl Lechner, Leistungen und Aufgaben siedlungsgeschichtlicher Forschung in den österreichischen Ländern mit besonderer Berücksichtigung von Niederdonau (Archiv für Landes- und Volksforschung 4,1940, S. 494 ff.), Ernst Klebel, Siedlungsgeschichte des deutschen Südostens (München 1940), sowie Hugo und Herbert Hassinger, Wegweiser für Landesund Volksforschung (Horn 1950), im besonderen ζ. B. Herbert Klein, Das große Sterben von 1348/49 und seine Auswirkung auf die Besiedlung der Ostalpenländer (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 100, 1960, S. 91 ff.). Von den übergeordneten Problemen ist die Frage der k o n t i n u i e r l i c h e n B e s i e d l u n g einzelner Landschaften und Städte seit der Römerzeit eine der bedeutsamsten. An das Hauptwerk von Alfons Dopsch, Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung von Caesar bis Karl den Großen (2 Bde. 2Wien 1925) haben sich fruchtbare Diskussionen und neue Untersuchungen geschlossen (bis auf Oettinger), die im wesentlichen auf eine Bejahung der aufgeworfenen Frage hinauslaufen. Demgegenüber wird allerdings Karl Lechners wiederholte Warnung vor Fällen der „Scheinkontinuität" immer zu beachten sein. An allgemeiner Literatur sei etwa, aus jüngerer Zeit, genannt : Otto Höfler, Das germanische Kontinuitätsproblem (Hamburg 1937), Erna Patzelt, Die Kontinuitätsfrage, in: Wirtschaft und Kultur, Festschrift

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zum 70. Geburtstag von Alfons Dopsch (Baden b. "Wien 1938), S. 18 ff., Hermann Aubin, Zur Frage der historischen Kontinuität (HZ. 168,1943, S. 229 ff.) und Vom Altertum zum Mittelalter (München 1949), S. 33 ff. : „Zur Frage der historischen Kontinuität im allgemeinen". Über die Kontinuität romanischer Flurformen siehe Eugen Ewig, Das Fortleben römischer Institutionen in Gallien und Germanien (Comitato internazionale di scienze storiche, X Congresso, Relazioni VI, Florenz 1955), S. 561 ff., bzw. S. 583 Anm. 1. Eine besondere Seite des Problems beleuchtete Harold Steinacker, Traditio cartae und Traditio per cartam, ein Kontinuitätsproblem (Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte usw. 5/6, 1959/60, S. 1 ff.). Neben den modernen, unmittelbar konstatierbaren Befunden geben alte Landkarten, Pläne und bildliche Darstellungen mitunter wichtige Hinweise, doch soll von diesen Denkmalen erst im Zusammenhange mit Ikonographie (S. 40) und Anwendung graphischer Technik (S. 47) des näheren gehandelt werden. Daß bei der Rekonstruktion vergangener Siedlungsbilder neben den bildlichen auch schriftliche Quellen in Betracht kommen, ja diese durch jene (und umgekehrt) erst recht verständlich werden, lehren viele methodisch ausgezeichnete Studien, im besonderen wieder die Arbeiten von Adalbert Klaar (siehe dessen S. 29 erwähntes Schriftenverzeichnis). Die Untersuchung der römischen Siedlungsgrundrisse ist Sache der Archäologie; über die Tabula Peutingeriana siehe S. 143. Siehe auch Ernst Bernleithner, Niederösterreich im Kartenbilde der Zeiten (Unsere Heimat 24, 1953, S. 188 ff.), Hans Meyer, Grenzen, Aussichten und Methoden der Auswertung des Städtebildes für die Geschichtsforschung, HZ. 150 (1934), S. 306 ff., und hier S. 46 f. Die noch vor wenigen Jahren, angeregt durch Karl H. Brunner, Weisungen der Vogelschau (München 1928), und einige praktische Erfolge im Bereiche der Archäologie, erhebliche Vorliebe für photomechanische Städteaufnahmen ist etwas abgeflaut; Richard Schlegel, Das Stadtbild von Salzburg (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 79, 1939, S. 1 ff.), schrieb nicht ohne Grund (S. 8): „Das Lichtbild kann uns kein Stadtbild mehr schenken, auch die Flugaufnahme nicht — niemals kann die mechanische Nachbildung die Gestaltung ersetzen." Siehe schließlich als Einführung in ein auch die österreichischen Länder berührendes wichtiges Problem Wilhelm Abel, Die Wüstungen des ausgehenden Mittelalters ("Stuttgart 1955).

4. B A U W E R K E Der quellenmäßige Wert der freilich oft nur noch in dürftigen Resten erhaltenen und dann der gedanklichen Rekonstruktion bedürftigen Gebäude aller Art ist unter Umständen sehr hoch. Man könnte vorschlagsweise unterscheiden : 1. Sakralbauten, 2. Wehrbauten, 3. Wohnbauten und 4. technische Anlagen. Ihre Untersuchung obliegt der fachmännischen Archäologie, Kunstgeschichte, Volkskunde und der in den letzten Jahren aufstrebenden Technikgeschichte, deren Experten dem Historiker die nötigen Data liefern. Daß Erkenntnisse etwa über Bauunterbrechung, Meisterwechsel, Umbestimmung in zwecklicher Hinsicht, Dispositionsänderungen usw., mitunter wichtige Rückschlüsse auf politische und kulturelle Einflüsse, wirt-

4. Bauwerke

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schaftliche Lage, Umfang bestimmter Katastrophen usw. gestatten, versteht sich. Aber auch die künstlerische Qualität wird, bei richtiger Interpretation, Aufschlüsse geben können, die der literarischen Tradition allein nicht zu entnehmen sein würden. Siehe im allgemeinen Oscar Doering, Deutschlands mittelalterliche Kunstdenkmäler als Geschichtsquelle (Hiersemanns Handbücher VII, Leipzig 1910). Zur ersten Übersicht das Dehio-Handbuch, Die Kunstdenkmäler Österreichs (4. Auflage Wien 1955), ferner die österreichische Kunsttopographie (Wien 1907 ff.). Sakralbauten sind, wo nicht Monographien vorliegen, für die Zwecke des Historikers am besten in der genannten Kunsttopographie behandelt worden. Für ihre Interpretation ist immer noch Joseph Sauer, Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der Auffassung des Mittelalters ('Freiburg i. B. 1924), wichtig, Joseph Braun, Der christliche Altar (2 Bde. München 1924), Josef Jungmann, Missarum sollemnia (2 Bde. Wien 1948 u. ö.), Hans Sedlmayr, Die Entstehung der Kathedrale (Wien 1950) und im übrigen die Handbücher der Kunstgeschichte. Das Interesse an den W e h r b a u t e n hat in den letzten Jahren teils durch die im Vereine mit Bundesdenkmalamt und Archiven im Jahre 1950 eingesetzte Kommission für Burgenforschung der österreichischen Akademie der Wissenschaften (Obmann August v. Loehr, seit 1960 Otto Demus), teils durch das wachsende Interesse für mittelalterliche Königspfalzen (Hermann Heimpel in Göttingen), Aufschwung genommen. Heute gilt es, außer der Deskription auch alle rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen aufzugreifen; siehe Ernst Klebel, Mittelalterliche Burgen und ihr Recht (Anzeiger 89, 1952, S. 370 ff.), Johanna Mayer, Die landesfürstliche Burgenpolitik in Niederösterreich (Wiener Dissertation Nr. 15822/1943). Die W o h n b a u t e n haben teils in landeskundlichen Zeitschriften, teils in den Geschichtsdarstellungen der Städte und auch in der Kunsttopographie vielseitige Behandlung erfahren; siehe Kurt Alexander Sommer, Bauernhofbibliographie (Leipzig 1944). Adelige Wohnsitze ohne Wehrcharakter (etwa Jagdschlösser, wie sich Maximilian I. noch 1518 eines am Heiterwangersee bauen lassen wollte, oder Häuser in Städten) sind, aus dem Mittelalter, wenige erhalten, vgl. S. 32. Was t e c h n i s c h e Anlagen betrifft, so werden sie fallweise auch bis ins Mittelalter verfolgt in den Blättern für Geschichte der Technik (seit 1932), bzw. derzeit Blätter für Technikgeschichte, daneben auch museal dargestellt im Museum österreichischer Kultur (Wien I, Neue Burg), sowie im Technischen Museum Wien X I V und mehr oder weniger in allen größeren Landes- und städtischen sowie volkskundlichen Museen Österreichs; siehe Jahrbuch der österreichischen Wissenschaft 4 (Wien 1957/58). Es muß hier genügen, das Schrifttum wenigstens für die wichtigsten landesfürstlichen B u r g e n anzugeben. Klosterneuburg : Karl Oettinger, Die Babenbergerpfalz in Klosterneuburg, MIÖG. 55 (1954), S. 147 ff. Wien: Theodor Georg v. Karajan, Die alte Kaiserburg zu Wien vor dem Jahre MD (Berichte und Mittheilungen des Alterthumsvereines zu Wien 6, 1863), „Kleine Hauschronik" S. 38 ff., Hans Folnesics, Die herzogliche Burg zu Wien im Mittelalter (Kunstgeschichtiiches Jahrbuch der k. k. Zentralkommission 3, 1909), Beiblatt S. 27 ff., Moriz Dreger, Baugeschichte der k. k. Hofburg in Wien (österreichische Kunsttopographie 14, Wien 1914). Wiener Neustadt: Johann Jobst, Die Neustädter Burg und die k. u. k. Theresianische Militärakademie (Wien und Leipzig 1908). Graz: Viktor Thiel, Die landesfürstliche Burg in Graz und ihre historische Entwicklung (Beiträge zur Kunstgeschichte Steiermarks und Kärntens 3, Wien-Graz-Leipzig 1927). Linz: Alfred Hoff-

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mann, Baugeschichte der Linzer Burg (Schriftenreihe Linz, Erbe und Sendung, Linz o. J.). Innsbruck: Moriz Dreger, Zur ältesten Geschichte der Innsbrucker Hofburg (Kunst und Kunsthandwerk 1921), Josef Garber, Das Goldene Dachl in Innsbruck (Die Kunst in Tirol, Wien 1922). Auch zur allgemeinen B u r g e n l i t e r a t u r kann hier nur eine knappe Auswahl vorwiegend neuerer Arbeiten angeführt werden: Carl Schuchhardt, Die Burg im Wandel der Weltgeschichte (Museum der Weltgeschichte 5, Potsdam 1931); Karl Lechner, Entwicklung und Probleme der Burgenforschung (Unsere Heimat 22, 1951, S. 97 ff.); Verzeichnis österreichischer Burgen und Schlösser, weltlicher und geistlicher Amts- und Herrschaftssitze, Gülthöfe, städtischer Schutzbauten (Wien 1955). Für die Bundesländer vor allem die sehr zahlreichen Aufsätze in Zeitschriften, insbesondere die Arbeiten von Felix Halmer und dessen Karte der Wehrbauten in Niederösterreich (Wien 1948), Baravalle-Knapp, Steirische Burgen und Schlösser (Graz 1938/61, Franz X. Kohla, Kärntens Burgen, Schlösser und wehrhafte Stätten (Archiv für vaterländische Geschichte und Topographie 38, 1953), Werner Knapp, Burgen um Innsbruck (Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung 4, 1940, S. 110 ff.) und Josef Weingartner, Tiroler Burgenkunde (Innsbruck 1950). Für die S t ä d t e ist nochmals auf die Städtegeschichten hinzuweisen, insbesondere auf die einschlägigen Beiträge zur Geschichte der Stadt Wien 1—3, dazu Otto Brunner, Die Finanzen der Stadt Wien von den Anfängen bis ins XVI. Jahrhundert (Studien aus dem Archiv der Stadt Wien 1/2, Wien 1929, S. 361 ff.), ferner Heinrich Hammer, Die baugeschichtliche Entwicklung Innsbrucks (Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs 16/17, 1919/20), S. 58 ff., Otto Stolz, Die Bauart der Innsbrucker Bürgerhäuser im Mittelalter (Veröffentlichungen des Ferdinandeums XX/XXV, 1947, S. 17ff.), Moriz Dreger, Innsbrucker Dächer, in: Festschrift der Nationalbibliothek in Wien (Wien 1926) S. 211 ff. Geistesgeschichtliche Erkenntnisse, die sich an die Interpretation der Bauwerke (und aller Kunstwerke) schließen: ζ. B. für St. Stephan in Wien Hans Sedlmayr, Die gotische Kathedrale Frankreichs als europäische Königskirche (Anzeiger 86, 1949), S. 403; außerdem Werner Weisbach, Ausdrucksgestaltung in mittelalterlicher Kunst (Zürich 1948), und Religiöse Reform und mittelalterliche Kunst (Zürich 1945), Werner Groß, Die abendländische Architektur um 1300 (Stuttgart 1948), Günther Bandmann, Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger (Berlin 1951), und dazu die Bemerkungen von Percy Ernst Schramm HZ. 174 (1952), S. 568 ff., Hans Sedlmayr, Architektur als abbildende Kunst, SB. Wien 225 (1948), 3. Abhandlung. — Zur Ikonographie der Bauwerke siehe unten S. 46 f.

5. TEXTILIEN Die aus dem Mittelalter überkommenen, an Zahl recht geringfügigen, qualitativ aber gutenteils sehr wertvollen Textilien, hauptsächlich Kleider und Kirchengewänder, sodann Tapisserien, sind ebenfalls nicht bloß in technischer Hinsicht bedeutsame Denkmale. So beispielsweise das Totengewand Herzog Rudolfs IV. (siehe weiter unten), ferner Moriz Dreger, Der Gösser Ornat im k. k. Österreichischen Museum für Kunst und Industrie (Kunst und Kunsthandwerk 11, 1908, S. 613 ff.), und Hans v. Ankwicz-Kleehoven, Der Gobelin des Dr. Fuchsmagen in Heiligenkreuz (Alt-Wiener Kalender 1924, S. 64 ff.). Klösterliche und weltliche Schatzkammern, aber auch Grä-

5. Textilien

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ber haben den Großteil des heute noch Erhaltenen aufbewahrt (einiges findet sich auch in Waffensammlungen, wie etwa Fahnen, als sehr frühes Beispiel die des 1386 bei Sempach gefallenen Döring von Eptingen, Wien, Kunsthistorisches Museum, Waffensammlung). Für den Historiker sind, wenigstens für das Mittelalter, die Kleiderreste von besonderem Interesse. Siehe auch Emil Hecht, Welches Gewebe ist das? (Stuttgart 1956). Kleider aufzubewahren, namentlich aber sie an geweihter Stätte zu hinterlegen, ist eine sehr alte Sitte, dürfte aber in Österreich vor dem Spätmittelalter kaum eine erhaltene Spur hinterlassen haben. So besaß noch im X V I I I . Jahrhundert die Kartause Gaming die Hochzeitskleider Herzog Albrechts II. (t 1358) und seiner Gattin Johanna, nebstbei auch die Eheringe; über die im Zuge der josephinischen Klösteraufhebung geschehene Verschleuderung dieser Gegenstände siehe Brunhilde Hoffmann, Die Aufhebung der Kartause Gaming (Wiener Dissertation Nr. 16557/1948), S. 71. Über das Totenkleid Herzog Rudolfs IV. handelte Hans v. Demel, Das Leichengewand Herzog Rudolfs IV. von Österreich (Kirchenkunst 5,1933, S. 33 ff.). Verschwunden sind Fragmente des Totengewandes Herzog Emsts, die aus dem verfallenden Grabe in Reun von Kindern herausgezogen wurden; siehe Anton v. Perger, Beiträge zum Studium mittelalterlicher Plastik in Niederösterreich (Mittheilungen der Centralcommission 12, 1867), S. L X X V I I f. Dagegen hat sich ein Stückchen seines Waffenrockes unter den „Curiosa varia" des Stiftes Admont erhalten (Stiftsarchiv) ; siehe Joseph Wichner in den Beiträgen zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen 11 (1874), S. 74. Franz Gustav Hann, Theile eines Meßgewandes aus dem Ausgange des Mittelalters im Oratorium der Pfarrkirche in Kraig (Carinthia I, 86, 1896), S. 24. In der neueren Zeit wurde es üblich, Kleider fürstlicher Personen zu Meßkleidern umarbeiten zu lassen; so schon Maximilian I. mit den Toiletten seiner Gattin Bianca Maria. Im allgemeinen siehe Joseph Braun, Die liturgische Gewandung (Freiburg i. B. 1907). Eine brauchbare K o s t ü m k u n d e der österreichischen Länder ist für das Mittelalter noch nicht verfaßt worden und dürfte auch ungewöhnlichen Schwierigkeiten begegnen. Größtenteils würde man dabei auf die wenigen schriftlichen Aussagen angewiesen sein, denn wie weit die plastischen und malerischen Leistungen — angefangen von den Militär- und Zivilgrabsteinen der Spätantike — jeweils die wirkliche Tracht darstellen, steht nicht sicher. Merkwürdig ist ein Bericht aus spätbabenbergerischer Zeit über die Nachäffungssucht besonders der Wiener und Österreicher in Kleidung und Barttracht, die den Osterliuten den Spottnamen Osteraffen eintrug: man könne da „Sachsen" aus Wien, „Thüringer" aus Wiener Neustadt, „Polen" aus Bruck a. d. L., „Rheinfranken" aus Trübensee, „Hessen" aus Tulln, „Westfalen" aus Krems sehen, und das Wunderlichste sei, daß diese Leute auch die Dialekte dieser Stämme nachzuahmen suchten; siehe Theodor Georg v. Karajan, Über den Leumund der Österreicher, Böhmen und Ungarn, SB. Wien 42 (1863), S. 461 f. Die vom Abte von Königssaal (FRA. 1/8, p. 469) berichtete Moderevolution in Böhmen um 1300 wird gewiß auch in Österreich Entsprechung gefunden haben; siehe Joseph Zahn, Anonymi Leobiensis Chronicon (Graz 1865), S. 28 ff., aus cod. Graec. n. 290, f. 104'. Vgl. ferner Johann Evangelista Schlager, Wiener Skizzen, N. F. 3 (Wien 1846), S. 295 ff. : Urkundliche Notizen über die Wiener Kleidertracht vom Jahre 1396 bis 1430. Für das X V . Jahrhundert würde den Predigten (insbesondere den Fastenpredigten) eines Nicolaus v. Dinkelsbühl, Thomas Ebendorfer u. a. manche Notiz auch über Kleiderunsitten zu entnehmen sein, und auch die Dichter können darüber Auskunft geben ; hinsichtlich der Bildnisse siehe unten S. 42. Andeutungen über die feminine Männerkleidung und alberne Haarpflege der 3

Lhotsky, Quellenkunde

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Männer um Mitte des XV. Jahrhunderts siehe Johannes Hofer, Johannes von Capestrano (Innsbruck-Wien-München 1936), S. 334. Einen Überblick fürs erste gab Emil Pirchan, Kostüm-Kunde, die Bekleidungen aus fünf Jahrtausenden (Ravensburg 1952); wichtig ist Viktor v. Geramb, Steirisches Trachtenbuch, begr. v. Konrad Mautner (2 Bde. Graz 1932/38). Siehe im übrigen, freilich erst vorwiegend für die nachmittelalterliche Zeit, Gertraud Kallbrunner, Beiträge zur Geschichte der Kleiderordnungen mit besonderer Berücksichtigung Österreichs (Wiener Dissertation Nr. 16894/1949). Sorgfältige Interpretation auch urkundlicher Texte, namentlich der Testamente, würde hierin weiterführen.

6. W E R K Z E U G E Sie gehören zu den allerfrühesten Zeugen menschlicher Anwesenheit und Kunstfertigkeit. Aus der Urzeit und dem Altertum sind sie in verhältnismäßig größerer Anzahl überliefert als aus dem Mittelalter. Man kann dabei etwa unterscheiden: 1. Ackergeräte, 2. handwerkliche, einschließlich medizinische Geräte, Maße und Gewichte, 3. wissenschaftliche Instrumente, 4. Waffen, 5. Wagen. Manche dieser Objekte zeichnen sich durch hohen künstlerischen Wert aus, alle aber lassen durch den Grad ihrer technischen Ausführung und durch ihre Zweckbestimmung wichtige Schlußfolgerungen auf den Stand der jeweils erreichten Kulturhöhe zu. Was an Gegenständen, die in diese Kategorie fallen, noch vorhanden ist, besitzen heute zum ganz überwiegenden Teile die Museen. Weitgehend bedarf gerade dieses Kapitel der Unterstützung durch Philologie und Ikonographie. Was ( l ) d i e A c k e r g e r ä t e betrifft, so teilen sich in ihre Sichtung und Erforschung Wirtschaftsgeschichte und Volkskunde. Unter den zu (2) erwähnten Gegenständen wären als besondere Gruppen die Werkzeuge der R e c h t s p f l e g e hervorzuheben, wie sie besonders das Niederösterreichische Landesmuseum in der Sammlung Dr. Liebl besitzt. Was Maße und Gewichte anlangt, so ist es sehr zu bedauern, daß die noch vor etwas über hundert Jahren in Wien als „historisches Hilfsmittel" gelehrte M e t r o l o g i e heutzutage nicht mehr gepflegt wird (wenn man von der Chronologie absieht), obwohl doch gerade dieses Kapitel für die Interpretation vor allem der Privaturkunden von großer Wichtigkeit ist. Siehe etwa Benno Hilliger, Studien zu mittelalterlichen Maßen und Gewichten (Historische Viertel] ahrschrift 3, 1900, S. 161 ff.), und Karl Schalk, Zur Geschichte der alten Wiener Maße im XV. und XVI. Jahrhundert (BU. Lk. NÖ., N.F. 20,1888, S. 454 ff.). In diese Gruppe gehört aber auch alles das, was man im weitesten Sinne als H a u s r a t zu bezeichnen hat. Originalgegenstände haben sich aus dem kirchlichen Bereiche in weit größerer Anzahl erhalten; für vieles andere ist man auf schriftliche Erwähnungen, namentlich Inventare (vgl. S. 96 ff.), angewiesen, deren Interpretation zuweilen durch bildliche Darstellungen erleichtert werden kann. Altes Mobiliar ist sowohl in landesfürstlichen wie in Adelsschlössern und selbst in Klöstern nur noch wenig vorhanden, es sei denn, daß der Gegenstand mit einer bestimmten Person oder einem bestimmten Ereignis in Zusammenhang gebracht wurde (mit oder ohne Recht) und dann die Sammlerfreude neuzeitlicher Altertumsfreunde erregte. Auch im weltlichen Bereiche gab es „Reliquien", und schon Erzherzog Ferdinand (II.), wenn nicht schon Kaiser Maximilian I., sind Schwindeleien aller Art aufgesessen. Es ist unmöglich, hier eine Bibliographie zum Gegenstande zu bieten, doch mögen immerhin

6. Werkzeuge

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einige Winke dieser Art gegeben sein. Als literarische Quellen sind u. a. die Schachzabelbücher zu beachten, wie Beda Dudik, Handschriften der fürstlich Dietrichsteinschen Bibliothek zu Nikolsburg in Mähren, AföG. 39 (1868), S. 497, eines aus dem XV. Jahrhundert erwähnt hat, aus dem man eine Menge Utensilien des täglichen Lebens kennenlernt, von denen sich wohl nur sehr wenige oder gar keine erhalten haben. Wie man Inventare auswertet, zeigt sehr gut Oswald v. Zingerle, Die Einrichtung Tiroler Herrenhäuser im XV. Jahrhundert (Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg III. Reihe 49, 1905, S. 265 ff.). Bezüglich einzelner Gegenstände siehe etwa Otto Falke, Der romanische Faltstuhl aus Admont (Belvedere 16, 1935, S. 374 ff. ; das Objekt befindet sich im Besitze des im Jahre 1864 nach dem Muster des Southkensington-Museums in London gegründeten österreichischen Museums für Kunst und Industrie in Wien). Über den seit 1242 nachweislich im Gebrauche gestandenen elfenbeinernen Stuhl der Äbtissinnen des Stiftes Nonnberg in Salzburg siehe österreichische Kunsttopographie 7 (Wien 1911), S. 94. Brauttruhen (cassoni) meist italienischer Herkunft besitzt u. a. das Kunsthistorische Museum in Wien. Vgl. Paul Kristeller, Truhen und Truhenbilder der italienischen Frührenaissance (Kunst und Kunsthandwerk 19,1916, S. 145 ff.). Ferner Marcel Beck, Rota, Roc = Pluteus versatilis: über mittelalterliche Lesemaschinen (Zentralblatt für Bibliothekswesen 62, 1948, S. 291 ff.). Vieles, was in den Handel übergegangen war, konnte durch leidenschaftliche österreichische Sammler wie Graf Hans Wilczek (Schloß Kreuzenstein), Dr. Albert Figdor, Gustav Benda usw. wieder einigermaßen zusammengefaßt werden, wenngleich solche unorganische Bestände an Ensemblewert nicht von ferne denen gleichkommen, die aus einem bestimmten Bereiche erwachsen sind. Dafür, ebenso wie für die aus dem alten habsburgischen Besitze stammenden Objekte, siehe die allgemeinen und Spezialkataloge der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien und Schloß Ambras. An einschlägigen Arbeiten seien — außer z. B. Alfred Walcher v. Moltheim, Mittelalterliche Giebelschränke aus den Ostalpen (Belvedere 17, 1914, S. 1 ff.) — noch die im weitesten Sinne das S p i e l betreffenden hervorgehoben. Von der in erster Linie bedeutsamen Schachliteratur des Mittelalters (Jacobus de Cessolis, Kunrat von Ammenhausen) freilich geht nichts auf österreichische Rechnung; Mennels Abhandlung von 1498 für Maximilian I. (siehe unten S. 451) ist eine nicht sehr bedeutende Leistung. Siehe aber Albert Ilg, Das Spielbrett des Hans Kels (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des ah. Kaiserhauses 3, 1885, S. 53 ff.), mit einer bemerkenswerten Darstellung Kaiser Friedrichs III. mit dem Kannenorden, Ernst Hartmann v. Franzenshuld, Ein höfisches Kartenspiel des XV. Jahrhunderts (ebd. 1, 1883, S. 101 ff.), und Theodor Frimmel, Die Zeremonienringe in den Kunstsammlungen des ah. Kaiserhauses (ebd. 14,1893, S. 1 ff.), wo S. 10 auch ein ritterliches Spielzeug abgebildet ist, das leider nicht mehr erhalten ist. Vgl. schließlich auch noch Wilhelm Braun, Meisterwerke alten Kunstgewerbes in der Franzensburg zu Laxenburg (Belvedere 4, 1923, S. 14 ff.), sowie Julius v. Schlosser, Die Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance (Monographien des Kunstgewerbes 11, Leipzig 1908). Eine sehr brauchbare, auch für österreichische Verhältnisse durchaus gültige Darstellung — mehr als ein bloßer Versuch einer Realienkunde, wie sie die Altertumswissenschaft längst besitzt — bot Dietrich W. H. Schwarz, Sachgüter des Mittelalters und der Neuzeit, Deutsche Philologie im Aufriß, her. v. Wolfgang Stammler, 25./26. Lieferung, Berlin-Bielefeld-München 1956, Sp. 1083 ff.) mit vielen Literaturangaben (2. Aufl. 1961, Sp. 2025 ff.). Die (3) erwähnten w i s s e n s c h a f t l i c h e n Geräte, unter denen die mathematisch-astronomischen wohl am stärksten vertreten sind, finden sich in ausgezeichneten Exemplaren, wie sie dem hohen Stande dieser Disziplinen an der Wiener Universität im XV. Jahrhundert entsprechen, vor allem im alten 3*

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landesfürstlichen bzw. kaiserlichen Besitze (Friedrich III.). Was an Zirkeln, Winkelmessern, Bussolen, Uhren, Planetarien usw. dort, aber auch in Klöstern noch vorhanden ist, entnimmt man wiederum am besten den Sammlungskatalogen. Auch der recht primitiven Rechenbehelfe ist zu gedenken; ein besonders interessantes Exemplar — Samtbarett mit goldgewirktem Linienschema zum Rechnen — ist bei August v. Loehr, Österreichische Geldgeschichte (Veröffentlichungen des Instituts für Österreich. Geschichtsforschung 4, Wien 1946), S. 45, farbig reproduziert (XVI. Jahrhundert). Die fachwissenschaftliche Erklärung der Instrumente ist oft sehr schwierig. Vgl. außer dem unten S. 48 genannten Aufsatz von Klug die zahlreichen Veröffentlichungen von Ernst Zinner, der auch Grundlegendes über Uhren ermittelte; von seinen größeren Arbeiten seien nur genannt Deutsche und niederländische astronomische Instrumente des XI.—XVIII. Jahrhunderts (München 1956) und Sternglaube und Sternforschung (München 1953), denn es versteht sich, daß ein Großteil der oft sehr sumptuös ausgestatteten Instrumente für große Herren den trüben Zwecken astrologischer Berechnungen zu dienen hatte, deren Einfluß auf die politischen Entschlüsse unberechenbar ist. Vgl. außerdem den kleinen Katalog des Wiener Kunsthistorischen Museums Sonderschau in der Neuen Burg: Bildteppiche und astronomisches Gerät (Wien 1940). Für die unter (4) erwähnten W a f f e n ist man in allen ihren Kategorien, wie Angriffs-, Schutz- und Jagdwaffen, glücklicherweise ebenso mit originalen wie mit bildlichen Denkmalen reichlich, wenn auch nicht gleichmäßig, versehen, angefangen von dem merkwürdigen Grabstein des Titus Calidius mit der Darstellung der ganzen Ausstattung eines römischen Offiziers (siehe Kubitschek und Frankfurter, Führer durch Carnuntum, 'Wien 1923, S. 66 Abb. 28), außerdem Arnold Schober, Römische Militärgrabsteine der Donauländer, Wien 1905), über des Albrechtsmeisters geharnischte hl. Maria als Regina Potestatum (Klosterneuburg) usw., bis zu der reichen militärischen illustrierten Fachliteratur seit Maximilian I. einerseits, von den NegauerHelmen und dem Nasalhelm aus Niederösterreich (XI. Jahrhundert) bis zu den Glanzleistungen der Tiroler Harnischkunst des XV. und XVI. Jahrhunderts andrerseits. Leider klafft bis zum XV. Jahrhundert eine gewisse Lücke in der originalen Überlieferung, die um so erstaunlicher ist, als gelegentliche literarische Erwähnungen die selbst für italienische Begriffe außerordentlich eindrucksvolle Ausstattung der österreichischen Herren, etwa zur Zeit des Hilfskontingentes Herzog Rudolfs IV. für den Kirchenstaat, hervorheben; siehe Cronica di Bologna, L. A. Muratori, Rerum Italicarum Scriptores 18 (Mailand 1731) col. 458: erario delle più belle genti del mondo. Der bloß dekorativen Zwecken dienende, kulturgeschichtlich bedeutsame Topfhelm samt Helmzier eines Mitgliedes der steirischen Familie Pranck (um 1360/70) ist ein Unicum (Kunsthistorisches Museum Wien, Waffensammlung). Immerhin wird aber diese Lücke der Entwicklungskenntnis einigermaßen durch die im wesentlichen recht genauen Wiedergaben namentlich auf Grabplatten wettgemacht. Auffällig bleibt der Mangel einer mit Oberitalien, Tirol und Süddeutschland einigermaßen konkurrenzfähigen österreichischen und innerösterreichischen Harnisch- und Waffenkünstlerschaft. Angesichts der peinlichen Erfahrungen von 1315 und 1386 und der Erfindung der Feuerwaffen, die wohl bei Crécy (1346) zum ersten Male praktisch angewendet wurden, müßte die späte Blütezeit der Harnischkunst (und alles dessen, was dazugehörte), eigentlich wundernehmen, wüßte man nicht, daß der eigentliche Träger der Harnischkultur außer der Repräsentation das bis ins spätere XVI. Jahrhundert immer noch geübte Turnierwesen war. Die Zuweisung einzelner Waffen und Rüstungen an ihre traditionellen Eigner ist, wo geätzte oder anders applizierte heraldische u. ä. Zieraten vorhanden sind, im allgemeinen nicht problematisch; in Zweifelsfällen können Bildnisse oder genaue Beschreibungen subsidiär herangezogen

6. Werkzeuge

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werden, wie in neuester Zeit die zahlreichen Studien von Bruno Thomas und Ortwin Gamber zeigen. Das älteste, aus guter Tradition wie auch dem Befunde nach mit großer Sicherheit einem österreichischen Fürsten zugewiesene erhaltene militärische Ausrüstungsstück war als Sempacher Beute aufbewahrt worden und befindet sich noch in der Schweiz; siehe Eduard A. Gessler, Das Herzog Leopold III. von Österreich zugeschriebene Panzerhemd in der Historischen Sammlung im Rathause zu Luzern (Anzeiger für schweizerische Geschichte 47, 1916, S. 30 ff.), mit weiteren Literaturangaben. Daß mitunter auch bestimmte politische Situationen auf Waffen usw. symbolisch angedeutet werden, lehrt das Kanonenmodell der „Lauerpfeif", siehe Alphons Lhotsky, Die Lauerpfeif als Geschichtsdenkmal (Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde 1939, S. 261 ff.). Weiteres gehört in das Gebiet der Heraldik, siehe unten S. 53. Die größten Waffensammlungen bestehen in Wien (Kunsthistorisches Museum), Madrid (Armeria Real) und Stockholm (Königliche Leibrüstkammer). Artilleristische Waffen sind großenteils nur aus Abbildungen und Beschreibungen bekannt; von hochmittelalterlichen Belagerungsmaschinen gilt dies fast ausschließlich (vgl. ζ. B. die Andeutungen in Otachers Steirischer Reimchronik über Ingenieurtätigkeit bei Belagerungen v. 30435 ff. und 31076 ff.). Urkundliches, aber auch chronikalisches Quellenmateriale (keineswegs zu unterschätzen die gelegentlichen Angaben selbst bei einem so kriegsfachfremden Autor wie Ebendorfer) könnte bei genauer Sichtung wohl noch Beiträge zur philologischen Seite, d. h. zur technischen Nomenklatur, erbringen. Der erste große systematische Waffensammler unter den Habsburgern war Erzherzog Ferdinand (II., 1 1596), dessen Experte Jakob Schrenckh v. Notzing in seinem Armamentarium heroicum zugleich auch den ersten illustrierten Katalog der berühmten Sammlung veröffentlichte. Im Barock trat die Freude an Waffensammlungen erheblich zurück, um desto lebhafter unter dem Einflüsse der Romantik, verbunden mit dem neuen Interesse an Burgenforschung und „Rittertum", aufzuleben. Alois Primisser und Otto v. Leber sind im früheren XIX. Jahrhundert als wirkliche Kenner von hohem Range anzusprechen. Aus ihrer Tradition sind die Meister des Faches in der Ära Franz Josephs I. hervorgegangen: Wendelin Böheim, Quirin v. Leitner und Wilhelm Erben, die — jeder aus dem Offiziersstande hervorgegangen — auf ihre individuelle Weise den Weg von einem noblen diletto zu ernster wissenschaftlicher Geltung der Waffenkunde fanden; mit Recht hat Harold Steinacker in seinem Nachrufe auf Erben betont, dieser sei „durch die musealen Aufgaben über den papierenen Bereich der schriftlichen Quellen hinausgeführt worden zu gegenständlichen Quellen . . . , die in ihrer Stummheit so viel mehr selbsttätige Phantasie erfordern, um das in ihnen gefundene historische Leben vernehmbar und lebendig zu machen" MIÖG. 49 (1935), S. 109 f. Zur Gewinnung eines sachlichen Überblickes kommt zunächst in Betracht Wilhelm Erben, Kriegsgeschichte des Mittelalters (Beiheft XVI der Historischen Zeitschrift, München und Berlin 1929), wo S. 80 ff. auch das Verhältnis der Waffengattungen zueinander behandelt ist (nicht aber die Waffenkunde selbst!). Hauptwerke in dieser Hinsicht sind zunächst Wendelin Böheim, Handbuch der Waffenkunde (Leipzig 1890), sodann namentlich die großen allgemeinen und die speziellen österreichischen Sammlungskataloge (mit Erläuterungen), wie Camp-Mann, The Wallace Collection (3 vol. London 1924—1945), Sir G. F. Laking, A Record of European Armour and Arms (5 vol. London 1920—1922), G. C. Stone, A Glossary of Arms and Armour (Portland 1934), Paul Post, Das Kostüm und die ritterliche Kriegstracht von 1000 bis 1500 (Berlin 1928—1939), Heribert Seitz, Svärdet och Värjan some armévapen (Stockholm 1955), Claude Blair, European Armour circa 1066 to circa 1700 (London 1958), R. Ewart Oakeshott, The Archeology of Weapons, Arms and Armour from prehistory to the age of chivalry (London 1960),

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bzw. J. F. Hayward, European Firearms (London 1955); für Österreich siehe Jacob Schrenckh von Nozingen, Armamentarium heroicum (Ambrasianische Heldenrüstkammer, 1601/1603/1735), Eduard Frh. v. Sacken, Die vorzüglichsten Rüstungen und Waffen der Ambraser-Sammlung (2 Bände, Wien 1866/70), Quirin von Leitner, Die Waffensammlung des österreichischen Kaiserhauses (Wien 1866—1870), Wendelin Böheim, Album hervorragender Gegenstände aus der Waffensammlung des ah. Kaiserhauses (Wien 1894—1898), August Grósz und Bruno Thomas, Katalog der Waffensammlung in der Neuen Burg (Wien 1936), ferner Friedrich Otto v. Leber, Wiens kaiserliches Zeughaus (Leipzig 1846), dazu nunmehr Bruno Thomas, Die Wiener kaiserlichen Rüstkammern (Revue Internationale d'histoire militaire 21, Wien 1960, S. 12 ff.), sodann Katalog des Historischen Museums der Stadt Wien : Waffensammlung (Wien 1886), Wilhelm Erben und Wilhelm John, Katalog des Heeresmuseums (Wien 1903), Die Innsbrucker Plattnerkunst, Katalog (Innsbruck 1954). Auch an Behandlungen einzelner Waffenstücke oder -gruppen ist kein Mangel, wofür hauptsächlich auf Böheim, Thomas, Heinrich Klapsia und Ortwin Gamber (meist im „Jahrbuche" und seiner Neuen Folge seit 1926), selbständig Bruno Thomas, Deutsche Plattnerkunst (München 1944), bzw. auf die Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde (17 Bände 1897—1944 mit Generalregister) und das Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des ah. Kaiserhauses (Generalregister für die ersten 36 Bände) hinzuweisen ist. Zum Grundsätzlichen siehe Erich Haenel, Die historische Waffenkunde im Rahmen der Kulturgeschichte (Deutsche Geschichtsblätter 10, 1908, S. 25 ff.), und Bruno Thomas, Wege und Ziele einer historischen Waffenkunde (Geistige Arbeit VI, Nr. 11, vom 5. Juni 1939, S. 5 f.); dazu etwa Kurt Georg Cram, Iudicium belli, zum Rechtscharakter des Krieges im deutschen Mittelalter (Beiheft zum Archiv für Kulturgeschichte 5, 1955), und Otto Brunner, Land und Herrschaft («WienWiesbaden 1959). — Besondere Hervorhebung verdient — als Zeremonialwaffe — das 1496 von Hans Sumersperger geschaffene, auch wegen seines heraldischen Dekors bemerkenswerte L e h e n s c h w e r t ; Literatur siehe Hermann Fillitz, Katalog der Weltlichen und Geistlichen Schatzkammer (Wien 1956), S. 12. Über W a g e n und Wagenbau (5) siehe Johann Christian Ginzrot, Die Wagen und Fuhrwerke der verschiedenen Völker des Mittelalters und der Kutschenbau neuester Zeit (München 1830); über den Hochzeits-, nicht Krönungswagen Friedrichs III. handelte Erich V. Strohmer, Der Krönungswagen Kaiser Friedrichs III. (Deutsche Kunst 7, Bremen o. J.), S. 122.

7. B I L D E R Das Bild, im weitesten Sinne verstanden, hat genetisch den Vorrang vor der Schrift, die ja aus ihm hervorgegangen ist. Es ist der erste und älteste Zeuge menschlicher Reflexion und behält seinen hohen Rang von den frühesten Stadien menschlichen Kulturwillens bis in die jüngste Zeit. Die noch von Schiller in seiner akademischen Antrittsrede, ja selbst noch von Ranke 1881 vertretene These, daß vor dem Schriftgebrauche von „Geschichte" nicht die Rede sein könne, ist längst gefallen, seit um die letzte Jahrhundertwende in der Urgeschichte selbst — durch Gustaf Kossinna und andere — die Wendung zur Historie vollzogen wurde, wodurch diese Disziplin aus dem Bereiche der Natur- in den der Geisteswissenschaften hinüberwechselte; siehe Joseph Vogt, Geschichte und Vorgeschichte: Die Bedeutung der

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Schrift (Historisches Jahrbuch 62/69, 1949, S. 1 ff.). Auch in Epochen überwiegend schriftlicher Überlieferung sind nichtschriftliche Denkmale wichtig, und unter ihnen vor allem die bildlichen. Die Vorgangsweise der Forschung wird nicht zuletzt von der Eigenart des ihr vorliegenden Materials bestimmt. Während wie anderwärts βμοΐι in Österreich aus der Spätantike mannigfache Bildnisse zur Verfügung stehen, deren Absicht, zu individualisieren, außer Frage steht, versiegen diese im naturalistischen Sinne geschaffenen Bildzeugen im Früh- und Hochmittelalter weithin, um einer anderen Auffassung des Bildwesens zu weichen, die den einzelnen Menschen nur als Repräsentanten seines Standes, seiner Funktion, ja seiner Religion, Familie usw., darstellen zu dürfen glaubte, bei weitgehender Gleichgültigkeit gegen alles physisch wirklich Charakterisierende. Erst im X I I I . Jahrhundert löste sich diese geistesgeschichtlich sehr wohl erklärliche Andersartigkeit in Rückkehr zu realistischer, individueller Darstellung belebter und unbelebter Dinge, und für das Spätmittelalter ist Ikonographie kein Wort mehr, das cum grano salis zu verstehen wäre. Das Porträtgrabmal des Gegenkönigs Rudolf von Schwaben im Dome zu Merseburg aus dem XI. Jahrhundert war auch in Deutschland eine unzeitgemäße Tat, die ihresgleichen nicht hatte; in Österreich zeigt erst die Grabplatte Herzog Friedrichs II. in Heiligenkreuz (f 1246) deutlichen Willen zur Individualisierung, und die Hochreliefdarstellung König Rudolfs I., des Ahnherren der österreichischen Dynastie, in Speyer war nicht zuletzt dadurch eine denkwürdige Leistung, daß von der sonst üblichen Praxis, den Abgeschiedenen „33jährig" darzustellen, bewußt abgegangen wurde, wie immer es sich mit der vom Reimchronisten Otacher, vgl. S. 288, überlieferten Künstleranekdote (Vers 39125 ff.) der gewissenhaften skulptorischen Registrierung der sich mehrenden Alterszeichen verhalten mag. Vgl. Eduard v. Sacken, Über die authentischen Portraits König Rudolfs von Habsburg und dessen Grabstein (Bll. Lk. Nö., N.F. 16, 1882, S. 427 ff.), Grete Tiemann, Die Grabplatte Rudolfs von Habsburg in der Krypta zu Speyer (Pfälzisches Museum 44, 1927, S. 99 ff.), Alphons Lhotsky, Zur Geschichte des Grabmals König Rudolfs I., in: Festschrift für Edmund E. Stengel zum 70. Geburtstag usw. (Münster-Köln 1952), S. 425 ff.; Ernst Kris und Otto Kurz, Die Legende vom Künstler (Wien 1934), haben diesen Fall nicht erwähnt. Im XIV. und XV. Jahrhundert trat der Realismus der Darstellung zuweilen schon mit peinlicher Schärfe, ja sogar Übertreibung hervor; auf dem Grabmale des Kanzlers von Tirol und Bischofs von Brixen Ulrich Putsch (f 1437) steht ausdrücklich zu lesen : Hie leit bischof Ulreich, dem ist diez pild geleich; siehe Anton Nägele, Ulrich Putsch aus Donauwörth (Veröffentlichungen des Museum Ferdinandeum 18, 1938), S. 315. Das Bildnis Herzog Rudolfs IV. (Dom- und Diözesanmuseum Wien) ist schon im XV. Jahrhundert Gegenstand physiognomischer Erwägungen gewesen; vgl. Thomas Ebendorfer, Cronica Austrie, Hieronymus Pez, Scriptores rerum Austriacarum 2 (Leipzig 1725), col. 808. Im selben XV. Jahrhundert beginnt außerdem eine im XVI. ihren ersten Höhepunkt erreichende realistische Illustra-

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tionstechnik, getragen von demselben Anschauungshunger, den in der Gegenwart das Lichtbild in allen seinen Abarten zu stillen hat. Was, in einer freilich schon sehr reifen Epoche, wirklich künstlerische Auffassung und Darstellung eines Menschen zu leisten vermochte, lehrte jüngst die vorbildliche Interpretation eines Grabsteines in der Steiermark durch Karl Eder, Zwischen Spätmittelalter und Reformationszeit: Der steirische Pfarrer Dr. Jakob Radkersburger, Hofkaplan Kaiser Maximilians I. 1479—1540 (Innsbruck 1960), S. 80 ff. Die Bildkunde oder I k o n o g r a p h i e ist bereits als eine selbständige Disziplin anerkannt, wird aber praktisch allenfalls als eine Appendix der Kunstgeschichte oder obenhin innerhalb der historischen Methodik behandelt. Ungeachtet längst bestehender Organisations- und Koordinationsversuche ist es bisher nur zu vereinzelten Leistungen auf diesem zukunftsreichen Gebiete gekommen. Über die Schaffung eines Internationalen ikonographischen Ausschusses in Oslo am 14. August 1928 (Albert Depréaux) siehe Bulletin of the International Commitee of Historical Sciences Nr. 5, S. 725 ff. und Nr. 6, S. 138 f. Der Gedanke fand in Deutschland Widerhall; am 24. April 1930 konstituierte sich ein Deutscher Ikonographischer Ausschuß unter Anteilnahme der Herren Karl Brandi, Percy E. Schramm, Walther Goetz und S. H . Steinberg, wobei die Erfassung von Personen, Orten, Ereignissen und Sachen in Betracht gezogen wurde. Auch in Österreich gab es eine Ikonographische Kommission, in der Alfons Dopsch und August v. Loehr wirkten; sie ist in den Veränderungen des Jahres 1938 untergegangen und seither nicht wiederbelebt worden. Die eigentliche Aufgabe der Ikonographie — der von Keyser vorgeschlagene Ausdruck Ikonologie scheint weniger empfehlenswert zu sein — wird die Erfassung des physischen Aussehens einzelner Menschen wie auch der Gemeinschaftsmerkmale nationaler und örtlicher Gruppen, der Landschaften und der menschlichen Leistungen zu allen Zeiten sein müssen. Ohne Wechselwirkung mit den literarischen Traditionen — im Sinne der Prosopographie — wird dies nicht durchführbar sein, so daß also Historiographie, Numismatik, Sphragistik usw. immer als „Hilfswissenschaften" der Ikonographie in Betracht kommen, ganz besonders aber die Biographik. Daß die Ikonographie ihrerseits kulturgeschichtliche Kenntnisse beizusteuern vermag, lehrt beispielsweise der Nachweis der Vollbarttracht der Germanen durch Alwin Lonke, RömischGermanisches (Gießener Beiträge zur deutschen Philologie 86, 1946). Auf österreichischer Seite sind — eigentlich gutenteils abseits der Ikonographischen Kommission — wertvolle Beiträge von Ludwig von Baldass, Gustav Glück, Justus Schmidt, Kurt Blauensteiner und Gerhart Ladner erbracht worden, also durchaus von Kunsthistorikern. Ein seit Jahrzehnten vorbereiteter Versuch, die literarischen und ikonographischen Überlieferungen von sämtlichen österreichischen Landesfürsten bis auf die Generation Maximilians I. zu gerundeten, physische und intellektuelle Merkmale der Persönlichkeiten vereinenden literarischen Portraits zu gestalten, wird vielleicht doch noch in den nächsten Jahren erscheinen können. Eine brauchbare, hodegetische und zugleich systematisch darstellende Übersicht ikonographischer Probleme im weiteren und höheren Sinne steht im ganzen noch aus. Selbst Wilhelm Bauer ist in seiner Einführung in das Studium der Geschichte ( 3 Frankfurt a. M. 1961) darauf nicht einmal mit einem Hinweise eingegangen. Immerhin liegen aber schon etliche und zum Teil

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recht erfolgreiche einzelne Versuche vor, die als anregend und in manchem auch als richtungweisend bezeichnet werden dürfen. Erich Keyser, Das Bild als Geschichtsquelle (Historische Bildkunde 2, Hamburg 1935), hat durch seinen Vorschlag, Bildkunde und Bildlehre, also Ikonographie und Ikonologie, zu unterscheiden, die junge Disziplin fürs erste vielleicht etwas umständlich gemacht, so sehr die Sache zu erwägen bleibt. Nützlicher ist Oscar Doering, Deutschlands mittelalterliche Kunstdenkmäler als Geschichtsquellen (Hiersemanns Handbücher 7, Leipzig 1910), besonders S. 249 ff. Das anregende, aber mit Vorsicht aufzunehmende Buch von Hans Fiedler, Dome und Politik (Bremen-Berlin 1937), ist nicht ohne Rücksichtnahme auf das von Hans Kunze, „Dome und Politik" (Sachsen und Anhalt 13, 1937, S. 1 ff.), Gesagte zu benützen. Gegen gewisse unrichtige Auffassungen bei Kunsthistorikern wendet sich Hermann Deckert, Zum Begriffe des Portraits (Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 5, 1929, S. 261 ff.). Weitaus größer ist die Anzahl solcher Arbeiten, in denen ikonographisches Denkmalmateriale für besondere kulturgeschichtliche Fragestellungen ausgewertet wurde. So beispielsweise Joseph Schumacher, Die seelischen Volkskrankheiten im deutschen Mittelalter und ihre Darstellungen in der bildenden Kunst (Neue deutsche Forschungen 140, Berlin 1937), oder Georg Frommhold, Die Idee der Gerechtigkeit in der bildenden Kunst (Greifswald 1925) sowie eine analoge Dissertation von Ursula Lederle (Heidelberg 1925); ferner Georg Troescher, Weltgerichtsbilder an Rathäusern und Gerichtsstätten (Deutsches Jahrbuch für Kunstgeschichte 1 1 , 1 9 3 9 , S. 139 ff.), besonders aber Hans Fehr, Das Recht im Bilde (Zürich-Bern 1923), dazu Karl Schalk, Zwei Initialen eines Wiener Grundbuches, MIÖG. 12 (1891), S. 655 ff. Bemerkenswert ist, daß Karl Lamprecht eine „Geschichte des Sehens" plante. Was nun die einzelnen Kulturepochen betrifft, so ist man für die Antike über das Aussehen der Menschen usw. am besten unterrichtet; freilich ist hier die Ikonographie auch eine sehr alte Disziplin: für ihren Ahnherren gilt Fulvius Ursinus mit seinen Illustrium imagines. Darüber sowie über die bedeutende Rolle der berühmten Wiener Dioskorides-Handschrift (512), bzw. M. Terentius Varrò, siehe jetzt Arnold v. Salis, Imagines illustrium, in: Eumusia, Festgabe für Ernst Howald (Erlenbach-Zürich 1947), S. 11 ff. Auf Sammelwerke ist hier nicht einzugehen; es genüge der Hinweis auf Carl Watzinger, Betrachtungen über griechische und römische Bildniskunst (Die Welt als Geschichte 2, 1936, S. 187 ff.), sowie auf die bemerkenswerten Ausführungen über antike Bildnisse und ihren Quellenwert, über Ikonographie überhaupt, von Karl Schefold, Die Bildnisse der antiken Dichter, Redner und Denker (Basel 1943), S. 191. Nun aber zur mittelalterlichen Ikonographie. Hier ist in erster Linie die große und in ihrer Art wohl nicht überbotene Studie von Harald K e l l e r , Die Entstehung des Bildnisses am Ende des Hochmittelalters (Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte 3,1939, S. 229 ff.), an erster Stelle zu nennen, schon weil sie zugleich auch als Einführungsschrift in Wesen und Methode ikonographischer Studien genannt werden darf. Daneben bleibt unvergessen Jacob Burckhardt, Das Portrait, in : Beiträge zur Kunstgeschichte Italiens ( 2 Stuttgart 1911, S. 165 ff.). An einzelnen Untersuchungen seien angeführt: Bernhard Wirtgen, Die Handschriften des Klosters St. Peter und Paul zu Erfurt bis zu Ende des X I I I . Jahrhunderts (Leipzig

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1936), wo S. 27 auf eine sehr frühe Bildnisskizze des Königs Dagobert hingewiesen wird; ferner Max Kemmerich, Die frühmittelalterliche Portraitmalerei in Deutschland (Leipzig 1909), sowie Die Portraits deutscher Kaiser und Könige bis auf Rudolf v. Habsburg, NA. 33 (1908), S. 461 ff., Percy Ernst Schramm, Umstrittene Kaiserbilder aus dem IX. bis XI. Jahrhundert, NA. 47 (1928), S. 469 ff., Walther Goetz, Das menschliche Bildnis, in: VI e Congrès international des sciences historiques, Résumés (Oslo 1928), p. 345 s., Hermann Deckert, Zum Begriffe des Portraits (Marburger Jahrbuch zur Kunstwissenschaft 5,1929, S. 261 ff.). Weiter Sigfrid H. und Christine Steinberg-von Pape, Die Bildnisse geistlicher und weltlicher Fürsten und Herren 1 (Leipzig und Berlin 1931), bes. X.—XII. Jahrhundert, Arthur Suhle, Die Münzbilder der Hohenstaufenzeit (Leipzig 1938), und — über ein bisher unbeachtetes zeichnerisches Bildnis Kaiser Friedrichs II., im cod. Vatic, η. 1071, f. l r — S. A. Luciano, Un ritratto sconosciuto di Federico II (Iapigia 4, 1933, S. 157 ff.). Ö s t e r r e i c h kann für seine hochmittelalterliche Zeit bisher mit Ergebnissen ähnlicher Art nicht dienen, wenn man von den Studien über Markgraf Leopold III. absehen will (siehe S. 24). Nicht einmal die Grabplatte Friedrichs II. (t 1246) konnte Ausgangspunkt einer Ikonographie des wilden Herzogs werden, weil sie auf weite Strecken hin überhaupt das einzige einigermaßen ikonographisch brauchbare Denkmal darstellt. Mit den Abbildungen ritterlicher Sänger in Liederhandschriften ist — abgesehen allenfalls von Walther von der Yogelweide — im allgemeinen kaum viel anzufangen, weil da, bei verdecktem Helm, von den Gesichtszügen zumeist gar nichts sichtbar, der Rest aber völlig schablonenhaft ist. Trotz dem im XIV. Jahrhundert schon reichlich vorhandenen Bildnismateriale, und nicht bloß des landesfürstlichen Familienkreises, mangelt es bis heute an einschlägigen Studien. Ikonographisch deutbare und besonders im Zusammenhalte mit literarischen Zeugnissen verwertbare Wahrnehmungen bieten außer den eigentlichen und in erster Linie als solchen vermeinten Bildnissen auf Gemälden, Buchillustrationen und sowohl in Voll- wie Reliefplastiken auch Siegel, Münzen und — subsidiär — etwa erhaltene Kleider und Waffen, besonders aber Rüstungen. Als das „älteste individuelle Fürstenbildnis" diesseits der Alpen, aber auch um seiner Selbständigkeit willen, indem es nämlich keinem größeren Gefüge zugehört, sondern einfach über dem Grabmale des Dargestellten aufgehängt worden war, hat das bereits erwähnte Portrait Herzog Rudolfs IV. aus St. Stephan in Wien längst Beachtung gefunden; siehe Johannes Wilde, Das Bildnis Herzog Rudolfs IV. (Kirchenkunst 5, 1933), S. 36 ff., sowie Hermann Göhler, Zur Ikonographie Rudolfs IV., in: Ernst Karl Winter, Rudolph IV. von Österreich 1 (Wien 1934), S. 396 ff. Der Künstler ist leider nicht bekannt; ob es der herzogliche schilter (Hofmaler) Heinrich der Vaschang war, wie Lhotsky erwog, bleibt ungewiß. Die Herzoge Albrecht III. und Leopold III. mit ihren Frauen haben namentlich in dem Altarwerke von Schloß Tirol (siehe Vinzenz Oberhammer, Der Altar von Schloß Tirol, Innsbruck 1948) ausdrucksvolle Wiedergabe ihrer Erscheinung gefunden. Für das XV. Jahrhundert ist an Werken der Malkunst in dieser Hinsicht kein Mangel mehr; siehe etwa Wilhelm Suida, Die Wiener Malerschule 1420—1440 (Belvedere 8, 1925, S. 45 ff.), Otto Pächt, österreichische Tafelmalerei der Gotik (Wien 1929), Ludwig v. Baldass, Österreichische Tafelmalerei der Spätgotik (Wien 1934), Alfred Stange, Deutsche Malerei der Gotik (Berlin 1934 ff.), und die Kataloge der Galerien, auch der stiftlichen. Dennoch ist immer noch mit Überraschungen zu rechnen; siehe Wilhelm Suida, Das früheste Bildnis Friedrichs III. (Belvedere 10, 1931, S. 89 ff.) — es handelt sich hier um das

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Portrait des zur oder von der Krönung reisenden Kaisers 1452 von der Hand eines recht naturalistischen Italieners, das mit den starren Altersbildern in auffälligem Widerspruche steht und geeignet sein könnte, die Vorstellungen, die man gemeinhin von diesem Fürsten hat, zu revidieren, oder Fritz Dworschak, Zur Ikonographie Erzherzog Sigmunds, in: Festschrift zu Ehren von Hofrat Moeser (Innsbruck 1947), S. 93 ff. In und durch Maximilian I. erreichte die Bildnisfreudigkeit ihren Höhepunkt; siehe Ludwig v. Baldass, Die Bildnisse Kaiser Maximilians I. (Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen usw. 31, 1913/14, S. 247 ff.). Aber auch nichtfürstliche Personen sind nicht selten gemalt worden, nur hat sich wenig davon erhalten; die Gedenkbilder der Wiener Professoren ζ. B., die im Apostelchore der Stephanskirche in Wien angebracht waren, sind wenige Jahrzehnte nach ihrer durch Thomas Ebendorfer angeregten Restaurierung wegen der Anlage des Grabes Kaiser Friedrichs III. entfernt worden und zugrunde gegangen — bis auf eines, das „GeusEpitaph", das sich noch im Dommuseum befindet (Mgr. Johannes Geus f 1440). DaJ3 man bei der Auswertung gemalter Portraits nicht nur auf die scheinbaren Nebensachen, wie Kleidung, Haartracht, Nägel, Schmuck, Gesten, Brille, Sitzgelegenheit, Möbel rundum usw., Ausblicke durch Fenster, Berufszeichen, Wappen, sondern sogar auf mögliche astrologische Andeutungen zu achten hat, lehrte Hans Ankwicz v. Kleehoven, Cranachs Bildnisse des Dr. Cuspinian und seiner Frau (Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen 48,1927, S. 230 ff.). Schließlich kommen auch noch die mitunter ikonographisch nicht wertlosen Darstellungen gesellschaftlicher Ereignisse (Turniere) in Betracht; auf die malerische Darstellung eines Turniers in Linz im Jahre 1489, woran sich auch König Maximilian I. beteiligte, im cod. icon. η. 398 der Staatsbibliothek München machte bereits Joseph Chmel, Reisebericht Beilage III. SB. Wien 5 (1850), S. 604 f., aufmerksam. Siehe aber auch Jakob Winteler, Die Schlacht bei Näfels 9. April 1388 in der bildlichen Darstellung der Jahrhunderte (Glarus 1938). Von den Leistungen der Buchmalerei für die Ikonographie war da und dort schon die Rede; es ist nicht möglich, auch nur die wichtigsten Beispiele anzuführen. Ein sehr frühes ist wohl das Bildnis des Seckauer Propstes Gerold von Eppenstein (t 1220) im cod. Graec. (II) n. 769, saec. XIII., f. 160 T mit der Beischrift Presens prepositum demonstrat ymago Geroldum ; siehe Ferdinand Eichler, Über die Herkunft einiger St.-Lambrechter Handschriften (Zentralblatt für Bibliothekswesen 35, 1918), S. 53. Nur im allgemeinen sei auch an Gebetbücher erinnert, die nicht selten Bildnisse ihrer Eigner aufweisen, wie etwa der cvp. n. 89 Nova series (deutsche Paraphrase nach August.) ein recht gutes des Herzogs Ernst, und dasselbe gilt von anderer Andachtsliteratur. Erst vor wenigen Jahren ist eine bisher unbekannte außerordentlich wertvolle Bildnisdarstellung Herzog Wilhelms (t 1406) publiziert worden, die auf dem Vorsteckblatte zu einem Corpus-Christi-Officium zu sehen ist, das ohne Zweifel althabsburgisch war und aus dem Besitze der Familie Liechtenstein unverantwortlicherweise nach Amerika verkauft worden ist; sie zeigt den Herzog kniend neben einem Knappen, angeblich aus der steirischen Familie Lesch; siehe Central European Manuscripts in the Pierpont Morgan Library, compiled by Meta Harrsen (New York 1958), Nr. 42, S. 56 ff. zu Tafel XII. Siehe im allgemeinen Paul Buberl, Die Buchmalerei des XII. und X I I I . Jahrhunderts in Österreich (Die bildende Kunst 2, 1937, S. 145 ff.), Erich Winkler, Buchmalerei in Niederösterreich 1150—1250 (Belvedere 3, 1923, S. 100 ff. und 143 ff. ; 4, 1923, S. 1 ff. und 33 ff.), sodann die zahlreichen Publikationen von Karl Oettinger, Kurt Holter u. a. sowie das bedeutende Corpuswerk von Hermann Julius Hermann, Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Österreich (Leipzig 1905 ff.) ; zur Orientierung u. a. Franz Unterkircher, Inventar der illuminierten Handschriften, Inkunabeln und Früh-

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drucke der österreichischen Nationalbibliothek (Museion N.F. II/2/2/1—2, Wien 1957/59), ohne Portraitregister. Auf die Möglichkeit, in Handschriften Schreiber- und sogar Autorenbildnissen — freilich meist ikonographisch wertlosen — zu begegnen, wies David Leistle hin, Über Klosterbibliotheken des Mittelalters (Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige, N.F. 5, 1915), S. 223. Geistesgeschichtlich von großer Bedeutsamkeit erwies sich die Untersuchung der sogenannten Bibliae pauperum, deren Grundexemplar in Bayern oder in Österreich entstanden sein muß, durch Gerhard Schmidt, Die Armenbibeln des X I V . Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 19, Graz-Köln 1959); vgl. dazu Floridus Helmut Röhrig, Rota in medio rotae, ein typologischer Zyklus aus Österreich (Hausarbeit 1959 im Archiv des Instituts für österreichische Geschichtsforschung). Werke der G l a s m a l e r e i , die in Österreich viele sehr eindrucksvolle Leistungen zu verzeichnen hat, liefern vor dem X V . Jahrhundert kaum Bildnisse, die ikonographisch wirklich verwertbar sind; ganz ausgezeichnet und allbekannt die Wiener-Neustädter Glasgemälde des Herzogs Ernst (t 1424) und seiner Söhne. Siehe auch Kunibert Zimmeter, Die Glasgemälde im Landesmuseum Ferdinandeum zu Innsbruck (Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg 10, 1930, S. 55 ff.), sowie die Literatur über die Glasmalerei in Königsfelden, ferner Franz Kieslinger, Gotische Glasmalerei in Österreich (Wien 1920), und Glasmalerei in Österreich (Wien 1947). T o t e n b i l d n i s s e , die nach 1500 häufiger begegnen, sind aus Österreich im Mittelalter nicht bekannt ; vgl. aber Hans v. Ankwicz-Kleehoven, Das Totenbildnis Kaiser Maximilians I. (Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 11, 1937, S. 59 ff.). Die ebenfalls erst nachmittelalterlichen Darstellungen der Toten auf dem Paradebette haben keinen eigentlich ikonographischen Wert, so schätzenswert sie in kulturhistorischer Hinsicht zuweilen sein können. V o l l p l a s t i s c h e Darstellungen einzelner Personen sind in Österreich vor dem Einsetzen der Kathedralgotik nicht bekannt. Einen eigenartigen Fall stellt die in mancher Hinsicht rätselhafte Liegefigur des baierischen Herzogssohnes Gunter in Kremsmünster (um 1300) dar. Ob die alte Annahme zutreffe, daß im Riesentore der Wiener Stephanskirche Steinfigürchen König Ottokars II. und seiner Gattin angebracht waren, die dann unter den Habsburgern abgeschlagen wurden, ist ungeklärt. Die bemerkenswertesten Leistungen finden sich erst an der gotischen Stephanskirche (zwei davon, „Kaiser" und „Kaiserin", in der Plastiksammlung des Kunsthistorischen Museums); vgl. Österr. Kunsttopographie 23 (Wien 1931), S. 92 ff. und 357 ff. Die fast grotesk wirkende Statue Kaiser Maximilians I. vom Turme der alten Stiftskirche in Klosterneuburg (jetzt im stiftlichen Lapidarium) ist stark verwittert und gibt kaum die rechte Vorstellung vom Habitus des Mannes. Viel besser steht es um die vorwiegend flach r e l i e f artigen Sepulchralportraits, denen man überhaupt einen sehr erheblichen Teil ikonographischer Kenntnis verschiedener Persönlichkeiten seit dem X I I I . Jahrhundert zu danken hat, nicht zuletzt das erste sichere und lebensvolle Portrait eines österreichischen Historikers, nämlich des Thomas Ebendorfer, in der Pfarrkirche zu Perchtoldsdorf (Versuche, schon von Otto von Freising eine Vorstellung zu geben, haben bisher zu keinem sicheren Ergebnisse geführt). Bemerkenswert ist eine Notiz bei Goswin von Marienberg (vgl. unten S. 358) S. 58, derzufolge ein Abt anstatt eines steinernen Grabmals der Stifterfamilie ein bemaltes hölzernes anfertigen ließ, weil ihm der Gedanke unangenehm war, die Kirchenbesucher könnten sich auf die Tumba setzen. Andererseits war die Anbringung der Grabplatten gerade an vielbegangenen Stellen zuweilen eine aus besonderer Demut getroffene Verfügung (so etwa Otto von Freising, siehe Rahewin, Gesta IV, 14, p. 252). Schließlich ist noch die Möglichkeit zu erwägen, daß

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den Statuen männlicher wie weiblicher Heiliger Portraitcharakter nach bestimmten lebenden Personen gegeben werden konnte; siehe Franz Kieslinger, Die Herzogin Katharina von Österreich als Madonna (Pantheon 10, 1932, S. 326 ff.), nämlich die Gattin, bzw. Witwe, Herzog Rudolfs IV. Von Zeichnungen und aller g r a p h i s c h e n Technik, die sich darauf gründet, ist vorläufig nur kurz zu handeln, weil die Darstellung des Menschen weder ihr einziges noch ihr vorzüglichstes Anwendungsgebiet ist. Erst im XV. Jahrhundert trat sie als solche zur Illustration bestimmter Vorgänge mehr hervor, ungefähr in der Funktion des modernen Lichtbildes. Sehr bekannt ist die von einem Zeitgenossen festgehaltene Szene der an Kaiser Friedrich III. vollzogenen Beinamputation (österr. Nationalbibliothek Min. n. 81), und die lavierten Federzeichnungen zu Grünpecks Geschichte Maximilians I. und seines Vaters haben durch die österreichische Staatsdruckerei in Otto Benesch und Erwin M. Auer, Die Historia Friderici et Maximiliani (Berlin 1957), eine originalgetreue Wiedergabe gefunden. Fritz Dworschak schreibt sie dem Nielas Breu zu. Das berühmte Skizzenblatt Albrecht Dürers (Wien, Albertina), das die Grundlage zu dem postumen Gemälde Kaiser Maximilians I. bildete, darf gewissermaßen als eine „Momentaufnahme" betrachtet werden, die zugleich einen Wendepunkt in der Portraitmalerei bedeutet, denn bis dahin ist es wohl nicht häufig vorgekommen, daß man — namentlich als so hoher Herr — einem Maler „saß". Schließlich ist noch auf Edward Chmelarz, Die Ehrenpforte Kaiser Maximilians I. (Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen usw. 3, 1885, S. 88 ff.) hinzuweisen. Auch der in einem gewissen Zusammenhange stehenden Kleinbildnerei in W a c h s und M e t a l l ist zu gedenken. Auf Schlossers Geschichte der Wachsbildnerei wird unten S. 50 hingewiesen werden, und einiges, auch zur Praxis der Totenmasken, bietet dazu die S. 41 genannte Arbeit von Keller. Die uralte Technik der Wachsplastik wurde auch im Mittelalter gepflegt, doch sind aus Österreich keine wesentlichen Portraitproben erhalten geblieben; erst die fast lebensgroße Wachsfigur des letzten Grafen von Görz, Leonhard (Lienhart), im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum (t 1500) ist erwähnenswert. Die Wachsbildnerei erhielt seit der Renaissance starke und dauernde Anregungen von Italien her (Bartolommeo Segala u. a.), schon im XVI. Jahrhundert bemächtigte sich ihrer sogar der Dilettantismus (Erzherzogin Maria, Gattin Karls II. von Innerösterreich) und im XVII. und XVIII. Jahrhundert gehörte der Wachsbossierer zur ständigen Hofkünstlerschaft. Daß man in Metall — oder Stein — N e g a t i v b i l d e r gravieren und von ihnen positive Abdrucke gewinnen könne (in weicherem Stoffe, wie Wachs, Ton, Gold, Blei usw.), war dem Mittelalter von jeher bekannt und wurde vor allem in der Siegeltechnik angewendet, ebenso bei der Herstellung der Münzen. Im allgemeinen beschränkten sich die Siegel- und Münzbilder auf Symbole und andere Zeichen (Wappen), doch sind schon im Hochmittelalter auch Personendarstellungen gewagt worden, deren ikonographischer Wert freilich sehr gering ist: von einem Bischof z. B. erkennt man eben gerade die Pontifikalien. Seit der Zeit des Hohenstaufenkaisers Friedrich II. und seines gleichnamigen Zeitgenossen in Österreich regte sich auf diesen Gebieten der Wille wenn nicht zu voller „physioplastischer" Erfassung des Darzustellenden, so doch zur Andeutung dessen, was die Fürsten in jener Zeit im ganzen der Erscheinung nach vorzustellen beliebten. So hat man die oft wirklich schönen Reitersiegel seit Rudolf IV. und da wieder das grandiose des Herzogs Siegmund von 1462 zu beachten. Mit den Münzbildern, wie sie zuerst in Tirol unter Siegmund aufkamen, ist ikonographisch allerdings nicht sehr viel anzufangen, auch nicht mit den zahlreichen, fast durchaus schablonenhaften aus der Zeit Maximilians I. Dafür trat alsbald, schon im XV. Jahrhundert, die geprägte, zuweilen auch im Gußverfahren hergestellte, M e d a i l l e ein — ihr ältestes

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Specimen im deutschen Bereiche ist bezeichnenderweise ein Mittelding zwischen Geldstück und Medaille, nämlich das berühmte Guldiner-Schaustück des aus Venedig nach Tirol gekommenen Goldschmiedes Reichart Weidenpusch von 1483, der auf der Aversseite eine portraitmäßige, mit den anderen Altersbildnissen des Erzherzogs übereinstimmende Personendarstellung zuwege brachte. Alles einschlägige Bildmateriale siehe Karl Moeser und Fritz Dworschak, Die große Münzreform unter Erzherzog Sigmund von Tirol (österreichisches Münz- und Geldwesen im Mittelalter 7, Wien 1936), S. 32 und Tafeln X I I und X X . Für das X V I . Jahrhundert, in dem die Medaille auch in die bürgerliche Sphäre eindrang, siehe Fritz Dworschak, Die Renaissancemedaille in Österreich (Jahrbuch der Wiener Kunsthistorischen Sammlungen, N.F. 1, 1927, S. 213 ff.). Neben den großen Medaillencorpora von Karl Domanig, Die Portraitmedaille des Erzhauses Österreich (Wien 1896), Die deutsche Medaille (Wien 1907), und von Georg Habich, Die deutschen Schaumünzen des X V I . Jahrhunderts (München 1929—1934), verdient immer noch Josef R. v. Bergmann, Medaillen auf berühmte und ausgezeichnete Männer des österreichischen Kaiserstaates vom X V I . bis X I X . Jahrhundert (2 Bände Wien 1847/57) Erwähnung. Wirklich gilt auch, was Julius v. Schlosser, Die Entwicklung der Medaille (Numismatische Zeitschrift 26, 1894), S. 359, schrieb, daß die Medaille in Italien als Kunstwerk an und für sich, diesseits der Alpen eher um ihres Darstellungsgegenstandes willen hochgeschätzt wurde. — Gelegentlich kommen die ebenfalls schon von der Tiroler Münze unter Siegmund hergestellten sogenannten Verehrpfennige, Rechen- und Gnadenpfennige, Auswurfmünzen (Jetons) usw. als ikonographische Denkmäler in Frage. Siehe auch Karl Domanig, Älteste Medailleure in Österreich (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen usw. 14, 1893, S. 11 ff.). Nur ausblickweise muß auch das Thema der Medaille als Zeitdokument berührt werden. Hier führt eine von Maximilian I. ausgehende Entwickelung zu einem ersten Höhepunkte unter Kaiser Rudolf II., der auf die wichtigen politischen und militärischen Ereignisse seiner Zeit Medaillen und auch Metallreliefs anderer Art schaffen ließ — lange vor der Histoire métallique König Ludwigs X I V . von Frankreich! Das Siegel als Beglaubigungsmittel, die Münze als wirtschaftliches Denkmal, die Medaille als Kunstwerk sind Gegenstände ihrer respektiven Sonderwissenschaften: der Diplomatik, der Numismatik, bzw. Geldgeschichte, und der Kunsthistorie. Da jedoch der Mensch und sein Aussehen nicht der einzige Gegenstand der Ikonographie ist und sein kann, vielmehr alles, was in seinem Leben und Dasein, Handeln und Denken Bedeutung hat oder gewinnen soll, müssen auch dafür einige Hinweise gegeben werden, die, bei der bisher recht geringen Durchdringung des Gegenstandes, nur Andeutungen bieten können. Um ihrer selbst willen ist die L a n d s c h a f t als solche — nämlich die ganz bestimmte, nicht die in irgendeinem Sinne „ideale" Landschaft — im Mittelalter kaum je dargestellt worden; verdanken wir doch selbst die ersten und brauchbarsten österreichischen Städtebilder, wie etwa die bekannten Ansichten Wiens vom Schottenmeister (um 1470) u. a., biblischer Themenstellung. Wenn in der Ikonographie der Stadt Rom ein Siegel aus der Zeit Kaiser Ludwigs des Bayern eine erhebliche Rolle spielt, siehe Wilhelm Erben, Rombilder auf kaiserlichen und päpstlichen Siegeln des Mittelalters (Veröffentlichungen des Historischen Seminars der Universität Graz 7, 1931), so kommt derlei für Österreich nicht in Betracht. Sind doch selbst noch die nach dem Schottenmeister entstandenen Ortsbilder auf dem Babenbergerstammbaum in Klosterneuburg („Melk" und „Wien") von äußerster Fragwürdigkeit. Siehe

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u. a. Anselm Weißenhofer, Die ältesten Ansichten der Stadt Wien (Wien 1923). Erst im Zeitalter Dürers setzt eine strengere Sachlichkeit ein, die übrigens bald auch eine sehr praktische Seite in den Bedürfnissen des Kriegswesens fand, indem die — von Spionen angefertigten — Situationsskizzen und „Risse" militärisch interessanter Objekte, Festungen und befestigter Städte, Flußübergänge usw. als Grundlagen der Kriegskartographie, in gewissen Fällen aber auch harmlosere Darstellungen als Sammlungsgegenstände für die Kunstkammern an Wert gewannen. Freilich ist selbst in neueren Jahrhunderten die Ikonographie nicht einer jeden Stadt in der glücklichen Lage Salzburgs, dem 1602 ein dazu hervorragend geeigneter Künstler eine minutiöse Darstellung zuteil werden ließ, die nicht zuletzt für das Aussehen des mittelalterlichen, romanisch-gotischen, Domes eine Hauptquelle ist; siehe Wolfgang Wegner, Skizzenbuchblätter von Paul von Vianen mit einer Ansicht von Salzburg (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 96, 1956, S. 207 ff.). Vgl. im übrigen auch die Studie von Anton Keller, Alte Ortsansichten (Blätter für Heimatkunde 27, Graz 1949, S. 97 ff.), und — allerdings nur neuere Darstellungen des X V I . und X V I I . Jahrhunderts erfassend, die aber auch für mittelalterliche Befunde wichtig sein können — Die alte deutsche Stadt, her. v. Friedrich Bachmann 2: Der Südosten, Teil 2: Alpen- und Donaugaue (Leipzig 1944). Eine sehr verdienstliche Leistung bot auch Max Eisler, Historischer Atlas des Wiener Stadtbildes (Arbeiten des Kunsthistorischen Instituts der Universität Wien, Lehrkanzel Strzygowski, X V I . Wien 1919). Schließlich lieferte der Z e i c h n e r die Vorlagen für alles, was man seit dem X V . Jahrhundert durch die aufstrebenden graphischen Verfahren (Holzschnitt, Kupferstich) einer großen Zahl Zeitgenossen und Nachkommen vor Augen führen wollte. Einige sehr frühe (Anfang des X V . Jahrhunderts) entstandene Holzschnitte aus Salzburg-Oberösterreich waren in der Ausstellung Große Kunst aus Österreichs Klöstern (Wien 1950, siehe Katalog S. 30) zu sehen, ferner auch der interessante Kupferstich (um 1440/50) „Der hl. Benedikt in der Höhle von Subiaco", eine angesichts der „Melker Reform" recht zeitgemäße Darstellung. Ein anderes bemerkenswertes Beispiel war das allerdings weit spätere Wiener Reliquienverzeichnis: Das Wiener Heiligthumbuch nach der Ausgabe vom Jahre 1502 sammt den Nachträgen von 1514 (Wien 1882), vgl. S. 98, ein künstlerisch noch bedeutsameres siehe Joseph Garber, Das Haller Heiltumbuch mit den Unicaholzschnitten Hans Burgkmairs des Älteren (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen usw. 32, 1915, II, S. I ff.). Vollends ist dann das X V I . Jahrhundert die Zeit der konterfetter geworden; es genügt, auf Hans Sebald Lautensack hinzuweisen, der unter anderen Aufgaben auch die zeichnerische Reproduktion der Antiken, insbesondere der Münzen, des Königs Ferdinand I. aufgetragen erhielt und amtlich geradezu Romisch kuniglicher

majestat Antiquitetabkonterfetter

hieß.

In diesem Zusammenhange ist nun auch der K a r t o g r a p h i e zu gedenken. Vgl. zunächst oben S. 16 und Gerhard Seeliger, Probleme der historischen Kartographie und Topographie (Historische Vierteljahrschrift 6, 1903, S. 285 ff.), sowie Historischer Atlas und Grundkarten (ebd. 16,1913, S. 439 ff.). Alte Karten und Pläne richtig lesen, Ansichten richtig deuten zu können, ist unerläßlich. Für die Anfänge der Kartographie in Österreich kann heute kurzweg auf Hugo Hassinger, Österreichs Anteil an der Erforschung der Erde, ein Beitrag zur Kulturgeschichte Österreichs (Wien 1949), S. 45 ff., Eugen Oberhummer und Franz Wieser, Wolfgang Lazius, Karten der österreichischen Lande und des Königreiches Ungarn aus den Jahren 1545 bis 1563 (Innsbruck 1906), sowie Ernst Bernleithner, Die Entwicklung der Kartographie in Österreich (Berichte zur deutschen Landeskunde 1959, S. 191 ff.), hingewiesen werden. Wenn fast alle österreichischen Länder, besonders seit dem X V I . Jahr-

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hundert, an der Entwicklung dieser mit der Erdbeschreibung so unzertrennlich verbundenen Disziplin bedeutenden Anteil hatten, siehe etwa Hugo Hassinger, Über die Anfänge der Kartographie in Österreich (Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Wien 91, 1949, S. 7 ff.), und Ernst Bernleithner, Die Entwicklung der österreichischen Länderkunde von ihren Anfängen bis zur Errichtung der ersten Lehrkanzel für Geographie in Wien 1851, ebd. 97 (1955), S. 111 ff., so kann Niederösterreich, bzw. das Stift Klosterneuburg, den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, die älteste deutsche Landkarte 1420/21 hervorgebracht zu haben, die noch im clm. n. 14583, saec. XV., f. 512 T —514 r , überliefert ist. Siehe außer der auch in diesem Zusammenhange wesentlichen Studie von Rudolf Klug, Johannes von Gmunden, der Begründer der Himmelskunde auf deutschem Boden (Beiträge zur Geschichte der Universität Wien I, SB. Wien 222, 1943, 4. Abhandlung), Dana Bennett Durand, The Yienna-Klosterneuburg Map Corpus of the fifteenth century (Leiden 1952), und besonders Ernst Bernleithner, Die Klosterneuburger Fridericuskarte von etwa 1421 (Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Wien 98, 1956, S. 199 ff.). Leider fehlt bis heute die so wichtige sachkundige Monographie über den bedeutenden Österreicher Johann Stab (Stabius). Daß auch auf kartographischem Gebiete Fälschungen möglich sind, lehrte Georg Zappert, Wiens ältester Plan, SB. Wien 21 (1857), S. 399, dazu Richard Schuster, Zapperts .ältester Plan von Wien', SB. Wien 127 (1892), 6. Abhandlung, der die dreiste Mystifikation endgültig entlarvte, nebstbei auch (S. 21 f.) einige für die mittelalterliche Kartographie, bzw. ihre Herkunft aus der Spätantike, wesentliche Kennzeichen gut ausführte, vor allem ihr Unvermögen, beim reinen Grundrisse zu bleiben, indem — schon im Bauplane von St. Gallen — Architektur nicht in Vertikal-, sondern in Schrägansicht dargestellt wurde. Auch das S. 25 über die Orientierung der Pläne Gesagte ist beachtenswert. Vgl. außerdem Theodor v. Grienberger, Zu Georg Zapperts Fälschung „Wiens ältester Plan", MIÖG. 18 (1897), S. 150 ff. Für den ältesten echten Stadtplan Wiens gilt nach wie vor der in der Geschichte der Stadt Wien 2 (Wien 1900) bei S. 308 als Tafel XIV reproduzierte aus der Mitte des XV. Jahrhunderts, auf den Hassinger nicht näher eingegangen ist. Schließlich sei auch noch auf die — nach Bereinigung der Grenzstreitigkeiten zwischen Tirol und Salzburg — von Ferdinand I. 1534 angeregte und von dem sehr geschickten Paul Dax ausgeführte Karte des Zillertales hingewiesen; Paul Dax war so recht ein Tausendkünstler im Sinne der Zeit: Zeichner, Maler, Feldmesser, Baumeister usw., und hat sich der gestellten Aufgabe durch eine halb kartographische, halb perspektivische Durchführung gewachsen gezeigt. Über spezielle Aufgaben der Kartographie siehe Helmut Feigl, Ein neues System für kartographische Darstellung der Herrschaftsverhältnisse (Veröffentlichungen des Verbandes österreichischer Geschichtsvereine 8, 1955, S. 89 ff.), und Karl Frölich, Probleme der Rechtsgeographie (Vierteljahrschrift für Sozial· und Wirtschaftsgeschichte 27, 1934, S. 40 ff.). Neben diesen Ausführungen der f ü r die historische Ikonographie erheblichen Tatsachen soll aber die kunstgeschichtliche Seite der Phänomene nicht übersehen werden. Denn es handelt sich ja in den allermeisten Fällen u m wirkliche K u n s t w e r k e , deren Eigenart den modernen Beobachter auf den ersten Blick o f t befremdet und erst durch nähere Vertrautheit mit den Prinzipien künstlerischen Schaffens der Vergangenheit erschlossen werden kann. Eigentlich gibt es dazu keinen anderen Weg als den, sich eine möglichst umfangreiche Denkmalkenntnis anzueignen und auf dieser Basis etwa Max Dvorák, Idealismus und Realismus in der gotischen Skulptur

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und Malerei (HZ. 119, 1919, S. 1 ff.), und Julius v. Schlosser, Zur Kenntnis der künstlerischen Überlieferung im späten Mittelalter (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des ah. Kaiserhauses 23, 1903, S. 279 ff.), vorzunehmen, nicht zu vergessen des oben S. 7 angeführten Werkes von Hans Tietze, aber auch Thomas Würtenberger, Das Kunstfälschertum, Entstehung und Bekämpfung eines Verbrechens vom Anfang des XV. bis Ende des XVIII. Jahrhunderts (Weimar 1940). Auch die Parallelisierung mit den aus der Paläographie gewonnenen Einsichten kann dem Historiker Fingerzeige geben. Was aber die kulturgeschichtliche Seite betrifft, so wird gerade hier dem S a m m e l w e s e n Beachtung zu schenken sein. Im mittelalterlichen Schatze spielte das Ikonographische noch keine wahrnehmbare Rolle. Erst als mit der Renaissance der Personen- bzw. Zelebritätenkult kam, wurden Bildnisse aller Art bevorzugte Gegenstände des Sammlertums, ja der Sammelleidenschaft. Maximilians I. noch vorwiegend auf Genealogie gerichtete Bestrebungen bildeten den Übergang zu dem, was dann namentlich sein Großenkel Erzherzog Ferdinand (II.) in Ambras an ikonographischem Materiale zustande zu bringen vermochte. Ob und wie weit er durch Paolo Giovio dazu angeregt wurde, ist hier unerheblich. Gewiß ist, daß die von ihm geschaffene, rund tausend genormte Objekte zählende Bildnissammlung teils noch Lebender nach dem Leben, teils Abgeschiedener durch Kopierung der besterreichbaren Darstellungen, zusammen mit der ergänzenden Harnischsammlung („Ehrliche Gesellschaft"), eine grandiose Leistung war. Vgl. Friedrich Kenner, Die Portraitsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen usw. 15, 1893, S. 39 ff.), Gerhard Ladner, Zur Portraitsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, MIÖG. 47 (1933), S. 470 ff. und 49 (1935), S. 367 ff. sowie dessen Führer zu dieser Sammlung, in: Führer durch die Kunsthistorischen Sammlungen in Wien 17 (Wien 1932), endlich Festschrift des Kunsthistorischen Museums in Wien 1891—1941 2 (Wien 1945, S. 186 ff.), zum Museum des Paolo Giovio Eduard Fueter, Geschichte der neueren Historiographie ('München und Berlin 1936), S. 52. Zu den ersten Benützern dieser Tiroler Sammlungen gehörte des Erzherzogs Sekretär Gerard van Roo, Verfasser der nachmals von dem Vorarlberger Konrad Dietz vorzüglich bearbeiteten und herausgegebenen Annales rerum belli domique... gestarum (Innsbruck 1592), der ersten modernen Geschichte Österreichs unter den Habsburgern. Entlehnungen sind auch nachgewiesen bei Pompilio Totti, Ritratti et elogii di capitani illustri (Rom 1625). Eine von Alois v. Auer-Welsbach geplante Publikation durch die österreichische Staatsdruckerei (1859) kam nicht zustande, wohl aber vermochte Kenner seinem erwähnten Aufsatz entsprechende Illustrationen in kleinen Autotypien beizugeben. Vorsicht geziemt freilich auch gegenüber der Ambraser Portraitsammlung. Es hat sich z. B. gezeigt, daß einige Physiognomien bona fide Portraitstammbäumen der maximilianeischen Zeit entnommen wurden, wie etwa ein Friedrich Colonna, der der erste Gatte der Agnes, Tochter König Albrechts I., gewesen sein soll, in Wahrheit aber schwerlich existiert hat. Vergleichsweise sei etwa auf die Studie von Gerda Franziska Kircher, Neue Forschungen zur Portrait- und Sammlungsgeschichte der Zähringer (Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 97, 1949, S. 498 ff.), hingewiesen. Für die neueren Portraitsammlungen wie die des Prinzen Eugen, Lavaters u. a. vgl. Wilhelm Beetz, Die Portraitsammlung der Nationalbibliothek Wien (Graz 1935), und Hans Pauer, Das Bildarchiv der österreichischen Nationalbibliothek, ein Institut zur öffentlichen Pflege der Dokumentarphotographie, Geschichte und Programm (Wien 1947). Auch die sogenannte Vue-Sammlung 4

Lhotsky, Quellenkunde

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der österreichischen Nationalbibliothek ist zu erwähnen. Was noch in der Gegenwart ein privater Sammler an ikonographisch wertvollem Materiale zustande zu bringen vermag, lehrte Walter Sturminger, Bibliographie und Ikonographie der Türkenbelagerungen Wiens 1529 und 1683 (Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs 41, Graz-Köln 1955). Bildersammlungen allgemeiner Art tauchten um 1500 schon in den Bibliothekskatalogen auf und wurden um 1600 vollends unentbehrlich, wie etwa Brauns und Hogenbergs Städtebuch von 1572 (eine Neuausgabe wurde schon 1612 nötig) und um 1650 Martin Zeillers und Matthäus Merians berühmtes Unternehmen der „Topographie". Seit den Zeiten des Kaisers Maximilians I. und vollends unter Ferdinand I. wurden Pflanzen und Tiere, deren sich schon die Malerei des Spätmittelalters oft so liebevoll im Beiwerke und in der Buchillustration angenommen hatte, von Spezialisten mit durchaus wissenschaftlicher Intention abgebildet; an die Stelle der Kräuterbücher, wie sie die mittelalterliche Bibliothek im allgemeinen aufwies, traten nun die eigentlich botanischen (und zoologischen) Werke, vielfach angeregt durch die wachsende Neugier an den Naturalien der neuentdeckten überseeischen Länder. Von Kaiser Rudolf II. bis auf Kaiser Ferdinand von Österreich sind solche Naturbücher in herrlichen Exemplaren in der Wiener National- sowie in der Fideikommißbibliothek erhalten. Den Malern und Zeichnern gesellten sich, ebenfalls schon seit dem XV. Jahrhundert, die Wachsbossierer zu, die bald mit unheimlicher Naturtreue nicht nur Menschen, sondern alles nur Denkbare nachzubilden verstanden; vgl. Julius v. Schlosser, Geschichte der Portraitbildnerei in Wachs (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des ah. Kaiserhauses 29, 1911, S. 171 ff.). Den letzten Auslauf nahm diese noch lange geübte Kunst in den anatomischen Wachspräparaten Professor Joseph Hyrtls in Wien (t 1894), die in alle Welt geliefert wurden. Die seit den 1840er Jahren ihren Siegeszug antretende Daguerrotypie (Photographie) scheint die menschliche Illustrationstechnik allerdings überflüssig zu machen, und in gewissen Gebieten der Geisteswissenschaften (z. B. Paläographie, Diplomatik usw.) und selbstverständlich in der Naturwissenschaft, wo es auf mechanisch getreue Wiedergabe der Objekte ankommt, ist dies wirklich so. Gleichwohl kann sich auch hier der Fall ergeben, daß man durch eine das Wesentliche hervorhebende Handskizze ergänzen oder verdeutlichen muß, und daß die Photographie nicht einmal Städteansichten und örtliche Befunde befriedigend wiederzugeben vermag, ist oben S. 30 schon erwähnt worden. Bei der Portraitphotographie, wenn sie von Berufsphotographen geübt wird, kommt überdies noch die Unsitte des Retouchierens dazu, die den Wert der Abbildungen in Frage stellt; über einen bemerkenswerten Fall, auf photographischer Grundlage hergestellte Handschriftenfaksimiles zu „korrigieren", siehe Lhotsky in MIÖG. Erg. 17 (1954), S. 60 Anm. 41. Völlig wertlos sind selbstverständlich „Bildnisse" in modernen Malweisen.— Siehe im allgemeinen auch Wilhelm Kempen, Über den Quellenwert von Bildnissen (Kleinere Schriften der Ostfälischen familienkundlichen Kommission 1, Leipzig 1933).

8. ZEICHEN Mag man die Zeichen als auf ihre Elemente reduzierte Bilder oder als diese Elemente selbst auffassen, aus denen sich Bilder entwickelten — gewiß ist, daß sich neben allem Ikonischen die Abbreviatur durch Jahrtausende in ihrer Geltung behauptete und, wie es scheint, in der Gegenwart an Bedeutung

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eher gewinnt als verliert. Die Historie sollte sich damit mehr beschäftigen und nicht fast das ganze Gebiet — von religiösen Symbolen bis zu den Hausmarken — in der Hauptsache der Volkskunde überlassen. Ohne vorerst den Bereich der Schrift zu berühren, die übrigens heute noch oft zum bildhaften Zeichen zurückstrebt (Firmenmarken usw., vgl. auch Hans Jantzen, Das Wort als Bild in der frühmittelalterlichen Buchmalerei, Historisches Jahrbuch 60, 1940, S. 507 ff.), und ohne die ganze Vielfalt des Möglichen wirklich erfassen zu können, dürfte sich eine Einteilung in 1. religiöse, 2. magische, 3. technische und 4. politische Zeichen im allgemeinen durchführen lassen, obwohl es dabei genug Grenzfälle gibt, die einer strikten Einordnung widerstreben. Zu den beiden ersten Kategorien gehören alle Zeichensymbole, die sich auf Übersinnliches in Vorstellung, Glaube und Aberglaube beziehen. Ihre Zahl ist ungemein groß; irgendeine Übersicht zu schaffen, würde sicherlich ein nützliches Unternehmen sein. Alchimistische und astrologische Zeichen sind aber schon eher der dritten Gruppe, den technischen, zuzurechnen, wozu auch medizinische, mathematische (Funktionssymbole), Urheber Signaturen (Steinmetzzeichen usw.), Eigentumsmarken, Warenzeichen, Hausmarken, juristische Abbreviaturen und kanzleitechnische Hilfszeichen, wie sie etwa in den Reichsregisterbänden König Ruprechts auftauchen, gehören. Als politische Symbole können Hoheitszeichen aller Art, Kreuzfahrer- und Ordenszeichen, Abzeichen politischer Parteien u. a. angesehen werden; ein besonderes Kapitel bilden die Wappen. A n r e l i g i ö s e n Symbolen kommen für das Abendland hauptsächlich die jüdischen und christlichen in Betracht, also einerseits etwa der siebenarmige Leuchter, die Gesetzestafeln, der sogenannte Magén Davids usw., andererseits Dreieck (Trinität), Tiersymbole (Lamm, Fisch, Taube, die Evangelistensinnbilder), Labarum mit verschränktem Christuszeichen X und P, Schlüssel und Tiara (Papsttum), die durch den kirchlichen Gebrauch herausgebildeten Zeichen der Würdenträger, insbesondere die Hüte mit den Quasten (fiocchi) für Kardinäle, Erzbischöfe und Patriarchen, Bischöfe usw. (fünf, vier, drei Reihen usw., wobei auch die Farbe zu beachten ist). Hauptsächlich als Abzeichen der Utraquisten und Protestanten wurde das Bild des Kelches gebraucht. Das Hauptsymbol des Christentums aber, das Kreuz, hat in der Darstellung sehr viele Sonderformen und Stilisierungen durchgemacht, die man zwecks richtiger Beschreibung auch richtig benennen können muß, wie: Antoniuskreuz (crux commissa) T, lateinisches Kreuz (crux immissa) t , griechisches Kreuz (crux quadrata) + , Gabel- oder Schächerkreuz (crux decussata) Y , Andreaskreuz (besonders als Symbol des Ordens vom Goldenen Vließe, meist aus Baumstämmen mit Aststummeln gebildet) X , Patriarchen-, auch Lothringisches Kreuz, Schismatikerkreuz, Ankerkreuz (crux dissimulata), Malteserkreuz, Deutschordenskreuz, bzw. nach den Zieraten Tatzenkreuz, Ankerkreuz, Kleeblattkreuz, Volutenkreuz, Blumenkreuz, Wiederkreuz, Ringkreuz, Kugelkreuz, Hakenkreuz, Kruckenkreuz. Über Kreuzformen und Ritterorden siehe Heinrich Gustav Thierl, Zur Symbolik der Abzeichen alter Ritterorden (Jahrbuch „ A d l e r " N.F. 13, 1903, S. 87 ff.), ferner Josef Stockbauer, Kunstgeschichte des Kreuzes (Wien 1870), Joseph Sauer, Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der Auffassung des Mittelalters ('Freiburg i. B. 1924), und im übrigen das oben S. 19 genannte Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, wo man auch über die lokale volkstümliche Symbolik unterrichtet wird. Ein Spezialkapitel bilden die Attribute der Heiligen, wofür es besondere lexikalische Behelfe gibt, neuerdings Hans 4·

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Aurenhammer, Lexikon der christlichen Ikonographie (Wien 1959). Im übrigen siehe zum Handgebrauche Joseph Braun, Liturgisches Handlexikon ('Regensburg 1924). — Für den Islam kommt praktisch doch wohl nur der Halbmond, das Schwertzeichen des Propheten, in Betracht. Besonders im kirchlichen Bereiche ist neben der Zeichen- auch die Farbenund Materialsymbolik zu beachten, ebenso die der Pflanzen und Tiere, oft auch in Ornamenten. Im Mittelalter ist, laut Freidank, nichts ohne „Bedeutung". Unüberschaubar ist die Vielfalt der t e c h n i s c h e n Zeichen. Für vieles gibt das Lexicon abbreviaturarum von Adriano Cappelli in allen Auflagen Auskunft (Anhang). Sodann die mannigfachen Zeichen der Rechts-, insbesondere der Grenzsymbolik (meist Steine, die, abgesehen von Wappen, mit Kreuzen, Sternen, Sporen, sogenannten Ochsenfüßen usw. bezeichnet wurden); eine südsteirische Spezialität war die Benagelung geeigneter Bäume im Forst, siehe Wilhelm Erben, Deutsche Grenzaltertümer aus den Ostalpen (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 23, 1922, S. 33 ff.). Eine Absonderlichkeit waren die aus freier Phantasie ersonnenen Zeichen, womit Erzherzogin Maria (Gemahlin Karls II. von Innerösterreich) ihre Kleinode märken ließ, damit jedes ihrer zehn Kinder wisse, was ihm vermacht war; siehe Festschrift des Kunsthistorischen Museums 2 (Wien 1945/48), S. 302 Anm. 19. Über Steinmetzzeichen unterrichtet die Kunstgeschichte, über Münzzeichen, bzw. Zeichen der Prägestätten usw., die Numismatik ; über W a s s e r z e i c h e n handelte Gerhard Piccard, Die Wasserzeichenforschung als historische Hilfswissenschaft (Archivalische Zeitschrift 52, 1956, S. 62 ff.), und an Nachschlagebehelfen steht jetzt außer dem bisher führenden Werke von Charles-Moise Briquet, Les filigranes, Dictionnaire historique des marques du papiers (4 vol. Leipzig 1923), speziell für Österreich das monumentale, auch Böhmen, Ungarn usw. erfassende, von Georg Eineder, The ancient paper-mills of the former Austro-Hungarian Empire and their watermarks (Monumenta chartae papyraceae historiam illustrantia VIII, Hilversum 1960). Vgl. auch Viktor Thiel, Geschichte der Papiererzeugung im Donauraum (Biberach a. d. Riß 1940), sowie Wisso Weiß, Die Bedeutung der Wasserzeichenkunde für die Geschichtsforschung (Archivmitteilungen 5, 1955, S. 18 ff.). Unter den p o l i t i s c h e n Zeichen sind diejenigen, die eine staatliche Hoheit bezeichnen und in der Regel aus der historischen Heraldik erwachsen sind, wohl zu unterscheiden von den Sinnbildern politischer Meinungen, bzw. Interessengemeinschaften. Der Pfauenwedel als Sinnbild der Sympathie für Österreich ist heraldischer Herkunft, das besonders auf Gemälden und Graphiken des XVI. Jahrhunderts häufige Auftreten des Andreaskreuzes oder des Georgskreuzes (bei Schlachtenbildern zur Bezeichnung der österreichischen Heere) weist auf die Orden zurück, denen die Habsburger angehörten. Siehe im übrigen die wichtige Studie von Ottfried Neubecker, Ordensritterliche Heraldik (Der Herold für Geschlechter-, Wappen- und Siegelkunde 1, 1940, S. 17 ff., 83 ff. und 220 ff.). Verhältnismäßig spät erst traten dafür die Farben ein. Politische Zeichen waren auch die der Tiroler Adelsbünde des XV. Jahrhunderts (Elefanten- und Falkenbund), des Igelbundes der Salzburger Ritter, Knechte und Städte (1402), die der Bauernbewegung des Bundschuh usw., in gewissem Sinne auch die Symbole der Zünfte usw. Ein Unicum war das in Österreich für die durch die Verfassung vom 1. Mai 1934 herbeigeführte Situation gewählte Symbol des Kruckenkreuzes, das früher schon als an sich belangloses Münzzeichen (für die 5-Groschen-Stücke) verwendet worden war ; es muß hier erwähnt werden, weil die von Konrad Josef Heilig aus diesem Anlasse verfaßte Studie — Österreichs neues Symbol (Wien 1934) — eine sehr beachtenswerte materialreiche Untersuchung heraldischer Probleme Österreichs auch für das Mittelalter erbrachte.

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Eine Sonderstellung außerhalb des hier empfohlenen Schemas nehmen die W a p p e n ein. Sie sind schon im XIII. Jahrhundert Gegenstand einer eigenen, von den Herolden gepflegten Disziplin gewesen, der Heraldik, die ungeachtet aller neueren und neuesten politischen und sozialen Veränderungen fortbesteht und ihren praktischen Sinn behält, sollen nicht wüste Mißverständnisse und Mißbräuche einreißen. Im Mittelalter hatten die Wappen vielfach eine geradezu ikonographische Funktion, da ja das Gesicht der dargestellten Personen ritterlichen Standes im Helme versteckt war. In neuerer Zeit wurde die Heraldik durch die 1870 gegründete Heraldischgenealogische Gesellschaft „Adler" (siehe unten S. 94) belebt. Einführungs-, Handbücher- und Corpusliteratur kann hier nicht vorgeführt werden. Auf historischer Seite hat man sich von sphragistischen Bedürfnissen aus mit den Wappen beschäftigt, bis diese schon im Spätmittelalter als Geschichtsquellen wohlbeachteten Denkmale auch in die moderne Forschungspraxis mit reichem Erfolge eingeführt wurden. Überreich an heraldischem Stoffe war schon Jakob Fuggers, bzw. Clemens Jägers „Ehrenspiegel" cvp. n. 8614*. Aus neuerer Zeit seien nur die Arbeiten von Hugo Gerard Ströhl, Alfred Anthony von Siegenfeld, Oskar Fhr. v. Mitis, Franz Martin, Richard Kralik, Karl Moeser, Karl Lechner, Alfred Hoffmann, Rudolf Geyer, Hans Jäger-Sunstenau, Franz Gall usw. genannt. Siehe im übrigen Hugo Gerard Ströhl, Heraldischer Atlas (Stuttgart 1899), sowie Städtewappen von Österreich-Ungarn (2Wien 1904), und als modernes Beispiel Herbert Erich Baumert, Die Wappen der Städte und Märkte Oberösterreichs (Linz 1958). Unter den Hilfsmitteln, wie sie aus der überreichen theoretischen und praktischen Literatur in jeder Einführung in die Geschichte angegeben sind (ζ. B. Wilhelm Bauer S. 327 f., Ahasver v. Brandt S. 146 f., u. v. a.) ist wohl auch zu nennen Th. de Renesse, Dictionnaire des figures héraldiques (7 vol. Brüssel 1892—1903). Daß Siebmachers Wappenbuch spezielle Bände für Österreich, Böhmen, Mähren usw. bietet, bedarf kaum der Erinnerung. Einen technisch interessanten Behelf lokalen Umfanges schuf Konrad Fischnaler, Ausgewählte Schriften 3: Tirolisch-vorarlbergischer Wappenschlüssel (2 Teile Innsbruck 1938 ff., wo 1, 240 f., auch über die S. 425 genannte Haller Stubengesellschaft gehandelt wird. Unüberschaubar groß ist der Reichtum an heraldischen Denkmalen in jeder Ausführung: gemalt, gezeichnet, gemeißelt, geprägt, gewirkt, geätzt usw. Frühzeitig schon wurden Wappen bestimmter örtlicher oder sozialer Gruppen ihrer Träger g e s a m m e l t . Auch für Österreich wichtig ist die ausgezeichnet reproduzierte Wappenrolle von Zürich, her. v. Walther Merz und Friedrich Hegi (Zürich und Leipzig 1930), noch mehr aber die Publikation Die Wappenbücher vom Arlberg I: Die drei Originalhandschriften von St. Christoph auf dem Arlberg aus den Jahren 1394 bis rund 1430, bearb. von Otto Hupp (Berlin 1937 ff.), nämlich cod. „weiß" n. 242 („Böhm" n. 473) des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien, des cod. Figdor (nachmals Dr. v. Höfflinger), einer Handschrift im Besitze der Georgsritter in München und cod. n. 328 des Niederösterreichischen Landesarchivs. Vgl. dazu Siegmund Herzberg-Fränkel, Die Bruderschafts- und Wappenbücher von St. Christoph auf dem Arlberg, MIÖG. Erg. 6 (1901), S. 355 ff., wo eingangs auch die Entstehung dieses menschenfreundlichen Instituts durch die Bemühungen des armen Hirten Heinrich und durch die Gunst Herzog Leopolds III. erzählt und die ältere Literatur zu diesem sich auch auf Bayern, Schwaben, Schweiz, Mittel- und Niederrhein, Böhmen, Polen, Ungarn und Kroatien erstreckenden Namenund Wappenmaterial angeführt worden ist. Andere, meist weit spätere Wappenhandschriften finden sich in den großen zentralen Sammlungen (Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Kunsthistorisches Museum-Waffensammlung, in den Landesarchiven und -bibliotheken, aber auch in Klöstern, manches in städtischen Sammlungen); im besonderen siehe Karl Äußerer,

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Die heraldischen Handschriften der Wiener Nationalbibliothek, in : Festschrift der Nationalbibliothek in Wien (Wien 1926, S. 7 ff.). Über die bereits genannten und noch andere für Österreich in Betracht kommende Wappensammlungen informieren ausreichend Egon Fhr. v. Berchem, D. L. Galbreath und Otto Hupp, Die Wappenbücher des deutschen Mittelalters (Beiträge zur Geschichte der Heraldik, Schriftenreihe der Reichsstelle für Sippenforschung 3, Berlin 1939), S. 1 ff., bzw.: Züricher Wappenrolle S. 10 f., das durch seine Wappenbeigaben wichtige Nekrolog der Wiener Minoriten, MG., Necr. 5, 204 sqq., S. 20 f., die Bruderschaftsbücher von St. Christoph auf dem Arlberg S. 21 ff., das Wappenbuch des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien n. „weiß" 84 („Böhm" n. 157), von 1445/47, S. 40, das Ingram'sche Wappenbuch, das um 1940 vom Kunsthistorischen Museum in Wien erworben wurde, S. 46 ff., die sogenannte österreichische „Chronik" des Clemens Specker, vollendet 1479, S. 63 f., die österreichische „Chronik" des Konrad Grünenberg, vollendet nach 1484, im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien n. „rot" 1 („Böhm" n. 1) S. 64, den cvp. n. 8769, saec. XV., vgl. Karl Äußerer a. a. O., S. 12, S. 81, cvp. n. 2936, saec. XV. ex., „wohl die älteste alphabetisch angeordnete Wappensammlung", vgl. Äußerer a. a. O., S. 12, S. 86 ff., und das Innsbrucker Wappenbuch von 1460/70 (im Besitze der Tiroler Adelsmatrikelgenossenschaft) S. 85. Nebstbei seien auch die zahlreichen, mit Wappen ausgestatteten, Handschriften der Chronik Stainreuters (siehe S. 317) hier genannt. Wie irrig es sein würde, in der Heraldik lediglich eine Spielerei adeliger Kreise zu ersehen, lehrt am besten die späte Sammlung von Wappen 85 Wiener Ratsherren aus den Jahren 1627 bis 1736, „die letzte Frucht des historischen Sinnes, der das Bürgertum des XVI. Jahrhunderts mit regem Eifer für die wissenschaftliche Erforschung der Vergangenheit beseelte", siehe Karl Uhlirz, Das Wappenbuch der Stadt Wien, MIÖG. 14 (1893), S. 106 ff. Über ein wohl verschollenes österreichisches Wappenbuch in 18 Bänden (Besitzer Eduard Langer in Braunau, Böhmen) siehe Mitteilungen des k. k. Archivrates 2 (1916), S. 74 ff. Nur als ein Beispiel dafür, daß und wie Wappenfunde wesentliche literarische Traditionen ersetzen können, sei ein erst 1947 am Lettner der Stiftskirche in Zurzach aufgedecktes Wappen genannt: es beweist, daß das Stift von der ungarischen Königinwitwe Agnes, Tochter König Albrechts I., gegründet worden ist; siehe Adolph Reinle, Ein heraldisches Denkmal der Königin Agnes (Archives héraldiques Suisses, Schweizerisches Archiv für Heraldik 63, 1949), S. 40. Über ein besonders merkwürdiges Relikt berichtete Alfred Juritzky, Ein mittelalterliches Feldzeichen der steirischen Ritterschaft (Belvedere 8, 1929, S. 379 ff.). Auch auf cod. „weiß" 1030 des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien sei hingewiesen: Wappen und Conterfeyen der 1386 bei Sempach gefallenen österreichischen Herren und Ritter. Kulturgeschichtliche Curiosa ersten Ranges sind die bei den Leichenfeierlichkeiten für Albrecht VI. (1463) und Friedrich III. (1493) gebrauchten Totenschilde mit ihren Wappen; siehe Friedrich Waldbott v. Bassenheim, Originalprunkhelme aus dem XV. Jahrhundert (Heraldisch-genealogische Zeitschrift 3, 1873, S. 130 ff.). Die Schilde (und Lederhelme) befinden sich jetzt im Besitze der Städtischen Sammlungen Wien. Daß für Österreich, dessen Fürsten fast 600 Jahre lang auch Oberhäupter des Hl. Römischen Reiches waren, die Reichsheraldik eine beträchtliche Rolle spielt, versteht sich, doch muß für dieses Kapitel — einschließlich des neuerdings recht übersichtlich behandelten Themas: Paul Wentzke, Die deutschen Farben (2Heidelberg 1955) — auf die Spezialabteilungen hingewiesen werden. — Die österreichische Staats- und Länderheraldik ist in einem Anhange an diesen Abschnitt erläutert worden. Im Zusammenhange mit der Heraldik ist zweckmäßig auch auf die I ns i g η i e η aufmerksam zu machen. Die Reichsinsignien, deren Erforschung

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gerade in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte zu verzeichnen hat (Arpád Weixlgärtner, Julius v. Schlosser, Hans Decker-Hauff, Hermann Fillitz, besonders aber Percy Ernst Schramm), kann hier ebensowenig behandelt werden wie die Reichsheraldik ; es sei darauf hingewiesen, daß es unter den Kaisern Friedrich III. und Maximilian I. (wie übrigens auch bei außerdeutschen Fürsten) gewissermaßen private Königs- und Kaiserkronen der Habsburger gab, von denen namentlich die literarisch gut bezeugte gewaltige gotische Kaiserkrone Kaiser Friedrichs III. auch heraldisch (z. B. im Wappen der Stadt Wien) überliefert ist. Nach dem Tode Maximilians I. hat Kaiser Karl V. von seinem Bruder Ferdinand I. bei der Ordnung des Nachlasses auf diese Teile des Erbes besonderen Wert gelegt, und so sind ihm die Insignien seiner Vorfahren ausgeliefert worden; über das weitere vgl. Pedro Madrazo, Über Krönungsinsignien und Staatsgewänder Maximilians I. und ihr Schicksal in Spanien (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des ah. Kaiserhauses 9, 1889, S. 446 ff.). Das ganze reiche Gebiet hat durch Gerd Teilenbach, Über Herzogskronen und Herzogshüte im Mittelalter, DA. 5 (1942), S. 55 ff., Percy Ernst Schramm, Wie sahen die mittelalterlichen Herrschaftszeichen aus? (Archiv für Kulturgeschichte 35, 1953, S. 7 ff.), und neuerdings durch Schramms Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, Beiträge zu ihrer Geschichte (Schriften der Monumenta Germaniae histórica 13/1—3, Stuttgart 1954—1956), eine monumentale Darstellung erfahren, der zahlreiche Anregungen und neue Erkenntnisse zu danken sind; die österreichischen Insignien (Herzogs- bzw. Erzherzogshüte) kommen allerdings darin nicht vor — dafür ist man in der Hauptsache noch immer auf Marquard Herrgott, Monumenta augustissimae Domus Austriacae 1: Sigilla Vetera et insignia (Wien 1750), angewiesen. Von mittelalterlichen österreichischen Insignien ist lediglich noch ein steirischer Herzogshut vorhanden, der im Jahre 1766 restauriert wurde und in Graz verblieb. Der österreichische Erzherzogshut, der im Stifte Klosterneuburg verwahrt wird und bei der Erbhuldigung gebraucht wurde, ist erst 1616 von Erzherzog Maximilian III. unter wahrnehmbarer Einhaltung der in den rudolfinischen Freiheitsbriefen gegebenen Vorschriften angefertigt worden; siehe Wolfgang Pauker und Ernst Kris, Der österreichische Erzherzogshut im Stifte Klosterneuburg (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien N.F. 7,1933, S. 229 ff.). Im übrigen siehe Fritz Härtung, Die Krone als Symbol der monarchischen Herrschaft im ausgehenden Mittelalter (Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften 1940, Nr. 13), dazu Heinrich Mitteis, HZ. 166 (1942), S. 129 ff., nunmehr auch in Corona regni, her. v. Manfred Hellmann (Weimar 1961). — Was die S t a a t s k l e i d e r betrifft, deren Gebrauch oft mit dem der Insignien parallel geht, so ist auch hier auf die Literatur über die Reichskleinode hinzuweisen. Von der Tracht der Babenberger weiß man kaum Sicheres, nur daß der blaue Mantel mit den goldenen Adlern, in dem der Markgraf Leopold III. schon im Spätmittelalter dargestellt wurde, ungeschichtlich ist, siehe weiter unten im Anhange. Die fiktiven Freiheitsbriefe Rudolfs IV. beschreiben wohl die erzherzoglichen Insignien, nicht aber die Kleidung; für diese hat sich bemerkenswerterweise schon v o r der Bestätigung jener Privilegien durch Friedrich III. (6. Januar 1453) eine gewisse Norm gebildet, von der man gelegentlich eines Berichtes über die Erteilung des Ritterschlages an des Kaisers Bruder Herzog Albrecht VI. erfährt; er trug damals einen scharlachroten Mantel und Rock, mit Hermelin gefüttert, und ein schibelehtes huettele, hette obenan vil spitzer ecken, darüber ging ein guldin reif, vornan mit eim krutzelin, als ein erzherzog, Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen usw. 1 (1883), Reg. n. 74. Siehe schließlich auch Heinrich Modern, Geweihte Schwerter und Hüte in den Kunsthistorischen Sammlungen des ah. Kaiserhauses (Jahrbuch derselben 22, 1901, S. 127 ff.).

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Nur erwähnungsweise kann auf die Symbolik der verschiedenen weltlichen und halbgeistlichen R i t t e r o r d e n und G e s e l l s c h a f t e n hingewiesen werden — Einzelheiten würden da allzu weit führen. Daß mitunter Grabreliefs für die Zugehörigkeit wichtige Hinweise geben können, ist erwähnt worden. Schon in der Zeit vor 1500 scheint es manchen Herren geradezu Gegenstand besonderen Ehrgeizes gewesen zu sein, möglichst vielen solchen Vereinen anzugehören ; siehe die oben S. 52 angeführte Arbeit von Neubecker. Für die Habsburger kommen hauptsächlich in Frage: die von Otto (dem „Fröhlichen") 1337 gestiftete, doch noch im XIV. Jahrhundert eingegangene Societas Templois, Albrechts III. Gesellschaft vom Zopfe, bzw. der Salamanderorden, der von Albrecht V. gestiftete Adlerorden, der durch ihn von den Luxemburgern übernommene, eigentlich ungarische Drachenorden, der Kandel- und der portugiesische Mäßigkeitsorden, schließlich der von Friedrich III. und Maximilian eifrigst, aber mit unzulänglichen Mitteln geförderte Georgsorden und der burgundische Toison d'or; über diesen siehe Günther Probszt, Der Schatz des Ordens vom Goldenen Vließ (Wien 1926), im ganzen Waither Schultze, System des Entwicklungs-Stadiums der Ritter- und Verdienstorden usw. (Berlin 1899). Zum Templeisen-Orden siehe auch Hermann Maschek, Die Geschichte des Pfarrers vom Kahlenberg (Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 73, N.F. 61, 1936), S. 43 f. Ein schönes Abzeichen des Zopfordens aus dem Besitze der Stubenberg (Silber, vergoldet) besitzt das Steiermärkische Landesmuseum Ioanneum in Graz. Siehe ferner Walter Winkelbauer, Der St.-Georgs-Ritterorden Kaiser Friedrichs III. (Wiener Dissertation 1949). Nicht zu übersehen ist auch das k i r c h l i c h e Wappenwesen, von der Kurie bis zum Pfarrhause. Vgl. zunächst die Aufsatzfolge von Gerhard Ströhl, Die Wappen der Ordensstifte in Niederösterreich (Kunst und Kunsthandwerk 13, 1910, S. 341 ff.), desgl. in Oberösterreich und Salzburg (ebd. 14, 1911, S. 277 ff.), desgl. in Tirol und Vorarlberg (ebd. 15, 1912, S. 193 ff.), desgl. in Steiermark, Kärnten und Krain, ebd. S. 429 ff., desgl. in Böhmen, Mähren und Bosnien (ebd. 16, 1913, S. 333 ff.). Im allgemeinen Gerhard Ströhl, Die Heraldik in der Katholischen Kirche (ebd. 13, 1910, S. 607 ff.), und Bruno Bernhard Heim, Wappenbrauch und Wappenrecht in der Kirche (Ölten 1947). Ein Gesamtkompendium der außerheraldischen Symbole gibt es nicht. Meist sind solche aus Buchstabenstilisierungen hervorgegangen, wie etwa die gegeneinander verschlungenen beiden C, die schon Karl der Kühne u. a. gebrauchte und noch Kaiser Karl VI. ornamental anwenden ließ. Das auf den ersten Blick nicht leicht verständliche, vorwiegend als Bucheignerzeichen angewendete TP bedeutete CMP, nämlich Cuspinianus medicus poeta. Manches Bemerkenswerte dieser Art bringen etwa die Mitteilungen der österreichischen Exlibrisgesellschaft (Wien III, Geologengasse 1). Die heraldische Stilisierung der Insignien spielte im Mittelalter noch keine sonderliche Rolle, wenn man von der Kaiserkrone und den kirchlichen Kronen (Tiara) und Hüten absieht. Vgl. im übrigen das unten S. 66 f. über die Devisen Gesagte. D I E ÖSTERREICHISCHEN STAATS- UND LÄNDERSYMBOLE Das älteste Wappen Österreichs war der einköpfige Reichsadler, den die Babenberger als Markgrafen und auch nach 1156 als Herzoge geführt haben, und zwar als Amtswappen; vgl. aber unten S. 57. Die Farbenwerte dieses Adlers werden wohl denen des Reichsadlers entsprochen haben, also bis in die Zeit Heinrichs VI. Gold in Schwarz, seither Schwarz in Gold. Erst am Beginne der Regierungszeit des Herzogs Friedrich II., der in so vielem

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eigener Wege ging, tauchte der rotweißrote B i n d e n s c h i l d auf, der zufolge eines Antrages des Abgeordneten Miklas 1919 noch zum Symbol der Republik Österreich geworden ist. Damit waren auch die Staatsfarben gegeben. — Allgemeine Übersicht von Ernst Krahl und Hans Jäger-Sunstenau, Die Wappen der Republik Österreich und ihrer Bundesländer (Wien 1947). Ob die in der Handschrift des Petrus de Ebulo 1196/97 zu ersehende Darstellung der Österreicher wirklich schon (schräge) Bindenschilde andeutete, ist doch sehr fraglich. Im Spätmittelalter hat man sich Gedanken über die Herkunft dieses Zeichens gemacht, ohne zu sicheren Ergebnissen zu gelangen, weshalb eine im späten XIV. Jahrhundert zum ersten Male begegnende kindische Sage (Verleihung an Leopold V. vor Akkon) ersonnen wurde. Im XVIII. Jahrhundert ist das Interesse an diesen Fragen neu erwacht, siehe Constantin Franz v. Kauz, Vollständige Aufklärung der Geschichte des erzherzoglichen österreichischen Wappenschildes (Wien 1781), ohne daß deswegen jene alte Fabel so bald preisgegeben worden wäre; es wird ihrer offiziell noch im Wappenpatent von 1804 gedacht. Daß der Bindenschild als Landeswappen und nicht als babenbergisches Geschlechtswappen angesehen wurde, dürfte daraus zu ersehen sein, daß er auch im Amtssiegel des Landmarschalls geführt und von Ottokar wie auch von den Habsburgern übernommen wurde; er war denn auch unter den Habsburgern Sinnbild sämtlicher von ihnen erworbener Länder, so daß ihn ζ. B. auch Herzog Siegmund am Rathause zu Hall in Tirol gegenüber der Wappentafel Tirol anbringen ließ. Alles Wissenswerte bietet Karl Lechner, Wappen und Farben des Gaues Niederdonau (St. Pölten 1942); siehe auch Alfred v. Wurzbach, Das österreichische Wappen in den Stichen des Meisters E. S. vom Jahre 1466 (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen usw. 17, 1896, S. 1 ff.). Wenn im Spätmittelalter, besonders unter Maximilian I., der Bindenschild als das Wappen „Neu-Österreich" bezeichnet wurde, so wurde diese Unterscheidung durch die unter Herzog Rudolf IV. erfolgte Schöpfung des Wappens der f ü n f A d l e r (nicht „Lerchen"!) nötig, das man dann „Alt-Österreich" bezeichnete. An der Bedeutung der Fünfzahl der Adler wurde und wird bis heute herumgeraten ; siehe außer Lechner noch die später zu nennende Literatur über das Wappen des Landes ob der Enns. Sehr beachtenswert ist Alfred Hoffmanns Hinweis, daß das Wappen „Alt-Österreich" in den Jahrzehnten nach Rudolfs IV. Tode zunächst vergessen scheint und erst im frühen XV. Jahrhundert wieder, und zwar sichtlich im Zusammenhange mit der Aufnahme des Erzherzogtitels durch Ernst (nach 1414) aufkam, nicht minder seine Vermutung, daß damit eine dem französischen Lilienbanner (goldene Lilien im blauen Felde) entsprechende Emblematik geschaffen werden sollte. Nach Eva Frodl-Kraft, Das Fünf-Adler-Wappen, MIÖG. 65 (1957), S. 93 ff. bzw. 96, wäre das „altösterreichische" Wappen allerdings nicht mehr als „persönliche Schöpfung Rudolfs IV." anzusehen, weil es sich in einem Beispiel bereits in der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts nachweisen lassen soll ; dies mag richtig sein, ändert aber nichts an der Tatsache, daß erst Herzog Rudolf IV. selbst diesem Symbol offizielle Geltung verschaffte. Zum Bindenschilde gehörte nachweisbar schon seit der Zeit des letzten Babenbergers eine Helmzier: ein Busch P f a u e n f e d e r n . Hier handelt es sich nach Karl Lechner um die heraldische Beerbung Ottos V. von Lengenbach-Rechberg, Domvogtes von Regensburg, dessen Güter in Österreich Herzog Friedrich II. eingezogen hat. Es scheint aber, daß — laut einer arabischen Quelle — schon Herzog Leopold VI. vor Damiette (1218) einen Federbusch als besonderes Abzeichen gebraucht habe; siehe Hans L. Gottschalk, Al-Malik Al-Kämil von Egypten und seine Zeit (Wiesbaden 1958), S. 59 Anm. 1. Ob

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die in ottokarischer und habsburgischer Zeit ersichtliche „Besserung" dieser Zier durch eine kleine L a u b k r o n e an der Basis des Pfauenstutzes mit dem mißglückten Projekte der Erhebung Österreichs zum Königreiche (1245) zusammenhänge, ist sehr ungewiß; auf keinen Fall ist es, wie man früher meinte, mit der „erzherzoglichen" Stellung der Habsburger in Beziehung zu setzen. Im Jahre 1920 wurde der Bindenschild mit einer Mauerkrone versehen, was keineswegs glücklich genannt werden kann. Auch das Wappen des L a n d e s o b d e r E n n s ist erst eine Schöpfung Herzog Rudolfs IV. Es zeigt (heraldisch rechts) den Babenbergeradler Gold in Schwarz, links vier senkrechte Pfähle rot-weiß-rot-weiß : eine bewußte Umdeutung des seit 1335 bekannten Wappens der Herren von Machland. Die Rangstellung wechselte je nach der staatsrechtlichen Bewertung des Landes („Präzedenzstreit") ; 1804 wurde sie unmittelbar nach dem zum Wappen von Österreich unter der Enns qualifizierten Fünfadlerwappen und vor dem der Steiermark fixiert. Seit Kaiser Friedrich III. erscheint als Helmzier ein einköpfiger Adler, der in einigen Darstellungen eine Waage im Schnabel hält. Anstatt der Helmzier wurde seit dem X V . Jahrhundert gelegentlich der „Erzherzogshut" in derselben Form, in der er auch über dem Fünfadlerwappen zuweilen und schließlich vorwiegend angebracht wurde, verwendet. Siehe Alfred Hoffmann, Das Wappen des Landes Oberösterreich als Sinnbild seiner staatsrechtlichen Entwicklungsgeschichte (Linz 1947), und Ignaz Zibermayr, Das Oberösterreichische Landesarchiv in Linz ('Linz 1950), mit Wiedergabe der Wappen Alt- und Neuösterreich sowie Land ob der Enns in Farbendruck. Das Wappen der S t e i e r m a r k , ein silberner, rot gehörnter und bewehrter Panther im grünen Felde mit Flammenbüscheln aus allen Öffnungen, soll ein altes Heerbannzeichen, übrigens ursprünglich ein schwarzer Panther in Weiß, gewesen sein — die Änderung der Tinktur schrieb man Herzog Friedrich II. zu; siehe Alfred Anthony v. Siegenfeld, Das Landeswappen der Steiermark (Graz 1900), dazu die Berichtigung durch Heinrich Appelt, Die Entstehung des steirischen Landeswappens, in: Festschrift für Julius Franz Schütz (Graz-Köln 1954), S. 235 ff., demnach der Panther keineswegs ein Feldzeichen wäre, sondern ein vom Markgrafen Otakar III. um 1160 frei gewähltes Symbol, das erst unter den Babenbergern als Zeichen der Steiermark auf dem Landesbanner verwendet wurde. Appelt ist übrigens (S. 243) der Meinung, daß der Babenberger-Adler kein Amtszeichen der Markgrafen bzw. Herzoge war, sondern ihr Familienwappen. Das Wappen K ä r n t e n s — nach herkömmlicher Ansicht ursprünglich ein schwarzer Panther in Weiß (Silber), dessen Änderung durch Herzog Friedrich II. von Österreich gegenüber Herzog Ulrich erzwungen worden sei (zwei, später aus ästhetischen Gründen drei schwarze Löwen in Gelb (Gold) gegenüber dem Bindenschilde — ist nach Heinrich Appelt, Zur Frage der Entstehung des Kärntner Landeswappens (Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark 46,1955, S. 50 ff.), ottokarisch-böhmischer Herkunft. Helmzier ist ein bekrönter Turnierhelm mit zwei goldenen Büffelhörnern und je fünf goldenen Stäbchen, an denen je drei Lindenblätter hängen, und zwar links schwarze, rechts rote. Κ r a i η hatte anfänglich einen rot bewehrten blauen Adler mit einem rot-silber geschachten Brustmonde; Kaiser Friedrich III. änderte diesen 1462 in rot-gold und zierte den Adler mit der Kaiserkrone. Über dem Wappen wurde zumeist ein Fürstenhut angeordnet. Der T i r o l e r A d l e r — Rot in Weiß — ist als solcher schon 1205 nachweisbar, seit 1250 auch mit den Flügelspangen, seit 1416 bekrönt, seit 1567 mit dem „Ehrenkränzl", das aber keine wesentliche Zutat bildet. Aus der reichen Literatur sei genannt Arnold Busson, Der Tiroler Adler (Innsbruck 1879), Karl Moeser, Zwei Kapitel aus der Geschichte des Tiroler Adlers (Ver-

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ôffentlichungen des Museums Ferdinandeum 8, 1928, S. 459 ff.), und Konrad Fischnaler, Wappen und heraldisch-sphragistische Studien aus Alttirol (Innsbruck 1937), S. 48 ff. V o r a r l b e r g erhielt erst am 8. August 1863 ein von Joseph Bergmann aus zahlreichen Wappen Vorarlberger Herrschaften zusammengesetztes recht kompliziertes Landeswappen, das am 30. Juli 1923 durch das einfach-schöne Kirchenfahnenwappen — rote Fahne mit schwarzen Fransen in Silber — der Grafen von Montfort ersetzt wurde. Vgl. Hugo Gerhard Ströhl, Wappen und Siegel der Orte Vorarlbergs (Jahrbuch der k. k. Heraldisch-genealogischen Gesellschaft „Adler" 3, 1893), S. 113. Auch die bisher gültige Auffassung des S a l z b u r g e r Wappens ist nunmehr durch Appelt revidiert worden; nach ihm ist es erst gegen 1290 auf einem Friesacher Pfennig des Erzbischofs Rudolf nachweisbar und scheint — ebenso wie Kärntens Wappen — mit der Aufnahme des Bindenschildes gegenüber dem Löwen eher einen Anspruch auf Österreich anzudeuten. Vgl. Karl Ledóchowski und Franz Martin, Salzburgs Wappen (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 75, 1935), S. 3, und Franz Martin, Kleine Landesgeschichte von Salzburg ('Salzburg 1957), S. 98, mit Appelt in der letztgenannten Studie S. 54 ff. Das B u r g e n l a n d hat am 1. August 1922 ein Wappen erhalten, das aus dem der Herren von Mattersburg-Forchtenstein und der Grafen von Güssing zusammengesetzt wurde: roter goldbekrönter und goldbewehrter Adler in Gold auf schwarzem Felsen, mit Brustschildchen rot und „kürsch" senkrecht dreimal geteilt; auf den Schwingen des Adlers je ein schwarzes Kreuzchen. Vgl. Alfred Walheim, Wie das Burgenland zu seinem Wappen kam (Volkszeitung 10. Februar 1924), S. 12, und Wilhelm Gerlich, Der Templerorden im Burgenland (Burgenländische Heimatblätter 9,1947, S. 131 ff., bzw. 138 ff.). Allgemeine Bibliographie des Burgenlandes 4 (Eisenstadt 1959), S. 147 f. W i e n führte anfänglich den babenbergischen Adler; erst ein Siegel von 1327 zeigt als Brustschildchen des Adlers ein (weißes) Kreuz (in Rot), das von der Reichssturmfahne (Erhebung zur Reichsstadt 1237) herrühren soll. Friedrich III. hat (1461) den Wienern den kaiserlichen Doppeladler mit dem Kreuzschildchen und darüber die Kaiserkrone verliehen, und dieses Wappen blieb bis 1925 in Brauch, als es durch das einfache Kreuzwappen ersetzt wurde. Im Jahre 1934 wurde unter dem Bürgermeister Richard Schmitz neuerlich der Doppeladler eingeführt, aber unbekrönt und nur nimbiert, dem 1938 die — damals eben aus Wien nach Nürnberg verbrachte — Kaiserkrone übergestellt wurde. Nach dem Kriege ist 1945/46 der schon im X V . Jahrhundert gebrauchte einköpfige, unbekrönte und nicht nimbierte Adler mit dem Kreuzschildchen auf der Brust erneuert worden und seither in Gebrauch. Siehe Rudolf Geyer, Siegel und Wappen der Stadt Wien (Wiener Geschichtsblätter 1, 1946), S. 33 ff. 9. SPRACHE Die wesentlichste geschichtliche Überlieferung ist aber doch an den sprachlichen Ausdruck gebunden; darum kann es keine wirkliche Geschichtsforschung ohne sprachwissenschaftliche Grundlage geben. „Alle mittelalterliche Geschichtsforschung ist Philologie" schrieb Hermann Heimpel mit vollem Rechte in das Vorwort zu Heinz Quirins Einführung (siehe oben S. 4) S. 7, und also „ist und bleibt alle historische Methode die Tochter der klassischen Altertumswissenschaft, und das beste Proseminar wäre ein gutes humanistisches Gymnasium".

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Wilhelm Bauer kam in seiner „Einführung" (siehe das Register dazu) mehrfach auf die Sprache zu reden, aber als Quelle im eigentlichen Sinne erschien sie ihm noch nicht; als solche ist sie aber inzwischen längst anerkannt, siehe Wilhelm Brandenstein, Die Sprache als Geschichtsquelle (Die Welt als Geschichte 3, 1937, S. 429 ff.), aber auch Theodor Frings, Sprache und Geschichte (Mitteldeutsche Studien 16—18, 1956), und Ludwig Erich Schmidt, Sprache und Geschichte (Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 7, 1957, S. 259 ff.). Der bloße Hinweis auf die Beweiskraft dialektischer und stilistischer Eigenart reicht hin, dies plausibel zu machen. Sprache ist Geschichtsdenkmal auch ohne literarische Überlieferung, indem die heute noch gesprochenen Idiome als solche dem Kundigen wertvolle Auskünfte zu geben vermögen, ganz zu schweigen von Ortsbezeichnungen. Für Österreich kommt—was das Mittelalter betrifft—außer der alt-, mittelund frühneuhochdeutschen Landessprache nur die lateinische Sprache in Betracht, deren Gebrauch keineswegs auf Kleriker und Gelehrte beschränkt blieb, in einigen Fällen aber auch die slavischen Idiome (besonders Öechisch und Slovenisch), Magyarisch und Türkisch. Man ist mit gutem Grunde längst übereingekommen, dem nationalen Schrifttum allerorten auch das lateinische zuzurechnen, zumal das mittelalterliche Latein selbst Provinzialismen aufweist; siehe namentlich das Lexicon mediae et infimae Latinitatis Polonorum (Breslau, Krakau, Warschau 1953 ff.), und Anton Bartal, Glossarium mediae et infimae Latinitatis Regni Hungariae (Leipzig 1901). Nur in Ungarn wurde bis zum Ersten Weltkriege die lateinische Literatur nicht zur Nationalliteratur gerechnet; siehe Istványi Géza, Die mittellateinische Philologie in Ungarn usw., DA. 4 (1941), S. 210. Für germanistische, romanistische und slavistische philologische Probleme ist der Historiker auf jeden Fall auf Gutachten der Fachleute angewiesen, obwohl ihm wenigstens der wichtigste Wortschatz und das Formenverständnis des Mittelhochdeutschen praktisch geläufig sein muß; für die mittelalterliche L a t i n i t ä t aber ist er ungeachtet vieler Vorarbeiten aus neuester Zeit — die älteren „Altphilologen" ließen sich auf Mediaevalia nur ungerne ein — oft genug auf sich selbst angewiesen. Zunächst sei eine Auswahl des wichtigsten Schrifttums auf diesem Gebiete bezeichnet: Hermann Usener, Philologie und Geschichtswissenschaft (Bonn 1882), Karl Hegel, Lateinische Wörter und deutsche Begriffe, NA. 18 (1893), S. 209 ff., Ludwig Traube, Vorlesungen und Abhandlungen 2 (München 1911), Louis Havet, Manuel de critique verbale appliquée aux textes latins (Paris 1911, auch für mittelalterliche Denkmale nicht unwichtig), Paul Lehmann, Aufgaben und Anregungen der lateinischen Philologie des Mittelalters, SB. München 1918, 8. Abhandlung, Walter Stach, Mittellateinische Philologie und Geschichtswissenschaft (Historische Vierteljahrschrift 26,1931, S. 1 ff.), Franz Blatt, Sprachwandel im Latein des Mittelalters (ebd. 28, 1933, S. 22 ff.), Walther Bulst, Über die mittlere Latinität des Abendlandes (Heidelberg 1946), Richard Meister, Mittellatein als Traditionssprache, in: Liber floridus, Mittellateinische Studien, Festschrift Paul Lehmann (St. Ottilien 1950, S. 1 ff.), Walter Stach, Wort und Bedeutung im mittelalterlichen Latein, DA. 9 (1952), S. 332 ff. ; zur Orientierung im allgemeinen Sigmund Hellmann, Das Problem der mittellateinischen Philologie (Historische Vierteljahrschrift 29, 1935, S. 625 ff.), Paul Lehmann, Erforschung des Mittelalters (Leipzig 1941, wieder-

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holt Stuttgart 1959, 2 ebd. 1959), Karl Langosch, Mittellatein als Deutschkunde (Deutschkundliche Arbeiten A. 10, Breslau 1937), Karl Strecker, Einführung in das Mittellatein(Berlinl928). Chrestomathien: HeinrichWatenphul, Mittellateinisches Lesebuch (Bielefeld 1927), Stange und Dittrich, Vox Latina (Leipzig 1924), Richard Meister-Friedrich Wotke, Auswahl aus dem mittellateinischen und neulateinischen Schrifttum (Wien und Leipzig 1934), Andreas Kaiser, Lateinische Dichtungen zur Geschichte des Mittelalters (München 1927), Horst Kusch, Einführung in das lateinische Mittelalter 1 (Berlin 1957); dem von Ludwig Voit und Hans Bengl herausgegebenen und erläuterten Werke Römisches Erbe, ein Lesebuch lateinischer Literatur (München 1950/51), sollte ein ähnliches für mittelalterliche Autoren folgen. Lexika im einzelnen anzuführen, würde derzeit, da allerorten sowohl umfassende wie örtlich begrenzte Glossare im Erscheinen begriffen sind, noch keinen Sinn haben; in vielen Fällen wird man sich mit größerem Erfolge der Glossare zu Urkundenbüchern und Textausgaben bedienen, doch sei zumindest an die nützlichen Behelfe von Eduard Brinckmeier, Glossarium diplomaticum (2 Bde., Gotha 1856), Lorenz Diefenbach, Glossarium Latino-Germanicum mediae et infimae Latinitatis (Frankfurt a. M. 1857), Anton Bartal, Glossarium mediae et infimae Latinitatis regni Hungariae (Leipzig 1901), Albert Sleumer, Kirchenlateinisches Wörterbuch (Limburg/Lahn 1926) und zum Handgebrauche Edwin Habel, Mittellateinisches Glossar ('Paderborn 1957), erinnert. Ludwig Traubes Satz: „Es gibt kein mittelalterliches Latein" (Vorlesungen und Abhandlungen 2, 78) ist insoferne richtig, als es in der Tat ein Gemeinlatein nicht gegeben hat, bloß örtliche Entwicklungen und außerdem lateinische Fachsprachen (Theologie, Jurisprudenz, reale Wissenschaften, Handwerks- und Geschäftsleben); demgemäß hatte er auch recht, wenn er fortfuhr: „es wird auch kein Wörterbuch und keine Grammatik derselben geben." An Zeitschriften stehen namentlich die altangesehene Glotta, seit 1948 Lexis, seit 1949 Gnomon zu Gebote, daneben seit 1924 das Archivum Latinitatis medii aevi consociatarum academiarum auspiciis conditum (Union académique internationale Bulletin Du Cange); in Österreich seit 1949 der Anzeiger für Altertumswissenschaft (her. v. d. Österreichischen Humanistischen Gesellschaft), wo zuweilen auch Mediaevalia behandelt werden. Ein auch dem Historiker nützlicher Behelf ist Johann B. Hofmann und Hans Rubenbauer, Wörterbuch der grammatischen und metrischen Terminologie (Heidelberg 1950). — Siehe auch Theodor Frings, Der Weg zur deutschen Hochsprache (Jahrbuch der deutschen Sprache 1944, S. 67 ff.). In der Praxis stellt oft schon der einzelne Buchstabe bzw. L a u t seine besonderen Probleme, die am besten im Zusammenhange mit der Paläographie zu behandeln sein dürften, und vorzüglich solche der Aussprache, wodurch sich so manche orthographische Eigenarten leichter erklären lassen würden. Vgl. namentlich Karl Mras, Assibilierung und Palatalisierung im späteren Latein (Wiener Studien, Zeitschrift für klassische Philologie 63,1948, S. 86 ff.). Überhaupt zeigte sich, daß so manche „Unart" mittelalterlicher Latinisten auf spätantike Bräuche zurückgeht. Blatt hat a. a. O., S. 36, mit Recht Vorsicht empfohlen, etwa rivolus für einen Italianismus zu halten; selbst y für i (und umgekehrt), ch für c, ph für f (und umgekehrt) läßt sich schon in antiken Inschriften nachweisen. Es würde vielleicht der Mühe lohnen, auch lateinische Sprachentwicklungen im Sinne der von Otto Höfler, Über die Vorbestimmtheit sprachlicher Entwicklungen (Anzeiger 95, 1958, S. 111 ff.), angedeuteten Problematik des „Gerichtetseins" zu überprüfen. Im übrigen darf mittelalterliche Latinität so wenig wie antike nur nach ihren Hochleistungen beurteilt und betrachtet werden. Neben der korrekten Schulsprache existierte auch in diesem Idiom allerorten eine andere, wirklich g e s p r o c h e n e , und von ihr sind nicht selten besondere Wirkungen aus-

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gegangen. Vgl. außer Wilhelm Sueß, Das Problem der lateinischen Bibelsprache (Historische Vierteljahrschrift 27, 1932, S. 1 ff.), auch Paul Lehmann, Mittelalter und Küchenlatein, sowie V o m Leben des Lateinischen im Mittelalter, in: Erforschung des Mittelalters ^Stuttgart 1959), S. 46 ff. und 62 ff. Dies gilt selbstverständlich auch für das Deutsche; sehr bemerkenswert ist der Hinweis auf eine deutsche Auslegung des Vaterunser durch den Kaplan Herzog Albrechts IV. Ulrich von Pottenstein (cvp. n. 3050, Inc.: Do ich bedacht in meinem mut) von Friedrich Ranke, Zum Wortschatze der österreichischen Umgangssprache um 1400, in: Beiträge zur Sprachwissenschaft und Volkskunde, in: Festschrift für Ernst Ochs (Lahr, Schwarzwald 1951), S. 180 ff. Sehr wichtig sind für den Historiker wie für den Philologen die seit dem X I I I . Jahrhundert in steigendem Maße vorhandenen Ü b e r s e t z u n g e n , und zwar nicht bloß literarischer Texte, sondern auch der Urkunden. Ohne solche Studien dürfte überhaupt die Festigung der rechtshistorischen Begriffsbildung, insoferne sie von sprachlichen Fachausdrücken getragen wird, kaum gelingen. Eine diesbezügliche Untersuchung auf Grund österreichischer Urkunden, die im Spätmittelalter aus dem Lateinischen ins Deutsche übertragen wurden, gab Harald Zimmermann in einer (ungedruckten) Prüfungsarbeit für das Institut für österreichische Geschichtsforschung 1953, wobei er die erzielten Ergebnisse zu einem Glossar verarbeitete. Als Beispiel einer Spezialsprachenuntersuchung diene etwa Bruno Boesch, Untersuchungen zur alemannischen Urkundensprache des X I I I . Jahrhunderts (Bern 1946), zum Grundsätzlichen siehe Herbert Grundmann, Übersetzungsprobleme im Spätmittelalter (Zeitschrift für deutsche Philologie 70, 1947/48, S. 113 ff.). Gerade der Zwang, richtig zu interpretieren — und das ist mehr als bloßes „übersetzen" — und die Termini zu verstehen, hat in den letzten Jahrzehnten die W o r t f o r s c h u n g begünstigt ; der oft tiefgreifende Wandel der Bedeutung steht in engster Wechselwirkung mit politischen und kulturellen Verlagerungen, die nicht selten von der philologischen Seite her am ehesten und sichersten faßbar werden. Als Beispiele einschlägiger Forschungen seien genannt: Richard Heinze, Auctoritas, in: V o m Geiste des Römertums (Leipzig 1928), Percy Ernst Schramm, Kaiser, R o m und Renovatio (Leipzig und Berlin 1929), Peter Rassow, Honor Imperii (ebd. 1940), und für die W o r t e terra, provincia und patria Otto Brunner, Land und Herrschaft ( 4 Wiesbaden 1958). Alles hat ja seine Terminologie gehabt; gleichwie Brunner und andere auf die feineren Unterschiede zwischen Urbs, oppidum, civitas, locus, vicus usw. achten lehrten, so haben — freilich wieder regional differenziert — z. B. auch amnis, rivus, ripa, torrens, aqua, alveus, in manchen Fällen auch pars und latus besondere Bedeutung, siehe Otto Stolz, Geschichtskunde der Gewässer Tirols (Innsbruck 1936). Andere, nicht minder wichtige Wortbedeutungsfragen behandelte z. B. Ernst Klebel, Verwandtschaftsbezeichnungen im hohen Mittelalter ( „ A d l e r " Monatsblatt 6, 1944, S. 2 ff.). Auch auf die gleichfalls schon in der Antike begegnenden falschen Etymologien hat man zu achten, weil sie — wenn allgemein anerkannt — die seltsamsten Auffassungen zur Folge haben konnten. Auf die Verkennung des Wortes augustus soll gar nicht erst hingewiesen werden; Karl Jordan, Die Entstehung der römischen Kurie (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistische A b teilung 28, 1939), S. 113, hat gezeigt, daß für die Wortgeschichte von curia die Ableitung aus cruor ( 1) gar nicht unwesentlich gewesen ist. Was überhaupt eine vom Mittellatein ausgehende Durchsuchung der Sprache an kulturgeschichtlichen Erkenntnissen zu gewähren vermag, lehrt eindrucksvoll Ernst Robert Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter («Bern 1960); im besonderen siehe Heinrich Fichtenau, Arenga, Spätantike und Mittelalter im Spiegel von Urkundenformeln, MIÖG. Erg. 18 (1957).

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Daß — in literarischen wie in urkundlichen Texten — auf die Z i e rm i t t e l , auf Redefiguren, auf Durchsetzung mit fremdem Phrasen- und Gedankengute sehr zu achten ist, weiß jedermann; die moderne Editionstechnik sucht dem Studierenden freilich hier die Hauptarbeit bereits abzunehmen. An Vorarbeiten, die zugleich auch Hilfsmittel sein können, sind Eduard Norden, Die antike Kunstprosa vom VI. Jahrhundert v. Chr. bis in die Zeit der Renaissance (2 Bde., 'Leipzig und Berlin 1923), Karl Polhaim, Die lateinische Reimprosa (Berlin 1925), und Leonid Arbusow, Colores rhetorici (Göttingen 1948), im übrigen wieder Arbusow, Curtius und Heinrich Lausberg, Elemente der literarischen Rhetorik (München 1949), zu erwähnen. Der sprachliche Ausdruck mittelalterlicher Autoren ist freier und individueller als man gemeinhin glaubt ; anders würde es auch kaum möglich sein, durch Stilvergleichung oder zunächst dem Gehöre nach sichere Zuweisungen vorzunehmen wie etwa Redlich mit der Translatio s. Delicianae (siehe unten S. 183). Es ist übrigens bemerkenswert, daß schon Karl August Hübener, Historicus falso suspectus (Halle-Magdeburg 1706), p. 23, forderte, man möge trachten, anonym überlieferte Werke durch Stiluntersuchung ihren wirklichen Verfassern zuzuweisen. In diesem Zusammenhange sei schließlich auch noch auf Leonid Arbusow, Das entlehnte Sprachgut in Heinrichs Chronicon Livoniae, DA. 8 (1950), S. 100 ff., und Friedrich Panzer, Vom mittelalterlichen Zitieren, SB. Heidelberg 1950, 2. Abhandlung, aufmerksam gemacht. — Siehe auch Ludwig Klages, Die Sprache als Quelle der Seelenkunde ^Stuttgart 1959). Über D u n k e l s p r a c h e n siehe Ludwig Traube, Vorlesungen und Abhandlungen 2 (München 1911), S. 82. Die halb empirisch begründete, halb hypothetische Meinung, daß jeder einigermaßen bedeutende Autor eine ihm gemäße Sprachmusikalität auch im Schriftlichen erkennen lasse, hat mancherlei Versuche angeregt, den Zuweisungsproblemen auch von dieser Seite her beizukommen, wobei so wichtige Fälle wie etwa der von Friedrich Schneider, Die Entstehungszeit der Monarchia Dantes (Greiz i. V. und Leipzig 1922), S. 15 Anm. 4, behandelte, immer wieder Anstoß geben. Vgl. Eduard Sievers, Rhythmisch-melodische Studien (Leipzig 1912), Günther Ipsen und Fritz Karg, Schallanalytische Versuche (Germanische Bibliothek 24, 1928). Eine besonders häufige Anwendungsmöglichkeit philologischer Methoden bietet dem Historiker die Eigennamen-, besonders die O r t s n a m e n forschung. Die leider nicht durchaus fachmännische Literatur ist für jedes Land schon unüberschaubar groß; neben dem mit Vorliebe auf etymologischem Gebiete immer wieder tätigen Dilettantismus kommt nicht selten auch mehr oder weniger versteckte nationale Rivalität als Streit- und Fehlerquelle in Betracht, wie etwa die gewaltsame unbedingte Verdeutschung vieler einwandfrei slavischer Ortsnamen Niederösterreichs durch Theodor Grienberger. Wie reger Anteilnahme sich der Gegenstand erfreut, beweisen z. B. Karl Lechner, Bibliographie zur Landesgeschichte der nördlichen Hälfte der Gaue Niederdonau und Wien (Leipzig 1940), S. 107 ff., die reichen Literaturangaben von Eberhard Kranzmayer, Ortsnamenbuch von Kärnten 1 (Klagenfurt 1956), S. 17 ff., und überhaupt die zahllosen Studien von Rudolf Much, Primus Lessiak, Ernst Klebel, Walter Steinhauser, Karl Finsterwalder, Heinrich Weigl u. v. a. Mit der etymologischen Erklärung ist noch lange nicht alles geleistet: hier erst setzt die Interpretation durch den Historiker ein. Diese Namen der Frühzeit „sprechen" ja alle, sie lassen Schlußfolgerungen zu auf vergangene Oberflächenformen, Pflanzendecke, Lage zu Gewässern,

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Systematischer Teil

Tätigkeit der ersten Ansiedler (etwa die Zusammensetzungen mit aich, bühel, bürg, kirche, lewer, mauer, reut, schlag, wasen, worth, wolf usw.). Nur beispielsweise Wilhelm Brandenstein, Frühgeschichte und Sprachwissenschaft (Arbeiten aus dem Institut für allgemeine und vergleichende Sprachwissenschaft in Graz 1, Wien 1948), Heinrich Weigl, Flurnamen als Zeugen vor- und frühgeschichtlicher Erdwerke (Unsere Heimat 24, 1953, S. 1 ff.), Walter Steinhauser, Die Ortsnamen des Burgenlandes als siedlungsgeschichtliche Quelle, MIÖG. 45 (1931) S. 281 ff., Emil Weinberg, Die österreichischen Ortsnamen und ihre Bedeutung (Wien-Leipzig 1936). Was äußerstenfalls auf namenkundlichem Gebiete in exakter Weise noch möglich ist, lehrte Erich Zöllner, Awarisches Namensgut in Bayern und Österreich, MIÖG. 58 (1950), S. 244 ff. Eine feinsinnige, auch dem Nichtphilologen und Anfänger ohne weiteres verständliche Einführung in Wesen und Aufgaben sowie in die Methode der Ortsnamenforschung gab Oswald Redlich, Über Ortsnamen in den östlichen Alpenländern und ihre Bedeutung (Zeitschrift des Deutschen und österreichischen Alpenvereines 28, 1897, wiederholt in: Ausgewählte Schriften, 1928, S. 207 ff.), nunmehr auch Ludwig Steinberger, Kreuz und quer durch Tirols Ortsnamenwelt (Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum 8, 1928, S. 559 ff.); auch Rudolf Much, Die Namen im Weichbilde Wiens, in: Wien, sein Boden und seine Geschichte (Wien 1924), S. 248 ff., darf als Beispiel übersichtlicher Darbietung erzielter Ergebnisse angeführt werden. Im einzelnen sind die landschaftlichen Bibliographien zu befragen; ergänzungsweise mag auf zwei gut behandelte Fragestellungen hingewiesen werden, die zwar nicht unmittelbar mit der Ortsnamenforschung, aber doch mit Landes- und Volkskunde zu tun haben : Franz Höf er und Moriz Kronfeld, Volksnamen der niederösterreichischen Pflanzen (Bll. Lk. Nö., N.F. 23,1889, S. 101 ff., und Franz Höfer, Die Volksnamen der Tiere in Niederösterreich, ebd. 26 (1892), S. 76 ff. An Behelfen stehen fürs erste zu Gebote: Eberhard Kranzmayer, Die österreichischen Bundesländer und deren Hauptstädte in ihren Namen (Wien 1956), Joseph v. Zahn, Ortsnamenbuch der Steiermark im Mittelalter (Wien 1893), Eberhard Kranzmayer, Ortsnamenbuch von Kärnten 1: Die Siedlungsgeschichte Kärntens von der Urzeit bis zur Gegenwart im Spiegel der Ortsnamen (Archiv für vaterländische Geschichte und Topographie 50, 1956), Karl Finsterwalder, Die Schichten der Ortsnamen auf -ing und die Altsiedlung am Rande und im Inneren der Alpen (Veröffentlichungen des Museum Ferdinandeum usw. 31, Innsbruck 1951, S. 95 ff.), Konrad Schiffmann, Historisches Ortsnamen-Lexikon des Landes Oberösterreich (3 Bde. Linz 1935), Eberhard Kranzmayer und Karl Bürger, Burgenländisches Siedlungsnamenbuch (Burgenländische Forschungen 36, Eisenstadt 1957), Rudolf Much, Die Namen im Weichbilde Wiens und ihre Entstehung, in: Wien, sein Boden und seine Geschichte (Wien 1924), S. 248 ff., überhaupt Zeitschrift für Ortsnamenforschung, her. v. Josef Schnetz (München 1925 ff.), und Adolf Bach, Deutsche Namenkunde (^Heidelberg 1952 ff.). Die Problematik der Personennamen gehört schon überwiegend dem Arbeitsbereiche der Philologie, teilweise der Genealogie zu. In diesem Zusammenhange muß aber auch der so wichtig gewordenen P a t r o z i n i e n gedacht werden. Die ältere Literatur verzeichnete J. Dorn, Beiträge zur Patrozinienforschung (Archiv für Kulturgeschichte 13, 1917, S. 9 ff. und 220 ff.); siehe ferner Pius Karner, Die Heiligen und Seligen Salzburgs (Austria sancta, Studien und Mitteilungen aus dem Kirchengeschichtlichen Seminar der Theologischen Fakultät der k. k. Universität Wien 1913, Heft 12), und Gregor Reitlechner,

10. Inschriften

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Patrozinienbuch zur Verehrung der Schutzheiligen der Kirchen und Kapellen der Erzdiözese Salzburg, der meisten von Brixen, Seckau, Gurk, Oberösterreich und der benachbarten bayerischen Dekanate (Salzburg 1901), Ernst Klebel, Zur Geschichte der Pfarren und Kirchen Kärntens (Carinthia I, 115, 1925, S. 1 ff., 116, 1926, S. 163 ff., 117, 1927, S. 81 ff. und 118, 1928, S. 1 ff.; ferner als Beispiele allgemeiner und spezieller Untersuchungen etwa J. Dorn, Patrozinien und Ortsnamenkunde (Zeitschrift für Ortsnamenforschung 8, 1932, S. 3 ff.), A. Krefting, St. Michael und St. Georg in ihren geistesgeschichtlichen Beziehungen (Jena 1937), Wilhelm Deinhardt, Patrozinienkunde (Historisches Jahrbuch 56,1936, S. 174 ff., mit Literaturübersicht), Johann Kröß, Die Heiligen und Seligen Tirols (Studien und Mitteilungen aus dem Kirchengeschichtlichen Seminar d e r . . . Universität Wien 5/6, 1910), usw. Die letzten Sammelreferate über Neuerscheinungen der Patrozinienforschung siehe Blätter für deutsche Landesgeschichte 92 (1956), S. 401 ff., und 94 (1958), S. 254 ff. — Die bildlichen Attribute der Heiligen findet man in jedem Heiligen- oder Kirchenlexikon angegeben, vgl. Joseph Braun, Tracht und Attribute der Heiligen in der deutschen Kunst (Stuttgart 1943), sowie Gerhard Schmidt, Patrozinium und Andachtsbild, MIÖG. 64 (1956), S. 277 ff., und Hans Aurenhammer, Lexikon der christlichen Ikonographie (Wien 1959).

10. INSCHRIFTEN Inschriften sind fast allerorten und auch in Österreich die ältesten schriftlichen Erkenntnisquellen und leben als Denkmalgattung bis zur Gegenwart. Der großen Bedeutung antiker Inskriptionen ist schon die mittelalterliche Geschichtsforschung Österreichs innegeworden; die älteste Wiedergabe einer antiken Münzlegende findet sich in der sogenannten Contin. Florian., MG., SS. 9, 750 sq., die einer römischen Grabinschrift beim sogenannten Bernardus Noricus, MG., SS. 25, 650. Das Mittelalter seinerseits war aber nicht weniger inschriftenfreudig : es gab monumentale in Stein, kleinere auf Metall, Elfenbein, Holz, gemalte, und nicht zu vergessen der negativen in Siegeltyparen und Prägestempeln. Leider liegt die mittelalterliche Epigraphik, gemessen an der Paläographie, noch recht im argen; der Appell Friedrich Panzers — ,Die Inschriften des deutschen Mittelalters, ein Aufruf zu ihrer Sammlung und Bearbeitung' (Leipzig 1938) — kam viel zu spät. Darum hat man heute wohl schon eine gewisse Übersicht über die Haupttypen der gebrauchten Buchstabenformen mittelalterlicher Epigraphik, aber man wird nicht leicht wagen, Datierungen epigraphischer Denkmäler vorzunehmen. Was Karl Brandi, Grundlegung einer deutschen Inschriftenkunde, DA. 1 (1937) S. 11 ff., zu bieten vermochte, ist sehr dankenswert, reicht aber bei weitem nicht aus. Manche Inschriften, wie etwa die der Babenbergergräber zu Melk, sind überhaupt nur noch in Abschriften überliefert; daneben hat es auch bloß literarische, niemals monumental ausgeführte Inschriften als eigene Literaturgattung gegeben (Epigramme), die besonders unter der Einwirkung des Humanismus (Konrad Celtis) an Bedeutung gewann und ihren Höhepunkt im Barock fand; siehe (des kaiserlichen Hofantiquars) 5

Lhotsky, Quellenkunde

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Systematischer Teil

Karl Gustav Heraeus gesammelte Inscriptiones et symbola varii argumenti (Nürnberg 1721). Inhaltlich könnte man die Gegenstände der Inschriften, nur in rohen Umrissen, etwa so ordnen: 1. Eigentümer und Inhaber, wie etwa auf Häusern, Kunstwerken, Waffen, Instrumenten, Grenzzeichen, Bücherdeckeln und -schließen, Grabstätten, — 2. Urheber, wie Künstlersignaturen (fecit), Bücher-Rückentitel, Steinmetzzeichen usw., — 3. Wahlsprüche und Devisen moralischen, philosophischen und religiösen, auch politischen Inhalts, bzw. Mahnungen, Programme usw., — 4. Weihen und Widmungen, — 5. Datierungen, — 6. Historische Angaben, — 7. Legenden auf Münzen, Medaillen, Siegeln, — 8. Scherz-, Geheim-, Zauber- und Rätselinschriften, — 9. Objekterklärungen, — 10. Technische Angaben. Zu 1.: Beispiele aus der unendlichen Vielfalt dieser Kategorie anzuführen ist unmöglich; die Österreichische Kunsttopographie sowie die meist recht sorgfältigen Spezialkataloge der Gemäldegalerien, der Sammlungen kunstgewerblicher Gegenstände, Waffen und Bibliotheken geben darüber reichlich Auskunft. Nur von den G r a b inschriften soll hier etwas mehr gesagt werden, zumal sie durch ihre literarische Form und ihr Gedankengut, oft auch durch die Eigenart ihrer Überlieferung, von Interesse und Wichtigkeit sein können. Die Sepulchralinskriptionen der österreichischen Landesfürsten hat P. Marquard Herrgott im IV. Bande seiner Monumenta Augustissimae Domus Austriacae: Taphographia (St. Blasien 1772) wiedergegeben. Für die Babenberger siehe im besonderen Karl Lechner, Die Anfänge des Stiftes Melk und des St.-Koloman-Kultes (Jb. Lk. NÖ., N.F. 29,1944—48), S. 66 ff. Inschriften unmittelbar auf Särgen kommen erst in der Neueren Zeit in Frage; siehe Eberhard Kusin, Die Kaisergruft bei den PP. Kapuzinern in Wien (Wien 1949). Als Beispiel für die Beschreibung und Verwertung der Grabsteine eines bestimmten Sammelpunktes siehe etwa Anton Fhr. v. Pantz, Denksteine in und an den Kirchen zu St. Veit a. d. Glan (Carinthia I, 126, 1936, S. 92 ff.), Alfred Schnerich, Gurker Miscellanea (ebd. I, 117, 1927, S. 110 ff., bzw. ebd. I, 119, 1929, S. 19 ff.), Günther Neckheim, Grabmalplastiken der Spätgotik und der Renaissance in der Villacher St.-Jakobs-Kirche (ebd. I, 130, 1940, S. 366 ff.), und im übrigen die Bände der Kunsttopographie. Daß die Inschrift eines beschädigten Grabsteines mitunter — wenn der Schaden gerade an der kritischen Stelle eingetreten ist — zu erheblichen Schwierigkeiten führen kann, siehe Alphons Lhotsky, Der Grabstein des Thomas Ebendorfer („Adler", Monatsblatt der Vereine für Sippenforschung in der Ostmark 6, 1944, S. 52 ff.). Nebstbei sei erinnert, daß das häufig vorkommende Zeichen Θ keineswegs ein griechischer Buchstabe ist, sondern obiit bedeutet; allerdings gehörte das Theta (θ) zu den mystischen Buchstaben, und Isid., Etym. 1, 3, 8 erklärte quae mortem significat. Zu 2. : Daß in dieser Funktion auch symbolische Buchstabengruppen dienen konnten, siehe MIÖG. 60 (1952), S. 173. Zu 3. : Eine große kritische Sammlung, die den Bedürfnissen des Historikers und Kunsthistorikers genügen könne, fehlt, trotz mehrfachen achtenswerten Ansätzen, bis heute. Ungeachtet mancher Mängel, namentlich des Fehlens der Herkunftsnachweisungen und Belege, ist J . Dielitz, Die Wahl- und Denksprüche, Feldgeschreie, Losungen, Schlacht- und Volksrufe besonders des Mittelalters und der Neuzeit (Frankfurt a. M. 1884), noch immer ein nützlicher Behelf. Die Devisen der Habsburger (babenbergische sind nicht bekannt) verzeichnete Johann Christoph Beer, Der durchleuchtigsten Ertz-Hertzogen

10. Inschriften

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zu Oesterreich Leben, Regierung und Gross-Thaten (Nürnberg 1695). Für die — im Spätmittelalter und im XVI. Jahrhundert teils gesammelten, teils nachträglich ersonnenen — Devisen (Libereien) ist zu beachten, daß sie in der Regel Bild und Spruch vereinen; im nachfolgenden Verzeichnisse werden die unechten (nachträglich zugeschriebenen) Devisen mit einem * bezeichnet: * gepanzerte Hand mit Szepter und Lorbeer: Utrum lubet. Rudolf I. * fließendes Wasser: Vires acquirit eundo. Hartmann Rudolf II. * Streitelefant : Vi parva non inoertitur. Johann Parricida Uhr mit Schlagwerk: Distinguens admonet. Rudolf III. Papagei : Aemula alienae vocis. Friedrich I. Unterteil einer Herculesstatue : Adhuc stat. Leopold I. Waage: Aequa dinoscit. Heinrich Weinstock: Ad salutem illustror. Otto Greif: Unguibus et rostro atque alis armatus in hostem. Stelzfuß : Et hic virum agit. Albrecht II. Dreschflegel: Telum virtus facit. Friedrich (II.) Fuchs: Insipiens sapientia. Rudolf IV. Himmelsglobus: Non aspicit nec aspicitur. Albrecht III. Heer im Gebirge: Virtuti nil invium. Leopold III. Löwe an einer Denksäule : Ars vincit naturam. Wilhelm Bohrer und Brett : Paullatim. Albrecht IV. Zwei Tauben: Fida coniunctio. Leopold IV. Halbmond: Numquam eadem. Ernst Brandaltar: Quiescit in sublimibus. Friedrich IV. Geharnischter Arm mit Wurfspieß : Tolle moras. Albrecht V. (II.) Rerum irrecuperabilium summa felicitas est oblivio ; Friedrich V. (III.) schon 1437 nachgewiesen: AEIOU, sämtliche Spruchauslegungen später; Arm mit Schwert auf Buch: Hic regit, ille tuetur. Albrecht VI. Feuerschlangen: Exilit, quod delituit. Ladislaus ADCIP ausgelegt: Ama deum, clerum, iustitiam, pacem; siehe MIÖG. 60 (1952), S. 172. Siegmund (das gelegentlich gebrauchte AN END — „ohne Ende"— ist wohl keine persönliche, sondern eine österreichische Devise überhaupt gewesen; vgl. a. a. O., S. 172). Geharnischter Reiter: Laudanda est voluntas. Maximilian I. Rad mit Messern: Per tot discrimina rerum; Mäßigkeitsorden : Tene mensuram, deutsch Halt maß ; Granatapfel; alle Deutungen unsicher (Eroberung von Granada 1492?). Für die Zuweisung adeliger Wappensprüche und Sinnbilder, wie auch für die bürgerlichen, fehlt bis heute der erforderliche allgemeine Behelf; für Tirol siehe Fischnaler (oben S. 53). Zu 4. : Weiheinschriften sind bisher noch selten an und für sich gesammelt worden; eine Publikation wie die Dedicationes Bambergenses, Weihenotizen und -urkunden aus dem mittelalterlichen Bistum Bamberg, her. v. Wilhelm Deinhardt (Beiträge zur Kirchengeschichte Deutschlands 1, Freiburg i. Β. 1936), fehlt für Österreich und wird wohl erst allmählich, d. h. mit dem Fortschreiten des von den vereinigten Akademien herausgegebenen Corpuswerkes Die Deutschen Inschriften — aus Österreich ist bisher nur der 3. Band, Die Inschriften des Burgenlandes, bearb. v. Rudolf Zimmerl (Stuttgart 1953) erschienen — zu gewärtigen sein. Eine Dedikationsinschrift, betreffend einen Altar des Kollegiatstiftes Suben, vom 2. Februar 1135 ist mehrmals (HundtGewold, Metropolis Salisburgensis, München 1620, p. 386, Regensburg 1719 5

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Systematischer Teil

III, 266 sq., Urkundenbuch des Landes ob der Enns 1, 432, und zuletzt MG., SS. 15, 1106) mitgeteilt worden; Inc.: Anno MCtrigesimo quinto indictione XIIL quarto nonas februarii hoc altare dedicatum est. Karl Janeéek, Lateinische Inschriften an Bauwerken und Denkmälern "Wiens (Horn 1956), enthält fast nur neuzeitliche Texte. Eine technische Kuriosität im Bereiche der Dedikationsinschriften hat, allerdings für Bayern, Oswald Redlich — Urkundenlehre III: Die Privaturkunden des Mittelalters (München und Berlin 1911), S. 74 — vom Kloster Prüfening erwähnt: dort wurden zwei Weihenotizen in Tontafeln eingedruckt und diese dann gebrannt. Ein Unicum anderer Art ist die „Inschrift", die aber nur in einer separat geschriebenen Erzählung besteht, zu einem Pokal des Königs Matthias Corvinus, den dieser nach der vergeblichen Belagerung der Burg Pütten dem listigen Verteidiger Wolf Teuffei schenkte; siehe W. v. Rally, Der Corvinusbecher zu Wasserburg, in: Joseph Chmel, Der österreichische Geschichtsforscher 2 (Wien 1841), S. 188 ff. Zu 5.: Inschriftliche D a t i e r u n g e n nahmen nicht selten, allerdings erst seit dem Spätmittelalter, die Form eines Chronogramms an, indem durch Vergrößerung gewisser Buchstaben eines lateinischen Spruches die Jahreszahl in römischen Zahlzeichen angedeutet wurde. Dieser Brauch bestand noch bis ins X I X . Jahrhundert; eine der spätesten Anwendungen dürfte die Beischrift zur Uhr im Neukloster zu Wiener Neustadt sein: Vna harVM serIVs oCIVs CVIqVe DICet abl, also 1835. Datierte Grenzsteine finden sich erst im XVI. Jahrhundert, wie z. B. einer mit dem Wappen des Erzbischofs von Salzburg und der Jahreszahl 1543; vgl. Karl Frölich, Deutsche Rechtsinschriften des Mittelalters, ihre Erfassung und Auswertung (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 66, 1948, S. 500 ff.). Zu 6.: Wohl das früheste Beispiel einer Inschrift h i s t o r i s c h e n Charakters, d. h. mit der Absicht, an ein bestimmtes geschichtliches Ereignis zu erinnern, ist wohl das Altärchen in Carnuntum mit dem Hinweise auf die Dreikaiserzusammenkunft des Jahres 306. Aus dem Mittelalter mag sehr viel dieser Art verlorengegangen sein. Sehr bezeichnend ist ein Brief Kaiser Maximilians I. an einen Humanisten; er teilte diesem den Wortlaut einer in Kufstein aufgefundenen stadtgeschichtlich bemerkenswerten Inschrift mit dem Bedeuten mit, man könne daraus ersehen, daß keineswegs nur die gepriesenen Alten derlei übten: transferri mittimus ad te inscriptionem quondam in crusto marmoreo super fornicem porte superioris oppidi situato repertam, in qua reperies apud Germanos memoriam fuisse posteritatis in rebus etiam minimis; siehe Oswald Redlich, Zur Belagerung von Kufstein 1504, MIÖG. 9 (1888), S. 106 Anm. 1. Zur selben Zeit hat Maximilians Genealoge Dr. Jacob Mennel Inschriften des Mittelalters — und darunter sicherlich gerade die historischen, nicht bloß sepulchrale u. ä. — ausdrücklich als Quellengattung bezeichnet, siehe oben S. 25. Schwieriger ist die Frage, ob die in Annalen und Chroniken häufig begegnenden geschichtlichen M e r k v e r s e wenigstens in einzelnen besonderen Fällen auch inschriftlich vorlagen. Jedenfalls behaupten die Annales Stadenses, MG., SS. XVI, 371, daß der greuliche Vierzeiler auf den Tod des letzten Babenbergers — Anno milleno centeno terque triceno / sex quinquaginta si misces, tunc bene disces / Austria quod tota sit principibus viduata / terraque cornuto discet servire tributo irgendwo in Österreich in Stein gemeißelt worden sei (in quodam loco Austrie in lapide sculpto), was immerhin möglich ist. Über die Denkverse als literarische Gattung mit einer nicht unbeträchtlichen Sammlung handelte Hermann Oesterley, Denkverse bei mittelalterlichen Geschichtsschreibern, FDG. 18 (1878), S. 19 ff., dazu Nachtrag von Georg Waitz, ebd. 19 (1879), S. 634 ff., Dietrich Koenig, Über Denkverse im Mittelalter, ebd. 18 (1878), S. 577 ff.

10. Inschriften

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Ein kulturgeschichtlich anmutiges Kapitel behandelte Robert Teichl, Bibliotheksinschriften (Das Antiquariat 8, 1952, Festschrift für Stummvoll, Kisser und Trenkler, S. 81 ff.), freilich erst aus neuerer Zeit. Zu 7.: Die L e g e n d e n d e r S i e g e l , Münzen, Medaillen und auch der Glocken (siehe weiter unten) sind technisch gesehen nur im uneigentlichen Sinne Inschriften : das wirkliche Denkmal ist der zugehörige Stempel, bzw. Typar, also die negative Darstellung der Buchstaben. Daß die Inschrift mit dem Bilde oder wenigstens der Dekoration in den allermeisten Fällen in irgendeiner Beziehung steht, versteht sich. Für den Historiker ist das Siegel und seine Legende die wichtigste Erscheinungsform in dieser Kategorie; die Sphragistik ist aber ein wesentlicher Bestandteil der Urkundenlehre und hat in ihr die gebührende Berücksichtigung erfahren. Siehe im übrigen Franz Gall, Zur Geschichte der österreichischen Sphragistik, Jb. Lk. NÖ., N.F. 31 (1954), S. 180 ff. Das Siegel ist außerdem einer der Hauptträger heraldischer Zeichen und hat nicht zuletzt darum frühzeitig auch den Sammlersinn angeregt. Über die im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv befindlichen Siegelsammlungen, namentlich die des Domherren Paul Edlen v. Smitmer — sie wurde 1818 auf dringende Empfehlung durch Metternich angekauft und hat eine lange Vorgeschichte, die bis auf den im Jahre 1678 verstorbenen Conte Sertori Orsato zurückreicht — und die des Karl v. Sava (f 1864), siehe Gesamtinventar des Haus-, Hof- und Staatsarchivs 3 (Wien 1938), S. 128 ff.; ferner Julius R. v. Schlosser, Die sphragistische Sammlung des ah. Kaiserhauses, MIÖG. 12 (1891), S. 297 ff. Solche Kollektionen bestehen sowohl aus Originalabdrücken, die von Urkunden abgefallen waren, aber auch aus Abdrücken in Wachs oder Gips, auch Siegellack; zuweilen enthalten sie Originaltypare, die allerdings nicht selten als Fälschungen befunden wurden. Vgl. Otto Posse, Typarfälschungen in der Smitmer'sehen Siegelsammlung des Staatsarchivs zu Wien nach Mitteilung Zeißbergs, MIÖG. 14 (1893), S. 488, und über den „Originaltypar" König Rudolfs I. Gav. Lodovico Menin, Ricerche sul sigillo di maestà dell'imperatore Rudolfo I (Venedig 1857) — noch Julius ν. Schlosser, Typare und Bullen in der Münz-, Medaillen- und Antikensammlung des ah. Kaiserhauses (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des ah. Kaiserhauses 13, 1892, S. 37 ff.) hat ihn für echt gehalten, bis Franz Martin Haberditzl, Über die Siegel der deutschen Könige und Kaiser, MIÖG. 29(1908), S. 632, zeigen konnte, daß es sich hier um eine moderne Rekonstruktion des Typars handle. Im übrigen siehe Karl v. Sava, Die Siegel der österreichischen Regenten bis zu K. Maximilian I. (Wien 1871), und die übrigen Publikationen Savas, ferner Otto Posse, Die Siegel der deutschen Könige und Kaiser 1—5 (Dresden 1909 ff.), Urkundenbuch zur Geschichte der Babenberger in Österreich 3, Die Siegel der Babenberger, von Oskar Fhrn. v. Mitis und Franz Gall (Wien 1954). Diese letztgenannte Publikation ist u. a. auch deshalb von Interesse, weil S. X X X I f. eine Tabelle der Buchstabenformen in den Siegellegenden geboten wird, aus der klar wird, daß wesentliche Unterschiede, die sichere Datierungen ermöglichen, vom Beginne des XI. bis gegen Ende des XIII. Jahrhunderts kaum wahrnehmbar sind, mithin eine Epigraphik der Siegelschrift recht unergiebig sein dürfte. Gall handelte a. a. O., S. 33, auch über Pseudolegenden. Das Siegel ist aber nicht bloß Inschrift- und Wappen-, bzw. Zeichenträger, sondern auch Kunstwerk; vgl. in dieser Hinsicht zunächst allgemein Alois Elsen, Gotische Reitersiegel (Pantheon 13, 1933, S. 369 ff.), sodann Franz Kieslinger, Romanische und frühgotische Kleinplastik auf österreichischen Siegeln (Altes Kunsthandwerk 1, 1927, S. 32 ff.), Rudolf Chimani, Die Reitersiegel der österreichischen Regenten, MIÖG. 54 (1941), S. 103 ff. und überhaupt Paul Kletler, Die Kunst im österreichischen Siegel (Wien 1927). Schließlich siehe auch Charles Wittmer, Siegelkonservierung, Siegelreproduktion und Siegelbeschreibung (Jahrbuch der Elsaß-Lothringischen Wissenschaftlichen

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Gesellschaft 10, 1937, S. 194 ff.). — Auf die Numismatik, die eine völlig selbständige Disziplin geworden ist, kann hier nicht eingegangen werden; über ihre und die Stellung der Sphragistik im Lehrprogramme des Instituts für österreichische Geschichtsforschung siehe dessen Geschichte MIÖG. Erg. 17 (1954) laut Register. — Ähnlich gilt dies für die Medaillen, die allerdings erst in der frühen Neuzeit auch für Österreich Quellenwert erlangen können; zur ersten Orientierung siehe etwa Karl Domanig, Älteste Medaillen in Österreich (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des ah. Kaiserhauses 14, 1893, S. 11 ff.), und die zahlreichen Publikationen von Schlosser, Loehr, Dworschak, Holzmair, Probszt u. a., sowie das S. 45 f. Gesagte. Zu 8. : Hier sei vor allem an die Glockenalphabete erinnert — nebstbei auch aus einem technischen Grunde: man hat diese Inschriften zuweilen durch Aufklebung der Wachsbuchstabenformen auf die Talgform erzielt und damit lange vor der Erfindung der Buchdruckerkunst das System der beweglichen Lettern vorweggenommen; siehe HZ. 168 (1943), S. 136. Die Glockenalphabete haben nicht selten ihren Ausgang von Groteskalphabeten genommen; besonders in den älteren Jahrgängen der Mitteilungen der k. k. Centralcommission für die Erforschung und Erhaltung der Bau- und historischen Denkmale finden sich zahlreiche Erwähnungen solcher wunderlicher Objekte, die vor hundert Jahren weit mehr Beachtung gefunden zu haben scheinen als heutzutage. Vgl. ζ. B. Joseph Chmel, Die Glockeninschrift von Feldbach in Steiermark (Notizenblatt zum AföG. 2, 1852, S. 321 ff.). Zuweilen finden sich aber verunstaltete oder phantastische Schriftzeichen auch anderwärts, sogar auf Gemälden als an und für sich wohl sinnloser Zierrat, dann und wann vielleicht in Anlehnung an unverstandene orientalische Vorlagen. Sehr charakteristisch ist in solchen Fällen die mehrmalige Wiederkehr in der Regel fünf solcher Elemente (seltener vier). So findet man auf einem Glasgemälde in der Georgskapelle in Wiener Neustadt die oft wiederholte, anscheinend seitenverkehrte Inschrift WOxaH; siehe Wendelin Böheim, Alte Glasgemälde in Wiener Neustadt (Mitteilungen der Centralcommission usw. 14, 1888, S. 22 ff.). Anselm Weißenhofer zeigte dem Verfasser im Jahre 1947 eine Bronzeblech-Fragment mit folgendem sich wiederholendem Randzierat: OIVT. Heute wird die ganze Materie eher von den Vertretern der Volkskunde behandelt als von den Historikern; sicherlich wird auch die Fortsetzung des Inschriftencorpus (siehe oben S. 67) zur Klärung dieser Dinge beizutragen vermögen. Nur auf einen besonderen Fall sei noch hingewiesen. Ungefähr 20 Gehminuten von Bruneck kam eine quadratische Steinplatte (rund 49 : 49 cm) zum Vorscheine, die 1835 dem Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum übergeben wurde ; sie weist das Urkundenmonogramm Kaiser Heinrichs IV. auf, und wenn die Vermutung richtig ist, daß dieses Zeichen einst in der bischöflich Brixener Pfalz zu Auhofen als Symbol der Gerichtshoheit angebracht gewesen sei, so würde es sich um den bisher einzigartigen Fall einer Verwendung des Urkundenmonogramms als Hoheitszeichen handeln. Vgl. Emil v. Ottenthai, Ein Marmor mit dem Monogramm Kaiser Heinrichs IV., MIÖG. 7 (1886), S. 461 ff. Zu 9. : Die hier in Betracht kommenden Inschriften, vorzüglich auf Kunstwerken, namentlich Bildern, sind entweder persönlicher Natur, wie Name des oder der Dargestellten, eventuell mit Altersangabe, Titel usw., zuweilen verbunden mit Reflexionen, oder sachlicher, wie etwa bei Schlachtendarstellungen. Vgl. etwa Wolfgang Stammler, Der Totentanz (München 1948). In gewissem Sinne gehören hierher auch die oft recht umständlichen Namen- und Titelangaben bei monumentalen Wappendarstellungen, wie etwa zu dem allerdings schon späten (1553) Wappen über dem „Schweizertore" der Wiener Burg. Siehe auch Karl Giehlow, Dürers Entwürfe für das Triumphrelief Kaiser Maximilians I. im Louvre (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen usw. 29, 1910), Tafel II.

10. Inschriften

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Zu 10. : Rein technische Data finden sich vor allem auf wissenschaftlichen Instrumenten (Uhren, Planetarien usw.). Teils in diese, teils auch in andere Gruppen gehören die Inschriften der Büchereien, vgl. Robert Teichl, Bibliotheksinschriften (siehe oben S. 69). Der dem Hersteller einer Inschrift zur Verfügung stehende, in der Regel recht geringe Raum zwang von jeher zu „lapidarer" Kürze in Beschränkung auf das Allerwesentlichste, und sie ist es, die alle Epigrammatik nicht bloß als Literaturgattung so sympathisch, sondern auch als historisches Denkmal so schwierig macht, wenn es auf die volle Ausdeutung ankommt. So ist es verständlich, wenn — freilich nur selten vor dem X V I . Jahrhundert — in Inschriften gerade die „Schlagworte" der Epochen begegnen. Schon 1799 wurde sehr bewußt geschrieben : „Worte und nichts als Worte haben von jeher Völker gegen Völker bewaffnet, Worte haben Reiche zerstört und aufgebaut", siehe Wolfgang Stammler, Politische Schlagworte in der Zeit der Aufklärung, in: Lebenskräfte in der abendländischen Geistesgeschichte, Festschrift für Walther Goetz (Marburg 1948) S. 199, was auf Epiktets Ταράσσει τούς άνθρώπους ού τά πράγματα, άλλά πβρί των πραγμάτων βήματα z u r ü c k g e h t . F ü r das

Mittelalter fehlen eigentlich noch die einschlägigen Untersuchungen, wobei neben den erzählenden auch die urkundlichen Denkmale heranzuziehen sein würden. Die Grenze zwischen Schlagwort und Fachausdruck, namentlich im Bereiche des Rechtes, ist oft gar nicht leicht zu ziehen. Vgl. auch Karl Eder, Irrationale Elemente in der Geschichte (Theologisch-praktische Quartalschrift 1957, Heft 5). Für die Neuere Zeit sind auch gewisse Redewendungen und Aperçus zu beachten, deren Herkunft bzw. Autor in der Regel kaum noch eruierbar ist; siehe Heinrich v. Srbik, Österreichs Schicksal im Spiegel des geflügelten Wortes, MIÖG. 42 (1927), S. 268 ff. Bemerkt sei nur, daß das gemeinhin immer wieder mit Maximilian I. und womöglich mit der Heirat von 1477 in Verbindung gebrachte Bella gérant alii, tu, felix Austria, nube; Nam quae Mars aliis, dai tibi regna Venus, bisher im X V I . Jahrhundert oder gar noch früher nicht nachweisbar ist, vielmehr vermutlich eine erst später (im Barock?) erfolgte Spezialauslegung eines Verses aus den Heroiden des Ovidius ( X I I I , 84) ist, wo es heißt: Bella gérant alii, Protesilaus amet; daß das Bonmot auf König Matthias Corvinus zurückgehe, wie William StirlingMaxwell, The cloister life of the emperor Charles V. ("Dresden 1858) p. 3, angab, wird noch genauerer Prüfung bedürfen. Übrigens ist Felix Austria selbst älterer Herkunft; es begegnet bereits auf einem Siegel Herzog Rudolfs IV. von 1363, siehe Franz Kürschner, Die Urkunden Herzog Rudolfs IV. von Österreich, AföG. 49 (1872), S. 30, also inschriftlich. Was endlich noch die erwähnten Schwierigkeiten bei der Ausdeutung mancher Inschriften anlangt, so darf zunächst an die — nur durch einen Zufall geglückte — Auflösung des ADCIP des Ladislaus (siehe oben S. 67) erinnert werden. Hoffnungslos ist bis auf weiteres z. B. in dieser Hinsicht der Fall eines hübschen gotischen Meßkelches, der aus Wiener Neustadt über Laxenburg in die Geistliche Schatzkammer nach Wien gelangt ist; er weist außer einem 1438, also sehr frühe, datierten aeiou Kaiser Friedrichs III. oberhalb des Nodus einen Reif auf, der die Inschrift trägt: + g.o.t.b.u.t.s. — cu. vi. er. a. m. e. n. Noch auf Medaillen und Emblemen Kaiser Maximilians II. findet sich häufig die Darstellung eines Pfeiles mit den Buchstaben ADS IT — niemandes Scharfsinn würde ausreichen, um die in diesem Falle bekannte Lösung des „Rätsels" zu ersinnen: Adiuoante Deo Supremo Imperatorem Turcorum, nämlich der Pfeil solle den Sultan treffen! Auf Einbänden und — leider — zuweilen auch auf der ersten Textseite vieler mittelalterlicher Handschriften der Wiener Palatina

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finden sich — aus dem X V I I I . Jahrhundert — die Buchstabengruppen EABCV und GLBVSB; nach Theodor Gottlieb, Die Ambraser Handschriften 1 (Leipzig 1900), S. 26 Anm. 1, bedeutet dies: Ex Augustissima Bibliotheca Caesarea Vindobonensi bzw. Gerardus Liber Baro Van Swieíen Bibliothecarius.

11. H A N D G E S C H R I E B E N E D E N K M A L E I M A L L G E M E I N E N Eigenhändigkeit, die — ohne irgendeiner Graphologie das W o r t reden zu wollen — der ideale Fall der Überlieferung literarischer Denkmale sein würde, ist zumindest für namhafte mittelalterliche Autoren verhältnismäßig sehr selten zu konstatieren, und doch wieder nicht ganz so selten, wie man meinen möchte; siehe laut Register unter „Autographa" und im allgemeinen Paul Lehmann, Autographe und Originale namhafter lateinischer Schriftsteller des Mittelalters, in: Erforschung des Mittelalters (Leipzig 1941, wiederholt Stuttgart 1959), S. 359 ff. Ältere Fürstenunterschriften sind mit Vorsicht aufzunehmen ; Unterfertigungen König Rudolfs I. und Albrechts I. sind von Max Vanesa, M I Ö G . 17 (1896), S. 666 f., als plumpe Fälschungen erkannt worden, doch im Laufe des X I V . Jahrhunderts mehren sich die unbedingt echten Unterschriften (Herzog Rudolfs IV., seiner Gattin Katharina, seiner Brüder Albrecht I I I . und Leopold I I I . ) ; zu den Unterschriften des Ladislaus Postumus, des Herzogs Siegmund und seiner Gattin Eleonora siehe Karl Uhlirz, M I Ö G . 19 (1898), S. 517, und K a r l Moeser und Fritz Dworschak, Erzherzog Sigmund der Münzreiche von Tirol (Wien 1936), Tafel X X I . Kaiser Friedrichs I I I . Memorandenbuch (siehe unten S. 338 f.) ist fast durchaus eigenhändig geschrieben. Von Kaiser Maximilian I. sind im Grunde nicht sehr viele Autographa vorhanden; zuweilen wurden sie von Zeitgenossen eigens authentisiert, wie 1499 einmal einer seiner Sekretäre ausdrücklich notierte: Ditz hat geschriben konig Maximilian an sand Maria Magdalenentag, als wir gein Lindaw füren auff dem Podensee, den andern taill laß eer mir ze schreiben (in den Vorstudien zum Weißkunig, Haus-, H o f und Staatsarchiv Wien, Maximiliana Fasz. 40 a, f. 48 v , vgl. Österreichische und europäische Geschichte in Dokumenten des Haus-, H o f - und Staatsarchivs, Publikationen des Österreichischen Staatsarchivs I I I . Serie, Kataloge, Wien 1957, S. 30 Nr. 75). Für die Neuere Zeit siehe das vom K . u. k. Kriegsarchiv herausgegebene Tafelwerk Autogramme zur neueren Geschichte der habsburgischen Länder (Wien 1906). Daß an Gelehrten- bzw. Klerikerschriften seit dem X I I I . / X I V . Jahrhundert kein Mangel ist, bedarf keiner Betonung; ein wahres Corpus österreichischer Gelehrtenschriften stellen die von den Dekanen eigenhändig geführten Akten der Wiener Artistenfakultät (1385 ff.) dar. Nichtsdestoweniger ist zu beachten, daß im Mittelalter, wo es sich um einigermaßen wohlsituierte Autoren handelte, das Diktieren fast die Regel war, so daß es von manchen namhaften Werken überhaupt niemals eigentliche Autographa gegeben haben dürfte — man denke nur an Otto von Freising und Rahewin, an die Sekretärsarbeit an den Dichtungen

11. Handgeschriebene Denkmale im allgemeinen

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Maximilians I., ja an die Tatsache, daß selbst Dr. Jacob Mennel nur sehr wenig selbst geschrieben zu haben scheint, vgl. Lhotsky, in: MIÖG. 57 (1949), S. 194. Die Mehrzahl aller textlichen Überlieferungen liegt jedenfalls in Abschriften oder gar erst in Drucken vor, deren Manuskripte völlig verschollen sind (Sunthayms Tabulae Claustroneoburgenses, Cuspinianus). Über K u r z s c h r i f t e n , wie sie schon die Antike kannte (Tachygraphie), sowie über das mitunter sehr weitgehende Abbreviaturenwesen unterrichtet die Paläographie ; siehe aber auch Arthur Mentz, Geschichte der Kurzschrift (Wolfenbüttel 1949), und dazu die Bemerkungen von Bernhard Bischoff, DA. 8 (1951), S. 541. G e h e i m s c h r i f t e n sind schon in karolingischer Zeit angewendet worden; das seither auf dem Kontinent gebrauchte System scheint insularer Herkunft zu sein. Zur ersten Orientierung siehe Alois Meister, Die Anfänge der modernen diplomatischen Geheimschrift (Paderborn 1902). Der älteste Fall in Österreich ist wohl die kryptographische Eigentumsnotiz in einer einstmals Göttweiger Handschrift, jetzt cvp. n. 538 (Chronik des Regino von Prüm), wo, indem in noch recht primitiver Weise die Vokale durch die im Alphabete nachfolgenden Konsonanten vertreten sind, zu lesen steht: Kstf Ikber ptinft ad sbn Mbrkbm Chotov — nicht sehr konsequent, wie man sieht — und ergibt Iste liber pertinet ad san(ctam) Mariam Chotov(icensem). Vgl. Friedrich Kurze, Handschriftliche Überlieferung und Quellen Reginos usw. NA. 15 (1890), S. 297. Über die gewiß nicht bloß um der Kuriosität willen ersonnene, sondern in Nachahmung italienischer Kanzleien erfundene Geheimschrift Herzog Rudolfs IV. siehe Marquard Herrgott, Monumenta augustissimae Domus Austriacae IV/2, Tabula XV, Meister a. a. O., S. 10 f., und Hermann Göhler in: Ernst Karl Winter, Rudolph IV. von Oesterreich 1 (Wien 1934), S. 400 Anm. 2. Sie ist übrigens noch im XV. Jahrhundert am Hofer-Altar (München, Alte Pinakothek) angewendet worden. Wie in so vielen anderen Dingen hat Kaiser Friedrich III. auch hierin seinem Großonkel Rudolf nachgeahmt; über Friedrichs Geheimschrift und Chiffrenschlüssel siehe Lhotsky in: MIÖG. 60 (1952), S. 182. — Ein besonderes und sehr eigenartiges Kapitel griff Karl Giehlow auf in seiner großen Studie Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renaissance, besonders der Ehrenpforte Kaisers Maximilian I., ein Versuch mit einem Nachwort von Arpad Weixlgärtner (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen usw. 32, 1915, S. 1 ff.). S c h r i f t f ä l s c h u n g e n , insoferne sie Urkunden betreffen, gehören in den Arbeitsbereich der Diplomatik. Die berüchtigten österreichischen Freiheitsbriefe von 1358/59 sind von einem wahren Meister des Faches hergestellt worden, der ohne weiteres zwei-, ja dreihundert Jahre ältere Schriften mit solcher Virtuosität zu reproduzieren vermochte, daß noch Georg Heinrich Pertz im XIX. Jahrhundert getäuscht wurde; vgl. Lhotsky, Privilegium maius (Wien 1957), S. 65. Siehe ferner Hans Wagner, Urkundenfälschungen im Burgenland (Burgenländische Forschungen 23, Eisenstadt 1953, S. 3 ff.). Fälschungen literarischer Texte auf berühmte Namen aus dem Mittelalter sind in Österreich nicht bekannt; der sogenannte Aethicus Ister des Virgilius (siehe S. 148) ist ein besonderer Fall. Ohne Fälschungsabsicht haben sich zuweilen neuere Historiker zum Gebrauche einer mittelalterlichen Schriftart erzogen oder gezwungen, wie Peter Weixler aus Ingolsthal in Kärnten (1603 bis 1675), der, seit 1619 dem Stifte St. Lambrecht angehörig, eine bis 1636 reichende Hauschronik durchaus in Charakteren des XII. Jahrhunderts schrieb, was ihm allmählich immer besser und schließlich verblüffend gut gelang; vgl. Joseph v. Zahn, Über Peter Weixlers Chronik von St. Lambrecht

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(Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen 10, 1873, S. 1 ff.). — Über den unglückseligen Hanthaler siehe Michael Tangl, Die Fälschungen Chrysostomus Hanthalers, MIÖG. 19 (1898), S. 1 ff.

12. AUFZEICHNUNGEN RECHTLICHEN INHALTES Die ohne eigentliche historiographische Absicht vorgenommenen Aufzeichnungen, die dem berufstätigen Leben und seinen Nöten unmittelbar entstammen, sind in mancher Hinsicht dem Historiker wertvoller als die bereits durch das Medium individueller Reflexion, Deutung und Wertung hindurchgegangenen geschichtlichen Ai}gaben. In ihrem Bereiche fehlt — wo nicht methodisch heutzutage nicht mehr allzu schwierig erkennbare Fälschungen vorliegen — wenigstens im allgemeinen die Täuschungsabsicht, und Irrtümer sind hier leichter festzustellen. Im übrigen hat aber dabei weniger das einzelne Exemplar als die Gattung in ihrer oft massenhaften Vertretung Quellenwert, weil nur hier statistische Beobachtungen möglich werden. Eine wirklich befriedigende Systematik ist wahrscheinlich unmöglich, doch gebührt den Aufzeichnungen rechtlichen Charakters sicherlich die erste Stelle. Unter ihnen stehen die Akte der Reichsgesetzgebung obenan, insoferne sie auch in den österreichischen Ländern Geltung besaßen, ferner die in Betracht kommenden volksrechtlichen Denkmäler nebst den spätmittelalterlichen Rechtsbearbeitungen, ferner die nicht nur für den Klerus, sondern gutenteils auch für die Laienwelt verbindlichen kirchenrechtlichen Bestimmungen, Konzilsbeschlüsse, aber auch Ordensstatuten u. a.; weiter die königlichen (kaiserlichen) Privilegien, Mandate usw., die landesfürstlichen und bischöflichen Urkunden mit den entsprechenden Kanzleibehelfen (Register usw.) ; sodann die Masse der sogenannten Privaturkunden im engeren Sinne einschließlich der Formularbücher, endlich die Stadtrechte, Ratsbeschlüsse, Gerichts-, Polizei-, Maut-, Zoll- und Zunftordnungen, Weistümer, die Spezialgesetzgebung in Münz-, Bergwerks-, Jagd-, Handels- und Judenangelegenheiten, nicht zu vergessen der Universität. Der Historiker steht allen diesen Dingen freier gegenüber als der Jurist; gewiß mit Recht hat Gerhard Seeliger, Juristische Konstruktion und Geschichtsforschung (Historische Vierteljahrschrift 7, 1904), S. 191, vor dem „überspannten Bedürfnis nach juristisch scharfer Abgrenzung" der Materien gewarnt. Die R e i c h s g e s e t z e sind in der Hauptsache bis auf Karl IV. in MG., Const, publiziert; ältere Druckausgaben siehe DW. Von den Volksrechten kommen für Österreich die Leges Baiuvariorum, Alamannorum und die Lex Romana Curiensis in Betracht, worüber S. 163 Näheres gesagt ist. Geradezu als das Kaiserrecht wurde in Österreich der sogenannte Schwabenspiegel angesehen, der auch häufig mit österreichischem und steirischem Landesrechte gemeinsam überliefert ist, so daß man ihn geradezu als österreichisches Landesund Lehenrechtsbuch ansah. Eine bestimmte Textform gilt für die österreichische und Stellen des Schwabenspiegels sind auch in österreichische Rechtsquellen übernommen worden, umgekehrt der Absatz über die Kärntner

12. Aufzeichnungen rechtlichen Inhaltes

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Herzogseinsetzung in diesen; siehe etwa Hans Planitz, Deutsche Rechtsgeschichte (Graz 1950) S. 151 f. Vom cvp. n. 2695 glaubte man zu wissen, daß er seit Rudolf I. den Habsburgern als Handexemplar gedient habe, wofür sich allerdings kein Beweis erbringen läßt. Die Neuausgabe der deutschen Texte wird nicht so bald erfolgen; dagegen dürfte die von Ernst Klebel besorgte Edition der lateinischen Version in sehr absehbarer Zeit zu gewärtigen sein. Von einem österreichischen L a n d e s r e c h t e — ius illius terrae — ist bereits in der Vita Altmanni, MG. SS. 12, 236, die Rede, doch ist die Interpretation der Stelle heikel. Um das in verschiedenen Redaktionen vorliegende österreichische Landrecht des XIII. Jahrhunderts und seine Datierung ist viel gestritten worden; erst in neuester Zeit konnten wenigstens die Hauptprobleme einigermaßen geklärt werden. Zum Handgebrauche genügt die Ausgabe durch Ernst Fhr. v. Schwind und Alfons Dopsch, Ausgewählte Urkunden zur Verfassungsgeschichte der deutsch-österreichischen Erblande im Mittelalter (Innsbruck 1895), S. 55 ff. (Erste Fassung) und S. 101 ff. (Zweite Fassung). Die letzte wesentliche Förderung erfuhr die Problematik dieser Quelle durch Karl Hans Ganahl, Versuch einer Geschichte des österreichischen Landrechtes im XIII. Jahrhundert, MIÖG. Erg. 13 (1935), S. 231 ff., womit sich in überaus gründlicher und sehr plausibler Weise die Besprechung durch Karl Lechner HZ. 156 (1937), S. 568 ff. auseinandersetzte, die nicht übersehen werden darf. Ganahl hat die bereits von Luschin, Dopsch und Stowasser vielfach behandelten Fragen gewiß nicht endgültig gelöst; aber Lechner schließt mit der berechtigten Konstatierung, daß Ganahls Hauptergebnisse — „gemeinsamer Grundtext aus habsburgischer Zeit, von dem die beiden vorliegenden Fassungen abgeleitet sind, die also als Ganzes weder in die Babenbergische noch Ottokarische Zeit gehören" — bereits als gesichert angesehen werden können. Inc.: Das sind die recht nach gewonhait des landes bei herczog Leupolten von Osterreich, bzw. (§ 1) Daz dhain landesherre sol dhain taiding haben nur über sechs wochen. Im übrigen siehe, für die anderen Länder, die einschlägigen Kapitel bei Emil Werunsky, österreichische Reichs- und Rechtsgeschichte (Wien 1894—1938), und Arnold Luschin v. Ebengreuth, Handbuch der österreichischen Reichsgeschichte 1* (Bamberg 1914), S. 157 ff. Die Literatur ist unüberschaubar groß; nur beispielsweise seien die mustergültigen Arbeiten für die Steiermark erwähnt wie Franz Krones, Vorarbeiten zur Quellenkunde und Geschichte des mittelalterlichen Landtagswesens der Steiermark (Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen 2, 1865, S. 26 ff., bzw. ebd. 4, 1867, S. 1 ff. für das XVI. Jahrhundert), und Arnold Luschin v. Ebengreuth, Die steirischen Landhandfesten (ebd. 9,1872, S. 119 ff.). Nebenher sei auch an Aloys Schulte, Bruchstück einer deutschen Bearbeitung der ältesten steirischen Landhandfeste von 1186 aus der Zeit 1239—1251, MIÖG. 7 (1886, S. 316 ff.) erinnert; Inc. : In dem namen der heiligen drivaltichait, bzw. Hertzog Otakcher von Steyr von gotes gnaden geit disen brief. Zur L a n d f r i e d e n s g e s e t z g e b u n g siehe die Handbücher der Rechtsgeschichte, zuletzt etwa Planitz a. a. O., S. 177. Der älteste Reichslandfriede stammt von 1103, der letzte („ewige") von 1495 ; siehe auch Ingeborg Most, Der Reichslandfriede vom 20. August 1467, in : Syntagma Friburgense (Schriften des Kopernikuskreises 1, Lindau und Konstanz 1956), S. 191 ff. Für die ehemals babenbergischen Länder hat König Rudolf I. zwei Landfrieden erlassen, einen 1276, den anderen um 1281. Im XV. Jahrhundert sind Landfrieden auch von den Landesfürsten ausgegangen (zuerst 1407), dann sogar von den Ständen (zuerst 1440). Die für die österreichischen Länder in Betracht kommenden K ö n i g s (K a i s e r - ) u r k u n d e n findet man, soweit sie nicht in den bisher erschienenen Bänden der MG., DD. vorliegen, gutenteils in den regionalen Urkundenbüchern. Für das Spätmittelalter stehen die erheblichenteils im

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Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien aufbewahrten Reichsregister zur Verfügung. Auch Papst- und Bischofsurkunden sind in die landschaftlichen Urkundenbücher aufgenommen worden. Über die Angleichung der Passauer Bischofsurkunden an päpstliche siehe Engelbert Mühlbacher, Kaiserurkunde und Papsturkunde, MIÖG. Erg. 4 (1893), S. 509. An ein Corpus der gesamten l a n d e s f ü r s t l i c h e n U r k u n d e n ist allerdings nicht zu denken ; das von Heinrich v. Fichtenau und Erich Zöllner herausgegebene Urkundenbuch zur Geschichte der Babenberger in Österreich I und II (Wien 1950/55) — über den Siegelatlas (III) siehe oben S. 69 — wird noch einen IV. Band erhalten, der die urkundlichen Überlieferungen außer den Siegelurkunden eifaßt. Für die Habsburgerzeit stehen die — mit einer Lücke 1292 bis 1313 — bis 1330 reichenden Regesta Habsburgica zu Gebote, für die Folgezeit bis auf Maximilian I. muß man sich einstweilen mit den Regesten (Ernst Birks) zu Eduard Maria Fürst Lichnowsky, Geschichte des Hauses Habsburg (8 Bände, Wien 1836 ff.) behelfen, die mit Vorsicht zu gebrauchen sind, weil sie nicht bloß unvollständig und textlich meist unzulänglich sind, sondern zuweilen auch zeitlich falsch eingereiht wurden. Abgesehen von Kanzleibehelfen anderer Art seit dem frühen XIV. Jahrhundert sind Register erst seit der Zeit Herzog Albrechts III. (f 1395) überliefert; das älteste ist die Handschrift „blau 522" (suppl. n. 408) des Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien, mit strenge nach der Datierung eingetragenen Abschriften des Urkundenauslaufes der Jahre 1384—1393, mittendurch allerdings auch älterer Texte, deren Festhaltung aus besonderen Gründen wünschenswert erschien; siehe unten S. 77. Über die gegenständliche Aufspaltung des Registerwesens (siehe unten S. 77 f.) vgl. die auch für Österreich wichtige Studie von Gerhard Seeliger, Die Registerführung am deutschen Königshofe bis 1493, MIÖG. Erg. 3 (1890), besonders S. 293 ff. Zur K a n z l e i g e s c h i c h t e handelte zunächst Oskar Frh. v. Mitis, Studien zum älteren österreichischen Urkundenwesen (Wien 1912), Heinrich v. Fichtenau, Die Kanzlei der letzten Babenberger, MIÖG. 56 (1948), S. 239 ff., zum älteren Urkundenwesen der Grafen von Habsburg die immer noch ungedruckte Wiener Dissertation (1939) von Ernst Rieger, Die südwestdeutsche Privaturkunde des XIII. Jahrhunderts auf landschaftlicher Grundlage I: Das Urkundenwesen der Grafen von Kiburg und Habsburg (Exemplar im Archiv des Instituts für österreichische Geschichtsforschung). Für die Habsburger in Österreich siehe Ivo Luntz (und Lothar Groß), Urkunden und Kanzlei der Grafen von Habsburg und Herzoge von Österreich, von 1273 bis 1298, MIÖG. 37 (1916), S. 411 ff., Otto H. Stowassers wertvolle Erläuterungen zu den Beispielen österreichischer Fürstenurkunden in den Monumenta palaeographica (siehe unten S. 80), Erich Lindeck, Magister Berthold von Kiburg, Protonotar der Herzoge von Österreich 1299—1314, MIÖG. 42 (1944), S. 59 ff., Franz Kürschner, Die Urkunden Herzog Rudolfs IV., AföG. 49 (1872) S. 3 ff., Otto H. Stowasser, Die österreichischen Kanzleibücher vornehmlich des XIV. Jahrhunderts und das Aufkommen der Kanzleivermerke, MIÖG. 35 (1915), S. 688 ff., ders., Beiträge zu den Habsburgerregesten I: Die Kanzleivermerke auf den Urkunden der Herzoge von Österreich während des XV. Jahrhunderts, ebd. Erg. 10 (1916), S. 1 ff., Franz Wilhelm, Deutung und Wertung der Kanzleivermerke auf den älteren Urkunden der österreichischen Landesfürsten, MIÖG. 38 (1920) S. 39 ff., Otto H. Stowasser, Die Kanzleivermerke auf den Urkunden der österreichischen Landesfürsten von ihrem Aufkommen bis zum Jahre 1437, ebd. S. 64 ff., Wilhelm Bauer, Das Register- und Konzeptwesen in der Reichskanzlei Maximilians I. bis 1502, MIÖG. 26 (1905), S. 247 ff. Für die Steiermark siehe Othmar Wonisch, Über das Urkundenwesen der Traungauer (Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark 22, 1926, S. 52 ff.), Richard Meli, Beiträge zur Geschichte der steirischen Privaturkunde (Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Steiermark 8,

12. Aufzeichnungen rechtlichen Inhaltes

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Graz 1911) und dazu Lothar Groß, MIÖG. 34 (1913, S. 537 ff.). Für Kärnten siehe die Einleitung zu August v. Jaksch, Monumenta histórica ducatus Carinthiae IV/2 (Klagenfurt 1906), S. XI ff., für Tirol Richard Heuberger, Die ältesten Kanzleivermerke auf den Urkunden der Tiroler Landesfürsten, MIÖG. 33 (1912), S. 432 ff., ders., Das Urkunden- und Kanzleiwesen der Grafen von Tirol und Herzöge von Kärnten aus dem Hause Görz, ebd. Erg. 9 (1915), S. 50 ff. und 265 ff., ders., Die Aufgaben der Tiroler Urkundenforschung (Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs 16/17, 1919/20), S. 14 ff., ders., Geländegestaltung und Urkundenwesen in den Alpen, MIÖG. 39 (1923), S. 1 ff., Harold Steinacker, Diplomatik und Landeskunde, ebd. 32 (1911), S. 385 ff., Franz Huter, Die Anfänge einer landesfürstlichen Kanzlei in Tirol, in: Festgabe Harold Steinacker (München 1955), S. 66 ff., Für Salzburg siehe Franz Martin, Das Urkundenwesen der Erzbischöfe von Salzburg von 1106 bis 1246, MIÖG. Erg. 9 (1915), S. 559 ff., und Zum spätmittelalterlichen Salzburger Urkundenwesen, ebd. Erg. 11 (1928), S. 278 ff. — Karl Starzacher, Beiträge zum Urkundenwesen der Grafen von Görz, besonders für die Zeit von 1271 bis 1350 (Hausarbeit, Archiv des Instituts für österreichische Geschichtsforschung). — Über Traditionsbücher siehe unten S. 165 f. — Friedrich Thaner, Urkunden auf Bücherdeckeln, MIÖG. 1 (1880), S. 127 ff. Der wichtigste Kanzleibehelf, aber auch eine der wichtigsten Überlieferungen der Urkunden, waren die K a n z l e i r e g i s t e r . Das oben erwähnte älteste erhaltene landesfürstliche Register enthält in genauer zeitlicher Folge Urkundenabschriften der Jahre 1384 bis 1393, wobei nicht selten zugehörige fremde und eigene Vorurkunden ebenfalls eingetragen wurden. Siehe Otto H. Stowasser, Die österreichischen Kanzleibücher vornehmlich des 14. Jahrhunderts und das Aufkommen der Kanzleivermerke, MIÖG. 35 (1914), S. 703 ff. Diesem allgemeinen Register waren aber Spezialregister — das Pfandregister „weiß" n. 19 („Böhm" n. 49), von 1313 an, siehe Stowasser a. a. O., S. 689 ff., das Albrechts II. „blau" n. 6 („Böhm" n. 15), Stowasser S. 693, und Lehenbücher, Stowasser S. 698 ff., bzw. weiter unten — vorausgegangen. Eine kritische Sichtung der österreichischen Kanzleibücher des XV. Jahrhunderts ist wohl als sehr nötig zu bezeichnen, denn selbst das, was Gerhard Seeliger, Die Registerführung am deutschen Königshofe, MIÖG. Erg. 3 (1890—94), S. 293 ff., über die landesfürstlichen Register der Zeit Friedrichs III. erbrachte, dürfte heute schon einiger Revision wert sein. Vgl. dazu auch Johann Lechner, Ein unbeachtetes Register König Friedrichs IV. 1440—1442, MIÖG. 20 (1899), S. 52 ff. Seeliger behandelte die codd. „blau" n. 7 („Böhm" n. 17) S. 293, „blau" n. 533 („Böhm" n. 425 Suppl.) S. 295, „blau" n. 528 („Böhm" n. 419 Suppl.) S. 295 f., „blau" n. 536 („Böhm" n. 428 Suppl.), „blau" n. 360 („Böhm" n. 1083) S. 297, „rot" n. 58 („Böhm" n. 417) S. 299, „blau" n. 532 („Böhm" n. 424 Suppl.) S. 301, „blau" n. 46 („Böhm" n. 117) S. 301 f., „weiß" n. 724 („Böhm" n. 431 Suppl.) S. 304 ff., „blau" n. 48 („Böhm" n. 121) S. 307 ff., „blau" n. 26 („Böhm" n. 412 Suppl.) S. 307 f., und einige Lehenbücher, die im nächsten Abschnitte zu vermerken sein werden. Seit Albrecht V., bzw. II., dessen einziger Reichsregisterband nunmehr veröffentlicht vorliegt (Das Reichsregister König Albrechts II., bearb. v. Heinrich Koller, Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs Erg. 4, Wien 1955), ergab sich bei den Habsburgern dieselbe kanzleitechnische Schwierigkeit, die schon bei Ludwig dem Bayern und den Luxemburgern bestand, nämlich das Problem der Abgrenzung der Reichsgeschäfte von den landesfürstlichen; dies aber gehört — ebenso wie die Probleme der Beurkundung, des Relatorenvermerkes und anderer Vermerke — bereits in das Gebiet der speziellen Urkundenlehre, bzw. der Kanzleigeschichte. Sehr wichtig — auch grundsätzlich — ist das Werk von Burkhard Seuffert, Drei Register aus den Jahren 1478 bis 1519

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(Innsbruck 1934), nämlich das Landtagsregister Friedrichs III., das Register des Niederösterreichischen Regiments von 1507 und das Krainische Landtagsregister von 1519, mit bemerkenswerten Anhängen. Auf die Einzelheiten einzugehen ist hier nicht mehr möglich. Über die Kanzleibücher der Tirolischen und Oberösterreichischen Regierung siehe Otto Stolz, Geschichte und Bestände des Staatlichen Archives (jetzt Landesregierungsarchives) zu Innsbruck (Inventare österreichischer staatlicher Archive VI, Wien 1938), S. 109 ff. Es sind zunächst 25 Bände Tiroler Kanzleiregister 1290 bis 1362, sodann 17 Bände der Oberösterreichischen Regierung 1416 bis 1490, bzw. 47 Bände 1466 bis 1523. Die übrigen Register (unrichtig als Kopialbücher bezeichnet) gehören überwiegend schon der neueren Zeit an. Über die mit 1496 einsetzenden sogenannten Bekennbücher (meist Finanzsachen) und die mit 1410 einsetzenden nicht weniger als 420 Bände Lehenbücher (sie reichen allerdings bis 1780) siehe ebd. S. 114 f. Besonders wichtig sind die wohlerhaltenen Raitbücher der Tiroler und oberösterreichischen Kammer, siehe ebd. S. 116 f., in der älteren Reihe (1288—1460) 50 Bände, in der jüngeren (1460—1751) 444 Bände; dazu kommen noch einige nach Wien und München geratene Bände, worüber Richard Heuberger, Das Urkunden- und Kanzleiwesen der Grafen von Tirol, Herzoge von Kärnten, aus dem Hause Görz, MIÖG. Erg. 9 (1915), S. 330 ff., zu vergleichen ist; außer der S. 122 genannten Arbeit von Davidsohn sei noch Franz Bastian, Oberdeutsche Kaufleute in den älteren Tiroler Raitbüchern 1288—1370 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 10, München 1931), erwähnt, besonders aber die vortreffliche Auswertung durch Otto Stolz, Der geschichtliche Gehalt der Rechnungsbücher der Tiroler Landesfürsten von 1288 bis 1350 (Schlern-Schriften 175, Innsbruck 1957), wozu bemerkt sei, daß „geschichtlich" hier ausschließlich wirtschafte- und sozialgeschichtlich zu verstehen ist (wichtiges Sachregister S. 67 ff.). Über Lehenregister und L e h e n b ü c h e r , ihren Ursprung und ihre Anlage (alphabetisch, sachlich, geographisch oder nach der Zeitfolge), wie über die Fragen ihrer rechtlichen Funktion unterrichtet das grundlegende Werk von Woldemar Lippert, Die deutschen Lehnbücher, Beitrag zum Registerwesen und Lehnrecht des Mittelalters (Leipzig 1903). In Österreich sind solche Übersichten meist bei Todesfällen in der Dynastie oder infolge der Teilungen angelegt worden. Als „nicht nur die älteste erhaltene Aufzeichnung aus dem österreichischen Bereiche der landes/ürstlichen Lehenverwaltung, sondern auch als ein Denkmal des Fortschrittes derselben und der Kanzleiorganisation" begegnet zuerst — unmittelbar nach dem Vertrage von Neuberg (1379)! — das Lehenbuch des Herzogs Albrecht III. aus den Jahren 1380 bis 1394. Es wurde hauptsächlich aus schriftlichen Lehenbekenntnissen der Empfänger in einem bereits gebundenen Buche (586 Seiten !) — im allgemeinen pflegte man damals und noch lange Zeit Bücher in losen Lagen zu schreiben und erst später einzubinden — angelegt, und zwar verwaltungsgeographisch, erst in zweiter Linie nach der zeitlichen Folge. Es enthält S. 1—112 und dann S. 329 ff. die österreichischen, S. 115 bis 201 die vorderösterreichischen Lehen. Im Gegensatze zum alten Modus, demnach bloß eine kurze Notiz über den erfolgten Akt verfaßt wurde, ist man damals zur Abfassung dispositiver Urkunden übergegangen, so daß die Belehnung zu einem Kanzleigeschäfte wurde. Das 1870 vom k. k. Finanzministerium dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv abgetretene Original findet sich dort als Handschrift n. 421 Suppl. Druckausgabe: Urkundenbuch des Landes ob der Enns 10 (Linz 1933—39), S. 713 ff., dazu die Einleitung mit reichen Literaturangaben über Lehenwesen und Lehenbücher. Das Lehenbuch Herzog Albrechts IV., angelegt nach dem Tode seines Vaters, 1396, für Österreich ob und unter der Enns, findet sich ebendort Handschrift „blau" n. 20 („Böhm" n. 39), das seines Sohnes Herzog Albrechts V., angefangen mit dem Jahre seiner Mündigkeit, 1411 bis 1418 ebendort „Böhm"

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n. 422 Suppl. (siehe Constantin Edler v. Böhm, Die Handschriften des kais. u. kön. Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Supplement, Wien 1874, S. 106), und ein zweites für die Jahre 1422 bis 1434 (1438), „blau" n. 21 („Böhm" n. 40), das Joseph Chmel in Regestenform, alphabetisch geordnet, mitgeteilt hat: Notizenblatt zum AföG. 8 (1858), S. 393 ff., 417 ff., 441 ff., 466 ff. und 490 ff., sowie 9 (1859) S. 13 ff., 33 ff., 53 ff., 73 ff., 93 ff., 107 ff., 125 ff., 140 ff., 156 ff., 172 ff., 187 ff., 204 ff., 219 ff., 235 ff., 257 ff. und 280 ff. Das Lehenbuch des Herzogs Ladislaus 1453—1457, „blau" n. 25 („Böhm" n. 44), hat ebenfalls Chmel herausgegeben, Notizenblatt 4 (1854), S. 15 ff., 41 ff., 65 ff., 89 ff., 113 ff., 137 ff., 161 ff., 185 ff., 209 ff., 233 ff., 257 ff., 281 ff., 305 ff., 329 ff., 353 ff., 377 ff., 401 ff. und 425 ff. Ein auch in diesem Zusammenhange erwähnenswertes Verzeichnis der steirischen Herren vom Jahre 1418 siehe S. 96. Nicht ediert sind bisher: das Beutellehenbuch des Herzogs Ladislaus 1455, „blau" n. 24 („Böhm" n. 43), ein österreichisches Lehenbuch 1458—1463, „blau" n. 48 und 526 („Böhm" nn. 121 und 412 Suppl.), ein Lehenbuch Friedrichs III. 1467—1476, „blau" n. 26 („Böhm" n. 45), vgl. Seeliger a. a. O., S. 307 f., desselben Beutel- und Zinslehenbuch für Österreich ob der Enns, 1480, „blau" n. 27 („Böhm" n. 46), und einige im folgenden Abschnitte zu erwähnende. Für Innerösterreich einschließlich Görz sind zu nennen: Lehenregister Herzog Friedrichs V. 1424—1425, „blau" n. 22 („Böhm" n. 41), desgleichen 1443—1466 (bzw. für Kärnten 1443—1468, Krain 1444—1469), „weiß" nn. 724 und 726 („Böhm" nn. 430/431 Suppl.), vgl. Seeliger a. a. O., S. 302 ff., ferner das Lehenbuch 1447—1518, siehe Moriz Felicetti v. Liebenfels und Theodor Unger, Katalog des Steiermärkischen Landesarchivs (Publikationen aus dem Steiermärkischen Landesarchive, Abteilung A, Kataloge, Joanneumsarchiv 2: Allgemeine Aktenreihe und Lehen, Graz und Leipzig 1898), S. 1, endlich das Lehenbuch 1481—1487, „weiß" n. 64 („Böhm" n. 120), dazu Seeliger a. a. O., S. 309 f., und Lippert a. a. O., S. 173. — Tirol ist mit dem cvp. n. 2699* vertreten, der den größten Teil des Urbars Meinhards II. (1288) enthält — „zwar keine eigentlichen Lehnregister, geben aber unter den Orten die Lehen mit an, bisweilen gruppenweise zusammengestellt" (Lippert a. a. O., S. 175); herausgegeben von Oswald v. Zingerle, Meinhards II. Urbare der Grafschaft Tirol, FRA. II/45 (Wien 1890). Für die vorderösterreichischen Länder ist vor allem das im großen habsburgischen Urbar von 1303 enthaltene Verzeichnis der Burglehen zu Zeiten des Königs Albrecht I. zu nennen; Rudolf Maag, Das Habsburgische Urbar I (Quellen zur Schweizer Geschichte 14, Basel 1894), S. 41 ff. Siehe dazu Otto Stolz, Geschichtliche Beschreibung der ober- und vorderösterreichischen Lande (Karlsruhe 1943), S. 2 f. Ebd. S. 26 über die Abschrift von 1511. „Auch von den Verpfändungsroteln des 13. und 14. Jahrhunderts, die Maag im II. Bande mit abdruckt, berühren sich manche eng mit Lehensverzeichnissen" (Lippert a. a. O., S. 161). Ebendort II/l (bzw. 15/1), S. 408 ff., findet sich das Verzeichnis der vorländischen Lehen, das Herzog Rudolf IV., nach dem Tode seines Vaters, um 1461, anlegen ließ (aufgezeichnet etwas später), das noch als Lehenbuch I im Landesregierungsarchiv Innsbruck vorliegt. Beschreibung der Handschrift bei Maag H/2 (bzw. 15/2), S. 473 ff. und Stowasser S. 698 f., siehe auch Stolz a. a. O., S. 26; vgl. auch Lippert a. a. O., S. 161. Die nähere Prüfung hat ergeben, daß das Buch aus Lehenbekenntnissen (cedule) zusammengearbeitet wurde. Hinsichtlich der nicht-landesfürstlichen Lehenbücher kann auf die Vorarbeit Lipperts hingewiesen werden, der verzeichnete : Aquileia (Patriarchat) S. 127, Bamberg (wichtig für Kärnten) S. 128, Burgau S. 134, Burgund S. 134, Cilli S. 135, Freising (wichtig für Österreich und Krain, vgl. Arnold Luschin v. Ebengreuth, Reisebericht über innerösterreichische Archive, Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen 11, 1874, S. 23), Görz („Böhm" nn. 413 Suppl., 420 Suppl., 950), Gurk S. 139 (vgl. ebd. 8,1871, S. 125), Habsburg-Laufenburg

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S. 139, Kappel („Böhm" n. 37), Meissau S. 152 („Böhm" nn. 118 und 119, in Auszügen von Joseph Chmel, Meissauisches Lehenbuch, Notizenblatt zum AföG. 7, 1857, S. 28 ff. mit 19 Fortsetzungen), Niederaltaich S. 158 (Chmel, Die Besitzungen des Benedictinerklosters Nieder-Altaich in der Passauer Diözese, Notizenblatt 4,1854, S. 473 ff., und 5,1855, S. 89 ff.), Passau S. 163 f., St. Paul S. 164 (Beda Schroll, Lehenverzeichnisse des Benediktinerstiftes St. Paul in Kärnten aus dem X V . Jahrhundert, AföG. 34, Wien 1865, S. 288 ff.), St. Pölten („Böhm" nn. 173, 925 und 1040), Regensburg S. 166, Salzburg S. 168 f. (Hinweis auf Franz von Kronês, Styriaca und Verwandtes im Landespräsidialarchiv und in der k. k. Studienbibliothek zu Salzburg, Veröffentlichungen der Historischen Landeskommission für Steiermark 14, Graz 1901, S. 223 ff.), Seckau S. 171 (namentlich das Lehenbuch des Bischofs Wocho, t 1334, und das Lehenregister des Bischofs Matthias 1483 ff., siehe Ferdinand Wirmsberger, Seckauer Lehenbuch vom Jahre 1483 im Archive des Schlosses Freistadt, Notizenblatt 4, 1854, S. 449 ff.), Trient S. 175 (vgl. dazu auch Josef Durig, Rechtssprüche des Trientner Lehenhofes aus dem 13. Jahrhundert, MIÖG. Erg. 4, 1893, S. 429 ff.), Württemberg S. 179, Würzburg S. 179 f. — Zahlreiche Faksimiles österreichischer Fürstenurkunden und Kanzleibücher bot Anton Chroust, Monumenta palaeographica 1/17 und 1/19 .(München 1914/15). Auch die F o r m u l a r b ü c h e r — nicht „Formelbücher" — kommen für die Überlieferung der Urkunden in Betracht. Da sie im Grunde der stilistischen Ausbildung dienten und daher eigentlich eher als Anhänge zu Lehrbüchern (siehe S. 105) verfaßt wurden, konnten sie auch fingierte (komponierte oder ideale) Texte enthalten, die zuweilen sogar propagandistische Zwecke erfüllen sollten. Daneben gab es aber viele, deren Verfasser sich irgendeines vorhandenen echten Urkundenmaterials bedienten oder — wie Konrad von •Geyinhausen — sogar ihnen zugänglicher Kanzleiregister, so daß geradezu untergegangene Archive durch Formularbücher gerettet werden konnten. Allerdings wurden konkrete Angaben (Namen, Datierung) meist als unwesentlich übergangen oder durch allgemeine Siglen ersetzt, was die Kritik oft sehr erschwert. Die Gesichtspunkte der Auswahl konnten sehr verschieden sein. Es gibt systematische Beispielsammlungen zu den sogenannten Artes dictandi oder prosandi, auch zu einigen Ordines iudiciarii, aber auch scheinbar ganz wild gewachsene Sammlungen ohne Absicht auf Publizität, private Leistungen nur zum eigenen Gebrauche. Über die ältesten, noch dem IX. Jahrhundert ungehörigen salzburgischen Elaborate siehe S. 158, für die Babenbergerzeit außer Johann Loserth, Über einige Briefe zur Geschichte der letzten Babenberger aus dem Briefsteller des Buoncompagno (Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen 26, 1894, S. 21 ff.), und der unter dem Namen des Petrus de Vinea gehenden spätstaufischen Sammlung (siehe S. 233) auch den cvp. n. 2239 saec. X I I I . , der etliche, wenn auch z. T. sichtlich fingierte, doch des historischen Kernes nicht ganz entbehrende Briefkompositionen aus spätbabenbergischer Zeit bietet. Auf zwei sehr bemerkenswerte Sammlungen hochmittelalterlicher Artes dictaminum, die sich jetzt in englischem Besitze befinden, wies Erich Zöllner hin, der übrigens Admont als Heimat dieser Handschriften vermutet. Es sind dies die codd. Bodl. (Oxford) Ms. Lat. misc. nn. 68 und 66, über die bisher Näheres im Catalogue One Hundred (E. P. Goldschmidt & Co. Ltd., 45 Old Bond Street London W 1), p. 9 n. 10 und p. 11 n. 11, mitgeteilt wurde. Die erste enthält die Artes des Laurentius von Aquileia, Laurentius Lombardus, Heinrich von Treviso, Amandus von Reggio und (f. 27—74) eine bisher anonyme, die sich nach dem Incipit ohne weiteres als eine wahrscheinlich vollständige dritte, in Baerwalds Ausgabe (siehe S. 81) noch nicht berücksichtigte Textform des Baumgartenberger Formularbuches qualifizieren läßt. Eingeschaltet auf f. 64v soll sich ein kleiner Absatz finden:

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In hoc tractalu describit Cassiodorus utilissimas partículas sive clausulas epistolarum, quas elegit de Rethorica Tullii, was noch zu untersuchen sein würde. Die andere Handschrift enthält Artes des Johann von Garland (Poetria), Ludolf von Hildesheim, Otto von Lüneburg, Jupiter Monoculus, eine anonyme Erfurter, einige Muster für Privatbriefe und f. 24—26, als Beispiel einer ampliatio, eine comoedia. Auf die Formularbücher der Zeit Rudolfs I. ist hier nicht einzugehen; vgl. Harry Breßlau, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien 2/1 (Leipzig 1915 und Neudruck), S. 271 ff. Zu dem von Abt Seyfrid von Zwettl zusammengestellten, von Martin Gerbert, Codex epistolaris Rudolphi I. Romanorum regis (St. Blasien 1772), herausgegebenen Spicilegium aus Formularen der Kanzlei Rudolfs siehe auch Lhotsky in der Festschrift Die österreichische Nationalbibliothek (Wien 1948), S. 461. Die im Anschluß an Thomas von Capua angelegte, unter König Albrecht I. vollendete Briefsammlung Summa curie regis ist von Otto Stobbe, S. c. r., ein Formelbuch aus der Zeit König Rudolfs I. und Albrechts I., AföG. 14 (1855), S. 317 ff., aus cod. Erlang, (univ.) n. 563, saec. X I V . , f. 101 sqq., herausgegeben ; Erläuterung dazu S. 307 ff. Inc. : Quia dictamen nichil aliud est quam congruus cuiuslibet rei tractatus. Um 1300 ist eine beträchtliche Reihe bedeutender Sammlungen entstanden. Zunächst die von Albert Starzer entdeckte, im cod. Ottobon. n. 2115, f. 25 T sqq., überlieferte, nach ihrem Entstehungsorte benannte „Wiener Brief Sammlung", die Oswald Redlich, Eine Wiener Briefsammlung zur Geschichte des Deutschen Reiches und der österreichischen Länder in der zweiten Hälfte des X I I I . Jahrhunderts (Mittheilungen aus dem Vaticanischen Archive 2, Wien 1894) herausgegeben hat, und zwar dankenswerterweise mit drei guten Schrifttafeln. Redlich hat die Texte nach der Zeitfolge geordnet; den Anfang macht ein unter der Überschrift Cesar regi Romanorum gebotenes Schreiben Kaiser Friedrichs II. — Inc.: Fridericus dei gracia Romanorum imperator et semper augustus, bzw. Vestre fidelitati cupimus innotescere, quod minores fratres quidam Colonie. Ferner das ebenfalls aus der Zeit um 1300 stammende, im cod. n. „weiß" 279 (ehem. Reichssachen Ms. n. 9, Loc. 244, bzw. „Böhm" n. 577) erhaltene von Joseph Chmel, Das Formelbuch König Albrechts I. aus der im K. k. Geheimen Haus-, Hof- und Staatsarchiv aufbewahrten Handschrift, AföG. 2 (1849), S. 228 ff., großenteils im Wortlaute, sonst in Auszügen (354 Texte) mitgeteilte Formularbuch ; weitere neun Formulare sind von Paul Schweizer, Über das sogenannte Formelbuch Albrechts I., MIÖG. 2 (1881) S. 225 ff. und MG., Const. 4, 4 η. 5, veröffentlicht worden. Es beginnt unter der Überschrift Forma quomodo episcopus Maguntinus citat reges Romanos mit einem Texte von 1298; Inc.: Serenissimo domino suo domino Adulfo Romanorum regi semper augusto, bzw. Inveterati iuris longeveque consuetudinis non tarn Celebris quam sollempnis. Sodann das im frühen X I V . Jahrhundert von einem Mönche des Cistercienserstiftes Baumgartenberg verfaßte, einem respektablen Lehrbuche beigegebene Musterbuch, das Hermann Baerwald, Das Baumgartenberger Formelbuch, eine Quelle zur Geschichte des X I I I . Jahrhunderts, vornehmlich der Zeiten Rudolfs von Habsburg, FRA. II/25 (Wien 1866), veröffentlicht hat. Es erfreute sich offenbar weit größerer Verbreitung als die beiden erstgenannten, denn es ist in den codd. Zwetl. n. 295, cvp. n. 409 ganz, teilweise cclm. nn. 2697, 16125 und (fragmentarisch) 2697, sowie cod. Vorav. n. 326, f. 224 sqq., überliefert,wozu nunmehr auch der erwähnte Kodex der Bodleiana kommt. Es nennt sich Formularius de modo prosandi ; Inc. : Ad habendam preclaram dilucidamque formam dictaminis prosaici, bzw. im Zweiten (Muster-) Teile Elucidatis ab inicio tarn in genere quam in specie his, der erste Papstbrief Lucis eterne lumine destitutus Lucifer caduca superbia procurante. Vgl. dazu Paul SchefferBoichorst, Die ersten Beziehungen zwischen Habsburg und Ungarn; zur Kritik des Baumgartenberger Formularbuches, MIÖG. 10 (1889), S. 81 ff. β

Lhotsky, Quellenkunde

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Nur nebenher sei erinnert, daß der langjährige Registrator Kaiser Karls IV., Johann von Geyinhausen, ein Exemplar seines Collectarius perpetuarum formarum Herzog Albrecht III. zugeeignet hat ; der Text liegt nur noch in den codd. Giess. n. 83 und Vatic, η. 3995 vor, woraus ihn Hans Kaiser, Collectarius perpetuarum formarum Iohannis de Geylnhusen (Innsbruck 1900), herausgegeben h a t ; vgl. dazu seine Dissertation Der Collectarius perpetuarum formarum des Johann von Gelnhausen (Straßburg 1898). Inc.: Illustrissimo et gloriosissimo principi domino Alberto duci Austrie, Stirie, Karinthie etc., bzw. Dum olim in aula cesarea beate memorie divi Karoli quarti, das erste Formular — Primarie preces — beginnt mit Karolus quartus divina favente clemencia Romanorum imperator, bzw. Omnipotentis dei clemencia, cuius virtute cuneta subsistunt. Um dieselbe Zeit etwa hat Ulrich Stern, Lehrer und Stadtschreiber von Vöcklabruck (O.-ö.), im cod. Cremifan. η. VIII 13 Ν 69, saec. XIV., einem wahren Sammelsurium (unter anderem die Tabulae Alphonsinae), auch ein Formularbuch privater Art hinterlassen; vgl. Urkundenbuch des Landes ob der Enns 10 (Linz 1933—1939), S. 918 ff., bzw. S. 911 ff. Inc.: Discreto viro domino Friderico socio commuranti in Rastat Ulricus dictus Stern. — Ein für die österreichische Geschichte nicht unwichtiges, in einzelnen Stücken schon mehrfach — von Winkelmann, Dopsch, Lindeck, Wintermayr, Lhotsky — ausgewertetes, aber der Gesamtuntersuchung noch harrendes Formularbuch ist der irgendwie mit der Person des herzoglichen Protonotars Mgr. Berthold von Kiburg (Anfang des XIV. Jahrhunderts) zusammenhängende cvp. n. 2493, der allerdings falsch zusammengebunden wurde. — Schließlich sind, wie der Fall des Ulrich Stern zeigt, die Formularbücher des Spätmittelalters zu Sammelbecken alles möglichen literarischen Gutes geworden: Exordien, Synonymenverzeichnisse, historische und Personaldaten, Lesefrüchte, Witze, Medizinisches, Obszönes, Kochrezepte, zuweilen aber auch echte Poesie, wie in der genannten Wiener Briefsammlung S. 333 das hübsche Gedichtchen auf Wien Vienna civitas gloriosa nimis et famosa, das sich in der Hauptsache als Paraphrase einer durch John Waleys (XIII. Jahrhundert) in seinem Compendiloquium vermittelten, eigentlich auf Paris berechneten Lobpreisung in einer Vita s. Dionysii (Pseudo-Venantius Fortunatus) erwiesen hat — vgl. Alphons Lhotsky, Mittelalterliche Lobsprüche auf Wien (Jahrbuch des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 11, 1954) S. 29, und Studia Neuburgensia (Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg, 10, N.F. 1, 1961), S. 71 oder im cod. Graec. n. 975, saec. X I I I . ex., f. 166 sqq. ein als Bonaventura, Psalterium minus beate Marie, agnosziertes Marienlied Ave virgo, vite lignum, quod perhenni laude dignum. Ein sehr typisches Beispiel für die Eigenart der zum Sammelsurium angewachsenen Formularbücher stammt aus dem Archiv der Grafen von Görz in Lienz und gelangte wohl schon bald nach deren Aussterben im Jahre 1500 in den Besitz der Tiroler Regierung ; jetzt findet es sich im Landesregierungsarchiv. Ähnlich wie der cvp. n. 2493 ist auch dieses Heftchen das Lebensdokument eines Mannes, der mit ziemlich großer Sicherheit in der Person eines Friedrich, Sohnes des Konrad von Innichen, festgestellt werden konnte. Er studierte in Wien, wurde dann Kleriker, vielleicht in Innichen, und schließlich Notar des Grafen Albert von Görz, also in der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts. Die Briefmuster füllen f. 2 r —9 T , 1 4 1 8 r , 19 T —20'. Außerdem enthält die Handschrift Entwürfe und Federproben, Rätsel, Poetisches (ζ. T. mit Neumen) lateinisch und deutsch, Notarsregeln, teilweise versifiziert, und chronologische Regeln. Siehe Fritz Schillmann, Das Notizbuch eines Tiroler Notars aus dem XIV. Jahrhundert, MIÖG. 31 (1910), S. 392 ff., Texte S. 396 ff. Diese wurden ungefähr der zeitlichen Reihenfolge nach gebracht; der erste ist wohl der nur als Regest wiedergegebene Nr. 5, S. 399. Notarsregeln (S. 416) Inc. : Qui dictare putas, in prima parte salutas, (S. 417) Si bene dictabis, tu quatuor ista notabis, ferner in Prosa Nota, quod instrumentum

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vendicionis, ebd. Beginn einer Abhandlung Incipit tractatus comparacionum brevis et utilis compilâtes, und die chronologische Regel (S. 419) Notandum, quod duplex est ciclus. Besonders reich an sehr bemerkenswerten Formularbüchern ist überhaupt die Grazer Universitätsbibliothek, worüber Johann Loserth, Formularbücher der Grazer Universitätsbibliothek, N A . 21 (1896), S. 307 ff., zuerst informiert hat. Diese Vielfalt auch nur anzudeuten, ist hier unmöglich. Auf jeden Fall wird man aber — wenn auch gewiß in den meisten Fällen vergeblich — den von Franz Josef Schmale, Eine thüringische Briefsammlung aus der Zeit Adolfs von Nassau, D A . 9 (1952), S. 464 ff., erarbeiteten Gesichtspunkt der bewußt angelegten Chronik in Briefform nie übersehen dürfen ; unter den hier oben angeführten Beispielen könnte dies sehr wohl auf jenen cvp. n. 2239, saec. X I I I . , zutreffen, wo die babenbergischen Formulare f. 109 T sqq. zu finden sind und mit einer Wechselkorrespondenz beginnen: Rex Boemie regi Ungarie consolane eum de morte patris sui, bzw. Turbati super modum sumus accepte nuncio mortis patris vestri, worauf dann als nächster T e x t die Responsio folgt. Alle solche Formulare sind insoferne auch heute ernst zu nehmen, weil sie im Spätmittelalter von Historiographen und Publizisten durchaus ernst genommen worden sind, wie besonders das Beispiel des Viridarium des Dietrich von Nieheim gezeigt hat. Selbst den offensichtlichen Fiktionen, wie den mehr oder weniger gesellschaftskritischen Satansbriefen oder scheinbar scherzhaften Texten, hinter denen sich eine furchtbare Tragik nicht nur Einzelner, sondern einer ganzen Klasse erkennen läßt, eignet mitunter hoher kulturgeschichtlicher Wert. Als ein österreichisches Beispiel sei die 1209 datierte Persiflage vorgeführt, die Theodor Mayer, Spicilegium von Urkunden aus der Zeit der österreichischen Babenberger, AföG. 6 (1851), S. 316, mitgeteilt hat. Sie beginnt mit der Intitulatio In nomine summe et individue vanitatis Surianus diutina fatuorum favente clemencia per Austriam, Stiriam, Bavariam et Moraviam presul et archiprimas vagorum scolarium omnibus eiusdem secte professoribus, sociis et successoribus universis fame, site, frigore, nuditate perpetuo laborare usw. Es würde wohl auch lohnen, die ins Ausland verschlagenen Formularbücher österreichischer Herkunft festzustellen, wie etwa Zahn auf den cod. Dresd. η. M 63 hingewiesen hat, der für die Obersteiermark wichtiges Mstteriale enthält; siehe Materialien für steiermärkische Geschichte (Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen 1, 1864), S. 10 f., sowie auch S. 80. Die geschichtswissenschaftliche Behandlung der Formularbücher hat Franz Palack^, Über Formularbücher zunächst in Bezug auf die böhmische Geschichte (Abhandlungen der K g l . Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften V . Folge, 3. Band, Prag 1848), begründet ; nach ihm Wilhelm Wattenbach, Über Briefsteller des Mittelalters, AföG. 14 (1855) S. 29 ff. Vgl. außerdem Fritz Schillmann, Formelbücher als Quellen für die Landesgeschichte (Deutsche Geschichtsblätter 13,1912), S. 187, nebst dem Anhange, worin die bis 1912 veröffentlichten Formularbücher verzeichnet sind. Nur beispielsweise seien noch einige lokale Formularbücher erwähnt, über die eigene Publikationen veranstaltet wurden: Jakob Wichner, Aus einem Admonter Formularbuche (Studien und Mitteilungen aus dem Benediktiner- und Cistercienserorden 3,1882), S. 140 ff. — es ist in der Kanzlei des Bischofs Georg I I . von Chiemsee entstanden (die Bischöfe residierten oft in Salzburg, auch als Generalvikare) und enthält mancherlei über steirische und auch österreichische Klöster — und Odilo Holzer, Aus einem Melker Formularbuche, ebd. 18 (1897), S. 439 ff., nämlich aus dem cod. Mellic. n. 342, saec. X V . , f. 49 sqq. mit etwa hundert Schreiben aus der Zeit des Abtes Christian (1433—1451), Materien aus dem Klerikerleben betreffend; siehe auch Johann Hurch, Aus einem Wilheringer Formularbuche, ebd. 11 (1890), S. 104 ff. und 275 ff., das im Zusammenhange mit einer Ars dictandi vorliegt. 6*

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Zuweilen ist die Grenze zwischen Formular- und K o p i a l b ü c h e r n nicht so leicht zu bestimmen; vgl. bezüglich der Handschrift „blau" n. 423 (Suppl. Nr. 409) des Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien Henriette Peters, Ein Formularbuch aus der Kanzlei Herzog Albrechts Y. von Österreich (Hausarbeit 1956 am Institut für österreichische Geschichtsforschung, Archiv des Instituts), und Ferdinand Bischoff, Ein steirisch-kärntnerisches Formular- und Kopialbuch (Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen 11,1874), S. 138 ff.; die im Stifte Reun liegende Handschrift enthält außerdem steirische Landhandfesten, österreichische und Kärntner Sachen, sogar (f. 115 sqq.) das Privilegium maius. In diese Mischkategorie gehört auch das unter Propst Leonhard angelegte (1453—1493) Protocollum Voraviense antiquissimum, das noch im XYI. Jahrhundert, bzw. nach einer Pause noch 1593—1615 und dann noch bis 1718 fortgesetzt worden ist, so daß die anfänglich 108 Muster schließlich bis auf 266 gediehen. Darunter finden sich auch baugeschichtlich interessante Schreiben und sogar die Abschrift der Begrüßung des Königs Ladislaus in Wien im Jahre 1452 (vgl. S. 363). Ferner Hermann Watzl, Aus zwei verschollenen Privilegienbüchern der Cisterce Heiligenkreuz von 1246 bis 1251, in: Festschrift zum 800-Jahrgedächtnis des Todes Bernhards von Clairvaux (Wien und München 1953), S. 370 ff. Vielfach ganz vollständige, auch datierte Briefabschriften aus den Jahren 1308 bis 1447 bietet ein von drei Schreibern angelegtes „Formularbuch" des XY. Jahrhunderts, das von einem Lilienfelder Mönche begonnen wurde, der sich aber seit 1447 in Hohenfurth (Böhmen) aufhielt; man findet darin etliche wichtige Austriaca, namentlich Herzog Rudolf IV. und Heinrich von Langenstein betreffend; siehe Valentin Schmid, Ein Lilienfelder Formularbuch (Studien und Mitteilungen aus dem Benediktiner- und Cistercienserorden 28, 1907, S. 392 ff.). — Weiteres über Kopialbücher siehe unten S. 87. Unter den allerdings nicht zahlreichen G e r i c h t s o r d n u n g e n steht die landesfürstliche König Albrechts I. für das Land ob der Enns voran (23. März 1299, Urkundenbuch des Landes ob der Enns 4, Wien 1867, S. 308 f., defekt erhalten); Inc.: Wir Albrecht von gotes genaden romischer chunich und ze allen zeiten merer des riches tun chunt. Eine noch im XVIII. Jahrhundert angeblich in der Bibliotheca Windhaagiana befindliche Neue Gerichtsordnung Friedrichs III. für Österreich (unter der Enns) ist nach Arnold Luschin v. Ebengreuth, Handbuch der Österreichischen Reichsgeschichte I a (Bamberg 1914), S. 154 verschollen, könnte sich aber doch einmal, etwa in der Handschriftensammlung der Palatina, finden lassen. S t a d t r e c h t e wies Österreich schon frühzeitig auf. Man ist über das lange umstrittene, von Lazius überlieferte bzw. exzerpierte Wiener Stadtrecht nunmehr zu dem Ergebnisse gelangt, daß nicht nur eines, sondern zwei solcher ältester Stadtrechte verlorengegangen sein müssen: eines aus der Zeit vor 1192, das andere vor 1212 (vielleicht 1208). Siehe Heinrich v. Fichtenau, Wolfgang Lazius und das älteste Wiener Stadtrecht (Wiener Geschichtsblätter 5, 1950, S. 31 ff.), im übrigen Herbert Fischer, Die Wiener Stadtrechtsfamilie (Jahrbuch für Geschichte der Stadt Wien 7, 1948, S. 52 ff.), Hans Planitz, Das Wiener Stadtrecht und seine Quellen, MIÖG. 56 (1948), S. 287 ff., und Rudolf Geyer, Die mittelalterlichen Stadtrechte Wiens, MIÖG. 58 (1950), S. 589 ff. Die entsprechenden Texte findet man jetzt am besten im Babenberger Urkundenbuche; siehe auch Wolfgang Lazius, Vienna Austriae (Basel 1546), p. 73 sqq. Das älteste erhaltene österreichische Stadtrecht ist das von Enns vom Jahre 1212 — nach dem Original im Stadtarchiv Enns am besten bei Schwind-Dopsch a.a.O., S. 42 ff., Inc.: In nomine sánete et individue trinitatis, bzw. Gloria prineipum latius uberiusque per pacem et quietem subditorum elucescit — und das sachlich bedeutungsvollste ist das für Wien von 1221 — aus clm. n. 16083, saec. XIII., f. 2 T sq., cvp. nn. 2733, f. 108 sqq., und 352, f. 73 sqq., heraus-

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gegeben von Andreas v. Meiller, österreichische Stadtrechte und Satzungen aus der Zeit der Babenberger, AföG. 10 (1853), S. 100 ff., sowie Johann Adolf v. Tomaschek, Die Rechte und Freiheiten der Stadt Wien 1 (Wien 1877), S. 8 ff., besser Urkundenbuch zur Geschichte der Babenberger in Österreich 2 (Wien 1955), S. 57 ff. ; Inc. : In nomine sánete et individue trinitatis, bzw. Gloria prineipum latius uberiusque usw. wie oben. Das Wiener Stadtrecht wurde, mit entsprechenden Anpassungen, 1277 Eggenburg, 1305 Krems, 1311 Korneuburg usw. verliehen. Formal sind die Stadtrechte als landesfürstliche Privilegien gestaltet, mit Ausnahme des umfangreichen Stadtrechtes des Bischofs Albrecht II. von Passau für St. Pölten vom 9. September 1338, siehe Gustav Winter, Beiträge zur niederösterreichischen Rechts- und Verwaltungsgeschichte V I I I : Das St. Pöltner Stadtrecht vom Jahre 1338, BU. Lk. NÖ., N.F. 17 (1883), S. 460 ff.; Inc.: Wir Albrecht von gots gnaden bischoffzu Passaw. Ein angeblich von Herzog Friedrich II. stammendes Hainburger Stadtrecht ist vielleicht mit Unrecht als Fälschung betrachtet worden, eine Wiener-Neustädter Kompilation, die auf den Namen eines Herzogs Leopold geht, erlangte durch König Rudolf I. und Herzog Albrecht I. Rechtskraft: „Sie ist die aus echten Privilegien, Ratsschlüssen, Taidingaufzeichnungen und bis dahin ungeschriebenem Gewohnheitsrechte der Stadt, dann aus dem Stadtrechte Friedrichs II. für Wien von 1244" — Tomaschek a. a. O., S. 24 ff. — „mit wenig Geschick zusammengestellte Arbeit eines Unbekannten", wahrscheinlich 1276/77 entstanden; siehe Gustav Winter, Das Wiener-Neustädter Stadtrecht des X I I I . Jahrhunderts, Kritik und Ausgabe, AföG. 60 (1880), S. 73 ff., Text S. 186 ff. mit demselben Inc.: Gloria prineipum usw.; siehe auch weiter unten Mitis S. 244 ff. Im X I V . Jahrhundert entstand Das Wiener Stadtrechts- und Weichbildbuch, herausgegeben von Heinrich Maria Schuster (Wien 1873), S. 45 ff., Inc. : Got vater almeehtiger seit du deu weit, eine Privatarbeit mit starker Benützung des Schwabenspiegels (Artikel 95—109), die in einer der 23 Handschriften (XV. Jahrhundert) allerdings auf Judenburg bezogen erscheint. Eine vorbildliche Edition bot Otto Brunner, Die Rechtsquellen der Städte Krems und Stein, FRA. I I I / l (1953). Vgl. im ganzen Oskar Fhr. v. Mitis, Niederösterreichische Stadtrechte im X I I I . Jahrhundert (Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich N.F. 3, 1904), S. 227 ff. — mit dem Faksimile aus cod. Admont. n. 600, f. 198, Fragment des Wiener-Neustädter Stadtrechtes — und für Wien Heinrich Schuster in: Geschichte der Stadt Wien 2 (Wien 1900), S. 352 ff., überhaupt Karl Gutkas, Die mittelalterlichen Stadtrechte Niederösterreichs, in: Beiträge zur Stadtgeschichtsforschung (Festschrift der Stadtgemeinde St. Pölten 1959), S. 58 ff., wo auch über Bruck, Drosendorf, Eggenburg, Krems, Marchegg, Waidhofen und Weitra das Nötige zu finden ist. Über die Bedeutung der Urkunde des Bischofs Konrad von Passau vom 3. Mai 1159 siehe Karl Helleiner, Österreichs ältestes Stadtrechtsprivileg, ebd. S. 49 ff. — Auf die obderennsischen, innerösterreichischen und tirolisch-vorländischen Stadtrechtsfragen im einzelnen einzugehen, würde diese Darstellung überlasten; hier muß der Hinweis auf Luschin a . a . O . , S. 159 ff. und 165 ff., genügen. Über S t a d t b ü c h e r vgl. Heinrich Schuster, Rechtsleben, Verfassung und Verwaltung, in: Geschichte der Stadt Wien 2 (Wien 1900), S. 377, und Oswald Redlich, Die Privaturkunden des Mittelalters, in: Urkundenlehre I I I (Handbuch der mittelalterlichen und neueren Geschichte Abt. IV, München und Berlin 1911), S. 192. Das erste Specimen in W i e n ist das nach seinen metallischen Beschlägen benannte E i s e n b u c h . Es wird eingeleitet durch eine Urkunde König Friedrichs d. Sch. vom 21. Januar 1322, demnach dieser auf Grund einer Klage der Stadt Wien, daß die Rechte der Stadt mit dem Tode der alten Bürger, die noch als Zeugen dienen konnten, in Vergessenheit gerieten, die Anlage eines Rechtsbuches gestattete, in dem alle die Stadt

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betreffenden Rechtssatzungen eingetragen werden sollen, um so zum unanfechtbaren Beweise zu dienen; vgl. Regesta Habsburgica I I I (Innsbruck 1924) n. 909 (S. 115). Merkwürdigerweise kann die Urkunde, wenigstens in dieser Form, nicht echt sein; dies hat Otto H. Stowasser, Beiträge zu den Habsburgerregesten I I : Die Entstehungszeit des Eisenbuches der Stadt Wien, MIÖG. Erg. 10 (1928), S. 19 ff. — vgl. dazu Alfred v. Wretschko, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 37 (1916), S. 667 ff. — mehr als wahrscheinlich gemacht und eine etwas spätere Anlage, etwa um 1350, angenommen. Zum selben Ergebnisse gelangte Heinrich Demelius, Zur Entstehung des Wiener Eisenbuches (Jahrbuch des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 14, 1958, S. 47 ff.), demzufolge gegen die Verordnung Friedrichs d. Sch. sachlich keine Bedenken bestehen. Eine Beschreibung der Handschrift und vollständige Regesten des Inhaltes siehe Die Rechte und Freiheiten der Stadt Wien, bearb. v. Johann Adolf v. Tomaschek 1 (Wien 1877), S. L X X X ff., Berichtigungen dazu von Schuster a. a. O., S. 378, Anm. 3. Inc. : Wir Friderich von gotes gnaden Romischer chunig, bzw. tun chunt allen den leuten paide, gegenwärtigen unde chiimftegen. Die Texte bestehen aus den Maut- und Zollaufzeichnungen, der Handfeste Herzog Albrechts II. von 1340, etlichen Ratsbeschlüssen bis 1360 usw., siehe Schuster a. a. O., S. 378 f. Die älteren Rechtsdenkmale (aus der Zeit vor der Anlage) sind sichtlich erst auf Grund späterer Entschlüsse, vielleicht so, wie man der Reihe nach den Urkunden begegnete, aufgenommen worden, so daß kein rechtes System zu erkennen ist. Zum Eisenbuche siehe außerdem auch Karl Uhlirz, Quellen und Geschichtsschreibung, in: Geschichte der Stadt Wien 2 (Wien 1900), S. 93 ff. — Wenn die älteren Stadtbücher des X I V . Jahrhunderts gewissermaßen nur authentische Urkundentexte festzuhalten hatten, so trat — in Österreich schon um 1380 in Waidhofen a. d. Th. — der dann auch anderwärts zu beobachtende grundsätzliche Wandel ein, daß die Eintragung eines Rechtsgeschäftes in das Stadtbuch als solche konstitutiv wurde. In Wien ist das (auch als „Großes Stadtbuch" bezeichnete) Eisenbuch in der Hauptsache eine Sammlung der Privilegienabschriften geblieben, während die übrigen Funktionen der Stadtbücher — ähnlich der Aufspaltung der Generalregister der Reichskanzlei in Spezialregister seit Karl IV. — auf andere Bücher übergingen, die hier nur dem Thema nach bezeichnet werden können und mehr oder weniger auch in anderen Städten begegnen, wie Geschäfts- bzw. Testamentbücher, in denen auch Angelegenheiten des ehelichen Güterrechtes geregelt wurden, Bücher zur Aufnahme von Handwerkerordnungen, Grundbücher (Kauf- und Satzbücher) — zunächst nur als Belege für die eingezahlten Gebühren, später selbst von urkundlicher Gültigkeit — und Gewährbücher für die im Obereigentum der Stadt stehenden Gründe, Verbotbücher, Gültenbücher (worin die städtischen Einnahmen verzeichnet wurden), Gerichtsbücher (wie die des Judenrichters) und schließlich die Stadt- bzw. Kammerrechnungen, unter denen die Kirchenmeisterrechnungen von St. Stephan hervorzuheben sind, siehe Karl Uhlirz, Die Rechnungen des Kirchenmeisteramtes von St. Stephan zu Wien (2 Bde. Wien 1901). Auf die Banntaidingsbücher, das Kopialbuch des Bürgerspitals, Bergbücher (Wein) und Zunftbücher kann nur hingewiesen werden. Nicht nur die Führung der Kanzleigeschäfte, sondern auch die der Stadtbücher oblag dem Stadtschreiber — einer wichtigen und angesehenen Persönlichkeit, dessen Bedeutung schon daraus hervorgeht, daß sein Gehalt ebenso hoch war wie das des Bürgermeisters. Als erster Wiener Stadtschreiber ist ein Fridericus im Jahre 1276 bekannt; seine immer deutlicher faßbaren Nachfolger bis ans Ende des Mittelalters hat Uhlirz, Quellen usw. a. a. O., S. 36 ff., vorgeführt und dabei auch die Frage der Beziehung des Stadtschreiberamtes zur städtischen Historiographie aufgeworfen. Nun hat Uhlirz (S. 36) freilich mit Bedauern ausrufen müssen: „Es gibt keine Wiener Chro-

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nik!" Mißt man nach den herkömmlichen Begriffen der „Chronik", so gilt dies allerdings, doch hat Uhlirz sehr richtig darauf aufmerksam gemacht, daß das Eisenbuch schon im XV. Jahrhundert einer Art Neufassung bedurfte, die im Jahrzehnte vor Mitte dieses Jahrhunderts zustande kam und vorzugsweise — der geänderten geschichtlichen Stellung der Stadt entsprechend — nunmehr „die auf die äußere Politik und die städtische Polizei bezüglichen Akten und Urkunden" zusammenzufassen hatte. Als den Schöpfer dieses K o p e y b u c h e s , das Texte aus den Jahren 1440—1453, sodann 1454—1464 (mit einer Lücke vom 31. Juli 1462 bis zum 28. August 1463), enthielt, wird wohl mit Recht der Stadtschreiber Ulrich Hierssauer angesehen (über ihn Uhlirz a. a. O., S. 45). Was er mit dem Kopeybuche leistete, ist allerdings der Form nach nur mit Einschränkung als Historiographie zu bezeichnen, doch hat er die eine Stadtgeschichte seiner Epoche grundlegenden Urkundentexte zuweilen mit verbindendem Texte versehen. Leider ist das noch im X V I I I . Jahrhundert vorhanden gewesene Original verschwunden, und man muß es als einen Glücksfall bezeichnen, daß den ersten Teil Adam Kollár, Analecta monumentorum omnis aevi Vindobonensia 2 (Wien 1862), col. 829 sqq., als Sylloge diplomatum, litterarum, actorum publicorum, quorum testimonio ac fide res Austriacae ab imperatore Friderico gestae in primis nituntur, veröffentlicht hat; den zweiten Teil hat der Staatsarchivar Ferdinand v. Freysleben kopiert, und diese Abschrift gelangte ins Stiftsarchiv Klosterneuburg, wo sie bereits die Aufmerksamkeit Willibald Leyrers erregte. So konnte, mit freundlicher Förderung durch seinen Propst Wilhelm Sedláéek, der Chorherr Hartmann J . Zeibig sie veröffentlichen: Copey-Buch der Gemainen stat Wienn 1454—1464, FRA. II/7 (Wien 1853). Im cvp. n. 3052 finden sich etliche noch aus dem XV. Jahrhundert stammende Abschriften einiger Urkunden, die sich auch im Kopeybuche befinden (Facsimile des f. 23 T bei Uhlirz a. a. O., S. 79) ; in welchem Zusammenhange diese Blätter mit dem Kopeybuche selbst gestanden sein mögen, ist nicht klar. Übrigens haben weder Kollár noch Freysleben vollständige Texte geliefert, wie man aus einigen Anzeichen zu bemerken vermochte. Inc.: I (Kollár) Serenissimo principi domino Friderico dei gracia Romanorum regi electo ac duci Austrie, I I (Zeibig) Vermerkcht die Ordnung, so die herren des rats und die genanten, die darczu erweit und geben sein. Ob die unten S. 363 zu behandelnde Anonyme Chronik ebenfalls das Werk eines Stadtschreibers — etwa des Nachfolgers Hierssauers Ulrich Griessenpekch — gewesen sei, ist nicht ganz klar. — An Literatur wäre — ohne im entferntesten irgendeinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen — immerhin noch anzuführen: überhaupt DW* n. 8243, Paul Rehme, Über Stadtbücher als Geschichtsquelle (Halle a. S. 1913), ders., Stadtbücher des Mittelalters (Leipziger Rechtswissenschaftliche Studien 21, 1927), wo in alphabetischer Folge auch die Stadtbücher folgender österreichischer Städte verzeichnet sind: Enns (S. 76), Hainburg (S. 96), Krems (S. 126), Mautern (S. 144), St. Pölten (S. 173), Tulln (S. 195), Waidhofen a. d. Th. (S. 203), Wiener Neustadt (S. 213). Ferner: St. Pölten „Geschafftbuch" siehe Bll. Lk. Nö., N.F. 9 (1875), S. 21, Franz Staub, Bürgertestamente der Wiener-Neustädter Ratsprotokolle (ebd. 29, 1895, S. 463 ff.), Karl Uhlirz, Die Handschrift der ältesten Rechnungen der Stadt Wien (ebd. 28, 1894, S. 201 ff.), Gustav Winter, Grundbuch der St. Michaels-Pfarrkirche zu Gumpoldskirchen aus den letzten Dezennien des XV. Jahrhunderts (ebd. 9, 1875, S. 228 ff.), Heinrich Demelius, Über die alten Wiener Grundbücher (Jahrbuch des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 9,1951, S. 110 ff.), Ferdinand Bischoff, Über Murauer Stadtbücher (Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen 12, 1875, S. 157 ff., sie reichen von 1424 bis 1659). Über die analogen M a r k t b ü c h e r siehe Ignaz Zibermayr, Das Oberösterreichische Landesarchiv (3Linz 1950), S. 36 f. Alle solche Denkmale sind längst

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auch als bedeutende kulturgeschichtliche Quellen erkannt worden und reizten zu entsprechender Verwertung ihres farbigen Inhalts; Beispiele: Alfred Hackel, Aus dem bürgerlichen Leben vergangener Tage, geschichtliche Bilder aus den Ratsprotokollen der alten Eisenstadt Steyr (Programm des Elisabeth-Gymnasiums in Wien V, 1912), allerdings erst das XVII. Jahrhundert betreffend, Ferdinand Bischoff, Mitteilungen aus dem Marktarchiv zu Aflenz (Beiträge usw. 8, 1872, S. 61 ff.). Zu den Nutznießern dieser Aufzeichnungen gehören, was nicht zu übersehen ist, außer den Wirtschafts- und Sozialhistorikern, Genealogen und Familienforschern auch Kunsthistoriker. Eine sehr schöne und sachlich sehr ernst zu nehmende Behandlung des ganzen schwierigen Kapitels bot Franz Staub — mit sehr richtig empfundener Danksagung an ältere Forscher in gleicher Richtung wie Johann Evangelista Schlager und Albert v. Camesina — in seiner Einleitung zu Die ältesten Kaufbücher 1368—1388, in: Quellen zur Geschichte der Stadt Wien III. Abteilung, Grundbücher der Stadt Wien (Wien 1898, S. XIV ff.). In der Studie von Heinrich Schmidt, Die deutschen Städtechroniken als Spiegel des bürgerlichen Selbstverständnisses im Spätmittelalter (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 3, Göttingen 1958), ist auf diese Quellengattung nicht eingegangen worden. Unter den J u d e n b ü c h e r n verdient schon wegen seines Alters und seiner vorzüglichen Edition besondere Erwähnung: Das Judenbuch der Scheffstraße zu Wien 1389—1420, her. v. Artur Goldmann (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Juden in Deutsch-Österreich 1, Wien und Leipzig 1908). Diese kleine, von einem landesfürstlichen Beamten kontrollierte Judengemeinde vor Wien, deren Abgaben stets der jeweils regierenden Herzogin zugute kamen (die ie des eltisten herczogen von Oesterreich herzogin und gemahel ist), führte ein Grund- und ein Satzbuch, das bis zur sogenannten Geserah, der „Katastrophe" der Juden in Wien 1421, hinaufführt, und außerdem eines, das die Rechtsgeschäfte der Juden mit Christen festhielt. Inc.: Hie hebt sich an das Judenpuech, bzw. Item Lewppolt Satler, Margret uxor und Fridrich der Herbstmaister. Dazu : Urkunden aus Wiener Grundbüchern zur Geschichte der Wiener Juden im Mittelalter (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Juden in Deutsch-Österreich 10, Wien 1931). W e i s t ü m e r sind bäuerliche Rechtsaufzeichnungen auf Grund der Aussagen der Bevölkerung selbst, Wahrsprüche, die auf amtliche Frage von rechtsvertrauten Männern über das geltende Recht unter Eid abgegeben worden sind. Diese Denkmale sind besonders in den österreichischen Ländern in größter Menge überliefert, die ältesten noch aus dem XIII., die Mehrzahl aus dem XVI./XVII. Jahrhundert. Dann und wann gehen sie selbst auch auf geschriebene Quellen zurück, wie auf Dorfbücher, Urkunden, Polizeiordnungen usw. Anlaß zum Verfahren boten in der Regel Zwistigkeiten mit der Herrschaft, Verderbnis älterer Aufzeichnungen, Ordnungsbestreben, Interpretationsschwierigkeiten usw. In gewissem Sinne kann man auch schon den Indiculus Arnonis (siehe S. 151) von 790, die Raffelstettener Zollurkunde von etwa 905 (siehe S. 161), mit Einschränkungen auch die Notiz über die Pflichten der Passauer Leute in Österreich von etwa 990 (Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte, N.F. 6, München 1930, S. 79 f.) als Weistümer bezeichnen. Die österreichischen Weistümer sind in einer von der Wiener Akademie der Wissenschaften eingeleiteten, derzeit ihrem Abschlüsse entgegengehenden großen Publikation veröffentlicht, beginnend mit: Die salzburgischen Taidinge, her. v. Heinrich Siegel und Karl Tomaschek (österreichische Weistümer 1, Wien 1870), und derzeit schließend mit Oberösterreichische Weistümer IV. Teil (ebd. 15, Graz-Köln 1960, Registerband wird vorbereitet). Vgl. Gustav Winter, Das niederösterreichische Banntaidingwesen in Umrissen, in : Festschrift des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich

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1914), S. 196 ff., Erna Patzelt, Entstehung und Charakter der Weistümer in Österreich (Budapest 1924), mit reichen Literaturangaben, und Hermann Wießner, Sachinhalt und wirtschaftliche Bedeutung der Weistümer im deutschen Kulturgebiet (Veröffentlichungen des Seminars für Wirtschafts- und Kulturgeschichte 9/10, Baden b. Wien 1934). Die durch August v. Loehr in den letzten Jahren neu belebte Weistümerkommission in Wien gibt „Mitteilungen" im Anzeiger heraus, von denen Nr. 2 — im Jahrgange 1955, Nr. 22 — hervorgehoben sei: Helmut Feigl, Die Grundsätze für die Edition der oberösterreichischen Weistümer. Als vorbildliches Beispiel sachlicher Auswertung siehe Franz Grass, Pfarrei und Gemeinde im Spiegel der Weistümer Tirols (Innsbruck 1950). Über Traditionsbücher siehe S. 165 ff., über Urbare S. 102. Sowohl in die technische wie in die rechtliche und administrative Seite der Münzerei gibt das dem Obersten Kämmerer A l b r e c h t v o n E b e r s t o r f (um 1450) zugeschriebene M ü n z b u c h die wertvollsten Auskünfte. Es wurde durch Theodor Georg v. Karajan, Beyträge zur Geschichte der landesfürstlichen Münze Wiens im Mittelalter (Der österreichische Geschichtsforscher, her. v. Joseph Chmel, 1, Wien 1838), S. 425 ff., aus der Pergamenthandschrift n. 106 D des Hofkammerarchivs in Wien veröffentlicht — leider recht unzulänglich. Inc.: Item die Tailung der gewicht in Osterrich ist getaylt aus dem goltgewicht. Die r e c h t s w i s s e n s c h a f t l i c h e L i t e r a t u r in Österreich gewann allerdings erst in neuerer Zeit, seit dem X V I . Jahrhundert, größere Bedeutung. Auf diesem Gebiete ist namentlich der erste Kanzler der innerösterreichischen Regierung, Bernhard Walter, zu erwähnen, den Luschin v. Ebengreuth als den „Vater der österreichischen Jurisprudenz" bezeichnet hat; vgl. Max Rintelen, Bernhard Walters privatrechtliche Traktate (Quellen zur Geschichte der Rezeption des Römischen Rechtes 4, Leipzig 1937). Man hat aber schon im Mittelalter versucht, die Materie übersichtlich, womöglich sogar lexikalisch zusammenzufassen ; über ein Beispiel dieser Art, von Ulrich Albeck, der 1417—1431 Bischof von Seckau war, siehe Anton Kern im Zentralblatt für Bibliothekswesen 56 (1939), S. 518. Eine in jeder Hinsicht höchst ansehnliche, unzweifelhaft nicht von einem Österreicher herrührende, aber doch wohl in Österreich überarbeitete, sachlich und auch sprachlich-terminologisch wichtige Leistung ist, in einem Dutzend Handschriften überliefert (diese meist aus dem X V . Jahrhundert) : Die Summa legum brevis, levis et utilis des sogenannten Doctor Raymundus von Wiener-Neustadt, her. v. Alexander Gài (Weimar 1926). Sie liegt sowohl in deutscher wie in lateinischer Fassung vor und will kanonistische Rechtsgrundsätze mit dem geltenden deutschen Recht in Einklang bringen; daß die Sprache bayerisch-österreichisch ist, unterliegt keinem Zweifel. Inc. : Propter patemalem amorem, quem ad filios meos dilectos habeo, bzw. Durch die väterliche lieb, welche ich zu meinen sunen hab.

13. PERSONENVERZEICHNISSE Abgesehen von den Zeugenreihen der Urkunden, die hier zumindest nicht in erster Linie in Betracht kommen, haben die weltlichen Faktoren verhältnismäßig spät Personen Verzeichnisse angelegt; die Kirche ist auch hierin lange zuvorgekommen. Wie unzuverlässig manche — nicht alle — Verzeichnisse dieser Art sein mögen, so sind sie doch nicht zuletzt, und je älter desto mehr, um der Namensformen willen oft sehr bedeutende sprachgeschichtliche Quellen. Die Hauptgruppen sind : Verbrüderungsbücher, Totenroteln, Nekrologien, Ämterlisten, Familienübersichten und Diversa.

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V e r b r ü d e r u n g s b ü c h e r sind Verzeichnisse geistlicher und dann auch weltlicher Personen, die sich zu einer Fürbittengemeinschaft zusammenschlössen. Das ehrwürdigste und bedeutendste Beispiel — das Verbrüderungsbuch von St. Peter in Salzburg — wird unten S. 149 besonders behandelt werden; schon hier zeigt sich der hohe Quellenwert eines solchen Denkmals als Spiegel der politischen Lage und der Beziehungen eines Klosters nach außen. Dies gilt für die spätmittelalterlichen Vertreter der Gattung in nicht geringerem Maße; vgl. ζ. Β. M. E. v. Richthofen, Die Nonnberger Bruderschaft 1496—1515 (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 56, 1916, S. 27 ff.), oder Heinrich Schuster, Die Gebetsverbrüderungen des Prämonstratenserstiftes Wüten (Veröffentlichungen des Ferdinandeums 1, 1928, S. 545 ff.), wonach die Beziehungen dieses Tiroler Stiftes bis Bayern und Württemberg, Prag, Klosterneuburg, Kärnten und — über Südtirol — bis Verona reichten. Gebhard Rath, Das Bruderschaftsbuch der Liebfrauenzeche zu St. Stephan in Wien (Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs 7, 1954, S. 336 ff.) behandelt ein im Erzbischöflichen bzw. Diözesanarchiv in Wien erhaltenes bemerkenswertes Namenverzeichnis, das in der Zeit zwischen 1336 und 1351 angelegt und 1405 erneuert worden ist; es beginnt mit Hie hebet sich an ein gebet (f. 25 T bzw. S. 359 ff.), das Gebet selbst mit Nu hört alle geieiche Arme und reiche, der jüngere Teil (f. 1 T bzw. S. 342 ff.) mit Nach Christi gepurd in den virczehenditisten jar, bzw. Hie ist zu merkchen, das wir haben erdacht. Methodische Hinweise gab Oskar Fhr. v. Mitis, Bemerkungen zu den Verbrüderungsbüchern und über deren genealogischen Wert (Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte 43, 1949, S. 28 ff.). N e k r o l o g i e n sind Verzeichnisse abgeschiedener Mitglieder irgendeiner Gemeinschaft, auch Obituarien (obitorio) genannt. In der Regel sind sie nach dem Schema eines Kalenders angelegt, da sie meist auch die Pflicht der besonderen Fürbitte zu den Sterbetagen (anniversaria) in Erinnerung bringen sollten. Da in ihnen mitunter der speziellen Verdienste der Heimgegangenen — bedeutender Stiftungen, literarischer Leistungen usw. — ausdrücklich gedacht wurde, sind sie zuweilen auch in dieser Hinsicht wichtige Quellen. Unangenehm ist, daß meistens nur der Sterbetag als solcher, nicht aber das J a h r daraus ersichtlich wird, so daß man für nicht wenige Personen bloß jenen, nicht aber dieses kennt. Man hat es auch, ähnlich wie bei Annalen mit bereits vorgeschriebenen Jahreszahlen, mit der Eintragung nicht allzu genau genommen, wie dies besonders bei dem unten zu erwähnenden St. Lambrechter Nekrologe der Fall war. Die für Ober- und Niederösterreich wichtigsten Nekrologien sind von Siegmund Herzberg-Fränkel, bzw. Adalbert Fuchs, in MG., Necr. 4 und 5, herausgegeben; vgl. Adalbert Fuchs, Bericht über die Totenbücher Niederösterreichs, NA. 35 (1910), S. 723 ff., Wilhelm Erben, Zu den Nekrologien von Mattsee, NA. 43 (1922), S. 611 f. Für die übrigen Länder ist man vorläufig auf Spezialpublikationen angewiesen, von denen einige genannt seien : zunächst als Nachtrag zu Niederösterreich die vor einigen Jahren in Krems gefundenen Fragmente eines großen Nekrologium der Dominikaner, das noch im XVI. Jahrhundert geführt wurde, siehe Lhotsky, Das Fragment eines Totenbuches der Dominikaner in Krems (Mitteilungen des Kremser Stadtarchivs 1, 1961, S. 1 ff.), Johann Loserth, Kleine steiermärkische Nekrologien und nekrologische Notizen (Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen 26, 1894, S. 3 ff.), Matthias Pangerl, Über die beiden ältesten Totenbücher des Benediktiner-Stiftes St. Lambrecht ebd. 3 (1866), S. 1 ff., das erste aus dem XII., das zweite aus dem XIV. Jahrhundert, Konrad Schiffmann, Quellen zur Wirtschaftsgeschichte Oberösterreichs aus den Necrologen des ehemaligen Cistercienserstiftes Baumgartenberg (jetzt in Linz), (Studien und Mitteilungen aus dem Benediktinerorden usw. 20, 1899, S. 161 ff.), Josef v. Zahn, Steierische Exzerpte aus baierischen Nekrologen

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(Beiträge 3,1866, S. 85 ff.), Beda Schroll, Necrologium des Kathedralcapitels der regulierten Chorherren von Gurk, AföG. 75 (1889), S. 241 ff. (aus cod. Graec. n. 1119, saec. XII., mit Bericht auch über cvp. n. 7243, f. 178 sqq.), ders., Necrologium des ehemaligen Benedictinerstiftes Milstat in Kärnten, AföG. 77 (1891), S. 267 ff., ders., Necrologium des ehemaligen Augustiner-Chorherrenstiftes Sta. Maria in Juna oder Ebersdorf in Kärnten, AföG. 68 (1886), S. 209 ff. (Pergamentkodex 1480 angelegt, jetzt Archiv des Stiftes St. Paul), Willibald Hauthaler, Fragment eines alten Salzburger Necrologiums saec. XII.—XIV., AföG. 53 (1875), S. 247 ff. (das aus einem Wiltener Kodex herausgelöste Pergamentblatt nennt ausschließlich Ministerialen und niedere Dienstleute, nahezu keinen Kleriker, woraus zu schließen sein dürfte, daß es sich um ein Spezialnekrolog der Fraternitas communis der Salzburger Domkirche handelte), Godfrid Edmund Friess, Das Necrologium des Benedictiner Nonnenstiftes der hl. Erentrudis auf dem Nonnberge zu Salzburg, AföG. 71 (1887), S. 19 ff., Virgil Redlich, Neue Nekrologfragmente aus Tegernseer Handschriften, NA. 47 (1928), S. 495 ff. (betreffen namentlich Tirol, saec. XV.). Zur Frage der Beziehungen zwischen Nekrologien und Verbrüderungsbüchern siehe Altmann Altinger, Die zwei ältesten Nekrologien von Kremsmünster, AföG. 84 (1898), S. 3 ff., als Beispiel eines neueren Vertreters der Gattung Jörg Lanz, Das Necrologium Sancrucense modernum, AföG. 89 (1901), S. 247 ff. (saec. XVII.). T o t e n r o t e l n waren in älterer Zeit lange Pergamentstreifen, die auf einer hölzernen Walze aufgerollt werden konnten (rotulus); die Nachrichtenempfänger mußten quittieren, so daß man daraus mitunter Daten über die Reisegeschwindigkeit der Boten gewinnen kann. Später wurden die Rotein durch Hefte oder Bücher ersetzt. Aus Salzburg, wo das Bruderschaftswesen am frühesten blühte, ist ein Totenrotel schon aus der Zeit des Bischofs Virgil (VIII. Jahrhundert) bekannt, siehe MB. 14, 351 ; ein späterer Rotel — vom Nonnbergstifte in Salzburg aus dem Jahre 1508 — besteht aus einem zusammengefügten Pergamentstreifen in der ansehnlichen Länge von 3,10 m (0,16 m breit) und enthält 102 Bestätigungen, darunter aus Wien, Klosterneuburg, Wiener Neustadt, Vorau usw., siehe Adalbert Ebner, Die klösterlichen Gebetsverbrüderungen bis zum Ausgange des karolingischen Zeitalters (Regensburg 1890), S. 78 Anm. 2, bzw. S. 219 ff. Eine andere Form repräsentiert der ebd. S. 216 abgedruckte Rotelbrief vom 23. August 1390 (das älteste Exemplar dieser Art überhaupt) mit den stereotypen Bestätigungen Lator presencium fuit nobiscum in Seccovia u. ä. Vgl. im übrigen etwa Martin Riesenhuber, Die Seitenstettener Totenrotel 1477, Jb. Lk. Nö., N.F. 25 (1932), S. 128 ff., oder Jakob Wichner, Eine Admonter Totenrotel des XV. Jahrhunderts (Studien und Mitteilungen aus dem Benediktiner- und Cistercienserorden 5/1, 1884, S. 61 ff). — Sprachlich sei bemerkt, daß die Femininform — „die" Rotel — unrichtig ist. Zusammenstellungen der Träger bestimmter Ä m t e r , angefangen von Papst und Kaiser, waren immer im Brauche und in vielen Fällen, vor allem im Kanzleidienste, auch sehr wichtig und nötig. Aus dem gleichen Bedürfnis entwickelten sich Abtkataloge in den Klöstern, Herzogslisten, Verzeichnisse städtischer Magistratspersonen usw. Über den um 1420 entstandenen, die Reihe bis 1418 führenden wichtigen Bischofskatalog von Brixen siehe Oswald Redlich, Zur Geschichte der Bischöfe von Brixen vom 10. bis in das 12. Jahrhundert 907—1125 (Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg III. Folge 28, 1884), S. 43 ff., und Anselm Sparber, Das Bistum Sabiona in seiner geschichtlichen Entwicklung (Brixen 1942), S. 14, außerdem Richard Heuberger, Rätien im Altertum und Frühmittelalter (Schlern-Schriften 20, Innsbruck 1932), S. 299 f. Vgl. ferner den sogenannten Bernardus Noricus, unten S. 284 f., der Reihen der bayerischen und österreichischen Herzoge sowie der Bischöfe von Passau brachte, ferner z. B. für Lambach und Kremsmünster

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HP. 2, 45 sqq., die Series abbatum Zwetlensium, die im XIV. Jahrhundert dem Zwettler Liber fundationum (siehe unten S. 244) beigegeben wurde und auch im cod. Zwetl. n. 84 wiederholt erscheint, beide MG., SS. 13, 366 sq., die Series abbatum Lunaelacensium im cvp. n. 3745, saec. XV., f. 217 v (bis zum Jahre 1420) usw. Ein Verzeichnis der Äbte von Göttweig findet sich in dem aus dem XIII. Jahrhundert stammenden Traditionsbuche A in Göttweig ; Druckausgaben: HP. 2, 281 sqq., Wilhelm Karlin, Das Saalbuch des Benedictinerstiftes Göttweig, FRA. II/8 (Wien 1855), S. 101 f., MG., SS. 13, 365 sq., und Adalbert Fuchs, Urkunden und Regesten zur Geschichte des Benedictinerstiftes Göttweig 3, FRA. II/55 (Wien 1902), S. 929 ff. Die Äbtereihe wurde bis 1609 fortgesetzt. Die in derselben Handschrift f. 96 r gebotenen Folge der österreichischen Landesfürsten bis auf König Ottokar II. sowie ein Katalog der Bischöfe von Passau bis auf Otto von Lonsdorf — siehe Fuchs FRA. 11/69, S. 7 — scheint nicht gedruckt worden zu sein. Aus einer Lambacher Handschrift, eigenhändig vom Verfasser der Vita Adalberonis niedergeschrieben, mit der Überschrift Series abbatum, qui Lambacensi loco usque ad haec tempora praefuerunt, ist MG., SS. 12, 136 sqq. eine Äbtereihe von Lambach wiedergegeben, die eher die Bezeichnung einer Geschichte dieser Äbte verdient; Inc.: Ekkebertus primus abbas a beato Adalberone episcopo Lambacensi loco prelatus. Wilhelm Hofer aus Landshut legte um 1480 ein Verzeichnis der Prioren, Brüder und Konversen der Kartause Gaming an, das Heinrich v. Zeißberg, Zur Geschichte der Karthause Gaming, AföG. 60 (1880), S. 579 ff. aus cvp. n. 12811, saec. XV. ex., f. 144 sqq., veröffentlicht hat. Inc.: Priores domus Troni beate Marie in Gemnico secundum successionem annorum Christi. Zur Erläuterung Zeißberg a. a. O., S. 568 ff. Sammlungen mönchischer Profeßurkunden sind aus dem Mittelalter nicht bekannt; das Faksimile einer benediktinischen von 1318 siehe Petrus Ortmayr-Aegid Decker, Das Benediktinerstift Seitenstetten (Wels 1955), S. 76. Auch weltliche Ämterlisten gab es. Eine Reihenfolge der Grafen von Tirol in den Jahren 1269 bis 1439, ausklingend in einen Wunsch, daß dem Herzog Siegmund ein Nachfolger beschieden sein möge, findet sich am Schlüsse der österreichischen Geschichte des Heinrich Gundelfingen (siehe S. 421) ; sie wurde aus cvp. n. 516 herausgegeben von Adam Kollár, Analecta monumentorum omnis aevi Vindobonensia 1 (Wien 1761), col. 821 sqq. Inc. : Carinthie duces primo possederunt Tyrolis comitatum. Als Quellen sind diese Listen, die selten kritisch geprüft wurden und eingeschlichene Fehler beharrlich fortschleppten, nicht übermäßig wertvoll, und doch hat sich auch an ihnen die junge historische Kritik der Humanisten erprobt. Meist kam es nur auf die Reihenfolge überhaupt an — Zeitangaben waren nicht die Regel und sind, wo sie geboten wurden, mit großer Vorsicht aufzunehmen. Verzeichnisse bestimmter Personenfolgen mit allen methodischen Mitteln zu sichern, hatte einst für die römisch-deutschen Kaiser Konrad Peutinger unter Heranziehung der Herrscherdiplome usw. nach italienischem Vorbilde (Pomponius Laetus u. a.) begonnen, siehe Erich König, Peutingerstudien (Freiburg i. B. 1914), S. 48 f., und bis in die neueste Zeit ist es ein wichtiger Zweig der Forschertätigkeit geblieben; als etwas abseits liegendes Beispiel sei genannt Heinrich Höflinger, Catalogus Sacri Lateranensis Palatii Aulaeque ac Consistorii Imperialis comitum Palatinorum I : Die kaiserlichen Hofpfalzgrafen (Jahrbuch des österreichischen Instituts für Genealogie, Familienrecht und Wappenkunde 1/2, 1928/29). Verzeichnisse der Inhaber der Landesämter, Bürgermeister, akademischen Würdenträger, Pfarrer usw. zu erarbeiten — nicht zuletzt der Studenten — ist auch für die Zukunft eine Aufgabe, deren Erfüllung noch erheblich im Rückstände ist. Als Beispiel diene Alfred v. Wretschko, Das österreichische Marschallamt im Mittelalter (Wien 1897), wo, wenn auch nur als Nebenergebnis, ein genaues Verzeichnis der Marschälle und

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Untermarschälle mit ihrer Amtsdauer gewonnen wurde (S. 187 ff.). In diesem Zusammenhange ist auch auf die Wichtigkeit der Hofstaatsverzeichnisse hinzuweisen. Leider ist man in Österreich für das Mittelalter nur über den Tiroler Hof Herzog Siegmunds verhältnismäßig gut unterrichtet. Eigentliche mehr oder weniger amtliche Hofstaatsverzeichnisse gibt es erst aus der Spätzeit Kaiser Maximilians I.; für die Zeit Karls V. besteht — als ein weithin unerhörtes Unicum — das in drei Bänden gedruckte Werk des Nicolaus Mameranus, Catalogus familiae totius aulae caesareae (Köln 1550), „das älteste Beispiel eines systematischen Amts- und Heeresschematismus", der im Jahre 1566 auch in deutscher Sprache veröffentlicht worden ist; siehe die sehr verdienstliche, vor allem für den Historiker der Neueren Zeit wichtige Studie von Oskar Fhrn. v. Mitis, Hof- und Staatshandbücher (Mitteilungen des Österreichischen Vereines für Bibliothekswesen 10, 1906, S. 151 ff.), wo übrigens auch auf eine satirische Darstellung des Hofpersonales Ferdinands I. im cvp. n. 7292 hingewiesen ist. Die nächste im Drucke veröffentlichte Liste stammt erst aus der Zeit Ferdinands II. — Status regiminis particularis Sacrae Caesareae Maiestatis Ferdinandi II. (1637) — und davon haben Fellner-Kretschmayr, Die österreichische Zentralverwaltung 1/2 (Wien 1907), S. 217 ff., einen Teilabdruck geboten. Ebd. S. 139 ff. ist übrigens auch die oben erwähnte älteste Hofstaatsordnung — Stat des hofgesinds, so nach absterben der kais. Mt. etc. hochlöblicher gedachtnus zu Weiss im monat Januari des 1519. jar gemacht worden ist — aus einer gleichzeitigen Kopie (Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Hofstaatenfaszikel 1495—1537) wiedergegeben worden. Handgeschriebene Hofstaatsverzeichnisse finden sich — nach Mitis — im Haus-, Hof- und Staatsarchiv, „Maximiiiana" und Handschriften Suppl. nn. 56 und 57, ferner cvp. nn. 14458 (für 1567), 13621 (für 1574), 14676 (für 1654), 14071 (für 1675), 12388 (für 1678), ferner 14209 und 14443, im Archiv der Wiener Universität „Ordnung und Hofstaat Maximilians I I . " vom 1. Januar 1569, in Graz, Landesarchiv, die codd. nn. 313, 322, 805 und 1260, cod. Graec. n. 33/42 (neue Nummer unbekannt) (für 1675), Dresden, Hauptstaatsarchiv cod. n. 9935 (für 1687). Über die heute noch vorhandenen, z. T. sehr selten gewordenen Bände der österreichischen Hofstaatskalender (bzw. Schematismen), die seit 1700 gedruckt erschienen, siehe die wertvolle Zusammenstellung bei Mitis. Verzeichnisse der Mitglieder weltlicher Ordens- und Gesellschaftsmitglieder gibt es aus dem Mittelalter nur wenige. Zu den interessantesten gehört die allem Anscheine nach noch nie gedruckte Liste der jener von Herzog Otto 1337 gegründeten Georgsritterschaft angehörigen Herren, die cvp. n. 3321, saec. X I V . (nicht X V . , wie bisher angegeben wurde), f. 42 r sqq., überliefert ist; Inc.: Fundatores Capelle sancti Georii seu Societas Τemplois serenissimorum principimi ducum Austrie. Vgl. dazu Hans Rupprich, Das Wiener Schrifttum des ausgehenden Mittelalters, SB. Wien 228 (1954), 5. Abhandlung, S. 80 f. Auch die Liste der mit den Herzogen Ernst (1414) und Friedrich V. (1437) am Hl. Grabe zu Rittern geschlagenen, meist innerösterreichischen Herren in Friedrichs Memorandenbuch, siehe MIÖG. 60 (1952), S. 177 n. 4 und S. 178 n. 10, verdient Erwähnung. Aufzeichnungen über F a m i l i e n s t ä n d e haben nicht bloß die Klöster für ihre Stifterfamilien geführt, sondern auch — jedenfalls seit dem X I I I . Jahrhundert — die Herolde, in deren Kreisen freilich auch die meist sehr bedenklichen Abstammungslegenden der Adelshäuser ausgeheckt wurden ; siehe Egon Frh. v. Berchem in dem S. 54 genannten Werke von Berchem-GalbreathHupp, S. 117 ff. Zur Methode der „Genealogen" siehe etwa Alphons Lhotsky, Apis Colonna, Fabeln und Theorien über die Abkunft der Habsburger, MIÖG. 55 (1944), S. 171 ff. und das Schreiben des Ladislaus Sunthaym an Kaiser Maximilian I. vom 22. Juni 1503 (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des ah. Kaiserhauses 5, Reg. n. 4490). Nicht selten sind solche Kom-

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Positionen im Hinblick auf einen von Malerhand zu schaffenden Stammbaum der Familie entworfen worden, wie es wahrscheinlich bei einigen genealogisch geordneten Kurzbiographien habsburgischer Fürsten des Spätmittelalters der Fall war und von Sunthayms Legenden zum Klosterneuburger Babenbergerstammbaume sogar evident ist, siehe unten S. 445. Stammbäume mit Portraits und Wappen samt den zugehörigen Legenden, in denen literarische und künstlerische Bemühungen sich vereinten, erreichten zur Zeit Maximilians I. ihren ersten Höhepunkt — so die beiden großen in der Waffensammlung des Wiener Kunsthistorischen Museums und der leider so schlecht restaurierte, ebenfalls großdimensionale auf Schloß Tratzberg. Sie sind wichtig, weil noch mehr als zweihundert Jahre lang die Angaben solcher Denkmale von den Historikern ernst genommen wurden — wie etwa die des aus den erwähnten jetzt Wiener Stammbäumen ersichtlichen, auf eine gewagte Interpretation der Stainreuterschen Chronik zurückgehenden mysteriösen Colonna-Gatten der Habsburgerin Agnes (Tochter Albrechts I.), der noch lange in der Literatur spukte. Erst seit Maximilian I. wurde sowohl in der Dynastie wie im österreichischen Adel, schließlich auch im Bürgertum, die Genealogie exakter, wozu die rege Sammlertätigkeit der bereits humanistisch gebildeten Spezialisten wie Reichart Streun, Job Hartmann v. Enenkel, später Hoheneck u. a., wesentlich beitrug. Etwas Besonderes ist das allerdings erst vom Jahre 1570 herrührende Verzeichnis der örtlichkeiten und edlen Geschlechter in Österreich und Steiermark im Landesarchiv Graz, siehe Steiermärkische Geschichtsblätter 4 (1883), S. 1 ff., das auch die abgestorbenen Familien und gebrochenen Burgen angibt. In diesem Zusammenhange ist der G e n e a l o g i e zu gedenken. Von einem mehr oder weniger spielerischen Diletto seit dem Mittelalter ist sie in neuester Zeit zu einer überaus wichtigen, aufschlußreichen, für traditionsarme Zeiten sogar tragenden Disziplin geworden; siehe beispielsweise Michael Mitterauer, Die Grafenfamilien der bayrischen Marken in der Karolingerzeit (Wiener Dissertation Nr. 20069/1959), bzw. Slawischer und bayrischer Adel am Ausgang der Karolingerzeit (Carinthia I, 150, 1960, S. 693 ff.). Insoferne die Leistungen der Genealogie besonders der Verfassungsgeschichte zugute kommen (vgl. die kurzen, aber sehr treffenden Ausführungen Theodor Mayers, HZ. 159, 1939, S. 460), kann sie hier nur mit einem generellen Hinweise auf ihre von Österreich ausgegangene (Ottokar Lorenz, Genealogisches Handbuch der europäischen Staatengeschichte, Stuttgart und Berlin 1908) wissenschaftliche Belebung und auf die reiche Förderung, die das Fach seither in Österreich durch die Arbeiten von Oskar Fhrn. von Mitis, Otto Fhrn. von Dungern (Genealogisches Handbuch zur bairisch-österreichischen Geschichte, Graz 1931, unvollendet), Karl Lechner, Ernst Klebel, Erich Zöllner und vielen anderen erfahren hat, bedacht werden. Sie war aber nicht in der Lage, zur Lösung erbbiologischer Probleme so beizutragen, wie man es von ihr erwarten möchte. Technische Literatur und Behelfe geben die Lehrbücher der Methodik an; eine vorzügliche Einführung bietet Otto Forst de Battaglia, Wissenschaftliche Genealogie (Sammlung Dalp 57, Bern 1948).Hauptpflegestätte der Genealogie ist die im Jahre 1870 gegründete Heraldisch-genealogische Gesellschaft „Adler", Wien I, Haarhof 4 a, mit reicher Spezialbibliothek und allen Behelfen. Außer dem schon genannten Handbuche von Otto Dungern sowie den Stammtafeln der Landesfürsten bei Karl Lechner, Die Babenberger in Österreich (Bindenschild 6, Wien 1947) und von Franz Weihrich, Stammtafeln zur Geschichte

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des Hauses Habsburg (Wien 1893), kommt in Betracht (Walther Merz), Genealogisches Handbuch zur Schweizer Geschichte 1—3 (Zürich 1908—1935) ; im übrigen die alten Sammelwerke wie etwa Johann Georg Adam Fhr. v. Hoheneck, Die Lobliche Herren Herren Stände deß Ertz-Hertzogthumb Oesterreich ob der Ennß, 2 Teile (Passau 1727/32), u. v. a., auch noch Unveröffentlichtes in Archiven und Bibliotheken. Zu Hermann Swoboda, Das Siebenjahr, Untersuchungen über die zeitliche Gesetzmäßigkeit des menschlichen Lebens I : Vererbung (Wien 1917), siehe die Bemerkungen von Hans v. Ankwicz-Kleehoven, MIÖG. 39 (1923), S. 244 ff. Die vielerörterte Frage der habsburgischen Familienmerkmale hat für das Mittelalter noch keine wesentliche Bedeutung; von genealogischer Seite waren keine sicheren Ausgangspunkte zur Erklärung des Phänomens zu gewinnen. Genealogische Forschung scheint der Menschheit von jeher besonders nahezuliegen ; in gewisser Hinsicht stand sie nicht nur an den Anfängen der Historie überhaupt, sondern auch an der Wiege der neueren Geschichtswissenschaft. Im Kreise des schon als Knabe wißbegierigen Maximilian I. (vgl. seine Äußerung im Weißkunig unten S. 466) sind auch die Methoden der genealogischen Untersuchungsweise entwickelt, die ersten Forschungsunternehmen organisiert worden ; vgl. das unten S. 444 bzw. 450 über Sunthaym und Mennel Gesagte. Durch die Genealogen ist die Historikerschaft auf manche Denkmalgattung hingewiesen worden, die bis dahin kaum zu Quellenaussagen herangezogen wurde. Vgl. im allgemeinen Simon Laschitzer, Die Genealogie Kaiser Maximilians I. (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des ah. Kaiserhauses 7, 1888, S. 1 ff.). Nur als Beispiel, zu welchen keineswegs unerheblichen Erkenntnissen und Schlußfolgerungen gerade für quellenarme Zeiten genealogische Feststellungen führen können, sei außer der oben S. 94 angeführten Dissertation von Mitterauer auch Hans Martin Decker-Hauff, Richezza-Reginlindis, Mittelalterliches Österreich und abendländische Politik (Die Furche vom 13. Dezember 1947), und die Ergänzung durch Otto Forst-Battaglia, Richezza und die österreichischen Babenberger (ebd. vom 31. Januar 1948) erwähnt. Die unendliche Vielfalt und Menge anderer Personenverzeichnisse — angefangen von den bereits erwähnten Zeugenlisten der Urkunden bis zu den Verzeichnissen der Teilnehmer an geistlichen und weltlichen Versammlungen (Konzilien, Synoden, Reichstagen, Landtagen, Krönungen, Huldigungen, Hochzeiten, Turnieren, Schützenfesten, Leichenbegängnissen usw.) — ist nicht weiter faßbar. Auch Ereignisse außer Landes können dafür wichtig werden, siehe etwa Nomina patrum in Concilio existenciiim, bei H . J. Zeibig, Zur Geschichte der Wirksamkeit des Basler Concils in Österreich, SB. Wien 8 (1852), S. 598 ff., Friedrich Hegi, Der Glückshafenrodel des Freischießens zu Zürich 1504 (2 Bde., Zürich 1942), oder die handelsgeschichtlichen Quellen, wie Das Runtingerbuch 1383—1407 usw., her. v. Franz Bastian (Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit, 3 Bde., Regensburg 1944). Siehe ferner Alexander Graf, Aus den Weiheregistern der Diözese Seckau 1425—1507 (Cistercienserchronik 43,1931, Nr. 506, S. 101 ff.), nämlich dem Registrum ordinandorum A, B, des Bischöflichen Ordinariatsarchivs in Graz, oder Georg Wolfbauer, Meisterverzeichnis der steirischen Goldschmiede (Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark 29, 1935, S. 159 ff.). Von besonderer Wichtigkeit sind die Matrikeln der Universitäten, Stände und Zünfte; siehe Monumenta histórica universitatis Carolo-Ferdinandeae Pragensis I : Liber decanorum facultatis philosophicae universitatis Pragensis 1367—1585 (2 Bde. Prag 1832),

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II: Album seuMatriculafacultatis iuridicae universitatis Pragensis 1372—1418 (2 Bde., Prag 1834), Die Matrikel der Universität Wien 1377—1658/59 (Publikationen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung VI. Reihe, I. Abt. Bd. 1—4, Graz-Köln 1956—61), Die Matrikel der Universität Freiburg i. Br., her. v. Hermann Mayer, 1460—1656 (2 Bde., Freiburg i. Br. 1907/09), Die Matrikel der Universität Basel 1 (1460—1529), her. v. Hans Georg Wackernagel (Basel 1951), Die Matrikel der Universität Heidelberg von 1386 bis 1662 1 (1386 bis 1553) her. v. Gustav Toepke (Heidelberg 1884) Gustav C. Knod, Deutsche Studenten in Bologna 1289—1562 (Berlin 1898), Acta graduum academicorum gymnasii Patavini 1406—1450, her. v. Gaspare Zonta und Giovanni Brotto (Padua 1922), besonders Arnold Luschin v. Ebengreuth, Oesterreicher an italienischen Universitäten zur Zeit der Reception des Römischen Rechtes, Bll. Lk. NÖ., N.F. 14,15, 16, 17, 18 und 19 (1880 bis 1885), dazu SB. Wien 113,118 und 124 sowie Anzeiger 28 (1891), S. 50 f. Siehe auch Walter Goldinger, Landeskunde und Universitätsgeschichte (Unsere Heimat 19, 1948, S. 171 ff.). Das älteste L a n d s t ä n d e v e r z e i c h n i s , nämlich der Steiermark von 1422, veröffentlichte Hans Pirchegger, Geschichte der Steiermark 2 (Graz 1931), S. 529 ff., aus Graz, Landesregierungsarchiv, Meillerakten Faszikel 1 ; Inc.: Nota die landleut in Steyr, bzw. Von erst von Grecz aus gen Vogttsperg. Schließlich ist in diesem Zusammenhange noch der allerdings erst nach 1500 in Übung kommenden S t a m m b ü c h e r mit ihren bald ernsten, bald launigen Sprüchen nebst Unterschriften zu gedenken; eine Übersicht der bis zum Jahre 1918 bekanntgemachten gab Georg Lösche, Ein steirisches Exulantenstammbuch (Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark 16, 1918, S. 1 ff. bzw. Anm. 2).

14. SACHENVERZEICHNISSE Der gewählte Ausdruck Sachenverzeichnisse ist hier im weitesten Sinne für alles zu verstehen, was in den beiden vorangegangenen Abschnitten nicht aufgenommen werden konnte. In manchen Fällen können eigentlich schon die Pertinenzformeln der Urkunden als solche Verzeichnisse aufgefaßt werden, die Hauptmasse bilden aber alle jene, die man gemeinhin als I ην e η t a r e bezeichnet. Ausgangspunkt war der aus den so ungemein vereinfachten Verhältnissen der Spätantike und des Frühmittelalters als Inbegriff aller edleren Habe überkommene „Schatz" (congestum, thesaurus), dem zunächst noch Kleinode, Bücher und Briefe, d. h. Archivalien, im ganzen angehörten; erst allmählich wurden Schatz, Bibliothek und Archiv selbständig, demgemäß auch ihre speziellen Verzeichnisse. Es wird sich aber verantworten lassen, in diesem Kapitel auch die Güterverzeichnisse (Urbare usw.) zu behandeln, die im Grunde auch nichts anderes sind als Inventare. Auf die landesfürstlichen A r c h i v i n v e n t a r e — von den dürftigsten Erwähnungen bis zum gewaltigen Werke des Wilhelm Putsch — muß hier um so weniger eingegangen werden, als Otto H. Stowasser in einer seiner besten Studien — Das Archiv der Herzoge von Österreich (Mitteilungen des österreichischen Archivrates 3/1, 1919, S. 15 ff.) — alles Wesentliche darüber gesagt hat und auf jeden Fall konsultiert werden muß. Immerhin verdient eine Urkunde vom 23. Februar 1299 Hervorhebung, womit der Marschall

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Hermann von Landenberg dem Abte und Konvente des Stiftes Lilienfeld offenbar die gesamten damals in habsburgischem Besitze befindlichen Urkunden — das Privilegium minus war allerdings nicht mehr dabei — zur Aufbewahrung bis auf weiteres anvertraute; Fürst Eduard Maria Lichnowsky, Geschichte des Hauses Habsburg 2 (Wien 1837), Anhang S. CCXCVI Nr. X I V . Die Originale sind darin dermaßen genau spezifiziert, daß man die Urkunde zugleich für ein Archivinventar gelten lassen könnte. Eine Übersicht der modernen Archivinventare (staatliche bzw. Landesarchive, Stadt- und Markt-, klösterliche und Privatarchive) kann hier nicht geboten werden und würde auch überflüssig sein, da im Jahrbuch der österreichischen Wissenschaft 4, Wien 1957/58), S. 131 ff., zu jedem Archiv ohnehin die zugehörige Literatur angegeben wurde; als Neuerscheinung ist zu Graz nachzutragen: Fritz Posch, Gesamtinventar des Steiermärkischen Landesarchivs (Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchivs 1, Graz 1959). Außerhalb der landesfürstlichen Sphäre wurden Urkunden, einzeln oder summarisch, zuweilen in S c h a t z v e r z e i c h n i s s e n erwähnt ; zum Schatzbegriffe des Mittelalters siehe Walter Goldinger, Schatzgewölbe und Kanzleiarchive in Österreich (Archivalische Zeitschrift 49, 1954, S. 9 ff.). Dieser Begriff war, wie gesagt, anfänglich sehr weit und konnte auch Urkunden umfassen; vgl. Konrad Schiffmann, Ein Schatzverzeichnis des Stiftes Waldhausen aus dem Jahre 1471 (Archiv für Geschichte der Diözese Linz 1, 1904, S. 158 ff.), in dem am Schlüsse noch ein Urkundendepot in Melk erwähnt wird, nämlich eine Truhe cum prwilegiis nostris. Eines der frühesten Beispiele dieser Art, wenn auch nicht österreichisch, so doch in der Nachbarschaft, behandelte Oswald Redlich, Kirchenschatz und Bibliothek in Oberaltaich gegen Mitte des X I I . Jahrhunderts, MIÖG. 4, 1883, S. 287 ff.). Vom landesfürstlichen Schatze der Babenberger, der aber schwerlich ein „Landes"schatz war, wie Luschin gelegentlich meinte, vielmehr nach 1246 einwandfrei als Privateigentum der überlebenden Fürstinnen betrachtet wurde, hat sich nicht die geringste Spur erhalten ; daß die Hausurkunden mit ihm wenigstens in der letzten Zeit (Burg Starhemberg) vereinigt waren, steht sicher, und also darf man annehmen, daß auch die Bücher der Babenberger (daß sie solche besaßen, steht außer Zweifel) sich bei ihm befanden. Von einzelnen habsburgischen Kleinodien, die jedenfalls schon im X I I I . Jahrhundert im allgemeinen bezeugt sind, erfährt man lange Zeit nur bei besonderen Gelegenheiten, namentlich bei Verpfändungen, und in den Testamenten. Erst das Nachlaßinventar Herzog Friedrichs IV. (t 1439) gewährt Einblicke in das Vorhandene. Vgl. Alphons Lhotsky, in: Festschrift des Kunsthistorischen Museums 2: Die Geschichte der Sammlungen (Wien 1945/48). Das erste ganz genaue und im wesentlichen vollständige Inventar aus habsburgischen Kreisen ist das große Nachlaßverzeichnis des Erzherzogs Ferdinand vom Jahre 1596, Original cvp. n. 8228, wovon bisher nur das Kunstkammerinventar publiziert wurde (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des ah. Kaiserhauses 7, 1887, Reg. n. 5556), noch nicht aber der ebenso wichtige Bibliothekskatalog. Die Schatzinventare geistlicher Korporationen Österreichs, namentlich die wichtigen von Klosterneuburg, sind alle spätmittelalterlich und im übrigen von sehr unterschiedlicher Güte. Die beiden ältesten Klosterneuburger Inventare siehe Vinzenz Oskar Ludwig, in: Berichte und Mitteilungen des Altertumsvereines der Stadt Wien 49 (1916), S. 1 ff. ; sie stammen aus dem Jahre 1452. Das der Wiener Schotten — vom Jahre 1519 — edierte Franz Staub (ebd. 33, 1898, S. 163 ff.); es ist, wie viele Leistungen dieser Art, anläßlich der Übernahme des Schatzmeisteramtes durch einen anderen angelegt worden. Die I n t e r p r e t a t i o n der Inventare, die — nebenbei bemerkt — zuweilen durch Standortbezeichnungen wichtige topographische Auskünfte über nicht mehr bestehende oder stark veränderte Gebäude und Örtlichkeiten 7

Lhotsky, Quellenkunde

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geben können (vgl. Anna Maria Renner, Die Kunstinventare der Markgrafen von Baden-Baden, in: Beiträge zur Geschichte des Oberrheins 1, Baden 1941, und Laurin Luchner, Denkmal eines Renaissancefürsten, Versuch einer Rekonstruktion des Ambraser Museums von 1583, Wien 1958), ist schwieriger als man gemeinhin denkt. Siehe Heinrich Klapsia, Von Kunstkammerinventaren, Versuch einer quellenkritischen Grundlegung, MIÖG. 49 (1935), S. 444 ff. Dies — und vor allem die Probleme philologisch-realienkundlicher Interpretationen kulturgeschichtlicher Objekte, von denen sich unter Umständen gar kein Original erhalten hat — lehrt Hermann Hoberg, Die Inventare des päpstlichen Schatzes in Avignon von 1314 bis 1376 (Studi e testi 111, Rom 1944), und dazu Lhotsky, in MIÖG. 59 (1951), S. 178 f. Auch wirtschaftsgeschichtlich können diese Schatzinventare aufschlußreich sein; die materielle Lage der Päpste zur Zeit der Unternehmen im Kirchenstaate 1358/59 spiegelt sich aus den Notizen über Verkäufe und Verpfändungen in diesen avignonesischen Inventaren sehr genau wider. Aus Österreich ist außer den landesfürstlichen Kleinodverzeichnissen, die bisher hauptsächlich im Regestenteil des Jahrbuches der Kunsthistorischen Sammlungen des ah. Kaiserhauses publiziert wurden (siehe das Generalregister zu Band 1 bis 36, S. 25 ff.), vor allem zu nennen : Mittelalterliche Inventare aus Tirol und Vorarlberg, her. v. Oswald Zingerle (Innsbruck 1906), mit ausgezeichnetem Glossar, wie denn der Editor zugleich auch gezeigt hat, wie man solche Denkmale kulturgeschichtlich-quellenkundlich zu erschließen habe; siehe seinen lehrreichen Aufsatz Die Einrichtung der Wohnräume tirolischer Herrenhäuser im X V . Jahrhundert (Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg III. Folge 49, 1905, S. 265 ff.). Wenn sie auch nicht mehr das Mittelalter betrifft, so ist die Studie von Laurenz Pröll, Ein Blick in das Hauswesen eines österreichischen Landedelmannes des X V I I . Jahrhunderts (38. und 39. Jahresbericht über das k. k. Staatsgymnasium im VIII. Bezirke Wiens, Wien 1888 und 1889), in diesem Zusammenhang immerhin nennenswert. Ein besonderes Kapitel, dessen Bearbeitung freilich viele spezielle Sachkenntnis erfordert, sind die Inventare m i l i t ä r i s c h e r Objekte; siehe Wendelin Böheim, Die Zeugbücher des Kaisers Maximilian I. (Jahrbuch usw. 13, 1892, S. 94 ff.). Schließlich gehören auch Reliquienverzeichnisse in diese Kategorie der Inventare; als ikonographische Quellen sind sie bereits S. 47 erwähnt worden. Ein sehr frühes Beispiel aus dem Traditionsbuche M von St. Peter (Salzburg, siehe S. 165), geschrieben um 1000, veröffentlichte Willibald Hauthaler, Salzburger Urkundenbuch 1 (Salzburg 1910), S. 575 f. ; Inc. : Iste reliquie sanctorum in hoc habentur altare sancto. Das wichtigste neuere ist wohl Das Wiener Heiligthumbuch, nach der Ausgabe vom Jahre 1501 samt den Nachträgen von 1514, her. v. Franz Ritter (Wien 1882) und dazu oben S. 47). Vgl. im übrigen Heinrich v. Fichtenau, Zum Reliquienwesen im frühen Mittelalter, MIÖG. 60 (1952), S. 60 ff. Und nun die B ü c h e r v e r z e i c h n i s s e . Die Reste antiker Kultur in ihren schriftlichen Niederschlägen bewahrt und dann ihrerseits fortgesetzt und ins Ungemessene bereichert zu haben, ist der ewige Ruhmestitel der abendländischen Kirche: Claustrum sine armario est Castrum sine armamentario, siehe Konrad Schiffmann, Oberösterreichische Bibliotheken und Archive (Archiv für Geschichte der Diözese Linz 2, 1905, S. 85 ff.). Den geistesgeschichtlichen Wert der Bücherverzeichnisse, die verhältnismäßig frühzeitig auftauchen, hat man schon im letztvergangenen Jahrhundert richtig einschätzen gelernt : so hat z. B. Wilhelm Dilthey zu wiederholten Malen darauf hingewiesen. Dennoch ist die Zahl moderner Bibliotheksgeschichten noch recht gering, zumal die literarischen Darstellungen außereuropäischer Bibliotheken — meist gewaltsamer Kumulationen ohne eigentliche und echte Entwicklung — uninteressant sind. Vgl. etwa Hans Lülfing, Zur Entwicklung der

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deutschen Bibliotheksgeschichtschreibung (Archiv für Kulturgeschichte 31, 1942, S. 173 ff.), Karl Christ, Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, zur Methode und zur neuesten Literatur (Zentralblatt für Bibliothekswesen 61,1947, S. 38 ff„ 149 ff. und 233 ff.), Joris Vorstius, Grundzüge der Bibliotheksgeschichte (Leipzig 1947), und im übrigen das Handbuch der Bibliothekswissenschaft, begr. v. Franz Milkau, her. v. Georg Leyh, 3: Geschichte der Bibliotheken 1 (Wiesbaden 1955). Hauptquelle der Bibliothekengeschichte sind die Bücherverzeichnisse selbst, von den bescheidensten Aufzählungen bis zu den nach tausenden Titeln zählenden Katalogen des XV. und XVI. Jahrhunderts. Bemerkenswert ist, daß die älteste Notiz über eine für Österreich wichtig gewordene Handschrift der Vita Severini in einer Urkunde vom 8. September 903 zu finden ist, siehe unten S. 139. sowie Max Heuwieser, Geschichte des Bistums Passau 1 (Passau 1939), S. 247 f. Daneben kommen auch Eignervermerke, Entlehnungsbestätigungen, Testamente, Nachlaßaufnahmen in Frage. Wohl das älteste Bücherverzeichnis aus Österreich, das als Katalog qualifiziert werden kann, stammt aus dem XI. Jahrhundert aus Kremsmünster und läßt erkennen, daß in diesem 777 gegründeten Kloster auch nach dreihundertjährigem Bestände noch immer kein vollständiger Bibeltext vorhanden war, bloß Handschriften einzelner Teile, die kein Ganzes ergaben; siehe den sogenannten Codex millennarius minor, f. 70 T, zuletzt veröffentlicht von Willibrord Neumüller und Kurt Holter, Die mittelalterlichen Bibliotheksverzeichnisse des Stiftes Kremsmünster (Linz 1950), S. 18. Inc.: Isti sunt libri, qiios repperit Sigimarus abbas. Man kann daraus ermessen, welch ein großes Geschenk Markgraf Leopold III. im Jahre 1136 dem Stifte Klosterneuburg machte, als er für dieses pibliothecam in tribus voluminibus erwarb; siehe (Mitis-Fichtenau-Zöllner), Urkundenbuch zur Geschichte der Babenberger in Österreich 1 (Wien 1950), S. 8. Es ist nur noch ein Band davon erhalten. Die Anregung zur näheren Beschäftigung mit den Bibliothekskatalogen ist von einem österreichischen klassischen Philologen ausgegangen: Wilhelm v. Härtel hat im Jahre 1896 der Wiener Akademie der Wissenschaften einen dahin zielenden Antrag gestellt, nachdem einige Jahre zuvor Theodor Gottlieb, Über mittelalterliche Bibliotheken (Leipzig 1890), eine grundlegende Vorarbeit geleistet hatte, die freilich bis heute gerne „übersehen" wird — die Art, wie z. B. Dziatzko später die verdienstvolle Publikation Gottliebs, Die Ambraser Handschriften 1 (Leipzig 1900), in kleinlicher Weise disqualifizierte (Göttingische Gelehrte Anzeigen 163/1, 1901), ist nicht unerklärlich, vgl. E. Ph. Goldschmidt, Theodor Gottlieb (Das Antiquariat 7, 1951, Festschrift für W. Krieg, S. 18 ff. ; ferner Gabriel Meier, Nachträge zu Gottlieb. Über mittelalterliche Bibliothekskataloge (Centraiblatt für Bibliothekswesen 20, 1903, S. 16 ff.). Gottlieb hat 1890 ein brauchbares Editionsprogramm für die damals bereits bekannten Bibliothekskataloge entworfen und schließlich doch noch wenigstens einen Band herauszubringen vermocht: Mittelalterliche Bibliothekskataloge Österreichs I: Niederösterreich (Wien 1915), wozu ein Registerband von Artur Goldmann (Wien 1927) erschien. Zu diesem Werke ist nur wenig nachzutragen, siehe etwa Otto Brunner, Zwei Bücherverzeichnisse der Pfarre Hainburg an der Donau aus dem XIV. Jahrhundert (Anzeiger 83, 1947, S. 292 ff.). Glücklicherweise besteht zur Zeit die Hoffnung, diese wichtige Publikation, die um so mancher recht nichtiger anderer willen lange zurückgestellt worden war, in absehbarer Zeit fortgesetzt zu sehen. An Spezialabhandlungen wären — länderweise — zu nennen: Benedikt Hammer!, Die Bibliothek des Wiener Klerikers Otto Gnemhertl um 1300, heute in der Stiftsbibliothek zu Zwettl (Mitteilungen des k. k. Archivrates 1, 1914, S. 201 ff.), Ignaz Schwarz, Wolfgang Gwärlich, ein Wiener Bibliophile des XV. Jahrhunderts (Monatsblatt des Altertumsvereines der Stadt Wien 11, 1915, S. 105 ff.), Willibrord Neumüller, Zur mittelalter7·

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lichen Bibliotheksgeschichte Kremsmünsters, in : Festschrift (vgl. S. 24), S. 265 ff., Konrad Schiffmann, Oberösterreichische Bibliotheken und Archive (Archiv für Geschichte der Diözese Linz 2, 1905, S. 85 ff.), Otto Brunner, Osterreichische Adelsbibliotheken des XIV. bis XVI. Jahrhunderts (Anzeiger 85, 1949, S. 109 ff.) und überhaupt Adeliges Landleben und europäischer Geist (Salzburg 1949); Neumüller-Holter a . a . O . ; Kurt Holter, Zwei Lambacher Bibliotheksverzeichnisse des XIII. Jahrhunderts, MIÖG. 64 (1856), S. 262; Anton Weis, Die Bibliothek des Zisterzienser-Stiftes Reun in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts (Beiträge zur Erforschung steirischer Geschichte 35, 1906), S. 250 ff. ; Anton Kern, Steirische Büchereien im Wandel der Zeit (Zentralblatt für Bibliothekswesen 56, 1939, S. 526 ff.); Anton Dörrer, Etschländer Buchwesen und Geistesleben (Der Schiern 13, 1932, S. 403 ff.), ders., Mittelalterliche Bücherlisten aus Tirol (Zentralblatt für Bibliothekswesen 51, 1935, S. 245 ff.), Weitere mittelalterliche Bücherlisten aus Tirol (ebd. 56, 1939, S. 329 ff.), und Fürstliche Bibliothekskataloge der Renaissance (Der Schiern 28, 1954, S. 495 ff.). Zuletzt Hermann Menhardt, Ein deutsches Bücherverzeichnis des 15. Jahrhunderts aus Niederösterreich, und Ein Handschriftenverzeichnis des 13. Jahrhunderts aus Kärnten? Anzeiger 96 (1959), S. 259 ff. und 263 ff. Grundsätzliches und Technisches bieten die Arbeiten von Paul Lehmann, Quellen zur Feststellung mittelalterlicher Bibliotheken, Handschriften und Schriftsteller, in: Erforschung des Mittelalters (Leipzig 1941 bzw. Stuttgart 1959), S. 306 ff., Josef Konrad Heilig, Mittelalterliche Bibliotheksgeschichte als Geistesgeschichte (Zeitschrift für deutsche Geistesgeschichte 1, 1935, S. 12 ff.), Georg Leyh, Grundsätzliches aus der Geschichte der Bibliotheken (Zentralblatt für Bibliothekswesen 57, 1940, S. 337 ff.), Karl Christ, Bibliotheksgeschichte des Mittelalters, zur Methode und zur neuesten Literatur (ebd. 61, 1947, S. 38 ff., 149 ff. und 233 ff.), Joris Vorstius, Grundzüge der Bibliotheksgeschichte (Leipzig 1947), Heinrich Schreiber, Bibliothekarische Aufgaben zur Handschriftenerschließung (Historische Viertel] ahrschrift 29, 1934, S. 1 ff. und 209 ff.), Karl Löffler, Einführung in die Handschriftenkunde (Leipzig 1929), mit Anleitung zur Beschreibung der Handschriften, Ivan Hlaváóek, O studiu stfedovëkych knizních katalogû (Acta Universitatis Carolinae, Philos, et Hist. II, 1958, Vojtiskûv sbornik str. 179), und ders., Neuere tschechische Forschungen zur Geschichte des mittelalterlichen Bibliothekswesens (Zentralblatt für Bibliothekswesen 74, 1960, S. 364 ff.). Über die Probleme, die das Vordringen der Reformation in Österreich für das Buchwesen brachte, handelte Robert Stümpfl, Bibliotheken der Reformationszeit in Oberösterreich (Zentralblatt 47, 1930, S. 317 ff.). Außer den mehr oder weniger allgemeinen Bibliotheken der Klöster und dann auch der Laien, wo es auf Berücksichtigung des gesamten Wissens ankam, sind schon im Mittelalter frühzeitig Speziai- oder Fachbibliotheken zu bemerken. Der sichtlich vorwiegend juridischen Bibliothek des Bischofs Georg (von Liechtenstein) von Trient, die Herzog Friedrich IV. im Jahre 1410 einzog, siehe Theodor Gottlieb, Die Ambraser Handschriften 1 (Leipzig 1900), S. 15 ff., steht die des oben S. 89 bereits erwähnten Ulrich Albeck zunächst, ehemals Kanzlers König Ruprechts, 1417—1431 Bischofs von Seckau, zeitlich und sachlich zunächst, siehe Elisabeth Kovács, Ulrich von Albeck (Wiener Dissertation Nr. 18389/1952), S. 65 ff. Als Fachbibliothek ganz bestimmter Richtung kommen die heute noch erkennbaren Handschriften aus dem Besitze des Thomas Ebendorfer in Betracht, siehe Alphons Lhotsky, Thomas Ebendorfer (Schriften der Monumenta Germaniae histórica 15, Stuttgart 1957), S. 60 ff. Einem neuen Typus gehören die Bibliotheken der Humanisten des Tiroler und des Wiener Kreises — Dr. Johann Fuchsmagen, Ladislaus Sunthaym, Dr. Iohannes Cuspinianus — an, von denen die Entwicklung zu den großen

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universalen Büchersammlungen des XVI. Jahrhunderts führt, wie sie zuerst in der Bibliothek des im Jahre 1541 verstorbenen Bischofs Johann Fabri von Wien vorliegt; siehe Alphons Lhoteky, Die Bibliothek des Bischofs von "Wien Dr. Johannes Fabri (1530—1541), in: Festschrift Karl Eder zum siebzigsten Geburtstag (Innsbruck 1959), S. 71 ff. Leider gilt für die Bibliothekskataloge bis ins XVI. Jahrhundert das, was schon von den Schatzverzeichnissen gesagt worden ist: ihre Angaben sind vielfach sehr unzulänglich, so daß sich Individuelles nicht immer erkennen läßt ; die Angaben reichen nur in wenigen Fällen aus, um eine bestimmte Handschrift daraus zu agnoszieren, und in der Zeit nach dem Aufkommen gedruckter Bücher ist es noch lange nicht überall möglich zu ersehen, ob sich eine Buchangabe auf eine Handschrift oder auf einen Druck beziehe. Neben den Katalogen sind die freilich nur selten überkommenen B i b l i o t h e k s o r d n u n g e n zu beachten ; siehe etwa Karl Christ, Mittelalterliche Bibliotheksordnungen für Frauenklöster (Zentralblatt für Bibliothekswesen 59, 1942, S. 1 ff.). Mit den Handschriftenkatalogen der derzeit bestehenden österreichischen Bibliotheken steht es leider nicht ganz so günstig, wie es ihr Reichtum erwarten lassen würde. Die Tabulae codicum manuscriptorum praeter codices Graecos et Orientales in Bibliotheca Palatina Vindobonensi adservatorum (Wien 1864 ff.) sind immer noch eine der respektabelsten Leistungen und auch deshalb beachtenswert, weil das von ihrer Redaktion ausgebildete Sachzahlensystem für die Register der Anonymen — Historia = III — dann auch in anderen Bibliothekskatalogen Österreichs angewendet wurde, was die Arbeit sehr erleichtert. Leider ist aber im Drucke sonst nur wenig, und dies meist nur unvollständig publiziert: Albert Hübl, Catalogue codicum manuscriptorum, qui in bibliotheca monasterii B.M.V. ad Scotos Vindobonae servantur (Wien und Leipzig 1899), Hermann Pfeiffer und Berthold Cernik, Catalogue codicum manuscriptorum, qui in bibliotheca canonicorum regularium s. Augustini Claustroneoburgi asservantur (2 Bde., Wien 1922 und Klosterneuburg 1931, unvollständig), Catalogue codicum manu scriptorum, qui in bibliotheca monasterii Mellicensis O.S.B, servantur, 1 (Wien 1889), ebenfalls unvollständig (nur bis n. 234), und Odilo Hölzer, Die geschichtlichen Handschriften der Melker Bibliothek (vgl. unten S. 354), Albin Czerny, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Florian (Linz 1871), Anton Kern, Die Handschriften der Universitätsbibliothek in Graz (Verzeichnis der Handschriften im Deutschen Reiche II/l—2, Leipzig 1942, Wien 1956), Pius Fank, Catalogue Voraviensis seu codices manuscripti bibliothecae canoniae in Vorau (Graz 1936), Hermann Menhardt, Handschriftenverzeichnis österreichischer Bibliotheken; Kärnten I: Klagenfurt, Mariasaal und Friesach (Wien 1927); eine wirklich rühmenswerte Obsorge haben die Cistercienser ihren Handschriften und ihrer Katalogisierung gewidmet, siehe Xenia Bernardina II: Die Handschriftenverzeichnisse der Cistercienser-Stifte (2 Bde., Wien 1891), u. zw. enthält 1 die Kataloge von Reun, Heiligenkreuz-Neukloster, Zwettl und Lilienfeld, 2 die von Wilhering, Schlierbach, Oseegg, Hohenfurt und Stame. Die Handechriftensammlung der Wiener Nationalbibliothek verfügt über photographische Wiedergaben fast aller ungedruckten Handschriftenkataloge österreichischer Stifte und Klöster. Für die in den staatlichen, Landes- und Gemeindearchiven vorhandenen Handschriften sind im allgemeinen die entsprechenden Inventarpublikationen der Archive selbst heranzuziehen, insbesondere aber Conetantin Edler v. Böhm, Die Handechriften des kaiserlichen und königlichen Haus-, Hof- und Staatsarchivs (Wien 1873, Supplement Wien 1874), dazu ein handschriftliches „Supplementissimum" im Archiv selbet. Gerade bei der Beurteilung mittelalterlicher Bibliotheken ist zu bedenken, was schon Lessing als einen wichtigen Umetand erkannt hatte, nämlich, daß

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die unmittelbar aus dem intellektuellen Wirken eines bestimmten Kreises hervorgegangene, gewissermaßen organisch gewachsene Bibliothek ein kulturgeschichtliches Phänomen an und für sich ist, ebenso wie die analog entstandenen Archive und Kunstkammern, in keiner Weise vergleichbar den modernen Sammlungen, die mehr oder weniger alle durch wilde Massenkäufe zustande gekommen sind. Siehe Georg Leyh, Grundsätzliches aus der Geschichte der Bibliotheken (Zentralblatt für Bibliothekswesen 57,1940), S. 337 ff. „Sachenverzeichnisse" anderer Art sind die U r b a r e , auch Salbücher genannt, die in der Regel zugleich die Besitzrechte der Herrschaft wie die Leistungen der Holden verzeichnet aufweisen und, da sie unter Umständen auch rechtliche Beweiskraft haben konnten, ebensogut oben S. 74 ff. hätten besprochen werden können. In Österreich sind sie in erster Anlage sicherlich schon in der zweiten Hälfte des X I I . Jahrhunderts, unter Herzog Leopold V., begonnen worden, und diese in der Folge sehr gut edierten landesfürstlichen Güterverzeichnisse sind Denkmale von großer Wichtigkeit. Siehe zunächst Joseph Susta, Zur Geschichte und Kritik der Urbarialaufzeichnungen, SB. Wien 138 (1898), V I I I . Abhandlung; Kurt Käser, Verzeichnis der in Wiener Archiven vorhandenen Urbarien, SB. Wien 161 (1909), V. Abhandlung, dazu Albert Starzer, in: Mitteilungen des k. k. Archivs für Niederösterreich 2 (1909), S. 189 ff. ; Anton Meli, Die mittelalterlichen Urbare und urbarialen Aufzeichnungen in Steiermark als Quellen steirischer Wirtschaftsgeschichte (Beiträge 25, 1893, S. 3 ff.), August v. Jaksch, Die Anlegung eines landesfürstlichen Urbars in Kärnten, Krain und der Mark im Jahre 1267, MIÖG. 23 (1902), S. 241 ff., und überhaupt die Archivinventare. Sodann die Ausgaben der herzoglichen Urbare Nieder- und Oberösterreichs von Alfons Dopsch und Wladimir Levec in der I. Reihe österreichischer Urbare (Wien 1904 ff.), denen sich jüngst das Görzer Urbar in der Ausgabe durch Friederike Klos-Buzek (1/3, Wien 1956) angeschlossen hat. In der I I I . Reihe dieser Ausgabe sind bisher erschienen: Die Urbare des Benediktinerstiftes Göttweig 1302—1536, bearb. v. Adalbert Fuchs (Wien und Leipzig 1906), Die mittelalterlichen Stiftsurbare des Erzherzogthums Österreich ob der Enns, her. v. Konrad Schiffmann (Wien und Leipzig 1912 ff.), Gurker Urbare (Bistum und Kapitel) in Auswahl 1285—1502, her. v. Hermann Wiessner (Wien 1951), Die mittelalterlichen Stiftsurbare der Steiermark, her. v. Hans Pirchegger, 1: Seckau, Pettau (Wien 1955). Derzeit obliegt die Leitung der Urbarausgabe Leo Santifaller. Besondere Beachtung verdient auch Das habsburgische Urbar, her. v. Rudolf Maag (Quellen zur Schweizer Geschichte XIV/XV, Basel 1894); vgl. über diese schon zu Zeiten König Albrechts I. angelegten und dann im X I V . Jahrhundert ausgebauten Verzeichnisse namentlich Gottfried Partsch, Die Steuern des Habsburgischen Urbars 1303—1308 (Beiheft IV. zur Zeitschrift für Schweizerische Geschichte), Otto Stolz, Geschichtliche Beschreibung der ober- und vorderösterreichischen Lande (Karlsruhe 1943), S. 2 f. und 26, wo auch die im Auftrage Maximilians I. 1511 erfolgte Abschrift hingewiesen wurde, und Karl Otto Müller, Der habsburgische Pfandrodel von 1306 über die schwäbischen Besitzungen (Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 10,1951, S. 29 ff.) mit Verbesserungen des Textes. Aus der Handschrift „ r o t " n. 50 („Böhm" n. 384) des Haus-, Hofund Staatsarchivs in Wien veröffentlichte Alfons Dopsch Ein Verzeichnis des Besitzes der Herzoge von Kärnten in Krain und der Mark (von 1311), MIÖG. 22 (1901), S. 461 ff., woraus sich u. a. ergab, daß das Sanntal damals nicht nur kirchlich, sondern auch verwaltungstechnisch ein eigener Bezirk war (S. 455 ff.). Die Menge der Publikationen ist unüberschaubar; allenfalls sei noch vermerkt: Erna Patzelt, Das älteste Urbar des Landesfürsten von Steiermark (Zeitschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 19,1926, S. 430 ff.), Konrad Schiffmann, Ein Vorläufer des ältesten Urbars von Kremsmünster, AföG. 87 (1899), S. 567 ff., und Ein Mondseer Urbarfragment aus dem X I I . Jahrhundert,

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AföG. 89 (1901), S. 362 ff., als Neuausgabe der von Anton Schönbach, Ein Urbar des X I . Jahrhunderts (Zeitschrift für deutsches Altertum 16, 1873, S. 478 ff.), zuerst mitgeteilten Notizen aus cvp. n. 660, f. 148 v , 149 T und 155 T ; Inc.: Hi mansus concessi sunt et he curie. Aus der Zeit des Abtes Treubeck von Mondsee (1415—1420) gab es dort auch ein Urbarium vulgo Liber flavus appellatus mit Fortsetzungen bis 1749, siehe Schiffmann a. a. 0., S. 359. Schönbach gab übrigens auch Nachricht über ein im Jahre 1888 der Fürstin Ignace Wrede ausgefolgtes Mondseer Urbar von 1416. Auch für Österreich •wichtig ist Gustav Winter, Das Urbar des passauischen Domkapitels von 1230, AföG. 53 (1875), S. 261 ff. Das älteste bekannte Urbar von Viktring stammt erst vom Jahre 1488 und ist durch seine Bemerkung über die uniformitas tarn in scriptura quam in mensura bemerkenswert (Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen 3, 1866, S. 35 ff.). Siehe ferner Joseph Chmel, Das Urbar des ehemaligen Klosters St. Claren Ordens zu Tiernstein vom Jahre 1309 (Der österreichische Geschichtsforscher 2, 1841, S. 274 ff.), Jakob Wichner, Uber einige Urbare aus dem XIV. und XV. Jahrhundert im Admonter Archiv (Beiträge usw. 13, 1875, S. 33 ff.). Als beachtenswertes Beispiel für die quellenmäßige Auswertung dieser Denkmalgattung siehe Otto Lamprecht, Die Verödung der Mittelsteiermark am Ende des Mittelalters (Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark 30,1936, S. 46 ff.). Über den sonderbaren Fall einer Datierung nach Sonntagsbuchstaben in einem Urbar (Pottenstein) siehe Karl Schalk, MIÖG. 6 (1885), S. 455, aus Wien, Hofkammerarchiv, Urbaria NÖ. 60. Daß Urbare auch kunstgeschichtlich bemerkenswert sein können, zeigte Petrus Ortmayr, Das Geheimnis eines alten Urbars im Stiftsarchiv zu Seitenstetten, (Unsere Heimat 19, 1948, S. 21 ff. — betrifft ein Katharinenbild im Deckel). Über eine urbariale Eintragung betr. Kremsmünsterer Besitz in einem aus Gleink stammenden Brevier — Linz, Studienbibliothek η. Γ ρ 19, saec. X I I . , f. 95T — siehe Konrad Schiffmann, Ein Vorläufer des ältesten Urbars von Kremsmünster, AföG. 87 (1899), S. 576 ff. (Erläuterung S. 576 ff.) ; Inc. : Plebanus de Chirchperc 2 tal. An allgemeiner Literatur vgl. etwa noch Karl Theodor v. Inama-Sternegg, Über Urbarien und Urbarialaufzeichnungen (Archivalische Zeitschrift 2, 1877, S. 26 ff.), und Georg Caro, Zur Urbarforschung (Historische Vierteljahrschrift 9, 1906, S. 153 ff.). — Hans Bachmann, Ein eigenartiger bayerisch-tirolischer Urbartyp (Veröffentlichungen des Verbandes österreichischer Geschichtsvereine 11,1957, S. 138 ff.). In diesem Zusammenhange ist auch der unzähligen Zins- und Gültbüchel zu gedenken, die zuweilen auch in Rollenform begegnen; vgl. beispielsweise Benedikt Bilgeris Bearbeitung der Zinsrodel des Klosters Mehrerau 1290—1505 (Allgäuer Heimatbücher 21, 1940). Über die R e c h n u n g s b ü c h e r (Raitbücher), deren Technik — kurrente Führung — ein nicht unerhebliches Unterscheidungsmerkmal zu bieten scheint, wird zweckmäßig in anderem Zusammenhange S. 122 zu handeln sein. Eine genaue, wohl noch aus der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts stammende D i ö z e s a n b e s c h r e i b u n g Salzburgs hat — aus Haus-, Hofund Staatsarchiv Wien, Salzburg, Geistliche Abteilung E.V. 131/9 (301) — Joseph Chmel, Die Salzburger Diözese im Mittelalter (Notizenblatt zum AföG. 2, 1852, S. 265 ff. und 279 ff.) herausgegeben; Inc.: Hic infra anotantur omnes ecclesie parochiales et Capelle. Aber auch S c h a d e n s v e r z e i c h n i s s e dürfen in diesem Zusammenhange erwähnt werden, wie etwa die Liste der Benachteiligungen des Propstes Siegfried und des Kapitels von Gurk in ihren Gütern in Niederösterreich durch den Grafen Ulrich von Peggau in den Jahren 1227 und 1230, laut einer Aufzeichnung aus dem Jahre 1264, Monumenta histórica ducatus

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Carinthiae 1 (Klagenfurt 1896), p. 389 n. 506. Inc.: Hec sunt dampna, que illata sunt ecclesie Gurcensi. Auch die Rückstellungsforderungen sowohl Friedrichs V. an seinen Oheim Friedrich IV. (1435) oder die des Königs Ladislaus an seinen Vormund Kaiser Friedrich III. gerichteten (1455), sind hier zu nennen; siehe Theodor Gottlieb, Die Ambraser Handschriften 1 (Leipzig 1900), S. 3 ff.

15. NACHRICHTEN, NOTATE, HILFSMITTEL Unter Nachrichten im weitesten Sinne seien alle Formen organisierter und nicht organisierter Mitteilung und Datenfixierung — vom urkundlichen Mandate über Brief, Zeitung usw., zu der unendlich disparaten, systematisch nicht mehr erfaßbaren Fülle aller sich aus dem Geschäfts- wie aus dem Bildungsleben ergebenden Aufzeichnungen verstanden, zumal wenn sie zum Unterricht über Sachlagen bestimmt waren, ohne begrifflich der Historiographie selbst zuzugehören. Schriftliche Befehle — M a n d a t e — gehören, soferne sie, von geistlichen oder weltlichen Autoritäten ausgehend, einigermaßen in festen urkundenmäßigen Formen ergingen, in den Arbeitsbereich der Diplomatik. Dagegen behandelt diese im allgemeinen schon nicht mehr z. B. die I n s t r u k t i o n e n für Gesandte. An bemerkenswerten österreichischen Beispielen seien genannt: zunächst die ohne Zweifel auf Grund einer solchen Instruktion verfaßten cedute, die der im Namen Friedrichs des Schönen in Aragón brautwerbende Deutschordenskomtur von Graz dem Könige Jayme II. im Februar 1312 überreichte, siehe Heinrich v. Zeißberg, Elisabeth von Aragonien, Gemahlin Friedrichs des Schönen von Österreich, SB. Wien 137 (1898), VII. Abhandlung, S. 134 f., dann etwa ein Aide-mémoire für einen Gesandten Herzog Friedrichs IV. an Herzog Albrecht V. von ca. 1430 aus dem Konzept Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Österreichische Akten: Niederösterreich, Faszikel 1, siehe Lothar Groß, Ein Versuch Herzog Friedrichs von Tirol zur Erwerbung von Brabant, MIÖG. 41 (1926), S. 156 ff., ferner mehrere Instruktionen namentlich Herzog Siegmunds für seine Unterhändler mit Herzog Karl von Burgund in Chmels Monumenta Habsburgica 1/1, kulturgeschichtlich wichtig die Instruktionen Maximilians I. vom 30. Dezember 1500, siehe Festschrift des Kunsthistorischen Museums 2 (Wien 1945/48), S. 81, und vom 19. März 1505 für seinen Sekretär Wolfgang Hammerl, betreffend die wissenschaftlichen Beratungen mit Ladislaus Sunthaym (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen usw. 5, Reg. n. 4492), usw. Wenn vor nicht allzu langer Zeit Wilhelm Erben, Über die Erwähnung eigener Erlebnisse bei Geschichtschreibern des Mittelalters, MIÖG. 41 (1926), S. 34, bemängelte, daß die Geschichte des B r i e f e s noch im argen liege — „und doch war das Briefschreiben eine Schule auch für diejenigen, die sich an erzählenden Werken versuchten" •—, so darf dies heute nicht mehr behauptet werden. Ohne auf die schwierige Frage eingehen zu können, wo die Grenze der urkundlichen Form gegenüber der des eigentlichen Briefes liege, ist zunächst nur die Art der Überlieferung zu bedenken: bis zum Ende des XIV. Jahrhunderts sind nur wenige Originale erhalten und man muß sich mit abschriftlichen Texten begnügen, größtenteils aus Formularbüchern, wodurch die Prüfung der Echtheit allerdings sehr erschwert wird. Nicht immer wird man lediglich aus inhaltlichen Kriterien die sachliche Verläßlichkeit brieflicher Texte so sicher konstatieren können, wie dies bei Heinrich Fich-

15. Nachrichten, Notate, Hilfsmittel

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tenau, Ein französischer Frühscholastiker in Wien (Jb. Lk. N ö . , N.F. 29, 1944/48, S. 118 ff.), der Fall war. Spätmittelalterliche Briefe an den jeweils regierenden Propst von Klosterneuburg — von verschiedenen Absendern, namentlich den Landesfürsten, den Bischöfen von Passau, Rektoren und von der Wiener Theologischen Fakultät, aber auch Privaten, selbst Frauen, in Rechtssachen — sammelte Hartmann J. Zeibig und veröffentlichte sie als Briefe aus dem fünfzehnten, sechzehnten und siebenzehnten Jahrhundert (Notizenblatt zum AföG. 6, 1856, S. 495 ff., 532 ff., 554 ff. und 594 ff.). Mehr noch als bei jeder anderen Gattung ist hier mit F i k t i o n e n aller Grade zu rechnen. Von dem berühmten Briefe Karls des Großen an seine Gattin über die Fortschritte im Avarenkriege — Böhmer-Mühlbacher, Die Regesten des Kaiserreiches unter den Karolingern 751—918 ^Innsbruck 1908) n. 315 S. 132 — wird man nicht anders denken als von dem des notorischen Analphabeten Rudolf von Habsburg ebenfalls an die Gattin, den die Wiener Briefsammlung, siehe Mitteilungen aus dem Vatikanischen Archiv 2 (1894), S. 132 f., erhalten hat, nämlich daß es sich hier im Grunde um ostensible Nachrichten handelte, die zur Verbreitung innerhalb eines bestimmten gesellschaftlichen Kreises bestimmt waren. Daß der Brief Kaiser Friedrichs I. an Otto von Freising, mit klassischen Füttern ausgestattet, vor allem dem intellektuellen Splendor des jungen Kaisers zu dienen hatte, versteht sich ebenso; vgl. Adalbert Wahl, Der Brief Kaiser Friedrichs I. an Otto von Freising (Historische Vierteljahrschrift 3,1900), S. 520. Wirklich private, ganz vertrauliche und nur für den Adressaten bestimmte briefliche Mitteilungen hat es gewiß auch gegeben, aber vor dem Spätmittelalter ist fast nichts davon überliefert. Dabei sind jene ostensiblen Brieftexte aber noch die gewissermaßen „echteren" — schlimmer wird die Sache, wenn Briefe, ja ganze Korrespondenzen überhaupt fingiert wurden, auch postum; dabei handelt es sich keineswegs, wie man lange Zeit gemeint hat, um verhältnismäßig harmlose „Stilübungen", sondern um mitunter sehr raffinierte Machwerke, die — einmal in Umlauf gesetzt — sehr wohl die öffentliche Meinung lenken konnten. Diese Entwicklung hat schon frühzeitig eingesetzt. Siehe Carl Erdmann, Die Anfänge der staatlichen Propaganda im Investiturstreite, HZ. 154 (1936), S. 504 ff. „Seit der zweiten Hälfte des XI. Jahrhunderts wendet sich dann, von Deutschland aus, das unmittelbare Interesse der briefsammelnden Schulmänner und Literaten dem politisch-historischen Stoffe zu und bestimmt den inhaltlichen Charakter vieler Sammlungen; zugleich setzt eine wachsende Zahl politischer Propagandamanifeste in Briefform ein", Carl Erdmann, Studien zur Briefliteratur Deutschlands im XI. Jahrhundert (Schriften des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde 1, Leipzig 1938), S. 3. Wie schon oben S. 83 angedeutet, sind solche fingierte Texte lange Zeit, j a zuweilen noch im X X . Jahrhundert, von Historikern ernst genommen worden. Aus Österreich sind etwa von den S. 80 erwähnten Babenbergerbriefen und Formularbuchbeispielen abgesehen, größere Fiktionen von Briefen nicht bekannt. Daß aber Briefsammlungen schon im XV. Jahrhundert allen Ernstes als Geschichtsquellen dienten, lehrte für Österreich die ausdrückliche Angabe Ebendorfers in seiner Kaiserchronik cvp. n. 3423, f. 260 T , bezüglich des Codex epistolaris Rudolphi regis: ut ipsius testantur littere, quas crebro perlegere studili. Wohl aber wurden, was Erdmann nur andeutete, von Interessenten verschiedener Art Briefe, und zwar echte, gerne gesammelt : als S t i 1 m u s t e r, zum Stilstudium (siehe oben S. 80), aber zugleich auch zu Verwaltungs-, bzw. Kanzleizwecken — die Grenzen zwischen Kopialbüchern, Briefbüchern, Registern u. ä. sind überhaupt niemals ganz klar zu ziehen. Als ein frühes Beispiel sei das sogenannte Konzeptbuch des Erzbischofs Eberhard von Salzburg (1147—1164) näher betrachtet. Es ist immerhin in zwei Handschriften überliefert: zeitnächst im cvp. n. 629, saec. XII., f. 7 sqq., und im cod. Hannov.

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Systematischer Teil

η. X I , 671, saec. X V I . Man weiß heute, daß es nicht in Salzburg, sondern in Admont entstanden sein dürfte, obwohl es der älteste Admonter Bibliothekskatalog von 1370 nicht erwähnt. Es wurde schon von Sebastian Tengnagel, Vetera monumenta contra schismaticos (Ingolstadt 1612), veröffentlicht, auf Anregung durch den Jesuiten Jacob Gretser, siehe cvp. n. 9737 r , f. 191 (1611), weil man den bedeutenden Quellenwert der Sammlung wohl erkannt hatte. Lit. : W. 2,302, Franz Martin, Zwei Salzburger Briefsammlungen des X I I . Jahrhunderts, MIÖG. 42 (1927), S. 313 ff., Alphons Lhotsky, Die Wiener Palatina und die Geschichtsforschung unter Sebastian Tengnagel, in : Die österreichische Nationalbibliothek, Festschrift (Wien 1948), S. 455, sowie Wilhelm Schmidt, Die Stellung der Erzbischöfe und des Erzstiftes Salzburg zu Kirche und Reich, AföG. 34 (1865), S. 4 Anm. 4. Meist geschah es j a in weltanschaulich aufgeregten Zeiten, daß man Meinungsäußerungen sammelte, zumal nicht erst der humanistische, sondern schon der mittelalterliche Briefschreiber mit Verbreitung durch den Adressaten rechnete. Sehr richtig hat Erdmann a. a. O., S. 11, bemerkt, daß man in solchen Kollektionen eine wesentliche Vorstufe literarischer Edition zu erblicken habe. Sind es im Hochmittelalter die Perioden der Auseinandersetzung zwischen den beiden höchsten Gewalten gewesen, die auch auf diesem Gebiete anregend wirkten, so wurden im X V . Jahrhundert die beiden großen Konzilien, an denen Österreichs Klerus und Landesfürstentum regsten Anteil nahm, in gleicher Weise Ausgangspunkt vielseitigen literarischen Sammlertums, besonders in Melk und Klosterneuburg. Einiges Wesentliche besonders aus der Zeit des Baseler Konzils und der Reformbewegungen wird im Speziellen Teile ausdrücklich besprochen werden — jeder Versuch einer Überschau des größtenteils noch nicht veröffentlichten Materiales würde derzeit noch in sich zusammenbrechen. Für die Briefkultur der Humanisten siehe die aufschlußreiche Studie von Karl Großmann, Die Frühzeit des Humanismus in Wien usw., J b . Lk. NÖ., N.F. 22 (1929), S. 221 ff. Eine andere Unschärfe der begrifflichen Grenzziehung ergibt sich zwischen Brief und Abhandlung. Auch hier darf man nicht erst humanistische Einflüsse für das Wesentliche ansehen — auch die Scholastik hat dies längst gekannt und geübt; siehe Großmann a. a. O. Klarer liegen die — freilich nicht sehr häufigen — amtlichen B e r i c h t e . Die wichtigsten Beispiele dieser Art werden im II. Hauptteile ohnehin besprochen werden, so daß hier der Hinweis genügen kann. Sie sind reine Tatsachenerzählungen, die man heute eher als Protokolle bezeichnen würde; zu einem frühen aus dem X I V . Jahrhundert (über einen Vorfall in Klosterneuburg) siehe unten S. 277. Hier sei auch die Aufzeichnung der Aussagen eines Verbrechers hervorgehoben, eines gewissen Cristan von Nordhausen, Mitglied einer Bande, die ihre Tätigkeit über die österreichischen Länder unter Leitung durch einen „Bruder Hanns" erstreckte, nämlich organisierte Brandstiftungen mittels pulvergefüllter Holunderröhren — um Wien allein sollen nicht weniger als 42 Brände gelegt worden sein. Der Text ist herausgegeben von Michael Mayr, Venetianische Brandstiftungen in Österreich 1516, MIÖG. 14 (1893), S. 658 ff., aus einer gleichzeitigen Abschrift im Landesregierungsarchiv Innsbruck, Urk. n. 7143. Überschrift: Bekanntnuss des mordpreners, so ein munich ist sandt Franzisen ordens, Inc. : Er sagt, er sey an sandt Sebastianstag zu Rom ausgangen. Unter den amtlichen Meldungen nehmen V i s i t a t i o n s b e r i c h t e eine besondere Stellung ein. Anfänglich nur aus dem kirchlichen Bereiche bekannt, kommen sie später, seit dem X V I . Jahrhundert, immer zahlreicher auch aus den Sphären der weltlichen Verwaltung, der Schule und schließlich auch des Heeres vor. Ihre Interpretation fällt nicht leicht, da sie doch fast immer irgendwie — obgleich meist unabsichtlich — gefärbt sind und die Sachlagen durch das Medium eines Beobachters zeigen, der seine eigenen,

15. Nachrichten, Notate, Hilfsmittel

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nicht mehr rekonstruierbaren Ressentiments an die Dinge heranbrachte. So — außer den Erinnerungen des Martin von Leibitz an seine Visitationstätigkeit, siehe S. 374 — Ignaz Zibermayr, Johann Schlitpachers Aufzeichnungen als Visitator der Benediktinerklöster in der Salzburger Kirchenprovinz, MIÖG. 30 (1909), S. 258 ff.; einige besondere Berichte werden im II. Teile noch besprochen werden. In der Reformationszeit gewannen Visitationsberichte in allen Lagern an Bedeutung, aber auch an Zweifelhaftigkeit; siehe Gustav Wolf, Quellenkunde der deutschen Reformationsgeschichte 2 (Gotha 1916), S. 2. — Als Beispiel für das Visitationsverfahren siehe die Fragen der Baseler Reformkommissäre 1436, SB. Wien 8 (1852), S. 581. Was die eigentliche Z e i t u n g s g e s c h i c h t e betrifft — von ihren Frühformen bis zur vollen Entwicklung — und die darüber schon bestehende sehr umfangreiche Fachliteratur, so ist dies alles heute Gegenstand einer besonderen Disziplin mit eigener akademischer Vertretung. Was der Historiker davon wirklich benötigt, findet er bei Wilhelm Bauer, Einführung in das Studium der Geschichte («Frankfurt a. M. 1961), S. 310 ff. Zur Postgeschichte sei angeführt: Oswald Redlich, Vier Poststundenpässe aus den Jahren 1496 bis 1500, MIÖG. 12 (1891), S. 494 ff., wie j a überhaupt die mit diesem Gegenstande so enge verbundene Geschichte des Verkehres und der technischen Nachrichtenübermittlung nicht aus dem Auge zu verlieren ist. Über Verwendung der „Zeitungen" in Chroniken und Annalen siehe das Sachregister. G e s a n d t e n b e r i c h t e , wie sie seit dem Aufkommen der ständigen Vertretungen, also seit Maximilian I., von sehr großer Wichtigkeit sind, liegen aus dem Mittelalter nur in geringer Zahl vor. Rudolfs IV. und Friedrichs I I I . „Geheimschriften" lassen vermuten, daß sie zuweilen auch chiffriert waren. Aus dem X V . Jahrhundert liegen bereits einige bemerkenswerte Beispiele vor; vgl. etwa Paul Joachimsen, Ein zeitgenössischer Gesandtschaftsbericht über Baumkirchers Hinrichtung (Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen 23, 1891, S. 3 ff.), vgl. hier unten S. 414, und den merkwürdigen Fall, daß die Niederschrift eines Berichtes, den ein Sondergesandter Maximilians I. an seinen Vater verfaßt hatte, zum Überflusse von einem öffentlichen Notar — Johann Murauer — beglaubigt wurde, her. aus München, Hauptstaatsarchiv, Österreich, Lit. fase. I, f. 81 sqq., von Adolf Bachmann, Aus den letzten Tagen Kaiser Friedrichs III., MIÖG. 7 (1886), S. 471 ff. Für das X V I . Jahrhundert siehe die von Alfred v. Arneth und Josef Fiedler in der II. Reihe der FRA. veröffentlichten Venetianischen Gesandtenberichte vom Kaiserhofe sowie die Nuntiaturberichte, aber auch Niccolò Machiavelli, Rapporto delle cose della Magna, bzw. Sopra l'imperadore (in allen Ausgaben). Nicht minder wichtig sind die R e i s e b e s c h r e i b u n g e n , sei es nun, daß es sich um Beschreibung fremder Länder durch Österreicher oder Österreichs durch auswärtige Berichterstatter handle. Da alle in Betracht kommenden Berichte im Deskriptiven Teil ohnehin erwähnt wurden, kann hier der allgemeine Hinweis genügen. Besonders zu erwähnen ist nur die merkwürdige Tatsache, daß der im X I I . Jahrhundert am Hofe Rogers II. von Sizilien wirkende gelehrte Scherif Idrlsl — nicht aus eigener Anschauung, aber doch vom Hörensagen — Ghérêsîa = Krems und Biena = Wien erwähnte; siehe Wilhelm Tomaschek, Zur Kunde der Hämus-Halbinsel, SB. Wien 113 it hpì Mühl.

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Deskriptiver Tell: III. Spätmittelalter

dori (von Erben, siehe oben S. 37, nicht berücksichtigt). Von Friedrich III. berichtete er mancherlei, was man sich zu seiner Zeit erzählte, wie etwa Iste imperator libidinis victor omni die flexis genibus audit devote tres missas, etican quantumcumque impeditus (S. 93). Siehe Hallische Beiträge zur Geschichtsforschung, her. v. Theodor Lindner I: Theodoricus Pauli, ein Geschichtsschreiber des XV. Jahrhunderts, und sein Speculum hystoriale (Halle a.. S. 1892). Einige knappe Geburts- und Todesnachrichten zur Geschichte der Habsburger innerhalb der Jahre 1359 bis 1496 hat HP. 1, 469 sq. aus einer Tegernseer Handschrift mitgeteilt; Inc.: Item anno Domini MCCCLIX° ist das ungelt in Österreich auferstanden. Wesentlich mehr bemerkenswert sind die ib. 467 sq. aus einer Handschrift der (1803 aufgehobenen) Benediktinerabtei Rott am Inn veröffentlichten kurzen Notizen aus den Jahren 1460—1501, obwohl sie nicht in zeitlicher Folge vorliegen; Inc.: Anno MCCCCLXXXII» in octava evangeliste Iohannis advenit Salczburgam. Der salzburgisch-bayerische Verfasser hat dabei die Vorgänge in Österreich recht angelegentlich verfolgt. Der 1502 verstorbene Ulmer Dominikaner Frater Felix Fabri (Schmid) stammte aus aargauischer Familie, wurde aber aus Gründen, die nur aus seiner näheren Biographie verständlich sind, ein erklärter Freund der Habsburger und Feind der Schweizer. In seiner Descriptio Sueviae bot er unter der Überschrift Origo comitum de Habspurg eine nicht ganz zu übersehende historisch-genealogisch-heraldische Abhandlung, die Merkwürdiges über die unter Mitwirkung des Albertus Magnus erfolgte Wahl Rudolfs I., über ein altösterreichisches Fünfnachtigallenwappen usw. enthält. Die handschriftliche Überlieferung ist 1933 zutage gekommen: jetzt Ulm, Stadtbibliothek n. 6718, 1 ; man bénützt die jüngere Druckausgabe von Melchior Goldast, Rerum Suevicarum scriptores aliquot veteres (Ulm 1724), p. 40 sqq. Über den Verfasser handelte zuletzt Max Ernst, Frater Felix Fabri, der Geschichtsschreiber der Stadt Ulm (Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 6, 1942, S. 323 ff.). Inc. : Ex dictis beati Hieronymi et Orosii et Bedae, bzw. Post omnimodam ducum Sueviae extinctionem remansit. 14. SALZBURGER CHRONIKEN DES XV. JAHRHUNDERTS Eigenartig ist die Existenz einer — vielleicht durch den Einfluß der Werke des Andreas von Regensburg ermutigten — späten Blüte der Universalchronistik mit starkem lokalen Einschlag in S a l z b u r g . Hier herrschte auf historiographischem Gebiete noch lange Zeit fast mehr „Mittelalter" vor als in den Werken des verstorbenen Ebendorfer; es sind Produkte, die scheinbar gar nicht recht an die ruhmreiche Tradition altsalzburgischer Historiographie anschließen, auch sprachlich und formal nicht sehr erheblich sind, aber gleichwohl nicht übersehen werden dürfen. Zunächst sei — weil anderswo nicht gut unterzubringen — die aus dem Salzburger Diözesanbereiche stammende kurze Fortsetzung der Chronik eines Deutschordensmannes (MG., SS. 24, 151 sqq.) erwähnt, die, einzig im cod. Vatic. Lat. n. 724 (ziemlich schlecht), überliefert ist. Sie bringt Notizen über die Päpste Innozenz IV., Alexander IV. und Urban IV. Den Text hat Oswald Holder-Egger, Reisen nach Frankreich, Belgien und Italien, NA. 10 (1885) S. 233-f. mitgeteilt; Inc.: Hic sedit annis duodecim imperante Friderico, pre cuius timore fugerat.

14. Salzburger Chroniken des XV. Jahrhunderts

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Salzburger Weltchronik nennt man nunmehr eine im Jahre 1481 vom Propste Johann Tröster seinem Stifte Mattsee geschenkte Chronikenkompilation, die wohl schon 1465 in Salzburg entstanden ist; der unbekannte Verfasser nannte sie selbst ein opus tumultuarium. Ein 19 Folien umfassendes Namensregister nebst einer Vorrede gehen voran. Unter anderem wurde die Chronik des Andreas von Regensburg benützt, die auf diesem Wege in die des noch zu nennenden Serlinger gelangte. Üblfg. : Cod. Mats. η. 66, saec. XV. Druck: Fehlt; nur HP. 2, 461 sqq. hat den letzten Teil unter dem irreführenden Titel Anonymi Mellicensis breve chronicon Austriae (vgl. oben S. 353) herausgegeben, doch gehören die in diesem Zusammenhange gebotenen Epitaphien auf Albrecht II., Elisabeth und Ladislaus nicht dazu. Inc. : Bisher nicht festgestellt. Lit.: Gebhard Scheibner, Beiträge zur salzburgischen Historiographie am Ausgange des Mittelalters (Programm 62. Jahresbericht d e s . . . fürsterzbischöflichen Gymnasiums am Kollegium Borromaeum zu Salzburg 1911), S. 17 f. Sodann hat ein unbekannter K o m p i l a t o r des späten XV. Jahrhunderts die Annales sancti Rudperti Salisburgenses bis zum Jahre 1327 exzerpiert, und zwar ziemlich wörtlich, von da an die oben beschriebene „Weltchronik" bis 1475 benützt; in der noch zu bezeichnenden jetzt Wiener Handschrift reicht die Schrift noch zwanzig Jahre weiter bis auf den Erzbischof Sigmund II. und schließt mit der Bemerkung: et sie duravit eius regimentum a die eonsecracionis mensibus quinqué diebus quinqué — o morsi Üblfg.: Die von Canisius benfitzte, bis 1475 reichende Handschrift scheint verschollen zu sein, denn clm. n. 14511, saec. XV., f. 1 sqq., reicht nur bis 1467. Scheibners Angabe, daß sich eine Handschrift in Klagenfurt befinde, ließ sich nach Menhardts oben S. 101 angeführtem Verzeichnisse nicht bestätigen; sie soll übrigens gar nur bis 1465 gereicht haben, wie auch der cod. Salisb. arch. S. Petri η. a. VI 5, f. 23 sqq., über den AA. 10 (1849), S. 614 zu vergleichen ist. Eingesehen wurde der cvp. n. 3358, saec. XV., f. 58 r sqq., der zahlreiche Glossen von verschiedenen Händen aufweist; f. 72T—75T sind mit Tinte übergössen, aber noch ohne weiteres leserlich. Ferner cvp. n. 8072, saec. XVI., f. 1 sqq. Druck: Thesaurus monumentorum ecclesiasticorum et historicorum sive Henrici Canisii Lectiones antiquae . . . adiecit Iacobus Basnage 3/2 (Antwerpen 1725), p. 478 sqq. Inc. : Circa annos Domini DLXXX Hildeberti regis (empöre Francorum regni eius secundo beatus Rudbertus in Wormacia. Lit.: Scheibner a. a. O., S. 19. Aus einem nicht näher bezeichneten Kodex von St. Peter in Salzburg hat Raimund Duelli, Miscellaneorum, quae ex codicibus manuscriptis collegit, 2 (Augsburg und Graz 1724), p. 130 sqq., ein Chronicon Saltzeburgense für die Jahre 1403—1494 publiziert, das anfänglich etwas dürftig annalistisch, allmählich aber ausführlicher und in sichtlich besserem Latein besonders über die Erzbischöfe selbst berichtet. Mehrfach finden sich auch metrische Einlagen. Man weiß heute mehr über das Werk und über seinen Verfasser, die näheres Eingehen verdienen.

Die wichtigste Leistung in dieser Gruppe historiographischer Denkmale ist auf jeden Fall eine von Johann Serlinger verfaßte Chronikenkompilation. Er war Salzburger Kleriker und Kammerschreiber der erzbischöflichen Kurie, 1480/81 für kurze Zeit auch Bischof von Seckau, als welcher er ungeweiht resignierte. Dank seiner Stellung

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Deskriptiver Teil: III. Spätmittelalter

wußte er um manche Ereignisse und ihre Zusammenhänge, und Bischof Ludwig von Chiemsee hat bestätigt, daß er nichts Falsches geschrieben habe; siehe die beiden Briefe bei Scheibner, a. a. 0., S. 31 f. Er hat an seiner mit dem Jahre 580 beginnenden Chronik — er nannte sie C a t a l o g u e p o n t i f i c u m S a l i s b u r g e n s i u m — bis zum Jahre 1501 geschrieben. An Quellen benützte er sowohl jene in Mattsee erwähnte anonyme Kompilation wie auch die Auszüge aus den Salzburger Annalen in der bis 1475 reichenden Fortsetzung. Außerdem hatte er jüngere Vitae Ruperti und Virgilii vor sich sowie die Quirinuslegende, die Conversio und die zweite Gebhardsvita (siehe oben S. 213 ff.). Für die Zeit von 1180 an benützte er die Annalen des Hermann von Altaich nebst deren dritter Fortsetzung bis 1302. Aber auch die Steirische Reimchronik Otachers ist ihm in einem nicht mehr bestimmbaren Exemplar vorgelegen; er zitierte sie selbst: in quadam cronica antiquissima pergemenea sermone theotonico conscripta satis autentica. Die Annales sancti Rudperti selbst hat er aber nicht herangezogen, was Scheibner (S. 23) mit Recht als auffällig empfand. In der Art wenig selbständiger Kompilatoren hat er den Quellenstoff ziemlich wörtlich reproduziert. Der Wert des Werkes liegt zunächst in einigen Urkundentexten, die er sich zu beschaffen vermochte, und in seiner eigenen Weiterführung der Chronik stellte er sich recht vorteilhaft dar: „hier erzählt ein Mann von ruhigem, reifen und abgeklärten Urteil über Vorgänge, an denen er regen Anteil genommen, von denen er aber infolge der zeitlichen Entfernung nur mehr die Hauptzüge sicher im Gedächtnisse h a t " (Scheibner S. 27 f.). Üblfg.: Clm. n. 27085, saec. XV., f. 5 sqq., mit fremder Fortsetzung bis 1560 von f. 72 a n ; codd. Salisb. arch. S. Petri η. Q, saec. X V I . , f. 1 sqq., ebenfalls mit Fortsetzungen (bis 1525), und S, saec. X V I . , f. 171 sqq. (Abschrift aus Q). Druck: Nur den neueren Teil 1403—1494 veröffentlicht Raimund Duelli, Miscellaneorum, quae ex codicibus manu scriptis collegit, liber II. (Augsburg-Graz 1724), p. 130 sqq.; für die Jahre 1452—1495 (aus der Münchener Handschrift) Scheibner a. a. O., S. 32 ff. Inc. : (Bei Duelli) Anno MCCCCIIII0 Eberhardus de Neuhaus prepositus Salzburgensis electus est, (bei Scheibner) Sigismundus primus L., bzw. Cui successit eodem anno dominus Sigismundus de Volckenstorff prepositus Salisburgensis. Lit.: L. 1, 215 und Anm. 3 (unzulänglich); Scheibner a. a. O., S. 3 ff.

Zeitlich parallel zum Catalogue Serlingers — 580 bis 1495 — ging eine von HP. unter dem irreführenden Titel Chronicon Salisburgense mitgeteilte Kompilation des am 3. Oktober 1524 hochbetagt verstorbenen Salzburger Diakons und Mönches von St. Peter Leonhard Drechsler (anders wird sein Name Leonardus T o r n a t o r i s wohl kaum zu verdeutschen sein). Bis zur Mitte des XV. Jahrhunderts bot er lediglich einen Katalog der Erzbischöfe; erst von, Siegmund I., bzw. 1452, an brachte er — ähnlich wie der Anonymus Leobiensis — unter der Überschrift Incidencia eigene Nachrichten, einigermaßen mittelalterlich naiv und unzeitgemäß, aber zur Ergänzung der Mitteilungen Serlingers immerhin dienlich. Üblfg. : Cod. Salisb. arch. S. Petri η. T. IV. 10, saec. X V . ex. (Autograph). Druck: HP. 2, 427 sqq. Inc.: Sand Ruprecht, sanctus Rudbertus primus Satczeburgensis archiepiscopus episcopus. Lit.: L. 1, 215 Anm. 3 (unzulänglich); Scheibner a. a. O., S. 27 ff.

vet

pocius

15. Kleinere Denkmale aus der Kaiserzeit Friedrichs III.

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Über das düstere Sittenbild, das der Weihbischof von Salzburg Berthold P i r s t i n g e r , im Todesjahre Kaiser Maximilians I. entwarf, siehe Heinrich Werner, Die Flugschrift Onus ecclesiae 1519, mit einem Anhang über sozialund kirchenpolitische Prophetien (Gießen 1901).

15. KLEINERE HISTORIOGRAPHISCHE UND POETISCHE DENKMALE AUS DER KAISERZEIT FRIEDRICHS III. Nach dieser Übersicht der mehr oder weniger umfassenden Darstellungen aus der Zeit Kaiser Friedrichs III. ist nunmehr wieder der zahlreichen k l e i n e r e n zu gedenken, die teils ihres sachlichen Gehaltes wegen, teils durch ihr Vorhandensein überhaupt mitunter recht wichtig werden können. Nach Form und Kategorie kann hier begreiflicherweise nicht gruppiert oder klassifiziert werden; neben Gedichten und Aktenstücken sind literarische Produkte jeder Art bis zum Pamphlet vertreten. So bleibt nur eine ungefähr zeitliche Anordnung möglich. Vom Propste Simon II. von Klosterneuburg stammt ein längerer Bericht über seine zusammen mit anderen Klerikern unternommene Gesandtschaftsreise zu dem damals erkrankten Papste Nicolaus V. im Namen des Königs Ladislaus im Jahre 1453. Der Verhandlungsgegenstand ist wenig erheblich; wohl aber sind die Aufzeichnungen kulturgeschichtlich beachtenswert, nicht zuletzt wegen des bis ins einzelne gehenden Verzeichnisses der Ausgaben auf der Reise. Üblfg.: Klosterneuburg, Stiftsarchiv, Registrum litterarum missilium (Konzept?). Druck : (Hartmann Zeibig) österreichische Geschichtsquellen 9 : Zur Geschichte der Gesandtschaft des Königs Ladislaus nach R o m im Jahre 1453 (Notizenblatt, Beilage zum AföG. 3, 1853), S. 337 ff. bzw. 340 ff. Inc.: Als der durchlewchtigist fürst, mein gnedigister herr, kunig Lassla mich unnd dtj andern herren. Lit.: Zeibig a. a. O., S. 337.

In demselben Jahre 1453 dichtete Balthasar Mandelreiß im Auftrage Friedrichs III. eine Werbung für die einmütige Abwehr der Osmanen; das Poem ist aber dermaßen schwunglos — eine „trockene und nüchterne Reimerei", „offiziöse Reichspoesie" u. a. (Stammler) — und unkräftig, daß es wohl kaum die gewünschte Wirkung erzielte. Es wurde 1455/56 neu redigiert, ohne sonderlich dabei zu gewinnen. Üblfg.: I. Fassung clm. n. 9503, saec. X V . , f. 348 sqq.; II. Fassung cod. Heidelb. Palat. germ. η. 525, saec. XV., f. 154 sqq. Druck: Rochus v. Liliencron, Die historischen Volkslieder der Deutschen v o m X I I I . bis X V I . Jahrhundert 1 (Leipzig 1865), S. 463 ff. Inc. : Wol auf in gotes nam und kraft mit sant Jörgen ritterschaft. Lit.: Liliencron a. a. O., S. 460 ff.; Wolfgang Stammler, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters, Verfasserlexikon, her. v. Karl Langosch 3 (Berlin 1943), Sp. 227.

Stimmungspoesie ähnlicher Art, nur aus einem weit späteren Anlasse — der Einnahme von Negroponte (1470) und wohl für den Regensburger „Christentag" von 1471 bestimmt — ist des

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Deskriptiver Teil: III. Spätmittelalter

Ulrich Höpp langes Gedicht über und an Kaiser Friedrich III., im Zusammenhange damit ein zweites „Sieg der Untreue über die Treue" — eine Allegorie, in der „Frau Treue" ihre letzte Stütze im Kaiser sucht. Die geringe Überlieferung der Gedichte sowohl des Mandelreiß wie des Höpp beweist allein schon, daß sie kein begeistertes Echo auslösten; erst ein Menschenalter später hat Hans Schneider (ca. 1490—1513) das Gedicht an den Kaiser einigermaßen ausgebeutet. Daß, wie vermutet wurde, Friedrich III. diese Propaganda geradezu bezahlt habe, ist höchst unwahrscheinlich; es würde ihm zumindest schwer gefallen sein. Üblfg. : Cod. Memming. (Stadtbibliothek) n. Pap. 2, 39, 4°, saec. X V . , f. 93 sqq. Druck: Von Kaiser Friedrich: Liliencron a. a. O. 2 (Leipzig 1866), S. 3 ff.; Sieg der Untreue: Sbr. Weber, Abschrift zweier Gedichte aus dem fünfzehnten Jahrhundert, wahrscheinlich von Ulrich Höpp verabfaßt und von M. Schüttenhelm abgeschrieben (Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 20. Jahrgang, 37. Band, 1865), S. 203 f. Inc.: An Friedrich III.: O hechster vogt der himel sal sich her und schlack der gnaden ball, Sieg der Untreue: Ich gieng durch lust und auch durch wunn an einem morgen, da die sunn. Lit.: Liliencron a. a. O., S. 3; Otto Niewöhner, in: Die deutsche Literatur usw., Verfasserlexikon usw. 2 (Berlin und Leipzig 1936), Sp. 486 f.

Zwei volkstümliche Türkenlieder sind in den Steiermärkischen Geschichtsblättern 5 (1884), S. 245 ff., mitgeteilt; Inc.: Ain sendlich clag fürwar ich sag und Woll auf, ir werden cristen. Während in den 1460er Jahren verhältnismäßig Stille um den Kaiser herrschte, mehrten sich die literarischen Äußerungen in den 70er Jahren teils wegen der weltpolitischen Lage, teils aber auch im Zusammenhange mit dem traurigen Ereignisse der Hinrichtung des Andreas Baumkircher. Die reiche Literatur zur Geschichte der B a u m k i r c h e r f e h d e siehe Karl und Mathilde Uhlirz, Handbuch der Geschichte Österreichs und seiner Nachbarländer Böhmen und Ungarn 1 (Graz-Wien-Leipzig 1927), S. 166. In der Aufzählung der chronikalischen Quellen, die Franz v. Krones, Zur Quellenkunde und Literatur der Geschichte Baumkirchers und der Baumkircherfehde, MIÖG. Erg. 6 (1901), S. 450 f., bot, finden sich nur zwei spezielle Berichte, auf die zurückzukommen sein wird. Um diese Zeit ist es oft schon recht schwierig, erzählende Quellen, die in den Bereich der eigentlichen Historiographie gehören, vom Aktenmateriale grundsätzlich zu scheiden. Mit Recht hat Krones „die internationale Bedeutung Baumkirchers" hervorgehoben, der keineswegs bloß ein sein „gutes Recht" suchender „ungeduldiger Gläubiger" war, sondern bereits ein überaus gefährlicher Rebell und im Dienste auswärtiger Mächte stehender Agent und Leiter einer „innerösterreichischen Liga" gegen den legitimen Landesherren, also Hochverräter. So ist es verständlich, daß das Geschehnis rundum viel bemerkt wurde. Hervorzuheben sind folgende Schriften: 1. Kurzer Bericht über die Aufreibung der ins Mürztal eingedrungenen Söldner des Baumkircher im Frühjahr 1469 an die Stadt Eger. Eger, Stadtarchiv; Text: Urkunden und Actenstücke zur österreichischen Geschichte im Zeitalter Kaiser Friedrichs III. und König Georgs von Böhmen 1440—1471, her. v. Adolf Bachmann, FRA. 11/42 (Wien 1879), S. 467 ff. Inc. : Wist, lieben herren, das uns eygentlich geschrieben ist worden. 2 Knappe Notizen im Brevier des Pfarrers von St. Georgen an der Stiefing zu 1469 und 1471 ; aus dem cod. Vorav. n. 289, saec. XV., her. v. Ottokar

15. Kleinere Denkmale aus der Kaiserzeit Friedrichs III.

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Kernstock, Chronikalisches aus dem Stifte Vorau (Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen 14, 1877), S. 20 f. 3. Heinrich E r 1 b a c h, Stadtschreiber von Augsburg, derselbe, der 1471 dem Kaiser die gegen ihn gerichteten Anschläge des Dr. Martin Mayr aufdeckte, hat am 25. April 1471 dem Erzbischof Bernhard von Salzburg einen ausführlichen Brief über die kurz zuvor vollzogene Hinrichtung Baumkirchers geschrieben. Üblfg.: Cod. Mus. Nat. Budapest. Lat., misc. η. 1560 fol., saec. XV., f. 281 sqq. Druck: Paul Joachimsohn, Zeitgenössischer Gesandtschaftsbericht über Baumkirchers Hinrichtung (Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen 23,1891), S. 5 ff. Inc.: Adresse: Hochwirdiger furste, gnediger herre, mein undertänig gehorsam, T e x t : Gnadiger herre, ich fuge ewern f fürstlichen) g (naden) fur name hoff mer zu wissen. Lit. : Joachimsohn a. a. O. ; dazu Franz v. Krones, Schlußbemerkung zu dem Aufsatze des Herrn Dr. Joachimsohn, ebd. S. 8 f. ; ders., Zur Quellenkunde usw., MIÖG. Erg. 6 (1901), S. 455.

In dem eben erwähnten Budapester Kodex, dessen große Wichtigkeit Bischof Vilmos Fraknói erkannte, finden sich unter vielen anderen Materialien zur Türkenfrage auch eine, anderwärts nur in schlechterer Überlieferung bekannte, Schmähschrift auf Kaiser Friedrich III. aus der Zeit um 1470. Heute würde man derlei einen „offenen Brief" nennen — ein Stimmungsausbruch, aus dem die Wut der „armen Leute" in Innerösterreich über Friedrichs Geiz und Untätigkeit, wie man seine Machtlosigkeit allgemein deutete, wild aufleuchtete. Darin wird ihm auch das Schicksal König Wenzels angedroht: die Absetzung. Der Verfasser war unbedingt Kleriker, vielleicht ein Minorit. Ublfg.: Cgm. n. 414, saec. XV., f. 169 sqq., mit der wohl unrichtigen Datierung freytag vor Martini anno etc. LXXVIII0; cod. Mus. Nat. Budapest, misc. Lat. n. 1560, saec. XV., f. 262 sqq. Druck: Karl Haselbach, Die Türkennot im XV. Jahrhundert (Wien 1864), Anhang S. IX ff. als „Vorstellung der Stände von Krain an Kaiser Friedrich IV. über die Türkennot"; besser Joseph Zahn, Maueranschlag wider Kaiser Friedrich III. 1478 (Jahresbericht des Steiermärkischen Landesarchivs 1, 1869), S. 56 ff.; Paul Joachimsohn, Ein Pamphlet gegen Kaiser Friedrich III. aus dem Jahre 1470 (Historisches Jahrbuch 12, 1891), S. 352 ff., Auszug mit verbindender Inhaltsangabe. Inc.: Allerdurchleuchtigister, unüberwindlichster, gnadigister und der hailigen cristenhait obrister usw., bzw. Stand auff von den slaff, darin du lanng nach leibs lust gelegen bist. Lit. : Joachimsohn a. a. O., S. 351 ff.

Auf derselben Linie, wenn auch ohne Invektive gegen Friedrich III., liegen zwei G e d i c h t e , die vermutlich vom gleichen Verfasser herrühren ; einmal eine Ermahnung wider die Türken in 671 deutschen Versen, entstanden etwa 1471/72. Ublfg.: Ältere Fassung cgm. n. 5919, saec. XVI. in., f. 343 sqq., jüngere Fassung (nur 396 Verse) in einem in der Stadtbibliothek Augsburg erhaltenen Drucke (um 1500). Druck: Siehe oben; nur einzelne Stellen bei Niewöhner, siehe unten. Inc. : Heiliger geist, du höchste sach, laß fließen deiner gnaden bach. Lit.: Heinrich Niewöhner, Zwei Ermahnungen wider die Türken und das Gedicht vom Eigennutz (Zeitschrift f ü r deutsches Altertum und deutsche Literatur 71, 1934), S. 49 ff.

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Deskriptiver Teil: III. Spätmittelalter

Das andere heißt

Vom Eigennutz

und moralisiert im Hinblicke auf den Jüngsten Tag; der Verfasser ist dem Teichner „stark zu Dank verpflichtet" (Niewöhner S. 61). Üblfg.: Cod. Weimar, η. O 145, saec. XV., f. l r und 10 v . Druck: Nur der Anfang bei Niewöhner a. a. O., S. 58. Inc.: Der weite wessen wundert mich, darumb han ich so aigentlich. Lit.: Niewöhner a. a. O., S. 57 ff.

Zdenko Lev von Rozmital und Blatna war ein Schwager des Königs Georg von Böhmen. Seine von einem Cechen namens Sasek und dem Nürnberger Ratsherren Gabriel Tetzel aufgezeichneten Reiseerlebnisse aus den Jahren 1465/67 erbringen u. a. einige recht kennzeichnende Schilderungen der Hofhaltung Kaiser Friedrichs III. in Graz und seiner Gattin Leonora in Wiener Neustadt. Bemerkenswert ist die — allerdings wohl übertriebene — Schilderung der Prunkgewänder Friedrichs, wofür dieser jederzeit, wenn er Bargeld brauche, mehr als 500.000 fl. erhalten könne. An Eleonora fiel die gewandte Konversation auf und ihre Bereitwilligkeit, eigenhändige Empfehlungsbriefe an ihren Bruder, König Alfonso V. von Portugal, zu schreiben. Die Bemerkung über das damals bereits vorbereitete Grabmal des Kaisers im Neukloster zu Wiener Neustadt, bzw. über die Kostbarkeit des Verschlußsteines (S. 134), ist schon oft zitiert worden. Textausgabe: Des böhmischen Herrn Leo's von Rozmital Ritter-, Hof- und Pilgerreise durch die Abendlande 1465—1467 beschrieben von zweien seiner Begleiter, in: Bibliothek des literarischen Vereines Stuttgart 7 (Stuttgart 1844). Inc.: Der •edel und wolgeboren herr, herr Lew von Rosmital. Die anonyme Schrift Wie khayser Friedrich . . . gehn Clagenfurdt khumen unnd wass damalen . . . fur red unnd hanndlung beschechen im 1470 jahrs ist in einer Aufzeichnung aus dem späten X V I . Jahrhundert überliefert, die „wahre Tatsachen und unzweifelhafte Persönlichkeiten" „in einer solchen Vermengung und zeitlichen Umstellung" vorführt, „daß die positive Richtigkeit desselben ausgeschlossen bleibt". Und zwar so: Kaiser Friedrich verurteilt die Herren Nielas von Liechtenstein und Hanns von Stubenberg wegen Konspiration mit Herzog Albrecht VI. zum Verluste ihrer Güter und zur .Landesverweisung. Auf eine Rede Rudolf Khevenhüllers aber — als welicher •etlich jar in der Universität zw Wienn in Oesterreich gestudiert unnd fürnemblich für anndere von adi in der rhetorica und Redekunst etwass beredt unnd erfahren wass — nimmt er die beiden Sünder wieder zu Gnaden an. Aus Freude darüber hätten nun die drei Länder Steiermark, Kärnten und Krain aus rechter trew unnd lieb dermassen sich zusamen verbunden, das sie in kainerlag waiss unnd weeg von einander gesindert, sunder was noth unnd gefähr ainer lanndtschafft unter den dreyen zuesteen wurde, derselben selten sich die anndern zwo dergestalt annemen, alls wann es ir selbst sache anträfe. Üblfg. : Graz, Steiermärkisches Landesarchiv, kommt aber im Katalog der Handschriften (Publikationen aus dem Steiermärkischen Landesarchiv I, 1, Graz 1888), nicht vor. Druck. : Geschichtslegende. Wie die Herren von Liechtenstein und Stubenberg vor Kaiser Friedrich Gnade fanden (Steiermärkische Geschichtsblätter, her. v. Dr. v. Zahn, 1, 1880), S. 3 ff. Inc.: Im 1470. jähr kham khaiser Fridrich aus Italien in das landt zu L i t . : Zahn a. a. O.

Kherndten.

15. Kleinere Denkmale aus der Kaiserzeit Friedrichs III.

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Wohl gehört die Gasteinerische Chronica schon dem vorgeschrittenen XVI. Jahrhundert an und ist besonders für die Ereignisse des Jahres 1525 wichtig, die der dem Namen nach unbekannte Verfasser — wohl ein Gewerbetreibender, zeitweilig vielleicht Gastwirt — als Kombattant miterlebt hat, doch kommt er zuweilen auch auf ältere Landesgeschichte und namentlich auf die B a u e r n e r h e b u n g des Jahres 1462/63 zu sprechen. Ublfg. : Archiv des Städtischen Museums in Salzburg Handschrift Nr. 585, saec. XVIII., Í. 2—34. Druck: Zimburg und Klein, siehe unten, S. 8 ff. Inc. : St. Rueppertus, Bischof zu Salzburg, hat das Thal Gastein zum christlichen Glauben bekert. Lit.: Heinrich v. Zimburg und Herbert Klein, „Gasteinerische Chronica" 1540 (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 81, 1941, S. 1 ff.).

Zum „Christentage" des Jahres 1471 entstand eine Gelegenheitsschrift, die für Tirol und Süddeutschland Quellenwert hat, nämlich des Agostino Patrizzi Reisebericht D e l e g a t i o n e G e r m a n i c a Francisci Piccolominei cardinalis. Patrizzi h a t t e schon unter Pius II., dem Oheim des Kardinals, als Amanuensis gedient und in dieser Eigenschaft das Diktat der Commentarli aufgenommen; unter Paul II. wurde er päpstlicher Zeremonienmeister und starb im Jahre 1496 in Rom. Anders als der sich über deutsches Land und Volk höchst despektierlich äußernde Giovanantonio Campano, seiner abschreckenden Häßlichkeit wegen einmal als „fetter Affe" bezeichnet, hat sich Patrizzi ehér seinem großen Vorbilde Aeneas Silvius angeschlossen, dem er auch eine Apologie gewidmet hat, siehe Ludwig Fhr. v. Pastor, Geschichte der Päpste seit dem Ausgange des Mittelalters 3 11 (Freiburg i. B. 1956), S. 670 Anm. 3 von S. 669. Nach Dengel hat er „die früheste ausführlichere Beschreibung einer Reise durch ganz Tirol" geliefert (S. 216). Üblfg. : Cod. Vatic. Lat. n. 3842, saec. XV., f. 22 sq., dem Kardinal Iacopo Amanati gewidmet. Druck: Anfang und bis zur Einreise nach Tirol Freher-Struve 2, 288 ff.; der auf Tirol bezügliche Teil Dengel, siehe unten, S. 217 ff., weitere Ergänzung durch Kramer, siehe unten, S. 549 ff. Inc.: Widmung: Cum in Germaniam venissem nuper cum hero meo, Text: Post captajn a Turcis Constantinopolin et Grecorum imperium deletum sepe Romani pontífices. Lit.: Ignaz Philipp Dengel, Eine Beschreibung Tirols aus dem Jahre 1471 (Veröffentlichungen des Museum Ferdinandeum 12, 1932), S. 207 ff. ; Hans Kramer, Patrizzis Beschreibung der Reise des Kardinallegaten Francesco Piccolomini, in: Festschrift zur Feier des 200jährigen Bestandes des Haus-, Hof- und Staatsarchivs 1 (Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs Erg. 2/1, Wien 1949), S. 549 ff.

Patrizzi hat übrigens noch ein sehr dankenswertes Memoriale über die Anwesenheit Kaiser Friedrichs III. in Rom 1468/69 verfaßt, worin sich u. a. die bemerkenswerte Notiz findet, daß er nach dem Besuche der heiligen Stätten viditque edam diligenter priscorumUrbis edificiorum ruinas ñeque rem publicam tarnen neglexit. Der Kaiser hat damals seine Hauptanliegen — Übertragung der böhmischen Kurwürde auf Österreich und gewisse Zusagen hinsichtlich Böhmens und Ungarns — nicht durchzusetzen vermocht, weil die Kurie auf Matthias von Ungarn Rücksicht zu nehmen hatte. Er 27 Lhotsky, Quellenkunde

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Deskriptiver Teil: III. Spätmittelalter

erlangte bloß eine Bestätigung seiner bereits 1447 erhaltenen Vorrechte bei Besetzung der Bistümer Trient, Brixen, Chur, Gurk, Piben und die Bewilligung der Errichtung neuer Bistümer in Wien und Wiener Neustadt, die Anerkennung seines Georgsordens und die Kanonisation des Markgrafen Leopold III., die allerdings erst 1484/85 durchgeführt werden konnte. Patrizzi schildert mit echt wälschem Hohne die Artigkeiten, die der Papst dem gleich einem privaten Reisenden bittstellenden Kaiser erwiesen habe, um dann einfließen zu lassen, wie doch die Kirche stärker denn je dastehe — contra autem Imperii Romani et auctoritas et vires adeo sunt diminute atque attrite, ut preter nomen Imperii pene nihil remanserit (c. 25, col. 621). Üblfg. : Cod. Valliceli. F. n. 73, cod. Vatic. Lat. n. 8090, beide saec. XV. Druck: Jean Mabillon, Musaei Italici pars altera (Paris 1689), p. 256 sqq., Ludovico Antonio Muratori, Rerum Italicarum scriptores 23 (Mailand 1723), col. 205 sqq., HP. 2, 609 sqq.; außerdem Raynald, Annales ecclesiastici a. 1469, η. 1. Inc.: Widmung an Iohannes Manellus: Augustinus Patricius Senensis Iohanni Monello Cremano, bzw. Etsi non dubito te vel fama vulgari intellexisse, Text: Quum igitur audisset pontifex Fredericum cesarem Italiam ingressum. Lit. : Ludwig Fhr. v. Pastor, Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters 2 1 ' (Freiburg i. B. 1955), S. 422.

Einen kurzen Bericht über die Romreise Kaiser Friedrichs III. im Jahre 1468 „e Libro I o sacrarum ceremoniarum sect. X I I I . , c. 1, desumpta" findet man bei Freher-Struve 3, 19 sqq. Inc.: Fridericus III. anno salutis LXVIII0 supra MCCCC Romam venit. Bemerkenswert ist ferner ein vom 30. Juni 1472 datierter Brieftraktat des für Kaiser Friedrich III. vielfach politisch tätigen Bischofs Domenico de'Domenichi für den jungen Prinzen Maximilian als kleiner Fürstenspiegel ohne die üblichen Gemeinplätze, vielmehr mit recht deutlichen Anspielungen auf die Wesensart der Verwandten abgefaßt. Üblfg.: Cod. Vatic. Lat. n. 4589, f. 181 sqq. Druck: Her. v. Hubert Jedin in: Archiv für Kulturgeschichte 48 (1961), S. 52 ff. Inc.: Salve, princeps inclitel bzw. Nulla te admiratio teneat, si ad excellenciam tuam antehuc non scripserim. Lit.: Hubert Jedin, Bischof Domenico de'Domenichi und Kaiser Friedrich III., in: Festschrift zur Feier des 200jährigen Bestandes des Haus-, Hof- und Staatsarchivs 2 (Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs Erg. 2/2, Wien 1951), S. 258 ff. bzw. 267.

Das Jahr 1473 brachte die berühmte Begegnung Kaiser Friedrichs I I I . mit Herzog K a r l dem Kühnen v o n B u r g u n d zu T r i e r . Ob "es ein Kriegsmann war oder bloß ein Händler, von dem eine Beschreibung der Reise des Kaisers auf Grund unterwegs gemachter Notizen herrührt, ist unbekannt; literarisch meisterhaft ist sie ebensowenig wie inhaltlich aufregend, denn der Verfasser lieferte zwar ein gutes I t i n e r a r, war aber in die Consilia nicht eingeweiht. Üblfg. : Frankfurt, Stadtarchiv, Reichssachen n. 5789, cop. coaeva, f. 2 sqq. Druck: Karl Schellhass, Eine Kaiserreise im Jahre 1473 (Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 3. Folge 4, 1893), S. 166 ff. Inc.: Anno Domini, do man zalte noch Christi geburd vierzehen hundert jare und darnoch in den drien und siebenzigsten. Lit.: Schellhass a. a. O., S. 161 ff.

Über die Zusammenkunft in Trier selbst liegen mehrere Berichte vor, von denen Joseph Chmel, Monumenta Habsburgica I : Das Zeitalter Maximilians I. 1 (Wien 1854) die bis dahin weniger bekannten mitgeteilt hat:

15. Kleinere Denkmale aus der Kaiserzeit Friedrichs III.

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1. R e c e s s u s a b u r b e T r e v e r e n s i et duce in die Katherine hora diei XII, aus cod. „weiß" n. 558 des Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien f. 123; Chmel S. 49 ff. Inc. : Serenissime et excellentissime princeps, bzw. Iam denuo ac novissime coram vestra illustrissima dominacione. 2. D e c o n v e n t u F r i d e r i c i i m p e r a t o r i s e t C a r o l i d u c i s B u r g u n d i . a e (Aufschrift von der Hand des Hugo Blotius?) November 1473, gleichzeitige Abschrift ebd. ; Chmel S. 51 ff. Inc. : Item, wiewoll mein gnädiger herr von Burgundi mit unserm allergnedigisten herrn. 3. Schreiben eines U n b e k a n n t e n über die Sachlage, ebd. ; Chmel S. 53 f. Inc. : Mein gar ganntz willig dinst bevor, bzw. Lieber herr, nyemant hiet mich in die rais umb gelt mugn bringen. 4. B e r i c h t eines Augenzeugen, wahrscheinlich eines sächsischen Rates, aus cod. Hall. (Bibl. Ponickau in Halle/S.) n. 179 fol., zuerst veröffentlicht von Karl Eduard Förstemann, in: Neue Mittheilungen aus dem Gebiete historisch-antiquarischer Forschung 2 (Halle und Nordhausen 1835), S. 78 ff., wiederholt von Chmel S. 54 ff. Inc.: Es ist zu wyssen, das unnser allergnedigster herre der romisch kayser.

Außerdem ist zu nennen : 5. Iohannes K n e b e l , Diarium 1473—1476, Aufzeichnungen eines Kaplans am Münster zu Basel, her. in: Basler Chroniken 2 (Leipzig 1880), S. 26 ff., bzw. 18 f., und 3 (ebd. 1887), S. 583 ff. Inc. : Anno Domini MCCCCLXXIII° feria sexta, que fuit, dies sánete Kûnegundis, nona mensis Septembris. 6. L i b e l l u s d e m a g n i f i c e n c i a d u c i s B u r g u n d i e in Treveris visa, her. ebd. 3, 340 ff. Inc. : Anno Domini MCCCCLXXIII0 ist keiser Fryderich komen gon Triel uff zystag for sant Mychels tag. 7. Ein h o l l ä n d i s c h e s G e d i c h t , das im cod. Berol. germ. η. 557, f. 36 sqq., und in einer Paraphrase auch in der Excellente cronike van Vlaenderen (1531) f. 167 sqq. überliefert ist und von Henri Ernest Meitzer, Frederik III en Karel de Stoute te Trier 1473 (Bibliotheek van middelnederlandsche letterkunde 44, 1890), S. 10 ff., veröffentlicht worden ist. Inc. : Om te eren ende te looen ewelic in allen hoven. 8. Aus der Feder des 1485 in Heidelberg verstorbenen Humanisten Rudolf Agricola (Frisius) stammt die Übersetzung einer kurzen Schilderung der Zusammenkunft Friedrichs III. mit Karl dem Kühnen zu Trier im Jahre 1473, nämlich des Briefberichtes des Arnold de Lalaing, Propstes von Sta. Maria in Brügge, an einen gewissen Antonius Scrofineus. Zu den eigentlich Wissenden gehörte der Berichterstatter freilich auch nicht, aber er war doch ein sehr guter Beobachter der ihm erfaßbaren Vorgänge; möglicherweise — so hat man das Gefühl — hat der Übersetzer den Autor an Formulierungskunst übertroffen. Hss. unbekannt; Rudolphus Agricola, Lucubrationes aliquot lectu dignissima: De Inventione dialéctica 2, Köln 1539; nächst der Editio princeps bei Freher 2, 155 ff., und Freher-Struve 2, 302 ff. wiederholt. Inc.: Epistel: Iniunxisti mihi, ut litteras illas, Text: Perspectum mihi fuit summo te studio summaque voluptate conventum. Vgl. Adolphe Bessert, De Rodolpho Agricola Frisio litterarum in Germania restitutore (Paris 1865; L. 2, 308; Friedrich v. Bezold, Rudolf Agricola, ein deutscher Vertreter der italienischen Renaissance (München 1884); P. S. Allen, The letters of R. A. (The English Historical Review 21, 1906), p. 310.

Über die nach schwierigen Verhandlungen zustande gekommene E w i g e R i c h t u n g des Jahres 1474 handelte zuletzt — mit reichen Literaturangaben und Quellenzitaten — Robert Janeschitz-Kriegl, Geschichte der Ewigen Richtung von 1474 (Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 105, 1957), S. 150 ff. und 409 ff. In den späteren 1470er Jahren verringerte sich die Fülle der literarischen Gelegenheitsarbeiten; ein C a r m e n s a p p h i c u m ad agendas deo gratias in adventu illustrissimi domini Maximiliani ducis Austrie novique Burgundie ducis des L u d o v i c o B r u n i , das in Löwen 1477 gedruckt wurde — siehe Gesamtkatalog der Wiegendrucke 5 (Leipzig 1932), Sp. 609 f., 27·

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Deskriptiver Teil: III. Spätmittelalter

n. 5653, Inc.: Iam novum cundí superis canendum — verdient kaum Erwähnung. Die wachsende Spannung des Verhältnisses zum Ungarnkönig Matthias wie auch die unter böhmischer Deckung möglich gewordenen schweren Insolenzen österreichischer Bandenhelden läßt sich nur dem dürftigen schriftlichen Niederschlage der regulären und irregulären Landtage, der politischen Korrespondenz und einiger flüchtiger Abkommen entnehmen — ein ödes Einerlei von Geldverschreibungen, Verpfändungen, Drohungen usw. Nach dem Tode des Königs Georg trat Matthias immer deutlicher als Protektor der subversiven Elemente in Österreich hervor. Schon Max Vanesa, Geschichte Nieder- und Ob er Österreichs 2 (Stuttgart und Gotha 1927), S. 499 Anm. 3, hat festgestellt, daß die österreichischen Quellen für die Erkenntnis des achtjährigen Ringens Niederösterreichs gegen M a t t h i a s , der sich die Sache wie einen militärischen Spaziergang vorgestellt zu haben scheint, nicht ausreichen; die in Chmels Monumenta Habsburgica mitgeteilten kleineren Schriftstücke finden auch in Tichtels Tagebuch (siehe unten S. 426 f.) nur eine geringfügige Ergänzung, so daß man außer Unrest, der einiges erfuhr, auch auswärtige Berichterstatter wie Dlugos, Bonfini u. a. konsultieren muß. Eine noch nicht edierte Schilderung des Einzuges König Matthias' in Wien findet sich im clm. n. 442, saec. XV., f. 269 T . Inc.: Sciendum, quod anno Domini MCCCCLXXXV rex Hungarorum Mathias intravit. Trotz ihrem Alter ist die Studie von Karl Schober, Die Eroberung Niederösterreichs durch Mathias Corvinus in den Jahren 1482—1485, Bll. Lk. NÖ., N.F. 13 (1879), S. 1 ff. (vier Fortsetzungen), eine gut orientierte Vorarbeit; siehe aber auch Albert v. Berzewiczy, König Matthias von Ungarn und Königin Beatrix in Wien und Österreich (Ungarische Jahrbücher 12, 1932, S. 205 ff.). Die Eroberung Wiens durch die Ungarn im Jahre 1485 bewirkte zunächst die Reise Kaiser Friedrichs III. nach Deutschland im Sommer desselben Jahres; vgl. Felix Priebatsch, Die Reise Kaiser Friedrichs III. ins Reich 1485 und die Wahl Maximilians, MIÖG. 19 (1898), S. 302 ff. An kleineren Quellen zur Geschichte der Jahre um 1480 sind immerhin noch erwähnenswert: in einem Sammelbande H o f m ä r e n u n d Z e i t u n g e n , clm. n. 14668, finden sich f. 56 sqq. Berichte über die Einfälle der Osmanen in Innerösterreich, worüber Franz Krones, Kleine Beiträge zur mittelalterlichen Quellenkunde, MIÖG. 7 (1886), S. 261 ff. eine Inhaltsübersicht geboten hat, und aus einem nicht genannten ( !) Archiv, Bezeichnung „Fridericiana 1484 germ., Or.", gab Elfriede Rensing, Neue Zeitungen vom Jahre 1484, MIÖG. 48 (1934), S. 455 f., Berichte über die Eroberung der Stadt Κ ο Γη e u b u r g; Inc.: Von wegen Kornneunburg am phintztag vor Iubilate sein des kunigs lewtt an den stürm getreten. Ferner sind zwei im Stiftsarchiv Admont aufbewahrte Schreiben zu erwähnen, die unter dem Titel Vom Hoflager Kaiser Friedrichs III. in Graz, zwei Briefe des Dr. Andreas S c h e n c k an Bischof Georg von Chiemsee, Generalvicar von Salzburg (Steiermärkische Geschichtsblätter 1, 1880), S. 10 ff., veröffentlicht wurden. Der erste vom 29. Juni 1484 schildert die trostlose Lage des Hofes in Graz, auch des Landes, der zweite vom 7. Juli 1484 beschreibt eine Audienz beim Kaiser und diesen selbst mit einigen wesentlichen Beobachtungen, die indes in humanistisch überladenem Latein nicht leicht faßlich ausgedrückt wurden. Friedrich erscheint hier als ein ehrwürdiger, durchaus rüstiger Greis, dessen langsame Redeweise aber nur dentium defectu, non natura erklärt wird, und der paucis verbis, sententiis accuratis Apollinis instar respondit (S. 14). Inc. : nach den Grußformeln Commendatum sese facit plurimum beginnt I: Presul dignissime, quoniam tabel-

16. Die Historiographie in den Vorlanden zur Zeit Herzog Siegmunds

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larium hune Salczpurgam, II: Reverendissime pater, superioribus, quos ad te dedi, litteris meis. Den Bericht des Paolo Santonino über eine 1485 von San Daniele aus begonnene Reise durch Kärnten, Steiermark und Krain veröffentlichte Giuseppe Vale in Studi e testi 103 (Città del Vaticano 1943) aus cod. Vatic. Lat. η. 3795; Inc. : Itinerarium editum a Paolo Sanctonino. Ein kurzer, aber sehr sachlicher Bericht über den S t a d t b r a n d v o n S t . P ö l t e n im Jahre 1474 findet sich — ohne Angabe der handschriftlichen Herkunft — bei Raimund Duelli, Miscellaneorum, quae ex codicibus manuscriptis collegit, 2 (Augsburg und Graz 1724) p. 118 sq. Inc. : Anno Domini MCCCCLXXIIII° an sanndt Petter und Pauls abent.

16. DIE HISTORIOGRAPHIE IN DEN VORLANDEN ZUR ZEIT HERZOG SIEGMUNDS Ein bezeichnendes Beispiel für die oben S. 419 angedeutete Tatsache, daß die erzählende Berichterstattung für die letzten Jahre Kaiser Friedrichs III. sehr verringert erscheint, bietet die Angelegenheit des energischen Einschreitens des alten Herren in T i r o l anläßlich der politisch-finanziellen Verirrungen seines Vetters Erzherzog Siegmund (1488). Man kann die Vorgänge recht genau rekonstruieren, aber ohne das Band einer kontinuierlichen Erzählung, bloß aus „Materialien" aller Art, darunter den kaiserlichen Haft- und Achtmandaten wider die „bösen Räte" des senilen Landesfürsten; siehe das eindrucksvolle Verzeichnis bei Friedrich Hegi, Die geächteten Räte des Erzherzogs Sigmund von Österreich und ihre Beziehungen zur Schweiz, Beiträge zur Geschichte der Lostrennung der Schweiz vom Deutschen Reiche (Innsbruck 1910), S. XII ff. Wohl aber gewann zu Zeiten des Herzogs Siegmund der v o r l ä n d i s c h e Kreis historiographisch einige Bedeutung. Heinrich Gundelfingen stammte aus Konstanz (geb. um 1440), studierte in Freiburg i. Br., wo man ihn anfänglich (1465) precipue propter deformitatem morum nicht zum artisti-

schen Magisterium zuließ, das er erst um 1470 erhalten hat. Er war Kleriker, erhielt sowohl in Freiburg i. Ü. wie in Beromünster Pfründen. Als Freund des Nicolaus von Flüe wurde er (1488) dessen erster Biograph. Er starb in Waldkirch bei Freiburg am 29. August 1490. Von seinen größeren Schriften ist hier nur die A u s t r i e p r i n c i p u m c h r o n i c i epitome t r i p l e x zu nennen, die dem Herzog Siegmund 1476 dargebracht worden ist. Im ersten Teile bietet das Werk eine Wiedergabe der fabelhaften Urgeschichte Österreichs nach Stainreuter — ein merkwürdiges Gegenstück zu Ebendorfers gleicher Verwertung dieser Chronik mit Übertragung ins Lateinische. Der zweite Teil gilt der Abstammung der Habsburger, wobei sich Gundelfingen auf die römische Herkunft festlegte, nämlich auf die ihrerseits bis auf Iulius Caesar zurückgeführten Pierleoni. Der letzte Abschnitt enthält „Zeitgeschichte", aber in recht unzulänglicher Form: Deklamationen auf den Burgundischen Krieg, namentlich auf die Niederlage Herzog Karls bei Granson (1476). Die österreichische Geschichte der Zwischenzeit darzustellen, hielt der

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Deskriptiver Teil: III. Spätmittelalter

Verfasser für unnötig: Herzog Siegmund, der übrigens mehrmals mitten im Text haranguiert wurde, kenne sie ohnehin. Lorenz' sehr absprechendes Urteil, demnach dem Werke eigentlich nur noch ein gewisses literarisches Interesse entgegenzubringen sei, ist scharf, aber nicht ungerecht; das Buch — so schließt Lorenz — sei „ein vergeblicher Versuch" gewesen, „die verwegensten Irrtümer mittelalterlicher Darstellungen in einer mehr den classischen und humanistischen Studien angenäherten Form zu retten und in die moderne Geschichtsliteratur einzuführen". Ublfg. : Cvp. n. 516, schön gebundenes Widmungsexemplar; vgl. dazu Theodor Gottlieb, Die Ambraser Handschriften 1 : Büchersammlung Maximilians I. (Leipzig 1900), S. 17 f. Druck: Nur das Tertium epitoma wurde veröffentlicht, am besten bei Adam Kollár, Analecta monumentorum omnis aevi Vindobonensia 1 (Wien 1761), col. 792 sqq., Widmung 732 sqq. Inc.: Serenissimo illustrissimoque Sigismundo Domus Austrie, bzw. Cum tuam dignitatem atque amplitudinem tantam esse existimarem. Lit.: Siehe zunächst die Hinweise bei Kollár a. a. O., Sp. 728 f.; Karl Rieger, Heinrich von Klingenberg und die Geschichte des Hauses Habsburg, AföG. 48 (1872), S. 321 ff., L. 1, 266 ff., Josef Ferdinand Rüegg, Heinrich Gundelfingen (Freiburg i. Ü. 1910), Engelbert Krebs, in: Langosch 5 (Berlin 1955), Sp. 316 f. Vgl. Hermann Mayer, Die Matrikel der Universität Freiburg i. Β. 1 (Freiburg 1907), S. 9.

Zu den Nachbetern der Stainreuterschen Chronik gehörte außer Gundelfingen (und auch Arnpeck, siehe S. 409) der in seiner Art nicht unbedeutende Humanist Albrecht von Bonstetten aus einem alten Geschlechte des Zürichgaues, geboren um 1442, verstorben um 1504. Von seinen Schriften kommen hier vier in Betracht, die auch die weiten Verbindungen des Mannes — zum päpstlichen wie zum Kaiserhofe, zum landesfürstlichen Hofe in Tirol, zum französischen und mailändischen, sogar zu Matthias Corvinus — erkennen lassen. Albrecht trat 1465 ins Kloster Einsiedeln ein, wo er 1470 Dechant wurde, aber erst vier Jahre später die Priesterweihe nahm. Vielseitige Studien hatten ihn nach Freiburg i. Br., Basel und Pavia geführt; er war ein Vertreter der humanistischen Geistesrichtung, doch ist er in seinen letzten Jahren davon abgerückt und verfaßte eher erbauliche Heiligengeschichten (Meinrad, Gerold, Idda), Horae canonicae, eine Geschichte des Klosters Einsiedeln u. a. Kaiser Friedrich III. hat ihn zum Hofpfalzgrafen und Hofkaplan ernannt, auch Maximilian I. und Erzherzog Siegmund schätzten ihn sehr. Dem König Maximilian schenkte er das Schwert Karls des Kühnen, das dieser bei Nancy geführt haben soll, sowie Sporen, die vor zweihundert und mehr Jahren ein Graf von Habsburg getragen habe, dem Kaiser Friedrich hatte er jene Stundengebete zugeeignet, von denen ein Exemplar der clm. inc. s. a. 45, ein anderes in der Universitätsbibliothek Basel erhalten ist, siehe Sieber im Anzeiger für schweizerische Geschichte N.F. 20 (1889), S. 324 ff. Von seinen Werken sei zunächst die in ihrer Art sehr bemerkenswerte älteste Beschreibung der Schweiz (Februar 1479) erwähnt, die als D es c r i p t i o S u p e r i o r i s G e r m a n i a e C o n f e d e r a t i o n i s bekannt ist. Sie wurde dem König Ludwig XI. von Frankreich dargebracht. Üblfg. : Cod. Paris, n. 5658, cod. Valliceli. (Rom) n. 75 und clm. n. 4006, alle saec. X V . Druck: Nach dem cod. Paris. (Abschrift von Th. Em. Haller), Mittheilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 3 (1846/47, S. 94 ff.; besser von Albert Büchi, in: Quellen zur Schweizer Geschichte 13 (Basel 1893), S. 226 ff.

16. Die Historiographie in den Verlanden zur Zeit Herzog Siegmunds

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Inc.: W i d m u n g : Serenissimo principi ac domino Ludowico Francorum regi, T e x t : Firmamentum Atlantis virtute volvi fabulose poete narrare soient. Lit.: Büchi a. a. O., S. 219 ff., Mayer a. a. O., S. 36, und Albert Bruckner, in: Quellenwerk zur Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft III/2 (Aarau 1961), S. 37.

Die vom Verfasser selbst besorgte, am 1. Mai 1479 vollendete, deutsche Fassung ist clm. n. 4006, f. 19 T sqq., überliefert; Inc.: Hie hebet sich an der Obertütscheit Eidgenossenschaft. Am 21. März 1477 überreichte er dem Erzherzog Siegmund seine Schrift G e r m a n i c a p r e l i a C a r o l i B u r g u n d i e d u c i s et f i n i s e i u s. Soweit eine Darstellung, die auf fremden Berichten beruhte, wertvoll sein kann, ist sie es; im Grunde ist sie aber doch nur eine humanistische Deklamation mit moralisierenden "Warnungen vor den Folgen der Hybris. Bonstetten hat auch davon eine deutsche Version hergestellt: Die tütschen stritt Karoli ettwan herzogen zu Burgund und sin ende (vollendet am 13. April 1477). Ublfg. : Außer Bruchstücken (im Kodex der Vallicelliana und in der Universitätsbibliothek Basel) cod. Paris, n. 6221 (danach Abschrift in der Leu'schen Sammlung der Stadtbibliothek Zürich), und cod. Stocc. (Landesbibliothek Stuttgart) poet, et phil. n. 47 (laut P. 167). Druck: Nach der Abschrift Leu (siehe oben) und einer von Th. Em. Haller angefertigten in der Stadtbibliothek Bern, Archiv für Schweizerische Geschichte 13 (1862), lat. Text S. 283 ff., deutscher S. 301 ff. Inc.: lat. Vorrede: Illustrissimis principibus ac dominis, dominis Sigismundo Austrie &c., T e x t : A Burgis Burgundioni genti nomen inhesit; deutsche Vorrede: Hie hept sich an die vorred in die tütschen stritt Karoli, Text: Von Burgen ist harkomen dem burgundischen Volk. Lit. : Siehe weiter unten ; außerdem die Notiz Dr. Siebers im Anzeiger für schweizerische Geschichte N.F. 20 (1889), S. 328.

Zwei Jahre später hat Bonstetten dem Dogen Giovanni Mocenigo seine vom 17. März (1479) datierte kurze Abhandlung D e p r o v i s i o n e v a c a n t i s d u c a t u s B u r g u n d i e dargebracht (am22.Mai desselben Jahres auch dem Papste Sixtus IV.). Auch hier liegt eher ein Gedicht in Prosa vor: eine entzückte Lobpreisung des jungen Paares Maximilian und Maria mit den tröstlichsten Prophezeiungen für das Glück ihrer Völker und einem Kompliment für den Herzog Siegmund, der dies — zusammen mit den siegreichen Eidgenossen — möglich gemacht habe. Ublfg.: Außer in dem oben genannten cod. Vallic. noch in dem Pergament-Autograph des Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien. Druck : Nach dem Autograph Chmel, Monum. Habsb. 1/3 (1858), S. 157 ff., nach dem Vallic. nach Abschrift von Gallus Morel (Einsiedeln) Archiv für Schweizerische Geschichte 13 (1862), S. 318 (hier mit der Widmung an den Papst). Inc.: Autograph: Sequitur provisio vacantis ducatus Burgundie, Widmung an den Papst: Sanctissimo in Christo patri ac domino, domino Sixto; Text in beiden: Defuncto Karolo Burgundionum duce non tetrarcha, sed principe amplissimo. Lit. : R. Feller-E. Bonjour, Geschichtsschreibung der Schweiz 1 (Basel 1962), S. 106.

Bonstettens Hauptwerk ist aber seine Historia Austriaca nicht so sehr wegen ihres wenig aufregenden Inhaltes als wegen des mit ihrer Abfassung verbundenen politischen Zweckes. Er hat wahrscheinlich schon seit 1485 daran gearbeitet; am 22. Mai 1491 wurde die Schrift als vollendet gemeldet. Ob er für die fabelhafte Frühgeschichte Österreichs die Chronik Stainreuters unmittelbar oder ihre lateinische Verarbeitung durch Gundelfingen herangezogen habe, scheint noch nicht endgültig klar zu sein; Büchi hat ihm auch Kenntnis der Steirischen Reimchronik, einiger älterer Schweizer Quellen und namentlich — was freilich ganz sicher ist — auch die der sogenann-

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Deskriptiver Teil: III. Spätmittelalter

ten Historia Friderici III. imperatorie sowie der Bohemia des Aeneas nachgewiesen, auf dessen Werke er durch seinen Freund Nicolaus von Wyle aufmerksam geworden ist. Daß er auch Petrus de Yineis kannte und im übrigen reichlich aus mündlichen Traditionen schöpfte (heraldi), ist von geringerer Bedeutung. Als Ahnherren der Habsburger hat er — abweichend von den übrigen damals gültigen Theorien (Colonna, Anicier, Pierleoni) — die Scipionen angenommen. Büchi meinte überdies, für die Zeit Rudolfs I. Benützung der problematischen Klingenberger Chronik annehmen zu dürfen (vgl. S. 264). Es ist keine Empfehlung für seine historiographische Gesinnung, wenn er die Feindschaft des Kaisers und seines Bruders Albrecht VI. einfach verschwieg und über Friedrich III. nur das Löblichste vorbrachte. Daß er besonders Maximilian I. huldigte, ist eher verständlich. Als Quelle ist das Werkchen also nur mit äußerster Vorsicht brauchbar. Andererseits zeigt es den Mann, der offenbar den Ehrgeiz hatte, auch in der großen Politik irgendwie eine Rolle zu spielen, eitel genug sich einzubilden, mit seinem Opus dem französischen Hofe eine verwandtschaftliche Verbindung mit den Habsburgern (Prinzessin Margarethe!) nahelegen zu können, denn er hat es dem König Karl VIII. zugeeignet. — Auch von diesem Werke stellte B. selbst eine deutsche Fassung her. Üblfg.: Angebliches Autograph cod. Hannov., siehe AA. 8 (1843), S. 645; codd. Dresd. n. 137, Vatic, η. 3655 und Hamburg, n. 299, sowie cvp. n. 564, alle saec. XV., cvp. n. 9790, saec. XVII. (Abschrift aus cvp. n. 564); Abschrift von 1527 im Kloster Neustift bei Brixen, und eine von 1618 (Job. H. Enenkel) in Schlierbach, cod. n. 27. Die deutsche Version cvp. n. 13652, siehe Theodor Gottlieb, Die Ambraser Handschriften I (Leipzig 1900), S. 18. Druck: Lateinische Fassung nach dem cod. Novacell. (Neustift) im Anhange zu Marian Fidler, Geschichte der ganzen österreichischen weltlichen und klösterlichen Klerisey beyderley Geschlechtes II/4 (Wien 1782), S. 90 ff.; die deutsche ist ungedruckt. Die Widmung (nach den beiden Wiener Handschriften) steht bei Büchi (Archiv, siehe unten), S. 121 ff. Inc.: Lateinische Fassung Adresse: Serenissimo principi ac heroy domino Karolo Francorum &c., Prolog: Non dubito, christianissime regum, quam plurimos fuisse postea, Text: Austrie ager proximus Hungaris, Bohemis et Bavaris; deutsche Fassung Adresse: Dem durchleuchtigisten fursten und herren, herrn Sigmunden, Prolog: Nachdem und ich nächst verrücktes jars, Text : Osterrich das land ist aller nechst den Hungern. Lit.: Gallus Morel, Albert von Bonstetten, Dekan in Einsiedeln (Geschichtsfreund der fünf Orte 3, 1843, S. 1 ff.), Georg von Wyß, in: Allgemeine Deutsche Biographie 3 (Leipzig 1876), S. 133 ff., Albert Büchi, Albrecht von Bonstetten, ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus in der Schweiz (Frauenfeld 1889), und zusammenfassend: Albrecht von Bonstetten, Briefe und ausgewählte Schriften (Quellen zur Schweizer Geschichte 13, Basel 1893), Feller-Bonjour a. a. O., S. 104ff.

NB. Diese B r i e f e — es sind ihrer 88, und zwar an Bonstetten gerichtet — sind „in flüchtiger Abschrift von einer Hand des XV. Jahrhunderts" im cod. Sangall. n. 719 überliefert und stammen aus den Jahren 1465—1480; sie sind hauptsächlich für die Biographie des Adressaten von Belang. — Eine Schrift De conflictu in Sempach (drei seiner Vorfahren sind dort und damals ums Leben gekommen), die man ihm hat zuschreiben wollen, hat wohl niemals existiert. Zu Bonstettens Geroldslegende siehe Johann B. Rusch, Geschichte St. Gerolds des Frommen und seiner Propstei in Vorarlberg, AföG. 43 (1870), S. 287 ff. ; Inc. : Zu wissen und kundt sey gethan. Eine Schrift De bello, quod Sigismundus dux contra Venetos duxit, also über die Ereignisse des Jahres 1487, von einem B u c h a r d u s d e A y n w y 1 Alsatus — wohl aus dem Geschlechte der Andwil — liegt vor im clm. n. 388, saec. XV., f. 1 sqq. Sie ist allem Anscheine nach bisher weder gedruckt noch sonderlich verwertet worden; vgl. noch immer die Notiz NA. 9 (1884), S. 396. In derselben Handschrift von demselben ein großes Gedicht über

17. Aus den letzten Jahren Kaiser Friedrichs III.

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denselben Gegenstand — Argumentum totius historie sub allegoria Germanorum aquile und Venetorum leonis editum — auf f. 66—78 und 83—98. Inc. : Terríficos in te nuper porrecerat ungues. Die i t a l i e n i s c h e n Quellen zu diesem „Tiroler-" oder „Roveretokriege" verzeichnete Heinrich Kretschmayr, Geschichte von Venedig 2 (Gotha 1920), S. 636. Es gibt aber auch eine frühzeitig im Drucke veröffentlichte Abhandlung De bello inter Venetos et Sigismundum Austriae archiducem gesto libellus von Konrad Wenger, einem Domherren von Brixen (f 10. Juni 1501), dessen bemerkenswerte Lebensdaten Leo Santifaller, Das Brixner Domkapitel in seiner persönlichen Zusammensetzung im Mittelalter (SchlernSchriften 7, Innsbruck 1924), S. 510, zusammengefaßt hat. P. 1111 weist einen Baseler Druck von 1544 und einen Straßburger von 1717 aus; leichter zugänglich ist der T e x t bei Freher 2, 215 sqq., bzw. Freher-Struve 2, 449 sqq. Die Schlußdedikation gibt den 30. September 1488 an. Der Verfasser schrieb gutes Humanistenlatein, die Schrift ist im ganzen besser als etwa die Deklamationen Gundelfingens und Bonstettens. Inc.: Illustrissimo excelsoque principi Sigismundo archiduci Austriae. Zur Sache sei auf die alte Arbeit von Alois Primisser, Der Venezianische Krieg unter dem Erzherzog Siegmund (Der Sammler für Geschichte und Statistik von Tirol 2,1807, S. 97 ff.), und auf Gino Onestinghel, L a guerra tra Sigismondo conte del Tirolo e la repubblica di Venezia nel 1487 (Tridentum 8, 1905, p. 115 sgg.) hingewiesen.

17. A U S D E N L E T Z T E N J A H R E N K A I S E R F R I E D R I C H S

III.

Kaum fünfzigjährig ist König Matthias am 6. April 1490 in Wien einem Schlaganfall erlegen. Für die Wiedereroberung Niederösterreichs und der Stadt Wien durch den König Maximilian I. kommen die Briefe des Ritters Florian Waldauf (seit 1490 v. Waldenstein) an den Erzherzog Siegmund in Betracht. Manches über Waldauf enthält namentlich der unten S. 434 angeführte Aufsatz von Ruf, wo S. 113 auch eine — wenigstens noch 1877 vorhandene — Biographie des Ritters erwähnt wurde, die sich im Besitze des Casino in Hall i. T . befand; dieses ist von Waldauf selbst als „Stubengesellschaft" begründet worden und bestand noch im X X . Jahrhundert, siehe Roman Jud, Die Stubengesellschaft in Hall, Tirol (Innsbruck 1908). Waldauf war im Sinne seiner Zeit ein sehr frommer Mann, der auch eine große Reliquiensammlung anlegte (1501) ; siehe Josef Garber, Das Haller Heiltumbuch mit den Unica-Holzschnitten Hans Burgkmairs des Älteren (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des ah. Kaiserhauses 32, 1915), Regesten S. I ff. Zähe und hartnäckig ließ sich der alte Kaiser die Macht, die er bis dahin — oft genug nur noch theoretisch, aber dennoch grundsätzlich — festgehalten hatte, bis zum letzten Augenblicke nicht mindern oder gar entreißen. Mit Unbehagen mußte er wahrnehmen, daß etliche deutsche Fürsten sich mit seinem Sohne befreundeten, dessen Erwählung zum König er zwar keineswegs, wie gelegentlich auch vermutet worden ist, zu hintertreiben gesucht hatte, wohl aber nicht allzu freudig begrüßte, weil er nur zu gut wußte, wie sie gemeint war (1486). Auch darüber ist man nur durch K o r r e s p o n denz

unterrichtet.

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Deskriptiver Teil: III. Spätmittelalter

So sind die Berichte eines Dr. Ρ f o t e 1 über seine Audienzen dem Kaiser im Jahre 1492 als wichtige Beiträge zur Kenntnis seines Charakters von hohem Werte, zumal man auch, in wörtlichen Zitaten, seine Ausdrucksweise daraus vernehmen kann. Siehe Konstantin Höfler, Fränkische Studien IV, AföG. 7 is 1477) eigentlich eine Komposition Treitzsauerweins sind, die der Kaiser durch kritische Bemerkungen zu den panegyrischen Stellen „herabstimmte" (Büchner); nur der III. Teil ist von ihm selbst verfaßt, d . h . als Materialsammlung diktiert worden, die ordnend zu gestalten schon Treitzsauerwein nicht gelungen ist. Sehr beachtenswert sind die Illustrationen, weil Maximilian dabei großen Wert auf Kostümtreue legte (Schultz S. XVI). "Üblfg.: cvp. nn. 3032 (I. Gesamtredaktion), 2832 (Abschrift von c. 53 an mit Verbesserungen), 8145 (Anfang), 2834 (Originaldiktate und Reinschriften), 2892 (Konzept der Jugendgeschichte), 3034 („Fragbuch" mit Erläuterungen des Kaisers zu den Holzschnitten); für die Holzschnitte cod. Liechtenst. η. XXII pl. Β. Druck : Ganz von Alwin Schultz, Der Weißkunig (Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen usw. 6, 1888) S. 1 ff. ; Rudolf Buchner, Letzte Textfassung für den dritten Teil des Weißkunig (Handschrift E), in: Kaiser Maximilians I. Weißkunig, her. v. H. Th. Musper 1 (Stuttgart 1956/57), S. 393 ff. (cc. 53 sqq. = Schultz S. 118 ff., nach cvp. n. 2832). Inc. : Ain jeder, dem diz puech furkumbi. Lit.: Schultz a. a. O., S. I ff., Buchner a. a. O., S. 385 ff. Dieser III. Teil geht teilweise auf eine unvollendete A u t o b i o g r a p h i e des Kaisers in militaris Latinitas zurück, mit dem er es dem „ersten Kaiser" Iulius Caesar mindestens gleichtun wollte. Sie wurde stückweise in den Jahren 1497 bis 1502 diktiert und reicht bis 1499. Üblfg.: Originalnotate (um 1611 von Franz Guilliman ungefähr geordnet) Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Maximiiiana Faszikel 40, unvollständig; Abschrift nach allen, auch den seither verschollenen Texten, von Joseph Grünpeck (stark redigiert) cvp. n. 3302, davon Abschriften HHStA. „blau" n. 11 und cvp. n. 7921. Druck: Schultz a. a. O., S. 421 ff., Schmid (siehe „Lit.") S. 1 ff. Inc.: Habuit reχ Philippus prefatus filios, Red. Grünpecks: Quando Fridericus tercius Romanorum imperator. Lit.: Franziska Schmid, Eine neue Fassung der maximilianeischen Selbstbiographie (Wiener Dissertation Nr. 17567/1950). Unnötig würde es aber sein, dem Manne, der auch in Historiographie und Forschung an der Zeitenwende stand, hier einläßliche Betrachtung zu widmen, denn alles, was derzeit überhaupt das gesicherte Wissen u m ihn ausmacht, h a t Hans Ankwicz v. Kleehoven, Der Wiener Humanist Iohannes C u s p i n i a n , Gelehrter und Diplomat zur Zeit Kaiser Maximilians I. (Graz-Köln 1959), in eindrucksvoller Weise zusammengetragen und zu einem schönen Kulturbilde vereinigt.

Nachträge

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NACHTRÄGE Zu S. 1 : Quirin 2. Aufl. (Braunschweig 1961). - S. 5 : Droysen 4. Aufl. (Darmstadt 1960). — S. 14: Gilbert Trathnig, Die Domgrabung auf dem Residenzplatz in Salzburg 1956 (Mitt. Salzb. Ldskde. 97, 1957, S. 219 ff.). S. 24 f. : Ilse Schwidetzky, Der Mensch als Geschichtsquelle, in : Geschichtl. Landeskunde und Universalgeschichte (Hamburg 1950), S. 10 ff. — S. 26 oben: Aemilian Kloiber, Die Gräberfelder von Lauriacum (Forschungen in Lauriacum 4/5, Linz 1957). — S. 32 oben: Hohensalzburg s. österr. Kunsttopographie X I I I (Wien 1914), S. 73 ff.; Otto Piper, Burgenkunde (München 1912), Josef K . Homma, Burgenlands Burgen, Schlösser, Kastelle, Ruinen, Wehrtürme, Wehrkirchen, Ortsbefestigungen, Hausberge, Fluchtburgen (Wien 1961); Sedlmayr, Die got. Kathedrale usw. Neudruck in: Epochen und Werke 1 (Wien 1959), S. 182 ff. — S. 34: Beispiel die schapel aus Aragon der Hzgn. Isabel ( t 1330), s. Festschrift d. Kunsthist. Museums 2 (Wien 1945), S. 14; Olga Sronková, Die Mode der gotischen Frau (Prag 1955). — S. 44 unten: höchst eindrucksvoll das Epitaph des Berthold von Wehingen ( f 1410) in Klosterneuburg. — S. 45 (Z. 11): Georg Wacha, Die Fußamputation an K . Friedrich I I I . (Heilmittelwerke Wien Jahrbuch 1956). - S. 46 unten: Arnold Schober, Zum Rombild der Ludwigsbulle (Anzeiger 86,1949, S. 410 ff.). - S. 55 (Z. 20 v. u.): Wiederholt in: Corona regni (Weimar 1961), S. 1 ff. S. 62 : Rassow 2. Aufl. (durch den Text des Konstanzer Vortrages ergänzt, Darmstadt 1961). — S. 72: Über den Wert der Schreiberunterfertigungen Karl Uhlirz, Die Melker Schreiber Hermann und Otto, MIÖG. Erg. 8 (1915), S. 50. — S. 74: Zur dreisten Fälschung Georg Zappert, Über das Fragment eines Liber dativus, SB. Wien 13 (1854), S. 97 ff., s. Karl Uhlirz in: Gesch. d. Stadt Wien 2 (Wien 1900), S. 592 f. Anm. 1. - S. 90 f.: Zusammenfassende Neuausgabe der Nekrologien der Salzburger Kirchenprovinz MG., Necr. 2 (1904). — S. 92: Schematismus der Erzdiözese Salzburg 1444 — 1450 Wien, H H S t A , „ r o t " 277. - S. 95: die Äußerung im Weißkunig (Jahrbuch d. Kunsthist. Sammlungen 6, 1888), S. 66. — S. 96: Von der Wiener Matrikel erschien auch I I (1450 — 1518), aber noch ohne Register. — S. 97: Gerhard Winner, Das Diözesanarchiv St. Pölten (ebd. 1962). - S. 102: Zum Habsb. Urbar s. Richard Feller u. Edgar Bonjour, Geschichtsschreibung der Schweiz 1 (Basel 1962), S. 94 f. — S. 126 (Z. 5): früher schon bei Jos. v. Zahn, Zwei Klagelieder über die Grafen von Pütten (Beiträge 2,1865, S. 1 ff.). — S. 141 : Michele Pellegrino, Il Commemoratorium vitae sancti Severini (Rivista di storia della chiesa in Italia 12, 1958, p. 1 sgg.). - S. 143: Miller Neudruck (Stuttgart 1962). S. 169: Karl Uhlirz, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Otto I I . und Otto I I I . (Leipzig 1902), S. 96 ff. - S. 186 (letzte Z.): erg. f. 54. - S. 211: über Adalbero Alfred Wendehorst in Germania sacra N F . 1/1 (Berlin 1962), S. 100 ff. — S. 229 f. : s. jetzt Heinrich Fichtenau, Biographisches zu den Beziehungen zwischen Österreich und Frankreich im Mittelalter, MIÖG. 70 S. 1 ff. - S. 234: Zum Lokale der Leithaschlacht (1246) s. zuletzt Urkundenbuch des Burgenlandes 1 (Graz-Köln 1955), S. 246. - S. 256: Die Kremsmünsterer Urkunde ist zurzeit umstritten. — Eine Gründungsgeschichte von Wilten enthält dessen Stiftsurbar A (1287); Druck u. a. Urkundenbuch d. Lds. ob d. Enns 2 (Wien 1856), S. 446, und Stud. u. Mitteil. a. d. Bened.- u. Zisterzienserorden 24 (1903), S. 93 f., Inc. : Quicumque nosse desiderai, dazu Erich Trinks, Die Chronik des Zisterzienserstiftes Wilhering, MIÖG. Erg. 11 (1929), S. 193 ff. — S. 259 : Gründungsgeschichte von Mattsee, im Traditionsbuche c. 1, Inc. : Notum sit cunctis fidelibus, Druck F R A . II/49 (1896), S. 64. S. 264: Zu Klingenberg s. Feller-Bonjour a. a. 0 . 1 , 108. - S. 274: Joseph Seeber, Leben und Treiben der österreichischen Bauern im X I I I . Jahrhundert nach Neidhart, Helbling und Werner Gartenäre (Hist. Jahrbuch 3, 1882), 30

Lhotsky, Quellenkunde

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Nachträge

S. 418 f. - S. 278: (Lit.) Feller-Bonjour a.a.O., 1, 110 if. - S. 280: (Lit.) ebd. 50 ff. — S. 290 (Z. 10 v. u.) : Die Genealogie hatte vor Seemüller bereits Jakob Wichner mitgeteilt: Studien aus dem Benedictinerorden 2 (1881), S. 334 ff. — S. 308 : Hermann Menhardt, Heinrich der Teichner, ein Dichter aus Kärnten (Carinthia I 152, 1962, Beigabe S. 188 ff.). - S. 310: F. Loskot, Konrad Waldhauser, ïeholni kanovnich sv. Augustina pïedchùdce M. Jana Husa (Prag 1904), Paul B. Bernard, Heresy in fourteenth century Austria (Mediaevalia et Humanística 9, 1955), S. 63. - S. 329 f.: Feller-Bonjour a. a. 0 . 1 , 114 f. — S. 334: Metrische Statuten für Regularkanoniker aus einer Handschrift von Sta. Dorothea in Wien bei Raimund Duelli, Miscellaneorum etc. 1, 85 sqq.; Inc.: Frater ut ad claustrum. — S. 354 (Z. 9 v. u.): Vgl. aber Capestranos Brief aus Znaim vom 24. Sept. 1451, BP., Bibliotheca ascetica 8 (Regensburg 1725), p. 562 sqq., worin er sich gerne der Stadt Wien erinnerte („schöner als Florenz"), Inc.: Nolo vos admirari, clarissimi; dazu Hofer S. 321 f. - S. 372 (Z. 8): Laut Mitteilung von Otto Amon bilden die Verse des Gedichtes ein Akrostichon mit dem Verfassernamen FRATER IOHANNES. - S. 399 u. 401: Vienna nel '400 dalla Historia Friderici III. imperatoris nel testo latino e italiano a fronte, versione e prefazione di B. Ziliotto (Triest 1958). — S. 402: Unter dem Namen des Aeneas Silvius ging ein Liber de epitaphiis virorum illustrium, Inc.: Complura variaque a variis profecía; s. Ludwig Bertalot, Die älteste gedruckte lateinische Epitaphiensammlung, in: Collectanea variae doctrinae Leoni Olschki (München 1921), S. 1 ff., darunter auch eines auf Ladislaus Postumus S. 15 Nr. 27, Inc.: Huic teñeras, lector, lacrimas impende sepulchre. — S. 415: Erasmus Rockel, Epistola ad laudes Imperii Romani ad Fridericum III., cod. Chremsm. η. 225, saec. XV., f. 23 T ; Inc.: Quonam de singulari eius vite. — S. 418: Hubert Jedin, Studien über Domenico de' Domenichi (Akademie d. Wissensch, u. d. Literatur, Geistes- u. Sozialwiss. 1957, Nr. 5, S. 177 ff.). - S. 439: Eine ältere Wiener Schulrede (Institutio rectoris scolarum ad S. Michaelem) s. Odilo Holzer, Eine Wiener Schulrede aus dem Jahre 1423 (Stud. u. Mitt. a. d. Benedictinerorden 17, 1896), S. 290 f. Ferner (Z. 11 v. u.): Immerhin findet sich z. B. ein Hymnus ad emendationem vite humane etc. des Aeneas Silvius in dem derzeit nicht auffindbaren cod. Mellic. n. 716, saec. XV., f. 51—53, Inc.: Quid tibi tandem scelerate queris.

I. INCIPITREGISTER A burgis Burgundioni 423 A tres hault 453 Ab Adam usque ad Abraham computantur 228 — sunt 195 Ab Adam usque ad diluvium 300 Abba fit presul Thiemo 216 Accipe fortuna 235 Accipe summe puer 151 Ach durch got vernempt 356 Ach got hiet 309 Ach got nu laß 343 Ach grimmichleiches 309 Ach tot daz du 309 Ad bene incipiendum 332 Ad cognoscendum statum 252 Ad exhibendum debitas 380 Ad habendem preclaram 81 Ad presentem beatissimi 219 Ad sacramenta metrice 209 Ad sacratissimum et 451 Ad salutem iliustror 67 Ad terrorem omnium 231 Ad tua Phoebei 436 Ad viam salutis 246 ADCIP 67, 71 Adesto votis ecclesie 134 Adgrediar flores iuris 209 Adgrediar metricis 134, 208 Adhuc stat 67 Adiuvante deo supremo 71 Adi ist stäte 352 ADS IT 71 Advenit ignotus 436 Ae . . . siehe E . . . AEIOV 67, 71 Ain schöner edler 366 Ain sendlich clag 414 Albertum regem confúndeos 344 Albertus dux Austrie 353 Aliquantisper enarrarem 340 Alle menschen 463 Als der durchleuchtigist 413 Als erdreich ist 338, 349 Als ich dann o edelster 452 Als ich von Salczburg 463 Als man vor 406 Als uwere gnade 341 Altitonans celícola 232 Alz dy worhait 250 Ama deum clerum 67 Amicorum et necessariorum 357, 380 Amor electis 349 30*

An ainem samstag 366 ân end 67 An sand Johanstag 348 Anacletus tercio 285 Anceps eram 461 Anno ab incarnacione D. 30° 178 — 1088° 198 — 11350 255 — 1226° 252 — 1264» 184 Anno a nativitate eiusdem 1410° 331 — 14420 348 Anno Dominice incarnaclonls 1152° 273 — 13750 329 — 2510 285 — 508° 285 — 88O0 201 — 908° 199 — 920° 287 — 1025° 193 — 1130